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Full text of "Blätter für literarische Unterhaltung"

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Blätter für literarische Unterhaltung. 


Vahrgausg 1840. 


Zweiter Band. 





Tr 2 








Blätter 


für 


literarische Unterhaltung. 





Vahrgang 1840, 


Zweiter Band. 


Juli bö December, 


(Entbaltend: Nr. 183 — 366, Beilagen Nr. 3 und 4, literarifhe Anzeiger Nr. XV — XXXVIL) 





Leipzig: 
% A. Brodhausd. 





1840. 





Blätter, | 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Jahrgang 12 Zhlr. 
Ipigen —* ſich an die koͤnig 
preußiſche 


und Freitags, aber auch in Monatsheften ſtatt. 


1. Suli 1840. 





· M a ch r i ch t. 
Von dieſer Zeitſchrift erſcheint außer den Beilagen taͤglich eine Nummer und iſt der Preis fuͤr den 


Alle Buchhandlungen in und außer Deutfchland nehmen Beſtellung darauf an; ebenfo 
fächfifche Zeitungserpebition in Leipzig obe 
Grenzpoftamt in Halle wenden. Die Berfendung findet wöchentlich zweimal, Dienflags 


oder das koͤnigl. 





Bericht über eine Poeten-Eenturie aus dem Jahre 1839. 
Erftter Artikel. 

Laufen im nachfolgenden Berichte, der auf den Nas 
men einer Mecenfion keinen Anfpruch machen will, auch 
einige Sänger aus den Jahren 1838 und 1840 mit unter, 
fo zeigt doch diefe in frühern Fahren nie erreichte Zahl 
von der ungemeinen Fruchtbarkeit und Segensfuͤlle des 
J. 1839 in poetifcher Hinſicht. Als bie bunten und 
ſchweren Papiermaffen bei Referenten eintiefen, befiel ihn 
freilich ein Grauen, und er mußte ber Beſorgniß Raum 
geben, auf quellenlofe Sandfteppen zu floßen, oder viele 
taube AÄhren -abmähen und wurmflihige Früchte brechen 
zu müflen. Ihm fchwebten fchon vor Augen jene un- 
freien Lyriker deutfcher Zunge, bie da aufpaflen, tie 
Goethe, Uhlend und Heine räufpern und fpuden, bie 
Augen verdrehende Schar ber Hellandler und Lämmler 
untere den Frommen, die Weltfchmerzler unter den Poli: 
tikern und die poetifchen Clowns aus dem Troß; er 
börte im Geiſte ſchon bie befannten Lieblingephrafen: 
„Auf den Math eines oder einiger Freunde wagten mir 
nur” u. f. w., oder: „Das tft Freude, das ift Leben, 
wenn’3 von allen Zweigen fchallt” u. f. w.; indeſſen 
sing es, dem Himmel fei Dank, beſſer als wir dachten. 
Wir fließen auf manche fattgrüne Dafe mit Quellenge 
tiefel, weichen Moofe und Kocosfchatten; der tauben 
Ahren waren nach feüherm Verhättniß nicht allzu viele, 
und eine nicht geringe Anzahl gefunder, reifer Fruͤchte 
brachen wir vom Inrifchen Sahresbaume. Immer beutlis 
her wurde und, mas fehon Andere gefunden, daß das 
deutfche Vaterland Soͤhne zeugt, bie durch die Vielſeitig⸗ 
keit ihrer Bildung das eminente Talent und die Genias 
lität erſezen und in einem Wettkampf mit den Söhnen 
anderer europäifcher Länder unbezweifelt ben Sieg davon⸗ 
tragen würden, ſowie auch, daß kein Land der Erde fo 
reich an Inrifhen Schägen fein möchte als eben das 
deutſche; und doch betrachtet ja gegenmwärtiger Bericht nur 


die Dii minorum gentium, die Vielen, bie Im Strome 
der großen Aßtäglichkeit untergehen müffen; was würde 
e8 fein, wenn wir die Chorführer und Heroen ber Neuzeit 
betrachteten und nur das Gold mögen! Wenn wir je 
doch einen Wunſch hinfichtlich der poetifchen Zukunft aus⸗ 
fprechen dürften, fo wäre es der, daß Diefer oder Jener, 
der Derfe mat, die anmuthigen Geifterchen in ber Fla⸗ 
fhe feines Herzens (oder nur im Pulte) hermetiſch ver 
ſchloſſen hielte, bis etwa ein nonus annus fie langſam 
und zögernd befreite, fie nicht fogleih auf Zuredungen 
von Hans und Kunz durch Druckerſchwaͤrze und Pre: 
bengel: verkörperte und fie dann kuͤhn mit dem Buruf: 
„Da find fie, in das Publicum fchleuderte, wo ihnen fo 
oft ein fchlimmer Empfang zu Theil wirb durch biffige 
Recenfenten, bämifche Neider, vorurtbeilsvolle Leſer und 
habſuͤchtige Verleger. Im diefem Punkte prebigt jedoch die 
Kritik und Erfahrung tauben, verhärteten Ohren. Wo 
das hinauswill, weiß der Himmel! 


1. Dtto bee Große und bie Ungarn. Gin epifches Gedicht in 
24 Befängen von Fr. **. Seraußgegeben von Friedrich 
Bed. München, Franz. 1839. Gr.8. 2 Thir. 8 Gr. 

Es gehört von Seiten der gewöhnlichen Lefer unferer Tage 
eine gewiffe Ausdauer dazu, um ein epifches Werk wie vorlies 
gendes, aus 11,785 Hexametern, auf 432 Großoctavfeiten abs 


gebraucht, mit unverminderter Theilnahme und ohne gegen den 
| Schluß Hin in ein ungebuldiges Blättern zu gerathen, durchzule⸗ 


fen; von Seiten bes Verfafſers eines folgen Iangathmigen Ges ' 
dichte aber Irene und Pietär gegen die epifche Muſe, bie ihn 
als einen wahren vir tenax -propositi charakterifist, ben wir 
untere bem Poetengeſchlecht unferer Beit, in weldem ſich ein 
überwiegenber Hang zu leichter, behaͤbiger Lyrik offenbart, nicht 
unbeschtet laſſen follten, ja der als folder Phoͤnix unfere Theil: 
nahme vieffah in Anfpruh nimmt. Denn fo viel fleht feſt, 
daß es beimeitem leichter iſt, bie inbividuellsfubiestive Anſchau⸗ 
ung und Gefinnung in Iprifcher Weife auszufprechen, und nur 
dann etwa in bie Saiten zu greifen, wenn bie hebende Stunde 
naht, ober ein Impuls ven außen kommt, als aus feiner Pers 
ſonlichkeit gleichſam herauszutreten, die Subjectivität quasi zu 
verfeugmen unb einen hiſtoriſchen Gegenftand in Gemüth und 


38 . 


Phantafle als reines Object aufzufaflen, ober ein in antikem 
Sinne angelegtes und mit gleichmäßig lebendiger Sprache 
durdhgeführtes epiſches Werk binzuftellen. Der Berf. bes vor 
uns liegenden hat ſich nicht genannt, und wenn er es vers 
ſchmäht, feinen Namen gu nennen, um mit einem Anch’io 
son pittore nach dem lohnenden Eorber zu fireben, fo if bas 
nicht blos ein untrugliches Merkmal feiner Beſcheidenheit, 
fondern fogar ein Beweis, daß er durch diefes Gichfelbftvergefs 
fen zum Schaffen eines Epos vollkommen berufen fel; denn bei 
einem ſolchen Werke fol eine jegliche Subjectivität In ben Hin⸗ 
tergrund treten und die reine Objectivitaͤt vorberrfchen. Es 
zeugt ferner von Zunftfinniger Berechnung, baß ber Dichter 
eine Zeit ſchildert, in welcher Gefchichte und Sage noch jo ins 
einander fließen, daß fie kaum zu fondern find, und daß er 
mithin der dichtenden Phantafie ein freies, weites Feld er: 
öffnet, in welchem ex jedoch nie ins Blaue hineinjagt. Es ift 
nämlich die Zeit, wo Kaiſer Dtto der Große den rohen, unter 
dem ungarifihen Häuptling Takſon wild vorbringenden aflas 
tifchen Barbarenhorben in einem Kampfe entgegentritt, in wel: 
chem beutfche Kraft fi gar herrlich bewährt, eine Zeit alfo, 
die an jenen glorreichen, vor 26 Jahren geftrittenen Freiheits⸗ 
kampf erinnert, wo Deutfchland das brüdende Joch ber eorfis 
ſchen Zwingherrſchaft von ſich abſchüttelte, und bie mithin auch 
heute noch dag Rationalintereſſe in Anſpruch nimmt. 

Im erſten Gefange wird uns geſchildert, wie Takſon vor 
dem von ihm belagerten und hart bedrängten Augsburg Heer⸗ 
ſchau und Gericht über feine Horden hält. Im ungarifchen 
Heere befindet ſich auch Konrad, Derzog von Lothringen, Dtto’s 
des Großen Eidam, der, mit dem Ohm zerfallen, zu jenen Bar: 
baren übergegangen iſt und fich überdies durch Karald, Tak⸗ 
fon’s fchöne Tochter, gefeffelt fühlt. Als ein anziehendes Sit⸗ 
tengemälde jener Zeit wird uns ein fefllicher Abendſchmaus der 
Ungarn geſchildert (deffen Schilderung wir am Schluß biefer 
Anzeige auch mitzutheilen gedenken), bei welchem Konrad aufs 
gefobert wird, aus dem Schädel Euitprant’6, des erfchlagenen 
Grafen von der Oſtmark, zu trinten. Seine entfchiedene Wei: 
gerung veranlaßt eine wilde Aufregung der Ungarn gegen ihn, 
die Karald nur baburch gu flillen vermag, baß fie ben Konrad 
überredet, bem Wolle den Willen zu thun. — Im zweiten Ges 
fange lernen wir auch bie Wefen Eennen, die als unſichtbare, 
verhülte Schickſalsmaͤchte in keinem Epos fehlen dürfen. Cs 
find hier natürlich nicht jene Homeriſchen Gottheiten, bie im 
Dlymp bie Faͤden der Handlung abfpinnen, ober den KAnäuel 
entwirren, fondern auf ber Seite bee heidnifchen Ungarn find 
es Sog (Fürft) und Magog (Menge), die Oldamur, der ungas 
zifche Oberpriefter, durch Gaukelei und Opfer herabbeichwört; 
auf Seite der Deutfchen dagegen iſt Oziel, Germaniens himm⸗ 
liſcher Schupgeift, ber feinen Wann gegen bie finftern heibnis 
ſchen Rachtgeiſter muthig ſteht und bei einem Sturm auf 
Augsburg den Gog zurüdtreibt, ber in Oldamur's Geſtalt bie 
Ungarn zum Kampfe entflammt. — Dritter Geſang. Wolfs 
gang, Kaiſer Arnulfs treuer Wappner, ein Mjähriger Greis, 
kehrt aus Paläflina zurüd, wo er lange als Ginfiebler gelebt. 
Bor Dtto den Großen geführt, ſchildert er.biefem die von dem 
Ungarn angerichteten Werheerungen, welche er auf bem Kück⸗ 
mege felbft gefhaut. Da Dtto ihm fein häusliches Leiden und 
bie Zwietracht der Fürſten offenbamt, erbietet ſich Wolfgang, 
gum Frantenherzog Eberhard zu reifen, um ben noch Schwan⸗ 

nben durch Überrebung zu gewinnen. Dtto erfährt, daß 
Heinrich von Baiern, fein Bruder, ber ihm eben gu Hülfe 
ziehen wollte, plöglich erkrankt fel. Den trauernden König ers 
mutbigt ein fremder Sänger durch fein Lied auf munberbare 
Art. Entehrende Kriebensvorfchläge ber Abgefanbten Ungarus 
werben mit Unwillen verworfen. Burkharbd von Schwaben 
ftößt zum deutſchen Heere, welches ihn mit Jubel empfängt. — 
Vierter Geſang. Lubolf, König Dtto’s Sohn, mit dem Vater 
entzweit, lebt in thatenlofen Unmuth auf abgelegenem Felſenſchloß 
im Hocgebirg. Sin auf Kundſchaft gefandter Bote berichtet 
Ihm Augsburgs Bedrängniß und bes Könige Anzug zum Ent⸗ 


fage ber Stadt, Gr entfchließt fih, am Kam il zu nebs 
men, er gebietet bem Diener, bie Waffen an A 
Ida, des Schwabenherzogs Tochter, feine Gemahlin, bie Bes 
fürchtung ausfpridht, daB er vorhabe, auf bie Geite bes 
Beinbes zu treten, beruhigt er fie durch die Verſicherung, uners 

nnt im deutſchen Heere fireiten zu wollen, und fcheibet von 
ihr am frühen Morgen. Zu derfelben Zeit verfucht Wichmann, 
ber Billung, von Deutſchland abtrünnig, ben Frankenherzog 
Eberhard, Otto's erbitterten Gegner, für Ungarn zu gewins 
nen. Eberhard weiſet entſchieden die Worfchläge der mit Wich⸗ 
mann gekommenen ungariſchen Abgefandten zurüd; als aber 
biefe ihn mit Liftigee Rede die Ausficht auf Deutfhlande Kös 
nigsthron eröffnet, ſchwankt bes Herzogs fefler Sinn. — Fuͤnf⸗ 
ter Geſang. Wolfgang, nach Friglar zum Frankenherzog Eber⸗ 
hard wandernd, begegnet einem Züngling, in deſſen Begleitung 
er wunderbar ſchnell ans Biel der Reiſe gelangt. Er erkennt 
in ihm Dziel, Germaniens Schutzgeiſt, und bie Züge jenes 
Harfners. Schon zeigt fih Eberhard beim Feſtmahl geneigt, 
die ihm von Wichmann angebotene Königskrone anzunehmen, 
ale Wolfgang unvermuthet eintritt und ihn bewegt, dem Reiches 
beere ſich anzufchließen. Die Ungarn umfchwärmen bas deuts 
fe Lager. Alu, Bugat’s Sohn, fobert ben tapferften Ritter 
sum Zweikampf heraus. Das Loos fällt auf Lubolf, Dtto’s 
Sohn, der unerfannt im Heere weilt. Sie kämpfen auf offe: 
nem Be aber als Lubolf den Gegner zu befiegen im Begriff 
flieht, bt Magog durch Sturm und Blitz das Roß bes Uns 
gars zur fheuen Flucht. Eudotf findet im dunkeln Nebel mit 
Mühe den Weg ins Lager zurüd, wo er als Sieger begrüßt 
wird, — Sechster Geſang, eine freundliche Epiſode. Walther, 
ein begüterter Landmann und Richter in einem kleinen Orte 
bes füdlichen Ziroleralplandes, hat Deinrid ben in der Vers 
bannung irrenden Sohn des Baierherzogs Berchtold gaſtlich 
aufgenommen. Heinrich empfindet Liebe für Gutta, Walther’s 
Tochter, und entdedt ihr das unglädtiche Schidfal feines Hau: 
fes. Auf Walther’ Antrieb wird bas Banner des Centes, deſſen 
junge Mannfchaft zu Otto's Heer floßen will, Heinrich über: 
geben. Durchs Gebirge ziehend, befreien fie Gutta, die dem 
Geliebten heimlich nachgeeilt war, aus Räuberhand. Gin 
fremder Greis begehrt mit Heinrich zu fprechen und gibt fich 
tm als ben Erzbiſchof Salzburgs, feinen Großohm, zu erken⸗ 
nen, ber, von Otto wegen Empörung geächtet, töbtliche Rache 
gegen ihn finnt. — Giebenter Befang. Stoinow, ber Wen⸗ 
benfürfi, fendet an Takſon Tribut unb Geſchenke, mworunter 
ſich aud 800 Zungfrauen befinden, von denen Karald fi 
zwölf zum Dienfte wählte. Cine derfelben, die ſich für eine 
arme deutſche Waiſe ausgibt, wird von Konrad als König 
Dtto’6 Tochter, Mathilde, erkannt, die ihrer Ahnfrau Wrathilbe 
im Kloſter zu Quedlinburg einen Beſuch abgeftattet hatte und 
auf der Rückreiſe von ben räuberifhen Wenden gefangen wor: 
ben war. Karald hört, daß Konrad mit der ſchoͤnen Deutfchen 
heimlich gefprochen Habe, und will, von Eiferfucht entbrannt, 
biefelde verflümmeln Laffen, was Konrad durch Entbüllung -ihrer 
Herkunft hindert. An dieſer Ausfage noch zweifelnd, ſendet 
Karalbd Wichmann zu ber Gefangenen, um bie Wahrheit zu 
erforfchen. Diefer erkennt fie gleichfalls, verheißt ihr jedoch 
Rettung, wenn fie feine Liebe zu ihr erwidere. Mathilde wels 
fet ihn mit Verachtung von fi. Dldamur, ihre Gefangens 
nebmung erfahrend, begehrt von Takſon, daß fie den Göttern 
geopfert werde; doch dieſer wartet noch Dtto’6 Antwort auf 
feine Borfchläge ab. — Achter Geſang. Bulzo, Takſon's ges 
heimer Bote, verheißt Otto Mathildens Freilaſſung, wenn er 
das Reich von Ungarn zu Lehen nehme und Tribut entrichte. 
Da Dtto in biefen Vorſchlag nicht eingeht, entfernt fich ber 
Bote unmuthig. Erwig, ein junger Ritter, dee Mathilden 
hoffnungslos liebt, und Ludolf, fein Freund, ziehen fort, um 
bie Gefangene durch Kühnheit und Liſt zu befreien. Bulzo 
trifft fie auf dem Wege nach dem Lager, erfährt ihre Abficht, ges 
winnt thr Zutrauen und verſpricht ihnen durch fcheinbaren Berrath 
feine Hülfe. Er führt fie andy wirklich Nachts bis in bie ins 


nere Umzaͤunung ber Gezelte Takſon's; dort aber werben ſie 
ploͤglich umzingelt und überfallen. Erwie wird gefangen ge 
nommen, 2ubolf entkommt in ber Dunkelheit und r⸗ 
zung. — Reunter Geſang. Dtto zieht am Morgen mit bes 
waͤhrter Mannfchaft aus, um feine Tochter zu retten; body 
Gog erregt ein itter und führt die Krieger in ber Irre 
umher, fobaß fie Abends wieder in ber Nähe bes beutichen La: 
gers fich befinden. Unterdeſſen werden Mathilde und Erwig 
von den Prieftern zum Opferftein geführt. Sie geftehen ſich 
wechfelfeitig ihre Liebe, wodurch Wichmann, der ihr Gefpräd bes 
laufchte, zu neuer Wuth entflammt wirb und durch Geiza 
bewirkt, daß Erwig früher als Mathilde den Opfertod leidet. 
Als dieſe ihm bereits nachfolgen foll, wird durch Geiza's Ver⸗ 
anftaltung, ber Mathilden fein Herz zugewendet, bie Opfers 
ſtaͤtte burch frevelnde Hand verunreinigt, fobaß die Wollendung 
der That bis zum andern Zage verfchoben werden muß. — 
Zehnter Geſang. Mathilden erfcheint Nachts in ber engen 
Hütte, wo fie gebunden liegt, Maria mit dem Jeſuskinde, 
vor befien fegnender Hand ihre Feffeln wie durch ein Wunber 
fih Löfen. Gin Licht zieht vor ihr Her, führt fie aus dem 
beidnifchen Lager und verfchwindet im Walde. Dort ftößt fie 


“auf Walther's Kriegerfchar, die von Herolf verrätherifh dem 


Ungarlager nahe geführt wurde. Mathilde warnt fie und zieht 
mit ihnen. Am frühen Morgen begegnet ihnen Dtto, ber, von 
Sorge gequält, das Freie gefucht hatte. Herolf, ber fich vers 
geblich bemüht, Heinrih für feine Racheplane zu gewinnen, 
macht gegen den König einen meuchlerifchen Mordverſuch und 
entflieht, da Gutta, die den Alten beobachtet hatte, feinen 
Anfall abwehrte. Als Walther Heinrich mittheilt, daß Dtto, 
der ihm feines Daufes Schuld vergeben hatte, ihn zu hober 
Ehre bringen wolle und ihm Matbildens Hand zu ſchenken 
gedente, erklaͤrt Heinrich aufs beftimmtefte, daß nichts feine 
Neigung für Gutta erfchättern koͤnne. — Eifter Gefang. Abel: 
heid, des Kaifers zweite Gemahlin und Euitgarb, Otto's Toch⸗ 
ter aus erfler Ehe, von Herzog Konrad bem £othringer, ihrem 
Gatten, treulos verlaffen, leben in zurüdgezogener Stille und 
banger Sorge auf der hohen Merſeburg. Die Söhne ber beis 
den Brauen, Dtto und Burkhard, verlangen von Adelheid 
Schlichtung eines kindiſchen Zwiſtes. Sie ermahnt fie zur Ein: 
teacht und erzählt ihnen, um fie aus Ruhe zu bringen, aus 
ihrer eigenen Zebensgefhidhte, bie Verfolgung und Gefangen« 
haft, weldye fie früberhin in Italien durch Berengar von 
Jorea zu erbulben hatte, bis Dito ihr Befreier und Gemahl 
wurde. Auch von den Thaten des Lestern in Deutfchland bes 
richtet fie den Knaben noch Manches, als unvermuthet ein Bote 
von Dtto kommt, durch welchen Luitgarb fchnell nach dem Las 


ger zu reifen Befehl erhält. In trüber Ahnung eines drohenden 


Misgeſchicks unternimmt diefe, von Burkhard begleitet, die Fahrt. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Der fpanifhe Dichter Don Joſeè Zorilla. 

Wenn ein Bolk nad) langer Erflarrung wie in Spanien, 
ober nach graufam brüdenden, die Rechte der zahlreichern Claſſe 
vernichtenden Buftänden, wie gegenwärtig in Gngland, ober 
nach einer allgemein unerträglich empfundenen Regierung, wie 
in Frankreich im vorigen Jahrhundert, ſich durch gewaltfame 
Krifen zu einem neuen Dafein binburchgearbeitet, dann pflegen 
auch, ungeachtet langer vorangegangener Improductivitaͤt, auf 
dem Felde der Literatur, namentlich der Poeſie, Grfcheinungen 
aufzutreten, welche, mit ber hoͤchſten ſchoͤpferiſchen Kraft und 
dem glühendften bichterifhen Schwunge ausgeftattet, die Wie⸗ 
bergeburt ihrer Ration verkünden. ine folche ift der ſpaniſche 
Dichter D. Joſé Borilla. Die Gedichte, weldye zuerft 1837 
von ihm erfchienen, zeigten eine Originalität, eine Blut ber 
Einbildungstraft und einen Reichthum an Gedanken und Phans 
tafie, welche an fpanifcher Lyrik um fo mehr überrafchten, als 
diefe fi bisher auf blos nuͤchterne Correctheit befchräntt oder 
bei der Nachahmung alter und neuer Muſter aufgehalten hatte, 


und früh bie allgemeine Aufmerkſamkelt einer mit 
die Poeſie begabten Nation auf ihn lenken mußten. Binn fir 
Noch jung, verleugnet biefer Dichter das Beitalter nicht, 
bem er angehört. Der innere Unfriede, den bie Zerwuͤrfniſſe 
ber. Zeit am tiefſten in die fühlenbften Herzen eingepflanzt haben, 
bat audy ihm manche lange, heftige und ſchmerzhafte Kämpfe 
verurſacht. Er ſcheint aber von biefen noch keineswegs zu einis 
ger Ruhe, fcheint von beängfligenden Zweifeln noch nicht gu 
einer tröftenden ober verföhnenden Gewißheit gelangt zu fein, 
fondern nachdem fich fein Herz über das Wöfe und die Leiden 
ber Melt wunb gerungen, fein Kopf fich an ber Loͤſung ber 
Wibderfprüche biefer Welt erſchoͤpft hat einer kalten Spe⸗ 
eulation hingegeben zu haben, in welcher alles Dafein als ein 
Biebertraum erſcheint, ber nur das Lachen ber Berzweiflung 
verdient. So erhebt er in ber meiſterhaften Ode „An Vene⸗ 
dig“, nachdem er erſt auf glänzende Weife die frühere Größe 
der Stadt gefchildert hat, plöglich ein backhantifches Freuden⸗ 
gefchrei über ihrem Grabe, um darin feinen Kummer um ihr 
Geſchick zu erfliden. In den „Verſen an einen Schäbel“ 
tet er mit peinlidher Sophiſtik über den Myſterien des Lebens 
und Zodes, in dem Gedichte „La ultima luz’‘ ftellt er das ganze 
Leben als eine wahnfinnige Vifion bar und in feiner „Unterhals 
tung mit dem &tanbbilde des Gervantes”’ verfpottet er bas 
ganze Jahrhundert, in welchem derſelbe geboren mwurbe, mit ben 
bitterften und ſchwermüthigſten Ausbrüden. Deſſenungeachtet 
herrſcht Leine Donotonie in biefen Gedichten; nicht bloß ſchwarze 
Gedanken und Gefühle find ihrem Verfafſer vertraut, ſondern 
mit gleicher Kraft weiß er bie verfchiedenften Saiten des menſch⸗ 
lichen Herzens anzuſchlagen. In die dunkeln Schatten ſeines 
Kummers dringen die Strahlen der Zukunft hinein, und mit 
enthuſiaſtiſchen Freudentoͤnen begrüßt ex den Anbruch einer neuen 
Epoche, in welcher die Anarchie und bie Selbſtſucht ber gegens 
wärtigen nicht mehr gefunden werben wird, oder ſchüdert mit 
den lebenbigften Barben bie Liebenswürbigkeit der Natur, als 
ben Spiegel einer göttlichern Welt. In feiner glädtichften und 
angemefienften Sphäre treffen wir den Dichter an, wo er in 
feinem Rationaldgarakter auftritt, z. B. wenn ex In feinen Lie⸗ 
beögefängen die Poefie der alten fpanifchen Zroubabours zu 
neuem eben erwedt, ober wenn er bie heroifchen Zeiten be# 
Mittelalters, bie Epoche des Ritterthums und bes Katholicis: 
mus mit dem magiſchen Pinfel feiner Poefle ins Dafeln zau⸗ 
bert. So iſt die Schilderung bewunberungswärdig fowol wegen 
ihrer Anſchaulichkeit wie wegen des poetiſchen Glanzes, in wels 
em er uns Toledo in feiner Größe und Herrlichkeit zeigt und 
ein buntes, ritterlich glängendes und durch ben erhabenften 
äußern Gultus verherrlichtes Leben fich vor unfern Blicken ents 
falten läßt. Nicht weniger gelungen iſt in dem Gebichte ‚Der 
legte König von Granada” die Darftellung der Iehten Kmpfe 
ber ſpaniſchen Mauren, des Glanzes und der Pracht am Hofe 
zu Granada, ber heroiſchen und romantifchen Waffenthaten feis 
ner Ritter und des tiefen Kummers bes unglücklichen Boabbil, 
wenn er bie Heimat feiner Väter, bie eble und herrliche Gras 
naba verlaffen muß. In einem Kreife von Balladen führt er 
uns auch in bie dunklern Sagen bes ſpaniſchen Mittelalters ein, 
welche nicht verfehlen bie Seele des Hörenden mit einem ges 
heimnißvollen Schauer von Grauen und Ehrfurcht zu durch⸗ 
dringen. Ungeachtet der Vorliebe, mit welcher ber in 
dieſer Zeit lebt, ungeachtet des hohen Talents, mit weichem 
er ſie uns zu ſchildern vermag, iſt er doch von dem krankhaf⸗ 
ten, in ber Literatur mehrer europaͤiſcher Länder lange vorherr⸗ 
fbenb geweienen Beſtreben frei, die abgeftorbene Givilifation 
jener Zelt der Gegenwart aufbrängen zu wollen. Gr bat die 
Mängel und die Barbarei der Vergangenheit recht wohl erkannt, 
und ſtellt, was wirklich groß und erhaben in ihr iſt, ber Gelbfts 
fuht und Kleinlichkeit der Gegenwart gegenüber, wohl wiffenb, 
dag die Menſchheit nicht qurüdfireiten fonn, und darum felbft 
im Lobe der Tugenden längft vergangener Zeiten auf eine Zus 
kunft hindeutend, in welcher er bie Worzüge ber alten Zeiten 
mit bem größern Gegen allgemeiner Givitifation und brübers 


icher We Hebe verbunden gu Tchen hofft. Die Bormen 
—* a ebenfo mannichfaeh wie ide Inhalt, und in 
jeder, vom einfachften Liebe bis zur erhabenfien Ode iſt ber 
Dichter gleich glüdlidh, In ben ergählenden Poefien iſt es ihm 
tvefflich gelungen, den epiichen Siyl der alten Romanten mit 
dem Ineifchen Elemente zu verbinden. In feinen dramatiſchen 
Berfuchen ift Zorilla bis jet weniger glädlih geweien. In 
ven beiden Gtäden: „Mas vale llegar 4 tiempo que rondar 
um afio“ unb „Ganar perdiendo‘ ift die Nachahmung der alten 
fpanifchen Schule gu fichtlich. Doch ward in ber neueften Zeit 
ein neues Stüd von ihm: „Coda cual con su razon‘, auf den 
fpanifchen Theatern mit vielem Beifall aufgefüßet. 19, 


—— — — — — — — — —h— 
Satiriſche Briefe Aber Altes und Neues. Herausgegeben 
von Karl Theodor Griefinger. Stuttgart, 
Sonnewald. 1840. 8. 8. 1 hie. 12 Gr. 
Grieſinger befigt ein leichtes, flüchtiges Talent, Gegen: 
fände, VBerhältniffe und Individuen der Gegenwart theils in 
ihrer Wirklichkeit p portraitiren, theils ihre Schattenpartien 
und laͤcherlichen Seiten auf eine ſatiriſche Weiſe hervorgußeben; 
er geht dabet mit wenig Bitterkeit, aber auch mit wenig Ziefe, 
mit wenig Wie, aber mit viel Behagen zu Werte. Griefinger 
ſchreibt nur lachende Satiren und mag daher die Lacher auf 
feiner Seite haben; ba es aber gegenwärtig mehr altkluge, vers 
drießliche, ber echten Lebensluft abgeftorbene Leute gibt als 
folche, die noch aus tiefer Bruft zu leben und zu lachen wäßten, 
fo dürfte ed gerathen fein, bie Schwächen unferer Zeit mit 
mehr Errſt anzugreifen und ihnen tiefer auf den Grund zu 
geben; nicht barum, weil unfere Zeit fo erftaunlich ernſt und 
tief wäre, fondern weil fe fi anftelt ernſt und tief zu fein. 
Der Griesgrämige will Fein Luftiges Beficht Leiden und unfere 
Zeit iſt griesgraͤmig, ber Satiriker, der fie auf ihre Untugen⸗ 
den, Schwächen und Lächerlichkeiten aufmerkfam machen will, 
muß daher thun, als wäre ex ebenfo ernfl und tieffinnig, als 
fie ſelbſt thut. Gerade das Griesgrämige, Bittere und Säuer: 
iche, was ſich in Boͤrne's Schriften abprägte, verſchaffte ihnen 
ihre fo ausgebreitete Wirkung. Griefinger nimmt Allee zu 
leicht und übergeht die Grundurfachen der Krankheit, woran 
unfere Zeit leidet, das Überfättigte, was zugleich eine Neigung 
nad) pilanten und ſtark gewuͤrzten **— nicht ausſchließt, 
bie unterleibsbeſchwerden, die zur Hypochondrie führen, und 
die Nervengereistheit, bie auf der andern Geite zugleich Ab⸗ 
annung und Srmüdung zur Folge hat. Griefinger’s Gatiren 
— wie flache Hiebe, ſie treffen wol, aber ſie verwunden eben⸗ 
[e wenig wie biefe; feine Satire ift im Ganzen wohlfelt und 
he Ton erinnert ſlark, übrigens nicht ganz zu ihrem Rachtbeil, 
an ben alten Rabener; will man einmal mit Gewalt fati fche 
Briefe fchreiben, fo iſt ber trockene Styl Rabener’s ganz brauch⸗ 
bar, wenn er auch jebenfals zur Monotonie und Ermüdung 
fer Die Haltung der verfchiedenen Briefe iſt zu wenig in- 
ividuell; ob ein GSchriftfteller, ein Buchhändler, eine Sänge: 
ein, ein Minifter, ein Pfarrer oder Bauer fchreibt, iſt für 
Zon, Styl und Haltung biefer Briefe ganz gleichgültig, fie 
tragen Feine verfchiebene Faͤrbung je nad ber Verſchieden⸗ 
heit von Rang, Stand, Alter und Bildung, und eben dieſe 
Einfoͤrmigkeit ceint Referenten der auffallendſte Mangel an 
dieſen Briefen zu ſein. Sonſt, wie geſagt, laſſen ſie ſich ganz 
wohl leſen und zwingen oft genug dem Leſer ein behagliches 
Lächeln ab. Recht brollig und witzig iſt z. B. ber Brief einer 
Dame an ihre Schwefter, worin fie den Tod ihres Lieblinge: 
und Schooshündchens anzeigt, und ber Brief einer Taͤnzerin 
an ihre Mutter, nebft ber mütterlichen Antwort. Viele Briefe 
baben einen localſchwäbiſchen Hintergrund, wenn aud nicht 
eben in ſehr ausgeprägter Weife; überhaupt iſt eine gewifie 
ſchwaͤbiſche Gutmuͤthigkeit und Gefchwägigkeit in biefen Satiren 
nicht zu verkennen. Der Verf. fagt in der Vorrede, daß ihm 
ein altes Büchlein mit dem Titel „Würtembergifche Briefe‘ in 


- bie Hände gefallen fei, welches ihm zu vielen Briefen die ans | 


enbe Ider gegeben hätte, einige wis Nr. 8, 80, 45 ıc. 
et gang ehgefiheieben. Als — Nachbrud oder ein Basler: 
fährt ex fort, bürfe man dies Bactum nicht betrachten, denn es 
eriftieten überhaupt ſchon fo viele Bücher, baß bie Idee zu einem 
neuen meiftens aus einem alten geſtohlen fei ıc. 16. . 





Literarifhe Anzeige. 
Bericht über die Berlagsunternehmungen für 1840 
von 5. 4. Brodhaus in Leipzig. 


Ir. 8 ®r., der dritte Band (Mollusten, 


. 8. . 
erfte Band (Säugthiere und et, 181) koftet 4 Ihlr., ber zweite 
iden 


b 
n e ’ und 
Gingeweidemürmer, bie Atalep nk Del ven Snriftfeher 
+14. Darftelluimg ber Landwirthſchaft Großbritanniens in ihrem 
gegenwärtigen Zuſtande. Nach dem Engliſchen bearbeitet von 
Aug. Gottf. Schweiger. In zwei Bänden. Zweiten 
Zandes * und zweite Abtheilung. Mit Holzſchnitten. 
r. 8. Geh. 
EN pr voherer 
38 Heljfänitten 1 &hle. 18 ©, erſte Adthellung bei zmeiten MAN 
*15, Allgemeine Encyklopaͤdie der Wiffenfchaften und Künfte, in 
alphabetifcher Folge von genannten Schriftftellern bearbeitet, 
und herausgegeben von Joh. Sam. Erich und Joh. Gottf. 
Gruber Mit Kupfen und Karten. Gr. 4. Cart. 
eder Theil im Pränumerationspreife auf gutem Drudpapier 3 Ahle. 
2 Gr, auf feinem Velinpapter 5 Xhlr., auf ertrafeinem Ve⸗ 
linpapier im größten Quartformat mit breitern Stegen (Prahterem: 


plare . 
tie Section, A—G, herauögegeben von J. &. Gruber. 
Breunbtreipigfter Theil und folgende. 
Zweite Section, H—N, 
nonn. Siebzehnter heil und folgende, 
Dritte 


2, M er. 
ans. Breigehuter Shell und Klgene 


eilen 

fehlt, und Denjentigen, die ald Abonnentenan eb nanıe 

ert neu eintreten wollen, werden bie billigfien Bedin⸗ 
sungen geftellt. 

*16. Ausführliche Encyklopädie der gesammten Staatsarznei- 
kunde. Im Vereine mit mehreren Doctoren der Rechts- 
gelahrtheit, der Philosophie, der Medicin und Chirurgie, 
mit praktischen Civil-, Militair- und Gerichtsärzten und 
Chemikern bearbeitet und herausgegebedi von Geory 
Friedr. Most. Für Gesetzgeber, Rechtsgelehrte, Po- 
liceibeamte, Militairärzte, gerichtliche Arzte, Wundärzte, 
Apotheker und Veterinärärzte. Dreizehntes Jeft und 
folgende. Gr. 8. Subscriptionspreis jedes Hites von 
12 Bogen 20 Gr. neßt d beglnnt er @ 

d t i e 2 
ment hu Dem echen und grelten Bande, pas 3-8 Defte fällen wit, 
Von dem Herausgeber erfhten bereits in meinem Brlage: 
Encrklopädie der gesammten medicinischen und chirurgischerPraxis 
mit Einschluss der Geburtshälfe, der Augenheilkunde und de Ope- 
rativchirurgie. im Verein mit mehreren praktischen Arzın und 
Wundärzten herausgegeben. Zweite stark vermehrte ud ver- 
besserte Auflage. Zwei Bände. Gr.8. 185 —37. 10 Tbhir. 
— Supplement zur ersten Aufisge, enthaltend & Ver- 
Denserung 8 und Zusätze der zweiten Auflage. Gr. 8 1837. 
KBerfudy einer dritiſchen Bearbeitung der te des & | 
en "Sobemien von den Hltehen bis a An EU TEN und 


c. 8, 20, L. 
Über Liede und Ehe tn jittlier, naturgeſchichtlicher und blätetifäper inſicht 
ei ii itte, oögi — u reife, * ung 
: vermiebrte und v 
a. et nd voeſferte 


(Die Fortſetzung folgt.) 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig. 


‘ 


— 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


EEE Ir. 184, ö— 


2. Juli 1840. 





Bericht uͤber eine Poeten⸗Centurie aus dem Jahre 1839. 
Erffer Artikel. 
( Kortfegung aud Nr. 183.) 


Zwoͤlfter Gefang. Die Ungarn, von Magog aufgereizt, vers 
langen ungeflüm eine Schlacht. Oldamur befragt die Götter 
und verkündet, daß nur von einem Kampfe zur Nachtzeit Sieg 
zu erwarten fei. Gog erſcheint vor Takſon in Kopuld’s Ges 
ſtalt, eines längft gefangenen oder tobtgeglaubten Ungare, und 
erzählt, er babe als vorgeblicher Bote der Bürger Augsburg 
mit Otto trügerifch verabredet, wie fie, bei einem mitternächts 
lichen Ausfall mit dem deutfchen Heere am Lech zufammentref- 
fen und von diefem Vorräthe jeder Art zugeführt erhalten 
fönnten. Dtto, durch og getäufcht, unternimmt ben naͤcht⸗ 
lihen Zug mit einem heile des Heeres. Unterdeſſen werben 
bie Zurücgebliebenen durch einen Angriff ber Ungarn aus dem 
Lager gelodt und es entfpinnt fich in ber Dunkelheit ein für 
die Deutfchen ungänftiger Kampf. Otto, am jenfeitigen Ufer 
des Zlufies angelangt und von den Ungarn überfallen, gebies 
tet Ruͤckzug, fobald er ben Verrath gewahrt. Gog leitet ihn 
durch gefpenftifche Trugbilder vom Deere ab, fodaß er allein 
umberirrend bis in die Nähe bes heibnifchen Lagers geräth. — 
Dreizehnter Gefang. Fortdauer der Rachtſchlacht. Durch bie 
Dunkeiheit und eine Kriegslift der Ungarn getäufcht, werben 
die Deutfchen unter ſich felbft handgemein und ‘ziehen fi nad 
großem Verluſt in das Lager zurüd, Dtto, den Rückweg bas 
hin fuchend, irst einfam in einem Walde umher, wo er endlich, 
ermüdet an einer Quelle ruhend, in Schlaf verfinkt. Dziel ers 
mauntert ihn durch ein Zraumbild, ben Boͤhmenherzog Boles: 
lan, deſſen Zaufpathe der König war, ber ſich aber neuer: 
dings dem heidnifchen Glauben zugewandt und feinen eigenen 
Bruder Wenceslav ermordet hatte, zum Chriftenglauben zu⸗ 
rüczuführen. — Vierzehnter Geſang. Otto wehrt den Morbs 
anfal eines böhmifchen Kriegers Slovoch von Herzog Boleslav 
ab, den auf der Jagd der Zufall zu dem Ruheplatz des Königs 
geführt Hatte. Da Boleslav den Meuchelmörber fogleich toͤdten 
wit, hält Otto ihn ab und fodert den Herzog ſelbſt zum 
Kampfe heraus, weil er in der Kirche fein Wort gebrochen. 
Gr befiegt ihn, gibt fi zu erkennen und gewinnt ihn durch 
feine @üte vollends dem chriftlichen Blauben und bem Hteiche 
wieder. . Sie ziehen nun gemeinfam bem beutfchen Heere zu, 
wo Dtto vor dem Lager zuerſt auf Walther fößt, der ihm die 
Zwietracht fchildert, die innerhalb deſſelben feit der unglüdlichen 
Rachtichlacht Herrichte und durch die Ankunft ungarifcher Abs 
gefandter zum hoͤchſten Grabe firh fleigerte. Sie beeilen fich 
Matbilden zu begegnen , die mit Heinrich dem Agilolfinger und 
bem Abt von Korvei ausgezogen war, vom Bater Runde zu 
erhalten. — Funfzehnter Befang. Dtto begegnet Mathilden und 
bald darauf Graf Humfried von Lothringen, ber ihm ben Zwiſt 
bes deutfchen Lagers fehildert. Da Humfried von Dito ein geift- 
liches Stift als Lehn für feinen Sohn verlangt, verweift ihm der 
König fein unbilliges Begehren und verzeigt erſt dem zeumüthig 
Flehenden. Im Lagsı hat Wichmann durch Schmähungen ges 


gen Sachſen einen allgemeinen Zumult erregt, in welchem Grich 
der Schwabe getötet wird. Otto's Nahen befänftigt bie 
Wüthenden, Wichmann, den die Menge als Berräther ber 
Rache preisgeben will, wird von Otto gerettet. Geiza, als 
Gefandter Ungarns, bietet Kriede, wenn Dtto Mathilde ihm 
vermäßle, wozu fi biefer geneigt erweifet, wenn Takſon und 
Geiza zum Chriſtenthum ſich bekehren würden. Diefe Foderung 
wird abgewielen, doch Waffenruhe bis zum dritten Zage feft: 
gefeet, um die Todten zu begraben. Geiza wird von Dtto 
bewirthet und kehrt, von Liebe zu Mathilden gefeffelt, erft in 
fpäter NRadıt zurüd, — Gechözehuter Geſang. Beftattung ber 
gefallenen Deutſchen. Dtto verkündet Luitgarben, daß Kuno, 
ein durch fittenlofen Lebenswandel berüchtigter Ritter, fie des 
Ehebruchs beſchuldigt und ſeine Ausſog: am folgenden Tage im 
öffentlichen 3weikampf erhaͤrten zu dürfen begehrt babe, was 
ihm geftattet worden ſei. Luitgard und Mathilde bringen bie 
Naht im Gebete zu. Nachdem am folgenden Morgen Luit⸗ 
gard im Angeficht der Menge vor dem Altare ihre Unfchuld 
laut betheuert und das Abendmahl von Bruno empfangen 
bat, gebt der Zug nach dem Kampfplage, wo bas Loos Or⸗ 
tulf den Weftfalen zum Gtreiter ber Herzogin beftimmt. Kuno 
wird von ihm beftegt und gefteht, daß Karald und Wichmann 
ihn duch Gold und Überredung bewogen hatten, die Kürftin 
zu verleumden. — Siebzehnter Geſang. Konrad begleitet Ka⸗ 
rald auf ber Jagd und wird, ba fein edles Roß dem über: 
ſchnellen Ritt erliegt, von Fridmar, dem treuen Knappen, uns 
muthig an bie fchönere Vergangenheit gemahnt; Karald äußert 
im Gefpräd Verdacht gegen Luitgard’s Treue und überredet 
Konrad, der anfänglid ihren Morten keinen Glauben fchenkt, 
mit ihe im nahen Forſt einen einfiedlerifchen Bauberzwerg auf: 
zufuchen, der die Kunft 
zu rüden. An einem Bergſee in fchauerlicher Walbfchlucht er: 
zeichen fie in fpäter Nacht feine Hütte, und nach mandhen 
Vorbereitungen läßt er dem Herzog im zauberhaften Trugbild 
die Untreue feiner Gemahlin ſchauen. Zurückgekehrt, wird Kons 
zad duch Wihmann’s und Geiza's Nachrichten vom deutfchen 
ale noch mebr in feinem Wahne beftärlt. Die Ungarn vers 
anftalten, die Waffenruhe nügend, Kampffpiele, an benen Konz 
rad nach Bitte der Madſcharen Theil zu nehmen, von Karald 
genöthigt wird. Da er, um feinen Wurffpieß zu holen, der mit 
dem getzoffenen Ringe ferne niebergefallen war, in das Beld rei⸗ 
tet, zeigt fich ihm in übernatürliher Erſcheinung ein beutfcher 
Ritter, in. deſſen fpiegeindem Schilde er Kuno’s uud Drtulfs 
Zwejkampf und Luitgarb’s Chrenrettung haut. Karald reicht 
ihm. den Giegespreis und die Spiele werben beendet. — Acht⸗ 
zehnter Geſang. Otto zieht mit dem Heere ber Donau zu, 
um ben Übergang des Frankenherzogs Eberhard über den Strom 
zu erleichtern. Walter mit den Bergfchügen verläßt das Lager 
zulegt, Auf dem Wege begegnen fie einem ſcheindar krüppel⸗ 
baften Manne, der, ſich an fie anfchließend, von Walther’s Sohn, 
Karl, ben Zweck und die Art der Ausfahrt: des Heeres erkund⸗ 
haftet. Im Walde verfchwindet er unvermuthet. An einem 
Forſte angelangt, ftoßen fie auf den Zug Luitgard's und Mas 


- 


befige, Entferntes den Bliden nahe 


Ss 


142 


fidens , bie von Gerbert und Sindbert geleitet werben. Gin 
— er Kundſchafter, als Köhler verkleidet, beredet fie, eis 
nen angeblich nähern Weg zu dem Kloſter, in welchem fie 
Rachtherberge nehmen wollen, einzufchlagen.. Bon einem 
Ungemwitter überrafcht, finden fie umberivrend Aufnahme bei 
einer in patriarchalifdger Einfalt lebenden Hirtenfamilie, durch 
deren Beiſtand und eine Lift Gutta's die Frauen, bie plöglidh 
von Geiza's Scharen bedroht werden, Rettung finden. Otto, 
der in einem Klofter übernachtet und von Ungarnhaufen unter 
Wichmann's Befehl gleichfalls verrätherifch überfallen wird, ent⸗ 
geht durch ein wunderäßnliches Greigniß einer drohenden Ges 
fahr. — Neunzehnter Gefang- Graf Bünther meldet dem Kös 
nig, es fei durch heftige Regengüffe die Donau zu folcher Höhe 
angefchwollen, daß der Kranken Übergang unmöglich ſei. Durch 
diefe ungänftige Rachricht nicht entmuthigt, befchließt Dtto, fi 
zum Deere zu begeben und das Nöthige anzuordnen. Unter 
deffen wird Wolfgang durch eine Erſcheinung Kaifer Arnulfe 
aufgefodert, den Herzog Ghberhard, der dem Strome näher 
zieht, zur Eile zu mahnen. Sie brechen mit dem Früheſten 
auf, ungeachtet des Widerſtrebens des mainzer Bifchofs Friedrich, 
ber die Raſt verlängern will. An einem Bache werden bie 
Franken von ben Ungarn angegriffen und rücken, beftändig vers 
folgt, zur Donau vor. Da fie den Strom nicht überfohreiten 
Zönnen und immer enger eingefchloffen werden, raͤth Friedrich 
zur Ergebung, während Eberhard fih den Ausweg erfämpfen 
will. Doch pröglich haben fich auf Wolfgang’s Gebet die Stroms 
gewäffer geſenkt und verftatten auf wunderbare Weiſe ben Durd: 
zug. Unbeſchaͤdigt erreichen bie Franken das jenfeitige Ufer, 
nährend die Ungarn von der bald wiederkehrenden Hochflut vom 
Übergange abgehalten werden. — Bmanzigfter Gefang. Auf 
Zakfon’s Verlangen rufen die heidnifchen Priefter den Beiftand 
ihrer Götter an. Gog's und Magog's Bemühungen gelingt «6, 
die Übermacht des Stromes einigermaßen zu hemmen. Olda⸗ 
mur erfcheint vor Takſon und räth ihm, für jegt feinen An: 
griff zu wagen, „fondern ſich mit dem bei Augsburg, zurückge⸗ 
dliebenen Theile ſeines Heeres zu vereinigen. Auf dem Wege 
bringt ihm ein Bote die Nachricht, daß Otto, um Augsburg zu 
entfegen, am Morgen herangezogen ſei und bie Ungarn in die 
Flucht getrieben habe, melde fich hinter dem Lech zu ſchirmen 
fuchten. Durch den Fluß getrennt, erwarten Takſon und Otto 
den kommenden Tag, um dann bie Entſcheidungsſchlacht zu 
wagen. Wichmann erfährt von Heroif auf naͤchtlichem Gange 
im Freien die neuen Morbanfchläge deſſelben gegen den König. 
Konrad, der gleichfalls einfam im Felde, von Seelenqual gefol- 
tert, umherirrt, wird durch die der Erde entfleigende Schatten: 
geftalt udo's, feines verftorbenen väterlichen Freundes, mit ſchauer⸗ 
licher Drohung zur Sinnesänderung gemahnt. Zur äußerften 
Verzweiflung gebracht, ift er eben Willens, ſich felbft das Les 
ben zu nehmen, als Luitgard ihn daran hindert, bie nebft 
Burkhard von Fridmar zu ihm geleitet war. Ihren vereins 
ten Bitten folgend, läßt der Herzog von feinem verzweifelten 
Entſchluſſe ab und zieht mit ihnen dem Heere Deutfchlands 
zu, das eben zur Schlacht ausrüdt. — Ginundzwanzigfter Ge⸗ 
fang. Gchilderung des deutfchen Heeres, wie es vor der Ent: 
fcheidungsfchlacht gegen den Feind rüdt. Otto zieht als Heer: 
führer voraus. Den Vortrab bilden theinifche Völker. Ihnen 
folgen die Baiern und Kärnter und bie ſchwaͤbiſche Schladhtfchar. 
Zwiſchen Baiern und Schwaben ziehen mit dem Reichsbanner 
die Thüringer, Sachſen und Briefen. Das Hinterfte Treffen bils 
den die Franken. Den Nachzug wahren bie Böhmen. Auch 
die Ungarn find ſchlagfertig und nad alter Sitte in fieben 
Haufen mit fieben Bannern eingetheilt. Unzählige dienftbare 
Völker folgen dem Heere. Ganz zulegt und von Allen gefon: 
dert reitet die Meine Schar der landflüchtigen Deutfchen. — 
Zweiundzwanzigſter Geſang. Otto betet vor dem Beginn der 
Schlacht. Abt Dodo, der dem Koͤnige die heilige Lanze vor⸗ 
austrägt, ſtimmt den Bußgeſang an, in welchen das ganze 
Heer der Deutfchen einfällt. Die Schwaben, von ben Ungarn 
zuerft angegriffen, werden von ben Lothringern unterflügt. 


Bela durchbricht die feftgefchloffene Schar ber Schwaben und 
töbtet den Grafen Rudolf, unter befien Schwert Zuard, ein 
Verwandter Bela’s, gefallen war. Biſchof Rudhart von Strass 
burg, der Schwaben Niederlage raͤchend, erliegt der Überzapt. 
Da Diepold und. Reginald gur Hülfe herbeiellen, wird Letzterer 
von Verbulch's Hammer niedergeſtreckt. Diepold und Verbulch 
töbten fich im Wechſelmorde. Auch die Lothringer gerathen durch 
Takſon in Bebrängnig und Herzog Konrad fucht fie von der Flucht 
abzuhalten. Karald erblidt und verfolgt ihn mit Wuth; doch er 
weicht ihr aus und entfernt fich weit vom Kampfgetümmel. Wähs 
rend ihn Gog in Fridmar's Geftalt verleitet, ber Hitze wegen bie 
Ruͤſtung zu lüften, firedt ihn Karald’s Pfeil barnieder. Uns 
ter den Böhmen, welche am Fluſſe das Gepäd wahren und 
von denen ein großer Theil zu den Ungarn abfällt, richten 
biefe eine blutige Niederlage an. WBoleslav wird ſchwer vers 
wundet und bewußtlos durch wenige Betreue aus der Hand ber 
Deiden gerettet. — Dreiundzwanzigfter Gefang. Ulrich und. Zus 
dolf, welche bereit fliehen, Augsburgs Bürger in die Schlacht 
zu führen, beobachten vom Walle aus die MWechfelfälle des 
Kampfes. Sie gewahren, wie Dito dem Frankenherzog Kons 
rad, der ſich in äußerſter Bebrängniß befand, Rettung bringt. 
Wie fie felbft einzuziehen im Begriffe ſtehen, verkundet Frau 
Buntrad, Ulrich's Schwägerin, diefem ben Zob ihres Gatten 
Diepold, der, in ber Schlacht gefallen, ihr in einem wunder⸗ 
baren Gefichte erfhienen war. Augsburgs Kriegerſchar ver⸗ 
laͤßt Hierauf die Stadt. Die Balern, von den Ungarn vers 
folgt, gerathen in einen Moorgrund, Graf Ebbo Hält bie 
Feinde ab, bis Walther mit ben Bogenfchügen unvermuthet 
Hülfe bringt. Heinrich, mit den Kärntern vom beutfchen 
Heere abgefchnitten, fucht den Durchzug zu erzwingen und 
tödtet den Greis Turſag nebft Welek, feinem Sohne. Da 
Urad über ihn den Hammer zum Zodesftreiche ſchwingt, fängt 
Butta , die dem Geliebten nachgeeilt war, mit einem Schilde 
den Schlag auf, wirb aber ſelbſt durch Urad, ben Heinrich 
gleich darauf niederſtreckt, töbtlich verwundet. Deinrich ſchwört 
der fterbenden Geliebten ewige Treue und Walther, der’ hinzu: 
kommt, fegnet ihren Bund mit naffem Auge. Bulzo, von £u- 
dolf zum Gefangenen gemacht, erleidet fhmählichen Werräther- 
tod. Hermann ber Billung wird von Dtto aus Lebensgefahr 
gerettet. Der König ſchenkt feinem Sohne Ludolf, der ſich 
ihm zu erkennen gibt, Verzeihung. Gin unbelannter Ritter 
erbeutet das ungarifhe Banner. Takſon beftet ftatt deſſelben 
bas Bärenfell, das er trägt, an einen Speer und erneuert ben 
Kampf zum Nachtheile der Deutfchen. — Vierundzwanzigſter 
Geſang. Dtto, ber ſich die heilige Lanze reichen läßt, gelobt, 
fo er fiege, die Gründung eines Bisthums zu Merfeburg. Ers 
neuerung der Bertilgungsfchladht. Oziel, mit Magog kaͤm⸗ 
pfend, flürzt ben Beftegten in ben Abgrund. Takſon wirb von 
Dtto verwundet. Flucht und Niederlage der Ungarn. Der 
Frankenherzog Eberhard verföhnt fig mit Otto. Der Gefangene 
Wichmann, vom Könige Verzeihung erhaltend, befchlicht, als 
Mönd feine Vergehungen zu bäßen. Herolf, dem ein Mord: 
verfuch gegen Dtto abermals mislingt, wird nad dem Willen 
deffelben unbefchädigt entlaffen. Mizislav berichtet Karald's 
Tod, die auf dee Flucht im Lech ertrank. Geiza, ber Ungarns 
Zauberfahne erfämpfte, gibt fiy zu erfennen, er fodert Ma⸗ 
thildens für jene That zum Preis gefegte Hand. Takſon, der 
Karald’s Tod und Geiza's Abfall vernimmt, endet durch Selbſt⸗ 
mord. Mathilde, von Dtto Geiza zugefagt, bewegt biefen, 
ihren Entfhluß, der Welt in einem Kofler zu entfagen, nicht 
zu hindern. Der König vertheilt feierlich dee Reihe nach die 
Lehen von Franken, Schwaben, Baiern, Lothringen, Kärnten 
und Sachſen an Eberhard, Ludolf, den Knaben Heinrich und 
Burkhard, ben Luitpoldinger Heinrich und Bermann den Bil⸗ 
lung. Dankgebet Dtto's und des Heeres. Biſchof Ulrich kün⸗ 
det mit Seherblick Deutſchlands kuͤnftige Größe. 

Dies das ganze Gedicht in nuce. Offenbart ſich in ber 
Darlegung, wie in ber Bearbeitung biefes &toffe nicht auch 
eben die glängende, Tururidfe Phantafie des Meiſter Ludovico 


x 





En EEE — —— — ——— 


243 


ober bie romantiſche Scenerie bes „Befreiten Jeruſalems“, mit 
dem Reize feiner anziehenden Epiſoden, fo verſteht doch der 
Verf. die Kunſt, durch lebhafte Veranſchaulichung hiſtoriſcher 
Greigniffe, durch gelungene ee von Individuen und 
Socalitäten, durch treue Schilderung ber Bitten und Volksge⸗ 
bräuche das Intereſſe ziemlich lange vege gu erhalten, und ber 
omme, religiöfe Sinn, ber fich in faft allen Gefängen be: 
undet, legt ſich wohlthuend an des Leſers empfängliches Ges 
müth. Die Sprache ift überall rein, Träftig, gehalten und 
entbehrt nicht des epifchen Pathos. Wie der KWerfafler 
ſpricht und malt, bezeuge bie Schilderung des ungarifchen Saft: 
mahls (S. 11): | . 
Nieder zum Abend entfant bad Geftien des Tages, und Länger 
Wuchſen die Schatten des Walds, ald unter gebreiteten Zelten 
Wurde gerüftet dad Mahl den Gaͤſten, die Takſon geladen. 
Und ed erſchienen die Lenker bed Volks, kriegsluſtiger Stämme 
Angeborene Füriten, und bie von vielerlei Zungen 
Willig gefolgt dem Gluͤck der Ungarn, oder gezwungen; 
Auch die ald Boten bed Friedens von Völkern und Königen kamen, 
Und wer fonft body galt im Deere durch Gunſt ded Gebieters, 
Dder dur wackere That, die alle nahten, in feltnem 
Rauchwerk prunfend und Gold und bunten Gewanden, und feßten 
Sich auf den fellgebetteten Sig, wo zu endlofen Reihen 
Waren die Tiſche geftellt, auf denen bienende Knechte 
Überfluß von Speifen gehäuft. Schmwerwandelnder Rinder 
Fleiſch lag reichlich getifcht und des wolletragenden Schafviehs, 
Auch was bie Jagd und ſchenkt, nicht gebrach's; hochaͤſtiger Hirfchen 
Breite Rüden, des Rehs und Steinwilds, felfengeborner 
Gemfen reihliher Bang und ungeheuerer Eber 
Mächtiged Haupt; was der Maierhof, was ber Wald, was ber 
Fluß bringt, 
Bon ber Pfauen goldener Brut und der Alpen Sebirgshahn, 
Welcher belebt der Schneewelt Höhn, bis zur regen Forelle, 
Die im Schwunge fih ſchwingt entgegen bem flürzenden Wildbach, 
Und zum gefraͤßigen Hecht, und dem Krebs, ber bräunlich im 
Sumpf wählt. 
Nicht gebrach es an Kindern der Luft und der filbernen Waſſer 
Schuppigem Volk. Auch die Frucht des Halmes in hundert Geſtalten 
Ward geſpendet nicht karg, die Gabe der Sennen, der füße 
Raub der Bienen, und was dem Pflanzer Iohnet der Obftbaum. 
Aber es festen zum Mahl ſich die Säfte; in mächtigen Krügen 
Reichten der Stute Milch nad Sitte der Wäter die Schenken, 
Und ben füß gefhmeidigen Meth. Bald goß ſich die Freude 
Durch bad Gelag; und ber Tanz zu Schell’ und Trommel und 
Gloͤcklein, 
Zur Sackpfeife Getoͤn, dem gellenden, regte die Luſt auf. 


(Die Fortfegung folgt.) 
— — — — — — — — — 


Popular lectures and addresses on knowledge, opi- 
nion, morals, religion, government etc., by Francis 
Wright. London 1840. 


Diefer populairen Vorleſungen und Reden über Wiflen, 
Meinung , Sittlichkeit, Religion, Regierung u. f. w. find 18, 
die nach dem auch außerhalb England beliebten Buchhaͤndlerge⸗ 
brauche erſt in einzelnen Nummern, dann in Heften und jetzt 
in einem Bande das Licht der Welt erblickt haben. Sie ma: 
chen ſammtlich dem geadhteten Namen bes Verf. Ehre, und eine 


und die andere Stelle ließe ſich auch für deutſche Lefer zur Be⸗ | 


herzigung ausheben. Ref. will jedoch blos der Vorleſung ge⸗ 
denten, in welcher Hr. Wright vom „Charakter der bririfchen 
Beredtfamkeit unferer Zeit‘ handelt. Wir Deutfche führen auf 
unfern Landtagen vel quasi das Wort parlamentarifh fo oft 
im Munde, blinzeln dabei fo nachahmungslüſtern auf England 
und verwideln uns in fo häufigem „Ausfprecdyen‘’, wie in ähn⸗ 
lichen Borkommenheiten die Engländer fih auslprechen“ würs 
den, daß es wol intereſſiren kann, einen berftändigen Engländer 


über das „ſich Ausfprechen” bee engliſchen Parlamentsmitglie⸗ 
ber feine Anficht ‚‚ausfprechen” zu hören. Hr. Wright Hält fi 
nämlidy aus leicht zu begreifendem Grunde vorzugsweiſe bei der 
parlamentarifchen Beredtſamkeit auf und nimmt feine Stellung 
Im Unterhaufe. Sowol im Parlamente als außerhalb beffelben, 
erflärt er, wird jest mehr gefprochen als je. Kür einen Par⸗ 
lamentsrebner von fonft gibt es deren jegt 203; für eine öffent: 
lie Verſammlung von fonft gibt es deren jegt 100, Ganz 
England iſt gegerwärtig halb Boͤrſe, halb Sprechſaal, und mit 
nichts wird emfiger gefochten al mit Worten. Woher biefe 
nationale Redewuth komme, Täßt der Verf. ununterſucht. Es 
gehört auch nicht zu feinem Ihema. Gbenfo geht er am Ober: 
baufe vorüber — nicht jedoch ohne einen Seitenblid. „Das 
Haus der Lords’, fagt er, „kann in diefem Bezuge nicht in 
Betracht kommen; es ift ein Drt, wo etwas wie Berebtfamteit 
vernünftigermeife nicht erwartet werben Tann, ein Ort vol erb⸗ 
licher Geſeggeber, ohne andere Qualification als die zufällige 
ber Geburt und Niemandes Nepräfentant als ihrer ſelbſt. Er 
gleicht einer großen Halle in irgend einem großen alten Gchloffe, 
wo alles Geräthe maſſiv und altmodiſch iſt, im beſten Einklange 
mit den großen Hirſchgeweihen, mit den vollen Waffenrüftungen 
und mit dem flarfen, braunen, eichenen Getäfel, Alles vecht 
hübſch ale Guriofität, nur zum Gebrauche nicht viel nütze.“ 
Am Unterhaufe vergleicht der Verf. „die Debatten vergangener 
Tage, als die Beredtſamkeit der Pitt, der Bor, ber Wind: 
bam, ber Burke, der Grattan und ber Gheridan NReiche 
und Derrfchaften, Fürſtenthümer und Mächte erfchätterte”‘, mit 
ben Debatten von jegt, an beren Schluffe „nach langem und 
langweiligem, wortreihem und gebantenarmem Geſchwätze das 
ftürmifche Iubelgefchrei der Partei wegen einer elenden Mehr: 
beit von zehn Stimmen hödhftens die Flammen ber Wachsker⸗ 
zen bewegt. Was einft ein tiefer, edler Strom war, der mäch⸗ 
tige Schiffe trug, das ift zum Eleinen, murmelnden Bade ge- 
worben, in weſchem Kinder plätfchern.” Das Sonderbare bie: 
fer Erſcheinung ſoll ſeinen Grund darin haben, daß ehemals 
wichtige Gegenſtaͤnde große Geiſter aufgeregt, mit Blitz und 
Donner das Haus heimzuſuchen, während jetzt alles Reden eis 
nen kleinen, armfeligen, erbärmlichen Parteitriumph bes 
zwede. „Große Mittel werben an Eleine Refultate gefegt. Die 
heutige parlamentarifche Beredtfamkeit fiht für Fein Fundamen⸗ 
talprincip — Eein patriotifches Feuer entzündet ben Bufen — 
kein hoher moraliſcher Zweck ftählt den. Geiſt — in keinem Pulfe 
ſchlaͤgt Philanthropie — Teine Größe, Teine Erhabenheit zeigt 
fih in der nackten Majeftät menfchlier Rechte, Tein Streben 
nad) dem Ruhme, der feine Gefchichte in den Augen einer Na: 
tion Tieft, fie von den Lippen einer Nation hört und beshalb 


der Unfterblichkeit gewiß ift; — nein, all das endlofe Reben 


und Sprechen dreht fi um elende, Kleine Parteizwede und 
rollt fih nur zu oft in gehäffige Perfönlichkeiten auf. Aus 
folhem Material Gebantenftröme und Wortglut erwarten, 
bieße auf Steinen Blüten und Goldfiſche im’ Morafte ſuchen.“ 
Wahre Berebtfamkeit muß frei von Parteihemmungen fein, 
denn ber Geift des Redners, der unbefchräntt über fein Gebiet 
fweifen fol, muß verfümmern in der Engigkeit eines gegebe: 
nen Raumes. Das aber, behauptet Hr. Wright, ſei jest ber 
Zuftand des Unterhaufes, daß jedes Wort abgemogen werde, ob 
ed der Partei bes Redenden nützen oder ſchaden koͤnne, und daß 
ber Redner, der, unbefümmert um Partei, Recht und Wahr: 
heit und Princtipien verfechte, und befäße er bie Eloquenz eines 
Demofthenes, fich bald verlaffen und allein fehen würde. „Da⸗ 
ber ift der Charakter der Beredtſamkeit im gegenmärtigen Un: 
terhaufe Kleinigkeitskraͤmerei, Angſtlichkeit, Doppelzüngigteit und 
Sophifterei.” Nicht günftiger wird der Charakter britifcher 
Beredtſamkeit außerhalb des Parlaments gezeichnet, dies jedoch 
mit völliger Übergehung der gerichtlichen und der Kanzelberebt: 
famteit. Der Verfaffer berührt blos noch bie Öffentlichen Vers 
ſammlungen. Auch hier, verfichert er, mache fich diefelbe Klage 
laut, babe die Beredtſamkeit, weil fie ebenfalls nur Partels 
zwecken diene, bafjelbe Gepräge. „Tritt in einer folchen Vers 








’ 


144 


fommlung ein Nebner auf, um große, burchgreifende, politiſche ald Regel angenommen ift, daß fie nur von den Schriften 


Wahrheiten zu vertheidigen, Wahrheiten, welche die Verſamm⸗ 
lung weber leugnen, noch widerlegen kann, wirb Alles verfucht, 
ihn zu unterhrechen, bemüht man fi von allen Geiten, feinen 
energifchen, unbeantwortbaren Vortrag in Geziſch, Geſchrei und 
groans gu erfäufen. Die Folge davon ift, daß die meiften in 
öffentlichen Verfammlungen gehaltenen Reben aus Trugſchlüſ⸗ 
fen, Parteigezänt, Entftellungen und Schimpfworten beftchen. 
Das aber ift kein Element für wahre Beredtſamkeit.“ 74, 





us Stalten. 


Die italienifchen gelehrten Zeitfchriften machen mit Gifer 
auf die Erſcheinung der möfogothifchen Überfegung ber Pauli⸗ 
nifchen Briefe aufmerkfam, welde ber Graf Gaftigliont aus 

andfchriften det Ambrofianifhen Bibliothek heraus egeben hat. 
„Gothicae versionis Epistolarum Divi Pauli ad Thessaloni- 
censes secundae, ad Timotheum, ad Titum, ad Philemonem 
quae supersunt ex Ambrosianae Bibliotbecae palimpsestis de- 
prompta, cum annotationibus edd. Car. Octav. Castilionaeus.' 
Mailand 1839.) Sie vertennen zwar nicht, baß es eine ver: 
einzelte Erſcheinung, ohne Einfluß auf die Studien bes jüns 
ern Gefchlechtes fürs exfte bleiben werbe; doch iſt man foweit 
n der Würdigung echter Wifjenfchaftlichkeit vorgefchritten, daß 
man bie Brage verfchludt, wozu ein ſolches Buch ihnen helfen 
olle, und felbft die Motive ehrt, welche den Herausgeber bes 

ntmten, eine den Zeilen folgende Überfegung wegzulafien. 
Man fühlt, daß man durch diefes Wert dem gelehrten Aus⸗ 
Iande ein Geſchenk gemacht hat, ift aber um fo ſtolzer in bie 
fem Gefühle, je gewiſſer man glaubt, daß es ein uneigennüßis 
ges war. 


Ein Schaufpieler, der ſich nach jegigem europäffchen Sprach⸗ 
gebrauche kurzweg artista titulirt, was, ba er obendrein Gas 
nova heißt, bei Ausländern leicht ein Misverfländniß veran: 
laffen könnte, hat unter dem Zitel: „‚‚Lettere sopra l’arte 
d’imitazione dirette alla prima attrice italiana Anna Fiorilli- 
Pelandi, dall’ artista Giov. Angelo Canova’’ (Zurin 1839), 
Briefe über die Schaufpiellunft druden laſſen, die dieſer Kunft 
eine ziemlich niedrige Sphäre anweifen würden, wenn ber Titel 
des Buches entfprechend gewählt wäre. Doc felbft für ben 
Standpunkt einer treuen Portraitirung des Lebens durch drama: 
tifche Mittel önnen Belehrungen eines Erfahrenen, bie an eine 
‚in Stalien einft genannte Schaufpielerin gerichtet find und in 
Übereinftimmung mit ihren Anfichten von dramatiſchen Anfode: 


zungen fein mögen, mandherlei Nugen fchaffen, ba das von. 


Natur aus zum Nachahmen und mimiſch Darftellen fo begabte 
Volt bei feinen beabfidhtigten Verſuchen häufig fo verfehlende 
Mittel anwendet. Schwerlich wird man die alte Behauptung, 
daß es um die Kunft meiftens fchlecht ſtehe, wenn Lehrbücher 
der Äſthetik erfchienen, auf diefe Schrift anwenden. Abfterben 
. Sann nur, was gelebt hat, und Leute, bie Italien in= und 
auswendig fennen, wiflen fid nicht zu entfinnen, wo bort bie 
dramatiſche Kunft noch vorhanden wäre, felbft nicht, wo fie es 
feit einem Jahrhundert geweien. Die Oper bat fie ums Leben 
gebraht und der Zufland der aͤußern Theaterverhältnifie 
läßt Beine baldige Wiedererweckung vorausfehen. Diefe äußern 
Verhältniffe verdienen wol etwas genauer von bem Publicum 
jenfeit der Alpen gekannt zu werben, da ausgezeichnete Talente 
mit ihnen in vielfache Berührung gelommen find. Als genau 
in ihren Angaben kann man bie Schrift: „Saggio di econo- 
mia teatrale, dedicato alle melodrammatiche scene italiane 
da Gius Rossi- Gallieno‘' (Mailand 1859), empfehlen, bie 
freilich viele ſchwer heilbare Schäden zeigt. | 


„ Wahrſcheinlich gilt bei ben Herausgebern ber „‚Biblioteca 
italiana’’ berfelbe Sag, der bei mandhen literarifchen Inftituten 


Kenntniß nehmen, die ihnen zugefandt werben. Nur fo ift 
die bänfig bürftige Ausbeute — doppelt bürftig, wenn man 
fie mit den Angaben bes „Bulletin bibliographique’‘ vergleicht, 
das dem „Journal des savants’‘, der „Bibliographie univer- 
selle’’ und ben Bekanntmachungen von Brodhaus und Avenas 
sius beigegeben iſt — einer Beitfchrift erfiärlich, bie durch 
fo viele Begünfligungen geeignet wäre, bem Auslande von 
Italiens mannichfachem literarifchen Reichthum⸗e und ſeiner Ver⸗ 
wendung genügende und erwünſchte Mittheilungen zu geben. 
Blos die Naturforſcher unter den Mitarbeitern ſcheinen ihre 
Aufgabe ernſter zu nehmen, und Beitraͤge, wie die Zoologen 
Ruſcont, Balſ. Crivelli u. A., die Botaniker oder Aſtronomen 
fie beiſteuern, pflegen nicht lange unbeachtet dort zu ruhen. 
3u denen, bie wahrfheinli bald ihren Kreislauf durch bie eu: 
ropäifchen Blätter antreten werben, glaubt Ref. dic Gröffnungs: 
rebe des Studienjahres 1839 und 1840 bei der Univerfität zu 
Korfu vom Prof. D. F. Moffotti rechnen zu bürfen: „Sulla 
costituzione del sistema stellare di cui fa parte il sole’’ (im 
NRovemberhefte 1839, das erft im März 18:0 ausgegeben wurde), 
weil fie mit großer Klarheit eine allgemeinanfprechende Aufgabe 
behandelt. Doch wie weit ab von biefen Verdienſten liegen die 
Mittheilungen meiftens, die von ben biftorifhen Mitarbeitern 
gegeben werben. SPhrafenreihe und gebanfenarme Anzeigen 
lafien glauben, daß diefe ſich gehemmt ſehen, wenn fie tiefer 
Gingependes geben wollen. Nur fo begreift man, wie Palermo 
‚Vita e fatti di Vito Nunziante”, $lorenz 1839), Vermiglioli 
„La vita e le imprese militari di Malatesta IV. Baglioni’’, 
Perugia 1839) und felbft Rofint (,Storia della pittura ita- 
liana, esposta con monumenti, Piſa 1833) in fo nichtsfagens 
den Berichten erwähnt werben dürfen. ine Erneuerung ber 
bisher gültigen Grundfäge für diefe Zweige des Wiffens, ober 
der Perfonen, die fie nur fo in Anwendung zu bringen wiffen, 
kann der „‚Biblioteca italiana’ nur zum Vortheile gereichen. 


Die oft durchgefprocdhene Streitfrage über Griftoforo Co⸗ 
lombo's Geburtöftätte hatte zulegt vorzüglich drei Orte im Auge: 
Genua, Savona und Gogoleto, ein Dörfhen an ber weftli- 
hen Küfte, ungefähr 15 Miglien entfernt von der Ligurifchen 
Hauptftadt. Für diefen Ort ftritt ein Gelehrter, Felice Isnardi, 
der zwär an den gelehrten Akademikern Spotorno und Belloro 
Widerfaher fand, indeffen feine Anficht nicht leichtfertig auf: 
gibt. Mit einer „„Risposta di Felice Isnardi alla critica fatta 
alla Dissertazione sulla patria di Cristof. Colombo dell’ egre- 
gio Signor Giamb. Belloro ec.’ (Genua 1839) widerlegt er, 
ober ſucht er die Gründe feiner Gegner zu widerlegen und das 
Teſtament Domenico Colombo's bes Waters, fowie die im Volke 
erhaltene Sage geltend zu machen. Die Beurtheiler in der 
„Biblioteca italiana‘ flimmen ihm bei und finden feinen Bes 
weis, baß ber in Urkunden von Gogoleto genannte Criſtoforo 
Golombo, der Sohn Domenico’s, wirklich der Entbeder Ames 
rikas geweien, durch die Gründe, bie er nachträglich gebracht 
bat, beftätigt. 


Bei der Preisvertheilung in der Kunftalabemie zu Mais 
land am 7. September 1839 Hielt Prof. Fumagalli die her: 
koͤmmliche Rede und gab diefes Mal Bericht von Giuliano 
Zraballefi, einem Künftler, von bem Fresken im Palazzo di 
Corte zu Mailand allein noch Zeugniß geben. Wie im Vati⸗ 
can man die Werke ber Alten alle vernichten wollte, um dem 
jungen Rafael Raum zu fchaffen, fo auch dort, als ber be⸗ 
wunderte Appiani auftrat. Doch gerade er focht für ihre Er: 
haltung. Traballeſi war am 2. Ron. 1727 zu Florenz gebos 
ren und flarb, wie die „Atti dell’ I. R. Accademia delle Belle 
arti in Milano” (Mailand 1839) erzählen, am 14. Rov. 1812. 
Kinder im Style des Fiamminzho, die er für die &äle zu 
Monza malte, abmten fo täufhend den Stucco nad, daß 
Wetten darüber unter Künfttern verloren wurben. 2. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Berlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 


A Kr. 185. MB 


3. Juli 1840. 





Bericht über eine Poeten-Genturie aus dem Jahre 1839. 
Erfter Artikel. 
(Bortfegung aus Wr. 184.) 


2. Kurfürft Darimilian I. der Glaubensheld, epiſche Skizze bes 
dreißigiährigen Kriege, von I. 3. Soßmann. Mit dem 
Bilbniffe des Kurfürfen. Würzburg, Gtlinger. 1838. 
Er. 12. 1 She 

In vorliegender epifhen Skizze gefaltet fi Umfang, 

Borm, Stoff und Ziel ganz anders als im vorerwähnten Epos. 

Wir zählen bier nicht 24, fondern nur brei Befänge, und nidt 

11,735 Hexameter, fondern nur 557 Stangen, bie nicht 

blos des Wohlklangs, der Rundung und ber Feile entbehren, 

fondern au Auge und Ohr durch mande Härte verlegen. 

Der Stoff ift der breißigjährige Krieg, in welchem Maximilian, 

wenn auch nicht, wie der Verf. fi) auszudrücken beliebt, der 

Haupt⸗ und Lichtpunkt war, doch eine nicht unbedeutende Rolle, 

befonders im Anfange, fpielte. Das Ziel bes Dichters, ber ſchon 

König Mar I. von Baiern in ein epifches Gewand zu leiden 

verfucht hat (wovon in Ar. 117 d. Bl. f. 1837 die Rede gewefen) 

ift fein anderes, als das fromme, ethifche, patriotifhe. Er will 
feinem erlaudhten Königshaufe durch die Klänge feiner Tuba 
unzweideutige Beweiſe von feiner Liebe und Anhaͤnglichkeit an 
daffelbe geben und zugleich durch feine Stangen bocumentiren, 
daß er ein rechtgläubiger Katholik ſei, wogegen ber liberale, 
unpartetifche Kunftrichter nichts einwenden Tann; auffallend iſt 
es uns blos gewefen, daß ber größere Theil feines Buchs mehr 
den breißigjährigen Kampf felbft, als die Schilderung des Cha⸗ 
rakters und Lebens des Helden enthält, defien Namen es trägt. 

In breitſeliger Länge und Wortreihthum dehnt fi) das Teſta⸗ 

ment feines Helden aus, weldyes übrigens bas Machwerk eines 

Sefuiten fein ſoll und welches ben Sohn und Nachfolger mit 

einer Menge feommer und weifer Rathſchlaͤge, Bitten und War: 

nungen gleihfam überfirömt. Wir glauben überzeugt zu fein, 
dag ſich jenes Teſtament in der einfachen, Törnigen Proſa bes 

Surialftyis jener Zeit beimeitem beffee ausnimmt als in diefen 

Stangen. Übrigens wird Jeder, der es verfucht hat, ber epi⸗ 


fhen Zuba Töne zu entloden, zugeben müflen, daß es eigens | 


thuͤmliche Schwierigkeiten habe, den gewählten Stoff zu einem 
fAulgeredgten, abgerundeten Epos umzugeftalten. Da nun ber 
Berf. wol fühlte, der Dichter dürfe niche Hiſtoriograph fein 
und Tönne Begebenheiten und MWeltereigniffe nicht in chrono⸗ 
logiſcher Ordnung aufs und Hinftellen, fo fehlägt er einen ans 
dern Weg ein, der ihn auch zum Ziele führt. Er läßt nämlich 
im erften Gefange einen bei Tilly's Leiche wachenden alten Je⸗ 
fuiten einem jungen, feurigen, mitwachenden Rovizen ben Urs 
forung jenes blutigen Kampfes, nach ben Anfichten ber Tathos 
Ühen Partei natürlich, bis zu dem Augenblicke erzählen, wo 
fit am Katafalk des verftorbenen Helden fiden. Im zweiten 
Geſange aber erzählt ein alter Kriegemann im Wallenftein’fchen 
Lager den hordhenden Kameraden bie fpätern Greignifie, worin 
er nicht übel ein Sittengemälde der Zeit webt. ine Art von 


Epifobe bildet das Schickſal zweier Freunde, Eduard und Theo⸗ 
dor (Grfterer iſt eben ber junge Wächter bei Tilly's Leiche), 
früher Zöglinge der Sefuiten, fpäter Wallenſtein'ſche Soldaten, 
der Verſuch Eduard's, Guſtav Adolf meudlings zu morben, 
feine Reue barüber und ber tragifche Tod Weider in ben bes 
nen von Lügen. Recht anziehend find uns jedoch beibe Geftals 
ten nicht erfchienen. Ungerecht würde man aber feig, wollte 
man ben Verf., einen vechtgläubigen Katholiken, bes jest in 
Batern herrſchenden Monachismus und Myſticismus bezüchtigen. 
Er urtheilt und fühlt vom Standpunkte feiner Kirche aus; er 
hebt es mehr als einmal im Leben feines Helden bedeutſam 
bervor, daß derfelbe in feinem heiligen Eifer die göttliche Jungs 
frau zu feiner Schugpatronin erkoren; er zieht mit ſchonender 
Hand ben Vorhang über Zilly’s Charakter und Thaten; aber 
nirgend regt fich bei ihm die Galle in Bezug auf bad evanges 
liche Thun und Treiben jener Zeit, ja er läßt dem Helden 
Guſtav Adolf überall Gerechtigkeit wiberfahren. Was will man 
mehr? Cine gute Zugabe find bie hiftorifchen Erläuterungen 
am Schluffe bes Gedichts, wogegen wir ibm ‚bie andere Zus 
gabe: König Ludwig's Rückkehr aus Griechenland im April 
1836 und beffen 50. Geburts: und Namensfeier, gern geſchenkt 
hätten; denn da wird das Raudfaß fo arg gefhwungen, baß bie 
Wirbel betäuben. In brei Stangen (S. 186) wird Marimis 
lian's Charakter recht gut und treffend gefchildert, und wenn 
wir boshaft wären, würden wir fagen: Er konnte 154 Stans 
zen fparen; boch bas find wir nicht, fondern wuͤnſchen ihm Ges 
fundheit, Heiterkeit und Muße, baß er feinen Mar Emanuel, 
den er noch befingen will, glädlidh vom Stapel Taufen und 
fo fein Mar Drillingsgeflicn leuchten lafle zur Erwaͤrmung 
bes ens ber bairifhen Jugend, zur Erweckung bes Nas 
tionalgefühls und zur Begeifterung für feinen König und fein 
Vaterland, Die drei erwähnten Stangen aber lauten alfo: 
Er trug ben Wanlelmuth des Gluͤcks hienieden, 
Und wankte nicht, wie beffen Wurf auch Fällt, 
Und immer blieb und bleibt es umentfchieben, 
Ob er im Kriege war ein größter Gelb, 
Ob weiſer ald Regent er war im Frieden, 
Da er fo hoch In beiben wird geitellt, 
Ob's au nur kurze Zeit ihm durfte glüden, 
Die Ühren fih zum Friedenskranz zu pflüden. 
Wer Eine Kron’ im Leben fih errungen, 
Iſt neibenswerth mir, ich gefteh’ es frei; 
Um Marens Stirne haben ſich gefhlungen” 
Dergleihen helle Ruhmeskronen brei: - 
Der Lorber: daß er kuͤhn bad Schwert gefhmwungen, 
Der Ölzweig: daß er au ein Weiſer fei, 
Die Palme: bie dem Glauben Engel winben, 
Und bie allein er ſuchen wollt’ und finden. 
&o ſturmbewegt und ſchwarzbewoͤlkt das Leben, 
So heiter war und wonnig ihm ber Tob. 
Der beil’gen Jungfrau hat er fi ergeben, 
Sie Rand ihm bei in feiner letzten Noth 











a 746 


Und lieh dem Geifte Schwingen, hinzuſchweben, 
Mo Krone fih ihm und Vergeltung bot, 
Indeß des Leib, zu ſchwer für Himmelsluͤfte, 
Dinabſteigt in der Ahnen ſtille Gruͤfte. 


8. Armin⸗Sage von Kuno Graf zu Rantzau⸗Breiten⸗ 
burg. Danheim, Schwan und Bir. 1839. Gr. 8, 


1 zyir. 8 Sr. 

Sa Zamben, bie nur bei emphatiſchen Stellen oder beim 
Schluß eines Abſchnitts reimen, wird uns in acht Gefängen 
Folgendes erzählt. Armin, von Rom in die heimifchen Eichen: 
wälber zurückkehrend, findet zuexft feinen Freund Sigismund, 
den Sohn Segeſt's, Thusneldens Bruder, der ihm erzählt, wie 
der römifche Praͤtor Vorus mit feinem Heere bie vaterländt 
fhen Gauen bedrüde. Armin, darob in Zorn entbrennend, eilt 
zu Thusnelden, ber Verlobten, und bann zu feinem grauen 
Bater Sigimer, der die Flamme feines patriotifchen Zorns 
fchürt. — Der zweite Gefang ſchildert bie Uppigkeit, ſowie dem 
Aurus im Lager des übermüthigen Varus, wohin Sigimer und 
Armin ſich begeben haben. Sigimer, nachdem er den Sohn 


vorgeſtellt, ladet Varus ein, Zeuge bei der Wahl eines Cherus⸗ 


tfürften an feiner, des Greifes Statt zu werben. ‚Des roͤmiſch 
—5— blickt mit Haß und neidiſchem Mistrauen auf 
Armin, ben er dei Varus zu verdächtigen ſucht; doch dieſer iR 
theils zu indolent, theils blictt ec auf Armin als auf einen 
Barbaren, den man nicht zu fürchten brauche. Sigimer ruft 
bei Vollmondfchein die Wehrmannen zufammen, welde Armin 
an Sigimer’s Statt zu ihrem Bürften wählen. Armin bittet bei 
Segeft um Thusneldens Sand. 


ie Seine werden. — Dritter Gefang. Während Gegeft über 
Plänen des Verderbens für Armin brütet, entführt biefer Thus⸗ 
nelden und ſchwimmt mit ihr durch bie Beſer. Die Ohn⸗ 
maͤchtige wird in eine Hütte gebracht, wo ein umbekanntes 
Haar (e8 ift Baldur und Stanna, wie ſich nachher ergibt) fie 
gaſtfreundlich aufnimmt und fie wieder ins Leben ruft. Abges 
fandte des Varus fuchen Armin auf, um ihr ins Lager zu füh: 
zen. Armin fchiet fie kalt und höhnend zurück und bringt 
Thusnelden, nachdem ber unbekannte in der Hütte ihn gebeten, 
fie nicht cher zu berühren, bis das Baterland frei fer vom Koͤ⸗ 
merjoche, zum Bruder feiner Mutter, dem jagbliebenden Ins 
gumer. Thueneide erzählt dem Geliebten eine Traumviſion, 
die fie gehabt und die auf des Water Zorn deute. Armin bes 
ruhigt fie und eilt in das Lager, wo Gegeft ihn bei Varus 
toegen des Raubes feiner Tochter verklagt bat. Armin vertheis 
diat fi fo Eräftig umd nachdrücklich vor dem Prätor, daß dies 
fer den Segeſt bevebet, bie Tochter bem Armin zum Seite zu 
geben. — Der vierte Geſang führt und in bie nordiſche @öts 
terwelt; bier ift folgende wohlgerathene Schübderung von Hel⸗ 
heims graufenhaftem Zelfenthor: 
Des Todes Schweigen beit die ſinſtern Räume, 

Unendlich ſcheint der Hoͤhlengang zu fein; 

Es traͤufelt Kalt? und widerliche Raͤffe 

Herab und ſchwuͤle Luft beengt die Bruſt. 

Ein Peſtgeruch, von Moederdunſt geſchwaͤngert, 

umhuͤllet mehr und mehr bed Wantrer’d Shan, 

Berpreßt mit Adlerflauen ihm die Lunge 

Und druͤckt ermattet ihn am Boden. Hi. 

Doch Angft und Scheer belebt die Kräfte wieber, 

Es naht der finfiern. Ülfen. tädh Heer 

Und peitfchet ihn vor Helhehad Jammerpforte. 

‚„Gerein, herein!” fo heulen taufens Stimmen; 

„Burüd, zurüdt‘ fo vwinfelt es umber;. 

Jedoch gezerrt von der Verneinung Gher 

Stuͤrzt Hinter ihm zuſammen Helheims Thor! 

Hier hauſet in ber ſchaurig finſtern Halle 

Die Tochter Loderd mit des Waters Grimm. 

Helat du graͤßlich Weis, das einfi gebar 

Die alte Gygie bed Gifenwalded, 


Segeſt vermeigert fie ihm. | 
Armin erklärt aber, ex habe fie ihm verſprochen und fie werde 


Mit Gift, aw Citerbräften, fie genährt 

Und fie gebadet in ded Wolfe Galle. 

Hela! Du bift kein Weib! Du bift verbammt 
Scheußlich wie deine Grotte, und bein Amt, 
Des Lebend Farbe tragend nur zum Schein, 
Um grauenvoller dann beim Licht zu fein, 
Denn der Berweſung ſchauderhaftes Bi 

Am Fackelſcheine grinſet frech und wild. 

Dein grimm'ger Rachen haucht Vernichtung nur, 
Dein Wort ift Weltenfiuch und falfher Schwur, 
Der Moberbampf ift Rauchwerk deiner Halle 
Unb gierig horcheſt du dem Iammerfchalle; 
Gebruͤll iſt Harmonie, und Klage tönt 

Dem Ohr ald Melodie, die gräßlich Höhnt. 
Dein Zifh ift Qunger, den in beinem Reiche, 
Berruchiee Seelen voll, ein jeber Tennt; 

Auf Kümmerniß gebettet und auf Seude 
Sind alle Geiſter, und Berzweiflung rennt, 
Den kaum Entihlummerten auf8 Neu zu weden, 
Den Wachen dann mit Elend ſtets zu neden. 

In Hela's finfirer Wohnung tagt ed aimmer; 
Die Hoffnung todt und ftarr, wie rings die Wände. 
Kein Ausgang iſt; nur finftre Älfen bringen 
Durch harter Felſen Klüfte in ihr Reid; 
Darunter aber dehnt fih in der Tiefe 
Ein Abgrund unermeßlic weit und groß. 

Es if der finftre Pfahl Dem Schlangentönig’ 
Sur Haufung dienet er, voll ſchwarzer Bäche 

Mit Vipergift erfüllt. Einſt werben bier 

Dela und ihr Geſchlecht Ihr Daſein enden; . 
Doch muß ſchon jetzt zum finftern Ort? fich wenden, 
Der der Verbrechen ſchmaͤhlichſtes beging — 

Dem Vaterlandsverrath an freier Seele hing. 

Rings um den Tod iſt alled Lebens Ente — 
Sm Chaos aufgelöft Hrymur’s Geſchlecht 
Srwartet dort des Schickſals große Stunde, 
Wenn Blammengeifter, deren Gein verborgen 
Selbſt vor dem Goͤtterblicke Odin's iff, 

Den Weltenbaum buch reines Ätherlicht 
Entzünden, daß der maͤcht'gen Eſche Flammen 
Mit fi verſchlingt all, was da iſt und war. 
Was kommen wird? — verſchweiget Skuld fogar' 


Ein tüdifcher Klfe bringt der Hela Kunde, daß ber alte Sigi⸗ 
mer bereitd ihrem Reiche nahe ſei; fie freus fich befien; jedoch 
vergebens, indem ber fromme, weife Helb in Asgard Reich oben 
in Walhalla eingichen wird, deren Schilderung als Pendant zur 
Schilberung von Hela’s Reich nun auch gegeben wird. Ddin 
ſchickt Hermod zu den Rornen, mit der Frage: Ob es (Dbin) 
dem Jupiter weichen, und ob Armin fiegen werde? Die Schich⸗ 
falsgöttinnen erwidern: Die Afen würden dereinſt unterkiegen; 
doch fei des Schickſals Tag noch nicht gekommen; für iegs 
würde ihnen noch Gieg verliefen werben. Odin ruft hierauf 
alle Götter zum Kampf für die Afen (d. h. hier die Gheruster) 
auf, er wid felbft ihr Kührer werben, worauf ſich unenblicher 
Jubel dur gang Asgard verbreitet. — Der fünfte Gefang 
führt aus ber ſtandinaviſchen Götterwelt wieder in bie Cichen⸗ 
baine der Cherusker. Der erkrankte Sigimer gebietet feinene 
Sohne Armin, das Hochzeitfeſt mit Thuenelde in feinem Haufe 
zu feiern. Armin eilt, die Braut von Ingumer zu holen. Ins 
defien brütet ber beleidigte Gegefb Rache und gelobr ſich ſeibſt 
in einem lauten Monolege, dem Armin eine Grube zu graben 
und Thusnelde mit einem einflußreichen Römer zu vermsählen, 
um ſich baburch ben Weg zu Chrenfiellen zu bahnen. Geis 
Gelbfigefprädg belaufcht ein junger Römer, Namens Galdus, 
den Armin einft auf der Jagd aus den Tatzen eines Bären 
gerettet uad ber deshalb ihm mit tsemer Freundſchaft und Liebe 
ergeben if. Er hinterbringt dem Warus- Segeft's ehrgeizige 
und sachfächtige Plane. Beim frohen Hochzeitur hle wird dem 
Armin erzählt, ein gewiſfer Ekwart habe einen Ränge erſchla⸗ 














ger — — 


247 


gen, ſei geflohen, und Baras habe ſich bed Sohne deſſelben be: 
mödtigt mb wolle ihn hinsichten Laffen, wenn ber ſchuldige 
Vater fich nicht flelle. Dies empört Armin fo, baß er fofork 
vom Mahle auffteht, die Braut verläßt und in das zömifche 
Lager eilt, um des Yünglinge Tod zu hindern. — Secheter 
Gefang. Umſonſt bemüht: fih Armin, den Baras dahin zu 
flimmen, daß er den Iüngling begnadigt. Auf bie Rachricht, 
der Züngling fei hingerichtet, die Galdus dem Armin gibt, ers 
Blärt Lepterer, diefe Grauſamkeit breche den Stab über Varus. 
Der römifche Feidherr erhält die Sotſchaft, alle deutſchen 
Stämme am MWeferufer fein in völigem Aufruhr und haben 
die römifhen Soldaten ermosdet. Varus rüftet fih zum Auf: 
bruch dahin. Gegeft warnt ihn: er kenne das Land nicht, bie 
Jahreszeit fei ungünftig u. f. m. Der Berblendete delaͤchelt das. 
Segeſt warnt ferner vor Armin, den Varus an feiner Statt 
zurüdlaffen will, worauf des Römer befchlicht Armin mitzuneh⸗ 
men und Gegeft an feiner Statt als Befehlshaber zurückzu⸗ 
Eaffen. Jndeffen Hören auch die Gheruster von jenem Aufftande 
an der Weſer. Galdus bringt dem Freunde des Varus Bes 
fehl, daß er mit feinen Kriegern auch nad) ber Wefer mitzies 
ben folle. Nach kurzem Bidenken fagt es Armin zu. Warus 
gibt den deutfſchen Fürften ein Feſtmahl und zieht am andern 
Morgen nad) dem Wefergeflade ab. &o wie er fort iſt, grei⸗ 
fen auch die Cherusker zu den Waffen, und ſelbſt ber ſchwache 
Sigimer, ber ih an ihre Spige geftellt hat, mimmt bie Rö⸗ 
merwache, die Barus beim Segeſt gelaffen, gefangen, flirbt aber 
dierauf. Der Aufruhr wähfl. Marſen, Brukterer, Chatten 
und Udier reihen ſich an. Segeſt, von feinem Sohn Sigis⸗ 
mund mit Bitten beftürmt, ſich den Deutſchen anzuſchließen, 
beuchelt Patriotiemus. — Siebenter Gefang. Hier wird uns 
erzählt von des Warus bedenklicher und bedrohlicher Stellung 
an der Wefer, da ihm alle Afengötter Verderben ſchwoͤren. 
Dem Armin wird von einem Sreife eine Sitberlode feines ents 
fchtafenen Waters überbracht nebft der Botfchaft, bie Sheruster 
feien im vollee Empörung, worauf er ſich zur Befämpfang des 
Barus bereit erklaͤrt, * nicht, ohne ihm offene Fehde zu bie⸗ 
ten. Varus will ihn als Geifel behalten. Armin ſchlaͤgt fi 
durch und eilt mit den Seinigen dem vaͤterlich⸗ heimifchen Bau 
zu. Freudig empfängt ihn Sigismund, mit erheuchelter Eiche 
Segel. Warus ſchlaͤgt mit dem Roͤmerheer den eg nach ben 
Quellen der Sippe ein, wo Elfen lag. Angriff Armin’s. als 
Zus verwundet den Gegeft tödtlih. Sigismund raͤcht den Vater. 


zum Führer. — Der achte und legte Geſang gibt uns die Schils 


Barus erfticht ſich. Thusnelde bringt 
dem Geliebten ben Eichenkranz. Rebe Armin’s an fein Boik 
und Opfer der Afen. — Der Leer erficht aus dieſer gebrängten 
Äberficht des Stoffs, daß deu Berf., der die Sprache nit ohne 
Gewandtheit hanbhabt, den Hauptfaden der Begebenheiten meift 
nad) Tacitus feftgehalten hat. Die Epifoben reihen fich Leicht 
an das Yauptereigniß, und der poetifche Schmud und epifche 
Hebel wird oͤurch die fEandinavifche Mythologie gebildet, welche 
die der deutſchen jener Zeit war. Das Gedicht IR des Leſens 
überhaupt nicht unwuͤrdig und ewfcheint uͤberdies in einer Zeit, 
wo: man diefe Altefte und wichtigſte Begedenheit unferer vater⸗ 
fändirchen Vorzeit durch ein Denkmal, bem Helden geſedt, zu 
verherrtichen ſrebt, und wird mithin ohne unſere Empfehlung 
in manchem Gemüthe Anklang finden. 

4, Armin's⸗Lleber. Bon 9. F. Naßmann. Münden, Franz. 

1839, &r. 8. 6 Gr. 

Hit dee Anzeige der „Armin= Gage’ verbinden wir biefe 
„Armin's⸗ Lieber”, ungeaditet fle mehr der ee als epifchen 
Porfie angehören; Indefien Hat der Verf. auch das Feid der 
Ietern bebaut in feinem „Armin, ber Chernsker Fürſt, der Bes 
freier Deutfcjlands“‘, welche Schrift von einem Mitarbeiter iu 
Nr. 3 d. Bl bereits gewürdigt worden, und zugleich hat er 
eine andere Schrift aͤhnlichen Inhalts in lateiniſcher Sprache: 
„‚Arminies, Cheruscooram dux ac decus, liberator Germaniae”, 


Walde durch Armin. 





herausgegeben, die er betrachtet wien will ats eine Dofafl aus den 
Stellen der roͤmiſchen und griechiſchen Schriftſteller über die denk⸗ 
würbigfien Augenblide, ber Urgefähichte Deutſchlande. Die vorher 
befprochene „Armin⸗Sage“ ſpricht nicht klar aus, daß fie durch den 
Plan, dem Hermann ein Denkmal zu fegen, hervorgegangen fei; wol 
aber ift dies bei gegenwärtigen ‚„‚Armin’6sEiedern‘’ der Fall, die zur 
regen Theilnahme am Dentmale bes Helden alle ſechs ermuns 
teen und wohl gelungen find. Dieſen ſechs Eiebern folgt ein 
größerer Anhang von andern aus einer größern Sammlung her: 
ausgegriffenen Gedichten, bie durch ihr warmes Gefühl für 
Deutihthum und Waterland anfprechend find und eine Friſche 
haben, wie man fie bei Dichtern, die in das Schwabenalter 
getreten find, felten findet. Sie find für Irtunde gebradt, 
möchte ber Verfaſſer aud uns zu dieſen rechnen, wie haben 
ihn Liebgewonnen befonders durch bie naive Beſcheidenheit, die 
fi aus dem lehten Gedicht der kleinen Sammimg fo anmus 
thig offenbart. 


5. Die Berflörung von SIerufalem. Ein Epos von Johannes 
Walter. Augsburg, Kollmann. 1858. Gr. 8. 9 ®r. 

Bir haben es hier nicht mit den 2eiftungen eines erfahres 
nen Meifters zu thun, fondern mit den Grftlingen einer Mufe; 
nicht mit einem vollendeten Opus, fondern nur mit einer Eins 
leitung dazu, einem Vorläufer bdeffelben auf vier Drudbogen; 
nicht mit einem Autor, der unbelümmert um Lob und Zabel 
fein Kindlein mit vornehmem Schweigen in bie Welt fendet, 
fonbern mit einem [hüchternen Lehrling Apoll's, der in einer lans 
gen, langen Vorrede fein eigener Apologet zu werben fid) ges 
nöthigt fieht. In eben biefer Worzebe, die das Dorazifche 
Nonum prematur in annum an ber Stien frägt, verfichert er, 
daß diefes Motto wol nirgend mehr in Erfüllung gegangen fei 
als bei eben diefem Werkchen, welches den Vorläufer eincs 
zwölfmal fo umfangreiden, als biefes, bilden ſoll. Es trägt 
den Titel „Weihegefang‘‘, und enthält die der Zerflörung ber 
füdifgen Hauptſtadt vorausgegangenen Wunderzeichen, bie mit 
Ausnahme eines einzigen ſaͤmmtlich biblifch = Hiftorify find. 
Was das Versmaß anbelangt, fo hat der Verf. fehr glücklich 
den Hexameter gewählt, wobel es jedoch flörend ift, daß ber 
Versfünftler aus eigener Autotitaͤt mitunter ben Daktylus im 
fünften Zuße gar nicht für eine nothwendige Eigenſchaft bes 
antiken Sechsfuͤßlers hält, Wo es bie Natur ber Dichtung zu 
erbeifchen fcheint, bedient er fi jedoch auch anderer — 


TFaldus ſtirbt. Armin's Rede an die Seinen. Sie wählen ihn | Derömaße, wie ih 3. B. (S. 82) ein Geber des Priefters Abi⸗ 


80h in Form einer Sapphifhen Ode und auf der folgenden 


Seite ei in 
derung vom Untergange des zömifchen Heeres im teuroburger | eite ein Ghor der Serappim in Atälfchen Strophen findet. 


Ebenfo wenig behagt und die wunberfiche Orthographie, von 


' welcher ber Verf. ſelbſt fagt, fie werde manchen Scholaſtiker 


(sic!y minder behagen. Erſt wenn dad ganze Werk erfchienen 
it, st fi ein Endurtheil fällen; für set läßt een 
nichts fagen, als daß ein Stoff gewäßle fei, der ſich zu epiſcher 
Darftelung vollfommen efgnef und hochſt dankbar if. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Kalendarz pielgrzymstwa Peolskiege na rok 1840. (Ka: 
in der polnischen Emfgeation auf das Jahr 1840.) 
aris. 

Unter dieſem Titel veröffentlichen bie en Gmigvans 
ten tn Frankreich eine Ai ern — æ ers 
bende Darftellung ihres gegenwärt] en Zuflandes. Ähnliche 
Überfichten find beveits für 1838 und 1839 erfchienen, und nament⸗ 
ih enthielt der Almanach für 1839 eine, wahrfcheintid von 
Hoffmann SKerrührende ‚, Erinnerung an fieben Jahre ber Ver⸗ 
bannung”, eine Befchichte der (Smigration, im welcher vorzügs 
ih au auf die Kämpfe und Papteiungen, bie unter dieſer 
Gmigeation aufgetaucht find, Rädficht genommen il. In dem 
diesjährigen Almanach findet fi zuerſt bie Lifte ber im Laufe 
des verfloffenen Jahres verflorbenen Emigranten, ihre Anzahl 
beträgt 33, dann folgt ein Namenverzeichniß aller in Paris 
wohnenden Polen nebft Angabe ihrer Adrefien, fowie weiter ber 


⸗ 


748 


Polen, welche in ben franzöfifchen Departements, ben geößen | 


Städten Englands, Belgiens und der Schweiz ſeßhaft find. 
Hierauf folgt eine Relation über fämmtliche Vereine in Paris, 
die von Interefie iſt. Es befteht dort 1) ein „Verein für wiſ⸗ 
ſenſchaftliche Unterſtügung“, durch welchen jungen talentvollen 
Holen, denen die Mittel zu ihrer Ausbildung fehlen, theils forts 
laufende, theild einmalige Unterflügungen gewährt werben, und 
es find ſchon mehre junge Leute durch biefen Verein dahin ges 
bracht worden, in einem angemefjenen Lebenskreiſe thätig zu 
fein. Der Verein hat feit feiner Begründung (28. Dec, 1832) 
68,914 Zrancs eingenommen und 58,633 Francs ausgegeben. 
2) Ein „Berein für polnifche Literatur‘, eine gelehrte Gefells 
Schaft, die unter dem Praͤſidium bes Fuͤrſten Czartoryiſti feit fies 
ben Jahren befteht und gegenwärtig 141 Mitglieder und Cor: 
refpondenten zählt. 3) Ein Verein polnifcher Damen zur Uns 
terflügung armer Smigranten, unter der Präfibentfchaft ber 
Fürftin Szartoryiſka; er tft es, dee die Öffentlichen Verkaͤufe 
und Bälle zum Beten ber Gmigranten veranftaltet. Er bat 
b.nnen fünf Jahren 135,275 Francs, im letzten Jahre 31,121 
Rrancs ausgegeben. 4) Der demokratiſche Verein, dem gegen: 
über in neuefter Zeit in der Stille 5) eine ‚Vereinigung der 
polnifhen Emigration” aufgetaucht iſt und bereits den größten 
Theil der Smigranten, über 2150 Perfonen, an fi) gezogen 
Hat. Nach ihrem Eintritt in Frankreich waren die polnifchen 
Emigranten durchaus militairiſch organffirt und der Gedanke 
an Krieg und Schwert herrfchte in ihnen vor. Unter ber Fir: 
ma dieſes Gedankens waren fie Eins in ihren Ausfichten, ih⸗ 
ren Beftrebungen und ihren Ideen; dies dauerte aber nur fo 
lange, als der Zauber, der aus {hrer außerorbentlichen Lage 
und dem lebendigen Andenken an ihren Triumphzug mitten 
durch Deutfchlanb und einen Theil von Frankreich entfprungen 
mar, fie umgab, fo Lange fie ihre wahre Lage nicht erkannt 
hatten. Als aber die Stimmen, bie auf ben Straßen: „Es 
lebe Polen!“ gerufen, verflummt waren, als bie Hoffnung auf 
Bildung von Legionen verfchwand, als die Heimatloſen fogar 
bier und da von Denen, die fie für Freunde gehalten hatten, 
Berfolgungen erfahren mußten und mit ber Politik der Cabis 
nete näher vertraut geworben zu fein meinten, ba trat eine 
gewaltige Reaction ein. Dan ſchwur Haß allen Regierungen, 
trat in offene und geheime Verbindungen und die bemoßratifchen 
Ideen gewannen bie Oberhand. Zugleich zeigten ſich periodiſche 
Schriften und Broſchüren, welche einzelne weniger bekannte 
Facta aus der Revolution entflellten oder wol gar erbichteten 
und durch ihr Urtheil über die leidvolle Wergangenheit die Bes 
muͤther bis aufs Außerfte reisten. Jeder fühlte, baß er feiner 
Ppflicht in feinee Sphäre nachgelommen war, und ſuchte ben 
Schuldigen und ben Urheber feiner und feines Volks Leiden 
neben fih, und wenn er ihm gemwiefen wurbe, hatte ex fein 
Anathema bereit. Dan ſprach nun weniger von ben Ruſſen 
und Preußen, als von fich felbft, Teiln Name aus Polens Ge: 
fchichte, keine volksthümliche Erinnerung blieb unangetaftet vor 
ber Kritik der Schreibenden und Discutirenden. Unb fo waren 
die- Berwärfnifie in der Emigration ba. Endlich aber erkalte- 
ten die Leidenfhaften, bie Einfichtigen wiefen auf das Unwür⸗ 
dige und Unkluge biefes Benehmens hin, und auf bie Roth: 
wendigkeit neuer Verföhnung und neuer Verbindung, und fo 
entftand dann die ‚Bereinigung ber polnifchen Emigration ‘ 
(Zjednoczenie Emigracji Polskiej), die zum Zweck hat: „‚alle 
die Meinen Kräfte und großen Abſichten in Einen Willen und 
Eine Kraft zu fammeln”, und eine Anzahl von Mitgliedern 
aufweifen Tann, welche kein anderer der polnifchen Vereine auch 
nur entfernterweife erreicht hat. Außerdem wirb in bem vors 
Legenden Almanach Rachricht über die öffentliche polniſche Bis 
bliothek, welche von dem greifen Niemcewicz mit großer Ans 
firengung in Paris gegründet worben ift, und über ben in Lon⸗ 
don beftehenden „Literariſchen Verein ber Freunde Polens‘, ber 
zum Zweck bat, richtige SKenntniffe von Polen zu verbreiten, 
kurze Nachricht ertheilt. 


Einen Haupttheil bes Almanachs nimmt eine ziemlich aus⸗ 
führliche „Geſchichte der Literatur der Emigranten“ ein, in wel⸗ 
cher die Repraͤſentanten dieſer Literatur: Mochnacki, Mickie⸗ 
wicz, Slowacki, Gorecki, Czaykowſti u. A. im Ganzen mit 
dem Beſtreben nach Unparteilichkeit nach ihren Schriften ge: 
ſchildert werben. 7. 





Bibliographifhe Notizen. 


Die „„Cabinet - Cyclopedia’, bie feit 1850 unter ber Leis 
tung bed Dr. Dionyfius Lardner erfcheint, wird in biefem 
Jahr mit noch 12 Bänden gefchloffen werden: Bis jeht find 
120 Bände erſchienen, in fünf Gruppen: Geſchichte, Biogras 
phie, Naturlehre, Manufacturen und Naturgeſchichte. Wie 
man fieht, findet keine beflimmte Ordnung flatt, im Innern 
ber Gruppen find manche Meifterwerke mit vielem Mittelgut 
lofe aneindergereiht. Unter jenen nimmt bie Geſchichte Grie⸗ 
chenlands von Thirlwall in acht Bänden (ſechs find bavon ers 
fhienen) einen der erſten Plaͤte ein; zur Seite ftehen ihr bie 
Sinleitung zu ben phyfilalifchen Wiffenschaften und eine kurze 
Darftellung der Aftronomie von Herſchel und mehres Naturs 
hiſtoriſche von dem genialen Swainſon; in ber Geſchichte Eng: 
lands if das Wert von Madintofh (in 10 Bänden, wovon 
jedoh nur drei aus feiner Feder floflen) ein ehrenwerther 
Zorfo, bem ſich bie Neftaurationen nicht wohl anfügen ; Th. 
Moore's „Geſchichte von Irland” (4 Bde.), Walter Scott’s „Ges 
dichte von Schottland‘ (2 Bbe.), zeigen bie Geiſtesgewandt⸗ 
beit ihrer Verfaſſer auf einem Felde, auf dem fie fih nur durch 
ihre Vaterlandslandsliebe heimisch gefühlt haben mögen. Die 
Geſchichte der Kirche, fowie die dee Reformation von Stebbing 
(in zwei Bänden) werden dem beutfchen Lefer wegen ber Art 
ber Auffafjung intereffanter fein als die bes beutfchen Reiches 
von Dunham (3 Bde.); Sismondi lieferte eine „Geſchichte des 
Verfalls des römifchen Reiches“ (2 Bde.) und eine „Geſchichte 
ber italienifchen Republiken“ (1 Bd.). Sehr interefiant find 
bie „„Sefchichte dev Entdedungsreifen” von Cooley (8 Bde.) ; bie 
„Biographien britiſcher Admirale‘’ von Southey (3 Bde.), und 
bie „Biographien britifcher Feldherrn“ von Bleig (8 Bde.). 
Den „Biographien britifher Staatsmänner‘ von Forſter und 
Madintofp (10 Bbe.), ſammt denen „‚britifcher Rechtögelehrten” 
von H. Roscoe (Sohn bes Biographen Lorenzo's von Medici) 
ſchließen fi bie von „auswärtigen Staatsmännern“ von James 
und Crowe an.- (5 Bde.) 


on bem ‚‚Dictionary of grecian and roman antiquities‘’ 
find jegt drei Hefte erfchienen, die viel Gutes verfprechen. Die 
ſchoͤne Eigenthümlichkeit englifcher Lehrbücher, den Text buch 
gute Abbildungen zu ergänzen, mangelt auch hier nicht und 
erhält um fo größern Werth, als bie Holzſchnitte nicht 
allein fehr —— und zierlich, ſondern auch, was man in eng⸗ 
liſchen Büchern über Philologie manchmal vermißt, immer nach 
authentiſchen Vorbildern gemacht find. Von ſorgfaͤltiger Kritik 
zeugt auch der Text, bes in ber Regel auf den Grgebniflen 
deutfcher Forſchung fußt. Der NRechtögefchichte iſt in dem ar: 
chaͤologiſchen Wörterbuch ihre gebührende Stelle eingeräumt; 
zu bedauern ift aber, daß der urfpränglide Plan, bie Natur: 
wiffenfhaft ber Alten ausführlich zu berüdfichtigen, burch bie 
Abficht, ben Umfang und Preis bes Buches (12 Hefte zu 1 Schil: 
ling) dem alabemifchen Gebrauch angemeffen zu erhalten, ver: 
brängt worben iſt. Vielleicht kommen die Vorarbeiten, bie in 
diefer Hinficht gemacht waren, den Zreunden ber Alterthums⸗ 
wiffenfhaft und Naturkunde in einer beſſern Form zugute. 
Wie das Wörterbuch ift, füllt es in ber philologffchen Literatur 


der Engländer eine wefentliche Lüde aus; benn das „Classical 


dictionary‘ von Lempritre, das einzige, was man in biefem 
Fache befigt und felt 240 Jahren P Taufen und zu preifen nicht 
ablaffen konnte, ift ebenfo unvollftändig als unkritifch. 48, 


LEERE 
Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brodhaus — Drud und Verlag von F. U. Brodhaud in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


Bericht über eine Poeten-Centurie aus dem Jahre 1839. 
Erfter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 186.) 


6, Zuleima und Saladin. Gin epifches Gedicht in brei Gefäns 
gen von Friedrich Augufi Steger Zeit, Webel. 
1838, 10 Gr. 

Der Paſcha Omar in Paläftina hat feine tuͤrkiſchen Scha⸗ 
ren gegen die Bebuinen ausgefandt und nimmt Saladin, einen 
jungen, tapfern Araber, gefangen. Er übergibt den ſchwer 
Verwunbeten einem chriſtlichen Wanne (ift es ein Arzt viel: 
leicht?), auf daß er beffelben pflege, damit er an dem Genefenen 
volftändig Rache nchmen könne. Diefer Pfleger Saladin's hat 
eine Tochter, Zuleima, welcher er ben verwundeten Züngling 
übergibt. Bald fühlt fie ihre Herz vom Pfeil der Liebe für den 
bolden Pflegling tief verwundet, aber auch bald durch Gegen⸗ 
liebe geheilt. Sie geftcht dem Vater ihr zärtliches Verhaͤltniß 
zu Saladin, und man befchließt, in die Heimat bes Arabers 
zu entfliehen; doch foll dieſer zuerft heimlich dahin zurüdgehen, 
um Alles zur Flucht der Gellebten und ihres Vaters bequemer 
einzurichten. In der Zeit feiner Entfernung fobert Omar ben 
Gefangenen zurüd; da er ihn nicht findet, läßt er den Vater 
hinrichten. Zuleima’s Schmerz wirb durch die Vorwürfe ihres 
Gewiſſens noch brennender, bis Saladin, der bei feiner Schwe⸗ 
fter in der Heimat gewefen, fie abholt. Ste flüchten nach eis 
nem Hain, wo das Gefolge Saladin’s ihrer harren foll. Doch 
wirb diefes von umberfchweifenden Zürken tangegriffen und zer: 
fireut, worauf fi Saladin genöthigt fieht, mit ber Geltebten 
allein die Flucht nach ber Heimat zu nehmen. Das lange Um: 
herirren in einer Sandwüfte in ben brennenden Strahlen ber 
Sonne erfhöpft Zuleima’s Kraft. Sie erholt ſich zwar, ba fie 
eine Quelle unter einer Palme entdedien, aber nur kurze Zeit, 
und gibt in den Armen des Geliebten ihren Geiſt auf. Der 
Verzweifelnde trägt den Leichnam durch die Wüſte auf feinen 
Armen zu feinee Schwefter, wo er tobesmatt anlommt und 
entfeelt nicberfintt. Dies ift der einfache Stoff biefes Gedichte, 
su kurz, um Gpifoden einzumeben, zu troden bargeftellt, als 
daß es unterhalten Fönnte. Der Vers bewegt ſich in der Form 
der Detave etwas ungelent und ſchwerfaͤllig. Kakophonien 
hinſichtiich des Reims, Dehnungen der Zeitwörter und Ins 
verfionen vergäflen den Genuß beim Lefn. Man böre bie 
Stange (©. 32): 

Buleima, Hätte du geahnt, welch' Reiben, 
Wei’ namenlofer Schmerz bad ‚Gerz bir einft 
Zür foldye kurze Dauer biefer Freuden 
Berreißen würbe, Arme! balb, vielleicht, ach weinft 
Du, fatt deu Thraͤnen hoͤhrer Geligkeiten, 

Die Ihrönen berben Schmerzes, bald, ach, meinft 
Du, nichts auf Erden gleiche deinem Leibe, 
Das dir das tuͤckiſche Geſchick bereite. 


Solcher Stangen find mehre; blos im beitten @efange find eis 
nige Stellen, die wir in dieſem Gedicht jener Quellenoaſe mit 


— Nr. 186, 11 


4. Zuli 1840. 


bem Palmbaum vergleichen möchten, wo Saladin bie verfchmadhs 
tete Geliebte wieder ins Leben rief. Überdies nimmt fich der 
Verf. nicht übel, S. 37, Stanze 3 ein paar Füße zu viel in 
den Vers zu bringen. Wie verfchieden mithin von der Grazie 
der Wieland’fchen und der reichen ECuphonie der Ernft Schulze’s 
fhen Stangen! Der Verf. hätte beſſer gethan, das Werkchen 
feinen Freunden blos vorzulefen, ober es erft dann druden zu 
laſſen, wenn es das Horaz'ſche Nonum prematur in annum 
erfüllt hätte. 


7. Schön Irla. Gin Märchen von Friedrich von Ballet. 
Zirier, Troſchel. 1838. 8. 12 Gr. . 

„Schön Irla“ ift ein fo zartes, aus dem feinften Äther 
der dichtenden Phantafie gewebtes Duftbild, daß ed die mate⸗ 
rielle Berührung und Beleuchtung kaum duldet, und daß bie 
Referentenfeber zu ſchwer und zu plump iſt, in ihrer fchulmeis 
ſterlichen Profa ihr treues Abbild auf das Papier zu zeichnen. 
Der Lefer ahnt nur in ihr eine jüngere norbifche Schweſter je: 
ner mythiſchen Pſyche aus dem Altertbum, welche die Seligkeit 
der Liebe und des Himmels im Kalten Klima bes Erdenlebens 
heiß erfehnt, fucht und erfirebt; Blumen und Bäume, Nachtis 
gallen und Müden, Meereswogen und Engel fingen fie an und 
verwandeln fie in einen Vogel, der mit leichten Schwingen aus 
dem Rorden in den Süden ſchwebt und verfucht, in das Eder 
einzubringen, wo ein Englein ſchlaͤft. Endlich gelingt ihr bie 
Erringung diefes Edens; das Eis fchmilzt in dem Sehensfkradl 
ber füdlihen Sonne und ſchön Irla wird die Bewohnerin eis 
ner fhönern Zone. Das Lyriſche bedeckt hier das Epifche ganz 
und nur die Titelbezeichnung „Ein Maͤrchen““ Tann und mag es 
rechtfertigen, daß wir biefes lieblichen lyriſchen Gedichts unter 
den epiſchen Probuctionen erwähnen und es rühmen. 


8, Grifeldis. Romanze. Bon Adolf Steppes. Darms 
fladt, Pabfl. 1839. 16. 6 Gr. 

Friedrich Halm's gleichnamiges dramatifches Gedicht, wels 
des trog einer herben Kritik von Wienbarg in den ‚Blättern 
der Börfenhalle” fo viel Glück gemacht, daß es ins Italie⸗ 
nifhe, Schwediſche und Polnifche überfegt ift, hat Hrn. Dr. 
Steppes begeiftert diefes Meifterftüd in einem kleinen romantis 
ſchen Bilde abzufpiegeln, fobaß das Ganze auch vom Ginzelnen, 
im häuslichen Kreife, vorgetragen werden Yann. Der Stoff ift 
der Bearbeitung nicht unwerth und die Bearbeitung felbft ges 
lungen zu nennen. Das Duobezbüchlein (ed hat nur 32 Sei⸗ 
ten) iſt in einem Akroſtichon dem Prinzen Georg von Heflen 
und bei Rhein dedicirt. 


9. Der Skalbe. Bon 8. C. Ch. Brande. Hamburg, Refts 
ler und Delle. 1838. Gr. 8. 1 Ihle. 

Wir fielen nicht in Abrebe, baß bie hier aufgeftellten vos 
mantifchen Gemälde, beren einzige Staffage bie flandinavifche 
Heroen= und @ötterwelt bilder, ſowol für bie Bewohner Däs 
nemaͤrks, wie auch für viele Lefer deutſchen Abſtamms von Ins 
terefie fein mögen, wie denn auch die Sprache edel genug iſt, 
um ihrem Bildner feinen Plag unter den Dichtern feines Mut⸗ 


70 


terlanbes anzumwelfen; aber nach unferm Dafürhalten ſteht der 
nordiſche —* ſtete eine Stufe tiefer als ber griechiſche Rha⸗ 
pfode, des Deliers Leier Elingt füher als des Skalden Telyn 
und wir weilen lieber im Elyſium als in Walhalla. Kern find 
wie indeſſen, um biefes individuellen Gefühle willen über biefe 
Romanzen und Gayen ben Stab brechen zu wollen; es kehren 
freilich diefelben Rhythmen, diefelben Weiſen, dieſelben Bilder, 
diefelben Beftalten immer wieber, aber fie werben dennoch Ans 
Bang finden an den Stellen, wo ber jegt völlig verklungene 
Skalĩdengeſang einft tönte; fie hellen mit zauberiſchem Lichte 
die Trümmer einer verfuntenen Welt und bebeden mit bem 
leicht gewebten Schleier der Phantafie bie anmwidernde Roheit 
eines alten Urſtammes unb bie linbilden einer nächtlichen Zett. 
Auf Details Fönnen wir und bier um fo weniger einlaffen, ba 
wir die legten Romanzen nicht gelefen haben. Das Bud iſt 
dem Kronprinzen von Dänemark (jetigem Könige) geweiht. 


10, Schill. Cine poetifche Keftgabe zur Z5jährigen Jubelfeier 
der Schlacht bei Ceipaig, von Wilhelm Meinhold. Pas 
ſewalk, Kreiberg. 1839. Gr. 8, 12 Gr. 


Schon früher haben wir Gedichte von Wilh. Meinholb in 
d. Bl. mit gebührendem Lobe angezeigt und nahmen mithin 
vorliegenden Romanzencyelus mit günfigem Vorurtheil zur Hand; 
aber unangenehm wurden wir enttäufht. Hr. M. hat von 
jeher viel und zu viel Werth auf feine poetifchen Leiftungen 
gelegt. Schon in der Vorrede wird eine Spracde geführt, aus 
der man fchließen möchte, ber Verf. gebe ein Epos, ausgezeich- 
net in feiner Art, und wenn wir lefen, was er &. 30 von dem 
fhönen und malerifchen Verſe fagt, nämlich von dem Ariftophas 
niſchen anapäftifchen katalektiſchen Zetrameter, ben er jeboch 
bier (naͤmlich Romanze Nr. XI) hyperkatalektiſch gebraucht 
babe, To klingt es nicht anders, ald wollte er fagen: Habe 
Refpect, o Leſer, vor meiner Poetil! Aber wir müflen es eins 
geſtehen: Hier tft Gberall much ado about nothing. Die ganze 
Form, in der bie Geſchichte bes mwagehälfigen und patriotifchen 
Dartelgängers, ber, rührend genug! auch nad feinem Tode 
nicht fand, wo fein Haupt ruhen Eonnte, weil es ihm die Hol⸗ 
länder abgefchnitten, in Spiritus geſegt und nach Leyden ges 
fandt hatten, bat uns nicht angefprodden, und hinfichtlich bes 
Seiftes ifts in der That nicht befler. Der alte Körfter, der von 
Anfang bis zu Ende im Buche mit einer naiven Derbheit und 
“ feinem glühenden Patriotismus figurirt, zeigt fig uns in Si⸗ 
tuationen und offenbart Sharakterzüge, die uns ein Lächeln ab: 
nötbigen. Dan höre. &.5 fagt er bei der Retivade ber Preu⸗ 
Sen: „Friedrich, alter Friedrich, mein Herz verbrennt!‘ Das 
Benehmen ber frangöfifchen Einquartirung fdildert er bem alten 
Freunde Schill's, einem Paſtor, alfo: 
Paſtor, der Franzoſe macht's gar zu ſchlimm, 

Iſt er hier bei Ihnen auch ſo voll Grimm? 

Pour mol, fo ſchreit er, ria und fromage, 

Und dann will er Semmel no alle Tage. 


Sr fragt den franzoͤſiſchen Offizier nach feinem Könige, worauf 
diefer erwidert: ‚‚Sacre nom de dieu, der lauft was er 
Tann!’ Das erzürnt den alten Mann hoͤchlich, und er fagt dem 
Zrangofen, wenn ben König feine eigenen Leute nicht verkauften, 
dann würde er nicht laufen, und er fügt hinzu: „Wie bei Roß: 
bach hättet ihre Herrn Zranzofen wieder Stripps belommen auf 
Eure Hoſen.“ Das verſteht aber ber Sieger unrecht, zieht die 
Plempe heraus und haut den Alten fhändlidh aus. Wie er 
(8. 45) vom Tugendbunde hört, ſchickt er den Ghriftoph eilig 
nad ber Stadt, damit er Wein hole; man fucht ihn zwar 
bavon abzuhalten, aber er ſchreit: „Laſſen Sie ihn Laufen, heute 
will und muß ich mich beſaufen!“ &o geht's bis zu dem Mos 
mente, wo ihm bie Nachricht von Schill’s Ende das Herz bricht. 
Nicht wie ein Schwein wolle er fterben, aͤußert er, verlangt 
den Pfarrer, feinen Gorporalkod und feinen Zopf. Da liegt er 
nun. Alles weint unb an bem biden Zopfe let ihm das Hünd⸗ 
hen — ift Alles &. 77 zu Iefen. Schill felbft erſcheint feiner 
nicht würdig in bes Lebens letzter Scene. Er tft aufgeregt, 


Hein ig, abergläubf d grei Rum , 
zu —* ⸗ Er ine “ nahen Ye er 28 
zieht das Schwert: „Heraus, mein Schwert, wer in ber Liebe 


endet, der at auch ohne Gott in Gott geendet!” Aber auch die " 


legten Worte und Handlungen verföhnen uns nicht mit ihm, noch 
weniger aber mit dem Verfafler. Die lehte Rummer: „Schill's 
Kopf‘, hat mehr poetifchen Werth als alles Übrige, und wir 
erfennen darin den früheren Dichter. Das Portrait Schi@’e, 
eine Zeichnung des Kopfes mit breiter Narbe, wie er fi im 
Spiritus erhalten bat, ift dem Gebicht vorangeftellt. Cine 
gute Zugabe. 


11. Gifenpring. Cine Dämoniade von Philipp Walburg 
Kramer. Um, Rüblin. 1888. Gr. 12. 10 Gr. 
Stoffiren wir mit einigen Strichen bie exften Stangen bie: 
fer in bas Gebiet der niedern Komik zu verweifenden Dämos 
niade, und biene baffelbe als Bericht und Anſicht. Der erfte 
Gefang beginnt: 
Euch rup ich an, ihre ungeheuern Berge, 
Auf deren Scheitel Bang getönt ber Skalben, 
In deren Klüften weife Zauberzwerge, 
Die Beine krumm, bad Antlis voller Falten, 
Für Held und Sänger brauten bie Latwerge, 
Daß fie die Hände voll Begeifttung ballten; 
Ihr breitfchultrigen, alterögrauen Riefen, 
Wollt mid mit Suerm Geifte übergießen. 


Und bie Zwerge neigen fich wirklich hulbreich bem lebens 
ben zu und übergießen ihn mit ihrem freilich nicht immer reis 
nen Geifte voll und ganz, durch und durch, fobaß er trieft. 
Bei der zweiten Stange wäre nichts zu gloffiven. Die dritte lautet: 

Und eu, ihr wanbellofen Sternenlichter, 
Nuf ih mit Inbrunſt an, feld auch mie bolbe, 
Ich bin ein unberühmter junger Dichter, 

Den die Gluͤcksgoͤttin feither feindlich grollte. 
Ihr liebenswerthen Engelangefidhter, 

Verklaͤrt mein armes Lieb mit Euerm Golde, 
‚Bringt mir Gefühle, ſuͤß wie Honigſeim, 
Und manchen funkelnagelneuen Reim. 


Ob die wandelloſen Sterne dem allerdings unberühmten 
und uns unbekannten Dichter ſo geneigt ſind wie die zuerſt 
angerufenen Erdgnomen, ſteht dahin; doch gewähren fie wirk⸗ 
lich manchen funkelnagelneuen Reim, der hin und wieder durch 
—— oder daktyliſche Formen von komiſcher Wirkung iſt. 

tanze vier: 

s IH Habe ein Tragoͤdienſpiel geſchrieben, 

Und wäre ſchier vor Traurigkeit geflorben; 

Und da ih nun bie Wehmuth abgetrieben 

Unb meinen Lorber ſchmachtend mir erworben, 
WIN mir ein pudelnaͤrrſches Lied belieben, 
Dieweil mein Saͤngermark noch nicht verborben; 
Und faß' ih bei den ſeidnen Lodlenhärden 

Dit froher Laun' ein allerliebfied Märchen. 


. Ein pubelnärrifches Lied — ja; aber durch ſolches Läßt 
ſich der Lorber felten erringen, befonders wenn es wie bier allzu 
pubelnärrifch ift, etwas riechend nach dem lauwarmen Qualm 
der Handwerksburſchentaverne und Stubentenkneipe; auch hegen 
wir einen beſcheidenen Zweifel, ob das Epitheton „allerliebſt“ 
bier zu „Maͤrchen“ pafle. 

Den Leſer fol mein buntes Lieb ergetzen, 
Auftifg’ ih Herzen, bie vor Liebe pochen, 
Und Mörder, welche ihre Dolche wegen, 
Und Götter, welche ihren Eid gebrodden, 
Die Hölle ſelbſt vol Grauen und Gntfegen, 
Und — doch ed iſt genug Prolog gefprochen, 
Wir wollen und nicht länger mehr befiunen, 
Die Handlung fol ohn' Weiteres beginnen. 


Leider ergögt aber das Lieb nicht immer; nicht felten er⸗ 
regt es fogar Ekel, z. B. wo die Gituation befchrieben wird, 





751 . 


in welcher der Eifenprinz ben Zwerg Guecho findet, ober wo 
der phyſiſche Genuß der elede eben wird, wo man in ber 
That mit Horaz ausrufen möchte: Ohe jam satis est! An 
einigen Zügen Zomifcher Derbpeit fehlt es nicht; aber bie Ers 
findung des Ganzen bekundet keinen Phantafierelchthum. 


12. Sieben Bücher deutfchere Sagen und Legenden. In alten 
und neuen Dichtungen, herausgegeben von Auguft Robnas 
gel. Darmftadt, Ionghaus. 1889. Er. 8. 1Xhlr. 8 Er. 

Eine dicke Anthologie (faft 200 Seiten), angeftellt auf dem 

Felde der Gage und Legende, auf weichem fich gegen 80 

Poeten und Poetaſter aus neuer und neuefter Zeit umtummeln. 

Zum Verdienſte rechnet ſichſs der Sammler an, daß er, zunaͤchſt 

wol zu Rus und Frommen ber Jugend, in einem Anhange den 

Umriß ber Mythologie und eine Theorie über die deutſche Sage 

gegeben habe, fowie er denn auch als Vorzug diefer Sammlung 

anführt, daß er durch feine Auffoderungen an bie Dichter eine 
ziemliche Anzahl bisher noch ungebrudter Stüde, die mehr als 
den fechften Shell des Ganzen einnehmen, veranlaßt oder zum 

Drude gebracht habe. Wir befennen uns gern zu ben Aners 

Zennenden dieſes Fleißes und biefer Verdienſte. 


13. Der Dammbruch, ober bas Pfarrhaus zu Beidau. Sin 
Ratur- und Ramiliengemälde in vier Befängen von Ders 
m. ann Krüger. Elbing, Reumanns Dartmann. 1839, 

L} T. 


Eine gar freundliche, liebe Gabe, Eunftlos wie die Natur, 
warm wie das fühlende Menſchenherz. Es ift wahr, der alte 
Pfarrherr zu Weidau erinnert an den ehrwürbigen Pfarrer zu 
Grünau, feine Gattin an bie „alte verfländige Hausfrau‘, feine 
Tochter Thereſe an Luife, und Gerold an den edeln, befcheides 
nen Walter, ja, felbft einige Wendungen in ber Sprache und 
im Herameter an Voß'ſchen Phraſenkram und Lieblingsrebemweife; 
aber das Tann, das barf hier um fo weniger flören, ba das 
Gedicht (wir Tönnen e6 füglih ein Idyll nennen) durch ein 
trauriges NRaturereigniß, nämlich bie vorjährige Uberſchwemmung 
der Weichfelniederung veranlaßt wurde, und auch der Ertrag 
drei in ber elbinger- und marienburger Niederung Verunglückten 
beftimmt ift. Den Hintergrund des Beinen biftorifch wahren Ge⸗ 
mäldes, das nicht übel gelungen ift (vgl. den zweiten Gefang), 
bildet das vorerwähnte furdhtbare Naturereigniß, den Vorder⸗ 
grund dagegen eine dem Reiche der Phantafle angehörende Gruppe 
fühlender Ürenfchen, beren SHarmiofigkeit und frommer Sinn 
uns ebenfo anzieht wie ber Glaubensmuth, der ihnen Beiftand 
in der Stunde der Roth und Gefahr iſt und ihnen Alles über: 
winden Hilft. Wir geben abfichtlich kein Refume des Inhalts, 
damit wir dem Urtheile und Genuß bes Lefers nicht vorgreifen; 
er felbft Iefe und — Faufe, damit der Zweck bes edeln Verfaſ⸗ 
ſers erreicht werde. 


14. Deutſche Ahnen in Romanzen aus Geſchichte und Sage, 
von Georg Rapp. Stuttgart, Ebner u. Seubert. 1839, 
81.8 18 Gr. 

Das Büchlein gibt, was es verfpricht: Lieber, die von bes 
Baterlanbes Vorzeit und feinen Helden fingen, von Hermann 
den Cherusker bis auf Ludwig von Baden; dann noch Sagens 
baftes, gut bargeftellt, doch Hin und wieder fchon zu Markte 
gebracht. Ausftellungen lafien ſich nirgend machen, und wenn 
es im lieben beutfchen Dichterwalde heutzutage nicht von allen 
Zweigen fhallte, fo würden wir mehr über das hier Gebotene 
fagen und es leichter charakteriſiren koͤnnen. 


15. 38 —— — Gine Pa Bat. Bur Reus 
jabregabe von Pr. v. Maltzahn.. w, Dpie u. 
me 1889. Gr. 8. 8 Gr Ze 
Der Werf. ergeht fi auf dem Sagengebiete ber norbifchen 
Mythologie und laͤßt den böfen Lode, den Fenriswolf, die 
Midgardfehlange, Odin, den Water ber göttlidden Afen, Thor, 
uller, Baldur, arfetie Vile, Frey, Thir, Heimdal, Satur, 
Braga, und beſonders im vierten Geſange Siona und Widar 
figurisen,, was für Ale, die ſich für die beiden Edden und bie 


nordiſche Sage Überhaupt intereſſtren, ein willkommenes Schau⸗ 
ſpiel fein dürfte, was Ref. betrifft, fo hätte er das Werklein 
55 Selten) wol gar nicht gelefen, wenn er es nicht leſen mußte 
als Berichterftatter; denn ihm behagt nun einmal ber ganze 
Kram ber ſtandinaviſchen Rosmogenie und Mythologie nicht; 
befto mehr fagte ihm bie Form zu, in welcher gegenwärtige 
Sage auftritt. Sie ift nicht, wie es fein follte, bie bramatifche 
fondern bie epifhe. In wohlklingenden tanzen bewegt fi 
die Handlung leicht fort, und dieſe Stangen befommen einen 
ganz eigenthümlichen Heiz bucch den Gebrauch ber Anapäften 
fatt ber veinen Jamben. Es hat dem Sänger nicht gefallen, 
ben Quell zu nennen, aus bem er bie vorliegende Gage ges 
ſchoͤpft; wie gefteben, baß wir zu unbewanbert finb in ben 
beiden Edden, um angeben zu können, was auf Rechnung ber 
mpthifchen Hiſtorie und auf Rechnung der eigenen ſchaffenden 
Phantafie zu fchreiben fei. Der Zitel bes Gesichts fcheint uns 
in keiner nahen Beziehung mit bes Buches Inhalt zu flehen. 


16. Der fahrende Saͤnger. Ron Sopenn RN. Vogl. 
Bien, Wallishauffer. 1839. ®r. 8. 18 Gr. 

In dem gereimten Borworte fagt ber Verf., ber hier alte 
Legenden, Balladen und Heime nachbildet, er wolle durch bas 
Gebotene Teine Lorbern gewinnen, unb verlange einen Danf 
dafür als einen ftillen Gruß; in ber That Laffen ſich auch 
burch folche Nachbildungen Feine Lorberreifer erringen; es kommt 
nur barauf an, daß fi Geſchmack in der Wahl mit ber Leich⸗ 
tig@eit in dee Darftellung barmonifch verſchmelze. In ben alt: 
fpantfchen Romanzen, wo faft überall bie Aſſonanz beobachtet 
tft und bie im Metrum ber Originale abgefaßt find, herrſcht 
leider eine widerliche Breite; freilich laboriren bie romances 
viejos größtenthells im Originale auch an biefem Gebrechen. Man 
dr 4 8. „Pedro und Blanca’ in vier Nummern. Die alts 
ſchwediſche Ballade „Klein Karin’ (die erfle Nummer) tft ſchoͤn 
und läßt in Beiner Art unbefriebigt. Die altenglifche Ballade 
„Die drei Schützen von Carlisle““, ift nichts anders als bie in 
England national geworbene Zellfage, bie wie auch in Dänes 
mark und Irland finden. „Der Knabe, ber mit einer in bie 
Quere getragene Stange in die Thür gehen wollte‘, nach bem 
DHolländifchen des Cats, iſt Läppifch und matt. Geift und Ton 
altbeutfcher Balladen ift bekannt. Wohl gefallen werben auch 
die altferbifchen Heldenfagen, namentlich „Des Arabers Brauts 
fahrt”. Das Ganze gibt eine trefflidhe Ausbeute für unfere 
Antbologen. *) 82, 





Kleinigkeiten in bunter Reihe. Bemerkungen und Bes 
trahtungen über Gegenftände der Natur und Kunfl. 
Von Johann Friedrih Ludwig Hausmann. 
Erſtes Bändchen. Göttingen, Dieterih. 1839. 8. 
1 Zhle. 8 Gr. 

Hr. Hofrath Hausmann in Göttingen iſt in unferm Ba: 
terfande durch feine naturwifienfchaftlichen Schriften bekannt 
genug, um nicht auch für bdiefe in dem Lefer Erwartungen zu 
erwecken, bie mit den Anſpruͤchen, welche die Gegenwart an 
ben NRaturforfcher macht, auf gleicher Linie fichen. Der vors 
nehm = didaktifche Zon, der feit einer geraumen Reihe von Jah: 
ren an den Arbeiten göttinger Gelehrten verfpottet wurbe, if 
bier auf angenehme Weife gemäßigt, und es würbe unbillig 
fein, Das, was bier unter einem befcheidenen Titel angefünbigt 
und in dem Vorwort ‚ein unanfebnlicher Strauß von Heinen 
Blättern, Blumen und Früchten“ genannt wird, deshalb ges 
ring zu balten, weil der Hr. Verf. ſelbſt es für „Kleinigkeiten“ 
hält. In der That ift in jedem ber hier gegebenen fünf Auf: 
fätze ein reiches, ficheres Wiſſen, ein liebevolles Belaufchen und 


Beobachten der Natur und eine hohe Achtung vor den orte 


°, Einen zweiten Artikel Iaffen wir im Monat September folgen. 
D. Red. 


792 


tten bes Menſchengeiſtes — vor jenem rafliofen Suchen nad 
ya Urgrund aller Dinge — bargelegt. Wir glauben befonders 
ben zweiten Aufſatz: „Die Zweckmaͤßigkeit der Ieblofen Ratur, 
als eine ebenfo gelungene als belehrende, ruhig fließende Dar: 
ftellung des Einfluffes der ſcheinbar tobten und täglich abfters 
benden, rigiden Oberfläche der Erbe auf bie Sntwidelung ber 
Zhätigkeit des Menſchen nach allen‘ Richtungen hin bezeichnen 
gu dürfen. Es ift hier in gedrängter Kürze ein Bild menfch« 
lichen Scharfſinns gegenüber der leblofen Natur und ihrer Be⸗ 
. nußung für alle Zwecke des Lebens, und fomit des gegenwärtis 
gen Grades der technifchen Intelligenz gegeben, das — und 
wenn ber Leſer auch mit allen Einzelnheiten bereits anderweit 
befannt geworben wäre — doch in feiner Totalität einen über: 
aus berubigenden, impontrenden Eindrud macht. Die Auffäge 
unter 1): „Über die Schönheit der belebten und unbelebten Nas 
tur“, und unter 3): „Über die Rationalphyflognomie ber Kry⸗ 
falle”, von denen der letztere eine fehr beicheidene Belehrung 
füe Hen. Prof. Sudow in Jena enthält, ſchließen ben erſt ers 
wähnten gleihfam als Vor⸗ und Nachwort paſſend ein. über 
den Zweck des Auffages unter 4): „Ein Wort vom Glaſe“, find 
wir nicht recht im Klaren; feine Entfiehung hat wol eine fehr 
gufällige Beranlaſſung gehabt, und wenn er auch dem Aufſat 
unter 3) in vieler Beziehung ſich anſchließt, fo ſcheint feine 
Ausführung doch nicht gang geglüdt. Dagegen verdient ber 
Ieate Auffag unter 5): „Über die Weränderungen, welche das 
{ußere von Gebäuden und von Werken ber bildenden Kunfl 
erleidet‘, die Aufmerkfamkeit aller Arditelten und Bildhauer, 
welche bei dem Naturforſcher fich ſtets über die Natur des Mas 
terials zu ihren Arbeiten die genauefte Auskunft holen follten, 
in einem hoben Grabe und es wärbe fich diefer Gegenftand gu 
einer größern, ſehr nüslichen, wiſſenſchaftlichen Arbeit eignen, 
fobald die Erfahrungen verfchiedener Zeiten und Zonen weiter 
gefammelt, geprüft und von fefter Hand zufammengeftellt wür- 
den. Die hier gegebene neue, wenn aud mehr einfeitig auf 
das Mineralreich befchräntte, Anregung für den Gegenftand ift 
dankbar anzuerkennen. 6, 


L—L———— Ren 


Notrzen. 

über Capefigue's Werk: „L’Europe pendant le con- 
sulat et ana de Napoléon“ (erfte Lieferung, 2 Bde.) 
äußert ſich ein franzöfifches Fritifches Journal: „Hr. Gapefigue 
tft mit einer wahrhaft verſchwenderiſchen Bruchtbarkeit begabt; 
er bringt gefchichttiche Werke mit berfelden Schnelligkeit hervor, 
mit welcher gewiffe Schriftfteler Romane maden. Wollte man 
auch fagen, daß bei Werken der Einbildungskraft die Zeit nichts 
zue Sache thue, fo Tann man dies doch nicht auf eine Arbeit 
des Studiums und ber Unterfuchung anwenden. Die Geſchicht⸗ 
bücher des Hrn. Gapefigue verrathen übrigens auch die Spuren 
diefer Eile. In einer fehr angenehmen Manier gefchrieben, 
reißen fie wol den Lefer bin, aber nicht lange, und er wird ers 
kennen, wie fehr ein tüchtiger Grund ihnen mangelt, er wird 
bald das Vertrauen zu bes Autors Urtheil verlieren und biefer 
Oberflaͤchlichkeit, welche ber Würde ber Geſchichtſchreibung fo 
entgegen ift, müde werden. Indeß feheint es uns, als ob ge: 
genwärtiges Werk verdiente die Aufmerkfamteit zu fefleln. Dr. 
Gapefigue betrachtet Napoleon unter einem andern Geſichtspunkt, 
als die meiften franzoͤſiſchen Geſchichtſchreiber bisher gethan has 
ben. Mit der abfoluten Gewalt erſichtlich ſympathiſirend, fieht 
ee in dem Kalfer den wahrbaften Wiederherſteller dieſer Gewalt, 
er bewundert fein Genie in der mächtigen Faͤhigkeit, womit ber 
Kaffee ale die durch die Revolution auselnanbergefprengten 
Kräfte von neuem zu fammeln und zu consentricen, bad Ges 
fchrei der Tribunen zu erſticken, biefe fogar an feinen Triumph⸗ 
wagen zu feffeln und bie glühendfien Verehrer ber Freiheit in 
Hofleute, bie dem Despotismus blind ergeben waren, zu ders 
wandeln wußte. Rach biefer Geite Hin findet er den Ruhm 


umb das Genie Rapoleon's mehr als in feinen glänzenden Er⸗ 
oberungen, bie am Ende doch nur bazu dienten, bie Gren 
Frankreichs zu Bunften feiner Nachbarn enger zu ziehen. 
zahlreichen Siege ber franzöfifchen Armee werben feinem Urtheil 
nach durch die Pläglichften Fehler aufgewogen, welche den Kal 
ber mit fo großer Geſchicklichkeit gegründeten Herrſchaft herbeis 
führten. ine ſolche Anſicht Liegt gewiß der Wahrheit näher 
als diejenige von Schriftftelleen, die aus Napoleon einen Freund 
der Kreiheit machen, dem nichts ıfo fehr am Herzen gelegen 
babe als die Wohlfahrt und der innere Kortfchritt Frankreichs. 
um übrigens Gapefigue vollftändig beurtheilen zu können, müfs 
fen wir bie Veröffentlichung ber folgenden Bände abwarten. 
Die beiden erften umfaflen nur ben. ziemlich kurzen Zeitraum 
von 1794—1801 ; das iſt die aufffeigende Periode Napoleon’s 
deren Greigniffe noch am beften befannt find und innerbald 
welcher er feine Talente und Abfihten am ſchlagendſten ents 
widelte. Kür die Parteigänger der abfoluten Gewalt bietet fich 
bier in der That ein bemundernswürbiges Schaufpiel dar und 
man kann fagen, daß Napoleon Alles gethan hat, um ber Held 
der Legitimität genannt zu werden.” Obgleich für uns Hr. 
Gapefigue, ber felbft die despotifchften und miferabelften Beiten, 
wie bie ber Regentfchaft mit allen Mitteln beuchlerifcher Sophi⸗ 
fit zu vertheidigen bemüht ift, nicht ald Gewährsmann gelten 
kann, fo haben wir doch feiner Anficht über Napoleon Erwäh- 
nung thun wollen, mit Bezug auf viele, jüngft in dee franzoͤ⸗ 
fiihden Deputirtenlammer laut gewordene Ausfptüce zu ver- 
ſtehen zu geben, daß au in Frankreich über Napoleon eine 
der frühern Anſicht entgegengefegte fi allmälig Geltung vers 
ſchafft. Dan wird wenigftens aufhören zu glauben, daß Napo⸗ 
leon ein Held und Befchüger nicht blos der franzöfifchen, fonbern 
fogar der allgemeinen Weltfreiheit und zugleich ber ebelfte Kos⸗ 
mopolit gewefen fei, welcher ja feine eigene Ration zur Schlacht: 
bank führte, um fremde Nationen zu unterjochen. 


Wie je länger je inniger die Briten für deutſche Kunft 
und deutſches Wefen ihr als engherzig verrufenes Gemüth aufs 
thun, davon zeugt auch folgende Stelle, welche aus einem 
„Specitications‘‘ betitelten Werke von Mr. Bartholomew ents 
nommen iſt. Der Verf. überfchättet darin die deutiche Baukunſt 
und ihre Repräfentanten mit einem Lobe, welches uns in eini⸗ 
gen Punkten faft das gerechte Maß zu überfteigen fcheint. Die 
gegenwärtige beutiche Schule der Baukunſt“, fagt der Verf., 
„iſt großen Ruhmes würdig, ihre Werke haben Größe der Auf: 
faffung und Schönheit der feulpturalen Verzierung im ebelften 
Kunftftyle und zeugen von tüchtiger Kenntniß ber Gonftruetionss 
wiſſenſchaft. Wir Haben in keiner andern modernen Architek⸗ 
tur Schönheiten von fo ausgefuchter Erfindung. Die meiften 
unferer neuen Bauwerke find bürftig und Tabl; nur wenige 
von ihnen find correct, manche erfcheinen fogar noch Fälter als 
der Stein, woraus fie erbaut find. Dennody find unfere Ges 
bäude in mandyen Punkten denen der Deutfchen überlegen, 
denn neben ben vortrefflichen Gigenfchaften, woburd ſich bie 
Werke unferer ausländifchen Mitbewerber auszeichnen, gebt 
eine gang überrafchende Rohheit nebenher, eine gewiffe Reigung 
su den ſchlechteſten Principien bes ſchlechteſten Gothiſchen, in 
gänzlihem Widerſpruch mit den erhabenen Schönheiten ihrer 
Schule, deren Leiftungen in mancher Hinſicht fogar ben Wer: 
Een ber Griechen überlegen find. (1) Ohne biefen Zuſatz von 
tedeskiſcher Geſchmackloſigkeit würden ihre Werk zu fchwebend, 
zu ätherifch fein, um noch menſchlich zu fein. Ihre Pläne 
feinen das Ergebniß von jenen zwei dualiftifchen Principien 
zu fein, welche im Menfchen thätig find. Könnten wie unferer 
Architektur die keuſchen, claffifhen und finn=- und erfindunges 
reichen Schönheiten ber deutfchen Baukunſt einhauchen, fo w 
ben wir fie zugleich weiter fürbern und erwärmen. Aber wir 
bürfen auch nur bie Fehler der deutfchen Baukunſt nachahmen, 
um den Ruin unferer eigenen hinkrankenden Architeltur zu vers 
vollftändigen.” 5, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von J. A. Brodhausb in Leipzig. / 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


Jenſeits der ‚Beige. Von Ida Sräfin Hahn⸗Hahn. 
ame! Theile. Leipzig, Brockhaus. 1840. 8. 3 Thlr. 
r. 


„Ich ſehe mir die Dinge mit meinen eigenen Augen 
an und erzähle dann Alles redlich wieder. Es find frei⸗ 
lich nur ein paar Beine, unbedeutende Augen, aber fie 
find unbeſtechlich, laffen nicht ben Prunk als Pracht, Ges 
remonie als Feier, Kormeln als Würbe gelten. Und wahr 
bin ih auch — vieleicht in den Einzelheiten nicht ganz 
esact, d. b. die Reihenfolge mag etwas anders geweſen 
fein, oder dergleichen; aber wahr bin ich, denn Alles ſehe 
ih und erlebe ih noch einmal, indem ich es nieder: 
ſchreibe. Warum follte ich auch nicht wahr fein? Ich 
bin ja unabhängig, habe keinen Protector zu fhonen, keine 
Partei zu verfechten, keine Gunſt zu erfhmeicheln, Feine 
Abficht zu erreichen: foldhe Beweggründe find der unſicht⸗ 
bare Keim der Unwahrbeit; fie machen befangen. Meine 
Vorurtheile mag ich wol überall mit mir umbertragem, 
aber fowie ich meine Augen oder mein Herz mit mir 
herumtrage: fie gehören zu mir.” Mit diefen Worten, 
die irgendwo im zweiten helle des Buches zu leſen find, 
charakteriſirt ſich die Verfaſſerin und ihr Werk befler, als 
es die Kritik vermag, und wir ſtellen ſie um deshalb 
unſerer Anzeige des letztern voran. Die Leſewelt kennt 
die Graͤfin Ida bereits als Dichterin und als Novelliſtin, 
Ihe Name — ein fhöner Name — hat auch bereits in 
der Modeliteratur einem guten Klang; bier lernen mir fie 
als Meifebefchreiberin von einer neuen Geite fennen, und 
wir meinen von einer noch guͤnſtigern als bisher. Nicht 
die Meifebefchreibung : iſt das Gute, fonbern ihr eigenes 
Selbſt, was fie mit in deu Kauf gibt. Es find Memois 
ven ihrer Befinnung, ihrer Aufchauungsmeife, ihrer Ge: 
fühle. _ Die Gegenftände find nur die Nebenfadhe, bie 
Feuerſteine, an denen ber Stahl fich reiht und Funken 
gibt. Diefe lebendig fprühenden Funken, geweckt von Als 
Im, was Funken erweden kann, find «6, was uns in 
dem Buche intereſſirt. Sie Ik wahr, wenn fie ſich durchs 
ans der Wahrheit ruͤhmt; denn da ift in beiden Theilen 
nichts Gemachtes und Gekuͤnſteltes; es iſt die eigenſte 
Natur und bie friſche Kraft einer moͤglichſt urſpruͤnglichen 
Serie, die fich in findungen und Gedanken ausſpricht. 
Verhaͤltifſe, goſellſchaftliche Anfichten haften bee Reiſen⸗ 
den freilich am, fie kann mus urtheilen wie eine Frau 





5. Suli 1840. 





ihres Standes; aber noch hörten wir Eeine beutfche Frau 
ihre Standes fo unbefangen ‚von ber Leber weg fpres 
hen”. Manches mag brüst, Einigen vielleicht im Ur: 
theit unweiblich erfcheinen, auch wird fie bier und ba bits 
ter; doch wenn fie recht in Fluß und Zug iſt, gibt ſich 
auch eine Naivheit der Gefühle kund, welche rührt, ob⸗ 
gleich ihre um nichts weniger zu thun iſt, als zu rühren. 
Man kann ganz entgegengefegter Anſicht mit der ihrigen 
fein, man hört fie aber gern die ihre entwideln und wird 
ihr, um es proſaiſch auszubrüden, gut; denn es ift Ihre 
reine, auftichtige Überzeugung, und fie weiß fie fo treu: 
berzig und Jedem verftändlih auszubrüden. Setbft da, . 
wo man ihr vorwerfen koͤnnte, fie gäbe ſich Airs und 
wolle, Anfichten und Autoritäten umflofend, mit para: 
boren Meinungen fich geltend machen. Bon biefem Glau⸗ 
ben wirb man bald bekehrt. Sie fühlt nur ihre Unab: 
bängigkeit, diefe will fie geltend machen ; und wer verdenkt 
das einer felbfländig daſtehenden Frau. Sie will aber 
weber belehren, noch Truppen fammeln zu einer neuen ' 
Scilderhebung. Freilich tritt fie männlich auf; wer uns 
terdrucht feinen Geiſt! Aber, fo parador das klingt, fie 
wird nicht unmelblih, fondern, wenn man fih an ihre 
Ausbrucksweife gewöhnt hat, fogar liebenswuͤrdig. Man 
glaubt zu erkennen, daß Harte Erlebniſſe ihe die Bitter: 
keit und die ſcheinbar fchroffe Redeweiſe eingaben. 

Gräfin Ida iſt Ariſtokratin. Wer das nicht aus ih⸗ 
ren früheren Schriften wußte, erfährt es aus diefer. Sie 
gefällt fi, an mehren Stellen es blank und baar aus 
jufprechen, bamit Niemand daran zweifele und Foderungen 
an fie richte, die fie nicht erfüllen kann. Die materielle, 
zeriplitterte Gegenwart iſt ihr in der Seele zuwider; und 
wo alle natürlichen und organifchen Verbindungen fich ger 
loͤſt und nur iſolirte Einheiten fich begegneten, koͤnne 
nichts Gemeinſames und Tüchtiges zuſammenkommen als 
durch kuͤnſtliche Mittel und Gombinationen, bie wieder 
eines befondern Kittes bedürften, ber aber kein römifcher 
fl. Im Gegentheil müffe er immer von außenher ges 
bosgt werben, und fie wird fogar wisig, indem fie Bei⸗ 
fpiele anfuͤhrt. Die Löbliche Wereinigung der beutichem 
Naturforfcher und Ärzte 3. B. erhalte fich nicht durch die 
Wiſſenſchaft felbft, fondern durch das Beiwerk von Feten, 
Ehrenbezeigungen und Luflbarkeiten, in großen Städten 
und an fürftlihen Höfen am Leben. Kaͤme es den Wort: 


754 


führern bei, den Verfammlungsort einmal, flatt nach eis 
ner Refidenz, auf die einfame Oſtſeeinſel Hiddenfd zu ver» 
legen, fo würde Niemand kommen; was übrigens auch 
nebenher leicht begreiflich wäre, da weder das Amthaus 
auf dem Dornbufch, moch die Zorfhätten in ber Niede⸗ 
yung ber arıyen Inſel die deutfchen Naturſorſcher faſſen 
und beherbergen koͤnnten. Die ariftokratifchen Stopfeuf: 
zer nach einer beffern Vergangenheit find fchon taufend: 
fältig und von geiftreichern Männern vernommen worden, 
und was bie Gräfin vorbringt, iſt nichts Neues; aber 
wie fie es als Dame vorbeingt, ift es neu. Sie gefaͤllt 
ſich nicht mit fentimentalem Schmelz die Vorzüge ber 
guten alten Zeit, wo Jeber in feinem Schranken btteb, 
und die Männer fo unendlich adelig und treu und bie 
Frauen fo unendlich mild und hochgefinmt waren, auszu⸗ 
malen, und mas fonft von dem beliebten, effectreichen 
Beiwerk dazu gehört, nein, fie fagt es mit den troden: 
flen Worten heraus, dag Ihr die Gegenwart nicht gentigt 
und gefält, ohne mit Sophismen die Vergangenheit zu 
toben und heraufzubefchrodren. Sie lebt für die Zukunft. 
Ob die aber eine ariftokratifche Färbung annehmen wird! 
Genug, fie fagt ihre Meinung und Niemand kann bar: 
über im Unklaren fein. Was in dem Munde eines Man- 
nes Mistöne find, kann in bem einer Dame harmonifh 
klingen. Warum nicht mit Luft füßen Elegien zuhören 
über eine untergegangene Herrlichkeit, wo die elegiſche Wir: 
tung für den Unbefangenen nur um fo größer wird, ba 
er weiß, es ift Alles umſonſt. Affe Reactionsverfuche 
bringen das nicht wieder und ber abgeftorbene Baum 
trägt keine Früchte mehr, wenn man ihn aud noch fo 
ſehr begießt oder allenfalls grün anſtreicht. Wir müffen 
durch und vorwärts. Laffen wir der Dame den Sau: 
ben oder den füßen Traum, alles Anringen ber Jetztwelt, 
unfere Zuftände, die fih nad) Entmwidelung fehnen, feien 
nicht Durcchgangspunfte jur Wahrheit, fondern temporelle 
Verirrungen, von denen man wieder genefen mwerbe zur 
richtigen Anfiht. Was verfchläge es der Wahrheit! 
Gräfin Ida Hahn: Hahn ift eine ehrliche, offen ges 
ftändige Ariſtokratin, und als folche fchreibt fie ihre Reife 
ohne Prätenfionen; fie will fuͤr nichts Anderes, Schlech⸗ 
teres oder Beſſeres, gelten. Weiter wollten wir nichts, als 
dies noch einmal ebenfo Mar ausſprechen, um, was an 
der Kritik ift, fie vor Bisdentungen zu ſchützen. Und 
diefe kiegen nahe. Wer wur ihren Styl ins Auge faßte 
und blätternd auf einzelne Urteile der Dame ſtieße, koͤnnte 
leicht in Werfuchung gerathen, fie für eine Anhaͤngerin 
des jungen Deutſchlands zu Halten. ef, der weder Ari⸗ 
ſtokrat ‚ noch zu der letztern Schule (oder einer dir 
Schulen) gehört, meint aber, daß der Sthi Das bon die 
lektein Ift, mas einem Arkflofraten (von Geburt oder Ge: 
fanimg) ſich anzueignen nicht sum Nachtheil gereicht. 
Die deutſche Proſa iſt leiber eine diplomatiſche geworden. 
Mit allein die Kanzeleitraditivnen und die gelehrte Stu⸗ 
benfafe ſind daran ſchuld, daß wie uns ſo ganz anders 
- audbeitken als Engkaͤnder und Franzoſen; die Uniſtaͤnbe 
der Gegenwart gießen Blei in unfere Federn, ober beſſer, 


Wo der Engländer nieberfchreibt, was er fühlt und denkt, 
wie er es fühle und denkt, müfjen wir umfchreiben, ans 
deuten, bie Kraft bes Gedankens geht verloren in ber 
Blaͤſſe der hypothetiſchen Gonftruction. Bon allen Eman⸗ 
cipationen ber jungen Schule wäre bie bie gefegnenfte, 
wenn es ihr gelänge, umfern Styl wieder koͤrnig zu ma⸗ 
hen. Darin weicht bie Gräfin von allem uns befannten 
Schriftftellerinnen ab. Was fie fchreibt, hat Hand und 
Fuß; es ift der verkörperte Gedanke, keine Tiraden und 
feine erzwungene Kürze. Ein Fortſchritt von ihren frü- 
bern Arbeiten iſt darin unverkennbar. Und zugleich, was 
ebenfalls anzuerkennen iſt, begleitet fie ein richtiger Takt, 
am Das - affen, und herteun 
was ſich der Muͤhe lohnt, d. h., was ſie ſelbſt ſo inter⸗ 
eſſert, daß fie ſich und ihre beſſern Gedanken darin re⸗ 
ptaͤſentirt. Ein Kunſtwerk iſt noch wicht ihr Buch, aber 
es iſt nahe daran eins zu fein; das Weſenillche wird 
nit vom Unmwefentlichen erbruͤckt. Der Geiſt herrſcht 
vor, und bie Form iſt, bis auf eingeine ſcheoffe Kanten 
und Zaden, wenn nicht aumuthig, doch gefällig. 

Eine Reiſebeſchreibung ift, wie geſagt, das Buch nice, 
noch foll es das fen. Wer Italien nicht Amt, wird es 
aus Graͤfin Ida's „Jenſelts der Werge‘‘ nicht kenuen fer 
nen. Sie exklaͤrt fi) auch mit entſchiedenem Wibderwüt⸗ 
Ion gegen bie Reiſenden, welche nit Schreibzeug und 
Notizblaͤttern, aus eigenem Willen oder in Dachhaͤndler⸗ 
auftrag Über die Werge ſteigen und beſchen und notiren, 
um zu fihveiben und gu befcheriben. Sie wit genießen, 
und wo ber Genuß zur Production antoeidt, ba erareift 
fie erſt die Feder. Gewiß bie Meifchrfchreibungen werben 
überall das meiſte Intereſſe haben, wo nit mit Dem 
Daffe die ſchriftſtelleriſche Intention mit eingepadt wird, 
fondern wo die fubjeottve Luft unwillkurlich fich gedrun⸗ 
gen fühle, das außen und innen Erlebte mitzucheiten, 
und gerade fowie bie Laune es bietiet. Die audern Reife⸗ 
befchreibungen aber doch in Ehren. Wenn wir auch feine 
Ensiänder find, wir bebärfen doch bee Wegwelfer. Und 
das muͤſſen Männer fen. Barte Damenfinhe können 
nicht fiberall bindeingen, wo ber Weg oft ſeibſt flie Stie⸗ 
fen geführt if. Auch muß Hin echter Reiſebeſchreiber 
nicht allein viel fleigen und sehen, fonbem maß auch 
fange ſtehen koͤnnen, was Graͤfin Ida fee Gebantert, daß 
es nicht in ihrer Macht If. Damm koͤrnen ia Hoͤhten 
drengen, wenn fie vor Schmuz und Feuchtigkeit ſich nicht 
ſcheuen; aber im HM bit es nur ia Mann 
aus. Und was iſt in Bolksleben ohne Gewichl und Be: 
draͤnge! Auch, wo es bie Schaͤte Der Voewekt auffachen 
gite, ſind 26 nicht allein die Kiechen, too fie bedauert, 'baf 
fo oft die donse zurhegewiefen werden, wucd, bie. Tencpel⸗ 
und Palafkeuiden, wo fie ſich fort, wen fe zu Magen 
fi) abteichen Iufken; es ſind auch bie Schatze der Ärchive 
und Bibllotheken, und wer wollte von riner Dame füs 
dem, daß fie unter vergeldten Utkunden, ober :gar in den 
VBureantataftern Ihre ſchoͤne Zeit and Italleas ‚Baus Du 
vergefſe. Aber wer Italien Cine, Bam wird ihre 
em geiſtoolles Aecenpagnement ſeiner Mah 


fie nothigen uns, fie in eine zaͤhe Tinte einzutauchen. fein. Und wer Senne wicht Italtn: Jenen Reiſebeſche⸗ 








%° 


bungen Dank, wer nie den Fuß über die Alpen 


auch 
feste. reilich behauptet fie das Gegentheil. Ste bat Ak 


les gelefen über Rom, und Rom in hundert Abbildungen 
gefeben, und doch verfichert fie, fie habe nichts von Rom 
gekannt, bis fie ba war. Wir überteumpfen aber noch 
biefe Behauptung. Es mag Einer zehnmal in Rom ge: 
weſen fein und Monate, Jahre dort gewohnt haben, und 
doch lernt er es nicht kennen, wie e6 ein Anderer kennt, 
der außer den Augen auch den Sinn dafür mitbrachte. 
ef. verraͤth es nicht, ob er in Rom war oder nicht, 
aber verfichert, die Gräfin hat ihn das wohlbekannte mun 
Bennen lernen. Es iſt etwas Zauberhaftes diefe fubjective 
Auffaſſungkraft; doch in voraus fei ed gefagt, das Com: 
für die Verf. iſt niche uͤbergroß. Es ift keine 
Meifebefchreibung fo unbedeutend, aus der ich nicht irgend 
ein neues Bid, eine neue Schattirung, ein neues Licht 
auf wohibelannte Begenfiände geworfen, als Belehrung 
meiner Renutniffe davongetragen hätte. So veich iſt ber 
menſchliche Geiſt, auch der aͤrmſte, man kann von jedem 
doch etwas lernen. S 
Die Gräfin reift. nicht als Politikerin, auch bie fo: 
tieten Zuftände Itallens find es nicht, in die fie ans 
führt. Ste ift eben nur Relſende, und es ift auch nur 
die große Tour, bie fie macht. Was da zugänglich iſt 
md man vom Vetturin und Wirthshaus und mit bem 
Lohnlakeien abreihen und abfehen kann, fieht fie, aber, 
wie gefagt, fie befchreibt es nicht; fie ſchreibt nur, was 
{hr einfält, und wo fie etwas auf Gedanken bringt, die 
ihr werth fcheinen bes Niederſchreibens. So verfchont fie 
uns auch mit Schilderungen der Naturfchönheiten, die 
ſich nicht ſchildern laſſen, und ebenfo wenig jagt fie nad) 
Meifebildern. Die Kunft ift das Feld, in dem fie fi 
mit der melften Luft und auch am awsführlichflen ergeht. 
Sie bringt Kenntniſſe mit, aber keine Autorität erſchreckt 
fie im Urtheil. Was iſt nicht über die italieniſche Schule 
gefchrieben und gebrudt, und in welche Eommpenbien iſt 
nicht die Weisheit übergegangen, flereotype alte und neu⸗ 
geborene; und es laͤßt firh doch noch immer etwas fügen 
über biefe ewigen Bilder, Wer auch nit mit ihr ein: 
verflanden fein kann, wird Die Gräfin bach auch Hier gern 
hören. Es Minge Alles fo erſtaunlich naturlich; es iſt 
Altes geſchoͤpft aus der eigenften Anfchauung; aber aud) 
folche eigenfte Anfhauung mag fih in ein Spflem ver: 
fahen, und hin ift bie Freiheit. Auch in ihren Kunſt⸗ 
heirachtungen iſt fie Actftofeatin, aber im beſſern Sinne. 
& er auch Andern fo, daß fie über Rafael's Adei 
un die Eigenthämlichleit und Schönheit ber Fruͤ⸗ 
Yen eind Opdtsen nicht wörbigen kͤnnen. Daß gerabe 
ihm gegenüfer Michel Angelo vergeret und ummathrlid) er⸗ 
fheint, daß die ſuͤße Verzuͤcktheit in den meiſten Borteg: 
gies feinen Niebueiz, die finmlichsfinnige Verklaͤrung des 
laͤßt, iſt begeeiflih. Daß Aber 
auch Virlen Tisiau and feine venetianiſchen Paladine aus 
ber Meise der Heroen herabſteigen muͤſſen, weil Rafasi 
anders die Natur auffaßte, als jene fle portraititten, war 
mir immer unbegreiflich, wenn ich begabte Maͤnner dies 
Urtheit aueſprechen hoͤrte. Die Graͤfin laͤßt ihn geiten, 


erſtens als Portraitiſt der Wirklichbeit zweitens ME Be 
wettaner, dem nun einmal bie Natur nicht aubers erſchei⸗ 
nen onnte als in bisfer Kühe, dieſem Reichthum von 
Fleiſch und Pracht, wo das Beiwerk zum Weſen wird. 
Aber ihr eigener geſunder Bid arbeiter ſich bis gu mehh⸗ 
ver Würdigung des umerreichten Meiſters Durch. Beinen. 
ChHriftus mit dem Binsgrofhen erkennt fie an als einen 
Chriftus. Warum aber nun ben einen? Tizian iſt ber 
einzige Maler, bez einen Chrifius male, ben wie dafuͤr 
erkennen; wber jener Ehriſtus iſt wide ber einzige ans 
der Tizian'ſchen Familie, der unferer Vorſtellung vom Dei: 
lande nahe kommt. Venedig bewahrt noch andere. Und 
wie er ber Einzige war, ber einen Chriſtus zu walen 
verfianb, fo meime ich, iſt er auch ber Erſte unter den 
Venusmalern. Die Gräfin mag über bie Venusdarſtel⸗ 
Iungen anderer Anficht fein. Die Mediceiſche erfreut fi 


(Der BVeſchlus folgt.) 


nicht ihrer Gunſt. 


Literariſche Rachtrichten aus Paris. 


Die Zeitungen zu 40 Francs find den großen Blaͤttern 
die faft bios noch von dem Fenilleton und den Annoncen ſid 
erhalten koͤnnen, verderblich geweſen. Die beſten Talente has 
ben ſich von ber periodiſchen Prefſe zurkcigezogen, 
dactionen ihnen nicht mehe wie früher 4 — 500 

politäkhen Actikel zahlen Zounten. Den To ß gaben bem 
Beitungen voltenbs bie Eefecabinete, wo man 40 für 
gwei Sous lic. Diefe Gabinete werben von ber Regierung 
alt, om alle Zeitungen, bie nicht ihr gehöwen, unmögs 

zu madıen. 

Der Buchhandel feheint ſich endlich wieber von feiner Er⸗ 
ſchaffung zu erholen, muß aber von bem bisher betretenen 
Pfab etwas abweichen. Die glaubten wohl gu thun, 
wenn fie ben Preis eines neuen Romans von zwei Bänben auf 
15 Frames festen. er foll aber jest für einen Roman fo viel 
geöen, Fe man bie gefammelten Werke ber größten 





fteig 
\ Die 
—— 


L 
Duo —8 ar 
fümeidpeipaft, er 
c't Ja 


nem Deiſall wirbeummfgrführt warb, Bed 
Echt ungientiche chic. an unb feine ae Rritit duhdte une 
an rum. 


be. — — — Maren”, nie ‚m 
n Boranfchwei Deskidbe : 
—22 Die Teudenz —— iſt eine veizogenbe mb han 
u 


Vecht Herausgegeben unb erblaͤrt ſich in hexs daze 
aliſation. Neues hat ar micht geſagt, und was al⸗ 
neu etwa geiten fell, iſt Ar bvehamptet Xu 
der Foangoſe fel geeignet, Froberumgen Rap all ar 


nur ber. 
eich überal zu "Kaufe. fei mund ia les. — ein 
aloe Meftinsniß und wahre! —X fagt er, die Rufe 


ten, die marc 
die bürgertichen 

Be Tage in einer ae fo 

” 

Er 


ten, ges: 
—— nz) 


356 


F was 
Sen ideen. Der Bram iR keine 


durchgefallen. Die Lorbern der Sand gr 


s uf amartine nicht fchlafen, er will auch ausges 


werben und ſchreibt ein 
dr auch wieder eins fertig, 
©&t.s Martin, bie jegt geſe offen 


gt ihm nus an ber Fi 





iſt cn u 


führung im gan, 
fand hat 


—X folgender Fa Brief an Ghute: 
von bem er tu Be Motto des 
„aut —* aut nibil.” Er antwortete: „Er 
Burſche; er ſollte bafür geſett haben: 
— —e— Dobdington hat das Motto auf den Kaps 
Yanoveraner: „Vestigia nulla retrorsum‘” recht gut fo 
—2 „They never mean to go back again.” In nen 
der Briefe an Dalrymple entwicelt MBalpole fi 
effanten literarifhen Plan, der bis heute noch 
Umfange gefunden hat: „Gin anderer Ges 
mie aufgebrungen, welder für Beide 


‚lee wie ben Sefer, ein fo angenehmes Werk heroorbrins 


gen würbe, als man 


fi) nur denken Tann, unb fehr 


gefügig 

Kamen, wäre, weil er fähig ift, ausgebehnt ober zus 

1 zu werden, wie e6 bem Verf. belichen würde. 
dies eine Beidichte bes 


2 # eine zum größten Theile vo Tenbelannte _ aerubiit, 


der Debiceer. Dan 


, Ades von einem neuen und 


von ben Grfceinungen "jedes andern Landes ſehr jeden. 
Man ven —* die Beinen gebildeten italien! 


Böfe, wo 
Ude Marie verfgmel 


3 umfoffen. Mas für ein Gtäd gäbe 
ben der Wiffenfcpaft! 


a ———6 — 
volkomı 
Mi .kee @anar 106 


3 1} i in 
— nur tee und int pät IE be in Gm nt 


werben von Bkofeor, beffen „Leben 


Drama für die Rachel. Balzac 


den intens 
feine Auds 


ben 


‚Lorengo’s_von Mebiel”' 1796 efäien, welchem 1805 das ye 
und der Pontificat Leo's X.” folgte. 





Literarifche Anzeige. 

Bericht über die Verlagsunternehmungen für 1840 
von $. A. Brodhaus in Leipzig. 
(Bortfegung aub Rr. 1.) 

*17. Ersch (Joh. Sam.), Handbuch der deutschen Lite- 
ratur seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis auf 
die neueste Zeit. Systematisch bearbeitet und mit den 
nöthigen Regi m versehen. Neue, mit verschiedenen 
Mitar 'gte Ausgabe. Gr.8. Auf gutem Druck- 
papier, auf af feinem fratz, Schreibpapier, und auf 


iere in gr. 4. mit breitem’ Rande. 
Zelten | Bundes aweite Abtheilung: Literatur 


a * ala, ei er Hrsfe und mid alen Befpern des 
18. —8 a per grauer hnberung a. ee König 
der Tegenaunlem neuen Yotfepbi In biden Sande. Wach 
des Berfaflers Tode fortgefegt von Prof. Briedr. Brimmel 
Siebenter Theil und folgende. Gr. 8. Auf Drud- un! * 


ten 16 febente 

ad ir ee diefem gar — one Du 

+19, Hagen ua 8 Künftler-Gefihten. Drittes unb viertes 

in 
Das erfte und pmeite Wändhen enthielten unter Defenderm Zitel: Die 
feiner Baterfadt vom Wlorentiner Lorenzo Ohiberti, dem betühmteften 

ieher des 15. 

ee 

2. Heinfius (Wild), Allgemeines Bücher : Eerilon, ober 
Kellftändiges bi Verzeichniß aller von 1700 "sie w 
Ende 1834 erſchienenen Bücher, welche in —S und In und 
den durch Sprache und Literatur damit verwandten Ländern 
gedruckt worden find. Rebſt Angabe der Drudorte, ber Bers 
leger, der Preife ıc. Neunter Band, weldyer bie von 1835 
bi8 Ende 1840 erfchienenen Bücher und bie Berichtigungen 
früherer Geftheinungen er enthält. a und herausgegeben 
von Dtto Aug. gut u. d. T.: emeines 
—S Ben Eerikon ober — alphabetiſches Ber- 
zeichniß derjenigen Schriften, welche in Deutfhland und in 
den angrenzenden, mit beutfcher Sprache und kiteratur vers 
wandten ändern gebrudt worden find. Mit ausführlichen 
Angaben der Verleger, Drudorte, Preife, Auflagen, Jahr⸗ 
zahlen, Bormate, Bogenzahlen, artiftifchen Beilagen und vier 
len bu dleriſchen und literariſchen Rachweiſungen, Angas 
ben ber anonymen und pfeubonymen —A x. Bears 


beitet und herausgegeben von D. 4. Schulg. Zweiter Band, 


die von 1835 bis Ende 1840 erfdhienenen iften enthaltend. 
&. Fr —— — md Pe —— Ieb ver 
* sh a Ba m —— nf 
"4. a (Karl epritten, Die Heilquellen Deutfchlands 
Gare, Sin Taſchenbuch für Brunnen: und Babes 

Veen, Zwei Theile. Mit Kärtchen und Plänen. tes Heft 


€: 


(Bie Kortfetumg fohst.) 


Verantwortliiher Grraubgeber: Geineih Broddaus. — Drud und erlag von B. A, Bro@haud in Eeippig. 


Blatter 


literarifche 


für 


Unterhaltung 





Montag, 


— Re. 188 — 


6. Juli 1840. 


I I —— —— — 


Jenſeits der Berge. Von Ida Graͤfin Hahn⸗Hahn. 
Zwei Theile. 
¶ Beſchluß aus Nr. 187.) 


Die Kritik wird der Dame nicht auf Schritt und 
Tritt folgen. Auszüge laſſen fih aus einer Reiſebeſchrei⸗ 
bung, aber nicht aus einem Buche ber Art geben. Leſet, 
und wenn nicht befriedigt, gefchmeichelt — angeregt werdet 
ihr euch doch von Bielem finden. Nur bier und ba fei 
zur Probe, oder was uns aus anderm Grunde aufftößt, 
berausgegriffen. Ihr fällt am allermeiften in Italien bie 
ungeheuere Verfchiedenheit feiner Hauptſtaͤdte auf: 

Sch verftehe mich nicht auf Federzeichnungen, ich muß es 
nach meiner Weiſe befchreiben! Florenz If ein Kebenswärs 
diger, geiflveiher Mann, mit tief ernflen Augen und einem 
freundlichen Lächeln, der die angenehmfle Gonverfation von ber 
Welt macht und dabei einen gebiegenen, Zutrauen erwedenben 
Sharatter hat. Rom tft ein Greis, der mit Montaigne fagt: 
Mon monde a failli, je suis tout du passe. Die Hände zit: 
teen; fie koͤnnen nicht mehr recht feft halten. Die Füße wan⸗ 
Een; fie koͤnnen nicht mehr vecht feft flehen. Der Kopf weiß 
in der Gegenwart nicht mehr recht ſich zu finden; aber in ber 
Vergangenheit ift er zubaufe, und was er von ber erzählt, 
Hingt wie Offian’s und Homer's Gefänge doppelt wunderbar, 
weit blinde Augen über dem berebten Munde flehen. Neapel 
ift ein braufender, froͤhlicher, phantaſtiſcher Iüngling (?), der 
ſich Ginem ohne Umflände in die Arme wirft, der, lebendurch⸗ 
glüht, ſchönheitumkraͤnzt, jubelnd den Thyrſusſtab ſchwingt, 
der fortreißt, ohne zu open ‚ ohne zu wollen, dem man lies 
benb und traurig feine Seligkeit eines Tages aönnt ‚ weil man 
Beine Iuverficht zu ihm und zu feiner Zukunft hat, benn ber 

bhantaftifche Zug, der durch fein ganzes Weſen geht, verheißt 
Ipm nichts Gutes. 

Ihre Urtheite über die Architektur find immer an: 
ſchaulich und natürlich. 

Eine Stelle hat uns befremdet. Andere koͤnnte fie 
zu falfchen Schlüffen verführen. Bei Gelegenheit eines 
deutfchen Bildhauers, der die Freiheitskriege mitgefochten 
und, 25 Jahr in Rom, beim Meißel immerfort noch 
fummt fein: 

„Du Schwert an meiner Linken’ — fagt bie Berfafferin — 
Sind jene Jahre, aus denen man für Deutſchland 
eine ſolche Blorie madht, denn wirtlid der Ehre 
wertb? Iſt es wirklich etwas fo Heroiſches, ein eiſernes Joch 
abzuſchatteln, das man ſechs Jahr getragen; ben Abermüthigen 
Zuß fortzuftoßen, den man ſechs Jahr auf dem Nacken gefühlt? 

Weldye fedrigung muß in ber Welt geweien fein, um ben 
verzweifelten Aufftand dringender Nothwehr, unterflügt von Kos 


faden und Baſchkiren und von ber Wuth ber Elemente, zu ei⸗ 
ner großen, ewig ruhmwuͤrdigen Beit umzuftempeln! 

Als dieſe Zeit war, wo es mit Pofaunentönen bie 
Völker zum Gerichte rief, war Gräfin Ida noch ein Kind. 
Ste erinnert fi) ihrer unendlihen Freude, als Roſtock 
nach dem oder jenem Siege iluminirt wurde. Dies iſt 
ihre ganze Gefühlserinnerung aus jener Zeit. Wer vers 
langt mehr von Jemand, der die Zeit als ein Kind er: 
(ebte. Wir Andern, die wir fie flahigerüftet fahen, die 
glimmenden Brände unterm Afchenhaufen, die braufenden 
Stürme im Eicyenwald, die dräuenden Gewitterwolten, 
das blutige Morgenroth, die wir die Erde viele Meilen 
weit beben hörten von den Kanonenfchlägen ber Entſchei⸗ 
dungsfchlachten, wir haben eine andere Erinnerung baran. 
Sechs Zahr, fagt die Gräfin Ida, bauerte die Exrniedrigung ; 
fie hat recht, der Kalender fagt es fo. Unferm Gefühle 
dauerte fie, ich weiß nicht wie lange, aber länger al& das. 
DVierteljahrhundert, das ſeitdem für Deutfchland zwiſchen 
Sein und Nichtfein fortvegetirt hat. Gräfin Ida meint, 
es fei eben nichts Anderes geweſen, ale daß man den 
übermütbhigen Fuß vom Naden fortgeftogen! Es war ein 
gewaltiger Fuß. Wie viele Naden Loftete die Anſtren⸗ 
sung, Nacken auf dem Schaffot, und dann Herzen auf 
dem Schlachtfelde. Die Kraft that es nicht, auch bie 
Vernunft nicht, es verlangte Hebel, vor denen man jetzt 
erfchrickt: das germanifche Volksgefuͤhl wurde aus feinem 
Schlummer erweckt. Was e6 that, opferte, follte fie da⸗ 
von nichts gehört Haben! Ein Moskau verbrannten wir 
freilich nicht. Wir haben Leine hundert Meilen langen 
Steppen, feine Großen, bie ihren 100,000 Seelen, die 
ihnen unterthänig find, gebieten: „Euer Vieh und eure 
Weiber in bie Wälder, eure Hütten in Brand, ihr ſelbſt 
die Pike in den Arm, ſchlagt tobt, ober laßt euch tobt 
ſchlagen; das ift gleichviel.“ Wir fühlten damals zuerft, 
was wir viele Hundert Jahre vergefien, daß unfere Bor: 
väter Rechte freier Männer gehabt, wir fühlten uns frei. 
Und was thaten wir in Morddeutfchland um biefer Frei⸗ 
heit willen? Sollte der Gräfin Ida kein Zeitungeblatt, 
keine Sefchichte aus jener Zeit in bie Hände gekommen. 
fein, follte fie nichts von ihren Xltern, Verwandten, von 
jenen außerorbentlichen Anftrengungen, von den Opfern 
gehört haben, die der Kleinſte und Armfte freiwillig auf 
dem Altar des Vaterlands niederlegte? Daß die Männer, 


erklaͤren. 


758 


Yunge und Alte ihe Gewerbe, ihr Amt verliehen, bie Mke, 
die Muskete ergriffen, Soldaten wurden, das paffirt auch 
anderwärts. Kriegsluft kann ein Schwindel, ein Rauſch 
fein. Aber in jener Begeifterung bes erwachten Volks: 
und Sreiheitsgefühle gefchahen Dinge, von denen unfere 
matte, Zeit, unfer. theoretifcher Enthuflasmus nichts weiß; 
nur wo die Sonne fo heiß glüht wie in Spaniens Him⸗ 
mil, geſchah Ähnliches und doch nicht Daffelbe: hier war 
neben dem Feuer ber Begeifterung bie flille Kraft des 
Bewußtſeins. Welcher Rechenmann hat es außgerschnet 
und wird es je ausrechnen, was in Preußen von Fami⸗ 


lien und Einzelnen gegeben und geopfert wurbe für das 


große Ziel, und wie ers gab, da dachte Keiner an einen 
andern Kohn als die Rettung des Vaterlandes. Nament: 
lich iſt Graͤfin Ida fo ungerecht gegen ihr eigenes Ges 
ſchlecht, für das fie fo Eräftig gegen die Männer das 
Schwert führt, aud bie heidenmüthigen Entfagungen, 
Opfer, dieſe Dienfte der Frauen an den Lagern ber Ber: 
mwunbeten, im Peſthauch ber Lazarethe für Bagatell zu 
War es nichts, daß deutfche Frauen und Maͤd⸗ 
en felbft in den Reihen der Vaterlandsvertheidiger mit: 
ſtritten? Wenn das gleich nicht das Größte war, was 
die Frauen getban, fo war es in den meiften Fällen doch 
nicht eitler Kigel, romantifhe Sucht, fondern ein maͤch⸗ 
tiges Gefühl, das wir heut in unfern Berhältniffen, bei 
unfern Anfichten uns kaum erklären Eönnen. Die Summa 
Defien, was geſchah, iſt fo uͤbergroß und außerordentlich, 
daß man fie erſt in ſpaͤtern Zeiten ganz würdigen wird. 
Was die Griechen jüngft, die Franzoſen, die Belgier und 
Holländer, felbft was die Polen, es hält an intenfiver 
Kraft keinen DVergleih mit Dem aus, was bie Preußen 
1813 opferten und thaten. Aber Gräfin Ida meint, 
. man babe mit Unrecht bie Zeit zu einer großen, ewig 
ruhmmwürbigen umgeftempelt! Schmedt das nach frans 
zöftfchenn Liberalismus? Der Wind aus biefen Winkeln 
fummt uns freilih, auch mit beutfchen Zungen zu: Ihr 
habt euch überhoben und wie Don Quirote geftritten, 
und was habt ihr von euern glorreihen Befreiungsktie- 
gen? Ihr Bildhauer Gerhard, wenn das eine wirkliche 
Perſon ift, hätte ihe antworten innen: Schöne Gräfin, 
obgleich ich fehr unzufrieden bin mit Dem, was draus 
wurde, und drum Deutfchland mit Rom und das Schwert 
an meiner Linken mit dem Hammer in meiner Rechten 
vertaufcht babe, dennoch gebe ich alle meine Bildwerke 
darum, Das mitgelebt zu haben, was — nicht Beine, aber 
nicht die Fruͤchte trug, von denen wie teäumten. Wer 
aber {ft daran fihusd, meine hohe Goͤnnerin? Die Ideen, 
beuen Sie huldigen und außer Ihnen moch, ich weiß nicht 
wie viel. Die da meinten, wis hätten nichts Anderes ges 
than, als was gehorfamen Unterthanen oblag, und uns 
nun glauben machen möchten, wie hätten’s im Rauſch 
gethau, unb wenn wir nicht dabei geweſen wären, fo wäre 
es body geichehen. Die da meinen, nicht für unfer Aller 
Mechte, ſondern für ihre vergeſſenen Vorrechte hätte die 
deutſche Nation ihr Gut und Blut hingegeben, und bie 
jert daflıe halten, die Erinnerung daran fei gefährlich und 
ed ſei beſſer, fie in Vergeſſenhait einzulullen. Meine gu⸗ 


3 vergeffen, was fie wiſſen. 
a 


ten Ranbssleute- find ordnungsliebend und gehorſam. Sie 
laſſen ſich Alles befehlen, was den Frieden erhaͤlt, auch 
So weit hat es noch keine 

tion gebracht. Wir haben gelernt, was wir gethan, 
zu vergeſſen, und daher, meine Gnaͤdigſte, kommt es, daß 
Ste uns ſagen Iane, «5 fer keine grobe Zeit geweſen. 
Be im Olpmp bie Dinge Ienfen, laͤcheln recht vergnuͤgt 
darüber, daß fo. etwas in dem guten Deutfchland moͤg⸗ 
lich iſt! 

Kleine Novellen find in den Xert eingemebt. Sie 
find wahre Perlen im Zeppih, wenn fie auch bisweilen 
willkuͤrlich an ber Stelle ftehen, die die Verf. ihnen gab. 
Zart, wahr, bildlich, ſinnlich, anfchaufich, kurz und meift 
ergreifend. Aus einigen berfelben glaubt ber Leſer recht 
tiefe Blide in die eigenen Seelenzuftände und die Art der 
Leiden der Verf. zu thun, auch weiche Motive ihr fo bite 
tere Invectiven gegen unfer Gefchlecht (denn ich bin feine 
Recenfentin) eingeben. Der Raum ift bier zu gemeffen, 
um unfer Sefchlecht vor ihr zu vertheidigen. Möglich, 
wie fie bitter eine Novelle fchließt, daß das Lieben nicht 
unfer Sach ift. Aber wenn ihre ariſtokratiſchen Neigun⸗ 
gen ihr erlaubten, einige Stufen tiefer in der Gefelfchaft 
fih umzufehen, dort das eheliche Gluͤck zu ſtudiren, viel 
leicht daß ihre Anfichten fi etwas milderten. Die eins 
geftreuten Gedichte find in ihrer eigenthümlichen Art gut, 
aber gegen die Wahrheit der Profa ftehen fie zurüd. 
Das über Giorgione hat dem Ref. (vielleicht weil er 
felbft ein großer Verehrer des Malers ifl) am meilten 
angefprochen. Wenn auch Verſe wie folgender: 

Es gibt ins Künftler Kräfte, die wir Andern 
Nicht haben, und man nennet fie Genie, 
Man Tann die ganze Welt danach durchwandern, 
Den nur gehörte, dem es der Himmel lich 
für ein Gedicht doch faſt an zu großer Natürlichkeit la: 
boriren, fo ift der Gedanke, der dem Gedichte den Stem⸗ 
pel aufdruͤckt, doch wieder hochpoetiſch. Giorgione hat im: 
merwährend feine Violante gemalt, fie liebt ihn nicht, 
verläßt ihn um einen Andern und der Maler flicht ges 
brochenen Herzens: 
Und fie, bie graufam ihm bie Welt veröbet, 
Sie ſtrahlt der Welt in namenlofer Pracht! 
So treibts das Schidfal: fie hat ihn getödtet, 
3um Dank hat er unfterblich fie gemadgt. 

Beim Ausreifen meint Gräfin Ida, es muͤſſe etwas 
ganz Extraordinaires werden, was fie in Stalien dichten 
und ſchreiben werde. Nach ber Ruͤckkehr fagt fie (im 
Nachwort): „Ich habe dies Buch während des Druckes 
Bogen für Bogen gelefen und mich recht dabei gefreut.” 
Ref. Hat fih auch gefreut. Möchte das Publium Daf: 
felbe fügen! 41, 





Umeliffe und Studien zur Gefchichte der Menſchheit Von 
Auguſt Arnold. Berlin u. Zuͤllichau, Eyffenhardt. 
1840. Gr. 8. 1 Thlr. 8 Gr. 

Die gebankenloſe O lichkeit und b tu 

— era 2 af Kap ar gm det 

en, wo fonft nur gs iſſenſcha fleißiges Stu⸗ 
dium galten, lieben es auch unter allerhand Ziteln fogenannte 











759 


ahiloſophiſche Betrachtungen über bie Geſchichte der Menſchheit 
in die Welt zu ſchicken. Dadurch iſt manches Unheil gefliftet, 
manches rebliche Semüth verwirrt und manche gute Überzeugung 
sburch Wortprun? und revolutionnaire Ideen wankend gemacht 
werden. Cine um fo größere Empfehlung verbienen alfo Bü: 
cher wie das vorliegende, die ohne alle einfeltige Nebenabficdht 
belehren, erbauen und die Gefchichte in ihrer würbigften @eftalt 
und in ihren edeiften Wirkungen barzuftellen fih vorgenommen 
haben. Here Arnold, ſchon durch frühere hifkorifche, philofos 
phifche und zghilologiihe Schriften vortheilhaft bekannt und 
jest Rebacteur der „Preußiſchen Staatszeitung‘‘, erweift fi in 
diefem Buche als einen kenntnißreichen Mann, von philofophis 
ſcher Durdbildung und echter Religiofität, der ber Vergangen⸗ 
beit ihr Recht und ber Gegenwart ihre Ehre widerfahren 
Läpt, der keiner Parteianfiht Huldigt, fondern bie. Extreme 
auszugleichen fErebt und ſtets auf die vernünftigen Zwecke bins 
meift, die ous einem jeden Drängen und Zreiben der Menſch⸗ 
heit hervorgegangen find und Fünftig hervorgehen werben. Solcher 
Erörterungen bedarf aber unfere Zeit und dem Muthe bes Man: 
nes, der mitten unter den verfchiedenften Phafen des Ariſtokra⸗ 
tismus und des Liberalismus feine Anfıcht durchzuführen wagt, 
kann fein gebührendes Lob nicht gefchmälert werben. i 
Den ‚„Umriffen und Stubien’’ geht eine Ginleitung voran. 
Sie zerfällt in vier Rubriken. Zuerſt die Wahrheit, welche 
immer biefelbe, aber in verfchiedenen Formen uns entgegentritt, 
in ber Religion und Kunft, in der Ratur, in der Gefchichte, 
in den Wiffenfchaften und in der Philofophie, es ift die ewige 
Aufgabe der Menfchheit, unermübet ihr näher und näher zu 
rüden und zwar in den zwei Weifen des Erkennens und bes 
Handelns. Beſonders ausführlich ift Hier die Philoſophie, als 
die Urs und Grundwiſſenſchaft, betwachtet, ihre Tadler werden 
zurechtgewiefen, die wahre Aufgabe berfelben und das Princip 
feftgeftelt. „Im Shriftentyume ift dies in ber Blaubenslehre 
gegeben, und bie tiefften, geheimnißvollen Anfänge ber Philos 
fophie bieten fich hier fchon dem erften Denken dar: der richtige 
Begriff von Gott, der Wurzel aller Dinge und alfo auch bes 
die Welt begreifenden Denkens.” Die zweite Rubrik ifl eine 
yathologifch= pfychologifche Ausführung über „den Menſchen“; 
die dritte handelt vom Staate, denn wenn wir die Aufgabe 
der Menfchheit darin ertennen, der Wahrheit in Erkenntniß 
und That nachzuſtreben, fo ift das Mittel, dahin zu gelangen, 
ver Staat. Diefer Abfchnitt iſt vorzugsweife zeitgemäß, denn 
die Lieblingsthemata unferee Tage: Despotie und Republik, 
Staatsoberhaupt und Staatsdiener, Volksrepraͤſentation, Staats: 
verwaltung, Bolksbildung, werden hier in klarer, natürlicher 
Zolge entwidelt. Das gefehmäßige Königthum wird, wie bils 
Ka, als die volllommenfte und dem reinflen Urbilde entſpre⸗ 
chendſte Form des Staates bezeichnet. Die vierte Rubrik wens 
det fich zur Befchichte, zur Erzählung berfelben in Hinficht auf 
die Auswahl des Stoffes und auf die Art ber Behandlung und 
Darftellung, es tft eine kurzgefaßte hiftorifche Encyklopaͤdie, 
aber nicht etwa Romenclatur, fonbern bie Entwidelung ſehr 
würbdiger Anfichten fiber die Weltgeſchichte. Sie muß von der 
Bee der Gottheit ausgehen, und bei diefem wahren Stand: 
punkte verliert das Gemüth nie die Ruhe, Klarheit und Freu: 
digkeit. „Wenn die Kirche, wenn bie Ratur das Gemüth be⸗ 
zubigen, zur Ergebung, zur feommen Berfentung in bie Alls 
madıt und Gnade der Bottheit hinführen: fo bewirkt bies bie 
richtige Betrachtung ber Gefchichte nicht minder. Diefes tft die 
echt theologifche, chriftliche Auffaffung; eime andere unwahre 
it die, welche von bem Pinger Gottes in dem inne rebet, 
als ob Bott die Menfihen eine Zeitlang ihrer Thorheit und 
Güänshaftigkeit überliefe und ihrem WBahnfinne sufchaute, bis 
er enälich, wenn fie es zu arg machten, dazwiſchentraͤte unb 
fe von dem Abgrunde rettete, Solche gefaͤhrliche 
Künfte irdiſcher Erzieher gehören 
ſchen Vorſte 


Sperling aus ber Luft und kein Haar vom Haupte; er trennt 
Si wie von feiner Cihipfang: unh bus be, Chichte IE auf 


‚ Päbagogifche. 
zu ben andern rohen, Tinbis. 


von Gott und Welt. Ohne Bott fällt kein’ 


ein Nothwenbiges, well bas Gute Hier ja eben merben 
entwickeln — ſofern u has Arte Bute neben —8 
Guten fi finden, ehe dieſes vollendet erſcheint.“ (S. 80 fg.) 


„ Die Umriffe ge: Gefchichte ber Menſchheit, weiche bie grös 
fere Hälfte des Buches einnehmen, tragen durchaus denſelben 
edeln, würbigen Charakter, ben wir bereits ber Einleitung nach⸗ 
gerühmt haben. Sie feren freilich ſchon hiſtoriſche Kenntniffe 
boraus, wenigftens einen für biefe Dinge empfänglichen Stun, 
bann werben fie aber auch unftreitig recht nachhaltig wirken. 
Wir würden unfere Anzeige zu weit ausdehnen, wenn wir jedes 
Sinzeine berüdfihtigen wollten, können alfo nur einige Partien 
befonders hervorheben. Dahin rechnen wir bie @tellen über 
Indien und Judäa, über Griechenland und Rom, wo auf der 
einen Seite die griechiſchen Verfaſſungen, bie Gittlichkeit und 
Kunft, auf der andern bie Wechſelwirkung ber inmern und 
äußern Verhaͤltniſſe [che gut gewürdigt und trog ber prägnans 
ten Darftellung Platz für eine wohlgelungene Charakteriſtik des 
Plato und Horaz gewonnen iſt. Ebenſo if das Chriſtenthum 
als Hauptgrundlage ber neuern Zeit richtig aufgefaßt, feine 
Dogmen, feine geſchichtlichen Cvolutionen, hervorſtechende Per⸗ 
ſonlichkeiten, beſonders die Gregor's VII. find gut geſchildert, 
ferner die weltliche Macht des Mittelalters, der Mohammeda⸗ 
nismus und bie geiflige Sntwidelung, welche fich zur Über 
wältigung bes Papſtthums beranbildete. Die Eroberung Kons 
fiantinopels durch die Türken, die Kriege über Italien und hie 
Seezüge machen den libergang zu ber neuen Zeit. Zuerſt wers 
ben bie religiöfen Begebenheiten befprochen, die Reformation, 
der Iefuitismus, der Unterſchied zwifchen Papismus und Ka⸗ 
tholieismus fcharf bezeichnet, dann die mannidfaltigen Entfals 
tungen ber politifähen Berhaͤltniſſe, vornehmlich in Frankreich, 
die Idee des politifchen Bleichgewichts und bie nationaldfonns 
miftifchen Syſteme des 18. Zahrhunderts zur Anfchauung ges 
bracht. Unter den Umriffen zur Gefchichte der einzelnen Staa⸗ 
ten tritt befonbers bie gerechte Würdigung Peters I. von Rußs 
land hervor, die ſcharfſinnige Sharakteriftik der ſlawiſchen Stämme 
im Allgemeinen und das billige Urtheil über Polen. „Sein Loos 
kann nicht verfehlen tiefe Theilnahme zu erregen, aber wäre 
auch die fremde Schuld noch fo groß gewefen, fo konnte bock 
durch Nichts der Polen Parteifuht, Egoismus, Beſtechlichkeit 
Herrſchſucht, Intriguen Entfcyuldigung finden. Man muß firens 
ger gegen das eigene Unrecht als gegen frembes fein!’ Damm 
kommt ber Verf. auf Preußen. Friedrich II. wird im Geifte 
feiner Zeit aufgefaßt, der Ruhm des großen Könige findet an 
den. Arnold den würdigen Lobrebner, und er zeigt, wie nach 
einem halben Jahrhundert trog aller Formumwandlung das Bier 
fen bafjelbe geblieben ift und in Preußen Friedrich's Geiſt in 
Geſetz unb Recht, in lebendiger, forticgreitender Bildung, im 
einem aus und burchgebilbeten Staatsorganismus, einer fitte 
lich und geiftig gereiften, ehrenhaften Staatsdienerſchaft und 
in dem Eriegerifchen @eifte bes Volles und des Heeres fortieht. 
So lebt Friedrich's Geiſt in Preußen fort. Wer aber etwa 
waͤhnt, wenn bier ober ba bie unvermeiblichen lübel jeder Ge⸗ 
genwart verberblich erfiheinen, man dürfe dann nur zu. ben 

ormen und Zuſtaͤnden der Zeiten Friedrich's zurückkehren, der 

an dieſe Täuſchung nur aus Mangel alles hiſtoriſchen und 
philoſophiſchen Sinnes, ober durch eigenen Vortheil verblendet 
ſich bilden. Das Nunquam retrorsum, im rechten Sinne, nebſt 


ſpruche des Staata und bie Geundlagen feiner geweſen. 
Im. Bolgenben ſpricht Hr. Arnold von ber ſogenannten 
Aufklärung des 18. Jahrhunderts, von feiner Toleranz. unb. 
religiöfen Indifferenz, von bem Anwachſen der Raturwißienfchafs 
ten unb von dem Zuſtande bes öffentlidden Rechtes. überall 
zeigt er ſich billig und ohne alle Übertreibung. Dex bentfchen 
Kunft und Literatur. ift ein befonberes Abſchnitt gavikmet, . 
Mit befonderm Interefie wenben wir und gu ben politifdgen 
und literariſchen Verhaͤltniſſen der neueſten Zeit. Der Verf. 
ſpricht es unumwunden aus, daß eine Beruhigung bee gaͤ 
den Elemente 1789 auf dem gewöhnlichen Berge 


dem Suum cuique find bisher in. Wahrheit bie e 








760 


weſen fi, es mußte endlich gu gewaltfamen Srplofionen, zu 
Revolutionen kommen. Die amerifanifde Revolution gab dazu 
einen fehr bebeutenden Anftoß; Hr. Arnold urtheilt — über 
fie und hat in einer, für unfere Tage befonders lefenswerthen 
Erörterung auf die großen Schattenfeiten in den heutigen norbs 
ameritanifeen Sreiftaaten aufmerkfam gemacht. Die frangöfide 
‚Revolution betrachtet derfelbe nach Perioden, die (bis 
1795) {ft die anardpifdhe, die zweite die des Directoriums, des 
Gonfutats und ber Kalferherrihaft (bis 3814), bie britte bes 
ginnt mit der Reftauration der Bourbons und zeit bis in 
unfere Tage. Über Napoleon zu richten, meint Hr. Arnold, 
fe für unfere Zeit nod ſchwer. Er ſchildert ihn als einen 
ling der Zeit, als groß geworden in ben Ideen ber Bevos 
Iution, burdy bie vor allen Dingen feine Menſchenverachtung 
augenommen habe, als den vom jichfal auserfehenen Bändis 
‚ger der Mevolution. „Daß er’, heißt es am Schluffe, „ben wahs 
sen Werth, das moralife, das innerfte Wefen des Menfchen, 
fowie die Winke und den Willen des Weltgeiftes nicht verftand: 
bleſes machte, daß fein wunderbarer Stern fo zeitig und fchnell 
unterging, als er, durch die Umftände getrieben, zur Gulmis 
nation hinaufgefliegen war.” Die neue franzoͤſiſche fung, 
die bornirten bemokratifchen Meinungen, ein Thron mit vepus 
Hilkanifden Suftitutionen, die olksfouverainetät und andere 
ungemefiene Beſtrebungen der fubjectiven Freiheit werden mit 
würbigem Ernſie getadelt und mit Recht geurtheilt, daß nur 
de ehe Hand des Königs Ludwig Philipp, fein fcharfes Auge 
und feine Erfahrung drankreich dis jegt vor größern Unfällen 
bewahrt haben. Aber bie menſchliche Kraft und Intelligenz 
ben auch ihre Grenze und müflen am Ende den feindfeligen 
ten unterliegen — biefe find in Frankreich das demokra⸗ 
tiſche Princip, das fi in allen feinen Phafen manifefticen will. 
Sngland, der alte Rebenbupler Frankreichs, ruht auf der 
Wafis der Ariftokratie. Aber die Begenfäge treten immer ſchrof⸗ 
fer hervor, die Verwickelungen find bedenklich, fo bie Spannung 
ati Arifokratie und Demokratie, der Zuftand Irlands, das 
tisvergnägen in ben Golonien, bie Handelspolitit und das 
engherszige Propibitivfgftem, Gngland Tann fi einer zeit: und 
vernunftgemäßen Richtung nicht entziehen. Bei Rußland vers 
zehtt der Berf. nicht die jet fo oft audgefprochenen Beforgniffe 
über Rußlands Größe, npelt und feine furchtbare materielle 
Dacht. „Aber jene Beſorgniſſe“, urtheilt Hr. Arnold, „werden 
nicht zur Wirklichkeit werden ; fie mögen anregend und dazu 
wirken, bei ſich die Kraft des Gegengewichtes zu vers 
flärten, was in der vorausgeeilten Bildung der füdlichern ges 
zeiftern Völker, in ihrer innigeen, friedlichern Berbindung auf 
der vernunftgemäßen Bafis eines freieen Verkehrs, fowie in 
und zugleich zeitgemäßen feeifinnigen Gtaatöformen 

finden fein dürfte.” ie 


f. auf 
dies eigenthämliche Land vers 
jenauere Schildern: Bon Preußen heißt es, daß 
et ein falfcher Patriotismus ‚ die Entwidelung bes Sans 
des ſchon vollendet zu nennen, es fpi vielmehr fein großes Wers 

7 volltommen fein zu wollen, fondern unaufhoͤrlich 
dahin zu 1. Dies aber nicht bald vorwärts, bald rüds 
wärts, ſondern bei veger, innerer Bewegung langfam und 
ficher. Mit Ruhe wird der neueften religiöfen Sirren, mit 
Anerkennung des Zollvereins gı 2 


Die —*ð& 
under Bla Pi fh m von bem 





Be rn rn na mei 
13 ‚ von Kants, r ’s 
Sue philoſophiſchen @yftemen, td von ber in Pd 
tern Kreiſe verbreiteten Bildung, als deren einer Hebel bie 
verſchiedenen Gphären des Unterrichts und die religidſe Jugend⸗ 


bildung betrachtet wird, als der andere die Literatur, wobei 

das und Wider in Sachen der Preßfreiheit mit Anſtand 

und Befonnenheit erwogen wird. Giner unbedingten Preffreis 

heit redet der Verf. ebenfo wenig das Wort als dem Rachdrucke.“ 
Auch das Zeitungswefen nebft andern Manifeftationen des Stre— 

bens nach politifer Freihelt, nach GEmancipation, wie der 

rauen und der Juden, und nach Antheil an der Gtaatsvers 

verwaltung wird in verfländiger Rede Körtert. „Wenn das 

Zuvielregieren feine Rachtheile hat, fo hat fie no mehr das 

Überlaffen an die Willfüe und den Nugen der ten.’ 

Am Gchluffe fichen fchöne Worte Über ben Vorthell ber 
Geſchichte, daß fie billig mache, gegen die Unzufriedenen, bie das 
heutige Geſchiecht ein entartetes, ſchwaͤchliches nennen. „Wer 
das fo unendlich reiche Wild bes geſchichtlichen Lebens Leine 
beruhigende, tröftende Antwort gibt, ber blide in die heiligen 
Buͤcher, ſchaue auf zu dem unendlihen, gefticnten Himmelsge- 
mwölbe, und zweifelt er dann noch daran, daß ein weifer, ein 
gnaͤdiger Bott bie Welt zum Helle und zu höherm Ziele bins 
leitet, fo find ihm freilich alle Mittel des Troſtes und der 
wohlthätigen, innern Erleuchtung geraubt.” 

Cine are, gebildete, mit Stellen aus Borthe, Schiller 
und Eeffing paflend durdhwebte Gpradje ik nicht der geringfle 
Borzug biefer leſenswerthen Schrift. 11. 





Literarifhe Notizen. 


Hrn. von Plotho's Bericht über die Schlacht bei Leipzig 
ift von Hrn. Himly, einem arbeitfamen und burdy — 
keit ausgezeichneten militairiſchen Schriftſteller, in das Fran⸗ 
gl iberfegt worden. Dr. Himiy hat bereits früher bie 
inzofen mit ben Öftreihifden Berichten über die Schlach⸗ 
ten bei Mara und Artole bekannt gemacht und if 
jegt mit, einer Überfegung von Wenturin’s Werke über den 
in 7 — Dem preußiſchen Berichte 
! Schlacht bei Leipzig hat Himiy die Öfkreichis 
! — ed N Seidel —— 
e über lacht mau beigefügt. 
heit und Leichtigkeit bes Sthis — 
J vielen Noten bereichert, welche ihm Gene— 
1 m Armee verſchafft haben. Gine diefer Ros 
Un. un mon im Beniecorps Monfort mitgetheilt, iſt von 
grober Wichtigkeit, da fie zum erftenmal das Hiforifche Mäthe 
fel von ber Zerfiörung der leipziger (ranftädter) MWräde Löfl. 
Plotho, wie faft alle feine Zeitgenofien, beſchuldigt Napoleon, 
es habe bie Brüde fprengen laflen, um feine eigene Perfon 
fiher [1 felen. Der General Monfort, damals Oberft und 
mit biefer Operation beauftragt, ſtellt die Wal it wieder 
Her und reinigt Napoleon von ber gehäffigen uldigung. 


Bon Barbier’s Werken wird eine neue Ausgabe veranftals 
tet, in eleganter Form, enthaltend die „Jambes’, dieſe Eräftis 
gen Saticen aus der Periode von 1830, „Le Pianto”, elegifdhe 
Klagen aus Italien, und „Lazare‘, worin der Dichter bereits 
ſchwacher erſcheint. Wer erkennen wi, was portiicher Born, 
was bie franzöfifche Sprache an Kraft, Ionfülle, ja plebeiis 
ſcher Wuth aufzubieten vermag, der Iefe Barbier, weldyer eine 
in der feanzöfifchen Poeſie einzige Erſcheinung bildet. Man 
erinnere fi nur an bas mit allen Schrecen redneriſcher Furie 
ausgeftattete Gedicht mit bem Anfange: 

m est, il est sur terre une infornale care, 

On ia nomme Paris: c'est une large diuve etc. 
Der Dichter fagt in feinem Vorworte zu den „Jambes“ ſelbſt, 
—X fer Drederbten —X wo —ãA Fr 
unl whaſe er und auf geſchwaͤtigen fen 
einpertange, einem redlichen Dichter nichts weiter übrig, als 
Spniter zu fein und ben Diogenes in der Tonne zu pielen. 


Berantwortliger Heraukgeder: Heinrih Broddausd. — Drud und Verlag von 8. X. Broddaus in Leipzig. 





Blätter 


literarifche 


für 


Unterhaltung, 





7. Suli 1840. 





feiner Abfaflung. 

Wenn manche unferer populairſten Erzählungen dem 
Drient angehören und unfere Poefie fiy gern mit der 
Bilderpracht deffelben ſchmuͤckt, fo iſt dagegen das phan⸗ 
taſiereichſte und poetifchefte aller dichterifchen Gompofitionen 
Aliens, der Koran, ziemlich unbekannt geblieben, weit fels 
ten Jemand die Geduld befist, fih in das Werk hinein: 
zulefen und eine Überfegung zu große Schwierigkeiten 
befigt, als daß es dadurdy befonder6 zugänglich oder ans 
ziehend gemacht werben könnte. *) Dies zeigt z. B. die neue 
englifche von Sale, die trog der Meifterfhaft des Berfaf: 
ferd in der Sprache doch ungenießbar iſt, indem berfelbe 
die Worte flatt der Gedanken überfegt hat. Es iſt bes 
tannt, daß der Koran in einzelnen Stellen von 2 — 100 
Zeiten erfchlen, mie bie Umflände ihre Abfafjung vers 
anlaften. War 3. B. irgend ein neuer Einwurf oder eine 
Spötterei zu widerlegen, fo erzeugte dies einig® neue Verſe, 
die entweder als ein befonderes Capitel niedergefchrieben, 
oder zu einem frühern hinzugefügt wurden, wobei Mo: 
hammed indeß nicht die geringfte Ordnung beobachtete, ins 
dem er den Inhalt der frühern Gapitel gar nicht genau 
gefannt zu haben und bie neuen aufs Gerathewohl anges 
fangen zu haben fcheint. Daher fchreiben fich zwei wid): 
tige Eigenthümlichkeiten des Koran: die eine, daß bie 
einzelnen Capitel jede denkbare Länge von 2 und 3 bie zu 
1200 und 1500 Zellen befigen; bie andere, daß bie ver: 
fchiedenften Gegenflände unter den verfchiedenften Daten 
und ohne allen fichtbaren Zufammenhang zufammengemor: 
fen find, biefelben Gedanken in dem nämtlichen Gapitel 
mehremal, unzähligemal aber in verfchiedenen wiederholt 
werden. Dies ftößt natürlich den Leſer zuruͤck, der nicht 
die Mittel oder die Geduld befigt, die Gelegenheit zu ent: 
decken, der bie einzelnen Stellen ihr Entfichen verbantten, 
und die Wirkungen des Gefühle, wie die Wechfel der 
Stimmung zu beobachten, wodurch fie oft fo merkwuͤrdig 
find. Dies tft aber auch der Grund, der es ummöglich 
macht, dem Werke, ohne daß mit einer unfaglichen Mühe 
jede feiner Stellen verfegt und an einem andern Orte ein: 


*) Es erfcheint eine Htllig üb des Koran 
Ir Zunde — c * —* late —— zu 
dürfen D Red. 


gefügt mwürbe, eine angemeflene Anordnung, fei es bem 
Inhalte oder der Zeit der Abfaffung nad) zu geben. Die 
Mostem ſcheinen, bei ihrer eigenen genauen Bekanntſchaft 
mit jedem Theile des Ganzen ſowie den Umſtaͤnden ber 
Abfaffung, es nicht für nothwendig gehalten zu haben, bie 
frühern den fpäter entflandenen voranzuftellen, fondern in 


der Anordnung dem Zufalle gefolgt zu fein. Die fpäter 
entflandenen Gapitel, welche alle auf die innere Politik bes 
züglihen Verordnungen enthalten, waren diejenigen, welche 
man zunaͤchſt fuchte, darum wurden fie zuerft vervollſtaͤn⸗ 
digt und an die Spige de Ganzen geitellt. Der Koram 
beginnt eigentlich exit mit den Gapiteln 73 u. 74, wo ber 
Engel Gabriel dem Propheten erfcheint und ihn ermahnt, 
fih für feinen heiligen Beruf vorzubereiten. Es ift dies 
die einzige Erfcheinung, der er erwähnt; fonft wird von 
ihm bie Offenbarung, aus welcher der Koran hervorging, 
als eine innere geiftige Empfängniß, keineswegs als die 
Eingebung einer uͤberirdiſchen dußern Erfcheinung barges 
ftellt. Dee Prophet war 40 Jahre alt, als er auf fo 
feierliche Weife fich zu dem erhabenen Geſchaͤft, Millionen 
eine andere Religion zu geben, aufgefobert fah. Die Liebe 
feiner Frau Khadifchah, der kindiſche Enthuflasmus feines 
Enkels Ali und bie blinde Froͤmmigkeit feines Diners 
Zeid mögen als leichte Eroberungen angefehen werden; 
aber bie Belehrung feines Freundes Abubeler, eines Mans 
nes von Jahren und von hohem und würbigem Charakter, 
kann man ſich nur durch die Gehaltlofigkeit und Leere der 
Religion erklären, welche er verließ. Durch feinen Eins 
flug wurden noch "zehn der achtbarften Bürger von Mekka 
bewogen den Propheten zu hören. Wenn fie anfangs 
vielleicht nur aus Höflichkeit oder Neugier darein gewilligt 
hatten, fo fühlten fie fich durch die Lehren des Propheten 
bald überzeugt und wurden wirkliche Glaͤubige. Dielen 
Vierzehn blieb drei Jahre hindurch das heilige Geheimniß 
allein anvertraut, und der hoben Andacht ihrer frühen 
Zufammentünfte muß das fchöne Gebet zugefchrieben wers 
den, voelches das erfte Sapitel des Koran bildet: 

Ruhm ſei Gott, dem Herrn der Welten, bem Gnäbigen, 
dem Barmherzigen, dem Bichter am jängflen Tage. 

Die dienen wir, bich fliehen wir an, — führe uns auf - 
dem rechten Wege. 

Dem Wege Derer, denen bu gnädig geweſen bift — nicht 
Derer, denen bu zürnfl, noch Derer, die in der Irre gehen. 


Weiter ſcheint dee Prophet in biefer Zeit nichts vers 


- - n A‘ r re r 
faßt zu haben, ba bie ſtille Ruhe, in welcher I FR ver? Kan \ che vielmehr fein Vergnügen als feinen Ab⸗ 


ging, ihm keine Auffoderung bazu gab, und Kampf und 
Anregung ber Leidenfchaft erfoderlicy war, um feine poetiſchen 
oder prophetifchen Fähigkeiten hervorzurufen, wie nach ſei⸗ 
nem eigenen Gleichniſſe nur im Sturme die Danner rol⸗ 
ten und ge Miige yıden. j 
Im erten Fahre arat a endlich Sffendlich nie dem 
Anſptuche auf feine goͤttliche Sendung auf, aber ſtatt den⸗ 
felben anerkannt zu fehen, ſah er ihn von ganz Mekka 
mit Spott, Hohn und Verachtung aufgenommen. Dies 
verfegte ihn in eine duͤſtere Stimmung, in der alle Die 
(hömem und heiligen Hoffnungen, die ihn bisher empor⸗ 
- gehoben hatten, wieder von ihm ſchwanden: denn wenn 
er gleich auf Unglauden gefaßt fein mußte, fo wirkt doch 
auf ein enthufiaftifches und ſchwaͤrmeriſches Gemuͤth nichts 
vernichtender als kalter Spott und Verachtung. Die in- 
nern Seelentämpfe, welche er in biefer trüben Zeit erdul⸗ 
‚dete, werden recht huͤbſch in Capitel 93 u. 9% gefchifdert, 
wie denn überhaupt Selbſttroͤſtungen in den von Mekka 
verfaßten Capiteln fehr Häufig vorfommen. Wir halten es 
für genügend von Gapitel 93 eine Überfegung mitzutheilen: 
Rein, bei dem Glanze des Morgens und bei dem finftern 
Dröuen ber Naht — bein allmädhtiger Beſchuher wird ben 
Sechtichaffenen ſicherlich nicht verlafien. Zerreißt jetzt auch ber 
Kummer heine. Seele, die Zukunft bringt ihren Balſam. 
Sept die ein hohes Loos bevor, fei dankbar und ergebungsvoll. 
Bon ihm bift du als Hälflofe Waife in deiner Kindheit 
eliebt und gepflegt worben. Im Unglauben würbefl du ums 
ommen, hätte er bir wicht den Weg der Wahrheit gezeigt. 
Gene 8 Hand bat dich der Armuth und Verachtung ent: 
zifen, barum hilf auch du ben Dürftigen und fei ein Lehrer 
den Gebankenlofen, 
Doc eine folche ruhige Ergebung und milde Sprache 
des Troftes war nuc momentan und weit zahlreicher find 
die Capitel (68, 101, 102, 10%, 108, 111), in wel: 
hen fi die höchfte Gereiztheit ausfpricht, der er durch 
myſterioͤſe Andeutungen einer zukünftigen und unvermeid: 
lichen Wiedervergeltung, oder geradezu durch einen Pro: 
phetenfluch Luft zu machen ſucht. Bemerkenswerth find 
bie firengen, von dem blindeften Fanatismus zeugenden 
Audachtsuͤhungen, welche bie erften Bekenner in jenen frü: 
bern Jahren fich felbft zur Pflicht machten. Aus Capi⸗ 
tel 73 fernen wir, daß fie halbe Nächte mit Gebet und 
religiöfen Betrachtungen hinbrachten, fodaß, weil Körper: 
und Geifteskräfte darunter litten, Mohammed ihnen er: 
Laubte, die überteiebene Strenge der frommen Übungen 
etwas einzufchränten. Seine Velchreibungen des jüngften 
Tages (Cap. 14, 81 u. 99) find aus der heiligen Schrift 
entlehnt, weshalb mir fie nicht mittheilen. Mohammed's 
Paradies, am umfaſſendſten in den Gapiteln 32 u. 37 
geſchildert, ift der Kinbildung eines Jeden gegentbärtig. 
Am wenigiten Ehre machen feinem Gefühle ſowol wie ſei⸗ 
nen Fähigkeiten die Stellen, welche ſich auf die Hölle be: 
ziehen. Mit einer ins Einzelne gehenden Genauigkeit, 
einem Behagen unb einer Luft, welche empoͤrend iſt, ver⸗ 
weile er bei ben amsgefuchtefin Qualen, weiche menſch⸗ 
liche Phantafie fi) irgend auszumalen vermag. Die Be 
trachtung. des Schreckeus, ber marternden Leiden, vergeb: 
lien Reue, Gebete, Kämpfe und Wehklagen der Ver⸗ 


4 


ſcheu erregt zu haben. Ja, es gehört bei Ihm zu den Be: 
Ychäftigungen, wo nicht zu den Unterhaltungen der Seligen, 
fih an der Scene der Martern und Qualen zu melden 






nd ihre ehemaligennBelannten inmitten derfelken gu %e: 
' ben —— und Ismatäriidkeien 


ſſen filenur aus der Gereigthet und Erbitterung erklaͤ⸗ 
ren, in welcher fich der Angefeindete beftändig befand und 
aus der dem arabifchen Gemüthe angeborenen Rachſucht. 
Gewiß war Boshaftigkeit nicht der Grund, indem fein 
Herz davon frei war. 

Bon diefen milden Phantafies und Gefuͤhlsergüſſen 
gehen wir zu andern, mehr auf Überzeugung berechneten 
Stettin uͤber. Die Capitel 7, 10, 4, 16; 48, 29, 
21 u. 27 bieten in dieſer Hinſicht fehr ſchoͤne und genuͤ⸗ 
gende Proben dar. Vor Allem mußte. Mohiiami daran 
liegen feinen göttlichen Beruf alt Prophet feftzuftellen, 
und bei. ber Bekanntfchaft, welche die Araber von der 
Sefhichte und den Xrabitionen der benachbarten Juden 
batten, durfte er befländig an deren Propheten von Noad 
bis Jeſus und das ſchwere über Die ergangene Gericht 
erinnern, welche fie nicht anerkennen wollten, wobei feine 
Abſicht war, wie er feine eigene Lage mit ber jener ver: 
geblich Warnenden und Lehrenden ibentificitte, To feine 
Derächter zu bewegen, daß fie für fih das Schickſal der 
muthwillig Ungläubigen fürchten möchten. Den Genoſſen 
des Stammes Koreifh, weldhe ihn durch die Frage in 
Verlegenbeit. zu bringen dachten, wie doch Er, der ver: 
waifte Sohn Abdallah's, den 40 Jahre hindurch Jeder⸗ 
mann nur al& einen unbebeutenden Menfchen gekannt 
hätte, dazu käme, der Überbringer goͤttlicher Gebote zu 
werden? — antwortete er mit großer Gewandtheit: „Wenn 
ich fo langwanſpruchslos gelebt habe, worauf follte ich jegt 
Anſpruch machen? Und wenn id bie jest bedeutungslos 
geroefen bin, woher babe ih auf einmal die Fähigkeiten 
erlangt, die ich nun entwickle?“ Aus dem nämlichen Grunde 
ftelt er den. Koran den Büchern der frühern Propheten 
an die Seite, deren die Araber eine außerordentliche Menge 
zählen. Doc, der Hauptgrund für feine göttliche Sendung 
iſt die Unnachahmlichkeit feines Werks: eine gewagte Be: 
bauptung, die feine Gegner wol Leicht hätten zu Schan⸗ 
den machen und fo das auf einen einzigen Wurf geſetzte 
Anfehen vernichten. können, wenn fie durch Stel; oder 
Sorglofigkeit nicht davon zurüdgehalten wären. Vielleicht 
biendete fie auch wirklich der Styl, das Hauptverdienſt 
des Korans, und wir finden Cap. 25, mie fie Moham⸗ 
med befdhuldigten, daß er in ber Abfoffung des Werks von 
einem Fremden unterflügt würde. Maraccius, Irideaur 
und Andere haben das aufgegriffen, um dem Propheten 
das Berdienft der Originalitaͤt abzufprechen. Allein wie 
ſich die Sache verhäft, geht aus dem Koran felbft hervor. 
Er ift mit Nachahmungen aus der heiligen Schrift von 
der Genefis bis zur Offenbarung Johannis angefüllt. Mo⸗ 
hammed felbft war zu wenig wiſſenſchaftlich gebilbet, als 
daß er alle diefe Stellen durch eigenes Studium gewonnen 
haben Bonnte, Wie es fcheime, zuflegse eu zwei jungen 
Ehriften, welche Biden in Mekka hielcon, zuzuhaͤren, wann 








tüfsiben Abends, wer ber häwe | 
* Dies feine uerft feine leicht entzienblichs Etnbtt 
dungsktaft anfgerege und im ihm Vie wilde Froͤnmigkelt 
angefacht zu haben, bie ihn über ſich ſelbſt erhob. 

Doc feine Gruͤnde verwickelten ihn in gräßere Schwie- 
cigfeiten,, als fie Ahın Worchelfe über feine Gegner verſchaff⸗ 
ten. Diefe foderten Wunder von ihm, wie die heillgen 


Männer geuͤbt hätten, mit denen ex ſich auf gleiche Stufe - 


fielle. Die fortroährenden und widerfprechenden Gutfchul⸗ 
digungen, welche einen ſtehenden Artikel im Koran bilden, 


gigen, in weiche Werkegenheit er dadurch geriet), Auch 
de Drohungen, meldye er auf feine Gegner herabdonnerte, 


dienten nur dazu ihren Spott zu ereegen. Sie umtingten 


ihn in deu Straßen und fobesten ihn auf, die fo oft | 


verfimdete Rache zu verwirklichen. „Ich bin ein Prediger, 
Fin Engel”, war ſeine Antwort; „die Rache wird eintref: 


fen In der von Gott feftgefegten Stunde, aber diefe Stunde ; 


kann Niemand befchleunigen, fo wenig wie fie fich abwen⸗ 
den läßt, von fie erſcheint.“ Hier aber war eime andere 
Schweerigkeit. In feiner grenzenkoſen Eferſucht für ben 
Auhm Gottes Hatte Mohammed die Lehre von ber Praͤ⸗ 
deftination in Three ganzen Schärfe behauptet, und waͤh⸗ 
send er feine Hörer wegen ihres Unglaubens ſchmaͤhte, 
verſicherte er ihnen A, daß Glauben und Unglauben 
De uumitteſbaren Wirkungen ber göttlichen Gnade waͤren. 
In veinem der vben angeführten Gapitel bemüht er fi 
vergeblich ein Problem zu löfen, an weichem ber fihärfite 
Berftand aller Zeiten und Länder ſich ſtets gleich erfolglos 
erfehöpft hat. Cine ſehr irrige Worftellung wuͤrde man fich 
vom Koran machen, wenn man glaubte, daß diefe Strei: 
tigkeiten in einem gewiſſen Zuſammenhange geführt, Die 
Grunde mit einer gewiſſen logiſchen Genauigkeit aufgeftellt 
werden feien; jeder Sag iſt vielmehr in eine tönende, hef- 
tige, oft fchwülftige Deckamation eingekteidet und unzu⸗ 
fammenhängende Ergäffe ber Froͤmmigkeit oder ber Lob⸗ 
peeifung des Höchften und feiner Werke bilden die Grund: 
Inge des ganzen Textes. Diefer enthufiaftifche und ſchwaͤr⸗ 
merifche Charakter fand aber gerade an bem mpitifchen 
Game der Araber eine Stuͤde: es machte Eindrud auf 
ihre Einbildungskraft, wenn fie ihn von den unfichtbaren 
Scharen von Engeln und Genien fprechen hörten, mit 


denen die Stadt wie bie Wildniß angefült fei, wenn er | 


werfücherte, daß er bei dieſen Gehör und Glauben gefun⸗ 
den bitte, und fie wichen ehefurchtsvoll zuruͤck, wenn et 
ihnen fagte, daß in dem naͤmlichen Augenblide, wo er 
redete, dieſe luftigen Weſen ſich herbeidrängten, um feine 
Worte zu bösen. Es find die Capitel 46, 50 u. 72, 
weiche hierher gehoͤren. 

Die Vorſchriften und Vetordnungen mußten natürlich 
im Allgemeinen ſpaͤter entſtehen als die bloßen Ermahnun⸗ 
gen, weil ſie vorausſetzen laſſen, daß er bereits aufmerk⸗ 
fame und eifrige Zuhoͤrer gewonnen hatte. Sie finden ſich 
ia den Gapitein 6, 17, 20, 26, 30, A, 42, 46 u. 
70. Mon keinem europaͤtſchen Schrifefkellee iſt bid jetzt 


gend, Wie Wie! ta. 


= 


Achkeit bed Lauben uagertrenulich ſeinen, Sehten 6’ Arn> 
ber in dem allergroͤbſten Aberglauben, fewie im die deſtaͤn⸗ 
digen Gewohnheit, bie einfachflen ‚Steger ber biwskicheh 
Sittlichkeit zu verlegen. Bei jedem wichtigen Kalle im 
Leben durch abergläubifche Vorſtellungen geleitet, fcheinen 
fie nur dann freien Willen geäußert za Haben, wenn Fe 
durch Ätger aufgeregt oder durch Begierbe geſtachelt woren. 
Diefe außerordentliche Geiſteserniedrigung führte, wie ges 
woͤhnlich, unter den wenigen Aufgeklaͤrteren das entgegen⸗ 
geſetzte Extrem herbei, und Mohammtd lief ſach duch den 
Skepticismus einiger ſeiner Gegner veranlafſen, wieberholt 
über die Moͤglichkeit der Wiederauferſtehung nach dem Tode 
zu fprechen. Seine fittlichen WBorfchriften waren durch 
ihre Einfachheit fehr dazu geeignet, die verborbeuen Ge 
fühle feiner Landsleute zu beifern und manche einfaͤltige 
Bekehrte ſchrieben in ihrer Unmiffenheit ihm die Trefflich⸗ 
feiten zu, die in ber That feiner Lehre angehörten. Außer 
einem AUS dem jüdifchen Gefege entlehnten Verbote des _ 
Zinſes umfafjen feine ethifhen Vorſchriften jene einfachen 
Grundfaͤtze der Mechtichaffenhelt, welche die unverborbene 
Bernunfe des Menſchen überall mit allgemeine: Überein⸗ 
ſtimmung anerkennt. Sle machen übrigens nur einen 
Kleinen Theil felbft der wenigen Capitel aus, im denen fie 
enthalten find, da ihre Natur fie nicht für die Amplifis 
cation eignet, wodurch ber Prophet andere Gegenſtaͤnde 
ſo germ anzuſchwellen pflegt. 

Von der Strenge der Andacht, welche er anfänglich 
zur Pflicht gemacht Hatte, ließ er allmdlig nach. Capisl 
20 enthält wieder eine Ermahnung an ihm, fich nicht durch 
ben Dienft des Herrn aufzureiden, und wie feine Erfahrung 
zunahm und fein Enthuſiasmus duch den Wideriland, 
weichen er fand, auf eine andere Bahn gelenkt wurde, 
führte er in jener Hinſicht eine der menfchlichen Scyivdche 
angemeffenere Regel ein: Es wurden drei Stunden für 
das Gebet angefeht, die beiden der Morgen: und Abend: 
dämmerung und die der erſten Nachtwache. Die Mittags: 
und Nachmittaggebete, wodurch die fünf voll werden, wur⸗ 
den erſt nach der Hegira hinzugefügt. Der einzige, äußere 


Ritus, mit dem er feine Religion umkleidete, wär bie 


Wallfahrt nach Mekka, deren Eeremonlen ſich in Gap. 2 
und 22 aufgezeichnet finden. Die Meinungen über die 
Beweggründe, weiche ihn hierbei leitetem, find fehe vers 
ſchieden. Savaty meint, es feien politiſche Rütfichten 
geworfen, indem er voratiögefegt habe, DAB die perlodiſche 
Verſammlung der uneinigen arabifchen Stämme viel zur 
Milderung ihrer gegenfeitigen Feindſchaft und zur Era 
böhung der gemeinſamen Macht des Landes beitragen 
würde Ge vermuthet, er Habe gegen feine eigene beffere. 
Uberzeugung nur dem Vorurtheile feltter Landsleute nacht⸗ 
gegeben; allein Mohammed ließ ſich in allen Dingen ſo 
ganz und gar vom veligiöfen Gefuͤhle leiten und vernnrſ 
fo. entſchieden jeden Compromiß mit Dem, mus felhens 
Gewiſſen zuwlderllef, daß es weit Fr if, es 
Seien ihhm bei dee Beibehaltung jenes Rituals der Tem⸗ 


die damalige Demoraltſatlon dee Araber auf gebuͤhrende 


Ä pel von Jeruſalen und die drei großen Feſte vorgeſchwebt, 
Weiſe herdorgehoben worden. 
fon und- wilden Gewohnheiten 


Abgeſehen von den geſetzlo⸗ I welchen alle maͤnnliche Juden vor dem Deren erſchei⸗ 
welche von der E men mußten. Zudem wurde fa im der Traditton der Bau 


p 


der Kaaba bis auf Abraham zurkdgefhiet, vo Im In 
feinen Augen eine befondere Heiligkeit verlelhen mußte, 
die auch Capitel 2 u. 14 anerkannt wird. 

B (Der Berötus folgt.) 





ente aus Sſtreich. Herausgegeben von F. E. P. 
tanheim, Hoff. 1839. 1. 8. 20 Or. 

Ein Bud mit einem fo „icpsbegeiönenden Zitel, wie dies 
fes, feet den Befer immer ab. Benn fid felbft aus dem 
Sahaltsverzeihniß nichts Gharakteriftifches, kein Eeitflern, ober 
tin leitmder Gedanke erkennen läßt, ſchiebt man es möglich 
zuräd. Gndtid Lommt eine müßige, Erante Gtunde; man er- 
greift, gelangweilt von Allem, was Ginem fonft lieb war, ben 

fenen E und findet einen Kopf ohne klare 
rpofitien und einen Schwanz, den man als unpaffendes Slied 
dem Affen gern überliefe. Gollen Bücers und Actenlefer dann 
nody in bie Mitte bineinfehen? Das ift viel verlangt! Mies 

ie Eehre für Buchhändier, die dergleichen „‚Bragmente‘ druden. 
& haben es Iganz in ihrer Gewalt, eine andere und beflere 
Anordnung treffen zu laflen, ja, wenn fie ſelbſt Beihmad has 
ben, fie feibk gu treffen. Dem Autor Tann es eineriet fein, 
wenn feine Trümmern und Bruchkäde nur gelefen werden. 

Ref. fah denn aus einer gewiffen Gchwermuth doch in den 
Rumpf, um ale drei Gavitäten diefed Buchs zu Öffnen. Gin 
der fi. für einen icher ausgibt, «8 aber ſchwer⸗ 

Bien Dann, jung, oder alt, if verliebt, feine 
ſchwaͤrmt auf den erfien Geis 
ten; (häftigt er fi mit der Literatur der Uns 

‚feledenen und Witigen; das junge Deutſchiand fdimmert 

3 iſt er nody fentimental; von art, 7 

WBörne, Anaftafius Grün, Reifteb, Beng und Heine — ja 

Geng, das yerfonifieiste junge Deutfchland, der Mann, in dem 

der beffere Bedanke, den er hell und klar in fid trug, um bes 

ũeide und bes Wauchs willen zurüdgehalten wurde, diefe zwei⸗ 

-  beinige Blendlaterne — Gent und Heine befhäftigen ihn. @in 

Wunder if nicht, wenn der Dann, der folder Eiteratur ſich 

„endlich politisch wird und einen langen Abſchniti 

„ ’* tiefert, welcher dee Kern des Wuchs, das edlere Eins 
‚geweibe des Rumpfs iſt. 

Bir wollen nichts verleugnen. Die literariſchen Aphoria⸗ 
men find nice ohne Urtheil und Geſchmack; und dieſe politis 
ſchen find dem ten, was wir in diefem Fache In neuerer Zeit 

haben, an bie Seite zu ſeten. Aein ein at 

nicht geſchrieben; er kennt von ber Öftreichiichen Gejchichte 
jet von ber Gegenwart fo norddeutſch wenig, daß er ſich bIo® 
in Dem aufpält, was alle Welt weiß. Aber gerade das iſt das 
Gute an dem Abfchnitt, daß er Bekanntes auf eine fehe_pis 
Bante, geil und Hare Weife behandelt. Ganz vı ich 
iR das Unterrichtöwefen in Öftreich bargeftelt, weldes das ps 
fem dee Dunkelheit fo anfchaulich macht, daß man bie ägypti⸗ 
fie Finfterniß vor ſich gu fehen glaubt und ſchaudert, wenn 
man hört, baß diefes Gyftlem in andern deutſchen Gtaaten 
Nachahmung finde. Werner bas Nepoten⸗ und Protectiondiwes 
fen, das Beechen, das Kriedjen, ber Kaftengeift, der Abel, 
Ye Ehaverei, d. h. der Goldatenfland, die Riche — alle diefe 
Gegenftände find mit Beidid behandeit. Wan kann nicht fas 
re . fei ungerecht ober trage zu ſtark auf; hier eine 


fogenannten —E zu machen⸗, d. h. 





maadilen Bortrag zu delten, bed) babudy wich nädes 
, indem felten auf bie Antworten, fondern geögiih 
auf gang andere Dinge gefehen wird. Co gefhleht eh, dab 
Lehrer angehent find, welche man anderswo faum zu Bamulis 
brauchen Fönnte. Ei wäre leicht, Zeiſpiele von allen Univerfis 
täten und Lyeren anzufähren, ni odiosa essent.”’ 
„@benfo wenig die @el tigkeit ber Lehrer wie ber 
IB if das durch alle Unterrichtsanftalten gels 
es ſeit einiger fon! Inge wurbe. 
Lehrbücher find nun fehr ——ſ und wechſelnd; 
uchten meiſtens 


in der That, einige davon, welche Ref. kenni, find mehr ats 
miferabel. Der Verf. fagt unter Anderm (S. 84): „Philofos 
phie wird nach Garpe gelefen. Ich bürge nicht für Die Rice 
tigkeit diefed Ramens und weiß auch nicht, welder Schule ex 
angehört. Ginige fagen, er fei ein Ekiektiker, b. h. ex Habe 
überall das Gchlehtefte herausgefacht; aber, wie gefagt, ich 
weiß es nicht. Doch zeigt die Srfahrung, daß er durchaus 
nicht gefaͤhruch ift, denn ex hat keine Anhänger. Rur in der 
Matpematit und Raturlehre gibt es in Oftreich gute Lehr⸗ und 
Yandbüdper, die Gefchichte wirb Lediglich als genealogifcher Ras 
Iender ber Begemtenhäufer behandelt. Aber was kann man 
von Lehrern mit 4— 600 Gonv. » @ulben jäprlider Wefoldung, 
die kein Schulgeld und ein Honorar beziehen, erwarten! Ce 
übertreffen fih nur darin, „daß fie bei möglich geringer 
Quantität von Kenntniffen den Schülern bie mög — 
Zeugniſſe ausſtellen“, und dieſe Zeugniſſe find kräftig. Saß 


und unter Anderm auch —* 


in ſeinen Er at de — —— bie —E 
in taaten duldet. er je jungen Burſche in 
Sſtreich wie die Ägypter von bewaffneten t 

edt, ja im Blut Kampfe —— — * 


— tale oem & Kt — Fi wird, damit 
je unf en J 
nr aha Dan SEA 


% fie erheitert — das ij un 
— mm ve 
ben, in weldem ſich ein echter Patriotiimus um ein treuer 
BE ln Sa ne 
— 
aus Schiller, Goethe, Heine u. 8. 6 


eiterariſche Notiz. 


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Arbantre, Gorrefpondent ber Akademie der 10ral und 
politifjen ¶ Siſſenſchaften und der Afatifhen ft in 
London, gab us: „Analyı ii > 








Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung, 








feiner Abfaffung. 
” (Beſchluß aud Ar. 1F0.) 

In feinen Anfihten über fein Verhalten gegen die 
Ungldubigen wurde Mohammeb anfangs bedeutend durch 
den milden Geiſt bes Evangeliums influenziet, und zehn 
Fahre hindurch, wo er fich täglichen Kraͤnkungen und Ges: 
fahren ausgefegt ſah, verfuchte er nicht ein einziges Mal 
Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Allein der Haß und 
die Wildheit feiner Feinde trieb Ihn endlich zu jener Pos 
tie, durch welche die Gefchichte der Welt plöglich umge⸗ 
ftattet worden if. Hamza's Ungeftüm und Ali's Eifer 
verfhmähten es, die Lehre von der Demuth noch länger 
gelten zu laffen, und nahmen daher bei mehren Gelegen⸗ 
heiten, wo ihr geheiligter Verwandter befonders unwuͤrdig 
behandelt worden war, eine eelatante Race. Bel Mo: 
hammed überwog das menfhlihe Gefühl das des Pro: 
pheten und er ließ die Handlung ungerügt hingehen. So 
wurde das edle Paar bei jeder Gelegenheit: fein Schirm 
und um fo unentbebrlicher, je mehr er davon Gebraud) 
machte. Gap. 23 wurde dem Principe der Feindſeligkeit 
höhere Sanction in der Auffoderung gegeben: „Verhindere 
Boͤſes (dad man dir zufügen will), durch was immer für 
Mittel du am beiten kannſt.“ Als der Srundfag der Duls 
dung einmal aufgegeben war, vermochten Mohammed's 
Anhänger bei der durch die gegenfeitige Reibung fleigenden 
Erbitterung ſich nicht Länger in Mekka zu halten und 
ſuchten, auf ihres Meiftere eigenen Rath, anderwärts ihre 
Sicherheit. , Durdy jie wurde der Ruhm des Propheten 
im Lande umher verbreitet und die Schönheiten des Koran 
gelangten zu einer allgemeinern Kenntniß. Mohammed 
erhielt manchen fchmieichelhaften Beweis, wie ganz anders 
fein Name auswärts ale in Mekka geachtet werde. Unter 
Anderm fandte ihm der König von Ächiopien ein Geſchenk 
und erklaͤrte ich für einen Glaͤubigen. in Gefandter, 
der in Staatsgefchäften nach Mekka gekommen war, Eonnte 
ſich das Vergnügen nicht verfagen, den Dann zu befuchen, 
von dem er fo viel gehört hatte, und nahm nach einre 
kurzen Uinterrebung den neuen Glauben an, den er nad) 
feiner Rückkehr feinen Landsleuten -verfündee. Auf Do: 
hammed machte diefe Verſchiedenheit dee außerhalb und 
innerhalb Mekkas gegen ihn herrfchenden Gefühle einen 
tiefen Eindruck und brachte dem flillen Groll zur Reife, 


8. Juli 1840. 


den ein zehnjähriges Duden in ihm aufgenähet hatte. 
Das hohe Geſchick, weiches er ſich ſelbſt verheißen batte, 
ftand ihm jegt nahe bevor, und ohne Selbfitäufchung durfte 
er hoffen, feinen heiligen Beruf jet erfüllen zu können, 
Ein Fleck auf diefem ſchoͤnen Gemälde war allein Mekka: 
was Wunder, wenn er benfelden aussulöfchen trachtete? 
Mit feinen Heiligen Zraumen fingen wildere Gedanken an 
fih zu mifchen: die veränderten Intereſſen der Religion 
erheifchten auch eine veränderte Politik, und endlich traten 
befondere Umftände hinzu, ihn in diefem Gedankenzuge 
zu beftärten. Abutalib, wenngleich kein Gläubiger, doch 
fein mächtigfter Freund und Beſchuͤtzer, war geftorben und 
die Heftigkeit feiner Feinde Hatte dadurch mehr Raum be: 
tommen. Auch feine Frau Khadiſchah, deren Liebe und 
milder Troſt ihn unter den bärteflen Demüthigungen auf: 
recht erhalten hatte, war nicht mehr, nur Keindfchaft und 
Haß waren für ihn in Mekka noch Übrige. Der aufges 
regte Zuftand feiner Gefühle, forie die Erbitterung gegen 
feine Feinde ift am flärkften in Cap. 36 ausgebrüdt und 
dies darauf berechnet unter feinen Anhängern eine ähnliche 
Stimmung hervorzubringen. Gap. 23 hatte aufs Schwert 
hingewiefen, Gap. 42 nahm es in bie Hand: Rache in 
Beleidigungen wird darin zu den Tugenden eines Glaͤubi⸗ 
gen gezählt. Vielleicht möchte aber Mohammed boch kei⸗ 
nen entfcheidenden Schritt gethan haben und, hätte man 
ihm nur gewöhnliche Duldung erzeigt, in Mekka geblieben 
fein, hätten ihn die Koreiſch durch den Beſchluß, ihn aus 
dem Wege zu räumen, nicht zum Äußerſten getrieben. 
Zeit, Dit und Art der Ausführung der That war bereits 
feftgeftelltz; Mohammed erhielt noch zeitig Kunde, machte 
die Verſe des 22. Gapiteld bekannt, worin er Wider⸗ 
ſtand gegen Verfolgung und Flucht um der freien Bells 
glonsübung willen anempfiehlt, und entfloh nad Medina. 
Diefe Stadt, die volkreichfle von Hijaz, lag im Deren 
des Landes, wo Mohammed's Schüler feinen Ruhm ver: 
tündet und feine Lehre verbreitet hatten; daher wurde er 
bier mit allgemeinem Enthufiasmus als Prophet und als 
Fürft aufgenommen. Die Menge der Gläubigen, die er 
hier erblickte, belebte ihn mit neuem Vertrauen, und was 
fruͤher verzweifeinder Fanatiemus ihm nur halblaut und 
ungewiß zugeflüftert hatte, nahm jegt, wo der bereitwillige 
Glaube von Tauſenden es volberhallte, den zuvertäffigen 
Zon der Gewißheit an. So entfland dus 47. Capitel 





\ 


Misiligung wurden von ihm erfchöpft, um feine An: 


des Koran, in welchem er gegen alle sein? Me | A 
bens offen den Krieg der Vernichtung erklärt. Bon jegt 
an iſt der Koran ein Gefegcoder und ein Blutgeſetz, und 
die Cap. 61, 2, 65, 8, 57, 60, 62, 63, 64, 102, 
3, 58, find 


welchem bdiefelbe begleitet war. Sobald ber Krieg von ihm 
als religioͤſer Grundfag aufgeftellt war, ergriff er auch alle 
ihm zu Gebote flehenden Mittel, um denfelben mit Nach⸗ 
druck zu führen, und der größere Theil der In Medina 
abgefaßten Gapitel IE daher diefem Zwecke gewidmet. Die 


ober_j- den als Ehriſten, auf bern 


w_ 


haͤmet zum Sampfe zu ermunteen. Aber die bioße Be⸗ 
geifterung genügte wicht, beufelben auf bie Dauer fortzus 
fuͤhren; dazu wnren auch materielle Mittel erfoderlich, es 
mußten taufemderlei Ausgaben befititten werden, und da, 
Moberamer felbft dies nicht vermochte, fo ſah er ſich ge: 
söthigt zu frommen Beitraͤgen und zinsiofen Anleihen feine 
Jufiucht zu nehmen. Won der einen oder andern Art der 
Zheinahme am Kampfe, mochte fie mun perſoͤnlich fein 
ober in Geidbeitraͤgen befichen, war Niemand ausgeſchloſ⸗ 
fen, außer wer zu arm oder zu fchwarh war. Diejenigen, 
weiche, zufrieden mit der Wahrheit der .neuen Religion, bie: 
felbe hätten in Ruhe ausüben mögen, ihre weitere Ver⸗ 
breitung dem Allmaͤchtigen uͤberlaſſend, werden als Heuchlet 
bezeichnet umd als Feiglinge verfpottet. In diefen Vor⸗ 
ſchriften, Wirkungen der Lage, in welcher Mohammed ſich 
befand, erblißen wir den Urfpeung jener Gefühle und 
Mängel, welche in dev. Mohammedaniſchen Geſellſchaft ftets 
vorherefchend geweſen find. Bon den unaufhoͤrlichen und 
heftigen Aufregungen zum Kriege erlangten fie ihre raſtloſe 
und unbändige Wildheit, und aus der Buficherung ber 
goͤttlichen Führung und Gunſt ging ihr perfönlicher Stolz, 
ihre Unduldſamkeit und ihre unbebingte Unterwerfung unter 
ihre Kährer und Dbern hervor. Einem Volle wie dem 
arabiſchen, dem vom Raube zu eben ſtets für erlaubt 
gegolten Hat und Raub und Krieg ganz ſpnonym find,. 
mußte ein Grundſatz gefallen, der ihren Lieblingöneigungen - 
volle Befriedigung verhieß. Beſonders wurden die rohen 
Staͤmme der Wüfte durch dieſen ?riegerifchen Charakter 
der. neuen Religion angezogen, für deren beſſere Lehren fie 
wol gu gefuͤhllos und unempfängiich waren. Das Spſtem 
deu Kriegs und der fchonungsinfen Vernichtung ber Uns 
glänkigen, weiches Mohammed fett feiner Flucht aus Mekka 
befosgte, vonr ohne Zweifel das wirkfarafte, um den Triumph 
ſeines Glaubens zu ſichern. Unter den zahlreichen Kim: 
pfen, weiche die Zeit von da bis zur Einnahme von Mekka 
ausfuͤllen, ſcheint er nur eine einzige Niederlage erlitten 
zu haben, die zu Ohad, worin er ſelbſt, ſchwer verwundet, 
kaum mit dem Leben davonkam, die jedoch durch feine 


Exergie und Faͤhigkeit bald wieder gut ‚gemacht wurde. 


Kein Jahe verging ohne die Unterwerfung eines feindlichen 
| e6, umb es verdiant ber: Cemähnung, daß bad Be: 
bot, ſchonungselos alle Feinde des wahren Glaubens nie 
derzuhauen, keineswegs fo fteeng beobachtet naucke, daß 








59, 4, 16 u. mmenhängende und 
deutſe 7— uͤr BAT “ a It 
FR Fahten Hefte Pomtie,Pinfa Für Den Erfoch, 


R' 9 5 ſelbſt dieſelben auf weniger blutige Weiſe 
behandelt und viele von ihnen unverletzt entlaſſen haͤtte. 
vJa, als in Folge eines gluͤcklich auf eine reiche Karavane 
ausgeführten Überfalls und eines Siege über einen derſel⸗ 






zu Hül 





fe gesilten- Heerhaufen von Mekkanern wmehy 
n *2 Feinden und Werſplgem ihm die 
nde gefwlen waren, war er fo welt entfernt, Die Hack, 
welche er im Koran beftändig verfündigt, an ihnen aus⸗ 
zuüben, daß er fie vielmehr gegen ein Löfegeld in Freiheit 
feste. Nur Verrath und Treubruch verzieh er nie, und 
ein gumger jübifcher Stamm mußte eine Empscung..mit 
gaͤnzlicher Vernichtung buͤßen. Sonſt waren tool Our 
und der Beweis für die Gültigkeit feines Prophetenamts 
beruhte, van den gegen die Unglaͤubigen aufgeſteünen Ge⸗ 
fegen ausgenommen. Die Juden. bewirkten nicht einmal 
duch das unfreundlichſte Benehmen eine Abweichung von 
diefem Syſteme. Bei Mohammed's Anlunft in Medina 






‚hatten fe aben feinen Eröffnungen den entſchiedenſten Wi⸗ 


derftand emtgegemgefept, feine Anhaͤnger nerführt, ſein⸗ Uns: 
ſpruͤche laͤcherlich gemacht, ihn ſeibſt mit Verachtung bes 
handelt und jeden Anlaß ergriffen, um ſich mit ſeinen 
Angreifern zu verbinden. Nichtedeſtoweniger geſteht er ihnen 
ia ben Cap. 5 u. 9, den letzten, die erſt entſtanden fein 
Eönnen, als Mohammed bereits alle Hoffnung aufgegeben 
haben mußte, den chrifllichen Glauben und die jüdifche 
alsftarrigkeit zu uͤberwinden, als einem Schriftvolke, den 
nfpruh auf Bruͤderſchaft zu, erlaubt feinen Anhängern 
dieſelben Speifen und an demfelben Zifche wit ‚ihnen zu 
effen, und nimmt fie von der allgemeinen Regel der Ber: 
tilgung aus, indem er für fie Tribut an die Stelle ber 
Belehrung fegt. 
Wir kommen jegt zu den wichtigen Gapiteln 49, 33, 
24 u. 66, aus beuen klar bervongeht, daß, weiche auch 


Mohammed's eigene Meinung über die ihn leitenden Im⸗ 
‚pulfe gewefen mag, biefelbe Beine tiefere und Heiligere 


Quelle hatte als feine eigene Bruſt. In Mekka hatte 
er beftändig jede andere Autorisät uͤber feine Anhänger 


als die, welche ihm Die Beilige Pflicht der Lehre und Er: 
mahnung verlelhen möchte, abgelehnt; allein ſechs Jahre 


unumſchraͤnkter Gewalt und vnunterhrochenen Gluͤcks aͤn⸗ 
derten ſeinen Ton. Seine Anhaͤnger durften mit dem 


Propheten nicht mahr ſo vertraulich ſprechen wie Be feibht 


untereinander, in ſeiner Gegenmart nicht van ſelbſt das 


‚Wort nehmen, ihn nicht beſuchen, wenn er ‚allein fein 


wollte, fein Haus nicht ohne Erlaubniß beitreten, wenn. 
fie barin waren, nicht uͤber gewöhnliche Dinge ſprachen, 
und zuletzt ſoll Reimer mehr. einen eigenen Willen haben, 
fobatb ‚dere Prophet den ſeinigen asſgeſprochen Hat. Ca⸗ 


pitel 33 macht uns malt feiner ſchwaͤchſten Sekte befannt. 


Bei einem zufälligen Beſuche Hasen die Reise Zinaba’s, 


der Frau feines - freigelaffenen Zeid, einen ſolchen Cindruck 
‚auf ihn gemacht, daß dieſer ſich von ihr ſcheiden laſſen 
mußte und ber Prophet fie heirathete. Da Zeid aber 


von ihm fruͤher adoptire worben war, fo galt nad) ara⸗ 


biſchen Geſetzen die Ehe für blutſchaͤnderiſch. Mohammed 


ſchaffte Die Geſtche ab und verſtchtate den ſchuqukenden 








767. 


Arakıry.: Wort Gottes. feine rg 
Dies war indeß noch nicht genug: ‚bie Zahl der Frauen, 
aufwetiee ie Aqubigen ſich beſchraͤnken follten, wor zu 
vier feftgefegt, der Prophet Dagegen befreite ſoech ſetbſt von 
diefer, role von jeder andern Einſchraͤnkung feiner ehelichen 
Launeg, während fein Harem vor den Zubringligpfeiten 
feiner Anhänger darch die göttliche Erklaͤrung geſchut 
wurde, daß die Frauen des 
als Maͤtter angeſehen werben muͤßten. 
Einmiſchung des Himmels in feine häuslichen Angelegen⸗ 
heiten ireibt er noch einen Schritt weite und bedient 
fich des Wortes Gottes zulest, um zweien feiner Weiher 
eine Strafpredigt zu halten, weil fie mit ber natürlichen 
Ewpfindlichkeit von Frauen einen Act der Untreue rügten, 
in welchem fie ihn ertappt hatten. Diefe feine Schwäche 
Hat auch der Nachwelt noch fehr nachtheilige Srüchte hin⸗ 
terlaffen. Des Prophet hatte fi von feiner Heblingsfrau 
Ayesha unter Umfländen getrennt, die ihm den tiefiten 
Schmerz verurfachten. Bon dieſem wurde er durch die 
Eingebungen des 24. Capitels befreit, works er die Ver⸗ 
ſicherung erhielt, .baß fein Verdacht wie die Yusfagen ber 
Anklaͤger ungegrimdet unb die Verſtoßene unſchuldig fei. 
Dies bewog ihn, in blindem Eifer das unſinnigſte Geſetz 
über den Ehebrudy zu erlaflen, das man irgend erfinnen 
kann, Indem er verfügte, daß der Charakter jeder orbent: 
Uchen Frau fo lange .umbefcholten bleiben fole, bis vier 
Zeugen fie der Schuld zu überweifen vermöchten, und daß 
Jedermann, der benfelben außerdem verbächtige, oͤffentlich 
ausgepeitfcht werden follte, und hiernach verfuhr er denn 
ſogleich gegen Apesha's Ankiäger, indem dem neuen Ge: 
fege eine ruͤckwirkende Anwendung auf ihren Rüden ge: 
geben wurde, um bie Unſchuld der Berfeumdeten vor ben 
Augen der Araber zu ermweifen. Doch ließ man gerade 
den. baftigften deu Ankläges entkommen, weil er ein Mann 
von Stand und Einfluß war. Mit folhen Rüdfichten 
veemag · ſich alſo auch ber Fanatismus zu befreumben. 
Der naͤchſte Vorfall, guf welchen der Koran (Gap. 48) 
anfpielt, uerräng, daß Mohammed noch fortwährend in 
alten feinen Schritten von Einbildungen geleitet und be: 
ſtinmt wurde. Da die Moslem die ganze Zeit ihrer Ext: 
fernung aus Mekka mit diefer Stadt im Kriege begriffen 
gewefen waren, fo hatten fie bie heilige Wallfahrt u 
der Ranba , welche Mohammed zur —— Stiner- Res 
(igien. gemacht hatte, niemals aufführen fünnen. Da 


ergibilte. ihnen Wohanmmeb im ſechoten Sabre ber Flucht, 


er babe einen. Traum gehabt, ‚nach weichem fie in biefem 
nad) Einlaß in die Stade und hie Kaaba finden 


Sr 
wuͤnden, und ‚ala die Zeit gekommen war, ‚ang er, blos 
von den Häuptern feiner Anhänger kagleitet, und mehrer: 


zum Angriff noch zur: Vertheidigung genkflet, vor Mekka, 
in dem Glaub, daß fgine 9 
bitterſten: Folude in 


giſchen Befehl zuſandten, nicht einen Schritt weit naͤher 
zu kommen, und Ar durch feinen 


von den uͤbrigen 
Dieſe empoͤrende 


rophezelung mittels einer 
geheimen Einwirkung ber naͤmlichen hoͤhern Macht, welche 
ihm hie Merficherung ertheilt hatte, auf bie Heczen ſeiner 
Erfüllung gehen wirbe. Wie erſtaunte 
er, als fm Segenthell die Koreifch Ihm ploͤtzlich den ener⸗ 


eisen Wahn ſich ſelbſt 


und Andere, bie ihm vertrauten, nicht nur groͤbli : 
taͤuſcht, ſondern auch —* größte de ah” 
ber Gewalt feiner Feinde preißggegaben app, . Was ihn 
rettete, .war ..bit. Dieromanie, welche won - den Araber . 
fergt in der damaligen Verwilderung mit umserbräcdhticher 
Heiligkeit gehalten wurde. Es war ein jährlicher Gottes⸗ 
frieden gon vier Monaten, in welchem Waffen und Ze: 
ben auf der gangen Halbinſel ruhten und ben ſelbſt bez 
wilde Räuber der Wüſte nicht zu verlegen wagte. Se: 
fonders heilig war ber Monat, In welchem Moͤhammeb 
vor Mekka erfhien — und eine Gemaltthat in. bemfelben 
auf dem „Gebiete ber heiligen Stadt verkht, vor deren 
Thorn Mohammed. jegt ſtand, wäre ain unerhoͤrtes Ver⸗ 
brechen gewefen. Bo blieb Mohammed unveriegt, wie 
groß auch für feine Feinde die Lockung fein mochte, Ihn 
ju vernichten. Es kam ein Vertrag zu Stande, in mel: 
chem er feinen bitterften Feinden Frieden unter ber Be: 
bingung zugeftand, daß er mit den ‚Beinen in den kom⸗ 
menden Jahren die Wallfahrt machen dürfe und bie 
Koreifch bei feiner Annäherung die Stadt räumten. Dies 
wurde von beiden Seiten puͤnklich gehalten und die Mos- 
lem begingen im naͤchſten Jahre zum erfien Male ihr 
langerſehntes Feſt. Bald darauf, durch die Iinterwerfung 
friſcher Staͤmme verſtaͤrkt, faßten fie den Muth, ſich der 
helligen Stade, wilhe bie Wiege ihres Glaubens war, 
für immgr ‚gar verfichern. Veranlaſſung dazu wurde. von 
ben Koreiſch felbit gegeben: fie hatten einen mit den 
Moslem im Bunde füshenden Stamm feindlich behandelt, - 
Mohammed erklärte demzufolge den Vertrag für gebrochen 
und faßte das 9. Capitel des Koran mit der entfcheiben: 
ben Erklärung ab, daß hinfort kein Goͤtzendiener ſich der 
Kaaba mehr. nahen fell. Behataufend Mann, mit deuen 
er unmittelbar darauf vor Mekka rüdte, verfchafften bie: 
fer Erklärung Rachdruck. Die Mekkaner fahen fich über: 
safht. Unvorbereitet für gewaltfamen Widerfland, ver: 
ochten fie nichts Anderes zu thun als fich zu ergeben. 
by Suftan, ded Propheten heftigſter Widerfacher, Über: 
brachte ihm die Schluͤffel der Stadt. Mohammed's fol-. 
gendes Benehmen iſt ein Prüfftein feines Charakters. 
Seine heftigften Verfolger, feine bitterften und unnach⸗ 
giebigften Feinde befanden. ſich in feiner Gewalt, und — 
er verzieh ihnen, wobei Denjenigen, welche feinen Glau⸗ 
ben nicht annehmen wollten, die Freiheit gelaffen wurde, 
zu geben, wohin fie wollten. Der Eroberung non Delta 
folgte bald die Unterwerfung der. Proninzen Yaman und 
Mid, und Mohammed war nun pelitifhes und veligid- 
ſes Oberhaupt feines Landes. inige wenige Stellen der 
Gapitel 48, 9, 8 m. 5 —5 noch in dem folgenden 
Jahre, aber das eigentliche Incereſſe des Koran hört, mit 
dem Widerſtande auf, bee ihm entgegemgefegt, ſowie ‚mit 
den Schwierigkeiten, unter denen er allmaͤlig abgefaßt 
wurde. | 88. 





. .,. #2. 


Notigem. 


Be TR era Beet 
f von urg, ber Bater be n Malerei, war 
auch literariſcher Beziehung —* indem von ihm bie 


- 


in Indien bu 


768 


IHufricenden Wignetten zu Walter Seott's Werken herrühren, 
— das er vorhandene Portrait des Dichter Burns. 
Er deſchraͤnkte fein Talent de ganz auf bie ſchottiſche Haupt⸗ 
Rat und erft in feinem 64. Lebensjahre bekam men 1818 
fein erftes Werk, eine Anficht in Schottland, in England zu 
feben. Xu fein früh verflorbener Sohn, Patrick Ralmyth, 
war als Landfchaftsmaler bebeutend. Ebenfo verdient ber 
am 16. beffelben Monats verftorbene Bildhauer Pitte Erwaͤh⸗ 
nung, indem er zwei fehe gelungene Darſtelungen aus ber 
en Wothologie, des Schildes des Anras, 1828 — fein 
— — a ——— —— ae 
ebracht hat. H ungünſtige tniffe, welche zur 
—* ſelbſt der noͤthigſten Lebensbebürfniffe zu ben ange⸗ 
firengteften mechaniſchen Arbeiten zwangen, ftürzten ihn in 
Zieffian und in diefem Buflande machte er feinem Leben durch 
Gift ein Ende. Noch raffte in demfelben Monate, am 22,, 
der Tod ben Secretair ber bengalifcken Abtheilung bes Aflatis 
ſchen Geſellſchaft und Herausgeber ihres Journals, James 
Prinſex, in Folge einer während feines ZOjährigen Aufenthaltes 
übermäßige dienſtliche und wifienfchaftliche Ans 
firengungen erzeugten ſchleichenden Krankheit Hin. 


Einen fdhlagenden Beweis, wie man in England bie Wii: 
fenfhaft auf das praßtifche Leben anzuwenden verfteht, gibt 
folgende Ankündigung: „Philoſophie bes Wachethums ber 
Haare. Die fcharffinnigften Philofophen haben die richtige 
Bemerkung gemacht, baß in den einfachften Berrichtungen bes 
täglichen Lebens eine gleichmäßige Beziehung auf die Höchften 
Principten flattfinde, wie in ben Verrichtungen des Chemi⸗ 
kers, oder in den Berechnungen bes Mathematilers — ; warum 
ſollte man nun, im Dienfle der Toilette befliffen, nicht ein Mit: 
tel zur Anwendung bringen, beffen Wirkung auf ben firicteften 
Drincipien ber Chemie beruht? Diefe Binleitung if auf 
Empfehlung eines Colombia: Haarbalfams von Dieridge berechnet. 


Man höre! In London iſt ein Buch erſchienen und viels 
fach gelauft worden über die Verfolgung der Iutherifchen Kirche 
in Preußen vom J. 1831 bis auf die Gegenwart. Das 
„Monthly chronicle’’ läßt ſich aus ihm belehren, daß es zwar 
nur eine Verfolgung en miniature, aber „ſo ſchreckvoll in allen 
Attributen der Grauſamkeit, wie irgend ein Act der Inquiſi⸗ 
tion’’ gewefen fei. 47, 


Bibliographie. 


Album deutscher Typographen. Festgabe beim Hoch- 
feste Gutenbergs und der vierten 8Säcularfeier der Buch- 
druckerkunst am 24, 25. u. 26, Jani 1840. iste Lief. 
Umschlag - Titel] 8. Leipzig, Polet. Subser.- Pr. für 
ie 1ste u. 2te Lief. 4 Gr. " 
‘ Breslau vor hundert Jahren. Ausgüge aus einer hand⸗ 
ſchriftlichen Chronik mitgetheilt von A. Kahlert. Gr. 8. 
Breslau, Aberholz. 16 Er. 
Brunner, S., Reife nach Genegambien und den Inſeln 
des grünen Borgebürge Fr Jahre 1838. Gr. 8. Bern, Huber 
r. 


u. Somp. 1 Thlr. 

Büttner, H., Geſchichte dee politifchen Setärieen in 
Athen, von ber Zeit ber kyloniſchen Verfihwörung bis zum 
Ausgange der Dreißig, mit befonderer Berädfichtigung beö pos 
litiſchen Charakters derjenigen Staatsmänner, welche ſich ihrer 
bedienten ; aus den Quellen bearbeitet. Gr. 8, Leipzig, Bran: 


des. 12 ®r. 
Deinhardt, 3. H., Der Begriff der Gerle mit Rüds 
Ein Verſuch. Br. 4 Hamburg, Fr. 


fit auf Ariſtoteles. 
Perthes. 8 Gr. 

Grotefend, ©. L., Geſchichte der Buchdruckereien in 
den Hannoverſchen und Braunſchweigiſchen Landen. Heraus⸗ 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von ®. U. Brodhaus in Leipzig. 


] Jahre 1740 erfolgten fiegreiche 


gegeben von F. ©. H. Sutemann. Mit 9 Gkkisidfen: 
er Gin Gehiät . 
ons zwanzig 
en ln nah Mi d Presburg, im 
urter, J., Ausflug na en und Presburg, 
Sommer 1839. 2 Theile. 3. Schaffbaufen, Hurter. 3 Thlr. 8 Er. 
sad, 9. J., Denkſchrift feft ber 
brudertunft zu Bamberg am 24. Juni 1840 
a en Bildungs: Berbältnige ſeit unferer geſchi 
riode. (Mit XIX Gchriftmuftern, der Abbildung des Biblio⸗ 
the: Gebäudes, ber Zubels Medaille, und dem Portrait des 
Authors.) Er. 8. Grlangen, Enke. 1 Thlr. 6 Ge. 
Klaufen, R. H., Aeneas unb die Penatn. Die italls 
ſchen Volkereligionen unter bem Ginfiuß der n. 
:tee Band. Mit 3 Tafeln Abbildungen. Br. 8. Hemburg 
u. Gotha, Yriebri u. Andreas Perthes. 3 Thlr. 18 Br. 
Zwanzig Lieder von den Nibelungen. Rah Lachmanns 
Andeutungen wieberbergefiellt von 8. Simrod. Wit eine 
Vorrede. 8. Bonn, . 18 Gr. 
Lobflein, 3. F., Platoniſche Weiheſtunden. Bwölf 
Stanzengefänge. Als Anhang: Pindars erſte Olympiſche 
Hymne... Gr. 8. Straßburg, Treuttel u. Würd. 1 Thlr. 
£ohmayer, ©., Wallmann’s Feierabende. Erzählungen 
für Lefer jeden Standes. 8. Gtraubing, Schorner. 8 Sr. 
Michaelis, H, 8, C. F. v. Gräfe in seinem dreissig- 
jährigen Wirken für Staat und Wissenschaft. Kin Beitrag 
zur vaterländischen Geschichte, aus eigener Anschauung, 
historischen Zeugnissen und officiellen Akten bearbeitet. 
Gr. 8. Berlin, Hirschwald, 10 Gr. 





Moshamer, 3. %., Der deutſche Orbensritter, hiſto⸗ 
rilche Move. 8, Wien, Medhitariften - Gongr. s Buck. 
r 


Drtlepp, E., Gedicht zum Gutenbergsefeſte. Gr. 8. 
Leipzig, Zirges. 4 Gr. 

Pallme, J., Meine Reiſen durch Sicilien, Aegyp⸗ 
ten, Syrien und Palaͤſtina, beſchrieben und herausgegeben. 
Sr. 8. Rumburg, Gerausgeber. 2 Thlr. 

Poffart, P. A. F. 8., Kleine lapplänbifhe Brammas 
tie, mit turen Vergleihung der finnifchen Mundarten. Gr. 8. 
er oft. 9 Gr. bi 

mper, K., Gedichte. Gr. 8. Erlangen, Enke. 
1 Se. iô 6. er 

Schmeißer, A., Das Gewitter und das Sympoſion. 
Dber: Proteftanten und Katholiten feit dem Jahre 1837. Eine 
Novelle. 8. Rubolſtadt, Zröbel. 1 Thir. . 

Schröter, L., Das Eigentham im Allgemeinen und 
das geistige Eigenthum insbesondere für Gelehrte und Laien 
natur- und rechtsgeschichtlich dargestellt. 8. Bresias, 
Aderholz. 8 Gr. 


9 wars, Th., Parabeln. 8. Hamburg, Zr. Perther, 


Sonntag, K. 9 M., Kottwiker ——— Zur Er⸗ 
innerung und Rechenſchaft. — eine 8* * ift des im 
n Einzuges Friedrich's des, Gros: 
pen in Schleſien. Gr. 8. Gagan, Raabe u. Sohn. 12 Sr. 
in — 5 a vn Ss. G BA und @, ta 
e : — Aug u. d. J.: Ueberſetungen aus griechiſchen 
Dichtern. Bon E. Geibel und E. Gurtius. —— 
Bonn * “u Gr. 
ulm’d Kunſtleben im Mittelalter. Gin Beitr Cut 
tusgefchichte von Schwaben. Befchrieben und erläutert von S. 
Srüneifen und E. Mauch. Mit 5 Stahiſtichen und 8 
©teindrüden. Lex.⸗8. Ulm, Gtettin. 1 Thir. 12 Gr. 
Volkamer von Ehrenberg, J. N., Ueber bie mans 
cipation der Katholiten in England. Aus dem Nacllaſſe des 
Sand Deren 16, an 8 „kandleben der Rei * 
erausgegeben von J. N. Paſſy. 8. Wien, Mechitariſten⸗ 
Congr.⸗Buchh. 12 Gr. Rech 


EEE. 








Blätter 


für 


litegarifhe Unterhaltung. 





" Donnerstag, 


ö— Nr. 19. 





9. Juli 1840. 





Geſchichte des preußifchen Staates im 17. Jahr⸗ 
hundert; mit befonderer Beziehung auf dad Leben 
Friedrich Wilhelm’s, des großen Kurfürften. Aus ars 
hivalifhen Quellen und aus vielen noch ungekann⸗ 
ten Driginalhandfchriften von Leopold v. Orlich. 
Drei Theile. Mit Planen und Karten. Berlin, 
Dümmler. 1833—39. Gr. 8. 9 Thlr. 6 Gr. 


Der Liberalität, mit welcher Regierungen, Gemeinwefen 
und Privatleute Deutfchlande fowol als der Nachbarſtaa⸗ 
ten feit einigee Zeit angefangen haben, die fireng ges 
hüteten Schaͤtze ihrer Archive, Brieflammern, ihre Haus: 
chroniken, Correfpondenzen und Familiendenkwuͤrdigkei⸗ 
ten zu veröffentlichen, verdankt zwar bie hiſtoriſche Lite: 
ratur zunaͤchſt unfers Vaterlandes hochwichtige Bereicherung 
und überrafchende Aufklärung, ſowie Ergänzung, zumal in 
den Gefchichten der drei neuern Sahrhunderte; gleichwol 
aber wagen wir zu behaupten, daß jenes loͤbliche Streben, 
eine dunkle Vergangenheit zu beleuchten, jene hochfinnige 
Selbftentäußerung bürgerlicher Gewalten, welche die Schwäs 
hen und Mängel nicht längft begrabener Gefchlechter auf: 
decken laſſen, auch recht viel verkehrten, duͤnkelvollen Be: 
firebungen die Hand bot und, wie die Sachen noch jegt 
ftehen, ebenfo viel Zweifel, Verwirrung und Vorurtheil in 
das Geſchichtsſtudium gebracht, als wahrhafte und unwi⸗ 
derlegliche Kenntniffe vergangener Zuftände zu Tage 'geför: 
dert bat. Indem wir das harte Mort ausfprecdhen: 
die hiftorifche Literatur der Deutfchen, d. h. bie in Schrift: 
werken niedergelegten, zufammenfaffenden Darftelungen un: 
ferer Volks⸗ und Staateerlebniffe, nicht bie noch ungebraudht 
und, wiewol gedruckt, doch noch unverarbeitet aufgehäuften 
Materialien haben in den fegensreichen Sriedensjahren feit 
1815 durch die Veröffentlichung von Originalpapieren, un: 
gedruckten Quellen und Hülfsmitteln unvergleihbar weni: 
ger an gediegenen Werken gewonnen, als durch den geift: 
vollen Kleiß der Korfcher und Gefchichtfchreiber, weiche nach 
altdeutfcher Weife allein die fchon vorhandenen Bücher bes 
nusten: ermeflen wir felbft etwas gefagt zu haben, was 
wir des Breitern erweilen müßten, als bier der Raum ge 
ſtattet. Wir fparen es deshalb auf, an einem geeigneten 
Orte unfere parador lautende Behauptung dem Unbefan: 
genen zu erhärten, und begnügen uns mit den Aphorie: 
men: daß bie überwiegende Benugung von handfcheiftlis 
chen Quellen, Staatsprotokollen, Gefandtfchaftsberichten und 


brieflicher amtlicher Kannegießerel, der Memoiren von Leus 
ten, welche Soubrettenpartien im Staatsleben gefpielt has 
ben, mit Geringachtung ber vorhandenen Gefchichtöwerke, 
ben moralifchen Zuſammenhang der Dinge, den Geift ber 
Voͤlker, das inwendige Geſchichtsleben aus den Augen vers 
lieren und nur das unerfreuliche Spiel einer trugvollen 
Diplomatit, den todten Mechanismus der Staateverwals 
tung, das verzerrte Spiegelbild ber Geſellſchaftszuſtaͤnde, 
wie fie fi) der Beobadytung und ben Spaͤherkuͤnſten vors 
urtheilsvoller, parteiifch gefinnter oder unmahrer, unfteler 
Wohldiener darftellen, heraustreten laſſe. Hiſtoriſche Fehl⸗ 
geburten dieſer Art, welche duͤnkelvoll als echtes Leben ſich 
ankuͤndigen, hier zu nennen, moͤchte gehaͤſſig erſcheinen; 
eine beſonnene, vorurtheilsfreie Kritik hat uͤber ſie laͤngſt 
gerichtet, wenngleich fie in der vornehmen Leſewelt des 
Beifalls fort und fort genießen. 


Die Urfache des Misrathens liegt nicht an dem übers 
tommenen, bandfchriftlichen Stoffe, weldyer mit verftändis 
ger, gelehrter Benugung feinen Preis behält: aus jeber 
geſchichtlichen Mitteilung des Zeitgenoffen eines verganges 
nen Sahrhunderts kann Danfenswerthes gewonnen wer⸗ 
den, und fogar Cafanova’s Memoiren laſſen fih, abs 
gefehen davon, daß in ihnen die fittlichen Zuftände ber 
mittleren Decennien des vorigen Jahrhunderts ſich abfpies 
geln, zur richtigen Würdigung bedeutender Perföntichkeiten 
und politifcher Ereigniffe verwenden; jene Urfache liegt in 
dem kaum zufällig zu nennenden Umſtande, daß archiva⸗ 
liſche Schäge, zumal bie Papiere adeliger Familien, melſt 
in die Hände Unberufener oder nicht gehörig Vorgebildeter 
gerathen, welche den Weg zum Ruhme eines Gefchichts 
ſchreibers für leicht erachten, und wenn fie obenein von 
hohen, felten fireng prüfenden Gönnern ermuntert werden, 
bei aller ihrer Unfähigkeit, das überfommene Material zu 
verarbeiten, mit allen Vorurtheilen ihrer perfönlichen Ver⸗ 
ne fi) dreift den umfaffendften Aufgaben unters 
ziehen. 

Der Verf. der vorliegenden „Geſchichte bes preus 
Bifchen Staates im 17. Jahrhundert” u. f. ro. bat fchon 
früher ein Leben Friedrich Wilhelm’s verfaßt *) und, 


*) Friedrich Wilhelm, ber große Kurfürſt. Nach bisher noch 
ungelannten Originalhandfchriften von Leopold v. Or⸗ 
ich. Mit einem Portrait und zwei Facſimile. Berlin, 
Mittler. 1886. Gr. 8. 3 Thlr. 


70 


die Mängel jenes Verſuches erkennend, mit Benutzung 
eines vielfach reichern Stoffes fih an das Größere 
gewagt. Wir laſſen bie gute, preußiſche Gefinnung 
des Verf., deſſen militairiſche Kenntniffe, ia feinen 
Steig im Auffuhen und in der Werwendung handſchrift⸗ 
lichen Mittel, zu welchen gefellfchaftlidye Verhaͤltniſſe ihm 
den Zugang erleichtern mochten, unangetaftet: wir müffen 
aber freimüthig geftehen, daß ihm theils bie nöthigen ge: 
lehrten Studien gebrechen, um das Vorhandene , bereite 
Gedrudte zu verarbeiten, theils er jener Fretheit des Ort: 
fies, jener Unmittelbavkeit der Auffaffung ermangele, welche 
(don Lucian als die mwefentlichften Eigenſchaften eines Ge⸗ 
ſchichiſchreibers betrachtet. Schlagende Veweiſe für die un⸗ 
genuͤgenden gelehrten Kenntniſſe des Verf. werben wir 
gteich beibringen; für die Unfreiheit deſſelben, ben Geſichts⸗ 
punk für vergangene pollitiſche Zuſtaͤnde zu finden, ergeben 
fi: die Belege im Verlauf unſerer Beurteilung. 

Eine gründliche Kenntniß der Lateinifhen Sprache er⸗ 
ſodert das Quellenſtudium der Geſchichte des 17., ja eis 
nes Theile des 18. Jahrhunderts noch unbedingt, weil nicht 
allein Staatsfchriften faſt überwiegend lateiniſch verfaßt 
find, zumal im diplomatiſchen Verkehr zwifchen fremden 
Mächten, wie Brandenburg und der Republik Polen, fon: 
dern auch die wichtigſten Hülfsmittel, wie Pufendorf’s 
Werke und, Paul. Pinfedus’, Rudawski's, Kochowski's 
Blicher, für die Geſchichte des großen Kurfauͤrſten unent⸗ 
behrlich, lateiniſch vor uns liegen. In welchem Grade bie 
Hfntanfegung dieſes Studiums ſich am unferm Verf. ger 
racht habe, und wie unbefangen er feine Unwiſſenheit zur 
Schau ſtellt, role felbft Kenntniſſe, die er ohme Zweifel 
befigt, Abbruch erleiden durch falſche gung, leh⸗ 
un zahlreiche Stellen des Buches. Um: nicht grauſam 
ein Verzeichniß ſolcher Suͤnden aufzuzeichnen, wiewol ber 
Werf. es verdient hätte, weil er, nicht ſelten lateiniſche 
VBriefe einſchaltend, ſich das Auſehen eines gelehrten For 
ſchers geben will, führen wir nur (S. 69) „Subcam⸗ 
hurarius Breſten Gijavien Tulibowski“, 
Dirt die deutfchgefchriebenen Wörter Breſten Enjavien als 
Vornamen verſtanden find, an, da doch Martin Zulis 
borestt dem: Def. als Palatinus und Subcammerarius 
von Brei in Cujavien aus Pufendorf I, S. 22 und 
Pimwecs Episcopi: Praemisliensis Chronica gestoram 
in- Bukapa si ium conscripte ad annum 1648 (Ka: 
Sem 0. 3.) bekannt fein mußte. Gieich darauf (©. 75) 
ſteht bei Episcopus Luceorienſis ſehr naiv ein Fragezeichen, 
als ſei das: Bisthum Luceoria, Luzk, die Hauptſtadt in 
Volhynien, ein verſchollenes! Gin ganz bequemes Nach⸗ 
ſchlagen im Inder zu: Bifching’6 „Neues Erdbeſchreibung“ 
(Sigel 1) waͤrde zur Hinkänglichen Kenntniß von Luceoria 
geführt haben. S. 76 kommt ganz unbefangen ein Woy⸗ 
were Gembickt von: Lenutzbi vor, weiches ohne Zweifel 
Lenciye fein foll; auf derſelben Seite wird das polniſche 
Abdelslexikon wit einer Familie Belſſenſem vermehrtz de 
Verf. meint aber den Palatin von Bielsk (palatinum Bei- 
sensemy. ©. 156 wird aus praeterito foedere, mot ohne 
Schutd des Setzers, ex spißzito foedere; ©. 167 nunc 
non licet bis precare ſtatt peccaze. Soiche Verfiöße wuͤr⸗ 


in melchem | 


ben jedoch noch nicht dem Rec. Verdacht gegen bie Latels 
nifhen Kenntniffe des Verf. eingeflößt haben, wäre er 
(S. 205) nit auf bie Behauptung geftoßen: ber Kurs 
fürft habe Warnemünde an ber Medenig eingenommen: 
Warnemünde an der Redienig, dem kleinen Fluͤßchen, wel 
ches N. B. Pommern von Medienburg ſcheldet, kam 
ihm fo fonderbar vor als etwa Weichſelmuͤnde an der Lu: 
pan. Wie mochte ein preußifcher Offizier, welcher ſicher 
allgemeine Kenntniffe der Geographie in feinem Examen 
dargelegt haben mußte, zu dem wunderlihen Irrthume ges 
kommen fein, Warnemünde, den ganz bekannten’ Dafen 
von Roſtock, an das Wäflerlein Redenig in Pommern zu 
vedegen? Ein Offizier, welcher auf amtlicher | 
her Vermeffung fo aufmerffam unfern Boden betrachtet 
batte, daB er in aufgefhoffenen Buch⸗ und Eichwäldern 
(Thl. 1, S. 51 Anm.) verfchwundene Dorffchaften wahr 
nahm? Der Grund einer fo auffallenden Verwechſelung 
durfte Fein gewöhnlicher fein. Nach einigen Nachſchlagen 
fand Rec. den Schlüffel des Irrthums im der falfch ver⸗ 
itandenen Conſtruetion einer Stelle bei Pufendorf, „Die rebb. 
gest. Frid. Guil.”, t. I, 1. VIII, 8.30. Interen Rieetor — 
Holsatia excesserat ac obiter occupata Warsemunda ad 
Bekenitsam fiumen, quo Meclenburgica a Pomerania so» 
paratur, praeeurrerat cum tribus equitum legionibus. Hu 
v. Orlich, feinem beffeen Wiſſen abmendig gemacht, hatte 
ad Rekenitzam zu Warnemunda, flatt zu dem folgenben 
praecurrerat gezogen und überfegte nicht: der Karfuͤrſt 
war nad der Einnahme Warnemündes bis zur Reckenitz 
dem Grenzfluß Medienburgs und Pommerns, vergerhes, 
fondern: „der Kurfürft war nach) Pommern aufgebrochen; 
hatte Warnemünde an der Redenik eingenommen und 
ging mit drei Regimenten — vor.” 

Welcher Leſer, fragen wir, geſchweige denn welcher For⸗ 
ſcher, kann mit Vertrauen ein Buch in bie Hand nehmen, 
deffen Verf. eimen fo auffallenden Mangel ber noͤthigſten 
Vorbereitungsftudien documentirt? Kaum darf ein ſpaͤtet 
rer Bearbeiter deſſelben Stoffes ſich anders auf biefe Ge⸗ 
ſchichte bes preußiſchen Staates” berufen, als we Wert 
fire Wort die Quellen abgefchrieben werde, und bie viche 
tige Leſeart unbezweifelt ift; uͤberall, wo unſer VBefi nach 
lateinifdyen Briefen, Berichten u. f. w. erzähft, entſteht im⸗ 
mer die Befürchtung, er habe falſch geleſen, oder halb ober 
ganz falfch:den Tept verfiunden. Heutzutage, wo Memand, 
auch nicht der Standesherr, ohne ſtrenge Prüfumg zu dem 
untern Militairgraden gelaflen wird, iſt es doch eine faſt 
ſtrafbare Praͤtenſion, ohne Weiteres, role vor 40 Jah⸗ 
ren unter die Soldaten, unter die Geſchichtſchreiber gehen 
zu: wollen. Wie find: beineswegs ſo unbillig oder ſo eifer⸗ 
ſuͤchtig auf unſern Send, daß wie nicht wiſſenſchaftlich 
gebitbeten Militairs, deren es in Deutichland, zumal in 
Preußen, eine große Zahl gibt, verſtatten wollten, ihren 
Fleiß und ihren Get auf biflosifchenm Gebiete ſchriftſtet⸗ 
leriſch zu bethaͤtigen, ohne gerade claſſiſche Studien durch⸗ 
gemacht. zu habenz in der neuern Kriegsgeſchichte tappt zus 
mal jeder Nichtmilitait im Dunkeln, mag ee auch noch fa 
fleißig die Kriegsgeſchichte des alten Wett und bes Mittel⸗ 
alters ſtudire haben; im ber Auffaffung des großen Bitte 


ſaeamenhango politiſcher Erelguiſſe haben vom jeher beben⸗ 
tende Ktiegsoberſten ben in feine eigenthuͤmliche Welt frets 
willig gebannten Gelehrten uͤdertroffen, und auf dieſem Selbe 
iſt jede hiſtoriſche Mittheilung eines hohen Dankes werth; 
auch zur Verfaſſung genealogiſher Geſchichten, einzelner 
Adelsfamilien, deren etwaigen Nutzen für Specialhiſtorie 
wir nicht zu gering. anfchlagen--wollen, reicht die gewoͤhn⸗ 
liche Bildung eines Militairs aus; aber die Geſchicht⸗ 
ſchreibunig im hoͤhern Sinne muß ſich gegen Eindringtinge 
bewahren, welche, wenn ſie ein ertraͤgliches Offiziereramen 
gemacht und einige Modevorleſungen gehört haben, und 
fit) das Zeugniß loyaler, wohlmelnender Gefinnung nidt 
verfagen Finnen, im Beige von Familienpapieren, im Ge⸗ 
nuß des Rechts, Archive zu durchſtoͤbern, ſich fähig hal: 
ten, eine „Geſchichte des preußifchen Staates“, eine „Se: 
fehichte des großen Kurfuͤrſten“, die fo yanz eigenthuͤmliche 
Schwierigkeiten bietet, zu ſchreiben. Was heutzutage in 
Deutſchland gefchrieben wird, wird nicht für Deutſchland 
allein; gefehrieben, fonbern für dem gebildeten Theil der. eu: 
ropaͤiſchen Menfchheit; Polen und Schweden haben an 
des Kurfuͤrſten actenmäßiger Gefchichte ein heiliges An: 
recht; fie gehört der Welt, und wir Deutfhe muͤſſen uns 
gegen beichämenden Zabel des Eritifchen Urtheils unferer 
Nachbarn hüten, indem wir Anmaßung und Dünkel, 
fö weit e8 an une. ifl, Öffentlid) ruͤgen. 

Aus der allgemeinen Überficht der Regierung bes Kur: 
fürften Georg Wilhelm, über welche uns Cosmar's „Schwar: 
zenberg” bereits wichtige Aufichlüffe mitgetheitt hat, erfah⸗ 
cn wir nicht eben Neues, als etwa Belege ber Abnei⸗ 
gung des deutfchen Fuͤrſten gegen die bedenkliche Einmiſchung 
des Königs von Schweden, ſowie ſchon fraher gegen Chris 
ſtian IV: von Daͤnemark. Bereits hatte im: brandendurs 
schen Preußen Guſtav Adolf feine felbflfüchtigen Plane 
angekuͤndigt und die Gemüther buch Rebensarten, „das 
gemeine Wohl betreffend”, irre zu führen gefucht. In feis 
ner gereizten Stimmung, das Unheil ſchwediſchen Einſchrei⸗ 
tms. ermeſſend, dußerte (S. 8) Kurfürft Georg Wilhelm, 
„was geht mid) die gemeine Sache an, wenn ich foll alle 
meine Reputation, Ehre und zeitliche Wohlfahrt verlieren.’ 
Ms am der Tafel die Einnahme von Pillau entſchuldigt 
wurde, „es wuͤrde dem Kurfünften zum hohen Lobe gereis 
hen, Aled über fi en zu: laſſen“, erwiderte er im 
gerechten fuͤrſtlichen Unmuthe auf diefes hoͤhniſche Lob: 
„Hiob's Gebulb werde gepriefen, weit er von Gott heim: 
gefucht; die fidy aber von Menfchen veriven, braviren und 


mit. Stillſitzen das. Ihrige nehmen laſſen, die wird kein 


Hiſtorienſchreiber loben koͤnnen. Alle Welt müßte mich für 
eine feige Memme halten, da ich ſo ganz ſtille ſitzen ſollte. 
Beſſer mit Ehren geſtorben, als mit Schanden gelebt. Ich 
habe nur einen Sohn; bleibt der Kaiſer Kaiſer, ſo bleibe 
ih ud mein Sohn auch wei Kurfuͤrſt, da ich mich: beim 
Katfer haften werde“ te nur zeitig genug Georg 
Wilhelm dieſe gefunde Politik bethaͤtigt, fo waͤre der 
Schimpf wenigftens Meiner geweſen; in banger Stimmung 
erdannte eu (S. 16), daß man beim Könige keine Sicher: 
beit gegen den Kaiſer fände; ſiege er aber, da möchte er 


Wol waͤte es für ımfem Verf. an der Stells gerwen 
fen, Guſtav Abolfs unlautere, auf Eroberung gerichteten 
Plane von Standpunkte des Brandenburgers zu beleuch⸗ 
tem. Hr. v. Orlich führt die nie genug urgirten Worte: 
des Schweden an. dem klugen Math zu Nürnberg am, . 
welche am tiefiten in ſein Inneres blicken laſſen. Damte 
haͤtte unſer Biograph die handgreiflichen Beweiſe, welche 
Hr. v. Decken in ſeiner Geſchichte des Herzogs Georg von 
Braunſchweig und Luͤneburg uͤber des gefeierten Schweden 
Unredlichkeit beigebracht hat, verbinden ſollen, um, des Pre⸗ 
teſtantismus ungeachtet, ein muthiges Urtheil uͤber Guſtav 
Adolf zu motiviren, wie eine unparteliſche Geſchichte es 
doch einmal ausſprechen wird; aber es bleibt auch hier bei 
den gewöhnlichen halben Andeutungen und Redensarten. 
In „Friedrich Wilhelm's Jugendleben“ erfahren wir auch 
nur das Hergebrachte; der angebliche Mordverſuch in Kuͤ⸗ 
ſtrin bleibt im Dunkeln; gern haͤtten wir aus Archivnach⸗ 
richten die Beſtaͤtigung über das Heirathsproject des jun⸗ 
gem Kurprinzen mit der ſchwediſchen Chriſtina gewonnen, 
weiche aus Arkenholtz Manuſeripten Mauvillon in feiner 
„FHistoire de Gustave Adolphe” (Theil 4, ©. 81) als 
gegründet binftelt; aber auch bdiefer Punkt wirb nicht be: 
leuchtet. Ausführlicheres vernehmen wir von der Neigung 
des Prinzen zur Prinzeffin Ludoviba Hellandine, Tochter 
Friedrich's V. von der Pfalz; der Kurfuͤrſt widerſetzte ſich 
dieſer Heirath, woruͤber dauernde Spannung in der Fa⸗ 
milie entſtand. Welches Gluͤck fuͤr Friedrich Wilhelm, daß 
der Platz für die treffliche Luiſe von Oranien offen blleb 
und aus der Ehe mit einer Dame nichts wurde, die, nach 
den Anekdoten der Herzogin Charlotte Eliſabeth von Des 
ans als Äbtiſſin von Mautbuiſſon die Schamlofigkeit .fo 
weit trieb, ihre Worte mit dem Schwure, ‚par ce ven- 
tre, qui a porté 14 emfants” zu betheuern. 

Auf S. 49 beginne die Regierungsgeſchichte unfers 
Helden mit der Schilderung des heillofen Zuſtandes der 
Kurlamde und dem: Tode des von der Machwelt fo dauernd. 
gemishandelten Strafen. Adam: Schwargenberg, ohne daß wir 
durch vorliegendes Werk zur gerechten Weurtheilung des 
merkwuͤrdigen Premierminiſters und Zeitgenoffen Richelien's 
in den Stand geſetzt ſind. Das geheime Archiv zu Koͤ⸗ 
nigsberg lieferte Shägbares Material zur Kenntniß des ſchwie⸗ 
rigen Vaſallenverhaͤltniſſes Preußens zu Polenz Piauxii 
Chronice ſind nicht benutzt. Eine polniſche Prinzeſſin, 
die dem Kurfuͤrſten (S 77) durch den Grafen Gerhard 
v. Doͤnhof angetragen wurde, ſchlug er mit den Worten 
aus: „So lange ich mein Land nicht in Frieden regieren 
kann, darf ich mich nach keiner andern Geliebten als dem 
Degen: umfehen:” 
| 


(Die Bortfetemg folgt) 





Jtalieniſche Almanade 
Das mafländer „Echo“, fi fortwährend der Anerkennung. 
und zunchmenden Verbreitung, die es in Oeutſchland findet und 
‘anf weile die Redactlon ja rechnen mußte, wuͤrdig zeigend 
beginnt den diesjäprigen Jahrgang wıft einer, ‚Alman dam. 9 
*y Diefe. interoſſante Beitfegeift in jegt von ber Buchhandtung 
Deochaus unb Avenarius in Beipgig: zu beziehen; ber Jahr⸗ 
" gang, aus ir Heften deſtrhend, koſtet e Ryir. 10%. D: Red. 


bie Mängel jenes Verſuches erkennend, mit Venugung | ben jedoch noch nicht dem Rec. Verdacht gegen bie latel⸗ 


eines vielfach reichern Stoffes fi an das Größere 
gewagt. Wir lafjen bie gute, preußifhe Gefinnung 
des Derf., deffen militaitiſche Kenntniffe, ja feinen 
Zeig im Auffuchen und in der Verwendung handſchrift⸗ 
licher Deittel, zu welchen geſellſchaftliche Verhaituiſſe ihm 
den Bugang erleichtern mochten, unangetaftet: wir müffen 
aber freimüthig geftehen, daB ihm theils die nöthigen ge: 
lehrten Studien gebrechen, um das Vorhandene, bereits 
Gedruckte zu verarbeiten, thells ex jener Frelheit des Gel: 
fle6, jener unmittelbarbeit der Auffafſung ermangele, welche 
fon Lucian als die wefentlichften Eigenſchaften eines Ge: 
# ve Bene für die une 
jenlgenden gelehrten Kenntniffe des Verf. werden wir 
Pr beibringen; für bie Umfeeiheit deffefden, den Gefiches⸗ 
punto fün virgangene polttifche Zuftände zu finden, ergeben 
fich die Belege im Verlauf unferer Beurtheitung. 

Eine gründliche Kenntniß der Inteinifchen Sprache ere 
fobert das Quellenſtudium der Geſchichte des 17., ja eis 
web Theils des 18. Fahıhemderts noch unbedingt, weil nicht 
ala. Stnatefchriften faſt uͤberwiegend lateiniſch verfaßt 
find, zumal im diplomatiſchen Verkehr zwiſchen fremden 
Mächten, role Brandenburg und der Republik Polen, ſon⸗ 
dern auch die wichtigſten Hülfsmittel, wie Pufendorf’6 
Werte und, Paul. Piaſecius, Rudawekis, Kochometi’s 
Wlıcer, für die Geſchichte des großen Kurfärften unents 
behriich lateiniſch vor uns liegen. Im weichem Grade die 
Hfntaniegung dieſes Studiums fih an unferm Verf. ger 
racht habe, und wie unbefangen ex feine Unwiſſenheit zur 
Schau ftellt, wie ſelbſt Kenntniſſe, die er ohme Zweifel 
befigt, Abbruch erleiden durch falfche gung, leh⸗ 
un Selen des Bades. Um nicht graufam 
ein Vergeichniß ſolcher Simden aufguzeichnen, wiewol der 
Werf. e6 verdient hätte, Fe er, nicht felten — 
Briefe einſchaltend, ſich das. Anſehen eines gelehrten For 
f@ger& geben will, führen wir nur (S. 69) Subcam⸗ 
eracius Breften: Gujavien: Tultborwsti”, in weichem 
BE die deutichgefchriebenen Wörter Breſten Cujavien als 
Bornamen vetſtanden find, an, da dod Martin Tulir 
boweti dem: Verf. als Palatinus und Subcammerarius 
von Bro in Cujavien aus Pufendorf I, ©. 22 und 
Pimecis . Egiscopi Praemisliensis Chronica gestorum 
in: Europa si jum conseripta ad annum 1648-(Rra: 
Ian. 0: 3.) bekannt fein mußte. Gieich darauf (©. 75) 
ſeht bei Episcopus Ruceorienfts ſehr naiv ein Fragezeichen, 
aAs ſei des. Bischum Luceoria, Luzk, die Haupiſtadt in 
Bolhpmien, ein verſchollenes! Ein ganz bequemes Nady 
ſchlagen in Inder zu: Bifching’6 „Neues Erdbefchreibung” 
Geil 1) waͤrde zur Hinkänglichen Kenutniß von Luceoria 
geführt haben. &. 76 kommt ganz unbefangen ein Woy⸗ 
were Ganbicki von: Lenwgki vor, welches ohne Zweifel 
Bemejye fein. fol; auf derſelben Seite wird das potniſche 
Abeisleriton wit eines Familie Belſenſem vermehrt; bee 


niſchen Kenntniffe des Verf. eingeflößt haben, wäre er 
(&. 205) nicht auf die Behauptung geftoßen: der Kurs 
fürft habe Warnemüunde an der Redenig eingenommen: 
Warnemünde am der Redenig, dem Beinen Slüßchen, wel⸗ 
ches N. B. Pommern von Medienburg ſchelbet, kam 
ihm fo fonderbar vor als etwa MWeichfelmünde an der Lu= 
pan. Wie mochte ein preußifcher Offizier, welcher ſicher 
allgemeine Kenntniffe ber Geographie in feinem Eramen 
dargelegt haben mußte, zu dem wunderlichen Irrthume ges 
kommen fein, Warnemünde, den ganz bekannten’ Hafen 
von Roftod, an das Wäfferlein Redenig in Pommern zu 
verlegen? (Ein Offigler, weicher auf amtlicher topegraphi · 
ſcher Vermeffung fo aufmerkſam unfern Boden betrachtet 
hatte, daß er in aufgefhoffenen Buch: und Eichwaͤldern 
Ehl. 1, S. 51 Anm.) verſchwundene Dorfſchaften wahr 
nahm? Der Grund einer fo auffallenden Verwechſelung 
durfte fein gewöhnlicher fein. Nach einigem Nachſchlagen 
fand Rec. den Schlüffel des Ierthums im ber faiſch dere 
ſtandenen Gonftruetion einer Stelle bri Pufendorf, „Die rebb. 
gest. Frid. Guil.”, t. I, 1. VIU, 6.30. Interen Blector — 
Holsatia exeesserat ac obiter occupata Warzemunda ad 
Bekenitsam flumen, quo Meclenburgica a Pomerania as - 
paratar, praecurrerat cum tribus equitum legionibus. fe 
dv. Drlich, feinem beffern Wiffen abwendig gemacht, haste 
ad Rekenitsam zu Warsemunda, flott zu dem folgenden 
praecurrerat gezogen und überfegte nicht: der Karfuͤrſt 
war nad) der Einnahme Warnemündes bis zur Reckenit, 
dem Grenzfluß Mecklenburgs und Pommerns, vergerkds, 
fondern: „der Kurfürft war nach Pommern aufgebrochen, 
hatte Warnemünde an der Redenig eingenommm und 
ging mit drei Regimentern — vor.” 

Welcher Lefen, fragen: wir, geſchweige denn welcher For⸗ 
fer, kann mit Vertrauen ein Buch in die Hand uchmen, 
defien Verf. eimen fo auffalleuden Mangel ber noͤthigſten 
Borbereitungsftüdien dorumentirt? Kaum barf ein fpäter 
ver Bearbeiter deſſelben Stoffes fid anders auf biefe „Ger 
ſchichte des preußiſchen Staates” berufen, als wo Wert 
für Wort die Quellen abgefchrieben werden, und die viche 
tige Leſeart unbezweifelt ift; uͤberall, wo unfer Verf. nach 
lateiniſchen Briefen, Berichten u. ſ. w. erzaͤhtt, entſteht im ⸗ 
mer die Befuͤrchtung, er habe falſch gelefen, ober halb ober 
ganz falfch den Tept verflunden. Heutzutage, wo Niemand, 
auch nicht der Gitandeäherr, ohne ſtreuge Prüfung zu den 
unterm: Diilitaicgeaden gelaſſen wird, iſt es doch eine faſt 
ſtrafbare Pritenfion, ohne Weiteres, wie. vor 40 Jah⸗ 
ren unter die Soldaten, water die Geſchichtſchreiber gehen 
zu wollen. Wir find- keineswegs fo unbikig oder ſo eifer⸗ 
fücheig auf unſern Stand, daß toic nice wiſſenſchaftüch 
gebildeten Wilitaits, deren es in Deutfchland, zumal. in 
Porußen, eine große Bahl gibt, verſtatten wollten, ihren 
Fleiß und theen Geht auf hiſtoeiſchem Gebiete ſchriftſter⸗ 
leriſch zu berhatigen, ohne gerade claſſtſche Studten buche 


m " . 


ſammenhango poßetfigen (urigulffe haben vom ice bedor⸗ 
tende Miegsoberfien den fm feine eigenthimliche Welt 
witiig gebannten Gelehrten Üertroffen, und auf dieſem Felde 
iſt jede hiſtoriſche Mittheilung eines hohen Danfes werth; 
auch zur Berfaflung geneatogifsher Geſchachten, eimgelner 
Adeksfamilien, deren etwaigen Rugen für Specialhiſtorie 
wir nicht zu. gering anſchlagen wollen, weicht die gewoͤhn⸗ 
liche Bildung eines Milltairs aus; aber die Geſchicht⸗ 
fhreibung im hoͤhern Sinne muß fih gegen Eindringtinge 
bewahren, welche, wenn fie ein erträgliches Offiziereramen 
gemacht und einige Modevorleſungen gehört haben, und 
fich da6 Zeugniß loyaler, wohlmelnender Gefinnung nicht 
verfagen koͤnnen, im Beſite von Samilienpapieren, im Gen 
nuß des Rechts, Archive zu dumhitöbern, ſich fähig hal⸗ 
ten, eine „Geſchichte des preußiſchen Staates“, eine „es 
ſchichte des großen Kurfücften“, die fo ganz eigenthumliche 
Schroierigkeiten bietet, zu ſchrelben. Was heutzutage in 
Deutſchland gefchrieben wird, wird nicht für Deutſchland 
allein: geſchrieben, fondern für den gebildeten Theil der eus 
ropaͤiſchen Menfchheit; Polen und Schweden haben an 
des Kurfürften actenmäßiger Gefhichte ein heiliges Ans 
weht; fie gehört der Welt, und wir Deutfche müffen ung 
gegen beſchaͤmenden Tadel des Eritifhen Urteils unferer 
Nachbarn hüten, indem wir Anmaßung und Dünkel, 
fo weit es an uns iſt, oͤffentlich rügen. 

Aus der allgemeinen ilberſicht der Regierung des Kur⸗ 
fürften Georg Wilhelm, über welche ung Cosmar's „Schwar⸗ 
zenberg“ bereits richtige Aufichlüffe mitgetheilt hat, erfah⸗ 
im wir nicht eben Neues, als eiwa Belege über Abnei-⸗ 
gung des beutfchen Färften gegen die bedenkliche Einmiſchung 
des Königs von Schweden, ſowie ſchon früher gegen Chris 
ſtian IV: von Dänemark. Bereits hatte im brandenbur⸗ 
giſchen Preußen Guſtav Adolf feine ſelbſtſuͤchtigen Plane 
angekuͤndigt und die Gemuͤther durch Redensarten, „dns 
gemeine Wohl betreffend“, icre zu führen gefucht. In ſei⸗ 
ner gereizten Stimmung, das Unheil ſchwedlſchen Einſchrel⸗ 
tms ermeflend, duferte (S. 8) Kurfürft Grorg Wilhelm, 
„was geht mic) die gemeine Sade an, wenn ich fol alle 
meine Reputation, Ehre und zeitliche Wohlfahrt verlieren” 
Us am ber Tafel die Einnahme von Pilau entſchulbigt 
wurde, es wolıvde dem Kurfuͤrſten zum hohen Lobe gereiz 
Gen, Alles über ſich ergehen zu: laſſen“, ermiderte er im 
gerechten fuͤrſtlichen Unmuthe auf diefes hoͤhniſche Lob: 
HSiob's Geduld werde gepriefen, weil er von Gott heim 
geſucht; die ſich aber von Menſchen vericen, braviren und 
mit. Stilfigen des 
Hftsrienfchreiber loben koͤnnen. Alle Weit müßte mich für 
eitte feige Memme halten, da ich fo ganz flitle figen follte. 
Beffer mit Ehren geftorben, als mit Schanden gelebt. Ich 


babe nur einen Sohn; bleibt der Kaifer *-""- "- Diebe 
id und mein Sohn auch. wei. Kurfür” om 
Kalfer haften werde.” — er = 
Wilhelm dieſe gefunde ber 
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eelannte er ( S. 16), 
heit gegen den Kaif 
mit Pommern oder 


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Ihrige nehmen Laffen, die wird kein 


Wol waͤre es Fe umfen: We. an ber &tlle genen 
fin; Guſtav Abotf s unlautere, auf Eroberung gerichteten 
Plane vom Standpunkte des Brandenburgers zw beieuch⸗ 
ten. Hr. v. Drlich führt die nie genug urgirten Worte 
des Schweden an. den klugen Math zu Nürnberg am, 
welche am tiefften in fen Inneres bitden laſſen. Bamit 
hätte umfer Biograph die handgreiflichen Beweiſe, welche 
Hr. v. Deden in feiner Geſchichte des Herzogs Georg vom 
Braunſchweig und Lüneburg über des gefeieeten Schweden 
Unredlichkeit beigebracht hat, verbinden follen, um, des Pro⸗ 
teſtantismus ungeachtet, ein muthiges Urtheil über Guſtav 
Abotf zu motiviren, wie eine unpattelifhe Geſchichte es 
doch einmal ausſprechen wird; aber es bleibt auch hier bei 
den gewöhnlichen halben Andeutungen und Redensarten. 
In „Friedrich Wilhelm's Jugendleben“ erfahren wir auch 
nur das Hergebrachte; der angebliche Mordverſuch in Küs 
flein bleibe im Dunkeln; gern hätten wir aus Acdivnadye 
richten die Beſtaͤtigung über das Heitathoproject des juns 
gen Kurprinzen mit der ſchwediſchen Chriſtina gewonnen, 
weiche aus Arknholg’ Manuſeripten Manvillon in ſeiner 
„Blisteire de Gustave Adolphe” (Theil 4, &. 81) als 
gegründet hinſtellt; aber auch diefer Punkt wird nicht bes 
leuchtet. Ausführlichenes vernehmen wir von ber Neigung 
des Prinzen zur Prinzeffin Ludevita Hollandine, Tochter 
Friedrichs V. von ber Pfalz; der Kurfuͤrſt widerfegte ſich 
diefer Deicath, worüber dauernde Spannung in ber Far 
milie entftand. Welches Gtüd für Friedrich Wilhelm, daß 
der Platz für die treffliche Luife von Dranien offen blieb 
und aus der Ehe mit einee Dame nichts wurde, bie, nach 
den Anekdoten der Herzogin Charlotte Ellſabeth von Des 
leans als Adtiſſin von Dautbuiffon die Schamtofigkeit ſo 
weit trieb, ihre Worte mit dem Schmwure, „par ce vem- 
tre, qui a — 14 enfants”’ zu betheuern. 

Auf ©. 49 beginnt die Regierungegefihldte unfers 
Helden mit ber Schüderung des heillofen Zuſtaades der 
Kurlande und dem: Tode des von der Nachwelt fo daumb 
gemishandelten Grafen. Adam Schwarzenberg, efme uf wir 
durch vorliegenbes Werk zur gerechten - 
merkwuͤrdigen Premierminifters und wu 
in den Stand gefegt find. Das um. 
nigsberg.liefete [hyägbares Dateriat ⸗—⸗ IT 
tigen Vafallenoeshältwiffes Prußums = Tr 
Chronice’‘ find nicht bemupt. —2 

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4 
49 


die den Kurfurſten (¶ 77) 
v. Donhof angetragen ⸗ . 


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13 
[4 








x 


de Koran, in welchem er gegen alle sein? ih di s 
bens offen ben Krieg der Vernichtung erklärt. Bon jegt 
an if der Koran ein Gefegcoder und ein Blutgeſes, und 
die Cap. 61, 2, 65, 8, 57, 60, 62, 63, 64, 102, 
3, 58, 59, 4, 16 u. find mmenhängenbe und 
deut Reife —335— He iv m 
FR Saufen beſogte Polftik, Mwidfuͤr den ErfoW, 

welchem diefelbe begleitet war. Sobald ber Krieg von ihm 
als religiöfer Grundfag aufgeftellt war, ergriff er auch alle 
ihm zu Gebote ſtehenden Mittel, um denfelben mit Nach⸗ 
druck zu fuͤhren, und der groͤßere Theil der in Medina 
abgefasten Capitel iſt daher diefem Zwecke gewidmet. Die 

, ® der ® 


Mishilligung wurden von ihm erſchoͤpft, um ſeine An⸗ 


baayet zum Kampfe zu ermuntern. Aber die bloße Be⸗ 
geiſierung genügte nicht, denſelben auf bie Dauer fortzus 


führen; dazu waren auch materielle Mittel erfoberlich, es 
mußten taufemberlei Ausgaben beſtritten werben, und da. 


Mohammed felbft dies nicht vermochte, To ſah er ſich ge: 
wöthigt zu frommen Beiträgen und zinglofen Anleihen feine 
Zuflucht zu nehmen. Won der einen ober andern Art der 
Theilnahme am Kampfe, mochte fie nun perfönlich fein 
oder in Geldbeitraͤgen befiehen, war Niemand ausgefihlofs 
fen, außer wer zu arm oder zu ſchwach war. Diejenigen, 
weiche, zufrieden mit der Wahrheit der neuem Religion, dies 
felbe hätten in Ruhe ausüben mögen, ihre meitere Ver⸗ 
breitung dem Allmächtigen uͤberlaſſend, werden als Heuchler 
bezeichnet umd als Seiglinge verfpottet. In diefen Vor⸗ 
ſchriften, Wirkungen der Lage, in welcher Mohammed ſich 
befand, erbliden wir den Urſprung jener Gefühle und 
WMaͤngel, welche in der Mohammedaniſchen Geſellſchaft ſtets 
vorherrſchend geweſen ſind. Von den unaufhoͤrlichen und 


heftigen Aufregungen zum Kriege erlangten ſie ihre raſtloſe 


und unbaͤndige Wildheit, and aus ber Zuſicherung ber 
göttlichen Führung und Gunſt ging ihr perſoͤnlicher Stolz, 
ihre Unduldſamkeit umd ihre unbebingte Unterwerfung unter 
ihre Führer und Dbern hervor. Kinem Volle wie dem 
aradifchen, dem vom Raube zu leben flets für erlaubt 


oegolten hat und Raub und Krieg ganz ſpnonym find,. 


mußte ein Grundfag gefallen, der itmen Lleblingsneigungen 
volle Befriedigung verhieß. Beſondets wurden bie rohen 
Staͤmme der Wälte durch dieſen kriegeriſchen Charakter 
der- neuen Religion angezogen, für deren beſſere Lehren fie 
wol gu gefuͤhllos und unempfängiic, waren. Das Spftem 


deu Kriegs und der fchonungslofen Vernichtung der Uns. 


glaͤcdigen, weiches Mohammed feit feiner Flucht aus Mekka 
befaßgte, war ohne Zweifel das wirkſamſte, um den Triumph 
ſeines Glaubens zu fihern. Unter den zahlreichen Kim: 
pfen, weiche die Zeit von da bis zur Einnahme von Mekka 
ansfisien, fcheint er nur eine einzige Niederlage erlitten 
zu ‚haben, die zu Ohad, worin er felbft, ſchwer verwundet, 
kaum mit dem "Leben davonkam, die jedoch durch frine 


Exergie und Faͤhigkeit bald wieder gut gemacht wurde. 


Kein Jahr verging ohne die Umterwerfung eines feindlichen 


Stammes, und es verdient der: Erwaͤhnung, daß das Ge⸗ 
bot, ſchonungelos alle Feinde des wahren Glaubens nie⸗ 
derzuhanen, keineswegs fo ſtreng beobachtet wurde, daß 








: pn ſeinen Pper 


gämsticher Vernichtung buͤßen. 
den als Ghriſten, auf deren 


it „J she ſelbſt dieſelben auf weniger blutige Welfe 


behandelt und viele von ihnen unverlegt entlaffen hätte. 


vᷣJa, ale in Kolge eines gluͤcklich auf eine reiche Karavane 


ausgeführten Überfals und eines Siegs über einen derſel⸗ 
zu Huͤlfe gwilten Heerhaufen von Mekkanern meh 
* Sehrden und Verſolgem ihm In die 
nde gefallen waten, war er To weit entfernt, Die Rache, 
welche er im Koran befländig verfündigt, an ihnen aus⸗ 
zuüben, daß er fie vielmehr gegen ein Löfegeld In Kreiheit 
feste. Nur Verrath und Zreubruch verzieh er nie, und 
ein ganzer jübifher Stamm mußte eine Empoͤrung ‚mit 
Sonft waten Towol Ju⸗ 
und der Beweis für die Gültigkeit feines Prophetenamts 
berubte, van ben. grow die Unglaͤnbigen aufgeſtecuen Gee 
fegen ausgenommen. Die Juden hewirkten nicht einmal 
durch das unfreundlichſte Benehmen eine Abweichung von 
diefem Syſteme. Bei Mohammed's Yahınfı in Medina 
;hatten fie alen feinen Eröffnwagen den entichiedenften Wi« 
derftand emtgegemgefeht, feine Anhaͤnger nerführt, ſeine An⸗ 
ſpruͤche laͤcherlich gemacht, ihn ſeibſt mis Vergchtung bes 
handelt und jeden Anlaß ergriffen, um ſich mit ſeinen 
Ungreifern zu verbinden. Nichtsdeſtoweniger geſteht er ihnen 
in den. Cap. 5 u. 9, den Iehten, die erſt entſtanden fein 
Eönnen, als Mohammed bereits alle Hoffnung aufgegeben 
haben mußte, den chriſtlichen Glauben und bie jüdilche 
—— zu überwinden, als einem Schriftuelte, ben 
nſpruch auf Brüderfchaft zu, erlaubt feinen Anhängern 
diefelben Speifen und an demfelben Tiſche wit ‚ihnen zu 
effen, und nimmt fie von der allgemeinen Regel der Ber: 
tigung aus, indem er für fie Tribut an die Stelle ber 
Belehrung ſetzt. 
Wir kommen jegt zu den wichtigen Gapitein 49, 33, 
24 u. 66, aus denen Eine hervorgeht, daß, welche auch 
Mohammed's eigene Meinung Uber die ihn leitenden Im⸗ 
pulſe geweien mag, biefelbe Beine tiefere und heiligere 
‚Quelle hatte als feine eigene Bruſt. In Mekka hatte 


‚ee beftändig jede andere Autorisdt äber feine Anhaͤnger 
:al& die, welche ihm die heilige Pflicht der Lehre und Er⸗ 


mahnung verielhen möchte, abgelehnt; allein ſeche Jahre 
unumſchraͤnkter Gemalt und ununterbeochenen Gluͤcks Ans 
derten ſeinen Ton. Seine Anhaͤnger durften mit dem 
Propheten nicht mehr ſo vertraulich ſprechen wie Fe ſelbſt 
untereinander, in feiner Begenmart nicht von ſelbſt das 


‚Wort nehmen, ihn nicht beſuchan, wenn sr allein fein 


wollte, fein Haus nicht ohne Erlaubniß betretan, wenn 
fie darin waren, nicht Aber gewöhnliche Dinge fprachen, 
und zuletzt ſoll Keiner mehr. einen eigenen Willen Haben, 
fobntd der Prophet den feintgen ausgefpeochen Bat. Gas 


‚pitel 33 wacht uns mit feiner ſchwaͤchſten Seite befannt. 


Dei einem zufaͤlligen Befuche hatten die Reige Zinaba's, 


‚der Frau feines. freigelaffenen Zeid, einen ſolchen Einbruck 
‚auf ihn gemacht, daß dieſer ſich von ihr ſcheiden laſſen 
mußte und der Prophet fie heirathete. Da Zeid aber 


von ihm früher adoptiert worben war, fo galt nach ara⸗ 
biſchen Geſetzen die Ehe für blutſchaͤnderiſch. Mobanimeb 
ſchaffte die Geſehe ab und . verficheste den Ihmnmfenhen- 


767. 


Arabern aurch Wort Gottes feine Untabelhaftigkelt. 
Dies war indeß noch nicht genug: ble Zahl der Frauen, 
aufwiiiie tie qubigen ſich beſchraͤnken ſolltav, wat zu 
vier feſtgeſetzt, ber Prophet bagegen befreite fich felbſt von 
dieſer, ner von jeder ‚andern Einſchraͤnkung feiner ehelichen 
Zauneg, während fein Harem vor den Zudringlichkeiten 
feiner ‚Anhänger durch bie göttliche Erklaͤrung geſchuͤtt 
wurde, daß die Samen des Propheten won den Übrigen 
als Mitten angeſehen werden müßten. Dieſe empörende 
Einmifhung des Himmels in feine häuslichen Angelegen⸗ 
heiten treibt ex noch einen Schritt weiter und bedient 
ſich des Wertes Gottes zulegt, um zweien feiner Weiber 
eime Strafprebigt zu haften, weil fie mit ber natürlichen 
Empfindlichkeit von Frauen einen Act der Untreue rügten, 
in welchem fie ihn ertappt hatten. Diefe feine Schmäche 
Hat auch der Nachwelt noch fehr nachthellige Fruͤchte hin: 
terlaffen. Der Prophet hatte ſich von feiner Lieblingsfrau 
Ayeaha unter Umfländen getrennt, die ihm ben tiefiten 
Schmerz verurfachten. Bon dieſem wurde er durch bie 
ingebungen des 24. Capitels befreit, worins er die Wer: 
ſicherung erhielt, daß fein Verdacht wie die Ausſagen der 
Anklaͤger ungegrimdet und die Verſtoßene unfchufdig fei. 
Dies bewog ihn, in blindem Eifer das unfinnigfte Geſetz 
über den Ehebruch zu erfaffen, das man irgend erfinnen 
aan, indem er verfügte, daß der Charakter jeder ordent: 
Jidgen Frau fo lange unbeſcholten bleiben fole, bis vier 
Zeugen fie der Schuld zu überweifen vermoͤchten, und daß 
Jedermann, der bdenfelben außerdem verbächtige, öffentlich 
ausgepeitfcht werben follte, und hiernach verfuhr er denn 
ſogleich gegen Apesha's Ankläger, isbens dem neuen Ge: 
fege eine ruͤckwirkende Anwendung auf ihren Rüden ge: 
geben wurde, um die Unſchuld der Berfeumbdeten vor ben 
Augen der Araber zu ermeifen. Doch ließ man gerade 
den. beftigften der Anklaͤger entkommen, weil er ein Mann 
von Stand und Einfluß war. Mit folhen Rüdficgten 
vormag-fih alſo auch der Fanatismus zu. befreumden. 
Der nächte Vorfall, guf welchen der Koran (Gap. 48) 
anfpielt, verraͤth, daß Mohammed noch fortwährend in 
alten feinen Schritten von Einbildungen geleitet und be: 
ftisenet wurde. Da die Moslem. die ganze Zeit ihrer Ent 
fernung aus Mekka mit diefer Stadt im Kriege begriffen 
gewefen waren, fo hatten fie die heilige Wallfahrt 2 
der Kagba, welche Mohammed zur Grunblage feiner. Re⸗ 
gen gemaqht hatte, niemals aufführen ünnen. Da 
ergählte- ihnen Mohammed Im ſochſten Jahre der Flucht, 


er babe einen Traum gehabt, ‚nach welchem fie in dieſfem 


Sabre nach Einlaß In die Stade und die Kaaba finden 
winden, und als die Zeit gekommen war, zag er, bias 


von dem Däuptern feiner Anhänger hagleltet, und weder 


zum Angriff. noch Don gechfbet, vor Mekka, 
in dem Glauben, daß feine. 


geheimen. Einwirkung ber. nänlicen hoͤhern Macht, welche 
ihm die Mierficherung srtheikt ‚hatte, auf &fe Herzen feiner 






bieterfbens Aeinder in Erfüllung gehen wände. Zeie eeflaunte | 
er, als inn Segenthell bie Koreifch ihm ploͤtzlich den enter: 
giſchen ehl zuſandten, nicht einen Schritt weit naͤher 
zu fo 


rophezeiung mittels einer 


‚ unb-er durch feinen eiteln Wahn fich ſelbſt 


und Andere, die ihm vertrauten, nicht nur groͤblich ger 
täufcht, ſondern auch In die größte Gefahr gebracht und" 
ber Gewalt feiner Feinde preingegeben fand, Mas ihn 
vettete, war .bie. Hieromanie, welche won den Araberm - 
ſelbſt in der damaligen Verwilderung mit umverbrächlicher 
Heiligkeit gehalten wurde. Es war ein jährlicher Gottes⸗ 
ftieden yon vier Monaten, in welchem Waffen und Feh⸗ 
ben auf ber gamgen Halbinſel ruhten und ben ſelbſt der 
wilde Räuber der Wliſte nicht zu verlegen wagte. 
fonder6 Heilig war der Monat, In welchem Mohammed 
vor Mekka erfchien — und sine Gewaltthat in. bemfelben 
auf dem Gebiete ber heiligen Stadt veruht, vor deren 
Thorn Mohammed. jegt ſtand, wäre ein uncerhoͤrtes Ber: 
brechen gewefen. So blieb Mohammed unverlegt, wie 
groß auch für feine Feinde bie Lockung fein mochte, Ihn. 
zu vernichten. Es kam ein Vertrag zu Stande, in wel 
chem er feinen, bitterften Feinden Sieden unter der Be: 
Dingung zugefland, daß er mit ben Beinen in den kom⸗ 
menden Jahren bie Wallfahrt machen dürfe und bie 
Roreifch bei feiner Annäherung bie Stadt räumten. Dies 
wurde non beiden Seiten pünflic gehalten und die Mos⸗ 
lem begingen im naͤchſten Zahre zum erfien Male ihr 
langerſehntes Feſt. Vald darauf, ducch die Unterwerfung 
friſcher Stämme verſtaͤrkt, faßten fie den Muth, ſich der 
heiligen Stadt, melde die Wiege ihres Glaubens war, 
für immer zu verſichern. Weranlaffung dazu wurde. von 
ben Koreiſch ſelbſt gegeben: fie hatten einen mit den 
Moslem im Bunde flchenden Stamm feindlich behandelt, - 
Mohammed erklaͤrte demzufolge den Vertrag für gebrochen 
und faßte das 9. Capitel bes Koran mit ber entfcheiben: 
ben Erklaͤrung ab, daß hinfort kein Goͤtzendiener fich der 
Kaaba mehr nahen fell. Zehntauſend Mann, mit deuen 
er unmittelbar darauf vor Mekka rückte, verfchafften bie: 
fer Erklärung Rachdruck. Die Mekkaner fahen ſich über: 
xaſcht. Unvorbereitet für gemwaltfamen Widerſtand, ‚ver: 
ochten fie nichts Anderes zu thun als ſich zu ergeben. 
Aby Sufian, ded Propheten heftigſter Widerſacher, über: 
brachte ihm die Schluͤfſel der Stadt. Mohammed's fol⸗ 
gendes Benehmen iſt ein Prüfftein feines Charakters. 
Seine heftigſten Verfolger, feine bitterften und unnach⸗ 
giebigften Feinde befanden. fi in feiner Gewalt, und — 
ec verzieh ihnen, wobei Denjenigen, telche feinen Glau⸗ 
ben nicht annehmen molten, bie Freiheit gelgffen wurde, 
su geben, wohin fie wollten. Der Eroberung non. Mekka 
folgte bald die Unterwerfung der Proninzen Yawan und 
Maid, und Mohammeb war nun politifches und religid- 
fe6 Oberhaupt feines Landes. Einige wenige Stellen ber 
Capitel 48, 9, 8.0. 5 entſtanden noch in dem fpfgenden 
Sabre, aber das eigentliche Intereſſe des. Koran hoͤrt mit 
‚dem Widerfiande auf, der ibm. entgegemgefegt, fowie mit 
den Schwierigkeiten, unter denen er allmaͤlig abgefaßt 
wurbe. | 88, 





Noti en. | 
Des am 10, April — chaftemaler, Xlexander 
Naſmyth von —— der ater der ſchottiſchen Malerei, war 
auch in literariſcher Beziehung bebeutfam, Indem von ihm bie 


768 


Maſtrirenden Bignetten. zu Walter Seott's Werken berrühren, 
ſowie bas eingige vorhandene Portrait des Dichter Burns. 
Er beſchraͤnkte fein Talent de ganz auf bie ſchottiſche Haupt⸗ 
ſtadt und erfi in feinem 64. Lebensjahre bekam man 1818 
fein. Wert, eine Anfit in Schottland, in land gu 
ſehen. Auch fein früh verflorbener Sohn, Patrid ſmyth, 
war als Landſchaftsmaler bedeutend. Ebenſo verdient ber 
am 16. deffelben Monats verftorbene Bildhauer Pitts Erwaͤh⸗ 
nung, inbem er zwei fehe gelungene Darfielungen aus ber 
en Mythologie, des Schildes des Aneas, 1828 — fein 
Bert — ——* ——— ee —* 
ebracht hat. ungünſtige Verhaͤltniſſe, welche ihn zur 
—e ſelbſt der —** Lebensbeduͤrfniſſe zu den anges 
ſtrengteſten mechaniſchen Arbeiten zwangen, ſtürzten ihn in 
Zieffinn und in dieſem Zuſtande machte er feinem Leben durch 
Gift ein Ende. Noch raffte in demfelben Monate, am 22, 
ber Tod ben Secretair ber bengalifchen Abtbeilung ber Afiati⸗ 
ſchen Gefellfchaft und Herausgeber ihres Journals, James 
Prinſex, in Folge einer während feines Z0jährigen Aufenthaltes 
in Indien durch übermäßige dienſtliche und wiffenfdhaftliche Ans 
firengungen erzeugten fchleichenden Krankheit Hin. 


Einen fchlagenden Beweis, wie man in England bie Wil: 
fenfhaft auf das praßtifche Leben anzuwenden verfteht, gibt 
folgende Ankündigung: „Philoſophie bes Wachsttums ber 
Haare. Die fcharffinnigften Philofophen haben die richtige 
Bemerkung gemacht, daß in ben einfachften Berrichtungen bes 
täglichen Lebens eine gleichmäßige Beziehung auf die höchften 
Principien flattfinde, wie in ben Verrichtungen des Ghemis 
Pers, ober in den Berechnungen bes Mathematiker — ; warum 
ſollte man nun, im Dienfte der Zoflette befliffen, nicht ein Mit: 
tel zue Anwendung bringen, befien Wirkung auf den firicteflen 
Prineipien der Chemie beruht?‘ Diefe Ginleitung if auf 
Gmpfehlung eines Eolombia:Haarbalfams von Dleridge berechnet. 


Man höre! In London iſt ein Buch erfdhienen und viel: 
fs gekauft worden über die Verfolgung der Iutherifchen Kirche 
n Preußen vom %. 1831 bis auf die Gegenwart. Das 
„Monthly chronicle‘’ 1&ßt fi) aus ihm belehren, daß es zwar 
nur eine Verfolgung en ministure, aber „ſo fchredvoll in allen 
Attributen der Grauſamkeit, wie irgend ein Act der Inquifis 
tion’’ gewefen fei. 47, 





Bibliographie. 


Album deutscher Typographen. Festgabe beim Hoch- 
feste Gutenbergs und der vierten Säcularfeier der Buch- 
druckerkunst am 24, 25. u. 26. Jani 1840. iste Lief. 
[Umschlag - Titel] 8. Leipzig, Polet. Subser.-Pr. für 
ie 1ste u. 2te Lief. 4 Gr. " 
“ Breslau vor hundert Jahren. Auszüge aus einer hands 
‚ fhriftlichen Chronik mitgetheilt von A. Kahlert. Gr. 8, 
Breslau, Aderholz. 16 Gr. 


Brunner, ©&., Reife nach Senegambien unb den Inſeln 


bes grünen Borgebürges im Jahre 1888, Er. 8. Bern, Huber 
u. Gomp. 1 Thlr. 16 Gr. 

Büttner, H., Geſchichte der politiſchen Hetärieen in 
Athen, von ber Zeit der kyloniſchen Verſchwoͤrung bis zum 
Mr ber Dreißig, mit befonderer Berüdfichtigung des po⸗ 
litiſchen Charakters derjenigen Staatemaͤnner, welche fich ihrer 
pebienten ; u den Quellen bearbeitet. Gr. 8, Leipzig, Bran⸗ 
es. r. 

Deinhardt, J. H., Der Begriff der Seele mit Kück⸗ 
— ihtztrles. Gin Berfuh. Gr. 4. Hamburg, Kr. 

erthes. r. 

Srotefend, ©. 2., GBefcjichte der Vuchdruckereien in 

den Hannoverſchen und Braunſchweigiſchen Landen. Heraus: 


gegeben von F. ©. 9. Eutemann. wir 9 Gftintafeln: 

a Die — Ein Geiste w Hs Gtfängen. 
urter, $., en und Presburg, 

Sommer 1859, 2 Theile. 8. Deu Qurter. 3 le. 8 Er. 

Jaͤck, H. J., Denkſchrift das Jubelfeſt der Buch⸗ 
in 8 Bamberg am 2%. Sum 1860, als — der 
a en ungs⸗Berhaͤltniſſe ſeit unſerer gefchichtt Deu 
riode. (Mit XIX Gchriftmußtern,, der Abbildung des Bibilo⸗ 
thets Gebäudes, ber Jubels Medaille, und dem Portrait bes 
Authors.) Br. 8. Erlangen, Ente. 1 Thlr. 6 Sr. 

Klaufen, R. 9., Aeneas und die Penaten. Die tells 
[Gem KBolksreligionen unter dem Ginfiuß der griechiidhen. 

tee Band. Mit 2 Tafeln Abbildungen. Br. 8. Hamburg 
u. Gotha, Friedrich u. Andreas Perthes. 8 Thlr. 12 Gr. 

Bwanzig Lieber von den Nibelungen. Nah Lachmanns 
Andeutungen wiederbergeftellt von KR. Simrod. Wit eine 
Vorrede. 8. Bonn, . 18 Gr. 

Lobflein, I. F., Platoniſche Meripetunden. Zwölf 
Stanzengefänge. Als Anhang: Pindars erſte Dlympikhe 
Hymne. Gr. 8. Gtraßburg, Zreuttel u. Würg. 1 Thlir. 

Lohmayer, ©., Wallmann's Feierabende. Graählungen 
für Lefer jeden Standes. 8. Gtraubing, Schorner. 8 Er. 
Michaelis, H. 8, C. F. v. Gräfe in seinem dreissig- 
jährigen Wirken für Staat und Wissenschaft. Ein Beitrag 
zur vaterländischen Geschichte, aus eigener Anschauung, 
historischen Zeugnissen und officiellen Akten bearbeitet. 
Gr. * Berlin, Hirschwald. 10 Gr. & 

oshamer, 3. A., Der deutſche Drbensritter, Hille 
riſche Novelle. 8, Wien, Weditariften - Song. s . 
E80. 12 Gr RReitaritt ar. Bu 

Drtlepp, ©, Gedicht zum Gutenbergsfeſte. Gr. 8. 

end irget. < —V er ech Ber 

allme, 3%, ne en dur Sicilien, Aegyp⸗ 
ten, Syrien und Palaͤſtina, befchrieben und herausgegeben. 
Gr. 8. Rumburg, Herausgeber. 2 Xhle. 

Poffart, P. A. F. K., Kleine lapplänbifche Gramma⸗ 
tik, mit kutze Vergleichung ber finniſchen Mundarten. Er. 8. 
a aſt. 9 Sr. & 

mper, 8., Gedichte. Br. 8. Grlangen, Ente. 
1 Thlr. 16 Gr. j gen, (Ente 

Schmeißer, %., Das Gewitter und das Sympoſion. 
Dber: Proteſtanten und Katholiken ſeit dem Jahre 1837. Gine 
Novelle. 8. Mubolftadt, Fröbel. 1 Thlr. u 

Schröter, L., Das Eigenthum im Allgemeinen und 
das geistige Eigenthum insbesondere für Gelehrte und Laien 
natur- und rechtsgeschichtlich dargestellt. 8. Breslau, 
Aderholz. 8 Gr. 


9 m arz, Th., Parabeln. 8. Hamburg, Fr. Pertber, 


Sonntag, KR. 9 M., Kottwiker D 
innerung und Rechenſchaft. Zugleich “ne Sul 


iftes Heft: — Auch 
Bon E. Seibel und E. Gurtius, 
Bonn, Beer. 10 Gr. 

Ulm’s Kunftieben im Mittelalter. Gin Weitrag Kr Cul⸗ 
turgeſchichte von Schwaben. Beſchrieben und eeläufertuon 5. 
Srüneifen und E. Mauch. Mit 5 Gtapıflider und & 
Steindrüäden. Ler.sd. Ulm, Stettin. 1 Thir. 12 Gr. 

Bollamer von Ehrenberg, I.N., ueber & Emans- 
cipation ber Katholiten in England. Aus bem Rafaſſe bes 
—* Deren ꝛc., er 8* , randeten bes Reichen.“ 

erausgegeben von J. N. Paſſy. 8. en itariſten⸗ 
Congr.⸗Suchh. 12 Gr. ‚ Ditarif 


Berontwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Berlag von J. A. Brockhaus In getpzi, 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung, 





" Donnerstag, 


—— Kr. 191, 





9. Zuli 1840, 





Geſchichte des preußiſchen Staates im 17. Jahr» 
hundert; mit befonberer Beziehung auf dad Leben 
Friedrich Wilhelm’s, ded großen Kurfürften. Aus ars 
chivalifhen Quellen und aus vielen noch ungefann; 
ten Originalhandfchriften von Leopold v. Orlich. 
Drei Theile. Mit Planen und Karten. Berlin, 
Dümmle. 1838—39. Gr. 8. 9 Thlr. 6 Sr. 

Der Liberafität, mit welcher Regierungen, Gemeinweſen 
und Privatleute Deutfchlande fowol als der Nachbarſtaa⸗ 
ten feit einiger Zeit angefangen haben, die fireng ges 
hüteten Schäße ihrer Archive, Briefkammern, ihre Haus: 
chroniken, Correfpondenzen und Familiendenkwuͤrdigkei⸗ 
ten zu veröffentlichen, verdankt zwar die hiftorifche Lite: 
ratur zunaͤchſt unſers Vaterlandes hochwichtige Bereicherung 
und uͤberraſchende Aufklaͤrung, ſowie Ergaͤnzung, zumal in 
den Geſchichten der drei neuern Jahrhunderte; gleichwol 
aber wagen wir zu behaupten, daß jenes loͤbliche Streben, 
eine dunkle Vergangenheit zu beleuchten, jene hochſinnige 

Selbſtentaͤußerung buͤrgerlicher Gewalten, welche die Schwaͤ⸗ 

chen und Mängel nicht laͤngſt begrabener Geſchlechter auf: 

decken laſſen, auch recht viel verkehrten, duͤnkelvollen Be⸗ 
ſtrebungen die Hand bot und, wie die Sachen noch jetzt 
ſtehen, ebenſo viel Zweifel, Verwirrung und Vorurtheil in 
das Geſchichtsſtudium gebracht, als wahrhafte und unwi⸗ 
derlegliche Kenntniſſe vergangener Zuſtaͤnde zu Tage gefoͤr⸗ 
dert hat. Indem wir das harte Wort ausſprechen: 
die hiſtoriſche Literatur der Deutſchen, d. h. die in Schrift⸗ 
werken niedergelegten, zuſammenfaſſenden Darſtellungen un⸗ 
ſerer Volks⸗ und Staatserlebniſſe, nicht die noch ungebraucht 
und, wiewol gedruckt, doch noch unverarbeitet aufgehaͤuften 

Materialien haben in den ſegensreichen Friedensjahren ſeit 

1815 durch die Veroͤffentlichung von Originalpapieren, un⸗ 

gedruckten Quellen und Huͤlfsmitteln unvergleichbar weni⸗ 

ger an gediegenen Werken gewonnen, als durch den geiſt⸗ 
vollen Fleiß der Forſcher und Geſchichtſchreiber, welche nach 
altdeutſcher Weiſe allein die ſchon vorhandenen Buͤcher be⸗ 
nutzten: ermeſſen wir ſelbſt etwas geſagt zu haben, was 
wir des Breitern erweiſen muͤßten, als hier der Raum ge⸗ 
ſtattet. Wir ſparen es deshalb auf, an einem geeigneten 

Orte unſere parador lautende Behauptung dem Unbefan: 

genen zu erhärten, und begnügen uns mit den Aphoris⸗ 

men: baß die überroiegende Benugung von handſchriftli⸗ 
hen Quellen, Staatsprotofollen, Gefandtfchaftsberichten und 


brieflicher amtlicher Kannegießerel, der Memoiren von Lens 
ten, welche Soubrettenpartien im Staatsleben gefpielt bas 
ben, mit Geringachtung ber vorhandenen Geſchichtswerke, 
den moralifchen Bufammenhang ber Dinge, den Geift ber 
Völker, das inwendige Gefchichtsichen aus ben Augen vers 
lieren und nur das unerfreulihe Spiel einer trugvollen 
Diplomatif, den todten Mechanismus der Staateverwals 
tung, das verzerrte Spiegelbild der Geſellſchaftszuſtaͤnde, 
wie fie fih der Beobachtung und den Späherkürfften vor 
urtheilsvoller, parteiiſch gefinnter oder unmwahrer, unfreier 
Wohldiener darftelen, heraustreten laſſe. Hiftorifche Fehl⸗ 
geburten diefer Art, welche duͤnkelvoll als echtes Leben ſich 
anfündigen, bier zu nennen, möchte gehäffig erfcheinen; 
eine befonnene, vorurtheilsfreie Keitit hat über fie Iängft 
gerichtet, wenngleich fie in der vornehmen Lefewelt des 
Beifalls fort und fort genießen. 

Die Urfache des Misrathens Liegt nicht an dem übers 
tommenen, handſchriftlichen Stoffe, welcher mit verftändt: 
ger, gelehrter Benugung feinen Preis behält: aus jeber 
geſchichtlichen Mitcheilung des Zeitgenofien eines vergange⸗ 
nen Sahrhunderts kann Dankenswerthes gewonnen wers 
den, und fogar Caſanova's Memoiren laſſen ſich, abs 
gefehen davon, daß in ihnen bie fittlihen Zuftände ber 
mittlern Decennien des vorigen Jahrhunderts fich abfpies 
gen, zur richtigen Würdigung bedeutender Perſoͤnlichkeiten 
und politifcher Ereigniffe verwenden; jene Urfache liegt in 
dem kaum zufällig zu nennenden Umftande, daß archiva⸗ 
liſche Schäge, zumal bie Papiere adeliger Familien, meiſt 
in die Hände Unberufener oder nicht gehörig Worgebilbeter 
gerathen, welche den Weg zum Ruhme eines Geſchicht⸗ 
ſchreibers für leicht erachten, und wenn fie obenein von 
hohen, felten ſtreng prüfenden Gönnern ermuntert werden, 
bei aller ihrer Unfähigkeit, ba überfommene Material zu 
verarbeiten, mit allen DVorurtheilen ihrer perfönlichen Ver⸗ 
* ſich dreiſt den umfaſſendſten Aufgaben unter⸗ 
ziehen. 

Der Verf. der vorliegenden „Geſchichte des preu⸗ 
ßiſchen Staates im 17. Jahrhundert“ u. ſ. w. hat ſchon 
früher ein Leben Friedrich Wilhelm's verfaßt *) und, 


*) Friedrich Wilhelm, ber große Kurfürft. Nach bisher noch 
ungelannten Originalhandfchriften von Leopold v. Ors 
rich. Mit einem Portrait und zwei Facfimile. Berlin, 
Mittler. 1886. Gr. 3. 3 Thlr. 


70 


die Mängel jenes Verſuches erkennend, mit Benugung 
eines vielfach veichern Stoffes fih an das Größere 
gewagt. Wir laffen bie gute, preußifche Sefinnung 
des Verf., deſſen militairiſche Kenntniſſe, ja feinen 
Fleiß im Aufſuchen und in der Verwendung handſchrift⸗ 
licher Mittel, zw welchen gefellfchaftliche Verhaͤltniſſe ihm 
den Zugang erleichtern mochten, unangetaftet: wir müffen 
aber freimüthig geftehen, daß ihm theils die nöthigen ges 
lehrten Studien gebrechen, um das Vorhandene, bereit6 
Gedructe zu verarbeiten, theils er jener Frelheit Des Gei⸗ 
ſtes, jener Unmittelbarkeit dee Auffaſſung ermangele, welche 
ſchon Lucian als die weſentlichſten Eigenſchaften eines Ge⸗ 
jq ichiſchreibers betrachtet. Schlagende Veweiſe für bie un⸗ 
genügenden gelehrten Kenntniſſe des Verf. werben wir 
greich beibringen; für die Unfreiheit deſſelben, den Gefichts⸗ 
yunde für vergangene polltiſche Zuſtaͤnde zu finden, ergeben 
fi). die. Belege im Verlauf unferer Beurtheitung. 

Eine gründliche Kenmtniß ber Iateinifhen Sprache er⸗ 
fodert das Quellenſtudium der Geſchichte des 17., ja eis 
web: heile des 18. Jahrhunderts noch unbebingt, weil nicht 
allein Staatsſchriften faft überwiegend lateiniſch verfaßt 
find, zumal im diplomatiſchen Verkehr zwifchen fremden 
Mächten, wie Brandenburg und ber Republik Polen, fons 
den auch die wichtigſten Hülfsmittel, tie Pufendorf’6 
Werte un, Paul. Pinfecus’, Rudawski's, Kochowski's 
Blicher, für die Geſchichte des großen Kurfärften unent⸗ 
behrlich, lateiniſch vor uns liegen. In weichen Stade die 
Hintanſetzung dieſes Studiums ſich an unferm Verf. ger 
raͤcht babe, und wie unbefangen er feine Unwiſſenheit zur 
Schau ftelt, wie felbft Kenmtniffe, die er ohne Zweifel 
befigt, Abbruch erleiden ducch falſche Überfegung, leh⸗ 
wm zahlreiche Stellen des Buches. Um nicht graufam 
ein. Verzeichniß ſolcher Sünden aufzuzeichnen, wiewol der 
Werf. es verdient hätte, weil er, nicht felten lateiniſche 
Bokefe einfihaktend, fich das Anfehen eines gelehrten For 
ſchers geben will, führen wir nur (8. 69) „Subcam⸗ 
herarius Breften: Gujavien Tuliboweki“, in weichem 
Zip die demtichgefchriebenen Wörter Breſten Enjavien ale 
Vornamen verſtanden find, an, da doch Martin Zulis 
bowsti dem Def. als Palatinus und Suboammerarius 
von Bree in Cujavien aus Pufendorf I, ©. 22 und 


Pimsecis. Episcopi: Praemisliensis Chronica gestorum 
in · Eopa singelerium conscripta ad annum 1648 (Rra: 


Sa. 0. 3.) bekannt fein mußte. Gteih darquf (S. 75) 
ſeht bei Episcopus Luceorienſis ſehr naiv ein Fragezeichen, 
als ſei des. Bisſthum Luceoria, Luzk, die Hauptſtadt in 
Volhynien, ein. verſchollenes! Gin ganz bequemes Mad: 
ſchlagen im Inder zu: Bieſching's „Neues Erdbefchreibung” 
(Ziel 1) waͤrde zur binkänglichen Kenntniß von Luceoria 
geführt haben. S. 76 kommt ganz unbefangen ein Woy⸗ 
were Gembiekt von: Lenugbi vor, welches ohne Zweifel 
Leuczye fein. foll; auf derſelben Seite wird das .poßnifche 
Adelslexikon wit einer Familie Beklenfem. vermehrtz; Dex 
Verf. meint aber den Palatin von Bielsk (palatinum Bel- 
sensemy. ©. 156 wird aus praeterito foedere, mot ohne 
Schuld des Setzers, ex spißrito foeders; ©, 167 nunc 
non licet bis precare fiate peccane. Soiche Verſtoͤße wuͤr⸗ 


n 


ben jedoch noch nicht dem Rec. Verdacht gegen bie latei⸗ 
nifhen Kenntniffe des Verf. eingeflößt haben, wäre er 
(S. 205) nicht auf bie Behauptung geftoßen: der Kurs 
fürft habe Warnemünde an ber Redenis eingenommen: 
Warnemünde an ber Redenig, dem Beinen Fluͤßchen, wel 
ches N. B. Pommern von Medienburg fcheidet, kam 
ihm fo fonderbar vor als etwa Weichfelmünde an ber Lu⸗ 
pan. Wie mochte ein preußifcher Offizier, welcher ficher 
allgemeine Kenntniffe ber Geographie in feinem Eramen 
dargelegt haben mußte, zu dem wunderlichen Irrthume ges 
kommen fein, Warnemünde, den ganz bekannten Dafen 
von Roſtock, an das Wäfferlein Redenig in Pommern zu 
verlegen? Ein Offizier, welcher auf amtlicher 

(her Vermeffung fo aufmerkſam unfern Boden betrachtet 
hatte, daß ee in aufgefhoffenen Buch⸗ und Eichwaͤldern 
(Thl. 1, S. 51 Anm.) verſchwundene Dorfſchaften wahr: 
nahm? Der Grund eimer fo auffallenden Verwechſelung 
durfte kein gewöhnlicher fein. Nach einigen Nachſchlagen 
fand Rec. den. Schlüffel des Irrthums im ber falfch ver: 
ſtandenen Conftruetion einer Stelle bei Pufendorf, „Die rebb. 
gest. Frid. Gail.”, t. I, 1. VIII, &. 30. Interea Elector — 
Holsatia exeesaerat ac obiter oocupata Warnemunda ad 
Bekenitsam fliumen, quo Meclenburgica a Pomerania so» 
paratur, praecurrerat cum tribus equitum legienibus. Hu 
v. Orlich, feinem beffern Willen abwendig gemacht, haste 
ad Rekenizam zu Warsemunda, ftatt zu dem. folgenben 
praecurrerat gezogen und überfegte nicht: ber Kurfuͤrſt 
war nad) der Einnahme Warnemündes bis zur Reckenitz, 
dem Grenzfluß Mecklenburgs und Pommes, vorgeruͤckt 
fondern: „der Kurfürft war nad) Pommern aufgebrochen, 
hatte Warnemünde an der Redenik eingenommen und 
ging mit doei Regimentern — vor.” 

Welcher Lefen, fragen wir, geſchweige denn welcher For⸗ 
fcher, kann mit Bertenuen ein Buch in die Hand nahmen, 
deſſen Verf. einen fo auffallenden Mangel der noͤthigſten 
Borbereitungsftudien dorumentirt? Kaum barf ein fpäte 
ter Bearbeiter deſſelben Stoffes ſich anders auf biefe ‚Se: 
ſchichte bes preußifchen Staates’ berufen, ala .we Wort 
fire Wort die Quellen abgefchrieben. werben, umd bie vichs 
tige Lefenet unbezweifelt tft; uͤberall, wo unfer Werfl nach 
(ateinifchen Briefen, Becichten u. f. w. erzähft, entſteht im⸗ 
mer bie Befhrchtung, er habe falſch geleſen, ober halb ober 
ganz falfch:den Tept verfianden. Heutzutage, wo Memand, 
auch nicht der Standedherr, ohne firenge Prüfung zu den 
unterm. Militairgraden gelaflen wird, iſt es doch eine faſt 
ſtrafbare Praͤtenſion, ohne Weiteres, wie vor 40 Jah⸗ 
vom: unter die Soldaten, unter die Geſchichtſchreiber gehen 
zu. wollen. Wie find: keineswegs fo unbillig ober ſo eifer⸗ 
füchtig auf unſern Staub, daß wir nicht wiſſenſchaftlich 
gebitbeten Militairs, deren es in Deutſchland, zumal in 
Preußen, eine große Zahl gibt, verſtatten wollten, ihren 
Fleiß und thren Geiſt auf Hifkosifchen Gebiete ſchriftſtet⸗ 
leriſch zu bethaͤtigen, ohne gerade claſſiſche Studien durch⸗ 
gemacht zu habenz In dee neuern Kriegsgeſchichte cappt zus 
mal jeder Michtmilitaie im Dunkeln, mag er auch noch fa 
fleißig die Kriegsgeſchichte des alten Wett und bes Mittel⸗ 


alters flubie haben; in der Auffaſſung des großen Babe 











m . 


ſanmenhangso poßeifiher Goeigwiffe babe dom jehe bebmu- 
tende Kriegooberſten ben in feine eigenthuͤmliche Welt frei 
willig gebannten Gelehrten uͤbertroffen, und auf dieſem Felde 
if jede hiſtoriſche Mittheilung. eines hohen Dankes werth; 
auch zur Berfaſſung genealogiſcher Geſchichten, einzeiner 
Adeöfamilien, deren etwaigen Nutzen für Specialhiſtorie 
wir nicht zu gering anfchlagen--wollen, weicht bie gewoͤhn⸗ 
liche Bildung eines Militairs aus; aber die Geſchicht⸗ 
ſchreibung im höhern Sinne muß ſich gegen Eindringfinge 
bewahren, welche, wenn fie ein erträgliches Dffiziereramen 
gemacht und einige Modevorleſungen gehört haben, und 
fi) das Zeugniß loyaler, wohlmelnender Gefinnung nit 
verfagen können, im Befige von Familienpapieren, im Ge: 
nuß des Rechts, Archive zu durchſtoͤbern, fich fähig hal⸗ 
ten, eine „Gefchichte des preußifchen Staates‘, eine „Ge⸗ 
fehichte des großen Kurfürften“, die fo ganz eigenthuͤmliche 
Schwierigkeiten bietet, zu fchreiben. Was heutzutage in 
Deutfchland gefchrieben wird, wird nicht für Deutfchland 
allein: gefchriehen, fondern für den gebildeten Theil der eu: 
ropaͤiſchen Menfchheits Polen und Schweden haben an 
des Kurfürflen actenmäßiger Geſchichte ein heiliges Ans 
echt; fie gehört dee Welt, und wir Deutfche müflen uns 
gegen beihämenden Tadel des Eritifchen Urtheils unferer 
Nachbarn fchügen, indem wir Anmaßung und Dünkel, 
fo weit e8 an uns ifl, oͤffentlich rügen. 

Aus der allgemeinen Überficht der Regierung des Kur⸗ 
fürften Georg Wilhelm, über welche uns Cosmar’s „Schwar⸗ 
zenberg”’ bereits wichtige Aufichlüffe mitgetheilt bat, erfah⸗ 
ten wie nicht eben Neues, als etwa Belege über Abnei- 
gung bes deutfchen Fuͤrſten gegen die bedenkliche Einmiſchung 
des Königs von Schweden, forie ſchon fraher gegen Chris 
fitan IV: von Daͤnemark. Bereits hatte im: brandenbur- 
gifchen Preufen Guſtav Adolf feine felbflfüchtigen Plane 
angekuͤndigt und die Semüther duch Redensarten, „das 
gemeine Wohl betreffend”, irre zu führen geſucht. In ſei⸗ 
ser gereizten Stimmung, das Unheil ſchwediſchen Einfchrei: 
tms. ermeſſend, aͤußerte (S. 8) Kurfürft Georg Wilhelm, 
„was geht mid) die gemeine Sache an, wenn ich fol alle 
meine Reputation, Ehre und zeitliche Wohlfahrt verlieren,” 
MI am der Tafel die Einnahme von: Pillau entſchuldigt 
wurde, „ed wuͤrde dem Kurfuͤrſten zum hohen Lobe gereis 
hen, Alles über ſich ergehen zu: laſſen“, erwiderte er im 
gerechten fuͤrſtlichen Unmuthe auf diefes hoͤhniſche Lob: 
„Hiob's Geduld werde geptiefen:;, weil er von Gott heim: 
gefucht; die ſich aber von Menſchen veriren, braviren. und 
nit. Stillfigen 
Hiſtorienſchreibetr loben Eönnen. Alle Welt müßte mich für 
eine feige Memme halten, da ich fo ganz ſtille figen ſollte. 
Beſſer mit Ehren geftorben, als mit Schanden gelebt. Sch 
babe nur einen Sohn; bleibt der Kaifer Kaifer, fo bleibe 
id ud wein Sohn auch. wei Kurfuͤrſt, da ich mich: beim 
Kaiſer haften werde.” Haͤtte nur zeitig genug Georg 
Wilhelm dieſe gefunde Politik bethaͤtigt, fo waͤre der 
Schimpf wenigſtens kleiner geweſen; in banger Stimmung 
erbannte ev (S. 16), daß man beim Könige keine Sicher⸗ 
heit gegen den Kaiſer faͤnde; ſiege er aber, da moͤchte er 
mit Pommern oder doch mit Preußen davongehen. 


das Ihrige nehmen laſſen, die wird kein 


Wol waͤre es fire unſern Verf. an der Stells gewee 
fen, Guſtav Abokf's unlautere, auf Eroberung gerichteten 
Plane vom Standpunkte des Brandenburgers zu beleuch⸗ 
ten. He. v. Orlich führt die nie genug ucgirten Worte 
des Schweden. an ben Eugen Math zu Nürnberg am, . 
weiche am tiefften in fer Inneres blicken Laffen. Damit 
hätte unfer Blograph die handgrefflichen Beweiſe, welche 
Hr. v. Deden in feiner Gefchichte des Herzogs Georg von 
DBraunfchweig und Lüneburg über des gefeiesten Schwede 
Unredlichkeit beigebracht hat, verbinden follen, um, des Pro⸗ 
teſtantismus ungeachtet, ein muthiges Urtheil über Guſtav 
Wolf zu motiviren, wie eine unparteliſche Geſchichte es. 
doch einmal ausfprechen wird; aber es bleibt auch hier bei 
den gewöhnlichen halben Andeutungen und Redensarten. 
In „Friedrich Wiſhelm's Jugendleben“ erfahren wir auch 
nur das Hergebrachte; der angebliche Mordverſuch in Kuͤ⸗ 
flrin bleibt im Dunkeln; gern häften wir aus Archivnach⸗ 
richten die Beflatigung über das Heirathsoproject des juns 
gen Kurprinzen mit dee ſchwediſchen Chriflina gewonnen, 
weiche aus Arkenholg” Manuſeripten Mauvillon in feiner 
„Histoire de Gustave Adolphe” (heil 4, ©. 81) als 
gegrünbet binftelt; aber auch diefer Punkt wird nicht bes 
leuchtet. Ausführlicheres vernehmen wir von der Neigung 
des Prinzen zur Prinzeffin Lubevita Hollandine, Tochter 
Friedrich's V. von der Pfalz; der Kurfürft widerfegte ſich 
diefer Heirath, worüber dauernde Spannung in ber Sa: 
milie entfiand. Welches Süd für Friedrich Wilhelm, def 
der Plag für die treffliche Luife von Oranien offen blieb 
umb aus der Ehe mit einer Dame nichts wurde, bie, nady 
den Anekdoten der Herzogin Charlotte Eliſabeth von Dr: 
leans als Kbtiffin von Mautbuiſſon die Schamlofigkeit ſo 
weit trieb, ihre Worte mit dem Schwure, „par ce ven- 
tre, qui. a porte 14 enfants” zu betheuern. 

S. 49 beginnt die Regierungsgefchichte unfers 
Helden mit der Schilderung bes heilloſen Zuſtandes der 
Kurlande und dem Tode bes von der Nachwelt fo bauernd. 
gemishandelten Grafen. Adam Schwargenberg, ohne dag twin 
durch vorliegendes Werd zur gerechten Weurtheilung des 
merkwürdigen Premierminffterd und Zeitgenoffen Richelien's 
in den Stand gefegt find. Das geheime Archiv zu Kö: 
nigeberg liefente fchäubares Material: zur Kenntniß bed ſchwie⸗ 
rigen Vaſallenverhaͤltniſſes Preußens zu Polary ‚„Piassut 
Chronice” find nicht benugt, Eine potnifche Prinzeſſin, 
die den Kurfürften (&. 77) durch den Grafen Gerhard 
v. Dönhof angetragen wurde, ſchlug er mit den Worten 
aus: „So lange ich mein. Land nit in Frieden regieren 
ann, darf ich mich nach ‚feiner anbern Geliebten als bem 
Degen: umfehen:” 


’ 
a 


Statienifhe Almanade. 

Das ntalländer „cha, ſich fortwährend der Anerkennung 
'unb zunehmenden Verbreitung, die es in Deutfihland findet und 
anf welche die Redactlon ja reinen mußte, wuͤrdig zeigend 
beginnt den diesjäpeigen Jahrgang mit efner, Alman du. *) 
9 Diefe:. inbernffrtster Zeitſcheift iñ jagt von ber Buchhbendlung 

Deo chcias ub Kosneriud in Beipgig zu: bestehen; ber Jahr⸗ 
gang aus iR Hefte beftehent, koſtet C Ahtr. 166. SD: Red. 





| 
| 
h 
} 





713 


Im Gingange dieſes Artikels wird berichtet, daß bie ſeit einigen 
Sahren erſt in Italien In Mode gekommenen Strennen und 
Timanache dem an der Spite ber neu: ttalienifchen Literatur 
flehenden Mailand durch den bereits die Grenzen ber Lombar⸗ 
dei überfhreitenden Abſat derfelben, nach einem mäßigen An: 
fchlage, mehr als 300,000 dſtreichiſche Lire (100,000 Gonven⸗ 
‚ Hondgulden) einbringen. Herausgeber und Verleger find daher 
auch bemüht,. biefen Artikeln die Gunſt bes Yublicums zu ers 
halten, ja denfelben durch innere und äußere Ausflattung noch 
mehr zuzumenden. Die vo Gglicheen dieſer Strennen, die als 
Yein bier eine Erwähnung finden Zönnen, find deſſen Zeugniß. 
Zuerſt iſt das in ſtattlichem Quartformat erſcheinende „Album. 
Esposizione di belle arti in Milano‘’ gu nennen, das im dies 
km dritten SZahrgange elf Hauptwerke ber letzten mailänder 
usftelung, von Azeglio, Biuf. Biſi, Giuſ. Canella, Hayes, 
Menfi, Molteni, Podeſti, Natale Schiavoni, Servi, in Kupfer⸗ 
ftichen bringt, die von tuͤchtigen Künſtlern, wie Antoldi, Barni, 
Gherbuin, Gandini, de Marchi, de Maurizio, Caterina Piotti- 
Pirola und Sommariva herrühren. Den erlaͤukernden Text 
lieferten Schriftfteller wie Ambrofoli, Cantü, Molinelli, Regli, 
Tenca, Zurotti und der Redacteur dieſes „Album“ Giamb. 
Eremonefi, ber auch eine Biographie des berühmten u ac 
Marchefi beifteuerte. Außer den elf Blättern iſt das Bu auch 
mit dem moßlgetroffenen, von be Maurizio gezeichneten „7 von 
Gaterina Piottis Pirola radirten Bildniß des Erzherzogs Kranz 
Karl, dem dieſer Jahrgang gewidmet iſt, geſchmückt. Endlich 
ewährt noch ein von Banbini gezeichnetes und rabirtes, von 
—* erläutertes Blatt nach einem noch wenig bekannten Ge⸗ 
mälde Leonarbo’s ba Vinci, den Erlöfer vorftellend, das fidy im 
Befip eines Hrn. Roverfelli befindet, Intereffe. Mit befonderer 
Pracht find die für fürftliche Perfonen beftimmten Eremplare 
ausgeftattet; an diefen bewundert man unter andern eine Mos 
fait aus feinen gefärbten Strohblättchen (eine neue toscanifche 
Erfindung), welche die Wappen und Ramendhiffern barftellt. 
Die ältefte unter den matländer Strennen: „Non ti scordar 
di me’ hat in dem neueften ihrer Jahrgänge, bem neunten, 
das jedt beliebt gewordene Quartformat angenommen und wet: 
eifert in geſchmaͤckvollem Kußern und durch Weiträge ber befs 
fern und beliebten Dichter und GSchriftftellee mit ihren jüngern 
Schweftern. Doffelbe gilt von ber zum fiebenten Mal erſchei⸗ 
nenden, mit zierlihen Vignetten gefymüdten und durchaus ele: 
gant ausgeftatteten „Strenna italiana’, die eine Auswahl uns 
terhaltender Auffäge in Profa und Werfen von Baruffi, Gar: 
zone, Gef. und Ign. Cantu, Frulli, Defend. Sacchi u. X. lies 
fert. Schließlich fei noch der in ihrem britten Jahrgange ers 
fcheinenden „, Strenna teatrale europea’’ erwähnt. Der Ders 
audgeber, Krane. Regli, durch vieljährige Erfahrung mit dem 
italfenifchen Theaterweſen vertraut, gibt in veichlicher Fülle die 
intereffanteften Notizen darüber. Bon ihm iſt auch bie Bios 
graphie Meyerbeer's, Torelli lieferte die Mercadante's und Tem. 
Solera bie des jept fo berühmten Sängers Moriani. Diefem 
noch viele andere gute Auffäge enthaltenden, typographiſch loͤb⸗ 
lich außgeftatteten Tafchenbuche find eine Menge gelungene Por: 
teaits lebender Künftler, von Alfter, Guzzi, Gandini, Bonatti, 
Rados und Mantovani ausgeführt, beigegeben. 63, 





Notiz. j 

Die Akademie der moraliſchen und politifhen Wiſſenſchaf⸗ 
ten bat den Bericht bes Hrn. Villerme über den Concours be: 
züglich der „Urſachen der Noth und ber Mittel, ihre abzuhelfen‘‘ 
gehört und entfchieden, daß der von Hrn. Felix Beaujour ges 
ftiftete Preis von 5000 Francs Keinem zuzuerkennen ſei; doch er: 
tannte fie unter dem Zwecke der Aufmunterung dem Memoire 
des Hrn. Buret 2500, demjenigen des Hrn. Rappe 1500, 
und demjenigen des Hrn. Moreau Chriftoph, Generalinfpector 
der Gefängniffe, 1000 Francs zu. Hierauf hörte die Akademie 
ben Bericht des Hrn. Lucas über einen vortrefflichen, von Juve⸗ 
- nal Vegezi, Chef ber Abtheilung für das Gefaͤngnißweſen im 


Mintftertum bes Innern des Königreichs Gardinien, eing 

ten Auffeg, enthaltend bie Pläne von einem bri Turin errich⸗ 

teten, halb agricolen und Halb inbuftriellen Strafhaufe junger 

Straͤflinge. Bis jegt waren dergleichen Arbeitshäufer junger 

Gteäflinge entweder nur auf Gewerbe ober nur auf Aderbau 

gegründet ‚, bier ift ber erſte und glückliche Verſuch gefcheben, 
be Elemente zu vereinigen. 5, 





Literarifhe Anzeige. 


Bericht über die DVerlagsunternehmungen für 1840 


von $. A. Brockhaus in Leipzig. 
(Bortfegung aus Nr. 187.) 

*22, Ikonographische Encyklopädie, oder bildliche Darstel- 
lung aller Gegenstände der Medicin, Chirurgie und Ge- 
burtshülfe. Herausgegeben von Dr. Friedr. Jak. Beh- 
rend. Zweite Abtheilung: Beinbrüche und Verrenkungen; 
Grossfolio. 

Die erfte Abtheilung, die 1839 erfhten, führt den itel: 

Ikonographische Darstellung der nicht - syphilitischen Hautkrankhei- 
ten. Mit darauf hezüglichem systematischem Texte. Unter Mitw 
des Herrn Geheimrath Dr. Trüstedt besorgt und herausgegeben von 
Dr. Friedr. Jak. Behrend. 3% Tafeln Abbildungen und 28 Bogen 
Text. Sechs Lieferungen. Grossfolio. 12 This. — Bel, Ar. 46.3 
33. Raumer (Friedr. von), Geſchichte Europas feit dem 

Ende bes funfebnten Sahrhunderts. Siebenter Band und fols 

gende. Gr. 3. Auf gutem Drudpapier und ertrafeinem 

Belinpapier. 

Der erfie bis ſechſte Band (1832-38) koſten im Subferiptionspretfe 
auf Drudpapier 17 Zhlr. R Gr., auf Belinpapier 35 Ahle. 20 Sr, 
24. Schmid (Reinh.), Die Gefege der Angelfachien. In der 

Uefpeache mit Überfegung und Erläuterungen. Zweiter Theil. 

r. 8. " 

2 ar ee Seil, den Zextj nebft Ueberfegung enthaltend (1831), koſtet 

"25. Skizzen aus bem Alltagsleben. Aus dem Schwediſchen. 
Viertes Bändchen und folgende. 8. Geh. 

Bisher erfhienen: Erſtes Bändden: Die Aöchter des Präfidenten. 
Graählung einer Gouvernante. 1838. kr. 16 ®r. — 3weltes und 
Fa it IN 3 ändchen: Die Rachdarn. Zwei Theile. 1839. 3 Ahle — 
*36, Hiftorifches Taſchenbuch. Herausgegeben von Friedr. v. 

KRaumer. Neue Bolge. Zweiter Jahrgang. Gr. 12. Gart. 

Die erfte Folge des Hiſtorlſchen Taſchenbuchs beſteht aus zehn Zahrgängen 
(1830 —39), die im Ladenpreife 19 Thlr. 16 Er. koſten. Ich erlaffe aber fewol 
den erften bis fünften (1830 — 34) als den festen dis zehnten Jahrgang 
Beige | 3 . 5 Ay RR et ne Sefer ’ a Dände 

hr. u. Der erfie Sahrgang ber Neuen Yolge koftet 2 Mh. 8 

27. Taſchenbuch dramatifcher Originalien. Serauögegeben von 


Dr, Franck. Mit einem Bilbniffe. 


8. art. 
Der erfte Zahrgang koſtet 2 Thlr. 8 Gr., der zweite 3 x dritte 
2 Zhlr. 12 & > der diet 3 an weite 3 Thlr., de 


*28. Urania. Tafchenbuch auf bad Jahr 1841. Rene Bolge. 
Dritter Jahrgang. Mit einem Bildniffe. 8. Cart. 
Ron den frühern ahnpängen ber Urania find 1830—38 noch vorräthig, 


die im Ladenpreiſe 18 X . toften, aber zgufammengenommen 


für 4 Thlr. 12 Sr, einzelne Sanısänge zur Gompletirung 
e und & 


r. abgelafien werden. Der er weite Zahrgang der Neuen 


ür 16 

ige £oftet jeder 1 Xhle, 12 Sr. 

*39, Winkler (Ed.), Vollständiges Real- Lexikon der 
medicinisch - pharmaceutischen Naturgeschichte und Roh- 
waarenkunde. Enthaltend: Erklärungen und Nachwei- 
sungen über alle Gegenstände der Naturreiche, welche bis 
auf die neuesten Zeiten in medicinisch - pharmaceutischer, 
toxikologischer und diätetischer Hinsicht bemerkenswerth 
geworden sind. Naturgeschichtlicher und pharmakolo- 
gischer Commentar jeder Pharınakopöe für Ärzte, Stu- 
dirende, Apotheker und Droguisten. In zwei Bänden. 
Fünftes Heft und folgende. Gr. 8. Subscriptionspreis 
eines Heftes von 12 Bogen 20 Gr. 
Mit dem fünften Hefte fließt der die Buchſtaben A—L enthaltende 


erfte Band. 
(Die Bortfegung folgt.) 


- Berantwortlicher Heraußgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaud in Leipzig. 











Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 








hundert; mit befonderer Beziehung auf das Leben 
Friedrich 's, des großen Kurfinften. Von 
Leopold v. Drli. Drei Theile. 
| (Bortfesung aus Str. 18L) 

So unbilig es fein würde, vom Gefchichefchwiber des 
preußifchen Staates waͤhrend des 17. Jahrhunderts ein 
genauere® Eingehen in die vielverfchlungenen, abgebroche⸗ 
nen, erneuerten Berſuche des weſtfaͤliſchen Friedenscongref⸗ 
ſes zu ſodern, was ſchon an und für ſich eine umfangreiche 
Arbeit ſein wuͤrde, ſo darf der Leſer doch die Thatſachen 
der Verhandlungen, die überſicht des Ganges und die Be: 
grämdung ber Anrechte Brandenburgs erwarten. Zumal 
mußte die antifchwedifhe Stimmung in Pommern, um 
welches der diptomatifche Kampf ſich vorzuͤglich drehte, mehr 
hervorgehoben werden; jener wadern Pommern, die überati 
eine berztiche Abneigung gegen das undeutſche Joch biiden 
ließen und obme ihre Zuſtimmung eine Tauſchwaare abe 
geben follten. Das Material dazu hätte der Verf. in meh⸗ 
ven bereitd gedruckten Werken beiſammen finden koͤnnen; 
ſchon der Beitgenoffe Micraͤline bezeugt die Vorliebe feiner 
Landsleute für den brandenburgifchen Scepter; ausfuͤhrlich 
find die Berhandlungen der pommerfchen Geſaudten auf 
dem weſtfaͤliſchen Friedenscongrefſe in den juͤngſten Jahr: 
gängen der „Baltiſchen Studien’ abgedruckt. Statt ber Ber: 
fotgung freitih fo mühfamer Studien fchläge dev Verf. eis 
nen leichteren Weg ein: er theilt uns (S. 80 fg.) Auszüge 
aus den bandfdwiftlichen Werichten des Hrn. v. Leuchtmar 
In Stodholm, Stettin und Stralſund mit, bie nur einen 
geringen Theil des diplomatiſchen Gewebes überfehen lafs 
fen. eilt in hoͤchtt unbefriedigender Weiſe über den Schluß 
des Friedens hinweg und begnuͤgt fi mie Anekdoten, role 
&. 9% u. 92, und mis Bemeinplägen, 3. B. wie man 
mit Recht behaupten koͤnne, daß: Friedrich Wilhelm der 
Stifter des Friedens war, der Gründer des noch heute in 
Deutſchland beftehenden Rechtszuſtandes, was an fich nicht 
unrichtig, doch hier ausführlicher erörtert werden mußte. 


An der Stelle manches andern diplomatiſchen Geſchwaͤtzes 


haͤtte der Verf. uns aus Archivnachrichten dankenswerth 
mittheifen koͤnnen, was ſich über des Abtes Arnold v. 
Korvei fabelhaft gemordene Anſpruche auf Nügen und die 
Belehnung des kaiſerlichen Feldmarſchalls Grafen Melchior 
v. Hatgfeld mit der Infel Ranen finder — wir kennen die 





Gefchichte des preußiſchen Siaates im 17. Jahr⸗ 


10. Juli 1840. 








fen wunderlihen Handel nur aus Pufendorf (‚De rebb. 
gest. Frid. Wilh.”, I, 2, 85) — , fowie des Kurfuͤr⸗ 
ſten ſpoͤttiſchen Beſcheid auf die Foderungen des Prä> 
laten; ſollten im koͤnigsberger Archiv nicht darauf ſich bes 
ziehende Driginalacten vorhanden fein? 

Vermißten wir mit Recht die Ausfuͤhrung bee usalt 
begründeten Rechte Brandenburgs auf Pommern, fo komme 
une im folgenden Abfchnitte die Auselnanderfegung der Ana 
ſpruͤche Brandenburgs an Kleve u. f.w. (S. 100 — 109) 
Überfläffig vor, wie denn überhaupt der Faden der Erzaͤh⸗ 
lung dem Verf. Häufig nicht durch die Innern Grimde 
ber Entwidelung, fondern durch den Zufall haudfchriftücher 
Funde vermittelt wird. Schön dagegen und würdig eröff: 
net er die Darftelung des politifhen Aufſchwungs Friedrich 
Wilhelm's, daß die Armuth, „mit welcher die brandenbue⸗ 
giſchen Sefandten an fremden Höfen zu kämpfen hattew”, 
uns zu großen Dingen leitete, weil ihr eine, durch nichts 
zu überwindende möoralifche Kraft zur Seite ging, die vor 
Schwächen bewahrte und nur in dem Fortfchreitem ſich Des 
friedige und gefichert fühlte. 

Um die Verhättniffe zu Polen, den Krieg von 1656 
zu motiviren, wird etwas weiter ausgeholt; die Muſterung 
des brandenburgifdyen Heeres und die Schlacht bei Wars 
fhau leitet den Verf. auf ein Gebiet, wohin umfere Kritil 
ihm: nicht folgen kann; das Dreffen iſt ohne Zruelfeb milis 
tatrifch richtig und verſtaͤndlich erzaͤhtt; polniſcher Üermuth, 
welcher ſich vermaß, die Saͤbel nicht zu gebrauchen, fon: 


dern fo nichtswuͤrdige Feinde nur mit Peitfchen md Kar⸗ 


batfhen zum Lande binauszmjagen, entging der verſchul⸗ 
beten BZüchtigung nicht. 

Die Außen Beziehungen unfere Staates nach jenem 
Siege geben Gelegenheit zu mancherlei nicht unintereſſan⸗ 
ten, aber nicht gerade nothwendigen diplomatifchen Mit 
theffungen, zumal Friedrich’ von Jena. Einzeines tft uns 
unverftändfich; was find z. B. (&. 152) q. Aectores (sie)? 
Wie flürmifch es auf dem kurfuͤrſtlichen Wahlcollegium 
zu Stanffurt waͤhrend des Vicariats nad, Ferdinand's ILII. 
Tode herging, lehrt ergöglih Hr. v. Sena (&. 1621 
„Dee Kurfuͤrſt von der Pfalz warf dem bairiſchen Doctor 
Arel das Tintenfaß an den Kopf.” „Ich habe aud) etwas 
Zinte befomnten, und Ihro kurfuͤrſtliche Durchlaucht ſchick⸗ 
ten mir dafuͤr ein anderes Hemde und Handuͤberſchlaͤge. 
Ich bedankte mich aber dafuͤr und für die Gnade unter⸗ 





774 


thaͤnigſt. Mein (salva venia) Hembe und Handuͤberſchlaͤge 
aber werde ich zum ewigen Gedaͤchtniß ungemafchen behal⸗ 
ten und aufheben.” Bon einem eigenthümlichen Reiz find 
Chriſtoph's dv. Brand Berichte, weldhe uns nah Pa: 
ris zur Zeit Mazarin's verfegen; Johann Friedrich Schle⸗ 
zer's, der zum Protector Cromwell geſchickt wurde, ſowie 
Unterhandlungen mit dem Zaren der Moskowiter, Alerei 
Michaelowicz, die im orientalifhen Style fi ergingen. 
Statt manches Überflüffigen hätten wir bier eine Charak⸗ 
teriſtik der politifchen Verhältniffe des merkwürdigen Jakob 
Kettler's, Herzogs von Kurland und Schwagers Friedrich 
Wilhelm's, gewuͤnſcht, der unter ähnlichen Verhaͤltniſſen 
wie jener, eingeklemmt zwiſchen flreitenden Nachbarmaͤch⸗ 
ten, mit gleicher Geſchicklichkeit, aber ungleihem Erfolge, 
fih unabhängig zu machen ſtrebte. K. W. Cruſe's tüdı: 
tiges Buch: „Kurland unter den Herzogen“ (Mitau 1833), 
würde treffliches Material geboten haben. Nur hier und 
da, wie ©. 210, erfahren wir Beilaͤufiges Über die Eur: 
laͤndiſchen Dänbel. 

Ohne tiefere, freimüchige politifche Reflexion verfegt 
uns ber Verf. in den eriten fchmebifch = brandenburgifchen 
Krieg, deffen Frucht die Souverainetät des Herzogs von 
Preußen war, welche (S. 213) früh das Misverhaͤltniß 
zwifchen dem Landesherrn und den Ständen entwidelte. 
Zwiſchen den folgereichen Kriegsereigniffen werden Schil- 
derungen franzöfifcher Gefellfchaftszuftände durd Brand ge: 
geben, der (S. 217) fein das Eigenthuͤmliche des vorneh: 
men gelehrten Verkehrs zu Paris beobachtete. Ein anderer 
fäbiger Diplomat, deren überhaupt der Kurfürft um fich 
zu verfammeln verftand, Graf Dona, ſchildert uns bie 
grenzenlofe Verwirrung im dänifchen Staate vor ber gro: 
Gen Kataftrophe 1660. Die Reitknechte hätten aus der 
Hofküche Befehle an die Reichshaushofmeiſter gebracht, wie 
das Hausweſen anzuordnen fei; die Kammerdiener hätten 
die Kanzleigebeimniffe ausgeplaudert; die Geheimſchreiber 
ber Rechtsverwaltung die Befeſtigungswerke geleitet; die 
Landarmee fihb um die Seemadyt befümmert und bdiefe 
wieder Über jene Anordnungen getroffen (S. 226). Bes 
denklicher Eündigten die Stürme in Preußen fi an, ale 
der Kurfürft mit fonderbarer Befremdung, auch hoͤchſter 
Beftürzung vernommen, „daß fi) unfere Städte wie Königs: 
berg unterfichen wollen, jemand ihres Drittel auch auf 
bie Friedenstractaten abzuordnen” (©. 232), welche von 
Thorn nach Dliva verfegt wurden. 


Die von außen ungeftörte Rube, deren Sriedrih Wil: 


beim nach dem Frieden zu Dliva, der Hera Preußens, ge: 
noß, gibt dem Verf. Raum, bie eigenthuͤmliche Verwal⸗ 
tung ber Länder, die in des fouverainen Deren Perfon 
bei aller provinziellen Verſchiedenheit ihren Centralpunkt 
fanden (S. 237), zu harakterifiten und uns bie Reihe 
bochverdienter Staatsmänner Brandenburgs mit Dtto v. 
Schwerin zu eröffnen. Otto v. Schwerin flammte aus 
einer ucalten pommerfchen, in vielen Adel6häufern im an: 
klamſchen Kreife angefeffenen Kamilie, von deren Bürger: 
feinden die nahen Städte viel zu fingen und zu fagen 
toußten, zumal von den Befigern des Schloſſes Spanti- 
tom, welches, im fchmwedifcd, = brandenburgifchen Kriege ges 


. Herzogthums Preußen. 


fprengt, uns nod "heute mit Bewunberung gegen ben ſpaͤt⸗ 
ſtarken Adelsgeift erfüllt. Diefe ererbte Richtung gegen das 
freie Buͤrgerthum in feiner mittelatterlichen Sproͤdigkeit bes 
fähigte den .pommerfchen Edelmann zum Hauptminifter in 
einer Zeit, als die individuelle ftändifche Kreiheit in Deutſch⸗ 
land, wie ſchon früher in Frankreich, unterging. Otto v. 
Schwerin, fo weltgewandt und böfifh, fo demüthig erge: 
ben und bürgerlich fpeculativ, fo prieflerlih fromm, war 
ein adeliger, herrifcher Zürftendiener duch und duch, auch 
im Außen, wie wir uns feines Portraits entweder in 
Wildenhof, oder auf der herrfchaftlihen Emporkirche, zu 
Landsberg in Natangen, befindlich erinnern. Indem ein 
fehr bedeutender Theil des von Den. v. Orlich verarbeiteten 
gefchichtlihen Materials aus den Briefen, Berichten, Des 
moiren und Gorrefpondenzen der Schwerine, aufbewahrt 
entweder zu Wildenhof, dem Sige des Erbkaͤmmerers der 
Kurs und Neumark Brandenburg, Grafen Dtto v. Schwe⸗ 
rin, oder zu Walsleben bei Ruppin, dem Dauptmaforate 
jener märkifch:preußifchen Linie, ſtammt, und Otto v. Schwe- 
ein der einflußreichfte Staatsbeamte und Diener am Hofe 
Friedrich Wilhelm's bauernd blieb, iſt es erklaͤrlich, daß 
vorliegendes Buch faſt als die Geſchichte der amtlichen 
Thaͤtigkeit dieſes Mannes erſcheint und ſeine biographiſchen 
Momente über den Gang der Staatsgeſchichte vertheilt 
find. j 

Der Berfolg der vielfeitigen Thaͤtigkeit Otto v. Schwe⸗ 
rin's leitet und zur Hauptpartie bes erſten Theiles, zur 
Geſchichte der fuͤr hoͤhere Staatszwecke noͤthig gewordenen 
Unterdruͤckung althergebrachter ſtaͤndiſcher Gerechtſame des 
Haben wir an den fruͤhern Ab⸗ 
ſchnitten des vorliegenden Werkes geruͤgt, daß der Verf. 
das Motiv ſeiner Darſtellung ohne den nothwendigen Zu⸗ 
ſammenhang, ohne eine breitere Grundlage, ohne ſtrenge 
Benutzung des vorhandenen Gedruckten, aus dem zufaͤllig 
ihm eroͤffneten Materialienſchatz entnimmt, ſo kann die⸗ 
ſer Tadel die mit ſorgſamem Fleiße aus urkundlichen und 
bereits veroͤffentlichten Stoffe zuſammengewebte, hochwich⸗ 
tige Umbildungsgeſchichte von S. 257 — 403 nicht treffen. 
Leider aber documentirt ſeine Anſicht des Geſchehenen ei⸗ 
nen bedauerlichen Mangel an Freiheit der Auffaſſung; er 
erhebt ſich nicht uͤber die Zeit, mißt ſie nicht nach dem 
ihr eigenen Maßſtabe, würdigt nicht die Berechtigung der 
Streitenden, Unterliegenden, urtheilt über fie wie ein ver: 
eldetes Glied des kurfuͤrſtlichen Staatsraths; er iſt Par: 
tei, ohne es felbft zu willen. Das Herzogthum Preußen 
batte einer aus furchtbaren Zerwürfniffen flammenden, durch 
die Dauer von Jahrhunderten geheiligten und von den Lan⸗ 
desherren verbürgten, freien ftändifchen Verfaffung unter 
dem Schuße der oberlehnsherrlichen Republik Polen, ber es 
ſich freiwillig unterworfen, genoſſen, einer Verfaffung, welche 
bei allen ihren Mängeln bie materiellen, kirchlichen und 
bürgerlichen Intereſſen der Eingeborenen-garantirte und fie 
willig auf irgend einen Antheil an der Politit Europas 
verzichten ließ. Der Kurfürft wußte die Souverainetät für 
fein Herzogthum von Polen zu ertingen und gründete auf 
das factifhe Verhältnis die Anfprüche, in dem Maße feine 


Herrſchaft von der Beſchraͤnkung durch die Stände zu be⸗ 











775 
freien, als er ſich von Polen losgemacht hatte. Die preu: gedrucktes nur Kallſteine Urthel und deſſen Erecution 


giſchen Stände, im Gefühle ihres Rechts, wollten dieſer 
Anwendung der Souverainetät nur fo weit Geltung geben, 
daß ihre Privilegien ungefchmälert blieben, und räumten 
folgerecht auch ihren ehemaligen Oberherren nicht die Be⸗ 
fugniß ein, fie unter andern Bedingungen dem branden: 
burgifhen Scepter zu übergeben, als unter denen fie fi) 
ſelbſt der Krone Polen freiwillig unterworfen. Es ift fein 
Zweifel, daß diefe fpröde Abfonderung, diefer Vollgenuß von 
Rändifchen Privilegien unvereinbar war mit den hohen 
Zwecken Friedrich Wilhelm’s, der den Beruf in fidy trug, 
zum Helle Deutfchlands und Europas eine felbftändige, im: 
ponirende, beutfcysproteftantifhe Macht zu erbauen; des 
Herzogtums Preußen fländifhe Verfaffung 
mußte fallen, follte der Staat Preußen, fo hochwichtig 
in bee Entwidelung der europäifhen Menfchheit, erſtehen. 
Weil nun nicht zu verlangen war, daß die Preußen von 
vorn herein in die Ideen eingingen, deren ungeahnte Ver: 
wirklichung zur VBerberrlihung des Namens Preußen aus- 
fchlagen follte, fie ihre bisherige bebaglich freie Eriftenz ge: 
gen eine unficyere Zukunft nicht aufgeben wollten, fo war 
der Kurfürft in die neidlofe Nothwendigkeit verfegt, mit als 
len Mitten der nicht aͤngſtlich⸗gewiſſenhaften Politik fels 
nes Jahrhunderts, mit Lift und Gewalt, mit Despotismus 
fogar, dieſe binderliche preußifche Freiheit niederzutreten. 
Hier ordnete fih einmal der höhere Zweck das Mittel un: 
ter, und es mußte ein Kampf ber verfchiebenen Berechti⸗ 
gung entſtehen, deſſen heroiſcher und tragifcher Ausgang, 
treu und wahr von der Geſchichte berichtet, die Seelen der 
Spaͤtenkel, die da fahen, wohin die dunkeln Wege ihres 
Schickſals fie führten, mehr erheben, als fie mit unmuthi⸗ 
ger Erinnerung an das Geraubte erfüllen dürfte. Und 
diefe Erhebung, diefe Verföhnung mit der Vergangenheit, 

diefe Mechtfertigung wackerer Väter wird dem Enkel aus 
der gegenwärtigen Erzählung nicht zu Theil; es fland dem 
Sefchichtfchreiber des 19. Jahrhunderts wohl an, es war 
feine heilige Pflicht, den Preußen Troſt und Freude an 
ihrer Gefchichte zu Lafen, und da kein Stamm des preu: 
fifchen Staates feit zwei Menfchenaltern die Preußen an 
aufopfernder - Liebe und Treue gegen fein Herrſcherhaus 
übertroffen hat, durfte der Erzähler des Jahres 1838 die 
Ereignifſe ebenfo freimuthig in das rechte Licht fegen, ale 
es vor 40 Jahren 2. v. Baczko, ein ehrenhafter, feinem 
Könige treu ergebener Hiſtoriker, ungefährdet gethan hat, 
indem er einmal fagt: 

Gin Fürft, ber immer äußere Achtung für Religion hegte, 
die Palmen und das Reue Zeflament nie von fich ließ, mußte, 
um keinen Schatten auf feinen Charakter zu werfen, auch grös 
au tung für Moralität und bie te feiner Unterhanen 


Wir müflen uns befhränten, nur Einzelnes zur Cha⸗ 
rakteriftit der Auffaflung unfers Autors hervorzuheben, ins 
dem wie es ſchmerzlich bedauern, daß das reiche Materiat, 
welches Hrn. v. Orlich vorlag, nicht in die Hände eines 
Mannes wie Stengel gelangte, der ſich im zroeiten Theile 
feiner „Geſchichte des preußiſchen Staates” (S. 214) bes 
Hogt, über die preußifchen Angelegenheiten als einzig Un: 


handſchriftlich erhalten zu haben. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Pascal's ſaͤmmtliche Schriften über Philoſophie und Chris 
ſtenthum. Aus dem Franzoͤſiſchen überfest von Kart 
Abd. Blech. Erſter Theil. Mit einem Vorworte von 
Aug. Neander. Berlin, Beffer. 1840. 8. 1 Thir. 


Unferer fo außerorbentlih lebhaft fich regenden beutfchen 
Literatur, welcher, wie faft einer andern, neben dem Ruhme, 
das eigene Neue in reicher Fülle hervorzurücken, zugleich das 
VBerbienft gebührt, das gute Alte, woher es auch ftamme, im 
zeitgemäß veredelter Form wieberaufleben ir laflen, durfte eine 
neue Überfegung der Schriften Pascal’s nicht fehlen. Der Bes 
arbeiter der bier zu befprechenden Überfetung hat es fich zur 
dantenswertben Aufgabe geftellt, den fo berühmt gerworbenen 
Autobidalten*) aus dem Bereiche feiner mehre Bäcker bes 
menſchlichen Wiſſens berährenden Schriften unter unfern Zeit⸗ 
genoffen deutſcher Zunge zunaͤchſt nach ber Seite hin wiebers 
einzuführen weiche ihn bei der eigenthümlichen Geſtaltung ber 
jegigen religiöfen und kirchlichen Zuſtaͤnde als vorzüglich wills 
fommen unb anziehend erfcheinen läßt. Denn Pascal gehört 
nicht blos feiner Zeit und zwar biefer als das ausgezeichnete 
Glied einer merkwürdigen neuen Sutwidelung ber Tatholifchen 
Kirche an, fondern ift zugleich ein Zeuge ber Wahrheit für alle 
Jahrhunderte. Was der Borredner zur Grläuterung bes letz⸗ 
tern Punktes bemerkt, verbient ben Hauptzägen nach auch hier⸗ 
her Übergetragen zu werden. „Es iſt“, fagt er, „eine ber 
Grundideen Pascal's, die Begenfäge in der menſchlichen Natur 
zu bezeichnen, welche in ihrer Wereinzelung bie entgegengefehten 
Serthümer in der Betrachtung menfchlicher und goͤttlicher Dinge 
veranlaffen, von ber Wahrheit des Chriftentbums zeugen und 
zu demfelben Hinführen und in ihm ihre Ausgleichung und Vers 
föhnung finden koͤnnen. Aus biefem Gegenſatze in ber menſch⸗ 
lichen Ratur leitet Pascal die entgegengefehten philoſophiſchen 
Theorien ab, von denen bie eine bem menfchlichen Geiſte zu 
viel, die andere ihm zu wenig zufchreibt, und wir koͤnnen bies 
audy anwenden auf den Gegenſatz zwifchen jeber Art ber Ver⸗ 
nunftverleugnung unb ber Bernunftvergötterung, fei es in ber 
Geſtalt des Rationalismus oder Myſticismus. Die im Ghris 
ftenthume geoffenbarte Wahrheit läßt das Wahre und Falſche 
in jeder biefer beiden Richtungen erkennen. Es ift die wahre 
Seibſterkenntniß, die den Weg zur wahren Gotteserkenntniß 
bildet und wiederum nur biejenige Gotteserkenntniß zeigt ſich 
als die wahre, dem wahren Zuſtande ber Menſchheit entfpres -. 
chende, welche den Menſchen —F führt, dieſen Zwieſpalt in 
ſeiner Natur auszugleichen, und ihn durch bie Erldſung Bott 
als fein hoͤchſtes But ſich aneignen laͤßt. Wie Pascal die 


*) Bayle bezeidhnet Pascal ald un de plus sublimes enprite de 
monde. Jdaſt könnte es befremben, daß in feinem Waterlande 
während eined anderthalb Jahrhundert umfaffenden Seitraums 
keine literariſche Geſellſchaft öffentlich feine Verdienſte anerken⸗ 
nen lied, wenn es nicht bekannte Einflüſſe von außenher er⸗ 
Udrlih machten. Sicherllich rührt auch die Uaterſchriſft: 

Tout l’univers, eharınd de son rare geale, 

A ses productions s’empressait d’applaudir. 

Les koaneurs le sherchalent. On le vit, pour les falr, 

Cossacrer & Dien soul ot sa plame et sa vie 
welche fib — in einer feltenen, von Desrochers und Grepy 
veranftalteten Guite von Portraits berühmter aner und 
Brauen — unter Pascal's Portrait befindet, von keinem Je⸗ 
fulten der. Erf im J. 1811 ſetzte bie Geſellſchaft der joax 
Boraux zu Toulouſe auf fein Elogium einen Preis, welchen 
Raymond buch feine Schrift „‚Eloge de Bisiee Passal’ 
(Rouloufe 1818) erhielt. 


- 


Selb ſerbrantniß zur Geunbiege: ter Gotecricanntuißz macht, fo 
hat er auch das große Verdienſt, auf deu Zuſammenhang des 
Objectiven in der Religion mit dem Subjectiven, die eigens 
thümliche Art bes Entwidelungsproceffes religidſer Überzeugung, 
aufmerffam gemacht zu haben. Hier if fein Grundgedanke, 
daß der Menſch dem Zuge feiner Gott verwandten Ratur fi 
bingebe, mit foriee Gmyfänglichieit der Dffendmung, fel es in 
den Werten der Schöpfung ober ber Gnade, entgegenlomme, 
das feiner —* Natur eingepflanzte Bebürfniß des tlichen, 
das Beduͤrfniß, zu glauben, in fi entwickele und, indem er 
durch die Willensridktung jenem ihm eingepflangten Zuge zu 
Gott Yin folgt, die von der Neaction bes natärlidgen Menſchen 
ausgehenden Zweifel praktiſch befiegen lerne. Es erhellt, wie 
wichtig es beſonders für die Gegeufäge und Zerwürfnifſe unſerer 
Zeit iſt, am diefen, auf die religidfe Natur des Menſchen bes 
rechneten, eigenthämlichen Charakter aller göttlichen Offenbarung 
erinmert gu werben. on ber einen Seite treten uns Diejenis 
gen entgegen, weldye die Realität der göttlichen Offenbarung 
nicht anerkennen, weil fie von dem Standpunkte einfeitigee 
Verſtandesrichtung oder eines einfeitigen Wiflenstriebes au die 
göntliche Offenbarung ober die Act, wie der Inhalt derſelben 
une überliefert worden, Anfprüche machen, weldge der Natur 
der Sache nach keine Befriedigung finden follten und Tonnten. 
Sie wollen, daß die religtöfe Übergeugung auf bemfelben Wege 
u Sande komme wie irgend eine andere wiſſenſchaftliche Er: 
—22* Von der andern Seite aber meint eine entgegenge⸗ 
fegte Partei, eine ſolche Erkenntniß der religioͤſen Wahrheiten 

eben zu koͤnnen, weiche alle Schwierigkeiten loͤſen, alle Zweifel 
A bermiaden, in alles Dunkel Licht bringen mäfle. Da fie aber, 
was fie verſprochen, nicht leiſten Eönnen, indem fie durch ihre 
ungenügenden Erklaͤrungen und Grgängungen den Wiſſenstrieb 
unbefriedigt laſſen, ben Fodezungen des Berflandes nicht ent: 
ſprechen: fo rufen fie eben dadurch die Reaction des Zweifels 
vielmehr hervor, ala daß fie dieſelbe beſchwichtigen koͤnnten. 
Auch fie find nice eingedent, daß das Lückenhafte und Frag⸗ 
mendariſche in ber Offenbarung Gottes, in den Werken ber 
Natur und ber Gnade gerade das für die veligids : fittliche Er⸗ 
Ziehung der Menſchheit Berechnete if.’ 

Diele, der Vorrede auszugsweife entnommenen Gedanken 
fichen zunaͤchſt mit Pascal’s ‚‚Penssdes’’*) in Verbindung, wels 
che den Inhalt diefes erſten Bandes ausmachen, dem nod zwei, 
für melde die „Brovingialbriefe‘ und die „Theolegiſchen Bes 
denken‘ beftimmt find, folgen follen. Es find aber die „„Pen- 
s6es’ bekanntlich nur Bruchſtücke eines größeren apologetifchen 
Werkes, welches Pascal zu fehreiben ben Plan hatte, denen oft 
Bufammenbang und meifiens die weitere Ausführung fehlt und 
weiche feine Freunde mit großer Pietät, ſelbſt ohne die Heinkken 
von ihm befchriebenen VPapierſtreifen zu verſchmaͤhen, gefammselt 
basten. Daraus erklaͤrt fich die bisweilen fick findende Incorrectt⸗ 
heit des Styls, häufige Wiederholung derfelben Wörter u. f. w., fo: 
wie Manches eingereiht worden fein mag, was Pascal's Meinung 
gar nicht enthält, wol eher das Begentheil und von ihm zur 
gelegentlichen Berichtigung ober MWiderlegung in feinen Bim 
werſſeln aufgezeichnet worden war. Der Überſttzer hat, ringend 
gleichjem mit bem gewaltigen Geifte feines Autors, Genauigkeit 
und Vollſtaͤndigkeit angeſtrebe. In erfteree Beziehung Iäßt er 
felb bie Stylunebenheiten durchſchimmern; in zweiter bat er 
nur an zwei Seellen zu audführliche Digseffienen in bie Ge: 
biete der Mathematil und Logik: etwas befchnitten. Denn er 
wollte keine Bearbeitung geben, mie früher Heydenreich unb 
neuerhings Eb, und nım einzelne Anmerkungen hielt er nicht 
zurüd, um in ihnen bald den Verf. aus fich ſelbſt zu erklaͤren, 


*) „Peonedes vur la religion et sur quaiquee antres sujela” 
(Paris 166) und hernach oft. Doeutſch gefaßt hat der Heraus: 
geber dieſe Aufſchrift auf. eines: Nebentitel beingen kaflen, um 
Me „„Sebanten als für ſich heſtehendes Wert verbäuflich fein 
wm laſſen. 


beid ten Zuſammenhang mit dee heitigen Schrift uwellen, 
wol. auch hin und wieder bem enangelifchen Beinupifein fein 
Recht zu gewäbeen ‚ indem er ſonſt das Meiſte, was 
als Katholik ausfpricht und annimmt, auf ſich beruhen läßt. 
Den „Gedanken“ vorangeftellt iſt Pascal's Leben, von ſei⸗ 
nee Schwefler geſchrieben, auch bekanntlich anberwärts einzeln 
abgetrudt. Der ber geſteht ſelbſt ein, Daß dieſer Abs 
riß — mehr ein Femilienbild, als eine Schilderung ber Lebens⸗ 
verbältnifie eines in feine Zeit mächtig eingreifenden Mannes — 
jegt nicht mehr genügen Fönne und in einer beſſer georbneten 
und moͤglichſt vollfländig auf die in Beziehung kommenden 
wiffensfchaftlichen und kirchtichen Werbältniffe eingehenden es 
bensbeichreibung Paaseal’s liegt ein ebenſo wichtiger, als bans 
kenswerther Stoff zu einer literqriſchen Arbeit vor. Außer Boſ⸗ 
fut’6 „‚Discours sur la vie et les ouvrages de Pascal” (Pa: 
ris 1779), den ber Herausgeber anführt, wird auch Monter’s 
„Esssi sur Blaise Pascal’ (Partie 1822) als Vorarbeit die⸗ 
nen koennen, fowie in dem hoffentlich bald erſcheinenden zweiten 
Bande ber Rexuchlin ſchen „‚Beidhidgee von Port: Royal“ aus: 
— Unterſuchungen über Pascal mit Zuverſicht zu non 
en find. . 





Literarifhe Notizen. 


Über den von Hrn, Gobert geftifteten Preis für das befte 
bie Geſchichte Frankreichs betreffende Wert wurde am 15. Mai 
abgeftimmt. Den erften Preis, in 9000 France jährlichen Rente 
beſtehend, erhielt Hr. Augaflin Thierry für fein neues Werk: 
„Recite mörovingiens, proeöd6s de cemsiderations sur l’his- 
toire de France”, und den zweiten von 1000 Zrancs Rente Hr. 
Baiin, Verf. einer Sefchichte Eudwig’s XIII. Beide Autoren 
genteßen biefe Einkünfte bis zu dem Zeitpunkt, wo neue Gon: 
eusrenten fi) auf der Rennbahn mit Werken deſſelben Genre, 
die nach dem Urtheil der Akademie die geteinten Werte an 
Verdienſt übertreffen, einfinden werden. Jedes Jahre wird bie 
Akademie zu einer neuen Prüfung fchreiten. in Journal tas 
deite das Syſtem der Akademie, den Preis, dem Willen des 
Erblaſſers entgegen, zu theilen. In einer fpätern Rummer be: 
richtigte es feinen Ierthum. Dies find die Beſtimmungen bes 
Erblaſſers: „Ich vermache die eine Hälfte des Capitals ber 
franzöftfchen Akademie ‚und ich wünfdge, daß neun Zehntel ber 
Intereſſen zu einem jährlichen Preife für das beredtefte Stück 
franzoͤſiſcher Geſchichtſchreibung, das andere Zehntel fuͤr dasje⸗ 
ge, weiches jenem im Werth am nädhften kommt, verwendet 
werde. Die andere Hälfte dermache ich bee Akademie ber Ins 
ſchriften und fchönen | ‚ mit ber Bellimunmg, daß 
neun a der Intereflen gu einem jährlichen Preife für 
geledrtefte und tieffle Arbeit über die GBefchichte Frankreichs und 
die Studien, die ſich daran Enüpfen, das legte aber für die⸗ 
jenige, weiche an Werth jener am nädsflen kommt, verwendet 
werden follen. Die gewinnenben Werke werben fortfahren, 
jedes Jahr ihren Preis zu erhalten bis zu dem Zeitpunkte, we 
ein befleres Werk ihnen den Preis wegnehmen wird. Nur 
neue Werke Fönnen zur Concurrenz zugelaffen werben.‘ 


Bom Baron Walkenger, Mötgfiebe der Akademie ber Ins 
ſchriften und fchönen Wöiffenfehaften, erichien „‚Eisteice de in vie 
et des possies d’Horace” (2 Bde, mit einee Karte und. einem 
Portrait). Man fagt davon, daß der Verf. von dem Zeitalter 
des Horaz ein ebenfo neues und anziehendes Gemälde geliefert 
habe, wie früher von dem Zeitalter Ludwigs KIV., als er 
Lafontatme’s Beben beſchrieb. Das Werk ift rei an Gitaten, 
deren Queße mit außtrowbentlidder Genauigkeit angegeben ifl. 
„Sa dieſer Hinfiche”‘, meint ein Jouenel, „Tann men fagen, 
daß, dies die Arbeit eines Gelehrten von jenfeit des Rheine feiz 
aber unter jedem andern Gefichtspunfte ift eg das Wert eines 


ebenfo gelehrten als geifkreichen Franzofen.“ 


Berantwortliger Deraudgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in Leipzig. 











. Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Sonnabend, 


— Nr. 193. — 


11. Suli 1840. 





GSefchichte des yreußifchen Staates im 17. Sahr: 
hundert; mit befonderer. Beziehung auf dad Leben 
Friedrich Wilhelm's, ded großen Kurfinften. Bon 
Leopold v. Orlich. Drei Xheile. 

(Bortfegung aus Nr. 192.) 


Nach einer kenntnißteichen Schilderung der Naturbe⸗ 
ſchaffenheit Preußens (die Erhebung des ſchoͤnen prager 
Berges bei Wildenhof in Natangen wird indeſſen mit 
900 Fuß zu bedeutend angegeben, da ſie nach einer Meſ⸗ 
fung im J. 1833 nur 677 Fuß über der Oſtſee beträgt; 
vgl. „Hiſtoriſche und Literarifche Abhandlungen der koͤniglich 
deutſchen Geſellſchaft zu Koͤnigsberg“, dritte Sammlung, 
S. 253) zeichnet uns der Verf. mit einigen allgemeinen 
Zügen, deren Treffendes wir dahingeſtellt fein laſſen, die 
Weiſe der Bewohner, den wunderlichen Schematismus der 
Regierung (dev Obermarſchall hat neben den herkoͤmmlichen 
Hofmarſchallsgeſchaͤften die Militaria, die Contributionen, 
die in Polen beiegenen Derrfchaften, die Legationsfachen, 
Heraldica und das Contagionsweſen unter fih) und gibt 
uns Biographifched über die Statthalter feit 1657, befon- 
ders über Fuͤrſt Bogislav Radziwill, Schwerin’s vertrau: 
teſten Freund. Dann kommt eine Schilderung der vers 
fchiedenen Behörden und der Erfchöpfung forie der lin: 
zufriedenheit der Provinz, deren Landtage zuvoͤrderſt Bes 
foldung und Werpflegung des Heeres zugemuthet wurde. 
Beweglich Hagen die Stände (S. 279): 

Wenn wir zurüdtenten und den glädlichen Zuftanb unfes 
zer Voraͤltern, welche nicht allein in fiherer Ruhe, fondern auch 
in ungelräntter Freiheit gelebt, betrachten und den unferigen ents 
gegenhalten, fo werden wir gewahr, daß bei diefer neuerwors 
denen Ruhe wir leider! mehr nichts als einen bloßen Schatten 
der alten Glückſeligkeit haben. 

Die Huldigung wird dem neuen Souverain verweigert 
vor der Beſtaͤtigung der ftändifchen Privilegien; der kirch⸗ 
liche Eifer, fo reizbar und eigenfinnig bei den lutheriſch⸗ 
firengen, frommen Preußen, vereint ſich mit ‚dem Wider: 
willen gegen ungemefjene Fürftengewalt; blutiges Getüm: 
mel kündigt in Königsherg fih an; der Statthalter zagt 
vor den „Wuͤſtlingen und fogenannten Patrioten”, Otto 
v. Schwerin, fol. duch feine Gegenwart die bedenkliche 


Annäherung an die Polen verhindern; aber fchon hat die 


Adelspattes ein ſtarkes Haupt gefunden an Chriſtian Lud⸗ 


wig v. Kalkſtein. Wir geben zur Probe die Zeichnung 
des Verf.: | 

9. 8. v. Kalkſtein war unbiegfamen, entfchlofienen Cha⸗ 
rakters, unverföhntidh und heftig, von großer, Eräftiger Statur, 
@igenfchaften,, die ihn einer revolutionnairen Partei uns 
entbehrlich machen. Schnell und ohne Überlegung, seipte er in 
feinem Borhaben die leichtfertige polnifche Handlungsweiſe; ohne 
fi) aber die vortheilbaften Eigenfchaften biefer Ration angeeig⸗ 
net zu baben (2). Seiner guten Erziehung und feinem gewand⸗ 
ten Benehmen verdankte er die feltene Babe der Überredungs⸗ 
kraft, durdy weiche wir fo ſchnell Menfchen in unfer Jutereſſe 
zu ziehen vwiflen; aber ganz ohne Menfchentenntmiß (!), unb 
ohne eine wichtige Vorſtellung ber Verhältniffe u. ſ. w. , 

De ehrgeizige Bürgermeiſter Hieronymus Rhode 
war der andere Unzufriedene (S. 291). Über dieſen 
altbeutfchen eifenfeften Bürger, den furchtioſen Schöppens 
meifter von Königsberg, der mit der trokigen Kraft eines 
roͤmiſchen Tribunen am Rechte beharrte, und follte er dar⸗ 
über zu Grunde gehen, der, gefangen durch die unebeifle 
Gewaltthat vor den Augen des Kurfürften, „Im Verhoͤr 
fo fredy wie bei dem Bürger war, und weber in feinem 
Vorwitz noch in feiner hochteabenden Kuͤhnheit nachließ“ 
(S. 332), der in lebenstänglicher Haft zu Peitz die Gnade 
des Landesherrn verfchmähte und feine Befreiung nur der 
Gerechtigkeit verdanken wollte, „weil er nichts gethan, als 
was recht und er, vermöge feines Amtes zu thun ſchuldig 
geweien”, der, geteöftet in feinem Bemußtfein, nah 16 
Jahren auf jener Vefte flarb: — Über eine fo feltene Dane 
nesnatur urtheilt der Verf. etwa wie der fade Höfling, 
Kammerherr v. Pölnig, ja wie ein Fahnenjunker ‚vor . 
dem 9%. 1806: J 

Rhode iſt nicht ber Mann, bei welchem die Zriebfeber ſei⸗ 
nee Handlungen auf Patriotismus ober Baterlandsliche begräns 
det war, fondern wie ihn die ODberräthe (heilige Autoritäs 
ten) nannten, ein Bankerutirer, der ſich hierdurch aus feiner 


+ 


zerrütteten Lage retten wollte (&. 338) a 
.. Dahinter denn die wohlfeile Bemerkung: „wie felten. 
ſolche Parteihäupter Reinheit der Gefinnung und Rein⸗ 
beit dee Abficht begen, zeigt die Geſchichte!“ oo. 

Wir müuͤſſen es unfern Lefern uͤberlaſſen, dieſe tragiſchen 
Geſchichten hier und bei Stenzel zu vergleichen, koͤnnen ung 
jedoch nicht enthalten, einiges , Erpreffive ohne hiſtoriſche 
Verbindung ‚nebeneinander zu fegen. Der große Kurfuͤrſt, 
der faft nirgend unvortheilhafter erſcheint als in den pol⸗ 


niſch-preußiſchen Wirren, wollte nicht das Übertommene zer⸗ 


nn} 


718 


flören, fondern auch Zeitgemäßes, bie Ratten Werebindes 
pflegen. So gedachte er des hochſinnigen Vermaͤchtnifſes 
arfgrof Albreyt'6, die Leibeigenſchafe aufzuheben; bie 
Setsftfucht der oben Stände hatte aber dieſes theure Ge: 
ſchenk efubirt, indem fie unter der Bezeihnung Preußen 
nur de kulmiſchen Guts e begriff. Schwerlth waren 
dieſe jemals mufrei. Den größten aller braubenburgfigen 
Särften würden wir den großen Friedrich Wilhelm nennen, 
gelang es ihm, dem Bauernflande Das an menſchlichen 
und birgerlichen Rechten zuzulegen, was er ben Privile⸗ 
girten an ſtaͤud iſchen entriß. Der Kurfürſt erklaͤtt S. 
304: „Kein Ding habe ihn während feiner 22jährigen 
Regierung mehr affiettt ats das Wetragen ber se 
wäre in feinem chriftlichen Gemüthe verfichert, es mit ſei⸗ 
nen Unterthanen getreu und landesuäterlih zu mieinen” 
u.f.w. Der Verf. fagt S. 325: „Offenheit, Langmurh 
und Güte charakterificen bier Friedrich Wilhelm.” 

Die Staͤnde, wie fie nach Rhode's Feſtnehmung enblidy 
hutbigten, erlannten den Kurfürften fuͤr ihren „einigen, wah⸗ 
cen und unmittelbaren Oberherrn und verfprachen, ſich durch 
nichts, wie ſolches auch von Menſchen erdacht werden mag, 
abwendig machen zu laſſen“ (S. 325). Nah der An: 
erkennung der Souverainetaͤt und der Kataſtrophe des uns 
gluͤcküchen Kalkſtein, uͤber deſſen Verhaftung tn Warſchau 
wir uns des Urtheils enthalten, ſowie über feine Verur⸗ 
thetiung durch eine Commiffien, in welcher auch Auslaͤn⸗ 
der (Nichtpreußen, f. Stengel S. 213) ſich befanden, fuͤhlte 
die Provinz erſt bie realen Folgen ber Ummanblung; uns 
geachtet der grengenlofen Noch (S. 363), welche der Statt: 
balter dutch Borweiſung bes Brotes aus Spreu und ge: 
riebener Borke, womit die Bauern ihten Hunger ſtillten, 
dezeugte (S. 367), und ungeachtet den Ständen von ber 
‚Aberaaligen Freiheit wur noch das Recht gelafien war, über 
den Verluſt derſelben laut klagen zu dürfen”, erklaͤrte ber 
Seheime Kath Schwerin den Kurfrften für fege belei- 
digt (S 371), und glauben wir den Klagen der Stände 
vollkommen, ‚in hundert und einigen zwanzig Fahren Baum 
den tauſendſten Theil Defien bargereicht zu haben, mas nun in 
vlerundzwanzig Jahren bei fo beſchwerten Zeiten” (S. 388). 
Der Sieg des Syſtems ber Regierung war, „bie Tandtage, 
an dem Lande nicht größere Koften zu verurſachen, allmaͤlig 
ganz eingeben zu laffen, ba die Bewilligung dee Steuern 
vorausgefegt wurde.” Unſer Verf., nachdem er noch her⸗ 
vectgchoben, daß der Rurfinft den Adel anf Koſten der Hei: 
— und Freibauern beguͤrſtigt Hätte, ſchließt ven 

tt: 


Immer ſehen wir ben Kurfürke innenb in feinen 
Blafwegein — — eGabes 
leichter , well bie zunehmenve 

——— br onberung der Btäbte von ben b | ehe 
Ctänben, ihn —— * Ville, dc 
Abga geſicherte Einnahme gu verſchaffen 

das zur ord de 
m kalten, IR * et dem Bote anfchnaefeen 


Die Erinnerung an die alte Freiheit und die Art des 
Verluſtes erlofh auch in den Preußen nicht, als Ihe Der: 
zogchum ben Titel des Koͤnigthums hergab; Friedrich Wil⸗ 
helm J. hatte noch noͤthig, das pochende Seloſtgefuͤhl eines 


pteußiſchen Edelmannes, Schlubuth, durch bie Hand des 
Henkers zu brechen; Friedrich der Große als Kronprinz 
«iebte Preußen nicht, wie wir aus feinen mehr als muth⸗ 
willigen brieflichen Kußerungen an Jordan willen; dauernd 
entfremdete fein Gemüth die Gelaſſenheit, mit welcher die 
Provinz ih dan Stepter GSliſabeth Verrewna’s Hingab, 
eine Erfäinumg, den unbewußsere Motige in deu Der: 
gängen 86 Jahre früher lagen. Aber feitdem ift Preußen, 
zumat feit 1807, fo hineingewachſen in das innerfle Le: 
bensmark des Staates, daB dem Tpäten Geſchlechte feine 
Geſchichte ohne alle Gefahr vergegenmwästigt werden konnte; 
das flarre Halten an bem überfommenen Rechte charafte: 
rffet ja bie Gemkthötraft umd innere Meftinbigkelt eines 
Volles und verbürgt die Dauer des geſchichtlich Gewor⸗ 
denen. Mef., welcher das bedeutſamſte Luſtrum feines Les 
bend unter den Dreuden veriebt bat, in dem Moͤnen 
Lande altgeſchichelicher Weinnerung, ber Heimat tieffemni: 
ger Denker, zemüthosiier Dichter, eines biedern, frommen, 
treuen, fein, ja poetiſch organificten Volksſtammes, ſympa⸗ 
tifict mit der Verlegung des Nationalgefühls, wenn die 
neuere Geſchichtforſchung den Kampf der MWäter für ihre 
hiſtoriſches Mecht auch nur ſchielend unter den Befichess 
zuntt der Revolution fielt, und iſt der fremdigen Zus 
verfiht: daß, wenn je ber Braudenburger, des Pommer, 
ber weſtfaͤllſche Maͤrker wanfen könnte in ber Taeue fire 
die Hohenzollern, ber alte Preufe, obgleich durch feine 
Weltſtenung im füchlichen Jntereſſen bebroht, fein letztes 
Lebensblut für die Enkel des Zwingers, des großen Kurs 
fürften, hergeben wärbe! 

Nach der Abhandlung über Preußen gelangen wir zu 
einer gruͤndlichen Kenntniß über Brandenburg in feinen 
verſchiedenartigſten Beziehzungen; bie Hand bes Kurfürfien 
fleebte beſonders hier die noch bintenden Wunden des drei⸗ 
Sigjährigen Krieges zu heilen: Anweiſungen auf Poeußen 
(&. 424) kamen zugute; der Rothſtand des Landes nach 
bern Frieden von 1560, zu befien Beurtheilung auch Jo⸗ 
baun Ghryfokomms Yafiek’s ihmaft veröffentlichte „Deuts 
wierdigkeiten“ Beittaͤge Itefern, wird anfchaufich gemacht, 
neben Bekanuterm ſchaͤzbares Neues mitgetheilt. So auch 
über bie nennen Beſitzangen des Kurſtaates in Weſtdeutfch⸗ 
land; dann folge Halberſtadt und Magdeburg. Lächeln 
** wir über bie Inſchrift dee Buͤrgermilizfahne der 

er, Der 
in Gröwingen refidiee (S. 90): „Chi va vu sano”. 
Gem theilt der Verf. num hier genealogiſche Rottzen mit, 
fo über die Donas, die ald Burggrafen von Dauyn (Du: 
nin) auch den Koͤnigsſtein befaßen. Über Pommeru (&. 507 
— 515) hätten wie Ausführtidyeres erwartet; in Betreff 
der Statthatterwärbe der Kronprinzen von Preußen uͤber 


Pommern, welche (Anm. &. 507) berlihre wird, iſt der 


Auffag in v. Ledebur's „Algen. Archto für Geſchichts⸗ 
kunde des preußiichen Staats” (ht. 1, ©. 151) als wich⸗ 
tige Ergänzung zu vergleichen. 

Der legte Abſchnitt des erſten Theites iſt dem Fami⸗ 
Ulenſeben Friebrich Wilhelm's gewibmet und eine dankens⸗ 
werthe Berricherung des Gemaͤldes, welches Hr. d. Orllch 
ſchon in feinem frühen Werke gegehen hat. 








Barum tt aber Eruſes „Geſchichte von Rurland” nicht 
Benugt, um die demuͤthige, vielgeprüfte Schweſter des Kur: 
fürften, Luiſe Charlotte, kennen zu lehren? Ihre Briefe, 
zumal ©. 517, find von einer rahrenden Naivetaͤt. Zur 
Scäilderung dee Perfönticpkett Friedrich Withetn’s, feines 
Berichts mit Belchtten, machen wir auf „Jacobi Toll 
istolae itinerariae” (Amfterdam 1700) aufmerffam, bes 
in Duisburg, welcher die wiſſenſchaftlichen Liebhaber 

seien feines Gebieters wohl cuttivirte. Gelegentlich wied be® 
Eifer Friedrich Wilheim's für die Reformitten in Schiefien 
gedacht; nach dem Empfang eine® „zu groben kaiſerlichen 
Handfchreibens” ſcheieb der Kurfuͤrſt (8.525) an Schwerin: 

Das tft bee Dank, daß ich ihm die came aufgelegt habe; 
Die Belt kann kommen, daß ich ihm fie abnehme unb einem 
Andern, ber es beflex mexritiet, wieber auffehe. 

Mit dem Jahre 1668 ſchwand bie einfachere, prunk⸗ 
loſere Lebensweife ber beutfchen Fuͤrſten auch in Berlin 
und machte ber ſpaniſch⸗ burgumbifchen Etikette Platz, weis 
“her die Löbliche Einfalt zuerſt am bairiſchen Hofe gewi⸗ 
Yen war. Als erhebendes und verfähnendes Gegenbilb 
tritt dem firengen Walten des fouverainen Herrſchers die 
Schilderung feinee Ehe mit der unvergleichlichen Luife 
Henriette won Dranien gegenüber, die Geberdung des lie 
bevoilen Kamllienvaters und Erziehers; in dieſen feinen 
menſchlichſten Beziehungen mäffen wir umfern Kucfürften 
tm Auge behalten, damit bie Gebisterflien des Monarchen, 
die kalt⸗ diplomatiſchen Züge des Staatsoberhaupts uns 
nicht verlegen. bie wichtigften haͤudlichen Ereigniſſe, 
zu Freud und Leib, Liegen uns Schwerin's Mittheilun⸗ 
gen vor; wir lernen des ſpaͤtern Königs Friedrich Jugend: 
neigung Eennen; feine auf Orden und Prunk früͤh gerich⸗ 
teten Spielereien; bie Intriguen über die Wiedervermaͤh⸗ 
ung ber M Lubwig, fowie ben Gchmerz ber 
Familie über den Tod ber edeln Fuͤrſtin Lulfe. Aber ge: 
gen bie Befege einer georbneten Geſchichtſchreibung iſt es, 
daß wir ſchon jegt von ber zweiten Ehe bed Kurfürften, 
elben und enbii gar won dem an⸗ 
hößigen Teſtamente beffefben erfahren, woburch in gan 
undegreiflicher Welfe er das blutige, mühfellge und nicht 
vorwurfstofe Wert feines Lebens dem Zerfalle pueisgab. 
Gewiß find die befannten Staatsereignifie nach 1688 Hier 
nicht am ihrer Stelle, da der nuͤchſte Band bie dmfere 
Geſchichte meit dem Frieden von Dliva aufnimmt. 

Die Geſchichte ber Erziehung des Altern Kurprinzen 
und feiner naͤchſten Brüder durch Otto v. if 
antwickelt aus einen eigenhaͤndigen des hoch⸗ 
detrauten Staatedieners und gleich anziehend in eultur⸗ 
biovifäper wie in pfychologiſcher Hinficht. Der Unter⸗ 
zeichnete hat vor Fi Sahren bie Correſpondenz des Kurs 
fhrften mit dern Erzieher feines Sohnes in Händen gehabt 
für ben muckwärbigfien gehalten, 
eines in aͤngſtlich⸗ diplomatiſchen 
Geſchaͤften verlebten Tages, Fury vor dem A eſch an 
ven Rein im Sommer 1672, ats in Berlin dos Mit: 
telgetriebe deB Befandtenvertehrs war, Friebrich Wihekm 
mit nicht ermattetem (ruft Beheflunhen feines Erben 
controliet (S. 572). Nedtich war die Mähwaltung Schwe⸗ 











rin's, die wilben Schoͤßlinge, die in ber Seete feines in 
fuͤrſtücher Selbſtuͤberſchaͤzung herangewachſenen Zoͤglings 
aufwucherten, beſonnen und ſcharf zu beſchneiden; jener 
zeigte Verachtung, als Die Univerſttaͤt 

Nettor erwaͤhlt (S. 577), wollte den Offisker für ſtraftos 
haften, welcher den Bauern geſchlagen, und war uͤberhaupt 
von ſchwer zu lenkender Natur. Das Perüdenzeitalter 
brach über feine Jugend herein, denn ſchon 1664 munßte 
er „bei wachſendem Monde” feine Haare laſſen und eine 
Peruͤcke tragen. Das Tagebuch iſt angefälte von ben wun⸗ 
bertichen Einfälten bes Pleinen Trotzkopfes, der ſich ſchon 
als Zürft fühlte und ale paͤdagogiſchen Künfte feines 
Gouverneurs anf dis Probe ſtellte zumal auf das Bateins 
lernen erboſt war. Weil jedoch bei allem aufbraufenben 
Muthe und prinzlicher Keckheit Karl Emil durch liebevolle 
Vorſtellung gelenkt werden konnte, er, ſeine Fehler und 
Unarten berenend, ſich ſelbſt in ben begaugenen kaum 
wiedererkannte, „ſich fr behert hielt“ (S. 631), und er 
ſonſt Offenheit, Weichmuth und andere ſchaͤtbare Eigen⸗ 
ſchaften, ſowie geiſtige Anlagen verrieth, war es wol als 
ein herber Verluſt des Kurhauſes und des Staates anzu⸗ 
ſehen, daß er [dom im November 1674 ploͤtzlich ſtarb. 

(Der Befpiup felgt.) 


Der junge Myſtiker, oder die drei legten Feſtzeiten aus 
feinem Leben. Eine ifche von Dr. 
Srig. Leipzig, Köhler. 1839. 8. 1 Thle. 8 Br. 


Leidens s und Denkensgefchichte iſt 










nur ber äußere Baden, um daran bie Entwicke unb 
den Proceß feiner Gefühle zu veihen. Die Aufgabe if, ben 
Myſticismus in feiner —* feeundlichften Gefatt darzu⸗ 
ſtellen. Ein Janger ber &eiktihen Let, der um * 
breit ben Anfoderungen ber weicht, ohne ' 

i treten, beſteht er alle Wed: 
euden ber Liebe, dat 

die im berfelben 


der Berftandes und 
bigt er feinen Glauben gegen 




















24 
T8O - 
[ 


er fliegen fehen, bie Menſchen verdammen und ſich felber ſelig 
phantafiven.”” Zu” einer pofitivern Erkläärung kommt er, nad): 
dem er mehre Definitionen verworfen und gegen die ðleichſtei⸗ 
Iung zwiſchen dem verdammlichen Myſticismus und der Myſtik 
geeifert in folgender Weife: „Der Myſtiker nimmt das Sinn: 
Ude zur Anſchauung des Überfinnlichen mit fi hinauf, wäh 
zend der Abergläubijche das überſinnliche zum Körperlihen herz 
abzieht. Das ftete Laufchen auf die Laute des Unendlidhen, wie 
fie erklingen mitten heraus aus dem Geräufchhe der Welt; das 
innige Hinneigen zu den Offenbarungen des Unendlichen, wie 
fie aufmachen aus dem tiefften Schoofe der eigenen Bruſt: das 
i’s, was den Myſtiker charakterifirt. Kein Zufammenfchmelzen 
von Bott und Menfch in der entzädten Bruft ift die Myſtik; 
aber ein heiliger Bund ift fie, den der Menfchengeift fchließt 
mit dem Gottesgeiſte. Ein Tindliches Auge hat fie überall, wo 
ber Vater waltet; ein Eindliches Dhr überall, wo ber Vater 
ſpricht; eine Eindliche Lippe Aberall, wo der Water wohnt. Zum 
Gebete wird das Leben dem Myſtiker. Gin frommes, xeines 
Leben iſt ein Gebet. Herein in die Schatten ber trüben Le: 
bensftunden leuchten ihm jerufalemifche Tempelleuchter. Da 
erkennt erw die Welt als ein großes, heilige Buch voll göttlis 
cher Schriftzuge. Seine Gedanken fleigen wie die Engel in 
Jakob's Traume auf der Leiter des Glaubens auf und nieder; 
der himmlifche Vater lächelt herab zu den blühenden Kindlein. 
Für Ihn behalten Leben die entfchlafenen Lieben, ſowie er auch 
das Leblofe befeelt mit dem Feuerhauche feines Geiſtes. Kür 
ihn wird dee Tod ein freundlicher Engel, ber ihn aus dem 
Reiche des Glaubens binüberlüßt in die Tempelhallen bes 
Schauen.” Zrefflihe Gedanken und Sinnfprüde, die auch 
außerhalb den religidfen Kreifen Anklang finden werben, manche 
finnvolle Lieder und gehaltvolle Stammbuchsverſe, wie 3. B. 


folgender: 
Nimm zum Ginnbilb dir die Eiche, 

Wie fie raſtlos aufwärts firebt, 
Wie aus niederem Geſtraͤuche 

Sie dad Haupt zum Himmel hebt! 
Nah dem Hödften mußt du ringen, . 
Sand und Spiel zum Opfer bringen; 
Auf die Bellen mußt du febn, 
Zreu in ihren Bahnen gehn! 
Uber auf dem großen Streben 
Wird der Fluch ded Dimmeld ſchweben: 
Willſt du dir des Wiffend Haufen (?) 
Mit ded Herzens Reinheit kaufen. 


find in dem Büchlein zur Erbauung für Jedermann eingeftreut 
wenn er auch weder bes Verfaſſers Sinnesrichtung theilt noch 
billigt; und wegen feiner heiter gemüthvollen Auffafiung eines 
tief eenften Gegenftandes, ohne im Geringften vom Ernſte abs 
zumelchen, möchte Ref. daffelbe als Gegengift, nicht gegen ans 
timpflifche Schriften, fondern als Antitoden gegen bie zelotifchen 
Ergüfſe der Partei, in denen bie Liebe ein vergehrender Feuer⸗ 
brand wird, recht angelegentlid empfehlen, wenngleich er, 
wie. in Vielem, auch darin. nicht dem Verfaſſer beipflichtet, daß 
man ben Kindern zu Weihnachten und fonft nit zu viel (!) 
Zleine, zuckerne Chriſtus und Engelchen bieten Zönne ! 41, . 





Literarifhe Motizen. 


Demofthenes’ Rede für Ktefiphbon, überfeat von 
Lord Brougham. Ä 

Demofthenes ſcheint, nach der Zahl und ber Befähigung 
feiner. englifchen Überfeger zu fchliehen, dem englifchen Rational: 
geſchmacke jchr zu entfprechen; und namentlich find unter dens 
felben zu verfhiebenen Zeiten. Staatsmänner aufgetreten. Zu 
Dune des Iehten Jahrhunderts gab Tonſon eine Sammlung 
Demoſtheniſcher Reben heraus, zum. größten Theile von Lord 
Somers überſetzt, mit Beihülfe mehrer-junger Edelleute. Noch 


ı früher überfehte Dr. Thomas Wilfen, ber Königin Cliſabeth 


Privatfecretair, nachmals Staatöfeeretair, die Philippika auf 
das ausdrädlidde Begehren Lord Burleigh's, welcher damit dem 
Patriotismus des Landes bei Gelegenheit des drohenden Ans 
griff dere Spanier zu beleben wünfdte; feine treue und Exäfs 
tige Überfegung bietet noch jeht einen beadhtungswerthen Weiz 
trag zur Geſchichte der englifchen Sprache. In ber allerneues 
ften Zeit hat Lord Brougham die „Rede über die Krone” über- 
fegt. Der größte Redner ded Altertbums von einem ber groͤß⸗ 
ten Rebner der Reugeit wiedergegeben, Demofthenes’ Worte im 
Munde Lord Brougham’s — biefe Zufammenftelung kann nicht 
verfehlen, die gefpanntefle Erwartung zu erregen. Lord Brougham 
ſelbſt ſieht ein ſolches Zufammentreffen als die nothwendige 
Bedingung für eine glüdlidhe Löfung ber Aufgabe an und 
fpriht aus demfelben Grunde feinen meiften Vorgängern bie 
pollflommene Befähigung ab. „Sie befunden auf jeder Spur 
ihre unvollkommene Bertrautheit mit der Kunſt der Beredtſam⸗ 
keit, einer von ihnen hatte einige praktiſche Erfahrung in 
ihr, Feiner die Gewanbtheit, an Bollsverfammiungen ober rich: 
terliche Körperfchaften zu reden, einer war felbit Redner wes 
ber duch Zufall noch durch Profeffion.” Aber hierbei iſt bie 
Berfchiedenheit ber antiten und der modernen politifchen Be: 
redtfamkeit gang außer Augen gelaflen: ber Redner des Alters 
thums wirkt mehr auf das Ohr bes Zuhoͤrers durch den vollem 
Klang feiner Eräftigen, dabei oft kurzen Sprache — unfere 
Staatsredner dagegen mehr auf den Geiſt durch Überzeugung 
und eine, der Natur der Sache gemäß oft: ins Breite gehende 
Beroeisführung. Aber gerade dieſe Werfihledenheit begründet 
den gerechten Zweifel, ob ber Lehtese in fich ſeibſt den angebores 
nen Beruf zum Dolmetſcher des Erſtern trage. Lord Broughams 
ſelbſt bat biefen Zweifel zur Gewißheit erhoben: feine Art 
ber Beredtſamkeit macht ihn häufig ebenfo fehr mehr zum Pa⸗ 
raphraften als zum Überfeger, wie er es feinen Vorgängern vors 
wirft. Richt minder fühlbar iſt der Mangel aller Beleuchtung 
der gefchichtlichen Verhältniffe auf dem Grunde der von deu 
neueften deutſchen Alterthumsforſchern gemachten Entdedungen, 
Richtsdeftoweniger übertrifft Lord Brougham alle englifchen 
Überfeger an Treue in Wiedergebung des Charakters im Style 
bes Driginals, wogegen er in jeder Hinficht hinter unſerm F 
v. Raumer zurüdbleibt, der, wennſchon Politiker, doc, kein 
politifher Redner ifl. 


„Miss Aylmen, or the maids husband” (3 Be.) if 
mehr als eine Erzählung, eine lange und berebte Rede über 
bad kurze Thema „Niemals heirathen!“ Jedenfalls hat die 
Verfafferin keinen der ſchwaͤchſten Verſuche unternommen, dem 
weiblichen Geſchlechte für feine Sache Gehör und für feine 
Lage die ihm gebührende freifinnige und aufgellärte Theilnahme 
zu verfchaffen. 


Zür das. Beſte, was im Novellenfahe nad) Gb. Bul⸗ 
wer erſchienen iſt, hält man in England Sir Francis Bins 
cent’8 „Arundel, a tale of the french revolution” (3 Bbe.), 
welches alle Verwickelungen ſchildert, weichen Pflicht und Liebe 
im Laufe dev evolution ausgefegt waren ; doch fommen manche 
der Mevolutionsfcenen, namentlich die gerichtlichen, den Skchile 
derungen in den gu früh vergeffenen „Zuilerien” ber. Miſtreß 
Gore — dem beften unter ihren gapllofen Werken — nicht gleich. 


James Mil’s „History of british India’, weldye ſchon 
zeither zu den Werfen der hiſtoriſchen Literatur Englands ge: 
hörte, denen ber Ruf der Unfterblichkeit gefichert iſt, hat im 
einer neuen, mit Anmerkungen und Fortſetzung bereicherten. Bes 
arbeitung von Prof. H. Wüfen — -ber vor dem Berf. bie 
Kenntniß der orientalifchen Sprachen und. die eigene Anfchauung 
der indiſchen Zuftände voraushat — die ihr noch anklebenden 
Mängel faft gänzlich abgeftreift. 1487, 








Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich BroEhaus. — Druck und Veries von 3. A. Brochaus in Leipzig. 








— —— — — 


sel 


Blktter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Nr. 194. 





12. Suli 1840. , 





Sefhichte des yreußifchen Staates im 17. Jahr⸗ 
hundert; mit befonderer Beziehung auf das Leben 
Friedrich Wilhelm's, des großen Kurfürften. Von 

Leopold v. Orlich. Drei Xheile. 

¶( Beſchluß aus Nr. 188.) 


Der zweite Theil unfers Werkes zeigt ben daheim er> 
ſtarkten Fürften wieder im Gewitre der europäifchen Po: 
litik, um größere Aufgaben zu loͤſen; polnifche Angelegen: 
heiten flehen an der Spige, wegen Elbing: Alles aus 
ungedrudten Nachrichten, zwifchen deren Luͤcken wir Po⸗ 
lens Geſchichte aus Rudawski und Kochowski ergänzen 
muͤſſen. Die Namen haͤufig falſch; Czarneski ſtatt Czar⸗ 
nietzki, Choanski ſtatt Chawanskt. Friedrich Wilhelm ver: 
ſchmaͤht die ſarmatiſche Krone nach Johann Kaſimir's 
Abdankung; der Kurfuͤrſt von Mainz, welcher an der 
Koͤnigewahl Theil hatte, war nicht Philipp Wilhelm, ſon⸗ 
dern Johann Philipp aus dem Haufe Schönborn (S. 18). 
Der Berf. gibt und ein lebhaftes Bild aus ben Geſandt⸗ 
ſchaftsberichten über den Wahltag 1669, aus welchem 
nad dem Ausfterden des weiblichen Stammes der Jagel: 
Ionen ein Abkoͤmmling Piafl’s, Michael Wisnowiezki, als 
König hervorging. Mit größerer Befriedigung würde aber 
der Leſer die bunten Dergänge aus den inzwifchen er- 
fchienenen Dentwürbigfeiten bes tapfeın Schnurrbarts und 
ehrlichen Säufere, Herm Johann Chryſoſtomus Paffet 
vernehmen, welcher fie, felbft Wähler unter der Fahne der 
Woywodſchaft von Krakau, in der heiterflen Weiſe (S. 
329 — 347) erzaͤhlt. Nach ihm war es nicht die pofe: 
ner und bie Woiwodſchaft von Kalifch, welche den Pia: 
fien vorſchlug, ſondern die fandomirer; und er tonnte 
das Nichtige ficherer erfahren, da er ſich inmitten des Ge: 
tümmels bewegte, als die den Wahlzelten und dem Kolo 
ferngehaltenen brandenburgifchen Gefandten. Großartiger 
wird des Kurfürften Stellung, als Ludwig XIV. den Krieg 
gegen bie Niederländer begann; in befrembdender Offen: 
heit gefteht der Verf. den Anhalt der franzöfifchgefinnten 
Partei am berliner Hofe (S. 40), bie Beſtechlichkeit 
Schwerin’s, und daß dem brandenburgiſchen Minifter für 
den Neutralitätsvertrag von 1668 30,000 Thlr. Douceur: 
gelder von Frankreich ausgezahlt fein. Worübergehend 
wird von S. 63 ganz zwedimäßig die Geſchichte von Naſ⸗ 
fau : DOranien feit 1625 erzählt, dann das Heer des Kur: 


fürften beim Ausbruch des Krieges gegen Frankreich ges 
muftert. Ohne Waffenthaten Lehrte Friedrich Wilhelm, 
voll Unmuth gegen ben undankbaren Kalfer, vom Rhein 
zurüd; wichtige Mittheilungen gibt der jüngere Otto v. 
Schmerin vom Congreffe zu Köln, über die Verhaftumg 
des undeutihen Mannes Wilhelm v. Fürftenderg, ein 
Bafall, der jedoch nah Muͤnch's „Geſchichte des Haufes 
und Landes Fürftenberg” nicht fo oberflächlich befannt iſt, 
als unfer Verf. glaubt. Nach einem Überblick der Ope— 
rationen bes holländifch = kaiferlichen Heeres kommen wir 
(S. 120) zu Friedrich MWilhelm’s Zug gegen Turenne, 
dee mit der Liebe eines preußifchen Militairs dargeſtellt 
ift, fo unbedeutend der Erfolg war. Wir verzeihen dem 
Berf. feine Inconfequenz, welcher den fehandbaren Ver: 
räther Zürftenberg (S. 148) ‚gegen alles Voͤlkerrecht“ 
gefangen werden läßt, und für Kalkſtein's Geſchick Fein 
Mitgefühl hatte. Die Geſchichte des glorreichen Krieges 
gegen Schweden 1675, welche das Bewußtſein des bran⸗ 
benburgifchen Heeres fo mächtig hob, hat uns mit Ach⸗ 
tung für das Talent des Verf. auf dem Gebiet ber 
Kriegsgefhichte erfüllt. In der männlich folgen Zuverficht, 
„segt ganz Pommern zu bekommen”, erhielt ber Kurfuͤrſt 
die Kunde vom Angriffe Schwedens; hohenzollerfcher Much 
fpriht aus dem Briefe vom 5. Febr. 1676 (S. 161). 
Solchem Fürftenfinne begegnete der Sinn der Bauern in 
der Mark, im befchämenden Gegenfage gegen die Bürger 
von Frankfurt, welche (S. 159) „bei Zeiten den Weg zur 
Güte fuchten, ohne ben Hals daran zu fegen”. Die Schlacht 
bei Fehrbellin iſt ſeit langer Zeit ein Lieblingsfloff der 
brandenburgifchen Gefchichtsmuſe geweſen, als daß wir hier 
viel Neues erwarten tönnten; über des wackern Stall: 
meiſters Froben aus Baſel Aufopferung finden mir eine 
kritiſche Beftätigung (S. 184 fg.), welche und wohl thut; 
wir begleiten den Steger auf der Rüdkehr aus Pommern 
nach Berlin, worauf die pofttifch=religidfen Umtriebe bes 
Doctor Strauch (S. 201) faft zur Unzeit unfere Auf: 
merkſamkeit in Anſpruch nehmen. Die Feldzüge der At 
llirten gegen Frankreich von 1675 — 78 vervolftändigen 
und das Gemälde eines Kampfes, den Friedrich Wilhelm 
feinerfeits fo gluͤcklich, doch nicht zum glüdlichen Ende 
binausführte. Die Belagerung und Eroberung von Stets 
tin, für das auch die Bürger feit einem kurzen Menfchen- 
alter aus eifrigen Anhängern Brandenburgs in uner⸗ 


782 0 | | - 


uͤtterliche Vertheidiger ber ſchwediſchen Krone umgewan⸗ 
Di mit Aufopferung fochten, fchlenen das Werk bes 
Markgrafen anhaltfhen, bairiſchen und hohenzollerſchen 
Stammes feit einem halben Jahrtauſend zu kroͤnen, als 
Stettins Jungfragen dem einziehenden Kurfüriten den 
Cypreſſenkran mic-der Inſchrift Im Joetiſchan 
Hoffmannswaldau's uͤberreichten: „Victori eruentam vir- 
ginitatem.“ An Lebendigkeit haͤtte die Schilderung der 
Einnahme der pommerſchen Hauptſtadt gewonnen, wäre 
von den daruͤber erfchienenen 7 
Belagerungen Stettins” vom Profeſſor Böhmer (Stettin 
1 benugt "worden. 

Der Krieg in Preußen gegen den Einfall der Schwe⸗ 
"den zieht uns in den Orten in die polnifchen Angelegen- 
heitan welche einen geſaͤhrlichen Einfluß auf die. verfiinum: 
tan- Stände ausähen konnten; hatten doch ſelbſt bie Stu⸗ 
‚henten von Königsberg ihren Antheil an ber Melitik fehr 
zumultuariſch zu erfennen gegeben (S. 280). Polniſche 
Mamen find, wiederum fehr verſtuͤmmelt, ‚weil die. Schreiber 
‚ber deutſchen Geſandten die einzige Duelle des Verf. 
find, indem er die latelnifchen Hiſtoriker der Polen ver: 
Shmäpt. Dee Abt: won -Dieffen iſt der von Bleſen an der 
ODbra; ber Graf Morfein (S. 282) Heißt Morzthn u. dgl. m. 
Des berühmte. Winterſeldzug nach Preußen bethätigt 
das Talent des Merf. fuͤr Kriegsgeſchichte; aber die Frie⸗ 
detzeherhandlungen zu London, Nimwegen und. St.⸗-Ger⸗ 
main leſen wir, unbeſchadet der hier gegebenen Bereicherung 
det: Stoffes, geordneter bei Stenzel. Widerwaͤrtiger find 
al nie dfe Ermartungen eines fiegreichen Fuͤrſten getäufcht 
worden als Friedrich Wilhelm’s, wie: ee am 27. Juni 
1679 au@sufen mußte: 

Nicht der König von Frankreich zwingt mich zum Ftieden, 


iigten, fie merden es einmal bebauern, fie werben gewiß. 


3 der Kaiſer des Reichs, meine naͤchſt 


Rd 
Ahıma dadurch fo viel verlieren, als ich jetzt verliere. 

Es vergingen 136 Jahre, ehe Brandenburg ein Voll: 
recht an Pommern wurde, weiches fich aus dem 12. Jahr: 
hunderte berfchrieb. 

Die · Entwickelung der Militairverfaſſung feit Georg 
Muülhelm ſchließt ſich mit: Recht an die Erzaͤhlung ber 
‚Mrofitbaten unter Friedrich Wühelm; mit muſterhafter 
BSenguigkeit und Sachkenndniß verfaßt, laͤßt fie. Stuhr's 
aͤltere derdienſtliche Arbeit weit zuruͤk. Reich am biogra⸗ 
Pphiſchen Notizen, am Übsrfichtötabellen, an intereſſanten 
Sittenzugen verdient biefer Theil des Werkes (S. 328 — 
446) unſere volllommenſte Anerkennung ; die Duellwuth 
‚hatte ſich, mie wir ©. 388 erfahren, aus: Frankreich und 
England auch In das brandenburgifche Heer verpflanzt, 
dech mehr als gefährliche Balgerei, nicht nach jenem che⸗ 
valeresken Coder, den einmal Shakſpeare laͤcherlich macht. 
Das Poſtweſen (S: 416) war in Preußen keine ganz neue 
Erſcheinung; die Hochmeifter eilten darin, wie in man: 
chen amdern Dingen, ber Zeit voraus. Die Beförderung 
bed Kurfürflen und feines Gefolges unterlag ſolchen Un: 
segeimäßigkeiten felbft in der Neumark auf dem Wege nach 
Preußen, da man in Kallies, wo ber Gutähere, ein Ghn- 
tersberg, ſich beim Herannahen des Hofgefolges mit ſeinen 


eſchnacka unuͤberwind 





en -Anverwanbten: |. fene Bauſteine für ein grͤßeres Werk. In ber proteſtan 


ter findet, 


:auf den: geiftlich veligidfen Zaſtand. 


Gefpannen über einen nahen Sumpf zu flüchten pflegte, 
noch heute ihrer gebenkt. Zur Schilderung ber innern Ver⸗ 
bältniffe find die Notizen über die preußifche Marine über: 
rafchend; wer hätte es je geahnet, daß ber Markgraf von 
Brandenburg gegen „ben Enkel Philipy's IL, welher die 
Floſte vieſten konnte, ben Bechriegtin den 
atlantiſchen Gewaͤſſern führen würde (5. 428). Die Ges 
ſchichte der afrikaniſch⸗ brandenburgifchen Handelsgeſellſchaft 
verdiente ihrer Seltſamkeit halber eine Monographie. Die 
| Zuſtaͤnde will begreiflicher: 
weife unferm Autor weniger gelingen; wie ſchwerfaͤllig und 
unklar ſpricht er über den Unterricht auf Schulen (S. 436): 
Der · Rellgionsunteeriht war in Dogmatit, vousüglidh in 
Soneiliendogmatit (?) verwandelt worden, wobet ber Gefang 
beſonders hervorgehoben wurde. Der fogenannıg Penga 
ein Verein zu Trintgelagen u. ſ. w. nahm überhand, 
Unbekannt war es uns, daß Friedrich Wilhelm unter 
dem Namen des „Untadeligen“ der fruchtbringenden Ge: 
fellfchaft beigetreten; intereflant wäre das Kräutlein und 
den Sinnſpruch „des hohen Gefellfchafters‘ zu wiffen, wel⸗ 
her auch in fremder Spracht geichwieben , : zumal. hiftoris 
ſche Werko, oft Über ihr Verdienſt, wie Basis, fuͤrſtiich 
belahnte, das Studium des Chineſiſchen hefürdente. So 
unuͤhertroffen praktiſch des Kurfuͤrſten Auge. auf das Le: 
ben mit feinen Beduͤrfniſſen gerichtet mar, konnte. er. :fidh 


doch nicht den chimaͤriſchen Planen be& ſchmediſchen Reichs⸗ 


raths Benedict Skytte entwinden (&.. 443), welcher in 
einer neuen Stadt eine Universitas Brandanburgiea gen- 
tiym, scieptiarum et artiam begruͤnden wollte. Der Le 
fer wird ‚manches Anziehende unten ber Rubrik Wiſſen⸗ 
[haften und Künfte beifammenfinden,. über Buchhandel 
Kalender, Komoͤdianten u. ſaim; aber es ſind nur verwer 


5 


w 


tiſchen Hymnologie ift. Mef. volllammener Ente. und weicht 


deshalb unummunden fein GStaumen. and, Daß: ber aͤltere 
Otto v. Schwerin (S. 45%) das nie: verkingande: Dieb: 


„Jeſus, ‚meine Aunacfldys‘’ gedichtet babe, da er. in ‚feinem 
alten Geſangbuche den Namen Kaspar. Biegler als Dich: 
Doch iſt Die Gefcheinung nicht. neu, daß Muaͤn⸗ 
ner ber vornehmflen Staͤnde ans. ber. entäbtetsben -Gewalt 
bes irdiſchen Teeibens in die: Sphäsen der.: kürchtichen 
Poeſte ſprungweis fi. verfegten; Eardinal Latino dichtete 
das „Dies irae’’ und: Papſt Johannes AXII. das „Stahat 
mater“. Bar der Muſe von Zion einmal hier erwaͤhnt, 


fa mußte über Paul Gerhard und. Simon Dach u. f. w. 
Ausfuͤhrlicheres gefagt werden. 


Von der durch reiche Sammlungen und Bauten be⸗ 
zeugten Kunfitiebe: des Kurfürſten kommen wir nochmals 
Die Geiſtlichkeit in 
unſerm Staate wird als „ohne Anſehen und ohne Ein⸗ 
fluß anf ihre Gemeinden” geſchildert (S. 461). Kann 
dieſer Ausſpruch irgend für ein chriſtliches Land des 17. 
Zahrhumdests gelten? Daß dem in-Brandenburg, Pom⸗ 
mern und Preußen nicht fo wer, lehrt auf jeder Seite 
die Geſchichte und belegt ber Verf. ſeibſt mit Beifpielen 
(8.477). Was bleibt jenem truͤben Jahrhunderte Wir: 
biges, wenn wir ihm noch das krankhaft rege Verhaͤltniß 








e Arche, zu den 8 n und -ditfer zum Wolle - in 

weifet ziehen; mas Anderes ats fiufterer, mörderffher 
Aberglauben, beszlofe Unduldſawkeit, Herenyroceſſe, deren 
hier nicht beſonders ermähnt, wie denn ouch bie „eiße 
Frau“, am Hofe zu. Berlin unser Friedrich Wilhelm bes 
Lanntlidy fehr gefürchtet, nicht zur Schilderung „bes geifl- 
Kb: religiöfen Zuſtandes“ aufgeführt wich. 

Mit den .politifchen Berhältniffen des Staates ſeit 
sem Frieden von St. : Germain beginnt ber hiſteri⸗ 
{he Faden wieder nach jener: Meibe bunter, ergoͤtz⸗ 
ficher, theilweis befannter Notizen und Curioſa zur Cul⸗ 
turgefchichte; mehr nach Pufendorf und Pauli als nad) 
seichern Quiellen vernehmen: wir Ludwig's XIV. unerhörte 
Gewaltthat an Deutfchland, die Hinwegnahme Stradburgs 
u.f.w., welche leider auch unfer deutfcher Kurfürft nicht 
nur nicht rächte, fondern Frankreich ungeftraft feinen Raub 
ließ; eigenthuͤmlicher durch die Quallen beleuchtet, ſtellen 
ſich die Zerwuͤrfniſſe des berliner und wiener Hofes im 
folgenden Abſchnitte heraus. Wie ſchmachvoll war das 
Mistrauen zwiſchen Kaiſer und Kurfuͤrſten aufgewuchert, 
daß ein franzoͤſiſcher Diplomat boshaft zuflüftern konnte, 
„von den zum Entſatz der Kaiſerſtadt im 3. 1683. mar⸗ 
ſchirenden Branbenburgern, weiche dena hochmuͤthigen Fremd⸗ 
iinge aus Polen den im Übermaß angeſprochenen Sieges⸗ 
preis nicht ungeſchmaͤlert gelaſſen haben wuͤrden, ſei es auf 
die drei bekannten ſchleſiſchen Fuͤrſtenthuͤmer abgeſehen“ 
(5. 606). Aber freilich war man zu Wien auch fo un: 
großmuͤthig und fo kleinlich auf kaiſerliche Praͤrogativon 
verfeffen, daß man ohne ein beſonderes Memorigi 
den Titel „Hohenzallem“ nicht in die Lehnbriefe eintragen 
wollte (S. 512), als man fich endlich zur trüglichen Her⸗ 
ausgabe des ſchwiebuſer Mreifes verſtanb. Der Punkt 
des geheimen Verſprechens des Kurprinzen konnte leider 
durch Urkunden bes geheimen Archivs nicht erledigt wer⸗ 
den; abgewieſen wird dagegen (S. 525) das Maͤrchen, 


„der Kurprinz ſei, in Spannung mit ſeinem Vater we⸗ 


gen der; Stiefarutter, mit feiner ſchwangern Gemahlin nad) 
Hanover geflohen.“ 

Nach diefer Scheinbeftiedigung verjaͤhrter Anſpruͤche 
focht ein Theil bes brandenburgiſchen Heeres ſiegreich ge⸗ 
gen ben Erbſeind und half Ofen deu Unglaͤubigen ab⸗ 
nehmen, Kriegsereigniffe, welche natuͤrlich nur fo fern, als 
jene Truppen unter dem Generaflieutenant v. Schöning 
mit thätig waren, erzählt werben. Unser ben vor. Ofen 
Gefallenen durfte Prinz Meranber von Kurland, ein Meffe 
des Kurfürften und, obwol einarmig, Oberſt eines bran- 
denburgifchen Reiterregkments, nicht uͤbergangen werben; 
fein Stallmeiſter, Karl Büren, welcher die Feldequipage 
deffelben zuruͤckbrachte, legte durch feine Treue und Klug: 
heit den Grund zum Glücke des Haufes Biren von Kur⸗ 
fand. . Dem Oreifenalter nahe, verherrlichte bekanntlich 
unfer Kurfürft feinen chriſtlich⸗ duldſamen Sinn und feine 
Herrfcherklugheit duch die Aufnahme der aus Frankreich 
vertriebenen Reformirten, was hier kurz mit Dinweifung 
auf die Quellenfchriften berührt wirb, und bucch Verwen⸗ 
dung fir die in ihren armen Thaͤlern bedrängten Wal: 
denfer, woruͤber ein mit tiefer Gemuͤthsbewegung gefchrie- 


bener Wrief des Hrifitigen Heern an ben Herzeg von 
Savoyen als Weleg dient RN u 

at ber Verf. mit ausharcendem Fleiße ans hem 
Wuſte handſchriftlicher Papiere ein fo mertwürdigeh, greßs 
artiges Fuͤrſtenleben bis zum Ende ‚geführt, fo durfte 
ſeine Pietaͤt eine detaillirte Geſchichte der Krankheit ' 
der Todesbereitung des Kurfücften, feiner legten frommien 
Unterhaltungen mit den Geslenräthen, feiner Leuten Stoß⸗ 
gebete nicht ‚exlaffen, eine Pflicht des biographiſchen ‚Klein 
meiftere, die bier faſt zur Qual de6 beklommenen keſers 
geuͤbt wird. Wir athmeten ſchwer auf, als wir die Seuf⸗ 
zer des Scheibenden: „Ich fühle, daß ſich etwas LäfE!” 
vernommen bakten und gedachten, daß bie Schilberung 
ber Natur auch ihre aͤſthetiſche Grenze haben mäfle. 


Nach der Beendigung ber vorliegenden Hecenfton bes 
famen mir ben britten Theil be Werkes zu Ge 
fiht, welcher in 535 Selten und in 17 Abſchnit⸗ 
tan die Urkunden anthaͤlt. Die erſten 344: Seiten um: 
faſſen in chronologiſcher Ordnung die eigenhändigen Briefe 
und Cabinetsfſchreiben des Kurfuͤrſten. Noch hat die Ark 
tie ſich nicht geeinigt, was von den Briefen berühmter 
Männer veröffentlicht werben muͤſſe; daß dem Anbenken 
ber Geſtorbenen unb der Nachwelt nicht mit Allem und 


Jedem gedient fei, ermeſſen wir aus Preuß Sammlung 


und der Herausgabe der Briefe Friedrich's TI. an feinen 
Kämmerer Fredersdorf. Inwieweit hier das Maß inne 
gehalten ſei, moͤgen wir aus Mangel des Raumes nicht 
unserfuchen. 

Aus den Actenſtuͤcken Iafen wie mit befonderm SIn- 
tereſſe vier Briefe des ungluͤcklichen Kalckſtein (fo fchreibt 
er feinen Namen), alle datiert vom Tage feiner Vexur- 
theilung, ber erſte an ben Karfuͤrſten, in welchem ber 
Todbereite nicht um fein Leben, fondern um Schutz für 
fein Weib und feine Kinder bittet; der zweite im vor: 
wurfsvollem Zone an feinen Bruder; ber Dritte und vierte 
in männlihem und religisfem Troſte an feine „Wohlge⸗ 
bone herzliebfte Frau und an feine herzliebſten Kinder: 
hen”, die er auffodert, fich nicht zu freuen, wenn Gott 
fein unſchuldig Blut raͤchet, ſondern zu beten; daß Gott 
ihnen gnaͤdig ſei. Wahrfich, bie Männer jenes Jahrhun⸗ 
derts wußten, wenn auch nicht immer untabellg zu: leben 
boch ſchoͤn wie ein Roͤmer und wie ein Chrift. zu :fterben. 

Im Übrigen wird der Gefchichtsforſcher einen Schat 
von hiſtoriſchem Material ber Benutzung eröffnet Tehen 
und mit dem Rec. freudig efnftimmen: daß, wenn uns 
auch. noch nicht in einem Kunſtwerke die Geſchichte 
bes großen Kurfürften, doch durch folche Vorarbeiten: die 
Möglichkeit geboten ſei, eine fo hochwichtige Arbeit ber 
deutfchen Klio wuͤrdig zu loͤſen. F. W. Barthold. 


Notizen. 
Perſiſche Schauſpitele. 

Der Reiſende Flandin a in franzoͤſiſchen Sour: 
nalen amufante und anziehende Briefe von feinen Stationsor⸗ 
ten in Perfien. So berichtet er über theatraliſche Vorſtellungen 
in Teheran, benen er während bes Beiramfeftes beiwohnte. 
Das Sujet dieſer Vorflellungen war das klaͤgliche Ende bes 


Au und. Haſſein, der beiben Puenbeten Perſiens. Sie finden 
nur in en ober den ſchiitiſchen Landen flatt, zum Andenken 
- der Begebenheiten, welche ihre Trennung von bem urfprängli- 

chen Stamme des Mohammebantsmus vollendeten. Diefe Schau: 
fptele werben unter Belten, an Öffentlichen Orten oder auf den 
Söfen ber den Großen zugehörigen Paläfte aufgefuͤhrt und 
kriagen bie Schlachten, welche der Khalif Vezid von Bagbab 
den beiden Enkeln Mohammed's lieferte, den Tod bes Ati und 
Saflein, die Befangennahme ihrer Familie, die Dazwiſchenkunft 

nes fräntifchen Sefandten zu Bunften der Frau und der Kinder 
Huffein’s, und die Hinrichtung dieſes Franken, welcher bie Onade 
des Yezid anzurufen wagte, dem Publicum zur Anſchauung. So 
viel als möglich bleibt man ben Goftumen der verfchiebenen 
Derfonen treu, und der fränkifche Geſandte, welcher in biefem 
Stüde eine fo ſchoͤne Rolle fpielt, trägt ein modern europäl- 
ſches Kleid, defien verfchiebene Städe man fi} von ben in Te⸗ 
heran wohnenden Ruffen und Engländern verfchafft hat. Das 
Sefolge des Befandten war mit breiedigen Hüten oder euro⸗ 
zäifhen Helmen verfeben, was auf die Zufchauer einen glän- 

nden Sindrud hervorbradte. Ein Bruder des Schah bewil- 
igte dem Neifenden mit vieler Liebenswürbigkeit den Zutritt 
zu biefen Schaufpielen und räumte ihm und feinen Begleitern 
eine der befiern Logen ein, wenn man einen mit Tapeten auds 
gefchlagenen Winkel auf dem weiten Raum eine Loge nennen 
darf. Diefe Stüde find in Verſen gefchrichen, und bie Paflagen, 
die man Hrn. Flandin überlegte, fchienen ihm voll Kraft und 
Gefuͤhl zu fein; die Schaufpieler fingen oder declamiren fie mit 
wohlgefühltem Ausdrud, und die Geften, womit fie den Bor: 
trag begleiten, tragen dazu bei, einen großen Eindruck auf bie 
Menge bervorzubringen, welche bie am meiften traurigen Stro⸗ 
phen mit berzzerfchneidenden Seufzern beantwortet. Es if 
ebenfo feltfam als wirklich Erfurcht erwedend, wenn man bie 
Menge bei diefen Zragöbien heiße Thraͤnen vergießen ſieht und 
ſchluchzen hoͤrt. Während ber Zeit, welche diefen Darftellungen 
vorangeht und folgt, Laufen die Krömmften durch die Straßen 
der Stadt, fingen Huffein’s und All’s Lob und zerfchlagen ſich 
bie Bruft. Andere zeveißen ſich mit eifernen und mit Gewich⸗ 
ten befchwerten Inftrumenten das Fleiſch und zeigen, nadt bis 
zum Gürtel und nur bie Schultern mit einem Kaſhemirſhawl 
behangen,, der Bevoͤlkernng Ihre garfligen Wunden. Man ver: 
fiderte dem Reiſenden, daß dieſe auf Koften ber Großen ver: 
anftalteten Schaufpiele von den Mollahs angefeindet würben, 
wahrfcheintih aus Giferfucht, weil fie einen größern Eindrud 
auf bas Volk machen als ihre fehönften Predigten. 


Der belannte Reiſende Zerier bemerkt in einem feiner neues 
flen Berichte aus Perfien: „Was die PYaläfte bes Herrſchers von 
Perfien betrifft, fo find fie, obgleich aus Holz gebaut, doch 
von einer fehr reihen Architektur. Es find Kiosks, mitten in 
herrlichen, von lebendig ftrömenden Kanälen durchfchnittenen 
Gärten gelegen. Die perfifchen Gemälde find fonberbar genug 
und den Malereien der Chineſen in gewiſſer Dinficht verwandt. 
Die Gemälde, die ich eopirte, ftellen dar: das eine den Shah 
Abbas, umgeben von feinem Dofe, ein großes Zableau mit 
goan ig Siguren; ein anderes den Zhamas: Kouli: Khan mit 

m inbifchen Gefandten, ein drittes Feth-Ali-Schah, auf 
feinem Throne, umgeben von feinen Miniſtern.“ UÜbrigens 
preiſt fi der Neifende glädtih, in einem fo wunderherrlichen 
Klima den Winter zu verleben; ex befchreibt mit Behagen bie 
religiöfen Monumente, die ganz mit Malereien in Email über: 
bett und deren Dome, die Minarets, vom fchönften Grün 
und mit glänzenden Blumenguirlanden verziert find. 5, 


Biblingrapbhie. 


Barth, K., Teutſchlands Urgeſchichte. 2te, ganz ums 
gearbeitete Auflage. Gr. 8. Erlangen, Palm u. Enke, 2 Thlr. 
Dapy, J., Denkwürdigkeiten aus dem Leben Sir Hum⸗ 
phry Davy's herausgegeben von feinem Bruder ꝛc. Deutſch 





bearbeitst von &. Neubert. Gingeleitet von R. Wagner 
2 Bände... Mit dem Wilbniffe Davys und 1 Steindrudtafel. 
8 Leipzig, Bob. 5 Thlr. 12 Er. 

Dingelſtedt, F., Sechs Jahrhundert aus Gutenbergs 
Leben. Kleine Gabe zum großen Feſte. Mit Randzeichnungen 
von Prof. Friedr. Müller in Caſſel. zoglonitte von Andrew, 
Bel und Leloir in Paris und Prof. 8. W. Gubigtg in Berlin. 
Kl. Fol. Gaſſel, Jerome Hotop. 3 Thlr. 

Dumas, A., Joachim Murat's, Koͤnigs von Reapel, 
letzte Schickſale. Rach authentiſchen, bis jegt unbekannten Bes 
sichten mitgetheilt. Aus dem Franzoͤſiſchen von H. Elsner. 
Gr. 12. Rotweil, Herder. 12 Gr. 

— — Meiſter Adam, der Calabreſe. Launiger Raͤuber⸗ 
Roman überſetzt durch H. Elsner. Gr.12. Rotweil, Herder. 
1 Thir. 4 Gr. 

Der Engel mit der umgekehrten Fackel, oder: die Hoffnung 
bes Ehriſten über ben Graͤbern, in ganz neuen Grabreden von 
dem Berfaffer der chriftlichen Hallen und andern Geiftlidhen 
dargeftellt. 2 Bände. 8. Dinkelsbühl, Walthr. 1 Ihlr. 8 Er. 

rege, L., Deutſchlands und Preußens Zubel- reude. 
Erinnerungen an bie Jahre 1440, 1540, 1640 unb 1740, 
8. Berlin, Gropius. 8 Er. 

‚ „D9aller, © &. von, Die Freymaurerey und ihr Einfluß 
in der Schweiz. Dargeftellt und Hiftorifch nachgewiefen. Br. 8. 
Schaffhauſen, Hurter. 12 Gr. 

Hundeiker, E. G. 3, Der Herr Dekan Goͤtz zu Gna⸗ 
denberg mit ſeinem Freiherrn von Wieſau vor dem Gerichte 
des geſunden Menſchenverſtandes, ber Geſchichte und der heili⸗ 
gen Schrift. Eine kritiſche Beleuchtung ber, gegen Herrn 

r. Bretſchneider's Freiberen von Sandau gerichteten, Schmähs 
ſchrift „der Freiherr von Wiefau”. Gr. 8. Neuftadt a. d. O. 
und Schleiz, Wagner. 18 Gr. 





£edebur, L. von, Ueber die in den Baltifchen Laͤnhern 
in ber Erde gefundenen Zeugniffe eines Dandels = Verkehrs Imit 
dem Orient zur Beit der Arabifchen Weltherrichaft. 8. Berflin, 
Gropius. 10. Gr. 

Menzel, ©. A., Verſuch einer Darftellung der Kunkft- 
Sinnbilder, infofeen fie ber jegigen Beit angemefien find. Feaͤr 
Künftler, Kunftliebhaber, Fabrikherren und Alle, welche xfich 
mit bitdlichen Darftellungen befchäftigen. Gr. 8. Berlin, Porfen 
u. Bromberg, Mittler. 1 Thir. 8 Br. 

Ppietorz, I, Aeſthetik, als Wiſſenſchaft entwickkkit. 
Gr. 8. Wien. 1 Ihlr. 

Puſchkin, A., Gedichte. Aus dem Rufliihen überlegt 
von E. v. O. Gr. 8. Berlin, Gropius. 1 Thlr. 

Romantiſche Reifen durdy die Welt, oder: Umfaflende Se⸗ 
mälbe aller merkwürdigen Orte ber gefammten Erbe mit RüNd- 
fit auf die Sitten und Zuftände ihrer Bewohner. Gin vdıl- 
ftändiges, vomantifch » geographiſches Haus» und Reiſebuch niit 
vielen lithographirten Abbildungen, Holzſchnitten und Karte,n, 
zur Luft und Lehre für Alt und Jung, von W. 8. Hort s 
mann und A. 8. Meiffner ifter Band. Europa. ſi 
Abth. Das Königreich Preußen] — Auch u. d. T.: Romalıs 
tifch s geographifches Gemälde des Königreichs Preußen. Ra 
den beften Quellen als Haus⸗, Schuls und Neifebuch bear: 
beitet von W. B. Hoffmann und X. 8. Meiffner. [ifte®, 
2tes Heft.] Sr. 8. Berlin, Liebmann u. Comp. 8 Gr. 

Schefer, L., Mahomers türkifche Himmelsbriefe. Gr. 
Berlin, Veit u. Comp. 6 Gr. N 

Theses CI. Zur Reformations= Beier in Nord : Deutfdg- 
land, Gr. 8. Bafel, Spittler u. Comp. 4%, Er. Ä 


_ Verantwortliher Deraudgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 195. — 


13. Juli 1840. 





Neueſte engliſche Literatur. 
1. Nina Sforza. A tragedy in five acts, by @. Troughton. 
London. 

Ein londoner Correſpondent d. Bl. hat vor kurzem 
„Eine Legende aus Florenz“ und „Maria Stuart“ als 
zwei der neueſten und gedenkenswertheſten Bühnenerfchei- 
nungen befprodhen. Faſt gleichzeitig mit ihnen ift das 
fünfactige Zrauerfpiel ‚Nina Sforza”, wenn aud nicht 
über die Bühne, doch unter ber Preffe hervor in die Welt 
getreten. Gleich jenen bleibt es weit vom Ziele drama: 
tifcher Vollkommenheit; aber es fcheint, daß der junge 
Dichter darnach firebt, und feine erfte Gabe berechtigt we⸗ 
nigftene zu ber Hoffnung, daß er zum Vorſchreiten bie 
Kraft hat. Rafael Doria, Sohn bes Dogen von Genua 
und von biefem wegen einiger Ungebührlichleiten in die 
Fremde gefhidt, kommt in Florenz gerade zur rechten 
Zeit an, um bie Tochter feines Gaflfreundes, eines edeln 
Storentiners, die ſchoͤne und mit der Welt unbelannte 
Nina Sforza, dem Wellentode zu entreifen. Sein Be: 
gleiter ift Ugone Spinola, befjen Vater im Kampfe um 
die Dogenwürde gefallen. Die Kamilien haben fich du: 
ßerlich verföhnt und Ugone heuchelt Freundſchaft. Er 
liebt Nina; Nina erwidert Rafael's Liebe und wird ihm 
vermählt. Das erhöht des Erſtern verfchwiegenen Groll. 
Der Doge ſtirbt. Rafael Lehre mie Nina und Ugone 
nach Genua zurüd. Das heitere Stud der Vermählten 
zeigt dem Freunde, wo feine Rache am fchmerzlichften 
treffen kann. Aber Nina’s Feſtigkeit und Rafael's durch bie 
Liebe zu ihr feftgewordener Sinn vereiteln die Verlockungs⸗ 
verfuche. Da erklärt Genua an Florenz den Krieg und 
Rafael zieht an der Spige bes Heeres aus. Nun zähle 
Ugone auf fihern Triumph. Die Entfernung von Nina 
muß eines Rafael's Zreue brechen. Als Nina dem heim: 
kehrenden Gatten entgegegeneilt, findet fie ihn zu den 
Fügen der Slorentinerin Laurana. Noch, find Beide ſchuld⸗ 
(06; aber von Ugone geführt, fieht Nina ihren Gatten 
"zur Machtzeit in Laurana's Haus fchleihen. Sie fodert 
yon Ugone Gift für ben Zreulofen, nimmt es felbft aus 
der Hand des Reuigen und flieht. Rafael folgt ihre und 
trifft auf Ugone. Der kalte Hohn bed Freundes reißt 
ihm das Schwert aus ber Scheibe, Ugone entmaffnet ihn, 
aber will ihn nicht tödten. Der Beſitz von Rafael's De: 
gen erweckt in deſſen Gefolge, dem Ugone begegnet, ben 


Verdacht begangenen Mordes und bringt Legterm dem, 
Tod. Rafael erreicht Nina an berfelben Stelle, wo ex fie 
vom Wellentode gerettet, und fie flirbt-in feinen Armen. 
Schon aus bdiefer Skizze dürfte das Fehlerhafte der Ans 
lage wie der Charakterzeihnung hervorbliden. Aber bie 
einzelne Scenen durchgluͤhende Leidenfchaft und die fafl 
immer ſchoͤne Sprache machen es dem Lefer vergeflen, und 
er muß erft zu kritiſiren anfangen, will er die Fehler 
gewahr werben. Statt langer, bier nicht zuläffiger Des 
weisauszüge nur einige Zeilen. Spinola kann fih in 
Zaurana nicht täufchen. 

— — —  Öf her I’m sure. 

Her loose affections hang upon her heart, 

Like luscious fruits upon autumnal boughs, 

That drop with ev’ry breeze. A man so young, 

So fair to look on as this Doria is, 

Would never sigh in vain with such as she. 
Und als Nina in dem, ihr von Spinola gebrachten, 
die Schuld des Gatten bezeugenden Briefe beffelben an 
Zaurana bie Handſchrift erkannt bat, bricht fie im bie 
Worte aus: 

— — Itis! It is! 

Had you but said the smallest, farthest star 

Had dropp’d from out its setting in the sky, 

And lay, a crystal mountain, on the plain; 

Or things more wild, more out of nature’s course, 

I had believ’d them rather than — Great Heav’n! 

Can he have loved as I am sure he did, 

And after be untrue? — If so, break heart! 

The world is not the world thou dream’dst about! 

And do those wither; ’tis no world for thee! 


2. The comic novel, or Downing-street and the Days 
of Victoria. London. 


Laſſe weder Freund noch Feindin des Skandals von 
dem Titel ſich zum Ankauf verloden. Das Geld ifl weg» 
geworfen, und felbft wem feine Zeit gar nichts gift, ver _ 
liert, wenn er fie an das Lefen fest. Den einzigen Bes 
weis von Gefühl für Schicklichkeit hat der Verf. durch 
das Berfchroeigen feines Namens gegeben. Wahrfcheinlich 
ift er einer von Denen, die, weil ihre Witze bisweilen in 
Geſellſchaft belacht werben, ſich bie Faͤhigkeit zutrauen, ein’ 
witziges Buch zu ſchreiben. In Downing⸗Street mag er 
befannt fein, vielleicht auch in ben „Zagen Victoria's“ 
Manches mit eigenen Augen gefehen haben. Nur iſt zu 
bedauern, daB er feine Bekanntſchaft nicht zu einer in⸗ 





Li 


tereffanten Mittheilung benugt unb blos für ben Schmuz 
Augen gehabt hat. 
3. Nickleby married. London. 

Es braucht den Deutfchen kaum gefagt zu werben, 
daß dies eine Fortſetung von Boys „Niklehy” iſt, von 
Nidieby, dem fin einer ſchlechten Verdeugſchung vll Gele: 
ſenen. Die Fortfegung hat das eigenthümliche Verdienft, 
obwol nicht von Boz, doch gut zu fein — keine Illade 
noch Homer, ‚nicht einmal ein zweiter Theil des „Kauft“, 
und bem Verf. gebührt das Anerkenntniß, fi nicht mit 
Boy Wr agefchiiibener Feder begnügt, fondern ihe nut den 
fehhern Schnitt gelaffen und eine neue Spige gegeben zu 
haben. Als Übergang heißt e8: 

fgegen, der Gewohnheit aller @efchichtenerzäpler und Ros 

PR oa und in geradem Wiberfpra It der abgedro⸗ 

ſchenen Behauptung, daß Deitathen das Ende des Lebens ſei, 

aäytan.ioie:. biefe fölgenfänuese Epoche zum Anfange bes’ unfels 

> wie meinen deö:&ebens unfess Yelben, mit. beffan frühern 

nteuem, Gefahren, Entwifchungen, Verlegenkeiten und Kiem⸗ 
wen wic die Eefer vollkommen befannt glauben dürfen. 

Auch Squeers tritt wieder auf. Nickleby und die 
Stinigen: werden ſpaͤt eines Abends vom Bellen bes Hof: 

ſundes alarmirt. Frau Nickleby jun: beſchwoͤrt ihren 
ten, ſich nicht hinauszuwagen, und Frau Nickteby sen. 
t undebingt' bei. 

„Es Eönnen Räuber fein”, fiel Bau Nicleby ein. „Ich 
erinnere mid; eines Weihnachts — nein, e® war wol eines Dir 
aelisabends, ber: wis: hatten eine gebratene Gans zu Wlittag 
gabe — ba.hönten wir. ein fürdsterliches Pochen am Hofthore. 

in guter Water: lond auf und langte-feine große Blinde herab 
en 

nn ; r 

tes — und doch konnte es fein lachtſchwert wii 
in Pa j mi, ee eins hatte; — 

a8 langte er’ yerab um” —. „Mutter! Madellne!“ fee 
Eu} imels: willen laßt mid) Los; der: Kettenhund 
zeißt Jemand in Stüden!" — „Nein, nein‘, rief Newman 
Rogg6 und ergriff feinen: in der Ede lehnenden Stock; „laßt 

. Ähm nicht loe, Haktec.igen feſti Ich will nadfehen.“ 

Die fortgefegte: Frau Nidieby iſt ein: Cabinetbftüd. 
Und eins dergleichen iſt Squeero/ den der Hund zerzauſt hat. 
ut iſt geisefen, ber mich aufgefreffen”‘, antwortete ber 
Seentde und befühlte den’ verlegten Theil; „mein Lebelang wird 
mir das wirber wachlen; — em Yihterlifiiges, boshaftes, 
vo _ „Aber a doch bebenen’‘, fagte 
nur feine Schuldi * 
or in 


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dee 

Be —8 —3 Gil sie 
nich fo zu, wie Ihr mich ges 
dy*, daß ich ben’ Üserfegern 
hne meinen Rach wird das 
inſche daher bloß, es nicht 


4. The Csar; a romance of history. London. 
"Eine neue Erſcheinung in England. No hat mei: 
nes Wiſſens kein engliſcher Novelift feinen Standpunkt 
in Rußland genommen. Rußland iſt den Engländen — 
in Allgemeinen. — bein liches Sand und wol mäglid, 
daß die enplifhen Dichter ihren Ruhm ober ihte Phans 
tafie dort zu erfrieren fürchten. Der vorliegende hiſiori⸗ 
ſche Roman behandelt das Leben des „großen“ Kaifers 
nad) Karamſin s Angaben, und wenn die Abtweihungen 
in der Dichtung ihre Entſchuldigung finden, fo werden 
fie durch das aus ben Abweichungen entfichende Imereffe 
ber drei Theile noch überdieß gerechtfertigt. Der gedräng- 
teſte Auszug würde zu lang fein. Dagegen will ich von 
den eingelegten, fehr hübfchen Gedichten eins als Probe ge 
ben, nicht‘, weil e6 das hübſcheſte, ſondern weil es das 
kuͤtzeſte iſt und "gewiß bald auf dem Lippen aller lieben⸗ 
den Sänger fein wird. Ich meiß nice, ob es fid für 
Deutfhland mundgetecht machen — Hefe. 
The song of Master George. 
‚Adbow to the land’ of the slave, 
Which. the rod of a tyrant has smitten: 
land for the free and the brave, 
at is the home of the Briton. 
Let them glory in fetters — caress 
The scourge that is lifted to May them: 
Let them crouch te the despot and biess- 
The sword that' is brandish/d to slay them. 
We have tyrants, ’tis true, .but-thieir ohain 
Is.over entwined with swoet rasen; 
And oh! if they solace onr pain, 
Their kindness Elysium discloses. 
And the chain, the bright chain that we wear, 
Of heavenly joys is the omen; 
For ’t is wove by the hand of’thö falr, 
And the lock is secured by sweet: woman. 
5: The hope of the world, and otlier poems, by 
Ckaries Mackay. London. 

Über die Gremdlage und den Zweck diefer Sammlung 
erklärt ſich der Dichter in feinem Votwotte. 

Borliegendes Bud) — fagt-er — iſt ein Verſuch. Feſt übere 
yeust,. das es der Galomsposfle, ber n Reraf und 
ber fühwälfifgen Gentimenteiitäe beseits zu. viefe gikt, hat bes 
Verf. ſich unterfangen, % ber ehemaligen Ginfarhheit gurüds 
qulehuen, dabei gesn ber Meinen Hoffnung vertrauend, daß, ers 

laßt: vom Genuffe der fühtldjen und, weil nur aus gefäpmorten 
Worten beftehend, ſehr unnahrhaften Speife, bie Befeweit 
Eau rn an ae ie 
en er jenes einfachen, my ni 

eben Dihterfäule haben wird, aus wie Pape, Gelbe 
fit 








Rogers und Campbell hervorgegangen find. 
uch Pope? ber bei aller Sreiheit von Biererel; 
Schwulſt und Manlerismus doch wol wentger der ein— 
fache Naturdichter als det feitte, zatte und ſinnige Dich— 
tee der Geſellſchaft und Philoſophie heißen darf. den⸗ 
falls Hat ber tiefe Pathos eines Campbell und Gordfmich, 
und haben beren ruͤhrende Gemaͤlde von ben Freuden und 
Sorgen Miebriggeborener mit Pope's harakteriftifcen Zeich⸗ 
nungen wenig gemein. Gel dem jebod wie ihm wolle, 
hat audy Mackay In feiner Clſſificitung, fo hat er doch 
gewiß in der Wahr feiner Mufter ſich nicht vergriffen, 
und feine Phantafle, fein Geſchmack und feine Bierlichkeit 


u 


find ſolcher Votbilder wuͤrbig. Bas erfte und laugſte Ge⸗ 
dicht hat der ——— Namen gegeben: „Die Hoff 
nung deu. Wett”, ein Gedicht in- zwei: Geſaͤngen, bie 57. 
Seiten: füllen; es zeichnet ben: Menſchen, wozu bie: Natur 
im geſchaffen, was er fein koͤnnte und was er iſt. Die 
Eteinern Gedichte find nicht minder fchön, bie Verſe flie⸗ 
Bend und voll Wohlklang, und wer die Sammlung ver: 
aͤchtlich bei Sekte wirft, ober, wenn er fie gelefen, nice: 
ein zweites Mal zu lefen wünfcht, bem mag es zwar 
gleich gelten, was ich von ihm denke, doch — kann ich 
ihn nicht beneiden. 


6. Aunt Mery’s paetry. 

Allerdings nue eine Compilation, aber eine geſchmack⸗ 
volle. Die beften Dichtungen einer Hawitt und einer 
Hemans, beglitet von MWorbsworth:s „Wir find fieben‘, 
find in jeder Geflalt willtommen. Ich möchte das. Buch 
Zuckerwerk für Kinder und Kraftbrühe für Erwachſene nem: 
nen. Es ſtaͤrkt nach gethaner Arbeit zur Arbeit. Be: 
kannt iſt wol die Anekdote von Napoleon und dem eng: 
liſchen Matrofen, der ſich aus einem Faſſe ein Boot ge⸗ 
zimmert und damit Über den Kanal fegen wollte, aber 
von der franzöfifchen Strange ergriffen und vor Nas 
poleon gebracht wurde. Die Freunde des Legtern und 
auch die Freunde der englifchen Matroſen werden die Schluß⸗ 
ftrophen des betreffenden Gedichte nicht ungern Iefen: 

With folded arms Napoleon stood, 

Serene alike in peace or danger, 
And in his wonted attitude 
Address’d the stranger: 
„ash youth! that would’st yon Channel pass, 
With twigs and staves so rudely fashiened, 
Thy wart with some: sweet English. lass 
Must be impassioned.‘’ 
„I have no aweetkeart”‘, said the Ind; 
„But absent years from one another, 
Great wäs the longing that I had 
To .see my mother.‘ 
nd z0- thau sbalt‘‘, oleen. said 
—— ’ve both my mir justly- won, 
A. noble. mothar must. hava bred 
So brave a son.’ 
the tar a pi of gold, 
a eitho May St trans Sommanded 
He should. be. shipp!d: to’ Esgland- old, 
And safely landed.: 
Our saitor oft could soantiy shift 
Fo find’a’dinner plain and hearty; 
But never chang’d: the com and: gift 
Of Buonaparte!' 

7, Free Parliaments, or a Vindication- of the Fundamen- 
tal: Bight of the Commons of England etc., by Sir 
Humphrey Mückworth, M. P. First printed in 17704. 
London. 

Der Wiederabdruck diefer Heinen Schrift. wurde durch 
das: Benehmen des: Untechaufes: im Sachen Stodbals unb 
Conſorten veranlaßt. Das ehtenwerthe, auf dem Titel 
genannte Parlamentsmitglieb iſt nur Herausgeber, nicht 
Verfaſſer. Der war Lord Orford, und für ihn die Ber: 
anlaffung eine unter Königin Anna das Haus der Ger 





meinen aufregende Prfotikgiumefrage, welche mit bem; 
Streite zwiſchen dieſem und dem Gerichtẽhofe ber 
Queen's Bench viel Ahnliches bat, Die Cchrift ers 
ſchoͤpſt ihren Gegenſtand vollkommen und iſt fo far 
und deutlich und fo gut gefdjeieben, daß, wer ſich für Dem 
neuern Streit intereffirt — und es handelt fich babe auf. 
Seiten des, das Volk vertretenden Unterhaufes ‚wirklich 
um mehr ala Form und Schein — in ihr über alle ein⸗ 
ſchlagende Punkte bie volſtaͤndigſte Auskunft finden kann. 
Dies ſowol als die Dunkelheit in ben betreffenden Par⸗ 
lamentsdebatten haben dem Buͤchelchen einen ungeheuern 
Abſatz verſchafft. 
(Die. Zortſetuug felgt.) 
Über Socialphilofophie. 
Ein 9 


fell 
getreten" iſt. 


och vermiſcht, im dem nachfol⸗ 
genden in Harmonie gebracht. Jede aus dem Alter des Eyn⸗ 
kretismus getretene Geſellſchaft erſcheint uns in zwei entgegen⸗ 
geieate Felblager getheift:‘ einerſeits fehen wir eine einfdemige 
af, wilde bes Berf. die foclale Mattrie nennt; ans 
dererſeits eine große Hi Klnſtier, die eitler mehr ober 
weniger ſtrengen Dietiplin unterworfen ſind; ein” antieipfrtes 
Bd, ein prophetiſches Symbol ber großen Otganffatlon‘, mit 
ber Alles enden wird: ba treten die Sociaͤlgewalten zuſanimen. 
Die: ſociale Materie iſt ber Wile ber, wenn kein heüſames 
Band ihn in Schranken’ hielte, ſich ohne unttrſchieb auf ade 
| Bahnen für en und immer in Uncinigkeit und‘ Krleg mit fig 
fetoft und Allen, was ihn unigibe, feih würbes weile ahbere 
Rolle kann ihm in der Geſellſchaft zukdniinen,. als bie des Ges 
örfäme? Die foclale Gewalt dagegen iſt das Geſeg, d. h. bie 
Vernunft. Dieſe beideh Elemente fuchen einander und verbins 
den 3 in verſchtebenen Gruppen, von denen die erſte das 
haͤusliche Syſtem ober die Familie bildet. Es offenbart ſich 
nach außen durch die mehr: oder wenigen: fehle Wohnung, wo⸗ 


mente zu finden, Muß man fie in einer Beietigaft — p, „er 
e 





U} 


sin die Familie zuſammenlebt. Nach der Yamilie kommt ber 
Stamm, die Gemeinde, die Stabt (la cite), oder das bürger: 
liche Syftem. Dann folgt die Nation, ober das nationale Sys 
ftem. Endlich wird eine Zelt kommen, wo bie Schranken, 
weiche jegt bie Nationen trennen, fallen werden, und bann 
beginnt die Herrſchaft des menfchheitlichen Syſtems. Diefe vier 
Syſteme entſtehen und erzeugen einander in der angegebenen 
Ordnung. a8 Alter der vorherrfchenden Sinnlichkeit iſt bie 
Kindheit; das Alter, wo bie Einbildungstraft vorberrfcht, iſt 
die Jugend; das Alter, wo bie Vernunft erſtarkt und bie Za⸗ 
gel hätt, ift das der Mannheit. Dem Kinde iſt das Anges 
nehme, dem Süngling das Schöne, dem Manne die Harmonie 
Merkmal des Wahren. Die Form bes Willens ift in bem ers 
ften diefer drei Alter die Selbſtſucht, im zweiten das Mitgefühl 
und im dritten bie Hingebung an das Gute. Dielen drei bes 
fondern Zuftänden entfpricht der Souverain durch drei parallele 
Zuftände: für die Erziehung und Regierung bes finnlichen 
Lebens ift die politifche Gewalt, ober ber Staat; für bie Ers 
iehung und Regierung bes poetifchen Lebens bie priefterliche 

ewalt, ober bie Religion; für die Erziehung und Regierung 
des vernünftigen Lebens bie philoſophiſche Gewalt, oder bie 
der Wiſſenſchaft. Im Staat iſt das Geſetz ein Gebot, in der 
Religion ein Hymnus, in der Wiffenfchaft ein Syſtem. Der 
Staat regiert durch die phyſiſche Gewalt, bie Religion durdy 
Berebtfamkeit, die Wiſſenſchaft Durch bie Vernunft. Das Alter 
des politifchen, religiöfen und wiffenfchaftlichen Individualis⸗ 
mus iſt das, in weldem dieſe Sewalten, nunmehr getrennt, 
größer werden und Tich iſolirt entwickeln, jedoch ohne einander 
völlig zu umfchließen. Das Leben ift immer gleichzeitig ſinnlich, 
poetifh und vernünftig; bie Gewalt, welche das gefellfchaftliche 
Leben vegiert, wird mithin auch zu gleicher Zeit poetiſch, reli⸗ 
gios und wifienschaftlich fein. “Aber in diefem Alter des Indi⸗ 
vidualismus drüdt immer ein Dauptelement ben andern feinen 
Stempel auf und ſucht fie mit fi zu affimiliren. Jede 
der drei Wandelungen, in benen eine einzige Gewalt die herr: 
chende ift, durchläuft felbft die drei Perioden des Synkretis⸗ 
mus, SIndividualismus und Synthetismus. Der Synkretismus 
1Aßt feiner Natur nad) Feine Beſchreibung, Feine Definition zu, 
bat keine Geſchichte. Was den Spnthetismus betrifft, fo Kann 
man ihn nur vorberfagen. Nur der Individualiemus hat feine 
Geſchichte. Die Bedingung ber priefterlihen Gewalt iſt der 
Blaube. Gottes Dafein wird uns, nach des Werfaflers Anſich⸗ 
ten, nicht durch Vernunftgründe, fondeen durch unmittelbare 


- Wahrnehmung offenbart. Das religidfe Mittel, deſſen fich der 


Driefter bedient, ift die Kunſt. Sie MHärt auf, lenkt, er: 
f&üttert, zügelt. Der Vertreter des politifchen Gefepes ift der 
Juriſt. Der Vertreter bes religibſen Gefeges ift der Priefter, 
der aber ein Künftler, ein Dichter, vates fein muß. Der 
Vertreter des Vernunftgefeges ift der wahre Philoſoph. Ihm 
ift der Skepticiesmus, der aus der Wiſſenſchaft felbft hervor: 
geht, Weg zur Wahrheit, die ihm allein gilt. Endlich kommt 
das Alter ber Reife, welches das vierte und letzte ift, und zu 
dem die vorhergehenden nur Stufen, Übergänge find. Was 
das finnliche, das poetifche Leben Gutes in ſich haben, fo er: 
halten werden. Eine Zeit muß kommen, wo biefe verſchiedenen 
Elemente des Lebens ſich harmoniſch verbinden, wo bie Ver: 
nunft poetifch und. finnlih, wo bie Liebe Ihre Lefdenfchaftliche 
Heftigkeit, das Mitgefühl feine Überfpannung, die Uneigennügigs 
keit ige trockenes Wefen verlieren werben und wo das Leben, 
welches vorher ein beftändiger Kampf war, harmoniſch fein 
wird. Das Alter der Reife begreift demnach alle die übrigen 
Alter in fih, und ihm entfpricht eine höchfte Gewalt, weiche 
alle Übrigen Gewalten in fih vereinigt. Da jedoch die Reife 
fein neues Princip in ſich faßt, fo wird die ihr entfprechende 
Gewalt auch Feine neue Autorität in ſich fließen; fie wirb 
nur die zerflreuten Kräfte, welche dem Geſetz, der Religion 
und ber Vernunft gehören, in einem gemeinfchaftlichen Organis: 
mus fanımeln und concentriven; fie wirb weber ber Staat, 


noch bie Kirche, noch bie Wernunft allein, ſondern bies X 
zu gleicher Zeit fein. Der Verf. nennt fie Se Gentralgemae 
ober die Regierung. Ss ift hier aber von Zeiner Berfchmel- 
ung die Rede, welde jedbem dev Glemente bie ihm eigene 
ätigkeit rauben würbe, ſondern von einer Drganifation, 
welche, ihnen bie unabhängige Thaͤtigkeit laſſend, fie einem 
und demfelben Geſetz abſichtlich unterwirft. Die Iegitimen Sou— 
veraine diefer ſynthetiſchen Geſellſchaft müffen die dreifache Tu⸗ 
gend und die dreifache Wiſſenſchaft bes Juriſten, bes Priefters 
un des Philoſophen im fich vereinigen und in Sarmonie 
ngen. 18, 





Literarifhe Anzeige. 


Bericht über die Verlagsunternehmungen für 1840 
von 5. 4. Brodhaus in Leipzig. 
(Bortfegung aus Nr. 181.) 


MM. An neuen Auflagen und Neuigkeiten erfcheint: 


+50. Aleris (W.), Der Roland von Berlin. Ein Roman. Dr 
. U} e ei 
on dem Werfaſſer erſchlen früberin i 
Schloß Acalon. Frei nach dem Snalifgen des Kalter uerle here 
jener de6 Walladmor. Drei Bände. 8, 1877. 5 Zhlr. 12 Or. 
Biener Bilder, Gr. 12. 1833. 2 Thlr. r. 
Des pas Bufterneg. Cine Geſchichte aus der Gegenwart. Zwei Bände, 


*31. Apel (Theod.), Gedichte. 8. Geh. 1 Thlr. 

*82. Bericht vom Jahre 1840 an die Mitglieder der Deutfchen 
Geſellſchaft u Erforſchung vaterlaͤndiſcher Sprache und Alter⸗ 
dimer in re Herausgegeben von Karl Aug. Efpe. 

rt. Ö. ed. 

Die Berichte vom Zahre 1885 — 39 koſten jeder 10 Gr. 
+83. Cordelia. Cine Erzählung von ber Verfafferin von „Agnes 

von Lilien”. Zwei Theile. 8. Geh. 3 Thlr. 8 Er. 

84. Dante Alighieri’s Inrifche Gedichte. Italieniſch und 
beutfch herausgegeben von Karl Ludw. Kannegießer. 
Zweite, verbeflerte Auflage. Gr. 8. 
nn erfäten in meinem Verlage: 

tt ie des Dante Alighieri. ã 
von LK. ER Kan n egieber. Dr iite® —— 
Theile. Mit Dante’s Bildniß und geometriſchen Plänen ber Hille, des 
Pisekurm und bet Paradiefeb. Gr. 8. 1832. Bisher 3 Thir. Kept 

8co Detrarca’s ſämmtli , 
“nd Setumphe. Überfepe und mir ein eette, Balaten 
von K. Yörfter. Zweite, verbefierte Auflage. Gr. 8. 1833, Bisper 
2 Thlr. 6 Gr. Jeßt füri Zhle 4 Sr, 

Torquato Taffo’& Befreites Zerufalem. Überfept von K. Streck⸗ 
uß. Zweite, derbeflerte Auflage. Zwei Bände. Gr. 12. 1835. 
isher 2 Ihle. Jeßt für 1 Xhlr, 

Bon ber erften Auflage diefer Überfegung, mit gegenüberz 
chendem Driginaltert, find no einige Gremplare vorräs 

Ber Mefe rc Werten Die kun EA) nreife 7 Ihlt. 6 Gr., im herabgeſetzten 
preife 3 Ihle. 16 Gr. koften, sufammennimmt, All fe fü rdrei T ale r. 
35. Ersch (Joh. Sam.), Literatur der schönen Künste 

seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis auf die 

neueste Zeit; systematisch bearbeitet und mit den nöthi- 
gen Registern versehen, Neue bis zum Jahr 1880 fort- 
gesetzte Ausgabe von Joh. Karl Aug. Rese und 

Christian Ant. Geissler. (Aus der neuen Ausgabe des 

Handbuchs der deutschen Literatur besonders abgedruckt.) 

Gr. 8. 3 Thlr. 12 Gr, 

*86. Examinatorium in jus criminale Germaniae commune, 
In usum tironum editum. 8. Geh. 16 Gr. 

IH habe diefe Schrift aus dem Verlage von G.%. Krug in Frankfurt 
et und fie ift jept gu bem ermäßigten Preife alein von 
*37. Kranfi (eudw. Aug.), Gedichte. 8. Geh. 

"88. Sagern (Hans Ehriftoph Ernft, Freiherr von), 
Kritik des Boͤlkerrechts. Mit praßtifcher Anwendung auf unfere 
Beit. Br. 8. Geh. 1 Thlr. 20 Gr. 


(Die Bortfegung folgt.) 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodbaus — Drack und Berlag von Z. X. Brockhaus in Leipzig. 


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Bil a 


tter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienftag, 





Neuefte englifhe Literatur. 
(Bortfegung aud Nr. 1%.) 
8. Letters of the Earl of Dudiey to the Bishop of 
Llandaffl. London. 

Zwei Sterne Englands flanden Canning und Dudley 
nebeneinander. In Allem, was den Glanz eines parla: 
mentarifchen und politifchen Lebens bildet, brauchte Can: 
ning fÄnem Freunde Dudley nicht zu weichen, Dudley 
an Verfiandesgaben und deren Ausbildung feinem Freunde 
Canning nicht nachzutreten. 3. W. Ward, fpäter Lord 
Dudley und Ward, zulegt Graf Dudley, wurde nicht blos 
wegen feiner Intelligenz, feines Scharfblids und feiner 
Kenntniffe, fondern auch wegen der Zierlichkeit und Of⸗ 
fenbeit bewundert, mit welcher er ohne Ausnahme feine 
Gedanken und Anfichten entwidelte, mochte es mündlich 
oder fchriftlich gefchehen, Literatur oder Politik betreffen. 
Seine Depefhen und fonftigen diplomatifchen Arbeiten ge: 
wannen im Punkte der Eleganz Ganning oft ben Bor: 
rang ab, obgleich dieſer gerade auf folche fich etwas zu⸗ 
gute that, und ebenfo oft konnten Ward’6 ausführliche 
Denkſchriften an Tiefe und gruͤndlicher Gediegenheit mit 
denen des ſtets ausgezeichneten und zulegt fiegreichen Staats: 
mannes fi) unbedenklich meſſen. Das vorliegende Wert 
nun muß den Charakter des Grafen Dudley noch höher 
fielen, und zwar in der Achtung Aller, bie, wenn von 
Achtung bie Rebe, überhaupt in Betracht kommen, der 
Verftandigen und Unparteilfhen. Feinde und Neider ba: 
ben den Glauben zu verbreiten gefucht, daß ber Grafen: 
titel und fürftlicher Reichthum einen Strahlenkranz um 
Dudley's Talente und Fähigkeiten gewoben, und daß er 
nie zu folcher Auszeichnung gelangt fein würde, hätte er 
die ſchwerern Prüfungen eines minder vornehmen und 
minder reichen Mannes zu beftehen gehabt. Jener Glaube 
findet in gegenwärtiger Brieffammiung feine vollfte Wi: 
derlegung; fie bewährt den Grafen als gefunden und tie: 
fen Denker, als aufmerkſamen und fcharfen Beobachter, 
als einen Mann von zu fräftigem und eigenthuͤmlichem 
Gepräge, um die Segenftände in feiner Nähe nach der 
kunſtlichen Verfaͤrbung zu beurtheilen, welche ein gleich 
fam conventionneller Betrug Seiten der höhern Stände 
ihnen gegeben hat. Der Graf fing damit an, bie alten 
torpflifgen Rogierungsmarimen zu bezmeifeln, dann ver 
warf er fie, dann befämpfte er fie, dann machte er fie 


14. Juli 1840, 


— 





laͤcherlich und ſtellte furchtlos den hoͤchſt unarifkokratifchen 
Satz auf, daß England gleich allen uͤbrigen Laͤndern Eu⸗ 
ropas ſeine Inſtitutionen uͤberlebt habe und daß, um 
Schritt zu halten mit der vorwaͤrts draͤngenden Bewegung 
in der buͤrgerlichen Geſellſchaft, ſie im Allgemeinen um⸗ 
geformt und in einzelnen Faͤllen durch voͤllig neue erſetzt 
werden muͤßten. Das war nicht allenthalben Canning's 
Anſicht; Canning ging mit dem Zeitgeiſte, Ward eilte 
ihm voraus. Canning wartete den Impuls ab und gab 
ihm dann die Richtung; fein Freund fuchte den Impuls 
zu geben und erhob fich über die Oberfläche der intellee⸗ 
tuellen Welt und weit, fehr weit Über die Kafte, in wel: 
cher er geboren war und mit welcher ex verkehrte. Der 
Graf hatte Fehler und fein Verſtand hatte Mängel, bei: 
bes vielleicht eine Folge ber traurigften aller Krankheiten, 
bie Ihn fo frühzeitig dem Dienfte feines Vaterlandes ent 
riß; aber ein boshafte® Sichten, ein heimtüdifcher Eifer 
bat fie vergrößert. Seine Teſtamentsvollſtrecker widerſetz⸗ 
ten fich der Veröffentlichung vorliegender Briefe, und ohne 
ben feften Sinn des Bifhofs von Llandaff waͤren fie, 
wenn aud nicht für immer, body dee Gegenwart verlo: 
ren gewefen. Warum wiberfegten fich die Erecutoren ? 
Weit der Inhalt der Briefe nicht ihe Glaube war. Aus 
demfelben Grunde wurde ber größte Theil von Sir Iſaak 
Newton's literariſchem Nachlaſſe vernichtet, und das nens 
nen die Leute in England eine fromme Fürforge, ich 
glaube gar Pietät! Die Sammlung mthätt 94 Briefe, 
ſaͤmmtlich aus den Jahren 1814— 23, wichtige Jahre 
in den Annalen des Menſchengeſchlechts. Die Briefe bes 
fprechen abwechfelnd Literatur, Reifen, Zagesereigniffe und 
ganz vorzüglich die damals theils fich vorbereitenden,. theils 
ins Leben tretenden Reformen. In biefer legten Bezie⸗ 
bung tft das Buch vom größten Intereſſe und vom ges 
diegenften Werth, und gerade die jegige Zeit ſchuldet 
dem Bifchofe für die Herausgabe doppelten Dank. Es 
ift aus mehr als Einem Grunde ſchwer, dem Buche ets 
was für ein deutſches Blatt zu entlehnen. Aber mit 
Meglaffung einiger Seitenpartien wil ih doch an dem 
Portrait nicht vorübergehen, welches der Graf von dem 
englifhen Univerfitdten und namentlid von Orford ent: 
worfen hat. 

Ich wundere mich keineswegs — heißt es in einem Briefe 
an den Biſchof —, daß ein Dann von Ihrem Verftande und 
von Ihrer Gefinnung ſich empdrt fühlt über die bigote Feind⸗ 


feligkeit, mit welcher die groͤßere Zahl Ihrer akabemiſchen Freunde 
und Zeitgenoſſen Ihren ſo gemaͤßigten und vorſichtigen Verbeſ⸗ 


ſerungsvorſchlaͤgen entgegentritt. Was ich ſelbſt anderwärts ge⸗ 


ſehen und von Andern gehört, laͤßt mir keinen Zweifel, daß 
Sie die erfahrene Halsflarrigkeit und Intoleranz nicht im ge: 
ringften übertrieben haben. — Es Bann mir nicht einfallen, 
die Üniverfität, deren geſchickteſtem Vertheidiger gegenüber, zu 
ſchmaͤhen; auch habe ich dazu wirklich weder Sinn noch Reigung ; 
allein bas darf ich wol fagen, baß unter allen Menſchen, deren 
Bekanntfchaft ich gemacht, die in Oxford refidirenden Geiſtlichen 
mie immer als bie determinirteflen Gegner jedweder heilfamen 
Veränderung erfchienen find. Weit allem Übergewichte Ihres 
Charakters und Ihrer Talente werben Sie bei denen wenig aus: 
sichten. Jedwede Verbeflerung muß ihnen — wie das von jes 
ber der Ball geweien — von außen mit Bewalt aufgedrungen 
werden. — Es mag fein Butes haben, daß es eine Körper: 
ſchaft im Staate gibt, welche zu fchnelle Neuerungen verhins 
dert. Aber biefes Gute muß minder zweifelhaft, auf alle Faͤlle 
sößer fein, ald es ift, um dem enormen Übel bie Wage zu 
alten, welches Oxford feit vielen Jahren auf dem Gewiſſen 
bat, die Sünde darf ich es nennen, bie Hälfte unferer jungen 
Männer wenig Anderes zu lehren als Faulheit und Trunken⸗ 
heit; denn es iſt ja eine Art Privilegium, kraft beflen Oxford 
fi mit dem Schwefterinftitute in bie Erziehung theilt. — Es 
gibt Bloͤßen auf Erden, die allem Anfcheine nady Fein Verſtand 
anzubauen vermag, und ich vermuthe, Drfordb iſt eine folche 
Blöße. Durch eine glüdliche Conftellation und durch eherne 
Beharrlichkeit mag es ein paar Männern, wie Ihnen und Das 
vifon gelingen, ſich anzufiebeln; aber das ift nur ben Wenigs 
ften beſchieden. Oxford bat verftändige, gelehrte und mwürbdige 
Männer, nur gebt ihnen ber Wille ober die Fähigkeit, wenn 
nicht beides ab, was neu iſt ober ihnen neu ſcheint, mit Rube 
und Ernſt zu prüfen. 

Start wie diefe Äußerungen find, find fie do, um 
voͤllig wahr zu fein, eher zu ſchwach als zu ſtark, und 
der edle Graf würde fie vermuthlich in ſtaͤrkerer Doſis 
gegeben haben, hätte nicht der Stand feines Freundes und 
deffen Stellung zur Univerfität einige Moderation erheifcht. 
Leider ift das vor 20 Fahren Gefchriebene heute noch 
eine Wahrheit. Die Univerfitdt Orford fendet zwei Ver: 
treter ins Parlament, deren DHauptqualification darin bes 
fteht, daß fie Deitglieder derfelben geweſen oder noch feien. 
Obgleich daher der Kreis der Wahlfähigen ein fehr weiter, 
fo wiflen doch bis auf den heutigen Tag bie Protokolle 
ber Parlamentefigungen von keinem, ber nicht mit der 
Torypartei geftimmt und feinen Sig anders verloren hätte, 
als weil ihm eine Pairskrone zu Theil, oder er dem To⸗ 
rysmus unteren worden. Die Repräfentanten der Univer: 
fiede Orford haben für die Sache des Volks und bes Li: 
beralismus nie das Seringfte gethpan. Daß Graf Dudley 
auch für die andere Seite des Kanals Augen hatte, möge 
in Kürze fein Urtheil uͤber die von Lubwig XVII. vers 
liehene Karte beweiſen. 

In England — ſchreibt ee — würde eine ſolche Berfaf: 
fung für einen abfcheulichen Despotismus gelten, um fo abs: 
ſcheulicher, weil fie eine Satire auf bie Karben ber Freiheit 
ift, die fie trägt. Ich kann jedoch nicht umhin, zu glauben, 
daß fie den Franzoſen genau fo viel Freiheit läßt, als biefeiben 
ga ettragen vermögen. Die Franzoſen Eennen und üben nur 

Extreme: entweder Liegen fie fElavifch au den Füßen ihrer 
Beherrſcher, voll Bewunderung für Alles, wos dieſe thun, ober 
nichts, was biefe thun, tft ihnen recht und fe ftellen fich jeber 
Maßregel rebellifch = feindfelig entgegen. Einer feften, vernänf: 
tigen Anhaͤnglichkeit an ihre Fürften, baftrt auf Achtung gegen 


die Principien und Formen einer freien Verfaſſung (von wels 


- 


, 49 

r lebtern fie nicht ben entfernteften Begriff hab 
* — E alte iferntefe sei baden), find 
Als Karl X. den Thron verlor, neigte ſich Graf 
Dubley, erſt 52 Jahre alt, dem Grabe zu, fchmerz: 
U für das Laud, dem er angehörte, aber eine Wohi⸗ 
that für pn,’ deffen unmittelbar vorhergegangene Son: 
berbarkeiten zu einem für unheilbar erflärten Wahnfinn 
geworden waren. 


9. The massacre of St. Bartholomew; with a concise 
history of the corruptions, usurpations and anti- 
social effects of romanism. By Sir W. J. R. Cock- 

burn. London. 

Die Massacre de la St.-Barthel&mi, wie die Fran: 
zofen, ober die Bluthocyzeit, wie wir Deutfche eine welt: 
gefhichtlihe Sreuelthat nennen , ift eigentlich nur ein 
blutiger Mantel, welchen der proteftantifche Baronet Cod: 
burn fih in feinem Buche umgehangen hat. Was er 
wi, iſt nicht eine Erzählung des biftorifchen Factums 
und nicht eine Darlegung gründlicher Korfehungen, fon: 
bern eine fchon in den corruptions, usurpations and 
anti- social effects fi andeutende Gehaͤſſigmachung des 
Katholicismus, und wer das Buch lieft und zwifchen 
Katholicismus und Proteftantismus parteilos innefteht, 
wird, menn er es aus der Hand legt, nur in Zweifel 
bleiben, ob er über menfchliche Thorheit erroͤthen oder 
über menfchliche Schlechtigkeit weinen fol. Das Buch iſt 
feinem Hauptinhalte nad, eine Tirade der Bosheit, ein 
Vulkan der Verläfterung, von einem engherzigen oder viels 
mehr abermwigigen Fanatiker Eines Glaubens gegen Per: 
fonen gerichtet, die zwar einem andern Glauben angehoͤ⸗ 
ren, deshalb jedoch nicht fchlechter fein koͤnnen, als jener 
es iſt. Niemand weigert fi, die Bartholomaͤusnacht ein 
ſchauderhaftes Nachtſtuͤck zu nennen; allein das zweckmaͤ⸗ 
ßigſte Mittel, ihre Schauder zu erhoͤhen und ſie ſo in 
die Gegenwart herüͤberzuziehen, duͤrfte allerdings die Wie: 
derbelebung des Geiſtes ſein, welcher zu Begehung der 
Schaͤndlichkeit reizte. Und dieſes Mittel hat der Baronet 
gewaͤhlt, gewaͤhlt in der loͤblichen Abſicht, um zu Haß 
und Rache wider die Katholiken zu entflammen, wegen 
eines von den Katholiken vor laͤnger als zwei Jahrhun⸗ 
derten begangenen Verbrechens. Das iſt beinahe ebenſo 
taͤppiſch⸗laͤcherlich, als es niedertraͤchtig⸗ ſchlecht iſt. Der 
Baronet haßt natürlich die Irlaͤnder und ahmt deſſenunge⸗ 
achtet das Beiſpiel einiger iriſchen Demagogen nach, die 
im Vertrauen auf die große Unwiſſenheit und den noch 
groͤßern Aberglauben ihrer Landsleute dieſe zu Haß und 
Rache wider die Englaͤnder dadurch aufzuſtachein ſuchen, 
daß fie ihnen von den Grauſamkeiten erzählen, welche 
Engländer an irifchen Katholiten verübt haben, zufällig 
ein Paar SZahrhunderte früher, als der Altefle Großvater 
eines jest lebenden Irlaͤnders das Licht der Welt erblickte, 
Spreche und fchreibe man von ber gräßlichen Blutnacht 
und von allen ihr verwandten Greueln; nur thue man 
es mit philofophifchem Geiſte und das Herz auf dem rech⸗ 
ten Flecke. Es laſſen fich für das jegige Geſchlecht und 
für kommende Gefchlechter, für England wie für Deutſch⸗ 
land gute Lehren daraus ziehen. Es laſſen fi darin 


Beifpfele und Beweiſe finden, daß der Menſch zum Scheu⸗ 
fal wird und in feinen Handlungen mehr als Teufel fein 
kann, wenn Sanatismus, Aberglaube, ober irgend «ine 
seligiöfe Bigotterie ihn hetzt. Es laͤßt ſich daraus nad) 
weifen, daß jeder falſche Glaubenseifer zu Mord und 
Martern, zu Grauſamkeit und Unterdrüdung führen und 
feine Wuth und feinen Blutdurſt bis an bie aͤußerſten 
Grenzen der gefellfchaftlichen Zuflände treiben kann. Und 
find die Thatſachen begründet und bie Principien feflges 
ftellt, fo ergibt fich ia der Schluß von ſelbſt, daß die 
wahre Religion nicht in den [peculativen Meinungen be: 
fteht, weiche man mit ben Worten Glauben und Bekennt⸗ 
niß belegt, ſondern in moralifcher Tugend, namentlich, in 
Wohlwollen und Liebe gegen unfere Nebenmenfchen und in 
Milde gegen die Thiere. Leider werben in England bie 
biftorifchen Thatſachen zu ſolchem Bwede nicht benugt; 
leider geht ein finfterer Geift durch das fhöne England 
und es braucht nur der, in der Bruft des Volkes, nicht 
auf den Spigen der Bayonnete ruhende Zügel ber Loya⸗ 
titäe zu zerreißen, um Greuel, ſchlimmer als die Blut: 
nacht fie geboren, ins Dafein treten zu ſehen. Gluͤckli⸗ 
cherweiſe wird es aber Büchern, wie dem des Baronet 
Cockburn nicht gelingen, das zu bewirken. Wer fchlechte 
Bürger, fchlechtere Nachbarn, verrätherifche Freunde und 
feite Verwandte heranbilden will, der muß — um deutſch 
zu reden — menigftens nicht mit ber Thür ins Haus 
fügen. Der Baronet hat ſich felbft ins Geſicht ge: 


agen. 
ſchlag (Die Fortſetung folgt.) 





Spanifhe Eulturzuflände 


Trotz der durch den Kampf zweier mächtigen Parteien herz 
beigeführten Berriffenheit aller Verhaͤltniſſe auf ber Tpanifchen 
Halbinfel, darf man doch nicht unbebingt der im Auslande alls 
gemein verbreiteten Meinung huldigen, als bliebe Spanien 
gänzlich auf der Bahn ber Civiliſation hinter andern Wölkern 
rad. Namentlich bat ſich im Laufe bes vergangenen Jahres 
ein bewundernswerther geiftiger Anftoß gezeigt, dem man in lis 
terarifcher Hinſicht das Erſcheinen verfchiedener verbienftvoller 
BWerke zu verdanken bat; wogegen allerdings feit Beginn bes 
gegenwärtigen biefe erfreuliche Regſamkeit einigermaßen nach⸗ 
selafien Hat. Der gefeierte und unermüdliche Breton be los 
Herreros, den franzöftfche Kritiker feines Zalents und feiner 
Bruchtbarkeit halber mit Scribe vergleichen, gibt unausgefeht 
Beweife feiner unerfhöpflidgen Mittel. Außer einer geiftreichen 
Komödie: „Una vieja’ (Gin altes Weib), die in den Thea⸗ 
teen der Hauptſtadt mit anfehnlidem Erfolge gegeben wurbe, 
Yam im December vorigen Jahres ein ausgezeichnetes Drama 
von ihm zur Aufführung: „Vellido Dolfos’‘, welches bie @rs 
morbung Sancho's II. von Gaftilien vor ben Mauern von Za⸗ 
mora, bie ebrgeizigen Plane Uracca’s, ber Schwefter des Erobes 
rers von Zoledo, Alfonfo VI., bie faſt fabelhaften Verrichtungen 
des Cid und andere das Bemäth erregende Begebniſſe dieſer 
denfioürdigen Periode, die an romantifchem Reize alle andern 
der ſpaniſchen Geſchichte übertrifft, zum Gegenſtand hat. Ein 
anderes Drama fleht in der neueften Zeit von bemfelben Dich⸗ 
ter zu erwarten. Beſonders haben ſich jugendliche Kräfte auf 
dem dramatischen Felde mit Erfolg verſucht. So warb in Sa: 
zagoffa, feiner Baterſtadt, eines jungen Dichters, Principe, 
Drama: „El Conde Don Julian’, welches fid auf bie Katas 
ſtrophe der Eroberung Spaniens durch die Araber bezieht, mit 


großem Erfolge gegeben: der Dichter müßte mehre Abende nach⸗ 
einander. nach ber Vorſtellung öfter als einmal unter ben ns 
täuftaftifchen Zurufen des Publicums auf ber Bühne erfcheinen. 
Eine andere dramatiſche Schöpfung derfelben Gattung: „Blanca 
de Castilla”, von bem jungen, Rigloesfpreihenben Bigueron, 
ebenfo wie Malbonabo’s ‚Philipp IL.” und „Carlos II. ei he- 
chizado”’ find ben Freunden ber fpanffchen Literatur zu empfehs 
len. Auf dem Privartheater einer küͤrzlich errichteten literaris 
schen Geſellſchaft, EI Liceo, ward ein neues vieractiges Drama : 
„Rosamunda”, mit bebeutendem Erfolge gegeben : der Stoff iſt 
der befannte aus ber Lebensgeſchichte Heinrich’s II. von Eng⸗ 
land; der Verf. ein junger Dichter, Namens Bil y Barate, als 
Verf. des „Carlos II.’ und ber „Blanca de Borbon“ wohls 
bekannt. Bei demfelben Liebhabertheater Hat Martinez be la 
Rofa ein neues Stüd: „La boda y el duelo” (Hochzeit und 
Begräbnif), eingereicht. Die Iehte intereffante einung auf 
biefem Gebiete iſt Zorilla's „El zapatero y el Rey”. Won 
Ruiz be Ia Vega, unlängft noch Mitglied der Regierung, {ft 
ein epifchsheroifches Gedicht: „El Pelayo’, in zwei Bänden 
erſchienen; trog ber leichten und kraͤftigen Berfification hat es 
feiner veralteten Form halber keinen großen Beifall gefunden: 
der Verf. hat fi als firenger Staffiter die Werte der alten 
Schule mit Übergehung aller Mobificationen ber Neuern zum 
Mufter gewählt. In der poetifchen Literatur ift noch eine Ge⸗ 
dichtſammlung zweier junger Sevillaner, Bueno und Amabor 
de los Rios, auf dem Gebiete der Novelliſtik, welches in Spa: 
nien ebenfo fruchtbar wie anderwaͤrts ift, außer Zoft Augufto 
Dchoa's „El huerfano de Almoguer” und „La proteccion 


"de un sastre”, von Don Miguel Santos Alvarez befonbers 


7,Moros y Christianos” zu bemerken, ein Bleines geiftreiches 
Werk eines jungen, der Literarifchen Welt durch einige zerftreute 
Gedichte unter dem Ramen Ei solitario bereits belannten Mans 
nes; es tft originell in ber Auffaffung, in reinem und zierlichem 
Style gehalten und mit poetiſchen Schönheiten durchwebt; ends 
lich der zweite Band von ‚‚Isabel de Solis”, einer intereflanten 
biftorifhen Novelle von Martinez de la Roſa. Gin Gleiches 
gilt von beffelben philofophifch s politifhem Werke: „Ei espi- 
ritä de siglo’’ (Der Geiſt des Jahrhunderts). Die Bearbei⸗ 
tung der Gefchichte Liegt Leider noch fehr darnieder: in den letz⸗ 
ten brei Jahren iſt faft kein Werk erfchienen, welches, fei es 
mittelbar ober unmittelbar, die Landesgeſchichte behandelte. Aus⸗ 
nahmen davon machen eine gelehrte Geſchichte der Grafen von 
Barcelona von Don Profpero Bofarull, Töniglichen Archivar 
von Aragonten, Iobenswerth wegen ihrer emfigen Korfchungen 
und des gefunden unparteiifchen kritiſchen Urtheils. Auf die 
ruhmvolle Herrfchaft Karl's III. und die aufgeflärte Verwal⸗ 
tung feiner Dinifter, Aranda und Floridablanca bezieht fi 
ein Band intereffanter Memoiren und ungebrudter Schriften, 
herausgegeben von Don Andres Mueriel; außerdem eine-Übers 
fegung von Sore’6 ,„‚Memoirs of the kings of the house of 
Bourbon’’ von bemfelben, beren Werth er durch Weifügung 
kritiſcher und gefchichtlicher Bemerkungen und verfchiebener den 
Korfchungen bes Verf. entgangenen authentiſchen Schriften noch 
erhöht hat. Won der fpanifchen Geſchichte des gelehrten Jeſui⸗ 
ten Masdeu, bie in 29 Bänden bis auf das 16. Jahrhundert 
geht, ift von Don Francisco de la Eueva, einem in ber gelehrs 
ten Welt noch unbelannten Ramen, ein Auszug unb eine Fort⸗ 
fegung bis zur Regierung Ferdinand's VII. angekündigt; eben 
fo Hört man von dem bevorflehenden @rfcheinen einer mit Ans 
merkungen verfehenen Überfegung ber „Geſchichte Ferdinand's 
und Yabellens‘ von Prescott. Den unermüblichen Arbeiten bes 
Borfigenden ber koͤniglichen hiſtoriſchen Geſeliſchaft verbankt 
man zwei weitere Bände feiner ſchaͤßbaren Sammlung ber 
„Entdeckungsreiſen der fpanifchen Seefahrer tm 15. und 16, 
Jahrhundert“. Don Bictoriano de Encina y Piedra, ehemali⸗ 
ger Finanzminiftee, hat fich in der Iegten Zeit mit Überfegung 
von Sir Henry Parnell’s Werk über finanzielle Reform bes 
ſchaͤftigt, der wegen feiner dkonomiſchen Werke gefeierte Mars 
quefe de Wallefantoro eine ausgezeichnete Abhandlung Über 








auf bie Halbinſel herausgegeben ; 
Don Iofe Mariano ejo ein umfaffendes Werk über bie 
mineralifhen Reichthümer der Halbinfel. Reue Ausgaben der 
poetifhen und hiſtoriſchen Claſſiker der fpanifhen Literatur ers 
fiyeinen täglich, ebenfo zahlreiche Überfegungen engliſcher und 
Tranzöfiicher Mufterwerfe, darunter eine Überfegung von La: 
wmartine’s Gebichten vom Marquis von Caſa Java. Nicht min: 
der gebeiht bie periodifche Riteratur: Ende vorigen Jahres bes 
fanden nicht weniger als 16 vierteljährlihe, monatliche und 
wöchentliche wiffenfchaftlicye und literarifche Blätter; dazu find 
im Laufe diefes Jahres ein neues Review: „La revista ga- 
ditana ” zu Cadix, ein monatliches Magazin: „La Espuña 
maritima’ und ein woͤchentliches: „La mariposa“ gekommen. 

Im Gefolge dieſer literariſchen Bewegung haben ſich zwei 

elehrte Gefellfchaften gebildet: El Ateneo cientifico und El 
Ticeo. Die erſtere diefer Geſellſchaften warb 1822 von wenis 
gen Individuen zum Zwecke gemeinſchaftlicher Beſprechung wiſ⸗ 
enſchaftlicher Fragen und Vorleſung von Gedichten und ſchrift⸗ 
—* — Verſuchen begründet, mußte ſich aber bereits 1825 
gleich vielen andern während ber kurzen Dauer bes conftitutions 
nellen Regierungsfuftems entftandenen Vereinen auflöfen und 
trat erſt unter den durch das gegenwärtige liberale Syftem be⸗ 
wirkten politiſchen Veraͤnderungen wieder ins Leben. Sie hat 
im Vereine mit ähnlichen Inſtituten bereits viel zur ſchnellen 
Verbreitung ber Bildung unter allen Claſſen beigetragen und 
die tief in Geſinnung und Gharafter des Volks eingeprägten 
Spuren ber Herrſchaft der Inquiſition und des bürgerlichen 
Defpotismus verwifchen geholfen. Gegenwärtig zählt fie nicht 
weniger ale 495 bektragepflichtige Mitglieder — eine in Betracht 
ber ſchwachen, nicht über 200,000 Seelen betragenden Bevoͤl⸗ 
Terung Mabrids, fowie dee durch bie Werheerungen des Bürgers 
Friegs zurücgelommenen Vermögenszuftände der Gefammtheit 
gar nidt unbebeutende Anzahl. Wöchentlich werben öffentliche 

unentgeltliche Vorlefungen über Civil⸗ und Griminalgefeggebung, 
über gefellfchaftliche und Staatsöfonomie, über Mathematik, 
Phyſik, Geologie, Geſchichte, Geographie, Rumismatit und Ar: 
chaͤologie, über fpanifche und ausländifche Literatur, fowie über 
die bedeutendern alten und neuen Sprachen gehalten; bie zu 
denfelben eingefchriebenen Zöglinge belaufen fi) auf 2000, Das 
Augenmerk der Geſellſchaft if außerdem auf die Anlegung einer 
Bibliothek, eines Müngeabinets und einer Sammlung von Mi: 
neralien und andern naturgefchichtlichen Begenfländen gerichtet, 
deren allmälige Bereicherung durch Schenkungen von Geite der 
Mitglieder erfolgt. Die in den verfchiebenen Abtheilungen, 
namentlih in der naturwiffenfdaftlichen und mathematifchen, 
verlefenen Berichte und Abhandlungen geben ben erfreulichen 
Beweis vom Vorhandenſein einer praßtifchen, auf bie Aufdeckung 
und Belebung der natürlichen Hülfsquellen Spaniens gehenden 
Richtung der Gefellichaft. Ei Liceo wird von benfelben Grund⸗ 
ſaͤgen geleitet, beichränkt aber feine Arbeiten auf die fchönen 
Künfte und bie Ieichtern Gebiete der Literatur. 

Auch für bie weiten Kreiſe der Volkserziehung unb deren 
Verbeſſerung hat ſich ein Werein gebildet, den Herzog von Goe 
an ber Spite, mit bereits über 500 beitragspflichtigen Mitglie⸗ 
dern. Die dringende Nothwendigkeit bes Eräftigen Zufammen: 
wirkens Aller, welche es mit Spanien wohl meinen, und ber 
unermeßliche Wirkungskreis, welcher fi dazu darbietet, geben 
aus dem erften von Don Mateo Seoane veröffentlichen Jah⸗ 
zesberichte des Vereins hervor, welcher ben vernachläfligten Zus 
Hand des Unterrichts in Spanien mit ben büfterften Karben 
ſchildert. Die Urfachen beffelben liegen auf der Hand, und 

war in ber Schwäche und völligen Unfähigkeit der aufeinander 
olgenden Regierungen; in der Furcht der berrfchenden Gewalt, 
ber weltlichen wie ber geiftlichen, vor der Bildung unb deren 
Wirkung auf verderbte Inftitutionen; endlich in der Neigung 
der Bevölkerung zu einem Iorglofen Leben und ihrer Gewohn⸗ 
heit herumzuwandern, welche beide in Folge bes langen Kam: 
pfes für die Unabhängigkeit nach Außen und des innern Kriegs 


Wtaatsblonemie in Be 





noch gugenommen haben. Gpanien gepdete dielleicht ben 
Ländern Europas, bie am reichſten an Anflalten zur Felsen 
rung bes Unterrihts waren: kein anderes hatte eine fo große 
Anzahl reich ausgeftatteter, Öffentlicher wie Privatſchulen, aber 
nirgend hat man zugleich die Gegenflände und Zwecke jener 
Anfalten mehr vernachlaͤſſigt. Waͤhrend ber letzten Jahre Fer: 
dinand’s VII. war der Volksunterricht faft ausſchließlich den 
Zefuiten übertragen. Das Studlum der phyſikaliſchen und ma: 
thematifchen Wiffenfchaften war verboten. Viele Univerfitäten 
wurden ihrer Ausflattungen beraubt. Unter der Verwaltung 
Galomarde’s wurden der Univerfität Salamanca bie Fonds für 
bie Profefjuren der hebraͤiſchen und arabifchen Sprache genom: 
men und einer GStierfechterfchule zu Sevilla überwiefen. Durch 
die Revolution hat fich diefee traurige Zufland eher verfchlim: 
mert als verbefiert. Die Unterrihtsanftalten hatten im eng: 
ſten Verbande mit ber Kirche geftanden: mit biefem mächtigen 
Koloffe, der das Land fo lange fchlecht regiert Hatte, fielen das 
ber auch fie; und die Minifter, bie während der letzten fieben 
Jahre ſich gefolgt find, haben mehr Eifer für das Einreißen 
als für das Aufbauen bekundet: an die Stelle der dem Lande 
genommienen Anftalten find keine andern getreten. Geſchwatt 
hat man während ber Zeit genug: eine Menge Entwürfe zur 
Aufftellung eines Erziehungeſyſtems find den Gortes vorgelegt 
worden, und, wie gewöhnlich, ift nichts gefchehen. Das Land 
iſt ohne jede gut geleitete Schule und verfländig eingerichtete 
Univerfität. Es fieht demnach zu befürchten, daß ber Kampf 
der Meinungen und Intereffien, der Sturz der alten Borur: 
theile bei dem Mangel des Regierung an Thatkraft und Weis⸗ 
peit zur Ergreifung von wirkſamen Mitteln für die Erziehun 
es Volks ohne allen Gewinn bleibe, wenn man nicht —* 
Errichtung von Schulen wenigſtens den noch unverborbenen 
Theil der Nation, die Jugend, retten und in ihr eine beſſere 
Zukunft herandilden will. Die Wirkſamkeit des Vereins hat 
ſich bis jest auf Errichtung von Kinderfchulen innerhalb ber 
Hauptftadt beſchraͤnkt; doch beabfichtigt der Ausfchuß, feine Auf: 
merkſamkeit auch auf bie höhern Schulen zu richten und ber 
Regierung feine Mitwirkung durch Geld und Kath angutragen. 
Unter andern, don Tage zu Tage ſich organifirenden Ver⸗ 
einen und philanthropifchen Anftalten verdiene noch die Bildung 
eines Vereins zur Werbefierung des Gefaͤngnißweſens von Geite 
einiges weniger thätigen und patriotifchen Individuen Erwähs 
nung. In einer vor einiger Zeit gehaltenen KBeneralverfamms 
lung trug Don Ramon be la Sagra, ber 1839 Holland und 
Belgien mit Rüdficht auf Beobachtung der dortigen Schulen, 
Gefängniffe und milden Anftalten durchreift und das Ergebnig 
berfelben ſeitdem Öffentlich befannt gemacht hai, einen merks 
wärdigen Bericht über den Zuſtand der fpanifhn Gefaͤngniffe 
und Gorreetionshäufer wie über die Rothwendigkit einer er: 
befierung nach dem Muſter der Wereinigten Gtaata vor. Man 
erbaut jeht eine Muflterfirafanftalt, zu weldyer im Monat 
März der Grundſtein gelegt ward; verfchiedene Cogreßmitglies 
ber fowie die bes Ayumtamiento wohnten ber Feiüichkeit bei, 
Der mabrider Verein hat bereits gu Barcelona un in andern 
großen Städten Nachahmung gefunden. Cine Iform thut 
Noth, da zu den gewöhnlichen Ausflellungen andem beftes 
henden Spfleme wol nirgend mehr Anlaß ſich find: Kann, als 
gerade in Spanien. 





Literarifche Notiz. 


Bon Hrn. Giraudeau erſchien in Paris eine Reife dich Griechen⸗ 
land und die Türkei, welche ſich durch bie Friſche er Beſchrei⸗ 
bungen und die Gleganz der Erzählungen, wie ıch pilante 
Anekdoten bemerkbar macht. Xud bie Überrefte bialten Kunft 
find darin. nicht vergeffen. Das Minifterium ıt an alle 
een bed Königreich ein Exemplar von em Werke 
geſchickt. 5. 


Verantwortlicher HSeraugeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Reips, 


Blaͤrter 


—*8 * 


literariſche Unterhaltung. 





.Witimed, 


35. 3uli 1840. 








Reuefte englifhe Literatur. 
(ortfegung aus Nr. IM) 
40. Trial of the anoipters during the plague at Milan, 
& D. 1630. London. 

Diefes vom Leihbibliorhelar Rolandi veröffentlichte 
Buch folgt dem Cocburn'ſchen ungefähr wie bie Praxis 
der Theotie und verdient, ſchon weil die Lehre der Pras 
ris bie eindeinglichere iſt, macht Lefer als jenes. Ich 

mbe, in ihm unbebingt eine für England zeitgemäße 
efcheinung extennen zu dürfen, für England, wo die 
Hftigften Ratbichläge angeboten und alle Triebfedern in 
Bewegung gelegt werden, um jedes mit Uberglauben ver⸗ 
kettete Vorurtheil aus dem Zabesfhlummer zu weden. 
Sonderbar, oder vielmehr nicht fonderbar, daß bie Eng: 
nander ſich in diefem Punkte fo leicht anführen laſſen, — 
Tonderbar, weil fie im Allgemeinen wirklich eine aufge: 
Uärte Natlon find, und micht fonderbar, weil fie fi für 
aufgeßläuter, d. h. für minder. abergläubifch und leicht: 
[äubig halten als alle übrigen Erdenbewohner. Mer da 
ht, ſehe zu, daß er nicht falle, und ich möchte beinahe 
behaupten, .dap.in Bezug auf die gute Meinung, welche 
De Engländer in fragücher Hinſicht van ſich hegen, ger 
rade das Gegentheil wahr HE, ich meine, daß fein gebil- 
deter Volkeſtamm auf Gottes weiter Erde von Fanatikern 
und Marktſchreiern ſich After und leichter anführen laͤßt 
als die Engländer, Allerdings lachen fie über hie bei ih— 
sen Voräktern im Schwunge gegangene Zauberei, Here, 
Sterndenterei und "Goldmacherei, Über die Wunder, Ans 
zeichen, gluͤglichen und. ungluͤcklichen Tage, an welche jene 
„fteif und feft geglaubt, über deren miraculdfe Krankheit⸗ 
euren, tie das Auflegen der- königlichen Hand — the 
zoyal touch — ober das Weiden der Hand eines am 
Balgen hängenden, als untrüglishe Heilmittel für Flech⸗ 
‚ten, Köpfe, Geſchwuͤre, Ausfag, Storbut und alle Skro⸗ 
fstkbel, und nennen «8. einen hübſchen Spaß, daß laut 
eines nicht ſehr alten Volksslaubens der. Teufel mit jeder 
Advocatenleiche auf und davonflieges aber während fie 
fih fo üher ihre Vorfahren luſtig machen, ſtroͤmen fie in 
Scharen herbei, fobald ein Quackſalber feine Zrompete 
blaͤſt, oder ein Favatiker feine -Paedige abbruͤllt, hoͤten 


fie Iwing s unbekannte -Bungen, lauſchen fie des wahn⸗ 


finnigen Tom von Canterbury wohlbefannter Sprache 


und kaufen fie von „Johanna Southcote für Mingende , 


— Re A. — 


‚singnder, klagten ſich gegenfeitig an. 









— * A hun. er 


Münze auf den bristen Himmel außgeftellte, in ſchunuzte 

ge8 Papier eingefisgelte Däffe. Hat bach erft noth- gar 

fürztid, ein Gapitain Brenton von der Knigljchen Mdpint 

in Gemeinfhaft mit einem Hra. Knowles die belberfel- 

tige Uberzeugung kund gethan, daß die der Schiffahrt 

perderbliche trodene Fammß mit Taubenblut unter Weobz 

achtung der von Mofes vorgeſchriebenen Geremonieh vers 

trieben werden koͤnne. ” \ 

" MRolandt’$ Verlagswerk j 

nes Aberglaubens, der 16: 

bendften Folgen hatte. ‚In 

land von der Peft heimgel 

genötigt, bie ürfache daboı 

einer fonftigen Übernatürlich 

ben, machten die Geiflliche 

Häufer und Leiber gemiffe 

daͤmoniſche ober mirachffe 2 

ſalbe beftrichen worden und dı 

nach biefer Entdedung kam 

den Feldlager ein Schreiben 1 

meldend, "daß vier Sranzofen 

mittels einer ditto Tepfeislal 

verfegen, und bie von zwei? 

betroffen worden, ſich der € 

gen. Da bewies nun die n 

auf weiß, daß ihre Entdeck 

‚menge glaubte 48 unbedingt, 

rinleuchten wollte, das mwareı 

Die Studenten haben von. j 

ten. Ihr Zweifel fand in 

nunmehr über die Andersden 

ſtrichen einige Studenten un 

Mailand mit einer ſtatk, ab, 

und, während das Volk fi t 

das Teufels zeichen anſtaunte 

Erloͤſung fiehte, ſchiſchen d 

Bingen dieſem und jenem unit 

am. Der Erfolg wor jedoch 

Aue Bande des gefefligen X 

ander im ‚Leben am nächften fliehen, trennten fich, Aber 
Die Gerichte un! 

Ihre Marterknechte bekamen alle Hände vol zu thun. 

Da die Sefolterten nichts zu geſtehen hatten, ſo waren dfe 


e % * 
vß pe D 4 


Geſtaͤndniſſe natkrlich von ber vagſten Art. Sie reichten 


jedoch, wenn auch nicht zur Überführung, body zur Ver⸗ 


uetheilung aus, und wie in ben meiften Fällen auf bie 
Tobesſtrafe erfannt wurde, fo maß man auch die Grau: 
ſamkeit der Voliſtreckung nad) ber Fuͤrchterlichkeit des Ber: 
beschens ab. Zwei ober drei der Mindeſtſchuldigen wur: 
den enthauptet, alle Übrigen, und ihrer war eine große 
Baht, mit glühenden Zangen gezwidt, bie rechten Haͤnde 
ihnen abgehauen, fie lebend aufs Mad geflochten, fo feche 
Stunden lang ber Iffentlihen Mishandlung blosgeſtellt 
und dann erfl, wenn noch nicht tobt, durch ben Denker 
von allen Schmerzen befreit, ihre Leichen aber wurden 
verbrannt und die Afche in alle Winde geflreu. Ein 
Haus, beffen Bewohner geftändig war, die Salbe für 
ben Teufel fabricirt zu haben, wurde niedergerifjen, ber 
Erbe gleich gemacht und auf ber wüften Stelle eine Ge: 
denkfäule aufgerichtet, bie viele Jahre das Gedaͤchtniß der 
Unthat erhalten hat. Es ift merkwürdig, wie fpdt bie 
Unterfuchungsrichter den eigentlichen Befalbern auf die Spur 
kamen und wie lange aller diesfallſiger Verdacht fid) auf 
einen gewiffen Don Sohn Pabilla befchränkte, den man 
jedody deshalb kaum zu verhaften wagte und ber, al& er 
endlich eingezogen worden, fo viel Nachſicht, Schonung 
und Vorſchub erfuhr, daß es ihm wirklich gelang, feine 
Unfchuld zu erweifen. Die Zahl feiner Genoſſen wird 
auf 1500 angegeben, von benen jedoch nur verhält: 
nißmäßig wenige der Strafe des Geſetzes verfielen. Mit 
dem Aufhören ber Peft hörten auch die Hinrichtungen 
auf und wurden die Kerker geöffnet. 
41. Lady Jane Grey; by Thomas Miller. London. 
Thomas Miller ift bereits als felbftändiger Schrift: 
ſteller bekannt, meift originell in feiner Darftellung und 
in feiner Originalität meiſt einfah. Hier hat er indeſſen 
ein ihm neues Selb betreten, das des hiftorifchen Ro⸗ 
mans — the historical romance — und die Probe be: 
gechtigt zu der Vermuthung, daß das Sanfte in ber Na- 
tur ihn beſſer anſpricht als ihre rauhe Außenfeite. Er 
ftößt nie an, fo lange er ruhig feinen Gang geht; erhebt 
er fich aber In die Region des Ehrgeizes, fcheint er im Ge: 
fühle ber Unficherheit feiner Flügel über die eigene Kühnheit 
zu erſchrecken. Was die Gefchichte von Lady Jane Grey 
zu erzählen bat, iſt ebenfo kurz als intereffant und ſteht 
vermuthlich in jedem guten Converfations = Lexikon. Ihr 
Leben war das Leben der Roſe, bie ein Sturmmind oder 
eine rohe Hand in dem Momente bricht, wo fie fich zur 
Blume entfalten wil. Sie war das Opfer fremden Ehr⸗ 
eized, das Werkzeug fremder Plane und mußte baflır 
en Bloc umfaflen. Die Gefchichtöquellen fließen fo reich: 
lich, daß Miller nur zu ſchoͤpfen brauchte. Er bat au 
geſchoͤpft, aber kaum reichlih genug. Im Allgemeinen 
hat er bie großen Charaktere, welche während Lady Ja⸗ 
ne's kurzer Erhebung ſich Über die Bühne bewegten, nicht 
gluͤcklich gezeichnet. Er hat feine Phantafie zu fehr ge: 
ſchont, zu wenig Abmwechfelung in das dunkle Einerlei ges 
bracht. Der flolge Herzog von Northumberland ähnelt 
beinahe einem wuͤthenden Stiere und ber liſtige Cecil ei: 
nem Müffisgänger. Dagegen find Miller’ Landfchaf: 


% ’ — 
⸗ 
I 


ten trefflich und die drei Baͤnde enthalten gewiß ein vol⸗ 


les Dutzend auserleſener Skizzen. Man ſieht, hoͤrt, fühle 


es ihm an, daß er bier zu Haufe iſt, heimiſch und gluͤck⸗ 
ih, wie in ben Zagen, wo er bie Weiden fchnitt und 
Körbe flocht. Die mehr romantiſche Gefchichte als 
gefhichtlihen Roman eroͤffnet Eur vor Eduard’s VI. 
Tode mit ber geheimen Rathöverfammlung, in wel- 
her das Erbrecht auf den Thron „Lady Jane“ förmlich 
zugeflanden wurde, und führt von da an das Sterbebett 
des Königs in die Gegenwart einer fingirten Perfon, Dus: 
kena aus dem dunkeln Thale, die herbeigerufen worden, 
feit die Ärzte den König aufgegeben. Diefe Scene bünkt 
mir eine der beflen des ganzen Buche. Zur vollſtaͤndi⸗ 
gen Mittheilung iſt fie zu lang; aber ein Paar Stellen 
will ich überfegen. 

‚Bu den Füßen bes Bettes fland ber Erzbiſchof Eranmer, 
feine Hände gefaltet, wie ex fie Eurg vorher im @ebete zum 
Dimmel erhoben, und neben ihm Latimer, das alte griechiſche 
Zeftament am Gürtel befeftigt, das Haupt nieberwärts gefenkt, 
auf feinen Stab geflüst, in tiefer Andacht. Zu den Bäupten 
auf beiden Seiten flanden Arunbel und Gecht, während Eduard, 
bie Hände ineinanbergebrädt und bie Xugen gefchloffen, nur 
durch fein ſchwaches, aber fchnelles Athmen verrieth, baß er 
noch lebte. Im Hintergrunde flanden die Ärzte, bie Arme ges 
kreuzt, ihre Augen an ben Boden geheftet, Bilder ber Were 
zmeiflung, in finfterm Schweigen. Selbſt Rortbumberland 

ebte, als ber Sterbende thn erfannte, die Hand erhob und 
mit fchwacher Stimme flüfterte: „Iſt fie gekommen?“ Statt 
der Antwort beutete ber Herzog auf bie Bere, beren wilber 
Bid den König anſtierte. Ihre . Augen hatten bereits bie 
Runde im Zimmer gemacht. Mit Arundel hatte fie einen Blick 
bes Wiedererkennens und tiefer Bedeutung gemwechfelt; auf Ce⸗ 
cil hatte fie gefhaut, daß es ihm das Blut aus den Wangen 
getrieben, und als fie Sranmer anfah, zudten Blitze bes Hafs 
fe6 und ber Rache aus ihren Augen. Hätte ber Prälat ges 
wußt, wer die Fremde in feiner Nähe war, ober bie Urfache 
ihres Haſſes aus ihrem Munde fich zubonnern hören, — fein 
innerfles Gebein hätte gezittert bei bem bloßen Gebanken an 
eine That, bie alle feine Gebete und alle feine Thraͤnen nicht 
auszulöfchen vermochte und die felbft auf der Geele bes flerbens 
ben Monarchen ſchwer laftete. Wie dann die Here von Cran⸗ 
mer's Geſichte auf ben kranken König und von biefem zur 
Erde blickte, liefen ihre knoͤchernen Finger haſtig über ben Griff 
ihres Stabes, gleich ben Krallen des fterbenden Kalten, ber 
fetbft im letzten Zuden, wenn auch nicht Länger bie Kraft, im⸗ 
mer noch den Willen hat, ſich einzubauen. Cine mächtige Be 
wegung durchdrang bie ganze Geſtalt; das Dunkel der Mitters 
nacht überzog ihre Stirn und ihr verknorpelter Bufen pochte. 
Dann plöglidh erfaßte fie ben Stab mit fefter Kauft, fchloß die 
Augen, raffte fi) gewaltſam auf und fand fo ruhig wie bee 
Ruhigſten Einer. — Jetzt verkündet Northumberland, daß auf 
Befeht des Königs das alte Weib gegenwärtig und ber König 
war bereit, ſich bee Pflege beffelben anzuvertrauen, ſolches 
edoch dem Ermefjen der Anweſenden anheimgebe. Ron keiner 
Seite wird wiberfprocdhen und nur bie Arzte bitten, was das 
Weib verorbnen werbe, vor dem Gebrauche ihrer Prüfung gu 
unterwerfen. Der König bewilligt das und Alle treten bem 
Lager näher. Die Hexe feht fih, ergreift bes Könige Hand 
und zählt die Pulsſchlaͤge. „Gibt es noch Hoffnung, gute 
Mutter?" fragt Eduard. „Keine!“ antwortete Duskena mit 
feierlidem Tone, ber in jebem Herzen mwiberllang; „die Hand 
bes Todes liegt auf bir.” Dann ließ fie feinen Arm log, 
erhob ihren Blumenftrauß und blickte den König ſchweigend an. 
Ein tiefer Seufzer begleitete bie kaum hbörbaren Worte bes 
Monardien: „dann ift Alles — nichts.“ 

Den Schtuß bes Werkes macht Jane's Hinrichtung. 


« 0 


mit eigener Sand legte fie das Tuch um ihre Augen — um bie 
Augen, in welche Keiner fab, er ben Schlag des eigenen Herzens 
u empfinden. Aber noch ehe fie den Knoten grfnäpft, Intete der 
chrichter zu ihren Füßen und bat um ihre Vergebung. Wie 
beugte fich zu ihm und fagte ihm mit weicher, Teifer Stimme, 
daß fie ihm vom Herzen vergebe. Dann Enüpfte fie. den Kno⸗ 
ten, orbnete die Falten bes weiten Gewandes und fank neben 
dem Blocke auf die Knie. Ein zuridigebrängtes Schluchzen 
oder ein abgebrochener Seufzer war ber einzige vernehmbare 
Laut — Alles ringsum ftill wie das Grab. Das Taſchentuch 
altend, ſtreckte die hohe Frau ihre ſchoͤne weiße Hand nach dem 
locke aus; der Lieutenant führte fi. Dann legte fie das 
Haupt auf ben Block und ließ das Tuch fallen, zum Zeichen, 
daß fie bereit ſei. ** Ein Schall war's, ein bumpfer Schlag, 
der das Blut in jebem Kerzen floden machte. Dann bradyen 
die Klagen hervor, die unwillkürlich der Bruſt entfirömen, 
und dann war Alles vorüber. 


42. Lives of the Queens of England, by Miss Agnes 
Strickland. Zweiter Theil. London. 


Bor kaum brei Jahren erfchienen ‚Historical memoirs 
of the Queens of England from the commencement of 
the twelfth century, by Hannah Lawrance”. Das Buch 
fand günftige Aufnahme, denn es paßte in und für bie 
Zeit. Die Gefchichefchreiber Englands, ober vielmehr 
feiner Behertſcher, haben die Queens consort — die Kb: 
nigs= Semahlinnen — meift für Wefen gehalten, deren 
einzige Beſtimmung darin beflanden und beflehe, „to 
suckle fools and chroniche small beer’, und die $älle 
ausgenommen, wo eine Könige: Gemahlin — gleichviel 
weshalb — an den Staatsangelegenheiten thätigen Theil 
hatte, berichten fie von ihnen in ber Regel nur, um 
welcher diplomatifchen Verhaͤltniſſe willen fie Gemahlins 
nen geworden find. Das will dem 19. Jahrhunderte 
nicht genügen. Wir wiffen und haben gelernt, daß bie 
Sphäre des weiblichen Einfluffes über die Grenze folder 
Ausnahmefaͤlle fi) erfiredt und daß daher letztere nicht 
die einzigen find, wo bie perfönlichen Lebensgefchide einer 
Königin mit dem Charakter und den Zufländen des Vol⸗ 
tes in engfler Beziehung ftehen. Ferner iſt das Volt in 
neuerer Zeit eine wichtigere Perfonnage geworden, als es 
früher war, und das hat bie Aufmerkfamkeit der Ge⸗ 
fchichtfchreiber von dem Machiavellismus der Regierenden 
auf den Zuftand ber Regierten berübergebracht, Hat fie 
veranlaßt, von ben Exsigniffen, welche Throne erfchüttert 
und bie Menfchheie gegeißelt haben, ihre Blicke auf bie 
Sortfchritte der Civiliſation und überhaupt auf Allee zu 
richten, bei deſſen Wormärtsfchieben das Volk aus eige: 
nem Willen Hand angelegt bat. Se tiefee man num bie 
Nothivendigkeit empfand, die häuslichen Gewohnheiten, 
Gefühle, Anfichten und Fortfchritte der großen Maſſe zu 
erforſchen und zu befchreiben, und je unbeflreitbarer ber 
weibliche Einfluß gerade auf die innere Geſchichte eines 
Volkes tft, um fo oͤfterer mußte fich der Hiſtoriograph 
auf die Fürftinnen hingewieſen fehen, die, während ihre 
Gemahle zu Felde Ingen, ober daheim anderweit befchäf: 
tigt waren, ben häuslihen Gewohnheiten und den Sit: 
ten des Privatiebens die Richtung gaben. Sch weiß nicht, 
ob dies, oder was fonft Hannah Lawrance zu DVeröffent: 
lichung dee hiſtoriſchen Memoiren veranlaßte; das Ge: 


ſchenk war, well an ber Zelt, ver Zeit wikemmen. 
Nut hatte die Verfafferin eher zu viel afß zu menig- ges 
ben wollen und baduch ihr Buch mehr zu einer 
ſchichte der Zeit, im welcher die betreffenden Königinnen 
gelebt, als zu einer Geſchichte ber Königinnen gemacht, 
die Ernte affo eigentlich voll ftehen laſſen, deren 

terin ſeitdem Agnes Strickland geworden und nach if. 
Der zu gegenwärtiger Anzeige vorliegende zweite Theil ih⸗ 
res imterefianten Werkes folgt bem erften nad) einem 
Zwiſchenraume von — wenn mein Gedaͤchtniß mich nicht 
täufht — mehr als zwölf Monaten, und welches auch 
die Urſache des Verzugs fein mag, keinenfalls bringt fie 
ben Leſern materiellen Verluſt. Der zweite Theil ſchließt 
fi) dem erſten wuͤrdig an. Er berichtet von den Gemahlin⸗ 
nen Richard's J. Johann's, Heinrich's III. Eduarb’sl., U, 
und III. und Richard's II., und was vom geſchichtlichen 
Standpunkte aus vielleicht befteitten werben koͤnnte, bezieht 
fi weniger auf Thatfachen als auf Anſichten. Indeſſen 
önnte manche Länge toeggeblieben und manche Kuͤrze 
länger fein. So erzählt bie Verfafferin fehr ausführlich, 
was bie ehelihe Treue der ſchoͤnen Eleonore verbädhtige 
habe, und dieſes Was fieht allerdings ganz verdächtig aus, 
zumal, wenn man von ihrem frübern Aufenthalte am 


Hofe ihres Oheims zu Antiochlen weiß und in welchen 


Schreck ihr erfter Gemahl, der heilige Ludwig von Krank; 
reich, dadurch verfegt wurde, Nun bie MWiderlegung ber 
Verdachtgruͤnde. „Ihere is not the slightest ground 
for the imputation“ — es gibt für die Beſchuldigung 
nicht den geringften Grund. Sa, wenn bas zu Wibers 
legung angeführter Gründe ausreihte, fo — wuͤrde 
das vielen Menfchen lieb fein. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Über den Mordverfuch gegen den König Joſeph von Por: 
tugal am 3. Sept. 1758. Eine hiftorifche Unterfus 
hung von J. F. M. von Dlfers. Berlin, Nicolai. 
1839. 4 20 Gr. 


Das Attentat auf das Leben bes Königs Joſeph von Pors 
fugal gehört zu den Begebenheiten bes 18. Jahrhunderts, die 
ein um fo größeres Auffehen machte, weil man gerade in einem 
fo monardifchen Lande, wie Portugal war, eine ſolche Begeben⸗ 
beit nicht füglich erwarten Eonnte. Dann erfolgte bald darauf 
die Vertreibung der Iefuiten aus Portugal und der ihnen zur 
Laft gelegte Antheil an jenem hochverrätherifchen Attentate trug 
viel dazu bei, die Öffentliche Stimmung gegen fie zu exbittern. 
Haben nun glei viele wichtige Begebenheiten in und außer 
Portugal jenes Ereigniß mehr und mehr in Vergeffenheit: ges 
bracht, fo verbient doch der emfige Fleiß, mit welchem Here 
v. Dlfers feine biplomatifchen Verhältniffe In Yortugal und Bra: 
filien zur nähern Grmittelung glaubmwärdiger Facta in biefer 
Angelegenheit en hat ‚ alle Anerkennung. Es gebührt ihm 
das Verdienſt, nicht blos gluͤcklich in den Acten geforfcht, ſon⸗ 
bern auch das Ganze zu klarer Anfchauung gebracht zu haben. 

Die Hauptpunkte feiner Unterfuhung find nun folgende. 
Erftens: der eigentliche Urheber bes Anfalls auf den Könt 
war Jofe de Mascarenhas, Herzog von Avelro, ber, wie er felb 
befannt hat, für manche Beleidigungen fi) an dem Könige per: 
fönlih babe raͤchen wollen. Alle übrigen damals @ingezogenen, 
die Mitglieder der Familie Zavora, ber Graf von Atouguia 





IB 


hen oe — dh nicht che, ich Be; düse: Mappen" an ber 
Er re DE Rat unge: .| 3Rmpnei vära Mlnupeufanlss Im Ahoi. 3. —* 
Meg TÜR: In "Abeite'gu Betz | war bie Ohonerkuis Behr und a | 
—— Ming | 

—X 


ie Heben * 
Wuiine regieriuigsveränderung, welche ben Sturz 

—— —— gehaften Minifters Garvalho gleichfalls zur 
3 habt, hätte, ſehr gen elehen —— —— * 

Iniicht ber Acten hernor, n 

a ale Pi ms 4 
pap' —5*— | Hafer ben lag, der vedei 
ebonmin waäre. Dio acutpaten wurden mit ihren Erllaͤnn⸗ 
gen nicht atgehort bie Anklage und bie ‚Beugenausfagen 


——— — dieſes Maͤdchens, die an jenem Abende mehre 
AIhre Mäntel tte, ohne indep 
gſelhen genauer 







3 taffeh, machten 'fi die Michter tem Gewi 
iR daher muß“ 


Sm 


r rad 


Idees bie afte Marguffin von Kavora, mit Gesig und Mesh: 
tung 'twf. ben — ‚berabfah ‚and feine Maßregeln 


Agen den 
Alle Verſu 
nun 'fogar 


Strenge Ton früh 7 dis Nach: 
—— ——— 


‚tete ‚hat MP 


aut vor⸗ 


" ' ou» wur⸗ 
iöuen vormmthalten, zur Abfaffung der Vertheidigung wur⸗ 


nen, find eigent= 


| ‚Beit-in China füh aufhielt, werſichert 


- 


ran. 


das Haus d66 Herzogs von Aoeico fland. 
Die ſchaͤtbaren Beilagen enthalten das koͤnigliche Moi — 


tet da. Entſetzu 
——— 


——— der Kird 
aͤtte, welche ihm ſelbſt 
doch allein groß geworden 
ſind, nicht einmal aus Dankbarkeit. geben gu wallen ſcheiner. 


® 





Notiz. 
In unferer von unbeantworteten Fragen beberrichten Zeit 
‚hat die Dipiumfrage ‚sine ſecundaixe Frage veranlaßt, naͤmlich 
die, ob der Gebrauch des Dpiums wirklich van. fo traurigen 
Kolgen begleitet fei, als man in der Regel annimmt. Gin 
:feamgöflfches Zournal enthält hierüber Kalgenbes: „Die Ver⸗ 
leumber des Mpiums fagen, daß nach feinem Ge ber > 
jhleuniger werde, bie ‚allgemeine Wärme bes Körpers ftd 
vermebhre, daB Athmen ſchwer und Teuchend, die Augen fun⸗ 
elnd und in wnaufhörlicher Bermegung wären; in Summa, alle 
Lebenofunctionen, das gange Nervenſyften beſinden ſich im Zuſten⸗ 
de der hoͤchſten Aufregung. Damit correſpondirend, ſeien auch hie 
geiſtigen — furchtbar aufgeregt, die. Einbilbungsfra bis 
Era 
Opium⸗ 


zum Wahnſinn gefteigert. Dieſer koͤrperlichen und getfkigen 
"tation folgt aber die pibtztichſte Abipannung und der 
raucher Ft gertöthigt, Tag Für Tag die Dos zu vermehren, 
ſodaß er, wenn ex ‚anfangs .10--20 Bran drauchte, ‚zulatt vier 
‚Drachmen zum täglichen Gebrauche haben muß. Gin. Opium 
‚nerzehrer von digſer Qualität, fagt man, tft leicht an feiner 
[ reckhaften Blaͤſſe und an dem allgemeinen Zittern feiner Glie⸗ 
er zu erkennen. Nein, fagen Andere, das "Opium fl oe: 
leunidet, es iſt in einem gewiſſen Merhältnif eiue.gang unfhähs 
liche Waare, der chineſiſche Dplumpangher ein viel ungrführlicheres 
‚Wefen als ein civiliſirter Europäer, welcher ſich ber gehrannten 
Wafler bedient, Ohne die gänzliche Unfhädlichkeit bes Opiums 
behaupten zu mollen, kann man doch annehmen, daß es 3 
fchudlicher ift als der Wachholderbranntwein, und vaß die. Wir⸗ 
hingen beiber ſich je nach dem Gebrauche oder Mabrauche, den 
man davon macht, verhalten werben. Aber dey duxch Vraunimein 
Trunkene iſt oft ein .wütbender Wahnſinniger, während der von 
Opium Berauſchte nicht die zum Boͤſen nothwendige Kraft bes 
flät; der Eine ift en fehädliches, der Andere ein unnützes Glied 
der menſchlichen Geſellſchaft. Gin Steffenber, welcher lange 
xt, daß ger viele Hhineſen 
annt habe, denen das Opiumrauchen z ahnheit gewar⸗ 
den war, ohne daß fie irgend eine —— Weränberung 
davon fpürten. Sie erſchienen als ebenfo mahtge Rente ale 
‚Diejenigen, welche in Europa ben Wein „‚gentlemanly" zu ih 
nehmen. „Kanton““, fagt ein. Anderer, ‚bat eine, Million Gigs 
‚wohnen; ‚aber ich erinnere mich yickt, ‚je in den bewöltertflen 
Stabtvierteln jene entzündeten Geſichter, jene. entflellten Zůge 
wahrgenommen zu haben, wie man ſie bei Jedem Schritte in 
den Straßen Londons antrifft, den Sinrauſch laut verkün⸗ 
dend.⸗ "Das Opium if in der Tuͤrkei, in Perfien, in Ara⸗ 
bien, auf Sumatra, auf Java faſt in allgemeinem Gebrauch, ja 
in Indien vertheilt man es ſogar rationsweiſe an die eingeborenen 
Zeuppen, .und es läßt ſich dach —— glauben, daß ſich die 
ganze Hälfte des menſchlichen Geſchlechts vorſaͤtzlich und freiwillig 
vergiften werde.“ Dieſer mediciniſche Theil der Opiumfrage iſt 
alſo auch noch wicht geloſt, wenn man nicht sine Abhülfe trifft 
und die Für und ‚Wider mit hiplomatifcher Schlauheit Ders 
mittelt. . 


Biätter 


"fhvı 


literarifge Unterbaltung. 





Donnerstag, 





Neueſte englifhe Literatur. 
( Beſchluß aus Nu. Mi) 

43. Law and’ lawyers, or Sketches and illustrations of 
legal history and’ biography. London. 

Daß ber Verfaffer diefer zwei Bändchen ſelbſt Sach: 
walter, iſt nur eine feiner Qualificationen zu Herausgabe 
eines: ſolchen Rechtsbuches. Er befist auh Sammler: 
fleiß und Darſtellergeſchick, und im Geſchmacke eines 
Geſchlechts wie das heutige, das zwar nicht wider 
das Lernen Im Allgemeinen, Tondern nur wider die da> 
mit verbundenen Schwierigkeiten, wider bie Langeweile 
umd den Kopfſchmerz, den es verurfacht, eine fpeclelle 
Antipathie fühlt, bat er «6 ſich angelegen fein laſſen, 
fein Buch nad) Möglichkeit leicht und angenehm zu ma: 
herr, und’ deshalb den frodenen, ich meine den wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Theil mit einer Menge hübſcher Anekdoten und 
&harakteriftifcher Skigzen verſezt. In England muß, in 
Deutſchland kann Ihm das Lefer gewinnen. Wer fich 
daruͤber unterrichten wi, was ein englifcheer Sachwalter 
zu lernen Bar und welcher Pfad von feinem Bureau im 
temple zum Parlamentshauſe und zur Lordlanzlers 
mwircde führe, der findet hier alled Bezügliche forgfam zus 
fammengeftelt. Wer hingegen blos unterhalten fein will, 
dee brauche nur zu blättern, um fic gleichmäßig. befrie: 
Dige zw ſehen. Mehre große engliſche — ſind 
gar exrcenttiſche Menſchen geweſen und ber efafber bat 
In bald kürzer, bald Tängern Abfchnitten die Sonder: 
barkeiten derfetben und ihre wunderlichen Tinfälle an el 
nen Faden gereiht, der duch das ganze Buch Läuft. 
Alſo iſt es ein nügliches und ein amufantes Buch, und 
Bas iſt alles Mögliche, was ein Rechtsbuch fein kann. 


44. A winter in Iceland and Lapland, By the Hom, 
Arthur Dillon. London. 

In unſern, von oben bis unten reiſeluſtigen Tagen 
iſt zwar auch der hohe Norden Europas wicht mahr ein 
unbereifte® Land; doch bietet er, in: Europa wewaflens, 
der Forſchung immer noch verhaͤltnißmaͤßig den meiſten 
neuen Stoff. Schweden, Norwéegen und Daͤnemark: has 
ben Laing, Latham und Andere für: die Engländer zur 
Genuͤge ausgekundſchaftet und ziemlich ein Gleiches hat 
nun Dillon in Bezug auf Island und Lapland gethan. 
Wie mannichfaches Intereffe kettet ſich an JIsland, an 


Barbarei Seiten eines, 
Huͤlfemitteln der Cultur entruͤckten Volkes, und an ‘dit 
Verheerungen bes Landes: Wurch Erbbeben mb Hungerék 
noth, gleichſam die ⸗Grenzmarken der Epochen in Islands 


das Loereißen von: ver 
dem übrigen Europa und den 


Geſchichte! Aus einer gewifien Vorliebe für die⸗BVewoh⸗ 
ner des Mordens und durch frühen Aufenthait ir DAL 
nemark und Schweden gegen "die. Muͤhfetigkelten eines 
nordifchen Winters abgehaͤrtet, faßte und: fichrte Aillon 
den Entfhluß aus, die Jalaͤnder und. Lappen in ihres 
fernen, kalten Heimat zu. befuchen, und ba6 in zweü ger 
haltvollen Bänden vorgelegte Refultat gibt für die Kite 
rariſche Befähigung. des Meifenden ebenſo gutes Zeugniß 
wie für feinen moraliſchen Much. Den Anfang mache 
eine gedrängte Gefchichte Islands, von ben aͤlteſten Mach⸗ 


richten über. die erſte Seeräuberlandung im 9. Jahre 


hunderte bis auf die neuefle. Zeit — eine Art Ss 
novelle, in welcher alle handelnd auftretende Perſonen 
den Einfluß eines rauhen Klima und das Bepräger deu 
Verwegenheit zeigen. In alledem ifi wenig Newes; aber 
das Bekannte iſt fo erzählt, daf man es germ ein zweſ⸗ 
tes Mal tief. Dann folge ein ausflhelider Werts 
über die. gewöhnliche Lebensrweife der Eingehorenen, Did) 
was Eſſen und Trinken betsifft, nur als Gegenfag. bis 
englifchen Roſtbeef und Portweins ſchmackhaft gefunden 
werden kann. Demmaͤchſt gibt Dillon eine vollſtaͤndige 
Beſchreibung der Stadt Reitiavik und knuͤpft hieran eis 
Quafi: Abhandlung über die geiſtliche Baulunſt der. JZa⸗ 
länder. Dod das Eimige, was mie zu einer Mttheie 
lung geeignet duͤnkt, iſi Dillon's Anſicht vom dem AÄußern 
und Innern des islaͤndiſchen Volkes. 

Die gewöhnliche Statur der Islaͤnder — ſagt er — vrict 
bedeutend über mittle Manneshöhe, und obgleich ſchlank ges 
wachfen, ſehen fie doch in Fotge ihrer enganliegenden Kleidung 
noch wiagerer aus. Das gilt tibeffen nur von ben‘ een, 
de Frauen find im Gegentheile voll unb beinahe plump. Beide 


Geſchlechter find ‚blond; doch überrafchte es mich, das weite 


Haar, weldyes in Schottland und Dänemark fo gewoͤhnlich 
bier, ſtatt allgemein, beiweitem feltener * finden. 
Ftauen behaupten ihr gutes Ausſehen um BVieles länger, ‘a 
ſich ſolches bei dem ranhen Alina erwarten läßt; andy IR’tge 
Sefichtsausdrudt Iebhafter als beim andern Eeſchlechte. Die 
Männer tragen ihr Haar- bisweilen lang niederhaͤngend — micht 
fo häufig wie die Schweden — und ich entfinne mid hoͤch⸗ 
ſtens zwei oder drei Beifpiele, daß der Bart zu einer patriar⸗ 
chaliſchen Länge: herabgewachſen war, obgleich Nachlaͤſſigkeit ihn 


> 


oft genug zu einem ſtarken Stoppelfelde macht. — Im Ghas 
rakter der Islaͤnder glaube ich einen vorberrfchenden Zug von 
Düfterheit wahrgenommen zu haben. Keinenfalls machen fig 
auf den Fremden einen erften,, ihnen günftigen Sindrud. Dazu 
kommt, daß fie durch ihre Langſamkeit feine Geduld oft ſcharf 


prüfen und, manche nach anſerm Begriffe unfaubere Gewohnpeit ' 


nid umhin kann, Anftoß zu geben. ine der gelindeften be: 
ſteht darin, Mitch mittels des Mundes aus einer Flaſche in 
die andere überzufüllen, was fie freilih damit entfchuldigen, 
daß die Mitch fo fich beſſer Halte. Dagegen trifft der Fremde 
Ehrlichkeit und den Wunſch, ihm gefällig zu fein. Auch Gaſt⸗ 
freundfchaft findet er; nur muß er Häufig, aus Gründen, die 
felbft den Kaifer zwingen, den guten Willen für bie That neh⸗ 
men. An Stolz fehlt ed dem Isländer ebenfalls nicht, allein 
ſehr oft verbindet er damit einen hohen Brad von Halgsſtarrig⸗ 
keit, bie er dann Sinn für Preipeit nennt. Selten herzlich, 
ift ee doch meift artig. Seine geifligen Anlagen überfchreiten 
gewiß das Maß ber Mittelmäßigkeit und erfodern nur Raum 
und Gelegenheit, fich zu zeigen. Das beweift ſchon Thorwald⸗ 
ſen, ber Islaͤnder. 
15. Information relative to New Zealand, compiled for 
. the use of colonists by Jokn Ward, Secretary to 
the New-Zealand-Company. London. 
16. Manners and customs of the New Zealanders. By 
J. S. Polack. London. 


Es iſt keine Übertreibung, daß jetzt Tauſende in Eng: 
land mit Sehnſucht von den zwei großen Inſeln [prechen, 
weiche den Namen Neu: Seeland führen, und dort ‘eine 
forgenfreiere Heimat finden wollen. Dahin tft jegt 
recht eigentlich die Auswanderungsluft gerichtet und die 
beiden, in der lÜÜberfchrife genannten, vom Verlangen 
nach Belehrung hervorgerufenen Schriften werden nichts 
dazu beitragen, fie zu mindern. Beide dußern ſich über 
Seeland, über die Seeländer und über die zur Erlelchte: 
sung ber Emigranten getroffenen Anftalten auf das gün- 
ſtigſte. Und beider Verfaffer find mindeftens im Stande, 
die Wahrheit zu fagen, — Ward ale Secretafe der 
Meu : Seeländer: Sefenfhaft, und Polack als mehrjaͤhri⸗ 
ger Nefident in Neu: Seeland. Die früheflen dortigen 
Goloniſten waren Miffionnatre, ausgefendet von der Church 
Missionary Society in London, welche auf der nördlichen 
Inſel — denn die fübliche iſt verhältnigmäßig kaum ge: 
kannt — zehn Stationen hat, mit 54 Schulen, bie, 
laut ber neueflen Angabe, von 1431 Perfonen befucht 
werben, während die Sefammtzahl der die zehn Gemein: 
den bildenden Individuen fi) auf 2476 beläuft. Nicht 
blos als Körperfchaft, fondern auch als Privatleute find 
die Miffionnaire im Befige großer Landesſtrecken, die fie 
meift ſehr wohlfell erworben haben, wie 3. B. ein Herr 
Fairburn für einen, 30 englifhe Meilen langen und 
faſt ebenfo breiten Strich des fruchtbarften und beſtgele⸗ 
genen Landes einen Werth von unter 1000 Thaler in 
Werkzeugen und wollenen Deden bezahlt Hat. Daß fol- 
cher Privatbefig auf die Sefinnungen ber Miffionnaire ei: 
nen etwas zu weltlichen Einfluß ausübt, leidet bereits 
keinen Zweifel. Doch derartige Weltlichkeiten find in ben 
Annalen der Miffionsvereine nichts Neues. Außer den 
Miffionnairen haben ſich vielleiht noch 2000 Eng: 
länder angefiedelt, von denen ein großer Theil aus ents 
laufenen Matroſen, nichtönugigen Vagabunden und De: 





porticten beſteht, bie aus ben Strafcolonien von Neu⸗ 
Süd: Wales und Ban: Diemen’s: Land entwifcht find. 
Selbſt an Abenteureen bat es nicht gefehlt. Naments 
li ragte ein — ſich fo titulicender — Baron de Thierry 
hervor, ber nichts Serihgerzs im Sinne hatte, als fih 
zum unbefchränkten Herrn und Gebieter von Nen- See: 
land zu machen. Wäre fein Vorhaben gelungen, hätte 
er in dem problematifchen Befigftreite zwiſchen England 
und Frankreich ein entfceidendes Wort fprechen können. 
Aber es gelang nicht; fogar bie Gerreuen, bie ihm von 
Sidney gefolgt waren, verließen ihn, und jegt lebt er 
von Dem, was Goloniften und Eingeborene ihm freiwil: 
lig reichen. Der einigermaßen gefelofe Zuftand von Neu: 
Seeland und ber den Guten unter den Schlechten täg- 
lid nothwendiger werdende Schug — benn bie Regierung 
bat fi bisher begnägt, einen Reſidenten zu beitellen 
und bie britifhen Unterthanen an die Gerichtshöfe von 
Neu: Güde Wales zu verweilen — führte um das Jahr 
1837 zu Bildung der New Zealand Affociation, die 
fi gleichſam zum Organ der Colonie, der Regierung 
gegenuͤber, machen wollte. Der Verein loͤſte ſich jedoch 
auf, ſobald die von ſeinem Vorſitzenden, dem bekannten 
Herrn Baring, vor das Parlament gebrachte Bil „zw 
vorläufiger Beauffichtigung und Regierung ber britifchen 
Niederlaffungen auf der Inſel von Neu: Seeland” in 
Folge des vom Minifterium erhobenen Widerſpruchs vers 
worfen worden war. An feiner Stelle bildete fi im 
Srühjahe 1839 die New Zealand Society, die nunmehr 
auf eigene Koften den frühern Zweck zu erreichen firebt. 
Sie fing damit an, auf der nördlichen Inſel ein bedeus 
tendes Zerritorium, zu welchem bie Häfen Hokianga und 
Kaipara gehören, für fi anzufaufen, und fendete dem= 
naͤchſt Bevollmächtigte ab, noch mehr Land zu erwerben, 
einen zur Gründung einer Stadt geeigneten Platz auszu⸗ 
wählen und bie für nachzufchidende Coloniſten nöthigen 
Empfangsanftalten zu treffen. Die Bevollmächtigten find 
dem Auftrage alfenthalben nachgefommen; bie neue Stadt 
wird fih an einem Hafen in Cook's Strait8 — dem die 
nörbliche Inſel von der füdlichen trennenden Kanale — 
erheben, und bier foll das eigentliche Werk der Coloniſi⸗ 
rung beginnen. Die Srundlinien des Plans find fol 
gende. Die Stadt fol zu ihren Gebäuden, alfo mit 
Ausfhluß des zu Straßen, Kais, Gärten und freien 
Plaͤtzen erfoderlihen Raums, einen $lächeninhalt von 
1100 Adern haben und das außerdem dazu zu ſchlagende 
Seld in 110,000 Adern beſtehen. Diefe gefammten Län 
dereien werden in 1100 Parcellen getheilt, jede von eis 
nem Stadtader und 100 Feldadern. 110 Parcellen res 
ſervirt fich die Geſellſchaft, um fie als Privateigenchum 
denjenigen unter den Eingeborenen zu überlaffen, denen 
bie Ländereien urfprünglicy abgekauft worden find. Die 
übrigen 990 Parcellen follten zu bem Preife von 101 
Pfund Sterling, naͤmlich ein Pfund für den Ader, zum 
Verkauf geftellt werden, und wenn ich fage: follten, fo 
meine ich damit, daß fie bereits veräußert find. Saͤmmt⸗ 
liche Parcellen wurden in London verlooft und ein Bes 
aufteagter des Vereins zog bie Nummern der reſervir⸗ 


ten 110. Sitfundgeamgig "Pkocent bes Kaufgeldes find 
für die Geſellſchaft zu Dedung der Koften beſtimmt 
und ber Überſchuß fol zu Auswanderungszwecken verwen: 
det werden. Dabei genoffen. die mit der erfien Colonie 
abgehenden Lanbläufer das Vorrecht, aus biefem Fonds 
für die Koſten ihrer und dee Ihrigen Überfahrt eine bie 
auf 75 Procent des Kaufſchillings anfteigende Verguͤtung 
zu erhalten. Der Reft des Fonds fol die Verſchiffung 
junger, zur arbeitenden Glafie gehöriger Leute beider Ge: 
ſchlechter bezahlen. Bereits find im laufenden Jahre zehn 

Schiffe mit 1123 Paffagieren, Männer, Weiber und 

Kinder, in See gegangen und. hoffentlich wird der Herbft 

bie Nachricht nicht blos von deren glüdlichee Ankunft, 

fondern auch ihres Wohlgefallens an der neuen Heimat 
überbringen. Wenigſtens berechtigt der Inhalt beider 
vorgenannten Schriften zu dieſer legten Hoffnung. Sie 
nd von zu allgemeinem Intereſſe, um nicht eine baldige 
berfegung zu verdienen, vermuthlich zu finden. 

17. The life and letters of Marcus Tullius Cicero; 

by Middleton. London. 

Nach der Über „Cicero's Leben” von Middleton in Eng: 
land herrſchenden Anficht bedarf vorgenanntes Buch nur 
einer Anzeige, keiner Beurtheilung. Jene Lebensbefchrei: 
bung gilt für das Volllommenfte, was bie Literatur im 
Fache der Biographie befigt. Welcher Deutfche möchte 
da voiderfprechen, in Betracht Midbleton ja nur für 
England engliſch gefhrieben bat? Die Überfegung der 
Briefe haben die Herren Melmoth und Heberden beforgt 
und, wie es ſcheint, mit Gluͤck und Geſchick. 

48. Publii Ovidii Nasonis Fastorum Lib. VI, With notes 
and introduction, by Thomas Keightley. Lonbon. 
Thomas Keightley iſt dem belefenen Deutfchland be⸗ 

reits durch einige biftorifche Werke und namentlich als 

Berfaffer einer griechifchen und römifhen Mythologie be: 

tannt. Lesterer dient vorliegendes Buch gleihfam als 

Supplement und ber Derausgeder hat ſich dadurch ein 

unbeftreitbares Recht auf den Dank der gelehrten Welt 

erworben. 74, 


Chriftoterpe. Ein Taſchenbuch für chriftliche Lefer auf 
das Jahr 1840. Herausgegeben in Verbindung mit 
Andern von Albert Knapp. Mit Kupfern. Xüs 
bingen, Dflander. 1840. Gr. 12. 2 Thle. 


Hr. A. Knapp iſt befanntlih ein Wann mit vorberrfchens 
dem Gefühl, frommem Gcmüth und ber beffern Myſtik zuge: 
than, daher auch bei feinen Dichtergaben wohl geeignet, 
Sig und Stimme im Rathe zu haben für nee Kiederfamms 
ungen zum kirchlichen und häuslichen Gebrauche. Er gehört 
keineswegs zu den GSchreiern, die durchaus begehren, man 
fole fi nicht aus ben arauer ‚Stunden der Andacht“, 
fondern aus Benjamin Schmolke und ähnlichen Werken er: 
bauen und die felbft den Gellert'ſchen Liedern die rechte, tiefe 
Ehriſtlichkeit abfprechen, oder die 3. B. in Naumburg die 
chriſtliche Gemeinde anflagen, die doch wol auch religlöfen Sinn 
und gefunbes Urtheil hat und fi bisher aus einem Ges 
fangbudye erbaute, das erleuchtete und fromme Männer famniel: 
ten und das bei feinen Unvolllommenheiten der Verbefferungen 
bedarf, wie jedes Menſchenwerk, nicht aber ber undank⸗ 
baren verkehernden Berwerfung, die ſich geberbet, als ob jene 


Gimmier, und Wie, weſcht fe Langer Seit ihte heifkiaen Mes 
därfuiffe in dem Geſammelten befriebigt fühlten, —— — 
HDeiden geweſen wären und Stier, Wimmer und Sonforten gerabe 
noch zur rechten Zeit den armen Eeuten bie Augen geöffnet hätten! 
Indeß fo wenig wie talter, profaifcher Reimere das Wort ces 
den, fo ſehr wir das körnige, gute Alterthämliche von Luther, 
Paul Gerhard u. f. w., denen fi bie theologiſche Sichtung‘ 
des Herausgebers der „Sheiftoterpe” zunelgt, ehren, fo möchten 
wir doch auch nicht, und wir glauben bie allergrößte Mehr⸗ 
zahl ber Proteftanten auf unferer Seite zu haben, ein von ihm 
allein nad den Gaben in feinem fchägenswerthen „Evangeliſchen 
Liedberfchage” geſammeltes Geſangbuch eingeführt ſehen. @s iſt 
merkwürdig, wie ſolche Männer, denen es nicht an Geiſt und 
Erkenntniß mangelt, bei denen aber die Waͤrme der Empfin⸗ 
dung, verbunden mit heftigem Glaubenseifer, beinahe die Bes 
finnung bie zur Gmpfindetei überwältigt, fich zu jũdi⸗ 
ſchen Iypen, füßen Tändeleien, faft laͤcherlichen Spielereien, 
ja zu efelhaften Geſchmackloſigkeiten hinreißen laſſen, wozu 
wir leicht Beweiſe geben könnten, unter andern die Erbau— 
ungsichrift eines verſtorbenen würtembergifchen Theologen, bie 
von einem geifterihen, aber der Schwaͤrmerei naheſtehenden, 
aud in der „Ghriftoterpe” vorfommenden Manne wiederhers 
ausgegeben iſt, und wo von ben Bäuen und Träbern aus ber 
Geſchichte des verlornen Sohnes eine weite widrige Anwendung 
auf die Sünder gemacht wird. Wir wollen flatt aller Bes 
lege, wie weit es Dr. Knapp gebracht hat, S. v aus ber 
Borrebe mittheilen. Es find nicht feine Worte, fondern es iſt 
eine Stelle aus der Borrede zu den „„Hirtenliedern” des herrlichen 
Dichters Angelus Sileſius (Joh. Scheffler, 1657), ben Knapp 
mit „einem taufendblumigen Rofenſtrauche“ vergleicht, und 
„bie meinen innerſten Sinn mehr als jede andere bezeichnet.” 
„Sie ift verfollen, dieſe vortreffliche Stelle, fol aber nun im 
weitere Kreife gleich einem Ariel ausgehen, weil fie des Andens 
tens würdig erſcheint.“ Rah dem Tadel, daß viele geſchickte 
Köpfe ihre Zeit und Gaben mit Befchreibung ber thörichten 
Beltliebe fo unnüg verſchwenden und der Liebe ihres füßen Ges 
ligmachers nicht mit einem Worte gedenken, heißt es: „O ihr 
Poeten, wie ſeid ihr ſolche Thoren, daß ihr Herzen und Sinne 
euren Doriaden, Flavien, Purpurillen, und wie ſie weiter 
heißen, ergebet, welche doch entweder nichtige Undinger und 
Schatten in der Luft, oder ja wahrhafte Sirenen und Berfühs 
rerinnen eurer Seelen find. Wendet bier eure Erfindungen und 

ebern an. Hier, bier in dem unvergleichlichen Angeficht Jeſu 

hriſti iſt die allerfreundlichſte Anmuthigkeit, bie alleranmus 
thigfte Lieblichkeit, die allerlieblichfte Holdfeligkeit und bie 
allerhotbfeligfte Schönpeit. Hier blühen“ die unvermelktichen 
Rofen und Eilien: feine Wangen; hier wachſen die unverbleichs 
lien Korallen: feine Eipven; hier fcheinen die unverfinfterlichen 
Sonnen und Monde: feine Augen; bier iſt ber anbetungswürs 
dige Thron des Glanzes der Herrlichkeit: feine Stirne; bier 
wehet der ewige Weſtwind: fein holdfeliger Athem, ber bie 
gefrorene Erde eures Herzens aufthauen ann unb erquiden; 
diefe Schöngeit liebet und befchreibt, und vertieft euch ganz in 
fie! Wollet ihr mehr, fo wiflet, das Hier iſt ber holdfelige 
Daphnis, der forgfältige Gorpdon, ber treue Damon, ja der 
Preis und die Krone aller tugendhaften und auserlefenen Schaͤ⸗ 
fer und Schäferinnen.“ „Es ift hier die mildreiche Balathea, 
die ewige Gütigkeit (als eine füße Mitchgöttin); bie edle So⸗ 
phie, die ewige Weisheit; die ſchoͤne Kallifto, die ewige Schoͤn⸗ 
beit, und Alles, was ihr nur wollt. Ad wie hochverdienſtlich 
töngte euer Dichten und wie erbaulicdy eure Liebe fein“ ıc. Man 
fann aus diefem Motto auf den Geiſt, wenn aud in verſchie⸗ 
denen Schattirungen, bed ſchoͤn ausgeftatteten Büchleins fchlies 
Ben. Wem er zufagt, der halte fi zu ihm, zürne uns aber 
auch nicht, wenn wir bekennen, daß uns biefe Yhantafien über 
die hriftliche Weisheit hinausgehen und wir diefelben In den ſchlich⸗ 
ten Miteheilungen der Evangeliſten und Apoftel nicht finden köns 
nen, ja fogar zweifeln, od diefe Jünger, nicht in myftifchen Schulen 
gebildet, diefelben verftchen und loben würden. Wir bekennen, 





mann in 
nabelennts 
r und bem 


ſchraubten 
napp und 
die“ wollen 


nen. 


Dit Berufung auf Rüdert faͤhrt ex fort: 
. Welrant nur freudig hart, daß liebiich· Gewalten 
3a Xlesanbriens Werbnmpen fein enthalten! 
Cold, Dkettam IR beqsem Posten insgehehm: 
Baht viel Gebantenfelm und hat doch eins Reim. 
Sin weifer Mom darf auch im Gchlafeed ehva6 fagen, 
Um brassht mit Innmrhat den feinen Brad zu tragen. 
Waren bHeb ber Bottedfohn fern vom Schreiben? 
D Hätte Ghriffed und en eigne® Buch gefhrieben, 
So wär’ er hinter und ald Menſch zurädgeblieben. 
in König ſchreidt kein Buch, wenn er befehten will: 
&r fpriäyt nur; umb zu Dauß fchreibt‘® der Dinifker fill. 
Nach noch zwei andern, ge ia iöhaltigen Gründen beants 
woriet er ebenfo bie Wedenkti 
Befremdtig förint e8 oft, Daß nad Apofiljeit 
Das Gpriftenthum verlor Schriftkellerd Herrlicteit, 


Samrat. hen 
EEE pie — 
Man ſol nicht edles vetbanimien, fonderh an fd feihff Denken: 
D wle gelinde gingb bei und ald Ednbenn her, 
Bean jedem feine Gänd' alfket vor Außen 
Doi wenn wen fie vergißt, dann ———— 
Ah alter Wichinöfiken dad hauft ſi adtu auf: Berk. 
. Cote Geßkeine Derichehciihin GH uihtien“ Lin I. ID, 
Derms De ——— nis Repräfetaitten- feiner Beruube bei 
Gefangbucpsconferengen eine Gtimme, aber ja nicht ehe. 2. 
nit das Präfibium. 





Miscellen. 


Die FR Auf; ahrung von „Romeo und Julia”, 
Unter den in fo frühem Alter verſtorbenen 

Berini Hat fih auf —* Bühne keine eines fo anhaltenden 
Beifalls zu erfreum gehabt als fein „| © Giulietta‘‘, 
Aber wenn fie auf unferer Wühne inamer fo gern gefchen wich; 
fo kann man ſich leicht vorftellen, ba fie in Sa ien nody ieh 
mehr Yurore machte, und namentlid war dies in Wenebig der 
Bat, wo am 2. Märy 1880 Die erfte Aufführung: erfolgte, 
welde der junge Bellini, oder Wellino, wie ihn die Italiener 
wegen feiner Schoͤnheit oft nannten, leitett. Dee 
fiasmus hierbei kannte Feine Grenzen. Grifi, in der blüs 
heribften, Zugenbfraft, gab den Momto, die Gorrabori bie Bü 
iſetta, jene mit einer Leidtmfdaffichkeit, daß fie einmat dor 
Xhränen nicht fortfingen Tonmte, aber dad Imte Shludigen ihe 
den größten tray —— Triumph bereitete. Sie wurde 13 Mal, 
die Gorradori 12 Mal gerufen, und Bellini verfedte ſich 
dem immer iebertepuenden, Aufen zu enfgehen, endlich in dee 
Loge bes Gouverneurs. De Worfelung u Gnde war, 
wurden die Sängerinnen pr Yen Anhängern mi dem tan 
teften Jubel empfangen und mehr mad) 
begleitet, indem die Banda des Regiments Ef 

mit dem Marfde aus der Oper, ber en Ya Sa 4 
mit dem großen Ehore bes’ vierten Actes folgte. Die Griff ges 
dachte Lange noch biefes ſchoͤnen Kaget amt und erinerte ſich 8 
in London mit Wehmuth deffeiben. „Rue in Italien kann 
wieder fo fingen wie damals”, fagte fie. „„Aber’‘, fette fie Lde 
elnd Hinzu, „in Londra si pagano meglio.“*) 


Der Reime Eulalia bat durch die ganze Well die Kuube 
gemalt, denn bie Heldin von Kopebur’s „MR ans 
Reue Heißt fo, und biefes Gtüd murde In Tobolst fo gut 
wie am Zajo in — geren: Woher ſtammt berfelbe? 
Aus dem @riechifen von Zu und daieır ifl er —* —* 
aber aus im Arabifden kommt er vor, wie ein junger Mann, 

Kart Berndt *°), veefißeet, dee Don einer arabikfen Euldlla 
zaͤrtlich geiiebt wurde. Schade nm, daß er die Bebeus 
Hr defielben mitgetheilt hat, wenn das Mont at near 


So berichtet en wohlit errichteter Mugenzenge des Jubeis 
(Sottbrommer, in den „Gartönd 'auß der Weifemappe eines 
deutfipen Toicriſten · 1, ©. 6059. 

*) „‚Abbellader ober drei Jahre eines Deutſchen unfer den Maus 
zen" (Berlin 1840). 





@rtlärung. 
Mac dem Wunſche des Heren PVrofeſſor we 
vinus in Prineiberg er gerläten bi hierdurd, Bi 
ber in Mr. L enthaltene — 
— nuniver ſitãt Geibeiserge, nicht von ih m unge 





Berontwortiiher Heraubgeber: Heintich Brodb 





Drud und Verlag von 9. A. Broddaus in —— 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


— Nr. 199. 





17. Juli 1840. 





Geſchichte Europas ſeit dem Ende des funfzehnten Jahr: | müde Europa würde eines langen Friedens, wie es deſſen 


bundertö von Friedrich von Raumer. Sechster 
Band. , Feipzig, Brockhaus. 1838. Gr. 8. 3 Thlr. 
6 ©r.*) 


Der vorliegende Band ift dee Sefchichte Ludwig's XIV. 
und feiner Zeit gewidmet, von dem Beginnen ber Selbft: 
zegierung des Königs bis zu feinem Tode. Man kann 
die Lefung deffelben nicht beginnen, ohne auf das leb⸗ 
haftefte baran erinnert zu werben, daß fich in Frankreich 
feit jenen Zagen mit den Zeiten „und Gefchlechtern die 
. Gedanken, Überzeugungen, Anfichten, Beſtrebungen we: 
fentlich verändert haben, der die politifhen Verhaͤltniſſe 
und ihre Lenkung beflimmende Charakter der Menſchen 
aber im Ganzen berfelbe geblieben if. In der Mitte 
großer herrfchender Übel hielt Ludwig XIV. nur ein ein 
ziges Mittel, fie zu beilen, für möglich, die Verſtaͤrkung 
ber königlihen Macht, nachdem 
die Prinzen, der Adel, die Geiftlichen, die Parlamente, bis zu 
dem Pöbel hinab fi) nacheinander und durcheinander für heil⸗ 
bringende Bionswächter ausgegeben, jeber in feiner Parteianficht 
die unbedingte Wahrheit, in feinen eigennügigen Zwecken den 
Mittelpunkt alles Öffentlichen Lebens gefehen hatten. Sehr oft 
haben die Franzoſen und ihre Könige verkannt, daß bie gleichs 
zeitige Entwidelung des Verſchiedenartigen, ja des Ents 

egengefesten zum Weſen bes Lebens gehört; fie haben 

1d Dies balb Jenes, aber meift nur Eines geehrt und das 
Abweichende dann vernachläffigt, angefeindet, verachtet, zu Bo: 
den getreten. Alsdann wurden fie in einer oder der andern 
Richtung fortgerifien und beherricht: von einem Könige, einem 
Minifter, einem Priefter, einem Feldherrn, einem Gedanken, 
einem Gefühle, einer Lehre, einer Wahrheit, einem Vorurtheile, 
einer Thorheit. 

Welch eine Lehre und Warnung für das heutige, 
fi in feinem politifchen Leben mit Danaidenarbeit abs 
mübhenbe Frankreich, wenn es fie anertennen wollte und 
zu benugen verflände. Man nennt eine der bort ha⸗ 
bernden Parteien Doctrinaire, im Grunde innen fie aber 
alle diefen Namen führen; denn mehr oder weniger 
glauben alle das Heil nicht in dem Leben, welches das 
Geſetz bildet, zu finden, fondern in dem abftracten Ge: 
fepe, welches das Leben bilden fol. 

Das nach langen und hoͤchſt verwültenden Kriegen 


*) Zuletzt berichteten wir über biefes Werk in Nr. 345-847 
d. Bl. f. 1836. Der Addruck des nachſtehenden Aufſatzes 
hat fi zufällig etwas verfpätet. D Red. 


bedurfte, haben genießen koͤnnen, wenn es nicht durch 
den Ehrgeiz Ludwig's, für den die einheimifchen Gefchäfte 
nicht Reiz und Glanz genug hatten, in eine neue Reihe 
verderblicher Kämpfe geriffen worden wäre. Der Verf. 
hat von den Planen und Thaten dieſes maßlos frechen, 
durch Zreulofigkeit und Hochmuth jedes Gefühl empören- 
den Ehrgeizes ein klares, durch viele einzelne Züge beleb⸗ 
tes, in ber Gedrängtheit der Darftellung eindrudsvolles 
Bild entworfen. Was den beutfchen Lefer dabei nicht 
nur mit Schmerz, fondern auch mit tiefer Scham erfüllt, 
ift jene in unferee Geſchichte leider fo oft wiederkehrende 


GSteichgüttigkeit für die Ehre und Bedeutung des Vater: _ 


landes, die fi Lubwig XIV. gegenüber bi6 zu einer 
Stumpfheit feigerte, welche auch für die empfindlichften 
Verluſte gefühllos war. Statt Angriffe, Raub und Be: 
ſchimpfung mit vereinter Kraft zuruͤckzuweiſen, gaben bie 
Stände den Anerbietungen und Schmeicyeleien ihres ges 
fährlichften Feindes Gehör, haderten und betrogen fich 
untereinander. Welcher Deutfche möchte dem Verf. nicht 
beipflichten, wenn er bei diefer Gelegenheit ausruft: 
Wahrlich, diefe Schmach ift fo entfeglih, biefe Nichtigkeit 
fo jaͤmmerlich, dieſer Verrath am Vaterlande fo abfcheulich, 
dag man bie Frevel ber Franzoſen wie eine vom Himmel ges 
fandte verdiente Zuchtruthe betrachten koͤnnte! Auch iſt biefe 
Remefis über Deutfchland immer wieder eingebrochen und wirb 
auch Tünftig jedesmal wieder einbrechen,, fobalb es vergißt, daß 
bie Mannichfaltigkeit feines innern, einheimifchen Lebens nie in 
eine völlige Trennung und Entgegenfegung ausarten darf unb 
daß das größte Voll naturgemäß zu Grunde geht und eine 
Beute der Fremden wird, fobald es nicht mehr wie ein einziges, 
untbeilbares Volk handelt. j 
Nachdem ber Berf. die Gefchichte ber europälfchen 
Staatöhändel bis auf ben nimweger Frieden geführt hat, 
gebt er auf das Leben an Lubwig’s XIV. Hofe, auf 
Frankreichs Verfaſſung, Verwaltung, Kriegsweſen, Fi⸗ 
nanzen, Wiſſenſchaft, Kunſt, Religion und Kirche uͤber. 
Wir ſehen hier dieſen Koͤnig, an dem Alles, bis auf 
die kleinſte Bewegung, das geringſte Wort herab, als ge⸗ 
meſſen, ſchicklich, hoͤflich, edel, groß, majeſtaͤtiſch und doch 
ungeſucht und natürlich geſchildert wird, von den con: 
ventionnellen Formen ſo beherrſcht, daß ſie ihn in einer 
Art von kuͤnſtlicher Gefangenſchaft hielten, von dem ge⸗ 
ringſten Verſehen gegen Hofgebrauch und Rangordnung 
in einen ſolchen Zorn verſetzt, daß er weder reden noch 











902. . 


effen konnte. Wir fehen ihn einfam in feiner Wuͤrde, 


in feiner Familie nicht gluͤcklich, in den Armen der Mal: 
treffen eine Befriedigung fuchen, die er nicht findet. Er 
verlegte Zucht und Anftand mehr, als durch warmes 
Blut und leidenſchaftliche Triebe ensfhuldigt werden kann, 
und das Übel verbreitete fih unbeilbringend vom Throne 
in alle Kreiſe. 
ner frivolen Zeit entgegen. Nicht aus einem mächtigen 
Maturtriebe geht. die Unkeufchheit hervor, fondern aus 
Langmeite, Eitelkeit und Mode. Während Einige die 
Leidenſchaft des Königs für bie Weiber theilten und An: 
dere fie aus Schmeichelei erheuchelten, herrſchte zugleich 
eine Spielwuth. Tros der Geſetze, die fie 
beſchraͤnkten, ging der Hof mit verfuͤhreriſchem Beiſpiele 
voran und ebenſo verhielt es ſich mit dem Kleiderluxus. 
Übrigens Eonnte der König, deſſen Beiſpiel und Befehl 
fonft überall entſchied, der Mode nicht gebieten; er er 
zählte felbft, er habe mit all feinem Anfehen ben zu 
hohen Kopfpug der Frauen, ber ihm misftel, nicht er 
niedrigen koͤnnen. Naͤchſt ben Weibern koſteten ihm bie 
Bauten fehr große Summen, bie größten Verſailles. 
Bei Betrachtung diefer Säle, Zerraffen, Grotten, Spring: 
brunnen, fabelhaften Thiere follte man meinen, der König 
habe hier ein über Sorge und kleinliches Treiben erha> 
benes, heiteres, poetiſches Leben geführt. Statt beffen 
befammerte er ſich um die kleinſten Stadtgefchikhten "und 
Klätfchereien, ließ, um fie zu erfahren, Briefe erbrechen 
- und duch Kundſchafter Tag und Naht Paldfte, Gärten, 
Gänge, Treppen, Wege, Stege und geheime Orte beobachten. 

In der zweiten Hälfte feines Lebens gerieth Ludwig 
durch das ganz verkehrt aufgefaßte Chriftenthum in eine 
Gefangenſchaft anderer Art. An die Stelle der abſter⸗ 
benden Borliebe für die Weiber trat erlünftelte Prubderie, 
dem liederlichen UÜbermuthe folgten aͤngſtliche Heuchelei 
und wilde Verfolgungsfuht. Der König trug nun Re: 
liquien auf dem Leibe, aber von Demuth, Mäßigung 
und echter Wiedergeburt war nicht die Rede. Verdruß 
über fein früheres Leben, Hoffnung, ſchon hienieden Alles 
abzubuͤßen, ſowie Kurcht vor dem Tode und den göttlichen 
Strafen machten ihn zum Knecht von Beichtvaͤtern und 
Eiferern. Zu biefem Übergang aus finnlichem Übermuthe zu 
fcheinheiliger Froͤmmelei hat Niemand mehr beigetragen als 
die Maintenon, über die ber Verf. folgendes Urtheil fällt: 

Es fehlte ide an aller wahren Größe und Tiefe bed Geiſtes 
und Charakters. Nie erhob ſich ihre Bewanbtheit zu -echter 
Weisheit und nie hatte fie den Muth, Wahrheit und Unfchuld 
u vertheidigen, wenn fie irgend befürchten Tonnte, daß ihr 

erſpruch dem Könige misfalle. Immerdar bot fie dagegen 
angſtlich, oder (mie bei ber Berfolgung der Hugenotten) vers 
brecheriſch die Hand zu Allem, was jeinen Neigungen und Lei⸗ 
denfchaften fchmeichelte. Ihre Liebebienerei und 
erfünftelte SKeufchheit und fFalfche Froͤmmigkeit thaten mehr 
Schaden, als die Ungedulb, Kühnheit und Genußliche der 
Monteipan. 

Ludwig XIV., fagt der Verf. treffend, begann bie 
Weltgefchichte mit fich ſelbſt, d. h. er bielt bie ſchranken⸗ 
iofe königliche Gewalt, welche Richelieu und Mazarin ge 
gen bie Empoͤrungen der Prinzen, Prälaten und Barone 
gewonnen hatten, für ben einzig gefeulichen, legitimen 


Aller Orten tritt uns der MWiderhafl eis 


eigbeit, ihre 


Zuſtand und ging niemals auf bie Vergangenheit, als 
auf etwas Würdiges zurüd, flatt daß er hätte unterfuchen 
folen, mas von dem Frühern wahrhaft veraltet und da⸗ 
ber für immer zu befeitigen fei, und was von Misbräu- 
hen gereinigt, eine Wiederbelebung verdiene. Jede Mit: 
wirkung des Volkes bei der Geſetzgebung, jedes -Reipr ber 
Beldbewitttgung Hielt er für ein Unrecht und ein Ungluͤck 
Nachdem die Formen ber Verfaffung abgefchafft waren, 
hätte die Verwaltung mit doppelter Wichtigkeit hervortre⸗ 
ten Statt defien fand der monarchiſche Abſolu⸗ 
tismus Ludwig's XIV. auch in den niedern Kreifen ein 
Gegenbild und es entfland eine Bureaufratie, Vielregie⸗ 
serei und Qentralifation, welche ‚um. Abſterben alle lands 
fhaftlihen und oͤrtlichen Lebens wefentlich beitrugen ; ein 
Berluft, der durch die erhöhte Schnelligkeit und Orb: 
nung in den Geſchaͤften bis auf den heutigen TJag nicht 
erfegt werben konnte. Gefeggebung und Kriegsweſen er- 
fuhren, den veränderten, gefleigerten Bedürfniffen ber 
Zeit nach, manche Veränderung und weſentliche Verbeſſe⸗ 
rung, uͤberall finden wir eine gemandte Handhabung und 
Benutzung des Augenblicks, nirgend aber große, leitende, 
erzeugende Gedanken und Ideen, welche die Nachwelt 
fruchtbar und ſegensreich umgeſtaltet oder wenigſtens den 
Übeln vorgebeugt hätten, die aus den ergriffenen Maßre⸗ 
gein fonft nothwendig hervorbrechen mußten. 

Nichte minder willfürlih und tyrannifch als auf dem 
politifhen, ja noch viel fchlimmer und gemaltthätiger 
zeigte füch derfelbe Abfolutismus auf dem refinidfen und 
Pirchlichen Gebiete. Aus dem Standpunkte des unbeding⸗ 
ten göttlichen Rechtes der Könige ward erwiefen: daß je 
bes Recht, jede Gabe, jedes Verſprechen nach Belichen 
widerruflich fei und eine heilige Gewiſſenspflicht ben 
Herrfchern auflege, alle Keger in den Bezirk der katholi⸗ 
fhen Kirche hineinzuzwingen. Gegen bie Reformirten, 
welche Ludwig in frühern Regierungsjahren mit großer 
Milde und Mäßigung zu behandeln fich geriihmt hatte, 
wurden fpdter Verfügungen und Maßregein ergriffen, 
Auslegungen und Befchräntungen gemacht, welche ur 
kundliche Rechte umfliegen, wohlerworbenes Eigenchum 
raubten, häusliche Verhättniffe mit Süßen traten, from: 
men Gemuͤthern religiöfen Troſt entzogen und allen Eis 
ferern geiftlichen umd weltlichen Standes zu Raͤnken und 
Ungerechtigkeiten gefegliche Vollmacht ertbeilten. Diefes 
(händlihe Spiel mit Gewiſſen, Freiheit und Gütern‘ der 
Meformirten follte ihre Belehrung einleiten, zu deren 
Bollendung man zu noch weit fhlimmeren Gewaltthaͤtig⸗ 
keiten fchritt, nad) der Laune und Willkür bes Minifters, 
des Beichtvaters und der Maitreſſe. Es begannen nach 
Lonvois’ Anweiſung die Einquarticungen, einzeinen Per 
fonen legte man bis hundert Dragoner ein. Die argen 
Borfchriften wurden bei der Ausführung noch uͤberboten 
und es finden ſich nach Zeit, Ort und Perfonen fo genau ver= 
zeichnete unzählige Graufamkeiten, daß man in bie widerwaͤr⸗ 
tigften Zeiten bes beeißigjäßrigen Krieges verfegt zu fein glaubt. 
Sa, wäre auch nur ber hundertſte Theil bes Erzählten wahr, 
fo reichte dies hin, alle Theilnehmer, welche ruhige Mitbürger 
während bes tiefften Friedens anf fo empörende Weiſe mishan- 
beiten, mit ewiger Schande zu branbmarken. 


© 


Als nun ale biefe Frevel buch die Aufhebung bes 


Edicts von Nantes gekrönt wurden, viele Zaufend Fran: 
sofen gendthigt waren, ihr Vaterland unter dem größten 
Gefahren zu verlaffen und dieſe Ausmwanderungen bie 
verderblihen Folgen jenes unfeligen Schrittes auf das 
deutlichfte erwieſen, lenkte man doch nicht um zu Milde 
und Maͤßigung, fondern uͤberbot die frühern Beſchluͤſſe 
durch neue Grauſamkeiten. Der Verf. zeigt, wie nichtig 
die Entfchuldigungsgründe find, die man für Ludwig 
vorgebracht hat, daß man ihm nämlich das Meiſte ver: 
heimlicht und daß er nur in dem allgemeinen Sinne 
feiner Zeit gehandelt habe. Ganz unmahr ift aud die 
entgegengefegte Behauptung, daß Ludwig die Schuld bie: 
ſer Verfolgungen allein trage, alle übrigen Franzoſen 
aber keinen Theil Daran gehabt, ja fie gemisbillige hätten. 
Vielmehr wurde von vielen Stimmen Ludwig's Derfahren 
als ein hoͤchſt verdienfllihes und ruhmwuͤrdiges gepriefen 
und die franzöfifche Geiſtlichkeit entbloͤdete fich nicht dem 
Könige zu fagen: feine frühern Thaten hätten feinen 
Namen bis zu den Auferften Grenzen der Erbe getragen, 
diefe That werde ihn bis zum Himmel erheben und ihm 
einen Ruhm erwerben, ber noch fortdauern werde nach 
dem Untergange des Weltall. 

Zu Denen, welche in fo ausfchweifende Lobeserhebun⸗ 
gen des Verdammenswuͤrdigſten ausbrachen, gehörte auch 
der berühmte Boſſuet. Belanntlid hat er eine Gefchichte 
der wechſelnden Meinungen in ben proteflantifhen Kicchen 
gefchrieben, welche bie Streitigkeiten derſelben in tiefen 
Schatten ftellen follen gegen bie unveränderliche Einheit 
und Ruhe in der Eatholifchen Kiche. Und doch bradyen 
innerhalb ber Iegtern zu Ludwig's Zeiten bedeutende Zwi: 
fligkeiten und Kämpfe aus: über den Janſenismus, über 
den Quietismus, über das Buch des Paterd Quesnel, 
welches die Bulle Unigenitus veranlaßte, und über bie 
Sreiheiten der galltcanifhen Kirche, welche in den beruͤhm⸗ 
ten - vier Artikein ausgefprochen wurden. Über dieje Ar: 
titel urtheile der Verf. indem er blos den fchädlichen 
Einfluß, den die Einmifchung des Hofes herbeiführte, in 
Erwägung zieht, zu unguͤnſtig und ohne auf die frühere 
Entwidelung dieſes Streite® unter Richelieu Ruͤckſicht 
zu nehmen. 

Penn Hr. v.Raumer, im naͤchſten Abfcpnitte zu ben Be: 
gebenheiten nad dem nimmeger Frieden übergehend, er: 
Hirt, über die tuͤrkiſchen. Verhältniffe Eurz fein und nur 
das Nöthigfte von ihnen beibringen zu wollen, fo finden 
wir dies ganz zwedimäßig und dem Plane feines Werkes 
angemeſſen; nicht aber, daß auch bie beutfchen Angelegen: 
heiten zu ſehr in den Hintergrund treten. Freilich if 
von Deutfchland leider nicht viel Erfreuliches zu berichten, 
die klaͤgliche Rolle, bie es unter Ludwig XIV. ſpielte, 
gehört mit zu dem Beiammernöwertheften in unſerer 
Geſchichte; aber auch diefe Schatten hätten mehr in Be: 


zug auf das innere Leben der Nation dargeſtellt werden | de ehre Burchenticher überlegt, unter andern ben „Ranbesvater”, 


muͤſſen. Obne dieſes iſt weder die Verſunkenheit ber 
Deutſchen noch ihre nachmalige Erhebung hiſtoriſch er⸗ 
klaͤrlich Die Züge zu einem ſolchen Bilde find aller: 
dings weit weniger in ber allgemeinen deutſchen Gefchichte, 


e 


als in ber befondern und landſchafrlichen zu finden; fie 
find aber zum Behufe ber erftern aus der letztern ber- 
vorzufuchen und zufammenzuftellen, wie 8. %. Menzel 
ebenfo richtig gefehen, als gefchicdt in Anwendung gebracht 
bat. Daß der Gefchichtfchreiber Europas thells für biefe 
Dinge weniger Raum hat, theils andern Gefichtöpuntten 
folgen muß, als der fi auf Deutſchland befchränkende, 
flellen wir nicht in Abrede; ganz vernachläffigen darf 
aber auch Jener, felbft abgefehen davon, daß er felbft ein 
Deutfcher ift, die innere Geſchichte einer Nation nicht, 
der in der europdifgen Cultur ein fo geoßer umd wichtis 
ger Plag angewieſen ift. 

Defto ausführlicher ift ber Verf. über bie ohne Zwei⸗ 
fel befonder® wichtige und anziehende Geſchichte Englands 
in diefem Zeitraume. Mit der gruͤndlichſten Quellen⸗ 
kenntniß und mit ebenfo feharfem als gerechtem Urtheil 
befchreibt er die Fehler und Xhorheiten der Reftautration, 
und wie Jakob's Sturz aus feiner Verkehrtheit mit un⸗ 
abmwendbarer Nothwendigkeit hervorging. Nur den Wunfch 
wird bier ein aufmerkfamer Lefer noch hegen, daß Hr. von 
Raumer, da er aus ber veichen Fülle der Reden und 
Gegenreden, befonders fiber die wichtigften und intereſſan⸗ 
teften Gegenftände des Staatsrechts, nur Auszlige geben 
kann, entichiedener angedeutet hätte, wo die einzelnen 
Ausdrüde, auf die oft fo viel ankommt, wirklich den da⸗ 
maligen Wortführern, oder ihm dem Zufammenfeffenden 
angehören. Wenige baden Zeit und Muße, und noch 
weit Wenigere Gelegenheit, den Quellen nachzugehen, um 
hierüber Auskunft zu erhalten. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Deutfhe Burfhenlieder in England. 


Die vege Theilnahme an Allem, was feine Königin uns 
ihren Gemahl betrifft, bat die Aufmerkſamkeit bes engliſchen 
Yublicums unter Anderm mieder auf das Leben und Zreiben 
der deutſchen nfverfitäten bingezogen, dem ja Priaz Albert 
noch vor Eurgem angehörte. Ginige Beitungsberichte, Die da⸗ 
durch hervorgerufen wurden, brauten aus Ideen über beutfche 
Metaphyſik und der Mügen:, Bänder: unb Pfeifenquaften= 
fprache deutſcher Burſche, aus dem Gonfervatismus englifcher 
Univerfitäten und den verabfcheuten Strauß'ſchen Anſichten, 
aus mameherlei Andeutungen, bie fie bem Bericht der Bundes⸗ 
commiffion über die pelitifchen Umitriebe entnahmen, und aus 
Srinnerungen an Tabacksdampf, Trinkgelage, Gängerluft 
u. f. w. sinen gar ſchnurrigen Mikrokoemus zufammen, ber dem 
gldubigen und ungläubigen Yublleum zur Illuſtration des 

etanntlich ſchwer zu befinirenden Begriffes eines beutfchen 
„Burſchen“ dienen follte. Um bas Maß des Gonderbaren vol 
u machen, behielt men nämlich biefen, für ein englifches Organ 
aft unausſprechlichen Namen bei. John Bull fcheint aber gern 
von biefen leibhaften Proben der German romanoe zu hören; 
er ſelbſt Hat Söhne genug, bie ihm über Das, was fie mit 
eigenen Augen auf deutſchen Univerſitaͤten fahen, recht ausführs 
ic und zwar mit rechter Herzensluſt erzählen können. Ginee 
derfeiben bat im Aprilhefte von Zait’s „Edinburgh magazine‘ 


ben von englifchen Lippen zu hören, wol beutichen Gängen 
nicht unlieb fein wird. 

Silence lend all, 

Rept eitead all, 


‘ 


884 


To the high and solemn strain, 

Song of songs full weil we know thee, 
Song of songs can we bestew thee 

On a German var in vain? 


Sons of Herman, 

Comrades German, 
Sing your fatherlaud’s proud song. 
Fatherland,, tkou land of glory, 
Choose the sons that bow before thee 
To avenge their country’s wrong. 


Life to give thee 

Only live we, 
Theo we serve with heart and hend, 
Gladiy for thine honour die we, 
Glad the cannon’s mouth defy we 
At our fatherland’s command. 


Who knows not, 

Who glows not 
With this high and holy zcal, 
Shall not share our sacred unien, 
Shall not hold wilh men communion 
Not profane the German steel. 


One and all sing 
Let the hall riug 
With the praise to Deutschland dee. 
Take the sword ihat Germans swear by, 
- Take the sword ihat Burschen bear high 
And yonr sacred vows renew. 


Bright with bold wine 

From the old Rhine 
Take this goblet in thy hand, 
Quaff the Rhenish bumper gleeiy, 
Lei thy true bleod flow as freely 
For our German fatherland'! 


Ginige Verſe, ſchreibt der Überfeger, habe er ausgelafien, 
da fie fih auf die mit dem Abfingen des Liedes verbundene 
Feierlichkeit begögen. Er theilt ein englifches Kirchenlicd (Be- 
nedicite) mit, weldyes nach berfelben Weife gefungen wird, 
und findet diefe Adaptation fehr richtig, da in Deutfchland 
feomme Gefühle nicht als ein Theil der Kirchenftühle bes 
teadhtet, fondern mit der Poefle des gewöhnlichen Lebens innig 
verzweigt feien. Als einen erhebenden Beweis hierfür gibt ex 
nd eine Überfegung des innig poetifchen Liebes: „Vom hoben 

Diymp herab ward uns bie Freude 2c.’‘, beffen legte Strophe 
fich im Engliſchen faft beſſer wie im Deutſchen lieſt. 
And when pale death a brother's bond shall vever 
And Nature claims what Nature gave, 
We weep and pray, may peace and rest be ever 
On our dear brother's silent grave. 
We weep and we pray o’er our brother's oool grave, 
May God keop thy soul in peace brother brave! 


Möchten die englifche und bie deutfche Nation ſich fo Elar und 
wahr, fo eng und. liebevoll aneinander fehließen, wie ihre 
Sprachen es vermögen! 48. 





Literarifhe Notizen. 


Bon der „Bibliothèque des auteurs grecs‘‘, welche bei 
Ambroife Firmin Didot erfcheint und auf deren Bedeutung Le: 
teonne im „Journal des savants’’ in zwei Artikeln aufmerkfam 

emacht hat, erfchien der fiebente Band, welcher den Heſiod, 
pollonius den Rhobier, Mufäus, Koluthus, Quintus von 
Smyrna, Tryphiodorus und Tzetzes enthält und von Bra. 
Lehre beforgt iſt. Vervollſtändigt iſt diefer Band durch bie 
Kragmente des Aſius, Pifander, Panyafis, Chörllus und Ans 
timachus, zum erftenmal von Hrn. Dubner gefammelt. Alle 


1 dieſe in einem Band wereinigten Autoren find mit einer latei⸗ 


nifchen Überfegung und fehr vollftändigem Inder begleftet und 
die meiften von ihnen nach ben Manuferipten der Eöniglichen 
Bibliothek zu Paris revidirt. 


Neu erfähienen in Paris: ‚Une nuit blanche‘, von Leon 
@®ozlan; „Les premiers fleurs”, von 3. Geres; „Sei du bon 
tabac dans ma tabatiere”’, von X. Ricard (2 Bde); „Le 
tombeau de Napoleon‘, von J. Soulit“; „Louis XVI’, vom 
—eS de JFalloux; „Guise et Riom'“, von P. de Muſſet 

e.). 5, 





Literarifche Anzeige. 


Bericht über bie Verlagsunternehrllingen für 1840 
von F. 4. Brodhaus in Leipzig. 
(Bortfegung aus Nr. 186.) 


. (Ida, Gräfin), Senfeits ber 

Zwei Theile. 8. Geh. 37 Ir. 1 Sr mſ Berge. 
@ine mit Poeflen und Erzaͤh 

Stalien. . 

DBishererfhien vonder Verfaſſerinin meinem Berlage: 

Gedichte. 8. 1885. 1 Ahle. 12 Br, 
Reue Gedichte. 8. 1836. 1 hir. 8 Er. 
Venetianiſche Nähte. 8. 1836. 1 Xhlr. 

+42. Die Heimat, ober Familienforgen und Familienfreuden 
Eine Erzählung von ber Berfafferin der Skizzen ur dern 
Autagsieben, Mit einer Einleitung. 8. Geb. 


+43. Dille (Karl Ehriftian), Die Bäder am Nieder: und 
„„Poedein. Mit Pärtien. 8. Se. 
.— —, Die Bäder am . 
med. Zaunus. Mit Kärtchen. 8. Geh. 
*45. Hünefeld (F. L.), Der Chemismus in der thierischen 
Organisation. Physiologisch - chemische Untersuchungen 
der materiellen Veränderungen oder des Bildungslebens im 
thierischen Organismus, insbesondere des Blutbildungs- 
processes, der Natur der Blutkörperchen und ihrer Kern- 
chen. Ein Beitrag zur 1 nysiologie und Heilmittellehre. 
ekrönte Preisschrift. Mit einer lithographi 
Gr.8. 1 Thlr. 8 Gr. graphirten Tafel, 


Dieſe Schrift ift von der königlidhen Akademie d ’ 
fingen mit dem erſten Preife gefrönt Tborden. e ber Vifſenſchaften in Gtöt: 


*46. Ikonographische Darstellung der Beinbrüche und Ver- 
renkungen in ihrem anatomischen und curativen Verhält- 
nisse, unter Mitwirkung des Herrn Geheime - Medicinal- 
raths, Profersors Dr. Kluge besorgt und herausgegeben 
von Dr. Friedr. Jak. Behrend. Gegen 20 Tafeln Ab- 
bildungen und 20 Bogen Text. In Lieferungen. Grossfolio. 
Bol. Nr. 22, 

*47. Lügelberger (E. &. 3., ehemaliger Pfarrer zu St. 
Jobſt bei Nürnberg), Die Eirchliche Tradition Über den Apoftel 
Johannes und feine Schriften in ihrer Grundlofigleit nachge- 
wiefen. Gr. 8. 1 Shlr. 12 Gr. 

48. Martens (Charles de), Nouvelles causes célèbres du 


droit des gens. Deux volumes. Gr. 8. Geh. 

Eine Zortfegung der im X. 1827 von Heren Baron von Martens 
neranftalteten Sammlung der „‚Causes oelöbres da droit des gens‘* (2 Bände, 
4 Thix. 12 Gr.), welche ſich ober allein auf Rechtsfälle der neuern Zeit bes 
ſchränken wird. 

Srühbererfhten von bem Herausgeber in meinem Verlage: 

Guide diplomatique. Zwei Bände. Gr. 8. 1832. 3 Zhlr. 12 Sr. 


(Die Fortſetzung folgt.) 


.12 . 
Iungen untermiſchte Reiſe der Verfafferin na 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus — Drud und Berlag von F. A. Brodhaud in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterbaltung. 





Sonnabend, 


18. Juli 1840, 





Geſchichte Europas feit dein Ende des funfzehnten Jahr⸗ 
hundertö von Friedrich von Raumer. Sechöter 
Band. 

Beſchluß aus Nr. 188.) 

Des Def. politiſches Glaubensbekenntniß erkennen 
wir gleich beim Eingang dieſer Darftellung an einer Be: 
merkung über ein von Sir Willtam Temple gebrauchtes 
Bild, wo Der, welcher eine alte Regiesungsform nieder: 
reißt, um eine neue zu errichten, mit einem Manne ver: 
glihen wird, der eine alte Eiche umhaut und eine neue 
an ihre Stelle pflanzt, davon aber Leinen andern Vor: 
theil oder Lohn hat, ale das Graben, Begießen und Be: 
fhneiden und von Gluͤck fagen kann, wenn ihn bie 
herabgebrochenen Zweige oder der Stamm bes alten um: 
gehauenen Baumes nicht erfchlagen. In biefer bildlichen 


Betrachtung, fügt Hr. von Raumer hinzu, iſt Vieles 


wahr, doch darf man nicht unbemerkt Laffen, 

dag man die bürgerliche Geſellſchaft nicht ſowol mit einem 
Baume, als mit einem großen Walde vergleichen koͤnnte, 
wo an die Gtelle ber überalten Bäume nothwendig jüngere 
eintreten müffen. Daher wäre es ebenfo thöricht, bie noch le⸗ 
benstfräftigen im Übermuthe nieberzuhauen, als die abgeflorbenen 
mi auszugeben und alles Rachpflangen für entbehrlich 
u halten. 

’ Run könnte aber noch ein Dritter kommen und, im 
Bilde bleibend, hinzufügen: dag Baͤume umgehauen und 
andere gepflanzt werden muͤſſen, verfteht ſich überall von 
ſelbſt. Die Schwierigkeit liegt aber darin, zu unterfcheis 
den, melde Bäume wahrhaft abgeftorben find und welche 
zu einem neuen Leben erweckt werben können. Und 
darin beftehbt nun eben die Zunft des Forſtmelſters, fo 
viele als. möglich zu retten und zum Treiben neuer Zweige 
zu bringen. Denn biefe gewähren, gegen den jungen 
Anwuchs gehalten, den. großen Vortheil, baß ihre ſtarken 
Stämme auf feſten Wurzeln ruhen und doch in ber 
Krone grümen, blühen und Fruͤchte tragen. 

Karl II. beſaß nicht eine flarke Seele, welche durch 
Ungluͤck gekräftigt und gehoben wird, fondern nur dieje⸗ 
nige Art von Verſtand und Gewandtheit, welche in allen 
menſchlichen Dingen bloße Selbſtſucht zu erblidden glaubt 
und deshalb Argwohn und Verſtellung für die beften 
Mittel zum Erkennen und Bekaͤmpfen aller Hinderniſſe 
hält. Weiber und Beifchläferinnen hatten den größten 
Einfluß auf ihn und Eofteten Ihm ungeheure. Summen, 


ohne daß er je eine liebte, ober fich von einer für geliebt 
hielt. Keufchheit, ſprach er, gehe höchftens aus Eitelkeit 
hervor, oder fei nur eine wunberliche Laune. So wur: 
den allmälig liebenswürbige Schufte und kecke Huren fein 
liebfter Umgang und das Talent, Anekdoten und Poffen 
zu erzählen, war das einzige, welches er zur Vollkommen⸗ 
heit ausbildete. Die wichtigften Angelegenheiten brachten 
ihn nicht zur Tätigkeit, die feierlichften Verſprechungen 
nicht zu treuerm Worthalten, die unwuͤrdigſten Anträge 
nicht zu edlem Zorne und die Zuneigung eined ganzem 
Volles nicht zum Entfagen unmürdiger Vergnuͤgungen. 
Immer fand fein Denken, Fühlen und Handeln im 
Miderfpruch mit bem feines Volks. Che er ſich mit bie: 
ſem veritändigte, verkaufte er ſich lieber an Ludwig XIV., 
und in dem Augenblide, wo er vom Parlamente Geld 
zur Unterftügung der Holländer foderte und erhielt, ſchloß 
er ſich Ludwig's feindlichen Abfichten wider fie an. Für 
Geld verfprah er ihm, Batholifch zu werden und bem 
Katholiciemus in England nen zu begründen. Eigentlich 
war ihm alle Religion gleichgültig, doch mochte ihm bie 
£atholifche darum beffer gefallen, weil in ihr damals am 
meiften die Pflicht des unbedingten Gehorfams hervor: 
gehoben wurde. Die puritanifche Strenge ber le&tver- 
gangenen Zeiten ward an feinem Hofe nicht zu wuͤrdiger 
Duldſamkeit verktärt, jene finftere, faft menfchenfeindtiche 
Anficht nicht dadurch geläntert, daß man das Schöne 
mit dem Guten verbinden lernte; fondern man fprang 
von einem Äußerſten in ba entgegengefegte über, und 
hielt Gleichguͤltigkeit gegen alle Religion, fowie Misachten 
aller Sitte für Zeichen und Verweis geiftiger Aufliärung 
und Lebensweishelt. Nur zu Diele aus dem Volke fan- 
ben an dem vornehmen Beifpiele des Hofes. Gefallen unb 
auch bie Literatur, befonders die dramatiſche, nahm eine 
Wendung, welche heitere Lebensinft mit Zuchtloſigkeit 
verwechfelte und nicht bios den Zabel Fopfhängerifches 
Sektirer, fondern jebes rechtlichen Mannes verdiente. 
Karls Nachfolger und Bruder Jakob, obſchon «es 
baffelbe Ziel zw erreichen firebte, unterfchieb ſich doch in 
Charakter, Anfidhten und Handlungsweiſe weſentlich vom 
ihm. Wenn jener den Auffland gegen feinen Bates 
und die Hinrichtung beffelben zu vergeffen fuchte, ums 
heiter von Tage zu Tage zu leben, ſtand biefem bie 
bittere Vergangenheit flets vor Augen unb zwar. ale, eime 


Zeit, deren Saaten zu vertilgen er berufen fel- Denn 
Alles, was die legten 50 Jahre hervorgebracht, hielt Fa: 
kob fir Übel, lediglich hervorgegangen aus der Anmaßung 
und Willkür des peoteflantifhen Volkes und der Parlas 
mente, denen bie Regierung nur beklagenswerthe Schwäche 
und thörichte Machgiebigkeit entgegengefegt habe. In der 
katholiſchen Religion und in ihr allein finde man nicht 
blos die wahre Religion, fondern auch bie wahre Staats: 
kunſt; und der Proteftantismus fei nicht blos ein Abfall 
vom rechten Glauben zu Grillen und Srrlehren, fondern 
auch von bürgerliher Drdnung und Gehorfam zu Uns 
ordnung und Aufruhr. 


Er vergaß, daß das Hauptgefhäft aller Regierungen 
meiftentheils darin befteht, das Entgegengeſetzte auf ber mittlern 
diagonalen) Linie der Kräfte vorwärts zu führen, er wollte 
—* alle uͤbereilte Revolutionnaire) zulegt nur feine Willkür 
unter bem Titel des Unbebingten und Böttlichen geltend machen. 


Schr fhön fpricht der Verf. über Wilhelm II; die 
Zeihnung dieſes großen Charakters iſt ihm vorzüglich 
gelungen. 


Die Aufgabe feines ganzen Lebens war, Ludwig XIV. ent: 
gegenzutreten. Gin fo bequemes, glänzendes, gepriefenes Königs 
thum, wie es biefem zu Theil geworden, ward ihm nirgend 
geboten: er konnte ſich nicht auf uraltem Throne mühelos nie: 
derfegen ober auf fammetnem Kiffen ruhend fich mit Lorber⸗ 
tränzen und Lobgebichten überfhütten laffen. Weber die Leichte 
Freude fcheinbaren Regierens warb ihm zu Theil, noch bemüthis 
ger Gehorſam gegen eigenmädhtige Befehle, nod Bewunderung 
auch ber willlürlichften Einfälle. Seine ftarke Seele war be- 
flimmt, den Schmerz und die Wehen eines ganzen Welttheils 
für die Leichtfinnigen und Läffigen, die GButmüthigen und bie 
Zutraulichen mitzutragen, durch Adlerblick ſchon alle Gefahren 
zu erkennen, wenn Niemand daran glaubte, und ihnen kraftvoll 
und flandHaft entgegenzumirken, wenn fie über die Erſchrockenen 
und Muthloſen hereinbrachen. Er follte Beugniß geben, zu 
weldyer Höhe bie Begeifterung für einen großen @egenftand ſo⸗ 
wie die Keftigleit eines unmwandelbaren Gedankens unb eines 
unbeugfamen Willens den Menſchen erheben Tann. Indem er 
aber Alles daran fegte, Europa zu retten, gefchab es, daß 
man ihn (nicht unnatärlih) von andern Standpunkten aus 
einen treulofen Verwandten, einen turannifchen Ehemann, einen 
undanktbaren Freund nannte, daß feine weifeften Vorſchläge den 
eigenfinnigften Wiberfland fanden und ihm das Regieren nicht 
blos duch große furchtbare Hinberniffe, fondern faft noch mehr 
durch taufend Eleine Ränke und Störungen zur unendlich ſchwie⸗ 
rigen Aufgabe ward. Grazien und Amoretten flanden dem vom 
Ernft des Lebens überall Durchbrungenen nicht in jedem Augens 
blick zu Gebote; hätte er indefien bie Babe ber leichten Mit⸗ 
theilung und freundlichen Herablaſſung noch mehr befeflen, das 
Werk feines Lebens hätte ihm weniger Mühe gemacht, ober 
wenigftens größere Freude gebracht. Vielleicht würden aber 
jene Gigenfchaften der eifeenen Feftigkeit Abbruch gethan haben, 
deren bie Welt au bebürfen fchien. 


Der naͤchſte Abfchnitt, welcher die Kriege von 1688 
bis zum Ende des Jahrhunderts erzählt, zeigt den Über: 
muth der Franzoſen bis zur größten Barbarei und Un: 
menfchlichkeit gefteigert und bei ihren Gegnern Ohnmacht 
und Mäglihen Verfall. Der allerchriftlichfte König ließ 
die fchöne Pfalz furchtbar verwäften und viele Städte 
anzınden, unter andern Worms, welches fich feinen 
Zeuppen auf Zreu und Glauben ergeben hatte, mit ſei— 
nen Kirchen, Kloͤſtern, Schulen, Krantenhäufern und 
Öffentlichen Gebäuden, mit alten Beſitzthuͤmern, Schägen 


bee Kunſt und Wiffenfchaft, mit jedem Andenken bee 
frühern Zeiten in einen Afchenhaufer verwandeln. Und 
bie Deutfchen hatten dieſe Frevel weder zu, verhindern 
gewußt, noch erhoben fie ſich mächtig genug, um fie zu 
ftrafen. In Spanien nahm unter der Eläglihen Re 
gierung Karl's 11. das Elend immer mehr zu. Es drang 
bis in den Löniglichen Palaft, ſodaß den Beamten und 
Dienern weder Lohn noch Nahrung gereicht wurde und 
viele davongingen. Don der jährlihen Staatseinnahme 
waren etwa zwei Drittel verpfändet, das Übrige Eonnte 
zur Beſtreitung der nöthigften Ausgaben nicht binreichen. 
Die Provinzen wurden von ben Vicelönigen ausgefogen 
und geplündert. Die Feſtungen verfielen und bie nicht 
bezahlten Soldaten befertirten baufenweife. Aber auch 
in dem fiegreihen Frankreich nahm durch die Verſchwen⸗ 
dung des Hofes und die Koften des ungerechten Krieges, 
welche ſchwere Steuererhähungen und Erpreffungen nöthig 
machten, das Elend fo zu, daß Fenelon um biefe Zeit fchrieb: 

Der Aderbau liegt barnieder, bie Bevölkerung finkt, die 
Gewerbe ernähren nicht mehr ihre Arbeiter, der Handel iſt vers 
nichtet. Anftatt Steuern zu erheben, müßte man dem armen 
Volke Almofen geben und es ernähren. Ganz Frankreich ift 
nichts als ein großes elendes, unverforgtes Hospital. 

Eine Schrift unter dem Xitel: „Die Seufjer bes 
verfnechteten, nach Sreiheit firebenden Frankreichs“, welche 
1689 zu Amſterdam erfhien, ging weiter und griff die 
unbefchränfte Willkür des Thrones, als bie wahre Urfache 
alter Übel, unter denen Frankreich feufzte, an. 

Leute, heißt es darin, welche dieſe Lehre (von der über alle 
Gelege erhabenen Gewalt ber Krone) verkündigen, find bie 
ärgften Feinde aller Könige und bes menfchlichen Gefchlechts ; 
denn auf ihrem Wege muß nothwenbig über kurz oder lang 
Allee in Unordnung und Auflöfung hinabſtürzen. Soll dies 
furdtbare Ergebniß vermieden werben, fo muß man bie Tös 
niglihe Macht auf das richtige Maß zurüdbringen, die Rechte 
der Kirhe, Stände, Körperfhaften berftellen und mit einem 
Worte eine wefentliche Umgeftaltung ber jegigen Sinrichtungen 
und Verhältniffe herbeiführen. 

So ſagte alfo dieſe Schrift die gerade 100 Jahre 
nachher ausgebrochene Revolution, als unausbleibliche 
Folge der berrfchenden Regierungsweife voraus, nachdem 
die von ihre als das wahre Rettungsmittel volllommen 
richtig bezeichnete Maßregel Leider nicht ergriffen worden war. 

Ehe der Verf. zur Gefchichte des fpanifchen Erbfolge: 
Erieges, mit welcher biefer Band ſchließt, übergeht, ſtellt 
er die innern DBerhältniffe Englands unter der Regierung 
MWilhelm’s IU. dar. Indem er bemerkt, daß Wilhelm, 
ftatt fi unbedingt den Grundfägen der Tories oder ber 
Whigs zu ergeben, vielmehr über beiden Parteien als ihe 
Lenker ftehen wollte, führt er folgende merkwürdige, hoͤchſt 
beherzigenswerthe Stelle, aus einem Briefe von Leibnig 
an Burnet an. 

Nur die Extreme, fchreibt der Philoſoph, find in den To⸗ 
ries wie in den Whigs tabelnswerth, die GBemäßigten auf beis 
den Seiten werben fich Leicht verftändigen. Erkennen bie ges 
maͤßigten Tories nicht an, daß es außerordentliche Faͤlle gibt, 
wo der duldende Gehorſam aufhoͤrt und wo es erlaubt iſt, dem 
Fuͤrſten zu widerſtehen? Und geſtehen die gemaͤßigten Whigs 
nicht zu, daß man nicht leichtſinnig und nur aus gewichtigen 
Gründen zu dieſem Widerſtande kommen darf? Ebenſo iſt es 
mit der erblichen Thronfolge, von der man nicht abgehen muß, 


807 


es fei denn, daß das Wohl bes Waterlandes die Völker dazu 
zwinge; denn annehmen, daß es in biefen Dingen ein uners 
bapliches göttliches Recht gebe, das heißt bis zum Aberglauben 
gehen. Sie kennen meine Meinung über die den Zürften ſchul⸗ 
digen Pflichten, aber bie Völker find nicht genäthigt, ſich durch 
den Cigenfinn und bie Böswilligkeit eines Ginzigen zu Grunde 
richten zu laſſen; doch muß man nur in ben äußerften Noth⸗ 
füllen zum Widerſtande fchreiten. 

Man fiehe, daß Leibnig ziemlich zu Denjenigen ge: 
hörte, welche ein befanntes Blatt unferer Zage zahme 
Revolutionnaire nennt und über bie 8 nicht müde 
wird, mehr Verachtung auszufhütten, als über die con: 
fequenten Revolutionnaire, d. h. al® über arge Frevler. 
So fland der große Mann nicht nur Über den Parteien 
feiner Zeit, fondern auch über den Spitemen ,; welche bie 
gegenwärtige von entgegengefegten Seiten ber für echte 
politifche Meisheit ausgibt. 

Der Fortfegung des trefflihen Werkes fehen wir mit 
Berlangen entgegen, indem wir hoffen, daß Hr. von Rau: 
mer feine „Beiträge zur neuern Gefchichte” aus den engli: 
fhen und franzöfifhen Archiven uns nicht als eine Ge: 
fhichte des 18. Zahrhunderts anrechnen wird. Auch wäre 
es böchlih zu bedauern, wenn wir die Gefchichte ber 
franzöfifchen Revolution aus einer Feder entbehren follten, 
die fchon wegen ihrer feltenen Unparteilichleit mehr ale 
viele andere dazu berufen ift, fie zu fchreiben. 30. 


Ber: 





Der Rechte. Bon Ida Graͤfin Hahn: Hahn. 
lin, %. Dunder. 1839. 8 2 Thlr. 


Referent erinnert fich Feines von einer Frau gefchriebenen 
Buches, welches, felbft wenn es nach Objectivität firebte, nicht 
durch gewifle Merkmale und Indicten feinen weiblichen Urfprung 
verrathen hätte. Leichtes, ſelbſt flüchtiges Raifonnement, voll 
Leidenfchaft und fchöner Herzensbefliſſenheit, mit mehr Geſchmack 
als Kritik ausgeftattet, iſt begeichnend für das Werk einer weib: 
lichen Feder, die fich ſtets mehr für die Schilderung bes Zar⸗ 
ten und Anmuthigen, für die Auffaffung ber aͤußerlichen Er⸗ 
feheinung, als für Darftellung Eräftiger Situationen und Cha⸗ 
zaftere und motivirte Durchführung pſychologiſcher Entwideluns 
gen, infofern fie den Dann betreffen, eignet und immer eignen 
wird. Dem Weibe wird Alles gegenwärtig, felbft bie Wergans 
genheit, Alles perfönlih, felbft das Unperfönliche, Alles gefells 
ſchaftlich, felbft das Hiftorifhe. Die Arbeiten chriftftelleender 
rauen haben ihren unleugbaren Werth; fie decken uns manche 
intimen SHeimlichkeiten und WBebürfniffe der weiblichen Natur 
auf, und fie haben in der Regel um fo mehr Werth, je mehr 
fie ſich auf ein frifches, warmes Raifonnement' über Dies und 
Jenes, über Nichts und Alles einlaffen und je weniger fie 
darauf Anſpruch machen, eine felbfländige Probuction zu fein; 
denn das eigentliche probuctive Element fehlt dem Weibe, ein 
Mangel, der es mehr auf die Lyrik und ben raifonnirenden 
Roman, als auf das Drama und das Epos, die hoͤchſten Her: 
zorbringungen auf dem Gebiete der Poefie, hinweiſt. Wir haben 
son einem Weibe bisher noch nichts Fertiges erhalten, weder 
ein Epos, noch ein Drama, noch eine größere muſikaliſche Com⸗ 
pofition, noch ein biftorifches Bilb, noch eine Statue oder ein 
Baumerk, obgleich fih viele Frauen mit ben Künften als Dis 
kettanten befchäftigt haben. Jedes Genre ber Kunft und Poefie 
hat feinen Generalbaß, den man gründlich Tennen muß, um 
etwas Bollendetes zu Leiften; aber Alles, was Stublum erfobert, 
zumal der Generalbaß, erſcheint dem Weibe als Pebanterie, 
Bas außerdem den Schriftfiellerinnen im Wege ſteht, um eine 
tüdhtige Production hervorzubringen,, ift ihre mangelhafte Kennt: 
niß des männlichen Geſchlechts; und doch bedürfen fie, in echt 


weiblicher Weiſe, ber männlichen Figuren In ihren Romanen 
um fo mehr, da es gerabe das Berhältniß ber beiden Seſchiech⸗ 
ter zueinander iſt, was fie zur Lieblings und Hauptaufgabe 
ihrer Romane und raifonnivenden Schriften wählen. Grüundlich 
kennen fie nur ihr Geſchlecht; der Mann aber, beſonders in 
unſern verwiſchten, geſellſchaftliche Eleganz erſtrebenden Zeiten, 
tritt ihnen in der Regel als ein Anderer gegenüber, als er von 
Ratur iſt, meiſt ſchwach und eitel, zierlich und aͤußerlich, uns 
terwürſig und ſchmeichleriſch, dann wieder brusk, iaunifch und 
treulos, je ben Umſtaͤnden und feinen Zwecken nach. Die 
Brauen, und befonders bie fchriftftelleenden, ſchließen fich übers 
haupt leichter an elegante, gefellfchaftlich gebildete Männer an, 
welche hohlen und treulofen Herzens find, als an biejenigen, 
bie unter berber und unfdeinbarer Schale einen tüdhtigen und 
ehrlichen Kern verbergen; fie haben es fich daher felbft zuzu⸗ 
ſchreiben, wenn der innigen Hingebung eine bittere Enttaͤuſchung 
foigt. Diefer Umftand iſt für die Beurtheilung weiblicher Schrift⸗ 
fielleret wichtiger als man denkt; alle Klagen, daß ber Mann 
nichts begehre als zu Herrfchen, ſich zu vergnügen, und das 
Weib, um es gerade herauszufagen, als einen Gegenftand feis 
nes Vergnügens zu behandeln und abzunugen, fallen fomit in 
ihr Nichts zurüd. Zugleich find dieſe Klagen um fo verbädhtis 
ger, da fie meift von Frauen berrühren, welche auf dem fpe= 
ciellen Wege einer unglüdlichen Liebe oder Ehe Schriftftellerins 
nen geworden find und vielleicht in ber Liebe oder Ehe eben 
darum unglücklich waren, weil fie ſich fchon von vornherein zu 
Schriftftellerinnen qualificirten; ein Schriftftelee hat aber immer 
feine Seiten, wo er ein närrifcher Kauz ift, wie vielmehr eine 
Schriftftelerin? Das Reich der Poefie iſt immer bas der Uns 
gebundenheit und führt zur Ungebundenheit; aber in der Liebe 
und She gilt nur das Gebundene. 
Unter allen Schriftftellerinnen der neueren Zeit bat viels 
leicht nur die Schwerin Fräulein Bremer in ihren Roma⸗ 
nen ein innigeres Verſtaͤndniß männlicher Gigenthämtichkeis 
ten an ben Zag gelegt; von ber Gräfin Ha Hahn: Hahn 
läßt fih das nicht behaupten. Ihre tiefften Grgrünbuns 
gen, bie uns deshalb willlommen fein müflen, liegen nach dee 
Seite des weiblichen Gefchlechtes bin, und nicht einmal Er— 
gründungen, fondern blos einzelne feine Bemertungen und Bes 
obachtungen. Im Ganzen bezieht fi in ihren Romanen, auch 
in dem vorliegenden, Alles zu einfeitig auf gefellfchaftliche Bers 
haͤltniſſe; es eröffnet fich nirgend eine weite hiſtoriſche Perfpective, 
nirgend eine Objectivität der Anfchauung, nirgend ein tieferes 
Eingehen in Das, was ben Mann ald Dann, das Weib als 
Weib harakterifirt, dazu find bie Situationen zu äußerlich, zu 
fehr einem Ausfchnitte der Befellfchaft entnommen , deſſen ſau⸗ 
ber gebohnte Dielen jeder charakteriſtiſchern Erfcheinung unzugaͤng⸗ 
lich find. Gleich die erfte Seite des vorliegenden Romans ver= 
räth die weiblihe Hand; es fireiten ſich dba mehre Perſonen 
männlichen und weiblichen @efchlechts um die Königin Brune⸗ 
bild und König Büntber. „Ich, meines Theils, freue mich 
über jede befiegte Königin Brunehild“, fagt‘ Hr. v. Ohlen; 
„beſiegt!“ xuft Catharine Desmonb, —88 ich nenne das — 
unterdruͤckt! Ich, meines Theils, freue mich über jeden König 
Günther, der die Nacht hindurch am Nagel hängt!“ ef. 
will mit ber Werfafferin nicht darüber rechten, ob biefe Anſpie⸗ 
lung in dem runde einer feinen Dame, wie Gatharine Des⸗ 
mond, zu unzart fei ober nicht, was fie als Gräfin jedenfalls 
beffer wiffen muß; aber fo viel ift ficher, daß mit diefem Dis⸗ 
put bie Tendenz ber Gräfin von vornherein enthuͤllt iſt: Bru⸗ 
nehild iſt unterdruͤckt — unterbrüdt will die Verfaſſerin fagen, 
wie das ganze weibliche Geſchlecht. Saͤmmtliche maͤnnliche Per⸗ 
fonen in dieſem Romane, von Meerheim, Desmond, Gaſton an 
bis zu Herbert herab, felbft — was bie Verfaflerin Wunber 
nehmen wird — Julian von Ohlen fpfelen nach des Ref. Meis 
nung eine ſehr wunderliche, unmwürdige, gum Theil fogar alberne 
Rolle; und wenn auch die Berfafferin unpartetifch genug tft, 
in der Bräfin Blanche ein ähnliches hohles Berchöpf weiblicher 
Species jenen feichten Figuren gegenüberzuftellen, fo find doch 


Gotbarine Deamond und Bincenzo Geondly bie einzigen Ge 
8 in dieſem Romane, welche eine Art poetiſchen Heiligen⸗ 
keins um fich verbreiten. . ' 

Es würde zu weit führen, alle jene kleinen pikanten 
Ausfälle gegen das männliche Geſchlecht, das von ber Ras 
tue nur dozu gefchaffen zu fein fcheint, um bie rauen gu 
äÄngftigen und zu tprannifien, und ohne welches fie body weder 
mit dem Leben noch mit ihren Romanen fertig werben koͤnnen, 


einzeln aus biefem Bude aufgufammeln; aber verfagen Tönnen. 


it es uns nicht, einige Beobachtungen, die nur einer Yrau 
2 machen möglich find, hier mitzutheilen. Die eins biefen Bes 
obashtungen bezieht fich auf die Vhyſiognomik der Füße. „Es 
Yegt”, heißt es, „ungemein viel Phyfiognomie in den Füßen, 
ziel mehr als in den Händen. Die Hände werben fo fehr ge⸗ 
misbraucht, auf Koletterie eingeübt, durch Kunftfertigkeit vers 
dorben, dad Glavierfpiel macht die Finger zu Meinen Kolben — 


Telten zettet eine Hand ihren urfprünglichen Eharakter aus ber 


Verflachung des täglichen. Gebrauchs; und wenn fie das thut, 
fo ift fie nicht das, was man eine fihöne Hand zu nennen 
pflegt. Die muß fett, rund, glatt, weiß fein. wie Marmor, 
mit bläulichem Geäder durchſchimmert. Ich hab’ einen Wider⸗ 
willen dagegen, mich fröftelt, wenn ich daran denke fie anzu⸗ 
rühren; fie hat etwas von der Glätte ber Schlange, von ber 
Kälte des Fifches, und zuweilen den® ich gar: wenn Bänfe 
Zeine Flügel hätten, würden fie foldhe Hände haben. Dee Fuß 
{ft primitiver geblieben. Mag die Kürflin ihn verzaͤrteln und 
die Bäuerin ihn verderben, wirb er dort weit und bier hart — 
dennoch muß. er den Leib fügen, tragen, wenden, iſt eins mit 
ibm, wie der Sodel mit der Säule, und fein Auftreten, feine 
Haltung entfprechen dem Charakter der Beſitzerin“ u. f. w. 
Dder: „Manche Frauen find Eolofjal groß und ebenfo mager 
mit gewaltigen Sliedern und Bewegungen, bie erinnern mic 
an Zelegrapben. Andere find kleiner, aber in ihrer Magerkeit 
herrſchen die Knochen vor und machen ihre Bewegungen hart, 
eig, abgebrochen; bie erinnern mich an Deufchreden. Ober: 
„Ss ift wahr, daß die Karben ſchoͤner Stoffe förmlich in bie 
Seele hineinlachen können, und daß ich ebenfo gern in ein reis 
Waarenlager gehe, als Blumenliebhaber durch Gelber. von 
Yazinthen oder Nellen geben” u. f. w. Dies ein paar Proben 
Von ber elgenthümlich minutiöfen, angenehm ſchwatthaften Ma⸗ 
nier der Verfafferin, Diefe Manier ift echt weiblih und auch 
von mehren jängern Schriftſtellern, welche nach der Gunſt weib⸗ 


licher Lefer ſchmachteten, occupirt worden; im Umkreiſe diefer. 


Manier fpielt ein feidenes Kleid, ein zarten Strumpf, ein feis 
ner gemuͤthvoller Handſchuh, ein ſchoͤn gedrehter Knoͤchel eine 
erhabenere Rolle, ala irgend ein gewaltiger, abſonderlicher, mit 
der innerſten Ratur eines Menſchen aufammenbängender Chas 
zalterzug. Der Roman endet gewifiermafen mit einer Apo⸗ 
theofe der Freundſchaft zwiſchen Mann und 
verſteckten, wenn auch unfehäblichen Polemik gegen die Ehe. 

Iſt Ref. Hin und wirber ein wenig ſtark gegen die Verfaſſerin 
aufgetreten, fo möge fie bedenken, daß er fehr ſchlicht und bür- 
gerlich geſiant, fün Garderobe und Goflum wenig intexeffiet 
und außerdem, ein Iabividuum männlichen Geſchlechts iſt, mit⸗ 
Hin zu jener brucken Menfchenrace gehört, die ſich zur Aufs 
gabe gemacht hat, das ſchoͤne Geſchlecht zu tyranniſiren. Um 
fo mehr wird die Verfaſſerin erſtaunt fein, menn Ref. ſchließ⸗ 
Ad) aalant mird und erklaͤrt, daß en die Manier ber Verfaſſe⸗ 
rin für eine fehe angenehme, mit vielen pikanten, ſelbſt wah⸗ 
zen, immer aber feinem Beobachtungen gewürzte haͤlt, und daß 
er einige fo feltene ymd. zarte Pastien in ihm Romane, ange: 
teoffen, die ihr nachzuſcheiben ein Mann wol bleiben laſſen 
ſollte. An fprubelnder Senialität und demokratiſcher Blut ficht 
bie deutfche Graͤfin freilich ebenfo weit hinter der Madame Du⸗ 


devant zusüd, wie fie. diefelbe an Wahrheit. ber VBeobachtung, 


allgemeiner Bildung und Feinheit des Darſtellung übertrifft. 
Doch könnten Beide von Fräulein Bremer, ber Verfaflerin ber 
„Nachbarn“, lernen, wie man in das Wolle des Lebens zu greis 


Weib und einer. 


fen bat, um. Iebeusmahre Geflalten aus wirklichen Menſchen⸗ 
thone zu bilden. Freilich find auch die Eulturguftände, inner⸗ 
halb deren die Schwedin fchreibt, lebt und wirkt, nicht fo ſu⸗ 
oͤlimiet unb viel unſchuldig kraftvoller und unverfänglicher ala 
diejenigen, denen die frangöfifche und beutfche Gchriftftelleria 
Stoff, Auffefiung und Darſtellung zu entlehnen gewapnt find 


Notiyen. 


Rubens von Dr. Waagen in England. 

Rubens ift nebft van Dyk derjenige fremde Dealer, welcher 
den Englaͤndern, felbft den nicht gereiften, am beften bekannt 
iſt. Jedermann, fei er auch noch fo wenig mit Kunſt und 
Kunftgefchichte vertraut, weiß von feinem Aufenthalte in Eng⸗ 
land, und es gibt auf der britifchen Infel faft Peine Galerie, 
teinen Edelmannsfig, ber nit mit einem Stüde von ihm 
prunkte. Es ift natürlich, daß fchon darum Waagen’s Auf: 
ſatz: „Über den Maler Petrus Paulus Rubens” in Raumer’s 
„Siftogifchem Taſchenbuche“ (4. Jahrgang) , in England großen 
Anllang gefunden bat. Robert Noel hat eine gute Über 
fegung bavon geliefert und Miftreß Jameſon bdiefelbe, mit einex 
guten charakteriſtiſchen Vorrede begleitet, herausgegeben. Man 
hat Rubens in Ongland den Dryden feiner Kunft genannt; 
Miſtreß Jameſon wiederholt dagegen bie ihrer Meinung mehr 
entfprechenbe Vergleichung mit Walter: Scott; doch will man 
einmal eine Parallele zwifchen Poeſie und Malerei ziehen, fo 
möchte die alte Zufammenftelung von Spenfer nnd Rubens 


‚noch immer die befte fein. Miftreß Jameſon überläßt ihre ganze 
: Hhantafie der Betrachtung des vorliegenden Charakterbildeg, 
vermag 


und nur in dieſer Stimmung fie an Dr. Waagen Auss 
ftellungen zu machen übers Das, was er nicht geieiftet babe, 
wie, wenn fie wünſcht: „Hätte fi Dr. Waagen nicht auf ben 
Umfang eines Verſuchs beſchraͤnkt, fo hätte er feine Betrach⸗ 


‚tungen ber Urfacdhen und Wirkungen weiter ausbebhnen follen. 


Es wäre z. B. ein eigenthümliches Unternehmen geweſen, gu 


‚ unterfuchen, inwieweit Rubens’ Benie durch einen längern Auf⸗ 


enthalt in Italien bedingt worben fein würde, wie ſehr ſich 
fein flämifches Zemperament bei dem immerwmährenden Bor 
ſchweben itafifcher Schönheit erhoben haben würde. Kenn 
dagegen Wangen wenig Reues aus den Lebensereignifien 


: Auben®’ und zu dem pofltiven Material beitwägt, fo weiß fie 


feinen höhern Standpunkt vollkommen zu wünbigen: „Bu wife 
fen, was ein Gemälde barftellt und in weichem Grabe von 
Gigentbämlichkeit und Erfolg es bargeftellt ift, mag ale kri⸗ 
tische Kunft bei neun Zehnteln der Gemälde ausreidden, bie 
jährlih bie Mauern unferer Akademie bebeden; aber une 
zur Würdigung der Schöpfungen bes Genies zu befähigen unb 
den vollen Genuß, den ganıen Gewinn zu ernten, welchen bie 
* gewaͤhren kann, dazu muß man weit hoͤher und tiefer 
eigen. 


„Ihe countaas, by Theodare S. Fay‘, 2 Bände, eine 
Kapelle, deren Scene nach Merlin und in bie Zeiten ber erſten 
franzöfifchen Resolution verlegt: ift, leidet zwar bei aller Mos 
ralität des Planes, bad Duell durch aus dem Leben. gegriffene 
Scenen zu belämpfen, an dem moralifchen Fehler, in feiner 
Ausführung zu fehe auf bas Spiel der Zufalis berechnet zu 
fin, versärh aber eine große Gewandtheit bes Werfaflers in 





Zeichnung von Gkiggen aus dem beutichen Sittenlehen. 


Bon Werken ber auslaͤndiſchen eiteratur ſiad in England 


beliebt und dem zufolge gelungen uͤberſetzt worden: Andryane's 


„Memoiren eines Staatsgefangenen auf dem Spielberge“, über: 
feat. von Prandi; ebenfo das von Robert Peel öffentlidh ge⸗ 
priefene Werk Tocquepille's über bie Demokratie in Amerika. 
Chateaubriand's Buch über die englifche Literatur. hat bereits 
eine zweite Auflage in engliſcher Überfegung exiebt. 47. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig. 


S 


Blätter | 


für 


literariibe Unterhaltung. 





19. Zuli 1840. 





Börne als Recenfent.*) 
Man fagt oft: unfere Zeit iſt arm an Charakteren. 


Sch glaube daran nicht recht. Die Charaktere machen 
fih nur in einer andern Art und Weile und ganz be: 
fonders auf einem andern Felde geltend ats früher, 
und man ift noch nicht daran gewoͤhnt, fie ba zu fuchen, 
wo fie find. Verhaͤltniſſe, die keine innere Lebens: 
kraft Haben, entbehren nothreendig auch ber aͤußern 
Lebensthaätigkeit und wer auf folche Verhaͤltniſſe an: 
gerviefen iſt, wird von ihnen zu Boden gezogen, zur Ne⸗ 
gativität verurtheilt. In dieſem negatfven Streben kann 
dann aber der Mann ebenfo viel Charakter entwideln, 
oft mehr fogar, als ein Gleichbegabter, eine gleich eifen: 
fefte Seele in Zeiten bed Aufſchwunges, der Innern Le: 
bensthätigkeie aufzubieten braucht, um zum hoͤchſten Nach⸗ 
euhm zu gelangen. Jener Julian, ber Apoſtat, jener 
Aetins, der legte Roͤmer, toürden ein paar Nahrhunberte 
früher oder fpäter Reiche gegründet, Caͤſar's und Aleran: 
der's Ruhm in Schatten geflelle haben. Aber nur We: 
nige baben in ſolchen Zeiten bee Ohnmacht das Glück, 
fetbft zu dem Ruhme eines Julian und eines Aetius zu 
gelangen, denn die Negativität trog ihrer Innern größern 
Schwerkraft hat das Anfehen der Schwäche auch der un: 
bedeutenden Pofitivität gegenüber. Es gehört eine ganz 
andere Anftrengung dazu, einen Stein im Fallen aufzu: 
haften ats ihn zu heben. Es nur zu verfuchen, iſt meift 
ſchon lebensgefährlich, eine wahre Verwegenheit, und gerade 
deswegen gehört mehr Charakter dazu, als die Menge 
glauben mag. Und ich denke, daß auch unfere Zeit Cha: 
raktere biefer Art, viefenbafte Beſtrebungen der Negativi⸗ 
tät in Menge aufzumeifen hat. 

Poſitiv thaͤtig aber koͤnnen in ſolchen Verhaͤlt⸗ 
niſſen Charaktere ſich nur auf einem andern Felde 
geltend machen. Als Rom und Griechenland und mit 
ihnen die Givilifation, die Anfichten, die Inſtitutionen 
und die Dogmen bes Altertbums ihrem Sturze entgegen: 
singen, gab es faft nur unter den Chriften actives Stre: 
den und der Hirtenfliave, bie Bauermagdb, die damals 


*) Gin Artikel des „Telegraphen“: „‚Recenfionsfchemata, um 
einen Schaufpieler auf ewig von ber Bühne zu verbannen”, 
nad €. Börne, rief mir ein paar Anekdoten ins Gedaͤcht⸗ 
niß zurüd, die ih aus dem Munde Börne’s ſelbſt 
habe und die zu dem folgenden Auffage Anlaß gaben. 


ben Märtyrertod flarben, find ungefähr die einzigen ges - 
ſchichtlichen Charaktere einer Zeit, die, wenn man nur 
bie officiele Geſellſchaft, den herrſchenden Theil des Bot: 
kes betrachtet, fo elend als möglich erfcheine und bie, ' 
wenn man das tiefer Tiegende eigentliche gefchichtliche 
Element, die Srühlingstnospen einer neuen Epoche, ficht, 
in einem ganz andern Lichte erfcheint. Die legten Ge: 
fhichtfchreiber des Alterthbums aber fahen in diefem „um: 
finnigen , verbrecherifchen” Ankämpfen gegen bie beftehen: 
den Buftände nichts weniger als die neue Welt und Mags 
ten ebenfalld trog dieſer großen Thaten fo tiefgeftellter 
Mitglieder der Gefelfchaft über Mangel an Charakteren. 

Während der Revolution, als die Rolle des freifinni: 
gen Marquis à la Mirabean zu Ende war und das 
Knäblein, mit dem fie früher gefpielt hatten, groß werben 
wollte, Elagten auch bie Franzoſen über den Mangel an 
Männern, eine Klage, bie uns heute fon nach 50 
Sahren unglaublich fcheinen würde, wenn fie nicht in 
dem Worte der Madame Roland: „il nous mangue 
un (!) homme“ gefchichtlich niedergelegt wäre, unb ben: 
noch war nichts natürlicher als biefe Klage. Die Glaffe 
ber Geſellſchaft, die feit vielen Sahrhunderten geherrfcht 
und die man ſich allmälig gewöhnt hatte, als die Na: 
tion zu betrachten, übernahm die Rolle des Regierens 
und eine andere Claffe die der Thaͤtigkeit. Alte aber, 
die aus ber fruͤhern herrſchenden Claſſe der Gefellfchaft 
hervorgegangen waren, fuchten die Männer nur in dies 
fer und fanden fie nicht, weil eben die That nicht mehr 
dieſer Claſſe angehörte. 

Namentlich erklaͤrt etwas Hhntiches uud in unferer 
Zeit die Klage Über den Mangel an Charakteren. Mag 
man nun über bie politifhen Bewegungen unferer Zeit 
benten, wie man will, fo wird man zugeitehen mäffen, 
daß fie oft genug menigftens die Innere Mannbarfeit 
Einzelner bewährten. Freilich waren ihre Beſtrebungen 
Verbrechen nah allen Sefegen und Codexen der Welt. 
Über gerade darin liegt der Misklang, daß die Charaktere 
ber Gegenwart nur zu oft zu Verbrechern merben. 

Börne war Einer von den Wenigen, die fi in 
neuefter Zeit auf dem Felde der Literatur als Männer 
bewährt haben. Charaßterfeftigkeit ober befjer ein feft er 
fanntes und nie aufgegebenes Ziel und fubjectives Ges 
rechtigkeitsgefuͤhl find der unausloͤſchliche Stempel jeder 





810 


Zeile, die er fehrieb, und faft ſcheint es, als ob eben biefe ſchwachen Fleck beruͤhrt fuͤhlte. Die Thraͤne in dem 


die Urfache, daß auch er, ohne zu wollen und recht zu 
wiften wie, ſtets in den Hochverrathsartikel übergriff. - 
Doc habe ich nicht Luft, gerade heute feine politifchen 
Anfihten weder anzugreifen noch zu vertheibigen. Es 
handelt ſich nur um ben Theaterkritiker Boͤrne. Übrigens 
erklärt ſich fein Benehmen als politifcher Schriftfteller 
vielleicht erft dann total, wenn man ihn als Kritifer und 
Recenſent gehörig gewürdigt hat. 

Einen Titel für feine literariſche Zeitſchrift fuchend, 
wählte er endlich ben: „Die Wage”. Und man mürbe 
fi irren, wenn man glaubte, daß er zufällig diefen, in 
Ermangelung eines andern angenommen hätte. Als er 
20 Jahre fpäter in Frankreich eine franzöfifche Eritifche 
Zeitfchrift zu gründen verfuchte, wußte er noch immer 
feinen andern zu finden, überfegte den frühern und nannte 
feine Revue „La balance”, Die Zeiten hatten fi) geändert, 
die Meinungen eine andere Faͤrbung, die Beſtrebungen 
eine andere Richtung angenommen, aber Börne war als 
Mann und in feinen Grundzügen derfelbe geblieben; er 
bielt vor wie nach fein Schriftftellecamt für ein Richter: 
amt, feine Feder war ein Schwert, feine Zeitfchrift eine 
Wage. Man kann den Titel einer Beitfchrift für Ne: 
benfache halten, fie Morgen: oder Abend: Zeitung, Ze: 
legraph oder Theeblätter, Blätter zur Unterhaltung oder 
Zeitung für bie elegante oder unelegante Melt nennen, 
ohne gerade an Krühftüd oder Abendbrot, an die elegante 
ober nicht elegante Welt zu denken. Das find Kalender: 
namen. Man nimmt fie eben als orthodorer Chrift, 
wie fie der Kalender gibt. Wer aber über diefe Julianiſch⸗ 
tegitimen Namen binausgreift, feine Zeitung: „Die rothe 
Müse” oder „Die Tertiarier“, „Die Volkstribune“ oder 
„Die Wage“ nennt, hat dabei feine Abfichten und weiß 
ganz gut, warum er eine Ausnahme macht. Boͤrne 
wollte Richter und als folcher gerecht fein und daher 
der Name feiner Zeitſchrift. Ob er deswegen ftet ob: 
jectiv gerecht gewefen, kann uns bier einerlei fein, 
fubjectiv aber war er es unſtreitig, wie felten ein Richter. 

Nachdem er fich felbft auf dieſe Weife zum Kadi — 
denn wie dieſe kannte er Bein anderes Geſetz als das fei- 
ner unbeftechbaren Überzeugung — ber frankfurter Bühne 
ernannt hatte, ging er and Werk und behandelte und 
richtete die Schaufpieler gerade fo, als ob fie Könige felen. 
Wie ein guter Nichter die Höfe und den Umgang ber 
Großen und Mächtigen meiden follte, fo mied er bie 
frankfurter Gaſthoͤfe und die Geſellſchaft ber Schaufpieler. 
Börne hatte von ber Natur ein ſehr zugängliches, ich 
möchte faſt fagen weiches Herz zum Antheil erhalten. 
Die hriftlihe Liebe aber brachte ihm die erften blu: 
tenden Wunden bei; er 309 ſich dann in fich ſelbſt zuruͤck 
und ſchmiedete in der Einſamkeit den ſtich⸗ und Eugelfeflen 
Panzer der Grunbfäge, ben auch feine Feinde an ihm 
berounbern müffen. In der Nähe aber war ed nicht 
fchwer, die Sugen zu entbeden und dann den ſchwachen 
Fleck zu treffen, wenn man richtig zielt. Das aber 
wußte Boͤrne felbft und daher hielt er fich in der gehört: 
gen Ferne, nahm er fogar die Flucht, fo oft er ben 


Auge des Kindes eines Schaufpielers, ein Seufzer auf 
den Lippen der Mutter eines Kürften würden viel über 
ihn vermocht haben. Boͤrne felbft kannte fich in biefer 
Beziehung fehr gut, und wer ihn oft im traulichen Kreife 
ber Freunde gefehen, wem das von innen herauskom⸗ 


mende offene Sachen, mit dem er in die Laune guter 


Freunde einflimmte, befannt, wer das fchöne, reine und 
großartige Verhaͤltniß, in dem er zu Denjenigen fland, 
die ihm die Augen fchloffen, wer die würdige Behandlung, 
die er feinem Konrad zu Theil werden ließ, beobachtet 
bat, weiß aud wie e8 um das Herz dieſes „herzloſen, 
eifenharten” Mannes ausfah. 

Er vermied die Gefahr, denn er wollte gerecht fein, 
er wollte, daß feine Zeitfchrift den Namen „Die Wage” 
verdiene; und das iſt das Geheimniß feiner Strenge. 
Jeder, der bei ihm als Schaufpieler angemeldet wurbe, 
erhielt zur Antwort: „Herr Börne ift nicht zu Haufe.” 
Empfehlungsbriefe blieben uneroͤffnet. Daß er andern 
Beflehungsmitteln als ſolchen, bie in feinem eigenen 
Herzen ihren Grund fanden, unzugänglich war, ift wol 
kaum nöthig anzuführen. In Alem, was Boͤrne je ges 
than, war es ihm um den höhern Grundfag zu thun 
und fo legte er an Kleines wie an Großes denfelben 
Mapitab an. Das Theater war ihm die Welt und dort 
wie bier wollte er die Herrfhaft des Großen, Edeln, Er⸗ 
babenen, Gerechten, und fo machte er an Theaterdichter 
und Schaufpieler dieſelben Anfprüche wie an Gefeggeber, 
Kaiſer und Könige. 

Ein fo eifenharter firenger Kadi aber mußte den 
Scaufpielern bald Läftig genug werden und um fo laͤſti⸗ 
ger, als fie niche im Stande waren, uud) nur zu ahnen, 
warum ber Richter fie fo herzlos verurtheilen koͤnne, als 
fie in dieſer firengen Gerechtigkeit nichts als eine ges 
bäffige Zyrannei faben. Daß man fih alfo am Ende 
gegen dieſe tyrannifche Gerechtigkeit empörte, war fo na= 
tuͤrlich als etwas. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Vertrag, welcher zwifchen St. Majeftät dem König 
von Sardinien und Sr. Majeflät dem Kaifer von 
Sſtreich in Betreff des Eigenthums und des Nachdrucks 
der wiflenfchaftlichen, literarifchen und Kunftwerfe, am 
22. Mai 1840 zu Wien gefchloffen und am 30. des 
naͤmlichen Monats in Zurin ratificirt worden ift. 


Art. 1. Alle in den vefpeetiven Staaten erfchienenen Geis 
ſtes⸗ und Kunſtwerke bilden ein Eigenthum, welches Denjenigen 
angehört, die beren Verfaſſer find, und welche daflelbe Lebens 
länglich zu genießen oder darüber zu verfügen haben. Sie 
allein, nebft ihren Stellvertretern, haben das Recht, dieſe 
Werke an den Tag zu fördern. 

Art. 2. Theatralifhe Werke find ebenfo ein Eigenthum 
ihrer Verfaffer und find daher Hinfichtlih ihrer Erſcheinung 
und Wieberauflegung im erften Artikel begriffen. Solche Werke 
tönnen nur mit Ginwilligung ber Verfaffer ober ihrer Stell- 
vertreter aufgeführt werden, unbefchabet jeboch ber in diefer 
Hinſicht in beiden Staaten beftehenden ober einzuführenden 
Berorbnungen. 


811 


Urt. 3. Die außer deu Gebieten beider Staaten, entwe⸗ 
der von ben Handſchriften ober bereits gedruckten Werken ges 
machten fberfegungen find ebenfalls als Driginalprobuctionen 
zu betrachten und gehören demnach ebenfo wie ſolche übers 
fegungen , welche in bem einen beider Gtaaten gemacht und in 
dem andern erfchienen find, der Verfügung des erflen Artikels 
an. Hiervon ift der Fal ausgenommen, wo ber Urverfaffer 
in den Werken felbft die Abſicht ausfpricht, eine Überſetzung 
davon in dem einen oder bem andern beider Staaten zu ver: 
anftalten, und biefe Abficht binnen fech Monaten verwirkticht ; 
in weldhem Kalle er auch für die Überfegungen das Recht bes 
Berfaſſers behält. 

rt. 4. Ungeachtet ber im erflen Artikel enthaltenen Ver⸗ 
fügung Finnen in Zageblättern und periodiſchen Werken 
Stellen aus andern foldhen Schriften übertragen werben, info: 
fern dieſe Stellen nicht drei gedruckte Blätter des Driginals 
überfleigen und die Quelle angezeigt ifl. 

Art. 5. Verleger ungenannter ober falfch benannter Werke 
find infoweit als Verfaſſer derfelben anzufehen, wenn diefe ober 
ihre Stellvertreter ihre Rechte nicht geltend gemacht haben. 

Art. 6. Jeder Nachdruck der in den Artikeln 1, 2, und 3 
erwähnten Werke und Probuctionen ift in beiden Staaten 
unterfagt. 

Art: 7. Der Nachdruck ift eine Handlung, woburd ein 
Werk durch mechanifche Mittel und ohne Einwilligung bes Ber: 
faffers oder deflen Stellvertreters, ganz ober theilmeife verviels 
fältigt wird. 

Art. 8. Im Sinne bes vorgehenden Artikels Hat ber 
Nachdruck nicht allein dann flatt, wenn zwiſchen dem Origi⸗ 
nal und dem neu hervorgebradhten Werke eine volllommene 
Gleichheit obwaltet, fondern aud) dann, wenn unter dem naͤm⸗ 
tichen ober einem verfchiebenen Zitel, Einheit bes Gegenftandes 
in beiden Werken, oder auch wenn berfelbe Ideengang und bies 
felbe Eintheilung vorherrſcht. Das fpäter erfhienene Werk 
wird in biefem Kalle immerhin als nachgedruckt angefehen, follte 
es auch anfehntich vermehrt oder vermindert erfcheinen. 

Art. 9. Gobalb das Arrangement für verichiedene Muſik⸗ 
infteumente ober Auszüge von mufllalifchen Werken als ein bes 
fonderes Geiftesproduct angufehen find, gehören fie nicht in bie 
Claſſe der nachgedrudten Werke. 

Ärt. 10. Was den Rachdruck betrifft, fo iſt jeder Artikel 
eines encyklopaͤdiſchen oder periodifchen Werkes, welcher drei 
Drudbogen überfteigt, als ein befonderes Werk zu betrachten. 

Art. 11. Dee Berfaffer eines literarischen oder wiffenfchaft: 
tchen Werkes hat das Hecht, Iebem zu vermehren, ben von 
ihm felbft gewählten Zitel des Werkes zu gebrauchen, fobalb 
dadurch das Yublicum über die Identität des Werkes in Irr⸗ 
tbum geführt werben koͤnnte; doch in einem folchen Falle gibt 
6 keinen Nachdruck, und der Verfaſſer hat kein anderes Recht, 
als einen verhältnißmäßigen Schabenerfat zu fobern. Deffen 
ungeachtet geben vergleichen Zitel wie Wörterbud, Diction- 
naire, Abhandlung, Sommentar, ober bie Gintheilung eines 
Werkes in alphabetifge Drbnung Demijenigen, der fie ges 
braucht hat, feine Befugniß, andere Schriftfteller daran zu hin: 
dern, daß fie nicht ben nämlichen Gegenſtand unter dem naͤm⸗ 
tichen Zitel, oder mit ber naͤmlichen Wethode oder @intheilung 
behandeln bürften. 

Art. 12. Kupferftiche, Lithographien, Mebaillen, plaſti⸗ 
ſche Werke genießen bie nämlichen Vorrechte, welche den übri⸗ 
gen Kunftwerken in Folge des erflen Artikels zugeftanden find. 
Der Nachdruck diefee Gegenftände iſt demnach verboten, aber 
in einem folgen Kalle gibt es nur dann einen Nachdruck, wenn 
diefer durch die nämliden mechaniſchen Mittel wie das Dri⸗ 
nee und mit Beibehaltung bes nämlichen Mapftabes er: 
folgt iſt. 

9 Gemälde, Bitdfäulen und Zeichnungen gehören unter bie 
Beflimmungen bes erften Artikels; aber die Gopien davon, bie 
mit ber Sand ohne Eifk und mit Wiſſen des Verfaffers gemacht 
worben find, bilden keinen Fall des Nachbrudes, außer wenn 


der Gopiſt betrügerifcher Weiſe es verfucht hätte, das Yublicune 
über bie Ibentität der Gopie mit dem Original —2 

Art. 13. Verfaſſer von Zeichnungen, Gemälden, Bildfäus 
len und andern Kunftwerken, ober deren Stellvertreter, Können 
das ausfchließende Recht, diefelben mit dem Briffel, beim Guffe 
oder auf irgend eine andere mechaniſche Art wiederzugeben, Ans 
bern überlaffen, ohne darum ihr Eigenthaͤmsrecht zu verlieren, 
und unbefchabet ber Beſtimmungen des vorhergehenden Artikels. 
Wenn jedoch das Driginalwerk veräußert wird, fo geht das 
Recht, die Befugniß zur Reproducirung zu ertheilen, auf ben 
Käufer über, der e6 dann durch bie ganze Zeit, binnen welcher 
ber Verfaſſer ſelbſt oder deſſen Erben es genoſſen hätten, befigt, 
infofern naͤmlich nicht das Gegentheil ausbebungen worden if. 

Art. 14. Der gegenwärtige Vertrag kann der freien Res 
production jener Werke, welche vor ber Gültigkeit beffel- 
ben in ben beiderfeitigen Staaten herausgegeben wurden, kein 
Hinderniß in den Weg legen, doch muß die Reproduction zu 
dieſer Zeit bereite begonnen und gefegmäßig geftattet worben fein. 

Sollte jedoch, bevor biefer Vertrag in Ausübung gefeht 
worden iſt, von bem wieberaufgelegten Werke ein heil bereits 
herausgegeben worben fein und ber übrige Theil noch nicht, 
fo kann der legte Theil nur mit Genehmigung des Werfaffere 
ober befien Erben zu Ende geführt werben, ſobald dieſe erklä—⸗ 
ven, es auf fi nehmen zu wollen, die Bortfegung bes Werkes, 
ohne bie Abonnenten zum Kaufe bes bereits herausgegebenen 
Theils zu verpflichten, zu beforgen. 

Art. 15. Alle Perfonen, zu deren Rachtheil ber Nachdruck 
begangen wurde, haben Recht auf Schabenerfak. 

Art. 16. Außer den gegen die Nachdrucker durch bie Lan⸗ 
desgeſege ausgeiprochenen Strafen wird ber Beſchlag und bie 
Vernichtung der nacdhgebrudten Gremplare, ſowie ber dazu vers 
wendeten Kupfer= ober Gteinplatten und anderer fonftiger 
Gegenflände angeorbnet werden ; doch kann bie beleibigte Par⸗ 
tet verlangen, daß biefe Gegenſtaͤnde gang oder zum Theil mit 
Abzug bes Werthes berfelben von der verlangten Entſchädigung 
zugeftanden werden. 

Art. 17. Der Berkauf nadhgebrudter Werke ober Gegen⸗ 
ftände iſt, unter den im vorigen Artikel angegebenen Strafen, 


. in beiden contrahirenden Staaten allgemein unterfagt; biefe 


Beflimmung gilt auch für ſolche Fälle, wo der Nachdruck im 
Auslanbe vorbereitet worben wäre. 

Art. 18, Das Recht ber Verfaſſer und ihrer geſetzlichen 
Stellvertreteer geht auf deren Iegitime ober teflamentaris 


fe Erben nad; den Geſetzen der refpectiven Gtaaten über. 


Dieles Recht Bann jedoch nie durch Erbfolge dem Fiscus anheims 
fallen und wird in beiden Staaten durch 80 Jahre nach bem 
ode des Verfaſſers anerfannt und befchügt werben. 

Art. 19. In Bezug auf Werke, welche nad) dem Tode 
bed Verfafferd herausgegeben werben, dauert bas Recht be& 
Verf. durch 40 Jahre vom Zage ihrer Herausgabe. 

Art. 20. Diefe Friſt wird auf 50 Jahre vom Tage ber 
Herausgabe für Werke, welche von wifienfchaftlichen Körpers 
Whafen und literarifchen Gefellichaften herausgegeben werben, 
verlängert. 

Art. 21. Mit Bezug auf Werke, bie aus mehren Baͤn⸗ 
ben beftehen,, ober in mehren Lieferungen herausgegeben wers 
ben, laufen bie oben angeführten Zermine nur vom Zage, an 
welchem der leute Band ober bie letzte Lieferung erſchien, body 
unter ber Bedingung, daß zwifchen dem Erſcheinen eines und des 
andern Banbes ober Lieferung nicht mehr als brei Jahre vers 
reichen dürfen. Hüdfichtli auf Sammlungen von Werken 
ober Memoires, bie für ſich befonders ein Werk ausmachen, . 
werben die oben angegebenen Termine vom Tage ber Derauss 
gabe eines jeden Bandes gezähit, jeboch mit Beobachtung des 
erften Theils diefes Artikels für ben Kal, als bas Werk ober 
die Memoires, die zur Sammlung gehören, in mehre Bände 
abgetheilt wären. 


Art. 22. Werke, beren Herausgabe vom Verfaſſer begons 
nen und von ben Grben zu Ende geführt wurde, genießen ei⸗ 


812 


men Termin von 40 Sahren, wie jene Werke, bie nach dem 
Tode des Berfaflers erfcheinen. 

Art. 23. Wenn der Verfafſer vor bem Ablauf einer zeit: 
weiligen Geffion feiner echte ſtirbt, fo treten, ſobald dieſe 
Friſt gu Ende if, deſſen Erben in den Genuß ihrer Rechte fo: 
fort ein und genießen diefelben durch bie in ben vorhergehenden 
Artilelu beſtimmte nüpliche Zeit. 

Urt. 24. Nach Ablauf der in ben Artikeln 18, 19, 20, 21, 
22 fefigefegten Termine fallen bie Werke und Probuetionen 
des Geiftes und der Kunft in das öffentliche Gigenthum. 

Do bleiben GBefehfammiungen und Werke, welche von 
den contrahtrenden Staaten entweder direct ober auf ihren Be: 
fehl, und dies muß aus den Werken ſelbſt bervorgehen, ver: 
anftaltet werben, ben biesfälligen befondern Vorſchriften der re: 
ſpectiven Staaten untergeordnet. 

Urt. 25. Die contrahirenden Staaten werben fi) wechſel⸗ 
ſeitig alle Geſetze und Vorfchriften, die der eine oder der au⸗ 
‚dere in Betreff bes Eigenthumsrechtes literarifcher, wiffenfchaft: 
licher oder SKunftwerke bekannt machen wird, mittheilen, um 
fo die Vollſtreckung bes gegenwärtigen Vertrages in ben reſpec⸗ 
tiven Staaten zu beförbern. 

Ebenſo werben fie fi die Beflimmungen bezüglich auf bie 
Ausmittelung der Originalität einer Herausgabe, ober die Au: 
torität des Datums eines Kunſtwerkes mittheilen. 

Art. 26. Die Beftimmungen bes gegenwärtigen Vertrages 
befchränten Teineswegs die Ausübung ber werhfelfeitigen Genſur⸗ 
uud Werbotrechte, die in ben vefpeetiven Staaten, abgeſehen 
von diefem Vertrage, nad) den feftgefegten ober feftzufegenden Vor: 
ſchriften ausgeübt werden follen. 

Art. 27. Die zwei contrahtrenden Staaten laben bie übri: 
gen Staaten Italiens und ben Ganton bes Zeffin hiermit ein, 
diefem Vertrage beizutreten. Diefelben werben ſchon in Folge 
einer ausbrädlichen Beitretung als contrahirende Theile be: 
trachtet werden. 

Art. 28. Gegenmwärtiger Vertrag wird auf die Dauer von 
vier Jahren, vom Zage der Ausmechfelung ber Ratificationen an 
gerechnet, gefchloffen, um auf weitere ſechs Monate nach ge: 
ſchehner Arung bes einen oder bes andern Staats nach Ab: 
lauf ber vier Jahre Me Wirkung diefes Vertrages aufheben, oder 
zur Erneunrrung befielben mit ben von ber Erfahrung angera⸗ 
thenen Abänderungen fchreiten zu wollen. Beide contrahiren: 
den helle behalten fi das Recht vor, eine dergleichen Er⸗ 
Härung dem andern zu machen, und ift ausbrüdiidh ausbebuns 
gen, daß ſechs Monate nach erfolgter Erklärung diefer Vertrag 
* eben feinen Rebenbeftimmungen als aufgelöft gu betrachten 


Gedanken Über mancherlei Gegenftände der Welt: und 
Menfhentunde von Aug. Sul. du Menil. Gele, 
Schule. 1839. Gr. 8. 14 Sr. 

Referent muß von ber Behauptung ausgehen, daß biefes 
Buch durchaus eine Ergäͤnzung zu Knigge's „Umgang mit 
Menfchen” if. Wenn ber Enkel des Deren von Knigge, ber 
vor Zurzem bie „Reife nach Brauuſchweig⸗ wieder herausgegeben 
hat, auch den „Umgang mit Menfchen’‘ in einer neuen Auflage 
erſcheinen läßt, fo muß er ald Anhang das Werkchen von Hrn. 
du Menil dazu geben. 

Übrigens moͤchte es doch ſchwer zu beflimmen fein, für 
welchen Kreis von Leſern der Hr. Verf. fein Buch eigentlich be: 
ſtimmt habe. Im bie Literatur im höhern Sinne gehört es 
aidpt, obwel in diefem Blatte für literariſche Unterhaltung 
Rede bavon iſt. Der Gelehrte und der Staatömann wird es 
nicht Iefen, wenn ihm nicht der als Menſch höchſt liebenswür⸗ 
dige Hr. Verf. perſoͤnlich bekannt if. Fuͤr die Geiftlichkeit ift 
es eigentlich auch wicht: für wen ift es alfo beftimmt? Ich 
behaupte, es ift ein Buch für Leute in Eleinern Städten: ber 
Hausvogt lieſt darin zwei Stunden vorher, che er in ben Glub 
geht, und eignet fi die ehrbarften Sentenzen und Gemein: 





piöge daraus an. Dir Schulletxer bes Eisfnen Staͤblchens, 
wenn er bei Hochzeiten und Kindtauſen an ber Befindetafel den 
pastor loci repräfentirt, ſchmückt fich mit Gedanken unb Sprä⸗ 
‚den daraus; ber Apotheker bes Ortes empfiehlt es einem Juͤng⸗ 
a ; Der in bie romantiſche Periode tritt, wie ſchwediſch 
pulver. 
Das Jahaltsverzeichniß bietet dem geneigten Leſer die 
reichſte Auswahl; es find naͤmtich 163 Rummern, freilich auf 
nur 108 Seiten. Es wird geſprochen von der Sparfamkeit, 
von Mitteln zur Grtragung ber Beſchwerden des Alters, bon 
Büchern für ſolche, bie die Welt Eennen lernen wollm; man 
tieft in dem Heften: Guter Rath an Toͤchter, Urſachen bes 
linkiſchen Benehmens in der Gefellichaft, bie Unarten der Frauen, 
die Kurzfichtigkeit der Frauen, Greräglichkeit bes Alters und 
dergleichen. Mir erlauben uns eine Probe zu geben. Der Berf. 
fpricht über die Wahl einer Braut und fagt: „Wer bei ber 
Wahl einer Braut nicht zuerfi auf vorzuͤgliche Seeleneigenſchaf⸗ 
ten ſieht, als Güte des Herzens u. f. w., Bann leicht einer 
traurigen Zukunft Beute fein. Um bei Verftande zu bleiben, 
verliebe er fih nicht, ber MWerliebte läuft Gefahr, Sanftmuth 
Mer von Verflellimg , das fogenannte flile Weſen nicht von 
Beſchraͤnktheit, Zartheit der Denkweiſe nicht von Verbildung, 
Empfindung nit von Gmpfindelei unterfcheiden zu koönnen. 
Übrigens Hofe er ſich nicht an Kleinigkeiten, bie fein Glück 
nicht fährben können, als an etwas Linkiſchem ober Befange⸗ 
nem, an Langfamleit des Werfianbes ober an geringer Gnts 
ſchloſſenheit, da dieſe Fehler almäliger Beſſerung fähig find.” 
Wir ſchließen diefe Anzeige mit einer Art Troſtworte, das 
ber Verf. allen Exchreibenden, alfo auch fich ſelbſt zuruft; er 
fogt nämlih, es muß uns bei Leſung geiftreidger beneidens- 
werther Schriften dee Gedanke wröften, baß, wenn bie Umſtaͤnde 
günſtig gewefen wären, ähnlide Werte von uns denfelben 
Werth gehabt hätten. Auf ſolche Weiſe wird ber fat bei jedem 
Gelehrten nicht zu verkennenden Gitelfeit, ohne baß eigentliche 
Unbeſcheidenheit ins Spiel kaͤme, genügt. Für Den, welcher 
fi nicht zu überfchägen gewohnt iſt, bleibt es angenehm zu 
fühlen, daß er einen gewandten Autor mehr als erreicht haben 
würde. In beiden Fällen iſt Ungerechtigkeit beim Urtheil über 
fremde Schriften kaum möglich. 24. 





Notiz. 
Spaniſche Alterthümer. 

Die auf Koſten der ſpaniſchen Regierung unternommenen 
Ausgrabungen auf der Stelle des alten Italica hatten vor 
einiger Zeit wegen Mangels an Mitteln nad ber Befreiung 
der dazu verwendeten gefangenen Karliften eingefteli werden 
mäffen, find aber neuerdings mit frifcher Thaͤtigkeit fortgefegt 
worden. Nah der Mammichfaltigbeit der Überbieibſel phönicis 
fer und roͤmiſcher Baukunſt, wie nach den zu Tage geförders 
ten Mafien von Münzen, Bafen, Waffen, Dausgeräthfebaften, 
Sruchſtuͤcken von Bildfäulen und Basrelicfö, zum guten Theile 
mit punifchen Infchriften verſehen, zu urtheilen, iM bie Aus⸗ 
beute für das Studium der Alterthums⸗ und Müngkunde eime 
hoͤchſt reichliche gu nennen. Unter ben jüngftgefundenen 
Schaͤteen if eine Darmorftatue Kaifer Trajan's, die man im 
botanifhen Garten zu Sevilla auf einem Piedeſtal non Mar⸗ 
mor und Jaſpis — gleichfalls aus den Ruinen genommen — 
aufgeftelt bat. Die Figur ift in koloſſalem Mafftabe, gang. 
erhalten und fcheint einem ausgezeichneten Künftler anzugehö- 
sen. Die übrigen Schäge hat man für jest neben andern 
Alterthümern ia ben untern Semächern des maurifchen Alcas 
zars aufgeflellt, von wo fie aber mit den aus ben aufgehobe- 
nen Klöftern gefammelten Werken der berühmten Meifter der 
ſevilliſchen Maler: und Bildhauerfchule in ein befonders zu 
igrer Aufbewahrung beftimmtes Gebäude gebracht werben follen. 
Don Ivo de la Gortina beichäftigt fi mit der Herausgabe 
einer mit Beichnungen ausgeflatteten Beſchreibung der gemach⸗ 
ten Entdeckungen. 47. 


Verantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. &. Brodhaud in Leipzig. 
m rag DON 


Blätter 


für 


fd 


literariſche Unterhaltung.“ 





Montag, 


ö— Nr. 202. 





20. Juli 1840. 





Boͤrne als Recenſent. 
(Beſchluß aus Nr. 201.) 


Boͤrne erzaͤhlte uns eines Abends ein paar jener Re⸗ 
volutionsſcenen ber Schauſpieler gegen den tyranniſch⸗ 
gerechten Kadi. 

Die Sache wurde mitunter ernſt und ſehr bedenklich. Ei⸗ 
nes Tages ſaß ich in meiner Loge. Der erſte Act des „Wil⸗ 
heim Zell” war eben zu Ende. Da trat einer meiner Freunde 
a mir ganz bleich und erfchredt und fagte mir haſtig: „Es 
ft ein Complott gegen Sie im Werke, man wird fie heute 
Abend nah dem Theater auf der Straße überfallen und — 
ducchprügeln. Hr. &. bat geſchworen, Ihnen Arme und Beine 
entzweizufhlagen. Ich weiß Alles. Bringen Sie fih in 
Sicherheit.‘ Ich dachte und, ich glaube, ich antwortete audh: 
„Ich Habe nicht die entferntefte Luft, mid mit Hrn. X. und 
feinen Freunden in ein Stiergefecht einzulaffen, denn bie Natur 
hat mich nicht zum Matador geſchaffen. Gehen wir baher 
klugerweiſe bei Sage nach Haufe.” Mein Freund begleitete 
mich und kehrte dann zurüd. Zu Haufe aber ärgerte mich bie 
Sache doch. Ich hatte ein wahres Zuden, den „Zeil bie zu 
Ende zu fehen. Und was follte aus meiner „Wage“ werben, 
wenn man mich fo ohne Umflände nach Haufe ſchicken koͤnne? 
Aber was war zu maden mit meinen Splitterfnöchlein? Da 
fiel mir zufällig eine gewaltige Piftole in die Augen, ein Gas 
binetsftäd, das den fiebenjährigen Krieg mitgemacht hatte. Ich 
fledte die Piſtole in bie Bruſttaſche meines Rockes und ging 
ganz ruhig wieder ins Theater. Bor bemfelben fanden mehre 
Leute, die ich in Verdacht hatte, mit zu den Verſchworenen zu 
gehören. Ich gab mir einige Mühe, fie ben Kolben meiner 
Hiftole ſehen p laſſen. In meiner Loge angekommen, febte 
ih mid fo, daß mit Nachhülfe des Ellenbogens bie Piftole 
ebenfalls ſich vecht breit machte. Abends ging ich dann allein 
und ungefährdet nach Haufe. Freilich mußten fie nicht, daß 

die Pifkole nicht gelaben war und nicht einmal einen Hahn hatte. 
" Gin anderes Mal — fuhr Boͤrne fort, nachdem er und wir 
mit ihm über feine Heldenthat recht herzlich gelacht und fie 
Sin und her beſprochen hatten — wäre es mir aber boch beinahe 
Ihlimm gegangen. Trotz meiner Ordre drang eines Morgens 
der Schaufpieler &., an dem ich, ich weiß nicht mehr welchen 
Hochverrath begangen hatte, bis in mein Dimmer hinein. 
Hr. X. war wenigfiens nur um einen halben Kopf größer als 
ich und hatte Schultern wie zwei Börne „O weh!’ dachte 
ich, „das nimmt ein fhlechtes Ende“; denn er fah gar gefähr: 
lich drein, als er fagte: „Sie find der Börne!“ — ‚Wollen 
Sie nicht gefäligft Platz nehmen‘, war meine Antwort. 3 
weiß nicht, woher mir augenblidlich die Idee kam, aber i 
dachte, wenn er erſt figt, iſt er Eleiner als ich und dann will 
ich ſchon mit ihm fertig werben. Er aber frug von neuem: 
„Ste find der Boͤrne, nit wahr?” — „Geniren Sie ſich 
nicht, mein Here, nehmen Sie doch gütigft Piaz.“ — „Iſt gar 
nit nöthig, Sie find ber Borne?“ — „Seten Sie fich ge: 


faligft in biefen Ruheſtuhl“; ich ſchob ihm benfelben hin und 
wirklich fegte er fi) endlich. Ich aber hütete mich wohl, mich 
ebenfalls zu fegen, rechte mich im Gegentheile fo hoch auf, als 
id Eonnte, ſah ſtolz von oben auf ihn herab und frug fo Fed 
als möglich: „Was wünfcen Sie; ja, ih binber Börne!” — 
„Sie haben den geftrigen Artikel der Wage gegen midh ges 
ie — „Ja, mein Herr! und was nun mehr?‘ fagte 
ich vielleicht zu te, denn Hr. &. wollte auffichen. Aber ich 
ließ ihn nicht dazu Tommen, fondern legte ihm freundlich beide 
Hände auf beide Schultern und fagte: „Bemühen Sie fi 
nit, bleiben Sie gefälligft figen.” Cr ließ geſchehen und ich 
blieb der Größere, der Stärkere. So ging das fünf Minuten 
fort und figend konnte fein Zorn nicht zum Ausbruch kommen. 
Das Mittel iſt probat, merken Sie ſich's — fagte Börne, ſich 
laͤchelnd an uns richtend und fuhr fort —: endlich lenkte ich ein 
und zwar, indem ich ihm vorftellte: „Wenn Cie wollen, fo 
werde ich Fein Wort mehr von Ihnen ſagen.“ Das fehlen ihm 
ebenfalls nicht zu behagen, denn er antwortete: „Rein, Gie 
follen von mir fprechen, aber mit Gerechtigkeit.” — „Die fol 
Ihnen werden, wie bis jetzt“ — einer meiner Bekannten, ber 
sufällig ins Zimmer trat, erlöfte endlih Drn. X. aus feiner 
Sigung und mich aus meiner Stellung und fo ſchieden wie in 
Breundfchaft. Allein als er zur Thüre hinausging, überlief 
mich doch ein Teiner Schauer, indem mir fein bider Kno⸗ 
tenſtock, den ich jegt erſt recht bemerkte, bieifchwer in bie 
Gedanken fiel. 


Man könnte aus diefer Anekdote die ſchoͤnſte Luft: 
fpielfcene machen. Übrigens kenne ich aus Boͤrne's Les 
ben nichts, was ihn fo wie biefe Scene charekterifict. 
Der gebrechliche Körper und ber große Geiſt, das Bewußt⸗ 
fein der Schwäde, verbunden mit. dem augenblidlichen 
Auffinden des Mittels der Stärke, diefe Laune und biefe 
Energie, der Wis, der dem Ernſte zur Waffe dient; 
der ganze Boͤrne fpiegelt fich in diefem Aufteitt Har und 
lebendig ab. Dean brauchte nur diefe Scene zu kennen, um 
zu fagen, wes Geiſtes und auch wes Körpers Kind er war. 

Boͤrne würde unter allen Verhältniffen, in allen Zei⸗ 
ten und in jeder Lage groß geweſen fein. Nicht aber 
weil fein Talent ihn über feine Mitbewerber hob, denn 
Hunderte deutfcher Schriftfieller find am Ende in dieſer 
Beziehung ebenfo hoch, wenn nicht höher begabt; nicht 
weil er von Natur eine größere Charakfterfeftigkeit 
als taufend Andere gehabt hätte, denn er war In Liebe 
und im Haffe oft fo ſchwach wie andere Erdenkinder. 
Aber es war ihm Ernft, großer Ernſt, als er feine Zeitfchrift 
„Die Wage” nannte; er fühlte, daß er mit diefem Xitel 
eine Pflicht übernahm und war zu ehrlih, um aus ihm 





R 


814 


3 


eine Lüge werden zu laſſen. Man verfuche es, feine 
Schriften diefes firengen fubjectiven Gerechtigkeitsge⸗ 
fühle zu entkleiden und es wird wenig des Redens und 
der Nachwelt Werthes übrig bleiben. Sein Wig, feine 
Laune, feine Jronie werden eben nur dadurch zum 
Humor, diefem reinen geifligen Bruder jener drei Fleiſch 
geworbenen, gefallenen Engel, daß hinter ihnen überall 
der tiefe Ernſt, die ſtrenge Gerechtigkeit, die hoͤchſte Men: 
ſchen⸗ und Menfchheitsliebe hervorgukt. Es iſt ein Ar: 
merfündertroft, wenn fo Diele feufzend fagen: Boͤrne 
war ein Charakter. Wahrlich er hatte kein Privile- 
gium, einer zu fein oder zu ſcheinen, und ich geflehe gern, 
baß es mir oft fo vorkommt, als ob ein Hegelianer, auf 
das Mort feines unverftandenen Meifters fchrodrend, auf 
feinen Befehl angreifend und fich wie ein englifcher Bull: 
dog in einen Lehrfag fetbeigend, nicht weniger Charakter 
zeigt, als Börne je zu entwideln Gelegenheit gehabt hat. 
Auch jener Profeffor, ber um eines Lehrfages des römi: 
ſchen Rechtes willen felbft an der Schwelle des Grabes 
feinem Gegner nicht vergeben zu dürfen glaubte, und alle 
feine Collegen, die ruhig auf die Carolina unverbrüdy: 
liche Eide ſchwoͤren und für St. Juſtinian willig den 
Feuertod erleiden würden, find nicht zu verachten. 

Aber der Gekreuzigte fagte: „ben Armen an Geift, 
den Einfältigen gehört das Himmelreich.“ Und das 
ift wahr in einem ganz andern Umfange, ald man bis jegt 
meift geglaubt hat. Armuth iſt ein relativer Be: 
griff. Der Bettler Europas ift ein Kroͤſus gegenüber 
dem nadten Wilden Amerilas und Afrikas. Auch die 


Armuth des Geiſtes iſt relativ und nur Der iſt 


: in dieſer Beziehung arm, der reiher an Gefühl als 
an Geiſt ift, der die Liebe, die Gerechtigkeit, die Hin⸗ 
gebung und Aufopferung Über bie Berechnung, den Stolz, 
die Hab= und Herrfhfucht fegt, der den Kopf zwingt, 
dem Herzen zu gehorhen. Und von folder Armuth, von 
ſolcher Einfalt fprach der Chriſtenlehrer. 

Börne aber gehörte zu biefen Einfältigen und 
war wirklich fo einfältig, fein ganzes Leben lang nur 
einen Titel für feine Zeitfchrift zu finden, nur einen 
einzigen Gedanken zu verfolgen, „feine Feder“, wie er 
ferbft fagte, „für diefen in das Blut feines Herzens ein: 
zutauchen” und fi) fo am Ende für denfelben zu ver: 
bluten. Und nur deswegen iſt er groß und beömegen 
nennen ihn felbft feine Gegner einen eifenfelten „herzloſen“ 
Charakter. 85, 





Sefchichte und Verfaffung aller geiſtlichen und weltlichen, 
.erlofchenen und blühenden Ritterorden. Mebft einer Über: 
ſicht fämmtlicher Militair- und Givilehrenzeihen, Me: 
dailfen ıc. ıc. und einem Atlas mit beinahe 500 illumi⸗ 
nirten Abbildungen der Orbensinfignien, Bänder, Ketten. 
Von Ferdinand Freiherrn v. Biedenfeld. Erfte 
Lieferung. Weimar, Voigt. 1839. Gr.4. 2 Thlr. 16 Gr. 
Ref. hat ed nie zu der republilanifchen ober philofophifchen 
Anſicht m ben Orden bringen —** nach ee —2— 
rath Berlier damals, als der erſte Conſul Bonaparte mit Er⸗ 
richtung ber Ehrenlegion umging, behauptete, ſolche Aus⸗ 


zeichnungen wären die Kinderklappern der Mon: 
archie. Wie der gewöhnliche Menſch nun einmal iſt, wird er 
noch außerorbentliche Hebel brauchen und bie Regierungen auch 
feine Schwächen zu ihrem oder bes Staates Beften benugen bürfen. 
Dod nicht um Begründung ber ethifchen Anficht von der Sache ift 
es hier zu thun, fondern um kurze Begrüßung eines Unternehmens, 
welches in würbiger Ausftattung möglichfte Ökonomie und Bol: 
ftändigkeit verbinden und zugleich als Fortſetzung von bes Verf. 
„Geſchichte der Moönchs⸗ und Klofterfrauenorden im Orient und 
Decident‘’ bienen fol. Außer den Ritterorden fol auch eine 
Uberſicht fämmtliher Militair- und Givilehrenzeichen, Medaillen 
und ein Atlas mit faft SOO illuminirten Abbildungen auf 40 Zafeln 
hinzukommen, von denen die beiden letzten bie Orden der Tür 
kei, Perſiens, felbft Haitis, Chinas, Nordamerikas und Vene⸗ 
zuelas enthalten follen. Das Prachtwerk des koͤnigl. preuß. 
Oberſtlieutenant von Gelbke beſchraͤnkt ſich nur auf die blühen: 
ben Orden und Eoftet 80 Louisdor! 

Der Borrede zufolge wird dieſes Werk 53 geiftlihe er⸗ 
loſchene (darunter mehre noch nirgend verzeichnete), dann über 
100 erloſchene weltliche Ritterorden (auch die Orden für Mäßig- 
feit und gegen das Fluchen, Spracveredlung, Jagd, ers 
hoͤhte Gefelligkeit und Fröhlichkeit *), dann die fpecielle Anficht 


‚ aller jegigen Ordenszuſtaͤnde nach Staaten alphabetifch georbnet 


enthalten. Der Verf. nennt bdiefen Überblid ein Stubium der 
Geſchichte der Menfchheit, der Meobificationen und Übergänge, 
ber ſocialen Phafen, eine vechstkräftige Beurfundung bes trö= 
fienden Spruch: daß wir felbft beffer geworben find, mithin 
auch auf Beflerung rechnen bürfen. Von diefer Seite hat Ref. 
die Sache noch nicht betrachtet und will bie Wirkung geduldig 
abwarten! Sehr nüglich wird bie am Schluſſe des Werks ge⸗ 
ebene dhronologifch-fonchroniftifche Zabelle bes Urfprungs ſaͤmmt⸗ 
licher nach ihren verfchiedenen Kategorien aufgeftellten Ritter- 
orben werden. 

Sonach wird das ganze Werk in bie zwei Hauptabthei⸗ 
lungen der erloſchenen und der blühenden Ritterorden und jebe 
diefer Abtheilungen wieder in bie Section der geiſtlichen und 
weltlichen NRitterorden zerfallen; bie geiftlichen nach der Regel 
Bafil's, Auguftin’d, Benedict's, Kranz von Affifi u. A., die 
weltlichen nach den großen Haus⸗, Verdienſtorden und Vereinen 
zu andern Zwecken rubriciet, die erlofchenen nady chronologifcher, 
die blühenden nach alphabetifch = ethnographifcher "Reihe. Ob 
wie bei Gottfchald bie Witglieder der einzelnen Orden aufges 
führt werben follen, wirb nicht gefagt. So angenehm es Ein- 
zelnen fein konnte, fo möchte es boch, bei ben ewigen Beräns 
derungen im Perfonalflatus und zur Raumerfparung überflüffig 
fein. Hierauf folgt noch ein Auszug aus ber Orbensliteratur 
und S. 21—24 ber Anfang ber Darftellung der erlofchenen 
Ritterorden nad Baſil's Regel. Bon diefen find vorerft drei 
Drben, ber ber heiligen Katharina vom Berge Sinat, des heiligen 
Lazarus von Jeruſalem (mo anfangs nur ein Ausfägiger Groß: 
meifter fein durfte) und des &. Blaſius befchrieben. 

Die fünf mit Karben fehr fauber heralbifch tingirten Kupfer⸗ 
tafeln flellen mit großer Raumerfparung (baber auch bie Groß⸗ 
kreuze nicht in natürlicher Größe find) die anhaltiſchen, badi⸗ 
ſchen, bairifchen 5 Tafeln) und beigifchen Orben und Verdienſt⸗ 
mebaillen dar. Da die Beſchreibung bderfelben noch fehlt, Töne 
nen wir uns Fein näheres Urtheil erlauben, fehen aber der 
Kortfegung um fo lieber entgegen, als wir nach diefer Anlage 
mit Grund hoffen Tönnen, daß biefes compendioͤſe, wohlfeile 
und Wiffenfhaft wie nügliche Unterhaltung fördernde Werk ben 
wohlverbienten Beifall finden werde. **) 15, 


e) Es wird ſchwer fein, bier Maß und Biel zu finden, fonft 
müßte Sacobi'8, Sleim’d und Hofmann's Orden ber Lorenzo: 
dofe oder der Sanftmuth und Verföhnung auch dahin. (‚‚Beitz 
genoffen”, neue Reihe, XI, ©. 3, 35.) 

*.) Seit der Abfaffung biefer Anzeige find auch ſchon die zweite 
bis vierte Lieferung bed Werts erfchienen. D. Re. 


- 


815 


- Bineta zum legten Male untergegangen. 


Die von namhaften Hiftoritern nach dem Mittelalter aus 
dem Nichts ind Leben gerufene Babelftadbt Vineta war von ih⸗ 
nen zu prachtvoll gebaut und die Poeſie hing fih zu Lieblich 
und lebhaft an das Bild einer verfunkenen Stadt, als daß 
Liebhaber des Wunderbaren in ber Geſchichte nicht Alles an⸗ 
firengen follten, ihre Exiſtenz gegen bie negirende Kritik gu 
retten. Was der berühmte pommerfche Chroniſt Kantzow und 
der treſtower Bürgermeifter Lubbechius mit eigenen Augen ges 
feben und fo forgfältig verzeichnet, die Lage der Straßen un: 
term Meer, die man noch auf alten Homann'ſchen Karten ans 
gegeben findet, der Glaube des Volks, die herübergegogenen 
Zeugniffe anderer Ghroniften, die Aboption der Dichtung, alles 
das hatte gegen bie Kritik des vorigen Jahrhunderts nicht Stich 
gehalten. Zölfner in feiner „Reiſe nach Rügen’ hatte in fel- 
ner Art die Nichtexiftenz und bie Unmöglichkeit ber Exiſtenz be: 
wiefen. Doch wollte er mit feiner Kritik die Sache noch nicht 
ganz aufgegeben haben, und foderte zu einer Subfeription auf 
dehufs näherer Unterfuhung. Aber wie auch unfer romantiſch 
anfangendes Sahrhundert gegen bie negirende Kritik bes 18, 
Jahrhunderts abgünftig geflimmt war und gern ber Sage ge: 
gen nüchterne Vernunft ihr Recht vindiciren wollte, hierin gab 
man jener volllommen Recht. Zöllner’s Beweiſe erſchienen ale 
zu fchlagend, die Hifloriker jagten von ihrem Gebiet die nebel- 
haften VBorftellungen, unbefchadet der Romantik, fort, und ſoweit 
ging der Sieg der Kritik, daß felbft die Poefte ſich der alten Stadt 
entäußerte und Dr. Furchau in feinem Heldengebicht „Arkona““, in 
welchem Geifter und Heroen der nordifchen Mythe flreiten, es ver: 
fchmähte bie alte Kabelftadt, wenn auch nur als Kata Morgana 
auf den Wellen des baltifchen Meeres ſchwimmen zu laſſen. 


Endlich erklärte ſich auch der neuefte Hiſtoriker Pommerns, 
Profeſſor Barthold, gegen bie Eriftenz ber Wunberftadt. Dies 
hielt indeffen einen patriotifchen Infulaner von Uſedom, den 
als Schriftfiehler und Dichter wohlbekannten Prediger Meins 
hold, nicht ab, feine entgegengefeßte Anficht noch einmal ans 
Licht treten zu laffen und zu verfuchen, ihr Beltung zu vers 
schaffen. Er unternahm bies in einer mit aller Wärme ber 
Beredtfamleit gefchriebenen Abhandlung in feinen „Humoriſti⸗ 
ſchen Reifebildern von Ufebom”. Er fügte ſich babei nicht fo: 
wol auf die urfprüngliche Duelle der Sage, auf Helmold's 
„Ehronik der Slawen’, fondern feine Gründe find: 1) die alls 
gemein verbreitete, Sabrhunderte alte Sage, welche bei dem 
verdroffen trägen und phantaftelofen Charakter der Ufebomer im 
Bolke ſchwerlich aus Nichts und noch weniger aus den Mits 
theilungen gelehrter Reiſenden entftehen Tönnen ; 2) das pofitive 
Zeugniß Kangow’s und feiner Gefährten über die bewunderns⸗ 
würdig regelmäßige Lage, in welcher fie die Steintrummer un: 
ter dem Meere getroffen haben wollen; 3) ein fidhtbar von 
Wrenfchenhänden gearbeitetee Stein, der 1836 bei Gelegenheit 
des ſwinemünder Hafenbaues an ber betreffenden Gtelle her: 
ausgezangt und als Merkwürdigkeit nach Stettin geſandt wors 
ven; %) die zahlreichen Urnenfchalen Heidnifcher Grabdenkmaͤler, 
denen man gerade am Ufer begegne, während bie Hünengräber 
fonft auf Uſedom felten find, und die Infel, ihrer natürlichen 
Beſchaffenheit wegen, nie eine große Bevölkerung gehabt haben 
Bönne; 5) die große Menge goldener Münzen, welche vor eis 
nigen 30 Zahren bei Dannerow gefunden worden; 6) bie 
zifiene @eftalt ber Inſel Ufebom an der in Anſpruch genoms 
menen Gtelle. 

Herr Prediger Meinholb frug bei ber Geſellſchaft für pom⸗ 
merſche Gefchichte in Stettin an, ob biefeibe, in Bezug auf obige, 
von ihm angegebene Gründe, nicht geneigt fei, eine legte, officielle 
unterſuchung an der fraglichen Stelle mit Hülfe einer Taucher⸗ 
glocke anftellen zu Laffen, um ber Sache endlich auf ben Grund 
zu kommen. Zwar erwartete er fo wenig ale ein Anderer, 
Me Straßen Binetas, bie Kantzow gefehen, noch auch nur ein ers 
haltenes Haus aufzufinden. Aber Spuren von Menſchenhand bürf: 
ten ſich doch bei einerfolchen Unterſuchung entdecken laffen. Rach reife 


ler Erwägung iſt indeſſen die Geſellſchaft auf ben Vorſch 

nicht eingegangen, und ihre Gruͤnde, bie fie in ihrem eben le 
nenen vierzehnten Jahresbericht angibt, fcheinen gerechtfertigt. Der 
Geheimrath Kraufe, jetzt Beſitzer des berühmten alten Kloftergutes 
Colbach, damals einer der reichften Kaufleute und Schiffseigen⸗ 
thümer in Smwinemünde, hatte felbft vor mehren 40 Jahren 
Taucherverſuche anftellen laffen. Gr war beim heiterften Wet⸗ 
ter nach ber fraglichen Stelle mit ben erfahrenften Geeleuten 
gefahren und zugleich mit einem englifchen Matroſen, welcher 
mehre Jahre bei der Perlenfifcherei gedient hatte, und ein aus⸗ 
gezeichneter Schwimmer und noch größerer Taucher war. Ob⸗ 
gleich dieſer fieben bis acht Mal tauchte, an verfchiedenen Stel⸗ 
len, fo brachte ex doch nichts heraus als Hände voll gewoͤhn⸗ 
lichen Meeresfand und bie Berficherung, daß außer gewöhn- 
lihen großen Feldſteinen nihts im Meeresgrunde 
vorhanden fei. Diefe Unterfuchung, ſchon im vorigen Jahr⸗ 
bunbert durch Drudichriften befannt, hat der hochbejahrte Wen 
teran, ber aber noch bei vollen Verſtandeskraͤften ifl, aufs neue 
ber GSommiffion duch feine Ausfage bekräftigte. Desgleichen 
laffen die Protokolle, beim fwinemünder Hafenbau geführt, 
keinen Zweifel mehr baräber, daß weber jegt Spuren einer 
Stadt an ben Küften unfern der Obermündungen ſich noch vors 
finden dürften, noch damals, ale man alle großen Steine zum 
Behuf beffelben herauszangte, gefunden haben. Dr. Regierungs: 
rath Seabill, welder den Bau leitete, Hat felbft damals bie 
genauften Beobachtungen angeftellt; weber aber bat er, auch 
beim Blarften Wetter, etwas Anderes als einen Steinriff ent: 
beit, noch bei den herausgeförderten Steinmaflen irgend Spu⸗ 
ren von Bearbeitung. Die Steinlieferanten aber haben über das 
Vineta genannte Steinriff folgendes zu Protokoll gege⸗ 
ben: „Das Riff iſt gleichſam ein Siland, ungefähr ', Meile 
vom Lande in der Oſtſee gelegen, unb befteht aus Lagern gro= 
fer Sranitfteine, die theils aufeinander gefchoben find, theils 
in Kreide und Thongrund, tbeild in Sand und Kreide liegen; 
feine Spur von regelmäßigen Lagen. Bon einer verfunlenen 
alten Stabt Tann, nad unferer Meinung, keine Rebe fein. 
Weißliche, blaue und gelbe Streifen bes Meergrundesfegen bas Riff 
zufammen, in welchem bie Sranitfleine lagern. Die im Kreide: 
grunde figen fo feft, daß fie gar nicht oder nur mit ber größten 
Kraft Iosgebrochen werden koͤnnen. Auf ben höchften Stellen 
ift das Riff 2, Zuß unter dem Waflerfpiegel; an andern 18— 
24 Fuß tief darunter.” So wenig biefe Ausfage für bie Exi⸗ 
flenz einer verfuntenen Stabt beweift, fo fpricht doch die An⸗ 
führung von in Kreide feftgelitteten Granitfteinen in fo weit 
zu Bunften der alten Zeugen dafür, baß ihre Augentäufchung 
ein abfolut leeres Phantafiebildb war, ſondern einen fühhtbaren 
Grund hatte. 4, 





giterarifhe Notizen. 

Amedee Thierry, Berf. einer Geſchichte der Gallier, laͤßt jetzt 
in Paris die, Histoire des Gaules sous la domination romaine‘* 
erfheinen, ein Werk, welches bes Neuen und Intereflanten viels 
leicht noch mehr barbietet als die erſte Abtheilung feiner Arbeit 
über die gallifchen Alterthümer. Das Ganze wird aus drei 
Bänden beftehen, der erſte iſt bereits erſchienen. — Werner ers 
[dien im biftorifgen Fache: „Histoire des guerres civiles, po- 
itiques et religieuses, dans les montagnes du Velay, pen- 
dant le i6ieme siecle”, von %. Mandet. u 


Eine für katholiſch altgläubige Herzen erbauliche Schrift 
iſt das Buch „Vie de Victorine de Galard Terraube”’, bie 
Biographie einer am 8. Febr. 1836 „im Geruche der Heilig: 
keit⸗ zu Parts verftorbenen Dame. Es ifl davon eine neue, 
vermehrte und von ſechs Erabifhöfen und acht Biſchoͤfen ges 
billigte Ausgabe erfchienen. Nun fage man noch, daß es unſe⸗ 
zes Zeit an Blauben und Heiligenricchern fehle! 5. 


ZZ 816 


Bibliographie. 


Adolph der Kühne, Raugraf von Daſſel. Dramatiſirt 
vom Verfaſſer des deutſchen Alcibiades. te verbefierte Auflage. 
5 Theile. Mit 1 Titellupfer und 1 Muſikbeilage. 8. Leipzig, 
Melzer. 2 Thir. 12 @r | 
Bleffon, 2., Die Renten = Berfidherungs s Anftalten und 
deren Bedeutung für Mit⸗ und Nachwelt. Gr. 8. Berlin, 
Poſen u. Bromberg, Mittler. 16 Gr. 

Gouard, 5. 2%, Daskeben der Ehriften in den erften drei 
Jahrhunderten ber Kirche. Kirchengeſchichtliche Predigten. 
r. 8. Berlin, Thome. 1 Thlr. 6 Gr. 

Creuzer's F., deutsche Schriften, neue und verbes- 
serte. Erste Abtheilung. 2ter Band. [1stes Heft.] — 
Auch u. d. T.: Symbolik und Mythologie der alten Völker, 
besonders der Griechen von F. Creuzer. 2ten This. Iistes 
Heft. Ste verbesserte Ausgabe. Gr. 8. Darmstadt, Leske. 
1 Thir. 16 Gr. 

Dellarosa, L., Arnulf Schreckenwald, genannt ber 
Gifenfrefier, oder die Blutrache auf Burg Aggſtein an der Do: 
nau. Schauerliche Geiſter⸗ und Rittergeſchichte aus Defterreichs 
Kor. Mit 1 Titelkupfer. 8 Wien, Singer u. Goering. 
20 &r. 


Egen, P. R. ©, Die Eonftitution des Erdkoͤrpers und 
die Bildung feiner Rinde. Gr. 8. Giberfeld, Buͤſchler'ſche 
Verlagsébuchh. 12 Er. 

Klorencourt, 8. von, Politiſche, kirchliche und litera- 
riſche Zuftände in Deutſchland. Gin journaliftifcher Beitrag 
zu den Jahren 1838 und 1839, 8. Leipzig, B. Zaucnig 
jun. 1 hir. 16 Gr. 

Erance, A. de, Abd⸗el⸗Kader, Emir von Maslara, ber 
furchtbare Belämpfer der Franzoſen in Algier; oder: Fünf Mo: 
nate der Gefangenſchaft bei den Arabern. 2 Bände. 8. Qued⸗ 
linburg, Bafle. 2 Thlr. 8 Br. 

Frühbuß, D., Der Ghrift am Grabe feines Könige. 
Predigt am 14. Zuni 1840 gehalten. 8. Grünberg, Levy: 
fohn und Giebert. 2 Gr. 

Geibel, E., Gedichte. Gr. 8. Berlin, A. Dunker. 1 Thlr. 

Grimm, J., Sendschreiben an Karl Lachmann. Über 
‚Reinhart Fuchs. Gr. 8. Leipzig, Weidmann, 20 Gr. 

Groͤtſch, J. G., Herzog Richelieu,, feine Welt und feine 
Beit. Ein Euftfpiel in 5 Aufzügen. 8. München, Franz. 21 Gr. 

Haacke, M. von, Grinnerungen aus einer Reife durch 
das fühliche Deutfchland, Öſterreich, die Schweiz In das mits 
tägliche Frankreich und nach Algier. 8. Quedlinburg, Baſſe. 
1Thir. 12 Er. | 

Die 00jährige Jubelfeier der Erfindung der Buchbruders 
Zunft in Leipzig am 24. 25. 26. Juni 1840. Bon ©. 8. 
®r. 8. Gamenz, &. ©. Krauſche. 3 Gr. 

Der fiebente Juni 1840. Ehriſtliches, patriotiſches Ge⸗ 
Dicht, von Preußenherz in der Brembe, Neanoklıns un’ axomw. 
4, Stolberg am Harz, Schmidt. 4 Er. 

Kamp, H. A. von, Der Knappe Erdmann und fein Sohn 
Georg oder Bergmanns Leben, Luſt und Leid. Gin Büchlein 
für Alt und Yung. Grefeld, Schüler. 10 Gr. 

Keferstein, C., Geschichte und Litteratur der Geo- 
gnosie, ein Versuch. Gr. 8. Halle, Lippert. 1 Thlr. 8 Gr. 

Leake, W. M., Die Demen von Attika,. Aus dem 
Englischen übersetzt von A, Westermann. Mit 5 Karten 
und Plänen. Gr.8. Braunschweig, Westermann. 1 Thir. 16Gr. 

Lengerke, A. von, Landwirthſchaftliche Statiſtik der 
deutſchen Bundesſtaaten. In 2 Bänden. 1fter Band. Gr. 8. 
Braunfchweig, Weftermann. 2 Thlr. 18 Gr. 

le, —35 Bianca Medieis, Drama in vier Acten. 

Gr. 8. Muͤnchen, Franz. 16 Gr. 
Marheineke, P., Das Gebet bes Herrn in dreizehn Pre⸗ 
digten. Nebft den am breihundertjährigen Jubelfeft der Ein: 
führung der Reformation in bie Mark Brandenburg im Sahr 


Br. 

3. A. L., Feſtgabe. Warum folte die Feier 
ber Grfindung der Buchdruckerkunſt eine allgemeine für die 
ganze Welt fein? Er. 83. Quedlinburg, Baſſe. 8 Gr. 

Robert, ©, Briefe aus dem hoben Norden und dem 
Innern von Rußland, gefchrieben auf einer Reife In ben Jah: 
ren 1838 und 1889, nebft Beilagen, die franzöſtſch⸗ſcandinavi⸗ 
ſche Erpebition nad Spigbergen betreffend. Nach den franzö- 
fifchen Original:Briefen an ben kaiſerl. ruſſiſchen Dinifter- Re: 
fidenten, wirklichen &taatsratb von Struve in Hamburg. 
®r. 12. Hamburg, Perthes: Befler u. Mauke. 20 Gr. 

Rötfher, H., Abhandlungen zur Philofophie ber Kunft. 
Ste Abth. Der zweite Theil bes Goͤthiſchen Kauft nach feinem 
Gedankengehalte entwidelt. Er. 8. Berlin, Thome. 1 Thir. 6 Gr. 

Rüdert, B; , Erbauliches und Beſchauliches aus bem 
Morgenland. 1fles Bändchen. te Auflage. 16. Berlin, 
Bethge. 1839. 16 Gr. 

Ruckgaber, H., Gefhichte der Grafen von Zimmern. 
Ein Beitrag zur Geſchichte des deutfchen Adels, nach den bes 
ſten Quellen und Hilfsmitteln bearbeitet. Mit 1 Abbildung. 
Er. 8. Rottweil, Herder. 1 Thlr. 12 Gr. 

Diplomatifhe Sammlung ber Verfaſſungs⸗ und Verwal⸗ 
tunge:Grundgefeße der deutfchen Staaten. Herausgegeben von 
& ©. v. Rof.... Iſter Band. Gr. 8, Berlin, Ganber. 
1 Thlr. 12 Gr. 

Schindler, A., Biographie von Ludwig var Beetho- 
ven. Mit dem Portrait Beethoven’s und 2 Facsimiles. Gr. 8. 
Münster, Aschendorff. 2 Thir. 16 Gr. 

Schmid, ©, Die Lobdeburg bei Iena. Nach Urkunden 
und fihern Nachrichten gefchichtlich dargeſtellt. Mit Plan unb 
Anfiht. Gr. 8. Jena, Frommann. 16 ®r. 

Schwarz, 3. ©. E., Predigt zum Gedaͤchtniß der Er- 
findung der Buchdruckerkunſt am erften Sonntage nach Trini⸗ 
tatis in ber Stabtlicche zu Jena gehalten. Gr. 8. Jena, 
Srommann. 3 Gr. 

Stona. Stimmen aus ber Gemeine für chrifltiche Er⸗ 
bauung. 1fter ober Wintertheil. Gr. 8. Bütersloh, Bertels⸗ 
mann. 2 Thlr. 

Straderjan, ©. F., Gefchichte der WBuchbruderei im 
Herzogthum Dldenburg und der Herrfchaft ever nebft einer 
Beichreibung bes erflen in Oldenburg erfchienenen Buches. 
Eine Beftgabe gem vierhundertjährigen AIubelfeft ber Buchdru⸗ 
@erkunft am 24. Juni 1840, Mit Facſimile's. Gr. 8. Ol⸗ 
denburg, Schulze. 8 Gr. 

Strauß, F., GlodensZöne. Grinnerungen aus bem 
Leben eines jungen Geiſtlichen. 3 Bände. 7te Auflage. Sr. 12, 
Leipzig, Crayen. 2 Thlr. 8 Er. 

Der bintende Teufel in Hamburg. Aus ben Papieren ei⸗ 
ned Verftorbenen. 2 Theile. Br. 12. Leipzig, Taubert. 


Ungewitter, F. H., Populäre Geographie ober Geogra⸗ 
phifches Handbuch zur Gelbftbelehrung und zum Nachſchlagen 
in allen Fällen, wo man über irgend ein Sand, eine Stadt 
ober einen merfwärbigen Ort ber Exde überhaupt geographifche 
unb gefchichtliche Auskunft gu erhalten wuͤnſcht. Iſte Abth. 
Mit lithographirten Abbildungen, Tabellen und Gtammtafeln. 
Gr. 8. Leipzig, Wunder. 2 Thlr. 

Bangenheim, $. Th., Der Spion. Hiftorifcher Ro⸗ 

4 Bände. 8. Leipzig, Melzer. © Thlr. 


2 Thlr. 16 Gr. 


man. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockkhaus. — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


Titerarifde Unterhaltu ng. 








:Die Reformation in franzoͤfiſcher und deutſcher 
Auffaſſung. 

4. Histoire de la vie, des é“crits et des doctrines 
de Martin Luther; par J. M. V. Audin. Zwei Bände. 
Paris 1839. 

2. Deutfche Geſchichte im Zeitalter der Meformation. Don 
Leopold Ranke. Erſter und zweiter Band. Ber: 
tin, Dunder und Humblot, 1839. Gr. 8. 5 Thlr. 
16 Gr. 

Zweiter Artikel 
Mir wenden uns in dieſem Artikel nun zu dem Werke 
Ranke's, einer ebenfo erfreulihen Erſcheinung im Gebiete 
dee hiſtoriſchen Literatur, als die des feanzöfiihen obenge: 
nannten Werks widerwärtig für und war. Wir nannten 
ſchon früher die „Deutſche Gefdichte” einen ber würdig: 
ften Mepräfentanten der deutfchen Hiftoriographie und ge: 
den nun mit Sreuden ans Wert, dieſes Urteil weiter 


auszuführen. | 
Im Gegenfage zur franzöfifchen Hiftoriographie mit 
ihren praktiſchen Tendenzen bezeichneten wir im erften Ar⸗ 
tiket den Charakter der: deutfchen als ben ber reinen Mil: 
fenfchaftlichleit, der es nur um der Wahrheit an ji, ohne 
Micficht auf befondere Zwecke, zu thun iſt. Don bieler 
fhönen, dem beutfchen Charakter fo fehr zur Ehre gerei⸗ 
‚chenden Richtung, von dieſer Übergeugungstreue, ber es 
nicht um diefe ‚oder jene ſchon in voraus Fefigelegte Mei: 
zung zu thun if, fondern welche Lob und Tadel, Recht 
und Unrecht ohne Anfehen der Perfon und Partei aus: 
theilt, felb wo es fubjectiven Sympathien wehe thun 
muß, — von diefer Treue. gibt der Derfaffer in biefem 
feinem neueſten Werke ein glänzendes Beilpiel; um. fo 
glänzenber in einer. Zeit, wo beufelbe Stoff, ben er be: 
arbeitete, wieder Gegenftand. eines Streites gewerben ifl, 
in welchem die Leidenfhaft die Vernunft nicht zu Worte 
kommen läßt. Statt, wie bei Vielen, einen uͤbeln Ein- 
Aug auf das hiſtoriſche Urtheil unfere Verf. zu Außern, 
bat der mit dem koͤlner Ereigniß ausgebrochene klrchliche 
Streit vielmehr günftig auf daſſelbe gewirkt, indem er 
ihm, ohne feiner Umparteilichkeit etwa& zu nehmen, doch 
mehr Leben und Wärme verliehen hat. Hier müffen wir 
2) Wok. den erſten Artiket in Nr. I6i— 168 d. Bi. 
D. Red. 


21: Zuli 1840. 


zu unferm oben audgefprochenen Urtheil Über den Charak⸗ 
tee der franzöfifchen und deuefchen Hilkoriograpgie zuruͤck⸗ 
kommen. Wie nämlich die praktliſche Richtung der frau⸗ 
zöfifchen gar zu leicht in feile oder leidenſchaftliche, gewiſ⸗ 
fentofe Parteigängerei ausartet, fo verfällt die deufſche 
Wiſſenſchaftlichkeit, der es nur um die Sache feibit, nicht 
um Nebenruͤckſichten zu thun iſt, gar zu leicht im eine 
Gleichguͤltigkeit gegen den geiſtigen Inhalt bes Stoffeth, 
die ſich thells im ausſchließlichen Aufhaͤufen und Euttiek 
ven des bloßen Materials, theils in hohlen abſtracten Phi⸗ 
loſophemen, theils in vornehm geiſtreichen Reflexionen auf 
ſpricht, welche kalt das eigentliche Weſen der. Sacht u 

gehen und haͤufig in ein kluͤgelndes Spintiſiren oder in 
tin: geſchicktes aber theilnahmiofes Anatomiſiren bed. wdten 
Leichnams der Geſchichte übergehen. Nicht zu leugnen iſt 
es nun, daß der Verf; in feinen fruͤhern Werden fich- mehr 
oder weniger zu dem letztern Abweg der beutfchen Hiſtorio⸗ 
graphie hinneigte. Trotz Ber gründlichen Forſchung, die 
ſich nirgend verleugnete, trotz der fubtilen Auseinandethe⸗ 
gung: aller Faͤden des verwickelten Netzes der Geſchichee, 
trotz der geiſtreichen Verknuͤpfung der verſchiedenen Glieder 
zu einem organiſchen Ganzen und der ſinnreichen Entwiche⸗ 
lung der hiſtoriſchen Thatſachen aus ihrem innern (Ges 
triebe, trotz ber kunſtvollen Anordnung und Auswahl ves 
Materials Sonnte man: fich bei -den meisten frichern Wer⸗ 
Sen des Verf., inkbeſondere feiner „Geſchichte der Paͤpſta“, 
des Gefuͤhls einer gewiffen Kaͤlte nicht erwehren, bad: zB 
immer bei alien Werken des menſchlichen Geiſtes hhefaͤltt, 
in denen die Kunft die Raturmahrbeit überflügels Bat. 
Pur wo beide gleichen Schritt halten and ſich innig durch⸗ 
dringen, entfichen- Mufterwerte. Jene Maturcehrheit aber, 
die wie frühen bei Ranke mitanter mehr ober- Weniger dat 
‚mißten, erzeugt ih aur aus einem unmittelharen Hinge⸗ 
ben und Idemlfioiren an und mit dem Inhalt des Zur 
Berarbeitung gegebenen. Stoffes, oder mir andern Worten 
aus dem gemätbiichen, reinmenſchlichhen Verhaͤlintß des 
Subiects zum Objecte, welches neben allee Verntztelurtz 
und geiſtigen Verarbeitung immer: förtheftchen kann. Die 
ſes. gemuͤthliche · Verhaͤltniß zum Stoff und deſſen. Inhalt 
Sann bei dem Hiſtoriker in- nichts Andrem als dem Au⸗ 
theil beſtehen, den er der weltgeſchichtlichen Idee, wo mad 
wie fie immer zur Erfdeinung: kommen mag, ſteta bes 
zeigt. Hiermit · veiderlegt- file andy, was gewoͤhnlich mon 





* 


Ss 


£ 


der angeblichen Unparteilichkeit bes Hiſtorikers giſagt wich” Mohrhiit rhsten, erfaffen und binwieberum In ihren Be 


Die meiter nichts iſt als ein charakterlofes Betreten ber 
fogenannten Mittelftraße, ein ſittliches Suftemilieu. 
der Hiftoriker ſoll voͤllig unparteilih, d. h. ohne alle vor: 


gefaßte Meinung im Durchforſchen des Stoffes, im Eruiz, 


ven feines Inhalts zu Werke gehen; ‚aber in ber Beur⸗ 
thellung deſſelben fol er ſich ganz parteilfch ‚für alles Hei⸗ 
lige, Wahre und Schöne eingenommen zeigen und immer 
der dee, nicht der gemeinen indifferenten Wirklichkeit, 
oder gar noch etwas Schlimmern, aͤußern Rüdfichten und 
Berhältniffen, die Ehre geben. Charakter alfo, der ebenfo 
ſehr vom Befig einer beflimmten Weltanfiht als von 
ſittlicher Kraft bedingt wird und nur aus der Durchdrin⸗ 
gung von beiden hervorgeht, darf man jedenfalld vom Hi: 
ſtoriker fodern, und fittlich=religiöfen Charakter befonders 
von einem Hiſtoriker, der die Darftellung potitifch = kirchli: 
Her Begebenheiten zu feinem Stoff gewählt hat; denn 
wie die Kirche auf Religion, 
Sitte und feine Natur ift mefentlih eine ethifche. 

Diefer Punkt ift es, wo die hiſtoriſche Wiſſenſchaft, 
wie alle Wiſſenſchaft uͤberhaupt, mit dem Leben zuſam⸗ 
menhaͤngt und praktiſch wird, ohne ſich doch vom prakti⸗ 
ſchen Leben abhaͤngig zu machen. Die Wiſſenſchaft ſoll 
nie aͤußern praktiſchen Zwecken froͤhnen, aber auch nicht 
vom Leben ſich trennen, ſondern von ihrem hoͤchſten 
Punkte aus, vom Punkte der Idee zu ihm hinuͤberleiten 
und es veredeln und foͤrdern; thut ſie das nicht, ſchließt 
fie fich einſeitig ab, fo wird fie zur Mumie oder zu ei⸗ 


nem Ieblofen Kunftwerke und ſteht als folche meit unter 


den praktiſch brauchbaren und tüchtigen, wenn auch nicht 
wiſſenſchaftlich tiefen Werken, wie Frankreich und England 
Fe uns liefern, denn bdiefe find doch Fleiſch und Blut; 
weiß fie dagegen den ideellen Gehalt mit den Intereſſen 
des Lebens innig zu vermählen, fo wird fie auch Reful: 
#ate erzeugen, wie bie Wiſſenſchaft im bloßen Dienfte der 
Vraxis nie zu erzielen vermag. 

: Mit Vergnügen nun nehmen wir in bem neueften 


. Werke Ranke's einen bedeutenden Kortfchritt zu dieſem 


Höchften Diele der Wiffenfchaft wahr — mie es denn, 
‚beiläufig gefagt, eine hoͤchſt erfreuliche Erfcheinung bei un: 
Lem Verfaſſer iſt, in jedem feiner Werke einen neuen 
Fortſchritt, ſei es in einer oder der andern Beziehung, zu 
iedliden. Es umterfcheidet fih zu feinem großen Bor: 
helfe durch Iebendigere Theilnahme an den bdargeftellten 
Begebenheiten und ausgefprochenere Gefinnung vor ben 
fruͤhern Werken feines Verfaſſers, die in der letztern Zeit 
mitunter einen zu flarfen Anflug von diplomatifcher In⸗ 
differenz trugen; eine größere Wärme der Darftellung, eine 
bedeutendere Schärfe des Urtheils und mehre Beftimmtheit 
der Charakteriſtik iſt die vorcheilhafte Folge von dem groͤ⸗ 
Bern Spielraum, der den ideellen und fubjectiven Kräften 
des menfchlichen Geiſtes in ihm eingeräumt morden ft. 
Aber auch die Höhere MWiffenfchaftlichkeit iſt dadurch nicht 
ungeförbdert geblieben; denn ber Auffchwung, den der Cha: 
after, die Subjectivität des Verf. in diefem Werke ge 
nommen, bat feinen Blick erweitert und ihn bie höchften, 
das Leben der Menfchheit Leitende Ideen in That und 


fo beruht der Staat auf 


ziehungen zur Wirklichkeit darftellen lehren. So hat er 


Jq Yruns ein Werk geliefert, das den wichtigften Abfchnitt der 


deutfchen Gefchichte und auf eine Weife vor Augen führt — 


kunſtvoll und dach natuͤrlich, fein und doch klar, mit man⸗ 


nichfaltigem Detail und doch uͤberſichtlich, geiftig verarbeis 


tet und doch treu, befonnen und doch lebendig, vorurtheils⸗ 


frei und doch nicht charakterlos — wie bis jegt noch nicht 
gefchehen iſt. Ja, mir fliehen keinen Augenblid an, zu 
behaupten, daß der Verf., waͤre ihm ein tieferer und ener: 
gifherer Charakter gegeben, unter den Korpphäen der Hi: 
ftoriographie überhaupt zählen würde. Möge er kuͤnftig 
ben, welchen er befigt, nicht unter diplomatiſchen Ruͤck 
fihten verfchwinden laſſen. Schade ift, daß die Natur 
nicht Schloſſer's Charakter und Ranke's Geift in einem 
Individuum vereinigt hat. Doch nun zu einer Durchmu⸗ 
flerung bed Werkes ſelbſt. 

Die Einleitung beginnt mit der Aufftelung und all: 
gemeinen Begründung eines Arioms, das den rothen Fas 
den durch das ganze Merk bildet. Es iſt der Gedanke, 
daß nationelled und religiöfes Leben, Staat und Kirche, 
geiftige Freiheit des Individuums und Nothwendigkeit 
gemeinfamer Slaubensnormen Gegenfäge find, die noth⸗ 
wendig ſich auseinander entwidelt haben, fich gegenfeitig 
wie Pole verhalten und bedingen, ſodaß eine immerwaͤh⸗ 
rende Wechfelwirtung, Anziehung und Abftoßung unter 
ihnen ſtattfindet, welche zur Entwickelung des politifchen 
wie des religidfen Lebens ebenfo nothwendig als wohlthä- 
tig tft und ein Hauptmoment in’der Weltgefchichte bilder. 
Wie nun diefe beiden Factoren, ber geiftliche wie der welt: 
liche, fich feit den karolingiſchen Zeiten in Deutfchland 
bis in die Hälfte ded 15. Jahrhunderts verhalten und 
die Gefchichte diefes Landes geftaftet haben, bies wird in 
dee Einleitung in einem Überblick gezeigt, der gleich fehr 
durch einleuchtende Klarheit, wie durch gedankenvolle Kürze, 
welche mit richtigem Blicke das Weſentliche und die ſchia⸗ 
genden Momente hervorzuheben und mit einer wahrhaften 
biftorifchen Dialektik zu entroideln und zu verbinden weiß, 
Ausgezeichnet ffl. 

Zuerft teilt der Verfaffer in dem „Karolingiſche Zei: 
ten“ überfchriebenen Abſchnitt nach, wie die geiftliche Ge: 
walt in dieſer Epoche von der weltlichen in den romaniſch⸗ 
germanifchen Ländern abhängig war. Das romantifche 
Element, in weldem die geiftige Macht wurzelte, war 
von dem germanifchen noch zu abhängig, das Chriftens 
thum überhaupt buch Mohammedanismus und norbifches 
Heidentbum, und der Papft insbefondere durch unmittels 
bare Feinde zu fehr bedrängt, als daß fie des ſchuͤtzenden 
weltlichen Armes hätten entbehren koͤnnen. Zwar regt ſich 
ber Klerus fhon, und man fieht deutlich, wie er unter 
ſchwachen Herefchern die Übergewalt zu erringen trachtet, 
allein das volksthuͤmliche Element in ben germanifchen 
Nationen, ihre aus dem frühern Stammieben hervorge: 
gangenen natlonellen Sitten und Rechtsbegriffe find noch 
u mächtig, als daß die nivellirende Firchliche Gewalt das 

bergemwicht zu erringen vermocht hätte; „bie Deutfchen 
hielten die Autonomie ber weltlichen Macht aufs gemal: 


\ 819 


tigfte und glänzendfte In biefee Periode aufrecht.” Unter 
den fächfifhen Kailern blieb dies fortwaͤhrend der Fall, 
ja, man kann fagen, äußerlich in noch gefleigertem Maße, 
aber unter ſchon vielfach veränderten Berhältniffen. Noch 
immer berrfchte in Deutfchland die weltliche Macht, die 
roeltlihen Großen wählten Arnulf, Heinrich I. verfhmähte 
fogar die Salbung, während in dem romaniſchen Europa 
die Geiftlichkeit allenthalben den Vortritt hatte und die 
Könige, wie in Burgund und ber Lombardei, entweder 
ganz wählte, oder body, role Ddon von Paris, ganz in 
ihr Intereſſe zu ziehen mußte und eine eigene Sinfpiration 
für folhe Wahlen geltend machte. Otto der Große wal: 


tete fo felbftändig und mächtig in Italien wie in Deutfche 


land, Daß 

jenes Princip der weltlichen Selbſtherrſchaft, das ſich den Uſur⸗ 
pationen bes geiftlichen (Shrgeiges von Anfang an entgegenges 
worfen, hierdurch zu der großartigften Repräfentation, zu einer 
vorwaltenden Stellung in Europa‘ gelangte. 

Auf den erſten Anblick — fährt der Verf. fort — möchte 
es fcheinen, als ſei nun auch Dtto in ein gewöhnliches Verhält: 
niß zu dem Papſt getreten wie Karl ber Große; näher be⸗ 
trachtet aber, zeigt ſich ein nicht geringer Unterfchieb. Karl der 
Stoße ward mit dem römifchen Stuhle durch eine vom gegens 
feitigen Bedürfniß hervorgerufene, bie Nefultate langer Epo⸗ 
en, die Entwidelungen verfchiedener Völker umfaflende Welt: 
combination in Verbindung gebracht; ihr Verſtaͤndniß berubte 
auf einer Innern Nothwendigkeit, durch welche auch alle Ge⸗ 
genſätze vermittelt wurden. Die Herrſchaft Otto's des Großen 
dagegen beruhte auf einem dem Umſichgreifen der geiſtlichen 
Tendenzen urſprünglich widerſtrebenden Princip. Die Verbin⸗ 
dung war momentan; die Entzweiung lag in dem Weſen der 
Dinge. 

Denn einestheils gewannen die chriſtlichen und mit 
ihnen auch die kirchlichen Ideen immer groͤßere Ausbrei⸗ 
tung und feſteren Fuß unter den Nationen; das deutſche 
Kaiſerthum mußte ſich ihnen in geiſtlicher Hinſicht nicht 
blos fuͤgen, ſondern auch zu ihrer Erhoͤhung durch die 
Chriſtianiſirung der weſtlichen ſlawiſchen und der ungari⸗ 
ſchen Voͤlkerſchaften beitragen. Anderntheils verſtand die 
deutſche Nation nicht ganz ihre Stellung und erfuͤllte ihre 
Aufgabe nicht vollkommen: 

Vor Allem, es gelang ihr nicht, der Idee eines abenblän- 
difhen Reichs die volle Realität zu geben, wie es unter Otto I. 
ben Anfchein hatte. 

Die Urfache hievon waren bie immerwährenden innern 


Kämpfe und der unglüdliche Umfland, daß es in Deutfche 


fand zu keiner feften Succeffion kommen Eonnte. 

Es erfolgte, baß ſich zwei Factionen, bie eine in Gehors 
fam, die andere in Oppofition gegen bie fränkifchen Kaifer, 
einander gegenüberfehten und das Reich mit ihren Streitigkei⸗ 
ten erfüllten. 

. So kam es, daß Heinrich TIL, um Ruhe zu fchaf: 
. fen, fi auf die Geiſtlichkeit fügen mußte, ja nur mit 
ihrer Hülfe den Papft befiegte; 

daher kam ed, daß in eben ben Zeiten, wo bie Unterwärfigkeit 
der Geiftlihen unter das Kaiſerthum am entfchiedenften mar, 
ihre Macht fi am meiften ausbehnte und befeftigte. 

Es leuchtet ein — fließt ber Verf. den Abfchnitt „Saͤch⸗ 
fire und fraͤnkiſche Kaiſer“ —, die Stellung eines deutfchen 
Kaiſers war ebenfo gefährlich wie großartig. Die ihn umge: 
benden Magnaten, Inhaber der weltlichen Macht, von der er 
fetbft auögegangen, konnte er nur in fletem Kampfe, nicht 
ohne Gewalt im Baum Halten. Er mußte ſich auf die andere, 


Zeitalter Shakſpeare's. 





bie geiſtliche Seite en, bie doch im Prineci 

en in Die ie eteutung Tann Chin orns 

er doch nie völlig erfüllen. Gin Weltereigniß war es, daß in 
biefer Lage der Dinge der Träftige Heinrich III. früpgeitig farb 
und ein fechsjähriger Knabe feinen Plat einnahm. 

Der folgende Abfchnitt „Emancipation des Papfts 
thums“ zeigt, wie die hierarchiſchen Ideen, bie fi im 
I. Zahrhundert noch durchaus im Nachtheile ‘der weltlis 
hen Macht gegenüber befanden, nun, unter ber Regie⸗ 
rung Heinrich's IV., aufs neue mit verdoppelter Kraft fich 
erheben und am Ende nad) verfchiedenen Wechſelfaͤllen als 
Sieger aus dem Kampfe hervorgehen konnten. Der nach 
unten unter den fächfiichen Kaifern unbemerkt immer fes 
ſter begründete und weiter verbreitete Einfluß der Geiſt⸗ 
lichkeit war bereits fo gekräftigt, daß er fih mit Gluͤck 
gegen die Derefcher wenden konnte. Trefflich ward er ba= 
bei von den Umfländen — dem frübzeitigen Tode Hein: 
rich's III. und der dadurch nothwendig gewordenen vor⸗ 
mundfchaftlihen Regierung —, ſowie von den Perfönlichs 
keiten — dem leibenfchaftlichen, gewaltthätigen Heinrich IV. 
und dem überlegenen Geift und Charakter Gregor's VIL — 
unterflügt, und fo war es nicht zu verwundern, daß aus 
ben innern Kämpfen Deutfchlandse das Papſtthum den 
größten Vortheil ziehen mußte, ſodaß es am Ende dies 
ſes Zeitabſchnittes nicht nur völlig unabhängig von ber 
weltlichen Macht daftand, fondern audy bereits ein unzwei⸗ 
felhaftes Übergewicht erlangt hatte. 

(Die Sortſetzung folgt.) 

— —— — — — —— 
Bibliographiſche Notizen aus England. 
Was Lamb in feinen unvergleichlichen „Essays of Hliah‘‘ 

pries, wünfchte, zu bewirken ftvebte, fcheint jest eingetreten zu 

fein: größere Beachtung ber englifhen Dramatiter aus dem 

‚ ‚Unter ben fplendiven Ausgaben eng⸗ 

liſcher Glaffiter, die jekt vom Buchhändler Ed. Woron in 

London auögehen, iſt eine ganze Reihe biefem wichtigen Zweige 

gewidmet. Die Werke von Ben Jonſon, herausgegeben von 

Barry s Cornwall, die von Ph. Maffinger und I. Kord, heraus⸗ 

gegeben mit einer geiſtreichen Einleitung von Hartley Goleridge, 

fließen fih an die bei demſelben Verieger erſchienene 

Ausgabe bes Shakſpeare von Campbell an; bie Werke von 

Beaumont und Zletcher, in zwei Bänden, mit @inleitung von 

Southey, die Werke von Wyckerley, Congreve, Banbrugh umb 

Sarqubar, herausgegeben von Leigh Hunt, find unter ber Preſſe. 

„Ihe indicator”, eine Sammlung vermifchter Schriften von 

Leigh Hunt, dem englifchen Uhland, bildet zu den auch durch 

5 herausgegebenen Schriften von Lamb ein koͤſtliches Ges 


genftüd. 


Der unternehmende Charles Knight wird, angefpornt, wie 
es ſcheint, durch die Publicationen der Shambers, Smith, Mos 
son, das englifhe Publicum bald auch durch eine Reihe von 
wohlfeilen Ausgaben ſchoͤnwiſſenſchaftlicher Werke erfreuen. 
Zwei meitangelegte Sammlungen find angefündigt: „British 
classics” und „Miscellanies‘, in welder letztern die frühern 
Reifebefchreibungen und andere populaire Kernbücher wiederz 
aufgelegt werden follen. Die Gefelfhaft zur Verbreitung ges 
meinnütziger SKenntniffe hat Nationalötonomie und Politik in 
ihren Kreis aufgenommen, und es ift mit ben regelmäßigen 
Lieferungen, in welden Werke biefes Inhalts von ihr heraus⸗ 
gegeben werben follen, bereits der Anfang gemacht. 


Unter ber Leitung von Hazlitt find bie erften 12 Num⸗ 
mern der „„Pulteney library” erſchienen, welche der Wiederbes 


er engli omane gewibmst iſt. Mehre 
Erin ; —— Ton? Pete , m lange verfannten 


\ 
er) 


des „‚Robinfon’’, Legen vor uns. Sie beweiſen augens 
cheinlich, daß Defoe nichts weniger war ala ber ohnfchrei⸗ 
Be und Sudler, als welchen man ihn früher hinſtellte, um 
egen ipn den ehrenrührigen Verdacht zu begründen, als fei 
fh weltberühmter Robinſon““ Tein Product feines Geiſtes, 
"sondern die Frucht literariſcher Veruntreuung, verübt gn_ ben 
Popieren eines: ſchiffbrchigen Matroſen, der von der Jnſel 
S.Fernandez zuruͤckkam. Dieſer Berdatht if bündig zurädges 
wiefen worden und dem Verdienſt Defoe's laͤßt bie Nachwelt fein 
— Recht widerfahren. Der illuſtrirte „Robinſon“, der jett 
gleich dem illuſtritten Shakſpeare in woͤchentlichen Lieferun⸗ 
gen erſcheint, zeichnet ſich durch Holzſchnitte aus, bie ſich gar 
wohl mit den in England herausgekommenen feangöfifchen gu 
„Bil Blas“, „„Diable boitoux“, „Don Quigote’’ meften können. 
'Mehre wöchentlich erfcheinende populaire Sammlungen: „The 
* $ömancist”, The novelist”, ‚The novelist’s library‘ und 
dergl. haben fi die Verbreitung ausländiſcher Romane, 
u B. ber Gooperfhen, mehrer von Vietor Bugo und andern 
feanzöftfigen Romantikern, auch nießrer beutfcher zum Zweck 
efegt; auf kritiſch⸗literariſches Werdienft machen diefe außeror: 
— wohlfeilen Sammlungen keinen Auſpruch, fie find auf 
die Bedürfniſfe der Maſſe derechnet, für deren Geſchmack bie 
Mehrzahl der Schriften ein weit beſſeres Zeugniß ablegt, ale 
man nad) ben vfelfeitig vernommenen Klagen über bie fich „ge⸗ 
- mein machende Literatur‘ erwarten ſollte. Düne Grund find 
biefe Klagen freilich nicht; aber fie müffen im Ganzen weniger 
"pas in Büchern, fondern das auf ber Bühne Dargeftellte bes 
ſthutdigen. Der bramatifitte „Jack Sheppard’ hat, wie urfunds 
Hds'vorkegt, in den Iehten Monaten eine Menge Diebftähle 
veranlaßt; junge Burſche, die Erin Gelb Hatten, um bas Eins 
trittögeld in die hohe Schule zu bezahlen, unterwarfen ſich 
freiwillig einem Abiturienteneramen, wo anberer Leute Taſchen⸗ 
" tücher die Themen abgaben. Der Öffentlihen Meinung find 
natödkidg' num die in Liefer "Prüfung durchgeſallenen bekannt; 
wieviel mögen bie fählgern, die es zur Cintrittekarte beachten, 
im Theater gelernt haben! 

Bon Alnsworth, Verf. ber Erzählung „Jack Sheppard”, 
eifdjeint jegt in Monatsheften ein neues für das große Publis 
ctum berechnetes Wert ‚‚The tower”’; vleles Intereſſante iſt 
- barin effectvoll genug erzählt. 

Sn der Reihe irlaͤndiſcher Genrebilder verbiemt neben ben 
Serben ſo vieler Talente, dic ſich hier mit: Vorliebe und Glück 
verſucht, eine dor kurzem vollendete Schilderung ber Abenteuer 
eines: in: Sriand garniſonirenden Lieutenants, Harry Gorzequer, 
seine ehrenvolle: Stelle. Von Schottland Hat mun uns lange 
nichts erzaͤhlt; ſeine Hochlande werden wirklich von Tag zu 
og mehr von „der Gultur betedt“ und um die Flachheit 
feiner ’ Ziachländer dem allgerheinen Pablicum genießbar zu 
machen, dazu gehörte die Vollktaft eines Jalents wie Walter 
Scott oder ein Didtergemüth wie Burns. In das engihfche 
Bolksleben aber verfpricht uns Dickens wieder intereſſante Btice. 
Die Monatshefte, in denen feine bisherigen Werke erſchienen 
waren: für die Ungebuld bes Yublicums und bes Verlegers noch 


qu darum erfcheint fein neues Werk ‚‚Master Humphrey’s 
'clock”"in wölhentlichen Lieferungen von einem Bogen. Was 
bis jedt davon herausgefommen, ift zu fehr Stüdwerf, um 
einem Schluß dufs Ganze zu erlauben, wenn es nicht der uns 
te wäre, baß das Ganze ein Stuͤckwerk fein wird. Das 

: Band, welches bie einzelnen Erzaͤhlungen verbinden fol, ift 
loſe genug und von neuer Art. Vier mufteriöfe alte Junggefellen 
verfammeln ſich in Meifter Humphrey's Stube und unterhal: 

ten fich mit Eefen ber, im Kaften einer großen Wanduhr nies 

dergelegten Manuſcripte. Die alterthämliche Farbe, welche die 

Bis jegt mitgetheilten an ſich tragen, paßt fih nicht für 

Dickens' Pinſel. Zeigte fi) Cooper zus See ober in pfablofen 


2* 


‚Wäldern und Savannen, Mißd th in ber —— 
Bulwer überall und nirgend, Waſhington Irving am zierlichen 
Kamin, Lady Morgan im Salon In ihrer‘ wahren Größe, 
fo ift der Saal eines" öffentlichen englifthen Gerichtößofes und 
Des, was ihm firten Zufluß Liefert, das eigentliche: Bed, auf 
weldiem Didens feinen Beruf erfüht, wo er Iebensnoller -MMa= 
ler, feelenvoflex Menſchenlenner ift. Geine Wuſe ift Fein Sonn⸗ 
tagsfind. Wie Mar zeigt ſich und das bei einer Vergleihung, 
die ſich uns in feinem „Niktas Nickleby” aufdrängt. Ich 
weiß nicht, ob Dicens „Silhelm Meiſter“ geleſen; in manchen 
Zügen erinnert fein Smile an Mignon, die Darſtelung des 
Theaterwefens trifft im Materiellen mit ber, bie wir Goethe 
verdanken, zufammen. Aber welche charakteriſtiſchen Unters 
ſchiede ber Darftelung! IH will dur bie Wergteichung 
Dickens nicht unter feinen Werth berabfegen; ein Dichter ift er 
ſicherlich, aber Werktagsacbeit Hat er feines Weufe aufgetragen, 
und oft kann nicht einmal diefe genügend verrichtet werben, 
weil ber Bruder draͤngt. Darum mag der Jiterariiche Beur⸗ 
| theiler Vieles an ihm auszufegen haben; aber, wenn ich nicht 
irre, ſtellt ſich Didens nicht ausſchließlich unter deſſen Berichte= 
barkeit. Er will wirken in ſocialer Beziehung, und feine ebein 
Bemühungen haben jeht fon Erfolg gehabt. Doch auch dem 
bloßen Leſer hat er Anſpruͤche auf ſich gegeben; felbft dem -im 
Auslande, dem do in gar vielen Gruppen und Charakteren 
viel Weſentliches entgeht, weil er zu deſſen Auffaflung nicht 
den im öffentlichen Leben des Englaͤnders geübten Bi mit⸗ 
bringt. Ob Didens dieſe weiten Aufprüche befriedigen wird? 
Der Geiſt Smollet's lebt in ihm; möge ihm auch bald deſſen 
Muße werden! "AB, 





Literarifhe Anzeige. 


Diele dritte X if Menden it r KH A 

e e age iſt gen als ein neues u 

betrachten, fo Sedeutmab 8 ufäge und Berheferungen die nicht Ir 
r hre in Itallen Tekende dentfine 


meinem Berlage erfhien noch von dem Verfaffer: 
Handbuch für Reifende in Gngland, Gt. &. 189. 2 hir. 16 Gr. 


und ihyer Beit. Zweite verbefferte Auflage : Se 
oder 2 Sieferung . 


en. Gr. 8. 
Ueber bi verbeftert fie 3 
— ———— 


3— 
Ihlr. 


I Ind Untergung, Bweite 1 3 der Begri + Staat’ und 
AA ver, u ber Huf GE las, as en 
and im Jahre 1885. 2 le. Sr. 12. 1836. 5 Xhlr 

Tran öhfden Wetös 
und tert 

n — im beitilhen Mufeum und Reihbarhivr. it dem 

il: Könl tedrich Fa ine a u ah he 
2 n ei — [} 

—— — Berichten ha ee m (ER ie Aa 
tr. 12. 2 Thlr. 2 Gr — Dritter bis füänfter aheit Gucopa 

as 74 den — en und fran Per aaa RL *. 

9. * Sr. 12, 6 She. “ Gr. 
*52. Roͤmiſche Briefe von einem Florentiner. 1887 — 88. Awei 

Theile. Gr. 12. Geh. 4 Thir. 12 Gr. 
53. Schmid (Kart Ernſt), Lehrbuch des gemeinen deut⸗ 
fhen Staatsrechts. Zweite, umgearbeitete und vervollſtaͤn⸗ 
bigte Ausgabe, Gr. 8, - 
- (Die Soetfegung felgt.) 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus — Drud und Verlag bon F. U. Bro&dauß in Leipzig. 








Blätter 


„für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


m u 


Die Reformation in franzöfifher und deutſcher 


Auffaffung. 
Bweiteer Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 203.) 

In dem Abfchnitte „Berhältnig des Papſtthums zum 
Sürftenthume”, wol dem wichtigften der ganzen Einleitung, 
fest der Verfaſſer auf die feinfle Weiſe die verfchiedene 
Stellung auseinander, welche die weltlichen Großen Deutſch⸗ 
lands , vermöge des ihrer Herrſchaft zu Grunde liegenden 
Principe je nach den jedesmaligen Ümjtänden der kaiſerli⸗ 
hen und der paͤpſtlichen Macht gegenüber einnahmen: 
eine biftorifhe Ausführung, melche für die Folgezeit von 
der größten Wichtigkeit iſt, weil fie nicht blos zeigt, wie 
es kam, daß die weltlichen Großen, die unter den Karo: 
lingern am meiften fi) dem päpftlihen Princip entgegen: 
fegten und das Kaiſerthum aufrichteten, nun, da ihnen 
diefe letztere Macht zu ſchwer und drüdend wurde, Die 
Hierarchie in ihrem Kampfe mit der geiftlichen Oberherr⸗ 
(Haft unterflügten; fondern auch ſchon in voraus die Mo: 
tive im Keime erkennen läßt, welche die Fuͤrſtenmacht 
fpäter zue Dauptfeindin des Papſtthums machten. Diefe 
ganze Entwidelung der wechſelnden Verhältniffe charakteri⸗ 
firt der Verf. in geiftreicher Kürze in folgenden Sägen: 

Den unmittelbar aus den Gründungen Karl's bes Großen 


en Anfprüchen der Geiftlichleit, Europa nach ihren 


ierarchiſchen Geſichtspunkten zu beherrſchen, waren bie vereis 
nigten Deutfchen, noch burchdrungen von ben nationalen Ideen 
des alten Germaniens, entgegengetreten unb hatten bas Kaifers 
thum gegründet. Unglädlicherweife aber vermochte das Katfers 
thum nicht zu volllommen ruhigem und feftem Befland zu ges 
langen; in der Entzweiung, in welche die zur Gewalt geneigs 
ten Herrſcher und die widerfpenftigen Bafallen gar bald gerie: 
then, geſchah es boch, daß ſowol bie Einen als die Andern das 
geiftliche Element wieder beförderten. Zuerſt fahen die Kaffer 
ın einer ftarken Geiftlichkeit das Mittel, ihre Großen im Zaum 
zu halten, und theilten ihr freigebig Beſigthümer, Regierungs: 
rechte zu. Dierauf aber, als fi in dem Papſtthum und der 
geiftiichen Gorporation überhaupt Ideen ber Befreiung regten, 
fanden es auch die weltlichen Großen fo übel nicht, wenn der 
Kaiſer dieſes Rückhaltes, dieſes Mittels der Gewalt beraubt 
würde: die Schwächung der kaiſerlichen Macht Fam auch ihnen 
gar fehr zu Statten. Go geſchah, daß dieſes geiftliche Element, 
durch ihre entzweiten &egner befördert, zulegt doch zu einem 
entfchiedenen Übergewicht gelangte. 
Allerdings fam nun in dem 12,, 13. Jahrhundert ets 
was ganz Anberes zu Stande, als im g, gefchehen fein würde, 
Die weltliche Macht konnte berabgewürbigt, nicht vernichtet 


— — Nr. 204. — 


nn 


22. Suli 1840, 


werben: ein volllommenes Prieſterreich, wie es wol einft hätte 
erwartet werden müffen, konnte nicht mehe entſtehen. Auch 
batte die gefammte nationale Entwickelung viel zu ticfe Wur⸗ 
zeln geflagen, um von bem kirchlichen Element erbrüdt zu 
werben; vielmehr ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen 
und Stiftungen ohne Zweifel felbft fehe förderlich. 

Aber bei alledem war das doch kein Zufland, mit wels 
chem fich eine große Nation befriedigen Tann. An eine freie. 
politifche Bewegung war nicht zu denken, fo lange der vors 
nehmfte Antrieb zu aller öffentlichen Thätigkeit von einem frems 
den DOberhaupte fam. Es traten endlich Verbältniffe ein, welche 
auch in der deutfchen Nation ein Bewußtfein ihrer natürlichem 
Stellung herporricfen. 


Diefe Verhältniffe waren vor Allem die Entartung, 
des paͤpſtlichen Hofes felbft und der dadurch immer offen« 
barer werdende Unterfchieb zwifchen ber dee der Kirche 
und ihrer Erfcheinung in der Wirklichkeit; dann die das 
buch in ber Kirche ſelbſt hervorgerufenen ariftofratifch: res 
publifanifchen Zendenzen, bie ſich in den Goncilien zu Kons_ 
ftanz und Baſel ausſprachen und gegen bie monardifhe 
Natur des Papſtthums reagirten; endlich das Emporkom⸗ 
men eines demofratifchen Elementes in den Städten. Alle 
diefe Umflände, melde in dem Abfchnitte „Begin⸗ 
nende O:ppofition” auseinandergefegt werden, konnten nicht 
verfehlen, eine Reaction gegen das Papſtthum und feine 
verſchiedenen Anmaßungen und Eingriffe in nationelle Vers 
hältniffe und Rechte hervorzubringen, die zuerft in der vers. 
änderten Stellung der beutfchen Reichöfürften gegen ben‘ 
Papft fi kundgdab. Sie traten jetzt gerade faft in die⸗ 
felbe Stelle, welche früher der Kaifer in dem Streite zwi: 
[chen geiftlicher und weltliher Gewalt eingenommen, wäh 
vend dabei zugleich bie merkwürdige Erfcheinung ftattfand, 


‚daß fie an dem Kaiſerthum felbft keine Stüge mehr fans 


den, denn biefe® " 
hatte — heißt es im Abfchnitt „Idee bes fpätern Kaiſer⸗ 
tyums’’ — jest eine dem Papſtthum analoge, nur in Mat 
und Autorität ihm fehr untergeordnete Stellung angenommen. : 
Dis Kaiſerthum war bereits, wie das Papftthung, 
eine mehr und hauptſaͤchlich blos in der Idee beruhende 
Macht geworden, die jegt in den Vorſtellungen der Voͤl⸗ 
ter, ebenfo wie roͤmiſche Kirche und roͤmiſches Reich, in⸗ 
nig und gleihfam als nothwendiges Gorrelat mit dem 
Papſtthum verbunden war; nur mit dem Unterfchiede, 
daß die päpftliche Gewalt es auch in den romanifchen Läns 
dern zu allgemeiner Anerkennung gebracht hatte und übers 
au den Vorrang behauptete. . 





Geltbem finden wir nun — fließt ber Berfaſſer biefen 
Abſchnitt — die kaiſerliche und päpfttiche Macht, denen ihr ges 
genfeitig ſich ergänzendes Verhaͤltniß zum Bewußtſein gekom⸗ 
men, inniger als jemals miteinander vereint. 

Bei all dieſem Wechſel dringt ſich uns ein alter Grund⸗ 
ſatz als leitendes Princip der Politik des Papftthums anf; 


wir meinen die Regel, die für jede Macht beſteht, die es 


mit zwei eivalificenden Gewalten zu thun hat, es immer 
mit der fchwächern zur Bekämpfung ber ſtaͤrkern zu hal 
ten, jene aber auch nicht zu mächtig werden zu laffen 
und fih, wenn fie e6 werden will, zu ihrer Unterdrüdung 
wieder der andern zu bedienen. So gebraucht das Papſt⸗ 
thum die weltlichen Großen zur Schwächung des über: 
mächtigen Kaiſerthums, aber kaum liegt dies darnieder 
und kaum werden jene ber geiſtlichen Herrſchaft gefährlich, 
als diefe fih auf der Stelle mit ihrem alten‘ Gegner, 
dee nun unmaͤchtigen Faiferlichen Gewalt, verbindet. Mu- 
tatis mutandis ift dies die Politik des paͤpſtlichen Hofes 
die ganze Reformation hindurch bis auf. die neuefte Zeit 
herab geweſen; fie allein vermag manche, font ſchwer be: 
greifliche Wechſel zu "erklären. 

So iſt denn der Verf. zum Schlußabfhnitt feiner Ein: 
leitung gekommen, welcher mit folgenden, das Vorherge⸗ 
hende kurz zuſammenfafſenden Sägen beginnt: 

Wir ſehen, welch einen überaus großartigen Einfluß die 
deutfchen Fürften von jeher ausgeübt⸗ haben. Zuerſt war das 
Kalferthum aus ihrer Diitte mit ihrer Hülfe zu feiner Gewalt 
anfgeftiegen; dann hatten fie die Emancipation bes Papfithums, 
die zugleich ihre eigene war, unterftügt ; jebt flanden fie beiden 
gegenüber. &o fehr fie auch no an ber Idee von Kaiſerthum 
und Papftthum fefthielten, davon durchdrungen waren, fo war 
doch dabei ihr Sinn, die Singriffe fo gut bes einen wie des 
anbern abzuwehren; ihre Macht war bewits fo ſeldſtaͤndig, 
* ſich Kaiſer und. Papſt gegen fie zu verbinden für nöthig 

en — 
um dann in einer Durchmufterung der einzelnen Länder 
und ber 'Zeitverhäftniffe die „age der Dinge um die Mitte 
des 15. Sahrhunderts” zu ſchildern. Das Ergebniß, zu 
dem der Verf. am Ende der Einleitung nun kommt, ift 
die Nothwenbigkeit, welche ſich für die Deutfchen ergab, 
im Innern Ordnung zu fliften und ihre Macht nach au: 
Gem berzuftellen, welches beides nuc durch die Umgeſtal⸗ 
tung ber geiftlichen wie der weltlichen Zuſtaͤnde fidy errei⸗ 
hen ließ. Zunaͤchſt trat die weltliche Seite hervor. 

Mir find in dem Referat über diefe Einleitung abs 
ſichtlich ausführlicher gervefen, als wir es bei den übrigen 
Theilen des Werkes fein können, theil® weil in ihr die 
leitenden Gedanken ded Ganzen am offenften zu Tage lie: 
gen, theils weil die hiſtoriſche Methode des Verf. darin 
amdeutlichſten hervprtritt. Letztere Bönnte man fuͤglich 
eine: Dinlektik der hiſtorifchen⸗Thatſache nennen, welche 
fie; gang wie die philoſophiſche Dialektik den Gedanken, 
immanent ſich ams ihrer innerften Natur entwideln laͤßt 
und fo die fich ergebenden einzelnen Erſcheinungen in ih⸗ 
we inneren Nothwendigkeit zur Anſchauung bringt. Da⸗ 
bei. ergibe ſich daſſelbe Spiel dee nothwendigen Entfaltung 
zu: Gegenfaͤtzen und deren gegenfeitigen Überſchlagens, wie 
bet: der begrifflichen Dialektik; nur freilich mit dem Un⸗ 
terſchiede, daß Alles durchaus coneret gehalten iſt, wie es 


dem echten Hiſtoriker geziemt, und nirgend der abſtracte 
Begriff, ſondern uͤberall die hiſtoriſche Thatſache das Be⸗ 
ſtimmende und Formgebende iſt. Viele Anhaͤnger der 
neuern Philoſophie, die fi) niemals ihres ſtarren Forma⸗ 
ſtsmus entäußern koͤnnen, werden freilich in diefem Man⸗ 
gel des abſtract Begrifflihen einen‘ Grund finden, das 
Buch unwiffenfhaftlidy zu fcheiten: wir würden ihnen bei- 
fimmen, wenn der Verf. eine Philofophie der Sefchichte 
hätte geben wollen; da er aber Gefchichte ſelbſt fchreiben 
will, können wir darin nur einen Vorzug erbliden, weil 
er damit ein Beiſpiel geliefert hat, wie man den empis 
riſchen Stoff durchaus philoſophiſch durchdringen und dens 
noch feinen Inhalt m ganz hiſtoriſch⸗ objectiver Form zur 
Darftellung bringen kann. Uns fcheint dies viel fchmerer, 
aber audy viet Hiftorifcher, als die Geſchichte äußerlich in 
das Prokruſtesbett eines- dürren philoſophiſchen Schematis⸗ 
mus zu fpannen, 100 es nie gur wahren Durchdringung 
des Gedankens und Stoffes kommt; einer Eigenfchaft, 
die wir getade als ein Hauptverdienft dieſes Werkes nen= 
nen zu muͤſſen glauben. Der Verf. weiß mit dem größs 
ten Geſchick, ohne den Gedanken in ben Hintergrund tres 
ten zu laffen oder dem Stoffe Gewalt anzuthun, ben ef: 
nen durch den andern zur Anfhauung zu bringen, indem 
er den allgemeinen Gedanken in feiner Befonderheft unter 
beſtimmten Berhäftniffen fidy darftelen, mit einem Wort 
individualiſiren laͤßt. Diefe Kunft dee Individualiſirung 
befteht dem Verfaſſer hauptfählih darin, bie Hauprfactos 
ren der Gefchichte mit feiner Hand herauszufühlen und aus 
der Wechſelwirkung zwiſchen ihnen das concrete Verhaͤlt⸗ 
niß ſich ergeben zu laſſen, in welchem der Grundgedanke 
jedesmal etſcheint. Dieſer war bier, wie wir bereits‘ oben 
bemerkt, der nothwendige Gegenfas von nätionellem und 
religioͤſem Leben. Beide werden durch Roͤmerthum, Chri: 
ſtenthum, altgermanifche Sitten und Feudalweſen modi⸗ 
ficirt, und’ als Refultate ergeben ſich aus den Verbindun—⸗ 
gen; welche biefe verfihieberten Elemente werhfelstvelfe wie⸗ 


der eingehen, die Hauptfactoren bes germanifchen Mittet⸗ 


alters, die päpftliche und kaiſerliche Gewalt, forte bie 
geiftliche und weltliche Ariſtokratie. Wie diefe nun bis 
gegen das Ende des Mittelalterd gegeneinander agirten und 
reagirten, und welche Wechſel in der ‚gegenfeitigen Stel⸗ 
lung derſelben eintraten, dies haben’ wir eben in ber Ein⸗ 
leitung geſehen, aus der ſich uns als Gefetz der ganzen 
Bewegungen des Mittelalters die Nothwendigkeit eines 
Gleichgewichts zwiſchen den erwaͤhnten Gewalten offenbart, 
das ſich am beuflichften dadurch zeigt, daß von dem Aus 
genblicke an, wo es durch den uͤberwiegenden Einfluß der 
einen geſtoͤrt iſt, ſogleich die andere, welche jene dis da⸗ 
hin unterſtuͤtzt und gehoben hatte, ſich gegen dieſelbe erhebt 
und ihre Übermacht zu brechen ſucht. Wie ed nun aber 
kam, daß diefes Verhaͤttniß, welches das ganze Mittelakter 
hindurch danerte, doch zum Bruch kam, diefes ſchildern 
die num folgenden Haupttheile des Werkes, zu dem wir 
nun zuruͤckkehren. | 

Das erfte Buch enthält eine böchftintereffante Dar: 
ftellung eines Wendepunktes in der Entiwidelung des deut⸗ 
ſchen Staatölebens, tn ber uns ber Verf. durch Hervor⸗ 





63 


hebung von einir Menge In dei“ übrigen Geſchichtswerken 
nicht im Zuſammenhange gewuͤrdigter Verſuche, dem Reiche 
eine beſſere Verfaſſung zu geben, und durch Zuſammen⸗ 
faſſung derſelben unter einem Gefichtspunkte, eine ganz 
newe Einſicht in den Entwidelungsgang der beutfchen po: 
litiſchen Geſchichte eröffnet. Es wird uns darin deutlich, 
wie in ben beiden Hauptfactoren des deutfchen Reichs, 
dem Kaifer und den Meichöftänden, die Übergeugung von 
der Nothroeribigkeit einer Conſolidirung ber Staatsgewalt, 
fel e8 nun mehr nach der einen oder der andern Seite hin, 
lebendig ward, und wie man nahe baran war, einen Schritt 
zur weitern Ausbildung des öffentlichen Rechte und des 
yotitiichen Lebens von Deutfchland zu thun, der biefes 
zu einem Staat im mobernen Sinne des Wortes, zu el: 
ner organifch gegliederten Einheit zu geflalten nicht vers 
fehlt haben würde. Daß biefe Beſtrebungen zu Gründung 
einer oberften Staatsgewalt einen nur hoͤchſt unvollitändis 
gen Erfolg hatten, war dus Unglüd von Deutſchland; 
denn dadurch ward die Reformation nur eine theilweiſe 
und einſeitige und Deutfchland den andern großen euro: 
päifchen Staatseinheiten gegenüber zu einer paſſiven Rolle 
verdammt, Die fo grenzenlofes Unheil von den Refor⸗ 
mations⸗ bis zu den neueſten Revolutſonskriegen über 
Deutſchland gebracht hat. Ein Moment, das in dieſem 
Zeitpunkt anfaͤngt ſich geltend zu machen, iſt hierbei nicht 
zu uͤberſehen. Wenn naͤmlich während des Mittelalters 
die Einheit, welche der Behmönerus gewährte, himaͤnglich 
war, die Völker in ihrer Selbſtaͤndigkeit zu ſchuͤßen, ſodaß 
ſelbſt die momentane Übermacht, welche die Hierarkhie er⸗ 
langt hatte, nicht daran denken konnte, biefe Selbſtaͤndig⸗ 
keit mit Erfolg verwifchen oder gar befeitigen zu Eönnen, 
fo war dies jest, beim Beginn der Neuzeit, nachdem in 
Frankreich, England, Spanien ſich mächtige, auf einer 
bedeutenden Gentralgewalt beruhende Staaten ausgebildet 
hatten, nachdem ein erhöhter internationeller Verkehr ein⸗ 
getreten war, welcher die Verhaͤltniſſe zwiſchen den einzel: 
nen Nationen durchaus umgeftaftete und eine erhöhte Ein: 


wirkung der einen auf die andere hervorrief, durchaus 


nicht mehr genuͤgend, um fo weniger, als die höchfte 
Lehnsgewalt nur noch ein Schatten von Dem war, was 
fie unter den ſaͤchſiſchen, den falifchen und fraͤnkiſchen Kurs 
fern barfiellte. Die bedeutendften europäifchen Länder hat: 
ten bie Innern Unorbnüngen zu befeitigen gewußt und in 
ihrer pofitifchen Entwidelung eine neue Phafe begonnen. 

Jedernann — fagt ber Verf. — kennt die Namen ber 
thatkraͤftigen Fuͤrſten jener Zeit, denen es beichieben: war, . in 
den europälfchen Nationen zum erften Mal das volle Gefühl 
ihres Gelbft zu erwecken. — Wie verfchleden auch Hülfsmittel 
und Umftände fein modten, fo war body überall das Königs 
tum, a run hast Wee⸗ bie ae nu Pr 
ob iten zu beugen, den fremben G@influß ousz eßen 
le nationale Richtung, die es. nahm, die Völker um fih 
zu verfammeln, ihnen ein Bewußtſein ihrer Einheit zu ver: 
jchaffen. In Deniſchland war das jedoch nit moͤglich. Es 
gehoͤrt in den Kreis dieſer Beſtrebungen, daß die beiben Ge⸗ 
watten, welche das Meiſte vermochten, ſich bemuͤhten, eine ge⸗ 
wiſſe Ordnung rinzufuhren; wir Fr el wie ‘wenig fie ausrich⸗ 
teten. Wollte man es in Deutfchland zu etwas bringen, fo 
mußte man es ambers angreifen, von andern @runblagen aus: 
gehen, ein audres Ziel Ins Auge faſſen. 


| Stände bie Jmitiative ergriffen. 


Es war daher hier garız natuͤrlich, daß bie’ muchtigen 
Die Schritte, werd 
fie zu biefem Behuf unter Friedrich MI. thaten — An 
teäge auf Einführung von einem Kammergericht, gemeins 
ſchaftliche Reichsregierung und Kreisverfaffung ; jedes Jahr 
rolederfehrende Reichſstage, welche die wichtigſten Geſchaͤfte 
der allgemeinen Regierung beſorgen ſollten, Aufſtellung ei⸗ 
ner ſchlagfertigen Kriegsmacht, Eintheilung des Reichs nach 
Kreiſen unter Hauptleuten — waren, wie ſich dies bei dem 
Charakter dieſes Fuͤrſten erwarten ließ, ohne Erfolg; mehr 
war von deſſen Sohne Maximilian zu erwarten. Mit 
ſeiner Thronbeſteigung traten Umſtaͤnde ein, welche alle 
Ideen dieſer Art in dem Oberhaupt wie in den Staͤnden 
beleben und erweitern mußten; wir meinen die feindſeligen 
Verwickelungen, in bie Maximilian und das Reich mit 
Frankreich geriethen. Dieſe Umſtaͤnde benutzten die Staͤnde 
auf dem Reichſtage zu Worms (1495) zu einem der ums 
fafjendften Entwürfe, die je für die Verfaffung des Reihe 
gemacht worden find. 

Sie gingen dabei von der Rothwenbigkeit aus, eine nach⸗ 
haltige Kriegsverfaffung zu gründen, aber fie fanden das vers 
fallende Lehnsſyſtem nicht mehr dazu taugklich, fie hielten für 
befier eine allgemeine Auflage, ben gemeinen Pfennig einzufüh⸗ 
ven. Nicht nad; den verfchiebenen Zerritorien, fondern nad 
der Kopfzahl aller Reichsangehoͤrigen ſollte dieſe Auflage erhos 
ben ‚werben. Ihre Verwendung aber follte dann nicht dem 
König anheimfgllen,, fondern einem Reichsrathe überlafien blei⸗ 
ben, den man aus fländifchen Mitgliedern, die Städte einges 
ſchloſſen, zu errichten dachte. Überhaupt beflimmte man biefem 
Rathe die größten Befugniffe. Gr follte das Recht vollftreden, 
Ungehorfam und Aufruhr däntpfen, für die Herbeibringung bes 
abgelommenen Reichslande forgen, den Widerſtand gegen „ie 
Türken und andere Widerfacher bes h. Meiches und beutfcher 
Nation leiten: man ſieht, er ſollte bie Summe ber Regierung 
in feiner Hand haben. Und zwar war ihm bafür ein hoher 
Grab von Unabhängigkeit zugedacht. Zwar follte er für bie 
wichtigften Sachen das Gutachten bes Könige und der Kurs 
fürften einholen und der Reviſion der Iehtern unterworfen 
fein, übrigens aber follten die Mitglieber des. Eides, mit 
dem fie dem König und ben Ständen verwandt feien, er⸗ 
lebigt werden und nur nach ber Pflicht Ihres Amtes zu Yans 
deln haben. 

Man fieht,’e6 war auf eine Centralſtaatsgewalt abge: 
ſehen; nur lief diefe faft auf eine Republik hinaus, denn 


dem Reichsrathe und den Ständen waren alle Regierungs⸗ 


angelegenheiten anheimgegeben. Died war der Grund, 
weshalb Maximilian, der noch zu hohe Anlichten von 
Macht und Rechten eines Kalfers Hatte, nicht darauf eins 
Sing: Wir Übergehen, wie Plane der Art auf den fols 
genden Meichstagen unter verſchiedenen Wechſelfaͤllen fort 
während verhandelt, aber nie zu einer beftimmten Verwirk⸗ 
lihung gebracht wurden. Die fhändifdhe Oppofition und 
der Kaiſer flanden in ihren innerflen Tendenzen ſich zu 
verfehiedeitartig eritgegen, und waren auf der andern Seite 
an Macht einander doch noch zu gleich, als daß fich bie 
eine Partei der andern hätte fügen follen; weswegen e6 
auch nicht wundern barf, daß eine vom Kaifer ausgegans 
gene Modification des Berfaffungspfänes, bei dem das 
Entgegengefegte eingetreten, d. h. die Pflichten und Leis 
ftungen den Ständen geblieben, die Macht aber dem Kö: 
nig zu Theil getoordenwäte, ebenfo wenig Gunft bei dem 


aM 


Staͤnden fand. So kam es, daß aller Reicheberathungen | 


ungeachtet keine Vereinbarung zu Stande kam. 

Beide Kräfte Eonnten den Punkt nicht finden, in welchem 
fie übereingeftimmt, ihre Tendenzen verfhmolgen hätten. Die 
Stände fahen in fi ſelber, in ihrer Bereinigung auch die Ein⸗ 
heit des Reiches. Sie hatten ein ſtaͤndiſches Regiment im Sinn, 
mie es wol fon in einzelnen Landſchaften vorfam, bei bem 
ie die Würbe des Kaiſers zu behaupten, aber auch feiner Bill: 
ür auf immer ein Biel zu fegen, felbft auf Keften der Zerris 
torialmacht für Krieg, Finanzen und Recht haltbare Ordnung 
einzuführen gedachten. Dann hatte ed Marimilian unternom= 
men, das Reich durch Ähnliche Einrichtungen, jedoch mit beis 


ferer Behauptung des monarchiſchen Principe, zu verjüngen: 


es war zu Beſchlüſſen gefommen, von minder tiefgreifender 
Bedeutung, jedoch ausführbarerm Inhalt; aber bei der weis 
tern Ausbildung zeigten ſich Misverfländniffe, Abgeneigtheiten 
ohne Zahl; und plöglich gerieth Alles in Stoden. Die Stände 
hatten mehr bie Innern, Maximilian mehr bie auswärtigen 
Angelegenheiten ins Auge gefaßt; aber weder wollte fi) dort 
der König feinee Macht fo weit berauben, noch wollten bier 
die Stände fi ihren @influß fo vollftändig entziehen laſſen, 
wie die Abficht des andern Theiles war. Die Stände vermoch⸗ 
ten den Kaifer nicht in dem Kreiſe feflzubalten, den fie ihm 
gezogen. Der Kaifer vermochte fie auf der Bahn, bie er eins 
ſchiug, nicht mit fich fortzureißen. Denn fo find nun einmal 
die menfchlihen Dinge befchaffen, daß fih dur Berathung 
und Gleichgewicht nicht viel erreichen läßt; nur eine überwies 
gende Kraft und ein fefter Wille vermag haltbare Gründungen 
zu vollziehen. 

Die einzigen Inſtitute, welche zu Stande kamen, mas 
ren das Kammergericht und die Reichsmatrikel, und diefe 
waren nicht vermögend, die allgemeine Gaͤhrung zu bes 
ſchwichtigen, die im Reiche unter allen Ständen, befon: 
ders unter Ritterfchaft, Städten und Bauern gegen Ende 
deu. Regierung Maximilian's in weltlihen Dingen ſich 
&und that, aber auch bald, bei der engen Verbindung. ber 
kirchlichen mit den Reichsangelegenheiten, auf die geiftti: 
den Berhältniffe fi werfen mußte. 

(Die Bortfegung folgt.) . 








Gedanken über Liebe und Recht, Freiheit und Zwang, 
Unabhängigkeit und Abhängigkeit, Gleichheit und Un: 
gleihheit der Rechte. Von Ignaz Wildner. Wien, 

. Bed. 1839. 8. 9 Sr. 

Der Hr. Verf. hat über die Rechtöverbältnifie ber Fabri⸗ 
Ten, Waflerberechtigungen u. f. w., Beweis ber Handelsbücher 
von Ridhtlaufleuten und das Fideicommißrecht in den öſtreichi⸗ 
fhen Staaten — darüber hinaus geht feine Rechtskenntniß 
nicht — gewiß ſehr fehägbare Werke gefchrieben und fi als 
Doctor fämmtlicher Rechte erhibirt; allein auch in der Philos 
fophie fcheint er, außer der öſtreichiſchen, Beikanntſchaften nicht 
u befigen. Er ftelt über Liebe einen Begriff auf, ben man 
m übrigen Deutichland Wahlverwandtichaft nennt, und definirt 
fie durch „Neigung, d. h. das unerklaͤrliche ſinnliche Streben 
nach Einigung“, zerarbeitet Vernunft und Verſtand, welcher 
tegtere ſehr ſchlecht wegkommt, macht blos einen Unterfchied 
zwiſchen„Sinnlichem und Überſinnlichem“, verweiſt unter dieſe 
Aubrifen die ſämmtlichen Körper-, Serlen= und Geiſteskräfte, 
vermeidet jedes Wort, das der Genfur auffallen Rönnte, 3. B. 
Sittlichkeit, Moral, Civiliſation, Gerechtigkeit, Wahrheit, Zu: 
gend, kurz jede Erinnerung an die höchſten Ideen, und fommt 
endlich vermöge der „Erkenntniß“ zu dem Schlufle, daß "Js des 
Volks Einer Erkenntniß fähig, und '%, mit der Urproduction 
(auf Deutſch Landbau), dem Handel und der Induftrie fo be: 


ſchaͤftigt find, daß fie kaum Zeit Haben „das Überſinnliche 
gründtih zu erkennen und daher nur eine ſehr lückenhafte Er⸗ 
kenntniß und ein nicht permanentes Wollen deffeiben zum Re⸗ 
fultate kommt, welche fi doch nicht ale Norm des äußern Vers 
baltens denken lafien! Das nun noch erübrigende (sic!) ’%s dee 
Volks zerfält noch zum heile in blos Genießende und 
daher die Mühe der gründlichen Erkenntniß Scheuende, und end: 
ih in die wenigen Auserlefenen, welde die Bors 
fehdung mit hervorragenden Anlagen ausgerüftet 
und in fo glüdlihde VBerhältniffe gefeyt bat, dag 
fie fih der Erkenntniß undb dem Wollen bes Übers 
finntiden weihen können und fomit einen wefents 
tigen Theil der Bedingungen der Unabhängigkeit — aber 
noch immer nur einen Theil derfeiben! — an ſich bewähren.‘ 
Ex ungne leonem! kann man bazu fegen und mit dem Den. 
Verf., deſſen Dialektik an feinen Schugheiligen Ignatius von 
Lopola flark erinnert, in tiefgebeugter Unterthänigkeit fich bes 
flens reecmmanbiren. 6. 





Notizen. 


Es iſt merkwürdig, wieviel poetiſche Verbrecher, naͤmlich 
Verbrecher, die ſich im Verſemachen bethaͤtigt haben, in letzter 
Zeit vor die Aſſiſen in Paris und andern Städten Frankreichs 
gekommen find; man koͤnnte davon ein langes Verzeichniß lie⸗ 
fern. In echt franzöfifcher Weife fuchen fogar bie Wertheidiger 
in foldden Fällen das Herz der Richter und Gefchworenen mit 
den poetifchen Erzeugniſſen des Verbrechers ober der Verbre⸗ 
cherin zu rühren und ihnen zu verftchen zu geben, wie uns 
menfhlih es ſei, einen mit fo außerordentlihen Zalenten bez 
gabten Verbrecher, der fo moralifhe und rührende Verſe zu 
machen wiffe, zur Ginfperrung ober Binrichtung zu verurtheilen. 
Adele Hays, neulih von Emim⸗Paſcha angeklagt, das nicht 
ſehr poetiſche Berbredhen bes Diebftahld begangen zu haben, 
gehört zu biefer ausgewählten Race von Verbrechern. Ihr 
Vertheidiger las vor der Jury nfehre ihrer langmwelligen poetis 
fen Erzeugniffe vor, bierunter eine an die Frau Baroneß von 
"RR gerichtete Epiftel, welche fo anfängt: ' 

1 est d’sflrcux instauts ou notre Ame affaiblie 
Cede au morne poison de la mclancelie, 
Ou le coeur Ecrand sous le poids des douleurs 
‚ Se nourrit de coldre et w’abreuve de pleurs, 
. Alors deaenchantde eto. ete. 

Abele Fays wurbe bekanntlich, milbernder Umſtaͤnde (ihrer poe⸗ 
tifchen Verdienſte 7) wegen, zu nur brei Jahren Sefängniß ver⸗ 
urtheilt, bat aber den Bortbeil, als Verfaflerin von poetiſchen 
und moralifchen in Alexandrinern gebichteten Epifteln befannt 
worden zu fein und vielleicht bie Heffnung zu haben, daß irgend 
ein parifee Verleger fie zur Abfaffung ihrer Memoiren auffos 
ern werde. 


Die Herren Engelmann, Sohn und Water, zu Mühlhaufen, 
haben den „Traité theorique et pratigue de lithographie’” 
des verftorbenen &. Engelmann herausgegeben. Es iſt, nad; 
der Anſicht franzöfifcher Journale, die vollftändigfte Abhandlung 
über die Gefchichte der lithographiſchen Kunft, welche biöher 
erſchienen ift, und entwidelt zugleich Alles, was Engelmann 
während einer langen Reihe arbeitsvoller Jahre für bie Ver⸗ 
vollkommnung diefer Kunft, für die er befonders feit 13:$ 
tätig war, Verdienſtliches gethan bat. Das Werk iſt mit 
einer großen Menge von Platten und mit dem Portrait bee 
verftordenen Sngelmann verfehen. 


Bon der „Tribune francaise‘‘, gegründet von ben Herren 
Amic und Mouttet, ift der erfte Band angekündigt. Gr umfaßt 
die gefchgebende und die conftituirende Berfammlung unb ift mit 
den Portraits von Mirabeau, Cazales, Maury, Barnave, Mons 
nier, Gondorcer, Briffot und Vergniaud giſchmückt. 5. 


Berantwortliher Derausgeber: Keinrich Brockhaus. — Drud und Belag von 3. 4. Brackhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


kiterarifhe Unterhaltung 


t 





Donnerstag, 








welter Artilen, 
(Bortfegung aus Nr. 20.) 

So hat fich denn der. Verf. den Weg gebahnt, ums 
nım zu feinem: Sauptthema, der Reformation, übergehen 
md es in feinem richtigen Lichte, ſowol was fein Ent» 
ſtehen, feine. Vollendung als feine Folgen. betrifft, zeigen 
zu. Einen. Dies. geſchieht zuvoͤrderſt in dem zweiten 
Buche, ‚Anfänge Luthers und Karl's V.“ uͤberſchrieben. 
. Dee: Ber. geht hier zum- erften Mat auf die Innern, gets 
ſtigen WBerhäftniffe der Kirche, ein, indem er ſich ſowol 
über ihre Stellung zu den übrigen Religionen und. ber 
orientalifchen Kirche, als- auch über die. Entſtehung umd. 
Ausbildung : der: Dogmen und Gebräuche ber roͤmiſchen 
Krche verbreitet und durch dieſe Auseinanderſetzung die 
religioͤſe Stellung des Papſtthums darlegt. Das Reſul⸗ 
tot davon iſt die. Nachweiſung des durchgreifenden religioͤ⸗ 
ſan Formalismus, mit welchem es der paͤpſtlichen Gewalt 

‚Ende des Mittelalters gelungen war, alle: menſchlichen 
Berbätniffe zu umſtricken; jene durchgehende Veraͤußerli⸗ 
hupg,, des. religiöfen Elements, die, von der faſt gottglei⸗ 
den Stellang des roͤmiſchen Oberyrieſters ausgehend, durch 
die: Dogmen der Infallibilitaͤt, vom: Schatz ber Kirche, 
von den guten ⸗Werken, vom Adlaß ꝛc., beſonders dudch 
die ſieben Sacramente und die damit zuſammenhaͤngende 
tiechliche Disciplin das ganze geiſtige Leben der Menſchen 
zu ſiriren, aberrauch zu. verſteinern Tuchte. Dieſes Stre: 
ben war. zu, ſehr der Mater des: Manſchen entgegen, als; 
daß es nicht hätte Oppoßtion finden ſollen. Zuerſt fand 
es dieſelbe von weltlicher Seite, da nach dieſer hin das 
Unnatuͤrliche des ganzen hierarchiſchen Syſtems und. feine 
Übergriffe und Auswüchſe am grellſten hervortraten. Doch 
hatte dieſe welcliche Oppoſition bei dem Mangel einer na: 
tionafen Staatsgewalt den wenigſten Erfolg. Daher andy: 
der Mfderwille. des. Papſtthums gegen alle Verſuche der. 
Nation, ſich eine. gelchloflene Verfaffung zu geben; denn 
dee Papft würde es gan. bald gefühlt haben, wenn 
es wirklich · zu einer natlonalm: Gtaategewals: gefannnen 
wäre. 
denzen der populairen und die Bewegungen in der gelehrten. 
Literatur, da fie die paͤpſtliche Hierarchie von einer Seiten 
angriffen, gegen bie fie- bei ihrer völligen geilligen Ders 


Nation: un 
lafın Sheraripe i eues: Lebens zu: verläͤhen ver⸗ 
reagidſen enn ı im: ganßen 3 u 

| ct gang Mei 

Deſto wichtiger und erfolgreicher waren die Xenz || per 
"mation angekommen, wo es ſich entſcheiden mußte, ob. 
fie. eine. allgemein nationale, Durchfuͤhrung erhalten, und,, 
Hand in Handomit einer Entwickeluug dev deutschen Reichen 


aͤußerlichung keine anbere Macht befaß ats. dia: bloße. dur 


ßere Gewalt, welde: aber eben. in diefem Punkte: und: bei 


ber- zugleich: eingatretenen Spannung zwiſchen Papftshung 
und: Reidwfiänden ſich als unzulaͤnglich auswies. Jen⸗ 
beiden: geiftigen Mächte untergruben das paͤpſtliche Anſes 
ben in ſeinem innerſten Grunde, naͤrlich in, feiner Autor 
ritaͤt über. die Gemuͤther der. Menſchen. Nothwendig wur⸗ 
ben dadurch Bewegungen in ber Theologie und durch, ſie 
abweichende Tendengen von. dene hergebrachten kirchlichen 
Syſtem hervorgerufen. Den. großer, Wichtigkeit war. der 
bei, der Umſtand, daß dieſe Tendenzen gerade um Diele 
Zeit eine Repraͤſentation auf einer Uniderſitaͤt, dem neu⸗ 
geflifteten Wittenberg, empfingen,. das hierin. bald feine: 
weithiftorifche Aufgabe: erfanute, 
Wie von biefem unbedeutenden Orte aus ſich dierg eis: 
ftige Oppofition erhob und: emtnoideite, Die Das, was die 
fraͤnkiſchen und hohrnſtaufiſchen Kaiſer, was die vereinten 
Anſtrengungen der Reichsſtaͤnde, mit. einem Worteo bie: 
ganze weltliche Macht des Mittelalter micht vermocht: hat⸗ 
ten, naͤmlich den Sturz ‚bar geiftlichen. Univerſalmonarchta, 
bewerkſtelligte und vollendece, dies wird auf lichevolle Waiſe 
im weitern⸗Verfolge des erſten Capitels des: zweitea Buchsi 
dargeſtelt, das mit den bezeichnenden Worten ſchließet 
So⸗ſtand es nun mit- ber geiſtlichen Gewalt in: Deutſche 
mb: Roch ward an keinen Abfall‘ von.bem ‚Yenfbrgebadkts‘ 
noch war errallgemain anerkannt; aber es icchein-fidy-aus ‚allen, 
Tiefen ber nationalen Kräfte. Wiberfiand . und Unwille gegen 
ihn; fchon hatten feine gefchworenen ‚Wertheidiger eine Ritberz 
lage erlitten; fchon erbebte das dogmatiſche Gedaͤude, auf wel⸗ 
chem ˖ ſeine Wacht beruhte, in einigen feier Gumbfoſtenz bası 
Bebärfnif: der Nation , ſich in fich: felber -zwieinen gewiſſen ins: 
beit abzuſchließen, nahm eine Richtung. gegen das Anfehen ‚bei 
römischen Hofes. ins Oppofition war entflanhen,. bie noch 
unfheinbar ausſah, aber an der Stimmung ber Rätion un 
in einem mächtigen Reichsfürften einen ſtarken Rüͤckhalt Fand.- 
Sätte — begiont dann dasufolgenbe Gapidel — es / in dies 
fon: Augenbliche ceinen mächtigen -Ralfer gegeben,, ſo würbe: er 
ſich dieſer Neguugen ıgewaltig. haben / bedienen k¶nnonn Von der 
terſtͤgt wüũrde evı die: alte - Dyppofitkem ı gegeste: das⸗ 
nehmen unb: auf: ben: Srunblagen: dar⸗ 


Hiermit iſt der Verf. an dem Wendepunkt ˖ der Reſor⸗ 


Tu 
verfaffung, auch dem Staats: und Nationalleben einen 
erhöhten Schwung geben, oder ob fie, in Oppoſition 
gegen die höchfte Reichsgewalt befindlih,. nur partiell zu 
Stunde fomınen und eine kirhliche Gemeinfhaft erzeugen 
folfte, die mehr die Form einer Sekte als die einer Na: 
tionalkicche hätte, und wodurch die politifche Entwidelung 
des Vaterlandes eher gehemmt und gar unterbrochen als 
gefördert und zu einem gluͤcklichen Ausgange gebracht wuͤrde. 
Daß leider dieſer letzte Fall eingetreten, Daß die Refoͤrma⸗ 
tion nue in ihren fpecielfen rein geiftigen und religiöfen Be⸗ 
ziehungen im Laufe der Jahrhunderte zur völligen Ent: 
widelung, zu Blüte und Frucht gelangt iſt und den ent: 
ſchiedenen Sieg über ihren Gegner bavongetragen bat; 
daB fie aber in ihrem Verhaͤltniß zu den übrigen Erfchei: 
nungen, in denen fih das Leben der Menfhheit aus: 
fpriht, als Staat und fociales Nationalleben, Kunft und 
Literatur, geftört, ja ganz unterbrochen ward und auf 
dfefe geiftigen Mächte nicht die pofitive, geflaltende Wirk: 
ſamkeit ausüben konnte, wie man von einem fo wichtigen 
Ereigniß hätte erwarten follen; daB fie e6 dasum aud zu 
keiner felbftändigen Form des von ihr gefchaffenen geiſtli⸗ 
hen Lebens brachte, dies ift bekannt genug, Aber tie 
and warum Dies fo gekommen, das iſt wol noch nie mit 
ſolcher Schärfe als von unferem Verf. auseinandergefegt 
worden. Es fei uns baher vergönnt, mit Beiſeitlaſſung 
des ganzen religisfen Entwidelungsganges — ben der Verf. 
jedoch nichts weniger als vernachlaͤſſigt hat, vielmehr, tie: 
wol nur kurz, Doch treffend und immer das innerfte We: 
fen der Erfcheinungen tief und richtig auffaflend, ſchil⸗ 
dert — vorzüglich die Momente hervorzuheben, weldye in 
dieſem kritiſchen Zeitpunkt in der dußern Entwidelung der 
Reformation bervortreten. 

Das erfte Moment, welches nun eintrat und haupt: 
fächlich den Charakter der Reformation von nun an be⸗ 
flimmte, war die veränderte Stellung, welche die kaiſer⸗ 
Ude Macht, in Kolge der Erwählung Karl’ V. zum rd: 
mifchen Kaifer, zu der ganzen Oppofition, der geiftlichen 
wie weltlichen, und fomit zur werdenden Reformation 
fetoft einnahm. . Wie die Perfönlichkeit Karl's V. und feine 
ganze romanifche Bildung ihn unfähig machten, das in: 
nerfte grunddeutfche Weſen der Reformation, wie deutſche 
Sitte: und beutfches Weſen Überhaupt zu verftehen, fo 
hinderte ihn auch feine Stellung als König von Spanien 
und beider Indien und Erben ber burgundifchen Länder 
daran, eine wahrhaft deutfche Politik zu faſſen und in 
Ausführung zu bringen. Vortrefflich iſt, was der Verf. 
über dies Verhaͤltniß fagt: 

Karl V. war ein Kind und Zoͤgling jenes burgundifchen 
Hofes, der fi hauptfähli aus frangöfifchen Elementen unter 
Philipp dem Guten und Karl dem Kühnen zufammengefeht und 
der Weltftellung diefer Fürſten gemäß feine eigene Politik ents 
widelt hatte. Die Ausfichten, die unter Karl dem Kühnen ins 
Auge gefaßt, unter Philipp I. eröffnet worben, ſchienen ſich 
durch die Stellung und bie Rechte Karl’s V. vollenden zu 
möüflen. Man hatte bie Niederlande durch Friesland erweitert, 
duch die Beſetzung bes Bisthums Utrecht mit einem Verwand⸗ 
ten des Hauſes und bie engſten Werhältniffe zu Lüttich und 
Kleve gefichert. Man hatte die Kronen von Caſtilien und Ara: 
gon mit allen dazu gehörigen Rebenländern in Beſit genom: 


-um fo ausführbarer fdien, 


ng BEZ 


men. Jetzt war nun aud) bie Erbſchaft Warimilian’s angetres 


ten worden. Die Öftreihifhen Grbländer mit allen BRechten 
und Ausfihten nad dem öftlihen Curopa bin, weldhe 3 
Kaiſer erworben, überließ man be jüngern Sproͤßling des 
Hauſes, der doch ſchon durch das Bebürfniß der Hülfe, worin 
er war, in fleter Abhängigkeit erhalten wurde, das Kaifers 
thum nahm man felöft in die Hand; man gründete den Gins 
fluß des Daufes in Deutfchland, wir fahen eben mit welcher 
Sorgfalt. Alles dies geſchah unter unaufhörlichen Reibungen 
und Sompetenzen mit Ftrankreich, deren Urfprung in ben Gtreis 
tigleiten der alten Derzoge und ber alten Könige lag. — Für 
ben burgunbifchen Hof war nun nichts mehr Gbrig, als fig 
au in Befig der kaiſerlichen Rechte in Ztalien zu feßen,, was 
ba er auch Reapel und Bickien 
beberrfchte, da er einem Romzug über die Alpen mit den Kräf: 
ten der ſpaniſchen Königreiche zu Hülfe kommen konnte, wo⸗ 
durch es eben eine Bedeutung empfing wie noch niemals, 

Da Eonnte nun von ber Schaltung bes Friedens mit Frank⸗ 
reich nicht weiter die Rebe fein: das Sand, auf das es vor als 
lem anlam, das Herzogthum Mailand, hatte Franz I. in Bes 
fig, ohne die Echen jemals empfangen oder aud) nur nadhges 
fucht zu haben; eben biefem mußten die Unternehmungen des 
Kalfers gunächft gelten. Im Bintergrunde der ſich allmaͤlig 
entwidelnden Gedanken lagen noch andere Plane, 3. B. auf 
das von Lubwig XI. eingezogene Herzogthum Burgund, beffen 
Berluft man in den Niederlanden noch immer nicht verſchmer⸗ 
zen konnte. Was fi lange im Stillen vorbereitet, bie Bils 
dung zwei großer europäifcher Mächte im Gegenfag miteinans 
der, das trat in diefem Moment in volle Erſcheinung. Das 
gewaltige Frankreich, durch feine Innere Einheit und feine mans 
nichfaltigen Verbindungen ohne Zweifel die größte Macht von 
Europa, fah fi von bem allmälig emporgelommenen Vaſal⸗ 
len an allen feinen Grenzen umfaßt und überflügel. Won dies 
fem Standpunkt aus überficht man erſt den innern Grund, 
ben es hatte, daß König Franz fo lebhaft nach ber Kaiſerkrone 
trachtete: er wollte nit, daß fein alter Vaſall eine höhere 
Würde erwerben follte, als er felber beſaß. Zwiſchen diefen 
beiden Mächten mußte e8 zum Kampfe kommen. Es iſt das 
nun das Berhältniß, an welchem fich ein univerfales politifches 
Leben in Europa entwideln follte: bie verfchiebenen Staaten 
mußten ſich nach ihrem befondern Interefie auf die eine ober 
die andere Seite neigen. Zunädjft aber war es für die Gtels 
lung bes Reichs und bie Anwendung feiner Streitkräfte ents 
ſcheidend. Denn fo hoch auch Karl V. die Würde des Kaifers 
thums ſchaͤtzte, fo liegt es body in ber menſchlichen Natur, daß 
ber Mittelpunkt feiner Politik nicht in den deutfchen Intereſſen 
ruhen Eonnte. Nur aus dem Gompler feiner Reiche Eonnte bie 
Einheit feines Denkens hervorgehen. Er fühlte fi immer als 
ber burgundifche Prinz, ber mit fo viel andern zahlreichen 
Kronen audy bie Höchite Würde ber Ehriftenheit verband. In 
fofeen mußte er dabei flehen bleiben, die Rechte des Kaiſer⸗ 
tgums als einen Theil feiner Macht zu betrachten, wie ſchon 
fein Großvater gethan; noch viel weniger als biefer konnte ex 
ſich den innern Bedürfniſſen von Deutſchland mit voller Hin⸗ 
gebung widmen. Bon dem Zreiben des beutfchen Beiftes hatte 
ee ohnehin Leinen Begriff: er verfland weder unfere Sprache 
noch unfere Gedanken. 

Ein merkwürdiges Schickſal, daß die Nation fi in dem 
Augenbiid ihrer größten, eigenflen Innern Bewegung ein Obers 
haupt berufen hatte, das ihrem Weſen fremd war, in deſſen 
Holitil, die einen bei weitem größern Kreis umfaßte, die Bes 
dürfniffe und Beſtrebungen der Deutſchen nur als ein unterges 
ordnetes Moment erfcheinen konnten. 

Richt als ob die zeligiöfen Bewegungen bem Kaiſer gleich⸗ 
nültig gewefen wären; fie hatten für ihn ein hohes AIntereffe, 
aber zunächſt nur deshalb, weil fie den Papft berührten und 
bedrohten, und für das Verhältniß zu dem römifchen Hof neue 
Geſichtspunkte, ja man darf wol fagen neue Waffen darboten. 
Bon allen politiſchen Berhältniffen des Kaifers war aber biefes 


I. 


dns wiätigße. Den de t5 nun efmıkal zuu 
2 Fraukreich kommen mußte, einem Kämpfe, ber 


hauptfächlich in Italien gu führen war, fo bübete es für ben 


Kaifer die oberfte Frage, ob er den Papfk für ſich haden würbe 
oder nicht. — Doch war dies nicht die einzige dringende Bezie⸗ 
dung des Kaiſers zu dem römifchen Stuhle, andere, von mehr 
Ticchticher Natur, aber ebenfalls ſehr durchareifend, hatte er in 
feinen übrigen Reihen, namentlich in Spanien. Es ift eine 
anerkannte Sache, daß ſich die dortige Regierung, wie fie fich 
unter Berdinand dem Katholifchen ausgebildet, vor allem ans 
dern auf bie Inquifition flügte. Ieht aber war dieſes Inftitut 
zu gleicher Zeit in Gaſtilien, Aragon und Gatalonien angegrifs 
fen worden. Die Gortes von Aragon hatten ſich an den Papfl 
gewendet und bei bemfelben wirklich einige Breven ausgewirkt, 
nad welchen die ganze Verfaſſung der Inguifition abgeändert 
und den Formen des gemeinen echte genähert werden follte. 
Im Frühjahr 1520 fendete Karl einen Sefandten nad) Rom, 
um die Zurüchnahme diefer Breven zu bewirken, bie auch in 
den übrigen Reichen. Bolgen haben und feine gefammte Regie⸗ 
zung gefährden mußten. Der geſchickte und geiftzeiche Geſandte 
Karı’s V., der in ben Tagen eintraf, als GA gerade in Rom 
war und bie Sache Luther’s fo viele Berathungen der Theolo⸗ 
gen und Sitzungen des Sonfiftoriums veranlaßte, erkannte for 
gleich, welcher Vortheil aus derfelben für feinen Herrn heroors 
gehen könne. — Wirklich ergriff man am kaiſerlichen Hofe die: 
fen Geſichtspunkt. Als der päpftliche Nuntius mit der Bulle 
gegen Luther daſelbſt anlangte, ließ ſich ber erſte Miniſter bas 
Wort entfallen: ber Kaifee werde ſich bem Papſt gefällig zei⸗ 
gen, menn ber Papſt ihm gefällig fei und feine Feinde nicht 
unterflüge. Das alfo war ed vom erſten Moment, worauf ed 
ankam; wicht die objective Wahrheit der Meinung, aud nicht 
das große Interefie der Nation, bas fi) daran Enüpfte, von 
welchem der eben anlangende Fürſt Fein Bewußtſein noch Mits 
gefühl haben konnte; fondern die allgemeine politifche Lage, bie 
Unterftägung, welche der PYapft dem Kaifer Überhaupt angebeis 
ben Laffen, das Werhältniß, in das er ſich zu ihm fegen würbe, 

Man fieht, wie wenig bie Lage ber Dinge den Wünfden 
dee Deutfchen entgegenlam. Karl V. ward duch feine Vers 
hältniffe nicht zur Oppoſition wider den Papſt, fondern zu ei⸗ 
ner Verbindung mit ibm aufgefobert. 

Es war der Dppofition nicht gelungen, ben Kalfer, wie 
fie gebofft Hatte, in ihre Richtung gegen das Papſtthum bins 
einzuziehen; dieſer hatte vielmehr feinen Bund mit bem Yapft 
geichtoffen: fie hatten ſich vereinigt, die bisherige Werfaflung 
der Kirche aufrecht zu erhalten. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Gedichte von Theobor Apel. 
41840. 8. 1 Xhlr. 


Seneca's Ausſpruch, daß des Weinſtocks eigenthümliche 
Tugend Fruchtdarkeit ſei, ließe fi füglich auch auf dad üppige 
Gewächs der deutfchen Lyrik anwenden. Indeß treibt dieſe 
mehr ergöglihe Blüten, als wirklich genußreiche und gereifte 

üchte, und nur felten folgt bei unfern jungen Lyrikern dem 
fhönen Frühling ein entfprechender Herbſt, der die Blüte gut 
Frucht gedeihen ließe, vielmehr treten nur allzu früh Nachtfröfte 
und Nebelihauer ein, ober der Sommer war zu bürr und 
brandig, als daß bie frifche Vegetation fich in ihrer faftigen 
Fuüͤlle vollftändig entwideln konnte. Unerwartet ift auch bie 
winterliche Saiſon des gewöhnlichen bürgerlichen Lebens da; 
man beginnt den Lehnſtuhl und die künſtliche Stubenwärme zu 
lieben, zieht fich hinter den Ofen zurück, macht Überfchläge von 
Einnahme und Ausgabe und fegt fein Hauptvergnügen in eine 
dampfende Mittagsſchüſſel und ein gemüthliches Schläfchen, um 
befjer zu verbauen. . 

3u den fhönen Blüten, von benen aber zu fürchten fteht, 
bag fie keinen an wirklich dauerhaften Früchten gefegneten 
Herbſt haben werden, gehören Theodor Apel's Gedichte. 


Leipzig, Brockhaus. 


Wenn zarte Eupfiadung, Kenſchhelt des Herzens, ein GemiRf' 


‚von frogen uäd ſchmerzlichen Gefühten, Begei für Fruͤh⸗ 
ing und Liebe, gefällige Sprache und Gewandrheit des Aude. 
druds den Dichter machen, fo iſt Apel ein Dichter; aber es 


fheint ihm eins abzugeben, die Probuetivität, die bildende- 
Kraft, welche gegenwärtig auch immer feltener und oft nue 
durch große Phrafen und pomphafte Wilder und Gleichnißſchnor⸗ 
kel erſetzt wird. Diefe ſprachliche Aufgebunfenheit ift allerdings 
Apel's Fehler nicht, eher koͤnnte man ihm das Gegentheil, sine 
zu große Nüchternheit und Schmudiofigkeit vorwerfen; es if 
auch natürlich, daß wir, da fich die Extreme berausfodern, nes 
ben den modernen Lchenftein auch moderne Hofmannswaldau 
und Neulich haben. Jene Unmäßigkeit im Bilderprunke if 


“ mehr der Fehler unferer Tendenzendichter, derjenigen, welche in 


ihren Liedern Zeitinterefien, Smaneipationsfragen, Bölkerfreiheit 
und Weltfchmerzen befingen und, bei eft ebenfo gutem Willen 
als wirklich bebeutendem Talente, boch einen viel zu unbeflimms 
ten und wüflen Begriff von Zreiheit und Wotksintereffe haben, 
als daß fie zu einer beflimmten, geklärten und plaftifchen Gins 
kleidung ihrer Gedanken und Tendenzen gelangen tönnten; «6 
it das Chaos bes modernen Raifonnements, worin fie ſich aufs 
Iöfen und deſſen unbildlihem und unmaterifchem Inhalte fie mie 
gewaltfam übereinander gehäuften von außen ber zugebtachten 
pompöfen Bildern ein gewiſſes poetifches Air zu geben fudhen. 

Das hat unfer Dichter nicht nöthig; feine Gemüthszuſtaͤnde 
find die einfachften, diejenigen, welche felbft den trodenften Phi⸗ 
lifter irgend einmal überrafhen und zu einem lyriſch Empfin⸗ 
denden machen, wenn er auch nicht die Faähigkeit befigt, feine 
Smpfindungen in fo anmuthige Formen zu gießen, wie es vom 
Apel geſchieht. Unſer Dichter befingt den Frühling und bie 
Liebe, letztere in ihrer Seligkeit und Unfeligkeit, je nachdem ih⸗ 
ven Foderungen von der andern Seite genügt oder nicht ges 
nügt wird, Gegenliebe gefchenkt oder nicht geſchenkt, Treue ges 
halten oder nicht gehalten wird. Liebe und Frühling fcheinen 
dem Dichter faſt identifh zu fein; mit den Jahreszeiten ents 
widelt fi, fleigt und fällt das Eeben ber Liebe; fo befchreibt 
ee in feiner Sonettenfolge: „Das Jahr der Liebe‘, wie die 
Liebe zwiſchen ihm und feinem Mädchen im Winter entfleht, 
im Brühlinge in volle Blüten ausfclägt, im Sommer zwar 
den Höhepunkt erreiht, aber ſchon Untreue und Grmattung 
ahnen läßt und durch Eiferſucht verunftaltet wird, endlich im 
Herbſte von Seiten des Mädchens erloſchen iſt. Der Dichter 
laͤßt auch bier merken, doch unabſichtlich und unbewußt, baf 
ihn die Zeit des Blühens und Werdens inniger anſpricht als 
die Zeit der reifen Früchte und der Ernte. Es iſt Einem bei 
dem Gpaziergange durch dieſe Gedichte zu Muthe, als follte 
man fi in üppiges Frühlingsgrün hinſtrecken, mitten unter 
allerlei buntfarbige Keldblumen, überrauſcht von einem hoch⸗ 


| flämmigen Baume, umflatttert von Schmetterlingen,, umfuret 


von Bienen und Käfern und allem Lebendigen, was Infekt 
beißt, und von der nahen Feldmark fleigt eine Lerche nach der 
andern empor und jubelt ihr Lied. Das find nun freilich Ge⸗ 
genftände, bie man oft ſchon genoflen hat, die man aber doch 
immer wieder mit Luft und Behagen von neuem genießt. 
Schon zu Hölty’s Zeit waren biefe einfachen Elemente Aufgabe 
dee Poeſie, wenn man fie auch jest nicht als foldhe anerkennt, 
jest, wo man nur das aller Ökonomie und alles Maßhaltens 
Baare für Poeſie zu halten beginnt. Es iſt aber nicht immer 
gut, alle Schranken zu ſtürzen, aber ſtets gut, fie auf eine 
überlegte Weife weiter binauszufcieben. Apel flürgt keine 
Schranken, ja er fchiebt fie nicht einmal weiter hinaus, im Ges 
gentheil, er zieht fich in die innerflen Schranken ber Iyrifchen 
Empfindung zurüd und begnügt ſich, Das, was hundert Dichs 
ter vor ihm in ziemlich ähnlicher Weife gefühit und empfunden 
haben, in feiner Weife zu reproduciren und anmuthige Variatio⸗ 
nen über das alte Thema in alle Welt hinausklingen zu laſſen. 
Der Dichter Hat feinen Poefien ein recht hübſches Einlei⸗ 
tungsgedicht vorangefielt. Er ftellt fih dar als den Beſiter 
eines Gartens, drin beim Erwachen des Frühlings die Blumen 





BR 


Mhlich:duften und: bikhem wensit: her Dichers, oedrnala sage 
gehen: fheint, ‚bafiihn: Blumen  mche · ingeueffiwen als: Brinchte, 
unb daß es Ihn mehe-barum zu. thus iſt, Geſicht und. Geruch 
zos eigdden, ala dem Magen cine seele .nahsungäßräftige, Speile 
zugufühen. Io- dieſen; Garten ladet seu- feine Freunde, von: des 
nenuden eine, ein Linbhabenfeltener Mumenarten, ben gangen 

Wätsafine. für: nichts, bedtutend und: werthlos. ausgikt, der 
auıite ı einen: butantfchen , Garten vorziehen würbe, der bsitte 
eisen Kütkengaxten. und: Kahl und Kertefisin: licher: füge, ber 

te, diefen:. Pla& — der, auf‘ berühmten ‚Wahlfläfte liegt — 
fün, ein Monument verwandt willen moͤchte. Erſt deu. fünfte 
oiht fish:: dem: Genuffe ohne. alle weitern Rüdfichten. hin und 
deſern drückt ˖ der Poet gerührt die Hand. 

- Seine Gedichte theilte Apel folgendermaßen ein; 1) Lieber 
und: Heine, Gedichte. Diefe Abtheilung enthält das. Befle: ber 
Gemmmlung, einfache, ungeheuchelte, reing.und. in wehlllingens 
dann Schmelza, des Verſes hingehauchte Naturlante. Bier iſt 
5* sein: Iyniſch, doch⸗auch etwas monoton, das Gefühl maͤch 

are als 1den⸗ danke, diae, Farm maͤchtiger ale der⸗Inhalt und 
der Klango gewigermaßen; mächtiger: als der Ausdruck. Wiele 
Wider ſind jehorh,in ‚ihrer einfachen Aut ausnehmenb ſchoͤn und 
dh an. zanten. und gefälligen Wendungen der Empfindung mie 
deo ſprachlichen Einkieidung, So des Dichters: Anrede an fein: 
Hong mit, dem Schluſſe: 
So ſchlatze denn zu Audrer Luſt, 
Bis: du ·zuv Ruhe gehſt, 
Und dann in ˖ lieberfällter Vruſt 
Schreien ſtillo ſtohſt. 
Ferner das Lieb „Abſchied““, welches wir als eine Probe von 
ber Jartheit des Dichters vollſtaͤndig mittheilem wollm: 
Dentft du. noch an jene Beit, 
Wo die Nachtigallen fangen, 
Aller Drten weit und breit 
Qubelfieber und umflangen?- 
Denttt du jener lichen Worte, 
Die du, lächeln). damals. fpradik, 
As am traulish ſchoͤnen Orte 
Dy,mit und. im Grünen lagſt? 
D, fo lamm zu; und :zurüdr 
Sudan trauten/ engen- Kreifer 
Search: doach kein ‚befiex Gluͤck, 
Als 4bei und, auf weiten Reife. 
Mir find Alle tres geablieben 
Sense holdan, ‚lieben: Zeit; 
Was wig denken, was wir lieben, 
FR wie damals, fo noch heut. 
„WBufi.du: wich, zuruͤckeziehn 
Dar bie ſüßen Schmelcheſworte? 
Lab :mid wandern, Laß mich fliehn. 
Weiter noch: von.-Drt zu. Dxte! 
Braga nicht, was mid: vertrieben, 
Was ich ewig meiden muß; 
Uber. Allen, bie mich lieben, 
Diefen Letzten, heißen Gruß! ” 
Hiermit eorreſpondirt ein ähnliches Gedicht mit ber Uberſchrift 
„Beimtehr. Lieder von biefer Einfachheit ſprechen das unvers 
Kildete Gefühl um fo mehr an, je anfpruchslofer fie find. Zus 
weiten find die zu Grunde liegenden Gebanfen body gar je 
leichte WBaare; fo wenn der Dichter in dem Eiede „Dunkle 
Sterne’ nichts weiter thut, als die Augen. feiner Geliebten mit 
Sternen zu vergleichen, und in dem Gedichte „Am: Meere” 
nichts Groͤßeres, als zu ſchließen wie folgt: 
Sieh, wie dad Meer, fo dunkelblau 
ind auch die Augen bein; 
Und doch ift mir, wenn ich fie ſchau', 
Wie Lichter Sonnenfdein. 


Dadı chi „‚Weorkhlagf” mihält eiae⸗ gute Sekkerien ater· din 

bife Syngenfertigkeit der Wett, die, . man mag, arbeiten. obzg, 

müßig:gehen, waem ooder ‚geuneffen, laut oder fill, munter oben 

träberfein, AU. zum Möfm austegt; aber. ber. Sebanke: Fonnte. 

—— anſchaulicher, beſonders im Ausbrud; durc 
ti werden.; 

Die. zweite und vierte Abtheitung⸗ beſtehen aus: Gonetten, 
unter ı dem: Uberſchriftenz Frichlingsſonettes und: „Das Jahr 
der Ligbefl. Dex Dichter: hato es in ı ber «@onettenforme, ‚melde: 
ihn? beſonders theuer zu fein. ſchrins, zu eine: bebeutenden Wies 
tuofitäe, Wetchpeit. und. Zartheit gebracht; aber leugnen läßt 
ſich auch ebenfo wenig; daß es ihnen an Mannichfaltigkrit und: 
Ziefe das Inhalts mangelt, um mit rechter Theilnahme bis 
zum: Ende bucchgelefen zu werben. ebenfalls erkennt man. 
darin viel Empfindung und Gemüth unb zugleidh jenen:ctwas 
matten ‚aber :eigenthümlichen. eig, bee: für: diefe Form charakee⸗ 
riftiſch ie. Man hat gefapt, das Sonett eigne ſich für bie, 
beutfihe, Sprache. nicht; aber bie Sonette Apel's beweiſen⸗ das; 
Gegentheil. Man hat auch gefagt, daß man das Sonett, wenn 
men fich feiner im Deutfchte, bedienen wolle, frei und willtüns 
lich behanbein. map; aber: ein in ber Form. frei. behandeltes 
Gonett. iſt eben.. nur ein vierzehnzetiiges. Gedicht, Fein. os 
nett mehr. Leibe bat mam.japt für das fireng Wuſikaliſche 
der Form ‚übicheupt bad Gehör verloren. 

Die: dritte Abtheitung bietet enzählende Gedichte; weiche, 
ohne ein..befonderes Talent des. Dichters: für dies Geate darzu⸗ 
thun, doch lesbar und. zum: Theil audy gelungen: zu. nennen 
find; biesunter. beſanders die .Ballabe ‚„‚Moasienbilb”, an ‚weis 
due: wie: nur: die etwas: gu auffällige Brrite tabein- möchten, 
Was aber ber: Didster mit der fünften. und legten Abtgellunge 
„Hypochandriſche Gedichte“, eigentlich: beabſichtigt, weiß: Refo 
nicht zu ſagen. Der Dichter verleugnet auch hier nirgend den 
gewandten Berfiſficator, aber es iſt eben zu. viel: Brefi 
und zu wenig poetiſcher Inhalt; ſelbſt, bee Ausdruck iſt vom 
allem dichteriſchen Colorit entbibßi. In: einen Katechieus, eine 
moraliſche Biumenleſe, nieht in; eine, Sammlung von Gebichten, 
womit ein junges Poet bebatist, gehoͤren Strophen wie. dieſe: 

IR aber wol: der Reiche -zu bebanern, 

Weil er viel leichter ˖in Verfuchung: vennt? 

Er wird gewiß fein Schickſal nicht betwaueen, 

Wenn er den Werth: des Neichthumb nur erbeunt; 

Und nicht durch ihn zur Faulheit wird: getrieben, 

Bu. trägen: Nichtsthun, weichlichem Vergnuͤgen u. f. w. 
Gedanken dieſer Art mögen wahr fein, aber was blos wahr tft; 
ohne poetifch zu fein, laͤßt fich viel beredter und anfdaulicher 
in Profa ausdrüden. Da wir Talent und Gemüth des Dichs 
ters in dieſer Sammtung achten und lieben gelernt haben, füh⸗ 
len wir uns um ſo mehr zu ber, Mahnung verpflichtet, daB 


er der einfachen lyriſchen Grundſtimmung, welche in der erſten 
Abtheilung dieſer Sammlung und in den Sonetten ſo rein und 


enuͤgſam waltet, treu und 
ge möof m waket, u und feiner hypochondriſche 


n veunen dere 





Notigen. 

Sir Zohn Herfchel Hat der Royal society bie Beſchreibung 
einer von dem verftorbenen Gapitain Kater: erfundenen aftroe 
nomiſchen Uhr nach hinterlafferren Bemerkungen, die fein Sohn 
Eduard Kater zufammengeftelit hat mitgetheilt. Der Zweck 
der Erfindung bezieht fish auf die Gonftruction bes Stoßwerkes, 
indem bem Pendel eine in ſich felbft vollkommene, nicht von 
einer tigen Vorrichtung abhängige Bewegung gegeben 
werden fol. 


Bon Sohn Gampbell if eine Abhandlung über das gegens 
feitige Verhältniß der durch die Schiffahrt gemachten Entdedungen 
und ber hriftlichen Miffionen herausgegeben ‚worden. 47, 


Verqntwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhausd — Drud und Verlag von F. A. Brolbaub in Leipzig. 


⁊ 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Auffaffung. 
weiter Artilel. 
(Beſchluß aus Mr. 206.) 

Das zweite Moment, das beftimmend auf ben Gang 
der Reformation einwirkte, war das Fehlſchlagen ber nun 
doch endlich in Folge der Wahlcapitulation Karl's V. ine 
Leben getretenen ftändbifchen Reichsregierung, in welcher 
gleich von vorn herein die Neformation den größten Anr 
Hang und den eifrigſten, mern auch nicht wirkfamften 
Schutz fand. Wie es kam, da diefe fo wichtige Einrich⸗ 
tung, welche, wenn fie fich hätte erhalten können, unend: 
(ih zur flaatlihen Regeneration Deutfchlande wie zur 
nationelfen Durchführung der Reformation hätte beitragen 
tönnen, dennoch verunglüdte, wird vorzüglich in dem 
„Die Städte und ber kaiſerliche Hof” uͤberſchriebenen Ab: 
fhnitt des vierten Gapiteld des dritten Buches nachge: 
wiefen. 

as dritte Moment war die veränderte Stellung, 
weiche die Neformation durch den unglüdlichen Ausgang 
der beiden in der Maſſe der Nation ausbrechenden großen 
Bewegungen zu ber weltlihen Macht erhielt. Wir mel: 
nen einestheil® die weitgreifenden Plane und Zendenzen auf 
nationale Regierungsform, die ſich in der Ritterſchaft des 
Meiches regten und unter Sidingen’s Anführung zum 
Ausbruch kamen, aber an der Übermadht der Fuͤrſtengewalt 
fheiterten. Diefe Plane, die auf nichts Anderes als den 
Sturz der Xerritorlalgewalt und Begründung der ſtaͤndi⸗ 
ſchen Regierungsform auf bie breitere Baſis des niedern 
Adels und der Stände — aͤhnlich der Stellung, welche 
diefe Stände im englifchen Unterhaufe eingenommen bat: 
ten — ausgingen, waren eng mit der nationalen Durch⸗ 
führung der Reformation verbunden, die damals unter dem 
Reichsadel ihre eifrigften und feurigiten Befoͤrderer und 
Stügen fand. Mit dem Sehlfchlagen jener Plane mußte 
natürlich auch die Ausfiht auf allfeitige Durchführung der 
Reformation durch das Medium des niedern Adels auf: 
hören. Anderntheild meinen wir die in ihren Zendenzen 
noch viel weiter reichenden Bewegungen im Bauernilande, 
die in ihren Motiven und Abfichten ein mer&würbiges Vor: 
fpiet zur feanzöfifchen evolution abgeben und märe es 
möglich gewefen, daß fie Erfolg haben können, wahrſchein⸗ 
lich ſchon damals einen Theil der Ideen, welche Frank⸗ 





24. Juli 1840. 





reich gegen Ende des 18. Jahrhunderts bewegten, vers 
wirklicht haben würden. Sie ftügten ſich nicht blos auf 
die Reformation, fondern hatten fich mit der Sache dere 
felben völlig identificit, und ein Gelingen der demokra⸗ 
tifhen Plane der Bauern zur Reform des Reichs hätte 
auch eine demokratiſche Durchführung der Reformation zur 
Folge haben müffen. Doch der Ausgang entſprach nicht 
den — foll man fagen Hoffnungen oder Befürchtungen? 
weiche das Aufgähren fo ungeheuerer elementarer Kräfte 
des Staatslebens und ihr gewaltiges Auftreten am Ans 
fang rege machten; es fehlte an einem genialen Leiter dies 
fer bäuerlichen Agitation; ihr traurige Ende iſt bekannt. 

So ward — fließt der Verf. den betreffenden Abſchnitt 
feines Buchs — —5 — —* gedaͤmpft, wel —* 
deutſchen Weſen eine vollſtaͤndige uUmkehr drohte. Mit allen 
jenen Planen einer neuen Einrichtung des Reichs von unten 
ber, ober gar ber fhwärmerifchen Umbildung ber Welt unter 
vertang eines fanatifchen Propheten war es nun auf immer 
vorbei. 


Das vierte Moment ift bie Spaltung, bie unter ben 
Reichsfuͤrſten felbft, in Betreff ihrer politifchen Stellung 
zu der veligiöfen Bewegung ber Zeit und der Art, wie 
fie diefelbe zu ihrem Vortheil zu wenden wußten, eintrat, 
und die daraus hervorgehende Meaction gegen die Refor⸗ 
mation unter den Meichsftänden ſelbſt. Es ift dies ein 
Moment, deſſen mwelthiftorifche Bedeutung noch in Feiner 
Geſchichte der Reformation in ſolcher Klarheit und Schärfe 
hervorgehoben und deffen bis auf diefe Tage unmittelbar 
nachmwirkender Einfluß noch nirgend fo einleuchtend nachs 
gewiefen ift; das fünfte Gapitel des dritten Buchs, das 
dieſes Thema behandelt, verdient von Allen, die an ben 
confeffionellen Kämpfen der neueften Zeit in unfeem Bas 
terlande Theil nehmen, bie größte Beachtung. Es mich 
nämlich darin gezeigt, wie der päpftfiche Hof, da bisher 
teines ber von Ihm in Anwendung gebrachten Mittel ei⸗ 
nen entfcheidenden Erfolg gehabt hatte, feine Augen auf 
die deutfchen Reichsſtaͤnde warf und verfuchte, ob fich nicht 
einer ober der andere beutfche Meichsfürft finden wuͤrde, 
der feine Sache von der allgemeinen des Reichs trennte, 
und fi) mit ihm (dem Papfte) vereinigte, flatt fich dem 
zu fafienden Reichstagsbefchlüffen zu unterwerfen. Diefe 
Machinationen gelangen, und bald war eines ber mächtig 
fien Sürftenhäufer, das der Herzoge von Baiern, für den 
Papſt gewonnen. Mit diefem Moment beginnt bie eigen⸗ 





73 


thuͤmliche Stellung, bie Baiern Jahrhunderte hindurch zu 


Kaifer und Reid) einerfeitd, und andererfeitd zum Proteſtan⸗ 
eind 


tismus und der römifchen Kirche eingenommen hat, 
Stellung, die die eigenthämliche Politik erzeugte, welche 
diefes Fuͤrſtenhaus mit geringen Umerbrechungen ‚feit jener 
Zeit bis auf dieſen Tag gelten® gemacht hat. 
gefchehen fei, wie die bairiſchen Herzoge auf dieſe Weiſe 
Das erlangten, was die proteftantifchen Zürften auf einem 
andern Wege verfolgten; wie Baiern, feine Sonderinteref: 
fen verfolgend, ſich von der großen freien Entwidelung der 


Nation. osriß und des Mittelpunkt der papiflifchen Rene: 


tion ward, der ſich bald andere Fürften anſchloſſen; wie 
diefe Ti entwickelte und "fertdk den Knifer in ihre Bereich 
zog, Dies ift, fo intereffant ed auch wäre, bier nicht der 
Det, des Weitern auszuführen; wir müffen die Xefer, wel: 
he befondern Antheil hieran nehmen, nochmals angelegent: 
lichſt auf das befreffende Gapitel im Buche felbft verwei⸗ 
fen und uns mit Anführung folgender, die Refultate furz 
zufammenfaffender Stellen begnügen: 


Diie Reichsregierung, bie mit fo vieler Mühe zu Stande 
gelommen unb im Allgemeinen das Vertrauen ber Nation ge: 
noß, war gefprengt: was an beren Stelle getreten, war nar 
ein Ranre, ‚ein Schatten. Ber Kaifer war entfernt und in den 
keaten Sahren waren feine Einwirkungen nur negativer Art 
geweſen: er hatte nur immer das Beſchioſſene verhindert. Die 
beiden Hierarchien, an deren Aufrichtung die vergangenen Jahre 
bunberte gearbeitet, bie geiftliche und bie weltliche, waren in 
einen tiefen allgemeinen Zwieſpalt. Das Verſtändniß der vor- 
wahtenben Kürften, worauf immer die Einheit des Reichs be⸗ 
ruht hatte, war vernichtet... In der mwichtigften Angelegenheit, 
die jemals: vorgelommen, war bie Ausficht nerfchwunden, «es 
zu gemeinfihaftlidken Maßtegein zu bringen. 

Die Summe es Ereigniffes iſt: Das Reich Hatte befchtof: 

fen, in ber großen Angelegenheit, welche alle @eifter der Res 
tion befchäftigte, mit gemeinfchaftlicder Berathung gu Werke zu 
gehen: — dem Papft gelang es, die Ausführung diefer Abficht 
u verhindern, einen heil der deutſchen Fürften zu einer ein- 
Feigen Vereinbarung in feinem Sinne fortzugiehen: — bie 
übeigen aber verfolgten bie einmal im Einklang mit den Reichs⸗ 
geſetzen eingefchlagene Bahn. 

Dies iſt der Urfprung ber Spaltung, die feitbem noch nicht 
wieber hat beigelegt werden Eönnen: immer in Folge deſſelben 
auswärtigen Einfluffes, der fie damals hervorrief. Hoͤchſt merk: 
würdig, daß ſich ſchon In jener Zeit alle die Hinneigungen of: 
fenbarten, . die hernach Jahrhunderte lang ausgehalten haben; 
gkeich im erſten Moment aber zeigte fich bie ganze Unermeßlich⸗ 
keit ber Gefahr, die man damit über fich hereinzog. 
Dagegen war ber Kampf niit den elementaren Geiftern 
des deutfchen Weſens vollendet: wie die Ritter, To waren nun 
auch bie empösten Bauerfhaften und ber :mit Ihnen werbünbete 
heil ber ſtaͤdtiſchen Bevölkerung überwältigt; — bie im Laufe 
der Jahrhunderte allmälig entwickelten Iocalen Gewalten hatz 
ten fi. aufs. neue in allen Stürmen behauptet; — ohne Theil: 
nahme des Kalfers, oder bes Regimentes, mitten im Zerfall 
aller centralen Autorität waren ſie doch ſtark genug dazu 
geweſen. 


Damit war es nun auch entſchieden, daß ber Ent: 
wickelungsgang der Reformation von jetzt an fein natio⸗ 
neiler, ſondern ein territorialer fein follte, aͤhnlich der Po: 
litiſchen Entwickelung Deutſchlands, die ſich auch immer 
mehr von ihrem Mittelpunkte, der Idee des Reichs, ent⸗ 
ſernte und in ben einzelnen Territorien vor ſich ging. 
Mit dem Schluß des dritten Buches ift der Verf. auch 


Wie dieſes 


21770 Ä 
4 + 

am Schluß ber erflen Phafe des Entwickelungsganges der 
Reformation angelommen; von nun an gilt es nur nad: 
zuweifen, wie fi die Reformation local ausgebreitet und 
feftgefegt hat. Dieſes gefchieht im vierten Buche, das 
mit einer Damklellung der auswärtigen Verhaͤltniſſe und 
einer Schiderung da Kampfes Harl's V mit Stanz I, 
von Frankreich beginnt, einem Momente von der hödhften 
Wichtigkeit für die Reformation, da es den Kaifer in po: 
litiſche Feindfhaft, ja endlich förmlichen Krieg mit dem. 
Dapft drachte und ihn zwang, die reformatoriſche Partei 


im Keiche zu ſchonen, um fich den Rüden frei zu echal⸗ 


ten und die päpftliche Partei, an deren‘ Spike Baiern 
ſtand, zu neutsaiifiven. Mehr als je wird in Disfem. Zeit: 
punkt der Gang der Reformation von der Politik beſtimmt. 
Noch ſchien es einen Augenblick auf dam Reichſstag zu 
Speier im Jahre 1526, als wotte die Reformation wies 
der zur Sache des Reichs gemacht werden und eine na⸗ 
tionelle Entwidelung erhalten, was beſonders durch die 
von der Mehrheit der Reichsſtaͤnde grfoderte Aufhebung 
des wormſer Ediets gefchehen fein würde; allein: die Del 
tie hinderte den Kaiſer ebenfo daran, wie fie ihn Hinderte, 
die reformirenden Keihsflände mit Gewalt zur Befolgung 
bes wormſer Edictd zu zwingen. Der Verf. faßt dies 
fehr. treffend folgendermaßen zufammen: 

Wer hätte unter biefen Unfänden, ba ber Kaifer von 
ſelbſt auf ein Augeftändnig Fam, das man in Deutfchland drin⸗ 
gend foderte, nicht erwarten follen, baß es nun auch gegeben, 
ausgefprodhen werben würde? Es wäre ohne Zweifel nur auf 
Ferdinand angelommen. Der aber war doch nicht dafür. Sein 
vornehmftee Grund war ohne Zweifel die Ruckſicht auf bie Lac 
tholifchegefinnten beutfchen Stände. Ferdinand wußte ohne Zwei: 
fel noch beſſer als fein Bruder, wie nothwenbig es fel, fie zu 
fhonen. In Rom hatte man in diefem Augenblid den Gedan: 
Ten gefaßt, die roͤmiſche Königskrone irgend einem Gegner des 
Kaifers anzubieten, und ſchon bewarb ſich Hergog Wilhelm von 
Baiern bei den einfinßrticäften Kurfürften um diefe Würde. 
Den katholiſchen Fürſten das Edict zu entreißen, auf bas fie 
ihre Verfolgung der Evangelifchen hauptſaͤchlich gegründet, hätte 
fie zu ber reſoluteſten und gefährlichiten Feindſeligkeit veranlaſ⸗ 
fen Eönnen. 

Allein ebenfo wenig vermochte ev doch oben war er ge— 
neigt auf bie allgemeine Crecution bes wormſer Edietes zu 
dringen. Gin vollommener Sieg ber Anhänger des Papſtes 
wöre dem Haufe Öftreich fogar verderblih gewefen. Da nun 
weder die Ausführung noch die Aufhebung des wormfer Edictes 
rathſam erichten, da auch jene vermittelnden Vorſchlaͤge nicht 
durchdringen konnten, fo machte füh ein Prineip geltend, daß 
Schon: eine Bett daher in den Ereigniffen mitgewirkt Hatte, aber 
in der Ziefe, ohne zu allgemeinem Bewußtſein gelangt zu ‚fein. 
Das Princip der Territorialentwidelung bemädhtigte 19 au 
ber religiöfen Angelegenheit. — Es war gleich unthulich, den Fa= 
tholiſchen Ständen das wormfer Ediet wieber gu entziehen und 
es den :evangelifchen neuerdings aufzulegen: — der Gedanke 
brach fi Bahn, jeder Landſchaft, jedem Reichsſtand in Dinz 
fit der Religion: die Autonomie zu gewähren, bie fie einmal 
auszuüben begonnen hatten. Es war das Leidhtefle, Natür⸗ 
lichfte: Niemand wußte etwas Beſſeres anzugeben. Dfe Triebe 
der religiöfen Sonderung, welche feit 1534 hervorgetreten, be= 
hielten über dic Verſuche, die Einheit durch Reform zu behaup⸗ 
ten und feſter zu ſtellen, bie Oberhand. Es iſt ein Moment, 
in welchem alle allgemeinen und beutfchen Verhaͤltniſſe zuſam⸗ 
mengreifen, in welchem bie frühere und bie fpätere beutfche 
Geſchichte fih voneinander trennen — obwol er äußerlich nicht 
bedeutend erſchien, — daß man in bem Reichsabſchied feſtſegte, 


1 
bis zu mw aftgemeimen ober natlonalen be rn | Seifertiain wieder zu maͤchtig zu werben tmohte, ſabſt 


am welche man bitte, werde jeder Stand in Sachen, die 

wormfen Edict batreffe, „ſo leben, vegieren und es halten, wie 
er es gegen Geit und kaiſerl. Maieftät zu verantworten ſich 
getraue.“ Diefe Worte find unendlich wichtig geworden. Bie 
enthalten die gefsgliche Grundlage der Ausbildung der deutſchen 
Landeslirchen; zugleich aber involoiren fie die Trennung der 
Nation in religiöfer Hinſicht. Es find die für bie beatfchen 
Geſchicke entfcheidenden Worte, Der Katholieismus würde ſich 
nicht haben behaupten laſſen, wenn das wornfer Gbict ſormt 
lich wäre ‚gurüdgenommen worden. Die evangelife Partei 


hätte ſich nicht auf legalem Wege ausbilden können, wenn man 


auf der Ausführung deſſelben beſtanden hätte. Die Entwidelung 
der sinen wie ber andern Seite Enüpft ſich an biefen Moment. 
Hiermit ift auth die politifche Stellung angedeutet, bie 
Öftreich Zahrhunderte lang von jegt an in der großen, 
durch die Reformation bervorgerufenen Bewegung einge 
nommen und, ttotz manther durch die Umſtaͤnde hervorge⸗ 
rufenen Schwankungen nad) der einen oder andern Seite, 
fortwährend feftgehalten bat: jene in der Mitte ſchwebende 
Stellung, in welcher es durch Gründe der Politik gezwun⸗ 
gen war die proteflantifhen Gegner zu fchonen, um an 
ihmen ein Gegengewicht gegen den immer nach dem über⸗ 
gewicht firebenden Einfluß der Curie und gegen die von 
diefer unterflügte und auf fie gegründete Rivalität Baierns 
zu babenz im welcher aber auch andererſeits bie bem Haufe 
ſtreich, durch feine Romaniſirung in Burgund und 
Spanien und feine damit in Verbindung fichenden Haus: 
intereffen, eingepflanzte Antlpathie gegen die Reformation 
es binbderte, ſich diefer hinzugeben oder gar an ihre Spige 
zu fiellen. Neben biefer vermittelnden Stellung, bie ihrer 
Natur nach eine zähe, erfpestative, binhaltende, energifche 
Entwicklungen und Zöfungen vermeidende Politik, wie dke 
öftreichifche von jeher gewefen ift, hervorrufen mußte, 
ift aber auch die des bairiſchen Hauſes gegeben, das feit 
der Reformation mit eben der Ruͤckſichtsloſigkeit nach ins 
nen und außen, wie Preußen im 18. Jahrhunberte, 
auf Vergrößerung feiner Setbftändigkelt, mit einem Worte 
nad) Souverainetät hinarbeitete, nur mit dem Unterſchiede, 
daß es dabei durch den Katbelicsmus zu dieſem Ziele zu 
gelangen fuckte, während Preußen auf den Protekantld 
mus fich ſtuͤtzte. Warum es nicht zu gleich bedeutenden 
Refultaten gelangte wie Preußen, ſcheint uns nicht ſchwer 
zu erklären: die, alles geiflige Leben, alle fittlichen Kräfte 
fördernde Natur des Proteflantisaus, gegenuͤber der mehr 
anf Erregung der Sinne und Rmechtung ‚dee hoͤhern Gei⸗ 
ftesträfte hinauslaufenden Tendenz des modernen, weſent⸗ 
lich bis auf die Mitte des vorigen Zahrhundertd vom Se: 
ſuitenthum geflalteten Katholicismus möchte allein hinrei⸗ 
chen, dieſes Problem gu erklaͤten. Wiewol es nun Baiern 
nicht gelungen iſt, eine ſolche poſitive Bedeutung wie 
Preußen zu erlangen, ſo hat es doch auf der negativen 
Bahn das Moͤgliche geleiſtet: ſeit der Reformation hat 
es — wenn es erlaubt iſt, alte Parteinamen analog wie⸗ 
der anzuwenden — an der Spitze der guelfiſchen Partel 
geſtanden: wo es galt, die kaiſerliche Macht zu ſchwaͤchen, 
war es faſt immer der Heerfuͤhrer; und wie oft war es 
bis auf die neueſte Zeit nicht der Hauptverbuͤndete Frank⸗ 
reiche in Deutfchkandt ja, es tieß in Augenbiiden, wo das 


da es unmöglih fein Plan fein Eann, 
ſchoͤnen Torſo zu liefern. 
und Innere Werhättniffe daran hindern! und möge er auf 


fene fo maͤchtigen Sympathten fhe der Katheticismus 
fchweigen und Hinter fetne polftifchen Intereſſen zuruͤcktrẽ⸗ 
ten. Man kann ſeine Politik ſeit der Zeit, von der wir 
handeln, bis auf den heutigen Tag, als eine weſentlich 
guelfifchskarhotifche charakterifiren. Welche ehtgeigigen Piame 
Baiern ſchon damals hegte, zeigt unfer Verf. — nal: 
den’ er Im dritten Capitel des vierten Buchs den Krieg 
Karl's V. gegen den Papſt und die Einnahme von Rom 
geſchildert — im vierten Capitel deſſelben Buchs, das vor 


| den boͤhmiſchen und mngaeifchen Berhätmeffen handel 


Wir fehen da, daß die Herzoge von Baiern feinen geiin: 
gern Plan begten, als mit Hülfe von Polen und Frank: 
veih Böhmen, Mähren, Schlefien und die Lauſitzen an 
ſich zu bringen und einem von ihnen, dem Herzog Wil: 
beim, mit Hülfe des Papſtes die roͤmiſche Koͤnigswuͤrde, 
im Grunde als Gegenkoͤnig gegen Karl V., zu verfchaffen. 

So hätte nun ber Verf. die große religiöfe Bewegung 
des 16. Jahrhunderts durch die verfchiedenen Phafen ihr 
res Aufgangs Bis zu dem Punkte geführt, wo fich Ihe 
politiſches Schickſal entfchled, mo ihre Stellung zu den 
übrigen Mächten der Melt und bes Lebens in Deutſch⸗ 
land beftimmt warb: nämlich bie zur „Gründung evanger 
lifchee Zerritorien‘‘, von der er, nachdem er in dem fräs 
been Gapktein gezeigt, wie der ganze Gang der Begeben⸗ 
heiten endlich auf fie hatte führen muͤſſen, im legten Gas 
pitel eine Überfichtliche Zufammenftellung gibt und damit 
bie auffteigende Periode ber Reformation zum Abfchluß 

ringt. 

Zum Schluß erlauben wir uns nur noch den Wunſch 
auszuſprechen, daß es dem Verf. gefallen moͤge, ſein Ge⸗ 
ſchichtswerk weiter und bis zur voͤlligen Durchfuͤhrung der 
Reformation zu führen und fo uns nicht blos „ Deutfche 
GSeſchichte Im Beitalter der Reformation“, fonden „Die 
beutfche Gefchichte des Zeitalters der Meformation” zu ges 
ben. Daß er dies felbft beabfichtige, zweifeln wir nicht, 
ung nur einen 
Mögen ihn nur nit aͤußer 


bee Bahn der hiſtoriographiſchen Entwickelung, die ihr 
fon in die Reihe der erſten deutſchen Geſchichtſchreiber 


gebracht hat, fo züftig, feſt und energifch fortfchreiten, daß 
er ſich den erſten Gefchichkfchreibern alles Zeiten anveihet 


Vlelleicht traͤgt die Wendung, welche die. Beltgefchichte zu 
nehmen begiunt, bie fo manche Halbheiten und fo viel 
BVerfehltes der naͤchſten Vergangenheit aufdedt unb bie 
Gegenwart aus ihrem gefährlihen Schlummer aufzu: 
weden anfängt, das Ihrige dazu bei. 48, 





David Rittenhouſe. 


Die vor kurzgem erſchienene fiebente Band von Jareb 
@parte’ „Library of american biography‘’ enthält am Schlufſe 
eine Biographie David —— — welcher zu ben verglefs 
Aungsweife wenigen wiſſenſchaftlichen Größen gehört, die in 
bee amerikanifchen Geſchichte Hervorragen. Er nimmt in dem 
aftronomiſchen Gebiete eine aͤhnliche Stelle efn wie Franklin 
In ben Naturwiflenfhaften und Bowditch in der Mathematik. 


on ame deutet auf fremde Abflammung ; fein Urgroß⸗ 
vater A aus dem Herzogthume Geldern nah Reuyork und 
von da nach Pennfplvanien ausgewandert, wo ex bie erſte Pas 
pierfabrit auf dee weſtlichen Hemifphäre anlegte. David ward 
1732 geboren. Viele Jahre lang ward er zur Arbeit auf einer 
Meierci angehalten, aber ſchon damals befundete ſich die Kich⸗ 
tung feines @eiftes durch Zeichnungen auf ben Pflugfangen 
und dem Wirthfchoftsgeräthe; der Weräthekaften eines Oheims 
verfchaffte ihm Inſtrumente zu mechanifcher Beſchaͤftigung, und 
ehe er neun Jahr alt war, hatte er ein Modell zu einer Waſ⸗ 
fermühle gebaut. Dieſe frühzeitige Befchäftigung warb für ihn 
son großem Wortheil; als er feine, ihm großen Kuf verichafs 
fenden Beobachtungen des Durchgangs der Wenus 1769 machte, 
zührte faft fein ganzer Apparat, außer einem ihm von Mr. 
Henn aus England geſchickten Teleſkope, von feiner eigenen 
Arbeit her. Bei biefer Gelegenheit war feine Sorglichkeit uns 
gemein groß. Des Morgen des erwarteten Tages brach unbes 
wölft an, und nicht einmal dee bünnfte Dunftfchleier fchien bie 
Beobachtungen flören zu wollen. Bei feiner Freude über den 
Hünftigen Stand der Atmofphäre und bei feiner Spannung 
durch die Näherung der Zeit, da er die Frucht langer und ans 
geftrengter Arbeit ernten follte, erfehte ihm Aufregung die Stelle 
der Kraft. ber als das Zufammentreffen beobachtet und der 
Planet ganz in bie Sonnenfheibe eingetreten war, ba war 
aud feine Körperkraft erfhöpft: ex ſank zu Boden, nicht im 
Stande, das durchdringende Gefühl des Entzückens über bie 
Erfuͤllung feiner Wünfche zu ertragen; body erholte er ſich bald 
und vollendete fogleidy die Meſſungen der Abftände zwifchen ben 
Gentren der beiden Körper nad beftimmten Zwifchenräumen in 
dee Dauer des Durchgange. Viele andere feiner Beobachtungen 
finden ſich befonders aufbewahrt in ben Verhandlungen ber 
ameritanifchen philofophifchen Gefellihaft, deren Präftdent er 
war und zwar als Nachfolger Franktin’s und als Vorgänger 
Sefferfon’s. Ralande erwähnt fie mit Achtung und fpridyt von 
feinem Obfervatorium als von dem einzigen nennenswerthen in 
Amerika. Diefes hatte ſich Rittenhoufe auf eigenem Grund und 
Boden und zwar zumeift mit eigener Band errichtet. Das jeht 
lebende Geſchlecht vermag die Schwierigkeiten biefer Art gar 
nicht zu ermeffen, welche damals ein Gelehrter in Amerika zu 
betämpfen hatte; um fo mehr muß man fi) verwundern, daß 
die Darvardsitniverfität, das Altefte, reichfle und ausgezeichnetfte 
ameritanifche Collegium, noch heute Fein Obſervatorium beſitzt 
und erſt jest einige Anftrengungen zur Errichtung eines ſolchen 
made. Andere Störungen brachten ben wiffenfchaftlidhen Be⸗ 
ſchaͤftigungen Rittenhoufe’s die Anfpräche, welche bas Öffentliche 
Gtaatsleben in Amerika an ihn, einen Mann von Talent, ge: 
fundem Urtheile, Sinn für das Öffentliche Leben und gutem 
Rufe, machte. Wir finden dem gemäß Rittenhouſe ald Mits 
glieb der pennfploanifchen gefeßgebenden Verſammlung und bes 
erften äffentlihen Wohlfahrtsausſchuſſes beim Ausbruche bes 
Kriegs; dann als Staatsichagmeifter, als Mitglied bes zweiten 
MWohlfahrtsausfchufies, als Beauftragten zur Befichtigung ber 
Grenzlinien, wie zur Errichtung einer Wereinigtenflaatenbant, als 
Director der Ratlonalmünge, als Präfidenten der demokratiſchen 
Geſellſchaft zu Philadelphia u. ſ. w. Er flarb 1796, 47. 





Notizen. 


Eine wichtige und auch für manche Lefer d. Bl. inters 
eſſante Entdeckung beichäftigt die Belehrtenwelt in Paris. Man 
hat nämlich mehre wichtige Abhandlungen Champollion’s, be- 
zen Berluft bis jegt von den Gelehrten ſchmerzlich betrauert 
wurde, unerwartet unter den Papieren eines vor nicht gar 
langer Seit verftorbenen jungen italienifchen Altertyumsforfchers 
und Schülers Shampollion’s, mit Namen Galvolini, gefunden, 
der fie feinem Lehrer während ber Krankheit beffelben offenbar 
entwendete, um fie fpäter als eigene Arbeiten in bie Welt zu 
fhiden, wie er denn bereits auf manche biefer Abhandlungen 


] die 


| 


fümmttid; von Shampollien’s eigener, nicht leſcht au von 
Uennender Handſchrift find, gefchrieden hat „par — 
Die Abhandlungen befinden ſich gegenwärtig in ben Händen ber 
Sonfervatoren der Töniglichen Bibliothek und werden hoffentli 
bald in Drud erfcheinen. Ihre Wichtigkeit mag man Mi 
der folgenden Angabe beurtheilen: 1) „, Diotionnaire hiero- 
elypbique sur cartes’”’; 2) „Le möme sur feuilles iseldes‘‘; 
5) „Le travail sur l’insoription de Rosette”; 4) ‚Une pre- 
miere copie de la grammaire &gyptienne‘‘, 5) „‚Me&moire lu 
& V’Institut en 1831, et sur leguel M. Biot a dejä publie 
un vol. in 4,, de l’application & l’astronomie ancienne et au 
calendrier Egyptien’; 6) „Le journal du voyage en Nubie‘ 3 
7) „Le journal du deuxième voyage en Italie”; 8) „Le com- 
lement de la grammaire copte‘’; 9) „‚Divisions et extraits 
u grand rituel funeraire hierogl hie‘? ; 10) „Matériaux pour 
le Pantheon &gyptien”; 11) „Extraits concernant les Tan- 
gues hebraique, chaldeenne, sethiopienne, samaritaine, 
phenicienne‘’; 12) ‚„‚Materiaux pour le traitö de la religion 
tienne‘’; 13) „‚Bistoire de ’Egypte.” Im Gangen find 
es 24 Abhandlungen von Champollion. Entdeckt wurbe Gal; 
volinis Diebſtahl auf folgende Weife. Bor zwei Monaten kam 
ein Italiener, Verardi, zu Sharles Lenormand und bot demfelben 
GSalvolini’s Papiere an, beren rechtmäßiger Beſitzer er zu fein 
verfiherte. Lenormand, felbft ein ehemaliger Zoͤgling CTham⸗ 
pollion’s, erkannte ſogieich die meiften der Papiere für Hands 
[Beiften feines ehemaligen Lehrers und verlangte bie Rüdgabe 
erfelben, die auch nad einiger Zeit erfolgte. 


Wie man aus Münden berichtet, Hat der König von Baiern 
ben berühmten Raturforfcher von Martius na England 
und Frankreich gefhidt, damit er mit ben Regierungen biefer 
Länder über den Austaufh von Doubletten von Büchern in 
den Öffentlichen Bibliotheken unterhandele. Ein ähnliches Übers 
eintommen fol bereits zwifchen Baiern und Öftreich abgefchlofs 
fen worden fein. Wir glauben bei dieſer Gelegenheit darauf 
aufmerkfam machen zu müſſen, daß bie erfte Idee zu einem 
ſolchen Doublettentaufhe von bem berühmten Bauchredner 
Alerander ausgegangen ift, ber bei feinen Kunftreifen Keine 
Gelegenheit verfäumte, auf den Nutzen eines foldhen Zaufches 
aufmerkfam zu machen, und allen Zürften, denen er vorgeftellt , 
wurde, biefe wichtige Angelegenheit dringend empfahl. Es war 
bies des liebenswuͤrdigen Künftlers Lieblingsibee und er bat dem 
an mit wahrer MBegeifterung flunbenlang bavon vor: 
geſprochen. 


Dr. Julius in Hamburg bat eine hoͤchſt intereſſante Bro⸗ 
ſchuͤre über eine _gewiffe Eleonore Bribgeman herausgegeben, 
die nur einen Sinn bat. Diefes junge Mädchen, Ameris 
Tanerin, gegenwärtig zehn Jahr alt und in dem Blindenins 
ftitut in Boſton erzogen, entbehrt das Geſicht und Gehör, und 
ihr Geruchſinn iſt dabei fo flumpf, daß man mol fagen Bann, 
fie kann nur buch das Gefühl Wahrnehmungen machen. 
Geiſteskraͤfte find nichtsbeftoweniger in fehr hohem Grade ents 
widelt; fie ift Heiter unter ihren Gefährtinnen, benen fie mit 
warmer Liebe anhängt. Sie nähet, fie ſtrickt und unterfcheibet 
Wörter, die man ihr in erhabenen Buchſtaben vorlegt, ja fie 
kann fogar Wörter aus ſolchen Buchſtaben zufammenfegen,, ob 
fie gleich exft zwei Jahre in der Anſtalt iſt, wo fie biefe Er⸗ 
ziehung genoflen hat. 


Stephen, ber befannte Verf. von „Incidents of travel’, 
ift mit einem fpectellen Auftrage von Geiten ber Regierung der 
Bereinigten Staaten nad) Guatemala gegangen und zwar in 
Begleitung Catherwood's, eines Künftlers, ber fi vorgenomz 
men bat, bis Palenque zu reifen und Zeichnungen: von ben. 
bortigen Außerordentlichen auwerken zu machen, welche feit ei⸗ 
nigen Jahren fo große Aufmerkfamkeit unter den Alterthums— 
forſchern erregt haben. 51, 





Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


littrarifche Unter 


haltung. 





Sonnabend, 


xr. 20. — 


25. Juli 1840. 





EEE — u SET are et ef et — 


Dramatifche Buͤcherſchau firr das Jahr 1839. 
Bweiter Artikel. 

Im Ermfte offenbart ſich die Größe des Deutfchen. 
Das berveift feine Geſchichte ſeine Literatut, dafür fpricht 
vor Allem am lauteſten feine dramatifche Poefie. Wenn 
der Deutſche ſich Hinfegt und eine Tragoͤdie ſchreibt, fo 
mag er gegen alle Geſebe des guten Geſchmacks fündigen, 
groß wird er ſich dennoch felbft in den unverzeihlichiten 
Fehlern zeigen: Müflen wir doch zugeben, daß felbft 
Schiller die begeifterte Theilnahme, mit welcher noch jett 
und wahtrſcheinlich zu allen Zeiten die Jugend und die 
Frauen ſich in feine Schoͤpfungen vertiefen, zu einem 
großen Theile den Liebenswürdigen Fehlern zu verdanken 
bat, an denen feine Dramen kranken. Und fo wird es allet 
Wahrſcheinlichkelt nach immer bleiben. Der Deutſche wird 
Tragodien ſchreiben, fo Lange die deutfche Sprache fortlebt, 
und biefe Tragoͤdien werden erhaben, fehlervoll, fogar ges 
ſchmack⸗ und formlos, aber dennody Tragödien fein, für 
die man nicht Übel Luft empfindet, zu ſchwaͤrmen. 

So ift es wenigſtens uns ergangen bei der Lecture 
der meiften Dramen etüfter Gattung, die im vergarige: 
nen Jahre, vermuthlih ale arme Waifenkinder, in die 
Welt gefcpleudert worden find. Auch bekennen wir offen 
berzig, daß allein diefe Entdedung und einigermaßen die 
Maffe des Schlechten und Mittelmäßigen vergefjen machen 
Tann, womit die Bühne uͤberſchwemmt, die Pieffe beſu⸗ 
beit voird. Groß freilich iſt die Ausbeute nicht, ja das 
Belle unter dem Beſſern find ſegat nur Goidiörnet in 
ungeſtalten Ergſtufen, die allerdinge ſeltſam genug funkeln 
und Bligen, damit aber auch alter Üfthetit das Liebe Kugens 
licht zu bfenden fuchen. Indeß feien auch diefe Zeichen vor: 
handener Zalente, dramatiſchen Vermögens, dem es leider 
an einem Tummelplatze fehlt, um e8 nugbar anzuwenden, 
und großer poetiſcher Kraft wilkfommen! Mit etwas leich⸗ 
term Herzen ziehen fölr zum zweiten Mate den Vorhang 
auf, um abermals eine Reihenfolge diesmals größtentheils 
ernfter Lebensbilder an ung vorüberziehen zu laffen. 


10. Kail } IV. Gine Trgoddie von, Kriedri 
sin nein. eeipgla, 8. —2— 3 ss 


it bit, daß ein deutſcher Kaiſer vor Anderh deh Vot⸗ 
ttitt haͤde, wäre es auch nicht der vierte Heinrich, diefer atdpte 


) Bot. den eißen Attikel int. 12610 d. Si. DI BED." 


. gen Jahren 9: 


haben tafentvolle dramatifche Dichter verfucht bie Geflalt 
iß'8 IV. auf die Bühne oder. vielmehr Ins Drama gu DE 
m, bi6 jet aber find alle Verſuche ber Art nicht eben glüd; 
td ausgefcjlagen. Dir Stoff mag bramatifde Elemente, ia 
Menge in fi bergen, nur fragt 4 fi, ob nit —— un 
fer Reihthum die hervorragendfte und gefährlichfte iopt 
ben bramatifhen Dichter tft? Heinrich’ IV. ganzes Leben in 
ein Drama zufämmenzubrängen {ff unmöglich, und einen & 
zelnen Abſchnitt daraus zu wählen, hat wieder. feine größth 
Schwierigkeiten. Denn in, bem ereignifreicen Leben biefes 
außerorbentlichen Mannes entwideln ſich bie einzelnen dedeu— 
tungsvoliften Eebensabfchnitte immer fo folgertcht aus feinen 
feähern Thaten und Unthaten, daß jedes Drama ohne Hinweis 
darauf unverftändlid bleiben muß. Sa, hätten wir nod eine 
BWütne, tie Shakfpeare fie befaß, und ein Pubtttum, bas von 
Hads aus poetiſch geſtimmt, ſich ungentet den Gfnbrädkert: det 
Wüßnenbatftelung hingäbe, das Naivetät genug In fd; tedpe; 
eine verſchobene Goulifie, einen Yerabhängenden Borbang ni 
gu bemerten, nicht zu laden über zwanzig Mann Statiſtem 
weni fle ein Heer vorftelen follen, und was ber n 7 
dieſer Art mehr fnb: da [a 7 
raum für großartige br 
es auch juft Feine ganz 
wären! Wir würden ba 
auf der Bühne begrüße 
die gewaltige Werganger 
unferer Tage wieder na 
tft, täße ſich mit ſoichen 


Sqhmerzenstrͤger unter den deutſchen Kaiſern. Con 
ns 





haupt nichts ausrichten. 
Einfan gehabt, in bir 4 
ven und. & id 
bild in Wilfhrlickeiten 
Dies allein gon wärk hi 
von dee Bähne fern Ei 
fd, das in der Aufl 


* U 
in. Wurde \ 


ty gäitt Geäenftand 

laͤßt ſich nichts einwender 
gebene für den Bau eiı 
was gerade bei diefem S 
indem Heinfipd Ende fi 
fpiel fein kann. Der D 
den, folk fein Sethicht © 
wenigftens ahnen laffen. 
bietet num von alte der 
wollte man aud über v 
diefer Klippe gefägritert. 
t gsraſſ 
* —— e 
are jüge f 
som“ es ſqheinen· 86 fei 





ein hoͤchſt dankbarer Stoff für einen großartigen hiſtoriſchen 
Roman. Sn einem folchen könnten, was dem Drama nicht 
geftattet iſt, die verichiedenen Epochen des Kaifers, von feinem 
Zuge über die Alpen an, feiner Buße in Canoſſa, die unmögs 
lich, auch nicht im Drama, unerwähnt bleiben darf, bis zu 
feinem Tode dargeftellt und in irgend einer Weife ein verföh: 
nender Schluß dem Ganzen beigefügt werden. 


Der. Inhalt der vorliegenden Tragödie bebarf nunmehr, 


weiter Eeiner Erwähnung, deſto näher aber müffen wir auf 
des Verf. Handhabung ber Sprache eingehen, die bei allem 
Charakteriſtiſchen doch fo gaͤnzlich verfehlt, oft fogar undramas 
tiſch, ja undeutfch ift, daß es uns oft Mühe gekoftet hat, den 
Sinn berauszuahnen. Rogge verehrt Shakſpeare zu unbes 
dingt, denn er fcheint der Meinung zu fein, daß der Deutfche 
dem großen Briten zu Liebe fogar dem Genius feiner Sprade 
die Flügel verfchneiden müſſe. Diefer unbegreiflihe Irrthum 
ge ihn vermodht einen großen Theil feiner Tragödie in 
erfen zu 'fchreiben, die Fein Menſch fEandiren Tann, da auf 
Kürzen und Längen ber Sylben nicht die geringfte Rüdficht ge: 
nommen ifl. Die Worte werden willfürlih zerriffen, oft 
auch eine Menge einfglpiger Worte fo wunbderlich nebeneinander 
geftellt, daß fie Fein Menſch ausfprechen Tann, ohne einen Zun⸗ 
gentrampf befürchten zu müſſen, 3. B. 
ſolch Bote wird keck, 
" Hält man’d nicht knapp im Baum; 's kommt au an Euch. 
oder: 
Dieweil wir fehn, daß Sener am Altar 

Straflos begeht Todſuͤnd' und wiſſend falſch 

Schwoͤrt bei dem Gott, der uͤber ſeinen Haͤupten 

Donnernd dahinfaͤhrt und dennoch gedeiht 

Und fett wird in der Maſt des Gluͤcks u. ſ. w. 


Stoͤrt ſchon dieſe Kakophonie der Sprache oft bei der Lecture, 
macht das allzu geſuchte Haſchen nach Shakſpeare'ſcher Aus: 
rucksweiſe einen noch unangenehmern Eindruck, um fo mehr, 
als der Verf. eigene Kraft genug befist, um nicht bei Andern 
borgen zu gehen. Scheint es doch fait, als habe Rogge ſich 
gequält, um nur ja etwas Hamletifches in feinen Kaifer Heins 
rich zu bringen, wenn wir folgende Verſe lefen: 
’ Bin ih ein Bube nun und Böfewicht, 
Der abgeftreift den Adel bed Gemuͤths 
Und deſſen Seele badet in dem Pfuhl 
Hoͤchſt freveler Gefinnung! Bin ich denn, 
Wofür wir folhe Namen ausgeheckt, 
Wie Makel, Brandmal, Auswurf bed Geſchlechts, 
Ein garſt'ger Fleck im Antlig ber Ratur! 
ober wenn Kaifer Heinrich fagt: 
. Was nennt Ihr kürzen? 
Kürzt Euern Trotz, font bei Sanct Pancraz, Graf, 
Kürzt Euer Trotz Eur Süd! 
Gin anderer unverzeiplicher Fehler bei Rogge iſt das Wilden 
neuer Worte, wie fie gar nicht gebildet werben, ober ber Bes 
brauch von Provinzialismen, die kein Menſch verfichen Eann. 
Da folche Stellen fehr Häufig vorkommen, müffen wir glauben, 
der Verf. findet fie Schön, was ein feltfamer Irrthum wäre. 
inige Stellen mögen als Beleg bienen und unfer Urtheil rechts 
tigen. Da heißt es: 
Nicht ungethan wirb, was wir gern unthäten. 


er: 
.  Xeeffend, wie Himmelsblitz, augzwinkendiach. 
Gobann: 
Wie Blei und Nachtmahr lag's auf meiner Bruſt. 
Unb endlich gar: 
Irceue warb bärr und Eroß, wie Rohr und Reifig, 
Meineid geftempelt zur Nothwendigkeit, 
Gelnüpft an auf und an, an Dach und Fach, 
Damit Heilbäumigkeit — freier im Raum 
Bette den Banzen! 
Ref. geftcht gern feine Unwiſſenheit ein, tröftet ſich aber mit 
vielen Andern, bie gleich ihm in dieſer Sprache keinen Ginn 


finden Eonnten. Da wir body einmal im Zabeln find, ma 

uns ber Verf. nicht übel nehmen, wenn wir u 8 
bau rügen. Er hat bewieſen, daß ihm gute Verſe auch ge⸗ 
lingen, macht er nun dennoch fo viele ſchlechte, fo iſt dies ents 
weder bloße Nachlaͤſſigkeit oder eine curiofe Liebhaberei, die ihm 
fhwerlid von Nutzen fein wird. Auf bie glatten Verſe im 
Drama, bie immer ein Zeichen von ber Gharakterlofigkeit ber 
darin auftretenden Perfonen find, halten wir felbft nichts, aber 
kurz und Elein baden foll uns ber Dichter ben bramatifchen 
Vers doc aud nicht. Rogge thut es ungefcheut. Gr ſchreibt 


friſchweg: 
Euch alle bitt' ich, 
Stellt doch nicht ſelbſt Cuch ſolch boͤs Beiſpiel auf. 
Schlaf dich zu todt, wenn nicht dein Auge luͤſtern 
Nah Wrack, Rumpf, Trümmern, Scheiter und Gebar 
Ja, alt blind Auge, wein' dich vollends blind, 
Zu ſpaͤt ward klug ſtets, wer es wurde ſpaͤt. 
Oder auch: 
D du Menſch, hoͤrs, in dein Herz greif, benn sin Trugbilb if 
das Biel, 
Dem du nachjagſt, dem bu aufopferfi Natur, Herz und Gefäpt! 
So groß die gerügten Fehler find, fo geht doch ſchon aus ih⸗ 
nen hervor, daß fie nur ein bedeutendes Talent begehen konnte. 
Sie find mehr Zeichen der Kraft als der Schwäche, und bag 
ift fhon viel. Deshalb floßen wir auch auf vortreffliche Stel⸗ 
len, wenn ber Verf. fich felbft meiftert, nicht allein, was die 
Sprache anlangt, fondern auch hinfichtlicy der dramatiſchen Ans 
lage des Ganzen. Leider find es immer nur Stellen, bie troß 
ihrer Zrefflichkeit der Tragödie ſelbſt nicht aufhelfen Zönnen, 
weil unmittelbar an fie bie Derrfhaft der Willlür ober ber 
Sonberbarkeit ſich wieder anſchließt. Großartig gebacht und 
entworfen hat Rogge ben Plan zu biefer Tragödie, und ents 
ſprechend dem Entwurfe find einzelne Charaktere angelegt und 
durchgeführt, fo bie des Kaifers und feines unkindlichen Soh⸗ 
nes. Die Majeftät des Erſtern überwältigt fogar alles Andere 
und macht vorübergehend erfchütternde Eindrücke. An folchen 
Stellen ift auch die Sprache volltönend, ohne gerade melodifch 
zu fein, und wo ber Verf. ein Bild anwendet, ba weiß er, waß 
er will, und bringt in der Regel etwas Neues, Treffendes, 
Überrafchendes. Wie fchön iſt es gejagt, wenn der Sohn ſei⸗— 
nem eigenen Vater, der ihn nach der Sefangennehmung fragt, 
ob er ihn Eenne, zur Antwort gibt: 
Ihr feib mein Water, 
Ganz fo, wie fonft, nur bleicher, abgezeßrter, 
Berbärmt, wies ſcheint, ein ruͤhrend Bild des Jammers, 
Hoͤchſt Elend und gebeugt, Ruin läßt Alles — 
Fur gebt in Euren Augen noch was um, 
Wie Seifter in verfallenen Paläften! 


Auch bie einſchmeichelnde Sprache der Liebe, fo wenig im Gans 
gen der Verf. darauf Rüdficht genommen Hat und fo ftiefmüt= 
terlich er fie behandelt, weiß ex doch zu gebrauchen. 

„Seht ihr wol”, ſpricht König Heinrich zu feiner Gelieb⸗ 
ten, der Graͤſin Bertha, als dieſe fein Thun entfehlich nennt, 

Mit welhem Namendfhwall wuͤrd' erfi mich ſchelten 

Gin füßbethörender Eußblöder Mund, 

An deflen zogen Schwellen Sehnſucht kniet 

Und lauſcht ben Melodien bed Himmels — wenn, 

Wenn bier eu’r Aug’ mit feiner reinen Glut 

Schmoͤlze das Wachs bed Siebenſiegelbuchs, 

Das Herz wir nennen, und woraus wir ſtets 

Der Welt nur zeigen jenen Kernaudsug, 

Der Menſchen mat zu Engeln — u. f. w. 


Ayntide Stellen ließen ſich mit leichter Muͤhe noch mehre aus⸗ 
wählen, wenn ber befchräntte Raum «8 uns geflattete. Für 
Freunde ber Poeſie wird auch das Wenige hinreichend fein, um 
fie auf Rogge aufmerkfam gu machen. Jedenfalls gehört diefer 
Autor zu den beachtenswertheflen bramatifchen Talenten der 
Gegenwart. Das Formloſe, Gefuchte und wunderlich Ge⸗ 


ſchraubte in feiner Sprache ſcheiat uns mehr eine Brille gu 
fein, ale Mangel an Gewandtheit im fprachlidien Ausdrud. 
Ebenfo wird ex früh genug don der Seltſamkeit zurädtkommen, 
einen Fluß auf dem Theater barftellen gu wollen, oder gar ein 
paar Deere einander gegenüber lagern zu laflen. Dergleichen 
Dinge. verträgt nun einmal die fcenifche Einrichtung unferer 
Bühnen nicht mehr. Als einen befondern Vorzug bei Rogge 
müffen wir noch hervorheben, daß er mit wenig Eräftigen 3üs 
gen Kaifer Heinrich's IV. Bemüpen, die Städte dem Adel ges 
genüber zu begünftigen, fehr gut ins Licht gefeht hat. Es ift 
dies in Heinrich's IV. Leben ein fo bedeutender Moment, daß 
ihn der Dichter nicht unerwähnt laffen darf, wenn auch die 
Freiheiten und Gerechtfame, womit er bie Städte befchenkte, 
nur eine Frucht feiner Politit waren. Sie beftanden fort aud 
in den fpätern Zeiten, wo es den Kaifern am wenfgften ein: 
fil, id um Bürger und Bunftgenoffen viel zu befümmern. 
Heinrich IV. feldft nüste feine Freiſinnigkeit nichts, er konnte 
nicht fiegen über die Macht, die ihm von Seiten der Priefters 
tafte und der Reichefürften entgegengeführt wurde. Ihrer Ver: 
einigung erlag er, ein bedauernswerther Dann und der un: 
glücklichſte Kaifer des deutfchen Reihe. Möchte body der Dich: 
ter bald auftreten, ber fein Leben im gelungenen Liede wahr: 
baft poetifch verklaͤrte! 

11. Ernſt Raupach's bramatifche Werke ernſter Gattung. 
Dreisehnter Band. Hamburg, Hoffmann u. Sampe. 1840, 
8 1 Thlr. 12 Gr. 

„Das Märchen im Traum”, ein bramatifches Bedicht in brei 
Abtbeilungen: „Der Abend”, „Die Nacht“ und „Der Morgen‘ ; 
und „Der Prinz und die Bäuerin‘, Zrauerfpiel in fünf Auf: 
zügen, bilden den Inhalt biefes Bandes. Die Vorzüge Raus 
pach's: ein wohllautender, oft nur zu glatter Vers, rafcher, 
aber etwas leichtfertiger Dialog, das beneidenswerthe Zalent, 
Alles dramatiſiren zu können und die wiberftrebendflen Elemente 
fo zu biegen und zu fügen, daß zulegt etwas babei herauss 
kommt, finden wir vereint auch in bdiefen Producten wieber. 
Bolten wir aber mehr daran loben, fo müßten wir gegen uns 
fere Überzeugung fprechen, die von jeher mit der Raupady’fchen 
Dichtungsweife fi nicht befreunden Eonnte. Die Poeſie ver: 
riecht ſich bei ihm faft immer Hinter trefflich Elingende Worte, 
hinter ſchillernden Glanz, der nichts Echtes an fi Hat, nicht 
einmal das Flimmern. Mo fie auch auftritt, überall flolzirt 
fie einher als prunkende Theaterprinzeſſin, und wie eine folche 
alles Mögliche fpielt und vorftellt, ohne im Innerften davon ers 

eiffen zu fein, fo fehlt es auch der Raupach'ſchen Poefie an 
nnerlichkeit. Nicht fein Herz, fein Verſtand bichtet; es iſt 

aber eine belannte Sache, daß ein recht kluger Verſtand dem 

Scheine nad weit Beſſeres zu Stande bringen wird als das 

heißklopfendſte Herz. Raupach iſt der dramatifhe Werfland 

par excellence, darum hat er fich die Bühne erobert und wird 
fie behaupten bis an fein Ende; benn bie heutige Bühne bes 
freundet ſich ebenfalld Lieber mit bem Falten Verflande als mit 
dem warmen und unklugen Herzen. Der Verfland läßt mit 
fi ftreiten, habern, handeln und maͤkeln, das Gerz brauft auf, 
pocht auf fein unausfpredhbares Recht und ift ein wunderlicher 
Sonderling. Der Berftand geht ein auf jede mögliche Specu⸗ 
lation, das Herz verfleht gar nichts vom Speculiren, es ift, 
was das anbelangt, bligdumm! Wer Raupach's Dramen, vors 
zäglich feine Tragoͤdien genauer betrachtet, wird uns beiftimmen 
und es deshalb nicht unbillig finden, wenn wir ben Wunſch 
äußern, es möge dies anders fein zum Beſten der dramatifchen 

Poefie Deutfchlande. 

„Das Märchen im Traum“ bat einen rein moralifchen 
Zwei. Laura, bie Gemahlin bes Herzogs Überto, ift ein Trotz⸗ 
tpfchen, und will nie Das thun, was ihr Gatte verlangt, mag 
es auch noch fo vernünftig fein. Ritter Leonardo, ein Freund 
Uberto’s, fucht die Schmollende durch Schmeicheleien zu tröffen 
und gibt ihre Recht. Dadurch keimt in Laura’s Herzen eine 
Reigung auf, bie für Aberto Höchft gefährlich werben Tann. 
Laura begibt fi zur Ruhe und im Traume enthüllt ſich bie 


moͤgliche Zukunft vor ihren Augen, wenn fie jener 

Raum geben follte, und führt fie von Berbeechen zu Bern 
Entfegt erwacht fie am fräben Morgen, noch immer glaubend, 
das Getraͤumte ſei bie volle ſchreckliche Wahrheit. As fie vom 
Gegentpeil überzeugt wird, finkt fie bekehrt, demüthig und fügs 
fam ihrem Gemahl an die Brufl. Wir finden biefen Einfal 
ganz trefflich und haben nur zu beflagen, baß die Behandlung 
bes erdichteten Stoffes weit hinter ber Erfindung zurücgeblies 
ben ift. Denn diefe fhönen, fließenden Berfe für Poefie halten 
su follen, wird uns body Niemand im Ernſt zumuthen. 

Das Zrauerfpiel „Der Pring und die Bäuerin‘ fpielt 
kurz vor der feanzöfifhen Revolution. Der junge Prinz vom 
Lamballe lernt ein Bauermaͤdchen Eennen, läßt es erzichen und 
verliebt fi in feinen Schügling. Bald darauf reicht er Geno⸗ 
veva, fo beißt die Wäuerin, feine Hand als Gatte. Der wols 
lüftige Herzog von Drleand bat dies ausgelundfchaftet, bie 
Schoͤnheit der Bäuerin reizt ihn und er befchließt um jeben 
Preis, fein auserkorenes Opfer ins Retz zu loden. Gr zieht 
ben Prinzen zu einer feiner Orgien, ber Prinz übernimmt 
im Zrunt und fleilt einer Dame nad. Gin Ritter, angeb 
ber Mann biefer Dame, kommt dazu, fodert ben Prinzen und 
verwundet ihn. Dadurch wird er verhindert zu feiner jungen 
Gattin qucüdqutegeen ‚ bie unterdeß ber Herzog von Orleans 
mit Spähern umgibt und mit verleumderiſchen Briefen gegen 
den Pringen aufzubringen fucht. Giferfüchtig fchreibt Genoveva 
an den Prinzen und droht, daß fie ihn befuchen werbe, wenn 
ee nicht zu ihr kommen könne. Dies erſchreckt ben Prinzen, 
ber feinen Bater fürchtet; er antwortet heftig und brohend, 
auf feinen Stand und feine Pflichten hindeutend. Mittlerweile 
gefteht er aber dem Water feine Vermählung mit ber Bäuerin 
und bewegt ihn, in feiner Begleitung bie verzweifelnde Gattin 
befuchen zu dürfen. Auf dem Landhaufe des Prinzen ankom- 
mend, treffen fie Genoveva im Sterben, fie hat fi aus Ver⸗ 
zweiflung vergiftet. Wald darauf erfcheint der Herzog von Or⸗ 
leans, um fein Opfer zu umarmen. Gr war ber Anftifter ber 
ganzen Intrigue. Ob es gut war, aus biefem Gtoffe eine 
Tragoͤdie zu machen, wollm wir dahingeſtellt fein laſſen, bie 
dramatifche Poeſie hat jedenfalls nichts dabei gewonnen. Die 
Verfe und bie Diction trifft ber bereits ausgefprochene Zabel 
wie das ihnen gefpenbete Lob. Die Charakterzeichnung if 
ſchwach, einzelne Scenen ſtreifen ans Widerliche, vornehmlich 
bie, wo ber Prinz als Betrunkener bie Gunſt der Dame ge: 
winnen w 


12. Eorberbaum und Bettelflab, oder: Drei Winter eines beuts 
fhen Dichter. Gchaufpiel in drei Acten von Karl von 
DHoltei. Mit einem Nachfpiel: Bettelſtab und Eorberbaum. 
Schleuſingen, Glaſer. 1840. 8. 15 Er. 

18. Ohakfpeare, In der Seimat, ober A Die Beeunde. Schau⸗ 
piel in vier Acten von Karl von Holtei. leufingen 
Giaſer. 1340, 8, 15 @r. Saleuſingen, 

Holtei, dem das unbeſtrittene Verdienſt bleibt, der Schoͤ⸗ 

pfer des deutſchen Liederſpiels zu fein, hat trotz aller Anfech⸗ 
tungen, mit denen er von den verſchiedenſten Seiten her ver⸗ 
folgt wurde, doch das ſeltene Glück gehabt, ſehr viele feiner 
Lieder ins Volk übergehen zu fehen. Wer Eennte nicht fein 
„Mantellied“ aus „Leonore“, wer hätte es nicht in allen Städ⸗ 
ten von ber herumſchlendernden Jugend fingen hören! Der Pos 
ftillon biäft e8 bes Nachts, wenn ihm die Zeit lang wird, und 
bie Paflagiere brummen es mit und werben munter. Gin Didhs 
ter, dem fo etwas glüdt, Tann mit gutem Gewiſſen ein Wiss 
en ſtolz fein, denn populaie zu werden im umfaffendfien 

Sinne des Worte ift heutzutage eine ſehr ſchwierige Sache. 

Holtei iſt durch feine Liederfpiele, vorzüglich aber durch bie Lies 

ber felbft, ein wahrer Volksdichter geworden. Fragen wir, wie 

bies gelommen fei? da es doch fehr viele deutfche Poeten gebe, 
bie es als Dichter Holtei noch weit zuvorthun, fo ift die Ant: 
wort darauf unfers Bedünkens nicht fehr ſchwer. Holtei ift 
in Allem, was er fehreibt, harmlos, offen, ungewöhnlid, gemüths 
lich, und verſteht es vieleicht halb unbewußt, in feiner Naives 


* 


bas des Volles zu ruhren, vie Wenige Das Bolt 
pe it hammer, nach Dem, was dem unmittelbaren Gefühle 
gen iſt, «8 Bümmert ſich den Henker um ſchoͤne greße 
Worte, um lyriſche Yihrafen, um fotlate Medensarten und fee 
tentidfe Düfteleien. Weit nun Holtei immer friſch von bit 
Eher weg gefungen bat; wie es ihm eben ums Herz war, ohne 
piek nach den Woͤrten zu ftägen, darum if er ein Woikodichter 
enmeben: Das Butt, was viele feiner Lieder haben, laͤßt ſich 
nicht ganz auch auf ſtine Dramen anwenden. Vielleicht brachte 
es feine Gtellung mit ſich, daß er ſich Manchem fügte, wes ex 
ſonit wol nicht gethan haben wärde; fo wenigſtens läßt ſich et⸗ 
was Efferthafcherei, der wir doch zuwellen begegnen, im feinen 
Stüden erklären und entſchuldigen. Sie find auch nicht gerade 
gar Wiederbelebung bes deutſchen Dramas geſchrieben, aber 
gram fein kann man ihnen doch nicht. Denn was benfelben 
an wahre Poefie abgeht, das erfegt Höltel durch jene liebens⸗ 
wörbige NRaivetät, von ber wir fon fpradjen, und biefe iſt 
immer wenigſtens poetiſch. Von diefem Geſichtspankte aus, 
dankt uns,. müflen die Holtelſchen Dramen beurteilt werben, 
Se dem Dichter fela Nicht widerfaheen. Ber Kritiker fühlt 
fich dann weit eher Befrichigt. und. konn ſich ungeftört bem Ge⸗ 
sufle Fa der immer bei Leſung eines Holtei’khen Dra⸗ 
mes einftellt. 

Bon ben beiden in Rede fiehenden Schaufpielen iſt das zu⸗ 
sefk genannte durch ganz Deutſchland bekannt. Der Berf. warb 
daburch vorzugsweiſe populair, wir felbft haben iha zum erſten 
Mate als Heinrich kennen gelernt and nicht, ohne heftig: bes 
wegt das überfüllte Haus zu verlaffen, Bei bei Lecture vom 
„Berberbaum und WBetteiftab‘ iſt es uns beinahe ebenfo gegan⸗ 
gen wie den Freunden des Dichters, von benen die Vorrede 
berichtet, die Figur des armen Heinrich mache dem Leſer bange. 
&ie wird uneryuidtich und man weiß ſich nicht eher zu rathen 
md zu helfen, Bis ber gebtüdte Dichter glücklich wahnfinntg 
geworden: if. ol mag zu dieſer Stinimung gar viel beitras 

gen, daß es leider in der Wirklichkeit dem echten Dichter nicht 
er ergeht, wie ed denn ®cenen in bem Schaufpiele gibt, die 
sein aus dem Leben gegriffen find, ober body fein koͤnnten. 
Dir Gedanke, einem verarmteri Dichter einen verdorrten Lors 
berbaum, das einzige Geſchenk wahrer Anerkennung feiner Bere 
dienſte, als. Bertelftab auf die Wanderung mitzugeben, ift hoch 
tragiſch und würde allein ſchon hinreichen, bie Bufchauer zu ers 
fehätteen und zu währen. Uber die fonfligen Beigaben bes 
Stücks Hätten wir mancherlei Misbilligendes zu ſagen; da es 
abep unrecht wäre, au einem Drama herumbeſſern zu wolltn, 
das. Zaufenbe ergriffen hat und das nun mit fo vieler Beſchei⸗ 
denheit ben Publicam vorgelegt wird, halten wir lieber mit 
unferm Zabel zurüd, um jo mehr, ale es fich doch nur. um 
Meinungen und Aufichten handelt, Gin Drama, aber verdient 
Aneriannung, menu es die Zwecke feines Genre erfüllt, 
nterhaltender, obſchon als Dichtung weniger zu loben, iſt 
das zweite Schauſpiel Stzakſpeaxe in ber. Heimat”, Hier er⸗ 
tappen wie den Autor auf vielleicht erlaubten, doch keineswegs 
zu billigenden Abwegen. Das WVorwort lehrt und zwar, daß 
Ries „Dichterleben““ die Idee in Holtei entzündete, aus. dies 
fem Stoffe ein Drama zu machen; als er nun aber wirklich an 
die Arbeit ging, hätte er ſich die Sache doch nicht: fo gar be: 
quem machen fallen, So gefchicht bie Tieck ſche Rovelle drama⸗ 
tiſirt iſt, fo wenig Eigenes hat. Holtei dazu gethan. Nicht. nur 
faſt alle Scenen find nach Tieck gearbeitet, der Dialog enthält 
ſogar oft genug, faft Zied’s eigene Worte, nur gekürzt und mit 
einer Dofs Profa verfept. Diefer Tadel trifft am meiſten ben 
legten Act. Wo Holtei Eigenes binzuthat, da will es mit dem 
beigen nicht vecht zuſammenpaſſen, z. B. bis Scene im Gar: 
ten, wo Shakſpeare den: Brafen Southampton mit Rofalinen 
belaufcht und alsdann bie Königin Elifabeth maskirt ihm als 
Dichter Hulbigt. Auf der Bühne freilih muß gerade diefe 
Gcene großen Effect machen. Gut benugt iſt gleih im Ans 
fange bas „Gleich, Herr, gleich” des Kellners Kranz, der allen 


— Shakſptareis aus deſfen, Oeinrich 1V.“ zur Gerrüge be⸗ 
nut if. unter den handelnden Perſonen zeidimet fich vorgk 
Uch. der Sharalter John SHakfpraree ans, der Dichter Syab: 
fpeare. will uns Dagegen niit brhagen. Er tft eben auch bei 
Holtei ber gahme Schreiber geblieben, mit bewtfih's fett: 
mentaler Mondfcheinfchwärmerei behaftet. Holtei Yätte ihn 
in Gottes Name en Bikchen derbet zeichen Bönnen, babei 
Würde er mur gemonnen haben, wenn auch nach lange ken 
Englaͤnder aus ihnt geworden wär. 
(Die dortſetzumz folgt.) 


Literarifhe Mottzen. 

Die im Testen Iahrgange der ‚Urania‘ mitgetheilte, auf 
einem intereflanten Strafrechtsͤfall Berübenbe Erzählung: „Der 
Zodte von St. Anna’s Kapelle”, ift in Blädiwood’F „Kain- 
burgb magazine’ (Mais Fiefrüng, 1840), nur nil eini⸗ 
gen Avklrzungen und unter dem Titel: „The dead man of 
St.- Anna’s chapel”, überfegf erſchienen. Die Erzählung iſt, 
nach englifcher Weiſe, n mehre Capitel mit Überſchriften ab⸗ 
getheilt, aber ‚„‚Uranid” als Quelle nicht genannt worden. 


£. Krolikowski gab in Parld heraus: ‚„„Memoire sur l’etat 
actuel de la ville libre de Cracovie, a l’appwi de l’adresse 
presentöe par ses habitants aux gouvernemens de France et 
d’Angleterre, suivi d’une collection de pieces Justilicatives. 








Literarifhe Anzeige 
Bericht über die Verlagsunternehmungen für 1840 
von 3. A. Brockhaus in Leipzig. 
(Bottfegung aus Jr. 208.) . 

*54. Schubert (Gotthilf Heine von), Die Symbolik 
bes Traumes. Dritte, verbefferte unb vermehrte Auflage. 
Mit einem Anhange aus dem Nachlaſſe eines Wiftonairsı det 
3. 8. Oberlin, gewefenen Pfarrero in Steinthate und eintık 
Sragment über bie Sprache des Wachens. Gr.8. 1 Tr. 12 Wr. 


Binzeln ift auch zu haben: ’ 
Berichte eines Wſionairs über den Zuftand der Seelen nah dem Jode. 
Aus dem Nudlaffe Johann Briedrih Oberlin’s, gemwefenen 


Pfarrers im Steinthale, mtgetheilt von ©: H. v. Schubert, nebft 
einem Fragment: die Sprache des Wachens. Gr, 8, 187 B Gr. 
+55. Schubert (Frieder. Theod), Vermiſchte Schriften: 
Neue Folge. Drei Bände, Mit dem Bildniffe des Verfaffers. 

a: For ba fer Schriften beffand aus vier BA 
e erfte olge Biefer ti au 1, te 
123-236 bei & 8 G. Cotta en us. in en und. erſchien 
"56. Zalvj, Berfuh einer geſchichtlichen Charakteriſtik der 
Volkslieder germanifcher Nationen mit elkier übe der die⸗ 


bis auf die neueſte Zeit.“ Erſter Band und folgende. Gr. 8. 
Ig hoffe den erſten Band diget für die Geſchichte der neueften Zeit ſo wice 
tigen Verkes noch dieſes Jahr ausgeben zu koönnen. Die zweite, neugeorhnete, 
berichtigte und ergänzte uflage B herausgege⸗ 
benen und mit geſchichtlichen Ein 
kes exſchilen 1832—33 und ? 
enthält die Berfaffungen des deutfche 
bie Berfaffungen Frankreichs, ber Niederlande, Belgien, 
ey —— f lens, der freien Stadt Krakau, d 9 

x.) die Verfaffungen Polens, reien Stadt Krakau, der Nönigr 
Sattzien und Lodomerien, Scywedens, — der Schweiz und re een 
Q: 


keiten und vermiſchte Schriften. Netie Folge. Erſter Ban. 
Gr. 8. Geh. 2 rt. 12 & 
Die erfle Folge biefer 

bei H. Hoff in Manbelm. 

+59. Die Wiederkehr. 
Novelle. 


\ r. [7 e 2 ü 20 Gr; 
n Staatenbundes; der zweite Ban a} 
ortugals, 


t. 
nfmütdigteiten eridien in 4 Binden 1897 — 88 


Bon dem Kinfiebler bei St. Johannes. 
Drei Theile. 8. Geh. 
(Der Beihluß folgt.) 


Verantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brokhaus. — BDrud und Verlag von F. 4. Brodhbaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Sonntag, 


Kr, 208. 


26. Juli 1840. 





Dramatifche Bücherfchau für das Jahr 1839. 


Bweiter Artikel, 
(Bortfegung aus Nr. 207.) 


14. Der Pringenraud. Gin gefchichtlidhes Schaufpiel in fünf 
Acten von Johannes Mincwitz. Leipzig, Kummer. 
1839. 8. 16 ®r, 

Bunt, wie die Karte von Deutichland, foll unferer Vers 
fiherung zufolge die diesjährige dramatiiche Buͤcherſchau wer: 
den, und wir glauben unfer Wort halten zu Tönnen, wenn wir 
jegt das oben ſtehende Drama in unferer Beurtheilung folgen 
laſſen. Der Rame des Hrn. Verfaffers iſt par renommée ſchon 
feit einiger Zeit in der literarifchen Welt bekannt, vornehmlich 
durch feine Don⸗Quixote'ſche Schwärmerei für die Dichtungen bes 
verftorbenen Grafen von Platen= Hallermünde Hr. Dindw 
glaubt nun wahrfcheinlidh von feinem bereroigten Freunde au 
deffen Geiſt geerbt zu haben, denn fonft würde es ihm body 
wol Awerlid eingefallen fein, ein Drama in Platen’fcher Weiſe 
zu fchreiben, d. h. in abwechfelnden antiten Versmaßen. Wie 
dem aber auch fein mag, genug, Hr. Mindwig hält fidy gegen 
wärtig für einen großen dramatifchen Dichter, und weil es und 
unb ftcherlich aus bem Yublieum Spaß machen wird, biefen 

Dichterdüntel ein wenig genauer zu betrachten, wollen wir ben 

Verf. wie einen großen Dichter behandeln. Kommt er felbft 

dabei am fihlimmften weg, fo bat er es ſich und feiner laͤcher⸗ 

lichen Arroganz allein zugufchreiben. „Spaß aber muß fein’’, wie 
der Berliner fagt, und fo mag er benn feine Sapriolen machen. 

Dee ſaͤchſiſche Pringenraub ift der Vorwurf dieſes Dras 
mas, ein ganz guter Stoff, der richtig angefaßt ein treffliches 

Schauſpiel geben Tann. Was macht nun aber Hr. Johannes 

Mindwis damit? Er behandelt bie ritterliche Stegreifthat Kun⸗ 

zens in griechifcher Manier, d. h. er läßt feine Perfonen in 

fechsfüßigen Iamben, Zetrametern und Anapäften fprechen unb 
zwar in einee Sprache, bie proſaiſcher, duͤrrer, lederner nicht 
aufzutreiben if. Dies hat ihm jedoch noch lange nicht genügt; 
überzeugt von ber Glafficität feiner Sprache, feiner faden Ges 
danken, feiner Eoloffalen Abgefhmadtheiten, und im Gefühl ſei⸗ 
nes ſaͤchſiſchen Patriotismus, wibmet er bies aller Poefie bare 

Drama dem jugendlichen Prinzen Albrecht von Sachfen und 

zuft in den Debicationsverschen unter Anderm aus: 

— — meine junge Leier 

Entwarf zur Siegedfeier 

Des Lichtd ein großes (?) Bild. 

Betracht? ed nur als Spiegel 

Bon meiner Dichterkraft, 

Die erft, wenn du den Riegel (movon? Etwa vom 
Kopfe des Poeten ?) 

Wegnahmſt und bradft bad Siegel, 

Mit volftem Leben ſchafft? 

Gewiß artige Werschen, anfprechend durch ihren Bau, bezau: 

beend durch die Neuheit des poetifchen Ausdruds. Aber auch 

dies fehlen dem großen Dichter noch nicht hinreichend, ſich volle 


Anerkennung zu verſchaffen; deshalb ruft er dem Lefer noch 
befonders zu: ' 
Beim Morgenfonnenftrable, 
Und wenn der Mond erftand, 
Nicht na dem Mittagdmahle 
Nimm died Gedicht zur Hand! 
Dies Gedicht! Dies Gewaͤſch! Das hätte doch eher noch einen 
Sinn, wie wie des Weitern ſogleich darthun werden. Rach 
einem kurzen Gefpräd über Staatsangelegenheiten zwifdgen dem 
Kurfürften, dem Kanzler und ber Kurfürftin treten einige 
plappernde Bürger auf, benen bald darauf die beiden Prinzen 
Ernſt und Albrecht folgen, nebfl einem Gardehauptmann, der 
fie commanbirt. Da lefen wir folgende erhabene Verſe: 
Dauptmann. 
Vorwaͤrts! 
Zweiter Buͤrger. 
Welche muntre Kraftgeſtalten! 
Welcher maͤnnlich feſte Tritt! 
- Wie fie bie Gewehre halten, (eheu!) 
>  Wanbdeind im gefegten Schritt! 
Dauptmann. 
Rechttum! 
Dritter Bärger. 
Diefe jungen Fuͤrſtenzweige 
Seh? ih heut' zum erſten Mal, 
Ich bewundre fie und ſchweige 
Still vor ihrer Augen Strahl! 
Hauptmann. 
Halt! 


Dies iſt außerorbentlich Thön, durchaus neu und beurkunbet 
eine feltene Kenntniß des militairifchen Commando, bie bei eis 
nem edeln Dichter immer erfreuen muß. Kaum find bie erers 
cirenden Zripfen abgetreten, fo kommt eine Schar Hofbäms 
hen. Diefe bilden (man merke genau auf!) den antikenlShor, 
der für diesmal fehr rührend abgefungen wird, mit dem fi 
ſtets wieberholenden Refrain: 

Der Friede kehrt ind Land zurüd, 

Die Fuͤrſten eint der Liebe Gluͤck. 


Recht getrillest,, kann die Wirkung auf der Bühne nicht auss 
bleiben. Im zweiten Acte tritt Ritter Kunz auf, ebenfalls ein 
Kenner ber griechiſchen Versmaße, dem ſich Schwalbe, ber Küs 
chenjunge, in gleicher Weiſe anfchließt. Beide beſprechen ben 
Raub ber Prinzen, bis Kungens Freunde fich einfinden und 
jeber feine Rolle erhält. Zuletzt wirb tapfer gezecht und dann 
aufgebrochen. Der britte Act beginnt wieber mit einem Ge⸗ 
fangeoncert ber Hofdamen. Diesmal Yelern fie im Chor ihre 
Geplapper nad der Melodie von Arndt ab: „Sind wir vers 
eint zur guten Stunde“ zc. Auch Eein übler Einfall. Rachher 
verreift der Kurfürft, und die Kurfürftin ahnt ein Ungläd. 
Bis hierher geht indeß Alles noch leidlich vernünftig, obs 
wol hoͤchſt geſchmacklos zu, nun aber läuft dem Dichter auch 





U 


das Iehte Körnchen- Menfchenverftand davon. Nachdem nämlich 
der Küchenjunge Schwalbe feinem Freunde Schweinig eine ges 
lehrte Vorlefung Über den blinden König Odipus gehalten und 
die mitgebrachten Stridleiteen am Fenſter befeftigt hat, treten 
diefe beiden dummen Kerle in den Vordergrund und — nun 
was denken unfere Lefer? — unterhalten fich in — 
Antiſtrophen miteinander. Schr weiſe laͤßt Winchpie 
großartig gedachten Moment Finſterniß auf ber Bühne heker⸗ 
‚Ten, wahrſcheinlich, damit die Strophenſaͤnger einander nicht 
ins Geſicht zu lachen brauchen. Alſo wieder einer von den 
Geniebtigen uͤnſers Verfaſſers, die ihm ganz eigenthümlich find. 
Der Neuheit wegen und um unfern Lefern das verheißene Ber: 
gnügen möglichft vollſtaͤndig zu geben, müffen wir hier bie 
herrlichen Strophen folgen lafien. Küchenjunge und Reitknecht 
ſorechen alfo, wie folgt: 
Schweinis. (Erfte Strophe.) 
Run fihied fie hinweg, und die Luft ift rein, 
Die fhwer reich bebrüdt in dem dunkeln Verſteck; 
Und ich träumte mi ſchon in das tiefſte Werlieg, 
Wein der Himmel echört zur Stelle der Frau 
Kurfürftin Gebet 
Stets bleibt er jedoch in der bitterfien Noth 
Dan beweglicden Flehn ber Bekuͤmmerten taub. 
Drum glaub’ id), es herrſcht Bein Gott in ber Welt, 
Weil nie ſichtbar ein flammenber Blitz 
In den Wollen erfgeint zu ber Zeit der Gefahr! 
Doch jammerte mi die betrogene Frau, 
Wir fie klagte fo tief, zu dem Dimmel gemwanbt, 
Und fie ruͤhrte mi fol und zerſchmol; mein Herz 
Mit ber ſchmeicheladen Bunge des Wohllauts! 
Schwalbe. (Bmeite Strophe.) 
Thor, ift dein Herz in den Schlachten ergraut, (bas Herz 
ergraut! Cine neue Entbedung.) 
Und zerfließt breiweich dem Gewinſel der Frau, 
Dann warſt bu, füͤrwahr, nie Wiut, Blut, Blut — 
Bu vergießen im Stand und bu fähelteft ner 
Der Gefallenen ftumme Gebeine! 
Kein lerne von mir mit dem Beinb umgehn, 
Und verfhleuß dein Ohr und verhärte bad Herz 
Dem Gemurmel bed Bachs, der trugvoll rauſcht 
Bon der Lippe der Fraun, 
Wenn anders bu wii, rahmreich in dem Kampf, 
Abpflüden die Frucht! Freund, denke des Lohns, 
Und fi ſelbſt iſt jeber bex Naͤchſte! 
Schweinitz. (Erſte Gegenftrophe.) 
Freund Schwalbe, pur biſt ein vollendeter Menſch, (oh!) 
Und wuͤrdig des Herrn Augapfel zu ſein! 
Ich bewundre dich laut, und der Muth kehrt mir, 
Der geſunkene, ſchon in die Seele zuruͤck, 
Doch Hätten wir Licht, 
Dans fpränge vielleicht mein Geiſt, gleichſam 
Durch Pulver entfacht, aufbraufend empor 
Und erleuptete weit dies dunkle Gemach. (Oh!!!) 
Jetzt aber vermag kein freundlider Stern 
Durchs Fenſter zu fGaun, dad verhüffte, woran 
Sich die Wehmuth Hält. Durchſchliche der Herr, 
Wie ein Engel des Eichts, doch endlich das Bias! (77) 
Punkt eilf Uhr fell, ein eriäfender Ion, 
Und pfeifen die Meife der Hölle, 


Auf der Stelle ſchlaͤgt Schwalbe Feuer, zündet eine Blendla⸗ 
terne an und zieht eine gefüllte Flaſche hervor, woranf er bie 
zweite Gegenſtrophe abklappert: 
Gleich wollen wir ſehn, wie hoch bein Muth 
Aufflammt an des Lichts holdfeligem Strahl! 
Komm, färke bi, Freund! Wohltpätiger wirkt 
ı Died euer gewiß, bad heimlih dem Koch j 
Ich entwandt, wie ein zweiter Prometbeuß! (Sa, ha!) 
Hier trink, mein Breund! Bald ſchlaͤgt's eilf Uhr, 


en und 
ben | 


| Borgefaltene. 


der jungen Sch 
"Autor für die ihm zugedachte Schmeichelri bebankt. Die Krone 


terruhm offen im Voraus befingt. 





838 


Und verneiimen wie bann ben entzädenden Laut 
Durchs Fenſter herein, bie erwuͤnſchte Muſik, 
Dann tanzen wir auch, 
Wie der hoͤfiſche Schwarm in den Saͤlen ber Stadt— 
Doc Iufliger, weil und Ritter ſogar 

Auffpielen zum naͤchtlichen Reigen! 


Etner derfelben fragt: 
Wie heißt der Lehrer aber, der Id Prinzen eilt 
Gebildet, feinen kuͤhnen Sinn gebilbet hat? 
Wer weiß ed und zu fagen, Sreunbe? 
Dritter Bürger. 
Weis ed nit. 
Erſter Bürger, 
Dan fagt, ein Derr von Langenn! 


Bierter Bürger. 
Sachſens beiter Mann! 


Jeber weiß, daß art & de i 
—— 


von allen Tollheiten, aus denen dies narrenhafte Schauſpiel be⸗ 
ſteht, enthalten die beiden Verſe, welche Kunz ſpricht, ehe er 
bie That begeht, und worin Dr. —— denen eigenen Dich» 

eißen: 

Ich Handle wie ein Didier, und ein Dichter wirb 

Dereinft mit Ruhm (?) beflugen meine kühne Khat! 
Die beifpiellofe Originalität unfers fich bereits felbft feierunden 
Dichters erftredt ſich ſogar bis auf bie Orthographie, welche eis 
nee neuen Ara entgegengeben bürfte, wenn Jedermann fo kraͤf⸗ 


; tig einen Umſturz bee bisher gültigen Regeln vorbereiten wollte. 
Mindwig ſchreibt z. B. 


Haubt, Haubtmann, rot, Not, Want, 
Rat u. ſ. f, Neuerungen, bie uns nicht behagen, da wir keinen 
verakuftigen Grund daflır entdecken koͤnnen. 


15, Mas’ Aniello. Geſchichtliche Tragoͤdie in fünf Aufzügen von 
Alegander Fiſcher. Leipzig, Hartknoch. 1839. Cr. 8. 
1 She 6 Sr. 


Abermals ein wunderliches MBeifpict deutſcher Grillenhaftig⸗ 
Beit bei unverfennbarem, nicht unbebeutendem bramatifchen Zas 
Ient. Litt Mindwis an zu großer Abgefchliffenheit bei hinrei⸗ 
chender Arroganz, fo graſſirt bei Fiſcher eine offenbare Unge⸗ 
ſchliffenheit, die zumellen an bie auserlefenfte Barbarei grenzt. 
Und biefe in Schug zu nehmen, zu rechtfertigen, ja wol für ei⸗ 
nen Vorzug feines Verſuchs auözufchreien, erläßt der Verf. 
eine Vorrede an das Publicum, die von Arroganz überwallt. 
Da beißt ed: ‚‚Unter vielen Punkten, beren Grörterung uns 
bier zu weit führen würde, erwähn’ ich nur bes Verſes, der 
kein Igrifcher, leicht hinrieſelnder, ſchulgerechter: härte= hiatus- 
und «eliftonlofer ift, noch fein ſoll; man findet ihn Bier, wie 
ihn das Drama verlangt: dramatiſch, d. h. maffiv, der b⸗ 
Träftig, die Begenftände malend, mehr rythmiſch 





‚8 


gebaut, als muſikaliſch.“ Go thut uns leid, hen Wepfaflee 
hierbei auf einen Irrthum aufmerkſam maden zu müflen. 
Gein fogenannter dramatifcher Vers ift nämlich gar Fein Vers 
mehr, ed find nur möglichft roh aneinander gereihte Worte, bie 


allerdings einer maffiven Sottdität 12 erfreuen, aber dafür auch. 


alles Wohllauts, aller Poeſie gaͤnzlich ermangeln, der Sprach⸗ 
fehler und häufigen Verftöße gegen die Grammatik gar nicht zu 
gedenken! Auch übermäßig eitel und eingebilbet iſt Hr. Fiſcher, 
indem er von feiner Tragödie wie von einem alten aufgefuns 
denen Werke ſpricht und uns fogar die Reviſionen vorzählt, die 
‚ex damit vorgenommen. „1884 wurde fie (bie Tragödie) vevis 
dirt’’, heißt es, „und bie noch fehlenden Scenen (die britte 
des zweiten, und bie erſte bes vierten Aufzuges) hinzugefügt, 
von denen befonbers die letztere, weniger durch Begeiſterung, 
in der es anbere ihr zuvorthun (?), als durch Kunftbe: 
fonnenheit und andere Gigenfchaften bexrvorfpringt und baber 
abſticht.“ Kein Wunder, daß wir nach fo hochtrabendem Selbſt⸗ 
lob des Verf. ihm genau auf die Singer fehen! Allein weder 
die verheißene Begeiſterung noch bie hope „Kunſtbeſonnenheit“ 
bat uns irgendwo begegnen wollen. Im Gegentheil ſcheint der 
Verf. daB Weſen des Dramas in möglichfle Verworrenheit zu 
fegen, wenn nur fonft reicher Wechfel der Scenen damit zu 
vereinigen + Einen bramatifch s geosbneten Plan haben wir 
durchaus nit in dem Stücke entbedten Eönnen. Scene reiht 
fih an Scene, meift ganz willkürlich, und die Tragodie geht 
zu Ende, weil die Gefchichte dem Aufftand Mafaniello’s nicht 
weite erlaubte. Lob und Anerkennung verdienen nur 
bie Volksſcenen, in denen Zifcher wirktich ſtellenweiſe Treffliches 
geleiftet hat. Die gelungenſte tft jedenfalls die erſte Scene bes 
erfien. Actes. In diefer finden wir wahrhaft Lünftlerifche Be⸗ 
fonnenbeit in ber Anordnung des Ganzen, wie in der Diction, 
fpäter verliert ficy beides mehr und mehr, ber Verf. ſchweift 
gar zu fehr in fein belichtes „„Derblräftige” hinüber, wirb roh, 
gemein und dharakterifirt zulegt nur noch durch Anhäufungen ber 
alerwibderlichfien Schimpfs und Schmugmwörter. Glaubte ex das 
mit die Eigenthümlichkeit des Wolke als Maſſe darzuftellen, fo 
ift dies nur ein Beweis für die völlige Unkenntniß des Wolke. 
Sin Bolt ift freilich derb und erlaubt ſich Verflöße gegen bie 
hergebrachte Höflichkeit, aber im bloßen Schimpfen gefällt 
es ſich doch nicht, vollends, wenn feine Unabhängigkeit auf dem 
Spiele ficht. Der Raum erlaubt uns nicht, zum Belege eine 
Stelle im Zufammenhange auszuheben, wir Tönnen uns bier 
nur durch Andeutungen behelfen. Ausbrüde, wie: „Kreuz Dons 
nerwetter, ein entzudend Weib! Welch ein wammiger Balg.’’ 
— „Fürwahr, deine Beine fdhlottern und der Steig bubbert 
dir unmäßig.”" — „Du bifl ’n Poſſenreißer! Gin Hansarſch 


bift du, fo weit du warm biſt!“ — ‚‚Laß nur die nußbraunen | 


Mädels in Zucht und Ehren, bu fchlumpiger Saubalg, oder 
ih will bir mit meiner Blutpeitſche Buchflaben in die Frage 
hetzen, bie dir Fein Schulmeljter ’raustriegt und Fein Schneider 
zufammennägt.” — „Magſt Recht haben, Saukopp” u.f.w. — 
muß jeder Schriftfieler vermeiden. Sie ſchrecken die Lefer ab 
und verfperren bem Dramatiler immer die Bühne. Fiſcher's 
„Maß Aniello“ winmelt leider von ſolchen Kraftausbrüden, 
und dennoch verlangt er, bie Bühnen follen bergleichen Dinge 
zuc Darftellung bringen! Das beißt ihnen in ber That zu viel 
zumuthen, fo wenig wir fonft den Bühnenbirectoren das Wort 
zeden mögen. Bedauern aber würben wir es ernfllich, wenn 
iſcher fein im Unmuth gegebenes Verſprechen am Schluffe der 
orrebe, „die näcfte Tragödie folle noch in alter Weiſe ges 
dichtet fein und jebe Zeile den alten Barbaren ausathmen”, hal⸗ 
ten wollte. Er würde ſich felbff ben größten Schaben bamit 
zufügen. Über die Charaktere laͤßt ſich wenig Kobendes Tagen. 
ie Männer des Volks Tchimpfen und fpectakeln faſt alle auf 
gleiche Weiſe, nur Maſaniello ftreift an ein Gharakterbild, 
Ganz mislungen aber find ihm bie neapolitanifdgen Edeln und 
Marta, das einzige Weib in dem Drama, benn Raszarena, 
Maofanielo’s Battin, zählt nur mit unter dem Volke. Sollte 
einen. Rath. annehmen,. fa möchten wir ihn ein 





künftiges Dramasganı in Proſa zu ſchreiben, ba fein -feam 
ter dramatiſcher Bexs weder —* I ſprechbar ift * Dee 
nach ſchon allein hinreichend fein würde, ibm bie Bühne für 
immer zu verfchließen. Auch um bie Grammatik muß fich der 
Verf. mehr bekuͤmmern, „bis ſtill“ für „ſei ſtill“ — „ein Heer 
voll von handfeſter Kerle” für „ein Heer handfeſter Kerle” — 
„dem Herzoge das Schloß flürmen‘‘ für „des Herzogs Schloß 
ſtuͤrmen“, darf ein deutſcher Schriftſteller nit ſchreiben, und 
doch kommen ähnliche Werflöße fehr oft in biefer Tragoͤdie vor. 
16. Die Belagerung von Kolberg. Drama in brei Abtheilungen 
vonWilpelm Hägner. Darmftadt, Leste. 1889, 8, 206r. 
Sine dramatifirte Erzählung der Ereigniffe, weiche ber Mes 
logerung und Befreiung Kolbergs vorangingen. Die Avſicht 
des Berf. mäffen wie lobend anerkennen, fein Drama aber 
tönnen wir als folches nicht gelten laffen. Won der Hkonemie 
des Dramas bat Wägner nur eine fehr unvolllommene Bors 
ſtellung, ihr entfprechenb ift fein Zalent, und fo kommt denn 
nichts weiter heraus, als daß wir erfahren, wie tapfer Schill 


| und feine Anhänger waren, wie brav Rettelbeck und Kolbergs 


Bürger fi dem Commandanten gegenüber benahmen, unb wie 
Ausdauer und Heldenniuth bie bebrängte Stadt endlich retteten. 
Dos Drama beftcht eigentlich aus drei befondern Dramen. 


| Dee Berf. nennt diefe hoͤchſt willkürlich ‚‚Abtheilungen”, von 
denen jede wieder. in mehre Acte zesfällt. Die erſte aoteitung 


beißt „Die Salain bie zweite ‚„‚Berdinand von Schill” un 
bie britte ‚‚Nettelbe. Gin Borfpiel, worin der Genius 
Deutſchlands fich bittweife an den Himmel um Mettung des 
Baterlandes wendet, gibt ein propbetiiches Wild der beutfdhen 
Zukunft und deutet darauf bin, daß Kolbergs Befreiung der 
esfte Schritt zur Befreiung Deutichlands fein werbe. Das Buch 
ift der Prinzeffin Karl von Heſſen gewibmet. 

m n Sabre Hardt ober der Rache Mat. Hiſtori⸗ 
ed Trauerſpie nf Aufzügen von Ludovic. Xeipai 
beein. 1 ſanf Xgtzas er 

Dies Buch ift ein Stuber, d. h. es tritt in einem präd- 
tigen Kleide auf und enthält Lauter Stroh, recht Lieberliches 
Stroh. Das thut uns leid, nicht bes Verf. wegen, ber uns 
fehr gleichgültig fein Fan, fondern des gutmüthigen Th. Heu 
wegen, der ben Einfall gehabt hat, den Dramatiker Ludovic 
dur ein lobenbes. Vorwort in die Literatur einzuführen. 
Daß aber Ch. Hell die Behauptung ausfpricht, es gebe 
offenkundig aus dem vorliegenden Werke hervor, Lubopic 
befige Zalent für das Drama, 


den Koscari, aus ber ſich allerbings sine Tragödie, und wol 
auch eine vollendetere als die von Byron, machen läßt. Wie 
jedoch Ludovie das Ding angegriffen hat, dabei kann nichts als 
fades Zeug herauslommen. Gein Drama enthält daher auch 
nur Scenen, die kaum in fi, gefchweige denn im Mezug auf 
bas Ganze Zufammenheug haben. Mionbaliere. mit fentimentas 
lem Singfang tyeten auf, Kaufleute ſchachern, ſogenannte Wö- 
fewichter wollen intrigyisen unb Bönnen es doch nicht recht, 
wentgftend nicht ale Charaktere, Andere weinen wieder und der 

oge fft ein Schwachkopf. Das Alterfehlimmfte aber ift, 
daß die Tragoͤdie nicht einmal recht zus Tragbbie wird. Den 
alten Dogen rührt der Schlag und die Anderen verzzetteln fich 
böcft fad. Kurz, das Gtüd taugt nichts, man müßte benn 
die Ihöne Hülle für werthuoll halten wollen. Und fo bleibt es 
bei unferer Behauptung, daß wir es bier mit einem rechten 
Strohkopf von Stuger In der Literatur zu thun haben. 
18. Sophonisbe. Zrauerfpiel in einem Act. Bon X. v. Hake. 

keipzig, Brodhaus. 1859. 8. 8 Gr. 

ußten wir bie vorhergehende Arbeit fireng tabeln, fa 

Eönnen wir dieſem zwar ſehr Eurzen Product ein offenes Lob 





wit verfagen. X. v. Hate, deffen Rame und; fo viel wir und 


erinnern, zum erflen Mate begegnet, weiß genau, was zu einer 
Tragddie erfoderlich ift; ihm fehlt es nicht an Talent und nicht 
an ber achtenswerthen Beſcheidenheit, die ein Zalent ebenfo bes 
urtundet, als es ſchmuͤckt. Ginen Beweis davon gibt die kurze 
Dedieation an Grillparzer, worin der Dichter mit wenigen 
Worten den Fehler feines Dramas felbft zugefteht, zugleich aber 
auch mit Befonnenfeit andeutet, was “ beffen Entfchuldigung 
angeführt werden, kann. Hake's „Sophonisbe“ ift nämlich, als 
Tragödie nicht reif geworben, es ift eine bloße Skizze zu einem 
Zrauerfpiele, doch als folcher gebührt ihr faſt das Lob ber Vol⸗ 
Vendung. Der Inhalt ift folgender: Syphax, Sophonisbe's 


Gemapl, ift von Scipio und Mafiniffa befiegt worden, und So⸗ 


phonisbe entſchließt fi, den Maſiniſſa durch ihre Liebenswuͤr⸗ 
digkeit u entwaffnen. Mafiniffa erfcheint, liebt Sophonisbe, 
allein biefe wird auch von dem Krieger gefeflelt. Sie entfagt 
nun ihrem Gatten und wird Mafiniffa’s Weib. Als Scipio 
diefen Hergang der Sache erfährt, ift er höchlich damit unzus 
frieden, er führt Mafiniffa zu Bemüthe, daß Sophonisbe nicht 
ihm, fondeen dem römifchen Senat gehöre, daß fie als Sieges⸗ 
beute nach Rom geführt werben, er ſelbſt ihr aber entfagen 
mäfle. Maſiniſſa erkennt bie Wahrheit in Gciplo’s Morten 
und reicht Sophonisbe den Giftbecher. An der Leiche der Ges 
Hebten begrüßt der roͤmiſche Feldherr den Bundeögenofien als 
Sieger über fih ſelbſt. In würdiger, poetifher Sprade, in 
wohllautenden,, doch keineswegs küngelnden Verſen ift biefer 
reiche Stoff auf einigen 40 Seiten nur zu kurz behandelt ; daß 
aber dennoch die Hauptperfonen als entfchiebene Charaktere vom 
Dintergrunbe ſich ablöfen, erweckt nicht unbedeutende Hoffnuns 
gen für die weitere Ausbildung bes Verfaſſers. Seinem Bor; 
worte zufolge bürfen wir größere Probuctionen bald. erwar: 
ten, denen wir nach biefer Probe mit Vergnügen entgegenfeben. 
Zum Belege, wie gewandt und glüdlich der Dichter die Sprache 
zu handhaben verfteht, mögen folgende Verſe noch hier ftehen: 
Sophonisbe (den Becher mit Schaubern ergreifend). 
Kann biefer Kelch aus deinen Händen kommen, " 

Dann leer’ ih ihn mit Woluft und GEntzüden! 

Ihr Goͤtter ſchenktet mir ein neued Leben; 

D nein, da warb ich erfi zur Welt geboren, 

Als in ber kalten todten Bruſt die Liebe 

Mit ihrem Sonnenhauch die Keime wedte; 

Da farben ab des Haſſes Wucherpflanzen, 

Berechnung fiel in Staub und Truͤmmer nieber, 

Und Weibertugend baute fi) den Tempel u. f. w. 


Sn biefer edeln und dabei einfachen Sprache, von welcher fich 
Leicht noch bezeichnenbere Proben anführen ließen, ift bie ganze 
Tragoͤdie gefchrieben, die Hiermit allen Bebildeten zur. Beach⸗ 
tung empfohlen jet. . 

(Die Bortfegung folgt.) 





Mopthologie der Griechen und Römer, fo abgefaßt und 
dargeftellt, wie es das Verſtaͤndniß antiter Kunft und 
Dichtung erleichtert und den Geſchmack daran beförs 
dert; mit befonderer Beruͤckſichtigung der gefchichtlichen 

und ethifchen Bedeutfamleit der Mythen. Nebft einem 
Anhange über das aͤgyptiſche Mythenſyſtem. Bon 
Tinette Homberg. Leipzig, Barth. 1839. Gr. 8. 
3 Thlr. 

Es hätte von Seiten ber Bearbeiterin biefes mythologi⸗ 
fhen Handbuches der wiederholten Kürbitte, baß bie Kritiker 
mit ihr, als „einem Zrauenzimmer”, fein ſäuberlich umgehen 
möchten, gar nicht bedurft, da fie in Auswahl, Anordnung, 
Verknüpfung und Darftellung ber fo weitfchichtigen und zum 
heil fo bisparaten Maflen auf dem Gebiete der altelaffifchen 


Mythologie ben Anfprücen, bie man an eine beffere Gompita: 
tion zu maden berechtigt iſt, vecht wohl genügt. Denn felbfs 
geſtaͤndlich fteht fie durchgängig nur auf fremden Schultern und 
hat an Br. Greuzer und K. O. Müller ihre Hauptge— 
währsmänner, ohne andere Hülfsmittel 3. B. von Herder, 
Hirt, Jacobi, Jacobs, More, Windelmann u. %. m. 
zu vernadjläffigen; nur bin und wieder kommen einige etwas 
vornehmthuende Wendungen vor, die als auf eigens angeftellte 
Unterfuhungen hindeutend ausgelegt werben könnten. Dem 
auch auf dem Titel angebeuteten Hauptzwecke gemäß find zu⸗ 
naͤchſt die Gottheiten der Griechen und Römer hauptſaͤchlich fo 
bargeftellt, wie die poetiſche und plaſtiſche Kunſt fie bargeftellt 
hat und wie fie im Glauben des Volkes lebten, fo jedoch, daß 
die wichtigften ‚Deutungen der Philofophen, bald Fürzer, bald 
ausführlicher hinzugefügt werden; ſodann gefchieht dem Eyklus 
der Sagen, die fich theils auf die alten Sänger und Wahr: 
ſager, theils auf Thebens tragifche Dichtungen und ben troja= 
nifchen Krieg beziehen, fein Recht, fodaß ſich das Gange ebenfo 
fehe wegen ber Überſichtlichkeit und Wolftändigkeit des Mate: 
rials, als wegen der Gefügigkeit, Friſche und Keufchheit der 
Darftellung dazu eignet, der Jugend beiderlei Geſchlechts em: 
pfoblen zu werden, zugleich aber auch Frauen, bie in biefem 
Zweige des Wiſſens fich fefkfegen wollen, und Männern, welche 
Berhäftigung mit Wiffenfhaft und Kunft nur als Erholung 
treiben tönnen, die aushülflichften Dienfte leiſten wird. 45. 





Notizen. 


Das kalte Waff.r in England. 

Das „Athenaeum‘ nimmt von der Anzeige eines Werks 
über das kalte Wafler Gelegenheit, feinen Widerwillen gegen bie 
Wafferheitmethode in dem Maße zu offenbaren, daß es fie für 
eine ber vielen Muftificationen erflärt, weldyen die nach feiner 
Angabe uns Deutfchen eigenthümliche Leichtgläubigkeit ein offenes 
Beld biete; fie Löfe in dieſer Beziehung ganz naturgemäß die 
dem Tode entgegengehenden Syſteme des Mesmerismus und 
bee Domöopathie ab, enthalte überdies nicht einmal etwas 
Neues in fi, indem fie nur eine Übertreibung des Verfahrens 
Dr. Eurrie’s fei und nach ihrer Entkleidung vom Gewande ber 
Geheimnißfrämerei und Überfpanntgeit nur die alte ſchöne 
S reibebuchmarime übriglaffe: „Maͤßigkeit ift eine Tugend.’ 
Das einzige Zugeſtaͤndniß, welches das ‚„‚Athenaeum‘ dem tal⸗ 
ten Waſſer macht, iſt bie einer vorbeugenden und erbaltenden 
Kraft in gefunden Zuftande; die Grörterung einer pofltio wirs 
Fenben im kranken Zuftande glaubt es ganz bei Seite Laffen 
zu koͤnnen. 


Die Aſiatiſche Gefellſchaft in London führte in ihrer 27. 
Sahrestagsfigung folgende namentlihe Veriuſte an Mitgliedern 
burd den Zob auf: Rundfhit Singh, General Allard, Prof. 
v. Bohlen, Gavelly, Venkata Eutcheniah, einen geborenen DOftin= 
dier von Madras, beflen Kenntniß der afiatifchen wie der eng⸗ 
liſchen Sprache ihm eine unter den Hindus nicht gewöhnliche 
Befähigung zu wiffenfchaftlichen Unterfuchungen verlieh; endlich 
James Prinfer, deffen außerordentliche Kenntniffe in fo vielen 
und zugleich fo unzugänglichen Zweigen der Wiffenfchaft von 
den Gelehrten ganz Europas bewundert worben find, wobel 
aber auch fein unermüblicher Eifer feine Kräfte fchon in dem 
frühen Alter von 40 Jahren erfhöpft hatte, während er feine 
Unterfuhungen auf dem Felde orientaliſcher Alterthümer ver⸗ 
folgte, zu denen er ſich durch ſein Eindringen in die Kunſt, 
Alphabete zu entziffern und Inſchrifen, die bis jett aller Bor: 
ungen gefpottet hatten, zu leſen, den Weg felbft gebahnt 
hatte. Auch bier geſchah der Entdedungen bes Major Raw⸗ 
linfon in Perfien die ehrenvollſte Erwähnung; er hat verfpro- 
hen, der Geſellſchaft die volftändigen Refultate feiner Arbeiten 
zur Veröffentlichung zu überfchiden. 47, 





Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


fit erari ſche Unterhaltung, 





Dramatiſche Buͤcherſchau für das Jahr 1839. 
Bweiter Artikel. 
ABortfegung aus Nr, 28.) 

19. Das Haus des Svend Dyring. Romantiſche Tragoödie in 
vier Acten. Überient 1839, Hamburg, VeriäessWefle und 
Maufe. 1839. @r. 12, 12 @r. 

Berfaffer und unfreitig auch Überfepes biefer Txagäbie iſt 
der Däne Henrik Herz. Urfprünglich alfo das Product eis 
nes fremden Volks und einer fremden Literatur, gi uns doch 
die germantfhe Gtammverwanbtidaft, melde Deutſche und 
Dänen auch heute noch verbindet, ein Recht, die Erzeugniſſe 
der dänifchen Literatur als mindrfiens halb uns angehörig zu 
betzachten. Wehr als bei andern Probucten nehmen wir diefes 
Recht des —A bei der vorliegenden Trogdbdie in Anfpruch, 
da es dem Dichter vermöge feiner Kenntniß der deutſchen 
Sprache gelungen if, uns in der Überfegung ein Driginalwerk 
u geben. Die geringen Werfiöße gegen einige — Fein⸗ 

iten können wir billig nicht als vollgültige Fehler mitzählen, 

höcftens wäre ihnen ber Charakter von nice gewöhnliden 

Provingialismen beigulegen. 

Soend Dyring, Burgherr und Steueremann, Hat nach dem 


Zode feiner Gattin Yeloig, in zweiter Ehe fih mit Bulbborg, . 


einer begäterten gen und herriſchen Witwe, verbunden. 
Guistors Hat eine + me Tochter, Ragnhilb, des Mutter 
gleich an — WWefen. Dieſe Beiden, Mutter 
und Tochter / überbieten ſich wechſeisweiſe in Pleintihen Kuuäles 
zeien, weldhe fie den Kindern aus Svenb Dpring’s erfler Ehe 
‚ufügen. Doring’s erwachſene Tochter, Begiile, f&ön und lies 
— Ind ihre weibliche GSanftmuth, ift vor, Alen Frau 
Suldborg ein Dorn im Auge, ba fie ihre Tochter zu verbunfeln 
droht. ib werben ihr die ſchwerſten Laften auferlegt, bie 
gemeinften Dagbbienfte guertheilt, Echeftworte, ja fogar 30: 
Higungen bieiten nicht aut, Die 
Regifie einen Ausweg, denn u) ein paar alte Dienftleute 
auf ihrer Seite feben, tößt- fich boch br it 
len, da er auf der Yagl 


Nittess Gtig Hoibe zurüd, ein. Gaftmahl wird en, wehel 
——— —— Auen Apfel Kr it 

ifie's en a In 
N rumenfpruth Karin. " Died Kmnlet wie er Bagifien 80, 


es fälle aber durch eine ungläckliche Wendung in Ragnhiltde 
— 


Dpfer fallen. 
zeit ihr den GBiftbecher, boch in dem Augenblide, wo Regifle 
FR; int der * g ae, — 
mi örderin. zuzufend. leicher: 
Kitten Hoide-in das Erna ‚um bie Gemazterte un been: 
Br 


Ragnhild flieht und ftürzt fh in der Fiuß ——— 
bisher noch Treu und Glauben in. das Dort feiner Frau, 


R 
B 
& 
B 
8 
5 
*— 
& 
; 
3 
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rück in die Er des daͤnlichen Heldenthums, in weiche 


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Zragddie ummogt, erzengt eine eigenthümlicde Gpannung. 
ift dem ter meifberhaft gelungen. Dazu, gefellen 
die Sin in VE Tanke lead dee 
nee; , ber, m f} ‚und. 
eine mg durch den a hen Ehe Fr 
fung eines melodramatifgen Glements in einem gewiffen 
Sinne nicht wegleugnen, fo koͤmen wir barüber doch nit mit 
dem Dichter , da es faft unerlaßfich ſcheint, ſou die 
ganze Nationalitat des alten Heldenlebens dramatifdh Es 
gebracht werden. Und. dann find Die 


2 
— 





Pfung zu bewundern haben, Die Bigue 
was bämonif Sroßartiges und muß u 
der Bühne herab von unberechensarer I 
diefe Gattung von Rollen dem jeht nodp a 
baren‘ nicht angehört. Richt minder. fich 
Quldborg’s und Regiffe's gezeichnet, jene ı 
Weib, wie deren bie daniſche und edi 
aufgezeichnet hat, diefe-eine ſchweigende 
ihre Quälerinnen noch voll Liebe, voll Be 
diefen Frauen die derben Männergeftalte 





- 812 


Soend Dyring, ber chevalereske Ritter Stig Hoibe, ber treue 
Diener Byrge, der Knecht Bunner, alle find Biguren in Les 
bensgröße. Die einfadhften Worte genügen bem Dichter, ber 
es, wie felten Einer, verihmäht hat, durch glänzende Redens⸗ 
arten die Herzen zu umſtricken. Vielmehr befleißigt er fich ber 
allereinfachften Sprache und wählt, angemefien dem Stoffe, 
ein Versmaß, das zwifchen bem gewöhnlichen bramatifchen 
Sambus und dem SKunittelverfe mitteninne ſteht. Oft verliert 
ſich dieſer Vers ganz in die Profa, nur ein gewiffer Rhythmus 
gibt ihm noch das Bepräge bes Verſes. 
So viel Lob muß durch einige Auszüge unterflüßt werben. 
Mögen die folgenden Bruchflüde dazu dienen, die Lefer auf 
diefe bedeutende Erfcheinung aufmerkfam zu machen und, follte 
pin und wieder ein Bühnenbirector ebenfalls einen Blick auf 
fefe Überfichten werfen, biefer ihn veranlaflen, das Drama bes 
geiftvollen Dänen etwas genauer anzufehen und mit ſich Rath 
u pflegen über die Möglichkeit, ein folches Stüd einmal auf 
fe Breter zu verpflanzen. 
Frau Helvig (betrachtet bie Kinder aud ber Berne). 
Meine lieben Kleinen! Auf Stroh legt man euch ! 
Ag, wer ſtahl euch die Kiffen glei! 
Bur Abendzeit legt’ ih — beim Entkleiden — 
Sa die warme Kammer euch lieben Beiden, 
Ich kuͤßte euch zärtlich, ide lachtet mir zu — 
Dann faß ih treu, bis ihr fehliefet in Ruh. 
Euch Hab’ ih ia ſtets unenblidy geliebt 
Und niemals habt ihre mich im Leben betrübt. 
Wer ließ eu hier — hätt’ ed nimmer gebacht — 
Bor offnen Thuͤren in ber Ealten Nacht? 
Ich wachte zärtlich Nachts bid zum Tagen, 
Und pflegt eu, meine Buͤbchen! Hab’ euch getragen, 
Was Heget ihr einfam bier, ſtatt auf Seide? 
— Beh’ über Gulbborg, dem böfen Weibe! 
(Seht zur Pritfche.) 
Mein Heiner Dve, ſprich doch, mein Sohn, fag’ an: 
Was it verfehn? Was haſt bu getban? 
Du warft beftändig fo Fromm und reiht, 
Wer vermocht's zu behandeln di fo ſchlecht? — 
af mein Ält'ſter, Hein, liebli und zart, 
Wer bereitet dir bein Lager hart? 
Du zeigteft niemals ben mindeſten Trotz, 
Und legſt dennoch hier in dem aͤrmlichen Schmuz! 
Fuͤr dich IR der Winkel zu Talt wol und eng‘, 
Sprich: wer begegnet benn bir fo fireng? 
Barum bebedien di grobe Lumpen? 
Warum ein Iädchen von Heedenzeuch body ? 
Warum bringft du nit dem Water ben Humpen, 
Und ritteſt wie Sonntags ben Schimmel nad? 
Man reiht bir gar, wie dem Hund das Butter, 
Weh' über Buldborg, der böfen Mutter! — 


Diefer Klage einer verflorbenen Mutter am Lager ihrer Kinder 
fügen wir die fanften Worte der Schweſter Regiſſe bei. 
Regiſſe 
(nimmt Schale und Licht und geht zu dem Lager der Kinder). 
Berlangt euch nad) Wein, verlangt euch nach Wrot? 

Geht, ich bring's euch, nehmt «8 hin, weil gern ich's euch bot! 

— Ab, dort liegt ihr kuͤmmerlich — Mein, 

‚Blei der Kornblum' Hält ihr in Stroh euch ein, 

Blei Gperlingen gudt aus dem Neſt ihr gar aͤrmlich, 

Weil euch Frau Guldborg bettet erbaͤrmlich — — 

— — Bir es möglich, mein Muͤtterchen, daß du 

Saͤheſt noch forgfam biefen Bier zu? > 

Verwmoͤcht'ſt, verBlärt, bu zu denken an fie, 

Die Gott als theuerfied Pfand bir verlieh? 

Und wär’ ed wahr, du kaͤmeſt vom Himmel, 

Die Kleinen tröftend, zum Erdgetuͤmmel? — — 

Geliebte Mutter, wär es möglich bir; 

Dann (did' vom Himmel des Friedens Gluͤck mir! 


Dir warb bie Laſt, eine Gorge zu tragen; 
Mi drüdt gar ſchwer eine heimliche Noth. 
Kein Freund wirb bier mid) zu tröften wagen, 
Kein Cinz'ger, nachdem du, Geliebte, (dom tobt! — 
Ich zage geängfligt; — ſteh' mir zur Seite, 
Lehre mid Hoffen, ſtaͤrk' mi im Streite! 
Noch erlauben wir uns, bie Anrebe ber Frau Helvig an Guld⸗ 
borg hierher gu fegen,, fowie den Chor der Engel, ber in feiner 
boppelten Wiederholung im Drama von ebenfo erfchütteenber 
als berubigender Wirkung iſt. 
Helvig. 
Was ſchaffſt dur Hier drinne, 
Dartbersige? Weh' bir, wenn Helvig ſpricht! 
Wirkt du nicht zittern vor bes Himmels Bericht ? 
Meine Kinderchen wurden, barbend, bier Hager, 
Jetzt liegt deine Tochter auf dem aͤrmlichen Lager, 
Bedroht ift mein Haus durch bi und betrübt, 
Verworf'ne, wie haſt du bein Amt bier geübt? 
Ich ließ den Kindern noch Wein und Brot,⸗ 
Aber bennod litten fie wirklich Noth, 
Ih ließ bier Betten mit weidhen Kiffen, 
Und fieh’: auf Stroh mußten Alles fie miffen! — — 
— Muß ich dft’rer zeigen mid bier, 
Dann zitt’re du, dann fürdt’ dich vor mir! 
Chor der Engel: 
Dem Belt und Menſchen nicht Hülfe gebracht, 
Bringen wir Troft in der einfamen Nacht; 
Wer Noth am Tage häufig erlitten, 
Werden wir Labung zur Naht erbitten. 
Als man ben Deiland auf Erden gefhaut, 
Keimte der Troſt für die herbeſten Schmerzen, 
Ein Troſt für den, der gläubig vertraut, 
Ein Shall vom Chor der Seltgen — laut 
Steigt er herab zum menſchlichen Derzen. 


So fchließt ſich diefe Tragödie, in der uns abermals ein Bes 
weis gegeben ift, daß faft allein noch in den norbifchen Staa⸗ 
ten germanifcher Abkunft Einfachheit und Abel ber Sefinnung 
in ber Kunft fich erhalten hat. Dänemark zeichnet fi vor 
allen durch die Keufchheit feiner Literatur aus, ohne beshatb 
weniger Geift, weniger Gedanken in Gurs zu bringen. Aber 
das Bolt fchöpft auch nur aus heimifchen Quellen feine geiftige 
Nahrung, es entlehnt wenig der Fremde, ober fchließt ſich body 
nicht fElavifch der elenden Modeſucht an, die nur Heil zu fin⸗ 
ben glaubt, wenn bie parifer Sittenverderbniß, gleich den pas 
zifer Kleiderfchnitten, überall preifend anerkannt und nachge⸗ 
ahmt wird! Wir koͤnnen nicht umhin, bier auszufpredhen, daß 
es uns mebr freuen würbe, fähen wie Eünftig ben beutfchen 
Geiſt wieder im Gewande feiner nationellen Einfachheit, Derbs 
heit und Kraft, als in dem flatternben Narrenhabit bes ſocia⸗ 
len Franzoſenthums auftreten! Der Deutfche, bünkt uns, muß 
jett von den Dänen und Schweden Bitte und Zucht lernen, 


wenn er thöricht oder ſchwach genug ift, diefe in ſich felbſt nicht 


mehr finden gu wollen. 


20. Hermann ber Cheruskerfürſt. Tragoͤdie in fünf Acten von 
Lubwig Thebefius. Berlin, Hayn. 1839. 8. 20 Er, 
Irren wir nicht, fo ift der Verfaſſer diefee Tragödie nicht 
mehr unter ben Lebenden, und fo könnte denn die Kritil ohne 
Rüdfihtnahme, was fie freilich immer fol, über das Probuct 
bes VBerftorbenen aburtheilen. Was nun uns anbetrifft, fo koͤn⸗ 
nen wir dem Dichter ein befcheidenes Talent zwar nicht abfpres 
hen, bie Kunſt, es zu benugen, fehlt ihm aber Leider gänzlich ! 
Schulbd daran kann zum großen Theil audy ber. Stoff haben, 
ber unfers Erachtens zu einer Tragoͤdie im firengften Sinne 
niemals ſich eignen wird. Shebefius hat nun zwar ben ge⸗ 
woͤhnlich beliebten Stoff, die Hermannsichlacht, nicht zum Gegen⸗ 
ftand feiner Tragoͤdie gewählt, ſondern bie fpätern Zwiftigkeiten 
und Händel der Deutichen unter ſich feibfi und mit ben Roͤ⸗ 
mern. Die Beinbfehaft Segefl’s und Hermann’s bildet den Des 


bel bes Trauerſpiels, das mit Hermann’s Tode und ber Vers 
föhnung der feindlichen Parteien endigt. Ein kuͤnſtleriſch ange: 
Iegter Plan, wie ihn die Ökonomie des Dramas erheifcht, if 
nicht vorhanden, und fo haben wir denn abermals ein Stück, 
das nur durch eine Meibenfolge von Scenen, durch den Dialog 
der ſehr fchlecht charakterificten Perfonen zum Drama wird. 
Wäre der Verf. am Leben geblieben, hätten ihn tüchtige Stu⸗ 
dien bei einer glücklichern Wahl wol auf einen beffern pri 
führen koͤnnen. Die Sprache ift einfach und flellenweife au 
recht dramatifh. Mislungen im Ausdrud find uns diejenigen 
Scenen erfhienen, wo ber Verf. den Deutfchen eine Art derb⸗ 
Fräftigen Humor in den Mund legt. Die Helden der teutos 
burger Schlacht benehmen fich babei kindiſch und albern. 


21. Edgar. Dramatifches Bebicht in fünf Acten von A. Schütt. 
Freiburg, Wagner. 1839. ®r. 12. 21 Gr. 
Hr. Dr. Schütt hat mit diefem Drama nur ein Häufchen 
Schutt mehr auf den Zäthaufen des dramatiſchen Unkrauts 
efhüttet, was uns um fein felbft und ber Literatur willen fehr 
td thut. Indeß Hat fein Product vor manchen andern den 
Vortheil voraus, daB es wenigftens amufirt, unb zwar aus 
folgendem Grunde. Schütt’s fogenanntes. Gedicht ift ein Ges 
fpenfterdrama in befter Form, Geiſter und Geifterfoirden fpielen 
die Hauptrolle darin, helfen einen Watermorb entbeden, ein 
ehebrecherifches Weib beftrafen, einen Schuft und Mörder dem 
Zeufel überliefeen und die verkannte, gekränkte und verbannte 
Unſchuld in ihre Rechte wiedereinfegen. Auch das NRomantifche 
ift nicht vergefien. König Arthur mit ben Rittern feiner Tas 
felrunde tritt mehrmals auf, es wird gefungen unb gezecht, ges 
Tiebelt und getändelt, aber fehr wenig gethan, bis endlich, wie 
ſchon angedeutet, der Teufel felbft dem Treiben dadurch ein 
Ende madht, daß er Redwald, ben eigentlichen Popanz bes 
Stüds, in die Hölle abholt und als Beweis feiner raſchen Be: 
rechtigkeitspflege den ſchuldlos Zurüdgeblicbenen einen Reft glü= 
hender Gebeine verehrt. Schade, baß zur Darflellung fo 
vielen Unfinns eine überfläffige Sorgfalt auf den Bau der Verfe 
verwendet worden iſt. Wir möchten biefe manchem talentvollen 
Dramatiler wünfchen, bei Hrn. Schätt iſt fie ganz an den un⸗ 
rechten Dann gelommen. 


22. Merwich. Ein Trauerfpiel. Berlin, Zrautwein. 1839. 
8 16 ®r. 


Hier Heißt es „Namen nennen dich nicht”, und das iſt auch 
gut, da es auf ſolche Weiſe für den Verf. keine Blame gibt. 
„WMerwich“ wird ein Trauerſpiel genannt und das Drama 
verdient diefen Namen, wenn ber am Schlufie und im Verlauf 
des Stüds erfolgende Tod ber Hauptperfonen — hier biejeni: 

en, welde am meiften ſzreger — ein Trauerſpiel machen 
ann. Das Stück ſpielt im 6. Jahrhunderten. Chr. und ers 
zählt die Schidfale ober vielmehr die Zaͤnkereien und Gefechte 
des Königs Chilperich mit feiner verfloßenen Battin Aubovera 
und feinem Sohne Merwich. Es wird weiblich gemordet, bie 
Weiber find mannhaftstoll, ſehr biutgierig, hinreichend großs 
Iprecherifh und ſchwer zu befänftigen. Die Liebesintrigue bes 
treffend, fo fehlt ihr alles Pikante; man fieht es, daß es bem 
Berf. nur um ein Bischen Liebesaffaire zu ihun gemefen ift, 
um doch einigermaßen allen Anfoberungen zu entfprechen, bie 
billigerweife an jede, alfo auch an eine bramatifche Dicgtung 
gemacht werben. Der Poefie find wir in „Merwich“ nicht bes 
egnet, nur Verſe ohne Ende haben wir lefen müflen, die, in 
Profa aufgelöft, jedenfalls genießbarer fein würben. 


33. Enghien, Herzog von Bourbon. Tragoͤdie in fünf Acten 
von geiebeie Elemens Altona, Hammerich. 1889, 
. r. 


Dem Nachworte zufolge, bas Clemens ſeiner Arbeit anzu⸗ 
hängen für gut befunden, erwarteten wir etwas nicht Gewoͤhn⸗ 
liches in diefee Tragödie zu finden, fo wenig wie auch feiner 
Meinung von ber Vo ichleit des Stoffes in Bezug auf eine 
dramatiſche Behandlung deſſelben beipflichten Tönnen. Aber auch 


bie befcheibenbfte unferer Erwartungen warb nicht befgiebigt. 
Langathmige Reden in Verſen, bie nur das Spibenmaß zu Ver⸗ 
fen macht, gleichklingend im Wunde der verfchiebenften Perfos 
nen, bin und wieder ein faber Dialog, von Menſchen geführt, 
beren Ramen welthiftorify geworden find, biefe Salbadereien 
in Scenen abgetheilt, durch Acte gefchieben: das nennt Hr. Cle⸗ 
mens eine Tragödie! Der einzige erträglicdhe Charakter in bies 
tem hoͤchſt verfehlten Trauerfpiele ift der Marquis von Thu⸗ 
mery; er amufict wenigſtens. Alle andern von Rapoleon bi8 
zu den Mouchards herab find langweilig und zeigen ſich als 
erbärmliche,. fchlecht gefchnigte Marionetten, wenn man fie mit 
ben Perfonen vergleichen will, bie fie vepräfentiren follen. 


24. Hutmadjer und Strumpfwirker, oder: Die Ahnfrau im 
Gemeindeftadel, Hoffe mit Befang in zwei Aufzügen, von 
Sriedrih Hopp. Muſik von Abolf Müller Wien, 
Wallishauffer. 1839. Er. 12. 12 Er. 


25. Die Bekanntſchaft im Paradiesgarten, bie Entführung auf 
dem Himmel und die Verlobung im Eiyfium. Localpofle mit 
Sefang in brei Aufzügen, von Friedrich Hopp. Muſik 
von guttus Hopp. Wien, Wallishauffer. 1889. Gr. 8. 

r. 


Die wiener Komik iſt nur dann genießbar, wenn man ſich 
gelobt, mit Kindern ein Kind ſein zu wollen. Hat man es 
aber dazu gebracht, hat man jeden Gedanken an Kritik ent⸗ 
fernt, weiß man nicht das Geringſte mehr von Aſthetik und 
Kunſt, dann iſt der Genuß der wiener Poſſen auch ein unver⸗ 
gleichlicher. Die genannten beiden Theaterſtuͤcke von Hopp mas 
chen genau dieſe Anſprüche, und wer möchte fo unbarmherzig 
und vergrämt fein, ihnen bdiefe befcheidene Koberung abzuſchla⸗ 
gen! Thut ſich doch Jeder mit ber Gewährung berfelben ſelbſt 
ben größten Gefallen. Wir nehmen baber den Spaß fo auf, 
wie er ſich gibt, und caffiren natürlich alle Kritil. Nur in 
Bezug auf das Thema fei Einiges gefagt. Das wiener Volks: 
leben, in welchem zum großen Theile bas eigentliche öftreichifche 
aufgeht, wäre ber ergiebigfte Boben für ein auch den Zwecken 
ber Kunſt entfprechendes Volksdrama, wenn nicht unüberfteigs 
bare Hinderniſſe der freien Benutzung biefer trefflichen Elemente 
einen Damm entgegenftellten. Raimund, ber Alles aufopferte, 
das an ſich fo glüdlidhe Genre zur Kunftproduction zu erheben, 
mußte doch baran zu Grunde gehen, Neſtroy mit feinem 
unvertennbaren Zalent für das derb Komiſche z0g die edeln 
Beftandtheile der Raimund'ſchen Zaubermärchen ins Bemeine 
herab, und die andern Nachtreter und Pfufcher begnügten ſich 
mit der puren, oft faden Spaßhaftigkeit, an der fich freilich ber 
gute Wiener auch erlabt, fon deshalb, weil er nichts Beſſeres 
hat. Das ift nun fehr betrübend, einmal, weil auf biefe Weiſe 
der Geſchmack, felbft der beffee Gefinnten, nach und nach vols 
lends verborben wird, und fobann, weil ber große Bonds für 
bas wirkliche Volksdrama fo gaͤnzlich unbenugt bleiben muß 
ober doch blos auf eine Höchft bedauerliche Weiſe abgenugt wird. 
Die wiener Poflenfchreiber nagen an bem prächtigen öftreidhts 
fen Bolksteben mit feinen hundert interefianten Abfchattungen 
wie Mäufe und Ratten herum, jeber beißt fi ein ſchmackhaf⸗ 
tes Stücken ab und befnuspert es für ſich fo lange, bie glüds 
lich eine unglüdliche Poſſe mit Geſang fertig geworben tft. 
Meiftens ſehen folche Arbeiten fi) alle aͤhnlich, wo nicht gleich, 
dennoch iſt uns aber Feine vorgefommen, in ber wir nicht auf 
irgend einen glädtihen Einfall geftoßen wären. Das oberflädhs 
liche Berühren gerade der glädlichften Gedanken bürfen wir ben 
Verfaſſern nicht anrechnen, bie Verhältniffe zwingen die armen 
Poeten ſchon hübſch an der Oberfläche herumzutaften und bas 
bei noch zu thun, als machten fie bie erfreulichfien Entdeckun⸗ 
gen von ber Welt. Das Lachen iſt jedenfalls noch erlaubt, 
doch muß es ohne allen bittern ober fcharf ſatiriſchen Beige⸗ 
fhmad fein; wo dieſer fich fpüren läßt, unterliegt auch bie 
Lachluſt einer unerbittlichen Genfur! Dies Alles zuſammenge⸗ 
nommen, ift ed noch immer zu verwunbern, wie bie wiener 
Poflendichter in ihrer Weiſe eine Menge Thorheiten vecht glüds 


84 


N ei verfiehen, ohne auf allen Gehen anguftoßen. 
rd Meilen, von einem Kammerzöfchen, einem Bedienten oder 
einem zerlumpsen Handwerker gefungen, muß gewoͤhnlich zum 
Dedmantel ber - beabficheigten Sünde dienen. UÜber dem hüb⸗ 
ſchen Bfangi vergibt aber Herr Yublieus den Inhalt ober def 
fen Bedeutung, man ruft. „da capo” und. amufist fi! Auch 
in den oben genannten beiden Städten kommen aͤhnliche Sachen 
vor, mie denn beibe -Yoffen des Ergoͤtzlichen und Guten manı 
enthalten ,- freilich übexichüttet von einer Maſſe unnuͤter 
ernheiten. In dem erfigenannten geben ein Hutmacher⸗ und 

ein Strumpfwirkergeſel die Hauptrollen. Dieſe beiden luſtigen 
Karren eriunsen ſtack an den Tiſchler und ben Schufter im 
Reftroy’s ‚Eumpaciz Bagabunbus Beide find bettelarm, mas 
en aber fi Glück, belommen jeder ein Mädchen und ein Haͤus⸗ 
n, und fo erleibet des Hutmachers fhönes Dietum: „Nur 
alleweile kreuzſidel“ auf das Leben die paffendfte Anwendung. 
Die Aufführung der Ahnfrau im „Gemeindeſtadel“ ift nur 
Gpifede. Zufammenhangsloſer und viel zu breit ift dem Verf. 
‚Die Bekanntſchaft im Paradiesgarten” u. f. w. gerathen. 
Die vielen Verwechſelungen, Zäufhungen und Narretheien, mit 
denen der Verf. bas wiener Yublicum zu amufiren fucht, moͤ⸗ 
en wol Lachen erregen, müflen aber zulegt burch ihre gängliche 
deutungsloflgfeit langweilen. Der Juhalt ift trog aller 
Berwidtelnng ſehr einfach ine. im Parabissgarten begonnene 
Liebfchaft reift fo weit, daß im Simmel bie Entführung vors 
genommen werben kann, worauf benn die Werlobung nicht 
ausblsiben barf. Die angegebenen brei. Orte als Bergnügungds 
pläge um Wien: mögen ben: in Wien Ginheimifchen das an 


teodene cd i „als es db 
—— A —— 
Ben gelangweilt. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Die großen Kicchenverfammlungen bes 15. und 16. 
Sahrhunberts, in Beziehung auf Kirchenverbefferung 
geſchichtlich und kritiſch Dargefellt, mit einleitender Über: 
ficht der frühern Kirchengefchichte von J. 9. von 
Weffenberg Bier Bände. Konftanz, Gluͤckher. 


1840. Gr. 8. 7 The. 
Gin Überblick ber chriſtli Kicchengefchichte feit Shriftus 


bis neueften Beit, vom Höhepunkt bes Katholiciömus. Alle 
—* 


bes großen Dramas ſind hier ſcharffinnig aufge⸗ 
faßt und in lichtvoller Darſtellung entwickelt. Evangeliſ 
Religionsſinn, verbunden mit echter Philoſophie, ausgebreitete 
Geſchichtskande und ein von Parteirückſichten ungetrübter Blick 
leiten den hochwuͤrdigen Verf. glücklich vorbei an fo manchen 
Gteinen bes Anftoßes, buch alle Blendwerke frommer Taͤu⸗ 
Kung Rt auf den Loßpeinthifchen Irrwegen geiſtlicher und welt- 

olitit. 

Von der Zeit vor 1414 wird kein veilſtaͤndiges Gemälde 
aufgeſtellt, da es weder an ſolchen fehlt, noch ber Plan des 
Werkes dies erfoberte: nur bas Wefentliche erfcheint in feften 
umriſſen einer geiſtreichen Reflexion. Deutlich erhellt ber un- 
t idende Charakter bes Ghriftenthums, als einer Religion 
der Lehre und: Gefinnung., b. h. der Moral, im. Gegenſat blos 
Außerlicher Gebräuche, worauf fowol bie Cultur roher Völker 
als, in veredelter Korm, bie bes gebilbeten Altertbums binauss 
Iaufen und über welde ber Jehovadienſt und ber Moham⸗ 
mebaniömus nur. ducch die Anerkennung Eines Gottes fi ers 
heben, Der Verf. gründet barauf ben Anfpruch des Chriſten⸗ 
thums auf den Ramen einer Weltreligion, ben es bucch fein 
geiftiges Weſen und feine überallbin ausgefandten Verkünbiger 
ungleich mehr verdient als bie griechifcherömifche Vielgoͤtterei, 
trotz ver weiten Verbreitung buscy Aufnahme fremder Nas 
tionalculte. 


n des. Sultue, ſondern audy als 
unb ihren großen und Kleinen 


fteller ſelbſft. Kaum wird man darunter einen wichtigen, wels 
eher Baubenspartei er angehören mag, vermiffen. Doch bes 
wahrt ber Verf. unter fo vielen, einander widerftreitende 
Stimmen fein Recht einer vorurtheiltofen Kritit. Das W 
ft reich an treffenden Charakteriftiten, freien GEntwidelungen 
der Beweggründe, beherzigungswerthen Winken über das jept 
vielbefprochene Verhaͤltniß der Kirche zum Staat. Das fo oft 
Üüberfehene, aus den Augen gerüdte, verhinderte, verfehlte 
Bauptziel ber großen Berfammlungen, Kirchenreform, ſchwebt 
dem Gefchichtfehrelber in verklärten Zügen vor und feine Zu⸗ 
rücdweifungen auf bie edle Einfalt der erften Chriftenvereine if 
ebenfo einfichtsvoll als friedlich. 

Wir zweifeln nicht, daß dieſe treffliche Darftellung fo in⸗ 
tereffanter @reigniffe überall den Anklang finden werde, ben 
fie in hohem Grabe verdient. 54, 





giterarifhe Notizen. 


Thieriot's Schrift über ben Zollverein wurde in das Franzoͤſi⸗ 
ſche überfegt unter folgendem Titel: „Deowanes.allemandss; de 
influence exercde sur le commerce et l’industrie de la Saze 
par son accession & la grande association des douanes alle- 
mandes-prussiens, par J. H. Thieriot, conseiller de finances 
du roi de Saxe, m&moire couronne par l’academie de Leip- 
sick, tradait de l’allemand par Alexis de Gabriac, atiacht 
de legation.’’ — Auch erfchten eine neue Überfehung bed Goethes 
ſchen „Banft’ unter dem Xitel: „Faust, tragedie de Goethe, 
traduite en vers francais et prec&dee de considerations sur 
Phistoire de Faust; par Alphonse de Lespin, capitaine da 
genie Bekanntlich —— auch Hr. Blaze mit einer 

berfegung bes Goethe’fchen‘,,Bauf”’, weiche fuͤr die, Bibliotheᷣque 
Charpentier‘‘ beftimmt if. — Daß man In Frankreich anfängt, 
fi mehr und mehr mit den Iuterefien, Einrichtungen, Ber: 
waltungsformen und andern innern Angelegenheiten beutfcher 
Länder zu befchäftigen, davon zeugt auch die Überfegung einer 
Schrift von Rumpf, weiche unter bem Titel: „Droits et de- 
voirs des fonctionnaires et employ&s prussiens, traduit de 
allemand par Noel’, erfchtenen und als ein „‚Ouvrage essen- 
tiel et urile A consulter pour les administrateurs et publi- 
cistes”, empfohlen ift. 5. 


*) „Dan erwarte hier nicht eine ind Einzelne gehende Erzählung 
weber ber Feierlichkeiten no aller Verhandlungen, die auf je⸗ 
nen drei Concilien flattfanden. Mein Werk beſchraͤukt fih auf 
die Darftelung und Beleuchtung Defien, was bier in Bezug auf 
bie Verbeſſerung kirchlicher Buftände, welche bie Einen verlangten 
und welcher Andere ſich wiberfesten, verhandelt und befdloffen 
worden ift, und was damit zunaͤchſt in Berührung ſteht.“ (Vor: 
rede, ©. XIV.) 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


- 


Blätter: 


für 





x 


Dienftag, 


28..3uli 1840. 














nn 


Dramatifche Bücherfchau für das Jahr 1839. 
Bweiter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 209.) 


26. Der Traum ein Leben. Dramatifches Märden in vier 
Aufzügen. Von Kranz Srillparzer. Wien, Wallis; 
l 


hauſſer. 1840. Gr. 8. r. 

27. Weh' dem, ber lügt! Luſtſpiel in fünf Aufzügen von 
Kranz Grillparzger. Wien, Wallishaufler. 1840, 
Gr. 8. 1 Thlr. 


28. Des Meeres und der Liche Wellen. 
Aufzügen von Fran 
fer. 1840, Gr. 8 


Zrauerfpiel in fünf 
z Srillpaszer. Wien, Wallishaufs 
1 Thlr. 


Nr. 21 


Mit Vorbedacht laffen wir die Anzeige biefer drei Dich⸗ 


tungen von Grillparzer unmittelbar auf bie Hopp’fchen Poſſen 
folgen. Der ernfte, tieffinnige, edle Grillparzer und bie wiener 
Localpoffe! In der That ſchroffere Gegenfäge laſſen ſich nicht 
gut denken, wol aber koͤnnen ‚wir das Gefühl Grillparzer's 
mitempfinden, das biefen edeln Geiſt befchleidhen mag, wenn er 
fi) und fein Streben mit dem raufchenden, inhaltsleeren All 
tagstreiben ber wiener Population vergleicht. Daß Brillparzer 
dennoch fich aufrecht zu erhalten gewußt Inmitten biefer alles 
&berrpuchernden Mittelmäßigkeit, biefer gebaltlofen, geiftedarmen 
Benustuht ‚dies IE nur ein Beweid mehr für fein großes Ta⸗ 
lent und, ür den tüchtigen Kern feiner Geſinnung. Grillparzer 
fteht allein mit feiner tieffinnigen Poefie in Wien, ex fteht als 
iein auch in der Gegenwart der beutfchen Literatur! Das ift 
leicht zu begreifen. Den excentriſchen Beftrebungen ber jüngern 
Literatur konnte er ſich nicht anfchliegen, und dieſe junge Lite⸗ 
satur iſt viel zu prätentiös, in fich ſelbſt und in ihren Anfich- 
ten zu erelufiv, um einem Manne Gerechtigkeit widerfahren 


zu laffen, der, einer. Altern, Epoche apgehdrend, von jungen Auf⸗ 


eß. Dat man es doch mit 


ſchoͤßlingen fi nicht incommodiren 
Erſt in der neueften 


Immermann ‚nicht viel anders gemacht! 


Zeit, wo bie 3erwürfnifie der jungen Literatur überhand nah⸗ 


men,. und wo Immermann mit feinen vielleicht bedeutendſten 
Schöpfungen auftrat, mußte man doch von ihm ſprechen, um 
fi nicht geradezu zu blamiren. Grillporzer zu ignoriren 
war fchon leichter, theils, weil man früher alle Dramatiker für 
Nullen in ber Literatur bielt (mas befanntlidy feit einem Jahre, 


nun Gutzkow Zrauerfpiele fchreibt, auf einmal anders gemorben. 


if), theils,. weil ex zu einfam, zu fehr außerhalb des Literari- 
(hen .Berhandes und mithin dem Dafürhalten nach ohne Ein: 
fluß auf bie Literatur daftand.. Grillparzer Fann zu biefem ge> 
fliffenttichen ‚ Besgeffenfeinfollen getroft Lächeln, feine Porfie lann 






Glafficität und Einfachheit. Nirgend begegnet uns. unnüßer 


litera rifhe Unterhal tung. 


Bilderkram, in dem fich die neue Dramatik oft seht con amore...- 


berummälzt und damit Gott weiß was errungen zu haben - 


glaubt. Einfach, wie feine Sprache, ift auch die Zeichnung fel- 


ner Sharaltere, die immer edel und groß baftehen.. Und melde F 


Tiefe der Gedanken, welche Innigkeit der Empfindung, we 


Malerei der Leidenſchaft athmen die Dramen Grillparzer's! 


— 


Hier haben wir einen dramatiſchen Dichter, der neben den be⸗ 


ften aller Rationen gar wohl einen Pla verdient. 


Wir wollen nun zwar nicht leugnen, daß ein feiner Sinn. 


die wienerifche Luft oder vielmehr die Luft der wienerijchen 


Verhältniffe in feinen Dramen wehen fühlt, allein dies ift und. 


kann kein Zabel fein. 


Kühlen wir doch Teinen Mangel on . 


poetifher Blut in feinen Dichtungen, nur die Wahl ber Stoffe. : 


oder die Kormen, womit er feine Ideen umbüllt, verrathen un®,... 
daß ber Dichter in Wien Iebt. Bringt jedoch eine ſolche Abge⸗ 
f&hiedenpeit in einem firenge Genfur liebenden Staate Dichtuns .. 
gen zur Neife wie „Der Zraum ein Leben”, fo haben wir .. 


feinen Grund, bes Dichters Einfiedlerieben zu beklagen. 
Die Idee, welde Grill 


fhen Drama: ‚Das Märdien im Traum’, worüber wir oben 
in Nr. 207 gefprochen haben. Bei Grillparzer iſt es ein Jäng- 
ling, Ruftan, der, von dem Drange nach Thaten erfaßt, bei 
nächtlicher Weile ein Leben vol Glanz und Werbredden, voll 
Schre@en und Glend vor feinem innern Auge vorübergleiten 
fieht, bei Raupach geſchah Ähnliches einem jungen Weihe. Es 
läßt fi) annehmen, daß beide Dichter vollommen unabhängig 
voneinander ihre Dramen fchrieben, wenigftens erinnert, den 
Gedanken ausgenommen, ſonſt nichts weder in der Ausführung, 
noch in der Sprache, an eine weitere Übereinfiimmung, Wer 
zuerft den hoͤchſt glüdlichen Gedanken im Gedicht. verllärt und 
belebt Hat*), Tann uns gleichgültig fein, ber Preis bes Verdienſtes 
gebührt jedenfalls Grillparzer. Raupach mit feiner Fertigkeit, 
glatte Verfe zu fchmieben und bühnengerecdhte Scenen zufams 
menzuleimen, bat vielleicht den Vorzug einer Leichten Darſtell⸗ 


barkeit vor Grillparzer voraus, dafür aber ſchwebt des Letztern 


Gedicht auf einem Meere poetiſchen Glanzes, bas mehr und 
mehr feine Wogen hebt, je näher. das Leben im Traume zur 
Entſcheidung kommen fol. Entzüden, Grauen, Entfegen drins 
gen auf und ein, wir vergeffen, daß Alles nur eine prachtoolle 
Phantasmagorie des Dichters iſt, dem Menſchen tie tiefe 
Wahrheit Tebendig vorzuführen, die er gegen bas. Ende hin 


. von Maffub ausfprechen läßt:. 


ihm Niemand, rauben und ſchwerlich auch die. bramatifche. Lor⸗ 


berkrong, die ihm, wie keinem andern Dramatiker ber Jetztzeit, 
., Das prophetifche Wort Lord Byron's, der alles Große 


Se t 
rü ie anerkanvte, wird bei Grillparzer in Erfüllung ge⸗— 


hen. „Wer iſt Grillparzer?“ ſprach Byron, als er des Did; 
ters „Sappho““ geleſen, „ich kenne ben Mann nicht, aber bie 
Jahrhunderte werben ihn kennen!“ Was uns den Dichter ber 


„Sappho“ innig werth macht, das ift fein edles Streben nach }.. 


| Bevor. wir sinige Belege: von ber tuefflicdhen Poefis, der Rueftiorr 


— die Iräume, 
Ste erfhaffen nicht die Wünfe, 
Die vorhandnen weden fie; 
Und was jegt verfheudht der Dlorgen, - 
Lag als Keim in dir verborgen. 


*) Raupach's „Maͤrchen, im Traum⸗“ erſchien zuerſt in Rochlitz·o 
„Mittheilungen 1829... - D. Red. 


pauzer in „Der Traum ein Leben‘. . 
verkörpert, hat eine überrafchende Ähnlichkeit mit dem Raupach⸗ 





846 


und Meifterfchaft geben, womit ber Dichter die Sprache hand⸗ 
habt, wollen wir ben Inhalt mit wenig Worten andeuten. 
Ruftan, ein junger, Eriegerifch gefinnter Dann, wirb von feis 
nem Sklaven Banga in feinen Wünfhen nad Kampf und 
Ruhm fo fehr beftärkt, daß er die Hütte feines DOheims Maf: 
fud, deflen Tochter Mirza er liebt, zu verlaffen wünfdt. Eifer⸗ 
fucht auf einen Fremden, ben er oft in der Nähe ber Hütte 
gefehen, erhöht noch fein Verlangen. Mit diefen Gedanken be: 
ſchaͤftigt, überrafht ihn der Schlaf. An Zanga’s Seite ftreift 
er durch eine malerifch wilde Gegend, in welcher er den König 
von Samarland, fliehend vor einer Schlange, erblidt. Zanga 
ermuthigt Ruftan, das Thier zu tödten und fo den König fich 
zu verpflichten. Ruſtan fchleudert feinen Wurffpich nach dem 
Reptil, trifft es aber nicht; da tödtet der Wurf einer ſchwar⸗ 
zen Geſtalt das Thier und der König iſt gerettet. Sobald 
ſich diefer erholt, vecheißt er feinem Retter die höchften Ehren 
in feinem-Staate. Ruſtan, von Zanga verführt, nennt fidy als 
Retter, da dee geheimnißoolle Schüge verſchwunden iſt. Der 
König beſchenkt ihn vorerft mit einem Dolche und entfernt fich, 
worauf die Geftalt wieder erfcheint und Ruſtan anlündigt, daß 
ee vom Könige feinen Lohn fodern werde. Ruſtan erflicht den 
Geheimnißvollen und flürzt ihn in den nahen Fluß. Nun 
Glanz und Leben am Hofe bes Könige von Samarland, bis 
Mishelligkeiten eintreten und Ruſtan den König vergiftet. Die 
gehrimnißvolle Geftalt tritt ald Kläger gegen ihn auf, er muß 
fliehen, Kampf und Schlacht erfolgt, Ruftan entflieht mit 
Banga, wird aber bald eingeholt und von Gülnare, bes Königs 
Tochter, umzingelt.e Da räth ihm ber Sklav, ex folle fi in 
den Strom ſtürzen auf derfeiben Stelle, wo er einft den ge⸗ 
beimnißoollen Mann binabflürzte. Gr thut es und — erwacht! 
Diefe furchtbarsfchöne Phantasmagorie, auf welche das eben 
Gefagte unfere Leſer nur aufmerkſam machen fol, läßt Ruftan 
von feinen thörichten Wünfchen nad Ruhm und Auszeichnung 
gefunden und Heilt ihn von der nicht minder unbegründeten Eifer: 
fucdht. Überzeugt, dab nur das Leben eines Zraumes ihn getäufcht, 
gequält und zur Verzweiflung gebracht habe, bricht er beim Er: 
bliden der Dorgenfonne dankend in die fhönen Worte aus: 
Sei gegrüßt, du heil'ge Fruͤhe, 
Ew'ge Sonne, fel’ged Deut’ ! 
Wie dein Strahl dad nächt'ge Dunkel 
Und ber Nebel Schar zerfireut, 
Dringt ex au in biefen Bufen, 
Giegend 06 der Dunkelheit. 
Was verworren war, wird helle, 
Was geheim, iſt's fürber nicht; 
Die Erleuchtung wird zur Wärme, 
Und die Wärme, fie iſt Licht. 


Dank dir, Dank! daß jene Schrecken, 
Die die Hand mit Blut befäumt, 
Dad fie Warnung nur, nit Wahrheit, 
Nicht geſchehen, nur geträumt, 
Daß dein Strahl in feiner Klarheit, 
Du Erleuchterin der Welt, 
Nicht auf mid, den blut’gen Frevler, 
Rein, auf mid, den Reinen, fält. 
Breit’ ed aus mit beinen Gtrahlen, 
Sen eb tief in jede Bruſt: 
Eines nur if Gluͤck hienieden, 
Eins: ded Innern ftiller Frieden 
Und bie fhuibbefreite Bruſt! 
Und bie Größe iſt gefährlich, 
Und der Ruhm ein leeres Spiel; 
Was er gibt, find nicht'ge Schatten, 
Was er nimmt, ed ift fo viel! wm. f. w. 
Vortrefflich iſt auch die Beſchreibung ber Schlacht, womit Zanga 
feinen Deren zu einem thatenreichen Leben anzufpornen verfucht. 


— Dal da flanden beide ‚Deere, 
Bapllod, wie der Sarb am Meere, 


StiT und flumm 

Weit hinum, 

Düfter, wie bad Nebelgrauen, 

Dad no lag auf Feld und Auen, 
Dur den Duftqualm fah man's blitzen 
Bon dem Strahl der Eifenfpigen; 
Und als jept ber Nebel wid, 

Beigte Roß und Reiter fid. 

Da fühlt’ ih mein Herz fih wanbeln, 
Jeder Zweifel war befiegt; 

Klar war:’s, daß im Thun und Danbeln, 
Nicht im Grübeln ’5 Leben liegt. — 
Und als nun erfhallt bad Beidyen, 
Beide Deere fih erreichen, 

Bruft an Bruft, 

Goͤtterluſt! 

Heruͤber, hinuͤber, 

Sept Freunde, jetzt Brüder, 

Streckt der Mordſtahl nieder; 
Empfangen und geben 

Den Tod und das Leben 

Im wechſelnden Tauſch, 

Wild taumelnd im Rauſch. 

Die Luͤfte erſchuͤttert, 

Die Erde zittert 

Von Pferdegeſtampf, 

Laut toſet der Kampf! 

Die Gegner, fie waren, 

Die Gegner, fie weichen, 

Bir, mutbig und jach, 

Den Bliebenden nad, 

Über Freundes und Feindes Leichen. 


Der tiefe Ernſt, welcher alle Dichtungen Grilfparger’s charak⸗ 
teriſirt, befchräntt die Wirkfamkeit des Autors von ſelbſt ſchon 
auf die Tragödie; ſobald Grillparzer ſich andern Dichtungsar⸗ 
ten zumenbet, bewegt er fi nit auf heimatlichem Boden, 
Dies fühlen wir mit Bedauern bei ber kecture feines neuers 
bing® auf ber Bühne erfchienenen Luftfpiels: „Wehe bem, ber 
lügt!“ Poeſie iſt freitih aud in diefem Product die Fülle, 
aber fie. allein macht noch Eein Euftfpiel. Wir finden den gans 
zen Bau des Stückes geeigneter für ein Scaufpiel, und das 
Gehaltene der Charaktere beftärft uns in unferer Anſicht. Die 
Babel, aus weldyer das Stück ſich entwidelt, enthält zwar luſt⸗ 
fpfelartige Elemente, die bei einer glüdlichen Behandlung wol 
von bedeutender Wirkung fein koͤnnten. Grillparzer hat fi 
aber bei diefem Stoffe jedenfalls vergriffen. Es geht ihm der 
tee Übermuth ab, der im Luftfpfel die Charaktere beſeelen 
muß; wo Humor ſich zeigen fell, fühlt man nur ein fehüchters 
nes Taſten darnach, und taucht ja etwas Derartiges bin und 
wieber auf, fo ift e6 mehr die fprachliche Hülle, welche erhei⸗ 
ternd wirkt, als ber Sinn, den fie widerfpfegeln fol. An bies 
fee Schuͤchternheit, die freilich auch wieder eine Folge ſchwer zu 
befiegender Berhältniffe fein mag, Erantt das ganze Stüd, an 
ihe zerbricht der Charakter bes eigentlichen Luftipiels, auf befs 
fen Sinzelnheiten wir nicht weiter eingeben, da eine weit bes 
beutfamere Arbeit unfere Aufmerkſamkeit ſogleich auf längere 
Beit feffeln wird. Hier fei nur noch angedeutet, daß Leon, ber 
Küchenjunge des Biſchofs von Ghalons, deſſen Reffen Atalus 
aus den Händen des Grafen Kattwalb befreit, von bem Bis 
ſchofe aber bie ſtrenge Weifung erhält, fein Vorhaben nur durch 
Offenheit auszuführen, denn: „Weh' dem, der lügt!“ So 
bleibt denn Leon nichts übrig als durch feine Handlungen zu 
lügen, zu heucheln und zu ſchmeicheln unter allerhand Vor⸗ 
wänden, bis er fein Biel erreicht und bafür bes Kattwalb 
Tochter, Edrita, heimführt. In der Charakterzeichnung vers 
miffen wir bie einfache Prägnang, bie fonft Brillparzer’s Pers 
fonen auszeichnet. 

Müffen wir foldergeftalt die Dichtung bes genannten Luſt⸗ 
ſpiels jedenfalls für einen Wisgriff erklären, fo macht ber Dichs 


847 


ter dieſen gänzlich vergeffen durch die Wortrefflichkeit feiner ſchon 
ältern Tragödie: „Des Meeres und der Liebe Wellen”. Es 
it kaum nöthig, zu erwähnen, daß die rührende Liebesgefchichte 
von Hero und Leander den Stoff zu dieſer Zragddie gelicfert 
hat. Ze einfadher nun aber diefer Stoff ift, deſto mehr Bes 
deutfamleit gewinnt in unfern Augen ein Dichter, ber es ver: 
mag, fo wenige Mittel zu fo gewaltigen Wirkungen zu benus 
gen. „Des Meeres und der Liebe Wellen“ repräfentirt dem 
Sinne und der Form nad alle Eigenthümlichkeiten der alten 
Welt, verbindet aber mit biefer großartigen Ginfachheit bie 
reihe Fuͤlle der chriftliden Weltanfchauung, ohne doch deshalb 
gegen Goftum und Sitte der alten Zeit zu verftoßen. Und 
wie einfach find die Debel gehandhabt, die bier dem eben eine 
tragifche Wendung geben! Gine Jungfrau, die am Tage ihrer 
Weihe zur Priefterin zum erften Male beim Anbli eines 
Jünglings empfindet, was Liebe ift, dann ein einfaches Begeg⸗ 
nen, vwoobei das Lürzefte Zwiegeſpräch die Neigungen Beider 
verräth, eine bei nächtliher Weile ans Fenſter geftellte Lampe, 
dem Liebenden ein Keitftern bei feinem Kampfe mit dee Meer: 
flut, und endlih ein Ausloͤſchen diefee Lampe zu bedrohlicher 
Stunde durch die Hand bes argwöhnifchen, flrafenden Priefters: 
biefe geringen Mittel genügen dem Dichter, um damit eine ber 
teefflichflen Zragödien, weldye die deutſche Literatur befigt, zu 
Stande zu bringen. Wir haben nur zu beklagen, baß unter 
den Schaufpielern die Luft für Werke folcher Art erſtorben, im 
Yublicum aber der Sinn für. das wahrhaft Zragifche und bei: 
bend Schöne erlofchen if. Die Grillparzer’fhhe Dichtung vers 
langt freilich bedeutende Darfteller, find diefe aber vorhanden, 
fo muß auch gerade die große Einfachheit, die ben Darfteller 
zwingt, fein ganzes Spiel zur höchſten Innerlichkeit des Ge⸗ 
fühle zu fleigern, unberechenbare Wirkungen hervorbringen. Es 
wäre eine belehrende Aufgabe für eine denkende Künftlerin, dieſe 
Hero, das fanfte, heitere Mädchen, barzuftellen, wie es, berührt 
von dem verzehrenden Strahl ber Liebe, mehr und mehr zur 
Heldin emporfchießt, bis der Zob des Geliebten ihre Gefühle 
bis zum hoͤchſten Ausbruch ber Leidenfchaft fleigert. Hier ift 
Sharakterzeihnung, wie fie im Drama ſtets vorwalten foll, ba⸗ 
firt auf die Tiefen der leidenſchaftlichen Seele, nit hangend 
an bloßen Äußerlichkeiten. Nicht minder Eräftig iſt Hero's 
Oheim, der Prieſter, gezeichnet, die flarre, mitleidslofe Gonfes 
quenz eines kalten Priefterherzens, daneben bie edle Schwärmes 
rei eines Zünglinge, ber zum erſten Male liebt und Freiheit 
und Leben für den Beſit der Geliebten in bie Schanze fchlägt 
u. f. w. Wir Lönnen die Freunde ber. Poefie nur noch auf 
diefe Dichtung aufmerkfam machen, die vielleicht die gerundetfte 
und gelungenfte Arbeit Srillparzer’s ifl. Nach unferer Gewohns 
heit, Belege für ein ausgefprochenes Urtheil zu geben, heben wir 
tinzeine bezeichnende Stellen aus. Zuerſt Hero's Selbſtgeſpraͤch, 
als fie des Nachts nach der Priefterweihe den Ihurm bezieht: 
— — Hier liege du! (den Mantel ablegend) Mit wie ver: 
ſchiednem Sinn 

Nahm Morgens ich, leg’ ich dich Abends Hin. 

Gin Leben huͤllſt du ein in beine Falten! 

Bewahr' es, was du weißt, id leg’ ed ab mit bir. — — 

(Sie ſtellt die Lampe ans Benfter.) 

Wie ruhig iſt die Nacht! Der Dellefpont 

gäpt, Kindern gleich, die frommen Wellen fpielen, 

Ste fließen kaum, fo fill find fie vergnägt. 

Kein Laut, kein Schimmer rings; nur meine Lampe 

Wirft bleiche Lichter durch die dunkle Luft. 

Laß mich dich rüden bier an biefe Stäbe! 

Der fpäte Wanderer erquide fidy 

An dem Gedanken, daß noch Jemand wacht, 

Und bis zu fernen Ufern jenſeits bin 

Sei du ein Stern und firable durch die Nat. 
Balb darauf erfcheint Leander mit burchnäßtem Gewande unb 


dringt, ohne auf die Bitten Hero's je achten, durchs Zenfter 


in den Thurm. Er gefieht, daß die Eampe ihn verlodt. Dars 


auf Hero: 


— 60 war’d mein Licht, 
Die Lampe, die dir Richtung gab und Bieif 
Du mahnt mid vet, fie künftig zu verbergen. 
Leander. 

D, thu’ ed nicht! D, Herrin, thu' es nicht! 
SH will ja nicht mehr kommen, wenn bu zaͤrnſt, 
Doch biefer Lampe Schein verfag’ mir nicht! — 
Als diefe Naht ich ſchlaflos flieg vom Lager, 
Und, oͤffnend meiner ‚Hütte niedre Thür, 

— Aus jenem Dunkel trat in neued Dunkel, 
Da lag das Meer vor mir mit feinen Käften, 
Ein ſchwarzer Teppich, ungetheilt, zu ſchaun, 
Wie eingehällt in Trauer und in Gram. 
Schon gab ich mich dem wilden Zuge Bin; 
Du, am Gefichtskreis, fladert hel empor 
Gin kleiner Stern, wie eine legte Hoffnung. 
Bu goldnen Fäden taufendfady gefponnen, 
Umzog der Schein, ein Nep, bie trübe Welt. 
Das war bein Lit, war diefed Thurmes Lampe. 
In mäht’gen Schlägen fhwoll empor mein Very 
Nicht halten wollt’ ed mehr in feinen Banden; 
And Ufer eilt’ ich, ftürzte mid ind Meer, 
Als Leititern jenen Schimmer fletd im Auge. 
So kam ich ber, erreichte diefe Küfte. 
Ich will nicht wieder kommen, wenn du zürnft, 
Doch raube nicht den Stern mir meiner Hoffnung, 
Verhülle nicht den Troſt mir diefed Lichts! 


Wir Lönnen der zu großen Ausdehnung wegen nicht die vors 
treffliche Scene hier mittheilen, bie nun folgt, als der Tempels 
hüter draußen erfcheint, Leander ins Nebengemach flieht und 
Hero in Kurt und Angft des vorüberziehenden Schickfals harrt. 
Ebenſo müffen wir ben Sieg übergehen, den die Liebe über das 
Geſetz davonträgt. Rur die tiefgefühlten Schmerzensworte Hero’6, 
als fie die Leiche des Geliebten erblidt, mögen noch hier ſtehen: 
— — Er war Alles! Was noch übrig blieb, 

Es find nur Schatten; es zerfält, ein Nichts. 

Sein Athem war bie Luft, fein Aug’ die Sonne, 

Sein Leib die Kraft der foroffenden Natur; 

Sein Leben war dad Leben: deines, mein’s, 

Des Weltalls Leben. Als wir's ließen flerben, 

Da farben wir mit ihm! 


Dies iſt die ewige Sprache der Liebe, und wer fie findet, der 
ift ein Dichter! Grillparzer hat fich ziemlich fireng an die Sage 
gehalten, nur gegen das Ende weicht er gänzlich von ihr ab. Hero 
flirbt nicht in den Fluten, fondern vor Gram beim Leichenbegängs 
niß bes Geliebten. Ob diefe Anderung eine glüdliche war, wollen 
wir bahingeftellt fein laſſen, mindeftens entfpricht fie ber groß 
artigen Einfachheit ber Sompofition bes Dramas, *) 0, 





Literarifhe Notizen. 

In London iſt ein Eoftbares Werk über die Alhambra von 
Dwen Jones erfhienen. Ein ähnliches foll binnen kurzem in 
Paris erſcheinen unter dem Titel: „Über die maurifche Ars 
chitektur in Spanien, Granada und Gorbova”, von Biraub 
de Franzey. Es wird viel Licht auf diefen heil ber Ges 
fhichte der Kunft werfen, befonders wenn es durch bie Stu⸗ 
dien vervollftändbigt wird, die der Verf. über benfelben Gegen⸗ 
fland in Afrika zu beginnen im Begriff ſteht. 


Sorte, Architekt in Marfeille und vor längerer Zeit Baus 
meifter bes Vicekoͤnigs von Agypten, ber ein Werk über bie 
arabifche Architektur in Ägypten herausgegeben hat, gehört zu 
der franzöfiihen Geſandtſchaft in Perfien, bat mehre ts 
arbeiter bei fih und wird alfo wol Materialien zu einem 
fehe merkwürdigen und intereflanten Werke über bie alten und 
neuen Bauwerke Perfiens fammeln. 51, 


*) Der britte und legte Artikel folgt im September. D. Red. 


848. © 


Sihlingrephie. 

Arndt, ©. M., Grinnerungen aus dem aͤußern Leben. 
©. 8. Leipzig, Beibmann. 2 Thle, " 

Bauernfeld. 3mei Bamilien... Schauſpiel in vier Aufs 
fügen. ®r. 12. Wien, A. Mausberger, 16 Gr. 
, Der ‚Gelbftawäler. . Charakters Bemälbe in drei 
Aufıügen und in Xerfen.. Gr. 12. Wien, A. Mausberger. 

r. 


— —, Der Vater. Luſtſpiel in vier Autzuͤgen. Gr. 12. 
Wien, A. Mausberger. 16 Gr. 

Benedir, R., Deutſche Volkaſagen zunaͤchſt aus den Rheins 
landen. Stes und Ates Bändchen, Mit 8 Bildern, Gr. 12. 
Veſel, Bagel. ©. J. 8 Gr. 

Bengel:Sternau, Chr. E. von, Grilenfang auf 
1840. 8. Züri, Schuliheß. 1 Thir. 

Bergmann, F. W., Ueber die Bedeutung der Buch- 
staben. Nach dem Französischen., Von 4. Reclam. 8. 
Leipzig, C. H. Reclam. 6 Gr, - 

Bobin, Ggmillg, Meldior, Aus dem Frauzoͤſiſchen 
Überfegt von Fanny Tarnow. 2 Bände, 8. Leipzig, Kolle 
mann. 2 Thir. 18 @r. 

Braunfhmweig, 3. D. von, Ueber bie Alts Americas 
alfpen Denkmäler. . Mit sinem Vorwort von 6. Ritter, 
©. 8. Berlin, Reimer, 22 Gr. 

Der Cultus bes Genius, mit _befonderer Beziehung auf 
Schiller und fein Verhättnig zum Chriſtenthum. Tprologifch: 
äfthetifche Erörterungen von 6, Ullmann und G. Schwab. 
Feg verbeſſerter Abdrud. Gr. 8. Hamburg, Zr. Perthes. 

—J 


Deh 
nj 
— 
"Debbordes-Balmore, Mme., Violetta. Von Ama: 
tia int r. 2 Bände. 8, Leipzig, Kollmann. 2 Thlr. 6 Gr, 
"Ding Üket, ®., Unter der Erde. Gin Denkmal für 
die Sebendigen. 2 Xpeile. 8. Leipzig, Einhorn. 2 Zhlr. 
Ernſt, F., Die Sage vom Minneberg ‚des Nedarthals. 
@in Bomanzenktang, Mit Umriffen nebft 1 Mufikbeilage von 
2. Hetih. 8. Gtuttgart, Ebner u, Geubert. 1 Thle. 9 Gr. 
irmenih, I. M., Glotilda Montalvi. Romantiſche 
Zeagdoie in fünf Kufgigen, ®, Berlin, man. 18 Or 
Bergien, 9. &., Ueber bie gefährlichen Glaffen der Ber 
vdlkerung in den großen Städten und den Mitteln, fie zu beſ— 
fern. Won ‚der Akademie der moraliſchen und politifhen Wils 
fenfchaften gekroͤnte Preisfhrift. Aus dem Franzoſiſchen über: 
fegt von &. von M. Ifter Band. [iftes Heft.) Gr. 8. Gobs 


lenz, dergt. 18 Gr. 

SGobmann, I. B., Mar Emanuel. Epiſches Gedicht 
in ſechts Gefängen. ®r. 8. Würzburg, Voigt u. Moder. 
ge hlan, &., Die Burgen Beonkeiät., & 8 

oglan, &., Die Burgen Fran ., Aus dem ran: 
— Meretragen von Emilie Wille. %:Qfeile. 8. Eripr 
3g, Kolmans. 8 Ihlr. 8 ®r. 

Haßler, K. D., Die Buhdruders Gefhichte Um’s zur 
vierten Särulagfeipe.der Erfindung der Buchdruckerkunſt. Mit 
neuen Beitzäggn zur Culturgeſchichtz, dem Zacfimile eines der 
älteften Drude and artiftifchen Beilagen, befonbers zus Geſchichte 
dee Dolziepmaivefunf. Dod gr. 4. Ulm, Ötettin, 

Haug, 8, Gebiäte. Mit dm Bllbniß des Werfafsre 
8. Gtuttgort, Ebner u. Seubert. 2 Thlr. 

egel’s Werke. Vollftändige Ausgabe durch einen Wer: 

ein ber keume des Verewigten. IBter Band. — Auch, u. d. 
2: 8.8. $r. Hegel’ s philoſophiſche Propaͤdentik. Heraus: 
jegeben von X. Rofentrang. Br. 3. Berlin, Dunder u, 
mblot. 22 Gr. 

Hennide, 8. A. E., Anna Judſon, die Dienerin bes 
Herrn in Burmap. Cine biograppife Gfigge- 
Reclam. 8 Sr. 


Berantwortliger Hrrausgeb 


‚.8._W., Theoretisch - praktische Harmonielehre 
ten Generalbassbeispielen. Gr. 8. Berlin, Thome, 













3 Ihlr., 


8. kLeipzig, I ſche Gedichte metriſch bearbeitet von &. Elliffen. 


Klende, 9, Das Buch vom Tode, Entwi . 
Lehre vom Gterben in ber FM und, je Tode — 
ſgen In’6 Beſondere. Für Naturforſcher, Aerzte und dentende 
Freynde der Wiſſenſchaft dargeſteilt. Gr. 8. Hafle, Shmerigte 
u. Sohn. 1 Thir. ” 

König, ©. B., Ueber, ‚die Erziehung des Landvolkg zus 
Sittlichkeit. Auch, y..d. 8: Gutachten dee Wäßigteitkverane 
auf ‚dem Lande. Gr. 8. Halberftadt, Helm. 12 @r.. 

Reue Lands und, @erbilder, om, Berfafler des Legitie 
men. ze. Ater Theil. — Yu u. d. 2.: Die deutid)samerilas 
vo Baslvermandefäaften. ater Theil. 8. Zürich, Schuitheß. 

t. x. 

taster, 3. ©. 3., Gchmetterlinge » und Racht⸗ 
falter des Sebend. 8. an 1859, a Rad 

Leben und Feldzüge des Herzogs von Wellington. Nach 
M. 9. Marwell, ©. N. Wright und Alerander, ſo— 
wie mit Benugung der übrigen neueften englifhen Quellen 
deutſch ‚bearbeitet von-&. Bauer. Ifter Band. Mit Abbile 
dungen. ®r. 8. Quedlinburg, Baſſe. 1 Thle. 16 Gr. . 

Marggraff, R., Erinnerungen an Albreht Dürer und 
feinen kehrer Michael Wohlgemuth. Gine Feſtgabe zur Ente 
böllungsfeier der Albrecht: Dürerflatue in Nürnberg am 21. Mai 

. Gr. 8. Nürnberg, Fi. Campe. 4 Gr. 

— —, Kaifer Marimilien I. und Albrecht Dürer in 
Nürnberg. Gin Gedenkbuch für die Tpeilnepmer und Freunde 
des Maskenzugs ber Künftter in Münden am 17. Februar 
und 2. März 1840. Gr. 3. Nürnberg, Br. Campe. 16 Er. 

Mayer, &., Ieraelitiiher Mufen - Almanady. Ifter 
Sabıg, 1 — —58 18 Gr. 

ende, 8. W. E. Der Gehorfam in der Erziehung. 
8 en 12 Gr. A Gralhung 

nborf, Emma von, NReifefcenen in Bayern rol 
und Ehwaben. 8. Stutigart, Öbneru, Fet 

DOrtlepp, 3. G., Feſtgabe für den deutſchen Landmang. 
Eine. Predigt, auf Weranlafjung der vierhundertjährigen Subrl- 
feler der Grfindung der Bucdruderkunft.am 2. Sonntage nad .. 
Zein. 1840 in der Kirche zu Blumberg bei Torgau gehalten 
und zum Drudg befördert. Gr. 8. Halle, Kümmel, Gr. 

Pfeifer, R., Was iſt und gilt im roͤmiſchen Rechte der 
Befig? Cine ‚Abhandlung gerichtet gegen bie v. Saviondſche 
an über das Recht des Beſies. Gr. B. Tübingen, Laupp. 

r. 


Pifhon, 8. &., Denkmäler ber deutſchen ©; 
den früheften Zeiten dis jegt. Cine vollftänbige en 
lung zu feinem £eitfaben ber Geſchichte der deutſchen Literatur. 
2tpr Theil, welder die Zeit bis zum ‚Sahre 1620 ‚enthält, 
— Er un —T— & Thir. 16 Gr, \ " 
. Poftpumus, Z., Friedrid des Große i 
a Beitrag zur Gedäctnißfeier des FAN en “ 
n. . 


Radewell, %., Tyll Eutenfpiegel, Komödie. 8. 
burg, Hoffmann u. Campe. 1 Fr 12 Gr. dam 
Rehm, F., Abriß der Geſchichte des Mittelalters... Behr: 
buch zu Vorlefui — Br Gymngſial⸗ 
t 








Claſn. Gr. 8. 
tter, ð en. tes Baͤnd⸗ 
den. — Au ı n ber Aeftpetit. 
Gr. 5 Kiel, % Gr. 
atori, 3 en. Oiltorij 
Roman. 8 Thei 839. —E 
Still⸗ Leben. Sandgeiſtlichen. 


8. Nürnberg, Korn. 18 Gr. 
Strahl, %., Das;alte und neue Griehensand, Gine 
Parallele, gezogen auf einer Reife nach Athen und der Morca, 
Sr. 12. Bien, v. Mösles Wive. u. Braumüller. 1 Thir. 
Thee⸗ und Afphobelosbläten. CEhineſiſche und neugeiedie 
Böttingen, Vandenhort und Ruprecht. 16 @r. “ 


Heinrih Brodhaus. — Druf und Verlag von B. A. Brodhauß in Eeipzig. 


Blätter 


für 


——— Unterhaltung 





— 


— Ri. 211. — 


29. Zuli 1840. 





—*— periodiſche Preffe. 

Dos Mörzbeft des —— review“ enthält eine 
intereffante Überficht Uber die Gefchichte und den ge: 
genmärtigen Stand bed Journalismus in Frankreich, 
welche als Einleitung zu einem Berichte über ber Ma: 
dame Giratdin „L’ école des journalistes“ und Balzac’e 


Roman „Un grand homme de province à Paris“ dient. 


Wir theilen diefe Überſicht, welche befonders einen Nach⸗ 
weis der uͤbergroßen von der franzöfifchen Journaliſtik er: 
langten Sewalt zum Zwecke hat, hier auszugsweife mit. 
Der Meviewer fagt: 

Chamfort äußert über die alte Regierung von Frank: 
reich, daß fie eine durch Geſaͤnge gemäßigte und geregelte 
Monarchie gerefen fei. Die gegenwärtige iſt eine durch 
die Zeitungen geregelte (ober zerrüttete) Monarchie; der 
Chanfonnier hat dem Feuilletoniſten Plag gemacht, und 
Beranger if durch Janin aus ber Mode gelommen. 
Tritt in die Kammer ber Pairs, wenn ein neues Ge⸗ 
bad die Bänke einnahm, und was gilt die Wette? im: 
mer ber dritte Mann ift ein Herausgeber oder Erheraus: 
geber; befuche die Kammer ber Deputicten, und der ein: 
flußreichfte Sprecher wird ein Gentleman der Preſſe fein. 

Speife im Rocher de Cancale, und das vorzüglichfte 
Zimmer ift von einem „Redacteur en chef” in Befchlag 
genommen; frage nach einer Loge im Theätre frangaie, 
wenn die Mars oder Rachel fpielen, und bie befte ift für 
feine Mitarbeiter gemiethet. Jene Reihe glänzend erleuch⸗ 
teter Zimmer ift von den Gründern eines Journals ein: 
gerichtet, welche zur Nacht einen Ball zu Ehren ber Unter: 
nehmung geben; ber Großkreuzritter von ber Ehrenlegion, 
welcher ſoeben herauskommt, hat feine Decorationen 
durch feine Zeitungsauffäge geroonnen; bie prachtvoll ge: 
Heidete Dame, die forben hineingeht, ift die Tochter ei: 
nes Millionnairs, welche jüngft ihre Hand und ihr Ge⸗ 
fhid einem Soumaliften anvertraut bat; das hübſche 
Cabriolet, welches forben durch bie Straße rollt, gehört 
einem Theaterkritiker, der von ben Tontributionen lebt, 
welche sc von ben Sängern und Taͤnzern ber Oper er: 
hebt. Vogne la galere! Ken Wider, daß biefe Her: 
rm, von ihrem Erfolge wie berauſcht, von ihrer Exher 
bung ſchwindelig geworben find; daß fie, wie andere 
Uurpatoren, die Prindpien, moburch fie auf ben Thron 


gelangten, vergeffen haben, aber, wie andere Beſitzer ei⸗ 


ber „Mercure”; —F mit Delal 


mit Fontanes, Bonald, Laharpe und 


ner umverantwortlichen Autoritaͤt, launiſch, herriſch und 
gewiffenlos geworden find; keln Wunder endlich, wenn 
jegt In de Serefihaft Ihrem ihrem * — 
de puissemen 3 
la bene mourat en De dar laat ... 
Et la presse, Monsieur, nourel astre du jour, 
Pour avoir trop brille, va s’dteindre à son tour,“ 

Der Verf. des Aufſatzes zeigt hierauf, wie zuerſt aus 
ben gährenden und fruchtbaren Stoffen der großen fran⸗ 
— Revolution das jetzt fo üppig gedeihende Gewaͤchs 

der Journaliſtik ſich entwickelt habe. Damals hatte jede 
Section der Nationalverſammlung ihr Organ, ja jeder 
pariſer Club. Bailly, Barnave, Lameth, Madame 
Roland lieferten Zeitungsartikel; aber Keinem gelang «6, 
dieſe Erfindung zu vollenden, ſich auf die Dauer als 
eine journaliſtiſche Macht darzuſtellen, da Jeglicher, wenn 
er kaum aufzuathmen und ſich zu erheben begonnen hatte, 
von dem Strome der Revolution, Welle auf Melle, 
"begraben wurde. Ghabot äußert, daß die Preffe nur noth: 
wendig gewelen wäre, um die Herrſchaft der Freiheit her⸗ 
beizufühbren; daß man aber, nachdem dies Ziel einmal 
erreicht war, ber Freiheit ber Prefje nicht bedurfte, aus 
Sucht, die Freiheit feld zu compromittiven. 

Aber nit fobald hatte Napoleon die Ordnung wie⸗ 
derhergeſtellt, als der Journalismus, deſſen Kraft mit 
bem 18. Fructidor volftdndig gebrochen war, wieder 
aufathmete, und wenn irgend eine Periode zu nennen 
ift, in welcher die franzöfifche Preſſe zum hoͤchſten Grade 
ihres Eiufluffes gedieh, fo find Die bie zwei ober drei 
Jahre des Conſulats. Damals galt Benjamin Conſtant's 
Ausfpruh: „Die Preffe if} bie Herrin der Intelligenz 
und die Intelligenz bie Herrin ber Welt”, in vollſtem 
Maße. Um dab Jahr ISDO fanden alle politiſch ober 
literasifch ausgezeichneten Köpfe in Frankreich in direster 
oder Indirecter Verbindung mit ber Preſſe. An der Spige 
ber Preſſe befanden fi das ‚‚Journal des debats” und 
last, Fieveee, dem Abbe 
vom Boulogne, Duſſault und Geoffroy (bes damals 3 
Aufmerkſamkeit Fl mit Napoleon theikte), bie 
hateaubrfand, 
ber mit einem kuͤhnen Sprunge eine Gelehritäs wurde. 
Ihre Grundſaͤtze waren —* dach mit feiner be: 
fondern Vorliebe für Individuen; fie führten Napaleon 
das Wort, weil fie ihn allein für fühlg hielten, die Ord⸗ 





139,17” 


. . Y., 
nung zu erhalten, bie Religion wieberherzuftellen und bie | war ber „Conservatenr”, unter Chateaubriand, Bonalb, 
Induſtrie zu [hügen. Auf dee andern Seite war bie 


‚Ramennais, Claufel de Couffergues u. f.w. Mit Ge: 
Beroegungspartei nicht ohne Regſamkeit, Talent und | fick wurde es in der „Minerve” von Conſtant, Etienne, 


Kraft, aber die Reaction hatte begonnen, der Geiſt ber da Arnault und Andern befämpft, melche ſich zu li⸗ 
Zeitzzxwar »gegen ſie x. Daß Volk % zur· d d ti Pralen ung co! tionnellen rundſaͤtzen belann en. Comte 
Bemußtſeln gekommen upb wies Mes von Fon } die J und Dunoyer vertheidigten . m „Cengeur.” tapfer. Das, 
tragifhen Scenen einer neuen Revolution hätte herbei⸗ 


J was ſie fuͤr Freiheiten hielten, und hatten deshalb viele 
führen koͤnnen. Das Hauptorgan dieſer Partei war „La | Verfolgungen zu erdulden, beſonders Comte, der mehre 
decade philosophique” und Ginguené, Chenier, Caba⸗ 


Jahre verbannt war. Aber die Macht der Preſſe ent⸗ 
nis, Benjamin Conſtant und Say arbeiteten daran. Ihe.| voidelte ſich nicht eher, ober wurde nicht eher bemerkt, 
Journal wurde bald unterdrüdt, da man es aufrühreriz | als nad) der fpanifchen Invaſion 1823, wo die verſchie⸗ 
ſcher Zwecke befchulbigte. Die Confervativen erfreuten fih | denen und vorher niedergehaltenen Elemente der Oppoſt⸗ 
einer längern Frift und bie Preffe noch bis zum Jahre | tion, wie nad) einer ſchweigenden Verabredung, zu einem 
1807 "eines gewiffen Anfceins von Freiheit; aber in | feften Körper, fih bildeten. Chateaubriand zeichnete fich 
dem genannten Jghre wurde ein, Artikel Chateaubriand's, damals gegen Villele, feinen frühen Gollegen, . in den 
worin er von Nero und, Tacitus ſprach, für ben. ,„Mer- | Spalten des „Journal des debats” aus. Der „Constitu- 
eure’ verbängnißvoll, während das „Journal des debats”’, | tionnel”’ machte ſich zu gleicher Zeit befannt durch Takt, 
in das „Journal de I’ empire” verwandelt, den Händen | richtigen Sinn und die Klarheit, womit er pofitifche 
dee Eigenchümer (Gebrüder Bertin) entzogen und der | Wahrheiten dem allgemeinen Verſtaͤndniß zugänglich machte. 
Leitung officiellee Herausgeber anvertraut wurde. Hier⸗ | Die vorzüglichiien Mitarbeiter daran waren die Herren 
unter war Herr Etienne, Verfaſſer des Luftfpiel® „Les | Etienne, Buchon, Felir, Baubin, Jay, de Prabt und 
deux gendres”, ein Mann von Takt und Talent, ber | Thiere. Auch die Doctringires traten damals im „Cour- 
feitdem Leiter und Eigenthümer des „‚Constitutionnel”, Mit: | rier francais‘ heftig gegen die Verwaltung auf, wurden 
glied der Akademie und Pair von Frankreich gemwor: | durch Guizot und. feine erfte Gemahlin, eine Frau von 
den iſt! geoßen und mannichfaltigen Faͤhigkaiten, vepräfentirt und 

Von da an bis zum Einzuge der Verbindeten in | von dem Gefchichtfchreiber Din, N zugleich mit Thiers 


Paris gab es nur eine der Erwähnung würbdige Zeitung, | von Manuel befördert wurde, unterſtuͤßt. Der im Jahre 


den „Moniteur”, der zu einer philofophifchen Abhandlung | 1824 gegründete „Globe“ gewann geaßen Einfluß, nad: 
über den Despotismus hinlängliches Material darbietet. | bem bie Herren Sainte: Beuve, Duhols, Zannegup, 
Der Tert war: „Macht verleiht Recht”, und die finn= Duchatel, Jouffroy und Damiron, Biget, de Remufat, 
teichften Erläuterungen wurden dazu gegeben. Der Her: | Duvergier de Hauranne, eine Zeit ang nu Thiers fich 
ausgeber ne Der Daudo, ber er Knecht *F zuſammengethan, um feine Spalten zu fuͤllen. 
dynaſtiſchen Veraͤnderungen bis zur Jullrevolution. an if _\ faat ber Re⸗ 
erzähle davon folgende Anekdote: Die legte Nacht vor Dieſe unkmmeifiipofk talentnollen Männer ale und 


viewer — hatten damals Vortheile voraus, dic jetzt nur noch 
diefer Revolution wurde er plöglih zum Miniſter befchie- | wenige von ihnen befigen — hohe Erwartungen, wparmes Gefühl, 


den, der bie Ordonnanzen in feine Hand niederlegte. Er | und die Kraft, die Gtafticität und Lebendigkeit der Jugend. 
überflog fie, aber anftate feinen Buͤckling zu machen und Im Jahre 1827 riß endlih Herm Villdle die Ge: 
das Zimmer fogleich, wie geroöhnlich, zw verlaffen, zaus | duld und er ſtellte das Genforamt wieder her... Aber Herr 
derte er und fland, bie Thuͤre in der Hand, aͤngſtlich, von Salvandy wußte einen Ausweg; er ſchleuderte woͤ⸗ 
als ob er etwas fagen wolle. „Nun, Bere, find Shre | chentlich ein Pamphlet oder ein ganzes Binde Pam: 
Inſtructionen nicht deutlich?“ „Monfeigneur”, ertwis | phlets in die Welt, welche genug Seiten umfaßten, um 
dert Herr Sauvo, „ich habe fo viele Erfahrungen gemacht, | vor der Dperation der Genfurgefege gefchügt au fein. 
ih babe fo manche Verwaltungen kennen gelernt‘ — | Seine „‚Lettres à la giraffe” wurden in dieſer Welfe 
„So müflen Sie”, brady der Fuͤrſt 106, „in diefer Zeit | veröffentlicht und erfreuten ſich einer großen Verbreitung. 
"gelernt haben, daß Ste nichts zu thun haben, als zu | Auch darf bier Beranger mit feinen Liedern and Paul 
gehorhen. Ich wuͤnſche Ihnen einen guten Abend.’ | Loufs Courier mit feinen Pamphleten nicht vergeflen wer: 
"Damit ſchloß ſich die Thür und das Schickſal der herr: | den. Herr Ville fiel und Martignac folgte ihm, der 
[chenden Dynaſtie war entfchieden. nichts Eiligeres zu thun hatte, als ben Zournaliften bie 
Als Napoleon im Jahre 1814 abbanten mußte, nah: | Zeffeln lockerer zu machen; doch gelang es ihm nicht, 
‚men bie Bertin Ihr dftes „Bureau de'redaction‘ wies | ihre Gunft zu erwerben, und nad) ber Anficht des Re⸗ 
‚der ein und waren bie erften, das niedergemorfene Bans | viewers begingen die Doctrinaires damals denlelben Fehler 
ner bed Journalismus wieder zu erheben. Diefer hatte | wie jene von ber Partei der Tories, welche ben Derzog 
jedoch, auch nad dem abermaligen Sturze feines Unter: | von Wellington im Jahre 1830 ftürzten, die halfen — 
druͤckers, einen ſchweren Stand und mußte durch eine | wir fprechen hier abermals nur die Anficye' des Reviewer 
‚ Reihe von Einfhräntungen, von Martignac loder gelafs | aus — ein gemäßfgtes, conftitutionnelles "und wahrhaft 
fen, oder von Villdle und Peyronnet angefpannt, fich | confervatives Gouvernement ſtuͤrzen, um eine Krifis zu 
durchkaͤmpfen. Das hauptfächlichite eopatiftifche Sournat | befchleunigen, welche in beiden Ländern vie Monarchie bie 


- 


zum Grunde erfühhteete. Ber Molewer legt dem im 
Sabre 1379 von Garrel, Mignet, Sautelet und Thiers 
gegründeten „‚National” Michtigkeit genug bei, um ihm 
einen großen Antheil’an ber Befchleunigung jener Kriſis 
zuzuſchreiben. Ban habe, fagt er weiter, die Männer 
de6 „National“ republikaniſcher Sefinnungen angeklagt, aber 
damit fei man zu ſchnell geweſen. So babe Garrel ei: 
nes Tages, auf Eoufin’s Frage: was man vdenn nach 
dem Sturze der legitimen Monarchie an ihre Stelle fegen 
wolle, geantwortet: „Bah! mon cher. Cousin, nous 
mettrons en place la monarchie administrative.’ Gar: 
rel's adminiſtrativer König iſt mehr ein Präfidene als ein 
“ König, und zu biefem Präfidentenpoften war der Herzog 
von Orleans als Candidat im voraus auserfehen. 
Der weitfichtige Reviewer behauptet nun, der Stand 
der Dinge in Frankreich fei ber Art geweſen, daß bie 
Regierung etwas habe unternehmen müſſen, gleichfam ei: 
nen Kampf auf Tod und Leben, einen coup d’ etat, 
und bierhber hätten die weiſeſten Staatemänner Euro: 
pas uͤbereingeſtimmt. Das Fehlfchlagen der Maßregel 
fei nur Folge der Unklugheit und Unentfchloffenheit Derer 
gewefen, welche fie entworfen hatten. Die Prefien feien 
dur die Ordonnanzen vier Tage lang um ihre tägliche 
Lefenahrung gelommen , die ihnen fo.nothmwenbdig fei wie 
das tägliche Brot, und das habe den allgemeinen Groll 
noch vermehrt. Die Prüfungsburenur ndmlih konnten 
erft vier Tage nach dem Erfcheinen der Ordonnanzen ein: 
gerichtet fein. Hätte man während biefer Zeit des vier⸗ 
tägigen journaliftifhen Stillſtandes mehr zu lefen gehabt, 
fo würbe man vielleicht feinen Groll ausgelefen und aus: 
ralfonnirt haben. Und doch geftand der Reviewer früher, 
Daß es einen Kampf auf Tod und Leben gegolten habe, 
wie kann er nun zu einem fo Außerlihen Motive feine 
Zuflucht nehmen? Noch führt er an, daß die Ordon⸗ 
nanzen Montag früh erfchienen und daß die Druder je: 
den Montag Abend feiern, fo daß fie dadurch in den 
Stand gefegt waren, ihre Maßregeln unverzüglich zufam: 
menzubrauen. Mir können vorausfegen, baß die großen 
Ereigniffe der Sulitage und die Stellung, welche bie Jour⸗ 
nale und Sournaliften zu diefen Ereigniffen einnahmen, 
unfern Lefern noch in zu gutem Gedächtmiß find, als daß 
wir uns bier veranlaßt fehen könnten, bie Betrachtungen 
des Reviewer tiber jenen Zeitpunkt mitzuthellen. Er 
widmet auch Armand Earrel mehre Seiten, jenem Heros 
der Journaliſtik, von weichem unfer Engländer fagt, er 
habe, Ludwig's XIV. Ausfprudy parobirend, ausrufen kön: 
nen: „Le National, c’est moi!” Carrel's Anfiht vom 
droit comman — heißt eö weiter — „ſcheine auf eine 
Verwaltung gezieit zu haben, welche die Rechte aller Glie⸗ 
dee der Volksgemeinde tvefpective, kurz, auf eine gute 
Berfaffung, wie die von England mar.” Man fieht, 
daß unſer Engländer ein echter und rechter Anhaͤnger bes 
Toryemus ift, wenn wir ihn auch, neben Schärfe der 
Auffaffung , einen gewiſſen Grad :von Unparteilichkeit, we 
nigſtens in Bezug auf franzoͤſiſche Verhaͤltnifſe, wicht abſpre⸗ 
hen dürfen. Der Brite ift, ſelbſt wo er als Parteimann 


auftritt, Immer ein gruͤndlicher Parteimann, der feiner - 


Sadıe mit Zacten, flatt mit glänzenden" Webensarten, zu 
Hülfe kommt. Aber unfer Reviewer denkt wie der Spieß⸗ 
buͤrger in Goͤthe's „Fauſt““: Mögen die Völker — oder viele 
mehr die Zeitfchriften der Völker — aufeinander losſchl 
gen , nur zu Haufe bleibv beim Alten ! 

(Die Fortſetzung fofgt. ) 


— oe — 





Toayovdın Gwraixa. Neugriechiſche Volksgeſaͤnge. Ori⸗ 
ginal und Überſetzung. In Zuſammenſtellung mit den 
uns aufbewahrten altgriechifchen Wolßsliedern. Von J. 
M. Firmenich. Berlin, Heymann. 1840, 8.20 Gr. 


„BSewiſſen Vorurtheilen, namentlich der Gelehrten und Stock⸗ 
philologen, die an dem Alten hängen und fi davon nicht wols 
len abbringen laffen, muß man auf jede mögliche Weiſe entge: 
gentreten; etwas hilft es am Ende doch, denn: Gutta cavat 
lapidem, non vi, sed saepe cadendo! &o wollen unfere Hel⸗ 
teniften, unfere Gelehrten überhaupt, nichts von ben Reugries 
dien, von der neugriechiſchen Sprache und Literatur wiffen; für 
fie gibt es nur ein altes Griechenland, und gewiß wäre «8 ih: 
nen gar nicht unlieb, wenn man bie Neugriehen, d. h. bie 
heutigen Bewohner bes alten Griechenlands, fo ohne Weiteren, 
wie bereits gefhah, zu Slawen machen könnte. Allein dazu “ 
ift namentlich in ihrer Sprache und, um nicht gerade von 
ber neugriechifchen iteratur überhaupt zu fpredhen, in ihrer - 
Volksdichtung ein zu flarkes altgriechifches Clement, als baf 
man ernftli mit jener Hypotheſe durchkommen zu koͤnnen 
glauben bürfte. Diefe Wahrheit von der inneren Verwandte 
[haft der neugriehifhen Wolkspoefie mit der altgriechifchen 
bat denn nun aud Den. Dr. Firmenich zu dem vorliegens 
den Büchlein veranlaßt, infofern es ihm darum zu thun 
war, „bie Volkspoeſien der Neugriehen mit Hinweiſung auf 
bie uns aufbewahrten altgriechiſchen Volkslieder oder Frage 
mente berfclben in gebrängter Kürze zu beleuchten”, und 
„buch biefe Zufammenflellungen ber alt= und neugriechiſchen 
Volkslieder, paraboren Behauptungen gegenüber, darzuthun, 
daß bie Volkspoeſie ber Neugriehen als ein noch Jebender 
und friſcher Sproͤßling des alten griechiſchen Stammes zu 
betrachten fei, und daß das Studium derſelben mehr, als es 
bisher geſchehen, gefördert zu werben verdiene, um dem einſt fo 
gewaltigen Genius der alten Griechen bis auf bie Heutige 
Stunde folgen zu koͤnnen“. Dies Restere würde feine Anwens 
bung nun auch auf die Sprache der Neugriechen ſelbſt leiden 
konnen und müſſen, da der Verf. auch in dieſer Beziehung nur 
zu Recht hat, wenn er fagt, daß „die heutigen Griechen im 
geiftiger Hinfiht die wiederum zu Kindern geworbenen Greife 
ihrer großen Nation’ feien. Den obgebadhten Bufammenftel- 
lungen, in den Driginalien und in (treuen und ziemlich gefäls 
ligen und leichten) Überfegungen, geht eine Ginleitung voraus, 
worin hiftorifche Erläuterungen, in Anfehung der fogenannten 
Klephtenlieder, gegeben werden. Bei ben Zufammenftellungen 
ſelbſt ift auf die verfchiedenen Arten ber neugriechifchen Bolts⸗ 
poefie Rüdficht genommen worden; auch hat ber Verf. für 
Erklaͤrung ber einzelnen Lieder, in fpraclicher und ſach⸗ 
licher Hinfiht, Sorge getragen. Mit ber Auswahl der hier 
mitgetheilten neugriechifchen Bebichte, ſowie mit der Zuſam⸗ 
menftellung mit altgriechifchen Gedichten, Tann Ref. darum 
nicht in allen Beziehungen einverftanden fi erklären, welt 
mande ber neugriechifgen, fowie der altgriechiſchen Ge⸗ 
dichte an und für fi gar Feine eigentlichen Volkslieder find, 
mittin der Verf. theils von vornherein, theils in ber Paralle⸗ 
liſirung mitunter etwas gewaltfam verfahren if. Der Um: 
fland, daß dabei die bereits unter uns befannten Sammlungen 
neugriecdhifcher Wollsgefänge (von Baurtel) und anderer Gedichte 
(von Chriſtopulos) benugt worden find, kann dem Verf. des 
Werkchens nicht zum Vorwurfe gemacht werden, ebenfo wenig 
daß er in einem Anhange Gedichte von Alexandros Sutſos 
u. A., bie freilich e ebenfalls unter und. bekannt find, 





— 









— 
tm’ 


Ih erwähnen wir noch, daß der Werf. einige Binke über den 
Safans ve noldau = walachtfchen Literafur gegeben hat, und daß 


ſcher Volksgeſaͤnge, in der 
HM und mit fletem Rüdblid auf das 
mifche Idiom, betrachtet wiſſen will. Möge er auf biefes 
tk wicht zu lange warten laffen und möge das vorliegende 
erkchen Hebe für die Literatur der Neugriechen, die fle vers 
dient, auch in Deutſchland in reichem Maße erwedn! 17. 










Notiz. 
Die SIndlaner in Rordamerika,. 

Eine Intereffante Bilberſammlung tft gegenmärtig in London 
fehen, ih der Egyptian Hall, wo auch das In feiner Art einzige 
—* der Schlacht von Waterloo ſich befindet. Es find über 
Porttaits nordamerikaniſcher Gingeborenen und gegen 
200 Landſchaftsgemaͤlde, welche die von ihnen burchftreiften Ger 
enden, ihre Dörfer, Grenen aus ihrem Romadenleben und 
gl. Begenftänden haben. Ste find das Werk eines norb: 
amerffanffhen Malers, Satlin, der mehre Jahre unter jenen 
verfolgten Stämmen verweilte und feine Sammlung der englis 
ſchen Regierung zu verlaufen beabfichtigt. Im befondern Vor: 
Jeſungen theilt er fehr wichtige, leider meift traurige Einzeln⸗ 
Yeiten über feine Freunde, „die Wilden‘, mit, die ihn jedes 
zeit aufs herzlichſte aufnahmen, gaftfreundlidh pflegten und 
Ieiteten, und denen die Civiliſation mit unausbleiblicher Ver⸗ 
nichtung droht. Mit Wehmuth betrachtet man feine Portraits; 
die meiſten ftellen Perfonen dar, die durch das Schwert, den 
Branntwein und die Blattern der Eivilifation bereits gefallen find. 
Durch die lettern wurde vor wenigen Jahren ein ganger Stamm 
von 2000 Perfonen, die Mandaren, ausgezeichnet vor ihren 
Nachbarn durch Stärke und Schönheit, völlig ausgerottet. 
Der Hunger brachte Zaufenden ſchon dafjelbe Loos und Gatlin 
befürchtet, daß nur zu bald dieſes Unglüd auch über bie 
250, Bewohner der jetzt noch fo reichen weſtlichen Steppen 
zwiſchen dem Miffurf und den Rody Mountains bereinbrechen 
wird. Taub gegen ben Rath ber Vorſicht, fobalb ihnen ber 
weiße Händler von Branntwein fpridyt, wäthen dieſe Stämme 
jeßt gegen bie Wüffel, die, zweckmaͤßig gejagt, ihnen auf lange 
Beten Raprung und Kleidung geben Tönnten, während, wenn 
fortwährend 150 — 200,000 von benfelben Täprlich um ihrer 
Häute willen getödtet werben, binnen 10 Jahren zweifelschre 
änzlider Mangel fein wird. Wer wird ihnen über ihre ver: 
—2 — Unbedachtſamkeit die Augen Öffnen? Die Bürger der 
Vereinigten Staaten ſchwerlich. Diefe haben in ben legten vier 
Jahren 36 Millionen Dollars darauf verwandt, einen eingebo: 
senen Volksſtamm, die Seminolen, auszurotten. Als Meifter 
im Blutwerke hat man vor kurzem Bluthunde, die von der 
Inſel Cuba geholt wurden, gegen fie geſchickt. Der commans 
"Dirende General wollte den DOberbefehl nicht länger behalten, 
wenn man ihm diefe Maßregel nicht erlaubte. „Der Menfch”, 
Jagt unfer edler Schiller, „kann ſich auf eine doppelte Weiſe ents 
—T fein: entweder als Wilder, wenn feine Gefühle über 
Tine Seundfähe herrſchen, oder als Barbar, wenn feine Grund⸗ 
Teine Gefühle gerflöcen. Dee Wilde verachtet die Kunft 
nad erkennt die Natur als feihen unumſchraͤnkten G@ebieter; 
bie Barbar verfpostet und entehrt bie Natur; aber, verächtiis 
Ger als der Wilde, führt er häufig genug fort, der Sklave fels 

us Ehlavın zu fein!” 48, 


Litarar iſche Anzeige. 
Bahr Wer Mu Wertspblittterkehumingen für 1000 
von F. I. Brochaus in Berpgim 
{ us Re, MR} 


0) 

*60. Ein Wert über animalischen Megnetiszus, 

. and Lebensessenz ; nebst Beschreibäng des ideo-somnembn- 
len Zustandes des Fräuleins Therese von B- y' zu Va- 
sarheiy im Jahre 1858, und einem Anlieng. Beubacktet, 
geschiieben und gegebat von Fraas Siruf von Ss... .y. 

Gr. 8. Geh. 1 Thkr. 


—* 38— ficken ei atetiatten fie Hefe Bi aphie X 7* 
Außer den unter Nr. 6, 26, 28 und 34 bereits erwaͤh 
Schriften wurben in ber legten Zeit noch bie nadıfkchenben im 

Hreife ermäßigt: 
Dobel (5.8), Neneröffnete Jaͤgerpraktika. Vierte, zeit» 


gemaͤß vmgentbritete Wuflage. Drei Thet. Mit Kıhbkipan: 
(82 Bogen.) Er. & 19 per. 


en, Plänen und Vignetten. 
Über die Heine Jagd, zum Gebrauch an- 


et für vier Thaler. 
Sefter (5. E.), 
gehender Jagdliebhaber. Neue, verbefferte und beträchtlich 


vermehrte Auflage, Viet Theile. (73 Bon) Gr. 8. 

5 Ahle. Zegt für zwei Thaler. -) 
Winckell (8. F. D. aus dem), & 

Sagdberechtigte und Jagdliebhaber. Zweite, rte ° 

und ganz neu umgearbeitete Auflage. Drei Zhelte. Met 


Kupfern und Mufilseilagen. (172 Bogen.) &r.8. 11 Thir. 
at für fünf ra ER En 
ex ne nfaffun er dr e aufeinmal entfhließt, dem 
erden di een, — 9* —* *36 A bherabgefegten reife aber 


Ich debitire nachftehende Artifel aus dem Verla . 
Merftein in „anche ge von J.ã 
Jongleurs et trouveres, ou choix des saluts, Spitres, räve- 
ries et autres pieces lé gères des 13icme et I4idme sicchen, 
blie pour la premiere fois, par Achille Jubinal; 
'apres les manuscrits de la bibliotheque du roi. Gr. 8. 
Paris. 1835. 1 Thlr. 16 Gr. 
Pellico de Saluces (Silvio), MEPI TAN XPEQN 
TOY AN®P2IIOY,. Des devoirs des hommes, Discoums 
a un jeune komme. Tradait de l’italion en grec moderne 
par Cebes de Thebes. 12. Paris. 1885, 16 Gr. 
"Percheron (4.), Monographie des passales et des genres 
qui en ont étę separes. Accompagnes de 7 planches 
inees par l’anteur, ou toutes les ospeces ent <ie 
figures. Gr. 8. Paris. 1835. 2 Thir. 
BEOPYAAKTOZ. Theophylacti Bimocattae quaestienes. 
physicas et epistolas ad codd. recensuit versione Kime- 
donciana et notis instruzit Jo. Franc. Boissonade. 
Gr. 8. 'Paris. 1985. 8 Thir. 


Im Verlage von Auguf Campe in Hamburg iſt er⸗ 


fhienen und, fowie auch der dltere Berlaa bi 
Danblung, durch mich zu begiehen : 8 biefer 
Grundriss der freien Stadt Hamburg. Hintworfen von 


B. F. Berakardi, mit N von 3. Kerser 
F. £. Sokuback. Mit einer Ü tabelle. Gr. Bora 
folie. (Hamburg.). 1 Thlr. 12 Gr. 


Wiek forafätig gearbelteter and mit einem usormeegifitr 


verſchener 

ka Berlagstataleg, ' 
weidher Sierten Machttag His Ende 1880 
vollſtaͤndigt wurde, iſt von jeber ndlung —— 


—— ee — F. . Bieldand in Eripgis 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 








Fraukreichs periodiſche Preſſe. 
(Bortſetung aus Ne. 211.) 

Dee Reviewer liefert hierauf eine Charakteriſtik ber 
gegenwaͤrtigen Journaliſtik Frankreichs, woraus wir das 
Hauptſaͤchlichſte mittheilen, da mie uns nicht erinnern, 
je eine umfaffendere gefefen zu haben. Er nennt Garrel 
das einzige geregelte Glied an der periodifchen Prefſe 
Srantreihs und ruͤhmt fen Talent ale eins vom erften 
Range, zumal da es mit der größten Unbefcholtenheit 
verbunden gewefen fei. Mit feinem Tode verlor ber „Na- 
tional’’ feine Lebenskraft und wurde feitbem meift von 
Schriftftellern bedient, deren Talent, literarifches Anfehen 
und perföntiche Autorität gering waren, mit Ausnahme 
von Souveftre, dem Verf. von „Riche et paurre”, et: 
nem Roman, meldyen der Reviewer eine der beften mo: 
dernen Erfcheinungen auf dem novelliftifchen Gebiete nennt. 
Seine Princtpien find republikaniſch. Won den übrigen 
republikaniſchen Journalen ging die „Tribune“ befanntlid 
ein 
sens” noch befteht, aber Peiner großen Verbreitung genießt. 


Auf der entgegengefegten Seite ruͤhmt ſich das „Jour- - 


nal des débats“ des größten Einfluffee. Die beiden Ver: 
tin de Vaur find noch die Eigenthümer. Der Altere Ber: 
tin ift nominellee Director, aber fein Sohn, jest fran: 
zöfifcher Pair, hat die eigentliche Geſchaͤftsfuͤhrung. Beide 
find Leute von Verftand und Talent, aber feldft ſchreiben 
fie nicht; es laͤßt fi) auf fie anwenden, was man zur 
Bertheidigung der Königin Etifabeth gefagt hat. Mean 
wollte an ihrer Regierung tabeln, daß alle großen Tha⸗ 
ten und weiſen politifhen Maßregeln nicht ihr, fondern 
ihren Miniftern den Urfprung verdankten, und man be: 
kam zur Antwort, daß eben in ber Wahl guter Mini: 
ſter die Superlorität der Königin zu erfennen fel. Der 
Mevierver erwähnt dies nicht ohne Abſicht, denn er ſchal⸗ 
tet in einer Parentheſe ein: es ſei zu hoffen, daß zu Tr: 
gend einer oder der’ andern Zeit auch die Königin Victoria 
auf diefelbe Weiſe zu vertheidigen feirt werde. Die vorzuͤg⸗ 
lichſten Lieferanten auf politiſchem Gebiete find für die 
„Debats’“ die Herren &t.: Mare Girardin, de Sach and 
Michel Chevalier. Der Reviewer charakteriſtrt fie folgen: 
dermaßen · | | 

Dre Girardin, Rath an dir Univerſttaät, Profefſot der 
Biteratur an der Sopbonne und einige Jahte Mitgteb der 


- Donnerstag, - — Rr. 212. 


während das ultrasdemokratifche Sournal „Le bon’ 


30. Juli 1840. 





Kammer, iſt WBerfafier eines guten Werkes über Deutſchland 
(„Notices sur l’ Allemagne‘’) und ſchreibt in einem gefälligen, . 
behenden und lebhaften Styl, mit Gefühl und Einſicht. Herr - 
von Gary, Sohn des berühmten Drientaliften gleichen Ramens, 
ift ein ruhiger, ehrbarer, anfpruchslofer Schriftfteller, in einer 
weniger mannichfaltigen und lebhaften, aber biöcretern, zu⸗ 
fammenhangendern und in fich feftern Weife ale Herr Gi⸗ 
rarbin. Herr Chevalier ift Verf. eines trefflihen Werkes über 
Amerika, welches würbig iſt, dem des Deren von Tocqueville 
an bie Seite geſetzt zu werben, obgleich nichts voneinander 
verf&giebener fein kann als ihre Plane. Et war Heraudgebes 
des „Grlobe’’, als diefer in bie Hände ber St.:Simoniften kam; 
auch ift er noch immer von einigen ihrer mindeft tadelnswer⸗ 
then Doctrinen angeftedt. | 

Andere Mitarbeiter an dieſem Journal find oder wa⸗ 
ren: Here Billemain, Pair von Frankreich; de Bour⸗ 
queney, Secretafe bei der franzöfiihen Gefandefhaft zu 
London; der Abbe Feletz; Leclerc; Löwe: Weimar und 
Guvilier Fleur. Die Eigenthümer waren urfprünglid) 
reine Royaliften; ihre Meinungen haben indeß feit der 
Reftauration manche Anderungen erfahren und gegenmär: 
tig find fie, allem Anfcheine nah, mit einem Könige von 
Bartikaden Gnaden volllommen zufrieden. Der literari- 
ſche Theil des Journals ift befanntlih in den Händen 
Jules Janin's, des populairſten unter den lebenden Feuille⸗ 
toniften, der, nad dem Ausdrude unferd Briten, eine 
Armee, eine Epoche, eine Dynaſtie, eine „puissance“ 
in fich ſelbſt iſt. Weiterhin charakterifirt er ihn, wie folgt: 

Iſt irgend ein gebildeter Dann in Europa, der biefen 
undeforgten, gedankenloſen, unfteten, vagabundirenden, mun⸗ 
teen, gutlaunigen, fruchtbaren, phantafieuollen und rmpfind:- 
famen Schriftfieller , dieſes emfant gaté d’un monde qu’il 
gäte nicht gern läfe? Gibt es in Paris irgend einen Schau⸗ 
Spieler, Zänzer, Sänger, Schaufpielfchreiber, der nicht vor 
ihm erzitterte? Man darf ihn nicht nad feinen Romanen ber 
urtbeilen; er Tann kein Buch ſchreiben; er hat Feine Steekgkeit, 
keine Fähigkeit, an einer Idee, einem Syſtem, einer Dottzin 
oder einem Plane fauertöpfifch feftguhängen. Gr ift wie ein 
Kind, weldes den Fußpfad verläßt, um eine Blume zu pfläs 


‚den, ober einen Schmetterling zu haſchen; fo fdjlendert er um: 


bee, kommt aber mit fo vielen huͤbſchen Saͤchtichen zuruͤck, daß 
wir Keine Reigung in und fplren, uns über ihn zu aͤrgern. 
Der „‚Constitationnel‘' zaͤhlte noch vor wenig Jahren 
mehr abe 20,000 Subſcribenten; das mar damals, als 
die ſchon früher erwähnten Schriftſteuer für ihn thaͤch 
waren und” gegen die Jeſuiten und den Hof Krieg führ- 
tm. Seit 1830 ift er fo empfindlich geſunken, daß es 
Mode geworben if, zu fagen: ‚Om se desubonnmt am 








J 


EF a 
Constitutionnel.” Aber als gelegentliches Organ Dupin kommen auf nicht weniger als auf 70 — 80,000 France, 


des Altern hat er immer noch eine beträchtliche Wichtig: 
keit, und unter Mole gewann er durch die Beitraͤge des 
Hexen -Thiers bie Aufmerkſamkeit des Publicums. 

Der „Courrier frangais‘’ focht Seite an Seite mit 
dem „Constitutionnel” gegen die Monarchie der Reſtaura⸗ 
tion. : Seit der Revolution lehnt er ſich an die Partei 
oder die Parteien Dupont's de I’ Eure und Ddilon : Bar: 
rot's. Auch Guizot iſt als Mitarbeiter genannt worden. 
In feinen beften Tagen war Here Chaſtelain, ein recht: 
ſchaffener obgleich ſchwerfaͤlliger Schriftfteller, der Heraus⸗ 
geber. Seit defien Tode liefert Herr Foucher bie leiten: 
den Artikel. . 

Bekannt ift die getrennte Meinung der royaliſtiſchen 
oder legitimiftifhen Partei, deren eine Halbſcheid haupt: 
fächlich die „Gazette de France”, die andere die „Quo- 
tidienne‘ repräfentirt. Der Dauptlieferant für bie leg: 
tere war Michaud, der Akademiker, Verfaſſer der „Ge: 
fchichte ber Kreugzüge”, ein Mann, der fi ſchlecht für 
die Vertheidigung einer Sache fit, bie vorzüglich auf 
dem Glauben beruht. Man vermuthete, daß er von den 
Herren Berryer, Laurentin, dem Herzoge von Valmy 
und dem Bicomte Loſtanges mit Beiträgen und Notizen 
unterftügt wurde. Der allgemeine Zon diefer Zeitung ift 
nachläffig , hoͤhniſch und cavaliermäßig, mit einem Bei⸗ 
ſchmack von dem franzöfifhen Gentlemanstone bed an- 
cien regime. Die „Gazette de France” bilder hierzu 
den vollfommenften Gegenfag. Tiefe Ehrerbietigkeit, Be: 
barrlichkeit im Zweck, genaue Beachtung der duch den 
Anftand gezogenen Linien (mit einiger Ausnahme von 
Mahrhaftigkeit) find für diefe Zeitung charakteriſtiſch; 
auch hält fie an dem jefuitifchen Grundfage feit, daß ber 
Zwei die Mittel heilige. Ihre Deutung der vergange: 
nen Sefchichte Frankreichs ſcheint die zu fein, daß bie 
alte Monarchie Gleichheit der Nechte für alle Claſſen ga: 
tantirt babe, und fie anticipiet die Geſchichte, indem fie 
ihren Lefern die DVerficherung gibt, daß diefe Quelle von 
Gluͤckſeligkeit fehr bald wieder eröffnet fein werde. Die 
Reftauration wirb zuverfichtlich auf morgen feftgeftellt oder 
auf die naͤchſte Woche oder auf Montag über 14 Zage, 
was aber gewiß ber legte Termin tft; und wenn bie Vor: 
berfagung nicht eintrifft, fo verfichert fie, daß fie nad) 
alten Megeln der Vorherfagekunft hätte eintreffen muͤſſen; 
ebenfo wären die Franzoſen bei Waterloo gefchlagen wor⸗ 
den, obgleich fie nach allen Regeln der Kriegskunſt nicht 
hätten gefchlagen merben ſollen. Die Mitarbeiter find 
zugleich warme Anwälte des allgemeinen Wahlrechts, in: 
dem fie mit Coleridge glauben, daß die Ehrfurcht vor 
alten Formen und Snftitutionen nur noch in den nies 
dern Claſſen zu finden fi. Der Hauptfchriftflelter für 
die „Garette“ ift ber Abbe (früher Baron) de Genoube. 
UÜbeiwollende verfichern,, daß er uefpränglich Benou hieß, 
und daß er das de vom und hinten angehängt habe. 
Daher das Wigwort: ‚Il a mis à son genou deux 
eharnitres, pour mienx le flechir.” Er hat audy fein 
Knie oft vecht gut zu beugen gewußt und iſt darüber er: 
ſtaunlich reich geworben; man fchägt fein jährliches Em: 


denn der legitimiftifhe Adel iſt reich und großmüchig zu 
gleicher Zeit. Der Abfag der legitimiſtiſchen Zeitfchriften 
gibt Fein Urtheil für ihre Circulation, ſeitdem es Ton 


‚geworben ift, daß jebes Mitglied diefer Partei für eigenen 


Bedarf fubferibirt. 

„Le monde‘, unter Beihllfe der Mad. Dudevant 
von Lamennais 1837 gegründet, und „La paix” haben 
aufgehört; der „Commerce” iſt gegenwärtig Mauguin's 
Organ, und der „Temps“, von dem Barrikaden-Helden 
Jacques Coſte geftiftet und mehre Jahre fehr geſchickt ge: 
feitet, ift von oder für Herrn Conil gekauft worden, der 
fi feiner in eben dem Maße bedient wie Herr Mau: 
guin des „Commerce. 

Ausführlicher befchäftige ſich unfer kritiſcher Geſchicht⸗ 
fchreiber der frangöfifhen Journaliſtik mit der „Presse“, 
jener Zeitung, welche eine vollftändige Revolution im 
Sournalwefen berbeiführte, indem fie um die Hälfte des. 
gewöhnlichen Sournalpreifes geliefert wurde. Der Re: 
viewer erklärt, daß die Lage und der Charakter bes Stifter, 
&. de Girardin, ſchwer zu befchreiben feien; fo viel fei 
ausgemacht, daß er ein feltenee Speculant fei und viel 
leicht verfchulde er feine große Unpopularität gerade da⸗ 
duch, daß er den Erfolgen anderer Speculanten im 
Wege geitanden habe. Daß er Armand Garrel im Duell 
getödtet habe, fei mehr ein Misgeſchick als fein Fehler 
gewefen. Uber fo fehr fei dur die Gründung feiner 
neuen Zeitung und duch Carrel's Tod das Vorurtheil 
gegen Sirardin erregt worden, und fo mächtig fei der 
Einfluß der franzöfifhen Journaliſtik, wenn fie ſich gegen 
irgend Wen oder Was, Gutes oder Boͤſes, zufammen- 
thue, fo gewaltig fei die Macht des populairen Gefchreis, 
der Leidenfhaft oder Laune in Frankreich, daß Girardin 
auf allgemeinen Zuruf aus ber Kammer ausgefloßen wor: 
den fei, weil er einen genau documentirten Beweis von 
einem Factum, voogegen doch bei Keinem ein moralifcher 
Zweifel ſtattfand, beibringen konnte. Das Journal iſt 
übrigens, nach unſers Engländers Ausdrud, artig und 
binlänglidy unterhaltend, wenn es ihm auch an aller Fe: 
fligkeit und DBefländigkelt fehlt. Es ftand lange oder 
ſteht noch in dem Geruche, Drgan des Könige, ohne 
deshalb Drgan der Verwaltung zu fein; das ift etwas 
ganz Verſchiedenes. Dee Hauptmitarbeiter iſt Here Gra⸗ 
nier de Gaffagnac, ein keder, paradorer, fertiger und 
leichtfertiger Schriftfieller, von welchem meiſt der politi= 
fhe Inhalt des Journals herruͤhrt. Die Literarifche Ab: 
theilung ift reich an berühmten Namen; Dumas und 
Balzac haben einige ihrer Romane ſtuͤckweiſe in der „Presse‘‘ 
mitgetheilt. Am meiſten ziehen die Beiträge ber Madame 
de Sirardin ( Delphine Say), unter der Signatur des 
Vicomte von Launay, die Subfcribenten an, und nichts 
kann gerwandter und reizender fein als die Manier, in 
welcher fie ihr wöchentliches Summarium von Literarifchem, 
muſikaliſchem, artiftifchem, faſhionablem und gefellfchaftlis 
chem Geſchwaͤtze zurichtet. Ihr Luftfpiel „Die Journali⸗ 
ſtenſchule“ ſchrieb ſie, um ihren Gatten an feinen Wi⸗ 
derfachern und Verleumdern zu rächen. 


De „Sitche”, an Weohfeitheit bes Abonnements. mit 
her „Presse“ wetteifernd, ift bekanntlich ein eifriger Anwalt 
der ausgedehntern Wahlfreiheit, genießt einer großen 
Verbreitung und fleht unter Odilon⸗-Barrot's Controle. 
Die politifchen Artikel fchreibt Here Chambolle, Mitglied 
der Deputictenlammer, ber eine gewiſſe Bedeutung durch 
die allgemeine Annahme geroinnt, daß er ein Vermitte⸗ 
lungsmedium oder ein Verbindungsglied zwiſchen Heren 
Barrot und Herrn Thiers bilde. Die literarifche Partie 
des Journals contraftiet feltfam mit der politiſchen; die 
eine athmet,. wie Barrot's Reden, eine reine, ernſte Sitt⸗ 
lichkeit, die andere eine ſtrafbare Sittenfchlaffheit und Ins 
differenz. Man hört, daß die literariſchen Mitarbeiter 
des „Siecle“ in berfelden Weife auch für den „Charivarı“ 
Schreiben; das aber iſt eben keine Schule, in welcher ein 


Schriftfteller Art und Sitte lernen kann. 

Auf den Charivari” iſt ber englifche Berichterſtatter 
überhaupt nicht gut zu fprechen. 

Diefe Art Zeitungen, wie ber „Charivari” — fagt unfer 
Engländer — machen fih zum Gefchäft, Alles zu verfpotten 
und auf die lächerliche Geite zu wenden. Wenn ein berühmter 
Mann eine ſchwache Seite oder ein Gebrechen hat, ein geiftis 
ges ober koͤrperliches, fo fpüren fie ed aus; iſt irgend eine be: 
rühmte Frau eines faux pas verdächtig geworden, fo ſchwatzen 
ſie davon. ice dem Sachwalter, weldyer eine zaͤrtliche Vor: 
Gebe für ländliche Wergnügungen bliden läßt, und Wehe dem 
Deputirten, welcher fchielt! Die wahre ober erdichtete Ahn⸗ 
lichkeit, welche Louis Philipp’s Kopf mit einer Birne baben 
fol, war eine Erfindung Philipon’s, eines ber unverſchaͤmten 
Jituſtratoren bes „Charivari“, und machte dem Könige mehr 
Hiage als alle Attentate auf fein Leben. Die famöfen Septem: 


Hergefege verdanken ihre Entftehung ebenfo fehe der Birne wie: 


dem Fieschi. 

Desnoyers, Verf. von artigen Vaubdevilles und Me: 
fodramen, war der Gründer.des Blattes, Altaroche und 
Cler find Mitherausgeber. Die meiften der parifer Wit: 
Inge fteuern bei und Philipon und Grenville liefern bie 
Illuſtrationen. Die allgemeine Tendenz iſt bemofratifch, 
Hoc hütet man ſich wohl, die legitimiſtiſche Partei zu 
Heleidigen, da biefe wegen der Witzhiebe gegen den König 
fleißig auf das Blatt fubferibirt. Der „Charivari‘‘ war 
auch gleich dabei, Maroto’6 Verrätherei zu brandmarten, 
und fteht deshalb bei den Karliften im großer Sunft. 
Der „Corsaire”; der „Figaro”’ und verfchiedene andere 
Blaͤtter gehören im dieſelbe Kategorie. Um bie Wir: 
tung diefer Beitfcheiften genau zu würdigen, fagt uns 
fer englifcher Gewaͤhrsmann, muß man ben parifer 
Volkscharakter im Auge behalten. Mir find überzeugt, 
daß ‚durch das Lächerliche, welches in veblichen Händen 
ein Zeuge der Wahrheit ift, bei dem gegenwärtigen Zus 
ftande der Gefinnung in Paris Allee, was groß, gut, 
zein, wahr und heilig ift, beruntergefeßt, beſchmuzt, 
verdächtigt und entheiligt werben bürfte oder bereits iſt. 
Auch einige von unſern Sonntageblättern find in jeder 
Hinſicht fchledht genug, aber auch aus allen anftändigen 
Häufern verbannt, In Paris dagegen lieſt Jedermann ben 
„ Charivari”. a, dieſe Zeitſchriften find nicht einmal bin: 
ceichend, man publiciet jetzt monatliche Slugfchriften, bie 
aus benfelben Stoffen wie das genannte Blatt bereitet 


‚und mit dem Ramen ber Merfafler verſehen find. Mies 


fer Art find: „Les guepes”, von Atphonfe Karr; „Les 
papillons noirs”, vom Bibliophilen Jacob; und ‚Les 
personnalites”, von X. Peyrat. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Spontini und die große Oper in Paris. 


‚Ss ift aus den Zeitungen befannt, daß die große Oper in 
Paris vor kurzem bie feit vielen Jahren ruhende Spontint’fdhe 
Dper: „Ferdinand Cortez“ wieder zur Aufführung bringen wollte, 
Spontini aber dagegen Einſprache thun ließ und fih an das 
Sandelsgericht wendete. Diefes gab dem Gomponiften Gehör 
und verbot der Dper bie Aufführung des „Ferdinand Gortez“ 
mit Androhung einer Strafe von 6000 Frances für jeden Gons 
traventionsfall. Die Oper zahlte bie Straffumme, führte „„Bers 
binand Cortez“ auf, appellirte aber auch wegen jenes Urtheils 
bes Handelsgerichts. Am 23. Iuni wurde nun biefer merkwür⸗ 
dige Streit im Beifein eines außerordentlich zahlreichen Publis 
cums wo — Pönigtichen —— verhandelt. 

er berühmte Advocat Chair d'Eſt⸗Ange vert te die 
TominfEration ber per und ſprach: i beidie 

„Wir werden Sie von einer Theatergeſchichte unter 
aber die Sade ift im Grunde für bie große Oper en 
böchften Wichtigkeit. Won Seiten Spontint’s ift es bloßer Eis 
genfinn. Das genus irritabile vatum begreift nicht blos bie 
Dichter, fondern auch bie Componiften und Alle, die Phantaſte 
und Gitelkeit nöthig haben, und Spontini beftst, bei großem 
Zalente, fehr viel Eitelkeit.“ 

„Weil das Yublicum feine Werke jest ziemlich Talt aufs 
nimmt, weil ſich die Adminiftration der Oper nicht beeilt, bie 
achtbaren Erzeugniffe eines noch rüfligen Alters anzufchaffen, 
erzürnt fi) Spontini gegen uns; er fieht überall Feinde. Ries 
mand !äßt fi mehr durch die Lügen ber Eitelkeit täufchen als 
er. Er erklärt, die Oper verdanke ihm Alles und vergelte ibm 
dafür mit ſchwarzem Undant, Ohne Zweifel verdankt ihm bie 
Oper viel, er aber ebenfo viel ber Oper. Gr reichte „„Die Bes 
ftatin’ am 15. Dee. 1807 ein und fie erhielt 200 Vorftelluns 
gen mit einer Durchſchnittseinnahme von 3529 Francs, wähs 
rend ber Oper jede Vorſtellung 5620 France koſtet. „Ferdinand 
Cortez“ ift häufig aufgeführt worden und bie Durchfchnittss - 
einnahme betrug 4135 France, d. h. 1000 France weniger als 
die Koften der Oper. Soll ich noch ein anderes Stüd erwähs 
nen? Nein. Ich will blos anführen, daß „Olympia“ 140,000 
Francs in Scene zu fegen koſtete; fie wurde fiebenmal aufges 
führt, brachte aber trog allen Bemühungen nicht mehr als 
16,000 Franes ein, d. 5. bei jeder Borftellung 3000 Franes 
weniger, als bie Oper braucht, um nur zu beſtehen. Die Oper 
hat alfo etwas für den Ruhm Spontini’s gethan!“ 

„Beine verlegte Eitelkeit beklagt ſich, daß man feine Opern 
nicht mehr gibt, nicht mehr geben will. In ben Jahren 1888 
— 39 that er unaufhörlih Schritte, um bie Wieberaufführung 
feinee Gtuͤcke zu erlangen; jest fängt ex einen Proceß an, weil 
man fie fpielt. Man weigerte ſich damals aus Gründen, bes 
ven Anführung Sie mie erlaffen mögen, in feine WBünfche ein⸗ 
zugeben; er beBlagte ſich darüber in einer anonymen Gdheift, 
die er nicht ableugnen Tann, denn in jeder Zelle findet man 
feinen Namen und fein Lob. Dieſes Schriftchen wurbe in der 
Deputistentammer vertheilt kurz vor bem Zage, an welchem 
über die Gubvention ber Oper abgeflimmt werben follte, damit 
wir wir —— —— — ſich Gerucht 

„Bu es Jahres verbr bas 
man werde „‚Die Beſtalin“ wieber aufführen. Da Bam fogieich 
ein Brief von Gpontint an, nicht an bie Dper, fonbern an 
Hm. I, den Agenten ber bramatifchen Dichter in Paris, 
Hieſer Brief enthält folgende Stellen: 

„„Die Ankündigung, die ich eben in ber Staattzeitung 
und in ben Debats lefe, daß bie Adminiſtration der Academia 






% 


1eydle AS muslme Widkeen habe, bie Wdikalin wieber zur 
Aufführung zu Bringen, if wahrſcheialich nur eine mohlmellende 
Muthmaßung, ein freundfchaftlicher Wunſch, der bei Gelegenheit 
ausgeſprochen wird. Iſt es aber die Wahrheit, fo läßt fich ber 
böswillige Zweck einiger Leiter ber Oper teicht erraten, die 


d ihr d bed Werfahren und durch ihre Fed 
fih durd ihr sogen .n A ur J % Federn offen 


Beinden . 
" „„In jedem Falle beeilen Ste fi, in Ihrer Eigenſchaft 
als dream ee Agent, vechtölräftig für mich und in meinem 
Kamen gegen dieſe Wicheranfnahme ber Veſtalin oder irgend 
vihre andern meiner Opera zu proteſtiren.““ 

„ms würde ſicherlich für ebenfo ſchmeichelhaft als 
ohernvell fein, vor dem impofanten, fo empfänglichen, ſo ver⸗ 
findigen,, fo geiftreidgen und gerechten Publicum von Paste 
von neuem zu erſcheinen und wiederum in jenen Schranken, der 
bewundeundwärbigen Anftalt Ladwig's bes Großen, dem erha⸗ 


been Werke Luliy's und Gluck's, aufzutreten, wo ich fonft ei⸗ 


wigen Ruhm fand.““ 
„„Aber die unwürdige Art, wie man zu verfchiedenen 


Malen die Veſtalin, Ferdinand Gorteg und Olympia feit 


meiner Gntfemung von Paris aufführen ließ; die mehr als 
wochläffige Xusführung (obgleich die Hauptrollen bisweilen in 
uten Händen waren) und bie unpaffende, fchäbige, abſcheuliche 

feenefegang diefer Opern mit alten zerlumpten Goftums und 
verrichten, zerfegten Decorationen; bie Ehöre, die weber eins 
findirt, noch gelernt waren, noch gefungen wurden und ſchwach 
befegt waren! Dazu noch Abkürzungen, Zuſammenſchneidung 
und für einen Gomponiften ſchreckliche Veränderungen! Der 
Pomp der Aufzüge, der Geremonien und der Ballets unters 
drückt oder laͤcherlich gemacht! Einige alte Statiften in Cum: 
pen, bie die furchtbaren römifchen Legionen vorftellen follten, 
weiche die Welt befirgten ! 

„„Von dem trefflichen Orcheſter ſchweige ich.““ 

sie oft hat ſich die öffentliche Stimme und die Preſſe, 
felbft in den Kammern und auf der Rednerbühne 1839 gegen 
Diefe lyriſch⸗ dramatifche Metzelei und andere derartige ſchreck⸗ 
liche Misbräuche erhoben! Dennoch freien bie ermähnten Leis 
tee der Oper keck und unaufhoͤrlich, die claffifchen Werke mach: 
ten keinen Effect mehr, fänden Leine Theilnahme mehr, fie 
wären todt und dürften dem Publicum nicht mehr geboten wer: 
ben. In ber Art, wie fie biefelben geboten haben, glaube ich 
es wol. Jetzt ftellen fie von neuem eine folche Schlinge auf 
und ich Halte es demnach für meine Pfliht, mid der Wieder: 
aufführung meiner Oper zu wiberfegen, ich müßte denn officiel 
von der Direetion aufgefobert werden, felbft nach Paris zu 
Zommen, die Künſtler mit meinem Rathe zu unterftügen, ben 
Proben beizuwohnen und zu dem Gelingen bes Werks beizu- 
tregen "u. f. w. 

„Spontini befyutbigt alſo““, fuhr Ehaix d'Eſt⸗Angefort, „in 
einem Athem Halévy (ben Director der Ghoͤre), die Direction, 
Habeneck, die Ehre... Wahrhaftig, es ift ſchwer auszufom: 
men mit dem Hrn. Spontini! Und woher diefer Zorn? Die 
geößten Dinge finden ihre Erklärung in den kleinſten. Spon⸗ 
Tini hatte um die Annahme einer neuen Oper von- ihm und 
am ben Auftrag auf noch eine andere nachgeſucht. Dupouchel, 
der recht wohl wußte, was in Berlin gefchehen war, gab eine 
ausweichenbe Antwort; er Tonnte boch nicht gerabegu zu Spon⸗ 
tini jagen: „Ihre Muſik tauge nichts‘; er fagte alfo: „Das 
Mrpertoie fei beteitd überfüllt” u. f. w. Zu biefen Urſachen 
fügen wie eine Anebbote, welche bie Journale bit haben 
und welche die Galle bei Componiſten gewaltig auftegte. Ei⸗ 
ned Abends war die Oper außerordentlich zahkreich beſucht; 
Montini hatte noch‘ keinen Platz und nahm alſo ben bes erſten 
SBeften auf ber Galerie in . „Sie mäflen mir Ihren 
Bag abtreten”, ſagte ex, „bean ich bin Spontini.“ Der Zu⸗ 
Schauer aber, ber b 


Ihrem Ra ber —8 Habe ich Begahlt und 
m Namen ; aber m bezahlt um 
halte ihn.“ Gpontini tief —*— davon.“ 
Fr ya 





bes 


e Achtung vor Royle's ‚‚Botan 
Mit 


„Rummen wir volsber:aaf,‚Wuklinenb Cvrtey⸗. Des Btüd 
iſt zwar kein Kaſſenſtüch, wie man ſich in der Bbsaterfpracke 
qusgubrüden pflegt, auf der andern Seite waren Duprez, 
Mario, die Doruss &ras und Fanny Elißlet anf Urlaub ahme: 
fend ; aber es iſt ein Gpertakelſſtiick und bie Külfen Bienten ae 

tem Künfliem: & 


Hr. Duval, ber Advocat des Hrn. Spontini, brachte nichts 
Neues vor, und wir heben nur eine Stelle aus feiner Rebe 
aus, weil fie zum Verſtaͤndniß der ganzen Sache dient. 

„Welchen geheimen Grund bat denn nun aber der Wider: 
ftand der Oper? Warum will fie durchaus ein Werk wieder 
zur Aufführung bringen, das fie lange ſchon aufgegeben hatte? 
Die Antwort darauf ift Leicht zu geben. Bei der Discuffion 
über das Budget In der Kammer beklagten fi die Glaffifer 
in der Kammer über bie Verſchwendung gegen Theater, welche 
durchaus nichts thäten für große und ſchöne Gtüde;, um biefen 
eine Genugthuung zu geben, entfchloß man fi zur Wieder⸗ 
aufnahme des „Ferbinand Gortez”. 

Der Gerichtshof fließ das von dem Handelsgerichtæ gege- 
bene Urthel um, verfügte die Herausgabe der bezahltern 6000 
France, wies Spontini zur Ruhe und ermädtigte die DErection 
der Oper, die Stücke deffelben nad) wie vor zu jeder bel iebigen 
Beit aufzuführen. Er fügte ſich befonders darauf, doß Spon⸗ 
tini feine Stüde nicht felbft von dem Repertoir zuruͤckgenom⸗ 
men habe, was bie Dichter und Gomponiften unter gewiſſen 
Bedingungen thun können. 51. 





Literarifhe Notizen. 


Päpfte”, von 
. Sokrates⸗“; Ge 
Sieferte, den zweiten Band ber „Airchengefchichte” von Dökingeg. 
Auch von Dante's „Paradies“ ift eine Überfehung von 3. 2. 


beforgt Henry 


Bon anturwifienflpefttiiken WBerlen find neuerbings in- z 
land en: der zweite Band von — N metal, 


„‚Conchology‘', ven Hanley; Francis’ „„Grammar of botany” : 


* 





of the Himalaya mountains“ (2 Bde.); 
Pratt’s ‚Flowers and their assodiations‘ ; ' 
don’s ‚„Gurdening for Indien‘. 47. 


Wexantwokilicher Srraubgeder: Heinrich Brockhans. — Deack und Verlag von F. U Brokhaue m Leipzig. 


Blatter 


für 


Titerarifhe Unterhaltung. 


Sreitag, 


— Kr 213. — 


31. Juli 1840. 


ee — —— — — — — — — — — — — r rr —— — —— — — — 





Frankreichs periodiſche Preſſe. 
(Beſchluß aus Nr. 212.) 

Die einzigen Abendblätter von Bedeutung find der 
„Noniteur parisien‘ unb der „Messager”, weldyer jetzt 
Eigenthum bes Grafen Walewski ift, des Sohnes Na: 
poleon’s und einer berühmten polnifchen Schönheit. Wohl: 
gelitten in den beſten Cirkeln von Paris, hat er neulich 
eine Komödie angefertigt, worin er ihre Sitten fchildert. 
Dies Stud, mit dem Titel „L’ecole du monde”, wurbe 
bei der Öffentlichen Vorſtellung auf dem Theätre fran- 
cais nicht fo günftig aufgenommen, wie bei den Privat: 
vorlefungen in ben Cirkeln der Eingeweihten, und Janin 
brach darüber den Stab ohne alle Barmherzigkeit. Eine 
von einem Freunde bes Verfaſſers abgefaßte Erwiderung 
führte von Selten Janin's abermals eine Replik herbei, 
welche in Janin's gluͤcklichſter Manier gefchrieben if. Er 
fertigt darin die Coterie des Grafen mit ihren Anmaßun⸗ 
gen und ihren ‚‚precieuses ridicules’’ in einer Weile ab, 
dag er fie dadurch zum Gelächter von Parts für eine 
ganze Woche machte — und was bedeutet nicht eine Woche 
in Paris! Wie viel nugt fih nicht Paris in einer Wo⸗ 
he ab! Man redete auch hin und her von einem Duell, 
aber in ber naͤchſten Nummer erklärte Jules Sanin, daß 
er noch bei Leben und ganz gefund fei. Über Durand’s 
Bonapartiftifche Zeitfehrift ‚Le capitole’ läßt fich unfer 
Gewaͤhrsmann nur fehr kurz, aber naferümpfend aus. 

Balzac berichtet, daß, als Bücher und Sacken bie 
Höhen vor Paris erreicht Hatten und Lepterer die Stadt 
‘der Zerfiörung uͤberantworren wollte, Bluͤcher geantwor⸗ 
tet habe: „überlaſſen wir die Stadt Lieber ſich felbft; die⸗ 
fer ‘große Krebs wird ber Ruin von ganz Frankreich wer: 
den.’ Der Reviewer zweifelt zwar, daß der tapfere, fonft 
aber nicht geiftreiche Bluͤcher dergleichen geäußert haben 
koͤnme, aber etwas Wahres fei an dieſem Ausfpruche doch, 
möge ihn auch gethan haben, wer da wolle. Ganz Frank⸗ 
eich iſt nur ein Echo oder Widerfchein ber Metropole. 
Daher hat die bdepartementale Preffe vergleichungsweiſe 
nur einen geringen Einfluß, und es gibt nur zwei Schrift: 
ſteller, welche bier in Betracht kommen — bie Herren 
Deretin und Fonfroͤde. Erſterer war das Haupt des 
„Precarseur de Lyon.” Sein Styl entbehrte der Poli: 
tur, aber feine Raiſonnements waren voll Kraft; er 
firebte mehr darauf hin, ein Mittel fuͤr die Übel aufs 


mm —m nme em nn nn nr a nn er er rene e Ae GEESEEEERe-  AEEEEEE FRRed gen I 


I zufinden, welche zur Brit der Handelskriſis Lyon zereht: 


teten, als fie zu vermehren, um felbft bei der günftigen 


‚Gelegenheit Nugen zu ziehen, wie die meiften feiner pas 


rifer Gollegen gethan haben wuͤrden. Er hat fich feitbem 
von ber Preffe zurückgezogen und gänzlich feinem Berufe, 
des Advocatur, gewidmet. Fonfrẽde pflüdte feine erſten 
Lorbern im ,‚‚Memorial” von Bordeaux. Er iſt en 
Mann von einfachen Gewohnheiten und refidiet auf ei⸗ 
nem Heinen Landgute nahe bei der Stadt, die er zwei⸗ 
oder dreimal wöchentlich auf feinem Boote die Garonne 
herab beſucht, indem er unterwegs feinem Lieblingsvet⸗ 
gnügen, dem Sifchen, obliegt. Seine Popularität be 
ginnt einige Jahre nach der Julirevolution, für bie er 
in Bourdeaur thätig gewefen war; leider verfiel er, wie 
mancher Menfh von localem Ruf, in den Irrthum, 
daß er in ber Hauptſtadt wol zu aͤhnlichen Ehren ge: 
langen koͤnne. Gegen 1837 kam er nah Paris und 
fhrieb für das von J. Lechevalier herausgegebene dor⸗ 
trinaire „Journal de Paris”. Seine parifer Laufbahn 
tft bekannt und genügte ihm fo wenig, daß er zurhd: 
tehrte, um den ‚„Courrier de Bordeaux” herauszugeben. 
Mer ſich aber in der Hauptſtadt abgenutzt hat, ift für 
feine Landsteute ken Wunder mehr; Konfr&de wurde bei 
feiner Ankunft nicht mit Zurufen und Illuminationen, 
fondern mit einem Chartvari empfangen. Unfer Gewährss 
mann meint übrigens, daß Fonfrede, wenn er mehr 
Ruhe und Takt brfäße, den beften Nournatiften Frank⸗ 
reichs fi) anreihen wuͤrde. Seine Flugſchrift „Du gou- 
vernement du roi et des limites constitationnelles’’ wurde 
ſtark gelefen und befigt große Verdienſte. 

Ein franzöfifches Review nach dem Pfane ber beflen 
englifchen Reviews gibt es nicht. In Frankreich wechſeln 
die Meinungen und Parteien zu oft und die Nation iſt 
zu bewegfih, um auf irgend etwas ein Vierteljahr lang 
zu warten. So wenigſtens erklärt unfer Engländer das 
Phänomen. Guizot und der Herzog von Broglie flifte: 
ten zwar 1829 eine „Revue frangaise’’, aber fie dauerte 
nicht lange, und ber. legte Verſuch, fie wieder zum Auf: 
leben zu bringen, fand wenig Ermuthigung. Auch bie 
„Bevue trimestrielle‘, obgleich gut geleitet, hörte bald 
auf, doch fol man damit umgehen, fie unter höhern 
Aufpicien wieder zu beleben. Die beften von ben foge: 


nannten Meviews find die „‚Bevue des deux mondes“ 


858 


und die „Revue de Paris”, welche oft meifterhafte Krititen 

enthalten. Doch find diefe nur als Meinungen eines Indivi⸗ 

duums zu betrachten und üben keinen Einfluß, außer demjeni: 

gen, welcher fi) von dem Namen des Verfaffers ableiten läßt. 

Mir wollen noch einige allgemeine Bemerfungen, wo: 

mit unfer Gewährsmann feine geſchichtliche Betrachtung 

über die franzöfifche Preffe fließt, hier hinzufügen. In 

England find bie Eigenchümer eines Journals auch die 

Haupt: oder alleinigen Mitarbeiter; dieſe Belchäftigung 

abforbirt den größern Theil ihrer Zeit und zwingt bie 

meiften von ihnen, ben Tag zur Nacht zu madhen. Da: 

her leben fie wenig mit der Geſellſchaft. In Frankreich 

befchränet fi) der Herausgeber oder Redacteur en chef 

‚gemeinhin auf die bloße Anordnung der Zeitung. Die 
Mitarbeiter, politifche wie literarifche, find gewöhnlich fehr 

zahlreich. In Wahrheit, Jeder, der fchreiben kann, 
ſchreibt auch, und ein junger Franzoſe pflegt auf einen 
wirkſamen Artikel, den er für ein Journal gefchrieben 

bat, ebenfo ftolz zu fein wie ein junger Engländer auf 

eine wirkſame Rede, welche er im Parlamente hielt. In 

Frankreich fehägt man ben Hauptherausgeber eines Four: 

nals vom erften Range auf ungefähr 30,000 Fr. (1200 Pf.) 

jährlich; die Mitarbeiter erhalten 40 bi6 50 Gent. für 

die Zeile und im „Journal des debats’’ beträgt das Do: 

norar für einen leitenden Artikel gewoͤhnlich zwifchen 100 

bis 150 Fr. Sunin erhält als Theaterkritiker, ein Ca: 

:briofet eingefchloffen, 15,000 Fre. des Jahrs. Wenige 
von ben englifhen Herausgebern ftehen ſich jährlich auf 

1000 Pf. Die hauptfächlichften Ausgaben ber beiten 

‚englifchen Zeitungen beftehen in ber Bezahlung der Be: 
richterſtatter. In England bringen die Zeitungen meift 
nur die Öffentlihe Meinung zum Ausfpruh, in Frank: 
reich fchreiben fie die Meinung vor. In England ift der 

‚leading (oder wie Canning zu fagen pflegte) der leaden 
.artice das am menigften Unziehende, während er 
in Frankreich die Hauptfadhe if. In England merben 
alle intereffanten Themata in öffentlichen Verſammlungen 

ober bei Mahlzeiten verhandelt; in Frankreich ift bie 

-Drefie, wenn bie Kammern feiern, ber einzige Tummel⸗ 
plag.der Erörterung. Innerhalb der legten zehn Fahre 

haben die franzoͤſiſchen Zeitungen eine Revolution be: 

- wirkt und in reißender Schnelligkeit Minifterien aus dem 
Sattel gehoben; für die englifche periodifche Preſſe waͤre 

dies ein Ding der Unmöglichkeit. In England ift eine 
‚ Zeitung wefentlich ein Gegenftand der commerciellen Spe: 
. culation, in Srankreih mehr die Stimme einer Partei, 
ober das Organ einer Einzelmeinung. In England iſt 

eine Zeitung wie ein altes Bankgeſchaͤft, oder ein Land⸗ 

gut; nichts iſt ſo ſchwer einzurichten, nichts ſo ſchwer zu 

erſchuͤttern. Als der „Courier“ die wenigſten Subſcribenten 

zaͤhlte, vor 10 oder 12 Jahren etwa, wurde er immer 

noch auf 30,000 Pf. geſchaͤtzt; bie Annahme von einer 
. halben Million würde für die ‚‚ Times’ zu niedrig fein. In 
Frankreich kann der Verluft von einem populairen Schrift: 
ſteller dem Journale verhängnißvoll werden; auch iſt es 
in Frankreich, was in England nie möglid wäre, der 

Regierung leicht, eine Zeitung aufzukaufen, eine zu ſtif⸗ 


ten, oder eine zum Schweigen zu bringen, indem man 
dem Herausgeber eine Stelle verleiht, und nur die hydra⸗ 
koͤpfige Eigenfchaft diefer Species ift vielleicht der einzige 
Grund, weshalb man dies Spftem von Taktik nicht df: 
tee in Anmendung bringt. Was man noch am mei: 
ften an den politiſchen Schriftftellern Frankreichs rühmen 
kann, iſt ihre Vorliebe für einen gewiſſen anftändigen 
Ton in ihren Streitigkeiten; und was man am meiften 
bei ben englifhen tadeln kann, ift ihre zu häufig mit 
Beiwoͤrtern verbrämte Sprache, welche dem Lexikon der 
Sifchmeiber und D’Connell’s (!), der hierfür fonft ein 
Monopol haben würde, entnommen find. 

Was der Neviewer bier gefagt hat, beziehe fich indeß 
blos auf den politifhen Theil der Preffe; was den kriti⸗ 
(hen Theil betrifft, fo ift, feiner Meinung nach, der Ver: 
gleich entfchieden ungünftig für Sranfreih. Zwar, meint 
er, was ben Geift der Gamaraderie anbelangt, To möchte 
diefer im Grunde in beiden Ländern berfelbe fein; denn 
wie Sie Godfrey Keller ſcharfſinnig bemerkte: „eine Hand 
kann für ſich allein nichts thun, aber zwei Hände wiſchen 
einander ab”; doch, fest er hinzu, die englifchen Kritiker 
find weniger beftechlid als die franzoͤſiſchen, wenn es 
leider auch wahr ift, daß englifche Autoren und Schau: 
fpieler, welche Mittaggmahlzeiten geben, von gewiſſen Kri⸗ 
titern milder behandelt werden als die, welche es nicht 
thun. ber der englifche Kritiker laͤßt fich nicht durch baar 
dargereichtes Handgeld beftechen, während es erwieſen ift, 
daß ſich die Mehrzahl der franzoͤſiſchen kritiſchen Zeitſchrif⸗ 
ten durch ſolcherlei Zufluͤſſe erhaͤt. Hierbei wird uns noch 
folgende huͤbſche Anekdote zum Beſten gegeben: 

Als der berühmte Sänger Rourrit abgegangen war, machte 
ber Herausgeber einer der muſikaliſchen Zeitfchriften dem Nach⸗ 
folger Rourrit’6, Duprez, bie Aufwartung und gab ihm, uns 
ter einer Bälle von Eomplimenten und Lobeserhebungen, zu 
verfteben, daß Nourrit der Zeitſchrift unveränderlich jebes Jahr 
2000 Fr. bewilligt Hätte. Der eritaunte Duprez druͤckt endlich 
feine Bereitwilligkeit aus, die Hälfte dieſer Summe zu bewil⸗ 


ligen. „Bien, monsieur‘‘, fagt der Herausgeber mit einem 
Achfelzuden, ‚mais, parole d’honneur, j’y perds mille francs.’ 


Mas der Reviewer in gewohnter weitſchweifiger, aber 
gründliher und folider britifher Manier über Balzac's 
Roman und bie Komödie der Madame Girardin, wozu 
Died Alles nur als Einleitung dient, beibeingt, Dürfen 
wir wol um fo eher auf ſich beruhen Laffen, da beide 
Erfheinungen auch In Deutfchland ſchon hinlaͤnglich durch⸗ 
geſprochen ſind. 70. 


1. Bier Jahre (1539. 1639. 1739. 1839) als Wand⸗ 
lungemomente ebenfo vieler Jahrhunderte. Eine Gabe 
zur Säcularfeler ber Thronbeftelgung König Friedrich's II. 
von Preußen (am 31. Mai 1840). Bon F. W. De: 
waldfohn v. d. Schley. Berlin, Herbig. . 1840. 
Sr. 8. 1 Thlr. 

2. Staat und Kiche. Manufcript aus Norbdeutfchland, als 
Antwort an Rom und feine Freunde. Beitrag zur Gedaͤcht⸗ 
nißfeier der Xhronbefleigung Friedrich's des Großen. Bon 
Karl Riedel. Berlin, Simion. 1840. Gr. 8. 12 Gr. 

Unter ben Schriften, welche ſich vorgefeht haben, die hun 
bertjährige Beier der Thronbeſteigung Friedrich's It. gu vers 


perriüchen, nimmt das unter Mr. I genannte Bud) Eeinen uns 
ebeutenden Plag ein. Denn es tft nicht blos gefchrichen, um 
dem Intereffe des Moments zu dienen, ebenfo wenig iſt es ein 
Product literariſcher Betriebſamkeit, fondern es iſt würdig ges 
‚Saiten und zeichnet fi) durch gute hiſtoriſche Überblide und 
zwedmäßige Urtheile über die Gegenwart und bie verſchiedenen 
politifchen Zuftände berfelben aus. Der Verf. ſchildert im er⸗ 
fen Abfchnitte, der, etwas auffallend, gerade mit benfelben Wor: 
ten beginnt, mit denen Drefch bie Gefchichte ber Reformation 
in ſeiner „überſicht der allgemeinen Geſchichte“ (III, &. 26) 
eröffnet, das Gittenverderblihe und Bernunftwibrige der katho⸗ 
lifhen Kirchenverfaffung,, bie Anfänge ber Kirchenverbeflerung 
‚und ben Übertritt Kurfürft Joachim's II. von Brandenburg zur 
Reformation am 1. Rovember 1539, bie er pafienb als bie 
geiftige Scheidung vom Haufe Habsburg bezeichnet hat. Der 
zweite Abſchnitt hat die Religionskriege in den Niederlanden, 
in England, Frankreich und Deutſchland zum Segenflande, be: 
fonders den breißigjährigen Krieg, wo das Jahr 1639 einen 
Wendepunkt bilbet. Die Thronbeſteigung bes großen Kurfürs 
ſten fchließt diefen Abfchnitt. „Den fpätern Geſchlechtern blribt 
bas Jahr 1639 allezeit werth, weil es das le&te geweſen ber 
untilgbar erfcheinenden Hödften Roth, das Wenbejahr ber Ge⸗ 
Schichte Brandenburgs Preußens, bie unter ber Hand Friedrich 
Wilhelm's, des großen Kurfürften, einen neuen Auffhwung und 
jene mit feflem Schritt aufwärts gehende Richtung nahm, bie 
noch heute für ben Den gilt, auf dem das Haus ber Hohens 
jollern groß geworben ift, mandhe fchwere Zeit zu überdauern 
vermocdht und den unvergänglichen Ruhm ber Mäßigung im 
Glüd, der Standhaftigkeit im Unglüd und der dantbaren Liebe 
und Treue bes Volks zu erwerben gemußt bat.’ 

Im dritten Abfchnitte find nach einer wohlgefchriebenen 
Einleitung bie Eroberungskriege Lubwig’s AIV., die Revolution 
in England, die Feldzüge des großen Kurfürften, der fpanifche 
Erbfolge: und der norbifhe Krieg, bie Erhebung Preußens 
zum Königreiche und — mit befonderer Rüdficht auf den Zweck 
des Büchleins — bie Regierung Friedrich Wilhelm’s 1. in 


Preußen bargeftellt. Wichtiger für Europa, wichtiger für Preus | 


Ben war allerdings das Jahr 1740, aber ber Zweck bes Verf. 
erbeifchte fchon die Hervorhebung bes Jahres 1739. Manches 
Ginzelne hat uns befonderd angefprochen, fo die Charakteriſtik 
Peters L von Rußland und Friedrich Wilhelm’s I. von Preu- 
Sen, ferner bie Bemerkung, wie ein Baiferlich = öftreichifcher 
Beichtvater, der Pater Wolf, wefentli zum Aufbau des pro⸗ 
teſtantiſch⸗ preußischen Königshaufes beitragen mußte (S. 90), 
auch über Polen Iefen wir ein nicht ungerechtes Urtheil. „Es 
it viel und vielerlei geurtheilt worden über das Verſchwinden 
Polens aus der Reihe der unabhängigen Staaten; wol mag 
Unrecht vorliegen auf mehr als einer Seite, doch nie kann bie 
polniſche Nation ihre ſchwere Verfchuldung an Dem, was ges 
fchehen ift, von ſich weiſen. Denn ein Volk mit einem Öffentlichen 
Leben nach Polenart ift dem Ieichtfinnigen Wüftling vergleichz 
bar, ber feine beften Kräfte in ben Kloak der Liederlichleit fo 
züdfichtelos und fo lange wirft, bis er nichts mehr zu vers 
geuben bat und unter Bormundfeaft gerathen muß, damit fein 
Zreiben Kir dem Banken verberblich werde. Nur da, wo 
das Öffentliche Leben die Blüten der Yumanität Eräftig zu bes 
uchten vermag, iſt es rechter Art; ob ſolche Blüte aber in der 
Fanmen Barbarei bed Nordens überhaupt gedeihen Tann, ift 
biß heute noch nicht ausgemacht; denn was einzelne Zreibhäufer 
erzeugen, gilt nicht ber freien Blütenwelt des Geiſtes.“ 

Den vierten Abfchnitt ſcheidet der Verf. nach einer guten 
Ginteitung in das Zeitalter ber Reform (1739 —89) unb 
in das der Revolution. In bem erften Theile wird man Feine 
eultucbiftorifh und politifch wichtige Begebenheit vermiflen, 
trefflich ift die Stelle über Friedrich II. wie er im echten, 
würdigen Sinne Reformator geworben ift, wie er durchaus 
Selbſtherrſcher war und dies ohne Mitwirkung ber Stände 
damals fein Eonnte und mußte, wie er nothwendig die Stärke 
des Staats und der Armee zu fichern Hatte. Auch Deutſch⸗ 


lands Zuſtand nach dem ſiebenjaͤhrigen Kriege eil wie 
den Worten des ſchon oben erwaͤhnten Drei) dur , ri 437), 
jedoch ohne ihn zu nennen, Joſeph's II. Regierung, bie- Ans 
fänge und Vorboten der franzoͤſiſchen Revolution wirb ber aufs 
meckſame Lefer gern an ſich vorübergehen laſſen. Die Geſchichte 
der —— Revolution iſt mit paſſender Würdigung der 
Ereigniſſe in lebhafter Sprache erzaͤhlt worden, das revolution⸗ 
naire Treiben ber Franzoſen gut hervorgehoben, ebenſo Napo⸗ 
leon's welthiſtoriſcher Beruf nicht verkennt und gezeigt, wie er 
Sieger blieb, fo lange er ihn erfüllte, daß er aber fallen mußte, 
ale er damit umging eine Univerfalmonardie zu begründen. 
„Was wir nad feinem Sturze mehr gewünfcht und ges 
hofft Haben, iſt nicht erreicht: ber Abgrund der Revolus 
tion iſt nicht geichloffen, der rechte Weg der Reform nicht ent⸗ 
beit worden. Rapoleon’s Schatten und das Gefpenft der Re: 
publik haben fich in bie Herrſchaft über die Völker getheilt, und 
der Geiſterbanner, der fie feſſeln Zönnte, ift noch nicht aufges 
funden, obgleih alle Welt feiner harrt und Viele ihn ſuchen, 
in Paläflen und Zempeln, in Minifterconfeild und Landtages 
verſammlungen; überall wo geredet wirb vom Hell der Staaten 
wie der Geelen, vom Reiche Gottes und vom Reiche diefer Welt.‘ 


Somit kommt ber Verf. auf bie Begebenheiten feit dem 
Jahre 1815, bie ben Rahmen zu feiner Betrachtung über das 
Zahr 1839 bilden. Auch bier ift manches Lefenswertbe. Die 
franzoͤſiſche Monarchie von 1830, die von republikaniſchen Ins 
ftitutionen umgebene Monarchie, wie fie „der alte Lafayette, 
einige Banquiers, Gpiciers und Zagblattichreiber erfonnen ha⸗ 
ben“, wird ſcharf getadelt, Ludwig Philipp, der es „vorsieht 
ein Märtyrer für fein Haus, ein Opfer für die Nation und 
eine echt tragifche Erfcheinung in der Gefchichte bes Jahrhun⸗ 
berts au werden, flatt in Ruhe im Kreife feiner Familie, 
für Wiffenfhaft, Kunft und Wohlthun zu leben”, erhält 
bie verbiente Anerkennung; bie Bemerkungen über die pos 
litiſchen und ſotialen Zuftände ber europäifchen Länder zeugen 
von guter Beobachtung. Mit tiefer Wehmuth wirb man bie 
Urtheile über Deutfchland, über die bedenklichen - Zeichen der 
Gegenwart leſen, aber man Tann fich nicht verhehlen,, daß ber 
Verf. wahr gefprochen und baß jenes Revolutionsprineip überall 
befteht, fei es nun, baß es ſich dem Impuls einer hierarchifchen 
Sekte accommobdirt, oder fi) zum Protector des Induftrialismus 
oder zum Führer einer Kriegspartei aufwirft, oder daß es fich 
überall eindrängt, in den Thron⸗ und in ben Lehrfaal, in das 
Gabinet und in die Kirche. Wenn in Deutfchland bie Revolus 
tion Raum gewonnen hat, fo verbanken wir dies zwei Mens 
ſchenclaſſen, die, obgleich ſcheinbar die bitterften Keinde, doch 
nach einem Ziele hinarbeiten. Es find die Egoiften, welche 
die Phrafen auslänbifcher Zribunen ins Vaterland verpflanzen 
und die Oppofition in einem wohlgeorbneten Staate für noths 
wendig erklären, es find die talentiofen, zweibeutigen Menſchen, 
welche fi angemaßt haben, bie Sache der Hegierungen zu 
vertheidigen. Dieſe beiden FÄuftichen Slaffen find bie Werkzeuge 
bes Jeſuitismus, deſſen Zweck die Revolution ift, deſſen Ziel 
der Gewinn der Allherrſchaft inmitten allgemeiner Verwirrung, 
eines Monopols bes Lichts bei allgemeiner Finſterniß, bed Allein⸗ 
rechts der Bewegung bei allgemeiner Stagnation. Zum Kampfe 
mit ibm muß bie Gegenwart gerüftet fein, bes Kampfes Zweck 
ift der Steg der Organifation über bie Revolution, nicht bie 
Zerſtoͤrung, nein bie Belebung bes Welttheils. Diefe Gedan⸗ 
ten bat ber Verf. auf den legten acht Seiten feines Buches mit 
einer Wärme und Junigkeit ausgeführt, ber Fein rechtlicher 
Deutfcher feine Zuftimmung wirb verfagen Eönnen. Den Schluß 
macht eine fhöne Apoftrophe an ben feit bem 7. Juni verewigs 
ten König Kriedrih Wilhelm III. von Preußen. 

Andere Schriftfteller hat ber Verf. nur fehr felten anges 
führt, am meiften Hrn. Fr. Zörfter, ber fogar zu dem Ehren⸗ 
titel eines Publiciſten“ gelommen if. Wir achten Hrn. Foͤr⸗ 
ſter als fehr glücklichen und patriotiſchen Gelegenbeitsdichter, 
auch als einen Dann von mannicdfaltigen Kenntniflen und ges 
wandter Schreibart, aber feine gefchichtlichen Compilationen 


® 


x 
= 


ars ben Ichten Jahren erheben ihn noch nicht zu einem Publi⸗ 
eiften. Uns füllt bei ſolchen Gelegenheiten immer ein Wort 
des verdienfivollen Dohm ein, der bei aller Sanftmuth feines 
Welens einmal recht unwillig werden Torte, als -man ben 
verftorbenen Profeffoe Voß in Halle einen Profeflor der Ge: 
kt nannte. Er fei, meinte Dobm, wol ein Profeflor der 
Ge ten. 

a 2. Wir möffen auch in dieſer Schrift, wie in der 
vorigen, ben beften Willen erkennen. Sie foll ein Beitrag fein, 
um die in unfern Zagen fo heftig erhobene Streitfrage zwifchen 
Staat und Kirche vom wiſſenſchaftlich Hiftorifchen Standpunkte 
aus zu betrachten, und hat fich bei Betrachtung biefer Gegen⸗ 
füge zunaͤchſt die roͤmiſche Staatsfchrift vom 11. April 1839 
zur Folie genommen. Denn „die Hierarchie muß ſtets in 
einem conereten Falle gepadt werben‘. Dieſe Gtaatsfchrift 
num, bie mit voller Wahrheit „ein Attentat gegen das Rechts⸗ 
und sörgefägt deutfcher Nation überhaupt, ja des ganzen ge- 
Mibdeten upona und aller ber Länder, in welche die Wohl: 
that der Cibiliſation zumeiſt von Deutfchen und den Deutfchen 
verwandten Stämmen gebradht wurde”, genannt ft, wird 
mit Hiftorifcher Schärfe und Kritik nach ihren Ginzelnbeiten be⸗ 
keuthtet, weraus denn, wie auch bereits anderweitig bewieſen 
iſt, das gute Recht ber preußifchen Regierang und bes treff- 
tigen Yürften, der den Seinen in Leib und Breube faft ein 
halb Jahrhundert lang Water war” zur Gnüge hervorgeht. 
Ramentlich Hat es uns gefallen, daß bie „Perſidie“ der roͤmi⸗ 
ſchen Gurte fo rädfidhtsioe an den Tag gezogen if. Denn ges 
rabe bies iſt ber paſſendſte Ausdrud für das Verfahren ber 
Erzbiſchoͤfe von Kdin und Pofen und ihrer gleichgefinnten Brü⸗ 
der in Rom und — man muß es mit Schmerz hinzufegen — in 
Deutfchland. Die entfchiebene Befähigung Preußens, in biefer 
Angelegenheit aus Vollmacht des deutſchen intelleetuellen Gei⸗ 
tes zu Handeln und die diefem Staate durch Friedrich ben 
Großen gewordene Anweifung anf Vertretung und Wieberer- 
wedung bes inteleetuellen wie des politifchen Deutſchlands ifl 
in ber ganzen Schrift durchgeführt und namentlich auf den 
Ishten Seiten berfelben in einer, von ber Wichtigkeit der Sache 
kraͤftig belebten Sprache gezeigt worden. 11, 





Notizen. 


Dr. Berres in Wien hat fi mit dee Erfindung eines 
Verfahrens befchäftigt, durch welches Daguerre'ſche Lichtbilder 
nit nur dauernd zu firiren, ſondern auch zur Herſtellung von 
Abdräcen derfelben fähig zu machen freien, und der Lalferlichen 
Geſellſchaft zu Wien die Erfolge feiner Bemühung mitgetheitt, 
zu weicher er die mächfte —— — durch das Bedürfniß fo 
wentg als koſtſpieliger Illuſtrationen für ein beab- 

otes Werk über mikroſkopiſche Gegenftände erhatten hatte. 
Nach mehren unvollkommenen Verſuchen erreichte ex den beabs 
ſichtigten Zweck "durch ein Verfahren, welches er folgenderma: 
Ben befcheribt: „Ich halte die Duguerre'fhen Bilder einige Mi⸗ 
wuten über den Dampf vun mäßig ermärmter Balprterfäure 
und Tege fie dann In Ga äure von 13—14° Reaumur, 
wotin zuvor eine anſehnliche Uuantität Kupfer oder Silber 
oder beides zugleich aufgelöft iſt. Ein Metallniederſchlag bildet 

ch, welder bis zu dem beilichigen Grade geftelgert werben 
ann. Das mit Metall übergogene Lichtbild legt man darauf 
Mm Waſſer, reinigt, trocknet und glättet es mit Kreide ober 
Magnefia und tinem trodenen Lappen ober weichem Leber, 
wornach der Überzug glatt und durchfichtig wird, ſodaß man 
das Bild wieder bequem fiebt. Die größte Sorgfalt und Auf: 
merkſamkeit werden erfobert, wenn man bie Sertigung von 
Abbrüden beabfichtigt. Das Bild muß forgfam von Sodine 
befreit und auf einer einer chemiſch ganz reinen filbernen Platte 
ber eftellt werben, bie zur Sicherung des Erfolgs mit einer 

fernen in Verbindung zu ſetzen iſt.“ Die weitere Beſchrei⸗ 


bung {ft an mehren Gtellen etwas unverflänbtilh. Die Ylatte 
fol wieder ein ober zwei Minuten lang über ben Dampf von 
Salpeterfäure in ber Wärme von 26 —800 Reaumur gehalten 
und dann anfgelöflee Gummi nrabicum, ungefähr fo dicht 
wie Honig über fie gegoffen werden, wobei fie fi in einer 
horizontalen Lage, das Wild obenauf, einige Minuten lang be: 
finden muß. Dann legt man die Platte in Galpeterfäure von 
12—18° Reiaumur, laͤßt den Gummiüberzug allmälig weg: 
ſchmelzen und fegt nun, wennfchon behutſam und ſtufenweiſe 
fowie in einer gewiſſen Entfernung von dem Bilde, eine Auf: 
Iöfung von Balpeterfäure in 25— 30° Hinzu, um die ägende 
Kroft derfelben zu erhöhen. Iſt die Säure auf 16—17° ges 
tommen unb Iäßt ein eigenthümlich beißenber Dampf, der 
ſtark auf den Gerucefinn wirkt, nad, fo witd das Metall 
erweicht und dann beyinnt der Proceß der WBeränderung des 
Schattens auf der Platte in ſtarke Vertiefungen oder @inägun: 
gen; ein entfcheidender Moment, ber die forgfältigfte Aufmerk⸗ 
famkeit im Anfpruc nimmt; denn ift die Säure gu ſtark, fe 
bildet fi ein weißer Schaum der dem ganzen Wilde, und 
dann wird fomol bie Oberfläche von biefem, als von der ganz 
zen Platte alsbald zerfreſſen. Gin günftiger Erfolg iſt nur zu 
erwarten, wenn durch die gehörige Stärke der ätenden Kraft 
in der Säure ein fanfter und ausdrudsvoller Umriß bes Wildes 
hervorgebracht wird. Man hat fi) nun nur vor einer falfchen 
Bertheilung der Säure zu hüten und jeden Riederfälag zu 
vermeiden. Das Bekanntwetden dieſes Verfahrens in Eng⸗ 
land Hat bafelbft gleichfalls bereits zur Anftellung von Berſu⸗ 
FR Anlaß gegeben, die zwar noch unvollkommen ausgefallen 

nd, bei deren Grzeugniffen aber das Bild ganz Par in bie 
Silberplatte eingeäht war. 


In ber neunten Jahrestaysverfammlung ber londoner geo- 
graphiſchen Geſellſchaft ward die goldene Medaille, in welcher 
die ‚‚Eönigliche Pramie für Foͤrderung geographiſcher Kunde 
und Sntdedung” beftehbt, an einen Deutfhen, R. H. Schom⸗ 
burgk, und den Major Ramlinfon von der Bombayarmee ver: 
Heben. Grfterer hat fi den Anfpruch auf diefe Auszeichnung 


] durch feine wichtigen Entdeckungen fn Südamerika erworben ; 


erft vor kurzem ift feine „Geographiſch⸗ſtatiſtiſche Beſchreibung 
des britiſchen Buyanas’’ erfhlenen. In dem vom Praͤſidenten 
bei der UÜberreichung gefprochenen Worten werben feine früher 
mit Humboldt gemeinſchaftlich unternommenen Unterfuchungen 
hervorgehoben, indem er „ein Problem, deffen Loſung jener bes 
onnen, Je feiner Erledigung gebracht Habe, ſodaß man nım durch 
eider Beobachtungen im Befige einer aftronomifch beftimmten, 
zufammenhängenden Reihe von Punkten fei, weldye eine forts 
laufende einie vom atlantifchen bis zum flillen Meere bildın“. 
Richt minder wird feiner Dienfte für andere Wiffenfchaften, 
wie Zoologie und Botanik, die. durch ihn bereichert wurden, 
fowie des Verdienſtes, das er ſich durch eine genaue Unterſu⸗ 
dung ber reichen Huͤlfsquellen Guyanas erworben, babei 
ehrenvoll gedacht. Schomburgk ſteht im Begriffe, eine neue 
Reiſe mach dieſer Colonie anzutreten, und hofft, obgleich 
bee rigentliche Zweck derfelben ſich auf diefe beſchränkt, body 
wiederum feine Forſchungen welter ausdehnen und namentlich 
bie Quellen des Orinoco erreichen zu Binnen. In der Über: 
reijungsrede an ben Gontreadmiral Malcolm, eherndligen 34 
fidenten der geographiſchen Geſellſchaft zu Bombay, welchem 
die Medaille für Major Rawlinſon überreicht war, wurde be⸗ 
merkt, „daB man vornehmlich dem weiten Umfange der gelehr⸗ 
ten hiſtoriſchen Unterſuchungen dieſes ffzlers die er mit ſeinen 
geographiſchen Forſchungen verbunden hade, eine Billigung und 
Anerkennung zukommen zu laſſen gewünſcht habe”. Die alte 
Geographie Rn durch die von ihm angeftellten Bergleichungen 
wichtige Aufklärungen gewonnen. Abmiral Malcolm ftellte ihn 
in feiner Entgegnung mit bem berühmten Sir Alerander Burnes 
zufammen. 47 


Verantwortiiiger Omrandgeber: Heinrih Brokhaus. — Drad und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


8 lat ter 


fir 


literarifche Unterbaltung. 





Sonnabend, 


— Nr. 214. — 


1. Auguſt 1840. 





3ur Ra 
Don dieſer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglid eine Nummer und ift der Preis für den 


Jahrgang 12 Thlr. 


Buchhandlungen in und außer 


euffchland nehmen Beftellung darauf anz ebenſo 


alle Poftämter, die fih an die Fönigl. fächfifche Zeitungserpedition in Leipzig oder das koͤnigl. 


preußifhe Grenzpoſtamt in Halle wenden. 
und Freitags, aber auch in Monatöheften flatt. 


Adelheid Reinbold. 


Unfere ſchoͤnwiſſenſchaftliche Literatur gleicht einem Nia⸗ 
garamafferfalle, wo das in diefem Augenblicke glänzend 
Beleuchtete im naͤchſten nur ale Schaum, und noch einen 
Augenblid fpäter nur als gewöhnliches Waffer erfcheint. 
Das laut Empfohlene und Bernunderte läßt, nad) unglaub- 
lich kurzer Friſt, felbft die Bewunderer nicht blos kalt 
und gleichgültig, fondern fie fchämen fich fogar ihres fruͤ⸗ 
bern Beifalls und. überfchreien den verdienten Spott 
mit Lobhubelelen neuer Werke, welche bemfelben Schick⸗ 
fale nicht entgehen. Es gehört Much und Scharfblick 
dazu, in biefen, braufenden Wogen und Strömungen das 
wahrhaft Dauernde und. Selbfländige vom Vergaͤngli⸗ 
chen zu unterſcheiden und ihm feine rechte, fefte, ehren: 
volle Stellung anzumeifen. Dies Berdienft haben fi 
Ludwig Ziel und Eduard von Bülom um Adelheid 
Reinbold erworben’), und wenn ich als ein Dritter 
mich ihnen zugefelle, fo gefchieht es nicht, um eitel Kens 
nerfchaft an den Tag zulegen, ſondern um als viehaͤh⸗ 
riger Freund ber zu früh verftorbenen Freundin noch ein: 
mat öffentlih bie Hand zu reichen. Ich erinnere mich 
ſehr wohl, daß, als dies heitere Weſen, mit jugendlicher 
Schönheit und Heiterkeit geſchmuͤckt, zuerft in Dresden 
erfchten und Aufmerkfamkeit erregte, fie von Etlichen der 
Koketterie und Gefallſucht beſchuidigt wurbe. 
gleich mir, ihr ſtarker Vertheidiger, und almälig hat fich 
ihr Geift, ihr Gemuͤth, ihre Befcheidenheit, die Reinheit 
ihrer Sitten, bie Kraft großartiger Entfagung und Aufs 
opferung To fichtbarlich entwickelt und dargelegt, daß bie 


anfangs Zweifelnden und MWiderfprechenden fich in die eif- 


Tieck war, | 


Die Verſendung findet wöchentlich zweimal, Dienftags 


din nicht hervor aus bloßer Gefallfucht, war Fein leer ges 
ſchwaͤtziges Abmühen, fondern es entſprang vorzugsmeife 
aus der echten Kebendigfeit und edeln Freiheit ihres Get: 
fle8 und Herzens. Wenn 3. B. übertriebene Aengſtlich⸗ 
keit oder Unkunde viele Damen zurücdhielt, anweſende 
Sranzofen und Engländer anzureden, oder ihnen eine Ant: 
wort zu erteilen, fo mußten fich diefe freilich angezogen 
und glüdlih finden, wenn unerwartet ein zierliches, rel: 
zendes junges Mädchen das aͤngſtliche Schweigen unter: ' 
brach und ihnen mit Unbefangenheit und Gewandtheit 
Rede fland. 
Trotz aller Freundſchaft, trog aller Theilnahme an 
ihren fruͤhern Werken, teog der im „Irwiſch-Fritze“ erwies 
fenen nieberländifchen Meifterihaft, hat der „Sebaſtian“ 
doc) fehr meine Erwartung übertroffen. Bielleiht gehe 
ih nun deshalb zu weit, wenigftend erfcheinen mir alle 
die Einreden, welche gegen das Werk erhoben wurden, 
unbegründet, ober fie verlieren doch, von anderem Stand: 
punkte aus betrachtet, meift ihre Gewicht. Eu 
Zuvörderft Hagen mandye Damen: leider fei das fonft. , 
fhöne Buch fo unanftändig, bag man es nicht leſen 
koͤnne. Das angeblich Anftößige füllt etwa zwei bi drei‘ 
Seiten, und man kann fragen, ob es nicht beffer geweſen 
wäre, dieſelben zu flreichen, um Einflimmigkeit des 
Lobes hervorzurufen. Ich fann mir, nad dem Spruͤch⸗ 
worte, nur feinen Vers daraus machen: tie diefelben' 
Perfonen über Kleines großen Lärm erheben, welche doc) 
täglich die ſkandaloͤſen Kameele franzöfifcher Romane ohne 
Mühe verfhluden? Und worauf läuft ber Vorwurf Hin: 
aus? Daß in der ſchwarzen Bebuinenhähle in Afrika 


nicht die Foͤrmlichkeiten, Umfchroeife und Weitlaͤufigkeiten 
beobachtet werden, mit welcher man eine Bekanntſchaft in 
Leicht ober newichtia au verkehren, fie aefelllo anaure dem weißen Saale auf bem berliner Schloſſe antnüpft und‘, 
icht ober gewichtig zu verkehren, fie gefellig anzuregen Fortfegt. An dem Gapitel vom Herrn Pankraz möchte ich 


und angenehm zu unterhalten; dies im Stillen wol bes | 3° .* 

neidete, lant, aber getadefte Talent ging bei unferer Freun; | Vielmehr tädeln, daß es zu verfhämt und deshalb unklar , 
ridere, laut. * er on s ’ | unfeer Freun iſt, was es eigentlich wolle und bezwecke. 
) Val. Dr, 212 b. Bl. f. 1839... n D. Re d. 


rigſten Lobredner verwandelten. Die Geſchicklichkeit, mit 
Menſchen der verſchiedenſten Het in. Ernſt oder Scherz, 


Wie fol Jemand das Schöne, (Gilden, mehn er «6. 








nicht kennt, wenn es ihn gleichgültig läßt? Und wiederum 
Feine Schönheit ohne Sinnlichkeit! — Der unbedingte 
Gegenſatz einer Sittlichkeit für Unverheirathete und einer 
andern für Verheirathete iſt eine Sabelei; oder man muß 
folgerecht dm jungfraͤlichjn Stand flir hen unbedlagt hoͤ⸗ 
ben und ſchon das Wiſſen von der Ehe für eine Beſtka⸗ 
litaͤt Balten. 

Herr v. Bülow ſagt: „Die Kritit wird es von ihrem 
höchften Standpunkte au miebiliigen, und gtöpe 
erlaudeirt eB ſſch niemals, Natur: und Sittenfchitberungen 
einzig und allein nach Buͤchern zu geben, weit bie Sache 
fo iedenfars mer auf eier + kann 
dieſer Anficht nicht beitreten. Zuvoͤrderſt haben (um aus 
mehren doch ein paar Beiſpiele auszuheben) Tieck im 
„Lovell“ und Sean Paul im „Titan“ meifterhäfte Shit: 
derungen von Natur und Sitten gegeben, bie fte nicht 
geſehen hatten; ja, der kegte fagte mir (mehr im Ernſte 
als im Scherze), der Dichter koͤnne nur Das recht ſchildern, 
mas er nicht aufeben aeee: Ihm erſchien jenes von Hrn. 
v. Bülow als Lüge Bezeihinete als die EHTE 
Wahrheit, und er erkatinte ben höchften kritiſchen Stand: 
punk für. fhönwiffenfchaftlihe Werke keineswegs in jener 
Bezugnahme auf profaiſche unmittelbare Auffafſung, viel: 
mehr legte er allen Nachdruck auf die ſchaffende Wegeifte: 
zung, welche zwar nicht alle disjecti oder disjecta mem- 
bra viatoris in fi aufnimmt, ader mehr hat, ſieht und 
gibt, als alle Reiſenden ſahen ober begriffen. Daher find 
mir im „Sebaftian” auch bie negpolitaniſchen und roͤmi⸗ 
ſchen Scenen kein überfläffiges Beiwerk, fondern lebendig, 
wahr und zwedimäßig, denn fie erwehtertt den Geſichts⸗ 
kreis und laſſen nicht auf geradem langweiligen Fahtwege 
nach einem unausbleiblichen Ziele hintraben. | 

Unter den gegebenen Verhättniffen konnten Warlatto- 
nen derfelben Seelenzuſtaͤnde nicht megbfeiberr oder abge⸗ 
kuͤrzt werden, wogegen umgekehrt in dem Augenblicke, wo 
Sebaſtian Portugal wieder berrite, fein zirehgebrilrigter 
Thatendurſt trotz aller Deitimungen ungeduldig hetvorbre: 
hen und deit tragiſchen Ausgang befchletintger muß. Deß⸗ 
halb halte ich die ſchelnbare Übereffung des Schluffes für 
die allein natürliche und rechte Loͤſang, und die angebfiche 
Vernachlaͤſſigung manches Eingehen ſpart Licht und Kraft 
auf für das Eutſcheidende. 

Inwieweit der Sebaſtian br Dichterin mie dem 
geſchichtucheni ganz uͤberninſtimmt, iſt um _fo ſchwerer zu 
entſcheiden, da ja eben Keiner weiß, ob und wie die ir: 
geheure Kataſtrophe feinen Sinn und Charakter weiter bil⸗ 
dete und umgeflälcete. Genug, daß er fich itt dem Ro: 
man zuſammenhoaͤngend zeigt und hittrelchend erklaͤrt. Ach‘ 
das Fruͤhere iſt genligend angedeutet, ja ausgeſprochen; 
ein anberes Verfaͤhren Härte die ganze Aufgabe vding ver⸗ 
wandelt, und Tieckee „Canon fündtre tot bie Dich: 
bein, gleichröte viele Leſer, berrits auf den rechten Stanbe⸗ 


Unfere Fteundtit Harte nie ein’ Schlachtfeld am Lage 
nad dem Känipfe geſehen, aber wo iſt ein® von Sachder⸗ 
ftäudigen und Augeiizergen mit mehr Lebendigkelt und fo 
—* Kraft gezeichnet und beſchrieben, als in dem 


erſten Capitel das Blutfeld? Gleich meiſterhaft erſcheint 
der Gegenſatz der beiden Sebaſtiane und ihrer Gellebten, 
herrlich die Viſion der roͤmiſchen Dichterin, ergreifend der 
Ruhm Portugals, tieffinnig die Erörterung über Recht 
und Pflicht, Kopf und Herz der Könige ıc Es iſt ge 
rade das rochte Maß von Politik, Meligion und Patrio— 


tismus im Buche: weniger hätte und vor dem erhabe⸗ 


nen Inhalte zu einer bloßen Liebesgefchichte hinabgezogen, 
mehr dem DIS deſehrenden ein unpoeti⸗ 
ſches Übergewicht eingeräumt. Auf mid hat das Buch 
den Eindrud gemacht: es könne nicht anders fein, als es 


bringe 
liche; echte Kunſtwerk hervor. Staͤnde mir mehr Raum 


zu Gebotk, wuͤrde ich noch Vieles lobend hervorheben und, 


uneingedenk der mir fremden kritiſchen Richtung, meiner 
theilnehmenden Begeiſterung freien Lauf laſſen. 
Ftiedrich v. Raumer. 


Sropreene | Affted Michlels Uber Deutſchlanb, 


DATE Masles und 
die „Revue critigas” von Ghorbuliez uͤber Michiels. 


Eine Matt der Kritik iſt diejenige, welche, ſtutt über das 
Bud als eine individuelle Erſcheinung zu fprechen und Mir Die 
Stelle angumeifen, die es im Gebiete der Literatur eingunch⸗ 
men berechtigt ift, fich in Langen @inleitungen erſchoͤpft, Die 
Fäben ihrer Brtraditungen an einen außerhalb des befprochenen 
Buched liegenden Gegenſtand anknüpft und mit dem eigenen 

vie des Kritikire, flate mit dem Gelſte des Buches, eiofl: 
gefällig prunken geht. Diele Abark der Keil, bie, am nue 
nicht langweltig zu fein; in alltzemtinen bunt ſchillernden Refle⸗ 


rionen — ik fsanpöffche Gefinbung, und feider hier 


und ba in and adoptirs worden. Geil, Wis, brils 
lante Sprache Farin mah vielen Steitfleen, welche dieſeni Genre 
angehören, nicht abſprechen; aber es geht dem Leſer vamit wie 
dem Trinker mit dent Champagner: bier Pfropftea fliege auf. 
A einen Kna, einen Puff; des Beteint wig raſch ... 
möchte fagen:, ohne nnung, genofien fein; in Burger eit 
ift es Fi und Be —* t ebenſo xafı —* A und 
verfliege ebenfo raſch wie der Schaum' des Getränke — Alles 
darum ik der diaboliſchen Mächte HEN Aageſvblicks verfallen. Wir 
koͤnnen recht weht ſagen, daß bie franzoͤſiſcho Oritik nach Chaur⸗ 
pagner ſchmeekt, die engliſcht nach ſchwerem, aber napyungekräfs 
tigem Porterbier, bie deutſche — wi Ausnahme . derjenigen, 
echte 


welche die franzöft copirt mA m, vburch Wlunie, Feuer 
und nachhattige * ausgezeichneten de PR; vers 


ſtern ber deutſchea Nation gefibe, jetzt aber hmzm.felfente ger 
Re: 
h has⸗ 
ies, der fett kritiſches R ufge: 
sogen Hat. Sein 
Bl ——* wotven, jege it ea über Di „, 
e' yon dent Midiets ‚Ainen Aufftth 
gupndl | De chlichkeit gefchrieben ; 
t ern mit De and 
nt haben ſchetnt. Vor allen nwmuͤßte 
einer Keiti Wer DIL RO Havergehent, wa⸗ 
Din ‚ deutiche Ruben, Uststiche Bitte, Deuts 
Ihe Run, über Schiller, Jean Yaul, Novalis, Ubland, He 
Voß ıc. gebadht, geiproden , raiſonnirt wird, Kluges oder 
unkfuges, Gere oder Ungereihtes , ditbäted oder Unhalt: 
bares; aber dee Kritiker führt überhdupt ne an, baf' tete 
über alle diefe Begenftände ſpreche; das Was berührt er faft 
gar nicht und das Wie nur auf eine ſehr allgemeine vd uns 





» der Intelligen;, unbefüämmiert um ben Tumuit 


308 


befktnmte Das zwar für eine kurze Anzeige gez | „Revue eritique” Über daſſelbe Buch vernehmen läßt. 


Die 


nägen aber de ee Kritiker fühe mehr als drei Spalten — und | Referent macht zuerſt einige allgemeine Bemerkungen über bie 
man weiß, rote gefäheli ang A eralten im „Journal des | größere Teilnahme, weiche die deutſche Literatur A lmäig un: 


ddbats“ fint — Kber 
Buch zu ſprechen. Was gi uns der Kritiker in dieſer langen | ſiſchen Schrift 


(d, ohne eigentlich über das | ter den KH gewonnen hat, wobei. ex denjenigen franzoͤ— 
telleen, welche bie deutfche Eiteratur in Grants 


ad — ? befiniet er deutſche Sitte, Kunſt und Poefle? reich einzuführen bemüpt waren, im Allgemeinen vorwi baf 
Fa er erähı mt, duß — [eis mit der frangofſen Setiti® | fir, fobald fie auf Deutfhland zu hreden Tämen, a 
unzufeleden fe, 9 ee unfern: Phitarete Chastes feitſt mit el: | Heit ehtfagten, durch weiche frangäfiihe Sorache und franzäfie 
nem jener Lohfpräi je, wel— k zugleich verurteilen, citire, und | feher Gelft ſich auseichneten; fie glaubten fich verpflichtet, ihre 
ie TnApft er eine lange, oft griſtreiche Bahıtetn, gr eigene Natur abzuftreifen und fi} mit jenen unbeftimmten und 
08 ſhiuernde Sqheinwahrheiten enthaltende Betrachtung Ül dunkeln Formen zu beMfeiden, weiche Deutſhiand, bad man 

ven journatiffifipen Gert unfers Zeitalter. Ge fagt: B oft und mit Recht das_Yaterland der Wollen genannt habs, 
re eines Sournaliften, eines Kritiker gehört nicht uns, fons | eigentgümtih wären. Aber nichts fei dem franzoͤſiſchen Geiſte 


dem aller Melt”; man en, „eiar, 
— *2 est. Journa- deutſehe Tiefe verirag fi, fülcche mit der Franzi 

fährt weiter B u —— Ami —E— bis zum, | vor Allem denken, und es fei Br großer 

Sumpenfamiler, fi sei —2 Berfäneider, Bor | weitge zu erbliden, as eine 

fder, Iweifler. Man —— ein 


daß Jedermann in | fo entgegen als das; bie wu Garderobe beenge, —— 


und bie 


ih keich⸗ 
lite, puares qu’elle est Ende fegt er Hinzu; und er | tigkeit. um die deutfde Tiefe begreifen zu Lernen, müffe I 

Kart um, barin alle 
tylform, welche man annehm 
ud) zu madgen und man | müßt, um den deutſchen @eift dem allgemeinen Terflänhni nk: 
mücht ein Journal. Dam bitbet ſich ein, ein Syfiem zu fhaf- | Hec zu bringen. "Mas die Deutfihen. vorzüglich ausgeit 


na, fei 
fen, und man mag Krilt. Man überwebet fi, einen Roman | die widitige Rome, welche die Phikoföphie ei ihnen — fie 


erfunden 3 su haben, mb man hat Kritif gemacht” u. f. w. Fr an allen Peobuetlonen & der Del heil und auf wel: 
aiefe Tkrade fur Chadtts feine eigene Teiähtfertige Tod: enftand ſich ihr ab ober a Phantaſie aud 
naliſtiſche Art En entfäuldigen und Michiels’ wahrſcheintich noch Er fo lönne man dei Bi verfihert fein, baf man flets eine 
fe Ir amerkeriiteride Bemerkung über ihn abzuwelfen. Mtdhiets | mehr ober weniger markirte, mehr oder Ipeniger te phi⸗ 

wenigftens ein ernſthafter Mann, der e8 mit ber Kritik red⸗ Tofapbitie Sun entbeden werde. Diefe, Tendenz werbe 
us zu meinen ſcheint uni auf bie Gefahr Hin, von hr — durch dei ſthum des. deutſchen Sprache uns 


nen Lanbrleuten für einen Pebanten gehalten zu werben, nad ve je neuen En burgen fo zugänglich fei, daß fie 
kunde Ei 


Feinwmatet Muri. Pöllaree Ghatiee gefteht ihm feibft zu, | der Ki 


er fe „un homme 


und Originalität der Ideen ‚niemals ein 
&iudes silencienses”, ber lange Zeit | niß in den Meg. flelle. Die frangdfifcge Kriti, mit jener Raz 


Yinder: 


im einfamer Betrachtung gelebt Habe, auf den ——5* —8 zieitäß wo Werke gehend, bit kan I nthümlic fei, kerühre nur 


Seh, ein der von ber Geſeltſchaft nichts er fen — zu wenn fe or, in die er fi haut, von 
das Weal des Schönen — von, uam abe und ber Gegner | ihm entiehne. Nun dje frangößidg Sprache nicht 
alter Derjehlgen fet, welche ſich mit ihm auf gleicher Höhe | diefelben vaifemittei var ie 6 die deutjhe und, verliege, wenn 
au halten im &tande find; [ed fegt — begehe | man fie zwaͤnge und draͤnge, daib ihre din 3 Star, ihre 
aber der ER ein Mn Se die Ge da felöft. | Gonciflon und Bleetigfeit, —* mie fie dee 

Bei diefer vichterftätter —— gar fü — delen detler ale in. 

und * —— daß er — reg fr einmal | zu nehmen ‚geoußt, Seine „| ale die von einer gi A 
den Rigi erſtiegen Hal zwar im Heröffe, und das fei eine | faffenden Kenntnis der —* elkten und fteratur zeugen, 


prächtige Dante a ch da fei eine — Rebelmolte geloms | find nitht immer eine fehr det noch ſehr —E ecture. 


Kopfe und ein EHE tiginalwerk 


A ade den 7% an deraus fei eine an ie Sad oft Saul, it, fie.eher für ja —8 Überfe Sch 
Eu PN und eı len wie eine Art a ae Rei . 


auf sah * Kr ‚er je nach der Gelzgenheit ei 
merkt M,. ——— (8 irgend ein Selkin, er nd 


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wahrfceinti “5 sbeutjcher ober 
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Mehr 


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7 


4 


der dramatiſchen Wirkung weſentlich Abbruch gethan werbe. 
Mit dieſen Anſichten iſt der Berichterſtatter durchaus nicht ein⸗ 
verftanden. „Alle“, ſagt er, „welche Goethe mit Aufmerkſam⸗ 
keit ſtudirt haben, werden in allen ſeinen Schriften von der 
rein plaſtiſchen Tendenz ſeines Genius, von dieſem Cultus der 
Formen, von dieſer Liebe der Kunſt als Kunſt erſtaunt ſein, wel⸗ 
che neutieh &. Sand in einer bemerkenswerthen Parallele zwifchen 
feinem „Kauft“, Byron’s „Manfred“ und Mickiewicz's„Dziadi“ 
fo treffiich gefchilbert hat. Diefen wird Michiels' Anſicht über 
Goethe ebenfo befremdlih dünken, wie beffelden Anſicht über 
Schiller allen Denen befremdlich fein wird, welche kein Schiller’ 
fches Drama Iefen Fönnen, ohne von der ſtarken und mächtigen 
Weife, womit er das Gefühl hanbhabt, von ber Gewalt, wo: 
mit er bie 2eidenfchaften handeln läßt, tief erregt zu werden.‘ 
Andererfeits wird Michiels getadelt, daß er in der berühmten 
Scene zwifchen Philipp und Pofa im „Don Carlos’, weit ent⸗ 
fernt die darüber im Schwange gehenden Urtheile zu billigen, 
die Vertraulichkeit zwiſchen beiden Perfonen ganz natürlich fin: 
det; denn Philipp II. ſei fo gut ein Entäufiaft wie Marquis 
Pofa, nur in anderer Weife und in anderer Richtung. Der Ber 
riterftatter meint, weder bie Gefchichte noch Schiller felbft 
hätten daran gedacht, aus Philipp einen Enthuſiaſten zu ma: 
den, und was den Marquis Pofa betreffe, fo fei diefer doch 
eine etwas zu ideale Figur und das Zutrauen, welches er fo 
lange Zeit hindurch dem Könige fchenke, außer aller Wahr: 
ſcheinlichkeit. 

Wir führen dieſe Ausſprüche und Anſichten an, weil dar⸗ 
aus zu erkennen iſt, daß die franzoͤſiſchen Kritiker bereits über 
beutfhe Dichter zu bisputiren beginnen; das befle Kennzei⸗ 
hen, daß eine Literatur im Auslande intereffant wird und 
Theilnahme erregt, tft eben diefes, daß fie zu einem Gegen: 
flande der Disputation erhoben wird. 70, 





Die Comarchen. 


Freiwillig wagte ſich bisher kein Weißer in das Streif⸗ 
und Jagdgebiet des tapfern und grauſamen Stammes der Go: 
marthen, welche deshalb auch von den Spaniern zu ben unge: 
bändigten Indianern (Indios bravos) gezählt werden. Dies Ge: 
biet Liegt auf der Markfcheide der zu den NWereinigten Staaten 
von Nordamerila, zu Texas oder zum mericanifhen Freiſtaate 
gerechneten unabfehbaren Steppen und bie genannten Indianer 
befinden fidy bei ihren Bügen bald in dieſem bald in jenem 
der drei Staaten. Über diefen bisher noch gar nicht gefannten 
Landſtrich und en Bewohner Liefert nur eine Handſchrift 
in ſpaniſcher Sprache einige Auskunft, die das Tagebuch eines 
ber Anführer einge aus 100 Relſenden, 90 Soldaten als Be: 
dedung, Wagen und 500 Maulthieren beflehenden Karavane 
enthält, welche die Mericaner in Chihuahua nad dem rothen 
Fluſſe und von da nach Neuorleans 1839 gefendet haben. 


Anlauf europaͤiſcher Waaren, welde bie weflliden Mericaner 
biöher aus der Dauptſtadt Merico empfangen hatten, mo fie 
aber in Folge bet langen frangöftfhen Blockade felbft mangelten 
und daher nicht weiter ins Innere verfendet wurden. Da es 


Zweck biefer ger Bann Karavane war ber unmittelbare. 


bei den gegenwärtigen etwas günftigern politiſchen Verhältnifs 


fen. Mericos gerade nicht wahrfcheinlid iſt, daß ein, Zuſtand 
der Abfchließung wie ber gedachte ſich wieberholt und ‚daß 
mithin 'ein zweiter Karavanenzug der Art jene Gegenden bald 


wieder betrete, fo gewinnen hierdurch nachſtehende Mittheilun⸗ 


gen aus dem’ ſpaniſchen Tagebuche noch an Interefie: 


„Bon - der Stadt Chihuahua k wo die Karavane ausgog, . 
fin 


bis zum Rio Solorabo de Berar find in nordöſtlicher Richtung 


320 ſpaniſche Marſchmeilen (leguas). Der genannte Fluß bil: . 


det die Oſtgrenze des Landes ber Comarchen, das fi bis zum 
Klub Pecos erfixedt. Alles zwiſchen biefen beiden Flüſſen Lie: 
genfe. gehört ihnen ausſchließlich, und obgleich der Schauplag 
ihrer Jagd⸗ ſowie ihrer feindlichen ‚Züge jenfeit und außerhalb 


des Striches liegt, den beide Zlüffe einfchließen, haben fie bo 

nur in dieſem feſte Wohnpläge., Ihre Dörfer beftchen IH * 
ſchiedenen Hütten, bis 30 an Zahl, die fie aus Baumſtaͤmmen 
flehten, mit Thierfellen bebeden und in benen fie ihre Kleider 
und ihren Hausrath aufbewahren. Diefe Dörfer Liegen ſtets an 
einem Zluffe oder Bade, und wenn ſich ein Hügel in der Raͤhe 
findet, wird beffen Spige burd) einen Graben und Wall umfchlof- 
fen, zum Aufenthaltsorte für den Ball eines Angriffs. Die Aus 
zahl fircitbarer Krieger der Comarchen wirb verfchieden, zwifchen 
4000 und 14,000 angegeben. Die kleinſte Zahl fcheint die wahre 
ſcheinlichſte, weil nur wenige fefte. Riederlafjungen fih fanden 
und man fich auf die Angaben ber Indianer nicht verlaffen kann. 
Gewiß ift aber, daß fie bei ihrem legten Einfalle in ben Staat 
Chihuahua 700 Krieger flart waren. Die Ausdehnung ihres 
Eandes von Süden nad Norden, von Berxar bis zur Breite 
von Neumerico, beträgt 500 englifche Meilen. "Mitkin hat ihr 
Land eine Ausdehnung 'von deutfhen Geviertmeilen. 
Der Theil bed Landes, durch den die Karavane zog, ift ſehr 
fhön und rei an maleriſchen Anſichten. Waffer ift im über: 
fluß vorhanden und rein, Wiefen reichlich, Früchte in große 
Menge und fehr gut, Flachs wählt an vielen Stellen wild, 
Überfluß an Wilbpret, befonders an Hochwild, reine, leichte 
Luft, weder firenge Kälte im Winter noch drüdende Hide im 
Sommer. Der Boben ift fruchtbar unb für jede Art "Korn 
geeignet, wird auch burdh flleßendes Waſſer in allen Richtuns 
gen beriefelt, da ber Grund. uneben und hügelig if. Die 
Comarchen werben in biefem fchönen Lande alt, find Nomaden 
und flehen unter einer patriarchalifchen Regierung. Ihre Re⸗ 
ligionsbegeiffe find etwas verwirrt. Sie nennen Bott den großen 
Dauptmann, der im Himmel ift, und glauben aud an einen 
böfen Beift unter ber Erbe. Bon künftigen Belohnungen und 
‚Strafen haben fie Feine NWorftelung, begraben aber dennoch 
ihre Krieger mit Waffen und Pferden, Vielweiberei wirb fos 
weit geftattet, ald das Vermögen eines Jeden geht. Ehebruch, 
Diebſtahl, Mord und andere Verbrechen werben jedes, wie es 
herkoͤmmlich fft, beſtraft. Ob fie überlieferte Sagen ober religiöfe 
Feſte haben, waren wir außer Stande zu ermitteln.’ 1. 





Literarifche Anzeige. 
Mens Nomane 





Sooben find bei mir erſchienen und duch alle Buchhand⸗ 
lungen zu beziehen;: | BE . 
Ber Roland von Berlin. 
Ein Roman 
von J 
SS. Hlexis. 
Drei Bände. 
8. Geh. 6 he. 


Eordelice. 
" Bon ber u 
.  Berfafferin von: ‚Agnes von Kilien“. 
. Zwei Theile. W 
8. Geh. 3 Thle. 8.Gr. 
Die Namen ber Werfaffer diefer beiten Ro⸗ 
mane bürgen für das babe Jaterefſe berfelben, 


Eeipris, im TulitBa0. 
$. A. Brockhaus. " 


Kenn. „Veragtonglier Herausgebet: Heinzig Brö@hausd. — Disk und Verlage von FE. A. WBrodbaus In Leipzig. ° 


[ui s 





Blätter 


für 


Titerarifde Unterhaltung 





Sonntag, 


r. 215. — 


2. Auguſt 1840. 





Roͤmiſche Briefe von einem Florentiner. 1837 — 38. 
Zwei Baͤnde. Leipzig, Brockhaus. 1840. Gr. 12. 
4 Thlr. 12 Gr. 

Der Verfaſſer dieſes Buches hat fich durch den An⸗ 
blick der zahlloſen Menge von Werken, die über Rom er: 
ſchienen find, nicht abhalten laſſen, das ſeinige zu ſchrei⸗ 
ben; und er hat Recht gehabt. Im Bewußtſein feines 
GErnſtes, feines Fleißes und: feiner Gewiſſenhaftigkeit durfte 
er auftreten, ohne die Vorwürfe zu befürchten, mit denen 
auch die gemäßigtfie Kritik die meiften heutigen Schriftftel- 
ler über Rom und Stalien nicht verfchonen kann. In 
der That iſt es ſchwer, dieſer Literatur nicht mit einem 
Gefühle von Mismuth und Geringſchaͤtzung zu gedenken. 
Daß Neifende ohne Beruf, ohne Sachkenntniß, ohne Auf: 
faffungsgabe Bericht abflatten, iſt allerdings ein Uebel, 
von dem auch- andere. Länder ale Italien heimgefucht mer: 
den; aber eine fo erbarmungsiofe Judringlichkeit der Seri: 
benten hat doc) kein Land: erfahren, als diefes fchönfte der 
Lander. Während andere Gegenden Europas befchrieben 
werden, weil fie bereift worden, fcheint Italien jegt nur 
bereift, um beſchrieben zu werden. Die fonft wol unter 
und herrſchende Pietät vor dem ehrwürdigften Boden 
fcheint verſchwunden; die Sehnfucht, bie einſt Goethe, 
die Kephalides, Wilhelm Müller nach Itakien trieb, ift 
nicht mehr ander Zeitz ein Schwarm gebantenlofer, un: 
geweihter, leichtfertiger Schreiber wirft fich uͤber das auch 
hierin unglädliche Land, wie über eime Jedem offene, für 
Seden feile Beute. Ein Aufenthalt von oft nur einigen 
Monaten genügt den: meiften: dieſer Metfenden, um über 
die alten ruhmreichen Stätten der Gefchichte und Kunfl, 
über Sitte und Sinnedart der eigenthuͤmlichſten; ſchwer 
zugänglichen Nationalitäten oͤffentlich ihre Stimme abzu: 
geben. Daß diefe Gegenflände ſchon von dem’ trefftichften: 
Geiſtern, von: kündigen Forſchern, treuen Beobachtern, 
laͤngſt dargeſtelld und - zum Theil erſchoͤpfend geſchitbert 
worden, beunruhigt das Gewiſſen jener Umherzügler nicht; 
fie erzählen: und beſchteiben, als waͤte vor ihnen nichts 
erzaͤhlt und beſchrieben worden, und als hätten ſie die 
Welt mitineuen, vom ihnen aufgefundenen Dingen’ zum‘ 
erften Male bekanne zu machen. Durch ſolche Grewiſſen⸗ 
loſigkeit iſt es geſchehen, daß die in einheimiſchen Kreifen 


herrſchenden Vorſtellungen über Italien durch die unge⸗ 


heure Menge neuerer Reiſeberichte nicht nur nicht erwei⸗ 


tert, ſondern offenbar duͤrftiger und unrichtiger geworden 
find, als ſie es vor einigen Jahrzehenden noch waren. 
Irrthuͤmer, die man bereits durch tuͤchtige Arbeiten fuͤr 
beſeitigt halten konnte, haben wieder neue Geltung, ſeichte 
Vorurtheile, die laͤngſt beſſegt ſchienen, wieder Vorſchub 
erhalten. Hierzu kommt noch ein anderer uͤbler Einfluß‘ 
dieſer geſchwaͤtzigen Literatur, daß naͤmlich das Intereſſe 
des groͤßern Publicums für Italien an das enge Gebiet 
von etwa einem Dutzend Gegenſtaͤnden und Vorgaͤngen 
haften bieibt, die hundert⸗, ja tauſendmal befchrieben und 
dargeftellt, inmner von neuem bis zum dußerftert Überdtuß 
befchrieben und bargeftelft werden, mwodurd die Meinung‘ 
auftommt, als feien fie die anziehendften, wichtigſten, ja 
einzigen. Keine Buͤcherſammlung enthäle eine folche Maſſe 
von Wiederholungen, ein fo abflumpfendes Einerlet, als 
eine Bibliothek italienifcher Reiſen. Dögenpalaft, Blei⸗ 
bächer und Seufzerbruͤcke, ſchiefe Thuͤrme und Rufnen ii‘ . 
Mondenfhein, Tribune und Fornarina, Garneval, Chat: 
woche, DBenediction, Miſerere, Räuber, Traſteveriner, der’ 
Eremit auf dem Veſuv, die blaue Grotte... . wer ersäfl 
und enblih von biefen ewig und unaufhörlich wiederkeh⸗ 
renden Schilderungen und Erzählungen? Das reichfle 
mannihfaltigfte Land der Melt erfcheint fo als das dätf‘ 
tigfte, einfoͤrmigſte. Italien, das fo oft fchon fire ſeine! 
Schoͤnheit und feine Meize gebüßt hat, muß noch immer 
dafür büßen; noch immer witd es feiner Schäge beraubt, 
ehemals durch Plünderung, heit durch Unwifſenheit; noch 
immer wird es mishandelt, früher duch die Schwerter, 
jegt durch bie Federn der Barbaten, die es heimſuchen. 
Fragt nmn‘ nad dem Urſachen dieſer fhonmgstöfen Ber‘ 
handlung eines‘ Landes, dem wir Alte To unendlichen Bank 
ſchuldig find, fo finden fid vornehmlich zwei: erftens bie‘ 
Eitelkeit der meiften Melfenden, denen es nicht daram' zu“ 
thun ift, Stalten, fondern ſich ſelbſt In Stätten’ darzu 3 
len, und die in ihren fonft' uͤberall ſcheitetnden Bemuͤhun⸗ 
gen, SIntereffe für ſich zu erregen, mit Huͤlfe der Thetb 
nahme, bie ‘der Name Itallen wet, endlich zum Ziele 
zu gelanger hoffen. „Auch ich in Hesperten”, moͤchte ein‘ 
Jeder auf fein Buch fegen, wenn thin‘ nicht die Furcht 
vor der Parallele zuruͤckhielte, die dies‘ Motto herausfoͤr 
dert. Man hafte z. B. eine der’ alletueneſten Riiſede⸗ 
ſchteibungen, die ſich ben Titet“, Italien, wie es ne 
erfihienen iſt“ gegeben bat, mit Productionen derſelbin 


Gattung, etwa denen eines Wolfgang Menzel ober Jules 
Sanin zufammen, und urtheile, ob alle diefe Bücher nicht 
vielmehr den Titel führen follten: „Ich, wie ih in Ita⸗ 
lien erfchienen bin.” Die zweite Urfache aber ift nicht fo 
fehr bei den Schriftftellern, als bei einem Theile des beut: 
{hen Publicums zu fuchen. Es gibt unter uns Ma: 
nien mandherlei Art, Gallomanien, Anglomanien ıc., bie 
indeß oft, ja meift, aus einem bedeutfamen Grunde en: 
fpringen. Von der bei und anzutreffenden Stalomanie 
aber laͤßt fi) nicht Gleiches ausfagen. Sie iſt großen» 
theil nicht viel mehr als eine Zändelei, ein Spiel mit 
Erinnerungen an die Süßigkeit eines feligen Oſterien⸗ oder 
befchaufichen Kunfttebens, womit die Gluͤcklichen, die es 
genoffen haben, nad) ihrer Rüdkehr in bie ernflere nor: 
difche Heimat fih für das entſchwundene Gut einen ge: 
müthlihen Troſt fchaffen und eine Art Gemeinde bilden, 
deren Glieder im Klingklang von Sonetten, im Sam: 


meln von Antiquitäten, Mofaiten und Marmorarten, audy 


im pofitiveen Genuß von Maccaroni und Salami ihren 
harmlofen Cultus verrichten. In einer unſerer Haupt⸗ 
ſtaͤdte beſteht eine Colonie dieſer Gemeinde, die ihre perio⸗ 
diſchen Zuſammenkuͤnfte haͤlt und wobei Jung und Alt 
der beſtehenden Vorſchrift, keine andere als nur waͤlſche 
Mundart verlauten zu laſſen, mit oft bewundernswerther 
Aufopferung Folge leiſtet. Es wäre in ber That unge: 
recht, dieſe heitere und unſchuldige Freimaurerei anzufech⸗ 
ten, wenn ſie es nicht waͤre, die jenen unertraͤglichen Di⸗ 
lettantismus der Reiſebeſchreiber ermuthigt, ja ganz eigent⸗ 
lich hervorruft. Hier wie immer werden die Suͤnden der 
Literatur von den Schriftſtellern und vom Publicum ge: 
meinfam getragen. Es ift ein günftiges Gefhid, daß 
ein geltender Mann wie Dr. v. Raumer feinen Namen 
neuerdings wieder in die Lilte italienifcher Reiſender ein: 
trägt und das Gewerbe berfelben wieder zu Anfehen bringt. 
Mas Rom insbefondere betrifft, fo bat ebenfo der Ver: 
faſſer des Buches, welches wir hiermit anzeigen, vollgül: 
tigen Anfpruh auf das Anerkenntniß, in die unendlich 
Lange Reihe Derer, die von Ewigkeit her über die ewige 
Stadt gefchrieben haben, nicht als ein Überflüffiger und 
als einer der Bellen eingetreten zu fein. 

Diefes Verdienſt iſt Eein geringes, denn unter den 
Vorgängern bes Verf. finden ſich bis auf die neuefte Zeit 
viele treffliche, welche Rom, jeder innerhalb feines ihm 
eigenthümlichen Gebiete, fo befchrieben haben, baß man 
glauben müßte, es fei für einen Nachfolger wenig zu thun 
geblieben. Sieht man von ben allgemeinern Werken ber 
Lalande, Baldıy ꝛc. ab, und bringe unter den neuern 
nur die beſſern in Anfchlag, fo findet man das antiquas 
riſche Rom von Fea, Bunfen und Gerhard mit erfchöpfen: 
dee Sachkenntniß, bie claffifhe Sampagna von Nibby mit 
großer Gelehrſamkeit befchrieben; über das priefterliche und 
altkirchliche Rom bat ein Mann wie Cancellieri gewiß 
nichts zu fagen verfäumt, was er gewußt hat, und er 
ſcheint Alles gewußt zu haben; bie Werke römifcher Dias 
lerei und Architektur und was fi aus der Kunftgefchichte 
und chriftlihen Alterthumskunde daran Enüpft, hat Plat: 
ner als ein ausgezeichnet gründlicher Kenner bargeftellt; 


über das zeitliche Regiment ber Päpfte ift von Denman 
in vorzüglicher Weife und Über das gefammte Gebiet ins 
nerer Staatsverwaltung von Zournon in feinem vortreff- 
lihen, auch von unferm Verf. mit gebührender Auszeich⸗ 
nung erwähnten Buche gefchrieben worden; in Abſicht auf 
die Elimatifhen und Agriculturverhättniffe ift Lullin de 
Chateauvieux auf die anziehendfte Art vollftändig beleh⸗ 
vend; für roͤmiſche Sitte und Lebensweife endlich ift außer 
Stendhal, der die elegante Welt gut kennt und mit an- 
muthiger Bosheit [hildert, das Büchlein „Rom 1833” 
als eine völlig gelungene, epigrammatifc) = geiftreiche, vor 
Allem treffend wahre Darftellung zu citiren. Nimmt man 
diefe Werke alle, vielleicht mit noch einigen nicht verdcht- 
lichen dichterifhen Auffaffungen Roms zufammen, fo fcheint 
in der That für die Beſchreibung der Weltſtadt wenig zu 
wünfchen übrig. Indeß war es einerfeits ſchon ein zweck⸗ 
mäßiges Unternehmen, jene Seiten alle einmal zu einem 
vollftändigen Bilde zufammenzufaffen und mandıes in 
jenen Werken nur mangelhaft Ausgeführte, wie 3. B. die 
Darftelung des römifchen Gerichtsweſens, Belehrung über 
das Weſen der Prälatur, Nachrichten über jegt lebende 
Kuͤnſtler ꝛc. hinzuzufügen; fodann aber hat unfer Verf. 
eine bedeutende, in der defcriptiven Kiteratur Roms vorhans 
dene Luͤcke ausgefüllt, nämlich durch befondere Bezugnahme 
auf das Mittelalter und ftete DBergegenmärtigung jener 
durch merkwürdige Parteilämpfe erfchütternden Epifoden und 
oft weltbewegenden Kriſen, deren Erinnerung den meiften 
Belhauern Roms durch das allerdings höhere und uns 
viel näher berührende Intereſſe der.altclaffifhen Welt ent- 
ruͤckt wird, die aber zur Belebung wie zum Verſtaͤndniß 
einer großen Menge römifcher Localitäten und Monumente 
von nicht geringer Wichtigkeit ift, denn in vielen Stadt: 
theilen Roms kann man nicht hundert Schritte weit gehen, 
ohne buch Namen von Straßen, Plägen, Paläften an 
die Zeiten der Colonna, Orfini, Gaetani, Conti, Savelli ıc. 
gemahnt zu werden. Der Verf. führt uns an diefe Stät: 
ten und erhöht das Intereffe ihrer Beſchauung bucch Vers 
gegenwärtigung der lebhafteften Epochen aus der Gefchichte 
jener mächtigen Gefchlechter und wilden Zeiten, in benen 
die alte Roma, nahdem ihr die Welt, was fie an ihre 
verbrochen, laͤngſt vergolten hatte, nun aud) erleben follte, 
von ihren eigenen Kindern und Verwandten mishandelt, 
an den Haaren gefchleift, mit Nägeln zerfleifhe zu wer⸗ 
den. Der Verf. hat diefe Gefchichten einſichtsvoll immer 
an vorhandene Dentmale oder Örtlichkeiten geknuͤpft und 
aus ihnen, verfiändig, nur Das hervorgehoben, was dem 
nicht ſchon gefhichtsfundigen Meifenden zu wiflen genügt, 
aber auch zu wiffen Noth thut. Denn das Gefühl des 
Staunens, der Ehrfurcht und der Zrauer, das die Reſte 
ber claffifhen Zeiten erregen, darf, obgleich es das hoͤchſte 
ift, das Rom hervorruft, doch nicht das einzige bleiben, 
fondern bedarf des hiftorifchen Gegenfages an den Empfin⸗ 
dungen des Mitleids, ja bes Abfcheus und der Verach⸗ 
tung, wie fie der Anblid jener wüften mittelalterlichen 
Epochen des unfeligen Wirrwarrs, der abfoluten Rohheit 
und fittliher Ohnmacht hervorruft. Diefe Schickſale ſchil⸗ 
dert der Verf. in einer Reihe gelegentlich eingeſtreuter Er: 


zaͤhlungen, wobei er oft ben Berichten der Billani, bes 
Poggio ꝛc. treu folgt, was man ihm nur Dank wiſſen 
kann, da die naive Einfachheit ihrer Darftellungen unüber: 
trefflich iſ. So wird die Imagination des Lefers in jene 
Zeiten verfegt, von denen die Chronik fagt: „Alles war 
Willkür; täglich ward in den Straßen gekaͤmpft, von allen 
Seiten ward geraubt;z bie Jungfrauen waren nicht ficher 
vor den Angriffen auf ihre Ehre, dem Gatten wurde bie 
Battin entführt aus dem eigenen Haufe; die Feldarbeiter 
wurden an den Thoren Roms ausgeplündert, die Pilger 
nicht vertheidigt, fondeen von MWegelagerern beraubt und 
gemordetz überall Übel und Sittenverderbniß, felbft unter 
ben Geiſtlichen; weder Gerechtigkeit no Scham. Alles 
ging dem Verderben zu, es galt kein Recht, als das des 
Schwertes, Feder vertheidigte fih im Verein mit Ber; 
wandten und Freunden.” Uber bei der Schilderung die: 
fer traurigen Zuftinde hat der Verf, nicht vergeffen, fo: 
gleich auch die andere Seite darzuftellen und das Merk: 
wuͤrdige hervorzuheben, wie ſelbſt inmitten fo großen Elends 
der Name Roms nicht abgelaffen hat, fernhin feine wun⸗ 
derbare Gewalt über bie Gemüther zu Üben, und wie zur 
Zeit, als Clemens VI. das Zubildum von 1350 feiern 
ließ, die Pilger von allen Ländern der Welt in fo dicht: 
gedrängten Scharen herbeiftrömten, daß man ihre Zahl 
auf weit über eine Million anfhlug. Schwaͤche und Zer: 
rüttung im Innern, Macht und Einfluß nad außen, 
dies iſt die Geſchichte der Weltſtadt faft durch das ganze 
Mittelalter duch, und fo ift fie, mit Ausnahme kurzer 
Perioden, nur dem Grade nach modificirt, bie auf die 
neuefte Zeit geblieben. Der fremde Befhauer Roms, in 
defien Gemüth der Anblid und das Studium der Stadt 
und Umgebung noch heutigen Tages die entgegengefegten 
Eindrüde der Bewunderung und des Widerwillens hervor: 
ruft, wird in dem vorliegenden Buche zwei berühmte welts 
Fundige Belege für diefe feine Gefühle finden, für jenes 
in der enthufiaftifchen Begeiſterung, bie Petrarca bei fei: 
nem erften Beſuche Roms in einem merkwürdigen Briefe 
ausfprach, für diefes in dem bittern Groll, der bei glei: 
hem Anlaß in der Bruft Dante’s rege ward, als die Er: 
fahrungen, die der Dichter in der chriftlichen Hauptflabt 
machte, einen fo entfcheidenden Einfluß auf feine Geſin⸗ 
nung und Didtung ausübten. linfer Autor bat, wie 
man fieht, nichts Wichtiges auszuführen verfaumt und 
als einfichtevoller Eicerone den Wanderer in Rom auf bie 
dominirenden Höhepunkte geführt, von denen ein richtiger 
Blick auf die mannichfaltigen Geftaltungen jener Vergan⸗ 
genbeiten zu gewinnen ift, wobel zugleich das Gemüth in 
die Stimmung verfegt wird, welche zur Befchauung der 
mittelalterlichen Localitäten mit hinzugebracht werden muß. 
Es bedarf hiernach kaum der Erwähnung, daß die Schid: 
fale der hervorragendften Perfönlichkeiten und mächtigften 
Gefchlechter jener Beiten, des Rienzi, Brancaleone, Arnold 
v. Brescia, der Katharina v. Siena, Bonifaz VIII., der 
Colonna, Orſini, Savelli ꝛc. ſich in dem Buche erzählt 
und in ihren anziehendften,, die Sitte der Zeiten am ans» 
ſchaulichſten charakterifirenden Zügen dargeſtellt finden. Auch 
aus fpätern Epochen hat der Verf. die Machgiebigfeit ges 


habt, gewiſſe Geſchichten, bie eine Art privilegirter Cele⸗ 
brität erlangt haben, wie bie des Taſſo, der Familie Cenci, 
abermals zu erzählen, tegtere nach der befannten Chroniß, 
mit welcher ſich die Referenten jenes Vorfalls begnügen 
müffen, bis einige Handfchriften, z. B. der Angellca zw 
Nom, zugänglich werden; erflere hingegen nach den neuern, 
buch Graf Alberti erlangten Auffhlüffen, durch welche 
der glühende Eifer, den dieſer Liebeshandel von jeher une 
ter den italienifchen Literaten entzündet hat, hoffentlich zur 
Ruhe gebracht und die dreihundertjährige Meugier der ga= 
lanten Welt auf eine für Poeten wie Prinzeffinnen gleich 
tröftlihe Weife endlich geftilt worden if. Mit einem 
Worte, die welentlihen Momente und anziehendern Epis 
foden aus Roms Geſchichte, etwa vom 10. Jahrhundert 
ab bis auf die neuern Zeiten, find in biefen römifchen 
Briefen glücklich hervorgehoben, und wir können dieſe, Sinn 
und Phantafle zweckmaͤßig anregende Weile, den Reiſenden 
auf dem bedeutfamften Schauplage umberzugeleiten, nicht 
anders ale hoͤchlich billigen und rühmen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Kleine philofophifche Schriften, von Heinrich Ritter. 
Erftes Bändchen. Über die Principien ber Rechtsphis 
lofophie oder der Politi. Kiel, Univerfitätsbuchhands 
lung. 1839. Gr. 8. 1 Thlr. 16 Gr. 


„Richt in den Dcean der Meinungen moͤcht' ich mich flürs 
gen!" So ruft vfelleiht Wancher, wenn er ſich anfchidt, über 
politifde Gegenftände zu reden oder zu fchreiben. Denn fie 
werden in fo reicher Weife durch öffentliche Verhandlungen, 
Flugſchriften und Zeitungen befprocdyen, daß man übergenug von 
Theorien, praktiſchen Richtungen und Parteien heimgefucht iſt. 
Unfer Verf. fagt viel Gutes und wendet fich einer vernünftigen 
Mitte entgegen, in welcher wol das meifte Heil zu fuchen iſt. 
Sin Hauptgebanfe ber Schrift ift der Unterfchieb zwiſchen dem 
Begriff eines flaatbilbenden Wolle und eines voltbilbenden 
Staats. Jener fegt ein von Natur vereinigtes Volk voraus, 
bas feinen Staat bilden fol; biefer feat voraus, daB vor ihm 
andere Staatdeinrichtungen gewefen, welche ihren Zuſammen⸗ 
bang verloren und fich aufgelöft haben, aber doch in Bruch⸗ 
ſtücken fortbeftehen Bönnen. Daraus erwachſen in beiden vers 
fchiedene Verhaͤltniſſe. Dem flaatbilbenden Wolle liegt beffen 
natürliche Einheit zum Grunde, ähnliche Bitte, Sprachbildung, 
baffelbe Vaterland. Die Obrigkeit ift fo gut ein feft einge: 
wachfener Theil bes Volks als irgend ein anderer. Der volls 
bildende Staat wird nicht Leicht anders als durch Gewalt und 
Krieg herbeigeführt und förmlich oder ſtillſchweigend burch eis 
nen als Vertrag oder Bund gefchloffenen Frieden zu Stande 
kommen. Er fteht dadurch auf einem mislichen Boden. Sollte 
in jenem bie Obrigkeit fi) als ausgeartet beweifen, fo möchte 
das Recht der Unterthanen zur Abwendung bed Verberbens In 
einer Veränderung der Staatöverfaffung beftehen. Sie bleibt 
immer bedenklich, erfobert reife Überlegung, das Kranke und 
Gefunde ift ineinander verwachſen. Bel bem volkbildenben 
Staate aber find die Ummälzungen ungleich gefährlicher, die 
Sinmifhung fremder Schlichtungen und Grundfäge wird leicht 
Raum gewinnen, und gefest au, das geringfte Unglück für 
ſolchen Ball wäre die Auflöfung bes zur künſtlichen Einheit 
verbundenen Ungleidhartigen, deſſen zufammenhaltende Kraft 
ſchwach, fo bleibt es body immer ein Unglüd. In der Verglei⸗ 
hung beider Arten des Staats hält der Verf. bie Form bes 
ftaatbilbenden Volks bazu beflimmt, bie fpätere Form des 
volkbildenden Staats vorzubereiten und in biefelbe überzuges 


Yarkukın tagte. 

Dhm erelh einzugehen, fel nd des —— 
gedacht,’ weichtd in ünferer Zeit bebeutenb fri Fragk Tonimt. 
Der Verf. zötlfeit,' 08° ea als ein befonderer Hauptthlil des ges 
A Arctägebirts zugugeben fei. Bür das Beben und 





fe 

in her Lichligen Gemeinfhaft fei ja kein anderes 
Sy Yopıen Fr Ipnftigr ——— geiftiger Ding 
"über \ben’ Staat hinausgehen, für Gefelfgkeit, Kunft‘ und 
Mmenhaft. IR Vie zeligidfe Wefelfaft nicht in der bürgers 
Hicpen eingefkhloffen, alfo eine andere, fd Tann ſoiche Kirct im 
G@taate Fein anderes Mecht in Anfpruc nehmen ale eine jebe 
andere Gemeinfhaft. Diefe Löfung ift ihrem Gtandpunkte ganz 
dngemeffen; wie aber, wenn «8 heißt, ber Staat fei in der 
jede? Dann müßte jener auch kein anderes Recht fodern duͤr⸗ 
fen, als jede andere Gemeinfhaft. Dies ift der Langgeführte 

Srineipieofttpit zwifchen Gtaotsredt und Kirchenrecht. 2A 





Botizem 
Das Bureau des alrikaniſchen Angelegenheiten im Kriegemis 
niſterium gab ein „Tableay de la situation des &tablissementg, 
frangais: dans ’Algerie en 1839” heraus. Diefee Quartband, 
redigirt unter der Zeitung von Hrn. Laurence, enthält eine 


Neihe fehe wichtiger Documente, welche Natur und Iwed der 
feangöftfchen Groberung in Afrika, die a ecke 
igte und bie deten Hoffnungen für bir. Zukunft herauſ 
Sn "den Pi een unb wi iR en, Details, betreffend die 
Ku die Betwaltung, bie —** je und die Finanzen, 
Habein Laurence und feine Mitarbeiter noch mehre Höchft infers 
u ” i htichen Abriß 

n Artikel über 

witanien; eine 

Rader’s im I. 

d 29 Feſtungs⸗ 


alat des Emir, 
nze der Wüfte 
zugiehen; end⸗ 
kem politi 
en 
Ts, Agalita, 
m eingerichtete 
m Ganzen ein 
riegern fellen, 
. Gin Iaus 
tend der näds 
Provinz Oran 
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geleiftet has 
ahrichten über 
Politik, über 
‚ber bie Rivas 
ft, _ mie über 
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inem tyranniz 
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tn Joche Fig 
ter der foges 
7 upb unwohl 
Im. 


Das „Echo dy Nord” brachte nach langem Awiſchenraum 
neutic; wieber einige Berichte ns Delbargur — 


m egceint Ihm bie letter⸗ eis neßlommenser | ofenpk mändpe traurige Gefahrmngen gemacht zu 
Hi 16. aber je 
weiter 









u der Opige eigen yemil Kühenden Zapfäfarhıe 
gelgäft Ir. Deigorgue, der bie Meifg in des Abfiht unters 
nahm, ein aroßed Jagdetabliffement zu gründen, hat. bereits 
das Sand in immenfer Musbehnung durchſirichen. Nachdem er 
die entfernteften Golonifen und die neulich von ben Holländem 
[4 geßiftete Gotanje byfuht, hrang er: fager his in ben Kırn 
ri Kal Berlanbes feibß vor. ein edter Brief berichtet, di 
€ ale Wevollmäßptigker bei dem Zriedenstractat, melden bie 
neue Golonie mit dem Könige Ponda geſchloſſen hat, wirkſam 
geweſen ift. Gr erzäpit, daß er an bem beftimmten Tage ſich 
mit einigen Gotoniften in das Lager bes Königs Ponda begeben 
und hier 2000 Kaffern vereinigt gefunden habe. Während 
beide Theile miteinander verhandelten, bemmäghtigte ſich der Kafs 
fern eine Unzufriedenheit mit dem erften Minifter, den fie auch 
ohne alle Umftände vor den Augen des Könige feibft tobtichlus 
gen. Rach dieſer Mordthat wurde ber Friede feierlich befdanon 
zen un die Guropägr biieben: nach ungefähr zwei Tags lang 
im Lager ber Kaffern. jefg Wilden, deren mit Graufamteis 
verbundene Zapferkeit von den neuen Goloniften fehr gefürchtet 
wird, lieben den Rofentabad fo leidenſchaftlich, daß fie für ein 
Pfund defielben einen Dchfen Das Land iſt übrigens, 
wie Delgorgue berichtet, herrlich; eine liebliche Temperatur und 
ein immer heiterer Himmel vermehren bie Reize dieſes Landes, 
welches an Weibeplägen, Vieh, Bazellen und allen Arten 
Witdpret Überfluß hat. 8 fieht A haffen, baf bie neue Co— 
Tonie, welche aus etwa 300 europätfchen Bamilien befteht, große 
Bebeutung erlangen dürfte, wenn die Kaffern den gefchlofjenen 
eicbenstractat halten. Faſt naͤrriſch aber if es zu Iefen, wie 
wichtig Hr. Delgorgue damit thut, daß er die franzdfifche Taxis 
colore in der jungen Golonie eingeführt habe, und ebenfo mära 
riſch iſt es anzufehen, mit weichem a Gifer bie 
frangöfifgen Zournale biefen echt franzöfifgen Puff zur allges 
meinen Kenntniß zu bzingen ſuchen. 


Napoleon's Anſicht war, baß der Krieg bei den Alten in, 
feinen Grundzügen derſelbe wie bei uns geweſen ſei; nur bie 
Waffen und die elementare Taktik hätten ſich geändert; bie 
Strategie, die große Kunf der Peldzüge und Cehladhten, habe 
immer. auf denjelben Grundfägen beruht. Alexander, Gäfar, 
Hannibal, Scipio, Marius, Mitpridates, alle diefe mit Eries 
gerifgem Genie fo herrlich ausgerüfteten Männer, wãrden zu 
jeder Beit große Beldherren gewefen oder geworben fein mind ihre 
Operationen, Ihre Schlacht ordnungen müßten noch jegt flubirt 
werben. Bon biefer Wahrheit durchbeungen, haben die Heraus⸗ 

eber der „Bibliothäque historique militaire”, bie Kern 
Sauvan und Eistenne, in die drei erſten Bände. ipser 
ten Sammlung bie hauptfäglicften militairiſchen Schriftfteller 
des Altertyums aufgenommen, weiche fämmtlih, wie Bekannt, 
das Schwert neben dee Feder geführt haben. Diefe „Wibliotheb* 
wich auß fechs Bänden beftchen, wonen jeber, außer einem-Mte 
log, 1000 gefpalteye Seiten und. die Mafie. von 10. gewähen 
lichen Detanbänden umfoflen wird. Die Herausgeber. haben. 
ine Sammlung mit zwei erfhöpfenden Abhandlungen über die. 
iegskunff der Römer, über die Ginrihtungen ihrer Heere, 
über die. hödgft ſianreiche, vortreffuch combinirte und des Stu» 
dies boͤchtt würbige Taktik, mie fie im Aiterthume bäpte, 
Pr und bi das, Beifpiel ber von ben altem, Autoren 
befcgriebenen Dauptſchlachien begrundet. 


Angekündigt iſt der erſte Vand ber „Histoire de ’empire 
ottoman, par M, de. Hammer; tradult de l’allemand, swe 
la. deuxieme. edition, par Doehes. Dad Gange wirb drei 
Bönde In gefpaltenen. Golumnen ‚umfaflen und bildet-eine Mb, 
theilung der „Collection d’histoires complötes de tous les 








ion, melde vor zwei ren nad) dem Gap der fe | etats éens, die ders viele deutſche ichts⸗ 
— —— 
—X nftähben, dort wohnhaft’ zu machen Campton fcheint. | ande, von. Luden u, f. w. übexfegt. werden. 5 


Werantwortlider Deraußgeber: Geinsih.B 











ud" unb Witlag von B. U. Bro@hans In Eeippig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Montag, 


3. Auguft 1840. 





Römifche Briefe von einem Florentiner. 1837 — 38. 
Zwei Bände. 
(Beſchluß aus Nr. 216.) 

Daß der Verf. fich Lefer an Ort und Stelle gedacht 
bat, daran ift fein Zweifel, da die Aufzählung von Bil: 
dern und die Befchreibungen, die er von Bauwerken macht, 
nur bei unmittelbarer Anfhauung der Gegenftände felbit 
verftändlih und vernehmlich find. Das fehr ausführliche, 
dem Buche angefügte Megifter erleichtert feine Brauchbar⸗ 
feit und macht es als Huͤlfsmittel zum Nachleſen fehr 
empfehlenswerth. Indeß find wir mit der Zweckmaͤßigkeit 
dieſes Beſchreibens nicht ganz einverflanden und achten 
diefe Bemühung als eine vergebliche, da die nur analytifche 
Befchreibung des Äußern der Objecte für den Beſchauer 
überflüffig ift, dem Entfernten aber fein Bild gibt. Auch) 
das Aufzählen der Galerien und Gemälde fcheint ung Fein 
gtüdliches Unternehmen, da es auf Volftändigfeit hierbei 
in einem Buche diefer Art nicht abgefehen fein konnte noch 
ſollte, das willkuͤrliche Eximiren aber fein Misliches hat, 
wie denn Galerien, wie Spada, Torlonia und bedeutende 
Matereien, wie die Fresken im Palazzo Sarnefe ganz uner: 
wähnt geblieben find. Der bloße Lefer findet feine Auf: 
merkſamkeit duch dieſe Werzeichniffe nicht hinreichend ge: 
feffelt, und für den Beſchauer vermögen fie nicht die Stelle 
der Kataloge zu vertreten. Größern Dank würde fich ber 
Perf. erworben haben, wenn er den Raum, ben jene den 
Bulerien gewidmeten Briefe ausfüllen, zu Erklärungen der 
Fresken Rafael's und Michel Angelo's benutzt hätte, welche 
man in alen Befchreibungen Roms gar nicht, in Eunfl: 
gefchichtlihen Werken nur ſehr unvolltändig antrifft, wo⸗ 
nach aber der mißbegierige Befchauer, namentlich der Sixti⸗ 
nifhen Wandgemaͤlde, eine wahre Sehnfucht empfindet. 
Schien unfeem Autor Died Unternehmen vielleicht zu ge: 
wagt, ober fand er, was wol möglidy wäre, bie Aufgabe 
ganz unlösbar, fo glauben wir, daß es zum Ton und In⸗ 
hatt feiner Briefe gut geftimmt haben würde, wenn er 
die Dauptmomente aus der Hiflorie der Malerei ebenfo, 
wie er bei der Sculptur und Baukunſt gethan, hätte dar: 
ſtellen wollen. 

Was aber dem Buche feinen: ausjeiehnenden Vorzug 
verleiht, das find die andführlichen und gruͤnklichen Mach: 
voeifungen, die es über Verwaltung, Armenweſen, öffent 
lichen Unterricht, Organiſation der Behörden und Gerichte: 





böfe, über die agronomifchen Verhältniffe der Campagna, 
Handel, Finanzen, Prälatur, wie Über jegt lebende toͤmi⸗ 
[he Literaten und In Rom arbeitende Kuͤnſtler enthält. 
Mie Rom feit Jahrhunderten für Geſchichts- und After 
thumsforſcher, Kuͤnſtler und Kunſtkenner ein unerſchoͤpfli⸗ 
ches: GSiudium geweſen iſt, fo hat es laͤngſt auch die Auf⸗ 
merkſamkeit der Staatsoͤbonomen, Politiker, der: Handels⸗ 
und Finanzwelt, der Landwirthe und Philanthropen beſchaͤf⸗ 
tiget. Kein denkender Reiſender vermag in und um Rom 
einen. Schritt. zu thun, ohne einem Raͤthſel zu begegnen— 
Ein ungeheurer fruchtbarer Landſtrich, dee veroͤdet Liegt, 
Wieſen flatt Saatenfeldern, der fparfam angebayte Boden 
troß einer Überzahl unbefchäftigter, dem Staate zur Laft 
liegender Menfchen, dennoch nicht von einheimifchen, fon= 
dern von auswärtigen Arbeitern beackert; ein Küftenflaat 
ohne Marine; eine Ariftofratie ohne Macht und die ihren 
Grundbefig vernachläffigt ; ein Staatscredit, ber fich troß 


Unordnung, Zerrüttung und unermeßlichen, durch Kirche, 


Kloͤſter und Stiftungen verſchlungenen Beſitz nicht erfchöpft; 
eine Regierung, durch Prälaten geführt, die nicht zur Ad⸗ 
miniftration und Fachkenntniß gebildet worden: dies find 
ebeno viel Probleme, Über welche der verftändige Reiſende 
nah Auffhluß begierig if. Er findet. ihn in unfem 
Buche, von Eundiger Hand, nach Anleitung der gefunde- 
ften Anſichten gegeben; vorurtheilsfrei, in ganz objectiver 
ruhiger Darftellung, aus welcher ſich der Lefer feine Mei⸗ 
nung feldft zu bilden im. Stande if. Er wird finden, wie 


ſich die gegenwärtigen, fchon feit fo fangen Zeiten unver: 


ändert gebliebenen Zuftände der vielbefprochenen Campagna 
an die politifhen Snftitutlonen der älteften Epochen knuͤ⸗ 
pfen, wie fih ihre Schidfale aus den Latifundien, aus 


den. Verheerungen im Mittelalter, aus. dem koloſſalen Befig - 


und den ÖSteuerprivilegien des damaligen Adels, aus der 


politiſchen Ohnmacht der Päpfle, aus dem noch heut be: 
| flehenden Verhaͤltniß der Ariſtokratle zu dem niederen 


Volke erklären laſſen; er wird finden, welche Anftrengun: 


gen aufgeboten worden, wie viele Phafen die Gefrggebung 


durchlaufen, welche Schwankungen fie erlitten hat, ohne 
daß ber Fluch, der auf der Campagna Iaftet, hat gehoben 
werden Pönnen. Der Brief, der diefem Gegenſtand gewid⸗ 
met iſt (e8 ift der dreiunddreißigfte, das Ganze böfleht aus 
40 ‚Brivfen), ift durchaus befehrend. Gleich unterrich: 
tende Auskunft gibt der Verf. Über die andern oben an: 


’ 








0" rn 


geführten Öffentlichen Einrichtungen. Worüber die meiften 
Reiſenden gewöhnlich fehr irrige, oder wovon fie gar feine 
BVorftellungen haben, wie die Inflitution der Prälatur, ber 
Mechanismus der Negierung, ihre Eintheilung in Congre⸗ 


gationen x., das ift auf Mare und zugängliche Art ausein: 


andergefegt. Sogar das Labyrinth der roͤmiſchen Gerichts: 
höfe mar für den gewiffenhaften Fleiß des Autors fein 
abſchreckendes Gebiet. Meinungen, entſchiedene Urtheile 
werden dem Lefer nicht aufgedrängt; Thatfachen, Beobach⸗ 
tungen, Refultate ber beften Unterfuchungen liegen ihm vor, 
die Anficht bleibt ihm überlaflen. Der Berfaffer huͤtet ſich 
forgfältig, Gericht zu halten, und ift überall fo discret, dem 
Urtheile nur durch Andeutungen nachzuhelfen. So fagt 
er bei der Darftellung des Unterrichtsweſens: 

Je trauriger die Schilderung ift, welche von bem Zufland 
der Slementarfchulen gemacht wird, je größer die Zahl ber von 
ihren Kitern, fträflich oder aus Noth, völlig verwahrloften Ge: 
ſchoͤpfe, um fo dringender ſtellt ſich das Beduͤrfniß der fogenann« 
ten sale d’asilo heraus ... Es iſt eine fonderbare Erſcheinung, 
daß die eine ttalienifche Regierung ſich vor Inftituten (bisweis 
len auch vor bloßen Namen) fürchtet, welche ber andern nüß- 
. lich oder wenigftens ungefährlich vorkommen. In Toscana bat 
man den Privatleuten, weiche Schulen bes wechfelfeitigen Un- 
terrichts und sale d’asilo angelegt haben, keine Hinderniſſe in 
den Weg gelegt. In der Lombardei will man das Bellstancas 
ſterſche Syſtem nicht geftatten, während man bie Kinderaſyle 
fördert. In Rom fcheint man nichts gegen das erftere (wenig⸗ 
ftens nicht in einer Mobdification), deflo mehr aber gegen das 
letztere zu haben. 

In diefer Meife behandelt der Verf. dieſe und ähn: 
liche, den moraliſchen und öffentlichen Zufland Roms zu: 
naͤchſt betreffende Verhältniffe; ſchonend und leiſe, Feine 
Leidenſchaften erregend, ſich von politifchen und kirchlichen 
Parteifragen forgfältig fern haltend, doch verfländlich genug 
die wunden Stellen des Staats und ber Gefellfchaft an: 
deutend. Daß in einem Buche, welches den abminiftra: 
tiven Problemen einen fo großen Plag einräumt, auch eine 
Abhandlung über die pomptinifchen Suͤmpfe nicht fehlen 
werde, begreift fich bei ber Wichtigkeit des Gegenftandes 
von felbft. Durch befondere Erwähnung aber müffen fehr 
intereffante Notizen über den Ziberftrom ausgezeichnet wer: 
den, deſſen hydrodynamiſche Veränderungen ber Verf. mit 
den berühmten Correctionen des Chianathales in eine, wie 
und [cheint, vollkommen zuläffige Verbindung bringt: Dinge, 
an welche die Reifenden nur felten benfen, die aber ihre 
ganze Aufmerkfamfeit um fo mehr verdienen, als fie für 
das Gebiet des Patrimoniums von ber größten Bedeutung 
find. Won den römifchen Finanzen gibt der Verf. ſo viel 
Kunde, als einem Fremden darüber zu erlangen möglich 
ift, und was er über Handel und Schiffahrt beibringt, 
genügt, um ben fehnell fertigen Urtheilen vorzubeugen, mit 
denen bie Reifenden von beidem, als wäre e8 im roͤmi⸗ 
ſchen Staate gar nicht vorhanden, zu ſprechen pflegen. Die 
Moͤnchsorden in Rom zählt der Verf. auf, ebenfo bie 
jegt noch dort „blühenden (?) päpftlichen Familien und 
fürftlihen Häufer mit Beifügung genealogifher Notizen. 
Mit Ausnahme des von dem gegenwärtigen Papſt geftif: 
teten aͤgyptiſchen Mufeums, find antiquarifche Gegenftände 
loͤblich ganz außer dem Bereiche des Buches geblieben. Da: 


gegen finden fich die wichtigſten Kirchen, die in ihnen be: . 
findlichen intereffantern Grabmäler und Muſive, letztere 
nach chronologifchee Überficht aufgeführt. Auch über ben 
Bau der Paufgkiche find umftändlihe Nachrichten gege- 
ben, wobei der Verf., der ſich felten ſatiriſch finden laͤßt, 
die Verſicherung gibt, daß man in etwa 15 Jahren 
der Vollendung dieſes Baues „entgegenzufehen hofft”, eine 
hoͤchſt vorſichtige Ausdrudisweife, die auch bei andern dhn- 
lihen Buauunternehmungen zu empfehlen ift. 

Diefe Briefe find in den Jahren 1837 — 38 ge: 
fchrieben. Über die Gefelligkeit, wie fie zu jener Zeit in 
Rom mar, find einige Bemerkungen darin, aber der Verf. 
hat ſich mit Recht vor allgemeiner Charakteriſtik gehütet, 
da die Züge diefer meift aus Fremden beftehenden und von 
ihnen gebildeten Geſellſchaft je nach den alljährlich wech⸗ 
feinden Antommlingen verfhieden find, wie denn felbft Lie 
fo richtig fcheinende Ausfage des Verf., daß in Rom po: 
litifche Leidenfchaften calmirt werden, nad ben Erfahrun⸗ 
gen, die im vorigen Jahre während der dortigen Anwefen: 
beit des Herzogs von Bordeaux gemacht worden, eine 
bedeutende Modification erleidet. Auch das Gapitel ber 
Sitten hat der Verf. unberührt gelaffen, welche Enthalt: 
famkeit ein Beweis fichern Taktes ift, indem unleugbar 
diefes Thema mit einigem Gluͤcke ſich nur in freier poeti- 
[her Form behandeln laͤßt, jede andere Weiſe der Darftel: 
lung aber Bein anſchauliches Bild zu geben vermag, und 


nur dazu dient, zahllofe Misverftändniffe zu veranlaffen. 


Der Verfaſſer hat feine Briefe an eine Engländerin 
gerichtet. Wir wuͤnſchen ihm Gluͤck zu ber nahen Be: 
kanntſchaft mit einer Dame, bei welcher er hinreichendes 
Intereſſe, fei es für die Sache, fei es für den Briefitel- 
ler, vorausfegen kann, um fie mit fo ernften Materien, 
wie die oben erwähnten, fo ausführlicd unterhalten zu duͤr⸗ 
fen. Er nennt fid einen Florentiner; ob, weil er es fft, 
oder nur, weil er es fein möchte, wollen wir nicht ent: 
fheiden; im erftern Kalle würden wir erfreut fein, zwel. 
für Statien fo boffnungsreihe Symptome wahrzunehmen, 
nämlich einen Staliener, der deutfche Zuftände und Sprache 
fo gut kennt, und einen Slorentiner, der fo ſchonend unb 
anerkennend über Rom ſpricht. Da wir uns aber erin- 
nern, einem Eleinen Auffage, der den Briefen als Anhang 
beigegeben ift und unter der Auffchrift „Rom und Son: 
ftantinopel” eine fehr erbauliche Zufammenftelfung beider 
Städte enthält, ſchon Irgendwo in bee neuern einheimi⸗ 
[hen Zagesliteratur begegnet zu fein, fo werden wir mol 
nicht irren, wenn wie in bdiefen vömifhen Briefen ein 
Product vaterländifcher Abftammung erkennen, das in Tos⸗ 
cana feine zweite Heimat gefunden hat, fi aber in der 
erften um fo mehr eine wohlmwollende Aufnahme verfpre= 
hen darf. 85. 





Memoires d’un sans-culotte bas-breton par E. ‚Sou- 
vestre. Parts 1840. 

Hr. E. Souveftre gehört zu den wenigen Romanenſchrei⸗ 
bern Frankreichs, die fich ein weiteres Biel fteden als das, ib- 
ren Leſern die Zeit tobtfchlagen zu helfen. Er fchreibt nicht 
Romane um ber Romane willen, fonbern möchte durch biefels 


81 


ben auf die ilbergeugung feiner Befer wirken, fie beffeen und 
veredein, ihren WBli auf bie Leiden der Zeit binrichten, und fo 
den Mitteln, die biefen bereinft abhelfen follen, vorarbeiten. 
Dies Streben geht durch Alles durch, was er bis jegt veröffents 
licht dat, und verdient fon an und für fi) Anerkennung, und 
um fo mehr, ala er hierdurch feinem bedeutenden Talente eine 
Grenze fledt, bie nicht ohne Einfluß auf den Abſat feiner 
Schriften fein Tann, da er, oft gegen die beftehenden Zuſtaͤnde 
angebend, unter bem kaufenden Lefepublicum weniger Anklang 
findet als folche, die den beſtehenden Zuftänden, dem herrſchen⸗ 
den Sinn oder Unfinn hulbigen. 

Der Titel ſchon bekundet, daß in dem vorliegenden Werke 
von keinem eigentlihen Romane bie Rede if. Dr. Souvefire 
verfucht es in bemfelben die innere Gefchichte der Niederbretagne 
vor und zur Beit der Revolution zu ſchildern. Gr beruft fi) 
in ber Einleitung auf die Werke Michelet’8 und Thierry's, und 
bat dazu ein unbebingtes Recht, benn biefe beiden Geſchicht⸗ 
fehreiber ftreifen oft wenigftens ebenfo nahe an den Roman an 
als Hr. Souveftre an die Gefchichte, wodurch denn gerad: beide 
ihren Irrthum befunden, in bem fie über ben Eharakter des 
Romans und bee Geſchichte ſchweben. Walter Scott bat in 
Bezug auf gefchichtliche Romane wol bas Höchfimögliche geleis 
ſtet, und doch würde Der, ber ſich einbildete durch dieſe Ro⸗ 
mane die innere Geſchichte Schottlands kennen lernen zu koͤn⸗ 
nen, im Irrthume ſein, denn wo die Phantaſie die Hauptſache 
iſt, da erhalten wir anſtatt des Spiegelbildes eine neue Schoͤ⸗ 
pfung, mag auch das Kleid bis auf den legten Knopf daſſelbe 
fein. Ähnliches widerfuhr auch Michelet, der vor Allem Poet 
iſt und deſſen Geſchichtswerke daher ſehr ſchoöͤne Romane find, 
aber die Geſchichte übers Knie brechen. 

Nicytöpeftoweniger haben fotche Geſchichtswerke, wie die Ges 
ſchichtsromane, in denen bie Phantafle die Hauptſache iſt, ihr 
bobes Intereſſe in Bezug auf die Zuftände, die gu Bein find, 
um Gefchichte zu machen und bie dann bie Phantafie meift aus 
einzelnen Andeutungen wieberherzuftellen ſuchen muß. Die 
Pyramiden, die Tempel, die Marmorftatuen, die beongenen Kai⸗ 
ferköpfe find bis auf unfere Zeit gefommen; bie Brescogemälde 
der Säle und Zimmer des Altertbums geben meiſt nur ausges 
riffene, zum großen Theile zerflörte Truͤmmer, und um biefe 
halbwegs wieberherzuftellen, muß man fi vor Allem an einen 
Maler wenden, während jene dem Geſchichtsforſcher, dem An⸗ 
tiquar te auch — ben vereigniften, Die ge 

ichtlichen Thatſachen e Tempel, bie in Bronze gegoffes 
Ku guren der Vorzeit; bie ungefäichtlichen Greigniffe des 
täglichen Lebens find die verwifchten Wandgemaͤlde. Jene ge: 
hören ber Geſchichte, dieſe dem Geſchichtsromane an, jene find 
dem Korfcher, biefe dem Poeten anheimgefallen. 

Hr. Souveftre hat es verfucht, einzelne biefer ſchwinden⸗ 
den, fich verwiſchenden Prescogemälde des häuslichen Lebens für 
die Bretagne zur Zeit ber Revolution feftzuftellen. Da die Zeit 
uns nahe genug liegt, um entweder aus eigener Anfchauung, 
oder ans der Erzählung der ältern Generation ber Gegenwart 
jene Zuftände vollkommen kennen zu Tönnen, fo ift Hr. Souveſtre's 
Werd ſelbſt für eine zulünftige Gefchichte ber Bretagne von Bes 
deutung, und e8 wäre für bie Schilderung des innern Volkelebens 
ein Glück, wenn wir bei jeder Epoche auf ähnliche Werke wie 
die „Memoiren eines nieberbretagnifchen Sansculotten‘’ fließen. 

Die Überficht der verfchiedenen Gapitel biefer Memoiren *) 
zeigt Thon, daß bis jetzt Dr. Souveſtre nicht aus dem Kreiſe 





x) Grfter Shell: Une famille avant 1768 — Le curd, le vicaire 
— Le malire d’desle — On veut me faire prötre — Iated- 
rieur de familie — Therese — Bodass de famille, fulte — 
Rennes — Un negotiant avant la revelutien — Treubles à 
V’oocasion du parlement — Evendments da 36 et 9 Janvier 
11898 — Brest avant 1788, le grandoorps, les ofßelers bleus, 
Zweiter Theil: La messe da peuple breton — Le chateau 
Korjoan — Un prötre sonetitutionnel — Use nult dans une ferme 
bretonne — Insurrostien — Federalisme, Girondins, 


der Genrebliber heramsgetveten und fi dem Felbe der 

ſchen Gemälde fern gehalten bat. Nur nenne 4 
er bei den Girondins etwas an dieſes an, doch auch nur, um 
das haͤusliche, das Familienleben ber Bretagner aus einem 
neuen Geſichtspunkte zu zeigen. Die Sirondins werben Neben: 
ſache, der Bretagner, der fie vettet, Hauptſache. 

Sin in der Abſicht, das innere Leben eines Landes zu fehil- 
bern, gefthriebener Roman Tann, als Roman felbft, nur ein 
untergeorbnetes Interefie haben, und eine Analyfe der Geſchichte 
bes nieberbretagnifchen Gandenlotten zu geben, würbe daher noch 
weniger befriedigen. Die Babel iſt hier durch den Zweck bedingt, 
und biefer Zweck, die Herſtellung bes Innern Lebens des Wolke, 
swingt den Verf. fi) in ber Stube des Bauern, wie in dem 
Pfarrhauſe, in dem Comtoir bes Handelsmanns wie in ber 
Kirche, und endlich au im Schloſſe des Adeligen umzuſehen 
und aufzuhalten, wodurch bann das Ganze zu einer Reihe von 
Epifoden wird, durch bie der Held ber Fabel nur wie ein 
ſchwacher Baden burchgeht, ben man meift fogar, ohne Befahr, 
dem Ganzen gu fchaden, zerfchneiden koͤnnte. Jede diefer Epi⸗ 
ſoden iſt aber an und für fich von Intereffe und bie meiften 
find als Romane felbft fchön gedacht und gut durchgeführt. 
Ich Eönnte Hier die Mehrzahl aller Capitel der Memoiren eis 
nes Sanseulotten citiren; doc will ih nur auf das ganze 
Werk aufmerlfam machen. 

Auf Schritt und Tritt begegnet man barin ben feinften 
Beobachtungen, bie überhaupt die Werke Hrn. Souveſtres aus⸗ 
zeichnen. Gine von diefen, bie mie beim erſten Anblid ganz 
befonders auffiel, ſei bier mitgetheilt (Bd. 1, ©. 27): „Dies 
jenigen,, die Heute das Innere einer Familie fehen, würden 
ſchwerlich ahnen, wie daffelbe fonft ausgefehen bat. Die Re: 
volution hat das große Refultat gehabt, alle Familienbande, 
indem fie fie zu ſprengen fuchte, enger zufammenzufchließen. 
Wir haben zehn Iahre inmitten unferer Schweſtern, unferer 
Grauen, unferer Kinder, wie Schiffbrädjige, welche die lehte Woge, 
die fie fortzureißen droht, erwarten, gelebt; unb bie Dauer ber 
Gefahr hat uns die Gewohnheit gegeben, Herz an Gerz zu 
fließen. Und in —* wie haͤtten jene großen Kriſen 
nicht all unſere Anhaͤnglichkeit erwecken ſollen? Der Überdruß 
und das Grauſen bes Öffentlichen Lebens riefen eine Reaction 
in dem Privatleben hervor. Nach ben nutzloſen Revolutionen, 
ben lägnerifdhen Programms, den leeren Aufregungen des Kos 
rums, war es unmöglich ſich länger vom ‚Herde der Famtlie 
feen zu halten. An was, nachdem einmal der Glaube tobt 
war, follte man fich anfchließen, wenn nicht an die Gefühle; 
und wenn alle Parteien euch betrogen hatten, mußte man ba 
nicht endlid feine Frau und feine Kinder ans Ders fchließen, 
und ausreufen: Alles if in dieſen!“ 

„Gel es, daß dieſe Lehre den Generationen vor 89 9 
babe, fet es, baß bie unmoralifchen Gewohnheiten ber Ariftofres 
tie ſelbſt bie Bürgerlichen verpeftet hatte, genug man fanb bas 
mass in bee Familie weber jene @leichheit, noch jene fchmeis 
chelnde Innigkeit, bie wir „geaentwärkig in derfeiben bemerken. 
Dee Ehemann, einziger und unbefchränkter Herr, orbnete bie 
kleinſten Ausgaben, die Frau konnte Bein Paar Strümpfe kau⸗ 
fen, ohne daß fie ihm dazu ben Preis abfragte; fie legte Rech⸗ 
nung von dem Gelbe ab, bas ihr anvertraut wurbe, wie heute 
eine Dienfimagb «6 thut, und meift mit ebenfo wenig Treue.“ 

„In Bezug auf die Kinder — von ber Amme kommend, 
den Dienftboten, die fie nicht mehr verließen, übergeben —, fo 
aßen biefe in bee Kuͤche und fchliefen in ben D beu. Man 
erlaubte ihnen felten vor bem 15. Zahre in ben Salon zu 


kommen, noch an der gemeinfamen Tafel Theil zu nehmen, bie 


fie übrigens jedenfalls vor dem Defert verließen. In ben nies 
dern Bürgerfamilien afen die Maͤnner allein miteinander und 
die rauen und bie Töchter bebienten fie ſtehend.“ 

Ich geftehe gern, daß mich dieſe Bemerkung im erſten Aus 
genbtide frappirte. Man hörte fo oft die Klage, daß bie Bes 
volution — diefe Hydra mit 1000 Köpfen oder wie man fonf 
fie zu bezeichnen belicbe — alle Feſſeln und nebenbei auch bie 


82 


der tie geſprengt habe. Die Franzoſen waren vor deu Res 
volution die liebſten Kinder des lieben Herrgotts, aber heute 
umb gar während der Rewotution waren fie zum wenigften Gans 
wibalen, wenn nicht fleifchgeworbene Zeufel. Gäbe es aus als 
len Epochen des innern franzdſiſchen Volkelebens Romane, vie 
der vorliegende Hrn. Souveftre's über die Riederbretagne zur Zeit 
ber evolution, fo würde fich vielleicht noch in vieler Beziehung 
das urtheil über die Wranzofen und auch über bie Revolution 
mobifleicen. So viel aber zeigt ſchon bie Geſchichte, wie fie 
bis jegt meift gefchrieben wurde, daß in Bezug auf Familien⸗ 
Ieben die obige Wemerlung Hrn. Gouveftre’s unſtreitig ihre 
innere Wahrheit hat. Wer mitunter einen Blid: in das Leben 
verſchiedener Votker zu werfen gefucht hat, wer in der Geſchichte 
eine Bet vergleichende Volkerpſychologte ficht, der weiß 
auch, daß die Dogmen bes GStaatsrchtes, die Regierungsart 
zugfeich Folgeurſache bes Famulienrechtes find, daß mit der An: 
derung der Famitienſitten auch die Staatsfitten ober beffer bie 
Inflitutionen ändern, und daß dann dieſe neuen Inftitwtionen 
wieder auf die Bitten bes Bolke ihren Ginfluß aushben, um 
mit deu Zeit wieder neue Seftaltungen im innern Volksleben, 
in ber Familie ſelbſt, betvorgurufen. Der Tuürke in feinem 
Harem und der Sultan in feinem GSerail bedingen fich: wedhfel: 
fertig.” Ohne bie Harems und die Tyrannei des DHerm und 
Meifters in bdemfelben würde der Sultan. ein andere fein. 
In Deutſchiand, wo fchon zu Karltus’ Zeiten „gute Bitten :mehr 
vermochten ats andertwo gute Geſetze““, und wo ſomit die @e- 


ſetze durch bie Sitten gemäßigt: und mobificirt werden, wo fehbft- 


bei dem geſetzlichen Abfslutismus fhets in ber Sitte eine feite 
Schatzwehr gegen denfelben befland, geherche das Weib dem 
Mäanne — das ift das Befeg —, und behetrſcht ihm durch Ges 
horſam, wie das Spruchwort fagt, und — das ift dann bie 
Sitte. In Amerika, wo der Dann bie hoͤchſte Stufe der aͤu⸗ 
Bern Freiheit im Gtaate erlangt hat, ift das Weib ſelbſtaͤndig 
and wnabhängtg wie nirgenb wieber. 

&o bedingen ſich Gtnmtögefige oder Staateſttten und Far 
miliengefetze und Kamitienfitte. Vor der Revolution herrſchte 
in Weankreich der Abfotutismus, uns fo ſcheint es natürlich, 
daß derſelbe ſich auch im Familienteben geitenb machte. Das 
war am Ende die Hauptſache und erBlärt bie Bemerkung Hrn. 
Souveſtre's an und für fih. Die Entartung bed Hofes unb 
des. Adels kam bann noch hinzu, um aud das Haus des Bürs 
gers, ben Hof des Bawuern anzuftecken. Die geoßartige, ſchreck⸗ 
liche Zeit. der Revolution mag dann bie Umgeſtaltung nur um 
fo zofcher herbeigeführt Haben; aber fie allein wirde dazu nicht 
im Stande gewefen fein, wenn nid auch die Öffentlichen Au⸗ 
ſichten über Staatsleben ſich gehindert Hätten. Denn «6 hat 
Perioden des Schreckens zu allen Breiten und in allen Bändern 
gegeben, ohne daß biefe bewegen bie Folgen gehabt hätten, bie 
oben angedeutet find. 

Diefe eingige Bemerkung zeigt aber, daß das Merk Hen. 

weſtreſs intereſſant genug iſt, denn derurtige tiefe Bilde 
in das Bolkeleben findet man auf Schritt und Triti. Der Ai⸗ 
tt ‚Bin: Sansewhotte” ift fo böfe wicht gemeint,. wie. cheufali® 
die aͤngefuͤhete Stelle [chen zeige, drun dieſtr Banscwistte bas- 


breton ſpricht ſich Bar genug gegen bie Schrocken und die Mies. 


bräude ber Nowolutten aus. Er iſt ein ſchtichter, braver Gh: 
renmann, bee ſelbſt feinch Feinden Gutes thut und vor einem 
Butettopfen, ungerechterweife verſptitzt, zuſammenfährt. Es 
werben- der franzoſiſchen Romane eine Unmaſſe uͤberſegt; dieſer 
verdient 06 mehr als alle andern, und wird daher wol nicht 
überſetzt werben, da ev keine Fabrikarbeit if. ‚36. 





giterarifhe Notizen. 
Die Vollendung der,, Peany Cyolopedia’ wirb in Jah⸗ 
resfriſt erfolgen. Unter den zulett erſchienenen Artikeln mache 
ih auf Oratory aufmerffam, wo die Grundzaͤge eines aͤußerſt 


in Abſicht auf Betonung und Ausfpeadye 


‘„Literary Miscellanies”, „‚Calamities of authors‘, 


intexeffanten Syſtems ber Declamation gegeben find. Daſſelbe 
ift von Profeffior Ruſh in Philadelphia („Philosophy of the 
human voice’, 1833) aufgeftellt und verdankt feine Entſtehung 
zumächft der Bekanntſchaft bed Verkaſſers mit ber berühmten 
Scaufpielerin Siddons. Dean ertennt bier manche Grunds 
züge wieder, die unfer Falkmann, Dieſterweg, Sydow u. A, 
von ihrem Standpunkte aus ſchon bargetban haben; im Gins 
zelnen ift, da in jebem Wolke ber Nationalgeift in und neben 
der Sprache feine Eigenthümlichkeit auszuprägen ſtrebt, natür⸗ 
lich große Verſchiedenheit, die wol vom jenen Männern eine 
genaue Berüdfichtigung verdiente: Walde Warheit und Schärfe 
hat bie Grammatik erlangt, feit fir ſich nicht mehr in den Kreis 
einer einzelnen Sprache und Sprachfamilie bannen läßt, ſon⸗ 
bern bei jeden, felbft bem ſpetiellſten Punkte der Betrachtung. 
über dern Individualität erhoben hat, um das Individuum 
nad) dem allgemein Menſchlichen zu meflen? Rirgend erfcheint 
ein ſolches Hinausgehen übee die Rationalität nötkiger als in 


dem geififgften, darum freilich wandelbarſten und ſchwie 


rigſten Theile der Sprachkunde, ber Deklamatorik. Daß unter 
ben bier zu vergleichenden Sprach⸗ und Kunſtlehren anderer 
Nationen die engliſche obenan ſtehen müffe, bafüe fei-es mir 
erlaubt, die Worte Wilh. v. Humbolbt’s (6. 15 feines nadıs 
gelafienen Werkes über „‚Werichtebenheit der Sprachkunde“) ans 
zuführen: „Aus der Verbindung ber in ber Sprache fi Als 


ßetuden intelleetuelin Energie mit dem: oft in großer Reins 


heit und Schärfe aufgefaßten Mohllautsgefege entfpringt ber 
und wahrvefſt wundervolle 
engliſche Wortbau. Wäre das Bedürfniß ſtarker und ſcharf 
nuancirter Betonung nicht fo tief im engliſchen Sharakter be⸗ 
gründet, fo würde auch das Bedürfniß der öffentlichen Beredt⸗ 
ſamkeit nicht zur Erklärung der grofen Aufmerkſamkeit Hinrei- 
hen, welde auf: diefen heil dee Sprache in England fo ſicht⸗ 
bae gewandt wird. Wann alle andern Theile der Sprache 
mehr mit den intelkectuellen Eigenthͤmlichkeiten bee Ration in. 
Berbindung ftehen, fo hängt bie Betonung zugleich. näher und. 
8, 


auf innigere Welfe mit bem Charakter zuſammen.“ 


— — — — 


Auf dem hiſtoriſchen Gebiete ſind in England der te 
Band von Aliſon's „History of Kurope“, der bie zum gie 
ginn des Kriegs in Deutfchland 1318 gebt, während dex neunte 
und. lepte bie Geſchichte bie zur Schlacht von Waterloo führen 
wied, der zweite Band von Arnoldes „History of: Rame’, Die 
beiben legten (dritter und vierter) Wände von Jeſſe's „Me- 
moirs of the court of England under \the Stuarts” ; die drifte 
Abtheilung von Tyas' „Illustrated hiskory of Napoleon‘ ex: 
fhienen; ferner kam heraus der erfie Dheil einer „Egyptian 
history, deduced from monuments’’, „, Arabs in Spain‘! 
(2 Bde), Scott's, Suppression of the reforkmation in France’, 
und Freeman und John's „Narrative of the persecution of 
christians in Madagascar”. Neue literarhiſtorhſche Werke find: 
Maclean's „History of the celtic languago”: 
tbe dramatic literature of the age of Klizabeth‘,; 
„Miscellauies of literature”, erfter Band, wel 










enthält: 
B ‚Quarrels 
of authors”, „Character of James L’', „Literary ciNaranter’’. 





In England find drei nene Beitfchriften angekündigt: 
„Tbe Indian news, and chronicle of eastern aflairY‘, eine 
Monatsſchrift, welche zwei Hauptabſchnitte umfaffen fol: 
1) ‚„Political”’ mit betreffenden Origimalartilein, und 2) ‚‚Do- 
mostic’', im weicher Nachrichten über Alles, was für die Ver⸗ 
wandten und Berbindungen ber Geloniften irgend ein Zirtereffe 
haben Tann, gegeben. werden. : Dann: „A garden newapäper, 
forming a weekly reoord of garden botany and ‚general 
news.‘ Die den Gartenbau betreffeade Abtheilung übernimmt 
Peof. Eindley. Endlich: „The Irish penny journal.” ı 47, 


1 Berantwortliher Heraubgeber: Heinrich Beodhaus. — Drud und Berlag-von F. A. Brodbeus in Seipzig. " 





Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Dienſtag, 


— Nr. 217. — ⸗ 


4. Auguſt 1840. 





Die Niederlande unter Philipp dem Schoͤnen im 
Jahre 1505. 


Der Venetianer Vincenz Quirini, welcher 1505 als 
Botſchafter feiner Republit zu Philipp dem Schönen, 
Herzoge von Burgund und König von Caſtilien, gefandt 
ward, den er nach England und Spanien begleitete, ent: 
wirft in dem Berichte, den er nach feiner Ruͤckkehr dem 
Senat abftattete, folgende Schilderung bes Hofes bes 
jungen Könige und des damaligen Zuftandes der Nieder: 
lande. 

. Der König von Gaftilien, fagt er, war, abgefehen von 
feiner edeln Abflammung, einer der mächtigften Herren der 
Chriſtenheit. Am vergangenen 25. Suni (1505) erreichte 
er das Alter von 28 Jahren. Er war ſchoͤn von Geſtalt, 
kraͤftig und blühend, gewandt im Zurnieren, ein gefchickter 
Reiter, eifetg und achtſam im Kriege, und fähig jede An: 
ſtrengung zu ertragen. Won Charakter war er gut, groß: 
müthig, freigebig, freundlicy und gnädig, und fo zutraulich, 
dag die koͤnigliche Würde darunter litt. Sin der Aus: 
uͤbung der Gerechtigkeit war er fireng; er war aufrichtig, 
und wenn er etwas zufagte, fo konnte man darauf bauen. 
Seine Geifteögaben waren glänzend: die ſchwerſten Dinge 
erlernte und begriff er raſch. Doch war er im Antworten 
etwas langfam und entfchloß fich ſchwer zur Ausführung, 
ſodaß er, was die Reichögefchäfte betraf, ganz feinem Ra⸗ 
the ſich hingab, dem er das größte Vertrauen ſchenkte, 
weil er von Natur gern Dem glaubte, was ihm von Per⸗ 
ſonen, die er liebte, vorgetragen ward. Dieſem ſo großen, 
ſo edeln und tugendhaften Fuͤrſten war eine Gemahlin zu 
Theil geworden, welche, wenngleich ſchoͤn und hochgeſtellt 
und ſo vieler Reiche Erbin, durch ihre Eiferſucht ihn auf 
ſolche Weiſe quaͤlte, daß der arme Ungluͤckliche gar keine 
Freude an ihr haben konnte. Nur mit Wenigen ſprach 
ſie, freundlich war ſie gegen Niemand. Immer blieb ſie 
in ihren Gemaͤchern und verzehrte ſich durch ihre Eifer⸗ 
ſucht. Der Einſamkeit nachhangend, floh ſie Feſte und 
Vergnuͤgungen. Vor Allem haßte und ſcheute ſie die Geſell⸗ 
ſchaft von Frauen, mochten dieſe Flamaͤnderinnen fein oder 
Spanierinnen, alt oder jung, hohen oder niedern Standes. 
Bei alledem fehlt es ihr nicht an Verſtand: ſie lernt mit 
Leichtigkeit, was ihr mitgetheilt wird, und die wenigen 
Worte, die aus ihrem Munde kommen, ſind wohlgeſtellt 
und verſtaͤndig. Dabei bewahrt ſie jenen feierlichen An⸗ 


ſtand, welcher fuͤr Koͤniginnen ſich ſchickt. Ich konnte 
daruͤber urtheilen, als ich in meiner Antrittsaudienz ihr 
die Aufwartung machte. 

Das koͤnigliche Paar hat vier Töchter. Die aͤlteſte, 
Eleonore (nachmals Königin von Portugal, dann Gemahlin 
tanz I. von Frankreich), ift 10 — 11 Jahre alt, bie zweite, 
Iſabelle (nachherige Gemahlin Chriftian’s IL. von Dänemarf), 
fieben, dann folgen Maria und Katharine (nachherige Königin 
von Ungarn und Königin von Portugal). Bon ben beiden 
Söhnen ift der äftefle, Karl, 6—7 Jahre alt (Karl V. 
war geboren am 24. Febr. 1500), gut ausfehend und 
mit vielen Anlagen. In Allem, was er thut, zeigt er ſich 
beherzt und heftig: er gleicht dem verftorbenen Herzog Karl 
(dem Kühnen) von Burgund. Der zweite iſt ungefähr 
vier Fahre alt und in Spanien geboren, mo er fih auch 
meiſt aufhält und jegt befindet. Sein Name ift Serbinand. 
Des Herzogs Karl Wohnort iſt zu Mecheln in Brabant, 
wo er vom Volle fo forgfam bewacht wird, daß fie eher 
fih in Stüde hauen, al® Ihn außer Landes ziehen lafien 
würden. Jetzt wird er nach dem Tode feines Vaters *) 
Herr von ganz Flandern bleiben und dann feiner Mutter im 
Königreich Caſtilien und dem römifchen Könige, feinem Groß: 
vater (Marimilian I.) im Erzherzogthum Öftreich nachfolgen. 

Die Hofeinrichtung ift folgendermaßen befchaffen. Der 
Oberſtkaͤmmerer bat unter fi) 20 Kämmerer, bie monats 
lich jeder 40 Golddukaten vom Herzog beziehen; außer 
biefen 4 Rammerbiener mit einem Monatsgehalt von 10 
Dukaten. Der Oberfihofmeifter hat unter fi 5 Truch⸗ 
fehfe, deren jeder 50 Dukaten erhält. Der Oberflalimel: 
fter hat unter feinen Befehlen 20 Stallmeiſter, die das 
Mundſchenkenamt verfehen, 70 andere, welche den Tiſch 
beforgen, 70, welche die Speifen zeriegen, und noch 70 
andere, deren Obhut die Pferde des herzoglichen Marſtalls 
anvertraut find. Jeder von ihnen hat monatli 20 Du: 
taten: Überdies ſtehen unter ihm 25 junge Leute, welche 
den Deren immer begleiten müflen und bes Mongts 10 
Dukaten erhalten; zudem noch 20 Knaben, - für beram 
Kleidung und Unterhalt er 100 Dukaten monatlich bezieht. 
Dem Obergarberobenmeifter find zwei Garderobenmeiſter bei⸗ 
gegeben, weiche für des Herzogs Kleidungsſtuͤcke forgen und 
50 Dulaten des Monats beziehen. Die genannten vier 


*) Philipp der Schöne war ſchon bei Duicin?s.Rüdtepe nad 
Venedig am 25. Sept. 1506 geſtorben. m 








874 


Herren find die vornehmſten am Hofe, und dent Hekjoge‘ 
die Liebften und gehören zu feinem Rath. Ihre Unterge: 


ach int Any: Die Männer befafien fi alle mit Han- 
delsgeſchaͤften. Häufig befuchen fie die Wirthshaͤuſer und 


benen find fämmtlich reiche Edelleute, meift Stamänder? P ihr größter Genuß befteht im Efien und Trinken. Sie 


wenige aus andern Nationen. Sie dienen nicht täglich, 


fondern ru Ti A gabe ie fü an ac, mit 
ca afiniten :(Arderi} bat e im Mer: 
fuhr. Bert vorkimninbeh Scen ie alch Be 
Edelleute gerüftet fein. 

Neben den genannten gibt es drei 
quartiermeiſter (Possentadori maggiori), welche Allen, die 
zum Hofe gehören, ihte Wohnungen anweiſen. Ihe Mo 

beiäuft fi auf 40 Dulaten. Ihnen beigeord: 
net find 10 Quartiermeifter mit 10 Dukaten monatlid. 
Noch befitidet ſich beim Herzoge ein Beichtvater, der D6r 
minikanermoͤnch und Biſchof iſt, ein oberſter Kaplan mit 
24 Kaplaͤnen, Sängern und Orgelfpielern, deren jeder mo: 
au 10 Daukaten bezieht. Sodann hat der Herzog 6 
Gcheimfchrelber amd 2 Ärzte, mit einem Einkommen von 
70 Dukaten, 6 Hetolde als MWaffenträger, 2 Stocktraͤ⸗ 
ger, 12 Trompeter; 8 Poſaunenblaͤſer und Pfeifer, 2 Lau: 
ten und 4 Fiedelſpieler, 100 Bogenſchuͤtzen ats Leibgarde, 
200 Hellebarblere, welche ſtets neben bes Herzogs Noffe 
hergehen and Ale Deutliche. find. Außerdem 2009 Dom: 
mesd armies, weiche monatlich 20 Dukaten beziehen, umd 
2000 Deutſche mit 6 Dukaten zür Bewachung der gel: 
driſchen Grenze. Wr die niedere Hofdienerfchaft werben 
wa 100. Dukaten des Monats aitögegeben. Alle Oben: 
geriannten zufammtengerechnet, verankifien eine Ausgabe von 
dttba 300,000 Dukaten des Jahres. Überdies belaufen fich 
VIE Tafelgelder mit dem Fütter der Pferde auf 40,000 Du⸗ 
Eiten, und für den Hof der Kaum, wenn ein folcher 
vorhaben, 20,000. Die Penfionen an die Herren tm 
Laude belaufen fich duf 50,000; die Geſandtfchaften, welche 
aus der Pridatkaffe bezahle werben, und Anderes macht 
gegen 15-- M00d Onkaten aus. Alte gewoͤhnlichen Aus: 


gechen zeſanmiengetechnet gegen: 240,000 Dukaten, ohne 
die außerordentlichen: 

Die Bewohner ber dem Heezog von Burgund gehoͤ⸗ 
tigen Ränder machen zufanmmen: etwa 200;080: Familien 
bus! Darunter fird miciche Herren, Befiger von Schloͤſ⸗ 
ſeru und Oetſchaften/ unter benim bee gtoͤßte der Graf Yon 
al, wilchec 15,000 Dükaren Einkünfte hat. Alle find 
böm: Herzoge uhrnthatt, ohne itcdeß: verpflichtet zu fein, 
*rden’ The threr Eihkhnfte ihm abzettreten· Im Gegen: 
thell gibt der Hetzog Atteh: Penfionen aus ben Einkunften 
bed‘ Herzogthruns. Wenn der Hetrſchet fie aufruft zum 
Keiegt, inſten fie‘ ihm Folge, und Jeber fuͤhtt Bewaffnete 
vote: ſich auf fee Koſten, je nuch feinem Vermögen. Im: 
"der Kriſvling, ſoccis im ihtem oöͤffenttichen Auftreten zeigen 
"u Herren geriuie Pracht. Im ihren Wohnungen ber 
gehts hoch hee und giauzend, und fie geben mehr aus, als 
fi ww SL Rufker machen ihnen tameniich. Effen 
“ad = BAR: des Heczogs Edelleute Halten fie offene 
VWaftüa, Dem! diefe haben Anderes nichts zu than, als Bei 
ben vornehmen vn zu Mittag und Abend zu eſſen. 
Dub Boͤrk iſt Kom: gutin Chmuker. Es liebt feinen 
Herrn, es iſt chriſtilchh geſiunt, nicht hochrilthig tin Reden 


leichter aber n 





fie, die grofiil 6 


empoͤren ſich leicht, wenn ber Herrſcher gegen fie bandelt; 
gegen Statthalter. Es wäre alfo nicht 


unerwartet jegt deim ode ihred Hzogs und 
Koͤnigs 2. die iR ng. auffnden, falls’ diei Fran⸗ 
sofen fie in Nuhe laſſen. Wuͤrden ſie aber von dieſen 
belaͤſtigt, 


fo- würden fie gewiß Alle ſich einigen zur Ver: 
theidigung und von Jedem ſich regieren laffen, namentlich 
dene roͤmiſchen Könige, welcher zur Beſchuͤtung des Exches 


‚ feiner Enkel nah Flandern kommen würde. Wären in: 


deß die Angelegenheiten wieder in Ruhe und Ordnung, fo 
müßte er nach Deutichland zurückkehren, weil dies Votk 
fih nicht von den Deutſchen beherrſchen laſſen will, Mit 
vollem Rechte kann man diefe Leute gut nennen; denn 
bei ihnen findet man nicht Sittenloſigkrit, nicht Gottver⸗ 

eit, nicht Neid, nicht Huß, ſelbſt niche: Eiferſucht, 
obhleich die Frauen int Allgemeinen [ddr und fehr zu⸗ 
traulich find. Die Kleidung ber Frauen beſteht in einem 
ſchwarzen Maͤntelchen (der noch jegt uͤblichen Faille), das 
uͤber den Kopf geworfen wich wie bei unfern Vetſchweſtern 
(Pinzöchere). Dies Kleidungsſtuͤck blekbe unoereaͤndett. It 
ihrem ganzen Weſen find fie heiter und die Muße mach 
häustichen Geſchaͤfteir verwetiden fie Auf Tank, Gefang, 
Muſik und Vergnugumen. Das: Shusrefen' führen: fie 
ohne Dazwiſchenkunft des Manties. Die Maudchen wer 
ber bis zum heivktäfähigen Alter in einet Art von RE: 
ſtern gehalten, die mian Begtinenhoͤfe nennk, welche aus 
einer Menge kleiner Wohhungen beſtehen, wo Fiauen weh: 
nen, die entweder nicht haben heirathen todllen, oder vet⸗ 
tobt find. OH befchäftigen ſich mit Handarbeiten, na: 
mentlich niit Leinwandideben; jede lebt von dem Ihrigen 
und manche beteichetn fich. Sie leben ehebirt, theiks weil 
gute Aufſicht gehalten wird, theits auch, weil in dieſem 
Lande Ztauemn und Mauner külterer Natut ſtird als in 
irgend einenr ander niir bekannten Lahe, 

Diet Dinge finb dei dieſen Seaten ale‘ Hateptbeſtand⸗ 
theile ihres Lebenounterhalts etfoderlich· Wet, gefaljene 
Buͤtter, Haͤringe und Torf, eine Hit Erbe, die aris ver⸗ 
rtröderten Wurzen und andern Beſtandtheilen zuſtimmen⸗ 
gefege HE Und, in Stücken geſchnitten, zum Fellern dieht 
glei) det Kohle: Diefe vier Dinge find fo nöthig, daß 
fie in jedem guten Haushalte für den jährliche Bedarf an- 
gefchafft werden und bie vier Elemente Flanderns heißen: 
Das Land iſt groß und: wirb vor Frankreich, von 
der delttſcheii Kurfuͤrftenthuͤmern, dor Frieſlanb und Sem 
Meere begteitzt. Es iſt In gehn Provinzen getheillt: Flau⸗ 
dern, Brabant, Artvis Heimegati, Zerland, Hollaud, Na⸗ 
ir, Laxeinbitg, G und ein Telt dee Pieaedie. 
Diefe Prodin zen jun Theit betgig, zur CHEM ober; ſuid 


"alle fon eilch, htbewehn, mike Helen! Sutcten Sajıdf: 
feet and Dorfſchaften, worunter 183° uhkmeirette 


| chaf⸗ 
ten. Untet dieſen zählen die miketlern 3 SO 

6 20,000, Btüdut 25,000, ungefähr 
ebenfo vlel Antwerpen, durch Dandet Efe reichſte Stade: von 
alter; Grit I0,000; Bruͤffel 13,008, Hergogenbiſch und 


Mechelw E00, Lö 10,000, Areas: und Amſterdam 
6— 7000. Alte: dieſe Sehdtd find: ſchoͤn und ſtatk befet 
fiigt und’ meiſt in Niederungeit gelegeit, fobaß fie’ leicht mit 
Waffer urugeben werden können. Zug find fie ale‘ niit 
Kioͤſtern und Kirchen geziert. Piäge, Straßen, Haͤuſer find 
aite. Menfehen geflliez Wohlhabenheit herrſcht alerts, 
denn bie Bürger find‘ Kaufleute, und die’ vom Wolke 
Handwerker. Namentlich befhäftigen fie fi mit dem 
Leinwandweben und Teppichwirken, fowie mit allen andern 
zum täglichen Bedarf erfoderlichen: Zweigen der Thaͤtigkeit. 
Neben den Städten und größern Ortſchaften zählt das 
Land’ über 1500 Dörfer, von denen einige. eine Ring: 
mauer haben. Auch in diefen geben Männer wie Frauen 
fih mit dem Leinwandweben ab, mit dem Landbau we⸗ 
nigere, weit die Menge der Einwohner zum Umfang der 
Ländereien nicht im VBerhäftnig ſteht. Doch ift Lund ge: 
nug vorhanden, um immer eine hinreichende Quantität 
Getreide zus geben, nicht aber Wein. genug, weil die Trau⸗ 
ben nicht allerwärtd gut fortkommen. 

Die geößern: Städte und Ortſchaften, welche keiner 
andern Stadt untergeden find, Haben’ jede einen Buͤtger⸗ 
meifter und 12 Schöffen, welche die Civil: und Crimi⸗ 
naljuſtiz verwalten, Dieſe werden jährlich vom Herzoge 
eingefegt, welcher jährlich zwei feier Geheimſchreiber als 
Eommſſarien fendet, Burgernieiſter und Swoͤffen zur wäh: 
len, die danır von einem Jahr zum andern beſtaͤtigt, oder 
aber neugewaͤhlt werben koͤnnen. Zu folden Stellen koͤn⸗ 
nen nur Bürger des Ortes felbft gelangen. In Criminal: 
@ällen: urthellen dieſe Bürgermeiſter und Schöffen: ſümma⸗ 
riſch und die Juſtiz wird raſch und’ ſtreng verwaltet. It 
Civilſachen ziehen ſie das Urtheil in die Laͤnge und er⸗ 
muͤden beide Parteien. Neben dieſen gibt es in jedem 
Drte einen Scuitheiß, der vom Herzoge auf Lebenszeit 
ernannt wird und 12° Schreiber hat. Sen Amt gibt 
ihm auf, die Übelchäter einzuziehen und die Urtheile voll: 
firecden zu laffen, Außer den genannten Ämtern gibt es 
mauche aubere.nodh, je nach dene Bedarf der einzelnen Ort: 
ſchaften. Diefe £ m laffer das ihnen untergebene 
Land: nah detfetöen Weife verwalken, wie fie ſelbſe ver- 
waltet werden. Sie beflelen Land: und Dorftichter, bes 
cen Urtheilöfprische nach den Haupforten geben, von denen 
fie abhängen. Dis Gerichtskoſten werben aus dem Ge: 
melnderhtlommen: befteilten. Neben diefen Localbehoͤrden 

Hit man vler Haupteonſells — einen Rath nänttich fir 
(andern, einen für Brabant, einen für Holland und eis 
zen vietten: fie Bargund im Allgemeinen. Jeder bat ei: 
were Chef mie 127 Mäthen, die alle bezahlt werben vom 
Lande, dem fie angehören, und auf Lebensgeit ernannt 
werden. An fie ee Appellation don allen in den 
Staͤdten erlaſſenen eilen, und gewoͤhnlich muß man 
lange: auf ihte Entſcheidung warten 
Die Einkünfte, welche ‚bie Staͤdte beziehen und weiche 
zu oͤffericlichen Zwoecken verrdandt werden, ſind ſo vielfach, 
daß mie ſchwer fallen würde, fie hker zu bezeichnen. Ant: 
werpen allein, welches jetzt Pt Sinafıe macht ats Brügge 
und andere Orte und zwei Freimeſſen bat, deren jede drei 


Monate währt, bericht an Zoͤllen 150,000. Dukaten int 


Jahre; Brügge gegen 100,000, ebenſo viel Bent, Watıf, 
fet 30,000; Wirteinc40,000, Die hoilandtſchen· Staͤdte ums 
Ortſchaften über 300,000 ,- Zeeland gegen 100; und 
der Reit’ des Landes ungefähr 150,000. Diefe ar 
belaufen ſich alſo ungefähr auf eine Million Dukaten, und 
über: diefe: wie über die Gennindenuesgaben: muß bas Laub 
dem Herzoge jährlich Rechnteng ablegen, Dies wurde vor 
Alters‘ von ben Hetren fo eingerithter, mit Beiſtimmung 
des Volkes und der Vornehmſten in den Städten, auf 
daß Alle Theil: haben könnten an gensanten Einkünften, 
von welchen urfprühglic die Herzöge von: Burgund nice 
fobern durften. Es wurde fo beſtimmt zur Zeit, als bie 
Völker von Flanderh und Brabant mit eigenen Gelde 
Herzog und Land von der Oberhoheit Frankreichs loskauf⸗ 
ten, in bie fie gelangt waren. Go biisben fie denn fer 
von jeglicher Bedruͤckung, nebſt allen. andern Provinzen, 
die unter denfelben Bedingungen an das Haus Burgund 
gekommen find. Aus diefem Grunde find auch die Ein: 
Bünfte von diefem Lande aͤußerſt gering für einen ſolchen 


Fuͤrſten, und uͤberſteigen, dem Deko Jule, nicht 


die Summe von 1001000 Dukaten. Diefe Summe mochte 
vieleicht zu Anfang hinteichen zu ben Ausgaben. Als’ aber 
die Herrſcher ſahen, daß dieſe Ausgaben fo hoch ſich bes 
liefen, erfuchten fie das Volk, das fehr ceich war, um eine 
Beiſteuer für ihren Hofhalt, dann. ten fie Beifteuer 
zu den Kriegen, bie fie zu führen hattenz endlich gewoͤhn⸗ 
ten fie das Volk daran’, alle ſechs Fahre eine Summe zu 
zahlen, weiche fih auf 300,000 Dufaten belaufen Eonnte. 
Nachdem num bie Herrſchaft aa: den. Herzog Philipp (dem 
Buten) gelangt war, den Vater des Herzogs. Kart. (des 
Kuͤhnen), ſteigerte er allmaͤlig ſeine Foderungen wegen des 
Krieges mit Frankreich, und erhlelt ungefaͤhr 150,000 Bu: 
katen mehr alle ſechs Jahre; endlich in feinem After mächte 
ee. von Bier. zu vier Fahren: eine Foderung von 240,000 
Dukaten für jedes Sahe. Der Herzog Kart der Kuͤhm, 
der dei Alten im großer Liebe und Werkhrung ftand, 
brachte das Volk dahin, ihn von vier zu vier Jahren dfe 
Summe von- 1,200,000 Dulaten als Succurs zu zah⸗ 
len, was nidyt gering. war, Seit jenes Zeit bat ber Be 
brauch fi fo feftgeftellt, daß diefe Summe von 
Dukaten fuͤr jedes Jahr regelmäßig verfangt wird, fo fehr 
ifb dad Volk gewohnt fie zu zahlen. Aber es wird babe 


als Bedingung aufgeſtellt, daß der. Herzeg alle vier Sabre 


bie: Hauptorte des Landes in eigener Perſon beſuche. Im 
Falle eines Krieges, dem das Volk nicht entgegen, kann der 
Herrſcher auch noch auf eine außerordentliche. Beiſteuer rechnen. 

So ſchilderte eim Italiener vos mehr denn dreihundert 
Zahren Hof, Land und Weib in dem Miederianden, Manche 
Zuge des Bildes’ find auch jege much dieſelben geblieen 
und zeugen für die Richtigkeit und. Trene der Auffaffung. 

| Alftod Reumont, 


7 








umgedungen (Plan top 





rons etc., Toröyongla 10v ’Adnvov Ku) av negLzwpov 
eöric), 1887, 1 Ahle; und 3) Karte von Griechenland (zen 
ang, 1ou Baoılelov 175 "Eiladog ıc.), In acht Royalfoliobl 

terh, 1838, 7 Ihle. 12 Gr. — zugelommen. Alle drei Stüd 
find, nach Zeichnungen von F. Aldenhoven, in Athen lithogra- 
phirt, die beiden Tehten von A. Forſter, und zwar bie Karte 
amter 3) in der königiichen Steindruckerei, übrigens gebrudt 
von A. Huber und ben Griechen Markos Dimos, Chr. 
Shriftodulos und 3. Sarkas. Der unter 2) erwähnte Plan 
nimmt zugleih auf Dasjenige Rüdfiht, was in und für 
Athen projectist iſt, entfpricht alfo ber Wirklichkeit, wie 
fie dort 1837 war, nit. Dagegen find bei der unter 
8) gedachten Karte von Grieccheniand (fie enthält jedoch auch 
einen Theil von Thefialien und Epirus nad ber früher erfchie: 
nenen Karte von Capie, fowie die Infel Kreta) die Pläne und 
Zeichnungen ber Stabsoffiziere der franzoͤſiſchen Armee und bie 
von der griechiſchen Regierung gewährten Rachweifungen zum 
©runbe gelegt worden, unb jebenfalls if fie bei ber Genauig⸗ 
Kit, womit die neueften Aufnahmen und Vermeflungen benugt 
worden find, die richtigfte der bisher erfchienenen Karten von 
Griechenland ; auch ihre äußere Darftelung empfiehlt fie felbft, 
wie nicht minder den Zuſtand der Lithographie in Briechenland 
1888. Übrigens enthält diefe Karte zugleich theils bie Angabe 
der Grenzen Griechenlands nad Norden, theils eine Überfidt 
der vorzüglichfien Berge des Landes, nebſt Angabe der Höhe 
der einzelnen, theils berüdfichtigt fie die politiſche Eintheilung 
Griechenlands nach Bouvernements (dıoıxnosıs) und Untergou: 
vernements (unodıoıznasıs), freilich noch nach der Verordnung 
som 2, Juli 1836, 17. 


Bibliographie. 


Andreas ber Teppichkraͤmer, ober ber wunderbare Doppels 
Anger. Cine romantifche Geſchichte aus dem fiebenzehnten 

Gahrhunberte, 2 Theile. Mit 2 Iitellupfern. Gr. 12. Wien. 
1 Thlr. 18 Gr. 

Baumgarten-Crusius, L. F. O., Compendium der 
christlichen Dogmengeschichte. [Iste Abth.] Gr. 8. Leip- 
zig, Breitkopf ü. Härtel. 2 Thir. 12 Gr. ' 

Beranger’s Lieder in ben Versmaßen bes Originals 
verbeutfcht durch 2. S. Rubens. 2ter Band. 8. Bern, Fi: 


fher. 18 Gr. 

Bibliothek emglifcher Luftfpielbichter von Mehreren übertra: 
gen. Stes Bändchen: Luftipiele von I. &. Knowles. — Auch 
u. 6. 8: J. S. Knowles' Luftfpiele überfegt von E. Sufe: 
mihl. Die Liebesjagb. Luftfpiel in fünf Acten. Der Bettler 
von Bethnal Screen. Luflfpiel in drei Acten. 8. Leipgig, 
Hinrichs. 16 Sr. 

Bomwring, I., Bericht über den beutfchen Zoll-Verband 
an Lord Viscount Palmerfton, Ihrer großbritannifchen Maje⸗ 
ſtaͤt Staatsfecretaie der auswärtigen Angelegenheiten. Auf Be⸗ 
fehl Ihrer Majeſtaͤt beiden Parlamentshäufern. vorgelegt. Eon: 
don, 1840. Aus bem Snglifhen überfeht von 9. ©, Buek. 
Lex.⸗8. Berlin, Beſſer. 20 Gr. 

Krürnbergfche Denkfblätter oder Stimmen ber Gegenwart 
und Bergangenheit über Nürnberg zur Beberzigung für Ein⸗ 
heimiſche und Fremde. Schmal 17. Nürnberg. 16 Gr. 

inocourt, Papſt und Kaifer. Nach dem Franzoͤfiſchen 
frei bearbeitet. von &. H. F. be Gaftres de Zerfac. 
2 Theile. 8. seipaie „Hinrichs. 1 Thlr. 20 Er, 

Geſchichte der Buchdruckerkunſt und ihres Erfinders Johan⸗ 
nes Gutenberg. Rebſt einem Programm der Feſtlichkeiten in 
Leipzig und Berlin. Sur sO00jährigen Gutenbergs⸗Feier tm 
Jahre 1840. Gine Beftgabe für alle Stände. Gr. 8. Bers 
In, sch * 8 Biograyhie. Mon ihn ſelbft 

oven, . v., 09% e. on ge: 
Ichrieben und wenige Zage vor. feinem Tode noch beenbiget, 
herausgegeben von einem feiner Freunde und Verehrer. Mit 1 





| gebung und Rechtswiffenfchaft. Ste Auflage. 


Sit ‚ unb einem X von 18 , 
| Ele, u dern Andang son 18 Beten Be, Bi 


Jacobs, F., Perfonalien. Mit dem Wilbniffe des Ber: 
Tofiere. 8. Leipzig, Dyk. 2 Thlr. 12 Er. 

Kirſch, K., Die Aufficht des Geiſtlichen über die Volks⸗ 
faule, nad den Grundfägen des beutichen Schulrechts Gin 
Beitrag zur Paſtoralklugheit. Er. 8. Leipzig, Reclam. 2 Ihlr. 

Klüber, J. L,, Oeflentliches Recht des teutschen Bun- 
des und der Bundesstaaten. 4te, mit des Verfassers hinter- 
lassenen Bemerkungen und Zusätzen vielfältig verbesserte, 
und bis zur Gegenwart vervollständigte Auflage. Mit des 
Verfassers Biographie und Bildniss. Lex.-8. Frankfurt a. 
M., Andreae. 5 Thlr. 

Marle, I. de, Meine Beweggründe zum Uebertritt aus 
ber römifchstatholifchen in die freie evangelifch-chriftliche Kirche. 
Eine Schrift für Laten, mit befonderer Rüfkficht auf die neuern 
kirchlichen Creigniſſe und die Beſtrebungen ber gegenwärtigen 
Zeit. te, mit Vorwort und vielen Anmerkungen vermehrte 
Ausgabe. Gr. 8. Leipzig, D. Wigand. 8 Gr. 

Meyer, H., 1840. @utenbergs:Album. Roy.:4. Braun: 
ſchweig, 3. 9. Meyer. 16 Thlr. 

— —, 1810. Gutenbergs⸗Album. Br. 8. Braunſchweig, 
J. H. Meyer. 1 Thlr. 12 @r. 

Minutoli, C. v., Friedrich und Napoleon, Eine Pa- 
rallele.e Mit Portrait und Karte, Gr.8. Berlin, Schlesin- 
ger. 1 Thir. 16 Gr. 

Müller, W., Ruflen und Mongolen. Bilder aus bem 
BWechſelkampfe dieſer Wörter. Bier Band. Gr. 12. Göslin, 


Henbeß. 1 Thlr. 12 Gr. 

Deutiche Pandora. Gedenkbduch zeitgenöffiicher Zuftänbe 
und Schriftfteller. 2ter Band. Lex.⸗8. Gtuttgart, Literatur⸗ 
om: 1 re 21 Er, cd Pen 
uchta, ©. F., Ginleitung in das Recht der e. 
Gr. 8. yn Breitkopf u. Haͤrtel. 21 Gr. 

Puſchkin's, A., Novellen. Kür das Deutſche bearbeitet 
von Zröbft und D. Sabinin. Afles Bändchen. Br. 12. 
Sena, Hochhauſen. 18 Gr. 

Savigny, F. C. v., Vom Beruf unfrer Zeit für Geſet⸗ 


Gr. 8. Heidel⸗ 
berg, Mohr. 1 Thir. 4 Gr. 

Schmid, R., Ueber die Anforderungen unſerer Zeit an 
die Rechtswiſſenſchaft. Eine Rede bei der Feier des Jahres⸗ 
tages der Eröffnung der Hochſchule in Bern, gehalten am 
15, November 1889. 8. Bern, Kifcher. 1839. 4 Gr. | 

Thirlwall's, G., Geſchichte von Griechenland überſetzt 
von &. Schmit. ter Band. Mit Berichtigungen und Zu⸗ 
fägen bes Verfaſſers. Gr. 8. Bonn, Mareus. 2 Ihlr. 

Treunert, W., Gedichte und Lieder für Typographen 
und Schriftgießer zur vierten Saͤcularfeier ber Buchdruckerkunſt. 
®r. 16. Braunſchweig, 3. H. Meyer. 4 Er. 


Wagner, K.%,, Handbuch für Reiſende in Daͤnemark, 
Norwegen, Gchweben ‚ Rußland, Polen und Finnland. Kine 


Fortſegung zu G. G. D. Stein's Reifen nach ben Hauptſtaͤd⸗ 
ten von Mittels Europa. Mit 1 Neifelarte und 4 Kleinen Pläs 
nen. 8. Leipzig, Hinrichs. 1 Thlr. 12 Br. 

Die Wanderung in Broßpolen und Maſowien. Hiſtoriſche 
— aus ber neueften Zeit. 8. Leipzig, O. Wigand. 

[} r. 

Weimars Album zur vierten Saͤcularfeier der Buchdrucker⸗ 
kunſt am 24. Juni 1840, Roy.⸗8. Weimar. 8 Thlir. 

Worte, geſprochen bei der Beerbigung bed Großh. Bab. 
Geh. Raths und Profeſſors ber Rechte Dr. X. gr. 3. Thibaut, 
am 81. März 1840. 8. Heidelberg, Mohr. 3 Er. 

Bahartiäs, E., Reife in den Drient in ben Jahren 1837 
und 1838. Über Wien, Venedig, Florenz, Nom, Neapel, 
Malta, Gicilien und Griechenland nach Salonili, den Berg 
Athos, Konftantinopel und Zrapezunt. Mit 1 Karte bes Ber: 
ges Athos. 8. Heidelberg, Mohr. 2 Thlr. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von $. U. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 


Kr. 218. 


5. Auguſt 1840. 





Deutfhe Mufenalmanade. 


4. Deutfcher Mufenalmanach für 1840. Herausgege⸗ 
ben von Th. Echtermeyer und Arnold Ruge. 
Mit Franz Frei. Gaudy's Bildniß. Berlin, Athes 
ndum. 1840. 16. 1 Thlr. 12 Sr. 

2. Deuter Muſenalmanach. Erſter Jahrgang Mit 
Beiträgen von Friedr. Rüdert, Nic. Lenau, 
2. Bechſtein u. A. und einer Gompofition von 3. 
Mendelsfohpn- Bartholdy. Mit zwei Stahl: 
flihen. Leipzig, B. Tauchnitz jun. 1840. 8. 
Fe 16 Gr. 10 Heraus 

3. eichifcher Mufenalmanad. 1840. Herausge⸗ 
oben von Andreas Schumacher. Wien, Tend⸗ 
ler und Schäfer. 1840. 16. 1 Thle. 12 Gr. 


Eine feltfame Erfcheinung, drei Muſenalmanache für 
1840, wozu nahe 200 Dichter, ndmlih 191, Del: 
träge geliefert haben! Wenn wir die Menge der Did: 
ter erwägen, fo dürfen wie in unfern beutfchen Lan⸗ 
den über eine Iprifhe Hungersnoth wahrlich nicht kla⸗ 
gen, cher über zu großen Reichthum an Maffe, wenn 
auch nicht an Poeſie, die ebenfo nach Dichtern hung: 
eig iſt, wie die Dichter nach Ihr hungrig find, ohne 
daß eine gegenfeitige Sättigung flattfände; vielmehr find 
viele, wo nicht die meiften Dichter, welche zu biefen Mu: 
ſenalmanachen beifteuerten, wenigſtens in poetifcher und 
gedankticher Hinficht, Hungerleider, die in erborgtem Plun: 
dee einherflolzgiren und fich von den poetifhen Broſamen 
ernähren, welche von reicherer Leute Zifche gefallen find. 
Denn nit Alle, welche Herr! Here! fagen, werden in 
das Himmelreih kommen, und nicht Alle, deren Namen 
in diefen Muſenalmanachen prangen, verdienen darum den 
Hramen eines Dichters und gehören dem Dimmelteiche der 
Poeſie an. Es hat wol jeder einigermaßen Gebildete ein: 
mal einen poetifchen Gedanken gehabt und in Reime und 
Versfüße gezwaͤngt; das ift ein unfchuldiges Vergnügen 
und fchadet weder dem Dichter, noch dem befungenen Ge: 
genftande, noch der Wohlfahrt der Literatur; aber bedenk⸗ 
licher wird biefe Leicht erworbene Fähigkeit, wenn fie 
dreift genug iſt, ſich in Öffentihen Druck- und Sam: 
melmerfen geltend zu machen. Leider find aber viele der 
bier auftretenden Dichter Iprifhe Ritter, zwar nicht 
ohne Tadel, doch ohne Furcht, die mit eiferner Stirn bes 


gabe find und fi dem Urtheil bes Publicums wie der 
Kritik keck gegenüberftellen.. Da iſt es nöthig, mit ihnen 
eine Lanze zu brechen und fie in die ihnen gebührenden 
Schranken zurüdzumeifen, ohne deshalb die Ehrfurcht vor 
denen zu verlegen, welche fich bereits erprobt haben, ober 
das Gefeg Pritifcher und chriftlicher Liebe gegen diejenigen, 
weiche durch ihre Leiftungen Hoffnung für die Zukunft 
erweden. Auch wollen wir nicht grießgrämig fein, fons 
dern anerfennen, daß fogar diefe Menge von Dichtern 
etwas Erfreuliches hat. Es ift, wie mit einem Spazier: 
gange im Walde zur Zeit der Lenz: und Morgenfrifche; 
da fingen, trillern, zwitſchern, Hagen, jubiliren Nachtis 
gallen, Lerchen, Stieglige, Sperlinge und Spechte wild 
unter: und durcheinander; die meiften fingen fchlecht, we⸗ 
nige, wie etwa bie Nachtigallen, gut, aber das Ganze 
gibt doch ein angenehmes und Iuftiges Concert. &o wel: 
len wir denn biefe Iprifchen Singevoͤgel doch auch gelten 
laffen und, nachdem wir ein paar allgemeine Bemerkun⸗ 
gen hinzugefügt, zu den Einzelheiten fortfchreiten. 

Dies Iprifhe Element ift den Deutfchen faft fo we: 
ſentlich wie das tägliche Brot. Der Solbat, der Hands 
werföburfch, der Student muß fingen; der Liebende dich: 
tet, auf Grund der Blumenſprache und feiner eigenen 
blumigen Gefühle, einige, wenn auch trivfale, doch gut 
abgemeffene Verſe; der Kirchengefang, infofern das ganze 
Publicum daran Theil nimmt, hat ſich nirgend fo felb: 
ftändig entwickelt als in Deutfchland; die Kinder in Deutſch⸗ 
land können nicht fpielen ohne Gefang und die Alten nicht 
teinden und fehmaufen ohne Geſang. Indeß müffen wir 
bier einfchaltend erwähnen, daß wir in unferm Zeitalter 
der parlamentarifchen Beredtfamkeit und unferer Sucht, 
Fremdes nachzuahmen, gehorchend, unfere Schmaufereien 
mit Zoaften und Reben zu verhertlichen beginnen und bei 
außerorbentlichen Gelegenheiten felbft auf öffentlichem Markte 
gehört fein wollen; ber Überkluge will ralfonniren, der 
Naturmenſch will fingen. Aber ber Deutfche bat noch 
immer viel Naturmenfchlidhes und man darf annehmen, 
daß wir früher oder fpäter, wenn wir uns erft wieder in 
unferer Natur recht erfaßt haben, zum Singen zuruͤckkeh⸗ 
ven werden. Unſere Muſenalmanachsdichter haben davon 
einen entfernten Begriff; fie dichten und fingen, wie ihnen 
Schnabel und Federn gewachfen find, leider nur zu ge: 
dankenarm für ben Gelehrten und zu wenig verftändlich 





. 808 


für das eigentliche Vol. Ihre Lyrik iſt ein Mittelding 
zwiſchen Klopſtock und Claudius, ihre Baſis meift die 
nadte Subjectivicät, das felbftifhe Selbſt. Es ift damit 
"gie mit dem ha ze dem a nd bei dem 
nt e hlich fern kann, Gewaͤchs, das mie 
Poeſie & —* und doch feine iſt. Die —e Rprit 
fucht ſich zwar dem Volke hier und da anzundhern, aber 
von oben herab; fie geht nicht aus dem Wolke hervor, und 
weder Anaſtaſius Gruͤn noch Lenau önnen je im eigents 
lichen Sinne bes Worts populait werden, ber Gedanke iſt 
meift zu fplelend, der Ausdruck meift zu zterttch, die Ten: 
benz meift zu verſteckt. Faſt alle modernen Dichter haben 
nur Kehlkopfftimmen, eine Bruſtſtimmen; und über diefe 
„allgemeine Regel gehen die hübfhen Ausnahmen, die man 
„gerabe bei Lenau und Anaſtaſius Grün, noch mehr in den 
„fatleifchen Liedern von Gaudy findet, dem Molke leider 
verloren, Man dichtet .alfo für Schriftgelehrte, die jedoch 
‚ein fauertöpfifches und kritiſches Publicum abgeben. Sie 
‚nerftehen allerdings die ſchoͤnen, wenn auch oft gefuchten 
"Bilder, mit denen uns unfere Lyriker bewirthen, aber fie 
. zerlegen fie audy und fehen zulegt ein, daß ber zu Grunde 
liegende Gedanke des vielen Bilderaufwandes nicht werth 
war, Die epigrammatifhen, fpöttifgen und hoͤhniſchen 
Wigeleien in Heine's unartigern Liedern können dagegen 
nur einens verdorhenen, durch den Genuß von allerlei Ges 
wuͤrz abgeftumpften Gefchmacke zufagen. Im Ganzen geht 
aus ben brei vor und ‚liegenden Muſenalmanachen hervor, 
. daß die rechte Volksweisheit, das allgemein verfländliche 
Spruchartige in unfern Eprifern nicht mehr lebendig ift 
und daß das Epifhe, die Romanze und Ballade, worin 
fih eine geſtaltende Phantafie noch am Eräftigften zeigen 
Tann, mehr und mehr einem blos fubjectiven Ausbrude 
von Gefühlen und Empfindungen Plag macht, der von 
‚alter Geftaltung faft fo fern ift wie die Mufit; denn das 
Muſikaliſche ift in den Gedichten üunferer gegenwärtigen 
Eyrlk vorwaltend und tm der That dasjenige Element, was 
noch am meiften Lob verdient. Selten begegnet man noch 
einem koͤrnigen, originellen und felbfändigen Ausdrude, 
iobifä) fentimentalen und 
Rens duch mufitaltfhen 
fität ergögen kann. Daß 
enten nicht fehlt, welche 
wird fi bei der Bes 

erausftellen. 
nanach iſt als eine Fort: 
id Chamiffo herausgege: 
zu betrachten, ber feine 
ſchwaͤbiſchen und nord: 
e Dichtern zählte, Un: 
ührgang des „Deutfchen 
mnen, unter den Schwa⸗ 
fer figuricenden Dichter 
Sefenfchaft jüngerer bers 
Poeten finden fih im 
Gatzzen nur wenige, hierunter bie ſchwaͤbiſchen Dichter 
Schwab und der Graf v. MWirtemberg, ber Öftreicher 
Seidl, der Ungar Lenau u. A. Ob und die jegigen Her⸗ 


zum ergöglichften 
| Man höre die Verfe: 


ausgeber, Ruge und Echtermeyer, welche als Dichter wenig 
bebeuten und mehr einer kritiſch⸗philoſophiſchen Richtung 
angehören, bie frühere Nedaction vergeffen machen und 
für das Gedeipen des Muſenalmanachs Garantie gewaͤh⸗ 
en koͤnnen, baͤrfte Tehe zu Senpefein fein. Beide haben 
ſich, alerdings mit feltener Ahfeichtigkeit, gegen gemiffe 
poetifche Richtungen, z. B. gegen bie Romantiker, von 
Tieck bis auf Brentano herab, fo ſcharf und ſtrict ausges 
ſprochen, daß es faft einer Ironie aͤhnlich ift, ihre Namen 
einem Mufenalmanadje vorgedrudt zu fehen; ja, es ſcheint 
uns faft, als hätten unfere Lyriker ihre Gutmäthigkeit zu 
welt getrieben, wenn fie ſich unter biefer Firma, Lerchen 
unter ben Fittigen ihrer Tritifhen Geier, verfammelt has 
ben. Doch muß man aud den Herausgebern zugeftehen, 
daß fie mit gleicher Unparteilichleit verfahren find und 
Vieles in den Frucht: und Kornſpelcher ihres Muſenal⸗ 
manachs aufgenommen häben, was ihnen, ihren oft aus⸗ 
geſprochenen Grundfägen gemäß, nothwendig als Spreu 
und leeres Stroh erſcheinen muß. Mit Rührung bekrach⸗ 
ten wir da6 Portrait des bahingefäylebenen Gau dp, wels 
ches als Titellupfer dem Buche Gligegeben iſt, und mit 
Ruͤhrung lafen wir bie Gedichte bes Freiherrn, welche den 
Reigen eröffnen und Leicht die beiten, wenlgſtens die cha⸗ 
rakteriſtiſchſten Beiträge fein dürften. Es walter darin 
eine prächtige Ironie und Satire, fo in dem „Mätden 
von Schlaraffenland” und in dem Gedichte „Bee weiß, 
wozu dad gut. Gaudy hätte für ſatiriſche Gedichte ges 
ade ben rechten Ausdrud und das rechte Maß, und wenn 
er nicht populalter geworden, fo liegt das zumeiſt wol daran, 
daß das große Publicum fi den poetiſchen Intereſſen 
entfremdet zu haben ſcheint und fein befferes Theil der 
bloßen Ohren und Augenluſt opfert. Studium det Beran- 
ger’fchen Dichtweife läßt ſich bei Gaudy nicht verfennen, 
aber er hat Veranger, um fo zw fagen, dergeſtalt bereis 
genthumlicht und eingebeutfht, daß man faft nur dur 
bie Refrainmanier an den Sranzofen erinnert wird. Gewiß 


gab «6 in Deutſchland keinen frelern und frelſinnigern 


Freiherrn als Gaudy. Auch für zärte Empfindungen fand 
ihm ber rechte Ausdtuck zu Gebote, wie das Gedicht „Nur 
fünf Jahre” beweift. in friſches Talent, welches ſich 
aber du erfiäitlic in Spielerel verliert, offenbart, ſich in 
8. €. Tenner. Minding lieferte in feiner Moder⸗ 
nen Debdication” eine twohlgerathene Satire auf Freilige 
rath's ſchwergereimte geographiſche Dichtmanier, die er, bis 
Erſtaunen, getreu nächzuahmen weiß. 


Seide dir die Hand, dir größter in Waihalla, 
Se 
A a A ea ner Biter: AU} 
ber: J 

Cukolpaten wiegt, das holde eied zu lernen, 

ei 55 * obe I m 
Bau im ber Kara. nn Du ben Eteenen, 
"Mertwlrdigerweife finden wir in. diefem Almanache 
ein Gedicht von Freiltgrath, obäleih er fi 300 
Seiten vorher verfpotten laſſen muß. Das Gedicht 


8 


"Hat „Die Roſe“ und iſt minder ſchwer gerelmt und min: 
’ der mit ethnographiſchen und geographiſchen Stichwörtern 
werfehen, als fonft Sreiligeath'6 Poeſien zu fein pflegen, 
fpielt aber immer noch zu viel mit Worten, Reimen und 
Bildern, Hinter denen der Gedanke in ein aſchgraues Chaos 
sufommenläuft. Schöne, mit Empfindung, Wohllaut und 
großer Virtuofität in Vers und Sprache ausgeftattete Kie: 
der, die freilich ungleihen Wertes find, gibt uns in feis 
nem Gedichtepius Liebesleben⸗ R. E. Prug, ber uns 
"in feiner Eigenſchaft als kyriker mehr anheimelt ats in 
‚feiner Eigenſchaft als Kritiker. Trefflich z B. endet das 
Gedicht „Lieb und Leben” mit folgender Strophe: B 
Das Leben ift ein muntres Weib 

Ia ew'ger Jugenbſchone 

Wohlauf! und zeug’ aus ihrem Leib 

Die echte, rechte Sohne: 

Die folten feöhli dich ambläßn, 

Dar Hab Se Spaten Fol und Fifa 

Die trben, wenn wi flecden, " 
Bon feinem kritlſchen Geiſtesgenoſſen A. Rüge, dem 
Mitherausgeber, koͤnnen wir, was feine hier mitgetheilten 
Gedichte betrifft, nicht Daffelbe rühmen ; wir finden fie 
durchaus ge ich und feiner, als eines fo unnachficht⸗ 
lichen Kritikers, nicht würdig. Friedrich Foͤrſter's 
Gedichte find zu äußerlich, um als poetifch gelten zu kön: 
nen, des würdigen Stägemann Beiträge erfreuen 
mehr durch ktaftvollen Ausdruck Adel und patriotiſche Ge: 
flanung, als durch eigentlich dichteriſchen Inhalt, die bes 
Freiherrn Eichendorff durch tiefe Empfindung und an⸗ 
mutbige, obgleich zuweilen etwas lodere Form; auch weis 
fen wir, weil wir bier einmal bei den Altern Dichtern 
Fehen, auf das huͤbſche Gedicht „Im Sehnen” von F. 
W. Subig hin. Friedrich v. Galler fplele in fel: 
nen ten mit dem Tieffinn und mit Leopold Sche⸗ 
fer ſpielt der Tieffinn in deffen Gedanken und Sprüchen. 
Die Gräfin Hahn: Hahn gibt in ihrer kecken Weiſe ein 
anſprechendes Gebicht „Das Harfenmädchen”, Hoffmann 
v. Falterstenen ein foviat bumorifkifch-faticifches unter 
dem Titel „Mauslägchen”, Peter v. Bohlen mehre 
Überfegungen, die eigentlich in einen beutfhen Mufen: 
almanach gar nicht gehören, untes denen jedoch ein Lieb 
nach dem Schottlſchen, „Dies und Das“, allerliebft und 
auch trefflich Übertragen if. Unter Kugler’ s' Liedern 


befinden ſich mehre gute. Lenau theilt einen Mädhtge: |- 
fang mit, deſſen erſte Abtheilung kraftvoll vorgetragen If, |" 


während bie zweite fi ein wenig in das Wirre und Un: 
beftimmte verliert, und J. Mofen einen Wechſelgeſang 
über die Liebe zwiſchen einem Wanderer, einem’ Adler, 
Hirten, Schwalben, Eulen und allen Naturen und Trea⸗ 
turen, ber, wenn guch nicht ‚originell, body feltfam iſt. 
As weſentlich muſitaliſche Dichter maſſen genannt wer 
den: Gruppe, €, Fert and, Ilegtsrer beſouders In dem 
ſqchönen Gebichte „, m”, €. Reinhold, Din: 
geiftedt, Marlow. Xalent, entweder fhon Bewährte 
oder neu auffleigend, zeige ſich auch in den Gedichten von 
J.Blau, H. Kletke, Materath, A.undR. Mäls 
ler, A. Peters, 5 W. Rogge, I. G. Seidl, von 


dem folk jeboch ſchon Beſſeres als das hier Mitgerhe 
gelefen haben. Das Epiſche, wie wir ſchon in der Eins 
leitung angedeutet, tritt auf eine auffallende Weiſe zuruͤck; 
G. Schwab llieferte eine ‚nicht einmal bedeutende Regende 
und Karl Simrod einige Rheinfagen, die eben nur 
lesbar find. Somit Hat diefer Mufenalmanad) eine ziem⸗ 
lich monotone Färbung; und obgleich wir vieles einzelne 
dart ober tief Empfundene daran gelobt haben, fo muͤſſen 
wir zulegt doch geſtehen, daß uns nur Weniges oder Richte 
aufgeftoßen iſt, was uns mit unwiderſtehlicher Gewalt er: 
geiffen und feftgehalten hätte oder von einer tüchtigen 
Selbftändigkeit und durch Neuheit übercafchenden Drigi⸗ 
nalitaͤt des Talents Zeugniß ablegte. Vielmehr ſcheint es 
uns, als träfen die bereits aͤltern Lyriker ihre aitbeque⸗ 
men Schuhe noch mehr aus und bie jüngern mobdelten 
{pe Veröfußs und rythmiſches Schuhwer? nad) dem Leis 
ſten der Altern Lyriker. 
Dee Befälus folgt.) 





Deutſche Volkefefte im 19. Jahrhundert. Geſchichte ih⸗ 
ver Entſtehung und Beſchreibung ihrer Feier. Heraus: - 
gegeben von Fr. A. Reimann. Weimar, Landes: 
Induftele:Comptolt. 1839. Rt. 8. 1 Xhle. 8 Br. 


6 Be beftept Haupt 

ſaͤchlich in eines fie — Vergieichung der nicht unbeträhte 
ben. fehr wichtigen Segenftand. Es ift 

ſchen Kircenfeften, ſon⸗ 


ie greifen tief in bie Se aentosgefiichten der gigenden und 
m ib der Bits 


rigitten⸗ Ki 
ug in dem 





materielle Dctoberfeht, gu Münden und, andere Seite 
nee Gtädte, um ben Uni ieb des Seiſtes, bie Gtufe ber 
uitur, die Sutwiddung der Bolkeſitten pie und da 13 


f len, der 
ee —ãE 
der don ihm. über 8 — 
1 GIB fh Die Bermaefen und ßöche wild Bir 

fihe wifommene Babe fein, und ber. Fleiß und das Urs 
theil des Hm. Verfaſſers find, wie wir glauben, ber Aufgabe 


Bu den Boltsfeften in Ipkringen und in des Hrn. Perf, 


naͤchſter Umgebung gehört auch das Schaͤferfeſt am Orlas, 
worüber in dem Nachlaß des verflorbenen Hrn. von Breitens 
bau auf und zu Bucha bei Nebra oder im Gerichtsarchiv 
wol Auskunft zu finden fein dürfte. Das Feſt befland noch, 
fo lange Hr. v. Breitenbauch lebte, und befleht wol nod. Die 
auf dem Orxlas teiftberechtigten Güter und Gemeinden ſende⸗ 
ten zu Anfang der Hutzeit ihre Heerden und Schäfer feftlich 
geſchmuͤct auf der Grenzmark zufammen, mo gewiffe Wechfel: 
fprüche von den Schultheißen und Schaͤfern hergefagt wurden. 
An ber Gegend war barum das Gprüdwort entftanden : „Ss 
geht hin und her wie ben Schäfern ihr Morgenſegen“, und 
man bezeichnete bamit ein friedliches Disputiven. Das Feſt ens 


dete mit verfchiedenen Luftbarkeiten. 

Kerner rechnen wir hierher das Leinelaufen, welches 
in der Gegend von Buttfledt, z. B. in Rudersdorf üblich iſt. 
. am einen in bie Erbe gefchlagenen Pfahl wird eine lange Leine 
gewidelt. Während Einer, in immer größern Kreifen um ben 
Pfahl laufend, die Leine abmwidelt, holt ein Anderer von einem 
verhältnigmäßig entfernten Orte irgend etwas. Es kommt nun 
darauf an, ob biefer eher zurückkommt, oder jener die Leine 
eher abläuft oder laufend abwidelt. Übrigens bat das Ganze 
Ahnlichkeit mit dem vom Hrn. Berl. (©. 323) mitgetheilten 


@ierlefen. 

Endti erwähnen wir eines oberthäringifchen Bolksſpaßes, 
der unter dem Namen bes Turniers fehr gewöhnlich iſt und 
unter die Reminifcenzen (8. 447) gehören würde. Zwei junge, 
pralle Burfdye werden auf dem Anger in den fogenannten pol: 
nifchen Bock gefpannt und mit ben Fußfpigen nahe an und ge: 
geneinander gefept. Dex eine fucht den andern mit den Yüßen 
umzuftoßen. Wer umfällt, tft in einer voͤllig huͤlfloſen, hoͤchſt 
lacherlichen Situation. Ref. ſah ganze Reihen ſolcher Kaͤmpfer 
einſt an einem Kirſchfeſt in Steinbach bei Liebenſtein ein Schau⸗ 
ſpiel geben, das im höchften Grade poffixlic war. Selbſt kleine 
Streitigkeiten auf Zangböden fah er an andern Orten und zu 
andern Zeiten zur Beluftigung Aller durdy ein ſolches Turnier 
beendigen. Manche bewiefen dabei eine große Geſchicklichkeit. 

an kann, abgeſehen von dieſen kleinen Rotizen, nur 
wänfchen, daß der Hr. Verfaſſer den Gegenſtand immer ſchar⸗ 
fer und aus hoͤhern Geſichtspunkten ins Auge faſſe, um die 
Theilnahme an ſeinen Forſchungen rege zu erhalten und au er 
peitern. . 








Notizen. 


Der Ausſchuß des glasgower Vereins zur Errichtung eines 
Denkmals fuͤr Wellington hat nach vielfachen Meinungsverſchie⸗ 
denheiten und laͤngerm Aufſchube die Ausführung bes Werkes 
Zhorwaldfen angetragen. Der unermübliche Wilkie hat bie 
Darftelung einer Scene aus Relfon’s Leben begonnen, wo der 
Kriegsheld der verwunderten und furchtſamen Umgebung feine 
Kartblätigleit beweift, indem er einen formellen Brief fchreibt, 
dann eine ihm gerechte Oblate wegwirft, nach Licht ruft und 
den Brief größer als gewöhnlich fiegelt, mit den Worten: „Dies 
iſt die Zeit nicht dazu, um eilig und unhoͤflich erſcheinen.“ 

Sein „Alfred in bes Kubhirten Hütte’ warb Fürzlich für 451 Pf. 
verauctioniet umd befindet fich bereits auf dem Wege ins Aus: 
land, Der englifche Stolz misgönnt dieſem ben letztern Schatz 
ebenfo ſehr, als ex den Beſchiuß bes glasgower Vereins für 
ein Vergeben gegen das Vaterland erktärt, deſſen Helden man 
durch einen Fremden verherrlichen Laffen wolle. 


In dem befannten, von dem Mörder bes ältern Lord 
Auffell, Gourvoifier, abgelegten Beftändniffe, daß die Lecture 
des „Jack Sheppard‘’ von Ginfluß auf feine moͤrderiſchen Abſich⸗ 
ten geweſen fei, findet das Athenaeum““, ohne dieſer That⸗ 
ſache ſelbſt eine zu große Wichtigkeit beimeffen zu wollen, doch 
eine Beftätigung feines, alsbald nad dem Erſcheinen biefes 


Werkes abgegebenen Urtheils über daffelbe. ‚Wir geben 

zu, baß ber unglädtide Mann in ſeiner Angft, um ſich 
zu entſchuldigen, dieſem Rebenumſtande mehr beigemeſſen has 
ben mag, als er verdient, und daß, als derſelbe feine ſchlim⸗ 
men Vorſaͤtze zu beſtaͤrken vermochte, er ſchon nicht fern von 
ber Ausführung des Verbrechens war. Aber bierin liegt das 
Wefen aller ie zum Böfen: fie find ein Game, wels 
der nur dann Frucht trägt, wenn er auf einen feinem Gedei⸗ 
hen günftigen Boden fällt. Daß der Ginfluß bes Werks jebens 
falls empfunden warb, iſt nicht zu bezweifeln. Welche Herrichaft 
das nachahmende Princip in Yällen des Selbſtmordes und mör- 
derifcher Wuth übe, iſt notorifh, und in entfprechender Art 
und in entfprechendem Maße mußte e8 auch auf den derartigen Vers 
brecher wirken. WBluttriefend ift der Boden des ‚Jack Sheppard” 
und bazu von intereffanten und anreizenden Umftänden umges 
ben, wie fie gut dazu berechnet find, eines ſchwachen Geiſtes ſich 
zu bemächtigen und durch ihren Zauber zu wirken.” 


Nachrichten vom Vorgebirge der guten Hoffnung theilen 
mit, daß die Expedition zur Anftellung —— unten 
Hungen am 5. Mai nad Bandiemensland abgefegelt if. Be⸗ 
Tannt iſt Thon, daß Gapitatn James Roß, der Befehlöhaber 
der Expedition, unter 14° S. 8.27°8. &,, ungefähr 900 Dei: 
len füdweftlich von ©t.: Helena, im atlantifchen Meere eine Tiefe 
von 3600 Faden fand. Eine neuere Unterfuchung, 450 Meilen 
weftlich vom Vorgebirge der guten Hoffnung angeftellt, ergab 
zwar kein ganz gleiches Aefultat, doch noch immer eine Tiefe 
en * Faden, mithin nächft jener die größte bis jetzt aufs 
gefundene. 


‚Am 1. Juli kam eine von Schomburg auf feinen Reifen 
im britifchen Guiana veranftaltete, zeither im Kosmorama zu 
London ausgeftellte Sammlung naturwiſſenſchaftlicher und ges 
fchichtlicher Merkwuͤrdigkeiten aus Südamerika bafelbfi zur 
Verfteigerung. 47, 





Literarifche Anzeige. 


In meinem Verlage find erfchlenen und durch alle Buch⸗ 
bandlungen zu beziehen: j 


Künftler: Gefchichten, 
‚ mitgetbheilt 
von 
August Hagen. 
Bier Bändchen. 
Gr. 12. Geh. 6 Thlr. 


Auch unter den Ziteln: 

I. II. Die Chronik seiner Vaterstadt vom 
Slorentiner Lorenz Ghiberti, dem berühmteften 
Bildgießer des funfzehnten Jahrhunderts. Nach dem 
Stalienifhen. Zwei Bändchen. 1833. 3 The. 

IT. Die Wunder der h. Katharina von Siena. 
1840. 1 hir. 12 &r. , _ 

IV. feonhard da Vinci in Mailand. 1840. 


..1 Th. 12 Gr. 

Wie bie beiden im ® 1883 erſchienenen 
Baͤnbchen, fo wirb auch Die Fortfegung biefer 
Künttler-Befchichten in gleicher Weiſe bie Seeunde 
der KRiteratur wie der Kunft anzichen, 

Eeipzig, im Zuli 1840. 

F. A. Brockhaus. 


Derantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Berlag von 8. X. Brockhaus in Leipzig. 
— — — 


⸗ 


Blätter 


für 


literarifhe Unterbaltung. 





Donnerötag, 





6. Xuguft 1840, 





Deutfhe Mufenalmanade. 
(Beihtub aus Nr. 218.) 

Auf einer viel tieferen Stufe innern Werthes ſteht 
der unter Nr. 2 angeführte Mufenalmanad. Der eis 
gentliche Herausgeber und Anordner iſt nicht genannt, 
wen foll man alfo für die ſchlechte Auswahl der hier 
mitgetheilten dichterifchen Verſuche verantwortlih ma: 
hen? Aber von felbft kann fi dieſer Mufenalmanad) 
doch auch nicht gemacht haben; es iſt faft, als wären die 
einzelnen Manuferiptblättchen dem Eeger übergeben wor: 
den, damit fie diefer nach Bequemlichkeit und eigenem Ber 
lieben oder nad) einem gewiſſen Gefege des blos zufähigen 
Zutaſtens aneinander reihe. Es berrfcht in dieſem Als 
manache gar feine Eintheilung, nicht einmal eine Rubri: 
eirung, welche die Namen der Dichter an die Hand geben 
Tonnten, vielmehr würden die Dichter ſelbſt Mühe und 
Noch genug haben, ihre Gedichte aus biefem Mufte zus 
fammenzuſuchen, wenn nicht gluͤcklicherweiſe ein alphabeti: 
ſches Namenregifter beigegeben wäre. Man bejelchnet all 
gemein Friedrich Rückert ald den Anorbner; in dem Falle 
iſt aber der Verleger, der in typographifcher Hinficht das 
Beſte und Schönfte für den Almanach gethan und ihn 
mit ziori Stahiftichen ausgefhmüdt hat, zu bedauern, daß 
er nicht an den echten Mann gefommen iſt. Kückert's 
‚Sim war vielleicht mit der Weisheit des Orkents beſchaͤf⸗ 
tigt und ruhte betrachtungsvoll unter Palmen, während 
vr die eingefchicten Manuferipte, die auch in der That 
fetten geeignet fein mochten, feine Aufmetkfamkeit zu fir: 
‚tern, gedankenlos durch die Finger gleiten Heß. Achtzig 
Dichter haben zu diefem Mufenatmanache beigefteuert, 
anter denen fih hödfiene 28 — 24 mehe ober we⸗ 
niger bekannte fihben, die übrigen find dem Nefereriten, 
tenm fonft fo leicht keine literatifche Etſcheinung entgeht, 
‚gänzlich anbefannt, felbft dem Ramen nach. Hierzu ge: 
Hören fm erſten Grade des Ruhms oder Rufes: Müdert 
zueft, fodann Lenau, König Ludwig von Batern, Veh: 
Stein, Citterentins Seaͤvola, der indeß bisher ats Lortter gar 
keinen Namen hatte, €. v. Schenk, Sebi, EM. Mi: 
tig, Siorch und Drärter: Manfred; In zweiter Reilhe Sal⸗ 
tet, der jedoch als Dichter einen größern Namen zu "has 
‘ben verdiente und Ihm gewiß noch erlangen wird, und 
Dngefffebt;‘ih dritter Mefhe Apel, Wons, Bube, Dinger, 
Hagenroorff, Deiterb, Grbbrt, BR. Ming sd tion noch 


Morning, Palmer, Soltwedel, Stöber, Kutſcheit mid 
Maron, deren Namen wir uns erinnern hier und ta m 
Journalen und Mafenaimanaden gelefen zu haben. Ale 
brigen treten unſers Wiſſens hier zum erſtenmale auf; 
leider daß fie Überhaupt auftreten, denn ein einigermaßen 
für die Zukunft etwas verfprechendes Talent haben wir 
unter ihnen nicht entdeden koͤnnen, wenn uns auch hier 
und da eim leidlicher poetifcher Gedanke oder Einfat auf: 
geftoßen iſt. Aber felbft die ſchon fruͤher erprobten Lyriker 
haben nur wenig in diefen Muſenalmangch geliefert, was 
fi) über das allgemeine Niveau der Mittelmäpigkeit er= 
hoͤbe. Selbſt mandem Gedichte von Ruͤckert würden twir 
feinen edeln Urſptung nicht anfehen, ftände nicht eben der 
Name Rüdert breit und deutlich darunter; der Dicjter 
verliert ſich hier und da In triviale Moralitäten, die an 
ſich ganz wahr und gut, aber nicht ebemfo poetiſch find; 
andere mehr ſcherzhafte Gedichte fpielen und fehielen in 
geſuchten aber nicht wohlthuenden Farben. Der Kuͤckert'ſche 
Geiſt laͤßt fich noch am beften aus dem kleinen Grolchte 
„Erfag für Undeftand” erkennen, das wit auch als Probe 
hier mittheilen wollen: 
Eieblich mundet der Becher Wein, 
Aber ein Zug, fo ift ex Leer. 
Süßer ſchmect noch der Eiche Ruß, 
Aber ein Hauch), fo iff’s vorbei. 
Lieblich ſchwillt in des Bruſt ein Lied, 
Wird geboren in ſüßem Wed; 
Doc andy dirfe Beburt wie fänd! 
I von Dauer denn Fein Emup? 
Fälle nur flets den Weder nen, 
Wiederhole nur Kuß um Kı 
Sieb um Sieb! Die erfehe (hön 
Siederholung den Unbeftand! 
Felix Mendelsſohn⸗ Bartholdy hat zu die 
Compofitton geliefert, melde dern Bu 
An anderes huͤbſches Gedicht von Rüd 
aͤcker“ iſt durch ein fhönes Titelkupfer, 
den, iliuſtrirt worden. Des Dichters 
Tungs: und Überfegungsmanter fremdtär 
kundet ſich in der Überfegung von demt 
gedichte „Einladung an Fabullus“ amd i 
öfter vortrefflichen ruſſiſchen Zabel, merd 
chrift „Die Hindin und der Derwifd 
‚König Kudwig von Balern eröffnet 
lemik gegen Schiller's und Goethe's Bei 


882. 


Schenk eine desgleichen gegen bie beutfchen Mepräfentan: 
ten ber Bonapartomanie, wogegen nicht viel einzuwenden 
if. Etwas monotone, aber postifh und dunkel gefärbte 
und kraͤftig fehattirte Zodes:, Nacht: und Berzmweiflungs: 
gedanken fpriht Nic. Lenau aus; es find Variationen 
auf das am Schluſſe eines feiner Sonette befindliche Thema: 
„Die ganze Welt ift zum WVerzweifeln traurig.” Eins 
der zarteft empfundenen Gedichte, weldhe wir von 3. ©. 
Seidl gelefen Haben, iſt in diefem Muſenalmanache 
unter dem Titel „Der blinde Greis“ mitgetheilt. Eben: 
falls in monotoner, aber gedankenreicher und ernft ſinn⸗ 
voller Weife predige 8. v. Sallet geiftiges Chriftenthum 
in dem Gedichtcyklus, der hier unter dem Titel „Zur bei: 
lügen Geſchichte“ mitgetheilt wird. Zwei diefer Gedichte 
befinden fih auch in dem Ruge:Echtermeyer'ihen Mufen: 
almanad) durdy einen Umftand, über den ſich Sallet be: 
reits in Öffentlihen Blättern gerechtfertigt hat. Auffallend 
find in dem Tauchnitz'ſchen Almanache die vielen Gedichte, 
welche das Shidfal des jüdifhen Volles zum Gegenſtande 
haben und für ihre Emancipation mittelbar oder unmit: 
telbar das Wort führen. Wir haben nichts dagegen, daß 
ein Jude fo fühle und urtheilt, wie hier gefchiehtz aber 
wir glauben, daß unfere jüdifhen Schriftfteller viel zu 
vorlaut verfahren und zu aufdringlih find; fie werden 
fogar langweilig, indem fie ſich auf einer fo engen Scheibe 
herumdrehen und fich nothwendig wiederholen müfjen; es 
gibt aber kein größeres Unglüd für einen Bittſteller, ale 
wenn er Demjenigen, von dem er etwas erlangen will und 
der die Macht in den Händen hat, langweilig und über: 
lAflig wird. Die vielen untleidlichen Phrafen, weldhe un: 
fere Freiheits⸗ und Preßfreiheitsmaͤnner zu Markte gebracht 
haben, trugen gewiß nicht wenig dazu bei, Vielen allen 
Geſchmack an Freiheit und Preßfreiheit zw verleiden, ob: 
gleich es defienungeachtet um Freiheit und Preßfreiheit, beide 
im richtigen Sinne verftanden, immer ein großes Ding 
ft. Steinhard's im gegenwärtigen Muſenalmanache 
mitgetheiltes Gedicht „Des Juden Klage‘ ift, trog ber 
Reime, die ausgefuchtefte Profa und vom Anfang bis zum 
Ende ſchrecklich ermuͤdend. Merkwuͤrdig genug ſtellt ſich 
dieſen Judenklagen und Judenverherrlichungen auf den 
folgenden Seiten ein originelles Gedicht „Ahasver“, von 
Levits, als ironiſcher Spottteufel gegenuͤber, indem darin 
der ewige Jude, nachdem er Pelz und Turban abgewor⸗ 
fen, in modiſchem Kleide von ſchwarzem Tuche und mit 
Ordensbaͤndern geſchmuͤckt erſcheint. Das ganze Gedicht 
iſt natuͤrlich mehr ſocial witzig, als poetiſch durchgefuͤhrt. 
Wenn wir dagegen Alles, was in dieſem Muſenal⸗ 
manach mittelmaͤßig, oder unter der Mittelmaͤßigkeit oder 
geradezu ſchlecht iſt, anfuͤhren wollten, ſo moͤchte es ſchwer 
fein, zu dieſem troſtloſen Geſchaͤfte Luſt und Zeit zu 
finden. Man begreift wirklich nicht, wie eine nur 
einigermaßen verſtaͤndige Redaction alle dieſe, wie man 
faſt meinen moͤchte, von und fuͤr Kinder gedichtete 
Sachen und Saͤchelchen, Reime und Reimchen auf: 
nehmen konnte. Eine wahrhafte Curiofitdt iſt das 
"Gedicht „Der gebadene Kup”, mit E. unterzeichnet. 
Es lautet fo: 


Baiser, bu füße Frucht, 
Wer koſtend dich verſucht, 
Dem füßeft bu das Leben. 
Du bift fo mild und weich 
So ganz dem Namen gleich, 
Den Liebe Dir gegeben — 


Dod genug — der Lefer wird kein Verlangen tragen, 


aud die übrigen Strophen dieſes fügen Gedichte zu Iefen. 
A. Bahmann geht in dem Gedichte „Der Korbträger” 
mit den Körben, die er von feinen Geliebten erhalten bat, 
baufiren. Da heißt es denn: 
„Hülle doch den Buſen“ — ſprach 
Ih zu Lorchen, und — fie brach. 
Seit ih diefen Korb da hatte, 
Flocht fie keine Körbe mehr: 
Darum fchreitet auch ihre Gatte 
Mannichfach gekrönt einher! — 
Solchen Kopfpug trüg’ auch ich, 
Liebes Körbchen, ohne dich! 
Ein vierzeiliged Gedicht, „Troſt“, von Eugen Huhn, 
lautet wie folgt: 
Mein armes Herz, o Mage nit! — 
Wie Morgens auf die Knospe bricht, 
Der Kroft fie welket über Nacht, 
Hat's au die Welt mit dir gemadt! 
Bon dem Herzen feiner Geliebten fingt ein gewiſſer Here 
Domtid: 
Dein Herz, Geliebte, feſt und hart, 
Iſt von ber Zeuerfteine Art. 
Und ferner: 
Deine Bruft, mein Mädchen, fo blank und weiß, 
Iſt gefertigt (!) von des Gtahles Eis. 
Dagegen ift feine Bruft „ſo weich und leicht erbebt, aus 
zartem, ſchwachen Linnen gemebt”, und abermals wicb 
feine Bruft 
— — — — von kinnen gemadt, 
Von den Funken glühend angefacht. 
Der Prozeß naͤmlich iſt dieſer: Die ſtaͤhlerne oder die aus 
dem Eiſe des Stahles (!) gefertigte Bruſt feiner Gelieb⸗ 
ten ‚‚reibt beftändig an dem Steine”, nämlid an dem 
Herzen, das ja früher als ein Feuerftein bezeichnet wor⸗ 
den, und barans entfliehen natürlich „ſpruͤhende, zifchende 
Funken“, welche das Linnen, nämlich bes Dichters Bruſt, 
in Brand fegen! 

Genug diefer elenden Reimereien, woyon wir nur ein 
paar Proben, und vielleicht nicht einmal die aͤrgſten, ans 
geführt haben! Sie würden ben fchlechteften Wochenblaͤtt⸗ 
hen und Zagesanzeigern Deutfchlands, fo elende wir de⸗ 
ven auch haben, zur Schande gereichen, und bier in einem 
unter Ruͤckert's Aufpicien erfcheinenden beutfchen Muſen⸗ 
almanadye folten fie die beutfche Lyrik mit vepräfentiren 
helfen! Man muß wahrlich bebauern, daß ber Verleger 
fo viel Sorgfalt und fo viele Koſten auf ein im Gans 
zen fo werthlofes Buch verwandt hat. Es iſt mit lang: 
weiligen Büchern mie mit langweiligen Bühnenftüden, 
jene koͤnnen ſich nicht allein durch die Schönheit der typo⸗ 
geaphifchen Austattung, diefe nicht allein durch die glän= 
zenden Decorationen in der Gunſt bes Publicums erhal: 
ten; eine gegentheilige Anficht, wie fie fi wirklich bier 
und da Plag zu machen fcheint, kann nur dazu beitra= 
gen, alle Kunft und Poefie zu Grunde zu richten. Eine 


—* 


K- -} 


befchönigende, milde Kritik in folhen Faͤllen wäre Wer: 
rath an der guten Sache. 

Minder pretentid6, aber innerlich viel bedeutſamer 
teitt Nr. 3, der von A. Schumacher herausgegebene „Oft: 
reichiſche Muſenalmanach“ auf. Wenn wir ihn mit dem 
Nuge⸗Echtermeyer'ſchen Almanach vergleichen wollen, fo 
koͤnnen wir zwar nicht fagen, daß er der guten Gedichte 
etwa mehr oder der fhlechten weniger enthielte als dieſer; 
des Unreifen und Unvollendeten möchte fogar mehr in dem 
„Dftreihifhen Muſenalmanache“ zu finden fein; aber es 
gebt ein fo rein Iprifher Zug duch ihn hindurch, etwas 
fo Urfprünglices, Ungemadtes und Ungefünfteltes, daß 
wir mit Andern faft glauben möchten, gerade Oſtreich 
verfpreche für die Zukunft ein Fruchtboden der Poefte zu 
werden; die Blüten find fhon da und haben ſich bereits 
in mebren Dichtern, wie Anaftafius Grün, Lenau, Seidl 
u. A. in felbfiftändig erfreulicher Weiſe entwidel. Es 
fehlt diefen Dichtern nur an tiefern Intentionen und 
Gedankencombinationen; fie ſchwelgen zu ausfchließlich im 
bloßen Gefühle, in der Bilderluft und unverdauter Na: 
turanfhauung; man fieht ihnen zu deutlich ben Phaͤaken 
an, der vor lauter Genuß und Überfluß fentimentat wird. 
Auch in diefem Muſenalmanache treten viele uns bisher 
unbelannte Lyriker auf; aber es find tüchtige und Hoff: 
nung erwedende Zalente darunter, die ihre Naturlaute 
friſch von Herzen und Lippe wegfingen. Oft liefert ein 
ſolcher oͤſtreichiſchher Singevogel vier ober fünf Gedichte, 
die nichts oder wenig taugen, aber das fechste, darauf 
kann man ſich verlaffen, ift gut, in feiner Art vollendet 
und bekundet den echten Lyriker. Kin ſolches Talent ift 
3. B. Freiherr v. Lazarini, der neben mehren mittel: 
mäßigen, in einzelnen Partien aber ſtets Iyrifches Zalent 
betundenden Gedichten auch ein ganz vortrefflicdhes Ge: 
dicht, dem wir nur in ber dritten Strophe einen gediege- 
nern Ausdrud wünfchten, unter dee Überfchrift „Allein“ 
beigefteuert hat. Unter den fchon befanntern Dichtern 
finden wir hier Karl Egon Ebert mit einem Gedichte 
an Ubland, A. Schumacher, Drärler: Manfred, 
Bauernfeld mit einer Anzahl von Diſtichen, worunter 
manche gute, manche triviale und manche, welche zu ſtark 
von perfönlicher Erbitterung gegen neuere Zeit: und Lite: 
raturentroidelungen zeugen. Der Ausdrud könnte hier und 
da pointirter, voigiger und fchlagender fein. Ferner tres 
ten bier auf: Kuranda, Derloßfohn mit einem lau: 
nigen, tim echten Volkstone gehaltenen Gedichte ‚Drei 
Schneider‘, Freihr. v. Feuchtersleben mit einem Bruch⸗ 
ſtuͤcke aus einem mythiſchen Gedichte „Der entfeſſelte Pro: 
metheus“, Ritter v. Tſchabuſchnigg, 3. ©. Seidl, 
der in.allen Mufenalmanachen und Taſchenbuͤchern Unver: 
meidliche und Aligegenmwärtige, &. A. Frankl, Uffo 
Horn, Hammer:Purgflalt, defien Name mehr als 
fein Gedicht dem Mufenalmanady zur Empfehlung gereicht, 
Karoline Pichler mit Nachtgedanken, bie jetzt über: 
haupt fehr im Schwange find, Friedrich Halm, mit 
einem patriotifchen Gedichte ‚„‚Thusnelda‘ und mehren 
Heine’fhe Saiten anſchlagenden Liebesgedichten, die voll 
Inrifchen Griesgrams find, Vogl, ber ehrwürdige L. Pyrs 


ter u. A. Bon Deinharbfiein finder fih ein Gediche 
„An einen Freund“, welches eigentlih aus mehren gut 
gelungenen Epigrammen befteht. So finden ſich Hier bie 
Strophen: 
Sin blauer Himmel dem gefällt, 

Dem andern Regenwetter, 

Der möchte göttlicher die Welt, 

Der menſchlicher die Götter. 


m 0 WE — ——— —— ——— ⏑— 


Du mußt, was du erſchaffen magſt, 

Zuvor im Innern ſpüren, 

Und was du rein zu denken wagſt, 

Das wag' auch zu vollführen. 
Auch das epiſche Element, Romanze und Ballade, iſt bier 
beſſer bedacht als in den vorher befprochenen Almanadıen. 
Vieles darunter iſt nur mittelmäßig, weitfchweifig, in Verſe 
abgetheilte Profa, Anderes erträglich, Manches gut. Mach 
unferm individuellen Gefühle ift darunter bie „Romanze 
vom heiligen Franz“ am meiften zu loben; der Dichter, 
Kart M. Böhm, hat darin einen anmuthigen Ton ges 
troffen , welcher der Heiterkeit und Süße der Legende aufs 
fhönfte entfpriht. Das Gedicht tft durch vollendeten 
Wohllaut ausgezeichnet, wie überhaupt den Öftreichifchen 
Lyrikern ruͤhmend nachzufagen ift, daß fie, wie durch ein 
natürliches Gehör dafür, der deutfchen Sprache ihre wohl: 
lautendjten Klänge abgelauſcht haben, obgleich fie anderers 
ſeits in dieſe mehr Außere Muſik des Worts ſich allzu leicht 
einfriedigen. 16, 





Zur amerifanifchen Geſchichte. 


Amerikas Geſchichte iſt im Entſtehen. Nicht als ob man, 
wie es wol geſchieht, den Ländern und Staaten eine Geſchichte 
abfprechen müſſe, meldye noch nicht gerade die fociale und pos 
litiſche Culturſtufe erfliegen haben, weiche nach der vorgefaßten 
Meinung Einzelner zum VBorhandenfein einer Gefchichte erfobers 
lidy fein foll; aber der gröfte heil von Denen, welche bis jetzt 
an einer Gefchichtfchreibung der heutigen amerifanifchen Staaten 
fi verfuchten, entbehrte, wenn auch meiftens ohne eigene Schuld, 
fo gut wie faft aller Erfoderniffe zu einer folchen im wabs 
ren Sinne des Worte, und eine gerechte Würdigung muß ſich 
mit der Anerkennung bed guten Willens begnügen, der in der 
allgemeinen Geſchichtſchreibung nicht gern eine Lüde geradezu 
unausgefüllt lafien wollte. Jeder Beitrag zu dem hHiftorifchen 
Stoff der neuen Welt ift daher eine dankenswerthe Erſcheinung. 
Riemand hat vielleicht diefen Dank in höherm Grabe vers 
dient ald Jared Sparks. Allgemeine Anerkennung hat bereits 
fein Werk über das Leben Waſhington's gefunden. Auch feine 
„Library of american biography’’ ift nunmebr vollendet. Die 
Grenzen des Werts erftreden fich über die Dauer des amerik 
nifhen Sreiftaates hinaus auf feine Vorgeſchichte unter ber 
Herrſchaft des Mutterlandes und bie erfle Gründung ber 
Eolonien. 

Der ‚vorliegende fiebente Banb beginnt mit bem Leben Sir 
William Phips, eines der ausgezeichnetften feiner Zeitgenoflen 
in ber neuen Welt. Gr war 1651 zu Woolwich, einer unbes 
beutenden Niederlaffung an der Mündung des Kennebek im 
Staate Maine, geboren, eines der jüngften von ben 26 Kin⸗ 
bern feines Waters, eines aus Briflol ausgewanderten Waffens 
fhmiebes. Bis in fein achtzehntes Jahr hütete er feines Waters 
Schafe. Diefer Lebensart überdrüffig, ging er zu einem Schiffe: 
zimmermann in die Lehre und nad vier Jahren nach Boften, 
dem Mittelpunkte der weftliden Givilifation, wo er ſich uns 
tee fortwährender Beichäftigung mit bem erlernten Handwerke 


/ A 


aueht die nöthigſten Gchulkenntniffe zu verſchaffen wußte and 
‚gt feine Berbeirathung mit einee weichen Witwe time Zins 
‚iger ge erward. Am dus Jahr 16804 warb ſeinem auf das 
Seeleben gerichteten Sinn durch die damals herrſchenden Se⸗ 
rüchte von Schaͤtzen, welche die Spanier und die Bukkanier 
in den ſüdlichen Meeren gefunden haben ſollten, ein erwuͤnſch⸗ 
ter Weg gebahnt, wyelchen zu betreten er bei aller ihm eigenthüm⸗ 
lichen Klugheit im Geiſte feiner thatenluftigen Zeit nicht ſcheute. 
Seine erfle Unternehmung nad) den Bahamainfeln zur Auffus 
ung eines Wrads war zwar von Erfolg, aber ohne den ent: 
fprechenden Gewinn. Nach vergeblien Verſuchen, in Boſton 
eine neue Expedition zu Stande zu bringen, ging er nad) Eng: 
land, wo er zwar gegen Ende des 3. 1684 von der Admira⸗ 
lität ein Schiff zu feiner Verfügung erhielt, aber zum größten 
Tyheile durch den ſchlechten Geiſt der Mannfchaft an Grfolgen 
berhindert wurde, ſodaß er froh fein mußte, unverſehrt wieber 
nach Bingland zurückzukommen, wo er zwar wegen ſeines be: 
wieſenen Muthes eine beſſere Aufnahme fand, als zu erwarten 
geftanden hatte, aber von der Regierung Fein anderes Schiff 
erhielt. Deſto glücklicher war eine Unternehmung im Aufträge 
der Herzogs von Albemarle; man erhielt durch ein Patent das 
Metht auf ale aufzufindenden Wracke; und bei Port de la 
Data gelang es ihm gerade in dem Augenblide, als man auf 
dem Punkte ftand, auch diefe Unternehmung aufgeben gu müfs 
fen, die reichſten Echäge aus ber Tiefe des Meeres zu Tage 
zu fördern. Außer feinem Antheile an benfelben erhielt er von 
König Jakod 11: zur Anerfennung feiner Beharrlichkeit die 
Nitterwuͤrde. Nach Reuengland kehrte er als Oberrichter von 
Maſſachuſetts zuräd, befand ſich aber in biefer Stelung wegen 
wiftigkeiten mit der ihm zur Seite flehenden Ratheverjamm: 
Fir nie wohl. Sein der Ruhe abholder Sinn erhielt neuen 
Spielraum durch den in Folge der Thronbefteigung Wilhelm’s 
Ill. zum Ausbruch gelommenen Krieg mit Frankreich. Phips 
erhielt den Befehl über eine von der Provincialregierung be: 
fhüste Privaterpedition von ungefähr acht Eleinen Schiffen nach 
Neuſchottland und Arcabien: die Erſtürmung von Port = Royal 
Batte die Eroderung der ganzen Provinz zur Folge. Das Ver: 
ichniß der nach Bofton zurüdgebrachten Beute befindet fich noch 
in den Archiven von Maſſachuſetts und bietet wegen feines bun: 
ten Durcheinanders eine ergögliche Leetüre. Ohne Erfolg war 
eine von ihm befehligte Unternehmung gegen Quebeck 1690, 
Er malte no zwei Reifen nad Gngland, wo er eine neue 
Karte für die Provinz zu Stande brachte und zu Ihrem Gou⸗ 
verneur ernannt wurde, welche Stellung er, abgefehen von ei: 
nigen, dutch feine heftige Gemüthsart herbeigeführten Zwiſtig⸗ 
Feiten, im Ganzer gur allgemeinen Bufriebenheit verwaltete. 
Endlich warb er nady England gurüdberufen, we er 1695 zu 
London, 45 Sabre alt, am Fieber Harb, ohne Kinder gu hinter: 
laſſen; eime Angabe, weiche mit Burke's Werke über bie eng: 
- Wflge Pairſchaft in Widerfpruche lebt, dem zufolge er ein Jahr 
Früher geſtorben fein ſoll mit Hinterlaffung eines Sohnes, bes 
dekannten Ste Gonftantin Phips, nachmallgen Lorblanzters 
r% ‚land, des unzweifelhaften Ahnen des Marquis von 
Normauby. 

Aus Yer Revolutfondgeit folgt das Leben des General Ifrael 
uftam; eines Mannes aus dir rauhen, klugen, berben, felbft: 
bildeten Säule, die In den Vereinigten Staaten fo zahlreich 

als achtungswerth if. Erwaͤgt man ben praktiſchen Charakter 
Ser Amerikaner, fo darf man fig nicht wundern, daB folche 
- Männer erſt Jeht ihre Slographen finden. Putnam feibft hat 
anehr gefochten ats geſchrieben, feine Freunde und Berwandten 
Waren ihm darin nit unähnlich. Yutkam beftand feine mi: 
Meaitifche Lehrzeit als Bapitain in dem der Revolution vorher⸗ 
gehenden Kriege gegen Frankreich. Im I. 1757 diente er nach 
einer langen Weihe von Umfällen in der unter Pitt’S Werwal: 
Yang uhteenommenen Brpebition der Provinzen gegen Ticonde⸗ 
roga und Grownpoint im Jetigen Staate Neuyork als Major 
inter dem Dderbefehle des Generals Abereromby. Mit 50 Mann 


Berantwortliger Heraudgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig. 


zus Beobachtung dei’ Feindet an bie tler bes Weorgefees ent⸗ 
fendet, ward er von den im franzöffäken Dienſte bifinviigen 
Indinnetn gefangen genommen und nach vielen bereits ausge⸗ 
ſtandenen Qualen dem martervollſten Tode nux durch Wie ploͤt⸗ 
liche Regung von Menſchlichkeit bei Einem der Wilden und 
bie von bdiefem vetanlapte Dazwiſchenkunft eines frangöfirchen 
Offtziers enttiſſen, worauf zu Montreal feine Auswechfelimg 
eifolgte. Beim Ausedruche det Revolution griff er einer ber 
erſten zu den Waffen. Die Nachricht von dem Gefechte bei 
Lexington empfing ex auf freiem Felde beim Pfluge; augen⸗ 
blicklich ſchirrte er eins der Pferde aus und ritt, ohne nur die 
Kleider zu wechfeln, 100 Meilen weit nach dem Kampfptage. 
Er ward ala Brigadegeneral Im Dienfte von Connectient, bald 
nachher als Generaimajor in dem Gontinentalheere angeftelit. 
Gr zeichnete fich bei Bunkershil aus und befehligte in der 
Folge zu Neuyort. Seine militairiſche Bildung war allerdings 
von roher Art, aber, wie der Gifolg zeigte, ganz praktiſch in 
biefem Kriege, in welchen ein frenges Kefthalten an dem In 
der alten Welt herrſchenden Kriegsſyſtem ſich als ein großer 
Behlgriff der Engländer bekundet und namentlich den General 
Bourgoyne zu ®runde gerichtet hat, während das ber Amen: 
kaner ertemporirender Natur war, bei welchem allein es mög- 
lich ward, foldhe Erfolge mit fo erbaͤrmlichen Truppen zu er: 
langen. Putnam zeigte eine große Ausdauer in der Führung 
ber lehtern, wie in Entbehrungen und GStrapagen aller At, 
namentlich im Winter von 1778— 79. Bei einer ibm aufges 
tragenen Aushebung in Gonnecticut zeichnete er fich durch eine 
glänzende, Fühne Waffenthat aus, deren Schauplatz feitbem 
den Namen Putnamshill trägt. Durch einen laganfall 
ware SE zum ferneren Kriegsdienſte unfähig; doch lebte er 
8 . 

Noch gibt biefer Band bas Leben ber liebenswürbigen Lu⸗ 

cretia Maria Davibfon und von David Rittenhoufe. 47, 





Literarifhe Notizen. 


Die Franzoſen lieben fi mit den Römern zu vergleichen 
und find, ihrem Dafürbhalten nah, die Römer der modernen 
Welt. Daher gefchieht es auch, daß in ihren Büchern über die 
Weltgefchichte nichts einen fo großen Raum einnimmt und mit 
fo aroßer Vorliebe behandelt ift als bie ſpecielle Gefchichte ver 
Römer, fodonn der Franzoſen, daß man fi überhaupt, mit 
Ausnahme der Geſchichte Frankreichs, mit keiner Gefchichte 
eifriger in Frankreich beſchaͤftigt als mit der Geſchichte ber fo- 
cialen, politiſchen, militairtfchen und religiöfen Entwickelungen, 


welche im Staatskoͤrper des alten Roms flattfanden. ES ließe 
fih eine gange Reihe von Schriften aufführen, weiche in jüngfter 


Zeit erſchienen find und, wie Dyaneaurf Werk „Les Romains’’, 
das alte Rom zum Gegenftande haben. Ganz neulich erft ers 
föhfen eine „„Kconomie politigue des Romains” von Hrn. Da⸗ 
veau de fa Malle, welche fi auf die Refultate einer gzwangig⸗ 
jaͤhrigen mit großer Ausbauer fortgeſetzten Arbeit ſtuͤgt. Das 
Wert umfaßt zwei Bände. 


In Paris erſchien eine neue Überfegung der ſämmtlichen 
Werte Shaffpeare’s von Benjamin Laroche, In ziel prächtigen 
Wänden, melde mit 44 Stichen und Vigneeten, Bretixe in 
Eupferſtich und Selgicmitt sHufteirt find. Auch erfcheint ſeit 
einigen Monaten eine „Galerie des. artistes dramatigues de 
Paris’, nad dem Leben in ihren vorzüglichiten Rollen ge: 
keine von Alerander Lacouchie. Jede Kitferung enthält tin 


Portrait auf hinefifchem Papier und eine biographiſche, arti⸗ 


ftifche und literariſche Beſchreibung, verfaßt von U Dumas, 
Briffaud, Bouthardy, Göuhaller, &. Guinot, Etienne Acagpı 
J. Soullé, Hipp. Lucas, Hipp. Rolle, 3. Janin, Mexle, 
Mallefile. Wöchentlich eine Lieferung; Ende Juni waren bes 
reits acht Lieferungen ausgegeben. 5. 





Bu a 


tter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 





7. wuguf 1840. 





Histoire de la gravure en maniere noire par L£on | (em befteht fiber die Erfindung ber. Typographie noch ing 


de Laborde. Paris 1839. 

Eine Monographie, bie einen fo einzelnen Zweig ber 
Kupferſtechkunſt, wie die Schabfunft, der mod dazu in 
Deusfhland nur vorübergehenden Beifall gefunden, zum 
Segenftand hat, ſcheint eine zu fperielle Erfcheinung im 
Felde der Hunſtliteratur zu fein, um zu verbienen, baß 
ſie in. dieſen Blättern befprochen wird, zumal da fie won 
vorn herein fir eine von den vielen für Kupferſtichliebha⸗ 
ber und Sammler beſtimmten Schriften. gehalten werben 
tann, bie aufer dieſem Kreiſe, freilich dur) die Schuld 
‚der -Berfaffer ſelbſt, Bisher noch wenig Intexeſſe fr ſich 
zu gewinnen gewußt haben. Die Sranzofen verſtehen «8 
beffer als wir Deutſche, auch Bücher biefer Art allge: 
‚mein anſprechender und gefälliger zu machen, laffen es 
aber dafür oft an deutſchem Fleiß und Gruͤmdlichkeit feh⸗ 
len und kennen und benugen zu wenig, was biefer Ihnen 
vorgegrbeitet bat. Der durch feine Meifen und feinen 
vletzaͤhrigen Aufenthalt in Deutfchland und bereits wohl: 
bekonnt⸗ Verſaſſer zeigt Dagegen hier.eine fo ſeltene Wer: 
einigung aller diefer Eigenſchaften, er iſt von einer fo ver: 
trauten Bekanntſchaft mit dem Gegenſtand und Allem, 
was daxuber von Andern geſchrieben worden, ausgegengen, 
es bat ſelbſt den Weg mühfamer archivariſcher Forſchun⸗ 
gen fo wenig geſcheut, daß feine Schrift ſchon dadurch 
‚alfein Aufmerkſamkeit perdient. Dazu kommt indeß noch, 
daß er ſchen lange mit einem großen Werke über bie Ge: 
ſchichte des Schrift: mad. Bilddrucks umgeht, welches, ba 
er ohn⸗ Bawursheik und Nachbeterai kberali mit der gruͤnd⸗ 
lichſten Sachkenniniß und der pielſeitigſten Vorbildung 
ſelbſt prüft und fo zu ſagen frifches Blue in die Adern 
der Unserfuchung einfpräst, Die durchgreifendſte Reform in 
der Behandlung diefer Geſchichte hernorzubringen verſpricht. 
&s- ift ſchon eine:glaͤckliche Idee, alle bie aars der gemein⸗ 
ſchaftlichen ABunyel des —* im Gegenſab um 
trockenen Abdrnck, hervorgegaugenen Kunſte das Bushhrauks, 
Kupferſtichse, Holiſchnitis und Steindrucks im ‚Bufam: 
menhang zu behandein, was bieher nur immer einſeitig 
für ‚jede einzelne derfelben, ohne, ober mit allzu geringer 
Ruͤdkſicht auf die Abrigem, geſchehen u daher 26 denn 
auch such nicht bat gelingen wollen, ühsr ihre Erfindung 
Aand fo viele dabei vorgelommene Meinungsverſchiedenhti⸗ 
son und. Geitpunbte aufs Reine zu kommen. Wor al⸗ 


mer ein, die Dunkelheit und Verwirrung vermehrender 
Gegenſatz von Parteinuficten, der unbefangene, feibftändige, 
mehr auf Erferihung and Prüfung ber Urkunden und 
Denkmale ſelbſt, als auf fremde Autoritäten und ſchmen⸗ 
kende Zeugniſſe ſich gruͤndende Arbeiten, wie bie des Med, 
beſonders willkommen macht, damit ber verwlckelte Gegetz⸗ 
ſtand nur erſt von allem unnügen, damit verwachſenen 
Unkraut und Dorngebüfch befreit, und die Sache, hush 
Zurückfuͤhruag anf ihre weſentlichen Hauptpunkte, wann 
auch noch nicht in allen Stuͤcken zur unumſtoͤßlijchen ns: 
ſcheidung, fo doch auf die Bahn gebracht werde, melde 
in ber geradeſten und kürzeſten Limie zu diefem Ziel. füͤhrt. 
Der erſte, zweite und vierte Theil jenes von dem 
beabficptigten Werts foll einen biſtoriſchen Abriß der * 
viliſation vor Erfindung der Druckkunſt in Bezug auf die 
materiellen Mittel gu ihrer Verbreitung, bie Geſchichte die⸗ 
fer Erfindung und ihrer Anwendung auf den Head ader 
Holzſchnitt und auf bewegliche Zettern und Unserfuchie: 
gen über die Entſtehung der Buchdruckerkunſt in Curana 
und ihre Verbeſſerungen bis auf bie mensfie Beit., der 
dritte, fünfte, ſechsce amd ſiebente die Geſchichte der 
Kupferſtechkunſt, der Schabkunſt, der Lithegraphle md 
Holzſchneidekunſt, ber letzte eadlich eine Bibliographie 
aller dieſer Kamſtzweige und eine Alberficht Ihre Anwen⸗ 
bung auf bie mechnnifchen Gewerbe euthalten. Als Up: 
iäufer und „Einleitung zum Dritten: Theil hat. bar Mil. 
fosben zwei Schriften unter dem Titel: „ Nomunagx 
‚necherches aur Poricine de Yimprimerie om Dehnts „de 
Yimprimeie & Mayence et: & Bamberg”, und. „BE- 
baute .de limprimerie à Strasbourg”, enfsheien. laſſan, 
die fich haupeſaͤchlich mit den gedruckten Inbuigengbrinfen 
NMikolaus V. non 4454 und 1455 und deu umtburgsr 
Drossgvschandtungen zwiſchen Gutenberg umd ſeinen Guſell⸗ 
ſchaftern von 1439 befepäftigen und welchen noch eine My: 
dere unter dem titel: „Recherches ‚sur ja deeowmerte; de 
l’impeasion dass Jen Pays-Bas’’, folgen ſoll, hev Wie 
wir demnaͤchſt weiter Serichten werden. Vorlaͤufig 
„sole hier mar auf ben Amfang und die GSroͤße ſeiues ii: 
ternehmens Überhaupt und auf den Zaſaranvahang. auf 
merkam; machen wollen, ku welchem die varliegende Mſchichte 
her Schabtkunſt nicht bios als aine fur ſich beſichende 
Schrift, ſondern zugheich als Theil inet. — aeſuhht, 


286 


von welchem wie in berfelben die erſte Probe erhalten. 
Dadurch mirb fie für die Lefer diefer Blätter mehr In: 
tereffe gewinnen, als es vermöge ihres Gegenſtands an 
fib den Anfchein hat. Aber auch biefer ift im der Be: 
handlung, die er hier erfahren bat, bei näherer Betrach⸗ 
tung beachtenswerth genug. i 
Die erft im 17. Jahrhundert entſtandene Schabkunft bes 
bient ſich eines von allen andern Zweigen ber Kupferſtechkunſt 
verfchiedenen Verfahrens, und fie hat fi, wenngleidy unter 
mancherlei Wechfel des Geſchmacks und des Kunftwerthe ih: 
ter Erzeugniffe bie auf die neuefte Zeit herab, aller Concur⸗ 
renz früher oder fpäter eingeführter Mittel zu ähnlichen Zwe⸗ 
den ungeachtet, in Übung und Anfehn zu erhalten gewußt. 
Während dem Kupferftecher durch die blanke Oberfläche der 
Platte das Licht gegeben iſt und er fih mit der Nadel 
und dem Grabftihel in ben Schatten bineinarbeitet, den 
ee erſt hervorzubringen hat, iſt die Platte des Schab: 
kuͤnſtlers dergeſtalt rauh gemacht, daß fie fo abgedruckt, 
wie ſie iſt, nur eine gleichfoͤrmige Flaͤche von der tiefſten 
Schwaͤrze gibt, und er muß ſich mit dem Schaber das 
Licht und die Ubergaͤnge in daſſelbe ſchaffen. Dieſen, dem 
vorigen ganz entgegengeſetzten Weg bezeichnet der Titelholz⸗ 
ſchnitt bildlich, durch das Hervorbrechen des Lichts aus der 
Finſterniß und die Flucht der Nachteule. Die Leichtigkeit, 
ohne muͤhſame Kunſttechnik, in dieſer Art Arbeiten her⸗ 
vorzubringen, die wie getuſcht ausſehen, und ſie durch den 
Abdruck, wenn auch nicht in ſolcher Menge als andere 
Kupferſtiche, vervielfaͤltigen zu koͤnnen, machte die Schab⸗ 
kunſt anfangs zu einem Liebling mehr oder weniger vor⸗ 
nehmer Dilettanten, denen ſelbſt ihr Erfinder angehoͤrt, 
bald aber nahmen auch die Maler vielen Antheil daran, 
weshalb, ſelbſt wenn ſie blos bei Verſuchen ſtehen blieben, 
die geſchabten Blaͤtter, bis ins erſte Viertel des 18. Jahr⸗ 
hunderts hinein, meiſt durch die Kuͤnſtlerhand, welche ſich 
darin, wenn auch nur oberflaͤchlich zu erkennen gibt, Werth 
haben. Dieſen verloren ſie jedoch von da ab durch deutſche, 
hauptſaͤchlich von Augsburg ausgehende Fabrikarbeit und 
aus dem Miseredit, welcher die Folge davon war, wurde 
die Schabkunſt erſt durch die Englaͤnder, namentlich durch 
Earlom, zum hoͤchſten Glanz und zu einer ausgedehnten 
Beliebtheit wieder emporgehoben. Aber auch dieſe Stufe 
konnte ſie nicht lange behaupten, weil ſie, bei der Mo⸗ 
notonie und kraftloſen Unbeſtimmtheit ihres Grundcha⸗ 
rakters, zu wenig Mannichfaltigkeit und geiſtreiche Eigen⸗ 
chuͤmlichkeit der Behandlung zulaͤßt. Erſt in der neueften 
Zeit hat man, durch Verbindung mit andern Manieren 
und Kunftgriffen, diefen Mangel einigermaßen zu erfegen, 
auch duch Anwendung auf Stahl felbft eine größere Er: 
giebigkeit des Abdrucks Hervorzubringen gewußt. So groß 
bie Ausführlichkeit ift, womit der Verfaſſer das Hiftori- 
ſche ihrer Entftehung und erſten Ausbildung abhanbelt, fo 
kurz geht er über Ihre fpätern Schidfale hinweg; bie Ge: 
ſchichte Ihrer Technik foll bei den andern Gattungen bes 
Kupferftihe in einer befondern Abtheilung feines Werks 
ihre Stelle finden. In der Einleitung fpricht er von den 
verfchledenen Benennungen, bie ber Schabkunſt gegeben 
worden find, und von den Schriftfielleen, die von ihr ge: 


handelt haben, namentlih von Evelyn, ber in feiner 


. „Seultura‘ (London 1662) auf den Grund von Mit 


theilungen des Prinzen Rupert und unter Beifügung eines 
Probeblattes von befien Hand, die erfte Nachricht über 
biefe Erfindung gab, die er noch als Geheimniß behan- 
delte und über deren eigentlichen Erfinder er im Dunkeln 
ließ, daher es denn auch kam, daß Viele feitdem ben 
Prinzen felbft dafür gehalten haben. Eine dritte, mit ber 
zweiten ganz Übereinftimmende Ausgabe dieſes Buche von 
1759 ift dem Verfaſſer unbelannt geblieben. Die erſte 
Nachricht über den wahren Erfinder, Ludw. v. Stegen, 
gab Sandrart in feiner „Kunftatademie” (Nürnberg 1675), 
nur daß er die Erfindung in das Jahr 1648 fest, 
während Siegen’s erftes gefchabtes Blatt, das Bildniß ber 
Landgräfin Elifaberh, fhon 1642 geftochen if. Auch bie 
intereffante Frage wird unterfucht, ob Rembrandt, — ber 
mit Siegen und dem Prinzen Rupert gleichzeitig war, den 
Legtern gemalt hat und deſſen Blätter zumeilen ber ge: 
fhabten Arbeit ähnlich find — ſich diefe Erfindung an: 
geeignet habe? Das Refultat fällt dahin aus, daß er 
unftreitig davon Kenntniß hatte, fein Verfahren aber doch 
ein ganz verfhledenes war und Eein eigentlich gefchabtes 
Blatt von ihm nachzumeifen ift. über die Familie von 
Siegen hat der Verf. in den Jahren 183% und 1835, in 
den Archiven von Kaffe, wo ihm nur das Gabinetsardhiv 
in Wilhelmshoͤhe unzugdnglich geblieben, von Darmſtadt 
und andern beutfchen und bolldndifhen Städten bie forg: 
fättigften Nachforſchungen angeftelle und ein fpecielles Ber: 
zeihniß der gefundenen Urkunden und Documente beige 
fügt. Auf den Grund derfelben erfahren wir, daß bie aus 
dem Weſterwald herſtammende, mit dem naffauifchen Haufe 
verwandte und in Köln wohnhafte Familie v. Siegen im 
16. Jahrhundert ein Heffifches, im Eurkölnifchen Gebiet 
zvoifchen Köln und Bonn beiegenes Lehngut Sechten ers 
warb und dadurch von den heffilchen Landgrafen abhängfg 
wurde. Johann v. Siegen, aus einem nady Holland vers 
pflanzten Zweig biefer Familie, wurbe 1620 von Land: 
graf Morig zum Vorſteher feines Collegium Manritianam 
in Kaffel, einer ber erſten in Deutfchland errichteten Rits 
terafademien, ernannt, wo nunmehr auch Ludwig, einer 
feiner Söhne, Aufnahme fand. Ein Holzſchnitt zeigt die 
alten Gebäude, welche den Eingang zu diefer Unterrichts: 
anflalt bilden. Nah mehren Neifen wurde Ludwig 1639 
Kammerjunker bei dem jungen Wilhelm VI., deſſen Mut: 
ter, bie treffliche Landgraͤfin Elifabeth, bie Zügel der Re 
gierung führte, 1641 verließ er aber biefen Dienft und 
ging nach Amfterdam. Hier vollendete er ein großes Bilb⸗ 
niß der Landgräfin nach feiner eigenen Beichnung in ber 
von ihm erfundenen Manier, die jedoch noch mehr von 
Roulett und punktirter, als von eigentlich gefchabter Ar: 
beit verräch, und überfandte folches mit einem, im Fac⸗ 
fimite beigefügten Schreiben vom 19. (29.) Auguft 1642 
dem Lanbdgrafen, als einem Liebhaber der Kunft und um 
ihm einen Beweis feiner Anhänglichkeit zu geben, indem 
er darin fagt, daß er in dieſem Bildniß eine gantz newe 
invention oder sonderbahre, noch nie gesehene arth er: 
funden habe und deren Unterfchteb von den bisher bekann⸗ 


⸗ 


ten Arten des Kupferſtichs kuͤrzlich angibt. Was ihn auf | 


dieſe Invention gebracht hat, iſt jedoch ebenfo wenig zu er: 
mitteln gewefen, ale mo und wodurch er überhaupt ver: 
anlaßt worden, fih auf die Kunft der Zeichnung und des 
Kupferſtichs zu’ legen, zu der er viellelht (don im Mau: 
sitianum die esfle Anleitung erhalten batte. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Sliegende Blätter, von Heinrich Künzel. Stanffurt 
a. M., Sauerländer. 1839. 8. 1 Thlr. 8 ©r. 


Der Berfaffer biefer gefammelten Auffäge und Gedichte ift 
unter ben Bahnen Derjenigen aufgetreten, deren Kritik in küh⸗ 
nem Zugendmuthe das Alte und Bisherige unferer fhönen Lite: 
ratur als abgethan betrachtete und ber beutfchen Geſellſchaft mit 
der focialen auch eine poetifhe Regeneration propbezeite. Diefe 
Weiffagungen erfreuten fi einigen Credits, fo lange fie neu 
waren und bie Erfüllung durch diefelbe Jugend, bie fo begei: 
flerte und zuverfichtliche Träume von der Zukunft hatte, mög: 
lich ſchien, fodaß jeden Augenblick aus der Afche der Kritif, 
die man allerdings vor ſich ſah, der deutfche Phoͤnix in vers 
jüngter Wunbergeftalt emporflattern und feine Schwingen in 
der Sonne wiegen konnte. Die Gefichte verloren aber ben 
Glauben in demfelben Maße, in welchem auf die herrliche Er: 
fheinung immer länger vergebens gewartet wurde. Denn je 
geſpannter man die Funken und Klammen beobachtete, die von 
Beit zu Zeit aus jenem Afchenhaufen emporloderten,, defto mehr 
mußte man ſich bei genauer Befichtigung Übergeugen, daß die⸗ 
felben ber Blut des alten, verbrannten Vogels angehörten und 
nicht Lebenszeichen bes fich wiebergebärenden neuen waren. Un: 
verblämt: Diejenigen, die eine Unendlichkeit neuer Kräfte und 
Geſtaltungen vorherfagten, zeigten ſich mit ihren eigenen Pro⸗ 
buctionen in den Kreis ber poetifchen Wergangenbeit gebannt, 


als durch die bisherige Zeitbildung eingegrenzte, zuweilen auch | 


on durch ihr eigenes Talent von aller Ewigkeit her beſchraͤnkte 
aturen. 

Sin Durchblick dieſer artigen Blätter bient dazu, unfere 
Anficht zu befräftigen. Der liebenswürbige Verfaſſer erfcheint 
fowol in den profaiihen Aufſätzen als in den Gedichten wie ein 
befcheibenes Blied der bisherigen ſchoͤnen Literatur, in der uns 
gebundenen Darftellung nad) dem Muſter unferer beflen Profai: 
ter, von welchen er ja auch eine Auswahl veranftaltet bat, ges 
bildet, in ben Gedichten vom Zone der beften Sänger unferer 
Zeit, nicht ohne eigene-Iudividualität, abhängig; er zeigt ſich 
mannichfady begrenzt, ohne jedoch mit Recht beſchraͤnkt geſchol⸗ 
ten werben zu dürfen. 

Das erite der fliegenden Blätter, „Die Taubſtumme““, um: 
gibt eine etwas romanhafte Srfindung — eine Gräfin Pahlen 
aus Petersburg, von einem Taubſtummenlehrer begleitet, ers 
langt auf dem Rigikulm beim Anblide der aufgehenden Gonne 
plöglich die Sprache — mit einem hoͤchſt anmuthigen Rahmen, 
der uns das Fremdenleben im Wirthshauſe und auf dem Schau: 
gerüfte des Berges durch graziöfe Darftellung anſchaulich macht. 
Ref. fand zweimal auf dem Herrlidden Gipfel: das erflemal, 
als derſelbe noch kahl war, vor 27 Zahren, einfam unb nur 
vom Führer begleitet; das anderemal 11 Jahre fpäter, in fröhs 
licher Gefelifchaft reifend, zwiſchen einem Dänen und Rorbs 
deutjchen, an einem neblichten Dctobertage, in dem von ber 
Phantaſte bes Schilderers etwas erweiterten niebrigen und 
ſchmalen Saale ded hölzernen Wirthähaufes traulich gelagert 
durch eine herrliche Vollmondenacht und sinen unbefchreibli 
fchönen Dctobermorgen für ben entbebrten Sonnenuntergang ent⸗ 
ſchaͤdigt. Herren Künzel's Beſchreibung iſt fo wahrbeitsgemäß 
und natürlich, daß ein lebhaftes Schweizerwanderheimweh in 
Peer Beurtheiler rege wurde, als er das Blatt burchflogen 


* 


Der gzweite Aufſatz gibt eine Lebeneſtizze des In brei Räns 
en, als Zelchner, Kupferfieher und neuerbings ale Dichter 
mit Achtung genannten Kaxl Bart. Diefelbe iſt kanſtleriſch 
gut angelegt, ohne mit affectirter Objectivitaͤt ausgeführt zu 
fein, denn fie athmet Wärme und große Liebe für den Künfts 
lee und fchildert fein Verhältniß zu Friedrich Ruͤckert mit Bes 
geifterung. Auch iſt fie in Wahrheit ein Lebensbild zu nennen 
und erhält dadurch auch Literachiftorifchen Werth. N. Barth 
iſt nach derſelben im Detober 1787 zu Eisfeld, brei Stunden 
von Hildburghaufen, geboren, aber ſchon im britten Jahre- 
nad) letzterer Stadt verpflanzt worden. Der Water beflimmte 
den feurigen Knaben fchon früh zum Goldſchmied. „Die Gehns 
fuht, ſich der Kunft völlig und entfchieben weihen zu dürfen, 
die der Anabe nicht mehr bemeiftern konnte, klagt der Mann 
in einem feiner Gedichte als Iugendelegie aus.” Beim fchlims 
men Ton ber fchrillenden Feilen miſchte er ihren Staub mit 
Thränen; ſtatt Silber fehmiedete er Plane zum Entweichen. 
Endlich erwarb ihm eine Charade die Gunſt eines deutfchen 
Bürften, und auf den Ausfpruch bes ,, Kunſtmeyers“ zu Wet: 
mar wurde er der Kupferflecherkunft gewidmet, ber er unter 
bem großen Meifter Johann Gotthard v. Müller gu Stuttgart 
von 1805 — 12 nur mit einjähriger Unterbrechung oblag. 
In Frankfurt fand er fi mit Sornelius, Zeller von Berlin und 
Mosier zufammen. ‚Ihre Berfammlungen wurden bie Weihe⸗ 
ſtunden für der Künſtler ganzes Leben; ba bildeten fie bie 
Grundſaͤhe aus, nach welden fie in fpäterer Zeit die.erhabenen 
Bötter und Deroengeftalten al Fresco fhufen. Die Wahrheit 
und die Schönheit der Kunft wurden wieber in ihre erflorbe: 
nen (?) Rechte eingefeht. Die alten Meifter flanden verjüngt 
auf, Germania und Italia fchloffen einen fchmwefterlichen Bund. 
In jenen Augenbliden wurbe die bildende Kunft unferd Jahr⸗ 
bunderts geboren.’ Den Reſt bes Jahres 1812—13 brachte Barth 
in feiner Baterftabt mit dem Portrait von Rafael zu, ging am 
Beginn bes Jahres 181% mit Zeller nach Nürnberg und am 
Scluffe deffelben Jahres nach Muͤnchen, wo er bis Ende 1816 
in einem erweiterten Kreife junger Künftler und Freunde bie 
Idee einer nationalen Kunft und ihre G@inführung ins Leben 
duch Gebilde pflegen half. Zwei Jahre arbeitete er bier an 
dem Stiche von Rafael’ Portrait; dann eilte er nach Regens⸗ 
burg und erhielt von feiner Befchügerin, der Fürſtin von Thurn 
und Taxis, Grlaubniß und Mittel zur Wanderung nach Sta= 
lien, bie er im Frühjahr 1817 antrat. Hier fand er bie mei⸗ 
ften aͤltern Freunde wieder und erwarb fich in Friedrich Kuüͤckert, 
Wilhelm Müller unb dem Schweden Amab. Atterbom neue. 
„Dieſer mufenreiche Umgang löfte das Siegel feines Dichtermuns 
des“ und ein aus jener Zeit ſtammendes minnigliches Lied theilt 
Herr Künzel uns mit. „Er litt übrigens bier an ber Krankheit, 
welche jedes echte Künftiergemüth beim Anfchauen ber Gemaͤlde 
Rafael's, Michel Angelo’, der vollendetfien Kunſtwerke bes 
Alterthums, gewaltig ergreift und ben eigenen Genius zu er⸗ 
drücken droht. Muth und Selbfivertrauen reiften als bie 
Früchte feines Künftierflepticiemus. Er fchloß fih von neuem 
innigft an bie neue beutfche Kunftfchule an.’ Seine äußere bisher 
nit glänzende Lage hatte fidy auch verbefiert; Ihorwaldien 
übertrug ihm den Stich feines Ganymed nach eigener Zeichnung ; 
bem Stiche des Portraits von Br. Schlegel, nach ber Zeichnung 
feines Stiefſohns Veit, folgten mehre ausgeführtere Zeichnun⸗ 
gen, Kunftwerke, Portraits und Iandfchaftlidhe Studien. Der 
plöglihe Tod feines Freundes Fohr, der beim Bad in ber Zi- 
ber fein frühes Grab fand, machte ihn felbft längere Beit gu 
jeber ernflern Arbeit untüdtig; und im britten Jahre feines 
Aufenthaltes warf ihn ein hartnädiges Fieber aufs Lager, ſo⸗ 
daß er endlich fiechend (Det. 1819) die Rüdfahrt nach ber Hei⸗ 
mat antrat und dort ihm bie Wiebergenefung ein volles Halb: 
jahre raubte. Mit heißer Sehnſucht, zu fchaffen, begann er fos 
dann den Antbeil feines Stiches an den Nibelungen nach ber 
grandiofen Zeichnung von Peter von Gernelius. „Der Stich er⸗ 
fhien fpäter bei Reimer in Berlin als das verwaifte Zitelblatt 
eines beutfchen Prachtwerkes.“ Barth lebte nun abwechfeind im 


Embeng, Fraukfurt und 'teiburg, wo er din Sale tung bie 
Frag Herder ſchen Runftanftult dirtzirte. Dana wanbie 
08 ich nach Seimeiberg, rettete einen Ghriftustepf won peibein, 
unter alten Scharteken eutdeut, Tür bie Kunftwelt durch Go⸗ 
en; zu Frankfurt flach er ‚benfelben (1826-30) und ar 
diach die Vogel ſchen Berslen von Yilinig, fowie Wignetten, 
hiſtoriſche Sompofitionen und Portraits für Taſchenbacher und 
anaere Stiche. Da Portraits, in Zeichnungen wie im Stich 
hat ex anentannte Meſſterſchaft errungen. inter feinen vielen 
ubsiten tiefer Art zeichnen ſich Die Bitbniffe von H. Voß, By: 
sen, Goethe, Khamifio, ©. Döring, ber Kopf einer Roͤmerin 
ud der ſchoͤnen Iſabella von Spanien ans. Mit Ruͤckert hat 
Barth einen Lebensbund ber Freundſchaft und ber Liebe gefählof- 
fen. Seht ausgezeichnetſten Arbeiten biieben fein Ehriſtus und 
Seine Madenna nad) Holbein, bie lettere in Darmſtadt vollen- 
Det, wo er in sinem fchönen Kreiſe jüngerer und älterer Freunde, 
der beiden Felſing, bee beiden Rauch, Gihitbadrs, Dr. Kaupe 
mud vicler anderm lebte. Gegenwaͤrtig lebt Barth ſchon ſeit 
geraumer Deit ſtill umb einfam in Hildburghauſen und nur 
Mpärlicdy bringen Briefe und natuchiſtoriſche Sendungen an Dr. 
‚Raup- ben Befneunbeten Kunde von dem gelichten Manne. Im 
Kugenbiicte befchäftigt ihn der Stich einer Magdalena für das 
Bibliographiſche Inſtitut feiner Baterſtadt. 

Dies die Umriſſe des grünblichfien und dankwertheſten Auf⸗ 
ſatzes der kleinen Sammlung. Gin anderes Künfilerleben, an: 
‚Ders gefärbt und dargeſtellt, iſt in ber kleinen Glizge ‚Abt 
Vogler und feine Schuͤler“ hoͤchſt anzichend geſchildert. 

Die zwei Beſuche bei Goethe wird man, obwol fie humo⸗ 
wiſtiſcher wiedergegeben fein tönnten und hier eine Grenze in 
‚KWümgel’d Talent Schr fehibar wird, doch mit Wohlgefallen le⸗ 
sen. Der erſte if, menigflens mit feinem tragifcgen Ausgang, 
rfinbung ; der Schwabe aber, ber Hanbdſchriftenſammler, von 
weichem Goethe fagt: „Der Schwabe foll mich nicht fehen; ich 
will den Schwaben fehen!” iſt ganz Portrait nad) bem 
Beben; ja, er iR foger ein Ramensvetter des Herrn Künzel. 
GSoethe's Aufteitt und Haltung iſt in der erſten Hälfte der Er: 
:gählung mit elaſſiſcher Treue gezeichnet. Beide Anekdoten er: 
—2 den Ref. mit Luſt an einen andern Schwabenbeſuch 
bei dem großen Manne, der nicht unglüdlich ausgefallen if: 
{an feinen eigenen. Vielleicht nimmt auch ex fi einmal Muße, 
beufeßben zu fchildern. 

Das Genrebilde, Die Todtenkapelle der Gapuziner zu Pa: 
lermo ewttält den bexben Schwank eines fardhstoren Würden: 
vergers und nähme fi fin Knittelreimen bes 14. Jahrhun⸗ 
beres heffer aus als im Novellenſchnitte. „Die Kartenſchlaͤ⸗ 
gerin“ dehandelt eine Anckdote aus dem Leben Napoleon’s, in 
‚welcher deſſen Gedanken und GSelbfigefpräche nicht wenig ger⸗ 
manifist werben; das Ganze ift ſtark auf Effekt gearbeitet. 

„Die Ehtiſtnacht““, in weicher eine Mutter ihres erfigeborenen 
dieblings Tod bei ben Sichtern bes Geihnachtobaumes entbedit, 
‚würde noch vührender wirken, wenn fie ohne ben theatratifchen 
Apparat zrzühlt wire. Der Schluß Hi vortrefflich. 

"Rum folite Ref. auch noch die zweite und zwar bie größere 
Site des Buchs, die Igrifchen Gedichte, einem ausführlichen 
wdrtheti unterwerfen; da aber Herr Künzel ihm, dem Ref. 
vor sinigen Jahren in einer Kritik ein ziemlich geringes poeti⸗ 
das: Hoxoſtop geſtellt hat, das ber Abgeurtheilte ihm übrigens 
ıYar nicht Thel nimmt, bean es bat ihn in feinen eigenen Aus 
Yen und in denen bes Publicums doch gelaffen,, wie ex tft, und 
micht gemache, wie es dort gefchiibert wirb: fo fürchtet er, 
Herr Künzel möcht, wenn er feinen Referenten erriethe, auch In 
"em gelindeften und unbefengenften Zabel eine Art. genommiener 
Sovanıche erblichen, die Mef. wahrlich nicht beabfitbtigt. :&o 
beſchraͤnkt er ſich denn darauf, mit einfachem Lobe derjenigen 
GBedbichte Erwähnung zu then, bie ibm am beften gefallen ha⸗ 
"sen. Ihe Gharakter iſt im Bangen ein gar nicht unangeneh: 
mes GSemiſch von Uhland und Heine, wie wir «6 bei ben Dich: 
ten der jüngflen Periode nicht felten Anden und wie ein 


Yraınb Yan Künzebs, Lndwig 


nbawig Wihl, alt angeochmer Welbft; 
verſpottung N eigene frühere Posfie her bat ſeithem Welbfänr 
higeres geleiftst) y begeiignen kein Bedenken trug. Dirjenigen 
alſo, durch weiche fih Ref. am meiften angefprocden findet, 
find: „Lied und Eetd‘' (6. 181), „Der Eindenbaum” (S. 185, 
gar ſchoͤn und vielleicht Das ı bee dieſer Leber), „, ‘ 
(8. 141); von „neu Richem aus her Warofixafe”: Me.-6, 7 
21, 22, 24, 26, 29, als die originellften, andere find- auch 
bübfh, erinnern aber zu fehr an Wilhelm Müllers Wander: 
lieber. Berner: „Raifer Karl’ (S. 182), „Das Eichenreis“ 
(8. 199), „Le roi 8’ amuse“ (S. 204), „ZIheopbraftus Pas 
zaceljus” (©. 206), „Friedrich Kornemann‘’ (@. 224), ‚Befang 
der gefangenen Sünglinge” (8. 260), „Ans Vaterland ’ 
(8. 262), „Die Rebe und bie Pappel“ (©. 265). Bei bies 
ve Lobe bleibe 08; den Tadel will Ref. auf dom Deren, bes 
Halten. . 


ö V 7 ñ e —s Si 


Notizen. 

In ber Racht vom 19. zum 20. Jun. d. 3. flarb zu Bas 
ris 9. 3. Redouté , ber berühmtefte franzoͤſiſche Blumenmalar 
der Begenwart. Jean Pierce Redouté iſt in Belgien am 10, 
Zul. 1759 geboren und flammt aus einer unbemittelten Aüuſt⸗ 
lerfamitie. Schon in ſehr jungen Jahren Iebte.er von feiner 
Arbeit in Holland und Flandern, und malte damals auch Ries 
chengemaͤlde, Theaterbecerationen und Portraits. Gr in Pas 
ris wibmete ex fi dem Genre, für das er geboren war, ber 
Blumenmalerei, wogu er durch ben Gelehrten Lhöritier, der 
178% eine ‚‚Iconographie botanique‘, herausgab, veranlaßt 
wurbe. Beſonders Eunftreic war Meboute in ber Abbitdaug 
von Lilienarten, denen er abex fetbft feine ofen vorzoz; man 
nannte fie baher auch, um fie vor andern auszugeichnen, ‚Les 
liliacdes de Redeute”, ‚Les roses de Redoule.! Er war 
Zeichnenlehrer am Muſeum ber Naturgefdjichte und hielt ſedes 
Jahr Vorträge, an denen befondbers die fchönften Damen 
non Paris Theil nahmen. Ginigemale ſchlugen ihn feine 
Breunde dem Inflitute als Mitglieb vor; er wurde aber, wahr⸗ 
fheintich weil die befcheidene Blumenmalerei zu wenig Lärm 
macht, abgewiefen. ERedouté tröftete fich, indem er fagte: „Das 
find die Dornen zu meinen Rofen !” 


In den frangöfixhen Journalen exblicdt man jegt eine groß: 
mächtige Angeige, woräber bie Minietuvabbiſdung eines Phau⸗ 
toftifchen, ſehr fchönen und weitläufigen Gebaͤudes mit der Unters 
fhrift „„Yue d’un phalanstäre‘ fi befindet. Diefe Anzeige beszifft 
die von ben Fourieriſten geftiftete Zeitfchrift , weiche dreimal &n 
ber Woche erfcheinen fol und beren Titel vollſtaͤndig biefen iM: 
„La phalange, journal politique, industsiel, list6nsire etc. ; 
publi& par la soci&6 pour la propagation et la realisation 
de la theorie de Fourier.” Man erfährt daraus, daß vieſ⸗ 
Geſellſchaft, auf das proviſoriſche Gapital von 200000 Fraues 
gegränbet, am 15. Jun. 1840, nach ‚einer Subftription von 
445,008 Franes des gefeliichaftlichen Sapitals tet in. Die 
Gerants der Geſellſchaft find die Herren Conſiderant und Paget. 
Diefe Befeifchaft allein gibt die Werke und Manuferipte Fou⸗ 
zier’6 wie die Werte der vorzuͤglichften Schuͤler deſſciben 
— wean fie von dem Conſeil der Ridaetion angenommen 
worben. 


Anter dem Zitel: „La visite à Yaöpital” und „Les trois 
cousines‘‘ veröffentlichte ein anonymer Schrifeſteller, wricher Ale 
Sitten unb Bebütfuiffe ber untern Glaffen der menſchlichen 
Geſellſchaft wohl zu Bennen fcheint, zwei kleine populaire Werke, 
die über die Pflichten der Arbeiter und MDiemfidoten herrläche 
Regeln enthalten. Man erfährt, daß anbere Schriften deſſelben 
Verf. facseffiv erſcheinen und eine’ Ast von Bibliochel für die 
untern Bolkselaſſen bilden merken. 8 _ 





Serantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhauß in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Histoire de la gravure en maniere noire par 
Leon de Ladorde. 
(Beſchluß aus Nr. 220.) 

Einer der erften Theilnehmer an der neuen Erfindung 
war Prinz Rupert von der Pfalz, von welchem ein ſchoͤ⸗ 
nes, jugendliches Bildniß, nach einem gefhabten Blatt 
von W. Baillant lithographirt, hier beigefügt if. Die: 
fer, ein Sohn des unglüdlihen Winterkoͤnigs und der 
Zochter Jakob's I. von England, hatte wahrfcheinlich ſchon 
während feiner Erziehung in Holland an mandherlei mit 
der zeichnenden Kunft vertwandten Übungen Geſchmack ges 
mwonnen, zu denen ihm die Unruhe feiner, bei großer Ta⸗ 
pfexkeit, vom Gluͤck wenig begünftigten Eriegerifhen Lauf: 
bahn zu Rande wie zur See Beine Zeit ließ, bis er, nad) 
der Ruͤckkehr in fein Vaterland, ſich friedlichen Beſchaͤf⸗ 
tigungen hingeben ®onnte. Ludwig v. Siegen, ber nad) 
dem weftfälifchen Frieden in braunfchweigifche Dienfte ge: 
sangen war, hatte in bee Schabkunſt immer meitere Fort: 
ſchritte gemacht und fie in einem Bilde des ©. Bruno, 
welches er 1654, während eines Aufenthalts in Köln in 
Familienangelegenheiten, verfertigt hatte, ganz zur Reife 
gebracht. Hier lernte er den Prinzen Rupert kennen und 
theilte ihm fein Geheimniß mit. Der Prinz hatte eine 
befondere Leidenfchaft für polytechniſches Erperimentiren ; 
feine Nichte, die durch ihre originellen Memoiren bekannte 
Eliſabeth, Herzogin von Drleans, erzählt, daß er in Eng: 
land, wohin er fih unter Karl Il. wieder begeben hatte 
und wo er fein Leben befchloß, für einen Hexenmeiſter 
und fein fchwarzer Hund für den ihm dienftbaren Teufel 
gehalten wurde. So machte er auch, mit Hülfe des Ma⸗ 
lers W. Balllant, den er unterhielt, von dem Geheim: 
nig Gebrauch, in welches ihn Siegen eingeweiht hatte, 
das aber um 1656 auch anderweitig befannt geworden zu 
fein fcheint, weit feit diefem Fahr der Domcapitular und 
Oberſt von Fuͤrſtenberg und einige Schüler deffelben in 
Mainz mit Blättern in Schabkunft auftreten. Ludwig, 
ber fich feiner Samilienanfprüche wegen fpäterhin Siegen 
v. Sechten ſchrieb, farb ale Major in Wolfenbüttel, man 
weiß nicht wann, nachdem er feine Erfindung in dem mel: 
teften Umfange fi hatte verbreiten fehen. Ein Holzſchnitt 
zeigt, wie des Verfaſſer fih ihn in feinen alten Tagen 
gedacht hat, fein Kind und feinen Hund ihm zur Seite. 

Bis auf die Carracci in Italien und Rubens in den 
Niederlanden hatte der Kupferflich die Malerei nur in 


8. Auguft 1840. 


. 


Beichnung und Ausdrud wiederzugeben getrachtet. Rubens 
vor allen brachte in bemfelben eine Revolution hervor, ins 
dem er den Grabſtichel auch auf Colorit und malerifche 
Wirkung hinlenkte. Aber alles dies blos duch ein Sy⸗ 
ftem von Linien und deren verfchiebene Stärke, Biegung, 
Brechung oder ſich Ereugendes Übereinanderlegen hervorzus 
bringen, erfoderte nicht nur eine eigenthümliche Kunft der 
Zeihnung, fondern auch bie völlige Herrfchaft Aber das 
Werkzeug zum Eingraben, was nur die Frucht eines Stu⸗ 
diums und einer Übung war, wie fie die Maler ſelbſt fich 
nicht leicht als Nebenfache aneignen Eonnten. Don diefn 
wußte Rembrandt zwar Daffelde auf einem leichten und 
vegellofern Wege durch Anwendung der Nadel, des Abs 
waſſers und andere Kunftgriffe zu erreichen, unb zwar fo, 
daß ſich feine Arbeit zu der bes Kupferftechers gleichſam 
wie beragsilz zu dem orbentlichen Gewebe mit Kette und 
Einfhlag verhält. Um aber damit fo Bewundernewärdts 
ges zu leiften, wie er, mar eine Genialität und eine El⸗ 
genthuͤmlichkeit erfoderlich, wie fie nur Wenigen gegeben 
if. Daher machten fi Maler wie Dilsttanten am lieb: 
ſten mit der Schabkunſt zu thun, wäre fie auch von da⸗ 
maligen Autoritäten, wie Sandrart und Laireſſe, weniger 
empfohlen ‚worden. Sie erfoderte Leine muͤhſame Techntik 
und entfpradd am beften der leichten Pinfelarbeit, ober 
der KRreidezeichnung auf dunkelm Papier mit aufgehöhten 
Lichtern, die insbefondere für das Portrait beliebt gewors 
den war. Es dauerte indeß lange, che fie durch Ihe 
ganz fi) widmende Meifter, über das Portrait und Gen: 
tebild hinaus, auf die Stufe erhoben wurbe, wo fie fi 
ben gebdiegenften Producten des Srabflichels, bie mit Recht 
ſtets in hoͤchſten Ehren ftanden, an die Seite ſtellen konnte. 
In Stalien führte fie Arnold v. Meflterhout um 1692 
ein, jedoch mit dem wenigften Erfolge. In Deutfchland 
gerieth fie zu bald in die Hände einer fihnellproducirenden 
Mittelmäßigkeit und verlor dadurch in einer für die Kunſt 
ohnehin ungünftigen Zeit ihren Kredit. Nach Frankreich 
verpflanzte fie DBaillant und van Somer gerade zu einer 
Zeit, wo die Kunſt des Grabflicheld ihrer größten Blüte 
unter Ludwig XIV. entgegenging, daher fie neben derſel⸗ 
ben nicht auflommen Eonnte. Dagegen kamen ihr in 
England mehre Umftände zu flatten, einmal bie Vor: 
liebe des Nationalgefhmads für Farbe und Wirkung und 
für eine gefällige Srazie, die jeden Anfchein von Müh: 
ſamkeit fcheut, dann der Mangel einer inlaͤndiſchen wohl⸗ 


890 


begründeten Schule von Stehern, endlich die, vielleicht 
nur in den Niederlanden damals gleich ſtarke Neigung für 
das Portrait, die durch die Schabkunft die Leichtefte De: 
feiedigung fand. Daher bürgerte fie fid dort, nachdem 
fie anfangs in den Niederlanden am meiften gepflegt wor: 
den war, bald dergeflalt ein, baß man fie vorzugsweife 
auch wol die englifhe Manier genannt but. 

Nun folgt ein beurtheilendes Verzeichniß von Blättern 
in geſchabter Manier bis 1720 nach chronologiſcher Ord⸗ 
nung dee Künftter in den verfchiedenen Ländern, welches 
zwar nicht auf Vollftändigkeit Anſpruch macht, wie e6 
denn aus MR. Weigel's ſchaͤtzbarem Kunſtkatalog, Ab: 
theilung V, noch fehr erganzt werden kann, aber ale 
ein in ſolcher Art bisher nicht vorhanden geweſener Leit: 
faden jedem Sammler willtommen fein wird. Eine ſchoͤne 
Zierde deſſelben find neun Copien intereſſanter Bildniß- 
blaͤtter, ein Negerkopf nach Sir Chr. Wren, dem beruͤhm⸗ 
ten Erbauer der Paulskirche, auf Stahl von Girard ge: 
(habt, die andern lithographirt, worunter Siegen's Bild: 
niß der Landaräfin Elifabeth verkleinert. Die erfte An- 
wendung ber Schabkunft zum Buntdruck machte Jakob 
Chriftoph Le Blon (nicht Le Blond, wie er häufig ge: 
fehrieben wird), gleichfalls ein Deutfcher, aus Frankfurt 
a. M. gebürtig. Der Drud der Holzfhnitte in fogenann: 
tem Helldunkel mit mehren Platten und die Durchſich⸗ 
tigkeit der Aquarelifarben brachte ihn, einen Maler in Del 
und Miniatur, auf den Gedanken, mittels der Schab: 
Zunft nicht nur eine ſchwarze, fondern auch eine bunte 
Pinfelzeichnung bdergeftalt nachzuahmen, daß er bie Bor: 


flelung auf möglichft wenige, meift nur drei ‘Platten, jede 


für eine befondere Grundfarbe, vertheilte, und im Ge: 
fammtabbrud dadurch, daß bie Farben entweder für ſich 
allein ftehen oder fi) einander decken, eine mannichfaltigere 
Nuancirung bderfelben entftehen ließ. Etwas Anderes iſt 
es, eine einzige Platte, welche das vollftänbige Bild ent: 
hält, flatt der Schwärzung, mit verfchiedenen Drudfar: 
ben zu färben und dadurch auf einmal einen bunten Ab: 
druck hervorzubringen. Solche Abdrüde kommen mitunter 
von Kupferftichen vor, melche aͤlter als Leblon's Erfindung 
find, beweifen jedoch nicht, daß bie Verfahren früher ſchon 
dagewefen und von ihm nur in ben Buntdrud mit ver: 
ſchledenen Platten verwandelt worden ſei; vielmehr wand⸗ 
ten die Kunfthändier den Buntdruck, nachdem berfelbe 
Mode geworden, in jener unvolllommenen Art auch auf 
ältere, nicht für denfelben beftimmte Platten ihres Ma: 
gazins an, um beflern Abfag zu finden. Immer ift je: 
doch Leblon's Erfindung keine eigene Kupferflichgattung, 
wie fie Barth und Andere nennen, fondern nur eine ge: 
färbte Schabkunſt, zuweilen mit einiger Anwendung der 
Radirnadel und des Grabſtichels. Seine Arbeiten in dies 
fem Fach nahmen um 1704 in Amfterdbam ihren Anfang; 
bie erften berfelben, beſonders die Bildniſſe, find bie treff: 
lichſten in ihrer Art und maden eine Ausnahme von 
Longhi's wegwerfendem Urtheit in feiner „Calcografia“: „le 
stampe colorite, non potendo esserlo quanto basta, sono 
vera puerilità.“ Sie wurden jeboch fpäterhin flüchtiger 
und fabritmäßiger und man muß ſich hüten, ihn nad) die: 


“ 


fen oder gar nach Blättern aus dem Ausfchuß feines Ma⸗ 
gazins oder nad buntgedrudten Grabflicjelblättern eines 
hollaͤndiſchen Kunftverlegers, der auch Le Blon hieß, beur⸗ 
theilen zu wollen. Überhaupt erfebten feine zu fehr ins 
Große und ohne Wirthlichkeit getriebenen Speculationen 
nur kurze Glanzperioden und ließen ihn endlich in duͤrfti⸗ 
gen Umftänden in Paris flerben. Am voliftändigften find 
feine Blätter, von denen hier ein Verzeichniß gegeben wird, 
in Dresden zu finden. Dem Le Blon folgten in Holland 
Sean Labmiral, in Frankreich die Gautiers D’Agoty. Jener 
wie dieſe haben die Erfindung ihres Meifters für ihre eigene 
auszugeben gefucht, und Fabian Gautier folche dadurch, 
daß er eine ſchwarze Platte mit der farbigen in Verbin: 
bung feste, eher verfchlechtert als verbeffert. Einige an⸗ 
bere, mit der Schabkunft menig oder nichts gemein ha: 
bende Arten bed Buntdrucks merben nur kurz erwähnt 
und was bie Lithographie für benfelben leiftete, dem be: 
fondern Werk über diefe vorbehalten. 

Den Schluß machen einige bei Gelegenheit ber archi⸗ 
varifhen Nachforſchungen über die Familie v. Siegen ge: 
fammelte Notizen über Muſiker, Bildhauer, Maler und 
andere Künftler am faffelee Hofe von 1550 — 1650, 
unter denen brollig genug aud ein Hofratten: und Mäu: 
fefänger figurirt. 

Sn Deutfchland haben wir im Fach der Kupferftich: 
kunde nichts aufzuweiſen, was ſich diefer Monographie an 
Außerer Eleganz und innerer Gediegenheit gleichftellen kann. 
Daß die Unterfuhungen bes Verfaſſers im Wefentlichen 
nicht lohnender an neuen Aufllärungen geweſen find, ift 
nicht feine Schuld, eher könnte man finden, daß er mit: 
unter etwas zu freigebig in Mittheilungen gemefen, bie 
mehr der Schale als dem Kern der Sache angehören. 
Am erfreulichften ift e8 aber, einen Franzoſen mit ebenfo 
großer Sach: als Sprachkenntniß, mit ebenfo viel Müh: 
ſamkeit als Gruͤndlichkeit in bem Felde deutfcher Kunſtge⸗ 
ſchichte auf jene friedlichen Eroberungen ausgehen zu fehn, 
die wir ung .felbft von unfern Nachbarn jenfeit des Rheins 
gern gefallen laffen, ſoweit ihnen unfere eigene literarifche 
Betriebfamkeit nicht darin zuvorgelommen iſt. Es iſt viel: 
leicht das erfte in Paris gefchriebene und gebrudte Buch, in 
welchem wir eine ſolche Menge fremder, insbefondere deut: 
(her Namen, Büchertitel und Extracte aus ältern und 
neuern Schriften fo wenig verftümmelt und durch Drud: 
fehfee, wohin wir S. 96 auch die Namen Woflermann 
und Boswelt (ſtatt VBorftermann und Bolswert) rechnen 
wollen, entftellt ſehen, wie es ſich benn zugleich, bei der 
Schönheit des Druds und feiner reichen Ausſtattung mit 
Holzfhnitten und Bildniffen, durch einen beifpiellos wohl⸗ 
feilen Preis (8 France) auszeihne. Möge uns der 
Verf. daher recht bald mit den Übrigen Abtheilungen ſei⸗ 
nes Werks befchenten, ehe noch, was namentlich die Buch⸗ 
druckerkunſt betrifft, die Theilnahme wieder erfaltet, mit 
ber in dem Zubildumsjahre dieſer wichtigften aller Erfin⸗ 
dungen felbft das unbebeutendfte dahin Gehörige aufge: 
nommen wird. 86, 


891 


On the present condition of the people of this country, 
and the best means of improving it, by G@. Mac- 
econnell. London 1840. 


Der Verfaffer diefee in den Grenzen eines Verſuchs geblie: 
benen Flugſchrift bekennt fi zum politifchen Glauben der Chars 
tiften und hat Über bie dahin einfchlagenden Gegenftände im 
Laufe des Winters far beſuchte Vorlefungen in London gehal: 
ten. Seine legte, kurz vor Oſtern, über Vergangenheit, Ge: 
genwart und Zukunft war eine gebrängte Zufammenftellung 
alles früher Vereinzelten, und nicht „weniger als fie enthält die 
vorliegende Schrift viele und wichtige Wahrheiten — Wahr: 
heiten, bie es zum großen Theile auch biefleit des Kanals 
find. Hätte daher Deutfchland Feine Genfur, würde bie 
Schrift fi) zum Überfegen eignen. Macconnell weiß, was 
er will, und was er weiß, hat er forgfältig geprüft. Des: 
halb ift es in hohem Grabe intereffant, vielleiht auch lehr⸗ 
reich, ihn über die Kortfchritte und Ausficdhten der bürger: 
lichen Geſellſchaft in England fprechen zu hören. eine dies⸗ 
falftgen Bemerkungen liegen in der Schrift zerftreut. Aber 
fie laſſen ſich ſammeln und kommen auf Bolgendes hinaus. 

Die bürgerliche Gefellfhaft in England hat mehr als eine 
Veranlaffung zum Vorwaͤrtsſchreiten. Sie hat Gefeßgeber, die 
einen großen Theil des Jahres hindurch bis fpät in die Nacht 
auffißen, und über Alles, was bem Lande fromme, flundenlange 
Reden halten, fie Hat Beiftlihe, fowol orthodore als biffen: 
tirende, bie an jedem Sonntage zwei und brei Mal prebigen 
und bas Boll auf das himmliſche Reich vorbereiten; fie hat 
rseligiöfe Vereine von allen Größen und von allen Arten, bie 
mit hochgetragenen Köpfen und ausgeftrediten Armen den Samen 
bes Guten und des Wiffens im Wolfe ausftreuen; fie hat eine 
freie Preſſe, die mit tabellofer Pünktlichkeit, mit wunderbarer 
Wohlfeilheit und in unglaublicher Schnelle fhriftftellerifche Ar⸗ 
beiten bes mannichfaltigfien Inhalts veröffentlicht; fie hat 
Sreifhulen und Sonntagsfchulen, wo in Dunberttaufenden des 
aufwachfenden Geſchlechts neue Ideen erzeugt und groß gezogen 
werden; fie hat eine zahlreiche und trefflih organifirte Policet, 
die Tag und Nacht bemüht iſt das Laſter ‚im Auffnospen zu 
erfticten, bie üppigen Auswüchfe abzufchneiden unb bie alten 
Stoͤcke auszurotten; fie hat bie Ichätigkeit bes Dampfes zu 
Waſſer und zu Lande, auf Eifenbahnen und in Manufacturen; 
fie hat den Genuß der von der Wiſſenſchaft zu Tage gefoͤrder⸗ 
ten Schäͤtze des Wiſſens und ben Gewinn ber von der Kunſt 
in allen ihren Zweigen errungenen Zriumphe: fie bat, mit 
einem Worte, Alles, was Menfchentraft und Menfchenwis im 
Kampfe des Menſchen mit der Natur zu erflreben vermocht. 
Es ift daher gewiß nicht zu viel gefagt, baß bie bürgerliche 
Geſellſchaft in England mehr als eine Veranlaffung habe, nicht 
blos vorwärts, fondern fehnell vorwärts zu ſchreiten. Wie fteht 
es aber um bie Thatſache des Vorwaͤrtéſchreitens? Es gibt 
Kortfchritte auf der Bahn zu Fall und Vernichtung, wie es 
Kortfchritte gibt zur Stabilität und zum Glücke; allein es ehrt 
den Sprachgebraud, daß er unter Vorwaͤrtsſchreiten ſchlechtweg 
Kortfchritte zum Beſſerwerden verfteht, und iſt von einem Vor⸗ 
wärtsfchreiten ber bürgerlichen @efellfhaft die Rede, meint er 
damit das Annähern an jenen allgemeinen Rechtözuftand bes 
Menſchen zum Menfchen, der feinen Faͤhigkeiten den möglich 
weiteften Raum zur Entwidelung und ihm dadurch die Wögs 
lichkeit gibt, der Schmied feines Stüdes zu feien. 

Fortſchritte in Reichtum thut England nit. England 
iſt nicht mehr fo reich, ale es noch vor vierzig Jahren war. 
Der Reichthum von damals muß jetzt eine größere Volksmenge 
ernähren. Des Scheine gibt es mehr, bes Gehalts weniger 
als damals, mehr Vergoldung, weniger Gold. Die Steigerung 
der Armentare beweift die fleigende Verarmung bes Landes, 
und eine unbezahlbare Schuld von 800 Mill. Pf. St. zehrt 
langfam, aber fiher am Marke ber Nation. Fortſchritte des 
gefunden Menfchenverftandes find nicht wahrzunehmen. Tau: 
fende firömen herbei, um Eoftfpielige Militairrevuen zu fchauen, 


Zaufende verfäumen tagelang Ihre Arbeit, wenn bie Königin 
in leerem Pompe zur Cröffnung oder zur Schliefung des Pars 
laments fährt, Zaufende wagen Leib und Leben, um bie Kb: 
nigin und Prinz Albert im Theater zu erblicken, alle Leihbiblio⸗ 
theken ſtrogen von Novellen und abenteuerlichen Erbichtungen, 
philoſophiſche Werke finden keine Verleger, die Gemälde alter 
Meifter werden um jeden Preis, die Gemälde Iebenber Künft: 
ler kaum für ein Spottgeld gekauft, fremde Manufacturen find 
Modemwaaren, einheimiſche find Ladenhüter, und in ben Kirchen 
wirb zwar für Bifchöfe und Adel, aber nicht für ben Danbels: 
fland gebetet. Alles bies find gewiß Keine Anzeichen eines im 
Bortfchreiten begriffenen Wenfchenverftandes. Nur ein einziges 
ber Art taucht in der arbeitenden Ciaſſe auf. Sie lernt in der 
Schule der Unterdrüdung, was dem Lande Roth thut, und bes 
greift jeden Tag deutlicher, daß fie Geſetzen gehorchen fol, an 
deren Errichtung fie Beinen Theil bat. Wo find die Kortfchritte 
zu Verbefferung ber Geſetze und der gefeßgebenden Gewalt? 
Es iſt vergeblich, fie aufzufuchen. Das gegenwärtige Unterhaus 
liegt in den effeln zweier, faft gleich ftarfen Parteien, und 
wird ihm ein Mittel zu feiner Befreiung geboten, weift es das 
Mittel zurück, ohne es auch nur zw prüfen. Videatur bie von 
1,300, Menſchen unterzeichnete Petition um Beſtaͤtigung 
ber Volkscharte. Gchreitet die bürgerliche Gefellfchaft auf ber 
Bahn der Sittlichfeit vorwärts? Die Frage verneinen bie Po: 
liceiberichte und die flatiftifchen Tabellen. Cs ift wahr, bie 
Trunkenheit hat ſich vermindert, Dank den Beſtrebungen ber 
Mäßigkeitsverefne und Dank in Irland den Mühen bes Prie: 
ſters D’Malley. Aber obgleich ein Quell vieler Verbrechen, tft 
doch Trunkenheit nicht das einzige Eafter. Die Verbrechen haben 
eine andere Form angenommen. Ghemals mwurbe viel burdh 
phyſiſche Kraft nerbrochen, Gtraßenraub und Hauseinbruch 
waren die Tagesordnung. Zu beiden gehörte Muth und Stärke. 
ent gehen bie Verbrechen in Schwange, die eine gewiſſe geiz 
flige Kraft erheiſchen, Überliftung und Betrug. Gtatt fortzus 
fhreiten in der Weisheit, deren Frucht gemeinfame Wohlfahrt 
ift, wird die bürgerliche Geſellſchaft von Tag zu Tag thörich- 
ter. Nie war England in mehr Parteien gefpalten. Es gibt 
jegt Intereffen aller Art, nur kein gemeinfames Biel, Es gibt 
politifche, commercielle, ackerbauende, religiöfe und Schiffahrt: 
intereffen, und eins Tämpft gegen das andere. Das Grund: 
ariom, daß eine Gemeinde nur ein gemeinfames Intereffe Haben 
Tann, tft längft zu ben Lehren geworfen, die nicht mehr gelten. 
Doch halt, hier kommen zwei Kortichritte. Einer iſt der zus 
nehmende Wiberſtand gegen die zu Unterflägung der herrfchenden 
Kirche eingezwungenen Gelbbeiträge. Da mehrt fih die Zahl 
ber Hellfebenden — vor ben Thoren bes Parlamenthaufes, und 
Irland führt den Zug. Der andere if gefleigertes Wiſſen. 
Das Volk lieft mehr als früher und lernt mehr als fonfl. Die 
Erziehung tft allgemeiner und Unkenntnis im Schreiben und 
Lefen wird täglich feltener und veraͤchtlicher. Wäre bas Bolt 
ebenfo Elug, als es wiſſend fft, das wäre gut. Und wie lautet 
die Antwort auf bie Frage nach den Kortfchritten in Zufrieden 
beit und Wohlbefinden? Schlecht, fehr ſchlecht. Nie herrſchte 
mehr Unzufriedenheit, nie ging Alles mehr auf Stelzen, nie 
fiel Alles mehr aus den Angeln. Misbehagen fdhleicht durch 
alle Gaſſen, verfauert alle Gemuther. Wirkliche Roth macht 
die Einen, Furcht vor Verluſt die Andern unzufrieden. 

Das find bie Fortſchritte ber bürgerlichen Befellfchaft in 
England. Run ihre Ausfichten. 

Das Kennen ber Vergangenheit berechtigt zwar zu Schläfs 
fen auf die Zukunft; gleichwol ift diefe eine fo ungewiffe Sache, 
daß jeder befonnene Menſch fich vor dem Prophetenhandwerke 
bätet, zumal in einer fo erleuchteten Zeit wie bie unferige, wo 
Propheten und Tollhaͤusler auf gleiche Fläche geftellt und zu⸗ 
fammen an den Ort gebracht werden, 

Where mirih is net laughter; thought is net the mind; 
Werds are not langusge; men are not mankind. 


Welche Wechfel aber auch im Schoofe ber Zukunft ruhen 
unb ne —æe— über bie buͤrgerliche Geſellſchaft in 





802 


England verhangen fein mögen, Sins iſt ei: nichts wird 
fie ſchnell und unvosbereitet treffen. Gs liegt im Baue ber 
englifchen @efetgebung, im Gange ber englifchen Regierung, in 
den Gewohnheiten und im Temperamente bes engliſchen Volke, 
daß alle Veränderungen nur langfam ſich geftalten, alle Wed: 
ſel nur Schritt für Schritt eintreten.” Die Mafchinerie if fo 
eingerichtet, daß eine Exploſion füglidh nicht flattfinden Tann. 
Das Raͤderwerk Tann fi abnuten, aber bie Räder werben 
nie zerbrechen. Die Oppofition gibt ſtets nad, fobald fie eins 
ſieht, und die Ginfiht kommt ihr nie zu fpät, daß fie mit 
Sicherheit ſich länger nit zu halten vermag. Sie aber hier⸗ 
von zu überzeugen, {hr die Kraft zu jener Einſicht beizubrins 
gen, ift lediglich das Werk ber Zeit, und die Zeit ſchafft nur 
allmälig. Sie ſchafft durch das Mittel der öffentlichen Dleinung, 
und es fcheint, fie bat für ihre Schöpfung kein anderes Mittel, 
Allein bie Öffentliche Meinung zu bilden und in Ginem Brenns 
punkte zu vereinigen, iſt das Werk vieler Mühe und langer 
Dauer. Seit Jahrhunderten finv in England alle bedeutende 
Wechſel diefen Weg gegangen und bem Anfcheine nach werben 
fie ihn auch ferner geben. Daß aber biefer Weg ber befte, 
haben früher bie Zage Cromwell's und bat fpäter die franzd- 
fifche Revolution gelehrt. Bevor es freilich dahin kommen, die 
öffentliche Meinung ſtark und maͤchtig genug fein wirb, bie 
nöthigen Reformen ins Leben zu rufen, muß das Volk ſich noch 


auf viele Leiden gefaßt halten. Doch auch das iſt nichts Neues, 


Das englifche Voll Hat von jeher lange und ſchwer gelitten, che | 


es feine Kräfte geftählt und feine Beſtrebungen vereint hat zu 
Entfernung dee Urfache feines Leidens. Gnglanb iſt ein handel: 
treibender Staat; das nennt ben Grund. Aber bie Zeit der 
Erlöfung wird und muß fommen. Das Volk weiß jest fo viel 
mehr als fonft und das Verlangen nach gewiffen großen Ber: 
änderungen bat in ber Öffentlihen Meinung bereits tiefe Wur: 
| gel efhlagen. Gerechtigkeit und Nothwenbigkeit fodern bie 

bidaffung der Korngefepe, die Aufhebung ber Zwangsſteuern 
zu Unterfiügung der Kirche, geregelte Nationalerziehung und 
mandyes Andere, und bis biefe Koberungen gewährt find, wirb 
die Öffentliche Meinung fie betreiben. Jür ben Zweck folder 
Gewährung müflen die Leiden bes Volkes ſich verdoppeln und 
verdreifachen. Das Gefühl wirkt mehr als der Verſtand, ja, 
in ber Allgemeinheit wirkt ber Verftand nichts ohne das Gefühl. 
Es wirb auch einen langen und harten Kampf geben mit Denen, 
bie im Solde der Verderbniß fliehen und von Dem fich mäften 
was das Wolf bedrängt, Bis zum lebten Erfaſſen werden fie 
an ber Verderbniß Halten, nur Zoll für Zoll ſich zurüdsichen. 
Kleinigkeiten fchredten fie nicht und an Geiſter glauben fie nicht. 
Unter ihrem Befehle ſteht die bewaffnete Macht, dieſes fürchter- 
FR Drgan phyſiſcher Stärke, und auch die bürgerliche Gewalt. 
Sie find verbrübert und verfchwägert mit ben alten Infitutios 
nen und mit den alten Ginzichtungen. Sie verabfcheuen, was 
fie Neutrung nennen, und möchten gern, was gethan worben 
iſt, für eine legte —A genommen fehen. Sie ſtehen in 
Schlachtordnung gegen jeden Wechſel; fie find zahlreich und 
habgierig, ind bas muß den Kampf verlängern und erſchweren. 
Wer den Beſitz vertheibigt, pflegt hastnädiger zu fechten, als 
wer nach dem SBefige fivebt, denn das Recht auf Beſitz gibt 
nicht den Muth und bie Vergweiflung, welche ber Beſitzſtand 
gibt. Aber wie lange der Kampf auch währen und wie hart 
ex immer fein möge, der Sieg muß dem Wolle bleiben. „In 
den Millionen allein”, ſagt Macconnell's Gchrift, „ruht bie 
bewegende Kraft. Digleih verhältnißmäßig jett in Ruhe, ift 
fie doch in’ ungebeueres Thaͤtigkeit, und gebiert Ideen, die kein 
Verftand ber Verſtaͤndigen erdenkt und —* welche die Sprache 
keinen Ausdruck hat. Wenn Millionen entſcheiden, iſt ihre 
Stimme Donner und ihr Unwille Blig. Wenn fie ruhig find, 
wer Tann ba geftört werden? Wenn fie ſchweigen, wer Tann 
da reden? Wenn fie reden, wer Tann da taub fein? Unb wenn 
fie fodern, wer kann ba wibssftehen 2” 


Gewiß wie demnach bee Iehte Erfolg ift, Tann body Ro⸗ 
bert Dwen in ber Zeit des Gintrittes fich verrechnet haben. 
Das Vertrauen auf den endlichen Sieg bes Bolkes füst fich 
auf das Recht und bie Gerechtigkeit feiner Sache und daß bie 
Sache feiner Gegner auf Unrecht und Unterbrüdung ruht. In 
einem phyſiſchen Kampfe Tann das Unscht triumphiren, im 
einem Meinungslampfe muß es unterliegen, ober es gibt kein 
moralifches Princip, das über ben Sterblichen waltet, und keine 
Buͤrgſchaft für das Daſein des Univerſums. 74. 





Literariſche Notizen. 


Unter ben Erzeugniſſen der ſchoͤnen Litesatur haben ſich im 
des neueften Beit in England einer günfligen Aufnahme zu ex: 
freuen gehabt: „Hawnwood: a romance of Italy’ (3 Bde); 
„Ingliston‘’ von Miß Grace Webfter, anfcheinendb nüchtern, aber 
frei von allem falfchen, überfpannten Gefühle, voll gefunder Moral, 
wahr in der Darftelung. Gin Gegenſtück bazu bildet: „Va- 
tes or the philosophy of madness, arranged by a physician, 
with outline by T. Landseer’’ (2, 1 u. 2), welches mit beis 
ferm Rechte „The madness of. philosophy‘ betitelt fein Eönnte; 
es ſchildert ein, feiner Ginbildung nach zeich begabtes tragifches 
Genie, welches feiner Ausbildung halber und zum Behufe des 
Studiums menfhlicher Leidenfchaften aus eigener Erfahruͤng alle 
Arten von Verbrechen begeht. — Die leichte, aber gefällige Gat⸗ 
tung novelliftifcher Werke, wie fie befonders von weiblicher 
Hand gepflegt wird, hat Miſtreß Maberly mit brei Bänden: 
„Baily, or the countess of Rosendale”, bereidgert. — Die 
Geſchichte der Johanna d'Arc iſt zu einer neuen dramatifchen 
Behandlung benugt worden von Miftreß Sargant. — „Sor- 
dello’’ von Robert Browning, eine Art von didaktiſchem Ge⸗ 
dichte, zeichnet fich durch eigenthämlichen Ausdrud gehaltvoller 
Gedanken aus, iſt aber babei nicht leer an vollendeten poeti⸗ 
fen Stellen. Außerdem find erfchienen: „‚Poems, tales and 
essays”, von Samuel Hooley; „The poetry of the passions”; 
„Stephan Dugard‘ (3 Bde.); „Poems”, von Leatham; ‚The 
recantation, and ocoasional verses”’; ‚What cheer; or 
Roger Williams in banishment’’; ein Gedicht, von Job Dur: 
fee, eine Art religiöfen Helbengebichts aus ber Zeit ber Sektenver- 
folgungen in den nordamerikaniſchen Golonien. — In Über: 
fetungen wurden in bie englifche Literatur eingeführt: Ohlen⸗ 
fhläger’8 „Hakon Jarl“; Zegner’s ‚‚Arel’’ und „„Sora‘; endlich 
„Elias der Thisbiter““, von Krummacher, der befanntlid vun 
allen beutfchen Theologen die meifte Anerkennung in England 
findet. — „A summer in Brittany’’, von T. A. Trollope, ents 
hält eine der interefianteften Schilderungen diefer Provinz 
Frankreichs, durchflochten mit einem reichlichen Schage von Sa⸗ 
gen, Legenden und biftorifchen Erinnerungen. Noch werthvol⸗ 
ler für die Gegenwart find Preflon’s „Three years residence 
in Canada; from 1837 to 1839” (2 Böe.). — Im naturge⸗ 
ſchichtlichen Bade find zu nennen: Gofle's „Canadian natura- 
list’; Rewmann's „History of british ferns’‘; Beale’s „His- 
tory of the aperm whale’‘; D. Bevom’s „On the history, 
physiology and management of the honey bee’; Yarrel’s 
„History of british fishes’’ (2 Bde.); Defielben „History of 

ritish birds’’, 18, Theil; Prof. Bell’s „History of british 
reptiles’’; Defielben „History ef british quadrupeds and ce- 
tacea“; Miller’6 „Rural sketches”, fämmtlich mit zahlreichen 
Illuſtrationen. 


Reuefte engliſche Reiſe⸗ und geographiſche Literatur: von 
MCulloh’8 „Geographical dictionary‘ {ft der vierte Band 
erfchienen; Slabe’s „‚Travels in Germany and Russia”, Hughe's 
„Sketches in Belgium and Germany‘, Inglis’ „Switzerland, 
South of France and Pyrenees‘’, Goote's Viewvs in Rome‘, 
Blad’s „‚Travelling map of Ireland‘, Mitforb’8 „The chro- 
nicles of a traveller”. 47, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich BroEkhaus. — Druck und Verlag von E. A. Broddauß in Leipzig. 





. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Franzoͤſiſche Kritifer neuerer Zeit. 
Critiques et portraits litteraires par C. A. Sainte- 


euve. 
Portraits littöraires par @. Planche. 

Als eine unglüdtiche Folge ber mannichfaltig ſich durch: 
treugenden Anfichten im Gebiete der Speculation und Phi: 
Lofophie müflen wie die immer mehr um fich greifende 
Neigung anfehen, ein jedes Product immer mehr zu kri⸗ 
tifiren als zu genießen, jene heillofe Wuth, jedem Dinge 
„bes Gedankens Bläffe anzukraͤnkeln,“ jene unfelige Re: 
flerion,, die fich wie ein Fluch an Alles heftet, was wir 
unternehmen, und allen Glauben, alle6 Zutrauen und mit 
dieſem allen höhern Genuß zerftört. Diefe Neigung hängt 
in unfern Tagen mit der fortfchreitenden Bildung fo ge: 
nau zufammen, baß fie wol gar als ein vorzügliches Kenn: 
zeichen derfelben betrachtet wird. Es gibt eine unbefan- 
gene Bewunderung, einen fihönen Glauben an die innere 
Wahrheit der Beſtrebungen ausgezeichneter Geifter, eine 
Eindliche Begeifterung, die keineswegs das Urtheil aus: 
ſchließt, dieſes vielmehr erhöht, befefligt und nur das 
Meife gebeihen läßt. Dadurch gründet fi) Das, was man 
im edein Sinne eine Schule nennen kann, die, wo eine 
wahre Lebendige Literatur fich entwideln foll, durchaus 
nothiwendig und unentbehrlich if. Jetzt ſchaͤmt fich ſelbſt 
die Zugend, Schüler zu heißen; je mehr die unüberfehbare 
Maſſe der Anfichten waͤchſt, deſto leichter glaubt ein Je⸗ 
der, eine eigene ſich bilden zu innen, je mehr die fchred: 
bare Zahl der Spfteme zunimmt, deſto leichter erlangt 
Jeder bie Fertigkeit, alle Erfcheinungen der Welt und bes 
Lebens im Sinne eines angenommenen Syſtems zu beu: 
ten; amd fruͤhzeitig fchnürt ſich das höhere gläubige Leben 
in eine enge, unreife Selbfländigkeit ein, die oberflächlich 
und ohne einen Funken von Productivität, mit geliehenen 
Worten fpielt und jeden höhern Genuß in feichten Mari: 
men und Raifonnementd zu Grunde gehen läßt. Diefes 
herrſchende Kennzeichen unferer Tage hat felbft auf das 
öffentliche Leben des Staats einen unglüdlichen, verderb⸗ 
lichen Einfluß; jene beftändige Neflerion und ewige Klug: 
thuerei hat den echten, flillen, in Blaube und Hoffnung 
murzelnden bürgerlichen Sinn getödtet, bie Verſtandes⸗ 
Eräfte in dominirender Einfeitigkeit auf Koften aller uͤbri⸗ 
gen Seelenkräfte ausgebildet, die Religion ſchwankend ge⸗ 
macht und einen geifligen Egoismus erzeugt, der, mit 


—— Nr. 222, — 


9. Auguft 1840. 





dem fittlichen verbunden, uns dem furchtbarften Werder 
ben immer näher zu bringen fcheint. Wo es felbft der 
ebelften, tiefften Natur nicht gelingt, allgemein anerfannt 
zu werden, wo Keiner als Repräfentant geiftigee Eigen⸗ 
thuͤmlichkeit der Nation hervortritt, wo Alles ſich in Par⸗ 
teien zerfplittert, fodaß felbft der Hochbegabte, wenn er 
ſich Gehör verfchafft, nur als Parteihaupt betrachtet wird, 
da herrſcht eine unfelige Anarchie in ber geifligen Welt, 
da kann auch der Staat fich nicht als ein geiftiges Ganze, 
was er fein foll, entwideln und bilden. 

Aus eben diefem Sinne heraus haben fid in unfern 
Tagen ftehende kritiſche Corporationen gebildet, deren blei⸗ 


bendes Geſchaͤft es ift, ein ſchnelles, gleich fertiges Urtheil 
über Alles zu haben. Aber in ber That theilen fi alle 


fhriftftellexifchen Producte in folche, die tiber ober unter‘ 
aller Kritik find, wenn diefe ſich in ber vorübergehenden 
Gegenwart ausfpricht. Wollte die Kritik fih auf die Mit- 
telgattung befchränten, auf folche Unternehmungen, bie 
fi) mit genauerer Beſtimmung und Unterfuhung folder 
Thatſachen und Verhaͤltniſſe befaflen, die befonders bie 
Zeit befchäftigen und allerdings geprüft und beurtheilt wer⸗ 
den koͤnnen, fo würde gegen ein fo offenbar nügliches Un⸗ 
ternehmen nichts einzumenden fein. Die Unterfuhungen 
erhalten dadurch mehr Leben, und das gemeinfchaftliche 
Bemühen erregt eine lebhaftere Theilnahme, die in aller 
Ruͤckſicht erfprießlich genannt werben kann. Während aber 
ein großer Theil der Kritiker fich darin gefällt, das offen⸗ 
bar Seichte und Geringe feiht und gering zu finden, und 


Dasjenige, was beffer nicht einmal erwähnt würde, In bie li⸗ 


terarifchen Angelegenheiten bed Tags hineinzieht, haben Andere 


ein ſchnelles Urtheil aus einer eigenen Anficht über bas' 


Zieffte und Hoͤchſte. Die echte, höhere Kritik hat eine 
boppelte Richtung, eine allgemeine und eine befons 
dere. Jene geht von fichern, allgemein anerkannten 
Principien einer Wiflenfhaft aus und unterfucht das 
Verhaͤltniß des Products zu dieſem feften, in ſich gegruͤn⸗ 
beten und gerünbeten Ganzen. So kann ber Mathema⸗ 
tiker mit Sicherheit ben Werth einer jeden Schrift feines 


Fachs beurtheilen; auch iſt das Urtheil über ein mathe 
matiſches Buch felten getheilt. Wo man aber über die 


Principien der Wiſſenſchaft felbft uneinig iſt, wo, wie in 
unfern Tagen, die Wiſſenſchaft mehr oder weniger mit 


ber Speculation zufammenhängt, bie, felbft in Parteien‘ 


a‘ 


894 


getheilt, einen wirklich nationalen Mittelpunkt gefunden 
bat, wie mag ba die Kritik ihr Anfehen, ihre Autorität 
behaupten? Muß ſie ſich nicht felber einer hoͤhern Kritik 
unterwerfen, bie ihr Verhaͤltniß zu den wahren, nicht 
aufgefundenen, oder, was in Beziehung auf die wationale 
Literasur der Sit Haſſelhe iR, nie algemekg aͤerkamn⸗ 
ten Principien unterfucht und dann erſt gelten Kißt ober 
verwirft? Eine Kritik, die felbft nur als Partei erfcheint, 
iſt gar keine. Ja, wenn es möglich wäre, bie Parteien 
feibft, die bunt untereinander gemifcht find, zu fondern, 
wenn bie einzelnen Parteien ſich unter fi vereinigten, 
die Grundſaͤtze unbefangen ausfprähen und das Beſtre⸗ 
ben, biefe als einen Maßſtab der Beurtheilung zu benu: 
gen, offen und redlich befennten, fo wäre es menigftens 
möglich, die größere oder geringere Einfeitigkeit oder Le- 
bendigkeit, bie Oberflächlichkeit oder Tiefe zu erkennen, 
und die Kritik Eritifirte fich felber, was allerdings Lehr: 
teich märe. Uber bdiefes findet nicht flatt. In allen kri⸗ 
tiſchen Inſtituten der Gegenwart durchkreuzen ſich alle 
Anſichten auf eine wahrhaft chaotiſche Weiſe; ja, man 
nennt die Verwirrung Unparteilichkeit, da gerade die voll⸗ 
kommene Sonderung und haarſcharfe Trennung der Par: 
teien das einzige Mittel wäre, um Ordnung und mög: 
Lich größte Klarheit in das verworrene Gewirre zu bein: 
gen. Das Syſtem „der richtigen Mitte“ ift in der Kri⸗ 
tie ebenfo wenig ausführbar als in der Politit und nichts 
als kuͤmmerlicher Eklekticismus; die Unparteilichkeit, wo⸗ 
durch es ſich Vielen auf den erſten Blick empfehlen duͤrfte, 
iſt in der That nur ſcheinbar. Denn das Wahrheitskri⸗ 
terium, von welchem bier ber Ekektiker in feiner Wahl 
und Entſcheidung fich leiten Läßt, ift doch nothwendig der 
einen oder der andern Doctrin der flreitenden Parteien 
entnommen, und fo ift es am Ende nur die eine ober 
die andere Lehre, bie bei dem ganzen Verfahren wieder 
zum Vorfchein kommt; aber nur mangelhaft, befchnitten 
und entſtellt, ſodaß das Syſtem des Eklekticismus, wo 
man es anwendet, immer das Syſtem der Schwaͤche und 
der Ohnmacht iſt. Auf jeden Fall aber iſt das Reſultat 
eben doch nur eine Doctrin, die neben bie andern teitt, 
und ber Philofoph, Kritiler oder Staatsmann, ber ein 
ſolches Syſtem ergreift, verwandelt fih in eine Sekte, die 
gegen ale andern ben unermeßlichen Nachtheil hat, daß 
fie beftändig zu Experimenten genöthigt ift, die jeden ihrer 
Srethürher zu Tage fördern und keinen Ruhepunkt ge: 
währen, an welchem die Wogen des Parteiengemühles fich 
brechen koͤnnten. - 

Die Richtung der Kritik gegen das Befondere, gegen 
die Eigenthuͤmlichkeit des Schriftſtellers ift wo möglich 
noch ſchwieriger, obgleich Ihr ganzes Gefchäft hier nur fein 
kann, biefe, wo fie ift, anzuerfennen. Die Sata Mor: 
gana, jene Luftſpiegelung, die in der Natur fo felten iſt, 
muß man in ber Literatur als herrfchend anfehen. Die 
meiften mobernen Schriftfteller find zufammengeronnene 
Zuftgeftalten, entftanden aus der verwidelten Strahlen: 
brechung lichtvoller Naturen, die durch bie allgemeine 
Wolkenbildung dem Volke nicht allein, fondern nicht fel: 
ten ſich felber verborgen bleiben. Die urfprüngliche, in 


ſich wahre, eigenthuͤmliche Natur iſt nicht über, vielmehr 
unter dem SDorizonte und wird bem gewöhnlichen Dien- 
Khen nur duch jene Luftgebilde fichtbar. Das aus fid 
felber Entfprungene, in ſich felber Gegruͤndete ift eben 
deswegen wahr, es äft egtilanden unmittelbar aus dem 
«oigen Urteil, der Walgheik, und iſt über alle Meicik, 
die den Schein von Der Wahrheit zu ſcheiden ſtrebt, ab- 
folut erhaben. Wahrheit und Leben ift eins; eine jede 
eigenthuͤmliche Natur iſt daher Tebendig. Aber wie im 
Embryo ruht die Fülle des Lebens, und auch das Leben: 
dige, urfpeunglich Wahre kann in Misgeburten ausar⸗ 
ten. Die Zeit ift vorzüglich gluͤcklich zu fchägen, in wel⸗ 
cher jede Eigenthuͤmlichkeit fich fröhlich entwickeln kann; 
das ift da, wo bie helle geiftige Sonne Mar über das 
Ganze fcheint und alle Keime entwidelt. Das chaotifche 
finftere Treiben unferer Tage ſcheint dieſen Borzug nicht 
zu haben. 

Wer mag das tief Eigenthämliche erkennen koͤnnen, 
der ſelbſt in irgend einer tödtenden Einſeltigkeit befangen 
ift? So wird ber wahre Kern bes. Lebens von ber Fin: 
fterniß zugedeckt, felbft in der eigenen Seele bes ausge⸗ 
zeichneten, privffegirten Menfchen. Wie foll num bie Kri- 
tik jenen trüben, zudeckenden Schein zerreißen, in welchem 
ſie ſelbſt befangen iſt? Daher war es von jeher ſo ſel⸗ 
ten, daß echt eigenthuͤmliche Menſchen begriffen wurden; 
ja, ſelbſt das Wahre, was ſich kund thun wollte, warb. 
durch eigene Verwirrung nicht ſelten, durch die allgemein 
herrſchende immer in Schein verwandelt und erſt als ſol⸗ 
cher begriffen. Daher ward bie tuͤchtige, tiefe Natur faſt 
immer nur aus Ihren Anhängern, bie Anhänger nur aus 
ihren Verwirrungen beurtheilt, ja dieſes Urtheil ſelbſt nur 
in neuen gegründet, und das fo hin und hergezewte, in 
ſich zereiffene, mit Irrthuͤmern alter Art und fremden Zu⸗ 
fägen wieder kuͤmmerlich zufammengeleimte Gebäude galt 
für ein neues Syſtem, welches ein Jeder aus feinem 
Standpunkte, meiftene ohne alles Judicium beurtheilte, 
beftritt, annahm, berwunderte ober verwarf. 

Ein Jeder, dem in unfern Tagen ein eigenes Pro⸗ 
blem beſtimmt vorſchwebt, deſſen Löfung er fein Leben 
widmen möchte, iſt in einer ungluͤcklichen, mislichen Lage. 
Schon die Erziehung, der Unterricht, ſeine Bildung hat 
ihn in jenes verworrene trügeriſche Scheinwiſſen der Jeit 
hineingeſtuͤrzt; aus dem widerſprechendſten Anſichten bat 
ſich ein widerwaͤrtiges Gemenge gebildet, durch Gemein⸗ 
pläge verbunden, welche ſich die allgemeine Stimme went. 
Diefer Trotz zu bieten, iſt nur Wenigen gegeben. Aber 
die eigene Natur fiegt. Die leichteſten Einwärfe werben 
gluͤcklich ͤberwunden, bie innere Wole entfaltet ſich, bie 
affimitirende Kraft gewinnt Stärke und Bedeutung, ein 
lebendiges Ganze tritt als belebende Thaͤtigkeit hervor und 
das Einzelne wird von dem Ganzen getragen, in welchem 
es allein Sinn und Bedeutung erhaͤlt. Je weiter num 
das Ganze gedeiht, deſto mächtiger regt ſich bie Sehnſucht 
nach Theilnahme, nach einem gemelnſchaftlichen Streben, 
welches, was aus der eigenen Natur entſprang, in die 
Totalitaͤt des geiſtigen Lebens der Zeit hineinbildet. Aber 
bier trifft er auf nichts als auf eine unuberſehbare Maſſe 





von feichten Widerfprächen. Die erſten leichteſten Ein: 
würfe, die ihm anfänglich entgegentraten, werden ewig 
wiederholt, Einzelnes feiner Anfichten wird angenommen 
und mit einer fremden Anficht aufs unvertraͤglichſte ver: 
knuͤpft. Will ex die Misverſtaͤndniſſe enthüllen, diefe Ver: 
wirrungen heben, diefe Wiberfprüche Iöfen, fo liegt vor 
ihm ein endloſes Gefhäft, fein Daſein wird ſchmerzhaft 
zerrifien, und in den Abgrund hineingeriffen, kennt er ſich 
ſelbſt und die Einheit feines Strebens nicht mehr; will 
er, fich felber even, von der dußeren Verwirrung ſich ret⸗ 
ten, fo lebt er in finfterer Einſamkeit, das eigene Gebäude 
wird ihm zu mächtig, ja was auf diefe Weife ſich ohne 
die allgemeine Teilnahme ausbildet, nimmt, urfprünglich 
ſchoͤn und wahr, nicht felten in der Ausbildung eine mon: 
firöfe Seftalt an, die, aus dem allgemeinen Wibderfireben 
erzeugt, biefe® immer flrigert. Unfere Kritiken, in Deutfch: 
land wie in Frankreich, find im Durchfchnitt faft nichts 
als ſolche unglüdtihe Misverftändniffe, die fih in fi 
felber immer mehr häufen; ja, Bibliotheken entitehen aus 
diefer verworrenen Maffe von Einwürfen gegen exdichtete 
Droductionen, aus diefer Unmenge von Streitigkeiten und 
Sehden, welche die Parteien immer mehr entfrembden, an⸗ 
flott aufzuklaͤren. So ſtehen felbft die hoͤchſten, ebel: 
ften Bemühungen gegeneinander bewaffnet. Nun aber 
werfe man einen Blick auf jene unlberfehbare Maſſe des 
Gemeinen und ganz Geringen, jene abgetrübten, kuͤmmer⸗ 
lichen Dleinungen, Gedanken und Kenntniſſe, die für die 
geiftige Armuth präparirt und auf alten Eden feilgeboten 
werden, jene furcdhtbaren Armenanſtalten für Unmuͤndige 
im Volke, Lefeinflitute, bie uns brockenweiſe mit der Zeit 
fortfchreiten lehren, Leihbibliotheten, bie das über alle Be: 


fchretbung, ja über alle Vorfielung hinaus Schlechte auf: | 


nehmen und die elendeften, nichtonutzigſten Probucte ge: 
deihen laſſen, jene Schriften für das Bolt, die alle wahre 
BVolksgefinnung durch mattherziges Gerede verfümmern 


oder alle feſtgeketteten Teufel der raubgierigen Vollsnatur |! 


durch dummes revolutionnaires Geſchwaͤtz anfpornen, jene 
Jugend-⸗ und Erziehungsfchriften, welche die wahre, tiefe 
religiöfe Sittlichkeie durch feichte Noralien verderben, breite 
Anweifungen, Dasjenige zu thun, was ſich ohne alle fchrifts 
liche Anweifung, durd einfaches Übertragen am leichteften 
und natuͤrlichſten thun läßt, Flache Romane, alberne Er: 
zählungen, gräßliche Schaufpiele, luͤſterne Novellen, popu: 
faire Kalender, Revuen, Journale, — jene Sünbdflut, 
jenes geundlofe papierne Meer, deffen Stuten immer dro⸗ 
hender, immer verwüftender über uns hereindrechen und 
ſelbſt das Scönfte und Herrlichſte in ihren fleigenden 
Wellen wegzufhwennmen und zu ertraͤnken drehen. 
(Die Fortſetzung folgt. ) 


Aus Italien. 

Am 15. Rov. 1889 farb zu Mailand Ritter Biocondo 
Albertolti, in Ruheſtand übergetretener Prof. ber bortigen Kunſt⸗ 
akademie und einer von den Künftlern, die am entſchiedenſten 
in ihrer Sphäre ben Aufſchwung der Kunft gefiesert haben, 

war 


deſſen unfere jetzige Zeit fi rühmen barf. 742 in 
Bebano, einem Dörfchen bes eizeriſchen Gantons Teſſin, ges 
boren und nannte nichts fein, als er es ſehr jung verließ, um 








auswärts das Stück zu fuchen, als einen Exräftigen Körper ımf 
offenen Sinn. In Aoſta lernte ee Stuben weißend Die 
fangögründe ber Kunft, die ihm einft feine Verherrlichung ſchaffen 
foüte; doch erkannte er felbſt beim niedrigen @erdhäfte b 

Preis, der dem Stredenden vorbehalten ift, und burdh vð 

Schwierigkeiten in feinem Drange beflärkt, ging er nady Parnta, 
um in ber borti Kun e gu lernen. Ein 
Abate Peroni, der dem Mobelirfaale vorſtand, bemerkte feine 
Faͤhigkeit, begünftigte feine Neigung und belohnte feine Fort— 
fehritte buch den Auftrag zweier Statuen für die Dome e 
von Gafatmaggiore. Doc fühlte Albertolli, ungeachtet biefer 
Oxrfolge, daß iin Draamente und in der decorativen Runſt fein 
aan! fei, und ohne ſich durch blendende Ausfichten beſtechen zu 
* 
Neigung zu und bemerkte bald, wie feine Geſchicklichkeit Auc 
zeichnung fand. Man berief ihn nad Florenz, um in Billa 
Poggio Imperiale und im Palafte Pitti, dann in Rom und 
in Neapel Zimmer mit Stucken und Malereien zu zieren, und 
Feine diefer Städte verließ er, ohne durch e 
für fernere Arbeiten tüchtiger gemacht zu haben. 


Piermarini, deſſen Andenken kärzlich erſt Der Prof. 


in biefen Blättern 


- erneuert worden ift, ertannte Albertollis Befähigung und übers 
‚trug ihm, ale er nad Mailand zurückgekehrt war, die Stud: 
; verzierungen in dem Refibenzpalafle zu Mailand und in ber 
' Billa zu Monza. 
| fiht als Mufter und es war daher eine gerechte Anerkennung 
| von unferes Künftlers Verdienſte, daß man ihm 1775 bei der 
' Eröffnung der Kunftafademie der Brera zum Prof. bes Ornas 


Beide Gebaͤude gelten in besurativer Bin: 


mentengeichnens ernannte. Mehr als 50 Jahre bat er durch 
That und Lehre, felbft durch Schriften gewirkt und durch ben 
Ruhm der Schule, der er vorfland, die verſchwiſterten Kunſt⸗ 
; fehulen zu würbigem Wetteifer gewedt. Sein Streben ging 
: bahin, die Kunftweife der Alten, ‚wie man fie aus den Übers 
: seften griechifcher und römifcher Herrlichkeit erkennen Tann, oder 
‚ aus ihren Rachbildungen durch Palladio, Michelogzi u. ſ. w. 
. fi zufammenfegt, in großartiger Weife ins Leben zu rufen, 
: und bie Billa des Herzogs Fa am Gomerfee zu Bel: 


Die Bermählung zweier Töchter des Grafen Albrizzi iſt nach 
herkoͤmmlicher Sitte der Anlaß geweſen, daß ein venetianiſcher 
‚eine ſehr gelehrte bes bekannten H. Eieogna 

zum Bruch befördert hat. Sie hanbelt von einem Gelehrten, 


‚ wandte er dieſem Sunftgweige feine volle Kraft und 


tubien fi 


% 





896 
Stefano Ylagzone, ber 1520 zu Benedig bei ber Bewerbung I 


‚ um eine lateintiche Öffentliche Profeſſur durchfiel. Cine Menge 
Literarnotigen find an. ben Namen gelnäpft und die Gchrift: 


„Di Stefano Piazzone di Asola, retore chiarissimo. Discorso 
da Em. Cicogan’' (Benebig 1840), wirb daher ihre Leſer be: 


friedigen. 8, 


Notiz. 


Folgende Überfegungen Goethe’fcher Lieder, welche ich einer 
norbamertlanifchen Zeitſchrift entlehne, geben einen fprechenben 
Beweis dafür, welche aufmerffame und begabte Lefer der große 
Dichter auch jenfeits des atlantifhen Oceans gefunden hat, und 
— in wol mit ben beflen Erzeugniſſen diefer Art verglei⸗ 

n laflen. 





1. Song of the Captive. 
Captive. 
A fiower that wondrous fair I kaow, 
My bosom holds it dear. 
To seek that fiower I long do go, 
But am imprison’d here. 
’Tis no light grief oppresses me; 
For in the days my steps were free, 
1 kad li always near. 


Far round the tower I send mine eye, 
The tower vo steep and tall, 
But nowhere can the flower desory 
From this high castle wall; 
And kim who’ll bring me my desire, 
Or he be knight, or he be squire, 
My dearest friend III call. 
Rose, 
My blossoms near thoe I disclose 
And hear thy wretched plight; 
Thou meanest me, mo doubt, the rose, 
Thou noble, hapless knight. 
A lofty mind in theo is sceon, 
And in thy bosom reigus the queen 
Of üowers, as is her right. 
CGaptive., 
Thy crimsen bud I duly prize 
In outer robe of green; 
For this thou’rt dear in maiden’s eyes, 
As gold and jewels shoen, 
Thy wresik adorns the fairest brow 
And yet ihe fiower — it is not thou, 
Whom my still wishes mean. 
Lily. 
The Hitile rose has cause for pride, 
And upwards, aye, will soar; 
Yet am I held by many a bride 
Theo rose’, wreatk before. 
And beats thy bosom faithfally 
And art thou true and pure as J, 
Thou’lit prize the lily more. 
Captive. 
I call myself both chaste and pure, 
And pure from passions low; 
And yet these walls my limbs immure 
In lonelinese and wo. 
Though thou dost seem, in white arrey’d, 
Like many a pure and beauteous maid, 
One dearer thing 1 know. 
Pink. 
And dearer I, the pink must be, 
And me thou sure dost choose, 


Or else ihe gard'ner no'or for me 

Such watchful care would use; 

A crowd of leaves encircling bloom! 

And mine through life ihe wweot perfume 
And all the thousand kuss! 


Captive. 

The piak can no one justiy slight, 
The gard’ners favourite flower; 
He sets it now benesth the light 
Now ehlelds it’ from itu power. 
Yet ’tis not pomp, which o’er the rest 
In splendour shines, can make me biest; 
It is a still small fower. 


Violet. 

I stand concoeal’d and bending low, 
And do not love to speak; 
Yet will I, as ’tie fitting now, 
My wonied silence break. 
For if 'tis I, thou gallast man, 
Thy hoart desire», thine, if 1 oan, 
My perfumes all I'II make. 


Captive. 

The violet I esteem indeed, 
So modest and so kind; 
lty fragrance sweet, yet more I need, 
To soothe my anguich’d mind. 
To you the truth will I confess; 
Here mid this recky dreariness, 
My love I ne’er shall find, 


The truest wife by yonder brook 
Will roam ihe mouroful day, 
And hither cast the anzious look, 
Long as immüred I stay. 
Whene’er she breaks a small blue flower 
And says, Forget me not! the power 
I feel, though far away, 


Yes e’en though far, I feel its might, 
Fer traue love joias us twain, 
Aud therefore mid the dungeon’s night 
I still in life remein. 
And sinks my heart at my hard lot, 
1 but exclaim: Forget me not! 
And straight new ifo regain. 


2% The Violet. 


A violet blossom’d om the green, 
lt was a sweet, wee flower. 
A shepherd maiden came that way 
With lightsome step and aspect gay, 
Came near, came near, 
Came o'er the greca with song. 


Ah! thought the violet, might I be 
Theo fairest flower on all the les, 
Ah! but for one brief hour: 
And migbt be pluck’d by that fair maid, 
And gently on her bosom laid, 
Ab bat, ah but, 
A few dear moments long. 


Alas! the maiden as she pass’d, 
No eye upon the violet cast; 
She erushed the poor, wee flower; . 
It sank and dyiug heav’d uo sigh, 
And if I die, at last I die 
By ber, by her, 
Benesth her feet I die. 


Berantwortlicher Herausgeber: PKeinrich Broddaud. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


a 


48, 


Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 223, —— 


10. Auguſt 1840. 





Franzoͤſiſche Kritiker neuerer Zeit. 
(Bortfefung aus Nr. 222,) 

Ich weiß nicht, welchen Eindrud die heutige beutfche 
und frangäfifche Literatur, die den Zeitgenoſſen ein fo wuͤ⸗ 
fies Bild von mehr als babplonifher Verwirrung darftel: 
len, in der naͤchſten Zukunft auf diejenigen machen werben, 
welche fie aus einer ehrerbietigen Entfernung betrachten ; 
indeß ſteht zu glauben, daß das verworrene Literarifche 
Treiben ber Gegenwart, wobei es Einem oft genug zu 
Muthe wird, „als hörte man ein ganzes Chor von hun: 
derttaufend Narren fprechen”, für ben fünftigen Beobach⸗ 
ter vermöge ber Wirkungen der Luftperfpective und ber 
Dhantafie einen feflen Umriß, eine allgemeine, faßliche 
Geſtalt und vielleicht fogar eine gewiffe Einfachheit und 
Harmonie annehmen wird. ine Stadt ohne regelmäßige 
Anlage, mit krummen, ſchiefen Straßen, mit engen Quer: 
und Winkelgaffen, voll Koch und Geſtank, mit halbaus: 
gebauten Thuͤrmen und unvollendeten Bauten erfcheint 
Denen, welche fie bewohnen und tagtäglich den laͤrmenden 
Betrieb der Gewerbsleute, das taufendftimmige Gefchrei 
der Öffentlichen Ausrufer und Gaukler hören, fehr garftig 
und unerquidlich; allein dem vorüberziehenden Wanderer, 
der nicht in diefem Gewühle lebt, fonbern diefe Stadt 
nach Sonnenuntergang von einer entlegenern Warte aus 
am Horizonte heraufdbämmern fieht, ſtellt fie fi in einem 
ganz andern Lichte dar: er bemerkt darin glüdliche Abſtu⸗ 
fungen, hervorragende Punkte, ſchoͤn vertheilte Baum: 
und Häufergruppen und imponirende Maſſen; die Gebäude, 
deren fehlende Theile die Entfernung und die eingetretene 
Dammerung feinen Augen entziehen, erfcheinen ihm von 
harmonifcher Vollendung und in vortrefflihem Hoͤhever⸗ 
haͤltniß. Wir wollen damit keineswegs gefagt haben, daß 
jener ferngeftellte Wanderer, der Feine Gelegenheit gehabt, 
das Innere diefer Stadt kennen zu lernen, fidy eine ganz 
unrichtige Vorſtellung und ein pures Phantafiegebilde ba: 
von macht; aber er bat deswegen doch nicht eine ganz 
richtige Vorſtellung und ein treues Bild nach dem Leben; 
er ſieht die Stadt aus zu großer Entfernung, gleichwie 
die darin Lebenden fie in allzu großer Nähe fehen. 

Eine ähnliche Bewandtniß hat e8 wol mit einer Lite: 
ratur und dem Eindrud, welchen fie auf die Eritifchen 
Zeitgenofjen macht; dieſer Eindrud ift nothwendig verſchie⸗ 
den von dem, welchen fpätere Kritiker geltend machen. 


Die Klagen Über die Gegenwart find alt wie die Welt, 
da ber Menfh, und zumal der potenzirte Menfch, ver 
möge feiner Natur über die Gegenwart hinaus in bie 
Zukunft firebt und die Vergangenheit in dem Spiegel ber 
Phantafie nur verfchönert fieht. Wie nun auch das Ur: 
theil einer fpdtern Zeit über die neuefte Literatur in 
Frankreich ausfallen mag, einem Segtlebenden ft es un⸗ 
möglich, die gährenden Elemente zu fondern und eine gute 
Naturgefchichte des Chaos zu fchreiben. Die franzöfifche 
Literatur während der Reftauration Liegt fehon Marer vor 
und; es beilanden damals gewiſſe Abtheilungen in der 
Dichter: und Gelehrtenwelt, welche einige Ähnlichkeit mit 
Dem hatten, was man früher „Schulen“ nannte; allein 
felt den Julitagen ift Alles wie auseinandergeblafen und 
nad) allen vier MWeltgegenden zerfloben. Mit den Unter: 


fheldungen und Benennungen von Glafficismus und Ro: 


manticiömus reicht man gegenwärtig nicht mehr aus, und 
bie Sulitevolution hat beide aufgelöft, ſodaß man oft 
die Frage aufgeworfen, welcher von beiden denn eigentlich 
den Sieg davongetragen. Man kann fidh die Begebenheit 
ungefähr fo vorftellen: in dem Augenblid, wo das Schiff, 
welches bie romantifchen Dichter trug, nad) einer beſchwer 
lichen Sahrt und nad) manchem glorreichen Strauß mit 
den claffifhen Prahmen und Küftenfahrern, welche bie 
Meere verfperrten und die freie Schiffahrt verhinderten, 
Land fah, brach Neid und Zmwietracht unter der Mann: 
haft aus; der Zug fchien aufs glüdtichfte ausgehen zu 
wollen, allein man konnte fi nicht darüber verftändigen, 
wo man die Anker auswerfen folle; die vornehmften uns 
ter den Anführern waren in ihren Anfichten getheilt und 
fannen vielleicht auf hinterliftige Schliche; bie alte claſſi⸗ 
[he Flotte, welche inzwiſchen ihre Schiffe nach Kräften 
ausgebeſſert, gab fich fortwährend unfaglihe Mühe, ihren 
Gegnern beizutommen, allein ihre fämmtlihen Prahmen 
tonnten gegen bie einzige Kregatte des Romanticismus 
ebenfo wenig ausrichten als dreißig chinefifche Jonken ges 
gen zwei englifche Kriegsſchiffe. So fanden bie Sachen, 
als der ploͤtzliche Windſtoß der Julirevolution die ganze 
Sippſchaft auseinanderjagte..e Die wenigen claffifchen 
Sahrzeuge von einiger Brauchbarkeit gingen mit Mann 
und Maus zu Grunde; die flolge romantifche Fregatte 
litt zwar auch Schiffbruch und verfant ins Meer, allein 
die Mannſchaft rettete fi, bis auf zwei oder drei unbe 


® 


898 


beutende Helden, welche in den Wogen dir Btandang 
umlamen; die übrigen, und zwar die Rüfligften, ſchwam⸗ 
men ohne große Anſtrengung and Ufer oder wurden von 
den Wellen gefund und lebendig an den Strand gewor⸗ 
. fen. Die, gemeinfchaftliche —A— hatte damit ein 
Ende; RT Anfähres ging fotan ſtinen Wenty eg amd 
ſuchte auf feine Meife das goldene Bließ zu ewobenn; ft: 
dem herrſcht in der franzöfifchen Literatur eine friedliche 
Anarchie, und man fieht nur das unerquidiiche Schau: 
fpiet des Aufgeläften und Schwanfenden in allen literari: 
fhen Erfcheinungen. Was hauptſaͤchlich ind Auge fpringt, 
find die Mannichfaltigkeie der Widerfprüche, die Schroff: 
heit der Gegenfäge, die Coeriftenz des Für und Wider, bie 
inorganifchfle Anarchie und ein unermeßlicher Conflict. 
Wie laͤßt fih da ein beftimmter Charakter, etwas Allge: 
meines feftftehen, wo die entgegengefegteften Behauptun: 
gen in gewiſſem Sinne wahr find und fich mit ſchlagen⸗ 
ben Beiſpielen belegen laffen? Einige fagen: die heutige 
franzoͤſiſche Literatur iſt feelen:, gott:, ſcham⸗ und zügel: 
los, voll Skandal, Gift, Unzucht, Opium und Ehebrud); 
allein wes mit den laufenden literarifhen Erfcheinungen 
in Frankreich etwas näher vertraut ift, als gewiſſe deutfche 
Kritiker, die ihre Unwiſſenheit hinter den kleinen Katechismus 
und kuͤmmerlichen Patriotismus verfledien, kennt eine be: 
traͤchtliche Anzahl der unfchuldigften, froͤmmſten, züdjtig: 
fen und fittigften Buͤcher, in welchen ſich ber reinfte 
Seelenadel, die liebenswuͤrdigſte Naivetät, die hrifttichfte 
Nächftenliebe, die füßefte Schtwärmersi, die fentimentalfte 
Stimmung, kurz Alles ausfpriht, was und Deutfchen 
ans Herz gewachſen iſt. Andere behaupten, die jegige 
franzöfifche Üiteratur fei unmiffend, unkritiſch, leichtfinnig, 
frivol, oberflächlich, atomiftifh und in philofophifcher Hin: 
ſicht roh, pfufcherhaft, ordinair, flach, kurz total bornirt; 
allein wer ſich nur einigermaßen unter den Erzeugniſſen 
der jehigen franzoͤſiſchen Gelehrtenwelt umgeſehen bat, ber 
wird eingeſtehen muͤſſen, daß es darin Maͤnner von ſo 
gruͤndlichem Wiſſen, von fo ernſtem Geiſte, von fo tiefer 
Analyſe, von. fo fpeculativem Vermögen und fo umfaffen: 
ber Gelehrſamkeit gibt, wie fie nur in Deutfchland anzu⸗ 
tveffen find. Kurz, ſowie man anfängt, irgend einen all: 
gemeinen Zug ber neueffen franzöfifchen Literatur heraus: 
Juheben, ftößt man auf Ausnahmen; ſowie man verfucht, 
ihr einen beftimmten Charakter anzumeifen, erheben ſich 
die wichtigſten Einwände, die man doch nicht ohne Mei: 
teres unberuͤckſichtigt auf bie Seite fchieben darf, wenn 
man anders auf die Mole eines redlichen, gewiſſenhaften 
Kritikers Anſpruch macht. Bei fo bemandten Umftänden 
ift die Kritil in eine misliche Lage gefommen und hat 
fih duch das ewige Hin: und Herſchwanken zwiſchen den 
verfchiebenften Doctrinen und durd das Überfpringen von 
einer Reaction zur andern gewiffermaßen felbff aufgehoben 
und ihrer Autorität geſchadet, woraus ſich die fonderbare 
Thatfache erklärt, daB es gegenwärtig in Frankreich, trog 
des einfeitigen und bominirenben Übergewichts der Wer: 
ſtandeskraͤfte, mehre vortreffliche Dichter, aber kaum einen 
vorzüglichen Kritiker gibt. 

Die Sulirevolution bat die permanenten kritiſchen 





Kr mW 
"rt hier Gitt 


Corporatfonert-Mrd Goterien , wenigſtens in der Art, wie 
fie während der Reftauration beftanden und fich conſtituirt 


ihntten, aufgehoben und in unendlich viele Sractionen zer: 


fplittert. Bei dem erfchrediihen Gewirre und allgemeinen 
Gedränge ift r Kritik Freilich oft in ſchlechte Hände ge⸗ 






möhli, Ichtaruͤrig vecwadttet. Ch 
dan don Kıic®, au been Doßin man 
nicht eher glaubt, als bis man fi mit eigenen Augen 
davon uͤberzeugt hat, und felbft dann ſtraͤubt ſich unfer 
Gefühl noch gegen die Annahme einer fo brutalen That: 
ſache und einer fo bemüthigenden Gewißheit. Dahin ge: 
höre die feile Kritik, welche in vielen parifeg Tagsblat⸗ 
teen, ja bisweilen in einigen Revuen herummuchert, wo 
fie Hohn und Spott allen Denen nachruft, die fie verach⸗ 
ten, und Jedem Weihrauch flreut, ber fie in baarem 
Gelbe oder mit Gegendienften bezahlt. Sin: Keitiker tobt 
bier zuweilen nur einen Dichter, um fidy wieder loben zu 
laffen und: fih einen Namen zu machen, ber einem ge: 
wiffen buchhrändierifchen oder anberweitigen Werth hat. 
Daß ſchoͤne Weiber, die fo lange mit der Welt buhlen 
und kokettiren, bis fie zu Fall konmen, als Öffentliche 
Freudenmaͤdchen ihre koͤrperlichen Meise den een der 
Menge um ſchnoͤdes Geld preißgeben, iſt mir begreiflich; 
alfein daß talentoolle Schriftfiefler, weldye ſehr anſtaͤndig 
von ben Zinfen ihres geiſtigen Eapitals leben Könnten, dee 
lumpigen Gewinnſtes wesen allen hoͤhern tntelksetuelten 
Befig an den Meiſtbietenden lesſchkagen und ihr Schrife⸗ 
flelfertalene gegen baare Bezahlung proftituiren, ſchien mis 
lange ungfaubiih. ne andere nicht viel beffere Gat⸗ 
tung vom Kritik ift die Poffenreißerkritil, deren Repräfens 
tanten über Alles wigeln und Späße machen, und welter 
nichts wollen, als ihr Publicam amufiren, bei dem fie 
gleichſam als Hofnarren angeftelt ſtnd; im Ganzen beken⸗ 
nen fie ſich zu der Maxime des ehemaligen Romantieis⸗ 
mus: l’art pour l’art, jedoch mit einer Meinen Variante, 
cum grano salis: l’art pour V’argent. @ine-dritte Muance 
von Kritik iſt die ſchuͤlerhafte Ktitik, meiſt von jungen 
Leuten gebt, melde den Hof einer literariſchen Notabili⸗ 
tät ausmachen und beren einziges Geſchaͤft ift, die Un: 
übertrefflickeit der von ihrem Monarchen ans der Ver⸗ 
borgenheit des geiffigen Sruchthaltere an den‘ Tag gelaf: 
fenen Meiftermerke in Berfen und Proſa auf jede Weiſe 
auszupofaunen; fie glauben , die Weisheit mit kKoöͤffeln ges 
ſchoͤpft zu haben, und find doch gerade das Gegentheil von 
Eofrates, da fie nicht wiffen, daß -fle nichts wiſſen. Wan 
thut diefen Kritikern kein Untecht, wenn man von ihnen 
ſagt, daß fie den Dienſt der Theaterclaquenré verſehen; 


indeß wollen wir damit nicht ſagen, daß fie dieſe Mole 


für Geld übernommen haben. Wir kommen endlich auf 
dfe ehrliche Kritik, welcher e8 um Wahrheit zu tim 
und welche denn doch in Frankreich, bei aller Gewiſſenlo⸗ 
figkeit, Coterienhaftigkeit, Ciquenſucht, Verkaͤuflichkeit 1. 
dergl., noch nicht ganz ausgeſtotben iſt, ſondern mehre Ver⸗ 
treter aufzuweiſen hat, bie ber heutigen ftanzoͤfiſchen Ge: 
lehrtenrepublik Ehre machen. 
(Die Fortſetzung folgt.) 


⸗ 


gr 


Rheinifches Jahrbuch für Munft und Peeſis. Herausge⸗ 
geben von F. Sreiligrach, E. Matzerath und K. 
Simrod. Erſter Jahrgang. Kim, DuMont: 
Schaubere. 1840. Gr. 12. 1 Thle. <O Sr. 


Das „‚Rheinifche Jahrbuch‘ verdient unter unfern Almanachen, 
Taſchenbuͤchern und Jahrbuͤchern, welche mit der unterhaltenden 
oder lyriſch anregenden Lecture auch. Ernſt und Belehrung ver: 
binden, einen Ehrenplatz einzunehmen. ebenfalls erſcheint das 
Buch als ein erfreulider Beweis, daß auch das Rheinland, 
welches bisher mehr durch feine Naturfchönheiten als feine poe= 
tifchen Erzeugnifte Aufmerkſamkeit ervegte, gegenwärtig beginnt, 
an der geiftigen Gntwidelung Deutfchlands innigern Antheil 
zu nehmen und aus bem Wufte überwiegender materieller und 
induftrieller SInterefien wie aus feiner zu einfeitig politifchen 
Richtung zu poetifher Empfänglichkeit und Zeugungsluft auf: 
zuſtreben. Ref. ift kein einfeitig enthufiaftifcher Bewunderer 
der düſſeldorfer Malerſchule, aber er erkennt ihre großen 
Vorzüge willig an, ohne gegen ihre Ginfeitigkeiten blind zu 
fein, namentlich gefteht er ihr den Ruhm zu, das Äftint:jche 

und den Sinn für Kunſtſchönheit und Poeſie in Siord> 
und Ditteldeutfchland und befonders in den Rheinländern deut: 
cher entwidelt zw haben. Vorzugsweiſe ift bier Immermann’s 
Thaͤtigkeit rühmend hervorzubeben, der als Dichter, Kritiker 
und Afthetiker das Rheinland zu einem unerwarteten Aufſchwunge 
befördert hat; fein Wirken beweift, was ein einzelner Mann 
von redlichem und feſtem Streben und Wollen ins Merk an 
sichten vermag. Durch Immermann, Üdtrig und Schadow ift 
Düffeldorf für das Rheingebiet geworben, was etwa Berlin für 
das deutfche Norbland und, wenigftens in Kunftfachen, Mün⸗ 
chen für Baiern ift — die Haupfftätte für die geiflige und 
Zünftlerifhe Entwidelung des Rheinlandes. Merkwürdig iſt es 
ih der That, daß Koͤln und Nuͤrnberg antiquirte Kunſtſtaͤtten 
find, Denkmale einer großen Vergangenheit, während neben ih: 
nen Düffeldorf und München zu einer großen Zukunft aufein- 
gen. Um fo mehr müffen wir beklagen, daß das ‚‚Rheinifche 
Jahrbuch“ die Schöne Gelegenheit nicht wahrgenommen bat, dem 
nach Aufftärung allerlei Art begterigen Deutfchlande im hiſtori⸗ 
Shen Zufammenhange alle künſtleriſchen und literariſchen Be⸗ 
ffrebungen und Thätigkeiten des Rheinlandes vorzuführen. 
Püttmann gibt uns aus biefem reichen Kunftteben nur eis 
nen Abfchnitt unter dem Titel ‚‚Über die neueften KRunftfchd: 
pfungen, insbeſendere der büffelborfer Schule‘. Diefer Auffag 
it zugleich ein Supplement zu befielben Verf. früher erfchiene- 
nee GSchyeift ‚‚Die büffeldorfer Malerſchule; cin Beitrag zur 
modernen Kunflgefhichte von H. Püttmann“. Was uns Pr. 
Puttmann in dem „Rheiniſchen Jahrbuche“ gibt, iſt nur ein ſehr 
bürftiges ſubjeetives Raifonnement, mit pfuͤchtſchuldiger Begei⸗ 
ſterung für die Shorführer der büffeldosfer Stunftfchule einer: 
frtts, und mit. banaler Geringfhägung des jüngern mehr dem 
Brchlichen Genre fid, zuwendenden Zuwochſes anbererfeitd, Man 
fennt dic Floskeln, memit man alle Michtungen, jüngere wie 
Ütere, der beiden Heroen Leffing und Bendemann opfert. Wie 
wegwerfenb wird unter Anbeen Müde abgetyan! Unb body ges 
hört defien Heilige Kacharina, als Leiche von Engeln durch die 
Luft getragen, zu den lieblichften und gragidfeften, ſelbſt gewag⸗ 
teften Gompofitionen, weliche aus ber büfleldorfer Kunftfchule 
hervorgegangen find. Aber was ber chrifklichen Legende nur 
entfeunt angehört und träte es noch fo einfach in rein menſch⸗ 
lichen Geftalt auf, if unferm Kritiker ein Abfcheu, eine Ver: 
fündigung gegen die moberne Zeitrichtung. Jedenfalls find die 
Phraſen, welche Or. Püttmann über das Nenzeitgeiflige ober 
Zeitneugeißige zu Markte bringt, ſehr wohlfeil und im Kehricht 
der Öffentlichen Straßen aufzufinden. Der Kritiker fcheint übers 
dies ebenfo menig Kunſtwerke, außer ben büflelborfifchen, geſe⸗ 
ben, wie über biefelben gelefen zu haben. Die franzoͤſiſchen 
Kunfbeftrebungen werben auf. eine wahrhaft Teichtfertige Art 
abgefertigt, und das misgänftige Urtheil, womit er bie belgi- 
ſchen Maler befeltigt, Tchtägt nun gar auf eine brutale Weife 


‚des Mahrpeit in das Geſicht. GEhenfs nafemsis find bes Wesg 
Bemerkungen über die Kunſt in England, in Senken Und ber‘ 
Deutfhen in Rom. Was er über bie münchner Kunſtleiſtungen 
beibringt, ſtuͤgt ſich nur auf ein „Man fagt”. Die ——— 
keit des Ausdrucks und die Schnellfertigfeit bes Urtheils wel 3. 
dem Kg eich Mand, fan eben im Stanpe, ben; 

r über die Ungruͤndlichkeit des .täys, 
fen und im Dunkeln zu Iaffen. id Aufſates zu tauæ 


Um fo anerkennenswerther if: ein- zweiter Auffatz von: Le⸗ 
o in 3840 8: „ Die Bösftin Galligin. und. * ——* 4. 
r I. gut, mit vielfachen Spuren wiffenfdeftlicte undo 
philoſophiſcher Duvchbildung, mit Pietat felbft. vor irrigen idee. 
tungen einer reichbegabten Indivibualität und mi allfeitigen; 
Durchdringung bes Gegenftandes gefchrieben if. Zwar ifk.e6; 
weniger die Kürftin Salligin ſelbſt, als igre Freunde Semfters - 
huys, Hamann, Speidmann, Freiherr v. ürftenberg, der aufs 
gellärte Sapitularherr und Minifter des Yürffpisthumg Mün: 
fter u. A., welche in ihrem Schein und Bein, ihren esthüs 
mern und Wahrheiten hier erfaßt und bargeftsllt. find; um fo 
mehr jedoch iſt es dem Verf. gelungen, einen trefflichen Beitrag 
zur Eiterargefchichte und zur Geſchichte ber Sreundfchaften jener 
deit, welche an Sympathien fo reich war wie unfere Zeit an 
Antipathien, in befter Korm der Gonception, und 7 — 
zu liefern. Unſere Epigonenzeit iſt nun einmal vorzuüglich dar⸗ 
auf hingewieſen, fi, an einer herzensfriſchern Vergangenheit zu 
erquiden und, flatt Denkmale der Production aufzuftellen, den 
Boden vergangener Epochen nach biographifchen Dentmalen 
zu burdwühten. j “ 
den eigentlich unterhaltenden Auffähen des, Rheiniſchen 
Jahrbuch“ gehört Matze raih's Novelle —— Siebert, 
worin das Raifonnement bedeutender iſt als ber ſtofftiche In⸗ 
halt. Frauen und Männer fprechen ſich darin übes Heine, über 
die Poefie der Zukunft, über den Charakter ber Gegenwart 
weitläufig aus; der Verf. bemüht fich allzu ſehr, die Perfonen 
feinee Rovelle dem Leſer dadurch interefant zu machen, daß er 
fie geiſtreich raiſonniren läßt, denn ihr Handeln und Thun if: 
nicht geeignet, unfere Theilnahme zu gewinnen. Uns (dem 
aber, daß alle dies Hin- und Wiederreden wol in ein kritiſches 
Journal, in ein blos raffonnivendes Buch, aber nicht in eine 
Novelle gehört. Man ficht eben, daß es dem Werf. nicht an. 
Ideen und Heflerionen, aber wol an Grfindungsgabs fehlt und 
an der Faͤhigkeit, das Volle des wirklichen Lebens mit raſcher 
und unverzagter Hand zu ergreifen. Die Sprache iſt elegant, 
gefeitt, oft zu zierlich, zu gewählt; doch liegt Über vielen’ Men. 
flerionen und Raturſchilderungen ein poetifchee Duft, welcher 
den Verfaſſer als einen mit dichterifchen Anfchauungen Begabten 
fignaliftrt. Zu den unterhaltenden Partien bes Buchs gehören: 
auch bie „Bruchſtuücke aus Neifehriefen‘‘, von einer Dame au 


Italien geſchrieben. Die weibliche deiicate und bach: kecke Han 
verleugnet ſich nicht. Ebenfo tie gelefen als vergeften, verrathen 
diefe Briefe doch Geſchmack, Bildung uns gereitted Urttell. 


Ganz aus. dem unterhaltonden Gharalter fallen drei bier 
mitgetheilte NRecenfionen heraus, bie in einem. en Jour⸗ 
nale eher ihre rechtmäßige Stätte gefunden haben wärben. Die 
Recenfionen feinen uns für ein Jahrbuch, welches doch feiner 
Ratur nad) auf ein größenee gemiſchteg Publicum . fpeculiren 
muß, & fpeciel. Ein populaims Raiſannement uͤber die neues 
fien Sntwidelungen ber Romanpoeſie im inen würbe 
uns viel zweckdienlicher erſchimmen fein. Oder melde ein Ber: 
hältniß zum RhHeinlande hat Gutzkow'sKater Blaſedow“ oder 
Gutzkow felbft ? Außer dem ‚„‚Blajehow” finden wir noch Immers 
mann's „Münchhauſen“ und Koenig’s „William's Dichten und 
Trachten“ in einer bis auf wenige Spuren partellpfen Weiſe 
befprochen. Die Recenflonen find gut gefchrieben, verratben ein 
tüchtiges und fcharf eindringendes kritifches Talent und enthals 
ten einen großen Vorrath bepragigen@ipertber Anſtchten. 

Die Iprifch = epifche Hälfte des „„Tahrbudy iſt reich ausge⸗ 
flattet und enthält viele ſchaͤzenswerthe Beitraͤge. Die koſtbarſte 
Perle dürfte: unter ihnen Immermann's „Biwalln und 





Blancheflur“ aus befien „Triſtan und Sfolde” fein, voll Güße 
und Innigkeit und partienweife gefunder Sinnlichkeit. Einige 
Neflerionsbreiten und zu erſichtliche Nachahmungen alt: epifchen 
Styls möchten wir tabeln. Friſch und munter, an Immer: 
mann’g Gedicht durch nativ alterthümlicdhen Ton ſich anſchlie⸗ 
Send, aber in der Form weniger gerundet und in der Haltung 
flacher, erfcheint „Schön Bigrid’ von Karl Simrod, ein 
oͤßeres Bruchſtück aus befien ,„Wittih Wieland's Sohn”. 
5. Sreiligrath oibt aus Shakſpeare's Venus und Adonis’ 
bie erften Stangen in einer vortzefflihen Überfegung, die 
durch Deutlichkeit, Goncinnität, Mark des Ausdrucks und Vir⸗ 
tuofität in Spradye und Reim Erſtaunen abnöthiget. Man ur; 
ehelte ſelbſt, ob man in folgender Probe noch eine Überfegung 
nat: 
Nie wird dad Alter meiner Stirn gefährlich, 
Mein Auge blist und iR im Augeln ſtark; 
Dem Lenze glei, wähft meine Schönheit jährlich, 
Mein Bieifh iſt weich und brennend tft mein Mark. 
Lig’ meine Hand feucht In ber feuchten Deinen, 
Sie würde ſchmelzend zu vergehen fcheinen. 


Befiehl, und ſchmeichelnd foll mein Wort dich locken; 
Mich ſchwingen will ich, Leicht wie eine Fee, 
Wie eine Nymphe, mit gelöften Loden, 
Bewandeln will ich diefer Primeln Schnee. 
Lieb' iſt ein Geift, von Feuer ganz gemoben, 
Leicht, nimmer finkend, firebend nur nad oben u. f. w. 


Da indeß der Dichter felbft auf die Vollendung ber Form fo 
unendlich viel zu geben ſcheint, fo erlauben wir uns doch, ihn 
auf. den Misklang aufmerffam zu machen, der in biefer fonft 
shuthmifch und periodiſch wohllautenden Stelle durch die Häus 
fung der Doppelvocale ei, eu und Au, durch die fchnelle Auf: 
einanberfolge von gleich, veich, feucht, fchmeichelnd und abers 
mals leicht und wieder Teicht, durch Augeln, feheinen, Geiſt, 
Beuer u. f. w. hervorgebracht wird. Wer in formeller Hinfidt 
fo viel Ir leiften ſich vorgefeßt und fo viel geleiftet hat, wird 
auch diefe Fleinen übelftände bei nus etwas größerer Auf: 
merkſamkeit leicht befiegen Können. 

No floßen wir auf einen ziemlichen Worrath von Iyris 
ſchen Gedichten, welche bie Schlußpartie des Buchs bilden. Es 
befinden fi) darunter, neben manchen mittelmäßigen, auch viele 
zecht lobenswerthe Gedichte, an Zahl verhältnißmäßig die mei: 
ſten von Karl Simrod, chuͤcking bewährt fi in ber 
: gerlegenben Profa trefflicher als in ber zufammenfeßenden Iy: 
vifhen Production. Beſonders gebrungen fühlen wir uns, auf 

n weibliche Zalent aufmerkſam zu machen, auf Souife von 
Bornſtedt, welde zwei Gedichte beifteuerte, die eine fonft 
bei rauen nicht "gewöhnliche Energie des Ausdruds und ber 
‚Empfindung verrathen. Auch in den Reimen geht die Dame 
kecker und nachbrädlicher zu Werke, als fonft die Frauen pfles 
gen. So heißt es in bem Gedichte „‚Windesftimmen‘: 

Was will er (dev Wind) mir befchreiben 

Bei fahlem Mondenſchein 
Sein wunderliches Treiben 
Am oͤden Rabenſtein? 

Wie er bei Gräbern leiſe 
Mit Geiſtern fidy geküßt, 
Auf feiner weiten Reife 
Mandy’ todted Lieb begrüßt? 

Sn feuchten Bergesſchluchten 
GSetoft, geaͤchzt, gefchnalzt, 
Sn oͤden Waldesbuchten 
Mit duͤrrem Laub gewalzt. 

Wie er auf hohen Binnen 
Den Wetterhahn gebreht, 
Die Hbf und Gänge drinnen 
So zugig Kalt durchweht 


und mit dem naffen Binger 
Gepocht and Fenſterglas, 
Daß in dem alten Zwinger 
Des Pfoͤrtners Kind ward blaß u. ſ. w. 


Das ſonſt minder plaſtiſche Gedicht „Schweigen“ ſchließt 
tiefſinnig: 
Schweigen, groͤßtes Wort der Sprachen, 

Woran alle Stürme brachen, 

Dem ber Schöpfung ew'ges Loos 

Lag geheimnißvoll im Schoos, 

Aller Weisheit Mutter du, 

Alles Schmerzed letzte Ruh’, 

Und der Todten Wiſſenſchaft, 

Und bed Glaubens hoͤchſte Kraft, 

Lehre mich, ed ganz verfiehn, 

In dein Wefen zu vergehn. 
Der Reſt iſt Schweigen, fagt Hamlet; Schweigen ſei auch ber 
Reſt unferer Berichterftattung, weil nad) den Worten der Dicke 
terin Schweigen aller Weisheit Mutter iſt. 16, 








Literarifhe Notizen. 


Ibn Khallikan's biographifches Wörterbuch, welches mehr 
Licht als irgend ein anderes Wert über die arabifche Literatur 
verbreitet, erwartet jet zwei Ausgaben, zu Göttingen und 
su Paris. Der aſiatiſchen Gefellfchaft wurde von W. Gureton 
eine Denkſchrift vorgelegt, in welcher er das Vorhandenſein der 
Autographie des Werfaffers nachweift. Sie ift nur in einzelnen 
heilen ſchadhaft, ihr ganzes Anfehen weift fie dem 18. Jahr⸗ 
hunderte zu. Die Schrift zwifchen den Zeilen und an bem Ran 
de von einer mit ber des Zertes ganz übereinflimmenben Sand, 
die einem Schreiber von Profeffion angehört, fowie die aus— 
brüdliche Werfiherung in dem Buche felbft find Beweifes genug 
für diefe Annahme, Die erwähnten Randbemertungen enthalten 
viele Verbefierungen, die zum guten heile bis jegt noch nicht 
bekannt geworben und von Wichtigkeit für die Beſtimmung 
der Namen und Genealogie berühmter Perfonen in der arabis 
[hen Literatur find. Nach Allem ift das Manufcript eine ber 
interefianteften von den befannten literarifchen Beltenheiten. 


Zu Marab in Arabien hat man Infchriften entbedt, über 
welche Dr. Wilſon, Präfident ber Bombayzweiggefellfchaft, nach 
einer der legtern von Dr. Smytton gegebenen Darftellung ber 
aſiatiſchen Geſellſchaft einen Bericht erftattet hat. Sie find in 
bemfelben Charakter wie bie in Südarabien entdedten. Man 
bat fie mit dem Namen ber himyaritifchen bezeichnet und Ahn⸗ 
lichkeit mit den äthiopifchen zu finden geglaubt; wogegen Dr. 
Wilſon fie lieber mit dem alten Griechiſchen, wie es ſich na⸗ 
mentlich auf ber nemeifchen Infchrift findet, vergleicht, wozu 
er ſich durdy die allgemeine Herleitung des griechiſchen Alpha⸗ 
bets von den Phönicieen und Herodot's Angabe, daß Iehtere 
aus einer arabiſchen Golonie entflanden felen, berechtigt glaubt. 
Auf an BT bält er aber jene Infchriften für großer Veach⸗ 
tung wertb. 


Bon den neueften englifchen politifchen und flaatswiffens 
fhaftlichen Werken verdienen Beachtung: Atkinfon’s „Political 
economy’; Adam's „On the law and custom of: slavery in 
british India’; „Judgment in error in the case of Stock- 
dale v. Hansard, by the court of common sense”; Ryal’s 
„Conservative statesmen” (1. 8b.), 2aurence’s „On the no- 
bility of the english gentry”, „The chronicles of crime, 
or new Newgate calendar’, von Camden Pelham, wovon 
vor Eurzem bie erſte Nummer erſchienen iſt; das ganze Werk 
fol mit 52 Nummern vollendet werben. 47. 


Berantwortlier Deraubgebers Heinrih Brodhausd — Drud und Verlag von F. X. Brodbaund in Leipsig. 
nr eo na, 


Blätter . | 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienftag, 





Franzoͤſiſche Kritiker neuerer Zeit. 
(Bortfegung aus Nr. 238.) 

Einer ber tüchtigften franzoͤſiſchen Kritiker letztern 
Schlags iſt Sainte:Beuve, deſſen Eritifch = Afthetifche 
Artikel mit zum Beſten gehören, was in ben legten Jah⸗ 
ren im Fach der Kritik geleiftet worden. Die bedeuten: 
bern diefer in Journalen und Revuen zerſtreuten Auffäge 
bat ber Verf. zu verfchiebenen Zeiten gefammelt und un: 
ter dem oben angegebenen Titel abbruden laſſen. Sainte: 
Beuve bat Feine fefle Theorie der AÄſthetik und buldigt 
weber firen Ideen, noch einem befondern Spfleme, was 
in einer Literaturperiode, wo fi Ideen und Spfteme fo 
wild durcheinander kreuzen, vielleicht das Rathfamfte ift. 
Er vermeidet dadurch den Irrwahn, daß jedes Product 
ber Literatur, wie jedes Ding unter der Sonne, in die 
Swangftiefeln der Zerminologien eingefchnürt und auf das 
proßruftifche Solterbett derfelben gelegt werden müfle. Den 
Mangel einer- Xheorie bei Loͤſung ſchwieriger Probleme 
der Afthetit erſetzt Sainte-Beuve durch einen angeborenen 
fihern Takt und einen glüdlichen Inſtinkt des Schönen 
und Wahren. Da er ſelbſt Dichter und durch unb durch 
Kuͤnſtler ift, fo Iäßt er fich von feinem indivibuellen Bart: 


gefühl leiten, welches oft mehr Schönheiten an einem’ 


Kunſtwerke entdeckt als der ſchaͤrfſte Theoretiker. Sainte: 
Beuve's Analyſe geht in gewiſſen Hinfichten tiefer, weil 
ſie weniger Reſultat des Gedankens als des Gefuͤhls iſt 
und daher auf viele kleine Schattirungen und Anſpielun⸗ 
gen eines Dichters aufmerkſam macht, die ein anderer Kri⸗ 
tiker uͤberſehen wuͤrde. Sainte:Beuve empfindet eine kind⸗ 
liche Freude und Begeiſterung uͤber ein Buch, welches ſeine 
Sympathie erweckt und eine Saite ſeines Herzens an⸗ 
ſchlaͤgt; iſt der Autor unbekannt, ſo hat er nichts Eili⸗ 
geres zu thun, als das Publicum auf dieſen gluͤcklichen 
Fund aufmerkſam zu machen. Die drei Baͤnde ſeiner 
„Portraits litté raires“ liefern Proben und Belege in 
Maffe, wie er jahrelang feine ganze Sorge und Thaͤtig⸗ 
feit darauf hingerichtet, allen auftauchenden ober verkann⸗ 
ten Talenten Beifall und Gerechtigkeit zu verfchaffen. 
Sainte:Beuve machte fih zum Eritifhen Anwalt aller 
unterdrüdten oder vernachläffigten jungen Autoren, mit 
Hintanfegung feiner eigenen poetifchen Intereſſen: benn 
obſchon von Natur aus ein ſehr idylliſches Gemuͤth und 
ein entfchiedener Freund ber bürgerlichen Genuͤgſamkeit 


und ſtillen Häuslichkeit, fchlägt ihm doch ein Herz in ber 
Bruft, welches ſich leicht für alles Schöne und Gute ent: 


flammt. Damit verbindet er eine heutzutage in Frank 
reich feltene Uneigennägigkeit und Aufopferungsfähigkeit. 
Wiewol er manche unverhoffte Taͤuſchung erfahren, hat 
er fih dadurch nicht meiter von feinem begonnenen Un 
ternehmen abbringen lafjen, fondern ſtets offen und un 
verhohlen gefagt, was er für wahr hielt: er lobte das Ver: 
dienft und den Namen Derer, melche Untoifienheit ober 
Scivolität nicht anerfannt hatten, ohne fich im gering- 
fien darum zu bekuͤmmern, wie man es ihm lohnen werde. 
Das Bewußtfein, gefprochen zu haben, wie es ihm ums 
Herz war, biente ihm zur Beruhigung und gab ihm 
Muth zu neuen Kämpfen. Es gibt für Sainte- Beuve 
keine größere Freude, als wenn er einen neuen Poeten 
ankündigen, wenn er einen blöden, unbefannten Neuling 
in die literarifche Welt einführen und der neugierigen 
Menge vorftellen kann , die freigebiger. mit Spottreden ift 
als mit Lobeserhebungen und wohlwollenden Aufmuntes 
rungen; gelingt es ihm, feinem Empfohlenen einen Plag 
und Gönner zuzumenden, fo fühlt er fih gluͤcklich und 
begehrt keinen Dank dafür. Wie viele Undankbare er 
auch im Leben angetroffen hat, er wird feines Amtes nicht 
müde und verfolge unverdroſſen fein Ziel; er rechnet es 
fih zum Ruhme an, den Ruhm Anderer zu verlünden 
und in ber neuern franzöfifhen Kritik die Rolle des anti⸗ 
ten Chors durchzuführen. Die Seibftverleugnung Saintes 
Beuve's ift bei dem eigennügigen Treiben und Speculiren 
in ber heutigen franzöfifchen Gelehrtenrepublik eine wohl: 
thuende Erfcheinung: in ben 15 Jahren, wo die Kritik die 
Hauptbefhäftigung feiner Literarifchen Wirkfamkeit ausge: 
macht, hat er keine Zeile gefchrieben, die nicht für ihn, 
zugleich aber auch gegen Andere Zeugniß ablegte: er hat 
manden Wankenden geftügt, der fpdter feine huͤlfreiche 
Hand abgeleugnet; er hat viele Schiffbrüchige dem Tode 
entriffen, die den Namen ihres Retters vergaßen, wie fie 
fi) am Lande von ihrer Ohnmacht erholt hatten; er hat 
mehr als einen obſcuren Gemeinen zum Kaifer ausgerufen, 
der ihm nachher den Rüden gewandt mit ben Worten, 
welche einer der römifchen Cäfaren auf feinem Sterbebett 
geäußert haben fol: „Ich fühle, daß ich ein Gott werde!“ 
Allein keine von dieſen bitten Erfahrungen war im 
Stande, den Muth des unermäblichen Kritikers zu bres 


hen und hm die Luft an neuen Entdekungbreiſen zu” 
verderben. 

Bor Sainte:Beuve beftand das ganze Geheimniß deu 
franzöfifchen Kritik, wenn fie nicht troden gelehrt oder 
pitant biffig war, in dem mechanifchen Anwenden von 


oemeln: and Megehn, bie Hinofb Keiner Stan amd Eine 


&eutung mehr haften. Satnte:Veuve gebichrt Sie Ehre, 
Poeſie in die Kritik gebracht und etwas Eigenthümtliches 
in diefem Fache gefchaffen zu haben: in feinen Händen 
iſt die Analpfe alter und neuer Bücher etwas Kebendiges 
und Vefſeeltes umd in gewiſſer Beziehung gleihfam wie⸗ 
der ein eigenes Kunftwerk geworden, welches für fich be: 
ſtehen und an fi allein imtereffiren fann, unabhängig 
von dem Kunftwerke, welches als Unterlage dient. Seine 
während der Reftauration für den „Globe’’ gefchriebenen 
Artikel, welche er vereinigt unter dem Titel „‚Tableau 
tistorique et critique de la poesie frangaise et du théa- 
tre frangais au seizitme siecle” (2 Bände) heraus: 
gegeben und feine feit der Julirevolution erfchienenen 
„Portraits litteraires‘ tiefen fuͤt dieſe Eigenthuͤmlichkeit 
Sainte-Beuve's als Kritiker genuͤgende Belege, wiewol 
auf verſchiedene Art. In dem etrſtgenannten Werke hat 
Sainte: Beuve bie logiſche, fittliche und ſociale Seite ber 
Schriftſteller faft ganz vernachläffige und ſich wenig oder 
gar nicht damit befaßt, das Innere ihrer Werke zu durch⸗ 
forfchen, fondern fi ganz vorzüglih darauf beſchraͤnkt, 
Sprache, ſtyliſtiſche Darftellung, Versbau und fonftiges 
Sormelle ins rechte Licht zu flellen; allein obgleich hier 
der plaftifche Theil ber Poefie unbedingt zur Hauptſache 
erhoben tft, fo fchimmert doch uͤberall durch, daß die Be⸗ 
wunderung des Kritikers für die Naivetaͤt und Einfach— 
beit des Ausdrucks und der Darftellung keineswegs eine 
kindiſche Vergötterung und Anbetung der dußern Form 
ift, fondern daß ihm an der Unbefangenheit, Kinblichkelt 
und Natürlichkeit des Styls zugleih bie Gedanken und 
Empfindungen zufagen, melde die Poeten des 16. 
Jahrhunderts darin ausfprehen. Um Die Zeit, wo 
jenes Buch herausfam (im 3. 1828), waren uͤberdies bie 
Fragen und Probleme der poetifhen Plaſtik in Frankreich 
keineswegs erledigt; es handelte fi darum, neue ſprach⸗ 
liche und metrifche Gefege geltend zu machen, welche be: 
ſtritten und als unfranzöfifh und barbariſch verſchrien 
mwurben. Die Iiterarifchen Parvenus bed Romanticismus, 
welche bie alten Gefege des Claſſicismus ummarfen, poch⸗ 
tem auf ihre von Alters herſtammenden Rechte und ihre 
Ahnen; aber da fie fchlechte Philologen und in der He: 
raldik oberflächlich bewandert waren, fiel es ihnen ſchwer, 
die verftäubten und von den Motten zeffreffenen Fami⸗ 
lienurkunden zu entziffern und daraus Ihre nationalfran⸗ 
zöfifhe Herkunft nachzumeifen; fie brauchten daher fehr 
nothmwendig einen gelehrten Wappenkundigen unb Alter: 
thumsforſcher, der ihnen aus der DVerlegenheit half. Die: 
fen fanden fie an Sainte-Beuve. Er grub den Quellen 
der franzöfifchen Poefie nach und entwarf den Stamm: 
baum der neuen Poeten, welchen Zeit und Commentare 
vergraben hatten: er z0g die unbekannten, vergeffenen Ah: 
nen bes Andre Chenter und Molidre, die vorcaffifchen 


ı nationale 


Dfihter” des 76. Jahrhunderts ans Licht und ging Liber 
Malherbe weg bis auf Ronfard und Mathurin Regnier zu: 


ruͤck, deren Verdienſte er ganz befonders hervorhob. 


Nachdem diefe Arbeit abgethan und nachgemiefen war, 
daß die neue Dichterfchule der Reftauration keine Ein: 
—— bes Ausfandes und Peine amnatürfkhe, anti: 

usgeburt der neumen Zeit, fonbern. eine legi⸗ 
time Verjüngung und Fortfegung des franzöfifhen Mit: 
telalter6 und der nationalen Überlieferung ſei, galt es, Die 
claſſiſche Literaturperiode, Corneille, Racine, Molidere, 
Bolleau, Diderot, J. B. Rouſſeau ꝛc. nach den feſtge⸗ 
ſtellten Principien zu beurtheilen und ſich uͤber den Werth 
dem der Romanticismus des 19. Jahrhunderts mit 
dem Romanticiesmus des 16. verknuͤpft und in Zu: 
ſammenhang gebradgt war, mußten bie beiden dazwi⸗ 
fchenliegenden Sahrhunderte an bie Meihe kommen und 
ihre nähere ober entferntere Berwandeſchaft mit der neue⸗ 
ften ober aͤlteſten Periode ber franzöfifchen Literarhtftorie, 
forie ihre Stellung zur allgemeinen Culturgeſchichte aus: 
gernittelt werden. Diefe zweite Hälfte feiner literariſchen 
Thätigkeit wurde von Sainte-Beuve ebeufo glüͤcklich er 
ledigt als die erſte. Da bei Sainte:Beupe eimmal der 
Entſchluß feftftand, über dem Künfkfer den Menſchen nicht 
zu vergeffen und zugleich mit dem dfihetifchen Moment 
der Bücher bie Genealogie und Maturgefchichte der Wer: 
faffer zu fchreiben, erfüllte er diefe boppelte Aufgabe mit ber 
größten Gewiſſenhaftigkeit und liebevollſten Aufmerkſam⸗ 
keit. Jede der Individualitaͤten, welche er ſtubirt, wird 
für ihn auf einige Wochen eine Lieblingswelt, eine aus: 
gefuchte Atmofphäre, welche er mit voller Runge einath⸗ 
met, eine geltebte Landſchaft, worin er We geringſten Ab⸗ 
finfungen und Wellenlinien des Terrains in Augenfchein 
nimmt, ein theurer Fluß, deffen Kauf er in alten Win⸗ 
dungen und Kruͤmmungen verfolgt. Jede feiner kritiſchen 


‚ Studien ift eine wahre Reife; er kehrt von einer unter: 


nommenen Lecture wie von einer meiten Reiſe zurüd; er 
fhlttelt den Staub. ferner Geftade von feinen Süßen und 
bringt unbekannte, lieblid) duftende Blumen mit, bie er 
am Wege gepflüde. Daher darf es uns nicht wundern, 
wenn er, wie alle große Reiſende, ſich fo leicht affimilirt 
und fi gern in die Sitten und Leidenfchaften, Gewohn⸗ 
heiten und Gefinnungen der burchforfchten Ränder hinein: 
verfegt, wenn er abwechfelnd bie Tempel von Bombay, 
Memphis und Athen” tobt und ſich zu fo verfchtedenen 
Meligionen befennt, dag man thn beinahe für einen Un⸗ 
gläudigen halten möchte. 

Aber diefe fortwährende Beweglichkeit und Veränderlich- 
keit iſt dei Sainte-Beuve lediglich eine beftändige Wahr: 
heitsliebe und Aufrichtigleit; er vergißt nie, was Baco 
fügt: oportet discentem credere; er glaubt an Saint: 
Martin und Lamartine, an Chateaubriand und Lamen: 
nais, an Diderot und den Abbe Prevoft. Diefer Glaube 
an bie innere Wahrheit der verfchiedenartigften Beſtrebun⸗ 
gen ausgezeichneter Geifter beeinträchtigt keineswegs fein 
Urtheil, fondern erhöhet vielmehr den Werth beffelben, da 
jene unbefangene Bewunderung ber heterogenſten Näturen 


Ihn geſtattet, fo tief als möglich, ine Innere beufelben 
hinabzufteigen und verborgene Schäge zu Tage zu fördern. 
Sainte:Beuve glaubt, um zu lernen; er fludirt mit dem 

wie die Weiber, und gibt fi Hin, um ben 
Sinn bes Lebens zu begreifen. Der neue Glaube, dem 
er fih für einige Zeit mit ganzer Seele bingibt, hat 
durchaus nichts Erkünfteltes und Unentfchiebenes; im Ge: 
gentheil, über ber Betrachtung feines neuen Freundes ver: 
kiebt er ſich im ihn, fchmiegt ſich ihm an, verfenkt ſich in 
ihn, geht in Ihm auf und lebt mit und in fhm, bis er 
eine neue Bekanntſchaft macht: er beſchwoͤrt bie Schatten 
einer zu Grab getragenen Bildung wieber herauf, facht 
erlofchene Leidenſchaften wieder an, ruft laͤngſt verfchellene 
Eharaktere wieber ins Leben, und das Alles mit folcher 
entzuͤckenden Anmuth, mit fo großer Naivetaͤt, daß wir 
uns die Zäufhung gefallen laffen und dem wunderbaren 
Bauberer folgen, wohin er uns haben will. Alle Bilder, 
bie er unfern Blicken vorüberführt, gewinnen unſere Liebe, 
ba fie und unerwartete, ungeahnte Schönheiten aufdeden. 
Da tft durchaus keine Spur von Affeetation und Künft: 
lichkeit, Eein Sleden vom Unedeln und Gemeinen. Die 
Kritiken Sainte: Beuve's find Spiegelbilder feiner Seele, 
weiche ſehr verfchievenartige Individualitaͤten mit gleicher 
Liebe umfaßt und wie ein weiches Wachs oder wie ein 
fliner, ruhiger, klarer See iſt, worin ſich Bolleau's Bild: 
niß fo gut abdrüde wie das von Lamennaid und Georges 


Sand. Sainte:Beuve ſteht fo fehr unter dem Einfluffe | 


und ber Einwirkung dee Schriftftelfer, die er eben ſtudirt, 
daß fein Styl fi darnach richtet und jedesmal mechfelt. 


Es mag fein, daß firenge, Pältere und minder ems | 
pfängliche Gemüther nicht immer die Bewunderung Sainte: | 
Beuve's theilenz es mag Leute geben, welche feine Kriti: | 


ten nicht fireng wiffenfchaftlih und feine Begeifterung oft 
ungegründet, zu leichtgläubig finden; aber Sainte-Beuve 
entwaffne: den Zabel durch die Aufrichtigkeit und Offen» 
berzigkeie feiner Anfichten: er iſt ganz gluͤcklich, wenn er 
loben und bewundern kann, wie fo viele Andere froh find, 
wenn fie tadeln und mäleln Binnen. Daher begreift man, 
warum er in feinen Eritifhen Studien die Individualitaͤ⸗ 
ten Üübergangen hat, welche von ber feinigen durch einen 
zu weiten Abfland getrennt waren. Wenn er einerfeite 
Jemand lieben muß, um in fein Inneres einzudringen 
und ihn ganz zu verfiehen, fo kann man andererfeits auch 
von Ihm fagen, daß er nur ſolche Autoren und Naturen 
verfteht, welche er liebt; wo er nicht liebt, da find feine 
Kritiken unzulaͤnglich, und der fo fünfte, gutmuͤthige Kri⸗ 
titer, dem man fonft eher zu große Nachſicht als zu ſtren⸗ 
ge6 Urtheil vorwerfen kann, geräth dann bisweilen in ein 
Eifern und Polemifiren, welches an den literariſchen Pa: 
roxismus der Reſtaurationsperiode erinnert, wie in der 
Kritid des armen J. B. Rouffeau, melden Sainte⸗Beuve 
gar hart mitnimmt. Allein biefe Faͤlle find aͤußerſt felten; 
denn da, wo Sainte-Beuve nit loben Bann, ſchweigt er 
gewoͤhnlich; und jeder Scheiftfieller, der nur einigermaßen 
ſich als Menſch darſtellt, erhält feine Liebe und Zunei⸗ 
gung: Sainte⸗Beuve iſt fo freundlic und wahrhaft menſch⸗ 
lich gefinnt, daß er oft wider Wiſſen und Willen die 





ſchreiendſten Begenfage im ben Imblolbuaiititen, womit er 
es gerade zu thun bat, wenn auch nicht völlig ausgkeicht 
und aufhebt, doch wenigſtens mildert und fühnt, Der 
erſte Band der „Portraits litteraires” von Saintes Brupe 
erſtreckt ſich vorzugoweiſe auf Die Schriftfielle des 17. 
und 18. Jahrhunderte; die beiden letzten Baͤnde ents 
halten bagegen Artikel über berühmte lebende Schrift: 
ſteller; ung gefielen am beften bie Schilderungen von Cha: 
teaubriand, Balance, Lomennaie, G. Sand, ©. Hugo, 
Lamartine, Beéranger, Alfred de Muſſet, Andre, Chenier, 
Jouffrod, Senancour und Madame Desbordes⸗ Valmore. 

(Der Beſchluß folgt.) N 





Aus Dänemark. 
Die dänif 


theil, welches biefes Buch als abſtract oder ne bes 
Bud if 

ein coneretes, hifto 8 Document, i 

liche ——ã ae For, rd ne fee fear 

| | te, in biefem fo oft 

und fo vielfältig mitverſtandenen Buche zum Schlimmſten zu 


tal, Religion, Philoſophie u. ſ. w. ſteht. Es ift nicht ein 
volllommen bie Rebe von bexen innerm Aufemmenhang mit 
feiner Zeit und deren wirkliches Meinung und Bebeutung. 6 
wird nur gefragt, inwieweit ein fo Uuger und erfahreneg 
Staatsmann, ein fo eifriger italieniſcher Patriot, ein fo großer 
Bewunderer des Alterthums, ein folder Erbe ber bush Pe⸗— 
txarca und viele —5 — aͤhrien Liebe zum Altroͤmiſchen als 

‚ etmas — Pi 65 aeg: an ja 
Amann in dem wohlbegründeten Prieſterhaß feines Zeitaiters 
Inwieweit ein ſolcher Wann andere denken und veben 





Zonnte. Aber biefe Frage muß mit einem beffimmten Rein be: 
antwortet werben. Allein der Mangel an gehöriger Einſicht in 
diefe Berhältniffe Tann bie bis auf unfere Tage nicht blos 
Schwantenden, fondern auch ganz widerfpredhenden Urtheile über 
Machiavelli, befonders über fein Buch vom Kürften, erllären. 
Doch deutet er ſchon in der Vorrede feine Adſicht an, welche 
feine anbere war, als den Lorenzo von Medici zu vermögen, 
das geriplitterte Italien unter fein Stepter zu vereinigen, es 
Tofte was ed wolle. Er ermuntert das mediceiſche Haus, die 
Gelegenheit zu ergreifen, „die Barbaren”, d. h. bie Franzoſen, 
die Spanier, die Deutfchen und die Schweizer, aus Italien zu 
verjagen und dadurch eine neue Herrſchaft zur Rettung des uns 
glädticdhen Vaterlandes zu gründen. Diefe Rettung des Waters 
: Tandes haben Machiavelli’s politifche Schriften alle zum Haupt; 
zwed. Im Buche vom Kürften hofft er noch auf deren Ber: 
wirttichung; in feinen „Discorsi supra la prima Deca di Tito 
Livio‘‘, und in feinem Buche Dell’ arte della guerra‘’ bildet 
fie gleichfalls das Grundthema, aber in biefem verzweifelt er 
an ber Srfüllung feines brennenden Wunſches; in ber „Flo⸗ 
rentiniſchen Geſchichte“, feiner Testen Arbeit, fchließt er fein 
Werk mit einem ſchwachen Geufer über die Misgefchide, wels 
che ancora rovinano l'Italia. Ein Jahr darauf farb er. Dux 
opus est viris, populos qui cogat in unum. 


Atertbumss und Gefchichtsforfchern ſehr willlommen ift 
die neue Ausgabe von folgendem Werke: ‚„Saxonis Gramma- 
tici historia Danica. Recensuit et commentariis illustravit 
Dr. P. E. Müller, Siaelandiae episcopus etc. Opus morte 
Müölleri interraptum absolvit Mag. L. M. Velschow, historiae 
Professor. Partis prioris Vol. I et I] textum et notas bre- 
viores complectens”’ (Kopenhagen 1889). Je mehr das Water: 
land und die MWiffenfchaften durch das Leben bes Biſchofs P. 
@. Müller gewonnen hatten, beflo tiefer müffen beibe feinen 
feübgeitigen Tod bedauern. Der größte Theil feines wiflens 
fehaftlichen Lebens war der Theologie geweiht und eine große 
Zahl Zünger bewahren in bankbarer Erinnerung, was fie durch 
feinen fireng philoſophiſchen Vortrag vom Katheber und in 
Schriften gelernt haben. In einem andern Theile feines wiſ⸗ 
fenfchaftiichen Lebens, ber zwar kürzer, aber reicher an neuen 
Refultaten felbfländiger Forſchung war, opferte er dem Studium 
der geſchichtlichen Denkwuͤrdigkeiten des Nordens die Zeit, bie 
ihm nach wichtigen Amtöverrichtungen übrig blieb. Zu diefer 
Ieaten Periode feines Lebens gehört, außer feiner Sagenbiblio⸗ 
the? und feinen Unterfuchungen über bie Hiſtoriographie des 
Nordens, auch die gegenwärtige Ausgabe von Saxo's „Daͤni⸗ 
ſcher Geſchichte“. Es war ein Blüd, daß biefes opus posthu- 
mum vor Müller'6 Tod über die Grenzen ber eigentlichen Gas 
gengefchichte vorgerüdt war, innerhalb welcher kaum Jemand 
ihn erfegen Tonnte, und daß es darnach in bem Prof. Velſchow 
einen Fortfeger erhielt, ausgerüftet mit biftorifcher Gelehrſam⸗ 
Zeit und Kritik, es zu vollenden. Nur wenig war gebrudt, als 
Müller ftarb; aber die Materialien zur Ausflattung der Aus⸗ 
gabe Lagen größtentheild vor. Der vorliegende Theil enthält 
nur den Text mit den nothwendigfien Bemerkungen philologi⸗ 
ſcher, gefchichtlicher und geographifcher Natur. Die zweite Abs 
theilung des Werks wird ausführlichere Anmerkungen und his 
ſtoriſch⸗ antiquarifche Unterfuchungen, wozu der Text Stoff und 
Beranlafiung gegeben, fo wie Prolegomena liefern. 


Aufmerkſamkeit verdient folgende, im legtvergangenen Jahre 
angefangene Zeitſchrift: „Brage og Idun, et nordest Fier: 
dingsärsfkrift, utgivet med Biftand af Danske, Svens⸗ 
fe 08 Normend, af Fredrik Barfod“ (Kopenhagen 
1839), Das erfte Vierteljahrsheft enthält einige gute Ab: 
handlungen und Gebichte, aber der Herausgeber fcheint weder 
mit fi ſelbſt noch mit feinen Mitarbeitern über einen feften 
und beflimmten Plan bes Unternehmens einig geworben zu fein. 
Eine fehr erfreuliche Exrfcheinung würde es jedoch fein, wenn 


eine —A welche zu der erwunſchten wiſſenſcheftlichen und 
iſti ini dv dinavi R 
ee anne, — u ante en ie weſentuch dei— 





Notiz. 


Phyfit und Metaphyſik vor Gericht. 

Mit dem Zeflamente bes vor-drei Jahren verftorbenen 
originellen Philofophen Fearn waren feine Witwe und Toch⸗ 
ter unzufrieden und bie Sache kam im vergangenen Herbfie 
vor dem Court of common pleas zur gerichtlichen Entſcheidung. 
Der Berſtorbene Hatte ſich einige Monate vor ber Geburt bies 
fer nun 20jährigen Zochter von feiner hochachtbaren Gattin 
förmlih getrennt und von feinem Kinde bis zwei Jahr vor 
feinem Tode nicht die mindeſte Notiz genommen, bann aber 
es zu fih gerufen und mit Bewelfen der Zuneigung übers 
bäuft. Wie erflaunte man aber, als ſich in feinem Zeflamente 
jene Tochter durchaus übergangen fand! Es wurde darum jett 
wegen angeblicher Geiftesverwirrung bes Erblaffers angegriffen. 
Die Geiftesverwirrung wollte man aus zwei Umftänven beweis 
fen: die an Wergötterung grenzende Hochachtung, die ber Ver⸗ 
fiorbene feiner Haushaͤlterin zollte, an weldyer die öffentliche 
Meinung fehr Vieles auszufegen fand, und fobann feine 
metaphyſiſchen Schriften. Der erfle Beweisgrund wurde als 
nicht rechtskraͤftig zurückgewieſen; die Entfcheidung des zweiten 
überließen die Richter dem Ausipruch von Gachverfländigen. 
Es fand ſich aber, daß Zeiner ber vernommenen Zeugen ſich 
in diefe Kategorie flelen, noch weniger die Grenzlinie zwi⸗ 
fhen dem Unverftändlichen und dem Unfinn ziehen wollte. Nur 
der Phyſiker, Sir David Brewſter hielt fi) zu einem objecti- 
ven Urtheile berechtigt und erlärte den Metaphyſiker frank und 
frei für einen Narren. Die Richter waren aber diefer Meinung 
nicht. Vielleicht erinnerten fi) einige daran, daß der Meta⸗ 
phyſiker ſchon lange denfelben Ausfprud über ben Phyſiker ges 
fällt hat. Fearn lebte mit Brewſter wie mit ben fchottifchen 
Philofophen in fleter Fehde, in ber er das Urtheil des englis 
fen Yublicums gegen fih, am Ende aber nicht Unrecht hat, 
wenn aud) fein Ton flolz und grob genug und fein Gedanken⸗ 
gang nicht befonders geregelt if. Das Gericht entfchied, daß 
fein Grund vorhanden fei, den Werflorbenen, wenn er auch 
ercentrifch geweſen, für geiftesverwirrt zu halten, daß alfo fein 
Zeftament beftehen müſſe. 48, 





Literarifche Anzeige. 


Soeben erscheint in meinem Verlage und ist durch alle 
Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen: 
Münefeld (Prof. Dr. F\. L.), Der Che- 

mismus in der thierischen Orga- 
nisation. Physiologisch - chemische Unter- 
suchungen der materiellen Veränderungen oder 
des Blutbildungslebens im thierischen Organismus, 
insbesondere des Blutbildungsprocesses, der Natur 
der Blutkörperchen und ihrer Kernchen. Ein Bei- 
trag zur Physiologie und Heilmittellehre. Ge- 
hrönte Preisschrift. Mit einer lithographirten 
Tafel. Gr. 8. 1 Tbir. 8 Gr. 

Zur Empfehlung dieser Schrift genü 
die Bemerkung, dass sie von der Akademie 
der Wissenschaften in Göttingen mit dem 
ersten Preise gelrönt worden ist. 


Leipzig, im August 1840, 
F. A. Brockhaus. 


Verantwortliher Herausgeber: Leinrib Brokhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brodhauß in Leipzig. 
Tee 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


—n T Nr. 225. 





12. Auguft 1840. 





Franzoͤſiſche Kritiler neuerer Zeit. 
¶ Beſchluß aus Nr. 221.) 

Dem Sainte: Beuve aͤhnlich und doch von ganz ent: 
gegengefegter Natur ifi Guſtave Plane, der feit 12 
Sahren für Revuen und Journale, namentlich für die 
„Revue des deux mondes” und die „Chronique de Paris“ 
Eritifche Abhandlungen fehreibt, von denen im J. 1836 
unter dem obenangezeigten Zitel eine Auswahl erfchlenen 
iſt, die bereits eine zweite Auflage erlebt. Planche ift Fein 
mitfühlender Kritiker, der tief in den Geift, Sinn und 
Charakter der Schriftfteller eindringt und fich ganz in ihre 
Gemuͤthswelt verfebt, fondern ein firenger, unbeftechlicher 
Richter, der die Autoren nach dem aͤſthetiſchen Geſetzbuch, 
das er feibft entworfen, aburtelt. Planche begann feine 
titerarifche Laufbahn zu einer Zeit, wo der Romanticie: 
mus noch keine andern Gegner hatte als die Anhänger 
einer morfchen Wergangenheit und eben feine glängendften 
Siege erfocht; allein fein Eritifcher Inſtinct bewahrte ihn 
vor dem unbedingten Eingehen in die neue Richtung und 
bewog ihn, den Tadel unter einem bedingten Lobe ober 
einem guten Rathe zu verbergen und dem allgemeinen Aus: 
fchreien der Producte des Romanticismus feine Zuflim: 
mung zu verfagen, ja allmälig eine entfchiedene Polemik 
entgegenzuftellen. Was an diefem Eräftig ausgeſprochenen 
Tadel befonders überrafchte, war, daB er ſich auf dieſelben 
Principien gründete, für welche die romantiſche Dichter: 
fchule zu Felde 309, und in einer neuen Sprache und 
Darftellung ausgedrücdt wurde, welche oft romantiſch Elang 
und an den kecken Styi des franzöfifhen Mittelalters er: 
innerte. Weit nun aber Planche feine NRüftung bei dem: 
ſelben literarifchen Soſtem borgte, gegen welches er bie 
fyroeren und leichten Geſchoſſe feines Witzes und Verſtan⸗ 
des richtete, glaubten Viele fteif und feit, daß feine Sache 
und Zukunft nothwendig mit dem Romanticismus ftehen 
oder fallen muͤſſe. Jedoch irrte man fich darin; Planche 
fand, nad) der Auseinanderfprengung des romantifchen Hees 
zes, einen -Bundesgenoffen, der fein Talent zu höherer Aus: 
bildung förderte und ihm Klarheit und Bedeutung gab. 

Die Erſchuͤtterung, welche die Zulicevolution im Gei⸗ 
fterreich bewirkte, rief nämlich) mit einem Mal einen Schrift: 
ſteller auf den Schauplag, in deſſen hochgenialifher Indiz 
vidualität die damals von allen Seiten auftaudyenden Ideen 
einen durch Temperament und Lebensfchidfale wohl vorbe⸗ 


teiteten Boden fanden. Georges Sand ward zuerft von 
jener flammenden Sehnſucht bingeriffen, melde um jene 
Zeit alle Herzen und Gemüther ergriffen; und diefer Name 
wird ſtets unter den Autoren jeded Zeitalter und jeder 
Nation glänzen, welche ähnlichen Ideenreihen ihren Her 
vortritt verdanken. Madame Dudevant’6 erſtes Literarifches 
Auftreten war heftig, leidenfchaftlich, wie das gleichzeitige 
politifche Treiben, welches jede Eriftenz im Öffentlichen und 
Privatleben gefährdete und felbft das Innere der Familien 
entzweite; es ift möglich, baß, wenn einmal ruhigere Zels 
ten eingetreten und die Öffentlihe Ordnung und das haͤus⸗ 
liche Gluͤck vor den Stürmen gefichert find, welche jest, 
von dem Wind allerlei Lehre erregt, ſtets von neuem ſich 
erheben wollen gegen Alles, was Beſtand gewinnen möchte, 
— es iſt möglih, fage ih, daB alsdann Dichtertalente 
aufftehen, welche der Zeit mit mehr Ruhe, Überlegung, 
Befonnenheit und Kunft zum Bewußtſein verhelfen über 
Das, was ſich vielgeftaltig und zweideutig In ihr bewegt; 
allein diefeer Name Georges Sand wird deswegen doch ges 
ehrt werden, fo lange es edle Naturen gibt, welche, gleich: 
viel ob mit oder ohne Schuld, in unglüdliche Lebensver: 
bältniffe hineingerathen. Georges Sand verduntelte durch 
ihre Romane zuerft das glänzende Geftirn des Romanti⸗ 
cismus, indem fie der jüngern aufwachfenden Generation 
bewies, daß bie frangöfifche Literatur über den engen Kreis 
hinausgehen dürfe, in welhem V. Hugo die Geifter durch 
den trügerifchen Schein einer leeren formellen Freiheit feft: 
bannen wollte. 


Planche war ber Erſte, welcher frinen Enthufiasmus 
für Georges Sand ausſprach und dem Verf. der „Indiana” 
mit einem Male feine Stelle neben Chatenubriand und 
über Madame Stael anwied. Diefe Bewunderung war 
ungeheuchelt und kam ganz vom Herzen. Der fühne, 
pathetifche Romanfchreiber nahm dem kecken, geiftreichen 
Kritiker eine ſchwere Bürde von ber Schulter und eine 
Binde von den Augen, indem er ihm zur Maren Erkennt: 
niß und fichern Seftftellung feiner Ideen verhalf, für die. 
er feither vergebens einen Anhaltpuntt gefucht: feine bie: 
herigen Angriffe gegen die romantifhe Schule bezogen fich 
hauptſaͤchlich auf die Theaterſtuͤcke und den graſſen Außern 
Pomp und Materialidömus, womit man bie innere Leere 
diefee Dichtungen zu umhuͤllen trachtete; — er befland 
vorzüglidy darauf, daß die dramatiſche Poefie nicht ſowol 


| 





N 


eine Augenweide, als eine Geelenfpeife fein müßte, hing 
aber keineswegs fo weit, diefen Sag zu generalifiren und 
ihn auf fämmtlihe Gattungen und Producte der roman: 
tifchen Poefie anzutvenden. Kaum aber find Georges Sand's 
Romane erfchienen, fo Yyaßt er feine kritiſchen Anſichten 
allgemeinar, ſormulitt ſich wine Maine int zu fenem 
Hausgebraudy und fagt fich entſchieden von den Roman⸗ 
titern los. Es gereicht darum dem tuͤchtigen Kritiker kei⸗ 
neswegs zum Vorwurf, daß er bei dem glaͤnzenden Ro⸗ 
manſchreiber, auf deſſen aͤſthetiſche Bedeutung er vor 
Sainte-Beuve aufmerkſam machte, gleichſam erſt in die 
Schule gegangen tft und ſich von ihm feine aͤſthetkſchen 
Anfihten hergeholt hat. Die Kritit an und für ſich al: 
lein iſt durchaus ungerelhend imd kann nur dann ie 
Initiative in literariſchen Streitfragen ergreifen und die 
Fehler der Zeitgenoſſen mit Erfolg ruͤgen, wenn fie unter 
den gleichzeitigen Dichtern oder Schriftftellern ein Eräftiges, 
seines, urſpruͤngliches Vorbild findet, welches ihr die Waf- 
fen in die Hand gibt und Selbftvertrauen einflößt. Die 
beiden Schlegel verdankten den Umfang und Großblick ih: 
ser Kritik gewiß vielfach dem Umgange mit unfern beiden 
großen vaterländifdhen Dichtern, und es gibt fo leicht kei⸗ 
nen ausgezeichneten Kritiker, der feine glänzende Eigen⸗ 
thümlichkeit nicht ber Freundſchaft oder der Bewunderung 
irgend eines Lieblingsautors verbanft. 

G. Planche hat fein Afthetifches Syſtem aus den 
Romanen von Georges Sand. hervorgefponnen, deren aͤſthe⸗ 
tifche Bedeutung er ſowol in Hinſicht auf Form ale In: 
haft unendlich hoc, ſtellt. Seine Theorie iſt eben nicht 
fehr umfafjend und genügend und befchränft fi) auf den 
Unterfchled der innern befeelten und äußern Ieblofen Litera⸗ 
tur, welche er als litterature intime und litterature visible 
bezeichnet. Sin die erfle Kategorie ſtellt er den ganzen 
Meiterfhwarm des Romanticismus, welcher ber Bictor 
Hugo’fchen Manier trew geblieben und auf Metaphern und 
Bildern herumgaloppirt; zur zweiten Abtheilung rechnet er 
die Beine Zahl von Schriftftelleren und Poeten, welche meift 
nach der Herausgabe der „Orientales” aufgetreten, ſich einan: 
der fremd und durch kein anderes Band verknuͤpft find als 
durch die vorberrfchhende Neigung, dem eigentlich Innern 
Wirkfamen in ihren Werken den erflen Platz einzuräumen, 
mit einem Beifag von elegantem und gemäßigten Skepti: 
cismus, wie er in einer Zeit verzeihlich, wo alle Religio⸗ 
nen zufammengebrodhen find und {Jeder feinem eigenen Gotte 
huldigt. Die erfte Claſſe von Dichten ſchlaͤgt Planche 
mit den Waffen, melche ihm die zweite liefert; er weiß 
daffelbe Thema aufs mannichfaltigfte zu variiren und bafe 
felbe Grundmotiv zu den verfchiedenartigften Melodien zu 
benugen: er hat feinen Eeitifchen Gaul in einen Trab ges 
fegt, wobei er es lange aushalten Bann: von Zeit zu Zeit 
legt er ihm eine andere Dede auf, und wenn man ihn 
auf dem neugepußgten Pferde vorbeireiten fieht, vergißt man, 
daß es ber alte wohlbefannte Braune ift, und freut fich über die 
prächtige neue Dede, welche in reicher Farbenpracht ſchimmert. 

Seine „Portraits haben oft den Fehler, daß fie un: 
ter einem Augenpunkt aufgenommen find, welcher dem 
Kuͤnſtler nicht erlaubte, die ganze Phyfiognomie von allen 


SfAlten gu beiemihten und barzuftelln: er bat meiſt nur 
einzelne Theile der Geftalt gezeichnet, bei Gelegenheit eines 
neuen Buchs oder eines neuen Bühnenftüds. Vielleicht 
ſchlug Plane abfihtli diefen Weg ein, um nicht als 
Fe Sainte⸗BRVeuve's zu erfcheinen, welcher dieſes 
entre Vonite enden facizoͤſſchen Liuratur 
aufgebracht und za eifer großen Vollendung erhoben hat. 
Manche Bildniſſe von Planche ſind indeß vollſtaͤndig und 
wohlgelungen, wie die Portraits von Charles Nodier, 
Proſper Merimee und Alfted de Vigny im erſten Bande; 
Erwähnung verdienen die ebendafelbft befindfichen geiftvollen 
Anatpfen von Benj. Conſtant's „Adolphe” und G. Sand's 
„Indiana“, „Valentine”, „Lelia” und Jacques”, wo 
fich Peanche in der Zergliederung Fer 
zur tiefeingehenden, pſychologiſchen Kritik Sainte-Beuve's 
erhebt. Im zweiten Bande finden wir ſcharfe Artkkel ge⸗ 
gen Caſimir Delavigne, Eugene Seribe, Alexander Du: 
mas und Bictor Huge, mit welchem Letztern ex faſt zu 
hart und grauſam umgeht. Bel attiſchen Satzes iſt feine 
Beurtheilung ber Ramartine’fchen „Reife im ben Drient” und 
des humanitaven Spflems, welches der Dieter ber MHar- 
wmonies” neuerdings vertvitt und In welchem Chriſtenthum, 
Judenthum, Ppthagoräismus, Bantpeituns, Nepublika⸗ 
nismus, Saint:Simonismus, Fonrierisnnus, Katkelicie- 
mus, Proteſtantismus und eine Menge anderer unbeſtimm⸗ 
baver Ingrediencien und der allerheterogenſten Elemente in 
bunter Miſchung durcheinander ſchwimmen und ein Chass 
der feitenften Art bilden; .e6 wuͤrde dem Dichter ſchwer 
werden, daraus eine Harmonie zu machen. Den vortreff⸗ 
tigen Stellen des Lamattine ſchen „Jocelya” fpendet Plane 
che großes Lob und volle Anerkennung. 

Wenn Pianche auf fihmierige Punkte ber philofenbk- 
ſchen ÄAſthetik fiößt, fo laͤßt ihn feine Theotie in Stich 
und er muß an ſeinen Geſchmack appelliren, der in den 
meiſten Faͤllen ziemlich richtig eutſcheidet. Plauche beſitzt 
uͤbrigens ein gediegenes Schriftſtellertalent, welches weit 
mehr als feine aͤſthetiſche Theorie feine Eigenthuͤmlichkeit 
und Originalität begründet: or Hat die Babe einer tuefl- 
tichen, bis aufs Kleinfte eingehenden und dabel doch ſtren⸗ 
gen, ſtylgerechten Analyſe. Faͤllt fein Blick auf ein Ge⸗ 
maͤlde, ſo faßt er ſogleich die Feinheit der Zeichnung, die 
geringſten Abtoͤnungen der Farbe, die unmerklichſten Ab⸗ 
weichungen der Form und die leiſeſten Haͤrten. Treten 
wir mit ihm vor eine Statue, fo hat fein Auge bereits 
alle Zalten des Gewandes, alle Muskeln und Sehnen der 
nadten Theile und alle Schwingungen ber Linien gemu- 
ſtert, mährend wir noch mit dem Totaleindruck befchäftigt 
find und uns im Anſchauen des Ganzen fättigen. Sein 
Gedächtnis iſt ebenfo ficher als fein Scharfblid und ſtellt 
ihm einen wahren Schag von folider Gelehrſamkeit zu Ge⸗ 
bot, die reichlich aus feiner Feder fliege. Mit diefer Gabe 
der Analyſe verbindet er einen nach guten Muſtern gebil- 
beten Styl und ein betraͤchtliches Darftellungstalent; nur 
teiffe ihn bisweilen der Vorwurf, daß er feine Bilder zu 
oft einer hoͤhern conventionnellen Sphäre und nicht immer 
den gewöhnlichen Kreifen des Lebens entnimmt wie die 
frangöfifchen Schriftfteller des 16. Jahrhunderts, weiche bie: 


fer Ten Anyerwoierheit die Raiuekkt und Euechle ihr 
te8 Styles verdanken. Die Metaphern, welche Plandhe 
anwendet, verungierem gerade nicht feine Darſtellung, je: 
doch Ärberladen fie diefelbe ein wenig und ſcheinen beinahe 
eine prefänliche Eitelkeit zu verrathen, wie die allzu ſtark 
aufgetragen Farben bei einem Portraitmaler, der ſich 
techt rothe Baden malt, um feiner Geliebten eine girte 
Meinung von feinem Reichthum und Wohlfein zu geben. 
Was befonder® noch an Pianche zu loben, iſt fein 
feitener Freimuth, feine tächtige Geſinnung und feine Eh: 
tenfeftigleit: e® ift ihm Eenft mit der Kritik umd ec ver⸗ 
waltet fein Amt mit Gewiffenhaftigkeit, er gleicht einem 
Ricpter, der die Poeten vor fein Tribunal zieht und die 
VBorgefüsgrten nach Gefeg und Gewiſſen entweder freifpricht 
oder deruttheilt; er ſcheut fich nicht, den größten lebenden 
Oeroen der frangöfifchen Literatur die derbſten Wahrheiten zu 
Jagen, und vechtfertigt feine Strenge mit den Worten: „Ich 
für mein The bin vom jeher der Meinung gewelen, daß 
bei literatiſchen Streitfragen die nadte Wahrheit beffer iſt 
als glatte Schmeichelei, und ich gebe von Herzen gern ein 
Dugend fchöner und zierlicher Phraſen für ein Paar vers 
nünftige Worte.” Wenn Plandye bisweilen das glühende 
Eifen in der Wunde herumdrehet und giftig wird, fo 
ME der Grund diefer vorlbergehenden Erbitterung vielleicht 
in den perföntichen Verhättniffen des Kritikers zu ſuchen: 
er führt eine kuͤmmerliche Eriftenz und muß mitunter dar 
ben, während Kritiker, die nicht einmal diefen Ramen 
verdienen und beimeitem nicht an ihn Hinanreichen, in 
Saus und Braus leben und ihren verabſchiedeten Mai: 
treffen Jahrgehalte ausfegen. Als der Eigenthuͤmer der 
„Revue des deux mondes”, 9. Buloz, feine Zeitſchrift 
an das Miniſterium Mole verkaufte, unter der Bedin⸗ 
gung, daß den Aftefien Mitarbeitern Stellen gegeben wir: 
den, übertrug Salvandy unferm Kritiker die Profeffur der 
neuen Literaturen in Bordeaur; als Planche jedoch fpäter 
den zwilden dem Director der „Revae des deux mon- 
des” umd dem Miniftertum abgefchloffenen Handel erführ, 
reichte er auf der Stelle feine Entlaffung em. Planche 
Bann mit Recht auf fich anwenden, was Diverot irgend: 
wo von ſich fagt: „Ich bin Kritiker, wie andere Leute 
Geſchaͤftsmaͤnnet, Sachwalter, Advocaten, Chirurgen find. 
Ich habe Elienten, deren Geſchaͤfte, Gemaͤlde und Buͤcher 
ich verwalte; ich habe alle Haͤnde voll zu thun. Ich treibe 
mein Gewerbe mit Gewiſſenhaftigkeit, ja fogar mit Ges 
ſchmack; aber es gibt Augenblide, wo die Verdrießlichkei⸗ 
ten diefee Wirthſchaft bei mir eine Sehnſucht nady Ruhe 
erwecken. Sedaine fagte mir geftern: „Sie müffen aus 
harten; Sie treiben Ihr Handiver mit Geſchick und Ge: 
fühl und find mit ganzer Seele dabei.” Ich glaube 
wohl, das Handwerk mag dabei gewinnen, allein id) vers 
Tiere dabei. Ihr Poeten wendet euer Gefühl an, die Liebe 
zu befingen und Wefen zu ſchaffen. Ich Kritiker ſtecke 
mein Gefühl in Gutachten und Urtheile und made «6 
wie ein armer Chirurg, der feine Kranken mit empfindfa= 
men Herzen heilt, verbindet, aderlaͤßt und amputirt und 
ſich dabei ſchmerzlich und vergebens aufjehrt.“. 56. 


—*&* Maren uf dm Gäbferinfein. 
berricheade Anftht, daß die Werbreitarg earcpatſher 
Eiviliſation tn den Gebieten der ud 
nehmlid, durch bie (Engländer EBiriqen Ginfluffe einen 
überwiegenden Borſchub vor der Verbreitung ihrer Ge, nungen 
geleiftet Habe, findet eime tm Ganzen erfreuliche ud Ans 
fcheine nad) unparteiifje Wibertegung in Beimett‘s „„ tive 
of a whaling voyage round the globe, Trom the ybar 1888 ' 
to 1836, comprising sketches of Polynesia” 2, Bee). 
„den Hauptfertiheitt ‚haben die @ingeborenen der fehaftes 


Hdyen Arbeiten und den Hiustigen jerriähtungen urfervichtet;- 


burch Geſchiclichtett zur Erlernung f 


aber man kann wol mit annel 

im Durchfchnitte gute Ghriften find 

Buftand nad) dem der chriftticen 2 

bei vielen wahre Ehrfurcht und ©... „......... — 
und Baken, bei andern Gcheinpeitigkcit, Wotive des Snters 
eſſes, oder Kachgeben gegen bie gerefgente Metnung ber Beitt 
bei den meiften Gewöhnung an bie religiöfen Kormen, hervor 
gegangen aus einem gemiffen Schiclichkeitsſinne oder ber Yun 
vor den @efegen, verbunden mit Indiffertnfisimus gegen 
eigentliche Weſen der Weligion. Ramentiid läßt die Strenge 
der Grfege, melde auf Beobadtung ber eeligiöfen dormen 
dringt, den Bewohnern wenig Raum, ihrer innen Reigung fr 
diefem WBezuge zu folgen. Derngemäß fieht man am Gebbarpe 
die ganze WVeodlkerung in gesiemender Haltung ih den Kirdgen 
verfammelt, und fie macht durch ihr orbnungäfiebendes und 
efaßtes Ausiehen auf den Fremden einen günftigen Ginteud, 
fü die verhältnißmäßtg weite Verbreitung des Unterrichts und 
ür das Gindeingen in bie Wichtigkeit ihrer neuen Religion 
foricht bei diefem Wolfe, daß viele von ben Gingeborenen fetöft 
als Prediger mad; den heibnifchen Infeln ausgewandert finb 
und durch Lehre und BVeifpiel viel zur Verbreitung geläuterter 
Sitten und des chriſtiichen Glaubens gethan baden. Ebenfo 
muß man, um gerecht zu fein, geftehen, daß ſchwere Werbres 
hen jegt felten unter ihnen vorkommen; auch ber menge en 
Ehrlichkeit, welchen fie anfänglich bei üheem Bertehr mit Er 
topäern in reichiichem Maße an den Sag legten, hat ſich jegt 
ſehr vermindert ober hinter. bie zweideucigere talt Baufe - 
männtfdyer Liſt verftect. Die Bewohner von Bajetta haben 
gleiche Fortſchritte gemacht, faft die ganze Bevdikerung kann 
lefen und fehteiben. Da europaͤiſche Gchrefbemittel unter ihnen 
felten find, fo find fie erfinderiih genug, ſich einheimgjcher 
Stoffe als Aushälfsmittel gu bedienen. Statt der Schieferfifte 
gebrauchen fie die kalkartigen Stachein des Seeigeis aber auf 
den Bergen gewonnenen Röthel; anftaft der Pebern und beB 
Papiers fdreiben fie mit einem fpigigen Inftrumente auf Gtrels 
fen von Plfangblättern. Helrathsanträge werben jeht brieflich 
abgemadt und bie Grwiberung ber Beliebte gefäfeht In der⸗ 
felben zarten Weiſe.“ übrigens zeigt Bennett atienthatben 
als einen Kundigen, empfängHichen und ſchatf beobadjtenden Reis 
fenden, und fein Wert wird, wenn auch nicht für das ges 
mwöhnliche Yublicume der Reiſelerture, body namentiich für den 
Raturforfcher wilkommen fein: bie auf der Grpebition ie 
none Sammlung beficht aus 743 Species getrockneter Pflans 


zen und 283 enimallihen Pruͤparaten, welche 
jelten, zum guten Theile einzig in ihrer Art find. 


Bibliographie. 


Alexis, W., Der Roland von Berlin. In 5 Bänden. 
8. Leipzig, Brodhaus. 6 Thlr. 

Beta, H., Das Zubeljahr 1840 und feine Ahnen. Ners 
gangenheit ald Gegenwart. 8. Berlin, Vereins⸗Buchh. 20 Er. 

Bibliothek deutſcher Schönheiten aus dem Gebiete ber 
Poefie und Profa. Zter Band. Genius aus Böthe's Werken. — 
Auch u. d. T.: Genius aus Goͤthe's Werken. Als Regifter zu 
deffen Detans und XTafchen s Ausgabe bearbeitet von H. Doͤ⸗ 
zing. Jena, Mauke. 1889. 12 Gr. 

— —, Ster Band. Genius aus Jean Paul’s Werken. — 
Auch u. d. T.: Gentus aus Jean Paul’s Werken. Als Regi: 
ler zu defien Gefammtausgabe bearbeitet von I. Günther. 
8, Sana ‚Maule. 12 Gr. 

Charles, Jean, Das Eben kein Traum. Roman in 3 
Bänden. 8. Stuttgart, Metzler. 2 Thlr. 16 Er. 

Cohnfeld, A., Ausführliche Lebens- und Regierungs⸗ 
Geſchichte Friedrich Wilhelms III. Königs von Preußen. Iſter 
Band. xendoeſchichte. iftes Heft.) Gr. 8. Berlin, Le⸗ 
went. r. 

Damitz, K. v., Sämmtliche Schriften. Ifter, Zter Bd. 
Die Katarakten des Goͤtha⸗Fluſſes und Iwan III. — Auch u. 
d. J.: Die Katarakten des Goͤtha⸗Fluſſes und die Goldinſel. 
Ein Ruͤckblick auf Karla XII. Leben. 2 Theile. — Iwan III. 
Hiſtoriſche Erzählung aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. 
8. Nordhaufen, Zürfl. 1 Ihr. 18 Er 

— —, Ster, dter Band. Marino Balieri und das Kais 
fergrab in Znaym. — Auch u. d. 2.: Marino Falieri, Doge 
von Venedig. Hiftorifche Novelle aus ber Mitte des viergehn- 
ten Sahrhunderts. — Das Kaifergrab in Znaym. Hiſtoriſcher 
Roman aus ber Mitte des funfzehnten Jahrhunderts. 2 Theile. 
8. Nordhauſen, Fürſt. 1 Thlr. 18 Gr. 

Ehrenberg, F., Rebe am Grabe Seiner Excellenz, des 
Königl. Preuß. wirt. Geh. s Staatsminifters, Miniſters ber 
Geiftlihens, Unterrichts: und Medicinals Angelegenheiten, Ritz 
ters des SchwargensAdler:Orbens ze. Herrn Freiherrn von Stein 
zum Altenſtein bei der Beerdigung gehalten. Er. 8. Berlin, 
Mntlin. 3 Er, 

Fiedler, K. G., Reise durch alle Theile des König- 
seiches Griechenland in Auftrag der Königl. Griechischen 
Regierung in den Jahren 1834 bis 1837. ister Theil. Mit 
G6 lithographirten Ansichten. Gr. 8. Leipzig, Fr. Fleischer. 

4 Thir. 12 Gr. 

Hagen, A., Känſtler⸗Geſchichten. tes, Ates Bändchen. 
— Yud u. d. J.: Die Wunder der h. Katharina von Siena. 
— Leonhard da Vinei in Mailand. Nach dem Stalienifchen. 
®r. 12. Leipzig, Brockhaus. 3 Thlr. 

Hafe, K., Theologiſch akademiſche Lehrſchriften. Ifter 
Band. Leben Jeſu. — Auch u. d. T.: Das Leben Zefu. te 
verbefierte Auflage. Gr. 8. Breitlopf u. Haͤrtel. 
1 Thir. 12 Gr. 

Jonas, Alonzo, ber große Räuberhauptmann in Spa: 
niens Gebirgen. 2 Bände. 8. Nordhauſen, Fuͤrſt. 2 Ihr. 

Kern, 3. U, Schleſiſche Sagen = Ehronit. Gin Album 
ausgewählter Balladen, Romanzen und Legenden Schleſiens. 
Dit Seihnungen von MR. Kretſchmer. Kl. 8. Breslau, Kern. 


t. 

Der hochſelige Koͤnig Friedrich Wilhelm III. Ein biogra⸗ 
phifches Denkmal. Mit Hochſeinem Portrait. 8. Berlin, 
Heymann. 6 Gr. 

Lobrede auf Seine hochſelige Majeftät Friedrich Wilhelm 
den Dritten, König von Preußen. Bon — a — Mit einem 
Anhange, enthaltend: das Glaubens⸗Bekenntniß des hochſeligen 
Königs vom 4. Juti 17875; — bie allerhöchfte Gabinets = Ordre 


u. 





Reipzig , 


vom 12. Junius 1840; — das Teſtament und ben Zurn 
verHlärten Monarchen vom 1. December 1827. Er. 8, Tue 
BIO öR, M,, Die wand 

„R., Die wandernde Sungfeau von Blansko 
ober: Die Verſteinerten. Gine Kittergefchlchte aus Mädrens 
Borzeit. Mit 1 Titellupfer. Er. 12. Wien. 21 Er. 

Neigebaur, 3. F., Handbuch für Reiſende in Italien, 
Ste, gang umgearbeitete, fehr vermehrte und verbefferte Auflage. 
In 3 Theilen. Gr. 12. Leipzig, Brodhaus. 3 Thir. 

Das Nibelungenlied als Volksbuch. In neuer Verdeut⸗ 
(dung von 9. Beta. Mit einem Vorwort von F. H. von 
der Hagen. Mit Holzfchnitten von F. W. Gubit und unter 
beffen einge gefertigt. AIfte Abth. Lex.⸗8. Berlin, Vereins⸗ 

uch. r. 


Owen, R., Das Bud) ber neuen moraliſchen Welt, ent⸗ 
haltend die Srundfäge eines vernünftigen Syſtems der Gefells 
fhaft, auf beweisbare Thatſachen begründet und bie Gonftitus 
tion und Belege der menſchlichen Natur und der GBefellfchaft 
enthüllend. Rach der Bten englifchen OriginalsAuflage überfept. 
8. Nordhauſen, Fürfl. 10 Gr. 

Peterfon, J., Das Muſikfeſt, ein romantiſches Epos in 
adhtzeiligen Stangen und ſechs Sefängen. Er. 8. Marienwers 
der, Baumann. Ir. 

Nudhart, 3. v., Politiſches Glaubensbekenntniß. Mit 
höchfter Genehmigung bes koͤniglich⸗bayer'ſchen Minifteriums 
bes Innern nebft einem Vorworte herausgegeben von F. W. 
Brudbräu. Mit Rudhart's ſprechend ähnlichem Bildniſſe. 
8. Paſſau, Yuflet. 1 Thlr. 16 Gr. 

Schirges, &., Wellenfchläge. Eine Sammlung vermifdse 
tee Gedichte. Gr. 12. Genf, Keßmann. 20 Er. 

Schubert, F. Th., Vermiſchte Schriften. Ster bis 7ter 
Band — Auch u. d. T.: Vermiſchte Schriften. Neue Folge. 
3 Bände. Mit dem Bildniß des Verfaffers. 8. Leipzig, 
Brodhaus. 4 Thlr. 12 Er. 

Schweber, G., Die roͤmiſch⸗katholiſche und bie evans 
geliſche Kirche, nach ihren Verhältniffen und Gegenfägen für 
unfre Zeit in Predigten bargeftelt. Gr. 8. Berlin, Enslin. 
1 Thlr. 4 Sr. 

Söltl, Der Religionskrieg in Deutfchland. After Theil. 
Des Krieges Anfang und Fortgang. — Auch u. db. T.: Glifas 
beth Stuart, Gemahlin Friedrich's V. von ber Pfalz. Ifter 
Theil. Br. 12. Hamburg, Meißner. 1 Thlr. 21 Er. 

Stein, K., Chronologifhes Handbuch ber allgemeinen 
Weltgefchichte von ben älteften bis auf die neueften Zeiten. Ste 
Abth.: Bon der Zuli= oder neueften franzöfifchen Revolution 
bis auf unfere Belt. Das Bahr 1839. Mit dem Bildniß 
Carl's XIV. Johann, Königs von Schweden. Er. 12. Bers 
lin, Vereins: Buch. 4 Er. 

Terpen, ©, Der Diamant. Ein Spiel der PYhantafle, 
®r. 12. Hamburg, Meißner. 1 Thlr. 12 Br. 

Thal, K.v., Das Geſpenſt des alten Ritters. Romantifche 
Ritters und Geiftergefchichte. 8. Nordhaufen, Fürft. 1 Thlr. 

— —, Die Morbmühle Romantiſches Räubergemälde. 
8. Nordhaufen, Zürft. 1 Thlr. 

Ueber würbige Sonntagsfeler. Gin Büchlein zur Belchs 
rung und Erbauung für Ghriften allee Stände 8. Ulm, 
Shner. 6 Gr. 

Welder, © Th., Jury, Schwur- oder Geſchworenen⸗ 
gericht als Rechtsanſtalt und als politiſches Inſtitut. Die gro⸗ 
Ben Gebrechen unferer deutſchen Strafrechtöpflege und das 
Schwurgericht als das einzige Mittel, ihnen gründlich abzuhels 
fen. Aus dem Gtoatälerifon Bd. IX. befonders abgedruckt. 
Gr. 8. Altona, Yammerid. 20 Er. , 

Wildenhabn, C. &., Vollbrecht's ae ober die 





Berantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodbaud in Lelipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 





Briefe eines Verſchiedenen. Tagebuchfragmente auf 
einer Reife, durch Polen u. f.w. Glogau, Prausnig. 
1839. Gr. 8 1 The. 12 Gr. 

Die baruhmten Briefe bes erlauchten Verſtorbenen 
haben außer den andern enormen Wirkungen, die fie auf 
die encopäffche Klatſchwelt geübt, noch nach zwei Seiten 
Hin eingeflhlagen, talt und warm, und Das hervorgebracht, 
was fie nicht beabfichtigten, wie denn Überhaupt ihr Effect 
weit: die Abficht uͤberſtieg. Aus durch und durch ariſtokra⸗ 
tiſchem Stan hervorgegangen, haben fie die Antiarifto: 
kraten ergögt und das ariftofratifche Gefühl in mehr als 
einer Beziehung verwundet. 

Zu den Curiofitaͤten der Zeit gehört allerdings dies 
Bimdniß zrotfchen dem fürftliden Magnaten mit den Wort: 
rednern des Liberalismus. Die Kettenglieber find nicht 
ſchwer zu finden; fie beftehen aus eben nicht viel mehr 
als gegenfeitigen Complimenten. Der Magnat hält fein 
geborened Recht für fo wohl fundirt, daß ein paar libe⸗ 
role Floskeln, bie er feinen Freunden gewährt und bie ihn 
populait machen, es nicht erfchüttern koͤnnen. Mit diefen 
Floskeln und feiner freigeiftigen Beweglichkeit find feine 
demokratiſchen Bewunderer zufrieden. Ste meinen, der 
Zürft eröffnet eine ungeheuere Brefche in dem legten Walle, 
der. das Heiligthum der Ariflokratie umfchließt, und erleich: 
tert ihnen bie Mühe. Dies Berhältniß liege zu offen am 
Zage, um es zu befprechen und zu bewundern; es ift eben 
nur eine Curioſitaͤt der Zeit. 

Verwickelter ift fein Verhaͤltniß zu feinen eigenen Stan: 
desgenoffen. In den hoͤchſten Kreifen, in den. europäifchen 


diplomatiſchen Salons richtet man nicht über ihn; man. 


fürchtet wieder gerichtet zu werden. Er tft alluͤberall und 
feine Zunge ift maͤchtig. Wo er erfcheint, wird er, wenn 
nicht mit offenen Armen, doch mit geöffneten Fluͤgelthuͤren 
empfangen. Man tröfter ſich für die Schlagſchatten, die 
feine Feder wirft, mit dem Slanze, den fein enropäifcher 
Ruhm verbreitet. Wer au mit Angſt ihm feine Thür 
öffnet, er has doch für. feinen Salon die. Ehre, biefe Re 
nommirtheit im ihm firahlen zu fehen. Es. kommt in bie 
Zeitungen, vielleicht auch in ein nächfle® Werl. Die 
doctrinairen Ariſtokraten, die legitimen Reſtaurateure . haben 
ihre liegenden Gründe feitmärts von den. Styafen, Die er 
auf feinem Triumphwagen ducchgieht. Ex greift ihnen 
hoͤchſtens durch einige liberale Tiraden von den Fertfchritten 








ber Zeit, welcher auch der Adel ſich fügen müfle, ans 
Herz. Aber ihre Wau wird nicht erfchüttert. Ihr Terz. 
rain iſt weniger der Hof und fein Glanz, wo ja nad 
ihren eigenen Anfichten ſich zu viel Modernes eingefchlichen 
hat, als die Heiligkeit der Zradition und die Zeftigkeit 
bed Befiges. Und da begegnet er ihnen halbwegs, denn 
er vertheidigt die Majorate. Im Übrigen ift, wie gefagt, 
groifchen ihnen wenig Begegnung. ‚Die e8 unter diefen 
boctrinairen Ariftokraten ehrlich meinen, verfechten nicht ben 
Stanz, fondern die Würde des Adels und der altın Ins 
flitutionen, und der bonmotificende Salonton, mit fran⸗ 
zöfifchen Phrafen gefpict, ift eine völlig fremde Sprache 
von der ihrigen, die fich zuruͤckdatirt auf die Zeit, wo 
noch kein Franzoͤſiſch gefprochen ward. 

Anders iſt das Verhaͤltniß mit dem wirklichen Abel, 
ber weber doctrinair ift, noch fchriftflelert für die Wieder⸗ 
berftelung feiner Mechte, und noch weniger deren Verluſt 
durch den Luftre des Hofes und der Diplomatie für erfegt 
hätt. Denn er hat in feiner Vereinzelung, und zerſtreut 
auf dem Lande, daran keinen Theil. Ein beißender Zei⸗ 
tungsartitel, der in einer großen Stadt fpurlos voruͤber⸗ 
geht — man lacht über ihn und er iſt vergeffen — wirkt oft 
in einer Beinen Stadt Keuer und Flammen. ine ver 
unglimpfende Kritit, die den Gelehrten in eines. Univer: 
ſitaͤts⸗ und Hauptſtadt kaum berührt, kann ihn, wenn 
er in einer Provinzialſtadt domicilirt, um Ruf und Ans 
fehen bringen. So ging es auch dem Verflorbenen mit 
feinen Briefen. Seine heftigften Angriffe waren gegen 
Notabilitäten in ber Refidenz gefchleudert. Die Tangirten 
lachten felbft mit, und was heute Auffchen erregte, war 
morgen vergefien. In ben Provinzen wo fein Stachel 
einzelne Familien und Individuen traf, wirkte es aber ganz: 
andre. Man weiß von Gegenfdwiften, : ſchmaͤhenden Ar⸗ 
tikeln und fetbft von einem berühmten. Duell. Der Pos 
ende Unwille hat fi daſelbſt fo wenig gelegt als in. 
Altengland, wo bie wirkliche oder bie affecticte häusliche. 


Jugend und Sitte. dem Spötter bie Veröffentliemg von 


Familienanekdoten nimmer vergeben will. 

Das. große Publicum hat vielleicht kaum davon Notiz. 
genommen, daß bie „Briefe des Verſtorbenen“ und was 
ihnen ‚ auch für verſchiedene abeige Famulen 
in der Laufls und Schleſien hoͤchſt empfindlich waren. 


Die vorlisgende Schrife iſt uns dafür ein Document. 


. 99 


Wenn man auch auf den erften Blick nicht weiß, was 
man daraus machen foll, fo bekundet fie ſich doch im 
Verfolg als der Widerhall vieler Klagen, die vielleicht 
lange umbergefucht, bis fie ein Drgan fanden. Cs find 
die geſammeiten Stimmen des niedern Adeld auf dem 
Lande, der, gleich entfrent vom Hofe wie von ber Literatur, 
in feinen vier Mauern und auf feinen Feldern fehr deut: 
lich fpricht, aber felten Mittel findet, fi vor dem Publi- 
cum hören zu laſſen. Ob nun bie Feder, welche dieſe 
Klagen zu Papier bringt, felbft den beleidigten Familien 
angehört ober von ihnen dafür gewonnen iſt, laͤßt ſich 
nicht entfcheiden; es ift aber auch gleichgültig, da die We: 
deufung der Schrift nur in ihrem objectiven Thatbeſtande, 
nicht in der fubjectiven Auffaffung zu fuchen if. Was 
diefe letztere anlangt, fo bleibt es Lange zweifelhaft, ob 
man eine Parodie der Puͤckler'ſchen Manier Lieft, oder ob 
der Verfaſſer fich in diefelbe verliebt hat, weil fie fo aͤußerſt 
bequem ift und ein Schriftfteler durch diefe Nonchalance 
auf die Leichtefte Art ſich ald vornehm gibt. Di die ganze 
Tendenz eine vornehme ift, fo wird die legtere Vermuthung 
noch keineswegs durch die offentundige Perfiflage widerlegt, 
die der Togenannte Herausgeber nachträglich felbft fo erklärt: 
„te haften dns Werk unſers Verſchiedenen für eine Art 
von Pendant zu demfelben, welches ihm theild unmill: 
kuͤrlich perfiflirend, theils offen polemifirend entgegentritt.” 
Das Pendant wurde dem Schreibenden unter der Dand 
zu etwas ebenfo MWichtigen als bie Polemik, wie das wol 
zu gefchehen pflegt; denn Mühe und Arbeit für ein Ding 
erzeugen auf natürlichem Wege Liebe dafır. Nur [chabe, 
daß, angenommen ber cavaliermäßig burſchikos hinwerfende 
Styl mit franzöfifhen Floskeln und bequemen Gedanken⸗ 
luͤcken, wie ihn der Verſtorbene braucht, fei trefflich pers 
fiffiet, der Verf. nicht au bie Kraft der Schilderung, 
die feinen pſychologiſchen Blicke, die Wärme des Vorbil⸗ 
des, wo fie der bon ton ihm erlaubt, auch copirt. Puͤck⸗ 
ler's Manier war etwas, aber fie war es nicht allein, 
was den Briefen einen fo unglaublichen Succeß verſchaffte. 
Auch die ffandaldfen Anekdoten und Geißelhiebe waren es 
nit. Es mußte doch auch ein geiftiger Kern darin fein, 
der ihnen die nachhaltige Kraft, das Intereſſe gab. 

Das Object der Scheift, der Inhalt der Klagen iſt 


in folgender Rede eines Barons und Landraths ohne Jro: 


nie zufammengefaßt:: 

Der Herzog von H— hat nit wohl an uns getban — ich 
meine an uns fämmtlichen @delleuten, ja Einwohnern &....... 8 
und ber 8...... Er kann in keinem Betrachte entfchuldigt wer: 
den. Wenn er wußte, fo gut wir wir, wie traurig es mit uns 
von Jahr gu Fahr bergunter gebt, — fo follte er uns nicht das 
5 — was uns noch übrig geblieben war, — den Credit im 
ar ande, bie Achtung bei uns felbft und bei Andern noch ent: 
ziehen. 
rũckſichts⸗ und oft auch grundlos herabgewärbigt, er bat uns 
und unfer Land zum Befpätte, zur Verachtung ber Welt (!) 
gemacht, er ift der Ham geivefen, der feines Waters Noah 
Schande aufgedeckt unb dafür den Fluch empfing. Gr bat 
unſere innerften Perſoͤnlichkeiten in fein jammervolles Allerwelts⸗ 
geklatſch aufgenommen, er bat uns mit einem Worte an ben 
Pranger, an die Schandfäule fegen wollen. Das vergeihe ihm 
Gott, aber kein Edelmann! Wollte er ſich damit entſchuldigen, 
daß er fich felbft mitten unter uns geftellt, fo Könnte er dadur 


Gr Hat aber feine Mutter, fein Vaterland ſcham⸗, 


y 4° 
bie Beleidigung hoͤchſtens vermehren. Aber es wäre auch nicht 
wahr. Wenn er von feiner Herrſchaft fpricht, fo weiß Längft 
Jedermann, baß bie ſchon feit fo und fo viel Jahren unter Abs 
miniftxation einer Landesbehoͤrde ſteht; fo weiß Jedermann, daß, 
‚als er fie noch hatte, ew dev. Gingige war, ber nichts vom ihre 
wußte und wie fle verwalten wurde. Er ſchreibt: Der Guts⸗ 
befiger ſoll — (mas ein wahrer Gutübefiger' thum mäffe; die 
Stelle iſt zu lang zum Abfchreiben.) Warum hat er biefe merfs 
würdigen, eines Pergaments würdigen Wahrheiten nicht felbft..... 
Wenn ſich die Pſeudodurchlaucht doch vor allen Dingen uns als 
ein gutes Vorbild hingeſtellt Hätte: wie man nicht einen großen 
Theil des Jahres hindurch bald in der Reſidenz, bald „auf 
Reiſen u. ſ. w., in ber Regel aber ſtetä wo anders als 
zu Haufe‘ fein Vergnügen fuht! Warum bat er fih fo 
lange unſagliche gegeben, bis wir an ihm noch neben ſei⸗ 
ner genannten Pfeubodurdlaudtigkeit die Generalmajorsepau- 
lette bewundern follten? Gr gibt den guten Bath, ‚fein We: 
fistyum nicht nur zu einem eintraͤglichen, ſondern audy würdi⸗ 
geh und angenehmen Aufenthalte umzufchaffen”.“ Diefen Rath 
gibt er uns; wir in aller Beſcheidenheit würden ihm, als 
es noch Zeit war, den gegeben haben: fein Befigtbum nicht nur 
vu einem angenehmen, fondern auch zu einem einträglichen 
ufenthalte umzufchoffen — mit einem Worte, nit einen 
glänzenden, übertünchten Jammer uns vor die Rafe zu fegen. 
Hinc illae lacrymae! Da an Sachlichem fonft herz: 
(ih) wenig ift und man Saum mehr daraus erfährt, als 
wie ein preußifcher Landrath zu den Behörden und feinen 
Untergebenen geftellt ifl, und man nur mit einigem Er: 
gößen die Perfiflage eines pfeudo-Pücterfhen Beſuches in 
der Geſellſchaft eines Landftädtchens nebſt mehren Anebvo: 
ten in feinem Genre tieft, fo muß man an diefen- pofici: 
ven Theil des Buches fi halten. Diele Worte find 
unftreitig der Wirklichkeit abgelaufht und wir haben bier 
eine Urkunde darüber, wie ber verarmte Landadel denkt, 
wenn Jemand vom hohen Adel, wie der geftorbene Brief: 
fteller, fih in weltmaͤnniſchem Duͤnkel über feine herun⸗ 
tergelommenen Standesgenoffen luflig macht. Es ift ein 
(hägenswerther Beitrag zur Zeitgefchichte. Beluſtigend lieſt 
fih auch, auf welche Weife der Landrath, falls ihn der 
Kürft befuchen wolle, demfelben entgegenzulommen ſich vor: 
nimmt. Er will ihn naͤmlich nicht in fein Haus Laffen, 
fondern in der entfernten Klofterfapelle mit ben beſten 
Meubles feines Hauſes einquarticen, vorher ihm aber ent: 
gegentreten und fragen: „Wie viel Kouisdor gilt Ihnen 
die Ehre meines. Haufes? Was der Friede meines Hau: 
ſes? Sie ſehen, derfelbe ift zwar noch" völlig unverlegt, 


werden aber gütige Rüdficht darauf nehmen, daß er fchon 


fehr ale ift.” Auch das iſt nichts von einem Schriftfteller 


Erfundenes, es ift nur des Nachhall eines wirklichen Grolls. 


Man hört einen erzuͤrnten Landedelmann in feiner breiten 


Behaglichkeit ſprechen. | 
(Der Beſchluß folgt.) 





Literatucftoffe von Eduard Boas. Erſtes Heft. — Auch 
u. d. T.: Namenſymbolik in ber deutſchen Poeſte. 
Landsberg a. d. W., Schulz und Wolger. 1840. 
Gr. 8. 8 Gr. 

"Referent muß vor Allem die B t ‚b 
die * Schrift den Gharakter een on 


liegt aber vornehmlich in dem Verhältnis, worin bie Größe der 
Aufgabe zu der Leichtigkeit der Behandiung ficht. Das Ver⸗ 





911 


Bienft, mandherlei Fragen anzuregen, kann dem Schriftchen nicht 
—A werden; etwas Anderes bat ber Verf. wahrſchein⸗ 
Sch gar nicht gewollt. 
- &s iſt in diefem Hefte die Namenſymbolik in ber beutfchen 
Harfe zum Gegenftand der Erörterung genommen. Allein ber 
Berf. Tann von einer gewiflen Unficherheit, wenn ich auch nicht 
fügen will Unklarheit, durchaus nicht freigefprochen werben. 
Im Gingang fagt er: „Etwas Tiefes, Bielbedeutenbes 
ft ber Name; er feuert an zu kühnen Thaten und gibt den 
Muth zu wilden Unternehmungen; oft hebt er zum Thron em: 
por, oft flärzt er in den Abgrund des Lafters. Es liegt eine 
geheimnißvoſle Macht in diefen Klängen, die den Menſchen lei⸗ 
ten und geleiten von ber Wiege bis ins Grab; ein guter Name 
trägt auf Ablerichwingen zur Unfterblichleit, .ein böfer Rame 
verfolgt mit den Schlangengeißeln ber Burien” u. f. fe — Wenn 
wir nun biefe Worte fo Iefen, fo will es uns bedünken, als 
verwechfele der Verf. die von ben Vätern ererbten und uns 
überfommenen Ramen mit den felbfländig durch eigenes Ringen, 
Kämpfen und Streben erworbenen Ramen; ber Verf. bezeichnet 
unter dem Namen eigentlich die Summe aller Verhältnifie, die 
Gewalt der ganzen Umgebung bes Familien-, bes reliziöjen 
und Gtaatslebens zufammen. Wenn ber Verf. ferner behaup⸗ 
tet, daß in dem Namen fich ber Charakter des Gedichte, des 
Sängers und bes ganzen Zeitalter oftmals auspräge: fo 
igt fi in dieſem Zuſat des „oftmals“ eine gewiſſe Unficher: 
beit. Da der Verf. felbft fürchtet, es möge ihn Jemand fra: 
gen, was für ein Charakter ſich denn z. B. ausfpreche in dem 
Worte: Homer’s „Odyſſee“ — fo fügt er die Behauptung hinzu, 
das oben bezeichnete Phänomen finde man in keiner andern Li: 
teratur als in ber beutfhen. Ohne Zweifel foll damit ein Bor: 
zug ber deutfchen Literatur angedeutet werben, während es ung 
viel paflender fchien, daß der Verf. etwa gefagt hätte: wenn 
in ‚der beutfchen Literatur häufiger als in andern Literaturen 
fih. die Verſchledenartigkeit der Charaktere Leicht erkennen laͤßt, 
fo liegt ber Grund hiervon barin, daß unfere Literatur von frem: 
den. Stoffen, Ideen und Formen überwuchert iſt. 

Eine ähnliche Dunkelheit wie über dem Anfange liegt: über. 
der Stelle, mo ber Verf. von ber Einleitung Br feiner Abhand⸗ 
Jung Übergeht. Er fpricht nämlich von Hiftorifchen Namen und 
fagt: „Bon hiſtoriſchen Namen, überhaupt von ſolchen, weldye 
die Poeten ihren Geſchoͤpfen aus rein objectiven Gründen gas 
ven, kann hier natürlich nicht die Rebe fein, fondern nur von 
denjenigen, bie fie entweber aus ihrer Innerlichkeit fchöpften, 
oder, die doch im Zufammenbange mit der ganzen Literaturfär: 
bung ihres Beitalters ſtehen.“ Hiermit gebt der Verf. zu bem, 
wie er es nennt, flurmgewaltigen Epos der Nibelungen über, 
das, wie er fagt, an ber nebeihaften Grenze unferer Poefleges 
fchichte wie eine siefige Terme von ſchwarzem Marmor aufge: 
richtet flieht. Dazu führt er blos an, daß Joh. v. Müller u. 
a. ben Ezel für Kttita, den Gunther für den Burgunder: und 
den Siegfried für einen Auflrafier König erflären, während 
Zrautvetter auf eine gar finnige und, wie Herr Bons meint, je- 
ner :nebelumfchleierten Mythenzeit viel angemeflenere Art fagt, 
&zel. bedeute den Kalt, Gunther die Kohle, Brunhilde die 
Luftfäure und Grimhilde das dunkle Schwarz ber Kohle. 

. Die Ramen, bie in Wolfram von Eſchenbach's, Parcival, 
Siturel und Lohengrin“ vorkommen, ale: Sahmurkt, Serge: 
loyde, Siguͤne bezeichnet -unfexe vorliegende Broſchuͤre als halb 
biftorifch , Halb fabelhaft. Im ‚Heinrich von Vildecke“ wird der 
Sinn Lichter und bie Namen klarer. Die franzöficenden Na⸗ 
men, als: Lancelot, Iſolde und Triſtan, Blandefloe unb anz 
dere kommen erſt in. der Zeit ber Kreugzüge, wo das fränlis 
fche Weſen fo mächtig war, in die beutfhe Poeſie hinüber. Im 
den Namen im „Ryneke de os’ werben. Jakob Grimm's 
Worte angeführt: „Nur bie epiſche Wärme ber Thierſage ers 


geugt lebendige Eigennamen und hält: fie fell. Sobald bie Fa⸗ 


I wieber zur bloßen Moral und Allegorie verbünnt wird, tre⸗ 
ten die alten nomina propria zurüd, gewöhnliche apellativa an 
ihre Stelle.” 


ö ñ RR nn nn namen 


. 3m „Theuerdank“ find bie Namen ſymboliſch⸗ allegori 
wie die ber drei böfen Rathgeber: Cbrwitch, en un | — 
delhart; bie ſymboliſchen Perſonen im Hans Sachs, meint ber 
Verf., follten blos beweifen, daß der Dichter auch Latein verftebe. 
’ m ts eakand * rn get in bee beuts 

oeſie, fo « 18; feine Vorlie t das Ela 

fe, heißt es weiter unten, r of 
gefügt; überall wimmeln ‚feine Werke von antiken Ramen, ein 
Behler, der ſelbſt dem liebenswärbigen Flemming vorgeworfen 
werden muß. Hierbei nun muß e6 fehe auffallend erfcheinen 
baß ber Verf. von den Wieland’ichen Namen, bie doch au 

an die Griechen und Römer erinnern, fagt: „fie Bingen feifd; wie 
rufende Hüfthörner, heil wie Nachtigallgeſang -und warm wie 
Blüthenaroma.’‘ Habener’s Namen, als: Wilhelm Knall, Bal⸗ 
thafar Wurzel, Martin Pinfel, nennt der Berf. indifferent⸗ ko⸗ 


bat ihm doch audy Nachtheile zu⸗ 


miſche; Kaͤſtner's Namen, als: Bav, Saufeius und Map, wer: 


ben dagegen als einfach und treffend bezeichnet.  Geßner- wird 


au hart mitgenommen; Ref. iſt zwar auch Kein Liebhaber von 


feinen Idyllen, aber geleugnet werben Kann nicht, daß fie fh: 
rer Zeit vortrefflihe Erſcheinungen in bes beutfchen Biteratur 
waren. Ich kann es nicht leiden, wenn man über fo ehren⸗ 
werthe Männer, wie Geßner einer war, fo abſurde Wige reißt, 


wie in dem vorliegenden Hefte geſchehen ift. Geßner, fo beißt - 


es bafelbfi, wurde am 1. April’ geboren, denn Apollo wollte 
Deutfchland mit ihm in den April ſchicken. Freilich muß dem 
Herren Verf. dies Wort wol nur fo entfhlüpft fein, denn auf 
ber nachfolgenden Seite, wo er an Klopftod kommt, fagt er: 


„den Qut ab; bie Pietät darf nicht untergehen, fonft ginge 


auch am Ende die Liebe unter” — eine Phrafe, worin, fon: 
berbar genug, die Pietät aufs Hutabnehmen und ehntige Der 
lichkeitserweiſungen befchränkt zu fein fcheinen koͤnnte. ber 
biefe Phraſe ließe ſich vieleicht eine gute zweite literaturftoff⸗ 
liche Abhandlung ſchreiben. 

„Klopſtock'a Namen übrigens”, ſagt ber Verf. nicht mit ine 
recht, „laſſen uns kalt; fie find entweder cheruskiſch ober rein 
bibliſch.“ Der Berf. meint, wenn Klopftod nur’ beffere Na⸗ 
men hätte, fo wäre er nicht fo ſchnell zurückgelegt; indeß wir 
muͤſſen doch die Bemerkung machen, daß ber Herr Verf. bier 
offenbar Namen mit Gegenflanb verwechelt hat; denn 
wenn Klopftod ſich biblifche und germaniſche Begenflände wählte, 


oder im biblifhen und germaniſchen Geiſt bichtete, was für 


Namen konnte er denn wählen, als biblifche und germanifche? 

Leſſing kommt mit feinen Namen auch nicht gat weg; bie 
Namen in den Leffing’fehen Epigrammen nennt ber Verf. haus⸗ 
badene Profa; die Namen in ben Luſtſpielen nennt er aſchgrau. 


Zufällig ſteht unter diefen afchgrauen au) ber Name Phllane; 


während der Name Philine, ben bekanntlich Goethe hat, fehe " 
u 


gebilligt wird, indem der Verf. fagt: ‚Könnte wol eh 


weiche, üppig finnliche Weſen anders als Philine heißen?” as - - 
nun für ein fo weſentlicher Unterſchied in den Namen Philine ' 


und Philane burch den Vocalwechſel hervorgebracht 
hätte der Verf. denn doch gefälligft angeben mäffen. 

Ich gehe über zu Hölty. Ühnliches wie. bei Geßner bes 
merke ih auch hier. Ref: glaubt, es werbe. Sehen, der Höls 
ty's reine, ſchoͤne Perfönlichkeit kennt, beleidigen, wenn er fols 
gendes fade Sefchwäg zu Iefen befommt: „Hdity ſah in Gottin⸗ 
gen ein Mäbchen, Namens Laura, und verliebte ſich in fie; 


werde, das 


> 
- 


faft glaube ich‘, fagt ber Her Verf., „that er es nur, weil” 


fie wie Petrarca's Geliebte hieß.” 


Mit Borthe’s Namen kommt der Berf., wie ſchon an Phi⸗ 


Lane und Philine gezeigt iſt, in einen ſchlimmen Wall; denn 
ber Name Montan kommt bei Gellert, Euphorion, Phorkyas, 
Bollos:perfites Lilich und ähnlich 

und andern Idyllendichtern vor; nun hatte aber ber Verf. 
Gellerts Ramen fehafsmilde, gefchnörkelt und pebantifch fteif 
genannt, die N eßner aber ſuͤßlich und charakterlos; — 
ndeß das Alles wird nun: gang und gar ignorirt und geſagt, 
Goethe fuche flets mit garter Sorgfalt nach einem ſcharftreffen⸗ 
ben ober finnig allegorifchen Namen. 


e Tommen bei Geßner 





912 


überhaupt in Kampf mit dem Wert. einlaffen, allen wir 
eh e denn doch nicht billig, wenn Jemand über Perſonlich⸗ 
unb fo Sur; mb unbedingt abfpricht, wie bier 
* * EShriften nennt ber Verf. friſch und 
ei: ſpaͤte eu fast er, wurde Tiecke Dichtergenius alt 

in ftumpf; Amte ſich feiner Zugenbtollheiten, legte bie 
perlmittexnen — Uenflügel ab und ſchaffte ſich dafür eine baum: 


wollene Schlafmuͤze an; der Brnius raucht jetzt Taback, ſpielt 
—— ſchnupft Rost, ‚Burg ber tänbelnde Genius iſt ein ge- 

wähnlichee Philißer geworden. Woher ber Haß ſich feheribt, 
den niels dene Literaten gegen Tieck ausfchätten, ohne ihn ges 


2 ers ar, bie nicht den hundertſten Theil derſelben Tonnen, 

—*. inmal die Namen ber Werke richtig anführen — 

F slanntı fie 3 nämlich, Dieck perfiflice ihre Theo⸗ 

* 9* quenemancipatian. Mid; wundert bios. das Cine, 

ber. Ser Be anf ©. 45 jene kunſtvolle Phraſe, die 

. ei S. gebruchieis hatte, ſchon nicht mehr berüds 
—5 — in ke yietöt ba 

ebe un en. 
han Eins. muß Pe werben: ba der Verf. von 


hr tig, baß ex felbfk in dieſem Fache produ 
e ni ‚da t n biefem e producs 
ech bar naͤmlich auf ©. 45 bie fogenannte 
Be mgelauft in ‚‚bie zomantifche Bette”. 

gut angefihrieden in der frag! ichen 
, großer Dichter genannt, obälekh 
mar —** Seine Ramen: Ariel, Dolores, 
‚die Hauspropbetin aus Arabien, Gornelius Nepos, 
Angelica, Coamus, der Seilſpringet, Blingen, nach Herrn Boas 
—52 kanterbunt, wie chineſiſche Wuflt, wie entferns 
und uchzen, wie wilde Romantik. GElemens 

* ſteht in keinem guten Geruch bei dem Verf., weil 
* —— nicht guter Proteſtant ſei, ſondern ſich zum dauſterka⸗ 


—5— Wenn Herr Boas übrigens erzaͤhlt, 


er exſter Momen trage den Namen Maria an ber 
».:feo werben Zileienigen, bie. den Roman gelefen haben, 

, Daß Brentano feinen erfien Roman: ‚,‚Wobmwt, ober 

‚ einen verwilberten Roman nannte und 
” Fe. den Namen- Maria gab, ben er feit dem Jahre 1800 
man hatte, wo ex zuerſt als Maria ein Baͤndchen poe⸗ 


8 — . „peter. Schlemihl“ von Bielen allzu 
ſehr geprieſen werbe, das iſt eine nicht zu erledi mie 
Frage; der Bei. nennt ben „elenig ein Juwe 
mobern.s somantiiifen Literatur. 
ee weiter, 2* A? gar. micht befubeln. Die Ramen Ihrer 


2m f —— Stel umber, wie er allen 

8 nicht glauben we —* ter dieſen Na⸗ 

md, A bed ae, Pe raf von Dafs 

ſel * ri mt ber Special⸗ 

gefühichte —— ht fo genau dir Bar if, um * * en 
daß in dem bee gu a wifchen dem St 

den: Def * re —— Peer bie Runen De Slot: 


ſee liegen, :wo.Abolf ter Sähar , Raugraf von Daſſel, leib⸗ 
Yaftig har dat. 


ZRit. nisflog, ber, wie ber Bexf, Magt, nicht einmal in 
schen „MonverfationtsBepiton" ‚fr I sn * et fi 
der en Der Berf. fagt, da ee ſetzt —— 
dä, jo I. PA * * weil 
es nicht gut: aha, % ee auf: er u erſch 
wagen ‚Bragen. zu —ã—n ſ ee Gern 
nem Diane e, feine * en‘. 
dung: zu —— spe, er d t: . A * 


der erſte Das Merk iſt beſtimmt, 


ben — wie, Viele überhaupt ſchrelben über die deut⸗ 


darf nicht untergehen, ſonſt 


mbolitk fpricht, fo iſt es für die Literatur: 


Spieß und Gramer, 97 


eiterariſche Notizen. 


Von einem neuen Werke . Raoul⸗ 
„Lettres archéologiques sur la 8 des —— * 
tiques” eiben Verfaſſers zu —— Ber basis 

er 
veröffentlichte heil befieht an brei Briefen, melde von Om. 
Raoul⸗ Rochette, dem beſtaͤndigen Gecretaie dee Akademie der 
fhönen Künfte, an die deutſchen Sprach⸗ und Altertpumdfors 
fer Hermann, Boeckh und Welcker gerichtet find. E han⸗ 
beit nr um die Trage: „Waren bie großen öffentlichen Baus 
werte ber Griechen, bie Tempel, bie Portikus u. f. w. gr 
ägppfiiäem ‚grand auf allen. in mit. Malereien. und 
Freske A hin &ggenbe des Gottes ober Helben, 
dem. site es kube 44 Fr re darſtellten, ober erhielten 
diefe Monumente, die wirklich an einigen Thellen bemuit ge⸗ 
weſen zu ſein ſcheinen, als. innern Hquptſchmuck Gemälbe auf 
Holz, welche man nach Art ber. elisfs in. bie Mauer ein⸗ 
fugte7“ Die letztere Meinung iſ —8 des Orn. Raoul⸗dto⸗ 
chette und von ihm in feinen „Cours d’arch u 
nen er lea R ‚sur 


gerichtet, handelt Maoul: s Rochette. ber über ‚die Bebeutung 
des Wortes va, wonon er im Gegenſotze zu andern Pille: 
logen glaubt, daß es nicht jebe beliebige. Art van Malerei. bes 
deute, fondern nur ein bewegliches Gemälde auf Hals. In bee 
dritten Briefe endlich, der an Welcker geridgtet if, flellt der 
Berf. die Anficht auf, daß bie Hauptverwendung ber Malerei 
in Griechenland in Votivgemaͤlden beflanden habe; fchliehlich 
wendet er feine Doctrin auf zwei atbenienfifche —— — 
das Eleufinium und bad Thesmophorium an, welche bis jett bei 
ber Verhandlung über biefe Froge unbsochtet .gelaffen wurben. 


Neu erſchien in Paris: „Histoire du. syatöne 

de la France depuis Clovis jusqu'à la r&rplution 
par M. D. Mollard, ancien inspeoteur - g4nsral des — 
etc.” Hiervon find sei Bände erſchienen; ber beitte umb 
vierte, welche. bas We x fchlichen, find unter bee. Preſſe. Deus 
felbe gab heraus: "De Pordge. —* en France“, eine: Heine 
Broſchuͤre. In eirferungen und. mit Portraits. audgeflattet ers 
[heine eine. „Biographie 0 u clerge contempprain, par un s0- 
itaire”. Die jüngft exfchienene Lieferung betr, die Biogra⸗ 
pie von. Hrn. Afe, Erzbiſchof von Yaris, die naͤchſt künftige 

Lieferung wird. von Hrn. Olivier hauheln. 


Seaͤfin Daft Berfafferin. dee bereits in zweiter Aufla 
ienenen Romane: „ke jeu de la reine‘ End "Madame 
Lduise de — gab heraus: „Madame de la sabliäre et 


la chaine d’or”, Madame Mare de VEpinay: „Clara de 


piremont “ und v. ‚Arnaud (Charles Reybaud) „Georgen“ 








" Beraniiworiliher Orrausgeber: Deintih Broddaus. — -Drud und Berlag von 8. %.Beodhaus in Leipzig. 





Blätter 


für ü 


literarifche Unterhaltung. | 





Breitag, 


A Kr. 227, 





14. Xuguft 1840. 





Briefe eined Verfchiebenen. Zagebuchfragmente auf | urplöglih ins Leben geſetzt; fie machten fich von ſelbſt 


einer Reife durch Polen u. f. w. 
(Beſchluß aus Fr. 386.) 

Den eigentlichen Haupttheil des Buches bilden bie 
angehängten „Anfichten über Adel und XAtiftokratie”. Ob 
von derſelben Feder niedergefchrieben, die jene flüchtigen 
Spaziergänge zu Papier brachte, iſt zweifelhaft. Die 
Anfihten find mit Klarheit, Schärfe und Beſtimmtheit 
ausgeſprochen, fie geben in ber Art ihres Vortrags, auch 
wenn man nicht mit ihnen einverfianden waͤre, einen 
dauerndern Wert. in Altadeliger entwidelt feine An: 
ſichten über feinen Stand in Kürze zufammengefaßt dahin: 
die Bedeutung des Adels im Staate fei eine rein gefchicht: 
lihe. Er fei in Deutfchland dadurch entflanden, daß er 
die deutfche Gefchichte ſchuf, indem die gluͤcklichen Derzoge 
ihre Krieger mit den eroberten Guͤtern, bekanntlich zu 
Anfang nur auf Lebenszeit, fpäter erblich beliehen. Die: 
fer Adel entwidelte fih nun zu feiner Vollkommenheit, 
indem er die Geſchichte fort und fort vertrat und bilben 
half. Die elgentlihe Bedeutung des Adels im Staate 
fei daher eine vein tdeelle, daß er bie Idee der Gefchichte, 
der Vergangenheit, als des einen Grundelements jedes 
Staates, vertrete. In diefer Bedeutung fei er, feinem 
Weſen nach, nicht an die Scholle, nit an ben Grund: 
befig gebunden. Nicht zu leugnen fei nun, daß ihn bie 


Sortfchritte der Zeit nachtheilig berührt, daß er in Folge | 


derſeiben nicht mehr feinen vorigen Glanz, feine frühere 
Macht behaupte, und daß er wie an Gewicht fo an Zahl 
abnehme. 

Das Hauptthema des Aufſatzes iſt nun abermals eine 
Polemik gegen den Fuͤrſten Puͤckler, der den Adel zu ſeij⸗ 
ner alten, ſtaatlichen Bedeutung durch Stiftung von Fi⸗ 
deicommiffen und Majoraten, nifo durch ein Erftgeburts: 
reiht, wiederhergeſtellt wiſſen will. Gegen die Anfichten 
deſſelben und Anderer: daß die Verarmung des Adels fi) 


herſchreibe aus: 1) der gleichen Erbtheilung, die in Folge 


der Einführung des römifchen Mechts ſich in Deutfchland 
eingeſchlichen; 2) aus der Aufhebung des Lehnsverbandes; 
3) aus dem zugeflandenen Rechte der Veräußerung adeli⸗ 
ger Güter, kaͤmpft der Verf. mit Geſchick und Gluͤck, 
indem er beweift, daß das Unabmwendliche auch ohne biefe 
Momente eintreten müflen, die doch auch nichts welter 
find als die Symbole der Zeit. Keine Willkür hat fie 


geltend und erft dann fprady .fie die Gefeggebung aus. 
Zugleich aber räumt er ein, daß der Adel in feinem jetzi⸗ 
gen Zuſtande feine Beſtimmung nicht erfüllen könne, weil 
1) das Abfterben der alten. Adelögefchlechter ihn zu fehr 
geſchwaͤcht, 2) weil auch der überbleibende Adel feine Gel⸗ 
tung im Volke verloren bat, 3) weil der Kaufadel dies Leis 
neswegs erfegen, fondern eher nur verſchlimmern könne, 
4) „weil eine neue Ariſtokratie, die Geldariſtokratie, die 
Borhand zu gewinnen drohe. 

Einem Streiter, der mit Wärme für Herb und Pe 
naten ficht, hört man immer gern zu, wenn auch Herd 
und Penaten nicht unfere find. Die zahllofen Glieder 
bes Eleinen, verarmten Landadels, die, ohne Mittel, in 
ihrem Geburtsrechte allein einen Titel fehen, der ihnen 
einige Anſpruͤche im Staate, wie er ift, gewährt, muͤſſen 
mit Schreden die magnatifhen Vorfchläge des Fuͤrſten an: 
gehört haben. Wenn, nad) ihm, der Adel nue noch am 
Srundbefige, am unverdäußerlichen, untheilbaren haften foll, 
wo bleiben fie ba, zurüdgeftoßen in die unkberfehbare Zahl 
der Gemeinen! Wer verargt es ihnen daher, ihre Stimme 
dagegen zu erheben! Es gefchieht niche immer mit. der 
Befonnenheft wie hier. Auch führt der Verf. mit Geſchick 
aus, wie die englifchen Verhaͤltniſſe, auf die jene phyſio⸗ 
kratiſchen Ariſtokraten immer recurriren, etwas in Grund 
und Boden von ben unfern Verfchiedenes, auf Deucſch⸗ 
land gar keine Anwendung finden; und beögleichen, weiche 
moralifche Zerwuͤrfniſſe das Erſtgeburtsrecht in das Hei: 
ligthum der Samillen bringe. Gewiß, es laͤßt fich nicht 
mehr durchſetzen, was auch Staatsruͤckſichten dafuͤr ſpre⸗ 
chen, es widerſtrebt unſerm Gefuͤhle, unſerer Sitte, und 
wo man es verſuchen wollte, wuͤrde es endlich das Schick⸗ 
ſal haben jenes famoͤſen Geſetzvorſchlages in ben frauzoͤſi⸗ 
ſchen Kammern, welcher die Julirevolution zu feiner mit 
telbaren Folge hatte. Heute betrachtet man es nur mod 
als ein Horrendum flantskünflierifcher Verrirrung, ‚und 
ich glaube felbft--unter den verftsinerten und verfaulten 
Zesitimiften des Fauboutg Saint: Germain wagte Keiner 
mehr «6 im Ernſte zu vertheibigen. oo: 

Der Verf. führt uns bis zum Sturze des Adels, ganz 
ohn⸗ Vorurtheile die eigene Verſchuldung deſſelben auer⸗ 
kennend; er weiſt aber auch auf eine ungeheuere Umwen⸗ 
dung in der Zeit hin, weiche die Gehaltlofigkeit der Geld⸗ 





gen ceinge 


idieſem: dev u 


2— Ar ı 73 


/ ‘ MR + % or 
ariſtokratie zeigen und einen neuen Entſtehen des Adels 
bie Lite sahnen wird. Das aber geht ins Blaue hin- 
aus. Bis dahin antwortet er auf die ragen: MWie Mi 
unſerm Adel zu helfen ? Mie ift feinem Derfalle zu fteuern? 
Wie iſt diefe Reyraͤſeutation des geſchichtlichen Element$ 
fm Stante zu erhalten? „Es iſt ins Allgenninen unb 
"Broßen durhaus gar nichts in "biefer Angelegenheit von 
Seiten des Staates zu thun. Man muß den Adel völ- 
lig und im Allgemeinen dem Schidfale überlaffen, ba6 
ihm die Zeit, das er fich felbſt bereitet.“ 
aber heißt es, „fe wird vielleicht eine jede Verwaltung 
nicht übel thun, wenn fie adelige Individuen ven Geiſt, 

Bee Verdienſt mit gehoͤrlger Vorſicht auszuzeich⸗ 
nen und in allen wirklichen Colliſions- und Concurrenz⸗ 
"Häfen fogar zu bevorzugen weiß.“ 
" ak ums, als Bürgerlihe, der Berf., welchem Abel 
wir nach unfeem Gefühle dem Vorzug geben, feinem, ber 
in den leeren Taſchen mit der ˖ gefchichtlichen Erinnerung 
tlappert, ober ben Majoratsherren des Fuͤrſten Puͤckler, 
fo antworten wie: dem letztern. Alles Klappen beleidigt 
:die Ohren. Und fo ſchoͤn und poetifc, geſchicheliche Er⸗ 
innerungen ſind, und fo dordammenswerth es iſt, wenn 
rinBoik fie ganz ausloͤſchen will, wie das franzoͤfiſche in 
ſeiner erſten Revolution, ſo wirkt es doch hoͤchſt ſtoͤtend, 
wenn jie fm materiellen Conflicte des Lebens mitſprechen 
wollen. Der uͤbertriebene Adelsſtolz hat weniger Haß und 
Metachtung gegen den Adel erzeugt, wie der Verf. an: 


fuͤhrt, als feine Anſpruͤche auf Bevorzugung im Staats⸗ 


dienſte. Das dat Neid und Misgunfl erzeugt und er: 
zeugt fie noch fort und fort. Gin Majoratöherr, deſſen 
incheremes Recht fo unerſchuͤtterlich fehficht wie ‚in Eng: 
Aand undHſtreich, braucht nicht in ben Taſchen zu klap⸗ 
yon. Er kann fi in der Taverne an den Tiſch fegen, 
90 der Handwerker fpeift, und vergibt fi nichts, Man 
ıbeeihe: im Umgange feinen Vorrang wicht zu merken. 


2Damm iſt ein oͤſtreichiſcher Edelmann in der Geſellſchaft 
„alte: Stoͤrendes. In Preußen iſt er auf dem Punkte, es 


‚ya werben. Weil Gleichheit durch Geſetz und Herkom⸗ 
fuͤhrt ſind, und der Adelige, der dafuͤr gelten 
Hut, es nur duech die. Airs kann, die er ſich gibt. Mit 


‚beige Gleichniſſe: Bei einer knapp beſetzten Tafel, wen 
habe ich: lieber zum Nachbar, Einen, der ſchon ſatt iſt, ober 


: ‚einen Dungeigen? Das find unſere bürgerlichen Gefühle. 


.Damit ſei aber nicht geſagt, Daß fie Die allein richtigen find. 


Gegen des Verf. biftorifche Anficht von der Entflehung 
des Adels. ließe ich am. anderm Drte Mehres einwenden. 
gZwar iſt fo ber Feudaladel entflanden, daß aber neben 
ofpeungliche. Adel der alten Freien beflanden 
‚ond' verfchtedene freiherrliche Dynaſtien erfi in ſpaͤterer Zeit 
fi, "bene uͤberhandnehmenden Lehnsadel durch Oblation 

ihter Guͤter beigeſellt haben, ſteht ebenſo feſt. Auch iſt 
es umgekehrt eine gewagte Annahme, die Grundherrlichkeit 

der engliſchen Pairs auf die alten ſaͤchſiſchen Dynaſten und 
Könige zuruickzufuihhren, da bekanntlich nach ber Fiction der 
unglifchen Geſetze der König Lordgrundherr des geſammten 

engliſchen Bodens ſeit Wilhelm dem Groberer if. 41. 





iſt die Spinoza 


‚das, meiner ˖ Anſicht na 


Der St.:Simonismus von P. J. Buches. 

Der bekannte Mitverfaffer ber „Eliistoire parlementaire de 
la r&volution‘’, ber zugleidh in Paris an ber Spike einer ka⸗ 
tholiſch⸗ republikaniſchen Schule flieht, bie dort viele tüchtige 
Leute zu ihren — zaͤhlt, veroͤffentlichte vor ein paar 
VWochen den dritten Band 6 i d’un tenit& complet 
de philosophie du peint de vue du catholidsme et du pro- 
gres”. In dem zweiten Bande bfefes alle Aufmerkſamkeit ver: 
dienenden Werks, auf das ich ſpaͤter zurückkommen werde, fins 
bet man eine Schilderung und Kritik des St.» Simonismus, 
die um fo mehr Intereffe hat, als Buchez eine Zeit lang ben 
St.⸗Simoniſten ſehr nahe fand ımb einer ber tüchtigften Bits 
arbeiter ihrer Zeitfchriften und Publicationen war. Daß er 
fi bald von den St.: Stmoniften trennte und warum, gebt 
ebenfalls ſchon aus ber folgenden Schilderung biefer Doctrin 
hervor. die UÜberſegung der Sharakterifiit 
Buches (II, 314): „Die volllommenfte pantheiftifche Kormel 

’6. Die Neuern haben an .derfeiben Nidts ges 
ändert, fie gaben mar einige Borte, bie ihnen weraltet [gienen, 
erfegt. Spinoza flellte den Sag auf, baß es nur Eine Subſtanz in 
ber Welt gebe, ein einziges Wefen, eine einzige Ratur, bie in ſich 
felbft durch eine innere Thaͤtigkeit Alles, was man Geſchaffenes 
nennt, ergeuge. Diefe einzige Subſtanz, dies Eine Weſen, dieſe 
Eine Natur, ſei Gott; Gott, ber zugleich handle und leide, 
Urfache und Folge, der nichts ſchaffe, das nicht zugleich feine 
eigene Modification ſei. Dieſe Subftanz konnte als eine zahl⸗ 
loſe Menge von Attributen befigend betrachtet werden. Unter: 
beffen geigte fie beven zwei. vorzugeweiſe, und zwar ben um⸗ 
fang und den Gebanlen, Attribute, bie nothwendig flets. Gines 
von Andern abhängig waren, ba fie eines und berfelben Sub⸗ 
ſtanz angehörten, ba fie dieſelbe Sache waren.” 

„Was fagten die St.- Simontften? Rad ihnen gab es 
ebenfalls nur Eine Subſtanz, bie Bott war: dieſe einzige und 
allgemeine Sabſtanz zeigte zwei Seiten, bie bes. Geiftes und 
die der Materie; eine Formel, bie ganz und. gar bisfelbe iſt 
wie die Spinoga’s, benn zu feiner Zeit nannte man @eift ben 
Gedanken, und Materie Umfang.“ 

„SEs ift ſchwer zu fagen, was er beabfichtigte, indem er 
fein Syſtem erdachte; es ift ‚dies leichter in Bezug auf den mo= 


dernen Pantheismus, der in Parts unter bem Ramen St. Bi: 


monismus -geiehrt wurde. 


Ich Yabe'die vorgüglichften Stifter 
biefer unglüd 


en Schule gekannt; ich. mar während ſeche Mo⸗ 


‚ naten ihr. Mitarbeiter in der Rebaction eines een 
e8 der: Ih⸗ 


Sonenals; ich war ſeit langer Zeit der Freund 


‚eigen und ber Arzt Mehrer. Ich habe während 16 Monaten mit 


ihnen geftristen, um fie zu verhindern ihr Projeet ausguflhren, 
& einigen Ideen politiſcher Reformen, 
die ich mit ihnen gemein hatte, den Untergang bereiten mußte; 
und ich Habe erft 1829 mit ihnen gebrochen, als ich bie Hoff⸗ 
nung aufgeben mußte, fie von bemfelben zurädzuführen. Ich 
Benne fomit volllommen die Motive, die fie geleitet haben und 
7 werde ein paar Worte darüber ſagen. Dieſe Geſchichte wird 
nicht ohne Intereſſe fein, denn bie geheime Usfadge, bie eine 
neue Doctrin hervorrief, wurbe zu allen Beiten als eines der 
figerften Drittel, fie felbft zu beurtheilen, betrachtet.’ 
„Der moderne Pantheismus nennt fi St.⸗GSimonis⸗ 
mus, nicht etwa weil St.⸗Simon je-daran gebadyt babe, ſon⸗ 


‘dern weil feine Schriften es waren, in denen man bie größte 


Zahl der induftriellen Reformen fand, bie man. zu verbreiten 
beabfichtigte. St.⸗Simon war der Wann, ber ber neuern Bes 


neration die Zrabiton der Lehren der Delonomiften dee 18, 


Jahrhunderts und aller veformatorifchen Philoſophen, die in 
den Clubs ſprachen, Überliefexte, Lehren, von benen man bas 


‚ mals fo weit entfernt war, als ob Jahrhunderte zwiſchen ber 


Gonftituante und ber Reflauretion lägen. Zwanzig Zahre ber 

Aufregung und bed Kriegs hatten Alles vergefien gemacht.” 
„Belt rinem Bterteljahrhundert ſprach und urtheilte man 

nicht mehr in Frankreich, man handelte nur. Als Sie: Wieder⸗ 


' dinfegung ber Bourbons ben Frieden gurüdtbrachte, wurde bie 


;9@5 


a A etwas freier. St.⸗Qumon benußte dies, um 
ie dkononuſtiſchen Lehren, die er in feiner Jugend eingeerntet 
hatte, wiederzubeleben, er wieberholte bie Ideen eines Ques⸗ 
. 999, Boulanger, Surgot, Gonborcet u. A. es würde uns ſchwer 
fein, zu behaupten, daß es etwas von feinen Eigenen hinzuge⸗ 
than. Untex feinen Schriften gibt es nur eine, die, wie es 
uns ſcheint, ihm allein angehört, und zwar biejenige,. bie er 
auf feingm Sterbebette bistirte, in ber er ſich auf das Chri⸗ 
ftenthum berief und erklärte, daß er Jeſus Chriſt ald ben 
Sohn Gottes anerkenne. Es ift ein himmelweiter Unterfchleb 
zwifchen diefem &t.s&imon unb bem, den, man dem Volke 
borzufpiegeln ſuchte.“ 
„Die Abſicht der Stifter des St.⸗Simonismus war, ſich 
als Herren und Meifter eines Syſtems ber ſocialen Reorganis 
fation hinguftellen. um Herr und Meifter zu fein, mußte man 
Neuerungen machen. Hierzu genügte eine ber bekannteften 
Ideen St.: Simon’s, bie ber Bedeutung ber Induſtrie, die 
man bis jest in allen ſocialen Syſtemen immer nur ale Res 
benfache behandelt hatte, auszubeuten. Es handelte fih mit 
einem Worte, nad ihrer Art fi) auszubrüden, darum bie Ins 
duftrie zu rehabilitiren. Won einer andern Geite abes fahen 
fie, daß nichts Sociales ohne sine Religion zu Stande komme. 
So kamen fie zu dem Schtuffe, eine inbuftriele Religion zu 
fliften, die dann zum Zwede Ihres Strebens wurde. Übrigens 
_waren fie nicht im Stande, etwas von der wahren Religion zu 
verfiehen, denn fie glaubten weder an Bott, noch an bie Schös 
- Pfung, noch an bie Gele; fie waren einfach Materialien. 
Sie betrachteten die Religion als eine menfihtiche Snftitution; 
fie bewiefen es, indem fie auf die Wurzel diefes Wortes bin: 
deuteten. Ss. Iommt von religare her, d. h. von Yeseinigen. 
In Folge deſſen fagten fie fi, daß die Iubuftrie ein materlel: 
les Merl, Materie fei, und daß man fomit bie Materie rehas 
bilitiren müfle. Sie fanden nichts Kluͤgeres, ald zu dem Ende 
zu behaupten, daß Giott felbft Materie fei, im Gegenfage zum 
Chriftenthume, das dehauptet, daß Bott Seift if. Die Diss 
<uffion geiff dieſe Frage auf, und fo wurben fie gezwungen ben 


henden Zelten des Menfcherigefchtechts Tei. 


Sie behaupteten br « 
des Men endefärt t& be 
beweiſen, baß der PYankheis tuu 


durch die fortſchreitende Geſchichte 
eſen werden müße; ſo mußte man 
8 die Scluffpfge det votherge⸗ 
t DE Menſchheit, fags 
ten fie, bat mit dem Fetiſchismus angefangen, von 'biefem tum 
Re zur Vielgötterei, dann zum jübffchen ober materlalifkifchen, 
endlih zum chriſtlichen oder ſpiritualiſtiſchen Singötterthum, 
das zum Pantfeismus, d. h. zur Vereinigung det beiden, mas 
teriellen und ſpiritualiſtiſchen Anfdauungsarten In einer einzis 
gen Anbetung führen muͤſſe.“ 


„Nachdem man alle dieſe ſchoͤnen Sachen vernommen hatte, 


fragte man ſie, wie es komme, daß die Menſchheit einſt 


nichts abnehmen kann, da 


Sat anzunehmen, daß es nur eine Sabſtanz gebe, die Gott ſei, 


«ine Subftang, bie eine zweifache Anſchauung, die bes Geiſtes 
und des Metesie erlaube, d. h. aus dem Geßchteypunkte des 
Menſchen, die Wiſſenſchaft und die Induſtrie; daß der Mann 
vorzugsweiſe Geiſt, das Weib Materie fei; daß man das Weib 
rehabilitiren, d. h. befreien, von der Ehe emaneipiren,. daß die 
ſociale Gewalt männlich und weiblih fein, aus einem Papfte 
- und einer Paͤpſtin beftehen mäfle u. f. w., mit einem Worte, 
nad und nach, von Discuffion zu Discuffion, won Einwurf zu 
Ginwurf, die die neue Sekte zurückſchrecken follte und bie flets 
als Princip ihres Syftems acceptict werden, kamen fie endli 
dazu, jenes pantheiſtiſche Syſtem zu formulicen, bas fie au 
der Sultrevolntion lehrten.“ 
„Alle Kegumente ad absurdum wurden fo als vernünftig 
en und in Arlome verwandelt; der Pantheismus 
wurbe zuerſt in gewifier Beziehung a posteriori durch ben 
Einfluß ber Diseuffion formuliert, dann nahm er fpäter, je 
nach dem Bebärfniffe, die wunderbarlichſten Zufäge an, fos 
daß dieſe Lehre ein Gemiſch der monftröfeften Wiberfprüche 
wurde. Bott war, nad ihrem Außfprucde, Alles, und 
Alles war Bott; untexdbeß nahmen fie den Fortfchritt aus, 
als ob, wenn eine einzige unendliche Subſtanz das Welt: 
au füle und bilde, es möglich fei, daß daraus etwas An⸗ 
. beres heaworgehen Eönne als die Unbeweglichkeit. Vermeh⸗ 
gung unb inberung fegen Bewegung voraus, zur Be⸗ 
wegung aber gehören wenfgftens zwei verſchiedene Exiſtenzen, 
und zwas die der Mitte, in der die Bewegung möglich. ifl, 
und bie des Begenflandes, ber fich bewegt. 
materielle Zeichen der Bemsgung ? Die Veränderung bes Platzes. 
änderung aber k in einem einzigen ununterbrochenen 
ih; jeder Punkt diefes Alls iſt nothwendigerweiſe 
für alle an dieſelbe Stelle gefeſſelt. Dieſe erſte Ab⸗ 
furbität führte die St. Simontſten zu einer noch virl größern. 


Welches iſt das 


be 
anfangen koͤnnen, wie das Ewige, das nieendigende AL, ze 
haben Eönne, bie weder ewig noch ohne Ende feien? Hierauf 
antworteten fie, daß das. Nieendigende zwei Afpecte babe, der 
wicgtendigende und der endigende (l’infini et le fini); fo ſchloſ⸗ 
fen fie ipren Gegnern den Mund, benn was Eönnte man keu⸗ 
ten jagen, bie einen Jerthum des mathematifchen Ausdrudss 
weife für eine Principwahrheit namen bie, mit einem Worte, 
nicht verftanden, daß das Endloſe bie Idee einer Einheit oder einer 
Sotalität, zu der man nichts hinzufügen und von ber man 
ellt. zug auf die Geſchichte 
bat man fie, dieſelbe zu leſen, aber fie ſchioſſen Augen und Oh⸗ 
ven. Sie begnägten ſich nicht, fich mit dem gefunden Mens 
ſcheaverſtande in Widerſpruch zu fegen, fondern fie fliegen eben⸗ 
fo ohne alle Umftände die gefchichtlichen Ihatfachen um. Aus 
alle dem fchlofien wir, daß die Prebiger des modernen Pan⸗ 
theismus felbfk nicht an ihre Lehren, bie fie ertheilten, glaub: 
ten, fondern nur am den Erfolg, den fie von ihnen Hofften. 
Aber welches war biefer Erfolg. Sie haben lange genug ges 
lebt, Hinlänglic gehandelt, damit in biefer Beziehung fein 
er aͤfria bleiben kann. Alle Welt iſt hier binlänglih uns 

et. 

„Die Erfinder bes Syſtems geben fidh ben Ramen: Väter; 
biefe bildeten ein Gollegium, bas fie das heilige hießen, 
Sie esnannten einen Papſt, da dieſer aber männlich und weib⸗ 
li fein mußte, und ba zufällig für. ben Augenblid ein Meib 
abging, fo überteugen fie das Papſtthum zweien Männern. 
A einer von dieſen beiden ſich zuruͤckzog, blieb bee Mann als 
lein Gbsig und begann dann das freie Weib au fuchen. Sie 


hatten angekündigt, daß fie das Geſchick ber aͤrmern und zahl⸗ 


veichern Glaffen verbeffern wollten. Sie konnten biefes, dem 


Cgriſtenthume durch die Dlonomiften des legten Jahrhunderts 


biefen durch &t.: Simon, und dbaun wieder: &t.: Simon b 

die St.⸗Simoniſten entiehnte Prineip der politiihen Moral 
nicht fallen laſſen; fie konnten dafielbe nicht fallen laffen, denn 
nur hierdurch zogen fie die Ergebenheit Einzelner, deren Ge⸗ 
fühl gefander als ihr Berfland, an fih an und verbindepten 


.| ihren baldigen Abfall. In Folge dieſes Verſprechens und um 


es zu verwirklichen, verlangten fie, daß alle Güter gemeinfchafts 
lich fein follten, daß es in Zukunft nur einen Gigenthümer, ben 
Papft, gebe; und daß eine Hievarchie tet werbe, um 
unter der geltung bes Papſtes die Güter und bie Arbeiten zu 
vertheilen. Sie srganifisten, mit einem Worte, die Geſellſchaft 
nach dem Vorbilde eines Regiments. Sie hatten großes Mits 
leiben mit den Armen, und um fie vecht auszubeuten, unters 
warfen fie diefelben einer quaſimilitairiſchen Disciplin = Lebenss 
art unter von ben Dbern gewählten Sommanbanten, Sie hats 
sen großes Mitleiden. mit den Öffentlichen Dienen, und fomit 
hoben fie die Ehe auf, und befkimmten, baß die Maͤnner unb 
Weiber fi) nach ihrer Laune vereinigen ober verlaffen follten. 
Man fragte fie, was dann aus ben Kindern werben folle? Die 
wollten fie vereinigen; von ber Brufl: der Mutter follten fie 
auf eine Weiſe gemifcht werben, daß keine Mutter bas Ihrige 
wiedererkennen koͤnne, und fo biefe, ba. fie eben nicht wiſſe, wel 
ches das Ihrige ſei, gwingen, fie alle gleich und wie das Ihrige 
zu. lieben. Das Alles warde in ber St. Simoniftifchen Gefell⸗ 
ſchaft, fo weit es die Außern Berhältnifie, in denen fie lebten, 
ertaubten, verwirklicht.“ - 


' 





Ä 916 


ie aber rechtfertigte der Pantheismus alle biefe Mon  „‚Meddlings with theMuse’; I... Datley’s „Grecian ", 
”„ . > 

fteofitäten. Es if leicht dies zu erklären. Der Pantheismus | Bunting's „General collection of the —* music of Tre’ 
gibt Feine Moral zu, denn ba ber Menſch Gott ift, fo hat er | land’; Wyfe's „Operations at the Pyramids of Gizeh in 
nur gegen ſich ſelbſt Pflichten. So Tage denn auch der Iehte | 1887 (2 Bde.); Southgate's „Travels m Turkey and Per- 
Chef der St. = Simoniſten: „Der Egoismus: ift göttlich?” | nina’ (2 Bde.); „Rough notes of the campaign in Binde” 
Der Pantheismus läßt Leine Kreiheit zu, benn um frei zu fein, ı von Major Dutram; ber zweite Theil bes ‘Oriental port- 
“ muß man wählen koͤnnen, und wie wählen, wenn es nur eine 1 folio‘’ ; ebenfo der dritte hell von M’@ilioray’s ‚‚British 
einzige. Sache in der Welt gibt? Mit dem Pantheismus gibt | birds’’; ber fiebente unb achte Band von Bir B. Davys 
“ feinen Pr EN en und Shut, ben es gibt | Werken, enthaltend: „Lectures on agricultural chemistry’’; 
eine zwei Principe, zwei Ziele, fondern nur eins. enn man | der neunte Band von Defoe’s Werken: „Hi 7) 
den uafınn, den bie &t.: Simoniften Iehrten, daß das Enblofe rare Berken: , ‚story of the plague”. 
aus endenden heilen beftebe, erkennt, fo findet man, daß fie Bon Sir Samuel Romilly’s „Memoirs“ ift bereits eine 
daraus fehließen mußten, daß jeber Theil ein Stückchen Gottes | zweite Ausgabe erfchlenen; ebenfo eine neue Auflage von 
fei, das ſich entmwidele und andere Theile zueigne. Das iſt, in MGulloch’s ‚Commercial dictionary, corrected to 1840.“ 

Wahrheit, die Kolge, die fie ziehen, und woraus fie eine Er⸗ 47 
Märung berleiteten, um ihre Päpfte und ihre Dierardhie zu hei: " 
ligen. Sie fagten, daß die Päpfte als ſolche alle großen Mäns . . . 

ner ber Menfchbeit refumirten. So refumirte Dr. @n: Literarifche Anzeige. 

fentin in fi Moftt, Shriftue, 33 Pr Eimon. — 

e folgerten baraus dann weiter, Da e pfle das le⸗ ® 
bendige Geſetz fein. Nach uns hätten fie, um volllommen Converſations ⸗Lexikon 
logiſch zu ſein, ſchließen ſollen, daß das beſte Mittel, die Men⸗ de 
ſchen zu reſumiren, das fie zu eſſen ſei. Das war übrigens 


r 
der Weg des Fortſchrittes, den fie den Thieren zuwieſen. Gegenwart. 


Die Karben find hier etwas ſtark aufgetragen, aber es 


würbe fchwer fein, in wenigen Zügen dieſe wunberliche Abirs RE —7— 
rung — Zeit klarer, er es Bude getban, zu fchildern Ein. für fich beſtehendes und in ſich abgefchloffenes Werk, 





und den innern Unfinn der Hauptlehren des St.⸗ Simonismus zugleich ein Supplement 

au seinen. Der St.r Simonismus if für alle Zeiten abgeurs Ä . . 

—** ’ die nothwendigen Gonfequenzen der Grundfäge orten zur achten Auflage deö Converſations⸗Lexikons, 
nach und nach zu *2* Abſurditaͤten und ſo monſtroͤſen Re⸗ fowie zu jeder frühern, 


-fultaten, daß die zunde Müge ber &t.:&imonfften und bie u allen Nachdrucken und Nachbildungen . 
Rarrenfappe heute halbwegs als Blutsverwandte ericheinen. j ch ch ge deſſelben 





Aber wenn auch der St.⸗Simonismus wol für alle Zeiten abs . : 

- geuetheitt iſt, fo ſpuken deswegen nicht weniger noch immer Dierundzwanzigstes Heft, 
einzelne feiner Lehren in den Köpfen der Neuerer unferer Zeit. Bogen 1—10 des vierten Bandes, 
-Rachdem die Büchſe der Pandora zerfhlagen war, flogen bie Pae bie Phzilologie. 


böfen Geiſter nach allen Seiten hinaus. Der Pantheismus, die , , . 
—A des geeithes, der Diaterk, bu Gmanipation des | Drudpa bier 8 Gr.; Schreibpapier 12 Gr.; 
eibes, ja fogar die Gatergemeinſchaft haben noch immer ihre li i | » 
Anhänger, bie aber freilich nicht mehr den Muth haben, den elinpapier 18 Or 
Unfinn, zu dem biefe Lehren führen wäffen, anzunehmen und Fze (Ludwig Michael,, Graf). — RPaͤdagogik. — 
2. $ 








zum Grundfage zu erheben. Das Syſtem ber St. : Simoniften 8 (Garnier). — Dages (I . * 
ruͤckte mit offenem Viſire, feine Fahne hoch ſchwingend, gegen die 3. nn) * a ai Fre Ar 
Wenſchheit an; die Nachzügler diefes Syſtems haben die Lioree Manofka (Iheodor). — Sapierfabrii ation. L Sa- 
des 19. Sahrhunderts wieder angezogen, um fi fo ungeflörter binenss (Louis Iofeph). — Pappruseolien. — Par ds 
in anftändige Geſellſchaft einfchmuggeln zu Tönnen. Aber die beY (Gharles Hippolyte de). — Parbeffus (Zean Marie). — 
Abfurbitäten, zu denen bie &t.: Simoniften Schritt für Schritt arboe (Zulia). — Parifet (Etienne) _ Sarlament ar- 
nothwendig geleitet wurden, find die befle Widerlegung der gegierung. — Partie (Sir Henry). — Paffa vant (Ich 
GSrundſaͤtze, die fie lehrten. Entweder führen dieſe Grundſaͤtze David). — Yaflos (Manoel da Silva). — Yafly (Di . 
um Unffen, und mäffen ſich mit biefem ausföhnen, oder fallen | Inte — Antoine). — Patente. — Mateimonial geti * * 
n fi felbfl sufammen, find ohne Bafi, wenn fie den Maflan, | parPeit. — Yanı Wriedrih (Großherzog von Dediendurg- 
die monftröfen Folgen derſelben nicht als das Endziel, den | Schwerin). — Yaul MBilhelms Friedrich (Herzog von Bür- 
gweck der Menſchheit anerkennen wollen. Das feheint aber aus | gemberg). — Pauperismus. — Veerleamp (Hoffm - 
der kurzen, Ternigen, wenn auch vielleicht etwas einfeitigen deter). _ Selet (Dean Faques Germain). — Yelet be Ta 








Darſtellung und Kritik des Hrn. Buchez fo Mar ale möglich ‘ 2 

zu werben, und deswegen ſchien fie mie ganz beſonders ber Eozere (Baron). eit ee Ceuiın 3 F 
Mittheilung wurdig. Üdrigens zeigt dieſelbe nebenbei die Art v*⸗ aan). 
und Weife eines tüchtigen neuern franzöfifhen Denkers und ti seht org 
bat fomit ein doppeltes Intereſſe. 85. j ehron (Amebeo). _ 


— — — — — nn — i ). er (Burkhard Wilh.). 


kiterarifhe Notizen. 


Zu den neueften Erzeugniffen ber englifchen Preffe gehören : 
Gresley's „Siege of Liehfield”; „Sandron Hall, or — days Fiee Georo — MWhilningie Heine), — 
of queen Anne”, von J. Berkeley; „The quadroon, or Bt. |. ; 8). 40 . 
Michael’s day‘’ (8 Bbe.), vom Berfafler von „„Lafitte‘‘, „‚Capt. Reipzig, im Auguft 1830. 
- Ryd’ u. ſ. w.; Milne’s „Poetiy for the people’; &imon’s S. 2. Brockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Eripzig. 
EB 


Blätter 


für 


®. a ®:: ’ 2 ui, 
literariſſcht 
Wi F 2 Y 2) 4, % 3 * 


Unterhaltung. 





Sonnabend, 





GH: ift seine hohe Gunſt des Sthickſals, wenn biefes-- 
denkwirrdigen Maͤnnern nad ihrem Heimgange noch ei⸗ 
nen’ Feeund aufſpart, der. das Viid der Dahingeſchiedenen 


mit Liebe und mit den Farben der Wahrheit entwirft, 
welche. feinem. Anbern;. der ſie nicht unmittelbar aus dem 
Leben ſelbſte ſchoͤpfen konnte, ſo friſch und kraͤftig zu Ge⸗ 
bote. ſtehen. En ſolcher Freund iſt dee Herausgeber, deſ⸗ 
fen ſchonden Manen Heffmann's und. Werner's bewies 
ſene Pietaͤt und Trrue ſich num auch an dem edeln 


Chamiſſo bewährt hat. Nemand aber hatte hierzu auch 


mehr Beruf: ale Hr. Hitzig, theils durch ſein anerkann⸗ 


te8 biographiſhes Talent, iheils durch bie enge Verbin⸗ 


dung, in welcher er ſich ſeit früher Jugend mit Chamiſſe 
bis zu deſſen Tode befand, weshalb denn Chamiſſo's 
„letztwillige · Verficgung: Hitzig ſolle, wenn er ihn über 
lebe,, eine: Auswahl aus feinen nachgelaſſenen Papieren 
herausgeben und eine biographiſche Notiz vorausfchiden”‘, 
gewiß ſehr wohl. begelndet. war. ef. glaubt der Mühe 
überhoben zu fein, ben -Deutfchen- hier - auseinanderfegen 
zu müflen, welche große Anſpruͤche auf ihre Liebe und 
Bewunderung fich:.Chamiffo. erworben. hat. Wer: kennt 
ihn nicht, den edeln Sohn der. Champagne, ber, von ben 


Reben huͤgeln ſeines Vaterlandes verbannt, unter deutſchen 


Eichen ſich in den Schutz ber. deutſchen Muſe begab und 
einer. ihrer gefelerteflen-Lieblinge warb! Wer kenne. den. 
Dichter nicht, der bald durch. die leichten und: launigen 
Klänge. . einer heitern Lyrik, bald durch den fchauenlichen 
Inhalt praͤchtiger Terzinen, abe immer edel, wahrhaft, 
ein unb«tiefbegeiftert aller Herzen: gewann und für immer 
unvergeßlich. bleiben wiss! Wer kennt den. Weltumfegler 
nicht, der Im. Dimfte. dee Wiffenfchaft ſich abmühte, doc 
dabei dem. bittern Ernſt des Lebens flets eine heitere poe⸗ 
tifhe Seite abgemann, und. wer hat nicht den liebens: 
würdigen Scylemihl auf feinem Weltgange mit wehmü: 
thiger Xhellnahme begleitet! ... Den bandfcheiftlichen 
Nachlaß feines Freundes hat der Herausgeber in den vor: 
liegenden Bänden mit fehr pafienden Vor⸗ und Zwifchen: 
reden begleitet, die weder dem reinen Bilde des Dahin⸗ 
gefchiedenen, wie «6 meiftens aus feinen Briefen fich ges 


ſtaltet, Eintrag thun, noch der unkefangenen Auſicht des 
Leſers, vorgreifen. Das erſte Buch, Lehrjahre“ uͤherſhricz, 
ben, umfaßt: ben Zeitraum. von 1781 — 1805, macht unk.: 
mit. ben. Familienverhaͤltniſſen befannt. und mis, der. Ausa.. 
wanderung nach Sübdausichland und .fpäter. nach Berlin, 
wo Chamiſfſo zuerſt: Page der -Riaigin.und hierauf Faͤhn⸗ 





rich. und: Lieutenant im Infanterieregiment v. Goͤra wurde 
Als ſolcher, mit. dem größten Eifer deutſcher Bildung und 
Sprache befliſſen, machte er die fuͤr feine ganze. Entwi- 
ckelung fo wichtige Belanntfchaft eines: Kreiſes ſtrebender 
Juͤnglinge, zu weichen. Wilfelm Neumann, Varnhagen, 
Hitzig, Theremin, Nebert, Koreff, Graf Lippe u. m. 4, 
gehörten, deren possifche. Jugendverſuche ein Maſenalma⸗ 
nad, von ihnen ſelbſt nur das grüne Much genannt und. 


in ſehr heitern poetifchen Theegeſellſchaften beratben, ein . 


nige Male dem. Publikum. zum Beſten gab. Als dab... 
Schickſal mehre Mitglieder dieſes Kreiſes von Merlin. ent. 
fernt hatte, blieben fie. dennoch mit. den Burhdgelefferun. 
durch das gewaͤhlte Symbol des Polarſterns (T0 Tom, er. 
Lov &0orooy) in Verbindung, welches. Symbol, ohms. ein⸗ 
Spur von Ordensweſen, „nur ein Sreunbfcafte- und 


Studienzeichen, nus, ein. Erkennungeſchrei fein follte, ben. 


ſich die Getmeunten, einander. zuxiefen‘‘. Chamiſſe's bier 
mitgetheilte Briefe aus biefer Periode, faft ſaͤmmtlich mir, 
dem. 7. T. A. &, umserzeichnet, bezeugen alle fein. aifrige®.. 
Sterben im Felde der Wiſſenſchaft und Peeſie, dos ihn 
ſelbſt in der Wachtſtube nicht verlieh, und namentlich 
feine. lebendige Theilnahme an den Schickſalen des „grü⸗ 
nen Buche“; ja, wir finden unter ihnen auch einen. ganz. 


 geiechifchen Brief an feinen älteften Freund und Regi⸗ 


mentslameraden.de Ia Foye, mit: welchem, der fpdter Pro- 
fesgeur de_la facultE de Cacn wurde, Chamiſſo bis an 
fein Lebensende. in unausgefester deutſcher Correſnandenz 
geblieben: ift. 

Das zweite Buch, die „Wanderjahre 1805 — 18° 
enthaltend, bringt zahlreiche Briefe, die Chamiſſo während: 
des Marſches mit feinem Megimente aus mehren hano⸗ 
verfchen Orten, vorzüglich aber aus Hameln fchrieb. Nach. 
der ſchmachvollen Einnahme biefer Stadt, wovon. er einen. 
ergreifend lebendigen Bericht abflattet, begab er fi zum 
Beſuche von Berwandten nach Frankreich, dann aber 1807 
nah Berlin zuruͤck, von we aus jegt auch viele herzliche 
Briefe an Fouqué vorliegen, deffen Evfcheinung als Dich⸗ 


‚918 \ 


ter und Freund ihn mit dem hoͤchſten Enthuſiasmus er: 
fuͤllt hatte. Eine Ausfiht, an dem zu errichtenden Ly⸗ 
ceum in Napoleonville eine Profeffur zu erhalten, vief 
ihn 1810 wieder nad) Frankreich, wo indeſſen feine An: 
ſiellung nicht zu Stande kam. Doch befreundete ihn der 


Aufenthalt in Napoleonville mit dem fpÄter fü berͤhmt 
gewordenen, "SamaligenPräfecten Prösper be Batante und. 


mit Frau v. Stael, mit welcher großartig wunderbaren 
Srau, feine eigenen Worte zu brauchen, er 1811 und 1812 
in Genf und Coppet unvergeßliche Tage verlebte. „Ich 
habe bier”, ſchreibt er, „viele der bedeutendften Männer 
der Zeit Eennen gelernt und einen Abfchnitt der Gefchichte 
Napoleen's erlebt, feine Befeindung einer ihm nicht un: 
terwuͤrfigen Macht (nämlich der Stael), denn neben und 
unter ihm follte nichts Sekbftändiges beftehen.” Überhaupt 
enthalten die Briefe aus Coppet an Hitzig, Fouqud, Neu: 
mann, Varnhagen und befien Schweſter Rofa Maria 
viel Intereffantes über die merkwürdige Frau und bie 
bedeutendften Perfonen aus ihrer Umgebung. Aber Cop: 
pet gewann für unfern Dichter auch dadurch eine befon: 
dere Wichtigkeit, daß es bie Wiege feiner botanifchen 
Studien ward. Diefe fortzufegen, ging er im Herbft 
1812 nach Berlin, wo er als förmlicher Studiosus me- 
dieinae natuewiffenfhaftlihe Vorleſungen hörte und in 
dem verhängnißvollen Jahre 1813, das für den in feinem 
Herzen zroifchen bem alten und neuen Vaterlande Getheilten 
„kein Schwert” hatte, auf bem Landfige der von gen: 
plitz ſchen Familie Cunersborf der „Schlemihl“ entitand. 
Im naͤchſten Jahre, in welchem Hitzig nach dem Ver⸗ 
luſte ſeiner trefflichen Gattin in das fruͤhere Geſchaͤfts⸗ 
und Beamtenverhaͤltniß zuruͤcktrat und Chamiſſo ſich da⸗ 
durch des Anhalts an ſeine liebſten Freunde beraubt ſah, 
wurde es dem Herausgeber auch bei der politiſchen, un⸗ 
ſern Chamiſſo immer tiefer verſtimmenden Lage der Dinge 
vollkommen Mar, daß für dieſen keine andere Rettung 
ſei, als ihn fuͤr einige Jahre, wenn irgend moͤglich, aus 
Europa zu entfernen. Die damals von dem Prinzen 
Mar v. Neuwied beabſichtigte Reiſe nach Braſilien ſchien 
hierzu eine gute Gelegenheit darzubieten; doch entging ſie 


unſerm Chamiſſo, der indeſſen bald nachher bei der vom 


Grafen v. Romanzoff veranſtalteten Entdeckungsexpedition 


+ in die Südfee und um die Welt die erwünfchte, jedoch 


ae wenig begünftigte Stelle eines Naturforfchers 
erhielt. 

Der zweite Band mtbält nun zuvoͤrderſt die während 
diefer dreijährigen Weltumfegelung, deren Befchreibung den 
erften Band von Chamiſſo's Werken füllt, an Hrn. Hitzig 
gefchriebenen Briefe, die derfelbe vollftändig, abfichtlich aber 
in befonderer Folge mittheilt, „weil fie ein eigenes Ganze 
für fi bilden und die Erzählung der Lebensereigniſſe des 
deutfchen Dichters und Scheiftftellers, der auf dem Schiffe 
beides zu fein nicht Zeit und Raum fand, nur fidrend 
unterbrechen würde”. Diefe Briefe, frifh von der Leber 
weg aus allen Winkeln der transatlantifchen Erbe, und 
oft unter fehr unbequemen Verhaͤltniſſen an den Freund 
in Berlin gefhrieben, find unendlich reich an den fchäg: 
barften Einzelheiten und voll von dem liebenswuͤrdigſten 


Humor, der in Profa und Verſen fih Luft macht. Die 
Lehr: und Wanderjahre find mit diefer Reife um bie 
Welt gefchloffen, und fo bringt uns naturgemäß das dritte 
Bud bie „Meifterjahre” oder die Zeit, in welcher Cha- 
miſſo's Lebensſchiff am- eigenen Herde vor Anker giag, 
bis es endlich“ in‘ den Wellen eines 59 gi e 
Euch diefe Zeit ſpiégelt ſich großertfeilsfin TH RS 
eigenen Briefen ab, ift aber von bem Herausgeber auss 
führlicher gefchildert worden. | 

Rah Berlin zurüͤckgekehrt, wurde Chamiffo. honoris - 
causa Doctor ber Philofophie, Meitglied- der Geſellſchaft 
natnrforfchender Sreunde, Cuftos am botanifchen Garten 
und bald auch gluͤcklicher und Gatte. Nus 
einmal noch im I. 1825 machte er von hier einen mei: 
tern Ausflug nach Paris, um feinen Beinen Antheil an " 
ber Emigrantenmilliarde in Anfpeuch zu nehmen, dann 
1830 zur Verſammlung der Raturforfcher nach Ham: 
burg; übrigens genoß er in vollem Maße und ununter- 
brochen das Süd feiner Haͤuslichkeit wie feiner wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Thaͤtigkeit, bie das 3. 1831 duch die Grippe 
feine bisher riefenhafte Geſundheit bdergeflalt erfchistterte, - 
daß der Keim zu dem Bruſtübel gelegt wurbe, weiches 
fein verhaͤltnißmaͤßig fo frühes Ende herbeiführte. Bade⸗ 
reifen nach Reinerz und Charlottenhrann bewirkten zwar ' 
einige Linderung, aber keine Heilung. Merkwuͤrdig, daß 
erft in feinen legten Lebensjahten, in der Periode ab: 
nehmender Kraft, bie unferm Chamiſſo ſchon früh fich 
al8 Greis vorkommen und mit feinen. gramen Haa— 
ten wenigſtens in Gedichten felbfl etwas kokettiren ließ, - 
die Sabe der Dichtung fih in ihm zur ſchoͤnſten Blüte 
entwidelte und ihn jetzt erft das Bewußtſein feines :Diche 
tergenius wahrhaft durchdrang. „Ich glaube faſt“, ſchreibt 
er zuerſt im Juni 1828 an de la Foye, „ich ſei ein 
Dichter Deutſchlands!“ Aber ſchon nach zehn Jahren (Juni 
1838), als die fuͤnfte Auflage ſeiner Gedichte gedruckt 
wurde, konnte er demſelben Freunde berichten: „Zu Ges 
burtstags⸗, Pathen⸗, Chriſt⸗ und Brautgeſchenken wer⸗ 
den in Deutſchland jaͤhrlich beilaͤufig 1000 Uhland und 
500 Chamiſſo gebraucht.“ Doch nicht nur dem Dichter 
wurde die allgemeinſte Anerkemung zu Theil, ſondern 
auch dem Botaniker widerfuhr die Ehre, daß er, auf A. 
v. Humboldt's Vorſchlag, faſt einſtimmig zum Mitgliede 
der Akademie ber Wiſſenſchaften in Berlin ernannt wurde. 
Eine hohe Auszeichnung gewaͤhrte ihm der damalige Kron⸗ 
prinz, jetzige Koͤnig von Preußen durch ein Schreiben, 
welches, unuͤbertrefflich durch die zarteſte Innigkeit und 
den Ausdruck der liebevollſten Theilnahme, mit Recht von 
Chamiſſo's Kindern wie ein Heiligthum aufbewahrt wird. 
Wurde auf diefe Welfe der truͤbe Lebensabend unfers 
Freundes angenehm erhellt, fo follte ihm dennoch nicht 
der herbe Schmerz erfpart werden, feine erſt S6jährige 
theure Gattin vor fi in das Grab finfen zu -fehen. Wie 
tief indeſſen auch erfchüttert, fo richtete doch Chamiſſo's 
Eräftiges Gemuͤth im Schoofe der Kunft und Wiſſenſchaft 
fi) wieder auf, und das Fahr, welches ihm feine Gattin 
zu überleben befchieden war, bejchäftigte ihn anftrengend 
unter dem Beiſtande feines Freundes Gaudy nicht nur 


) 2 


mis; der Nebaction: bet Deutſchen Muſenalmanachs“ And 


auch mit einer Schrift uͤber die hawaliſche Spracye, die 

feinen Ruf auf einem neuen wiſſenſchaftlichen Felde zu 

begründen verſprach. Er farb am 21. Auguft 1838. 
(Der Veſchluß folgt. ) 





Die neueſte Gefchichte der Menfchheit. Vom Anfang der fran⸗ 
söfiichen Nevolution bis zu unſern Tagen. Erſte Abthei⸗ 
fung: Frankreich und Öftreih. Cine Gligeneinanderſtel⸗ 
tung ber Refultate des unchriftfichen und chriſtlichen Prin: 
cips. Von J. A. Booſt. Zweiter Thell. — A. u. d. T.: 
Neueſte Geſchichte von Öftreih unter den Regenten 
aus dem habsburg⸗lothringer Stamme. Vom jahre 
1739 dis 1839. Mit einem Ruͤckblicke auf die Groß⸗ 
thaten des ganzen habeburger Stammes. Mir 1 Stahl: 


fie. Augsburg, Kollmann. 1839. Gr. 8. 1 Zhtr. 
16 Gr 


Schon in den Sahren 1834 umb 1835 erſchienen brei Hefte 
des hier angezeigten Werkes, wir dürfen deshalb bei unfern 
Leieen die Bekanntſchaft mit jener erften Hälfte vorausfegen, 
oder wofern biefe nicht flattfinden follte, Eönnen wir mit Bezug 
auf die vorliegende zweite Hälfte die Worte des Terenz anwen⸗ 
den: qui utramvis norit, ambas noverit. Denn beide Theile 
tragen ein voͤllig gleiches Bepeige an fih: Werleumbung ber 
Reformation, Haß gegen die Aufflärung, plumpe Apotheofe des 
Haufes Habsburg, Misbrauh und Entſtellung der Geſchichte 
zu Gunften einer jefuitifch = geiftlichen Herrſchaft, _ oberflächliche 
eder auch wahrhaft greuelhafte WBeurtheilung derjenigen Män⸗ 
wer, die mit ihrem Wirken und Thun nicht in des Verf. Kram 
paffen; das Ganze ift ein unnüges Buch, weil man nichts wei: 
ter daraus lernt, als daß es zum Sammer ber Aufgellärten 
und Gutgefinnnten immer noch nicht an Leuten fehlt, die ohne 
Scheu und Scham insbefondere der Geſchichte zumuthen, den 
gegen die Aufflärung und Toleranz geführten Streichen eines 
verkappten Jeſuitismus Nachbrud zu geben. Wenn man fol: 
hen unheimlichen Geftalten auf dem Gebiete der Geſchichtswiſ⸗ 
jenfchaft begegnet, dann fühlt man lebhafter als je die Wahr: 
heit der Worte Schelling's: „Unter bem Heiligſten iſt nichts, 
das heiliger wäre als die Gefchichte, dieſer große Spiegel bes 
Weltgeiftes, nichts, das weniger die Berührung unreiner Hände 
ertrüge.” Der Verf. hat fich nicht entblöbet, alle Creigniſſe, 
Inftitutionen, felbft bie größten Männer, ſoweit ex fie in feine 
hiſtoriſche oder vielmehr unhiſtoriſche Diatribe gezogen hat, mit 
feinem giftigen @eifer zu befleden, wenn fie entweder einer 
akatholiſchen Kirche angehören ober andern Anfichten huldigen, 
als die feinigen find. Man hat in ber That Mühe, bei der 
Lecture feines Werkes bie nöthige Ruhe und Kaflung zu behal⸗ 
ten. Denn in einem Geſchichtswerke, das den heiligen Namen 
der Menſchheit am feiner Stirn trägt, nichts weiter ſehen zu 
tönnen, als ein Pamphlet felbft gegen bie beften der verſtorbe⸗ 
nen ober noch lebenden Mitglieder derfelben,, das ift doch wirt: 
Hch beinahe mehr, als bie größte Seelenrube zu ertra⸗ 
gen vermag. Das ganze Machwerk verdiente mit Verachtung 
dei Geite gelegt gu werden, wenn es nicht auch fein eigenthüm⸗ 
Hiches Intereſſe hätte, Öffentlich darüber zu verhandeln, wie weit 
die Vermefiendeit geht. Darum werden es unfere Leſer nicht 
übel vermerken, Pin wir diefer Titerarifchen Erfcheinung einige 
Aufmerkſamkeit ſchenken. 

Fe Anfang bes Werkes Elingt fo übel nicht, man möchte 
ihn faſt eine captatio benevolentiae nennen ;, aber bald gukt 
der Pferbefuß auf jeder Seite buch. Da wir es jedoch nicht 
mit ben frühern Heften zu thun haben, fondern mit ben bei: 
den jüngften, fo wollen wir auch aus biefen lediglich bie Be⸗ 
weife für unfer Urtheit über das Ganze entiehnen. Im erften 


derſt das alte päpfktiche Lieb: 





' helle (S. 328) ficht Wölgenbes. gu leſen: „Es got und bie 
mit der liberfegung der Berauger'ſchen Lirder, ſondern Seahich de 


und ficherfien Weg, eine anf gefägeichene Gr. 
münblidhe Tradition gegvänbete, burch Suftitutionen und &aßıre 
Zeichen geregelte, von einem fichtbaren Dberhaupte repräfentirte 
Kirche, die in ihrem Glauben, ihren Anorduungen und Auss ' 
rüchen felbft ſtabil, auch biefe berahigende Gtabilität in ie: 
erzen ihrer Gläubigen von Jahrhundert zu Jahrhundert übers 


te ben 5 
GSluͤcks der heiligen Böller auch nur ven einzigen ln ' 


‚ trägt und hierdurch nicht als Eügnerin bei ben fräbern ober 


fpäteen Generationen erſcheint.“ Hier :paben wis alſe zuudes 
extra ecelesiam nulia salug, 
Roch erbaulicher klingt es im zweiten Zhelle (©. 0): „Die ° 
Borfehung fcheint es ſelbſt nicht indie Macht eines Karl V. 
geſtelt zu haben, die kirchliche Einheit Deutſchlande auf bem 
Wege ber Gewalt wieberherzuftellen, inbem nur ber Alatholis .. 
cismus, nie aber ber Katholiciemus (7) mittels bes Gehwertes . 
feine Kirchen fühlt, weshalb fie Macht, der Reformation mit 

Erfolg entgegenzutreten und das Chriftenthum immer weiter su 
verbreiten, im Geifte des Stifters der Kirche nicht Laien, fons 

bern Prieflern anvertraut, und zur Erreichung biefes Bwedies, 


- wozu fie den Sinn und bie Gelegenheit einem Kari V. verweis 


gerte, zu eben biefer Beit durch den Ignatius von Lojola ben . 
roßen Männerbund in das Leben rief unb hierdurch dem geis 
igen @ifte ein geifliges Gegengift, des Krankheit bas Gegengift 

entgegenfegte. So trat denn aus der Aſche bed alten abgelebten 

und verborbenen Moͤnchsthums ats Phönir bas neue hervor, und 
was ein großer Kaiſer durch Genie und Macht nicht vermochte, 
erlangten ſchnell bie im Geiſte Gprifti handelnden (2) Sefuiten, 
biefe wahrhaft berufenen, durch das bloße Wort und gutes 

Beifpiel die Voͤlker bekehrenden Diener bes Seren.” Soiche 

Dinge gibt der Verf. ohne Scheu der gebildeten Welt zum Be: 

ſten, glei als wüßten wir Alle nichts 3 B von Ferbinand’s II. 

Gintreiben der böhmifhen Proteftanten in die Meffe, von Eub: | 

wig's XIV. Dragonaden gegen die Waldenfer, gleich als hätte 

Niemand Pascal's „Briefe' gelefen, als wäre Wolf’s Geſchichte 

ber Jeſuiten“ nicht vorhanden und Ellendorf's neueſtes Wert 

über den Iefultismus nur ein hiftorifcher Roman. Es find bier | 
nur zwei Bälle möglih: der Verf. hat die Sache entweber 
nicht beffer gewußt, bann if er ein zur Geſchichtſchreibung un⸗ 

faͤhiger Jgnorant; oder, was bad Wahrfcheinlichfte ift, er hat . 

abfihtlih das Wahre ignorirt oder verdreht, dann ift er ein . 

Verleumder, ein Lügner. Wir geben unfer Urtheil gefangen 


: und überlaffen dem Verf. felbft die Wahl aus bicfer Alternative. 


Der zweite Theil hebt mit Rudolf von Habsburg an; bie . , 
ſes weite Ausholen bedurfte natürlich einer Entſchuldigung. 


| Der Verf. gibt fie mit folgenden Worten: „Um bierbutih bie . 


Geſchichte Oftreichs in jenes Licht zu fielen, worin fie zu fleben. . 
vor allen verdient, auch allein die wahre Belehrung gewähren unb 
die einfeitigen, befangenen und falfchen Darftellungen vicker alas 
tholiſchen Schriftfteller berichtigen oder gänzlich wiberlegen kann.“ 
Unfere Eefer werden nun natürlih wagen: Der Verf. bat 
wol neue Urkunden benußt, ober bie bekannten wenigfiens mit 
befonderer Kritik zu Rathe gezogen ?_ Nichts weniger als dies. 
Oder ift eine Prüfung der bisherigen und allgemeinen Ans 
ſichten mit Ausführlichkeit und mit unparteiiſcher Abwägung 
ber Gründe pro und contra angeftellt worden? Keineäwegs. 
Das Ganze ift fo oberflächlich, daß ein Gymnaſial⸗ oder Unis 
verfitätslchrer der Gefchichte, wenn er feinen Schülern ober Zu⸗ 
hören nichts Beſſeres vorzutragen wüßte, nicht acht Tage lang 
von einer vernünftigen Behörde auf feinem Poften gelafien wers 
ben würde; und dennoch hat ber Verf. bie Keckheit, gu verfis 
dern, daß er berichtigen ober gänzlich widerlegen wolle! Sollte 
denn ber Verf. nicht ſchamroth geworben fein, als er biefe 
Worte fchrieb? doch Masten erröthen nicht! Wir fehen aber 
recht wohl, weshalb er eigentlich fo weit ausgeholt hat: das 
Buch ward natürlih auf biefe Weiſe flärker und er felbft ers 
hielt eine paſſende Gelegenheit, feinen Weisheitölram an dem 
Mann zu bringen. 


928: 


Mn malen un denn, uff Pc ltr | me Serben hdmen, berman am un von bene. 
gemesnin, fo [dmmersediuns- and anlemmit, tinshlitwdscweit 1 ( walkes: 





- beateiten:.. So ‚inıber Charalteriſtt Ruboi’s :l. (&. 6): 
vlluer hen, — des roõmiſchen iche ums fi 
Werkigu erhaiten, einſt 


fe 
Bolten purch il ank Gewalt: fiihnrauben:, fo. gefitl es bagegem- 


der ‚Berfehung ;. dem ahrifkticgen: Brünben: ars:öftseichiicen Staa⸗ 


tes» mit diclen Abtammıgu.feguen, durch bevm - Verchälichuiug: 
mit: onderw: Fürs er bie: Vergeßerung: Dfiueiche: anf das 
5* ch 


bwerträge: berbeiführte 
—— —— erhlelt und: bitshurdj.1ben:-hinmmtifhen 


Gegen für: feine: Ahaton⸗ und - feine, Mäßtgumg: über: ſich und 


feine Nachfolger in vollem Mafie:heubeirief." Abgefehradavom, 


daß bier Bergktichung ſches in formaler: Bezichung.. bedentend 
binke; fo: wink:md. ders Merfi) die Frage erlauben: wo lisgt 
denn das Rhmliche, wenn ein ‚beuticher: König. den 18. Jahr⸗ 


underte micht· ſo gemaitthaͤtige handelt als; die. rohen Söhne .eis: 
—— derkaum in ſeinen erſten Geunbzägen organiſirt 
iſt?: HE: basınidt eine: Apothevſe des habeburger Fürſten, die 
durch: ihren Phumpheit beinahe ehrenrũhrig wirh?2i Warum ver⸗ 
brepesbenn der. Verf. bie allgemein: bekannte Sache, daß naͤm⸗ 
lich einige der Sachlfürſten ‚gerade barum für Rubelf ſtimmten, 


weitsfie, zufälkig: unnermählt, auf. eine Berbindung ‚mit ihres. 
neutw. Rönigb: Töchtern [preulirten? Hubelf: hätte: mie zehn 
Sören: gefegmeti fein können, fie: münden. ihm. nichts geholfen 


haben; wenn birfer Zafall nicht im Spiete geweſen waͤrs. Daß 


abeen politiſche Seienthen ‚im: ganzen: Mittelalter gewoͤhnlich -ges.- 


weſen find, weiß Jehermann. 

Seiter unten beißt: ed: „Wie aber einſt ber redliche Fa⸗ 
brieius den. Epiroten⸗Koͤnig vor einer ſchändlichen Meuterei 
warnte, fo benachrichtigte auch Rudolf den König Ottokar von 
dem treuloſtn und mörderifehen Abſichten feiner naͤchſten Umge: 
bung, befigämte durch dieſen Edelmuth die Falſchdeit und Treu: 
loſigkeit ſeines erbittertftien und maͤchtigſten Gegners und ver: 
goß ſelbſt Thränen, als er den Etſchlagenen auf ber blutigen 
Wahiſtatt erblickte.“ Dee: Berf. hätte mit feinem Vergleich 


nicht auf DIE heidniſche Welt zurächugehen nötig gehabt; wir | 


wollen ihin ein naͤherliegendes Beiſpiel erzählen, von bem wir 
freilich füͤtchten müflen, daß es ihm nicht recht munben wird: 
Der große Söhenftaufe Friedrich II. war 1223, ohne vom Banne 
Yosgefprochen zu fein, in das heilige Land: gegogen; der Papft 


Gregor IX, trotg feiner 90 Jahre maßlos heftig und hierarchi⸗ 


ſchen Stolzes vol’, ſendete dem Kaiſer in das Land, welches 
einftens- Ieuge des friedlichſten und liebevollſften Wirkens bes 
Stifters einer Rellglon: gemefen war, bie: felbft den Feind zu 
achten. gebietst, ben Bannflruht zweiter Grades nah; Verwir⸗ 


nannten: chriſtichen Kirchengewalt. Die Tempelherren erfläns 
ten: z. Bi dem: Kalten geradezu, fit wollten ihn. in einen Ort 
werſen, ben: eu nicht wieder. virlaſſen wuͤrde; und ale derſelbe 
einmab:beabftditigte, ſichr im Jordan zu. baden, ſchrieben jene 


Diener der chriſteſchen Kirche dem Sultan Malek Kamel, dem 


damaligen: einde din Steiften im Oriente, er möchte bie: 
fen. exxo mmuni Mqfſuhrer dos chrifttichen Heeres überfallen 
und gefantgen nefmen, indem fie zugleich die Mittel angaben, 
wie dies bewerdſftelligt werden konnte. Der Sultan aber dachte 
edler und hochherziger: er vorachtete eine ſolche Verräthevei und 
überfendete feinen Felrbr ben Brief. Mi wollen: dem gewiſſen⸗ 
haften Benfaffer nicht zumuthen, dieſes Faebum zu glauben, wenn 
wir und nur auf akatholiſche Schriftſtoller berufen ; deshalb vers 
weisen wir auf Michand’s „Geſchichte der Kreuzzüge““. Daraus 
fieht aber auch der Verf., wenn er anders fehen will, daß fols 
he ſchoͤne Gharalterzüge, zue ‚Ehre der Menſchheit, nicht von 
folder Seltenheit find, um deshalb einen FBürften mit einem 
befondern Heiligenfchein umgeben zu können. Übrigens ift es, 
in wnfern Tagen befonders, das allerunbrauchbarfte Mittel zur 
Verherrlichung der Fürften, ihnen gewifle Tugenden als durch 
höhere Infpiration cigen beizulegen ober mit einer Art froms 


Chriften gu Tobayn beyesikiak Alk 


ein:: 
oft: bie Muͤdchen eines benachbarten 
it: 


fein redliches Herz 


(Der. —* felgt. 8 





Rotizen. | 
Suau de Barennes, Werf. der „‚Matelots parisiens unk- 
„Un diamant & dix facettes“ gab vor kurzem heraus: „L'habit 
d’un auteur_ eelähre,“ Zür_ben Juli iſt angelünbigt: „Davi 
mystere en cinq actes et en prose’, von Fra iloche. 
Unter: den belletriftiſchen und poetiſchen Gefhrinnigen ih * 
ner zu. nenwens „Enorence, pouaies“, vom Abolf Duntat; der 
dritte und vierte Mand.. von &; Gurt „Iran. Cnvalier‘ und 
beffelbeg, „Axentures, de deremle.hardi pu la.Guyang en 1772“ 
(untes der Pu); suise et Riom’’, von Paul be Muſſet; 


und’ ,,‚Fanny’’; zugteleh@ mit "ben, Aventures galantes de Mar- 


got!!, wabiden- „„Cousennes: da:blaetsV ' (3>:W%e,), von · Arfene 
Hay. Sc de Gisubinis . ‚Hiniles‘- ifh- zum zueitenmag 
aufgelegt werben und biefa A migı folgenden. ten Alte 
gekündigt: „Als der Merfafler . Diele. mente fehrieb, wer 


er noch Feine 20 Jahr alt; wir drucken fie wieder ab, ganz ja, 
wie fie im 3. 1 erfhienen find‘, ohne Zufäge oder te 
zungen. Die erzählten Facta find untergefchoben, aber. die ge 
Thächerten Minbräde find: wahr.‘ 


Dir „Bibliotheqye d’elite”’" von Ch. Goffelln brachte vor. 
kurzem einen Band, welder ausfchließtich Überfegungen aus 
dem Deutfchen gewidmet iſt; er enthält die beiden ‚Kauft‘ vom 
Goethe, ferner Sedidite und Balladen von Goethe, Schiller, Buͤr⸗ 
ger, Klopftod, Schubart, Körner, Uhland, ſaͤmmtlich überfegt von 
Serard. Gerard hat, was wir.im Ganzen nur billigen können, 
den zweiten Theil des. ‚Kauft aller jener feltfamen Gcheimniffe 
und Zuthaten beraubt, melde namentlich für ‚die. franzäfifchen 
Leſer die Lecture diefes Theils fo fehwierig und faft. ungenießs 
bar machten; er. hat für geeigneter gefunden, fie. durch eine 
Einleitung, und. cine umfaffende Eritifche Abhandlung zu erfegen, 
um das Verſtaͤndniß des merkwürdigen Gedichte den. Franzoſen 

erleichtern. Intereſſant wird es fein, die Gerard'ſche Üker: 
ung ber beiben, „Fauſt“ mit der von H. Blaze zu verglei= 


den, die einen Beſtandtheit der „Bibliotheque Charpentier” 


bildet, der Großherzogin von Sachſen⸗Weimar gewidmet und eben⸗ 
falle mit Noten und Erläutesungen, wie mit Studien über 
Goethe, verjehen fein wird. 


Angekündigt ift: ‚„‚Histome de l’invention: de l'keprimerie- 
par les monuments; album typographique exeeut6- a l’ooca- 
sion du jubil& europeen- de: l’invention de l’imprimerie.’”’ Die 


exſte Lieferung enthält. unter Anderm „La dedicaoe: A Jena 
zung, Veenloßgkels und Verrath warın bie Volgen: dieſer foges ‚a jeferung enth u 
rakteren; „L’introduction: Elé«ments materiels:.de Fimprimenie 


utenberg”’, als erfte Probe einer neuen Art von Schrifecha⸗ 


avant Güte +, ferner eine- Butenbergeame, Druck : in 
Gold. und verſchiedenen Farben; fechs Zeichnungen. von A 


Bi ebokır in Dürffelborf, welche mehre Sujets aus Butenberg’s 


barflellen u. f. w. As Denkmale enthält bie erſte Oie⸗ 
ferang: die Rubimente des Buchdrucks und bie Eharalters ber 
erften mainzer Gutenbergbibel, die zweite Lieferung die Sharak⸗ 
tere der zweiten mainger Bibel (Fuſt und Schäffer). Die Bere 
leger find Eugene Duverger in Paris und Treuttel und Würt 
in Strasburg. - 5, 


Dex bedannte Verfaſſer bex.,,‚Incidents of travel’, Hr. Ser 





phens, welcher. von ber Regierung. ber Mereinigten. Staaten mit 


einev Specialmiſſion nach Guatemala. gefanbt worden, bat, 
da fein: diplomatifcher Zweck bei dem gegenwärtigen anarchiſchen 
Zuſtande Mittelamerikas verfehlte ift, fich entfchloffen, feine 
Reife zur Unterfucang. der "Möglichkeit einer Kanalverbindang 
zwifchen bem atlantifchen und bem ſtillen Dceane, ſowie auf der 
Vorſchlag Gen. Catherwood's, eines Künftlers, zur Beſichtigung 
der für den Geſchichtsforſcher merkwuͤrdigen Ruinen von Pal⸗ ʒaue 


zu benußen. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von 5. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Nr. 229, — 


16. Auguſt 1840. 





Leben und Briefe von Adelbert v. Chamiſſo. Her⸗ 
ausgegeben durch Julius Eduard Hitzig. Zwei 
Baͤnde. 

(Beſchluß aus Nr. 228.) 

Unter dee Überſchrift: „Einzelne Züge zur Charakte⸗ 
riſtik Chamiſſo's“, hat der Herausgeber noch manche Par⸗ 
tien im Bilde ſeines Freundes ſorgfaͤltiger beleuchtet. Auch 
wer Chamiſſo nicht aus deſſen Werken, ſondern nur aus 
dieſer Biographie kennen gelernt hat, muß das Bild eines 
Menſchen gewonnen haben, der zu den Seltenheiten un⸗ 
ſerer Tage gehoͤrt. Aus dem Lande der feinen Geſellig⸗ 
keit und ſich in ihrer Äußerlichkeit bruͤſtenden Civiliſation 
ſehen wir einen Mann hervorgehen, deſſen durchaus ſchlich⸗ 
tes, reines und kindliches Weſen nichts von den vater⸗ 
laͤndiſchen Formen an ſich traͤgt, ſondern unter einer nicht 
abgeſchliffenen, ſelbſt rauhen Schale deutſche Gediegenheit 
in ſich ſchließt und einer Unſchuldswelt angehoͤrt, welche 
mit den Anfprüchen dee Gegenwart ſehr contraſtirt. Wir 
finden in ihm ben teinften Sinn für die Natur und ihre 
ungetünftelten Verhaͤltniſſe, woraus ſich auch feine Vor: 
liebe für Naturvoͤlker und folche dichterifche Stoffe erflärt, 
die einer andern als unferer europdifch=civilificcen Wett 
entnommen find; auch feine religiöfen, nicht immer kirch⸗ 
lich = confeffionellen Anfichten weifen auf dieſe vorberr: 
fhende Richtung feines Innern hin. Wir fehen dieſen 
Mann bis an fein Lebensende erfüllt von reinem Etreben 
und raftlofer, uneigennügiger Thaͤtigkeit, allem Guten, 
Wahren und Schönen nicht bios befchaulich zugewendet, 
fondern daffelbe fhöpferifh und mit Gluͤck auszuprägen 
bemüht, durchdrungen von der edelften Sefinnung und 
mufterhaft in allen Lagen de& Lebens. Daß ein folder 
Mann, treu und lauter wie Bold, aud ein feltener 
Freund gemwefen fein müſſe, beweift da6 ganze Buch, und 
namentlich fein inniges Verhaͤltniß zum Herausgeber von 
früher Sugendzeit biß zum Tode. Hr. Hitzig, genoͤthigt 
bei diefer Gelegenheit von ſich zu fprechen, thut Died mit 
der liebenswürdigften Befcheidenheit, die ihn jedoch hin: 
dert, ganz gerecht gegen ſich felbft zu fein. Es ift gewiß 
kein „gewöhnlicher Geiſt“, der foldhe Freunde anzieht und 
bindet, wie fie Hr. Higig befeffen hat und noch befikt; 
es müffen mol zu ber von ſich eingeflandenen „aufrichti: 
gen Anerkennung höher Begabter, zu dem freunolichen 
Weſen, der verträglihen Gemüthsart” u. f. mw. ſich noch 


andere tiefer liegende Eigenfchaften geſellen, es muß eine 
geiftige Ebenbürtigkeit vorhanden fein, wenn ſolche Sreunds 
[haften beftehen follen, wie fie zwiſchen dem Derausgeber 
und feinen literarifch berühmten Sreunden vorgelommen find. 
Alfo nicht blos jene leichte Auffaffung, paffive Empfäng: 
lichkeit und die „weibliche“ Fähigkeit, fich in die Innern 
und dußern Intereſſen der Freunde hinein zu denken und 
zu fühlen, wie Hr. Higig meint, fondern auch ein pofitis 
ves Sewähren, Ergänzen und Ausfüllen, welches nur ein 
wahrhaft geift: und gemüthreicher Mann poetifchen und 
deshalb ber realen Welt lets etwas entfremdeten Naturen 
zu leiften vermag, verband ben Derausgeber mit feinen 
Sreunden, unter welchen gewiß Chamiffo am meiften in 


dem Halle war, fi) der Vorzüge Hitzig's zu erfreuen, deſ⸗ 


fen Weltweisheit, um nicht zu fagen Weltverſtand, feiner 
Dichtereinfalt, wie die Ulme ber Rebe fo fehr zu flat 
ten fam. 

Zu den Beilagen des erften Bandes gehören noch 
einige merkwürdige Actenftüde. Zuerſt ein Brief Bachas 
rias Werner's an Chamiffo von 1806, ganz In ber bes 
fannten manierirt=religiöfen Weife, in welcher immer ein 
trübes, finnliches Element nicht zu verfennen iſt. Dage⸗ 
gen rein wie blauer Himmel erfcheinen acht Briefe des 
damals 17jährigen, fpäter fo berühmt gewordenen Theo: 
logen Auguft Neander, voelche ein wichtiges Beugniß für 
die Entwidelung diefes hodzbegabten Mannes ablegen, ber 
als Mitglied der Nordfternvereinigung die von Platon und 
Chriftus ſchwaͤrmeriſch begeifterte, kindlich fromme und reine 
Seele den Freunden erfchließt. Sonderbar flicht gegen ben 
Inhalt diefer Briefe die dritte Beilage ab, welche ſich 
ganz auf den Kreis der weltlichen Stau v. Stael bezieht 
und ‚Petite poste’ Überfchrieben ift. Unter diefem Namen 
fand nämlich in Coppet eine eigenthümliche Unterhaltunges 
weife flat. Man faß dort in den Stunden des Zuſam⸗ 
menfeins am grünen Tiſche, worauf ſich Schreibmateria: 
lien befanden, und anftatt eines allgemeinen Geſpraͤchs zu 
pflegen, unterhielt man ſich fchriftlich unbelaufht mit Ein- 
zelnen, indem fich Fragen und Antworten auf Streifen 
Papier aneinanderreihten, die zwifchen je Zwelen hinuͤber⸗ 
und herübergereicht vourden. Durch diefes Spiel, welches, 
Petite poste genannt, zu Scherz und Ernſt wohl taugt, 
verfegte fid) Frau v. Stael gleichzeitig in tete-A-tete mit 
jedem ihrer Säfte, was begreiflicherweife häufig eine fehe 


i. 93 Zn 


angehende und pikante Unterhaltung gab. In dem Nach⸗ 
laſſe Chamiſſo's hat fi nod eine große Anzahl bdiefer 
Sorrefpondenzblätter vorgefunden, aus welchen hier eine 
artige Auswahl mitgetheilt wird. 

Der zweite Band entgält in den Beilagen mehre Briefe 
Chamiſſo's aus Teiner Corsefpondenz mit Dichtesn, mament: 
lich mit Anderfen in Kopenhagen, Braunfels, Simrock 
und Sreiligrath, welchen er vorzüglich hoch hielt; fchöne 
poetifche Nachrufe auf Chamiffo’d Tod von v. Stägemann, 
Anderfen und Gaudy, der nun bereits auch zu feinem 
Freunde heimgegangen ift; eine Nachlefe zu Chamiſſo's 
Gedichten im dritten und vierten Bande der Werke und 
einige deſſelben in Proſa, naͤmlich eine Anzeige 
der Gedichte von Freiligrath im „Geſellſchafter“, Juni 1838, 
"die Vorrede zur Überjegung des Beranger: über Beran- 
ger und das frangöfiiche Volkslied, und Fragmente aus 
einer in der berliner Akademie der Wiſſenſchaften gehalte⸗ 
nen Vorleſung dıber die hawaiiſche Sprache. 

Bine fchöne Zugabe diefer Biographie iſt das fauber 
geſtochene Bild von Chamiſſos Geſtalt nach einer Zeich⸗ 
nung des Malers Weiß, „der in Chamiſſo's letzter Krank 
heit und in der Todesnoth wie ein treuer Sohn nicht von 
feinem Lager wich“. Es zeigt den Dichter in der Haus: 
Meldung unter den hoben Bäumen feines Gartens mit 
der geliebten Pfeife auf einem mericanifchen Stuhle figend, 
am welchem ach Muͤtze und Stock fich befinden. „Man 
meint”, fagt Hr. Hitzig, „den theuern Freund und bie 
von ihm unzertrennlichen Umgebungen vor fih zu fe: 
ben. Aber wie er ausfah, wenn ein Freund kam und er 
aufſtand, um ihn zu empfangen, das kann kein Pinfel 
malen, das kann nur das dankbare Herz Dem wieder vor 
die Seele rufen, der es erfahren.” 

Das Werk ift „Den Vorangegangenen‘‘ gewidmet, den 
Theilnehmern an bem fchönen Kreife, welcher ſich in der 
Fülle jugendlichen Strebens ben Polarflern zum Symbol 
outer. Diele der edeln Genoſſen find bereits „vorausge⸗ 
gangen”, an Alle aber iſt ber Spruch gerichtet: 

Ein Stern eiat’ hier uns Brüber. . 
Ein’ uns Ein Stern bort wieder! 58, 





Die neuefte Gefchichte ber Menfchheit. Vom Anfang ber 
franzöfifchen Revolution bis zu unfern Zagen. Erſte 
Abtheilung: Frankreich und Oſtreich. ine Gegenein- 
anderſtellung ber Refultate des unchriſtlichen und chriſt⸗ 
lichen Principe. Bon J. A. Booſt. Zweiter Theil. 

GBeſchluß aud Nr. 229.) 


ehle, “ 
e 
Charakter ung im Ganzen 
zii macht; ber gweite Theil dagegen leibet an einer ar: 
gen Oberflaͤchlichkeit. Welchen Zweifeln und Bedenklichkeiten 


] die ga Sad nterworfen ift, bas hätte ber . ⸗ 
* n — und —**— zu 8 um — * 


icht ma ſollen, ba er ja belehren und berichtigen gu 
wollen vorgibt. Indeß, Unterfuchungen der Art vorzunehmen, 
konnte nicht im Intereffe bes Verf. liegen, fie mußten zu Zwei⸗ 
fan führen und dieſe warm natürlich nicht geeignet, feinem 
Areichiſchen Prinzen in das gernfinfcte Licht zu fehen. 
Nachdem der -Werf. die Auremburger Katfer (1308 — 1437) 
und ihre Zeit mit aller nur möglichen Oberflächlichkeit gewür- 
bigt hat, wenn man anders für ſolche Schreibereien biefen Aus: 
druck anwenden darf, kommt er wiederum auf feine Halbgötter, 
auf die Habsburger Fürſten. Bei diefer Belegenheit ift denn 
oft bie Rebe von den Ländererwerbungen berfelben; ſie find 
aber durchaus auf dem Wege des Rechtes und der Liebe ger 
madt worden. So heißt es 3. B. in der Charakteriſtik Maris 
., in ber That einer beffeen Weber wuͤrdig iſt, 
als der des Verf.: „Die alte Beftimmung Öftreiche, feine Ver: 
arößerung nicht auf dem Wege des Umrechtes und ber Gewalt, - 
fondern nur auf jenen bes Rechts und ber Siebe zu finden, 
follte nun auch bei Marimitian I. wieder in Erfüllung gehen, in= 
dem er feinen mit ber Maria von Burgund erzeugten Sohn 
Philipp, diefen Beſitzer der Niederlande, mit der Köntgstochter 
Johanna, der Erbin von Spanien, wermählte, aus weldyer Ehe 
ihm bald hernach zwei Enkel, bie nachherigen Kaiſer Karl V. 
und Ferdinand 1. entfproßten.” | 
Daß auch andere Fürſten, nicht blos die habsburger, durch 
polftiſch⸗ ſpeculative Heitathen fi auf rech tliche Weiſe Laͤn⸗ 
ber erwarben, iſt bekannt genug und mithin kein befonderer 
Rechtlichkeitsſinn des oͤſtreichiſchen Fürſtenhauſes dabei ſichtbar. 
Wenn aber dieſes Haus vorgugsweife aus Liebe feine Laͤnder⸗ 
vergrößerung gemacht haben foll, p möge uns ber Verf. einige 
Bedenklichkeiten anzuführen erlauben. War es vielleicht auch 
Liebe, als Albrecht I. feinem Reffen Johann das Grbcheil vor⸗ 
enthielt? Das wäre wol auch Liebe, als ebendeufelbe bie 
beiden Markgrafen von Meißen Briebrih und Diegmann, bie 
Lieblofigkeit ihres Vaters benugend, ihrer Länder zu 
berauben fuchte? Gr that es wol nur aus Liebe, als er Hol⸗ 
land und Geeland an fein Haus zu bringen bemüht war? 
Daß alle dieſe Abſichten keines Grfolge ſich erfreuten, aͤndert 
den Schluß auf die Geſinnung nicht ab. So b «6 wei 
ebenfalls aus Liebe, als öftreichifcge Kürften Polen erbrüden 
halfen? Aber Maria Thereſia und Fürſt Kaunitz vergoffen 
Shränen, wie uns gefanbtfchaftlidde Berichte erzählen, über bie 
porttifche Nothwendigkeit, fich ber ungereihten Bebietönengrößes 
rung. fügen zu mäflen; unb fie mwürben beibe, wenn fie bes 
Bert. Auferung noch im Grabe vernehmen Eönnten, biefelbe ents 
meber als niebrige Schmeichelei ober als hoͤhnende Satire mit 
Verachtung aufnehmen. Übrigens wärbe unfer Verf. wohlthun, 
ch etwas von ber chriftlichen Liebe amgueignen — von ber 
politiſchen Liebe wollen wir nidyt ceden —, bie mehr als einem 
Yürften bes oͤſtreichiſchen Hauſes, has ihm fo Liebeuoll und ine 
ſpirirt exſcheint, ſchon geziert hat und noch ziert. Davon if 
aber in feinem fogenannten Gefchichtöwerke keine Spur zu fin- 
den. Gr hat das Schwert noch umhaͤngen, das er früher, wie er 


fih in den fünblicden Kriegen Eubwig’s XIV., in ber moralis 

en Berworfenheit eines Drleans und Ludwig's XV., in der 
Auf ebung der Jefuiten (weshalb Pombal ein nichts: 
würbiger Minifter 


Buches zufalge fellte man deun doch wol eumarten, daß ber 
Verf. menigfiens den öſtreichiſchen Pringen volllommene Gerech⸗ 
tigkeit wiberfahnen laſſe. Aber auch das. if wicht des Ball. 
babı rg ale Fan a — Kr mit in 

. a un 
Dinge fogen wahrhaft haͤmiſchen Oberflaͤchlichkeit geſchil⸗ 


"dert. Denn dieſe Schilderung, die kuͤrzeſte von allen, hebt bei 


dieſer Kürze gerabe eine ber Gchattenfeiten non Maximilian's 
Regierung hervor, bie Behandlung bes Herzogs Friedrich des 
Mittleen von Garhien = Botba, ohne auch nur wit einer Sylbe 
zu erwähnen, daß ber Kurfürft von Sachſen, Auguft, weſent⸗ 
li dabei die Hand im Spiele gehabt habe und daß ber ſonſt 
fo milde Kaifer durch deſſen Einfluß und geheime Mittheiluns 
gen zur Haͤrte bewogen morben fei. Das Ende jener Schilde: 
zung aber ift mahrhaft perfid zu nennen, es lautet folgenber- 
mafen: „Mit dem Geifte ber Reformation nicht recht vertraut 
und ihre Folgen für die Staaten verfennend, ließ er ſich durch 
feine Dergensgäte verleiten, allenthalben den Wünſchen ber Pros 
tefbanten mit der größten Wittfährigkeit entgegenzulommen, Gons 
cefionen, die von feinen Borgängern nur durch die ſchwierig⸗ 
ſten Verhaͤltniſſe erzwungen wurben, ihnen nun freiwillig zu 
ertheilen und hierdurch dem Unxechte den Stempel bes eds 
tes aufzudrũcken.“ 


ſchrieb, als er die 


erzlich daß mein 
(Karl IX.) zu einem folgen ſchaͤndlichen Wiutbabe hat bereden 
toffen. Doch weiß. ich fo viel, daB mehr andere Leute ald er 
felber regieren. Aber nichtsdeſtoweniger läßt es ſich damit nicht 
befhönigen , iſt auch damit nicht ausgericht. Wollte Bott, er 
mic um Rath gefragt, wollte ihm treulich als ein Va⸗ 
ter gerathen haben, daß er dieſes gewißtid nimmermehr- mit 
meinem Rath gethan Hätte. Gr hat ihm (ſich) hierdurch einen 
Fieck angehängt, ben er wicht Leichttich ablegen wird. Denn ich 
höchtichen beforge, daB fie erſt mit ber Zeit erfahren werben, 
was fie Gutes damit gewirkt haben. Und es ift in der Wahr: 
heit nicht anders, als wie Ihr vernünftiglich fchreibet, daß Re: 
iigionsſachen nicht mit dem Schwerte wollen gerichtet und ges 


*, Er findet ſich in Goldaſt's, Constitutienibus imperli‘, X. 4, 
Mr. 0, S. 398, und daraus hat ihn Menzel entlehnt in fels 
ner „Neuern Geſchichte ber Deutfhen”, Bd. 5, ©. 38 u. 3. 


andexs Frieb⸗ 
. Zu dem, - 
Ehriftus und feine Apoſtel —* Anderes, fo gu und auch 


und ſoweit ſie Ehriſto nachgefolget, Ihnen nachzufolgen. u 
dem, fo follten bie tollen Leut nunmehr billig —— vielen 38 
ren geſehen und erfahren haben, daß es mit dem tyranniſchen 
Köpfen und Brennen ſich nit will thun laffen. Im Summe, 
mir gefällt es gar nicht und werbe es auch. nimmermehr Ichen, 
e8 wäre denn Sache, daß Bott über mid; verhängte, daß id 
toll und unfinnig würbe, bafür ich aber trenlich bitten will.‘‘ 

In ber Charakteriſtik Ferdinand's II., diefes echtkatholi⸗ 
ſchen Fürſten, wie der Berf. meint, heißt es: Ferdinand II. 
reinigte feine Erblande fo viel wie möglich von bem eingebrums 
genen Geifte der Reformation, ein zwar fehr fchwieriges Un⸗ 
ternehmen, das ihm jeboch in wenigen Jahren ohne Dragonas 
den und Bluthochzeiten, bios durch feine eigene Krömmigkelt 
und fürflliches Beiſpiel, wie durch feine muthvolle Stanbhafs 
tigkeit und Ausdauer größtentheils gelang.” Diefe Worte ins 
gen ſehr fchön, wenn fie nur auch wahr wären. Bon Böhmen 
wollen wir gar nicht reden; es iſt aber au) Das, was ber 
Berf. rücfichtli) feiner Erblande fagt, nicht einmal der Wahr⸗ 
beit gemäß. Zwar behauptete noch Schiller, ba Ferdinand in 
feinem Erbherzogthum ohne Blutvergießen ben Proteſtantis mus 
ausgerottet habe, allein die Briefe Kepler's, bie der Freihere 
von Breitfchwert im Leben dieſes Aſtronomen bekannt gemadht 
hat (Stuttgart 1831), beweiſen das Begentheil. Unſer Berf. 
weiß freiticy in ber Regel von bergleichen Gegenbeweifen nichts, 
oder will vielmehr nichts davon wiffen. 


Öftreihe Wohi ſtets beiorgte Vorſehung auch gleich feinen Baus 
der Leopold als Rachfolger herbei, einen Fürken- der fe 85 
Sahren fein Großherzogthum Toscana auf eine Art regiert 
hatte, daß der Ruf feiner ausgegeichneten Regentengaben allents 
halben vor ihm herging und ihn als.ben „‚WBeifen“ begeichnete.’” 
Man kann biefes Urtheil recht gern unterfchreiben. Hatte er 
aber ſich eines viel beſſern Dankes zu erfreuen .ais fein DVruber 
Joſeph, trogbem daß er beimeitem umfichtiger und gemä 
ter zu Werke gegangen war als der Lektere? Wurben: n 
beinahe alle neuen Inftitutionen und diejenigen Perfönlichkeiten 
in Zoscana verfolgt, die dabei befonders thätig gewefen waren 
und Leopold's Beſtrebungen unterftäht. hatten? Welchen Von 
folgungen war der Biſchof von Pifloja und Prato, Scipio 
Ricei (geft. 1810), Leopold’ Freund ausgefeht? Die Verfol⸗ 
ger gehörten derſelben Partei an, die an unferm Verf. einen 
fo eifrigen Verehrer gefunden Hat. Wer fich. übrigens über die 
Sache felbft aufllären will, den verweilen wir auf Potter’s 
„geben und Memoiren bes Scipio Ricti“. 

Wir glauben durch unfere Deittbeilungen das vorliegende 
Bud Hinlängrich geſchildert und zugleich eine Pflicht erfüllt zu 
haben, die darin belebt, ſolchen Radhtvögeln auf dem Gebiete 
der Literatur Feine Rubeftätte zu laſſen. 54, 





Neueſter Auffhwung der periodifhen Lite: 
ratur in Darmfladt. 
j Darmftaht, Zuli 1840, 
Die periobifche Literatur in Darmfladt zehrt feit Jahren 
an ben alten Broden; auch fchten keine —* dazu da, einige 
neue Gerichte auf den Tiſch geſetzt zu ſehen. Denn die Erlaub⸗ 
niß dazu haͤlt ſchwer oder muß bei manchen Perſonen für un⸗ 
moͤglich gelten, wie z. B. ſchon vor ſechs Jahren um die Er⸗ 
laubniß zur Herausgabe einer,Deutſchen Rechtezeitung““ von eie 


‚nem biefigen, auch als Literaten wohlbekannten Hofgerichtsad⸗ 


| bi t ward. Außerbem iſt bas 
—ãEE — a en Dingen ‚ unb es besiebt, 


was die „Broßherzogtich Heſſiſche Zeitung‘ ihm nicht ar? 


billigen fes aus Frankfurt. Unter biefen Umſtaͤnden 
boppeit — Erwaͤhnung werth, wenn ſich's im Hexenkeſſel ber 
darmftäbter periodiſchen Literatur, allerdings etwas tief, wo bie 
Knochen unb Beilagen liegen, wieder einmal vegt. GE iſt doch 
ein Lebenszeichen und wer weiß, ob nicht eine der Eettern, wels 
die jetzt von Bierpreifen und Mezgerfeilſchaften ins PYublicum 
die vermehrte Kunde bringen, bie Springwurzel ift, welche einſt 
Preßfreiheit und was all noch hervorgaubert. 

- Bisher befiand ein „Allergnaͤdigſt privilegirtes Frag⸗ und 
Anzeigeblatt”’ in Darmfladt. Es hieß im Munde bes darm⸗ 
fädter Volks „Das WBlättchen‘ und erſchien Samſtags, Hatte 
aber ſchon vor mehren Jahren eine „Beilage ſich zugelegt, 
weiche Mittwochs aus bes Prefie ind Yublicum fprang und fo 
doch einigermaßen bie fonft zu langgebehnten Interefien bes 
Yublicums vermittelte. Damit wäre man noch lange zufrieden 
gewefen. Aber ein unternehmender Buchdrucker kam auf ben 
Gedanken, an vier andern Wochentagen noch einen „Darmſtaͤd⸗ 
ter allgemeinen Anzeiger“ erfcheinen zu laſſen. Gr erfchien ale 
gefährlicher Goncurrent bes „Frag⸗ und Anzeigeblatt”. Aber 
noch ein anderes Inftitut wurde dadurch gefährbet: „Das 
Kirchenblättchen”, durch welches man biß dahin erfahren hatte, 
wer an Gonns und Feiertagen in ben evangelifchen Kirchen 
der Gtadt Darmfladt prebige. Gin bebeutfamer Wettlauf ent: 
fand. „Das Kirchenblaͤttchen“ behielt zwar bisher feinen alten 
Witwenfig, deſto rühriger aber zeigten fidy bie zwei andern 
Blätter. Das „Frag⸗ unb Anzeigeblatt“ dachte auf Reformen. 
Es machte feine Mittwochsbeilage zu einem ‚‚Berorbnungsblatt””, 
richtete fi) überhaupt etwas anders ein und gibt nun ebenfalls, 
wer in ben evangelifhen und katholiſchen Kirchen Darmſtadts 
predigt. Aber die „Kirchliche Anzeige” (ein Scößling bes 
neuen ‚„‚Darmftäbter allgemeinen Anzeiger‘) hat auch ba übers 
flügelt. Sie gibt nämlich zugleich die Wochenevangelien,, bie 
Wochenepifieln, bie Zerte, die Lieber, die gefungen werden, und 
bat das Alles auch aufs benachbarte Dorf Beffungen ausge: 
dehnt. Unterbeffen fchreitet der ‚‚Darmftädter allgemeine Ans 
zeiger“ ebenfalls feinen Bang; weil das Ungewohnte lockt, fest 
ee manche Anzeigen verkehrt, baß man das Blatt völlig um: 
drehen muß, wenn man fie lefen will. In ber „Kirchlichen An: 
zeige“ find zeitweife ganze Prebigten als Beilage verfprochen, bie 
aber dann ertra — vom Publicum — zu bonoriren find. 87. 


Die Hiftorifche Bedeutung des 1. Junius 1840, ausge: 
fprochen bei dem Feſtmahle der Stadt Berlin zur Feier 
des hundertjährigen Regierungsantritts Friedrich's des 
Großen von J. D. €. Preuß. Berlin, Dunder u. 
Humblot. 1840. 8. 2 Gr. 0 

Die Verdienfte des Hrn. Preuß um die vaterländifche Ge⸗ 
ſchichte und die vorzugsweife bedeutende Erneuerung, welche 
durch feine meifterhafte Biographie dem Andenken des großen 

Königs zu Theil geworden ift, find zu hinlaͤnglich befannt, ale 

daß fie jest einer wiederholten Erwähnung bebärften. Daher 

Haben wir an der von ihm am 1. Juni gehaltenen Rebe 

nur bie große Lebendigkeit des Vortrags und die Präcifion in 

Bufammenfaflung der Thatſachen zu loben, die ein neuer Beleg 

dazu find, daß bei deutſchen Keftmahlen ebenfo gut ergreifend 

und zur allfeitigen Befriedigung einer großen Zuhörerfchaft ges 

fprocden werben Tann als in England und Frankreich. 11. 


Literarifhe Notizen. 


Die franzöfifcge Regierung bat feit einigen Jahren mehr 
ald irgend eine andere den Druck wichtiger ftatiftifcher 


Documente befohlen. Dahin gehören unter Anberm: ‚‚Netices 


stati es sur les colonies francaises, imprimdes ordre 
du ministre de la marine 'et des colonies? (8 Be, Paris 
1857 — 89). Der erfle Theil dieſer ſtatiſtiſchen Notizen über 
die franzoͤſtſchen Golonien beginnt mit einem Überbikd ber 
fämmlichen Golonien, der Natur ihrer Bevoͤlkerung, der Geſetze, 
worunter fie ſtehen, ihres Verwaltungeſyſtems, ihres Landbaus 
und ihres Handels. Man begreift, daß fo verſchiebene und To 
weit voneinander entfernte Niederlaſſungen, wie die franzöfi: 
ſchen Golonien find, wenig Gemeinſchaftliches miteinander haben 
Tonnen. Die Notizen gehen daher gewöhnlich ſchnell in bie auf 
jede Colonie, für ſich betrachtet, bezüglichen Details ein. Die 
zuerft genannte iſt Martinique, darauf folgt Euadelqupe, d. h. 
die beiden Sterne, die Frankreich von feinem reichen Diabem 
von Infelcolonien in Amerika geblieben find. Der zweite Spell 
der Notizen umfaßt bie Infel Bourbon und das frangöfifche 
Guiana, der dritte bie Nicdertaffungen in Indien, ben Gene: 
gal und feine Pertinentien; ber vierte endlich wird bie Inſeln 
St.⸗Pierre und Miquelon, die Niederlaffungen auf der Hüfte 
von Madagaskar und zuletzt eine allgemeine Überſicht ber Co⸗ 
Ionien umfaſſen. Algier ift unter die vorſichtige und friedliche 
Berwaltung bes Miniſters der Marine nicht mit inbegriffen; 
es iſt abhängig vom Kriegsminifter und ſcheint lange noch die 
Kriegsichule des franzöfiichen Heeres, cher als eine Rieberlafs 
fung für Aderbau und Handel, fein zu follen. Der jede Co⸗ 
lonie inöbefondere betreffende Artikel ift eine intereſſante Stati⸗ 
ſtik, worin bie Materialien zwar nicht ſehr reichlich, aber auf 
die deutlichſte Weiſe angeordnet find. Das Werk enthält be= 
fondere Gapitel über die Geſchichte jeder Golonie, über bie To⸗ 
pographie der in Wefig genommenen Punkte, über bas Klima, 
bie Bevölkerung, die Regierung, bie allgemeine Gefehgebung, 
bie Rechtepflege, die Kriegsmacht, das Finanzweſen, die natürs 
lichen und Zeldbauproducte, die Gewerbe, den Handel und alle 
Ginrichtungen zum allgemeinen Beſten. 


Da es mandem Lefer diefer Blätter nicht unıntereffant 
fein mag, zu erfahren, was auf dem Gebiete der Philofophie 
in —— Neues erſcheint, fo können wir nicht umhin, fol⸗ 
gendes Wert: ‚„Essai d’une philosophie sans systeme ou d’in- 
ductions philosophiques d’apres des faits gäneraux et non 
contestes’’, von Hrn. Rogniat bem Altern (2 Bde., Paris), 
kurz zu erwähnen. Cine Philofophie ohne Syſtem, gebaut auf 
allgemeine, nicht beftrittene Thatſachen, wäre gewiß etwas Neues, 
noch nie da Geweſenes; denn erftens pflegen die Worte Philos 
ſophie und Syſtem fo miteinander verbunden zu werben wie bie 
Korm mit dem Wefen, die Wirkung mit der Urfache, die Ber: 
wirkiihung mit dem Begriff, ber Ausbrud mit dem Sinn; 
zweitens bat es wol noch nie Thatfachen gegeben, bie, wenn 
auch an fi undeftreitbar, nicht von Diefem oder Jenem befiritten 
worden find. Zweck bes Verfaſſers ift, bie Philofophie ein⸗ 
facher, den Gebildeten überhaupt zugänglicher zu machen unb 
biefelbe auf gewiſſe und unzweifelhafte Srundlagen zu bauen, 
was allerdings ein Iobenswerthes Beſtreben if. Doch bringe 
er uns in der Hauptſache nichts Neues. Er ift ein Schüler 
Baco's von Berulam. Mit Philofophie ohne Syſtem meint er 
eigentlich nur eine auf die Erfahrung und nicht auf bloße 
Speculation gegründete Philoſophie. Gr theilt feinen Verfuch in 
ſechs Bücher ein. Das erfte Buch handelt von den Wefen übers 
haupt, das zweite von Gott, das dritte von dem organifchen 
Leben des Menſchen, das vierte von dem fittlidden und vers 
nünftigen Leben bes Menſchen, das fünfte von dem menfchlis 
hen Verſtande und das fechste von dem Zuſtande des Wiens 
fen auf der Erde. Man ſieht es beim erſten Blid, es gibt 
wenig wichtige Fragen, die nicht in diefen Rahmen eingefaßt 
werden Zönnen; man muß insbefondere alle diejenigen darin 
finden, welche ben Menſchen und die Menſchheit intereffiren ; 
diefem Theil hat auch der Verf. die größte Ausdehnung und 
Aufmerkſamkeit gefchentt. 13, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Druck und Verlag von F. U. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Montag, 





17. Auguſt 1840. 





Vorleſungen uͤber die Geſchichte der Poeſie, gehalten 
zu Dresden und Berlin im I. 1837. Bon E. Fort: 
lage. Stuttgart, Cotta. 1839. Gr. 8. 2 Thlr. 

Bliebe vorliegendes Buch in einem Kreife flehen, der, 
nicht mit der foftematifchen Fortbildung der Wiffenfchaft 
in fich concentrifh, vielmehr die Vermittelung ihrer Auf: 
foffung für ein größeres Publicum, ihre allgemein faßliche 
Behandlung und Betrachtung zur Aufgabe hat, fo wuͤr⸗ 
den wir fein Bedenken tragen, es, ungeachtet der Unvoll: 
kommenheiten einzelner Theile und des Ungenügenden ſei⸗ 
ner Grundlagen, als eine hoͤchſt zweckmaͤßige Arbeit innerhalb 
diefes Kreifes zu begrüßen. Denn es befigt gerade diejeni⸗ 
gen Vorzüge, welche für ein Werk von der bezeichneten 
Art ebenfo wünfchenswerth als felten find: Mare, fogar 
geifteeiche Anfhauung, gerandte, ſchoͤn gegliederte Darftel: 
lung, blühenden Styl, feine, wohltlingende Sprache. Bier: 
über feine Mängel zurüdzuftellen, wäre um fo leichter zu 
verantworten, als die Richtung des Buches diefelben ale 
großentheils unfchäblid erkennen ließe und überdem die 
Schwierigkeiten, welche mit ihrer Umgehung verfnüpft find, 
duch das Worhandenfein jener Vorzüge eher noch geſtei⸗ 
gert würben. 

Statt deffen aber begnügt es fich nicht mit der fichern 
Wirkung, die es in jener Sphäre maden, und mit ber 
Anerkennung, die es dabei von ber Kritik finden würde, 
fondern ſtellt fi) in einen Gegenfag gegen bie bisherige 


“ Auffaffungsweife der Gefchichte der Poefie, welcher feine 


Anfprüche auf wiffenfcaftliche Geltung zur Genüge kund⸗ 
gibt. Der Verf. macht in der Vorrede (S. xıı fg.) der: 
jenigen Behandlung dieſes Segenftandes, welche von Schle: 
gel und nachmals von Roſenkranz ausgegangen iſt, und 
wornach bie Poefie als eine Folge weltgefchichklicher Ent: 


wickelungsſtufen betrachtet wird, den Vorwurf der Einfei: 


tigkeit und Oberflächlichleit; er vermißt „die genaue Schi: 
derung und Charakterifirung des Schoͤnheitsideals, welches 
ſich bei einer Nation von Anfang bis zu Ende ihrer poe: 
tifchen Entwidelung als durchgreifend wirkſam zeigt, nebſt 
einer möglichft genauen Bezeichnung ber Gontrafte, melche 
zwifchen den verfchiedenen poetifchen Idealen als Darftels 
lern verfchledener pfochifcher Drganifationen oder National: 
charaktere ftattfinden.” Hier iſt aber zuvoͤrderſt nicht ab: 
zufehen, wie biefe Charakterifirung jener angeblich einfei: 
tigen Anficht gegenüberzuftellen fei, da fie doch vielmehr 


in ihr, fo weit nöthig, enthalten iſt. Der Geift in feiner 
unaufhoͤrlichen Bewegung kann in keinem Volke zu einem 
Typus erftarren, der noch ein wirkſames Beftandtheil des 
Geiſtes in fih tragend, doch außerhalb jener Bewegung 
ftunde. Darum kann jene Charakteriftit nicht anders als 
innerhalb des gefchichtlichen Standpunfts angenommen und 
begriffen werden; darum wird fie aber aud) von jener Bes 
wegung fo viel in fi aufnehmen müffen, als biefelbe 
auf die Entwidelung und Fortbildung des Volkscharakters 
Einfluß gelbe hat. Niemals ift der Charakter eines Volke 
zu jeder Beit ein und berfelbe, und wenn der Verf. blos 
bie immanenten Beftandtheile deffelben, diejenigen, welche aus 
Berhalb der fortfchreitenden Bewegung ftchen, zu Ausgangs: 
punkten feiner Betrachtungsweife nimmt, fo kann er nicht 
fagen, eine Charakteriſtik irgend eines Theiles des Wolke: 
geiftes gegeben zu haben. Wo er das Richtige zu fagen 
meint, da fchildert er in der Regel nur die eine Seite 
dee Sache, und nur dann trifft er das Wahre, wenn er 
diejenige Seite herausſtellt, welche für eine gewiſſe Zeit 
der Bewegung des Geiſtes zugewendet war und an wels 
cher fich diefelbe nachhaltig Außerte. 

Sodann liegt ein fernerer Irrthum in der Anficht, als 
ob „mehre einzelne Ideale als Mufter entgegengefegter Schoͤn⸗ 
heit ſchleunig und groß aus ber menfchlichen Phantafie 
ſich erhoben und nach ihrer Entgegenfegung entgegengefeßte 
Nationen zu ihrer Darftelung entflammt” hätten (8.2). 
Wenn der Verf. als diefe Ideale das der plaflifchen Schön: 
heit in der griechiſchen Kunft, das der muſikaliſchen ober 
herzergreifender Schönheit bei ben Arabern und ihnen vers 
wandten Völkern, das phantafiereicher Schönheit im uͤbri⸗ 
gen Driens, bei Indern und Chinefen zu erkennen meint, 
fo liegt Hierin ein völliges Verkennen der gefchichtlichen 
Idealbildung. Wir Eönnen nicht fo viel einzelne Ideale 
annehmen, als wir verfchiedene Richtungen des Geiſies in 
Bezug auf die Kunft nebeneinander beftehend finden; viel 
mehr ift das Ideal ein und daffelbe, und nur bie Geftals 
tungen, die es in ber Entwidelung des Geiſtes innerhalb 
der Gefchichte gewinnt, find verfhieden, und biefe Geftal⸗ 
tungen liegen wiederum nicht im Raume, fondern in ber 
Beit, fie ſtehen nicht nebeneinander, fondern fie folgen 
nacheinander. Die Aufgabe der Wiſſenſchaft ift es mit 
hin, nachzuweiſen, wie biefe verfchiedenen gefchichtlichen 
Ideale als ber gemeinfchaftliche Boden der geiftigen Vor⸗ 


Docaten (Wopp) vergeblic 
Yublieum gienli Kt 


Hi ifes aus Braı 
— —— x 


en jen und wer ı 
die jegt von Bierpreifen ur 
—2 —* Kunde, Bringen 
eit und was all ncı 
Bisher befland ein „Au 
Angeigeblatt”’ in Darmfladt. 
ädter Volks „Das Blaͤttchen 
aber ſchon vor mehren Iahrı 
weiche Mittwochs aus der Pre 
doch einigermaßen bie fonft 3 
Yublicums vermittelte. Damit 
gewefen. Aber ein unternehm« 
Gedanken, an vier andern Wod, 
ter allgemeinen Anzeiger” erfcher 
gefäprlicher Goncurtent bes „Brc 
noch ein anderes Inftitut wur- 
Kirchenblättchen‘”, durch welches . 
wer an Gonns und eiertagen 
der Stadt Darmfladt prebige. & 
fand. „Das Kirchenbiaͤttchen be, 
Witwenfig, deſto rühriger aber ; 
Blätter, Das „Prags und Anzeige 
&8 machte feine Mittwochsbeilage zu 
richtete ſich überhaupt etwas anders 
wer in den evangelifhen und Fathı 
predigt. Aber die „Kirchliche Anz 
neuen „‚Darmftädter allgemeinen An 
ae. ie gibt nämlich gugleich 
;ochenepifteln, die Terte, bie Eicder, 
hat das Ales auch aufs benachbart 
dehnt. Unterbefien ſchreitet der „D 
zeigen” ebenfalls feinen Gang; weil ı 
es manche Anzeigen verkehrt, daß m 
drehen muß, wenn man fie lefen will. 
zeige‘ find zeitweife ganze Predigten a 
aber dann extra — vom Yublieum — 





Die hiſtoriſche Bedeutung des 1. 
ſprochen bei dem Feſtmahle der 
des hundertjährigen Regierungs 
Großen von 3. D. €. Preuß. 


Aumhlat ARAN R 9 Ar 






Hi 











er ſolche Außerlihe Kategorien, uͤber 
men, ja ins Spielende uͤbergehende 
Scheidungen hinaus; — wo man fie 
dem Kreiſe der Wiffenfchaft ats ihrer 
aus geſchieden werden, und felbft für 
intismus find zeitgemäßere und geis 
ıg6tweifen vieleicht nicht mit Unrecht 
2. 





the rise, progress and decline of 
Poland and of the influence which 
trines have exercised on that coun- 
»ral and political respect. By count 
. Bweiter Band. Londen 1840.* 
und ‚religiöfen Parteien in England 
darin enthaltenen Argumente bemaͤchtigt 
Sache zu verſtaͤrken und dfe der © 
nicht allein in wiſſenſchaftlichen, politis 
Atfchriften, fondern auch in bedeutenden 
Deertinge des Werts umftändlic Erwaͤb⸗ 
ft es vielleicht von Intereffe, nachzuwei⸗ 
efhiedenen Parteien fich deffelben bemädhs 
irtſame Waffe zu gebrauchen. Der Zweck 
n, die polmifche Sache, die durch die Zeit 
the unmittelbar das engliſche Volkeleben 
den Hintergrund gebrängt, ja faft eins 
e mächtige Partei anzufchließen und ges 
einfchaftlichen proteftantifgen Standpunkt 
iſch⸗ proteftantifche und die polnifchs na⸗ 
Bu dem Ende weift er in feinem Werte 
ber Reformation in Polen im Zeitraum 
Yunbert foche Fortfchritte gemacht hat, 
dee den Katholicismus gang gewiß ſchien. 
n dem nädjften halben Jahrhundert, trot 
tung, der Proteſtantismus durchaus un⸗ 
jtet worden. Kraſinski weift ferner nach, 
he Reaction in Poten nit, wie «6 ber 


Bpanien geweien, durch bie flarke Yand 


ten Autorität bervorgebradht worden fel, 
te prineipientofe Faetlon, die von ben Ges 
egs unterflügt war, fondern in Oppofttion 
t. Yauptmittel waren bie Jeſuiten, bie 
ſtigten, und von diefem Augenblide wurs 
Prottftantismus, ſich geltend zu machen, 
‚gel Hätte dann auch ihre natürliche Folge 
und Wiffenfchaften wurden vernichtet und 
der Beit ber Reformation im 16. Jahr⸗ 
f&eitte in geiftiger —R gemocht 
ritte “ Seen Bez Laie, “u I 
m. . behanı er, daß Pos 
1 außen nläe bush vorfänedet Xufbedas 
walt angethan würde und die geiftigen 
etwas gelodert würden, ſchnell dem Pros 
ne werfen würde, daß diefer überbicd das 
für Polen fe Zu greider Zeit erflärt 
beeperftellung ber Rationalunabhängigkeit 
ede andere Frage, die nicht unmittelbar 
In Verbindung fände, abforbire, und daß 
1 aber Ai ofenäche Dnung 16 
e Indei ie nun 

E neformation inmenden önnte, — 


eines andern Mitarbeiters über ben erſten 
dv. Bi. 1. 10m, D. Re. 


ftelung fich zu den einzelnen Erſcheinungen ber Dichtkunft 
verhalten, insbefondere, in welchem Verhaͤltniß biefelben zu 
den Geſtalten der Dichtkunſt als epifche, Iprifche und dra⸗ 
matifche Poefte ſtehen. Es ift daher leicht begreiflich, im 


weichen Widerfprudy der Verf. mit dem bier vorgezeichnes | 


ten Wege ums fo mehr gerathe, je weiter er, dem Taufe 
der Zeiten folgend, die Entfaltung der Dichtkunſt darzu⸗ 
ſtellen hat. Er fegt jene drei Ideale als ebenfo viel Grade 
der Schönheit und nimmt fie zu Ausgangspunften feiner 
Darftellung; mit diefem Irrthum verbindet er fofort den 
zweiten, diefelben zugleich ald ausgebildet in den drei Haupt: 
arten der Poeſie zu fehen, indem die Poefie der In⸗ 
dier, auch die bramatifche, durchaus epifch, die der Grie⸗ 
chen, auch die epifche, durchaus dramatifch, die der Hebräer, 
auch die dramatifche, durchaus Iprifch ſei (S. 6). Dat er 


mit der erflern Vorausfegung die Möglichkeit einer vichti: 


gen Entwidelung ber gefchichtlichen Idealgeſtaltung durch 
das Verkennen ihres Verhaͤltniſſes zu der Dichtkunſt im 
Ganzen aufgehoben, fo entfernt er durch diefe zweite Grund: 
behauptung die Möglichkeit einer Würdigung des Einfluf: 
ſes, den die einzelnen Arten der Dichtkunſt von den ge: 
fchichtlichen Idealen erlitten. Ja, er verwifcht die einzigen 
Unterfchiede, die uns noch ale. Leitſterne auf dem fchon 
ohne Compaß zu beſchiffenden Meere der Zelt dienen konn⸗ 
ten, nunmehe völlig, wenn er bie Übergänge der Dicht: 
arten von vorn herein in folcher Weile, wie wir eben ſa⸗ 
ben, darſtellt, ohne uns die gefchichtlichen Unterſchiede ge- 
laſſen, ober die Normen dieſer Dichtarten bereits gegeben 
zu haben. Aber er geht noch weiter. Zwar fcheint er ſich 
nun zur gefchichtlichen Auffaffung zu menden, aber es ge: 
fchieht dies blos, indem er eine neue Solgerung an jene beiben 
Borausfegungen knüpft, die uns nothwendig noch meiter 
von dem Wahren entfernen muß. Es heißt S. 6 ferner: 

Die genannten drei rein poetifdgen Grundtypen fehen ſich 
dann gegen das Mittelalter hin weiter fort; die hebrälfche Poeſie 
im Koran, die Würde griechifcher Plaftil in den Hymnen der 

n Kirche, und bie indiſche Zerfloſſenheit nebelhafter Ge⸗ 
Iten wiederholt fiy wie in einem fernen Spiegelbilde im 
phantaſtiſchen Oſſian. 

Bis hierher waͤre nur ein Fortſchreiten auf der bis⸗ 
besigen Bahn vorhanden, das mit dem fruͤhern Nachweiſe 
her Unrichtigkeit des Ausgangspunktes von ſelbſt als irrig 
‚erfchiene und bei aller Einfeitigkeit der Auffaffung doch 
Eeine neuen Gegenſaͤtze nothwendig hervorriefe. Aber der 
Verf. bat dieſe Einſeitigkeit gefühlt und weiß gleichwol 
Beine amdere Aushülfe als mit folgender Wendung: 

Nur find in dieſen Wiederholungen bie Charaktere ſchon 
einigermaßen verfhmolgen. Denn im Koran zeigt ſich bie herz⸗ 
ergreifende Lyrik ſchon mehr phantaftifc geworden und zur 
Phantaſie fpeegenb. Der pbantaftifhe Oſſian Liebt oft Form 
und Charakter des reinen Dramas und hebt fi in feinen Kla⸗ 
gen bis zu pfalmähnlichen Herzerfütterungen, und in bem 
tziumpbirenden Stolz altchriſtlicher Kirchenpoeſie herrſcht als 
Seele die Zerknirſchung der Pfalmen. 

Da haben wir alfo, wenn wir das Reſultat ziehen 
follen, zuerſt die Grade dee Schönhelt, indifche, griechifche 
und bebräifche, diefe drei Grade „Laffen ſich auch ausſpre⸗ 
chen” als phantafiereiche, charaktervolle und herzergreifende 
Schönheit; nun ift die indiſche, oder bie phantafiereihe 





Poeſie durchaus epifch, wir werden alfo bem, „bie Indifche 
Berfloffenheit nebelhafter Geftalten wiederholenden, phanta- 
ſtiſchen“ Oſſian etwas vom epifchen Charakter beilegen müfs 
fen. Derfelde liebt aber oft auch Form und Charakter 
des reinen Dramas, die durchaus dramatifche Poeſie iſt 
aber die griechiſche; endlich find feine Klagen auch pſalm⸗ 
ähnlich, d. h. lyriſch. Somit iſt Offian epifchy = Drama 
tif = Iyeifch, oder mit andern Worten, phantafiereich = cha= 
raftervolf = herzergreifend zugleich und vereinigt fämmtliche 
Schönheitsideale in fih! Darum alfo führt uns der Verf. 
ben langen Weg einer mechanifchen Zerlegung der Ideale, um 
nach dem Verlauf von einigen Sahrtaufenden der Gefchichte 
in feinen eigenen Morten das Reſultat = O zu ficken? 
Und dennoch ift Offian phantafiereich, herzergreifend, 


charaktervoll: — aber inwiefern und warum iſt er es? Die 


verfchiedenen Idealbildungen in der Geſchichte wirken bei 
feiner Kunftform weniger entfcheidend auf bie Geftaltung 
und Entwidelung derfelben als gerade bei der Iprifchen 
Poefie, weit in diefer die Selbftändigkelt der Kunſt im 
Segenfage gegen das Ideal ausdruͤcklich hervortritt. Ste⸗ 
hen nun auch manche Voͤlkergeiſter in fo naher Beziehung 
zu der Melt des Ideals, daß ein Einfluß auf ihre Lyrik 
von der Stufe feinen gefhichtlichen Entfaltung nicht zu 
verfennen ift, tie z. B. bei dem antiken Ideal der epifche 
Charakter fih auch auf die Lyrik theilweiſe überträgt, fo 
ift in andern wiederum die Individualität auf eine ſolche 
Weiſe ausgebildet, daß fie, ohne dadurch der Idealwelt nd= 
ber getreten zu fein, eben für ihre Subjectivität in ber 
Selbftändigkeit der Lyrik einen geeigneten Ausbrud finden: 
ein Ausdrud, der aber gerade hierdurch auf Vereinzelung 
ihrer Stellung in der Gefchichte hinweiſt. Dieſe Beſon⸗ 
derheit kann ebenfo geriffen Pertoden eines Volkes, das 
eine Dauerndere Geltung innerhalb der Gefchichte einnimmt, 


als ganzen Völkern eigenthümlich fein, denen vielmehr ein 


beiläufiges, durch feine Individualität fchärfer abſtechendes 
Verhalten zur Gefchichte gegeben ift. Dieb letztere iſt der 
nicht erkannte Grund der vom Derf. richtig erkannten 
Ügntichkeit zwiſchen der hebräifchen Dichttunft und der des 
Oſſian. Hier tft das Herzergreifende, Gewaltige einer Ly⸗ 
vie, wie fie durch jene Vereinzelung begünftigt und gehos 
ben in kraͤftiger Selbſtaͤndigkeit hervortritt; bier iſt das 
Phantaflereiche, vole es auf der jugendlichen Geiftesftufe 
eines von einer erhabenen, großartigen Matur umgebenen 
Volkes fich zeigt; hier iſt das Charaktervolle, deffen Dar⸗ 
ftellung im Epos in der Entfaltung und Auseinanderbreis 
tung des Mpthifchen erfolge und bei Oſſian in dee Schil⸗ 
berung einer bebeutungsvollen Vergangenheit anklingt. Aber 
barum, weil wie in Oſſian Serzergreifendes, Phantafierele 
ches und Charaktervolles finden, iſt er nicht lyriſch⸗ epifche 
dramatifch: ja, das Phantafiereiche in ihm entfpricht fo we⸗ 
nig dem Epos, das Charaktervolle fo wenig dem Drama, 
als gerabe das letztere in vechter Beziehung zu dem Epiſchen 
ſteht; und Oſſian's Lyrik fleht, weit entfernt, jene Kunſt⸗ 
formen in fi) zu vereinigen, vielmehr zwiſchen dem antis 
ten und romantifchen Ideal vereinzelt in der Mitte. 

Wir wollen, nachdem wir bie Baſis ber Auffaſſungs⸗ 
weife des Verf. als ungenügend erkannt haben, nicht weis 


tee in die Entwickelung ber von ihm als leitend aufgeitell: 
ten Säge eingehen, fo wenig als über bie aͤußerliche Art, 
wie er die Poefie des Mittelalters auffaßt, indem er > B. 
(S. 264) bei der Überſicht über die Sagenkreife das 
„Srundverhältniß europäifcher Poefie” darin findet, daß ein 
Zand immer dem andern feine poetifchen Stoffe zumarf, 
uns weiter verbreiten. Doc, können wir es uns nicht ver⸗ 
fagen, zugleich zur Probe feiner Darftellung folgende Stelle 
mitzutheilen, wo ber Verf. (S. 271) „vier intereffante 
Geſichtspunkte entdeckt, welche das Grundverhaͤltniß des 
innern europaͤiſchen Lebensgetriebes bietet“: 

Der erſte iſt der Geſichtspunkt der einander druͤckenden, von 
Prineipten bewegten Waffen oder Kräfte. Der Kürze wegen 
Tann man ihn mit einem Bilde den Gefichtspunkt der Wage 
nennen. Der zweite ift der Geſichtspunkt der in fich verfal: 
lenen oder im Selbftmorde begeifienen Principien und Parteien. 
Der Kürze wegen kann man ihn mit einem Bilde ben Geſichts⸗ 
punkt dee Dalefchlinge nennen. Der britte iſt ber Geſichts⸗ 
punkt der fi in wibderfprechenden Verhältnifien befindenden Per: 
fonen. Der Kürze wegen nennen wir ihn ben bes chamäleoni- 
chen Affectenfpield. Der vierte endlich ift der Geſichtspunkt 
der neuen Annahme eines bisher verfchmähten Principe, welchen 
wir ber Kürze wegen ben Beweis bes Paraborons nennen wollen. 
Diefe vier intereffanten Standpunkte des europäifchen Lebens find 
«6, welche die neue Tragödie fih zum Thema gewählt hat. 

Diefe Geſichtspunkte nun findet der Verf. in den Tra⸗ 
gödien der vier Nationen, die in Europa dieſelbe bearbei: 
tet haben, Spanier, Engländer, Franzoſen und Deutfche, 
dergeftalt, daß eine jede es nur in Einem dieſer Gefichte- 
puntte zu einer ausgezeichneten Höhe gebracht habe. Der 
vierte derfelben komme natürlich der beutfchen zu; ba6 Thema 
der deutfchen Tragoͤdie wird noch befonderd (S. 293) als 
„nie Wagfchale des Geſchicks“ bezeichnet. Mach diefer Vor: 
ausfegung werden alle Goethe'fhen und Schiller'ichen Dra: 
men blos darnach dyarakterifirt, ob die Schale bes Helden 
fleigt oder fällt, ob unfer Intereffe auf die eine oder auf beide 
Darteien zugleich gefpannt wird, ob die Schalen entweber 
fleigen ober finken, oder ſchweben, ob wir in beide Scha⸗ 
fen bilden, ober der Dichter und nur .die eine, entweder 
die feigende ober die finkende, enthüllt. 

Doch genug der Proben einer Einfeitigkeit, die inner: 
Halb ber Wiſſenſchaft in der That aller Geltung bar ift. 
Die Phantafie des Verf. ift geeignet, erfannte Wahrhei⸗ 
ten in eine Form einzukleiden, in der fie auch bei Solchen 
Eingang finden, weldye den Ernſt der Wiffenfchaft und 
die Strenge phitofophifchen Denkens fliehen; hätte er fich 
blos in dieſem Gebiete bewegt, wir wiederholen es, er hätte 
ein großes Verdienſt fi errungen, ein Verdienſt, das 
felbft von den Männern dee Wiſſenſchaft, die feinem Wir: 
kungskreis fern flanden, anerfannt worden wäre; benn es 
iſt in gewiſſer Beziehung nur zu wahr, daß oft genug ber 
Darftellee erft der zweite Entdeder if. Aber indem er 
die Grenzen feiner Kräfte verfannte und da auch neue 
Gedanken bringen wollte, wo fein Beruf, wie ihn fein 
Talent ihm vorzefähnete, nur war, das Gedachte in neue 
orte zu bringen, hat er fich dem ganzen Gefolge kriti⸗ 
fhen Unheils ausgefegt, das felbft bei den billigften Rüd- 
fichten, wie bei der bereitwiliigften Anertenntniß feiner fon- 
ſtigen Leiſtungen ihn treffen muß. Die Gefchichte ber 


927 


Poeſie iſt endlich über ſolche aͤußerliche Kategorien, über 
folche Gefuͤhlsdiſtinctionen, ja ins Spielende uͤbergehende 
Vergleichungen und Scheidungen hinaus; — wo man fie 
findet, müfjen fie aus dem Kreife der Wiffenfchaft als ihrer 
unwürbig und unrein ausgeſchieden werben, und felbft für 
bie Kreife des Dilettantismus find zeitgemäßere und geis 
ſteskraͤftigere Auffaffungsweifen vielleicht nicht mit Unrecht 
zu verlangen. 29, 





Historical sketch of the rise, progress and deeline of 
the reformation in Poland and of the influence which 
the scriptural doctrines have exercised on that coun- 
try, in literary, moral and political respeets, By ceunt 
Valerian Krasinski. Zweiter Band. kLondon 1840.*) 

Da die politifchen und religioſen Parteien in England ſich 
biefes Werks und ber darin enthaltenen Argumente bemächtigt 
haben, um ihre eigene Sache zu verftäsken und dfe der Geg⸗ 
ner gu entlräften, da nicht allein in wiſſenſchaftlichen, politi- 
ſchen umd kirchlichen Zeitfchriften, fondern auch in bedeutenden 
politifchen und religiöfen Meetings des Werks umfländlich Erwaͤh⸗ 
nung geſchehen iſt, ſo iſt es vielleicht von Intereſſe, nachzuwei⸗ 
fen, wie geſchickt die verſchiedenen Parteien ſich deſſeiben bemaͤch⸗ 
tigt haben, um es als wirkſame Waffe zu gebrauchen. Der Zweck 
des Verf. ſcheint zu ſein, die polniſche Sache, die durch die Zeit 
und andere wichtige, mehr unmittelbar das engliſche Volksleben 
berübrende Ereigniſſe in den Hintergrund gedrängt, ja faſt ein⸗ 
gefchlafen war, an eine mächtige Partei anzufchließen und ge: 
wiffermaßen in bem gemeinfchaftlichen proteftantifhen Standpunkt 
beide Parteien, die englifch = proteftantifche und bie polnifch= na: 
tionelle zu vereinigen. Zu dem Ende weiſt er in feinem Werte 
nad, wie die Sache bes Reformation in Polen im Zeitraum 
von einem halben Jahrhundert folche Kortfchritte gemacht hat, 
baß ihr endlicher Steg über ben Katholicismus gang gewiß ſchien. 

Nichtsdeflomweniger fei in dem nächften halben Jahrhumdert, troß 

ber vortheilgafteften Stellung, der Proteftantiemus durchaus un- 

terbräct, ja faft vernichtet worden. Kraſinski weift ferner nach, 
daß diefe außerordentliche Reaction in Polen nicht, wie es ber 

Fall in Italien und Spanien geweſen, durch bie ſtarke Hand 

eines gefeglich conftituirten Autorität hervorgebracht worben fet, 

fondern durch eine bigote printipientofe Faction, die von ben Ges 
fegen des Landes keineswegs unterflägt war, ſondern in Oppofition 
gegen dieſelben handelte. Hauptmittel waren bie Jeſuiten, bie 
fi) der Schulen bemaͤchtigten, und von diefem Augenblide wur⸗ 
ben alle Werfuche des Proteſtantismus, ſich geltend zu machen, 
vereitelt. Diefe Waßregel Hätte dann auch ihre natürliche Folge 
nicht verfehlt. Künfte und Wiffenfchaften wurben vernichtet und 

Polm, das während der Zeit ber Reformation im 16. Jahr⸗ 

hundert veißende Fortſchritte in geiftiger Beziehung gemacht 

hatte, machte Rückſchritte in bemfelben Werhältniffe, als der 

Proteflantismus abnahm. Der Verf. behauptet ferner, daß Po⸗ 

len fi, wenn ihm von außen nicht durch vorfchnelles Aufdräns 

gen eines Syſtems Gewalt angethan würde und bie geiſtigen 


Feſſeln im Innern Nur etwas gelodert würden, ſchnell bem Pro⸗ 


teflantismus in die Arme werfen würde, daß diefer überbies das 
einzige Rettungsmittel für Polen ſei. Zu gleicher Zeit erklaͤrt 
er aber, daß bie Wieberherflellung der Rationalunabhängigkeit 
in diefem Augenblidt jede andere Frage, die nicht unmittelbar 
mit diefer Lebensfrage in Verbindung flünde, abforbire, und daß 
es wiberfinnig wäre, zu hoffen, daß, fo lange fich Polen in ſei⸗ 
ner gegenwärtigen Lage befindet, die Öffentliche Meinung ſich 
mit Ernſt zu Picchlicher Reformation hinwenden Fünnte, ofen 
viele Publiciſten von Zag gu Zag mehr vun ber Bebeutfamteit 
und Unerlaͤßlichkeit einer folchen Reformation durchdrungen wärben. 
Kraſinski hat keinen Zweifel, daß, wenn die gegenwärtige Auf: 


*) Bgl. den Bericht eines andern Mitarbeiters über ben erften 
Band in Nr. 386 d. WI. f. 1680, D. Red. 





zesung in Polen beruhigt werden folle, was aber nur nad) Gr: 
Tagung Deſſen geſchehen koͤnne, dem biefe Aufregung zuzuſchrei⸗ 
ben fei, fo würde ſich der Wille bes polniſchen Volke mit 
demfelben Eifer auf den Proteflantismus werfen, ben es im 
Anfange der Reformation dafür gezeigt hätte. 

Einige Urtheile der engliſchen Preffe find vielleicht bier am 
Platze. Die Times‘‘, bie fon früher in einem Hauptartikel Gr: 
cerpte aus dem erften Bande gegeben hatten, thun dies auch bei dem 
zmeiten Banbe in berfelben Weiſe und fagen unter Anderm: „Der 
englifche Lefer und befonders ber, ber fih im Allgemeinen mit 
Geſchichte beſchaͤftigt, wird immer geneigt fein, Das, was er 
Yernt, auf feinen eigenen fpeciellen Fall anzuwenden, und in die⸗ 
fer Beziehung iſt der Gewinn für ihn, den ex aus Graf Kras 
finsti’s Werk fchöpfen Tann, nicht zu berechnen. Der zweite 
Band ift in Bezug auf Gruͤndlichkeit und Neuheit der veröf- 
fentlichten Shatfachen dem erften, über den wir uns fo über: 
aus belobigend ausgeſprochen haben, in nichts nachſtehend, ber 
Styl des Werks iſt ausgezeichnet, mehr als das, wenn wir 
bedenken, daß Graf Krafinski nicht in feiner Mutterſprache ge⸗ 
ſchrieben hat.“ Nachdem bie „Times“ ein langes Gapitel woͤrt⸗ 
lich excerpirt haben, das mit den Worten ſchließt: „Wir wieder⸗ 
holen ferner, daß in Polen bie religiöfe Smancipation nur in 
Folge politifcher Freiheit vor fi geben Tann, und wir hoffen, 
daß bie Worficht, die uns in ihren unerforfhlihen Wegen fo 
harten Proben unterworfen bat, uns zulegt ben Gegenftand als 
Vee unferer Wünfche, Nationalunabhängigkeit, gewähren wird, 
das größte Gluͤck, deſſen ſich ein Land erfreuen kann'“, ſetzt fie 
hinzu: „Zu diefem Gebet wird Jedermann Amen fagen. Der 
Lefer wird im Stande fein, von ber gegebenen Stelle auf bie 
Biederkeit und Cinfachheit des Styls und auf das edle Gefühl 

u fchließen, bas dem gangen Werke zum Grunde legt. Wir 
euen uns ber Unparteilichteit, Gelehrſamkeit und dem Gefchid 
des Verf. unfere aufrichtigfte Anerkennung geben zu koͤnnen.“ 

Der „Watchman‘ fagt unter Anderm in einem langen, bem: 
felben Segenftande gewibmeten Artifel: „So fehr wir. den er: 
fien Band biefes Werks bewundern, fo hat ſich doch unſere 
Achtung für den Verf. um Vieles. beim Lefen des zweiten Bandes 
gefteigert, nicht allein, weil der Verf. mit edelm Unabhängig: 
geitsfinn zur Beendigung feiner Aufgabe gefchritten iſt, fons 
dern weil er die im erſten Bande gemachten Behauptungen 
durch unmiberlegliche Beweiſe dargethan hat. Er bat mit eis 
ner Meifterhand den Fall Polens von dem Augenblide an nach⸗ 
gewieſen, wo, nachdem es während eines halben Jahrhunderts 
auf eine Weiſe, bie bis jegt noch im Auslande nicht geñug ge: 
würdigt worben ift, es unter dem Genuſſe religiöfer Freiheit füch 
in Wiffenfchaften und Künften zu einem Grade erhoben hatte, der 
es mit den am meiften vorgefchrittenen Nationen Europas auf gleiche 
Linie ſtellt, und durch jefuitifhe Machination und Unterweifung 
von ſtolzer Rationalhöhe zu einem Königreiche zweiter Claſſe fiel 
und der Proceß bed Verfalls und der Auflöfung begann, von 
defien traurigem Refultate wir FI 3eugen gewefen find.’ 

Die „Morning post”, nad) langen Glückwünſchungen des 
Verfaflers und Complimenten über feine Grundfäge und Kennts 
niffe, fährt fort: „Eine wichtige Lehre iſt in dieſem Werke 
enthalten, wichtig befonbers für jeden Gngländer, dem bie 
Snterefien feiner Kirche theuer find. Hier find bie übel bes 
Sektengeiſtes und der Gpaltungen im Proteflantismus treu 
und mit großem Geſchick nachgewiefen worden. Aber auch in ans 
derer Beziehung muß das Werk von Bebeutfamkeit für Eng⸗ 
and fein, zumal in diefem Augenblide. Das Hauptmanoeuore 
ber papiftiichen Partei in Polen war, bie niedere und weni⸗ 
ger unterrichtete Claſſe ber Geſellſchaft gegen eine aufgellärte 
Ariftokratie aufauregen und unter dem Vorwande eines befler 
einzuführenden Öffentlichen Unterrichts die Schulen gu Werkzeu⸗ 
gen ihrer jeſuitiſchen Raͤnke zu machen. Das Werk gibt übers 
dies einen neuen Beweis von ben Vortheilen einer ſtarken, kraͤf⸗ 
tigen Kirchenverfaffung und zeigt, daß nur dem Mangel an 
einer ſolchen der Ruin des Proteftantismus in Polen zuzuſchrei⸗ 


ben if. Der Berf., indem er uns Aufſchluß über bie Beſtre⸗ 
bungen ber Polen für ben Proteflantismus gegeben hat, Bes 
firebungen, von benen wir bisher in England wenig gewußt 
haben, hat mehr gethan, die Sache feiner Landsleute in Engs 
land populaie gu maden als alle rabicalen Beftrebungen ges 
fprächiger Demagogen. Es würde zwecklos fein, Bemerkun⸗ 
gen über den ausgegeihneten Styl, in bem das Werk geſchrieben 
ift, hinzuzufügen. Bon einem Ausländer gefchrieben, grenzt «6 
ans Wunderbare. Aber Eins können wir nicht genug an dem 
geiftreichen Verf. rühmen, es ifl, daß, während er offen und 
männlih Zeugniß für den Proteftantismus gegeben, er auf der 
anbern Seite auf edle-MWeife bie Unterflügung ausgefchlagen hat, 
welche die Whigs feinen braven und unglüdlichen Landeleuten 
fo karg zugemefien haben.” 88 





Literarifhe Notiz. 


Seit der Erſcheinung der koſtbaren WBücherverzeichniffe von 
Meermann und Klotz wurde das literarhiftorifche Yublicum nicht 
angenehmer überrafcht als durch bie eben vertheilte „„Collection & 
vendre de monuments typographiques et autres ouvrages rares, 
imprimes aux 15i&me et 16i&me siecles’’ (Offenbach, Heinemann, 
1840). Dies Heinemann’fche Bücherverzeichniß ift ebenfo anzichend 
am Schluſſe als in der Ginleitung und im Verlaufe des gans 

en Buchs von 44 Bogen. Jeder Sachkundige, fei ex auch 
orftand einer großen öffentlidhen Bibliothek, wird auf Geltens 


. heiten ftoßen, deren Nichtbefig er ebenfo jeher bedauern wird, als 


daß wahrfcheinlich die ganze Sammlung nach Frankreich ober 
England, oder gar Amerika wandern wird, wo fie zur fchöns 
flen Grundlage einer neuen Univerfitätsbibliothet dienen koͤnnte. 
Wir hegen Teine Hoffnung, daß ein für Eiteratur enthuſiaſti⸗ 
ſcher Deutfcher fih dem Koftenaufwande für den Kauf biefer 
prädtigen Sammlung unterziehen wird. Sie beftcht zwar 
nur aus 1139 Bänden, enthält aber 161% verſchiedene Bleinere 
ober größere Werke, deren mehre nach ber Gewohnheit unferer 
Vorältern zufammengebunden find. Unter ihnen find 300 das 
tirte und 110 undatirte Werke aus dem 15. Zahrhundert in 
Folio, Quart and Dekan; und zwar 50 Artikel aus der ges 
fuchteften Periode von 1472— 80, Sehr rei iſt die Samm⸗ 
lung an Driginalfchriften der erften Periode der Reformation 
von Luther, Melandhthon, Reuchlin, Ulrich von Hutten, Eras- 
mus, Kaifer Karl V. Unter den vollftändigen Werken Luther’s 
ift vorzuͤglich das einzige Driginaleremplar feiner berühmten 
Säge, welde er für bie Begründung der Glaubensreform 1517 
an ber Kirche zu Wittenberg anſchlagen ließ. Unter den 23 
Ausgaben ber Albinen hebt fich die griechiſche Bibel von 1518 
und „Le cose volgari di Fr. Petrarca‘' (1501) befonders her⸗ 
vor, und das lettere Werk hat noch das 64. Blatt, welches 
wegen bed Ausfalld gegen Rom aus den meiften Exemplaren 
ausgerifien if. on vier Drudwerken auf Pergament find brei 
mit vielen Holzſchnitten verfehen, unb die Statuten bes "Ors 
dens vom golbenen Bließe find nie in eine Bibliothek gekom⸗ 
men, weil fie nach bem Tode eines jeden Ritters eingeliefert 
werben möüflen. Die Berührung einzelner Seltenheiten iſt aus 
Ber dem Bereiche diefer Beitfchrift, doch koͤnnen wir vers 
fihern, baß ihre Auswahl vom Anfange des 16. Jahrhunderts 
nicht nur bis 1550, fondern auch bis 1736 hoͤchſt intereffant 
ift und noch eine ſchoͤne Zugabe an literarhiftorifhen Werken 
bat. Zur Überfiht bes Ganzen nach der chronologiſchen Ord⸗ 
nung find fogar die Idiome, in welchen die einzelnen Werke 
gefchrieben find, die Wiffenfchaften, Länder und Städte am 
Schluſſe tabellarifch verzeichnet, die Bibeln, Wreviere ıc., Aldinen, 
Kirchenpäter und Glaffiter nach der römifchen und griechifchen 
Sprache befonbers ausgeſchieden. Rach jedem biplomatifch richs 
tigen Zitel einer Seltenheit folgt entweder eine nähere Bes 
ſchreibung oder einige Gitate aus ben beften Literaturquellen, 
daher wir diefes Buch jedem Belchrten zur Anficht empfehlen 
nnen. . 





Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaus — Drud und Verlag von F. 4. Brochaus in Leipzig. 














Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 


— Kr 231. — 


18. Auguſt 1840. 





Lettres sur la race noire et la race blanche, par 
Gustave d’ Eichthal et Ismayl Urbain. Paris 1839. 

Fuͤr uns Deuefche ift der, in diefer Beinen, elegant aus: 
oeftatteten Scheift behandelte Gegenftand nur Yon wiſſen⸗ 
fhaftlihem, nicht von praktiſchem Intereſſe. Wem daher 
Wiſſenſchaft etwas vom Leben Getrenntes, einer geroiffen 
Claſſe Zugemiefenes iſt, der mag bdiefen Artikel getroft 
überfchlagen.. Wem aber die ganze Menfchheit aus echt 
deutfch = chriftlichem Kosmopolitismus und Wohlmwollen am 
Herzen liegt, findet hier vielleicht etwas Neues Über ben 
Gegenftand. 

Die beiden Freunde, der Jude Guſtav von Eichthal und 
der Mohammedaner Ismayl Urbain wurden zufammen in 
Menilmontant erzogen. Beide fühlten fich bald aneinander 
geriefen; Hrn. v. Eichthal drüdte das Judenthum und 
Hrn. Urbain die ſchwarze Haut in der chriftlichen, jugend⸗ 
lich⸗ muthwilligen Gefelfhaft; der Legtere kam nämlich aus 
Cayenne nad) Frankreich und iſt Neger. Die Verbindung 
beider jungen Leute hat ſich bewährt: es beftcht eine Freund: 
ſchaft zwifchen ihnen, welche bereits vor mehren Jahren 
ein geiftreiches Werk unter dem Titel „Les deux mondes“ 
gebar, worin „bie nothmwendige Wechſelwirkung ber orien- 
talifchen und occhdentalifchen Welt durch den Gegenfag eines 
verftändig ausgebildeten Moslemismus zu dem Chriſten⸗ 
thum“ nachzuweiſen gefucht wird. 

In der gegenwärtigen Schrift wird das Verhaͤltniß der 
ſchwarzen zur weißen Race unterfucht und der Beweis unter: 


nommen, baß bie erftere im Verhaͤltniß des weiblichen. 


Lebens zur letztern al6 des männlichen ſtehe, und daß 
folgeweiſe die Emancipation der ſchwarzen Haut ein ebenfo 
nothwendiges Ergebniß der Givilifation fein werde als die 
Emancipation der Frauen. 

Um zu biefem Ziele zu gelangen, hält Hr. v. Eichthal die 
ſociale Verbindung und Vermifchung ber weißen und der far: 
bigen Race, welche letztere er für eine einzige hält, auf 
gleicher Rechtsbaſis für nothiwendig und ſucht zu bewelfen, 
daß das Chriſtenthum weit weniger als der Koran mit 
einigen durch den Fetiſchismus der Neger nothwendig wer⸗ 
denden Modificationen der fchwarzen Race angemeflen 
und ihre Civilifation zu vermitteln im Stande fei. 

Er fodert zundrderft die Zoologen auf, feine Meinung 
über die weibliche und maͤnnliche Eigenthuͤmlichkeit der beiden 
Racen zu prüfen, und gibt fodann eine Einleitung, worin er 


die gefchichtliche Thatſache der Vermiſchung ber beiden Ra: 
cn in der neuen Welt im 16. Jahrhundert berührt 
und auf die Entbedung bes Herrn Flourens, daß unter 
der Epidermis ber farbigen Menfchen eine blätterige Sub: 
ſtanz (appareil lamelleux) fich befinde, welche die Haut: 
farbe hervorbringe, zuruckkommt. Aus biefer conftitution: 
nellen Berfchiebenheit zieht er die Meinung, ‚daß beide 
Hautracen ein Paar bilden (S. 15), in meldhem bie 
weiße Race den Mann, bie —R das Weib repraͤſen⸗ 
tire,“ und daß auf dieſe Weiſe die Menſchheit das Geſetz 
der Dualitaͤt der Geſchlechter reproducire, welcher alle orga⸗ 
niſche Weſen unterworfen ſeien. 

Hr. Urbain ergreift die Idee ſeines Freundes mit 
morgenlaͤndiſcher Phantaſie und ſchildert die ſchwarzen 
Frauen der Abpffinier und ber Neger überhaupt ſehr rei: 
zend. Beide glauben hierin eine Beftätigung der Weib: 
lichkeit der fchwargen Race zu finden. Von den ſchwar⸗ 
zen Männern aber veben fie nicht. Einen phyfilchen Beweis 
für ihre Meinung, eine fie begründende osmogenetifche 
Anfiht Haben fie nicht; ſtatt aller priorifchen Feftitellung 
des Principe geben fie eine Reihe pofteriorifcher Bemer⸗ 
tungen über das Geſez Mohammed’s und deffen Werth 
für die Fetifchdiener, und hegen den Glauben, daß, wenn 
man die Neger zum Mohammedanismus befehre, die aus 
der Mifhung mit der weißen Race hervorgehende Ba: 
flardrace die Vereinigung beider Racen zu einem großen 
Menfchenpaare darftellen werde. 

Die ganze Abhandlung iſt in einer fehr eleganten 
Form vorgetragen. Der Gegenftand und das intereffante 
Motiv in der Sreundfchaft der beiden Bekenner des Koran 
und ded Geſetzes Mofis geben dem Ganzen eine leiſe 
melancholifchztiebliche Färbung. Allein die Frage ift nicht 
wiſſenſchaftlich beantwortet. Der Beweis, weshalb bie 
farbige Haut die weibliche, die weiße dagegen bie maͤnn⸗ 
liche Dienfchheit repräfentire, tft nicht gefährt. Die Be: 
bauptung iſt nur aufgeftellt und deren Richtigkeit empi⸗ 
riſch gefolgert ; a priori ift der Sag nicht feftgeftellt. 

Es ſcheint dem Hm. v. Eichthal daran zu liegen, 
aus Deutſchland eine Anficht über dieſe Sache zu erhal: 
ten. Die Mittheilung feiner Schrift an die Redaction 
biefer vielgelefenen Blätter fcheint dies anzudeuten. Ob⸗ 
wol wir wiſſen, daß bereitö gelehrtere, dem Fache ge: 
wachfenere Federn als die unferige fi im In: und Aus: 


930 j 


lande an biefem Gegenſtande verfucht haben, fo farm ee’ ı Nation find auf den indiſchen Buddhaism gegründet; 


doch gewiß nicht fhaden, eine Anſicht mehr zu geben. 


Bikanntlih hat in ber neuern Zeit der berühmte; 


deutfche Anatom Tiedemann in Heidelberg das Hirn 
ded Negers mit dem des Europaͤers und Drang: Du: 
tangs verglichen und gefunden, daß erfiere wide ſich voͤl⸗ 
lig gleichen und letzterm ebenmäßig ungleich find. Es 
kann mithin die Humanität des Negers nicht in Zweifel 
gezogen werden. Der dufere Bau des Kopfs, die Hirn: 
fhale gibt der Meinung Nahrung, daß die Megerbil: 
dung thierifch fei, und wenn wir den Phrenologen, Die 
auf Gall's Spitem in neuefter Zeit weiter gebaut haben, 
ohne ſich daran fireng zu binden, folgen, fo ift die Kno⸗ 
chenbildung des Kopf das entfcheidendere Merkmal der 
Menſchheit und XThierheit. 

Die Vergleihung der Racen, aus welchen die Menfch- 
heit beſteht, Fann fich indeffen nicht auf Europaͤer und 
Neger befchranten. Nach Cuvier gibt e8 drei große 
Ur: und Hauptracen, Kaukafier, Mongolen, Aethiopier. 
Ihre unterfcheidenden Merkmale fegen wir als bekannt 
voraus. In der Hautfarbe trennen fie fih durchaus 
nicht ganz entfchieden. Die echten Hindus, Perfer, Ara: 
ber, felbft die, welche die. Nordkuͤſte Afrikas bewohnen, 
find nebft den Weſteuropaͤern Kaufafier. Die Mongoten 
ziehen aus dem nordöftfichen Aſien durch Japan, China 
über Auftralien und die Inſeln des ſtillen Oceans einen 
mit Negerblut gemifchten Gürtel um die Erde, der in 
Amerika mit kaukaſiſchem Blut gemifcht auftriet, fich fo 
am Nordpol herumzieht und endlich wieder in Afien an 
feine Wiege tritt. Die Mifhung mit Negerblut macht 
biefe Race auffallend wilder und thierifcher; die kauka⸗ 
fifhe Miſchung macht fie milder und frieblicher. Der 
Urtnpus der Racen aber hat fi aller Mifchungen unge: 
achtet nicht vermifcht und fheint unvertilgbar. Jede 
Race Hat ein eigenthuͤmliches Leben entwidelt. 

In Indien finden wir nah allen gründlichen For: 
fhungen, welche neuerdings der ſchwediſche Generallieute- 
nant Graf Bioͤrnſtjerna auf hoͤchſt geiftreiche und gelehrte 
Meife zufammengeftellt hat (Stodiholm 1839), die Altefte 
Gultur des Menfchengefchlechte. Unmiderleglich war die 
Blüte der Cultur Indiens ſchon 1200, ja wahrſcheinlich 
fhon 1500 Jahre vor Mofes vorhanden. Seitdem ſtand 
fie ſtill, ober befier, fie ging, wenn auch nur langfam 
und in den niedern Kaften, die wahrfcheinlih zum Theil 
mongolifhen Stammes find, ruͤckwaͤrts zum Fetiſchis⸗ 
mud. Die höhern Kaften der Brahminen und der Krie: 


ger haben die Meinheit der Lehren Brahma's bewahrt. 


Allem Anfcheine nach waren es Kaukaſier, und vielleicht 
diefelben, welche fpAterhin als Gothen im Norden und 
MWeften Europas auftreten, von benen die Cultur Indiens 
ausging. Wie lange mögen fie fich bis zu jenem Punkte 
entwidelt haben, mo wir fie in Indien auf fo hoher Stufe, 
ausgehend von ber Idee bes alleinigen und allmächtigen, 
eroigen Gottes, erbliden? Gewiß Sahrtaufende! Won 
ihnen ging die Gultur nach Norden nah Thibet, nad 
Often zu den Chinefen und Sapanern, nad Welten zu 
ben Perſern; alle bekannte Religionsphiloſophen dieſer 


der Fetiſchismus fpielt dort eine mehr oder minder un: 
tergeordnete Rolle. Aber weiter gegen Weſten breitete er 
fi) nad) der äthiopifhen Küfte aus. Meroe (Abyffinien) 
und Aegypten nehmen indifhe Cultur auf, ja vielleicht 
indiſche Menſchheit, die fi hier mit afrikaniſcher mifcht. 
Der Fetiſchismus gewinnt aber hier ſichtbar die Oberhand. 
Aegypten geht im Naturdienft unter. Durch das alte 
Griechenland und Rom, durdy den ifraelitifch = arabifchen 
Stamm geht die indifhe Weisheit, geht Zoroaſter's Lehre 
in das Germanenthum hinüber; die Lehre Mohammed’g 
ift ein nod jüngerer und duch Aufnahme der Vielwei⸗ 
berei und des Fatalismus aller wahren Civiliſation feind⸗ 
licher Ausflug jener großen afiatifhen Religionsanfchauung. 

Uber welchen Einfluß übte letztete auf Afrika? Sie 
entitand und verſchwand, verfchwand aus dem Meiche ber 
Idee faft fpurlos und nur bie ungerflörbaren Monumente 
der Baukunſt zeigen noch von ihr. Kaum dag Moham- 
med's Lehre in der arabiſch⸗kaukaſiſchen Race an den Kuͤ⸗ 
ſten ſich feftfegte. 

Europas Bildung heftet ſich an das Germanenthum. 
Griechen: und Roͤmerthum gehen unter. Mit dem Chri⸗ 
fienthum vereint bildet der Germane eine neue Aera und 
man darf die cheiftliche Zeit mit demfelben Mechte die 
germanifche nennen. Germanifches Leben durchdringt Eu: 
ropa. Das Römer: und dad Stawenthum lehnen fi 
an baffelbe an; ja, ganz Europa mußte zum Germanen: 
thume bingebrochen werden, um für eine neue Cultur 
empfänglich zu werden. Gegen das Slawenthum erfolgte 
die Invafton mehr auf geifligem Wege und deshalb ging 
der dem Deutfchen zunaͤchſt wohnende Slawe im Deut: 
ſchen völlig auf; gegen dad Roͤmerthum erfolgte die In—⸗ 
vafion in Maffen. Alte europaͤiſche Gultur ift zur Zeit 
germanifch. 

Kaum fteht fie im Begriff, mit der Meformation eine 
neue Potenzirung anzubeuten, fo bricht europaͤiſches Leben 
fi) den Weg zurüd nad Indien und erreicht ein neues 
weftliches Rand — Amerika. Griechenland, Äghpten, — 
die alten Pfeiler der Bruͤcke, auf welcher die Cultur nad 
Europa 309, ftehen noch; fie fcheinen den Ruͤckweg nach 
Indien anzubeuten; aber man fuchte eine neue Straße 
und fand Weftindien. 

In allen -diefen Zeiten aber bat Afrika unmwandelbar 
beftanden. Außer den Stuͤrmen ber Araber, welche feit 
der Phönizier Zeiten die Morbküften diefes Welttheils be= 
herrſchten, ift hier nichts gefchehen. Das ungeheuere in- 
nere Land, das Negerleben, ſtand und fleht wie ehedem 
feft auf dem Fetiſchismus, auf der unterſten Stufe hu⸗ 
maner Feen. Die Sinnlichkeit beherrſcht Afrika. 

Welchen Grund, fragt fich der denkende Europaͤer, 
mag dies haben? Während in Afien und Europa bie 
Cultur fleigt und nur hier fällt, um Dort einen neuen, 
böhern Auffhwung zu nehmen, flebt hier unmwandelbar 
das Leben ftili! 

Im Bau der Erde müffen wir bie Löfung biefes Räth: 
ſels ſuchen. Pofitinität und Negativitaͤt find bie 
greßen Gegenſaͤtze, nach ‚welchen der Erbbau zu Stande 


931 


kam; Afien und Europa ſtehen unter dem vorherrfchen: 
den Einfluß der erftern, Afrika und Amerika unter dem 
der letztern. 

Allein unfere Idee von den Bedingungen, unter denen 
die Formen ber Erde entflanden, hier näher auseinander: 
zufegen, verbietet der Raum diefer Blätter. Nur dad 
mag bier andeutend gefagt fein, daß die concaven Bil- 
dungen ber Erde den negativen, weiblichen Typus an fich 
tragen, während die converen ben pofitiven, mäünnlichen 
reptäfentiren, daß aber überall ein Gleichgewicht ber 
pofitiven und negativen Kraft ſich darftellt, welches bie 
Welt, zufammenphält. 

Ortlichleit und Menfchheit bilden die Gefchichte. Die 
erftere, als das Pofitivfte, beſtimmt den Charakter der auf 
ihr lebenden Individualſchoͤpfung. Die mit Geift begabte 
Menfchheit hat die Aufyabe, fi vom Einfluß der Ort: 
lichkeit loszureißen und diefe zu beherrſchen. Immer wird 
der Einfluß ber Ortlichkeit auf den Charakter jener Herr: 
ſchaft bemerkbar bleiben. 

Die pofitivfte Erdform ift das Hochland Aſiens. Kein 


Walttheil komme Ddiefem darin näher als Europa; beide 


Welttheile ftellen vorherrfchende Converität dar. Daher 
fehen wir vom Himalaya herab die Gultur nad allen 
Richtungen fleigen und auf dem Gebirgsrhden Europa, 
welcher in feinen Verhältniffen Indien am ähnlichften ift, 
fi) anbaften. Aber Europa wiederholt die Bildungen 
Aſiens in kleinerm Maßſtabe. Aſien entwidelt große 
Maſſen, Europa kleine. Wie in der Thier- und Pflan⸗ 
zenwelt das kleine Geſchoͤpf ſich ſchnell entwickelt, ſo die 
Voͤlker Europas. Waͤhrend Aſien Jahrtauſende bedarf, 
um ſeine Menſchheit zur Entwickelung zu bringen, braucht 
Europa Jahrhunderte. Nur das Germanenthum und 
vorzugsweiſe das rein deutſche Leben nimmt einen groß⸗ 
artigeren Anlauf auf Jahrtauſende und verraͤth dadurch 
ſeinen hochaſiatiſchen Urſprung. 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Keifebefhreibungen. 


1. Darftellungen aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Achter 
heil. Auch unter dem Titel: Darftellungen aus einer Reife 
durch Schweden und Dänemark im Sommer bed Sahres 1839. 
Bon Friedrih Kari von Strombed. Braunſchweig, 
Vieweg und Sohn. 1839, Er. 8. 1 Thlr. 18 Gr. 


Herr von Strombed ift, trotz feiner Jahre, ein rüfliger 
Zourift und Reiſebeſchreiber; er reift entweder, um etwas 
zu haben, worüber er fchreiben kann, ober er fchreibt, um 
zu reifen. Jedenfalls kommt eine innere Neigung hinzu, 
die ihn zu einem SHauptrepräfentanten bes jest zur Mode 
gewordenen Zourismus madht, wenn wir uns ber Wortbil: 
dung „Tourismus mit Erlaubniß der beutfchen Gramma⸗ 
tiE bedienen dürfen. Man flieht es dem Verf. an, bag ihm 
fein Reiſeleben Vergnügen und Unterhaltung gewährt, daß es 
feiner leiblichen und geifligen Gefunbheit zuträglich ift, ia baß 
es ihm zu einer lieben Gewohnheit geworden, etwas Neues zu. 
jehen, neue Länder, neue Leute, neue Kleider, neue Gafthöfe, 
nämlich fremde, bie für Herrn von Strombed neu find; und 
welcher Reifende fühe, beobachtete und erlebte auch auf dem 
ausgetretenften Boden der europäifchen Menfchheit nicht etwas 
Reuess? Hat doch Feder feinen Lieblingsgegenfland, bem er 


feine Aufmerkſamkeit zuwendet, Jeder feine eigenthümliche Bes 
obachtungs-, Auffaſſungs- und Darftellungsweife! auch Herr 
von Strombeck. Die lichten Seiten an ihm ſind eine humane 
Geſinnung für die Menſchheit im Allgemeinen, eine große Em: 
pfänglichfeit für Dies und Das, was mehr auf ber Oberfläche 
legt, eine genügende Vielfeitigkeit, eine wenn auch nicht eben 
farbenreihe und glänzende, doch Mare Darftellung und ein rein: 
lid) georbneter Styl. ‚Dagegen feigt der Reifende zu wenig 
in die Ziefe der Erſcheinungen, in den Kern des Volkslebens, 
nur bier und da greift er einen Charakterzug auf, der ihm, 
wie auf der Gaffe möchte man fagen, entgegenläuft; aber eine 
Charakteriſtik von Volt und Land aus dem Ganzen und im 
Ganzen zu liefern, iſt ihm noch nicht gelungen; auch be- 
zeihner ihn eine gewiſſe Geſchwätzigkeit, eine zu große @inge- 
nommenbeit für Perfonen, männlide und weibliche, benen er 
empfohlen oder von denen ex empfohlen war, bie ihn freund- 
lich aufnahmen, bemwirtheten und fi von ihm, mie der König 
von Schweden, über gewiffe Dinge belehren zu laflen die Miene 
machten. Iſt daher feine Darftellungsmanier glücklicherweiſe 
auch frei von aller Kopfhängerei und befonbers allem politi- 
fen und focialen Mismuth, fo trägt er doch fm Allgemeinen 
mit viel zu muntern und luftigen Farben auf, es iſt, ale wäre 
faft fein Schmerz, kein Misklang in der Welt, kein ſchlechter 
Verwalter, Beine verfehlte Regierungsmaßregel, keine unglüd- 
liche Menfchenclaffe, er fteht ohne Glaufel, ohne Bedingung 
immer auf Seiten der Gewalthabenben ; für Gtrombed gibt es 
faft nur Licht-, Feine Schattenfeiten. Einzelne Rügen über 
Dies und Jenes find eben zu vereinzelt, um etwas bebeuten 
zu wollen. 

Dee Verf., der in vorliegender Reifebefchreibung den achten 
Theil feiner ‚„„Darftellungen aus meinem Leben und aus meiner 
Zeit“ erfcheinen läßt, reift über bie Lüneburger Haide und über 
Hamburg nad Lübeck, wo er, wie er weitläufiger auseinan: 
derfegt, drei polnifhe Damen Eennen lernt. „Wie ſchwanden 
die Stunden ber beiden Abende, bie ich in foldder Gefellfchaft 
verleben durfte!‘ ruft der Verf. aus. Dergleichen Saͤchelchen 
kann fih ein Reifender wol in feinem Tagebuche anmerken, 
oder befjer noch in feinem Gedächtniß verwahren, aber wenn 
fie kaum des Auffchreibens werth erſcheinen, fo find fie noch 
weniger bes Drudens werth. Gin Reifebefchreiber, welcher fein 
Journal druden laffen will, bat von ganz andern Belfannt: 
fhaften zu berichten, von Bekanntſchaften, welche über das 
Gebiet des blos Perfönlichen hinausreihen. Die Reife auf dem 
Dampfboote von Zrapemünde aus bietet nichts Intereſſantes; 
ebenfo wenig die Landung in Yſtadt. Durch die den Schiffern 
gefährliche Meerenge zwiſchen der ſchmalen 17 Meilen langen 
Inſel Deland und der Provinz Smäland, nad Kalmar, einer 
für Schweden bedeutenden Stadt mit prächtigem Dome, durch 
die Felfeninfeln (Scheeren) Hindurh nah Stockholm, werben 
bie Eefer wie im Fluge und halb im Zraum geführt. Mit 
Stodholm beginnt eine ‚bedeutendere und inhaltreichere Partie 
bes Buches. Der Berf. gibt uns sin ziemlich anſchauliches und 
umfaffendes Gemälde von Stodholms Lage und Auferm Anſe⸗ 
ben. Man weiß, daß Stodholm ausgezeichnet fchön liegt, und 
ber Verf. behauptet, daß die Lage der Stadt derjenigen von 
Genua und Neapel an die Seite zu, ftellen fei, indem fie zwar 
nichts Gleiches, aber bach etwas Ähnliches in mannichfadher 
Dinficht darbiete, und daß fie an Naturſchönheiten alle Städte 
von Mittel: und Nordeuropa übertreffe. "Referent glaubt nicht, 
daß er ſich in die Details ber Beſchreibung, welde Br. von 
Strombed von der Stadt liefert, tiefer einlaffen dürfe, und 
hält es für väthlicher, Momente von mehr innerlicher Bebeu⸗ 
tung hervorzuheben. Im Djurgärden (Thiergarten) hat er 
Gelegenheit, die Schönheit ber ſchwediſchen Damen zu bewun⸗ 
dern. „Man gelangt”, fagt der Verf., „bier zu ber Behaup⸗ 
tung, daß, wenn dem Schwedenlande aud unfer beutfches Va⸗ 
terland,, befonders fein heiterer Süden, hinſichtlich der Schön- 
beit der Frauen nicht nachfteht, doch — im Allgemeinen — bie 
Schwebinnen cine Grazie in ihren Bewegungen zeigen, deren 


_ 


928 


ned: @&tasträg: der kaum in ſeinen erſten Beunbzägen / organiſirt 


iſt?? Mıbaasnidgt eine: Apotheoſe des habsburger Fircſten, die. 
durch: ihre Phumbpheit beinahe ehrenrührig wird? Warum ver⸗ 
dreibrbena ber: Bexf. bie allgemein befannts. Cache, daß naͤm⸗ 
lich einige dere Wahlfücſten ‚gerade darum für Rubelf ſtimmten, 


weit: fie. zufältig: unuermählt, auf. eine Berbiabung ‚mit ihres. 
Köwigd: Shchbern ſpetulirten? NRubelf: hätte: mit zehn 


nim. 
—— gefegmet: fein: Ebunen, fie. wũrden / ihm nichts geholfen 


haben, wenn biefer Zufall ni 


wein: find, weiß Jebermann. 

Weiter unten heißt: es: „Wie aber einſt der redliche Fa⸗ 
britius den Epiroten= König vor einer ſchändlichen Meunterei 
warme, fo benadyrichtigte auch Rudolf den König Ottokar von 
den treuloſen und mörberifehen Abfichten feiner nächflen Umge⸗ 
dung, befcgämte durch diefen Edelmuth die Falſchheit und Treu⸗ 
loſigkeit ſeines erbittertſten und maͤchtigſten Gegners und ver: 
goß ſelbſt Thraänen, als er den Erſchlagenen auf der blutigen 
Wahlſtatt erblickte.“ Der Verf. hätte mit feinem Vergleich 


nicht auf die heidniſche Welt zurächhugehen nötig gehabt; wir 


wollen ihm ein näberliegendes Beifpiel erzählen, von bem wir 
freilich ten mufſen, daß es ihm nicht recht munden wird. 
Der große Hohenſtaufe Friedrich TI. war 1288, ohne vom Wanne 
Nosgefprochen gu fein, in das heilige Land: Behogen ; de 
Gregor IX:, trog feiner 90 Jahre maßlos heftig und hierarchi⸗ 
ſchen Stolzes voll; fendete dem Kaiſer in das Land, welches 
einſtens Zeuge des frirdlichſten und liebevollſten Wirkens des 
Stifſters Tine Religion: geweſen war, bie: ſelbſt den Feind zu 
achten: gebietet, ben BVannftraht zweiten: Grades nach. —2 
zung, te) und Brrrath waren die Bolgen. birfer: foger 
nannten! chriſtlichen Kirchengewalt. Die Zempelberren: erklaͤv⸗ 
ten" 2. Bi dem. Kalfee geradezu, fie wollten ihn in einen Ort 
werfer, ben: er nicht wieder. velaien würbe;, und ale derfelbe 
einmal beabficjtigte, ſich im Jordan zu: baden, ſchrieben jene 
Dimmer bee chriſtiſchen Kirche dem Gulten. Malek Kamel, bem 
damaligen. deu Seiften im Driente, er mochte bie: 
fen. ereommmu Auhäärer. des chriſtlichen Heeres überfallen 
und. gefangen. nefmen, indem fie zugleich die Mittel angaben, 
wie dies bewerkſtelligt werben: Binnte, Der Sultan aber dachte 
edler und hochherziger: er vorachtete eine ſolche Verräthevei und 
überfendete ſeinem Feiube den Brief... Mie wollen dem gewiſſen⸗ 
haften Verfaſſer nicht zumuthen, dieſes Faetam -zu glauben, wenn 
wir und nur auf akatholiſche Schrifeſteller berufen; deshalb ver⸗ 
weiſen wir auf Michaud's „Geſchichte der Kreuzzüge““. Daraus 
fieht aber auch der Verf., wenn er anders ſehen will, daß ſol⸗ 
de ſchoͤne Sharakterzüge, zur Sure der Merſchheit, nicht von 
ſolcher Seltenheit find, um deshalb. einen Färften. mit einem 
beſondern Heiligenfchein umgeben zu können. übrigens ift es, 
in umfern Wagen befonders, das allerunbraudhbarfle Mittel zur 
Verherrlichung der Fürſten, ihnen gewiffe Tugenden als durch 
höhere Infpivation eigen beizulegen ober mit einer Art froms 


1 mystere en ding 
T Unter: ben belle 





 gotf!, und den·Cononnes. do 


im Spiele geweſen waͤre · Daß 
abern politiſche Heirathen im ganzen Mittelalter gewoͤhnlich ge⸗ 


vatteren; „LAntrod 


in Strasburg. 





meri reude ya chhuren „ bierman.am. (Sriksn von. jehem: wahren·. 

Chrifem gu Tobayn bevtnla iß. Te Baar 
(Der. Beihhun, folgt. = 

u —D ⸗ ñ —ññ —ñ — — 
Roiſtizen. 

Suau de Barennes; Verf. der „„Matelots parisiens‘ uns 
„Un diamant & dix facettes’‘ gab vor kurzem heraus: „L’habit 
d’un autsur_celäbre.” Br den Sul "David, 
„actes et en prose”, von Fra iloche. 
fifipen und poetiſchen Gefehrinutigen En * 
ner gu. nenwens „Enswence, pesisien‘‘,; vom Abolf Duntasc; ber 


| rise und: vierte Mand..von Cu Gues „Iran. Cavalier” und 


„Axentuxes, de Hexmmule.hardı pu la Guyang en 1772 
fit); ,‚Guise et Riom’’, von Paul de .Maflet; 
el“ mit-ben,, Aventures galantes de Mar- 
etsV ' (3:M%e,), von: Ayfene 
Offen. Erde ‚Bimubins . „„Kintied‘- iſt zum 
aufgejegt worden und biefa vl mikı folgenden, 
gekündigt: „Als des Werfafler biele Sragmente fchrieb, war 
er noch Feine 20 Johr alt; wir drucden fie wieder ab, ganz ja, 
wie fie im 3. 1 f —588 Hard ohme Far ober F ti 
zungen. e erzaͤhlten Facta ſind untergeſchoben, aber.&ie ge 
—E find: wahr⸗ s s 


Die „Bibliotheqye d'élite““ von Ch. Goſſelin brachte vor. 
kurzem einen Band, weldyer ausschließlich Überfegungen aus 
dem Deutfchen gewidmet {ft} ex enthält die beiden „Kauft“ von 
Goethe, ferner Gedichſte und Balladen von Boethe, Schiller, Buͤr⸗ 
ar, Klopſtock, Schubart, Körner, Uhland, fämmtlich, überfegt von. 

erard. Gerard hat, was wir.im Banzen nur billigen können, 
den zweiten Theil bes „Fauſt“ aller jenes feltfamen Geheimniſſe 
und Zuthaten beraubt, welche namentlich. für die franzäfifchen 
Leſer die Lecture biefes Theils fo ſchwierig uud faft ungenießs 
bar machten; er. bat für geeigneter gefunden, fie. durch eine 
Einleitung, und cine umfaffende Eritifche Abhandlung zu erfeßen, 
um das Vesftändnif bes merkwürdigen Gedichte den Kranzofen 
7 erleichtern. Intereflant wird es. fein, die Gerard'ſche ⸗ 

gung ber beiden „Fauſt“ mit der von H. Blaze zu verglei⸗ 
den, die einen Beflandsheil der „Bibliotheque Charpentier” 
bildet, der. Großhexzogin von Sachſen⸗Weimar gewibmet.und eben⸗ 
falls mit Noten und Erläuterungen, wie mit Stubien über 
Goethe, verfshen fein wird. 


Angelänbigt ift: „Histoire: de l’invantion de l’kaprimerie-. 
par les monuments; album typographique exeeut& A l’ooca- 
sion du jubil& eunopeen- de l’invention de l’imprimerie.” Die 


deſſelb 
(unter der Pr 
und ,‚Fanty’’, zugl 


exſte Lieferung enthält unter Anderm „La dedicaoeı A Jena 


Gutenberg”, als erfte Probe einer neuen Art von Schrifecha⸗ 
duction: Elsments materiels: de limprimesie 
avant Gätenberg”’, ferner eine: Gutenbergeame, Drud : in 
Gold: und verſchiedenen Karben; ſechs Zeichnungen von A 


Schroͤdter in Düfftldorf, welche mehre Sujets aus Gutenberg's 


Beben barflellen u. f. w. AS Denkmale enthält bie erfte Ber- 
ferung: die NRudimente des Buchdrucks und bie Sharakkere der 
erſten mainzer Gutenbergbibel, die zweite Lieferung bie Charak⸗ 
tere der zweiten mainger Bibel (Aufl und Schoffer). Die Bere 
leger find Eugene Duverger in Parts und Treuttel und ein 





Der bedannte Verfaſſer ber ‚„‚Incidents of travel‘, Hr. &te= 
phens, weichen. von ber Regierung ber Wereinigten Staaten mit 
eine Specialmiſſion nach Guatemala gefandt worden, bat, 
da fein diplematiſcher Zweck bei bem gegenwärtigen anarchiſchen 
Zuſtande Mittelamerilas verfehlte ift, fich entichloffen, feine 
Reife zur Unterfischung. ber Möglichkeit einer Kanalperbindung 
zwifchen dem atlantiſchen unb bem ſtillen Oceane, ſowie auf ben 
Vorfihlag Gen. Gatherwood’s, eines Kuͤnſtlers, zur Belichtigung 
ber für den Gefhichtsforfcher mestwärbigen Ruinen von Palenque 
zu benugen. 47, 


Berantwortliher Derausgeber: HDeinrih Brockhaus. — Drud und Kerlag von F. U. Brockhaus in Leipzig. 


Blaͤtter 


für 


literarifdhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Nr. 229, — 


16. Auguſt 1840. 





Leben und Briefe von Adelbert v. Chamiſſo. Her⸗ 
ausgegeben durch Julius Eduard Hitzig. Zwei 
Baͤnde. 

(Beſchluß aus Nr. 228.) 

Unter der Üüberſchrift: „Einzelne Züge zur Charakte⸗ 
riſtik Chamiſſo's“, hat der Herausgeber noch manche Par: 
tien im Bilde feines Freundes forgfältiger beleuchtet. Auch 
wer Chamifjo nicht aus deffen Werken, fondern nur aus 
diefer Biographie kennen gelernt hat, muß das Bild eines 
Menfchen gewonnen haben, der zu den Eeltenheiten un: 
ferer Tage gehört. Aus dem Lande der feinen Gefellig: 
keit und ſich in ihrer Äußerlichkeit brüftenden Civilifation 
feben wir einen Dann hervorgeben, deſſen durchaus ſchlich⸗ 
tes, reines und Eindliches Weſen nichts von den vater: 
laͤndiſchen Formen an ſich trägt, fondern unter einer nicht 
abgefchliffenen,, felbft rauhen Schale deutfche Gediegenheit 
in fich fchließt und einer Unfchuldswelt angıhört, welche 
mit den Anſpruͤchen bee Gegenwart fehr contrafiitt. Wir 
finden in ihm den reinften Sinn für die Natur und ihre 
ungetünftelten Berhältniffe, woraus fi) aud feine Bor: 
liche für Naturvoͤlker und ſolche dichteriſche Stoffe erklärt, 
Die einer andern ale unferer europdifch=cinilifinten Welt 
entnommen find; audy feine religiöfen, nicht immer kirch⸗ 
lich = confeffionelfen Anſichten weiſen auf dieſe vorher: 
fhende Richtung feines Innern bin. Wir fehen diefen 
Mann bis an fein Lebensende erfüllt von reinem Eitreben 
und raſtloſer, uneigennügiger Thaͤtigkeit, altem Guten, 
Wahren und Schönen nicht blos befchaulich zugemendet, 
fondern daſſelbe fdhöpferifh und mit Stud auszuprägen 
bemüht, durchdrungen von ber edelften Gefinnung und 
mufterhaft in allen Lagen des Lebens. Daß ein folder 
Mann, treu und lauter wie Gold, auch ein feltener 
Freund gewefen fein müffe, beweiſt das ganze Buch, und 
namentlidy fein inniges Verhaͤltniß zum Derausgeber von 
früher Zugendzeit bis zum Tode. Hr. Higig, genoͤthigt 
bei diefer Gelegenheit von ſich zu fprechen, thut dies mit 
der liebenswürdigften Befcheidenheit, die ihn jedoch hin: 
dert, ganz gerecht gegen ſich feibft zu fein. Es ift gewiß 
kein „gewöhnlicher Geiſt“, der ſolche Freunde anzieht und 
bindet, tie fie Hr. Hitzig befeffen hat und noch befigt; 
es müfjen wol zu der von ſich eingeflandenen „aufrichti: 
gen Anerkennung höher VBegabter, zu dem freunolichen 
Weſen, der verträglichen Gemütheart” u. f. w. fi noch 


andere tiefer liegende Eigenfchaften gefellen, es muß eine 
geiftige Ebenbürtigkeit vorhanden fein, wenn folche Freund⸗ 
ſchaften beftehen follen, wie fie zwifchen dem Herausgeber 
und feinen literarifch berühmten Sreunden vorgelommen find. 
Alſo nicht blos jene leichte Auffaffung, paſſive Empfäng- 
lichkeit und die „weibliche“ Fähigkeit, ſich in bie Innern 
und dußern Intereſſen der Freunde hinein zu denken und 
zu fühlen, wie Hr. Hitzig meint, fondern auch ein poſiti⸗ 
ves Gewaͤhren, Ergänzen und Ausfüllen, welches nur ein 
wahrhaft geift: und gemüthreicher Mann poetifhen und 
deshalb der realen Welt flets etwas entfremdeten Naturen 
zu leiften vermag, verband ben Herausgeber mit feinen 
Sreunden, unter welchen gewiß Chamiffo am meiften in 


dem Halle war, fi) der Vorzüge Hitzig's zu erfreuen, deſ⸗ 


fen Weltweisheit, um nicht zu fagen Weltverftand, feiner 
Dichtereinfalt, wie die Ulme ber Rebe fo fehr zu flat 
ten kam. 

Zu den Beilagen bes erften Bandes gehören noch 
einige merkwürdige Actenftüde. Zuerſt ein Brief Zacha⸗ 
rias Werner's an Chamiffo von 1806, ganz in ber be: 
fannten manierirt=religiöfen Weiſe, in welcher immer ein 
trübes, finnliches Element nicht zu verfennen iſt. Dages 
gen rein wie blauer Himmel erfcheinen acht Briefe des 
damals 17jährigen, fpäter fo berühmt gewordenen Theo: 
logen Auguſt Neander, welche ein wichtiges Zeugniß für 
die Entwidelung diefes hodzbegabten Mannes ablegen, ber 
ale Mitglied der NRordfternvereinigung die von Platon und 
Chriftus ſchwaͤrmeriſch begeifterte, kindlich fromme und reine 
Seele den Freunden erfchließt. Sonderbar ſticht gegen ben 
inhalt diefer Briefe die dritte Beilage ab, welche fich 
ganz auf den Kreis der weltlichen Frau v. Stael bezieht 
und „Petite poste’ Üüberfchrieben ift. Unter diefem Namen 
fand naͤmlich in Goppet eine eigenthümtiche Unterhaltungs: 
weife flat. Man faß dort in den Stunden des Zuſam⸗ 
menfeins am grünen Tiſche, worauf fi Schreibmaterias 
lien befanden, und anftatt eines allgemeinen Geſpraͤchs zu 
pflegen, unterhielt man fich ſchriftlich unbelauſcht mit Eins 
zelnen, indem ſich Fragen und Antworten auf Streifen 
Papier aneinanderreibten, die zwifchen je Zweien hinübers 
und berübergereicht wurden. Durch diefes Spiel, welches, 
Petite poste genannt, zu Scherz und Ernſt wohl taugt, 
verfegte fih Frau v. Stael gleichzeitig in tete-äA-tete mit 
jedem ihrer Säfte, mas begreiflicherweile häufig eine fehr 


92 , B 


& * 
anziehende und pikante Unterhaltung gab. In dem Nach⸗ 
laffe Chamiſſo's bat ſich noch eine große Anzahl dieſer 
Gorrefpondenzblätter vorgefunden, aus welchen bier eine 
artige Auswahl mitgetheilt wird. 

Der zweite Band enthält in den Beilagen mehre Briefe 
Chamiſſo's aus feiner Corsefpondenz mit Dichtern, aament⸗ 
ih mit Anderfen in Kopenhagen, Braunfels, Simrock 
und Sreiligeath, welchen er vorzuͤglich hoch hielt; ſchoͤne 
poetifche Nachrufe auf Chamiffo’6 Tod von v. Stägemann, 
Anderfen und Gaudy, der nun bereitd auch zu feinem 
Freunde heimgegangen iſt; eine Nachleſe zu Chamiſſo's 
Gedichten im dritten und vierten Bande der Werke und 
einige Auffaͤtze in Profa, nämlih eine Anzeige 
der Gedichte von Freiligrath im „Geſellſchafter“, Juni 1838, 
"die Vorrede zur Überfegung des Beranger: über Beran- 
ger und das frangöfifche Volkslied, und Fragmente aus 
einer in der verliner Akademie der Wiſſenſchaften gehalte⸗ 
nen Vorleſung Über die hawaiiſche Sprache. 

Bine ſchoͤne Zugabe diefer Biographie ift das fauber 
geſtochene Bild von Chamiſſo's Geſtalt nach einer Zeich⸗ 
nung des Malers Weiß, „der in Chamiſſo's letzter Krank 
heit und in der Todesnoth wie ein treuer Sohn nicht von 
feinem Lager wih“. Es zeigt den Dichter in der Haus⸗ 
kleidung unter den hohen Bäumen feines Gartens mit 
der geliebten Pfeife auf einem merlcanifcyen Stuhle figend, 
am welchen auch Muͤtze und Stock fich befiuden. „Man 
meint“, fagt Sr. Hisig, „den theuern Freund und bie 
von ihm unzertrennlichen Umgebungen vor fi zu fe: 
ben. Uber wie er ausſah, wenn ein Freund kam und er 
aufſtand, zum ihn zu empfangen, das kann kein Pinfel 
malen, das kann nur das dankbare Herz Dem wieder vor 
bie Serie rufen, der es erfahren.” 

Das Werk ift „Den Vosangegangenen‘‘ gewidmet, den 
Theilnehmern an bem fchönen Kreife, welcher ſich in der 
Fülle zugendlichan Strebens den Polarftsen zum Symbol 
enter. Whele bee dein Genoſſen find bereits „vorausge⸗ 
gangen”, an Alle aber iſt der Spruch gerichtet: 

Min Stern eint hier uns Brüder. 


Ein’ uns Ein Stem bort wieber! 58, 





Die neueſte Geſchichte ber Menfchheit. Vom Anfang ber 
feanzöfifchen Revolution bis r unſern Tagen. Erſte 
Abtheilung: Frankreich und Oſtreich. ine Gegenein⸗ 
anderſtellung der Reſultate des unchriſtlichen und chriſt⸗ 
lichen Principe. Bon J. A. Booſt. Zweiter Theil. 

(Beſchluß aus Nr. 228.) 


In dem Abſchnitte, weldger ber Charakteriſtik Lubwig’s IV. 
und feines. Gegners Friedrich des Schönen gewibmet iſt, leſen 
wir Bolgendes: „Beide Gegner wurden die innigften Freunde, 
üßen an einem Tiſch und fchliefen in einem Bette, und indem 
fe die D Deutſchlands unter ſich theilten, führten 

e ben Ednigetitel und wechfelten blos von einem Tage zum 
onbeen in ber Unterzeichnung der Urkunden und Töniglichen Be: 
Ian: “Der erfte Shell dieſes Satzes bezeugt zwar mit Hecht 

e Ehrenhaftigkeit beider Fürften, verſchweigt aber, daß ber 
Charakter und bie Sitte ber Zeit biefe 
macht; der gweite Theil dagegen leibet an einer ar: 


She: nung im Ganzen 
et 
gen Oberflaͤchlichteit. Welchen Zweifeln und WBebenklichkeiten 


| 


4 

bie ganze Sache unterworfen iſt, bas hätte ber Verf. aus Haͤ⸗ 
berlin, Olenſchlager und Pfifter zu lernen um fo mehr fich zur 
Pflicht machen follen, da er ja belehren und berichtigen zu 
wollen vorgibt. Indeß, Unterfuchungen der Art vorzunehmen, 
Eonnte nicht im Interefle des Verf. liegen, fie mußten zu Zwei⸗ 
fen führen und dieſe warm natürlich nicht geeignet, feinen 
AMreichiſchen Prinzen in das gewuͤnſchte Licht zu fehen. 

Nachdem der Werf. die Turemburger Kalfer (1308 — 1437) 
und ihre Zeit mit aller nur möglichen Oberflaͤchlichkeit gewüͤr⸗ 
bigt hat, wenn man anders für foldye Schreibereien biefen Aus⸗ 
brud anwenden darf, Eommt er wieberum auf feine Halbgötter, 
auf die habsburger Fürften. Bei dieſer Belegenheit ift denn 
oft bie Rebe von den Ländererwerbungen berfelben; ſie find 
aber burchans auf dem Wege bes Rechtes und der Liebe ge⸗ 
madht won beißt * z. be Charakteriftit Darts 
mittans 1., Ä at een Weber würdig 
als der bes Verf.: „Die alte Beftimmung Öftreiche, feine A 
groͤßerung nicht auf dem Wege des Umrechtes und der Gewalt, - 
fondern nur auf jenen des Rechts und ber Siebe zu finden, 
ſollte nun auch bei Marlmilian I. wieder in Erfüllung gehen, in⸗ 
dem er feinen mit ber Maria von Burgund erzeugten Sohn 
Philipp, dieſen Better der Niederlande, mit der Königstochter 
Johanna, der Erbin von Spanien, wermählie, aus welcher Ehe 
ihm balb hernach zwei Enkel, bie nachherigen Kaiſer Karl V. 
und Ferdinand I. entfproßten.‘ 

Daß auch andere Fürſten, nicht blos bie Habsburger , durch 
porktifch s fpeeulative Heirathen ſich auf rechtliche Welle vaͤn⸗ 
der erwarben, ift befannt genug und mithin kein befonberse 
Rechtlichkeitsſinn des öftreichlichen Kürftenhaufes dabei ſichtbar. 
Wenn aber dieſes Haus vorzugsweiſe aus Liebe feine Ländere 
vergrößerung gemacht haben fol, fo möge uns ber Verf. einige 
Bedenklichkeiten anzuführen erlauben. War es vielleicht auch 
Liebe, als Albrecht I. feinem Meffen Johann bas Grbceheil vous 
enthielt? Das wäre wol aush Liebe, als ebenbeufelbe bie 
beiden Markgrafen von Meißen Krisbrih und Diegmann, bie 
Lieblofigfeit ihres Waters benugend, ihrer Länder zu 
berauben fuchte? Er that es wol nur aus Liebe, als er Hol⸗ 
land und Seeland an fein Daus zu bringen bemüht war? 
Daß alle biefe Abſichten beines Erfolgs ſich evfre aͤndert 
den Schluß auf bie Geſinnung nicht ab. Go geſchah es wei 
ebenfalls aus Liebe, als Öftreichifge Kürften Polen erbrüden 
halfen? Aber Maria Thereſia und Fürſt Kaunitz vergoſſen 
Thränen, wie uns gefandtfchaftlicye Berichte erzählen, über bie 
potttifche Nothwendigkeit, ſich ber ungerechten Bebietöneugrößes 
rung. fügen gu müſſen; und fie würden beide, wenn fte des 
Berf. Zußerung noch im Grabe vernehmen koͤnnten, biefelbe ents 
weder als niebrige Gchmeichelei ober als hoͤhnende Satire mit 
Verachtung aufnehmen. Übrigens wärbe unfer Verf. wohlthun, 
fi etwas von ber chriftlichen Liebe anzueignen — von ber 
politifehen Liebe wollen wir nidyt veben —, bie mehr als einen 
Zürften bes oͤſtreichiſchen Hauſes, has ihm fo lichenoll und ine 
ſpirirt exfcheint, ſchon geziert hat und noch ziert. Davon ift 
aber in feinem fogenaunten Geſchichtswerke keine Spur zu fin⸗ 
ben. Er bat bas Schwert noch umhängen, bas er früher, wie ex 
fetoft gefteht, fich in den frangöfiichen Revolutionsheeren herum⸗ 
geführt hat und das er noch bereit iſt zu gichen, 
wenn es feine Kirche, db. h. feine Partei, feine. Iefulten 
eftantismus iſt ihm 


es UAlte de l ten, daß der 
Bud a ee a un doch wol arwarten ßñ 


tigkeit widerfahren laſſe. Aber auch 

Derimilian II., bekanntlich einer der trefflichſten Soͤhne des 
Hauſes ‚Habsburg ni Fürſt und als Menfh, iſt mit einer 
man ‚mödgte fagen wahrhaft haͤmiſchen Oberflaͤchlichkeit gefchlis 
dert. Denn biefe Schilderung, die kuͤrzeſte von allen, hebt bei 
diefer Kürze gerabe eine ber Gchattenjeiten von Maximilian's 
Regierung hervor, die Behandlung bes Herzogs Briebrich des 
Mittlern von Sachien = Getha, obne auch nur mit einer Spibe 
zu erwähnen, daß der Kurfürft von Sachſen, Augufl, wefent: 
li dabei die Hand im Spiele gehabt habe und daß ber fonfl 
fo milde Katfer durch deſſen Einfluß und geheime Mittheilun⸗ 
gen zus Härte bewogen worden ſei. Das Ende jener Schilde: 
zung aber ift wahrhaft perſid zu nennen; es lautet folgender 
maßen: „Mit dem Geifte ber Reformation nicht recht vertraut 
und ihre Folgen für die Staaten verkennend, ließ er ſich durch 
feine Sergensgäte verkeiten, allenthalben den Wünſchen ber Pros 
teftanten mit der größten Willfährigkeit entgegenzulommen, Con⸗ 
cefkonen, die von feinen Vorgängern nur durch bie ſchwierig⸗ 
ften Berhaͤltniſſe erzwungen wurben, ihnen nun freimillig zu 
ertheilen und hierdurch dem Unrechte den Stempel bes Rech⸗ 
tes aufsubräden.‘‘ 

Klingt das nicht, ale wenn Ignaz Loyala, Lainez, Aquas 
viva, Sanfftus oder wie bie Heroen der Jeſuiten alle heißen, 
ſelbſt ſpraͤchen? Wer Marimilian’s Leben und Sharalter aus 
der Gefchichte kennt, muß über biefen Theil feiner Charakteriſtik 
ganz befondere empört fein. Ohne weitläufig zu werden, koͤn⸗ 
nen wir bier auf Beine fpecielle Würdigung berfelben uns eins 
laſſen — ber Sachkundige bedarf ihrer ohnehin weiter nicht — ; 
nur auf den Schlußſat müflen wir aufmerkſam machen: denn 
der Berf. iſt aus lauter Gifer, gleich als hätten ihm bie Ma⸗ 
nen Marimilian’s aus Rache diefm Streich gefptelt, in einen 
Fallſtrick CA Wenn nämlich Maximilian den Werhältnifs 
fen der Proteftanten Oſtreichs ben Stempel des Rechtes auf: 
deücdhte, war es nicht Bewaltthat, ſchreiende Ungerechtigkeit, 
daß deffen Nachfolger, allerdings von Iefuiten geleitet, dieſe 
Rechte vernichteten? Tertiem non datur. Und gibt dies ber 
Bert. zu, wie die gefunde Bernunft unter biefen Berhättnifien 
verlangt, fo bat er insbefondere über Ferdinand II., feinen 
Lieblingshelden,, den Stab gebrochen! Wenn wir von der per: 
fiven Beurtheilung Merimiltan’s ſprachen, fo iſt fie aber auch 
noch darin fichtbar,, daß fie nicht die geringfte Andeutung von 
der Geſinnung enthält, die er nach der parifer Bluthochzeit fs 
fentlich ausiprady und die ihn über die meiften feiner Zeitge⸗ 
noffen erhebt. Wie glauben es bem Andenken diefes trefflichen 
Monarchen ſchuldig zu fen, ben nicht ſehr befannten Brief *) 
unfern 2efern hier mitzutheiten, den er an Lazarus Schwendi 
ſchrieb, als er die Botſchaft von jenen Greuelfcenen erhalten 
hatte: ,,&o viel die veblihe That, fo die Franzoſen mit dem 
Admiral (Eoligny) und den Seinigen tyranniſcherweiſe er 

gt haben, die kam ich gar nicht loben, und habe es mit 
zlichem Eelde vernommen, daß fi 


*, Er findet ih in Goidaſt's, Constitutienibus imperil‘, Xh. 4, 
Nr. 20, S. MB, und daraus hat ihn Menzel entiehnt in ſei⸗ 
ner „Neuern Geſchichte der Deutfhen”, Bd. 5, ©. 38 u. 8. 


baubeit werben. Kein Ehebarer, Gottes 

—— ee ae 
R : EN ; 

Schwert. ifk bie ung’, &hr © a 

Banbel geweß: au 


Lehtere 2 Wurben: n 
beinahe alle neuen Inftitutionen und diejenigen Perfönlichkeiten 
in Zoscana verfolgt, die dabei befonbers thätig gewefen waren 
und Leopold's Beſtrebungen untsrftägt hatten? Nelken Vor⸗ 
fotgungen war ber Biſchof von Pifloja und Prato, Scipio 
Niced (Heft. 1810), Leopold’ Freund ausgefeht? Die Verfol⸗ 
ger gehörten derfelben Partei an, bie an unferm Verf. einen 
fo eifrigen Verehrer ‚gefunden bat. Wer. fich. übrigens Über die 
Sache felbft aufklären will, den verweilen wir auf Potter’ 
„geben und Memoiren bes Scipio Ricci“. 

Wir glauben durch unfere Mittheilungen das vorliegende 
Buch hinlänglich geſchildert und zugleich eine Pflicht exfällt zu 
haben, die darin befteht, folgen Rachtvögeln auf dem Gebiete 
der Literatur keine Ruheſtätte zu laffen. 54, 





Neueſter Auffhwung ber periodifhen Lite: 
ratur in Darmfladt. 
j Darmftadt, Juli 1840, 

Die periobifche Literatur in Darmflabt zehrt ſeit Jahren 
an ben alten Brocken; auch fchten Leine Ausficht dagu da, ei 
neue Gerichte auf den Zifch geſetzt hi feben. Denn die Srlaub: 
niß dazu hält fywer oder muß bei manchen Perfonen für un⸗ 
möglich gelten, wie 5. B. ſchon vor ſechs Jahren um bie Er⸗ 
laubniß zur Herausgabe einer ‚‚Deutichen Rechtögeitung‘‘ von eis 
nem biefigen, auch als Ziteraten wohlbekannten Hofgerichtsad⸗ 





924 


zoraten (Bopp) vergeblich nachgefucht ward. Außerdem iſt bas 
—X ziemlich indolent in ſoichen Dingen, und es bezieht, 
was die „Broßherzoglich Heſſiſche Zeitung” ihm nicht 8 
billigen Preiſes aus Frankfurt. Unter dieſen Umſtaͤnden 
doppelt bee Erwähnung werth, wenn ſich's Im Hexenkeſſel ber 
darmftädter. periodifchen Literatur, allerbings etwas tief, wo bie 
Knochen und Beilagen liegen, wieder einmal regt. GE iſt doch 
ein Lebenszeichen und wer weiß, ob nicht eine der Lettern, wels 
che jest von Bierpreifen und Mepgerfeilfchaften ins Publicum 
die vermehrte Kunde bringen, die Springwurzel ift, welche einfl 
Preßfreiheit und was all noch hervorzaubert. 

“Bisher befiand ein ‚‚Allergnäbigft privilegirtes Frag⸗ und 
Anzeigeblatt”‘ in Darmfladt. Es hieß im Munde bes darm⸗ 
ſtaͤdter Volks „Das Blättchen‘ und erichien Samflags, hatte 
aber ſchon vor mehren Jahren eine „Beilage“ ſich zugelegt, 
weiche Mittwochs aus der Preffe ins Yublicum fprang und fo 
doch einigermaßen die fonft zu langgebehnten Interefien bes 
Yublicums vermittelte. Damit wäre man noch lange zufrieden 
gewefen. Aber ein unternehmender Buchbruder kam auf ben 
Gedanken, an vier andern Wochentagen noch einen ‚„„Darmftäd: 
ter allgemeinen Anzeiger” erfcheinen zu laſſen. Gr erichien als 
gefährlicher Eoncurrent des „Frag⸗ und Anzeigeblatt”‘. Aber 
noch ein anderes Inftitut wurde dadurch gefährdet: „Das 
Kirchenblättchen‘‘, durch welches man bis dahin erfahren hatte, 
wer an Bonns und Feiertagen in ben evangelifhen Kirchen 
der Stadt Darmftabt predige. Ein bedeutfamer Wettlauf ent: 
fand. „Das Kirchenblättchen” behielt zwar bisher feinen alten 
Witwenfig, deſto rühriger aber zeigten ſich die zwei andern 
Blätter. Das „Frag⸗ und Anzeigeblatt‘‘ dachte auf Reformen. 
Es madhte feine Mittwochsbellage zu einem ‚‚Berorbnungsblatt”, 
richtete fi) überhaupt etwas anders ein und gibt nun ebenfalls, 
wer in den evangelifchen und katholiſchen Kirchen Darmftabts 
predigt. Aber die „Kirchliche Anzeige” (ein Scößling bes 
neuen ‚„Darmflädter allgemeinen Anzeiger”) hat auch ba über: 
flügelt. Sie gibt nämlich gugleich die Wochenevangelien, bie 
Wochenepifteln, die Texte, die Lieder, die gefungen werben, und 
Hat das Alles auch aufs benachbarte Dorf Beffungen ausge: 
dehnt. Linterbeffen fchreitet der ‚‚Darmflädter allgemeine Ans 
zeiger“ ebenfalls feinen Bang; weil das Ungewohnte lodt, ſetzt 
er manche Anzeigen verkehrt, daß man bas Blatt völlig um: 
drehen muß, wenn man fie lefen will. In ber „„Kirchlichen An⸗ 
zeige“ find zeitweife ganze Predigten ald Beilage verfprochen, die 
aber dann extra — vom Publicum — zu honoriren find. 87. 


Die hiftorifche Bedeutung des 1. Junius 1840, ausge: 
ſprochen bei dem Feftmahle der Stadt Berlin zur Feier 
des hundertjährigen Regierungsantritts Friedrich's des 
Großen von 3. D. E. Preuß. Berlin, Dunder u. 
Humblot. 1840. 8. 2 Gr. M 


Die Verdienſte des Hrn. Preuß um die vaterlaͤndiſche Ge⸗ 
ſchichte und die vorzugsweife bedeutende Erneuerung, welche 
durch feine meifterhafte Biographie dem Andenken des großen 
Könige zu Theil geworden ift, find zu binlänglicdy befannt, als 
daß fie jest einer wiederholten Erwähnung bebürften. Daher 
haben wir an der von ihm am 1. Juni gehaltenen Rebe 
nur bie große Lebendigkeit des Vortrags und die Präcifion in 
Zufammenfaffung ber Zhatfachen zu loben, bie ein neuer Beleg 
dazu find, daß bei deutichen Feſtmahlen ebenfo gut ergreifend 
und zur allfeitigen Befriedigung einer großen Zuhörerfchaft ges 
fprodgen werden Tann als in England und Frankreich. 11. 





giterarifhe Notizen. 


Die franzöfifhe Regierung hat feit einigen Jahren mehr 
ald irgend eine andere den Druck wichtiger ftatiftifcher 


| Burg zu erwähnen. 


Doeumente befohlen. Dahin gehören unter Anderm: „Netices 


statistiques sur les colonies francaises, imprimees par ordre 
du ministre de la marine 'et des colonies’’ (3 Mhe., Paris 
1887 — 89). Der erſte Theil dieſer ſtatiſtiſchen Notigen über 
die franzoͤſiſchen Colonien beginnt mit einem Überblick der 
ſaͤmmlichen Colonien, der Natur ihrer Bevölkerung, der Gefehe, 
worunter fie leben, ihres Berwaltungsfoftems, ihres Lanbbaus 
und ihres Handels. Wan begreift, daß fo verfchiedene und To 
weit voneinander entfernte Niederlaſſungen, wie die franzö 
ſchen Golonien find, wenig @emeinfchaftliches miteinander haben 
tönnen. Die Notizen geben baher gewöhnlich ſchnell in bie auf 
jebe Golonte, für fich betrachtet, bezüglicdhen Details ein. Die 
zuerft genannte iſt Martinique, darauf folgt Guabelaupe, d. h. 
die beiden Sterne, die Frankreich von feinem reichen Diadem 
von Infelcolonien in Amerika geblieben find. Der zweite Theil 
der Notizen umfaßt die Infel Bourbon und das frangöfifche 
Guiana, der dritte bie Riederlaſſungen in Indien, ben Gene 
gal und feine Pertinentien; ber vierte endlich wirb die Inſeln 
St.⸗Pierre und Miquelon, die Nieberlaflungen auf der Küfte 
von Madagaskar und zuleat eine allgemeine Überfidht der Co⸗ 
Ionien umfaflen. Algier ift unter die vorfichtige und friedliche 
Verwaltung des Minifters der Marine nicht mit einbegriffen; 
es ift abhängig vom Kriegsminifter und ſcheint lange noch bie 
Kriegsichule des franzöfifchen Heeres, cher als eine Nieberlafs 
fung für Aderbau und Handel, fein zu follen. Der jede Gos 
lonie insbefondere betreffende Artikel ift eine intereffante Stati⸗ 
fit, worin die Materialien zwar nicht fehr reichlich, aber auf 
bie deutlichſte Weiſe angeorbnet find. Das Werk enthält bes 
fondere Gapitel über die @efchichte jeder Golonie, über bie To⸗ 
pographie der in Beſit genommenen Punkte, über das Klima, 
bie Bevölkerung, die Regierung, die allgemeine Gefedgebung, 
die NRechtöpflege, bie Kriegsmacht, das Finanzweſen, die natürs 
lichen und Feldbauproducte, die Gewerbe, den Dandel und alle 
Einrichtungen zum allgemeinen Beften. 


Da es mandem Lefer dieſer Blätter nicht unntereffant 
fein mag, zu erfahren, was auf dem Gebiete ber Philofophie 
in Frankreich Neues erfcheint, fo können wir nicht umhin, fol⸗ 
gendes Wert: „„Essai' d’une philosophie sans systeme ou d’in- 
ductions philosophiques d’apres des faita g@neraux et non 
contestes’‘, von Hrn. Rogniat dem Altern (2 Bde., Paris), 
Eine Philofophie ohne Syflem, gebaut auf 
allgemeine, nicht beftrittene Thatſachen, wäre gewiß etwas Neues, 
noch nie da Geweſenes; denn erftens pflegen die Worte Philos 
fophie und Syſtem fo miteinander verbunden zu werden wie bie 
Form mit dem Wefen, die Wirkung mit der Urfache, die Ver: 
wirklichung mit dem Begriff, ber Ausbrud mit dem Sinn; 
zweitens bat es wol noch nie Thatfachen gegeben, bie, wenn 
auch an ſich unbeftreitbar, nicht von Diefem oder Jenem beflritten 
worden find. Zweck bes Verfaſſers ift, die Philofophie eins 
facher, ben Gebilbeten überhaupt zugänglicher zu machen und 
diefelbe auf gemwifle und unzweifelhafte Grundlagen zu bauen, 
was allerdings ein lobenswerthes Beſtreben ff. Doc bringt 
ec uns in der Hauptſache nichts Neues. Er ift ein Schüler 
Baco's von Verulam. Mit Philofophie ohne Syſtem meint er 
eigentlih nur eine auf die Erfahrung unb nicht auf bloße 
Speculation gegründete Philoſophie. Er theilt feinen Werfuch in 
ſechs Bücher ein. Das erfte Buch handelt von den Wefen übers 
baupt, das zweite von Gott, das dritte von dem organifchen 
Leben des Menfchen, das vierte von dem fittlidden und vers 
nünftigen Leben des Menſchen, das fünfte von dem menſchli⸗ 
hen Verflande und das fechste von dem Buftande des Men⸗ 
[hen auf der Erde. Man ficht es beim erſten Blick, es gibt 
wenig wichtige ragen, die nicht in diefen Rahmen eingefaßt 
werden können; man muß insbefondere alle diejenigen darin 
finden, welche den Menfchen und die Menſchheit intereffiren ; 
diefem Theil bat auch ber Verf. die größte Ausdehnung und 
Aufmerkſamkeit gefchentt. 13, 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von 8. U. Brockhaus in Leipzig. 


Bl tter 


für 


literariſche Unterhaltung 





Montag, 


Re. 30, — 


17. Auguft 1840. 





Borlefungen- über die Gefchichte der Poefie, gehalten 
zu Dresden und Berlin im 3. 1837. Bon €. Fort: 
lage. Stuttgart, Cotta. 1839. Gr. 8. 2 Zhlr. 

Bliebe vorliegendes Buch in einem Kreife ſtehen, der, 
nicht mit der foftematifchen Fortbildung der Wiſſenſchaft 
in fi concentrifch, vielmehr die Vermittelung ihrer Auf: 
foffung für ein größeres Publicum, ihre allgemein faßliche 
Behandlung und Betrachtung zur Aufgabe hat, fo wür- 
den wir kein Bedenken tragen, ed, ungeaöhtet der Unvoll: 
kommenheiten einzelner Theile und des Ungenügenden ſei⸗ 
ner Grundlagen, als eine hoͤchſt zweckmaͤßige Arbeit innerhalb 
dieſes Kreifes zu begrüßen. Denn es befigt gerade biejeni> 
gen Vorzüge, welche für ein Werk von ber bezeichneten 
Art ebenfo wünfchensmwerth als felten find: Mare, fogar 
geiftreiche Anfchauung, gewandte, ſchoͤn gegliederte Darftel: 
lung, blühenden Styl, feine, wohlklingende Sprache. Hier: 
über feine Mängel zurüdzuftelln, wäre um fo leichter zu 
verantworten, als die Richtung des Buches diefelben ale 
großentheils unſchaͤdlich erfennen ließe und überdem bie 
Schwierigkeiten, welche mit ihrer Umgehung verfnüpft find, 
durch das Vorhandenfein jener Vorzüge eher noch gefteis 
gert würden. 

Statt deffen aber begnügt es ſich nicht mit ber fichern 
Wirkung, die es in jener Sphäre machen, und mit der 
Anerkennung, die e8 dabei von der Kritik finden würde, 
fondern ſtellt fih in einen Gegenfag gegen bie bisherige 
Auffaſſungsweiſe der Gefchichte der Poefie, welcher feine 
Anſpruͤche auf wiflenfchaftliche Geltung zur Genüge fund: 
gibt. Der Verf. mache in der Vorrede (S. xıı fg.) der: 
jenigen Behandlung dieſes Gegenſtandes, welche von Schle: 
gel und nachmals von Roſenkranz ausgegangen ift, und 
wornach die Poefie ald eine Folge weltgeſchichtlicher Ent: 
widelungsftufen betrachtet wird, den Vorwurf der Einfei- 
tigkeit und Oberflächlichkeitz ex vermißt „die genaue Schil⸗ 
derung und Charakterifirung des Schoͤnheitsideals, welches 
ſich bei einer Nation von Anfang bis zu Ende ihrer poe⸗ 
tifchen Entwidelung als durchgreifend wirkfam zeigt, nebft 
einer möglichft genauen Bezeichnung der Gontrafte, welche 
zroifchen den verfchiedenen poetifhen Idealen als Darftel: 
fern verfchiedener pfochifcher Organifationen oder National: 
charaktere ftattfinden. Hier iſt aber zuvoͤrderſt nicht abs 
zufehen, wie diefe Charakterifirung jener angeblich einfei: 
sigen Anficht gegenüberzuftellen fei, da fie doch vielmehr 


in ihre, fo weit nöthig, enthalten if. Der Geift in feiner 
unaufhörlihen Bewegung ann in keinem Volke zu einem 
Typus erfiarren, der noch ein wirkſames Beftandtheil des 
Geiſtes in fih tragend, doch außerhalb jener Bewegung 
ftunde.. Darum kann jene Charafteriftit nicht anders als 
innerhalb des gefchichtlichen Standpunfts angenommen und 
begriffen werden; darum wird fie aber auch von jener Bes 
wegung fo viel in ſich aufnehmen müffen, als biefelbe 
auf die Entwidelung und Fortbildung des Volkscharakters 
Einfluß geübt hat. Niemals ift der Charakter eines Volks 
zu jeder Beit ein und berfelbe, und wenn der Verf. bloß 
die immanenten Beſtandtheile deffelben, diejenigen, welche aus 
ferhalb der fortfchreitenden Bewegung flehen, zu Ausgangs⸗ 
punkten feiner Betrachtungsmeife nimmt, fo kann er nicht 
fagen, eine Charakteriftit irgend eines Theiles des Wolke: 
geifte® gegeben zu haben. Wo er das Nichtige zu fagen 
meint, da fchildert er in der Megel nur die eine Seite 
der Sache, und nur dann trifft er das Wahre, wenn er 
diejenige Seite herausſtellt, welche für eine gewiſſe Zeit 
der Bewegung des Geiſtes zugewendet war und an mels 
cher fich diefelbe nachhaltig aͤußerte. 

Sodann liegt ein fernerer Irrthum in der Anficht, als 
ob „mehre einzelne Ideale als Mufter entgegengefegter Schöns 
heit fchleunig und groß aus der menfchlichen Phantafie 
ſich erhoben und nad) ihrer Enitgegenfegung entgegengefeßte 
Nationen zu ihrer Darfiellung entflammt” hätten (&. 2), 
Wenn der Verf. als diefe Ideale das ber plaſtiſchen Schöns 
heit in ber griechifchen Kunft, das der mufikalifchen ober 
herzergreifender Schönheit bei den Arabern und ihnen vers 
wandten Völkern, das phantafiereicher Schönheit im uͤbri⸗ 
gen Drient, bei Indern und Chinefen zu erkennen meint, 
fo Liegt Hierin ein völliges Verkennen der gefchichtlichen 
Sdealbildung Wir Eönnen nicht fo viel einzelne Ideale 
annehmen, als wir verfchiedene Richtungen des Geiſtes in 
Bezug auf die Kunſt nebeneinander beftehend finden; viels 
mehr iſt das Ideal ein und daffelbe, und nur die Geſtal⸗ 
tungen, die es in der Entwidelung des Geiftes innerhalb 
der Gefchichte gewinnt, find verfchieden, und biefe Geſtal⸗ 
tungen liegen wiederum nicht im Raume, ſondern in der 
Zeit, ſie ſtehen nicht nebeneinander, ſondern ſie folgen 
nacheinander. Die Aufgabe der Wiſſenſchaft iſt es / mit⸗ 
hin, nachzuweiſen, wie dieſe verſchiedenen geſchichtlichen 
Ideale als der gemeinſchaftliche Boden der geiſtigen Mor: 


— — — —* rn EEE — — —— CE 
— 





ſtellung ſich zu den einzelnen Erſcheinungen der Dichtkunſt 
verhalten, insbeſondere, in welchem Verhaͤltniß dieſelben zu 
den Geſtalten der Dichtkunſt als epiſche, lyriſche und dra⸗ 
matiſche Poeſie ſtehen. Es iſt daher leicht begreiflich, in 
welchen Widerſpruch der Verf. mit dem hier vorgezeichne⸗ 
ten Wege um ſo mehr gerathe, je weiter er, dem Laufe 
der Zeiten folgend, die Entfaltung der Dichtkunſt darzu⸗ 
ſtellen hat. Er ſetzt jene drei Ideale als ebenſo viel Grade 
der Schoͤnheit und nimmt ſie zu Ausgangspunkten ſeiner 
Darſtellung; mit dieſem Irrthum verbindet er ſofort den 


zweiten, biefelben zugleich ald ausgebildet in den drei Haupt: 


arten der Poeſie zu fehen, indem die Poeſie der In⸗ 
dier, auch die dramatifche, durchaus epiſch, die der Grie⸗ 
chen, auch die epifche, durchaus dramatifch, die ber Hebräer, 
auch die dramatifche, durchaus lyriſch ſei (S. 6). Hat er 
mit der erſtern Vorausſetzung die Möglichkeit einer richti⸗ 
gen Entwidelung der gefchichtlichen Fdealgeflaltung durch 
das Verkennen ihres Verhaͤltniſſes zu der Dichtkunft im 
Ganzen aufgehoben, fo entfernt er durch dieſe zweite Grund⸗ 


behauptung die Möglichkeit einer Würdigung des Einfluf- 


fe6, den die einzelnen Arten der Dichtkunſt von den ge: 
fchichtlichen Sdealen erlitten. Ja, er verwifcht die einzigen 
Unterfchlede, die uns noch ale. Leitflerne auf dem fchon 
ohne Compaß zu befchiffenden Meere der Zeit bienen konn⸗ 
ten, nunmehr völlig, wenn er die Übergänge der Dicht: 
arten von vorn herein in folcher Weile, wie wir eben fa: 
ben, darſtellt, ohne uns die gefchichtlichen Unterfchiede ge: 
kaflen, oder die Normen diefer Dichtarten bereits gegeben 
zu haben. Aber er geht noch weiter. Zwar ſcheint er fich 
nun zur gefchichtlichen Auffaffung zw menden, aber es ge: 
ſchieht dies blos, indem er eine neue Folgerung an jene beiden 
Borausfegungen fnüpft, die und nothwendig noch weiter 
von dem Wahren entfernen muß. Es heißt S. 6 ferner: 

Die genannten drei rein poetifchen Grundtypen ſeten fi 
dann gegen bas Mittelalter hin weiter fort; die Hebrälfche Poeſie 
im Koran, die Würde griechifcher Plaftit in ben Hymnen ber 

n Kirche, und bie indiſche Zerfloffenheit nebelhafter Ge⸗ 
Iten wiederholt fi wie in einem fernen Spiegelbilde im 
phantaſtiſchen Oſſian. 

Bis hierher wäre nur ein Fortſchreiten auf der bis⸗ 
besigen Bahn vorhanden, das mit dem frühen Nachweiſe 
der Unrichtigfeit des Ausgangspunftes von felbft als irrig 
erſchiene und bei aller Einfeitigkeit ber Auffaffung doch 
keine neuen Gegenſaͤtze nothwendig hervorriefe. Aber der 
Verf. Hat dieſe Einſeitigkeit gefühlte und weiß gleichwol 
Beine andere Aushuͤlfe als mit folgender Wendung: 

Nur find in biefen Wiederholungen bie Charaktere ſchon 
einigermaßen verichmolgen. Denn im Koran zeigt ſich bie herz⸗ 
ergveifende Lyrik fchon mehr phantaſtiſch geworden und zur 
Phantafie fprechend. Der phantaftiihe Oſſian Lebt oft Form 
und Ehaͤrakter des reinen Dramas und hebt ſich in feinen Kla⸗ 
gen bis zu pfalmäßnlichen Herzerfchütterungen, und in bem 
tziumpbirenden Stolz altcheiftlicher Kirchenpoeſie herrſcht als 
Seele die Zerknirſchung der Pfalmen. 

Da Haben wir alfo, wenn wir dad Reſultat ziehen 
follen, zuerſt die Grade dee Schönheit, inbifche, griechifche 
und bebrälfche, diefe drei Grade „laſſen fich auch ausſpre⸗ 
chen“ als yhantafiereiche, charaktervolle und hergergreifende 
Schoͤnheit; nun iſt die indifhe, oder die phantaſiereiche 





6 


Poeſie durchaus epifch, wir werben alfo bem, „bie Indifche 
Zerfloſſenheit nebelhafter Geftalten wiederholenden, phanta= 
ſtiſchen“ Oſſian etwas vom epifchen Charakter beilegen müfs 
fen. Derfelbe liebt aber oft auch Form und Charakter 
des reinen Dramas, bie durchaus dramatiſche Poeſie iſt 
aber die griechiſche; endlich find feine Klagen auch pfalms 
ahnlich, d. h. lyriſch. Somit iſt Oſſian epifch = drama- 
tif = Ipelfch, oder mit andern Worten, phantafiereich = cha: 
taftervoll = hergergreifend zugleich und vereinigt ſaͤmmtliche 
Schönheitsideale in fih! Darum alfo führt uns der Verf. 
den langen Weg einer mechanifchen Zerlegung der Ideale, um 
nah dem Verlauf von einigen Sahrtaufenden der Gefchichte 
in feinen eigenen Worten das Reſultat = O zu fielen? 
Und dennoch ift Offian phantaſiereich, herzergreifend, 


charaktervoll: — aber inwiefern und warum iſt er es? Die 


verfchiedenen Idealbildungen in der Geſchichte wirken bei 
keiner Kunftform weniger entfcheidend auf bie Geſtaltung 
und Entwidelung berfelben als gerade bei ber Iprifchen 
Poefie, weit in diefer die Selbftändigkeit der Kunft im 
Gegenfage gegen das Ideal ausdruͤcklich hervortritt. Ste: 
hen nun auch manche Völkergeifter in fo naher Beziehung 
zu ber Welt des Ideals, daß ein Einfluß auf ihre Lyrik 
von der Stufe feinen gefchichtlichen Entfaltung nicht zu 
verfennen ift, wie 5. B. bei dem antiken Ideal der epifche 
Charakter ſich auch auf die Lyrik cheilmelfe überträgt, fo 
ift in andern wiederum die Individualität auf eine ſolche 
Weiſe ausgebildet, daß fie, ohne dadurch der Idealwelt nd= 
ber getreten zu fein, eben für ihre Subjectivitaͤt in ber 
Selbſtaͤndigkeit der Lyrik einen geeigneten Ausbrud finden: 
ein Ausdrud, der aber gerade hierdurch auf Wereinzelung 
ihrer Stellung in der Geſchichte hinweiſt. Diefe Beſon⸗ 
berheit kann ebenfo gewiffen Perioden eines Volkes, das 
eine dauerndere Geltung innerhalb der Gefchichte einnimmt, 


& | als ganzen Völkern eigenthümtlich fein, denen vielmehr ein 


beiläufiges, duch feine Individualität fchärfer abſtechendes 
Verhalten zur Gefchichte gegeben ift. Dies letztere fit der 
nicht erfannte Grund der vom Berf. richtig erkannten 
hnlichkeit zwiſchen der hebraͤiſchen Dichtkunſt und der des 
Oſſian. Hier iſt das Herzergreifende, Gewaltige einer Ly⸗ 
rik, wie fie durch jene Vereinzelung beguͤnſtigt und geho⸗ 
ben in kraͤftiger Selbſtaͤndigkeit hervortritt; hier iſt das 
Phantaſiereiche, wie es auf ber jugendlichen Geiſtesſtufe 
eines von einer erhabenen, großartigen Natur umgebenen 
Volkes ſich zeigt; hier iſt das Charaktervolle, deſſen Dar⸗ 
ſtellung im Epos in der Entfaltung und Auseinanderbrei⸗ 
tung des Mothiſchen erfolge und bei Oſſian in ber Schil⸗ 
berung einer bedeutungsvollen Vergangenheit anklingt. Aber 
darum, weit wir in Offian Herzergreifendes, Phantaſierei⸗ 
ches und Charaktervolles finden, iſt er nicht lyriſch⸗ epifchs 
dDramatifch: ja, das Phantafiereiche in ihm entfpeicht fo we⸗ 
nig dem Epos, das Charaktervolle fo wenig dem Drama, 
als gerade das letztere in rechter Beziehumg zu dem Epifchen 
ſteht; und Oſſian's Lyrik ſteht, weit entfernt, jene Kunſt⸗ 
formen in fich zu vereinigen, vielmehr zwiſchen dem anti= 
ten und romantifchen Ideal vereinzelt in der Mitte. 

Wir wollen, nachdem wir die Baſis der Auffaffungs- 
weife des Verf. als ungenügend erfannt haben, nicht weis 


927 


tee in die Entwidelung ber von ihm ats leitend aufgeftell: 
tm Säge eingehen, fo wenig als uͤber bie aͤußerliche Axt, 
wie er die Poefie des Mittelalters auffaßt, indem er z. B. 
(S. 264) bei der Überfiht über die Sagenkreife das 
„Srundverhältniß europdifcyer Poefie” darin findet, daß ein 
Land immer dem andern feine poetifchen Stoffe zumarf, 
und weiter verbreiten. Doc) können wir es ung nicht ver⸗ 
fagen, zugleich zuc Probe feiner Darftellung folgende Stelle 
mitzutheilen, ‘wo der Berf. (S. 271) „vier intereffante 


Geſichtspunkte entdedit, welche das Grundverhaͤltniß des - 


inneren europäifchen Lebensgetriebes bietet”: 

Der erfte ift der Geſichtspunkt der einander brüdenben, von 
Prineipten bewegten Maſſen oder Kräfte. Der Kürze wegen 
fann man ihn mit einem Bilde ben Gefichtspunkt der Wage 
nennen. Der zweite ift der Gefichtöpunft der in fich verfal: 
lenen ober im Selbſtmorde begriffenen Principien und Parteien. 
Der Kürze wegen kann man ihn mit einem Bilbe ben Geſichts⸗ 
punkt ber Halsfchlinge nennen. Der dritte iſt der Geſichts⸗ 
punkt der fih in wiberfprechenden Verhältnifien befindenden Per- 
fonen. Der Kürze wegen nennen wir ihn den bes chamäleoni- 
ſchen Affeetenfpiele. Der vierte endlich ift ber Geſichtspunkt 
der neuen Annahme eines bisher verſchmaͤhten Principe, welchen 
wir der Kürze wegen ben Beweis bes Paraborons nennen wollen. 
Diefe vier intereflanten Standpunkte des europäifchen Lebens find 
es, welche die neue Tragödie fih zum Thema gewählt hat. 

Diefe Sefihtspuntte nun findet der Verf. in den Tra⸗ 
göbien der vier Nationen, bie in Europa biefelbe bearbei- 
tet haben, Spanier, Engländer, Franzofen und Deutfche, 
dergeftalt, baß eine jede es nur in Einem dieſer Gefichte: 
punfte zu einer ausgezeichneten Höhe gebracht habe. Der 
vierte derfelben komme natürlich der deutfchen zu; das Thema 
der deutſchen Tragoͤdie wird noch befonders (S. 293) als 
„Die Wagfchale des Geſchicks“ bezeichnet. Mac) diefer Bor: 
ausfegung werden alle Goethe'ſchen und Schiller ſchen Dra⸗ 
nten blos darnach charakteriſirt, ob die Schale bes Helden 
fleige oder fällt, ob unfer Intereſſe auf die eine oder auf beide 
Darteien zugleich gefpannt wird, ob die Schalen entweder 
fteigen oder ſinken, oder ſchweben, ob wir in beide Scha⸗ 
fen bliden, ober der Dichter uns nur .die eine, entweber 
die fleigende oder die finfende, enthüllt. 

Doc genug der Proben einer Einfeitigkeit, die inner: 
Halb ber Wiffenfhaft in der That aller Geltung bar ifl. 
Die Phantafie des Verf. ift geeignet, erkannte Wahrhei⸗ 
ten in eine Form einzulleiden, in der fie auch bei Solchen 
Eingang finden, welche den Ernſt der MWiffenfchaft und 
die Strenge philofophifchen Denkens fliehen; hätte er fich 
blos in dieſem Gebiete bewegt, wir wiederholen es, er hätte 
ein großes Verdienſt fih errungen, ein Verdienſt, das 
felbft von den Männern der Wiffenfchaft, die feinem Wir: 
kungskreis fern flanden, anerkannt worden wäre; benn es 
ift in gewiſſer Beziehung nur zu wahr, daß oft genug ber 
Darſteller erft der zweite Entdeder if. Aber indem er 
die Grenzen feiner Kräfte verfannte und da auch neue 
Gedanken bringen wollte, wo fein Beruf, wie ihn fein 
Talent ihm vorzefchnete, nur war, das Gedachte in neue 
orte zu bringen, bat er ſich dem ganzen Gefolge kriti⸗ 
fhen Unheils ausgelegt, das felbft bei den billigfien Ruͤck⸗ 
fichten, wie bei der bereitwilligften Anerkenntniß feiner fon- 
fligen Leiftungen ihn treffen muß. Die Geſchichte der 


Porfie iſt endlich über ſolche aͤußerliche Kategorien, uͤber 
ſolche Gefuͤhlsdiſtinctionen, ja Ins Spielende uͤbergehende 
Vergleichungen und Scheidungen hinaus; — wo man fie 
findet, müffen fie aus dem Kreife der Wiſſenſchaft als ihrer 
unwuͤrdig und unrein ausgefcjleden werden, und felbft für 
die Kreife des Dilettantismus find zeitgemäßere und gei⸗ 
ſteskraͤftigere Auffaſſungsweiſen vielleicht nicht mit Unrecht 
zu verlangen. 9, 





Historical sketch of the rise, progress and deecline of 
the reformation in Poland and of the influence which 
the scriptural doctrines have exercised on that coun- 
try, in literary, moral and political respects., By ceunt 
Valerian Krasinski. Zweiter Band. London 1840.*) 

Da die politifchen und veligtöfen Parteien in England ſich 
dieſes Werts und ber darin enthaltenen Argumente bemädhtigt 
haben, um ihre eigene Sache zu verftärken und bie der Geg⸗ 
ner zu entkräften, da nicht allein in wiſſenſchaftlichen, politi⸗ 
ſchen und Lirchtichen Beitfchriften, fondern auch in bedeutenden 
politifchen und religiöfen Meetings des Werks umſtaͤndlich Erwaͤh⸗ 
nung geſchehen ift, fo iſt es vielleicht von Intereffe, nachzuwei⸗ 
fen, wie geſchickt die verſchiedenen Parteien ſich deffelben bemächs 
tigt haben, um es als wirkfame Waffe zu gebrauchen. Der Zweck 
des Berf. fcheint zu fein, die polmifche Sache, die durch bie Zeit 
und andere wichtige, mehr unmittelbar das englifche Volkeleben 
berührende Ereigniſſe in den Hintergrund gedrängt, ja faft eins 
gefchlafen war, an eine mächtige Partei ee und ges 
viffermaßen in bem gemeinfchaftlichen proteftantifchen Standpunkt 
beide Parteien, die engliſch⸗ proteftantifche und bie polnifch= na- 
tionelle gu vereinigen. Zu dem Ende weift er in feinem Werte 
nad, wie die Sache der Reformation in Polen im Zeitraum 
von einem halben Jahrhundert folche Kortfchritte gemacht bat, 
baß ihr enblicher Sieg über ben Katholicismus gang gewiß ſchien. 

Nichtsdeftoweniger fei in dem nächften halben Jahrhundert, troß 

ber vortheilgafteften Stellung, der Proteftantismus durchaus un: 

terdruͤckt, ja faſt vernichtet worden. Kraſinski weißt ferner nach, 
daß diefe außerordentliche Reaction in Polen nicht, wie es ber 

Ball in Italien und Spanien geweien, durch bie flarke Hand 

einer gefeglich conſtituirten Autorität hervorgebracht worden ſei, 

ſondern durch eine bigote prineipientofe Faetion, die von ben Ge⸗ 
fegen des Landes Feinesiwegs unterflügt war, fondern in Oppofition 
gegen biefelben handelte. Hauptmittel waren bie Sefuiten, bie 
fi) der Schulen bemädhtigten, und von diefem Augenblide wurs 
ben alle Werfuche des Proteſtantigmus, ſich geltend zu machen, 
vereitelt. Dieſe Maßregel hätte dann auch ihre natürliche Folge 
nicht verfehlt. Künfte und Wiffenfchaften wurden vernichtet und 

Polen, daB während ber Zeit der Reformation im 16. Jahr⸗ 

hundert veißende Fortſchritte in geifliger Beziehung gemacht 

hatte, machte Ruͤckſchritte in bemfelben Verhältniffe, als der 

Proteflantismus abnahm. Der Verf. behauptet ferner, daB Pos 

len fi, wenn ihm von außen nicht durch vorfchnelles Aufbräns 

gen eines Syſtems Gewalt angethan würde und bie geifligen 

Beffeln im Innern Aur etwas gelodert würden, ſchnell bem Pros 

teflantismus in die Arme werfen würde, daß dieſer überdies das 

einzige Rettungsmittel für Polen fei. Zu gleicher Zeit erklaͤrt 
er aber, daß die Wiederherſtellung der Nationalunabhängigkeit 
in biefem Augenblict jede andere Frage, die nicht unmittelbar 
mit dieſer Lebensfrage in Verbindung ftünde, abforbire, und daß 
es wiberfinnig wäre, zu hoffen, baß, fo lange fich Polen in ſei⸗ 
ner gegenwärtigen Lage befindet, die Öffentliche Meinung ſich 
mit ft zu kirchlicher Reformation hinwenden koͤnnte, od on 
viele Yublickften von Zag zu Tag mehr vun ber Bebeutfamteit 
und Unerläßtichkeit einer folchen Reformation durchdrungen wärben. 
Kraftnski Hat keinen Zweifel, daß, wenn bie gegenwärtige Auf⸗ 


*) Bgl. den Bericht eines andern Mitarbeiter über den eriien 
Band in Nr. 256 d, Wr, f. 16%, . Re. 


- 


regung in Polen beruhigt werden folle, was aber nur nad Gr: 
** Den geſchehen könne, dem biefe Aufregung gusufee 
ben fe, fo würde fi der Wille des polnifhen Volke mit 
demfeiben Eifer auf den Proteftantismus werfen, den es im 
Anfange der Reformation dafür gezeigt hätte. 

Einige Urtheile bes englifchen Prefle find vielleicht biex am 
Platze. Die Times‘, bie fchon früher in einem Hauptartikel Er⸗ 
cerpte aus dem erften Bande gegeben hatten, thun dies auch bei dem 
zweiten Bande in berfelben Weiſe und fagen unter Anderm: „Der 
englifche Leſer und befonders der, ber fih im Allgemeinen mit 
GSeſchichte befchäftigt, wird immer geneigt fein, Das, was er 
Ieent, auf feinen eigenen fpeciellen Fall anzumenben, und in bie: 
fer Beziehung iſt der Gewinn für ihn, den er aus Graf Kras 
ſinski's Werk fchöpfen Tann, nicht zu berechnen. Der zweite 
Band ift in Bezug auf Gründlikeit und Neuheit der veröf: 
fentlichten Shatfachen dem erflen, über den wir uns fo über: 
aus belobigend ausgefprochen haben, in nichts nachſtehend, ber 
Styl des Werks iſt ausgezeichnet, mehr als das, wenn wir 
bedenken, daß Graf Krafinski nicht in feiner Mutterfprache ge: 
fchrieben hat.’ Nachdem bie „„Times‘’ ein langes Gapitel wört: 
lic excerpirt haben, das mit den Worten ſchließt: „Wir wieder⸗ 
holen ferner, daß in Polen die religidfe Gmancipation nur in 
Folge politifcher Freiheit vor fi gehen fann, und wir hoffen, 
daß bie Vorſicht, die uns in ihren unerforfhlichen Wegen fo 
harten Proben unterworfen hat, uns zulegt ben Gegenſtand al: 
Jee unferer Wünfche, Nationalunabhängigkeit, gewähren wird, 
das größte Gluͤck, deſſen fi ein Land erfreuen Tann’, ſettt fie 
hinzu: „Zu dieſem Gebet wird Jedermann Amen fagen. Der 
Leſer wird im Stande fein, von der gegebenen Stelle auf bie 
Biederkeit und Ginfachheit des Styls und auf das edle Gefühl 

u fchließen, das dem ganzen Werke zum Brunde liegt. Wir 
—* und ber Unparteulichkeit, Gelehrſamkeit und dem Geſchick 
des Verf. unfere aufrichtigfte Anerkennung geben zu Tönnen.” 

Der „Watchman‘ fagt unter Anderm in einem langen, dem⸗ 
felben Gegenſtande gewibmeten Artilel: „So fehr wir. den er: 
Ken Band diefes Werks bewundern, fo hat fich doch unſere 
Achtung für den Verf. um Vieles beim Lefen des zweiten Bandes 
gefleigert, nicht allein, weil der Verf. mit ebelm Unabhängig: 
teitsfinn zur Beendigung feiner Aufgabe geſchritten ift, ſon⸗ 
dern weil ex die im erſten Bande gemachten Behauptungen 
ducch unwiderlegliche Beweiſe dargethan hat. Er hat mit eis 
ner Meifterhand den Kal Polens von bem Augenblide an nach⸗ 
gewiefen, wo, nachdem es während eines halben Jahrhunderte 
auf eine Weife, die bis jet noch im Auslande nicht genug ges 
wäürbigt worden ift, es unter dem Benuffe veligiöfer Freiheit fich 
in Wiffenfchaften und Künften zu einem Grade erhoben hatte, der 
es mit den am meiften vorgefchrittenen Rationen Europas auf gleiche 
Linie fteilt, und durch jefuitifche Wachination und Unterweifung 
von flolzer Rationalpöhe zu einem Königreiche zweiter Claſſe fiel 
und der Proceß bes Verfalls und der Auflöfung begann, von 
deſſen traurigem Reſultate wir felbft Zeugen gewefen find.” 

Die „Morning post”, nad) langen Glückwuünſchungen bes 
Verfaſſers und Gomplimenten über feine Grundfäge und Kennt: 
niffe, fährt fort: „Eine wichtige Lehre iſt in bdiefem Werke 
enthalten, wichtig befonders für jeden Englaͤnder, dem bie 
Intereſſen feiner Kirche theuer find. Hier find die Übel bes 
Sektengeiſtes und ber Spaltungen im Proteflantismus treu 
und mit großem Geſchick nachgewiefen worden. Aber auch in ans 
berer Beziehung muß das Werk von Bebeutfamkeit für Eng: 
land fein, zumal in diefem Augenblide. Das Dauptmanoeuvre 
der papiftifhen Partei in Polen war, bie niedere und weni⸗ 
ger unterrichtete Claſſe der Gefellfchaft gegen eine aufgellärte 
Ariſtokratie aufguregen und unter dem Vorwande eines befler 
einzuführenden Öffentlichen Unterrichts die Schulen » Werkzeus 
gen ihrer jeſuitiſchen Raͤnke zu maden. Das Werk gibt über: 
dies einen neuen Beweis von ben Vortheilen einer ſtarken, Eräf: 
tigen Kirchenverfafiung und zeigt, daß nur dem Mangel an 
einer foldhen ber Ruin des Proteftantismus in Polen zuzufchreis 


ben if. Der Berf., indem er uns Auffchluß über die Beſtre⸗ 
bungen ber Polen für ben Proteflantismus gegeben hat, Be⸗ 
ftrebungen,,. von benen wir bisher in England wenig gewußt 


‚haben, bat mehr gethan, bie Sache feiner Landsleute in Eng⸗ 


land populaiv gu machen als alle radicalen Beftrebungen gez 
fprächiger Demagogen. Es würbe zwecklos fein, Bemerkun⸗ 
gen über den ausgezeichneten Styl, in bem das Werk gefchrieben 
if, hinzuzufügen. Bon einem Ausländer gefchrieben, grenzt «6 
ans Wunderbare. Aber Eins können wir nicht genug an bem 
geiftreichen Verf. rühmen, es ift, daß, während er offen und 
männlich Zeugniß für den Proteflantismus gegeben, er auf der 
andern Seite auf edle-Weife die Unterflügung ausgefchlagen hat, 
welche die Whigs feinen braven und unglüdlichen Landsleuten 
fo karg zugemeflen haben.’ 88, 





Literarifhe Notiz. 


Seit der Erſcheinung ber koſtbaren Bücherverzeicäniffe von 
Meermann und Klot wurde das literarhiftorifche Publicum nicht 
angenehmer überrafcht als durch bie eben vertheilte „Collection & 
vendre de monuments typographiques et autres ouvrages rares, 
imprimes aux 15i&me et 16i&me sitcles’’ (Offenbach, Heinemann, 
1840). Dies Heinemann'ſche Bücherverzeichniß iſt ebenfo anziehend 
am Schluſſe als in der Ginleitung und im Verlaufe des gans 
zen Buche von 44 Bogen. Jeder Sachkundige, fei er audh 
Vorftand einer großen Öffentlichen Bibliothel, wird auf Geltens 


. heiten floßen, deren Nichtbefig er ebenfo fehr bedauern wird, als 


daß wahrfcheinlih bie ganze Sammlung nach Frankreich ober 
England, oder gar Amerita wandern wird, wo fie zur fchöns 
flen Grundlage einer neuen Univerfitätsbibliothek dienen koͤnnte. 
Wir hegen Feine Hoffnung, baß ein für Literatur enthuflaftis 
ſcher Deutfcher ſich dem Koftenaufwande für den Kauf biefer 
prächtigen Sammlung unterziehen wird. Sie beftcht zwar 
nur aus 1139 Bänden, enthält aber 1614 verfchiebene Bleinere 
ober größere Werke, deren mehre nach ber Gewohnheit unferer 
Vorältern zufammengebunden find. Unter ihnen find 300 bas 
tirte und 110 unbatirte Werke aus dem 15. Zahrhundert in 
Folio, Quart and Detav; und zwar 50 Artikel aus der ges 
fuchteften Periode von 1472— 80, Gehr rei ift die Samm⸗ 
lung an Driginalfchriften der erften Periode der Reformation 
von Luther, Melanchthon, Reuchlin, Ulrich von Hutten, Eras⸗ 
mus, Kalfer Karl V. Unter den vollfländigen Werken Luther’s 
ift vorzüglih das einzige Driginaleremplar feiner berühmten 
Saͤtze, welche er für die Begründung der Blaubensreform 1517 
an der Kirche zu Wittenberg anſchlagen ließ. Unter ben 23 
Ausgaben ber Albinen hebt fich die griechiſche Bibel von 1518 
unb „Le cose volgari di Fr. Petrarca‘' (1501) beſonders bers 
vor, und das Iedtere Wert hat noch das 64. Blatt, weldhes 
wegen bed Ausfalld gegen Rom aus ben meiften @remplaren 
ausgeriffen ifl. Ron vier Drudwerken auf Pergament find drei 
mit vielen Holzſchnitten verfehen, und die Statuten bes Or⸗ 
bens vom goldenen Bließe find nie in eine Bibliothek gekom⸗ 
men, weil fie nach bem Tode eines jeden Ritters eingeliefert 
werben müffen. Die Berührung einzelner Seltenheiten iſt aus 
Ber dem Bereiche dieſer Zeitſchrift, doch FTönnen wir vers 
fihern, baß ihre Auswahl vom Anfange bes 16. Jahrhunderts 
nit nur bis 1550, fondern auch bis 1786 hoͤchſt intereffant 
iſt und noch eine ſchoͤne Zugabe an literarhiftorifchen Werken 
bat. Zur Überficht des Ganzen nach ber chronologifchen Ord⸗ 
nung find fogar die Idiome, in welchen bie einzelnen Werke 
gefchrieben find, die Wiffenfchaften, Länder und Gtädte am 
Schluſſe tabellarifch verzeichnet, die Bibeln, Breviere ıc., Aldinen, 
Kirhenväter und Glaffiter nach der römifchen und griedhifchen 
Sprache befonders ausgeſchieden. Nach jebem diplomatiich ridhs 
tigen Zitel einer Seltenheit folgt entweder eine nähere Be⸗ 
fhreibung ober einige Gitate aus ben beften Literaturquellen, 
baber wie dieſes Buch jedem Gelehrten zur Anſicht empfepten 
nnen. . 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinzih Brodhbaus — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus in Leipzig. 








Blätter, 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 


— Nr. 231. — 


18. Auguſt 1840. 


—— 





Lettres sur la race noire et la race blanche, par 
Gustave d’ Eichthal et Ismayl Urbain. Paris 1839. 

Für uns Deutfche ift der, in diefer kleinen, elegant aus: 
geſtatteten Schrift behandelte Gegenftand nur von willen: 
fhaftlichern, nicht von praktiſchem Intereſſe. Wen daher 
iffenfchaft etwas vom Leben Getrenntes, einer gewiſſen 
Claſſe Zugewieſenes iſt, der mag biefen Artikel getroft 
überfchlagen.. Wem aber die ganze Menfchheit aus echt 
deutfch = chrifllichem Kosmopolitismus und Wohlwollen am 
Herzen liegt, findet hier vielleicht etwas Neues Über den 
Segenftand. 

Die beiden Freunde, der Jude Guſtav von Eichthal und 
der Mohammebaner Ismayl Urbain wurden zufammen in 
Menilmontant erzogen. Beide fühlten ſich bald aneinander 
geroiefen; Hrn. v. Eichthal druͤckte das Judentum und 
Hrn. Urbain die ſchwarze Haut in der heiftlichen, jugend: 
lich⸗ muthwilligen Geſellſchaft; der Legtere kam nämlich aus 
Gayenne nad) Frankreich und iſt Neger. Die Verbindung 
beider jungen Leute hat ſich bewährt: es befteht eine Freund⸗ 
ſchaft zwifchen ihnen, welche bereit vor mehren Sahren 
ein geiftreiches Werk unter dem Titel „ILes deux mondes“ 
gebar, worin „die nothwendige Wechſelwirkung der orien⸗ 
taliſchen und occidentaliſchen Welt durch den Gegenſatz eines 
verſtaͤndig ausgebildeten Moslemismus zu dem Chriſten⸗ 
thum“ nachzuweiſen gefudht wird. 

In der gegenwärtigen Schrift wird das Verhaͤltniß der 
ſchwarzen zur weißen Race unterfucht und der Beweis unter: 
nommen, baß die erftere im Verhätmiß des weiblichen 
Lebens zur legtern ale des männlichen fiche, und daß 
folgeweiſe die Emancipation der ſchwarzen Haut ein ebenfo 
nothwendiges Ergebniß der Gioilifation fein werde als bie 
Emaneipation ber rauen. 

Um zu diefem Diele zu gelangen, hält Hr. v. Eichthal die 
ſociale Verbindung und Vermifchung ber weißen und der far: 
digen Race, welche letztere er für eine einzige hält, auf 
gleicher Nechtebafis flr nothwendig und fucht zu beweifen, 
dag das Chriftenthum weit weniger als der Koran mit 
einigen durch ben Fetiſchismus der Meger nothwendig wer⸗ 
denden Modificationen der ſchwarzen Race angemefien 
und ihre Givilifation zu vermitteln im Stande fei. 

Er fodert zundcdesft die Zoologen auf, feine Meinung 
uͤber Die weibliche und maͤnnliche Eigenthuͤmlichkeit der beiden 
Racen zu prüfen, und gibt fobann eine Einleitung, worin er 


bie gefchichtliche Thatſache der Vermiſchung ber beiden Ra: 
cen in der neuen Welt im 16. Sahrhundert berührt 
und auf die Entdeckung des Heren Flourens, daß unter 
ber Epidermis der farbigen Menſchen eine biätterige Sub: 
flanz (appareil lamelleux) ſich befinde, welche die Haut: 
farbe hervorbeinge, zurückkommt. Aus diefer conftitution: 
nellen Verfchiedenheit zieht er die Meinung, „daß beide 
Hautracen ein Paar bilden (S. 15), in welchem bie 
weiße Race den Mann, bie a das Weib repräfen: 
tire,“ und daß auf diefe Weile die Menfchheit das Geſetz 
ber Dualität der Gefchlechter reproducire, welcher alle orga⸗ 
nifhe Weſen unterworfen feien. 

Hr. Urbain ergreift die Idee feines Freundes mit 
morgenländifcher Phantafie und fchildert die ſchwarzen 
Srauen der Abpffinier und der Neger überhaupt fehr rei: 
zend. Beide glauben bierin eine Beſtaͤtigung der Weib: 
lichkeit der fchwarzgen Race zu finden. Won den ſchwar⸗ 
zen Männern aber reden fie nicht. Einen phofifchen Beweis 
für ihre Meinung, eine fie begründende osmogenetifche 
Anfiht haben fie nicht; ſtatt aller priorifchen Feſtſtellung 
des Principe geben fie eine Reihe pofteriorifcher Bemer⸗ 
tungen über das Geſetz Mohammed's und deffen Werth 
für die Fetifchdiener, und hegen den Glauben, daß, wenn 
man die Neger zum Mohammedanismus befehre, die aus 
ber Mifhung mit der weißen Race hervorgehende Ba⸗ 
ftardrace die Bereinigung beider Racen zu einem großen 
Menfchenpaare darftellen werde. 

Die ganze Abhandlung iſt in einer fehr eleganten 
Form vorgetragen. Der Gegenftand und das intereffante 
Motiv in der Kreundfchaft der beiden Bekenner des Koran 
und des Geſetzes Mofis geben dem Ganzen eine leiſe 
melancholiſch⸗liebliche Färbung. Allein bie Frage ift nicht 
wiffenfchaftli beantwortet. Der Beweis, weshalb Die 
farbige Haut die weibliche, die meiße dagegen die maͤnn⸗ 
liche Menfchheit repräfentire, ift nicht geführt. Die Be: 
bauptung ift nur aufgeftellt und deren Richtigkeit empi- 
eifch gefolgert ; a priori ift der Satz nicht feftgeftellt. 

Es fcheint dem Hrn. v. Eichthal daran zu liegen, 
aus Deutfchland eine Anficht über diefe Sache zu erhal: 
ten. Die Mittheitung feiner Schrift an die Mebacti 
biefer vielgelefenen Blätter fcheint dies anzudeuten. rn 
wol wie wiſſen, baß bereits gelehrtere, dem Yache ge: 
wachfenere Federn als die unferige fi im Ins und Aus: 


930 


+ 


(ande an diefem Gegenſtande verfucht haben, fo kann es Nationm find auf den indifhen Buddhaism gegründet; 


doch gemiß nicht fchaden, eine Anficht mehr zu geben. 

Bekanntlich hat in der neuern Zeit der berühmte, 
deutfche Anatom Tiedemann in Heidelberg das Hirn 
des Negers mit dem des Europaͤers und Drang: Du: 
tangs verglichen und gefunden, daß erſtere beide ſich voͤl⸗ 
Ha gleichen und letzterm ebenmäßig ungleih find. Es 
Bann mithin die Humanität des Negers nicht in Zweifel 
gezogen werden. Der dußere Bau des Kopfs, bie Hirn⸗ 
fchale "gibt der Meinung Nahrung, daß die Negerbil: 
dung thierifch fei, und wenn wir den Phrenologen, Die 
auf Gall's Spitem in neuefter Zeit weiter gebaut haben, 
ohne fich daran ſtreng zu binden, folgen, fo iſt die Kno⸗ 
chenbildung des Kopfs das entfcheidendere Merkmal ber 
Menſchheit und XThierheit. 

Die Vergleihung der Racen, aus welchen die Menſch⸗ 
heit befteht, kann fich indeffen nicht auf Suropder und 
Neger befchränten. Nach Euvier gibt es drei große 
Ur: und Hauptracen, Kaukafier, Mongolen, Aethiopier. 
Ihre unterfcheidenden Merkmale ſetzen wir als bekannt 
voraus. In dee Hautfarbe trennen fie fih durchaus 
nicht ganz entfchieden. Die echten Hindus, Perfer, Ara: 
ber, felbft die, welche die. Nordkuͤſte Afrikas bemohnen, 
find nebft den Wefteuropdern Kaukaſier. Die Mongolen 
ziehen aus dem nordöfttichen Afien duch Japan, China 
über Auftrafien und die Inſeln des flillen Oceans einen 
mit Negerblut gemifchten Gürtel um die Erde, ber in 
Amerika mit kaukaſiſchem Blut gemifcht auftritt, fich fo 
am Nordpol herumzieht und endlich wieder in Aſien an 
feine Wiege tritt. Die Mifhung mit Negerblut macht 
diefe Race auffallend wilder und thierifher; die kauka⸗ 
fifhe Mifhung macht fie milder und frieblicher. Der 
Urtypus der Racen aber hat fih aller Mifchungen unge: 
achtet nicht vermiſcht und fcheint unvertilgbar. Jede 
Race hat ein eigenthlumliches Leben entmwidelt. 

In Indien finden wir nad allen gründlichen For: 
fhungen, welche neuerdings der ſchwediſche Generatlieute- 
nant Graf Bioͤrnſtjerna auf höchft geiftreihe und gelehrte 
Meife zufammengeftellt hat (Stodholm 1539), die Altefte 
Cultur des Menfchengefchlehte. Unwiderleglich wur die 
Blüte der Eultur Indiens ſchon 1200, ja wahrſcheinlich 
Thon 1500 Fahre vor Mofes vorhanden. Seitdem fand 
fie ſtill, oder beffer, fie ging, wenn auch nur langfam 
und in den niedern Kaften, die wahrfheinlich zum Theil 
mongolifhen Stammes find, rüuͤckwaͤrts zum Fetiſchis⸗ 
mus. Die höhern Kaften der Brahminen und der Krie: 
ger haben die Reinheit der Lehren Brahma's bewahrt. 
Atem Anfcheine nach waren es Kaukaſier, und vielleicht 
dieſelben, welche fpäterhin als Gothen im Norden und 
Welten Europas auftreten, von denen die Eultur Indiens 
ausging. Wie lange mögen fie ſich bis zu jenem Punkte 
entwicelt haben, 100 wir fie in Indien auf fo hoher Stufe, 
ausgehend von ber Idee bes alleinigen und allmächtigen, 
eroigen Gottes, erbliden? Gewiß Sahrtaufende! Won 
Ihnen ging die Cultur nach Norden nach Thibet, nad) 
DOften zu den Chinefen und Japanern, nach Weften zu 
ben Perſern; alle bekannte Religionsphilofophen dieſer 


der Fetiſchismus fpielt dort eine mehr oder minder un: 
ergeordnete Rolle. Aber weiter gegen Welten breitete er 
fi) nad) der äthiopifhen Küfte aus. Meroe (Abyffinien) 
und Aegypten nehmen indifhe Cultur auf, ja vielleicht 
indifche Menſchheit, die fich hier mit afrikaniſcher mifcht. 
Der Fetiſchismus gewinnt aber hier ſichtbar die Oberhand. 
Aegypten geht im Naturdienft unter. Durch das alte 
Griechenland und Rom, durch den ifraelitifch = arabifchen 
Stamm geht die indiſche Weisheit, geht Zoroaſter's Lehre 
in das Germanenthum hinuͤber; die Lehre Mohammed's 
ift ein nod jüngerer und durch Aufnahme der Vielweis 
berei und des Fatalismus aller wahren Gioilifation feinb- 
liher Ausflug jener großen afiatifchen Religionsanſchauung. 

Über welchen Einfluß übte letztete auf Afrika? Sie 
entftand und verſchwand, verfchwand aus dem Meiche ber 
Idee faft fpurlos und nur die unzerflörbaren Monumente 
der Baukunſt zeigen noch von ihr. Kaum daß Moham- 
med's Lehre in der arabifchztaukafifhen Race an den Kuͤ⸗ 
ften ſich feftfegte. 

Europas Bildung heftet fih an das Germanenthum. 
Griechen: und Roͤmerthum gehen unter. Mit dem Chri- 
ſtenthum vereint bildet der Germane eine neue Aera und 
man darf die chriftliche Zeit mit demfelben Mechte die 
germanifche nennen. Germanifches Leben durchdeingt Eu: 
ropa. Das Römer: und das Slawenthum lehnen fich 
an bdaffelbe an; ja, ganz Europa mußte zum Germanen: 
thume hingebrodhen werden, um für eine ‚neue Gultur 
empfänglich zu werden. Gegen das Slawenthum erfolgte 
die Invafion mehr auf geifligem Wege und deshalb ging 
der dem Deutfchen zundchft wohnende Slawe im Deut: 
ſchen völlig auf; gegen das Römerthum erfolgte die In—⸗ 
vafion in Maflen. Alle europäifhe Gultur ift zur Zeit 
germanifch. 

Kaum fteht fie im Begriff, mit der Meformation eine 
neue Potenzirung angubeuten, fo bricht europdifches Leben 
fi den Weg zuruͤck nad Indien und erreicht ein neues 
weftliches Land — Amerika. Griechenland, Ägypten, — 
die alten Pfeiler der Bruͤcke, auf welder die Gultur nad) 
Europa 309, fliehen noch; fie feinen den Ruͤckweg nach 
Indien anzudeuten; aber man fuchte eine neue Straße 
und fand Weftindien. 

In allen diefen Zeiten aber bat Afrika unwandelbar 
beiftanden. Außer ben Stürmen der. Araber, welche feit 
der Phönizier Zeiten bie Norbküften diefes Welttheils be- 
herrſchten, iſt hier nichte gefchehen. Das ungeheuere in: 
nere Zand, das Negerleben, fand und fteht wie ehedem 
feft auf dem Fetifhismus, auf der unterftien Stufe hu: 
maner Seen. Die Sinnlichkeit beherrfcht Afrika. 

Welchen Grund, fragt ſich der denfende Europaͤer, 
mag dies haben? Während in Afien und Europa bie 
Cultur fleigt und nur hier fällt, um Dort einen neuen, 
böhern Aufſchwung zu nehmen, ſteht hier unmwandelbar 
das Leben ftilt! 

Im Bau ber Erde müffen wir die Loͤſung diefes Räth: 
feld fuchen. Pofitinität und Negativität find bie 
greßen Gegenfäge, nach welchen ber Erdbau zu Stande 





931 


kam; Aſien und Europa jlehen unter dem vorherrfchen: 
den Einfluß der erftern, Afrika und Amerika unter dem 
der letztern. 

Allein unfere Idee von den Bedingungen, unter denen 
die Sormen ber Erde entflanden, hier näher auseinander: 
zufegen, verbietet der Raum biefer Blätter. Nur das 
mag hier andeutend gefagt fein, baß die concaven Bil: 
dungen ber Erde den negativen, weiblihen Typus an fich 
teagen, während die converen den pofitiven, minnlichen 
repräfentiren,, daß aber überall ein Gleichgewicht ber 
pofitiven und negativen Kraft ſich darftellt, welches bie 
Welt zufammenpält. 

Ortlichleit und Menfchheit bilden die Gefchichte. Die 
erftere, als das Pofitivfte, beftimmt den Charakter der auf 
ihr lebenden Individualfchäpfung. Die mit Geift begabte 
Menfchheit Hat die Aufyabe, fih vom Einfluß der Ort: 
lichkeit loszureißen und dieſe zu beherrſchen. Immer wird 
der Einfluß der Ortlichkeit auf den Charakter jener Herr⸗ 
ſchaft bemerkbar bleiben. 

Die poſitivſte Erdform iſt das Hochland Aſiens. Kein 
Walttheil kommt dieſem darin naͤher als Europa; beide 
Welttheile ſtellen vorherrſchende Convexitaͤt dar. Daher 
ſehen wir vom Himalaya herab die Cultur nach allen 
Richtungen ſteigen und auf dem Gebirgsrücken Europa, 
welcher in ſeinen Verhaͤltniſſen Indien am aͤhnlichſten iſt, 
ſich anhaften. Aber Europa wiederholt die Bildungen 
Aſiens in kleinerm Maßſtabe. Aſien entwickelt große 
Maſſen, Eutopa kleine. Wie in der Thier- und Pflan⸗ 
zenwelt das kleine Geſchoͤpf ſich ſchnell entwickelt, ſo die 
Voͤlker Europas. Waͤhrend Aſien Jahrtauſende bedarf, 
um ſeine Menſchheit zur Entwickelung zu bringen, braucht 
Europa Jahrhunderte. Nur das Germanenthum und 
vorzugsweiſe das rein deutſche Leben nimmt einen groß: 
artigeren Anlauf auf Jahrtauſende und verräth dadurch 
feinen hochaſiatiſchen Urſprung. 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Reifebefbhreibungen. 


1. Darftellungen aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Achter 
heil. Auch unter dem Titel: Darftellungen aus einer Reife 
durch Schweden und Dänemark im Sommer bed Jahres 1839. 
Bon Friedrich Karl von Strombed. Braunſchweig, 
Vieweg und Sohn. 1839, Er. 8. 1 Thlr. 18 Gr. 


Herr von Strombed ift, troß feiner Jahre, ein rüftiger 
Touriſt und Heifebefchreiber, er reift entweder, um etwas 
zu baben, worüber er fehreiben kann, ober er ſchreibt, um 
zu reifen. Sebenfalls kommt eine innere Neigung binzu, 
die ihn zu einem SHauptrepräfentanten des jebt zur Mode 
gewordenen Zourismus maht, wenn wir uns ber Wortbil: 
dung „Zourismus” mit Grlaubniß der beutfhen Grammas 
tik bedienen dürfen. Man flieht ed dem Berf. an, daß ihm 
fein Neifeleben Vergnügen und Unterhaltung gewährt, daß es 
feiner leiblichen und geiftigen Geſundheit zuträglich ift, ja baß 
ed ihm zu einer lieben Gewohnheit geworden, etwas Neues zu. 
fehen, neue Länder, neue Leute, neue Kleider, neue Gafthöfe, 
naͤmlich fremde, bie für Deren von Steombed neu find; und 
welcher Reiſende fähe, beobachtete und erlebte auch auf dem 
ausgetretenften Boden der europäifchen Menfchheit nicht etwas 
Neues? Hat doch Yeber feinen Lieblingsgegenftand, dem er 


feine Aufmerkfamkeit zuwendet, Jeder feine eigenthümliche Bes 
obachtungs-, Auffaffungs= und Darftellungsweife! auch Herr 
von Strombed. Die lichten Seiten an ihm find eine humane 
Gefinnung für die Menfchheit im Allgemeinen, eine große Em: 
pfänglichfeit für Dies und Das, mas mehr auf ber Oberfläche 
liegt, eine genügende Bickfeitigkeit, eine wenn auch nicht eben 
farbenreihe und glänzende, doch Mare Darftellung und ein rein⸗ 
lich geordneter Styl. Dagegen ſteigt der Reiſende zu wenig 
in die Tiefe der Erſcheinungen, in den Kern des Volkslebens, 
nur bier und ba greift er einen Charakterzug auf, der ihm, 
wie auf der Gaffe möchte man fagen, entgegenläuft; aber einc 
Charakteriftit von Volt und Land aus dem Ganzen und im 
Ganzen zu liefern, iſt ihm noch nicht gelungen; auch be- 
zeichnet ihn eine gewiſſe Geſchwätzigkeit, eine zu große Einge⸗ 
nommenbheit für Perfonen, männliche und weiblidde, benen er 
empfohlen ober von denen er empfohlen war, die ihn freunb- 
ich aufnahmen, bewirtheten und fi von ihm, wie der Könfg 
von Schweden, über gewifje Dinge belehren zu laſſen die Miene 
machten. Iſt daher feine Darftellungsmanier glücklicherweiſe 
aud frei von aller Kopfhängerei und befonders allem politis 
fen und focialen Mismuth, fo trägt er doch im Allgemeinen 
mit viel zu muntern und luftigen Zarben auf, es if, ald wäre 
faft Fein Schmerz, kein Misklang in ber Welt, fein fchlechter 
Verwalter, Beine verfehlte Regierungsmaßregel, keine unglück⸗ 
lihe Menfchencloffe, er ſteht ohne Glaufel, ohne Bedingung 
immer auf Seiten der Gewalthabenben ; für Gtrombed gibt es 
faft nur Licht-, Feine Schattenfeiten. inzelne Rügen über 
Dies und Senes find eben zu vereinzelt, um etwas bedeuten 
zu wollen. 

Der Berf., ber in vorliegender Reifebefchreibung den achten 
Theil feiner „Darſtellungen aus meinem Leben unb aus meiner 
Zeit“ erfcheinen läßt, reift über die Lüneburger Haide und über 
Hamburg nad Lübeck, wo er, wie er weitläufiger auseinan⸗ 
derfegt, drei polnifche Damen kennen lernt. „Wie fehwanden 
die Stunden ber beiden Abende, bie ich in foldder Gefellfchaft 
verleben durfte!“ ruft ber Verf. aus. Dergleichen Saͤchelchen 
konn fi ein Reifender wol in feinem Zagebuche anmerken, 
ober beffer noch in feinem Gedächtniß verwahren, aber wenn 
fie kaum des Auffchreibens werth erfcheinen, fo find fie no 
weniger bes Drudens werth. in Neifebefchreiber,, welcher fein 
Zournal druden laffen will, bat von ganz andern Belannt: 
haften zu beridten, von Bekanntſchaften, welche über das 
Gebiet des blos Perfönlichen hinausreichen. Die Reife auf dem 
Dampfboote von Zravemünde aus bietet nichts Intereffantes ; 
ebenfo wenig die Landung in Vſtadt. Durch die ben Schiffen 
gefährliche Meerenge zwiſchen der ſchmalen 17 Meilen langen 
Inſel Deland und der Provinz Smäland, nad) Kalmar, einer 
für Schweden bedeutenden Stadt mit prächtigem Dome, durch 
die Felfeninfeln (Scheeren) hindurch nah Stockholm, werben 
bie Eefer wie im Fluge und halb im Zraum geführte. Mit 
Stodholm beginnt eine .bedeutendere und inhaltreichere Partie 
des Buches. Der Verf. gibt uns ein ziemlich anfchauliches und 
umfaflendes Gemälde von Stodholms Lage und äußerm Anſe⸗ 
ben. Dan weiß, daß Stodholm ausgezeichnet ſchon Liegt, und 
ber Verf. behauptet, daß die Tage der Stadt derjenigen von 
Genua und Neapel an die Seite zu, ftellen fei, indem fie zwar 
nichts Gleiches, aber dach etwas Ähnliches in mannichfadger 
Hinſicht darbiete, und daß fie an Naturfchänhelten alle Staͤdte 
von Mittel: und Nordeuropa übertreffe. Referent glaubt nicht, 
bag er ſich in die Details ber ‚Befüreibung , welde Hr. von 
Strombed von der Stadt Liefert, tiefer einlaffen dürfe, und 
hält es für räthlicher, Momente von mehr innerlicder Bedeu⸗ 
tung hervorzuheben. Im Djurgärden (Thiergarten) bat er 
Gelegenheit, die Schönheit ber fchwedifchen Damen gu bewun⸗ 
bern. „Man gelangt”, fagt der Verf., „bier zu ber Behaup⸗ 
tung, daß, wenn dem Schwebenlande auch unfer beutfches Va⸗ 
terland, befonders fein heiterer Süden, hinſichtlich der Schön 
heit der Frauen nicht nachfteht, doch — im Allgemeinen — bie 
Schmebinnen eine Grazie in ihren Bewegungen zeigen, deren 


& 


932 


ſich deutfche Frauen nur ausnahmsweiſe werben rühmen koͤn⸗ 
nen. Man vergleiche nur die vornehm fein follende Art von 
Grimaffe, womit die Mehrheit unferer Damen jegt einen em⸗ 
pfangenen Gruß erwidert, und die Jedem, dem nur etwas 
Scönpeitsfinn zu Theil wurde, fo wiberlich erfcheinen und 
vom Grüßen abhalten muß, mit der eleganten Berbeugung, 
womit eine Schwedin — auch felbft die Bäuerin und das Bett: 
lermäbchen — grüßt oder den empfangenen Gruß oder die Gabe 
erwibert, und man wird einräumen müffen, daß unfere Schö- 
nen in Schweden Manches zu ihrem Vortheile würden lernen 
Zönnen.” Hier hat der Verf. gewiß Recht, es gibt in der Regel 
nichts Steiferes, Beengenderes und Beengteres, Unſchoͤneres, 
ja Unnatürlicherese, als das Benehmen unferer norbbeutfchen 
Damen auf Öffentliden Promenaden und in größern Gefell: 
Schaften; fie find licbenswürbig in engern Familiencirkeln, aber 
wo fie das Scepter der Sitte im Ganzen und Großen zu füh: 
xen haben, find fie Taunenhaft fteif, da fehlt ihnen alle jene 
graziöfe Kreundlichkeit, melde das Weib im Allgemeinen ziert 
und verfhönt, jene liebenswürbige Zuvorkommenheit und Gra⸗ 
zie ber Sranzöfinnen und jene ungefchminkte, doch anjtändige 
Munterkeit der Süddeutfhen. Wenn unfere ſchönen und bra- 
ven Landsmänninnen, zu ihrem eigenen Schaden, dem Re⸗ 
ferenten nicht glauben wollen, fo mögen fie wenigftens 
feinem Gewährsmann, Hrn. von Strombeck, glauben, der 
ein bejahrter Mann und nicht eben gewohnt ift, an den 
Dingen, bie Frauen mit eingefchloffen, die Schattenfeite her: 
vorzubeben. " 
Auf die Bildergalerie im Mufeum wird leider nur hingedeutet, 
dagegen unter den Antiken auf einen ruhenden Endymion auf: 
merkſam gemacht, der in den Ruinen des Palaftes des Kaiſers 
Hadrian unweit Tivoli gefunden und von Guftav III. im Jahre 
1734 zu Rom für 2000 Dufaten getauft wurde. . Auch an 
Bildwerken ſchwediſcher Künftler fehlt es nicht. Es hat über: 
haupt den Anfchein, als ob der flandinavifche Norden, Schwe⸗ 
den und Dänemark, ſich mehr der Plaſtik als der Malerei zu: 
wenden wolle. In Dänemark vertreten Thormaldfen und feine 
Schüler die Bildhauerkunft, in Schweden die wadern Meifter 
Serge, Goͤthe, Kogelberg und Byſtroͤm. In ähnlidem Ber: 
haͤltniß geveiht im deutfchen Norden, in Berlin, die Sculptur, 
und im deutſchen Süden, in Münden, wenn wir Schwantha: 
lee ausnehmen, die Malerkunſt beffer. An Gebäuden von ho: 
ber architektonifcher Schönheit, wie zu Venedig, Genua, oder 
nur wie zu Wien und Berlin, fand ber Berf., bis auf das 
koͤnigliche Schloß, in Stodholm keine. Die Natur muß biefen 
Mangel erfegen. Die Bedachung des Zelegraphgebäudes auf 
dem Mofesberge gewährt eine Ausfiht auf Stadt und limge: 
gend, weiche, nach des Reifedarftellers Behauptung, ſich der 
Ausficht auf den Golf von Neapel von ber Feſte St.⸗Elmo 
und von dem Schloffe Capo di Monte, wenn auch in anderer 
charakteriſtiſcher Weiſe des Profpects, an die Seite flellen darf. 
Die Baffenlebhaftigkeit ift ungefähr der in der Friedrichsſtadt 
Berlins zu vergleichen und ſteht alfo der von Hamburg ober 
ſelbſt der von Kopenhagen beimeltem nad. Glaͤnzend aufge: 
putzte Kaufgewölbe, wie etwa zu Wien auf dem Graben, find 
nit zu Stodholm, doch fehlt es nicht an ſolchen Läden, mie 
fie die Mittelftäbte Deutſchlands, z. B. Braunſchweig und Ha⸗ 
nover, barbieten, ebenfo wenig an Kunſt- und Buchläben. 
en befchränten ſich meift auf fehwebifche und einige französ 
ſiſche Bücher, obgleich man in keinen treten Tann, ohne nicht 
ganze Reihen fchön gebunbener Eremplare von Goethe's oder 
Schillers Werken in ben neucften Ausgaben und das Brodhaus’: 
ſche „Sonverfations = Leriton’’ vorräthig anzutreffen. Übrigens 
ift die alte germanffche Ehrlichkeit noch vorzüglich in Schweben 
zu Haufe. Man verfchließt in den Fremdenwohnungen nichts 
als allenfalls die Brieftafche mit dem Papiergelde. Dr. von 
Strombed hatte. feinen Mantel auf dem Schiffe liegen laflen 
und vermißte ihn erſt nach fünf Tagen. Er fanb ihn an ber 


Stelle wieder, wo er ihn gelaffen. Niemand fodert ein Trink 
geld en a dem ea machte HA Zeder zufrieden. 

tr. von Strombed machte auch cinen Abftecher nach dem koͤnig⸗ 
lichen Luftfchloffe Drottningholm, welches I m einer den 
den 1500 Inſeln des wunderbaren Mälar liegt. Das Dampf: 
boot, das ihn hinüberführte, war dicht mit eleganten Derren und 
Damen beſetzt, und letztere hielten alle ein Buch in der Hand 
und lafen. „Faſt möchte ich glauben‘, fagt Hr. von Strom: 
bed, „eine junge Schwedin halte dafür, fie errege auf einem 
Dampfſchiffe, ohne ein Buch in ber Hand zu halten, Teiln In- 
tereſſe.“ Dieſe Eleine Mälarxeife erwedte in unferm Reifenden 
die Luft zu einer größern nad) Upfala, denn bi6 dorthin, auf 
12 deutfhe Meilen n firedt der Mälar einen Arm, ber hier 
ganz das Anfehen eines mächtigen, fich durch Zelfen und WWät: 
der hinwindenden Stromes erhält. Abermals befanden fidy auf 
dem Dampfboot ſchoͤne Schwedinnen, bie fi, flatt mit ber 
herrlichen Natur, mit den Erinnerungen an das alte Sigtuna, 
mit der Anficht des Schloſſes Skokloſters, oder dem fremden 
beutfchen Herrn, Lieber mit einem Buche unterhielten. Des 
NReifenden Bemerkungen über Upfala haben manches Intereffante. 
So erfahren wir, daß bie Eintheilung der Studenten in ‚‚Ra= 
tionen“ (Landemannfhaften), in Deutfchland jetzt fo hart vers 
pönt, in Schweden gefegliche Verfchrift fe. Es gibt eine 
Stotholms Nation, GSmülande Nation u. f. w., beren 
jede einen Profeffor zum Infpector bat. So wird bie 
Dinneigung der Jugend zu Affociationen befriedigt “und 
nicht nur unſchaͤdlich gemacht, nicht blos dem bumpfen 
Kneipenleben der Einzelnen, das jest in Deutfchland unter den 
Studenten immer mehr überhandnimmt, vorgebeugt, fondern 
8 wird dadurch auch cin directer Vortheil erzielt, indem bie 
ftudentifche Jugend dadurch in nähere Verbindung mit Män- 
nern kommt, durch deren Umgang fie nur gewinnen Tann, In . 
Schweden findet jener von Dieſterweg gerügte Übelftand beuts 
ſcher Univerfitäten, daß ſich Profefforen und Studenten zu fern 
ſtehen, nicht ftatt. 

(Der Beſchluß folgt. ) 





Literarifhe Notizen. 


Das ‚Leben berühmter Männer’ von" Plutarch, welches 
Dubois herausgibt, iſt die reichfte, koſtbarſte Ausgabe, welche 
die Bibliomanie erfinnen konnte. Alles, was die neuere Bilder- 
fucht erdacht hat, wurde aufgeboten, um eines der fchönften 
Werke des Alterthums prachtvoll zu ſchmücken. Man wird fidh 
eine Idee von der prachtvollen Ausftattung biefes Buches ma= 
chen Eönnen, wenn man erfährt, baß ber Preis eines Exem⸗ 
plars nicht weniger als 7500 Srancs betragen wird. Der Her⸗ 
zog von Baflano hatte auf bdiefe Ausgabe Dubois’ unter: 
zeichnet und 120 Lieferungen erhalten und bezahlt, als ihn ein 
fehneller Tod hinraffte. Seine Erben beeilten ſich nicht, bie 
Lieferungen, welche feit dem Tode des Herzogs erfchienen wa= 
ren, in Empfang zu nehmen und zu bezahlen. Es kam zur 
Klage und die Erben fahen fich genöthigt, das Werk foweit 
zu bezahlen, als es feit dem Tode des Herzogs bis zur Klage 
erichienen war. 


Briefe aus Wien melden, daß Baron Karl von Hügel 
fleißig an feinem Werte über Kaſchmir arbeitet, das nächftens 
erfcheinen wird, ſowie, daß der Senat der Univerfität Pefth, 
um das Studium der Naturmwiffenfchaften zu beförbern, auf 
feine Koften die Herausgabe einer ungariſchen überfegung ber 
Werke Cuvier's unternommen hat. Es wurde über biefen Io: 
benswerthen Entſchluß an den Katfer berichtet, der darauf be: 
fahl, zur Unterflügung biefes Unternehmens 10,000 G@ulben 
zur Verfügung zu ſtellen. 51. 





Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für . 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwod, 


— Str. 232, 





19. Augufi 1840. 





Lettres sur la race noire et la race blanche, par 
Gusiave d’Eichthal et Ismayl Urbain. 
(Vortfesung aus Nr. 221.) 


Diefes hoͤchſt pofitive Leben europäifch: geemanifcher 
Menfchheit mußte ſich indefien einfam fühlen; es mußte 
für feine ercentrifche Thaͤtigkeitstendenz ein Gleichgewicht 
auf der negativen Seite der Erde fuchen, und diefes fand 
es zunaͤchſt in Amerika. Diefes vorherrfchend concav ge: 
bildete und beckenartig der alten Welt zugemwendete, einfei: 
tig von Oſten nad) Weſten zum atlantifchen Ocean her: 
abfteigende Gebaͤude ift der volllommenfte Typus der Ne: 
gativität der Erdbildung und der Bildung ber alten Welt 
geradezu entgegengefegt. Der Einfluß der Örtlichkeit auf 
feine Menfchheit hat fich in alter und neuefter Gefchichte 
offenbart und man darf nur daran erinnern, daß bis zur 
europäifchen Einwanderung feine Menfchheit keine pofitive 
Nolte in der Geſchichte gefpielt hat, und daß felbft die 
germanifche und noch mehr die romanifche Einwanderung 
nur unter dem Einfluß ber Eprcentricität des pofitiven 
europäifchen Lebens ſich fortzuentwideln im Stande Ifl. 
Die Eultur entwidelt fi) daher dort echt weiblich von 
oben nad unten, in ber alten Welt von unten nach 
oben. Hier nun hat die Menfchheit ihre Ehe gefchloffen ; 
hier tft die fuchende pofitive, männliche Seite zur weibli⸗ 
hen gelangt, um ein neues Leben zu bilden, das nur 
ſich ſelbſt gieiht und gleichen kann. Die Mittelmä: 
ßigkeit ift diefes Leben, die zwifchen beiden Ertremen 
der Pofitivität und Negativität liege. Afien und mit ihm 
Europa, Aſiens Abbild, will in feiner Richtung zum 
Erhabenen ben Menfchen in feiner Gottaͤhnlichkeit darftels 
Im. Das Koͤnigthum iſt deſſen Ideal. Es will das 
Bolt fi) in Einem anfdauen. Amerika hat die Ten: 
denz zu biefer Idee umgewendet; mit der Richtung zum 
Großen wendet es ſich vom Erhabenen ab; es flellt bie 
Idee der Gleichheit und Freiheit an die Spige, gibt 
jedem Einzelnen einen gleich gemefienen Antheil und 
fiehe in feiner Regierung nicht fich feibft, fondern eine 
untergeordnete, bienende Nothwendigkelt. 

So nur, auf rein idealem, nicht auf finnlihem 
Wege ift eine Paarung der vorherrfchenden Poſitivitaͤt 
oder Männlichkeit mit der vorherrfchenden Negativität im 
Leben der Menfchheit und eine Dualität angedeutet. Ob 
fie ein neues Leben nad) Europa und von da meiter tra: 


gen, oder fih, was wir glauben, neben jenem in fort- 
geſetzter Wechfelwirtung meiter und zur höchfimöglichen 
Blüte entrwideln werde — mag bie Zukunft lehren. 

Und Afrika? — Es gab feine Menſchen ber, damit 
ſich jene großartige Mittelmäßigkeit entwickeln konnte. Wie 
in der Heimat, wie in der alten Welt, fo ‚dient der 

thiopier in der neuen Welt. Und weshalb? 

Die Idee der Einheit alles Lebens ift in ihm nicht 
zum Bewußtſein gelommen. Aſien repräfentirt diefe Idee 
in freien großen Maffen; feine Welteroberer flanden unter 
den Einfluß diefer Idee. Die Idee bes einigen Gottes 
bedingt fie. Die Cultur Europas hat biefe Idee im Ka⸗ 
tholicismus verwirklichen wollen. Sie ift das Ideal aller 
Civitifation und das hoͤchſte Reſultat berfelben. 

Die Kraft des menſchlichen Geiſtes kämpft um Unab⸗ 
haͤngigkeit von der Örtlichkeit und erlangt deffen Eman⸗ 
cipation überall in einem hohen Grade, wo fie die Givi: 
liſation, d. h. die Herfiellung ber Humanität trog aller 
äußeren Hinderniffe zu ihrer Aufgabe macht. Bis jegt 
bat die weiße kaukaſiſche Race vorzugsmweife Mittel und 
Wege zu diefem Ziele gefunden; das hriftlihe Ger: 
manenthbum hat der übrigen Menfchheit vor: 
gekämpft. Die farbige kaukaſiſche Race hat einen an: 
bern Weg zum Ziele eingefchlagen und fcheint eines Fort⸗ 
ſtoßes durch irgend ein Medium zu bedürfen, mas ficher 
nicht der Mohammebaniem, als NRüdfchritt vom reinen 
Brahmism, fondern der germanifche Brite als Vorberei⸗ 
ter auf die neuere, durch die Reformation gefteigerte, 
deutſche Civilifation abgeben dürfte. Neben ber kaukaſi⸗ 
Shen bat nur die mongolifche Race einen Fortgang zur 
Civiliſation aufzumeifen; allein theils vermögen wir deren 
Höhe und Tiefe noch nicht ganz zu beurtheilen, andern: 
theils möchte in der Neigung der Mongolen zur Ab: 
(hließung von der Civiliſation der kaukaſiſchen weißen 
Menfchheit ein untergeordneter Charakter ihrer eigenen 
unverkennbar fein. Selbſt das halbkaukaſiſche und halb: 
mongolifche Slawenthum ift davon ergriffen. Die Furcht 
vor dem Uebergewicht kaukaſiſcher Menfchheit fcheint allen 
Menfchenracen der Erde gemein. 

Seit 3000 Jahren weiſt die Gefchichte der afri⸗ 
kaniſchen Menfchheit keinen Kortfchritt. Während Euro: 
pas Zerriffenheit die Höhere Givilifation ebenfo bedingt, 
wie Deutfchland in feiner politifchen Zerriſſenheit und 





934 


Kleinländerei das Hauptförderungsmittel feiner » tiefern:| heit nit volftändig achtet und ihn zum Sklaven ent: 


Anlage zur Civilifation fand: fo fcheint das gegemüberlie: 
gende, klumpenartige Afrika diefer natürlichen Bedingung, 
feiner Entwidelung im gleihen Maße zu entbehren. Das 
nördliche Aſien entfpricht ihm darin ebenfo, wie Europa 
dem füdlihen Afien. Auch hieran bewährt fih zum 
übermaße die Schnelligkeit ber Entwidelung des Kleinen 
und die Langſamkeit des Großen. So produeirt oder cul: 
tiviet ein Welttheil vorzugsmweife die Hautfarbe der Hu: 
manitädt, der andere bie Beftialität; weiß und 
ſchwarz find die in die Augen fallendften, ſchreiendſten 
Segenfäge. Iſt auch die dunkle Hautfarbe der Afrikaner 
und aller farbigen Racen durch Drganifation der Haut 
ſelbſt zundchft bedingt, fo ift doch der Mangel des 
Gedankens der Einheit aller Menſchheit, mit 
welhem der Menfch der Beftialität anheimfällt, vor 
allem fichtbar in dem Afrikaner. Iſt diefer Mangel nicht 
—9— des unbedingten Hingebens an den Einfluß der 
Irtlichkeit und des Geländes oder, was Daſſelbe iſt, des 
Aufhoͤrens des Einfluffes der Humanität? Der menſch⸗ 
liche Menfch wird nicht ſchwarz und wenn ihm taufend 
Fahre die afrikanifhe Sonne auf den Rüden brennte! 
Das Recht des Stärkern ift Naturreht, wenn 
wir es nicht fo ganz roh auffaflen. Es ift ſittlich, 
daß der Stärkere berrfche, und unfittlich, daß e6 der 
Schwächere thue. Und wenn es heißt: ‚‚Selig find bie 
Sanftmütbhigen, denn fie werden das Erdreich beſitzen!“ 
fo fagt dies Daffelbe. Der ideale, der ſtarke Menſch 
ift ruhig, iſt langſam, aber er ift energifch; der leiden: 
ſchaftliche ift in beftändiger Vibration und der ftumpfe 
wird nur getrieben. 

Mögen wir daher mit dem entfdiedenften Widerwil⸗ 
len von dem dhriftlichsgermanifhen Standpunkte auf die 
Sklaverei berabfehen, fo leidet es doch feinen Zweifel, 
daß-die ſchwarze Race, in welcher Geftalt und Form fie 
auch neben die weiße gebracht werden möge, ſtets die 
dienende bleiben muͤſſe, weit ihre Gultur entweder nie 
anfing, oder ftille ftand, mährend die germanifche immer 
neue höhere Auffhmwünge nimmt. Die Ungeredhtigs 
keit der Sklaverei liegt niht im Dienen;z fie 
liegt in der Grauſamkeit und Schändlidhkeit 
des Menfhenraubes und Menfhenhandels. 
So weit hat die Beltiatität den Menfchen irgend einer 
Farbe nicht herabgeflimmt, daß er keiner Empfindung für 
Freiheit, Heimat, Familie fähig wäre, denn das Thier 
fetbft hat dafuͤr meiſt fehr lebhafte Empfindungen und 
Triebe. Niemand aber wird glauben, daß der ſchwarze 
aͤthiopiſche Menſch der großen Maffe nach zur Givilifas 
tion der weißen Menfchheit gelangen werde, wenn er von 
der großen Maſſe heimatlicher Befkinlität getrennt und 
neben weiße Menfchen geftellt wird. In bemfelben Maße, 
wie der fchwarze Sklave bie Givilifation feines Deren 
nahahmen wird, muß und wird dieſer über feine gegen» 
wärtige Stufe der Givitifation auf eine höhere treten, fo: 
bald er feine Sklaven freigegeben hat. Der weiße Menſch 
fann fo lange keine Anfprüche auf die hoͤchſte Humani: 
tät haben, als er fie in irgend einem Xheile ber Menſch⸗ 


wuͤrdigt. 

Afrika aber hat feine Hinneigung und vorherrſchende 
Tendenz zur Befkialität nicht nur in der aͤußern Bil: 
dung feiner Menfchen dargethan, fondern e8 hat auch die 
wildeften Thiere; in feiner Thierwelt fetbft iſt die Beftia- 
lität vorberrfchend. 

Betrachten wir mit diefen Andeutungen die Idee der 
Herren v. Eichthal und Urbain, fo ftellt fich die Weib: 
lichkeit der AÄthiopier ald ein höherer Grad von Mega: 
tivität der menſchlichen Individualſchoͤpfung dar, nicht 
aber als derjenige, welcher der pofitivften Individual: 
(höpfung zur Ehe und Paarung fich- darböte, fonbern 
al& der, welcher ald der emtgegengefegtefte Urtypus der 
Menfhenfhöpfung, wenn er zur Paarung gebraucht würde, 
nur ein geifliges Mauleſelthum hervorbringen würde. 
Und in der That, was ift das Gefchlecht, welches aus 
der Mifchung der Europder und Neger feit 300 Jah: 
ren hervorgegangen ift, anders? Geht ihm nicht alle 
geiftige Zeugungs: und Fortpflanzungskraft ab? Hat es 
in der Gefchichte etwas zu bedeuten, oder nur eine Hoff: 
nung auf Bedeutung gegeben? Wie in Athiopien und 
gppten die Paarung mit der indiſch- und arabiſch-kau⸗ 
kaſiſchen Race einft folgenlos verfchwunden ift, fo wird 
jeder Megeritaat, jede Negercultur der europäifchen und 
afiatifchen gegenüber vorübergehend und verhältnikmäßig 
kurz dauernd fein, weil die Sinnlichkeit, die Leidenfchaft, 
die Thierheit der Inbegriff ihrer hoͤchſten Vorftellung von 
Freiheit tft. 

Und follte es nicht in diefer Thierheit liegen, wenn, 
wie Herr Urbain bemerkt, die Mifhung mit dem ſchwar⸗ 
zen Weibe für europdifhe Männer etwas Angenehmeres 
und Annehmlicheres babe? Wie mancher Kaukafier Liebe 
das hier mehr als feined Sleihen! Darin aber fann 
die voeiblihe Bildung einer Menfchhenrace doch wahr: 
li nicht begründet fein, daß deren Weiber einen gewiflen 
Reiz für viele Männer der andern befigen? Wenn diefe 
ſchwarzen Frauen für das Familienleben geeignet find, 
was fangen wir mit den fchwarzen Männern an? Neh⸗ 
men die meißen Frauen an ihnen einen gleidyen Antheil? 
Wahrlich nit! Und haben die ſchwarzen Männer eine 
gleiche Neigung zu den weißen Stauen, mie die weißen 
Männer zu den fhwarzen Frauen? Hat man dies ge: 
höre? Oder ift die Bequemlichkeit, eine Sklavin zur 
Frau oder zur Concubine zu haben, nicht Das, was dem 
harten Sinne der weißen Männer zufagt, die keinen 
MWiderfpruch vertragen und nad Gefallen und Woluft 
mit dem Gegenfland ihrer Neiguny wechfeln, auch neben 
bei einem oft befchwerlihen und verberblichen Lurus aus: 
weichen können. 

Wir würden uns zu weit verliecen, wenn wir ber 
Behauptung, daß der Islamismus ber fhwarzen Haut 
mehr zufage als das Chriftentyum, weil er dem Fetiſchis⸗ 
mus näher liege als diefes, folgen wollten. Beweiſt 
fie aber nicht, dieſe Behauptung, was die Herren Verf. 
nicht beweifen wollten, nämlich, daß der Islam eine tie: 
fere Stufe der veligiöfen und fittlichen Entwickelung fei? 











935 


Dergleihen Behauptungen follten weder Juden noch Mo: 
hammedaner uaufffellen, wenn fie nidyt ganz gewiß find, 
das Chriſtenthum völlig durchdrungen zu haben. Daß 
aber Hr. v. Eichthal davon weit entfernt fei, bemeift er 
durch die myſtiſche Spielerei mit dem chriftlihen Dogma 
der Trinität, ohne aud) nur deſſen hochaſiatiſchen Urfprung 
und deffen Gefchichte von weiten zu ahnen (©. 62 u. 64). 
Auch hierin neigt er ſich zum Beweiſe a posteriori und 
man glaube einen Talmudiſten zu horn. Denn daß 
duch den Kutholicismus die Jungfrau, welche Chriftum 
gebar, zu einer Gottheit erhoben worden iſt, beweiſt doch 
wahrlich nicht, „daß in der chriſtlichen Dreieinigkeitslehre 
die Repraͤſentation einer Familie von Vater, Sohn und 
der myſtiſchen Perſon des heiligen Geiſtes, welche durch 
das alte Emblem der Zeugung; die Taube, ſymboliſch 
dargeſtellt werde, liege, weil die Volksmeinung dieſen 
Sinn hineintraͤgt!“ Überhaupt find die Dogmen ..r fa: 
tholifchen Kirche nicht Chrifti Lehre; von der Dreieinigkeit 
ſteht in der heil. Schrift nichts, fondern nur von den 
verfchiedenen Dffenbarungen des dreieinigen Gottes ale 
Bater, Sohn und heiliger Geift. 
Der Beſchluß folgt.) 


Reifebefhreibungen. 
(Beſchluß aus Nr. 331.) 


Herr von Strombeck bat bekanntlich Se. apoſtoliſche Hei⸗ 
tigkeit, den Papft, früher beſucht und iſt von ihm einer in: 
timern Unterredung gemwürbigt worden; ebenfo reuffirte er bei 
dem gegenwärtigen Könige von Schweden, und doch konnte er 
ihm allein in feiner Eigenſchaft als Schriftfteller bekannt fein: 
eine Eigenſchaft übrigens, die, wie Hr. von Strombed mit 
Recht bemerkt, bei vielen Großen nicht nur nichts gilt, fonbern 
wol fogar noch obenein verdächtig macht. Aber Karl XIV. 
Zohann hat freitih als humaner Franzoſe Achtung vor jeder 
pubticiftiihen Thaͤtigkeit und literariſchen Regſamkeit, denn es 
iſt gewiß, daß der Geiſt, das Talent, inſofern ſie nichts Amt⸗ 
liches haben und nicht zur bloßen Augen- und Ohrenluſt bie: 
nen, nirgend weniger geachtet werden als in Deutfchland, es 
fei denn, daß die Perſonen, die Zräger biefes Seiftes, diefes 
Talents, Geheimräthe und Minifter geworben, ober bereits ver: 
forben wären. Der König ſprach fih über mancherlei Dinge 
gegen Hrn. von Strombed recht verfländig aus und war aud) 
liebenswürbig genug, den beutfchen Reifenden zu Worte kom: 
men zu laffen. Dafür wibmet er dem Könige von Schweben 
eine Feder, wie der Fürſt Pückler⸗Muskau dem Paſcha von 

gypten, wie jeder Deutſche jedem Potentaten, ber ſich gegen 
ihn freundlich zu fein herabließ. Nicht als ob Ref. nicht auch 
feinerfeits die hohen Regententugenben , weldye Karl Johann aus: 
zeichnen, erkennte und anertennte — aber er zweifelt, ob Hr. 
von Strombeck als flüchtiger Reifender und Ausländer das Recht 
hat, über die Verwaltung eines fremben Königreidhe und feine 
innern Verhältnifle in fo beſtimmter Weife, wie doch gefchieht, 
fein Urtheil abzugeben und bie Oppofition, bie ſich in Schwe⸗ 
den regt, fo geradehin zu verbammen, während doch Pitt ſelbſt 
erfiärte, daß eine Regierung ohne Oppofition unmöglich fet. 
Wenn wir Strombed glauben wollten, fo ift es faft allein Karl 
Johann's Werl, daß Napoleon in Deutfchland unterlag unb 
in den Ebenen von Leipzig den toͤdtlichen Schlag erhalten Eonnte. 
&o if der Deutfhe! Um eines fremden Heerführers willen 
vergißt er bie Leiftungen deutfcher Zeldherren, ober ftellt fie 
wenigſtens in Schatten. Dennoch bat bie erwiefene Lauigkeit 
und Zurhdhaltung, womit ber bamalige Kronprinz von Schwe⸗ 
ben in feinen Operationen verfuhr, auf einer fo tüchtigen Ba⸗ 


ſis fie auch ruhen mochten, ben toͤdtlichen Schlag wol eher aufge- 
halten als befördert. Ramentlidh hat Karl Johann von der ſiegrei⸗ 
hen Schlacht bei Groß⸗Beeren lange die Früchte nicht gezogen, 
bie zu ziehen waren, und wenn fi) bie Kriegsangelegenhriten 
in Sachſen für die Verbündeten günftig ſtellten und ber Daupts 
flag bei Leipzig geführt werden Eonnte, fo iſt dies wol mehr 
ber Schnelligkeit Blücher's, womit er bei dem Übergange über 
bie Elbe und weiterhin verfuhr, zuzuſchreiben, als der auf- 
fallend zähen Behutſamkeit des ſchwediſchen Heerführers. 

Biel Intereffantes bietet Strombeck's Reife von Stodholm 
durch die mwunderwürdige große Kanal: und Scenverbindung 
nach Gothenburg, wie fein Aufenthalt in Iegtgenannter Stadt. 
Hier erft gewann er fo recht die Überzeugung, daß es in der 
Belt Feine liebenswürdigere, gaſtfreundlichere und gegen Fremde 
zuportommendere Nation gebe als die ſchwediſche. Und an eis 
ner andern Stelle fagt ber Verf.: „Auch unfere Denkt: und 
Empfindungsweife finden wir im Norden wieder, und bort, 
befonders auf dem Lande, in noch ungetrübterer Reinheit als 
bei ung felbft, wo ber verberbliche Einfluß großer Städte, ib: 
rer Scharen von Gefhäftsmännern aller Art, gang be 
fonders die Verpflichtung der Jugend zum Militairdienft und 
der damit verknüpfte Aufenthalt in den Gafernen größerer 
Städte, fo Eräftig aber wahrlicy nicht wohlthätig auf ben 
Landmann einwirken’ u. f. w. 

Die legte Abtheilung des Buches enthält eine Beſchreibung 
der Reife des Verf. von Gothenburg durch den Kattegat und 
feines Aufenthalts in Kopenhagen, wo er ebenfalls die Ehre 
hatte, einem Potentaten, dem verftorbenen Könige von Dänes 
mark, Friedrich VI., ferner dem Thronfolger Prinz Chriftian 
Friedrich, jegigem Könige, der Kronprinzeffin Karoline und ber 
Prinzeffin Juliane Sophie vorgeftellt zu werden! Jedenfalls bringt 
pr. von Strombed über Kopenhagen viele gute Notigen, die aber 
bunt untereinander liegen und nicht geeignet find, ein vollſtaͤndiges 
Rundbild von der Stabt au gewähren und ihre charakteriftifche 
Phyfiognomie, fo mie fie ift, zur Erfcheinung zu bringen. Fo⸗ 
dern wir indeß nicht zu viel! Der Aufenthalt des Verf. war 
fowol in Dänemark wie in Schweben zu kurz, als daß man 
eine gründliche Darftellung verlangen tönnte, und um die Na⸗ 
tion, den Volkskern beider Länder kennen zu lernen, fehlte 
Hrn. von Strombed das eigentlide Medium, Kenntniß der 
Landeöfpradhe. Zum Schluß erwähnen wir noch, daß, wenn 
wir auch oben im Allgemeinen den Styl des Verf. gebilligt 
haben, wir doch nicht umbin Finnen, manche Nadhläffigkeiten 
und befonders mehre auffallend fteife Wendungen zu rügen., 


2. Die Spagierfahrt nach Venedig und Mailand. Non *r. 
Leipzig, Kollmann. 1840. 8, 1 Thlr. 6 ®r. 

Hr. *r ift ein Allerweltöfchriftftellee, der über Alles 
fchreibt, was ihm aufgegeben und nidht aufgegeben wird, was 
er gefeben hat und was Anbere gefehen haben, was er unb was 
Andere gethan haben, ein Rathgeber für Alles, und fo auch für 
junge und alte Herren, welche nach Venedig und Mailand eine 
Spazierfahrt anftellen wollen. Der Verf. hat ſchon mehre Rei: 
fefpriften herausgegeben, die von Helgoland, Suͤddeutſchland 
und Rügen handeln und bei der großen Menge, weldye entwes 
der aus Mangel an Ferien und Geld nicht anders als in Ge⸗ 
danken rcifen Tann, ober auf der Reife ſich eines gebrudten 
Führers bedienen will, wol auch Beifa fanden. Es iſt nicht zu 
leugnen, daß die Manier bes Verf. etwas Populaires unb un⸗ 
gemein Verſtaͤndliches hat, ja er gehört zu den wenigen Schrift⸗ 
ftelleen, welche an keiner Stelle misverflanben werben koͤnnen; 
er erzählt Alles fo frifch von ber Leber weg, fo ungenirt, ß 
bausbaden, fo ohne allen Aufwand von Geiſt, als fäße er in 
einer Zabagie unter Gevatter Schneider und Handſchuhmacher 
und erzählte ihnen von feinen Reiſeleiden und Reffefreuden, er 
ift der Kürft Püdler Muskau der großen Lefewelt, welche vor 

Allem an einen GSchriftfteller die Anfoberung flelt, daß ex 
beileibe über den engen und fchlichten Kreis ihrer Faſſungekraft 
nicht binausgehe, welche einen feinen Scherz nicht verfteht ober 
gar übel nimmt und über einen trodenen bausbadenen Spaß 


” 


936 


ſich todtlachen möchte. Indeß muß Ref. geſtehen, daß unter 
des Verf. Reifefchriften vorliegende leicht bie befte iſt; denn fo 
Vieles und in fo trodener Weiſe das Viele auch in gegenwär: 
tigem Buche vorgebracht wird, fo iſt es body reich an allerlei 
Zhatfächlichkeiten und der praktifhe Sinn, der den Verf. be: 
eignet, erlaubt ihm, Manches wahrzunehmen oder doch zum 
Busen künftiger Reifenden ans Licht zu ftellen, was einem 
geiftreichern Beobachter entgehen würde. Die Gitate aus beuts 
Shen Dichten, welche in den Text verwebt find, maden fid 
faft poffirlih, da der Verf. in feinen eigenen Betrachtungen 
und Beſchreibungen nicht die leifefte Spur von poetifcher Ans 
fhauung und Auffaffung verraͤth. Beine höchft wohlfeile Po: 
iemik gegen jedes Symptom katholiſcher Altgläubigkeit iſt ermü⸗ 
dend und oft wiberlich. Geſteht der Verf. doch felbft, daß bie 
Tiroler biedere, ehrliche und hochgefinnte Menſchen find, alfo 
Laßt fie doch bei ihrem Glauben und fpöttelt über Das nicht, 
was bei ihnen zur Beit noch innerſtes Herzensbebürfniß ift, wie 
es fich bei jedem naiven Naturvolke ausipridt und befriedigt 
fein wi! Der Verf. macht ſich fogar über die rührende Treu⸗ 
herzigkeit und religiöfe Glaͤubigkeit in Andreas Hofer's Proclas 
mationen luſtig. „Ja“, fagt er, „ſo ſehr unfer Eins über 
ſolchen Unſinn lächeln muß” — Freilich! dies Wölfchen „Uns 
fereins ” in feiner vornehmen, Alles befpöttelnden und bezwei: 
felnden Verftandesnadtheit, ein Voͤlkchen, welches in der Sands 
ebene ber norbbeurfchen Niederung ſchon zu einem ziemtichen 
Volke erwachfen ift, findet bei einem Naturvolke leicht heraus, 
was ſich vor ber fleptifchen Verftändigkeit des Nordens nicht 
rechtfertigen läßt; aber nicht ebenfo raſch Alles, was aus ben 
Tiefen des Gemüths und Herzens entfpringt, und fo wird aller: 
dings manche Anficht zu Tage gefördert, die ſich vor dem heiligen 
Schöppenftuhle des Herzens hit rechtfertigen läßt. 16, 





Literarifhe Motizen. 


Die „Revue des deux mondes’’ enthält in ihrer Lieferung 
vom 15. Jun. bie Kortfegung eines leſenswerthen Auffages von 
E. de Gazalts unter dem Zitel: „Ktudes historiques et poli- 
tiques sur l'Allemagne.“ Der Aufſatz iſt mit einer gewiflen 
rührenden Theilnahme für Deutfchland gefchrieben, das fo oft 
durch die politifhen Fehler feiner oberften Leiter, durch bie 
Engherzigkeit vieler Fürſten, die nur ihre partieulairen Inter: 
efien im Auge behielten, und durch die phlegmatifche Unbehülf: 
Lichkeit und Theilnahmloſigkeit des Volkes felbft, wie durch den 
Neid der verfchiebenen Stämme untereinander, jahrelanges Unglüd 
u erdulden hatte, Im dreißigjährigen Kriege feinen Boden durch 
* und Schweden verwüſtet, durch den weſtfaͤliſchen 

eden blühende Provinzen vom Reichskörper abgeriſſen, in 
feinen Innern Verhältniffen immer fremde Dände verftedt im 
Spiele und noch in diefem Jahrhundert Napoleon’s eiferne 
Kauft ſchwer auf feinem Naden laften fah. Die Abhandlung iſt 
als Stimme eines Franzofen darum von Wichtigkeit, weil fie 
als ein foͤrmlicher Aufruf an uns irſcheint, vorfichtig und auf 
der Hut zu fein, unfer Befammt:Nationalgefühl zu Eräftigen 
ober erft zu erzeugen und die Warnungen ber @efchichte, welche 
Cazales gründlich und Scharf in der Form einzelner Thatſachen 
darſtellt, nicht unbenugt vorübergehen zu laſſen. Die franzöfi: 
ſche Ginfeitigkeit, die Alles auf fich bezieht, drückt diefer Ab⸗ 
handlung bier und dba auch wol eine Spur auf, aber zum Bes 
wundern leiſe, und läßt fi) mehr im Ganzen in der ziemlich beuts 
chen Abficht des Werfaffers erkennen, die Gefchichte Deutfchlande 
in durchgängiger Abhängigkeit von ber Frankreichs darzuftellen. 
Auch übergeht er gern die Niederlagen, welche franzöfifhe Heere 
in Deutfchland erlitten haben, und die, welche er nicht ableugnen 
Tann, ſtellt er dar als aus dem Abfall der Bundesgenoſ⸗ 
fen, den er übrigens nicht als ein Wert der Treuloſigkeit, 
fondern als eine Kolge des in Deutfchland erwachten National: 
gefühls betrachtet, und aus ber Übermacht der Gegner hervor: 


gegangen. &o Eennt er wol eine Schlacht von Lügen oder von 
Baugen, aber eine von Groß: Beeren, von der Katzdach, von 
Kulm, von Dennewig, die doch wirklich erwiefene mehr oder 
weniger ausgebreitete Niederlagen ber Franzoſen und ihrer Mar- 
(halle find. Er Hilft ſich bier mit folgender Phraſe: „Napo⸗ 
leon unterlag der deutſchen Nation, nicht ihren Heeren; tie 
Erbitterung bes Volkes machte Napoleon’s Siege beinahe nup- 
lo8 und verlieh die größte Bedeutung aux moindres revers 
de ses lieutenants.”” Dagegen iſt er in Bezug auf bas Ber: 
fahren Napoleon’s gegen Deutfchland von aller Ginfeitigkeit 
frei: er erkennt die Ungerechtigkeit feiner Gewaltmaßregeln 
an, wie das Recht Deutfchlands, das Joch von ſich abzufchüts 
teln. Er geftcht fogar, daß Napoleon den hartnädigen und 
furchtbaren Krirg mit Öftreih im 3. 1809, in welchem bee 
Erzherzog Karl bei Afpern „dem Glüde NRapoleon’s die Wage 
gehalten habe’, und der Sieg bei Wagram nicht ohne die blu: 
tgften Opfer erfauft worben fei, befonders mit ben beutfchen 
Hülfstruppen gekämpft und entfchieden habe — ein Zugeflärds 
niß, das wir uns nicht erinnern bei einem franzöſiſchen Ge: 
ſchichtſchrelber bisher gefunden zu haben. Daher findet er auch für 
nöthig, ſich in einer Anmerkung bei den franzöfifchen Leſern 
zu entſchuldigen, wenn er mandymal für bie Befisgten mehr 
Sympathie als für bie Sieger bliden Taffe, denn eine uns 
parteiliche Gerechtigkeit fei die erfte Pflicht eines Geſchichtſchrei⸗ 
bers. Die Abhandlung iſt übrigens in einem fehr ruhigen, 
biftorifchen Style, ohne Phrafenaufmand und in einfacher, bei 
ber jest gebräuchlichen Geziertheit wohlthuenden &pradhe .ges 
ſchrieben und verräth cine tüchtige Welefenheit. Die angeführ: 
ten deutfhen Namen von Perfonen und Ortfchaften, bie citir- 
ten Büchertitel u. f. mw. find auf eine in franzäfifchen Büchern 
faft unerhörte Weife beinahe ganz frei von Drudfehlern. Der 
Verf. citict unter Anbern in ben Anmerkungen: Dohm’s ‚Denk: 
würdigkeiten”, Gagern, „Mein Antheil an ber Politik” und bes 
fonders K. A. Menzel's „Geſchichte unferer Zeit”, woraus er mebre 
Stellen und „ſinnreiche“ Außerungen entlehnt und überfept. 


Angelündigt ift ‚Histoire d’une grande &poque avec ses 
prodiges et ses desastres”’ mit dem Motto aus Birgit: In 
gurgite vastv. Der Verleger fügt der Anzeige in ben Jours 
nalen hinzu: „Publication remarquable, style noble et saisis- 
sant, &tudes sociales superieures”: — eine Empfehlung, bie 
ebenfo lakoniſch als poſſirlich ift. 5, 





Literarifche Anzeige. 


In meinem Verlage erfcheint ſoeben und iſt durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 


Vermiſchte Schriften 


von 
Friedrich Theodor Schubert, 


oifer!. ruff. wirklichem Staatörathe .xc. 


Reue Folge. 
Drei Bände. 


Mit dem Bildniffe Des Werfaflers. 
8 4 Thlr. 12 Gr. 


Die erſte Kolge der vermifchten Schriften des berühmten 
Verfaffers in vier Bänden erſchien 1823—26 in ber 3. ©. Cotta’: 
hen Buchhandlung in Stuttgart. Auch diefe Neue Folge ent: 
halt hoͤchſt anziehende Mittheilungen über Naturwiſſenſchaften, 





" befonders Aftwonomie und Phyſik. 


Eeipzig, im Yuguft 1840. 
j S. a. Brockhaus. 


Berantwortliher Deraußgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


— Nr. 233. — 


20. Auguſt 1840. 





Lettres sur la race noire et la race blanche, par 
Gustave d’Eichthal et Ismayl Urbain. 
(Beſchluß aus Nr. 233.) 

Die Peopagation der Religionen iſt durdy die Qultur: 
fähigkeit und Civilifationsverhältniffe der Voͤlker weſentlich 
bedingt. Dan erinnere fich der alten Normannen — ber 
Sothen, Vandalen und anderer deutſchen Voͤlkerſtaͤmme, 
die, wie die Melanchlänen des Herodot, nody als Men: 
ſchenopferer und Wilde auf die Bühne treten, nicht zu 
gedenken. Sobald das Chriftenthum ihren Mythus zu 
verdrängen anfing, hörten fie mehr und mehr auf, Welt: 
und Friedensſtoͤrer zu fein; ihre wilde Natur änderte ſich 
und, was das Auffallendite ift, fie wurden allmälig völlig 
confervativ. Und frage man body die Geſchichte des Chri: 
ſtenthums? Hat es nicht In die Bewegung der mittelalter: 
lichen Voͤlkergaͤhrungen von den Säulen des Hercules bis 
an das uralswerchoturifche Gebirge Ruhe gebracht? Iſt 
in deſſen Gefolge nicht Ackerbau und friedliches Gewerbe, 
nicht Civilifation im hoͤhern, ediern, geiſtigern Sinne 
geroefen? Kann fi ber Jolamismus defien in gleichem 
Maße rühmenm? Iſt nicht diefee — und das heutige 
Judenthum noch mehr — ganz und gar von chriftlicher 
Cultur beherrſcht, ja dDuchbrungen? Und warum? Weil 
das Chriftenehum mit ber Idee der ewigen Liebe Frieden 
zwiſchen dem Stauden und ber Ethik ſtiftete. 

Wo it die Cultut der Mauren in Spanien geblie: 
ben? Was hat Afrika bavon noch aufbewahrt? Auf 
roͤmiſches Leben in ber porendiichen Halbinſel geimpft, 
ſchwang ſich das Araberthum dort, vom Fetiſchismus zum 
Mohammedanismus übergegangen, nachmals zu eimer hoben, 
vielleicht der Höchften Stufe der Cultur, deren es fähig 
if, empor. Phantaſie und Sinnlichkeit, afiatifche und 
afritanifche Eigenthümlichkeit paaren ſich in dieſer Cultur 
und erftere findet in der Nichtung zu dieſer, nur umge: 
kehrt, einen geronftigen Spielraum zur Entwidelung. Aber 
das Araberthum, deffen Kind der Islam iſt, pflanzte feine 
Nichtachtung der Menſchenrechte nady Europa und von 
ihm haben fie die Spanier und Portugiefen in die neue 
Welt getragen. Daß biefe fpäter ben ſchwarzen Sklaven 
mit mehr Verftand wegen ihrer Setbfierhaltung behandet 
ten als den Eingeborenen Amerikas, daß fie darin weder 
der Frivolitaͤt der Franzoſen, noch der Härte der Englän: 
der folgten, daß fie die, die Sklaverei mildernden Grund⸗ 


| über, 





füge des Islam adoptirten, um ſich Ihre Golonien zu ers 
halten, Andere im Allgemeinen nichts an der Verwerflich⸗ 
keit der Sklaverei und ift nur ein Beweis, daß die Spanier 


ſich an die aͤthiopiſche Haut fchon gewöhnt hatten und 


ihr die von ben Arabern weislich zugeftandenen geringen 
Nechte ließen, während fie die rothe noch mit Bluthunden 


hetzten. 


Aber auch der Moslim hat wie der Chriſt die Skla⸗ 
verel bald grauſamer, bald milder geuͤbt. Und iſt es nicht 
geradezu ein Widerſpruch: die Sklaverei durch einen Cul⸗ 
tus aufheben zu wollen, der ſie in den Kreis ſeines Rechts⸗ 
gebiets gezogen hat? Wuͤrde man damit dieſe vermeint⸗ 
liche weibliche Race nicht noch feſter an die Sklaverei knuͤpfen? 
Und wie ſieht es nun mit der Emancipation des Weibes 
aus, welcher die Herren Verfaſſer zugethan find? Ben 
der Polyoamie iſt die SHaverel unzertrennlich, wo Beine 
Kaften beftehen. Oder fol diefe Emancipation bios eine 
finnbifdliche, durdy die Emaneipation der weiblichen Nare zu 
bewirkende fein ? 

Mie die Emancipation des Weibes felbft, fo feheint 
dem Unbefangenen die ganze Frage uͤber Emancipation ber 
weibfihen Nace müßig. Die Regativirät, die fih im 
wirffichen Weibe darftellt, hat eben darin ihre Beſtim⸗ 
mung, baß fie der Poſitivitaͤt als Gegen ſatz auf gleicher 
Mechtsbafis dienen fol. Im Islam liegt die Thorheit 
der Herabwürbigung des Weibes, nicht im Chriftenthum, 


welches überall mit den höhern Culturſtufen, die es bes 


fchreitet, die Mechte der Menfchheit in der Vollendung der 
reinen Gegenfäge, d. b. im Gleichgewicht des Negativen 
und Pofitiven findet. 

Hr. v. Eichthal weiß am Ende (S. 60) ſelbſt nicht 
recht, mas er mit ber Maulefel: und Blendlingsrace, 
weiche er aus der DVermifchung ber weißen und farbigen 
Race erhält, machen fol. Denn da der Bater vorherrfcht, 
gehen die Kinder von ſchwarzen Muͤttern bei fortgefegter' 
Mifhung mit weißen Vätern In die Race der letztern 
Mo fol nun die Paarung der meiblihen und 
männlichen Race liegen, da weiße Frauen und fehmarze 
Männer ſich nicht mifchen, da die Maſſe der Schwarzen 
in ihrer Heimat bleibt und nur etwa 10 Millionen 
Schwarze in den Colonien in der neuen Welt leben, beren 
größter Theil nicht in Afrika geboren iſt? Sollen dieſe 
Afrika regeneriven? Die Blendlinge follem es? — Oder 


938 . 


fol Europa und bie ganze Eaufafiihe Race mit weißer | 


Haut fih über und in die ſchwarze Haut ergießen und 
umgekehrt? Leben nicht, wie in dem Auffage „Die Men: 
fchenracen” im zweiten Hefte der „Deutichen Vierteljahrs⸗ 
ſchrift“ von 1838 treffend bemerkt iſt, in Amerika und 
in den europaͤiſchen Colonien ſeit Jahrhunderten Weiße, 
Neger und Amerikaner nebeneinander und behalten durch— 
aus jeder feinen Racencharakter, wenn ſie ſich geſchlecht⸗ 
lich getrennt halten? Und bilden ſie durch Vermiſchung 
etwas anderes, als ſtrenge Mittelſchlaͤge, den Mulatten, 
den Meſtizen, den Terzeron, den Quarteron u. ſ. w., 
lauter Baſtarde, welche nach einer gewiſſen kurzen Reihe 
von Generationen rein zum urſpruͤnglichen vaͤterlichen oder 
muͤtterlichen Typus zuruͤckkehren? So haͤlt die Natur auf 
demſelben Boden den Weißen als ſolchen, den Neger 
und den rothen Eingeborenen ewig auseinander! Bekannt 
genug iſt, daß die rothe Haut, die Hr. v. Eichthal in die 
Claſſe der ſchwarzen als Nuance ſetzt, die ſchwarze verach⸗ 
tet. Woher dies Alles, wenn nicht eine Urverſchiedenheit 
der Racen vorhanden waͤre, welche tief im Myſterium der 
Schöpfung ihre Begruͤndung und Ewigkeit fände? Mes: 
halb bleibt im füdweftlihen Afien der Mongole und ber 
Kaukafier, in Nordafrika Ddiefer und der Neger, und in 
Amerila der Rothe und jene leßtern beiden Racen im 
Großen und Ganzen gefchieden und ihr Urcharakter fo 
wefentlich überall derfelbe? Hat der Schöpfer die verſchie⸗ 
denen Menfchenracen gebildet, um beren Eigenthuͤmlichkei⸗ 
ten durch Vermiſchung verwifchen zu laffen und fo ber 
Induſtrie des Menfchen in Heritellung neuer Racen eine 
Kortfegung der Schöpfung aufzuheben? — Daran glaubt 
ein Deutfcher, kein Chrift, Eein wirklich gebildeter Sterb: 
licher! Das find Suufionen Soldyer, die — noch auf ben 
Meſſias hoffen. 

Keineswegs foll damit gefagt fein, daß ſich die Athios 
pifhe Race niemald aus der XThierheit erheben Eönnte. 
Einft, wenn die Gultur alle gedenkbare Phafen in Kauka⸗ 
fieen und Mongolen durchlaufen haben wird, muß, fcheint 
es, auch die Äthiopifhe Race ihr Geſchick erfüllen und, 
Hrtlichkeit und Klima überwindend, eine pofitive Rolle in 
der Geſchichte der Menfchheit einnehmen. Allein bis jegt 
fehen wir dazu keine Anftalt; in dem äußern Gepräge 
der großen Athiopifhen Maſſen tritt nach unferm Gefühl 
die Menfchenfchöpfung der Thierheit um einige Schritte 
näher und entfernt ſich ebenfo weit vom Ideal der Menfch> 
lichkeit, als ſolchem der Kaukaſier ſchon im Außern ent: 
fpricht. 

Die Ausgleihung der Menfchenrechte allein ift es, 
welche eine Frage von Bedeutung bfeibt. Hat blos bie 
Moth oder eine unter gewifjen Umftänden gebieterifche 
Nothwendigkeit Sklaverei unter Chriften hervorgerufen, fo 
wird eine neue Zeit mit neuen, gleich frengen Nothwen⸗ 
digkeiten zur Ehre der Givilifation die Mechte der Menſch⸗ 
beit berftellen. Der Anfang ift gemacht. Nicht der Js⸗ 
lamismus kann dieſe Reftitution herbeiführen, fondern das 
Chriſtenthum wird ſich im Feuer der Civiliſation von der 
Schlacke reinigen, welche der Islam an baffelbe gebracht 
bat. Es geſtattet allein ein freies Kortfchreiten der Civi⸗ 


lifation, welches der Koran erfhwert, und darin liegt ber 
Vorzug des Chriftenthums vor dem Islam. Durch jenes 
gebieten und herrſchen zur Zeit die es befennenden Voͤl⸗ 
ker, weil deſſen ewige ‘Principien deren fortfchreitende Ent: 
widelung involviren» Mag es wahr fein, daß der Se: 
tiſchbekennier im Islam veredelt werde; das wahre, reine 
Chriftentyum kann ihn nicht verderben, denn es iſt die 
Religion der civilifirteflen Menſchheit. Daß aber das 
ganze Im Fetifhismus verfunfene Afrika mit Eintritt der 
Abenddämmerung tanzt, wie die Herren Verf. nach Reife: 
berichten mit Rührung und Entzüden referiren, beweift 
unſers Erachtens gar nichts für die Weiblichkeit und Em: 
pfänglichbeit der aͤthiopiſchen Race für höhere und fanf- 
tere Sefittung; bie größere und geringere Leidenſchaft zu 
tanzen zeigt nur von der entfprechenden Sinnlichkeit und 
Genußſucht, die an ſich nicht ausfchließend weiblich if. 
Mir verlaffen diefen unendlich wichtigen Gegenſtand 
mit der Überzeugung, daB er nicht vielfeitig genug beleuchs 
tet werden Eönne. Deshalb find wir bier auf Veranlaſ⸗ 
fung der kleinen, in Stage ftehenden Schrift wmeitläufiger 
geweſen, als fonft der Raum diefer Blätter mit ſich 
bringt. Schließlich wollen wir aber noch erinnern, daß 
der Zuftand der fürbigen Race in der neuen Welt etwas 
blos Künftliches, das Verhaͤltniß der herrfchenden Race 
zur bienenden und umgekehrt diefer zu jener nichts Nas 
türliches, fondern etwas Erzwungene®, keine ftei- 
willige Paarung ift und daher durchaus keiner Anwen 
dung auf die Hauptfrage Seiten ber Herren Verf. hätte 
unterlegt werben follen. 6, 


Dentwürbigkeiten aus dem legten Decennium des 18. Jahr⸗ 
hunderte. Derausgegeben buch Friedrich Hurter. 
Schaffhauſen, Hutter. 1840. 8. 20 Gr. 


Sowie Dentwürbigkeiten aus ben letzten Jahren bes 18. 
Jahrhunderts namentlich für die Altern unter den Zeitgenoffen, 
beren Srinnerungen noch an jene Zeit anftreifen, einen ganz 
befondern Reiz haben, fo erging es und — und wie wir ver 
nehmen, auch Andern — mit dem gegenwärtigen Büchlein. 
Aber wir bekennen, daß wir arg getäufcht find. Denn alle 
Auffäge find unbedeutend und bes Neuen ift ein fehr geringer 
Vorrath in demfelben, ja felbft das Wenige ift nicht einmal be⸗ 
fonder& interefjant. Sonſt würben wir uns wahrlich die Drübe, 
die ja Bein Geſchichteforſcher fcheuen darf, nicht haben verbrie: 
Ben Taffen, die einzelnen Boldlörner aus bem Schutt hervorzu⸗ 
fuchen und durch unfere Anzeige an das Licht zu bringen. Be 
dev Herausgeber, ber ſich durch feine „„Wefchichte bes Papfts 
Snnoceng III.’ vieles Anfehen erworben und als einen umſich⸗ 
tigen Hiſtoriker bewährt hat, zur Veröffentlichung biefes Mit: 
telgutes die Hand bieten Eonnte, begreifen wie in ber That 
nit. Denn mit Recht Hat Varnhagen von Enfe in feiner Ans 
eige geurtheitt, daß das Pleine Buch nur etwa bazu bienen 

nnte, allerlei biftorifhe Übungen baran vorzunehmen und fos 
wol bie dargebotenen Stoffe neu behandeln, als auch bie 
jegige Behandlung kritiſch zu beleuchten. 

As den Verf. der drei erften Auffäge begeichnet Hr. Hur⸗ 
ter einen Rheinländer, einen jener biplomatifchen Agenten, ‚wie 
die frühere Gabinetspolitik fie gern hatte und oft brauchte, und 
nennt ihn „geiſtreich, gebildet, einen Mann von großer Mens 
fchenkenntniß und Gewandtheit““. Im Verlaufe der Erzählung 
bat man aber nicht Gelegenheit, diefe Eigenfchaften zu bemerken, 
man lernt im Gegentheil nur bie erbärmlichfie Kundſchafterei 





939 


aus demſelben kennen, arge Klätfchereien und unverbürgte Nach⸗ 
richten, ſodaß man hoͤchſtens die Überzeugung aus allen biefen 
Anekdoten gewinnt, es ſei denn doch jetzt wol beffer in ber 
Diplomatie beftellt ald damald. Der Inhalt der einzelnen 
Auffäge wird unfer Urtheil rechtfertigen. 

I. Mainz — Eikenmayer — der Geſandte von Stein — 
Schleußinger (1792). Hier werden allerhand Gerüchte, Erdich⸗ 
tungen und Unmahrfcheinlichkeiten, wie ſie die damals fo übers 
zafchende Einnahme von Mainz durch Cuſtine hervorgerufen 
hatte, erzählt. Als ber Erzverräther in Mainz galt bisher ber 
mainzifche Oberftlieutenant Eikenmayer, und als ſolcher iſt er 
auch noch Fürzlich in der von Neigebaur herausgegebenen Gchrift: 
„Der Untergang des Kurfürftentyums Mainz’ (Branffurt a. M. 
1839) *) bezeichnet worden. Hier wirb er indeß von biefer Be: 
fyuldigung freigefprocden, wie auch andere unterrichtete Maͤn⸗ 
ner gethan haben; dafür ift nun der damalige preußifche Reſi⸗ 
bent in Mainz, Freiherr von Stein (ein älterer Bruder bes 
berühmten preußiſchen Staatsminifters) zum Mephiftopheles ge: 
worden, Über ihn berichtet ber Werf., damals in Dienften des 
gandgrafen von Heffen: Homburg, Stein habe von dem Cumite 
autrichien fm preußifchen Gabinet die Weifung gehabt, Mainz 
in Suftine’s Hände zu fpielen, bamit durch den Verluſt der 
wichtigen Reichsfeſtung Friedrich Wilhelm II., „der belebte 
Fleiſchkloß“ (!), angereizt werde, ſich dem Kriege gegen Frank⸗ 
reich mit allem Eifer anzuſchließen. Dies Benehmen Stein's 
ſoll nun blos ein verabſchiedeter preußiſcher Lieutenant Schleu⸗ 
Finger durchſchaut haben, mit feiner Anzeige aber nicht bis zum 
Könige haben durchdringen können. Solche abenteuerliche Se: 
fehichten bedürfen nicht der Widerlegung. Wer ben Zuſtand 
des damaligen Mainz Eennt, feinen Hof, feine Regierung, bie 
Mangelpaftigkeit der militairifhen Anftalten, der wird ſich bie 
deiſpiellos fdgnelle Übergabe an bie Franzoſen auch ohne alle 
Zuthat von Märchen und Faſeleien binlänglich erflären Eönnen. 

II. Georg Liß (1796). Krüber pfätzifher Hoflammerrath, 
warb er im I. 1795 Kaffirer des Handlungshaufes Preiswert 
zu Bafel und fing dort an fi in potitifche Händel zu mifchen. 
Den erften Bürgermeifter befchulbigte ex im öftreiciifchen In: 
tereffe Geld genommen zu haben, unb als er dafür auf der 
Hauptwache eine Tracht Prügel empfing, bemädhtigten ſich ſei⸗ 
ner durchaus revolutionnafire Befinnungen. Daher erlaufchte er 
in einer Apotheke bei einem Glaſe Schnaps von einem Secre⸗ 
tate der Öftreichifchen Geſandtſchaft defien Geheimniffe, ließ feine 
Mittyeilungen nad Hüningen an ben Volksrepraͤſentanten Mer: 
lin von Thionville gelangen, und verhinderte dadurch, daß 
Wurmſer über ben Rhein geben und bie Franzoſen überfallen 
Tonnte. Ühnliche Spionerien werden weiter erzählt, in denen 
fih Liß als einen recht orbinairen Lump zeigt, und der Verf. 
des Aufſatzes als ziemlich ſchwachſinnig, daß er fich fo lange 
von Liß Eonnte beſchwatzen laſſen. Später befaß biefer Aben- 
teurer eine Apotheke in Strasburg, warb dann bafelbft Gou⸗ 
vernementscommiffatr, entzog ſich durch die Flucht der Depor: 
tation nach Frankreich, Legte Hierauf in Speier eine Fabrik 
an und ift nach manden Schidfalen 1805 als Commis eines 
Kriegscommiflates im Hoſpital geftorben. 

Doterag — Sonde — Enghien (1797). Es find hier 
wiederum allerhand Erbaͤrmlichkeiten erzählt und fomit Unſinn als 
wahre Seſchichte berichtet, daß wir uns nicht mit Aufzählung 
diefer ſchmuzigen Zwifchenträgereien, in denen Liß auch wieder 
feine Rolle fpielt, befaſſen mögen. Hoͤchſtens ein Umſtand Tann 
in dem ganzen Auffage für echt gehalten werben. Als nämlich 
der Marquis von Poterag, ber als geheimer Friedensagent zwi: 
fhen Paris und Wien zu Bafel 1795 gefchäftig war, dem frans 
gefiien Directorium angezeigt hatte, daß der Prinz Condé bie 

bſicht Habe, bie Schweiz und Schwaben zu Gunſten der Fran: 
zofen zu vevolutionniren, dafür aber Protector ber franzöfifchen 
Republik werden wolle, antwortete das Directorium bem Po⸗ 
terag: „I faut lui rire au nez.' ' 


*) Bel. Nr. I d. Br. D. Red. 


Staatsdiener. 


„ IV. Die Revolution auf Malta (1708). Die Erzaͤhlung 
ift einer felten gewordenen frangöfifchen Schrift entlehnt, die 
allerdings für jene Zeit ein größeres Intereffe haben mochte als 
für bie unferige. Doch ift diefer Auffab noch immer der intereſ⸗ 
ſanteſte in der ganzen Sammlung, weil er troß feiner apologe= 
tifchen Tendenz recht deutlich die innere Zerriſſenheit der Dr- 
beneverfafiung an das Licht ftellt und in biefer Hinficht ein 
Seitenflüd zur Übergabe von Mainz bildet. Denn durch Ver⸗ 
rath des Großmeifters von Hompefch iſt Malta fo wenig in bie 
Hände der Branzofen gekommen als Mainz durch den Verrath 
Eiten mate 

. Bericht über eine Sendung an Se, kaiſerliche Hoheit 
den Erzherzog Karl (1799). Diefer Bericht des — 
David Hurter von Schaffhauſen über eine Deputation an den 
bezes um ſich Rath und Schutz für die Herſtellung der 
ehemaligen Regierung des Cantons zu erbitten, wuͤrde ſich in 
einer Stadtgeſchichte von Schaffh da gut ausnehmen, ein all: 
gemeines Intereffe gewährt er duͤrchaus nicht. 

VI. Die Übergabe von Hohentwiel (1800). Die durchaus 
vernachläffigte Bergfeftung Hohentwiel im MWürtembergifchen fiel 
am 2. Mai 1800 in bie Hände der Franzoſen, ohne daß bie 
freilich ſehr invalide Befagung Anftalt zum Widerftande machte, 
worauf die Werke gefchleift wurben. Das Ereigniß ift für die 
allgemeine Kriegsgefchichte jener Zeit nur von einer fehr unter- 
geordneten Wichtigkeit, aber es iſt — wennſchon im Kleinen 
— ein trauriger Beweis von der haltungslofen Schwäche im 
Anfange biefes Jahrhunderts, mit der man ben frifchen Kräften 
der franzöfifchen Revolution wähnte entgegentreten zu Fönnen. 

‚ VI Die Gefängniffe zu Venedig im I. 1800, Die Re- 
lation eines hochgeftellten Beamten, der nach ber Abtretung 
Benedigs aus Amtspflicht und Neugierde die fo viel befprodhes 
nen Kerker unterſuchte. Die gerühmte Zuverläffigkeit ſcheint 
allerdings die hervorſtechende Gigenfchaft des Aufſatzes zu fein. 

VIE. Zur Gefchichte der Iluminaten. Ein dürftiger Bei⸗ 
trag zur Geſchichte eines Ordens, die, von ber Hand bes rech⸗ 
ten Mannes bearbeitet, fehr merkwürbige Nefultate für bie 


ji Geifles: und Bittenentwidelung ber beutfchen Nation Liefern 


würde. Wie im Vorworte bie Iluminatenverbindung mit bem 
Zugendbunde zufammengeftellt werben Tonnte, ift bei einem 
deutſchen Schriftfteller ſchwer zu begreifen; einem Franzoſen ver- 
zeiht man es eher, wenn, wie in Koucye’s angeblichen „Denk⸗ 


würdigkeiten“ (I, 341), der Minifter Stein ein Yuuminaten- 


ef genannt wird. Ebenſo unpaffend ift die Anfpielung auf 
Juſtus von Gruner, ber, als ‚eins der marlanteften (!) Glie⸗ 
ber bes Tugendbundes in der Schweiz während feines Geſandt⸗ 
fchaftspoftens nicht geringe Ihätigkelt für die Zwecke deffelben 
entwidelt haben fol’. Schwerlich weiß der Verfafſer biefes 
Vorworts etwas Genaued Über biefen verbienten preußffchen 
11. 





giterarifce Notizen. 


Als neueſte Erſcheinungen der engliſchen Eiteratur find gu 
nennen: ,‚Whole works”, von Bingham; Charles Lamb’s 
„Works’; der achte Band von Defoe's Werken, enthaltend: 
„Memoirs of Capt. Carleton and life of Mrs. Davies‘; 
„British churches’’, von &tillingfleet; „The stage, both be- 
fore and behind the curtain, by A. Bum, late lessee of 
the theatre royal Prury-lane, Covent - Garden‘ ıc, mit dem 
Motto: „I am (not) forbid to tell the secrets of a prison 
house”; „‚Letters on socianism’, von Beſt. Aufßerbem 
beachte die poetische Literatur, nächft dem fünften Bande von 
James Hogg’s poetifchen Werken, nur ‚‚Sonnets”, von Pulling ; 
die Romanens und erzäblenbe Literatur: „The banker lord, 
a novel’ (3 Bde.); ‚Ihe prelate, a novel”, von &. Smith; 
„The election’, vom Verfaſſer von ‚‚Hyacinıh O’Gara‘; 
„Greyslaer, a romance of the Mohawk ”, von Hoffmann, 
dem Berfafler von „A winter in the far- west‘ und „Wild 
scenes in the forest and prairies, Im pbitofoppifch = p&= 


x 


dagogiſchen Gebiete erſchienen: „Philosopby of education”, 
son Wall; „Philosophy of the inductive sciences’ (2? Bbe.), 
von Whewel, von dem bekanntlich früher ſchon eine Geſchichte 
derfetben Wiffenfchaften Cdeutich von Littrow) erſchienen iſt; „Look 


at literature, with thoughts on national education’; „ 


e 
obligations of Titerature to tbe motbers of England’‘, von | 


ars. Halſted; „A letter to Thom. Phillips, on the connexion 
between the fine arts and religion, and the means of their 
sevival”‘, von Henzy Drummond. 47. 


Bibliographie. 


Albrecht, ©., Der Einzug Ifraels in Guropa ald Stamm; 
voſt des Landes der Verbeißung und Zweiunddreißig Wahrheits- 
ben und VBewelsgründe, daß Ganaan, als das Land der Vers 





eſßung, Europa iſt. Der zerftreuten Heerde bes jüdischen Bol: 
8 ehrfurchtsvoll gewidmet. Gr. 8. kLeipzig, Schred. 8 Gr. 

Beeker, W. A, Charikles, Bilder altgriechischer Sitte. 
Zur genauern Kenntniss des griechischen Privatiebens 2 
delle. Mit 5 lithegraphirten Tafeln. Gr. 8, Leipzig, 
Er. Fleischer. 4 Thir, 18 Gr. 

von Binzer. Der Koelner Dom ein Denkmal deut- 
scher Baukunst in 4 Stahlstichen erläutert. Gr. 4. Köln, 
Kobnen. 2 Thir. 8 Gr. 

Buſch, 8. F., Abertus von Arnftein ober: Die Zigeu: 
siermutter des Harzwaldes. Cine Geſchichte aus ber Zeit der 
Behme. 2 Theile. 8. Rordhaufen, Fuͤrſt. 2 Thlr. 

Sorbella. Bon der Verfafferin der Agnes von Kilien. 
2 Zeile. 8. Leipzig, Brockhaus. 3 Thlr. 8 Er. 

De l’avenir de la France, ou fin de Un diner. Par***, 
auteur de Un diner, de La verit& politique. In-8. Leipzig 
et Paris, Brockhaus et Avenarius. 12 8 

Denkmaͤler der beutfchen Sprache vom achten bis zum vier; 
zehnten Sahrhunderte, aus gleichzeitigen, großentheils ungebrud: 
ten Handſchriften herausgegeben, und theilmeife überfegt und 
erläutert von 8. Roth. In 2 Abtheilungen. Gr. 8. Mün⸗ 
chen, Lentner. 1 r. 

Falkenſtein, K. Gefchichte ber Buchdruderfunft in th: 
zer Entftedung und Ausbildung. Sin Denkmal zur vierten Säs 
eularsfeler der Erfindung der Typographie. Dit einer reichen 
Sammlung in Holz und Metall gefdfnittener Facſimiles ber 
ſeltenſten Holztafeldrucke, Rachbildungen von Typen alter be: 
zühmter Offleinen und Proben von Kunfldruden nad) ben neuc⸗ 

en Erfindungen unferer Beil. Gr. %. Leipzig, Teubner. 
r. 

Fernbach, k., Der wohl unterrichtete Theaterfreund. Ein 
unentdehrliches Handbuch für Buchhaͤndler, Leihbibliothekare, 
Theaterdirektoren, Schauſpieler und Theaterfreunde. Enthaltend 
ein Verzeichniß von ſämmtlichen, ſeit 1700 bis Ende 1839 er⸗ 
ſchienenen, deutſchen dramatiſchen Schriften, nach deu Titeln 
alphabetiſch geordnet. Nebſt Angabe der Verfaſſer, Verleger, 
Druckorte, Formate und Preiſe. Mit Hinweiſung bei den Ti⸗ 
teln der in Geſammt⸗Ausgaben, Almanachen und andern Samm⸗ 
fangen enthaltenen einzelnen Stüde, wo ſolche zu finden find. 
2ter Band. (Enthätt die Erſcheinungen von 1830 bis Ende 
1839, fo mie Srgänzungen und Reriätiaungen des 1ften Ban: 
%8.) Or. 8. Berlin, Fernbach jun. 16 Br. 

Sladung, J. A. F., Populäre Vorträge über Phyſik für 
Damen. 2 Bändchen. 2te verbefferte und vermehrte Auflage. 
Mit vielen Holzfehnitten. 16. Wien, Wallishauſſer. 1 Thlr 12: Gr. 

Jlathe, &, Die vierte Säeular⸗-Feier der Erfindung Bu: 
tinbergs in Dresden und Leipzig. Ein Gedenkbuch für Gegen: 
wart und Zukunft. Mit einer getreuen Abbildung des Guten⸗ 
dergs⸗ MRonuntents In Mainz und einigen werthvollen xylogra⸗ 
phiſchen Beilagen. Gr. 8. Leipzig, Teubner. 12 Gr. 

Bleich, J. A., Bere Joſeph und Frau Baberl. Poſſe 
mit Geſang In drei Aufzügen. Srei bearbeitet nach dem Luft: 
fplele: der Fleiſchdauer von Oedenburg. Muflt vom Capell⸗ 
weiter Wenzel Müller. Gr. 8. Wien, Walishauffer. 8 Er. 


SQubig, F. WB, Gedichte und Scenen. Jeanne dAre in 
der Nacht vor ihrem Kobe. auft und Mephiſto im Jahr 1840, 
Die AnekdotensZäger. Der Emancipations⸗Clubb. % und 
Trubel. Der Ertrag iſt für die Abgebrannten in Eremmen be 
flimmt. ®r. 8. Berlin. 4 Gr. 

Hoffmann (von Fallersleben). Unpolitifche Lieder. 8. 
Dambrrg, Hoffmann u. Campe. 1 Thlr. 

Katfer, J. A. K., Neben und Feſtpredigten. Nach bei 
fen Tode zum Andenken für Breunde herausgegeben von H. 
Schmidt mit einigen Breunden bes Verewigten. ®r. 8. rs 
langen, Bläfing. 20 ®r. 

Kletke, H., Die Bärgerverfhmörung zu Breslau, Die 
Royaltften in der Bender. 8. Berlin, Vereins-Buchh. 16 Br. 

Knowles, ©., Des Stranders Tochter. Schauſpiel im 
fünf Aufzügen von 8. Treitfhle Gr. 8 Wien, Wallis: 
bauffır. 15 ®r. 

Kopisch, A., Die Kunstheroen der Vorzeit, ein Gei- 
sterzug, bei der 25. Stiftungsfeier des Berliner Künstlerver- 
eins am 13. October 1889, unter Mitwirkung vieler Künst- 
ter, scenisch vorgeführt, und als Denkmal desselben Festes 
auf Stein gezeichnet von August von Kloeber. Beigegeben 
ist, als Titelblatt, ein Umriss nach A. v. Klocbers zu dem- 
selben Abend gemalten Transparent, St. Lucas den Pa- 
tron der Künstler vorstellend, Roy.-Fol. Berlin, Schrö- 
der. 3 Thhlr. 

Krämer, Historische Blicke auf die Realschulen oder 
höhern Bürgerschulen Dentschland.. Gr. 4. Hamburg, 
Meissner. 12 Gr. 

Das Lied der Lieber oder Sieg der Treue. (Das hohe kied.) 
Ueberfegt und erllärt von B. Hirzel. Gr. 12. Züri u. 
Brauenfeld, Beyel. 9 Gr. 

Marhiand, W., Frauen : Emancipation. Luftfpiet in 
drei Aufzügen. &r. 8. Wien, Wallishaufer. 15 Gr. 

Nielfen, R., Auch für die Könige ruht bie Verheißung 
des Behütetfeins auf der Bedingung des Frommſeins. Trauer: 
prebigt über Sprächwörter Salomonis 20, Vers 23 am 16. 
Zanuar 1840 als am Begräbnißtage Friederichs VI. gehalten, 
Sr. 8. Lübee, v. Robben. & Sr. 

Nolte, A., Bomben und Sranaten, Bilber und Erzaͤh⸗ 
lungen aus den Kriegen aller Völker. ifter Band. 8. NRorb: 
haufen, Fürſt. 1 pr. 

Dettingen: Wallerftein, Kürft von, Drei Vorträge 
Sr. Durdlaudt des ıc. 1) Ueber die in bem- Greditwefen 
begründeten Hinderniſſe der bayerifchen Landwirthſchaft; vorge: 
tragen im General:Gomisd des landwirthſchaftlichen Vereins am 
12, September 1839. 2) Ueber die Güter: Arronbirung; vor: 
getragen in der Generalverfammlung des landwirthſchaftlichen 
Vereins am 7. Oktober 1839. 3) Weber die Nachweifungen bes 
bayerifchen Finanzminifteriums für die Jahre 18°%,, >%/, und 
"fg; vorgelegt der bayerifchen Kammer der Reicheräthe am 10. 
April 1820, 8. Mündyen, Franz. 12 Gr. 

Raumer, F. v., Geſchichte der Hohenſtaufen und fhrer 
Zeit. te verbefferte und vermehrte Auflage. In 6 Bänden, 
ifter Band. Ifte Lief. Gr. 8. eiprig Brockhaus. In Um⸗ 
ſchlag. Ausg. Rr. 1. Erle. Dr 12 &r. 

Schöpfer von Rodishain. Beiträge zur Charakte⸗ 
riſtik Franz des Erſten, Kaiſers von Deſterreich, in Anekdoten 
und Charakterzügen aus feinem Leben. Iftes Heft. 8. Rorb: 
daufen, Fuͤrſt. 8 Gr. 

Schulz, D., Paul Gerhardt und ber große Churfuͤrſt. 
Borlefung am fünf und anangroften Stiftungsfeft der Berlins 
fchen Geſellſchaft für deutfche Sprache vorgetragen und als An⸗ 
tündigung einer neuen Ausgabe von Paul Gerhardt’s geiftlihen 
Liedern zum Druck befördert, Sr. 8. Berlin, Nicolai. 2 Gr.. 

Seil, A., Srundfäge zur Aufnahme und Erhaltung von 


SrundsKatafter in den beutfchen Staaten. Gr. 8. Weſel, 
Klönne 1 Thlr. 
Der Trinker. Schauſpiel in fünf Aufzügen. ®r. 1% 


Samburg, Hoffmann u. Campe. 16 Gr. 


Berantwortiiher Herausgeber: Deinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodpaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Freitag, 


— —— urn nun 





nn mn 





Beiträge zur neuern Gefchichte aus dem britifchen und 
franzöfifchen Reichsarchive von Frie drich v. Rau⸗ 
mer. Dritter bis fuͤnfter Theil. — A. u. d. T.: 
Europa vom Ende des ſiebenjaͤhrigen bis zum Ende 
des amerikaniſchen Krieges. (1763 — 83.) Drei 
Bände. Leipzig, Brodhaus. 1839. Gr. 12. 6 Thlr. 
16 Br. 


Erfttier Artikel. 


Das Studium der Gefchichte kann gewiß fehr paffend 
“eine Reife auf dem Zimmer burdy bie Staaten und Voͤl⸗ 
ter der hiftorifchen Zeiten genannt werden. Wie aber der 
teifende Maturforfcher mit den nöthigen naturwiſſenſchaft⸗ 
lichen Kenntniffen, mit einer tuͤchtigen Beobachtungsgabe 
und insbefondere mit einer klaren Anfiche über die Na: 
tur in ihrer Ganzheit ausgerüftet fein muß, um feiner 
Aufgabe und feinen Zwecken zu genügen: fo muß aud) 
der Gefchichtsforfcher, der die Menſchheit nach ihren An: 
lagen und Thaten, nad ihren Tugenden und Sünden, 
nach ihren wechfelvollen Zuftänden und Scidfalen, nad) 
ihren vielfach gegliederten ſocialen Verhaͤltniſſen, nach ih: 
ren Leiftungen und Richtungen auf dem Zelde der Wif: 
ſenſchaft und Kunft zu beobachten und zu beurtheilen hat, 
mit Talenten, Kenntniffen und Erfahrungen ausgeflattet 
fein, die ihn zum Beobachter und Beurtheiler des menſch⸗ 
lichen Weſens und menſchlicher Dinge befähigen. Vor 
Allem bebarf er der Principien einer aufgeflärten Philo⸗ 
ſophie; denn ohne diefe wird die Gefchichte nur ein Ag: 
regat von Notizen über das Werden und Vergehen alles 

effen, was menſchlich ift: es mangelt dann wiffen: 
ſchaftlich alle Verknüpfung des Kinzelnen zu einem 
Ganzen, politifch jeber feſte Anhaltepunkt zur richtigen 
Beurtheilung des Staatölebens und ſittlich jede höhere 
Anfhauung im Lichte ber Weltregierung. Wer keine phi: 
lofophifche Ausſtattung des Geiftes zum Studium der Ge: 
fhichte mitbringt, ſteht entweder verzweiflungsvoll oder 
ftumpffinnig an dem Sarge ber untergegangenen Menſch⸗ 
beit wie an der Wiege ihrer neuen Geſchlechter. Um ſich 
aber vor Einfeitigkeit zu bewahren, bedarf der Geſchichts⸗ 
forfcher ferner eine gruͤndliche Kenntniß ber Univerfalhi: 
ſtorie; es muß ihm dur ihr Studium die Kähigkeit zu 
Theil geworben fein, fobald er fih mit irgend einer Spe⸗ 
cialgefchichte befchäftigt, mannichfaltige und Auffchlüffe ge: 
bende Vergleichungen anftellen zu können; ohne fie geräth 









21. Auguft 1840. 


m en nn nn er mn a nn er nn nn — * 











er faſt nothwendig in den Zauberkreis fixer Ideen. Denn 
gleichwie die vergleichende Anatomie zu den intereſſante⸗ 
ſten und uͤberraſchendſten Reſultaten in der Erforſchung 
der thieriſchen Organismen gefuͤhrt hat, ſo wird auch der 
vergleichende Forſcher in dem hiſtoriſchen Leben der Voͤlker 
und Menſchen zu Anſichten, Urtheilen und Aufklaͤrungen 
hindurchdringen, die ihn weit uͤber das Gewoͤhnliche hin⸗ 
ausfuͤhren. Endlich darf aber auch der auf dem Gebiete 
der Geſchichte reiſende Beobachter ſein menſchliches Herz 
nicht verleugnen, ober, um mit Niebuhr zu reden, er 
darf nicht ohme Liebe fehen. Die Vernunft bat zum 
Symbol das Licht, der Verſtand die Kälte und das Herz 
bie Wärme. Mag indeß immerhin das Zufammenmwirken 
diefer drei Elemente zum phufifchen Sein im Allgemeinen 
erfoberlich befunden werben, die Wärme tft doch votzugs⸗ 
weife die Schöpferin des Lebens. Die Vernunft kann 
mit ihrem Lichte den Himmel beleuchten, der Berftand 
mit feiner Kälte die irdifchen Dinge gleihfem in einen 
Körper zufammenziehen, um fie in dieſer Totalitaͤt feiner 
Anfhauung und Prüfung zu unterwerfen, mit einem 
Worte, der menſchliche Scharffinn mag bie glänzendften 
Triumphe feiern — mer das Herz von fich ſtoͤßt, zerſtoͤrt 
fi) und ber Menfchheit die Verbindung zwiſchen Him⸗ 
mel und Erde und zieht fih und ihr die Baſis des 
wahren Menſchenlebens unter den Süßen hinweg. Das 
Grundgeſetz des Geſchichtsurtheils verhält fich zu den ab: 
foluten Geboten des menfchlichen Geiftes wie die Disci⸗ 
plin der Pädagogit zu den unbeugfamen Normen bes 
Criminalgeſetzes. Wer dies Üüberhört, für den iſt bie 
Menfchheit im Einzenmen und im Ganzen, Bis auf ges 
ringe Ausnahmen gerichtet: fie find allzumal Suͤnder. 
Daß übrigens der Gang und die Mefultate der Gefchichte: 
ftudien vielfach dadurch bedingt feien, je nachdem man 
diefem Grundfage huldigt oder nicht, das liegt auf der 
Hand; und es bedarf einer meitern Auseinanderfegung 
und ber Anführung von Beifpielen aus dem Gebiete ber 
Geſchichtsliteratur nicht. 

Diefe aphoriftifchen Bemerkungen ſind nicht, wie 
es bei dem erften Anblide den Anfchein haben koͤnnte, 
eine zufällige Eingebung, ober eine mit unferer Aufgabe 
nicht zufammenhängende Erörterung; fie haben vielmehr 
ihre natürliche Quelle in dem Werke, das wir bier etwas 
ausführlicher zu befprechen beabfichtigen. Und wie follte 


942 


ein Werk nicht unfere befondere Aufmerkfamteit in An: 
ſpruch nehmen, das uns von Pombal, Struenfee und 
Potemkin, von Katharina II., Friedrich U. und Joſeph II., 
von Spaniens Wirren und Polens Jammer, von Schwe⸗ 
dens Gaͤhrungen und von Frankreichs Vorbereitungen zu 


einer Revolution, von Staat und Kirche, von Politik und 


Leben der Voͤlker im 18. Jahrhundert fo viel intereffante 
und zum Theil ganz neue Auffchlüffe zu geben im Stande 
ift?*) Außerdem herefcht in den Erzählungen und Xu: 
Berungen des Verf. eine fo edle Freimüthigkeit, mit feiner 
befannten Feinheit gepaart, und eine fo vielfeitig beleh⸗ 
ende Beziehung ber Vergangenheit auf bie Gegenwart, 
dag auch von diefer Seite betrachtet das vorliegende Werk 
eine befondere Auszeichnung verdient. Endlich glauben 
wir uns nicht zu täufchen, wenn wir annehmen, daß 
auch auf unfern Verf. die juͤngſten Verhältniffe und Er- 
eigniffe im preußifhen Staate, als er feine Reflerionen 
über bie vorliegende Gefchichtdepoche nieberfchrieb, nicht ohne 
Einfluß geweſen find, wie wir ſchon an andern preußi: 
[chen Hiftorifern der neueften Zeit wahrzunahmen Gele: 
genheit gehabt haben. 

Bei der auferordentlihen Neichhaltigkeit der gefandt: 
fchaftlihen Mittheilungen und vermöge des Umſtandes, 
bag der Verf. mehr die chronologifche als die ethnogras 
phiſche Methode befolgt hat, fobaß man in ber That bes 
ganzen Werkes bedarf, um feine Leiftungen gehörig über: 
fehen und würdigen zu können, iſt es nicht ganz leicht, 
‚ohne die und geſteckten Grenzen ruͤckſichtslos zu Üüberfchrei: 
ten, unfere Lefer über das Geleiftete zu unterrichten. Wir 
verfuchen ed auf folgende Welfe. 

Portugal, das am Ausgange des Mittelalters durch 
den Muth und die Beharrlichleit einiger kuͤhnen und ge: 
nialen Männer ben Übrigen Europäern bie weiten und 
entdeckungsreichen Seewege bahnte, die eine Revolution in 
der geographifchen Wiffenfhaft nicht minder als in bem 
Handelsſyſteme erzeugten; das durch einen Don SHenrico, 
einen Vasco de Gama, einen Albuquerque bie Reihe ber 
ausgezeichnetfien Männer aller Zeiten vermehrte; das die 
Schäge Afrikas und Oſtindiens fammt dem Welthanbel 
feiner Dauptitadt zugewendet ſah — dieſes Land war feit 
1530 in Folge des fpanifhen Ausfaugefpftems, des hol: 
ländifhen Unternehmungsgeiftes und feit 1640 durch bie 
heilloſe Regierung theils ſchwachkoͤpfiger, theils bloͤdſinni⸗ 
ger oder verruckter Könige aus dem Haufe Braganza in 
der Mitte bes 18. Jahrhunderts in folhen Verfall feines 
innern und dußern Lebens gerathen, daß bie europäifche 
Staatenpolitit nur dann noch eine Notiz von ihm nahm, 
wenn es galt, dem fiechen Staatöförper auch die legten 
Kräfte zu entziehen. Die Engländer waren fchon damals 
bie gefchicteften Nachahmer der Spanier. Da trat ein 
Minifter an die Spige der Regierung, ber, obfchon wie 
die übrigen Diener des Königs genöthigt, der koͤniglichen 
Majeftät feine Vorträge Eniend zu halten, doch auch in 


*) Der Berf. fagt in ber Vorrede: „An gefandtfchaftlichen 
Berichten über die Zeit von 1763 — 83 gingen durch meine 
Hände in London 324 und fin Paris nicht viel weniger 
Folianten.“ 


dieſer Stellung Kopfs groͤßer blieb als ſie ſelbſt und Je⸗ 
dermann im Reiche. Wir wollen zunaͤchſt unſern Verf. 
zum Theil nach geſandtſchaftlichen Berichten von dieſem 
merkwuͤrdigen Manne reden laſſen: 

Sebaſtian Joſeph von Carvalho und Melo, Graf von Oey⸗ 
ras, Marquis von Pombal, warb 1699 von abeligen, aber uns 
bemittelten Xitern geboren, ftudirte anfangs die Rechte, warb 
dann Soldat und hatte ald Gefandter in London und Wien 
Selegenpeit, fremde Sitten und Einrichtungen Eennen zu ler⸗ 
nen. Er war groß, fchön, außerordentlich ſtark; und zu dies 
fen Eigenſchaften des Körpers geſellte fich eine ungewöhnliche 
Kraft und Feſtigkeit des Geiftes und Willens. Es Hatte fidy 
in ihm bie Überzeugung entwidelt: Portugal bebürfe einer all: 
gemeinen burchgreifenden Umgeflaltung, und von dem Augen⸗ 
blide an, wo er die unbefchränkte Gunft bes ſchwachen, leicht: 
gläubigen und furchtfamen Königs Joſeph I. gewonnen hatte, 
hielt er ſich für fähig und berufen, jene Umgeftaltung zu Stande 
zu bringen. Sie follte ſich erfireden auf Geiftlichleit und Adel, 
Kriegs und Finanzweien, Aderbau, Hanbel und Gewerbe. — 
Es dürfte ſich aber zulegt ergeben, daß Pombal ein Mann war, 
der fi durch Geift und Willenskraft vor unzähligen Staates 
beamten auszeichnete, aber doch ben Staatsmännern im hoͤch⸗ 
ſten Sinne des Wortes nicht beizuzählen iſt. Er hatte fi 
zweifelsohne von manchem Borurtheile frei gemacht, ohne jedo 
bis zur vollen Wahrheit durchzubringen ; er fühlte nicht, daß 
feine Grundfäge gutentheild aus neuen Vorurtheilen hervor⸗ 
gingen, ober biefe in fich fhlofien. Wenn man alfo auch bas 
Daſein vieler von ihm angegriffenen Misbräuche Teineswegs 
leugnen darf, fo verſtand er doch nicht, fie mit fidherer Hand 
abzuldfen, griff in ben Mitteln fehl, machte fi verhaßt durch 
bie Härte ihrer Anmenbung und mußte ſehen, wie das Werk 
feines Lebens mit noch größerer Cinfeitigkeit und Übereilung 
erfchlagen warb, als er es auferbaut hatte. Pombal’s Mint: 

erium hatte wie ein heftiger Kieberanfall aus langem Gchlafe 
geweckt; nachmals hielt man Unthätigkeit wiederum für Geſund⸗ 
beit und verfchmähte echte Entwidelung, bis die Übel und Mis⸗ 
verhältniffe mit verboppelter Kraft hervorbrachen und durch 
verfuchende Ärzte aus allen Ständen noch immer nicht geheilt 
worden find. 

Bekanntlich vertrieb Pombat bie Sefuiten aus allen 
portugiefifchen Ländern (1759), fein Beifpiel wirkte auf 
die Regierungen anderer Staaten ber Tatholifchen Welt, 
und er hat wenigfiens inbirect die Aufhebung des Ordens 
der Gefellfchaft Jeſu herbeigeführt. Er machte diefem Or: 
den Vorwürfe über alles Boͤſe, was gefchehen, und alles 
Gute, was nicht gefchehen war. Und wie hätte ein Dann 
in feinen Verhältniffen, mit feinen Grundfägen und Ab⸗ 
fichten nicht überhaupt allen geiftlichen Rörperfchaften feind⸗ 
felig gefinnt fein follen, da ihm ja fein eigener König, 
Emanuel, offen geftand: „Bon 18 Jahren meiner Regie- 
rung find neun durch die Raͤnke ber Geiſtlichen beunruhigt 
worden.” Wie fehr diefer aber felbft die daraus hervor⸗ 
gegangenen Nachtheile empfand und in Pombal den Mann 
zu haben glaubte, der Abhülfe zu gewähren vermöge, geht 
aus feiner Auffoderung an ben Lestern hervor. „Ich fo⸗ 
dere Sie auf”, ſprach der König zu feinem Deinifter, 
„Maßregeln zu ergreifen, welche biefe unrnuhigen Geifter 
wirkfih zum Schweigen bringen. Auch will ih Ste auf 
die Zeit, wo Ste mit diefem Werke befchäftigt find, von 
allen übrigen Arbeiten entbinden.” Pombal hatte die fehr 
richtige Anficht, die Macht der Bifchöfe müfje erhöht 
und bie des Papſtes entbehrlih gemacht werden; ber 
Stuͤtzpunkt ber geifttichen Gewalt dürfe nicht in dem aus: 


948 


mwärtigen Rom, fonbern in bem Bereiche jedes einzelnen 


Staates liegen. Er bediente fich freilich zu feinen poli⸗ 
tifhen Reformen, benen die Geiftlichkeit in ben Weg 
trat, ber Inquiſition. Das war aber auf ber pyrenaͤi⸗ 
fhen Halbinfel nichts Neues. Hatte ja doch Ferdinand 
der Katbolifche von Spanien biefes kirchliche Inſtitut fo 
ausfchließlich für feine politifchen Reactionen gebraucht, daß 
ſich anfaͤnglich fogar die roͤmiſche Curie damit unzufrieden 
zeigte, bis ſich beide über ihre beiberfeitigen Intereſſen ver: 
ftändigten. Das mächtigere und edlere Mittel, das ber 
Auftlärung und ber Preſſe, ftand dem portugiefifchen 
Staatöreformator bei dem Bildungsgrade feines Volkes 
nur mangelhaft zu Gebote. Die Hülfe aber war drin: 
gend. Wie aufgeklärt übrigens Pombal in religisfer Be: 
ziehung dachte und wie richtig er den Zufammenhang 
religtöfer Aufklärung mit einer gefunden Politik erkannte, 
geht aus einem Geſpraͤche hervor, welches er 1775 mit 
dem fardinifhen Gefandten hatte: 

Es tft wuͤnſchenswerth, bag man einen Papſt erwähle, fol: 
chen Charakters und folder Gefinnung, um ein Syſtem gu bils 
den, welches bie römifche Kirche der proteftantifchen nähert. 
Dies wäre befonders angenehm für Döfe, welche verfchiebenen 
Belenntniffen zugethan, fonft aber befreundet find und geneigt 
fein dürften, ‚engere Berbindbungen einzugeben. So möchte. B. 
der Hof von Zurin eine Helrath mit irgend jemand aus ber 
Zöntglich englifchen Familie jeder andern vorziehen, fobalb nur 
gewiſſe Hinderniffe weggeräumt wären. — Diefe freie Denkungs⸗ 
art Pombal’s (fügt ber Gefandte hinzu) in Beziehung auf res 
ligiöfe Gegenftände gab ſich in vielen Bällen tund, woburd ber 
Aberglaube ber Portugiefen im Vergleich mit früheren Zeiten in 
mandher Hinficht vermindert warb. 

Die gefandtfchaftlihen Berichte bieten außerdem noch 
zahlreiche Beweiſe für bie religidfe Sreifinnigkeit diefes Mi⸗ 
nifter6 dar, zeigen aber auch deutlich den fchweren Stand, 
ben berfelbe dem Aberglauben des Volkes und einem heile 
feiner Inftitutionen gegenüber hatte. So lange fein Koͤ⸗ 
nig Emanuel lebte, der, obwol ſchwachen Charakters, denn 
doch von ber Brauchbarkeit feines Miniſters und von ber 
Nothwendigkeit dev Reformen überzeugt war, und beshalb 
gleihfam den Schild der Majeftät gegen alle Angriffe 
fhirmend über ihn bielt, fo lange drüdte er auch alle 
feine Gegner nieder: die Furcht vor dem Gewaltigen ließ 
allen lauten und Öffentlichen Widerſpruch verftummen. 
Allein Furcht erwedt Leine Überzeugung und gewaltfame 
Maßregeln entbehren ftets des Segens auf dem Gebiete 
des Staates. Als daher König Emanuel 1777 flarb und 
Maria I. mit ihrem ſchwachen Gemahl Peter den Thron 
beftieg, bie, Beide dem römifchen Stuhle ergeben, von 
Pombal's Regierungsmarimen nichts willen mochten, fo 
unterlag er fchnell den vereinigten Angriffen des Adels 
und der Geiftlichkeit. Der fonft fo gefürchtete und im 
Allgemeinen vielfady um den Staat verdiente Mann ent 
ging nur mit Mühe den Mishandlungen des Volkes und 
der Strafe des Hochverraths. Portugal aber ſank wieder 
in feine frühere Lethargie zurüd, fait aͤngſtlich bemüht, 
alle Spuren unb jedes Andenken ber Pläne und Ma$: 
segeln feines politifchen Reformators auszutilgen. Er hat 
nit feinem trefflichen Zeitgenoffen, Joſeph IL, deſſen Re: 
formationsplane er noch erlebte, aber nicht fcheitern ſah, 


bie Zahl ber Männer vermehrt, bie trog ihrer Macht, 
ihrer Talente und ihres redlichen Willens der Gewalt der 
Verhättmiffe, wenn auch mit Ehren, doch nicht ohne tie: 
fen Haß zum Opfer fielen. Was im Volks: und Staate- 
leben, felbft wenn es an ſich das Beſte iſt, Leine breitere 
Baſis als bie Perfönlichkeit des Urhebers hat, wird mit 
Mistrauen betrachtet, mit Undank verfolgt und ſtachelt 
die Parteien zu einem Miderflande auf, ber am Ende 
Alles aufs Spiel ſetzt. Gerechtes Urtheil dann von ben 
Beitgenoffen zu erwarten, wäre ein Begehren, das in der 
menſchlichen Leidenfchaft einen unverfähnlichen Gegner hat. 
Auch diefern Feinde hat Pombal unterliegen muͤſſen. Hof: 
fentlich iſt es unferer Zeit vorbehalten, über dieſen merk: 
würdigen Dann einen unpartelifchen Richterfpruch zu thun. 
Unfer Verf. hat die Acten, auf welche ein ſolches Urtheil 
zu gründen iſt, nicht unbedeutend vervoliftänbigt. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Die neuefte Tragödie ber englifhen Bühne. 


Erzeugniſſe der höhern dramatifchen Dichtkunft find in uns 
fern Tagen faft allenthalben eine feltene Erſcheinung, nicht blos 
in ber deutfchen Literatur, ſondern auch anderwärts, namentlich 
in England, und deshalb überall, wo fie ſich uns bieten, als 
willlommen zu betrachten, ſodaß man bei ber Erwägung der 
Schwierigkeiten eines berartigen Verſuchs, ben Gefahren, mit 
welchen dieſe Gattung der Autorſchaft verknüpft zu ſein pflegt, 
wie der Hinderniſſe, die zu überwinden find, bevor ein ſolches 
Werk nur ein Publicum gewinnen Tann, gewiß gern über leid: 
tere Fehler hinwegfieht, wenn nur die neue dramatifche Schoͤ⸗ 
pfung von einem gebildeten, lieblichen, erhabenen Gefühle be: 
ſeelt iſt. Das Haymarkettheater zu London brachte vor kur⸗ 
zem eine ſolche Erſcheinung in „‚Glencoe, or the fate of 
the Macdwmalds’,. *) Die AN el des Stücks ift folgende: 
Gine lange und harte Fe um ben Beſitz der Häupts 
lingswürde in einem ber fehottifchen Clans hat zwifchen zwei 
Brüdern gewüthet. Erſt das Gefühl des nahenden Todes 
und bie Einſicht, daß feine beiden Söhne, Halbert und Hein: 
ri (der Lestere noch ein Knabe), zur glücklichen Fortſehung 
ber Fehde nicht vermögend fein werben, bewegt ben ältern Macs 
dbonald, das Friedenswerk mit feinem Bruder, Mac Ian, zu 
verfuchen und biefem den Preis des Kampfes gegen Zuficherung 
eines gar geringen, aber fihern Befisthums für bie yerwaifte 
Kamilte zu überlafien. Schon find beide Parteien einig; nur 
Halbert weiß felbft am Gterbebette des Waters den Zorn über 
bie Aufgebung eines Rechts, als deſſen Erben er fidh betrachtet, 
nicht zu bezwingen und fi in ben legten Willen bes ſterben⸗ 
den Greifes geduldig zu fügen; ba erfcheint das geifterhafte 
Weſen der Moina und verkündet den Befehl bes Schidfals: 

Gehorche, Dalbert! Sene Stunde, bie di ſchaut 
Als Herrn der Macdonalds von Glencoe, fie bringt 
Unheil und Lob! 


Halbert lebt fortan anfcheinend ruhig auf feinem Site, „dem 
ſchwarzen Zelfenthurme‘ mit feiner Mutter unb Helene Cams 
phell, einer Nichte Glenlyon's, bes Zeindes ber Macdonalds; 
doch fein Inneres wirb bewegt von ber Liebe zu biefer ihrer 
Gefährtin,, fowie von dem Kampfe zwifchen ber noch immer 
nicht ganz unterbrädten Ausficht auf die Erlangung ber Herr⸗ 
fchaft auf der einen und der Furcht vor dem Schickſale auf der 
anbern Seite. Wirklich erſcheint Moina wieder und verkündet: 
„die Stunde ift nahe!‘ Halbert wähnt ſchon ben langen Gras 
betzug ber Slansiente zu ſchauen; boch es find nur bie Scha⸗ 


2) Bgl. darüber die Gorrefpondenz aus London in Nr. 166 d. BI. 
D. Reb. 


- 


4 


ven ber Sampheils, ımter Ihnen fein zum Teäftigen Iämgling 
Hexangewarhfener Bruder Deinrich. Halbert glaubt in ihm eis 
nen Werräther erbliden gu wäfien, da er ihn feines Haufes und 
feines Landes Feinden angehörend wiederficht. Die edie Ge: 
finnung beider Brüder läßt einem Kampf, der fih hierüber zwi: 
fchen ihnen entfpinnt, einen friedlichen Ausgang nehmen; aber 
alsbald begegnen fle fich wieder als Nebenbuhler in ber Wer⸗ 
bung um Helenens Liebe, deven Gefühl zwar bie bes jüngern 
begünftigt, aber von dem Drange bes Pflicht, weiche fie gegen 
Halbert zu haben glaubt, überwunden wird. Die Bermählung 
fteht bevor" Heinrich, In dem Zuſtande der Vernichtung befan- 
gen, getrieben von dem Durft nad Rache, geht auf die Plane 
feines Heerführers, Glenlyon's, die Clans gur Unterwerfung zu 
zwingen und Halbert's Stolz zu brechen, ein, ohne jedoch die 
mörberifchen Anſchläge deffelben zu ahnen. Gr beſchließt, bei 
der Seremonie anmwelend zu fein und einen legten Verſuch p 
wagen, um mit Hülfe Glenlyon's, deſſen Anweſenheit er aͤngſt⸗ 
lich erwartet, den ihm bevorſtehenden Berluſt abzuwenden. So 
hat er durch feinen Frevel bie Schickſaleſtunde heraufbeſchwo⸗ 
ren, die Halbert's Edelmuth nicht abzuwenden vermag, indem 
ee mit freiem Entſchluſſe, den letzten Sieg über ſich ſelbſt er⸗ 
ringend, an heiliger Stätte bie geliebte Braut dem geliebtern 
Bruder übergibt. Bernichtet ſteht diefer da, denn ſchon ertönt 
in der Nähe das Gefchrei des Todes: Mac San und feine 


Sdhne find von den verrätherifchen Camphells erfhlagen; Hal⸗ 
bert iſt ber Erſte feines Stans, um alsbald bes Schidfald 
an fich vollzogen zu fehen: tödtlih getroffen fintt er 


Spru 
nisber. Heinrich bekennt feine Schuld und ftürgt von den Gei⸗ 
feln des Gewiffens gejagt hinweg, um die Zahl der Schlacht: 
opfer um eine Leiche zu vermehren. 

Der Beifall, den das Stück gefunden bat, iſt, ab- 
geſehen von den zu Anfange angebeuteten Rüdfihten, kein 
ungetheilter; wir geben zu biefem Zwede eine kurze Über: 
fikt der Beurtheilung wieder, welche das „‚Athenaeum 
darüber ausfpridt: „Die Tragödie enthält, ale Gedicht 
betrachtet, zarte und Lieblide Stellen; als Drama fehlt 
ihm alle tragifche Kraft, alles Pathos. Der Gegenftand des 

tuͤcks ift ein ſchlechtgewaͤhlter: der Mord von Glencoe iſt ein 
Blutiger Flecken in den englifchen Jahrbüchern und glüclicher- 
weife vereingelt ftehend. Der Berf. hat fi; gewundert, daß 
ihn Walter Scott nit zum Gegenftande einer Rovelle ge: 
macht habe; aber der Verf. des „Waverley“ fühlte ohne Zwei: 
fel, dag man durdy ein Gemälde folder Schreden das Gefühl 
verwunbe, ohne irgend welden wohlthätigen Enberfolg. Es 
gibt Begebenheiten, die beffer nur durch den Schleier angebeu: 
tet werden, welcher fie deckt, und biefe ift eine derfelben. Der 

auptcharakter, ober vielmehr der einzige, welcher durchgeführt 
it und das Interefle in Anſpruch nimmt, ift Halbert. Das 
Stüd wird fich jedenfalls befler Iefen als aufführen laſſen, und 
dennoch fcheint es mit ganz befonberer Berüdfihtigung des 
Darftellers der Hauptrolle (Macready) geſchrieben zu fein. Die 
langen erzählenden und befchreibenden Heben, deren dramatifche 
Unwirkſamkeit durch die feingefponnenen Gleichniffe und bie 
Überverfeinerung der Dietion noch vermehrt wird, erzeugen eis 
nen fehwerfälligen Eindruck, nicht nur durch die Hemmung der 
Handlung, fondern auch duch bie Unverfländiichkeit der ent⸗ 
widelten Gedanken für bie Mafle bes Hörenden Pubticums. 
Die Gewanbtheit und die Kraft bes Gedankens unb bes Aus⸗ 
drucks, weiche zum Weſen des Dialogs eufoberliih find, werben 
nur bier und da bemerklich, unb dann in kahler Geſpraͤcht form. 
Der Fehler des Stuͤcks iſt mit einem Worte ber: es iſt kein 
fortlaufendes Intereſſe vorhanden, weder im Hinſicht anf ben 
Plan, noch in ben Errigniſſen oder dem Eharakter, ober ber 
bewegenden deidenſchaft; machen baher auch einzelne Stenen 
mit Hülfe einer Eräftigen Oarſtellung Eindruck, fo fehlt biefer 
do dem Ganzen. Macrtady, weicher als Halbert den Enthu⸗ 
fiasmus zu beleben wußte und gerufen warb, bekannte, baß 
ihm der Dichter bis einen oder zwei Tage: vor ber Aufführung 





unbelannt geweſen fei, bis er entbedit habe, daß es Bein ande: 
zer fei als Sergeont Talfourd.“ Wis dahin hatte das Ges 
ruͤcht ale Verf. Sir ©. Bulwer bezeichnet. 47. 
— —r —— — — — — — 
Literariſche Notizen. 

Von Dr. Gaye's ‚„‚Carteggio’’ if kürzlich der zweite Theil 
in Florenz erfihienen, und bie veranlaßt mich, die Freunde 
ber italienifchen Kunſtgeſchichte noch einmal in biefen Blättern 
anf die vortrefflihe Sammlung won Actenfläden und Briefen 
aufmertfam gu maden. Der Zeitraum, welchen der gweite 
heil umfaßt, die Blütenzeit ber mittelalterlichen Kunft, wird 
biefem ohne Zweifel ein noch viel allgemeineres Sntereffe vers 
fhaffen ats dem erſten Theile, welcher die früheren Epochen 
enthält, widerfahren konnte. Xußer den ſehr metkwürdigen 
Statuten der florentiner Künſtlerzunft wird sin Schatz von 
auffchlußreichen und charakteriſtiſchen Documenten zur Geſchichte 
des Lebens und ber Thaͤtigkeit aller der Heroen der Kunſt, 
weiche das 16. Jahrhundert verherrlichten, mitgetheilt, manche, 
wie zum Beiſpiel die auf die Flucht Michel Angelo's aus Fich 
renz bezüglichen Briefe, wichtige biographiſche Partien aufhel⸗ 
lend. Tinzelnes will ich nicht anführen, da ich das Buch nicht 
mehr vor Augen habe, indem ich biefes fchreibe. Die — 
keit und Sorgfalt, mit welcher die Herausgabe beforgt i 
wird jedem Kenner gleich wie beim erften Theile und wol noch 
in erhöhtem Maße fi bemerklich machen. Ich höre, daß der 
britte Theil ebenfalls binnen kurzem ausgegeben werben fol, 
Möge Hr. Dr. Saye bald in der Heimat Muße finden, die 
Früchte feiner gründlichen Eunfthiftorifchen Studien den ils 
nehmenben in 3ufammenhang und verarbeiteter Geſtalt ders 
zulegen. . 


Dan hat mit Recht darauf aufmerkſam gemacht, baß bie 
Brangofen an der Marter der vor ben Aſſiſen ſtehenden Anges 
klagten einen ebenfo fcheußlichen Geſchmack finden, ald etwa bie 
Nömer an ben Thier- und Gladiatdrenkaͤmpfen im Circus. 
Es ift ebenfo wol ein graufames Behagen, nur in anderer unb 
verftedterer moderner Form. Man darf fich daher nicht wundern, 
wenn man jebt folgende Ankündigung liefl: „Relation com- 
plöie du proces de Madame Laflarge”, nah Mafigabe der 

ebatten in Lieferungen zu zwei Bogen erſcheinend. Solche 
Standalproceffe müffen zum Beſten ber Menſchheit in Frank⸗ 
reich moͤglichſt populair gemacht werden, wie die greulichen 
Mordthaten durch deutfche Bänkelfänger, welche auf ben Meſſen 
und Märkten umberziehen. Herausgeber ift Pagnerre, ber 5) 
„Editeur des comptes rendus de proc&s (depuis 1830)‘ 
nennt. Man ficht hieraus, nach wie vielen Selten hin bie 
Suliusrevolution nicht blos die Communication der Ideen, fon= 
bern auch ber Skanbalgeſchichten befördert hat. 


Erſchienen find in Paris: ‚‚Etudes sur les reformateurs 
contemporains ou socialistes modernes: Saint- Simon, Charles 
Fourier, Robert Owen”, von Louis Neybaud; ferner „His- 
toire du clerg€ de France civilisateur, missionnaire et mar- 
tyr, depuis la predication de l’erangile dans les Gaules 
jusqu’a nos jours‘, von P. Chriſtian (2 Bbe.); „‚Histeire de 
a Vendee militaire”, von 3. Gretineau Ioly, wovon bie bei: 
ben erften Bände ect enen und noch zwei zu erwarten find; 
‚‚Maximes politiques à l’usage de la democratie nouvelle‘, 
von E. Allee. 


Der Minifter des Öffentlichen Unterrichts hat die erhaltende 
Behörde der parifer Bibliothek ermächtigt, die fchöne Medaillen⸗ 





fammlung an fh zu bringen, welche im Beſite bes Hrn. Bes 
sel zu Omyrun if. Dice Sammlung, eine ber keſtbarſten, 


bie c6 gibt, beftcht aus 780 Medaillen, wonen 33 in Gold, 
283 in Silber und 414 in Bronze. Keine derfelben befindet 
fi$ im Depot ber Königlichen Bibliothek. 5 


Verantwortlider Herausgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


== — — — m — — — — 


Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


ö— Nr. 235. —ñi 


22. Auguſt 1840. 





Beitraͤge zur neuern Geſchichte aus dem britiſchen und 
franzoͤſiſchen Reichsarchive von Frie drich v. Rau⸗ 
mer. Dritter bis fünfter Theil. 

Erfter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 2.) 

Theils der Verwandtſchaft der Staatsverhaͤltniſſe und 
gewiſſer Perſoͤnlichkeiten folgend, theils weil die jüngften 
Erſcheinungen ein allgemeineres Intereſſe erregen, theils 
aber auch, weil die Bekanntſchaft mit jenen Verhaͤltniſſen 
nicht die verbreitetſte iſt, wenden wir uns von Portugal 
zu Daͤnemark. Dieſer Staat, deſſen Geſchichte uns in 
dieſen Tagen Dahlmann mit neuen Aufklaͤrungen vorge: 
legt hat, war im ganzen Mittelalter der bedeutendſte und 
beſonders militairiſch am beſten geordnete des ſkandinavi⸗ 
ſchen Nordens. Die drei Eroberer aus dem Hauſe Eſtrit⸗ 
fon, Waldemar I. (1148 — 82), Kanut VI. (1182 — 
1203) und Waldemar II. (1202 — 42) errangen im ger⸗ 
manifchen und ſlawiſchen Norden ein ſolches Übergewicht, 
daß die Fürften und Städte des nördlichen Deutſchlands 
Die heftigſten Kämpfe beftehen mußten, um fidy einer wei: 
tern Ausbreitung der dänifchen Macht zu erwehren. Zwar 
verfegte die Schlacht bei Bornhoͤvede (1227) und innere 
Zerrättungen, durch Adel und Geiſtlichkeit herbeigeführt, 
diefer Macht fehr empfindliche Streiche; allein die kalma⸗ 
rifche Union (am 20. Suli 1397), welche unter dem Zep: 
ter der nordifchen Semiramis, Margarethe von Daͤnemark, 
die drei [eandinavifchen Meiche in Verbindung brachte, 
fchien alle erlittenen Verluſte zu erfegen. Aber Schwedens 
Erhebung unter dem Haufe Wafa, unglüdliche Kriege, 
Unfähigkeit oder Despotiemus der dänifchen Könige, ver: 
bunden mit heftigen Erfchütterungen, die durch Thron: 
ftreitigkeiten und Reibungen mit dem übermächtigen Abel 
veranlaßt wurden, dazu noch die gegenfeitige Abneigung 
verfchiedener Nationalitäten, die dem dänifchen Staatöver: 
bande angehörten — biefe Umftände und Ereigniſſe ſchwaͤch⸗ 
ten Dänemarks nordifche Bedeutſamkeit dermaßen, daß «6, 
trog alles MWiderftrebens, trog aller Eiferfucht vor Schwe⸗ 
den in den Hintergrund treten mußte. Endlich erfolgte 
Durch eine mertwürdige Verbindung des Bürgerflandes mit 
der Geiftlichkeit unter der Leitung des Königs eine Revo: 
Iution (1660), die das berüchtigte und jüngft wieder her: 
ausgegebene Koͤnigsgeſetz ſchuf, den bänifhen Staatskoͤr⸗ 
per in den Zuftand völliger Erſtarrung verfegte und, wie 


unfer Verf. in diefer Beziehung fagt, „dem Könige eine 
Macht verfchaffte, wie fie laut Recht und Befeg kein 
afiatifcher Sultan befigt”. Dänemarks heutiger Zuſtand 
und feine gegenwärtigen Bewegungen müffen, um erklaͤr⸗ 
lic zu werden, in der Hauptfache auf jenes verhängniß: 
volle Ereigniß zurückgeführt werden. Einem Wunder aber 
würde e8 gleich zu achten fein, ja, man würde an dem 
geiftigen Leben des daͤniſchen Volkes gänzlich zu verzwei⸗ 
fein veranlagt werben, wenn bie Gefchichte nicht wenig: 
ſtens Einen Mann aufzumelfen hätte, der den Muth und 
die Kähigkeiten, oder wenn man will, wenigftens den Ehr⸗ 
geiz in fich fühlte, in den barbarifchen Zuftänden gine 
Umgeftaltung und Verbeſſerung herbeizuführen. Dines 
marks Pombal ward der Arzt Struenfee, durch die Gunſt 
der Königin Mathilde zum Minifter und Grafen erho⸗ 
ben. Der englifche Geſandte am daͤniſchen Hofe entwirft 
von dem Zuſtande des Landes, ale Struenſee an bie 
Spige ber Verwaltung zu treten im Begriff war, fols 
gende Schilderung: 

Bürgerlide und kriegeriſche Einrichtungen, welche zum 
Gtaatseintommen in Teinem richtigen Verhaͤltniſſe flanden, hats 
ten bie Finanzen ſchon unter der vorigen Regierung ausgetrods 
net. Noch mehr wurben fie erfchöpft durch unverfländige und 
halsflarrige Werwenbung bes öffentlichen Geldes für Manufac⸗ 
turen in einem Lande, wo bie erften Materlalien und jede Art 
von Betriebfamkeit fehlte. Haͤufiges Mislingen foldher Unter⸗ 
nehmungen, das Wegfallen fremder Hülfsgelder, die fleigenben 
Ausgaben für die Eivillifte, vor Allem aber ber Mangel eines 
feften und angemeffenen Befteuerungsfuftems machten jene Schwies 
rigkeiten faft unüberfleiglih und erzeugten Riebergefchlagenpeit 
oder vielmehr Käffigkeit unter faft allen Claſſen von Leuten, bie 
mit den Öffentlichen Angelegenheiten zu thun hatten. So manche 
Übel zu verbefieen, fo manche Mängel abzuftellen, erfoberte eis 
nen Minifter von Fähigkeit, Urtheil und Keftigkeit. 

Beſaß nun Struenfee diejenigen Fähigkeiten, bie ihn 
mit beilfamem Erfolg zum politifchen Reformator Däne: 
marks zu machen geeignet waren? Beſaß er befonders 
Gerechtigkeitsliebe und namentlih auch Sittlichkeit, Eigen- 
fhaften, die in fo gefährlichen Lagen, bei fo fchwierigen 
Aufgaben wirkfamer und fchügender find als alle Gewalt 
und DHerrfchaftsmittel? Leider niht. Die Sünde war bie 
Staffel gewefen, buch die ex feine Machthöhe erſtiegen 
hatte. Die Königin Mathilde, nachdem fie ihr unerlaubs 
te8 Derhältnig zu Struenfee eingeftanden, farb von ih⸗ 
tem Gemahl getrennt 1775 zu Celle. Und fo gefchict 
und menfchlidy auch der Verf. die Königin vertheidigt bat, 





. 


* 
⸗ 


"aus nicht abgehen. Sch in dieſer Beziehu 


:egen blieb, als man gewahr ward, daß er weder hinzeichende ' 


- wurde. 


946 


was wir ihm nach ben eben ausgefprocheneh Särndfägen | 


hoch anrechnen dürfen, fo war body Struenfee dadurch zu 
der Rolle unfähig geworben, bie er zu fpielen beabfichtigte: , 
Vorſicht und Reinheit dev Beweggründe, ſowol zu feiner" 
Erhebung als zu feinen Handlungen durften ihm durch⸗ 
| fteht Dom: 
bal höher als Struenſee. Aus geſandtſchaftlichen BAkh: 
ten ergibt fich aber, daß der Letztere auch in anderer Hin: 
fiht dem Erſtern nachzufegen iſt. In der Dauptfache 
ſtimmen die gleichzeitigen Urtheile mit folgender Darftel: 
lung des englifchen Gefandten überein: 
Herr Struenſee, ber blos Dreiftigkeit und Ehrgeiz befikt, 
befchloß mit einem Male das ganze Gebäude niederzumerfen. 
Mitleid veugte und erdrückte er Alter und Verdienſt, und 
mit befonderer Verachtung jeden Mann von Rang und Würde. 
Das Volk fühlte ſchwer feine frähern Laften, und jede Maßre⸗ 
eb (obwol übereilt und wild), welche den Schein einer Erleich⸗ 
ferung an fi trug, warb 'mit trunfenem Beifall aufgenom⸗ 
mm. Als man aber fah, daß bdiefer boͤswillige Gleichmacher 
ſaſt allein unter den von Ihm’ hetbeigeführten Ruinen aufrecht 


liberlegung noch hinreichende Geſchicklichkeit beſaß, einen neuen und 
beffeen Plan aufzuftellen, fo kehrte fi die Öffentliche Meinung 
wider ihn umd das Geſchrei ber Werlegten warb außerdem bes 
rückſeichtige. -Deffenungeachtet wage sch zu behaupten: wenn 
Btrumfees Anerjchrockenheit ber Heftigkeit feines Geiſtes gleich 
‚geroefen waͤre, moͤchte ev bie Regierung in jede ihm gefaͤllige 
umgeſtaltet haben, fofern er blos die geſetzliche Autorität 
angewandt hätte, Gehorſam zu erzwingen. 

Struenſee ward in Folge einer Verſchwoͤrung geftürzt, 
an deren Spige die auf die regierende Königin wegen ih: 
rer Schönheit eiferfüchtige Stiefmutter des Königs, Ju: 
liane Marie, fland. Ihre Werkzeuge waren die beiden 
Oberſten Köller und Eichſtaͤdt und der ebenfo raͤnkevolle 
als verworfene Graf Ranzau. 


Act der Gerechtigkeit oder das Ergebniß einer unpatteil- 
ſchen Unterſuchung geweſen wäre, ſehen wir: ihn vielmehr 


Ver : Rachſucht und dom’ Siege der Partei Julianens geo⸗ 
pfirt, die ihre Haupeflüge in dem erdittertin Adel unb 


Tore Unterffügung in der erbaͤrmlichen Schwachkoͤpfigkelt 
des Könige fand. Gerade diejenigen Beſchuldigungen, die 
den Juſtizmord, den man an Struenfee beging, we: 


nigſtens beſchoͤnigen foRten, find die twiderfihnigiten und 


wmertofefenften von allen. Wie fehr man es nur barauf 


abgefehen hatte, ihn und feine Anhänger um jeden Preis ' 
zu verderben, geht baraus hervor, daß ein Jufligmord von 


woch :[händiicherer ‚Art am dem Grafen Brandt begangen 


Finger gebiffen; dafür mußte er den Tod eines Hochver⸗ 
räthers erben! Dänemark ſank, wie Portugal'nach Pom⸗ 
bals Stutze, nach Struenſee's Falle in feine frühere Le: 
Würgle zuruͤck. Übrigens Hat der Verf. an bie Darftelung 
der’ daͤniſchen Zuſtaͤnde und an die Schilderung einzelner 
koͤniglichen Kamiltenglieder Betrachtungen angeknuͤpft, die 
ein ſchoͤnes Zeugniß für bie Refultate feiner Gefchichts: 
fotfhyungen und für feine Freimuͤthigkeit ablegen. Wir 
verfagen es uns "ungern, mehr davon mitzutheilen als 
Folgendes: 

Brit hoͤhern Rechten’ ganz natürlidy ſtrengere Pflichten ge: 





“würde. Mit Reit, z 


Und weit entfernt, daß 
die ſchimpfliche Hinrichtung des geflürzten Miniflers ein 


Diefer hatte im Handgenienge den König in den 


gefüterflägen,ffofann Fein Prinz mehr, we 
gen hinter le Sann Fi Sehedım het a ae 
ben ober Aberglauben, Pietät oder Vorurtheil emporgehalten 
werden. Gr finkt vielmehr wach raſchem Steigen, mit befchleus 
higter Bewegung in dem Urtheile der Meiften felbft unter das 
Map hinab, was ihm als a oeooreöhteten arenfihen gebühren 
rthe erall 
man ſieht, daß eo , — —e ve: 
kehrte Lebentweiſe u. dgl. een "echten Beruf untergraben ober 
ihm entfremden,; und was wir mit Recht in biefer Beziehung 
felbft in untergeordneten Kreifen fobern, Tönnte nicht mit weit 
größerm Rechte von Prinzen und Prinzeffinnen verlangt wer⸗ 
den? Schon ihre Leiber follen reine Gefäße fein; fonft werben 
die wenigen Geſchlechter, welche Iegitime heißen, ohne Auffri⸗ 
ng don außen mit jeder neuen Generation an Gefundheit 
und Lebenskraft, mithin auch an Geiſteskraft [hwächer werden. — 
Ale Bezugnahme auf ein götttiches Recht, alle Theorien über 
die Nothwendigkeit des Koͤnigthums, alle gefchichtlichen Lehren 
ee —— FR der Sianesart unfe: 
rer Tage nicht ans, bie e und eiligen, wen 
fie fih nicht ernftlich "rufammermehmen Hr * —— 
mit Recht fodert, ihre hohe Stelle durch Arbeit des Geiſtes 
und Würde des Charakters verdienen. 

Der Verf. hat dem dritten Theile zwei hoͤchſt inter 
effante Beilagen einverleibt, von benen uns wenigflens 
bie erſte: „Hof und Politik des geoßen Kurfürften Frie⸗ 
drich Wilhelm von Brandenburg“, um ſo groͤßeres Inter⸗ 
eſſe gewaͤhrte, weil uns das reichhaltige Werk des Hru. 
v. Orlich über dieſen Kurfuͤrſten von einer Recenſion her 
im friſchen Andenken war und deshalb zur Vergleichung 
vorlag. Wir fanden mit Vergnuͤgen die von uns in je⸗ 
ner Recenſion ausgeſprochene Anſicht auch Seiten des 
Hrn. dv. Raumer beſtaͤtigt, daß der große Kurfinſt eine 
uͤberaus ſchwierige politiſche Aufgabe zu loͤſen gehabt habe, 
und daß man erſt jetzt im Stande ſei, die — dieſes 
Fuͤrſten wahrhaft zu wuͤrdigen. Während abes Orlich's 
Merk vorzugsweife aus gedrudten Quellenfchriften und 
einheimifchen Urkunden gezogen ift, greift Hr. v. Raumer 
durch Teine geſandtſchaftlichen Berichte vervollftändigend ein. 
Der Charakter und ber Zwei d. Bl. erlaubt uns wicht, 
eine in das Einzelne eingehende Vergleichung ‚hier zu vers 
fuhen. Doc dürfen wie Derjenigen halber, bie v. Or⸗ 
lich's Werk kennen, oder die fi wenigflens für die Größe 
eines deutfchen Fuͤrſten intereffiten, bie Charakteriſtik 
Wilhelm's nicht unterdbrüden, die aller Wahrſcheinlich⸗ 
keit nah den englifhen Sefandten zum Verf. hat und 
in der Hauptfahe mit Dem übereinftimmt, was von 
Orlich (Bd. I, ©. 520) aus einheimifchen Urkunden ges 
zogen worden iſt. | 

Der Kurfü ebrich Wilhelm iſt groß und wohl 
fen, jest aber Te Fey —A Fe unb et amt 
ihleit. Er iſt lebhaften Geiftes, umgaͤnglich, ſehr höflich, bes 
mühe Diejenigen zu gewinnen, welche ihm nahe kommen; frei⸗ 
gebig, großmäthig und von Herzen fehr Ei Durch größe 
Erfahrung find bie ſchoͤnen Cigenſchaften, welche ibm bie Ra: 
tur für die Regierung gegeben hat, fehr vermehrt worden; auch 
gilt er für einen ber gefchickteften Kürften feiner Zeit. Beim 
Befehten und Handeln zeigt er große Feſtigkeit. Im Kriege iſt 
er ‚ aber aͤngſtlich in Geſchaͤften, weshalb er oft feinem 
eigenen Urtheile midtraut und ſich leicht durch Diejenigen übers 
zeugen läßt, von bemen er glaubt, baf fie ſich auf feinen wah⸗ 
ren Vortheil verſtehen. Obgleich ihn feine Gemüthsart zu ſehr 
lebhaften und heftigen Leidenſchaften bintreibt und er unter 


\ 07 


n bisweilen am meiften yon ihnen fortgerifien wich, 
en doch in ben len ie biefer Aufregungen von 
denjenigen unter feinen Miniftern leiten, bie er für treu Hält 
und die bet ihm in Anfehen flehen. — Dem Mistrauen in fein 
eigenes Urtgeil über große Angelegenheiten und der Feſtigkeit 
bei Ausführung des Beſchloſſenen ſchreibt man das große Glück 
zu, welches dieſen Kürften immer in Krieg und Frieden beglei⸗ 
tet hat. Sollten aber feine Minifter lieber auf feine Leiden- 
fchaften eingeben, als verſuchen ihn zw befänftigen, fo würde 
er vielleicht große Kehler begehen und feine Beftigkeit ihm ges 
fährlich werben. 

Wenn wir in demfelben Berichte des engliſchen Ge: 
fandten leſen, „der Aftefte ber zwei Söhne, welchen man 
ben Kurprinzen (Friedrich 1.) nennt, zählt 28 Jahre‘ 
(1685), fo bemerken wir ber Genauigkeit halber, daß ber 
ältefte Sohn des Kurfürften, und mithin der Kurprinz 
Karl Emil hieß, aber durch feinen Tod (1674) feinen 
jüngern Bruder Sriedrih zum Kurprinzen und Nachfol: 
ger des Vaters machte. 

Die zweite Beilage: ‚Preußen vom J. 1730 — 40, 
Friedrich's IL. Jugendzelt“, bildet einen hoͤchſt merkwuͤrdi⸗ 
gen und in einzelnen Theilen das Gemuͤth erſchuͤtternden 
Beitrag zur Charakteriſtik des preußiſchen Hofes in jener 
Zeit. Die Gemahlin, die Tochter und der Sohn Friedrich 
Wilhelm's J., von dem wäthenditen Despotismus des Gat: 
ten und dem an Maferei grenzenden Zorn des: Vaters ver: 
folgt und gepeinigt, müfjen noch nach Verlauf eines Jahr: 
hunderts die lebhaftelte Theilnahme erwecken. Wahrlich 
Friebrich II. iſt in einer grauſamen Schule zu den harten 
Kaͤmpfen ſeines ſpaͤtern Lebens geſtaͤhlt worden. Durch 
die feines Sohnes und durch die ſtand⸗ 
hafte Weigerung der Tochter, ſich nicht nach dem Wun⸗ 
ſche des Vaters zu vermaͤhlen, war Friedrich Wilhelm in 


einen an Paroxismus grenzenden Haß gegen ſeine Familie 


und in die menſchenfeindlichſte Stimmung gegen ſeine 
ganze Umgebung verfallen. Gleichzeitlge und vollkommen 
glaubmürdige Berichte fagen: 

Des Könige ucht und Haß gegen feine eigene Fami⸗ 
tie ak hoch — * er Br — —* as Ge⸗ 
nerai Ginckel zu verſtehen zu geben: es ſei in irgend einer 
Weile ein Plan vorhanden, fie Alle feiner Rache zu opfern. — 
Reben feinem Stuhle Tiegen zwei Piftolen mit: Salz "geladen, 
und wenn irgend Jemand unter dei aufwartenden Perfo: 
nen feine Befehle nicht zu feinem bigefallen vollzieht, To 
feuert er biefe Piftolen auf fie ab. 

Die oͤſtreichiſche Partei flachelte den ohnehin gegen ben 
eigenen Sohn um feiner Talente willen eiferfüchtigen Va⸗ 
ter durch mancherlei Einfluͤſteruugen auf, um den prä- 
fumtiven Regierungsnachfolger zu verderben. Sie hatte 
eine Ahnung von ber kuͤnftigen Größe Friedrich's IL. umd 
von ben Gefahren, bie er Oſtreich in der That bereitete. 
Die Gefchichte der civilificten Welt bietet, fo viel wir wif- 
fen, nur eine einzige Parallele dar: das Schickſal, wet: 
ches Phillpp TIL von Macedonien über feinen hoffnungs⸗ 
vollen Sohn Demetrius durch die Intriguen der Römer, 
die diefen jungen Zürftenfohn als bereinftigen König fuͤrch⸗ 
teten, verhängte. Übrigens müflen wir unfere 2efer auf 
das vorliegende Werk felbft verweilen, da das Ganze we⸗ 
gen "feines fragmentariſchen Chäräkters zu einem Auszuge 


nie geeignet if. Der Verf. benbfichtigte nur chells Er⸗ 
irnzungen, cheils Beſtuͤtkguagen bes Bekannken aus: füls 
nen gefandtfihäfrlichen Quellen. Der Vertheidigung, welche 
Hr. v. Raumer von dem hiſtoriſchen und politiſchen Stand: 
punkte aus Friedrich Wilhelm zu Theil werden läßt, kann 
man Takt und Einficht gewiß nicht abfprechen. *) 
Karl Zimmer. 


Traite des droits d’auteurs dans la litterature, les 
sciences et les beaux - arts, par Zenouard. 
Bände. Paris 1839. 


Das vorftehend angezeigte wichtige Werk bes Herrn Res 
nouaed zerfällt in zwei Theile; ber erſte ‚begreift die Ge⸗ 
fhichte des Rechtes der Schriftſteller, feht den Zuſtand der Ges 
feggebung darüber in Frankreich und in andern Ländern, fowle 
die philofophifche Theorie diefes Rechtes auseinander, ber zweite 
bagegen {ft der Prüfung der praktifchen Fragen und ber Surlös 
peubeng gewidmet.“ 

eſe Eintheilung, welche wie mit ben eigenen Worten des 
Verf. angeführt haben, ſpricht die Worte literariſches Ei⸗ 
genthum nicht aus und Hr. Renouard erkennt auch wirklich dies 
ſes Eigenthum micht an; er Tpriägt dem Verfafler nur ein Recht 
aufdie Reproduction gu (das copy - right ber endlifchen 
Geſetzgebung), ein zwifchen dem Berfaffer und der Gefellfähaft ges 
wiffermaßen ungetheiltes Hecht, das weder abfolut noch immers 
während ift, bas das bürgerlithe Geſetz ohne Zweifel fo ausger 
dehnt ats möglich verſtehen muß, das aber von bemfelden nach 
einer geiviffen Zeit zum Voͤrtheil Aller abforbirt werden Tann. 

Es gibt kein geiſtiges Ekgenthum? Warum? 

„Weil“, fagt Renouard, „jeber Gegenftand des Eigenz 
thums eine aneignungsfähige ( appro fiable) Sache fein muf. 
Was find nun aber bie Ergeugniffe des Geifles, die Arbeiten 
der Wiffenfchaften, der Literatur und der Künfte? ine neue 
Combination in ben Refultäten des Gedanken. Wie kann 
man daran zweifeln, daß der Gedanke jener ausſchließlichen 
Aneignung entgeht? In bem Weſen der gelftigen Erzeug⸗ 
niffe der iftſteller Legt demnach 'diefer Charakter der Ans 
eignung nicht, deſſen Bedingung und Bolge die Bortbauer un 
endlicher Übertragungen iſt.“ Bun 

Diefes Ratfonnement Renduard’s wurbe bei ben Berathun⸗ 
gen in der Pairkammer von den Gegnern des abfoluten Gigens 
thumsrechtes benutzt; es ift Hier nicht der Ort, daſſelbe zu wis 
berlegen, und wir fagen blos, dab Renouard unferer Meinn 
nach bier Urfache und Wirkung, die Art des Ertrags und ba 
Recht miteinander vermengt, aus welchem berfetbe fließt. So 
tft es ohne Zweifel wol wahre, baß die Aneignung in biefem 
Sinne unmöglich ift und daß der Schriftſteller die Wirkungen 
feines Werkes nicht guieneimen Tann, fobald es einmal vers 
öffentliche, in den Geiſt Aller eingebrumgen und gewiffermaßen 
Gemeingut geworben ift; wenn aber auch das Werk an fi 
diefen aneiynungsfähigen Charakter nit haben Tann, der na 
dem bürgerfichen Rechte das Eigenthum ausmadt, fo iſt es 
doch etwas ganz Anders mit bem Ertrage biefes Werks, das 
feiner mercantilen und verkäuflichen Beſchaffenheit nach ebenfg 
einer Aneignung fähig ift als ein Sad mit Thalern oder ein 
Srunbftüd, Über diefen Srtrag, nicht über das Werk, über 
ben Preis bes Geſchaffenen, nicht über das Geſchaffene ſelbſt 
muß das Eigenthumsrecht, wie der Graf Portalis in ber Kam⸗ 
mer ber Pair mit Recht bemerkte, zum Vortheile des Ver⸗ 
foffers feftgeftellt werben. un 

Es bleiben num die Schwierigkeiten der Ausführung übrig, 
und wir erkennen es mit Renouarb gern an, daß fie fehr groß- 
find; aber find fie von der Art, daß fie von jedem Reformvers 
fuche auf immer abſchrecken muͤſſen? Wir glauben es nicht. 


*) Der zweite Artikel folgt im naͤchſten Monat. D. Reb. 


Wenm man übrigens auch In biefer ſchwierigen theoretifchen 
Erape mit der Anficht des Hrn. Renouard nicht übereinftimmt, 
fo muß man body anertennen, daß feine Abhandlung eine der 
forgfältigften und volftändigflen ift, die wir bis jegt darüber 
erhalten haben. Auch muß man die durchaus Liberale Richtung 
anerkennen, welche den Verf. troß der Stellung, die er im An⸗ 
fange genommen, bei der Prüfung und Löfung der Fragen ges 
leitet hat, in welchen das Eigenthumsrecht in Anwendung kom: 
men kann. Wir haben oben erwähnt, daß ein Theil der Ar: 
beit Renouard’s fi auf die Geſchichte des Rechtes ber 
Schriftſteller bezieht. Der erſte Band ift faft ganz biefem 
Gegenftande gewibmet, der bis jett der Rechtswiſſenſchaft fehlte 
und zu welchem bie, ziemlidy unvollftändigen, Materialien nur 
mit Mühe berbeizufchaffen waren. Diefer Theil des Werks 
verdient ganz befonders rühmlidhe Erwähnung. 

Renouard nimmt das literarifche Cigenthum bei den Rö- 
mern fo, wie die Dichter felbft davon fpredhen, zumal da die 
Geſetze fidy [ehr wenig damit befchäftigten. Die ſehr undeutliche 
Spur bavon in feinem Vaterlande fucht er vor dem 13. Jahr: 
hunderte; er zeigt diefes Gigentyum als zuerft vergraben wie 
eine Art Monopol in dem Schatten und Dunkel der Köfter, 
dann allmälig wachfend unter dem Schutze der Univerfität, 
wenn auch noch durch die Schwierigkeiten der gefchriebenen Re⸗ 
production gehemmt. Nach der Erfindung der Buchdruderkunft 
fehen wir es Eräftiger ſich heben, ermuthigt durdy Ludwig X]., 
bald aber duch Kranz J., den Water der Wiflenfhaften, in 
die Feffeln einer Genfur gefchlagen, welcher der Strang und ber 
Sceiterhaufen ihre fchred.ihe Weihe gaben, der Genfur, bie 
wirklich eine Schöpfung Franz I. war, die durch Ludwig XIII. 
mehr geordnet wurde und welder ber vorfichtige Despotismus 
Richelieu's nur bie Härte der Strafe nahm, um die Repreffios 
maßregein zu verfchärfen. Es ift dies eine hoͤchſt intereflante 
and merkwürdige Geſchichte, denn es ift die Geſchichte des Ge⸗ 
dankens, der Intelligenz; man folgt Schritt für Schritt der lis 
terarifhen Bewegung, die von den Kloftermanuferipten bis zu 
ben Meifterwerten des „großen“ Jahrhunderts geht. 

Ein befonderes Sapitel widmet der Verf. der Gefhichte 
des Eigenthumsrechtes der Bühnendidhter und bie 
fer Theil, der nicht minder literarifch als juriſtiſch iſt, wurde 
von ihm mit ebenfo viel Gelehrſamkeit als Scharffinn behandelt. 
Wir fehen vor uns die erften dramatifchen Verſuche in Frankreich 
und bemerken, mit weldyer Sorgfalt die Alten fi) bemühten, 
die Spiele, welche fie unterhielten, zu vegeln und zu ermutbigen. 
Von den Privilegien des Affenführers und Zafchenfpielere, wel: 
che von jedem Wegegelbe frei waren, wie fie ihre Künfte vor 
dem Einnehmer zeigten, bis zu jenen, welche fpäter den wirkli⸗ 
chen Schaufpielern bewilligt wurden, erfennt man eine der Ents 
widelung ber Theaterfpiele immer günftige Tendenz, welche von 
der Geiftlichkeit unterftügt wurde, befonders wenn es dem Par: 
lamente einfiel, ftreng zu fein. 

Das Theater ftand Übrigens wie ber Buchhandel unter ber 
boppelten Garantie der Approbation und ded Privilegiums und 
es ift hoͤchſt interefiant und pilant, bie Reglements und Vers 
ordnungen zu lefen, durch melde das Parlament die Poetik ber 
Theater zu regeln und fie ſtreng bei den quafiliterarifchen Vor⸗ 
fhriften zu halten fuchte, bie ihnen auferlegt waren. So burf: 
ten bei bem einen Theater nur zwei Perfonen auf einmal auf: 
treten; einem andern war der Dialog unterfagt, das ganze 
Stud, wie groß auch die Zahl ber Perſonen fein mochte, mußte 
aus Monologen befteben; ein einziger Schaufpieler fprach, bie 
anbern antworteten ihm durch Zeichen; ein andermal ging ber 
Scaufpieler, fobald er gefprochen hatte, hinter die Souliffe und 
ber andere trat auf die Bühne, um ihm zu antworten, ſodaß 
es fo viel Auftritte und Abgänge als Antworten gab, — was 
hoͤchſt dramatifch fein mußte; aber das Parlament wollte es fo 
und bisweilen, weil es Arifloteles fo verlangte. Die Verord⸗ 
nungen gingen fogar noch weiter; fie beflimmten bie Entwicke⸗ 
lung der Stüde u. f. w.; fo hatten 3. B. manche Schaufpieler 


das Privileglum, auf der Bähne fi) umzubringen und zu ſter⸗ 
ben, während andere blos in Ohnmacht fallen und 1a vers 
wunden durften. 

„Ran verbraudte‘, fagt Renouarb, ‚viel Beift und Wi 
in dieſem Kampfe der Freiheit mit dem Monopole, aber uns 
fere dramatiſche Literatur, die fich ben Privilegien der Komd⸗ 
dianten beugen mußte, wurde immer ärmlicher und befchränts 
ter, mit Ausnahme von nur ſehr wenigen Meiſterwerken. Die 
Gerichtediener kamen der claffifchen Kritit zu Hülfe, um bie 
Vermengung ber einzelnen Genres zu verhindern” u. f. w. 

Während bie Gefengebung ſich fo fehr mit ber Conſtitui⸗ 
tung ber Theater befchäftigte, dachte fie an die Dichter gar 
nit. Die Eage des Dichters war damals eine fehr traurige 
und der „„Sonneur de Saint-Paul’’ hat feinem Verfaſſer ficher: 
lid weit mehr eingebracht, als Korneille für alle feine Meifter: 
werke zufammen erhielt. Moliere beflagte fi) bitter darüber, 
als er fein Luftfpiel „Les pr&cieuses ridicules“ druden ließ. 

Nachdem der Verf. fo ben Zuftand der Dinge unter ber 
alten Monarchie in allen Details, die hoͤchſt merkwürdig find, 
dargelegt bat, muflert er die Geſetgebung ber Revolution und 
des Kaiferreihs. Den Text jedes einzelnen Geſetzes begleiten 
Reflerionen und Documente, die hier meift zum erflenmale df- 
fentlich erſcheinen. Gin befonderer Theil ift der Gefeggebung 
im Auslande, wie in Deutidhland, England, Rußland, den Vers 
einigten Staaten, ben Niederlanden u. f. w. gewidmet; über: 
au ift fie ebenfalls unklar und unvollfländie. Es fcheint der 
regulirende Pendel ber Mafchine zu fehlen, nämlich ein Princip, 
Iſt diefes Princip nicht das abfolute Cigenthumsrecht ? 

Der zweite Band handelt von der Praxis und der Juris⸗ 
prudenz; Renouard unterfudht, worin die Rechte der Schrift: 
fteller beftehen, welche Privilegien fie geben, welche Barantien 
fie fihern; er zeigt an, welche Geiftesarbeiten auf diefe Rechte 
Anfprud haben, welche Perfonen diefelden genießen, auf welche 
Beit und unter welchen Bedingungen u. f. w. 51. 





Notizen.. 


Zu Ors auf ber Inſel Oleron hat man Münzen von vier 
römifhen Kaifern, die fi einander unmittelbar in der Herr⸗ 
ſchaft gefolgt find, aufgefunden : eine brongene mit dem gefröns 
ten Daupte des Walgrianus und ber Aufichrift: „‚Valerianus 
Imperator‘, auf ber Rüdfeite mit einer unkenntlich ausgebrud: 
ten Figur und der Auffchrift: ‚‚Securitas publica’’; eine file 
berne mit dem Bilde des Gallienus, gefchmüdt mit der ra-. 
diata corona, auf der Rüdfeite mit der Auffchrift: „Gierma- 
nicus Maximus’; zwei brongene: bie eine mit dem, gleidhs 
falls die radiata corona tragenden Bilde des SM. Aurel. Clau⸗ 
bius und der Auffchrift: ‚„„Claudius Augustus”, auf der Rüd: 
feite der erften glei ; die andere von „‚Aurelianus Imperator‘, 
auf der Kehrfeite mit ber Geſtalt eines Genius, wo die Ins 
ſchrift vertöfcht iſt. 


Man zweifelt jett in engliſchen Blättern, daß Thorwaldſen 
ben ihm gewordenen Auftrag zur Wellingtonftatue für Glasgow 
annehmen werde, und zwar wegen feines vorgerüdten Alters. 
Der Ausfchuß Hätte in diefem Falle Gelegenheit, das ihm von 
ein Patrioten vorgeworfene Verſehen wieder gut 
zu. machen. 


3u Gork farb in ber zweiten Woche bed Juni Gerald 
Griffin, ein ſehr beliebter iriſcher Schriftfteller, Verf. der 
„Tales of the Munster festivals‘‘, der ‚Tales of the five 
senses‘’ und ber „Collegians““, in einem Alter von 35 Jahren. 


Zu Bofton hat fi, Nachrichten aus Norbamerika zufolge, 
eine ftatiftifche Geſellſchaft gebildet. Diefelbe hat alsbald mehre 
der berühmteften Statiſtiker Englands zu correfponbirenden 
Mitgliedern ernannt. 47. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Brud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





ee Nr. 236. — — 


Sonntag, 23. Auguſt 1840. 








Geſchichte der deutſchen Literatur, von Heinrich 
Laube. Erſter und zweiter Band. Stuttgart, 
Hallberger. 1839. Gr. 8 3 Thlr. 12 Gr. 


Wie groß auch die Zahl der Handbuͤcher der deutſchen 
Literatur ſei, es iſt immer noch Platz fuͤr ein neues. 
Die deutſche Literatur iſt nicht eine Gattung, eine Spe: 
eies, fie ift eine Melt, für welche jede Anficht und jeder 
Sndividualität ihre Anficht geftattet if. Und darin eben 
liegt der Fehler der fremden Beurtheiler, der Fehler, in 
den beifpielsweife eben jest £. Marmier verfallen ift, daß 
fie die deutfche Literatur wie eine Gattung, wie ein Aggre: 
gat anfehen und behandeln, das fich claffiren und fches 
matifiren läßt. Der Literaturgeift der Iateinifchen Spra- 
hen und Völker ift faßbar; man meiß, wo man ihn zu 
finden und zu greifen bat; ber beutfche Literaturgeift iſt 
ungreifbar, ge iſt nirgend, denn er iſt in Allen. Das 
eben macht den Charakter der deutſchen Bildung und 
bezeichnet das deutſche Wefen, daß ihre Literatur rein im: 
materiell ift; keine Sompofition von diefen oder jenen 
Merken, bie gefchrieben oder gebrudt wurden, fondern 
eine Welt von Ideen, von denen es beinahe indifferent 
ift, ob fie in Büchern gefaßt find ober nicht. Bei den 
Völkern lateiniſcher Bildung zähle diefer oder jener Name 
zu den Literatoren; die deutfche Literatur hat Beine folche 
Begrenzung, ihre Eigenthlimlichkeit ift es, in Allen zu 
beruhen; es ift nicht ſowol Diefer oder Jener, welcher 
dichtet und fchreibt, es ift das ganze Volt, welches bie 
Literatur bildet. Sowie man fagen kann, daß in jedem 
Spanier der Anfang eines Ouerrillachefs, in jedem Sta- 
liener ein Kunfltenner, in jedem Engländer ein Kaufmann 
und ein Gefeggeber, in jedem Franzoſen ein Soldat und 
ein Führer ſocialer Zuftände gegeben iſt, fo verbirgt ſich 
in jedem Deutfchen ein angehender Literator, ein begin- 
nender Kritiker. Das Denken, die Welt des Gedankens 
und des Gedachten, iſt das Attribut und iſt die Sphäre 
des Deutihen. Was haben alfo die Klagen Menzel’s, 
welche Marmier wieder auftifcht, darüber, daß Deutfch: 
land zu viel fohreibe, für eine Bedeutung anders als 
die, daß der beutfche Geift noch lebt und wirkſam iſt? 
Unſer Weltberuf ift es ja, zu fchreiben und für bie an: 
dern Voͤlker zu denken, wie es der Beruf der Franzoſen 
it, für die Menfchheit in fociaten Zuftänden zu erperi- 
mentiren. That ift That und die eine ift fo gut wie 


die andere, wenn fie bie Weltzwecke nur fördert und ben 
Willen der Vorfehung vollzieht. Ober fol etwa die That 
des Gedankens auf einmal weniger werth geworben, we⸗ 
niger ehrenhaft fein als bie der Hand? Das beutfche 
Volk glaubt anders. Und fo wollen wir uns benn die Be 
[huldigungen Marmier’s gern gefallen laſſen; denn richtig 
verfianden find fie gerade unfer Ruhm und unfere Ehre! 

Es mag aus diefen Sägen fo viel hervorgehen, baß 
die deutfche Literatur die zeitlichen, räumlichen. und nu: 
merifhen Befchräntungen nicht anerkennt, voelche für die 
andern Literaturgefchichten paſſen. In der Literatur der 
lateinifhen Sprachen gibe ſich die Claſſirung von felbft, 
fie fpringt Jedem in die Augen; in der englifchen Literas 


tur iſt fie, wegen bes beutfchen Elements barin, ſchon 


ſchwieriger; indeß hat hier die Mode und bie Convenienz 
nachgeholfen, und mittel® beider ift eine Claſſirung moͤg⸗ 
ih und leicht. Die flandinavifche Literatur hat lange 
Perioden des Schlummers gehabt und ihr Vorrath ifl 
daher gering, ſobaß auch bier zu einer Claſſirung zu ges 
langen iſt; der ſlawiſche Sprachſtamm hat das Literas 
turwefen Einzelnen überlaflen und zähle kaum mit. Mer 
aber will den deutfchen Literaturgeift nachweiſen, definiren, 
biefem oder jenem zutheilen, dort anerkennen und bier 
verfagen? dieſen Literatürgeift, der Alles umfaßt, Altes‘ 
in fi aufnimmt, das Fremdeſte und Sernfte fich affimis 
lirt, wiedergibt, mit Eigenem reprobucirt und zur Er⸗ 
fheinung bringt? Um nur bei Einem Punkte ſtehen zu 
bleiben, wollt ihr dem beutfchen Überfeger aus ber Zahl 
ber Literatoren ausfchließen? Gehören Herder's „ Stimmen 
ber Völker”, Goethes „Weſtoͤſtlicher Divan“ u. ſ. w. nicht 
zur deutichen Literatur? 

Jede Geſchichte der beutfchen Literatur ift mehr ober 
minder ein abbozzo; je nad) dem Umfange, je nach ber 
Anzahl der Bände, bie ihr gewidmet werden fol, wird 
fie einen andern Geift annehmen muͤſſen. Auf Boll: 
ftändigkeie ift hier nicht zu rechnen, ja nicht einmal 
darauf, daß fie irgend mehr als einer Individualität — 
der des Verfaſſers — Befriedigung gewähre. Denn wie 
Jeder die Natur, die Melt anders anſieht, fo iſt es 
Jedem geflattet für ben deutfchen Literaturgeiſt eine an: 
dere Unficht zu haben. Man kann Namen und Buͤcher 
herzaͤhlen, aber damit iſt die deutſche Literaturgefchichte 
nicht gefchrieben. Für diefe gibt es keinen Laharpe und 


wird niemals einen geben, fo lange das beutfchg Volk 
bleibt, was es iſt. Geht aber gar ein Fremder an dies 
Werk, wie Marmier ausgerhftet, fo lächeln wie mitleidig 
zu einer folhen Siſyphusarbeit. 

Anders fchon iſt es, wenn H. Laube ber beutfchen 
Literaturgefchichte ein West widmet; wir können, bier, 
wenn auch nicht auf biftorifche Vollſtaͤndigkeit, doc auf, 

Ideen hierzu rechnen. Uber in Wahrheit: es ſchwebt 
ein tragi-komiſches Geſchick über der deutfhen Nation! 
"Denn felbft hier, in diefen Blättern, während in einem 
gutgefchriebenen Auffag gegen Marmier das Enechtifche 
Hinblicken der Deutfchen auf das Ausland getabelt, und 
Deutfchland aufgerufen wich, fich dieſer Demuth zu ent: 
äufern,. was geſchieht? Man überfegt mit veligiöfer Ges 
nauigkeit ben unerwogenen, Eindifhen Angriff Marmier's, 
gloffirt ihn gewiffenhaft und..behandelt jenen Fremden, 
dem .mit.einer einfahen Unmoiffenheitsbill zu begegnen. 
war, nicht. anders, als binge,von feinem Urtheile unfer 
Werth oder Unwerth ab! — Wir fehen, es iſt vergeblich, 


ein Kranke, um 1180 fein mochten. Bald kamen Mol: 
fram v. Eſchenbach, Heinrich v. Dfterbingen, Konrad v. 
Würzburg und Gottfried v. Strasburg. Ihnen folgt bie 


Schar bis Heinrich Frauenlob, der 1317 ſtirbt, hinab. 


Nun geht der Verf. zu der Berrachtung ber einzelnen 
Dichtungskreiſe über, und zwar fo, daß zuerfl.der go: 
thiſche Dichtuagskreis — Nibelungenlieh und Heldenbuh — 
hierauf der Sagenkreis Karl's des Großen, dann der Ar: 
tuskreis mit den Sagen vom Graal, hiernächft Gedichte 
über einzelne Perfonen und zulest die antiken Goͤtter⸗ 
und, Heldenfügen neben dem direct Religiöfen zur Be: 
trachtung kommen. Diefe Vortragsmweife bringt .ein un: 
gemöhnliches Licht in die Dunkelheit und die fcheinbare 
Wirrfal der Minnefängerpoefie, 

Die alte Heldenfage der Gothen ift wie ein unterir- 
diſches Gewaͤſſer durch bie wuͤſten fraͤnkiſchen Jahrhunderte 
fortgeſickert und fprings als ein Quellſtrahl im 13. Jahr⸗ 
hunderte im Nibelungenliede an ben Tag. Sigfrid und 
Worms (Burgunder) und Dietrich v. Bern (Berena) mit 


- feiner ‚Ehre. geſagt! 


der ‚Deusfche kann aus feiner Haut nicht heraus. Bor: 
nehm zu verachten ift ihm nicht gegeben, wo es fih um 
ein ‚geiftiges Intereſſe ‚handelt .oder um eine Gerechtigkeit. 

Wir mollen beide Interefien auf Laube's „Geſchichte 
der. beutfchen. Literatur” hinwenden; ‚beide find echt deutſch, 
roie. dies. Buch ſelbſt, das in dieſer Bezeichnung feinen, 
erſten Ruhm finden mag. Der Verf. fchreibt aus beutz . 


Etzel's Hofhalt an der Donau find.die Träger dieſer altem. 
Sage, in welche die verwandten Sagen überfliogen, um .. 
die deutfche „Ilias“ zu bilden, „Mit inniges Vorliebe, 
ja mit Wehmuth mag man gern bei diefem Dichtungs⸗ 
Ereife vermeilen, wo men den eigentlichen. Puläfchlag. der. - 
deutſchen Nation zu fühlen glaubt.” Dem . Mibsfungens : - 
liede gegenhber fteilen--fich bie vier. heitern Dichtungen: - 
fhem. Geiſte, es iſt deutſche Kritik, um nicht zu fagen | „Gudrun, „RK. Rother”, „Otnit!“ und ‚„„Hugbieteich‘‘,: als 
deutfche Speculation, die ſeine Feder führt ;..nichts Kremb: .|. eine beutfche „Odpſſee““ dar, in ber uͤbergangsweiſe das 
laͤndiſches, von ausmärts her Angeeignetes, nichts Gries |. Weib eine Hauptbedentung erhält. , 

chiſches obes Roͤmiſches ſelbſt macht fich. in ihm laut; er | Der Sagenkreis Karl's des Großen zeigt ganz andere: . 
ift jeder Boll. ein Deutſcher. Und das fei zunaͤchſt zu Elemente; bier iſt «6 das ſtaatliche Intereffe, das: Bas. , 
ſallenthum, das in ben. Vorbdergemad. ‚tritt, nebem: dem 


Der: Berf. durchfliegt mit wenig mehr ald allgemeinen ! chriſtlichen Glauben. Reinalt, die Moncevalſchlacht, Wil⸗ 


Betrachtungen. zwerft den gothiſchen Zeitabfchnitt..von. Ul: 
filas bis Karl dem Großen, „danı..den althochbeutfcgen: 
bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts, weicher ſein Ur⸗ 
ſpruͤngliches gegen das Lateiniſche meiſt ſtraͤflich verſcherzte, 


waͤhrend die Originale der erſten Periode doch in der drit⸗ 


ten..neu auftauchten, und gelangt dann zu der dritten, 
mittelhochdenuſchen, ſchwaͤbiſchen Epoche, mit ber eine 
eigentlich deutſche Literaturgeſchichte erſt anhebt van. 1150. 
ab., Zunaͤchſt charakteriſirt ber Verf. das Mittelalter. 


DieZeit; des Kampfes um eine deutſche Nationalitaͤt war 


durch die Ottonen erwacht, aus dieſem Kampfe ging eine 
beutfche Poeſie hervor; die Ottenen. weten: bie Faͤhigkeit, 
eine neue, bdeutfche Eriftenz zu fchaffen, durch ihren Streit 
mit, Rom. ‚Der Begsiff entſtand. Die Kunſt zeichnete 
fi ‚ap als das Streben, das Abſolute zu erfaſſen, wel⸗ 
ches has Wahre Aft, und der ſinnliche Schein des Wah⸗ 
ren ward zur Idee der Kunſt. Neben ihr erwachte das 


Ritterthum, gleichzeitig und nach dem Begriffe der Ehre 


ringend, wie die Kunſt nad der Wahrheit. Als Ber 
mittierin. beider erhob fih bie Liebe (Romantik) und bie 


Treue (Vaſallenthum und, Myftit), Im den Kreis die⸗ 


fer Begri 
fi) die 


iſt das ‚Mittelalter umgrenzt, in ihm finden 
Innefänger, beren Ahnen vielleicht. Heinrich 


v. Veided ‚ ein Niederdeutſcher, und Hartmann v. d. Aue, 


heim v. Orange gehören hierher. Aus der Schmetzung 


des Staatlichem mit dem Myſtiſchen (Religioͤſen) geht die 


Graelſage hervor.n Hier gelangt der Verf. zum⸗Titurel“ 


‚und „Parsival”, dem erſten großen Gedichte deutſcher Kunge, 
das in dem Gedanken wurzelt. Wolftam v. Eſchenbach, 
wenigſtenstheilweiſa. Verfaſfer dieſer :Sedschte, iſt ſomit 


Vater und, Urahn: ber. eigentlichdeutſchen Poeſie. Treff⸗ 


lich iſt die Charakteriſtik dieſes Geiſtes, gegenuͤber ſeinem 
ironiſirenden, Rial Gottfried v. Strasburg; und in ihr 


zeigt. ſich Laube zuerſt als ein tiefſinniger kritiſcher Geiſt, 
und von dieſer Stelle ab, ©. 89 — 114, erwarten wir 


viel von ihm. Er erfüllt dieſe Erwartung. Selne Reche⸗ 
fertigung des Mittelalters gegen die Anfoderungen der 


Claſſik iſt ſelbſt eine claſſiſche; fie iſt überzeugend und 
erſchoͤpfend. „Es iſt unpaſſend und falſch, dem Wolfram 
v. Eſchenbach, Hauptbichter und. Ausdruck des deutſchen 


Mittelalters, vorzumerfen, daß er nicht das beutfche Hel⸗ 


denepae einfach aufgenommen. Nicht die mögliche - 
oder erwuͤnſchte Geſtaid iſt zu prüfen, fondern bie anem- . 


kannte. Das. Mitsebalter hat den Ruͤckvorwurf einer: uns: 


gluͤcklihen Geburt nicht zu tragen. Es iſt ein ganz fri⸗ 
fher. Baum; unfere Gräber liegen anderswo, unfer Kirch⸗ 


hof ft das Jahthundert Karls des Großen. Euee Kla⸗ 


gen richtet gegen die Kaiſer, welche die Macht nicht fanden 


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oder empfanden, ein ſtark eigene. Volk zu ziehen.” Dies 
ungefähr find bie Reſultate biefer trefflichen Unterſuchung. 
In W. v. Eſchenbach war das Mittelalter rein, begeiftert, 
naiv, bewußtlos gegeben. Sein unmittelbarer Nachfolger, 
Gottfried v. Strasburg, hat diefe Naiverät der Anſchauung 
fihon verloren. Gegen bed Erſtern reine Begeiltigung 
bildet ee ſchon ben finnlichen Gegenſatz, fpottet mit üppig 
fpielender Phantafie der afcetifhen Innigkeit feines Riva: 
len und bildet den Übergang zu den fpätern ganz in Sinn: 
lichkeit und Myſtik aufgehenden Dichtungen des „Triſtan“ 
und der „Blancheflor“. Die Gefchichte diefer Übergänge 
aus dem SHeidenepos in bie pſychologiſch⸗ muftifche Welt⸗ 
anfiht und aus biefer in bie finnliche Dichtung, welche 
zeigen wollte, daß der Menſch auch noch ganz ein anberer 
fei, als die Gralfage ihn gibt — ein Streben, das an 
neuefte Exfcheinungen erinnert — iſt dem Verf. überaus 
wohl gelungen. 

Nach der finnlihen Richtung kommt nun ‚gleich bie 
Richtung auf eine eigentliche Kunſtpoeſie, antike Stoffe, 
Lehrgebichte, aus: welchen letztern ſich bie Proſa gebiert, 
zuerft als Rechtslehte, „Sachſenſpiegel“ 1230, „Schwa⸗ 
benfpiegel’’ 1282, und als Scholaſtik. Nach biefer Zeit 
lebt bie poetifche Thätigkeit nur noch in den Meifterfän: 
gern, von Heinrich Muscatbluͤth bis H. Sachs fort, wäh: 
vend das „Volksbuch“ fchon der eigentlichen Profa bie 
Wege bahnt. Ihre Geburt iſt Luther's Werk. 

Man faßt Luther nur halb auf — ſagt der Verf. — wenn 
man ihn blos als Widerſacher des roͤmiſchen Dogmas begreift; 
es tft mehr, es iſt das lange gefeſſelte deutſche Rationalgefühl, 
das, gegen das Fremde hin, in ihm zum Du kommt. 
Sammelnd aus allen Richtungen ber, gibt er den Deutfchen 
die Sprache, bie fie noch heute ſprechen; aufnehmend in ſich 
alle beutfche Intereffen,, die bisher fo zerflüdelt waren, erzeugt 
er den deutſchen⸗ Rationatgeift und gibt ihm Ausbrud. Go 
ift er Schöpfer des geiftigen Weſens der Deutichen, nicht blos 
Reformator ihrer Kirche. | 

Auch dieſe Ausführung ift vortrefflih, namentlich ift 
es der Nachweis, mit welcher finniger Sorgfalt und 
zugleich mit welcher Kuͤhnheit und Genialität Luther bei 
der Sammlung feines deutſchen Wortfchages zu Werke 
ging; wie er denn von ſich felbft fagt, daß er keine „ge⸗ 
wiſſe und eigene Sprache ſpreche“, eine eigene fchuf, das 
Neuhochdeutſche. Die eigentliche Blüte deutſcher Natio⸗ 
nalität batirt von ihm, um feine Oppofition gegen Rom 
ſchart fi eine Gonfequenz, „body wie ein Gebirg, un: 
ergründlich wie ein Meer”, und in diefer hat das beutfche 
Weſen feine Beburtsftätte. Noch Heute tft diefer Conſe⸗ 
quenzen. kein. Meifter und kein Dogma Herr geworden, 
es ift die geiſtige „Unabhaͤngigkeit“ ſelbſt. Hat Luther fie 
erfunden? Daruͤber iſt viel geftritten worden. Die Ele⸗ 
mente lagen gefeffelt; mit einem kuͤhnen Ruck an diefer 
Feſſel hat ex fie frei gemacht und mit 50 Bänden ſei⸗ 
ner Scheiften; ‚die ber wahre Mittelpunkt der Zeit. waren, 
hat er die beutfche Fretheit verbrieft. 

Dies etwa iſt der Kern der Gedanken bes Verf. Die 
faft unbegreiflihe Thaͤtigkeit der jungen Preffe, welche 
einzelne Schriften Luther's bis 13 Mal im 


auf: . 
legte, war Luthers Hauptwaffe. Durch ihr ward bie 1’ 


Prefie das Hauptruͤſtzeug des deutſchen Geiſtes; fie iſt es 
noch Heute, und wir wollen faſelnden Ausländern richt 
glauben, wenn fie und lehren, "die Prefie Tei umfere Uns 
tugend und fie habe und ſchwach gemacht. Mein, bie 
Preffe Hat das roͤmiſche Joch überwunden, fie hat den 
legten Dränger deutſcher Nationalität befiegtz fie ift und 
bleibt unfer Palladium. Der Drang nad Zuther und 
auf feinem Wege war unermeßlidh; vor ihm find kaum 
Tauler und der Moͤnch Berthold anzutreffen; mit und 
nad ihm ergießt fih, wie ein aufgeflauter Strom, die 
deutfche Rede und der Humanismus verdrängt die Poe⸗ 
fie, fodaß nur das Volkslied und das geiftliche Lied ſich 
behaupten. Erſt der dreißigjaͤhrige Bruderkrieg gebietet 
bier einen Halt. Mit ihm war der Kampf des Huma⸗ 
nismus beendet und die verwuͤſtete Welt lenkte den Blid! 
wieder auf eine poetifche, in der Erfag zu finden waͤre 
Die fchlefifche Dichterfhute entftand. Als charakteriſtiſch 
zeige ſich nun ſogleich wieder die luxurirende Hinneigung 
zu dem Fremden. Zuerſt zieht Spanien an; der 1605 ' 
erfchienene „Don Quixote“ wird fchon 1621 uͤberſetzt, 


„Taſſo“ 1626, „Arioſt“ 1636. Dann reißt das frane 


söfifche Gleichmaß Hin. Opitz bearbeiter Altes und Neues, 
Paul Flemming ſchafft und Meofcherofch ſatiriſtrt. Bacon 
und Gartefius befchäftigen ben deutfchen Geiſt, bis Leib: 
nig 1646 — 1716 neue Bahnen finder. Diefer großen: 
Wendung muß die zweite fchlefifche Schule unter kohen⸗ 
flein folgen, neben welcher Hagedorn als Widerſpiel 
auftritt. Nun ft auch die neue poetifche Sprache ges 


„geben. 


Wir find dem Verf: durch diefe Periode mit hohem 
Sntereffe gefolgt. Was er über: die geiftige Befreiungs⸗ 
that‘ Luther's fage, wie er ihn als den wahren Heros 
ber deutfhen Nationalität, ben Kern und den Träger des 
beutfchen Weſens, den Atlas unferer Literatur feiert, gibe. 
und die volifie Befriedigung. - Eine trübe, eine nieder 
ſchlagende Betrachtung befchleicht uns hierbei jedoch, fort 
dauernd, unwiderſtehlich. Iſt es nicht ein tragifches Ges 
(hi Deutſchlands, des beutfchen Volks, baß, während - 
ber norddeutfche Verfaſſer den unvergänglichen Nuhm eines 
ber ſtolzeſten und größten Soͤhne Deurfchtands- felert,, bie: 
fee Ruhm im Süden, im Weften, im Often Deutſch⸗ 
lands verneint, diefee Sohn verleugnet wird? Iſt es 
nicht tief betruͤbend, ihn bort verläftert, erniedrigt, ges 
fhmähe ‚zu fehen; zu fehen, daß dem armen: beutfchen 
Volke nichts Bemeinfames, nicht: Allen’ Angehoͤriges ge⸗ 
loffen werben fol; daß jeder feiner Helden, von Acmi: 
nius ab, ein Provinzialheld, jeder feiner großen Geifter 
nur für feinen Kreis ein Heros, für die andern aber ein 


Gegenſtand der Anfechtung, ein Gegner, ein Keind fein mußt: 


emüthigender Gedanke, wohl geeignet, unfern Stok, 

auch den gerechteften niederzufchlagen und uns klein und 

ſchwach zu machen dem Fremden gegenüber Wir muͤſſen 

ihn ‚Hintere und werfen diefen Gedanken, ihn zerfiampfen 

und: zertreten, wenn wir bie geringfle Freude an dem 
deutſchen Wefen behaupten wollen! ° 
(Der Beſchluß folgt.) 


952 


Zur euffifhen Literatur. 

Nach dem Berichte, den das Minifterium des Öffentlichen 
Unterrichts über feine Wirkſamkeit im 3. 1859 an den Kaifer 
abgeftattet hat, find im Laufe bes vorigen Jahres in Rußland 
880 Werke, die in einem Eremplar 10,223 Drudbogen’ enthiel: 
ten, erfchienen ; darunter waren 813 Driginalwerke und 78 Über: 
Iegungen. An Zournalen und periodifchen Schriften erfchienen 

$, auf 4926 Drudbogen A einem Exemplare. Aus dem Aus: 
lande wurben gegen 600,000 Bände, alfo bedeutend mehr als 
in den fruͤhern Jahren, eingeführt. Die Anzahl der aus bem 
Austande bezogenen Werke hat feit 1833 faft um das Doppelte 
ugenommen. Nach bemfelben Berichte befanden fi im legten 
ahre auf ber Univerfität Petersburg 58 Docenten und Be⸗ 
amte und 400 Stubirende, 65 Perfonen wurden bier zu gelehr- 
ten Graden befördert. Auf der Univerfität Moskau befanden 
fi) 106 Docenten und Beamte und 798 Gtudirende, 147 Pers 
fonen erhielten gelehrte Grade. An der Univerfität Charkow 
waren 77 Doceenten und Beamte und 391 Studirende, 65 Pro: 
motionen fanden bier flatt. An der Univerfität Kaſan waren 
79 Docenten und Beamte und 225 Studirende, an 61 Perſo⸗ 
nen wurben bier gelehrte Grade ertheilt. Die Univerfität Dor: 
pat hatte 65 Docenten und Beamte und 525 Studirende, fie 
entließ 123 Perfonen mit gelehrten Sraden. Die Univerfität 
Kiew zählte 5% Docemten und Beamte und nur 126 Studi: 
rende, fie ertheilte an 30 Perſonen gelehrte Grade. Bel dem 
pädagogifhen Hauptinftitute in Petersburg befanden’ fi 44 
Beamte und Docenten und 163 Zöglinge, von denen 37 zugleich 
Studirende waren. An dem Richelieu'ſchen Lyceum in Obefla 
gab es 18 Docenten und Beamte und 57 Schüler, das bei 
demfelben befindliche Gymnaſium zählte 305 Schüler, in ber 
abeligen Penfion befanden fi) 7% Zöglinge. In ben fibirifchen 
GBouvernements befanden fich drei Gymnaſien, 21 Kreisfchulen 
28 Pfarrfchulen und zwei Privatfchulen, zufammen mit 2718 
Schuͤlern. Im Ganzen befanden ſich in Rußland 1240 Perſo⸗ 
nen, bie fich mit Bewilligung ber Regierung mit bem Privats 
unterrichte und der häuslichen Erziehung befchäftigten. 

Derfelbe Bericht hebt, wie jchon bie frübern, befonbers 
hervor, wie ſehr fih das Stublum der ruffifhen Sprade in 
den weftlichen Gouvernements, vornehbmlih in Polen und in 
den Oftfeeprovingen verbreite und belebe, fobann, daß jest In 
Rußland ein allgemeines Streben erwacht ift, die Literatur und 
Geſchichte aller ſtammverwandten flawifchen Völker kennen zu 
lernen, woburd die Regierung in ben Stand gefeht worden ift, 
bie fchon früher erlaffenen Beflimmungen, nad) weldyen an je: 
der Univerfität ein Lehrſtuhl für die Sefchichte und Literatur 
der Slawen errichtet werben follte, wirklich ins Leben treten zu 
laffen und biefe Lehrflühle duch fühige Docenten zu befegen, 
die in den von Slawen bewohnten Ländern deren Sprachen 
und Literaturen gründlich erlernt haben. Die Slawiften Eu: 
zopas haben diefen Beftrebungen, von denen ſich auch in Polen 
überall Spuren zeigen, ihre Anerkennung nicht vorenthalten. 

Ende Mai wurden durch die Zaiferliche Akademie der Wifs 
fenfhaften in Petersburg die diesjährigen Demidow’fchen Preife, 
im Ganzen zum neunten Male, ertheilt. Es waren zur Be: 
werbung 24 gebrudte Werke und fünf Manuſcripte eingegan⸗ 
gen. Der ganze Preis von 5000 Rubeln wurde drei Werken 
zuerfannt: 1) dem „Neſtor“ des Prof. Pogodin, hiftorifch- Eri- 
tifche Unterfuchungen über bie aͤlteſten zuffifchen Annalen ent⸗ 
haltend, 2) dem grufinifch = zuffifch » franzöftfchen Wörterbudhe 
des Studirenden der petersburger Univerfität Tſchubinow, 3) 
ber fchon durch mehre andere Prämien ausgezeichneten Galvano⸗ 
plaftit des Prof. Jacobi in Petersburg. Außerdem haben fies 
ben Werke den halben Preis erhalten. 

Der Generallieutenant Schubert in Petersburg hat nad 
vieljährigen Arbeiten eine große Speciallarte bes ganzen weft: 
lien Rußlands vollendet und fie unlängft dem Kaifer vorge= 
legt, der fich fehe beifälfig über bie fchwierige und wohlgeluns 


gene Arbeit geäußert hat. Auf Koften der Akademie ber Riſ⸗ 
ſenſchaften in Petersburg wird bemnädft Hr. Boͤthlingk bie 
Beichreibung ber Reife herausgeben, welche dexfelbe 183 nad 
Lappland und Finnland gemacht hat. Es werden dadurch alle 
bie wichtigen in jenen Gegenden gemachten geognoftifchen Be: 
obachtungen diefes Gelehrten der Öffentlichkeit übergeben. 

Die mebico: dirurgifche Akademie, welche bisher noch in 
Wilna beftanden hat, iſt nach eben erfolgten Anordnungen ber 
Regierung nad) Kiew verlegt worden und wird nur als eine 
mebicinifche Facultaͤt dieſer Univerfität fortbeftehen. Ebenfo 
wird die bis jett befonders verwaltete chirurgiſch⸗ mediciniſche 
Akademie in Moskau mit ber Univerfität Moskau vereinigt. 
Diefe Akademie verlor im April biefes Jahres den Prof. der 
Anatomie und Staatsrath Einbrodt, der in einem Alter von 
88 Jahren verftarb. Er war der Nachfolger des berühmten Rober. 

Zur Beförderung des Studiums der ruſſiſchen Sprache 
in Efthland hat der Abel bdiefes Gouvernements ein Gtipens 
dium für einen jungen Mann gegründet, der fi) befonders 
In der zuffiihen Sprache auszubilden und dann diefeibe auf 
F Demfgule zu Reval ſechs Jahre lang zu lehren verpflichtet 
ein wirb. 

Um über bie in Rom behufs ihrer Ausbildung faft durchs 
aus auf Koften der ruffifhen Regierung fich aufhaltenden rufe 
ſiſchen Künftier eine genauere Gontrole zu führen, find dieſelben 
jegt durch einen Zaiferlihen Befehl unter eine befondere Infpecs 
tion geftellt worden, welche bem erften Gecretair der bortigen 
Geſandtſchaft, Kammerherrn v. Kriwgow, übergeben iſt. Gi: 
ner dieſer jungen Künſtler, der Architekt Nikitin, hat vom Kai⸗ 
fer unlaͤngſt 200 Dukaten erhalten, um feine Zeichnungen ber 
Reflaurationen des Forum romanum veröffentlichen zu koͤnnen. 

Die in Petersburg befindlichen Kunſtwerke werden bemnächft 
in einem Locale beifammen aufgeftellt werden fönnen, da Peters⸗ 
burg ein befonderes kaiſerliches Muſeum erhält, das auf ber 
großen Million nahe bem Winterpalais erbaut wird. 7. 





£iterarifche Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes iſt zu 


beziehen: ö a F bu ch | 
Reiſende in Italien 
J. SF. Neigebaur. 


Dritte, ganz umgearbeitete, ſehr vermehrte und vers 
befjerte Auflage. 


Drei Theile. 
Gr. 12. Sauber cart. 3 Thlr. 


Diefes Handbuch hat ſich feit Zahren den Reiſenden nach 
Stalien als ein fo zweckmäßiger Kührer bewiefen, daß es keiner 
befondern Empfehlung biefer Dritten RAuflage bedarf. Die 
innere Einrichtung ift ganz biefelbe geblieben, aber faft jeder 
Artitel wurde mehr oder weniger umgearbeitet und durch Zuſaͤtze 
bereidhert. Durch die Vertheilung des Inhalts in drei Theile — 
von denen der erfle die allgemeinen Zufammenftellungen und 
Überfihten enthält, während des zweite und dritte in alpha= 
betifcher Ordnung alle intersffanten Punkte Italiens ſchildert — 
ift der Gebrauch des Werks wefentlic bequemer gemacht worden. 


Eeipzig, im Auguft 1840, 
F. %. Brockhaus. 





Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhaud. — Drud und Verlag von $. U. Brochaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariihe Unterhaltung. 





Montag, 


U) 










— — 


ichte der deutſchen Literatur, von Heinrich 
ua Laube. Erſter und zweiter Band. 
Geſchluß aus Nr. 28.) 

Die neubeginnende Epoche unferer Literatur bezeichnet 
der Verf. als „Übergang zue Piafll”. Unabhängig herr 
fchend Tonnte in Deutfchland nichts werden, nachdem ber 
dreißigfährige Krieg mic einem Compromiß geendet hatte; 
bie Einhele war auf immer zerriffen, da Bein Gieg fie 
herſtellte. in nationales Element drang nur ſchwach in 
die Literatur. Leipzig und die Schweiz nahmen jet das 
Wort in ihr. Haller und ber literarifche Sultan Gott: 
ſched, Gellert und Bobmer, und nad, ihnen Gleim, Us, 
Goͤt und Ramlet verfhafften fich Geltung, bis Klop⸗ 
ſtock mit feinem nationalen und religiöfen Anlaufe einen 
Augenbii Lang unferm Volke eine neue Morgenröthe 
verſprach. Sein langes, eifriges Wirken blieb jedoch ohne 
entfprechenden Erfolg; er nimmt unfere Pierdt in An: 
ſpruch, weiter nichts. Das claffifch: deutſche Zeitalter, 
die neue philofophifche Kritik hebt mic Leffing an, mit 
Leſſing, der für den Luther feiner Zeit gelten kann. In 
dieſem geoßen @eifte ſtellt fich nicht ein Kiterator, fondern 
eine ganze Literatur dar; er ift ber Ausdruck bes deut: 
{hen Weſens in ber Mitte bes 18. Jahrhunderts, wie 
Luther es am Schiuffe des 15. war. Leffing und Win⸗ 
ckelmann reinigten zuerſt ben beutfchen Boden von ber 
Sefangenfchaft im Fremden. Das griedyifche Element 
floß in das beutfche Aber und vertrieb das franzoͤſiſche, 
zu einer neuen Bildung, bie wir immerhin, da fie auf 
Verſtandesgeſetzen beruhte, die claſſiſch⸗ beutfche nennen koͤn⸗ 
nen. Nebenher ſchuf Leffing, ber von ſich fagte, baß er 
weder Schaufpieler noch Dichter ſei, das deutſche Thea⸗ 
ter; feine Hauptthat aber blieb und war bie Schöpfung 
einer deutſchen Kritit, die Aufrichtung einer Kahne, 
auf welche von jegt an alle Blicke gerichtet find. 

Doc wiederum, wie büfter iſt das Leben biefes ſtol⸗ 
jen und unbeugfansen Geiftes beleuchtet? An welchen 
jämmerfichen Gegnern zerfchmettert er feine Kraft? Durch 
weiche Zrivialitäten muß fein hoher Geiſt baden? Leffing 
deutete die religioͤſe Kritik, die Exiſtenz einer theologifchen 
Wiſſenſchaft blos an, und fein Leben füllte ſich mit Wer: 
muth aus bdiefer Andeutung. Seine Regula fidei war 
das Schwert, mit dem er fich felbft vertwundete, melches 
fein Wefen in Bitterkeit härtere und ben poetifchen Geiſt 








Kr. 237. 


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ü —— ——— — ——— — — ul — — __... -——._ 


In ihm unter Vergesiaft erdruͤckte. Was er Weiches und 
Derföhnendes behaupten Eonnte, machte ih im „Nathan“ 
£uft; aber ſelbſt die Verſoͤhnung iſt ein Niederfämpfen 
bitteree Gefühle bei ihm. So endete Leffing, aber mit 
einem Ariom feines Geiſtes griff er in bie folgende Pe⸗ 
riode hinüber und beſtimmte ihre Richtung. Dieſes 
Ariom war der Humanitätsbegriff und bie Schönheitsider, 
weichen Kant und Herder weitere Entridelung gaben. 
Poetifche Einigung fehlte in ihm, aber er legte die Grund: 
feine für alle poetifhe Richtungen in den Gedanken 
und fand bie Bafen aller Kunftbetrachtung in ber Philos 
ſophie. Hauptfuͤhrer des neuen kritiſchen Bewußtſeins 
waren Winckelmann, Moſes, Moͤſer, Engel, Garve; poe⸗ 
tiſche Popularitaͤt errang, dieſer Kritik gegenuͤber, Wie⸗ 
land, dem nur die Schwaͤche ſeiner Principe vom hoͤch⸗ 
ſten Dichterziel entfernte und der keinen Freund unter 
ben Jüngern ber neuen Kritik erlangen konnte, bis Goethe 
und Herder ſich feiner Verlaffenheit anmahmen; denn bie 
erſte Jugendkraft Goethe's traf auf diefelbe Abgunft, welche 
Wieland anfeindete. Zwiſchendurch fuhren Bürger und 
Hoͤlty, die göttinger Schule fort in vereinzelten Richtun: 
gen zu wirken, und Nicolai ſtellte die vernlchternde Übers 
treibung bes Leffing’fchen Geiftes dar. In Öftreich bluͤhte 
der harmloſe Scherz, im Weſten Deutſchlands die ſenti⸗ 
mentale Richtung Tiedge's, Matthiſſon's, Salis', der Nor⸗ 
ben hatte Herder, Hamann, Kant, bie denkende, nad 
Srundfägen arbeitende Schule. Heider's Stellung ward 
überall eine anregende, vermittelnde; befonderd war fein 
Verhalten zur theologifhen Wiffenfchaft entfcheidend und 
eine neue Beit vorbereitend. Er unterfchied am Ehriſten⸗ 
thume die Schule von dem religioͤſen Inhalte, die Lehre 
von dem Glauben an den Lehrer. Die edelſte Wahrheit 
war ſein Kern, die Humanitaͤtsidee war ſein Gebiet. 
Von Kant hierin uͤberholt, endete er im vergaͤllenden 
Kampfe mit aller Welt. Seine Poeſie war eine handelnde, 
thatſaͤchliche, in der er ſich lange Zeit mit Goethe begeg⸗ 
nete, ohne daß bes Letztern völlige Objectivitaͤt ihm jemals 
Klar geworden wäre. Hamann und Sean Paul, ber Eine 
durch tiefgrabende Geiſteskraft, der Andere duch feine 
Poetificung des Humanitätsbegeiffs, waren ihm verwandte 
Geifter; an realer Sefinnung war ihm ber impofante La— 
vater nicht unaͤhnlich. 


Auf ihrem bisherigen Kreuzzuge war bie Poefie immer 





I): 


an etwas Anderes gewieſen worben, als fie felbft war, bald 
an das Dogma, bald an die Philofophie, bald an ihre 
Schmelzung, die Humanitätswiffenfhafl. Man fprady 
entfeglich viel vom Genie, ohne ihm doch eigentlich fein 
Necht widerfahren zu laffen. Goethe war es vorbehalten 
die Poefie auf fich felbft zuruͤckzufuͤhren, fie im füch ſelbſt 
und im Spiel mit dem Objecte zu begründen, mit einem 
Worte, die Plaftit der Poeſie darzuftellen, und zwar 
Altes dies nicht durch Lehre und auf kritiſchem Wege, wie 
Zeffing, fondern buch Beilpiel und That. An einem 
fotchen Geifte, der mit Bewußtfein nicht dogmatiſch ver: 
fuhr, fehlte e8 Deutfchland feit langer Zeit. Gleichzeitig 
mit diefem Streben Goethe’s erwachte bie neue philofo: 
phifche Schule, welche alle Weisheit unter eine neue kri⸗ 
tifche Lupe bringt. Kant verfuchte die Lüden ber menſch⸗ 
lichen Vernunftfähigkeit nachzuweiſen; er zeigte, was zwi⸗ 
fhen unfern Geiftesthätigkeiten und unferm Bewußtſein 
für Mittelglieder fehlen, was daher ald Wahrheit erkannt 
werden könne und mas nicht. Nichte vollendet den rein 
Eritifchen Weg und hebt ihn in diefer Vollendung felbft 
auf; Jacobi fhaffe, ohne Bewältigung deſſelben, neuen 
Stoff herbei und will das Unmittelbare der Bernunft 
mit der vermittelnden Berftändigkeit harmoniſch ftimmen. 
Bernunft und Welt find für Kant zweithellige Erſcheinun⸗ 
gen deſſelben Seins; das Denken ift dreifach: Verſtand, 
Vernunft, Urtheilskraft. Abfolutes ift nicht zu gewinnen; 
das Sittengefeg enthält, was der Vernunft gemäß all: 
gemein fein follte. Es kann bier nicht realifiet werden, 
folglich muß es ein unfterbliches Leben geben; es ift fitt: 
liche Pflicht, an ein Dafein Gottes zu glauben, bas der 
theoretifchen Vernunft unerweislich bleibt; der Staat ift 
Rechtsanftalt, die Freiheit Poftulat ber praktiſchen Ver: 
nunft, das Chriſtenthum die Idee der Religion, auf Ber: 
nunft gegründet. Dies ift der Kern ber Kant'ſchen Re- 
fultate. Welch maͤchtigen Über: und Unterbau haben dieſe 
Ideen, in denen wir erzogen find, feitdem erfahren? Wie 
griff in feinen Anhängern Jakob, Schüg, Tieftrunk, 
Niemeyer u. f. w. fhon das Poetifche und Beliebige in 
dies kernfeſte Spftem ein! indem Fichte den Proceß bes 
Denkens zum ausfchließlichen Stoffe nahm, zu melchen 
andern Mefultaten gelangte er, unter der realen Be⸗ 
draͤngniß Deutfchlande, dem er zugleih, der praßtifche 
Mann, ein Redner wurde! Jacobi's Vermittelung blieb 
ohne Erfolg und Herbart's Verfuh, auf dem Wege ber 
Pfochologte zu Thatſachen des Bewußtſeins zu gelan: 
gen, will fi) der Kuͤhnheit moderner Forſchung nicht 
anfchließen. 

Hier endet der zweite Band der Kiteraturgefchichte 
Deutfchlands und laͤßt Stoffe genug für einen dritten 
und vierten übrig. Goethe und Schiller, die patriotifche 
und die junge, ben Geift emancipirende Schule, die poe: 
tifirende und die Sdentitätsphilofophie bieten Inhalt ges 
nug dafür dar. Wir aber haben mit einigen Bemer: 
Zungen unfere Anzeige der vorliegenden Bände zu fchließen. 

Nicht Alles in dem Ideengange unfers Referats ift 
aus dem Werke Laube's entnommen; Mandjes darin fin: 
det fi nur andeutungsmweife in feinem Buche. Inzwi⸗ 


[hen zeigt ſchon dies, wie fehr wir im Ganzen genommen 
mit feiner Gedankenreihe coincidiren. Der Verf. iſt fet- 
nee Stoffes, wie feiner Darftellung Herr; fein Styl ift, 
ohne plan und flach zu fein, verfländlich, erhebt fich, wo 
es fein darf, zum Rhetoriſchen und hat genugfamen kri⸗ 
tifhen Kern, um niemals unter der Scala bes Paffenden 
zu finten. Seine Ideen find zum Theil neu und über: 
vafchend; in Erkennung ber Keiterien, des Unterfcheiden- 
ben ift er Meifter, und infofern als er keinem Vorbilde 
folgt und feinen eigenen Gang behamptet, iſt er originell, 
fetbft genial. Sein Buch gereicht der Literatur zur Ehre, 
und wenn es auch nicht überall Autorität machen will, 
feinem Scharffinne, feiner Kritik zur Begründung, ja 
zum Ruhme. 

Über feine Weife, das Biographiſche neben und mit . 
bem Kritifchen zu behandeln, haben wir jedoch eine etwas 
abmeichende Anfiht. Nicht felten nimmt der Verf. bie 
literarhiſtoriſchen Momente zur Bafis des Biographi⸗ 
[den und entwidelt fomit gleihfam das Leben ber Pers 
fonen aus ihren Beſtrebungen. Dies geſchieht nament: 
ih bei einigen volltönenden Namen unferer Gulturges 
ſchichte, bei Zucher, Leffing und Herder. Das umgelehrte . 
Verfahren fcheint und aber das richtigere zu fein; denn 
wie wir auch fireben und ringen mögen, bie Entſcheidung 
über uns kommt doch von den Bedingungen unferer Eis 
ftenz ber. Sol die8 an einem Beiſpiele Mar gemacht 
werben, fo fragen wir uns nur, ob wir bie Bibelüber: 
fegung Luthers nicht feiner einfamen Gefangenfchaft auf 
ber Wartburg verdanken? Ohne diefe, und gefchleubert in 
den Streit und die unruhige Bewegung nad) dem worm: 
fer Reichetage, wäre ber große Moment vielleicht für 
immer verfäumt worden. 

Sonft ift die fonthetifche Behandlungsweiſe allerdings 
bie einzig genügende, und in der Mehrzahl von Fällen 
weiß der Verf. audy die Klippen gut zu vermeiden, an 
benen bie wahre biftorifhe Darftellung fcheitern Eann. 

Alles zufammengefaßt, iſt dies Buch eine bebeutenbe, 
eine wichtige Erſcheinung voll fchärfftee und befonnenfter 
Kritik und in muftechafter Auffaffung. Wir dürfen mit 
Recht auf feine Fortführung im Geiſte der vorliegenden 
Bände gefpannt fein, und vertrauen, daß es dem Berf. 
gelingen werde auch bier den rechten Geſichtspunkt für die 
Beurtheilung der modernen Beftrebungen unferer Literatur 
gegen fo barode und unzulängliche Angriffe zu vindiciren, 
wie fie ber jüngft bekannt gewordene Marmier’fche Auf: 
fa& dargeboten hat. 

Wilhelm von Lüdemann. 





Almanach für das Jahr 1840. Der Belehrung und 
Unterhaltung auf dem Gebiete der Erdb:, Laͤnder⸗, 
Voͤlker- und Staatenkunde gewibmet von Heinrich 
Berghaus‘ Vierter Jahrgang. Mit einem Bildniß 
und zwei Landkarten. Gotha, J. Perthes. 1840. 
12. 2 Thlr. , 

über den Werth diefed Almanachs hat das Vaterland bes 
reits gerichtet, und jeder neue Band mit gleicher Kenntniß, 





955. 


leicher Brünblichleit und Gorrectheit, gleicher Mronnichfaltig: 
keit und Reichhaltigkeit bearbeitet, wird eine willlommene Gabe 
fein. Dee Hr. Herausgeber ift ſich aber auch feiner Tüchtigkeit 
im Fache der Geographie und Statiſtik fo bewußt, daß er nicht 
aur feit dem Erſcheinen des erften Bandes im 3. 1836, fons 
dern auch „ſeit einem Vierteljahrhundert nicht eine einzige deut⸗ 
ſche Literaturzeitung“ gelefen Hat! 

Es ift hier nicht der Drt, ben gelehrten Hrn. Verf. eines 
unzeitigen Hochmuths zu zeiben, zumal ba wir aus dem In⸗ 
gehe diefes Jahrgangs faſt noch mehr als aus dem ber früs 

een entnehmen, daß er einen fehr bedeutenden Theil feines 
Materials aus englifchen, zuflifchen, franzöfiihen und amerika: 
nifchen Zeitfchriften gefchöpft und mit ben unmittelbaren Mit: 
theilungen ber koͤniglichen großbritanifchen geographifchen Ge⸗ 
ſellſchaft, deren auswärtiges Mitglied er iſt, verarbeitet hat. 
Es rebet fih alfo Hier nicht von bedeutenden eigenen Schöpfuns 
gen, fondern von guten und nuͤtzlichen Gompilationen und was 
ſollen deutſche Literaturzeitungen dazu fagen? Die Vergleichung 
der Quellen, aus benen ber Hr. Verf. fchöpfte, ift oft nicht 
möglih, und ob Abfchriften richtig und getreu gemacht jind, 
darauf kommt bei der Kritit des Textes folcher Werke nichts 
an. BDeffenungeachtet Fönnte der Hr. Verf. wol aus beutfchen 
Literaturzeitungen einigen, ſehr wichtigen Stoff für den Alma⸗ 
nach entnehmen und es würde minbeftens recht patriotifch fein, 
wenn er 3. B. fobald wie möglich die vielfachen Beſtrebungen, 
die Geographie zu einem nüglichen Gegenftand des Volktunter⸗ 
richte zu machen, feiner gelehrten Aufmerkfamleit unterwürfe, 
die fehlechten Atlafje, welche gewifle Buͤcherfabriken mit unerhörter 
Dreiſtigkeit als unübertrefflih gute und correete Arbeiten anpreis 
fen laſſen, feiner competenten Kritil unterwürfe und auf biefe 
Art einer ſehr falfchen, fehlerhaften Anfchauung von der Bil: 
dung der Erde und ihrer Theile, der Richtung und Gliederung 
der Gebirge, dem Laufe und ber Scheidung ber Gewäfler 
u. f. w. vorbeugte. 

Allein, da der Hr. Verfaſſer keine beutfche Riteraturzeitung 
Lieft, fo arbeitet er noch weniger für eine, und es ift alfo ganz 
überflüffig, hier einen Gegenſtand feiner Aufmerkſamkeit zu em⸗ 
pfehlen, der gerade von ihm behandelt, jedem mit dem Fache 
belannten Landsmann im höchften Grade inſtructiv fein und 
jedem Lehrer, ja jeder ben Unterricht beauffichtigenden Behoͤrde 
von hoher Wichtigkeit fein würde. Noch wiffen wir kaum, wie 
wir Geographie in Volksſchulen behandeln follen, und daß daran 
die Mangelbaftigkeiten der für den Unterricht erfcheinenden Kar: 
ten hauptſaͤchlich ſchuld fei, wird jeder Lehrer bekennen müflen. 
Hier alfo wäre etwas zu regulicen, und in ber Stellung, wel: 
ce ber Hr. Verf. einnimmt, läge dies in feiner Hand. 

Der diesjährige Almangch enthält zunächft meteorologifche, 
bubrotogifche und hypſologiſche Rachweiſungen; bie erfleen ver: 
breiten fih über Europa binaus, bie beiden letztern haben 
deutfhe Ströme nebft der Weichfel und beutfche Hoͤhen⸗ 
meflungen zum Gegenflande. Den erflern ift eine Tafel zur 
Verwandlung ber Gelfius’fchen Thermometerſcala in die Rau: 
mur’fhe, und ben Iesten eine Tafel zur Verwandlung bes 
preußifhen Kußmaßes in parifer Fuß und Meter beigefügt. 
Diefen Abfchnitten folgt eine hoͤchſt intereffante Wergleichung 
der Epochen der Wegetation im 41. 49. 51. und 60. eus 
sopäifhen Breitengrade und im Koͤnigreiche Sachſen mit ber 
von Nordamerika. Hoͤchſt willlommen werben bie geogra= 
phifhen Ortsbeftimmungen in Deutfchland und Frankreich 
fein, welche mit bebeutenber Volftändigkeit bier zufammenges 
tragen find. 

Hierauf folgen Abhandlungen von mehr oder minder 
allgemeinem Intereſſe. Am wichtigften möchten barunter bie 
Mittheilungen über Südafrika nah Meyer, Drege und Krauß 
und über den Hindu⸗-Kuſch, das Kabul: hal und die be: 
nachbarten Gegenden von Dr. Lord fein, obgleich letztere nicht 
neu, fondern nur aus bem „‚Journal of the Asiatic s0- 
ciety of Bengal“ entlehnt find. Beſonders anfprechend ift bie 
Törnige Individualität des Würtembergers Dr. Ferdinand Krauß, 


welcher feit dem Mai 1888 yom Gap aus unter gewaltinen 
Strapatzen bie Gebirge und Wüäften in ber —— 
Colonie durchſtreift bat und jest mit feinen reihen Sammlun⸗ 
gen auf ber Rückreiſe nad) Deutichland — von wo aus ihn der 
Raturforfcherverein Würtembergs entfendete — begriffen ift. 


In ben, vom Hrn. Verf. hier zum Theil aus der „Preußi 
fen Staatögeitung”’ wiederholten, Erinnerungen an Fat un 
Bolt von Afghaniftan vermiflen wir intereflante, auch von 
neuem Reiſenden gegebene Andeutungen über die Abftams 
mung dieſes Wolle von den Kinbern Israels. Sie ſelbſt 
nennen ſich „Bin i Israel”, d. h. Kinder Jscraels ‚ und 
wollen nad ihren Urkunden von Nebukadnezar nach der Zer⸗ 
ftörung des Tempels in SIerufalem nah Bameean (dem 
jegigen Caubul) geführt worden fein. Den Ramen Afobas 
nen follen fie nad ihrem Anführer Afghana, der ein Sohn 
vom Oheim des Aſof (des Vezirs des Salomo), dem 
Sohne des Berkin, war, erhalten haben. Sie ſagen, daß 
fie bier als Juden lebten, bie Khaleeb, ber den Titel Khalif 
befam, im erflen Jahrhundert der Hedſchira, fie aufrief an dem 
Kriege gegen bie Ungläubigen Theil zu nehmen. Für ihre 
Dienfte gab ber Khalif ihrem Befehlshaber Kyfee den Zitel Abs 
boolsufcheed, d. h. der Sohn des Mächtigen, und ernannte ihn 
zum Butan oder Haͤuptling des Geſchlechts. Nach diefem Zis 
tel wurden bie Afghanen in Indien Pataner genannt, eine Bes 
nennung, die noch jegt flattfindet und die man fidy nicht hat 
erllären können. Rach dem Peldzuge unter Khaleeb wurden 
bie Afghanen von einem Löniglichen Gefchlechte aus dem Stamm 
bes Kyanee ober Eyrus beherrſcht, bis fie im 11. Jahrhundert 
von Mohammed, einem turkomanniſchen Fürſten, unterjocht 
wurden, der, nachdem er zuerft feine Herrſchaft in Ghuzni bes 
feftige hatte, einen großen Shell Indiens eroberte und dort das 
afghanifche Reich gründete, welches Beſtam hatte, bis Baber, der 
Nachkomme Tamerlan’s, dort das mongolifche Reich fliftete. 

Die Geſichtszüge der Afghanen find den jüdiſchen ähnlich; 
fie fagen ſelbſt, daß fie von den, von ihnen jegt verachteten Zus 
ben herſtammen, und würben dies alfo nicht behaupten, wenn 
fie Zweifel dagegen begten. Auch folgen fie noch in mehren 
weſentlichen Punkten dem Mofaifhen Geſetz, 3. B. darin, baß 
ber überledende jüngere Bruder bie Witwe des Altern heirathet 
u. bergl. m. Sie Tonnen auch in ihren Büchern einen Jeſus, 
aber nicht ben Meffias, fondern den Jeſus Sirach. 

Aus der von Dorn überſetzten Gefchichte der Afghanen von 
Nedmul uUllah hätten die Rachweifungen über die ältere Ges 
ſchichte diefes Volks vieleicht etwas mehr Gehalt und Gharaks 
ter befommen können, denn was ber Hr. Verf. -gibt, if 
nicht geeignet bie Afghanen in irgend eine der mittel: ober 
hochaſiatiſchen Wöllerfamilien einzureiben, und erinnert nur 
auffallend an den arabifchen Volkecharakter, ohne gleichwol bie 
zu Gebote fiehenden Rachweifungen zu geben, wie diefer ſich 
bier feflfiedeln und entfalten Eonnte. 

b die „Bruchſtücke aus dem Tagebuche einer Reife durch 
bie untern Donauländer nach Konftantinopel don X. Zreiberen 
von Bergh” verdienten in ber Reihe der bier gegebenen 
wichtigen Auffäge zu erſcheinen, laſſen wir dahingeſtelt. Es 
klebt ihnen fo viel Iugendliches, wir möchten nicht fagen Uns 
reifes an, daß wir fie an einer andern Stelle recht gern gelefen 
hätten, hier aber mit Verwunderung angetroffen haben, zumal 
da weit Gediegeneres über benfelben Gegenſtand bereits olelfach 
vorhanden ift. 

Den Schluß bes Almanachs bilden vortreffliche ftatiftifche 
Nachweiſungen über ben deutfchen Zollverein. Won ben beiden ans 
gehängten Karten feheint uns die von Südafrika entweber bie 
geographifche Runftfchule in Potsdam oder ben Griffel des Hrn, 
Wild. Iättnig in Berlin gerade nicht befonders zu recommans 
biren. Der Stich ift ungleich und befonders für bie Kleinheit 
bes Kormats unklar und unzart. Da wir beimeitem befiere 
Arbeiten auch von dorther gewohnt find, fo verdient bies eine 
Rüge. Das Kärtchen von ber arktifchen Küfte Amerikas, von 
W. Baͤrns geftochen, entfpricht in jeder Beziehung mehr den 


— 


0856‘ 


nfoderuttgen denen man: Sereihtigt iſt. Bas KBildnif 
y e et, des Wanderers im Shile und Peru, wel: 
ches den Titel ziert, iſt eine dankbar amuerkennende Zierde 
des Werks. 6. 





Ehatterton. 


Philarete Chaeles ſagt bei Gelegenheit einer Veurtheilung 
über die, Oeuvres complätes de Ohattorton traduites par 
Javelin Pagnon, pröotdees d’une vie de Chatterton, par 
A. Callet!', einige fehe wahre und treffende Worte über bie 
Sucht vieler fogenannten Genies, die Aufmerkſamkeit zu erre⸗ 
gen und fi) von oller Welt verfannt zu glauben. Dieſe uns 
glüdtichen Benies find, wie Ph. Ehasles ſagt, die Geburten 
der modernen Geſeliſchaft. Hierzu rechnet er Chatterton, den 
deutjchen und den Zranzofen Gilbert. Woher hat er aber 
feine. Rachrichten über das Lebensende bed deutſchen Sonder⸗ 
u und Dichters Lenz? Gr fagt: „Niet gar lange Zeit 
I Shatterton’s Untergange*) findet man auf einer Heerſtraße 
Deutfchlande einen Leichnam, durchbohrt von einem Degen, «6 
ift auch ein Poet, Goethes Freund, kaum über die Jünglings⸗ 
jahre hinaus, und ein Rare aus Hochmuth: ex heißt Lenz und 
bat mehr Genie als Chatterton.“ Merkwürbig, welche ge: 
heime Auftchlüffe oft den Frauzoſen zu Gebote ſtehen! Freilich, 
aus dem Lenz des Philarete Chasles, ber füch ſelbſt entleibt, 
läßt fich wol ein kleines Drama, eine yilante Novelle machen, 
wenn man ben einmal eingefchlagenen Weg der Erfindung weis 
ter verfolgen will; aus dem Lenz der Geſchichte aber, der wahn⸗ 
finnig und arm in Moslau flirbt, läßt ſich nicht wohl etwas 
anders berftellen als eine pfychologifche und biogzaphiiche Ent: 
widelung, Dem Misgefehide trogen, das, fagt Chasles, ges 
ieme einen Genie, denn nie war das Benie glädtih, es bat 
mmer gegen die VBrutalität und Unwiſſenheit ber Geſeilſchaft 
zu tämpfen gehabt. „Schiller“, führt ex fort, „mußte flüchten 
und war mit Gefängnißftrafe bedroht; Abbe Prevoft erhielt 
obes erwartete von ber Güte eines Buchhändlers allmorgentlich 
fein Zrüpftäd; ein armer junger Irländer, ohne Freund, fehrieb 
anonyme und ſchlecht bezahlte Artikel für die Londoner Jour⸗ 
nale und faß dann träumerifdg auf einer Bank des St.⸗Ja⸗ 
: med: Parks — diefer junge Träumer hieß Burke; ein Medhtes 
anwalt lauerte acht Tage lang auf die Guiner, welche ihm ein 
Proceß, werin er die Bertheidigung geführt, eindringen mußte — 
diefer Rechtsanwait hieß Pitt; der gelehrteſte Mann Englands 
arbeitete ununterbrochen von ſeche Uhr Morgens bis feche Uhr 
Abends an feinem Lerilon — birfer Gelehrte hleß Samuel Johns 
fon.’ Hierauf kommt Chasles auf Vigny's Novelle: „Chatter⸗ 
ton’ zu ſprechen, worin er, nach Ghasles’ Anficht, den Lägnes 
riſchen und giellofen Lebenslauf Ghatterton’s mit einem Heili⸗ 
genſchein umgeben, dadurch bie Begriffe verwirrt und mehr als 
einen zungen Menſchen dazu gebracht habe, zu fagen: Ich bin 
Shatteston! „Aber, fährt ee fort, „man leſe nur die genauen 
Beugmiffe über fein Beben, die Hr. Gallet fo fergfältig geſam⸗ 
meit und als Ginleitung dee Yagnon’fchen Überfehung ber Werke 
Shatterton’s vorangeſchickt hat. Es war kein moralifches Prins 
cip in Chatterton, nichts Iebte in ihm als Hochmuth, Begierde 
und Lüge. Gr mitbrauchte alte Pergemente, um fi etwas 
Gelb zu verſchaffen; er fabricirte Werfe nad altem Muſter, 
weil fie, für alte gute Münze gehalten, fich in Guineen vers 
wandeiten und in biefer Werwanbt ihren Ein in feine 
Zafchen nahmen. Diefes Gewerbe erfbim ihm einträglidh. Gr 
ging. nach Sonden, um es zu betzeiben, aber er fah fich in feis 
ner Soffnung getaͤuſcht. Weber in politifcdger noch literarifcher 
Hinſicht gewifienhaft, fubelte er nun Pamphlets; exfolglofe 
Mühe! der Play war von vieden Anbern bereits in Beſchlag 


*) Chatterton vergiftete fid im Sehre 1770, Lenz aber farb ZU 
Jahre ſpaͤter. 


genommen. Er ſchtieb mintferfeile und anfinıtnifterteite Au, 
ſchriften und gewann einige Oreier, aber Stolz, Berdruß, But 
rieben ihm auf — er töbtete ſich ſelbſt. Trauriger Erbenstauf! 
Der Hohmuth re darin, wie Gatanas in feinem Feuer: 
meere. Da ift Beine Eiche, Leine Aufopferung, ein Gewiſſen! 
Fortune machen, Geld gewinnen, bie Kritiker täufchen, das 
große Loos im Lottofpiele ber Welt ae glänzen, hertſchen, 
betrügen, genießen — das find bie e und Beſtrebungen, 
welche dieſer Menſch von 18 Jahren in fi ſchließt! Rein! 
geflattet und, Andst Ghenter zu bevundern, der fo muthvoll 
war, Raeine, bee ſich im häuslichen Erben fo weich erwies, 
Walter Scott in feinse rechtſchafſenen und Ioyalen Lanterkeit, 
Vauvenargues auf feinem Gchmergensiager! Dieſe alle hatten 
wahrhafte Reiber, wirkliche Feinde, reelle Kämpfe; fie hatten 
ihre Proben abgelegt, und fie Haben erlitten, als echte Helden, 
bie de des Schaffots, wie dir Bine; das Gebell einer 
Meute von Glaͤubigern, wie Walter Seott; oder den Bunger, 
oder bie gaͤnzliche Verlaſſenheit, ober ben korperlichen Schmerg 
oder bie Berfchwörung des Ignorirens ober den zerſchmettern⸗ 
den Unwillen eines Könige!‘ $, 





Notizen. 


Der Graf von Munſter befſchaͤftigt ſich ſeit vielen Jahren 
mis dee Sammlung von Materialien zu einer Kriegsgeſchichte 
ber mohammebanifchen Voͤlker von bem Auftreten ihres Relis 
gionsfiftere bis auf die Gegenwart, Zu diefem Behufe hat er 
jegt ein arabiſches Verzeichniß von geſchichtlichen und kriegs⸗ 
wiffenfaftlicken Werken, bie er zu verfchaffen wünfdt, 
angefertigt und, begleitet von einer Auseinanderfehung der Ge: 
enftände , die für feine Unterſuchungen in den gefuchten Ber⸗ 
en am geeignetften find, verfendet, mit ber Auffoberung an 
alle dazu irgendwie Befähigte, ihm bie erfobertidden Nachwei⸗ 
jungen zutommen zu laflen und zu dem Beſite des nadımeiss 
arın Materials zu verbeifen. 


Das ‚„‚Athenaeum‘’ thellt von einem deutſchen Cotreſpon⸗ 


denten Überfegungen der Beiden Lieder aus Goethe's ‚Kauft: 
„Der König von Thule” und „Es war einmal ein König” 
u. f. w. mit. Namentlich gelungen ſcheinen die dritte und bie 
beiden lezten Strophen bes erfiern, während in bem letztern 
manche harakterifiifche Eigenthumlichkeit verioren gegangen iſt 


und das Ganze fid; überhaupt zu feet von denn Originale 
entfernt. | 


’ * Zeg⸗ — — of nr in the oldes time’ 

weite Gerie enen, welche fich würdig an bie erfte 

anſchließt. Sie enthält bie Halle zu eittlecotes > die Borhalle 

ae su Knowle und die große Treppe gu Hardwicke 
al, ‘ 
\ 


Seit Strabo galt der @ipfel des Gebirges Argdıy in 












Punkt Keinaſiens, von welchem aus man bie Wafferfiädg ſo⸗ 
wol des Pontus Eurinus als des mittelländifchen Meerd zu 
entbeden im Stande ſei. W. Ainswortb in einem der lon vner 
geograpbiichen Gefellichaft vorgelegten Berichte über eine 
von Angora nach Bir über Kalfarich (das alte Säfaren), 
cher den Ardſchiſch (der jehige Name bes Argäus) ber 
ziebt die Iehtere Annahme in Zweifel, geftügt auf befien deite 
Entfernung von 170 engliſche Meilen vom ſchwarzen, und AAO 
geographifche Meiten vom mittelländifchen Meere, durch wache 
fi überdies auf beiden Seiten hohe Gebirgsézuge hindurchzi 


Die wertbouolle Sammlung en i G 
zu Fein Park ward, Er Fe an 


Kappabocien, in der Nähe von Caͤſarea gelegen, für den a1: 


Marquis von Abercorn übergegangen war, zu Ende Juni zır 
47. 


hoͤchſt billigen Preifen verfteigert. 


Verantwottlicher Deraudgeder: Heinrich Brodhaus — Drud und Verlag von 8. A. Brockhaus in Teinzig. 
‘ a ST — ——— — — — 


⸗ 


Blätter 


für 


literarifſche unterhaltung. | 





Dienftag, 





41. Emilie, oder die getrennte Ehe. Won dem er: 
faffer der „Anna, oder Weltleben und Enttäufchung”. 
Aachen, Cremer. 1839. Gr. 12. 14 Gr. 


2. Seraldine, oder Gefchichte der Führung einer Seele. 
Aus dem Englifhen. "Drei Theile. Augsburg, Koll: 
mann. 1839. Gr. 12. 3 Thlr. 3 Gr. 


Mir wiſſen diefe beiden Romane nicht richtiger zu 
claffificiren und nicht kürzer zu charakterifiren, als durch 
obige Überſchrift. Dem Jeſuitismus eigenthuͤmlich iſt ber 
eingefleiſchte, unverſoͤhnliche, immer grollende, gelegentlich 
aufbrauſende Haß gegen Alles, was proteſtantiſch oder 
evangeliſch heißt (er bleibt darin ſeiner erſten Beſtimmung 
treu), ein unermuͤdliches Streben und Ringen nach alles 
uͤberwiegendem Einfluß, nach Alleinherrſchaft und Gewalt, 
eine ungemeine Klugheit und Gewandtheit, Irdiſches und 
Himmliſches, Weltliches und Geiſtliches miteinander zu 
verweben, und nach Zeit und Umſtaͤnden Eins dem An⸗ 
dern dienſtbar, die Menſchen aber zu Werkzeugen ſeiner 
Plane zu machen, eine unbeugſame Conſequenz in der 
Verfolgung ſeiner Zwecke und eine unbedenkliche Willkuͤr 
in der Wahl ſeiner Mittel. Mit ſolchen Waffen, glaͤn⸗ 
zend zumal im Heiligenſchein roͤmiſcher Orthodoxie und 
Askeſe, zu rechter Zeit ſich verbergend und die zu erſtuͤr⸗ 
mende Veſte geheim unterminisend, aber zur gelegenen 
oder günflig fcheinenden Stunde mit lautem Siegegefchrei 
wieder hervorbrechend, Laßt ſich Manches ausrichten und 
Mandyes gewinnen, auch die Wahrheit als Lüge oder 
Irrthum verbädhtigen und die Lüge feibft als Wahrheit 
fiempeln. Aber die Wahrheit bleibt doch Wahrheit, und 
die Rüge, noch fo kuͤnſtlich bemäntelt und noch fo reizend 
ausfaffirt, nur Lüge, und ob auch Viele verblendet und 
bethört würden, baß fie ſich überseden ließen, fie thäten 
dem Herrn einen Dienft und bauten ſich eine Stufe zum 
Himmel, wenn fie dem Licht, das in der Finſterniß 
leuchtet, die Augen verfhlöffen und beugten fich wieder 
unter das knechtiſche Joch, von dem fie frei geworben, 
fo bleiben doch immer Augen offen, die Licht fuchen, und 
Geiſter Iebendig, die ſich nicht dämpfen laflen. 

Wenn wir jene zwei Romane als jefuitifche be: 
zeichnen, fo möge bas im möglichft guten Sinne genoms 
men werben, ohne über fie von vorn herein, bevor bie 


25. Auguft 1840. 


Acten zum Spruch gehörig inftruirt find, das Uxthefl zu 


fpeehen. Beide find Zeichen der Zeit, und zwar bedeut⸗ 
fame und fehe beachtenswerthe, obwol ber eine in weit 
höherm Grade als der andere. Beide find darauf be: 
rechnet, die bebauernswürdigen Proteftanten in den Schoos 
der alleinfeligmachenden Kirche zurüdzuführen und fie wie: 
der unter das alte Zoch, das ihnen im reizendſten Lichte, 
unter der mildeflen Geftalt, nicht als ein Zoch, fondern 
als das einzige, nothwenbigfte und ficherfte Heilmittel und 
als eine Ehrenkrone bargeftellt wird, zu beugen. Beide 
wollen die Welt überreden, wir feien mit unferm Wiber- 
ſpruch und Wibderflande gegen die römifche Kirche in ei⸗ 
nem ebenfo dummen wie feelenverberblichen Irrthum be: 
fangen; es fei lauter Irrthum, Unwiffenheit, Mangel an 
rechter Erkenntniß, an vertrauter Bekanntfchaft mit dem 
Seift und Wefen, mit den Lehren und Gebräuchen des 
Katholicismus, mas uns bdemfelben fo abgeneigt mache; 
die Reformatoren feien nichts als verbiendete, hochmüthige, 
eigenfinnige, tegerifche Leute geweſen, undanfbare, unge: 
borfame, vermeffene Söhne der treuen, reinen Mutter, 
Empörer gegen göttliche und menfchliche Ordnung, Revo: 
lutionnaire, die an die Stelle der alten mufterhaften Orb: 
nung und Verfaſſung bie fchnödefte Willkür, Eigenmadht 
und Anarchie gefegt hätten, bie ganze Reformation ein 
Gaukelſpiel, ein Teufelswerk, und die proteftantifche Kirche 
fei noch heute nichts Anderes als eine abtrünnige Sekte. 
Dies zu bemeifen oder dody- glaublich zu machen, und in 
den Akatholifchen ein Verlangen nach ber untrüglichen 
Richtſchnur und in ber fihern Zuflucht, welche das Papfl: 
thum gegen fo viele unter uns herrfchende unheilvolle Übel 
barbeut, zu ermweden, wird, nad) Weile ber falfchen Pro: 
pheten, Wahrheit und Unwahrheit durcheinandergemifcht, 
jede Schattenfeite des Proteftantismus fo fcharffinnig wie 
feindfelig hervorgehoben und zur Schau geftellt, die offen- 
bare heile Lichtfeite kuͤnſtlich verdunkelt, oder, wo das nicht 
gelingen will, nur als ein, auch in feiner Entftellung 
noch duschleuchtender Ausflug der Mutterficche, als der 
farge und verbliebene Meft ihres unvermüftlichen Erbes 
bezeichnet. Es ift keine Lehre, kein Gebrauch, keine Dis: 
ciplinarmaßregel des Papſtthums, bie nicht ihre vollftän- 
dige Rechtfertigung fände in ihrer von den Proteflanten 
nur nicht verflandenen Weisheit: und Wortrefflichkeit. Won 
dee Nothwendigkeit oder Zulaͤſſigkeit irgend eines Art von 


958 


Meformation innerhalb der tömifchen Kirche, von Irrthuͤ⸗ 
mein und Misbraͤuchen, die ſich etwa eingeſchlichen ha⸗ 
ben koͤnnten und nach der Meinung erleuchteter Katho: 
lifchen wirklich eingeſchwaͤrzt worden find, kann natuͤrlich 
nicht die Rede ſein. Das iſt neben ihrer anzuerkennen⸗ 
den ſtarken, die ſchwache Seite ſolcher Apologien des Ka⸗ 
tholicismus, daß ſie nicht offen und ehrlich, wie der 
geſunde Proteſtantismus, mit der Sprache herausgehen, 
nicht zugeſtehen, Dieſes oder Jenes koͤnne in ſeiner Er⸗ 
ſcheinung beſſer ſein, laſſe eine Reform zu, beduͤrfe einer 
Modification; indem man eben Alles, was in der alten 
Kirche iſt und wie es iſt, vertheidigt, auch Das, was 


ſeit drei und vier Jahrhunderten von Tauſenden und von 


ſehr gchtbaren Zeugen, ſelbſt von treuen Gliedern der roͤ⸗ 
miſchen Kirche, mit gutem Grunde, mit hoͤchſtem Recht 
gerügt und in feiner Mangelhaftigkeit oder Entartung 
nachgemwiefen worden ift, nicht blos zu entfchuldigen, fon: 
dern auch zu rechtfertigen verfucht, verfehlt man, trog 
aller fonftigen Klugheit und Gemwandtheit feinen Zweck, 
wie Jeder, der den Irrthum gegen die ſiegreiche Gewalt 
der Wahrheit ſchirmen will, oder, weil er zu viel zu be⸗ 
weiſen gedenkt, nichts beweiſt, und um ſo gewiſſer auch 
gegen Das, was er wahr behauptet, Verdacht erregt. 
Es beſtaͤtigt ſich wol auch hier, daß, wie die echtchriſtliche 
Sittlichkeit, ſo auch eine hoͤhere als die blos weltliche 
Klugheit, die ſtrenge Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit in 
der Wahl der Mittel, ehrenwerthe Zwecke allein wirklich 
foͤrdert, und daß das triviale Spruͤchwort: „Ehrlich waͤh⸗ 
ret am laͤngſten!“ noch immer in jeder Beziehung und 
unter allen Verhaͤltniſſen, wenn auch nicht in jedem Au⸗ 
genblick, doch auf die Dauer ſich bewaͤhrt. So wenig 
es in unſern Tagen noch gelingen kann, unverblendeten 
Gemuͤthern einzubilden, in der roͤmiſchen Kirche ſei Alles, 
durchaus Alles untadelhaft, unverbeſſerlich, vollkommen, 
Alles Ausfluß der hoͤchſten Weisheit, Alles Wort und 
Werk des Geiſtes der Wahrheit ſelbſt, ſo wenig wird 
man Glauben finden und die im evangeliſchen Glauben 
Herangewachſenen an ſich ziehen, wenn man dreiſt in 
den Tag oder in die Nacht hinein behauptet, an dem gan⸗ 
zen Proteſtantismus ſei nichts Gutes, nicht Ein gutes 
Haar, nicht nur tauge die Lehre, der Gottesdienſt, die 
Gemeindeverfaſſung nichts, ſondern auch der froͤmmſte 
Proteſtant koͤnne nicht recht glauben, nicht recht lieben, 
nicht recht hoffen, nicht recht beten, nicht recht leben noch 
ſterben! — Gewiß, Ihr lieben Eiferer! Ihr müßt es 
doch etwas anders anfangen, wenn Ihr uns aus unſe⸗ 
tee feften Burg herausloden wollt und hinein in euern 
Schafſtall! 

Dabei iſt nicht zu verkennen, daß in beiden Buͤchern 
auch ſcharfe Waffen mit allerhand Kriegsliſten und ge⸗ 
ſchickten Manoeuvern wider uns ſtreiten und manchen 
Schwachen an feinem Proteſtantismus ganz irre machen 
Eönnen. Wirklich werden fie nur den Schwachen im Stau: 
ben und in der Erkenntniß gefährlich werben, etwa einige 
MWeiblein gefangen führen, einigen durch politifche oder 
äfthetifche oder pietiftifche Schwärmerei ſchon präoccupirten 
Köpfen das blöde Auge nah Rom menden, oder auch 


ehrlich fuchende Seelen, bie mit Ungemwißheit und mit 
Zweifeln tämpfen, und weder Einſicht noch Kraft haben, 
ben in einen Nimbus von Unbefangenheit, Wohlmeinen 
und heiligem Eifer gehuͤllten Demonfteationen zu wiber- 
ftehen, in die Verfuhung führen, Troſt und Heil vom 
Übertritt zur roͤmiſchen Kirche ſich zw verſprechen; einen 
befonnenen, in feinem Glauben etwas feſter gegründeten 
Proteftanten, einen wiffenfchaftlich Durchgebildeten, oder auch 
nur mit gründliher Kenntniß der Kirchengeſchichte und 
Schriftaustegung geübten Mann werben diefe neuen offen- 
jiven und defenfiven Streiter um fo weniger wankend ma: 
hen, je offenbarer fie doch immer nur das alte Lied, mit 
einigen modernen Modulationen und Lodtönen durchwebt, 
wieder anflimmen und in die tiefer eingreifenden Gegen: 
füge und Widerfprüche gründlich einzugehen vermeiden. Es 
gehört auh Das zu ihrer Taktik, daß fie, wo fie auf 
peoteflantifche Grundfäge ſich einlaſſen, diefen immer wie: 
ber Behauptungen entgegenftellen, welche, längft mit zu: 
reihenden Gründen widerlegt, gleihwol als ausgemachte 
Wahrheiten ohne Scheu und ohne Rüdficht wiederholt 
werden, als fei der gründlichfte Gegenbeweis lediglich Mis- 
verftand und Irrthum, und als fei auf ihrer Seite allein 
das Licht und auf der entgegengefegten nur Finſterniß. 
Indem man immer wieder mit breifter Zuverfiht und 
die Argumente der Gegner vornehm überfehend, Daffelbe 
behauptet, überredet man endlich fich felbft wie die Kurz: 
fihtigen, bie auch das Unglaublichfte fi) aufdringen laſ⸗ 
fen, man fei mit Allem aufs Reine und mit der Wahr: 
beit fertig. Gefellen fi) dazu, wie befonders in dem Ro: 
man Nr. 2 der Sal ift, eine warme Auffaffung des 
Katholiciemus, rin tieferes Eingehen auf befien Lehren 
und Gebräude, mit ſcheinbar ernfter Beruͤckſichtigung der 
Gegeniehre, Spuren nicht gemeiner Kenntniffe, frappante 
Äußerungen, die einen guten Schein haben und ruhiges 
Nachdenken, forgfältige Prüfung, erleuchtetere Einfiht in 
Anſpruch nehmen, wenn fie nach ihrem wahren Gehalt 
und Berdienft gewürdigt werden ſollen, die tünftliche Ver: 
webung des Doctrinellen und Polemifchen mit einem fin: 
nigen Roman und eine anziehende, oft gemüthliche Dar- 
ftellungsreife, fo bat man allerdings Urfach zu warnen: 
Seid auf Eurer Hut und prüfet die Geiſter, bag Eud) 
der Schein nicht biende und verführe, glänzende Steine 
für baare Münze zu halten! 

In der That find beide Romane fehr beachtenswerthe 
Erfcheinungen, die zu einer befonnenen Prüfung um fo 
dringender auffodern, je entfchiedener fie eine in unferer 
Zeit mit mwiebererwachter Energie hervortretende Richtung 
des Eicchlichen Lebens beurkunden und die alten, lange 
erftorben fcheinenden SPrätenfionen des Papſtthums und 
der römifchen Hierarchie mit neuen oft uͤberraſchenden 
Wendungen, wenn auch nicht mit wefentlich neuen Be: 
weismitteln unterfiügen. Schon bie romanbafte Form, 
in welcher bie Apologie des Katholicismus und die Pole- 
mit gegen den Proteftantismus dargeboten werben, hat 
etwas Einſchmeichelndes und Verführerifches für die große 
Menge unterhaltungsfüchtiger, wenig nachdenkender und 
leichtbefriedigter Leſer. Wir verargen es den uns un: 


.. 


bekannten Verfaſſern keineswegs, daß fie ihre Tendenzen 
in eine Geſtalt Heiden, in der fie am leichteflen Eingang 
finden koͤnnen, und deren manche Gegner ihrer Sache 
mit Gluͤck und Erfolg ſich bedient haben; wir fehen nur 
auf den Gehalt und die Bedeutung diefer Geflalt, von 
der mir nicht einmal eine kuͤnſtleriſche Vollendung begeh: 
ven wollen, wenn fie nur mäßigen Foberungen entfpricht 
und für eine gerechte Sache mit gerechten Waffen ftreitet. 

Es verſteht ſich von felbft, daß unfere Anzeige eine 
gründliche MWiderlegung aller der halbwahren und ganz 
falfchen Behauptungen, weldye die handelnden Perfonen 
ausfprechen, nicht beabfichtigen kann; die Aufgabe wäre 
fo gar ſchwer nicht; aber fie könnte nur in einer umfaf: 
fenden Gegenfchrife befriedigend gelöft werden, und würde 
doh auch zumeift nur wiederholen muͤſſen, was feit 
300 Jahren erleuchtete Proteflanten den gewiegteften 
MWiderfachern entgegnet haben. Hier müffen wir und auf 
Andeutung des Inhalts beſchraͤnken. - 

Der Verf. von Nr. 1 (die „Anna, oder Weltleben 
und Enttäufhung”, als deren Verf. er ſich bezeichnet, tft 
uns nicht bekannt geworden) widmet fein Büchlein „dem 
Verf. von Clemens Auguft, E. v. K. ein Sendfchreiben 
an ben Freiherrn v. Gagern ıc. mit innigfter Dochady: 
tung” und verfichert, „die Gefchichte einer getrennten Ehe 
fei Eein Traum ber Phantafie, fondern eine traurige 
Wirklichkeit”, was in jeder Beziehung wahr fein mag. 
Seine Anonymität rechtfertigt er damit, daß es zur Er: 
reihung feines Zwecks, nämlih „in den jungen Gemuͤ⸗ 
thern die Überzeugung zu befeftigen, daß in der innigften 
und heitigften Verbindung kein wahres Gluͤck zu finden 
fei, ald nur dann, wenn die Religion — aud in ben: 
felben Srundfägen, in demfelben Glauben die Satten auf 
ewig vereinigt”, der Nennung feines Namens nicht be: 
dürfe. Es erregt ein nicht gerade ungünftiges Vorurtheil, 
wenn er in der Vorrede verfichert, dem Ziele, das alle 
Kräfte vereinigen follte, die Wahrheit der katholiſchen Re: 
ligion vor „unſern getrennten Glaubensbrüdern mit ſcho⸗ 
nender Liebe in ihrem ganzen Lichte zu zeigen’, mit allem 
Ernft nachzuſtreben. 

Die Gefchichte der getrennten Ehe wird in Briefen 
mitgetbeilt, welche Mathilde, eine vater: und mutterlofe 
Waiſe, aber eine fehr reiche Erbin eines adeligen Hauſes, 
mit ihrem vortrefflihen Bruder, der aus heiligem Eifer, 
mit Verzichtleiſtung auf alle Ehren und Güter feines 
Standes und feiner Familie, Eatholifcher Priefter und, 
nachdem er die Erziehung feiner einzigen ihm anvertrauten 
Schweſter vollendete, Miffionnair in Neufundland warb, 
und mit ihrer Freundin, der reizenden Emilie mechfelt, 
wozu noch einige andere Gorrefpondenten fich gefellen. Der 
fromme Bruder, der noch, bevor er fich einfchifft, von 
London aus in einem langen Sendfchreiben, zur Beant: 
wortung ber Stage: welche von den Religionen die wahre 
fei? ihr die wefentlichen Grundſaͤtze der römifchen Kirche, 
mit nachdruͤcklicher Abwehrung aller Andersbenfenden, zu: 
fammenftelt, bat fie im katholiſchen Glauben fo uner: 
ſchuͤtterlich feft gegründet, daß fie die Hand eines liebens- 
würdigen und von ihr zärtlich geliebten jungen Grafen 


mit bewundernswuͤrdiger Überzeugungätreue und Refigna- 
tion ausſchlaͤgt, fobald fie erfährt, daß der Geliebte ein 
Proteftant iſt. Nicht fo ſtandhaft ermeift fi ihre Freun⸗ 
din Emile, die, obwol fonft gutkatholiſch, doch der zaͤrt⸗ 
lichen Neigung zu einem Afatholifchen nachgibt, den Bru⸗ 
ber jenes Grafen eheliht und mit ihm von Strasburg 
nad) Berlin zieht, wo benn die neuen proteftantifchen 
Verwandten fie zwar freundlich aufnehmen, aber doch et⸗ 
was ſcheel anfehen. Der junge Gemahl huldigt ihr mit 
der zärtlichften Aufmerkfamkeit, hindert fie nicht nur nicht 
in ihren Eichlichen und häuslichen Andachtsübungen, fon: 
dern begleitet fie auch vegelmäßig in die Meffe, wogegen 
fie, um ihn in dieſem Liebesdienfte nicht zu ermäben, 
nicht mehr alle Zage in die Kirche geht, was freilich ſchon 
einen Schatten auf ihre Ehe wirft. Doc fie hat dem 
Manne ihrer Liebe einen Sohn geboren, was ihr Gluͤck 
um fo mehr erhöht, da ber gluͤckliche Water ihr den 
Wunfc gewährt, daß das Kind ihrer Kirche angehören 
fol. Aber ein böfer Dämon, in der Geſtalt eines Oheims 
ihres noch immer „‚angebeteten” Gemahls, greift feindlich 
in ihr eheliches Gluͤck ein, ſodaß fie nach neunjähriger 
nicht ungetrübter Dauer deſſelben den Wankelmuth ihres 
Gemahls beklagen muß, der gegen feine deutliche Zufage 
dem Sohne doch einen proteftantifchen Lehrer gibt, und 
15 Monate fpäter fogar in ein junges Mädchen, das 
mit Vorwiſſen und unter Begünftigung des böfen Onkels 
ihn an ſich gezogen hat, fich verliebt, dann, um biefe 
Buhle zu ehelichen, von feiner treuen, fo lange zärtlich 
geliebten und noch immer verehrten Emilie fich fcheiden 
Laßt, nicht ohne innere Kämpfe und Gemiffensbiffe, mit 
dem Bewußtfein, daß er ſich unglüdtich made und an 
dem treuen Weibe fich verfündige, aber kraft⸗ und halt: 
106 der Schlange folgend, die ihn verlodte und die er 
nicht einmal achten kann. 

Daran iſt nun allein die proteftantifche Kirche ſchuld, 
weit fie die Ehefheidung und die Wiederverehelichung ber 
Geſchiedenen geftattet und dadurch edle Männer verleitet, 
einer fündlihen Neigung nachzugeben und, ein treues 
Weib verftoßend, Liebe und Treue, Ehre und gute rund: 
fäge aufzuopfern, die heiligften Gelübde und Eide zw bre: 
hen. Eine Kirche, die folhen Wankelmuth, ſolche Treus- 
loſigkeit, ſolche Bundbruͤchigkeit beguͤnſtigt, iſt damit ſchon 
gerichtet! Was bedarf's weiter Zeugniß wider fie, ober 
auch nur der Unterfuhung, ob fie wirklich an ſolchem 
Srevel und an dem Wankelmuth eines charakterlofen Men⸗ 
[hen einen Antheil babe? - 

Wir wollen zugeben, daß ein verblendeter Mann, der 
im Derzen fhon bunbbrüchig geworden, in ber Möglich: 
keit der Wiederverehellhung nad Verſtoßung des Weibes 
feiner Jugend, eine Beguͤnſtigung feiner Leidenfchaft fin= 
den kann, etwa wie Mancher durch das leicht zu misbrau⸗ 
chende Pönitentiarfuftem und burdy die Ausſicht auf voll: 
tommenen Ablaß in ber römifchen Kicche ſich in träge 
Sicherheit einmwiegen und verleiten läßt, feiner ſuͤndlichen 
Neigung und Leidenfchaft widerſtandloͤſer zu folgen, wie 
es denn auch nicht an Beiſpielen fehle, daß von Gewiſ⸗ 
fensbiffen geängftete Seelen eben darum die der evanges 


. 1, 
raldinen eine ahnungsvolle Angft, die ſich mehrt, als fie 
den Gemahl an der naͤchſten Bruͤcke nicht findet. 
eilt, erfchredt durd den Gedanken, daß eine weiterhin ges 
legene Bruͤcke baufältig fei, zu dirfer, erblidt jenſeit der: 
felben den Erſehnten und- rufe ihm zu, der ride micht 
zu tendens er aber verſteht in Ber Entfertkkung ihre Wette 
nicht und fpringt vom hohen Geſtade auf die morfce 
Brüde, fie bricht untec feiner Laft zufammen, er ver: 
ſinkt im Waffer, kommt wirder empor, ſchwimmt fräftig 
zu ihre bin, aber unfern vom Ufer verfinft er. Schnell 
aus den Fluten geborgen, Hegt er als Leiche da und, am 
Kopfe ſchwer verwundet, erwacht er nicht voieder. 

Geraldine, tief erfchüttert, geminnt doch alsbald Faf⸗ 
fung genug, mit dem Beichtvater über den Zufland und 
Ort der Seele unmittelbar nad) dem Tode des Leibes ſich 
zu befprehen. Cine Freundin, die liebreich ihr fih ange: 
fchloffen, und Lady Blount, des Verflorbenen Tante, wa: 
ten in der erften Zeit nach dem plöglichen Verluſt ihr 
tröftend nahe, aud ihr Oheim, der Warden, der Vicar 
und Herr Everard nahmen Theil an dir Beſtattung; fie 
ſelbſt kaͤmpft gottergeben mit ihrem Schmerze, und alle 
irdifche Licbe Gott zum Opfer bringend, legt fie die theuern 
Briefe des Todten ihm in den Sarg. Dann aber tre 
ten ſchwerere Kämpfe ein; ſie klagt fich ſelbſt an, daß ihr 
Wunſch, Gott allein, fern von irdifcher Liebe zu leben, 
den Wunfch des Todes des Geliebten eingefhloffen, daß 
fie ihn getödtet habe. Die Anfechtungen wurden [o hef: 
tig, daß man die Verwirrung ihres Verſtandes fuͤrchtete. 
Da erwies fih ihe der treffliche Pater Bernard als ein 
ehter Seelforger. Sie überwand den peinlichen Seelen: 
zuftand und kehrte zu regelmäßiger Zhätigkeit und treuer 
Erfüllung ihrer Pflihten und Vorſaͤtze zuruͤck. Aber im: 
mer mächtiger ward die Neigung zum Ktofterfeben; fie 
richtete in ihrem Schloffe, neben aller Pracht und Herr: 
lichkeit ihres Standes, fi eine enge Ber: und Schlafzelle 
ein, den ftrengften Buͤßungen fich freiwillig unterztehend. 
Der Plan, einen Orden zu fliften, in welchem mit dem 
contemplativen eben Werke der Barmherzigkeit verbunden 
wären, befchäftigte fie fehr. Micht ohne tiefe Wehmuth 
riß fie von den Stätten der Kindheit, aber ohne Schmerz 
von der Herrlichkeit der Welt fih los. Nun erfährt fie 
vom Pater Bernard, daß ihre verftorbener Gemahl ihm 
fetbft, als er an jenem verhängnißvoften Abend zur Abtei 
ging, den Entfhluß mitgetheile habe, fein vaͤterliches Gut 
einem neuen Klofter zu widmen. Freudig bot fie dazu die 
Hand. Im dritten Jahre ihrer Witwenſchaft, nachdem fie 
in einem blos den contemplattven Leben geweihten Kloſter 
feinen Frieden gefunden, befchtießt fie in den Orden der 
barmherzigen Schweſtern „von der allerfellgften Mutter der 
Barmherzigkeit” zu treten, welcher Kranten- und Armen: 
pflege mit firengen Andachtsuͤbungen verbindet. 

Sie hat bis dahin mandje heiße Seelenkaͤmpfe beftan: 
den, bie mit pfochologifcher Kunft lebendig dargeftellt find. 
Erfcheint uns darin auch eine krankhafte Froͤmmigkeit, fo 
ift doch weder der tiefe Ernſt der heilbegierigen Seele, noch) 
die Mahrheit der Schilderung zu verfennen. 

Nach vielen ſchweren Anfechtungen und Prüfungen bat 


Ste. 


0 


Geraldine noch eine zu beftehen am Abend vor ihrem weh⸗ 


muͤthigen Scheiben aus den befreundeten Umgebungen. Ihr 

etſter Geliebter, Don Carlos Duago, ein Spanier, er: 

ſcheint nach langer Trennung, und durch ihren entſchiede⸗ 

net Entſchluß voh feinte zarten Bewerbung sum Ihre Liebe 

zuruͤckgewieſen, verteaut er ihr, daß der Anabe, den er ihr 

vorftelle, ihr Bruder, Sohn ihres Vaters, aus einer heim- 

lichen Ehe mit der Schwelter Duago's ſei. Gern über: 

laͤßt fie dem Kleinen die Güter des Waters, froh, daß Se: 

ner ihm Erfag fein werde für Das, was fie dem Greiſe 
fein ſollte. 

Auf der Reife nah dem Kloſter muß fie in London 
verweilen, um einige Aspirantinnen zu erwarten, die mie 
ihe in daffelbe Kofler eintreten wollen. Sie macht bie 
Bekanntſchaft einer originellen alten Dame, die vergebens 
fi) bemüht, ihren Entſchluß wankend zu machen. Auch 
Hr. Everard erfcheint noch, tiefbetrübt und eifernd gegen 
ihre Schwärmerei; fie‘ Meibt ſtandhaft, und es drängt fie‘ 
um fo mehr, den Drt ihrer Beſtimmung zu etreichen, be- 
vor ihr Vater nach England zuruͤckkehrt. Da überrafcht 
fie nody einmal Don Duaggo, doch nur, ihr zu fagen, daß 
auch er im Begriff fe, Ruhe für feine Seele im Kloſter 
bei „der Gefellſchaft Jeſu“ zu ſuchen. Bald darauf wird 
das Zeichen zur Abfahrt aus dem Hafen gegeben; fie befteigt 
das Schiff, das fie zu dem erfehnten Ziel in Irland tra⸗ 
gen fol, und erft auf der hohen See Öffnet fie des Ba: 
terd Briefe, die ihr fhom in London übergeben worden. 

Endlich wurden die erfehnten Kloſterpforten geöffnet, 
und in tiefee Andacht begräßte Geraldine die Stätte, die 
ihr lieber war ale alle Güter und alle Freuden ber Wett. 
Ihrem neuen Beruf fi) ganz Hingebend, benatte fie enifig 
den Unterricht über ihre Ordenspflichten und unterzog fich 
demuͤthig allen vorgefäjriebenen Übungen. Wir. koͤnnen 
bier nicht bei ihrem Novtziat, bei ihver feterlichen Einklei 
dung zu demfelben, bei ihren Troſt und Hülfe bringenden 
Befuchen in- den Hüsten der Armen, in den Höblen des 
Fammers, in Spitätern, Gefaͤngniſſen, Steafhäufern ver: 
weilen, fo gern wir der fronnwen und fruchtbaren Wirk⸗ 
famfeit der barmherzigen Schweſtern die gerechte- und eb: 
rende Anerfennung bezeugen. - Eine wie Geraldine gefiimmte 
Seele mußte dort erme noch ungekannte Befriedigung fin- 
den. Iht geübter, ſcharfbeobachtrader Blick uuterfchied bald 
die Eigenthimlichkeiten der im Weſentlichen gleichgefätnin 
ten Nonnen; fie lernte aber immet mehr Gott allein md 
Alte nur in Ihm lieben. Es werden fehr intereſſante She: 
rafterzuge aus den Nonnenleben wmitgetheitt, und das Ein⸗ 
deingen einer anſteckenden Krankheit in bas Kofler, ſowie 
der Tod ziveler ausgezeichneter Schweſteen gibt zu Schil⸗ 
derungen Veranlaſſung, die, auf Verherrlichung des Klo⸗ 
ſterlebend berechnet, gewiß Blielen auch ſehr erbaulich fein 
werden. Uns kommt es freilich ſettſam vor, daß Eine der 
Kloſterfrauen recht eigentlich auch phufifch im Geruch dee 
Heiligkeit geftorben if. So ftemdartig übrigens die bier 
gefchilderte Frömmigkeit nicht nur in einzelnen Außerungen, 
fordern auch in ihrer ganzen Erfcheinung ums ſein muß, 
fo wollen wir fie doch auch in diefer Geſtalt nach Gebuͤhr 
ehren und der Kenntniß des menſchlichen Herzens, der fei⸗ 


- 











971 


nen pfochelogffchen Kunft, mit der die mannichfadhen Ent⸗ 
wictelungsftufen und Zuſtaͤnde frommer Herzen anſchaulich 
gemacht werden, gern Gerechtigkeit widerfghren Laffen. 

Ehe Geraldine, im Klofter Maria Paula genannt, die 
befondere Vorbereitung zur feierlichen Ablegung der Gelübde 
begann, ward fie noch einmal von ihrer Freundin Katha: 
rina Graham begrüßt. Dielen Beſuch läßt der Verf. noch 
eintreten, um alle nody übrigen Bedenken, Einwände und 
Vorwürfe gegen das Kloftermefen aus feinem Standpunkte 
zu befeitigen. Es verfteht fid), daß felbft Miß Graham, 
Ms fie aus dem Kloſter ſcheidet, von ihren Vorurtheilen 
gegen daſſelbe geheilt ift und. den Plan, Geraldine zu ent: 
führen, ganz aufgibt. 

Unfere Heldin hat während ihres anderthalbjährigen 
Noviziats in dem Studium der „beiden weientlichen Theile 
des contempfativen Lebens — Abtödtung und Gebet’ es weit 
gebracht und befchäftigte fi) in der zweimonatlichen Vor⸗ 
bereitung auf ihren Profeß mit Meditationen, die fir noch 
weiter forderten. Die feierliche Gelübdeablegung folgte. 
Sechs Monate darauf verließ Geraldine mit drei englifchen 
und drei irlaͤndiſchen Nonnen das Ktofter in Irland und 
zog mit ihren Gefährtinnen in das von ihr geitiftete ein. 

So endet diefe „Geſchichte der Führung einer Seele”. 
Man fieht, es ift viel Menfchliches in dieſer Fuͤhrung! 
Mef. hat die ganze Geſchichte fammt den Zwifchenreden 
forgfättig und möglichft unbefangen gelefen, und über die 
wefentlichen Thatfachen getreulich Bericht erflattet, das Ur: 
theil gibt er nun dem gefunden Berflande und Herzen 
Estholifcher wie proteftantifcher Kirchengenoffen anheim. Das 
Bud) ift in jedem Fall der Beachtung und Prüfung werth. 
Die totale Verkennung, aber nicht die abfichtliche Misdeus 
tung des proteflantifchen Principe wollen wir dem Verf. 
zugute halten. Die Vertheidigung, Beſchoͤnigung, Aus: 
ſchmuͤckung ‚aller alten Irrthuͤmer und Misbräuche der 
römifchen Kirche mag in der Nothwendigkeit, jedes Einzelne 
als ein wohlberechnetes Glied des Ganzen geltend zu ma⸗ 
hen, damit nicht das Ganze noch mehr wanke, wenn ber 
Katholiciemus, wie er iſt, aufrecht erhalten werden ſoll, 
eine Entſchuldigung finden; aber daß man zu ſolchen 
Mitteln feine Zuflucht nehmen muß, um feinen Zweck zu 
erreichen, das follte doch diefen felbft bedenklich machen, 
um fo mebr, da man ſich nicht bergen mag, daß Die 
Wahrheit weder morfcher Stuͤtzen bedarf, noch in ihrer 
fiegreihen Macht durch dialeftifhe oder andere Künfte ‘ge: 
laͤhmt werden farm. Es thut nie wohl, zur Vertheidi⸗ 
gung einer gerechten Sache den Irrthum und die Lüge zu 
rufen, und die eigenen Waffen werden dadurch, daß man 
die Sache der Gegner verkleinert, ihre Waffen als ſtumpf 
und untauglich behandelt, nicht ſchaͤrfer noch Eräftiger. 
52, 





— — —— 6 


Correſpondenznachrichten. 
Daſſel dorf, Auguft 130 
Erlauben Ste, daß ich ein etwas früheres Kunftereignig 
unferer Stadt, as in ſeinen moͤglichen Yolgen für unſere ganze 
deutfche Bühne Bedeutung erlangen Tann, nachträglich noch durch 
Ihre Blätter zur Kunde bes entfernteen Publteums beinge. 
Einem hiefigen Kreife gebildeter Männer und Frauen bat: 





So)" "ONE EEE —— —— — ——— — 


eines Muflfanten. 3 Theile. 8. 


ten nämlich Ziecd’s altengliſche Forſchungen und zunächft feine 
Novelle: „Der junge Tiſchlerm ang in der Rap Aufs 
führung im Geifte der alten Zeit des Luſtſpiels Was ihr 
wollt” von Shakipeare, befährieben wird, den Wunfch rege ge= 
macht, eine folche einmal felbft zu bewerkfteligen, und fo ge⸗ 
ſchahe es im Laufe dieſes Carnevals, daß auf Immermann's 
Veranſtaltung Tieck's Dichtung zur Wahrheit wurde: eine Ge⸗ 
ſellſchaft Künſtler und Kunſtfreunde führte die genannte Komo⸗ 
die am 29. Februar im Anton Beder’fchen Saale vor mehren 
QYundert geladenen Zuſchauern auf. Der Erfolg übertraf alle 
Erwartungen ‚ und bie darſtellenden Dilettanten erfüllten ihre 
hochpoetiſche Aufgabe ebenſo ſehr mit Liebe und Talent, als das 
Publicum mit Ergotzen und Theilnahme zuhoͤrte. Karl Ime 
mermann hatte mit feiner tüchtigen Einſicht und Kunſt die 
ſceniſche Einrichtung getroffen und fi um bie ganze Sache 
überhaupt die größten Berdienfte erworben. Dem Prof. Wieg⸗ 
mann war bie Gonſtruction der Bühne anvertraut worden und 
bei deren Ausführung und Anwendung fand man ihre ardhitet- 
tonifchen Vorzüge noch weit bedeutender, ald man zuvor gebadht 
hatte. Die Bühne wollte hier nichts als Wühne fein, d. h. 
ein fymbolifch andeutendes Gerüſt mit feften Örtlichkeiten, und . 
aus biefem Grunde fiel alles Störenbe, Illuſoriſche, Opernhafte 
von felbft hinweg. Der Gang des Stüds ward einfach, groß 
und fügte ſich von felbft, da kein belaftendes Beiweſen hinderte, 
dag Gedicht erweckte die Phantaſie der Zuhoͤrer und Shakſpeare 
erſchien hier ſeit Jahrhunderten zum erfienmale wies 
der in feiner ungefchmintten Geftalt und Ganzheit auf ber 
Bühne, feine Welt: und Menfchengefchide wurden dem über: - 
rafchten Publicum in die vertraulichſte und verftändlichfte Näbe 
gerückt. Man bedenke, ein wie wichtiger Vorfchritt zur richtis 
gen Behandlung Shakſpeare's und feiner eigentlidyen Erwerbung 
für unfer Sheater durch diefen gelungenen Verſuch kann gethan 
fein worden, wenn in Bolge defien eine größere deutſche Bühne 
ihn über lang oder kurz wiederholt! Es würbe dann dem un: 
befangenen Beobachter der Unverfland und die Unzweckmäßigkeit 
unferer gegenwärtigen altfranzöflfhen Bühnenform in ihrer gan⸗ 
zen Bloͤße einleuchten und‘ dräche wol endlich der Morgen ei: 
nes erften deutſchen Nationaltheater an, das, fo lange bie 
arditektonifche Unform ber. Bühne, wie fie if, mit ihren 
Widerfprücen und Hemmniſſen befteht, ein für allemal un- 
möglich bleibt. 

Als Denkblätter für bie Genoffen des Beftes find foeben 
einige von Haach — dem Darfteller bes Malvolio — gut ge: 
zeichnete Steindrucke erfchienen, die Scenen aus der Aufführung 
von „Was ihr wollt”, nebfl einer Abbilbung der Bühne ent: 

alten; die ähnliche Geſtalt der letztern zu Shakſpeare's Zeit 
ann man bekanntlich audy aus dem Werke des Grafen W. 
Baubiffin: „Wen Zonfon und feine Schule”, erfehen. Die zur 
Handlung gehörige Muſik war von einem Freunde Mendeltſohn⸗ 
Bartboldy’e, unferm Muflkdirektor Rieg componirt. 90. 


Bibliographie. 

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—— 


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Boeckh, A., Rede zur Trauerfeier Seiner Hochfeligen 
Majeſtaͤt des Königs Friedrich Wilhelm bes Dritten auf ber 
Berliner Friedrich Wilhelms Univerfität am 27ften Juni 1840 
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Gaupp, ©. F., Die römifche Kirche, kritiſch beleuchtet 
in einem ihrer Profelgten. Gr. 8. Dresden, Naumann. 2i Gr. 

Gerfiner, Die Stabtpfarrkirche zu Unferer lichen fchönen 
Frau in Ingolſtadt. Monographie. Br. 8. Ingolſtadt, A. 
Attentover, 1 hir. 

Gefchichte der Buchdruckkunſt in Regensburg. Bon I. %. 
Pangkofer und J. R. Schnegraf. Mit 2 lithographirten 
Tafeln. Er. 8. Regensburg, Manz. 10 ®r. 
Glodentreter, &, Das St. Annenkloſter. Phantafie⸗ 
gemätbe in vier Büchern für Deutfchlands Damenwelt. Gr. 12. 
Lemgo, Meyer. 12 Gr. 

Grey, Mifteeß, Der Herzog. Roman aus ber Geſell⸗ 
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3. Braunfdhweig, Leibrock. 4 Thlr. 

Gruppe, D. F., Ueber die Fragmente des Archytas und 
der älteren Pythagoreer. Cine Preisfchrift. Er. 8. Berlin, 
Eichler. 1 Thlr. 

Hitzig, F., Die Erfindung des Alphabetes. Eine 
Denkschrift zur Jubelfeier des von Gutenberg im Jahre 1440 
erfundenen Bücherdruckes. Roy.-4. Zürich, Orell, Füssli 
v. Com 1 Thlir. 8 Gr. 

Hoffmann, W., Taufe und Wiedertaufe. Sechs Bes 
ſpraͤche. Gr. 8. Gtuttgart, Lieſching. 20 Er. 

Kaiferin und Sklavin. Gin hiſtoriſcher Roman aus dem 
dritten Jahrhundert der chriftlichen Kirche. 3 Ihelle. 8. Leip⸗ 
zig, Engelmann. 4% Thlr. 12 ®r, 

Knapp, %., Anſichten über den Befangbude : Entwurf 
für. die evangeliſche Kirche Württemberge. Zur Ausgleichung 
verfchiedenartiger Wünfche und Vorſchlaͤge. Zugleich ein Bei: 
trag zur deutſchen Hymnelogie. Br. ?. Gtuttgart u. Tübin⸗ 
gen, Gotta. 16 Gr. 

Koßaroki, 2, Friedrich Wilheim IE. Gölggen aus feis 
nem Leben in Poefie und Profa. Mit 1 Bruſtbilde des Könige. 
8. Berlin, Liebmann u. Gomp. 8 Gr. 

Lady Eheverley, oder die Frau von Ehre. Eine neue Ver⸗ 
fon von Shreveley, der Mann von Ehre. Aus tem Gnglifchen 
übeefent — nach der zweiten Auflage. Ki. 8. Stuttgart, Metz⸗ 
er. r. 

Leipoldt, W., Hilmar Eraſt Rauſchenbuſch, weiland 
Daftor br a ee ehe et in feinem 

en un n elt durch handſchriftl Familien⸗ 
nachrichten. Gr. 12. Barmen, Setinhaus. 20 Br. 

Lommaszſch, 6.%. W., Feſtpredigt zum Gebächtniß Jo⸗ 
hannes des Taufers und Johames Butenbeuge, gehalten zu 
Keilhau und Gichfeld bei Rudoiſtadt den 28. Junius 1840. 
Gr. 8, Jena, Frommann. 3 ®r. 


Bernard, Eh. be, 


ihre Ehen Schriften. 


Ludewig, H,, Zur Bibliothekonomie. Fessgab 
vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst 
von Carl Heinrich Gärtner, Buchdruckerei-Besitzer zu Dres- 
den. Gr. 8. Dresden. 16 Gr. 

Meyer, 8 @., Die Buchdruderfunft in Augsburg bei 

iperm Ge ber 33 —— Aut Beier des vierten, Saͤ⸗ 

⸗Feſte rfindung Guttenbergs. Schmal 4. 
Augsburg, Kollmann. 18 Gr. “ bes 

Mezger, ©. G., Augsburgs ältefie Druckdenkmale und 
Formſchneiderarbeiten, welche in der vereinigten konigl. Kreiss 
und Stadtbibliothek daſelbſt aufbewahrt werben. Nebft einer 
kurzen Geſchichte des Buͤcherdruckes und Buchhandıls in Auges 
burg. Mit 37 Abdrüden von Originals Helzfepnitten aus dem 
15. u. 16, Zahrhunderte. Imp.sd. Augsburg, Himmer. 2 Tpie. 

Mittheilungen über phyſiſch-geographiſche und ftatiftifche 
Verhältniffe von Frankfurt am Main von dem geographifcden 
Bereine daſelbſt. [II.] II. Heft. Mit 2 lithograpbirten Beila- 
gen, Ri F antfuct & * 1889, 40. 1 Thlr. 

ing, E. J. J., Hiſtoriſche und topographiſche Denk⸗ 
wuͤrdigkeiten von Handſchuhsheim; ein Beitrag — Ge⸗ 
ſchichte von feiner Erbauung an bis auf unſere Tage. Mit1 

Anſicht von Handſchuhsheim. Er. 8. Manheim, Loeffler. 18 Gr. 

‚Ragel, ©. H., Die Idee der Realſchule, nad) ihrer theo⸗ 
retiſchen Begründung und praktiſchen Ausführung dargeſtellt. 

Mit befonderer Berüdfihtigung von Thierſch's Schrift: „Ueber 

den Sufan — öffenttichen Unterrichts in den 

weitligen Staaten von Deutichland.” Gr. 8. 

N Ah 16 f Ulm, Wagner. 
Rante auf der Frankfurter Meſſe. 8. Leipzig, Schred. 4 Er. 
Ditersdorf, 8. W., Die Völker des Altertbums und 

8. Gtralfund, Löffler. 16 Gr. 

iftorius, 9. %., Das chriftliche Leben in Liedern. Der 

Wintertrieb. ‚Gr. 12, Dresden, Naumann. : 12 Er. 

(ce Bufsti ne A., Dichtungen. Aus vum Ruffilden übers 
von R, Lippert. nde. 8. Lei elinann. 

2 Thlr. 12 Sr. j „ug, Ges 
Reben am Gutenbergsfeft zu Arolfen. 24. Zuni 1840, 

Gr. 8. Arolfen, Speyer. 6 PH 
Reuchlin, DB, Paseal’s Leben und ber Geiſt feiner 

Schriften zum Theil nach neu aufgefundenen Handſchriften mit 

Unterfuhungen über die Moral der Jeſuiten. Er. 8. Stutt⸗ 

Hart u. Zübingen, Gotta. 1 Ihlr. 20 @r. ’ 

—Ruppricht, Ehrenrettung des Vincenz Priesnig und ſei⸗ 

nes Heilverfahren oder Beleuchtung der Anfichten des Dr. 

Shrenbergs über die Bräfenberger Waflerkuren. 8. Breslau, 

Mar u. Comp. 18 Er. 

Schreiber, H., Leiſtungen ber Univerfität und Stadt 
Freiburg im Breisgau für Bücher⸗ und Landartendrud. Feſt⸗ 
rebe gehalten bei der vierten Sätularfeier der Typographie am 
23, Juni 1840, Gr. 8. Freiburg im Br., Emmerling. 4 Gr. 

Steffens, H., Was ich erlebte, Aus der Grinnerung 
niebecgefeheichen. ifter, tee Band. 8. Breslau, Mur mb 

omp. . 

Ziel, &, Vittoria Accorombona. Gin Roman in fünf 

Büchern. 2 Theile. 8. Breslau, Mar u. Comp. 3 Ihr. 
Zurnbull, 9. E., Deſterreichs fociale und politifche Zu⸗ 


fände. Aus dem Engliſchen von ©, A. Moriarty. Er. 8. 
Leipzig, Weber. 2 Ihir. 6 Ger, 
Ueber das Berhäitnik der Philologie und der clafftidhen 


Studien zu unferer Zeit. Drei Vorträge von Geheimrath 
Creuzer aus Heidelberg, Hofrath Thierfch aus München, 
Minifterialrath Zell aus Carlsruhe, befonders abgedrudt aus 
dem Protokolle der Berſammlung beutfiher Philologen und Schul: 
männer im. Jahr 1839. Gr. 4. Mannheim, Loeffler. 8 Br. 
Urkunden über Schiller und ſeine Familie, mit einem Anhange 
von fünf neuen Briefen, worunter ein ungebrudtes Autograpbon, 
zum Beflen des Marbacher Denkmals gefammelt unb herausge⸗ 
geben von &. Schwab. 8. Stuttgart, Liefhing 8 Gr. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 3. A. Brodhaus in Leipzig. 


4 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. . 


— Nr. 242, —— 





. Sonnabend, 29. Auguſt 1840. 


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Die Religion nach ihrer Idee und gefchichtlichen Er: 
feheinung von Auguſt v. Blumroͤder. Sonders⸗ 
haufen, Eupel. 1839. Gr. 12. 1 Thlr. 12 Gr. 


Der Verfaſſer diefes Buches ift kein Xheologe von 
Tach, fondern er theilt dem Publicum nur Das mit, mas 
als Wahrheit auf feinen Lippen brennt. Solch innerer 
Drang gibt allerdings einem Schriftfteller die hoͤchſte ſitt⸗ 
liche Berechtigung, ob er aber auch die andere, ebenfo 
nothwendige habe, muß das Buch felbft ehren. Unfer 
Autor hat fih die Refultate der Kant'ſchen Philofophie 
angeeignet und prediget das Evangelium derfelben; feines: 
wegs darf er aber darum befürchten, daß wir ihn zu einem 
Philoſophen machen wollen: im Gegentheil, felbft wenn 
er uns dies verficherte, würden wir nicht glauben koͤnnen, 
daß er je die Kategorientafel ſtudirt oder tiefe Betrachtun⸗ 
gen über das Ding „an“ ſich angeftellt habe. Seine Ge: 
danten nehmen fo unaufhörlidy den Anlauf mit den Con: 
junetionen Da und Wenn, feine ganze Schrift ift eine fo 
große Sünde gegen bie Gefege des Raumes und der Zeit, 
daß wir feine Misachtung der Speculation errathen wuͤr⸗ 
den, wenn er fie auch nicht fo häufig und mit ſolchem 
Nachdrude als Bekenntniß ablegte. Das ganze Werk hat 
nur den einen Fehler, bei viel Breite und Länge keine — 
Tiefe. Es hut follen eine Art Phllofophie der Religion 
werden; denn nebft vielen andern Artikeln enthält es auch 
eine Darftelung aller Religionen, und felbft der Titel 
fpricht diefe Abfiht aus. Aber die ganze Maſſe iſt un: 
ter den Händen des Berf. ein weitfälliger Senf gewor⸗ 
den, den er noch obendrein recht forgfältig breit ſchlaͤgt. 

Weit wir hier fo viel zu bemältigen haben, übergehen 
wir die lange Vorrede, obichon fie ein ganz befonderes 
Guriofum bdarbiete. In ihr wird eine grobe Anekdote er: 
zähle, wodurch das Dogma von ber Erlöfung auf eine 
wigige Art widerlegt werden fol, und ein nicht minder in- 
tereffantes Document von Flachheit in Auffaffung des re: 
ligiöfen Lebens liefert eine nicht kurze Parabel, die eigent: 
lich) die Seele, die Quinteffenz des Buches in poetifchemn 
Gewande bdarftellen will. Das Buch zerfällt in Abthei⸗ 
ungen, und bdiefe wiederum in Abfchnitte, eine fehr bes 
queme Eintheilung für eine Darftellung von Gegenftänden, 
die nur eine dußerliche Beziehung untereinander haben, 
aber kein Weg für eine Philofophie der Religion, der 
innerften und tiefften Gliederung des Geiſtes, wo Alles 


tebensvolle Verbindung und dennoch den unterfchiedenften 
Charakter hat. Die vollendetfte Religion gehört als es 
fultat bes großen Bewegungsproceſſes an das Ende, das 
ift der natürliche Entwidelungsgang der Idee, aber der 
Verf. hat feine Weisheit, die er für die hoͤchſte Errun⸗ 
genfchaft des Geiftes hält, an die Spige geftellt, fie bildet 
die zwei Abfchnitte der erften Abtheilung. Der erfte Ab: 
ſchnitt hat den reinen Vernunftglauben an ſich zum Ge: 
genftande. Diefe reine Vernunftreligion hat beinahe ohne 
MWiffen des Verf. bier ihren wahren Pag erhalten, den 
fie in der Religionsphilofophie einnimmt; wir fuchen fie 


aus den langen Paragraphen voll Salbung und Polemik“ 


herauszureißen und darzuftellen. 
Mas den Begriff der Religion betrifft, fo meint der 


| Autor, mit Worten fei wenig gethan, wer reines Herzens 


fei, oder fidy eines fittlichen Lebens befleißige, finde von 
feloft die befle Sacherklärung der Religion, dies fei der 
rechte Schlüffel zu den Geheimniffen der überfinnlichen 
Melt. Wir wollen über das Weſen feiner Religion noch 
nicht mit ihm fprechen, fondern fragen ihn ganz erftaunt, 
warum er denn über die Religion fchreibe, wenn das Les 
ben ihre befte Erörterung ſei? Es iſt die ſchalſte und 
tohfte Behauptung, diefe Meinung unfers Berf.; denn 
gerade ift e8 die Aufgabe der Wiflenfchaft, die verfüms 
merten und getrübten Geflaltungen bes Lebens rein und 
gediegen an das Licht zu heben, und allerdings nicht 
durch eine Definition, fondern im Begriffe, durch die wiſ⸗ 
fenfchaftlihe Methode, in der natlrlichen Entfaltung der 
Momente, die Sache felbft zu reproduciren. Kürzer und 
allgemein verftändlicher, wie er fagt, ift ihm nun die Re⸗ 
ligion: der Glaube an Gott und Unfterblichkeit, der aber, 
wenn er einen Werth haben foll, verbunden fein muß mit 
einer demfelben angemeflenen Geſinnungs- und Handlungs: 
weile. Durch Nachdenken oder Unterricht gelangen wir zu 
diefer hoͤchſten Erkenntniß; indeffen nimmt der Verf. auch 
eine Ahnung der göttlichen Idee in Anſpruch, einen Ur: 
keim Gottes im Menfchen, und fpielt auf diefe Weife in 
das Gebiet der Glaubensphiloſophie hinüber. Geftärkt wird 
diefee Glaube ducch die Betrachtung der Naturzweckmaͤßig⸗ 
keit. Das Verhaͤltniß Gottes zur Melt ift ihm das von 
Urfahe und Wirkung; näher aber verhäft ſich Gott zu 
den Menfchen als ein Hausvater, ein andermal ift die 
Menfchheit eine Trivialſchule und Gott wahrfcheintidh der 


! 


' 
Schulmeiſter. Es gibt phuftfche Übel, aber fie find nur 
relativ, und die moralifhen ſchaffen wir ung felbft. Der 
Verf. ſoll fi) bier nicht über den Gang verantworten, 
den fein Denken nimmt, wenn es zu dem Gedanken Got: 

will, er foll uns. nicht erklären, was bei ihm 


tes gelan 

Gl |, 8 eniger en wie feine Pehguptzing 
Sr one erden —A on —* nm tel⸗ 
baren Ahnung Gottes im Menſchen angreifen, ſondern 
nur etwas gegen den t vorbringen, den wir 
ihm vindicirt haben, der, ohne daß er ihn philoſophiſch 
ausgebildet hat, der Standpunkt der Kant'ſchen Kritik iſt. 
Nach dielem fällt allerdings die Moral und die Religion 
zufammen und der Glaube an Gott, Freiheit und Un: 
fierblichkeit find nur die Mefultate einer folhen, buch 
vernünftige Betrachtung gewonnenen, fittlihen Weltord⸗ 
aung, an die wir glauben müffen, weil fie die Vernunft 
nicht vermittelt, fondern verlangt, poſtulirt. Zugegeben, 
daß diefer Standpunkt eine nothmendige Phafe in der Res 
ligion und in ber Philofophie war, kann er und doc) jegt, 
nachdem die Philofophie einen ſolch ungeheuern Schritt 
gethan, nicht mehr befriedigen. Als Stamm des fubjecs 
tiven Idealismus bat er zuc Vertiefung des Geiſtes wes 
fenslich beigetragen, indem ec dem Individuum feine Be⸗ 
finnung, das Bemußtfein Seiner wiedergab, aber in, der 
Ohznmacht, das endliche Berwußtfein in der That mit dem 
unendlichen zu vermitteln, in dieſer einfeitigen Befangen⸗ 
heit des Subjects, darin Liegt feine Unzulänglichkeit. 

Die Wertgefhichte Toll das Sittengefeg und den ewigen 
Frieden realificen, ein Geſetz, das als Nefultat der Refle⸗ 
zion über die Welt hervorging und das nur den Begriff 
des Ewigen, Abfoluten zu einer moralifchen Vorausfegung 
macht! Es gibt aber keine fol abfolute Moral, die wir 
aus der Betrachtung der Endlichkeit gewinnen, noch weni: 
ger liegt fie urfprünglich im Gefühl, denn das ift an ſich 
inhaltslos und fchließe Alles in fih, was ihm bie Vor⸗ 
ftellung oder der Gedanke bietet, fonft aber nichts. Das 
wahrhaftige Verhältniß ift vielmehr dieſes, daß die Mel: 
gion, als der höhere Standpunkt bes abfoluten Geiſtes, 
die Moral ale bie Verwirklichung der individuellen Frei: 
beit in ſich ſchließt und unter fich begreift. Von dieſem 
böpern Standpunkte, welcher der des Chriſtenthums iſt, 
iſt die Religion die Eprpfication des Abfoluten, Gottes, 
und nichts als diefes, die hoͤchſte Region des Geiſtes, wo 
alle Widerfprüche des Gedankens enthüft, alle Schmerzen 
der Endlichkeit gejtillt find, die ewige Wahrheit, Gott in 
feiner Objectivität. 

Mir werden fpäter fortfahren, unfere Entgegnung non 
diefem- Standpunkte wieder anzufnüpfen; jegt kehren wir 
zu unſerm Buche zurüd, und zwar zum zweiten Abfchnitte. 
Er handelt vom Begriffe des Pofitiven, von der Offen: 
barung. Der Verf. betritt hier anfängli ein Feld, dag 
ihm nicht gehört. Weiß ein geiftiges Mefen von fich, 
fpricht er, fo meiß es auch, daß ed nicht aus fi, fon: 
dern aus dem unbebingten Sein, aus Gott iſt, und zwar 
als Leben aus dem Urleben, als geiftiges Leben aus dem 
Urgeifte. Ebenfo müffen wir aus der Stimme des Ges 
wiffens, die feinen Anklang und Widerhall findet in der 


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ganzen Sinnenwelt, eine Stimme Gottes erkennen, weil 
fie fih aus feinem Naturlaute erklaͤren läßt. Nun aber 
wird er ganz wieder der Alte, ber flachfte Rationaliſt, 
denn ec erklärt fih auf eine fehr natuͤrliche Weife, wie 
die Menſchen auf das Wort Offenbarung gelommen fein 


| gen. Wdeykin voit, fagt er, daß uncer den gebildeten 


oͤlkern, wo bie religiöfen Ideen allein in einiger Wahr: 
heit zu finden find, es keine Vernunft gibt, die ſich un: 
abhängig vom Unterricht und Belehrung gebildet hat, fo 
laͤßt fi nach einer erften Quelle diefes Unterrichts fragen, 
und aus diefer Frage mag fih nun — —. Hierauf geht 
er die verfchiedenen Dffendarungsarten, oder Dentweifen 
über bie Offenbarung, wie er fih ausdrüdt, durch und 
widerlegt die Theophanien, die Orakel, bie fchriftliche Kund⸗ 
machung, die Infpication und die Wunder. Die Appro: 
bation der innen Vortrefflichkeit einer uͤbernatuͤrlichen Of⸗ 
fenbarung will er aus dem Grunde nicht gelten laſſen, 
weil die der Vernunft entfprechende Lehre ebenfo gut von 
der Vernunft ſelbſt wie von Gott fein könne und darum 
dieſes Kriterium zweifelhaft erfcheine. Aber nachdem er 
den DOffenbarungsgläubigen auf diefe Weife bange gemadıt, 
gefteht er gutmüthig, daß die Gegner der Offenbarung 
ebenfo wenig, weder buch WBernunftgründe, noch durch 
Thatfachen der Erfahrung jemals beweiſen koͤnnen, daß 
dieſer Begriff (dev Offenbarung) keine Realität habe, und 
daß demnach die Überzeugung von einer ſolchen Realität 
zwar Sein Willen, aber doch ein vernimftiges Glauben fei, 
das zu feiner Unterflügung fehr wichtige Gründe anfuͤh⸗ 
ven könne. Che mir den eigentlihen Verlauf ber Sache 
verfolgen, müffen wir Hm. v. Blumröber über feine legte 
Diverfion zur Rede flelen. Nachdem er mit mehr Ge⸗ 
pränge als nöthig die Vernunft als bie einzige, wahre 
Quelle der religioͤſen Überzeugung hingeſtellt, nachdem er 
jedes Wunder fogar infofern außer Möglichkeit geftellt, als 
der Menfc blos natlırlihe Dinge wahrnehmen koͤnne und 
alles außerhalb ber natürlihen Beziehung Gelegene fpur: 
(08. an ihm vorlbergehen muͤſſe, wendet er fih an die 
Offenbarungsgläubigen, verläßt feinen feindlihen Stand: 
punkt, ſpricht nicht mehr in der erſten Perfon, fondern in 
der dritten, „bie Gegner”, und fagt ihnen, daß ihre Übers 
zeugung von der Offenbarung zwar kein Wiffen, aber doch 
ein vernünftiger Glaube fei, der zu feiner Unterffügung 
wichtige Gründe unführen koͤnne. Abgeſehen davon, daß 
die Entgegenfegung von Wiffen und einem vernünftigen, 
mit wichtigen Gründen unterftügten Glauben überhaupt 
etwas Sinnlofes ift, ein Mangel an Begriffbeftimmung, 
fo gibt‘ er Leichtfinnigerroeife noch das einzige Achtbare fei- 
nes Buches. hin, die Überzeugung, daß die Vernunft, und 
nur die Dernunft es fein Eönne, welche ben Menfchen 
an den Born ber Wahrheit führe. Hat er es mit kei⸗ 
ner Partei verderben wollen, ſcheut er ben Rabicalismus, 
warum ſpricht ec dann Öffentih! Doc der wahre 
Grund diefer und anderer Inconſequenzen mag barin lie: 
gen, daß er fi Deflen, was er fpricht, nicht Mar ift. 
Dies zeige zur Senüge feine phllofophifch - pantheiftifche 
Erklaͤtung des Lebens aus dem Urleben, nach der er in 
einem Zeugungsverhältniffe mit Gott fteht, obfchon er 





meter oben das Werhäitulß Bots zur Meilt nur allein 
a6 Urſache und Wirkung ausgefprochen hat. ber diefes 
Yus gehärt einem ganz andern Gedankenreiche an, ihm 
gehört nur das Durch, ber Menſch iſt ihm allein durch 
Gatt erkhaffen, nicht aus ihm gegeugt,. er hat einem viel 
äußerlihern Gott, deu Gott ber Juben. 

Nun zur eigentlichen Meinung über die Sffenbarung. 
Der Verf. glaubt die Sache der Dffenbarung beigelegt, 
wang er dad Most „uͤbernatuͤrlich“ natuͤrlich erklärt: jeber 
vernünftige Unterricht, meint ex, ſei ja «in übernatüclicher, 
er will ſagen: überfinnlicher. Freilich, wer die Geſichte der 
Religionen als eine allgemeine Aberration des vernünfti: 
gen Geiſtes betrachtet, als ein großes Reich des Wahnes, 
ma ur bier und da die Wahrheit auftaucht, der kann 
auch. feine Deutung des Wortes Offenbarung, feinen Bes 
griff von dem Werthe der pofitiven Religion haben, dem 
find dies Redensarten, die aus jedem ſpnonymiſchen Woͤr⸗ 
terhuche erklaͤrt werden koͤnnen. Die hoͤchſte Geſchichte des 
Geiſtes ift aber etwas Beſſeres als ein Wahn, als die 
Geſchichte der menſchlichen Verirrung, es ift das Reich 
deu Wahrheit und des Geiftes, wie es fich in feinen eins 
einen Momenten entfaltet. In ihm ift iede Stufe eine 
göttliche Dffenharung, im welcher ber Geilt Zeugniß gibt 
dem Geiſte; vorzüglic aber ift das im Chriftenthume ber 
Salt. Hier offenbart fi) Bott yanz, denn lals Unendli⸗ 
ches jteht er nicht ‚mehr gegenüber dem Endlichen, die Ne: 
gation ift aufgehoben, Gott und Welt find verföhnt. Die 
Philoſophie gibt und das Wiſſen, daß das Unendliche, Ab: 
fotute, Gott weſentlich das ift, ſich zu fegen, in ber Welt 
ſich gegenſtaͤndlich zu fein, aber in dieſem Unterfchtede ſich 
ewig wieder ibentifch zu werben. In dem Chriftenthume 
feiert das Geſchlecht die Vollendung diefes großen Praceſ⸗ 
ſes, das Endliche und das Ewige hat ſich verföhnt, und 
darum ift es eine Offenbarung nicht in der Natur, ſon⸗ 
dern im Geifte, der über der Natur fleht. Der Geift aber 
hat verfchiedene Weiſen, ſich dem Geifte zu offenbaren, 
und er that es dem natürlichen, logifchen Gange zufolge 
auf eine pofitive Weife, d. h. auf eine für das Bewußt⸗ 
fein dußerliche, in Form der Vorftellung, unter dem Wilde 
von Vater und Sohn. An diefe göttliche Geſchichte knuͤpft 
fidy die Entwidelung der göttlichen Lehre, die in der Bi: 
bei und zunaͤchſt in der chriſtlichen Dogmatik enthalten 
iſt. Daß diefe Lehren pofitiv find, benimmt ihnen nicht 
den Charakter des. Wahren und Uermünftigen, fonbern es 
gilt nur mit ausgebildeter Vernunft diefe Lehren zu durch⸗ 
dringen, das Individuelle "und Zufällige abzuftreifen, die 
Gorm aufzuloͤſen und den goͤttlichen 
zu verklaͤren. Das, Vu, wird und ferner Gelegenheit 
geben, hier ‚wieder. anzuknuͤpfen, vor der Hand kehren wir 
zu ihm. zurüd. 

(Die FZortfegung folgt.) 





Das Bütergleichgewicht, von W. Dbermüller. Kon: 
ſtanz, Gluͤckher. -1840. | 

Der . dieſer Beinen Schrift formulict feine Aufgabe 

als bie: 9, eines Mittelg, um dem Giende ber arbeitens 

den Wollssiaffen abzuhelfem Nach einer ſehr flüchtigen Angabe 


- im Vegriffe 


und Neitil der bie 
and Ink U Kfm Buonde gtmaittn Bentktäge 


feines eigenen Syſtens, beffen weſenttichſtes @i are 
führung Fr Preogreffiofkeurr M, die nur vom ——* Einton: 


‚ d sit 
Gukms bes Gintonmene fol Ben er 
Steuer verfpwicht fich der Werhafier alle wohlthätigen Reſultate, 

eife von einer Regultzung Ver 


So unzweifelhaft es ift, daß Gerechtigkeit und Politik eine 
Grundreform unferer bisherigen Stenerverfaffun verlangen eine 
Reform, welche die ſchwerſten Laſten von ben (dwächften anf bie 
ftaͤrkſten Schultern legt, fo wenig ftebt boch au hoffen, daß diefe 
Reform auf dem Wege unfers Verf. und ohne alle anderweitigen 
politifch s dlonomifdyen Maßregeln zu erreichen fei. Der Verf. 
macht ſtillſchweigend die irrige Worausfegung, daß Derjenige, 
weldyem die Steuer durch den Fiseus abgefodert wirb, auch in 
Definitive die Laß derſelben trage, während ſich doch amerfann: 
termaßen die ufuepatorifche Gewalt des Reichtſarms, zumal bes 
prodbueirenden Reichthums, in beinahe allen Fällen dadurch bes 
waͤhrt, daß fie bie dem Keichthume abverlangten Gteuem auf 
die confumicenbe arme Menge uͤberwaͤigt. Dazu Tommt, daß 
bee Berf., um den Geil ber Erwerbsthaͤti nicht zu laͤh⸗ 
men, die Feſtſtellung eines. relativen Marimums bey Steuer 
nöthig erklärt, woburd bean natürlich deven ausgleichende Wir⸗ 
tung bedeutend geſchwaͤcht wird. Rechnet man. bie Un: 
fierheit der Schägung des Cinkommens, bie im Hurchſchnitt 
weit unter ber Wahrheit bleiben muß, bebenkt man ferner, baf 
durch die Wenbefferung bes Steuerſyſtems bie beutzufage in als 
len Ländern Suropas unzureichende Produstion nicht ober 
nicht mefentlich vermehrt wird, fo wird man ſchon durch dieſe 
von ber Oberflaͤche gefchöpften Rädfichten überzeugt werben, 
daß die progreffive Steuer, fo wünſchenewerth fie tft, doch Eein 
politäfches Lebendelixir fei, das im Stande wäre, eine üßonomeifche: 
VWundereur an unferm fiedhen geſellſchaftlichen Koͤrper hervor⸗ 


zubringen. 

JIndeſſen auch ber Verf. glaubt, daß bie Wirkungen, bie er. 
von des vorgefihlagenen Steuerreform erwartet, wenigſtens durch 
kraͤftige Vorkehrungen gegen bie drohende Gefahr ber libervöls 
kerung gefichert werben müflen. Ge befft zunächft, daß ſtei⸗ 
genbe Wohlhabenheit und ein Volkennterricht, der bie jungen 
Bürger weniger an die göttlide Hülfe als au ihre eigenen 
Kräfte verweiſe, die leichtfiunige Kindergeugung vermindern 
werde, die eigentliche Gewähr gegen dieſes Übel feht er aber 
in die Anlegung von Zwangeſparkaſſen, in weiche Seber, ber 
ſich verheirathen will, eins gewiſſe Summe hiuterlegen die 
mit: der Zahl feiner Kinder ſteigt. Die Idee, bie ianerhalb ge⸗ 
w n ihr Gutes haben mag, wird durch, die Allge⸗ 
r fie hier auageſprochen iſt, reinen Shis: 


eiten feiner Maßpegel zu 
mürbe ibm und feinen Leſern beven abfolute Unausfü 


wenn fidy. die Erd der jehigen Ehen um menigfiend bie Hälfte 
verminderte! El ife werben fllgen 

kaſſen durch den einfachen umflend aus ber. Verlegenhtit geriſ⸗ 
fen, daß nicht bie Hälfte, ja daß nicht das Fänftheil des Gel⸗ 


ford's und kehrt auf ihren Landfig zurüd. Kaum̃ beim: 
gekehrt, fieht fie fih auch von ihrer Freundin verlaſſen, 
die eilig nach Schottland zurüdkehren muß, nachdem fie 
ihr noch das Geheimniß ihrer unglüdlichen Liebe vertraut 
bat. Der junge Mann, mit dem fie ſechs Sahre lang 
verlobe war, hat endlich, da: eine Anfteilung ihn in dm 
Stud zu feßen ſchien, ffe hrimzuführen, arm umb floh, 
wie er ift, fie ihres Verſprechens entbunden, weil er ihr 
kein glänzendes Loos zu bereiten vermöge. 

Geraldine ſchreibt in ihrer Einfamkeit Briefe an den 
Vater und an ihre beiden Oheime, den Warden und den 
wadern Vicar, ihren unerfchütterlihen Entfchluß ihnen an: 
zujeigen. Der Legtere antwortete ihr recht im Geiſt chriſt⸗ 
Itcher Liebe, die fie mit inniger Rührung anerkannte, ohne 
in ihrem Borfag wankend zu werden. Der alte Herr 
Everard, der ihr wie ihe Schatten folgt, kommt, ihre Ein: 
famkeit zu theifen, und bringe ihe einen Brief von Lord 
Hervey, der noch einmal feine Liebe und feine Sorge um 
ihr Seelenheil ihr ans Herz legt. Da kämpft fie noch 
einen heißen Kampf; aber fie bleibt entichloffen, zu behar⸗ 
ven auf ihrem Wege. Sie reift, um Ruhe zu finden, zur 
Lady Blount, bei der die Theilnahme am katholifchen Got: 
tesdienft und die Zufpruche des eifeigen Beichtvaters, Den. 
Commway, auch die Vorbehalte, welche fie für den öffent: 
lichen Confeffionswechfel noch in Anſpruch nahm, befeitigte. 
Sie begehrte nämlich das heilige Abendmahl unter beiderlei 
Geſtalt zu empfangen, die heilige Schrift fortiefen zu duͤr⸗ 
fen, der lauretanifchen Litanet überhoben zu fein und mit 
dene Ablaß nichts zu fchaffen zu baden. Wie die Lady 
ihe verhelfen, räumt der treffliche Pater dieſe noch Übrigen 
peoteftantifchen Bedenken ganz leicht hinweg, ſodaß fie gern, 
ja freudig. auf alle Vorbehalte verzichtet und ſelbſt das an: 
ſtoͤßige Ablaßinſtitut bald als „ſehr weile und heilig’ bes 
wundert. Muſikaliſche Übungen, befonders Kirchenmufiten, 
an denen auch der junge‘de Gray, ber Meffe der Lady, 
heit nimmt, wiegen ihr Gemüth in fanften Schlummer 
ein, aus welchem nur des Gedanke an den wahrfcheinlichen 
Zorn des Bates fie bisweilen auffchredt. 

Der Aufenthalt bei Lady Blount wird ihr etmas ver: 
leidet durch einen ihr in die Hände fallenden Zeitungsar- 


tikel, in weldem ihre Reigung zum Katholicismus ihrer 


Liebe zu dem jungen Katholiken be Gray zugemeffen ift, 
wab fie hätte num eilend den Det, an welchem fie mit de 
Gray immer volader zuſammentraf, verlaflen, wenn nicht 
die Lady fie beruhigt und andy folche Verleumbung als 
eine beilfame Prüfung ihr bargefielle hätte, was ihr um 
fo leichter gelings, da man Hoffnung hat, die Lady Angela 
de Gray, nad) deren: naͤherer Bekanntſchaft Geraldine ſehn⸗ 
lichſt verlangt, bald in dem frommen Kreiſe zu feben, und 
da verlautet, daß de Gray mit biefer feiner liebenswuͤrdi⸗ 
gen Verwandtin verlsbt fei. Diefe ſchoͤne Schwärmerin 
verweilt iadeß im einem Kloſter, in dem fie erzogen ward 
und zu bem fie aus dem Gerdufh der Welt, die am 
Dofe zu Münden fih ihr aufgefchloffen hatte, zuruͤckge⸗ 
kehrt war, nachdem fie mit umermüblicher Liebe und Treue 
ihren Oheim bis zum Tode gepflegt hatte. Diefer hat 
fein Vermögen ihre und dem jungen de Gray mit dem 


Wünfche, daß Seide elnander ehelichen möchten, vermadht. 
Sie aber fühlt fih mächtiger zum Kiofterleben bingeneigt, 
und in einer neuntägigen Kloſterandacht bereitet fie ſich zu 
dem Entſchluß, der für oder gegen den liebenden und ges 


. liebten Bewerber entfcheiden fol. Sie meldet darauf dem 


Sarrenden, daß ffe in Gott entſchloſſen fe, Nonne zu 
werden, un® ihm ihre Haud verſagen müfle. Ev eilt. nus 
um fo mehr, England zu verlaffen, damit fein längeres 
Verweilen dem verleumbderifhen Gerücht nicht Nahrung gebe 
und Geraldinens Ruf gefährde. Als Beide ſich trennen, 
erwacht in ihr eine lebhaftere Theilnahme an dem edeln 
Manne, und fie nimmt um fo milliger die Einladung der 
Lady Blount an, mit ihr einige Tage in den Mtefler, in 
welchem die Gräfin Angela zu ihrer Einkleidung ſich ruͤ⸗ 
ftet, zu verweilen. Entzuͤckt von „dieſem himmliſchen We⸗ 
fen mit den Cherubstönen”, genteßt fie mit ihr koͤſtliche 
Stunden, wird „von wunderbaren Eindrüden‘ im Klofter: 
leben ergriffen, und befreundet fi dem auch mit ihm, 
wie mit andern katholiſchen Anflaiten, ſodaß ſchon eine 
Ahnung, fie werde felbft einft in diefen heiligen Räumen 
Zuflucht fuchen, dur ihre Seele geht, und fie bat nun 
nichts einzuwenden, wenn die weiſe Lady Blount bie feine 
Bemerkung made: 

Kür ben Peoteftanten ift das Leiden ein Geheimniß; er 
kennt deſſen verföhnende Wirkung nicht ; ex kennt ben Troſt bes 
himmliſchen Gedankens nicht, daß jeden Schmerz bienicben, 
wenn getragen für ben Seren, bie Pein des Berluftes mindert, 
die der Geele im Reinigungsfouer aufbehalten ift, bis bie ſchwere 
Schuld abgetragen bis auf den letzten Heller. Gr iſt gelaffen 
und ergeben, ja erträgt fogar heldenmuͤthig die koͤrperlichen Schmer⸗ 
gen; aber er kann ſich deſſen nicht erfreuen, daß biefe Trübſal 
hn ins Reich der ewigen Herrlichkeit bringen werbs u. f. w. 

Die Eöfterliche Übung wird durd die Nachricht unter: 
brocyen, daB Geraldinens Vater nad) England zurüuͤckge⸗ 
kehrt fei. Sie zittert vor dem Wiederfehen, tft jedoch nicht 
unempfänglih für Hrn. Everard's Verficherung, daß de 
Gray, der England noch nicht verlaffen hat, fie liebe und 
fiy für grenzenlos reich halten werde, menn fie ihm die 
Hand reiche, ob auch der erzuͤrnte Vater fie verſtoße umd 
jede Mitgift verfage. Aber zugend empfängt fie den Ba: 
ter, deſſen Schweigen über ihren ihm angezeigten Entfchluß 
fie nue noch mehr ängftige. Als nun die gegenfeitige Er⸗ 
klaͤrung eintreten muß, iſt er nicht minder tief bewegt und 
ſich felbft anklagend, daß er funfzig Jahre lang den Blau: 
ben, dem er angehöre, außerlich verleugnet habe, Itberrafcht 
er fie mit dem Auseuf: „Komm in meine Arme, mein 
edles Kind! Dein Water ift ein Kathofte!’ So ſchließt 
der zweite Theil. 

(Der Beſchiuß folgt.) 


— — — 


Gedichte von Alexander Puſchkin, aus dem KRuſſi⸗ 
ſchen uͤberſezt von E. v. DO. Berlin, Gropius. 1840. 
Gr. 8. 1 Thlr. 





Überfeger Ge ein teter Militair, der 

au unb en Cr Ben —— 
{ un n ngen kennen 

ib me ve Theillnahme für die —— —— Dash 


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der Slawen mitgebracht, Hat biefe itbertragung 
fchen Gedichte als eine Lieblingsbefchäftigung vorgenommen. Gr 
proteſtirt dagegen als Literat betrachtet oder gar als Dichter 
beurtheilt zu werben, und will fih nur das Verdienſt vindicirt 
wiffen, das beutiche Yublieum durch feine Arbeit zuerft auf 
dieſe Poeſien des zu früh für fein Vaterland umgelommenen 
Dichters aufmerkfam gemacht zu haben, wozu mehre hochge⸗ 
ſchaͤzte und gelehrte Männer ihn aufgefodert. Bei der großen 
Geltenheit in Deutfchland, und namentlich unter Denen, welche 
unferer gebildeten Schriftſprache mächtig find, Jemand zu fin⸗ 
ben, ber bie flawifchen Sprachen, und zumal die ruſſiſche ge: 
nügend verfteht, dürfen wir an ben lüberfeger daher nicht die 
Anfoderungen madgen, die uns unfere Meifterüberfeger aus dem 
Engliſchen, Spanifchen und Italieniſchen oder aus ben antiken 
Sprachen gelehrt haben. Wir müflen zufrieden fein, wenn ein 
gebildeter Mann, feiner deutfchen Schriftfprache mächtig, die 
Gedanken und Bilder des Ruſſen möglichft rein und treu wie: 
dergibt, daß wir wenigftens ahnen können, was der Autor und 
wie er es ausdräden wollen. Zudem fcheint, nach Allem, was 
wir von der ruſſtſchen Sprache wilfen, dem Üderſetzer aus ders 
felben noch bie befondere Schwierigkeit entgegenzutretin , daß 


diefe Sprache noch lange nicht fertig, exft im Bildungszrcceß . 


zu einer wirklichen Schriftiprache begriffen if. Wenigftens ver: 
fihern uns ruſſiſche Schriftfteller, daß wir germanifche und ros 
maniſche Schriftſteller Eeinen Begriff von der Schwierigkeit hät: 
ten, mit weldher zur Zeit noch jeder Ruſſe Fämpfen müfle, um 
in Proſa feine Gedanken fih und Andern verſtaͤndlich nichers 
zufchreiben. In der Poefle ift es anders; da find die Typen 
von Uranfang da. Aber der Profaift muß nit allein Gon: 
firuetionen, Säge, auch Worte ſich bilden, wenn fein Gedanken⸗ 
Schwung, genährt durch die literariichen Werke der weitlichen 
civififirten Nationen, ihnen nachkommen will; mit biefer Uns 
vollfommenheit der zeitigen Ausdrucksweiſe muß natürlich auch 
die Schwierigkeit für den Überfeger wachſen. 

Or. v. D. hat den Vortheil, dag, was wir bis jetzt an 
poetifchen Übertragungen aus dem Ruſſiſchen haben, ziemlich 
ungenügend ausgefallen il. Auch hat man gerade von Puſchkin 
im Zufammenhange nur einige feiner frühern Dichtungen, bie 
in ihrer bizarren Kraftäußerung auch in einer gelungenen Ver: 
deutfchung kaum angefprochen hätten. Der Überfeger fast, daß 
er aus Mangel an eigentlichem Dicktertatent den Reim des 
Originals aufgeben müffen, „weil bie reiche, Träftige ruſſiſche 
Sprache zu große Schwierigkeiten dargeboten, um ihn im Deuts 
ſchen beigubehalten, wenn nicht und Treut der über⸗ 
tragung von Wort und Sinn zum Nachtheil des legtern auf: 
eopfert werben follte”’. Dagegen täfe fich freilich nichts fagen. 
Dennoch ift eö zu bedauern. Denn vielen ber mitgetheilten 
Poeflen fieht man es an, daß bie. Effecte der kurzfüßigen Verſe 
auf bie agwictung des Rene bafist fin. Der Bebante 
und bas —* find ni t 54 ehe! und: um ſich ohne 
diefen Aufſchlag in po n zu erhalten. 

Die von Hm. v. D. überfegten Gedichte gehbren zu ben 
elungenften des Dichters, auch iſt ihre Auswahl um deshalb 
Intereffant, weil fie einen Belrg für die Eommwidelungsgefchichte 
feines Talents gibt. Puſchkin war in feinen Sünglingsjahren 
fo von Byron's Genius erfüllt, daß er in feiner erſten Periode 
unwilllärlich in dem Styl und Geil des Weiten dichtete. Im 
dieſe Zeit fällt feine „„Bontaine von "ein farben: 

8 üppiges Bilb des erientalifchen Haremlebens unb der 
wo en Grauſamkeit ſeiner Beherrſcher. Man fieht unver: 
kennbar bie Vorbilder, welche Byron's „‚Sorfar”, Efaur“ 
„Belagerung von Korinth u. ſ. w. ihm lieferten, Seln Genius 
fuchte ſich jedoch der fremben Feſſeln & entledigen, und im fei⸗ 
nen peiten Pexiode entftand ba6 Gebicht: „Die Zigeuner”, 
worin das vaterlänbifche .Slement ſchon ſichtbar hervorzutreten 
beginnt. Es enthält Liebliche, Mare, durchſichtige Wilder. Aus 
feiner dritten Periode ſtammt fein ae 8* ai Far 
landiſcher Begeiſterung geſchrie edicht, welches auch a 
Intereffantes Vegenſtuͤck zu Byron’s „Mageppa’' von Intexefie 


ber PYuldlin' | 


iſt. Dieſen romantiſchen Gelben, ber durch Dichter una Maler 
fo populais geworden, daß ihn fogar die Damen fliden und bie 
Geiltänger fptelen, erfcheint hier von einer Kehrfeite, bie, wenn 
der Rufle gang wahr malt, ihm allen Suflre nimmt. Er it 
hiernach nicht weniger als ein romantifcher Sharakter, viele 
mehr einer der ruchlofeften, abgefeimteften, graufamften mb 
blafirteſten Tyrannen und Böfewichter. 

Aus der vorausgefchidten Skizze von Yufchlin’s Beben evs 
fahren wir, daß der Dichter in feiner Zugend ein eifriger Bis 
beraler gewefen. Einmal warb er desivegen nach Obdeffa vers 
feat, fpäter wegen Übermuths auf fein Landgut verbannt. In 
reifen Jahren hat er die Jugendgedanken völlig abgefihättelt 
und fein Gedicht: „Den Berleumbern Rußlande’‘, eine Provoca⸗ 
tion bes ruſſiſchen Nationalſtolzes, beweiſt zur Genüge, daß er 
a en Sunft würdig ggetworden. Es ifi fo charak⸗ 
er „daß wir es bier zur Notiznahme mitzut 
nicht enthalten koͤnnen. nahen gatheilen une 

Worüber Iärmt Ihr fo, Ihr Redner eitlen Bolts 

Weshalb bedroht Eur Fluch der Ruffen heilig Land? 
Was Hat Euch fo erregt? — Lithauend Aufruhr wol? 
D haltet ein! — Den Zwiſt der Slawen unter ſich, 
Den alten, haͤuslichen, erwog ſchon das Geſchick, 

Die Trage zu entfcheiden, vermögt Ihr wahrlich nicht. 

Laͤngſt ſchon im Zwiſte mit einander 

Berfeindeten die Stämme fidy, 
Unb oft fon unter Donner neigte 
Bald ihr’, bald unſre Wage fid. 
Der kecke Lyäch, der treue Rufe — 
Wer hielt im Streite Länger aus? 
Ob in dem ruff’fhen Meer verſchwinden ſlaw'ſche Bäche? 
Ob diefed — fragt ſich's — trodinet aus, 
D! haltet ein! Ihr habt doch nimmer 
Die biut’gen Tafeln je gelefen! — 
Ihr faßt ihn nit, Cuch bleibt er fremd, 
Der Stämme lang veriährter Zwiſt; 
Stumm bleibt für Euch der Kreml — Praga ! 
Und völlig fianlos lodt Cuch nur 
Berzweiflungsvollen Kampfes Schwanten — 
Dem arg mit Daß verfolgt Ihr und . . . 
Weshalb? — Antwortet fori: Debiwegen 
Beil ſtolz auf Modtaus Traͤmmarn wir 
Der ſrechen Wilthdr uns nicht fügten 
Des Manned, vor dem Ihr gebebt! — 
Well in den Abgrunb wir den Göotten 
Der alle Welt bevrädt, mit Biber Hand geflürgs! 
Weil wir mit unferm Wut erkauften 
Europas Freiheit, Eh und Ruhm? 


In Worten, Ihr fo ſtark — verfacht Euch doch in Thaten! 


Zu neu für und ein Kampf mit ganz: @uropa ? 
Den Nuffen ganz des Siegs entwöhnt? 
Sind wir zu ſchwach? — Wird nidyt vom Perm zum alten Laurit 
Bon Pinniands kalten Peld zum glühendheißen Kolchte, 
Vom alten ſchwer verlegten Kreml 
Bis zu des ſtarren Chinas Mauer — 
Im Glanz des Stahl⸗ und Eiſenwaldes 
Erheben ſich der Ruſſen Lat? — 
So ſendet dann — Ihr kecken Sprecher — 
Uns Eure aufgebrachten Söhne: 
Für fie if Plaz in Rußlands Feldern, 
Noch zwiſchen Gruͤbern. Cuch wit fremb. *) 4. 


*) Über eine ſoeben erſcheinende Überfefung von Puſchkinv Dich⸗ 
tungen von Robert Lippert (R Bände; Erippig, Engelmann, 1048, 
8, 3 Ihe. 12 Br.) berkchten wir nädfiend; fie daͤrſte Nheru 
Anfprücden an Treue und Gewandthrit genügen. O. Brb, 








968 ‚ 


Der Dichter Clare, ein Opfer feiner litera: 


cifhen Gönner. 


Der unfeligen und unverantwortliden, vorzüglid in Eng: 
land herrſchenden Manie, welche der Brite zu euphemiftifch mit 
dem Namen des System of lionizing bezeichnet, die aber in 
nichts Geringerm befteht, ats in der verwerflicen Sucht, wo: 
mit Menfchen, die zu einer Grhebung und Auszeichnung durch 
eigene Kraft unfähig find, ihrer Eitelkeit durch eine Gurioſitaͤ⸗ 
tenkraͤmerei fchmeicyeln, welcher Nichts, felbft der Menſch und 
das Talent nicht, zu gering find, um zur Befriedigung ihres 
Gelüftes zu dienen — dieſer Manie, welche glüdlicherweife feit 
einigen Jahren in jenem Lande einigermaßen nachgelaffen Hat, 
ift in ber neueften Zeit ein neues Opfer gefallen — ber Dich⸗ 
ter Clare. Zwar iſt die nach dem Vorgange des „Haliſax Ex- 
preas“ von mehren Zeitſchriften wiederholte Nachricht von ſei⸗ 
nem angeblich vor einigen Monaten in der yorker Jrrenanftalt 
Lunatic Asylum erfolgten Tode falfh, im -Gegentheile befand 

‚ee fih nie in der genannten Anftalt, wol aber feit 1837 in 
der des Dr. Allen zu Highbeach. Er ift ein beklagenswerther 
Beleg für die Wirkung der der Überlegung, zugleid aber auch 
der Ausdauer entbehrenden Goͤnnerſchaft, welche auf Naturbichs 
tee und Bauerpoeten Jagd macht, Leute, die an den Erwerb 
ihres nöthigften Unterhalts gewöhnt find, aus dem Kreife ih: 
rer täglichen Beichäftigung herausreißt und dann, wenn ihre 
eigene Gitelkeit befriedigt und ber Reiz der Neuheit vorüber 
ift, fie mit einer in ihnen bewirkten Aufregung ihrer Gefühle 
und einer unnatürlichen Verfeinerung ihres urfprünglich einfa= 
chen Geſchmacks befchenkt, wieber in bie harte Lage ihres vor: 
maligen Looſes zurüdfinten läßt. Vergebens hat gerade in dies 
fem befondern Falle vernünftigere Ginficht ſchon vor Jahren ei: 
nen folchen Ausgang warnend in Ausficht geftellt. Iegt theilt 
Dr. Allen in einem Briefe an bie „Times“ mit, daß Glare ſich 
zwar im Übrigen wohl befinde, aber von feltfamen Phantaſien 
heimgefucht werde, vor Allem von dem Schredniffe, weiches zu: 
erſt feinen Geiſt getrübt hat, der unaufhörlichen Furcht vor Ars 
muth. Man kann fich leicht den Gonflict denken, in welchen 
der arme Dichter mitten im Wechſel von Schmeicheleien und 
Vernachlaͤſſigung gerathen iſt, und wie er unter feinen conoul: 
fivifchen, abgeriffenen und deshalb unprobuctiven Anftrengungen, 
beim gehlfelagen feiner ebenfo Ieichtfinnig vege gemachten, wie 
mit Füßen getretenen Hoffnungen in einen ſolchen Zuſtand kam. 

„Könnte ihm der jährliche, wenn auch bürftige Betrag feines 
Unterhalt gefichert werden, fo möchte nach Dr. Allen’s Mei: 
nung feine Gemüthsſtimmung ſich wieder günftig geftalten. 
Obgleich fich eine Zeit lang weder in feinen fchriftlichen profais 
ſchen Arbeiten, noch in feiner Unterhaltung irgend ein Anzeichen 
geiftiger Geſundheit segeigt bat, fo erhält doch auf ber andern 
Seite der Zauber der Dichtkunft die Kraft feiner geiftigen Thä⸗ 
tigkeit, und poetiſche Ergüffe find der Zroft feiner trüben 
Stunden und ber Beweis, daß hinter dem Schleier, der auf 
feinem Gemüthe liegt, noch Licht verborgen if. Dr. Allen 
flelt in feinem Schreiben die Frage, ob man nicht paflender: 
weife die Ausgabe einer Auswahl feiner Gedichte, die mehre 
von den zuleht erwähnten Probuctionen — bie jedenfall mins 
deftens von pſychologiſchem Intereſſe find — zur Grundlage ei: 
nes wiederholten Aufrufs zu Gunften des unglüdlichen Dichters 
machen folle, wobei er bemerkt, daß die klaͤgliche Unterflügung, 
die ihm von wenigen Bönnern eine Zeit lang zu Theil wurbe, 
theilweife ganz zurüdgenommen, meiftentheils aber im Nüd: 
ftande ift. 47, 





Literarifhe Notizen. 
- Die „Collection des auteurs latins avec la traduction 
en frangais”‘, welche unter Niſard's Leitung exfcheint, iſt bis 
zum elften Bande gediehen. Hieran werben fi) unverzüglich 
vier neue Bände reihen, nämlich ein Band, welder unter dem 
Zitel eines „Theätre complet des Latins’’ erfcheinen wird, 
— 


. 


und ber dritte, vierte und fünfte Band bes Gicero; der erfie 
und zweite find bereits erfchienen. Der Preis iſt außerorbent- 
lich billig für ein Werk, welches die Maſſe von 200 gewöhn- 
lichen Bänden enthalten wird, und beträgt kaum mehr als ben 
Preis für den Einhand anderer Ausgaben. Diefe Wohlfeilheit 
wäre ein fchlimmes Anzeichen, wenn nicht der Name Rifarb 
für den Werth bes Unternehmens bürgte; er hat für die Cor⸗ 
vectheit des Textes, für die gute Auswahl ber Überfeher, für 
die Durchſicht der Überfegungen, für bie Anmerkungen unb 
Erklärungen Sorge getragen. Gin Gupplementbanb zu der 
Ausgabe des Titus Livius vefumirt alle Arbeiten der alten und 
neuen Kritit, Niebuhr's Anfichten über die Erzählungen des 
Livius und die Quellen der römifhen Geſchichte mit inbegrif- 
fen. Verfaſſer davon ift Hr. Lebas, Mitglied des Inftitute 


B. Maurice hat eine ‚Histoire politique et anecdotique 
des prisons de la Seine”, herausgegeben. Kranzöfifche Sour 
nale behaupten, das Buch fei das Reſultat einer langen und 
gewifienhaften Arbeit und flüge ſich auf die Verwaltungsregifter, 
auf Documente und perfönliche Beobachtungen des Verfaſſers; 
übrigens empfehlen fie es, in echt franzöſiſcher Weife, durch 
die Angabe, „daß es fich mit Vergnügen Iefen laſſe und mit 
pilanten Anekdoten burchfpidt fei, wie man fie von einem 
Werke über die Gefängniffe gar nicht erwarte”. Die Revolu— 
tionsperiode ift beſonders berüdfichtigt und die Documente, wo⸗ 
rauf ſich die Arbeit flüst, waren bisher nicht herausgegeben 
und widerlegen viele Irrthümer, welche fogar von ben accres 
ditirteften Schriftftelleen verbreitet worden find. 


Neu erfchten in Paris: „‚Nostradamus‘‘, von Eugene Ba 
reſte, enthaltend eine Biographie des Noftradamus, eine Ge 
fhichte ber Orakel und Weiffagungen im Allgemeinen, wie bes 
Roftradamus im WBefondern u. |. wm. Das Bud iſt 550 Sei⸗ 
ten far und mit dem Portrait des Roftradamus, von Aimeẽ 
de Lemub, gefchmüdt. 5, 





giterarifhe Anzeige. 
Sn allen Buchhandlungen bes In: und Auslandes 
wird Subſeription angenommen auf: 


Geſchichte 


der 
Bnchdruckereien der Stadt 
Keipzig | 


und 
Beschreibung der Feierlichkeiten 
bes 





e 
gegenwärtigen Iubilaums. 


In zwei Ausgaben: 
Nr.1. Auf Mafchinenvelinpapier .. . . . . . 2Thlr 
Nr. 2. Auf feinem fatinirten Velinpapier . . 5 Thlr. 


| 


Diefe Schrift wird von dem Comité zur eier ber 
@rfindung ber Buchdruckerkunſt in Reipzig heraus: 
gegeben und zu Ende d. 3. erfcheinen. Beſtellungen find an 
ben Unterzeichneten zu richten, dem der buchhändlerifche Debit 
von dem Gomite übertragen worden iſt. 

Hustührlige Ankündigungen ſind in allen 
Buchhandlungen zu erhalten, 

Reipgig, im Auguft 1840, 


S. A. Brockhaus. 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus ın Leipzig. 
ae aaa EEE 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 





(Beſchlus aus Nr. 316) 

Der Anfang des dritten Theild verfest uns in eins 
neun Sahre fpätere Zeit, führt aber gleich wieder in, den 
uͤberſprungenen Zeitraum zurüd, indem Geraldine, deren 
Jugendfriſche verwelkt ift, der Freundin Angela, die in der 
Ktofterluft an leiblicher Schönheit nichts verloren hat, ihre 
Ertebnifje mittheilt. Sie war mit ihrem Vater, der nach 
der Katholitenemancipation in England ſich ſchaͤmte, zu dem 
Glauben, den er in ber Zeit des Druds fo lange verhehlt, 
alfo vor der Welt verleugnet hatte, ſich zu bekennen, nad) 
Italien gereift. Wer es weiß, welchen impofanten Ein: 
drud auf ein empfängliches Gemuͤth mit lebhafter Phan⸗ 
tafie der katholiſche Gottesdienft mit feiner Pracht und 
Site, zumal in Rom felbft macht, der begreift, in wel⸗ 
chen Entzlidungen die junge, bereitS durch und durch fa: 
tholifirte Profelytin während der Advents⸗, Paffiond= und 
Dfterzeit ſchwelgte, und wie leicht dort die legten Reſte 
proteſiantiſcher Anfichten, Bedenken und Gewohnheiten aus: 
getilgt werden konnten. Die umfiändliche Schilderung der 
mannichfadyen Feſtfeier und der verfchiedenen Öffentlichen 
Andachtsuͤhungen an den heiligen Stätten des katholiſchen 
Roms ift, wie der Verf. fie in acht Capiteln mittheilt, 
in der That ſehr interefjant und wohlberechnet, den Ka: 
tholiciemus in feinem üppigften Glanze und von feiner 
verführerifchen Seite zu zeigen. Aber ein tiefer gegründetes 
proteftantifdyes Gemuͤth vermißt dabei zu ſchwmerzlich Die 
apoſtoliſche Einfalt und findet das Geiftige zu fehr ver: 
leiblicht, den Ritus zu überladen, ald daß es fid nicht 
aus fo vielem, wenn auch in allen feinen Theilen finn- 
vollen und bedeutfamen Gepränge zur evangeliihen Stille 
und Innigkeit beimfehnen follte, ob es auch gern aner⸗ 
tenne, daß es mit den Katholifhen auf wefentli gleichem 
Staubendgrunde fteht. 

Der. General, welcher auch in Rom noch fich feheut, 
vor feinem proteſtantiſchen Landsleuten ſich frei zu feiner 
Kirche zu bekennen, und wenn Jene an dem Katholicie: 
mus feiner wahrhaftern und jebe ungebührliche Ruͤckſicht 
verfehmähenden Tochter Anftoß nehmen, diefer größere Vor: 
ficht und MRüdfiche zur Pflicht macht, auch wol, wenn in 
feiner Gegenwart Scherz und Spott über Eatholifche Ge: 
bräuche laut werden, feine Verlegenheit hinter einem Laͤ⸗ 
cheln verbirgt, das wie Beifall erfcheint, uͤberraſcht bald 


—— Nr. 241, 1 


— — — — — — — — — — — — 


28. Auguſt 1840. 





nachher in Frascati, wo er eine ſchoͤne Villa bewohnt, 
Geraldinen mit dem Antrage, ſich mit de Gray, den er 
vorher nie erwaͤhnte, zu verehelichen. Bald darauf ſtellt 
de Gray ſich ein, und da der General im Herbſt eine Ans 
ftelung auf fernen Inſeln erhält, befchleunigt er die Der: 
bindung, gegen die Geraldinens Neigung, die ſich bald zu 
aufrichtiger Anhänglichkeit fleigerte, nichts einwendet. 

Sm folgenden Gapitel finden wir Geraldinen mit ih: 
rem Gemahl nad) Vollendung einer Tour durch ganz Ita⸗ 
lien in Mailand zufrieden und glücklich. Sie kehren nad) 
England zuräd, wo fie von ihren Freunden, befonders 
Hrn. Everard, und von ihren Untergebenen freudig empfan: 
gen werden und im Umgange mit Eatholifhen und pro: 
teftantifhen Kamilien ihres Standes, mehr noch in be: 
ftändiger Sorge für die Bewohner ihrer Güter und in 
großmüthigem Wohlthun, unter anhaltenden Andachtsuͤbun⸗ 
gen ſich glücklich fühlen. Es find fromme, edle Menfchen, 
wie fie unter den Chriften jeden kirchlichen Bekenntniſſes 
gefunden werben. De Gray's nüchternere Klarheit mäßigt 
Seraldinens fromme Schwärmerei, kann aber nicht verhin⸗ 
dern, daß fie oft in trübes Sinnen verfintt und endlich 
nach lange zurüdgehaltenem Schweigen ihm gefteht: Sie 
koͤnne Gott allein lieben und firebe von den Banden fr: 
diſcher Liebe freier zu werden. Er verweift fie auf die ihm 
gelobte Pflicht, auf die Heiligkeit de8 Sacraments, das fie 
verbindet, und fie fcheint ſich zu beruhigen. 

Wenige Wochen darauf erklärt ihre der fchweigfamer 
gewordene Gemahl, daß er fie in willigem Gehorfam, in 
Demuth und Selbfiverleugnung bedeutend fortgefchritten 
erkenne, und daß er fie nun nicht nur ermächtige, fondern 
auffodere, ihr Herz von allem Irdiſchen abzuwenden und 
fi allein auf das Himmliſche zu richten, da er wohl wiffe, 
daß eine Trennung nabe fe. Sie meint in feinen myſte⸗ 
eiöfen Werten eine Hindeutung auf ihren nahen Tod zu 
finden, ohne darüber zu erfchredien, aber auch ohne an defz 
fen Nähe zu glauben. Am Abend deffelben Tages machen 
fie gemeinfam einen Spaziergang; de Gray hat ein Ge: 
(haft in der Nähe der Abtei; Geraldine wandert, feiner 
Ruͤckkehr barrend, am Ufer des Fluſſes hin, eine feltene 
Dlume zu fuhen. . Der Pater Bernard, welcher die Abtei 
bewohnt, gefellt ſich zu ihr, fie zu begleiten, bis de Gray, 
auf der andern Seite des Fluſſes befchäftigt, mit ihnen 
aufammentreffe an einer nahen Bruͤcke. Da ergreift Ge: 


2 80 


raldinen eine ahnungsvolle Angft, bie ſich mehrt, ats fie 
den Gemahl an der naͤchſten Brüde nicht findet, 
eitt, erfchredt dur den Gedanken, daß eine weiterhin ges 
legene Brüde baufällig Sei, zu diefer, erblidt jenfeit der: 
ſelben den Erfegawen und rufe ihm zu, der Bruͤde nicht 
zu trameng er aba verſtehl in der Eitfertung ihre Wette 
nicht und ſpringt vom hohen Geſtade auf die morſche 
Bruͤcke, fie bricht unter feiner Laſt zuſammen, er ver: 
ſinkt im Waſſer, kommt wirder empor, ſchwimmt fräftig 
zu ihe bin, aber unfern vom Ufer verfinft er. Schnell 
aus den Fluten geborgen, liegt er ald Leiche da und, am 
Kopfe ſchwer verwundet, erwacht er nicht veieder. 

Geraldine, tief erfhüttert, gewinnt doch alsdald Faſ⸗ 
ſung genug, mit dem Beichtvater uͤber den Zuſtand und 
Ort der Seele unmittelbar nach dem Tode des Leibes ſich 
zu beſprechen. Eine Freundin, die liebreich ihr ſich ange⸗ 
ſchloſſen, und Lady Blount, des Verſtorbenen Tante, wa⸗ 
ren in der erſten Zeit nach dem ploͤtzlichen Verluſt ihr 
tröftend nahe,. auch ihr Oheim, dir Warden, der Vicar 
und Here Everard nahmen Theil an dir Beſtattung; fie 
feloft kämpft gottergeben mit ihrem Schmerze, und alle 
irdifche Liebe Gott zum Opfer bringend, legt fie die theuern 
Briefe des Todten ihm in den Sarg. Dann aber tre: 
ten ſchwerere Kämpfe ein; jle klagt fich ſelbſt an, daß ihr 
Wunſch, Gott allein, fern von irdifcher Liebe zu leben, 
den Wunſch des Todes des Geliebten eingefhloffen, daß 
fie ihn getödtet habe. Die Anfechtungen wurden fo hef⸗ 
tig, daß man die Verwirrung ihres Verſtandes fuͤrchtete. 
Da erwies fich ihr der trefflihe Pater Bernard als ein 
echter Seelforger. Sie uberwand den peinlichen Seelen: 
zuftand und kehrte zu regelmaͤßiger Zhätigkeit und treuer 
Erfüllung ihrer Pflichten und Worfüge zuruͤck. Aber im: 
mer mädjtiger ward die Meigung zum Kloſterleben; fie 
richtete in ihrem Schloffe, neben aller Pracht und Herr: 
lichkeit ihres Standes, ſich eine enge Bet: und Schlafzelfe 
ein, den ftrengften Buͤßungen fich freiwillig unterziehend. 
Der Plan, einen Orden zu fliften, in welchem mit dem 
contemplativen Leben Werke der Barmherzigkeit verbunden 
wären, befchäftigte fie fehr. Nicht ohne tiefe Wehmuth 
riß fie von den Stätten dee Kindheit, aber ohne Schmerz 
von der Herrlichkeit der Welt fih los. Nun erfährt fie 
vom Pater Bernard, daß ihre verftorbener Gemahl ihm 
ſelbſt, als er an jenem verhängnißvolfen Abend zur Abfei 
ging, den Entfhluß mitgeteilt habe, fein vaͤterliches Gut 
einem neuen Klofter zu widmen. Freudig bot fie dazu die 
Hand. Im dritten Jahre ihrer Witwenſchaft, nachdem fie 
in einem blos dem contemplattven Leben geweihten Kloſter 
feinen Frieden gefunden, befchtießt fie in den Orden der 
barmherzigen Schweſtern „von der allerfefigften Mutter der 
Buemberzigkeit” zu treten, welcher Kranken: und Armen: 
pflege mit ftrengen Andachtsuͤbungen verbindet. 

Sie hat bis dahin manche Heiße Sertentämpfe beftan: 
den, die mit pſychologiſcher Kunft lebendig dargeftellt find. 
Erſcheint uns darin aud) eine krankhafte Frömmigkeit, fo 
ift duch meder der tiefe Ernſt der Heilbegierigen Seele, noch 
die Wahrheit der Schildetung zu verfennen. 

Nach vielen ſchweren Anfehtimgen und Prüfungen bat 


Sie. 


Geraldine noch eine zu beſtehen am Abend vor ihrem weh⸗ 
müthigen Scheiden aus den befreundeten Umgebungen. Ihr 


etſter Gellebter, Don Carlos Duago, ein Spanier, er: 
ſcheint nad) langer Zrennung, und durch Ihren entſchiede⸗ 
net Entfchluß voh feinte zarten Bewerbung um Ihre Liebe 
zuruͤckgewieſen, vertraut er ihr, daß der Anabe, den er ihr 
vorftellt, ihr Bruder, Sohn ihres Vaters, aus einer heim: 
lichen Ehe mit der Schwefter Duago's je. Gern über: 
laͤßt ſie dem Keinen die Güter des Vaters, froh, daß Ze: 
ner ihm Erfag fein werde für Das, was fie dem Greiſe 
fein ſollte. 

Auf der Reife nach dem Kloſter muß fie in London 
verweilen, um einige Aspirantinnen zu erwarten, die mit 
ihr in daſſelbe Kloſter eintreten wollen. Sie macht die 
Bekanntſchaft einer ortginellen alten Dame, die vergebens 
fi) bemüht, ihren Entſchluß wankend zu machen. Auch 
Hr. Everard erfcheint noch, tiefbetrübt und eifernd gegen 
ihre Schwaͤrmerei; fie bleibt ſtandhaft, und es drängt fie‘ 
um fo mehr, den Ort ihrer Beſtimmung zu erreidyen, be⸗ 
vor ihr Vater nach England zurüdkehrt. Da überrafcht 
fie noch einmal Don Dungo, doch nur, ihr zu fagen, daß 
auh er im Begriff fei, Ruhe für feine Seele im Kloſter 
bei „der Geſellſchaft Jeſu“ zu fuhen. Bald darauf wird 
das Zeichen zur Abfahrt aus dem Hafen gegeben; fie beſteigt 
das Schiff, das fie zu dem erfehnten Biel in Icland tra- 
gen fol, und erft auf der hohen See Öffnet fie des Va⸗ 
ters Briefe, die ihr ſchon in London uͤbergeben worben. 

Endtid wurden bie erfehnten Kloſterpforten geöffner, 
und in tiefee Andacht begräfte Geraldine die Stätte, die 
ihr lieber war als alle Güter und alle Freuden der Welt. 
Shrem neuen Beruf ſich ganz hingebend, benutzte fie emſig 
den Unterricht über ihre Ordenspflichten und unterzog ſich 
demtithig allen vorgefäjriebenen Übungen. Wie koͤnnen 
hier nicht bei ihrem Moniziat, bei ihver feierlichen Einklei⸗ 
dung zu demfelben, bei ihren Troſt und Hülfe bringenden 
Beſuchen in- den Hütten der Armen, in den Höhlen bes 
Jammers, in Spitaͤlern, Gefaͤngniſſen, Strafhäufern ver: 
weiten, fo gern wie der frommen und fruchtbaren Wirk: 
ſamkeit der barmberzigen Schweſtern die gerechte und eb: 
rende Anerkennung bezeugen. - Eine wie Geraldine geftimmte 
Secle mußte dort eine noch ungekannte Befrkbigung fin- 
den. Ihr geübter, ſcharfbeobachtrader Blick wnterfchied bat 
die Eigenthinmiichleiten der im Wefentlichen gleichgeſtimm⸗ 
ten Normen; fie lernte aber immer mehr Gott allein und 
Alte nur in Ihm lieben. Es werden fehr intereſſante Cha⸗ 
rafterzitge aus dem Nonnenieben wmitgetheift, und das Sins 
dringen einer anſteckenden Kraubhelt in das Kofler, forte 
der Tod zweier ausgezeichneter Schweſteen gibt zu Schil⸗ 
derungen Veranlaſſung, die, auf Vecherrlichung des Klo: 
fterfeben® berechnet, gewiß Blelen auch fehr erbaulich fein 
werden. Uns kommt es freitich ſeitſam vor, daß Eine dee 
Kiofterfrauen recht eigentlich auch phyſiſch im Geruch der 
Heiligkeit geftorben if. So frembdartig übrigens die biec 
gefchilderte Frömmigkeit nicht nur In einzelnen Äußerungen, 
fordern auch im Ihrer ganzen Erſcheinung ums ſein muß, 
fo wollen wir fie doch auch in dirfer Geſtalt nach Gebühr 
ehren und der Kenntniß des menſchlichen Deren, der fei⸗ 


- 











971 


nen pfychologiſchen Kunſt, mit ber die mannichfachen Ent⸗ 
wickelungsſtufen und Zuſtaͤnde frommer Herzen anſchaulich 
gemacht werden, gern Gerechtigkeit widerfahren laſſen. 
Che Geraldine, im Kloſter Maria Paula genannt, die 
befondere Vorbereitung zur feierlichen Ablegung der Gelübde 
begann, wurd fie noch einmaf von ihrer Freundin Katha: 
rina Graham begrüßt. Diefen Beſuch laͤßt der Verf. noch 
eintreten, um alle noch übrigen Bedenken, Einwände und 
Vorwürfe gegen das Klofterwelen aus feinem Standpunkte 
zu befeitigen. Es verfteht ſich, daß ſelbſt Miß Graham, 
As fie aus dem Kloſter ſcheidet, von ihren Vorurtheilen 
gegen daſſelbe geheilt if und den Plan, Geraldine zu ent: 
. führen, ganz aufgibt. 
Unfere Heldin hat während ihres anderthalbjährigen 
Noviziats in dem Studlum der „beiden weientlichen Theile 
des contempfativen Lebens — Abtoͤdtung und Gebet’ e& weit 
gebracht und befchäftigte fich in der zweimonatlichen Bor: 
bereitung auf ihren Profeß mit Meditationen, bie fir noch 
weiter forderten. Die feierliche Gelübdenblegung folgte. 
Sechs Monate darauf verließ Geraldine mit drei englifchen 
und drei Irländifchen Nonnen das Kloſter in Irland und 
zog mit ihren Gefährtinnen in das von ihr geitiftete ein. 
So endet diefe „Geſchichte der Führung einer Seele’. 
Man fieht, es ift viel Menfchliches in dieſer Führung! 
Ref. hat die ganze Geſchichte ſammt den Zwiſchenreden 
forgfättig und möglichft unbefangen gelefen. und über die 
wefentlihen Thatfachen getreulih Bericht erflattet, das Ur: 
theil gibt er nun dem gefunden Verſtande und Herzen 
katholiſcher wie proteftantifcher Kirchengenoffen anheim. Das 
Buch ift in jedem Fall der Beachtung und Prüfung werth. 
Die totale Verfennung, aber nicht die abfichtliche Misdeus 
tung des proteffantifchen Ptincips wollen wir dem Berf. 
zugute halten. Die Vertheidigung, Beſchoͤnigung, Aus: 
fchmüdung ‚aller alten Irrthuͤmer und Misbraͤuche der 
cömifchen Kirche mag in der Nothwendigkeit, jedes Einzelne 
als ein wohlberechnetes Glied des Ganzen geltend zu mas 
chen, damit nicht das Ganze noch mehr wanfe, wenn ber 
Katholiciemus, wie er iſt, aufrecht erhalten werden foll, 
eine Entſchuldigung finden; aber daß man zu ſolchen 
Mitten feine Zuflucht nehmen muß, um feinen Zwed zu 
erreichen, das follte doch diefen ſelbſt bedenflid machen, 
um fo mebr, da man fi nicht bergen mag, Daß die 
Wahrheit weder morfcher Stüpen bedarf, noch in ihrer 
fiegreihen Macht durch dialektifche oder andere Kuͤnſte ge⸗ 
tähme werden kann. Es thut nie wohl, zur Vertheidi⸗ 
gung einer gerechten Sache den Irrthum und die Lüge zu 
rufen, und die eigenen Waffen werden daburch, daß man 
die Sache der Gegner verkleinert, ihre Waffen als ſtumpf 
and untauglich behandelt, nicht fehärfer noch Erdftiger. 
5, 


— — — 


Correſpondenznachrichten. 
Da ſſel dorf, Auzuſt IM, 
Erlauben Sie, daß ich ein etwas früheres Kunftereignig 
unſerer Stabt, as in ſeinen möglichen Folden für unſere ganze 
deutſche Bühne Bedeutung erlangen kann, nachhtraglich noch durch 
Ihre Blätter zur Runde bes entferntern Pudlicums bringe. 
Einem hieſigen Kreiſe gebildeter Männer und Frauen hat⸗ 








— — — — —— — ———————— — —— — —— — —— —— ——————h ——— 


"eines Muftinnten. 3 


tem nämlich Zied’s altenglifdge Forſchungen unb zunaͤchſt feine 
Kovelle: „Der junge a et in der eine Pie Aufs 
führung im Geifte der alten Zeit des Luftfpiels ‚Was ihr 
wollt“ von Shaliprare, beſchrieben wird, den Wunſch rege ges 
macht, eine folche einmal felbft zu bewerkfteligen, und fo ge: 
fhahe es im Laufe biefes Garnevals, daß auf Immermann’s 
Beranftaltung Zied’s Dichtung zur Wahrheit wurde: eine Ge⸗ 
ſellſchaft Künftier und Kunftfreunde führte die genannte Komoͤ⸗ 
die am 29. Februar im Anton Becker'ſchen Saale vor mehren 
Hundert geladenen Zuſchauern auf. Der Erfolg übertraf alle 
Srwartungen, und bie barftellenden Dilettanten erfüllten ihre 
hochpoetiſche Aufgabe ebenfo ſehr mit Liebe und Talent, als das 
Publicum mit Ergögen und Theilnahme zuhörte. Karl Ims 
mermann hatte mit feiner tüchtigen Einſicht und Kunft bie 
ſceniſche Cinrichtung getroffen und fi um die ganze Gadıe 
überhaupt die größten Berdienfte erworben. Dem Prof. Wieg⸗ 
mann war bie Gonftruction der Bühne anvertraut worden und 
bei deren Ausführung und Anwendung fand man ihre ardhitel- 
tonifchen Vor üge noch weit bedeutender, als man zuvor gebacht 
hatte. Die Bühne wollte bier nichts ale Bühne fein, d. h. 
ein ſymboliſch andeutendes Gerüſt mit feſten Ortlichkeiten, und 
aus dieſem Grunde fiel alles Stoͤrende, Illuſoriſche, Operuhafte 
von ſelbſt hinweg. Der Gang des Stücks ward einfach, groß 
und fügte fidy von felbit, da kein belaftendes Beiweſen hinderte, 
das Gedicht erwedte die Phantafie der Zuhörer und Shaklpeare 
erfhien hier feit Sahrhunderten zum erfienmale wies 
der in feiner ungefchmintten Geftalt und Gangheit auf ber 
Bühne, feine Welt: und Menfchengefchide wurben dem über- - 
tafchten Publicum in bie vertraulichſte und verſtaͤndlichſte Nähe 
gerudt. Man bedenke, ein wie wichtiger Vorfchritt zur richtis 
gen Behandlung Shakſpeare's und feiner eigentlichen Erwerbung 
für unfer Sheater durch biefen gelungenen Verſuch kann gethan 
fein worden, wenn in Bolge deflen eine größere deutſche Bühne 
ihn über lang oder Eurz wiederholt! Es würde dann dem un: 
befangenen Beobachter der Unverftand und die Unzweckmaͤßigkeit 
unferer gegenwärtigen altfranzöflfgen Bühnenform in ihrer gan: 
zen WBlöße einleuchten und bräcde wol endlid der Morgen ei: 
nes erſten deutſchen Nationaltheaters an, das, fo lange bie 
architektonifche Unform der Bühne, wie fie if, mit ihren 
Widerfprüchen und Hemmniſſen befteht, ein für allemal un: 
möglich bleibt. | 

Als Denkblätter für die Genoffen des Zeftes find ſoeben 
einige von Haach — dem Darfteller bes Malvolio — gut ge: 
zeichnete Steindruͤcke erfchienen, die Scenen aus der Aufführung 
von „Was ihr wollt’, nebfl einer Abbildung ber Bühne ent: 
alten; die ähnliche Geſtalt der Icktern zu Shakſpeare's Zeit 
ann man belanntlih auch aus bem Werke des Grafen W. 
Baubiffin: „Ben Ionfon und feine Schule”, erfehen. Die zur 
Handlung gehörige Muſik war von einem Freunde Mendeltſohn⸗ 
Bartholdy’s, unferm Muflkdirettor Rick componirt. 90, 


Biblisgraphie. 

Ampere, J. J. Mein Weg in Dantes Jußtapfen. 
dem Fraugäfliihen bearbeitet van Theodor Bell. Gr. 12. 
Diesten u. Beipgig, Arnotd. 18 Gr. 

von Arnim ſämmtliche Werke. Herausgegeben von W. 
Grimm. Gtex Baus. — Auch u. d. 3: Schaubühne won E. 
% von Arnim. Zter Band. Gr. 8. Berlin, Veit u. Comp. 
1 2.6 . . 

Bechſtein, L., Clarinette. Geitenflüd zu ben Fahrten 
Theile. 8. Leipzig, Taubert. 5 Thlr. 

Beck, J., Der Rheinſtrom und feine Anwohner. Aus 
dibliſchem Geſichtotoeiſe verglichen, zu Beichauung, Erinnerung 
und Grbouung für Zebermann. Ger. 12. Neuwied, Licht: 
fer. 15 Wr. 

Beiträge wur Baslor Buohdruckengeschichte. Von I. Stock- 
meyer und #. Keber. Zur-Feier des Johannisteges MDCCCKL. 
Herausgegeben von der historischen Gesellschaft zu Basel, 
Schmai gr. #. Basel, Schweighauser. 1 Thir. 12 Gr. 





972 


Bernard, Ch. de, Die Liebhaberjagd. Novelle. — Der 
verliebte Löwe. Novelle von 8. Soulid, Aus dem Franzoͤſiſchen 
überfept von K. Ziegler. Gr. 12. Lemgo, Meyer. 12 Gr. 

— Bernftein, Sehnfuchtsttänge eines wandernden Hageſtol⸗ 
zen. Gr. 12, Hamburg, Hoffmann u. Sampe. 1 Ihlr. 

Befhorner, J. D., Die Reform des Advokatenſtandes 
in Deutfchland, mit befonderer Beziehung auf das Königreich 
Sachſen, nebft einer Darftelung der Fortſchritte der jenen 
Stand betreffenden Geſeggebung in Ländern innerhalb und au: 
Berhalb Deutfchlands und einem Entwurfe zu einer Abvofatens 
ordnung. Gr. 8. Dresden u. Leipzig, Arnold. 21 Er. 

Boeckh, A., Nede zur Trauerfeier Seiner Hochſeligen 
Mojeftät des Könige Friedrich Wilhelm des Dritten auf der 
Berliner Friedrich Wilhelms Univerfität am 27ften Juni 1840 
gehalten. Gr. 4. Berlin, Beſſer. 6 Gr. 

Deder, ©. v., Mittheilungen einer Reife durch die ſüd⸗ 
lichen Staaten des beutfchen Bundes, einen Theil der Schweiz, 
Tyrol, die Lombardei, und durch Piemont bis Genua, im 
Sommer 1839. 8, Berlin, Pofen und Bromberg, Mittler. 
t Zhle. 16 Gr. 

Doöoll, Ch., Zur Beurtheilung der Zeitbedürfniffe der deut: 
Shen Gelehrtenfchulen. Br. 8. Manheim, Eoeffter. 3 Gr. 

Baupp, ©. F., Die römische Kirche, kritiſch beleuchtet 
in einem ihrer Profelgten. ®r. 8. Dresden, Naumann. 21 Gr. 

Gerftiner, Die Stabtpfarrlirche zu Unferer lichen ſchoͤnen 
Frau in Ingolftadt.e Monographie. Gr. 8. Ingolſtadt, %. 
Attentover. 1 Thlr. 

Geſchichte der Buchdruckkunſt in Regensburg. Bon 3. %. 
Pang kofer und 3. R. Schnegraf. Mit 2 lithograppirten 
Tafeln. Er. 8. Regensburg, Manz. 10 Gr. 

SBlodentreter, &, Das St. Annenkloſter. Phantafle: 
gemälde in vier Büchern für Deutſchlande Damenmelt. Br. 12, 
Lemgo, Meyer. 12 Gr. 

Grey, Miſtreß, Der Herzog. Roman aus ber Geſell⸗ 
ſchaft. Nah dem Englifchen von W. Schulge 3 Theile. 
8. Braunſchweig, Leibrod. * Thlr. 

Gruppe, D. F., Ueber die Fragmente des Archytas und 
ber älteren Pythagoreer. Cine Preisichrift. Er. 8. Berlin, 
Eichler. 1 Thlr. 

Hitzig, F., Die Erfindung des Alphabetes. Eine 
Denkschrift zur Jubelfeier des von Gutenberg im Jahre 1440 
erfundenen Bücherdruckes. Roy.-4. Zürich, Orell, Füssli 
u. Comp 1 Thlr. 8 Gr. 

Hoffmann, W., Taufe und Wiedertaufe. Sechs Bes 
ſpraͤche. Gr. 8. Stuttgart, Lieſching. 20 Er. 

Kaiferin und Sklavin. Ein Hifkorifcher Roman aus dem 
dritten Jahrhundert der hriftlichen Kirche, 3 Theile. 8. Leip⸗ 
zig, Engelmann. 4 Thlr. 12 Gr. 

Knapp, A., Anfihten über den Befangbucks = Entwurf 
für. die evangelifcdye Kirche Württemberg. Zur Ausgleichung 
verfchtedenartiger Wünfche und Vorſchlaͤge. Zugleich ein Bei: 
trag zur deutfchen Hymnelogie. Br. F. Gtuttgart u. Tübin⸗ 
gen, Gotta. 16 Gr. 

Koßarski, 8, Friedrich Wilhelm II. Glen aus feis 
nem Leben in Poefie und Profa. Mit 1 Bruſtbilde des Königs. 
8. Berlin, Mebmann u. Somp. 8 Gr. 

Lady Gheveley, oder die Frau von Ehre. Bine neue Ben: 
fion von Sheveley, ber Dann von Ehre. Aus dem Engliſchen 
Frl nach der zweiten Auflage. Ki. 8. Stuttgart, Metz⸗ 

er. r. 


Leipoldt, W., Hilmar Eraſt Rauſchenbuſch, weiland 
Paſtor der evang.⸗lutheriſchen Gemeinde Elberfeld, in feinem 
Leben und Wirken bargeftellt durch handſchriftliche Familien⸗ 
nachrichten. Br. 12. Barmen, Steinhaus. 20 Br. 

Lommatſch, G. A. W., Feſtpredigt zum Gebaͤchtniß Jo⸗ 
hannes des Täufers und Johames Gutenberge, gehalten zu 
Keilhau und Eichfeld dei Rudotſtadt ben 28. Junius 1840 
Gr. 8. Jena, Frommann. 3 ®r. 


ihre klaſſiſchen Schriften. 


Ludewig, H., Zur Bibliothekonomio. Fessgabe zur 
vierten Säcularfeier der Krfindung der Buchdruckerkuust 
von Carl Heinrich Gärtner, Buchdruckerei-Besitzer zu Dres- 
den. Gr. 8. Dresden. 16 Gr. 

Meyer, 8. E., Die Buchdruderfunft in Augsburg bei 
ihrem —28 83 —— F Beier bes vierten Saͤ⸗ 

⸗Feſtes ber ndung Guttenbergs. Schmal 4, 
Augsburg, Kollmann. 18 Gr. “ heo 

Mezger, ©. G., Augsburgs ältefte Druckdenkmale und 
Sormfchneiderarbeiten, welche in der vereinigten koͤnigl. Kreiss 
und Stadtbibliothek daſelbſt aufbewahrt werden. Rebſt einer 
kurzen Gefchichte des Bucherdruckes und Buchhandils in Auges 
burg. Mit 37 Abbrüden von Originals Helsfepnitten aus dem 
15. u. 16. Zahrhunderte. Imp.:8. Augsburg, Dimmer, 2 Thir. 

Mittheilungen über phyſiſch⸗ geographifche und ftatiftifche 
Verbältniffe von Frankfurt am Main von dem geographifcdhen 
Bereine BE [1.] It. Heft. Mit 2 Lithograpbirten Beilas 
gen. 4. Frankfurt a. M. 1889, 40. 1 Zhlr. 

, Mühling, E. J. J., Hiftorifche und topographifche Denk: 
wuͤrdigkeiten von Handſchuheheim; ein Beitrag zu deſſen Ge: 
fhichte von feiner Erbauung an bis auf unfere Tage. Mit 1 
Anſicht von Handſchuhsheim. Br. 8. Manheim, Loeffler. 18 Br. 

‚ Ragel, ©. 9., Die Idee der Realſchule, nach ihrer theos 
vetifchen Begründung und praktischen Ausfährung bargeflelt. 
Mit befonderer Berüdfihligung von Ihiericy’s Schrift: „Ueber 
—— Sufand er offenttihen Unterrichts in den 
we n Staaten von Deutichland. rd u 
— * 88 ſ m, Wagner. 

ante auf der Frankfurter Meſſe. 8. Leipzig, Schreck. 4 Gr. 

Dltersdorf, 8 W., Die Völker des Altertbums und 
8, Gtralfund, Löffler. 16 Gr. 

Piftorius, H. A., Das chriftliche Leben in Liedern. Der 
Wintertrieb. ‚®r. 12. Dresden, Raumann. 12 Er. 

Puſchkin's, A., Dichtungen. Aus dem Ruſſiſchen über 
Ieer von m ippert. 2 Bände. 8. Leipzig, Engelinann. 

[} T. 
Neben am Gutenbergsfeft zu Arolfen. 


24, uni 1340, 
Gr. 8. XArolfen, Speyer. 6 Gr. 

Reuchlin, D., Pascal’ Leben und ber Geiſt feiner 
Schriften zum Theil nach neu aufgefundenen Haadſchriften mie 
Unterfucgungen über. die Moral dee Jeſuiten. Er. 8. Stutt⸗ 
gart u. Tübingen, Eotta. 1 Ihlr. 20 Gr. ’ 

Ruppricht, Shrenrettung bes Bincenz Priesnis und ſei⸗ 
nes Heilverfahrens oder Beleuchtung der Anfidhten des Dr. 
Shrenbergs über die Bräfenberger Waſſerkuren. 8. Breslau, 
Mar u. Eomp. 18 Gr. 

Schreiber, H., Leiſtungen ber Univerſitaͤt und Stadt 
Freiburg im Breisgau für Bücher⸗ und Landkartendruck. Feſt⸗ 
rede gehalten bei der vierten Säcularfeier der Typographie am 
23. Juni 1840. Gr. 8. Freiburg im Br., Smmerling. * Gr. 

Steffens, 9, Was ich erlebte. Aus der Srinnerung 
niebergefchrieben. ifter, Zter Band. 8. Breslau, Was umb 


Comp. Thir. 

Tieck, %, Bittoria Accorombona. Gin Roman in fünf 
Büchern, 2 Theile. 8. Breslau, Dar u. Somp. 3 Ihlr. 

Zurnbull, 9. E., Deſterreichs fociale und politiſche Zu— 
fände. Aus dem GEnglifchen von E. A. Mortarty. Gr. 8. 
Leipzig, Weber. 2 Ihr. 6 ie. 

Ueber das Berhältnik der Philologie und der elaffiichen 
Studien zu unferer Zelt. Drei Vorträge von Geheimrath 
Greuzer aus Heidelberg, Hofrath Thierſch aus München, 
Minifterialrath Zell aus Carlsruhe, befonders abgedrudt aus 
dem Protokolle ber Berſammlung deutſcher Philologen und Schul: 
mönner im Jahr 1839. Gr. 4. Mannheim, Lorffler. 8 Gr. 

Urkunden über Schiller und ſeins Familie, mit einem Anhange 
von fünf neuen-Briefen, weruntes ein ungebrucktes Autographon, 
zum Beflen des Marbacher Denkmals gefammeit und hesausges 
geben von G. Schwab. 8. Gtuttgart, Eisfhing. 3 Br. 


Verantwortlicher Serausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


s 


m/ 


für 


Blätter 


Titerarifhe Unterhaltung. 





. Sonnabend, 


Die Religion nach ihrer Idee und gefchichtlihen Er: 
fcheinung von Auguft v. Blumröder. Sonders⸗ 
haufen, Eupel. 1839. Gr. 12. 1 Thlr. 12 Er. 


Der Verfaſſer diefes Buches ift kein Theologe von 
Fach, fondern er theilt dem Publicum nur Das mit, was 
als Wahrheit auf feinen Lippen brennt. Solch innerer 
Drang gibt allerdings einem Schriftfteller die hoͤchſte fitt: 
liche Berechtigung, ob er aber auch die andere, ebenfo 
nothiwendige habe, muß das Buch felbft lehren. Unfer 
Autor hat fih die Mefultate der Kant'ſchen Philofophie 
angeeignet und prediget das Evangelium derfelben; feines: 
wegs darf er aber darum befürchten, daß wir ihn zu einem 
Philoſophen machen wollen: im Gegentheil, felbft wenn 
er und dies verficherte, würden wir nicht glauben Eönnen, 
daß er je bie Kategorientafel fludirt oder tiefe Betrachtun⸗ 
gen über das Ding „an“ ſich angeftellt habe. Seine Ge: 
danken nehmen fo unaufhoͤrlich den Anlauf mit den Con: 
junctionen Da und Wenn, feine ganze Schrift ift eine fo 
große Sünde gegen bie Gefege des Raumes und der Zeit, 
daß wir feine Misachtung der Speculation errathen wür: 
den, wenn er fie auch nicht fo häufig und mit ſolchem 
Nachdrucke als Bekenntniß ablegte. Das ganze Werk hat 
nur den einen Fehler, bei viel Breite und Länge feine — 
Tiefe. Es bat follen eine Art Philofophie der Religion 
werden; denn nebft vielen andern Artikeln enthält es auch 
eine Darftelung aller Religionen, und felbft der Zitel 
fpricht diefe Abfiht aus. Aber die ganze Maffe ift un: 
ter den Händen bed Verf. ein woeitfälliger Senf gewor⸗ 
den, den er noch obendrein recht forgfältig breit fchlägt. 

Weil wir hier fo viel zu bewältigen haben, übergehen 
wir die lange Vorrede, obichon fie ein ganz befonderes 
Guriofum darbiete. In ihr wird eine grobe Anekdote er: 
zaͤhlt, wodurch das Dogma von der Erloͤſung auf eine 
wigige Art widerlegt werden fol, und ein nicht minder in: 
tereffantes Document von Flachheit in Auffaffung des re: 
Iigiöfen Lebens liefert eine nicht kurze Parabel, die eigent: 
lich die Seele, die Quinteſſenz des Buches in poetifchemn 
Gewande darftellen will. Das Buch zerfällt in Abthei⸗ 
ungen, und dieſe wiederum in Abfchnitte, eine fehr bes 
gueme Eintheilung für eine Darftellung von Gegenftänden, 
die nur eine dußerliche Beziehung untereinander haben, 
aber ein Meg für eine Philofophie der Religion, der 
innerften und tiefften Gliederung des Geiſtes, wo Alles 


[4 


— Nr. 242, — 


29. Auguft 1840. 


febensvolle Verbindung und dennoch den unterfchiedenften 
Charakter Hat. Die vollenderfte Religion gehört ale Mer 
fultat des großen Bewegungsprocefies an das Ende, das 
ift der natürliche Entwidelungsgang der Idee, aber der 
Verf. bat feine Weisheit, die er für die hoͤchſte Errun⸗ 
genfchaft des Geiftes Hält, an die Spige geftellt, fie bildet 
die zwei Abfchnitte der erften Abtheilung. Der erſte Abs 
fhnitt hat den reinen Vernunftglauben an fih zum Ges 
genftande. Diefe reine Vernunftreligion hat beinahe ohne 
Wiſſen des Verf. hier ihren wahren Plag erhalten, den 
fie in ber Religionsphilofophie einnimmt; wir fuchen fie 
aus den langen Paragraphen voll Salbung und Polemik 
berauszureißen und darzuftellen. 


Mas den Begriff der Religion betrifft, fo meint ber 
Autor, mit Worten fei wenig gethan, wer reines Herzens 
fei, oder fi eines fittlichen Lebens befleißige, finde von 
fetöft die befte Sacherktärung der Religion, dies fei der 
rechte Schlüffel zu den Geheimniffen der überfinnlichen 
Welt. Wir wollen über das Mefen feiner Religion noch 
nicht mit ihm fprechen, fondern fragen ihn ganz erflaunt, 
warum er denn über die Religion fchreibe, wenn das Le⸗ 
ben ihre befte Erörterung ſei? Es iſt die ſchalſte und 
rohſte Behauptung, diefe Meinung unſers Verf.; denn 
gerade ift es die Aufgabe der MWiflenfchaft, die verfüms 
merten und getrübten Geftaltungen des Lebens rein und 
gediegen an das Licht zu heben, und allerdings nicht 
durdy eine Definition, fondern im Begriffe, durch die wife 
ſenſchaftliche Methode, in der natürlichen Entfaltung bee 
Momente, die Sacye felbft zu reproduciren. Kürzer und 
allgemein verftändlicher, wie er fagt, ift ihm nun bie Res 
ligion: der Glaube an Gott und Unfterblichkeit, der aber, 
wenn er einen Werth haben foll, verbunden. fein muß mit 
einer demfelben angemefienen Gefinnungs: und Handlungs⸗ 
weife. Durch Nachdenken oder Unterricht gelangen wir zu 
diefer hoͤchſten Erkenntniß; indeffen nimmt der Verf. auch 
eine Ahnung der göttlichen Idee in Anſpruch, einen Ur- 
keim Gottes im Menfchen, und fpielt anf diefe Weife in 
das Gebiet der Glaubensphiloſophie hinüber. Geftärkt wird 
diefee Glaube durch die Betrachtung der Naturzweckmaͤßig⸗ 
keit. Das Verhältnig Gottes zur Melt ift ihm das von 
Urſache und Wirkung; näher aber verhält ſich Gott zu 
den Menfchen als ein Hausvater, ein andermal ift bie 
Menfchheit eine Trivialſchule und Gott wahrfcheinlich der 


! 


I 
Schulmeiſter. Es gibt phyſiſche Übel, aber fie find nur 
relativ, und die moralifchen ſchaffen wir und felbfl. Der 
Verf. for ſich Hier nicht Über den Gang verantworten, 
den fein Denken nimmt, wenn es zu dem Gedanken Got: 
tes gelangeg will, er foll une. Aa Fr bei ihm 
— — eniger wollen wir feine Pehguptuſig 
von Anei ohne erden SR von einer —* tel⸗ 
baren Ahnung Gottes im Menſchen angreifen, ſondern 
nur etwas gegen den Standpunkt vorbringen, den wir 
ihm vindicirt haben, der, ohne daß er ihn philoſophiſch 
ausgebildet bat, der Standpunkt der Kant'fſchen Kritik iſt. 
Nach dieſem faͤllt allerdings die Moral und die Religion 
zuſammen und der Glaude an Gott, Freiheit und Uns 
ſterblichkeit ſind nur die Mefultate einer folhen, durch 
vernünftige Betrachtung gewonnenen, fittlihen Weltord⸗ 
aung, an die wir glauben muͤſſen, weil fie die Vernunft 
nicht yermittelt, fondern verlangt, poflulirt. Zugegeben, 
daß disfer Standpunkt eine nothwendige Phafe in der Res 
ligion und in ber Philofophie war, kann er uns doch jet, 
nachdem die Philofophie einen ſolch ungeheuern Schritt 
gethan, nicht mehr befriedigen. Als Stamm des fubjecs 
tiven Idealismus hat er zur Vertiefung des Geiſtes wes 
fenslich beigetragen, indem ec dem Individuum feine Bes 
Aanung, das Bewußtſein Seiner wiedergab, aber in der 
Ohnmacht, das endliche Pewußtſein in der That mit dem 
unendlichen zu vermitteln, in dieſer einfeitigen Befangen⸗ 
beit des Subjects, darin liegt feine Unzulänglichkeit. 

Die Wertgefhichte Toll das Sittengefeg und ben ewigen 
Frieden realificen, ein Geſetz, das als Reſultat der Refle⸗ 
zion über die Welt hervorging und das nur den Begriff 
des Ewigen, Abfoluten zu einer, moralifhen Vorausfegung 
macht! Es gibt aber keine folch abfolute Moral, die wir 
aus der Betrachtung der Endlichkeit gewinnen, noch wenl: 
ger liegt fie urfprünglich im Gefühl, denn das ift an fi 
inhaltslos und fchließt Alles in fih, was ihm bie Vor—⸗ 
fielung oder der Gedanke bietet, fonft aber nichts. Das 
wahrhaftige Verhättniß iſt vielmehr diefes, daß die Reli⸗ 
gion, als ber höhere Standpunkt des abfoluten Geiſtes, 
die Moral als die Verwirklichung der individuellen Frei⸗ 
beit im fich ſchließt und unter ſich begreift. Won diefem 
höhern Standpunkte, welcher der des Chriſtenthums iſt, 
(ft die Religion die Eypfication des Abfoluten, Gottes, 
und nichts als dieſes, die hoͤchſte Region des Geiſtes, wo 
alle Widerſpruͤche des Gedankens enthüllt, alle Schmerzen 
der Endlichkeit geſtillt ſind, die ewige Wahrheit, Gott in 
feiner Objectivität. 

Mir werden fpäter fortfahren, unfere Entgegnung non 
diefem- Standpunfte wieder anzufnüpfen; jegt Behren wir 
zu unferm Buche zurüd, und zwar zum zweiten Abfchnitte. 
Er handelt vom Begriffe des Pofitiven, von der Offen: 
barung. Der Verf, betritt hier anfänglich, ein Feld, das 
ihm nicht gehört. Weiß ein geiftiges Mefen von fidh, 
fpricht er, fo weiß es auch, daß es nicht aus fih, fon: 
dern aus dem unbebingten Sein, aus Gott iſt, und zwar 
als Leben aus dem Urleben, als geifliges Leben aus dem 
Urgeifte. Ebenfo müffen wir aus der Stimme ded Ges 
wiſſens, die feinen Anklang und Widerhall findet in der 


J— 


ganzen Sinnenwelt, eine Stimme Gottes erkennen, weil 
ſie ſich aus keinem Naturlaute erklaͤren laͤßt. Nun aber 
wird er ganz wieder der Alte, der flachſte Rationaliſt, 
denn er erklaͤrt ſich auf eine ſehr natuͤrliche Weiſe, wie 
die Menſchen auf das Wort Offenbarung gekommen ſein 
yon. Aydegken wit, fagt er, daß une Yo gebildeten 

oͤlkern, wo die religioͤſen Ideen allein in einiger Wahr: 
beit zu finden find, es keine Vernunft gibt, die fih un⸗ 
abhängig vom Unterricht und Belehrung gebildet hat, fo 
laͤßt ſich nach einer erſten Quelle diefes Unterrichts fragen, 
und aus diefer Frage mag fihh nun — —. Hierauf gebt 
er die verſchiedenen Dffenbarungsarten, oder Denkweifen 
über die Offenbarung, wie er fi ausdrückt, durch und 
widerlegt die Zheophanien, die Orakel, die fhriftliche Kund⸗ 
machung, die Inſpiration und die Wunder. Die Appro: 
bation der innern Vortrefflichkeit einer übernatürlihen Of⸗ 
fenbarung will er aus dem Grunde nicht gelten laffen, 
weil die der Vernunft entfprechende Lehre ebenfo gut von 
der Vernunft ferbft wie von Gott fein könne und darum 
dieſes Kriterlum zweifelhaft erfcheine. Aber nachdem er 
den Dffenbarungsgläubigen auf diefe Weife bange gemadıt, 
gefteht er gutmüthig, daß die Gegner der Offenbarung 
ebenfo wenig, weder buch WBernunftgründe, noch durch 
Thatfachen der Erfahrung jemals bewelfen können, daß 
dieſer Begriff (der Offenbarung) keine Realität habe, und 
daß demnach die Überzeugung von einer folchen Realität 
zwar fein Wiffen, aber doch ein vernünftiges Glauben fei, 
das zu feiner Unterflügung fehr wichtige Gründe anfüh- 


' ven koͤnne. Che wit den eigentlichen Verlauf ber Sache 


verfolgen, müffen wir Hrn. v. Blumroͤder über feine legte 
Diverfion zur Mede ftellen. Nachdem er mit mehr Ge: 
ptänge als noͤthig die Vernunft als die einzige, wahre 
Quelle der religiäfen Überzeugung bingefkellt, nachdem er 
jedes Wunder fogar Infofern außer Möglichkeit geftellt, als 
der Menſch blos natürliche Dinge wahrnehmen koͤnne und 
alles außerhalb ber natürlichen Beziehung Gelegene fpur: 


los an ihm vorübergehen muͤſſe, wendet er fih an bie 


Dffenbarungsgläubigen, verläßt feinen feindlihen Stand: 
punkt, ſpricht nicht mehr in der erften Perfon, fondern in 
der dritten, „die Gegner”, und fagt ihnen, daß ihre Übers 
zeugung von der Offenbarung zwar fein Wiffen, aber doc) 
ein vernünftiger Glaube fei, der zu feiner Unterflügung 
wichtige Gründe anführen könne. Abgefehen davon, daß 
die Entgegenfegung von Wiffen und einem vernünftigen, 
mit wichtigen Gründen unterftügten Glauben überhaupt 
etwas Sinnlofes ift, ein Mangel an Begriffbeftimmung, 
fo gibt er leichtſinnigerweiſe noch das einzige Achtbare fei- 
nes Buches. hin, die Überzeugung, daß die Vernunft, und 
nur bie Vernunft es fein koͤnne, welche ben Menſchen 
an den Born der Wahrheit führt. Hat er es mit kei: 
ner Partei verderben wollen, ſcheut er den Radicalismus, 
warum fpriht er dann Öffentih! Doc der wahre 
Grund diefer und anderer Inconſequenzen mag darin lie: 
gen, daß er fi Deflen, was er fpricht, nicht Far tft. 
Dies zeige zur Senüge feine philofophifc, - pantheiftifche 
Erklärung des Lebens aus dem Urleben, nad der er im 
einem ZBeugungsvechäftniffe mit Gott fteht, obfchon er 


weiter oben das Werhäitmif Bots zur Weit nur allein 
a Werte und Wirkung audgefprochen dat. Aber biefes 
Yus gehoͤrt einem ganz andern Gedankenreiche an, ihm 
gehört nur das Duch, ber Menſch iſt ihm allein durch 
Gatt erkhaffen, nicht aus ihm gezeugt, er bat einem viel 
äußerlichern Gott, deu Bott ber Juben. 

Nun zur eigentlichen Meinung über bie Offenbarung. 
Der Verf. glaubt die Sache der Offenbarung beigelegt, 
wenn er dad Wort „uͤbernatuͤtlich“ natuͤrlich erklärt: jeder 
vernünftige Unterricht, meint ex, fei ja «in uͤbernatuͤrlicher, 
er will ſagen: uͤberſinnlicher. Freilich, wer Die Geſichte der 
Religionen als eine allgemeine Aberration des vernuͤnfti⸗ 
gen Geiſtes betrachtet, als ein großes Reich des Wahnes, 
wo nur bier und da bie Wahrheit auftaucht, der kann 
auch. feine Deutung des Wortes Offenbarung, feinen es 
griff von dem Werthe der pofitiven Religion haben, dem 
ind dies Redensarten, die aus jedem ſpnonymiſchen Woͤr⸗ 
terhuche erklaͤrt werden Binnen, Die hoͤchſte Geſchichte des 
Geiſtes ift aber etwas Beſſeres als ein Mahn, als die 
Geſchichte der menfchlichen Verirrung, es ift das Meich 
dee Wahrheit und des Geiftes, wie es ſich in feinen ein> 
zelnen Momenten entfaltet. In ihm iſt jebe Stufe eine 
göttliche Offenharung, in welcher der Geiſt Zeugniß gibt 
dem Seife; vorzuͤglich aber ift das Im Chriſtenthume der 
Fall. Hiee offenbart ſich Gott gang, denn lals Unendli⸗ 
ches ſteht er nicht mehr gegenüber dem Endlichen, die Ne: 
gation ift qufgehoben, Gott und Welt find verföhnt. Die 
Philoſophie gibt und das Willen, daß das Unendliche, Ab: 
folute, Gott weſentlich das ift, fih zu fegen, in der Melt 
ſich gegenfländfich zu fein, aber in diefern Unterfchiede ſich 
erofg wieder Ibentifch zu werben. In dem Chriftenchume 
feiert das. Geſchlecht die Vollendung dieſes großen Praceſ⸗ 
fe, das Endliche und das Ewige hat ſich verfähnt, und 
darum ift e8 eine Offenbarung nicht in der Natur, fon: 
dern im Geiſte, der über der Natur fteht. Der Geiſt aber 
hat verfchiedene Weiſen, ſich dem Geiſte zu offenbaren, 
und er that ed dem natürlichen, logiſchen Gange zufolge 
auf eine pofitine Weife, d. h. auf eine für dad Bewußt⸗ 
fein Außerliche, in Form der Vorftellung, unter dem Wilde 
von Vater und Sohn. An biefe göttliche Gefchichte knuͤpft 
fidy die Entwidelung der göttlichen Lehre, die in der Bi: 
bet und zunaͤchſt in der chriſtlichen Dogmatik enthalten 
iſt. Daß diefe Lehren pofitio find, benimmt ihnen nicht 
den Charafter dei. Wahren: und Vernuͤnftigen, ſondern es 


gitt nur mit ausgebildeter Bernunft diefe Leben zu durchs | 


dringen, das Individuelle und Zufällige abzuftreifen, die 
Ferm aufzuloͤſen und den gpttlichen 
zu verklaͤren. Das, Yu, wird ung ferner Gelegenheit 
geben, hier wieder anzußtüipfen, ost der Haud kehren wir 
zu ihm. zuruͤck. Ä 
(Die JFortſetzung folgt.) 





Das Bütergleichgericht, von W. Obermüller. Kon: 
flanz, Stüdher. -1840. 

Der Verf. dieſer Eleinen Schrift formulirt feine Aufgabe 

als bie. n6, eines. Mittelg, um dem Elende der arbeiten: 

den Volkeelaſſen abzuhelfen. Nach einer ſehr flüchtigen Angabe 


: im Wegrifff. 





an Kritis der bis jetzt zu bitfem Zweche gemachten 
unb getroffenen Anftolten Bommt er zu ber —— 
feines eigenen Guflems, beffen weſentlichſtes Element bie Sins 
führung einer Progreſſidſteuer in, bie aur vom reinen Binfoms 
men gegablt wind, bie bes nothwendige Ginkommen eis jeden 
Bürgers ungeſchmaͤlert laͤßt, und bie, wie fdjon ihr Munme an⸗ 
Yigt, im einem genau arithmetiſchen Verhaltniffe mit: der 
Summe bed Ginkommens fisigt. Won der @iafkhrung diefſer 
Gteuer verfpwicht fich der Verfafler alle wohlthaͤtigen Mefultate, 
welche mögliderweife von einer forgfäktigen Begutieung bee 
büygerlidhen Sermögensverhättuiffe durch den Staat zw erwar⸗ 
ten find, er verſpricht ſich von ihr namentlich die allmaͤttge 
Ausgleichung der. äußerfien Armuth und des außerſten Reich⸗ 
thums in durchgaͤngige Wohlhabengeie. 

So unzweifelhaft es iſt, daß Gerechtigkeit und Politik eine 
Srundreform unſerer bisherigen Steuerverfaffun erlangen, eine 
Reform, welche bie ſchwerſten Laſten von ben ſchwaͤchſten auf bie 
ſtaͤrkſten Schultern legt, fo wenig fteht boch au hoffen, daß diefe 
Reform auf dem Wege unfers Verf. und ohne alle anderweitigen 
politiſch⸗ Öfonomifchen Maßregeln zu erreichen ſei. Der Berf. 
macht ſtillſchweigend die irrige Vorausſezung, baß Derjenige, 
weldem die Steuer durch den Fiseus abgefodert wird, auch in 
Definitive die Laſt derſelben frage, während fidy dech amerkann: 
termaßen die ufurpatorifche Gewalt des Reichtſarms, zummi bes 
produeirenden Reichthums, in beinahe allen Faͤllen dadurch bes 
wähet, daß fie bie dem Reichthume abverlangten Gteuem auf 
bie confumirenbe arme Menge überwälst. Dazu kommt, baf 
der Verf. um den Geil ber Erwerbethaͤti nit zu laͤh⸗ 
men, bie Feſtſtellung eines. relativen. Marimums der Steuer für 
nöthig erklärt, wadurch bean natürlich deren ausgleichende Wir⸗ 
ung bedeutend geſchwaͤcht wird. Rechnet man. hierzu bie Un: 
figerheit ber Schägung bes Einkommens, bie im Durdgfchnitt 
weit unter der Wahrheit bleiben muß, bedenkt man ferner, daß 
durch bie Verbeſſerung des Steuerſyſtems die heutzusage in als 
len. Ländern Suropas ungureichende Produetion nicht ober body. 
nicht wefentfich vermehrt wird, fo wird man ſchon burch biefe 
von des Oberfläche gefchöpften Rädlichten übergeugt werben, 
daß die progreffive Steuer, fo wünfcjensmerth fie tft, doch Eein 
politifches Lebenselixir fei, das im Stande wäre, eine üßononsifche: 
—— an unferm ſiechen geſellſchaftlichen Körper hervor⸗ 
zubringen. 2. 

Subefien auch ber Verf. glaubt, daß bie Wirbangen, bie er. 
von der vorgefshlagenen Steuerreform erwartet, wenigſtens durch 
Träftige Borkehrungen gegen die deohenbe Gefahr ber Übervöl⸗ 
kerung geſichert werben müſſen. Ge befft. zunächft, daß ſtei⸗ 
gende Wohlhabenheit und ein Mollsunterricht, ber bie jungen 
Bürger weniger an die goͤttliche SHülfe als au ihre eigenen- 
Kräfte verweife, die leichtfiunige Kindergeugung vermindern 
merde, bie eigentliche Gewähr gegen dieſes Übel ſetzt er aber 
in die Anlegung von Zwangsſparkaffen, in welche Scheer, ber 
fig verheirathen will, eins gemiſſe Sunıme hinterlegen muß, die 
mit. der. Zahl feiner Kinder fleigt. Die. Idee, die innerhalb gen. 
wiſſer Grengen ihr Gutes haben mung, wied durch bie Allge⸗ 
meinheit, in. welcher fie. hier ausgefprochen iſt, zur weinen Gbis: 

- Berf. ift vorfichtig genug, fh in auf die⸗ 


} | nn. b 
Berfuche, die graktiſchen Geiten feiner Maßregel zu bezeichnen, 
mürde ibm und feinen Leſern deren abfolute Unausfühsbarbeit 
klar geworden fein. Die zwangsweiſe vor ber Berhrirathung 
zu binterlegeude Summe fol fo groß fein, daß man (mer? 
die Ehegatten? ober nur. einer derſelben? oder jedes bez: ergeugz- 
ten Kinder?) zur Roth davon leben koͤnne; wie in aller. Melt 
wollten aber die Sparbafſen, angenommen daß jenes. man auch 
nue eine Perfon begeichne, bie unermeßlichen Gummen unters 
bringen, die bei biefem Einftewe sufammenlommen märken, felbft 
wenn ſich die Zahl des jetgen Shen um werigſtens bie Hälfte 
verminderte! Gluͤcklicherweiſe werben die künftigen Zwangsſpar⸗ 
kaſſen durch. den einfachen Umſtand aus ber. Verlegenhtit geriſ⸗ 
fen, daß nicht die Hälfte, ja daß nicht das Wänftheil bes Gel⸗ 


WBerkhiäge 





Yes exiſtiet, ‚Berwaltting ihren der Berf. aufbächen will. 
Sieht der Verf. —— ei ng es gine moralflie Unmbgs 
lichkeit bie g der au e m zu er⸗ 
—— Privilegium gu malen? Doc hören wir ihn mit 
feinen eigenen Worten den Stab Aber feinen Vorſchlag brechen: 
„@parkaffen”‘, fagt ex in ber Einleitung ©. 5, „finb eine herr⸗ 
Iidge Erfindung der neuen Zeit; nur Schade, daß bie Armen fo 
wenig hineinzulegen haben! Dies ift eben ber Haken; wäre es 
möglidh, daß die Arbeiter etwas mehr verdienen koͤnnten, als bie 
bittere Roth exfodert, fo wäre ihnen geholfen‘, und, fügen wir 
hinzu, wären die Zwangeſparkafſen bes Hrn. Obermuͤller mög: 
lich, fo wären fie eben deshalb überflüſſig. 

Stimmen wir gleich nicht in bie Schlußrefultate bes Verf. 
ein, glauben wir gleich nicht, daß ex durch feine Vorſchlaͤge das 
Zolofiele oͤbonomiſche Problem ber Zeit feiner Loͤſung näher ge⸗ 
bracht Habe, fo muͤſſen wir doch anerkennen, daß fein Büch⸗ 
lein einzelne vortreffliche Anfichten und Gedanken enthält, die 
den Leſer für feinen mehr als nachlaͤſſigen Styl hinreichend 
entfchäbigen. 9, 





Notiz. 
Das ‚Foreign quarterly review‘ fährt fort, auf, eine 


intereffante Weife England mit ben Leiftungen ber deutſchen 


Kunft befannt zu machen, inbem es feine Betrachtung an ein 
oder mehre Werke antnäpft, welche von irgend einer in Deutſch⸗ 
land gepflegten Kunftrichtung handeln. Vor einiger Zeit 
brachte dies Review eine Abhandlung über die in Deutfchland 
jüngft erflandenen ober im Entſtehen begriffenen Hauptbau⸗ 
werke, indem es mehre barauf Bezug habende Schriften be: 
ſprach, und in der Julilieferung einen Artitel über die mündhs 
ner Maler und Bildhauer, geſtüht auf des Grafen Raczynski 
„Histoire de l’art moderne en Allemagne‘, zweiter Theil. 
Fre Deutfche, weiche fi) nur einigermaßen" mit deutfchen Kunfts 
interefien befchäftigen, bringt der Artikel nicht viel Neues, 
Schwanthaler, Schnorr und Heß werben nur im Vorbeigehen 
beſprochen, am längften hält fich der. Reviewer bei Cornelius 
auf. Wahrfcheinlich auf Raczpnski’s Äußerungen geftünß Heißt 
es von Raub, daß diefer der erſte deutiche Bildhauer war, 
weicher, nach dem Ablauf von 250 Jahren, den Geſchmack bes 
Mittelalters, wie er fih in Dürer's Werken manifeftirt, wieder 
zu beleben fuchte, ben altbeutfchen Styl Viſcher's, mit den Aus⸗ 
laffungen, Sinzuthaten und Veränderungen, welche Geiſt und 
Fortſchritt der Zeit nothwendig machten. Schwanthaler ſei in 
die Fußtapfen bes großen preußifchen Bildhauers getzeten, nicht 
ne von Thorwaldfen und dem &tubium der Antike influen: 
zu fein, doch fei er zugleich ein zu origineller und feuchte 
Gef, um nur ſtlaviſch nachzuahmen. Gchnorr, heißt 

es, iſt hervorftechend bdeutfch und das Romantifche der heroi⸗ 
ſchen und ritterlichen Zeiten fein eigentliches Gebiet, Heinrich 
Heß dagegen ber Maler der Eoangeliengefchichte, wozu ihn fein 
zart religiäfes Gefühl befonders befähigt. Im Übrigen feien 
die muͤnchner Schule und die von Gornelius weſentlich ſyno⸗ 
nym, wenn aud bie ebengenannten Maler felbftändig baftän: 
den und Schnorr fein Zeitgenofie, nicht fein Zögling ſei. Der 
Ausbrudvon Bröße, welche der in Baiern fi bildenden Schule 
eigenthämlich fei, Flamme von Cornelius ber. Bein mächtiges 


Genie wende fi bald mehr dem vomantifchen, balb mehr bem - 


antilen Eharakter zu, ber verfchiedenen Natur der Gegenſtaͤnde 
entfprechend, welche er behandelt; aber immer fei ex Poet, meifk 
Epiker, ſtets fireng, würdig, erhaben. Vorzüglich werden, eben: 
falls nach einer vorangegangenen Außerung des Grafen Ra: 
eyyneli, feine Gompofitionen nach dem „Fauſt“ geruͤhmt; ba aths 
me ber wahrhafte Geift der beutfchen romantiichen Poefie, oft 
eine ſchreckhafte Erhabenheit, wie in der einen Scene, von wels 
yes der zweite Theil des Raczynski'ſchen Werks ein Abbild lie⸗ 
feet, ſchoͤn in Holz gravirt von Wright und Folkard. Andere 
Gompofitionen des ſtuͤnſtlers, welche aus der altteftamentlicdyen 


u 
Geſchichte entlehnt find, z. B. Jeſeph, der ben Traum bag 


Pharao auslegt, werben der Heinheit des Gefühle, der Milde 
und der ruhigen Manier wegen gerühmt, wodurch fie zu ber 
gewöhnlichen Energie feines Styls einen Gegenſat bilden; audy 
Dante und MWeatrice an den Pforten des Parabiefes ſei ein 
Bild voll Reinheit und Anmuth. Rach feinen in der Ludwigs⸗ 
kirche in der Ausführung begriffenen Fresken enthält bas Bas 
czynstiſche Werk die Rachbildungen von ber Anbetung der Mas 
gier und von der Kreuzigung, erflere von Andrew, Bet und 
Leloir, Iegtere von Lodel in Göttingen in Holz gravirt. Der 
engliſche Berichterflatter fagt davon: „In diefen Werken ift bie 
Tendenz des Künftiers zugleich eine epiſche und ſymboliſche. 
Bei der Behandlung religiöfer Gegenflände gibt er die chatfachen 
nicht wieder, wie fie bie Schrift erzählt, fondern er brüdt ih⸗ 
nen einen mpfterlöfen Charakter auf und umgibt bie Haupts 
handlung mit einer ganzen Welt von Anfpielungen, welche bem 
feommen Gemüth tiefe Betrachtungen zuführen. Das religidfe 
Gefühl und der Charakter der Evangeüſten find bier in einer 
zugleich neuem und Eraftvollen Sprache wiedergegeben.‘ Auch 
wird ein Brief von Gerard vom J. 1828 abgedrudt, worin 
diefer große Künftlee das Verdienſt des Cornelius als eines 
Wiederbelebers und Fortſetzers der Kunft würdigt, und ſich das 
bin äußert, daß die Reform, welche der Kunft durch Gornelius 
geworden fei, dauerhaft fein müfle, weil fie auf Wahrheit ges 
gründet fei. Kaulbach, auf den Gornelius’ Geift, aber in ho⸗ 
her Selbſtaͤndigkelt ber Auffaffung, übergegangen zu fein fcheint, 
empfängt ebenfalls große Lobfprüche. Der Berichterftatter nennt 
Kaulbady 8 Hunnenſchlacht, die er aus Thaͤter's fchönem, dem 
Kaczynskiſchen Werke beigegebenen Stiche Eennt, eine großars 
tige Sompofition, bie. über alles Lob erhaben und unter bie 
größten Werke der mobernen Künflter zu zäblen fi. Wir 
flimmen mit dem Berichterftatter volllommen überein, wenn er 
fagt, daß die beabfichtigte Ausführung in Farben, wenn fie 
ftattgefunden Hätte, bem Gemälde von feinem unbeflimmten 
Charakter der Größe und bes Geheimnißvollen mehr geraubt 
haben würde, als es auf ber andern Seite und in anderer 
Hinſicht durch das Golorit hätte gewinnen Zönnen. Die ins 
tereffantefte Rachticht, die wie bier einfach mittheilen, findet 
fih am Schluſſe des Auffages; fie lautet: „Wir haben erfah⸗ 
sen — wiſſen aber freilich nicht, auf weldge Autorität die Be⸗ 
bauptung fi fügt — daß man Cornelius aufgefobert hat, bie 
Fresken in unferm House of commons auszuführen. Wir le⸗ 
ben der fihern Hoffnung, daß, da England Leinen Frescomaler 
befigt, eine niedrige Eiferfucht gegen das fremde Genie, vor 
welchem unfer eigenes tabelnswerth baftebt, dieſe wahrhaft 
großs und edelmüthige Anerkennung bes ausgezeichneten Künſt⸗ 
lers nicht hindern werde.“ 5, 


2 


Literariſche Anzeige. 


Bei dem hohen Intereſſe des gegenwaͤrtigen Standes der 
orientaliſchen Angelegenheiten erlaube ich mir auf das, Ende 
v. 3. in meinem Verlage erfchienene Werkchen aufmerkſam zu 


Die orientalifhe Frage 
und ihre Rofung. 


Aus dem Geſichtspunkte der Givilifation. 


Bon 
Friedrich Schott, 
8 Sch. 18 Gr. 


Eeiptzig, im Auguſt 1840. 
$. a. Grochkheuns. 


Verantwortlißer Herausgeber: Heinrih Brodbaud. — Drud und Berlag von 8. A. Broddaus in Leipsig. 








/ 


Blätter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Sonntag, 


— — —— — — 





Die Religion nach ihrer Idee und geſchichtlichen Er⸗ 
ſchemung von Auguſt von Blumroͤder. 
 (Bortfegung aus Nr. 242.) 

Um aber die Überzeugung zu gewinnen, fährt der Verf. 
fort, daß im Chriftenthume die urfprünglihe Vernunft: 
religion am zeinften dargefiellt werde, fo wollen wir vor 
unſern Bliden die vorzuͤglichſten Religionsformen flüchtig 
vorubergehen laſſen; und damit eröffnet er die zweite Ab: 
theilung feines Buches: die Religion in ihrer gefchichtli: 
hen Erfheinung. Er fest feinen Unterfuchungen vorerfi 
die einfeitige und voreilige Behauptung an die Stirn, daß 
die Idee der Meligion in der Geſchichte niemals volllom: 
men ausgeprägt erfeheinen inne, fondern fie komme ftets 
nur in einzelnen zerfireuten Zügen zur Erfcheinung. Der 
erfte Abfchnitt handelt nun von den verfchiedenen Reli: 
gioneformen im Allgemeinen, d. b. der Polytheismug, 
Monotheismus und Pantheismus werden erklärt. Es foll 
diefe Erklärung wahrfcheinlich der Geiſt der Religionsge⸗ 
ſchichte, ihre fortfchreitenden Momente in nuce fein; aber 
diefe Beſtimmungen der äußern Form find nichts weniger 
als die Entwidelungslnoten. In ber Schule lernen wir 
die Bedeutung diefer Namen, hier aber muͤſſen wir fehen, 
wenn auch nur flüchtig, wie fich die beiden Seiten ber 
abfoluten Totalitaͤt dialektifch zueinander bewegen, und 
wie der Begriff der Zotalität im Chriftenthume feine 
Realitaͤt erlangt; bie ift die Hauptfahe. Wie aber in 
der göttlichen Geſchichte die Idee des Abfoluten für das 
ſinnliche Bewußtſein fich geſtaltet, dies fpielt nur neben: 
bei, M nur feine dußere Fläche. Der zweite Abfchnitt 
gibt die verfchiedenen Religionen ſelbſt. Es ift eine große 
Aufgabe, bie ſich bier der Verf. gefest hat; denn fie fegt 
einen großen Schatz Außerlihen Willens voraus, wenn 
fie nur in Befriedigung der Neugierde ihre Löfung fin: 
den fol, umd einen hahen philofophifchen Standpuntt, 
wenn fie in der That die innere, göttliche Geſchichte des 
Geiſtes .defchreiben will. Hegel feibft hat dies nur in 
einzelnen .großen, genialen Strichen ausgeführt. Unfer 
Verf. befriedigt aber weder die MWißbegierde, noch den hoͤ⸗ 
bern Drang. des Geiſtes. Er liefert uns das Belann: 
teſte vom Belannten; denn ein Schulbuh, Niemeyer’s 
„Lehrbuch der Religion”, gebraucht er als die Quelle 
feiner Darſtelungen. Ohne philofophilhen Blick, iſt ihm 
die Reihenfolge bei Aufzaͤhlung der Religionsformen ſehr 


— ⸗ Nr. 243. — 


30. Auguſt 1840. 


— — — — — — — — 
- m nn 


zufällig gerathen, und er hätte wol am beften gethan, 
fie nad dem ficherfien äußern Kennzeichen, nach dem 
Alphabet zu ordnen. Zuerſt gibt er uns die Natur: 
religion des Drients. Mas verfteht er aber unter Natur: 
religion? Er zieht es vor, auf biefe ſchwere Frage nicht 
zu antworten, ſondern vettet fich gleich in medias res, 
Gewoͤhnlich fest man fie in unferer Zeit ber geoffenbar: 
ten gegenüber, aber biefer Deismus bes Verſtandes iſt es 
nicht; dies würde ja die Religion unfers Autors, Die 
Verlaſſenſchaft der Eritifhen Philofopbie fein. Die Na: 
turreligion iſt uns die Stufe, wo die Einheit des Natbr: 
lichen und Geiftigen noch vorhanden fit, ſodaß das Un: 
endliche zwar gewußt wird, aber fein inhalt noch ein 
endlicher, zufälliger, natürlicher if. Der Gott ift bier 
in feiner Objectivitädt noch ein Enbliches, das fih auf dem 
unendlich verfchiedenen Stufen diefer Religion bie zum 
Inhalte einzelner Kräfte, felbft mit dem ganzen natuͤr⸗ 
lien Organismus erfüllen kann. Bei Hegel iſt die Er: 
f[heinung dieſer verfchiedenen Formen der Naturreligion 
ein nothwenbiger, Togifcher Proceß, durch den das Abſo⸗ 
Iute, die Subftanz mehr und mehr zu fih kommt. Aufl 
ihrer unterftien Stufe ift ihm die Naturreligion die Reli⸗ 
gion der Zauberei. Sie trägt wieder zwei Momente in 
fih: die Religion der zauberifchen Macht, wo nur das 
einzelne, empirifhe Selbftbemußtfein des Menfchen ale 
Begierde ſich höher weiß als bie Natur; ferner die Reli: 
gion des Inſichſeins, wo das Unendliche im Menſchen fich 
als Bewußtſein auffaßt, als etwas MWefentliches, Feſtes, 
Ruhendes, als etwas Affirmatives. Die erflere Form 
kommt in den rohen Zeiten aller Völker vor, die andere 
aber finder ſich gefchichtlic vorhanden als die Religion des 
Foe, fie ift die Religion der Mongolen, Thibetaner, des 
Nordens und Weſtens von China, ferner der Birmanen 
und Geplonefen, wo Foe Buddha genannt wird; die ganze 
Form aber ift die lamaifche. Der näcfte Fortſchritt iſt 
die Religion ber Inder, die Religion der Phantafle. 
Das weſentliche Element ift hier, daß zu ber leeren Form, 
zu ber Bellimmung des Snfichfeine bie Beſtimmung des 
Concreten hinzukommt, aber diefes Concrete tft im Dienfte 
ber wilden Einbifdungskraft, ohne verftänbigen Zuſam⸗ 
menhang mit der Welt; der Inhalt iſt die zügellofefte 
Willkuͤr. Die Naturreligion im Übergange auf eine his 
here Stufe findet fih nun in der Religion des Guten, 


⸗ 


998 | 


bes Lichts, fie iſt die Religion der Parfen, von Zoroafter | dinge eher und ausgeprägter hervor als bie Religion, 


geftiftet. Gott beflimmt ſich hier nicht mehr zufällig, fon- 
dern ift felbft das Reine, Allgemeine, ſich felbft Gleiche, 
ein Beftimmen der Subftanz, wodurch fie aufhört, Sub: 
flanz zu fein, fondern Subject wird, und biefer allgemeine 
Inhalt iſt das But Die legte und hoͤchſte Stufe ber 
Naturreligion ift aber die aͤgyptiſche, nad Hegel die Re: 
ligion des Räthfels. Die concrete Subjectivität ber Licht: 


religion zerfällt hier ſchon und entläßt. feine Momente, 


aber nicht zufällig, phantaftifh mie in der indifchen Re: 
ligion, ſondern vom der Subjectivitaͤt beherrſcht. Es Mi 
alſo die Subjectivitaͤt in ihrer Realitaͤt, aber noch nicht 
in der wirklichen Freiheit, ſondern von ber Subjectivitaͤt 
getrieben und bemältiget. 

Diefe tieffte Betrachtung flelit Hegel an, um uns zu 
zeigen, wie ſich das Emige und Endliche zulegt im Chri: 
ftenthume findet und verſoͤhnt. Nichts tft hier aͤußerlich 
noch zufällig, Keines hebt das Andere auf, fondern fchließt 
es nur in fih. Bon Hrn. v. Blumroͤder erfahren wir 
aber nur einzeine hiftorifhe Notizen über die Naturreli⸗ 
gion, die gewöhnlich ſchon dem gebildeten Leſer bekannt 
fein dürften. Er hält die Religion der Inder für bie 
urfprünglichfte und läßt dann Budbhaismus und Lamais⸗ 
mus folgen, eine Ordnung, die von ber Natur ber Sache 
widerlegt wird. Späterer Zeit mag die indifhe Religion 
freitich reformatorifch im Buddhulsmus aufgetreten fein, 
aber auf dem eigentlichen Felde der Gefchichte ift hier we⸗ 
nig auszumachen, es ift Alles flüchtig und fluͤſſſgg. Im 
diefes Gemiſch geht namentlidy die Sintoreligion ausein⸗ 
ander, deren der Verf. erwähnt. Die Religion der Par: 
fen behandelt er hiſtoriſch ziemlich voliftändig und deutet 
ihren Einfluß auf die jüͤdiſche und felbft chriſtliche Dog: 
matit an. Dann folgen die Religionen der Babplonter, 
Spree und Phönizier. Hegel erfaßte die letztere in ihrer 
hoͤchſten Ausbildung und ftellte fie „guifsen bie griechifche 
‚and toͤmiſche. Die Religion der Agppter tft ſelbſt hiſto⸗ 
sich ganz oberflächlich behandelt, desgleichen auch die chi: 
neſiſche. Der Verf. hätte eigentlich Legte Religion mit 
befonderer Vorliebe behandeln follen, ba fie die ausgebil- 
detſte Moral enthält; auch iſt er von einigen diefer mo: 
ralifhen Säge fo in Enthufiasmus gefegt, daß er aus: 
ruft: Sollte man nicht glauben, biefe Worte kämen aus 
dem Munde Zefu! Die hohe Stelle, die er diefer Re: 
ligion, als die Spige ber Naturreligionen, anweift, tft 
jedoch nicht bie richtige, fie ift eine Religion der Zauberei 
und gehört in die Formen des Lamaismus. 

Bon den orientalifchen Religionen geht er zu den po: 
Aytheiſtiſchen des Abendlandes ‚über. Er behandelt bier 
zuerſt die griechiſche und erklärt vornherein den griechis 
ſchen Polytheismus aus ber Vorliebe des Volkes für re 
publifanifche Kormen. Die Griechen hatten fir biefe 
Formen eine folche Vorllebe, daß fie felbft den Olymp 
zepublilanificten, meint er, wie überhaupt der finnliche 

nich fi gem das göttliche Megiment nach der Form 
feines Staatsregiments vorſtelle. Diefe Behauptung iſt 
indefien fo materiell, als wenn mir behanpten wollten, 
der Körper forme den Geiſt. Staatsformen treten aller: 


denn fie find die Grundlage der Eriftenz; aber die Be: 
fhaffenheit dieſer Formen hängt wefentli von dem in: 
nern ‘Kerne des Menfchen, von feiner religioͤs⸗ fittlichen 
AInſchauung ab, ſodaß gewoͤhnlich in den erften Anfaͤngen 
des Staatgleban auch das tefigidfe Prigcip auggeſprochn 
iſt und die Staatsformen beherrſcht. Erſt ſpaͤter, wem 
die innere ſittliche Bildung den Staat zu einer ſittlichen 
Anſtalt erhoben hat, kann er den religioͤſen Vorſtellungen 
einer Nation Poſitivitaͤt und Pflege geben, aber nicht die 
Form, die ſtets nur buch ihren Inhalt, durch die Art, 
wie das Göttliche gewußt wird, bedingt iſt. Die griedi- 
fee wie die roͤmiſche Religi nun der Verf. in 
wenigen hiſtoriſchen Notizen ab, und in der Vorausſetzung 
ſo kurz, daß dieſe Dinge hinlaͤnglich bekannt ſein werden. 
Hierauf konmt er auf die alten Deutſchen und Skandi⸗ 
navier; aber diefe niedern Formen der Naturreligion kann 
wol nur ein flarker Patriotiemus an die Spige der arie: 
chiſchen und roͤmiſchen Welt fielen. Am Schluſſe aller 
diefer Religionen, die ihm das Gemeinſame der Vieilgoͤt⸗ 
terei haben, folgen ‚Allgemeine Bemerkungen uͤber bie fo: 
genannten heidniſchen Religionen‘; fie find indeſſen fo 
allgemein, diefe Bemerkungen, daß wir fie mit der fichern 

berzeugung verfchtweigen, unfere Lefer werden Ihnen ſchen 
oft in ihrer Allgemeinheit begegnet fein. 

Der andere große Religionstreis ift dem Verf. ber 
monotheiftifhe. Zuerſt eritt bier der Judaismus auf. 
Er wird nad) zwei Selten, als Religion und ale Staats: 
form begriffen. Der Gott der Juden, hebt er .an, ift 
zwar einzig in Dinficht der Macht und der Herrichaft, er 
ift felbſt Weltſchoͤpfer, aber er fleht weit entfernt von dem 
Ideale des hoͤchſten unbeſchraͤnkten Weſens, welches uns 
die Vernunft vorhaͤlt. Sehr recht, der Inhalt Gottes, 
den uns die Vernunft vorhaͤlt, iſt groͤßer, erfuͤllter, aber 
dies iſt nicht die Vernunft unſers Autors. Gegen die 
juͤdiſche Vernunft gehalten, bat die feine nur den Ber: 
theil des Negativen; Gore ift im Deismus.des Jahrhun⸗ 
bertö ganz entlleidet und alfo auch von ben finnlichen 
Borfiellungen frei. Aber auf der andern: Gelte kommt 
ihm auch meiter gar nichts zu als das ‚allgemeine Mei: 
dicat aller Erfftenzen, das Sein; das Gottetbewußtſein 
des Deiomus weiß nur von Gott das Sen: biefer Au: 
fand tft aber auch ein traurige. Der juͤdiſche Bott hat 
außer feiner Eriftenz inbeffen noch andere Attribute, wenn 
auch unfer Verf. durdy viele Bibelſtellen beweiſt, daß ſie 
in fehr finnlihen Kormen ausgefprodun man, umd 
nicht einfehen kann, mie man buch eine mythiſche Aus⸗ 
legung einen tiefern Sinn beein finden: koͤnne. Er führt 
fort und wirft der jüdifchen Religion nun Ihren Matio⸗ 
nalgott vor; denn der natlrlicde- Gegenſatz bebinge. auch 
bie Annahme von Nationalgötteen anderer Voͤlker. Wenn 
diefer Schluß den juͤdiſchen Monotheiomus In Frage ſtel⸗ 
len ſoll, fo iſt er unrichtig. Wol mag in: der fruͤhern 
Zeit die Religion anderer Völker unter ben: Juden manch⸗ 
mal Anfang gefunden haben; ‚aber im Moſalsmus If 
der "Glaube an das eine“ Wefen, das Himmel und: Eede 
gefhaffen und nichts Höheres neben ſich hat, wol auf 








das Unzweideutigſte ausgeſprochen. Um fich bie Macht 
fiber das rohe Volk zu fichern, meine dee Verf., kuupfte 
Moſes an den juͤdiſchen Nationalgott an, denn, fein Zweck 
war die Errichtung einer Staatsordnung. Auf diefe Weife 


kam das Prieſterrhum an bie Spige, und bie politiſchen 


Mafregein mußten den Charakter göttlicher Verordnungen 
bekommen, Religion und Staat murde eins. Indeſſen 
gefteht der Verf. dem Moſaismus aud nebenbei einen 
großen welthiftorifchen Einfluß in feinen religiöfen Zen: 
denzen zu: er bat die Idee eines hoͤchſten Weſens ziem⸗ 
lich rein fo lange erhalten, bis für ihre weitere Ausbil: 
dung günftigere Umftände eintraten. Was ſich aber Mofes 
von ber ſcheinbar ehrwürdigen Theokratie verfprochen, fin: 
det der Verf. im ber jüdifhen Geſchichte nicht realifict, 
denn die Prieſterherrſchaft hinderte das Volk an ſeiner 
politiſchen Ausbildung und ihre Strafreden beſſerten bie 
Gemüther nicht, fondern erbitterten dieſelben. Beſonders 
aber klagt er den jüdifhen Fanatismus an, ber fih un: 
ter dee Drake der Religion alle möglichen Greuel erlaubt 
babe und ſelbſt ins Chriſtenthum eingedrungen fei. Zum 
Beweiſe gibt er auf zehm enggedrudten Seiten Beiſpiele 
aus der jüdifchen Geſchichte. | 

Mit alten diefen Dingen bat aber unfer Autor den 
jüdifchen Religionsbegriff unerörtert gelaſſen, auf den es 
doch, wenn wir für die jüdifche Religion einen wirklichen 
Maßſtab haben wollen, hier ankommt. Nach ihrem phi⸗ 
loſophiſchen Gehalte dürfte fie keineswegs mehr ber Spie⸗ 
gel religioͤſer Verirrungen, wie dem Verf., ſein, ſondern 
ein nothwendiges Glied in der Entwickelung des Geiſtes, 
in ber That dee Vorläufer und Vermittler des Chriſten⸗ 
thums. Wir haben vorhin die Hegel’fche Darflellung an: 
gezogen, auch jegt fel es und erlaubt, am deſſen Refultate 
zu erinnern. Die jüdifche, griechiſche und roͤmiſche Melt 
ift ihm der Sphäre der Naturreligion enthoben, wo die 
unterfpfedenen Momente in ber Idealitaͤt der fubjectiven 
Einheit zufammengefaßt wurden. Die freie Subjeetivität 
war es, welche bie Herrſchaft erlangt hatte über das End⸗ 
liche uͤberhaupt, ſodaß der Geiſt als geiſtiges Subject ſich 
feiner Freiheit in den endlichen Manifeftationen bewußt 
soorden fl. Jetzt treten wir aus dem Kreiſe ber Natuͤr⸗ 
lichkeit, der Unmittelbarkeit heraus, indem Gott nun als 
Subject gewußt wird, das ſich durch ſich ſelbſt beftimmt 
und dem Endlichen, dem Menſchen allgemeine Gefege von 
Recht, Sittlicpfeit und Freiheit gibt. Das geiftige Sub: 
ject ift alfo die gamz ferie Macht ‚der Selbſtbeſtimmung, 
fodaß ihr Inhalt nichte Anderes als den Wegeiff ihrer 
ſelbſt hat; dieſe freie Zweckbeſtimmung iſt bie Weisheit. 
Die Natur iſt aber hier das herabgeſetzte, unſelbſtaͤndige 
Mittel, das Feld, auf dem die freiere, höhere Subjecti⸗ 
vitaͤt zur Erfcheinung kommt, fie ift die unfelbftändige 
Subſtanz. Der ganzen Religiomdform ercheilt „Degel hier⸗ 
nah den Namen der geiftigen Individualität und findet 
ihre fortlaufenden Momente in ber Trilogie des Juden⸗, 
Griehen: und Rämertbums. In ber jüdiichen Religion 
fpeicht ſich bie Individualitaͤt aus als Einheit, als abfo: 


Niute Subjectivität, fobaß in biefem Weſen das Sinnliche, 


Endliche negirt iſt. Er iſt der Eine, nit das Eine wie 


im Pantheiemus. Es iſt wol die Melt eine Manifeſta⸗ 
tion feiner, aber er iſt über dieſer Manifeſtation, er tft 
erhaben und die natürlichen Dinge find entgöttert. Der 
Weltzweck wird jedoch noch zufaͤllig und aͤußerlich gedacht, 
aber die Beziehung zum Menſchen iſt, daß Gott gewußt 
werde, daß er im Selbſtbewußtſein Gegenſtand ſei. Die 
Ehre Gottes ſoll geprieſen und verherrlicht werden, und 
der Menſch erfuͤllt dies, wenn er thut, was Gott will, 
wenn er ſeine Gebote haͤlt. Das Natuͤrliche muß ſich 
beherrſchen laſſen vom Weſentlichen, vom Geiſtigen, ſonſt 
kann es nicht beſtehen, es geht ihm nicht wohl, es ver⸗ 
dirbt. Rechtthun und natuͤrliches Wohlſein, dieſes Ver⸗ 
haͤltniß gibt dem Volke jene Zuverſicht, aber auch den 
Trotz gegen Jehovah, wenn er ſein Verſprechen nicht zu 
erfuͤllen ſcheint. Alle Voͤlker ſollen zwar dieſen einen, 
wahren Gott erkennen, aber fein Zweck geht nur auf das 
eine Volk, das fein Gefeg, fein Gebot anerkennt und in 
der Froͤmmigkeit feiner Väter mit ihm verbunden if. 
Iſt die Eriitenz, das Wohlergehen gewonnen, ber freie 
Boden als Lohn für die Befolgung des göttlichen Geſetzes 
aba fo höre der Jude auf polemifh_gu fein, der 

anatiemus iſt ihm fein Peincip, wie in der Religion 
der Mohammebaner. Im Gegenfag zu ben andern bei- 
den hat die jüdifche Religion den Namen der erhabenen. 
In der griechiſchen Religion geftaltet ſich aber bie abſo⸗ 
lute Subjectivität zum Charakter der Nothwendigkeit, im 
Kußern: zuc Schönheit. Im religiöfen Leben ber roͤmi⸗ 
(hen Welt iſt es hingegen die Zwedmäßigkeit, bie als 
harakteriftifh auftritt. Es wuͤrde intereffant fein, Diefe 
beiden Religionsformen der antiten Welt näher zu ent: 
wickeln; aber wir müflen zu unſerm Buche zuruͤckkehten, 
und treffen bier den Verf. bei der Darftellung bed Is⸗ 
lam. Er findet an ihm wenig Eigenthümlichee, da ber 
Stifter beffelben ein Mann ohne höhere Bildung gewe⸗ 
fen fei, dem ein Engel erſt das Lefen und Schreiben habe 
einprügeln müflen. Das Weſentliche diefer Religion tft 
ihm ber Monotheismus, im übrigen iſt fie ein Gemiſch 
juͤdiſcher, chriftlicher und zoroaftrifcher Lehren. Ihr Haupt: 
übel ift jedoch ber Glaube an eine Prädeflination. Außer 
dieſen allgemeinen, aͤußerlichen Notizen erfahren wir nichts 
vom Mobammebanismus. Wir laffen es gleichfalls da⸗ 
mit fein Bewenden haben, um einigen Raum für das 
Chriftenthum des Verf. zu behalten. Er ſtellt es in bem 
beitten Abſchnitte biefer zweiten Abtheitung in feiner Rein⸗ 

eit bar. " . 
b (Der Beſchluß folgt.) 





Nikolaus Joſika's ſaͤmmtliche Werke. Aus dem 
Ungariſchen überfegt von Hermann Klein. Fuͤnfter 





bis achter Band. Peſth, Hedenafl. 1839. "Br. 12. 
3 Ihr. 12 Sr. - 
Wir haben bereits früher, bei der Beſprechung der vier 
erften Bände der Söftta’iihen Wierke*), anfere Menu in 
‚ausgefprochen, ‚daß. fie, wenn ‚fie uns He Vyaſe der ungaeithen 
*) Bol. Ru 18 0. BT. f. 10W. DR 


"380 


iteratur vepräfentiven ſollen, dazu nidht ausreiihen, und wir 
fehen uns nach der Lecture der vorliegenden Bände gebrungen, 
zu geflehen, daß durch fie einzig und allein unfere Leihbiblio: 
theten bereichert werden, nicht die beutiche Literatur felbft, noch 
unſere an ſich ſchon mangelhafte Kenntniß der ungariſchen Li⸗ 
teratur. Oder wenn dieſe Überſetung geeignet wäre, und von 
der Stufe, auf weldger ſich die ungarifche Literatur befindet, 
Kenntniß zu geben, fo müffen wir jagen, daß fie und vor ihr 
wenig Refpect einzuflößen im Stande iſt. Es wäre ſchlimm, 
wenn ſich die deutſche Poefie etwa hauptſächlich durch Spindler 
bei dem Auslande repräſentiren follte, obgleich doch Spindler 
an Energie des Talents, Keuſchheit des Geſchmacks und Kunſt⸗ 


fertigkeit der Ausführung Joͤſika beiweitem übertrifft. Daß Is 


ſika's Rame unter feinen Landsleuten Klang und Ruf hat, be: 
weift nur, wie ärmlich es mit ber ungarifchen Literatur beftellt 
ift, und daß fie in der bloßen Unterhaltung ihren Höhepunkt 
erreicht zu haben glaubt. Die ungarifche Kritik wuͤnſcht ſich 
zu einem Romanfdpriftfteller wie Joͤſika Glück, und die deutiche 
Kritik gedeiht immer mehr gu dem Ginfehen, daß bie wuchernde 
Vegetation des Romans bie Literatur gänzlich zu vernichten 
droht. Aus biefer Überzeugung entfarang auch bei uns bie 
Zendenzenbafcherei, womit man ber flachen Romanliteratur ei: 
nen Inhalt zu geben und ein Gegengewicht zu erzielen fuchte. 
Dem ungarifchen Gchriftfteller, defien Roman wir hier zu be: 
ſprechen haben, Liegen aber Tendenzen und Gedanken überaus 
fern; Joͤſika ergeht fich faſt nur in Außerlichkeiten, in Perſo⸗ 
nen- und Ortöbefchreibungen, in der blos becorativen und des 
feriptioen Seite der Romantik. Geine Manier iſt Außerft hohl 
und nichtsfagend. Ob fein Held fo ober fo gekleidet ift, fo oder 
fo eine Rafe bat, tft ihm von aͤußerſter Bichtiokeit; er bemüht 
fi zwar, ben Charakter feiner Perfonen genau and Licht zu 
-ftellen, aber nur indem er ihn befchreibt, wie der. NRaturges 
ſchichtſchreiber irgend ein wildes Thier, von dem er ausfagt, 
daß es ein fleiſch⸗ ober grasfreffendes, ein eins oder zweihufi⸗ 
ges Thier ſei. Es iſt erſchrecklich, wie umſtaͤndlich Joͤſika ift, 
wenn er und die einzelnen Beſtandtheile einer fiebenbürgifchen 
Stadt ober Tabagie, eines Gebäudes, eines Gartenzauns oder 
eines Damenanzugs auseinanderlegt. In der Anhäufung von 
Greigniffen und in der Charakteriſtik bekundet ſich bei ihm al⸗ 
lerdings einiges Talent, aber. er iſt nur Virtuofe in einer ab: 
gelernten Manier, durchaus Fein felbfändiger Componiſt und 
Producent; und bas Talent, Virtuoſe zu fein, ift jet fo 
allgemein, baß es gar nichts mehr auf fich hat. 

“ Der fünfte und fechöte Band enthält den einigermaßen ge⸗ 
ſchichtlichen Roman, Abafi“, der jedoch den ‚‚Lehten Batori’’, worin 
ſich Joͤſika's Talent noch am kraͤftigſten und mannichfaltigften aus⸗ 
geſprochen hat, an Macht der Wirkung keineswegs erreicht. Auch 
„Abaſi“ ſpielt In Siebenbürgen, allerdings eine Eocalität, welche 
für die Romanlefer unter den Wefteuropäern den Reiz der Neu⸗ 
beit hat. Der fiebente Band. bewirthet uns mit einem zwei⸗ 
iheiligen Roman: „Die Leichtſinnigen.“ Hierzu bat der Verf. 
eine Borrede gefchrieben, worin er nachzuweiſen fucht, daß das 
Buch eine’ reinmoralifche Tendenz habe; aber diefe Vorrede fingt 
nur deshalb ein moralifch Lied, um das Publicum deſto ſiche⸗ 
zer zu betbören; wir kennen das; auch die franzöfifchen Ros 
mantiker beucheln folche moralifche Abfichten. Seredi, eine Art 
Don Yuan aus Siebenbürgen, ift ber Held des Romans; er 
verführt in Nordamerika das fchwarze Weib eines freigelafles 
nen Negers, ber, ein zweiter Dtbello, fein treulofes Weib ers 
ſticht. Seredi geht hierauf nach England, wo er fi mit einer 
Lady verlobt. Der beleidigte Neger tft unterbeß fein Diener 


geworben und folgt dem jungen Paare nach Siebenbürgen, wo 


es ihm gelingt, feinen Herrn in einem Keller an eine Säule 
zu.binden, worauf er die Nacht bei beffen Ehefrau zubringt, 
ohne daB biefe merkt, wer ſich ihrem Gemahl untergefchoben 
hat u. |. w. Die fcheußlichen wie die Lüfternen Scenen bes 
Buchs find mit gleicher Vorliebe ausgemalt, das Ganze iſt ein 
Gebräu von Unzucht und Sraufamteit. Der Roman „‚Zolgomi” 


bildet den achten Band. Zelyomi iſt ein fiebenbaͤrgiſcher Ehets 
mann, welcher auf junge und fchöne Maͤdchen Jagh macht und 
fi eine Art Harem anlegt; auf diefer unbelicaten Grundlage 
baut ſich der ganz inhaltlofe, nicht einmal die Reugier fpanz 
nenbe Roman auf. Wie traurig, baß unfere UÜberſetzer, fo oft 
nur bie Fabrikarbeiter ber Verleger, für unſer gar gu. fesurs- 
politifches gewohnliches Lefepubliceum aus allen Sprachen und 
aller Herren Ländern den moraliſchen Abſchaum ber Romantik 
zufammenfegen und, wo nur noch ein Pläschen iſt, jede Ede 

und jeden Winkel unferer Literatur damit vollftopfen ! 16, 





giterarifhe Notizen. 


Eine neue Erſcheinung: „Henriette’’, von Michel Raymond 
(R. Bruder), enthält Schilderungen ‘aus dem Volksleben; alle 
Perfonen darin gehören der arbeitenden Gtaffe an und man 


fiehi, daß der Werf. die Gefellfchaft, bie er fehlldert, tüdheig 


ſtudirt hat. Es iſt daſſelbe Genre wie der „Macon‘’, das 
erſte Werk diefes Pfeudonymen, das ihm durch Einfachheit der 
Erzählung und Wahrheit der Detaild einen gewiffen Ruf vers 
ſchaffte. Aber R. Bruder ift nur ein Glied einer Dreicinigkeis 
von Schriftftelleen, welche urfprünglich den wahrhaften Mi 
Raymond bildete, und die Auflöfung biefer einzigen Verbin⸗ 
dung hat unglädlicherweife die Gigenichaften zerftreut, deren 
Enfemble den Erfolg des Pfeudonymen begründete. Go wirb 
man auch in der „‚Henriette” treu nad) dem Leben copirte 
Gemaͤlde, Träftige Leidenfchaften, wahres Gefühl antreffen, 
und do wirb man ſich von biefem nur allzu nadten Abbilbe 
ber Wirklichkeit mehr zurückgefloßen als angezogen fühlen. Es 
fehlt darin eine gewiſſe Sauberkeit des Geſchmacks und ber 
Darftellung, wie fie gefodert wird, um eine Probuction als 
eine literariſche erfcheinen zu laſſen. 


@ine zweite Ausgabe erlebten: „Histoire des enfarks 
trouves”, von I. F. Zerma, Präfidenten der Hoſpitalverwal⸗ 
tung, und 3. B. Monfalcon, Arzt am Hoͤtel⸗Dieu von 
revidirt und vermebrt; „Histoire des institutions de Moise 
et du peuple h&breu‘, von E. Salvador (8 Bde.); ‚Histoire 
de l'éſrole d’Alexandrie, comparde aux principales &coles oon- 
temporaines‘’, von Matter; „Histoire universelle”, von Bee 
gur, Ausgabe in 12 Bänden, geſchmückt mit einer großen 
Menge von Sticken und Portraits, nach den Bildern alter 
Meifter, welche das Drufeum bes. Loupre befist. Die verfchie 
benen Abtheilungen des Werkes werden auch einzeln, mit oder 
ohne Kupfer verkauft. Die für unfolid verſchrienen Franzoſen 
mäflen hiernach wenigſtens ein fehr folides Publicum für Bes 
ſchichtſchreibung Haben. 


Der Verf. der „„Melanges‘‘, von „M. Jabot”’, M. Vienx- 
bois’’ und „M. Orépin“ hat neuerbings herausgegeben: ‚‚Men- 
sieur Pencil. Le Docteur F'estus, deux nouvelles histoires 
autographides.” Bon Roger de Beauvoir erſchien: „Le pe- 
leton de fil” und „Le oabaret des morts‘! (2 Bbe.), und 
von Mab. Eliſe Volart: „Le Rohinson suisse, par M. Wiss, 
traduit de l’allemand’’, mit einer Vorbemerkung von Gh. Ro _ 
bier, mit 200 in Holz gefchnittenen und in den Zert gedruckten 
Vignetten und in 40 Lieferungen, bie zufammen einen präde 
tigen Band bilden werben. .. 





In zwei Bänden erfchien in Partie: ‚‚Uorrespondence de 
Maximilien I et de Alarguerite d’Autriche, sa fille, gou- 
vernante des Pays-Bas, de .1507 a 1519, publiee d’apres 
les manuscrits originaux, par ordre et sous les auspices de 
la societ€ de Phistoire de France, par M. Eeglay, archi- 
viste general dü departement du Nerd, correspondant de 
Institut,” . 5 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud-und Verlag von F. A. Brockhaus in Eeipzig - 





B lätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 244. — 


31. Auguft 1840. 





Die Religion nach ihrer Idee und gefchichtlichen Er⸗ 
fheinung von Auguft von Blumröder. 
(Beſchluß aus Nr. 213.) 

zur Zeit, als fih die Welt in zerrütteten üußern 
Verhältniffen befand und ſich nach einem politifchen Er: 
tetter, nach einem großen Könige fehnte, kam diefe Idee 
auch zu dem jldifchen Volke und verfhmolz mit feiner 
Nationalität. Da trat unter den Juden Sefus auf (Chri: 
ftus der Meffins, Gottes Sohn) und benußte diefe Volks: 
anficht zu feinen hoͤhern Zwecken. Tief ergriffen von der 
an jeden tüchtigen Menfchen ergehenden göttlihen Mah⸗ 
nung, nad Kräften das Gute zu fördern, erkannte er 
feinen göttlichen Beruf, einen beflern Zuſtand der Welt 
einzuleiten, oder, nach ber Sprachweife feines Volkes, der 
Meſſias zu werden. Er fund, daß das Unglüd feines 
Volkes und feiner Zeit in der fittlihen Verdorbenheit lag, 
und richtete hiernach fein - Augenmerk befonder® darauf, 
die fittliche Kraft der Menfchen durch Lehre und Beifpiel 
zu beleben und zu ſtaͤrken. In biefer Art wurbe er ber 
Erlöfer der Menfchheit. Zuerft wollte er allein bie Su: 
den reformiren; aber nad feinem Tode flifteten feine 
Schüler eine eigene, von der jüdifchen verfchiedene Meli: 
gion. Seine unvermifchte Lehre, deren Verfchiedenheit 
aus ihrer hiftorifchen Entwidelung hervorging, iſt wefent: 
lich in folgenden Punkten enthalten: Es ift ein Gott, 
wie ihn die Vernunft lehrt, kein bdreieiniger; biefen Gott 
müffen mir im Geiſte und in der Wahrheit verehren, 
d. 5. im ber Aneignung eines Gott wohlgefälligen Ein: 
ms; zum Letzten aber, die Seele ift unfterblih. Das 
ift die Summe des Chriſtenthums, welche unfer Autor 
lehrt. Inſofern Jeſus die vorgefundene Meffiasidee er: 
griff und fie in fittlicher Beziehung zu realifiren gedachte, 
it der Begriff der chriftlichen Kirche entſtanden; Alle 
gehören dazu, melde bie fittliche Weltordnung zur Auf: 
gabe ihres Lebens machen. Die Bibel ift eine Samm: 
lung von Schriften der Schüler Jeſu, aus denen wir 
gar Manches lernen Eönnen, wenn es und darum zu 
thun ift, unfern Verſtand zu erleuchten, unfere Sittlich⸗ 
£eit zu verbeſſern; aber diefe Schriften find auch mit 
vielee Vorſicht zu gebrauchen, denn Chriftus und feine 
Apoſtel mußten gar Vieles ehren, was nicht mit der 
Bernunft uͤbereinkam: die Vorſtellungen ber Zeit erheifch: 
ten dies. Der Einwurf, daß auf diefe Weife das Chri- 


ſtenthum unnoͤthig fei, weil es ganz mit dem reinem. 
Bernunftglauben uͤbereinſtimme, wird durch bie Weiſe be 
feitiget, daß nicht alle Menfchen diefe eigene haͤchſte Ber 
nunftbildung fi) aneignen koͤmen und ſich mit Dem 
begnügen müffen, was ihnen eines Andern Bernunft 
(ehrt. Auch iſt diefe Pofitivität tauglih, um ein foger 
nanntes metaphyſiſches Papftthum, logopapismus, zu ver: 
hindern. Zum Schluſſe hält es ber Verf. noch für raͤth⸗ 
lich, einige freifinnige Xußerungen Luther's in Bezug auf 
die Bibel anzuführen; fie machen einen befonbern Para: 
graphen aus. 


Dieſes chriſtliche Glaubensbekenntniß muß ſelbſt jeden 
Rationaliſten tiefern Sinnes anwidern. Das Chriſten⸗ 
thum wird von ſeiner epochemachenden Bedeutſamkeit ent⸗ 
kleidet und tritt als die individuelle Beſtrebung eines ge⸗ 
woͤhnlichen Weltverbeſſerers auf, deſſen ſtrenger Sinn für 
Licht und Wahrheit verdaͤchtiget iſt, da er feinen Zeitges 
nofjen mit einem ihnen behagenden Charlatanismus ent> 
gegentrat. Auf der andern Seite ift aber auch das ganze 
hriftliche Leben bis auf den heutigen Tag nach der Theo⸗ 
vie unfers Verf. eine große Lüge, ein Zufall, unter dem 
die chriftlihe Welt fchon feit 2000 Jahren feufzt; denn 
ffe hat noch nie erkennen wollen, daß die chriftliche Of⸗ 
fenbarung fich in den wenigen Sägen eines leeren Deis⸗ 
mus concentrirt. Die wahre Wiflenfchaft gibt uns eine 
tröftlichere Anfiht vom Chriftenthbume und feiner Entwi⸗ 
ckelung. Sie erkennt eine chriftfiche Geſchichte an, aber 
fie fcheidet fie in eine natürlihe und eine fpmbolifche. 
Nah) dem Zuftande der alten Welt mußte die Verſoͤh⸗ 
nung des Endlihen und Unendlichen, des Dieffeits und 
Jenſeits fi) zuerft im Spmbole vollziehen, es itellt ſich 
dar, dieſes Spmbol, unter Chriftus dem Gottmenfchen. 
Seine Perföntichkeit iſt das erhöhte Zeichen, auf welches 
das Gefchlecht hinſieht und fih der Werföhnung niit fei 
nem Gotte bewußt wird. Die wunderbare Gefchichte; die 
fih an bie Perföntichkeie Chrifti knuͤpft, kann und darf 
nicht zur gewöhnlichen herabgedeutet werden, denn in Ihr 
ift die Gefchichte der Menſchheit enthalten, es ift eine 
göttliche Gefchichte. Sein Leben und Leiden ift das Min: 
gen bed Geſchlechts, der Kampf und ber Schmerz ber 
Menfhheit nach der Erlangung des Ewigen, Göttlichen ; 
fein Tod miederhoft fi) im Individuum wie im Ge: 
fhlechte, wenn es ſich über das Endliche erhebt, den Egois⸗ 


mus und die Sünde des Nutürlihen abthut und in ber 
Verſoͤhnung und Vereinigung mit dem Unendlichen, mit 
der Mahrheit, mit Gott eine neue Auferftehung feiert. 
Auf jeder böhern, freiern Stufe, welche die Menfchheit 
erftiegen, hat f ihren Tod und ihre Auferftehung ge- 
feiert, am m den aber im Chriſtenthume fetbfl. n 
ihm iſt zuerft die Negation des Endlichen ausgeſprochen 
und die Verföhnung mit dem Unendlichen im Geifte voll: 
zogen worden. Gott, bie ewige Subftanz, bie ſich gefegt 
und entfremdet als Welt, hat ſich teiedergefunden und 
als Geift begriffen, und fo ift es ein dreieiniger Gott, 
als Vater, Sohn und Geiſt. Was aber als Bild, auf 
äußerliche Weife an das Geſchlecht gekommen und als 
BVorftellung aufgenommen ift, das verflärt und verinner: 
licht fich in ihm nach dem ewigen, logiſchen Gange zum 
Begriffe, und die Gefchichte der chriftlihen Kirche iſt im 
Großen nichts als diefe Verinnerlichung, die mit der Ent: 
widelung des menſchlichen Geiftes gleichen Schritt Hält. 
Die erfte große Phafe des Chriſtenthums ift das foge: 
nannte Mittelalter. Die Wahrheit der chriftlichen Reli: 
gion ſchlug fo flark in die Gemüther der Völker, ſtillte 
fo fehr ihre Sehnſucht nach dem Höhern, daß fie in die: 
- fee Verinnerlihung, in diefer Einheit des Glaubens und 
Fuͤhlens faft den Inhalt der Offenbarung außer Acht lies 
fen und ihn nicht felten der Verehrung und dem Egois⸗ 
mus peeidgaben. Da pochte der Verfland das träumende 
Geſchlecht auf und das Beduͤrfniß der Menſchheit erwachte 
— das Bedürfniß der innern Freiheit, des Denkens. Die 
feeigevoordene Macht griff die dußern Formen bed chriſt⸗ 
lichen Lebens an, die Kirche, machte fi aber an Das 
chriſtliche Dogma nur infofern, als fie es von ben zei: 
tigen kirchlichen Inſtitutionen für corrumpirt hielt. Erſt 
fpäter nagte bie Reflerion in der proteftantifhen Kirche 
an den einzelnen Lehren, zerflörte fie, fegte fie herab und 
verfllichtigte ihren göttlichen Inhalt, indem fie die Form 
zerſchlug. Diefe aufltärende Richtung im religisfen Le: 
ben hatte aber ebenfalls feine Bedingung in dem ganzen 
Bildungszuftande feiner, und infofern fie noch heute vor: 
handen ift, unferer Zeit. Die im Glauben dahingegebene 
Subjeetivität macht fich in diefem modernen Zuftande wie: 
der frei, fest fih und kommt zum Bewußtſein ihres Wer: 
thes. In der Religion teitt dieſe Subjectivität gefund 
und entwidelungsfähig als Nationalismus auf, begabt 
mit Wiffenfhaft und frenger, Eritifcher Gedankenzucht; 
fie kann nicht ſtill ſtehen diefe begründete Richtung, und 
wird fich gewiß die Refultate ber neueften Philofophie an: 
eignen. Kine andere, aber misfarbene Pflanze bes fub: 
jectiven Idealismus ift jener feine, moderne Pietismus, 
die Spige der Selbſtheit. Sie abitrahirt von allem In⸗ 
halte des religiöfen und philofophifhen Denkens und ver⸗ 
ſinkt blos und allein in den Genuß bes füßen Selbits; 
als eine Entartung wird fie untergehen an ber Energie 
und der Fülle einer neuen errungenen Gedankenwelt! 
Don dem Nationalismus, ben unfer Verf. in feinem 
Buche predigt, wollen wir jedoch hier nicht gefprochen ha⸗ 
ben. Es ift der grobe, hausbackene Verftand, aber mit 
wiffenfchaftliher Anmaßung, und doch fo ganz ohne alle 


Wiffenfhaft.. Nach feiner mitgetheilten Chriſtologie be: 
ginnt er einen neuen Abfchnitt, in dem er von der Aus- 
artung und Entflelung des Chriftentbums handelt. Es 
iſt eigentlich die Gefchichte der chrifllichen Kirche bis auf 
die Zeit der. Reformation, die er hier darzuftellen verfucht. 
Der Inhalt ber chriſtlichen Dogmatik, von diefer feine 
Stufe aus, erfcheint-ihm im Allgemeinen als eine Vers 
irrung des menfchlichen Geiftes, entftanden und den Bil: 
fern aufgedrängt duch die Lift und Gewalt verkehrter und 
berefchfüchtiger Priefter. Die biutigen Kämpfe und Ber: 
folgungen,, die in der Roheit und Zerrüttung des aufge: 
Löften Zeitalters lagen, werden dem Chriftenthume felbft 
zum Vorwurfe gemacht. Aber er bedenkt nicht, daß es 


eben diefer Blutſtreif if, dieſes Maͤrtyrerthum, das ſich 


innerhalb der chriſtlichen Kicche hinzieht, welches uns bes 
weift, wie die Menfchheit wol ahnete, daß es ſich hier 
um bie Wahrheit, um ihr hoͤchſtes Intereſſe handelte. 
Wir glauben auch nicht, daß die Wahrheit ftets Sieger 
blieb, wir geben zu, daß fie gewöhnlich im Nebelgemande 
ihrer Zeit auftrat, role geben zu, daß fich vieles Schlechte 
und Frivole an fie hing; jedoch das ganze chriftfiche Le: 
ben von einem SJahrtaufend für ein Scandalum zu er: 


klaͤren, das heißt die Gefchichte dev Menfchheit nicht begrei⸗ 


fen. In Schmerz und Kampf mit der Gemeinheit des Ir⸗ 
difchen gelangt der Einzelne wie das Geſchlecht zum Ewi- 
gen, Abfoluten, bies ift der ewige, nothmwendige und fo 
tragifhe Gang. Ihn im Großen zu deuten, reinigt und 
erhebt da8 Gemuͤth; aber an ihm zu deuteln, mit dem 
baaren Berftande an fein Äußeres zu taften, das macht 
abfurd und lächerlich. 

Ein fünfter Abſchnitt handelt von den Verſuchen zur 
Derbefferung des Chriftenthums; es ift der legte des Bu: 
ches. Der Berf. führe bier zuerft Stimmen aus dem 
Mittelalter an, die gegen die roͤmiſche Hierarchie gerichtet 
find und auf eine Kirchenverbefferung dringen. Dann 
befpricht er die Meformation; fie genügt ihm nicht, weil 
fie noch nicht völlig bie zu feinem reinen Vernunftglau: 
ben hinducchdrang, fondern fih mit einer Wiedecherftet- 
lung des Altern chriftlihen Glaubensſyſtems begnügte. Hier: 
auf beleuchtet er die unter dem Namen Rationalismus 
und Supernaturalismus bekannten Auffaffungsweifen des 
Chriſtenthums und den neuern gefährlihen ſchwaͤrmeri⸗ 
[hen Sektengeiſt. Nachdem er aber noch von der Chri⸗ 
ftologie der neueften Philofophie gefprochen, fchlieft er das 
Buh mit dem Verfuche einer Harmonie ber Glaubens: 
(ehren mit dem Geiſte des Chriftenthums. 

MWir kennen jest die Anfichten unfers Verf. fo hin⸗ 
reihend, daß wir es nicht mehr für nöthig erachten, in 
Das tiefer einzugehen, was er in allen bdiefen Artikeln 
abhandelt. Vorenthalten wird dadurch unfern Leſern nichts; 
denn e6 iſt immer ber reine Vernunftglaube, und wieber 
derfelbe, ber allenthalben auftritt und zu dem berab er 
gern in einer bekannten Welfe das Chriſtenthum nivellis 
ven möchte. Durch einen fo befchränkten, fubjectiven Ge⸗ 
ſichtskreis tft kein wahres Eindringen in die Natur eines 
religidfen Gegenſtandes möglich, fondern jede Unterfuchung 
loͤſt ſich zu einzelnen Hiftorifhen Notizen und einem fees 








ven, geiftfofen Raifonnement auf, das nicht allein den 


Kopf, ſondern auch das Herz leer läßt. Der gemeine, 
sefunde Dienfchenverfland mag recht viel taugen, um ben 
Acker zu beftellen und ein Handwerk zu betreiben, aber 
eine Philoſophie der Religion kann er nicht fehreiben. 
Unfer Autor befindee ſich ganz auf diefem Standpuntte 
und verachtet daher die Mefultate des fpeculativen Den: 
kens. Wir verzeihen ihm dies um fo mehr, als er felbft 
eingefteht, daß ihm bie Weisheit der Philofopbie zu hoch 
fi — Niemand kann über feine Natur. Nur einen 
Rath müffen wir ihm auf Pünftige Fälle an die Hand 
geben, nämlich den: daß es mehr Ehre bringt zu fchwei: 
gen, als öffentlich Über ein tiefes, wiſſenſchaftliches Reful: 
tat zu fprechen, von dem man felbft eingeftehen muß, da 
man es nicht begreifen koͤnne. 36. 





Parliamentary report on transportation etc. 


Bald nachdem Forth und Genoſſen Eugermeife, ftatt aufs 
Schaffot, zur Deportation abgeführt worben waren, überreichte 
die vom Unterhaufe im November 1838 niebergefehte ‚„„Sommifs 
fion zu Unterfuchung bes jegigen Deportationsfyftems, feiner 
Wirkſamkeit als Strafe, feines Einfluſſes auf den moralifchen 
Geſellſchafts zuſtand in den Strafcolonien und feiner Verbeſſe⸗ 
zungsfähigkeit‘ das Refultat ihres mühfamen Forſchens in eis 
nem, jetzt im Druck erfhienenen Berichte. Derartige Docu⸗ 
mente find zwar wegen ber beigefügten Beugenausfagen,, auf 
weiche fie ſich fügen, ſtets fehr voluminös, aber auch meiſt ſehr 
intereffant und ihre Aufgabe erichöpfend. Man möchte beinade 
fagen, ihe Werth verföhne mit dem Unwerthe mandher parla- 
mentarifchen Debatte. Doch das nur nebenbei. ebenfalls bes 
rührt der fragliche Bericht ein mehr als engliſches Interefie 
und verdient die Beachtung wie ben Dank Aller, in beren Aus 
gen der gefallene Menſch nicht aufhört, Menſch zu fein. 
Schmeichelhaft genug für Miß Garriot Martineau, bie vor 
kurzem in einem gut gefchriebenen, wol aud in Deutfch⸗ 
Land belannt gewordenen Sournalauffage über denfelben Gegen⸗ 
Rand ſich verbreitet hat, einigen ſich die auf Thatfachen baſir⸗ 
ten Anſichten der Gommiffion mit der von der geehrten Schrift: 
ftellerin gehegten Meinung, daß das jekige Deportationsfyftem 
hinter feinem Zwecke zurüchbleibe. Die Gommiffion bat ihre 
Arbeit in fieben Capitel geſchieden: 1) Gefchichte ber Deportas 
tionsftrafe, ihre Beſchaffenheit und ihre Groͤße; 2) Furcht vor 
Deportation und die dadurch bezweckte Abfchredung von Vers 
brechen im MWutterlande; 85) Einfluß auf den Gharalter ber 
Deportirten;, 4) Ginfluß auf ben moraliſchen Geſellſchaftszu⸗ 
ftand in den Gtrafcolonten, 5) Wirkung auf bie oͤkonom 
Zuftände jener Gemeinden unb inwiefern deren finanzielles In: 
terefle beim Fottbeſtehen oder Abftelen ber Deportation betheis 
ligt ſei; 6) Koften des gegenwärtigen Deportationsſyſtems, und 
endlich 7) ob daffelbe einer Verbeſſerung ng und wenn nicht, 
was mit Vortheil an deſſen Stelle treten koͤnne. Die Quint⸗ 
eſſenz jedes Gapitels laͤßt ſich in wenigern Zeilen sufammen- 
drängen, als der Bericht ſammt Unterlagen enggebrudte FJolio⸗ 
eiten füllt. 

' die gegenwärtigen Strafcolonien für Großbritannien find: 
KReusübwales, Bandiemensland, beibes in Auftralien, die Nor⸗ 
folkinfel, ungefähr taufend englifche Meilen oͤſtlich von Auftra: 
lien, und bie Bermubas, eine SInfelgruppe im atlantifchen 
Meere, der Küfte von Garolina gegenüber. Reufübmwales hat 
in jebem ber lesten fünf Jahre eine Zufuhr von burdhfchnistlic 
3544 Berurtheilten*) erhalten, und die Gefammtzahl der, 183 


*, Ref. fagt: Verurtheilter, weil er fih nit entfhließen kann, 
dad im Engliſchen gebräuglige conriet durch das deutſche, 


in ber Solonie befindlichen war 27,881, worunter — Ehre bem 
weiblichen Gefchlechte ' — bios 2577 rauen. —** deffel⸗ 
ben Zeitraums kamen jährlich 2078 na Bandiemensiand, und 
1856 betrug ihre Seſammtzahl 16,968, unter denen 2054 
FJrauen. Auf der Norfolkinfel waren 1858 Aber 1200 Gefans 
gene und die meiften berfelben wegen in Reufüdwales begans 
gener Verbrechen. Auf Bermuda befanden fi gu ermwähnter 
Zeit ungefähr 900 Individuen. Nenn biefe Biffern die Renge 
dee Deportirten bezeugen, fo beweift dagegen ber Bericht, wie 
die ihnen zuerkannie afung- ebenfo hart als ungleidkmäßig 
iR. In Neufübwales und Banbiemensiend wird bie Mehrzahl 
den freien Goloniften als Dienftboten zugetheilt; bie üörigen 
behält die Regierung gu eigener Verwendung. Häufig iſt bie 
Lage jener eine unverbient gute, noch häufiger eine unverſchul⸗ 
det ſchlechte; das hängt vom Zufalle, weil von der Sinnes- 
und Denkart der Dienftherefaft ab. Der gugetheilte Dienſt⸗ 
bote fleht unter einem böcft fummarifchen Rechte; Peitſchen⸗ 
hiebe, Gefängniß, Abfperven im Kerker und Kettenarbeit — 
find die Strafen, welche die, wenn auch derantwortiidden Rich⸗ 
tee nach freier Willkur verbängen. Und wie entiweber unwirkſam 
dieſe Strafbefugniß iſt oder wie graufam fie gehandhabt wird, 
dürfte daraus hervorgehen, daß in Wandiemeneiand in einem 
der letztern Jahre bei einer Verbrecherzahl von nicht über 15,000 
ebenfo viele Berurtdeilungen ftattfanden und diefe von mehr 
als 50,000 Peitfchenhieben begleitet wurden. In Neuſũdwales 
überfliegen 1835 die ſummariſchen Verurtheliungen die Zahl 
22,000, und ber Peitfchenhiebe waren nahe an 100,000, Mög: 
lich, daß die Verurtheilungen gerecht, die Zuchtigungen ben Ber: 
gehen angemefien; doch fpricht beides deshalb nicht minder laut 
für den traurigen, ſchmerzlichen Zuſtand der ben Goloniften dies 
nenden Deportirten. Und ein im Allgemeinen noch härteres 
Loos trifft die von der Regierung Beldäftigten. Sie arbeiten 
meift in Haufen und meift in Ketten am Wegbaue. ie fie 
behandelt werben, davon enthalten bie Berichtäunterlagen Schil⸗ 
derungen, die das Herz bluten machen. Trot biefer graͤßlichen 
Wahrheit ſcheint die Deportation den Zweck der Abfchredung 
von Verbrechen im Mutterlande wenig ober gar nicht gu ers 
reihen. Man hat Werurtheilte über die Strafe fpotten und 
laden fehen, und warum? Namentlich in Folge der in Eng⸗ 
land umpergehenden und auch nach Deutichland gegangenen Er: 
sählungen von außerorbentlichen, einigen Deportirten in den 
Colonien zu Theil gewordenen Blädsfallen.*) Es haben foldye 
Sluͤckefaͤlle fich ereignet, wenn auch das Gerücht nach feiner 
Gewohnheit fie vergrößert hat. Und davon wird geſprochen, 
nicht von dem bittern Elende Zaufender; wie Lotteriefpleler an 
den einen Hauptgewinn, nicht an die hunderttaufend Nieten. 
denken. Schon bie erwähnte Zahl der Werurtheilungen und 
Peitſchenhiebe beantwortet einigermaßen die Frage, welchen Gin: 
fluß die Deportation auf den Charakter der Ihe Unterworfenen 
ige? ine noch beutlichere Antwort geben zwei andere Um⸗ 
Hände, In jener Zahl find die Todesverbrechen nicht begriffen 
und die Hinrichtungen in Reufübwales fo häufig, daß, wenn 


allerdings entfpredhende Wort: Überwieſener oder Miffethäter 
wieberzugeden. Gin zur Deportation Werurtheilter iſt biswei⸗ 
len weber überwiefen, nod ein Diffethäter, nur ein ſchuldig 
Befundener. 

°) Das Notizenblatt zur „„Wiener Beitfchrift für Kunſt, Litera- 
tur, Theater und Mode’ erzählte in der Nummer vom 16. 
Januar d. 3.: „Ein Bewohner von Wanbiemendland, welcher 
im 3. 1806 dahin beportirt worden war, hat ih ein Vermoͤ⸗ 
gen von 100,009 Hr. Sterl. gefammelt, Indem er einige von 
der Regierung aufgegebene Suͤmpfe audtrodnete, urbar machte 
und bebaute. Er ift nun um feine Nehabllititung zur Ruͤck⸗ 
Echt nach England eingefäritten, Hat fle erhalten und bezieht 
in Eondon eind der prachtvollſten Hotels.“ Diefed Geſchicht⸗ 
hen ift einem der mehren Ionboner Journale entnommen, bie 
fie einander nachgehrudt, if aber troß feiner Einfachheit eine 
— Erdichtung. 


84 


fie nach Verhältniß ber rer in England gleich häufig 
wären, England, flatt jährlih 12— 15 Grecutionen, berem 
7000 fehen würbe. Dann bie offictelle Nadweifung bes Gene: 
zalfiscald von Vandiemensland, daß im Durchſchnitt drei Bier: 
tel der dafelbft begangenen Verbrechen von Solchen verübt wer⸗ 
den, deren Strafzeit abgelaufen ifl. Kann es einen ſchlagen⸗ 
dern Beweis geben, wie Wenige die Strafe beifert? Was hiess 
von eine unzertrennliche Folge, das tritt aus dem Berichte ald 
fhauderhafte Wahrheit hervor — der verderblide Einfluß auf 
den moralifchen Geſellſchaftszuſtand. ‚Die von Deportirten beis 
der Geſchlechter in unzähligen Familien cingeſchleppte Peft ber 
Sünde und ber Krankheit ift noch nicht der Übel größtes. Das 
wuchert im Stillen, weil es die Sünde fortpflangt und lang: 
fam jedes beſſere Gefühl übermähfl. Die fortſchreitende Des 
mosalifation, ſowol unter ben @efangenen als unter ben freien 
Sinwohnern, erhellt aus bes einfachen ſtatiſtiſchen Thatſache, 
daß die Verbrechen über das Verhältniß zur Benöllerung und 
folglich beiweitem über die verhältnißmäßige Zahl der Deportir⸗ 
ten ſich vermehrt haben. Daher fließt auch die Commiſſion 
dag vierte Sapitel mit ben Worten: ‚Dauert das gegenwär⸗ 
tige Syſtem fest, fo ift für bie Strafcolonien sine Verbeſſerung 
ihres moraliſchen Zuftandes nicht zu hoffen, wol aber eine im⸗ 
mer mehr um fich greifende Verſchlechterung zu befürchten.“ 
- Das finanzielle Intereffe der Soloniften dürfte zwar durch Ab⸗ 
ſtellung der Deportation infofern leiden, als daraus ein Mans 
gel an Arbeitern entfliehen würde. Doc glaubt die Gommiffion 
hierin nur einen ‚momentanen Nachtheil erbliden zu fünnen, 
indem fie die commerzielle Überzeugung ausſpricht, daß im 
Mangel die Veranlaffung feines Abhülfe liege. Zu dem Zwecke 
bemeift fie, daß bie Verwendung der Deportirten und bie des⸗ 
halb unvermeiblicde Gemeinfchaft mit denfelben bie arbeitenden 
EClaſſen bisher vom Einwandern abgehalten, jetzt jeboch gerade 
in diefen Claſſen die Auswanderungsluſt nach Auftralien derge⸗ 
flait. zugenommen habe, daß von einem Mangel an freien Ar: 
beitern bald nicht mehr die Rede fein werde. 

Die Staatskoſten des gegenwärtigen Syſtems haben lange 
Zeit die jaͤhrliche Ducchfchnittefumme von 156,398 Pf. Sterl. 
betragen, find aber nad) und nach immer höher und gulcet für 
das Jahr 1837 bis auf die niedlihe Summe von 433,013 Pf. 
Sterl. gefliegen. Und hierin iſt — ohne Angabe dee Warum 
— der Aufwand für die Bermudas nicht begriffen. Durch 
diefe fämmtlichen Prämiffen achtet die Commiſſion ſich zu dem 
Schluſſe berechtigt: „Daß bie Deportation als Strafe bie zwei 
charakteriſtiſchen Eigenthümtichleiten befite, ebenfo unmwirkfam 
in Bezug auf Zurüdichredung von Verbrechen als wirkfam in 
Bezug auf Verfehlechterung der damit belegten Verbrecher zu 
fein — daß diefe Eigenthämlichkeiten im Syſteme ruhen unb 
ſolches daher einer genügenden Verbeflerung nicht fähig — end⸗ 
ld, daß, außer jenem fonderbaren Straſcharakter, dem Syſteme 
das nod feltfamere, aber Schauber erregende Übel anbänge, 
Geſellſchaften, oder richtiger Keime von Nationen ins Dafein 
zu rufen und fortwährend groß au ziehen, die von andern nur 
durch ein zunehmendes Maß laſterhafter Neigungen ſich unter: 
ſcheiden. Aus diefen Gründen ift die Sommiffion der Anficht: 
daß das jehige Deportationsſyſtem abzufhaffen. Was foll 
nun aber mit Vortbeil an beffen Stelle treten? Um bierauf 
antworten zu koͤnnen, bat die Commiſſion die Meinung mehrer 
ſtimmberechtigter Männer und von allen den Ausſpruch ver⸗ 
nommen, daß der freie Verkehr der Verbrecher miteinander bie 
Haupturſache neuer Verbrechen und fleigender Schlechtigkeit, ga, 
Thon häufig während der gemeinfchaftlichen Überfahrt aus Ei: 
nem, der im Momente der Verſuchung gefünbigt, ein verhärte- 
ter Böfewicht geworben fei. Dies veranlaßt die Commiſſion zu 
dem Gutachten, daß, da laut der Erfahrung aller Nationen und 
namentli nach dem Ergebniffe der in den legten Jahren an: 
geftellten Erörterungen eine Mobiftcation des bisherigen Arbeits⸗ 
hausſyſtems das geeigneifte Mittel fei, Furcht einzuflößen und 
einen Verbrecher zu beſſern, diefe zwei hauptſächlichen Straf⸗ 


wede am beſten und ficharften erreicht werben bürften durch 
nnahme bes jpaemannten amerikaniſchen Abſonderungſyſtems — 
„that form of the penitentiary system which is known as 
the separate system of America”, Daß dieſes Syſtem 
in Abfcheldung ber Verbrecher mittels Ginfperrens in einzeine 
Bellen befteht, we fie mit Arbeit reichlich verforgt, von den Bes 
amten des Gefängniſſes beauffihtigt und von Dienern der Ne⸗ 
ligion nicht blos beſucht, ſondern auch ist unterrichtet werben 
— ift ung in Deutſchland zur Genüge bekannt. Inzwiſchen 
dürfte doch bas auf diefes Syſtem zurüdtommende Gutachten 
der englifhen Gommiffion bei uns ſchon deshalb Berückſichti⸗ 
gung verdienen, weil in unfern Stänbeverfammlungen der Bes 
fig eines überfeeifchen Landſtrichs zum Behuf der Deportation 
je bisweilen als wünſchenswerth und nothwendig erwähnt, weil 
ein folcher neuerlih in Frankreich ein Bedürfniß genannt und 
von und guten Deutichen noch lange nicht genug eingefchen 
worden ift, daß die Weisheit weder in Frankreich, noch in Eng⸗ 
land ihren ausfchließenden Thron, letzteres aber allerdings in 
viclfacher Hinſicht vor Frankreich und Deutfchland ben prakt; 
+ 


Then Blid voraus Hat.*) - 





Notizen. 


Deutfhe Burfchenlieder in England. 

„Tait's Magazine‘ fährt fort, englifchen Leſern beut- 
ſche Burſchenlieder in Überfegungen vorzuführen, die man ge⸗ 
wiß gelungen nennen darf. Gintge Proben babe ich früber 
mitgetheilt. Das neuefle Heft bringt Lieber aus bem Freiheite⸗ 
kriege: „Was blafen die Trompeter, Hufaren heraus‘, „Es 308 
aus Berlin ein tapfrer Held”, „An der Katzbach“ und „Was 
ift des Deutichen Vaterland”. Der Überfeger ift Profeſſor Blackie 
in Edinburg, weiland Gtudiofus ber Rechte in Göttingen. 
Beide Nationen werben ihm für feine freundliche Wermittelung 
Dan? wiſſen. Gefchieht doch die &eelenvermäahlung der Ras 
tionen nur .im Lieb aus voller Bruft! Nach der Weile bes 
deutſchen „Landesvaters“ hat Ebenezer Elliot, der Dichter. der 
Kihymes’', einige ſehr anſprechende Stropben auf die 
Sabbathfeier gebichtet, die man, um ihrer echt humanen Ge⸗ 
finnung willen, aus mancher wadern Bruſt bervorbringen 
hören mörhte. 48. 


Set dem März iſt in London eine Auoſtellung von dem 
Maler Catlin veranſtaltet. Er hat Alles geſammelt, was den 
Begriff von den Zuſtaͤnden von 48 nordamerikaniſchen, eingebo⸗ 
renen wilden Stämmen verdeutlichen kann. Ihre Waffen, 
Handwerkszeug, Kleidungsflüde, ihr Hausgeräth und andere 
Dinge fieht man überall auf dem feften Land, wie in Brita⸗ 
nien, aber nirgenb finden ſich fo viele gemalte Abbilbungen von 
Menſchen und Gegenden und gefelligen Verhoͤltniſſen wie hier. 
Satlin hat während eines Aufenthalts von fieben Jahren bei den, 
verfchiedenen Indianerflämmen 310 Portraits ausgezeichneter 
Männer und Prauen gefertigt und 200 Darflellunges von 
Landichaften, Yagben, Feten u. ſ. w. Mit Hütfe biefer Zeich⸗ 
nungen , ber Beuge und Gerätbichäften kann er in feinen Vor⸗ 
leſungen bas Leben und Sein dieſer Indianer aufs volfläns 
digfte anfchaulich machen, zumal da bie Gabe der Rebe feine 
gründlichen Kenntniffe unterſtützt. 81. 


*) Vorftehendes war gefchrieben, als Ref. in ber Beilage zur. 
augöburger „Allgemeinen Zeitung” vom 11. Zuli d. S. einen 
Artikel: „Die Solonialftaaten gegenüber von Deutſchland“ las. 
Der Verf. iſt ebenfalls der Anſicht, daß Deutſchland fih für 
feine Verbrecher eine Colonie anfhaffen fole.. Dem”, ſagt 
er, „an ſich ift die Deportation, wenn fie nach englifcher Weife 
ftattfindet, gewiß fehr zweckmaͤßig.“ Ref. empfiehlt ihm das 
Leſen de& „‚Parliamentary report” u. f. w. 


Verantwortlicher Deraußgeber: Heinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


j Blätter 


für 


literariide Unterhaltung 





Dienflag, 








Zur Nachricht. 
Bon diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und ift ber Preis für dem 


Jahrgang 12 Thlr. Ale B 
alle Doflämter 
preußifche Grenzpoftamt in Halle wenden.. 


und Freitags, aber auch in Monatöheften flatt. 


uchhandlungen in und außer 
bie fih an die Fönigl. fähfifche Zeitungserpebition in Leipzig 
Die Verfendung findet wöchentlich zweimal, Dienſtags 


eutfchland nehmen Beftellung darauf an; ebenfo 
oder das Fönigl. 





Anfihten Couſin's über deutſche Geiftesbildung. 
Die ‚Revue des deux mondes” theilte in ihrer erften 
Sebruarlieferung einen Auffag Coufin’s über „Kant und 
feine Philoſophie“ mit, fo viel wir wiſſen die legte wif: 
fenfchaftlihe Publication dieſes franzöfifchen Philofophen, 
deffen neuer politifher Wirkungstreis als Miniſter des 
öffentlichen Unterrichts ihn wahrfcheinlich auch, da das ge: 
genwärtige Minifterium Beſtand zu haben fcheint, für laͤn⸗ 
gere Beit feiner praktifchen literarifchen Thaͤtigkett entziehen 
wird. Es möge uns daher erlaubt fein, denjenigen Theil 
des gedachten Auffages, der nicht fireng philoſophiſchen, 
fondern mehr allgemeinsliterarifchen und culturhiftorifchen 
Inhalts iſt und gewiſſermaßen eine kurze Skizze bes 
Sanges der geifligen Bildung Deutfchlands gibt, auszu⸗ 
heben und. bie Reihe der Beurtheilungen, welche Deutfch: 
land in neuefter Zeit vom Auslande erfahren Hat, durch 
ein neues Specimen zu vermehren. Die Lefer diefer Blaͤt⸗ 


ter werben leicht erfennen, two der franzöfifche Standpunkt 


dem Verf. deutfched Weſen und- Leben im falſchen Refler 
gezeigt hat, und nicht minder leicht bie manchen eminent 
oberflächlichen Ustheile, die auf eine merkwürdige Weiſe 
hinwieder mit den vielen treffenden Anfichten contrafticen, 
zu würdigen wiffen. Immerhin bient aber bdiefer Auf: 
fag mit dazu, das Verhaͤltniß klarer zu machen, welches 
in geiftigee Dinficht zwifchen Deutfchland und Frankreich 
befteht ober möglich if. 

Kant — beginnt Couſin — iſt der Vater der deutfchen 
Philoſophie: er iſt dee Urheber ober vielmehr das Werkzeug 
ber größten pbilofophifchen Revolution, bie im modernen Europa 
feit Descartes flattgefunden bat. Denn jede Revolution, die 
diefen Namen verdient, iſt eine Tochter der Zeit und nicht eines 
Mannes. Die Welt fchreitet vorwärts, aber kein Einzeiner bes 
wirt ihren Gang, wie auch Bein Einzelner fie aufhalten ann. 
So geht die Philofopbie Kant's von zwei großen vorausgebens 
den Thatſachen aus: vom allgemeinen Geiſte und ber allges 
meinen Bewegung Europas, und dann vom beſondern Geifte 
Deutſchlands. 

Der allgemeine europäiſche Geiſt am Ende des 18. Jahr⸗ 


hunderts iſt hinlaͤnglich bekannt; um dieſen Zeitpunkt herrichte 
eine dumpfe Gaͤhrung, der Vorläufer einer nahen Kriſie. Auf 
die Leichtgläubigkeit der vorhergehenden Jahrhunderte war eine 
für die Aufdedung der Wahrheit nur günftige leidenſchaftliche 
Reigung zur Prüfung und Unterfuchung gefolgt. Die Anwens 
dung des verfländigen Denkens auf bie Erforſchung der Rechte 
und Pflichten des Menſchen hatte das Leere der beftchenden 
Einrichtungen bemerken laſſen; man fühlte lebhaft das WBebürfniß 
einer volftändigen Wiedergeburt bes gefellfchaftlichen Körpers. 
Mehr noch kommt der befondere Zuftand Deutſchlande vor Kant 
in Betracht. Run ift aber die Geſchichte eines Volks weients 
lih eine, und genau genommen iſt es faft unmöglich, die geis 
flige Sage Deutfchlands gegen Ende bes 18. Jahrhunderts rich⸗ 
tig zu verſtehen, wenn man nicht in einem gewiffen Umfange 
bie Zeiten kennt, die der in Rede ſtehenden vorausgegangen find 
und fie vorbereitet haben. Deshalb fcheint es mir nothwendig, 
bier einen Turgen Abriß der Gefchichte der deutſchen Bildung 
von ihren fhwächften Anfängen an bis zum Erſcheinen Kant's 
zu geben, um den Grundcharatter und ben bleibenden Geiſt 
ber großen Nation, der unfer Philoſoph angehört und deren 


dort durch die Volksmenge fank , durch die Regierungen und 





986 x 


habenſter Ausdrud. Gismondi Hat in feinem KWerkbo über bie 
Literaturen des füblichen Europas den Charakter der italienifchen 
und fpanifchen Dichtung in ihrem Werhältniß zur Religion und 
dem politifchen Zuftande der beiden Länder geſchildert. Man’. 
Zönnte nad feinem Vorgange auch die ausfchließlich den nordi⸗ 
ſchen Völkern eigenen literarifchen, politifhen und religidfen 
Gigenmtpü kein ammyeben, zu 

em'Behipe is je erde n 

blaͤnder, wiewol runde der ch“ wie’ der des 
Nordens, doch mehr expanfiver Art, der Rordlaͤnder dagegen, 
eben in Kolge der Eindruͤcke der auf ihn einwirkenden Berbält- 
niffe meh auf ſich ſelbſt zurückgeführt ift und ein mehr inneres 
Leben Lebt. 

D land tft, jene A nörblidde Shbene(!!), bie von 
mehren Arbßen a tbfinitten und von der übrigen Welt 
durch natürliche, felten überfchrittene Wormauern, durch ben 
Dcean, bie Sffee, die , und dm Styein(?}) 
gefchieden wird. In biefen Grenzen lebt und fpricht biefelbe 
Sprache eine durchaus urfprängliche Ration, deren "Srifkenz bie 
@iärtäffe der benachbarten Völker ſehr wenig erfahren hat. 
Der gemeinfchaftliche Beift, der all biefe zahlreichen Volker⸗ 
ſchaften unter ſich verbindet, beſteht in der Eiche zum imern 
Leben, zum Leben in ber Einbilbung und im einfamen Denken, 
zum ——** und Famillenleben; ferner darin, daß fie die 
Schwaͤrmerei der That vorziehen ober ihr beimiſchen, daß fie 
ute des äußern Lebens, bie Begierung der Wirklichkeit 


Yan Gemhthe, einem ibealen und unſichtbaren Weſen entiehnen. 


Die Geſchichte diefer Nation ſcheint ſich mir in drei große : 


Epochen zu theilm. j | 
Die erfte, die fich ins Dunkel ber Vorzeit verliert, endet 

Saum erfi mit Karl dem Großen. Die alten Denkmäler im ' 
Tacitus zeigen uns bie verfchiebenen beutfchen Völkerſchaften 
‘auf der Oberfläche eines weiten Erdſtrichs Wchreitet, den fie 
mehr befeht Halten als bebauen. An ein berumfchmweifenbes 
Leben gewöhnt, immer von ben Römern befämpft, nie unter: 
worfen, fehen wir fie in ihren Waͤldern die paſſende Zeit erz 
zwarten, um bie Eroberer in ihre Heimat zurüdzumwerfen und. 
thre Angreifer felbft anzugreifen. Bis zum Augenblide, wo. 
die Ride an bie nördlichen Wölfer kommt, felbit Eroberer zu 
werben, und ſelbſt einige Zeit noch nach ihrer Eroberung haben 
"fle eine ihnen eigenthümliche Givitifation, Reglerungsform, Re: 
-Hgton md Porfie. Der Geiſt igrer Politik beiteht darin, im 
Aulgemeinen nur felbfterwählte Oberhäupter anzuerkennen und 
den phyſtſchen uber geiftigen Supertoritäten faft eine Willkür: 
"nähe zu baſſen, ſodaß man. bei ihnen bald, wenn bas Ober⸗ 
haupt wentg "Kraft Hat, die Anarchie der Ödwäde ‚ bald bie 
Zwingherrfhaft eines geſchickten und glücklichen Kriegers ſieht. 
Men Öffene nur die Edda ‘und die Nibelungen; ſchon bie 
oberflädylichfte Lefung diefer Serke entbedt. darin einen Ge⸗ 

mad fie Ochwärmerei und tiefe Gefühle, büflere wie erhabene, 
die uns ohne Unterlaß daran erinneen, daß die Helden und 
Barden ak Didhtangen aihe ben Imael 7 
Spanſen (1 aben. Sie en gut in der Außenwelt 
regen und —* ſte bekleiden fie immer mit den ihrem in⸗ 
nern Leben tkatnommenen Formen. Dieſe Zeit hatte auch Ihre 
bh eine Philoſophie nach Act der Barbaren, ſchwaͤn⸗ 
und unbeftimsht, ba fie nme eine inflinctartige Entwidelung, 
ein Erzeagniß "bes Selbſtwillens und nicht des Rachdenkens war, 
—*8 —ã a RA aufmadt. Dee 

e o te Religion. In dee Myt e der 
Edda und ber Nibelungen iſt bie Überlegenheit des "Denföien 
üder die Natur Überall ausgeſprochen, und fchon darin Tisgt 
eine Art philoſephiſcher Thevrie. Sigurd, Sigfthed, Attila, 
bie Helden des Norberts, ſpotten ber Naturereigniſſe, freuen 
fih der Stürme des Detans, fenigen nach Schlachten wie nach 
Feſten, lachen dem ode entgegen wie einer Geltebten, und 
derbinden "zugleich mit einer tiefen Berachtung bes Lebens ein 
kraͤftiges Gefuͤhl für. und den Sinn Me eine unendlich 
Felntre Liebe als bie Voͤlker des Suͤdens. Hier ſchon, In Deutfchs 









ac frei und 


Ergebniß aller in + 
— 5 ae Ber 
e Mensch‘ 


und 


sachd * dr: / b uchtbringenden Keim 

feiner aan € 2, Senden na die fe j 
Während dieſes a — {fi ber 

oetiſch. 

en Civiliſation begin mit ver * 





tremat: b 
557* 
allen uf 


ugt die Eroberung immer bie Gewaltherrſchaft Ar 
allein Seger. Bald 


r bie. Beſiegt 


9 


welche die Sieger ſelbſt überfchritten hatten, bis in d 
"von Deutſchland. a ’ { —— — 





ſcheg und religloͤſen 
ber Grohe , mehr er, 
raum und begitint ben zwetten, indem 
ben geſellſchaftlichen Verband der Barbaren zu ordnen und zu 
feftigen, fehllepiiy anheimgab. 

Der Charakter biefes neuen -Beitdantens der drutſchen "We: 
ſchichte iſt durchaus chriſftlich, monarchiſch und frei ugleich. 
Die Reichsfürſten waͤhlen ihr Oberhaupt bald aus dem, bald 
aus jenem Hauſe; ber fo ermählte Kalter erkennt die Grenzen 
feinee Macht in ſchlichten, aber hellig bedbachteten Geſegen ind 
vorzũglich in jenem Wahlgeiſe, der dumals noch kein efttes 
Schattenbild war. Die Wölker ſelbſt Hatten Rechte, bie von 
den Furſten gegen bie liderigeiffe ber kalſerlichen Gewalt geichüpt 
gegen die Kürften felbft durch Snftitutionen, bie niema 


geigt, vo fe 
ba 


bildeten. Ihre Dichtung feheint deshalb 
; eipeänglid und voltsthämlidh als die 7 erſten — 
denfalls iſt ſig noch populair in dem Sinne, daß fie init dem 


a —8 der Zeit in ÜUbereinſtimmu a We 
Fr wird fie anıch vorgaͤglich in A unb ge: 
pflegt. (Es ſcheint Hier, als ob Couſin die Poeſie der Minne: 
fängee mit der. der Meifterfänger fer ziemlich identiſch hielte!) 
Nun wei, —F in dieſer kunſtvollern —*— * 

Bee, meta —— ae un ** 
unbekannt und jener Du en in n 
und Liebe, Ser an das alte Deutſchland veintıtrt. 

(Der Befchluß fotge.) 


Paracelſus, fein Leben und Denken. Drei Bäder von 
Miguel Benedict Leffing Dit dem Bildniß 
des Datacelfus. Berkin, Reimer. 1839. 8. 1 Thlr. ð6 Gr. 

as iſt es doch mit dem Ruhm rind Nachrühm für ein 
eigen Ding! Dieſer Paratelſas fand n d Lebens 

Anhänger, aber noch mehr Gegner, ſpaͤterhin galt er für einen 





® . 


Gdwicuer erling 'unb-GSharlatan, Hermaun Gonzing 
nannte ihn ein vie Bon rum von Denen, Sitimer- 
mamm hielt alle feine Schriften im Rauſch geſchrieben, Spren⸗ 

| nennt Mann, welcher der Wahrheit und Ver⸗ 
nunft zu huldigen wenig gewohnt. war und allen theofophi: 
ſchen Unfinn, der vor ihm von einzelnen Männern flücweife 
vorgetragen würbe, in einem Syſtem vereinigte, ja K. ©. 
munn urtheilt, Niemand kbune ein 


den Gaͤlenus wand Hippokrates fich aufleyute, auch in unſerer 
Bit die Fund Are in ber. Arznedwihienichaft durch 
| fophie, Sebensmugnetiomus, Homoͤopathie und Waſ⸗ 
ſereuren erſchattert wuͤrde. 

Paracelſus hat mit "einer eigenthumlichen Methode glüd- 
de Heilungen vollbracht, und dfes iſt der beſte Ruhm eines 
Arztes, wenn er auch wie Pararelſus aus dem Umgange mit 
alten Weidern, Scharfrichtern, Gchäfern, Iuben, Wabern, 
Sigeunern und undern dergleichen ‚„‚Sefiheiten und Ginfätti: 
gen” manche Kenntniß ber Mittel gewann, oder Theorien er: 
Barchte, denen andere Heilkunſtier ihre Beiſtimmung verfagen. 
Phitippus Aüreolus Sheophraſtus Yarareikts Bombaftus von 
Hohenheim — denn das ff fein ganger Name — warb 1695 
zu Maria: Efnfiedein, einem Warktfleden unweit Zürich gebos 
fen. Schon ber Vater war Arzt und zog fpäter nach Billach 
In Karnthen, wo er ſtarb. Der Sohn hatte keinen Bart, 
pahte das weibliche Geſchlecht und fein noch vorhandener Schaͤ⸗ 

el pt weibliche Formation, was man einer yufälligen oder 
ebfihtligm Entmannung zufchrieb, mwortiber jeßt nichte mehr 
auszumachen iſt. Er durch ſeinen Vater, durch 
—2* und auf ber Unfverfität Baſel, fol weite Rei⸗ 
fen, felbft fm Orient, imd als Wundarzt Felbzüge in den Nie⸗ 
Yerlanden, Daͤnemark und Neapel gemacht haben, auf welchen 
Wanderungen er nad) damaliger Sitte aus 

Handlinien die Rativitaͤt ſtelte ober die Sodten citirte. Im 
8. 1937 ward er Profefioe der Phyſik, Medicin und Ehirurgie 
in Bafel, teug mit Beifall anders vor wie Andere und erwecte 

Feinde. ds ‘er einen Kanonikus, ben bereits alle übrigen 

“te erfolglos behandelt Yatten, vom Magenweh befceite, wo⸗ 
Für ihm dieftr die verſprochenen 300 ZI. nicht gahlen wollte, 
Tan es zim Prod, den Paraeelfüs verlor, daruüber auf den 
Mügffivet Ä und, um den ſchlimmen 


Ampfte m 
entgehen, auf den Mash feiner Freunde nad dem Biloß 
te, 


Geitbem wanderte der Wann wie im -Jünglingsalter. und 
Geb oft, wie ehemals, in Dörfern und Bubrmanzsherbergen. 
ihige Schüler begkelteren ihn, am fein Univerfaibellmistei, ober 
Yen Stein der Weifen zu erfahren, 
aͤhn vernnglimpfte und a nach feinem Ir bas frühere We: 


Magen ı den vehrer bewinte. lem m ifen, 
Arm — geklridet, berief ihn ber — Eruſt In 
er 


(1941), weicher ein Vereht 
un Rate ten —8 er genoß aber nicht Tange die 
"oe ' 151, Jahre alt, in einem Heinen Otübchen des 
Siethrhanſes gu *3 Roß. Die Art feines Modes iſt moch 
Dina —* ihm Pe — rzte bei —* 
mahl meunchelmoͤrderiſch ſiberſallen und durch rinen nach wenig 


den Sternen und 


"unter Andern Oporin, der 


ſeligkeiten und feines Muhntes, ſondern ſtarb 


⁊ 


Sagen toͤdtlich gewordenen Schlag ober Sturz von ein ⸗ 
pipe — sone — enden, weswegen CHE ae, 
an nahe, in aller Eile in die nenannte : e gebracht -fber- 
ben ntüflen. Andere foradgen von ai — a ae 
— ber feinen —— — De entbedite an dem⸗ 
en e Sprung, den er reine nur am lebenb 
Kopfe moͤgliche Verlegung hiett. ” 
Unter feinen Schriften find viel unechte, beſonders Yie theo- 
logiſchen; ald Raturproduete unmittelbar aus Anſchauun 
nerer und aͤußerer — hervorgegangen, find fie nicht iR don 
mancherlei Auswũchſen, Wortfiywall, Sroßſprechereien, at 
miſtiſchem Sande damaliger Zeit, woran man fi gewöhnt 
hielt, und ipm, auf Oporin's Ausfagen grüßt, fogar Voͤllerei 
und Hechmuth vorwarf. Zudem war ex kein schgänger, aber 
Breund der Kirchenreformation, wiewol er auch geäußert haben 
fol, von allen Sekten, bie bamals blühten, befige keine die 
wahre Religion. Hieraus erklären fi Haß und Berfolgung. 
Seine Schreibart ift derb in Weife feiner Beit, und man nannte 
ihn den Luther ber Ärzte. Wit der Wüdherweiähelt war er 
nicht fo gar unbefannt, als man voraudzufegen pflegt, obgleidh 
es Seine Bibliothek beſaß. Ein Hang zu & rologiſchen Zräu: 
mereien und magifchen Zauberkünften war ipm mit Andern aufs 
gellärten Männern des 15. Jahrhunderts Ligen, doch nennt er 
die bush Juflaenz ber Geſtirne gelehrten Ärzte die ſhlechteſten. 
Neue Entdeckungen ber Zukunft abnete er voraus und pro⸗ 
phezeite aus dem Charakter ber Franzoſen: „Aus Frankreich 
werde Einer in das roͤmiſche deutſche Kaiſerthuin fallen, großen 
Scqchaden thun, aber nichts Namhaftes behalten.” Daß er Ges 
— der Goldmacherei beſaß, iſt ein nach feinem Tode ent⸗ 
andenes Gerücht; mehre Stellen in feinen Schriften und feine 
Dürftigkeit fprechen dagegen. Vielleicht hat er fi aus Arstlis 
Ger Politik in den Nimbus der bamals hochgehaltenen Gotd⸗ 
macherweisheit gehullt. Ausgemacht ſcheint, daß er mit Über 
zeugung und Fifer an einem Mittel zur Werlängerung der 
menfchlicden Lebens arbeitete. Vom Abexglauben blieb er nicht 
frei, gemäß feiner Erziehung und Zeit; — glaubte doch kLuther an 
Zeufeleien und Heyereien, und Paracelfus ſpricht von, BafllidEen, 
bie durch ihren Anblick töbten, von nerfleinerten Stötchen,, 'bfe 
in Schlangen, von Unten, die in Froͤſche verwandelt, von Mens 
fen, bie von Thieren geboren werben, von Geifererſcheinun⸗ 
gen, Viſionen u. f. w. 

Was ift denn der wahre Gehalt. feiner Schriften? eine 
Koömogenie lautet: ig eimbus (dem Chaos der Alten). find 
nur drei Elementarſtoffe, Salz, Schwefel und Queckſtiber, 'diefe 
Dreiheit Bündigt fih überall in ver Welt an. Das Wort Fial 
war dreifach; denn die Dreieinigkeit hat es ausgeſprochen, das 
her ift auch jeder Same dreifach. Die Schöpfung geſchah als 
der Hliaſter Cdie Urkraft) ſich zertheilte und zexfloß, die Kies 
mente ‚gehen baraus hervor, aus ihnen werben die Geſcho 
geboren. Wutrifaction iſt ber hochſte Grab und auch ber 
Anfang ber Generation, und es läßt ſich annehmen, daB alle 
irdiſche Naturen — aus der Zerſetzung eines U 
und aus den mitwirkenden E 


mie, T len. f..w., er muß indeß durch „ber Ratur Era⸗ 
re Gehen y Uoforben vd u 
m 


&ie liegen 
Es gibt % 
gweiertei in bie Erkenntniß, Deaterie und Thaã s Tegte 


der le zur Erkenntniß ihrer innern Ratur führt. Alchemie 
iſt nicht die Kunſt, Metalle zu verwandeln, ſondern bie Kunſt, 
jedes Ding zuzubereiten, alſo auch Medicamente. Iſt die Aſſi⸗ 
milation des Aus geſtoͤrt, fo entſteht Krankheit, das Vor⸗ 

chen der Srundftoffe bewirkt bie einzelnen Krankheiten, 

wefel verurfacht Fieber, Merkurius Manie und Apoplerie 
Sal t Podagra, Obftructionen u. f. w. Die Krankheit i 
demnach ein Pofitives, nicht ein blos Regatives, welcher Anficht 
Helmont, Harvey, Sydenham, und neuerdings Kiefer, Stark, 
Hartmann und Schoͤnlein gefolgt find. Die Krankheiten ents 
fichen nicht aus dem Körper allein, ſondern aud in Folge Aus 
derer Einfluͤſſe, man muß bei der Heilung auf die vorherges 
gangenen Urfachen fehen, was man zum Theil als Entbedung 
unferer Tage gepriefen. Krankheiten haben ihre Vorbilder in 
der großen Welt, wie Erdbeben, überſchwemmungen. Die hei: 
Iende Kraft der Natur ift ber inwendige Arzt und die Paras 
celſiſche Heilmethode eine durch Kunſt hervorgebrachte Vermit⸗ 
telung ber Heilung durch die in jedem kranken Organismus 
noch vorhandene Geſundheit. Nicht entgegengefehte Qualitäten, 
fondern gleiche Individualitäten vernichten fd (nicht contraria 
contrarüs, fondern similia similibus curantur) — ein Princip 
der Homdopathie. Die Mafle des Arzneimittels iſt nur die Hülle, 
worin das Arcanum der lebenden Xhätigkeit, die Seele des 
Körpers enthalten If. Paracelfus drang deshalb ſtets auf eins 
fache Arzeneien. Gerade dies rechnen ſich die neuern Ärzte zum 
Verdienft, die Apotheker wurden feine Feinde. Auch Hat er bie 
wichtigen Dineralmittel und die Eräftigen vegetabilifchen Er: 
traete, befonders den Gebrauch des Quedfilbers (gegen Siphy⸗ 
His) und der Mineralwafler eingeführt. Das Laudanum hielt 
er für eine Univerfalmedicin und will damit alle feine großen 
Guren vollführt haben; wie er es gebrauchte, iſt unbelannt ges 
blieben Trotz der Gchattenfeiten in feiner Doctrin und der 
Unklarheit über einzelne Krankheiten — er hat ſchon die mag: 
netifche Kraft gegen Krämpfe angewandt — wird bies den Ein⸗ 
druck feiner wiffenfchaftlichen Bedeutſamkeit nicht ſchwaͤchen. Den 
trefflichen Grundſatz, daß der Chirurg auch Arzt fein müffe, 
ſtellt Paracelfus an die Spike feiner wunbarzneflichen Lehren 
und brang ſchon in Bafel auf die Vereinigung beider Fächer 
der Heilkunde: Diejenigen, weiche nicht beide verbanden, nannte 
er Halbärzte. Und fo ift im Ganzen fein damals fehr bedeu⸗ 
tendes Princip durchgeführt: die organifche Natur in Ihrer rein 
natürlichen phyſiologiſchen Entwickelung aus einem Keime oder 
Samen von innen heraus aufzufaffen, alle Kräfte, welche biefe 
Entwidelung heroorbringen, zu indivibualifiren und zu perfont: 
ficiren, und bie verfchiebenen Individualitaͤten fomit in ihrer 
Gegenfeitigkeit, namentlidy aber das Mechfelverhältniß zwiſchen 
Makrokosmus und Mikrokosſsmus zu betrachten. 

Mit hoͤchſt dankenswerthem Fleiß und befonnener Umſicht 
hat auf ſolche Weiſe der Verf. den Namen des Paracelſus ge⸗ 
gen ungerechte Vorwuͤrfe in Schug genommen und feinen wah⸗ 
zen Nachruhm für die Zukunft befeftigt. Noch heute erifticen 
beide Elemente ber Paracelfiihen und Hippokratiſchen Heilme⸗ 


tbode in ber Medicin, obgleich mehr in hiftorifger und empis . 


riſcher, als in eigentlich wiflenfchaftlicher und ins Bewußtfein 
getretener beftimmt ausgefprochener Form. Sie haben ſich als 
Theorie und Praris einander gegenübergeftellt, jene hauptfächs 
lich das Paracelfifche, diefe das Hippokratiſche Princip reprä: 
fentivend. Jedes für ſich macht eigentlich ein iſolirtes Ganze. 
Bier die eigenthümliche Neigung bes deutfchen Volkes zur Spe- 
eulation und zum Supernaturaliſsmus Tennt, den wirb es nicht 
Wunder nehmen, daß Paracelfus bie Mehrzahl feiner Anhaͤn⸗ 
ger, die dafür galten, unter den Deutfchen fand. Aber felbft 
Dippokratiſche Krzte wurden Anhänger, fanden feine Lehren in 
den Werken des Hippokrates, zwängten die neuen Begriffe in 
den alten Zert. Auch Philofophie und Theologie bauten auf 
diefen Dann theoſophiſche und myſtiſche Syſteme, wie Jakob 
Böhme, bie Rofentreuzer u. m. A. Was man immer über 
folge Beftrebungen urtheilen mag, fo bleibt Paracelfus hierfür 


ein Vorgänger und Tann als Vermittler zwiſchen ber Phllo⸗ 
fopbie des Alterthbums und der neuen et angeſehen werben. 
28 





Literarifhe Notizen. -» 


Unter den neueften Erſcheinungen ber en e find 
zu bemerlen: ‚The harrowing of hell; —— — 
the reign of Edward II.“; Lord Ghebworth’s Letiers te 
Crompton’’ ; der erſte Band von Fielding's Wierken; ‚‚Letters 
from Italy to a younger .sister”, von Catharina Taylor; 
Moore’s ‚‚Epicurean and Alciphron”, mit Iüuftrationen ; 
Miß Goftello’6 ,‚Summer amongst the becages and the 
— un of the sone „Ihe boneymoen’', ein 

bit, von John Fiſher; „King Henry III.’ (erfier Band) 
ein biftoriiches Gcaufpiel in fünf Acten, vom Mer, von 
„An essay on the Oxford tracts”; Miftreß Grey, „The young 
prima donna”, 3 MBbe.; „Benevola, a tale’; ‚The seven 
ages of Shakespeare illustrated‘‘; ‚Architectural remains of 
the reign of Elizabeth and James I.“; Anderfon’s ‚Ancient 
models, containing remarks on church building”, Yisgerald’s 
„Logomachy, or abuse of words‘; Xlifon’s ‚Principles of 
population‘, 2 Bde.; Gamphell’s ‚British army’, 2 Bbe.; 
John Reid’s6 „Turkey and the Turks’; der fünfte Band von 
Mil’s „British India’; M'Queen's ‚Survey of Africa and 
Map‘; ‚‚Extracts from papers printed by order of the 
house of commons, 1839, relative to the West- Indies‘; 
„Mechanic’s and labourer’s guide to the United States’; 
„Caesarea, the history etc. of the island of Jersey”; 
„Queen Victoria from her birth to her bridal”, 2 Sde. 
Angelünbigt iſt eine Reformationsgeichichte in 13 — 14 Baͤnden 
von Biſchof Burnett; von 3. &t. Bel: „Narrative of a re- 
sidence in Circassia during the years 1837 — 39”. von D. 
NR. 9. Kennedy: „Narrative of the campaign of the 
army of the Indus”, und endlih ‚The man at arms; or 
Henry de Cerons’‘, ein Roman, vom Verf. des Darnley, 
Charles Tyrvell u. f. w, © P. R. James. Balm’s 
„Griſelbig“ iſt von R. X. Auſtruthers überfegt erfchienen. 


Gine der werthooliften Erſcheinungen in der neueflen poe⸗ 
tifchen Literatur Englands ft: „Poetry for the people and 
other poems’, von Milms, wenn ſchon ber Dichter ſich mans 
cher Verſtoͤße gegen bie poetiſche Form fchuldig macht und nicht 
fowol, gleich Burns und Elliot, ein Dichter aus dem Volke 
tft, fondern vielmehr über demfelben fteht und fi daher nicht 
immer feinen Berhältnifien gefchidt genug zu accommobiren und 
es mit ihnen zu verföhnen verfiebt. Die von &. Smith anges - 
Fündigte Erzählung ‚The prelate‘’ war fälfli als von 
bem Verfaſſer von ‚‚Peter Piymley’s letters‘, herrührenb 
ausgegeben worden, ein Kunftgriff, der um fo feltfamer ers 
feinen muß, als das Werk bei allen Unvolllommenpeiten, 
namentlih im Mangel bes richtigen Verhaͤltniſſes in der Ent⸗ 
widelung ber einzelnen Theile der Erzählung, doch deſſen keines⸗ 
wege an ſich beburft hätte. Die verbientelle Empfehlung 
verdient Zitmarfh’s ,‚The paris sketch book’ (2 Bbe.), mit 
sahlreichen Zeichnungen vom Berf., nicht fowol um ber letztern 
willen, al& wegen ber anziehenden Schilderung und, wenn audy 
leichten, doch geiftreichen Auffaffung parifer Örtlichkeiten und 
Verhältniffe in jeder dem Intereſſe nabeliegenden Art, wobe 
fi) der Verf. ganz dem Charakter des Volles und des Landes, 
von welchem er handelt, anzupafien verſteht. 


In monatlichen Rummern erfcheint von Heren und Mabame 
&.6&. Hall: ‚Ireland, its senery, character etc.’’, ausgeſtat⸗ 
tet mit Karten, Stahlſtichen und Holgabbrüden, in deffen Dar⸗ 
flelungen alles auf Irland eigenthümlichen Bezughabende ums 
faßt werben foll. 47, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in geipzig. 








t 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Beſchluß aus Nr. 245.) 

Die Philoſophie biefes Zeitraums ift bie Scholaſtik, bie 
damals ebenfo viel Achtung verdiente, als fie fich fpäter Ber: 
achtung zugezogen hat, weil fie fi, um eine Herrſchaft fid 
zu erhalten, die ihr der Lauf der Zeiten entriffen hatte, aus 
einer legitimen Herrin, wie fie war, zur Tyrannin und Ber: 
folgerin umgeftaltete. Die Scholaftil war nichts anders als bie 
Sefammtheit der mehr oder weniger wiſſenſchaftlichen Bormeln, 
in denen der ſich herausarbeitende Verſtand, geftügt auf bas 
„Drganon“ des Arifloteles, die Lehren des Ghriftentbums bes 
hufs des Unterrichts ſich zurechtgelegt hatte. Die Theologen 
find die Philofophen der damaligen Zeit, und fie empfehlen ſich 
durch eine Natürlichkeit und einen Ernſt des Charakters, durch 
eine Ziefe der Gefühle und eine Höhe der Gedanken, die ihnen 
einen fehr hohen Rang in ber Gefchichte ber Philoſophie ans 
weiſt. Schon vor den Univerfitäten blühten große Schulen in 
alten Theilen Deutſchlande, in Fulda, Mainz, Regensburg 
und befonbers in Köln. Die Scholaftit Deutſchlands iſt ohne 
Zweifel weniger originell und fruchtbar als bie franzöfifche, bie 
weber ihres Bleichen noch Nebenbuhler hat; immerhin aber hat 
fie große Namen aufzuweiſen, unter denen wieder ber des Al⸗ 
bertus Magnus der bedeutendſte iſt. Man verachte nicht biefe 
Philoſophie wegen ihrer etwas barbarifchen Form; denn ber 
Blaube ihrer Lehrer und Schüler macht fie lebendig. So fin: 
den wie auf ber einen Seite wahren Glauben im Rolle 
und folglich auch Freiheit, weit das Volk mit einer Zuverſicht 
glaubte, die ebenfo frei war wie der Grund biefes Glaubens, 
die Liebe; auf der andern Seite aber unerfchütterliches Anſehen 
der Regierung (?), weil biefes Anſehen ſich auf die freie Zus 
fimmung der Volker und auf sinen ebeln Blauben grünbete. 
Diefes war ber philofophifche, religiöfe, literariſche und poli⸗ 
tifche Zuſtand des zweiten Zeitraums, in welchem wir bie ſchoͤn⸗ 
ſten Tage des beutichen Reichs erblidten, beren Gedaͤchtniß noch 
die großen Schriftſteller mit DBegeifterung anrufen. 

Diefe Form verging wie die frühere und wie alle Formen 
vergehen. Vorzüglich trug der zu große Einfluß ausländifcher 
Herrſchaft auf Politit und Religion dazu bei, fie erſt zu ents 
räften, dann fie herabzufegen. Nach und nach fpielten die Aus: 
länder in Deutfdhland eine größere Rolle als die Landeskinder. 
Zuleht war es dahin gelommen, baß eine ttalienifche Stadt die 
Slaubensfäge, Sitten und die geringften Gebräuche vorfchrieb, 
wie fie hinten in Thüringen beobachtet werben follten. Unter 
diefen Berhältniffen beflieg ein Fürſt den Thron Deutfchlands, 
defien Herrſchaft, die ſich auch über die Niederlande, die Hälfte 
Italiens und Spanien erftredte, den Völkern keine nationelle 
Regierung gewährte. Karl V., viel mehr Belgier und Spanier 
als Deutfcher, war bis zu dem Gipfel einer Macht emporge: 
fliegen, bie, da fie nicht mehr wachſen Eonnte, finken mußte. 
Run kann Deutſchland wol in auswärtigen und politifchen 
Berbältniffen unterordnen, aber in ber intellectuellen und ſitt⸗ 
lichen Belt Tann es nur feinem eigenen Geiſte folgen; «6 foberte 


alfo einige Freiheit im Einzelnen binfichtlich eines Punktes von 


mittelmäßiger Wichtigkeit. Es warb nicht gehört; es leiſtete 
daher Widerſtand; die Kraft des Widerſtandes rief gemaltfame 
Unterbrüdung hervor; diefe verboppelte hinwieberum jene: und 
fo entzündete und verbreitete ſich jene religiöfe und politifche 
Reformation, bie die Einheit Europas zerbracdh und dem Haufe 
Oftreich, fon dem römifchen Hofe die Herrichaft über Deutſch⸗ 
and entriß. , 

Zwei Männer begannen bdiefe Revolution; beibes Germas 
nen und Norbiänder, beren einer mit leidenfchaftlicher Beredt⸗ 
ſamkeit gegen den religiöfen Despotismus proteflirte, ber andere 
aber diefe Proteftation mit feinem Schwerte unterflügte: ich 
meine Luther und Guſtav Adolf. Die Reben Euther’s unters 
gruben den Katholicismus; das Schwert Guſtav's fchlug das 
Haus Öftreih und befreite Deutfchland. Doch — ich muß ge⸗ 
fiehen — dieſe beiden großen Männer, bie eine Form gerflörten, 
die dem Beitgeifte nicht mehr zufagte, wußten fie durch keine 
fefte und dauerhafte neue Korm zu exfegen. Daher bie Anarchie, 
bie lange Bett dauerte und noch nicht aufgehört hat. Als bie 
Einheit des heiligen römifchen Reichs zerflört und ber Kaifers 
titel nur ein eitlee, ber in ber That nichts mehr bebeutete ale 
öftreichifcher Kaifer, geworden war, wurben bie Kurfürften und 
andern Zürften, bie ſich ganz unabhängig gemacht hatten, nach 
und nad abfolute Monarchen, und dem segelmäßigen Despo⸗ 
tiömus eines Ginzigen folgte nun eine Menge einzelner Zwing⸗ 
berren. Ebenſo vermochten, nachdem Luther ben Ginfluß Roms 
in einem großen Theile Deutfchlands zerftört hatte, bie Ges 
müther, die ſich einmal ber alten Autorität entzogen Far 
keine neue anzuerlennen. Dex Lutheranismus hatte auch feine 
Schismen, der Galvinismus feine Scheiterhaufen, und was von 
Glauben blieb, wußte nicht, welche Form es annehmen und bes 
halten follte. Die Poefie, welche Glauben, Gefühle und Er⸗ 
eigniſſe befingen follte, die einer nicht mehr beftehenben relis 
gidfen und politifhen Form angehörten, hörte auf vollsmäßig 
u fein; und da eine Revolution Feine Situation iſt, bie Poe⸗ 
te aber von beflimmten Formen lebt, fo ließ biefe Abweſenheit 
aller Formen keine Dichter aufleimen, und es war da um bie 
deutiche Poefie gefchehen. Die Philofophie des Proteftantismus 
theilte defien Geſchick. Man fah in Deuticdhland eine unendliche 
Mannichfaltigkeit von Schulen entfliehen, in denen bie alte 
Scholaſtik Verd ſerungan d. h. immerwaͤhrende Veraͤnderungen 
erlitt; aber mitten in dieſer Verwirrung findet man nichts 
Großes, nichts Originelles, nichts, was würdig wäre, bie Ge⸗ 
ſchichte ernſtlich zu befchäftigen. 

Unterdeß zerftörte in Frankreich ein genialer Dann bie 
Scholaftit für immer und errichtete auf ihren Ruinen ein in 
feinee Methode und feinen allgemeinen Richtungen ganz neues 
Syſtem. Dieſes Syſtem, ober wenigftens fein Geift verbreitete 
fi unter den bebeutenbften Geiſtern des Jahrhunderts Lud⸗ 
wig's XIV. Boſſuet felbfi, Fenélon, Malebranche und bie 
Sanfeniften von Port: Royal waren Gartefianer. In Holland 
bat Spinoza nichts Anderes gethan (7) als firenge Gonfequens 
gen aus den Principien Descartes’ gezogen. Die neue Philos 


| ſophie verbreitete fi) auch über Deutſchland und ward von ' 


den deutfchen Lehrern der Philofophie gelehrt und nachgeahmt, 


wie früher die provenzalifchen Dichtungen Nachahmer an den, 


Ufern des Rheins gefunden hatten. Leibnitz ſelbſt, deſſen Ge⸗ 
nius man nicht genug bewundern kann, ift ein Schüler Des: 
cartee’, ein Schüler, der in der That ſeinen Meifler übertroffen, 
aber, ungitcklicherweiſt 1 er A fi eckaden 
Wißbegien, der Leidenſchafl, id Auhmes theilhaftig zu nger= 
den, und den Zerſtreuungen des politiſchen Lebens hingeriſſen, 
nur bewundernswürdige Anſichten hingeworfen hat, ohne ein 
rundes, abgeſchloſſenes Syſtem zu gründen. Wolf verſuchte die 
zerſtreuten Anſichten des großen Bi einen gemein⸗ 
ſchaftlichen Mittelpunkt zurückzufühten und fie in ein regelmaͤ⸗ 
Biges Syſtem zu vereinigen; aber Wolf reprodueirte vielmehr 
die Formen als den Geift der Leibnig’fchen Philofophie. Seine 
Nachfolger fehten dirfe neue ,und es if cine 
unbeftreitbare Thatfache, daß man um die Mitte und gegen 
das Ende des vorigen Jahrhunderts in Deutichland kein Sy⸗ 
Rem findet, das die Geifter hinlänglich beherrſcht, um als eine 
wahrhaft deutiche Philofophie zu erſcheinen. 

Auf diefem Punkte ftanden die Sachen, als Deutfchland mit 
dem philoſophiſchen Europa, das aufgehört hatte Gartefianifch 

u fein, in innigere Verbindung trat. England war unter bas 
Ko bes Lodefhen Syſtems gefallen und Frankreich hatte ben 
übertriebenen, aber fublimen Garteflanismus Malebrandhe’s mit 
den oberfläcdhlihen Nachahmungen ber englifchen Philoſophie 
vertauſcht. Cine Politik, deren Schilderung nicht hierher ge: 
hört, laſtete auf allen Gemüthern. Der Senfualismus war 
die Form geworden, unter der die Philoſophie In Frankreich 
und England auftrat. Bald ging er von da auch nach Deutfch: 
Yand über, fammt Allem, was er in feinem Gefolge mit fi 
führt, dem Sinne für Kleines und Mittelmäßiges und dem 
Geſchmacke an der Alltagspoefie, welche die höhere Dichtkunft 
ertödtet. Friedrich regierte damals in Berlin, und diejenigen 
franzoͤſtſchen Scöngeifter, bie nicht fähig waren in Frankreich 
neben dem blendenden Geſtirn Voltaire's zu glänzen, gingen 
nad) Berlin, um in untergeorbneter Stellung für die Unterhaltnng 
des Hofes und feines Herrn thätig zu fein. Hier fchimpften 
fie auf Das, was von Chriftentyum und Theologie in Deutfch: 
Iand übrig war. Friedrich beluftigte ſich an diefem Streite der 
alten Theologen mit den neuen Philoſophen. Gr bezahlte bie 
Erftern, überließ fie aber den Witzeleien Ramettrie's und bes 
Marquis b’Argens, und bie alte Theologie wich vor bem 
Geifte der neuen Philofophte zurück. 

Alſo: kein Geſetz, Keine Freiheit, Beine nationelle Poeſie; 
dagegen despotiſche Regierungen, welche fremde Sophiſten zur 
Serflörung des alten germanifchen Geiſtes beſoldeten; eine Theo⸗ 
Yogie, die dem Unglauben und ben Spöttereien unterlag und ſich 
fogar nicht mehr vertheidigte; und flatt aller Philofophie eine 
Art dogmatifcher Frivolitaͤt, die flatt der Rolianten, den ehr⸗ 
würdigen Zeugniffen des alten theologifchen Wiſſens, nur Epi⸗ 
gramme und Broſchüren erzeugte. Dies war ber Zuftand, 
in dem Kant Deutfchland vorfand. 

Ich irre mid; ein Mann, dem auch die Ehre zugeflanden 
werden muß, fich zuerft mit Muth gegen die fervilen und des⸗ 
potifchen Frivolitäten bes berliner Hofes erhoben zu haben, gin 
"Kant voran. Klopflod, ein Mann aus der Provinz, Ynfad 
und ernft, Chriſt und Dentfcher im 18. Jahrhundert, fand in 
feinee Seele begeifterte Gefänge, die von einem Ende Deutfch: 
lands zum andern al& die Morgenröthe einer wahrhaft nationel⸗ 
Ien Poefie begrüßt wurden. Der berliner Hof allein warb nicht 
davon bewegt. Umſonſt fang Klopftod dem König Friedrich 
In erhabenen Verſen die Apologie der deutfchen Muſe; der große 
König begriff nicht den reblichen Patrioten, aber Deutſchland 
hörte ihn. Die ganze Literatur betrat den Weg, ben ihr Klop⸗ 
ſtock eröffnet Hatte, und felbft noch vor dem Tode Friedrich's 
ſah man eine gewiffe Anzahl nationellee Dichtungen hervorſprie⸗ 
Ben, die alle Welt auswendig lernte. Welches war aber ber 
Charakter dieſer neuen Porfie? Wit dem Gefühle fürs Waters 


0 


(ab tra® auch wieder der Sinn für Religion, ſowie jener fins 
nige und melancholiſche Geiſt des alten und unfterblichen Deutfchs 


‚ Jands hervor, und jene milde und reine Liebe, bie bei Klopftod 


und Bürger auf fo edle Weiſe mit ber Fadheit oder groben 
Sinnlichkeit ber Liebespoeſie ber Salons und Höfe des 18. Jahr: 


Bunderts contraftirt. 
Mitteg in, dieſer groß eg cin Koöi 
ber, gleich Fe —2 —14 ke mtb L 
feiner Vaterſtadt herausgekommen war, ein philofoppifche® Werk 
heraus, das, anfangs wenig gelefen und faft unbemerkt, nach 
und nad) aber einige ausgezeichnete Geifter durchbringend, fpäs 
ter, nach Bertaufvon acht bie gehn Jahren eine-große Wirkung 
in Deutſchland erzeugte und am Gnde eine Grneuerung ber 
ganzen Philoſophie Hervorbradhte, wie bie ‚„„Myfiabe‘ die Poes 
fie erneut hatte. Der unterfcheidende Charakter Kant's war 
ein lebhaftas Sefkhl für- Haffengsit, ein gerabes und für 
ſtes Gewiflen, das von den fhändlichen Gonfequenzen der Mo⸗ 
depbilofopgie empört wurde. Bon ber andern Seite war Kant 
ganz ein Dann feiner Zeit, und er fürdhtete nidyt weniger als 
den Senfualismus die gemagten Schlüſſe der Schulmetaphyſik. 
Man kann fagen, daß Hume bas immerwährende Schreckbild 
Kant’s iſt: fowie ber deutſche Philoſoph ſich verfucht fühlt einen 
Schritt zurüd auf die alte Straße zu thun, ewfcheint ihm Dumme 
und lenkt ihn davon ab, und alle Beftrebungen Kants geben 
nur dahin, die Philoſophie zwiſchen den alten Dogmatismus 
und den Genfualismus Lode’s und Gondillac’s gu flellen, ges 
fihert gegen die Angriffe von Hume's Skepticismus. 
Vorzüglich in der Moralphilofophie Hat Kant den Genfuas 
lismus bes 18. Jahrhunderts befümpft, ohne barum in den 
Myſticismus bes Mittelalters zu verfallen. Als in ganz Frank⸗ 
reih, Gngland und Italien es fi nur um Vergnügen, Ins 
terefie und Gluͤck handelte, erhob ſich von Königsberg aus eine 
Stimme, um bie menfchiiche Seele zum @efühle ihrer Würde 
zurüdsurufen und ben Individuen wie ben Nationen zu lehren, 
daß es noch über den Reizen bed Vergnügens und ben Berech⸗ 
nungen des Intereſſes etwas gibt, eine Regel, ein Geſetz, ein 
unabänderliches Geſetz, zu allen Zeiten und an jedem Orte, in 
allen Berhältniffen, ſocialen wie privaten, verpflichtend: das 
Pflichtgefet. Die Idee der Pflicht ift der Mkittelpuntt von 
Kant’s Moral, und feine Moral ift der Mittelpuntt von feiner 
Philoſophie. Die Zweifel, welche eine firenge Metaphyſik übrig 
laffen Bann, werden von ber Moral gelöfl, und ihr Licht ers 
leuchtet zugleich die Religion und bie Politik. Wenn im Men⸗ 
fen die Idee von einem über Leibenfchaft unb Interefle erha⸗ 
benen Gefege ſich befindet, fo if die Griftenz bes Dienfchen 
entweder ein Widerſpruch und unläsbares Problem, ober ber 
Menfh muß das ihm auferiegte Beleg erfüllen können; wenn 
der Menſch ſoll, muß er auch koͤnnen, unb die Pflicht im⸗ 
plieiet die Freiheit. Steht aber anbererfeits die Pflicht über 
dem Güde, fo muß auch in gewiffen äußerfien Fällen bas 
Glück ber Pflicht geopfert werben, unb doch beſteht —2* 
beiden eine ewige Harmonie, die zwar für den Augen 
ſtoͤrt werden kann, bie aber immer von ber Wernunft feſtgeſtellt 
und fo zu fagen ber Eriftenz und ihrem Urheber auferlegt wird; 
es muß alfe einen Bott geben, erhaben über alle untergeoxdnete 
urſachen, damit auf einem Puakte Harmonie zwiſchen Zugend 
und Süd herrſche. Daher Gott und ein anderes Leben. Ends 
Lich ſchließt die Idee der Pflicht auch bie bes Rechts ein: meine 
Pflicht gegen den Raͤchſten iſt deſſen Recht auf mid, wie befs 
fen Pflichten gegen mich mein Recht auf ihn find; baber ferner 
eine fociale Moral, ein Raturrecht, eine. philoſophiſche Politik, 
die ganz verſchieden von ber Politil der Leibenſchaft und ber 
krummen Politik des Intereſſes if. Diefes find in wenigen 
Worten die Yauptzüge des neuen Syſtems, dad Kant Deutfchs 
land und Deutfchland Curopa gab. Die fdhottifihe Phileſophie 
hatte zweifelsohne etwas Thnliches im Sinne gehabt, und ber 
weife Reid in Edinburg Hatte ziemlich dieſelben Gebanken wie 
der große konigeberger Philoſoph; was aber in Gchottland zur 
ein unbeſtimmter Umriß war, wurde eine befkimmie und volls 


fommsm abgeſchlofſene Beichuung umter dee ſtarken Hand Kant's, 
Hier alfo die Iepte Stufe, bie hoͤchſte Sptwidelung bes Spiri⸗ 
tuallgmus bes 13. Jahrhunderts, beren erſte Stufe und Auss 
gangspuntt die jchottifche Philoſophie bildet. Kant Erönt und 
flieht das 18. Zahrhundert. - Ich trage kein Bedenken zu 
fagen,, daß ex für biefes Jahrhundert in ber Philofophie daſſelbe 
it, mas in der focialen und politiſchen Drbnung ber Dinge bie 
franzöfifche Resolution. 43, 





Zur Statiftit des englifchen Zeitungsweſens. 


Schon mehrmals haben patriotifche Stimmen auf das Übers 
maß mercantitifcher Intereſſen bei den Zeitungsredactionen aufs 
merffam gemacht, welches ber britifdgen Preßfreiheit Gefa 
droht und fchon einige bebauerliche Übelflände hervorgebracht 
bat. Selbft wohlmeinende Abſichten haben zu biefer verberblis 
Ken Richtung mitgewirkt. Als man vor einigen Jahren im 
Parlamente auf Herabſetzung der Stempelgebühren für die Zei⸗ 
tungen drang, erflärte man biefe für eine Befteuerung der geis 
fiigen Intereffen und für die Urfache eines für biefelbın vers 
derblichen Monopols. Man hatte Recht; bie Veſteuerung wurde 
vermindert, das Monopol aber blieb, ja es ift beengender gewors 
den. Dies wird, außer den Combinationen unter den Zeitungs 
rebactoren, noch beſonders durch ben Yarlamentsbefchluß bewirkt, 
nach weldhem von Zeit zu Zeit bie Zahl ber von einem jeden 
Blatte genommenen Stempel veröffentlicht wird. Daß unter 
Blättern von oft ganz entgegengefehten Farben foldde Gombi: 
nationen flattfinden, mag das Yublicum Wunder nehmen, wenn 
es die Ausfälle lieft, welche ſich ſelbſt mit Verlegung perfönli: 
den Anſtandes — befanatiich befommt jedoch John Bull nicht 
von jedem rauhen Lüftchen ber öffentlicdgen Meinung den Schnus 
pfen — Tag für Tag von biefen Blättern einander zugefertigt 
werden. Dergleichen betrachtet ein Herausgeber, ift nur bie 
Berdrehung feiner Anfichten durch den Gegner nicht allzu arg, 
vielmehr als ein Freundſchaftaftück. Eine Hand waͤſcht die ans 
dere! gilt Hier in jeder Beziehung. Auch darin, daß fih 3. B. 
radicale und toryſtiſche Blätter mit den Berichten über öffents 
liche Verhandlungen gegenfeitig aushelfen. Sind zwei Zeitungs⸗ 
rebactionen nahe beieinander, fo ſchickt die eine ihren Reporter 

u diefem, die andere zu jenem Gerichtshof, und man theilt, 
obald die Berichte geſett find, diefelben ſtreifenweiſe dem ans 
dern Theile mit, und fpart fo Gelb und Zelt. Nirgend iſt dies 
ſes Syſtem der Sooperation fo ausgebildet, als zur Bezahlung 
der Expreſſen, die jeden Abend von Dover die parifer Blätter 
bringen. Die Koften hierfür werden von den ‚Times‘, bem 
„Kerald”, „Chrenicle”, ‚Morning Post’ und ‚‚Advertiser‘ 
zufammen getragen. Kein neues Blatt wird von dieſer Goa⸗ 
Iition aufgenommen, und da bie Koften für biefen einzigen 
Punkt woͤchentlich 30 — 85, jährlich über 1600 Pf. Sterl. bes 
tragen, fo ſieht man, daß einem neuen Worgenblatt bie bedeu⸗ 
tendften,, faft möchte man fagen, unübesftelgliche Hinderniſſe 
entgegenftehen. Gleich nach Herabfegung bes Zeitungsftempels 
erfhien ein neues Morgenblatt: ‚The constitutional.” Die 
Koften für einen täglichen Expreſſen von Dover, bie es allein 
m beſtreiten hatte ( 900 Pf. Sterl. mehr, als es jobem 
ee Soncurrenten ansmahte), tonnte ober wollte es nicht lange 
tragen. Die Kolge war, daß es bie auswärtigen Nachrichten 
24 Stunden fpäter gab, als fie in den übrigen Zeitungen ſtan⸗ 
den, und fo verfor das Blatt, wiewol es vorzüglich redigirt 
wurbe, batd allen Grebit und mußte eingeben. Gin neuer Mess 
Such mit der „Morning gazette' hielt kaum länger als eime 
einzige Woche an; und ber „San“, alt und belicbt genug als 
Abendblatt, fand neuerdings, als es außerdem wine zweite Aus⸗ 
gabe an jedem Morgen erfcheinen lieh, vor den Augen ber 
Goatition nicht mehr Gnade aid jene Neulinge. Das Mittel, 
das ein Schreiber im Bebru e des „Monthly ebranicle‘ 


egen dieſes Monopol vorſchlaͤgt, ſcheint ſehr einfach. Sonder⸗ 
——2 werben die in Do⸗ 


ver anlangen, von ber Poſt nkht ost befördert, in: weichem 


Holle fie an demſelben Datum, Nackte en 10 unb Al 
Sonban anlommen würden, fonbern FA daſelbſt erſt I 
nöchften Worgen gegen 7 Uhr an, So müflen fi jene Zeis 
tungen Erpreflen halten. Machte bie De aber daeſe unnöthig, 
fo wäre nicht nur eine ſactiſche Beſchraͤnkung der Preßfrei 
aufgehoben, fondern e6 könnte auch, da die meiſten auswärt 
gen Poften fpät in der Rache von Eonbon abgehen, in bey 
Beförderung von Briefen nad dem Norden von Europe eig 
voller Aag geipart werden. Über London gelangte auf bisfe 
Art ein Brief von Paris in vier Tagen nad) Hamburg, ba ex 
auf dem gewöhnlichen Wege fünf (vor kurzem noch ſechs) Tage 
braucht: ein Umftand, des für die Poft auch der Berüdfichtis 
gung wech N n Binderniß f « 

in anderes Hinderniß für das Emporkommen ne 
Zeitungen iſt, wie bemerkt, die Veroͤffentlichung der Zahl bee 
von jedem Gigenthümer genommenen Stempel, eine KBeröfe 
fentligung, bei ber, wie von bem Stamp-olfica felbft en 
Eärt wurde, das Publicum felten die Wahrheit erfährt, in 
Bolge ber zahliofen angewandten und nicht zu verhütenden 
Ränke. Das große Publicum laͤßt ſich aber ohnedem fchon zu 
ſehr durch Zahlen imponiren, ſodaß einem werdenden Blatt ge⸗ 
gen bie gewordenen ein neuer Nachtheil in den Weg tritt. Die 
Yarlamtentsmitglieder, welche biefe Stamp-returns beantzags 
ten, glaubten baburch, indem fie über ben jeweiligen Stand ber 
Öffentlichen Meinung Brief und Siegel gäben, der Uheralen 
Sache viel zu nutzen. Damals zählte diefe noch bie ſeitdem 
abgefallenen „Times“, „„Herald‘‘ und „Ceurier’’ untes ihre 
Vertretern; die Zahl der verfauften Exemylare liberaler 8 
ter war zu bes ihrer Gegner wie 13 zu 2. Im 3. 1838 das 
gegen wurden von den in London überhaupt verbraudten 18 . 
Millionen Stempeln mehr als 7%, Millionen von ben Zories 
verbraudit. Wer da hat, dem wird gegeben! Dies zeigt ſich 
nirgend Elarer, als wo es fi) um Publicität handelt. Den ges 
lefenften Zeitungen fließen natürlich bie meiften Ankündigungen 
zu, die ihrerfeite dem Blatte wieder mehr Lefer verfchaffen, und 
zwar meiftens unter Solchen, deren Gemüther fonft für pelis 
tiſche Beſtrebungen theilnahmlos, noch zu gewinnen find, aus 
Ber aber für die Gigentgümer bie wichtigfte Duelle des 
Ginlommens werden. Ia, bei den meiflen Blättern bilden bie 
Anlündigungen bas einzige Einkommen, da ber Berlauf des 
Sremplare die Koften für Rebaction und Drud been muß, 
In diefer Beziehung hat übrigens das Publicum von der Ders 
abfehung der Gtempelgebühren nicht die Vortheile gezogen, auf 
weiche es Anſprũche machen konnte. Während der Zeitungsr 
ſtempel 4 Pence Eaftete, wurbe ein Abzug von 20 Procent 
fattet, was bei bem Pennyſtempel nicht der Kal K die Er⸗ 
mäßigung betrug alfo nicht 3 Pence, fondern 23% Pence; der 
Preis der Zeitung fiel von 7 auf 5 Pence, ſodaß das bei bee 
großen Anzahl der verkauften Bremplare bebeutend anzufchlgs 
gende 14 eines Penny ausiclichliih den Verkäufern zugute 
tommt. Es iſt wahr, daß manche Zeitungen ihre Spalten er⸗ 
weiterten oder vermehrten; in ber Regel gewann aber hierbei 
nicht der Eefer, ſondern ber Verleger durch das Aufnehmen von 
ah» verkaufte he chottiſchen 

e Za er uften engliſchen und fchottifi Sels 
tungsblätter iſt ſeit Oerabſegung des Gtempels von 80 auf 
50 Millionen jährlich gefliegen, die Zahl her Zeitungen bat 
fih nicht in bemfelben Maße vergrößert. Am 15. @ept. - 
1836, wo jene Maßregel ins Leben trat, erfchienen in Groß⸗ 
britaunien unb Iceland 397 Zeitungen, ein Jahr darauf 458, 
am 15. Mürg 1858 437, im zweiten Quartal 1859 483, mogs 
zunter 109 in London, 233 im übrigen England, 63 in Gchatts 
land und 78 in Irland. Die neu hinzugelommenen Zeitungen 
find faſt ſaͤmmtlich Bolhenfäriften; die Zahl ber täglich ers 
[Beinenden Ionboner, die 1831 13 war, iſt jest 10. Die Zahl 
er Inferate iſt, feit am 5. Iuli 1888 bie Gebühr von 4 Schü⸗ 
ling auf 1% Schilling in England und anf 1 Schilling in Ir⸗ 
land Jahr bebeutend gefliegen 


Jam murbe, von. zu 
und betrug in dem mit bem 5. Ian. 1859 endenden Jahre für 


I) 


992 


wnalitde Blätter 1,815,580, für iriſche 178,200, für ſchottiſche 
176,411 Pf. Gterl. Die Gtaatseinnahme beträgt in dieſem 
Zweige jedt 50,000 Pf. Sterl. weniger als 1838, wird aber 
in wenigen Jahren, dba bie Yrogreffion ganz ftetig ift, den früs 
ken Betrag erreichen. Welchen Gewinn die Gigenthämer ber 

laͤtter aus Inferaten ziehen, mag man daraus abnehmen, daß 
nach einer Berechnung bes „Courrier de !’Europe’’ die ‚‚Ti- 
mes’’ des 25. Zuni 1840 für biefen einzigen Tag etwa 700 
Pf. Stel. für Inferate ARE haben mögen. Dienſtge⸗ 
fuche abgerechnet, für welche 4 Schilling bezahlt werden, wird 
kein Inferat unter 5 Schilling berechnet. r jede Zeile über 
4 und unter 20 wird ’, Schilling gerechnet; ſofort Reigt aber 
ber Preis bedeutend, ſodaß lange Inſerate ſchon mit und 
40 Guineen bezahlt worden find. Diefe ungemeinen Vortheile, 
welche ſchon etablirten Blättern jährlich in fleigendem Ver⸗ 
hättniffe zumachen, find ebenfo viele Hinderniffe gegen neue 
Blätter Y dba nichts ſchwieriger iſt, als Inferate bleibend her⸗ 
anzuziehen. " 

“ eund und Feind erkennen an, daß bie Sache der Reform 
durch den Abfall der „Times“ von berfelben fehr gefährdet 
worden iſt, und man Tann bem Schreiber im „Monthly chro- 
nicle‘’ nicht Unrecht geben, wenn er einen täglidy fchlimmern 
Einfluß fürchtet. Der Abfall jenes Blattes, behauptet er, ſei 
‚ weniger wegen deſſen Innern Vorzuͤgen, als befonders darum 
fo verbderblich gewefen, weil es keinen Rivalen habe. Zwar ift 
die „Times“ nicht das am meiften gelefene Blatt, indem bie 
„Weekly dispatch” bie nur Samstags erfcheint, in mehr 
Gremplaren verbreitet wird, ale von jenem die ganze Woche 
hindurch erfcheinen; aber diefes Blatt hat feine Leſer meift nur 
unter einer noch zur Zeit nicht politifch bebeutfamen Glaffe. 
Unter den täglich erſcheinenden Blättern hat bie ‚‚Times” bei: 
weitem bie bebeutendfte Girculation und ift für die politiſch⸗ 
bedeutfame Mittelclaffe, wie ſchon bemerkt, um fo einflußreicher, 
da fie neben und theilweife trot ihrer politiſchen Richtung we⸗ 
gen ihrer Notizen über Handel und auswärtige Angelegenheiten 
* fowie wegen ber Inferate den Meiften unentbehrlich iſt. Die 
Unternepmung , einen Rivalen aufzuftellen, koͤnnte keineswegs 
von einem Sinzelnen ausgehen, da ſchon eine gewöhnliche Mors 
genzeitung ein Gapital von 50—60,000 Pf. Sterl. erfobert; 
in diefem Kalle aber, aus theilweife oben berührten @rünben, 
außerdem für geraume Zeit bedeutende Opfer gebracht werden 
möflen. Bedenkt man, baß in ben täglich erfcheinenden Londos 
ner Zeitungen ein Capital von wenigftens einer halben Million 
angelegt ift, welche, in mercantiler Beziehung, ſaͤmmtlich dem 
neuen Blatte entgegenwirken würden, bedenkt man zugleich die 
Gefahr, die aus jedem Monopol bem allgemeinen Intereſſe 
droht, fo wird man wol bem Verf. beiftimmen müffen, daß 
außerordentliche Anftrengungen der Freunde geiftigen Kortfchritts 
nöthig find, um die engliſche Ration vor Dem zu fchüsen, was 
ee in dem Titel feines Auffages hinſtellt, der Knechtſchaft ber 
britifchen Prefle. 48. 





Literasifhe Notiz. 


Im J. 1898 erfchien bei Dibot in Paris, hoͤchſt ſplendid 
gedrudt, eine intereffante Gedichtſammlung unter dem Zitel: 
„bılouoigov napepya”, auf die wir, da uns erft vor nicht 
sar langer Zeit das Buch aus Paris zugelommen ifl, nur in 
der Kürze bie Freunde ber griechifchen Muſe aufmerkſam machen 
wollen. Die Sammlung enthält theils neugriechifche Überfegun: 
gen (mit den Originalen) nach den, ganz ober nur inf Bruchftüden 
erhaltenen Oden der Sappho, nach Ariftoteles, Theokritus, Mo: 
ſchus und einigen alten Epigrammen, ferner nad) Voltaire, De: 
lille, Arnault, Deleyre, Beranger, Byron, Bolbfmith, Schiller, 
Derder und dem Könige Ludwig von Baiern, theild eigene 
Dichtungen in neugriechifcher Sprache, denen fobann Ans 


merkungen , zum Theil kritiſcher Art folgen, aus benen 
Berfaſſers Belanntichaft‘ mit beutfcher —X und iu 
nicht unklar zu Tage legt. Namentiich geben bie Überfegungen 
ben Beweis, daß die neugriechiſche Sprache eine nicht geringe 
Leichtigkeit und Beweglichkeit befit, auch bas erere aus 
fremden Poeften fi anzueignen. — iſt das Neugriechi⸗ 
ſche, in welchem dieſe ſaͤmmtlichen Dichtungen a 4 ſind, 
das reinere im Sprachreinigungeſyſtem von Korais verebeite 
Idiom. Der Herausgeber und Berfafler der „„IZapseya' hat 
1 nicht —— Tb hei gran, daß es Fein Anderer, 
ale der durch mandye ere UÜberfegungen und eigene 
ductionen befannte Neugrieche N. Fat fein eönne kr 





Literarifche Anzeige. 
Neue Schriften über Italien. 


Soeben erfchienen in mei Verla d ei 
bie duch alle Buchhandlungen dee Zune dafene 
werden können: 


Hahn-Hahn (Ida Gräfin), Jeufeits der Werge. 
Zwei Theile. 8. Geh. 3 Thlr. 12 Sr. 
Gine anziehende, mit Poeflen und Graählungen unter- 
mifchte Befchreibung einer Reife der Verfafferin nach Stalien. 


Neigebaur (I. F), Haudbuch für Beifende 
in Stalien. Dritte, ganz umpgearbeitete, fehe 
vermehrte und verbefferte Auflage. Dret Theile. Gr. 12, 
Sauber cart. 3 The. 

Diefes Handbu hat ſich feit Jahren ben Reiſenden nach 
Stallen als ein fo zwedmäßiger Führer bewiefen, baß es keiner 
befondern Empfehlung biefer Dritten RNAuflage bedarf. Die 
innere Ginsichtung iſt gang biefelbe geblieben, aber faft jeder 
Artitel wurde mehr ober weniger umgearbeitet und durch Zufäge 
bereichert. Durch die Vertheilung bes Inhalts in drei Theile — 
von denen der erfte die allgemeinen Zufammenftellungen unb 
Überfichten enthält, während der zweite und dritte in alphas 
betifcher Orbnung alle intereffanten Punkte Italiens fchübert — 
ift ber Gebrauch des Werks wefentlich bequemer gemacht worden, 


Raumer (Friedr. v.), Italien. Beiträge zur 
Kenutniß Diefes Randes. Zwei Theile. Gr.12. 
Seh. 4 Thlr. 

In diefem Werke legt der berühmte Verfaffer die Refuls 
tate feiner Beobachtungen über ein Land nieder, das cr durch 
wieberholten Aufenthalt fehon früher Eannte, im Jahre 1839 
aber unter den günftigften Verhältniſſen aufs neue befuchte. 


Hömifche Briefe von einem Florentiner. 
1837 - 38. Zwei Theile. Gr. 12. Geh. 4 Thlr. 12 Gr. 
Der Verfaſſer fchildert in biefem Werke in geſchmackvoller, 
ebenfo belehrender als unterhaltender Darftelung Das neue 
Bow in feinen öffentlichen Zuftänden, feinen gefelligen Ver⸗ 
bhältniffen, feinen Feſten und feiner äußern Erſcheinung, in ben 
Erzeugniſſen ber neuern Literatur und Kunſt. Bas Werk 
wird für eben, ber Rom auf Iaugere ober Fürzere 
it befucht, unentbehrlich fein, Da wir kein aͤhn⸗ 
Licges in ber Riteratur befigen. 


Eeipzig, im Auguft 1840. 
F. %. Brockhaus. 





Berantwortlicee Deraudgeber: Heinrich Brodhaus. — Dial und Verlag von F. X. Brodhbaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 





Ausflug nach Wien und Presburg, im Sommer 1839. 
Bon Friedrich Hurter. Zwei Theile. Schaff: 
haufen, Hurter. 1840. 8. 3 Thlr. 8 Gr. 

Seit einigen Jahren fcheint es foͤrmlich Sitte gewor: 
den zu fein, nach ſtreich in der dreifachen Abficht zu 

reiſen, das Schöne ber Gegenden und des Lebens zu ge: 

niegen, mit hochſtehenden Perfonen zu verkehren und dann 
dem Publicum in einem umfangreihen Buche die Wun⸗ 
der des Landes und ber Regierung vorzuführen. Da 
man bie legtere Abſicht bald durchblicken läßt, trifft man 
auf boppelt fchmeichelhafte Aufmerkfamteit der Vornehmen, 
bei denen man fonft nur die ohnehin Iandesübliche Gaſt⸗ 
freiheit, vielleiht nur Duldung gefunden hätte. Auch 
unfern Verf. ſcheint ber erſte und legte der obenangeführ: 
ten Beweggründe nach ſtreich gelodt zu haben, und er 
ift bei den bezeichneten Perfonen darum augenfcheinlic) 
nicht ſchlimmer gefahren, als wenn ihm irgend ein an: 
derer Grund zu feiner Reife bewogen haben möchte. Das 
ber trägt denn auch fein Werk zwei gemeinfame Merk: 
sale mit Werken ähnlicher Natur, welche bereitö, wie 
das der Trollope, ber verdienten Bergefienheit übergeben 
worden find: einerfeits faſt unbedingtes Lob der Zuftände 
in Oftteih, fowie fie dem Verf. erfchienen find, anderer 
feitö beinahe gänzliche Unkenntniß ber eigentlichen Zuftände, 
ich will nicht fagen der Monarchie, fondern der Länder, 
die er ducchflogen. Über den lebensreichen Staatsorganie: 
mus ber Öftreichifchen Monarchie, welcher ein Agglomerat 
fo vieler Länder und Völker, bie fich gegenfeitig nichts 
weniger als lieben und bie durch feine innere Natur: 
nothwendigkeit zueinander gezogen werden, in einer Art 
zu durchdringen vermag, welche den wahrhaften Staats⸗ 
mann mit Berounderung erfüllen und auch dem Feinde 
vor folgerechter Durchführung gleihförmiger Regierungs: 
geundfäge feit vielen Menfchenaltern Achtung einflößen 
muß, findet man in Hurter's Buche fo wenig als in 
den Schriften Anderer, welche, zu feiner Anerfennung fei 
es gefagt, neben ihm nicht genannt zu werben verdienen, 
irgend einen Auffchluß, oder auch nur eine Andeutung. 

In welcher Weile diefer Organismus wirkt; wie er in 

feinem Kreiſe duldet, was er, wenn er auf „väterliche 

Despotie”, wie man das öflreichifche Weſen zu nennen 

beliebt hat, gegründet waͤre, ausſchließen müßte; wie er 

fchroffere Gegenfäge, als ſich vielleicht in irgend einem 





andern Reiche des Feſtlandes finden, zu vermitteln vers 
mag; wie er in’jeden der verfchiedenen Länder, über 
benen er als unfichtbares Band, das alle zufammenhält, 
ſchwebt, das ihnen eigenthuͤmliche Leben nicht nur ges 
währen läßt, fondern fogar pflegt; wie er bei folcher Viel⸗ 
fachheit die Einheit der Grundidee der oͤſtreichiſchen Dos 
narchie unerfchütterlich feſthaͤlt, ohne irgend ſchonungslos 
zu zermalmen, vielmehr den innern Ausbau von Jahr⸗ 
zehnd zu Jahrzehnd, und von Jahrhundert zu Jahr⸗ 
hundert mit weiſer Umſicht immer weiter ausführt und 
vervollkommnet: das Alles, fammt jenem zahliofen Er⸗ 
fcheinungen des geiftigen und leiblichen Daſeins, bie ſich 
baran knuͤpfen, wird man in bem vorliegenden Werke 
vergeblich fuchen. Um aber gerecht zu fein, muß man 
anerkennen, daß der Verf. ſolche Dinge gar nicht darftels 
fen wollte, wie er fie denn auch während ber Burgen Beit, 
die er im Öftreich weilte, nicht ergründen hätte koͤnnen. 
Hierzu gehört eine viel längere Prüfung, und wäre es 
auch nur, um bie zwar unleugbare, aber nicht leicht zu 
erklaͤrende Thatfache, daß in ſtreich viel weniger auf die 
Derfonen ber Machthaber ankommt als in conflitutionnel- 
len Staaten, biftorifh in ihrem Urfprunge unb ihrer 
Ausbildung, flaatlih in ihrer Gegenwart nachzuweifen. 
Nichtsdeftoweniger hat ber Verf. eine Kennermiene zu: 
weiten, vielleicht unwilltürlih, angenommen, die uns, 
während wir ihn Hei feinem Ausfluge begleiten, auf: 
eriegt einige feiner Urtheile zu berichtigen, andere zu 
ergänzen. 

„Ein Gegenftand, der mich befonders intereffirte, iſt 
die Cenfur in Öftreih”, fängt ber Verf. eine feiner 
bunt durcheinander gewürfelten Erpectorationen an; und 
wer follte nach einem ſolchen Eingange nicht glauben, er 
werde wenigſtens Einiges von den Grunbfägen, nach wel 
chen in Öftreich die Cenfur gehandhabt wirb, offenbaren, 
wie man denn in der That nach der Stellung, in wel: 
cher er fi, nach feinen eigenen beſtimmt ausgefprochenen 
Morten, zu mehren wiſſen koͤnnenden Perfonen' befindet, 
vermuthen möchte, er habe wenigſtens Klänge davon ver: 
nommen! Daß dies nicht der Fall geweien fein mag, 
beweift er durch folgende merkwürdige Stelle (II, 116): 

Aber das Veto der Cenſur trifft bisweilen auch Werte, 
die fich lediglich auf dem Gebiete der Forſchung und der Wiſ⸗ 
fenfchaft bewegen, beren Lehren ſelbſt von folcher Beſchaffenheit 
find, daß cher ihre Verbreitung als Unterbrädung im Intereſſe 


994 


der Monarchie läge. &o wurde Haller’s ‚„‚Reflauration ‘der 
Staatswiſſenſchaften“ verboten, doch gewiß nicht, weil fie bie 
Zundamente des Thrones untergräbt; wahrfcheinlih nur des⸗ 


wegen, weil das Verfahren Kaiſer Zofeph’s ben in dem Werke - 


aufgeftellten Grundſaͤhen gemäß gewürdigt wird. Vielleicht aus 
ähnlichem Grunde unterlag feiner Zeit das Buch bes Grafen 
de Maiftre „Du pape’’ bemfelben Veto. 


Die oͤſtreichiſche Cenſur ift eine Staatsanftalt der hoͤch⸗ 
fien Ordnung, und zwar der Art, daß fie, wenn fie ein 
Principienwerk erlaubt, dadurch die in demfelben enthal⸗ 
tenen Srundfäge zugleich billigt, ja empfiehlt. Nun gibt 
es nicht leicht zwei Werke, welche, gleich denen im,Gitate 
genannten, bie Sundamentalfragen ded Staates und der 
Kirche auf eine Weife zu beantworten und zu löfen ver: 
fuchen, daß, wenn den in biefen Werken aufgeftellten 
Lehren, vielmehr Geboten, mit ftrenger Confequenz nad): 
gehandelt würde, Ummälzungen entflehen müßten. Die 
Verbreitung ſolcher Grundfäge kann eine Stautsanftalt, 
wie die öftreichifche Genfur, welche, wenn fie erlaubt, zu⸗ 
gleih billige, unmöglich geflatten, daher und nicht aus 
dem vom Verf. angeführten Grunde das Veto biefer bei: 
den Werte. So wenig liegt die Verbreitung der Haller’: 
fhen Lehren im Intereſſe der Öftreihifhen Monarchie, 
wie dee Verf. andeutet, daß fie liegen folle, daß zur Zeit, 
ale die „Reſtauration der Staatswiffenfhaften” Epoche 
machte, auf der wiener Univerfität die darin proclamirten 
Grundſaͤtze von dem Profeſſor des Staatsrehts, Me: 
gierungsrath v. Egger, in feinen Öffentlichen Vorleſungen 
ſcharf geprüft und Eräftig voiderlege worden find. Und 
erft die Grundfäge eines de Maiftre billigen! Der Verf. 
fährt (a. a. D.) fort: 

Noch merkwürbiger ift Folgendes. Einem Rordbeutfchen 
wurden zu Nachforfhungen über einen ber berühmteften Feld⸗ 
herren Öftreichs die Archive mit derjenigen Bereitwilligkeit ges 
Öffnet, die ſchon mancher deutfcher Gelehrte in Öftreich zu 
rühmen Urſache hatte. Als das fraglicdhe Werk erſchien, zeigte 
fi, daß die Acten nicht durchweg fo felen benugt worden, wie 
die Unparteilichkeit es erfodert hätte. Gin inländifcher Korfcher 
verfaßte hierauf eine Beleuchtung und Widerlegung des Irrthuͤm⸗ 
lichen; — das Imprimatur wurde verfagt. 

Angenommen, dieſe Thatfache wäre in allen Punkten 
eichtig, fo folgt daraus zunaͤchſt nur, baß die Widerle⸗ 
‚gung in einem Tone gefchrieben fein mochte, der bei ic: 
gend einem ausmärtigen Hofe Anftoß geben, ober eine 
auswärtige Nationalität verlegen mochte. Dierauf nimmt 
die öftreichifche Cenſur ſtets die gemefjenfte Rüdficht, weil 
ihrer wohlbefannten Strenge wegen jede unter ihrer Ägide 
erfcheinende derartige Schrift als Kundgebung ber Anfidy: 
ten des Staates, nicht aber eines Individuums angefehen 
werden würde. Außerdem iſt dem Geifte einer Regierung 
wie bie Öftreichifche jede Polemik, die fie felbft, wenn auch 
in ber Vergangenheit, oder ihre MWürbenträger und Feld⸗ 
herren betrifft, voefentlicy zuwider: alte Dinge flreitiger 
Natur wuͤnſcht fie nicht aufgerübrt zu fehen, und was 
bie Gegenwart betrifft, weiß fie in wichtigen Angelegen: 
heiten, bei denen die, Öffentlichkeit nicht uͤbergangen wer: 
ben darf, ihre Bertheidigung felbft und mit Würde zu 
führen, wie alle ihre Manifefte beweiſen. Daß fie bes: 


wegen wiſſenſchaftliche Forſchungen über ihre Geſchichte 


nicht hindert, thut bie citirte Angabe bes Verf. dar: fie 
aber kümmert fih nicht darum, wenn ber mit der Er⸗ 
laubniß, in ihren Archiven zu forfchen, bevorzugte Aus: 
Länder davon ben edelſten Gebrauch nicht macht. Wenn 
demnah aus den Erörterungen, die wie zu den citicten 
Stellen gegeben, hervorgeht, daß der Zweck der oͤſtreichi⸗ 
fhen Genfur, was die im Auslande erfchienenen Druck⸗ 
ſchriften betrifft, ein anderer ift, als Verfland und Her: 
zen des Volkes vor gefährlichen Lehren, fie mögen im: 
merhin monarchiſch im hoͤchſten Grade erfcheinen, zu bes 
wahren, und überhaupt denjenigen Doctrinen, welche, 
wenn fie fih in Saft und Blut der öftreichifchen Voͤlker 
verwandelten, auch deren Charakter verwandeln würden, 
jeden Eingang zu wehren; wenn ferner hervorgeht, baß, 
was die im Inlande erfcheinen follenden Schriften angeht, 
hohe Achtung der Regierung vor ihrer eigenen Pflicht und 
Würde, gepaart mit Scheu vor jeder Polemik, den Grund⸗ 
zug dieſer Genfur bilde: fo muß man jedoch leider be: 
kennen, baß in der Ausübung folcher Grundfäge das 
richtige Maß keineswegs beobachtet werde. Die Urfache 
diefer Erſcheinung liegt darin, daß in ſtreich die Aus: 
übung der Genfur nicht eigenen, ſich mit nichts andern 
befaffenden Beamten, fondern folchen anvertraut if, die 
fonft ohnehin viel, zumeilen überbefhäftigt find. Dies 
ift die Quelle fo mancher argen Übelſtaͤnde, welche weg⸗ 
fallen würden, wenn in jeder Hauptftadt ber äftreichifchen 
Länder, oder wenigftens in Wien, Mailand und Pefth, 
ein eigenes Genfurcollegium mit Präfident und mit Rd: 
then eingeführt wäre. Da es ſolche eigene Cenfurlandess 
behörden aber nicht gibt, fondern die Genfur nur ein, 
unb zwar unbefoldetes Nebenamt ift, fo macht ſich per: 
föntiche Ängſtlichkeit gar manchmal in einem Grade gel: 
tend, der in fchneldendem Widerfprudye zu der Grundidee 
ber Öftreichifchen Genfur als Staatsanftalt hoͤchſter Orb: 
nung fteht. Aus der beftehenden Einrichtung fchreibt ſich 
auch der fo dußerft langfame Geſchaͤftsgang ber, daß 
Schriftſteller und Buchhändler darüber verzweifeln moͤch⸗ 
ten. Dieſe Erfcheinungen würben verfchwinden, wenn 
die Genfur ganz fo collegialifc ausgelbt würde, wie «6 
in Sſtreich bei allen übrigen Behörden der Fall if. 
Dann würde Derjenige, der in fih den Beruf zum Schrift: 
ſteller fühle, nicht zum voraus abgeſchreckt wetden, Jahre 
lang an einem wiſſenſchaftlichen Werke zu arbeiten, von 
dem er jest am Ende nicht einmal meiß, ob nicht eine 
neidifhe Hand unter fein rebliches und werthvolles Pro: 
duct „„Typum non meretur”’ zu fchreiben fich erbreiftet. Zu: 
gleih würbe der Geſchaͤftsgang ſchneller werden, würde 
man auf die Genfur von 5. B. bloßen Antiquar: Bücher: 
anzeigen in den Zeitungen nicht wochen:, ja monatelang 
warten müffen. Wie die Sachen jegt ſtehen, wirkt bie 
Genfur geiftestähmend in Öftreich, ſteht die äftreichifche 
Literatur unbedingt hinter der aller übrigen beutfchen Staa: 
ten weit zuruͤck, und dies liegt nicht in den Grundfägen, 
fondern in ber Handhabung der Genfur. ine collegia: 
liſche Verfaffung eigener Genfurbehörben würde den Geiſt 
jebe6 einzelnen Genfurrathe® ermuthigen, wuͤrde vor Allem, 
was die Zulaſſung der ausfändifchen Literatur betrifft, 


Einheit in die Praris bringen: denn iſt e6 nicht feltfam, 
daß von Wieland, ber trotz feiner Glaͤtte Häufig unfittlich 
ift, faft Alles, von Jean Paul dagegen nur fehr Weni: 
ges erlaubt ift? Bei einer collegialifchen Einrichtung würde 
ferner der übelſtand wegfallen, daß oft Werke Jahre lang 
erlaubt find und dann plöglich verboten werden, wie es 
. gefchieht, weil es einzelne Genforen gibt. So war bie 
Becker'ſche „Weltgeſchichte“ Jahre lang in Oftreich erlaubt ; 
piöglih fiel es dem Profeffor der Religionsgefchichte an 
dee philoſophiſchen Facultaͤt der wiener Univerfität ein, 
daß das ein furchtbar irreligioͤſes Wert wäre, und es 
wurde verboten. Die Aufgabe ber öftreihifchen Genfur 
ft: Verſtand, Herz und Sitten bes Volkes zu bewahren, 
und doch zugleich die möglichft größte geiftige Freiheit zu 
gewähren: diefe hohe Aufgabe wird noch am eheften durch 
die Einführung collegialifch eingerichteter Cenſurbehoͤrden 
erreicht werden können. 

Der Verf. befpriht (Il, 133) in einigen Worten 
auch die geheime Policei in Wien. Seine Dar: 
ſtellung iſt im Allgemeinen richtig,, und ſehr wahr, 
daß der Fremde die Wirkſamkeit der geheimen Policei 
nicht gewahr wird, „daß fie, wenn fie exiſtirt, nicht laͤ⸗ 
ftig fällt”. Daraus folgt aber nicht, daß Fremde niemals 
beobachtet werden, vielmehr muß dies gefchehen, wie es 
in faft allen Staaten geſchieht, fobald fie durch policeiliche 
Anzeigen aus dem Auslande oder fonft auf irgend eine 
Art verdächtig geworden find. Dann werben aber auch 


ber Policeibehoͤrde alle Schritte eines folhen Fremden be: | 


tannt, und ift Grund zu diefer Maßregel vorhanden, fo 
wird er höflichft gebeten abzureifen. Wer Schuld keiner 
Art auf feiner Seele bat, der kann in Wien ruhig vor 
ber geheimen Policei leben, und lebte er ein Jahrhundert 
dort. Aber es gefchieht, daß weggewieſene Fremde im Aus: 
lande erzählen, fie hätten an irgend einem Orte ein arg: 
lofes Wort im Vertrauen gefprochen, und firads wären 
fie den folgenden Tag auf die Policel gefodert worden, 
wo man ihnen befohlen hätte, binnen 24 Stunden ab: 
zureifen. Das find aber Schuldenmacher, die ſich daheim 
weiß brennen wollen, SInduftrieritter von befanntem Ge: 
werbe, aber feines in Wien begangenen Verbrechens ver⸗ 
dachtig, wol auch Hanbeldleute, welche Mufterfarten ver: 
botener Waaren bei fi führen. Die legte Claſſe Den: 
fhen beklagt fih dann wol au, daß im Gafthofe wäh: 
rend ihrer Abweſenheit ihre Effecten unterfucht worden 
wären. Das gefchieht je zumellen, aber niemals auf 
Beranlaffung der Policei: folche Unterhaͤndler ausländi: 
fchee Kaufleute werden auf irgend eine Art, oft durch 
thre eigenen Bekannten, ber Zollbehoͤrde angezeigt, und 
diefe nimmt dann die Durchſuchung mit Hinzuziehung 
eines Policei⸗ und eines Gerichtebeamten von Wenn 
der edle Mufterherr zufällig nicht im Zimmer feines Gaſt⸗ 
hofes iſt, wartet die Zollbehoͤrde allerdings nicht feines 
Kommens, und noch weniger meldet fie ihm früher ihr 
Erfcheinen. Eine geheime Policei, ganz nach Art der pas 
sifer, gibt es in Wien nicht, wol aber eine folche, weiche 
Dienerin der "Gerechtigkeit ift und Verbrechern ober Ver: 


dächtigen nachfpürt, und eine ſolche, welche die äffentlis | 


hen Orte jeber Art uͤberwacht, vielleicht a ſiſchaf⸗ 
ten zahlreichen Beſuches. vr Sfeifüer 


(Der Beſchluß folgt. ) 





Gotthold Ephraim Leffing's ſaͤmmtliche Schriften. 
Neue rehtmäßige Ausgabe. Herausgegeben von Kart 
Lachmann. Sechster bis zwölfter Band. *) 


Diefe neue Ausgabe Leffing’s durch Hrn. Lachmann Liegt 
nunmehr vollfländig vor uns. Die erften fünf Bände ber: 
feiben habe ich ſchon früher in d. BI. befprochen, und mas 
dort von mir in Beziehung auf bie Anordnung des Inhalte 
gerügt wurde, das findet auch leider hier bei den vor uns lies 
genden ſechsten bis zwoͤlften Bande ſtatt. Wir finden in ih⸗ 
nen das nämliche wuͤſte Weſen in der Hintereinanderſtellung 
(Zuſammenſtellung kann hier ſelbſt der nachfichtigſte Leſer nicht 
erkennen) des Einzelnen. Freilich ließ ſich gieich von vorn her⸗ 
ein auch für dieſe folgenden Baͤnde nichts Anderes erwarien, 
wenn man ſah, wie der gerügte Fehler ſchon in den erſten fünf 
Baͤnden ein zu breites Fundament gewonnen hatte, um in der 
Folge ermäßigt werden zu können. Nun iſt es freilich einmal 
unglüdlicherweife fo, aber erwarten hätten wir body bürfen, 
daß man uns biefen Gapitalfehler einer weitläufigen Ausgabe 
von zwölf Bänben einigermaßen mildern würbe von Seiten der 
Redaction derfelben. Es ift allerdings wenig, was in biefer 
Hinficht gefchehen Eonnte, doch auch das Wenige wäre in einem 
ſolchen aͤrgerlichen Kalle noch wuͤnſchenswerth. Diefer kleine 
Nothbehelf würde nun darin beſtanden haben, daß man dem letz⸗ 
ten Bande ein Inhaltsverzeichniß der einzelnen Wände beifügte, 
fo wie fi 3. 8. ein folches dem erften Bande ber Gruber: 
fen ‚Ausgabe von Wieland's Werken vorgefept findet. Die 
Abhülfe wäre freilich immer gering geblieben; denn auch ba 
wäre man noch oft genug in den verdrießlichen Kal gelommen 
das Inhaltsverzeichniß faft aller Bände burchzulefen, wenn man 
fih mit gewiffen Arbeiten Eeffing’s hätte vertraut machen wol: 
ten, indem biefe Arbeiten, zufammengenommen, eine beftimmte 
Seite feiner Studien und feines Wirkens bildeten. Diefem letz⸗ 
tern Übelftande wäre jedoch dadurch abzuhelfen geweien, baf 
man einen Reallatalog der fämmtlichen Arbeiten Leffing’s bel: 
gefügt hätte, indem man nämlich unter gewiffe Rubriken bie 
dramaturgifchen Arbeiten, die Borreben, die antiquarifchen Ars 
beiten u. f. w. zufammenftellte, mit der Angabe, in welchem 
Bande ein jedes Einzelne aus dieſer Rubrik zu finden fei. 

Ein vedlicher Fleiß bes Herausgebers und ein guter Wille 
des Verlegers find bei dieſer Ausgabe gar nicht gu verkennen, 
um fo unangenehmer fällt es einem daher auch, obigen gar 
großen Fehler rügen zu müflen. Haben fie fi felber jedoch 
auch die Breude ihres Wollens auf fo eine unbegreifliche Weiſe 
getrübt, fo wird fie ihnen nie gang verlümmert werden, wenn 
fie fich vergegenmwärtigen, sie durch diefe neue Ausgabe bas 
beutfche Yublicum Gelegenheit findet, feine befondere Aufmerk⸗ 
ſamkeit wieder auf Lefling zu lenken. Man fage nicht: das fet 
nicht nöthig, Leffing lebe noch immer wirkſam im Angebenten 
feines Volks. Auf den erften Anfchein ift das wol nicht gu 
leugnen, man bört allerdings Leffing noch bäuflg nennen, es 
wird auch wol mitunter etwas von ihm durchgelefen, aber «6 
ift doch aud wahr, daß wir von feinem großen Charakter, 
ber ihn zum heroorragenden Punkt in unferer Gulturgefchichte 
macht, gar wenig Notiz genommen fehen, fobaß man wirklich 
glauben möchte, fein Andenken unter uns fei nur noch Trabi⸗ 
tion. Doc dem ſei wie ihm wolle, ich will mich bier nicht 
weiter barauf einlaffen. Gewiß ift es aber, baß fo von außen 
kommende Anftöße, wie unfere vorliegende Ausgabe, immer ihre 


eigenthümliche Bedeutung in ber Bewegung ber Gegenwart has 


°*) Bgl. Aber den erſten bit fünften Band Nr. 108 d. BI. ! 8 
D. Reb. 








- 


996 " 
e 


ben. Der „‚Baoloon”, „Hamburgiſche Dramaturgie”, „Die Er⸗ 
ziehung ded Menſchengeſchlechts“ und ber „Antis@öge, dies find 
lauter Productionen, denen man immer wieber eine frifdhe 
Theilnahme fchentt, wenn man fich veranlaßt fieht fie in bie 
Hand zu nehmen. Iſt es nun auch hier unnöthig, ſie an fich 
felbſt zu betrachten, was ja ſchon oft genug geſchehen if; fo ift 
es binmiederum doch auch nicht unpaflend, bier einige Andeus 
tungen auszufprechen über das Werhältnif, das fie wol in 
Beriehung auf bie Aufmerkſamkeit unferee Gegenwart vers 
dienen. 

Wil man unbefangen urtheilen, fo muß man allerdings 
audfpreffen, daß in unfern Zeiten Feiner mehr aus dem „Lao⸗ 
- Roon”’ feine erfoberlihe Bildung in demjenigen geiftigen Ge⸗ 
biete, zu welchem biefe Abhandlung gehört, gewinnen werbe, 
Die Zeit hat allerdings darin einen Fortſchritt gethan, daß die 
in derfelben enthaltenen, zur Zeit ihrer Erſcheinung diltzaͤhnlich 
wirkenden, Wahrheiten fihon ihre Verarbeitung in der ganzen 
Breite unfers jegigen Sulturzuftandes gefunden haben. ir 
finden demnach im ‚‚Laokoon’ in dieſer Yinfigt nichts, was 
nicht ein jeder geiſtig Gebildete ſchon dadurch weiß, daß er ja 
die volle Wirkung unferer Gulturzuftände an fich erfahren hat. 
Run kommt * ein anderer Punkt dazu; nämlich es fehlt 
Leſſing, bei aller Tiefe und bei allem Umfange feines Geiſtes 
doch etwas an biefer ganz eigenthümlichen Gigenfihaft, dur 
welche sin äfthetifcher Kritiker zur Zeit eines wiedererwachten 
Kunfttebens eine für das Leben in ber Kunſt regeinde und för: 
dernde Autorität bildet. Um es Burz zu fagen: Leffing hat in 
biefem Gebiete bes fich manifeftirenden Lebens doch eine eigent: 
liche Sriftenz. Daß er nichts davon verftanden habe, fol freilich 
ns nit behauptet werben; Einſicht in folche Verhältniffe, die 
doch auch immer Sinn und Gefühl für diefelben vorausfegt, 
seta er wol, und fogar in einem bedeutenden Grade. Das 
Leben ber Menfchheit war zu voll, Träftig und felbfibewußt in 
ihm, als daß er nicht auch für jenes Gebiet des erſcheinenden 
Lebens Hätte mitfprechen Eönnen. Das, was er aber nun bar: 
über ausfpradh, war eben mehr das Urtheilen eines unbefanges 
nen, tüchtiaen Mannes im Allgemeinen. Zur Zeit, wo Lefling 
mit ben „Laokoon“ auftrat, mußte ganz natärlich ein foldhes 
Urtheilen die mächtigfte Wirkung hervorbringen. Die Zeit fing 
damals an ein dunkles Sefühl zu belommen, daß man fich, im 
Betreff des Lebens in ber Kunft, in einem fabden natur und 
geſchmackloſen Zreiben befinde, daß ſich endlich wirkſam hervor⸗ 
thun müſſe ein tüchtiger Verſtand, beruhend auf einem unbes 
fangenen, Eräftig menfchlicdyen Sinne. Das war aber gerabe 
mit Leffing der Fall. So gebt demnach aus dem hier in der 
Kürze Angebeuteten hervor, daß in unfern Zeiten Leſſing's 
„Laokoon‘ nicht mehr ein Buch fein kann, welches einem Juͤn⸗ 
gm bie gehörige Bildung in folchen Dingen gewähren wird. 

gilt begreiflich von allen riften 2effing’s in diefem 
ade. Gin neuss Kunftieben erwacht, Teuchtend ſucht ſich vor 
uns bas Gebiet der Anfchauungen hr entfalten, und dieſes Ge⸗ 
diet zuft, wie jebes andere mächtige Gebiet des Lebens, feine 
enthuͤmlich betrachtenden Individuen aus der enge der 
enfchen hervor; ein folcdher Betrachter und Genießer, gleich: 
fam ein individuelles Organ der Menſchheit für folche Erſchei⸗ 
nung des Lebens, war Eeffing aber nicht. 

Soll denn aber nun Lefling’s „Laokoon“ nicht mehr gele⸗ 
fen, als etwas, das feine temporaire Beflimmung erfüllt hat, 
bei Beite ‚gelegt werben? Ganz und gar nicht! Großer Ghas 
zalter des Verfaſſers, Geiſt und inneres Leben bes Buchs, ech⸗ 
tee reiner Styl, ber immer ein Zeugniß hoher, lebensvoller Gei⸗ 
fer ift — fo ausgeftattet liegt died Werk vor und. Die Wir: 
Zung eines ſolchen Buche ift immer neu; es wirkt weit über 
den vom Verf. beflimmten Zwei hinaus, ſodaß bei foldh einem 
Bude biefee beflimmte Zweck im Verlaufe ber Zeiten blos zu: 
fällig erſcheint und zurüdtritt. Dies ift völlig der Fall mit 
unferm „Laokoon““; wer für biefen beflimmten Zweck feine Be: 
lehrung in ihm fucht, wird fie wol nicht finden, und doch wird 


dlich viel gewin it 
— biefes Bude age. mit ſeiſen Einnen dem 


- (Der Belhluß folgt.) 





— — — — 


Literarifhe Notizen. 

Zwei Kloſternovellen erſchienen faſt zu gleicher Zeit in 
die eine unter dem Titel —*588 von zus —2 
andere ‚‚Iheresa’ von H. Arnaud (Mde. Ch. Reybaud). Die 
erfte iſt ſeyr romanhaft und wenig wahrſcheinlich, aber nicht 
unintereflant; ber Inhalt biefer: Gin junges Mädchen, feit 
ihrer Kindheit in einem Klofter ERBE ı das fie gewiffermaßen 
aboptirt hat, zeigt eine unüberwindliche Abneigung gegen bas 
töfterliche Leben. Durch einige Breundinnen, welde in ben 
Strudel der großen Welt zurückgekehrt find, aufgemyntert, 
weigert fie fi, das Belübde abzulegen. Aber fie bat Riemans 
den, ber fie reclamiren Bann, «6 bedarf eines Mefchügers, der 
ſich bereitwillig erklaͤrt, fie auf her Stelle zu heirathen. Gin 
junger Offizier, durch ihre Verzweiflung und Schönheit gerührt, 
opfert fi auf und bietet ihr, ohne fie zu Tennen, feine Dand 
an, worauf das Kloſter feinen Anfprüden an das Mädihen 
entfagt. Rach der pricfterlichen @infegnung findet es Mich, daf 
ber großmüthige Krieger eine Frau if, melde durch irgend 
einen Umfland gezwungen worden, ihr Gefchlecht unter dee 
Uniform zu verbergen. Zuletzt beirathet das Mädchen ben 
Bruder des weiblichen Offiziers, worauf Alle, die Lefer mit 
inbegriffen, zufriedengeftellt find. Etwas barbarifcher geht es 
in der „Thérôea“ der Wide. Ch. Reybaud zu. Diefe Thereſa 
iſt ebenfalls einem Klofter entlaufen, um bie Maitreſſe eines 
Königs zu werden, und benugt den Ginfluß, den ihre neue 
Stellung ihr gewährt, zur Ausübung einer heillofen Rache. 
Als Vorrede iſt ein langes Gewaͤſch der Mde. de Girardin 
über die Biteratur, die Dichter, bie Journaliſten, mit einem 
Worte über Alles und noch Etwas beigefügt, worin man leicht 
den verbünnten Geiſt bes gewöhnlichen Keniletoniften ber ,, Presse‘ 
erkennt. Um die gebräudjlichen zwei Bände vollgumadhen, eine 
Bebingung, ohne welche ein Roman auf bie Gunft der orbis 
nairen Leſewelt Teinen Anſpruch hat, finden wir Hier nodh ein 
ungeheuerliches Drama von Aug. Arnould unter dem Zitel „La 
möre folle’‘, ein büfteres Intriguenſtuck, welches mit Chebruch 
beginnt, mittels eines Dolches ſich fortfegt und mit ber Ger 
richtſtaͤtte ſchließt. 


Ein ernſthafter Berichterſtatter über Erziehungsſchriften 
ſpricht ſich bei dieſer Gelegenheit in einem franzoͤſtſchen Jour⸗ 
nale über die Dampfbeforderungsmethode aus, wodurch bie 
Meinen Kinder, Mädchen und Knaben, gegenwärtig fo alt und 
klug und fo altllug gemacht werben, als nur immer bie ältes 
ſten Leute find, Er erzählt hierbei folgende Thatſache, für des 
ven Wahrheit er fich verhrgt: Zwei junge Maͤdchen, wovon 
bie eine 11, bie andere 18 Jahre alt war, ſqͤwatzten oft 
unter den Augen ber Mütter mit leifer Stimme in der de 
eines Salons. „Ich will”, fagte die eine, „Trios, Quatuors 
und befonders ein paffionnirtes Duo.’ „Mache mir nur einen 
recht zaͤrtlichen Iert‘‘, erwibeste die andere, „und du wirſt 
feben,, daß meine Muſik hinreißend fein wird.’ Man beobadhs 
tete die beiden Mädchen. Die Mutter berjenigen, weiche bie 
Lefdenichaft hatte, zu fchreiben, ertappte ein Manufeript, und 
wie erflaunt war fie, auf bem Zitelblatte das ganze Scena⸗ 
um gu Iefen: „Die Garnifoen, komiſche Oper in drei Acten, 
Text von Slara D...., Muſik von Eliſe von B..... “ 
Der erſte Aet beginnt mit einem von Dragonem veranſtalteten 
Zrinfgelage! Leider find wir auch in Deutfchland, und- fogar 
im fchmäbifchen Lande felbft, über die gute ehrliche Zeit hinaus, 
wo die Schwaben erft im vierzigften Zahre klug wurden. Der 
Goͤtze der Zeit, der Dilettantismus, beſonders ber mufllalifche, 
tft an diefer verberblichen Überreife Schuld, bern giftige Früchte 
erft die Fünftige Generation genießen wird, 





Berantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 3. 4. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung 





Breitag, 


AT Kr. 248, ö— — 


4. September 1840. 





Ausflug nad Wien und Presburg, im Sommer 1839. 
Bon Friedrih Hurter. Zwei Theile. 
C(CBeſchluß aus Ne. MT.) 

Unter der Überfchrift Hof und Staatsein: 
rihtung gibt der Verf. (1, 293 — 303) einen 
dürftigen Auszug aus dem Hof: und Staatsſchema⸗ 
tismus. Über Organifation und Unterordnung der Be: 
hörden, über Gefeggebung und Verwaltung findet man 
feine Spur in dem Artikel. Was den Staatsrath be: 
trifft, möge bier die außer Oſtreich ziemlich verbreitete 
Anficht berichtigt werden, als ob derſelbe eine entfcheidende 
Behörde wäre; derfelbe ift eine lediglich berathende Be: 
hörde des Monarchen. Des Oberſthofmeiſters des Kaifere 
hätte felbft in Ddiefem bdürftigen Auszuge gedacht werden 
folen, da derfelbe unter allen Hof: und Staatsmwürden: 
trägern den hoͤchſten Rang bekleidet. Auch hat der Verf., 
eben weil e8 nicht im Staatsſchematismus fleht, zu be: 
merken unterlafien, daß das Oberithofmarfchallamt bie 
Givilgerichtsbehörde für alle Mitglieder des Laiferlichen 
Haufes, für alle Bewohner der kaiferlihen Burg und 
für Die auswärtigen Geſandten ift, fofern dieſe legtere 
vor demfelben Recht nehmen wollen. Die Hofcommilffion 
in Juſtiz- und Gefegfachen ift der oberften Juſtizſtelle 
nicht untergeordnet, wie der Verf. ſagt; letztere ift eine 
rechtfprechende und in einem gewiſſen Bereiche geſetzgebende, 
jene eine rein berathende Behörde. Übrigens fehreibt man 
nicht ſtreich ob und unter der Enz, denn der Fluß, ber 
das Erzherzogthum Oſtreich in zwei Hälften fcheidet, heißt 
Enns. 

Über die Popularität des verewigten Kaiſers Franz 
bemerkt der Verf. (1, 316) mit Recht, daß diefelbe 
eine völlig ungefuchte, eine freimillige Anerkennung feiner 
einfachen Herzlichleit und humanen Freundlichkeit war. 
Zwei Anekdoten, die Herr Hurter mittheilt, mögen als bes 
zeichnend für diefe Popularität hier einen Play finden. 

Auf einer Reife durch Krain wurde ber Kaifer von einem 
Poſtillon umgeworfen. Glüdlidyerweife nahm er Teinen Scha⸗ 
den. Aber der Poftillon in feiner Angft glaubte fich ſchon des 
Zodes und wußte nicht Worte und Geberben zu finden, um 
fit) zu entfchuldigen und Gnade zu erflehen. „Hat Gottlob 
nichts gemacht”, ſprach ihm der Kaifer tröftend zu, „ſei frob, 
daß du nicht den Kreishauptmann umgemworfen haft.” 

Die zroeite: 

In Tirol — wenn id nicht irre — luden ihn einſt bie 


Schügen eines Drtes, die eben ein Schüsenfeft veranftaltet 
hatten, ein, fie durch einen Schuß zu beebren. „Dazu bringt 
ihe mich nicht“, fagte ber Kaifer, „ich weiß ſchon, daß ihr das ' 
Loch in bie Scheibe gebohrt habt.” 

Es wäre in ber That wünfchenswerth, wenn folche 
und ähnliche charakteriftifche Züge diefes Monarchen von 
fo menfchenfreundlihem und doch fo felfenfeftem Herzen 
gefammelt würden; nur müßten biefelben wohl beglau= 
bigt fein. 

Über die Hohe Ariftotratie beobachtet der Verf. 
ein tiefes Schweigen, und, was ben Flitterſtaat, das 
äußere und gefellfchaftliche Weſen derfelben betrifft, hätte 
er in ber That nad) dem Bude der Trollope wenig 
Neues darüber fagen innen. Für folhe Dinge war 
diefe Dame eine feine und ſcharfe Beobachterin, und 
Niemand wird die creme und die creme de la cr&me 
beſſer fchildern können als fi. Aber ein Werk wie das 
des Verf., welches fich über Alles in Oflreih und etwas 
darüber verbreitet, hätte über Die eigentliche Bedeutung 
der hohen Ariſtokratie, über ihre Macht und deren Pfei⸗ 
ler doch wenigſtens etwas fagen follen. Ein Anflug das 
von ift allerdings in feinem Artikel über die gutshertli- 
chen Berhältniffe zu finden, aber es ift nichts Bar aus: 
gefprochen, nichts auf wirkliche Kenntniß gegründet. Wahr 
iſt, was ber Verf. fagt, daß es den Unterfaffen ſchmerz⸗ 
ih fällt, wenn Geſchlechter, die lange im Befige einer 
Herrfchaft geweſen, endlich weichen müffen, und fehr tref: 
fend ift folgende Stelle: 

Auch macht ſich bisweilen ein großer Unterichieb Fühlber, 
wenn ein Gut mit Herrichaftsrechten aus dem Beſitze des Adels 
in denjenigen eines reich gewordenen Haufes übergeht. Man 
hat mir von einem überreichen Banquierhaufe erzählt, welches 
eben auch dergleichen vorzugsweife als Beichäfte behandelt unb 
in dem Beftreben, die erfoberlichen Procente herauszufchlagen, 
feiner Berechnung vor der wohlwollenden Berüdfichtigung übers 
al den Vorzug einräumt. . 

Hierin Liegt auch der Grund, warum man in Öft: 
veih den Juden niemals den Grundbeſitz geilatten wich, 
denn man fürchtet, fie würden Schacher mit unbemeglis 
hen Gütern treiben, wie fie es mit Allem, was auf Er⸗ 
ben bewegt werben fann, thun. Auch barin hat ber 
Verf. Recht, daß das gegenfeitige Verhaͤltniß des Gutes 
herrn und feiner ‚‚Unterfaffen” (in Oftreih fagt man 
„Unterthanen“) ein fehr geregeltes ſei; wenn er aber fagt, 
ed fei ein „keineswegs brüdendes”, fo beweift dies nur, 


„2.998 


daß er dieſe DVerhältniffe gar nicht Eennt. Was, die 


zehnte Garbe alles Korns, der zehnte Eimer Moft, ber. 


Heinere Feldzehnt (Heu, Erxbfen u. f. w.), ber Geflügel: 
zehnt gehört dem Gutsherrn, ber Beſitzer eines Bauer: 


hofes, der zroei Pferde haͤlt, muß ihm drei Zage in jeder ' 


Woche Spannfrohndienfte und einen Zag Handfrehndienfte 
leiſten, und bas wäre Fein drüdendes Verhaͤltniß! Ein 
rechtliche Verhaͤltniß iſt es, aber gewiß ein ſchwer, fehr 
ſchwer Laftendes. Die Regierung arbeitet unausgefegt daran 
diefes Verhältnig zu mildern, und auf den Staatsherr⸗ 
(haften, auf den Familienherrſchaften des Kuifers, auf 
den Herrſchaften der Kiöfter find wenigſtens die Frohn⸗ 
dienfte bis auf unbedeutende Leiftungen abgefhafft. Auen 
wie ſoll fie dies auf den übrigen Herefchaften, über welche 
fie Einen ebenfo directen Einfluß befigt? Woher die Ent: 
ſchaͤdigung, die man für wohlerworbene Rechte *) gemäh: 
ren müßte, nehmen? Eine Milliarde Gulden würde dazu 
nicht ausreichen. Nur nad) und nad) und mit der Außer: 
sten Vorſicht ruͤckt die Regierung bier ihrem in weite 
Ferne gefteckten Ziele näher. 

Hr. Hurter zeigt fich in feinem Buche durchweg als Freund 

der öftreichifchen Geiftlichkeit, und wer vioſelbe kennt und Ka: 
thollk ift, kann auch ihr Feind nicht fein, ja ſeldſt der Pro 
eſtant wird ihrem würdigen Streben feine Achtung nicht entge⸗ 
‚hen laffen. Diefes Streben ift in religidfer Beziehung, ſich 
ſtreng in ben Grenzen des echten Katholicismus zu halten, 
‚ohne irgend etwas, das über denfelben hinaus, folglich in 
Aberglauben übergeht, zu veranlaffen oder auflommen zu 
laſſen; in wilfenfchaftlicher Beziehung flille und geräufch: 
loſe Selbſtbildung, fowie Bildung Anderer, weswegen 
mehre Abtelen auf ihre Koften Gymnaſien, für manche 
eine ſehr fchwere pecunigire Buͤrde, unterhalten; in gefell: 
ſchaftlicher Beziehung heitere Duldung erlaubter Vergnuͤ⸗ 
‚gungen, Urbanität, Gaſtfreiheit. Dies gilt von ber Welt: 
geiſtlichkeit, von ben Benedictinern, Ciftercienfern, Praͤ⸗ 
:wwonftratenfern faſt unbedingt. Allein die Piariften oder 
Meiefter der frommen Schulen, welche von kaͤrglichen Be: 
ſoldungen leben, daher unter den Candidaten, die in ihren 
Orden treten wollen, feine Auswahl haben, fiheinen ge: 
Tunten zu fein, und es wäre nicht zu vermundern, wenn 
diefelben, wie fie einft die Sefuiten erfegt haben, fo jegt 
‚von bdiefen, welche die Regierung genauer überwachen 
würde, als einft gefchehen, erfegt werben follten. Won den 
Piariften fchweigt Hr. Hurter gänzlich, aber er lobt die 
Redemptoriften (I, 95), die Jeſuiten der niedrigen Glaf- 
fen, verabfcheut und gehaßt von allen übrigen Claſſen, 
und die nur duch ein Zufammentreffen von Umftänden 
und Perfönlichkeiten, zu einer Zeit, wo man von gemif: 
fen Seiten der gefunken geglaubten Religion durch feifche 
Orden aufhelfen zu miffen wähnte, Eingang finden Eonn- 
ten, ein Zufammentreffen, dem allein fie ihr Dafein vers 
danken, während fie jegt nicht weiter beguͤnſtigt, fondern 
als eine einmal vorhandene religiäfe Gemeinde gefchligt 
werden vote alle übrigen. 





H Hlerzu gehören auch die Geldabgaben dee Unterthanen, das 
laudemium, mortuarium u. f. w. an die Grundberrfchaft. 







Über die Schulen und Univerfitdten (I, 4 
und 55) urtheilt der Verf. fehr richtig. Er er 
kennt bie Verdienſte Oſtreichs um die Verbreitung bes 
Elementarunterrichtes unter dem Volle an und ta= 
delt an ‚den Bymnaſien mit Nacht bie Bernachläffigung 
ber griechſiſchen Sprache, - welcher nur zwei Stunden 
des woͤchentlich 18 Stunden betragenden Unterrich: 
tes gewidmet find. Als Gelehrter, der auf ausländi- 
fchen Univerfitäten feine Bildung erhalten, mußte ber 
Verf. die Öftreichifhen tadeln; fie find in der That Keine 
universitates scientiarum, fondern lediglich Hochſchulen; 
Lehrfreiheit gibt es auf ihnen gar nicht, jedes Fach hat 
nur einen Lehrer, ber nach vorgefchriebenen Lehrbüchern 
lefen muß. Das mag gute Sachmänner bilden, aber bie 
Miffenfhaft als folhe gewinnt dadurch ficherlich nicht. 

Aus dem Angedeuteten ergibt ficy, daß man aus dem 
Werke des Verf. von den Sftreichifchen Zuftänden nur fehr 
wenig erfährt, aus dem einfachen Grunde, weil er fie 
fetbft nicht kannte. Wer fidy jedoch damit begnügt, eine 
bunte Bilderfchau darin zu fuchen, der wird ein paar 
Stunden angenehm unterhalten werden. Uns hat befen: 
ders beluſtigt, mit welcher Selbſtgefaͤlligkeit der Verf. er 
ähft, der Erzherzog Sohann habe in Lande auf Ihn 
gewartet Vag fein, daß der humane Fuͤrſt dies that, 
aber Hr. Hurtervhätte fich diefer Ehre im Stillen freuen 
ſollen. Faſt poſſirlih Rſt folgende Anekdote, die der Verf. 
auftiſcht: 

. Die eaifertichen Zimmer ent 
eit der Abtei Melk. 
en Brandfled, der a Wranlaft wurde, ale er 
nad der Schlacht von Afpern. in BeforgmiP einen Theil feiner 
Papiere verbrannte. x 


Da bat fi) ber Pater — Melk einen 









zrechen der Größe und Schoͤn⸗ 
an auf dem Parqyetboben 


Scherz erlaubt, den der Verf. nachgeſcheeben bat, ohne 
zu bedenken, baß Napoleon nach ber Sn t bei Afpern 
auf dee Infel Lobau blieb und keineswegs FINE ruͤckgaͤn⸗ 
gige Bewegung nach der vier Tagemaͤrſhe pr Ihr ent⸗ 
fernten Benedictinerabtei Melk machte. . 


Gotthold Ephraim Leffing’s ſaͤmmtliche Shiften- 
Neue vechtmäßige Ausgabe. Herausgegeben von } arl 


Lachmann. Sechoter bis zwoͤlfter Band. 
(Beſchluß aus Nr. 247.) 


44 
Wenden wir uns nun zur „Hamburgiſchen Dramatuı®° _- 
Hier iſt das Verhältniß zu unferer Zeit fchon ganz and... 
Zuerſt iſt au beachten, bag die dramatiſche Kunft in unfgre 
Zeit eben nicht lebensfriſcher und vollendeter dafteht als zur ! 
Eeffing’6. Ia, es war, wenn wir ben Überlieferungen tra. 
dürfen, vielleicht mehr Lebensfrifche und GBenialität in ihr v: 
handen als jegt. Auch mag bad Publicum zu jenen Bei 
hinter dem jetzigen nicht zurüdigemefen fein, was bie Hauptfach, 
betrifft. Berner handelt Eeffing’s „Hamburgiſche Dramaturgi 
nicht blos von bramatifcher Kunft, fonbern auch, und das dr 
zugsweiſe, von dramatiſcher Poeſie. Und hier zeigt fi au 
ein Unterfchieb zwifchen berfelben und dem „Laofoon”. In beff _ 
jenigen Lebenserfcheinung, bie wir Poefie nennen, hatte Leffinf 
eine recht gut fundamentirte Exiſtenz, wobei wir bier von fei- 
nen eigenen Probuctionen, die gar nicht unbedeutend find, ab⸗ 
fehen wollen, indem wir ihn in Beziehung auf feine „Hambur⸗ 
giſche Dramaturgie‘ blos als einen Krititer zu betrachten has 


. 
® 
J 


- ben. Wenn auch Leffing's Anſicht von ber Poeſie ſich Hier und 


da nicht ganz vom den G@infeitigkelten feiner Zeit Iosmadden 


Zonnte, fo ſchwebte fie body immer hoch genug Über benfelben. 
Es werden wol zu allen Zeiten Männer felten auftreten, die 
Sich fo wie Lefling zum Kritiken im Gebiete der Poeſie eignen, 
und das aus dem Grumde, weil Leffing’s großer Charakter gu 
.alen Zeiten eine Seltenheit if. Was in ber That fo ein gro⸗ 
Ser Sharakter für die Kritik in poetifchen Dingen leiften Tann, 
das ſieht man nun deutlich an ber „Hamburgiſchen Dramatur- 
gie’. Frei, kühn, unbefangen beberrfcht er den Stoff feines 
Wiffens, das er in fich trägt, und auch das vor ihm liegende, 
ibm von aufen gegeben werbende Gebiet der dramatifchen und 
theatralifchen Reiftungen. Es ift wirklich zum Erſtaunen, wie 
ihm felbft feine eigenen ausgefprochenen, theoretiſchen Anfichten 
da nichts anhaben koͤnnen; in dem Augenblid ift er über bie: 
felben hinaus, wenn es gilt eine vorliegende poetifche Erſchei⸗ 
nung an ſich felbft zu beurtheilen. Unter foldhen trefflichen Ei⸗ 
genfchaften kann bei diefer „Hamburgifhen Dramaturgie” vom 
Reralten nicht die Rede fein. Daß in derfelben eine Reihe von 
nun veralteten Stücken beurtheilt wird, bie if mol wahr; 
aber gerade biefe Beurtheilung bilbet ja nicht den größern In⸗ 
Halt des Werks; berfelbe wird vielmehr gebildet durch Urtheile 
und Unterfucdhungen über immerfort bedeutende Gegenſtaͤnde, 
& B. Corneille, Voltaire, Shakſpeare, Ariftoteles, Plautus, 

iderot u. A. Man könnte vielleicht bier einmwerfen, daß auch 
in diefem größern Theile doch eigentlich damalige Vorurtheile 
befämpft würden, bie jest nicht mehr flattfinden, es komme 
demnach auch hier viel NWeraltetes vor, wovon freilid bie Be: 
handiung ‚durch Leffing fchon ihren Werth an ſich habe. Soll⸗ 
ten denn aber wirklich jene Vorurtheile ſchon fo ausgerottet 
fein? ober follte etwa doch noch ihre ganze Sippfchaft un: 
ter uns herumwandeln? Xreilich in fo veränderter Kleidung, 
wie es eben die Mode mit fi bringt. Man nehme ſich in 
Abt! Exempla sunt odiosa; fonft wollte ich wol für jebes 
von Leſſing bekaͤmpfte Vorurtheil mehr als ein Beiſpiel anfüh⸗ 
ren, das auf unſern Bühnen ſich breit macht und von ber ge⸗ 
wöhntlichen Kritik nicht blos toleriert, nein! lärmend auspofaunt 
wird. &o etwas ift uber eben Bein Beweis, daß man Leffing’s 
„Hamburgiſche Dramaturgie‘ jegt noch fleißig unter uns flus 
dirt. Sa, es läßt fih behaupten, und ganz andere Leute als 
ich haben das fchon gefagt, daß wir, bei allem Gerede über 
Leffing, doch eigentlich nur Nominaltradition von feiner Dra⸗ 
maturgie gerade unter denjenigen Leuten finden, bie ſich mit 
ihe am meiften befannt machen follten. Möge demnach aud) 
vorliegende neue Ausgabe von ELeffing’s Werken ein Anftoß nad 
diefer Seite hin werben. 

In Beziehung auf das Berhaͤltniß zue Gegenwart, das 
Leſſing's „Auti⸗ Goͤte““, „Erziehungdes Menfcyengefchlechtd‘’, wie 
überhaupt die zu ben Goͤtze ſchen Haͤndeln gehörigen Schriften 
@effing’s haben, mögen Hier auch einige Eurge Andeutungen ſtehen. 

Was die in jenen Schriften vorkommenden blos gelehrt: 
cregetiſchen Sachen betrifft, fo find wir allerdings in dieſer 
Dinficgt jegt bedeutend vorgeruͤckt, fie Tönnen für uns nicht 
mehr von Bedeutung fein. Da fie aber auch nur einen unter 
geordneten Theil jener Schriften bilden, fo Tann man fie bier 
auf ſich beruhen laffen, da wir uns hier nur an das Wefent: 
Yche jener Schriften gu halten haben. 

Es kann nicht geleugnet werben, daß es, was die Einſicht 
in religibſe Dinge betrifft, auch eine Entwickelung und ein wirt: 
. Viches Vorwärtsfchreiten in ber Zeit gibt. Rohe, barbarifche 
Beitalter haben offenbar nicht bie reinern Religionsibeen wie 
dieienigen Zeitalter, in denen eine höhere menſchliche Gultur 
fattfindet. Ja, auch in Beziehung auf biefe letztern Zeitalter 
felbft muͤſſen wir noch jenes Worwärtsfdreiten ber xeligiöfen 
Einſichten anerfennen. Es gibt dafelbft Epochen, wo dieſes 
Vorwaͤrtsſchreiten in ungemein kurzer Zeit ftattfindet. Solch 
eine Spoche war auch diejenige, die von Leſſing bis auf unfere 
Tage flattfand. Bon biefem aflgemeinen Erfahrungsfage aus⸗ 
gehend, Könnte man Leffing’s theologifchen Schriften allenfalls 


nur einen hiſtoriſchen Serth zugeſtehen, wie man bas_ freit 
auch fon mandmal zu ve belommt. Man irrt AN * 
denn doch in dieſer Hinſicht, welches vorzüglich daher Kommt, 
daß man obigen Erfahrungsſatz doch wieber zu allgemein wimnıd. 
Suden wir baher ihn hier in feiner Bedingtheit eingufchen. 
Es ift dabei immer im Auge zu behalten, baß wir von ben 
— ã Beitaltern afepen und bier nur von dem Vor⸗ 
w reiten reden, bas im Verlaufe ber zur Gul | 
ten Fun ftattfindet. BR " s altur gelangs 
affen wir das Wefen der Religion, fowie bas zeitl 
Vorwaͤrtsſchreiten ber Einſichten, die aus berfelben ne 
gehörig auf, fo finden wir, daß bies Worwärtsfdyreiten nur in 
Beziehung auf das Allgemeine flattfindet, daß es aber keine 
Anwendung findet auf einzelne großartige Männer. Ein fol 
her Mann tritt dadurch fo eminent hervor, weil in feinem 
Innern bas volle Leben der Menfchheit fi) zum unendlichen 
Selbſtbewußtſein entfaltet hat. Was er nun von diefem erhoͤh⸗ 
ten Standpunkte feines klaren und fihern Weſens aus über 
das Religiöfe, das ja mit ein Hauptverhältniß feines Dafeins 
ift, ausipricht, das ift ein jenfeit alles Zeitlichen Liegendes 
Er ſpricht eine wirkliche Seite desjenigen Verhaͤltniſſes aus, 
das die Menſchheit zur Gottheit hat, freilich immer nur eine 
Seite, denn das ganze Verhaͤltniß Tann auch der Begabteſte 
nicht vollſtaͤndig in ſich erleben, folglich auch nicht ausſprechen. 
Sans ift genzufeben kai a nt Ausſprache eines hoben 
ndividuums vom n in ihm von er Bedeutun 
und Wirkfamkeit für uns iſt. af 8 

Bon dem bier Sefagten Läßt fich Leicht die Anwendung auf 
bie foeben genannten Schriften Leſſing's machen. Das, was in 
ihnen veraltet iſt, geht ihe Weſen eigentlih fehr wenig an; 
Das aber, was nicht in ihnen veraltet ift, eben weil es im oble 
gen Sinne jenfelt alles Zeitlichen Legt, bildet ihren wefentlichen 
Inhalt, wie ihre Bedeutung für alle Zeiten. Wir aber wollen 
uns in unfern jetzigen verworren aufgeregten Zeiten noch Eines 
aus ihnen befonders zu Herzen nehmen, das iſt Leffing’s Tole⸗ 
ranz; ein Wort, beffen Inhalt wahrlich von fehr Wenigen fo 
ſchoͤn ausgeübt wurde als von Eeffing, indem es bei ihm nicht 
ein bloßes Dulden ausbrüdte, fondern auch ein vedliches Anz 

ennen. 

Wenn wir foldy eine Bedeutung ber Leſſing'ſchen Schriften 
für die Gegenwart betrachten und dabel nicht nn fönnen, 
daß durch diefe neue Ausgabe derfelben eine erfrifchte Aufmerk⸗ 
famleit auf biefe Bedeutung in ber beutfchen Nation erregt 
wied, fo Eönnte fie wol eine Nationalunternehmung genannt 
werden, als melde fie der Hr. Werleger in feiner Anfündigung 
bezeichnet hat, wenn fie nur nicht fo mislungen wäre. Wie 
das gekommen fein mag, weiß ich freilich nicht — doch iſt 
es fo. A. €. Umbrett. 





Notizen. 


Der Secretair des polytechniſchen Inſtituts zu London 
Hr. Longbottom, bat ber Redaction bes „Athenaeum“ ein nach 
den Angaben von Dr. Berres in Wien gefertigtes Daguerrotypiſches 
Bitd eingeſandt, welches zwar in manchen Stüͤcken dem derfel⸗ 
ben von Wien ſelbſt aus zugeſchickten Verſuche nachſtehen, an 
Kraft des Ausdrucks aber alles bis jest Geſehene übertr 
fol und jedenfalls die Wortrefflichleit der Erfindung von Dr. 
Berres nur noch mehr zu erweifen im Stande ift. 


Hr. Eichhoff, Bibliothekar der Koͤnigin ber Franzoſen, bes 
abfichtigt die Wiederherftellung des gänglich verfallenen Grabes 
Virgil's beim Paufilippo durch Errichtung eines neuen Denkmals 
und hat zu diefem Behufe die Erlaubnig zur Aufführung einer 
Säule von weißen Marmor erlangt, die von efnem Lorberbaum 
teberflgattet werben und zur Inſchrift das belannte, auch wol 
dem Dichter ſelbſt zugeſchriebene Diftichon: ‚„„Mantua ‚me genuft 
etc.”, tragen fol. 47, 








1000 


Biblisgrapbhie. 
Alvina, oder die Profelytin. Won Gorbelia, ber BVer⸗ 


fofferin der Emilie oder die getvennte Ehe. 8. Münfter, 
Kheiffing. 12 Gr. 2: 
Baehr, J. C. F., Geschichte der römischen Literatur. 


III. Supplement - Band. Die christlich - römische Literatur 

des karölingischen Zeitalters. — Auch u. d. T.: Geschichte 

der römischen Literatur in karolingischen Zeitalter. Gr. 8. 
he, Müller. 3 Thlr. 

em garten-Crusius, L. F. O., Festrede bei der 

akademischen Secularfeier von der Erfindung der Buch- 

druckerkunst zu Jena am 24. Juni 1840 gehalten. Gr. 8. 

‚„Bran. 3 Gr. 
a nhöfer, C. A., Edzard der Grosse. Historisches 
Schauspiel aus der Geschichte Ostfrieslands in fünf Aufzü- 
gen. Gr. 8. Emden, Rakebrand. 1 Thir. 

Bernard, Ch. de, Die fpaniihde Wand. Aus dem 
Franzoͤſiſchen von St. Friedrich. 2 Bände: Die gelbe Rofe. 
Der alte Drache. — Abenteuer einer Gerichtöperfon. Der vers 
tiebte Alte. 16. Breslau, VerlagssGomtoir. 1839. 2 Thlr. 12 Gr. 

Befchreibung ber vierten Gecularfeier der Grfindung der 
Buchdruckerkunſt wie diefelbe den 2+., 25., 26. Zuni in Leipzig 
1840 gefeiert wurde. Gr. 8. Leipzig, Meißner. 4 Gr. 

Unbefangene nähere Betrachtungen über das Achte, reine 
Chriſtenthum. Im Hinblide auf die Menſchen⸗, Welts, Kits 
hen s und Literatur = Gefichte angeftellt von G. F. L. in Mag- 
beburg. Br. 8. Leipzig, D. Wigand. 8 Gr. 

Boz, Mafter Humphrey's Wanduhr. Humoriſtiſches Le: 
bensgemälde. Aus dem Engliſchen von E. 4. Moriarty. 
Mit Bederzeichnungen nach Gattermole und Browne. 1fter Theil. 
8. Leipzig, Weber. 1 Thlr. 6 Gr. = 

Brud, 3. H., Das Ehriftenthum als organifches Prins 
cip aller Menfchenbilbung, in feiner Anwendung auf die Volke: 
fchule und Kindererziehung, indbefondere aber auf die Einrich⸗ 
tung der Schuliehrerfeminarien. 8. Zürih, Höhe. 12 Gr. 

Brunold, $., Gt. Br Rovelln. 8. Gchwebt, 
Windelmann u. Jungheim. r. r. 

Carl, G., Gedichte. Gr. 12. Manheim, Schwan u. 
Goͤt. 16 Gr. 

Decken, F. Graf von der, Beitraͤge zur hanoverſchen 
Geſchichte unter der Regierung Herzogs Georg Wilhelm 1649 — 
1665. Ster Beitrag. Er. 12. Hanover, Hahn. 1839, 18 Er. 

Eyerol, Das Hochzeitgefchen?. Eine Poſſe in zwei Aufs 
zugen. Gr. 12. Heidelberg, Groos. 8 Gr. . 

Fickel, K. W.; Direkter Beweis von der Nichtigkeit 
der Homöopathie als Heilsystem. Für Aerzte und Nicht- 
ärzte. Gr. 8. Leipzig, Leo. 20 Gr. 

Gayler, Hiſtoriſche Denkwürdigkeiten ber ehemaligen 
freien Reichsſtadt izt Koͤniglich Würtembergiſchen Kreisſtadt 
Reutlingen, vom Urſprung an bis zu Ende der Reformation 
1577 großentheils aus Akten und Manuſcripten gegoaen, in fo 
feen auch als ein Beitrag zur allgemeinen Reformationsgefchichte 
Deutfchlande. Er. 8. Reutlingen, Kurt. 3 Thlr. 

Servinus, ©. ©., Hiſtoriſche Schriften. ter Band. 
Geſchichte der deutfchen Dichtung I. — Au u. d. J.: Ges 
ſchichte der poetiſchen Nationalstiteratur der Deutfchen. Aſter 
Theil. Von den erſten Spuren der deutſchen Dichtung bis ge⸗ 
gen das Ende des 13. Jahrhunderts. te umgearbeitete Aus⸗ 
gabe. Gr. 8. Leipzig, Engelmann. 3 Thrr. 

Heine, H., Ueber Ludwig Boͤrne. 8. Hamburg, Hoff⸗ 
mann u. Campe. 2 Ihlr, 

Deubner, &., Das vereinigte Gutenbergs⸗ und Zurns 
fefl der Stadt Plauen am 24. Juni 1840 befchrieben und nebft 
den babei gehaltenen Reben und gefungenen Liedern herausgegeben. 
Zum Beften der neu errichteten Stadtbibliothek und ber allgemeis 
nen Zurnanftalt Plauens. Gr. 8. Plauen, Schmibt. 5 Gr. 

Koenig, 9, Aus dem Leben. 2 Theile. Gtuttgart, 
Caſt. 2 Thir. 12 Gr. 





> Krutter, F., Salomon und Salomeh. Dramatiſches 


Maͤhrchen in drei Alten. ®r. 12. Solothurn, Kakmus. 18 Gr. 

Kühne, 8. G., Die Rebellen von Irland. Novelle. In 
3 Bänden. Gr. 12, Leipzig, Engelmann. 4 Thir. 12 Er. 

Kuenlin, Yiftorifcdh = Romantifche Schilderungen aus ber 
weſtlichen Schweiz. Stes, Ates Bändchen. Er. 12. Zürid, 
Orell, Füßli u. Comp. 1 Thlr. 16 Br. 

Lappenberg, I. M., Zur Geſchichte ber Buchdrucker⸗ 
tunft in Hamburg am 24. Juni 1840. Schmal gr. 4. Ham: 
burg, Meißner. 4 Ihlr. 

Leibniz, G. G., Essais de Theodicee sur la bonté de 
Dieu, la libert de !’homme et l’origine du mal. Nouvelle 
edition, faite sur l’Edition complete des oeuvres philosophi- 
ques de Leibniz, publiee par Mr. Erdmann. 2 vols. Mn-16, 
Berlin, Eichler. 1 Thlr. 12 Gr. 

Lengerke, ©, v., Lieder. 16. Königsberg, Gräfe u. 
Unzer. 16 @r. 

Lewald, A., Aquarelle aus bem Leben. ter, bter Theil. 
— Aud u. d. T.: Neue Aquarelle aus dem Leben. ifter, 2ter 
heil. 8. Gtuttgart, Caſt. 3 Thlr. 

Das Nibelungenlied. Ueberſegt von.®. O. Marbach. 
Mit Holzfchnitten nad) Orfginalzeichnungen von Eduard Ben: 
demann und Julius Hübner. (Denkmal zur vierten Saͤcular⸗ 
feier der Buchdruderkunft.) Iſte Hälfte. Hoch gr. 4. Leipzie, 
Dtto u. Georg Wigand. Ladenpreis für das Ganze 10 Thir. 

Dcfterreih im Jahre 1840, Staat und GStaatsverwaltung, 
Verfaſſung und Cultur. Kon einem öfterreichifchen Staates 
‚manne. 2 Bände. Gr. 8. Leipzig, D. Wigand. 4 Thlr. 

Poetifche Perfpektiven eingeführt von Prof. K. Rofens 
franz. Königsberg, Gräfe u. Unzer. 20 Gr. i 

Rueß, W., Die Shlaht am Morgarten. Zrauerfpiel 
in fünf Aufzüge. — Fragmente aus Reiſebildern. Gr. 12, 
Weinfelden. Gr. 

Satori (Reumann), J., Johannes IV. von Rußland, 
und feine Gemahlin Anaſtaſia Okolnitſchy. Eine hiſtoriſche Er⸗ 
zaͤhlung. 2 Theile. 8. Leipzig, Meißner. 2 Thlr. 6 Gr. 

Schott, W., Verzeichniss der Chinesischen und Mand- 
schu - Tungusischen Bücher und Handschriften der Königli- 
chen Bibliothek zu Berlin. Eine Fortsetzung des im Jahre 

1822 erschienenen Klaproth’schen Verzeichnisses. Gr. 8, 
Berlin. 1 Thir. 

Seyffarth, G., Beiträge zur Kenntniss der Literatur, 
Kunst, Mythologie und Geschichte des alten Aegypten. 7tes 
Heft. Mit 6 Tafeln. — Auch u. d. T.: Alphabeta genuina 
Aegyptiorum, numeris ipsorum hieroglyphicis, hieraticis de- 
moticisque conservata, nec nun Asianorum literis Persarum, 
Medorum Assyriorumque cuneoformibus, Zendicis, Pehlvicis 
et Sanscritis subjecta. Accedit dissertatio de mensuris in 
8. 8. memoratis per antiquas ulnas aegyptiacas Taurinen- 
sem, Parisinam, Lugdunensem illustratis, Cum VI tabulis 
alphabeticis. 4maj. Lipsiae, Barth. 4 Thir. 12 Gr. 

Boulid, $., Die Memoiren des Teufels. Frei nach dem 
Franzöfifchen von C. I. Heyne. Tter, Ster Theil. 8. Al⸗ 
tona, Hammerich. Thlr. 

Springer, J., Statiſtik des oͤſterreichiſchen Kaiſerſtaates. 
2 Bände. Gr. &, Wien, Bed, 4 Thlr. 18 Gr. 

Staedler, ©. 8, Rebe zur bundertjährigen Feier der 
Thronbeſteigung Briebriche des Großen. Am 1. Zuni 1840 in 
der fläbtifchen höheren Zöchterfchule zu Berlin gehalten. Er. 8. 
Berlin, Richter. 4 Er. 

Ziukeisen, J. W., Geschichte Griechenlands vom 
Anfange geschichtlicher Kunde bis auf unsere Tage. Ster 
Theil. Die Geschichte der griechischen Revolution während 
der Jahre 1821 und 1822, — Auch u. d. T.: Geschichte der 
griechischen Revolution. Nach dem Englischen des Thomas 
Gordon bearbeitet und von der Ankunft des Präsidenten 
J. A. Kapodistrias bis zur T'hronbesteigung des Königs Otto 
im Jahre 1835 fortgesetzt, 1ster Theil. Die Ereignisse der 
Jahre 1821 und 1822. Gr. 8. Leipzig, Barth. 3 Thir. 





Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von J. 4. Broddaud in Leipzig. 





Blatter 


+ 


literariſche 


fuͤr 


Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— — — — — — — 


Über kleinruſſiſche Volkspoeſie. 
Das nennt man die Koſaken. 
Die dort, den Bart voraus, 
Den Fitſchepfeil im Nacken, 
Sehn wahrhaft heidniſch aus. 
Anſtatt zur Muſik, reiten 
Im Takt ſie zum Geſang; 
Es klingt recht ſanft von weiten 
Noch — macht's doch faſt mir bang. 
So ziehn fie — fremden Schalles; — 
und ihres Seins und Thuns 
Iſt nichts wie hier, und Alles 
Ganz anders als bei uns. 
Rüdert. 


Von jeher Hatte ich eine große Vorliebe zur Volks⸗ 
yorfie; der großartige und dabei Eindliche Geiſt, der oft 
in bderfelben weht, hatte mich immer entzuͤckt. Befonders 
wandte ſich aber meine Neigung fogleidy zu den ſlawiſchen 
Volkslicdern, fobald ich einige derfelben kennen gelernt 
batte. . Denn biefer fanfte, elegiihe Hauch, diefes zarte, 
fchwärmerifche, aber ſtets über fein trauriges Loos weis 
nende Gefühl reizte bald Die innerfien Saiten meines 
Herzens auf und fie tönten mit demfelben in dem har: 
meniſchſten Einklange; benn aud mir hatte das Schidfal 
mehr Domen als Roſen gezeigt. Ich kannte bereits die 
Dichtungen der meifien flawifchen Nationen, die ferbifchen, 
euffifchen, böhmifchen hatte ich gelefen; von polnifchen 
war mir nichts fo gar Ausgezeichnete in bie Hände ge: 
füllen. Da wurde im 3. 1838 in Prog eine Samms 
lung polniſcher Dichtungen unter dem Titel: „Dunmki 
A. Bielowskiego i L, Siemienskiego” (Trauerlieder von 
Sjemjenjiſki und Bielowſti) gedruckt. 
band echielt auch ich ein Exemplar von denſelben. Ich 
. 506 fieg meine Bewunderung, meine Entzüdung für fo 
gluͤckliche gefühlnolle junge Dichterherzen wuchs mit jedem 
Blatte. Ich wuͤnſchte der polnifchen Literatur ſchon Gluͤck 
zu ſo reichbegabten Saͤngern, welche in ſolchem Maße 
bie. ganze Seele zu erfaflen vermochten; ich berechnete 





ſchon im voraus, welchen Aufſchwung bie Bildung und 


die Veredelung des polniſchen Nation nehmen müßte, 
wenn zwei fe ſchoͤne Talente alle ihre Kaaft und Zeit 
dera Vaterlande widmen wollten; ich bedachte ſchan, walche 
. Morthalle den ſlawiſchen Nationen insgeſammt, in der 
‚ganzen. Menfchheit erwachſen würden, wenn hiefe beibeh 
Männer dem Schönen und Guten ihre ganzes Herz zu 


Durch Freundes⸗ 


Himmel herausriß; als ich ihm meine Entzudung befchrieb, 


erwiderte er ganz ruhig: „Es find ja Überfegungen.“ 
As ic jedoch die Sache bei Eälterm Blute überlegte, 
mußte ich dennoch den beiden genannten Männern großen 
Dank wiſſen für die Gabe, die fie der literarifchen Welt 
gebracht hatten; denn auch als Überfegung hatte fie ein 
überaus großes DVerdienft; nur hätte ich gewünfcht, daß 
fie dieſen Umftand nicht unberührt gelaffen, da es 
ja gar keine Schande und eben auch nicht die leichteſte 
und unnüglichfte Arbeit ift, die ſchoͤngeiſtigen Producte 
eines fremden Volkes feinem eigenen Baterlande bekannt 
und zugänglich zu machen. ine Entfhuldigung für dies" 
ſes Betragen könnte man nur darin finden, daß Sie 
miensti und Bielowski ihre Lieder nicht für die Literarifche 
Welt, fondern nur für ihre Freunde druden ließen; denn 
fo viel ich weiß, find fie im Buchhandel bisher nicht zu 
haben gemefen. er auch diefes ift unrecht; denn bei 
einer aufleimenden und emporringenden Literatur, wie bie 
neupolnifche es ifl, muß Alles Gemeingut fein, und ſolch 
eine Denkungsart würde den Fortgang und das Gebeihen 
des Ganzen feldft nur ungemein hindern. 

Die „Dumki” find alfo Überfegungen und jwar aus 
dem Kleinruſſiſchen, wahrſcheinlich insgeſammt; Denn von 
den meiſten habe ich bereits die Originale in den beiden 
bis jetzt im Druck erſchienenen Sammlungen aufgefunden. 

Die Kleinruffen (Ukrainer, Koſaken) find zwar ein 
ruſſiſches Volk, aber fie unterſcheiden ſich in ihrem Cha⸗ 
rakter, ihrer Lehensweiſe, ihren Liedern und Volksſagen 
ganz von den uͤbrigen Ruſſen. Dieſe Verſchiedenheit hat 
ihren Urſprung in mancherlei Umſtaͤnden; bie wichtigſten 
davon ſind: die Entſtehung, die mannichfaltigen Schickſale 
dieſes Volkes; dann die Lage und Natur der Gegenden, 
in welchen ſich daſſelbe feſtgeſezt hat. Der Süden: von 
Rußland war nämlich vor mehr als 4000 Jahren ſchon 
von einem zahlseihen und Eräftigen Volke bewohnt, das 


fih zu den Slawen zählte und ſawie die meiften Natio⸗ 


nen jenes. Zeit unter. verfchiedene Häuptlinge ober Fuͤrſten 


‚gerhelt war. Jeder von hiefen übte Herrenrechte ‚Aber das 


hnen untergebene Volkz Alles mußte ſich 
ſpruche fügen und dem Winde feines Schwertes unbe⸗ 
dingt folgen. Das nahe Beiſammenſein dieſer Fuͤrſten 


ſeinem Aus⸗ 


fe %ı 


gab alsbald Anlaß zu Zwiſtigkeiten; Familienverhaͤltniſſe 
verbanden gewifle Häuptlinge untereinander und fie bra: 
hen oft in Maffen auf, um die ummohnenden zu unter 
jochen und ſich in ihr Gebiet zu theilen. Und dieſe un: 
befonnenen und unüberlegten Kämpfe untereinander, welche 
keinen Augenblick ruhten und beren Preis oft ein Stüd: 
Sen wuͤſten, öden Landftriches war, ſchwaͤchten und ent: 
Bräfteten die Gefammtheit ber Nation fo fehr, daß ber 
Norden von Rußland auf einige Zeit, befonderd im 9. 
Sahrhundert, auch im Süden das Übergewicht und bie 
Herrſchaft an fih riß. Aber auch der Norden litt an 
dieſer Krankheit von thatkräftigen und freiheitsliebenden 
Voͤlkerſchaften; auch er zerfleifchte fich felbft und nicht nur 
feine Macht nach außen ging verloren, fondern auch feine 
Stärke im Innern verfiegte ganz und gar. Uber alles 
diefes galt nur von den HDäuptlingen, das Volk wußte 
nichts davon, es folgte feinen Führern, wohin ihm 
diefe vorangingen, ihm war es gleich, ob es für bie Olegi⸗ 
den oder die Monomachiden das Schwert zog, wenn ed nur 
feine Kriegswuth befriedigen, menn es feinen Durft nach) 
Ehre und Raub fättigen konnte. Zum Beweiſe dafür 
dient und der Umftand, daß das Volk dieſer wechſelſeiti⸗ 
gen Feindſeligkeiten auc nicht in einem einzigen Liede gez 


‚ denkt, nicht in der geringften Sage, nicht in der dunkel⸗ 


fien, entfernteften, halb verfchollenen Übertieferung erwähnt. 
Es übergab fie dee Vergeſſenheit; denn es hielt diefelben 
feiner felbft unmwürdig und leugnete feine Theilnahme daran 


. Sollte man dagegen einmenden, die Lieder von diefen Tha⸗ 
‚ten feien verklungen und die Sagen aus jener Zeit ſeien 
‚ verfcholfen: fo hallen ung Klänge aus viel Altern Epochen 


entgegen, bie Überlieferung erzählt uns, wie ſchon in viel 


. frühern Tagen das Herz jedes Ruſſen geklopft habe, als 


‚ ben überliefert habe. 


das heilige Kiew erbaut wurde, wie fhon in viel frühern 
Schlachten die Kraft Wladimir's des Großen erſtarkt und 
feine Sende mit Hülfe des ruffifhen Degens dem Verder⸗ 
Solche Ereigniffe erfaßten die Seele 
der Nation; wie aber einzelne tollkuͤhne Wagehälfe, von 
wenigen Mannen begleitet, gegeneinander gewüthet, wie fie 


* fo mit jedem Hiebe dem Vaterlande einen Doldy in bas 


vu 2 


Herz geſtoßen haben, das ſchaͤmte ſich die Nation ihren 
ſpaͤten Nachkommen zu erzaͤhlen, um ihnen die Schmach 


zu erſparen, daß fie auf dem Grabe ihrer Vaͤter erroͤthen 


müßten. 

Der Geſchichte fällt e8 anheim, die Greuel zu befchreis 
ben, weiche die Mongolen und Tataren in Rußland aus: 
übten. Wir führen bier nur an, dab die Kriegsfcharen 


- de Batu zwar dem gegenfeitigen Kampfe des Nordens 
und Südens ein Ende machten, aber es auch endlich da= 
‘ din brachten, daß ber letztere nach langem verzmeifelten 


——1— 


.s au %.n . “A 


MWiderftande fih am Ende feinem Scidfate mit Demuth 
ergab. Die füdlichen Kürften untermarfen ſich den Kha⸗ 
nen, zahlten Tribut und murben gleichfam ihre Verbuͤn⸗ 
dete; das rettete ihnen für einige Zeit eine gewiſſe Art 
von Seibfländigkeit. Aber bald fing der Thron biefer mil: 
den Horden an zu ſchwanken, denn auch in ihrem In⸗ 
nern wuͤthete Zwietracht und Eiferfuht. Damals hatte 
die Vorfehung einen Mann auf ben Fürftenthron von 


> 4002 r 


Moskwa erhoben, welcher beſtimmt und audy befähigt war, 
die geſunkene Kraft Rußlands wieder zu heben. Es war 
Swan L, Sohn Waſilei's IT. (1462), Diefer Dann 
wußte bie Gelegenheit, daß der Thron der Großfuͤrſten von 
Wladimir (1326) ausgeftorben war, fo trefflich zu benus 
ven, daß er, nachdem er alle übrigen Fuͤrſten feinem Scep⸗ 
tee unterworfen, bie Einigkeit des Reiches wiederherſtellte 
und die Macht der Mongolen völlig brah (1477 — 80). 
Durch ihn erhob fih im Norden ein Eräftiges, duch Eins 
beit der Herefchaft feſtes Reich. 

Die füblihen Fuͤrſten dagegen befanden fich von biefer 
Belt an immerwährend beinahe wie im Belagerungszuftande, 
Im Norden erwuchs ihnen die Macht Nordrußlands zu eis 
ner Gefahr drohenden Stärke. Außerdem twurben fie von 
der einen Seite durch die ihnen anmwohnenden Zataren 
haufig auf fuͤrchterliche Weife heimgefucht; von der andern 
Seite drangen mitten aus ben dunkeln Wäldern von Weiß: 
eußland die wilden Degen der Lithauer hervor. Vergeb⸗ 
ih war alle Anſtrengung ber Fuͤrſten des Südens, ſol⸗ 
chem mwüthenden Andrange zu widerſtehen; fchlaue Politik 
war bei diefen nur durch Streifzüge vernichtenden und 
plündernden Horden nicht anwendbar, und die Spige des 
Degens entſchied für die kuͤhnen Eindringlinge. Die Fürs 
ften mußten fi ergeben und jährlichen Tribut zahlen, 
bis fie endlich allmälig ganz vertrieben wurden. 

Das Volk duldete dieſe Schmach feiner Fürften nicht, 
Ein Haufen verlor fi) nad) dem andern. „Entweder fie: 
gen oder nicht mehr zu Haufe fein (d. i. flerben)”, und: 
„Beſſer iſt's, in der Erde zu modern, als den Zataren 
zu dienen” heißen die Sprücmörter, weiche ſich von bie: 
fen Ergrimmten auf ihre Söhne vererbt haben. Aber bie 
fer Sieg, das fahen fie alsbald nad) den erften Kämpfen 
und Gefechten mit ben Petfchenägern und Polomzen und 
den andern aflatifchen Dorden wohl ein, dieſer Sieg war 
für den Augenblick unmdglih. Denn diefe rohen Voͤlker⸗ 
[haften ſtuͤrzten wie Heuſchrecken über das ganze Land 
und verfengten und plünderten auf ihren wilden Streifzuͤ⸗ 
gen Alles, was ihnen in den Weg kam. Ihre Anzahl 
und die Heftigkeit ihres Angriffe war für die Nation un⸗ 
überroindlih; denn fie wollte fich ja eben erſt von den 
Wunden erholen, welche Ihe das Tatarenjoch aufgedruͤckt 
hatte. Daher zogen fich denn ſchon in dieſer erſten Zelt 
jene, welche dem Güde ihres Vaterlandes wohl wollten, 
mit unermeßlihem Rachegefuͤhl und mit dem felfenfeften 
Entſchluſſe in die dichten Wälder am Dnfeper zurüd, bier, 
unverfolgt von den Mörberwaffen der Barbarenmaſſen, ein 
neues Volk zu gründen, das, großgezogen und gefäugt 
an dem ungeheuern Wehe des VBaterlandes, die Schande, 
bie auf feinen Vorfahren ruhte, abwälzte und an den 
Feinden feiner Väter blutige Rache nähme. 

Aber auch Hier glaubten fie fich noch nicht ficher ges 
nug, um ihren rieſenhaften Plan auszuführen; fie Lehen 
fi daher weiter auf dem Dnieper hinab und festen ſich 
auf den zahlreichen, fchöngelegenen Inſeln, bie er in ſei⸗ 
nem ſpaͤtern Verlaufe bildet, feſt. Hier machten fie fich, 
wahrſcheinlich zuerſt auf ber Inſel Chortica, eine ed, 
ein Verhau, welchem dann In kurzer Zeit eine Menge 


andrer in birfer Gegend folgten. Und hinter biefen Schan⸗ 
zen, in ihren Okopen (Aufwuͤrfen, Art Heiner Veſten auf 
beiden Seiten des Dnijepers im Lyman und an andern 
bierzu gelegenen Stellen), die mit Wal, Graben und 
Stangenzaune umgeben und, je nachdem es nöthig, mit 
Schanzen, Sclagbäumen (auf denen eiferne Spigen in 
die Höhe ragten), tiefen Gruben, Hallen, geheimen Ein: 
und Ausgängen, Erdaufwürfen, Leuchhtthürmen, Geweh⸗ 
sen, Wurffteinen und dergleichen, kurz mit Allem verſe⸗ 
ben waren, was dazu dienen konnte, einem unerwarteten 
Angriffe Erdftig zu widerſtehen. beral, wo es nur 
möglich fchien, fi zu behaupten, befonbers in den benach: 
barten finftern und verborgenen Lugen, wie in dem gro: 
Gen Zug (einem Walde, welcher die weit ausgedehnten 
Miederungen auf dem linken Ufer des Dnjeperd von der 
Mündung des Konflaja woda — Pferdewaffer in benfels 
ben — hinab bis zum ſchwarzen Meere bededt, und zwi— 
fhen dem Dnijeper, dem afowfchen Meere und dem Bus 
fen des letztern, dem Siwaſch, liegt), dem ſchwarzen, 
dem Meteyner Lug, dem Steblower Walde und dem 
„Wilden Felde“ (Dikoje pole): da fuchten fie fich vor 
dem Schwerte und der Bedruͤckung ihrer Feinde zu ver: 
bergen und berathfchlagten miteinander, wie und wo fie 
am ficherftien die Angriffe ihrer wilden Gegner abmehren 
und wie fie am zuverläffigften ein Geſchlecht heranziehen 
koͤnnten, bas, ohne fich der Verborgenheit ihrer Väter zu 
fhämen, einft Eräftigen Armes die Gewaltthaten, die ihre 
Vorfahren erdufdet, rächen und ihrem heimifchen Boden 
neuen Segen und neue Söhne bringen koͤnnte. Dieſe 
Keen nannten ſich Burlaken oder Haidamaken und ihre 
Anzahl wuchs von Tag zu Tag durch das Herbeiſtroͤmen 
neuer Antömmlinge, die fi) vor den eindringenden Ta⸗ 
taren, Lithauern und Polen in biefe Schlupfwinkel der 
Freiheit flüchteten.. Wahrſcheinlich vergrößerten ihre An: 
zahl auch noch die zerftreuten Überrefte der Polowzer, Tor⸗ 
Ben, Berendjejer und anderer Völkerfchaften, welche ihrer 
geringen Anzahl und ihrer niedern Bildungsflufe wegen 
in Allem dem Beifpiele der Rufisen (fo nannten fich diefe 
Suͤdruſſen ihrer Abflammung wegen) folgten; fie nahmen 
ihre Sitten, ihren Glauben und ihre Sprahe an und 
vermandelten fich fo unmerklih in Rufiten. Ringsumher 
von Feinden umgeben und immer wie belagert von den 
Mongolen und Lithauern im Morboften, von den Türken 
und den Horden auf der Kıim im Süden, von ben 
Polen im Weſten, ermannten fie fih endlich; fie wurden 
„wilde Krieger”, fie „kannten keinen Frieden für ſich“, fie 
„tranken Tag und Macht biutigen Wein bei ihren ritter: 
Uchen Beften”, „ihre Reigenführer tranken das Blut ihrer 
Feinde“, „fie ſtellten fich feldft fur das ruffifche Land ein” 
und mollten „lieber niedergemegelt fein, als folche Kriegs: 
gefangenſchaft ertragen.” Solche Reiter mit der Tſchuba 
(tubaty, mit einem Federftug oder Haarſtutz) erfchienen 
überall, ‚role die Schneeflodeen, bie vom Himmel herab: 
fallen”: 
In den GSteppen, in ben Lugen, 
Den tatat’schen Laͤndern und den türffchen Bergen 


Auf ben ſchwarzen Meeren und ben Lädh’fchen (polnifcgen) Feldern. 


Niemand wußte, woher biefe Kuͤhnlinge kamen, wann 
und wie ſie ſo ploͤtzlich erſchienen: 


Der Koſak liegt auf dem Hügel, als ob er nichts denkt, nichts hoffet; 


Ploͤtlich ſpringt er auf — finkt wieder; — mit ber Zichuba 
fpielt der Wind. 


Daher kommt es, daß der Ruhm ihrer Jugend 

Im ganzen Erdkreis aufrecht ſtehet, 

Im ganzen Erbfreis durch die Steppe fchallet, 

Im ganzen Erdkreis durch bie Eugen tofend hallet. 

Diefe neuen Unfiebler hatten in der erften Zeit Alles, 
was Weib hieß, von fich verbannt; denn dieſes erfoderte 
bie anfängliche Lage der Dinge. Aber die Natur machte auch 
bier bald ihre Rechte geltend. Viele, welche den Nugen 
und den hohen Zwed kannten, welchen die Frau im menfchs 
lichen Leben zw erfüllen bat, fahen zugleich ein, daß nur 
durch eheliche® Leben und durch die Fortpflanzung ihrer ho⸗ 
ben Plane auf Sohn und Enkel das Waterland gerettet 
werden könnte. Sie verfchafften fi) demnach bei ihren 
Streifzugen, Wanderungen und Irrfahrten in die benach: 
barten Länder (melche in den Liedern fehr oft die Haupt⸗ 
grundlage des Ganzen bilden) Frauen; Andere viefen ihre 
feühern Sattinnen herbei. Da man aber nicht einmal 
Männer, die ihrem Muthe nach für Weiber galten, in 
die Sje einlaffen konnte, weil fie bei bedrängender Ges 
fahr die Sicherheit der Veſte nicht nur nicht vermehrten, 
fondern dadurch, daß fie den Vorrath von Nahrungsmitteln 
noch früher verzehren halfen, biefelbe noch in Hinficht der 
Aushungerung verringerten, fo wurde endlicdy nad) langen 
Debatten den Frauen die Erlaubniß gegeben, ſich nicht weit 
von Koſchwo anzufiedein. Bon bier aus fehreibt fih nun 
die ukrainiſche Lebensweife her. Aus der Vereinigung el: 
niger Kurenen (Rauchfänge) und Hütten dieſer letztern 
Art bildete ſich allmälig eine Meierei und aus diefer ein 
Dorf. Nah und nach verminderte fi) auch die Gefahr . 
von außen. Die Rufidcen drangen mit diefer ihrer Art 
von Cotonifation immer weiter auf dem Dujeper hinauf 
nach jenen Gegenden zurüd, von denen fie gefommen was 
ven. Gefahr mar dabei keine, denn die Mongolen hatten 
das beiderfeitige Ufer diefes Fluſſes verroüftee, um fo ihe 
bahinterliegendes Gebiet für den Feind unzugänglich zu 
machen; und auf diefe Weiſe näherten fich die Dnjeper⸗ 
coloniften unmerklich ihren Brüdern, die ſchon Städte be: 
wohnten. So traten allmälig die zwei verfchiedenen Sys 
fteme, nach welchen die Sübruffen Iebten, naͤmlich bas 
ftädeifche und das militalrifch sorganifirte oder auch gefats 
telte Koſakenthum, einander entgegenz je ſchroffer ihre Ges 
genfäge waren, beflo mehr Stoff gaben fie zur Verglei⸗ 
hung und zur Auffindung der Vorzüge, welche das eine 
vor dem andern hatte. Diefes Zufammentreffen gab auch 
den Ruficen eine ganz neue Geftalt, bildete eine ganz neue 
Epoche in ihrem Staats: und Volksleben vor, wenn auch 
nicht gemwaltfam, fo doch mit Vorſicht und deſto mehr 
Sicherheit und Erfolg. 

' (Die Fortfekung folgt.) 


Aus Italien. 
Durch ben Eifer des Prof. Rob. de? Viſiani zu Padua 
bat bie Geſchichte der botaniſchen Gärten einen beachtenswers 


x 


‚then Beitrag erhalten. Schwer war es Ihm aufgefallen, daß 





ugengasten von Padua, bem de’ Wifani v „auf 
ußerung Sprengel’s hin, den Ruhm einbäßen follte, als 
17 in ben Sarah aufgeführt zu werben, it deu 
Leel ei, die dei Lalfeniihen Gelehrten ftets — J 
de fte munfeipalen Ruhm zu vertheibigen haben, ftreitet Bis 
fiant gegen diefe Annahme und fit um fo entfcloffener, weil; 
man Pifa den Ruhm en molten ven man, Padua Ei 
entziehen gebachte. Die : „Bella origine ed anzianit 
en  eanieo di Padova. "Men, di — 
Venedig 1839), fest dieſe Fragen auseinander. Ingenaue 
Ka von Riceoboni und Rollfint, denen ſich jedoch fehr 
Beitifcdh forgfältige Argte, wie Ghoulant in feinen „ofen 
‚ur Gerichte dee Medicin” bequemt Haben, fehen die Anlage 
8 Gartens von Padua in bie Jahre 1533 oder 1540. Beide 
Sahrzahten find unrictig. Urkundlich chut unfer Berf. dar, 
daß der Senat von Benebig unterm 29. Yun. 1545 bas Des 
aret zur Begründung des Pflangengartend ausgeben ließ und 
haß ama mädzit darauf folgenden 7. Zul. der Genator Sebaſtian 
ſcarini den Gontract wegen Abtretung des Raums mit den 
önchen von Gta.:Iuftina abſchloß. Die gleichzeitige Chronik 
des Marco Guazzo beftätigt biefe Angaben. on 1546 fand 
der nen angelegte Garten an P. Belon einen Bewunderer. 
Rod genauer würben fich biefe Angaben durch Rechnungen 
des Gtantsarchivs zu Wenedig haben erhästen lafen, bie, wie 
man mit Befremden bemerkt, vom Verf. nicht zu Mathe ges 
zogen find. In einer Gontrovers, die Hrn. Viſiani fo nah zu 
erzen ging, hätte er biefe Beglaubigungen nicht verabfäumen 
follen. Pifa follte der Vorrang bes Alters zulommen, bemfel: 
ben Pifo, das 1839 durch die Raturforſcher Europas fo grobe 
ungen erfuhr. Doc Pifad Garten Tann erſt nach dem 
3, 544, in das Sargioni Toggetti feine Anlage fegte, begrüns 
ed worden fein. Auf ber Stelle des einftigen Klofters St.Veit 
Yatte der gun Cosmus ein neues Zeughaus aufzuführen bes 
ftoffen. &päter änderte ſich die Meftimmung und ber Platz 
warb zum Pflangengarten erſehen. Am 27. Det. 1544 ward 
bigfes erfosene Gebäude erſt von den Nonnen geräumt. Erſt 
um 1547 Eonnte fonady, wie Bifiant richtig berechnet, der 
Garten zu Stande Tommen. Leider fehlen darüber die ſchla⸗ 
genden urkunduchen Beweife, die bei der Zugaͤngigkeit ber ios⸗ 
eantfchen Archive lelche zu erreichen fein mochten. Wird man 
diefe einft zufammenftelen, fo büsfte 19 ergeben, daß die Gaͤr⸗ 
ten von Pla und Padua beide gleich alt feien, d. h. beide 
verhättnipmäßig ziemlich jung, da ſchon 1333 Meffer Gualtieri 
feinen Pflangengarten zu Venedig anlegte, und Prag, nad 
—* —— fu lm iv ge (feit 1860) 
Ines Pflanzen; nd ute. fallend wäre es, wenn die 
Kläfter ber — nicht viel frühere aufweiſen ſollten, Walafrid 
Gtrabo’s „Hortulus”’, der zu Reichenau geſchrieben ward, wie 
nad; der Nature hingefchrieben und Macer Fioridus gleich⸗ 
fol8 neben einem Apothelergarten gebichtet zu haben, ſcheint. 


3u ben bebeutendflen Gebäuden, bie an Venedigs einftige 
Blüte und Madıt erinnern, gehört bie Seemauth, Dogana 
del mare, die den Räherfommenden am Gingange des großen 
Kanals Dusch ihre großen Maffen ins Auge fällt. Die Aufgabe 
mußte für den Auditekten eine doppelt ſchwierige fein, weil 
ngben Romghena’s Kirche der Madonna della Salute ein feinem 
Zwed entfpzechendes Mauthgebäube aufzuführen, Berhdfidhtis 
ung aller Pi —&* —5— En dem —X an 
ja Salate, fo mar orwurf um; er Proßt, N 
Weaditung des eine abflechende Magerkrit gu beforgen, 
on bie man damals nos nicht in Wenehi gemabat war. Mit 
geoßer Einfiht hat Giufeppe Benoni, der Baumpifige des 
Mauthamtes, biefe Klippen vermieden und man weiß ee Def: 
ot 


gan Dank, daß er in einer Heinen Schrift: „ ie 
us. Benoni architetfo ed ingegnere della Veneta repubbli- 
ca, raccelte e puhblicate dal prof. Frass. Lassari' er 






dig 1840), über fen mbten und jest ergrffenen 
* Rodheiihten,, die fih auffinden on ufammeng. 


Serantwortlicher Deraudgeber: Heinrih Br 








#6. — Drod und Werlog von 8. 3. Broddaus in Seiphig. 


’ 
In feinen @ingaben dat ſich Bmoni einen Wenetiones genen: 

vo wird aus des Unterfichung Bapzari's mahefdprintich J 
er 1618 zu Xrient geboren war, unb daß er erk 1657 * 
Atermanusftelle im Beichgrafenanmte (Proto al magistrato della 
acque) und mithin volles Bär it in der folgen Repubiik 
erhielt. Seine Werbienfte um die Vaſſerbauten Benebigs und 
her Lowbardei beftanken misht allein in Greftellung der werfals 
Inden Anlagen nad ben Boberumgen der fortfceftenben Bifs 
ſenſchaft und im inne der damals nody mächtigen Republik, 
fondemm auch Beer Abwehr von Arejecten (1674), welche ſchon 

mal je fammung der unen ber! rt 
wöärben, wie fe neuerdings bie —— Denker ven 


Bolge Hatten. Die Beobadtung feiner 1677 norgelagten An= 
welfung, bie Lagunen rein zu halten, Bat mehr ais ein Jahre 
hundert lang ber Schiffahrt ber Repul 


v LIE fich vortheilhaft ers 
— Ais er mit biefen "wichtigen und Gehen — 
beſchaͤftigt war, ſchrieb ber Senat den Reubau des Seemauth⸗ 
havſes vor und Übertrug die Entſcheidung bei ber Preiade— 
werbung, bie er anorbnete, der Procuratia de supra. ons 
ghena, Cominelli und Sardi wetteiferten mit Benoni und man 
darf nicht vergeſſen, daß Longhena durch feine Kirche damals 
der Biebling der venetlaniſchen Kunftfreunde und der gewöhnliche 
Baumeifter ber beauftragten Behbrde war. Doch erhielt Bez 
noni's um das Doppelte koſtbarerer Anfchlag vor dem feiner 
Mitberverber den Preis. Rad der Vollendung diefes Saues 
farb Benoni plöglih zu Venebig Im Dec. 1684. Dur ürs 
kundliche Angaben, gu benen ber gelehrte Abate Giuf. Gabor 
tin, bee eifrigfte Sammler für die ältere Gefchichte Venedigs, 
und der Arditeft Gafoni gern ihre Gammlungen eröffneten, 
erhält die angiehende Schrift bleibend geſchichtiichen Werth. 8. 





titerarifhe Anzeige 


Converſations⸗ Lexikon 
112 
Gegenwart. 


Ein für fich beftehendes und in fich abgefchloffenes Werk, 
zugleich ein Supplement 
zur achten Auflage des Converſations⸗Lexikons, 


fowie zu jeder früäbern, 
zu allen Nachdrucken und Nahbildungen deſſelben. 


Fünfundzwanzigstes Heft, 
Bogen 11—2%0 des vierten Banden, 
BYhilofophie bis Pafener Angelegenheit. 


Drudpapier 8 Gr; Schreibpapier 12 Gr.; 
Belinpapier 18 Gr. 


— — 
eGeſ⸗ — 
2 
A 

Io! 


! 1€ @anfon de). — 
\ Eduard Geiebr.). 


! Icngeicgchheit, 


Brochhene. 





B atter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


“ 





Sonntag, 





Über Fleinruffifhe Volkspoeſie. 
(Fortfeßung aus Nr. 249.) 

Die vollkommene Entwidelung dieſes Lebens wurde 
nun auch durch äußere Umftände nicht mehr gehindert. 
Die Lithauer hörten auf den Ruſiéen fo feind zu 
fein; denn fie hatten während deſſen das Chriftenthum 
und mit ihm mildere Sitten und einen menfchenfreund: 
licheren Geift angenommen; überdies bedienten fie ſich 
der ſlawiſchen Sprache als Gefchäftse:, Gerichts: und 
Hofſprache; aber fie foderten zugleih, wenn die Ufrais 
ner von ihnen ungefährdet eben wollten, fie Wolynien, 
Modolien, Kiew und Cernigow vor ben Angriffen aller 
Feinde von der Süd: und Oftfeite fehügen follten; denn 
diefe Gegend war die Vormauer gegen bie afiatifhen Hor⸗ 
den. Kin gleiches Syſtem verfolgten in der erften Zeit 
diefer Entwidelung auch die Polen; ja, um fie noch mehr 
anzueifern, erlaubten fie ihnen fogar, ihre Golonien bis ge: 
gen Kiew auszudehnen. Endlich erhielten die Ruficen für 
diefe ihre DVerdienfte und „für die große Mannhaftigkeit 
in den Waffen” einige Städte am Dujeper und ienfeit 
deffelben, ihre Angelegenheiten wurden gehörig geordnet, 
fie erwarben ſich mancherlei Privilegien, Rechte, Titel und 
dergleihen. „Von da an nahm bie Macht der Kofaken 
immer mehr und mebr zu”, fagen die alten Annalen der 
Zaporoger.*) Diefer Übergang zu einer flädtifchen und 
Staatsgeſellſchaft endigte die erfte Lebensperlode der Ko: 
faten, des Burlaken- und Haidamakenthum; und nun bes 
gann eine neue, bie fiädtifch = Eriegerifche Zeit, in 
weicher fie zwar noch Beine volllommene, unbefchränfte, ale 
ein Staat: beftehende, aber doch eine großartige, edlere, 


im wollen Sinne des Wortes Lofakifche Freiheit genof: 


fen. (Bei diefer Gelegenheit befam auch das Wort Kofat 
[kozak, Ziegenmann? Ziegenbod? von koza, Ziege], früher 
ein Schimpfname, mit welchem die muntern, kecken Ruf: 
finn von den Tataren und aͤhnlichen Horden geſchmaͤht 
wurden und der ihnen dann für -immer verblieb, eine 
ganz andere, eine edlere und erhabenere Bedeutung, bie 
des Mitterlihen.) Batory, der fharffinnige, große Ba⸗ 
tory, „ber das Weſen der Koſaken begriff”, Tagte 
ihnen eine glänzende Zukunft voraus: Einft”, ſprach er, 
„werden diefe Juͤnglinge im ganzen Staate ein freies 


*) Das iſt: bie Koſaken Hinter dem Porog, Prög, Pruth. 


Wort führen” (die alten Annalen d. Zaporoger). Er be 
muͤhte fih, auf alle mögliche Weife die Kofaken an ſich 
zu feffeln, „er ſchaͤtzte und ehrte fie, gab ihnen giofe 
Geſchenke“ und bat, daß fie: 

Mit feinen Ljaͤchen (Polen) 

wie mit Leibesbrübern 

lebten; 

und ihm, dem Kön’ge Polens, wie der Gottheit, 

die oben lebt im hohen Himmel, 

mit Treue und nach Rechtens dienten. 
Er kannte die Größe und die Standhaftigkeit ihres 
Charakters und ‚die Macht der Freiheit, und biefe großars 
tige, unbegrenzte, ritterliche, koſakiſche Freiheit emtfaltete 
ſich bis zur hoͤchſten, fchönften Blüte ihrer Vollkommen⸗ 
heit im 16. und 17. Jahrhundert und grub in das Herz 
eines Jeden mit flammenden Zeichen diefe Zeit der vollens 
beten Ehtwidelung, die Erinnerungen der Nation, „wo der 
Koſak auf feinem tollkuͤhnen Roſſe, das (nach den Wor⸗ 
ten des Liedes) an Schnelligkeit felbft den König der Ge⸗ 
flügelten übertrifft”, mo er auf biefem „Landdurchſtrei⸗ 
her, Alleözertrömmerer”, den er mehr ſchaͤtzt als Mut: 
ter, Vater, Schweiter, Bruder und den er nicht für Haus 
fen Silbers gäbe; — mit dem bogenförmigen Damasce⸗ 
nerfäbel, der „Verrath (Tod) verbreitet auf bie eroigen 
Sahre”, — mit einem Paare guttreffender Piſtolen, mit 
dem Spieße, fcharf „wie eine Madelfpige”, — wo er fo 
„eingehüllt in den Krieg, gehärtet in Rampfesgier” — „wie 
eine Gewitterwolke“ auf die Bifurmanen ftürmte und ſein 
Vaterland und feinen Glauben gegen ihren uͤberſchwem⸗ 


“menden Slutenandrang und mit ihm zugleich ganz En⸗ 


ropa — mit eigener Bruft befchügte. Das war.eine Zeit 
des Ruhmes, der Ehre: | 
Der Koſak laͤßt nimmer ſich verlachen, 
Wirft gu Füßen ſtets ben Feind, den jadhen. 
Uber diefe riefenmäßige, unerfchöpfliche, diamantene Kos 
fafenfreiheit zeigte fi von ihrer fchärfiten und ſchoͤnſten 
Seite in den Kriegen für die orientalifche Kirche, im der 


‚Periode der „fürchterlichen Anlodungen und Verfuͤhrungen, 


der ſchickſalsvollen Stunden, bed toſenden Kriegsgewirrs, 


wo .felbf das Gras vor Wehklagen erſtarrte und der Baum 


vor Gram zur Erde fich beugte”, als, wie die ukrainiſchen 


"Rhapfoden fingen, „vom Zehen ber die Gaͤnſe geflogen 


kamen, die Pfaffen mit ihren Weihrauchkeſſeln erſchienen“ 
ein fürdhterlicher Kampf in Kicde und tanz fid exhoß, 


— 


1006 


ein ſchwerer Krieg ſich entzundete, ſodaß „ſich wunderten 
bie Berge’; well damals ein Glaube den andern vers 
fluchte: „Glaube würgt den Stauden.” 

Die Wuth war auf beiden Seiten gleich heftig ent» 
brannt. Alles Sücchterliche, was fi der Menſch im 
hoͤchſten Fanatismus erfinnen kann, um fein Gefchlecht aus: 
zuroften, wurde in biefem Religionsktiege aufgeboten und 
bis auf den legten Tropfen erfchöpft.*) Vergeblich waren 
alle Anftrengungen des Papſtes, der Jeſuiten und bed 
polnifchen Adels, welche damals fehr viele Befigungen in 
ber Ukraine hatten; ber Koſaken Wille beugte ſich nicht, er 


bewahrte feinen Stauben, feine Sreiheit und fein Vaterland. 


Schwere Unglädsfälle kamen — und verſchwanden, 
Doc befiegt von keinem — find wir (wieder) auferflanden. 

Aber trog aller Bemuͤhung, teog der Anftrengung als 
fer ihrer geiftigen und Pörperlichen Kraft konnten die Ko: 
faten dennoch feine dauernde, fefte Selbſtaͤndigkeit von ih⸗ 
sem Scidfale erringen. Zu bderfelben Zeit kamen Nord: 
rußland, die Türkei, Schweden und Polen, die vier Län: 
der, von denen bie Koſaken umringt waren, miteinander 
in nähere Beruͤhrung; fie befchloffen felbft Auge im Auge 
einen großen Kampf zu kämpfen um das Übergewicht im 
‚Norden und Dften Europas und um die Vertretung ber 
geiſtigen und materiellen Intereffen dieſer Länder vor dem 
übrigen Europa. Die Ukraine wäre ein Spielball zwi⸗ 
ſchen biefen vier Mächten geworden, und fo mußten ihre 
Söhne am 8. Januar 1654 in das Spflem des weißen 
Cares eingehen: „zufolge ber ausgeſprochenen Bereitwilligs 
Leit zu einem Verein auf ewige Zeiten, als Menfchen ei: 
nes Glaubens, eines Blutes; auf daß kein Zwieſpalt, 
noch eine Unruhe von einer Seite erhoben werde, um das 
vechtgläubige (prawoslawny) Volk zu befhügen und zu 
vertheidigen vor dem Feinde und dem Rächer, damit ein 
Feind e6 wage, fie zu verfpotten.” Und nach diefer Un: 
‚terwerfung unter bie „hohe Hand” beugten ſich die Ko: 
‚falten ihrem Schidfale. 
Soolch ein Leben, von fo vielen Stürmen bewegt, wo 
durch fünf ganze Iahrhunderte das Schwert nicht In bie 
‚Scheibe kam, wo Tag und Naht gefämpft warb mit 
‚äußern und innern Seinden, wo das burlakiſch⸗ haidama⸗ 
iſche Leben mit der Koſakenfreiheit, und dieſe wieder uns 
‚ser thraͤnenden Augen mit dem &umakifchebäurifdhen **) Zu: 
‚ftande vertaufcht wurde; ein ſolches Leben eines Volkes, 
das mit ganzer Seele den Kriegsruhm glühend, ja bis 
zum Wahnfinn liebt, und deflo mehr nad ihm bürftet, 
je mehr e6 davon getrunken; eines Volkes, bei welchem 
die eiferne Kraft ſlawiſcher Größe den hoͤchſten Grab ih: 


2) Am fchönften und vortrefflichften ſchildert Gogol in feinen 
‘ Novellen bie Greuelicenen biefes Religionskrieges; faſt alle 
feine Novellen handeln in diefer Zeit und bas Koſakenthum 
on — am trefflichſten aufgefaßt. 

2%) ak, Knecht in einer Kirche, bier überhaupt Knecht. 
Hindeutungen auf biefe drei Lebensperioden ber Ukrainer 
finden wir in fülgendem Gouplette aus einem Ihrer Lieder: 

„D Kortuna, o Kortung, Göttin! 
\ Diene mir noch ein Mal gnaͤdig. 
J Dienteſt dem Burlaten mir, und dient 
Diene alſo mir auch jetzt noch, dem 


Liu 


dem Koſaken, 
umafen.‘‘ 


ver Glut, ihren Zenithpunft, erreicht bat, und zwar ohne 
irgend eine fremde Dülfe und Mitwirkung, fondern durch 
feine eigene Kraft — ein ſolches flanımendes Leben, das 
nun ploͤtzlich, wie duch einen Blitzſtrahl, auf dem Gange 
feiner vollendeten Entwidelung, in dem fchönften Laufe feis 
nes zu dem Lande dee Verheißung fich erhebenden Schif: 
fes durch einen Machteingriff des Schidfals aufgehalten 
wird; — wir fragen: was für eine Wirkung mußte ein 
ſolches Leben eines ſolchen Volkes nothwendigermeife in ihm 
felbft hervorbringen ? 

Nach menfhlihen Dingen zu fchliefen, konnte es eine 
andere fein, als einzig und allein das vollendete Gefühl 
der Nichtbefriedigung, das gerade aus ber Tiefe der Seele 
hervorgegangen, mit feiner ganzen Energie fih der Nation 
als Stempel aufgebrüudt hat — ein volllommener „Unwille 
über ihre (wie Glas) in Scherben zerbrochenes Schickſal“. 

Daher wiberhallt denn auch diefe Nichtbefrtedigung, die⸗ 
fer Unmille, biefes Murten gegen das Schickſal (dolja) 
in fo vollen, fo ſchmerzlichen Accorden in ihren Liedern, 
blidet mit fo Herzzerbrechender Wehmuth aus jeder Zeile 
derfelben hervor. Die Nation fühlte ihre Würde, fie 
wußte, daß fie zu einem beſſern Schickſale berechtigt fei; 
aber da fie es trog aller Anftrengung nicht erringen konnte, 
fo mußte fie natbrlicherweife aus ihrer Bruſt bittere 
Klagen Über ihre Verhaͤngniß ausftoßen, eine tiefe Beklom⸗ 
menheit, ein ſchwerer Sram mußte ihr Herz in feine zer: 
malmenden Arme faffen. Daher kommt es denn, daß bie 
Seufzer, die Klage, der Jammer nirgend fo fchmerzlich, 
fo zart und mit folcher Kraft erfaßt, daB die Hoffnungs: 
Lofigkeit nirgend mit fo unendlicher, fo niederfchmetternder 
Verzweiflung die Zibern verzehrt, daß nirgend eine foldye 
Leichentuft weht, nirgend ein foldyer Grabesfroft fchüttelt, 
als in den bdüftern, ſchickſalsvollen Trauerklängen ber 
Söhne der Ukraine. 

Ha! ich geh’ ja ſchon; ch geh’ aus diefem Lande, 

Laffe al mein Web’ zurücd in diefem Lande. 

Ruͤckwaͤrte bl” ich ein Mal noch vom hohen Berge, 

Ha! — mein Weh' — es folgt mir auf dem Tritte, 

„Was verfolgt du ſtets mich, graufes Wehe? 

Bin mit bir, 0 Unglüdsvoller! bin mit bir verfuppelt. — 

„pa, was Hammerft dih an mid, du graufes Wehe?“ — 

Bin mit dir, o Unglädsvoller! bin mit dir geboren. 
Und in einem andern Liebe heißt «6: 

Bor das Thor hinaus ich trete, biidde aufs Verhau hin. — 

Iſt fo Herb das Leben Allen, wie mir Unglädsvollen? 

Ha! wie kim’ es bann, o Mienfihen ‚ baf auch ihr noch 

ebet? — 
Ich muß fort, mich ruft das Schickſal hin in ferne Lande! 
Gaͤb' es Bott, daß du, mein Schidfal, auf den Meer 


rund , 
Wie zu ſolchem Sklavenjoch bu meine aa zwingſt! 

Der Charakter der Frauenlieder iſt derſelbe. Der Gram 
um ein entriſſenes Hetz, das die Pflicht, die Ukraine 
zu [hügen, mit ſich fortriß, eine Pflicht, von welcher 
Niemand in der Welt loszuſprechen im Stande 
iſt; — die Verwuͤnſchungen gegen die Urheber dieſer Ein⸗ 
ſamkeit, und daher Klagen, Trauer, Kummer, Angſt, Un⸗ 
zufriedenheit mit ſeinem Looſe u. ſ. w.; ſelten, ſehr ſel⸗ 
ten ein Laͤcheln vom Gluͤcke geboren: das iſt das Thema 


‚1007 


diefer Lieder, das fie im die Unendlichkeit varliren. Auch 
hier hoͤrt man neben dem Grame und dem Murren oft 
die hoffnungsloſe Verzweiflung: 
D du unbellvolles Schickſal, was Haft du begonnen! 
Lie ft für Stunden uns erkennen, trennſt uns nun auf ewig! 
Ad ihr Jahre, ach ihe Jahre, ungerechte Jahre! 
Kebrt aurüd ‚ ton gu beleben, habt mit mir Erbarmen! — 
Kehrt Ihe wieder, zu beleben ben vom Bram Zerriffinen? — 
Doch — vernichtet mid! — h if befler, — dann vergeß’ 
i es — — — 


Ach i re, ach ihr Jahre! nimmer kehrt ihr wieder? — 
en ni —— laßt uns nicht das 
en! 


Übers Meer bin flog der Adler, ſchrie mit lautem Seufzer: 
Schwer und leer iſt's für den Armen, keck zu frein bie 


Reiche 
Bicht fo Hart if Süd, nice Shiarat, als die graufen 
en: 
Wie die Liebe fie zerriſſen — geben fie kein Blüd uns. 
Stepp’ ift breit, ich febe Waſſer; — doch feh’ nicht dem 


uern; 

Kaum hör ich fein leifes Fluͤſtern, ftrömt fogleich die Thräne. 

Zürne nicht, o Theurer, Einz'ger, daß ich werde Gattin, 

Gib mir nur die Seelenftärke, nun dich zu vergefien — 

„Ha, ich hab’ wol Seelenſtaͤrke, doch fie bricht beinahe; 

Wenn ih Cinen Trunk bir 3 7 gleich Haft du's vers 
geſſen.“ 

Trinken werd' ich, Alles trinken — laſſe keinen Tropfen: 

Dann erſt werd’ ich dich vergeſſen, wann bie Au⸗ 
gen brechen. 

Selbft In den heitern Liedern, in welchen eine voll: 
kommne, unbefchränkte Luft herrſcht, in den fatirifchen 
und ironiſchen, den burlesken und jenen Liedern, welche 
dei gewiſſen Gelegenheiten, z. B. Seften, gelungen werden; 
da, wo man alles Andere eher fuchen würde als Trauer, 
fetoft da bemerkt man plöglic einen Bella von Schmerz, 
eine leife Andeutung, einen fernen Nachhall von einer be: 
kannten Klage, einem allgemeinen Wehe. 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Die Wünfche vieler Katholiken in Deutichland über Ver: 
befferung des Kirchenweſens und ein zunaͤchſt zu veran: 

laſſendes cinalconriuium. Leipzig, Michelſen. 1840. 
Gr. 8. 8 Gr. 


Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendo! 
Wenn in irgend einem Verhaͤltniſſe, fo ift es ber roͤmiſchen 
Surie gegenüber, wo man dieſen Grundſatz des beharrlichen 
Anlämpfens fefthalten muß. Das hat aud) der Verf. bes vor: 
liegenden Schriftchens, welches wir, bei ber Wichtigkeit des da⸗ 
rin behandelten Gegenſtandes für unfere und bie nachfolgende 
Zeit, wenigftms mit einigen Worten haben in d. Bl. erwaͤh⸗ 
nen wollen, nicht verfannt, indem ex, geleitet von ber firengs 
fin Ba epeitäliche, nicht blos feine inbivibuelle Anſicht, fons 
dern Por m Sinne vieler. wahren Religionsfreunde über Das, 
was unferer Zeit und ber Fatholifchen Kirche, ber roͤmiſchen Gu⸗ 
rie gegenüber, Noth thut, ſich ausfpricht. Denn weniger mit 
gewiflen einzelnen Zeitfragen, als vielmehr mit dem allgemei: 
nen Werhältniffe der biſchoͤſtichen Gewalt zu der päpftlichen, 
uab mit der Frage: auf welchem Wege bie bisherigen kirchli⸗ 
hen Wirren am geeignetften dauerhaft zu befeitigen feien und 
überhaupt manche Berbefierung im Kirchenweſen herbeizuführen 
fein mödgte, hat es bas Schriftchen gu thun. Und zwar erklärt 


fih ber Verf. beffelben je biefem Zwecke, und gunädft in der 
Hauptſache für regelmäßige Ratlonaleoncklien, wie dies neuers 
dings auch fchon von anderer Seite ber gefchehen if. Non vi, 
sed saepe cadendo! Auch iſt es wol unleugbar, daß bie 
kirchlichen Verpältniffe nur auf dem Wege folder Goncilten im 
Einklange mit den Zeitbebürfnifien wahrhaft georbnet werben 
koͤnnen; es kommt nur darauf an, eben biefe Beduͤrfniſſe uns 
befangen zu ermeffen und an den päpftlidden Stuhl Keine übers 
triebenen Anfoderungen au fielen, aber auch auf ber anbeen 
Brite Das, was die Zeit wirklich und unumgänglich erheifcht, 


- auf dem gefeßlichen Wege ber Concilien mit Vorficht und Be: 


barrlicykeit geltend zu machen. Eigenthümlich und neu, fo viel 
Ref. weiß, iſt der Vorſchlag des Verf., daß der Yapft 
einen Nuntius am Sitze des beutfchen Bundestags habe. An⸗ 
gehängt find zwei, auf den Kampf ber Gpifcopalgewalt mit 
der bes Papftes im vorigen Jahrhunderte ſich beziehende 
Actenftüde. 17, 


Hiflorifhe Forfhungen in Frankreich. 
.Ein junger bretagnifcher Schriftfteller, Aurelian v. Cour⸗ 
fon, von Guizot mit biftorifchen Forſchungen über bie niedere 
Bretagne beauftragt, hat kürzlich das Ergebniß feiner besfallfigen 
Stubien veröffentlicht in bem Werke: „„Essai sur l’histoire, la 
langue et les institutions de la Bretagne armoricaine.“ Es 
ift dies ein Buch, das feines Inhalts und feiner umfaffenden 
Behandlung wegen nicht blos für Diejenigen, die befonderes In: 
terefie an biefem merkwürdigen und eigenthümlichen Schelle 
Frankreiche nehmen, fondern auch für jeden Andern, ber ſich 
mit der Rationalgefchichte Frankreichs befchäftigt, von Wichtig⸗ 
keit iſt. Denn von allen franzöfifcden Provinzen ift wol Eeine, 
bie dem Forſcher reichere und für die Aufhellung der @efchichte 
bes celtifhen @lements in Frankreich bebeutendere Ergebniſſe 
verfpricht als das alte Armorica. In biefem Erdwinkel allein 
nämlich haben ſich Überlieferungen, Gefege und Sprache ber 
alten Gallier bewahrt. Trotz der römifchen Herrſchaft, der 
germanifchen Groberung und bem Keubaldrude hat Sich bafelbfk 
bie celtifche Nationalität erhalten; fo groß tft die Lebenskraft 
biefes Volkaſtammes, baß ex noch heute, mitten unter ber ihn 
umgebenden und buckhdringenden fremden Civiliſation, fortbes 
ſteht und Schritt vor Schritt feine Sprache, den legten Schat 
erlöfchender Völker, gegen dieſe vertheibigt. 

Diefes Fortbeſtehen der celtifchen Nationalität nun zu cons 
ftativen, fie mitten durch alle politifchen Umgeftaltungen, bie 
Frankreichs Zuftand veränderten, zu verfolgen, bem Lefer bie 
Geſchichte des Volksſtammes wie die Beſchreibung bes Lebens 
eines einzigen Menſchen vorzuführen, dies iſt die Aufgabe, bie 

& Hr. v. Sourfon geſtellt und mit frommer, faft möchten wir 
fagen Eindlicher Sorgfalt für fein Mutterland erfüllt und fo 
auf die fhönfte Weile das Motto feines Buchs: „‚Sparsa... 
matris collige membra tuae’’, gerechtfertigt hat. | 

Die uns übrig gebliebenen Überlieferungen über bie Gallier 
überhaupt und die Armoricaner insbefondere vor der roͤmiſchen 
Unterjochung zeigen uns diefe Voͤlker in einem Gioilifationsftand, 
ber demjenigen ber Germanen, wie ihn Tacitus befchreibt, ana⸗ 
log ift. Der Boden unter Stämme oder Slans vertheilt, bie Edeln 
von Vafallen umgeben, bie Eifer solduri nennt,. bie aber in 
ber Landesfprache mactierns heißen — eine treue Gefolgſchaft, 
bie es für ehrlos hielt, den gefallenen Häuptling gu überleben —; 
diefe Häuptlinge einer von bem andern unabhängig und nur 
zum Krieg unter einem freigewählten Feldherrn, penteyrn ges 
nannte, zufammentretend : dies waren bie Grundlagen bes os 
ciafs politifchen ZBuftandes von Armorica, wenn man Gäfar 
Stauben ſchenkt. Cine ſolche Khnlichkeit mit ber Organifation . 
ber Germanen läßt auf eine fehr nahe Verwandtſchaft zwiſchen 
ben beiden Volkeſtaͤmmen fchließen, welche ein genaueres Stu⸗ 
dium verbicate, als man ihre bis jest gewibmet hat. Diefe nas 
tionale Verwandtfchaft erlärt es auch, wie Armorica, während 
es die Herrſchaft der germantichen Eroberer zuruckwies, body 





die neuen Formen annahm, welche die Groberung in den 
übrigen Ländern Balliens einführt. Es wurde nämlich in den 
celtiſchen Gewohnheiten, die ſich unter ber roͤmiſchen Herrſchaft 
forterhalten hatten und nach dem Sturze derſelben mit verdop⸗ 

elter Energie wieder hervortraten, durch dieſe germanifchen 
Sormen foß nichts geändert. Der bretagnifche Glan war nichts 
Anderes als der germanifche Gent, wie der plou „bie Markge: 
nofenfchaft bedeutete. Die Benennungen der perfönliden Ber: 
bältniffe endlich waren ben germanifchen nicht minder analog 
als die dinglichen. So entfpricht der mactiern völlig dem 
fidelis oder vassus dominicus in der Lafinität des Mittelalters; 
häufig wurde aber auch der altceltifche Name angewendet, gleich: 
fam um das Fortbeftehen altceltiſcher Einrichtungen dadurch zu 
zeigen, und Hr, Courſon bat bie Benennung mactiern in den 
Urkunden bis zum 11. Jahrhundert gefunden. Neben diefer 
Ähnlichkeit der Formen des politifchen Lebens in der Bretagne 
mit den germanifchen tritt aber au ein großer Unterſchied ber: 
vor, der ſich aus ber verfchiedenen Grundlage, auf der das 
Echnswefen in Armorica und in ben germanifchen ober von 
Germanen eroberten Ländern beruhte, erflären läßt. In legtern 
namlich gründet ſich daffelbe auf den Sturz des alten mythiſchen 
Stammadels und auf Eroberung unb Krieg, mit allen Folgen, 
bie fich aus diefem Zuſtand ergeben. &o war das Lehnsweſen, 
weiches an die Stelle des natürlichen Verhältniffes des Stamm: 
häuptlings das willkürliche des territorialen Krieggherrin 
“und an die Stelle der Stammesverwandtſchaft und Blutsfreund⸗ 
(daft das kuͤnſtliche Princip ber Lehenstreue und des Dienft: 
verhältniffes fegte, recht eigentlich dazu gemacht, alle alten 
natäirlichen Stammesverhältniffe zu vernichten. Dagegen war 
es gerade das Stammesverhältniß, was fi in ber alten Bre: 
tagne zum Lehensweſen umgeftaltete, ohne feine innere Natur 
zu verlieven. Letzteres war nur eine andere Form, weldhe das 
erftere in feiner mweitern Entwidelung annahm, und keines dem 
andern entgegengefegt. Go wurde der Glan auf ganz natür: 
lihem Wege zum Lehen und der Glanshäuptling zum Baron 
oder Vicecomes. Doc war damit Feineswegs das perfönliche 
Verhaͤltniß eingeführt, welches in den germaniſchen oder ger: 
manffirten ändern zwifchen dem Eehnsheren und den Bafallen 
beftand , vielmehr behielten bie Beziehungen zwifchen beiden in 
der Bretagne immer ihren alten freundlichen patriarchalifchen 
Charakter, der den Glanshäuptling mit feinen treuen Stammess 
genofien vereinigte. Nie fand in der Bretagne jenes drückende, 
nur zu oft in die haͤrteſte Knechtſchaft und Sklaverei ausar⸗ 
tende Dienftverhältniß ſtatt, wie es das Lehnswefen anderwärts 
erzeugte. Daher war auch dafelbſt kein Ringen nach Eman⸗ 
tipation unter den Bauern bemerklich, denn niemals laſtete das 
harte Koch der Anechtfchaft auf ihnen, welches das Volk in den 

brigen feubafiftifchen Ländern bedrückte. Die natürliche Folge 
davon war, daß fi in dieſer Provinz nie jener Daß gegen 
den Lehnsadel entwidelte, der in ben übrigen Provinzen Frank⸗ 
reiche fo tiefe Wurzeln ſchlug und in der Revolution von 1789 
fo ſchrecklich ausbrach. Die Semeindeverfaffung hatte ebenfalls 
: einen eigenthämlichen Sharakter im alten Armorica. Die ftäbti- 
ſchen Gemeinden entflanden nitht aus einer gewaltfamen Reac⸗ 
tion gegen die Feudaltyrannei, mie bie meiflen Gtäbte des 
“übrigen nördlichen Frankreichs, fondeen erwuchſen ganz natür: 
ich aus der Sntwidelung der Parochie und Diöcefe, worin fie 
faft durchgängig von ber Kirche begünftigt wurden, deren in: 
fiuß in’ der Bretagne fi immer als eine wohlwollende und 
fchügende Macht zeigte. Die Verwalter ber Parodie, die fa- 
briquears (von fabrica, womit im Latein des Mittelalters bie 
Berwaltung des Kirchenvermoͤgens begeichnet wird), waren nicht 
allein mit der Verwaltung der Kirchengüter, fondern auch mit 
der Borge für die Intereffen ber gangen Gemeinde beauftragt. 
So Lam «es, baß der Adel nicht Gbermüthig fidh gegen den 
Buͤrger überhob und ſich ihm feindfelig gegenüberftellte, viel: 
mehr findet man ihn theilnehmend an ben Gemeinbeangelegen- 
heiten, und bie Ramen ber älteften Adelsgeſchlechter, wie bie 


Rede von „bourgeais. de 
de vivre 'honnestement et de tepir table franche comme les 


ber Quélen, Kerfaufon, Kergariou 2c., die es nicht verſchmaͤh⸗ 
ten geringe Gemeindeämter, 3. B. das eines miseur oder Con⸗ 
teoleur, anzunehmen, figuriren in ben Bürgerverzeichniffen der . 
Städte. Dagegen fühlte aber auch der Bürgerftand in ſocialer 
Hinficht feine Würde: und Gelbfländigkit, und ‚geitig it bie 

noble anceserie qui ont. acpoütum& 


gentilshommes’'. 

Diefe Verbindung zwiſchen dem Adel und dem Wolf mußte 
in ber Bretagne um fo innigee werden und fich erhalten, als beide 
Theile, fortwährend von der drohenden Invaſion der Srangofen 
in Athem gehalten, immer einander gegenfeitig nöthig hatten. 

Als die Bretagne fih mit Frankreich vereinigte, febten bie 
Stände die Bedingungen ber. Bereinigung feſt und, frei wie 
früher, erlaubten fie dem Zürften nicht, ohne ihre Zuftimmung 
Orfete abzufchaffen, Abgaben zu erheben und Vertraͤge abzu⸗ 
ſchließen. In bdiefen ſtaͤndiſchen Verſammlungen trennte der 
Adel niemals ſeine Sache von der der Bürgerlichen, denn er 
ſuchte ſich nicht, wie der übrige frangöfifche Adel, zum Hofadel 
zu erniedrigen und unter dem Gefinde der Könige ſich zu vers 
lieren ; vielmehr blieb ex auf feinen alten Schlöffern und Höfen, 
treu feiner Deimat zugethban und von feinen Bauern umgeben 
und vertheidigt, bie er nicht als Leibeigene, fondern als freie 
Leute mit Grund und Boden belichen hatte. Einzig als Folge 


‚hiervon iſt es zu betrachten, baß, während das Lehnsweien 


durch die Revolution abgefchafft worden, nur allein das gegen 
Erſtattung ber aufgewendeten Koften kündbare Lehen (domaine 
cong&able), diefer freie Vertrag zwifchen zwei Parteien, als 
ein Denkmal der alten armoricanifegen Freiheit reſpectirt wors 
den ift und allein das ganze feudale Verleihungsweſen überlebt 
bat. Die Freiheit war in ber That in diefem Lande ber reis 
ungen und alten Sitten fo alt, daß es allein in ber franzöfis 
fhen Revolution nichts zu gewinnen hatte, und daß ſich bie 
Gerichtsbehörben weigerten die Gefege ber gefeggebenden Vers 
fammlung einguregiftriren, welche bie alte bretagnifche Freiheit 
vernichteten, ohne den Bewohnern biefes Landes mehr Rechte 
zu verleihen, als ihre Vorfahren ihnen binterlaflen. Aus allen 
diefen Verhältniffen, nebft dem in der Bretagne immer bedeu⸗ 
tend gewefenen Einfluffe der Geiftlichkeit erklärt ficy endlich der 
Widerftand, den die ganze Revolution dafelbfi fand, und bie 
Aufftände, die daraus gleichwie in der Vendée hervorgingen. 
Man wirb aus biefem Zurgen, dem Bude bes Hrn. v. Cour⸗ 
fon entlehnten Zableau fehen, welchen intereffanten Inhalt dafs 
felbe beut; wäre dabei der Verf. überall ebenfo fehr Herr feis 
nes Stoffes geblieben, als er Fleiß, gewiffenhaftes Studium, 
ausgebreitete Korfhungen und Liebe zur Sache überall barlegt, 
fo würde er ein Werk geliefert haben, das nicht nur den Be: 
fchichtöforfcher, fondern auch jeden Kritiker befriedigen würbe. 





Anetdote. 


Der 1832 verflorbene Prebiger Rowland HIN, der fi 
trotz aller feiner Exeentricitäten und oft in benfelben als einen 
echtpraßtifchen geiſtlichen Demagogen erwies, ſchloß einft eine 
Predigt zu Bunften einer Anftalt, für welche Beiträge gefams 
melt werden follten, mit folgender Ermahnung: „Jeder ift fich 
ferbft der Naͤchſte. Wer alfo von euch, meine Freunde, baares 
Geld nicht Leicht entbehren Tann, ober wer glaubt zit genu 
zu haben, um feine Schulden zu bedien, ber gebe nichts; 4 
verlange nichts, ja ich verbiete es ihm etwas zu geben, denn 
Ehrlichkeit gegen Gläubiger muß ber Mildthaͤtigkeit vorgehen. 
Wer aber in guten Berhältnifien ift, ber gebe, fo viel ex mag.’ 
Wer hätte fi als einen Unbemittelten angeben und felnen 
Grebit, des Kaufmanns hoͤchſtes Gut, für lange verfcherzen moͤ⸗ 
gen? Darum borgten felbft Die, die zufällig nicht Gelb ges 
nug bei fich hatten, von anmwefenden Freunden und die Spenbe 
fiel reichlicher aus als je eine zuvor. - . 


Berantwortlier Deraudgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Beoddaus in Leipzig 


Blatt e r 


für 


literarifde Unterhaltung. 








Über Meinruffifhe Volkspoeſie. 
( Bortfetung aus Nr. 256, ) 


Die Dietion muß, den oben angedeuteten Umftänden 
zufolge, dramatiſch fein. Wo ein thatenreiches, ftür- 
mifches, mit Mühfeligkeit und Unglüd angefülltes Leben 
ift, bei diefem Wolke ergießen ſich auch die rein nationels 
len Erzeugniffe der Poefie urtvermeiblih in dramatiſcher 
Form, felbit- ohne daß die Sänger dieſer Lieder es wiſſen; 
denn dieſes ift dann der gerade und der einzige Weg, auf 
welchem man zu der Seele der Nation dringen, dies bie 
einzige Art, auf welche ſich der Geiſt eines ſolchen Volkes 
offenbaren kann. Es iſt ja die Poefie eines Volkes ber 
seine, der wahre Abglanz feines Geiftes, fein offenherzi: 
ges, unummundenes Bekenntniß, die naive Offenbarung 
feiner ſelbſt; und wäre fie dieſes nicht, fo wäre fie eine 
ewiſſenloſe Lägnerin, die in umferm Falle die ſchoͤnſte 
eite ihrer Nation verleugnet und ſich unbarmherzig Bid: 
Gen vor der Welt gibt, die fie nie verbedien kann. Aber 
feit die Welt fteht, kannten, nach dem Zeugniffe aller Les 
benden und Todten, die Nationen in dieem Punkte nie 
eine Verftellung, nimmer eine Lüge. Wenn das berühmte 
Vox populi vox Dei irgendwo feine wirkliche Anwen: 
dung findet, fo iſt es hier der Fall. 

Die dramatifche Dietion zeugt aber umgekehrt auch wieder 
für eine ſtarke Thatkraft, für geiftige Größe des Volkes, dem 
ſolche Lieder angehören. Und in diefer Hinficht flehen die 
Uktainer — einzig in ihrer Art — hoch Uber allen andern 
ftaroffchen Staͤmmen; denn bei diefen iſt die dramatiſche Dice 
tion eine höchft feltene und deshalb auch zufällige Erſchei⸗ 
nung, während fie bei den Ruffinen eine allgemeine, un: 
bedingt nothmwendige, von dem Geifte der Nation gegebene 
iſt. Die ukrainiſchen Lieder ſtehen daher fo hoch über 
denen der andern Slawen als das Drama Über den uͤbri⸗ 
den Arten poetiſcher Darftellung. 

Übrigens zeichnen fich die ukrainiſchen Lieder auch durch 
Ihre Melodien und Wellm, dam durch ihre im hoben 
Grade mufitatifche und poetifche Sprache (welche, ald eine 
ſlawiſche, ihrer Muſik wegen nur mit der griechiſchen und 
italieniſchen verglichen werden kann), durch die Verſifica⸗ 

weiche, ohne dem Worten und Gedanken den ges 





tten, 
ttaugſten Zwang amzuthun, ttimer ſtreng ein feſtes Me⸗ 


trum einhaͤlt, endlich durch ihre große Anzahl und Man⸗ 
nichfaltigkeit au6.*) 
Was die Mannichfaltigkeit anbetrifft, 


ſo hat in der 
Ukraine jeder Stand, jedes Geſchlecht, jedes Feſt, jede 
Feierlichkeit, jede Gegend, jedes Dorf beinahe ſeine eigenen 
Lieder und nicht etwa eines, ſondern Hunderte. Die Liebe 
zu Muſik und Tanz vereint ſich bei ihnen unzertrennlich 
mit der Liebe zu Geſang und Lied, ſie gehen miteinander 
Hand in Hand; „der Moskowite iſt zum Leſen, der Ljaͤche 
(Pole) zum Springen (Zanzen) und unfer Bruder Koſak 
zum Singen” fagt ihe Spruͤchwort, indem es trefftich und 
wahr dieſe drei nebeneinander wohnenden und von einem 
Stamme entfproffenen Voͤlkerſchaften charakterifirt. Das 
Lied ift das Tagebuch des Ruſſinen, mworein er Alles eins 
trägt, was er denkt, was er fühlt, wa8 er thut. „In biefer 
Hinſicht“, bemerkt ber ſchon oben angezeidmete Schriftfleller 
über Kleinrußland, N. Gogol, mit vollem Recht, „find die 
Lieder für den Ruffinen Alles: feine Poefie, feine Gefchichte 
und das Grab feiner Väter. Sie Eönnten rein hiftorifch ges 
nannt werden, weil fie nicht ein Haar breit abweichen von 
dem damaligen Leben und immer wahr find für die damalige 
Zeit, für die damalige Art zu fühlen.” 

Die Beichreibungen find in ihnen nur fo im Ders 
beigehen — epiſodiſch — eingeſchaltet, bei alle dem 
jedoch immer wunderbar übereinftimmenb mit der Ras 
tur. In ihnen wird gewöhnlich die fchrofffte, cha⸗ 
takteriftifchfte Seite des Gegenſtandes aufgefaßt, damit - 
fie für den mächtigften, ſtaͤrkſten Ausdruck der Seelenge⸗ 
fühle diene, welche fich wie ein Lavaſtrom aus der Tiefe 
des Herzens ergießen und felbft nicht auf einen einzigen 
Augenblid durch mehre Worte oder bie Länge - einer Pe⸗ 
riode ſich abkühlen wollen; . im Gegmtheil überall brauſet 
der Sturm der Leidenſchaft, uͤberall Herfht Gebrängtheit, 
Beftimmtehelt, Lakonismus des Ausdruckes, Einfachheft, 
Natur, eine eigenthuͤmliche Zartheit und Staͤrke des Be⸗ 
fuͤhls zugleich. Überhaupt zeichnen ſich die Bilder, Ver⸗ 
gleichungen und dergleichen immer durch :gängliche Unge⸗ 
fuchtheit, Ungezwungenheit, Kuͤrge und Bimdigkeit, Otigi⸗ 


”) El ingiget Sammaer, Be’ Bogdanſty, den’ TA" 
ee 
ich viel benugt habe, Hat i m ee uver⸗ 


nement von dad auf yufanineug 











1010 


nalitaͤt, urfprünglihe Schönheit und teeffende Genauigkeit 

aus, während nad) dee Bemerkung bes Makfimowid, die 

auch wir theilwoeife unterfchreiben zu muͤſſen glauben, in den 

Liedern der nördlichen Ruſſen: „mehr Kunft, eine Art von 

Auswahl, die Sucht zu verfchönern, zu fehen iſt.“ (S. fein 

Vorwort zu den Heinruffifchen Liedern.) Die Vergleichun: 

gen .diefer find jedes Mal verneinend, dagegen die Gleich: 

niffe der erſten — wenn man vielleicht einige Elegien und 
birtorifche Lieder ausnimmt — ſtets pofitiv, bejahend. 

Bon bdiefer Liebe zum Pofitiven, Wirklihen (meint Bog⸗ 

djanski) komme’ es auch her, daß die Umftände, dee Ort, 

die Zeit, welche einft Zeugen eines gewiſſen Vorfalls ge: 
weſen find, durch irgend einen einzelnen Gegenfland ange: 
beutet werben, melcher bann anftatt feiner ganzen Gattung 

dafteht. So heißt es nie „Eines Tages“, fondern z. B.: 
Sonntags früh am Morgen fhäumten auf — die Fluten: 

Sander Sohnes Herz mag in ber Fremde biuten. 

er: 
Aus dem Eichwald kommen Kühe, Schafe von ben Auen; 
omigeneint bie ſchwarzen Augen zum Koſaken fchauen. 
er: 
Über'n Berg trägt Waffer ſchwarz der Adler: 
Pal Koſaken bittet fanft das Mägblein. 
er: 

An dem Ufer fiht die "rin, fängt bie Eleinen Fiſchchen, 
Unb das — nach —— Bricht bie —— en 
An dem Ufer figt die Fiſch'rin, angelt Beine Fiſchchen, 

Und bas Liebchen nach dem Liebften irrt durch weite Länder. 
An dem Ufer figt die Fiſch'rin, faßt die Eleinen Fiſchchen, 
Und das Liebchen nach bem Liebften feufzt im ſchweren Herzen. 

- An dem Ufer figt die Kifch’ein, ſchwatzet wie bie Schwalbe, 

Und das Liebchen nach dem Liebften Elagt, wie Adlers Weibchen. 
Das letzte Beiſpiel zeigt, daß auch die Wiederholung 
mit Stud und zwar nicht felten angewendet wird. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Woman and her master, by Lady Morgan. London 1840. 


Nach langem Stillfchweigen hat uns bie berühmte Verfaſ⸗ 
feein mit dem erſten Bande eines Werks überrafcht, das feinem 
Titel: „Das Weib und fein Herr’ zufolge, ſich den zahlreichen 
Schriften anreiht, welche feit einiger Zeit die Rechte des weib⸗ 
lichen Geſchlechts ber bürgerlichen @efellfchaft gegenüber darzu⸗ 
fielen und naturrechtlich zu begründen ſuchen. Der Zitel klingt 
etwas procefiualifch, und in ber That erllärt Lady Morgan in 
ber Borrebe, daß es zwiſchen den Herren in ber bürgerlichen 
Geſellſchaft und dem Weide zu einer förmlichen Rechtsklage 
gekommen iſt und noch mehr kommen muß, und fie felbft tritt 
als Sachwalter bes unterdrüdten Theils in die Schranken. Es 
iſt nicht das erſte Mal, daß fie dies thut; fie gewann ihren 
Ruhm in ähnlicher Weife und taufenb warme teifche Herzen 
ertennen es dankend an, daß, wenn ihre Volk jekt am Anfange 
einer gluͤcklichern Zeit ſteht, dem Talente unb dem ebeln Ens 
thuflasmus feiner Lady Morgan ein ehrenvollee Theil an dem 
hoͤchſten Eobe gebührt, was ein Volk zollen kann. Auch biess 
mai werben bie Worte der Laby Morgan nicht ohne Wirkun 
bleiben; find bier Sachwalter nöthig, fo findet man (üwerlie 
einen befiern als diefe Tochter Erins: größte Gewandtheit in 
Gombination alles Defien, was dem Kläger zu gute kommt, 
nicht minder als in der Schlauheit, mit welcher gemachte ober 
vermuthete Wiberfprüche erwähnt und parist werben, beißenbe 
Ironie mit jebem Worte über den Gegner, geſchicktes Anregen 
des Mitgefühls in Hauptpunkten, bei feinem Vermeiden eines 


eigentlichen Klagetons; Hinweiſen bes Sachwalters auf bie Pers 
fon des Klägers, felbR in dem thatfädlichften Theile feiner 
Rechtsbebuction und liebenewürbig dreiſte Befolgung des Spru⸗ 
des, „daß alle Vorteile gelten”. Selbſt das Märchen, bas 
den Urſprung ber Irländer zu einer mileſiſchen Golonie hinaufs , 
leitet, bietet unfeem Sachwalter für feine Behauptungen Gtüßs 
punkte dar! Aber find die Rechte der Frau wirklich Gegenftand 
eines Rechtsſtreites? Schreiber biefes geftcht offen, daß er «es 
nicht glaubt. Er gehört, und gewiß ‚in mächtigem Verein’, 
dem Blauben an, den Schiller, der Sänger der Frauenwärbe 
und ber Liebling ber Frauen, fo oft und in folgendem &pruche 
fo bündig ausgefprochen hat: 
Wahre Königin ift nur bed Weibes weibliche Schönheit, 
Bo fle fih zeiget, fie herrſcht; herrſchet, nur mweil’fie fich zeigt. 
Wie Jedermann, ber feines Glaubens ſelig iſt, köͤnnen wie 
die Begründung eines andern, insbeſondere ber Anſicht, bie jett 
fo laut auf Gmancipation bes Weibes dringt, nicht eigentlich 
begreifen, fo unumftößlich es auch iſt, daß mander die Stellung 
ber Weiber gefährdende Punkt in der bürgerlichen Gefekgebung 
einer Verbefierung fähig iſt. Willig befcheibet man ie aber, 
wenn man jenen entgegengefegten Glauben in Wirklichkeit her⸗ 
vortreten fieht, und man hört und wägt, wie natürlich, Das, 
was von ihr ausgeht. Wer hörte überhaupt nicht gerne bie 
Meinung einer geiftreichen Frau und Derer, die von Ihr gewons 
nen find? Man wirb gewiß das Buch ber Lady Morgan mit 
Vergnügen ergreifen und wol ebenfo gewiß mit Dank es 
aus der Hand legen. Bon dem Werke, bas über die Stellung 
des Weibes in der bürgerlichen Geſellſchaft durch alle Perioden 
bis zur Gegenwart einen präfenden Überblic geben foll, Liegt‘ 
nur bie erfte Hälfte vor uns, ba ein hartnädiges Augenäbel, 
das felbft die Ausarbeitung biefes Bandes in die Länge zog, bie 
Verf. — hoffentlich nicht lange mehr — von Vollendung bes 
Werks abhält. Was vorliegt, gehört der alten Beichichte an. 
Der erſte Band betrachtet zunächft die Verhaͤltniſſe des Wet: 
bes unter den Stämmen, weldye die Givilifation, in biefem 
Punkte gewiß mit Recht, als Wilde bezeichnet und bie wir, 
da ihre Geſchichte kaum mehr als Raturgefchichte if, aus der 
Gegenwart befier wie aus ber Vergangenheit beurtheilen. &os 


‘dann gebt es zu ben Alteften geichichtlich befannten Voͤlkern 


über. Es bietet fich Hier nichts befonders Neues bar, aber Ei⸗ 
niges aus Dem, womit ber Band fließt, einer Betrachtung 
bes weiblichen Gefchlechtes bei den Griechen, zeigt eine fo feine 
Menſchenkenntniß und Kunft der Situationsmalerei, wie wie 
fie je bei ber Berf. gefunden. Man höre, was ein weiblicher 
Sommentator über die berühmte Ehemannsrede bes Iſchomachus 
bei Zenophon zu bemerken hat. „Kurz vor Eſſenszeit, mögen 
wir annehmen, fucht Iſchomachus, eben dem flärkenden Bad 
entfliegen und buftenb von Löftlichen Salben, feine Gattin auf, 
um bei ihr einige Minuten zu verbringen, ehe er vielleicht bei 
Perikles an Tafsl geht. Er fleigt ins Obergemach und findet 
da feine jugendliche Gattin, einfam, vieleicht mit einer Sticke⸗ 
rei befchäftigt, die das Gewand einer Goͤttin zieren fol. Das 
Muſter ber Ehemänner finkt bei feinem Gintritt in ben Lehn⸗ 
feffel; ein Mufter des häuslichen Wohlbehagens für bie Iſcho⸗ 
machuſſe des 19. Jahrhunderts, und indem er feiner Gattin 
irgend ein ſinnbildliches Spielwerk präfentirt — etwa eine Sta⸗ 
tue ber Venus, mit einer Schildkröte, ale Symbol, daß eine 
Frau ihre Haus nie verlaffen follte — räufpest er fich bebeus 
tungsfchwer, legt die Stirne in majeflätifhe Falten und ber 
ſchenkt uns huldvoll mit jenen Sprüchen, welche von Zenophon 
und Sokrates bewundert und zu Rus und Brommen ber künf⸗ 
tigen rauen aller Länber aufbewahrt worden find. „Eine 
Hausfrau, meine Liebe’, fagt Iſchomachus, „‚follte fein wie eine 
Bienenlönigin. Wie diefes Infekt ruhig im Korbe bleibt, wä 

senb es die Arbeitsbienen ausfchidt und bie Worräthe, weiche 
von diefen eingebracht werben, auffpeichert, fo follte eine brave 
Ehefrau im Innern ihres Haufes ſchaffen und walten — — 
Wenn du, meine Liebe, fährt —* fort, außer der ge⸗ 
wiſſenhaften Erfuͤllung ber haͤuslichen Pflichten, noch Treue ges 


1011 


n mich und Zaͤrtlichkeit gegen beine Kinder zeigſt, fo magſt 
I ber über meine Dienfle verfügen. Du baft dann keine 
Berminderung meiner Liebe zu fürditen, wenn du alt wirft, 
fondern kannſt vertrauensvoll erwarten, daß bu bir um fo mehr 
Achtung erwirbft, je größere Aufmerkfamkeit du mit mir deinen 
häuslichen Angelegenheiten widmeſt; denn das ganze Blüd und 
Angenehme der Ehe, wie bes menfchliden Lebens insgemein, 
befteht nicht fowol in perfönlichen Heizen, welche ber Boͤſe 
ebenfo wie der, Bute befigen kann, fondern in Zugenben, durch 
welche fi die Guten allein auszeichnen.‘’ 

„Iſchomachus hat ausgefprochen; er erhebt fi wuͤrdevoll 
aus dem Geffel, grüßt feine geduldige und ſchweigende Zuhoͤre⸗ 
rin mit jener kindlichen Lieblofung, indem er ihren armen ſchoͤ⸗ 
nen Kopf und ihre nieblidhen Ohren auf feine Hand herunters 
zieht und einen Ehemannskuß auf ihre frauliche Stirne brüdt, 
legt dann fein reiches duftendes Gewand zurecht und fchreitet 
majeftätifch aus dem Gynaͤceum. Schnell ift er in der Außern 
Halle feiner Wohnung und ehe noch bie verlaffene, einfame 
junge Frau ihre Gedanken wieder gefammelt, vieleicht eine 
Heine ſchmerzliche Aufwallung unterbrüdt hat, darüber, daß fie 
Tag für Tag Predigten zu hören hat und verlaffen wird, che 
fie wieder von ihrer einförmigen Arbeit an den Stidrahmen 
in Anfprudr genommen ift, hat ber ernfle Ehemann ſich feines 
Ernſtes entlebigt und ift ſchon in bem Tempel ber Grazien im 
Salon Aſpaſiens, im Kreife fröhlidher Rymphen — ein emans 
cipirter Ehemann.” 

„Da fand Iſchomachus vielleicht ben Alcibiades, der foeben 
feine Gemahlin losgeworden, und umarmte vielleiht den So⸗ 
krates, der foeben feiner Zanthippe entlaufen war; und Peris 
kles erwartete vielleicht, daß er ihm Glück wuͤnſche, denn auch 
ihm war es gelungen ſich fcheiden zu laflen und ber erfte 
Mann von Athen war ber Gatte Afpafiens geworden, einfl 
der Geliebten von vielen Liebenden.” 

. Es ift ſchon behauptet worden, daß ein Gharakterbild, von 

einer weibligen Hand entworfen, nur bei gehaßten Gegenfläns 
den individuell und beutlih, überall aber, wo das Darzuftels 
lende Zuneigung erwedt, allgemein und unkünſtleriſch ausfalle. 
Den letztern Theil biefer Behauptung finden wir durch die Cha⸗ 
zakteriftit von Agrippina, Nero's Mutter, aufs glängendfte 
widerlegt. Diefe pfochologifche Darlegung, zu der weibliches 
Ditgefüht nicht weniger als weiblicher Scharfblid mitwirkten, 
ſcheint mir ein Meiſterſtück zu fein, das der Geſchichte der 
Menfchheit willtommen fein wird, ba es einen glänzenden Chas 
zabter der römifchen Kaiſerzeit größtentheils von den Flecken 
reinigt, bie der Gifthauch einer verberbten Zeit an ihm zus 
ruckgelaſſen hat. Ich hebe einige Stellen hervor: 

„As Agrippina bei Adoption ihres Sohnes Nero durch 
GSlaudius mit dem Titel Augufta die Rechte einer Kalferin er: 
hielt und ein Augur fie warnte, der Sohn, den fie jeht fo hoch 
erhoben, möge nicht das Werkzeug ihres Zalles fein, antwortete 
fie: „Laß mich flerben, aber Nero herrſche!“ In bdiefer Ants 
wort haben wir das Geheimniß ihres großen Strebens und bas 
Motiv aller der Verbrechen, bie man ihr Schuld gibt. In allem 
ihrem tühnen Ehrgeize und unbeugfamen Stolge, ihrer ſchar⸗ 
fen Empfindlichkeit für erlittene Kraͤnkungen und dem Bewußts 
fein ihrer Macht vermögen wir zu einem tiefen Gefühl ber 
Liebe, um bie ja fo Vieles vergeben wird, hindurchzublicken: 
dieſen glänzenden Serrichergeift, biefe ſchlaueſte Staatsweishelt 
des Sahehunderts, wir finden fie in einem Wefen, das vor Als 
tem, ja in Allem ale — Wutter hanbeite. — — Früh ge⸗ 
nug mag ·Agrippina gefunden haben, daß Rero’s Natur nur 
wenig von jener zarten Mefgbarkeit befaß, der Duelle des hoͤch⸗ 
ſten Geiftesgaben, der eblern Bermögen und feinern Gefühle, 
welche dem Menſchen eigenthümlich iſt und ihn über den Ziger 
und Geier erhebt. Diefer Sohn, den fie in ber falfchen Rich⸗ 
tung ihres Muttergefühls fo innig liebte, mußte, wenn er auch 
eine Zeit lang aus dem Gebiete ihrer Beobachtungsgabe ausge⸗ 
ſchloſſen blieb, doch bei einer ober ber andern Gelegenheit die 
feftgewurgelte Selbſtſucht und Grauſamkeit feines unbeugfamen 


Naturelld entbloͤßen. Daß biefes wirklich ber Fall war, zeigt 
fi) in dem Schutz und der Reigung, welche Ägrippina Dctas ” 
vien ſchenkte, in der Zärtlichkeit, mit der fie das Leben bes juns 
gen Britannicus überwacdhte, und der weifen Staatskunſt, mit 
ber fie die Zeit ihrer Oberherrſchaft zu verlängern wußte. Auch 
liegt es vor, daß fie fidh gegen einen Mann, ber dadurch, daß 
er FR Vertrauen misbrauchte, ihren Ausfpruch gefchichtlich ges 
macht bat, äußerte: „die Regierung Rero’s fing an, wie bie 
des Auguftus endete; wenn ich aber nicht mehr bin, wird fie 
enden, wie die des Auguftus anfing‘, eine ſchreckliche Worbers 
fagung, die bald eintraf, Diefe wohlbegründeten Beforgniffe 
führen uns zur richtigen Würdigung mancher Fehlgriffe, auf 
die wir im Betragen Agrippinens ſtoßen; ſchwankend zwiſchen 
ben Eingebungen der maͤchtigen Mutterliebe und ihren aufftre⸗ 
benden Planen für gr großes Rei, zeigt fie uns abwechfelnd 
bie Weisheit eines gkoßen Staatsmannes und alle die Schwäche 
einer zärtlichen Mutter. — — So flarb Julia Agrippina nach 
einer rühmlichen Regierung von zehn Jahren. Die Geſchichte 
die den Verdacht großer Verbrechen auf fie ladet, gibt badu 
den legten Beweis für ihre großen Cigenfchaften. Während der 
fünf befien Regierungsjahre ihres Gatten und der fünf erften 
ihres Sohnes gab fie dem Reiche durch ſtaatskluge Verwaltung 
Frieden und Wohlftand und forgte durch Ermunterung ber 
Gelehrten für geiftige Aufllärung. Nicht weniger perfönlicd rei: 
zend, als geiftig bedeutfam, diente fie durch ihre Schönheit den 
beften Künftlern ihrer ſowol als der neuern Zeit als Muftes 
des Ebenmaßes und der Anmuth, und Roms größter Schrift: 
ftellee mag, indem er ihre fchriftflelleritche Thaͤtigkeit nutzte, 
gar Manches in feinem gedrungenen Styl der Kürze ihres in 
Spigrammen fprechenden Witzes zu danken haben. Ihre Feh⸗ 
lex gehören den ſchlechten Männern und dem fchledhten Zeitalter 
an, in welchem fie lebte, dem fchlecdhteften, das die @efchichte 
Eennt; ihre Zugenden und ihr genialer Geiſt gehören ihr felbſt. 
Sie erbte fie von Agrippa, dem Freund und Rathgeber des 
Auguftus, und von Agrippinen, der Gattin des Germanicus.” 
Diefe Charakteriftit iſt zugleich für die Behandlungsweiſe 
ber Berfafferin typiih. Den Infinuationen gegen Tacitus wird 
bie Literaturgeſchichte nicht unbedingt Glauben fehenken; ebenſo 
wenig wie denen gegen Seneca, befien „„Apocolocynthosis‘ Lady 
Morgan Agrippinen zufprechen will, weil bie Erbaͤrmlichkeit 
bes Helden ja von NRiemanben befier gelannt fein tonnte als von 
feiner Gemahlin, und weil jene „Broſchüre“ im Vergleich mit 


‚ben übrigen Schriften des „trockenen Sentenzenkrämers“ viel zu 


wigig fei. Der Tod biefes Philoſophen, den fie gleich feinem 
Collegen Burrhus fehr bitter deurtheilt, wird von ihr folgens 
dermaßen beichrieben : 

„Seneca flarb, wie er lebte — als Egoiſt und Heuchler, 
der Zartuffe einer firengen, Gelbftentfagung gebietenden Phi⸗ 
lofophie. Als das leidenſchaftliche Gefühl feiner ergebenen Gats 
tin ungebulbig in den Wunſch ausbrach, mit ihrem Gemahl 
zugleich zu fterben, nahm er gierig das Anerbieten an, ermuns 
texte fie zur Aufopferung und fah ohne Gewiſſensbiſſe ihre 
vollen jugendlichen Adern ihre Lebensflut binfirömen, während 
feine eigenen fo langfam bluteten, daß ex fidh ein warmes Bab 
bringen lich, um ihre Thaͤtigkeit zu befchleunigen. Als aber 
Paulina nieberfant, befahl Nero, ber mehr Grbarmen hatte 
als der Verf. des Wuchs „De clementia‘‘, ihre Wunden zu 
verbinden und ihr Leben zu retten. eines ehelichen Schlachts 
opfers bemaubt, wandte fi Seneta zu feinen Dienern, bie er 
mit Ergüſſen des Gelbfilobes und Hebemoralität erbaute, 
mit ber Bemerkung, daß er ihnen in Grmangelung anderer 
Bäter das Beifpiel feines Lebens vermache, deſſen Unftraͤflichkeit 
fie zum Mufter nehmen und fo Unfterblichleit erwerben follten. 
Nachdem er fo mit einer Lüge auf den Lippen feinen Freunden 
und Anhängern gezeigt, wie ein Philoſoph flerben könne, goß 
biefer After s Sokrates eine Spende für Zupiter ben Befreier aus 
und ergab ſich in fein Schickſal.“ 

Lucan, ber gleich Seneca bie Todesart wählte, „die damals 
für Gtotler von Stande Mode war”, wird nur darum ers 


wägtt, vu Seh bi Preis ‚inee Benabtin v —5 wel 
ee die „Ihwierigere jabe flellte, ihn zu überleben, aber, 
* in der — — ir 3 terwert, bern er feine unſiertiich⸗ 


d re HU > h 
t perdanken wöllte, iA8 Reine. zu ſchreiden“. Die Geſchicht⸗ 
fSrtlber aus ber Zeit Habrian's und dee Antonine, die Ber 
Aneser der. Fauſtinen und Plotinen, geben j einer Digreſſion 
ranlaffung, "welhe bon neuem Goethe —55 brwaͤhrt, 
daß uns die Thaten mancher Jahre im Noͤchbar aufgehen. 
„Sa allen Zeitaitern“, heißt es, „hat die Vereinigung von 
Geiſt und Schönpeit in einem Weibe felten und nur mir Wi: 
derwillen bei feinen Herren Anerkennung gefunden; und wies 
wol es der weiblichen Geiftesieerheit (wenn Leichtfinnig und 
bübfch) ohne Anftand erlaubt wird, ihr Glüd auf ihre Schwaͤ⸗ 
dm u gründen, fo fehlt es doch felten, daß nicht ber hö- 
-bern 


— vor Allem die der Kleinhändler in dem Gewerbe ber Titera: 
ben Verleumdung, bet denen ſich Neid und Habfucht paaren. 
r einen ſolchen Schleichhandel literariſcher Standalträmer 
waren bie Zeiten Hadrian's und ber Antonine fehr günftig.” 
Zu ftreng ift diefe Beurtheilung ber Scriptores historiae Au- 
gustae freilich nicht. Ihrer Schuld müflen wir es theilmeife 
Beimeflen, daß Lady Morgan in der Charakteriſtik fpäterer Nö: 
merinnen weniger plaftifch if. Auch bei Konftantin’s Mutter, 
Helena, bei deren Beurtheilung das Wert abbricht, ſcheint dies 
der Ball zu fein. Gin befonderes Intereffe hat die Verf. aber 
dem romantiſchen Charakter und Schickſale Zenobiens geſchenkt 
und ihr Kampf gegen Aurelian erſcheint in einem neuen Lichte. 
„Zenodia mit ihrer Geiſtesgroͤße und ihrem Mutterherzen ſteht 
da als ritterlicher Vertreter der moraliſchen Kraft und zarten 
Menſchlichkeit; fie Lämpft den Kampf des Geiſtes und bes Va⸗ 
terlandes für ihre Kinder und für bie geiſtige Entwidelung; 
Aurelian zieht zum Kriege aus, um bie Gewalt zum Rechte zu 
machen, die Macht auf die breiteften Grundlagen zu flügen, 
die Tyrannei auf die Spige zu treiben und durch den Wider: 
land Eriegerifcher Stärke alle Beſtrebungen des Fortſchrittes 
siiederzubalten. &o hing das Schickſal eines Reiches und durch 
dieſes Reich das Schickſal der Welt von dem Ausgange einer 
einzigen Schlacht ab, und biefe Schlacht war lang, blutig und 
urchtbar auf beiden Seiten. Zenobia's Anrüden war der An- 
gef eines Weibes, neckiſch und glänzend; die ſchwere Neiterei 
m Deere des Kaifers wich, aber durch Lift gewann Aurelian 
die Schlacht.’ 

Indem wir mit biefee Betrachtung von ben perfönlichen 
keiſtungen ber Verf. bis auf Weiteres Abfchied nehmen, müffen 
wir noch eine Eigenthümlichkeit berühren, welche das vorliegende 
Wert mit faft allen engliſchen Geſchichtswerken theilt, eine Art 
‚ber Auffaoffung des Alterthums, die zu der in Deutfchland übli⸗ 
gen einen feharfen Gegenſat bildet. Welches Bolt hat ein 

onverſations⸗ Lexikon der Beitgefchichte aufzuweiſen, welches 
Volk bedarf eines ſolchen Werkes ale das deutfche? nd wäh: 
rend der Deutfche felbft in der Gefchichte der Gegenwart nach 
Bbjectivitaͤt ringe, ſteilt ſich der Engländer felbft ber Vergan⸗ 
genheit ſtotz und keck mit feiner Subjectivität gegenüber, rich: 
tet und ſichtet durch fle allein, vergleicht und erreicht — die 
Anſichten und Richtungen, die ihm in der Gegenwart die theus 
etſten find. Middletons ‚„Leben Eicero’s', Mitford’s „Geſchichte 
von Griechenland““, Gibbon's Rieſenwerk und Anderes tft laͤngſt 
in feiner infeitigkeit erfannt und noch immer mit Glück flus 
diet, und man vergleiche z. B. Bulwer's Arbeit Über Athen 
mit ſeinen deutſchen Borarbeiterti, ‚oder, da fi} in Jugendſchrif⸗ 
ten bie nationale Richtung fo treu abdruckt, die Werkerfche 
„Beltgeſchichte mit den Gefchichtswerken, welche durch die Ges 
feufchaft zur Berbreitung gemeinnägiger Kenntriffe herauöges 
geben werden, namentlich den „Hiſtoriſchen Parallelen“ Dian 
möchte dieſe Anſchauungen des antiken Lebens mit den Betrach⸗ 
tungsmeifen der antiten Statuen vergleichen,‘ die im Tageslicht 
den Tünftierifchften Effert machen mufſen, dieſes aber, in Mus 


lenten zu Theil gewordene Eifolg die Selbſtliebe der. 
felbſtgenügſamen Ehrgeizigen unter beiden Geſchlechtern aufteizt 


« 


feen dufgeſtellt, nicht immer ganz To genießen Können, wie es 
ihnen nme Bel —— werben fie effect 
volle mie Zinn ent: ie, oft bün es uns, als woll: 
en fie von’ Ihren Geſtellen berunterfteigen, um ſich zu m 

in des Lebens bunte Reihen. N gen, nn arsen 





Llterarifhe NRottzen. 

Bon Dinocourt erſchien in Paris ein Roman unter bent 
Zitel: „Le sac de nuit de Sir Robert.” Hr. Bimoeourt 
ift ein productiver Schriftfteller und Eönnte bagegen profefticen, 
wenn man Balzac den fruchtbarften unter den franzöfifchen 
Romanſchreibern nennt. So nannte einer feiner Verleger ven 
Verfaſſer des „Père Goriot” wirklich, indem er ihm bamit der 
Himmel weiß, welde Schmeichelei gefagt zu Haben glaubte. 
In fettiem Buche „Le sac de nuit de Sir Robert” gibt uns 
Dfnocourt eine Reihenfolge von zwölf Novellen ober Epifoden 
verfchiebenen Genres, im Allgemeinen Sittenfchilderungen, die 
nicht ohne Wahrheit, aber ein wenig ſchwach umtiffen find und 
jene originellen Sprünge, jene brennenden und glänzenden 
Barben nit barbieten, womit die frangöfifchen Romanfchreiber 
häufig fo vielen Unfug getrieben haben. Dinoeourt fpeculict 
auf Feine heftigen Gemüthserregungen, auf Beine Erfchätterung 
des Nervenfpflems. Er fchreibt für ein ruhiges, friedliebendes 
Publicum, weldes in der Lecture eine einfache Berftreuung 
fucht und fi) für Graählungen intereffirt, in denen ſich hübſche 
Gefinnungen, ein moralifher Zweck und einige leicht ride 
Lehren finden. Unter diefem Geſichtspunkte wird es dem Bude 
Dinorourr’8 nicht an Beifall fehlen. Jedem feiner Sujets weiß 
der Verf. irgend eine nügliche Lehre, eine heilfame Moral zu 
entloden. &o iſt der „Abbé Thibault’’ beftimmt, das. Vor⸗ 
urtheil von ber falfhen Ehre zu bekaͤmpfen und das Duell der 
Verachtung ehrenhafter Leute anheimzugeben; im ‚Vergnügen 
bes Fuͤrſten“ ftellt ex die Vortheile der Demokratie dar, indem 
er an die monftröfen Misbräuche erinnert, wozu die Vorrechte 
des Adels ehemals ermädtigten; in der Erzählung „Le cur6 
de St.- Germain - des-Pres’’ tft im Beiſpiel aufgeftellt von 
den traurigen Folgen, welche die Irreligiofttät nach fich zieht, 
und von den Exceſſen, zu denen ein Menfch bingeriffen were 
ben kann, welcher die Grundfäge vergißt, die im bieffeitigen 
Leben der Halt des gefellfchaftlichen Zuftandes uud feine koͤſt⸗ 
lichſte Gewaͤhrleiſtung find. 


E. Lefrane, Verf. verſchiedener bie Erziehung ber Jugend 
betreffender Werke, Hat einen von ber königlichen Akademie zu 
Meg ausgefehten Preis erhalten. Tie Frage warı ‚Zu würs 
digen die Vortheile fowol als die Nachtheile, welche der Eins 
fluß der Hauptfladt auf den Geſchmack, die Sitten und deu 
Sharakter der Nation ausübt.” Man fieht, daB man in deu 
Provinzen Frankreichs den übermäcdhtigen Einfluß von ‚Paris 
wenigftens zu fühlen fiheint und ſich darüber Aufllärung vers 
ſchaffen möchte. In ben Hauptftäbten ber weſtlichen Departes 
ments, befonders in benen, welche im alten Reichsperbande was 
ren und, bewußt oder unbewußt, noch deutfche Elemente in fidh 
tragen, macht fi mehr und mehr das Beduͤrfniß nach Dicene 
tralifatton und größerer Unabhängigkeit von Paris geltend. 


Sin wichtiges Werk über Agypten erfcylen unter dem Als 
tel: ‚‚Apergu general sur l’Egypte,'par A. B. Clot- Bey!’ 
(2 Bde), mit einem Portrait Mohammed Alis und ficben 
eolorirten Karten und Plänen. Gtots Wei ift bekanntlich ein 
—— weicher ſeit 18 Jahren in Dienſten bes Paſchas von 

ypten ift und bas Land denmach genauer kennen muß eis 
alle gelebrten und ungelehrten Zugvoͤgel, die e8 im Fluge durch⸗ 
ſtreichen. Bon Demfelben erſchien ein anderes wichtiges Buch: 
„De la peste sbsurvee en Egypie; rec et cohsi 
rations sur cette ınaladie”, mit givel colorirten ‚Kupfertafein. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinzih Brod haͤud. — Drud und Berlag von F. A. Brodhaud in Leipzig. 


4‘ 


* 


Blätter 


fhr 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


Über EHeinruffifhe Volkspoeſie. 
(Beſchlus aus Nr. 281.) 


Zum Schluffe muß ich endlich geftehen, ‘daß biefe große : 
Anfiche über die kleinruſſiſche Wolspoerfle nicht etwa aus⸗ 
ſchließlich meine Meinung iſt, fondern ein ſolcher Werth 
wird ihnen auch von andern hochgebildeten und kritiſchfor⸗ 
(henden Slawiſten ertheilt. Ich babe diefe Meinung zum 


Theil aus eigener Anfiht, zum Theil aus den Schriften 
und Auffägen, die ich darüber gelefen, gebildet. Um aber 
mein Urtheil auch vor dem beuefchen Publicum zu recht: 
fertigen, ſtelle ich aus dem reichen mir unter den Händen 
liegenden Materiole nur einige der erften ber beflen Kieder, 
wie ich fie überfegt habe, vor die Augen befjelben und 
erwarte das Urtheil der Kritik mit der heißen Sehnfucht, 
zu wiffen, ob ich es mit Recht bedaure, daß ein fo gro: 
Ber Schatz des Schoͤnen nur darum noch feinem Deut: 


hen zugänglich ift, weil man für ſlawiſche Dinge fo fel- 


ten einen Verleger findet. 


Die tatarifhe Gefangene. 


Nacht iſt's und kein Hähnchen Erähet, 

Nicht die Let’ im Dorfe wachen: 

Beh! da firigt des Kauches Wolke 

Und mit Ihe Tatar'n, bie jachen. 

Ales wird geraubt, geplündert, 
In die Knechtſchaft weggetrieben; 
Und bie ſchwer bepadten Roſſe 
Geißeln fie mit ſchweren Hieben. 

Der Tatar jagt b die Wildniß, 

Eine Alte fe am Riemen, 

Sie verweint die alten Augen, 

Blutend flarrt ber Fuß von Striemen. 
Tag und Nacht, dur Stepp’ und Waſſer 
Sagt er heim im Sturm und Regen. 
Und er ſteht vor feinem: Hofe 
Und fein Weib tritt ihm entgegen: 

„Sei gegrüßt mie! hai! ba haſt du 

Soldne Münzen, Ohrenringe, 

Und aus Polen felbft die Sklavin, 

Die ich die zum Dienſte bringe. 

Dreifach fei nun ihre Arbeit: 

‚ Mit dem Aug’ die Heerde weiben, 
‚Mit dee Hand ben Roden fpinnen, 
Mit dem Fuß das Kinblein wiegen. — 

Mit dem Aug’ die Heerde wacht fie, 

Mit der Hand den Rocken fpinat fe, 


—7 Nr. 252. — 





8. September 1840. 


nr m nn 





Mit dem Zuß das Kleine wiegt fie, 
Und dem Kinblein fingend fiant fie: 
D Tatare luli! luli! 
Du mein Enkel nach der Mutter; 
Nicht mehr kennet mich die Tochter, 
Weh! ſie kennet nicht die Alte. 

„Sklavin, ſprich, wie du mich kenneſt!“ 

Die Tatarin ruft es bange. 

„„Als dich badete die Waͤrt'rin, 

Fiel ein Funk' auf deine Wange.““ 
„Mutter mein! wirf weg die Linnen, 
Nimm ben Bobelpelg, nimm Beide. 
Sehn' nicht mehr dich nach Poboljen, 
Trage unfer Goldgeſchmeide.“ 

mu Mehr als euer Boldgefchmeide, 

Befler ift mein grobes Linnen. 

Du wohl — Haft nichts zu erfehnen — 

Nach Poboljen geht mein Sinnen.‘ 


Das Kampffelb 


Ernte war's und auf den Huren 
Lag ber Saaten reihe Babe; 
Sonn’ erfcheint, im Morgenthau liegt 
Lei” an Leiche, Hauf’ au Haufen. 
Bon Korall’n ein Meer — und Perlen 
Srängt und glüht’s von Menſchenblute. 
und beim näct’gen Lager ftehend 
Der Koſak wacht für die Bruder; 
Wiſcht den Thau von eif’ger Stirne, 
Klaget ob dem feuchten Holzſtoß, 
Fraget ihn mit bürrer Lippe: 
„Barum brenneft du nicht, Holzſtoß, 
Als mir Müh’ beim Braun des Tages 
Ich entzündet dich?“ — „„Richt bremm’ ich, 
Bin mit Juͤnglingeblut getunchet 
Bon Koſaken und von Lechen““ (Polen). 
Hier entglomm der Feinde Wüthen, 
Hier dreihundert Pfeile ſchwirrten, 
Hier drei Ströme Blutes floffen, . 
Hier dreihundert Seel'n entflohen.‘ 


Rur Sin Hauf hat fie gerochen, 


Der Tataren Kraft gebrochen. 


* ” * 

Durch bie Eichen ſchimmert Mondlicht, 
Von den Eichen ſtroͤmen Heere 
kaͤrm ertoſet, Rauch erhebt ſic 
Rechts und links — und Glied an Gliede 
Glaͤnzt im Sonn'ſtrahl; 8’ find Koſaken 
Abgetheilet in vier Zuͤge, 
Drei Huſaren, — ein belanzter. 
Drin die Rodt tatar’icher Scharen, 








Peitſchen Enallen, Elfen klirren, = 
Und der Wagen Räder Enarren, 

Kühren reiher Güter Menge, 

Was geraubt fie und erbeütet. 


* %* 

So umringt vom NRäbderfnarren, 
Braun die Wange, Hell bie Stirne, 
Reitet, feine Scharen führend, 

Ein Kofakenfohn vor ihnen; . 

Zrägt mit Blut befprigte Ruͤſtung, 
Zummelt ſtolz das Roß des Khanes; 
Kleid und Degen, Dolh und Bogen 
Und die Pfeile felbft im Köcher: 

Alles fiel ald hell der Beute 

An der Baporoger Führer. 

Wie des Hetmans — glänzt fein Auge, 
Do das Roß des Tartarkhanes 
Springt und wiehert, wie bem Khane. 
Kräftig fchlug er defien Herren, 

Hatt’ ihn ja im offnen Felde: 

Kaum fprang auf er — wie ein Zeufel — 
Haut den Schäbel er zur Erde; 
Schwarz bie Seele 7 nahmen Teufel. 


r %* 

Immer größer wirb bad ofen, 
Froh der Hetmann, laut die Scharen, 
Lärm betäubt die nahen Berge, 
Wagenburg flürmt nad den Scharen. 

Dort im Walde gudt der Kukuk, 
Weint die Mutter, fucht den Sohn bort, 
Bricht die Hände — klagt den Winden 
Heiß den Schmerz mit dürrer Lippe; — 
Geht, mit Blut das Herz umronnen, 
Bon Sefallnen zu Gefallnen; 
Weit die Flur — und eich’ an Leiche, 
Schwer wird's dir, zu Eennen, Mutter, 
Deinen Sohn; die rohen Säfte 
Schaͤndeten fein junges Antlig, 
Kiffen aus dem Kopf bie Augen, 
Fraßen fein Gehirn im Schädel, 
Unterm Felſen auf dem Berge, 
Kramm gefchnabelt, ſchwarz gefiedert 
Sigt ein Rab’, entriffen feinem 
Bruber, ein Stüd Fleiſch in Krallen, 
Frißt mit Luft die leckre Speife, 
Hört den Jammer, neigt fich winkend: 
„Alte Mutter, geh nach Haufe, 
Nimm die Hand voll Sand unb fäe 
Auf ein Beet ihn unter Blumen, 
Rep ihn täglich reich mit Thraͤnen; 
Geht er auf vom weichen Erdkloß, 
Kehrt dein Sohn heim — ohne Zweifel.” 


Sind drei Brüder! Schon brei Jahre 
Iſt der ein’ im Krieg erfchlagen. 
Wo die Tanne grün ſich nabelt, 
Liegt der Bruder tobt im Sande. 
Rab’ am Fuße, Roß am Haupte, 
Kliret am Schwert, droͤhnt mit dem Hufe, 
Graͤbt ein Grab, ſchon bis zum Knie tief — 
'S iſt ihm leid, ben Deren zu laflen.... 
Steh’ nicht, Roß, klirr nicht am Schwerte; 
Ach, ich ſeh', ſeh' deine Treue, 
Über Schluchten, über Fluren 
Fliege heim, bu lieber Rappe, 
Mit der Dämmerung ſteh' am Ihore, 
Klirr' am Schwert, dröhn mit dem Hufe. 
In die Händ die Brüder klatſchen, 
Gehn aus, nehmen blanke Waffen. 


1014. 
u} ” . . 
< I Abgehärmet fragt bie Mutter: 





„Wo, mein Roß, haft bu den Herren?“ — 
„„Beithin ging mein junger Herr bort — 
Hin zu iuſt'gem Bochzeitfchmaufe; 
Dort im Haine weilt fein Liebchen, 

Auf dem Hügel, an dem Baͤchlein; 


‚Hocgeitkteider naͤht der Lenz ihm, 


Hochzeitsreigen ſpielt die Kiefer, 


Zufig — leicht ein Chor bedient im, 


Winde find des Bräut'gams Führer, 
Rebel find der Braut Jungfrauen. 
Ungählbar die Schar ber Diener; 
Raben, Doblen, Atftern, Kräben; 
Thau bereitet ihm die Bäder; 
Silberfand freut ihm das Lager; 
Dichter Nebel — feine Dede 

Und der Hügel — iſt fein Liehchen 


Am Oftroger Walde 
Steht ber Feind im Lager; 

Ginen Leichnam bringt nach Oſtrog 
Der Koſake hager. 

Wie die Menſchenſcharen 
Ihn beforgt umringen, 

Ihm ben jungen Blutfluß hemmen, 
Ginen Arzt ihm bringen. 

„Brüder, meinen Wunden 
Sf ein Arzt gefunden: 

Unfern in der Zelle duͤſter 
Wohnt ber alte Priefter.‘‘ 

„Winde! weht aus Polen, 
Wehet aus Lithauen! 

Zragt die Seufzer meiner Sehnfucht 
Sn die heim'ſchen Auen.‘ 

„Sagt's den theuern Meinen, 

Daß fie nicht vergeffen 
‚ Mein zu denten im Gebete 
Und bei Heil’gen Meſſen.“ 

Und die Windesboten 
Schnell die Botſchaft bringen. 
Vater, Bruber weint, — bie 
Mit dem Tode ringen. 

Nur bie einz’ge Mutter 
Kann dee Sram nicht töbten: 
Jeden Zag bei heil’ger Meſſe 
Sicht man heiß fie beten. 

Die Oftroger Eb’ne 
Diftel reich bedecket; 

Todt zu Difteln und Cyanen 
Der Koſak ſich firedet. 

Zum Begräbniß kommen 
Scharen ſchwarzer Bäfte 
Bon ben Feldern, von den Wäldern, 
Bingen wie zum Feſte. 

Keines Priefters Segen — 

No der Sloden Klage — 
Naͤchtger Weite kraͤchzt die Eule 
Und ber Rab’ am Lage. 


Schwarz ber Acker aufgeackert, 
Ringe mit Gärten eingeheget, 
Rothes Blut hat ihn gebünget, 
Menſchenleichen ihn geegget. 

Bei den Leichen Tiegt ein Leichnam, 
Stöhnt mit tiefem Grabeslaute; 
Reißt bie Kugen auf — ſchon ſterbend — 
Doc es ſchlafen fefl die Bruͤder. 


Schweſtern 


⁊ 


Hot nit Water, Hat nicht Mutter — 
Keine Ihräne, bie ihm falle, 

Keine Hand, bie ihn begrabe, 
Keine Glocke, die ihm fchalle. 

Pferde läuten mit ben Hufen, 

Mit den Sporen ihm die Krieger; 
Schwarzer Raben Scharen kommen, 
Frefſen die Iebend’gen Glieder. 

Und dem Kampf die Mutter fluchet; 
Rings den Sohn mit Schmerz fie fuchet: 
„Deinen Sohn! — ich kenn' ihn, Eenn’ ihn, 
Riß ihm aus dem Kopf die Augen.” 


Auf der Flur glänzt weiß die Birke, 
Laut ruft dort der Kukuk traurig, 
Fragt zur Blur binauf mit Seufzern, 
„Warum grüneft du nicht, Wirke?‘ 
Ay! wie fol ich jeht denn grünen; 
Hier zerſchlugen die Tataren 
Ihre Wagen, durch die Auen 
Klirrten Saͤdel, ſchnoben Hoffe, 

Zog die blaſſe Schar Gefangner; 
Wild Geſchrei erſcholl im Schwarme, 
Unter ihren ſcharfen Meſſern 

Fielen Köpff und Baumesſtaͤmme: 
Mitten ſtrahlt die Feuerſaͤule, 
RKingsumher geſpießte Köpfe! — 


Des Koſaken Ruͤckehr. 


Sieben Jahr iſt der Koſak dem Don fern, 
Kehrt zum lieben Don zurück im achten. 
Finſtre Nacht ereilt ihn auf der Steppe; — 
Er erquickt durch Schlaf bie müben Glieder, 
Bindet feft fein Roß am Gichenafte, 
Wirft zu fchlummern hin ſich auf den Hügel. 
Ha, ba Eriecht zu ihm ein ſchwarzes hier hin. 
Rein — es ifi die Mutter zu bem Sohne. 
„Reite heim, Kofake, heim zum Donfluß, 
Dv ift Alles, wuͤſt' in deinem Hofe; 
VWehe, beine Battin bat ein Anbrer; 
Deine Kinder find verwalft, — die Diener 
Bios und hungernd ohne Herren; 
Richt ein Stück ift mehr von beinen Roͤcken, 
Abgerifien von bem Meth die Giegel. . ." 
Der Koſake ftürmt zum Don heim. 
Schaut nach ihm fein junges Weib durchs Fenſter, 
Läuft entgegen ihm mit offnen Armen. 
Der Koſake faßt fein Schwert — ben Nacken 
aut er duch — ihr — weh! fie ſtürzt zur Erde. 
Auf den Hof nun tritt er, auf den eignen; — 
Rings der Hof, ein Kranz gar fchön und herrlich; 
um ben Tiſch die Kleinen Kindlein figen, 
Schreiben mit der Feder — willen Vieles. 
Gürtel ſticken treu in Gold bie Diener 
Für den Deren, und — negen fie mit Thraͤnen 
Um bie Frau. — Wie er die Kammer Öffnet, 
Starrt der Schrank voll Linnen und Gewänbern ; 
Wie er loͤſt die Riegel von ben Kellern, 
Steht in Faͤſſern Honig übermobert; 
Und er biidt in eine andre Kammer: 
Da liegt ſchwarz das falſche Thier — bie Mutter. 
„Ha! du, Mutter, warf mir einz’ge Wonne; 


Seht mir nichts mehr — bift ein ſchwarzes Unthier; 


Eraß’ft bie Sonne mir, den Mond — ben hellen; 
Ariß nun aud die Sternlein — friß die Kinder.’ 


J. P. Jordan. 


1016 


Die Hausmuſik in Doutfchland in dem 16,, 17. und 1& 
Sahrhunderte. Materialien zu einer Gefchichte berfelben, 
nebft einer Reihe Bocal: und Snftrumentalcompofitlos 
nen von H. Ifaac, 2. Senft, L. Lenin, W. Heing, 
9. L. Haßler, 3. 9. Schein, H. Albert u. A., zur 
nähern Edlduterung von Karl Ferdinand Beder 
Leipzig, Frieſe 1839. Gr. 4. 1 Thlr. 8 Gr. 


Die unter dieſem Zitel erſchienene Schrift des fleißigen 
Hrn. Berf. bietet, ungeachtet der Neuheit des Begenflandes, ber 
Kritik noch keinen feften Standpunkt ber Beurtheilung. Sie 
befteht nämlich in zerſtreuten Vorarbeiten, welche fpäter zu eis 
nem wiſſenſchaftlich georbneten, in ſich abgefchloffenen Werke vers 
einigt werden follen, zu einer Geſchichte der Hausmuſik, von 
welcher fie bis jent aber nur Andeutungen geben. Ob übers 
haupt bie Hausmuſik, unter welcher der Hr. Verf. eine Kam⸗ 
mermufit im engern Sinne verfteht und wozu ex alle Heinern 
Zonftüde für Geſang und für Inftrumente rechnet, welche nie 
oder doch nur ausnahmaweife eine Stelle im Concertfaale fin 
ben; 0b biefe Muſik des 16., 17. und 18. Zahrhunderts bie 
ftortich zu verfolgen fein wird, ob es gelingt, fo tief, als eine 
treue Darflellung es nöthig macht, in bas häuslich mufikalifche 
Erben befonders der frühern Zahrhunderte einzubringen, ob end= 
lich diefe Muſik Hinreichenden Stoff zu einer befondern Geſchichte 
berfelben darbietet — Alles dies muß babingeftellt bleiben bis 
zur Herausgabe bes vollfländig ausgeführten Werks, welches 
dann der eigentliche Begenftand ber Kritit wird. Es Tann bier 
alſo vorläufig nur auf die Arbeit des Berf. aufmerkfam ge 
macht und dann angeführt werden, was er als Material und 
wie ex dies aufgeftelt hat. 

Rah einer kurzen Ginleitung, in welder ber Begriff 
„Hausmuſik“, wie weiter oben, feftgeftellt ift, folgen unter be 
ſondern Überfhriften neun verſchiedene Abfchnitte (S. 8— 70) 
dann von ©. 72—123 mehre fehr fauber gedrudte Mus 
fitbeilagen, von benen manche vielen Eefern willkommen fein 
werben. Im erflen Abfchnitte: „Tonſtücke für den Gefang‘, 
werben beutfche Volkslieder aus dem 14. und den folgenden 
Jahrhunderten befprochen, einzelne Texte berfelben und ganze 


I umfaflende Sammlungen angeführt; demnaͤchſt wird eine Vers 
gleichung zwiſchen den Liedern bes 17. Jahrhunderts und denen 


feüherer Jahrhunderte angeftellt, woraus hervorgeht, daß das 


1 einftimmige Lieb mit Begleitung einer bezifferten Baßftimme 


erft dem 17. Jahrhundert angehört. Im zweiten Abfchnitte: 
„Sonftüde für Zafteninftrumente”, folgt, nad) Erwähnung ber 
feit dem 14. Jahrhundert gangbaren Inftrumente, die Beſchrei⸗ 
bung einiger Werte fürs Glavier; aus einem berfelben (von 
Ammerbady, Leipzig 1571) theilt der Verf. die Beſchaffenheit 
der damaligen Glaviatur, der Tonſchrift (deutſcher Tabulatur) 
und ber Stimmung mit und madıt bie Bemerkung, daß bie 
Sompofitionen der gebructen Werke jener Zeit in Arrangements 
von geiſtlichen Gompofitionen, Volksliedern und Taͤnzen beftes 
ben, welche erſt im 17. Jahrhundert durch die fogenannte Suite 
ein aus Frankreich flammendes Zonftüd) verdrängt wurben. 

ben biefe Slavierjuite wirb im folgenden Abfchnitte weitläus 
figer abgehandelt, wonach dann im vierten Abfchnitte die Glas 
vierfonate — als die eigentliche Hausmuſik — ben ‚pauptaes 
genfland bildet. Die ber neuern Sonatenform entſprechende älz 
tefte Sonate ‚findet ber Verf. in Job. Kuhnau's, Gantors an 
ber Thomasſchule ji eeipnlg (geb. 1667, geft. 1722), „Neuer 
Stavierübung‘ (Leipzig 1695). Der fünfte Abfchnitt: Fonma⸗ 
lerei”‘, findet unter den Materialien au einer Geſchichte der 
Hausmuſik einen Plag, damit „eine Reihe ber verſchiedenartig⸗ 
fen Zongemälbe kund thun möge, daß es immer und zu allen 
Zeiten berühmte Tonſetzer gab, welche die Kräfte der Kunft dfa 
ters verfannten, bie ärgften und brolligften Dtisgriffe begingen 
und höcftene durch ihre verfuchten Zonmalereien ein Lächeln 
ber Zuhörer hervorlocken, doch nie damit einen tiefen, bleiben⸗ 
den Eindruck machen konnten“. Der fechöte Abſchniti beſpricht 





1016 


Die Saute als ein in Deutſchland Jahrhunderte hindurch In Ohren | 


erhaltenes Lieblingsinftrument und führt verfihiedene Serke 
für dies Inftrument an. 
ni Abhandlung über Applicatur auf ben Taſteninſtrumenten 


m früherer Zeit, 


achten Abfchnitte: „Volkslied und Choral“, abgefchloffen wers 
= den; In dieſem Iegten Abſchnitte wird durch mancherleti interefs 
Tante Belege dargethan, daB manche unferer Choraͤle durch Um⸗ 


mobelung weltlicher Liebermelodien entftanden find. Als ein bes 


fonderer Anhang Hierzu folgt ſchließlich ein Werzeichniß einiger 
aus weltlichen Melodien entftandener Choräle. 

Sm Ganzen genommen liefert das vorliegende Wer einen 
dbermaligen Beweis, wie vielfach in neuerer Zeit die Geſchichte 


der Zonkunft durch fleißige Nachforſchungen und Arbeiten zur 
Aufnahme gebracht wird, befonders wenn ſich einzelne Schrift: - 


ſteller nicht mit einer Univerfalgefchichte, fondern, wie der fort> 


während thätige Hr. Verf., mit einzelnen Zweigen berfelben 


ganz fpeciell befchäftigen. 92 





Literarifhe Notizen. 


Ungeachtet der Theilnahme, welche das natürlidde, dem 


Zeiden jeder unterdrüdten Natlanalität zugewendete Dritgefügt 
‘in unferer Zeit auch dem -unglüdlichen Irland ſchenkt, ift doch 
Dei uns im Allgemeinen die Kenntniß feiner Zuftände nicht 
immer eine ins Ziefe gehende, noch die Erläuterung derfelben 
durch den gefchichtlihen Verlauf feiner Scidfale uns hinlaͤng⸗ 
lich vertraut, fodaß es ficher der Mühe werth iſt, auf jede 
Erſcheinung aufmerkſam zu machen, welche über einen der Be: 
achtung fo würdigen Begenftand Licht zu verbreiten im Stande 
iſt. As ſolche iſt zu bereiäinen „Autobiography of Archi- 
Bald Hamilton Rowan. ith additions and illustrations by 
W. Hamilt. Drummond.” Haftet auch an jeder Biographie 
— vorzugsweife aber an Selbflbiographien — der eigenthümliche 
Mangel, uns außer dem nur gerade die betreffende Perföntichs 
Belt angehenden Beiwerke für die Geſchichte auch 
Indididnum einen felten von dem Hauche der Subjectivität un: 
etsäbten Spiegel aufzuzwingen, in welchem wir erft bie ob⸗ 
—*8* Geſtaltung der Geſchichte erdlicken Zönnen, fo bleiben 
doch auf der andern Seite die Vortheile, welche diefelbe für die 
Erklaͤrung gefchichtlicher Motive fowie deren praktiſche Würbt: 
gung bietet, unverkennbar. Gerade an Rowan beftätigt ſich 
die Wahrheit bes letztern aufs augenfcheintichfte: Teine ganze 
Derfönlichkeit iſt das treuefte Bild des Geiſtes, welcher die der 
Union von 1801 vorhergehenden Kämpfe des unterdrädten iri⸗ 
fchen Volkes hervorrief. Durch mannichfaltige Maͤngel und Zehl: 
griffe feiner Jugenderziehung bereits behindert jene moralifche 
Stärke zu erringen, die unter allen Berbältniffen ihrer feldft 
Meifter zu bleiben vermag, und ihn vor jugendlihen Fehltrit⸗ 
ten hätte bewahren Zönnen , wußten doch feine trefflichen Gei⸗ 
ſtes⸗ und Herzensgaben ihre natürliche Entwickelung zu finden 
unb gaben fich in einer feltenen Aufopferung, in glähender Liebe 
u Recht und Vaterland und einem unermüdlidden Gifer für 
Fine Mitmenfhen Wohl kund, währent feine Fehler faft nur 
einer falfchen Richtung feiner Zugenden oder in einer Er⸗ 
Hebung über die Lalten Berechnungen der gemeinen Verhaͤltniß⸗ 
zmoral befanden. Es war daher nicht anders als natürlich, 
daß er an den Bewegungen zu Gunſten feines Vaterlandes 
Lebhaften Anthell nahm, ohne eo bie hinlaͤngliche Vorſicht 
zum Schutze gegen verderbliche Folgen für ſeine Perſon anzu⸗ 
wenden. Er warb wegen des berühmten Aufrufs an bie Frei⸗ 
willigen zu zwei Sahren Se fängniß und 500 Pf. St. Gelds 
Krafe verurtheilt; aber die fluchwuͤrdige Politik, deren fich Eng⸗ 
land bediente, glaubte ſich dadarch noch nicht hinlänglich ges 
raͤcht, ober Rowan no nicht unſchädlich genug gemacht 
zu haben; fie ließ ihn durch erlaufte MWerräther im Gefäng: 
niſſe ſelbſt zu einer Verhandlung mit ber franzöftichen Revolu⸗ 


Der ſiebente Abſchnitt enthält eine 


ein @egenftand, der mit der Zonmalerei wol 
nicht direct in diefe Materialien gehört, welche endlich mit dem ' 


noch in dem. 





tionsregierung verteilten, welche fhn unfehldar Hätte bem Hen⸗ 
ker uͤberliefern muͤſſen, Hätte er fein Leben nicht durch vecht⸗ 
eitige Flucht aus dem Gefängniffe gerettet. Es iſt dies uns 
reitig die intereffantefte Partie des ganzen Buchs, indem fie 
bie ganze Schlechtigkeit des Macchiavellismus der damaligen 
englifhen Regierung aufbedt unb ihn für alle Bolgezeit brand: 
markt, fodaß das Buch auch für die Gegenwart in biefer Be⸗ 
ziehung, einigen in der heurigen Parlamentsfigung vorgeloms 
menen Bemerkungen nad) zu fließen, eine wichtige praktifche Bes 
deutung hat. Rowan begab ſich nach Frankreich und Amerika, 
kam daſelbſt mit ben einflußreichſten Perfonen dieſer Länder im 
Berührung , bie ihm endlih, nachdem man die Schaͤndlichkeit 
des gegen ihn gebrauchten Verfahrens erkannt hatte, bie Er⸗ 
laubniß zur Rüdkehr in fein Vaterland zu Theil warb. Trot 
ber erduldeten Leiden verfhmäht er es, das Publicum aus 
Sweden ber Race aufzuregen, unb in Betracht, daß biefe 
Biographie zunächft mit Rüdficht für feine Kinder geſchrieben 
war, iſt er weit entfernt, die Rolle des Hamilkar zu wieder⸗ 
holen, und thut nicht das Minbefte, Jemanden Sympathie 
mit feinen Anfihten und Handlungen einzuflößen: die Thaͤt⸗ 
fachen allein find feine fprechenden Beweife, 


3u ben mannichfaltigen Bereinen in England, beren ausges 
fprochener Zwed in ber Herausgabe feltener, die eUtägliche lice⸗ 
varifche Neugierde, wie das höhere wiffenfchaftliche Jntereſſe 
befriedigender Werke und deren Verbreitung unter eine möglichft 
große Anzahl von Lefern zu dem möglichft niedrigen Preife bes 
ſteht, vote dergleichen die Camden society, die Percy society 
und die Historical society of science find, ift in ber Iehten Zeit 
eine neug getreten, eine Shakspeare society, Man darf, wie dies 
ſchon au6 den gegebenen Andeutungen erhellt, fich burch ben 
Namen nicht verführen Lafien, an bie verkehrten Richtungen 
fih zu erinnern, deren fi) namentlich in frühern Zeiten aͤſthe⸗ 
tifche Vereine unter einem in Aufern aͤhnlichen Banner fdyuls 
dig gemacht haben; der Zweck des in Rede ftchenden Vereins 
ift vielmehr die Beleuchtung bes Dichters durch Veröffentlichung 
feltener Hanbfchriften und Werke, namentlich folder, welche 
auf bie zu Brauch und Gitte in Bezug ftehenden Theile feiner 
Gedichte Licht zu werfen vermögen, ſowie Beranichamlichung 
feines geiftigen Wirkens durch Wezeichnung des ihm zu Bebote 
seftanden habenden Materials. Der :WBerein .Hofft bauch ver⸗ 
einte Kräfte diefe von einzelnen ehrenwerthen Beſtrebungen vers 
fehlten Zwecke zu erreichen; die jährlide Subſcription beträgt 
1 9f. St. Sewiſſermaßen einen Gegenfas zu bem vorigen 
bilder ein gleichzeitig in Dublin entſtehender Verein gur Samm⸗ 
lung und Beranflaltung bes Druds feltener auf bie Gefihichte 
und Alterthämer Irlands bezüglicher Handſchriften und Werke, 
welcher aber die Zahl feiner Mitglieder auf 300 beſchraͤnkt, 
ſowie auch den allgemeinen Vertrieb der von ihm beransgegebes 
nen Schriften unterfagt. Der Verein hat beveits die Billigung 
und Unterflüägung vieler ausgezeichneten Perfonen exhalten. 


Auch in England iſt von 3. Brodie ein neuer Verſuch ges 
macht worden, bie Urgefchichte der Wöller und ben gemeins 
ſchaftlichen Urfprung der einzelnen Bölfermaffen auf den ſprach⸗ 
lien Boden m begründen. Das betreffende Werk Brodies tft: 
„Ihe alphabet explained, or the science of artieulate 
sounds, in connexion with the origin and history of nations.‘ 
Richt die Etymologie Hk es, welche Wrobie zum Drgane feiner 
Erklärungen macht, fonbern, wie es fehen der Titel des Werkes 
errathen läßt, ift deſſen Grundgedanke: die charakteriftifche Aus⸗ 
fprade ber verfchlebenen WBölker charakterifirt ihre ethnologi⸗ 
fche Verwandtſchaft; denn die verfchiedenen Stämme des Mens 
fihengefchlechte nehmen in Gemaͤßheit ihrer Sprachorgans und 
deren ſpecifiſcher Modifitation gewiffe beflimmte Laute an, wähs 
send fle andere verwerfen,, beren beiderſeitige Entdeckung das 
einzig fichere Kriterium für bie ethnologifdhe Giaffifeirung ber 
verwandten Stämme bildet. 7. 


VBfgrantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockkhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwod, 


— Nr. 253. — 


9. September 1840. 





Die neueſten Erſcheinungen in der Literatur uͤber 
Schiller. 

Man hat es mit Recht als eine beachtenswerthe 
Wendung unſerer Literaturintereſſen angeſehen, daß bereits 
ſeit einigen Jahren das ruͤckwaͤrtsblickende Janusgeſicht 
derſelben nicht mehr ſo ausſchließlich als eine lange fruͤ⸗ 
here Zeit hindurch auf den einen Heros der juͤngſt ver⸗ 
gangenen Periode, auf Goethe, ſondern mit einer, dem 
aͤußerlich haftenden Blicke nur gering erſcheinenden, dem 
innerlich pruͤfenden Auge aber ſehr bedeutend ſich zeigen⸗ 
den Wendung auch und zum Theil noch mehr auf ſeinen 
großen Zeit: und Geiſtgenoſſen Schiller ſich gerichtet hat. 
Diefe Bemerkung konnte noch vor Eurzer Zeit, wie es 
auch von dem Berichterſtatter über eine berartige Litera: 
turerfheinung in db. Bl. *) gefchehen ift, nicht anders als 
mit freudiger Anerkennung ausgefprochen werden; denn 
man war berechtigt, den Impuls zu bisfer Wendung in 
eben dem Grade in den Tiefen des beutfchen Charakters 
zu finden und feine Solgen als Sortfchritte zu bezeichnen, 
in welchem Grade er von ben Höhen einer tüchtigen 
MWeltanfhauung und einer zeitgemäßen Pbilofophie aus: 
ging und die Schriften, in denen jene Wendung ihren 
Ausdruck fand, als Refultate einer gediegenen und ſcharf⸗ 
finnigen Forſchung erfchlenen. Leider! mifcht fich aber der 
Betrachtung unferer neueften Literatur über biefen erhabe⸗ 
nen unb würdigen Gegenftand ein gewiſſes unbehagliches 
Gefühl bei, das — wir müffen nochmals fagen leider! — 
wiederum durch eine bedauerliche Richtung literarifcher Thaͤ⸗ 
tigkeit, die in unferer Zeit bedenklich überhand nimmt, 
hervorgerufen wird. Wäre, was an Erklaͤrungs⸗, biogra⸗ 
phifch = kritifchen und andern Verfuchen über Schiller in den 
Kreis der Literatur tritt, auch immerhin nur auf der Stufe 
des Verſuchs geblieben, fo würde doch das alte Spruͤch⸗ 
wort ſchon das Wollen hierin dankbar anerkennen heißen, 
und hoͤchſtens wäre die Schwachheit des Zeitalter6, nicht 
feine Schlechtigkeit in Anklagefland zu verfegen. Wenn 
aber auf einem fo engen Kreife, wie ihn biefer Literatur: 
abfchnitt darbietet, neben Werken wahrhaft philofophifcher 
Betrachtung und gefchichtlicher Forfchung auch Bücher ſich 
zeigen, die den wahren Grund ihrer Eriftenz nur in der 

*) In der Anzeige über den erſten Theil von Hinrichs’ Schrift 

über „Schillers Dichtungen” in Nr. 271 db. 8 N 10. 
. Red. 


Bezeihnung haben, daß das „beliebte Schiller: Format” und 
die Sucht eines Theils unferer Zeitgenoffen nach encyklos 
pädifch bequemem Wiſſen paflende Factoren zur Erzielung 
eines guten Products bet der naͤchſten Meßabrechnung fein 
koͤnnten — fo iſt jener unangenehme Gefuͤhlsbeiſchmack 
wol genügend erklaͤrt. 

So viel im Voraus als ein allgemeines Ergebniß ber 
Lecture nachftehender Schriften, wenden wir uns jest mit 
hoher Anerkennung zu 


1. Schiller's Dichtungen nach Ihren biftorifchen Beziehun⸗ 
gen und nad ihrem Innern Zufammenhange von H. 
F. W. Hinrichs. Zweiter, dramatifcher Theil. Erſte 
und zweite Abtheilung. Leipzig, Hinrichs. 1839. 8. 
3 Ihr. 2 &r. \ 

Die Auffaffungsipeife biefer Schrift ift bereits aus 
bem erſten Iprifchen Theile befannt, der in der verfchieden: 
artigften Weiſe befprochen worden ift, dem aber felbft die 
entfchiedenften Gegner das Verdienſt einer Annerlichkeit 
und Tiefe der Anfhauung und Erläuterung Schiller'ſcher 
Poefien nicht abftreiten innen. Um bei der Beurtheis 
lung bes vorliegenden zweiten Theils dem Lefer wenigftens 
eine geroiffe Garantie für das Vermeiden von Abwegen 
flellen zu können, wollen wir zunaͤchſt, was Hinrichs ſelbſt 
über die Aufgabe des Buches fagt, erwähnen. Es heißt 
in der Einleitung ©. ıxx: 


Humboldt fagt: „Ich glaube, nie ift es einem Dichter ges 
ungen, fo beftimmt einen felbfigezeichneten Weg zu verfolgen, 
ale Sdiler. In ihm Tann das Niemand verkennen, wenn man 
feine Städte, wie fie nacheinander gefolgt find, vergleicht.” Dies 
fer Weg ift kein anderer als der bes Geiftes und ber Freiheit. 
Wir befanden uns gleich im erften Theile diefer Schrift auf 
der Stufe des Beiftes, und awar auf der der unmittelbaren 
Empfindung, welche die Liebe iſt. Wir fahen, wie er fih zum 
Bemwußtfein auffchloß, zur Worftelung, und fich in der Wirk⸗ 
lichkeit des Lebens zur fchönen Individualität erhob, wie er fi 
aus ber unmittelbaren Ratürlichleit zur Sbealität und Schoͤn⸗ 
beit befreite und ſich in ber Gewißheit feiner felbft zur That 
und Handlung beftimmte. Aber zunächft willkuͤrlich, im Wider: 
ſpruch mit der Nothwendigkeit, dem Geſetz, welches ber allges 
mein vernünftige Wille if. Da jedoch feine wefentliche Beſtim⸗ 
mung nicht der Gegenſatz der Freiheit gegen bie Nothwendigkeit 
ift, fondern bie Einheit, fo flrebte ex zu dieſer hin und erreichte 
fie auch. So hatte der Dichter in Iyrifcher Form den Geiſt 
und die Zreiheit allfeitig als fein Pathos, als feines Herzens 
Empfindung ausgeſprochen. Mit ber That und Handlung tritt 
wegen des objectiven Intereffes das Drama hervor, in welchem 
ber Inhalt nicht mehr nur Sache der Empfindung des Dich⸗ 





1018 


ters, fondern bas &ubjective zugleich objectiv iſt. Wir haben 
in biefem zweiten Theile das Schiller ſche Drama zu betrach⸗ 
ten, wie fein Inhalt an und für ſich ſelbſt der Geiſt und die 
Freiheit if. Es wird ſich ergeben, daß berfelbe fih als Frei: 
beit und Rothwendigkeit darin entgegengefegt, als Ideal und 
Wirklichkeie mit ſeibſt id Wöberipuuch iR, ober auch, daß 
er badurch gur Gheis mil ſich Veoh ſich vermitdelt, ſich gu 
derſelben als zu ſeiner Wahrheit und Virklichkeit vollendet. 
Wie der Verf. hier das Verhaͤltniß von Schiller's 
dramatiſchen zu feinen lyriſchen Dichtungen philoſophiſch 
entwickeit, ebenſo legt er die Beziehung, in welcher ber 
Dramatiter Schiller zu feinen Vorgängern auf ber Ent: 
widelungsbahn bes poetiſchen Geiftes in Deutſchland fteht, 
in wahrhaft philofophifhem Ausdrude dar. Wir können 
dieſe letziere, mehr der Philofophie der Geſchichte angehö- 
eige Darftelung nicht ausführlich, wie fie iſt, bier mit- 
theilen, wollen aber verfuchen, ben Gedankengang des Verf. 
in Kürze wiederzugeben. Er knuͤpft (S. xuvin) benfelben 
zunächft an eine Stelle aus Goethe's „Shakſpeare und 
ein Ende” an, worin diefer in Bezug auf das Verhälts 
niß Shakſpeare's zu den Alten auf den Gegenfag zwifchen 
Freiheit und Nothwendigkeit, Sollen und Wollen bin: 
weift und ſich dahin ausfpriht, daß Shalfpenre, indem 
er das Nothwendige fittlih gemacht habe, die alte und 
neue Welt verfnüpfe. Wie fich diefer bier nur angedeus 
tete, in der That aber unter den vielfachlten Geſtalten 
hervortretende Gegenfas in ber Geſchichte der neuen Fite: 
ratur bdarflelle, unternimmt num Hr. Hinrichs näher zu 
zeigen, und findet ihn gleich bei Kiopftod im ganzen Er: 
trem. Indem bei diefem der Ausgangspunkt die mora: 
lifche Aufklärung, deren Hoͤchſtes aber wiederum das Ideal, 
aller Welt und Wirklichkeit gegenüber, iſt, und dieſes Ideal 
bei Klopſtock die Form des Gefühle hat, iſt feine Poefie 
vorzugsmweife lyriſch. Um das deal von dieſer Abſtrac⸗ 
tion zu befreien, bezieht es Wieland auf die Wirklichkeit, 
aber ohne fie zu duchdringen, indem er fie als bloße 
Repetition bes Ideals erkennt und’ damit bie leere Zu: 
gend fowol, wie das bloße finnliche Leben ſchoͤn ironiſch 
zu befeitigen weiß. Wie Klopftod ernft und feierlich, iſt 
daher Wieland anmuthig und Leicht. Diefes Ideal will 
nun Leffing mit lebendigen Geſtalten wirklich erfüllen, er 
will es in der Welt geltend machen, aber er zerftärt alle 
Unterſchiede berfeiben, weil an bie Stelle des Gefühle ber 
Verſtand getreten iſt und allein das moralifhe Handeln, 
weniger das Gefuͤhl für Recht und Tugend gilt. Daher 
find feine Sharaktere mocalifhe Schemen, feine Welt iſt, 
wenngleich bedeutungsvoller als bei Klopſtock, doch nur 
von refativem Werthe: denn das blos morafifche Subject 
wuͤrde erft dann wahrhaft tragif fein, wenn es über 
feine Ungerechtigkeit gegen Welt und Leben, beren Gelſt 
es nicht kennt, zum Bewußtfein käme. Bei Herder fol: 
(en alle menfchlihen Kräfte fi zum deal veredein, ihm 
ift das Ideal die Humanität und er fiebt die Melt dazu 
immer weiter fortfcheeiten. Aber bie Humanitaͤt nicht, 
fondeen der Geiſt ift die duch alle Entwidelungsitufen 
fi fortbewegende Einheit, welche alle Unterfchiede des Le- 
bens in fih hat; die ſchoͤne Meenfchlichkeit iſt wieder blos 
ein Ideal, das keine Wirktichkeie Hat, ein weltverzehrendes 


deal, Aber diefe Einheit tft nur möglih, wenn bie 
Welt und das Leben felbfl in die Einheit des Geiſtes 
aufgenommen werden, fowie dann erſt wirkliche Indivi⸗ 
dualifirung möglich ift: dies iſt das Ideal Goethes und 
Schiller's. Bear zu büfer. Einheit gelangen wary 
gab es Stuenr unb rang im der Dock, wolßırdz das 
Schöne von den Abftractionen gereinigt warb und dadurch 
die Geſtalten, die der Geiſt probucirte, Erfcheinungen des 

und Wahren wurden. Bel beiben Dichtern- iſt 
noch fowol Sturm und Drang, al® auch noch ber Ge: 
genfag von Ideal und Wirklichkeit, ber aber zur Einheit 
fih vermittelt. Bei Schiller war der Sturm anhaltender 
und länger als bei Goethe: beide kamen aber mit der 
Weit in Einheit, wenngleich von ganz nerfchiebenen Sei⸗ 
ten ber. Goethe verwandelt bie aͤußerliche Welt in fein 
inneres Leben, Schillee macht fein Inneres äußerlich und 
ſtellt es in der Welt dar, fie mit dem Geiſte und 
der Freiheilt vermitteind: daraus erheben beibe Die Welt 
zur Idealitaͤt und Schönheit. Daher hertſcht bei Goethe 
ruhige Entwicklung, bei Schiller bervegte Handlung ; bas 
ber find bei jenem die weiblichen Gharaktere die ſchoͤnſten, 
während fie bei biefens nur allmdlig zur Individualitaͤt 
fi heranbilden; hingegen find die männlichen Charaktere 
bei Schiller die fehönften, während biefelben bei Goethe 


mehr nur Bildung zur Freiheit ale That und Handlung 


zeigen. Beide loͤſen die Widerſpruͤche des Lebens zur Eins 
heit des Geiſtes mit der Wels auf; aber bei Schiller if 
dev Gegenſatz gegen die Welt härter, bie Vermittelung 
deſſelben Eoflet mehr Anflvengung. Indem biefer letztere 
Punkt nammtli im Gegenfage zu den Anfchauungsweis 
fen Leſſing's und Herder's mäher ins Auge gefaßt wird, 
gelangt Hr. Hinrichs zu dem Ergebniſſe, daß des Vers 
lauf der Schilierfhen Stiide kein anderer iſt ats biefe 
Vermittelung des Gegenfages von Ideal und Wirklichkeit 
zur Einheit und Durchdringung. 
(Die Vortfetung folgt.) 





Sorrefpondenzwäahridten. 
Lonbon, 3. Aug. 184. 


Es ift feit meinem legten Berichte über biefige literariſche 
Neuigkeiten bereits eine geraume Zeit verfloffen. Da ich mi 
in diefen Berichten nur auf Das befchränten kann, was mir bie 
Aufmerkſamkeit deutſcher Leſer zu verdienen feheint, und es ſchon 
ber beſſern Überſicht wegen angemeffener iſt, bie hieſigen litera⸗ 
riſchen Erſcheinungen nicht einzeln, ſondern mehr im Zuſam⸗ 
menhange zu beſprechen, hier aber in letzterer Zeit wenig Interefs 
ſantes herauskam, fo hat ſich hinreichender Stoff nicht früher 
zufammengefunden. Die folgenden drei Werke find nun jebens 
falls intereffant. Zuerſt find bie Memoiren Romiliy’s („Me- 
moirs of the life of Sir Samuel Romilly, written by him- 
self; with a selection from his correspondence. Edited by 
his sons.“ 3 Bände.) ein wahrer Gewinn für die englifche Lite⸗ 
ratur. Da Romilly ſchon feie 1818 verftorben, alles in dem 
Buche von feiner eigenen Band gefchrieben iſt und bie Göhne 
blos Herausgeber find, fo ift au diefes freitich eigentlich Feine 
Neuigkeit. Was für Parteirüdfichten an biefer fpäten Heraus⸗ 
gabe des Buchs aber auch Schuld fein mögen, fo tft deſſen In: 
tereffe doch zu bleidender Art, um dadurch gelitten zu haben. 
Das hohe Verdienſt, weiches Romilly während feiner parlas 
mentarifchen Laufbahn als Geſetgeber, namentlich um bie Hu: 


4 





monifirung bee fesagen englifigen Griminaigefehes ermarb, 
eine lisbendwür 
} und Gemüths, fein MWiederfun, feine unermäbdliche 
Thaͤtigkeit wuͤſſen biefen autohiographiſchen Bruchftüden ſtets 
Bebentung und Reiz verleihen. 
authentifihe als volftändige Materialien zu einer Biographie, 
Sie befiehen erfiens aus einem 1796 geichriebenen und 1818 
fortgefehten Memoire, in weichem Romilly fein Leben von feiner 
Geburt (1757) bis zum Jahre 1789 fchildert, zweitens aus ſei⸗ 
ner Gorvefpondeng von 1781— 1803, und drittens aus feinem 
von 1806, da er als Gtantsbeamter ind Unterhaus trat, bis 
feinem Tode (1818) ununterbrochen fortgeführten Tagebuche. 
8 dem Memoire ift feine Jugendzeit, namentlich ſein Leben im 
äkterlichen Haufe mit einer Wärme geſchildert, welche faſt der 
Mouſſeau's in den ‚„‚Confessions” gleichkommt. In ber Correſpon⸗ 
den; find befonders bie 17851 während einer Reife wach Eaufanne 
darch Frankreich gefchriebenen Briefe interefiant, welche über bie 
damaligen VBerbältaiffe und Männer — wie z. B. über Miras 
beau — des Bebeutfamen und Neuen viel enthalten. Das 
partamentarifche Tagebuch if ein hiſtoriſches Actenflüd, nicht 
nur wegen Momilly’6 legislativer Werrebungen allein, ſondern 
auch wegen vielfacher fonfliger Notizen, bie es für die damalige 
Parlamentsgeſchichte überhaupt enthält. Romilly war hinſicht⸗ 
lich feiner Begriffe von Geſetzreform durchaus nur ein Schüler 
Bentham’s, nicht nur im Allgemeinen, fondern vielmehr auch 
im Detail feiner Argumentation. Sein aber war das Verdienſt 
der erften Auffielung dieſer Begriffe im Parlament durch fein 
Hebnertalent und feine Beharrli ‚ und zwar durch eine Bes 
harrlichteit, welche für feine Sache von Jahr zu Jahr und fafl 
ununterftägt fortlämpfte, in einem Haufe, das für Reden von 
folchen Dingen fo gut wie taub war. Gin Beiſpiel gibt bier 
gleich bie erſte von ihm eingebradhte Bil, betitelt: „Eine Bid, 
das Grundeigenthum Verſtorbener, für deren einfache Schul⸗ 
den*) haftbar zu machen.” Diefe Bill wurde verworfen, und 
bören wir Romillp's Rotig: „Einige Tage nachdem die Bil, 
Srunbeigentgum für die Zahlung von Schulden haftbar zu ma= 
den, verworfen worden war, kuͤndigte ich gleich eine Bill 
deſſeiben Inhalts, aber auf Gewerbeleute beichränkt, an. Ich 
beachte feltbem bie Will ein, und fie murbe heute im Unterhaufe 
zum dritten Male verliefen und ging durch. Viele der gegen 
die vorige Bill gemachten Widerſprüche paſſen auch auf biefe: 
daß es eine Reuszung iſt, daß dadurch Land ohpe fchriftliche 
Gewähr angegriffen werben Bann, daß dadurch oft ein taͤuſchen⸗ 
der Grebit hervorgebracht wird u. f. w. Es wurde jedoch nicht 
ein einziges Wort gegen die Bill vorgebracht. Country⸗Gentle⸗ 
men haben nichts damiber, daß die Bewerbsleute ihre Schul: 
den bezahlen, und zu Sen bee GBewerböleute, beren es im 
Hauſe viele gibt, hatten dieſe ebenfalls Feine Ginwendung zu ma⸗ 
den.‘ Romilly brachte nachher bie urſprüngliche Bill jedes 
Jahr von neuem ein, aber immer vergeblih. Faſt unmittel 
bar nach der Reformbill von Romilly's Sohne, John Romilly, 
wieberum eingebracht, paflict fie Lords und Gemeine ohne Op: 
‚pofition. Dee interefiantefte Theil bes Tagebuchs iſt jedoch na- 
tüslich bie Darſtellung feiner ſchweren Kämpfe für die Straf⸗ 
geſetzreform, welche eigentlich feinen Ruhm begründeten und 
en weldge bas Berfahren bes jetzigen Haufes bei Kelly’s neus 
der Bin einen fo auffallenden Gegenfap bot. Es würbe 
jenoch zu weit führen, auf biefelben bier näher einzugeben. 
Sbenfo muß ich mid) auch enthalten auf bas vielfach Bemer⸗ 
Ienswertbe, welches das Tagebuch fonft enthält, bier im Gin: 
geinen weiter aufmerkſam zu machen, und bemerke nur mr 
daß auch diefer Theil einen befondern Reiz erhält durch mande 
freundliche Notiz über fein haͤusliches Leben, das, lange fo glüds 
lich, Leider fo tragifch endete. 






*, Das englifhe Net unterſcheidet epocinity debts, welche auf 
befiegelten Acten beruben, unb simple oontraet debts, melde 
auf unbefiegelten Acten oder auf 6106 münblien Vertraͤgen 
beruben. 


Derfönlicgleit, die Gigenfcaften feines. 


Diefelben bilden jedoch mehr. 


1019 


Neben biefem ift „The stage, before and behind the 
ourtain”, von Bunn (3 Wbe.), eins der Intereffanteften 
neuern Werke. Der Ber: mz war mehre Jahre Director bes 
Drurplanetheaters, fland auch einige Zeit dem des Goventgarden 
und des englifhen Opernhaufes vor, falliste aber im vorigen 
Jahre als Director des zuerſt genannten und mußte daher 
von der Direction abtreten. Allgemein getabelt, daß er 
Shauftüde, Ballet und Oper zu ſehr auf Umtoften bes 
hoͤhern Schauſpiels begünftigt und überhaupt die Bühne 
durch allerlei Ungehörigkeiten entwürbigt habe, war ber Zweck 
bes Wuchs zunächf feine Bertpeibigung, und er zeigt darin, 
und zwar fehr einleuchtend, daß er befonders aus Mangei 
on Zalenten für das recitirende Schaufpfel zu feinem Verfahren 
genöthigt war, fein Ruin aber vorzüglich durch die Gbermäßi: 
gen Beſoldungen der Künftler herbeigeführt wurde. Gr hat 
jedoch das Werk den Ton und Inhalte nach über blos per: 
fönliche Werhältniffe erhoben und feine Beweisführung befteht 
durchgehend in ber Mittheilung von Facten und Zahlen, von 
Briefen und fonfligen Documenten, bie ihm in Fülle zu Ge⸗ 
bote flonden. Das Buch iſt daher für die Statiffit der engli- 
fchen Bühne von der höcften Wichtigkeit. Dennoch möchte es 
im Ganzen für deutfche Eefer nur von geringem Sntereffe fein; 
die englifhe Bühne ift wirklich ein zu troftlofer Gegenſtand. 
Während der verfloffenen Saiſon richtete ſich das Intereffe der 
Gebildeten größentheils auf bie italienifche und neben ihre auf 
die deutfche Oper. In Drurylane gab Hr. liefen (ein Deut: 
fher) feine Promenabeconcerte nad dem Mufter der pariſer 
Mufardeoncerte und hatte hier mit einem Urchefter von faft 
100 Inftrumenten und bei dem hoͤchſt geringen Gintrittspreife 
von einem Schilling einen fehr zahlreichen Befuch; er machte 
fi durch die Verbreitung des Geſchmacks für gute Inftrumen- 
talmufit unter dem biefigen größern Publicum verdient. Go: 
ventgarden ſchloß fehr frühe. Das reciticende englifche Schau: 
fpiel war daher ganz auf das Eleine Theater im Haymarket 
befchräntt, und auch bier erwarben fidh nur bie Komiker Po: 
wer und Budflone ungetheilten Beifall, denn Wacready und 
fein Schweif haben, obwol ihnen Bildung und Talent keines⸗ 
wegs abgeht, eine zu melobramatifche Manier unb Charles Kean 
gar beleidigt allen gefunden Menſchenverſtand duch fein tim 
hoͤchſten Grade zugleich übertriebened und kaltes Spiel. Unb 
es ſcheint bier fo bald fich nicht befiern zu wollen. Bei den 
mangelhaften Leiftungen der Scaufpieler und der neuern dra⸗ 
matifchen Dichter hat ſich das gebildete Yublicum ganz vom 
Sheater abgewandt. Der gemeine Haufe gibt daher allein den 
Son an und hat ſich unter eine große Anzahl Meiner Thea⸗ 
ter vertheilt, wo von wahrer Kunft eigentlich gar nicht bie 
Rede fein Tann. Dadurch wirb, was von theatralifhem Talen 
und Gapital noch vorhanden iſt, gänzlich zerflüdelt. Endll 
find es noch die beffeen Schaufpieler felbft, welche die Theattr 
in pecuniairer Hinſicht ruiniren. Ihre Honorare üherſteigen 
wirklich alles Maf. yıng batte während ber verfloflenen 
Saifon im Haymarket 120 Pf. St. die Woche, Macready 
und Kean 25 Pf. &t. für bie einzelne Vorſtellung. So hatte 
Bunn ber Malibran während ihres Sngagements in Drury⸗ 
lane 125 Pf. Si. für bie einzelne Vorſtellung zu Rai 
und gear jeden Montag im voraus. mit 375 Pf. Gt. für 
drei Vorftellungen die Bode. Die Taglioni hatte bafelbft 100 
Yf. St. per Abend für Ir ſelbſt, ferner 600 Pf. St. für 
ihren Water, als Balletmeifter, Job Pf. St. für ihren Brus 
der und ihre Schwefter, um mit ihr zu tanzen, zwei Benefizen, 
garantiert zu 1000 Pf. &t., und ein halbes Benefiz für iß 
ren Bruder, garantirt zu 200 Pf. St. Im Ginzelnen iſt 
das Buch fehr anziehend durch eine große Menge fehr wohl er- 
zählter Anekdoten und Gharalterzüge aus ber fo swunderlichen 
Schauſpielerwelt und von fonftigen mertwürbigen Perfonen, mit 
welchen der Verf. in Berührung kam. 

Das liebfte Buch von allen aber, das mir ein Liebes für 
immer bleiben wirb, if: „The rod and the gun‘ (Ans 
gelruthe und Jagdbuͤchſe), von James Bilſon. BE if 


10230 


nichts weiter als eine Anwelfung zum Fiſchfang und zur 
Yon * Liebhaber, die fie Über dieſelben und über ihre Gom: 
forte forgfältig belehrt, hier und ba auch einiges Raturgeſchicht⸗ 
iiche beibringt, das ſelbſt für bie Wiflenfchaft neu fein mag. 
@s iſt aber zugleich ein wahrhaft poetiſches Erzeugniß. Wäre 
- der Verf. nit Prof. Wilfon, Mitglied der Löniglichen Gefell: 
Febaft zu Gdinburg, ber Profeſſor, ber Herausgeber von 
„Blackwood’s Magazine‘, fo hätte ich dergleichen hier wol 
wenig erwartet, fo wenig wie in ben vielen ähnlichen Anwei⸗ 
fungen. Aber hier ift bie ganze Posfie bes Fiſchfangs und ber 
Sagd. Und wo ff mehr Poefie als in dieſen primitiven Ges 
Shäften? Im Fiſchfang und der Jagd findet der In der Skla⸗ 
verei anderer Gewerbe Ermübete, Grtödtete, indem er Gehölz 
und Gewäffer nach ihren Schägen durchfucht, wieder bie Lebens: 
friſche der Natur, und alle Kräfte üben fich gu ber üftigkeit, 
- welche im Leben, biefem Kriege Aller gegen Alle, das Erſte und 
Lente iſt. Diefe Friſche und Rüftigkeit iſt es nun, welche in 
‚ diefem Werke lebt, den Beſchreibungen der Berrichtungen und 
denen der Raturfeenen einen Glanz, wie ben der Natur felbft, 
verleiht und uns dem Verfaſſer über Fluß und See, Moor und 
Schölz unaufpaltfam folgen läßt. Gerne hätte ich eine Probe 
mitgetheilt, allein ich finde, daß, um bem Styl des Verf. Ge⸗ 
rechtigkeit widerfahren zu lafien, eine größere Sorgfalt erfor 
—8* iſt, als mir die Zeit eben jetzt geſtattet. Doch führen 
wir folgende Anekdote an, da fie zeigt, daß Gerechtigkeit nie 
ausbleibt und dem Verf. felbft einmal fo mitgefpielt wurde, 
wie er gewöhnt war ben Fiſchen mitzufpielen. Es war in 
Roßſhire. „Wir fifchten den halben Tag mit mehr Kunft als 
Erfolg. Die ganze Zeit beobachtete uns ein Schafhirt, der In 
feinen Plaid gewidelt, feinen Hund Yarrow dicht neben ſich, 
in einem Graben faß und neugierig fdhien, zu erfahren, wie 
Yange wir unfern Verſuch „at sport’ fortfegen würden. Als 
zulegt in Werzweiflung wir nad Haufe zurädlehrten — ein 

aftliches und hoͤchſt angenehmes Baus war das der Miſtreß 
cobie — und uns unfern paftoralen nden in ihrem 
„sunny lair“ nahten, begann der menſchliche, ohne Kopf oder 
Fuß zu rühren: „Ihr werdet dort nicht viele Forellen getoͤdtet 
baden?” „„Nein, wir trafen gar nichts!” „Run, nun, 
28 ift wohl befannt, es gab Feine Forellen In jenem Loch feit 
dem Anfang der Schöpfung.” Auch ber Anfang des Schluffes 
iſt charakteriftifch: „Doc weshalb unfere Borfchriften verlaͤn⸗ 
een — benn welche Kenntniß Tann man fich von biefer oder 
rgend einer andern glorreihen Kunft durch Leſen erwerben ? 
Dder, was hilft Buchgelahrtheit, wenn es dazu kommt, nicht 
blos vom ‚‚loupin ’ow’r a lien’ zu reden, ſondern es wirklich 
u tbun, . oder feinen Fiſch zu verlieren, ber es bereits gethan 
t — und ſieh! welch ein dichter Schirm von Fels und Bes 
pp zu beiden Seiten. Wo findefl du, o Angler, beine Res 
geln kurz und Klein zurecht gefchnitten, wenn bu beine Gtellung 
verändern willſt an einem täufchenden Strom von unbekannter 
Tiefe, wo Riefenbäume den Weg gewaltfam verfperren, über 
Dir die heulenden Winde, unter bir „die Hölle ber Waſſer“! 
Kann ein Shriftenmenfch hinter dem Ofen lernen, Schlittſchuh 
zu laufen? Oder Tann ein Seemann am Bord lernen, über 
ein Thor zu fegen, oder auf einem wirklichen Pferbe die Sat⸗ 
telkrankheit zu vermeiden, Indem er die Anmwelfung zur Reits 
Zunft ober eine Abhandlung über Gerberei fludirt? Kann ein 
Landbewohner der Seekrankheit dadurch entgehen, daß er fich 
mit der nautifchen Taktik befannt macht? Kann ein Efel da⸗ 
durch ein Philofopb werden, daß er Zag und Nacht eine En: 
cyklopaͤdie tief? Kann ein Philofoph dadurch aufhören, ein Eſel 
zu fein, daß er fie weder bei Nacht noch bei Tag lieſt? Nim⸗ 
mer, nimmer, fmmer!’‘ 

Lange Hat bier kein Buch fo bebeutende Aufmerkſamkeit 
erregt als Hanke’ „Geſchichte der Päpfte”, welche Miftreß 
Auftin fo vortrefflich überfegt hat. Alle Blätter und Zeitfchrif: 
sen widmen dem Werke fehr ausführliche Artikel und erkennen 
deffen hohe Wichtigkeit, felbftändige Forſchung und unparteiifche 


Behandlung einftimmig an. Mit ebenfo vielem Weifalle hat man- 
die jegt Überfegten Briefe v. Raumer’s äber Italien aufgenommen 
und das Buch für das beiehrendfle und unterhaltenpfte erklärt, 
das bis jegt Aber Italien erſchienen ſei. Halm’s ‚‚Grifeldis‘‘ if 
ebenfalls überfegt worben und ‚„Blackwood’s Magazine’ übers 
trug diefen Monat den „Camoens“ und fagt dabei über ben 
Dicgter: „Der Rame bes jungen Dichters, Friedrich Halm, if 
‚bier noch wenig belannt, obgleich die hohe Poeſie in feiner 
„Griſeldis“ und feinem „Adepten“ ihm nach unferer Anfidht 
einen ausgezeichneten Platz unter den lebenden Dramatilern 
Deutichlands anweiſt. In Kunde bes Wühneneffeets und ges 
ſchickter Entwidelung der Handlung iſt er freilich noch mangels 
haft genug, und ein gewiſſes aͤngſtliches Beſtreben, jedem feiner 
Stüde irgend eine philoſophiſche Idee zu Grunde zu legen, 
gibt ihnen in der Anlage einen Lältern und künſtlichern Eha⸗ 
rakter, als mit ber Realität und der Iebendigen Bewegung 
bes dramatifchen Jntereſſes vereinbar iſt. Aber ber poetifche 
Schwung und bie Beredtſamkeit einzelner Scenen ftellen ihn 
body über die gewöhnlichen Theaterdichter.“ Schließlich mögen 
wir noch eines ſehr anerkennenden Artikels über Pafſavant's 
„geben Rafael's“ im „Quarterly review‘ erwähnen, fowie 
eines ſolchen über Ranke's ‚Seldichte der italienischen Poefie‘‘ 
im „Edinburgh review”, 22, 





Notizen. 


In Paris ſtarb in den lezten Tagen bes Juli Hr. Joſeph 
Jacotot, Verfaſſer mehrer Schriften und Erfinder einer neuen 
Unterrichtömethode, welche während ber legten Jahre ber Res 
sierung Karls X. die Aufmerkſamkeit in Frankreich und Bel⸗ 
gien fehr in Anfprucdh nahm. Faſt fein ganzes chrenhaftes Leo 
ben war der fehwierigen Aufgabe ber Jugenderziehung gewib- 
met. Im Revolutionskriege zeichnete er ſich als Volontair bei 
der Belagerung von Walenciennes und anbern Gelegenheiten 
aus. Im December 1794 Lam er an bie polytechniſche Schule 
als Subftitut und hatte als folcher beſonders die Arbeiten ber 
Zöglinge zu Überwachen. Später ging er nad) Diion als Prof. 
ber lateinifchen Sprache an der Gentralſchule, wurde Dann zum Prof. 
ber höheren Mathematik, endlich zum Prof. des Rechts ernannt, 
eine Stellung, die er noch bei dem zweiten Sturze ber Kaifers 
regierung einnahm. Während ber hundert Tage war er Mits 
olied der Repräfentantenlammer ber Departements. Man ver: 
folgte ihn unter ber Seftauration feiner politiſchen Meinung: 
wegen, hinberte ihn, von dem Amneftiegefeg Nutzen au ziehen, 
und nöthigte ihn, Frankreich zu verlaſſen. Jacotot begab fich 
hierauf nach Belgien, wo er bis zur Revolution von 1830 biieb. 
In Löwen war es, wo er feine verfchiebenen Werke über ben 
Unterricht herausgab, barunter die Schrift „De la langue 
maternelle’’, weldye großes Auffehen erregte. Man bat bereits 
eine Subfeription eröffnet, um ihm ein Dentmal zu errichten. 


Der unermüblide Balzac bat eine neue Zeitſchrift unter 
dem Titel „Revue parisienne‘‘ gegründet, wovon der erfte 
Band am 25. Juli erfchien. Die Anzeige in Öffentlichen Blaͤt⸗ 
teen kündigt das Unternehmen folgendergeftalt an: „Die es 
baction der „Revue parisienne‘’ geht darauf aus, daß in jeder 
einzelnen Rummer der Werth Desjenigen enthalten fei, was 
andere Revuen in einem Monate geben. Diefe Revue ift uns 
abhängig, gedrängt; fie erzähle die Thatſachen der Politik ſo, 
wie fie fich vorbereitet und erfüllt haben. Die literarifche Kris 
tie wirb im Genre Grimm's geübt werben. .... . Die Revue 
verfpricht nicht die Theilnahme der berühmteften Federn, ſon⸗ 
dern gibt fie.” Jede Nummer enthält einen Roman (doch 
wol nur bruchſtücksweiſe?) und literariſche Fragmente, eine Ab: 
theilung für literarifche Kritik, Theater und Künfte, eine po⸗ 
litiſche und parifer Chronik. Balzac ſcheint auf einen ſtarken 
Abſatz zu rechnen, da er laut der Anzeige 40,000 Exemplare 
abziehen läßt! 5, 


Berantwortlier Derausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 5 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


— Nr. 254 — 


10. September 1840. 





Die neueften Erfcheinungen der Literatur über 
Schiller. 
(Bortfegung aus Nr. 368,) 

Den Kortfchritt dieſer Vermittelung finden wir nun an 
den einzelnen Dramen näher dargelegt. Iſt biefe Deus 
tung bed Geiftes aber in ihren Grundlagen fo fiher und 
echt philofophifh, wie aus dem Angeführten hervorgeht, 
fo kann es nicht fehlen, daß bie Charakterifirtung der. ein- 
zelnen Dramen von diefem Standpunkte aus einer An: 
fechtung nicht unterliegen kann. Erhöht wird aber ber 
Werth derfelben durch die fcharfe pfpchologifche Auffaffung, 
mit welcher Hr. Hinrichs, den Faden der Handlung und 
die fie belebenden Momente fefthaltend, die Beziehungen 
der einzelnen Perfonen ſowol zueinander als auf den Ge⸗ 
danken des Stücks darzulegen weiß. Gleichwol iſt es ge: 
rade an dieſem Punkte, wo wir auch auf einige, wie uns 
ſcheint, nicht unbedeutende Mängel ſtoßen, die keineswegs 
als aͤußerlich, zufaͤllig erſcheinen, ſondern in dem ganzen 
Verhalten des Verf. zu ſeinem Objecte begruͤndet ſind 
und ſich alſo conſequent durch das ganze Werk hindurch⸗ 
ziehen. Dieſes Verhalten leidet naͤmlich von Anfang her 
an einem zu großen Schematismus. So richtig Hr. 
Hinrichs den Grundgedanken der Schiller'ſchen dramati⸗ 
ſchen Poeſie aufgefaßt und in dem oben Angefuͤhrten auch 
nach ſeinen hiſtoriſchen Beziehungen und Gegenſaͤtzen nach⸗ 
gewieſen hat, ſo ſehr irrt er doch, wenn er die Art und 
Weiſe, wie jener Gedanke in den einzelnen Dramen mo: 
difichee und im Fortfchritte erſcheint, bie in ihre Details 
anf gewiffe Formeln reduciten und einen diefen Formeln 
angemeffenen Ausdrud überall wiederertennen zu müffen 
meint. Es iſt fürwahr etwas ganz Anderes, jener innere 
geiftige Zuſammenhang der einzelnen Dichterwerke, und 
diefe Beziehung jeder einzelnen Richtung, welche der Aus: 
druck des Grundgedankens in den verfchiedenen Dramen 
nimmt, auf ein einzelnes Moment des allgemeinen Chas 
rakters jener Dichtungen. Wäre diefe Erklaͤrungsweiſe bie 
richtige, fo koͤnnte man nicht weiter von einer kuͤnſtleri⸗ 
ſchen Production fprechen, welche in ihrem geiftigen Zu: 
fammenhange aufzufaffen die Aufgabe der Afthetifchen Kri⸗ 
tie fei, fondern es fiele Production und Kritik, Schaffen 
und Verficehen in dem Eıfinden einer allgemeinen Formel 
zufammen, die durch die verfchiedenen Entwidelungsitufen 
ber Idee wie durch ebenfo viele Zonarten hindurch nur 


transponirt und weiter geführt würde. Dann wäre das 
Ganze nur eine Berehnung, nicht eine freie That des 
Geiſtes; die Individualität und alle Nuancen ber concres 
ten Beſtimmungen, alle Befonderheiten des Stoffes wären 
Unebenheiten, die zu vertilgen faft das ſchwierigſte und 
bauptfächlichfte Gefchäft des Dichters fein müßte, nach 
dem er einmal die Linie, auf welcher er fortrüden ſolle, 
erfannt hätte. Zu welchen Abirrungen aber dieſe Anficht 
führen kann, das zeigt fi unter Anderm darin, daß Dr. 
Hinrichs ‚felbft dba, wo — wie ed nicht anders kommen 
kann — ein feiner Kormel entfprechender Ausdrud mans 
gelt, fi bemüht, auch diefen Mangel auf irgend eine 
Weiſe zu erflären. So nennt er als eines ber überall 
ducchfcheinenden Momente des Schiller’fhen Dramas den 
Kampf um den Thron. Es ift nicht zu verfennen, daß 
diefe Seite des Gedankens in den hiſtoriſchen Stüden bei 
dem oben erfannten Grundprincipe der Schiller'ſchen Dich: 
tung, dem Gegenfage des Ideals zur Mirktichleit und 
dem Streben nad einer DBermittelung beider, auf eine 
ganz befondere Weife zum Ausdrud gelangt. Aber felbft 
in diefen Stüden kann nicht immer biefer Ausdrud vor: 
handen fein, fo in ‚Don Carlos’, wenn es nicht der gan: 
zen Richtung bes Gedankens, der darin vorherrfcht, eine 
fatfhe Wendung geben fol. Noch viel weniger kann in 
den früheften Dramen Schiller's, bie der fogenannten Nas 
turpoefie angehören, hiervon die Rede fein. Wie fpricht 
fih aber Hr. Hinrichs aus? Es heißt Thl. 2, ©. 135: 

Der Thron war fchon ein leiſer Wunſch des Präfidenten 

für feinen Zerdinand, und Fiesco ſtrebte mit aller Kraft, Her⸗ 
08 zu werden. Im ‚Don Carlos“ war dies Streben durch bie 

rbfolge abgeſchnitten. Wallenftein firebt wieder darnach; aber 
fein Streben liegt wegen der monardiichen Korm des Staats 
nicht mehr in der Entwidelung des Staats felbft, und iſt bes 
halb von vorn herein vereitelt. | 

Und weiter ©. 260: 

In der „Sungfrau von Orleans’ wurbe der fremde Stamm 
noch zurädgetricben, und ber angeflammte König behielt dem 
Thron. Hier (in ber „Braut von Meffina’’) ift bes frembe 
Stamm nad vollbracdhtem Kampfe um bie Herrfchaft eingebruns 
gen und hat fich feſtgeſezßt. Das fremde Geſchlecht wird jedoch 
nur mit Neid geduldet, nachdem es das einheimifche aus dem 
Erbe vertrieben bat. 

Mir wollen noch ein anderes Beifpiel geben. In den 
frühern Dramen, denen ber eigentlich gefchichtliche Hin⸗ 
tergrund fehlt, drängt fich die Perfon mit ihren Neigun⸗ 
gen nothmwendig oft auf eine Weife hervor, daß man ſich 





— 


1022 


geneigt finden kann, nicht ben Inhalt biefer Neigung, 


fondern bie Thatſache des Hervordraͤngens derſelben für 


das wahrhaft Subftantielle anzufehen, dagegen jenen bloß. 


als die farbe: oder tongebende Beimifhung zu halten. 
Fuͤr diefe Auffaſſung iſt es ein fehr paffender Ausdrud, 
wenn. man 3. B. von Karl Doors Groß: Mann: Haht 
ſpricht. Hr. Hinrichs geht weiter und fpriche-in derſelben 
Weiſe von Lady Milford's Groß: Weib: Sucht; er unter: 
fcheidet hiervon eine Groß: Damen : Sucht, die er ber Leo: 
nore beilegt, und eine Groß: Schwefter: Sucht, die er in 
der Sraͤfin Terzky findet. Auf ber männlichen.Linie ge: 


langen wie nun noch zu einer Groß: Vater: Sucht: dieſe 
dem alten Moor, dem Präfidenten und auch 


wird - aber 
Wallenſtein zugetheilt. Heißt das nicht den frifchen Quell 
geiftigen Lebens im wohlgeaichte Kaͤnnchen faffen und In 
Selterwaſſerverpackung in alle Welt fenden! Iſt es nicht, 


-al& ob die poetifchen Charaktere in uniformiete Regimen: 
ter. getheilt werben follten, um den Marſch der Vernunft 


durch das Land einer barbarifchen Nation. zu beiten! 
Ref. hat mit Abficht diefe ſchwachen Seiten bes Hin⸗ 


richs'ſchen Buches bei der Beſprechung feines Details zuerft 


bernorgehoben, um nach Beſeitigung diefer Unbehaglichkei: 
ten beflo unverhohlener und freier den rühmenswerthen 
Seiten. und damit dem beimeltem .größern Theile des 
Werkes fi zumenden zu innen. Die Auffaffungsweife 
des Verf. füpe ihn zunächft dazu, bei jedem einzelnen. 
Drama bie äußere Geſchichte feiner Entſtehung zu geben, 
welsher er gewöhnlich die Anfihten und Urtheile Schit: 
ler's über das Drama beifügt. Sodann wenbet er ſich 
zur Bezeichnung der Idee und ihres Ausdrucks in ber 

andlung, ſowle zur Charakteriſtik der einzelgen Perfonen. 

fefe Jetztere iſt es, die wir in der Regel als fehr gelungen 
und den Zufammenhang, die gegenfeitige Beziehung ih: 
ver Handlungen mit Hindeutung auf bie eigenen Wotte 
als ſehr geſchickt nachgewieſen anerkennen müffen. Aber 
nicht blos im pofitiven Sag verharsend zeigt ſich Hr. 
Hinrichs, fondern auch negirend gegen Deutungen. Anbdes 
ver, Tieck's, Schlegel’6, namentlich aber Hoffmeifter’s. Wie 
wenig er mit den. Srundanfichten des Letztern einverſtan⸗ 
den ſei, erklärt er ſchon, vielleicht in zu ſtarkem Wider: 
ſpruche, in der Einleitung. Hoffmeiſter's Schrift ſteht 
allerdings als ſehr im dena Äußerlichen bleibend, in bedeute. 
sende: Misverhältniß :gu der Hinrichs ſchen; aber auch in 
dem: Gegner haͤtte Hr. Hinrichs: manches: Gute wicht ‚vers 
Sermen. ſollen, tote er es gleichwol, vermeintlich im Inter⸗ 
«fe der Idee, in ber That aber. unter Verlennung ber 
Vortheile mehrfeitiger Betrachtung, getban. hat. Dazu 
kommt aber, daß dieſes polemiftrende . Ton, fo fehr er ei: 
nerfeits zur Belebung :bed Ganzen ‚beitragen mag, nicht 
ſelten durd) ‚die ſteten Aneichefen- flört und die ruhige, in 
gleſchmaͤßiger Entwickelung fortfchreitende ‚Auffaffung des 

edankens verleibet. Hiervon abgefehen, koͤnnen wir bie 
Methode, welche Hr. Hinrichs befolgt hat, ebenſo gluͤcklich 
gewaͤhlt nennen, als win und mit ben Ergebniſſen feiner 
Crllaͤrung im. Weſentlichen, _ die obenbemerkten Punkte 
außgenammen, völlig einverſtanden erklären. Es iſt aber 
diefe nicht blos ‚mis der gewoͤhnlich fogenannten. Grund: 


geben. Ref. begnuͤgt fi, die Hauptgedanken jedes Stuͤ⸗ 


lichkeit zufriedene, ſondern echt innerliche und geifigemäge 
Interpretation für das wahre Verfländniß der Schiller’ 
fhen Dramen um fo bedeutender, je fremder fie unferer, 
das Mühenolle auch im Bereiche bes Gedankens fo fehr 
fheuenden Zeit iſt, und je mehr gleichwol bei dem wieber⸗ 
erwachenden Iiterſſe füh Sqhillet an demfelben im bei 


verſchiedenſten Wellen: und nach den veefchtebenften Rich⸗ 


tungen hin herumgedeutet zu werden pflegt — wie wir uns 
davon ſehr bald weiter überzeugen werden. Sowol bie 
Art der Interpretation als die Ruͤckſicht auf den biefer 
Belprehung zu .gännenden Raum geftattet nicht, hier wei⸗ 
tere Belege zu dem Sefagten auch nur durch auszugs⸗ 

: der eines ju 


ckes, wie fie dee Veef. bei den (oft geſchickter als wahrer 
zu befindenden) Übergängen von dem einen zu dem an: 
dern angibt, zu bezeichnen. In den brei erfien Dramen, 
die Dr. Hinrichs ale cin großes Ganze betzachtet (Thl. 1, 
S. 151), iſt das Princip die Sreiheit in der Form des 
Gegenſatzes von Ideal und Wirklichkeit, aber von der 
hoͤchſten Abſtraction und Willkür („Raͤuber“) bis zur Wick: 
lichkeit des. Staats („Fiesco“) ſich entwickelnd und vollen⸗ 
dend. Don Carlos und Marquis Poſa gehen fuͤr die 
jugendliche Freiheit der neuen proteſtantiſchen Welt unter 
an der Wirklichkeit der alten katholiſchen Welt. Aber das 
neue Princip erſtarkt immer mehr zum. Kampfe der. Anz. 
erkennung. Der große Kampf um. bie politifche Exiſten, 
des neuen Glaubens ift der breißigjährige Krieg; der Mann 
an der Spige des: großen. Weltkampfes iſt Wallenflein 
(Thl. 1, 8.248). Nach. gegenfeitiger Anerkennung wer⸗ 
den nun Proateflantiemus und. Katholiciamus- zur Ger 
miüchefache, zum Pathos Tubiectiner Empfindung und Leis 
denſchaft: Frauen bekaͤmpfen fich in ihren Neigungen, vie 
fie durch die. beiden entgegengefegten. Principien der mo⸗ 
dernen Weit und ihrer Bilbung beflimmt find: ber. In—⸗ 
halt der. „Maria Stuart”: (Tb 2, S..137); der Streit 
der. Fuͤrſtinnen um den. Thron -und die Erbfolge wird 
zum. Kampf. ber-VBälker, zum Succeſſionskrieg: der In⸗ 
halt. der „Jungfrau von Orleans“ (S. 179). Die Jung: 
frau empfindet noch ‚die Heimlichkeit der. Schuld mitten 
in der Offegtlichkeit des Lebens und. der. Freude; das 
Geheimniß wird aber in dee Öffentlichkeit des Lebens ‚zum 
Fatalismus: der. Inhalt und Vorwurf bes ‚Braut von 
Meffina” (S, 236) Wirklichkeit der: Freiheit und. Of⸗ 
fentlichleit des Lebens: der Inhalt und Vorwurf bes 
„Wilhelm. Tel” (S. 277). 
(Der. Veſqhlaß folgt.) 





Dos Chriſtenthum des 19. Jahrhunderts. Zum Wer: 
ſtaͤndniß der Strauß'ſchen Grundanſichten. In Brle⸗ 
fen an eine Dame. Braunſchweig, Weltermann. 
1839. 8. 1 Thlr. 18 Gr. 

Gewiß muß es freundliche Anerkennung verbienen, wenn 
Schriftſteller die Errungenschaft des firebenden Geiftes ber ver: 
nachlaͤfftgten Hälfte des Weichiechts, ben rauen, zugänglich: 
maden. Während in neuerer 3eit die Franzoſen und ihre uns. 
befonnenen Nachbeter in Deutſchland ben Frauen sine 


En u 


fie fih namentlich in Strauß barftellt, Antheil nehmen koͤnnen. 
Wir verneinen biefes! Unſere Anficht geht inbefien nicht aus 
jener befchrämkten Meinung hervor, als gehöre es zur wohlge⸗ 
meffenen Ordnung der bürgerlichen Gefellichaft, daß ein Theil 
derfelben in Vorurtheil und Befangenbeit gehalten werben möfle, 
. damit 'ber andere das Fichte, bie Einfiht und bie Aufklärung 
baben koͤnne, fonbern unfere Verneinung iſt in der Natur bie= 
fer Gotteserkenntniß gegründet: die Strauß'ſche Theologie tft 
nicht die chriftliche Religion, ſondern näher die chriftliche Phi⸗ 
Iofophie bes 19. Jahrhunderts, und Tann nur im fpeculativen, 
nicht im "gewöhnlichen Bewußtſein begriffen werben. Männer 
und Frauen, bie nicht in ber Mitte des wifienfcyaftlichen Le⸗ 


bens ftehen, find von ihrem tiefern Weſen unmöglich in Kennt⸗ 


niß zu fegen. 
Das ‚Leben Jeſu“ von Strauß hat allerdings eine anſchei⸗ 


send populaire und allgemein zugängliche Seite in feiner Be= ! 


mühung für bie Feſtſtelung des wahren hiſtoriſchen Urſprungs 
ber unmittelbaren Dogmen; es gibt bier Lühne und tiefe Res 
fultate ſchwerer hiſtoriſch⸗ kritiſcher Unterfuchungen, die ats ſolche 
wol dem gewoͤhnlichen Bewußtſein mitgetheilt werden koönnen 
und aus denen es moͤglicherweiſe glauben lernen dürfte, daß 


bie Grundlage ber chriftlichen Religion weit weniger geichicht: 
terfiähen Urfprung® ſei. Aber‘ 


lichen, fondern mythiſchen, dich 
dusch Aneignung diefer kritiſchen Kenntniſſe wäre für das gläu: 
bige @emüth,, wenn ed anders von ihnen bleibend affteirt würbe, 
eher Schlimmes als Gutes gethan, denn für das unfrele, fub: 
jective Bewußtſein würden mit bem geſchichtlichen Boden alle 
Höhen und Tiefen des religfäfen Lebens zufammenftnten, da es 
außer feinee Sphäre liegt, die Form von bem Inhalte zu teens 


nen und lettern in ber Verklärung bes Begrifft feſtzuhalten, 
wenn bie erftere vernichtet iſt; felbft das Minimum der reli⸗ 


giöfen Überzeugung würde der gläubige Sinn verlieren, bas 
ihm die nagenbe Reflerion, die Bemühnng unfers aufllätenben 
Zeitalters noch gelaffen bat. Indeſſen iſt es nicht des Zweck 

es einen folden Raub an ber unbsfangenen, , bes 


biefes Buches, 
ſchraäänkten Weife zu. begehen, es Tann und will ben Maſſen 


nicht die eingige Sonne, den einzigen Troſt und Stützpunkt 
ihres dunkeln, zweifelsvollen Daſeins, ihre religiöje Vorſtellung 
nehmen, ſondern das Buch iſt für Die geſchrieben und kann 
auch nur für Die Folgen haben, denen der Inhalt jener weni⸗ 


gen Blätter offenbar iſt, die den abſoluten, philoſophiſchen Ge⸗ 


alt des Mythus, des unmittefbaren Dogmas andeuten; bier 
ft die Stelle des Buches, auf welcher fein wahrer Accent, feine 
wegende Webeutfamleit beraubt! Und wie der ges 


tiefe, 
wöhntiche Dienfch burch eine einfeiige Auffaffug vieles „‚Lebens 
» 


Jeſu⸗ ſein relbgibſes und ſittliches erlleten muß, 

weit ihm deſſen ſpeenlativer Mittelpunkt ein Myſterium bleibt, 

ſo hat es gerade für den freien Seiſt, für den, welcher ben 

logiſchen Proceß innerlich vollendet, die Wirkung, daß es die 

geſchichtliche Erſcheinung und Bewegung des Geiſtes mit ſeinem 

ken verſoͤhnt: es iſt bie hoͤchſte Bewahrheitung, das zwei: 
Gefchichte dem Geiſte gi 


Denken 
feltoſeſte Zeugniß, was die "gibt. Das 


„geben Jeſu“ von Strauß ift alfo feinem Grundbegriffe nad aus 
dem freien, philoſophiſchen Gelfte und für denſelben hervor⸗ 
gegangen, es nimmt weder, noch gibt es der gewoͤhnlichen 
Weiſe etwas, denn es vervollfländigt feinem hoͤchſten Zwecke 
nad nur die religiös: geſchichtliche Seite der Philoſophie unferg 
Zeitalters. Infofern aber die Philofophle in ihrer Aufı 
Spige die Erplication Gottes, und nichts als biefes ift, fo iſt 
fie auch Theologie, und es tft ein wefentlidher und eingi 
Vorzug ber heutigen Speculation, daß fie auch Theologie F 
die alle Momente der geſchichtlichen Erſcheinung in ſich vermit⸗ 
telt und wol der Form, aber nicht dem Inhalte nach vom po⸗ 
ſitiven Chriſtenthume verſchleden iſt. Wenn deswegen Strauß, 
gerüftet mit dem Drutte und dem Ernfte der Wahrheit wie mit 
tücdhtiger und umfaſſender Kenntniß, dieſe auffallenden Refultate 
einer neuteftamentlihen Kritik geliefert hat, fo unternahm er 
bies nicht, um aufgellärte Anfichten unter bie Leute zu bringen, 
um ben Zweifel und bie Reflerion aufzuftacheln, die als ein 
wefentliches Bedingniß in jedem gläubigen Gemäthe liegen, ſon⸗ 
bern es follte durch diefe Arbeit allein das Factum, bas pſycho⸗ 
logiſche Factum feflgeftellt werben, daß alle dieſe Lehren bes 
pofitiven Ghriftenthums in ber That find geglaubt worden, 
daß der Glaube an biefelben vorhanden war; und ob die Ba: 
ſis bes unmittelbaren Ehriſtenthums in etwas mehr ober we: 
niger hbiftorifch oder mythifch iſt, als Strauß es gefunden hat, 
das ändert am Ende die Sache ganz und gar nicht, wenn nur 
feſtſteht, daß diefe Lehren in der chriſtlichen Okonomie vorhan⸗ 
den gewefen find. WBelläufig fei es gefagt, es iſt deshalb ſtets 
ein vergebliches Beginnen gewefen, wenn man Strauß von Grund 
aus widerlegen wollte, indem man ſich bemühte, ihm Unrich⸗ 
tigkeiten In feiner Kritik nachzuweiſen; denn, um ihn vom ges 
ſchichtlichen Standpunkte aus zu widerlegen, hätte man allein 
dartbun müflen, daß der Glaube an diefe Dogmen gar nicht‘ 
eriftirt Habe, wodurch die Phitofophie um das hiſtoriſche Zeugs 
niß, die Orthoborie aber auch um ihren pofitiven Inhalt ges 
kommen wäre. | 

Rach diefem Allen muß es. uns ein’ unglharichre Beſtreben 
ſcheinen, wenn Jemand die Theologie von Strauß populair 
machen ſucht, denn er kann es nur von ihrer endlichen Seite 
aus thun, wobei ber fromme Wlaube Alles. verlieren und Nichts 
gewinnen muß; exft wenn bie ganze chriftliche Welt zum abfor 
Iuten Bewußtfein täme, wenn fie — wie das ganze Leben 
ein großer Mythus ſei, dann würde fie das Auge für bie un⸗ 
geträbte Wahrheit haben und ben Geiſt freubiger umfangen 
als feine endliche, zufällige Schale. Aber — babin wird es 
nicht Eommen, bie Welt fol. nicht auf ein Mal. abfolut, frei 
fein, fondeen es ift eine Bebingung des Lebens, daß es auch, 
fubjectiv, als Gefuͤhl, Vorſtellung, Reflerion vorhanden! Und, 
fomit hätte die philoſophiſche Theologie unfers Jahrhunderts 
gar Leinen Einfluß auf die religjöfe Bildung des unmittelbar 
gläubigen Gemüths? Ihrem eigentlichen, fpeculatioen Gehalte, 
nach nicht, denn diefer Eommt nur Denen zugute, welche nicht. 
mehr auf ber Sandbank der Enblichfeit ſizen; aber wo bie 
Erkenntniß iſt, da. ift auch das Maß vorhanden, unb fo kann 
fie das unmittelbare Dogma am beften vor einer Geſtaltuug 
bewahren, die nicht felten dem Geiſte des Chriſtenthums zuwi⸗ 
der geweſen iſt; ferner hat fie bie Aufgabe, auf eine höhere 
Gelenntuiß Hinzumeifen und ben Ginzelnen bazu angureigen. 

So viel zur Würdigung des Zweckes, ben ſich bie vorli 2, 
gende Brieffammiung gefept hat. Nach unferer Anſicht, ba 
das Unternehmen ſelbſt unzuläffig, fei, müflen wir pon jedem 
andern, befondern Maßftabe abſtrahiren, und indem wir einige 
Grörterungen an das einzelne Begebene Enüpfen, nur baküber 
berichten, ob der anonyme Brieffteller in feinen Darftellungen 
wirklich auf dem Boden der fpeculativen Theologie, wie fie ſich 
in Strauß vollzieht, Fuß gefaßt babe. 

‚ Wie ſehr dee Beiefficher noch ſelbſt von dem enfruni bie: 

fer Theologie entfernt ſei, beweift er dahurch, daB, er bie Hin- 
weifung auf den philoſophiſchen Urſarung berfelben ‚nicht allein 


‚vernachläffigt,, ſondern überhaupt bie fpeculative Gotteserkennt⸗ 


1024 


niß verwirft und veraͤchtlich behandelt. In der Beurtheilung 
des Kanon und der Gefchichte Jeſu hat er allerdings bie Res 
fultate der Strauß'ſchen Forſchung benugt, aber, wie wir fchon 
geſagt, auf diefed Kriterium flüst fi) weder die Religion des 
19. Zahrhunderts, noch iſt dies eine Erklaͤrung ber Strauß’: 
figen Theologie von ihrem Grunde aus. Die Theologie des 

. Sahrhunderts ift im Allgemeinen ber Verſtand, die Re: 
flerion nach allen ihren guten und böfen Gonfequenzen, und 
auch unfer Briefſteller ift in diefer Sphäre gefangen, wie er es 
an allen Orten nur zu deutlich ausſpricht. Zreilich hindert ihm 
diefe feine Bildungsftufe nicht bier und da bie fpeculativen 
Wahrheiten anzuwenden und einzumiſchen, aber dies ändert ir. 
der Sache nichts, fondern gibt ihm und feinem Buche Charak: 
terlofigteit und Misverhältnid. Ginzelnes Annähernde, bie 
Geſchmeidigkeit und nicht felten die hohe Kraft und Poefie der 
Sprache, dann diefe Unzulänglichkeit wol verdeden, aber nicht 
heben. Die erften beiden Briefe handeln vom Urfprunge ber 
Religion; hinreißend dichteriſche Epifoben und Glanz der Die: 
ion zeichnen fie befonders aus. Aber wenn wir uns, wie billig, 
denken, daß die philoſophiſche Theologie explicirt wirb, fo bes 
friedigt die Entwidelung ganz und gar nicht. Der allgemeine 
und urfprüngliche Boden ber Religion ift ihm das Gefühl, wir 
fühlen das Ewige und Unendliche, und deshalb ſteht es uns 
unmittelbar nahe, wir glauben daran. Das ift wahr, aber auch 
nicht, denn das Gefühl hat an fich gar keinen pofitiven Ge: 
halt, fonbern empfängt, als die Reflerion auf das Bubject, 
jeglichen Inhalt durch eine, wenn auch noch fo einfache und 
dunkle Vermittelung: das Denken iſt allein das Urſprüngliche, 
elbft wenn die Form des Gedankens in ber Weife ber Bor: 
lung auftritt. Gefühl hat das hier auch, aber darum fein 
zeligiöfes Gefühl, weil es vernunftlos iſt, weil es nicht ver: 
nünftig denken Tann. Dies hätte der Brieffteller, da er die 
Vernunft zu Ehren bringen und Vorurtheile in Bezug auf bie 
Religion vernichten will, nothwendigermweife beachten und aus 
einanberfegen follen. Indeſſen genügt ibm der unmittelbare 
Glaube, das rveligidfe Gefühl nicht, erſt wo bie Erkenntniß 
binzulommt, meint er, ba entfteht Religion. Was heißt aber 
Sckennen in den hoͤchſten Dingen? Doch wol das Erfaflen bes 
Emigen in ber Vernunft, jener Proceß, jene logifche Bewegung, 
worin fi das Endliche und Unendliche vermittelt, wo ber 
Geiſt fih als Geiſt erkennt, feine höchfte Offenbarung und, 


wie Strauß fagt, feine innigſte Verſoͤhnung feiert: wo der |. 


Glaube und bie Vorflellung fi zum Begriffe verfiärt und Res 
ligion und Philofophie ihren Coincidenzpunkt haben. So meint 
es aber ber Erklärer der Strauß’fchen Srundanfichten nicht: 
feine Erkenntniß, auf die er binweift, tft die des Verſtandes, 
der Reflerion, er nimmt bie Kategorien der Tritifchen Philofophie 
für das Hoͤchſte, denn er Ieugnet bie Möglichkeit einer vollendes 
ten Gotteserkenntniß durch die Speculation und preift allein 
den Kantianismus body, daß er enblidh gefunden habe, das 
Ewige koͤnne man nicht erkennen, fondern es nur vorausfehen, 

Tauben; wenn er aber das Beftreben des philofophifchen Get: 

es, das Endliche und Unendliche durch Schlüffe zu vermitteln, 
ebenfalls verwirft und es namentlich fpäter bei den Beweiſen 
für das Dafein Gottes thut, fo widerſpricht es fi nur felbft, 
denn bie Beftrebungen biefer Art fallen alle recht eigentlich in 
die Sphäre feines eigenen Standpunktes. Wir find weit ent⸗ 
fernt, diefen Standpunft des verftändigen Geiftes zu befämpfen, 
biefe Rellgion unfers gebildeten Beitalters: er iſt ein nothwen⸗ 
biges Moment in der Bewegung des Endlichen zum Abfoluten; 
aber unfer Brieffteller hat Unrecht, wenn er die Stufe der ver- 
fländigen Erkenntniß, auf welcher die Möglichkeit der Religion 
ba iſt, feſtſtellen will, denn eine Trennung ift ja nie vorban- 
den, mit dem Glauben an das Bein des Unendlichen findet fich 
auch gleich der Werftand, die Reflerion, fobaß felbft bei den 
finnlichften Meligionsformen die verfländige Thaͤtigkeit vorhan⸗ 
den ifl. Won den finnlichften Vorſtellungen der Naturreligion 
bis zum fublimften Subjectivismus, ber fich felbft als Mittel: 


punkt ſegt und Alles außer ſich getödtet hat, iſt eine ununter- 
brochene Reihe gleichartiger lieber, und dann erft am Ende, 
wenn das @ubject an feine eigene Schranke gelangt iſt und 
ben Durchgangspunkt zur Objeetivität, zum Abfoluten nicht 
finden Tann, gibt es in der Verzweiflung das endliche Denken 
auf und begnügt ſich mit dem Gefühle eines Inhaltslofen Bein 
bed Unendlichen: das ift befonders bie Krankheit unfers gebil- 
deten Beitalters, das iſt der Pietismus. 
(Der Beſchluß folgt. ) 


Die bevorkeh Notizen. 

e bevorſtehende Abfendung ber nach dem Quorraflufie 
beftimmten Dampfboote hat dem Gapitain Allen Beranlamuı 
gegeben, das in biefem Augenblid erregte Intereffe für diefen 
Theil Afrikas, den Schauplat der Wirkfamkeit des Vereins für 
Ausrottung bes Sklavenhandels, zu benugen wie zu heben durch 
Herausgabe einer Reihe von Anfichten diefes Fiuſſes, die er 
während der Unternehmung, bei weldyer Rich. Zander umlam, 
1852 und 1858 aufgenommen, bis jett aber wegen verfchiebes 
ner Umftände in feinem Portefeuille zurüdgehalten hat. Der 
Herausgeber nimmt in Zünftlerifcher Beziehung beſcheiden bie 
Öffentliche Nachſicht in Anfpruc in Betracht der Schwierigkeiten, 
unter welchen bie Zeichnungen, zum hell vom Krankenbette 
aus gemacht worben find. 


In der Bibliothek zu Rom hat man zwei biß jetzt uns 
bekannte Schriften bes Sbomas von Aquino entbedit: „De ad- 
ventu, statu et vita antichristi”, und ‚De judicio finali”, 
eine Erklärung ber Geheimniffe der Apokalypſe enthaltend. 47. 








Literarifche Anzeige. 


Conversations- Lexikon. 


bexi ur alle Buchhandlungen des Ins und Auslandes ift zu 

ziehen: 

Eonverfations : Eexikon der Gegenwart. 
In vier Bänden. Erſtes bis fünfundzwanzigftes Heft. 
A— Po. Gr. 8. Jedes Heft auf Drudp. 8 Gr., 
auf Gchreibp. 12 On auf Velinp. 18 Gr. im 

efes Wert ift ein für beftchendes und 
abgeſchloſſenes, bildet alt u time 
band zur 8. Auflage bes Gonv.=2er., fowie zu allen frübern, 
zu allen Nachdrucken und Nachbildungen beffelben. 

Eonverfations-Rexikon, Achte Original-Auflage. 
12 Bände. Gt. 8. Drudp. 16 Thlr., Schreibp. 24 Thir., 
Belinp. 36 Thlr. 

Hiervon iſt ein unverändberter Abdruck veranftaltet 
worden, von dem bie einzelnen Bände auch nach und nach in 
einem neuen Abonnement bezogen werben Tönnen, wo 
dann der Band auf Drudy. 1 Thlr. 8 Gr., auf Schreibp. 
2 3— auf Velinp. 8 Thir. koſtet. 

Univerſal⸗ Regiſter zur 8. Aufl. bes Converſations⸗ 
Lexikons. Gr.8. Geh. Druckp. 16 Gr., Schreibp. 1Thlr., 
Delinp. 1 eh. 12 Sr. Bine ® ef 

efes Regiſter gibt eine HoNftä e Nachweiſun 
ber felbftändigen Artikel —** Gate , fowie 
auch aller in andern EArtikeln behandelten Per⸗ 
ſonen und Gegenftänbe. Die Anſicht dieſes Regiſters 
wird am beſten die Unentbehrlichkeit deſſelben für jeden Bes 
figer der 8. Auflage darthun. 

Eeipzig, im Auguft 1840. 

3. A. Brodbaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung, 





Breitag, 


— Nr. 259. 





11. September 1840. 





Die neueſten Erfcheinungen der Literatur über 
Schiller. 
(Beſchlus aus Nr. 351.) 

Haben wir uns bei dieſem Commentar zu den Schil⸗ 
ler'ſchen Dramen auf einer wahrhaft erquicklichen Höhe bes 
Geſichtspunktes befunden, fo müffen wir allerdings bei 
2. Schillers Gedichte in allen Beziehungen erläutert und 

auf die Quellen zuruͤckgefuͤhrt, nebft einer vollftänbigen 

Nachleſe und Varlantenfammlung zu benfeldben. Für 

die Freunde des Dichters überhaupt und für die Leh⸗ 

rer des Deutfchen an höhern Schulanſtalten insbeſon⸗ 

bere. Bon H. Viehoff. Zweiter Theil. Stuttgart, 

Balz. 1839. 7 Str. 
etwas tiefer herabfleigen. Hr. Viehoff hätte einen fehr 
wadern Commentar ſchreiben können, wenn er nicht auf 
alle nur möglichen geiftigen Bebürfniffe hätte Nüdficht 
nehmen wollen. So wenig bie Erläuterungen zu einem 
alten Claſſiker zugleich auf das Verſtaͤndniß eines Quar⸗ 
tanerd und eines Profeffors der alten Literatur berech⸗ 
net fein koͤnnen, fo wenig läßt ſich eine Erläuterung zu 
Schiller fchreiben, die ebenfo für jeden „Freund des Dich: 
terö’’ als für den Schüler, ber die deutfche Literatur ken⸗ 
nen lernen fol, geeignet wire. Was foll man zu Noten 
fagen, wie S. 148 zu Vers 5 des „Punſchliedes, im Nor: 
den zu fingen”: 

Aber matt auf unfre Zonen 
Faͤllt der Sonne fehräges Licht; 
Nur die Blätter Tann fie färben, 
Aber Früchte reift fie nicht. 

Bekanntlich hat ber Norden (vorzüglich in Folge der haͤu⸗ 
figen Sommerregen) eine fchönere Farbe bes Laubes, frifdhern 
Graswuchs, gränere Wieſen als der Suͤden; aber an Toftbaren 
Früchten ſteht er Ihm nad). . 

Dder zu dem bekannten Räthfel: „Ein Gebäude ſteht 
da’ u. f. w. (S. 184): 

Die chineſiſche Mauer iſt gemeint. „Von uralten 
Zeiten”, fie ift über 2000 Jahre alt. Ihr Bau wurde 214 vor 
Chr. begonnen. — „Ein Reiter kann hundert Tage reiten‘, fie 
ift 500, nad) Anbern 700 deutfche Meilen lang. — „Richt eitle 
Prahlſucht“ u. f. w.; fie ward gu die nördlichen Völker er: 
richtet, @ie tft 10° breit, mit Schutt gefüllt, 30° hoch, und je 
nach 800 Schritten mit einem Thurme verftärtt u. f. w. 

Soll denn der Schüler bei Gelegenheit ber Lecture 
Schillers Geographie lernen? Vorerſt alfo würden dieſe 
Abundanzen abzuziehen fein, wenn wir den Sen des 


Buches herausfchälen wollen. Ihnen nachfenden möchten 
wir die mit vollen Händen ausgeftreuten Mäkeleien um 
Worte und Reime, die wol ein Humboldt brieflid) ma: 
hen ann, wenn ihm ber Dichter ben erften Probeguß 
eines Gedichts ſchickt, die aber unferer Zeit, diefem Drte, 
diefem Zwecke nicht wohl anftehen. Bon bem fo redu: 
cirten Buche iſt nun ferner zu fagen, daß Anordnung, 
biftorifche Einleitung des Einzelnen und bie ganze Beur⸗ 
theilung bes allgemeinen Inhalts eines Gedichts faft ohne 
Ausnahme Hoffmeifter angehört, den der Verf. auch bei: 
nahe auf jedem Blatte nennt und anführt. Was aber 
dann noch uͤbrig bleibt, das ift, abgefehen von einiger 
Breite für recht geeignet anzuerfennen, um bie Gedichte 
Schillers fo fehr als möglich zu verdeutlichen. Wir fas 
gen verbeutlichen, benn eine interpretation im höhern 
Sinne ift bier nicht erzielt. Das MWerthvolifte ift eine 
recht gute Paraphrafe, wobei dem Verf. fein glückliches 
Gedaͤchtniß in Verbindung mit einem rühmlichft anzuer⸗ 
kennenden Fleiße Parallelftellen aus den Gedichten ober 
anklingende Stellen aus ben profaifhen, namentlich phi⸗ 
loſophiſchen Schriften Schiller’ und fomit gute Wendun: 
gen und intereffante Beleuchtungen an bie Hand geben. 
Aber über dem Beftreben nach möglichfter Deutlichleit und 
Klarheit bleibt er fletd auf dem Niveau einer oberfläch: 
lichen Betrachtung flehen, und von tieferer Auffaffung if 
nur felten eine Spur. Sa, man kann von dem größten 
Theile des Buches fagen, daß dem Lefer eigentlich nichts 
mehr zu denken übrig gelafien fei, dem Xefer naͤmlich, 
für den man überhaupt fo fchreiben darf oder fchreiben 
muß, mie der Verf. fchreibt. 


Fuͤr wie ganz andere Kefer, ober — wenn für Lefer 
berfelben Gattung, nämlich für ein großes Publicum — 
doch wie ganz anders gefchrieben ift 
3. Schillers Leben In drei Büchern von Guſtav Schwab. 

Erftes Buch. Stuttgart, Liefching. 1840. 8. 12 Er. 

Der vorliegende Band umfaßt nur ben Zeitraum von 
1759 — 85, denfelben, welchem bie drei erften Dramen 
des großen Dichters entflammen. Aber fo viel auch über 
Schiller's Jugendgeſchichte veröffentlicht worden iſt, in bie: 
ſer anſpruchsloſen und doch geiſtreichen, inhaltsſchweren 
und doch leicht faßlichen Weiſe iſt ſie noch nicht geſchrie⸗ 
ben worden. Hr. Schwab beſitzt das Talent des gewand⸗ 
ten Erzaͤhlers, noch mehr das eines Erzaͤhlers fuͤr einen 


= 1026 


Kreis von Zuhörern, die mit ben verfchiebenartigften An: 
foderungen und unter ungleihen Vorausfegungen zuhören 
koͤnnen und doch befriedigt von ihm fcheiden werden. 
Die Darftellung fchreitet leicht beweglich in chronologifcher 

Folge, doch unter Dervorhebung der Richt: und Wende: 

punkte, fort; Ausfprüche Fremder, wie Worte des Did: 

ters ſelbſt find gefchickt in den Text verwebt, und die Ein- 

fiht in den geiftigen Zufammenhang der Dichterwerke wird 
ebenfo leicht wie die in den dußern Fortgang feines Le: 
bens erlangt. Auf Innerlichkeit und Vergeiſtigung des 

Einzelnen macht man feinen Anſpruch: darum darf bier 

ein höherer Maßſtab gar nicht angelegt werden, und body 

würde felbft ein folcher in manchen Andeutungen und bei: 
läufigen Betrachtungen gerechtfertigt erfcheinen. Neues wird, 
außer über die Alterlichen und vorälterlihen Verhaͤltniſſe 

Schiller's nicht mitgetheilt; für die mit Beſtimmtheit 

(S. 15) ausgefprochene Berichtigung ber gewöhnlichen 

Meinung, nach welcher der 10. November für feinen Ge: 

burtstag gilt, in die, daß vielmehr der 11. November es 

fei, wird freilich Beine andere Garantie, als: „Notiz des 

Hın. Oberamtsrichters Roofhüs zu Marbach” angeführt. 

Das Leben in Bauerbach und die manheimer Verhält: 

niffe find fehe gut geſchildert. Am Schluſſe diefer Periode 

und bes Bändchens wirft Hr. Schwab einen Rüdblid auf 

Schiller's bisheriges Leben und Dichten, worin er als lei: 

tende Anficht die flete Anerlennung des Weltplans be: 

zeichnet, den ber Gang feines Gefammtlebens befolgt 
hat. Einfah und doch großartig fpricht ſich bier ber 
würdige Sinn bes Biographen aus. Sollen wir aber 
auch bei aller biefer freubigen Billigung feines Wer: 
kes uns nicht ganz beifällig über Einzelheiten ausfprechen, 
fo wäre es 3. B. über bie zu abfihtlihe und ausführ: 
liche Hindeutung auf gewiſſe theologifhe Richtungen ber 
neueften Zeit (S. 217), melche bei Gelegenheit einiger 

Schilterfhen Dieta in den „Raͤubern“ gemacht werden. 

Der unbefangene Sinn, den Hr. Schwab durchgehende fo 

gluͤcklich ſich und dem Lefer zu bewahren weiß und befien 

Bewahrung eben bem Buche die edle Objectivität bei aller 

Fülle des Gefühle verleiht, hätte auch von ſolchen Ein: 

feitigkeiten fern halten und gehalten werden follen. 

Bisher haben wir es mit Leiflungen zu thun gehabt, 
die aus dem reblichfien Willen hervorgegangen und mit 
einem Fleiße ausgeführt waren, der felbft da, wo das 

Hauptingrediens jedes wiffenfchaftlihen Products, ber Aus: 

druck geiftigen Lebens, nicht in gleihen Verhaͤltniſſe vor: 

handen war, doch unfere volle Anerkennung hervorrief. 

Es hat fi aber au ein Werk unter folgendem Titel in 

bie Schiller : Riteratur eingebrängt: 

4. Schiller's fämmtlihe Werke volftändig in allen Be: 
ziebungen erklärt, von Dr. Schlegel. Leipzig, Po: 
let. 1840. 16. 12 Gr. 

Schiller's ſaͤmmtliche Werke? voltfiändig erflärt? 
in allen Beziehungen erklaͤr? — und ba8 auf 187 

Sedezſeiten? — Das ift in der That etwas viel ver: 

fprochen, man fieht, die Rapibität des Verſtehens fcheint 

ben andern Rapiditäten ber Zeit nicht nachftehen zu wollen; 
vielleicht ein erklaͤrendes Genie, das neben den vielen fingen: 


ben, tangenden, improvificenden und andern Genies einen | 
Platz einnimmt, ein Interpretationsvirtuos? Doch — for⸗ 
ſchen wir nach des Pudels Ken! — Das Buch beginnt alfo: 


Aachen war ehedem bie Kroͤnungeſtadt und eigentliche Reſi⸗ 
. Lenz der deutſchen Kaiſer, ber fogenannte königliche Stuhl. 
Aäkos (Aacus) Sohn des Zeus und der Ägina (einer Tochter 


des Fluſſes Aſopos), welcher ſich Jupiter in Geſtalt eines 
Adlers genaht und bei deren Umarmung — 


„Halt! das iſt ja nichts als eine Abſchrift und reſp. Aus⸗ 
zug irgend eines der vielen Converſations-Lexika, die, ſeit dem 
verdienſtlichen Vorangange des Brockhaus'ſchen zum Theil 
ſehr unverdienſtlich in die Welt hinausgeſchickt worden ſind, 
und noch dazu einer ober aus einem der erbaͤrmlichſten.“ 

Mein! Nicht blos das; hören wir weiter. 


Abbadoͤnna, eigentlih Abadbon, Vernichter, Todesengel.! 
Abbe, Abt; — ‚ Beni, — 


„Ah! alſo auch ein Auszug aus dem Petri'ſchen oder 
aͤhnlichen Fremdwoͤrterbuch.“ 

Nein! Nicht blos das; hoͤren wir weiter. 

Abend (ber), I, 225, ein fo einfaches rein empfundenes Ge: 
mälde ber Liebe, daß man ed anzuſchauen wähnt. 

Das ift in ber That Höchft geiftreich bemerkt! — Und 
auf diefe Weife geht es 1837 Seiten fort, wo das Bud) 
mit folgendem trefflichen Artikel fchließe: 

Zwiſchenhandlung, III, 13, 39, 50, 67. Sie war 
eine Einrichtung der alten Tragödie, um die Zeit zwifchen dem 
Abtreten und Wieberauftreten ber Schaufpieler auszufüllen. Sie 
enthielt meift allgemeine Betrachtungen. 

Fa! zu allgemeinen Betrachtungen gibt auch dies Werk: 
lein Gelegenheit genug. Schlegel und Polet! und ihr an⸗ 
bern Alle, Buchhändler und Schriftfteller, die ihre Buͤcher 
fabrictrt oder fabriciren laßt je nach dem Gurfe, ben eine 
geriffe Sorte der Literatur erlangt hat! Moͤchtet ihr es 
doch einfehen, daß in einem noch weit größern Maße, als 
ihr einen materiellen Vortheil daraus zieht, die Iterarifche 
Cultur dadurch benachtheiligt wird, und daß der Gewinn, 
der euch zu Theil wird, in gar keinem Verhaͤltniſſe fleht 
zu der Nota, mit welcher ihr bei dem Cenſus ber Kite: 
ratur nicht blos von den berufenen Richtern, fondern von 
allen mwohlgefinnten und edeldenkenden Zeitgenoffen bezeich⸗ 
net werdet. Und abgefehen noch von ſolchen Nüdfichten, 
von denen es zweifelhaft ift, ob fie nicht bei euch gerin: 
ger ins Gewicht fallen als bei ben Übrigen, wer — we⸗ 
nige ber Kursfichtigften ausgenommen — wird fidh wol 
von einem Aushaͤngeſchilde täufchen laſſen, das, wie ber 
Titel diefes Buches, fo fehr den buchhaͤndleriſchen Fabrik⸗ 
ftempel trägt, daß nur ein fehr geringer Grad von Über⸗ 
legung bazu gehört, um zu merken, wie fid) die Sache 
verhält. Kann alfo auch der materielle Gewinn nimmer: 
mehr ein fo glänzender fein, daß er euch über dem Mam⸗ 
mon bie Würbe eureß Berufes vergefien machte, warum 
ſchreibt und druckt ud verlege ihr, was — wir müflen 
bier in einer andern Reihenfolge, als es fich eigentlich 
ziemte, fprehen — nicht blos ber Literatur, nicht blos 
eurer Firma, fondern auch euerm Beutel verderblich iſt? 
Rufet bie Gnade des Dichters an, Verfaſſer und Verle⸗ 
ger! damit er. euch vergebe, was ihre an ihm gethan; vor 
dem Richterftuhle der Kritik koͤnnt ihr nicht abfolvirt werden! 


1027 


Das Unverföhnenbe dieſer Schlußbetrachtung muß noch 
gemildert werden durch einen Blick, den wir auf ein kuͤrz⸗ 
lich erfchienenes Werk, nicht über, fondern von Schil: 
ler werfen. Unter dem Xitel: 

5. Schiller's erfte bis jegt unbekannte Jugendſchrift: Die 
Tugend in ihren Folgen betrachtet. Zweite Auflage. 
Amberg, Klöber. 1840. 8. 4 Gr. 

bat ein Freiherr v. B. (Bähnen) in Amberg aus dem 
Nachlaſſe der Reichegräfin v. Hohenheim, nachmalige Her: 
zogin von Wuͤrtemberg, eine Rede: „Die Tugend in ih: 
ven Kolgen betrachtet”, herausgegeben, welche der Eleve 
Schiller zur Feier des Geburtsfeſtes ber erwähnten Dame 
(am 10. Ian. 1775) auf Befehl des Herzogs Karl — 
wie e8 auf bem Titel heißt — „‚verfertigt” bat. Sie trägt 
den Charakter der Sturm: und Drangperiode, einerfeits 
gemildert, wie es fcheint, nach der Lecture Addifon’s und 
Ähnliche, derem auch mehrmals darin gedacht wird, ande: 
rerſeits ausgezeichnet durch rednerifches Feuer und Schwung 
ber Phantafie. Inwiefern Übrigens der Herausgeber Mecht 
habe mit der Bemerkung, „es zeige fih am Ende des Auf: 
fages, daß der Zögling der Militairakademie gegen die Reize 
feiner Landsmaͤnnin nicht fo unempfindlich war, als ber Ma: 
jor v. Walter gegen jene der beitifchen Lady”, das wollen wir 
dahingeſtellt fein laſſen; der Schlußfag lautet wörtlich fo: 

Aber diefe Ruhe der Seele, Franziska, diefe Himmlifche Hei: 
terkeit, jest ausgegoffen über Ihr Angeficht, laut, laut verfüns 
det fie mir unendliche innere Belohnung der Zugend — Eine 


einzige fallende Thräne ber Wonne, Franzista, eine Gingige 
gleich einer Welt — Franziska verdient fie zu weinen! . 


Zum Ber: 


Das Ehriftentbum des 19. Jahrhunderts. 
In Briefen 


ſtaͤndniß der Strauß’fchen Srundanfichten. 


an eine Dame. 
(Beſchluß aus Nr. 351) 


Im dritten Briefe hebt der Verf. mit ber gefchichtlichen Ent: 
widelung ber Religion an; er berührt in Kürze das Wefen der Ras 
turreligion, verweilt bei ber Religion ber Schönheit, ber griechifchen, 
und beweift deren höhern Standpunkt dadurch, daß fich aus ihr 
eine wahrhaft befriedigende Erkenntniß, bie griechifche Philoſo⸗ 
phie in Plato und Ariftoteles entfalten Tonnte. Da biefe Phis 
Iofophie aber, meint er, eine einfeitige Erkenntniß aus Vers 
aunftgründen auch da verlangte, wo das religiöfe Gefühl nur 
die Bürgschaft der Wahrheit übernehmen kann, fo Eonnte fie 
nie als Religionslehre Eingang finden, obwol ſich fpäter auf 
diefem Wege die reinfte und vollendetfte Korm derjenigen Reli: 
gionen entwidelte, die fi nicht auf bie Wahrheit eines ges 
fchriebenen Buches fügen, naͤmlich: die Religion des Deismus, 
diejenige religiöfe Überzeugung , bie eine Offenbarung Gottes in 
der Ratur und dem menfchlichen Geiſte annimmt und Gott, 
Freiheit und Unfterblichleit nicht mit Gründen ber Vernunft, 
fondern durch den Glauben faßt. Berner fährt er fort: dieſer 
reine Deismus verbindet auf ſolche Weife das religidfe Gefühl 
und das Beſtreben des Menſchen nach eigener Erkenntniß zu 
einem barmonifchen Ganzen, hat Beine fefifiebende Form, fon: 
bern ftreift gleich der Schlange in jedem Krühlinge höherer Gr: 
kenntniß ihr altes Kleid ab, um ein neues anzulegen; fie ſetzt 
einen hoben Grad religiös sfittlicher Ausbildung voraus und ben 
harmoniſchen Zuſammenhang wiffenfchaftlicher Erkenntniß, ob 
fie wol daher jemals Gemeingut der Menſchheit wird werben 
Zönnen? fragt er. Run, fo hätten wir ja das religlöfe Ideal 
unfers anonymen Briefſtellers, es iſt jener Deismus, ben bie 
kritiſche Phitofophie lehrt, der fih aber nicht, wie er behauptet, 
aus ber griechiſchen Philofophie, fondern aus ben Segenfägen 


entwidelte, in welche Kant, obſchon er ben Ariftoteles eifrig 
flubirte und benugte, bie denkende Welt feiner Zeit rriſſen 
fand. Mit dieſer Wendung ſchließt er alſo die chriſtliche Welt 
mit ihren GShancen ganz aus, denn ba ſich nach ihm die höchfte 
Erkenntniß, bie vollendetfie Religion allein an bie griechiidje 
Philofophie anknuͤpfte „indem dieſelbe nur in ihren Denkextra⸗ 
vaganzen gleichſam beſchraͤnkt wurde, fo fällt das chriſtliche Be⸗ 
wußtſein ganz außerhalb der wahren Geiſtesbewegung und iſt 
eine unmwürbige Unterbrechung derſelben. Widerlegen Tönnen 
und wollen wir hier dieſe der Philoſophie der Religion und 
dem denkenden Geiſte widerſprechende Anſicht nicht, dieſe Auf⸗ 
klaͤrungsweiſe kommt um ein halbes Jahrhundert zu ſpaͤt; aber 
bie Berfiherung müflen wie dem NBrieffteller geben, daß er 
von ber tieferen Auffaflung dee Strauß’fhen Theologie himmel⸗ 
weit entfernt iſt: denn da ift Fein Deismus, der aus der grie 

chifchen Phitofophie Hergeleitet. Gerade biefe Theologie ift es, 
welche in ber Erſcheinung und hiſtoriſchen GEntwidelung bes 
CEhriſtenthums, ungeachtet fie das Endliche und Willfürliche ber 
Geſchichte fallen läßt, ein nothiwendiges und wefentliches Mo: 
ment des ſchreitenden Geiftes findet; die chrifttiche Geſchichte iſt 
ihr die hoͤchſte goͤttliche Offenbarung, die der Geiſt dem Geifte 
gibt, denn in ihr ift ſymboliſch, mythiſch, d. b. in Weiſe der 
Borftellung nichts als die abfolute Wahrheit enthalten, bie 
aber nicht ruht, fondern in Kampf und Arbeit ihren Logifchen 
Gang mat, um endlid rein, abfolut, im Begriffe hervorzu⸗ 
treten. Es Liegt deshalb in ber fpeculativen Theologie ein fo 
ungeheuerer reformatorifcher und verfühnender Act, ungeachtet 
fie alles endliche Zeugniß bes Geiſtes überwältigt hat, ungeach⸗ 
tet ihr SHriftus zum Genius des Geſchlechts und feine Geſchichte 
zur Gefchichte der Mrenfchheit geworden ift, daß fie dennoch 
jede Form ber Gotteserfenntniß in ihrer Berechtigung faßt und 
anerkennt, daß ihr in der göttlichen Geſchichte jedes Glied ein 
Wefentlidhes iſt. Freilich erkennt fie in diefer Weiſe auch den 
Deismus an, aber bdiefer gewinnt weder pofitio durch fie, wenn 
er in feiner Starrheit verharrt, noch verliert der fromme, ſub⸗ 
jective Glaube etwas mit berfelben, denn fie liegt über beide 
hinaus, fie findet erſt ihren Plat nach dem Iogifchen Gange, 
den das Bewußtſein der Welt oder ber fubjective Beift gemacht 
bat. Wenn fie indeffen mit dem Deismus das Schidfal thellt, 
baß fie nie populair werben Tann, fo geſchieht es wegen biefer 
ihrer Geiftigkeit, bem Deismus aber ift die Allgemeinheit ver: 
fagt, weil er leer ift, weil er weber bas denkende noch das 
gläubige Gemüth befriediget ; Gott ift, hoͤchſtens: Bott ift groß, 
das iſt fein ganzer Inhalt, feine ganze Offenbarung, wenn er 
fi getreu bleiben will. 

Wir fahren fort die wefentlichen Anfichten bes Briefftellers 
mitzutheilen. Weil aber der Deismus, bie ftumme Offenbarung 
Gottes in ber Äußeren und in der Ratur bes Menfchengeiftes. 
ein ſehr feines und geübtes Ohr verlangt und feine Kormen 
gu leicht dem Irrthume ausgefegt waren, fo entwidelte ſich 
m Morgenlanbe, der fruchtbaren Mutter ber Religionen, eine 
andere Art berfelben: die Religion der Offenbarung, bie ber 
Hebräer, der Perfer in Zoroafter, das Chriſtenthum und ber. 
Mobammebanismus. An biefen plumpen und ungefchidten Über: 
gang, bei dem wir nur ermähnen wollen, baß die perfifche Res 
Iigion wegen ihres rein natur: religiöfen Elements gar nicht in. 
biefe Sefellfchaft gehört, Tnüpft der MWrieffteller nun, nachdem 
er feine Dame vorher auf bie hinkende Kabel mit ben drei Rins 
gen verwiefen, fein Thema über die religiös zgefchichtliche Ent⸗ 
widelung bes Judenthums an. Wie vorherzufehen, findet er im. 
Zubenthume nicht die nothwendige Beziehung zum allgemeinen 
Drganismus ber Wahrheit, fondern es ift ihm eine Werirrung, 
eine Verbilbung ber idealen, hödhften Religion. Deshalb tritt 
nun im vierten Briefe ber Prophet Iefu von Razareth auf, 
um ben einfachen Blauben an den wahren Bott zu verlünben 
und nach dem Bilde hoher fittlicher Zdealität das Menſchenge⸗ 
ſchlecht dee fittlichen Freiheit wiederzugeben. 

Es tft in der Orbnung, daß in ber Religion bes Verſtan⸗ 
bes Ehriſtus höchſtens nur in ber Bebeutung eines Weltverbeſ⸗ 


| 1028 


Jerers auftreten Bann, ber einen, allerbings fehr einfachen, Glau⸗ 
ben an das böchfte Wefen lehrt und durch Lehre und Beifpiel 
die verfannte fittlihe Weltorbnung aufrichtet. Es würde bier 
zu weit führen, wollten wir bie Unzulänglichkeit diefer moder⸗ 
nen Auffaffung bes Ghriftentbums widerlegen, es iſt ein Vor⸗ 
urtheit, das die Eritifche Philofophie in Umlauf gebracht hat, 
daß der natürlihe Menfh, das Endliche im Zwieſpalte mit 
dem Emigen, die fiteliche Weltordnung erfaffen und bie Idee 
der fittlichen Freiheit realifiven koönne; erſt muß die Verföhnung, 
die Erlöfung vor ſich gehen, che das Subject frei, Telbftändig 
und fittlich auftreten und ein Genoſſe des göttlien Reiches 
werben kann; biefe Erlöfung und Werföhnung aber erkennt dies 
fer Standpunft nidt an. Das fpeeulative Chriſtenthum hin⸗ 
gegen, deſſen Grundanſichten doch in biefen Briefen erläutert 
werben follen, findet die Miſſion Chrifti und den Mittelpuntt 
des Chriſtenthums in nichts Anderm, als in der Erlöfung von 
der Sünde und in der Berföhnung mit Bott, nur baß bie 
Erldfung und Verföhnung nicht allein im Individuum, aud 
nit als Myſterium und als ein irdiſcher Act wie im unmittel: 
baren Dogma vor fich geht, fondern im Geifte, in ber fpecu: 
lativen Erkenntniß, im Begriffe des Unendlichen. 

Der vierte, fünfte und fechste Brief enthalten hierauf die Kri⸗ 
tik der einzelnen biblifchen Bücher, forte die bes Lebens Jeſu. Hier 
ift allerdings, wie ſchon gefagt, das Refultat der Etrauß’fchen 
Forſchung geltend gemadt, aber wir vermiffen bie Achtung und 
Würdigung, die gerade vom Standpunkte der fpeculativen Theo: 
. Iogie aus auch der Wahrheit gezollt werden muß, wenn fie 
felbft im Mythus, in der endlichen Korm der Vorſtellung auf: 
tritt; der Briefſteller flellt bier Alles unter ben Geſichtspunkt 
bes Wahns und der Verbilbung, wie es eben feine rein ver: 
fändige Weiſe mit fig bringt. Der fiebente Brief handelt 


von Gott, feinen G@igenfchaften, der Dreieinigkeit, dem Gebete . 


und ben Engeln. Alle Bemühungen, das Dafein Gottes buch 
Schluͤſſe zu bemweifen, werden bei biefer Gelegenheit durchgegans 
gen und als nichtig verworfen, obgleich wir von einem Er: 
Zärer ber philoſophiſchen Theologie erwartet hätten, baß er 
ihnen doch eine Berechtigung als fo vielen und nothwendigen 
Stufen des Geiftes zugeftanden hätte, von welchen aus er fi) 
endlich zur Höhe ber abfoluten Gotteserfenntniß erheben Eonnte. 
Wie früher, iſt ihm Bott allein im Gefühle zu erfaflen, und 
von einem Begreifen unb Grlennen Gottes Tann keine Rede 
fein. Aber diefes leere Wiffen von Gott Hält ihm doch nicht 
ab bas Verhaͤltniß der Welt zu Gott sichtig zu erkennen und 
die Weltgefhichte als die Selbftäußerung Gottes, bes an ſich 
feienden und unabhängigen Geiftes angufehen. So, meint er, 
it das Wiffen von Gott ein Sein Gottes in uns, und wir 
kommen mit Aufhebung unfers Willens und befchräntten Seins 
um Bewußtfein des Einsſeins mit Bott. Das ift ein wahr: 
aftiger Satz, der aber in dieſer Faſſung eine Wahrheit bes 
philofopbifchen Erkennens ift, das er ſchlechthin vermirft; und 
wie an mehren Orten wiberfpricht ex ſich bier felbft und wird 
fi) untreu. Nachdem die Gigenfchaften Gottes als Beziehun⸗ 
en beffelben zum endlichen @eifte auseinandergelegt worben, 
Behanbelt er die Lehre von der göttlichen Dreileinigkeit. 
verwirft und muß biefe Lehre als ein Abfurbum verwerfen; 
aber dies thut nur der Verſtand; ber vernünftigen Erkenntniß, 
weicher Strauß huldiget, iſt fie das A und das D aller Weisheit. 
Der achte Brief Hat bie Lehre vom WBöfen zum Vor⸗ 
wurfe. Zuerſt werben die verfchiedenen kirchlichen Anfichten vom 
Urfprunge des Boͤſen entwidelt und deren gefchichtlicher Boden 
nachgewieſen; hierauf fegt der Verfaſſer ſelbſt richtig und fchön 
auseinander , wie das Böfe nichts Materielles ſei, fonbern eine 
Erſcheinung in der Entwicklung des endlichen Geiſtes. Das 
Seldftbewußtfein, heißt es, ift das Erkennen der Gottheit im 
menfhliden Geifte und das Erfaſſen des göttlichen Geſetzes, 
welches fi) uns in der Vernunft Eund gibt; das Richterkennen 
dieſes Geſetzes iſt Schwäche, das Übertreten beffelben ift bie 
Sünde; fie entſteht alfo nicht aus bem Boͤſen im Menſchen, 
fondern veranlaßt erft das Boͤſe in ihm, weil die Wirkung der 


Bünde erft das Boͤſe if. Des neunte Brief Härt bie Dame 
über das Dogma von der Erlöfung auf, und fie erfährt natür: 
lich, dag im Tode Jeſu die erlöfende Kraft_darin liege, daß er 
ein Beifpiel und Vorbild der Liebe ſei. Der zehnte Brief 
eichnet ſich befenders durch rüdfichtslofes Auffahren gegen die 
sthobogie und durch ein gänzliches Verkennen von beren 
Rothmwendigkeit und Berechtigung aus; zumal iſt ed das Gapi: 
tel von ber Kirche, das ihn in Harnifch feat: hier iſt ihm Alles, 
Kirche, Cultus, Prieſterthum ein unſaͤglicher, fortlaufender 
Irrthum, dem entgegen er eine unſichtbare Kirche beantragt, 
bie im Staate aufgehen fol. Im elften Schreiben wird bie 
Unfterblichleit ber Seele verhandelt. Der Brieffleller nimmt 
eine perfönliche Fortdauer in Anſpruch, ohne welche nach feiner 
Anfiht Feine Fortdauer und kein höherer Zuftand möglidy fet. 
Da die Strauß'ſche Theologie näher bie Hegel'ſche Philoſophie 
ift, und zwar bie, welche ihren Grunbriß rein und unverleht 
bewahrt wiflen will, fo bürfte die Dame hierin am wenigften 
etwas von ber Theologie des 19, Jahrhunderts erfahren, denn 
diefe hat den Muth und bie Überzeugung, die perfönliche Fort⸗ 
dauer für eine in ber Endlichkeit befangene Anſicht zu erBlären, 
und meift fireng all jenen Scholaflicismus zuräd, durch den 
man nad des großen Meiſters Tode die Perfönlichkeit retten 
wollte. Die Beweiſe für die Unfterblichleit der Seele, bie 
eigentlich immer noch in bie Geiftesfphäre des Briefftellers fal⸗ 
len, verwirft er al® ungenügend, und meint, baß im Gemüthe 
bes Menfchen, in welchem wir die Bürgfchaft für unfere Frei: 
beit und Gottesverwandtfchaft befifen, auch die Unſterblichkeit 
der Seele gegründet fei; das ift recht wahr, aber mit biefer Wen⸗ 
dung iſt die Srage von einer perfönlicden Fortdauer noch nicht ges 
töft, die kann nur auf bem Boden der Speculation entfchieden werben. 
Der zwölfte und legte Brief gewährt einen Überbiid 

und ein letztes Zufammenfaffen Deffen, was in den frühern 
Schreiben mar gefagt worden. In demfelben erflärt ber 
Briefftellee nochmals alles Andere, was von biefer feiner reis 
nen ®ernunftreligion im Chriſtenthume abweiche, für Wahn 
und Pfaffentrug; befonbers fchlecht kommt hierbei die katho⸗ 
liſche Kirche weg, fie if ein großer Schauplag bes Betru⸗ 
ges und der Narrbeit. Wir wollen ihm wegen biefer blins 
den Hige nicht zürnen, denn es gibt verfchiedene Stufen bes 
Geiſtes, von denen aus ſich bie Geſchichte des Geiftes in feinem 
Kampfe und in feiner Arbeit deuten läßt: bie Seinige, d. h. 
die der verfländigen Reflerion, hat einmal bag Shah vor 
lauter irdiſchem Zage das Ewige in der irbifchen Hülle nicht 
zu erkennen. Aber das ift bie Sünde gegen ben heiltgen Geift, 
daß dieſer Briefſteller fich felbft einen Standpunkt vindicirt, ben 
er nicht hat: er will bie fpeculative Theologie, die Strauß’fchen 
Grundanfichten erklären und Eennt fie nit. Wenn er deshalb 
am Ende feines Buches fagt; daß der Rationalismus auf Ab: 
wege geirrt fei, weil er namentlich in feiner Bibelauslegung 
von einem einfeitigen Standpunkte bes Verflandes ausgegangen, 
und ſich darum lächerlich gemacht babe; daß er bios ben fünfs 
ten ct des großen Dramas ber chriftlichen Menfchheit vorbes 
zeitet habe, indem nun erſt die mythiſche Auffaffung den, in 
den erften Acten gefhärzten Knoten loͤſe, fo kehrt er den Spieß 
nur gegen fein eigenes Fleiſch. Bein GChriftentbum, bas er 
uns fo wort und wenbungsreich, mit fo vielen erborgten Sprü⸗ 
den und Rebensarten auseinandergelegt bat, war nichts ale 
die hoͤchſte Spitze des verftändigen Geiſtes, der dadu daß 
er in der Geſchichte des Chriſtenthums einen Mythus anertennt, 
no gar keinen Schritt weiter gethan hat. Der Fortichritt 
liegt in der lebendigen Auffaſſung der Wahrheit, welche ber 
Mythus verbirgt, in der philofophifchen Verklärung des Bilbes, 
aber dies Tann allein die Philofophie des 19. Jahrhunderts, 
welche näher die Hegel'ſche iſt. Nur Denen, welche in biefer 
Sphäre wahrhaft heimisch find, frommt und gehört jenes herrs 
Ude Buch vom eben bed Propheten von Nazareth; allen Ans 
dern, Damen und Herren, iſt feine tiefere Bedeutung vers 
Aloflen, weit fie noch in der Schule bes endlichen Begreifens 

gen. . 


Berantwortliher Herausgeber: Deinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche unterbaltuns. 





Sonnabend, 





Claſfiſche Dihtungen. der Deutfchen. Zum Schul: und 
Daun ebrauch erläutert von W. E. Weber. Er: 
ndchen. Goethe's Ipbigenie und Schiller's 

zu Bremen, Deyfe 1839. Br. 12. 1 Tolr. 


Der Berf., ruͤhmlich bekannt durch mehre ber alten 
und neuen Literatur mie der Anthecie angehörige Werke, 
fieht 08, laut ber Vorrede, als den gluͤcklichſten Gortfcheitt 
volksshiumticyer Seibfibefinnung an, daß man unfern Schu: 
len zummehet, die deutfche Iugend mit den Meiſterſtuͤcken 
ber vaterlaͤndiſchen Literatur vertraut zu machen; und 
biefe Koberung ber Zeit Hi «6, die ihn zu Abfaflung bes 
vorliegenden Werks veranlafte. Wenn wir bedeuten, wie 
in unfern Tagen bie materiellen Intereſſen bie bereichen: 
ben find, wie fie zwingend auch in die Orgamlifation urs 
ſpruͤnglich gelehrter Schulen eingreifen, dann müflen wir 
Dem bantın, der auf irgend eine Weiſe, wenn «6 nur 
mit Berfland und Geiſt gefchieht, dieſem Streben und 
Trachten entgogenzumisten fuht. Was bie Gelcheten: 
ſchulen betrifft, fo iſt es allerdings wahr, daß ein ſtren⸗ 
ges und ernſtes Stubium ber Alten dem Geifte eine hobe 
Bildung zu geben, ihn über das Materielle zu erheben 
vermag. Abgeſehen von ben ausgezeichneten Geiſtern, bie 
im Gebiete des Alterchums herrfchen und fi) dadurch auf 
ben Gipfel ber Cultur erhoben, kennt der Werfaffer biefer An: 
zeige Männer, die durch ein fleißige® Studium ber Claſſiker 
allein ſich die Bildung erwarben, die Schiller im Sinne 
hatte, als er Über bie Aftgetifche Erziehung fchrieb. Den: 
noch iſt es unleugbar, daß bie Mehrzahl der fich auf ge 
Iehrten Schulen Bildenden eines Mittels bedarf, das ihr 
den Sinn für das erhabene Alterthum und feine Werke 
auffätieße; und hier wirken bie claffifhen Dichtungen bes 
Batertandes mehr als irgend etwas anderes. Es ift wahr, 
wie auch Hr. Weber bemerkt, daß auf den Schulen, von 
denen hier die Mede, nur fehr wenige Stunden ben beut: 
fhen Glaffitern gewidmet werden können. Um fo mehr 
it zu wünfcen, daß junge Studirende eine Anleitung 
belommen, fi in ihren Mußeſtunden zweckmaͤßig mit 
ihnen zu befchäftigen. Und mehr als auf gelehrte An⸗ 
falten hatte der Verf. fein Augenmerk auf Realſchulen 
gerichtet, indem er in ber Bekanntmachung mit ben edel: 
ſten Erzeugniſſen ber vaterländifchen Literatur das einzig 
wahre AÄquivalent desienigen Bildungsmittels erkennt, 


weiches in dem gelehrten Schulen in dem Studium ber 
Griechen umb MRimer gegeben ift und weiches jene dureh 
den in ber Gegenwart triumphirenden Materialismus gar 
gu ſehr nach bem irbifchen Bedarf zugefchnittenen Inſti⸗ 
tute einigermaßen in einen Zuſammenhang mit hoͤherm 
Leben zu erhalten vermag. Eigentliche Buͤrgerſchulen fah 
Mec, hier nicht gern aufgeführt. Sie ſollen, nach feiner 
Überzeugung, den Zufammenhang mit beim höhern Leben 
auf eine andere Meife, durch andere Mittel gewinnen. 
In gleichen Maße war des Verf. Augenmerk auf weib⸗ 
liche Erziehungsanftalten gerichtet, wo freilich ein Gegen⸗ 
gewicht gegen die. reale Vielwiſſerei unferer Tage ſehr nd: 
tbig. Für fie vor allem ift Goethe's Wort in den „Wahl: 
verwandtſchaften“ zu beherzigen: „Ein Lehrer, der das Ge: 
fühl am einer einzigen guten hat, an einem einzigen 
guten Gedichte erwecken Tann, leiftet wmehr als einer, ber 
uns ganze Reihen untergeordnneter Naturbildungen der 
Geſtalt und dem Namen nach überliefert.” Denn warum 


-follten wir nicht dieſes Wort auf anderes Wiffen aus⸗ 


dehnen, womit man unfere Töchter in Penſionen und 
anderen Anftalten ausſtattet? (Zu welchen Betrachtun: 
gen gibt dieſes Wort Anlaß?) 

Sehr gut begegnet der Verf. dem Einwande genen 
ein Buch wie das vorliegende: ber Geiſt der Poefie müffe 
durch fich felbft wirken; Bemerkungen dazu, Erläuterun: 
gen, tur; Commentare helfen dazu nichts. Sich in ber 
Sphäre, worin ein Werk der Dichtung ruht, im Gans 
gen wie im Einzelnen orientiren, fagt er, die MRefultate 
eigenen Nachdenkens mit dem eines fremden zuſammen⸗ 
halten, in bie Werkſtatt des poetifhen Schaffens ein⸗ 
beingen (mas bisher nur Sache des Gefühle war, ſetzen 
wir hinzu, denkend auffaflen), das kann den Genuß ber 
Poeſie nur veredeln und vervielfältigen und muß den 
Geiſt üben und ſtaͤrken. Wie wahr diefes, das wird der 
finnbegabte jugendliche Leſer, ſei es Juͤngling ober Jung⸗ 
frau, erkennen, wenn er mit dem Boden, auf dem Schil⸗ 
ler's „Tell“ ſpielt, nad) des Verf. Darſtellung ſich ver⸗ 
traut gemacht hat. 

Aber auch abgeſehen von dieſem Gewinne, iſt e6 ge⸗ 
rade recht zeitgemäß, an bie echten claffilchen Werke un- 
ſers Baterlandes zu erinnern. Auf eine Zeit herrlicher 
Bluͤte iſt eine Beit, nicht eben der Unfruchtbarkeit, fon _ 
dern bed Miswachſes gefolgt. Was ein Kritiler vor 


etwa zehn Jahren ſprach: es fei gut, daß auf bie Artflo: 
kratie in der Dichtkunſt eine Demokratie folge, und biefe 
komme heran, iſt nur zu ſehr in Erfüllung gegangen. 
Freilich muß Der, der die legtere als die goldene anfieht, 


das Geſetz ſtatuixen, die königliche Eiche fei unmgehauen, 


damit die Pilze an ihrem Fuße einige Höhe zu haben 
fheinen. Was tft in der jüngflen Zeit in Deutfchland 
Großes erfchienen? Wir haben einige im Lyriſchen aus: 
gezeichnete Dichter; aber dieſe Lyrik fcheint Alles zu ver: 
fchlingen. Welches Werk iſt erzeugt, das an Reinheit, 
Vollendung, Abel, Harmonie auch nur einigermaßen mit 
einer„Iphigenia“ verglichen werden koͤnnte? 

Doch es ift Zeit, auf das Werk felbft zu kommen; 
"und da muͤſſen wie zuvoͤrderſt die Wahl der Dichtungen, 
die Hr. Weber für fein Vorhaben gefroffen, gluͤcklich nen: 
"nen. „Iphigenie“ in ihrer Einfale und Großheit, dieſes 
“bei feiner Verftändlichkeit doch zu mannichfachen Bemer⸗ 
"ungen und Erläuterungen Anlaß bietende Kunſtgebilde; 
„Wilhelm Te”, diefe bei ihren glänzenden Schönheiten 


"manches Bedenkliche enthaltende, in Hinficht auf Geſchichte 


:und Localität geiftreicher Erläuterung reihen Stoff bietende 
Dichtung; beide ber Aufnahme in Geiſt und Gemüth ef: 
ner bildfamen Jugend fo recht geeignet, find Werke, wie 
fie der Erlaͤuterer für feinen Zweck nicht beffer Hätte wuͤn⸗ 
fchen koͤnnen. Zuvoͤrderſt danken wir ihm für eine gruͤnd⸗ 
liche Darlegung der Heldenfage des Zantalifchen Hauſes 
und deren antike Bearbeitungen, wobei natuͤrlich der Eu: 
ripideiſchen „Iphigenia auf Tauris“ vorzüglihe Aufmerk: 
ſamkeit zugewandt iſt. Hier muß bie ehrfurchtsuolle Anz: 
-ertennung bes in unferer Zeit fo oft geſchmaͤhten, in fei: 
‚nen großen Vorzügen miskannten Euripides anerfennend 
erroähnt werden. Der Verf. ermeift fich gleichgefinnt mit 
dem von ihm hochgefeierten Dichter, der, als er über 
jenes Tragikers „Phaethon“ ſchrieb, „ehrfurchtsvoll an fo 
koͤſtliche Reliquien herantrat“. Der eigentlichen Erklaͤrung 
der Goethe'ſchen „Iphigenie“ find dann drei Capitel vor: 
ausgefhidt, worin der Plan des Dramas, die Geſchichte 
feiner Entſtehung und eine äfthetifhe Würdigung beffelben 
mitgetheilt wird. Wenn die erften beiden ſich durch Ge: 
nauigfeit empfehlen, fo dürfen wir das dritte, die dfthe: 
tifhe Beleuchtung (S. 60 — 108), ben intereffanteften 
und geiftreichften Theil der erfien Hälfte des Werkes nen: 
nen. Was über das Verhaͤltniß bes griechifchen zu dem 
deutfhen Drama und den Unterfchied zwiſchen beiden, 
"über Umgeftaltung ber Babel, wie Euripides fie behandelte, 
über den fittlichen Geift, der in ber deutfchen Dichtung 
weht, gefagt worden, iſt recht eigentlich aus der Tiefe 
geſchoͤpft und verräth ben Mann, ber durch ein ernftes 
Studium des Altertbums das reine Maß für Schönheit 
und Kunft gewonnen bat. Hr. Weber hat audy bie Aus: 
ftetung beruͤckſichtigt, die der berühmte Philolog Hermann 
an ber beutfchen „Iphigenie“ gemacht hat. Was er in: 
deß für den Dichter derfelben vorbringt, ift Entſchuldigung, 
nicht Rechtfertigung, die, nach unferm Beduͤnken, gar 
wohl haͤtte eintreten koͤnnen. Pylades' erfundene Erzählung, 
womit er vor Iphigenie tritt, ſcheint uns ſehr gut mo⸗ 
tivirt. Von Dem, der griechiſche Haltung und griechiſches 


Maß kennt, haͤtten wir nicht erwartet, daß er Iphigenien 
nachdem Oreſt ſich ihr 44 gegeben, kalt a hehe, 
noch weniger, baß ein folder an dem Abſchiedsworte bes 
Thoas Anſtoß nehmen koͤnnte. Uns fcheint dieſes das 
einzig würbige ins Munde des Könige. Und weichis Ge⸗ 
wicht bat biefes Lebt wohl! nach dem vorhergehenden 
So geht! Wer die „Iphigenie” in Weimar in der guten 
Theaterzeit aufführen ſah, ber erwartete Beine „Ausſpin⸗ 
nung des Lebt wohl in beruhigendem Sinne”. 

In der ſonſt ſo vortrefflichen aͤſthetiſchen Beleuchtung 
haben wir ein Hervorheben zweier Stellen, auf die ber 
Dichter ohne Zweifel großes Gewicht gelegt bat, vermißt. 
Wir können das Drama eine Darftellung des Triumphs 
der Sitte (Sietlichkelt) nennen. Ein Triumph kann nur 
ba flattfinden, wo ein Widerſtand und ein ſchwerer zu 
beftegen if. Iphigenie bat viel zu beftehen; das Schwerfte 
aber iſt das Feſthalten an der Wahrheit, der fie- ihr Le- 
ben lang treu gewefen. Cine Unmahrheit Eatın ihr den 


kaum voiebergefchenkten, mit unemdlicher Liebe umfaßten 


Bruder erhalten, ihr Vaterland und Freunde wiedergeben ; 
bie Wahrheit vernichtet ihr ein fo hohes, ſchmerzlich er: 
ſehntes Gluͤck. Sie bieibt- ihrem Charakter treu und 
opfert ihr Alles der Wahrheit. -- Diefer Triumph mußte 
in feiner Größe anſchaulich gemacht-werben; und das ‚hat 
ber Dichter auf eine hoͤchſt vortrefi Weiſe getban, 
indem er an eine That erinnert, Die weile bes dabei be: 
wiefenen Muthes zu ben gefeiertfien der ee gehört, die 
einen Saͤnger gefunden hat, ber That wixpig, an den 
Rofferaub des Diomedes und Odyſſeus. Der ang der Sitte 
bervorgehenbe Sieg erfcheint In den Augen ber sgefr nicht 
fo glänzend wie einer, in dem männlicher Much und Ta— 
pferkeit ſich ausſprechen. In ber Scene, von ber bier 


‚die Rede, erſcheint jene That nur als eine Holle Dirieni- 


gen, bie Iphigenie' zu leiften bat. Darum hätte die 
Stelle, wo fie, nach einigem Stillſchweigen, die Worte 
richt: 
" y denn gu unerhöcter That ber Mann u. f. w. 
von Hın. W. mit ber Deutung, bie fie offenbar an bie 
Hand gibt, hervorgehoben werben follen. Er ſpricht von 
ihr (S. 84); aber bie bedeutenden DBerfe, wo von bem 
Mofferaube die Rede, find ausgelafien. So ift dem 
einzig fchönen von Iphigenien an Thoas gerichteten Worte: 
Folgſam fühle’ ich immer meine Seele am ſchoͤnſten frei, 
beimeitem nicht Gerechtigkeit widerfahren in der Erlaͤu⸗ 
terung (S. 224): „Inſofern fie in dem Gefühle des Ge⸗ 
borfams, als geziemender Pflichtubung, Berubigung und 
Heiterkeit fand.” Uns fcheint Grund und Gipfel der 
Moral in ihm ausgefprohen. Denn wo wäre biefer zu 
fuchen als dba, wo Nothwendigkeit (Unterwerfung unter 
das Geſetz) und Freiheit zufammenfallen? Und war Iphi⸗ 
genie's Mund nicht der würdigfte, ein folches Geſetz aus⸗ 
zufprechen ? 

Was die zweite der erläuterten Dichtungen, ben „Wil: 
beim Tell“ beteifft, fo haben wir fchon angegeben, weßhalb 
diefer fich für des Verf. Zweck befonders eignete. Gerade 
bei the erhöht Kenntniß der Gefchichte und Localität in 
hohem Grade ben Genuß, den fie an fich gewährt; weshalb 





⸗ 


1031 


"Sie Genauigkeit Hrn. Weber's in Behandlung biefer Ge: 


ände Anerkennung und Lob verdient. Der eigenen 
nfchauung ber Schweiz kam ein forgfältiges Studium 
der Eigenthuͤmlichkeit des Landes, mie Anbere dieſes an⸗ 
geſtellt zu Huͤlfe, und für das Hiſtoriſche wurde Alles 
denutzt, was in feinem Bereiche lag. Die Bemühungen 
deffelben laſſen uns zugleich erkennen, welche Studien Schil⸗ 
ler gemacht, ehe er zu dieſem Werke ſchritt, was dazu 
gehoͤrt, ſo viele Einzelheiten zu einem Ganzen zu ver⸗ 
weben und zu verſchmelzen. Nur dürfen wir auch nicht 
verhehlen, daß ber Kritiker in feinen Erläuterungen etwas 
zu weit gegangen, hier und da zu meitläufig geworden. Er 
hätte wohlgethan, auf Quellen, die auch einem Schüler 
ieicht zugänglich find, hinzuweiſen und dadurch eine Be⸗ 
kanntſchaft mit ihnen ſelbſt zu befördern. Müller's Schwei: 
zergefchichte, aus der wir die Gefhichte des Bundes in 
feinem Entftehen und des Tell auf 29 Seiten (244 — 273) 
ausgehoben finden, braucht ja nicht weit gefucht zu wer: 
den. Öfters iſt auch in den einzelnen Erläuterungen Ge: 
ringfuͤgiges, flr den Drt nicht Paffendes beigebracht wor: 
den; wie 3.8. ©. 435 zu den Worten: „Sie läuten 
droben auf den Bergen”, wo der Gefährlichkeit des Laͤu⸗ 
tens im Gewitter gedacht wird. So finden wir ©. 454 
eine Erwähnung der VBergftürze in der Schweiz, und mit 
Gpecialitäten, die hier gewiß nicht am Drte waren. 

Dos Problematifche in der Anlage des Schaufpiels 
„Wiühelm Tell“ wird keinem aufmerkfamen Lefer entge: 
ben. Auch Hr. W. fpricht ausführlich darlber und meint, 
Schiller habe den Vorwurf einer doppelten Handlung nicht 
ganz ohne Grund auf fich geladen. Schwerlich aber wäre 
für die Einheit der Handlung, wie der Kritiker meint, 
badurch gewirkt worden, wenn der Dichter Zell hätte im 
Nütlt auftreten und mitwirken laffen. Bier durfte sell 
nicht fein, wenn der Charakter burchgeführt werben follte, 
den ber Dichter darzuftellen die Abficht hatte. Uns fcheint, 
die Berathung, der Bund im Ruͤtli follte, diefer Abficht 
gemäß, eine Staffage fein für Zell, den Mann ber That. 
Freilich iſt die Staffage zu. reich, zu mächtig ausgefallen; 
und daher der Anfchein einer geboppelten Handlung. Da: 
mit die That des Tell mehr als Hauptpunkt des Ganzen 
erſchiene, ließ der Dichter die Brechung der Burgen und 
die Vertreibung der Voͤgte Früher, als fie wirklich ſtattfan⸗ 
den, eintreten, und dies als Folge jener That. Es ift 
wahr, was Hr. W. (5.326) fagt: „Tell würde den Land: 
vogt erfchoffen haben, aud wenn das Landvolk Feine 
Befreiung gefucht hätte, und bie Befreiung hätte zu 
Stande kommen können, auch wenn des Landvogts Unter: 
gang nicht fo zu guter Stunde gelommen wäre.” Doch 
fan, nad) unferer Anfiht, für den Dichter angeführt 
werben, daß die Befreiung der Schweiz im Drama nicht 
die Hauptfache, fondern Tel, der Mann ber That, der 
durch diefe Das, was lange berathen war, zu rafcher Aus⸗ 
führung bringt. Mur das müflen wir zugeben, daß, 
indem ber Bund im Ruͤtli fo nur zur Nebenſache wird, 
biefe ein zu großes Gericht, eine zu große Maſſe im 
Schauſpiele macht. 

Der Tadel, den Hr. W. über Rubens’ Verhaͤltniß 


feines Buches gefchabet. 


su Bertha ausſpricht, Hat feinen Grund; dies iſt obne 
Zweifel die ſchwache Partie im Drama. Schiller wollte 
biefem etwas Romantiſches beimifchen, er wollte (und das 
bezeugt, daß er ſich Über die no im „Don Carlos” herr⸗ 
[chende Anficht erhoben hatte) den ber Wirklichkeit ange: 
börigen Stoff in eine poetiſche Sphäre fpielen; dazu follte 
bie Eingangsſcene und die Liebe zwiſchen Rudenz und 
Bertha dienen. Er hätte der legtern nicht bedurft, und 
wir innen nicht ander als mit Hrn. W. annehmen, 
daß er ſich hier von feiner Vorliebe für zärtliche Verhaͤlt⸗ 
niffe und befonders für überfchwänglich empfindende Frauen⸗ 
haraktere hinreißen ließ (S. 329)3 wie denn dadurch ber, 
wie es Hrn. W. und uns fcheint, nicht paffende Schluß 
herbeigeführt wurde. 

Indem der Berf. diefen und manden andern Tadel 
ausſpricht, fürchten wir nur, er babe einer Hauptabficht - 
Diefer war, in Schulen bie 
Jugend für bie großen vaterländifchhen Dichtungen zu er: 
wärmen, fie ihnen zugänglich zu machen, bafür zu bes 
geiftern. Durch die zu oft angewandte, oft, namentlich 
bei Schiller, tadelnde Kritik Lönnte die Jugend, nament: 
lich unfere Jugend eher zu Kritik gereist als zu reinem 
Genuß geführt werden. Mir fehen wohl ein, baß es für 
einen fo"umfichtigen Mann fchwer war, bie fih ihm auf: 
drängende Kritik abzuweilen, baß fein aͤſthetiſches Gewiſ⸗ 
fen bier ins Spiel kam. Doc, gab es wol eine Weiſe, 
den Kundigen in diefer Hinſicht, wenn auch nur durch 
Winke, zu befriedigen, ohne das jugendliche Gemüth ent: 
weder zu verlegen, ober durch vorellige Anwendung eigener 
Kritik zu verflimmen. Übrigens fegt Hr. W. nie die Ehr⸗ 
erbietung bintan, die man fo großen Genien ſchuldig 
iſt. Hier und da macht er den Vettheidiger Schillers, 
namentlich gegen Börne; nicht immer glücklich; wie denn 
S. 437 die Vertheidigung nicht gewichtiger als bie Anklage. 
Hier war die Moralität gewiß nicht recht angebracht. 

Einige kleine Verftöße in einem Buche zu finden, das 
eine folhe Menge aus vielen und verſchiedenen Schriften 
zufammengebrachte Einzelnheiten enthält, kann nicht be: 
fremden. Ein Irrthum iſt, daß die lberfegung ber 
„Iphigenie“ in das Neugriechifche von Papabopulos eine 
metrifche genannt wirb (S. 59); fie ift reine Profa. 

Haben wir einige Bedenken gegen das von uns an: 
gezeigte Buch ausgefprochen, fo betrafen diefe nur Ein: 
zeined. Das Unternehmen des Verf. bleibt ein fehr acht⸗ 
bares, einem Beduͤrfniß Vieler begegnendes. Goethe ſagt 
fehr wahr: 

j Bei den alten lieben Todten 

Braucht man Erklaͤrung, will man Roten; 

Die Reuen glaubt man blank zu verſtehn; 

Doc ohne Dolmetfch wirb’s auch nicht gehn. 
Und fomit wünfchen wir dem Buche, welches durch ben 
Verleger fehr wader ausgeflattet ift, viele Lefer; und ber 
rechte Lefer wird gewiß in des Rec. Wunſch einflimmen, 
Hr. W. möge bald im Stande, fein ein zweites Baͤnd⸗ 
chen folgen zu lafien, worin wir außer ben anfangs für 
diefes erfte beflimmten Erläuterungen zu Schlegel's Eile: 


gien „Die Kunft der Griechen” und „Rom“ einen Com⸗ 


mentar zu Goethe's „Taſſo“ und Schallers Malcaſtein 
zu finden wuͤnſchen. IA. 





Mori. 
Jales Janin erinnert gelegentlich, mit Bezugnahme auf 
Die jeht zwiſchen Frankreich und Gngiand be n Awifitgs 
keiten an ein Meines Volkslied, welches, wie er Ach ausbrädt, 
aus den fehönften Beiten unfers Haffes gegen England ftammt’. 
Einige ber mitgetheilten Strophen überfegen wir bier wie folgt: 
O maͤcht'ger König Englande, 
Wohlan, , entiäyeide dich! 
Die Erbe braucht des Friedens, 
Bo nit,.fo ſchlaͤgt man fi m. f. w. 
Worauf England eswibert: 
D großer Kaifer Frantreis, 
Daft du wol Schiffe auf? 
So mwiffe, auf den Deeren 
Start fein, IR Englands Branch. 
Und Frankreich erwitert: 
Georg, ur nicht fo zoraig, 
Gar hitzig ſcheinſt da mir! 
Wir wiffen Krieg zu führen, 
Gern überliften wir. 


England antwortet noch einmal, aber Frankreich bat das letzte 
Wort und fchreit aus Leideskräften: 
‚ Mit allen meinen Truppen 
Komm’ Ich, bei dir zu fuppen, 
‚ und daun entthron’ id, bidh! 
„Mohlan!“ zuft Janin aus, „ihr berühmmen Posten, fo große 
Shanfonniers ihr auch fein möge, umfeaft werdet ihr euch ab⸗ 
uälen und doch Kein Lied gegen die Gnglänber zu Gtanbe 
ingen, welches fo populair und fo oft gefungen werden würbe, 
ats dieſes. Alle Arten, wie man außer fidy geräth und mit 
den Boom flampft, waren damals Wirkungen bdiefes Gaſſen⸗ 





Bibtiographie. 

Abrantes, Madame Ju not #, Die beiden Schweftern. 
Scenen aus bem Bamilienieben. Nach dem Kranzöfligen von 
BB. Weſché⸗ . 2 Bänke 3. Leipzig, Kolimann. 2 Ihlr. 

Amor, 3. 2. 3., Berlin und Voigtland. Komiiche 
Schilderungen ‚aus dem Volksleben. iftes Heft. 8. Berlin, 
Gtadebrandt. 4 Er. 

Babel, Herausgegeben von dem Literaten = Verein in Pa- 
ri. Deutih von DO. 8. B. Wolff... dter, Ater Band. 8. 
Peipgig ‚ Weber. 2 Ihr. 

ernhard, Lebensbilder aus. Dänemark in Novellen und 
Erzählungen. Ater Band. Auch u. d. T.: Die Deklaration. 
Novelle. 8. Reipzig, Weber. 18 Er. 

Erufins, ©. F., Bethanten. Ein biblihes Familien⸗ 

gemaͤlde. 16. Hannover, Hahn. 12 Br. 
Du Menils, A. 3., Heine Schriften. 2tes, Stes Baͤnd⸗ 
den. — Auch u. d. T.: Gedanken über mancherlei Gegenftände 
der Welt: und Menſchenkande. tes, Otes Bochn. Gr. 12, 
Gelle, Schulze. 1 Thir. 4 Or, - 

Engelhardt, C. M., Naturſchiderungen, Bittenzüge 
und wiſſenſchaftliche Bemerkungen aus ben hödhften Schweizer: 
Alpen, befonders in Suͤd⸗Wallis und Graubünden. Mit 
5 Anfihten, wie auh 1 Panorama= Karte ber Viſp⸗Thaäler 
und mehreren Eleineren Abbildungen. Gr. 8. Bafel, Schweig: 
hauſer. Sch. 5 Thlr. 6 Gr. 

Friedrichs bes Großen flaatörechtliche Grundſätze. Ein 
Beitrag zus hundentjährigen Feier feinee Thronbeſteigung, mit 
einer Ginteitung von C. M. Wolff. Gr. 8. Berlin, Hey⸗ 
mann. 18 Gr. 


ebrich wie ., König von Preußen. 
aropeliär Skizze. it en Portrait des Könige. ei 
6 Gr. 


Halberſtadt u. Wernigerode, Lindequiſt u. Schoͤnrock. 

Thüringisch - Erfurter 'Gedenkbuch der vierten -Bäcular- 
Jubeifeser der Birfmdnng der Bunkdruckerkusst zu Erfint 
am 26. wad 27. Juli 1840. Mit dem Portrait Gut 8 
und 20 Kunstbeilagen. Gr. 8. Erfurt, Hilsenberg. 1 Thir. 

Böffel, K., engel, Gutzkkow und Shakſpeare's Geiſt 
oder der kleine Hamburger Gott. Komiſches Heldengedicht. 
Gr. 8. Celle, Schulze. 6 Er. 

Dev proteſtantiſche Gotteodienſt und die Zunft in Imem 
gegenfsitigen Berhältnifie. 8. St. Ballen u. Bern, Huber u. 
Comp. 10 Gr. 

Greverus, J. P. E., Reiſeluſt in Ideen und Bildern 
aus Italien und Griechentand. ifter Theil: Italien. — Auch 
u. d. T.: Reiſe in Italien. 8, Bremen, Kaiſer. I Thle. 12 Gr. 

Hage, J. van den, Der Schgafhirt. Hiſteriſcher Ro⸗ 
man aus ben Zeiten ber Utrechter Stiftsfehde 1481 bis 1488. 
Aus dem Holländifden überfeät von D. 2. B. Wolff. ifter, 
Zter Theil. 8. Leipzig, Weber. 2 Thlr. 16 Gr. 


Hagenbach, K. R., Lehrbuch der Bogmengesthiechte. 
later Theil. Bis auf Johannes Damascenus. Gr. 8. Leip- 


zig, Weidzann. 2 Thlr, 

Dammerftein, ©. v., Ariflipp in Hamburg und Al⸗ 
tona. Ein Sittens@emälde neuefter Zeit. Br. 8. Gele, 
1 Thlr. 8 Gr. 


®. Gidmülls. 1839, . 

— —, BR, Novellen. Iter Band, 8. - Dresden 
u. Leipzig, Arnold. 2 hle: 

Iſidor, Gefammelte Schriften. 6ter Band. 8. Leip⸗ 
zig, Wunder. 1 hie. 

Mair, W., Grinmerangn an Heidelberg. 8, 
heim, Hoff. 9 Gr. 

Dänifche Novellen und Erzählungen, überfeat von K. . 
Kannegießer 8. Leipzig, Kollmann. 1 Zhir. 

Der Pirat im Go von Barritaria oder Nordamerika'« 
Beeraͤuber. Aus bem Engliſchen aberfsat von &.. non Aluses- 
leben. 2 Theile. 8. Leipgig, Kollmann. 2 Thlre. 12 ie. 

Rabewell, F., Die Paſſion. Kirchliches Feftfpiel. Zur 
Stiftung eines Goͤtheums, einer Erziehanftolt für dramatifche 
Künftter in Weimar. 8. Weimar, Voigt. 12 Gr. " 

Sand, George, Pauline und bie Miſſtſſtppier. Aus 
bem Franzoͤſiſchen aberſegt von E. Suſemihl. 3 Leipzig, 
Kollmann. 1 Ahle. 6 Gr. j 

Sherwood, Miſtreß, Der Mönd von Cimiés. Frei 
nach dem Engliſchen von Louiſe Marezoll. 2 Theile. 
Gr. 12. Reutlingen, Enßlin u. Saiblin. 1 Thlr. 9 Er. 

Soͤlter, $. E. Kommentar. gu Johann Ladislav Yyrker’s 
Werken in ber Korm einer Blumenleſe aus benfelben, Br. 8. 
Augsburg, Kollmann. 1 Zhle. 12 Er. 

Spieß, A., Das Turnen in ben Kreiübungen für beibe 
Gefchlechter. Gr. 8. Bafel, Schweighaufer. 20 ®r. 

Ullmann, C., Rede bei dem vierten Säctularfeſte ber 
Erfindung ber Buchdruckerkunſt am 24ften Iuni 1840 in der 
akademiſchen Aula zu Heidelberg gehalten. Gr. 8. Heidelberg, 
Karl Winter. 3 Er. 

Wienbarg, 8, Vermifchte Schriften. Ifter Band. — 
Auch u. d. T.: Quadriga. 9. Altona, Aue. 2 Thlr. 

Zum Gedaͤchtniß der vierten Bäcularfeier der Erfindung 
der Buchdruckerkunſt zu Heidelberg am 24. Zunius 1840, In⸗ 
halt: 1. Programm der Feier. 2. Nebe bes Deren Prorector 
Kirchenrath Dr. Ulmann. 3. Prebigt des Derrn Defan und 
Stadtpfarrer Sabel. 4. Hiftorifche Nachrichten von den Buch⸗ 
druckereien und Buchhandlungen in Heidelberg von Erfindung 
der Buchdruckerkunſt bis auf unfere Zeiten. 5. Beſtand ber 
Buchhandlungen und Buchdrudereien zu Heidelberg am 24. Ju⸗ 
nius 1340, Gr. 8. Heidelberg, Karl Winter. 5 Gr. 


Mean: 


Verantwortlicher Herausgeber: Hetnrich Brodhaus — Druck und Verlag von 8. 4. Brockhaus in Leipzig. 





⁊ 


Blaͤtter 


fir 


literarifche Unterhaltun 


un in 
100 
nuc 


g 





Sonntag, 


— NI.257, — 


13. September 1840. 








Zwanzig Lieder von ben Nibelungen. Nach K. Lachs 
mann’8 Andeutungen wieberhergeftellt von 8. Sims 
rod. Bonn, Weber. 1840. 8... 18 Or. 

&o haben wir denn anflart des Einen Nibelungen: 
lledes deren Zwanzig, „von vielleicht ebenfo vielen Ders 
‚faffern”; und wir mögen uns nun den vermeintlichen 
"Einen Dichter deffelben aus feinen abgeriffenen Gliedern 
zuſammenſuchen, wenn es ſich der Mühe ja noch ver: 
“Tohnt, einen fo jämmerlichen Dichter aufzubewahren. Nach 
ben Nibelungen „in der Älteften Geſtaͤlt““ gibt man fie 
uns hier in noch älterer Geftalt, wie fie von Volksſaͤn⸗ 
gern in einzelnen Liedern „unter den erften Hohenftaufen 
vor Hohen und Niedern, vor Kalfern und Königen ges 
fungen, ehe fie aufgefhrieben, gefammelt und romantiſch 
“ausgefhmüdt worden”. Frellich find wir aud damit noch 
nicht am Ziele; und wenn uns, laut der Vorrede, hier 
ſchon „gefunder Waldgeruch anweht“, fo fhärft diefe Wit: 
terung fi gewiß noch welter, und etwa mit Hülfe der 
"Eddalieber von den Nibelungen dringt da6 Dionpfiusohr 
der Kritik wol noch fürder bis zu der Nibelungen teutos 
nifcher Urgeftalt. 

Was wir bisher für das große Nibelungengediht an⸗ 
"gefehen haben, find einzelne Lieder, die gleich den ſibylli⸗ 
niſchen Blättern In der Luft geſchwebt, dis ein Schreiber 
fie ergriffen, zufammengerafft und auf einen Faden ges 
"zogen hat: ähnlich dem Schreiber in Hardenberg’6 „Dfter: 
dingen”, ober gar dem $reiheren von Muͤnchhauſen, wie 
"er auf fremden Fittigen des zufammengereipten Geflägels 
ſich durch die Lüfte tragen laͤßt. Den fibpllinifhen Bü⸗ 
'chern iſt dieſes Wert auch darin gleih, daß, tie die 
Vorrede ruͤhmt, die hier noch übrige „Hälfte deſſelben 
"mehr fei als das Ganze”! . 

Aber diefe ganze Worftellung iſt felöft aus der Luft 
„gegriffen, oder eine Hppothefe der fogenannten höhern 
Kritik," eine uͤblle Anwendung und fehriftgelehrte Überdie- 
tung der Wolffhen Homeriden, deren übermäctiges Ober: 
Haupt jedoch Homerus blleb und welche ſich doch nur 
auf Titel und Einleltung beſcheldeten und auch in der 
Prachtausgabe die „Ilias“ ganz lleßen. Freillch, wenn der 
"gute alte Homer hur zuwellen einnickt, ſo muß dagegen 
der letzte Nibelungendichter fih hier nachfagen laſſen, daß 











Daß einf ältere, kuͤrzere Nibelungenlleder gefungen 
und gefagt worden, ſowie fie In unfern Tagen mannide 
faltig dramatifire werden, wiſſen wir wohl; und wie jene 
Lieber etwa beſchaffen waren, erjehen wir noch an den 
Eddaiſchen Liedern und Sagas und unferm Hildebrandes 
liede, an den altdänifchen Heldenliedern und den nad 
Iebenden farder Tanz⸗ und Hochzeitlledern von ben. Ni— 
belungen, an der aus norbbeutfchen Liebern zuſammenge⸗ 
ſchrlebenen Niflunga⸗Saga und an unſerm Sliegftieds⸗ 
Hede: fie faßten die Haupthandlung kutz, in wenigen Ros 
manzen, oder gar nur in Einer zufammen, für Einen Bors 
trag. Beide Haupttheile der einigen großen Heldendichtung, 
„Siegfried's Leben und Tod” und „Der Nibelungen Noth”, 
waren und find uͤberall beifammen, eben als urfprünglic, 
eins und unzertrennli: und da ann mun eigentlich nach 
keinem Dichter fragen, fo wenig als bei andern wahr 
haften Sagen und Myshen, und auch bri alen den 
nannten alten Liedern. Wie man aber mehre altnordii 
Dichter und ihre Eräfsigen Lieder von Siegfrisd wohl 
tennt; tie unfer Marner dergleichen von Siegfried und 
den Nibelungen fang: fo darf man auch wol nach dem 
herrlihen Dichter fragen, der aus jenen uralten lebendigen 
Überlieferungen, Voiks- und Heldenliedern qulegt dee 
große ritterlich⸗ chriſtliche Hefdengedicht von ben Nibelungen 
gefhaffen und gebiibet hat: und wer ſich darüber Iifig 
madıt, möchte wol auch nur mit fremden Rinndadten lachen. 
Daß in der mannichfaltigen Iebendigen Kortbildung ſolcher 
Lieder zu geößern Nibelungengebichten manche alte Eins 
wirkungen und Spuren davon auch noch In, der legten 
Darftellung Ubrig geblieben, ſowol in Hinſicht der Sprache, . 
Weife und Darftelung als des Inhaltes, ift auch immer 
ie worden feit Johannes Muͤller. Nünmehr aber, 
mit 
‚ds 
Ältere 
frevel 
fm 
Kr! 

Sem 
im € 
che, 


Thn „alle Augenblide Schlaf..anwandelt, ja, daß ex ich | Toͤne 


einigemal förmlich, hinſtrect und laut fhnarcht‘! 


gang, 


ey hy.” 


nimmermehe fo, wie fie noch in der Hier Übrigen Hälfte 


geblieben, von vielen Bolksdichtern herruͤhren, durch eine 


wunderfame präftabiliete Harmonie; denn bier in Deutfch: 
fand, wo bie gallifhen Barden fremd find, kann nicht 
etwa ein-förmlichee Sängerfland, wie die nordiſthen Skal⸗ 
den, zur Erklaͤrung dienen; noch weniger alſo eine epiſche 
Meiſterſaͤngerſchule, nach Vorſtellung der Homeriſchen Saͤn⸗ 
gerſchule oder Saͤngerfamilie. Auch ſo wie hier zwanzig Lie⸗ 
der herausgeſchnitten ſind, ließe ſich nur von wenigen ein 
elnzelner, felbftändiger Vortrag denken: fie find meiſt im: 
mer noch viel zu lang, Indem bei den einzelnen Sefängen 
zwar manche einzelne Stanzen ausgeſtoßen, noch mehr 
"aber ganze große Maſſen weggeworfen find. Die behalte: 
nen Stüde find dabei zu wenig für ſich verſtaͤndlich, eben 
wegen des fanigen Zufammenhanges bes Ganzen, fo fehr 
auch die ausdruͤcklichen Hinweiſungen darauf befeitigt 
"worden. 

Mie viel nun durch vorliegende Berglieberung des le: 
bendigen alten Gebildes (deren oft gar mislautige Mo: 
bernificung bier nicht weiter beleuchtet werben mag) be: 
ſchaͤdigt wurde, ergibt ſchon folgende Überfiht nur des 
"Auffaltendften. 

—Meiſt ganz meggefchnitten ober verkürzt find: die Zu: 
ruͤſtungen zu Fahrten und Feſten, beſonders der praͤchti⸗ 
"gen Kleider, die damals doch, von den Fuͤrſtinnen ſelbſt 
“bereitet, überhaupt durch Schönheit und Reichthum mid: 
“tiger waren als die modernen, dauernder und zugleich 
wechfelnder, bei Seften, und als Hauptſtuͤck der Freigebig⸗ 
"keit ben fahrenden Sängern fo werth als den Rittern: 
man denke an Heren Watther’s Lied von getragenen Klei⸗ 
dern, und noch am Luther's Dankfagung für ein neues 
Kleid. Faſt ganz abgeriffen find ferner die mannichfalti: 
‚gen Hinz und Herfahrten, Geleite, Botſchaften und 
"damit die mannichfaltigen Irtlihen Beziehungen, bie freund: 
lichen Verbindungen ber fo fernab flehenden Hauptfchaupläge 
"am Rhein und der Donau, bie angenehmen Ruheſtellen 
"des raſtloſen ftilfen Zuges in bie Tiefe, der ruhige Spie: 
"gel der anmuthigen Ufer über ber furchtbaren unaufhalt: 
‘fam fortreißenden Strömung. Um das vermeintlich Volks: 
"und Sagenmäßige herzuftellen, iſt das Ritterliche Überall 
"verdrängt ober befchnitten, namentlich Siegfried's ſchoͤnes 
Mitterfeft, die Bereitung zur Islandsfahrt, Brunhildens 
wunderbare Ausruͤſtung, das ben Ernſt fo bedeutfam vor: 
ſpielende Turnier in Hrunenland. Es fehlen die ebenfo 
"bebeutfamen Schilderungen ber vier Gefährten in Island 
und Siegfried’s, des herrlichen Jaͤgermeiſters, kurz bevor 
‚ze felbft gejagt wird: Schilderungen, in welchen die Schön: 
heit des fo ernften Gedichts fich heiter felbft befhaut und 
gleichſam anlächelt, die zugleich fo rein gegenfländlich und 
ebhaft im Auge der Ditfpielenden fi fpiegeln, und 
wie dergleichen noch fo manche vorkommen, 3. DB. bei 
Siegfried's Auftreten zu Worms, bei Hagen’s und Vol: 
ker's Erſcheinung Im Hrunenlande. 

Außerdem vermißt man viele mehr und minder be⸗ 
deutende Züge,. oder gar ganze Abenteuer. Anftatt des 
ruhigen epiſchen Einganges und Votgrundes zu Chriem⸗ 
bildens Herkunft und Koͤnigshaus werden wir fogleich, 


bier vielmehr kunſtmaͤßig als volksmaͤßig, mitten In Ihren 
ängfllihen Traum verfegt (was der Leonorenballade wol 
gemäß ift); dicht darauf beginnt es jedoch unverändert 


„mit Siegfried!6 Geburt und Erziehung (warum nicht au 
ſogleich wit feiner Werbung ?). * 


Die fo ſchicklich bei Sieg⸗ 
feied’8 Ankunft eingeflochtene Erzählung Hagen’s von Sieg: 
fried's früheren Thaten, mie er der Nibelungen Schwert, 
Hort und Land und bie Zarnkappe gewonnen und hoͤr⸗ 
nen geworben, iſt ganz beſeitigt. Daß ber fo wenig fas 
genmäßige, faft nur ritterliche Sachſenkrieg meift ſiehen 
geblieben, iſt zu verwundern; es wird aber auch in ber 
Vorrede bedauert, daß bie genau damit verbundene erfte 
minniglihe Zuſammenkunft Siegfried's mit Chriemhilde 
am Pfingſtfeſte nicht lieber auch ausgemaͤrzt iſt, ſowie die 
erſte gegenfeitige Begrüßung der beiden ſchoͤnen Koͤnigin⸗ 
nen und Siegfried's Heimfuͤhrung der errungenen Braut. 
Nach dem Zanke der Koͤniginnen fehlt Siegfried's Eid, 
der doch ebenſo wahrhaft als erheblich iſt. Der ruͤhrende 
Abſchied Chriemhildens von ihrem holden Friedel iſt ge⸗ 
ſchwaͤcht durch Auslaſſung ihrer Traͤume, welche, ihren 
erſten verachteten Traum ſo ſchreckbar ſteigernd, die nahe 
Erfuͤllung drohen. Siegfried's doch vor allen ſo ſagen⸗ 
mäßige Loͤwenjagd iſt geſttichen, gleichwie das ebenſo volks⸗ 
glaͤubige, um Rache ſchreiende Blutzeugniß des aufgebahr⸗ 
ten Leichnams gegen den nahenden Moͤrder und Chriem⸗ 
hildens Suͤhne mit Gunther. Ferner fehlen: Chriemhil⸗ 
dens ganze Fahrt zu Etzeln, ihr gaſtlicher Empfang beim 
Oheim in Paſſau und in 'ſtreich und auf der Burg des 
milden Markgrafen. Auf ber Nibelungenfahrt zu ben 
Hrunen mangelt ber fchauerlih:fhöne Nachtkampf in 
Baiern gegen Elfe und Gelfrat, und im gaftlihden Be⸗ 
chelaren Gunther’ und Dankwart's Beſchenkung, welche 
doch, gleich den übrigen Gefchenten, die Bluthochzeit vors 
bedeutet. Der legte gemaffnete Tiſchgang bei Egeln, 
Chriemhildens vergeblihe Auffoderung Dietrich's zu ihrer 
Rache, ihre endlihe Auffliftung Bloͤdel's dazu und bie 
Darbringung ihres und Etzel's Kindes find uns ganz 
entzogen. Beim Sturme im Hochzeitfanle vernehmen wir 
nichts von Dietrich's gewaltigem Ruhegebote, von feiner 
Beſchirmung und Entführung Etzel's und Chriemhildens, 
nichts von Ruͤdiger's friedlicher Entlaffung, nichts vom 
Ende ber übrigen Hrunen im Saale, vom Hinabſtuͤrzen 
ber Todten und von Volker's furchtbarem Hohne gegen 
bie Hrunen. Dietrich und Rüdiger find überhaupt mans 
nichfaltig verkürzte, gleichwie mehre andere Helden, nas 
mentlich Bloͤdel, Dankwart, Edemwart, Voller und auch 
Etzel's Fiedler Werbel und Swammel, welche beiden legten 
doch fogar gefchichtlih find. Die meiften biefer Helden 
erfcheinen freilich gar nicht in andern Darftellungen dee 
Nibelungendichtung, namentlih in ben eigenthämlich nors 
difhen, wo kaum Dietrich auftritt und überhaupt das 
Ganze enger zufammengefaßt iſt, als eine nahe, innere Fa⸗ 
miliengefchichte und Blutrache, indem Egel, Botelung's 
Sohn (Ali dee Budlunge), von gemeinfamem Stamme 
mit. ben Niflungen und der, nach der Schmach fich 
ſelbſt opfernden Brunhild Bruder und Rächer iſt. Danke 
wart, ber felbft der urfprünglich (nord-) deutſchen Nif: 


"obs 


lungaſaga ganz abgeht,’ ſteht jedoch fo feſt in der „Nibe⸗ 
lungen Noth“, daß ſein wunderherrlicher Heldengang in 
ben Sagt mis der auf fein geſchenktes Hochzeitkleid ge⸗ 


ſchriebenen ungeheueen Zobesbotfchaft auch in diefer Wer: 
kleinerung fich behauptet hat. 


Wie das Ritterlihe und das Hofelihe, iſt auch das 
Chriftlihe mannichfaltig zuruͤckgedraͤngt: bei Siegfried's 


- Ritterfchlag, Hochzeit und Beltattung, bei Chriemhildens 
Vermaͤhlung mit ben Heidenkoͤnig Esel. Der ftreitbare 
Kirchgang der Nibelungen mit Chriemhilden bei den Hru⸗ 
nen — das bebeutfame Gegenbild zu dem Kirchgange ber 
Königinnen in Worms — fehlt ganz. Inſonderheit aber 
ift mit bem Reiſekaplan einer der ergreifendften und bes 
beutfamiten Züge des ganzen Gedichts ausgelöfht, nam: 
fi die Erfüllung der Weiffagung des Donaumweibes ge: 
rade durch Dasjenige, was ihn vereiteln follte: wie im 
„Ddipus” und in der „Braut von Meffina”, in den Ni: 
. belungen aber durch „die Gottes⸗Hand“. Endlich iſt durch 
völlige Ausfcheidung des Biſchofs Pilgerin von Paffau 
“eine weit verbreitete Weihe des Ganzen verwiſcht. 
In der eigenthümlichen altnordifhen Darftelung er: 
- feheint zwar das Ganze noch heidniſch⸗mythiſch, vornehm⸗ 
lid) Siegfried und Brunhild; und wenn biefe Beiden mit 
ihrer wunderbaren Ausrüſtung auch In unfern deutfchen 
Nibelungen (mie im Siegfried = und Roſengartenliede) 
noch am ftärkiten jene uralte Bildung des Ganzen zeigen: 
‚fo iſt jedoch in unferm Gedichte fchon durch bie aͤlteſte 
gefchichtliche Geftaltung mit den Rheinfranten und Bur: 
gunden, Gothen und Thüringen die chriftfiche Weihe des 
germanifhen Heldenthums und fein Segenfag gegen bie 
heidnifchen Hunnen begründet: und natürlich ift mit der 
lebendigen Fortbildung der ganzen Dichtung auch biefer 
chriſtliche Geiſt, wie das Ritterthum, und vornehmlich eben 
von biefem, fürder durchgedrungen; ja, es iſt, zwar In 
"der legten alten Bearbeitung erſt, ausgeſprochen, daß bie 
Chriftenhelden am Ende nur duch Chriſten befiegt wer: 
: den konnten. Dieſer durch die Avaren und Ugern bis 
"in Pilgerin's Zeit lebendige Gegenfag — jenem ber Tro⸗ 
janer und Stiechen vergleichbar — iſt in vorliegenden zwan⸗ 
sig Liedern verfchwunden. Wenngleich in dem Nibelungen: 
liebe das Chriſtenthum nicht für fih als Beweggrund 
herausteitt, wie etwa in fener auf alter Volksſage be: 
ruhenden Legende vom heiligen Gregor, fo zeigt ſich darin 
jedoch eine ähnliche wunderbare Verſchmelzung heibnifcher 
Meiffagung mit goͤttlicher Vorſehung, eben in der Er: 
fcheinung des Kaplans. Selbſt in vorliegender Verſtuͤm⸗ 


melung hat ſich das Chriftenthum menigftens zum Theil 


bei Siegfried's Beſtattung behauptet: mie es denn in bem 
alten Nibelungen überall als feſter Hintergrumd daſteht, 
gleich den usatten, in ftetiger Fortbildung hoch in den 
Hmm gewachfenen Gotteshäufern der Städte und Bur⸗ 
gen. 
Biutsfreundfchaft mit den Helden fat allein, und im 
hoͤchſten Sinne, als das Berubigende, VBerföhnende und 


Bleibende in dem furchtbaren Gedichte und Gerichte, 
wie die „Klage“ durch bie Todtenfeter und Troͤſtung ber 
Überlebenden weiter ausführt: vergleichbar Beftattung, Kla⸗ 


Und fo ſteht auch ber Bifchof Pilgerin in feiner 


' Branco,. wenn er au 


gen und ben Leichenfplelen in den legten Büchern ber Une”, 
Pilgerin wirkt fo zugleich durch fein in der We 
(ed Verhaͤltniß zur Nibelungendichtung, daß er: fie naͤm⸗ 
lich aus mündliche Überlieferung auffcreiben Heß: -es 
weißt jedenfalls auch auf bie chriftliche Auffaffung diefes 
Gedichts, welche allein uns übrig ift und auf die wir 
mithin angewiefen find. Iſt nun Pilgerin’s Auftzeten 
darin aud ein handgeeiflicher Beitfprung, fo tft es Be: 
kanntlich fogar auch Dietrich, und noch mehr Mädiger, 
bie beide jedoch in diefen Rhapſodien bei aller Beſchneidung 
noch eine breite Stelle einnehmen. Pilgerin ſtand ficher: 
lich immer in dem legten Nibelungengedichte, wie in ber 
ebenfo alten „Kiage”. Mit ihm find in der neueften Vers 
arbeitung dagegen auch bie vielen lichten und gaſtlichen Stets 
len in Oſtreich die Donau hernieder ausgeloͤſcht, welche fo 
lebhaft fein geſchichtliches Apoſtelverhaͤltniß zu Ungarn be⸗ 
zeichnen. Wenn ſchon Baiern ſich bedanken kann, daß 
der düftere und feindſelige Gegenſat zu ſtrelch vermifcht 
iſt, ſo iſt dieſer doch nicht minder geſchichtlich begruͤndet, 
in der Erhebung des oͤſtreichiſchen und ſteiriſchen Herzog⸗ 
thums dutch den verwandten hohenſtaufiſchen Kaiſer Fried⸗ 
rich I., neben Baiern, das mit dem den Rheinfranken 
feindlihen Sachſen vereinigt war; und die äftreichifchen 
Städte — darunter. die fagenberühmte Holkenburg — haben 
bier ebenfo gutes Recht als die griechifchen Namen im 
Schiffskataloge. 
Auf ſolche Weiſe wird in der angeblichen Herſtellun 
neben der ritterlich = hriftlichen auch die vaterländifch = ges 
Ihichtliche Bedeutung unfers heimifchen Hauptgedichts vers 
legt, welches uns nun einmal urkundlich allein in dieſer 
legten Geſtalt, nach noch fo mannichfaltigen lebendigen 
Vermandlungen, überliefert ift und das wir in derfelben, 
bei allen Spuren älterer Geflaltung, zu ehren und zu 
bewahren haben, fowie gu erläutern: wobei vor ber Hand 
noch genug zu thum iſt. Setbft die jüngfte, neben dem 
älteen Gedichte deutlich erkennbare Überarbeitung deffelben 
erheifcht eine folhe Bewahrung, weil ihr Eigenchlimtiches 
zum Theil auch aus der neben jenem Gedichte beflehenden 
Iebendigen Überlieferung berrühet. 
(Dre Veſchluß folgt.) a 








Samilienleben in Kopenhagen. Aus dem Dänifchen mit: 
getheilt von 2. Kruſe. Leipzig, Kollmann. 1839. 
8. 1 The. 6 Gr. 


Die vorliegende Erzaͤhlung iſt aus ben gewöhnlichften Ro⸗ 
manelementen, Kinderverwechſelung, unerlannter Liebe unb 
boppelter Bewerbung, zufammengefegt und zeigt Eeineswegs das 
Gepräge von Gelbfländigkeit und Driginalität, das wis mit 
fo großem Bergnügen an den jlingft erfchienenen Romanen aus 
der ſtandinaviſchen Halbinfel anzuerkennen hatten, Weit ab 
von der meifterhaften Gharakterzeichnung in den Leiflungen ber 
ſchwediſchen Damen Bremer und Knorring und tief unter der 
Erfindungsgabe dieſer Schriftfiellerinnen, bewegt fi das „Bas 
milienleben in Kopenhagen” nur in dem Kreife des oft Gehör: 
ten und wenig fehlt, daß wir es für völlig teivjal gu erklaͤrm 
hätten. Die Unmahrfcheinlichkeit der Charaktere kommt dazu, 
eine ernflere Kritik en; benn wer wish bem Juden 

noch fo chriftlich iſt, zutrauen, baß er 


— 


1086 


db ein Kind einem, trofflofen Vater, einem 
ET a? She all de 
inren wicd barch eine ziemlich gewandte Miction! Wieder gut ges 
Mmiechte Iabeß.bleipt 1:bad‘ Wange dach‘ matt: unb :der MRiede we⸗ 


«ig werth, I 

MR Bedaͤnkens fehlt es in ber bänifchen Literatur ‚nicht 
"an keekhaniffen, die Kancı nice genug bekannt find und ber 
BR ’ welt wärdiger erſcheinen als bie | 

: deutende —28* te ſehen nicht ein, warum der ſchreib⸗ 
fahige und fertige 


en beefefhen —— — 
lenñ ſchafft, ſolche Leiſtungen earbeiten. Im Allgemeinen 
dere ie mangelt bem Bänifhen Literaturgeifte jedoch jener 
kräftige und ftrebfame Charakter, der bie junge ſchwediſche 
Mufe neuerdings wieder auszeichnet und mit dem fie die ältere 
+Mchiwefter weit überflögelt. Wir mäflen bie Dänen warnen! 
.Bie haben alle Urſache, na au beeften, daß fie bald einen tädıs 
tigen, kraͤftigen und eigenth mlichen Geiſt in bie literariſchen 
° Schranken ftelen, widrigenfalls fie wirklich in bie Gefahr kom⸗ 
meh; hre Sprache gainn zu einem bloßen Volksdialekt herab: 
:Anten zu fehen und den Ruhm einzubüßen, ben ihnen die Hol⸗ 
: berg, Emald, Rahbeck und Brun, die Ohlenſchlaͤger und Bag: 
.. gefen für eine kurze Epoche gewonnen haben. Wer in unfern 
En n nicht fortgeht, bleibt auf alle Weiſe hinter ber Streb⸗ 
ſamkeit der peutigen Melt bald weit zurüd. Dänemark bedarf 
vor allem Dingen eines tüchtigen Krititers, eines Leffing, ber 
28 allein zur Wiedergeburt erweden Bann. 89, 





Englifhe Urtheile über Deutfchland. 


‚„‚Bluckwood’s Häinburgh magasine”, Juliheft, enthätt un 

tee dem Zitel: „Germany, by Charles Julius Weber” lange 
. Auszüge aus Julius Webers „‚Deutfhland ober Briefe eines 
in Deutichland reifenden Deutſchen“, denen eine Einleitung über 
We geiftigen Entwidelungen der beutihen Nation, über bie 
Gründe, warum man fi Iahrhunderte lang um biefelbe im 
Muslande "wenig gekümmert bat, und über die Literatur des 
Auslandes in Bezug auf die inneren Verhältniffe, Topographie, 
Staats⸗, Literatur: und Volksleben in Deutfchland, vorange⸗ 
ſchict if. Der Berichterſtatter fpielt, bei allee an den Tag 
gelegten Kenntniß deutſcher Zuftände und bei aller Anerkennung, 
"die er uns zu Shell werden läßt, ben großmäthigen und her; 
-.aklaffenden Peotector. Wenn die Dentichen gewohnt feien, ſich 
\ ; hetlagen, daß man fie überfehe ober gar muisverfiche, ſo 
Die Ganz anders fei der Einfluß Deutfchlands zur Zeit 
ı.einricy’6 des Finklers, Otto's des Großen, des Hohenſtaufen 
Friedrich I. und Luther’s geweſen; da habe Deutichland noch 
als gebietende politifche ober geiflige Macht dageflanden ; aber 
nach Luther fei es in politiſcher und Literarifcher Hinficht in 
@tagnation übergegangen und habe alles Anfehen im Auslande 
dadurch verloren, daß es ſich franzöftet und die Hofſchranzen 
Nudwigeo XxV. als Bandesgögen verehrt habe. Was hätte Eng- 
land von- bee deutſchen Siteratur halten können, wenn ber 
roͤßte Philofoph, welchen es in ber erfien Periode bes vorigen 
abrhunderts hervorgebracht, Leibnig, feine Hauptwerke in 
-feanzöftfeper und lateiniſcher Sprache und nicht in deutſcher 
geſchrieben Habe? Auch der geledrte und elegante Mosheim fei 
oder ein moderner Römer als ein Deutfcher gewefen. Konnte 
England die Nachkommen Hermann’s und Barbaroffa’s in je 
nen Leuten wiebererfennen, welche Gicerontanifche Perioden wie: 
derläuten oder ben Mund zu den glatten Riedlichkeiten von 
Berſallles zufpiäten? Das Anfehen, welches den Deutſchen jett 
im Auslande zu Theil geworben, batirt, nach der Anficht un: 
fr Briten ober Schotten, von bem berühmten Werke ber 
u von Stael über Deutfeland, und er hält es für eine große 
Undankbarkeit der Dentichen, wenn fle dem Buche fo wenig 





vorliegende undes | 


en fie, wie ber Werichterftatter fagt, zum Theil ſelbſt Schuld: 


Gexechtigkeit widerfahren ließen und es ber Dh 
olicn. "Beate 6, wie die Start —e 2 as 
"Yand beobachtet und bargeftellt: werben mäflen, um es in ben 


" Mugen bes Auslaͤnder Imttzefjant zu machen. Savary habe zwar 


davon gefagt, Das Budy fei wicht frarzoͤßſch, wogegen ‚Eicher 
— ‚ee w u nicht Pi Aare Hierin li —* 
oße Vorzug en; es ſei deutſch und franzo lei 
a FRE eh Slanz ber äufern Ta 008 2 
buch den Adel und bie-Reinheit feines Gefühle. Cs fei für 
die Kenntniß bee modernen Deutfihen ebenſo wichtig wie bie 
Schrift des Tacitus für die alten, eine Art Naturgeſchichte ber 
beutfchen Nation, es ſei „a work that forms an era in the 
great history of international appreciation’, Seit 1818 habe 
nun bas Studium und die Anerkennung des deutſchen Geiſtes 
und der beutfehen Nation ungeheuere- Kortfchritte gemacht; das 
‚fi gut und man brauche deshalb das eclaſſiſche Edinburg ober 
das riefige London nicht gegen ein Gabinetsflüd von Stadt wie 
‚Karlsruhe umtauſchen zu wollen. Die Goethe: Wahnfinnigen 
und die Apoftel des Kantlaniſchen Glaubens mödhten Phrafen 
machen, fo viel fie wollten, das wenigſtens ſei gewiß, daß man 
auf britifhem Grund und Boden aufrecht gehen koͤnne; auch fei 
es nicht rathſam, Goethe dem Shakſpeare gleichſtellen zu wollen. 
Es wird weiterhin zugegeben, baß ein ganz genügendes Werk 
über Deutfhland in englifcher Sprache noch nicht beftche; . das 
befte Sompendium über Deutfchland fei no ‚Germany, the 
spirit of her history’’ u. f. w. von Biſſet Hawkins. Auch 
Spencer, der zugleich mehre Orte befuchte, wohin bie Teuriſten 
nicht zu kommen pflegten, 3. B. das grüne Rügen, babe In 
einen „Sketches of Germany and the Germans, by .an eng- 
ish resident in Germany’’ ein brauchbares Buch. geliefert; ins 
deß ſei auch biefes zu rapid; es ſei unmöglich, Deutſchland in 
zwei Kleinen Bänden Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen. Gin 
Engländer von gang reipertabeln Anlagen brauche fünf: Jahre, 
um nur mit bem Geiſte der deutſchen Literatur vertraut zu 
werben, und wiederum fünf Jahre, um ihr — nicht durch alle 
— fondern nur durch ihre Hauptvergweigungen zu folgen. Das 
zn hätten die Deutfchen ſelbſt einige Werke, worin fie treffs 
lich portraitiet wären; fe Hätten bamit die Erfindung einer 
gewiffen Daguerrotupe s Manier gemacht, welche ſehr zu emnpfeb- 
‚ten und weiter bei keinem Volle zu finden fei. Diefe Mierle 
find: Menzel's ‚‚Deutfche Literatur”, Menzel's „Geſchichte der 
Deutfchen‘’ und Weber's obengenanntes Buch über Deutfchland, 
Beide Schriftfieller werden mit einem Lobe überſchüttet, wor⸗ 
über fie, bei Ihrer gewohnten Beſchefdenheit, eigentiih. roth 
werben müßten. Aus dem „Gonverfatienäeriton‘ (‚a sort of 
oracle in Germany‘) wird auch bie dajelbft befindliche. Bio- 
graphie Weber's mitgetheilt und ihm, auf Unkoſten der deut⸗ 
fhen Ration, das Sompliment gemacht, er habe einen fehr ges 
fälligen und fließenden Win, „ſo weit ein Deutſcher witig fein 
Eönne”. Gine Bemerkung fiel uns noch auf. Der Berichter⸗ 
ftatter theilt die. Stellen mit, worin Weber eine Parallele zwi⸗ 
fen Suͤd⸗ und Rorbbeutfchland zieht und über letteres den 
Stab feines abfprechenden Urtheild bricht. Hieran knüpft ce 
die Betrachtung: „Dieſe Schilderung iſt ungluͤcklicherweiſe wahe 
und wir ergreifen bie @elegenheit, zum Gebrauche Tünftiger 
Zousiften eine praktiſche Bemerkung zu machen ı wer Tann, Ges 
reife Deutfchlanb vom Norden aus.’ Go, meint er, werde der 
Reiſende ber unangenehmen Tauſchung endgepen ‚ welche auch 
der Mrs. Trollope wiberfuhr, als fie, das Salzburgiſche verlafs 
ſend, in die weiten traurigen Flächen bes Baterlandes übertrat. 
Diefe Strecken Liegen aber noch Tüblicdh der Donau über bes 
2 immer anmuthig gelegene Wefferburg hinaus, unh Tännen 
doch unmöglich zum. deutſchen Norden gesechnet werben. Auch 
at Baiern weiter nördlich um die Donau und ben Main, um 
ürzburg, Bamberg und im fränfifchen Gebirge noch Hinlängs 
1 ee Partien, welcht bes uchs der Touriſten mot 
d in OD C} 





Berantwortlicher Deraubgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterbaltung. 





Montag, 


— Nr. 258. m 


14. September 1840. 





Zwanzig Lieder von ben Nibelungen. Nach K. Lachs 
mann's Andeutungen wieberhergeftellt von K Sim: 


rod. 
( Beſchluß aus Nr. 367.) 


Aus diefer Darlegung wird ſich ſchon ergeben, ob es 
wahr ift, mas die Vorrede (S. vi) fagt: daß alles Weg: 
gefchnittene nur „Floskeln und Formen find, die ber 
kunſtgebildete Dichter dem Sänger des Volkes borge; nur 
Hemmſchuhe romantifirender Ausfhmädung, dem rafchen 
Gange des Vortrags angelegt”; daß der übrige „Kern 
des Nibelungenliedes ſich dem Gefühle als echt und ur: 
fprünglich, als frifche lebendige Voikspoeſie bewähren werde; 
und daß dem Lefer, wenn er zu bem Gedichte, wie es 
bisher vorlag, zurüdkehre, die meiften jest ausgefchiebenen 
Strophen langweilig und ſchleppend, und felbft die fchön- 
ſten überflüffig, die Wirkung ſchwaͤchend fcheinen werben””. 
Es wird fi) vielmehr bewähren, daß, nebft den ange: 
führten bedeutenden Zügen der Sage und Gefchichte, auch 
fo vieles innig damit Verbundene, dem altdeutfchen Ge: 
dichte fo KEigenthümliche vertilge iſt, ich meine fo viele 
fhöne Züge holder Sitte, zarter Minne, tiefer Gemüths 
lichkeit, heiten Ernſtes und furchtbaren Heldenſcherzes. 
Der neue Rhapfode hat folchergeftalt ſich wol ebenfo wenig 
den Dank und die Anerkennung des Leſers verdient, als 
er gewiß dem alten Gedichte und dem Baterlande einen 
übeln Dienft erwielen bat. Er hat keineswegs, wie er 
fo zuverſichtlich wähnt, den Beweis der durch gelehrte 
Speculation vorgefpiegelten Urgeftalt des Gedichte durch 
die That geführt; bie dargebotenen Broden bes reichen 
Gaſtmahles find nimmermehr von der Zurichtung folcher 
Bolksfänger, wie er fie ſich denkt, fondern eben nur 
LÜberbieibfel, deren Beſchaffenheit durch das bloße Ab⸗ und 
Ausfchneiden nicht verwandelt wird. Welche üÜbelſtaͤnde 
nur hierdurch entfliehen, zeigt fi unter andern barin, 
daß mehrmals zwei, drei Strophen hintereinander mit 
„Er ſprach“ anheben, obſchon es Reben befielben Dun: 
des find, ohne die Antwort. Freilich iſt manchmal, des 
zu ſtark zerfchnittenen Zufammenhanges wegen, ganz eigen: 
mächtig geändert, auch ohne Stüge von Lesarten, em: 
pfiehle aber das ganze Verfahren nicht beffer. 


Mac diefem allen gelangt man zu dem Schluſſe: 


wer immerhin eine bergleihen Zurädführung bed alten‘ 


Heldengedichts auf bie eingebildete Urgeftalt will, der darf 
und nicht das würdig Alte in einer bloßen Zerſtuaͤmmelung 
ale das Urbild bieten, für welches wir es ebenfo wenig 
erfennen, als uns einbilden laſſen, daß der Xorfo bes 
Hereulesgotte® immerdar nur ein Torſo gemefen, ober 
durch die abgefchlagenen Glieder erft fo volllommen ges 


worden ſei; es gilt bier Bein experimentum in corpore' 


vili. Vielmehr muß ein fo fühner Unternehmer das Aben⸗ 
teuer als Dichter auf feine eigenen Koften beftcehen und 
beftreiten und in jenem Sinne alle® durch und durch in 
Form und Inhalt neu und umdichten: etwa in ber Art, 
wie San Marte neulich mit „Gudrun“ gethban hat, an 
welchem alten Gedichte ein ähnliches Verfahren, wie ben 
Nibelungen widerfahren iſt, vollends die Unzulaͤſſigkeit 
deſſelben offenbaren würde. Dagegen liegt eine völlige 
Umdichtung ſchon im Gange folder umfaflenden Sagen: 
barftellung. Nicht fowol aus einzelnen kleinern, gleiche 
mäßig verfaßten Stüden feßte ſich das größere, reichere 
Gedicht zufammen, fondern auf den Grund eines das 
Sanze in den Grundzügen umfafjenden kuͤrzern Gedichte 
bildete und entwidelte fi) das vollendete Heldengedicht. 
Wir können und werden bdiefen Gang anderweitig durch 
noch vorhandene Urkunden bemeifen, namentlich am ‚„‚Wolfs 
dietrich”, an welchem großen Deldengedichte zugleich durch 
eines fpätern wirklichen Volksſaͤngers Verkürzung eine folche 
Ruͤckbildung ſich zeigt, freilich roh und ungefchidt aus 
dem größern gebildeten Gedichte für Eine bänkelfängerifche 
Sitzung zumerichtet; auf ähnliche Weife wie fo manche 
teeffliche gebildete Lieder, ſchon ſeit Walther von ber Vo⸗ 
gelmeide, zu rohen fogenannten Volksliedern verwildert 
find. Diefer urfprünglic, geroiß uralte „Wolfdietrich“ fpriche 
auch daburdy für aͤhnliche Fortbildung der Nibelungen, 
daß er von feinem mit den Nibelungen gemeinfamen Zone 
(Stanze und Sangweiſe) berichtet, zwei Meiſter haben 
ihn erfunden und das Gedicht darin weit und breit ges 
fungen. Solches dient weniaftens als Zeugniß, daß dieſe 
zwar bald fo allgemeine epifche Stanze der heimifchen Del: 
denlieber eben nicht Alter al& das vorhandene Nibelungens 
lied if. Sie war gewiß auch nicht die Form jener Altern 
Nibelungenlteber, fondern diefe waren, urſpruͤnglich wol 
den Eddaliedern ähnlich, in Altiterationsftrophen won acht 


1339; 


(oder vier) gleichen Gliedern, jebes mit vier alliterirenden 
Accenten, wie noch das „Hildebrandslied“ und das hoch: 


deutfche Gedicht „Muſpilli“ (vom MWeltende), aus der Ka: 


rolingerzeit, zeigen; oder fie waren dann in den hochdeut⸗ 
ſchen Reimſtrophen, deren gleiche, vieraccentige Glleder mit 
zwei Meimpaauen zunaͤchſt ben Hälften der Alliterations⸗ 
ſtrophe entiprechen, welche Hälften häufig auch felbftän- 
dig auftreten. In folchen Reimſtrophen ift nämlich nicht 
allein Otfried’, den Volksliedern entgegengeftellte® Gedicht, 
nebft andern chriſtlichen Gedichten, fondern aud das Sie: 
geslied ber Franken und anbere volksmaͤßige Lieder jener 
Zeit; und aus dieſer Form entwidelten fich die dann fo 
häufigen, ftrophenlos fortlaufenden Reimpaare, in welche 
auch mehre alte Heldenlieder Üibergegangen find, nament: 
lich „Dietrih’8 Ahnen und Flucht zu den Hunnen“, „Bis 
terolf und Dietleib‘’, „Der Eleine Rofengarten” und auch 
„Die Klage”, die fih, wie „Viterolf und Dietleib”, aus: 
briclich als Bearbeitung eines Altern (deutfhen) Gedichte 
gibt, etwa in ber Art, mie Stricker's Ausbildung des 
Altern Rolandögebichtes von dem Pfaffen Konrad, und 
Die jüngere Bearbeitung von Heinrich's des Glicheſers „Rein: 
bart Fuchs“. Biel flärker mußte aber in aller Hinſicht 
bie Verſchmelzung folcher Altern, aus der urfprünglichen 
Strophe verwilderten Gedichte in eine neue, ganz andere 
gebaute Stanze ausfallen, wie die Nibelungenftanze iſt, 
welche fi) von jener in den Reimpaaren nicht mehr ers 
Seunbaren Strophe völlig unterfcheidet, ducch die abwech⸗ 
felnb vier: und dreiaccentigen Versglieder, durch die Rei: 
mung, nicht der kurzen, fondern ber langen Zeilen, und 
durch die Verbindung zweier folcher Reimpaare zur vier 
reimigen Strophe, worin überdies die Gleichheit ber bei: 
den Hälften dadurch aufgehoben wird, daß bie legte Halb: 
geile allein vieraccentig abſchließt. Diefe neue, ganz im 
ausgebildeten Syſteme bes 12. und 13. Jahrhunderts ges 
baute Ribelungenflange, der Eſchenbach's Ziturelflange, 
auch im Verhaͤltniß zu ben Reimpaaren des „Percival” 
aͤhnlich iſt und vom welcher zuvor ebenfalls durchaus 
Beine beſtimmte Spur erfcheint (außer einigen gleich⸗ 
zeitigen Minnefingern von der Donau), bedingte ohne 
Zweifel auch eine ebenfo eigenthümliche neue Sangweife; 
amd wie fie in ber legten Bearbeitung und Erweiterung 
des ganzen „Wolfdletrich“, durch flete Reimung des re: 
gelmaͤßigen zwelaccentigen Einſchnittes ber vleraccentigen 
Halbzeilen, umgebildet wurde (wieder auf ähnliche Weiſe 
wie die Titurelſtanze in ber jungern Vollendung des „Ti⸗ 
turel“), fo iſt fie frühe ſchon anderweit mannichfaltig fort: 
gebildet: in der Gudrunſtanze durch fuͤnfaccentigen Schluß 
mit weiblichem Reimpaare, und ins „Walthersliede“ gar 
durch Gliederung ber legten Langzeile aus einer ſechsac⸗ 
eentigen Halbzeile mit zwelaccentigem, oft gereinstem Ein: 
ſchnitt, und aus dem vieraccentigen Schluffe. Dies leute, 
kuͤrzlich erſt entdeckte Gedicht, weiches zunaͤchſt ganz in bem 
Kreife der Nibelungen fteht, ſchon urkundlich nicht viel 
junger feheint und nad den Bruchſtuͤcken ſichtlich auch 


zu einem weltumfafjenden Heldengebichte gehört, welche | 


gewiß auch, wenn wir es ganz hätten, der Vorſtellung, 
daß Ältere Lieder in ihrer Form und ganzen Darftellung 


7 


| F | 
darin erhalten und nur duch Anfdge und Einfchiebfel 


Aufgeblaͤht worden, ritterlich entgegentreten. 32, 





ı The court and. camg, of, Runjeet Sing. By C. W, Ox- 


borne. London 1M0. “ 


Jeder nur einigermaßen aufmerkfame Beitungslefer wird 
fofort zugeben, daß ber Bericht eines, Vertrauen verbienenden 
Augenzeugen über „den Hof und das Feldlager Runjeet Sing’s’ 
Winke enthalten Bann, wichtig für die Gegenwart und inhalt⸗ 
fchwer für die Zukunft. Und nicht bas allein ift bei obenge⸗ 
nanntem Buche ber Fall, fondern es erBlärt auch die Gegen: 
wart aus ber Vergangenheit. Ein Bid auf bie Karte von 
Hindoftan zeigt, daß der Fluß Sutlege, der nach einem langen, 
wenig gelrümmten Laufe in den Indus fällt, die norbweftliche 
Grenze bes britifhen Indiens macht. Zwiſchen dem Sutlege 
und dem Indus liegt, in Geftalt eines Dreiecks, ein Landſtrich, 
ber außerdem von drei anbern großen Strömen bewäflert und 
deshalb das Punjab, db. h. Land ber fünf Flüffe, bisweilen auch 
nach feiner Haupiftadt das Reich Lahore genannt wird. Hier 
wohnen die Sikhs, in politifcher wie in religiöfer Beziehung 
eine ber merkwürdigften Wölkerfchaften Indiens und bis in 
neuere Zeit von Runjeet Sing beherrſcht, unftreitig dem fähigs 
ften und beftunterrichteten eingeborenen Yürften feit den Tagen 
Hyder Ali's. Faſt jeder Tag fleigert, in erfter Inſtanz für 
die britifch indischen Beſitzungen, in zweiter, dritter unb viers 
tee Inftanz, wer mag berechnen, für wen? bie Wichtigkeit je⸗ 
nes Reiche. Es Liegt zwifchen britifch Indien und beffen neuem 
Bundesgenoſſen, dem Könige von Kabul, deckt bie alleinige 
Seite, von weldger jenes einem Einfalle offen ift, und würde 
daher, follten die Ruffen am Ufer bes Indus erfcheinen, je 
nachdem es ihnen Freund ober Feind wäre, ein entſcheidendes 
Gewicht in die Schale werfen. Unter folhen Umfländen kann 
ein gedzängter Bericht über Urfprung und Ausbilbung des 
ſikhſchen Reihe und ein Blick auf Das, was vieleicht jetzt 
ſchon nicht mehr Zukunft iſt, weder unpaſſend für die Zeit, 
noch der Tendenz dieſer Blätter fremd heißen. Iſt es doch ohne 
einige diesfallfige Kenntniß gerabehin unmöglich, bie Lage des 
Oſtens zu verſtehen. Osborne's werthuolles Werk diene hier⸗ 
bei als Leitfaden. ° 

Die Sikhs waren eine Sekte und find jetzt eine Nation. 
Nanac, ber Gründer ber Sekte, wurde um bie Mitte des 15. 
Sahrhunderts unter der Regierung bes Kafſers Achar geboren. 
Er war der Sohn eines Hindulaufmanns aus ber Katris ober 
Kriegerlafte und wuchs in allen Zweifeln und Vorurtheilen auf, 
bie im Gemüthe eines Hindu meiſt unausrottbar murzeln. 
Seine koͤrperliche Schönheit, feine geifligen Anlagen und feine 
ſittliche Reinheit gewannen ihm bie Beachtung eines moham⸗ 
medaniſchen Kaufberen, der, Tindestos, ihn an Sohnesflatt ans 
nahm. Nun machte fi Ranac mit ben beften Gchriften bee 
Jeiam bekannt und zollte bald dem Koran gleiche Achtung wie 
den Vedas. Kaiſer Acbar hatte ben Plan zu einer neuen Re⸗ 
ligion entworfen, bie namentlich eine Vereinigung zwiſchen Hin⸗ 
dus und Mobammebanern bezwedte, und benfelben Bebanken 
faßte auch Ranac, Welche Moralaphorismen ihm am beflen 
gefielen, die ſchrieb er ſich ab und übertrug fie wörtlich in bie 
Spracht von Punjab, und je wie feine Sammlung ſich mebrte, 
ordnete er fie und brachte bie einzelnen Marimen in Verſe. 
Diefe Sompilation heißt Grunth und wirb von ben Sikhs ebens 
fo hoch verehrt wie ber Koran von ben Drufelmännern ober bie 
Bibel von den Ghriften. Durch die Erklaͤrung, daß feine Mile 
Kon alte Menschen umfaffe, ſtürzte Nanac jeben Unterſchied 
der Stände, das ganze Kaftengebäude. Auf jahrelangen ns 
derungen prebigte er in allen großen Städten Indiens unb 
ſchiffte ſogar übers Meer, um in Mekka und Medina feine 
Lehre zu verbreiten. In ber Eigenſchaft eimes Burn ober gei⸗ 
fligen kLenkers lehrte er Duldung unb Rack, und wie er als 
Ientbalben feinen Abfcheu gegen Krieg und Gewaltthaͤtigkeit auss 


1030 


neten auch feine Mubänger Ad lange Zeit durch 
eh kanns aus, Sie waren in dieſer Hinficht bie 
Dnäler bes Dftene. 

Beim Eintritte des Iehten Jahrhundertt fing Aurengzebe 
en, die Sikhs als Abkoͤmmlinge von Mohammeb’s Glauben 
serfolgen. Die Verfolgung wurde erſt gebulbig ertragen. ⸗ 
dem aber der fünfte. Guru den Märtyrertob geftorben, griffen 
die Sikhs zu den Waffen und übten an ihren Verfolgern fuͤrch⸗ 
terliche Vergeltung. Guru Govind, ein Wann von Geift und 
Ehrgeiz, machte feinen Anhängern das Tragen eines Schwertes 
zur veligiöfen Pflicht; fie bemächtigten ſich mehrer Dörfer im 
Yunjab, und fobald fie einen Glauben, Waffen und ein gemeine 
fames Ziel hatten, waren fie eine Nation. Govind kämpfte 
wit dem Muthe der Verzweiflung, aber ungefrönt vom @iege 
genen Aurengzebe's gefammte Macht; ex farb faft gleichzeitig 
mit dem Kaifer und fein Nachfolger hieß Banda, ber erſte 
Derrfcher über die Stäbe, ber, mit ber weltlichen Herrſchaft 
fi Hegnügend, den Zitel Sut Buru nit annahm — ein Xis 
tel, der feitdem untergegangen. Während ber auf Aurengzebe's 
Tod folgenden Verwirrung verheerte Banda bie noͤrdlichen Pros 
wingen des Mogulreichs und beging fehauderhafte Grauſam⸗ 
Seiten. Dafuͤr büßte er, als er gefangen nach Delhi gebracht 
worden, wo Glied um Glied ihm mit glühenden Zangen abs 
genommen wurde. 

Ihren Anführer zwar, nicht ihren Muth und nicht ihre 
Kraft hatten die Siths verloren, denn als Nabir Shah in In: 
dien einfiel und auf dem Throne von Delhi nur einen Scheins 
Sönig ließ, fammelten fie ſich wieder und befegten nicht bloß ei: 
nen großen Theil des Punjah, fondern trugen auch ihre Grobe: 
zungen bi8 an den Jumna. Behr zu ihren Bunften waren 
die Stege ber Mahrdttas, weiche die prahlerifche Drohung, alle 
Wufelmänner aus Indien zu vertreiben, faſt zur Wahrheit ges 

hätten. Aber ber afghaniſche Fuͤrſt von Kandahar kam 
feinen mohammebanifchen Wrübern zur Hülfe, und in ber 
Schlacht von Pantput im J. 1761 wurden bie Mahrattas aufs 
Yaupt gefchlagen. Auch die Sikhs, die den Heereszug bes Sie⸗ 
gers Fark beunruhigt, indem fie bald feine Vor⸗, bald feine 
Kachhut angriffen, ihm bie Zufuhr abſchnitten und alle Rach⸗ 
züglee niederhieben,, auch fie ſollten bie Schwere feiner Rache 
empfinden. Ihre heilige Stadt Umritir machte ex dem Erdbo⸗ 
den gleich, erbaute.von ihren Schäbeln eine Pyramide und lieh 
Die Wände der Mofcheen, bie fie entbeiligt, mit ihrem Blute 
wachen. 16 jedoch bie Afghanen in ihre Heimat zurückgekehrt, 
erhoiten bie Sikhe von ben erlittenen Unfällen ſich fo ſchnell, 
daß fie fich bald zu Herren machten über alles Land zwiſchen 
dem Jumna und dem SInbus, und es in zwölf Mifuls oder 
eonföberirte Staaten theilten, bie zufammen 70,000 Weiter ins 
Veld ſtellen Eonnten. 

Herrſcher in dem kleinſten dieſer Miſuls war erſt Runjeet 
Sing's Großvater, dann fein Vater, beides Männer, fo her⸗ 
vorragend duvch Geſchick und Tapferkeit, daß ihr moraliſches 
Doergewicht bie Schwäche ihrer Militairmacht vergeſſen ließ. 
Hunjeet wurde am 2. Nov. 1780 geboren, zu einer Zeit, wo 
das Anfchen feines Waters fich täglich mehrte. Als Kind bekam 
er bie Blattern und wurde von eingeborenen Ärzten fo unklug 
behandelt, daß er kaum dem Tode entging, ein Auge verlor und 
ein abſcheulich gerfeßtes Geſicht davontrug. In feinem zwoͤlf⸗ 
sen Jahre farb ihm der Vater, feine Mutter, eine Tüberliche 
und ehrgeizige Dame, erhielt die Regentſchaft und wurde feine 
Bormünderin. Zwar befhühte fie Runjeet’6 Erbe gegen bie 
Haubgier feiner Nachbarn, vernadläffigte aber feine Erziehung, 
um feine Unmünbigkeit zu verlängern, unb bot ihm Mittel 
und Gelegenheit zum gröbften Ginnengenuffe. So gewöhnte er 
55 an Ausfchweifung und Wöllerel, bie bis zu [einer legten 
Stunde die dunkeln Flecken feines Charakters blieben. Glüd: 
Ucherweiſe durfte er jagen, denn auf ber Jagd lernte er ben 
Zuſtand des Landes hinlaͤnglich und die Unzufriebenheit kennen, 
weiche bie Lafter ber Regentin erregt. Mit feinem 17. Jahre 
ergriff er bie Bügel der Regierung, und fo allgemein war ber 





fee wie bad verbächtige Benehmen ber 


Haß gegen feine Miutten, ein Daß, ben fie durch Thranvel unb 

Sinntikeit ſich —E daß er in ihre Ermordung willigen 

zus er ter — — a „io nie Gtabis 
n vons, fondern 

das Dpfer erbeifcht babe. erbeit ſelaes dedene 


Faſt unmittelbar nach feiner Thronbeſteigun te uns 
jeet ben Entſchluß, die engen Grenzen feines ee erweis 
teen, ba6 Yunjab zu überfallen und weggunehmen. - Unterfküßt 
von den Mufelmännern in Labore, —* er bie dortigen ſikh⸗ 
ſchen Haͤuptlinge und unterwarf ſich ihre Ländereien. Bu der⸗ 
ſelben Zeit zerfleiſchte Buͤrgerkrieg das Reich der Afghanen. 
Hiervon Gewinn zu ziehen, wollte Runjeet die afghaniſchen 
Provinzen öoſtlich vom Indus an ſich reißen, ſah ſich aber durch 
bie Engländer verhindert und auf das eroberte Punjab suche 
gewieſen. 1810 feierte Runjeet die Vermaͤhlung feines aͤiteſten, 
obgleich erſt zehnjaͤhrigen Sohnes und lub dazu bea Oberften 
Ochterlony, britiichen Stefibenten zu Loodiana. Der frühern 
Zwiſtigkeiten ungeachtet empfing ec den Oberften wie einen vers 
trauten Freund und befolgte beffen, ſich erbetenen Rath, auf 
weiche Welle fein Fußvolk zu biöciplinicen und Labore gu bes 
feſtigen ſei. Won biefer Zeit an widmete Runjeet alle feine Bes 
firebungen der Bilbung vegulairer Truppen, organifirte mehre 
Batalllone, erhob namentlich engliſche Deferteure zu Offizieren 
und errichtete fogar ein A p6. 1822 traten zwei frans 
zoͤſiſche Offiziere, die Herren Allard und Wentum, in feinen 
Dieuft, mit deren Beihätfe er feine Sikhse bald gu einer Tüch⸗ 
tigkeit und Dieeiplin aufbilbete, wie folche bisher einer indias 
nifchen Armee gänzlich fremd geblieben. Und das geſchah ges 
vabe zu einer Zeit, wo Runjeet’s Wacht von den größten Ge⸗ 
fahren bebroht wurde. Durch gang Indien groften bie Mufels 
männer bem Erſtehen einer, von ihrem Glauben abtrünnigen 
Monarchie, in einem Sanbe, das feit Jahrhunderten bie Feſte 
bes Islam geweſen, und lichen baber um jo willigeres Gehör 
den Borfpiegelungen Ahmed's, eines Synd ober Abkoͤmmlinge 
von Mohammed, ber ſich vom Allmächtigen für berufen erkläͤrte, 
das Reh bes Islam wieberherzuftellen. Gr fand jebodh nös 
thig, zuvorderſt nach Mekka zu pilgern, unb wie er in biefee 
Adſicht nach Kalkutta kam, bewirkte fein Erſcheinen eine ſolche 
Aufregung, daß ſelbſt die britiſche Regierung wicht Beſorg⸗ 
niſſe war. Bei feiner Kuͤckkehr von Mekka im I. 1827 begann 
ee feinen Heiligen Krieg gegen Runjeet; body aller Fanatiämus 
feiner Anhänger kaͤmpfte vergebens gegen bie t 


und inmitten feiner Säubige jest x 
achezuge gegen bie mohammedani⸗ 


felbft mit den Ameees waren, wollten fie bodh einen Ginfal tw 
Sinde nicht geftatten und erboten ſich 


Am Fruͤhjahre 1885 enwertte bas Tene Vorgehen ber Per⸗ 


offe 
Indien die lebha niſſe. Doſt Mohammed Khan, 
bee früher um 
behandelte den: englifchen 
fee gerathener fand, ſich 
jenee &Sinnesänberung erte, war bie zwiſchen ben Af % 
und Perfeen wegen ihrer Sektenverſchiedenheit eigentlich bis 
zum bitterſten Grimm deſtehende Feinadſchaft. Offenbar Hatte 
ein mächtiger Gnfluß von außen Doft Wiohaumeb verantaßt, 
dee angeftanmten Politik: feine ‚were gu werben, 
unb er, der Soonee, trat mit den p Sheeahe in Berbiu= 
bung. Es verbient Gierdef ns; daß bie veränderte Ans 
ſicht ihres Fürften feinen untertganen EN Doprm Grube mieten 


und daB ein ſich vorbereitender Ausbruch ihrer Ungufriebenheit 
Lord Audland auf den Hugen Gedanken brachte, Doft Moham⸗ 
med ab⸗ und Shah Soojah einzufegen. Hierzu bedurfte er 
aber Runjeet’s Beiftimmung, und diefe war nichts weniger als 

ewiß. Runjeet hatte noch nicht vergeffen, daB die Engländer 
—* an der Wegnahme von Sinde verhindert; Afghaniſtan war 
in feinen Augen ein Land, das er ſich nicht durfte entſchlüpfen 
Laffen, und außerdem hatte er Grund zu fürchten, baß bie Eng: 
länder, bie bisweilen Anfälle von Ehrlichkeit haben und dann 
bei Andern auf Reftitution dringen, fi von ihm den Kah⸗i⸗ 
noor und etliche andere Diamanten ausbitten würden, bie er 
dem vertriebenen Shah abgenommen. Lord Audland’s Aufent- 
halt in Simla, einem faſhionabeln Bergnügungsorte in bem 
"Blmalayagebirgen, bot zu den betreffenden Unterhandlungen fehr 
pafiende Gelegenheit; der Maharaja entfendete eine glänzende 
Botſchaft, den GBeneralgouverneur zu bewilllommnen, und Lord 
Audland erwiderte die Artigkeit durch eine Miſſion nach Labore, 
zu welcher der Verf. obiger Schrift gehörte und bie er darin 
fehe intereffant fligzirt hat. Das Reſultat war, daß Runjeet, 
wol befonders aus perfönlichem Haſſe gegen Dofl Mohammed, 
fi) anheifchig machte, dem Worrüden ber englifchen Armee nad) 
Kräften förderlich zu fein, während die Engländer, wenn nicht 
ausdrücklich, wenigftens fchweigend Runjeet die Succeſſion ſei⸗ 
nes Sohnes, Kurruck Ging, garantirten. 

Bald nach der Einnahme von Kambul, dem Schlußfeine 
der englifchen Siege in Afghaniftan, wurde Runjeet das Opfer 
einer entzündlichen Krankheit. Geine vier rauen und fünf 
feinee Amazonen ließen fi) mit feiner Leiche verbrennen, und 
fein Premier — welche Anhänglichleit! — konnte nur mit 
Mühe verhindert werden, dem weiblichen Beiſpiele zu folgen. 
Kurrud Sing beftieg den Ihren, um wenige Moden fpäter 
wieder herabzufteigen und Raum zu maden für feinen Sohn, 
einen jungen Menſchen ohne Zalent und ohne Erfahrung, ber 
im Augenblide, wo biefe Zeilen aefchrieben werden, vieleicht 
ebenfalls aufgehört hat, ein Herrſcher zu fein. 

diefee Vorlage ftellt die Wichtigkeit des Reiche La: 
hore für die britifchsindifchen Befigungen ſich von felbft heraus. 
Die Ruflen,, gewitzigt durch Verluft und um eine Eoftbare Er⸗ 
fahrung reicher, rüften fid) zu einem neuen Buge gegen Khiwa, 
und welches auch der Erfolg fein mag, jebenfalls werben fie 
mit fämmtlichen Staaten von Mawersensnahar in biplomatis 
ſche Verbindung kommen und wahrſcheinlich den Hafen und bie 
Jeſtung Aftrabad befegen. Won bier aus koͤnnen fie, wie früs 
her, die Perfer gegen Afghaniftan vorſchieben, während fie zu 
gleicher Zeit mit Beihülfe der Turkomanen fi) Bahn brechen 
nach dem Ufer bes Indus. Bleiben die Sikhs den Gngländern 
treu, fo find fie wol Manns genug, Kofaden und Turkomanen 
zu ſchiagen, es vieleicht fogar mit regulairen ruſſiſchen Regi⸗ 
mentern aufzunehmen. Fielen ſie hingegen den Fremden zu, ſo 
Zämen die Ruſſen, einmal in das Punjab eingetreten, in nahe 
Berührung mit den Goorkas, ben alten Feinden Gnglands, 
Zönnten den Mahrattoftämmen, bie ben Gngländern bie von 
ihnen wiederholt erlittenen Niederlagen nicht vergefien haben, 
die Hand reichen aınd bedrohten von diefem Punkte aus bie 
Statthalterfchaften Bombay und Bengal. Viel hängt demnach 
von Shah Soojah ab. Berfällt er mit feiner Nation, fo wird 
Afghaniſtan das Vorrüden ber Ruſſen begünftigen, flatt es zu 
hindern. Das Punjab iſt daher gegenwärtig ber Schlüffel zu 
britifch Indien, und deshalb ein gefchichter, Präftiger, ben Eng⸗ 
Iändern freundlich gefinnter Fürſt biefen ein unerläßliches Bes 
därfnig. Leider! fehen fie ſich nach einem ſolchen vergeblich um. 
Kurruck Sing's Unpopularität fcheint auf feinen Sohn überges 
gangen. Sher Sing, Runjeet's natürlidder Sohn, iſt ein gu⸗ 
tee Kopf und Freund der Engländer; auch fein Sohn Pertaub 
berechtigt zu guten Erwartungen; aber einer von Beiden hat 
einen Anhang, flart genug, ibn ohne Bürgerkrieg auf den 
Thron zu heben. Herra Sing, der Sohn des Premier, ſchaͤumt 
von Ehrgeiz und dürfte fich leicht unbequem machen, ſodaß am 


Ende dem Reiche nichts gewiffee wäre, als von ben Eiwen — 
denn Bing Heißt Löwe — in Stüden geriffen zu werben. Dems 


nach bürfte Hr. Osborne wol recht haben, wenn er engt 


Ginmifchung unvermeidlich, fie „ein nahendes Ereigniß der re 
wenbigteit”’ nennt. „Die Compagnie’, fagt er, „hat fo viele 
Kameele verfhiudt, daß die Müde ihr nicht im Halſe ſtecken 
bleiben wird‘, zumal die Gröffnung des Indus für Dampfs 
ſchiffahrt jegt ein Gegenſtand der größten commerciellen Wi 

tigkeit iſt. Das Volk von Labore aber, meint der Brite, würbe 
ben Herrſcherwechſel fehr gern fehen, „laͤngſt beneiden fie ihre 
Brüder auf ber Öftlichen Seite des. Sutlege um den Krieden 
und Wohlfland, den jene genießen, und gern würden fie ihre 
elende Unabhängigkeit gegen die mildere und gerechtere britifche 
Herrſchaft vertaufchen, die, felbft wo fie die fchlechtefte, doch 
taufendmal beffer iſt als die befte unter eingeborenen Kürften. 
General Allard ift tobt, General Ventura fehnt fich fort vom 
Labore, fein Vermögen in Sicherheit zu bringen, und wes 
nigſtens das ſikhſche Fußvolk, vielleicht aud die Meiterek, 
würde gern mit unfern Sepoys fraternifiren, denn nad ihrem 
eigenen Ausbrude iſt Koompanee Bahadoor, d. h. bie Generals 
compagnie, ein fehr guter Zahlmeifter und das allerdings Leine 
Kleinigkeit für Männer, deren Sold gewöhnlich zwei Jahre im 
Rückſtande und, wenn er bezahlt wird, zum größern Theile im 
den Zingern nichtswürdiger Beamten hängen bleibt. Eng⸗ 
land wirb und darf eine Shance bes Weltfries 
dene nicht verlieren. 7%, 





Literarifhe Notizen. 


Cine Menge Febern find in Frankreich fortbauernd in Bes 
wegung, die Welt über ihre Lage, befonders gegen den Drient 
bin, in aller Kürze aufzuklären. So gab ein vormaliger Zögs 
ling ber polgtechnifchen Schule eine Schrift unter dem Zitel 
„Considerations politiquesä l’occasion de la question d’Orient” 
beraus, und ein gewifler Lefrancots aus Nantes reine Brofchäre 
über Rußland, Khiwa, England und Polen, worin er, wie 
bie Journale jagen, mit Zalent und Klarheit die verfchiedenen 
Phafen erörtert, durch welche Rußland gegangen if, ehe es zu 
feinem gegenwärtigen politifchen Gewichte in den europäifchen 
Entſcheidungsfragen gelangte. Das progreffive Wachtthum dies 
fer Macht auf ber einen Seite gegen Europa, auf ber andern 
gegen Indien bin; die gewicdhtoollen Schwierigkeiten, welche 
aus einem feindlidhen Zufammenftoße ber beiden großen politie 
[den Körper, England und Rußland, und noch mehr aus einer 
Allianz derſelben ſich ergeben koͤnnten, die muthmaßlich befle 
Rolle, welche Frankreich zwiſchen beiden zu ſpielen hätte — 
alle dieſe ſchon oft behandelten Fragen werden hier abermals 
beantwortet. Und wer glaubte jetzt nicht berufen und befähigt 
u fein, über die ſchwierigſten und verwideltfien Fragen mb 

ältniffe feine entfcheidende Stimme abgeben gu koͤnnen? 


3. Lecomte gab heraus: „Folies parisiennes” (2 Bbe.); 
Dumas: „Les Stuarts’’ (2 Bbe.); I. M. Dargaub: „George 
ou une ame dans le sitcle”; Defligny, der Verf. der ‚„Nemesis 
incorruptible’’ eine Brofhüre: „A Louis Bonaparte’’; Balzae 
einen Roman: „Pierrette“ (2 Bde). Erwartet werden: „Don 
Gigados”’ und „Les secrets de famille‘, von Alphonfe Brot; 
„L’esclave des galeres’‘, von A. be Kermalnguy, und bie 
Fortfegung der „Mémoires d’un sans-culotte bas- breton”, 
von E. Souveſtre. 





Jules Simon, ein junger Gelehrter in Paris, gab her⸗ 
aus: „Etudes sur la théodicéé de Platon et d’Aristote”. 
Es fpricht fich in diefer Arbeit, neben ber Kenntniß ber Alten, 
befonders ein genaues Studium ber Schriften von Clarke und’ 
Leibnig aus. 5, 





Verantwortliher Deraußgeber: Heinrich Brokhaus. — BDrud und Verlag von 3. A. Brodhaus in Eripzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung 








Dienftag, 


Kr. 299. ö— 


15. September 1840. 











Adam von Muͤller's gefammelte Schriften. Erſter 
Band. Mit dem Portrait ded Verfaſſers. Muͤn⸗ 
hen, Stanz. 1839. Gr. 8. 2 Thlr. 8 Gr. 


Adam Müller gehörte unftreitig zu den ausgezeichne: 
ten Geiftern einer daran nicht armen Zeit. Kine Nadı: 
Iefe der Erzeugniffe eines folchen Geiftes bleibt daher Immer 
eine dankenswerthe Gabe, melde Wandlungen aud) bie 
Richtungen dieſes Geiſtes im Verlaufe feiner Entwidelung 
erfahren haben mögen. Mit dem Vorwurfe der Apoftafie, 
den eben jene Wandlungen dem Verf. zugezogen haben, 
wollen. wir uns hier nichts zu fchaffen machen. Wir 
wollen gern voraudfegen, es entfprang der Übertritt A. 
Müllers zu einem andern religiöfen und politifchen 
Glaubensſyſteme aus Überlegungen, bei denen er fich viel 
weniger von dem kalt berechnenden Kopfe, al& von einem 
warm fühlenden Herzen leiten ließ. Dagegen glauben 
wir in Betreff der von dem Herausgeber der gegenmätti: 
gen Sammlung gewählten Ordnung von vornherein be: 
merken zu müffen, daß es im Sntereffe des Mannes felbft, 
defien Nachlaß er uns mittheilt, geweſen wäre, hätte er 
fid) dabei mehr an bie chronologifhe Reihefolge gehalten, 
in welcher die mitgetheilten Aufläge aus deſſen Feder 
floffen. Jeder Lefer naͤmlich nimmt an dem Schriftfteller, 
defien Werke ihn befchäftigen, mehr oder minder perfön: 
lich Theil. Er ergreift für ihn, beſonders wenn deren 
Lecture ihn anzieht, gewiffermaßen Partei. Sieht er ſich 
nun veranlaßt, denfelben im Verfolg bdiefer Lecture, zumal 
fofern in dem Werke ernfihafte Gegenftände behandelt wer: 
den, einer perfönlichen Inconſequenz bei Darlegung feiner 
Anfihten, bei Entfaltung feiner Hauptgebanten zu ver: 
bächtigen, fo möchte er gern, ſei e8 nur um ihn deshalb 
bei fich felbft, wo nicht rechtfertigen, fo doch entfchuldigen 
zu koͤnnen, den Gang ber Sdeenverkettung erforfchen, in 
Folge deren er etwa vermocht wurde von einem Spfieme 
zum andern überzutreten. Bel unferm Verf. wäre biefe 
Befriedigung dem Lefer unſchwer zu gewähren gewelen, 
bätte der Herausgeber feines Nachlaſſes diefen nach ber 
Zeitfolge geordnet. Den Keim von A. Muͤller's Ideen⸗ 
umfchwunge würde alsdann der Lefer fchon in den groͤß⸗ 
tentheils vor 1819 gefchriebenen Auflägen über Rational 
slonomie gefunden, und es würbe ihn daher minder uns 
angenehm überrafcht haben, ben Lobrebuer des theokrati⸗ 
ſchen Staats, dem er in dem Hauptabfchnitte der Samm⸗ 


lung begegnet, in dem zmeiten Abfchnitte als einen Ans 
hänger der Adam Emith’fhen Schule zu begrüßen. 

Nah biefen Vorausfhidungen gehen wir zur Bes 
fprehung des Inhalte des vorliegenden Bandes felbft über, 
wobei wir jedoch von einer durchgeführten Analyfe um fe 
mehr abfehen, als die aphoriftifche Form des Werkes fols 
he kaum geftatten würde. Anderntheild werden wir aber 
nicht unterlaffen, die Gegenfäge, die in ben zu verfchte 
denen Epochen gefchriebenen Auffägen am ſchneidendſten 
bervortreten, bei Gelegenheit bemerklich zu machen. 

Wir haben den in der erften Hauptabtheilung de ges 
genmwärtigen Bandes vormaltenden Geiſt ſchon angebeutetz 
dfe Überfchrife bezeichnet ihn noch näher, indem dieſe lau⸗ 
tet: „Von der Nothwendigkeit einer theologifchen Grund: 
lage der gefammten Staatsniffenfchaften und der Staats: 
wirthſchaft insbefondere” (1819). Zu diefer Epoche war 
A. Müllers Apoflafie ſchon vollendet; es darf uns alfo 
nicht befremden, wenn er ſich bier alfo vernehmen läßt: 

Der reine Staat, das Urbild des Staats, in dem, nad 
den Lehren ber Zeit, alle einzelnen Staaten und Stände unters 
gehen follten, ift ein Gegenfland nicht dis Wiſſens, ſondern 
bes Glaubens (!); ebenfo der Begriff des Geſetzes, vor dem alle 
VBerfchiedenneiten der Rechte und Kreiheiten fi, nach den Leh⸗ 
ren unferer Zeit, in eine Gleichheit Aller auflöfen follten. Die 
göttlichen Dffenbarungen reden von einem Staate, von einem 
Reiche Gottes, in weichem alle Unterfchiebe ber irdifchen Stans 
ten und Stände ſich ausgleihen, und von einem Geſete Gottes, 
vor dem wir alle gleich find. Diefem Reiche des Lichtes aber 
und biefem Geſetze der Liebe kommen wir nicht näher baburdh, 
baß wir von ber Finfterniß abftrahiren,, die uns umgibt, ober 
boß wir uns der Gigenheiten und Bedingungen willkürlich ents 
fhlagen, bie uns bier unten angewiefen find. — Jedoch dieſe 
böhern Dffenbarungen find es, welche in dem dunkeln Grunde 
ihres xechtfchaffenen Herzens alle jene Wohldenkenden meinen, 
bie dem Streben ber Begierlichen nach Einheit des Staats und 
nach Gleichheit Allee vor dem Geſetze beipflichten. Die beutlis 
chen Sröffnungen bes Chriſtenthums bleiben unbeadhtet, und fe 
fodern fie von dem irbifchen Staate, von bem wankenden Bes 
griffe einer menſchlichen Hirnhaut — Dasjenige, was nur das 
Reich Gottes gewähren kann. 

Auf bie Analyſe des conereten ober pofitiven Staates 
übergehend, verlangt der Verf., daß es innerhalb «eines 
chriſtlichen Staats keinen heidnifhen ober unchriftlichen 
geben fol. Da er jedoch vorher bei der Definition bes 
Begriffes Staat (status) anerkannt hatte, daß dieſes Wort 
im weitern Umfange gleichbedeutend mit Lage, Zuftand 
oder Stand fei, fohin ein jeder Menfh einen Staat 


1042 


im Staate bilde; fo wuͤrde er mit ſich felöft. in Wi⸗ 
derfprucy gerathen, wenn er fi nicht näher erklärte. 
Hiernah nun wäre ein folher verdammlicher Staat im 
Staate „die fogenannte feanzöfifche Republik innerhalb des 
Staats der europäifchen Chriftenheit”” gemwefen. Es würde 
ferner ein folcher Staat im Staate fein „wenn den Ju⸗ 
ben die vollftändigen Sreiheiten und Standesrechte inner: 
halb der chriftlidyen Staaten eingeräumt würden”. 

Im Berfolg unferer Perluftrationen begegnen wir nun 
dem bekannten Keenfage eines berühmten philofophifchen 
Spfems, den Adam Müller, wie folgt, sinkleidet, um die 
Nothwendigkeit der von ihm gefoderten Theokratie zu bes 
gründen. 

Aus dem natürliden Standpunkte — fagt berfelbe — nen⸗ 
nen .wir den vorhandenen Befigftand auf diefer Ob,rflädhe der 
Erde... Recht. Diefe Staatenz, Eigenthums- und Beſitz⸗ 
verfaffung ift recht, weil fie ift, ohne unfere Einwilligung, zu: 
folge der bloßen Naturgewalt und ihrer Geſetze iſt. Das Recht 
der Natur ift das Recht der Stärke und des Stärkern: die 
bis natürliche Erwägung leitet zur Anerkennung des Vorhan⸗ 


denen, und bdiefes Vorhandene ift volllommener als alles Se: . 


denkbare, Mögliche Nichtvorhandene, aus dem einfachen Grunde, 
weil es da iſt. Die natürlide Anwendung dieſes natürlidgen 

t8 nennen wir Klugheit: allemal wird fle im Gebrauche 
von -Mäßigungsmitteln beftehen ... . zu denen wie buch bie in 
uns berrfchende Naturgewalt angehalten werden. — So weit 
die Natur! 


Der Verf. entwidelt nun, ober beutet vielmehr blos 


am, wie ſich ber große Widerſpruch zwilhen dem Rechte 


und dee Klugheit, der Kampf zwiſchen Freiheit und Un: 


terthänigfeit entfpinne, worin das Reich der Welt ſeit 


Anbeginn verwidelt geweſen. Keine menſchliche Geſetz⸗ 
gehung oder Politik, bemerkt er dazu, vermöge dieſen Wi: 
derſpruch aufzulöfen, dieſen Kampf zu befchwichtigen; denn 
im gluͤcklichſten Falle würde fie nur eine der Naturgemalt 
ähnliche Zwangherrſchaft zu Stande bringen können, gegen 
dis ſich das menfchliche Freiheitsgefühl in jedem Einzelnen 
ohne Ende empören würde. Es muͤſſe und alfo ein We: 
fen zu Hülfe kommen, welches höher fei als die Natur. 
Da nun der Menſch — fo etwa lautet bie Schlußziehung — 
als Haupt eines Staates (in der oben angegebenen weis 
teen Bedeutung) gebunden=frei und als Glied eines an: 
bern Staates (in ber engern. Bedeutung) freiz gebunden 
iſt, fo befindet fich derſelbe im Zuflande des Widerſpruchs 
und. des Krieges fo lange, bis zu biefen beiden Beziehun⸗ 
gen. eine dritte hinzutritt, welche die beiden andern unter: 
eihander ausgleicht und verföhnt: „dies iſt die Beziehung 
des. Menſchen auf den. Iehendigen Gott, als einen höhern, 
unendlichen, alles. umfaffenden, liebenswuͤrdigen Gegenſtand, 
bes. an. die. Stelle des kalten und oͤden Naturbegriffs tritt”. 

Eine. allerdings: nur fehr flüchtige Erörterung „ber 
beften Staatsverfaſſung“ ſchließt die erſte Abtheilung bie: 
ſes Bandes. 


Alle Staatsverfoffungen — ſagt Müller — find gut, in⸗ 


wiefern fie auf dem Grundfage beruhen, daß ber Menſch Haupt 
eins ‚Staats ober Blieb eines Staats ſei, und inwiefern bie 
Retiglon die Gewahrleiſtung -.biefes Grundſates, ber wegen 


menchicher Gebrechlichkeit ohne göttliche Autorität: nicht beſtehen 


Kong, übernommen hat. 
Von dieſem Stanppunkte ausgehend, enachten bee Verf. 





| die: polltiſchen Discuffionen, wie fie jegt ber allgemeine 


Staatsformen gepflogen werden, für ein leeres Geſchwaͤtz, 
für einen eiteln Luxus boffärtiger Vernunft, halte man 


ſte gegen den Ernſt jener höhern Verhandlung Über die 


Sormiofigkeit, in welche das häusliche Leben, in welche 
bie Beinen Staaten, bie lieber des größern Staates vers 
fallen find. Hier aber werde ſich der eigentliche Bank 
eott der menſchlichen Kunſt zeigen, und von allen politi: 
(hen Luftſchloͤſſeen des Jahrhunderts keine Spur zuruͤck⸗ 
bfeiben als „der ſtitle Entſchluß demüchiger Rückkehr zur 
Religion”. Sind aber alle Wunden biefes Jahrhunderts 
verbiutet, und die Keidenfchaften, welche bie Urtheile ver: 
wisten, zur Ruhe gebracht, 

dann wird die fpätere Nachwelt in den krampfhaften Beweguns 


. gen biefer Belt nur das Erwachen ber Religion wahrnehmen: 


fie wird das dumpfe Geſchrei nach Verfaſſungen, welches alle 
ruhige politifche Unterfuchung übertäubt, verftehen; erkennen 
wird fie, daß es allerdings eine Gonftitution, eine Verfaſſung 
gegolten hat, ein Hinanftreben zu jener erflen und einzigen pos 
litiſchen Verfaſſung, welche auf der Erde beflanden hat, der 
chriſtlichen naäͤmlich; ein dringendes und unwiderſtehliches Ver⸗ 
langen nach jenem natürlichen, aber von einem gehorſamen Herzen 
für das unmittelbare Werk Gottes anerkannten Stande oder 
Staate der Menfchheit, welchen bie eitle Vernunft, eben weil - 
fie überhaupt ihrer innerflen Natur nach gu Teiner Anerkennung 
irgend einer Verfaffung gelangen kann, niemals erfhwingen wird. 

In der zweiten Abtheilung, weiche Auffkge über Nas 
tionaloͤkonomie enthält, erfheint uns die Abhandkung 
„Adam Smith 1808’ überfchrieben, befonders beachtens⸗ 
werth, weil fich darin des Verf. damalige Anfichten über 
diefen Gegenfland offenbaren. Muͤller beginnt mit Ans 
erdennung der Berdienfte „dieſes großen Mannes” um 
den betreffenden Gegenftand. Gegen das von bemfelben: 
aufgeftellte Syſtem jedody erhebt er die nämlichen Eins 
wendungen wie andere Staatsphilofophen, bie ben vom: 
dem berühmten Schotten angebahnten Weg befchritten. 
Er naͤmlich findet, gleih ihnen, Adam Smith habe 
die Grenzen bes Nationalteihthums zu eng bezeichnet, 
indem er Die ibealifchen Producte, „den ſchoͤnſten und ers 
babeniten Gewinn einer Nation, die Erzeugniffe ihrer 
ebelften Geiſter“ davon ausfchließe und ihnen einen oͤko⸗ 
nomifchen Werth beilege. War indes unfer Verf. vielleicht 
nicht der Erſte, der eine Erweiterung des von A. Smith 
aufgeftellten Begriffe von Nationalreichthum zu Gunften 
jener Producte in Anfpruch nahm, fo war er doch ges 
wiß Einer der Erſten; und bie Klarheit, mit welcher er fein 
Princip entwidelt, verdient Anerkennung. 

Der Verſtand — fagt er — welcher die fichtbaren, und 
bas Gefühl (7), welches die unfichtbaren Schäpe der Nation - 
Aftimirt, müffen einander unaufhörlich in die Haͤnde arbeiten, 
und das Endrefultat ber erhabenen Berechnung muß auf gleiche 
Weiſe nach Ideen und nach reellen Gütern ſchmecken. 

Die Wiffenfchaft der Nationaloͤkonomie, fodert or fer⸗ 
ner, bie nicht blos auf ein ſpecalatives Beſchauen be6- 
Staatspermögene, ſondern auf eine beftändige praftifche- 
Vermehrung beffelben hingerichtet iſt, ſoll alle: Kräfte der 
Menfchheit. in ihr Intereſſe ziehen, um die große Be⸗ 
wegung des oͤkonomiſchen Geſchaͤfts zu erhatten,. „‚mweichns ' 
surhdigeht, wenn «6: nur ſtill ficht”. Somit gehoͤre denn ' 
eine. viel groͤßere Vorſtellung von ihtem ⸗Zwecke, von’ dem ' 


1043 


Probucte, das fie beabſichtigt, dazu, als Adam Smith ihr 


anweilt, folle fie nicht auf jedem Schritte durch eine un: 
edle und kleinmuͤthige Würdigung ber menſchlichen Güter 
gehemmt werden. Und fomit gelangt denn ber Verf. zu 
dem Kernfage: „die Nationaleriftenz felbft in ihrem gan: 
zen Umfange fei der wahre Reihthum einer Nation”. In 
Gemäßheit der weitern Ausführung dieſes Satzes würde 
die Rationalötonomie alle diejenigen Gegenflände umfaf: 
fen, welche eine neuere franzöfifche Schule unter der Be: 
nennung Wiffenfhaft der Geſellſchaft bezeichnet; 
und demnach dürfen wir für den Verfaffer den Ruhm in 
Anſpruch nehmen, den biefer Disciplin zu Grunde lie: 
genden Hauptgedanken, wenn audy nicht vollftändig aus: 
geführt, mas bei der Kuͤrze des hier beregten Auffages 
unmöglih war, fo doch in flüchtigen Zügen bereits an: 
gedeutet zu haben. Diefen Gedanken äußert er etwa wie 
folgt: Im wirklichen Staate mag immerhin die Verwal: 
tung des Öfonomifchen Vermögens, des jurfftifhen Ver: 
mögens, des fittlihen und geiftigen Vermögens und end: 
lich des militairiſchen Vermögens in ebenfo viele Depar: 
tements getrennt fein: 

die Wiffenſchaft Tann in eine foldhe abfolute Trennung ber 
menfhlihen Geichäfte nicht eingehen, denn fie tft ja eben bie 
Gewährleifterin des nothwendigen Zufammenhanges ber geſamm⸗ 
ten Gefchäfte und ber gemeinfchaftlichen Beziehung aller auf 
den Sinen, einfachen Staatszweck. 

Ein kurzer Commentar erläutert diefen Hauptgedan: 
ten und beflimmt ihn näher für das praktiſche Staats: 
leden, als die weitläufigen Debuctionen ber vorberegten 
Schule e8 nur immerhin vermag. 

In jeden wirklihen Staate — fagt Müller — wird 
freilich eine von’ den Hier genannten vier Ideen, die eigentlich 
untereinander genau und wiffenfchaftlih balancirt fein follten, 
nach Maßgabe der Lage und Umftände eine Prärogative genie: 
fen; in einem Handelsſtaate, wie in England, wird ber Fi: 
—A nothwendig Premierminiſter ſein; in einem mili⸗ 
tairiſchen Staate, wie dem ehemaligen Preußen, werben alle 
Departements eine militalrifche Barbe annehmen; ein armer 
Staat wird ſich nothwendig durch Kraft und Strenge des Ge: 
feßes erhalten; — aber kann man ſich ben Staat von Europa 
oder das wahre Gleichgewicht unter einer erhabenern Geſtalt 
benten als unter dem Bilde eines gefellfchaftlichen Ganzen, 
worin der Finanzſtaat, ber Militairflaat, ber Juſtizſtaat und 
ber geiftliche Staat, jeder aus feinem befonbern eigenthümtichen 
Standpunkte, fih und alle übrigen mit der hier befchriebenen 
Gonfequeng und wiffenfchaftlichen Univerfalität zu betrachten und 
zu behandeln vermoͤchte. Auf biefe einzige echte Weiſe lebendig 
ergriffen, iſt bie einem Handelsſtaate fo natürliche, befonbere 
Idee der Reichthumserzeugung, und bie andere einen Militair- 
flaate fo angemeffene der Krafterzeugung, fegensrei für alle 
übrigen. Staaten. Jede abfolute Begrenzung ber Adminiſtra⸗ 
tionszweige, jede abfolute Trennung ber geiftigen und koͤrper⸗ 
lichen Befisthümer ift der Tod für den Staat; alle Admini⸗ 
ftrationsgefchäfte werden fi) in unzählige Alternativen und 
Gollifienen gerfpalten, zwifchen benen ber kalt caleulivende Be⸗ 
geiff entſcheiden muß, ber ebenfo ungeſchickt zum Regimente der 
Biker, als die von mirbefchriebene Idee bazu von Bott berufen iſt. 

Als beſonders geiſtreich mögen bie Erläuterungen herz 
vorgehoben werden, die ber Verf. über die Erfcheinung 
ertpeilt, daß fih in England vornehmlich bei den untern 
Ständen die größere Entfittlichung bemerklich macht, das 
gegen fih auf dem Gontinente, ‚an vielen Stellen“ we: 
nigftend bie Sache umgekehrt verhält. Dort wie bier 


findet Müller die Urſache davon in ber „Theilung bee 
Arbeit”. Die Bemelsführung legt berfelbe durch das Bid 
einer Kugel bar. _ 

Der Menſch — fagt er — braucht ein alfeltiges, ich 
möchte fagen kugelrundes Gebiet feines Wirkens, wie anberweig 
befhränkt und Klein daſſelbe auch übrigens fein möge. In der. 
kleinſten Kugel ift bas Geſetz wie in der größten, und in dem 
ärmften wie in dem reichften Menſchen Tann baffelbe Rechtes 
geſes walten, wenn beiden nur geftattet wird, vollftändig und 
nach allen Richtungen Das zu fein, was fie in ihrer Lage fein 
koͤnnen. Wenn aber bie Theilung der Arbeit in ben großen 
Städten oder Manufacturen = ober Bergwerksprovinzen den 
Menſchen, den yollftändigen freien Menſchen in Räder, Tril⸗ 
linge, Walzen, Speidyen, Bellen u. f. w. zerfchneidet, ihm eine 
völlig einfeitige Sphäre in der ſchon einfeitigen Sphäre ber 
Verforgung eines einzelnen Bebürfniffes aufdringt, wie kann 
man begehrten, daß dies Fragment übereinftimmen folle mit dem 
ganzen vollfiändigen Leben und mit feinem Geſetze — ober mit 
dem Rechte; wie follen bie Rhomben, Dreiede und Figuren 
aller Axt, die man aus der Kugel herausgeſchnitten, abgefons 
bert für ſich Üübereinftimmen mit ber großen Kugel bes politis 
[hen Lebens und ihrem Gefepe 7 


Da nun in England diefe Arbeitstheilung in allen 
Steigen der Privatinduftrie flattfinder, fo find dort die 
bei berfelben befchäftigten Menſchen, d. i. die unterften 
Stände der Gefelfhaft, am tiefften in ber Moralitäe 
gefunten. Den privllegirten Ständen und allen gebil⸗ 
deten Claſſen draͤngt ſich dagegen die große Kugel des 
Nationallebens ſo lebendig und allgegenwaͤrtig auf, daß 
die ſchaͤdlichen Wirkungen der Theilung der Arbeit, die 
überdies auch im Öffentlichen Leben des Landes nicht ſtatt⸗ 
findet, wieder aufgehoben wird. Auf dem Continente 
verhält es fi nun ganz anders. Hier erhalten bie noch 
beſtehenden Dienſtverhaͤltniſſe beim Ackerbaue und bie Uns 
moͤglichkeit, ein unbedingtes Tageloͤhnerſyſtem in alle Zweige 
der Nationalinduſtrie einzufuͤhren, die untern Claſſen in 
gewiſſem Grade voͤllſtaͤndig, kugelrund und rein. Dage: 
gen leitet die Theilung ber Bildung in den hoͤhern Stän: 
den, ſowie die Xheilung ber Arbeit in Staatsgefchäften, 
bier, wo ihre an wenigen Stellen ein volftändiges Bild 
nationalen oder religiöfen Lebens befriedigend entgegens 
kommt, oft in das Verbrechen hinüber. Wir haben die 
im Vorftehenden in der Kürze wiedergegebenen Erläuterungen 
des Verf. geiftreich benennt, wiewol wir das Paradore 
berfelben nicht verfennen; auch geht ihnen, um tichtig zu 
fein, das Kennzeihen der Allgemeinheit ab. Letztetes ges 
wahren wir vielmehr in dem bekannten Kernfage anderer. - 
Staatsphilofophen, daß Mangel an fittlicher Bildung und 
Armuth die allgemeinften Quellen jeder unrechtlihen Wil: 
Iensthätigkeit find. Und da nun die Arbeitstheilung, weil 
fie zur Bereicherung führt, legtere Quelle zu verftopfen 
firebt, mit dieſer Theilung aber Unterricht und Erziehung 
ſehr wohl vereinbarlich find, ja felbft dazu die Mittel ver: 
Ihafft, fo find wie weit entfernt, ben Anfichten des Verf. 
in dem Betreff unfere Billigung zu gewähren. 

(Der Beſchluß folgt.) 
eng, 
Zur Geſchichte der rellgioͤſen Parteien in England. 

Intereffante Nachweiſungen über eine Diffenters Partei, 


welche in Deutfchland noch nicht gehörig beachtet zu fein ſcheint 
die Unitarier, liefert ein vor kurzem in —**— erfhienenes 


Ä 1044 


ect von W. Turner: „Lives of eminent Unitarians with 
— of dissenting academies.“ Bu gleicher Zeit erſchien 
in London eine Gefammtausgabe dev Werke von W. Ellerv 
Channing in Boſton, einem der populairſten Prediger dieſer 
Sekte, der dem Freunde dev Menſchheit auch durch ſein muthiges 
Tuftreten gegen die Sklaverei in Nordamerika lieb und werth 
it. Ehanning übt in Amerika betraächtlichen Einfluß aus, 
der auch nach England herüberreicht; die Unitarier haben ihn, 
wiewol allem Dogmatismus und klerikaliſchem Einfluß abhold, 
als eines ihrer erſten Organe anerkannt. Die Richtung, in 
welcher ſie das Chriſtenthum betrachten, kommt der, welche 
durch Schleiermacher angedeutet wurde, ſehr nahe und laßt fich, 
wie wir aus Zurner’s Werd und noch mehr aus Lindfey’s 
„History of the unitarian doctrine’’ lernen, in den Anſich⸗ 
ten Milton’s, Locke's und Newton's klar erkennen, während 
der bekannte Naturforſcher Rieſtley ihrer Ausbildung und Ver⸗ 
breitung faſt noch mehr als ſeinen phyſikaliſchen Entdeckungen 
ſich hingab, auch für ſie zum Maͤrtyrer wurde. Erſt nach Crom⸗ 
weil weiß bie Geſchichte von eigentlichen Gemeinden der Unita⸗ 
eier in England, wenn fie auch früher mehre einzelne Perfonen 
erwähnt, welche die Zrinitätslchre als unbibliſch anfahen und 
deshalb als Keger verbrannt wurden. Bis zum J. 1678 be: 
ftand im englifhen Gefege die Verordnung de haeretico 
comburendo, und biefelben proteftantifchen Geiftlichen, welche 
wie For Martyrologien ihrer Glaubensgenofien ſchrieben, fan⸗ 
den gegen Irriehrer bie Todesſtrafe als einziges Bekehrungs⸗ 
mitte. Nach der Toleranzacte bildete ſich eine große An: 
zahl unitarifher Gemeinden und Billdungsanftalten für deren 
Prediger. Noch in diefem Jahre wurbe ein foldhes Seminar 
in Manchefter begründet, und die Iondoner Univerfität hat die: 
fem fowol, als mehren Anftalten für katholiſche Priefter das 
Recht erteilt, ihre Böglinge fi) um akademiſche Grabe bewer- 
ben zu laſſen. Auf ben beiden andern englifchen Univerfitäten 
werden folche Grade nur ben Belennern der Staatskirche ers 
theilt. „Denn“, fo heißt es in der Erflärung der Profefloren 
von Gambridge an bie Regierung 183%, „eine Univerfität muß 
danach fireben, die ihre anvertrauten Iünglinge nicht blos zu 
Gelehrten, fondern auch zu guten Menfchen, nicht blos zu gus 
ten Menſchen, fondern auch zu veligiöfen, nicht blos zu religid- 
fen Menfchen, fondern auch zu Chriften, nicht blos zu Chri⸗ 
ſten ſondern auch zu Anhaͤngern der Kirche (churchmen), zu 
maden.’ . 





Notizen. 


Die neugriechiſche Poefie iſt in neuerer Zeit den Deutſchen 
auf mannichfache Weife näher gerüdt worden, theils in ben 
Originalen felbft, theils in und durch Überfegungen. Um von 
frübern einzelnen, für fich beflehenden Sammlungen biefer dops 
pelten Art bier weiter nicht zu fprechen, fo gehört hierher aus 
der neuern Zeit die, vor kurzem erfchtenene, in Rr. 211 d. Bl. 
befonders befprochene Sammlung von Zirmenich, der wir nun 
auch die in ihr felbft bereits angekündigte größere Sammlung 
bald folgen zu fehen wünfchen, während andererfeits und über: 
haupt feit einigen Jahren die dem „Ausland‘‘ beigegebenen 
„Blätter für Kunde der Literatur des Auslandes’, namentlich 
aber ganz kürzlich auch die neugriechifche Poeſie befonders in 
ihren Bereich mit gezogen haben. Dies Letztere iſt nun auch 
in den, uns ganz vor kurzem zugelommenen „Thee- und Ass 
phobelosblüten’, herausgegeben von Adolf Elliſen (Goͤttin⸗ 
gen 1840) gefcheben, infofern fich hier, neben chineſiſchen und 
andern Gedichten, auch neugriechiiche finden. Es find dies Ver⸗ 
deutfchungen theild von Volksliedern, theils nach Rhigas, Chri⸗ 
ſtopulos u. %., deren Originale zwar unter uns fdyon lange 
befannt geworben, daher es auch hoͤchſt zweckmaͤßig, mit Hint- 
anfetung ber Urfchriften, eben nur Verdeutſchungen find, Ver⸗ 
deutſchungen übrigens, von benen im Allgemeinen, und nicht 
nur was ben faſt „unüberfeglichen” Ghriftopulos anlangt, zu 


wuͤnſchen wäre, daß fie durch größere Leichtigkeit fich ſelbſt und 
bie neugriedhifche Poeſie empfehlen möchten. Nicht uninterefs 
fant if vornehmlich die bier theils in politifchen Werfen, theils 
in Proſa mitgetheilte Bearbeitung einer Geſchichte von Agas 
memnon, bie, dem Derausgeber der Sammlung auf den Ruis 
nen Kykenäs von einem alten Phalangiten aus Argos einem 
„gelehrten“ Archimandriten nacherzählt, als eine wunderbare, 
hoͤchſt laͤcherliche Miſchung der heidniſchen und unſerer moder⸗ 
nen Zeiten ſich darſtellt. Bei dieſer Gelegenheit gedenken wir 
hier zugleich eines, ganz neuerdings unter uns in einer Schrift, 
wo man dergleichen nicht ſucht, abgedruckten neugriechiſchen Ge⸗ 
dichts aus einem frühern Jahrhundert, das aber noch gegen⸗ 
waͤrtig als Volksbuch bei den Griechen in einigem Werthe ſteht 
und unter andern noch im J. 1882 bei Giykys in Venedig 
wieberabgedrudt worden iſt. Diefes neugricchifche Gedicht fins 
bet fi in dem „Sendfchreiben an Karl Lachmann von Jakob 
Grimm. Über Reinhart Fuchs“ (Leipzig 1840) und iſt eine 
dialogifirte Erzählung von Wolf, Fuchs und Efel, die bier nach 
einem &remplare des oberwähnten Abdruds mitgetheilt wird. 
Indeß möchten wir meinen, daß bie, freilich überdies in einem 
nicht Leicht verfländlichen gemeinen Briechifch von Daus aus abs 
gefaßte Dichtung im Einzelnen kaum ganz genau nad dem 
Driginale abgedrudt fein koͤnne. Gin Verdienſt hat ſich übris 
gens Jakob Grimm hierbei auch noch dadurch erworben, daß 
er dem Gebichte ein kleines Gloffariam hat folgen laffen, wels 
ches jedoch — abſichtlich oder unabſichtlich Seiten des Verf., 
laſſen wir billig dahingeſtellt ſein — keineswegs vollſtaͤndig iſt 
und nicht über alle Dunkelheiten, die ſich in ſprachlicher Hinſicht 
bier in Menge vorfinden, ein genügendes Licht verbreitet. Bei 
dem noch vorhandenen Mangel eines vollftändigen neugriechts 
fhen Woͤrterbuchs, auch nad) Ducange, Somavera, Korais u. A., 
ift es freilich keine ganz leichte Arbeit, ſich felbft anderswoher . 
den nöthigen Rath zu erholen. Wer wirb und nun aber bies 
fen, oft genug fühlbaren Mangel eines ſolchen Woͤrterbuchs er: 
fegen — tönnen und wollen? 17, 


Ein Minftrelder Gegenwart. 

Die igenthümlichkeiten in Sitten und Gebräuchen bei 
ben Bewohnern ber Bretagne haben ſich bis auf biefen Tag 
auch in einzelnen Reften der alten, dem eigenthümlichen Chas 
rakter jener Bevölkerung entfprechenden und aus ihm hervorges 
gangenen Bolkspoefie bewahrt. Hr. v. Villemarqué, welcher 
ber bretagnifchen Poefie verdienftvolle Bemühungen gewidmet 
at, fand in der Mitte von Bafle Gornouaille einen armen 
budligen Bauer, Namens Loiz Guivar, bei ben Bauern Loiz 
Kam genannt, franzöſiſch Louis le boiteux, melden er ale 
ein getreues Abbild der Zwerge bezeichnet, welche am Hofe der 
frangöfifchen Könige ihre Stelle hatten. Außerbem, daß man 
ihn zum Theil als einen Seher betrachtet und um Rath fragt, 
ſteht er wegen ber ihm zu Gebote ſtehenden poetifchen Schaͤtze 
in Anfehen, bie, wenn auch nicht volltommen voiksthümlich, 
boch einflußreich find, Originalität athmen oder aus Überliefes 
rungen berfließen. Dieſer gutherzige Quaſimodo unternahm 
es vor einigen Jahren, gegen ben Hauptfehler der Bretons, 
die Trunken heit anzukaͤmpfen; aber nicht wie in neueſter Zeit 
der iriſche Pater Mathew, durch Gelübde und Medaillen, ſon⸗ 
dern mit einem Liede, und Villemarquéè verſichert, der Erfol 

ſei fo trefflich geweien, daß fi in feinem Canton der Befu 

ber Wirthshäufer fehr merkbar vermindert habe, 47, 


Bon Archibald Alifon’s ‚The history of Europe, from 
the commencement of the freuch revolution to the restora- 
tion of the Bourbons‘’ ift ber achte Band erfchlenen, welcher 
die Ereigniffe bis zur Gröffnung des Krieges in Deutſchland 
(1813) ſchildert. Der neunte Band, welder im November 
erfcheinen und zugleid ein umfaffendes Regiſter enthalten wird, 
fol, wie es in der Ankündigung heißt, alle über die Schlacht 
von Waterloo beftebenden Werke ergänzen. 5, 





Verantwortlider Derauögeber: KReinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von E. A. Brockhaus in Leipzig. 





Bläfter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





(Beſchluß aus Nr. 280.) 

Eilf Fahre fpdter als den vorerwähnten, Abam Smith’s 
Anerkennung gewibmeten Aufſatz, ſchrieb der Verf. einen 
„Verfuch über den Credit“ (1819), der eine ganz andere 
Faͤrbung hat und beffen wie nur erwähnen, um bie 
darin vorberrfchende myftifche Tendenz bemerklich zu machen. 
Nachdem der Verf. den Begriff von Eredit fowol für das 
Individuum als für den Staat feſtgeſetzt hat, entwickelt 
er ganz folgerecht die erften Bedingungen deſſelben. Allein 
fie genügen ihm nicht: er ſieht fi daher, naͤchſt der 
Seftigkeit des Grundeigenthums und der Unaufloͤelichkeit 
des Staatsverbandes, noch nach einer Bürgschaft für ben 
Gläubiger des Staats, wie des Privaten, um und fin 
det fie — in der Herrſchaft der religiöfen Geſinnung. 
„In alten biefen drei Rüdfichten, insbefondere aber der 
letztern“, fagt er, „muß ich an meinen Nebenmenfchen ge: 
feffelt fein, wenn ich wahres Eigenthum, dauerhaften Be: 
fig und echten Credit verdienen und genießen wit.” Im 
Verfolg der Beweisführung erhält die befannte Lehre von 
der Staatsfouverainetät einen Seitenbieb: 

Wir Haben — ſagt Müller — noch Niemand gefunden, 
der nicht Lieber ber Bläubiger eines wirklichen Kaifers, Königs, 
Standes oder einer wirklichen Koͤrperſchaft ober einer Gemeinde, 
oder eines bloßen reellen Eigenthumers, als der Gläubiger jenes 
allgemeinen Gedankenweſens, weldyes unfere Theorien Staat 
nennen und bem fie faft göttliche Ehre erweiſen, fein möchte. 

Man braucht wol nur auf den Aufſchwung Binzus 
weifen, ben, feitbem Vorſtehendes gefchrieben wurde, ber 
Staatseredit, namentlid in den conftitutionnellen Staa: 
ten Deutfchlande, bie zu jener Epoche erſt in der Aus⸗ 
bildung begriffen waren, genommen bat, um ben Irr⸗ 
thbum, worin unſer Verf. befangen tft, darzuthun. Er 
geht noch weiter; feine Befangenheit verleitet ihn zu Des 
clamationen, wie beifpielsmwelfe folgende: 

Seitdem bie Religion aus ben irdiſchen Angelegenheiten 
förmlich Yinausgerwiefen worben und bie bürgerliche Geſellſchaft 
gu einer großen Zwangsanſtalt, zu einem eiteln Waarenmaga⸗ 
zine und Markte berabgefunten iſt, auf dem nur bie Sachen 
elten, die Perfönlichkelt des Menfchen aber, ba fie mit der 
öhern Beſtimmung des Menſchen allzu genau zufammenhängt, 
Beinen Sredit genießt, IM aller Gegen und alles wahre Gedei⸗ 


hen verſchwunden. Je mehr Sachen probueirt werben, je meht 
der bingliche Reichthum waͤchſt, um fo größer wird der Wider 
ſtreit biefee Sachen mit den nunmehr ungezügelten Bebürfnifs 


| werben Binnen. 


egenwärtige 
Geſchlecht reicht mit den ihm von der Ratur angewielenen dings 
lichen Gütern nicht aus; bie ganze Wergangenheit muß herbei⸗ 
ezogen, Ihre gefammte Erbſchaft veräußerlich gemadyt und bie 
ulunft muß auf fo welt hinaus ale moͤglich in Beſchlag ges 


fen unb Begierden ber Menſchen. Das gerabe 


nommen werben, um bie bürftige Gegenwart zu befriedigen, 
wg au das innerliche Weſen ber Grebitopesationen unſe⸗ 
rer Theorien. 

Am Schluſſe der Abhandlung endlich faßt Adam 
Müller feine Gedanken über dieſen Gegenſtand zuſammen. 
Er verbeſſert ſich gewiſſermaßen, wobei wir gern anneh⸗ 
men wollen, daß keine aͤußern Ruͤckſichten, ſondern innere 
UÜberzeugungen ſeine Feder leiteten. Zuvoͤrderſt erklaͤrt der⸗ 
ſelbe, er ſei weit entfernt, „den ganzen Apparat des mo⸗ 
dernen Credits“ zu verdammen. Vielmehr erkenne er an, 
daß, je größer die Erpanſivkraft oder Elaſticitaͤt des ge⸗ 
genwärtigen Augenblicks, je mehr ber einzelne Menſch oder 
ber einzelne Staat vermögen werde, Vergangenheit und 
Zukunft zu ber Hälfsbedürftigen Gegenwart heranzuziehen, 
für um fo vollkommener werde er die beiberfeitige hause 
liche Einrichtung finden, um fo größern Credit werbe auch 
er ihnen beimeffen. Allein es müͤſſe eine wahre Elaſtk⸗ 
cität fein: das ausgebehnte Weſen müffe fi, wenn bie 
Bebrängnig vorüber, in die nathrlichen Grenzen ber Ge: 
genwart zurhdziehen können; diefe Gegenwart muͤſſe nicht 
Vergangenheit und Zukunft überfchwellend verfchlingen 
wollen; das Vermaͤchtniß und die Rechte ber Vergangene: 
beit, ſowie die Ausfant für die Zukunft müßten gefchont 
Damit aber ein folcher Grebit möglich 
werde, dies knuͤpft ber Verf. zum erften an bie Bedingung, 
daß man „Achtung vor den Satzungen unferer Vorſah⸗ 
ren“ habe, was „bie einzige Bürgfchaft, bie wie unferm 
Glaͤubiger dafuͤr leiſten können, daß auch unfere Nadks 
kommen die gegen ihn übernommenen Verpflichtungen er: 
füllen werden”. Zum andern aber müfje „eine wahre 
und fihtbare Gemeinfchaft des Glaubens und der Treue” 
unter den Menfchen befichen. Und nun am Schluſſe 
fragt er: „Haͤtten wir nicht ein Recht, zu bezweifeln, daß 
bie beiden Grundlagen unſers Dafeins, Haus und Staat, 
auch in blos irdiſcher Rüdficht dauerhaft und nachhaltig 
beſtehen koͤnnten, ohne die dritte beiden gemeinfchaftliche 
Grundlage einer folchen fichtbaren Glaubensgemeinſchaſt 
oder Kirche?“ 

Die dritte Abtheilung des vorliegenden Bandes iſt, 
wie ſchon die überſchrift andeutet, ein Corollarium zut 











t 


erſten. Sie iſt naͤmlich uͤberſchrieben: „Die ingere Staats⸗ 
haushaltung ſyſtematiſch dargeſtellt auf theologiſcher Grund⸗ 
iage“ (1820). Müller beabſichtigte, wie er am Schluſſe 
verkündigt, feinen Gegenſtand in drei Verſuchen zu be: 
haudeln x worer.diegr —**— erſten Alefodt. Bei: 
zen ſtealswifthſchaftlichen "Syfferne drei Elemente zu 
Geuflde legend, befhäftige fich der Verf. in gegenwärtigen 
Berfuche mit der Arbeit; in einem zweiten fol das 
Gapvital, in bem dritten Verfuche aber bie Kraft m 
die Reihe kommen. Genoͤthigt mit den uns in dieſen 


Blättern geftätteten Raume hadshälterifh umzugehen, be⸗ 


wir uns auf eine Anführung, die genligen 
wird, um den in diefen Verſuchen waltenden Geift zu be: 
jeichnen. Einen Ruͤdblick auf bie beftchenden Theorien 
der Haushaltung mwerfend, erfchelnen fie ihm alle, fofern 
darin die lebendige Haudhaltung der Staaten als ein 
Sdeal dee Vernunft, oder als eine Aufgabe dargeſtellt 
erden, welche eben diefe Vernunft aus eigener Mache: 
vollkommenheit zu Iöfen habe, als „ein Traum, der außer 
ller praktiſchen Beziehung mit dem in Elend’ und Sünde 
befangenen Geſchlechte fleht”. Diefem Anathem, tn das 
bie geachtetften Staatsphitofophen, Adam Smith, Xue: 
dee, ja ſelbſt Schmalz, dem fonft der Verf. in mehten 
Punkten beipflichtet, mit inbegriffen find, flgt derfelde 
eine fürs Erſte nur flüchtige Andeutung feines eigenen 
Lehrgebäudes bei, die mit feinen eigenen Worten wieder: 
zugeben für unfern Zweck hinreicht: 
Gunj anders aber iſt es — heißt es in dem Gegenſatze — 
enn bie lebendige Haushaltung der Staaten. als bag Wer? 
Sottıs in bernüfhiger Untermierfung und unter ber fitengen 
Bucht ber pofitiven göttlichen Offenbarungen bargeftellt wird, 
wenn das Fartam ber Verderbniß nicht nur Überhaupt im leich⸗ 
ten Sinne der Zelt, ſondern pofitiv, ald Sündhaftigkeit in dem 
uralten firengen Sinne ber chriftlichen Kirche und als Folge ber 
erſten Sünde vorausgefeht und die unbedingte "Unfähigkeit ber 
menſchlichen Vernunft nicht mar zur Herftellung des Guten, 
ſondern auch zu aller Bandigung des Verderbens behauptet 
wirt. Dann erfcheint das zanze Unternehmen, ns dem Ehoefe 
dieſer Berberbnig heraus irgend cin politifches Problem zu loͤ⸗ 
Br welches doch nur bie — *2* 
Derſtellung des Guten bezwecken kann, fo thoͤricht als’ mſchtig; 
altes vernht dann auf der Frage, ob das Herz den vun Gott 
ununeſftlbar dutch die chriſtliche 
Mettung einſchtagen, ob es das bargebotene 
berveretnigung, des Irdiſchen mit dem überirdiſchen sareH 
Furz, 0b. ed fich hekehren will oder nißht. elbftert the 
vH. die Erkenntniß des eigenen Nichts, Reue und Brktehrung 
ad unertaäßtiche Vorbebingung der eigenen Wiffenſchuͤhee 
VUnter den vermiſchten Aufſaͤtzen allgemetnen poͤlitiſchen 
Inhalts, welche die vierte Adbthellung bilden, entkhaͤlt 
derjenige, welcher von ber Nationalrepraͤſentatiöͤn Han: 
beit, manche Gedanken, die Beherzigung verdierien und 
wovon wir einige kürzlich in nähere Betrachtung ziehen 
wollen. Den Zweck aller organiſchen Geſetze oder Juſti⸗ 
tutionen bezeichnet der Verf. etwa wie folgt: Es ſollen 
dieſelben die verſchiedenen Hauptelaffen der Bevoͤlkerung 
eines Landes zum Worte kommen laſſen, ſodaß die unter 
ihnen beſtehenden und einander entgegengeſetzten Einſeltig⸗ 
keiten ſich recht grünidilch beſchraͤnken und keine die Andere 
unterdruͤcke; ſodann aber auch, daß jede einſeltige Stadts- 


ſtalteten Staatsbuͤrgerclaſſen und dem 


igung des Boͤſen oder die 


eigen angewieſenen Weg ver | 
Mittol der Mir | 





yıymy 


bürgerclaffe die andere kennen und refpectiven lerne, bamit 


‚fie einfehe, wie alle andern zum Ganzen des Staats we: 


fentlih gehören und biefes Ganze des Staates in dem 
Gonflicte feiner Theile empfinden lerne. In Kolge, biefer 
Erkenntnis rohr 7) . pe leter⸗· Zochl, sin 
mächtige. Intereffie im Sem Wohlfein und‘ Gebeihen dis 
Ganzen einftellen, daß jenes Glaffenintereffe gezügelt und 
geregelt werde, durch ein ebenfo mächtiges Intereſſe des 
Standes m den gemen Staat, und fi 
ein gerechtes Verhaͤltniß bilde zwifchen den verfchieben ge: 
fie alle umfaffenden 
Souverain, welcher bie Idee das ganzen . aͤußerli 
darſtellt. Es nennt dies der Verf. die Organiſation 
des Volks, der er bie Organtfation der Regierung gt: 
genüberftelle, deren Zweck und Wefen er dahin beftimmt, 
baß fie mit berfelden Vollſtaͤndigkeit und Gerechtigkeit, 
womit durch die Ständevsrfaffung "alle Claſſen des Volks 
auf die Bildung, Belebung und Befefligung des Ganzen 
einwirken, auf alle einzelnen Glafien von dem Stand: 
punkte dieſes Ganzen aus zuruͤckzuwirken babe. Die wid 
tigfte Folgerung aus diefer Prämiffe nun wäre wol, daß 
es bei der Volksreptaͤſentation, um zwedmäßig zu fein, 
weniger auf die richtige Vertretung der Staatsbürger nad) 
ihrer Kopfzahl, als nach ihrer Qualitdt, d. i. ber Claf⸗ 
feneinfeltägfeit anlomme, „weil ohne den Wiberfland 
aller Hauptelaſſen an Leine vollfländige Wechſelwirkung, 
alſo auch an keine Erzeugung eines Nationalwillens zu 
denken il”. Gibt nun auch ber Verf. gu, baß in jedem 
gegebenen Staate, je nachdem derſelbe mehr aderbauen- 
der, Kriegs⸗, Induſtrie⸗ oder Handelsftaat iſt, die Volle: 
mpräfentation verfchiedenartig gemifcht fein foll, fo nimmt 
er: gleihwol einen Vorzug für die MRepräfentatien des 
Grundeigenthums in Anſpruch, weil daffelbe, ſomol was 
feinen Beſitz, als feine Bewirthſchaftung anbetrifft, wicht 
ein Gegenftand menſchlicher Wahl, wie die übrigen Be⸗ 
figthiemer und Gewerbe if. Geht er aber noch "weiter, 
inbem ce foberr, es Tolle „das Grundeigenthum auch 
noch durch Majorat und erbliche Repruͤſrneatkon, die von 
der Wahl geldſuͤchtiger Zeltmenſchen völlig unabhängig tik, 
über alle Berunflaltung eines ‚möglichen kuͤnftigen flatter: 
haften Beitgeiftes erhoben ‚werden‘, fo möchte biefe Fo⸗ 
derung ‚von ber geoßen Mehrzahl der neuern Staatäphi: 






| Iofophen Baum als flasthaft eingeräumt werdan. 


u as „Etwas, das Goethe geſagt gibt Müller 
Veranlaſſung, feine Gedanken über Kirchenverbeſſerung 


4817, bei Gelegenheit bed damals freierlich begangenen 
battten, Saͤcularfeſtes ber lutheriſchen Reformation, nieber- 
zufchreiben. Goethe's „Ktwas u. f. w.“ naͤmlich lieſt man 
in: dem zweinen Baube feiner „Briefe aus Ställen”. Daſ—⸗ 
felbe bettifft ‘den heiligen Philipp ven Meri, . einen Bei 
dgenoſſen Luthers, der ebenfalls eine Kiechenwerbeſſerung 
wollte, allein freilich in einem andern Sinne, und der 
deshalb auch kanoniſirt wurde. An dieſe Thacſache nun 
tnuͤpft unſer Verf. eine Fotzereihe won Betrachtungen, die 
im Weſentlichen gegen das zumn Shell mioverſtaudene Lee⸗ 
cherthum gerichtet ſind und bern Ntmmnz die Schluß⸗ 
worte enthalten: 


s Wie: efn. Junbe bes Mlaubeas oh bie -isufcmeniung ⸗ 
ud zutlidigehäiäben — heißt es hier -- ba ſchat man ſich, opıye 
gu 3 nach de vienigen — — 55— 
imme feſtern —— bes Himmliſchen wit dem Gid- 
ala, el alſo der haͤuslichken, Heben, nur vom Sritgeihe. von 


sine kaufen Sebeuslunt und Philosophie verſtricten — 


pi Gen. — mit der fihtbaren und unvergänglichen Kirche 

Der ſechete umd legte Aufſatz biefer Sammlung enb- 
Ma wurde 1516 rieben und beteifft den „Kaiſer 
Kranz 1. von ſtreich“. Die vorzäglichen Elgenſchaften 
dieſes Monarchen werben anerkannt und in das gebuͤhrende 


Bicht geſteilt. 98. 


Die Verbrechercolonien auf Neuholland, Vandiemensland 
mad der Inſel Norfolk. 


Sin franzoͤſiſches Journal enthält eine gute Zuſammen⸗ 
Mellung von Roten über bie Fa n Verbrechercoloni.n im 
Auſtralien; ber Zuſammenſteller ſtuͤtzt dabei auf die neueſten 

authentifchen Angaben des Ri onnairs Ullathorne. 

Man kann — heißt es da 
Welt nennen. Ratuͤrlich iſt —e hier warm, der Suͤdwind 
Belt; der Weſtwind ber Gefundheit nachtheilig, der Oftwind heilfam. 
Dee Barometer fleigt im Allgemeinen vor dem Stegen, und went 
er faͤnt, fo bebeutet es ſchoͤnes Wetter. Die Thaͤler find Balt unb 
unfeudtbar in denfelben Gegenden, we ber Gipfel des Berge 
warm -und fruchtbar ik. Die Schw ane find in Auftralien 
faͤmmtlich ſchwarz und bie Adler weiß; man findet bort eine 
Gattung des Maulwurfs, welcher Gier legt, die Jungen fängt 
unb eine Art Schnabel Hat wie eine Ente; dort hauſt auch das 
Kinguen, welches wit Hölfe feines Ghwanys Läuft ud bie 
Jungen in einer Taſche mit ſich trägt. Die Hunde in Rau: 
holland haben ben Kopf eines Wolfe, den Leib eines Fuchſes 
umb bellen. nie. Es gibt Hier — eapem Fiſche, wel⸗ 
che fliegen wie die Fledermäuſe, Reſſeln, die baumhoch wachſen, 

die Pappel nur bie — eines Heinen Strauches er⸗ 

tz; das Farrenkraut waͤchſt au Buß Hoͤhe und basis 

tet feine Zwrige horizontal His F Pr ober ſechs Buß in Gem 

eines Sonnenſchirma aus; ber Kafuar, sin zisfenhafter Vogel 

wie der Strauß, ifk flatt der Febdem mit einer Art Haare bes 
deckt. Die me — jaͤhrlich ihte Rinde, aber 


| wallenios, und die 2333 
dee Armften Leute ee aus —— * wie das * 
Bakmow’s; der Gommeer nk m t dem 1. and 
endet wit dem 1. Maͤrg, der Winter umfaßt bie Da Sum 
bie Ente Augu mhlid) findet men bier KMdıma ‚, bie Wis 
Bi tragen, Duft uab Vögel re Stimmt. 
iele Ericgeinungen dieſer und andemn Art. Scham 

ein: Zen auf bie fonft geltenden Neomen ber Ratu 

Reupolland ‚bat aͤnſerſt wenig Fluͤſſe, und n 
* einmal, ab tie noch umkelanuten Gegenden im 


9, die > 
ws pur xeligio⸗ 


. MDisfes Sand ik ann heftimmt, Anh Kerbracher feine ‚Ginitifer 
Sion guierheiten, ındtten ‚in Iefw ithuris meift@tibgn einsmaugne 
‚ der mit dem her europaͤltchzen Damptfbähte ir 








Mord Hatte, Die gu 
Depatation verurtheilt Feed Alles in Allem heanae man 
Ginmphmerzagt 


amais dr Der otgate uf 4000 Rüpfe — 


— Reuholland die- umgetkehroe 


nirgend tiefer in Fa ern bes eur ale am 

* 55 ih 
‚ans eplaͤtze Für 

gewiemen. jr 





aut, gählt ä 
— gegenwaͤrtig — 


darmer ſich au bereichen ar um fie 

Simzans —— ri ger —R —— vn En 

weiher beißt iR, an apen zur 8 ot en Arheit u 
Stlaven, meicher ſich der Arbeit, deren 


bei —* — 5* *5 augute kommen, auf 4 mögliche Weiſe 
ſucht. Aber hie Gtafſe iſt ba, um ben- Wie aen 
Mr Par dem gexingfisu Wergehen wird der Schalbdige ham 
Gericht üb Beine Bertheikigung wird Bm nike schön, 
Man —* hen Ungiädsicgen und bindet i . Die Peit⸗ 
fihe wich gefimuungen,, ieber Schlag verunfackt —E m 
auf einmal; das Mint rief. Im Mie barholungsfeilg n 
Schläge. Teotzt er zum hritten Mai, fo wixd er für uanechehk 
ferlich erklaͤrt und zu Pen Ketten verurtheilt. Die Departinten 
biefer Ichtern Kategorie mit ihren Kettep, m 
— Wache beaufſichtigt. — man fie im » 
fo feplisßt man fie, we ebenfalls —** — ert, 
* Art sraßer und tragkarer viereckiger Hallen cin, Ar 
von ihnes Jaum einen Maum aan ame Fuß iu Si 
ſich gewinnen 0 Bons F- Pe Se 
em —— tehen 
n dieſer fe Co⸗ 


Net En am vi — figgen If, Si 
fen auen 


welche 
ee elen, nicht minder cl Hat 
eine an ‚In 2, kai anfien, wi Slück kald wa 
Frau iu Kuna at dem naͤchſten Schiffe an, a Iuyat 

ine ae an er Bouberneur ‘mit der 
sung und we der nvater in ir Diener * 







Ei n im Fein * Eine Rinder, I o ift ‚bald eine I 
e getrais aar Buben in 

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un un, äußerte lachend der OMier, „ſo will ich 
& na Indien gurödtehren und «in v n begehen, 
weit dies das Mittel fcheint, fein BLäd zu madhen.” Die vers 
itten Weiber werben als Dienfibeten Leuten ber verſchie⸗ 
—— Ton Daramatia. —— —8* 
matia. er ſollen ſie 
begangen haben; 


e von 
büßen, die fie im Dienfte i Herren en 
fie erhalten tie Fleiſch, Kent und Gemäfe, manchmal auch 
Mee und Zuder. Zur Arbeit werben fie nicht angehalten, da⸗ 
gegen dürfen fie in dem großen Garten bes Gorrectionshaufes 
Bag sehen. Dieſer Aufenthaltsort hat für fie fo großen 
4, daß verurthellte MWöriber oft ihre Herren bitten, fie nadı 
dem Gorrectionsbaufe zu ſchichen. Thut man dies nicht, fo ent⸗ 
fie ſich aller Arbeit, bie man fie nach Paramatta ſchickt. 
uch haben fie hier bie gewiffe Ausſicht, einen Mann gu be⸗ 
dommen, benn bier ſuchen ſich die in Freiheit gelegten Gonvicts 
ihre Frauen. Kommt eine Werurtheilte in Gidney an, fo wirft 
fie dermaßen in Staat, daß der Herr, dem fie zugetheilt 
wird, eine Peingeffin flatt einer Dienſtmagd vor ſich zu ſehen 
glaubt, ihre zarten Hände find durchaus nicht gemacht, zu ars 
beiten. Was thun? Man ſchickt fie nach Yaramatta, das iſt 
Alles, was fie verlangt. Diefe Sinrichtungen find wenig ges 
macht, die Sittlichkeit in dieſer Verbrechercolonie zu fördern. 
Die Sonfumtion von Rum unb Liquenr in biefee Golonie vers 
hält fich zu der in England wie 17 zu 5. Im 3. 1835 vers 
wrtheilte der Gerichtshof zu Sidney 116 Individuen zum Tode 
für das Verbrechen des Todſchlags; die Zahl der Verurtheilun⸗ 
gen für geringere Verbrechen belief fi aber auf nicht weniger 
als auf 22,000. Meineid iſt Hier fo gemeinfeam wie Luft und 
Gonnenlicht. Man tft daher auf eine Gtrafart bedacht gewes 
fen, welche mehr gefürchtet wird als bie Zobesftrafe Telbft, und 
das iſt bie Verbannung nach bee Infel Norfolk. Rorfolk ift 
em mit Klippen umgebenes Eiland, unb wie ein Tatholifcher 
Riffionnate fagt, der Iekte Kreis ber Dante'ſchen Höllen, von 
denen jeder Brab den Schrecken verboppelt. Rorfolk liegt von 
dem Hafen Sadfon ungefähre 100 Meilen entfernt, bie Übers 
fahrer iſt ſehr gefährlich; nur bie Wächter der Gefangenen bürs 
fen auf dieſer Infel wohnen und kein Schiff an ihr anlegen. 
Die hierher Berwiefenen tragen Ketten, die ihnen nie abgenom⸗ 
men werden. Im 3. 1885 betrug bie Zahl der auf der Inſel 
befindlichen Werbrecher 1200, worunter 450 Katholiken, ſeitdem 
iM die Zahl In jedem Jahre um 200 geftiegen. 1838 und 1886 
wurde bie Inſel von einigen Tatholifchen Meiffionnaizen beſucht, 
weiche die Regierung um die Erlaubniß angingen, in diefen 
teaurigen Orten ihren Sitz auffdhlagen zu dürfen; kein proteftans 
tiſcher Geiſtlicher hatte ſich dazu entfchließen Können. 70. 


kiterariſche Notizen. 

Amedee Thierry hat den erſten Theil feiner „‚Histolre de 
la Gaule sous l’administration romaine” herausgegeben. Die: 
felbe bildet eine Kortfetung ber „Histoire des Gaulois‘‘, bie 
vor 12 Jahren zuerſt herauskam. In bem letztern Werke hatte 
A. Thierry auf eine ebenfo neue als Fühne Weiſe alle Probleme 
gelöft, weldye den Urfprung, bie Wanderungen und Kämpfe 
der alten gallifchen Voͤlkerſchaften betreffen. In dem jett er⸗ 
ſchienenen fchitdert er dagegen bie Geſchichte Balliens von ber 
zömifchen Eroberung an bi8 zum Sturz ber Herrſchaft der Caͤ⸗ 
faren und zur Begründung neuer germanifcher Reiche. Wähs 
send biefes Zeitraums, ber fih vom 1. bis zum 5. Jahrhun⸗ 
dert unferer Zeitrechnung erſtreckt, hat Gallien feine ganze 
fruͤhrre Unabhängigkeit verloren iſt ganz roͤmiſche Provinz ge⸗ 
worden und ſeine ganze ðeſchichte beruht auf der Grundfrage: 
Bas iſt das Weſen einer roͤmiſchen Provinz im erſten und 
weiten Jahrhundert? Was hatte damals bad Wort Provinz 
n politifcher und ſocialer Hinficht zu bedeuten? Es iſt biefes 
eine ſehr weitfchichtige Frage, die A. Thierry in allen ihren 
Beziehungen in ber Binleitung des in Mebe ftehenden Buches 
behandelt hat. Indem er bis zu dem Urſprung und den erften 








ward, und bamm, wis biefe ſociale Einheit Italiens die folgende 
bereitete. RE 


Sen 
er ben Den , u von 
ber Billigkeit und bie Veränderungen im —R Rechte, 
das fi) Immer mehr und mehr dem jus gentium näherte, in 
der Religion durch bie Weftrebungen der Gtaatögewalt, einz 
Verſchmelzung aller Religionen zu bewerkftelligen, fowie durch 
bas Streben ber Philofophie, alle Dogmen berfelben zu einem 
Banzen zu vereinigen. Dem Chriſtenthum war ber Kuhm 
vorbehalten, dieſes Ziel zu erreichen, und bie chriſtliche Kirchen⸗ 
gemeinfchaft "bildet auf dieſe Weiſe die Kortfetung der römifchen 
Staatsgemeinſchaft. Dies iſt ber Gedankengang, den X. Thierry 
in feinem neueflen Werke entwidelt und durch vielfache Be⸗ 
weife 2 fügen ſucht. Wir koͤnnen hier nicht weiter auf bie 
Reupeit und Gigenthüämlichkeit feines Standpunktes eingehen, 
und bemerken nur noch foviel, daß, während feine Vorgänger 
in der gallifchen Befchichtichreibung immer von Rom ausgingen, 
ee fih, um bie roͤmiſche Welt zu ſtudiren, außerhalb Roms, 
in einer anfangs eroberten, dann durch Bewilligung vom 

ten zu einem integrivenben Theil bes zömiichen Staats ges 
machten Provinz feinen Standpunkt wählt. Außer der Ein⸗ 
leitung enthält ber erfle Theil des Werks bes Hrn. Thierry 
die Geſchichte der Provinz Gallien von der Regierung Antonin’s 
bis zu der bes Severus. 


Bor Eu iR der dritte Zhell von I. I. Ampere 
„, Histoire ie färaire de la France avant le Fr siöcle ‘’ 
erſchienen, eines Werks, das größere Beachtung verdiente, als 
ihm innerhalb und außerhalb Frankreichs zu Theil geworben ift, 
indem bier zum erflen Male eine bisher arg vernachlaͤſſigte Pe⸗ 
siode der frangöflfchen Eiteraturgefchichte von einem umfaflen« 
bern Standpunkte aus und mit gründlichern Kenntniflen ges 
— wird, als es bei den beſchraͤnkten Anſichten und den 
u nglichen Kenntnifien ber Mehrzahl der zeitherigen frau 
® fhen Literarhiftoriter möglich galt 

efe Periode für reine Barbarei und bie Romantiker mußten 
ihr blos bie beiletsiftifche Seite abzugewinnen, und b güs 
fammen fehlten die nöthigen Vorkenntniſſe, vorzüglich die Kennts 
niß ber germaniſchen Sprachen, bie zur Erforſchung dieſer Pe⸗ 
riode unumgänglich nöthig find. So Fam eb, daß eine freie, 
von Teinem WBorurtheil getrübte Auffaflung biefes Zeitabfchnitte 
der franzoͤſtſchen Eiteraturgefchichte bis jetzt noch mangelte. Br. 
Amptre bat diefem Mangel auf eine Weite a 
fen, wozu ihm ebenfo ſehr feine Unbefangenheit bes let 
feine gründliche Kenntmiß ber damaligen Zeitgeſchichte und deu 
altfranzoſiſchen Literatur ſowie feine Bekanntſchaft mit den ger⸗ 
maniſchen Literaturen und ben Reſultaten ber hiſtoriſchen For— 
ſchung ber neuern Zeit überhaupt befaͤhigten. Mit Bergnügen 
bemerkt man in dieſem Theile, ber ben Zuſtand der Literatus 


war. Den 


8 

und Agobard Handeln. | 
dern Perioden ber franzöfffiben Literatur feinen Fleiß wibmen 
und ihnen fein umſaſſendes und geſundes Urthen zugute 
kommen laflen. 


. Berantwortliher Herausgeber: Helnrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. 4. Brodhauß in Leipzig. 


Blätter 


* 


s 


für 


literariſche Unterhaltung— 





Donnerstag, 





Deutſch bearbeitet von Karl Neubert: Einge⸗ 
leitet von Rudolf Wagner. Bier Bände. 


Wenn für den Bildungszuftand und die geiftige Reg: 


ſamkeit eines Zeitalters ein charakteriftifches Merkmal darin- 


liegt, wo ficy die vorherrfchenden Richtungen bes Denkens 
und Strebens begegnen, in welchen Vereinigungspunkten 
fie den größten Grab ber Soncentration erreichen und von 
wo aus fie fi über das Ganze der Geſellſchaft hemmend 
oder fördernd verbreiten, fo gehört die Stellung und Be: 
deutung, welche die Pflege der Naturmifienfchaften für die 
Gegenwart erlangt hat, zu den wichtigſten und einfluß- 
reichften Momenten unferer wiffenfchaftlichen und focialen 
Entwickelungsperiode. Jahrhunderte lang an die engen 
Grenzen dürftiger Erfahrungen gefeffelt, durch voreilige 
Theorien gehemmt, durch Worurtheile aller Art zurldige: 
halten, bald in die Mofterien, die fie erklären follten, mit 
gruͤbleriſchem Brüten fich verfentend, bald in dem Stre⸗ 
ben, fih zum Lichte emporzuarbeiten, durch die Bann 
ſtrahlen einer kirchlichen Diplomatie zurudgefchleudert , die 
die Aufklärung, wo fie ſich auch zeigen mochte, anathe⸗ 
matiſirte, — find die Naturwiſſenſchaften endlih im Laufe 
der legten drei Jahrhunderte erſtarkt und haben ſich, burd) 
eigene Kraft, mitten duch alle Hinderniffe, Verirrungen 
und Schwierigkeiten hindurch eine Bahn gebrochen, auf 
welcher fie mit unaufhaltfamer Gewalt, ihres Berufs fich 
volltommen bewußt, und mit ber zwar vorfichtigen, aber 
unerfchrodenen Kühnheit eines vielfach gewißigten, ſich 
ſelbſt mehr als unfihern Bundesgenoffen vertrauenden Er⸗ 
obererd vormärtsfchreiten.. Sie genießen dabei die für 
ihre gedeihliche -Entwidelung kaum hoch genug anzufchlas 
genden Vortheile, daß fie, unberührt von den Beranlafs 
fungen,; die auf andern Gebieten der Forſchung die wif: 
ſenſchaftliche Unbefangenheit fo leicht beeinträchtigen, einen 
Gegenftand befigen, welcher dem Auge des Betrachters in 
dem unerfchöpflichen Reichthume feiner Erfcheinungen eine 
ewige, flillwaltende Gefegmäßigkeit barflellt; daß fie fich 
überall zuruͤckgewieſen fehen auf beſtimmte Thatſachen, über 
weiche der Streit der Meinungen unmöglich lange fort 
dauern kann unb welche für jeden. Verſuch einer Theorie 


Nr. 261. — 


17. September 1840. 


— 





daß fie, obwol in ber möglichen Löfung ihrer Aufgaben 
dem größten Theile nach befchränkt auf einen unermeßlich 
Heinen Theil des Univerfums, durch die Yusficht auf ein 
unabfehliches Gebiet möglicher Kortfchritte angefpornt wers 


den, und doch, wie Antäus in ber Berührung mit dem 


Theile der Natur, der der mütterlihe Boden und das 
Wohnhaus des Menfchenyefchlechts ift, immer von neuem 
erſtarkend, keine Ermüdung zu fürchten haben; daß fie 


endlich, während fie auf der einen Seite durch ihren Ein 


fluß auf die materiellen Verhaͤltniſſe, das Beduͤrfniß, bie 
Bequemlichkeit und den Schmud des Lebens dem finntiz 


hen Dienfhen ihre Wichtigkeit fühlbar machen, ande: . 
terfeitg dem denkenden Geifte nicht blos Auffchlüffe, fon: 


dern auch Probleme vorlegen, die fie mit den hoͤhern 
geiftigen Beduͤrfniſſen in Verbindung erhalten und fie vor 
der Einfeitigkeit bewahren, ihre eigenen, durch die Beob⸗ 
achtung, das Erperiment und die Rechnung gewonnenen 
Refultate für die legten Grenzen der Forfchung zu halten. 
So in die Mitte beinahe aller wefentlichen Intereſſen bes 


Einzelnen und dee Gefellfhaft geftellt, durchkreuzt das- 


Studium ber Naturroiffenfchaften ebenfowol die hoͤhern 
fpeculativen Aufgaben des Wiſſens ald bie Technologie 
und die Volkswirthsſchaftlehre nad) dem ganzen Umfange 
ihrer möglichen Anmendungen; und mögen auch immerhin 
für eine, in allen fpeclellen Fällen probehaltige Durch: 
dringung der empirifchen Naturforfhung mit ber eigent: 
lihen Speculation, in Beziehung auf. weiche die erflere 
den marnenden Zuruf Newton's: Physica, cave .meta- 
physicam, zu vergeffen, jegt weniger als jemals "geneigt 
ſcheint, kaum noch die allererfien Vorarbeiten ausgeführt 
fein, fo ift doch die, nicht theoretifche, fondern unmittel: 
bar ſociale Bedeutung derſelben jetzt mehr als jemals im 


dad Bewußtſein der Zeit allgemein eingedrungen. &inficht 


iſt Macht: dieſes Wort hat fich nirgend in einem folchen 
Umfange bewährt als in ber Anwendung ber Mechanik, 
der Phyſik und der Chemie auf die Beduͤrfniſſe, die Ars 
beiten, die Genuͤſſe des täglichen Lebens; ganz anders als 
früher ficht die Natur dem Menſchen jeht gegenüber, ſeit⸗ 
dem er, eindringend in ihre Gefege, gelernt hat fie zu 
beherrſchen, indem er ſich ihr, unterwirft; ja,: ſelbſt die 
Hoffnung iſt nicht allzu verwegen, daß mit dem Wachs⸗ 
thume dieſer Einfichten für die. mancherlei druͤckenden Ders 


' 


einen. unabweislichen Richter in letzter Inſtanz dachieten; | hältniffe, weiche aus der Maſſe dar zunehmenden Beduͤrfniſſe, 


8* 10 


x ’ 


aus ben mit der Verdichtung ber Bevoͤlkerung fich ver: 


mehrenden gefellfhaftlichen Eollifionen und aus dem immer 


Höher anfchmwellenden. Aufwande ber Staatsverwaltung der 
europäifhen Menfchheit drohen, mehr als eime wirkſame 
Abhuͤlfe wird gefunden werden können. Und eben dadurch 
bekommen die Naturwiſſenſchaften und die Beſchaͤftigung 
mit ihnen neben dem rein theoretifchen und ſocialen In: 
tereffe auch noch eine höhere ethifche Bedeutung; fie ter: 
den ein Inſtrument einer dem Gebelhen des gefellfchaftli= 
chen Ganzen, bem Öffentlihen Wohle ſich widmenden Ge: 
finnung und treten, ſcheinbar vorzugsweiſe dem blos Ma⸗ 
teriellen zugewendet, als ein wirkſames Glied in eine mo: 
raliſche Ordnung der Dinge ein, an welcher fie unter 
Vorausfegung des richtigen fie befeelenden Geiftes mitzu- 
arbeiten beftimmt find. 

Von diefen Gefichtspunkten aus betrachtet erregen 
Männer, die einen befondern Theil der Naturwiſſenſchaft 
mit ausgezeichneten Erfolge cultivirt haben, fchon vermöge 
der allgemeinen Richtung ihrer Arbeiten ein befonderes 
Intereſſe, und dieſes Intereſſe überfchreitet bie Grenzen 
der bloßen Fachgelehrſamkeit, wenn die Individualität eines 
ſolchen Naturforſchers den Ruhm in Anfpruh nimmt, 
feine Wiſſenſchaft nicht blos mit dem Geifte, oder viel: 
mehr mit der Geiſtloſigkeit einer das Einzelne zum Ein: 
zefnen haufenweis auffpeihernden Empirie, fondern eben 
aus einem jener hoͤhern Standpunkte aufgefaßt und er: 
weitere zw haben, die den Naturriffenfchaften überhaupt 
Ihre allgemeine Bedeutung fihern. in folder Fall liegt 
bet dem Manne vor, deffen aus der Hand feines Bruders 
Öeroorgegangene, mit der treuen Sorgfalt einer durch, wahre 

erehrung verebelten Bruderliebe ausgearbeitete Biographie 
per dem deutfchen Kefer dargeboten wird, und mit vollem 

echte fagt Hr. Prof. Rud. Wagner, der Die deutfche 
Bearbeitung mit einem kurzen Vorworte begleitet hat: 

Humphrey Davy's Lebensgeſchichte gehört für einen größern 
Kreis als den, für welchen ber edle Write fo bleibende Verdienfte 
Ib erworben. Beine großen Gutbectungen in ber Ehemie kennt 
und preiſt bie wiflenfpaftliche Welt, und feine gemeinnügigen 
Sxfindungen, für die ihm die ehrende Anerkennung von Kai⸗ 
fern und Königen geworden, werben mehr noch in ben Schach: 
ten der Bergwerke unter Tauſenden von Knappen unb Gruben⸗ 
albeitern feinem Namen ein bielbendes Andenken fihern. Hier 

aber noch etwas Anderes, was Dany’s Perſoͤnlichkeit fo au; 
eh as bie Schilderung biefes zeichen Lebens fo lebendig 
a s iſt jene ſeltene und wunberbare Miſchung einer 
An en, — Ka berfinnlichen fo fehr zugewandten Ra: 






, ftigſten und offenſten Sinn für eine klave 
Wethebe in der empiriſchen Forſchung und mit jener überaus 
Alacuchen pealtifdgen Tendenz, welche der britifchen Nation 
gering I Bo wärs in Deutſchland fo leicht ein Nas 

le zu finden, in dem eine folche Harmonifche Verbindung 
mehrfacher Richtungen fi fände, weiche ber Irrthum der Zeit 
als ſich voͤllig entgegenftehend gu betrachten geneigt tft? 

Verfuchen wie daher an der Hand dieſer Denkwuͤrdig⸗ 
keiten ein Turmes Wild von dem Leben, ber: Entwidelung, 
bein Charakter und der Wirkſamkeit Davy's zu entwerfen, 
öhne- Dabei auf bie Hefondere Wichtigkeit feiner Entdeckun⸗ 
gen für die wiſſenſchaftliche Chemie in einem hoͤhern Grade 
emugehen, als zur Anbentung jenes Wildes nöthig iſt. 
Diwor aber erfüllen wie mit Bergnligen die Pflicht, - dem 


we ; 


Bearbeiter des englifchen Driginals- nicht nur dafür, daß 
er dieſe Bearbeitung unternommen, ſondern auch für die 
Art, wie er der gerählten Aufgabe genügt bat, bie ver 
diente Anerkennung zu zollen. Mef. kann fih aud hier 
* Ba Urtheil des Hrn. Prof. Wayne (Bl, ©. 4) 
erufen: 

Nur wer bie eigenthümliche Schwierigkeit kennt und von 


der Leichtfertigkeit weiß, mit welcher fonft dergleichen Arbeiten 
unternommen und dem. beutfchen Yublicum —** werden, 


vermag ben Wexrth einer Uberſegung zu beurtheilen, wos 
zu außer einer vollkommenen Kenntniß der Sprache jener Sinn 


gehört, welcher unter ben mannichfaltigen Seiten, bie das Reben 
eins der größten und gruͤndlichſten Raturforicher bes ae 


t die t 
Natur und eines tiefpoetifchen re Tebendie 
wiederzugeben wußte. 

Zum Belege, daß fich der Bearbeiter feine Aufgabe 
nicht leicht gemacht hat, verweilt Ref. nur in aller Fuͤrze 
auf bie Grundfäge und feitenden Geſichtspunkte, Aber die 
er ſich in feiner eigenen Vorrede ausſpricht. Das mg» 
liſche Driginal („Memoirs of the life of Sir Humphry 
Davy etc., by his brother John Davy”') ift zu London 
1836 in zwei Bänden erfhienen; und J. Dapy, im 
Beſitze aller nachgelaffenen Papiere feines Bruders und 
mit der innern und dußern Gefchichte deſſelben der Natur 
des Verhaͤltniſſes nach vertenuter, als ein Anderer fein 
konnte, hatte ſich zur Abfafjung biefer, ſchon 1832 vollen: 
beten, in ber Herausgabe durch äußere Umſtaͤnde verzoͤger⸗ 
ten Biographie vorzüglich durch die fehr bald. nach feines 
Bruders Node 1830 von Dr. Aptton beramsgegebenen 
Lebensbeſchreibung Davy's veranlaßt gefunden. As der 
Ausdrud einer Polemik gegen dieſes übrigens nicht werth⸗ 
Iofe Buch, welches aber nicht ganz frei ift von Unger 
nauigfeiten und Werunglimpfungen bes perfönlichen Cha⸗ 
rakters Davp's, finden fid) nun im Original manche Pars 
tion, deren unmuthige Bitterkeit für den unbetheiligten 
Leſer nicht erfreulich fein kann, und deshalb bat fie der 
deutſche Bearbeiter, ohne etwas zu übergehen, was zur 
Feſtſtellung der Thatſachen dienen kann, geößtentheild weg⸗ 
gelaſſen. Beſondere Mühe iſt auf die zahlreichen Poeſien 
Davy's auch in der Nachbildung der Form verwendet 
worden. Überhaupt trägt die ganze Arbeit das Gepräge 
einer vorzuͤglichen Sorgfamkeit und Liebe zum Gegenftande, 
deren glüdlichen Erfolg die genauere Bekanntſchaft mit 
dem Werke nicht wird vermiſſen Laflen. Kine dankens⸗ 
werthe Zugabe find nicht nur bie, wenn auch nicht fehr 
zahlreichen, aber zum Theil fehr intereſſanten Anmerkun⸗ 
gen des Bearbeiters, ſondern auch das der Zeitfolge nach 
geordnete Verzeichniß der groͤßern und kleinern Schriften 
Davy's, ſowie bie in Form eines alphabetiſch geordne⸗ 
ten Regiſters beigefügte UÜherſicht des Inhalts, weiche 
nein befonders intereſſaute Partien leicht wisberfins 
ben läßt. 

Wenden wir uns nun zu Humphry Dany feibft. Er 
war geboren ben 17. Dec. 1778 zu Penzance, eines da⸗ 
mals ziemlich unbedeutenden Mittelſtadt an der romanti⸗ 
ſchen Meunts ⸗Mai auf der aͤußerſten ſuͤdweſtiichen Land⸗ 
fpige Englands in der Sraffchaft Cornwallis. Bein Vater, 





- 151 


din Holzſchneider, des durch allerhand Speculationen im 
Bergbau mehr zufegte al® gewann, ftarb ſchon 1794 und 
hinterließ feiner Wirwe nebit einem Außerft geringen Merz 
mögen fünf Kinder, von denen vier nad) ganz unerjogen 
waren. Davp war fomit von feinem 16. Jahre an les 
diglich an ſich felbft und feine eigene Kraft gewiefen. Gr 
hatte bis bahn den gewöhnlichen Schulunterricht genoffen, 
deffen pädagogifche Unzweckmaͤßigkeit in diefem wie in fo 
vielen andern Fällen wenigſtens den negativen Mugen hatte, 
den Zögling in feiner Selbftentwidelung nicht zu beſchraͤn⸗ 
ten, und Davy felbft erflärte es fpäter für ein Glück, 
daß er ſich als Kind meiſt felbft überlaffen war und in 
Mr. Corpton’s Schule viel Muße übrig behielt. „Disfe 
Umftände find es vielleicht, bemen ich die geringen Talente, 
die ich befige, und deren eigenthuͤmliche Ausbildung vers 
danke. Was ich bin, bin ic, das fage ich ohne Eitel: 
keit und ganz frei heraus, durch mic, ſelbſt geworden.” 
(Bd.1, &.20.) Ohne fi in der Schule, wo er eine 
Anregung fand, befonders hervorzuthun, hatte er doch bei 
feinen Gefpielen Einfluß und Anfehen; er war der Se: 
cretair ihrer geheimen Hergensangelegenheiten, und bie poe⸗ 
tiſche Exregbarkeit, welcher ſich der gereifte Mann fpäter 
in dem Umgange mit der Natur fo gern überließ und 
welche in der veizenden, durch die Nähe des Meeres und 
die manntchfaltigften Gebirgeformationen großartigen Um⸗ 
gebung feiner Vaterſtadt vielfältig genährt werden mußte, 
verräth ſich frühzeitig durch feine Vorliebe für Märden, 
Wunder und Spukgeſchichten, denen er bei alten Leuten 
geen nachfotſchte, um, ein Eindlicher Rhapſode, fie feinen 
Geſpielen soieberzuerzählen. Die gefährliche ‘Periode dee 
angehenden Juͤnglingsalters, in welcher gerade bie Eräftig: 
fin mad reichſten Naturen ſich fo leicht vexwuͤſten ober 
zerfplittern, kuͤndigte ſich zwar aud) bei Davy durch ein 
mehre Monate dauernde, haltungslos herumſchweifendes 
Vielerleithun und Nichtsthun an; allein der Tod feines 
Waters und die dadurch bpppelt nothwendig werdende Wahl 
eines Berufs chttelten ihn aus feinem Schlummer auf, 
und von diefem Zeitpunkte an entwickeln ſich fein Streben 
und fein Wiſſen mit einer mahrhaft ſtaunenswürdigen 
Schnelligkeit. Wir finden ihn bald nach Ablauf feines 
46. Jahres als Aposhekeriehrling bei Mr. Bingham Bors 
dafe, gunäcft wait der Abficht, fi für Pharmade und 
Mebdicin auszubilden. Won der Breite jedoch, im welcher 
er feine Studien anfegte, geben ſogleich feine früheften Ta⸗ 
gebücher Zeugniß (I, 32 fg.); es wechſeln in ihnen Aufs 
füge über wetaphyſiſche / palitiihe, theologifhe, pſycholo⸗ 
giſche und anthropologiſche Fragen mit Gedichten und Ents 
tolırfen zu größern poetifchen Arbeiten; und wenn auch 
dahingeſtellt dleiben muß, 0b die hier mitgetpeilten Aus: 

ge aus den fruͤhern, wie aus den ſpaͤtern Tagebücern 
immer. mit der wuͤnſchenswerthen Unsfipt ausgehoben find, 
fo zeigen fie doc) jedenfalls einen von dem Drange ſelbſtaͤn⸗ 
diger Forſchung nach allen Richtungen hin im Innerften 
Qufgeregten Geiſt. Beſonders hhargkletißiſch iſt dabei die 
Vemegkichkeit, mit welchar Davp bewit iſt, feine frühern 
Anſichten gegen andere, die ihm beſſer begründet fcyienen, 
wieder aufzugeben. „Diefe.Wetiächtungen”, beige es ai 


Sqhuſſe einer Abhandlung zu Gunſten des Waterialismus 
(1, 37), Awurden geſchrieden, als ich fechjehn und ein Halz 
bes Jabt alt war; welche gänzlihe Ummwälzung felbern in 
meinen Anſichten jetzt, mit neunzehn und einem halben 
Jahte. Einzelnes in dieſen fruͤheſten Probuctionen ift 
fehe (hön, fo 3. B. die Beudftüde aus dem Verfuche 
über die Freundfchaft (I, 44); auch mag der Art Erwaͤh⸗ 
nung geſcheben, mie Davy bie Hppathefe, daß der Fotus 
ſchon im Mutterleibe pſochiſche Cindruͤcke und Vorfkelluns 
gen erlangen koͤnne, zu begründen und auf Metaphpfig 
und Pfohologie anzumenden ſuchte (I, 55). Überhaupt 
herefäpt das philoſophiſche Element in diefer Zeit bei ihm 
offenbar vor, und je urfprünglicer diefe ſpeculative Aufs 
tegung feines Denkens im Gegenfage zu der fpätern Mes 
fignation auf die fogenannten „Metaphysics” iſt, deſto 
mehr wird man verlodt ſich zu fragen, welche andere Ricys - 
tung er vieleicht genommen haben wuͤtde, wenn er 3. ©. 
in Deutſchland gelebt. hätte, 
(Pie Bortfegung folgt.) 





Kur: Mainz in der Epoche von 1672. Bon G. E. Guh⸗ 
wauer. Zwei Tpeite. Hamburg, $. Perthed. 1839. 


Br. 8. 3 Thlr. 20 Gr. 
Man it fo gewohnt, die © 8) 5 
men, Epochen, — BE —— 


Begebenheiten aufzufaffen, daß e6 einen ganz eigenen Einbrud 
macht, wenn etwas vorgeführt wird, weldes auf ben en⸗ 
gen Raum eines Jahres beicränkt und wovon gar Fein Er⸗ 
folg wahrnehmbar geworben, Dennöch fobert die genaue Pefts 
ftelung biefes * ‚öft ebenfo viele Mühe ber ünterfuchung 
als diejenige des Weiteften, ja dag Ieptere iſt gemeinhin lei 
ter zu erkennen durch feine offen vorligende —— 
bie enge‘ der Zeugniffe, während fuͤr jenes der eigentfldge 
Vorgang fi leicht vi ft und aus wenigen, nicht te 
leicht gu veteinfgenden Zeugnifien erheiit werden fol. Werbier 
aber um Geſchichte er A Jeber, der Sroßes ober Mr 
nes, Weltes oder Enges, Erfolgreiches oder Grfolglofes auf ben 
Te laen Gindrae ——— 
zolchen Gin! macht die vı ende 2 te 
geaenftand if ein Aufſat, ber Eubivig XIV. ae w 
ng Ügyptens zugefonimen fein | 
dem Kriege —2 Wäglarid un 
land ein Auszug derfelben gedruo 
nannt, auch behauptet, Bonaparte 
Staatspapieren zu Berſailles ge 


lepranb gab in feinen legten i 
daB R) tfegen ihm und Napoleon 
pebition gegen gypten, Eeibnig‘ 
De at 
mi r ie inzofen Haben fi: 
Ganoort (BO) en — 
entftanben? Lribpip war mit 


en 
Wie iſt nun ee 
dem Baron von Be Be Ki h — 


ſon Mäfng, in naher Be 


Kurfütften vi 
B4 ne date ie Bohr, ee su * ante 
ea 


1082 


Ber es Berhaͤltniß mit Frankreich nicht abbrechen zu bürfen. 
ee iſt a Vor dem Jahre 1672. rüftete Lud⸗ 
wig XIV. gegen Holland, man fuͤrchtete Frankreichs Univerfals 
errſchaft. Leibnit ſah Beutſchland bedroht und fand als Mit⸗ 
i, die Gefahr abzuwenden, nur Eins — Frankreich in eine 
außereuropäffche Unternehmung zu verwickein. So entftand 
fein Auffag. 
Als 1671 dee Minifter der auswärtigen Angelegenheiten Lud⸗ 
wig’s XIV., Hugo von Eionne, ſtarb, ermunterte Boineburg 
feinen jungen Freund, mit dem Vorſchlage zur Eroberung Ägyp: 
tens hHervorzutreten. Leibnie’ Entwürfe dafür von_ eigener 
Sand befinden fih in der koͤniglichen Bibliotbel von Hanover. 
SRotive waren die Zerftörung des tärkifchen Reiche, Herrſchaft 
auf dem Mittelmeere, Befreiung ber Chriſtenheit von ben norb- 
afrikanifchen Piraten. Dem franzoͤſiſchen Könige und feinem 
‚Minifter mußte man ſich als ergebene Anhänger Frankreichs 
gen. Leibnig fagt: „Den Stein der Weifen ausgenommen, 
ane nichts Wichtigeres als die Groberung Ägyptens gedacht 
werben.” Boineburg und Leibnig fanden am Ende gut, fich in 
. eigener Perfon zu einer Gonferenz mit einem Deputirten Lud⸗ 
wig’s XIV. in Paris anzubieten, dadurch blieben die Den: 
ſchriften über jene Eroberung bloße Entwürfe und kamen in 
Beinen Gebrauch. Die Neife verfchob fi, bis Leibnig 1672 
auch in Privatangelegenheiten Boineburg’s fie antrat und mit 
den nothwendigen Gmpfehlungsfchreiben ausgerüflet wurde. 
Während derfeiden ftarb Boineburg plöglich und Alles kam zu 
fpät. Darum äußerst fich Leibnig in feinen Briefen über bie 
Sache nur obenhin. Als einige Monate barauf ber Kurfürft 
von Mainz felbft durch ben franzöfiichen Befandten jenen Bor- 
ſchlag wiederholte, antwortete Ludwig KIV.: „er fage nichts 
über die Vorſchlaͤge eines heiligen Krieges, aber ex wife, daß 
fie aufgehdet hätten Mode zu fein feit der Zeit Ludwig's bes 
deiligen“. 
* Man hat wegen Verwerfung des Vorſchlags bald den Er⸗ 
finder, bald den König getabelt, auch wol die Eroberung Agyp⸗ 
tens durch Bonaparte ale Maßſtab ber Beurtheilung anges 
wandt. Thiers in feiner „Geſchichte der franzöfifhen Revolu⸗ 
tion”’ glaubt Bonaparte zu ehren, wenn ex ihn mit Leibnig 
in Parallele ſtellt, Michaud in feiner „Geſchichte der Kreuzzüge‘ 
t Eubwig XIV. in Schug genommen, fo auch Mignet auf 
eranlaffung einer der frangöfifchen Akademie vom Verf. über 
diefen Gegenftand vorgelegten Denkſchrift. Klagen genug hatte 
Frankreich über Behandlung franzoͤſiſcher Unterthanen gegen 
die Türkei, auch ward Lubwig’s Gefandter in Konftantinopel 
mit Ohrfeigen und Geffelfehlägen bedient; aber derfelbe Lud⸗ 
wig, welcher wegen einer Beleidigung feines Gefandten in Rom 
mit dem Papfte brechen wollte und für feine Ehre Tämpfen 
u müffen glaubte, weil der Wagen des fpanifcyen Befandten 
I London dem bes feinigen voranfahren follte, hatte hierfür 
Kein Gefühl und war eines großartigen Entſchluſſes nicht fähig. 
Auch Hinderte ihn wol feine Politik gegen Öftreih, verbunden 
mit einer Schonung ber Tuͤrkei; Hollands Demütbhigung war 
bewirkt, ‚die Xriedensboten nahten fich- bittend feinem Lager. 
Hätte Ludwig XIV. 1672 den Türken Agypten weggenommen, 
fo würden bie @efchichtfchreiber heutigen Tages diefe Unterneh: 
mung in volllommenfter Harmonie mit ber Hülfe gegen bie 
Zürken, vor allem mit ben Unterbandlungen zu Rom 1667 zu 
einer Ligue zum Umſturz des türkifchen Reichs, und zulegt mit 
den Reibungen zwiſchen Lubwig und der Pforte, bis ins Jahr 
1672 hinein, gefunden haben. Alsdann wäre freilich kein Krieg 
gegen Holland, kein Keichsſkrieg gewefen, welcher Ludwig XIV. 
die Verwünſchungen Europas zuzog. Alsdann wuͤrde man bie 
ur und fdharffinnige Politik des Kurfürften von Mainz, ben 
den Muth Lubwig’s und die neue Ara in der Befchichte 
ber aoneiftenpeit in’ Zolge der Eroberung von Agypten gepries 
en haben. 
Roc einen zweiten Einbrud macht das forgfältig gearbeis 
tete und mit vielen Einzelnheiten reich ausgeftattete Werk bes 


Verf., naͤmlich, von der traurigen Lage einer kleinern Macht 
neben einer größern und der eigenen Art bes Befchids, die erfos 
dert wird, fih vor Schaden zu hüten. Dit Gründen der Ges 
rechtigkeit, weiß man, wird nichts gewonnen, alfo bleibt bie 
Hauptſache, gute Zreundfchaft zu halten und in den Vortheil 
des gefährlichen Nachbars einzugehen, wo moͤglich ihm Gedan⸗ 
ten ganz befonberer Groͤße einzuflößen, bie nicht auf den Beſit 
von Städten und Provinzen, fondern auf die Bezwingung eis 
nes Welttheils gerichtet And. Doch der Mächtige ſchuͤttelt fein 
Haupt und ſtreckt feine Hand aus nach dem Räcften. Wenn 
mehr als ein Saprgunbert fpäter "die Sieger Italiens nach 
Ägypten und Paläftina ziehen, fo burften jüngere Leibnig 
und Boineburg fi freuen über abgewenbete Gefahr ihrer 
Kürften und Gönner; allein das Mittel verfehlt feine Wirs 
fung, die Sieger kommen zurüd von Demjenigen, was zu groß 
für fie gewefen, und begnügen ſich mit dem Kleinern — bie 
Kieinern find verloren trot ihrer Breundfchaftsgefinnungen und 
zärtlicher Anhänglichkeit für große Gedanken. 28, 





Notiz. 


Volksglauben in ber Rormandie. 

Miß Coſtello's [häßenswerthes Werk: „A summer amongst 
the bocages and the vines’, enthält zahlreiche Andeutungen 
über den in der Rormandie unter dem Volke herrfchenden Aber⸗ 
glauben, welcher bei allen Lächerlichleiten eines gewiſſen poeti⸗ 
fchen Reizes nicht entbehrt, bei aller Gemeinſchaftlichkeit mis 
dem anberwärts herrſchenden Volksglauben ſich in eigenthüms 
lichen Sitten und Erzaͤhlungen ausgeprägt hat. ‚Man glaubt, 
baß, wenn ein Todesfall in einem Hauſe vorkommt, die einzige 
Weiſe, die Bienen am Leben zu erhalten, darin beftehe, daß 
man einen ſchwarzen Lappen über ihren Behälter hängt, fonft 
flerben fie in neun Zagen. In ber CEhriſtnacht, wähnt man, 
haben Thiere die Kraft, miteinander zu reden. Noch herrſcht 
in der Rachbarfchaft von Bayeux in den zwölf Nächten folgen: 
ber Brauch: ein Kind wird unter ben Tiſch geftedt, auf wels 
dem der Kuchen gefchnitten wird; biefes fragen bie Bäfte: - 
„Welten Stück ift dies?’ — es nennt in feinen Antworten 
nach und nad die ganze Gefellfchaft und vergißt auch das Stück 
nicht, welches Gott gehört und für den erflen erfcheinenden 
Armen aufgehoben wird. Iſt Jemand von der Familie abs 
wefend, fo wird fein Stüd mit Sorgfalt aufbewahrt; bleibt er 
wohl, fo erhält ſich der Kuchen friſch; wird er krank, fo fängt 
er an zu ſchimmeln; ſtirbt er, fo verdirbt dev Kuchen. Nicht 
viele Jahre chedem war es unter der Bourgeoifie noch Sitte, 
unter dem Klange ber Violine von Haus zu Haus bei ihren 
Freunden umberzugeben, „la part à Dieu’’ zu verlangen und 
Verfe abzufingen, die für biefe Gelegenheit gebichtet waren,’ 
Zu Bayeur geht des Mitternachts in der Straße St. Quentin 
„Ia-dame d’Apugny’ um, ein weiblidyes Seitenſtück zum engs 
lichen Robin Goodfellow: eben zufällig Vorbeigehenden ladet 
fie freundlich ein, einen Spaziergang mit ihr zu machen: willigt 
er ein, fo reicht fie ihm die Hand, tanzt wenige Minuten lang 
anftändig an feiner Seite ber und verfchwindet dann unter 
hoͤflicher Verbeugung; fchlägt er es ab, fo ahndet fie feinen 
Mangel an Galanterie damit, daß fie ihn in ben anſtoßen⸗ 
ben Graben taucht, welcher, um bie Strafe noch härter 
zu machen, vordem tief und reichlich mit Dornen und Sträuchen 
umkränzt war. Die Bee von Argouges beſchützte einen maͤch⸗ 
tigen Baron und willigte fogar ein, feine Braut zu werben, 
unter ber ausbrüdlichen Bedingung, daß das Wort ‚„„Zob” nie 
in ihrer Gegenwart ausgefprochen werde. Bayeux iſt reich an 
Überlieferungen, es hatte, wie Miß Goftello erzählt, noch 1827 
feine Schaggräber; man glaubt dort noch an das Letiche, die 
übernatürlihe Erſcheinung ber Seele eines ungetauften Kindes, 
und befhwört ben Währwolf no, um bie widerſpenſtigen 
Heinen Kinder bee Rormanbie gu ſchrecken. 47, . 


Berantwortliäher Herausgeber: Deinrig Broddaus — Druck und Verlag von ®. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Zreitag, 


Nr. 262, 





18. September 1840. 





Dentwürbdigfeiten aus dem Leben Sir Humphry Davy's 
berauögegeben von feinem Bruder Sohn Davy. 
Deutich bearbeitet von Karl Neubert. Eingeleitet 
von Rudolf Wagner. Bier Bände. 

(Bortfegung aus Nr. 261.) 

Vom Ende des 3. 1797 an begann jedoch die Man: 
nichfaltigkeit diefer Studien, die eine Zeit lang neben ber 
Beihäftigung mit der Mathematik hergingen, vor der Che: 
mie entſchieden zurüdzutreten. Lavoifier’d „Cours de che- 
mie” und Nicholfon’s „Dictionary of chemistry” maren 
die einzigen Bücher, die ihm anfangs zu Gebote flanden; 
“aber das Merkwürdige ift, daß er faft zu derſelben Zeit, 
wo er dieſes Gebiet zu betreten anfing, es auch fchon durch 
Entdedtungen erweiterte. ine Zeit, wo er bloßer Lehrling 
war, ſcheint er faft gar nicht gehabt zu haben; felbftän: 
dige Verſuche gingen von Anfang an Hand in Hand mit 
der Lecture; und mit einem aus Phiolen, Weingläfern, 
Theetaſſen, Zabadspfeifen und thönernen Tiegeln beftehen- 
den Apparate, der in einem Schlafzimmer aufgeftellt war 
und zu deſſen Benugung er ſich das Feuer erfi aus der 
Küche heraufholen mußte, brachte er e8 in Zeit von vier 
Monaten fomweit, daß er fi) mit Dr. Beddoes über die 
Lehre von Wärme und Licht in Briefwechſel fegen Eonnte. 
So fehr fidy auch günftige Umftände vereinigten, um dieſe 
und feine fpätern fchnellen Fortfchritte zu fördern, — bie 
vielfeitigen Vorſtudien, die er fchon gemacht hatte, bie 
Möglichkeit, einige Privatbibliotheten zu benugen, die Be: 
kanntſchaft mit Gregory Watt, dem Sohne des berühms> 
ten Werbefferers der Dampfmafcinen, und Davies Gil- 
bert, nachmaligem Nachfolger Davy's auf dem Präfidenten: 
ftuble der Royal society, der Reichthum der Gegend um 
Penzance an Mineralien und Vegetabilien, die zur Unter: 
fuhung einluden, ber Bergbau von Cornwallis, der ihn 
auf die Reſultate geheimnißvoller Naturproceffe in lebendi⸗ 
ger Anſchauung hinwies, endlich und vorzüglich die allge 
meine Umwälzung, welche bie Chemie kaum ein Jahrzehnd 
vorher durch die franzöfifhe Schule erfahren hatte und auf 
welche nothmwendig eine Periode der Gaͤhrung folgte, die 
dem Geiſte der Unterfuchung die reichfte Nahrung zuführte, 
— trog aller dieſer ſehr günftigen Verhaͤltniſſe bleibt von 
den raſchen und glänzenden Erfolgen, die Davy im Laufe 
weniger Jahre erreichte, immer noch ein großer und gerade 
ber wichtigfte Theil übrig, für den man nur in feinem 


Eifer, feiner Thätigkeit, feinem Scharffinn, feiner Begei⸗ 
fterung für die Wiffenfhaft den erflärenden Grund wird 
finden innen. Die mit Dr. Beddoes, einem Manne, der 
nad) Davy's Urtheile Talente befaß, die ihn auf den hoͤch⸗ 
ften Rang als Naturforfcher erhoben haben würden, wenn 
er fie mit Befonnenheit und Umficht angewendet hätte, 
angelnüpfte Bekanntſchaft verfchaffte ihm fehr bald (Ende 
1798) die Stelle eines Oberauffeherd in der Pneumatic 
institution zu Clifton bei Briſtol, einem Snftitute, wels 
ches hauptfädhlich zu dem Zwecke geftiftee und von der Li⸗ 
beralität uneigennügiger Freunde der Wiſſenſchaft unters 
halten wurde, um Verſuche über die Heifkräfte der vers 
fhiedenen Gasarten zu machen. . 

Wäre — fagt Iohn Davy (I, 87) — dieſes Amt aus⸗ 
drüdtih für ihn geftiftet worden, es hätte nicht förberlicher 
für feine Anlagen, nicht geeigneter fein koͤnnen, alle Kräfte fels 
nes Geiſtes zu wecken und zu entwideln; unb bie übrigen Vers 
hältniffe waren im Allgemeinen nicht weniger günftig. Die 
geſellſchaftlichen Verbindungen, Dr. Beddoes' Familie, felbft die 
äußern Umgebungen, in welden ex ſich befand, alles trug dazu 
bei auf das günftigfte auf ihn einzumirken. - 

Unter die erſtern gehört namentlich fein freundfchaftli= 
her Umgang mit den Dichtern Southey und Coleribge; 
und wie hoch Davy dns Verhältniß zu der Familie des 
Dr. Beddoes, vorzüglich zu deſſen liebenswürdiger Gattin 
anfchlug, bemweifen nicht nur die Schilderungen des Verf., 
fondern auch die beiden Gedichte, die Davy an die ats 
tin und die Beine Zochter Beddoes' noch 1806 richtete 
(1, 90), und die wegen der fittlihen Zartheit, Innigkeit 
und edeln Einfalt der Empfindung leicht zu dem Belten 
gehören dürften, was biefe Denkwuͤrdigkeiten in poetifcher 
Hinficht darbieten. Kurze Zeit nach feiner Ankunft in 
Clifton führte Dr. Beddoes die Erftlinge feiner Unterfus 
Hungen, die Abhandlungen über Wärme und Licht nebft 
einer neuen Theorie des Athmens, und über die Erzeugung 
ded Sauerfloffgafes und die Urfachen ber Karben organis 
(her Wefen in die literarifche Welt ein; die Korfchungen 
über das Vorkommen des Kiefeld in ber Epidermis ge> 
wiffee Pflanzen, auf die er dur die Wahrnehmung eines 
Knaben geführt wurde, die- noch wichtigen über dad oxy⸗ 
dirte Stidgas und das Einathmen befjelben, duch die er 
die Grundlage feines Ruhmes Iegte, und andere mehr 
fallen in diefelben Jahre 1799 und 1800; und noch ehe 
er zu Anfang 1801 feine Stelle zu Glifton mit ber eine. 


2 1984- 


! 


Lehrers der Chemie an der (durch Graf Rumford und | Mai 1802 wurbe ihm nah Dr. Garnett's Ruͤcktritt die 
andere hochgeftellte Freunde der Naturwiffenfchaften kurz .| ‚Profeffur der Chemie förmlich übertragen. Seine Functio⸗ 


vorher in London geftifteten) Royal institation unter den 
ebrenvoliften Bedingungen vertaufchte, hatte Die glüdliche 
Entdetung. Volta's in ihrem ganzen KSinfluffe auf - bie 
Chemie, deren. Verfolgung er wenlge Jahre darauf feine 
glängendften Entdedungen verbankte, feine Aufmerkfamkeit 
in vollem Maße auf fich gezogen und die Richtung feiner 
Arbeiten zum Theil mit beflimmt. Die zwei Jahre, welche 

Davy zu Elifton verlebte, find für feine wiflenfhaftliche 
Entoidelung jedenfalls die wichtigften. Hier entſchied er 
fi) an dem Scheidewege zwiſchen Speculation und Sn: 
duction; und wie fehr auch die erflere in einer ganz in: 
dividuellen Verſchwiſterung mit einer bichterifchen Natur: 
anfchauung ihn gleichfam verflohlen fortbegleitet, um gegen 
das Ende feines Lebens ſich mieber geltend zu machen, fo 
beweifen doch viele Stellen feiner XZagebücher aus biefer 
Zeit, daß er für bie eigentliche Naturforfhung Alles, was 
bloße Begriffötheorie fei, entfchieden von fid) zu weifen, ben 
Entſchluß gefaßt hatte. 

“ Mit Speculationen und Theorien — fagt er — begann 
id das Studium der Chemie, reiferes Nachdenken überzeugte 
mich, daß ich auf falſchem Wege fei, zeigte mie die Gefahr fals 
ſcher Verallgemeinerungen und die Schwierigkeit, irgend eine 
haltbare Grundlage bei folchem Verfahren zu gewinnen. Wenn 
ich die Menge von Hppothefen bedenke, bie man aud nur zur 
oberflächlichen Begründung von einer ober zwei Thatſachen auf- 
flellen Tann, fo werde ich überzeugt, daß es die Aufgabe bes 
edjten Raturforfägers fei, fie alle miteinander zu vermeiden. Es 
it. mühfamer, Zhatfachen zu fammeln, als über fie zu vernünf: 
ten; aber Bin gutes Erperiment iſt mehr werth 
als der Scharffinn eines Kopfes wie Newton (I, 
146. — 118). 

Stärker kann man fi in dieſer Beziehung ſchwerlich 
ausdrüden! Aber in demſelben Maße wächft allerdings 
auch bie Weite feines Blickes über das Feld der Empirie; 
det Profpectus von Erperimenten von 1799 (I, 132) ift 
im großartigften Sthle entworfen; feine Berfuche werden 
umfichtiger, finnreicher, genauer, kuͤhner; und in dem 
Gefühle feines Wollens und Könnend, getragen von ben 
freundlichſten Verhaͤltniſſen, in ber Mitte ausreichender 
wiſſenſchaftlicher Hütfsmittel, jegt ſchon ermuntert von ber 
dimkbaren Anerkennung anderer Naturforfcher, und beget: 
ſtert für die Größe Deffen, was bie Naturforfhung zu iei⸗ 
flen Habe, fpricht er in den Seibftgefprächen, die fein Ta- 
geduch enthaͤlt, die Atmung feiner Leiftungen mit ber gan: 
zen Lebendigkeit einer energifchen, intellectuell und moraliſch 
in fich feflbegrundetn Natur aus. Daß biefe Ahnung 
dlichh feine Berufung an bie Royal institution fehr bald 
erfuͤllt wurde, ift fchon bemerkt worden; und von feinem 
eöften Auſtreten in London bis zu ber Zeit, wo Börperliche 

ben feine fruchtbringende Thaͤtigkelt zu unterbrechen an- 
fingen, bietet fein Leder das ſchoͤne Schauſpiel eines im: 
mier wachſenden Erfolges dar, ben bie reinſte Liebe zur 
Wiſſenſchaft und zu ber Menſchheit in Verbindung mit 
ben ausgezeichneteſten Talente und ber unermüdlichften 
aͤtigkett nur immer haben kann. Er kam an bie 


yal institution zuerft als zweiter Docent der Chemie 


und als Dirigent des Laboratiums, aber fhon am 31. 


nen an berfelben beflanden in bee Verpflichtung, eine 
verhältnigmäßig geringe Anzahl von Worlefungen zu hal: 
ten; dagegen bot ihm die Auſtalt zu feinen Unterfuchun: 
gen bie trefflichften, fpäter von der Gefellfchaft durch frei: 
willige Subfeription auf das großartigfte vermehrten Hülfs- 
mittel dar, indem fie ihm bie bekannte Volta’fche Batterie 
von 2000 Plattenpaaren, bie zufammen 128,000 Qua: 
dratzoll Oberfläche enthielten, aufftellen ließ. Den rau: 
chenden Beifall, bie „entbufiaftifhe Bewunderung”, die 
feine Vorlefungen erregten, fchildert ein gleichzeitiger Be: 
richt im „Philosophical magazine”: 0 

Männer vom erften Rang und Talent, Männer der ſchoͤ⸗ 
nen und ftrengen Wiffenfchaften, Praktiker und Theoretiker, 
Blauſtrümpfe und Mobebamen, Alt und Jung, Alles drängte 
fih in den vollgepfrapften Hörfaal. Aus allen Theilen ber 
Stadt regnete e8 Komplimente, Ginlabungen, Gefchente in 
Mafle, man rid fih um feine Sefellfchaft, jeber war ſtolz auf 
feine Belanntfchaft (I, 202.). 

Obgleich an biefem Erfolge Davy's einnehmenbe Per: 


fönlichkeit, welche die Iondoner Damen gleih anfange' 


veranlaßte ihre Kennerfhaft durch das Urtheil zu bewaͤh⸗ 
ven: bdiefe Augen feien noch zu etwas Anderm gemacht 
als in den Schmetztiegel zu guden, — und der Umftand, 
daß der Beſuch der VBorlefungen in der Royal Institution 
damals zum guten Theile Modeſache war (1, 226), auch 
Einiges beigetragen haben mag, To blieben doch biefe Vor: 
lefungen bei dem wachfenden Ruhme Davy’s, bei feiner 
Geſchicklichkeit im Erperimentiren, bei ber Klarheit und 
Beltimmtheit feiner Darftellung, und bei ber gewiſſen⸗ 


haften Sorgfalt, mit welcher er fi nicht nur auf ben’ 
Inhalt, fondern auch auf die Form Deffen, was er fagen 


wollte, vorbereitete (1, 365), unausgefegt einer ber ſtaͤrk⸗ 
ften Anziehungspuntte für alle Freunde der Naturforfchung ; 


und zwei Mal, 1810 und 1811, wurde er fogar von: 


der Dublin society eingeladen, in Dublin Gaftvorlefun: 


gen zu halten, bie ihm das erftemat mit 400, das 


zweitemal mit 750 Pfund Sterling bonorirt wurben. 


Seit feiner Verheirathung mit Mrs. Appreece 1812, durch 


welche er in den Gebrauch eines bebeutenben Vermögens 
kam, gab er bie Vorlefungen auf, um befto ungeflörter der 
Erweiterung ber Wiſſenſchaft ſich hingeben zu koͤnnen; 
zu berfelben Zeit wurde er zum Ritter (knight) ernannt; 


die darauf folgenden Jahre 1813 — 20 brachte er zum 


„größten Theile im Auslande, namentlid in Itallen zu, 
wo er bekanntlich auch Verſuche, die herculanifchen Ma⸗ 
nuſcripte aufzurollen, und Unterfuchungen über bie Maler: 
farben ber Aften anſtellte. Seine erfle Reife auf das 
Feſtland duch Frankreich nach Stalien, fuͤr weiche ihm 
fein wiſſenſchaftlicher Ruhm Päffe von der Napoleoniſchen 
Regierung verfchafft hatte, führte ihn mit den ausgezeich⸗ 


neteften Chemilern und Naturforfhern Frankreichs und 


Italiens zufammen; und 1820 erfuhr er die größte Aus: 


‚zeihnung, die einem Gelehrten in England zu Theil wer: 


den kann, indem er zum Präfldenten ber Royal sodiety 


erwaͤhlt wurde, welches Ehrenamt er nicht’ cher verlor, 


als bis er es, nicht wegen der mancherlei Abhaltungen 





108% 


und Unannehmtichkeiten, die es für ihn herbeifuͤhrte (III, 
190 fg.), fondern wegen feiner zunehmenden Kraͤnklichkeit 
freiwillig niederlegte. Kurze Zeit aber, nachdem er durch dieſe 
und nech viele andere Chrenbezeigungen auch aͤußerlich 
auf die Höhe einer vorzuͤglich hervorragenden Stellung in 
der Gefelfchaft gehoben worden war, flellten fi 1823 
auch ſchon bie erften Vorboten feiner fpätern Eörperlichen 
Leiden ein, denen er in feinen legten Lebensjahren durch 
den Aufenthalt in Italien und Steiermark vergeblich zu 
begegnen fuchte und bie am 29. Mat 1829 feinem Le⸗ 
ben. in ber vollen Kraft des Mannesalters zu Genf ein 
frühzeitiges Ende machten. Ä | 

Solite fih nun an diefen flüchtigen Umeiß des äußern 
Lebens die Auseinanderfegung feiner wiſſenſchaftlichen Ver⸗ 
dienfte fchließen, fo würde darin eine Aufgabe liegen, deren 
Loͤſung, ohne fpecielle Berudfichtigung der Gefchichte der 
‚neueren Chemie nicht möglih, an biefem Orte nicht ein: 
mal zweckmaͤßig fein würde. Diefe Seite der Betrachtung 
bfeibt billig dem Chemiker von Fach überlaffen. Obwol 
Davp eine zahlreiche Reihe von Schriften veröffentlicht 
bat, fo enthalten body dieſe Dentwürdigkeiten über feine 
Methoden der Unterfuchung viele ſehr belehrende Singer: 
zeige, die mehr als einen Blick in die MWerkftätte feines 
erfinderifchen Geiſtes thun laffen; und mer ed weiß, wie 
fehr bei Entdedern erſten Ranges nicht blos Das belehrend 
ift, was fie felbft am Ende für baaren Gewinn anfehen, 
fondern welche Beachtung auch ihre Vermuthungen, ihre 
verfuchsmeife ausgebildeten Anfihten, die fie dann wieder 
fallen laffen, verdienen, für den bietet ſich hier ein reis 
cher Stoff der Anregung zum Nachdenfen dar. Im AU: 
gemeinen geht aus Vielem, was hier im Einzelnen mit 
‚getheilt wird, hervor, daB Davy gerabe feine wichtigften 
Entdeckungen nicht einem gluͤcklichen Obngefähr, einem 
zufälligen Zufammentreffen von Umftänden, bie ihn auf 
die richtige Bahn leiteten, fondern dem abfichtlichen Nach⸗ 
denken, ber vielfeitigften und bemweglichften Combination 
und einem vergleichenden Scharffinne verdankt, welcher 
dem fchon Bekannten die Praͤſumtion gewiſſer Wahrfchein: 
lichkeiten abzugewinnen verftand, die dann der Leitfaden 
fuͤt den Verſuch wurden, dem es überlaffen blieb bie 
Mahrfcheinlichkeit zur Gewißheit zu erheben. Statt dar: 
auf im Einzelnen ‚einzugehen, ift es bier von. allgemeis 
nerm Intereſſe, zu zeigen, wie in. ber Art und Weiſe, in 
weicher Davp die Naturwiffenfchaften behandelte, eine 
Deus. ein Charakter ſich auspraͤgt, der feine Per: 
fäntichkeit in einer individuellen fittlihen Beſtimmtheit 
erfcheinen laͤßt. In dieſer Beziehung ift es vorzüglich 
dreierlei, was unwillkuͤrlich an ihn feffelt: feine Empfaͤng⸗ 
lichkeit für die Schoͤnheit der Natur, fein Eifer, die Wiſ⸗ 
— gemeinnuͤtzig zu machen, und ſein Beduͤrfniß, in 
dem Überſinnlichen eine religiöfe Ergaͤnzung des Sinnli⸗ 
den zu ſuchen. | 

Wer fein letztes Werk, die durch die Überfegung des 
Herrn v. Martins auf deutfchen Boden verpflangten „Troͤ⸗ 
fienden Betrachtungen eines Naturforſchers kennt, wird. 


fi) der fhönen Stelle am Anfange der dtitten Betrach⸗ 


tung erinnern, die auch hier (1, 178) angeführt-wirb. 


Heute, zum erften Male in meinem Leben, fühlte ich fo 
recht deutlich meine Liebe zur Natur. Ich lag auf bem Eifel 
eined Felfens, vor mir das Meer; ber Wind ging hoch, Alles 
war in Bewegung; bie Afte einer Eiche bogen fich und- raufchr‘ 
ten; goldene Wolken, unten mit einem tiefeen Grau, flogen 
ſchnell über die weſtlichen Hügel; ber ganze Himmel war in 
Bewegung; der Wind peitfchte den gelben Strom dba unten: 
Alles Iebte und ich felbft gehörte im bie Reihe Deffen, was Ich 
ſchaute; es würde mir wehe gethan haben, wenn auch nur 
ein Blatt von einem ber Bäume hätte abgeriffen werden follen. 

Diefes Gefühl des Zufammengehörend mit der Natur, 
diefes Anfchließen an fie, Diefes Liebevole Eingehen auf 
ihre Erfcheinungen begleitet Davy fein ganzes Leben’ hin⸗ 
durch und tritt gegen das Ende befielben immer flärker 
hervor. Diele feiner Gedichte find geradezu nichts weiter 
als der Ausbrud der Beziehungen, in welchen er fich_ zur 
Natur fühltez und wenn auch feine dichteriſchen Erzeug⸗ 
niffe allgemein durch eine fehr lebendige Einbildungskraft 
mitbedingt find, die fich: fruͤherhin durch mancherlei Ent⸗ 
würfe *) kundgegeben hatte und feinem Freunde Coleridge 
das Urtheil ausfprechen ließ: „Wäre Davy nicht der erſte 
Chemiker feiner Zeit gewelen, fo wäre er vielleicht der 
erfte Dichter geworden”, fo find doch Maturfcenen und: 
Naturereigniffe der Gegenftand, auf den er in feinen Ge: 
dichten am liebften und am häufigfien zuruckkommt. Es 
fheint ihm Beduͤrfniß gemwefen zu fein, auch abgefehen. 
von feinen groͤßern Reifen, durch Eleine, haufig wiederholte 
Ausflügernah Schottland. oder in die fchönen Gegenden 
feiner Heimat fich in befländigem Verkehr mit der leben: 
den Natur zu erhalten; und felbft feine echt nationale 
Paffion für das Sagen und Angeln, die ihm bas dazu 
gehörige Geraͤth auf Reifen zu einem: ebenfo unentbehr: 
lichen Begleiter machte als einen portativen chemifchen 
Apparat, wird dadurch .in einer Weiſe veredeit, daß man 
Swift's beißende Definition, ein Angler fei eine Stange, 
an ber vorm ein Wurm und hinten ein Nare hänge, auf 
ihn feiner „Salmonia“ gegenüber anzumwenben billig Beben: 
fen tragen wird. Aber niemals duckhflreift er die Natur‘ 
als Empfindler, fondern immer zugleich aud als For⸗ 
ſcher; und die Reifetagebücher, aus denen hier zum Theil 
ſehr meitläufige Auszüge. gegeben. werden, find vol ber: 
verfchledenartigften Beobachtungen uͤber meteorologifche, geo⸗ 


logiſche und naturhiſtoriſche Thatſachen aller Art. 


(Die Bortfegung folgt.) 





Zur polnifhen Literatur. 


Bei dem Mangel aller Öffentlichen Bibliotheken im Könige. 
reiche Polen macht ein polnifches Blatt auf :die bisher wenig. 
beachtete Privatbibliothek in dem Schloffe zu Willanow b 

Warſchau aufmerffam. Sie ift- das Eigenthum ber Familie 
Potocki. Ihr Stifter iſt Graf Staniflam Potocki, bee aber 
ſchon eine bedeutende Buͤcherſammlung mit Willanom von feis 


‚nem Schwiegervater, beim Bürften Lubomirfki erbte. Sie ent⸗ 


'*) Borgugsweife heben wir ben Gntwiref'zu einer Epopoͤr 
an —* —e de 1 — ber ggrraeitten 

aus ypten; oHte::(1,: 8.), hersor. Bes gan 
Plan, —* die Beuth der Arlahrung —— 


keine geringe dichteriſche Fund rechtfertigen wenigſtens 
——— dges er | 


4 


1036 | 


hält jeht 18,000 Bände und 50,000 Autograpfa und Manu⸗ 
feripte. Bär die polniſche Literatur iſt fie von befonderer Wich⸗ 
tigkeit. Es befinden ſich in ihr fämmtliche polniſche Chroniken, 
viele polniſche WBibelüberfegungen in den erften Ausgaben, viele 
Drude von Haller in Sralau und feltene Werke aus ben Beis 
ten ber Sigismunde. Beſonders zu erwähnen iſt die faft voll: 
fländige Sammlung der Schriften, welche im Laufe des vori⸗ 
gen Sahrhunderts in Polen und über Polen erfchienen find. 
Unter ben Autographen befinden ſich fowol zahlreiche ältere 
Briefe polnifcher Könige und ausgezeichneter Männer, wie auch 
die ausgedehnte Gorrefpondenz bes in. der gelehrten Welt bes 
Zannten Grafen Staniflam Potocki. Auch verdient das Tage: 
buch des Jürſten Staniflam Lubomirſki hervorgehoben zu wer: 
den, das vom 3, 1762— 73 reicht und für den Geſchichtſchrei⸗ 
ber jener Zeit von Werth ift, da Lubomirfli als Großmarſchall 
der Krone eine der oberften Stellen im Staate bekleidete, alfo 
über viele Thatfachen genauen Bericht zu erftatten vermochte. 


Es erfcheinen in dieſem Jahre 33 periodiſche Schriften in 
polnifcher Sprache, davon 15 in Warſchau, fünf in Lemberg, 
drei in Krakau, fechs im Pofenfchen, zwei in Wilna, eine in 
Petersburg und eine in Przemysl in Galizien. Unter biefen 
dürften nach einigen politifchen Zeitungen bie Nachbildungen 
der Pfennig: Magazine die verbreitetfien fein. Mit ausnehmen: 
dem Geſchick forget für die Bedürfniſſe bes leſenden polniſchen 
Yublicums der in Liffa im Pofenfchen ericheinende ‚, Przyjaciel 
ladu‘’ (Bollsfreund). Er wird jeht von dem Bibliothefar Lu⸗ 
Bafzewicz rebigirt, der fi) durch mehre treffliche kirchenhiſtori⸗ 
ſche Werke einen Ruf erworben bat. Das Blatt gewährt nicht 
blos gewöhnliche Unterhaltung, fondern es verdient auch wegen 
der darin enthaltenen gründlichen hHiftorifhen und literarges 
ſchichtlichen Auffäge für jeden Befchichtsforicher und Literatur- 
feeund Polens Beachtung. Anfprechend ift auch der in Lem: 
berg erfcheinende ‚„„Lwowiania‘, ber Befchreibungen von Ges 
genden Polens, Erzählungen aus Polens Vorzeit, mitunter auch 
Berichte über neuerfchienene Werke enthält. Cine höhere wif: 
fenfchaftliche Zendenz bat der „Tygodnik literacki” (Literari: 
(ches Wochenblatt), ber feit brei Jahren unter ber Rebaction 
von A. Woykowſti in Poſen erfcheint. Er gilt für eins ber 
beften polnifchen Blätter der Gegenwart, und bie erften polni: 
ſchen Literaten, Czaykowſti, Kraſzewſki, Prof. Maciejowſtki find 
Mitarbeiter an demſelben. Gr enthält unter ber ſtehenden 
Rubrik „‚Ausländifche Literatur’ Überfichten und Berichte über 
die vorzäglichften literarifchen Erzeugnifie des Auslandes, beſon⸗ 
ders folcher, die auf Polen Bezug haben; in einer zweiten 
Rubrik ‚‚Waterlänbifche Literatur‘ hat er viele ausgezeichnete 
Gedichte von den erften lebenden polniſchen Dichtern, Erzäh: 
lungen, Auszüge aus interefianten Memoiren, Abhandlungen 
über Polens politifche und Literarifche Zuſtaͤnde, ferner ausführ: 
liche Recenfionen und kurze Anzeigen neuer polnifcher Werte 
mitgetheilt. Diefem Blatte hatte fich in biefem Jahre das 
„Dziennik domowy’ (Hausjournal) beigefellt, ein bloßes Un: 
teshaltungsbtatt und zugleich Modenzeitung. In Warfchau er: 
scheint ſeit kurzem eine neue Zeitfchrift: „‚Przcglad warsza- 
wski’’, welches ſich ebenfalls über bie Literatur und Gefchichte 
Polens verbreitet und Unterhaltung gewähren will, Sie ver: 
fpricht nad) den erften Heften einen höhern Rang einzunehmen 
als die während ber legten Sabre erfchienenen warſchauer Zeits 
ſchriften, und iſt eine um fo erfreulichere Erſcheinung, als dem 
warſchauer Journalismus ber neueren Belt gerade die unterfte 
Stelle zugefprochen wurde. Das in Petersburg erfcheinenbe 
polnffche Blatt ift der ‚„„Tygodnik petersburski”, in dem haͤu⸗ 
fig gute und zuverläffige Nachrichten über die neuefte polnifche 
Literatur zu finden find. Ginige Journale fuchen die Sands 
wirthe mit den neueflen Srfindungen u. f. w. belannt zu ma: 
den, mehre find religiöfen Inhalts. 

Bür das Jahr 1840 iſt uns nur ein polnifches Taſchenbuch 
zu Geſicht gelommen, nämlich ber ,‚Pierwiosnek (Primula 


veris), beraudgegeben von Pauline K(orwel), bie nur Beis 
träge von Damen angenommen hat. Die Herausgeberin wachte 
über dem Vorrechte der Frauen, zu diefem Zafchenbuche beis 
fteueen zu dürfen, mit ſolcher Strenge, daß fie in einem Nach⸗ 
worte fagt, fie habe in Erfahrung gebracht, daß zwei von den 
Gedichten von Männeshanb herrühren, ber Betrug fei aber erſt 
nach dem Abdrucke entdeckt worden, und ſie erklaͤre hiermit, 
daß dieſe Gedichte in dem Taſchenbuche keinen Platz verdienen. 
Das Ganze iſt ein rechter Almanach, für ein kurzes Daſein bes 
ſtimmt, unterhaltend, gemüthlich. Es find Erzählungen, Skiz⸗ 
zen aus dem Frauenleben, Poefien, theils überſetzungen, theils 
Originale. Auszugeihnen wäre eine, freilich auch nur leicht 


hingeworfene Erzählung ber Gerausgeberin: ‚‚Flis”, in ber bie 


Liebeswehen eines armen Floͤßers gefchildert werben, ber zwi⸗ 
fchen einer Deutfchen in Danzig und feinem Liebchen in ber 
Heimat zu wählen hat und deſſen Kampf badurch zu Ende 
gebracht wird, baß ihn die Deutſche verläßt. - Ein zweiter 
polnifcher Almanach war in Petersburg angekündigt, er fcheint 
aber noch nicht ans Licht getreten zu fein. 

‚ Nachdem in den polnifchen Zeitichriften Proben von Übers 
fegungen ber Shakfpeare’fchen Zrauerfpiele oftmals und felbft 
von ausgezeichneten Dichtern gu finden gemwefen find, ift nun 
der Kanonilus und Profeffor an der Univerfität zu Kiew, Igs 
nacy Dolowinfti (Pfeudonymus Kefalinfti) mit einer vollftäns 
digen Überfegung der Shakſpeare'ſchen Dramen hervorgetre⸗ 
ten. Der erfte Theil berfelben, erfchienen Wilna 1840, ent⸗ 
hält „ Hamlet“, ‚Romeo und Julia” unb „Sommernachts⸗ 
traum‘‘. Die Überfegung Tann im Allgemeinen gelungen ges 
nannt werben, fie finder vielen Beifall und einen ziemlich be> 
beutenden Abfag, wie aus der zahlreichen Pränumerantenlifte 
zu erfehen iſt. Der eben erfcheinende zweite Theil enthaͤlt den 
„Macbeth, „König Lear“ und den ‚Sturm. 

Der Prof. Maciejowſti in Warſchau, bekannt durch feine 
„Slawiſche Rechtsgeſchichte“, arbeitet jegt an einer Geſchichte 
der polnifchen Literatur. Um feine Materialien zu diefem Werke 
zu vervollſtaͤndigen, macht er diefen Sommer eine Reife durch 
Galizien und andere altpolnifche Provinzen. Proben aus dies 
m ve find ſchon in mehren Beitfchriften zu finden ger 
weſen. 





Notißz. 


Archäologiſche Entdeckungen in Kleinaſien. 

Von dem Reiſenden Charles Fellows, der im letzten Jahre 
die gelehrte Welt mit den Refultaten eines Burgen Ausflugs in 
Kteinafien überrafchte und ber zu Anfang dieſes Jahres eine 
weitere Reife dahin antrat, um in Begleitung eines Ingenieure 
und eines Beichners feine Entdeckungen zu verfolgen, find im 
Juli ſehr freudige Nachrichten angelangt. Hauptfächli im 
Thale des Zanthus hatte er fleißig nachgeforfcht und die Ruinen 
von ſechs Städten gefunden, deren Ramen fich durch aufges 
fundene Denkmäler und Münzen autpenticiren ließen. Sie feh⸗ 
ten bis jegt in der Geographie, ebenfo wie die Umgebungen 
der Städte auf unfern Karten. Mit Hülfe feiner Begleiter 
bat Dr. Fellews die geeigneten geographifchen Beobachtungen 
und Aufnahmen gemadt. Beine Mappen, ſchreibt er, find 
vol der intereffanteften Zeichnungen, die er kaum noch Zeit 
hatte, gehörig zu claffificien, beren Gegenflände aber zur Er⸗ 
Iäuterung mythologifcher und hiftorifcher Punkte wichtige Data 
liefern. Bon feiner erften Reife hatte Fellows mehre In⸗ 
ſchriften in einer noch undelannten Schrift und Sprache mits 
gebracht, beren Gntzsifferung in Sngland wegen Wangelhaftigs 
keit ber Data verfchoben wurde. Fellows glaubt jeht genug 
derſelben gefammelt zu haben. Mehre Infchriften hat er in 
einer weichen Papiermafie en relief von den Ruinen abgebrudt, 
in dieſer Art alfo die authentifchften Documente, die ein 
künftiger Dedhiffreur verlangen Kann. 46. 


Verantwortlicher Heraußgeder: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von 8. U. Brodhaus in Leipzig. 


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Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Kr. 263. — 


19. September 1840. 





Denkwuͤrdigkeiten aus dem Leben Sir Humphry Davy’s 
berauögegeben von feinem Bruder Sohn Davy. 
Deutfch bearbeitet von Karl Neubert. Eingeleitet 

von Rudolf Wagner Bier Bände. 

(Bortfegung aud Nr. 262.) 

Der zweite, noch mehr bezeichnende Zug in bem Cha: 
rakter Davy's iſt der Geift des Wohlwollens, bes Ge: 
meinfinne, ber feinen Stolz barein feste, die Ergebniffe 
ber Wiffenfchaft zur Förderung bes üffentlihen Wohles 
zu verwenden. Nicht als ob alle feine Anftrengungen 
auf diefe Quelle allein zurudgeführt werben follten; der 
bloße Durft nach Erkenntniß, die Verehrung der Wiſſen⸗ 


[haft an ſich war von früh an der Sporn, ber ihn trieb, . 


fobaß er zu ber Zelt, wo er ſich mit ber Zerlegung ber 
Alkalien und alkalifhen Erden mittel ber Volta'ſchen 
Batterie befchäftigte und fomit einer feiner größten Ent: 
bedungen entgegenging, durch unausgefestes Erperimen- 
tiven feine Körperkraft bis zum Übermaße erfchöpfte und 
in eine lebensgefährliche Krankheit verfiel. Wie weit fein 
Eifer in diefer Hinfiht ging, belegen ſchon frühzeitig die 
von ihm in Glifton an fich felbft angeftellten Verſuche 
über die phyſiologiſchen und pſychiſchen Wirkungen bes 
eingeathmeten Stidgafes, beren Ergebniß zugleich ale 
prägnantes Beilpiel, wie unfere Auffaffung der uns um: 
gebenden Erfcheinungsmwelt buch ein Syſtem von Be: 
ziehungen bedingt ift, deſſen Abänderung die ungeheuer: 
flen Unterfchiede in unfern Empfindungen und Zuſtaͤnden 
nad) fich zieht, zu intereffant ift, als daß wir nicht Eini: 
ges aus der entfprechenden Stelle ausheben follten. Trotz 
der möglihen Gefahr nämlih, die mit dem Verſuche, 
ein in feinen Wirkungen noch ziemlich unbekanntes Gas 
felbft zu prüfen, verbunden war, athmete es doch Davy 
ein, erft In Eleinern Partien zu vier Quart, dann, als 
die Wirkungen keine Gefahr drohten, in einem Volumen 
von zwanzig Quart. 

Es entftand fofort ein Riefeln von der Bruſt bis zu den 
Gtiebmaßen. Ich befam ein Gefühl merkticher Ausdehnung in 
jedem Gliede, das hoͤchſt angenehm war; meine Gefſichtsein⸗ 
drücde wurden blenbend und offenbas vergrößert, beutlih hörte 
ih jeden Schal im Zimmer und war mir meines Zuflandes 
volllommen bewußt. In dem Maße, als bie angenehmen Em: 

findungen zunahmen, verlor ich allen Zuſammenhang mit ben 
Kußern Dingen; ganze Reihen ber Iebhafteften @efichtserfcheis 
‚nungen fchoflen mir durch die Seele, begleitet von Worten, bie 
ganz neue Wahrnehmungen in mir heroosbrachten. Ich befand 


mid in einer Welt neu vertnüpfter und neu geftals 
teter Vorftellungenz; ich fhuf Theorien, ich bildete mir 
ein, daß ich Entdeckungen made. Als ich von Dr. Kinglake 
ber den Schlau von meinem Munde wegzog, aus biefem faft 
bis zum Delirium gefteigerten Zaumel gerifien wurbe, waren 
Zorn und Verachtung bie erften Gefühle, die bei dem Anblide 
ber Perfonen um mich ber in mir auffliegen. Boll Sntzüden 
und in hoͤchſter Aufregung lief ich eine Minute im Zimmer ums 
ber, volllommen unbelümmert um Das, was man zu mie 
fagte. Als ich wieder zu mir felbft gelommen war, empfand 
ih das Verlangen, die während bes Grperiments gemachten 
Beobachtungen mitzutheilen. Ich bemühte mich meine Borſtel⸗ 
lungen wieber zu fammeln; fie waren ſchwach und verwirrt; 
eine Anzahl Worte boten ſich jeboch dar und mit ber innigflen 
übergeugung, wie ein Seher, rief ih Dr. Kinglake zu: Nihts 
eriflirt als der Bedankte! Aus Empfinbung, Bors 
flellung, Bergnügen und Schmerz beſteht bas 
Weltall! uf. w. (I, 143 fg.) 

Daß aber nicht blos diefer Durft nad Erkenntniß, 
fondern eben auch das Wohlwollen in feiner reinften Ges 
flalt ein mächtiges, klar gedachtes Motiv feiner Beftrebun- 
gen war, dafür möge unter vielen andern nur folgende 
Stelle (I, 181) aus feinen frühern Zagebüchern angeführt 
werden: 

Sollten diefe Künfte, bie taufenberlei Werkzeuge erfanben, 
um dem civilifirten Menfchen Schmerz und Leiden zu bereiten, 
ſollten fie nicht auch neue Mittel für fein Wohlbefinden ents 
deden? Soll die Frucht von dem Baume der Erkenntniß ims 
merfort bitter ſchmecken? Soll fie niemals inben Strah⸗ 
len der Sonne bes Wohlwollens reifen? Wer kalts 
herzig genug ift, das zu glauben, der mag unthätig bleiben; 
und zwanzig Jahre fpäter trägt er Lein Bedenken zu fagen: 
Die Ergebniffe dieſer Arbeiten werben, das bin ich übers 
zeugt, auch der Sache ber Wiffenfchaft dienen, indem fie 
darthun, daß felbft die fcheinbar abftracteftien Wahrheiten ihre 
Anwendung und Brauchbarkeit für bie Bebärfniffe und ben 
Verkehr des gemeinen Lebens finden koͤnnen. (III, 3.) 

Hier haben wir alfo ben Ausdrud der Gefinnung, 
welche die ethiſche Beziehung der Wiftenfchaft auf das 
Leben vermittelt; eine Gefinnung, die man allerdings 
an vielen eminenten Korfchern vergeblich ſucht und berem 
eigenem Werthe kein ſcheeles Urtheil, kein fuperciliäfes 
Jammern über eine der Wiſſenſchaft unwuͤrdige Herrſchaft 
der materiellen Intereſſen Eintrag thun kann. Zwar der 
ſogenannte praktiſche Sinn, welcher der Wiſſenſchaft die 
moͤglichſtnuͤtzliche Anwendung abzugewinnen ſtrebt, mag 
immerhin oft nur ein ſchlecht verkleideter Egoismus ſein; 
bei Davy iſt er etwas Hoͤheres und Edleres, und bie 
dieſen praktiſchen Sinn veredelnde Gefinnung iſt eine ſelbſt 


. 1058 


von dem Erfolge feiner Arbeiten ganz unabhängige Bierde 


feines Charakters. Daß es ihm tiefer Ernſt war mit 
biefer Geſinnung, bemweift nicht nur ber Eifer, mit wel: 
chem er jede Gelegenheit, fie zu bethätigen, ergriff, fon: 
dern noch mehr. die vollkommene Unelgennügigfeit, mit 
welche er bei ber Bekanncimachung fiiher Erfindungen 
verfuhhr. Bet der Erfindung der bekannten Sitherfjelts: 
lampe, in Beziehung auf welche der Lefer hier zu An: 
fang des dritten Bandes nebſt einer auch dem Laien voll: 
kommen verftändlichen Befchreibung ihrer Einrichtung alle 
Attenſtuͤcke zuſammengeſtellt findet, veröffentlichte Dany 
den ganzen Gang feiner Beobachtungen bis zu bem 
 Wunkte ber entfcheidenden Gewißheit ſogleich und ohne alle 
Zurhdhaltung und Geheimnißkraͤmerei in den „Philoso- 
-phical transactione”. Als ihm fpdter Jemand fagte, es 
wäre wol gut geweſen, wenn ev fich feine Erfindung durch 
ein Patent gefichert hätte und nun feine 5 — 10,000 
Pfund jährlih al Einnahme davon zöge, antwortete er: 
Nein, an fo etwas habe ich nie gedacht; mein einziger 
:Bmwe war, dee Menſchheit zu dienen; ift mir. das gelungen, fo 

e ih Belohnung genug an dem erhebenden Bewußtfein,, baß 
*. gehandelt habe. — Ich ſtritt mich — faͤhrt die Erzaͤh⸗ 
tung (III, 78) fort — mit ihm darüber und meinte, daß die⸗ 
fer Gedanke für einen. ſolchen Fall viel zu philoſophiſch und 
zhoch fei. Er aber antwortete: Ich befike genug für alle meine 
Aloede- und, Angelegenheiten; größrser eichthun Fännte weher 
Ameinen Auf noch mein Glück erhöhen. Ich Tönnte dann feei- 
lich mit Nieren fahren; was Hilft es mir aber, wenn bie Leute 

Jagen: Ste Humphry fährt mit Vieren? 

Ebenſo, als er fich fpäter damit befchäftigte, den Ku: 

pferbeſchlag ber Schiffe durch eine Auferft einfache und 
nreiche Anwendung bes Elektrochemismus gegen bie 

sn Einwirkung des Seewaſſers zu fehlten, fchreibt 

er unmittelbar, nachdem er bie Überzeugung von dem 

Erxfolge feiner Verfuche gewonnen hatte, an feinen Bru⸗ 

der John (III, 254): 

Rahme fh ein Patent auf meine Entbedung, fo Könnte 
ich mol ein ungeheueres Glück machen, aber ich habe. Tie meis 
Hem. Vaterlande zum. Gefchent gemacht. Denn mein Vorſatz 
it, in allen Dingen wenigflens,. wo ber Gigennug ins Spiel 

mmen koͤnnte, zu leben unb zu flerben sans tache. 


Soliher Sefinnung gegenüber thut es aber auch wohl, 


ueben kleinlichen Verſuchen, ihm ben Ruhm ferner Ent: 


deckungen zu ſchmaͤlern, auch Beweife einer auftiähtigen 
und ehrenvollen Dankbarkeit zu begegnen. Zwar das 
Parlament und bie Regierung, Die dem Erfinder ber ver 
wüftenden Brandrakete einen: Jahrgehalt ven. 1200 Pfund 
ausgeſetzt hatte, votirte ihm für feine rettende Lampe we: 
Ye Dank noch Betohnung; auch ſeine drei Jahre ſpaͤter 
erfolgte Erhebung: zum Varonet ſcheint trotz ber Andeu⸗ 
zungen :feined: Bruders, ber. überhaupt‘ hier faſt mit zu 
groͤſer Diecretion veefäher, nicht als: Ausdruck öffentlicher 
Dankbarkeit augefehen werben: zu Bönwenz; bagegen aber 
beeiferten ſich Kaiſer Alexander von Rußland, die Royal 
wöchäty, dae Befiger: ber Kohtenminen, ganze Gewerk⸗ 
unb Knrapyſchaften ihm Ihre Dawöberkeit an den Tag zu 
legen; und: die Art, wie ihm ante: anbern die Getetk⸗ 
ſchaften von Menscaftlesupon: Time. am 11. Det. 1817 
wir: ſitbernes Aufelſervice von: 2600:Pf: St, an Werrh 


durch Lambton, ben verflorbenen Grafen von Durbam, 
überreichen ließen, bat etwas fo Würdiges,. daß Davy 
bafür wol den Mangel einer officiellen Belohnung ver: 
ſchmerzen konnte. Beiweitem nicht fo wohl wurde es 


ihm jedoch in Beziehung auf feine Verſuche, den Schiffs: 


beſchlag vor Verderbniß zu bewahren. Obwol diefe Ent: 
deckung von Laplace für die größte erklaͤrt wurde,‘ die er 
gemacht habe, und ihr Princip auf eine Menge anderer 
Gegenflände mit Erfolg. angewendet. worden ift, fo war 
fie doch für Davy duch die Art, wie man feine Vor: 
ſchriften mangelhaft auszuführen für gut fand, um dann 
über den fhlechten Erfolg Magen zu innen, eine Quelle 
ber tiefiten Kränfungen; er wurde dadurch, wie der beutfche 
Bearbeiter richtig. bemerkt (IL, 341), an. der Stelle: wırs 
wundet, mo er am verwundbarften war, in bem Ehrgeize, 
ber ihm am hoͤchſten galt,. nügliche Erfindungen gemacht 
zu haben, und die Wirkung, bie das Benehmen dev. Re: 
gierung und des Landes auf feine Gemüthelage hatte, 
dürfte, obgleich der Biograph auch hier ſchweigt, auf die 
Zerftörung feiner Lebenskraft den nachthelligſten Einfluß 
gehabt haben. Im September 1828 gab die Admiralf: 
tät den Befehl, die Anwendung der von ihm vorgefchla- 
genen Protectord wieder aufzugeben; in neuerer Zeit hat, 
nachdem ſchon fräher in England gewichtige Stimmen 
gegen das Verfahren der Regierung. fi ausgeſprochen 
harten, Profeſſor Schönbein zu Baſel den Gegenſtand in 
England wieder angeregt und bie Acten barhber find wol 
noch wicht dergeſtalt gefchloffen, daß man Davy’s Vor⸗ 
Tchläge, die, feldft wenn fie ihrem Zwecke nicht vollkom⸗ 
men entſpraͤchen, feinem Scharffinne dennoch die aröfte 
Ehre mathen würden, ſchlechthin für einen Misgriff zu 
erflären genoͤthigt waͤre. 

Mit diefer ſittlichen Freiheit von individuell beſchraͤnk⸗ 
ten Inteteſſen Hänge num auch ebenfo die Bereitwilligfeit 
zufammen, mit welcher Davy bie Refultate der Wiſſen⸗ 
ſchaft in allgemein faßlichen Därftellungen mitzutheilen 
ſich beeifette, als die Hberale Denkungsart, mit welcher 
er fremdes DVerdtenft würdigte. In der erften Beziehung 
[mb nicht nur die DVerdienfte, welche er fich durch feine 
Agritulturchemie um die Verbeſſerung des Landbaues er- 
wörben bat, befannt, fondern wir dürfen den Leſer auch 
auf die Ptoben verweifen, welche bier im zweiten und 
dritten Bande aus den in der Royal institution über 
Chemie der Natur, Geologie, Agriculturchemie, Geſchichte 
der Wiſſenſchaft der Elektricitaͤt u. f. w. gehaltenen Vor⸗ 
lefungen mitgetheilt find. Sie zeichnen ſich durchgaͤngig 
durch jene durchſichtige Klarheit. und Beſtimmtheit, durch 
jene wahre Popularität aus, bie den mangelhaften Vor: 
tenntniffen der Zuhörer den Ernft ber Wiffenfchaft nicht 
anfdpfert, fordern fie ducch die vollfiändige Herrſchaft über 
ben Stoff in ben. Stand fegt, die Unterſuchung ſelbſt 
mitzumachen und in ihren Reſultaten - entfiehen: zu ſtchen; 
eine Art des Vottrags, welcher zwar nicht alle Gegen⸗ 
ſtaͤnde gleich zugänglich find, fuͤr welche man aber, auch 
wo, fie moͤglich if, immer noch die. deutſchen Gelchrteh 
bei den Auslaͤndern in die Lehre ſchickrn mubchte;. bemn 
wur daburch kann die Wiſſenſchaft aufhoͤren, ber ms: 








” 
% 


ſqließende Befig einer abgeſonderten Kafte zu: fein, und 
m wefentlichen Beftandtheile der Nationalbildung wer⸗ 
, die außerdem nur zu leichte aus ben flüchtigen Er⸗ 
‚sugniffen eines veraͤnderlichen Geſchmacks ihre Nahrung: 
entiehnt. In der andern Beziehung find diefe Denkwär:. 
digkriten überaus reich an treffenden, von dee Selbſtaͤn⸗ 
digkeit eines gebildeten Urtheiles Zeugniß ablegenden Cha⸗ 
rakteriftiten anderer berühmter. Gelehrten. Wir erwähnen 
bier beifpielömeife die Art, wie Davy Cavendiſh's und 
Dalton's Berdtenfte um die Chemie entwidelt (1, 324; 
IE, 269), die Charakteriſtik Baco's von Verulam und 
Newton's (1, 335 fg.), und die an verfchiedenen Orten. 
vorkommenden längern oder kuͤrzern Urtheile über Banks, 
Suvier, Suyton de Morveau, Alerander v. Humboldt, 
Say Luffac, Scheele, Oerſted, Berzelius, Prieſtley, Vau⸗ 
quelin, Volta und viele Andere. Davy's Ruhm verſchaffte 
ihm Gelegenheit, auf feinen Reiſen mit ben meiſten bie: 
fee Männer in perfönliche Berührung zu kommen, und 
die Art, mie er ſich über fie ausfpricht, verräch neben 
der achtungévollen Anerkennung ihrer wiſſenſchaftlichen 
Leiftungen zugleich ein mwürbevolles Selbftgefühl und eine 
fharfe Auffaffung ihrer perfönlichen Eigenthuͤmlichkeiten. 
Als Probe diene Das, was fih Bd. II, ©. 309, über La: 
place findet: 
Laplace, als Minifler Rapoleon’s, war in feinem Bench: 
en foͤrmlicher umb vornehmer (als Berthollet) und trat mehr 
mit dem Air von Protection als mit Höflichkeit auf. Er ſprach 
wie Jemand, der nicht nur feine Macht fühlt, ſondern auch 
winfcht, daß Andere berfelben eingeben® ſeien. Ich habe von 
guter Hand vernommen, baß er fehr ſtolz auf feine Orden war 
und daß er. den Stern ber. Reunion auf feinem Schlafrocke ge⸗ 
tragen habe. So war er 1818. Als ich ihn 1820 wieberfah, 
wear fein Gebieter geflärzt. Sein Benehmen war jet ganz 
verändert; er war fanft und verbindlich geworden; ber Zon 
feiner Stimme war milber, er grüßte artiger. Ich denke noch 
des Tages, wo ich ihn das erfte Mal fah; es war, glaube ich, 
im November 1813. Ich ſprach mit ihm über die Theorie der 
rhemiſchen Atome und gab meine Anflcht zu erfennen, daß ſich 
die Chemie endlich würde ebenfo auf mathematifche Geſetze grün: 
den Laffen, wie man fie fo tieffinnig- und glüdlic für bie mes 
qhaniſchen Gigenfhaften der Materie aufgefunden habe: Gr 
behandelte dieſe Idee in einem Tone, ber an Verachtung grenzte, 
als fürdte er, daß irgend welche Ergebniſſe in ber Chemie, 
auch nur in Ihren zufünftigen Möglichkeiten mit feinen Arbei⸗ 
" ten vergligen werden koͤnnten. Als ich aber 1820 bei ihm 
ſpeiſte, ——— er denſelben Gegenſtand mit Scharfſinn und 
m Willen 


gute und ließ Dalton's Verdienſten alle Gerechtigkeit 
widerfahren. Gewiß, unſere beiderſeitige Yoſition hatte ſtch 
veraͤndert. Er ſtand jetzt unter ber altfranzoͤſiſchen Ariſtokratie 


. und war nicht mehr der geiſtige Koryphaͤe der neuen; ich, einſt 
ein junger bemüthiger Aſpirant zu einiger: Berühmtheit ald Che⸗ 
miker, Rand jett im Begriff, auf ben meiner Gollegen 
einen Sig eingunchmen, ben Newton in feinen legten Sagen 
geriert hatte. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Sittenbach dee. engliſchen Gefellfgnft aus den Papieren 
Sunter’s, von P.Q. O., Alifwaͤrter bei’ Almack's. 
Stuttgart, Halberger. 1839. St. 8. Ehre: 12 Gr. 

— ne Be er 

. Süngein and aufgehalten un jet 

Bürger: in-Rorbumerita; fein Werk ber merifn, ta ent 


in / 


fſer Erache geſchrieben, hat allgemeine Anerfennung gefunden. 
Die Lebencheſchichte bes Verfaſſers, die außerhalb der Grenzen des 
in Rede ſtehenden Buchs Liegt, iſt gewiß in mancher Mädkiiht 
intereſſanter als dies „Sittenbuch“ ſeibſt. Gegen bie Peo⸗ 
feſſoren, inſonderheit die deutſchen, der Verf. eine tiefe 

alice; vielleicht denkt Hr. Grund nie an Profefforen, ohne 
an Hrn. v. Raumer ſich zu erinnern, und dem iſt er nun 
einmal nicht gewogen. Auch gegen Pückler und fein Buch 
über (England bildet er eine fcharfe Oppofition, vormehm: 
lich beſtreitet er Pädlerd Anſichten über die englifche No: 
bleſſe. So viel ift auch gewiß, daB unfer vorbezeichnetee Buch 
wenigſtens vielfeitiger ift ald Raumer's und Püdler’s Werk. 
Indeß die Darftellung ift breit, oft unbeholfen, nicht ſyſtema⸗ 
tiſch, ohne Perfpective,. und jegt, wo man auf bie Darftellung fo 
viel gibt, iſt Dies dem Buche doppelt hinderlich. Diejenigen, 
welche ſich für die englifche Geſellſchaft intereffisen, Lernen dies 
felbe Hier gründlich kennen. Es iſt wirklich auffallend, daß das 
englifhe Wefen, der englifche Ton und bie englifche Mode in 
Deutſchland immer mehr Zerrain gewimmen. Man bat ſich 
lange darüber beilagt, daß wir Deutſchen unter dem Einfluſſe 
franzoͤſiſcher Formen und franzoͤſiſcher Etikette ſtaͤnden, und 
nun fängt man an, bie engliſche ſich anzueignen! Wenn in 
jedem gefelligen Zufammenleben eine Etikette ſich bildet, wenn 
wir Deutfchen unfähig find, unfere eigene deutſche Etikette 
auszubilden, de halte ich die franzoͤſiſche immer noch für beffer 
als die engliſche. Denn die Franzoſen flehen doch Allem, was 
menſchlich ift, menſchlich näher, während die. Engländer in ihs 
ver oͤden, todten Selbfigenügfamkeit ernft vor ſich hingehen und 
für die Höhere Blüte der Humanitaͤt unempfänglich find. 

Wir geben: eine kurze Relation Über ben Inhalt des Bus 
ches. Im erſten Gapitel fpricht ber Verf. über die Euglaͤnder 
in ihren häuslichen Verhaͤitniſſen, inſonderheit von ber Stel⸗ 
Img ber Weiber gegen die Männer. Da ift zuerſt bie Rebe von 
der marriage in high life,. das ift von der abligen Heirath; 
man verfleht darunter bie Verbindung eines edein Korb ober 
bes Alteften Sohnes eines foldyen' nris: glsichofel welchem Fraueu⸗ 
simmer, wenn die Verbindung nur nach dem Geſet bes. Giants 
und der Kirche geſchtoſſen iſt. Es ift wor 
der engliſche Abel ſich dadurch ſo 
waͤhlt, wo er w Hie 


meinen Kerl; a pretty fellow iſt ein Liebeuswärxbiger: Boͤſe⸗ 
wicht; a fine fellow ein Man von vorgägfühen Cigenſchaften, 
aber. ohne ang in ber Geſellſchaft; a good fellow'i fo wiel 
wie un bon enfant; a fellow of the Royal society —8 
Mitglied ber koͤniglichen Geſellſchaft ber Wiſſe 
dieſem Abſchweif kommt der Verf 


In der hlhern 

"fie ber Erundſatz⸗ gu 

gelten: ‚Ce ı’est pas pöcher que —— es sileneni“ 
Sn biefem Abſchnitt bekommt ‘ber Vefer: ein Stuck der Le⸗ 
bensphlüsfenhie: des Verfaſſers; dieſet ſagt nämlich: „Ein wel⸗ 
fer; Dann darf.gar nicht. hoffen gicktiche zu werden, am aller⸗ 
wenigften in: der Eht; denn bleſt Hmnung febſt druͤckt rim Bis 
gehren, ein Vertangen aus’ und tft“ der e: Bewets von 
Mangel an Befriedigung. Man made nur ſo wenig Ahfprüdhe 


1060 


als möglich an bie Weiber, gewinne eine männliche Herrſchaft 
über fi) feihft, und man müßte eine fehe bigarıe Wahl gettofs 
fin haben, wenn man nicht jebe Ehe, bie von ben brüdendften 
Rahrungsforgen frei bleibt, erträglich finden follte.” 

Das zweite Gapitel ſchildert den Engländer in der Gefells 
ſchaft. jefes Capilei iſt mit den Anmerkungen eines göttins 
er Profeffors durchflochten und ſehr foftematifch angelegt; es 
Bandett von der Rothwendigkeit guter Manieren, von ber Vor⸗ 
Aelung, von Gmpfehlungebriefen und vom Mittageffen. Der 
Artikel über die Speifen iſt mit Gründlichkeit behandelt; man 
erfährt darin den Unterfejieb von beaf-steaks und pork-steaks, 
veal-, venison-, und turtle-steaks; aud) über plum-pudding, 
über Schildtrötenfuppe und Ragout werden Belchrungen gege⸗ 
ben. Hieran fließt ſich ein langer Artikel über die Gtikette 
bei Tiſch; man erfährt die Grundfäge, nach denen trandirt 
wird, entweber beaf, oder Enten ober Hühner, ober Schinken 
oder @änfe; man erfährt genau, was man mit bem Löffel und 
dee Babel zu eſſen habe. Dann kommt bie Rede aufs Ber 
fundpefttrinten, daß nie ein derr dem andern einfchenten dürfe, 
fonbern daß er ihm bie Flaſche zufcieben müffe. Bielleicht Hielt 
der Verf. fih deshalb fo lange beim Diner auf, weil ein altes 
Eprühwort fagt: „The English can do nothing without a 
dinner.” 

Drittes Gapitel. Engliſcher Zeitvertreib. Der Zeitvertreib 
geißt im Gnglifchen killing of time (Zeittöbtung), und man 
darf, um dies zu lernen, in bie feltfchaft Alles, nur ein 
Herz mit hineinbringen. Gin fafhionabler Lord fragte einft eis 
nen andern: „Heart, what’s that?” — ba antwortete ber 
andere: „,„A thing that servant maids have, and with breaks 
for John, the footman.’’’ Wenn man aber fragt, was ift der 
Gegenftanb bes Zeitvertreibs in der höhern engilſchen Gefell: 
fhaft, fo ift e& guerft bie Liebe, dann die daſhion oder Mode. 
Außerdem ift in diefem dritten Abſchnitt bie Rede von Goncer: 
‚ten, Wällen, vom Theater und Theaterbichtern. Die leptern 
find in England vieleicht ebenfo ſchlecht daran wie in Deutſch⸗ 
iand. Gewöhnlich erhalten fie 20-40 Guineen für ein neues 
Gtüd, oder 10—15 Guineen und eine Buinee für jeden Abend, 
wo e6 wiederholt wird. Das verbältnißmäßig größte Honorar 
beziehen in England die Zeitungsfchreiber. Der parifee Gorte: 
fpondent de& „Morning herald” erhält jäpktid 600 Pfund für 
feine Beiträge. Die Rebactionen des „Edinburgh review“, 
Quarterly review”, „Blackwood’s magazine‘, geben 12 Buis 
neen, gefeierte politiiche Echriftfteller erhalten jedes Honorar 
bis auf 50 Buineen per Bogen. In England haben die Mode: 
fhriftfteiler allerdings Zutritt in der fafhionablen Gefelfcaft, 
seinswiffenfchaftlich gebildete Wänner finden dort feiten folden; 
eine Ginladung zum Mittagefien bei einem Herzog ober Lord, 
der in Mode ift, ehrt einen Profeffor von Oxford mehr als ein 
Orden, der ihm den Gintritt in die fafhionable Gefellidaft 
noch nicht öffnet. 

Das vierte Gapitel ſchiidert die Clubs und Cpielgäufer fo 
lebendig und anſchaulich, wie wir fie aus den engliſchen Romas 
nen kennen. 

Das fünfte Gapitel, die Engländer auf Reifen, beginnt 
mit einer fehr infteuctiven Überfict. Unter 1000 Gngländeen, 
welche jährlich den Gontinent befuchen, find 333 Offiziere auf 
haldem Cold, 100 zu Grunde gerihhtete Gpieler, 60 Kranke, 
52 Handwerker und Krämer, weiche ihre Candsleute zu beftch- 
len — dieſe gehen gewöhnlich nach Frankreich und Italien; 
ferner 48 Griechen, d. h. Leute, welche vom Spiele leben, 50 dem 
Säyuldarreft entflopene Bonvivants 40 nicht mehr neue Maͤd⸗ 
gm 26 Mäbchen aus bem vermöglichen Mittelftande, bie gern 

Inen beutfchen Baron, einen franzöfliyen Grafen oder einen ita⸗ 
lieniſchen Herzog heisathen möchten; 100 Bediente, Gtalljun: 
gen, horse" jokeya und sieben, 100 Kammermäbdhen und 
Gouvernanten, veral dete Maitreffen, 20 geſchledene 
Weiber, 10 Perfonen aus altem Abel, die zu arm find, um 
ein Haus zu machen, 10 wirklich vornepme Engländer, um 


fi) auf bem Gontinent ebenfo gu langweilen wie in ihrem Bas 
texlande, 30 junge Leute, Ki ungentrt gu leben —, und ein 
Ginziger unter dem Zaufend, um feinen Geift und fein Herz 
auszubilden. Sehr wahr iſt, was ber Verf. fagt, daß bie 
Deutſchen fi doch nur ja nicht einbilden möchten, baß bie 
Engländer irgenb ein tieferes Interefie an Deutichlanb hätten. 
„Die Engländer”, fagt er, „werden in keinem Lande anders, 
fie nehmen von den Eigenthümlichkeiten der Länder nichts an, 
fie bleiben felbft in der Hölle 1 gleich." 

Das fechste Gapitel ſpricht von Engländern, infonberheit 
auch von Gngländerinnen, bie fi in Bädern aufhalten; viels 
leicht iſ Manches, was ber Verf. von den Hänten biefer Das 
men, von ihren Planen umd ihren succes fagt, übertrieben. 
Im Gefolge dieſer soi-disant Heilbebürftigen erſcheinen bie 
englifchen Geiftlihen an großen WBabeorten, Männer, die ald 
Gefchäftsleute, Gpeculanten, als bebeutenbe rones und ais 
fanfte Homilienprebiger gleich ausgezeichnet erſcheinen. 

(Der Beſchlut folgt.) 





Literarifhe Anzeige 
Converſations⸗Lexikon 
der 


Gegenwart. 


Ein fuͤr ſich beſtehendes und in ſich abgeſchloſſenes Werk, 
zugleich ein Supplement 
zur achten Auflage des Converſations⸗Lexikons, 
fowie zu jeder frühern, 
zu allen Nachdrucken und Nachbildungen deffelben. 


Bechsundzwanzigstes Heft, 
Bogen 21—30 des vierten Bandes. 
Yosgaru bis Rahel. 


Drudpapier 8 Gr; Schreibpapier 12 Gr; 
Belinpapier 18 Gr. 
— 


f. am 
Erd⸗ 
tiefe. — 





ande. 15 2 


rovinz FE deutſche. — 


8. — 

It dr. Aug. in). — 

en gralhrn (Biifgang Same), — 

8 (Hermann, Jürſt von). — mie 

ngelifta). — Yutfche (Karl With. Ernft). — 

t. — Quabrupelakian;. — Muattemdre 

Julmtane (Hertel (5) = Mecapafet 

— — adicalismus und Republis 

— en ae 

auch Epariorte Siege — evel, 
Eeipzig, im September 1840. 


$. A. Brockhaus. 











"Serantwortlicer Heraußgeber: Heinzid Broddaud. — Drud und Werlag von 8. 3. Brodhauß In Seipzig. 


Blätter 


‘für X 





Sonntag, 


© = —— nn — — —— — — ——— ——— — ——— — — — — 





Denkwuͤrdigkeiten aus dem Leben Sir Humphry Dady's 
herausgegeben von feinem Bruder John Dapy. 
Deutſch bearbeitet von Karl Neubert. Eingeleitet 
von Rudolf Wagner. Bier Bände. 

(Beſchluß aus Nr. 263.) 

Endlich muß, um die fllchtige Skizze von dem Cha: 
rakter Davy's von einer toefentlihen Seite nicht ganz 
umvoliendet zu laffen, noch der tiefen, aber vollkommen 
prunkloſen Religiöfität gedacht werden, bie ihn befeelte. 
‚Der Zuſammenhang des Eittliden und des Religiöfen 
Legt dei ihm, wie aus vielen Stellen diefer Denkwuͤrdig⸗ 
keiten bervorgeht, ganz offen zu Tage, und zwar um fo 
offener, da er Speculationen, bie ſich bei dem religioͤſen 
Slauben ohne eine fogenannte Erhebung beffelben in das 
Gebiet des Wiffens nicht beruhfgen zu Sinnen meinen, 
ſchlechterdings unzugänglih war. Seine Frömmigkeit ift 
ber fchlichte und ehrliche Ausdrud eines von der Größe, 
Drdnung und Schönheit des MWeltganzen und von der 
Höhern Beſtimmung des Menfchen innigft durchdrungenen 
Gemuͤths, dem es ein inneres Beduͤrfniß ift, durch bie 
Betrachtung der Natur auf ihren Urheber, durch das 
Bewußtſein der Aufgabe des irdifchen Lebens auf bie 

offnung eines künftigen befjern ſich hinleiten zu laſſen. 

Charakteriſtiſch iſt dabei ein Vorfall aus feinem frühern 

Reben (11, 26.) Davy befand fi einmal mit einem 

engliſchen Edelmann aus der Schule Voltaire's in ber 

Geſellſchaft zweier Geiſtlichen. Der fEeptifche Freigeiſt 

dachte feinen WE und feine Welsheit an ben Dann zu brins 

gen, fon im voraus feines Triumphs gemießend, den er mit 

r mächtigen Beihülfe eines fo berüͤhmten Naturforſchers über 
de: hrifftiche Religion und über die beißen geiſtlichen Berren 
erfechten wollte. Sobald die Damen das Zimmer verlaffen 

"Hätten, ging er mit der Sprache gerade heraus und wurbe 

ganz Ted durch das tiefe Schweigen und bie Aufmerkſamkeit, 

-mit- weicher der Ratarforiher ihm zuhoͤrte. Endlich hielt ex 

inne, voll teiumphirender Erwartung; da fing Davy an das 

Ehriſtenthum in dem feinſten Tone der. Beredtſamkeit und mit 

-fo warmer Froͤmmigkeit zu verthefbigen ‚ baß ber ammstfende 

ref unwiteürich Auffiard, weit er gieich anfühge die 

"Megumgen empfand, welche eine ganze Gemeinde bek’bem glaͤn⸗ 

‚genden Erguſſe rekigioͤfen Eifers in einer Predigt Bourd 8 

‚oder: Maffillems dazu bringt ſich gu erheben. 

In Folge dieſes Ereigniſſes wurde Davy von dem 
Biſchofe von Dirham umter Eröffnung glaͤnzender Aus: 
ſtchten aufgeſodert, Theolog zu werben, weil er kiberzengt 





20. September 1840. 





fei, feine Beredtſamkeit werde der Sache der Religton bie 
größten Dienfte leiften; Davy Iehmte aber biefen Auttag 
mit der Erklärung ab, er hoffe durch bie Fortfegung des 
Naturftudiums binlänglihe Gelegenheit zu finden, Die 
Gefühle religiöfer Verehrung und Demuth zu erwecken 
und den Sinn für die Natur mit dem Sinn für. Sitt⸗ 
lichkeit zu verfnüpfen. Der Bruder Davy's erachtet es 
feinen Laridsfeuten gegenüber für nothwendig, bie religid⸗ 
fen Anfichten deſſelben, namentlich feine Überzeugung, daß - 
die Religion auf einem inftinctärtigen Gefuͤhle beruhe und 


daß es einen Sinn für Religion gebe, mie man einen 


Sinn für Töne, Farben u. f. w. babe, gegen Sen Ma: . 
terialismus zu vertheidigen (IL, 130 fg.); in- Deutſch⸗ 
land würde die Apologie vielleicht anders ausgefallen fein; 


‚wie man aber auch Über jene Annahme eines befondern 


Sinnes für Religion denken möge, Davy iſt wenigſtens 
ein ausgezeichnetes Belfpiel, daß echte Meligiofitäe rhit der 
Vorausfegung, daB die Natur ein im ihrer eigenen Ge 
fegmäßigkeit feftbeflimmtes Ganze ift, und mit dem Sitre: 
ben, diefe Geſetze unabhängig von jeder andern Rirdficht 
zu ergründen, fehr wohl befiehen kann. Wie fehr freilich 
babei die ganze Gemuͤthsrichtung des Individuuins Im 
Anſchlag zu bringen: ift, beweift von neuem - das von 


dem beutfchen Bearbeiter beigebrachte Gegenſtuͤck eines ’res 


figisfen Glaubensbekenntniſſes (TI, 336), welches Biouf⸗ 
ſais am Runde des Grabes ausſptach, durch deſſen Ge⸗ 
genſatz zu Davy man lebhaft an aͤhnliche Unterſchiede zwi⸗ 
ſchen Lalande und Newton u. a. m. erinnert wird. 

Es wäre nun noch uͤbtig, von den Privatverhaͤttniſſen 


Davyys zu feiner Familie und feltieh Freunden zu‘ fpre: 


chen, zumal der Biograph darauf mehrmals zuruͤckkonimt, 
um den Zabel abzulehnen, den Dr. Paris gerade in die⸗ 
fer Hinſicht gegen Davy ausgeſprochen hätte. Nach ven 
Mitthettungen des Bruders zeigt Davy in feneh Briefen 
u. f. w. überall eine‘ innige Anhänglichkeie an feine Mut⸗ 
ter und Geſchwiſter; und wenn er in ſpaͤtern Jahten 
nicht allen Antnuthungen fruͤherer Bikannten mit gleicher 
Berettwilllgkett entgegenkam, fo wird mar Biftig fich er⸗ 
Innern, wie Teiche‘ Auſpruͤcht diefer Art fie‘ Mänkiet’ won 
David Ruhm imd Steltung vnbequem and’ idſtig wer⸗ 
den kVnnen. Die mielſten Privatbriefe, die iftch hier’ fin- 
ben, ſind im der Abſicht aufgenommen, tim Davp's Cha⸗ 
edkter von Selten feiner VBithattraifſe zu feiner Farmlie 


1062 


und feinen Freunden in das rechte Licht zu ſtellen; außer: 


dem ift feine Correfpondenz, ganz verfchieden von der Art, 
wie man in Deutfchland nach jedem flüchtigen Billet eines 
bedeutenden Mannes haft, um es abdruden zu laffen, 
nur ſehr wenig benutzt. Bon allgemeinerm Intereſſe 
find nicht nur die Gedichte, fondern auch diejenigen Aus: 
zuͤge aus feinen Tagebuͤchern, die ihn nicht blos ale Na: 
turforfcher, fondern als gebildeten Geiſt von vielfeitiger 
Urtheilskraft darſtellen. Diefe Aphorismen erinnern oft 
an Baco, Montaigne, Lichtenberg ; 

fie ſtellen — fagt 3. Davy darüber (III, 123) mit Recht — 
die Natur feines Geiftes dar; wie die Zweige, Blätter, Bluͤ⸗ 
ten, Früchte lehren fie die befondere Befchaffenheit des Gewäd: 
fes Eennen, das fie hervortrieb. Sie entfalten bie Selbſtaͤndig⸗ 
keit und den hohen Schwung bes Geiftes, den Reichthum und 
die Mannicdhfaltigkeit feiner Anfichten, feine glübende Einbil⸗ 
dungskraft und das poetifhe Gewand, in welches er feine 
Ideen zu leiden liebte; feine Stärke im Gebrauche ber Ana: 
logien für Erörterungen und Erläuterungen; ... fie zeigen bie 
merkwürdige Verbindung eines ſolchen hohen Schwunges mit 
Burädhaltung und Beſcheidenheit, mit dem Mistrauen gegen 
die menfchliche Vernunft, fie legen das Bekenntniß ab, wie 
ſehr befchränkt und vergleichungsmeife gering deren Kräfte feien ; 
und überall verfnüpft fi damit ein unbegrenzter Glaube an 
die Macht und Güte des hoͤchſten Weſens. 


Daß Davy in feinem frühern Lebensalter von philo: 
ſophiſchen Beduͤrfniſſen vielfach bewegt wurde, iſt fchon 
oben angedeutet worden; zugleich aber auch, daß er biefe 
Richtung fehr bald mit Entfchiedenheit verwarf. Philo: 
foph in dem beutfchen Sinne ift er nicht gewefen. Zwar 
bie Grenzen des Willens, an welche die inductive Me: 
thode ber Naturwiſſenſchaft fehr bald flößt, find ihm voll: 
kommen klar; auch das Beduͤrfniß über das dem Erpe: 
timente, der Analogie und der Induction zugängliche Ge: 
biet hinausgehen, geht in ihm nicht unter und wird 
gegen das Ende feines Lebens befonders lebendig; aber er 
erhebt ſich über das Gegebene viel mehr auf den Flügeln 
der Einbildungskraft, in der Form geiftreicher und zum 
Theil großartiger Anfchauungen, als in der Form firen: 
ger Schlüffe und fpeculativer Gedankenreihen; und nicht 
felten verläßt ihn dann die Behutfamkeit, die ihn als 
Naturforſcher wenigftens in ben Jahren feiner Reife aus- 
zeichnet. Mir find weit entfernt, ihm daraus einen Vor: 
wurf zu machen; aber bie Andeutung bes beutfchen Be: 
arbeiters, ber fich (I, xıv) verfucht fühlt, ihn zum So: 
bannes biefer oder jener neuern Schule zu machen, kann 
nur unter fehr großen Befchränkungen zugeflanden werben. 
Am frappanteften find Davy's frühere pfochologifche An: 
ſichten (3. 8. I, 169); aber gerade biefe fcheinen fpäter 
eine große Umsgeftaltung erfahren zu haben, indem, wäh: 
rend er früher immer auf bie Nothwendigkeit hindeutet, 
das geiflige Leben in feine Elemente zw zerlegen und von 
ba aus die Geneſis deſſelben zu erklären, er es fpäter 
dorzog, namentlich bie höhern geiftigen Zuftände und Thaͤ⸗ 
tigkeiten als Ausdruck angeborener Kräfte, Gefühle u. |. w. 
zu betrachten; ganz analog bem Beiſpiele fo vieler an- 
dern Maturforfcher, die volllommen damit einverflanden 
find, die Erfcheinungen der aͤußern Natur ale das Res 
ſultat fehr vieler concurrirender Bebingungen anzufehen, 


die man fo weit immer möglich ruͤckwaͤrts ins Einzelne 
zu verfolgen babe, während fie bei der Auffaffung des 
geiftigen Geſchehens fehr bald bei befonders hervorftechens 
den Altgemeingebegriffen ftehen bleiben, benen fie befons 
dere Kräfte und Wirkungsarten eines geiftigen Princips 
unterfchieben, welche fich dann nicht weiter ruͤckwaͤrts ver: 
folgen laffen follen. 

Ref. würde ſich freuen, wenn er durch dieſe Anzeige 
etwas dazu beigetragen hätte, die Aufmerkſamkeit bes 
deutſchen Publicums auf diefe Denkwürdigkeiten, deren 
Reichthum bier nur flüchtig angedeutet werben Eonnte, zu 
lenken. Die Pfleger und Freunde der Naturwiffenfchaf: 
ten werben fie ohnedies nicht unbeachtet laffen; bem Juͤn⸗ 
ger derfelben koͤnnen fie ein ermuthigendes und erhebendes 
Beifpiel eines Mannes barflellen, der durd eigene Kraft 
von einem Eleinen Anfange zu bem größten Verdienſte 
und Ruhme gelingt iſt; aber auch Jedem, der an der 
Entwidelung der Wiffenfhaft im Allgemeinen Antheil 
nimmt, bieten fie fo viel Antegendes, Belehrendes und 
Erfreuendes, daß man ihnen auch außer den Männern 
vom Sach viele Lefer verfprehen darf. Diefelbe Verbrei⸗ 
tung, deren ji die „Troͤſtenden Betrachtungen”, über 
deren Scenerie ſich übrigens bier im vierten Bande viele 
fpecielle Auffchlüffe finden, in der Überfegung des Herrn 
v. Martius erfreuen, verdienen auch diefe Denkwuͤrdig⸗ 
keiten; ja, fie verdienen fie noch mehr, inſofern jede Eräf: 
tig und edel ausgebildete Individualitaͤt in ihrer Ent: 
widelung und Wirkungsmeife mit Recht einen befonders 
ftarten Anziehungspunfe für die Auffaffung barbietet und 
diefe Denkwürbigkeiten die Darftelung der Individua⸗ 
lität Davy’s zum ausdruͤcklichen Zwede haben. Das der 
deutfhen Bearbeitung beigegebene Portrait, ein gelunges 
ner Stahlſtich, ift eine, obwol nur mittelbare Gopie des 
von Sir Thomas Lawrence in den J. 1810 oder 1811, 
alfo in dem Eräftigften Lebensalter Davy's gemalten Dris 
ginals, welches in dem Sitzungsſaale der Royal so- 
ciety hängt. 

Und fo möge denn als Ausdrud der Empfindung, 
mit welcher Ref. diefe Anzeige fchließt, nur noch ber 
Wunſch auch hier eine Stelle finden, welchen Hr. Prof. 
Wagner am Schluffe feines Vorwotts ausfpricht: 

Sollten diefe Blätter einem Bewohner bes blühenden, durch 
Sinn und Achtung für Wiſſenſchaft und Kunft hochberuͤhmten 
Genfs in die Hände fallen, fo babe ich eine Witte. Als ih 
Davby's Grabmal befuchte, fand ich bie Infchrift dem 
ſchen nahe; fle bedarf der Erneuerung, und irre ich nicht, fo 
bat Lady Davy ein Legat zur Erhaltung gefliftet, aus deſſen 
Überschäffen wiflenfchaftlicde Preife ertHeilt werden, wodurch 
Davy's Gedaͤchtniß freilich lebendiger fortwirkt als durch Denk: 
male in Stein und Erz. Aber doch erregt es eine wehmüthige 
Empfindung, bie Spuren ber Verwitterung an biefem friſchen 
Denkſtein kaum verblähter menſchlicher Größe wahrzunehmen. 
Oder war es die Gewalt ber einfamen Umgebung unb ber großs 
artigen Natur, welche biefe Empfindung bervorrief? Als ich 
duch bas fonntäglidhe Gewühl zu dem Grabe bes englifchen 
Naturforſchers vor den Sporen Genfs ging und auf das pracht⸗ 
volle Alpenthal und ben blauen See hinblidte, da warb es mir 
Har, was Davy in jener wunderbaren Natur fo mächtig anges 
zogen und au feinen finnigen Betrachtungen erwedt hat. I 
meine, eö wird auch dem £efer ein Mitgefühl bleiben für Das, 








1063 


- 


was ben einfamen Angler an ben Seen und Bächen ber Alpens 
welt in ber finnenden Geele bewegte. Wer follte nicht eine 
Smpfindung haben für Das, was im Innern ſchafft und lebt, 
wenn es ſtille geworben ift mitten in einer großartigen Ums 
gebung. - 94, 





Sittenbuch ber englifhen Gefelfchaft aus den Papieren 
Gunter's, von P. Q. O., Aufwärter bei Almack's. 
(Befhluß aud Nr. 283.) 


Das fiebente Sapitel. Der Engländer als Staatsbürger. 
Natürlich ann dies Thema bier nur fehr leichthin behandelt 
fein. Der Verf. fagt, er habe die Politik von jeher als eine 
Kunft, nicht als eine Wiffenfchaft betrachtet, wobei e8 mehr ale 
bei jeder andern auf natürliden Gefhmad anlomme, und in 
weldyer fein Manierismus den Mangel an Genie auch nur auf 
einen einzigen Augenblid verbergen kann. Zuerft wird nun ges 
fprochen von ber großen Achtung für das Beleg, die man in 
England findet. Darin bilden die Franzoſen den wahren Ge⸗ 
genſatz gegen die Briten; benn in Frankreich fegt man ein eigentlis 
ches Berdienft in die Übertretung der gefeslichen Norm, weil bie 
Öffentliche Meinung das Geſetz für eine Grauſamkeit erklärt, der 
man fi nur im fchlimmften Ball unterwerfen müffe, um größere 
Übel zu verhüten. Merkwürdig ift in England die fo allgemein 
verbreitete Kenntniß der Geſetze; fogar über bie Korm und den 
Gerichtögang werden, burch die Gefchworenengerichte,, felbft die 
nieberften Stände belehrt. Der Verf. geht dann auf das Leben 
der arbeitenden Claſſe über und fchildert die Genügfamkeit und 
Selbſtbeherrſchung derfelben. Kein Volk beneibet weniger ben 
Reichthum und den Lurus feiner Großen, oder ift darauf viels 
mehr ſtolzer als die Engländer; kein anderes Volk ift fo ſehr 
don ber Wahrheit der nicht genug zu beherzigenden ſtaatswirth⸗ 
fchaftlichen Regel überzeugt, baß bie gleihmäßige Vertheilung 
des Vermögens, obwol einem gewiffen Grad von wahnfinnigem 
Republikanismus günftig, dennoch alle größern Unternehmun= 
gen unmöglich macht, und daß in einer volllommnen, ſowol 
moralifchen als materiellen Steichheit aller Stände das Gefühl 
des Comfort gänzlich verfchwinden müßte. Hiermit hängt ber 
Gedanke fehr nahe zufammen, taß die Stärke ber Ariftokratie 
nicht fowol im Adel felbft als im Wolke liegt. Whigs und 
Tories waren, feit ihrer Entſtehung unter Karl Il., von jeher 
nur Parteien bes Adels, bie fih nur, wie einfl bie Ritter der 
zothen und der weißen Rofe, um bie Herrſchaft firitten ; von 
einer eigentlichen Volkspartei im Sinne ber Rationen des Con⸗ 
tinents war und ift in England, felbft jegt noch immer nicht, 
die Rede. Der Patriotismus der Engländer befteht nicht, wie 
fie felbft behaupten, in der Liebe zu ihrer Heimat, fondern in 
der Verachtung aller andern Länder und Böller. Diefer Pas 
triotismus war das cheval de guerre ber Pitt’fchen Verwal⸗ 
tung, mittels befien er die Nation zu ben ungeheuerften Opfern 
vermochte, ohne daß fein Nachfolger Kor, tro& feines unges 
zähmten Liberalismus, im Stande gewefen wäre, ein anderes 
zu beſteigen. Indeß man würde irren, wenn man glaubte, es 
gäbe in England gar Feine Oppofition gegen bie beflehende Ge⸗ 
walt; im Gegentheil, dieſe ift in keinem Lande thätiger als 
dort; aber fie hat es blos mit den verfchiedenen Intereſſen 
zu thun, nit mit den Ständen, außer infofern biefe durch 
die Intereffen felbft vertreten werden. Die Engländer find ein 
Kaufmannsvolt, oder wie Rapoleon fie nannte, a nation of 
shop-keepers. Das Lofungswort der Nation ift daher a cheap 
government, eine Foberung, von ber die ganze Nation in al: 
ien Richtungen aufs Tiefſte burchdrungen iſt. 

Was die Vollserziehung betrifft, fo hat man bafür in 
neuefler Zeit die Summe von 30,000 Pf. St. verorbnet, eine 
Summe, bie ſehr unbedeutend ift im Verhaͤltniß zu Dem, was 
deutfche Staaten zu diefem Zweck aufwenden. Lord Brougham, 
dieſer Vorkaͤmpfer des engliſchen Erziehungsweſens, iſt zu ber 
Einſicht gelangt, daß es thoͤricht ſei, der großen Maſſe der Be⸗ 
vdlkerung Künfte und Wiſſenſchaften einzubläuen, die es um 


ein Haar breit weiter bringen. Es läßt i 
die Sentenz, welche ſagt: s Be ſih viel ſtreiten Aber 


Nur der JIrrthum iſt das Leben, 


Und das Wiſſen iſt der Tob! 


In demſelben Capitel kommt der Verf. auch auf die Ratios 
nalbewaffnung, welche in England bekanntlich groͤßtentheils vom 
Adel, oder doch von den demſelben zunächſt ſtehenden Famillen 
ausgeht; eine Conſcription gibt es in England nicht, die Of⸗ 
fizierſtellen in der Armee find noch immer verkaͤuflich, und das 
Sonderbarſte iſt, daß faſt alle gebildete Engländer barin übers 
einftimmen, daß dies die einzig mögliche Nationalbewaffnung 
ift, und daß im Wege der Gonfeription nur ein zufammenges 
laufenes Gefindel ohne phyſiſche und moralifhe Kraft dem 
Beinde und vielleicht der Hefe bes Volks felbft gegenübergeftellt 
werden konnte. Die gemeinen Soldaten werben daher meiſt 
in den Agriculturdiftricten, in Schottland und Irland, ges 
worben; die Manufacturbiftricte würden, im Kal einer Con⸗ 
feription, nur elende, abgezehrte, verfümmerte Soldaten lies 
fern, und bie Zahl ber Manufacturbiftricte iſt die größere. 
Rur wenn bie Offiziere dee Armee, behaupten bie Engländer, 
derfelben Claſſe der Gefellfchaft entfpringen, aus welcher bie 
geborenen und bie ermählten Gefehgeber hervorgehen, Tann 
man ber unbebingten Übereinftimmung zwiſchen ber legislativen 
und erecutiven Gewalt und bes Kortbeftandes bes status quo 
verfichert fein. Jede andere Nationalbewaffnung bedroht, als 
eine demokratiſche, ben ganzen Staat, wie die einzelnen Claſ⸗ 
fen der Geſellſchaft. Als die unmittelbare Folge diefes Raiſon⸗ 
nements erſcheint das von Lorb Wellington vertheidigte Prügels 
foftem ; denn rohe Kräfte Lönnen nur durch phyſiſche Mittel zus 
fammengebalten und beherefcht werden. Man mag von ber 
Menfchenwürde, von dem Gefühl der Ehre noch fo viel [pres 
hen, bie Zagelöhner der Menſchheit, meint der Verf., begreifen 
nur, was fie fühlen. Was von ber Armee gefagt ift, laͤßt 
fih auch auf die Marine größtentheils anwenden, nur erfobert 
ber Dienft der lehtern etwas mehr Geſchicklichkeit und längere 
Übung ; indeß auch im Seedienft gilt der Grundſatz, daß nur 
bie Söhne alter, reicher, um den Staat verdienter Familien 
Ausficht auf Befoͤrderung haben. Wie fehr übrigens die Engs 
länder auf ber See zu Haufe find, das fagt Sampbell in fols 
genden Berſen: 
Her march is o’er the mountain waves, 
Her home is on the deep. 


Das achte Sapitel. Die Engländer und die englifche Kirche. 
In England geht die Politik mit der Religion Hand in Hand. 
Wohl dem Lande, das wie England und Rom das geiftlidhe 
und weltliche Oberhaupt in einer Perfon vereinigt und biers 
durch die weltliche Macht mit der geiftlichen und bie geiftliche 
mit der weltlichen unterflügen kann. Wohl ihm, wenn feine 
religiöfen Formen mit feinen politiſchen übereinftimmen. Da 
gibt es Leinen Streit, den man nicht jeden Augenblid entfcheis 
den, eine politifche und religiöfe Wirren, denen man nicht 
von Seiten ber erecutiven Gewalt ein Biel feßen Eönnte. Der 
Abel geht dem Wolke mi: dem guten Beifpiele der Achtung ber 
Geifktichkeit voran. Nichts hat den Presbpterianern fo fehr ges 
fhadet als die Außerung Karl's 1I., ber von ihrer Kirche 
fagte, daß fie nicht die eines Gentleman fei. 

Das lebte und neunte Gapitel gibt noch einiges Raiſonne⸗ 
ment über das Verhältniß der Engländer, Deutfchen und Frans 
ofen und gebt von bem Gedanken Voltaire's aus, baß bie 
Eranzofen die Kinder Europas, bie Engländer die Männer und 
die Deutfchen die Breife find. Den Gchluß des Ganzen 
macht ein befcheidenes Wort des Berfaffers, worin er vornehm⸗ 
lich wünfcdht, den Leſer unterhalten zu haben, und eine Ausficht 
auf die Kortfegung feines reichen Themas gibt. 24, 


Hiſtoriſche Notiz. 
Igenb kteriſtik bes 8 von Ripperba, wels 
cer Drak eeer Ipandfher aRinifer Der, Ander Ih HL IIT, 








104 


„RB. 17 u. 46, der „Denkwürbigleiten des "Don Jeſeph bel 
GamposRafo” und Fönnte von einem heutigen "Wtutardy in 
vergleichenden Lebentbeſchreibungen Lenutzt werden : 

‚Aüe feine Reben zeigten die Eitelkeit und Anmaßung, welche 
„gan einem fepnellen Emporkommen ugtrennlich zu fein feinen. 
"Per Türmerte fich wehek um bie Kolgen, welche aus feinem Sench⸗ 
en it Beinhe, welche es erwagten 
mußte, und Sprach ohne afle Achtung van Denen, beren Güter 
und Stellen er fi foeben zueignete. Mor feinem Verftande 
"Kbies wähnte er) weiche jede Schwierigkeit zurü, und feine 

ofttiche ebnete ihm alle Wege, während Unflugheit und 
Eeichtfinn ohne Grenzen feine Mittel in Wahrheit vernichteten. 
Trunken von feiner Erteilung, that er fih etwas darauf zu gute, 
‚gegen Diejenigen bie höchſte Verachtung zu zeigen, die fich ihm 
widerfepen könnten ꝛc. — — Vorwürfe, er fei ein Hochverraͤther, 
ſchwanden fpfter zugleich mit feiner R 


entjteden konnten, nor um bie 


acht und man fam all: 
mal zu der allgemeinen Überzeugung : er fei ein Mann, buch 
se Alta be an nicht blos unfähig, sinen Staat zu 


"regieren, fondern auch unfähig, das kleinſte Geſchäft angermeffen 


. 


zu behandeln.“ 





Bibltographie. 


. Allioli, 3. F., Leben Jeſu, eine Evangelien : Harmonie. 
Gr. 8. Landshut, Palm. 15 Gr. 

Bernoulli, E., Populationifiit oder Bevölkerungs⸗ 
wiſſenſchaft. Aſte Hälfte. Allgemeine Bevölkerungsftatiftit oder 
Verhöltuiffe der Lebenden, Beborenen, Verehelichten und Gter: 
benben. Gr. 8. Ulm, Stettin. 1 Thlr. 21 Gr. 

"Bose, C., Ueber Arahisch - Byzantinische Münzen. 
“"Bendschreiben an Herrn W. de Sanlcy in Metz. Gr. 8, 
Grimma, Gebhardt. 8 Gr. 

Softon, Baron v., Napoleon Bonaparte's erfie Sabre; 
‚von der Geburt bis zu feiner Ernennung als commandirender 
General von Italien. Mit einem Anhange noch nicht befanns 
ter Documente über feine Perfon. Weberfogt bush C. Herr: 
mann. 3 Theile. Er. 12. Leipzig, P. Baumgärtner. 3 Thlr. 

Dante Alighieri’s göttliche Comödie. Metrisch über- 
tragen und mit kritischen und historischen Erläuterungen 
versehen von Philalethes. 2ter Theil, Das Fegefeuer. Nebst 
1 Titelkupfer von H. Hess, 1 Skizze von M. Retzsch, 1 
Karte, und 1 Grundriss des Fegefeuers. Gr. 4. Dresden 

u. Leipzig, Aroold. 6 Thir. 16 Gr. 

Fries, J. F., Die Geſchichte der Philofophie dargeftellt 
nad den Bortfchritten ihrer wien föaftlihen ntwidelung. 
ter Band. Br. 8. Halle, Buchh. des Waifenhaufes. 4 Ihr. 

Bar, Sophie, Maria von Mancini. Ueberfegt von 
Sanny Tarnow. Zitheile. 8. Leipzig, Kollmann. 2Thlr. 12 Gr. 

Grotefend, G. F., Neue Beiträge zur Erläuterung 
‘der babylonischen Keilschrift nebst einem Anhange über die 
"Beschaffenheit des: ältesten Schriftdrucks bei der vierten 
"Secularfeier der Erfindung des Bücherdrucks von Guten- 
berg herausgegeben von etc. ‘Mit 1 Steintafel und andern 
belehrenden Zugaben. Gr. 4. Hannover, Hahn. 1 Thlr. 

Hofacker, L., NReufalemiten und Freimaurer; ein Bru⸗ 
ders Ruf. Gr. 8. Tübingen, Buchh. Zu⸗Guttenberg. 4 Er. 

Der Miffionair. Romantiſche Darſtellungen und Aben⸗ 
theuer aus Sũd⸗Amerika. Aus dem Holländifchen von E. 
Heine 8. Halberſtadt, Helm. 1 Thlr. 

Kopiſch, A., Grinnerungen aus den erſten Tagen des 
Sunt 1840, Drei Gedichte. Die. Brundfleinlegung zum Denk; 
mal Friedrich's TI. am 1. Juni 1840. Des Königs legte Las 
bung. Die Überführung ber Königlichen Leiche von Berlin nad 
Charlottenburg in der Nacht vom I1— 12, Juni 1840. Gr. 8. 
Berlin, Schroeder. 4 Br. 

‚ Ode an Seine Majeftät den Konig Friedrich 
Wilhelm IV. Abdeud einer —A entgegengenommenen 
Handſchrift. Juni 1840. Gr. 4. Merlin, Schroeder. 4 Gr. 


‘ 


Müller, ®. H., Die 


Mi di 5 
-flen toben Piftorifdhe —— — 


Ertwickelung der Territorial⸗Verhatccafſe 


Deutſchlande im -Mittelaiter. Iſter Theil. Vorgeſchichte ber 


deutſchen Stämme bis zur Bildung ber fränkifchen Kreis der 
Merowingen. Er. & Berlin, Eüderik. 2 Thir. 

Niemeyer, Ehr., Falkenſtein. Freunden der Geſchichte 
‚Kunft und Ratur gewidmet. Mit 1 Anficht und 1 Grundriß 
vom Schloſſe Balkenftein. Gr. 8. Halberftabt, Helm. 8 Gr. 

— —, Huysburg. Freunden der Geſchichte, Kunſt und 
Natur gewidmet. Mit 1 Anfiht und 1 Grundriß ber Huys⸗ 
burg. Br. 8. Halberſtadt, Helm. 8 Gr. 

— —, Hfenburg. Freunden der Geſchichte, Kunſt und 
Natur gewidmet. EMit 1 Anfiht und 1 Grundriß bes Schloſ⸗ 
ſes Ilfendug. Er. 8. Halberſtadt, Selm. 8 Ge. 


Dbdeleden, DO. Freiherr von,‘ Rapoleon’s A 
es, 


GSathſen im Jahre 2813. ine treue Skizze diefes 


"des franzoͤfiſchen Kaiſers und feiner Umgebungen, entworfen 
von einem Augenzeugen in Rapoleon’s Sauptquartiere. Ste, 
neu durchgefebene und vermehrte Auflage, nebft 1 Plane von 
Dresben mit ben Belbbefefligungen vom 26. und 27. Anguſt 
1818. Gr. 8. Dresden u. Leipzig, Arnold. 1 Xhir. 18 Wr. 

Petzholdt, J., Literatur der sächsischen Bibliothe-. 
ken zusammengestellt und bevorwortet. Gr. 8. Dresden u. 
Leipzig, —8 9 Gr. 

Preußens Yuldigung an Seine Majeftät den König Fries 
drich Wilhelm IV. 3 Leipzig, Sauffer. 10 Gr. 

Reybaud, &H., Die Raben und das Befpenft. Aus 
dem Franzöfifchen von St. Friedrich. 8. Breslau, Bers 
lage: Gomtoir. 1 Thlr. 

Riedel, Nachricht von der Auffindung alter Hand- 
schriften des ehemaligen Domcapitels zu Havelberg. Mit 
4 lithographirten Facsimile's. Gr. 8. Leipzig, T. OÖ. Wei- 


gel. 1 Thlr. 8 Gr. 

Schmid, G. V., Clavis numismatica oder encyklopaͤ⸗ 
difches Handbuch zum Verſtaͤndniß ber auf Münzen und Mes 
daillen in lateiniſcher und teutfcher Sprache vorkommenden 
Sprühe, Namenschiffern und Abbreviaturen, für Freunde der 
Rumismatit und Geſchichte, Kauf⸗ und Gefhäftsieute u. f. w. 
bearbeitet. Iſter Theil: Spruchmünzen. 2ter Theil: Namens⸗ 
chiffern und Abbreviaturen. Gr. 8. Dresden u. Leipzig, Ar⸗ 
nold. 1Thlr. 8 Gr. 

Schreiter, Eine Abhandlung über den tragiſchen Chor 
bei Sophokles. 8. Rendsburg. 10 Gr. 

Trauer⸗Kraͤnze auf den Sarkophag Seiner Hochſeligen 
Majeſtaͤt König Friedrich Wilhelm des Dritten ehrfurchtsvoll 
niedergelegt von 3. Harth und W. Möfer. te bedeutend 
vermehrte Auflage. 8. Berlin, Schroeder. 3 Er. 

Ueber die Wiedervereinigung der Uniaten mit der recht⸗ 
glfubigen Kirche im ruffifchen Reiche. Aus dem Ruſſiſchen 

berfegt gan Auguft v. Dibelop. Gr. 8. Btuttgart, Köhs 
Gr. 


ler. 

Deutiche Bolkslleder. 8. Arolfen, Speyer. 4 Gr. 

Wachsmann, G. v., Erzählungen und Rovellen. Reue 
Folge. 7ter bis 10ter Band. Auch u. d. T.: Erzaͤhlungen 
und Novellen. Zweite Folge. 1fter bis Ater Bd. 8. Leipzig, 
Focke. 6 Thlr. 

Wiest, F., Rococo. Geſammeltes in Bilbern, Skizzen, 
Humoresken und Phantafieflüden. Ztes Heft. 16. Leipzig, 
P. Baumgärtner. 12 Gr. 


eschichtlicher Kande bis auf unsere Tage. Mater Theil. 
ie Geschichte der griechischen Revolution vom Jahre 1823 
bis zur Thronbesteiguug des Königs Otto im Jahre 1885. — 
Auch u. d. T.: Gesebichte der griechischen Rerelstion 
u. s. w. 2ter Thail. Ereignisse vam Anfange des Jahres 
1823 bis zur Thronbeateigung dag Königs Otte im Jahre 
1885. Gr. 8. Leipzig, Barth. 4 Thir. 12 Gr. 


VDerankwortiicher Herausgeber: Heinrih Brodhaud. — Drink und Verlag von 7. 7. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


EEE Nr. 265, 


21. September 1840. 








Blide in das düffeldorfer Kunft = und Künftierleben 
von Friedrich v. Uchtritz. Erſter Band. Duͤſ⸗ 
feldorf, Schreiner. 1839. 8. 2 Thlr. 

Der Verf. fagt in der Einleitung oder Vorrede zu 
diefem, durch ernfte Gefinnung und gründliche Darlegung 
ausgezeichneten Buche: 

Der Mode und bem während einer langen Friebenszeit ges 
fliegenen Luxus unferer Tage, verbunden mit der glädlicdhen Er⸗ 
findung der Kunftvereine, die bie Kunftliebe gleihfam in bie 
Kategorie der Handels⸗ und Yapierfpeculationen, des großen 
Zriebrades unferer Zage, zu bringen gewußt haben, möchte ein 
großer Theil des heutigen Kunftenthuftasmus zugufchreiben fein. 
Aud dürfte der Umſtand nicht wenig dazu beitragen, daß ber 
Kunftgenuß, ben ein Bilb gewährt, uns nur wenige Minuten 
hindurch in Anfpruch nimmt, während ein Buch die unbequeme 
Anfoberung macht, ihm einige Stunden oder wol gar Tage 
unfere Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Unſere Zeit der Dampfwa⸗ 
gen und Dampfichiffe ift fo überaus eilig geworben, daß fie 
auch den Kunflgenuß faft nur nach feiner Intenfiven Gebrängts 
heit würdigt. Ihre Vorliebe für Inrifche Poefie, für Eleine, 
zafch hinunterzufchlürfende Gedichte möchte mit daher zu erklaͤren 
fein. Blos bei gewiflen breiten Romanen der Engländer, bie 
fich freilich im halben Schlafe bewältigen laſſen und die ſchoͤn⸗ 
ften, lang hingeſtreckteſten Flächen für ein dampfſchnellhuſchen⸗ 
des Leferauge der Gegenwart bieten, macht fie eine hulbreiche 
Ausnahme. Doch zeigt ſich gerade hier die Zeit durch ben mas 
ſchinen⸗ und fabritmäßigen Üüberfegungsbetrieb in ihrer ganzen 
ſich ſelbſt überflürgenden Gilfertigkeit und materiell mercantilis 
fchen Herrlichkeit. 


Wir haben die ganze Stelle mitgetheitt, einmal weil 


fie fo wahr iſt und allen aufgebunfenen Phrafen gegenüber, 
womit man fich felbft zu dem Kunſtleben der Gegenwart 
wie etwa zu einer in Deutfchland wiedergeborenen floren- 
tinifhen Kunftblüte unter den Mediceern Gluͤck wuͤnſcht, 
einen unableugbaren wunden Fleck trifft und die haupt: 
ſaͤchlichſte Schattenfeite an der Kunftentwidelung und dem 
Kunftenthufiasmus der Gegenwart enthuͤllt, fodann weil 
fie uns von vorn herein die Gewaͤhrleiſtung verfchafft, dag 
wir es bier mit einem Manne zu thun haben, welcher, 
obgleich felbft Im düffelborfer Verhaͤltniſſen wurzelnd, kein 
einfeitiger Enthuſiaſt, fondern ein unpartelifcher Geſchicht⸗ 
Schreiber ift, der den Segenftand feiner Beobachtung und 
Darftelung nicht zu veriären, fondern nur zu erklären 
fid) beftrebt. 

Die Unparteilichkeit, womit ber Verf. alle Richtungen 
zu würdigen weiß, zeigt ſich auch ſogleich auf der folgen: 
ben Seite, wo er von der münchner Malerſchule fpricht, 


deren Werke er Übrigens nicht an.Drt und Stelle gefehen 
hat. Er rühmt im Allgemeinen ihre auf das Ernſte und 
Erhabene gerichtete Tendenz, wodurch es ihr möglich ges 
worden zu fein fcheine, ſich allen zweibeutigen Richtungen 
und Beftrebungen des Zeitgeſchmacks ferne zu halten. Aber 
er frage mit Recht, ob diefe münchner Schule nicht etwa 
eine bloße Nachblüte fei, ein verhallendes Echo frühern 
Lebens, da ihe Daſein fih nur an die Begeifterung bes 
jest regierenden Könige knuͤpfe; und er fest mit ebenfo 
großem Mechte hinzu, diefe Frage fei andererfeits eine um: 
gerechte und müßige, weil da, wo fo viele bedeutende 
Werke bereits entftanden feien, ein Mehres und immer 
Mehres wol gewünfcht, aber nicht gefodert werden dürfe. 
Mef. ergreift auch hier wie immer gern die Gelegenheit, 
ſich über die Vorurtheife, voelche gegen die münchner Schule, 
befonderd in Nordbeutfchland aus Übertriebener proteflan- 
tifcher und puritanifcher Steenge fich gebildet haben, tadelnd 
auszufprechen, da er wohl weiß, baß innerhalb ber glau⸗ 
bens⸗, freude=, Liebe: und Iebenslofen Gegenwart das 
Ernſte, Religisfe und Erhabene einen vier fchwerern Kampf 


zu beftehen hat als das Schwülftige, Weiche, Barte, Sen: 


timentale, felbft Schwaͤchliche, wenn es fih nur in ein 
buntes, fchilerndes Gewand zu huͤllen verſteht. Es gibt 
jegt zwei der Entwidelung ber Kunft oder ihrer Anerken⸗ 
nung vorzüglich feindliche Parteien, die eine, welche Kunſt⸗ 
werke, auch poetifche, nur als Mittel zur Ausflllung muͤ⸗ 
Biger Stunden, als Converſationsſtoff, woran uͤberkluges 
Raiſonnement fi fein Muͤthchen kuͤhlt, und als Prunk⸗ 
und Luxusartikel gelten laͤßt; die andere, welche vom Stand⸗ 
punkt der Überfättigung und der Kunſt⸗ und Lebensver⸗ 
zweiflung aus behauptet, die Zeit der Production laͤge 
gaͤnzlich hinter uns und es ſei eitel erfolgloſe Anſtrengung, 
fernerhin auf dem Gebiete der Poeſie, der Malerei, der 
Sculptur und Muſik noch etwas Großes und Ganzes 
ſchaffen zu wollen. Eine Anſicht dieſer Art kann nur zu 
einer kraͤnklichen Zeit von kraͤnkelnden und darum neidi⸗ 
ſchen und griesgraͤmigen, oder durchaus handwerksmaͤßigen 
und hausbackenen Gemuͤthern aufgeſtellt werden. Dieſe 
Leute ſagen wol, man müffe ſich von der Kunſt gaͤnzlich 
ab: und ben einfeitigen Intereſſen des Staats zuwenden; 
aber fie überfehen dabei, dag jeder Staat, ber nicht jede 
Richtung in fih aufnimmt und fortbildet umd fi nur 
als ein Abſtractum feiner felbft entwideln will, ein gar 


1 


« * 


1066 . 


e 


F — 33 x 3 “u ,.. — 
verzwicktes und verzweifeltes Ding iſt. Das lehrt die Ge: | daß fie eine würdige Auffaſſung mit der portraitwahrſten 


ſchichte. 


Oder will man etwa die einfärbige, nur auf das | Individualiſirung der Formen und des Ausdrucks verbaͤn⸗ 


Materielle und Praktiſche gerichtete Entwidelung der'nord»-| den. Aber biefe Individualiſirung hat bei den Duͤſſeldor⸗ 


amerikaniſchen Freiſtaaten, die zwar im er far nur 
lichen, Freiheite k auch e alle kuͤnſtlari 
fir Peu⸗ kraſt ſind, 3 J Mi ſtadt Icher⸗ 
Entwickelung preiſen? 
Die beiden eben charakteriſirten Parteien haben gegen 
die muͤnchner Schule, die erſte ein i⸗ 
ges, die zweite ein negatives Verhaͤltniß; eine dritte aber, 
beftehend aus’ atttaptoteſtantiſchen Bilderftaͤrmern, aus dem 
Zuwachs Derer, welche an die Stelle der Religion 
den reinen philoſophiſchen Begriff ſetzen wollen, und end⸗ 
lich aus der Unzahl Derjenigen, welche in ihrer Gemuͤths⸗ 
trockenheit alles Kirchliche und zugleich den philoſophiſchen 
Begriff verwerfen, verhaͤlt ſich zu ihr durchaus feindſelig. Als 
ob man in München nur Legenden und Heiligenbilder, oder 
diefe im einer Weiſe malte, welche alle durch den Geiſt der 
aufgeklaͤrten Kuͤnſtler ſelbſt und durch die Zeiteinflüffe ge: 
foderten Modificationen von fi) abwieſe! Mir unferer: 
ſeits billigen «6 keineswegs, wenn in einem Staate irgend 
ein Element auf Koſten anderer gleich⸗ oder noch höher 
berechtigten Elemente zu einfeitig ausgebildet wird; aber 
wir wollen doch anerkennen, dag in München genialen 
Auͤnſtlern Gelegenheit geboten ift, ihren Genius bethätigen 
zu koͤnnen und ihr Leben ficher geflellt zu fehen, waͤhrend 
fie fonfk vielleicht — es fehlt leider in Deutichland an 
Belipielen nicht — in mehr als einer Hinfiht erlahmen 
würden, und daß dort in der That Werke gefchaffen wer: 
den, welche den Ruhm der deutfchen Kunſt über alle Welt 
verbreiten und bei der Nachwelt fichern werden. Und da 
man einmal den allerdings praftifchen, wenn auch enghers: 
zigen Vorwurf erhoben hat, die münchner Kunſt verjehre zu 
viele Staitseinkünfte, fo wollen wir bemerken, daß — auch 
abgefehen von unferer Anficht, für das Genle könne nicht 
gu viel aufzewandt werden — je höher ber Ruhm Muͤn⸗ 
chens ſteigt, auh um fo mehr Fremde bdiefe Stadt ber 
Kunſt befuchen und den Aufwand in etwas compenfiren 
werden. Es fällt uns jedoch nicht ein, zu behaupten, in 
Münden ſei ein Kunſtleben erzielt worden wie etiwa vor: 
dem in Altathen oder in Florenz; "dazu fehlt In Muͤn⸗ 
chen vor Allem ein kunſtgebildetes, gewecktes, geiſtreiches 


oder wenigſtens geſchultes und mit umfaſſendern Vorkennt⸗ 


niſſen auẽgeruſtetes Volk, dies als Mafſe genommen. 


Einer andern Hauptrichtung der deutſchen Kunſt, wie 
fie ſich gegenwaͤrtig entwickelt hat, begegnen wir in Duͤſ⸗ 
ſeldorf. 


Die Werke, die aus ihr hervorgegangen, koͤnnen 


leichter genoſſen werden als bie aus der münchner Kunſt⸗ 
ſchule herorgegangenen, in dem Verhaͤltniß etwa, wie ein. 


Eied leichter und raſcher genoßen wird als ein Epos ober 
Diama. Die büffeldorfer Schule iſt weſentlich lyriſch, 
ſelbſt ins Hamoriſtiſchen, oder lyriſch⸗ muſikaliſch, denn bie 
Lyeik iſt mit dee Muſik mäher als irgend eine andere Dich⸗ 
tungegattung verſchwaͤgert. Es iſt aber in ihren Schoͤ⸗ 

nun eine ziemlich reflectirte Lyrik vorwaltend, und wenn 

sei mis Recht den inſtrumental⸗muſſikaliſchen Zauber 
mancher bdüffeldorfer Wilder ruͤhmt, fo preift er an andern, 


unde 


en meift etwas Subjectives, Lyriſches, nichts Dramatis 
ches, wodurcy allein zus bewirken ift, daß die Kiguu gleich: 
Tram auf Wort und ar‘ Rn Pair Bi. FW 
betrachte Leſſtug's Huffitenprebigt, und man wird zugeben 
müffen, daß jede Figur, einzeln genommen, der Ausdrud 
eines lyriſchen Gemuͤthszuſtandes fei;. keine fchreitet aus 
fih oder aus dem Dealer — denn alle diefe Kiguren find 
nur Reflexionen des Malers felbft — in obiettiver Weife 
heraus, fondern jede verharrt in ihrem Gemüthszuftande 
unverbruͤchlich, traͤumeriſch, im und uͤber Ati fetbſt vrirtend. 
Daher fehlt es der Compoſition — ſo ſchoͤn die einzelnen 
Figuren auch find — an Leben und Bewegung, ar dra⸗ 
matifcher Handlung; auch find die Figuren zu. abſichtlich 
rund herum aufgeftellt, als Repräfentanten dee Geflihle, 
in welche ſich der Künftter bei der Behandlung des Ge: 
genftandes hinein ernpfand. Das wilde Durcheinander; die 
großartigen Verwickelungen und Verfchlingungen, bie wir 
bei Cornelius und Kaulbach finden, und worin fich bie 
ſchoͤne Unorönung dem Bilde des Kenners in die bewun⸗ 
dernwertheſte Ordnung auftöft, finden wir bei den Duͤſ⸗ 
felborfern nicht oder mur in untergeorbnetem Grade. Meift 
begnügen fie fich mit zwei oder drei Figuren, wo Andere 
deren doppelt ober dreimal fo viel brauchen würden. Huͤb⸗ 
ner malt einen Simfon, wie er die Saͤulen neigt. Er 
braucht dazu zwei portraitaͤhnliche Figuren, einen musbel⸗ 
kraͤftlgen Mann und ein Kind — denn bie Duͤſſeldorfer 
fielen gern den Gegenfag zwiſchen Alter und Jugend bar 
‚und malen mit Vorliebe Kinder — und zwei Säulen, bie 
er ſußt. Man ficht bier, in ber Weiſe der Duͤſſelderfer, 
nur den Beginn der That, nicht die That in ihrem gan⸗ 
zen Umfänge, ihren Folgen und ſchrecklichen Wirkungen. 
Diefe frllt ein Maler des 17. Jahthunderts, Gerard. Hoẽt, 
dar; Steiamafien und Saͤulenkapitaͤle ſtuͤrzen wir und 
md durcheinander, unteramast mit eingeinen ringenden, 
auffährelenden und toten Menſchen, and ſchon beginnt 
auch Simfon der über ihn zuſammenſinkenden Kuſt zu dr: - 
liegen. Solche Vergleiche ließen ſich, nicht zum Vortheile 
ber Duͤſſeldorfer, noch fehr viele anſtellen. Ihre Haupt⸗ 
vorzüge find ihre belicate Detaillirung, ihr glänzendes Co: 
lorit, worin die Münchner im Allgemeinen nicht mit ih⸗ 
nen concurriren koͤunen, ihre zarte Naturkiebe und eben jene 
tief innerliche Gemuͤthlichkett, die fie aber auf dirfetben 
Abwege gebracht Hat, wohin viele unſerer allzu genruth⸗ 
lichen und ſchwermuͤthigen Dichter und Eonponiſten we: 
sachen find. Daher fagt Uchttitz mit richmlicher Unpartei⸗ 
lichkeit ſelbſt: 


ee a near Bereit a 
€ t eine abzuleuguenbe Hinn u den 
a der Seit, ein Pe den mia as Satan 


n 
Sinne einen mobernen wennen muß. Die gelecete Semtimuentalltät 


oder Gwenn nicht gar Tolett) gefenkten a 
——— 

un, die ofen Tdea ' e 
ganze gelſt⸗, kraft⸗ und fafttofe Idealwelt che einer Fr 


1007 


Achen Stunkichleit. vertallenen Gefühle, ber wir auf ben Aus⸗ 
Kallungen bäffeldorfer Wilder mehr ober wenigen begegnen, ge: 
höcen hierher. — 

Einem Manne, der gegen die Untugenden der duͤſſel⸗ 
dorfer Schule fo ſtarke und ſcharfe Worte zu brauchen 
weiß, werden wir uns als einem unparteilihen Zührer 
durch die duͤſſeldorfer Kunſtwelt ohne Bedenken anver⸗ 
trauen bürfen.. | 

Der erfle der in biefem Buche mitgetheilten Aufläge 
trägt die Überfehrift: „Düffeldorf und die Künfkter.” Der 
Charakter der Stadt, ihrer Bewohner und Umgebungen 
wird geprüft und behauptet, das feine Ruͤckwirkung auf 
bie Kuͤnſtter nur ein günfliger genannt werden koͤnne. 

In einer Stadt 5. B. — fagt ber Verf. — melde einen 
fo lebhaften Teitifchen Verkehr, einen fo überfüllten geiftigen 
Markt mit feinen taufend Meinungen des Tages, wie etwa 
Berlin, enthalten Hätte, moͤchte jenes flille, ſich abſondernde, blos 
mit ich ſeldſt beſchaͤftigte Kunftieben fchwerlich zu ber Bläüte feines 
Weſens, zu der es fich in Düffelborf entfaltet hat, gebichen fein. 

Das Entbolifche Element, welches in Duͤſſeldorf ber: 
vorteitt, und zwar nach des Verf. Behauptung markirter 
als z. B. in Trier, wird hierbei in mähere Betrachtung 
gezogen. Diefes Element fei, wie ber Verf. meint, nicht 
ohne Einwirkung auf den Entwidelungsgaug ber düffel: 
dorfer Schule geblieben und verfpräche für bie Zukunft 
noch mehr Bedeutung zu erlangen, ba bie jüngern Künfls 
er beinahe ſaͤmmtlich ans katholiſchen Ländern flammten 
und der cömifchen Kirche anbingen. üchtrit fährt fort: 
or huldige zwar mit inniger Überzeugung dem tiefſten Prin: 
eipe bed Proteſtantismus, aber es ſei doch ber Anſicht, 
daß die Kunſt der Malerei ihrem tiefften Weſen nach auf 
ähntiche Wette wie die Sculptur eine Kunſt ber antifen 
Welt, eine vorherrſchend Latholifche fe, und daB man 
wicht fo Leicht einen proteftantifchen Rafael erwarten dürfe. 
Die katholiſche Kirche komme der Kunſt aufs freundlichſte 
entgegen, bie proteſtantiſche zeige ſich ige ſproͤde und feind⸗ 
Sch, laſſe die Bilder von den Wänden verfchminben ober 
zur bloßen Decoration herabfinken. Da irre die verfloßene. 
Kunft in die Wirklichkeit hinaus, vertiefe fich in das bun⸗ 
wefte Treiben der Menſchen, vergeffe dabei aber leider zu⸗ 
weiten, zu welchem erhabenen Ziele fie berufen fei. Jetzt 
zumal fet der Proteftantiämus durch rationafiflifche Ber: 
dbung und Nuͤchternheit auf ber einen und pietiflifhe Br: 
ſchraͤnktheit auf der anbemm Seite ein hoͤchſt unerfweulicher 
Bufland geworben. Die batholiſche Riccze habe mismeis 
die aſcetiſche Auftcht des Lebens ats eine affgrmeingäritige 
aufgeſtellt, fie lafſe dem Leben, mas des Lebens iſt, in fie 
Habe das Weltliche und Irdiſche, fo viel nur irgend, maͤg⸗ 
dich, durch ihren geſtalten⸗ und farbenteichen Cultus in: ih: 
ven Kreis zu ziehen geſucht. Ebenſo wenig ſei es der =. 
benakraͤftige Luther, auf den wis hie Halbheit des gegen: 
‚sehtigen: farb⸗ sub geſtal | 
yeriäführen duͤrferen. Dieſer PYietismus geflatte vonl- Die 
Kreuden der Tat, Neigung zu Gewinn und :Verbienfl, 
altgantes. Haugweſen, bequeme Betten u. dal.; aber A 
‚wur gegen Kunft und Wiſſenſchaft, gegen das Sechaͤne, 
gegen Freude, Wis und Scherz einen frommmen ‚. 
Um er als allgerneine, Tür Alle, To Getfitiihe ats Laten 


Grundzug verbanft. 


tlofen, aſcetiſirenden Vietismus 





geftende PR fobgse. Wer ins enter: geht, eifrc er, 
ift verſſucht ver dem Deren! u, ſ. w. Won. diefer Abſchwei⸗ 
fung geht der Verf, auf eine Darſtellung der Lebeusweiſe 
und der Vergnügungen über, deren ſich bie Düffeldaxfer 
befleiligen. Er widerlegt die. Schilderung des Guofen Ras 
czynski, worin die duͤfſeldorſer Kunſtler als gemitthtiche, aber 
auch fpießbürgerliche Leute erſcheinen, die Bier oder ſaure 
Mich trinken, Kegel ſchieben und zwiſchen ben Gemuͤſe⸗ 
feldern des. Gartens auf- und abſpazieren. Uchtrit meint, 
es ſcheine, daß dem Grafen bei dieſer Stelle kein geringes 
res Mufler als Tacitus vorgefchwebt habe, er habe, wie 
diefer in der „Sermania” den Römern, der fafhionabeln, in 
die Eleganz des modernen Lurus verfunkenen großen Welt 
eine Schilderung tugenbhafter deutſcher Bacbarei vor die 
Seele halten wollen. . Hierauf gibt ums. Üdyerig von den 
Vergnuͤgungen ber däffeldorfer Kuͤnſtler Nachricht, von ih⸗ 
ven heitern und ſinnreichen Maskenſcherzen, von ihrer Eiche 


‚zu naufitalifchen Aufführungen in ben Winterconsesten, die 


ſich beſonders feit der Anwelenheit Felir Mendelsſohn⸗Var⸗ 
tholdy's geſteigert babe; und es iſt wahr, daß bie Compo⸗ 
fitionen diefes Meiſters faſt ganz der gemüͤthvollen, inni⸗ 
gen und zart naturmaleriſchen Richtung angehoͤren, welcher 
auch die duͤfſeldorfer Malerſchule ihren charakteriſtiſchen 
Im Winter ſindet an jedem Sonn⸗ 
abend eine Verſammlung der Altern Kuͤnſtler mit Giaſchluß 
des Directors flatt, deren Zweck ein Pünfkterifcher, aber 
zugleich auch ein Liseracifcher iſt. Ächteig ferbft iſt in die⸗ 
ſem Kreiſe Vorleſer; er bat die Künftter nicht bios mit 
Tiecks Werken, mit den Dramen der alten Geiechen und 
der Spanier bekannt gemacht, ſondern er theilt ihnen auch 
hiſtoriſche Bruchſtuͤcke Über die Kreuzzuͤge, die deuffche Kai⸗ 
fergeit, die huffitifchen Unruhen u. f. w. mit, Fragmente 
aus Livius und Herodot, bie Annalen des Lamberhis van 
Aßchaffenburg, die Memoiren Joinville's u. f. w. An ge: 
wifſen F beſtimmten Sonnabenden ſind die den Verefn 
bildenden Kuͤnſtler verpflichtet, jeder eine Zeichnung mitjns 
bringen, bie dann gemeinſchaftlich betrachtet, ‚geprüft ab 
beuutheilt werben. Dagegen licht: man ie deutſchen kunt: 
biätter faft gar: nicht und fire die Geſchichte der Kumft 
ihr fich and) kein Interefe. Diele Abgeſchloffenheit, dies 

ulanerleben auf dem Pleinen Eilande, das mit der ei⸗ 
genen Gubjectivität und ber Subjectivigkt Gleichgeſtimmter 
und Gteichgefiunter feine Grenze hat, Bunnen wir durchaus 


nicht billigen; bie großen Meifter der Kunſt, ein Leonardo 


da Vinci, ein Michel Angelo, ein Albrecht Dürer find auf 
einem ganz andern Wege groß geworben; und wenn man 
gpeln. ma 
ſ 


auch eher loben als , daß bie dh e Künfle 
ler ſich in Ya m politi a et 


ter den Dichtern hei Goethe, berofärt fich in ” "Steffi: 
| er 

d ah, und isn, Ih 

fethſt ri, aut Sure, fh von der Zeit 


era . 


in ſich 


1068 


Mügelt zu fehen; und fo hat fich denn allerding6 Vieles 
um fie her geändert, während fie wefentlich die Alten ge: 
biieben find. Folgende Stelle fchreiben twir aus dem Buche 


von üchtritz ab: 

Wenn wir aber auch ben eifigen, geftalts unb farblofen 
Äther der Abſtraction, zu welchem bie Philofophle der legten 
Jahrhunderte emporgeftiegen iſt und ihrer Ratur nad) empor: 
fleigen mußte, für eine dem bildenden Kuͤnſtler geradezu töbt: 
liche Luftfchicht anzuerkennen hatten, fo fahen wir uns body zu: 

leich darauf hingewieſen, daß es noch ein anderes, in der Le⸗ 
digkeit der bloßen Vorflellungen verharrendes, noch mit Gefühl 
und Phantafie erfüntes Gebiet des Gedankens gibt. Diefe gleich 
ſam auf der Mitte bes Berges liegende Region, die fon eine 
binzeichend weite Ausficht gewährt und dabei doch noch mit 
grünen Kräutern, Gewaͤchſen und Bäumen farbig und üppig 
geſchmuͤckt bleibt, iſt offenbar auch eine dem bildenden Kuͤnſtler 
‚zugängliche und wohlthätige. Große Beifpiele aus unfern Tas 


gen (ich erinnere an fo manches in München Geleiſtete, befons - 


ders den dortigen Bötterfaal und die genialen für das berliner 
Mufeum beflimmten Compofitionen Schinkel's) bewähren daß 
Recht der Malerei, auch den philofophifchen Gedanken in die⸗ 
fem weitern Sinne zu einem Diener ober Gehütfen ihres Wir: 
ckens zu machen. Es fcheint hiernach, daß wir einen weſent⸗ 
lichen Mangel des hiefigen (düffeldorfiichen) Künflierkreifes zus 
geftanden haben, indem wir einräumen mußten, daß in bem 
Phllofophizenben Denken und der Handhabung bes Allgemeinen 
nicht gerade die Stärke der biefigen Kuͤnſtler liege. 

Bon &. 92 — 102 kommt üchtritz, der ſich überhaupt 
bisweilen wiederholt, abermals auf kirchliche Dinge zu fpre: 
hen, die mit Art und Wefen der Künftler in Düffeldorf 
gar keinen Zufammenhang haben. Aber merkwürdig find 
feine Äußerungen am Schluffe, wo es heißt: 

Allerdings fehne ich mich nach einer Kirche von äußerer 
Geftaltung,, einer äußern Stüge des innern Lebens. — Der 
Geiftliche darf nicht Ichren, was ihm beliebt. — Wenn fein 
Gewiſſen es ihm nicht zuläßt, die Lehrfäge der Kirche vorgutras 
gen, oder wenigftens in der oder jener Hinſicht zu verfchweigen, 
die Differenzpuntte zwiſchen feiner Überzeugung und ber kirch⸗ 
lichen Lehre nicht gefliffenttich hervorzuheben, muß ex ausfcheis 
den. Es iſt durchaus nicht zuläffig, daß ber Gemeine des einen 
Dorfes Chriftus als der Sohn Gottes, der des näcften Fleckens 
als eine bloße Art von Sokrates, in ber benachbarten Stabt 
endlich wol gar als ein mythiſches Product der Gläubigen von 
der Kanzel verkündet werde. Die Beſtimmung des Prebigers 
und Geelforgers iſt nicht die, die Wiffenfchaft zu fördern; er 
repraͤſentirt das Feſte und Beſtehende in ber Kirche u. ſ. w. 

Zulegt weiß Uchtritz fich felbft aus dem Wirrſal nicht 
mehr herauszufinden und er ruft deshalb mit Leo: Wir 
figen an den Waſſern Babels und weinen, wenn wir an 


Zion gedenken. | 
(Der Beſchlus folgt.) 





Meuere Erſcheinungen auf dem Gebiete der Sprachfor: 
[hung in England. ' 


Wie in fo manchen Andern haben die Engländer in bem 
elde der Sprachforſchung freie Bahn gebrochen. Als Herder 
eine unfterbliche Abhandlung über den Urfpeung ber Sprache 

ſchrieb, Hatte er nur englifche Vorgänger. Bacon und Eode 
mätten ber Sprachwifſenſchaft mehr als vielleicht alle eigentliche 
Grammatiker unter den GEnglänbern ihrer Zeit zufammenges 
nommen; einer ber älteften von biefen, Ben Jonſon, Tein ans 
derer als der Rival Shakſpeare's, gibt aber in feinem Werk⸗ 
chen ſehr gute Winke. Auf den geiftweidhen, feingebildeten Schäs 


Ier ber Griechen, Harris, folgte bas originelle Werk bes Lorb 
Monboddo. Es wurde von feinen Landsleuten nicht befonbers 
beachtet ; Harris aber wurde von Horne⸗-Tooke wahrhaft wild 
angefallen. Defien „„Diversions of Purley“, die durch Hinwei⸗ 
fen auf die hiſtoriſche Forſchung in ber eigenen Mutterſprache 
eine neue Epoche begründeten, find im vorigen Jahre wieder 
herausgegeben worden, was bei dem jekigen Standpunkte ber 
Philologie kaum zeitgemäß fein mag. Vergleichen wir Tookeis 
Wert mit denjenigen, welche wir ber neuern Schule, vor Allem 
Grimm, verdanken, fo möchten wir ben Unterfchieb der Betrach⸗ 
tungsweife mit Dem vergleidhen, was ein Zäger, und was ein 
Naturforfcher über das Treiben ber Thiere melden mag. Kühn 
und mit fharfem Bid drang Tooke durch Gegenden vor, die - 
vor ihm Niemand betreten hatte; er fuchte und war im Fin- 
ben zwar manchmal voreilig, doch in der Regel glücklich; aber 
was er fuchte, war nicht die Spur zum Grfaffen bes Ganzen, 
ebenfo wenig wie bie ruhige Beobachtung Zerglieberung eines 
Ginzelnen, fondern nur mandherlei Wild, das er auf feines 
Gegners wohlgeregelten Garten loslaſſen konnte. Käme er jett 
wieder, fo würbe der Rabdicale — denn das war er — fi 
wahrfcheintih in ber Literarifchen wie der politifchen Welt fo 
unheimiſch fühlen als Cooper's Lederſtrumpf bei ben Anfiedlern. 
Die literarifche Welt wird aber gerecht gegen fein bedeutendes 
Verbienft fein und ibm auch dafür banken, daß er bie Auf- 
merkſamkeit wieder auf das überaus fharffinnige Werk des Bi- 
ſchofs Wilkins über Pafigrapbie gelenkt bat. 

War Zoofe gegen Harris unfanft verfahren, fo wurde ihm 
und feinem Buche vergolten durch bes tieftauchenden Fearn 
„Anti= Tooke‘‘ (2 Bde., 1824), ein Bud, das ein anhaltens 
des Studium fodert und trog ber übergroßen Polemik und 
Dogmatik belohnt. Tooke, der geglaubt hatte, das Welen der 
Sprachforſchung fei, die Sprache bis zu ihren Foffilien burchzu- 
ftöbern, findet ebenfo wenig Bnabe vor Fearn, als Condillac und 
die ihm nachfprechende fehottifche Philofophie, mit ber Meinung, 
daß jede Sprache nur eine analytiſche Methode fei und umge⸗ 
kehrt. In Edinburg erfchien 1823 ein nachgelaflenes Werk von 

. Murray: „History of the european languages” (2 Bbe.); 
1886 Pritcharb’s ‚The eastern origin of the celtic nations”. 
Sept Scheint ſich die englifche Philologie, neben gründlichen 
Studium des Angelfächfifchen, eng an bie beutfchen Bors 
fhungen Grimm's, Bopp’s, Potts u. A. anzufchließen. Dies 

t %. Winning, „A manual of comparative philology” 

&onbon 1888) und Allen, „An etymological analysis of la- 

tin verbs’‘ (1836). 48, 


Literarifhe Notizen. 


Das Auguftheft des ‚Journal des savants’’ erflattet ei 
nen ausführlichen Bericht Über bie Bereicherung ber Geſchichte 
Frankreichẽ durch viele Details von den Jahren 888— 898 aus 
dem bisher unbelannten Werke bes Benedictiners Richer aus 
dem Klofter St.⸗Remigius zu Rheims, welches Dr. Pertz im 
vorigen Jahr in bie „„Monumenta Germaniae’’ einmwebte und 
auch in einer Beinern Ausgabe erfheinen ließ, von welcher ſchon 
eine neue Auflage und zugleich eine franzoͤſiſche Überfegung vers 
anftaltet wird. Ron biefem Werke ift Feine Handfchrift im 

ankreih und Italien bekannt, daher jene ber öffentlichen 
ee zu Bamberg als das einzige Original zu betr 
ten iR. 


Bon Eh. Romey's Werk: „Histoire d’Espagne depeis 
les premiers temps jusqu’a nos jours‘‘, find bereits vier Bünde 
fertig. Das Ganze fol deren acht umfaflen und mit 80 Bigs 
netten, Portraits und Anfichten ber vorzäglichfien Monumente 
Spaniens, nad Raffet's Zeichnungen, ausgeftattet fein. Die 
bisher erfchlenene Partie ift bereits ins Spaniſche überfegt und 
von allen Einſichtẽvollen jenfelt der Pyrenaͤen als trefflich ans 
erlannt werden. 5. 


Berantwortlicher Geraudgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Leipzig. 
ö — 


Blätter. 


fär 


literarifbe Unterhaltung. 








(Beſchluß aus Nr. 268.) 


Der zweite Auffag traͤgt die überſchrift: „Die duͤſſel⸗ 


dorfer Akademie“, der zuerft viele gute Bemerkungen über 
das Verhaͤltniß zwiſchen Meiſter und Schüler im 15. u. 
16. Jahrhundert, dieſer Zeit der größten Bluͤte der Kunſt, 
über die Einrichtung der Kunftalademien und das Stu: 
dium der Autike enthält. Bei der neuern Weiſe der Lehr: 
art, fagt Uchtritz, herrſche das kritiſche Talent flott des 
ſchaffenden vor, der Meiſter unterrichte mehr theoretiſch, 
als daß er praktiſch anleite. So auch in Duͤſſeldorf; aber 
es habe ſich hier ein Verhaͤltniß zwiſchen Meiſter und 
Schuͤlern gebildet, weiches in mehr als einer Beziehung 
an bie alten ruhmvollen Malerſchulen des 15. und 16. 


Jahrhunderts erinnere, in mancher andern jedody ebenfo 


ſcharf von dieſen abweiche. Fruͤher habe der abfolutmonar- 
chiſch herrſchende Meiſter nothwendig ſeinen Schuͤlern den 
Stempel ſeiner eigenen kuͤnſtleriſchen Eigenthuͤmlichkeit auf⸗ 
gedruͤckt; bei Schadow aber beficht oder beſtand wenigſtens 

uͤher ſein großes und groͤßtes Verdienſt gerade umgekehrt 
n der Fähigkeit, ſich ſelbſt und die Beduͤrfniſſe feines ei⸗ 
genen Weſens der Individnalitaͤt ſeiner Schüler gegenüber 
zu vergefien und wie ein liebevoller Gaͤrtner jede Blume 
und Pflanze in Gemaͤßheit der ihr von Bott eingefchaffe 
nen Ratur zu erziehen. In den legten Jahren und feit 
feiner italleniſchen Reife im 3. 1830, faͤhrt üchtritz fort, 


hat nun freilich die immer vorhandene ——— 
** 


Vndenz deſſelben ihn von dem früher betretenen Wage 
gefuͤhrt und die ihm angeborene Vielſeitigkeit und Em⸗ 
pfoͤnglichkrit gefchaͤlert. Die Schuͤler, bie dieſer Richtung 
folgen, haben ſich auffallend vermehrt und arbeiten, von 
ihm mit vorzuͤglicher Sorgfalt gepflegt und behuͤtet, in der 
naͤchſten Umgebung des Meiſters. Diefe Äußerung rührt 
nom Sastober: 1837 Herz. im Febrnar 1838 ſchreibt Lchtrig, 
Hp dinige andere: Schhler Schadow's jede Umänderung von 
Seite veſſelben in Abrede ſtellten. Wielmehr -fei ex nach 
dem Abgange der talentvollern unter ben büffeldesfer Hei⸗ 
Kinsninolern nad) Stellen, fowie ducch die Nachrichten über 
dad großurtige Kumfitreiben In Münden wieder andern 
@inmes geworden. Er fei fo zu ber Überzeugung gelangt, 
daß man Urſache habe, in Duͤſſeldorf zuſammezuhalten 


und mit vereinten Kraͤſten den großen Wottkanpf zu be⸗ 


+ 


fiehen, forwie, daß man wohl thue, bei diefem Kampfe das 
Hauptgewicht feines Steigens nicht auf diejenige Seite zu 
legm, wo man von den Mebenbuhler überflügelt zu wers 
den befürchten muͤſſe, fondern auf diejenige, wo man ihm 
überlegen fei, alfo mehr auf Colorit, Tiefe der Ausfüh- 


sung, Naturwahrheit, Correetheit. Auch der Spaltung 
zwifhen den Oſt- und Rheinländern, die einmal einiges 
Geraͤuſch erregte, wird Erwähnung gethan und Schadow 
entfchuldigt, wenn er nicht auch die jüngern Zöglinge, meift 
Rheinländer, in fein Haus und feinen Samiliencirkel gez 
zogen hat. ef. glaubt gern, baß es den Mheinländern 
zwar nicht an Freimuth und Selbſtbewußtſein, auch nicht 
an Anftand und natürlihem Takt fehlt, daß ihnen aber 
jene felbftverleugnerifche Schmiegfamkeit abgehen mag, wo: 
duch ed den Norddeutſchen cher möglich wird, fidy nicht 
blos unter das Geſetzesjoch einer falondhnlichen Geſellſchaft 
zu beugen, fondern fi darin auch wahrhaft befriedigt zu 
fühlen. Übrigens find in biefer Partie des Buches neben 
vielen trefflichen Anfichten auch viele Breiten, unnöthige 
Ausläufer und ermüdende Raiſoͤnnements über allerlei Klein: 
gegenſtaͤnde des düfjeldorfer Kunſtlebens. 

Der dritte Aufſatz führt die Aufſchrift: „Das duͤſſel⸗ 
dorfer Theater unter Immermann's Leitung” Man ift 
erkannt, fatt über das: bemerkte Thema, eine lange aͤſthe⸗ 
tifche Abhandlung uber das Drama im Allgemeinen und 
über Shakſpeare, Calderon, Goethe's „MWahlserwandtichaf: 
ten” und das deutſche Familiendrama im Beſondern zu 
leſen, eine Abhandlung, deren Faͤden hier erſt nur angelegt 
find, denn ber Schluß aber die Fortſetzung fol erſt in 
dem zweiten Bande dieſes Buchs zu unſerer Kenntniß ge 
tagen. Abgefehen davon, daß die Abhandlung nicht. hier⸗ 
her gehört, wird uns ein reicher Scheb- feine Beobach⸗ 
tungen und tuͤchtiger Anſicheen Deugebaten, ‚Die auf eis 
ner fehlen und fittfihen Grundlage beeuhen, von- einer 
gruͤndlichen phileſophifch⸗ aͤſthetiſchen Durchbildung des Verf. 


HDeugniß ablegen und den Nachweis über die Uerfächen, 


weiche den Verfall der deutſchen Buͤhne veranlaßten, füh- 
ren ſollen. Mas die Auffepkäfte icher biersunfiiche, leider nur 
zu kurze Verwaltung Immermann's bettfft, umter welcher 
die Duͤſſeldorfer noch einmal, ‚le ein lehtes Abendroth, 
eine Bühne im guten alten Sinne, ober. doch im beften 
Sinne, in dem ihr gegewaͤrtig zu eriflären werzoͤnut if, 
geſehen yabıw’, fo find dieſe nur gering und bezwecken 


1070 


im Allgemeinen eine Apotheofe der Immermann ſchen Lei: 
tung, die er zugleich von einigen ihr gewordenen Anklagen 
zu reinigen ſucht. So wurde Sinmermann bämifch ver: 
feumbdet, wenn man zu verbreiten gefucht bat, daß er wer 
weiß was für Vortheile, und namentlich einen großen Jahr: 
gehalt in feinee Stellung als Director des duſſeldorfer 
Theaters bezogen habe, wogegen Üchtrig behauptet, daß bie 
pecuniairen Nachtheile von Immermann nad) langer Zeit noch 
- nicht ganz verwunden worden find. Immermann hat ber 
Bühne viele Opfer an Geld und Zeit gebracht und es iſt 
daher in hohem Grade unbillig, wenn von mehren Seiten 
ber behauptet wurde, er hätte nicht blos Grabbe's Dra⸗ 
men zur Aufführung bringen ſollen, wofür fie keinesfalls 
geeignet find, fondern er hätte ihm und andern dramati- 
ſchen Dichtern auch tüchtige Honorare zahlen follen, was 
bei der Finanznoth, in welcher fih Immermann und das 
duͤſſeldorfer Xheater befanden, gar nicht möglich war. Im⸗ 
mermann hat nad) üchtritz's Meinung für Grabbe gethan, 
was in feiner Lage für ihn zu-thun das Beſte war. 

Der vierte und legte Aufſatz des vorliegenden Buches 
enthält eine gründliche, faſt zu umfaffende biographifhe und 
Eritifch = äftherifche Arbeit über den berühmten Dialer Lef: 
fing, welche mit außerorbentlicher Liebe in den Dargeſtell⸗ 
ten, feine Werke, feine verfchiedenen Lebensmomente, feinen 
Bildungsgang, feine Pfyche und feine ganze Art zu fein 
eingeht und viele intereffante Punkte darbietet: Möglich, 
dag Üchtrig den liebenswuͤrdigen Kuͤnſtler im Allgemeinen 
zu hoch ſtellt, nicht im Verhaͤltniß zu feinen düffeldorfer 
Kunftgenoffen, aber vielleicht zu den Heroen der Kunft in 
andern Zeiten und an andern Orten; doch bleibt fein Ur: 
theil im Einzelnen immer ruhig, befonnen, bemeffen, und 
wenn wir die Wahl haben follen zwifchen der pilanten, 
immer fich vermahrenden, immer pridelnden und maͤkeln⸗ 
den, fih bin und her windenden unb gefpendetes Lob 
durch gleich darauf gefegten Tadel verbrängenden Weife der 
neudeutfhen — nicht „iungdeutfchen”, was einen ungehoͤ⸗ 
eigen politifhen Beigeſchmack erhalten hat — kritiſchen 
Schule und der bingebenden liebevollen Weife, wodurch fich 
Üctrig charakterifict, fo geftehen wir offen, daß wir unbe: 
Dinge dee letztern ben Vorzug geben und ihr, in Bezug 
auf unfere heils⸗ und erlöfung6bedürftige Zeit, etwas Deils: 
und Erloͤſungskraͤftiges zugeftehen. Wir müffen indeß auch 
diefen Auffag breit nennen, üchtritz iſt faft zu beutfch pein- 
ih und umftändlich, und verfteht fih zu wenig auf Ver⸗ 
kuͤrzungen und Bufammenziehungen ber fprachlichen Ein- 
Heidung, er motivict zu viel, er befchäftige ſich zu emſig 
mit dem Kleinſten und Alterleinften, mas nicht einmal 
auf feinem Wege, fondern aud oft außerhalb befielben 
liegt und muͤhſam herbeigezogen wird, und fo iſt allerdings 
der Übelftand eingetreten, daB wir bier eine Abhandlung 
von mehr als 150 Seiten vor uns haben, deren Fort⸗ 
fegung im näcften Bande geliefert werben fol. lm feine 
Abhandlung zu popularificen, hätte fih der Verf. um Vie: 
les kuͤrzer faflen müfien, ba gegenwärtig, wie er felbfl 
vecht gut weiß, bie große Lefewelt keine Zeit hat ober zu 
haben glaubt, ober, von ben Berfplitterungen des ober: 
nen Lebens Hin: und hergemicbelt, keine ſich abzumüßigen 


verfieht, um über eine einzelne kuͤnſtleriſche Erfcheinung, 
mag fie auch Immerhin fo bedeutend wie Leffing fein, ein 
ganzes Buch durchzuleſen. Und werden die Münchner nicht 
mit Recht ihre alte Klage wiederholen, daß man zu Eh⸗ 
ven dee Düffeldorfer, als gäbe es in Düffeldorf nur Rafael 
und Michel Angelo, in Rorddeutfchland zu viel Tinte und 
Papier verbrauche und Federn abnuge? In der That, wie 
viel Bände müßte, im Verhaͤltniß zu diefer Abhandlung 
über Leffing, eine Monographie über Cornelius umfaffen, 
der, feiner Eoloffalen Bilder nicht einmal zu gedenken, eine 
viel inhaltreichere Künfklerlaufbahn durchgemacht hat, eine 
viel eingreifendere Richtung nahm und mir auch als Menſch, 
als Charakter und als Denker bedeutender zu fein fcheint, 
als der mehr in fich träumerifd verlorene und gewiffers 
mafßen dem Maturleben innig hingegebene Lefiing? Wir 
fehen übrigens mit Erwartung und Vergnügen der Fort: 
fegung des Liebenswürbigen Auffages und dem zweiten 
Bande des Werkes entgegen, um dann, wenn der Verf. 
feinen Artikel über Leffing vervollftändigt und fein Gemälde 
abgerundet haben wird, näher in bie Details einzugehen 
und auch wol bier und ba einen Eritifchen Einwurf gegen 
des Verf. Einzelurtbeile zu erheben. 

Jedenfalls ift das Üchtrig’fhe Buch ein fehr dans 
kenswerthes, da es dazu beitragen wird, das Chaos 
bee über die duͤſſeldorfer Schule verbreiteten Anfichten 
zu lichten, zu deren Berbidung und Berfinfterung 
jüngft noch Püttmann in feinem Bude: „Die düfs 
ſeldorfer Malerſchule“, auch feinerfeits ein Weniges bei: 
getragen bat. Üüchtritz bewährt ſich Hier als ein ſelb⸗ 
ftändiger Denker, der nicht auf die Meinungen des Ta⸗ 


ges fhwört und in typiſchen Allerweltsphraſen das Heil 


der Kritik fucht, fondern vielmehr oft tapfer gegen fie ope⸗ 
rirt, ohne deshalb irgendwie verjäbrten Anfichten Vorſchub 
zu leiften. Was in ihm der philofophifchen Durchbildung 
angehört, drängt ſich nirgend eigenmächtig hervor als ein 
Moment, was für ſich allein gelten und alles Übrige b 
berrfchen will, auch iſt es einem Syſtem Enechtifch ver: 
fallen, aber: e6 durchdringt feine Anfichten als ſecundaires 
Princip, welches feiner Kritik Leben und Athem verleiht, 
uͤberall Humanität predigt und fomit der Sphäre ber ech: 
ten Weltweisheit angehört, die, unter den fortdauernden 
Reibungen fo vieler einfeitig verharrender und einander bes 
tämpfender, oder mit Haut und Haar verfäylingender Sy⸗ 
fieme und Syſtemchen einerfeits wie befchränkter und zuͤ⸗ 
gellos willkuͤrlicher Einzelmeinungen andererſeits, immer 
ſeltener zu werden droht. H. Marggraff. 





1. Die Ariſtokratie in Amerika, aus dem Tagebuche eines 
deutſchen Edelmanns herausgegeben von Frantis J. 
G un db. Zwei Bände. Stuttgart, Costa. 1839. Gr. 8. 
3 Thle. 

2. Amerikaniſche Reifen von M. Beyer und 2. Koch. 
Zwei Theile. Leipzig, Müller. 1839. 8. 2 Thlr. 

Die Urtheile des Hm. Grund, wie fid) ber Nerf. des er⸗ 


rthei 
Bes ein ennen belebt, in 
a ee a ifbegcünbeie Drafei. Daß man 


wicht ohne «ine gewiffe Prädeflination des eigenen Urteils einer 
neuen Seſſion biefer modernen Pythia auf ihrem Dreifuße bei⸗ 
wohnen kann. Obgleid der Hr. Verf. vielleicht nie, auch ehe 
ee. nad Amerika ging und dort Anglicismen und Yankismen 
erbeutete, correct beutfch gefehrieben hat, fo ſchreibt ex doch flie: 
Send und erzählt gut, hat eine reiche Quelle an Gonverfationes 
wis, ein fcharfes raſches Urtheil, und jene Gabe, immerfort er: 
zählen und fich reden hören zu können, ohne zu ermüden unb 
obne zu ahnen, daß er feine Zuhörer ermüde. Ohne bie Zus 
gabe einer echt: ariftokratifchen Arroganz hätte Dr. Grund wahrs 
fcheintich dieſes Werk nicht auf fein früheres: „Die Amerikaner 
in ihren moralifchen, politiſchen und geſellſchaftlichen Verhaͤlt⸗ 
niſſen“, folgen laffen. An legterm bat man getabelt, daß Hr. 
Grund nur mit dem Often, d. h. mit einigen der großen Stäbte 
ander, Guropa zugewendeten Küfte der Wereinigten Staaten, 
befannt, nicht aber mit dem Leben im Innern vertraut fe. 
Daß er, wie beutfche und englifche Recenfenten ihm vorgewor⸗ 
fen haben, fi zum unbebingten Vertheidiger ber Vereinigten 
Staaten Europa gegenüber aufgeworfen habe, ift und nicht auf- 
gefallen und lag wol auch nicht im Interefie des Den. Verf. 
Genug, wir lernten bie Amerikaner nach Hrn. Grund's Auf⸗ 
jaffungen und in den Gegenden kennen, welche am meiften dem 
Einfluffe europaͤiſcher Sultur ausgefeht find, Tahen eine Menge 
focialer Begriffe unfers Welttheild, durch bad zwifchenliegende 
Seewaſſer in eine unbrauchbare Verfaſſung gerathen, dort ans 
Zommen und erft nach geböriger Umarbeitung in neuen Ge⸗ 
brauch genommen werben; ja, wie fanden, daß eine ſehr bedeu⸗ 
tende Anzahl derſelben gleichfam mit ben Zweigen in die junge 
Erde gepflanzt, an ben Wurzeln grüne und üppig gen Him⸗ 
mel treibe, und entdeckten, daß die Sonne der Freihelt das Le 
ben von oben nach unten zu bilden trachte, während in ber 
elten Welt alle Entwidelungen von unten nach oben geben. 

Dieſe Schilderungen waren vielfach belehrend und interefs 
font. Cine Bewegung der Kräfte in ben jugenblichften, abens 
teuerlichften,, fanguinifchften Goolutionen des Menfchengeiftes, 
wie wir Deutfchen fie nur dichten, nicht denken, am wenigften 
ausführen dürfen, entfaltete fi vor unfern Bliden, und wenn 
uns auch babei ſchwindeln wollte, fo fahen wir body eine ges 
wiſſe höhere Ordnung, eine unvertennbare Nothwendigkeit dieſe 
Bewegungen leiten und lenken, und verſprachen uns davon ir⸗ 
gend eine Zukunft der Beruhigung, gleichſam als fühlten wir, 
Haß nur in der Ruhe die Menſchheit zu Verſtande kommen tönne 
und mithin auch die amerikaniſche an dieſes Ziel gelangen möffe. 

Was aber gibt uns der Hr. Verf. hier? Geinem Scharf: 
Wi entging es nicht, daß dem, jungen Leben Amerikas etwas 
mangele, was Guropa im UÜberfluſſe befigt, und was, wir moͤ⸗ 
gen uns zu Zeiten barüber exbofen, wie wir wollen, dennoch 
ein hoͤchſt wichtiges, alle uͤberſchnelle Gaͤhrungen verbietendes 
und hinderndes Element unſers ſocialen Lebens iſt — wir mei⸗ 
nen die feubale Geburtsariſtokratie. 

Hr. Grund verſteht es aus dem Grunde, bie ameritanis 
ſche jugendliche unbeholfene, ja plumpe Hinneigung zur euro: 
pöithen Arifofratie und ein gewifies, hoͤchſt verkehrtes & 
einem völlig abgefchmadt gewählten Mittel, den WS 


act biefes Zrriben nad) unfern Megeiffen 
—— ee Yet ven Metteifelg un 


dieſer 
rer Kaſten, von dem leeren Leden und Treiben unfers 


lichſten atlantiſchen Staͤdte“ beſchrieben. 


an ben Höfen, von der Scheidung ber Staͤnde in ben 

Finden wir nicht Alles bei uns auch und noch as ur 
bazu, was bem Fremden ebenfo lächerlich ift? Dex Unterfchieb 
host ri der wi —X daß dieſe Laͤcherlichkeiten in Eu⸗ 

ine uralte Ge te haben, in Amerika 
Geſchort⸗ er Dane j aber ſich ex eine 
er and ſchildert „einen Tag unter dem A 

von Neuyork zugebracht“. Neuyork, die größte — 
Stadt, hat den größten Handel, zaͤhlt die größte Menge durch 
den Handel emporgetriebener und emporflzebender Aventuriers, 
enthält bie größte Blachheit der Bildung, ben mehrſten Schein⸗ 
veihthum und daher den hohlſten und aufgeblafenften Ariftokens 
tismus. Die Männer find Zahlenhelden und haben alle nur 
das Ginmaleins im Wappen: eine armfelige Heraldit! Die 
Mädchen, meift ben ungebilbeten Müttern überlafien, während 
die Väter von früh bis Abende im Comtoir zubringen, um fich 
zu ben erflen Geldgrößen hinaufzuarbeiten, werben in its 
bungsanftalten gethan und kommen mit einer hoͤchſt ob ⸗ 
lichen Kenntniß ber freien Künfte zurück, um einen Mann zu 
fiſchen. Die jungen Leute find liederlich und geben fi bas 
Anſehen, als fei ihnen nichts gut genug. Gegen Europäer aus 
abeligen Familien find beide Geſchlechter gemein und zubring- 
lich; bie übrige fleißige Ginwanderung wird veracdhtet. In Eus 


ropa trachtet der Amerikaner überhaupt nach Art ber jungen - 


Engländer ber Ariſtokratie anzugehören und ben Fürſten vor⸗ 
geftellt zu werden; ja, fie verleugnen, wenn fie können, ihr Bas 
terland und geben ſich für Engländer aus. Bekanntlich if in 
europäifchen Hoffläbten jeder Brauer = und Krämersfohn aus 
England ein geborener Edelmann und courfähig. Der Guropäer 
lacht über diefe Schwachheit der Republikaner, und biefe Toms 
men daher mit bem ernflern und gebilbetern Leben in keine 
nahe, bildende Beziehung. Diefer Tag in Neuyork enthält 
die Quintefienz der amerikaniſchen Leerheit. 

Im zweiten Bande iſt ‚eine Reife durch bie vorzüglich. 
Bofton if als bas 
Athen der Amerikaner im Gegenfage von Neuyork am ausführ: 
lichften behandelt und greil in feiner echt englifchen Guffifance 
gezeichnet. Sicherlich verräth jedoch das Leben bort einen fes 
ſtern, ſtaͤrkern, wenn auch, was natürlich iſt, weniger ercens 
triſchen Charakter und bie Gründlichleit der Geſegzgebung von 
Maffachufiets gegenüber der argen, voreiligen Flüchtigkeit ber 
Gefengebung bed Gtaats Neuport gibt dem Kenner ben Bes 
weis, daß der Hr. Verf. [darf und richtig aufgefaßt Habe. 

Philadelphia, Baltimore und Wafhington fchließen ben Cho⸗ 
rus. Jene beiden find nur leicht, ledtere, wo eben ber Gongreß 
verfammelt ift, ſchaͤrfer gegeiönet, Wir erlauben uns über bie 
Nuancen ber politifchen Körper, bed Senats und bes Repräs 
fentantenhaufes kein Urtheil; der Hr. Verf. hatte jedenfalls Por⸗ 
traits vor Augen, als er ſchrieb, und wir mäflen annehm 
baß die Männer, bie ex einführt, wirklich find und leben. 
anziehend find die Portraits Jackſon's und van Buren's, welche 
auch ben beiden Bänden in Stahlſtich zugegeben find. Wir 
fühlen uns genöthigt, bie Partei dieſer Staatsmaͤnner zu vers 
mehren; es ift etwas unwiderſtehlich Großartiges und Bertrauen 


. Bebietenbes in ihnen. 


Im Ganzen möchte bei dem allgemeinen Intexefle, welches 
man in Europa und befonders in Deutfchland an dem jungen 
Staate nimmt, dieſes Werk ein nügliches und belehrendes gu nen⸗ 
nen und als Gommentar ber vielen, über das high life ber 
Städte Amerikas vorhandenen Skizzen zu betzachten fein. OP 
es durchgehends angenehm zu leſen ſei, wollen wir babingeflellt 
fein laſſen; uns fatiguizte es ſehr oft. 

unwiberſtehlich zieht bagegen das Iehte Werk 
niſche Keiſen“, von Anfang & 
an. Zwar iſt es, wie auch Titel und Vorrede ankündigen, 
wicht aus einer Feder; allein es IR Sa ete zuſam⸗ 
mengeſtellt und * Der erſte enthaͤlt eine 
ganz ausgezeichnete der Gerreiſe von Bermen 
aus, und ſedem Aubwanderes If fie ga tmpfefan, ba die 


x 


/ 


= ee u wänfden, das biefe Mittheilungen, die har 
bis Deteoit in gan führen, weiter fortgefegt würden. Wir 
erwarteten weniger nimrodiſche Schilderungen von Hrn. DM. 
Weyer und würden ihm gern zu bden-agtieultorifchen über den 
willen des Landes gefolgt fein. Sowie ber zweite Theil endet, 
muß das Werk: unbefriebigt laſſen. Die Mühen des ametika⸗ 
nischen Landbaues und Landlebens ſind noch nicht von folder 
end geſchlldert. Auch ift die Webentung des Landbawers der 
nördlichen Staaten ber linion noch nidt gehörig gewürdigt. 
Wer Hr. Srund noch — d früheren —— uns 
at über die politiſchen tungen des amerikaniſchen Res 
—ã auf Ba Lande, über feine fortſchreitende Ber⸗ 
wbglicgkeit und feinen Ginfluß auf die dermaligen Verwirrun⸗ 
gen, in welche die Städte des Oſtens ber Union hauptfädglich 
derch ſeine zunehmende Intelligenz gerathen find, aufgeklärt. 
Die Maſſe der Demokratie, befonderd dom reindeutſchen Stamme 
gebildet, iſt eine hoͤchſt merkwirrdige Erſcheinung, die exft mit 
Jackſon's zweiter Wahl zum Praͤſidenten, mit der Wahl van 
Brite und gegenwärtig wieder bei ber zwiſchen Ihm und Dar: 
etfon ſchrankenden Wahl hervortritt und jedenfalls in wenigen 
Jahren dem deuntſchen Leben einen gleichen Rang neben dem 
engelſchen fiiern wird. Wie Grundlichkeit, welche der Deutſche 
weit ſich In alle Welttheile trägt, entwickelt fich auch bier, nas 
tutlich Iangfemer, aber eben deshakb auch obme jene Übereflun⸗ 
gen, wir mödten fagen, confervativer ale das engliſche und 
iriſche Leben. Penn nien, Ohio und meht und mehr Miſ⸗ 
fett! find die Leiter und Sraͤger deutſchen Lebens. Auch hier 
wie in Garopa ninimt es Beſit von ber Witte und breitet ſich 
von · da aus nach allen @eiten. 
Wir Tonnen beide Werke nicht weglegen, ohne auf bie 
weffalinde Charakterverſchiedenheit ihrer Verfaſſer aufmerkſam 
machen. Ht. Grund, gem ve von europaͤiſch⸗ vornehmer 
6 ng, 9 gewandt, überlegen, diplomatiſch und verſchka⸗ 
Um, tritt neben den einfachen, dürgerlich, Humangefinnten Ras 
tissmenfügen, bie im letzlen Werke eingeführt find, in einen auf⸗ 
feenben Sihtergeund; wenn wahre Bildumg und Weltbiidung 


a um fo beutlidger, und wir Tönnen uns micht bergen, 
BB, trot aller glaͤngenden Eige 
gut ie übergegangen ſei, wir 
ee 


fen aber a Ynzufägen, — : fie, leiber, ein integrtirend 
unf * — ——— als fateri ben jungen Li⸗ 





Eintr ige Önterefiomied :Bäned. an, meidhts unter. Dam 





Achoͤneres Schaufpiel habe benten könmn. 


-  - Berantwortlier Herausgeber: Leintih Brodbaus. — Drud und Verlag von 8. %. Brockhaus in Leipzig. 
TE 


ſt erei nach dem Eifaß zurüd. eine 
Borliebe für Oſtretch konnte feinem Heldenmuthe, den er für 
die Sache Frankreichs bewies, Beinen Abbruch thun; er war 
vor Allem Soldat und Hatte in ber von Tatlard Kübel angevrd⸗ 
meten und geleiteten Schlacht wie ein Loͤwe gefochten, fobaf er 
in Lebensgefahr geritd. Bon biefem Kriegsmuthe zeugen 
auch feine fchlicht, aber feurig und Iebenbig geſchriebenen Mes 
moiten. Gr befcgreibt die aͤußere Erfcheinung einer Schlacht 
mit demfelben Enthuſtasmus, wie etwa jetzt ein Journalift ee 
Beuerwert ober. bie prachtvolle Ausflattung einer Oper beſchreibt. 
Bon der Schlacht von Hochſtaͤdt ſagt er, daß man fich Fein 
‚Die Bämpfenben 
Armeen‘, fagt er, ‚waren einander fo nahe, baß die Kanfaren 
der Trompeten unb Pauben von häben und drüben rinanber 
ablöften. Hoͤtten bie unfrigen anf, fo fingen die ihrigen wieder 
an. Das dauerte fo lange, bis die Feinde ihren Marſch auf 
bee Rechten vollendet und auf ihrer Linken ihre Dieyofttionen 
zu dem Angriff auf das Dorf gemacht Hatten. In dee: berw 
lichſten Soune von der Welt alänzten bie Waffen ber beiden 
in ber Flaͤche aufgeſtellten Heere. erſeits konnte mar bie 
Jarben der Regimenter unterſcheiden. Eine Menge Generale 
und General⸗Adjutanten ſprengten und liefen bin und wieber; 
das war ein Anblick, zu herrlich, als daß man ihn beſchreiben 
konute.... Ber das Schauſpiei von einem Thurme bitte be— 
trachten koͤnnen, haͤtte geſehen, tie die Seere: gegerieinauber 
ſtießen, gleich Meerroweillen, handgemein wie man war, von 
einem Ende der Schlachtreihe bis zum andern, was ſelten sus 
nag ber Fall iſt“ m. ſ. w. Es gibt, fagt Shastes, im ber 
Welt epiſche Gemuͤther; fo eins war der Graf von Mezode — 
womit der Graf freilich verzweifelt ambeftimut charaktrriſtrt iſt 





ion de l’asa» 
—* de Paris.” Die Horzogin von Orltanẽ bat hietauf ſube 
et. 


Erſchienen oder als nächftens erſcheinend angekündigt finds 
—— of —— a Pi friend 4. ——— 
sen Hramudgageben von J. Moſcheles (2 Bde.); „Queen Victoria, 
from: her birth to her bridal” (2 Bbe.), mit Portraits; ber 
deitte Band von ber Ugnes Stridland „‚Lives of the * 
of England‘, mit Slluſtrationen; The prinoiples of the po- 
pulsfion, au their connection -yeith human -happiness”‘, Ho 
Acchibald Aliſon, Berfafles der „„Mistery of Europe during.the 
faonch revolation’z; „Tho -paems of Schiller ompleined, by 
FE. Back‘, und eine neue Ausgabe der „Leotures on the his- 
texy, of litesatare, ‚ancient amd modern, drom the German 
af Eraderich Schlegel (2m)... 5. 





Blätter 


x 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Mittwod, " 


ee Nr. 267. — 


23. September 1840. 





Beitraͤge zur neuern Geſchichte aus dem britiſchen und 
franzoͤſiſchen Reichsarchive von Friedrich v. Rau: 
mer. Dritter bis fuͤnfter Theil. — A. u. d. T.: 
Europa vom Ende des ſiebenjaͤhrigen bis zum Ende 
bed amerikaniſchen Krieges. (1763— 83.) Drei 
Bände. 

Zweiter Artikel.) 

Als wir die zahlreihen und zum Theil wirklich merk: 
würdigen Actenftüde lafen, bie der Verf. im vierten Theile 
des vorliegenden Werkes rücdfichtlich der Theilungsgefchichte 
Polens aus dem großen Schage feiner gefandtfchaftlichen 
Berichte mitgetheilt hat, fo drängte ſich uns die Frage 
auf, woher es komme, daß man troß des tiefen Abfcheus, 
den bie menfchliche Natur über Mechtöverlegungen empfin- 
det, dennoch gewiſſen gefchichtlihen Ereigniffen, deren Da- 
fein und eigenthuͤmlicher Charakter mit der ſchmaͤhlichſten 
Ungerechtigkeit verbunden iſt, mit dem größten Intereſſe 
folgt und dieſes letztere ſich immer wieder erneuern fieht, 
wenn Neues, das die Sache aufllärt und wol in ihrer 
ganzen Bloͤße darftellt, ans Licht gezogen wird; daß man 
feibft dann dieſes Intereffe in feiner ganzen Stärke an 
den Tag legt, wenn weder flammverwandtfchaftliche, noch 
Eicchliche, noch politifche Sympathien dabei ins Spiel kom⸗ 
men. Sollte man nicht vielmehr die Geneigtheit voraus: 
fegen, ja es ſelbſt natürlich finden, von bergleichen Ereig⸗ 
niffen die Augen für immer abzumenden und fie zur 
Ehre der Menfchheit lieber der Vergefienheit zu übergeben ? 
Woher alfo die beim erften Anblide fo fonderbare Erfchei: 
nung, daß man mit Raftlofigkeit in den Archiven ber 
Geſchichte forfcht, um durch neue Acten und beglaubigte 
Beweife die Frevel und Ungerechtigkeiten, die gewiſſen 
Thatfachen zum Grunde liegen, aufer allen Zweifel zu 
ſtellen und ſich darüber zu freuen, ein folches Refultat 
erreicht zu haben, da ja die Möglichkeit, Geſchehenes un: 
gefchehen zu machen, auch in derartigen Fällen am aller: 
wenigften duch reinmifienfchaftliche Mittel nicht gegeben 
it? Mit einem Worte, twoher der fcheinbare Widerſpruch 
in dem menfchlichen Wefen zwifchen dem Vernunftgebote: 
fei gerecht, und dem Intelligenzintereſſe zu zeigen: fiehe, 
wie ungerecht du bift? Die Gefchichtfchreibung der alten 
Welt und ihre Grundfäge, des Tacitus Losmopolitifche 


*) Vgl. den erſten Art. in Nr. 234 u.235 0.81. D. Red, 


Geiftesrihtung ausgenommen, kennen bdiefen ſcheinbaren 
Miderfpruh nur innerhalb der Sprach: und Stammpver: 
mandtfchaft und des Staatsverbandes. Dem fogenannten 
Barbaren gegenüber kannte der Grieche und Römer ei: 
gentlich eine politifche oder das Wölkerrecht beleidigenbe 
Ungerechtigkeit. Die Alten urtbeilten in dergleichen 
Fällen nah Maßgabe der Umftände, aber nicht nad 
den höhern und allgemeinen Gefegen des Voͤlker⸗ 
rechtes, noch weniger aus dem Gefichtöpunfte eines 
abgefchloffenen Staatenſyſtems, wovon fie überhaupt 
nichts mußten. Die Philofopheme der fofratifhen Schu: 
len, bei denen fi allerdings die erften Anfänge einer 
Voͤlkerrechtswiſſenſchaft finden, haben in dieſer Bezie⸗ 
bung auf das Altertbum in feiner Allgemeinheit einen 
Einfluß geäußert, die claffifche Gefchichtfchreibung ift arm 
an völkerrechtlichen Erörterungen und univerfaliftifchen 
Auffaffungen ber Begebenheiten, und bie politifhe Be: 
redtſamkeit Athens geht über die griechifchen Intereſſen 
nicht hinaus. Daß man übrigens ſchon frühzeitig wes 
nigſtens einige völkerrechtliche Beziehungen felbft zu Bar⸗ 
baren anerkannte, beweift die Unverleglichkeit fremder Ge: 
fandten; eine weitere Abhülfe der in dieſer Dinficht obs 
waltenden DMangelhaftigkeit bildeten die Gaſtfreundſchaf⸗ 
ten, bie theils ftaatsrechtlicher, theils privatrechtlicher Na⸗ 
tur waren; in Griechenland, befonders in Athen, knuͤpf⸗ 
ten fih daran nicht felten mercantilifhe Intereſſen, in 
Rom dagegen herrichten fehr häufig politifche Abfichten 
dabei vor. 

Ein ganz anderes Bild gewähren nun dem Beo⸗ 
bachter die neuern Jahrhunderte. Der ſociale und os: 
mopolitifche Geiſt des Chriftentbums hat die Menſch⸗ 
heit zu einer einzigen großen Familie erhoben: in der 
Theorie gibt es Leine Barbaren, Leine Rechtlofen mehr. 
Die allmälige Geſtaltung eines europäifchen Staatenfys 
ſtems, das aber auch die civilifirten Staaten anderer Erd: 
theile in fich aufzunehmen ftrebt, hat, ba es durchaus von 
cheiftlihen Grundſaͤtzen burchbrungen und belebt wirb, eine 
Gemeinfhaftlichkeit der Intereſſen und in Folge deſſen 
eine immer -fteigende Empfindlichkeit über Rechtsverlegun: 
gen und eine Kolgenentwidelung fich ausbilden fehen, daß 
voͤlkerrechtswidrige Gewaltſtreiche gleih den Verwundun⸗ 
gen des phyſiſchen Koͤrpers an dem Staatenkoͤrper der ci⸗ 
vilifirten Welt empfunden werben und daß eine Gereizt⸗ 


2074 


heit in ihm zurüdbleibt, bie fidy ber fleten Erinnerung 
an bie gefchlagene Wunde nicht erwehren fann. Diefe 
neue Richtung und Bildung des Öffentlichen Geiftes hat 
nothwendig auch den Charakter der Geſchichtſchreibung be: 
ſtimmen müße. Bon der Ügerzeugung durchdrungen, 
daß fie. nur dann ihres hochwichtigen Beruf einer Lehre: 
ein der Menfchheit würdig auszufüllen vermöge, wenn fie 
der Mahrheit ſtets die Ehre gebe und rüdfichtslos felbft 
gegen den Mächtigften Gerechtigkeit übe, und fie auch 
Dem nicht verfage, der außerhalb des Kreifes ſtammver⸗ 
wandtfchaftlicher, polisifcher und kirchlicher Spmpathien fich 
befindet, gräbt fie febft auf die Gefahr hin, hoͤchſt Un- 
gerechtes und Betruͤbendes zu entdeden — das Intereſſe 
der Menfchheit, die Wahrheit und die Gerechtigkeit ftehen 
ihr höher als der Schmerz — raftlos in den Todtengrüf: 
ten der Vergangenheit, in den Archiven der Staaten und 
Samilien, um durch das Entdedte zu belehren, zu war: 
nen und zu fchügen; daher die Theilnahme, die die Ge: 
ſchichte dem Schickſale Polens ſchenkt und ſtets fchenfen 
wird. Die Polen find Stawen; allein das Chriftenthum 
kennt keine Stammverfchiedenheiten, vor feinem Forum 
gibt es nur eine Menfchheit und das Voͤlkerrecht hat 
wenigftens in der Theorie feine Ausfprüche adoptirt. Die 
Polen gehören im Ganzen ber römifch -katholifchen Kirche 
an; allein weder das Chriſtenthum noch das Völkerrecht 
und die Geſchichte wiſſen an fich etwas von Confeſſions⸗ 
unterfchieden und ihre gemeinfchaftlihen Confeſſionsſym⸗ 
bole find Gerechtigkeit und Wahrheit. Die poli: 
tifchen Inſtitutionen der Polen waren verderbt und ihre 
Reichstage zum fpottenden Sprüchmworte geworden; allein 
ihre Republik bildete ein flarkes Glied an dem Staaten: 
törper, der im Laufe der Zeit als Refultat und zum 
Vortheile politifcher Civilifation herangewachfen mar, und 
als ein voͤlkerrechtswidriger Gewaltſtreich diefes Glied ab: 
fhlug, entftand eine klaffende Wunde an jenem Körper, 
ber fhon Ströme Blutes entquollen find, und noch iſt 
feine Ausſicht vorhanden, daß fie vernarben werbe; über 
bie Eingangspforten aller Nachbarftanten aber hat die Ge: 
ſchichte die Worte eingraben laffen: jam tua res agitur, 
paries cum proximus ardet. Und Überhaupt wird fie jetzt 
dem ruffifchen Strafen Panin, der bei ber erften Theilung 
Polens eine Rolle fpielte, fchwerlic Recht geben, wenn 
- er nah unferm Verf. äußerte: 

Wer dereinft die Geſchichte unferer Zeit Liefet, wird fehen, 
man Eonnte nicht anders verfahren, ohne Europa in einen allges 
meinen Krieg zu verwideln. Nur bie Theilung Polens hielt 

ftreih ab, das Schwert zu ziehen, und erzeugte eine Kälte 
zwiſchen biefer Macht und dem Dofe von Verfall. 

Ebenſo wenig wird man geneigt fein, ſich mit ber 
Gefinnung zu befreunden, die 1772 bei Gelegenheit einer 
Erklärung der brei theilenden Mächte ſich ausſprach, ale 
biefe die polnifche Regierung mit ber Annahme des Thei⸗ 
lungsvertrages bebrängten: 

Es gibt eine Grenze der Mäßigung, welche Gerechtigkeit 
und Würbe ben Höfen vorfchreiben!! 

Doch auch in diefer weltberühmten Ungerechtigkeit bat 
das Schidfal zwiſchen den mehr und minder Schuldigen, 


wir möchten beinahe fagen, einen zarten Unterfchleb ge: 
macht. Denn während Rußland und Preußen ihrer pol: _ 
nifhen Ermwerbungen (sit venia verbo) ſich noch wenig 
erfreut haben, find die polnifchen Provinzen, bie an Öft: 
reich fielen, nicht ohne Dankbarkeit geweſen; faft fcheint 
ed, ale habe das Schickſal daburd die Aufrichtigkeit des 
Schmerzes ber Maria Therefia und der Thränen des Für: 
ſten Kaunig beglaubigen wollen, als fie in Rußlands und 
Preußens Politie fi fuͤgen zu muͤſſen erklärten. Wir 
lefen in dieſer Hinfiht bei dem Verf. Folgendes: 

Fürſt Kaunig fagte: ich würde mein Herzblut hergegeben 
baben, wenn ich diefe Nothwendigkeit hätte vermeiden Fönnen. — 
Ohne dem frangöfifchen Geſandten etwas Beftimmites mitzuthei- 
len, wiederholte Kaunig feine gewöhnlichen Klagen über bie 
Rothwendigkeit, welcher der wiener Hof unterlegen babe. Gr 
ſprach mit größtem Gefühle und Thränen in den Augen über 
bie Unannehmlichkeiten feiner eigenen Lage und über ven Schmerz, 
welchen er empfinde, daß er vor einigen Jahren feinen Ente 
ſchluß, ſich zuruͤckzuziehen, nicht ausgeführt habe, ehe ex in dieſe 
graufamen und jammerpollen Scenen verwidelt worden. Er 
fügte Hinzu: es fei ſehr zu wünſchen, daß Rußland fidy dem 
Bemühen zugefellen möge, des Königs von Preußen Ehrgeiz 
zu bemmen unb feine Xbfichten zu kreuzen, obgleich ex ſehr 
zweifele, daß man es hierzu bringen werbe. Er ſchloß mit ber 
Bemerkung: wenn Rußland und Preußen ihre Macht durch 
große und werthvolle Erwerbungen erhöhen, fo muß bie Kais 
ae Thereſia, ihrer Sicherheit wegen, diefem Beiſpiele 

In derfelben Quelle, aus welcher ber Verf. die 
vorftchenden Worte entlehnt hat, leſen wir folgende 
AÄußerung: 

Die Kaiſerin Maria Thereſia ſagte: die ganze Sache iſt 
mir ſo unangenehm, ſo meinen Grundfaͤtzen und dem ganzen 
Inhalte meiner Regierung zuwider, daß ich es nicht ertragen 
fann, au nur daran zu denken, und baf ich die gefammte 
Führung dem Kaifer, dem Fürſten Kaunig und dem Marſchall 
Lascy übergeben habe. 

Und fo bat Hr. v. Raumer noch mehre und längere 
Stellen aus feinen gefandtfchaftlihen Quellen mitgetheilt, 
welche. den Schmerz und ben Unmuth Maria Thereſia's 
und ihres erſten Minifters über die Nothwendigkeit, fich 
in das Unabwenbbare fügen zu müffen, Iaut und unzweis 
beutig an den Tag legen. Die mitgetheilten Stellen bil: 
den in der That einen fchönen Lichtpunft in den Schat: 
tenfeiten ber damaligen Politit und gewähren Troft, wenn 
man ſich das Herz bed Unmuthes voll gelefen hat, den 
man Über Verrath, Heuchelei und fchreiende Ungerecdhtigs 
keiten empfinden muß. Übrigens erhalten die’ von Hrn, 
v. Raumer bekannt gemachten Berichte. noch einen beſon⸗ 
dern Werth dadurch, daß die Geſchichte jet mehr noch 
als früher in den Stand gefest iſt, den Schuldigen von 
dem Unfchuldigen zu unterfcheiden und ber Wahrheit zu 
ihrem vollen Rechte zu verhelfen. Und ber Segen ber 


Wahrheit darf nicht blos von ber intelleetuellen, ſondern 


auch von ber moralifcher Seite betrachtet werden. Wenn 
daher ber greife Kaunig zu dem franzöfifchen Gefandten 
fagte: 

Wer mich. ald Menſchen liebt, muß mich als Staatsmann 
berlagen. Ich glaubte nicht, daß meine Laufbahn fo enden 
würde — 
fo hat dieſe Äußerung, die gewiß eine aufrichtige tar, 


1075 


nachdem fie ein Eigenthum der Sefchichte geworben ift, 
infofern unftreitig einen moralifhen Werth, als fie über 
eine Perfönlichkeit ein gerechtes Urtheil möglich macht, bie, 
abſchon in eine beffagensmwerthe Ungerechtigkeit mit verwi⸗ 
delt, nun weit über bie Urheber und Mitwiſſer der Schuld 
eshoben werden kann: Kaunig unterfcheidet ſich in den 
Augen ber Gefhichte von den übrigen Mitfhuldigen tie 
bee tragifche Held von den Opfern der Leidenſchaft. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Statiſtik Schwedens. 


Nachfolgende ſtatiſtiſche Angaben find aus einer im Monat 


December 1889 erſchienenen Schrift des Oberſten Karl von 
Fotſell: „Bemerkungen und flatiftifche Erläuterungen über 
Schweden‘, entlehnt. Da bee Verf. dem Publicum ſchon durch 
feine „Statiſtik von Schweden“ rühmlich bekannt ift, fo wer: 
den auch diefe .neuen Ergänzungen berfelben Breunden der Läns 
der⸗ und Völkerkunde gewiß willlommen fein. 

Der Flaächenraum Schwedens enthält 88,920,172 fchwebilche 
Morgen *) trodenes Land. Dazu kommen noch : 7,992,851 Mor: 
gen, welde’von Seen, Fluͤſſen und Moräften bededt find. 
Von den größern Seen enthält Mälaren 12,16, Hielmaren 
4,25, Wettern 17,10 und Wenern 47,13 ſchwediſche Quadrat: 
meilen. In den fechs nördlichen Lehen oder Landeshauptmann 
ſchaften find nur 48 fchwebifche Quadratmeilen angebaut, in 
den 18 füdlichen aber beinahe 200 Quadratmeilen, db. h. in 
den erflern nur %,, in ben legtern ’/, ber Oberfläche des Bo⸗ 
bene. Die Anzahl fämmtlicher Höfe oder Hufen (Hemman) bes 
Yäuft fi auf 65,219%%, deren Werth 1836 zu 396,198,766 Thlr. 
Banco gefhägt wurde. Der Werth Stockholms wirb höher 
als der irgend einer andern Landespauptmannfchaft in Schwe⸗ 
ben, nämlich zu 31,519,628 Thlr. Banco, angegeben. Ihm 
Pe ommt ber Werth Deftergöthlande, welches zu 31,127,072 
gefchädt wird. 

Die Bevölkerung Schwedens ift im beftändigen Steigen. 
Sm % 1805 hatte es 2,412,975, 1830 2,888,032 und 
1839 3,109,772 Einwohner. Doc ift bei der letztern Zahl 
zu beachten, daß biefelbe ald nur annäherungsweife rich⸗ 
Hg angefehen werden Tann, die nächflen Quinquennientabellen 
werben bie Zahl beftimmt angeben. Übrigens bemerken wir, 
Baß Sinlieger und Armenhäuster barin nicht mit einbegriffen find. 
Die Volkszahl bat ſich in ben lezten 30 Jahren um 760,000 
Menfchen vermehrt. Am flärkften wuchs diefelbe in Schonen, 
wozu befonders die Vertheilung der Gemeinheiten, fobaß jeder 
Bauer fein Zeld abgefondert für ſich bekam, ſehr viel beitrug. 
Im nörbliden Schweben waren bie in Lappland immer mehr 
zunehmenden Rieberlaffungen von Kolonien bee Bevölkerung 
' aönftig. In einigen Landſchaften, 3. B. Upland, fchreitet bie 

oifsnermeprung faſt gar nit vorwärts. Stockholm hatte 
ſchon 1805 72,652, 1825 79,473, 1830 80,621 und 1889 
83,889. Einwohner. 

Eine im Auslande viel Auffehen erregende Frage bat ber 


Dberft von Forſell in der Vorrede zu feiner. obengenannten. 
Schrift beſprochen. Nachdem er einerfeits geaeigt, daß das. Land. 
ft, als es vor 30 


jest ohne alle Vergleichung beffer angebaut 
Jahren war, daß die Production immer fleigt, der Kunflfinn 
und ber Gewerbfleiß größer find und ein verfländiger und 
Shätiger Affoclationsgeift jetzt mehr wie je bie öffentlichen und 
Privatunternehmungen leitet; daß bie Leute im Allgemeinen ges 
genwärtig beſſer wohnen, fich beſſer Beiden und mit ben Be: 
dürfnifien und Annehmlichkeiten bes Lebens viel beſſer verfehen 
And als ehemals; andererſeits zugegeben, daß Armuth und 


” Der f 
fuß feftgefest. 


: 


Morgen- (Zunmeland) tft zur 6,006 Quabratr 


Verbrechen, befonbers ſolche, welche die allgemeine Sicherheit 
gefährden , fi vermehrt haben, äußert er 9 ——— 
„Ein Ausländer, Hr. Laing, der 1838 das Land bereiſte und 
feine Aufmerkſamkeit hauptfäclih auf den fittlichen Zuftand 
der Nation richtete » hat uns befonders in Bezug auf die Mo— 
ralitaͤt und die Achtung für das Geſetz ſehr ftreng, aber au 
ſehr ungerecht beurtheilt. In Anfehung ber Verbrechen ftellt 
er die Schweden hinter bie fo fchlecht verrufenen Stlänber, in= 
dem er ſich dabei auf amtliche Documente beruft. Diefe find 
ganz richtig, aber der Fehler befteht darin, daß Hr. Laing es 
nicht verſtanden hat, fie richtig zu benusen. Er bat naͤmlich 
gar nicht bemerkt, daß unfere Griminalftatiftif eine große Menge 
kleiner policeilicher Vergehen und Übertretungen dkonomiſcher 
Verfügungen zugleich aufnimmt, welche von ausländiſchen Sta= 
tiftifeen nicht mit in Anfchlag gebracht werden.” Dazu kommt 
eine Anzahl anderer Misverftänbniffe, die ſich jener Engländer 
bat zu Schulden kommen laffen und welche Profeffor Geijer in 
feinem 2iteraturblatt näher beleuchtet hat. Überdies wiberlegt 
Hr. Laing fich felbfl, wenn er S. 188 fagt: „Wie es fich auch 
mit der Sittlichkeit in diefem Lande verhalten mag, fo iſt da⸗ 
rin wenigftens fein Mangel an Sitten. Man findet bier Feine 
gemeinen Pöbelftreiche, keine Roheit, Leine das Gefühl em⸗ 
poͤrenden Handlungen. Wollt ihr das Land durchkreuzen, fo 
werdet ihe zu der Überzeugung gelangen, daß bie Schweden zu 
den tugendhafteften Nationen gehören.” Diefe Erfahrung, die 
er felbft gemacht, hätte ihn doch eines Beſſern belehren follen. 
«ber freilich Läßt ſich nicht leugnen, daß felbft nach Beſeitigung 
diefer ee ai eine wahrlich betrübende Menge wirks 
licher Verbredyen noch übrig bleibt. Wie es ſich damit verhält, 
darüber gibt der Bericht bes Zuftigminifterg von 1837 folgende 
Auskunft: Angellagt waren 24,145 Perfonen, darunter 3241 
Weiber. Rechtsfällig wurden 22,230. Auf dem Lande murben 
80 grobe Verbrechen oder Verbrechen erfter Claſſe, oder ein 
Berbrechen auf 34,192 Individuen begangen. Die Zahl ber Ver: 
urtheilten verhielt fich wie 1 u 28,794. Verbrechen zweiter Claſſe 
waren 1851. Die Nechtsfälligen verbielten fich wie 1 zu 1368. In 
den Stäbten wurden 11 Verbrechen erſter Claſſe begangen. 
Die Verurtheilten verbieten fich wie 1 3u 20,714 Einwohnern. 1239 
Verbrechen zweiter Elaſſe. Die Rechtsfaͤlligen verhielten ſich wie 
1 zu 217. Wegen größerer ober Peiner Dieberelen wurden 
auf dem Lande 1 von 1793, in den Städten 1 vom 265 bes 
fisaft. Verbrechen dritter Glaffe (policefliche oder oͤkonomiſche 
Vergebungen) wurben auf dem Lande 12,852, in ben Staͤdten 
6197 begangen. In der Hauptſtadt und in ſämmtlichen Pro⸗ 
vinzialgefängniffen befanden fidy 12,811 Verhaftete. Auf ben 
Geftungen und in den Gteafgefängniffen faßen 615, die 
lebenslängli, 645, die auf gewiffe Jahre zu biefer Stuafe: 
verustheilt waren, 12 auf deren Geſtändniß man wartete; zus 
fammen: 1273, In den Befltrungsanftalten waren 2257 Pers 
fonen, darunter 501 Weiber. Etwa 17 Perfonen werben jährs 
lich hingerichtet. Die Anzahl der Givilprocefie, weiche bei dem 
Gerichten anhängig gemacht wurden, belief ſich auf 73,744. 
Darunter waren 43,563 Schuldfoderungen. 

Auf dem Lande war jedes zwanzigſte, in ben Städten, aus 
Ber Stodholm, beinahe jedes fechste Kind unehelicher Geburt ; 
in ber Hauptflabt aber 1 gegen 1%... Diefe Angabe der uns 
ehelihen Geburten für 18857 weicht von der ber- Tabellencoms 
miffton auf eine ungünflige Weife ab. Diefe gibt bie Mittels 
zahl derſelben für die vorhergehenden Jahre auf folgende Weife 
an: ein umeheliches Kind gegen 32 ehelich geborene im ganzen 
Reich überhaupt: Auf dem Lande war jedes 15. bis 16, Kind 
unehelich; in der Hauptſtadt jedes 2%,, in den übrigen Städten 
etwas mehr als jedes ſechſte. Indeß ift das Verhaͤltniß noch immer 
etwas befier als in Beanteeit, wo, nach Martin's ‚Statistique 
de la Frame‘, 1887 jebes 121/, Kind unchelich war. 

Im ganzen Reich ſtirbt jährlich jede 44. Perſon, aber in 
einem ſo ungleichen Verhaͤltniß, daß in der Hauptſtadt 1 von 
21, in den übrigen Stadten 1 von 388 und auf dem Lande nur 
1 von 47'/, ſtirbt. Jedes Jahr fterben alfo im Burchfchnitt 


1076 


67,868 Menſchen in Schweden. In ben fünf Jahren von 
1880 85 farb beinahe jedes vierte Kind im erften Jahre fei- 
nes Lebens, jedes ſechſste vor feinem funfzehnten Jahre, jedes 
achte über 15 Jahre. Durch Unglüdsfälle (darunter find 
Pocken, böfe Wochenbetten, Selbftmord u. |. w. mit einbe- 
griffen) kam jede zwanzigſte Perfon ums Leben (7). Die größte 
Mortalität herrſcht gemwöhnlihd im Monat März. In ber 
Hauptſtadt iſt die jährliche Zahl der Beburten 2658, wovon 
1082 unehelich find; der Sterbefälle 3884. Im ganzen Reid) 
fterben täglich 186 Menfchen. u 

Von 137 Perfonen heirathen jährlich ein Paar. Won 113 
Chen werben 88 zeeiföen noch ledigen Perfonen, 13 zwiſchen 
Witwern und Mäbchen, 8 zwifchen unverheiratheten Männern 
und Witwen und 4 zwiſchen Witwern und Witwen gefchloffen. 

Bon 100 Müttern gebären kaum 2 vor dem 20, Jahre: 
14 zwifchen dem 20.—25., 25 zwiſchen bem 26. — 80., 26 zwi: 
ſchen dem 30.—35., 21 zwifchen dem 85. — 40., 10. zwiſchen 
dem 40.—45., kaum 2 zwiſchen dem 45.—50. Nur ein 
Weib von 2950 kann ned) gebären, nachdem es fein 50. Jahr 
Sabre erreicht Hat. Jede 67. Wöchnerin gebiert awillinge ; jebe 
5833. Drillinge, jebe 150,000. Bierlinge. Jedes 35. Kind 
wirb tobt geboren ; jedes achte Ehepaar erzeugt Feine Kinder. Als 
ein Beweis von den traurigen Wirkungen der Unfittlichleit ver: 
dient die von der Statiſtik beftätigte Thatfache bemerkt zu werben, 
dag in Stockholm jedes dritte, auf dem Lande jebes fechste un⸗ 
eheliche Kind ein todtgeborenes if. Bon 96,720 Weibern, bie 
jährlich Kinder zur Welt bringen, befinden fidy 12,551 in gu⸗ 
ten ®lüdsumftänden, 50,796 haben ihr mäßiges Ausfommen, 
83,373 eben mehr oder weniger in Dürftigkeit. Im 3. 1780 
beftand jede Haushaltung im Durchfchnitt aus 7 Perfonen, ge: 
genwärtig aber gewöhnlih nur aus 5%, ein Beweis, daß 
man jetzt mehr eilt, Chen zu fchließen, um Kinder zu zeugen, 
die man nicht Hinlänglich verforgen Tann. *) 

Bon den auf dem Lande wohnenbeh Kamilien leben 8 vom 
100 in Wohlſtand, 69 koͤnnen ſich aus eigenen Mitteln ernaͤh⸗ 
ren, aber 23 bedürfen fremder Unterftügung. Jedes 280, In: 
dividuum lebt in einem Armenhaufe; jedes 32. wirb von feinen 
Kindern, Verwandten u. f. w. ernährt, oder erhält Unter: 
flügung aus ber Armenkafle; jedes 186. Kind ift ein ange: 
nommenes oder aus dem Waifenhaufe; überhaupt ift jede 25. 
Perſon blutarm. 

Mit andern Ländern verglichen, ift die Sterblichkeit in ber 

weiz am geringften; darnach kommt Frankreich; naͤchſt ihm 

weben; biesauf folgt Wien und endlich Stockhoim, obgleich 
weder feine Lage noch fein Klima ungünftig ift. 

Dee Mittelertrag ber Getreibeproduction für 10 Zahre 
(von 1823— 83) wird, nach Abzug der Ausfaat, fo angegeben: 

Weizen, Roggen , Gerfter Hafer Menges Erbſen Rn 
o offt in 


Auf dem Lande 6%, | 5% | 4% | 3% 4 4, | 6% 
In ber Nähe 
ber Städte 6%, | 6, 16% | Ay, | 5 5%, 1 8% 
Doch zweifeln wir etwas an der Genauigkeit einiger biefer An: 
gaben, welche auf die alle fünf Jahre gemachten Berichte der 
Landshauptmänner gegründet find. So wird ber Ertrag des 
Roggen in UmehsLehn zu.8Y;,, in PiteisLehn zu 112/,, was 
wahrfcheinlich zu hoch, in Calmar⸗Lehn zu 6'/,, in Deftergöths 
land zu 5%, was wol zu niedrig angefchlagen ift, angegeben. 
Bel nachfolgender Angabe der Mitteltemperatur verfchiebener 
Punkte von Schweden ift zu bemerken, daß die Beobachtun⸗ 
gen. über biefelbe nicht an allen Orten in demfelben Zeitraum 





*) Die Bolkszaͤhlungen, fowie überhaupt alle andere ſtatiſtiſche 
Angaben find in Schweden genauer und zuverläffiger ale 
in den meiften übrigen Ländern Europas, indem fie einer bops 
pelten Gontrole unterworfen find. 


‚Größte Wärme 


angeftellt worden find. Ginige umfaflen die 3eit von 4—5 
Sahren, andere über 50 Jahre. 
Beben: Lund Gariftad | Sredholm] 
Breite 570 42 1550 42.560 53.59° 25/ 590 co 
Höhe 0 Fuß |60 Fuß 1500 Fuß 180 Fuß 128 Zus 
Lufttemperatur + 7,97 \+ —* 46984 6,271 + 5,66 
Größte Wärme +17,32 )+17,36|+18,91|+17,46| 4 17,48 
Großte Kälte — 1,12 — 1,94|— 2,30— 8,56] — 4,27 


Merid 


Jaͤhrl. Riederſchlag 172, 308 
Falun JHerns⸗Deſter⸗Ume Enotetis 

fund ſund 
Breite 60° 89. 620 38680 24630 50°) 680 sur 
Hoͤhe 400 Fuß O0 Fuß 1050 8.0 Zuß 1467 Fuß 
Lufttemperatur + 4,40 |+ 2, 424 2, 1904 1,90 — 2,76 


-15,75 |+14,80j-+14,89|-+- 16,20 414,50 
Groͤßte Kälte — 7,40 |— 8,72|—12,64|— 11,88) — 17,77 
Jaͤhrl. Niederfchlag 15,23. *) 
Es ift nämlich hier von der monatlichen Mitteltemperatur bie 
Rebe. Die größte Hige tritt gewöhnlich im Monat Iuli, bie 
größte Kälte im Januar ein. Dies hindert jedoch nicht, daßk, 
was einzelne Zage betrifft, die Grtreme ber Kälte unb ber 
Wärme auch in andern Monaten, 3. B. Februar und Auguft, 
eintreten koͤnnen. . 66. 

e 





Notizen. 


Ein roͤmiſches Blatt nimmt fi die Mühe, der höchftun⸗ 
wahrſcheinlichen Nachricht zu wiberfprechen, welche fich in ben 
Salons und von dba aus in ben Beitfchriften von Paris ver⸗ 
breitet hat, daß nämlich der Papft ben Laokoon und den Apolle 
von Belvedere an den Kaifer von Rußland für ben — in jedem 
Ball annehmlidhen — Preis von 9 Millionen Frances verkauft 
babe. Es beruft fih, zur Ermwiberung auf biefe Verleumdung, 
auf die zwei neuerdings von dem Papſte gegründeten Muſeen, 
das etrustifche und das aͤgyptiſche, ſowie auf die Ermunterung, 
weldye derſelbe im Allgemeinen der Kunft in jedem ihrer Zweige 
zu Shell werben laſſe. Hieran knüpft ſich jreteih bie Berich⸗ 
tigung ber durch die „Quotidienne“ verbreiteten brieflichen 
Mittheilung aus Florenz, daß buch das Derabfallen eines Pors 
traits von van Dyk, welches fi in ber bafigen National: 
galerie befindet, ber Apollo von Belvedere umgeworfen und 
bedeutend befhäbigt worben ſei; dieſer befindet ſich chen au 
Rom, nicht in Florenz, wol aber am letztern Orte ein gleide 
falls hoͤchſt bewundernswerther Apollo, ber fogenannte Apols 
Iino, mit welchem ſich ohne Zweifel jener beffagenswerthe Un⸗ 
fall zugetragen bat. \ 


Das Verfahren im Berfertigen von Abdrüden von das 
guerreotypiſchen Platten macht in England ununterbrochene 
Fortfchritte. Der Rebaction des „Athenaeum’‘’ ift eine neue 
Probe nach dem Verfahren von Ibbetfon mitteld des Appas 
rats des polntechnifchen Inſtituts vorgelegt worden, welche fie 
beftimmt für einen großen Fortſchritt erklaͤrt. Dabei findet fie 
fi aber zu ber Bemerkung veranlaßt, daß alle diefe Proben 
von Dr. Berres fowol als Andern, von daguerreotypifchen Pros 
buctionen nad frühern Fünftlichen Darftellungen find, daß zwar 
auch dieſe Kunft ihren Nutzen haben möge, aber doch fehr von 
ber Kraft der Abdrüde von Gegenftänben direct aus der Natur 
abftehe. Bin einmal gemadter Abbrud koͤnne mit größerer 
Leichtigkeit und vollkommener Genauigkeit mittels Elektromagne⸗ 
tismus vervielfältigt werden, wie man e8 an Palmer’s treffli⸗ 
her Eopie von Finden’s Abdruck gefehen habe. 47, 


°*) Der Niederſchlag iſt indeß fo verſchleben, daß er in ben ſecht 
Monaten Mai bis Dctober 11,6 Zoll, in den übrigen ſechs 
Monaten aber nur 3,84 Boll beträgt. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 





\ 


Blatter 


für i 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


— Rt. 268 — 


24. September 1840. 





Beiträge zur neuern Gefchichte aus dem britifchen und 
franzöfifchen Reich8archive von Friedrich v. Rau: 
mer. Dritter bis fünfter Theil. 

3weiliter Artikel. 
(Beſchluß aub Nr. 267.) 

NRüdfichtlich der Frage, wer zuerft den Gedanken an 
eine Theilung Polens gehabt habe, leſen wir in einem 
geſandtſchaftlichen Berichte vom 30. Sept. 1772 aus Wars 
fhau folgende Worte: 

Der ruſſiſche Botfchafter fagte: die Haupturheber und Be⸗ 
förderer der Theilung Polens waren in Rußland der Prinz 
Heinrich von Preußen und der General Graf Czernichew, wels 
cher vom Könige Friedrich II. theuer erkauft worden ift. 

Unfer Verf. erinnert nun allerdings mit Recht, daß 
ed dabei weniger darauf ankomme, wer biefen Gedanken 
zuerſt gehabt, als wer die Möglichkeit oder Nothwendig⸗ 
keit einer ſolchen Theilung herbeifühete. Und diefe Schuld 
fällt unleugbar vorzugsweife auf Rußland. Der Gang 
und Charakter der ruffifhen Politik feit Peter I., das 
Benehmen Rußlands gegen Polen und feine nur fchlecht 
verfchleierte Abficht, diefen ganzen Staat allmälig an ſich 
zu reißen, veranlaßten Friedrich II., ber fcharffichtig ge: 
nug war, um Rußlands Plane zu durchſchauen, die Ini⸗ 
tiative zu ergreifen und das Unrettbare lieber zu theilen, 
als das große Ganze in die Hände einer Macht gerathen 
zu laffen, die ohnehin fchon ein fo ſchweres Gewicht in 
bie Wagfchale der europäifchen Mächte legte. Was Frank: 
seih und England betrifft, die doch unmöglich eine Theis 
kung Polens in ihrem Intereſſe finden konnten und gleich: 
wol keine energifche Thaͤtigkeit dagegen entwidelten, fo 
muß man erwägen, daß der erftere diefer Staaten ſchwer 
getroffen aus dem Kampfe mit England und Preußen 
davongegangen war, daß In feinem Innern fich fchon bie 
Bewegungen einer bevorfichenden Auflöfung zeigten, und 
daß endlich, wie Kürft Kaunis fagte, „an der Spitze 
Frankreichs Leine Männer flanden, welche ihre Abfichten 
durch Gefchiclichkeit furchtbar machen Eonnten”. Die 
Stanzofen befaßen in ber That Niemanden von wahrhaft 
großen Eigenfhaften. England hatte allerdings, wie un: 
fee Verf. wol richtig bemerkt, 
weniger Grund, ſich in bie Angelegenheiten bes Pefllandes ein: 
umiſchen, als Frankreich; doch benahm es fidh nicht im gros 

en Style und ermangelte der Gewandtheit und Bereglichteit, 
welche Einfluß gibt, ohne zu materiellen Mitteln feine Zuflucht 


zu nehmen. Friedrich II. hatte nach allgemeinem Zugeftänds 
niffe in diefen Jahren meifterhaft gezeigt, was fich auf biefem 
Wege erreichen laſſe. . 

Überhaupt hat England erſt gegen Napoleon in ber 
Continentalpolitit Energie und Sachkenntniß an den Tag 
gelegt, und erſt in den neueften Zeiten die Überzeugung 
ausgefprochen, daß durch Polens Untergang ein unaus⸗ 
fuͤllbarer Riß in dem europäifchen Staatenſyſteme erzeugt 
und die dee des europäifchen Gleichgewichts, bie eins 
fiens von England felbft ausging, bei Lichte betrachtet, 
eine iluforifche geworden fei. Übrigens erinnert die heu⸗ 
tige Stellung der fünf fogenannten Großmaͤchte ber Türs 
kei gegenüber nicht blos aus dem Grunde an bie Bes 
ſchichte Polens, weil damals biefelben Mächte fich über 
das Sein oder Nichtfein eines Staates in diplomatifchen 
Verkehr gefegt hatten, fondern es liegen noch manche ans 
bere Gründe vor, die den Kenner ber Vergangenheit und 
Gegenwart zu einer Vergleihung auffodern. Die Leidens 
ſchaften, die Begierden, die Sintereffen find im Ganzen 
unverändert geblieben, aber der Zügel berfelben, der voͤl⸗ 
kerrechtliche Sinn, ift unleugbar flärker geworben. 

Jedes Zeitalter hat feine Tugenden und Sünden. 
Das vorige Jahrhundert ging ziemlich leichtfinnig und 
ruͤckſichtslos mit Völkern und Staaten um. Beweiſe ba» 
für im Großen find Spanien und Polen, im Kleinen bie 
Inſel Corfica. Wir wollen dem Schickſale dieſer Inſel, 
die 1768 durch einen Gewaltſtreich an Frankteich kam, 
nach den gefandtfhaftlichen Actenflüden, bie ſich bei dem 
Berf. finden, einige Aufmerkſamkeit fchenten; wir glau⸗ 
ben bies um fo eher thun zu dürfen, weit bie Sache 
weniger befannt if. Die Genuefen hatten ſich bereite 
im 13. Sahrhundert diefes Eilandes bemächtigt, waren - 
aber nie zu einem ungeftörten Befige deſſelben gelangt. 
Die freiheitsliebenden Gorfen fträubten fich ſtets gegen die 
Herrſchaft der folgen Republikaner. Was dieſen in ber 
Zeit ihrer blühenden Macht nicht gelungen war, das bot 
noch geringere Ausfiht auf Erfolg dar, als ſich bie Eors 
fen unter ihrem hochherzigen Paoli 1767 abermal® gegen 
bie Benuefen erhoben. Frankreich, gewiß ſchon laͤngſt auf 
bie militairiſche Wichtigkeit Corſicas aufmerkſam, ließ ſich 
durch abgeſendete Huͤlfsmannſchaft in ben Kampf ziehen, 
und da dieſer hartnaͤckiger war, als daß ihn die Genue⸗ 
ſen bei ihren geringen Kraͤften mit der Hoffnung auf ei⸗ 
nen endlichen Erfolg fortzuſetzen vermocht hätten, boten 


- %“ & 3 
fie die ganze Inſel, wie wenigftens ber Shmatfge franzoͤ 
ſiſche Miniſter Choiſeul angibt, den Franzoſen an. Dieſe 


r 
3 


zeigten anfangs zum Scheine einige Sprödigkeit, wohl wiß. 


fend, daß fie daruͤber leicht mit England in einen Krieg 


verwickelt werden könnten. Denn abgefehen vom ber reiz⸗ 


baten Sferſucht Englands auf Frankreich Jieß ſich aus 
den 15. Artikel des Friedens von Aachen (1748) fuͤglich 
ein Grund zum Kriege ableiten. Diefer Artikel lautet: 
Die acht hohen Mächte find übereingelommen unb haben 
feftgefegt, daß für das Woht und bie fgung bes 


ng -| 
im Allgemeinen, fowte für bie Ruhe Italtens insbefondere alle 


Dinge dafelbft in dem Zuſtande verbleiben fotlen, wie fie vor 
dem Kriege waren, nur mit Ausnahme desjenigen, was zus 
fölge diefes Friedens zur Vollziehung Tommen fol. 

Allein Öfteih und Spanien waren bereits gewonnen 
und England ward dadurch im Schach gehalten, daß 
Frankreich fi) der Amerikaner, bie damals fchon in Be: 
orgung waren, anzunehmen brohte. An diplomatifchen 
Moten, an Vorftellungen und Drohungen fehlte es nicht; 
‚aber dabei blieb es auch. Frankreich gelangte in ben Befig 
er Inſel. Das Mitgefühl, welches die heldenmuͤthige Ge: 
igenwehr der Bewohner in ganz Europa erwedte, vermochte 
Fe nicht zw retten: fie fiel als ein Opfer ber Übermacht, 
‚der politifchen Conjuncturen und ber Grundfäge ber da⸗ 
maligen Diplomatie. Die Betrachtungen, bie Herr v. 
"Maumer an diefe Begebenheit anfnüpft, müflen wir im 
Buche ſelbſt nachzuleſen bitten, weil fie zu fang find 
hd und zu ſehr auf das Gebiet der Politik Führen wuͤr⸗ 
Gem. Nur das Ende derfelden erlauben wir uns zum 
Mus und Frommen unferer Leſer mitzuoheifen: 

en begründen Rechte, und bie Rechte erzeugen 
Sata a bierbei .. at manuih: 
faitiges, geheimnißvolles, tieffinniges Ineinanbergreifen, eine fo 
Iebendige Wechſelwirkung ſtatt, baß nichts oberflächlicher ift, 
als über dies Alles mit einer abſtraeten Kormel abzuurtheilen 
und es Aber benfelben Leiften zu ſchlagen. Wer dies leugnet, 
‚ee muß üben Karl den Großen und Dfingisdgan, Uber Friedrich 
Mari, Aeafbineten, Roteintzto un) ven Befzeiungstrig von 
Kr bas gleiche Gerdammungsuetpei ausſprechen. ie 
. Im ben vprfiegenden drei Bänden ber gefandtfchaftli- 
sen Berichte tritt uns überall Friedrich der Große ent: 
Aagen. Die Faͤden der damaligen Politik führen zum 
groͤßern Theile auf ihn zuruͤck, oder geben von ihm aus. 
Mr fkann wit Recht bie Seele des politifchen Syſtems je: 
„ner Beit genannt werden. Aber es gab nur einen fuͤrſt⸗ 
üchen Beitgenoffen, der Friedrich's Charakter und fein 
Berwaltungsfoflens wirklich ſtudirte und zugleich auf den 
ungluͤcklichen Gedanken gerieth, das letztere zu copiren. 
FJoſeph II., der in mancher Beziehung mit Maximilian II. 
verglichen werden kann, beging aber den großen Fehler, 
„PR Selingen ber Plane des preußtfhen Königs lediglich 
ber herporragenden Perfönlichkeit ihres Urhebers zu fu: 
“hen, während ſowol die Plane felbft als deren Gelingen 
sin Ergehniß ber befondern laͤngſt vorbereiteten Verhaͤltniſſe 
aren. Es iſt ſchwer zu beklagen, Daß biefer edle 
— aus ſeiner durch Natur und Erziehung trefflichen 
nbivibunlitdt herauſstrat und dadutch verleitet ward, um 
#4. Burz- zu fagen, ſtatt mit oͤſtreichiſchen mit brandenbur⸗ 


397 
* 2 

glfchen Augen zu ſehen. Die Gefchichte darf in ihm ein 
Aller Augen auf ſich ziehendes Meteor erkennen, fie 


"darf ihn als einen Worboten der Dinge anfehen, bie. 


da kommen follten. Und ben Schmerz, den er am Ende 
deines Lebens Aber das Verkennen und Mislingen feiner 
Plane empfand, ſucht Me ſhm dadurch zu vergelten, daß 


fie fo gem bei ihm verweilt. Auch wir wollen etwas - 


länger bei ihn verweilen, da uns Hr. v. Raumer den 
Bericht des englifhen Sefandten über ben damals noch 
jungen‘ vorgetegt dat, der nicht nur dem Scharf: 
finne feines Urhebers, fondern auch ber Gerechtigkeissliche 
deffefden alle Ehre macht. Der Bericht ift zwar von 
ziemlichem Umfange und wir möchten deschalb faſt Be 
denken tragen, ihn bier mitzutheilen; allein wenn es gilt, 
die Öffensliche Meinung über Recht und Wahrheit umd 
Tugend aufzuklären, darf man nicht wortkarg fein. Die 
Hauptſtellen jenes Berichtes find nun folgende: 

Stellt ſich der Kaffee auf feinen eigenen Boden, folgt er 
ben Gingebungen feines eigenen Geiftes und Dergens ‚ fo wird 
er in ben Augen ber Vernunft und Wahrheit viel größer feih 
ald der König von Preußen, läßt er fi zur Nachahmung 
herab, muß er unvermeidlich der Geringere werden. Der all 
gemeine Glaube an bes Kaifers Seſchicklichkeit fteigt mit jebem 
Zage. Ich maße mir nit an, von ihm ober irgend | 
Manne mit Gewißheit zu ſprechen, bevor er vollfländig erprobt 
it. Mon kann unmöglih über feine Fähigkeiten und feige 
wahre Kraft urtbeilen, ehe bie ganze Laſt auf feine Schultern 
gelegt wird. Do wage ich fo viel zu fagen: entfpricht er 
ber von ihm hervorgerufenen Erwartung, ift bie Frucht ber 
Blüte gleich, fo wird es einer der ausgezeichnetſten Kürften fein, 
weiche je ben kaiſerlichen Thron einnahmen. Er geigt raſches 
Urtheil und Scharflinn, unb dem zufolge Klarheit und Beidh- 
tigkeit des Xusdruds, ohne viel von ben Kenutniffen zu beſitzen, 
welche man durch Fleiß und abftractes Forſchen erwirbt. Gr 
bat (was unendlich vorzuziehen ff) einen gefunden, gewanbten 
und praktiſchen Verftand. Er befigt die Kraft und zugkeich Be⸗ 
weglichleit des Geißes, welche fi mit einem Male auf einen 
Gegenſtand richtet, ihn in voller Ausbehnung ergreift und bean 
ein entſchiedenes —*— im Allgemeinen ein richtiges und wohl⸗ 
begruͤndetes) Urtheil foͤllt. Ihn [Beine feine Gefahr von ben 
FJeiſen zu bedrohen, an benen fo Viele ſcheiterten. Er bat kein 
Gberwiegendes Lafter, Beine Leidenſchaft, der ex nicht Herr waͤte. 
Er ik vu Geſchmack und Grundſatz ein Feind alles Stans 
tes, Dompes und aller Pracht, während er bie wahrſte unb 
nathrlichfte Einfachheit ber Sitten zeigt. Oft geht er aus, nur 
von einem einzigen Diener begleitet, ſpricht gern mit Leuten 
ans allen Ständen, weiß Jeden, mit dem er redet, In unge 
nehme und bequeme Stimmung gu verſetzen, Siebt leichten, freund⸗ 
fehaftlichen Umgang fo fehr, als er feierliche Kxeife Haft — gaigt 
überall in Sprache, Bewegung und Benehmen bie außerorbents 
lichſte Leutſeligkeit. Zu gleicher Zeit befige er aber ſolche Würde, 
daß felbft in den vertrauteften Augenblicken Niemand bie Ach⸗ 
turig: vergeffen kann, welche ihm zukommt, faſt hätte ich geſagt, 
man noch mehr dem Maunne ſchulbig if, nis ber Krone, 


er trägt, 

Nachdem ber Geſandte über die Heinen Mishelligkei⸗ 
ten zwiſchen Joſeph und feiner Mutter Marla Thereſia 
gefprochen hat, bie aus ber Verſchiedenheit der beiderfeitis 
gen Grundſaͤtze entfprangen, aber immer durch bie gegen: 
feitige Liebe und Achtung wieder ausgeglichen wurden, 
fährt er fost: 

Der Kaiſer hegt ſtrenge und fehle Grundſaͤtze über Gexech⸗ 


tigkeit und Billigkeit. Kein Hexrrſcher kann rin größeres: Feind 


ber Unterbrädung fein. Es iſt jeboch eine gewiſſe Sleifheit und 











| NP 


in welche erſt bie Reife bes Alters und ber 
— —8 a welche i jest au fehnel u tee 
zu dem Schlufſe verleitet: dies iß recht, alfo foll und 
mus es fein! Gr achtet nit ‚genug auf bie allgemeinen 
Vorurtheile und Schwächen ber Menfchen, raͤumt ihnen zu we⸗ 
ng ein, und bebenkt zu wenig, mit weldher außerordentlichen 
Morficht allgemeine Neuerungen, felbft wenn fie weile find, eins 
geführt werden muͤſſen. Gr fühlt nicht genug, baß der geringfle 
dein ber Unterdrüdung ein wahres Über ift: ein Übel fowol 
für Die, welche durch das Trugbild erſchreckt werden, als 
«in Übel für das ganze Land, weil die Menge ebenfo vor 
= heine fliehet, wie fie vor wirklicher Unterdrückung flie⸗ 
en würde. 

Die Anmerkungen, die unfer Verf. hinzugefügt bat, 
find uns wie aus ber Seele gefhrieben, und wir müflen 
denfelben im Intexeffe der Geſchichtswiſſenſchaft recht viele 
Leſer wünfchen. Schließlich machen wir nur noch auf bie 
zahlreichen Beiträge aufmerkſam, bie der Verf. zur Cha: 
zakteriftit des vuffifchen und franzoͤſiſchen Hofes unter Ka: 
sharina II. und unter Ludwig XV. u. XVI., fowie ber 
berühmteften Perfönlichkeiten jener Zeit der wiſſenſchaftlich 
gebitbeten Welt vorgelegt hat. Wir dürfen ben Geſchichts⸗ 
Ienner nur an Potemlin und Drloff, an Zurgot, Da: 
lesherbes, Meder und Lafayette erinneen, um fein Inter: 
effe rege zu machen. Er wird es dem Hrn. v. Raumer 
gewiß banken, baß er keine Zeit und Mühe gefpart hat, 
Die Gefandefihaftsberichte in Paris und London zur Er: 
weiterung oder Berichtigung der hiſtoriſchen Kenntnifſe 
auszjubenten: Kart Bimmer. 





20 A ſondern nur feine Pflicht, und dieſe weil doch wicht ex- 


uch der religibſe Differenzpunkt ziemlich veſeitigt. Hein bie 
Binen wie die Anderen geben fi aus gaten Gründen nicht fo 

‚me wenn auch, fo würbe doch inmer der Btaat erh 
em Wort mitzureben haben. Kann und wi dagegen biefer 
Vargerloche Freihelt einraͤumen, fo bleibt Tetbft in dem Walle, 
wo man eine fogmannte Staatsrstigion befiebt hat, das Kie- 
ft unbetheiligt. WSHI man Staat und Krche 





eine behannte e er für den Felſen | 
ten wägt und ag r j Bit, Dee etao⸗ 
| e wmislihfte ur im Bude iſt Ahacver. Der 
Verf. hat Symbol und Wirklichkeit fo Incisenber 

baß ex ſich ſelber nicht herausfinden Tann und ber ar 
ver ein wahres Unbing geworben ff. Anlangend b 
„Perle von Zion“, fo if das ein Gebicht, welches ein Bohn 
des reichen David verfaßt, ber andere Sohn gemalt hat; ber 
dritte iſt Componiſt, und bie Tochter Viola ift der moderne 
Impuls zu jener Perle, die zu Cyhrifti Zeiten in Jeruſalem als 
heimliche Ghrifßin lebte und in breien Wännern verſchiedenen 
Blaubens die Flamme ber Liebe anfachte. Das Gedicht ift ein 
unklares Bruchſtück und das laͤßt fi) von dem ganzen Bu 
fagen. Der Verf. dat manche gute, manche recht poctif 
Idee, aber einen Körper weiß er ihnen nicht zu geben, man 
müßte denn ein Chaos auch für einen genügenden Körper 
halten, und wenn, wie Ref. irgendwo gelefen zu haben glaubt, 
das Buch als eine Art Feſtgabe zum neuen jüdiſchen Jahrhun⸗ 
bert betrachtet werben foll, fo hat Ref. für diefes Jahrhundert 
keinen beſſern Wunfch auszufpreihen, als daß dem Verf. vers 
gönnt fein möge, weniger zu führeiben, aber durchdachter und 
geglieberter. 


2. Der natürliche Sohn. Yſychologiſches Nachtgemaͤlbe aus 
den Papieren eines Todten. Bon MW. M. Nebel. Zwei 
Theile. Manheim, Löffler. 1839. Gr. 1%, 2 ghir. 12 Gc. 

Es gibt Bücher, Romane genannt, über die ſich mit bem 
befben Willen, der redlichſten Abficht eigentlich gar nichts fagen 

laͤßt. Zu diefen Büchern gehört much. „Dee ‚natürliche m“, 

und zwar aus zwei Brüänden. Erſtlich iſt an eine Ham Eut⸗ 

widelung ber Grundidee, nach ber Vorrede Schald und Buße”, 
um fo weniger zu denken, als mit biefer Schuld und Buße ein 
genügember Begriff nicht werbunden iſt; zweitens ſteht eine 
zubigen Beſprechung des Buches das „Vorwort“ des geharniſch⸗ 
ten Verfaſſers im Wege, wenigſtens laͤßt ſich aus demſelben 
ſehr einfach deduciten, daß mit dem Verf. überhaupt gar wicht 
zu reden, alſo noch weniger zu bisputisen tft. Übrigene tft 
das Bu für Sprachforſcher wol nicht gang ohne Interefie, bean 
ed zeigt gar viele neue Mortbiidungen, und da baflelbe ih 
einem hochſt anflänbigen Sewande aufteitt, fo wird es außer⸗ 

—* den-Händen der Kammerfraͤulein einen hubſchen Effeet 

machen. 

3. Novellen und Skizzen. Bon Franz Freiherrn 
Berlin, Morin. 1839. 8. 1 Thlr. N wand 

Das war wol ber Iehte Gruß, nicht allein an ben nd 

Ferrand, welchem bas Büchlein von Rom aus dedicirt i , Tone 

dern an Alle y bie dem Streben bes Dabingefchiebenen mit —* 

gefolgt ſind, und deren ſind gewiß gar Viele. Ref. iſt 
durchaus nicht der Meinung, daß man von den Todten nur 

Gutes reden muͤſſe, denn mag auch eine ſolche Pietaͤt in dee 

edelſten Geſinnung wurztin, fo bringt ſie uns um keinen Schritt 

weiter: auf ber Wahn unſers Strebens, vielmchr vermag: dieſes 


vollſten für den Zobten if. Geichwol gält Stef. es nicht ans 
gebotenen Gesählungen einzugehen, da über: bie akt gsoße 


Zahl Probuttionen 
ſchon gebilbet hat, theils ein. beſonderer Artikel, ver Hier nicht 
am Piatze waͤre, nothwendig iſt. WE. dentet daher nur 


fuaden werden moͤchte. Am meiſten „gentacht“, v tich hoͤchſt 
ergoͤtztich· iſt Ref. „Der —— — —— a 
macht, fonbern fo recht aus be Leben: gegriffen iſt barin a 
die Huhdepege, iund trefflich iſt der Dug, daß eben diefe grau⸗ 


dioſe Balgerei dem Erzähler beefelben «ein laͤngft erſehnter Glũck 


opmer, nam das Daus tier Generalin. 


1080 | | 


$, Herbſtroſen. Erzaͤhlungen und Novellen von M. Wiener. 
Se Korn. 1840. 8. 1 Thlr. 
- Die fünf mitgetheilten Grzählangen dürfen zwar auf eine 
beſonders Tünftlerifche Auffaffung und Behandlung des Gegen: 
flandes, auf befriedigende Charakteriftit, überhaupt auf Zeich— 
nung und Yärbung nicht eben große Anfprücde machen; doch 
‚verdient es Anerkennung, daß fie jedem Geſchlecht und Alter 
anvertraut werben können. & gutt 
5. Der Neuromantiker. Muſikaliſcher Roman von Julius 
Beder Zwei Bände. Leipzig, Weber. 1840, 8, 2 Thlr. 
An dem Aufſchluſſe über das Geheimniß des Schönen in 
abstracto und in concreto haben ſich fo manche Köpfe verfucht, 
und es find, diefes NRäthfel zu Idfen, fo verfchlebenartige Wege 
betreten, daß wir faft glauben follten, es bleibe nun nichts 
weiter übrig. Das Geheimnis des Schönen iſt mit dem Ge: 
heimniß unſers innerften geiftigen Dafeins glei, und wie 
dürftig wir diefes bis jetzt ergründet haben, ebenfo mangels 
haft fteht unfere Einfiht in das Weſen des Schönen da. Uns 
ermüdlich aber und mit ungerhwächter Hoffnung ſuchen wir 
neue Bahnen nad dem Ziel der Erkenntniß, und eben diefes 
Suchen, ob au nimmer ein Odipus komme, iſt felbft ein 
Kunftwert vom ebelften tragifchen Charakter: es iſt das Schi: 
bolet Europas. Auch der vorliegende Roman befchäftigt ſich 
mit Löfung der großen Brage. Wenn es ihm, nad bes Ref. 
Anficht, auch nicht eben gelungen iſt, irgend Zulaͤngliches aus- 
gefprochen zu haben, fo darf man ihm body das Verdienſt nicht 
geradezu abſprechen, das Leben und Meinen unter einer nicht 
Meinen Künftierzahl ber Gegenwart wiberzufpiegeln. Die 
Menschen kommen im Laufe ihres Lebens auf Principien und 
Anfichten — fie find überall gefperrt gedrudt —, von beren 
. Mehrzahl Ref. bisher glaubte, fie feien längft fo ziemlich Ge⸗ 
meingut; daneben aber bewegen die Leute fich in Verhaͤltniſſen, 
wie fie das Zünftlerifche Kleinleben, zufammengewebt aus Ge: 
woͤhnlichem und Abenteuerliem, wol zu zeigen pflegt. Wal⸗ 
dau, die Hauptperfon, vermag ed nicht, die Feſſeln ber Liebe 
abzufchütteln,, in bie Misverfländniffe der Liebe fein Künftlers 
ſtreben verwidelt. Gr ift befangener Port, nit Mufiter, und 
ba ex doch Lesteres fein will, fo wird ihm reine, Eräftige Er⸗ 
hebung unmöglid. Gr ift fomit ein Wild Aller, denen ihre 
Kraft und das Werhältniß derfelben zue Zeit nicht zu klarer 
Anfhauung kommt. Als Roman betrachtet, darf das Bud) 
nur fehr befcheidene Anſprüche machen: es fehlt gar Vieles zu 
einem befriedigenden Organismus, fo viel, daß unfer Antheil 
an ben Perfonen und Begebenheiten fehr befchräntt iſt, und 
nur einige der eingeflreuten Gedichte lächeln uns freundlich 
feflelnd an. 84, 





Notizen. 
Adelin der Natur. 

Die Verfechter des hiſtoriſchen Rechts müſſen ſich oft von 
ihren Gegnern vorwerfen laſſen, daß ihr Syſtem eine Ausge⸗ 
burt der Willkür, und daß es der Natur ganz entgegen ſei, 
eben derjenigen Claſſe, welche am wenigſten arbeite, ben groͤß⸗ 
ten Befig und Genuß zuzugeftehen. Ich weiß, daß das hiſtori⸗ 
fche Recht einen angeblichen Naturzuftand und Geſellſchaftsver⸗ 
teag, das Bollwerk feiner Gegner, für eine Chimäre erklaͤrt; 
indeffen feheinen feine Werfechter doch diefen Gegnern eine ges 
wiſſe Ratürlichleit als ein Vorrecht zuzugeftehen, in golge de: 
zen z. B. bie Köpfe vom Schwindel erfaßt werden, bie öffents 
liche Meinung erkrankt, Krifen eintreten u. dgl.: alles Dinge, 
welche durchaus natürlich, beim Hiftorifchen Recht aber body un: 
erhoͤrt find. Daß das hiſtoriſche Recht aber keineswegs jene 
Raturlichkeit als ein Monopol der Gegner. anzuerkennen bat, 
daß ein „tiefer Blick in die Natur” auch hier Wunder zeigt, 
dafür Laffen fi) unter Anderm bie Worte des engliſchen Nas 
turforſchers Swainſon anführen („A preliminary discourse 


on the study of natural history”, 1894, ©. 110), weiche 
Har nachweiſen, daß nach den Raturgefegen die Unthätkgkeie 
im Leben einen wahren Vorzug begrümbet. „Der Menich if, 
wiewol er daB edelfte Werk der Natur ift, doch für ihre Opes 
sationen fo unnöthfg und fo ohne alle Beziehung auf die Zwecke, 
welche fie fortwährend in der materiellen Welt verfolgt, daB 
feine Abweſenheit auf ber Erbe gar nicht bemerkt werben würbe. 
In die Entwidelung ihrer Thaͤtigkeit greift er eher hindernd 
als fördernd ein. In diefer Beziehung ſieht er felbft unter dem 
Wurme, den er mit Küßen tritt; würde deffen Gefchlecht aus⸗ 
gerottet,, fo würde bie Erde unfruchtbar werden und Hungers⸗ 
noth und Zob würde ihre Bewohner treffen. Vom Menfchen 
aber hängt fein Theil der Natur ab. Die Früchte des Feldes 
erfobern feine Sorgfalt nicht, die Thiere bes Waldes ebenſo 
wenig. Es bebarf feiner Stärke nit, um das Bunehmen ber 
zeißenden Thiere in Schranken zu halten; denn der Schöpfer 
bat fi) andere und niedrigere Werkzeuge gewählt, um biefes 
unrühmlihe Werk zu verrichten. Die fleiffeeffenten Orbnuns 
gen unter ben Säugethieren, Voͤgeln und Inſekten halten ihre 
Reiche in Ordnung, und binfichtlich diefer Mörder felbft iſt vers 
fügt, daß fie fi) nur langfam und fpärlich vermehren. Auch 
finden wir, baß in Begenden, bie wenig bevölkert find, kein 
Misverhaͤltniß zwiſchen den zeißenden Thieren und ben pflan= 
zenfreffenden flattfindet. In jedem Theile der Raturreiche ver⸗ 
mögen wir welfe Plane zu erfennen; Alles hängt gegenfeitig 
voneinander ab und biefe Abhängigkeit bringt die unbegreifs 
lichſte Harmonie hervor, Kommen wir aber zu dem Menſchen, 
ihm, ber das Ganze beberrfcht, fragen wir, für welchen fichts 
baren Zweck, für weldhen Plan er ins Dafein gerufen wurde, 
fo vermag unfere natürliche Vernunft keine Auskunft zu geben.“ 
Dem Verf. nicht Unrecht zu thun, will ich auch den Schluß 
feines Raifonnements herfegen: „In einer höhern Offenbarung 
erkennt der Menſch, baf es ber Hauptzweck feines Dafeins ift, 
in höhern Regionen ewiger Seligkeit theilhaftig zu werben; baß 
er auf der Erbe ift, nicht weil er zu deren Erhaltung nöthig 
ift oder damit er in ihrem Wirken feine Aufgabe Iöfe, fondern 
als einer, der feine Prüfungszeit aushält, der da reift wie ein 
Fremder und Pilgrim, aber der verfehen iſt mit ben Mitteln 
und unterftügt burdy den Beiſtand, welche bereinft die großen, 
glorreichen Zwecke feines Schöpfers erfüllen werden. Diefes if 
die Überzeugung, welche ſich dem redlichen Borfcher in der Ras 
tur aufdringt.‘ 


Die Idee vom Satan. 

Der geniale Garlyle bat im Monat Mai ſechs Vor⸗ 
lefungen über bie verſchiedenen Beftaltungen ber Heroenidee und 
bes Heroencultus gehalten. Um biefelbe Zeit ging eine Reihe 
ähnlicher Vorleſungen zu Ende, die W. For, früher unitaris 
ſcher Prediger und einer der Redacteurs bes ‚‚Morning chro- 
nicle”, über bie gefchichtlihe Sntwidelung und die menjchliche 
Geltung ber Idee vom Satan hielt. In ber echt philofopbifchen 
Weiſe, die wir durch Schleiermachers und Baur's Natur⸗ 
ſymbolik aufs vollſte bewährt finden, ſucht er die Data erſtens 
®ritifch gu fichten und dann im Ginklange mit ben allgemeinen 
Srgebniffen der Naturs und Gulturgefchichte ber geiftigen Bes 
ſtrebungen zu combiniren und eins aus bem andern zu ents 
wideln. Die vorlegte Vorleſung brachte ihn, „da man bie Phaͤ⸗ 
nomene bes menfchlichen Geiftes beffer im Spiegelſtrome ber 
Dichtung als durch bie Augengläfer ber Theologie erkenne‘, auf 
die poetifchen Berlörperungen jener Idee, wie fie in Milton’s 
Satan, Byron’s Lucifer und. Goethes Mepbiftopheles uns 
enfgegentritt. Der tiefreligiöfe, willensfefte Milton macht Sa⸗ 
tan zu einem Rebellen, der von der engliſchen Dogmatik un⸗ 
terrichtete und gepeinigte Byron ſeinen Lucifer zum ſchlauen, 
caſuiſtiſchen Polemiker, dee etwa von jenem Satan fo viel 
gelernt haben mag als Wagner von Fauft; der tiefphilofos 
phifche Goethe zeigt uns in Mepbiftopheles ‚‚the gentleman 
politician of tbe 19th oentury”. 48, 


Berantwortiier Herausgeber: Helnrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaud in Leipzig. 


Blätter Br 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 


Nr. 269. — 


25. September 1840, 





Bericht ber eine PoetensCenturie aud dem Jahre 1839. 
Zweiter Artikel.‘ 

Indem mir uns von ben SOriginalproductionen zu 

den Überfegungen und Nahbildungen wenden, fällt uns 


zundädft ein Dann in die Mugen, den man den Iprifchen. 


Ariftophanes unferd Jahrhunderts nennen könnte, und 
der vorzugswelfe mit der Benennung bes parifer Chan: 
fonnier geehrt worden iſt. Der Kundige wird errathen, 
daß die Mede von Sean Pierre de Beranger fl, 
dem mehr als eine Hand das gallifche Gewand auszu⸗ 
ziehen und den beutfchen Rod anzulegen verfucht hat. 
Eine alte Dame war es, die unfers Wiſſens zuerft ihn 
mit dem vaterländifchen, germanifchen Gewande zu be: 
Beiden verfuchte: Frau Philippine Engelhard, geb. 
Gatterer. In der Zeit, wo ihre Übertragung erfchien, fpra: 
chen wir in diefen Blättern unfer mirabile — ja horri- 
bile dietu aus, indem wir ihr Unternehmen ale ein unweib⸗ 
liches, undelicate®, unziemliche® bezeichneten, und geftehen 
imummunden, daß wir noch heute berfelben Meinung 
und Anſicht find. Da hat nun ein Enkel diefer Frau 
in einem 1839 erfchienenen Buche, correct gedrudt, von 
überaus gefälligem Außern, die nachbildende Feder da auf 
genommen, wo die ermattende Hand ber Großmutter fie 
liegen lief. Das Buch bat den Titel: 

17. Hundert brei Lieber des parifer Chanfonnier Jean Pierre 
de Beranger gibt bier im Deutfchen wieber mit feinem 
mwohlgemeinten Gruß Philipp Engelhard Nathufius. 
Braunfdhweig, Bieweg u. Sohn. 1889. Gr. 12. 1 Thlr. 16 Sr. 

Er dedicirt es bem Andenken ber Großmutter; doch die 

Strophen in biefer Debdication: 

Den fluͤcht'gen Augenblid Ha du 
Wie er im Lieb gebunden, 
Des Schickſals Haß mit Dichterruh 
Zum leichten Kranz gewunden, 
So fandſt du dich zu ihm. Und haft 
In zarter Frauen Weiſe 
Gelenkt, geſchlichtet, wo du ſahſt 
Bild ſpringen ihm vom Gleiſe — 


athmen mehr Pietäöt als Wahrheit; richtiger iſt wol dagegen, 


was bie Iehte Strophe fagt: 
So ziemt «8 dir. Doc anders mir: 
Dem Dann gilt’d volle Wahrheit! 
Sie führt durch Kampf: und Dunfttevier 
Ins Reich der ew'gen Klarheit. 


*) Bel. den erfien Artikel in Nr. 10185 d. Bi. D. Red. 


Die meiften kritiſchen Blätter haben ſich wirklich auch über 
bes Enkels Leiftungen günftig und anerkennend ausgefprochen 
und rühmen, daß e8 mol faum einen beutfchen Süngling gebe, 
der die weinerlich: omifche Phyfiognomie des berühmten Pariſers 
fo ftubirt habe wie unfer jugendlicher Nachbildner. Wir mäüfs 
fen diefes Urtheil unterfchreiben, und Jeder wird das thun 
müflen, ber die 103 überfehten Lieder felbft, die Ges 
ſchichte der Entſtehung der Überfegung, die gefunden Anſich⸗ 
ten über die Eigenthümlichkeiten der Melodie, des Rhythmus, 
des Refrains und der Reime des Dichters und ben frifchen 
blühenden Styl aufmerkſam gelefen, die Lieder mit bem Original 
verglichen bat und ohne fplitterrichterlichen Eigenſinn urtheilt. 

Eine ebenfo willlommene als ſchätenswerthe Zugabe find 
48 ältere franzöfifche Lieder, deren Überfegung gelegentlich 
und mühelos bei Durdlefung ber einen Sammlung frans 
zöfifcher Wollslieder von D. 2. B. Wolff (1831) entftand, 
und die er einführt durch ein hiftorifch s Eririfches Worwort, wels 
ches Bein Freund ber ältern franzöfifchen Liederkunſt ungelefen 
lofien follte. Unter den bier mitgetheilten Liedern von Chan⸗ 
fonniers aus dem vorigen Jahrhundert ift Eins für uns nicht 
ohne befonderes Interefle geweien. Es ift überfchrieben: „Sel⸗ 
tenheiten” (©. 453), und beginnt: 

Viel Geſellſchaft, fagt man mir, 
Kommt bieher noch heute, 
Beflere, als diefe bier, 
Auderwählt’re Leute. 
Seh’, fieh’, ob fie kommen, Danß, 
Geh', fieb’, ob fie kommen. 


Nach biefem Liede nämlich hat Goethe offenbar fein „Offene 
Tafel’, gedichtet, eine Entdeckung, die wir Hrn. Rathuflus 
verdanken. ine zweite ebenfo ſchaͤtzenswerthe Zugabe ift ber 
Nachtrag: „Zum politifhen Charakter des franzgdfiicken Volks⸗ 
liedes““, wo ber Verf. auch andere Anſichten bes Gegenftandes 
mit anführt und anzieht; eine dritte und lebte gibt einen Bei⸗ 
trag zu Beranger’s Lebensgefchichte, bie zwar nichts Neues ents 
bält, aber gut gefchrieben ifl. 

Nun iſt vieleicht einige Donate fpäter 1839 der erfte Band 
einer zweiten Überfegung Beranger’s erfchienen, deren Zitel tft: 


18. Beranger’s Lieder in den Bersmaßen bes Originals 
verdeuticht durch 8. S. Rubens. Grfter Band. Mit bes 
Dichters Portrait. Bern, Fiſcher. 18389. 8. 18 Er. *) 

Ebenfo anftändiges Äußere wie bas vorige Buch. Die 

Vorrede beginnt mit einer Invective gegen die neuere beutfche 

Eprit, die bier eine etwas dufelig (?) geworbene genannt 

wird; eben deshalb, meint nun ber Überfeger, „möfle man 

etwas guten, berben Pfeffer in bie breite fade Sauce werfen, 
womit ſich bie Deutfchen den Magen verſchlammt haben’, mit 
andern Worten alfo, man müfle ben Beranger überfeten. Gr 


beruft fich dabei auf Friedrich Rüdert’s Wort 


°) Auch ber zweite Band tft feitbems erſchlenen. D. Red. 





1982. 
« 


Bas ein Dichter nöthig Hat, 

Um: wie Beéranger zu fingen, 

Kann ein Deutfher nicht. erzwingen : 

Hauptſtadt, Bolt, Geſellſchaft, Staat. 
Wie verſchieden find mithin bie Motive beider Überſetzer. 
He. Philipp Rathuſius überfent gelegentlich, bier und da Fo: 
ftend und inafchend, aus lauter Luſt und Litbe zu den Sachen 
und aus «geoßmätterlih angeftanımter- Zuneigung zum frivolen 
Sänger; Hr. L. ©. Rubens aus bem löblichen Beſtreben, ber 
dufelig gewordenen neudeutſchen kyrik unter die Arme zu grei⸗ 
fen ober fie zu curiren; Hr. Rathuflus gibt zunac nur 
103 Lieder, verfprechend, bie übrigen gelegentlich nachzulie- 
fern; Hr. Rubens gibt ben. Dichter gang in der dhronologifchen 
Meitenfolge des Originals, nur das Schlüpfrige meglaffend. 
Hr. Rathufius ſchließt Vieles aus, was ben feinern germanifchen 
Baumen anwidert, oder nach galliſcher Frivolitaͤt und Inde⸗ 


cenz ſchmeckt; Dr. Rubens iſt weniger 158 barin, 
end, er möge buch allzu vieles Bee ut Beiden unit De 


: tenfeife dem Volkspoeten ben alten ehrlichen Rod zu Schanben 


richten. Hr. Rathufius vernadhläffigt in vielen Gedichten das 
treue Wiebergeben des Reims, fich felbft entſchuldigend, daß fich 
dabei die Treue des Sinuns und die Leichtigkeit der Sonftruction 
fehr gut flehe; Hr. Rubens bleibt dem Reime ‚überall getreuer, 
bewegt ſich aber eben deshalb oft ein wenig genirt. Hr. Rathus 
fius behandelt die dem DOriginalbichter eigenthümlichen Kehrzei⸗ 
len ober Refrains mit großer Zierlichkeit; Hr. Rubens mit grös 
ferer Treue, wie er denn auch bie frangöfifchen Taufnamen 
überall beinahe beibehält — und da wir denn fo, faft wider 
Wiſſen und Willen, ins Parallelifiren hineingerathen find, fo 
ftellen wir hier, damit ber Leſer felbft prüfe, bie Überfegung 
eines Stücdes von Beiden nebſt bem Original zufammen. Wir 
wählen bazu „Roger Bontems”. 


Beranger: 


Aux.gens atrebilaires 

“ Pour exemple doune, 
'En un tems de misäres 
'Roxger Bontems kit ne. 
Vivre obscar & sa guise, 

* Nearguer les mecontens; 
Eh gai! c'est la devise 
Da gro6 Roger Bontems. 


Da shapsau de son pöre 
:Osei). dans los grande jours 


. Des reses ou de Herre 
Le sujeundr ı'wujoars: 


' 'Misttre an msauteau de bare, 


Vieil an) de viagt ans; 

Eh -gal! c'est ja parure 

Du ;greos Boger 'Beontemme. 
‚Possöder dans sa hutte 


Une table, un vieux lit, 
Des cartes, une flute, 


Un broc, que Dieu remplit, 


Un portrait de mältresse, 
Un ooflre et rien dedans; 
Eh gai! c’est la richesse 
Du gros Roger Bontems. 


Aux enfans de is ville 
„Mientzer. de ‚petite Jeuz; 
- Bitze un faiseur habile 
‚De :contes geavelanz; 
» Ne parlar que de -danss 
- B$ d’eimensche chantana; 
:Bhh gai! s’est la aeionse 
MDu gros Meger Boutems. 


Faute de vins d’dlite, 
Babler ceux du caaton; 
- Profdrer Margadrite 
Anm dames: du ;gramd ton; 
* De 'jelu et 'de.itendresse 
. Remplir taus ses Inetans; 
..Bh gal, c'est la sngesse 
‚Da gros- Roger Bontems. 


" Dire au elel: Je me fie, 


Mon pöre, à ta bontd; 
"De -me philowopkie 
''Pardonze 1a galte; 
Que‘ ma salson "dersiöre 
Soit encore un printems; 
Eh gai! co’est la pridre 
Du gros :Rexer 'Bowtenss. 


Rubens: Rochus Lebemann. 


Den rappeltöpffhen Leuten 
Zum Muſter hingeſtellt, 
In dieſen ſchlimmen Zeiten 
Kam Rochus in die Welt. 
BVerlacht des Gluͤckes Lotto, 
Leb' Jeder, wie er kann! 
Nun ſeht, das iſt das Motto 
Von Rochus Lebemann. 


Des BVaters altes Huͤtchen 


Allzeit mit Roſenbluͤtchen 
Und Nelken frifh gepußt; 
Den yvanzigiähr'gen Kragen, 
Den groben, umgethax: 


Nun febt, fo liebt zu tragen 


Sich Rochus Lebemann. 


Im Hüttchen ein Paar: bloͤde 
Bettlalen, Tiſch und Bank, 
Das Kartenfpiel, die Flöte, 
Den Weintrug, Bott fei Dan! 
Das Bild der huͤbſchen Käthe, 
Den Schrank, darin'teia Span: 
Nun feht das Daudgeräthe 


Des Rochus Lebemann. 


Ya Streichen abzurichten 
Die Duben auf der Ga), 


:-Unb Maͤrchen zu erbichten 
Mit huͤbſchem Liebesſpaß, 


Nichts plaudern als vom Tanze, 
Ein Liedchen dann und wann, 


Mur ſeht die Kunft, die ganze 
: Won Nochus Lebemann. 


Im Lanbwein ih begehen, 


Weil anderer rar wie Gold, . 
" Den Dirnen mit dem Rechen 


Mehr als den Damen hold. 
BVerllebt in friſcher Jugend 
We Luft die Zeit verthan, 
Nun ſeht, das if bie Tugend 
Bon Rochus Lebemann. 


Sum Himmel beten: „Schenke 


"Mir gnaͤdig deine Huld! 


Unb meine tollen Schwänte 
Verzeih mir in Gebuld, 

Laß grün mich noch im Alter, 
Wie ein mein Lenz begann.” 
Nun feht, daB ift der Pfalter 


: Wen Rochus Lebemann. 


: Rutbufius: Haus Froͤhlich. 
Den ſchwarzgalligen; Leuten 

Zum Muſter aufgeſtellt, 

Kam dieſe Elends-Zeiten 

Hans Froͤhlich auf die Welt. 

-StU für ſich ſelber leben, 

Die Druckſer warrethein, 

Heißa! Daß iſt des dicken 

Hans Froͤhlich Spruͤchelein. 


An hohen Feiertagen 
Mit Vaterd Hut geziert, 
Den er mit Rof und Eppich 
Stets wieder jung ſtaffirt; 
Dazu den Flaudrock, ber fi « 
Bwölf Jahr! bewähret "Bat, 


 Seißa! Das til des dicken 


Dans Froͤhlich ganzer Staat. 
In feiner. Hütte Yat er 


- Sin Bett und :einen Zi, 
. Sin ‚Spiel, eig’ Floͤt, ein Kröglein, 


Das Gott füllt immer friſch 
Ein Koffer, wo nichts brinnen, 

Sein Schaͤtzchen fein im Rahm, 

Heißa Das iſt des dicken 


Hans Froͤhlich ganzet Kram. 


Den Nachbarskindern -Ichren 


Manch laſt'ge Spielerein, 


Eradglihe Geſchichten 

Sich auszuhecken fein, 
Bom Reimkalender ſprechen 
Bon Kirms und Rebenſaft, 
Heißa! Das iſt des dicken 
Hans Froͤhlich Wifſenſchaft. 


Den Lanbwein audzupidheln, 
Weil beffern er niit Bat, 
Sein Groetchen Lieber ſehen, 
As Damm aus der Gtabt, 


Mit Tauber Luft und Liebe 


Bu feiern: feine Beit, 

HOeißa! Das tft des dicken 

Homb Froͤhlich Weltweitheit. 
Sum Himmel ſprechen: Water, 


Auf deine Guͤt' ich bau; 
Auf meine Iuf’ge Sinndart 


“ Richt höfe niederſchau'; 


Und daß mein letztes Stuͤndchen 
Doch noch im Fruͤhling ſteht! 
Heißa! Das iſt des dicken 
Sans Froͤhlich fein Gebet. 








Vous, pauvree, plelas d’eurle, 
Vous richen desireux; 
Vous dent le oher devie 
Aprös un eours heureux; 
Vous, qui perdez peut - #tre 
Des titres eclataus, 


Le gros Roger Bentems. 


Nach ber Rebeneinanderftellung biefer Couplets will es uns faft 
bedünken, ale 0b — um ein Rubens’fchen Bild zu gebrauchen — 
Hr. Nathuſius beim Ummenden des Beranger’fchen Rockes beſ⸗ 
fere Zuthat genommen und feiner genäht habe als Hr. Rubens; 
boch find wir weit entfernt, über des Letztern Übertragung: ben 
Stab zu brechen; wir fehen im Gegentheil dee Zortfegung von 
Beider Arbeit erwartungsvoll entgegen und betrachten bie 
Übertragung, wenn auch nicht eben als belebendes Ferment in 
der vaterländifchen Lyrik, boch aber als einen neuen Beweis, 
welcher Beweglichkeit, welches Formenreichthums und weldyer 
Euphonie fi unfere Sprache erfreut, wenn fie von einem ges 
wandten Beifte beherrſcht ‚wird. 


19, Junkherrn Harold's Pilgerfahet. Aus dem Engliſchen bes 
Lord Byron ins Deutſche überſezt von Hermann von 
Pe mer-⸗Eſche. Gtralfund, Löffler. 1839. ®r. 8. 

x. 

Deitdem A. W. Schlegel es unternahm die lyriſchen Werke 
der italieniſchen, ſpaniſchen und portugieſiſchen Dichter in Rhyth⸗ 
mus, Metrum, Reim und Aſſonanz getreu und fireng wieder⸗ 
qugeben, haben ihm mehre Überfeger der Neuzeit nicht blos in 
Bezug auf bie Italiener, Spanier und Portugtefen nadhgeeifert, 
fondern fi) aud einer gleichen Treue hinſichtlich der Überfegung 
bee Werke englischer Dichtkunſt befleißigt. Bietet nun auch bie 
Spenſer'ſche Stange, in welcher Byron „Harold's Pilgerfahrt“ 
abgefaßt hat, dem Überfeger weniger Schwierigkeiten, als 3. B. 
die Gonette, Sanzonen und Seflinen Petrarca’s, fo ift es boch 
wicht leicht, mit Beibehaltung ihrer Reime ben metriſchen Rhyth⸗ 
mus, die fprachlidde Färbung und ben Geiſt nicht zu beeintraͤch⸗ 
‚gen, der darin weht, was allerdings von einigen überſetern 
Dhefex Dichtung Byron’s- gefchehen iſt. Hr. Dr. v. Pommer : @fche 
bat fi in Folge biefer Wahrnehmung eine Abweichung von der 
englif Usichrift erlaubt; nicht genug, daß ex nach ber Bitte 
ber meiſten deutfchen Überfeger weibliche Reime mit männlichen 
hat abwerhfetn laſſen, Hat er ſich auch geflattet, den viergeiligen 
der Spenſer ſchen Stange zulommenben Reim in zwei zweizeilige 
umzugeftalten. Für Den, der bad Original mit den Reizen fels 
ner Reimverſchlingung nicht kennt, ann biefes Verfahren nichts 
Anſtoͤßiges oder Gtörenbes haben, und daß ber Überſetzer weib- 
diche mit männlichen Reimen wechſeln Iäßt, billigen wir fogaz, 
da das variatio delectat wol nirgend mehr als hier Stelle und 
Seltung bat. Außerdem erlaubt fich ber ÜÜberfeger veraltete, 
mundartliche, neugebildete Wörter, fowie ungewöhnliche Wort⸗ 
ſtellungen zu gebrauchen, die, nach feinem eigenen Auddruck, 
bis. dicht an Die Grenzen beä Unerlaubten fireifen. So haben 
wir ‚Wörter bier. gefunden, die wir früher nie gehört, - deren 
Sinn wir nicht Tannten unb bei denen uns auch Sbelung: im 
Stiche ließ; dahin ‚gehört das Zeitwort solmen., verolmen, - ober 
das Abieetiv olmig, befien Bebeutung uns erſt aus einer Wer 


gleichung mit dem englifchen Original :(witberd ſteht da) klar 
andern Stellen 


wurde. GSicthe Geſang IV, Stanze 114. An 

ſteht ug ſtatt jagte, Kuppe ſt. Gipfel, Mittnacht fi. Mitter⸗ 
nacht, Din ſt. Inſei, erfäßt fl. erfaßt, beuſt ft. bieteſt, durch⸗ 
mebet ft. ; andere unerhörte Worte find Brieſe, 
‚Rublte, Liebsſiedel, Gebreſten, nieb(?) Guͤßheit, Muͤmmelein 
9. ſ. w. Deſſenungeachtet finden wir nichts Kakophoniſches in 
den Stangen; ja, biefe ſprachlichen Wagniſſe geben :fogar ‚ber 
ganzen Überfetimg einen eigenthuͤmlichen ‚eig und feheimen 


het Byron gang an: ihrer @telle, der felbft Die Sprache über: | 


au wit großer Keckheit handhabt. Die Gebichte, wo Byron.bie 
Spenfer ſche Stange wegrwirft, 5 B. die Berſe an Inez, das 


Ihr Armen, ew'gen Neiber, 
Ihr Reichen -nämmerfitt, 
Verirrte Dungerleiber 
Nach kurzer Fahrt ſchon matt, 
Dat Einer Schloß und Riegel 
Und hält das Gluͤck Im Bann? 
Eh gai'! prenez pour .maltre ı Run feht, fo nehmt zum Spiegel 
Euch Rochus Lebemann! 


Ihe Armen, neideſchen Blides 
Ahr Reichen nimmer ſatt, 
Fr, deren Rab des Unis 
Gleis überfprungen hat, 
Ihr, die vielleicht verlieret 
Der eiteln Titel Glanz: 
Deißa! nehmt Exh zum Mufter 
Den bilden luſt'gen Dans. 


Lied beim Scheiden aus ber Heimat, das Rationallieb ber al- 
banefifhen Mufelmänner im zweiten Befange, find bem Übers 
feger in der That weniger gelungen und das leßtere hat ſelbſt 
etwas Kakophoniſches. Läuft auch mitunter ein Trochäus ftatt 
des Jambus in die Stangen, ſo laͤßt ſich über folche Kleinere 
Flecken und Schattenpartien bei ber Glätte, der Klarheit und 
Zierlichkeit ber ganzen Überfegung Leicht wegfehen, und wir ges 
ftehen, daß wir „Childe Harold’ bis heute noch nicht beflee 
überfegt gefeben haben als hier. Wie gelungen erfcheint im 
erfien Gefange Stange 19, wo er Portugal fehilbert, 
Stange 51, Stange 88; tm zweiten Gefange, was Byron 
Stanze 87 über Griechenland hinfeufzt; dann mehre Stangen, 
wo der Dichter den Bli von ben Objecten um ſich her ab und 
in bie Ziefen der eigenen ſternenloſen Bruſt wendet; vor allem 
die hochtragifche und pathetifche Apoftrophe an Rom und feine 
verfunfene Herrlichkeit im vierten Geſange Stanze 78 — 80, 
bie wir hier geben: 
D Rom! Du Port und Seelenbeimat mir! 
Su kehre fi, wer iſt verwaiſt im Kerzen, 
Verlaff'ne Mutter todter Reiche, bir, 
Und zähm’ im Bufen feine winzgen Schmerzen! 
Was ift denn unfer Leid und Weh? Kommt mit, 
Schaut die Cypreſſe, hört die Eul' und lenket 
Durch Thronentrümmer, Tempelſchutt den Schritt, 
Ihr, deren Qualen Tagesfriſt umſchraͤnket! — 
Dort morfih, wie unfer Staub, liegt eine Welt verfenket. 
Die Wöllerniobe! Dort. ik ihr Stand, 
Dort kronlos, kinderlos, vol fkummer Qualen, 
Hält fie die leere Urn’ in welter Hand, 
Draus längft den heil’gen Staub die Zeiten ſtahlen. 
Das Grab ber Scipionen ftehet Teer! 
Die Heldenaſche iſt ſchon laͤngſt entflogen 
Der Gruft; kommſt, alter Tiber, du daher 
Durch eine Marmorwildniß trüb gezogen? 
Auf! huͤll' ide Elend ein mit deinen gelben Bogen! 
Selt, Krieg, Blut, Beuer, Chriſt und Gothe drangen 
Ein auf ben Stolz ber Siebenhuͤgelſtadt; 
Berloͤſchen ſah fie Stern .bei Stern ihr Prangen, 
Und ſah barbar’fher Herrſcher Wagenrad 
Zum Gapitole klimmen; rings in Städe 
Fiel Thurm und Tempel, Alles ward zerkracht. 
Gewirr von Schutt! o wer ermißt die Luͤcke, 
Mirft Mondblicht In den buͤſtern Truͤmmerſchacht, 
Und ſpricht: „Dier war, bier AR, wo pwiefach waltet Nat? 
Wie ſchoͤn die Reflerion in bemfelben Gefange Stange 124: 
‚Bon. Kind. auf wellen wir und keuchen fort, 
Krank — krank! ſtets bürftend, nie und nie erquicket, 
Wenn aud zulett, an unferd Grabes Bord, " 
Solch Wahnbild, wie zuerſt wir fuchten, blicket, 
Au ſpaͤt! und fo find doppelt wir nerfluät. 
Lieb’, Ehrgier, Geiz, Ruhm find aus gleichem Samen, 
Jebwedes nichtig, alle gleich verrucht, 
Eimäfeuer ſaͤmmtlich yon verſchiednen Namen, 
. Der Aod, der ſchwarze Rauch ...wo fie zu glühn erlahmen. 


Man ſieht, es: tft ‚Hier Beine Spur: von etwa beſtellter Arbeit 
aus einer: Überfeefabeil; Attes iſt eon amore umb nicht ohne 
Beherrſchung des Sprachſchates beider Jolome gebildet. Ein 
Irrthum früherer Überſeter iſt Stange:29 im vierten Geſange 
berichtigt, wo das Original die Worte hat: Dies like tie 


1084 


Dolphin, welches überjeßt warb: flirkt wie ber Delphin; aber 
unfer Überfeger weift aus Blumenbach nad), daß bier der Gold⸗ 
Torpfen gemeint fei, ein prachtvolles Thier, das befonders im 
©terben in wunderfchöne Karben fpielt. Die Anmerkungen, bie 
Byron zu feinen Gedichten gegeben hat, find bier theils vers 
kürzt, theils erweitert, für bie Webürfnifie der jegigen Eefewelt. 
Wäre bier der Ort eine ſprachliche Kritik, zu geben, fo würden 
wir. dem Überfeger unfer günftiges Urtheil über feine Arbeit 
leicht motiviren koͤnnen; doc wird ber Unparteiifhe, wenn er 
obige Proben mit dem Driginale vergleicht, nit gut entgegens 
geſedter Anficht fein koͤnnen. 

20. Don Juan. Aus dem Englifchen bes Lord Byron. Im 
Versmaße des Originals überfegt von Adolf von Markes. 
Eſſen, Bäbdeler. 1839. Gr. 12. 1 Thlr. 

Sonderbar, alle Deutfchen fchreien: Lord Byron ift unüber⸗ 
fegbar! und dabei erfcheint eine Überfegung nad ber andern 
von ihm. Wie gegenwärtige entftanden ift, Tönnen wir uns 
recht gut denten. Man macht einen Berfuh — ein glüdlicher 
Wurf — man theilt es einem Freunde, einer Freundin, einer 
Gattin mit — „Vortrefflich“, ruft Alles, „das mußt bu dru⸗ 
den laſſen; wer kann es treuer wiedergeben!?“ Und ift die 
Treue das erſte und einzige Kriterion der Vortrefflichkeit einer 
Übertragung aus dem Englifhen, fo läßt vorliegende nichts zu 
wünfchen übrig. Der kundige Leſer vergleiche nur folgende drei 
Stanzen aus dem erften Gefange mit dem Driginal (Stange 
12, 13 u. 14): 

Ihr Lieblingsftudium if dad mathematiſche, 

Hochherzigkeit der Tugenden vor zuͤglichſte; 

Ihr Wis, oft mat fie Wig, ber attifhe, 

Sublim erdunkelts, redet fie aufs kluͤglichſte. 

Ein Wunber nenn’ Ich fie, liebt Ihr ’d Emphatiſche; 

Zum Morgen deut ihr Dimity dad Fuͤglichſte, 

* Zum Abend Tafft, Muflin an Sommertagen, 

Und anderer Stoff, doch das fol mich nicht plagen, 

Sie kann Latein — bed Deren Gebet, dad Ganze! 

Griechiſch, — das Alphabet, irr' ich mich nicht: 

Franzoͤſiſch Iteft fie, — bie und bie Romanze, 

Obgleich fie ed niht eben rein aueſpricht; 

Schlecht wartet fie der Mutterſprache Pflanze, 

Denn ihrer Unterhaltung fehlt’ an Licht, 

In Theoremen denkt, Probleme fagt fie, . 

Damit, fo ſcheint's, dad Dunkel Würde nachzieh'. 


Ste liebt Hebräifh, Engliſch, ed verbindet, 
Bemerkt fie, beide Sprachen viel Verwandtſchaft, 
Was irgendwo fie auf im Pfalter findet, 

Mag's prüfen, wer mit biefem hat Bekanntſchaft! 
Sie fagen hört’ ih, folglich iſt's gegründet, 

Und fehe Jeder , wie er’8 von der Hand fhafft: 
S' iR feltfam, was vor damn ber Brite feßet, 
Das heißt: ich bin, Hebraäiſch überfeget. 


So holpert und flolpert der Überfeger vier Geſaͤnge duch (mehr 
bet er nicht und will er nicht geben) und thut ſich auf bie 
fhwergereimten Stangen (fie erinnern gar lebhaft an 3. 2. 
Voß's fchwergereimte Dde) nicht wenig zugute, meinend, 98 
würde zu nichts führen, die Schwierigkeiten auseinanderzufegen, 
‘welche das bier verfuchte Wiedergeben aller Eigenthümtichkeiten 
des Ausdruds, bes Tons und der Form, bei dem Wortreich⸗ 
thume und der Klang = und Silberarmuth der englifcdhen Sprache, 
Sowie bei dem kecken Umfpringen des Dichters mit diefer Sprache 
gehabt Habe; auch fügt er hinzu, die nicht felten vorkommen 
den, gerbrödelten, harten und holprigen Verſe feten nicht ganz 
dem Ungefchidte bes Überſetzers beizumeffen; fie feien vielmehr 
Nachahmung des Originals, welches dann auch den Rhythmus 
ganz aufgebe. Des UÜngeſchicke iſt übrigens ber Überſeter nicht 
zu zeihen; ex geht blos von einem falfchen Principe aus und 
verbungt nun wohlbebädhtlich und gefliffentiich bas ganze Werk. 


(Die Sortfegung folgt.) 


Notizen. 


Ein engliſches urtheil über einige Zeichen bes 
geiffigen Lebens in Deutſchland. 

Auch in England betradytet man die Aufhebung der Sus⸗ 
penfion Arndt’ (Arnolt fchreibt das ,‚Athenaeum‘ vom 
3. Auguft den Ramen) als ein erfreuliches Kennzeichen ber Po: 
Kieit, die man wahrfceinlich unter der neuen Regierung in 
Preußen in Bezug auf den freien Verkehr der Meinungen be: 
folgen werde. Dagegen hegt bdiefelbe Zeitfchrift noch einigen 
Zweifel, daB das vielfacdy befprochene Project der Errichtung 
einer Akademie der Wiflenfchaften zu Wien unter Protection 
der oͤſtreichiſchen Regierung „ohne Zweifel”, wie einer ihrer 
Gorrefpondenten berichtet, zu Stande kommen werde. Es fet 
wenig Zmeifel an der Verwirklichung eines ſolchen Planes vor: 
handen gewefen, als Leibnig die Errichtung einer foldden Ans 
ftalt betreiben geholfen habe; wenig Zweifel 60 Zahre fpäter, 
1773, Miftreß Trollope, die „nach Mittheilungen von hoher 
Autorität” darüber gefprocdhen, babe 1838 wiederum wenig 
Zweifel daran gehabt, und doch fei die Über diefen Gegenſtand 
von den audgezeichnetfien Männern der Literatur und ber Wiſ⸗ 
fenfhaft im Reiche überreichte Petition ohne Antwort geblieben. 
Deshalb werde man den Erfolg geduldig abmarten müflen, 
ohne irgend welhe Meinung über ben Gegenftand zu äußern. 


Der Ausfhuß des glasgower Wellingtonvereins hat in ſei⸗ 
ner Verlegenheit um einen Künſtler für die Ausführung feines 
Planes jegt einen Unterausihuß von 21 Perfonen mit der Un: 
terfuhung in Betreff der ausgezeichnetfien europäifchen Bild⸗ 
bauer, der beften Weife der Auswahl unter ihnen, der von 
ihnen zu flellenden Preife und der Zeit, in welcher jeder ber 
felben die Vollführung des Werks unternehmen will, beauftragt. 
Diefer hat damit begonnen, feine Anträge an Chantrey, Bailg, 
Weftmacott, Camphell, Steel, Wyatt, Marochetti, Rauch 
und Schwanthaler zu flellen, in weldyen er Beichnungen und 
Lithographien der von benfelben bereits hergeftellten oder ent⸗ 
mworfenen }Reiterflatuen emgefandt zu erhalten wünſcht und bie 
Erklärung verlangt, ob man ſich mit ber gezeichneten Summe 
der beften Leiftung des zu beauftragenden Künftlers vers 
figert hatten, und ob ein Theil derfelben auf ein Piedeſtal mit 
biltorifchen Basreliefabbildungen verwendet werben koͤnne. Der 
edinburger Wellingtonverein bat feinen Auftrag an Steel er- 
theilt, einen jungen _Künfller, dem man bas Denkmal Scott’s 
für diefelbe Stadt früher übertragen hatte; auch befand ſich 
eine Büfte der regierenden Königin von ihm bei der Musftellung 
der Akademie des vorigen Jahres. 


Am 23, Juli hat man in ber Kapelle des Palazzo bei 
Podeftä, jetzt dei Bargello, das lange Zeit verloren gewefene 
Portrait Dante’s von Giotto wieberaufgefunden, nachdem audy 
das einzige andere Conterfei bes Dichters, welches fih in Santa 
Groce befand, unwieberbringlich verloren gegangen ift. Es fcheint, 
daß ein Signor Bozzi, durch eine Bemerkung Moreni’s zu der 
„Vita di Dante’ von Filelfo, wo das Portrait, wie auch in 
dem Werke von Vaſari erwähnt ift, aufmerkfam gemacht, ſich 
mit manden Schwierigkeiten die Erlaubniß zur Wieberherftels 
tung der Frescogemälbe in ber Kapelle bes Bargello erwirkt 
babe, nachdem bereits vor 30 Jahren von dem ausgezeichneten 
florentiner Chemiker, Dr. Gioni, ohne Erfolg, Verſuche aus 
geftellt worden waren. Der Bildhauer Bartolini und der Mars 
cheſe Ferani waren ebenfalls mit bem Geſchaͤfte beauftragt, 
und £esterer bat zuerfi dem Signor Bezzi, der fich jett In 
England aufhält, die Nachricht von dem Erfolge mitgetheilt. 
Dante’s Geſtalt ift in Lebensgröße; in der einen Hand Hält er 
ein Bud, in der anbern einen Branatapfelzweig. Zugleich hat 
man noch Portraits von Brunetto Latini und Corſo Donati, 
wie mehrer anderer unbelannter Perſonen aufgefunden. Die 
Band, auf welcher fämmtliche Portraits ſich befinden, ift dem 
Daupteingange gerabe gegenüber. 47, 


Verantwortlicher Deraudgebers Heinrih Brokhaus. — Drud und Berlag von 8. A. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


—— 


Bericht uber eine Poeten-Genturie aus dem Jahre 1839. 
3weiter Artitlel. 
(Bortfegung aus Nr. 269.) 

2. Dffian’s Gedichte. Rhythmiſch bearbeitet von Eduard 
Brindmeier. Braunfchweig, Oehme und Müller. 1839, 

Kl. 42. 1 hie. 12 Er. 


Schon che wir diefes fplendid gedruckte, innerlich wie äußers 


ich gut ausgeftattete Buch erblicten, laſen wie in Zeitfchriften 
bier und da manches billigende und lobende Wörtchen über ben 
neuen Überfeger. Wir find auch weit entfernt, bie Verdienſte 
und Geſchicklichkeit befielben zu ſchmaͤlern, und flellen uns gern 
in die Reihen der Anerkennenden. In einer wohlfiglifirten, bie 
befannten Fata libelli berührenden Einleitung ftellt der neue 
Bearbeiter die früher oft beftrittene Meinung auf, die fraglidhen 
Gefänge rührten wirklich von dem alten calebonifdyen Barden 


Offtan her, der Brite Macpherſon habe blos das Verdienſt, 


fie aus Vollstraditionen gefammelt, das Zerſtreute verbunden, 
die Lucken ausgefüllt und den längern epiſchen Stüden ihre ges 
genwrtige Geftaltung gegeben zu haben. Anbere find anderer 

nfigt, und will Hr. Brindmeier, fowie Jeder, den Literar: 
biftorifches intereffict, diefe kennen lernen, fo ſchlage er darüber 
„Transactions of the Royal Irish academy’ (3b. 16, Th. 1 
u. 2, 1830) nad, wo die Beantwortung einer von genannter 
Alabemie neu aufgeftellten Frage: ob Dffian ober Macpherfon 
Berfafler jener Befänge feien? ſich befindet. Die erfte und aus: 
führlichfte Beantwortung if von William Hamilton Drums 
mond, der den Maepherfon als einen Betrüger, Dffien als 
eine erdichtete Perfon, und Toland’s „History of the Druides’' 
als Hauptquell, aus welchem Macyherſon gefchöpft habe, klaͤr⸗ 
lich darftellt. Die zweite, benfelben Gegenſtand betreffende 
Preisſchrift it von Edward O’Nellly, führt zu ähnlichen We: 
fultaten und beweift, daß Dffian kein Schotte, fondern ein 
Ire geweien ſei. Dem Lefer kann es freilich gleich fein, ob 
Oſſian wirklich gelebt, ob er ein Schotte oder Ire ſei, oder 
ob Macpherfon das Publicum damals mpftificirt habe, ba bie 
Gedichte ſelbſt ſchoͤn find; nicht aber dem Überſetzer, der nas 
mentlich die Urfchrift, aus der er übertragen will, wohl prüfen 
muß. Hr. Brindmeier hat aus Macpherfon, alfo aus dem 
Engliſchen und nicht aus dem Bälifchen überfeht, alfo aus 
einem tiberfeger,, den nicht blos die englifchen Krititer zu’ jener 
Zeit, wo ber Streit am hitzigſten war, ſondern auch bei uns 
Ahlwardt der Unkunde bes gälifchen Idioms, bes Mangels 
an Gefhmad und des echten Dichtergefühls_befchulbigt haben. 
Den Effect der Offtan’fchen Lieber wohl fühlend, haben deutfche 
Kritiker und Gchöngeifter ihre Stimmen über ihn abgegeben 
und feine Verſe als Hebel in ber Geftaltung ihrer eigenen poe⸗ 
tischen Bild: und Bauwerke gebraudt. So ſpricht Herder ein 
beberzigenswerthes Wort über ihn, Schlegel desgleichen, mehr 
Hifkorifch aber; Goethe Iegt feinem Werther eine Stelle voll 
hohem Pathos in ben Mund, und bei H. Heine wird gar bie 
Stelle: „Schoͤn bift du, Tochter ber Nacht ꝛc.“ in feiner „Harz⸗ 


reiſe“ von burlestsfchlagendem Effect, indem er fie einem fen: - 


ö—⸗ Nr. 270. — 


26. September 1840. 


timentalen halbtruntenen Sünglinge in den Mund legt, ber in 
einem Kleiderſchranke eine gelblederne Hofe für den Mond anfleht. 

Sagt nun Hr. Brindimeier, ſaͤmmtliche bisher erfchienene 
Überfegungen, fo weit fie ihm belannt geworben, feien metr 
ober minder freie Bearbeitungen, die zwar wol den Sinn wies 
beigäben, aber das ganze Golorit verwifcht Hätten, und nur 
bie Rhode’fche Überfegung mache davon eine rühmliche Ausnahme, 
fo hat er eine Übertragung Dffian’s überfehen, die neben größs 
ter Treue ein fleißiges Studium des gälifchen Originals bes 
urkundet und mit wahrer Liebe gearbeitet if. Wir reden von 
der 1811 bei Böfchen in drei Bänden erfchienenen Überfegung 
der Sedichte Difian’s von Chriftian Wilhelm Ahlwardt. 
Wir halten diefe Übertragung aus gälifchen Originalen für bie . 
gelungenfte und Tönnen nicht begreifen, warum Hr. Brinckmeier 
fie fo vornehm ignorirt. Der Leſer beurtheile felbft bie Leiſtun⸗ 
gen Beider, indem wir den Anfang der Lieber von Selma, 
die wol am belannteften find, nebeneinanberftellen. 


Brindmeier: — 
Stern ber ſinkenden Nacht, 
Schoͤn iſt dein Licht im Weſten, 
Du erhebſt dein lockiges Haupt aus deinen Wolken, 
Deine Schritte find ſtattlich an deinem Berg. 
Was ſchau'ſt in der Ebene du? 
Der ſtuͤrmiſche Wind hat ſich gelegt, 
Das Gemurmel bed Bergſtroms kommt aus der Kerne, 
Broufende Wogen erklimmen den fernen Fels, 
Die Abendfliegen ſchweben auf ihren zarten Schwingen, 
Das Gefumm ihred Fluges iſt auf dem Gefild: 
Sag, was ſchaueſt du, ſchoͤnes Licht? 
Aber du laͤchelſt und ziehſt vorüber. 
Die Wellen umringen mit Freuden dich, 
Sie baden bein liebliches Daar. 
Babre wohl, bu ſchweigender Strahl, 
Laß das Lit in Dffian’d Seele fi erheben. 


Und ed erhebt fi in feiner Macht! 
Ich ſehe meine gefchiedenen Freunde. 
Sie verſammeln auf Lora ſich, 
Wie in den Tagen anderer Jahre. 
Fingal erſcheint gleich einer feuchten Nebelſaͤule! 
Seine Helden umgeben ihn, 
Sch fehe die Barden bed Lieds, 
Ullin mit grauem Haar, ben ſtattlichen Rym, 
Alpin, mit ben tonvollen Stimm’, 
Und bie fanfte Klage Minona’d! 
Wie feld ihr verändert, meine "Freunde, 
Seit den Tagen von Selma's Belt, 
Als wir kaͤmpften gleich Fruͤhlingslaͤſtchen, 
Wie fie am Berge dabinziehn 
Und beugen das Täufelnde Brad! 
Minona trat vor in Ihrer Schönheit, 
Den Blid gefentt und Thraͤnen im Auge. 
Ihr Daar flog leid in dem Wind, 


1986 


- 


_ Der unftät über den Berg dahinfuhr. 
Die Seelen der Helden waren traurig, 
Als fie die tonvolle Stimme erhob. 

Dft Hatten fie Salgar’d Grab gefehen, 
Und ber weißbufigen Colma ſchwarze Wohnung — 

. Solms, alleis an dem Berge gelafler, 
Mit al ihrek tonvellen Stimme. 
Salgar verfprah zu kommen, .- 
Doch rings ſank nieder die Racht. 
Höret die Stimme Colma's, 

Da fie allen an dem Berge fahe. f. w: 


Ahlwardt: 
Stern der ſinkenden Nacht, 

Schoͤn funkelt im Weſten dein Licht. 
Du hebſt dein Strahlenhaupt aus Wolken, 
Wallſt ſtattlich hin an deinen Hoͤhn. 
Warum blickſt auf die Ebene du? 
Vertobt iſt der Stuͤrme Gebraus. 
Fernher kommt das Murmeln des Bergſtroms; 
Den fernen Fels umſpielt die Brandung. 
Die Abendfliege ſchweift umher, 
Es ſummt ihr Flug durchs Gefild. 
Wonach blickſt du, ſchoͤnes Licht? 
Doch du laͤchelſt und ſchwindeſt hinweg. 
Voll Freud' umkreiſen dich die Wellen, 
Sie baden dein liebliches Haar. 
Lebe wohl du ſchweigender Strahl; 
Du Licht in Diſian's Seel' erwach'. 


Es erwacht in feiner Kraft; 
Ich ſeh' die gefhiedenen Frounde, 
Sie ſammeln ſich wieder am Lora, 
Wie ſonſt in den Tagen der Vorzeit. 
Helb Fionnghal ſchwebet heran, 
Gleich thuͤrmendem NRebelgewog, 
Bon feinen Helden umkreiſt. 
Sieh dort die Barden bed Lieb, 
ulin den Greis und den ſtattlichen Raonine! 
Sieh’ Alpin, melodiſcher Stimm’, 
Und Minnfhonn fanfter Klage! 
Wie feid ihre verändert, ihr Freunde, 
Seit Selma's Hagen des Feſtmahls! 
Als wir ſtritten im Wechfelgeſang, 
Den Luͤftchen des Fruͤhlings vergleichbar, 
Die, laͤngs dem Huͤgel entſchwebend, 
Wechſelnd beugen das fliſternde Gras! 
Minnfhonn trat hervor in Schoͤnheit, 
Geſenkt den Blick, das Auge bethränt. 
Ihr Daar floß fhwer in dem Windſtoß, 
Der unftät ſauſte vom Dügel. 
Die Seelen der Tapferen trau’rten, 
Als bed Lautd Melodien fie erhob. 
Oftmal fahn fie Sealgatr’d Grat, 
Das enge Haus ber fhönen Culmath; 
Gulmath, einfam, verlaffen am Hügel, 
Mit al der melobifhen Stimme. 
Sealgaie hatte verſprochen zu kommen, 
Aber ringsum ſenkte fih Nacht. 
Hört die Stimme ber reizenden Culmath, 
Als fie einfam am Hügel faß u. f. w. 


Steht Ahiwardt Hrn. Brindtmeier hier nah? Das Buch tritt 
übrigens äußerlich in einer würdigen @eftalt auf. Schon das 
.Großquartformat imponist und flicht vortheilhaft gegen die 
Duodezroͤcklein ab, in die man heutzutage unfere größten Bei: 
ſter einzunähen pflegt. Der farbige Umſchlag zeigt auf beiden 
Seiten in reinlichem Golddruck den alten Barden, Minona (von 
Herren Ahlwardt Minnfhonn auf gut gälifch genannt), eine 
Heldengeſtalt, fowie die deutfanien Embleme Schild, Darfe und 
Epheu. Diefer Umfchlag iſt noch beffer gerathen als die Litho⸗ 


graphie vor dem Zitel, auf welchem alle Iuftigen Bilder der 
Oſſian'ſchen Geifter- und Heroenwelt zufammengebrängt find, 
ummallt von den Nebeln der Haide, umraufdt von flürzenden 
Bergwaffern und umleuchtet von ben leuchtenden Strahlen des 
Vollmonds. 
32. Schwebens Ahnen, von Beynhard aan Seſchow. Lu⸗ 
bei, v. Rohden. 1838. &r y 10 Gr. * 1% er 
Das Büchlein, auf etwas grauem Papier gedruckt, enthaͤlt 
bie Überfegung eines mit dem großen Preife von der ſchwedi⸗ 
then Akademie belohnten Lobgedichts auf des Landes hiftorifche 
n, vom ediſchen Dunkel zu Go⸗ 
thenburg, ber den ſchwediſchen Originaltert beigefügt, und das 
Gange mit weitläufigen biftorifchen Anmerkungen verſehen hat, 
überfegt. Die Sprache ift edel, voll Pathos, die Verſe geban- 
kenreich umb mohfklingend, und die darin vorkommenden Hel⸗ 
bennamen: Engelbrecht, Birger Jarl, Torkel Knutfon, Sture, 
Chriſtian Gyllenſtjerna, Guſtav Adolf, Arel Orenflierna, Wran⸗ 
gel, Torſtenſon, Bande, Karl X., XI. u. XIL haben einen 
guten Klang. Zu loben möchte noch fein, daß Hr. v. Beſkow 
bie La anbinavifcen Gottheiten nicht über die Gebühr figuri- 
ren . 


Wir laſſen jegt in fieben Nummern einige Erzeug: 
niffe der poetifchen Ascetik aus vorigem Jahre folgen. 


23. Kreuz und Harfe. Eine Sammlung geiſtlicher Didgtungen 
von Heinrich Alerander Seidel. KRofod, Deberg. 
1839, 8. 12 ®r. 

Ohne entſchiedene dogmatiſche Faͤrbung, ohne Gedanken⸗ 
reichhthum, bei viel Declamation und hohlen Phraſen treiben 
dieſe Lieder auf ber breiten Alltagswelle der Zeit dahin und 
werben Bald verſchlungen fein. Man lief fie ohne Anftoß von 
Anfang bis zu Ende, aber auch ohne für das Deilige und Das, 
was droben iſt unb ewig währt, tm geringften erwärmt zu 
werden. Nicht eine Nummer konnten wir notiren. 


24. Religidfe Dichtungen von Chriſtian Schreiber. Here: 
feld, Schufler. 1839. 8. 1 Xhle. s de 

Hier iſt mehr Licht und Wärme als im vorigen Bude. 

Mit den auf dem Zitelblatte befindlichen Worten: „‚Andachts: 


J buch für Gebildete“, gibt der Verf. des Buches Tendenz an; 


indeffen halten wir das für überflüffig, denn find bie Lieder 
wirklich erwediih und erbaulih, wird has Buch von feldft zum 
Andachtsbuche; find fie cs nicht, fo wird es body feines. Die 
Kiarheit ber Ideen, bie Slaubensfreudigkeit, die fromme Ruhe, 
die durch die klangvollen Lieder zieht, die entichieden bogmatifcke 
Bärbung, bie fie tragen, machen fie zur Erbauung geeignet; 
nur ein Mal wird man an Witſchel und ein anderes Mal an 
des Verf. Namenevetter, dex vor etwa breißig Jahren recht 
ertig fang, gemahnt. Das foll kein Zabel fein. „Der Welter: 
loͤſer“ in vier DOxatorien bildet die erfte Abtheilung, worin bie 
an paflenden Stellen eingewebten Bibelworte zu loben find. 
Zweitens werben religiöfe Betrachtungen geboten, wobei wir 
blos erwähnen, daß in ber Herbſtbetrachtung, bie Hinweiſur 
auf Colombo, der im Spätfommer feines Leb Große: 
vollbrachte, uupaffend erfcheint ; eine biblifche Perſonlichkeit wäre 
paflender geweim. In ber britten Abtheilung : „Vermiſchte Ge⸗ 
bidgte”‘, find artige Sachen, von denen einige ſelbſt, nur baß 
fie populairer fein müßten, in unfere —— übergehen 
koͤnnten. S. 84 das freundliche und wahre Bib: 
Wie die Schwalbe, wenn fie zieht 
In dad wärmre kaub, 
Ste weiß nit, wie ihr geidieht, 
Selgt der böhern Dand, 
Kommt giädlih an. 1, 
Der, fo trau’ dem innern Zug, 
Simmelßfehnfucht: Glaubensfiug, 
Das it Bein Wahn. 


Außerbem notiven wir ‚„‚Lebensmuth‘ (S. 97), und unter_bem 


1087 


Eprügen „Das mienſchliche Herz’ (S. 9), „An eine Ent: 
Hiafene (e. 147) theilen wir gang mit: 
Sie Korb. In meinem Herzen ſtarb fie nicht. 
IH: Dafein konnte wol dad Grab enträden, 
Die arte Blame graufam mir yerbräden, 
Doch ihres Dafeind Seele nicht. 
Roch theil' ich meine Schmerzen, mein Entzüden 
Mit ihr, ihr fühed Angedenten fpricht 
Mi liebenb an, folgt, wie ein heitred Licht, 
Mir überall, gewohnt mich zu begläden, 
3% weiß, fie ift mir nah, obgleid den Gianen 
Die himmlifhe Geſtaie, ihe Wort und Bild entgeht. 
Doch wenn ein filler Friede mid ummebt, 
Gin fanfter Ton durch meine Seele Hingt, 
Ein fpdner Iran vergangne Beiten bringt: 
Dann feh’ im Geil ich fie Geſtalt gewinnen, 
Und hold Geſpraͤch, wie fonk, mit mir beginnen. 
Die indioidualifirenden Grabferiften hätten wegfallen koͤnnen. 
Der vierte und legte Abfchnitt gibt etwas magere Gantatın im 
Geift und Ton der Pfalmen. 
25. Des Pfarrers Harfenfpiel von I. 9. ©. Nonne. Effen, 
Baͤdeker. 1840. Gr. 12. 12 Gr. 

Wir wuͤnſchen, daß jedes geiſtliche Harfenſpiel einen fo 
seinen und beftimmten Klang habe wie das uns eben ertönende. 
Man kann nicht fagen, Hrn. Ronne’s Harfe klinge wie bie 
bes David ober Aflaph, obwol er überall in zeimlofen Jamben 
ader Trochäen fingt und, wie jene Urfänger, den Reim gaͤnz⸗ 
Bi zu verſchmaͤhen fcheint, fondern wir finden hier unter ber 
was fömantenben 1 en Be „nen 

Sytias rel adptungen an Befltagen Kirche uni 
Ol  oatsune, feommen @efühls, mit mäßiger Her⸗ 
beigiehung orientalifcper Bilder in bee Gpradhe ber Iehtwelt, 
unter denen ih S. 20 „Die Betrachtung am Gyivefterabend‘” 
auszeichnet, und welde, ba einige logiſch wie Predigten dispo⸗ 
atet find, Elar befunden, weldhem Gtande ber geift» und ges 
mütheeiche Verf. angehöre. Giche 3. B. ,Charfreitagsgefühle” 
37) u. a. m. Die zweite kürzere Abtheilung bildet einen 
jilderfaal auf bibliſchem Grunde und enthält eine Reihe von 
Geelengemälden, die durch ein weiches Golorit, Ihetogifihe 
Abliae Aeimung und. mitunter Darcy wahre PioRtE Harakte 
zifet werden. Drei Nummern heben wir heraus: „Die erften 
Gänber”, nie (in in —* „nie er, a 4 im 
In miß fauchi it, David) am offenen Benfter”, 
ne cn welches ſich ja auch · Draͤſeke geftellt Hat. 


2%. Gefihte. Chriſtlich-prophetiſche Befänge von Morig 
ee Zirie. Leipzig, Briefe. 1840, Gr. 12. 
15 GSr. 


Man ſuche hier Feine Wifionen im Ggechielfcken Geift und 
Gina, nod au fombolifch = pieroglyphlfäe Porf } 
h. Briedrich v. Mever in den 1836 erfhienenen , ' 
3 114 d. 81. f. 1837), in Jakob Böhme’fcher & ' 
gehend, gab. Den hier aufgeftellten Bildern ı } 
Kegt hin und wieder Feine klare Idee zum Grunde ’ 
fie vag, verfhwommen und unverfländlid. Das a 
Jos erftie Stüd „Die Mutter‘, worunter bie Kirche zu vers 
#ehen ift, wo daß froftige Bilberfpiel mit der Kette hi uns 
Har unb eben deshalb effectlos ff. Die Antithefen in „Das 
eben” (8. 16) find fehe geſucht und fhwülftig, ein Metheil, 
plches man auch Über das folgende Stüd: „Der Mastenball”, 
Allen —— 
ein jelotijches Anathem ausgeſprochen wird. Seſſer gehalten 
mad charakteriftifcger find die folgenden Nummern’ bis zum 
SAlıh; 3 8. „Der Kirchhof‘, woraus der Schluß lautet: 
iegt, Gmbrponen Känft'ger Zeiten, 

Seburtömehlünbend ihr (bev Erbe) im Leib? 

Die werbet ide der. Erd’ entgleiten, 

Mol Yraht dem farken, hönen Beib! 


Idt werbet wunderbar erfehen, 
Mit Herrlictelt und Krafı gegiert: 
Die Erde felöß flirbt an den Wehen, 
Die Mutter, wenn fie eud) gebiert, 


Sleichfalls beffer-ift „Dex Abend” (8. 43), wo bie em 
über Laupeit, Unkirchlipkeit und Dunkelgeit kiarer, ie en 
greifenber ertönen. Diefe Klagen wiederholen ſich in „Ruine”, 
womit wahrfcheinlid die Kicche gemeint ft, und in den „Eulen“ 
wahrfcheinlich die Beloten, Lichiſche nen und Dunkelmännes. ©. 63 
wird die „@eißel” gefhwungen über &aue, Gaumfelige und Uns 
thätige im Weinberge bes Heren, nicht unkäftig. „Die Sonne” 
ſoll die dunkeln Herzenstiefen der Chriſtenheit erhellen, und in 
der legten Rummer: „Die Hochzeit”, wird die Wermählung ber 
Chriſtenhelt, „ber mannbaren Jungfrau” mit dem Heren bes 
fungen. An ernftem Studium von Vorbildern und an einem 
Bid in das Buch der Bücher fcheint es zu fehlen. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Italieniſche Erinnerungen an den Zug Heinrich's VII. 
Der Römerzug Kaifer Heinrich's von Lügelburg Hat in 
Italien wenig bedeutende Spuren zurüdgelaffen. literaris 
ſchen abgerechnet, wie fie in Dante Alighiert's berebten Weies 
fen, in den Gefcichtewerten des Pabuaners Albertino Mufs 
fato, des Giovanni da Germenate, des Bicentiners Ferrero und 
in den gleich vortrefflichen wie lebenvollen florentinifchen Thro⸗ 
niken ſich vorfinden, treten uns nur wenige anderer Art ents 
gem, Wenigftens in Mittelitalien. Bei der Abtei Sans Saibi 
berfchaut man bie Ebene, in welder der Kaifer Iagerte, vers 
geblich das wiberfpenftige Fiorenz herausfodernd zum Kampf. 
Was auf dem Hügel, der das Städtchen Poggibonzt beferrfcht, 
von Trümmern zu fehen iſt, gehört wahrfheinlid, fpäterer Zeit: 
aber nody im 16. Jahrhunderte hatte der Ort den Ramen Pogs 
gio imperiale von der Burg, welche Kaifer Heinrich im Winter 
von 1318 hier, im Nabel Toscanas, erbaute. Rachmals ward 
dann ber ältere Rame, Bonizo's Hügel, von neuem vorherr⸗ 
ſchend. WBuonconvento, der Ort an der römife Straße, wo 
ber Kalfer am 24, Aug. 1813 verfehle, hat Faum etwas Als 
terthaͤmiiches mehr aufzuweifen. Bekauntiich wurde bie Beide 
erſt nach Gevereto in ber Maremma, dann nad dem treuen 
Pifa gebracht und im dortigen Dome beigefegt.*) Das Brabs 
mal befand fih urfprünglih in der Zribune des Hochaltars. 
Im’. 149% wurde e8 in ber Kapelle bes heiligen Rainer aufe 
geftellt, 1727 über ber Thuͤre zur Gacriftei der Domberren. 
Sin Theil der Werzierungen ging bei dieſer Gelegenheit zu 
Grunde. Im I. 1830 endlih, als im Dom verfhlebene um⸗ 


*) Wann dies gefhehen, fdeint zweifelhaft, die Einen fagen am 
3. September beffelben Jahres (f. Sarthold's „Römerzug Heinz 
zig" vom Lügelburg“, IL 458); die Infrift ded Denkmalk 
nennt den 36. Auguft 186, 


1088 


Das Brabmal ift ein Länglicher vieredliger Kaſten von weis 
Gem Marmor, auf einem boppelten breitern Unterfage fiehend. 
Den obern Theil defielben nimmt bie folgende Infchrift ein: 

Hoc in sarcophagu non quidem spernendo Henrici olim 
Lucemburgensis comitis et posthec septimi eius nominis Ro- 
manorum Imperatoris ossa continentur que secundo post 
eius fatum anno videlicet MCCCXV die vero XXV sex- 
tilis Pidas translata summo cum honore et funere hoc in 
hano adhüc usq. diem collocata permansere. 
Auf dem untern Theile ſieht man in der Mitte den Eaiferlichen 


Adler, mit dem Motto: Quid quid facimus venit ex alto; 


links ein Kreuz, rechts das Wort oPE, alles in halberhobener 
Arbeit. Die Vorberfeite der Lade nehmen zehn Deiligengeflals 
ten ein, mit architektoniſcher Verzierung. Zu den Seiten zwei 
Meine Statuen, von Klagenden oder Leidtragenden. Auf dem 
Dedel liegt die Geftalt des Kaifers, das unbededte Haupt auf 
einem Kiffen ruhend, im Laiferlichen Mantel, auf dem man £ös 
wen und Abler, die Sinnbilder der Ghibellinifchen und Guelfi⸗ 
fchen Parteien, erblickt. Man fchreibt dies Werk einem Mae: 
o Tino zu.” 
Mr Bei viefer I echältnifmäßigen Dürftigkeit der Erinnerungen 
an den vitterlichen Kaifer, welche wir in dem heutigen Italien 
gewahren"*), glaube ich, daß einige Infchriften nicht ganz ohne 
Intereſſe fein werden, die fi auf Theilnehmer am Römerzuge 
beziehen. Ich fand fie zu Rom, in der auf der Öftlichen Spige 
des GSapitolinifhen Berges gelegenen Kirche Sta.: Maria Aras 
celi und theile fie um fo lieber mit, als die Steine, auf benen 
fie eingegraben find, in den Fußboden eingefügt und ſchon iegt 
iemlich abgetreten find, fobaß es immer ſchwerer werben wird, 
zu leſen. Die Steine mit vollftändigen Infchriften find 
viere an ber Bahl und Liegen ziemlich in einer Reihe dicht 
an ber rechten Saͤulenreihe des Langfchiffe. Sie find vom Mo: 
nat Juni 1312, alfo nicht gar lange vor des Kaiſers Auszug 
nad Tivoli, der am 20. Juli ſtattfand. Die Kämpfe mit der 
orfiniſch⸗ neapolitanifchen Partei, welche bie Engelsburg und die 
Leoftabt befept hielt, hatten flets gewährt. WBösartige Krank; 
heiten, das alte Erbe ber Weltfladt, waren ſchon unter bem 
Heere ausgebrochen und verringerten die Waffe, was benn enbs 
tich Heinrich bemog, Rom zu verlaffen. Zwei Brabfteine decken 
die Bebeine von Ritteen aus dem Gefolge bes Pfalggrafen Ru: 
dolf, Herzogs von Baiern, welcher, ein fpäter Theilnehmer, zu 
Genua Anfang 1312 zum Heere gezogen war. Der erfte hat 
folgende Inſchrift unter einem mit Helm und Dede geſchmuͤck⸗ 
ten, jedt nicht mehr erkennbaren Wappen: 
+ Anno Dni MCCCXII VII Kal Junü die veneris post 
Urbeni obiit Dns Eberhardus miles de Krlach magister 
camere illustris Dni Rodulfi comitis palatiui Reni et ducis 
Babarie. Roquiescat in pace Amen. 
Bei dem zweiten ift die gem ganz biefelbe. Die Iufchrift lautet: 
.. $ Auno Do MCCCAIU VII Kal Junii obiit Ill Ekebert 
Crecil miles marescal Illustris Dni Rudolfi comitis pala- 
tini Beni et Ducis Babarie. 
Die beiden andern Infchriften nennen Schreiber der Eaiferlichen 


Kanzlei, deren Beftalten. man auch auf den Steinen fieht, mit. 


bioßer Andeutung der Formen durch eingehauene Umriſſe. Das 
Ganze umgeben von arditektonifcher Verzierung, mit einem 


*) Bei Gelegenheit der beiben jüngften Ortöveränberungen wurde 
die Labe geöffnet. Man fand neben ben Gebeinen Krone, Scep⸗ 
ter und Weltkugel von Silber und Reſte des goldgeſtickten 
Kaiſermantels. Alles blieb, wo und wie man es gefunden. 
Bgl. Graffi’® ‚„„Deserizione di Pisa’ (1836), I, 169; II, 148. 

”) In Sta.s Maria bei Fiore zu Blorenz fieht man dad Denkmal 
des Biſchofs der Stadt, Antonio d'Orſo, welcher bei bem An: 
griff, den ber Kaiſer unternahm, durch Beifptel und Ermahnung 
die Bürger zur Vertheidigung ermunterte. Neben ded Biſchofe 
Wappen fieht man daran badjenige Papft Bonifaz VII. 


Spikbogen oben, wie ſehr häufig vorkommt. Die herumlau— 
fenden Infchriften heißen: 

+ Hic iacet Sanctus Andree Lutii de Callio notari aule 

et scriptor cancellarie Dni Heinrici Romanorü Imperato- 

ris ob anno Dni MCCCKII die VI Junii. 

+ Hic iacet Franciscus de Imola notarius aule et scriptor 

cancellarie Dni Henrici Romanorü Imperatoris 9 obut A 

D MCCCXII (Reft unleſerlich). 
In berfelben Linie Liegt der Grabſtein eines Biſchofs, der vick 
leicht aus der nämlichen Zeit if. Es fehlt ihm aber die Ins 
ſchrift. Auf einem andern in ber Nähe ber oben bezeichneten 
eingefügten Steine find nur noch folgende Worte zu leſen — 
— — miles magister — — Joannis comitis forensis — — 
MCCCKI. | 

Wer weiß, ob unter den nicht beachteten Grabſteinen ans 
derer roͤmiſchen Kirchen nicht mehre noch ſich finden, welche bie 
Namen folder Mannen enthalten, die entweder bei des Kaiſers 
Anweſenheit oder nachmals im Sommer ſtarben, als der Herr 
von Savigney und der Graf von Bucheck zur Bewachung der 
Stadt zurüdblieben. 
Florenz, Auguft 1840, Alfred Reumont. 


(ee EEE gg 


Literarifhe Notizen. 

Man erfährt, daß Spanien gegenwärtig 46 dramatiſche 
Dichter befigt, wovon 22 in Madrid leben. Überhaupt iſt bie 
dramatiſche Poeſie das einzige literariſche Genre, welches im 
Spanien jett einigermaßen in Blüte ſteht. Der fruchtbarſte 
unter ihnen iſt Breton de la Herreros, der mehr als 50 
Schau: und Trauerſpiele verfertigt hat, welche bei der Darſtei⸗ 
lung Beifall fanden. Martinez de la Roſa bat ein Luſtſpiel unter 
dem Zitel „El Espaüol en Venecia, o la cabeza encantada“ 
vollendet, welches beftimmt ift, aufgeführt zu werben, wenn bie 
Königin bei ihrer Rückkehr nah Madrid zum erflenmal das 
Theater befucht. Das Stüd fol geiftooll fein, iſt bereits vom 
Liebhabern auf Privattheatern bargeftellt worden und hat gro⸗ 
Ben Beifall gefunden. Wie überall zehren jedoch auch die ſpa⸗ 
niſchen Bühnen vom Repertoire der parifer Theater. 


Der 26. Band der „Encyclopedie des gens du monde”, 
it vor kurzem in Paris erfchienen und enthält mehre Artikel, 
welche für deutfche Leſer von fpecielerm Intereſſe find, fo bie 
Artikel Herder und Hebel, von Spach bearbeitet, ber auch ei⸗ 
nen Artikel über Lady Hamilton lieferte; Matter ſchrieb über 
&. von Haller, Hermes und ben Drientaliften von Hammer, 
ben er auf eine fehr gefchmadvolle Art zu würdigen gewußt bat. 
Bemerkenswerth ift der Artikel über Hebert und feine Kactiom 
von Vieillard, einem Gchriftfteller, der fi durch Geiſt und 
eine leichte und geſchickte Feder auszeichnet. Gelehrt find Guie 
gniaut's Arbeiten über Hecatäus, Herodot, Heſiod und Heras 
klit. Außerdem finden fi hier Arbeiten von dem Hauptredac⸗ 
teur des Werks, Hrn. Schnigler, von Waldenaer, Wilnar, 
dem Bicomte Santarem, dem Deputirten Zaillandier, Mole 
vaut, Bolbery u. f. w. 


Die Bemühungen der Geſellſchaften, welche die bisher fe 
unfruchtbaren Haibeftredten (Landes) der Gascogne für bie Ins 
duftrie zu gewinnen ſuchten, haben ſchon lange Zelt die Aufs 
merkſamkeit des Publicums auf ſich gezogen. Gegenwärtig hat 
der Baron de Mortemart de Boiſſe eine Schrift unter dem 
Titel „Voyage dans les Landes’ herausgegeben, worin ex 
der Wirkfamkeit dieſer Gefelfhaften den Tribut gerechten Lobeg 
zollt und von den Fortfchritten, welche die Colonie von Arcas 
chon realifirt hat, Rechnung ablegt. Mit Neugier und Inter 
efle betrachtet man das Gemälde, welches ber Verf. von bem 
zeichen Wiefen entwirft, die vorbem mit Sand und Haidekraut 
bedeckt waren. 5, 


Verantwortlicher Heraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von J. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter —- 


\ für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


Bericht Über eine Poeten-Centurie aus dem Jahre 1839. 


+ 


- bezeichnet werben. 


® 


gweiter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 270.) 


27. Sonnenblide der Gottheit. In Gelängen und Liedern von 
Karl Sottlieb Ernft Weber. Bunzlau, Appun. 1888, 
8 21 ©r. 

Hier begegnen wir einem ascetifhen Schriftſteller, deſſen 
Bekanntſchaft wir bereits vor fünf Jahren gemacht haben, ins 
dem er 1834 in demfelben Verlage unter dem Zitel „Die Herr⸗ 
lichkeit Gottes“ chriſtliche Hymnen herausgab, die wir in Nr. 
150 d. Bi. f. 1855 anzeigten. Diefe Anzeige überhebt uns jcgt 
der Mühe, vorliegende Gefänge und Lieder zu charakterifiren, 
da ihr Geiſt und Zen der frühere geblichen iſt. Der Zitel 
wirb in einer ihnen voranftchenden ‚Deutung‘ motivirt. 

Was in des Lebens oft umpoͤlkten Auen 
Die Seelen, voll von heiliger Begier, 
Vom hodherbabnen Unfidtbaren ſchauen, 
Bon feiner Sottheit Offenbarung bier, 
Dos Pönnen wir nur Sonnenblide nennen, 
Uns laͤchelnd, wenn fi duͤſtre Wollen trennen. 
Der Verf. bietet uns feine Gaben in drei mit befendern Auf: 
Schriften bezeichneten Abtheilungen; doch find fie nicht in dieſer 
Reihenfolge, fondern zu verfchicdenen Zeiten entftanden. Der 


. exfte Abfchnitt „Gott und die Natur’ bat 14 Nummern, 


worunter ein längeres: „Die Reihe der Natur’‘, zur Claſſe der 
Igrifch s didaktiſchen Gedichte gezählt werden muß; „Jubal“ 
(S. 41) dagegen FTönnte als Santate oder Oratorium in nuce 
Beide Sachen gehören zu den befiern Ga⸗ 
ben. Die zweite Abtheilung „Vorſehung und Echickſal“ hat 
21 Rummern, worunter wir nicht eins ale ausgezeich⸗ 
net notiren Tonnten. Unter III.: ‚‚Chriftus und bad Rei 
Gottes‘, gibt es einige Lieder, die wol in die Grfangbächer 
unferer Gemeine übergehen Fönnten, aber von Rudolf Stier 
das Imprimatur wol ſchwerlich erlangen möchten. 
Lied voll Milde und Feuer zugleich bezeichnen wir inbefien ‚Das 
Dfterfeft”" (8. 219). Sonft gilt Hier Alles, was wir vor fünf 
Jahren in d. BI. über Hrn. Weber fagten, worauf wir vers 
weifen. 

Bon demfelben Verfaſſer, aus bemfelben Jahre, in berfel: 
ben Buchhandlung ift erfchienen: „Echoſtimmen des Lebens‘, 
die wenigftend Kunde und Zeugniß von feiner Probuctivität ab- 
Iegen. Es find größtentheils nach ber Beitfolge ihres Entſtehens 
geordnete Gelegenheitsgedichte. Auch bier finden wir binfichtiich 
der Wahl des Titels Auskunft in ber erflen Rummer: „An 
meine Lyra“, wo es heißt, was ber Dichter einſt gefungen in 
Sugendglut, Sehnſucht, Liebe u. f. w. 

Es find bed Lebens Echoſtimmen 
Aus tief geheimer Cinſamkeit, — 
Wo noch des Herzens Flammen glimmen, 
Boll Lich und Lauf, voll Schmerz und Leib. 


ee Nr. 271. — ⸗ 


"As ein: 


27. September 1840, 


m 


Daß Siona bie Mufe des Verf. von je gewefen und noch ſei, 
fagt er uns ©. 35, 36 u. 37 in einem ganz artigen Liebe. 


23. Die Verfinfterung der Welt. Bon 3. 9. Lange. KBers 
lin, Ochmigte. 1838. 8. 16 Gr. 


Aud Hier floßen wir auf einen alten Bekannten aus Sio⸗ 
na’8 Gebiet. Schon 1832 erfchien von ibm ein Bändchen „Bi⸗ 
bliſche Dichtungen‘, denen zwei Jahre Tpäter ein anderes folgte. 
Erfteres beſprachen wir in Nr. 188 d. Bl. f. 1832, das andere 
Ar. 150 f. 1835. Im 3. 1834 erfchienen dann „Gedichte 
und Sprüde aus dem Gebiete chriftlicher Naturbetradhtungen”, 
und „Kleine polemifche Gedichte”. Beides beſprachen wir im 
legtgenannten Blatte. Vorllegender Cyklus von Lehrgebichten 
und Liedern in mannichfach abwechfelnden Kormen hat den Zweck, 
zu zeigen, wie fih bie Welt dem Menfchen verfindert habe, 
wie fie ihm objcetio verfinftert worden ſei durch das ftrafende 
Walten der göttlichen Gerechtigkeit in der durch die Sünde ges 
kränkten Ratur, und wie fie ihm fubjectiv verfinftert fei durch 
feine eigene innere Berdüfterung. Der Verf. betrachtet hier bie 
Natur als ein Analogon bes piychifchen Menſchenlebens, und 
als einen augenfcheinlihen Beweis des Vorhandenſeins unfichts 
barer Güter und Übel. In der Vorrede fagt er: „Es gibt. 
eine hriftliche Philoſophie, eine chriſtiiche Weltbetrachtung, eine 
factifhe Verſoͤhnung der MWiffenfchaft, der Naturkunde, ber 
Kunft und äftHetifchen Weltanſchauung mit dem tiefften und 
innerliften Ernſt des chrifttichen Glaubens, wenn auch erft in 
werdender Entwickelung. Diefer Richtung gehört die Zukunft 
on, wenn auch ihre Organe ncdh eine ſtille Minorität in ber 
Gegenwart bilden.” Gr theilt nun die Beſtrebungen dieſer 
Kichtung, und die Auffaffung bes typiſchen chriſtlichen Charak⸗ 
ters der Natur ift ihm Bedürfniß. Aus eben diefem Beduͤrf⸗ 
niffe und Triebe ift gegenwärtiges Werkchen entftanden, wels 
des mit ben obenerwähnten ‚Gedichten und Gprüchen” in 
Verbindung ſteht, oder welches man als eine Fortſetzung beflels 
ben betrachten Tann. „Die Welt des Herrn“ (&ffen 1835) 
behandelt in einem größern panegyriſchen Gemälbe das Ganze. 
Diefer „‚Berfinfterung ber Welt“ foll nad, bes Verf. Plan ein 
zweiter Theil unter dem Titel „Die Verklärung ber Welt‘ 
folgen, wodurch allerdings das Werk zu einem Ganzen geruns 
bet wird. Zuerſt werben wir ins Paradies geführt und Iaffen 
uns vom Verf. die Bilder darin beuten. Im zweiten Abfchnitte 
„Die Berfinfterung‘ (S. 16) heißt eine Gtelle: 

Ins Heine Sinntraut, dad die Erbe. trägt, 
Dat Gott ein Sinnbild ihrer Art gelegt; - 
&o Ieife man bad Heine Kraut berührt — 
Gin Krampf durchzuckt's, der ed zuſammenſchnuͤrt; 
So drang ein Krampf des Fluchs durch ihre. Brände, 
Als fie beruͤhrt ward von ber erfien Sünde, . 


Som Baum der Sreenntniß bes Buten und des Boͤſen heißt 
es [) 2 . 
Ein Ginnbild war's, doch drums Fein bloßes Bild, 
Bon dem der Menſch die Frucht des Todes Brady; 


1080 


Wenn auch die Suͤnde erſt Im Herzen Tag, 
Yat do fie eine ernſte That enthält. 

Was war die erfie Schuld im Sartenraum, 
Wenn nit ein Effen vom verbotnen Baum 


Der Erkenntnifbaum des zweiten Stammvaters (Roah) iſt ber 
Beinflod. 


AS ſpaͤter Noah aus ber Arche trat, 
Der Menſchheit Haupt, bewährt in frommer Kraft, 
Da war Beraufhung in bed Weined Saft 
Des zweiten Ahnherrn erſte ſuͤnd'ge That. 
Hier fpiegelt fih ber erfte Fall, doch mild, 
Und fo im Weinſtock jened Baumes Bild. 


Bench ließe ſich Tagen, der Erkenntnißbaum ber Jettwelt Tel 
ber Beanntwein unb bei ben Deientalen, bas aloe Sen 
dritten Abfchnitte Taffen ſich die Gemeinen (die Berfinfterten) 
S. 64 alſo vernehmen: 
Jene Sonne abe, 
Er ber Gemeine) kennt fie beinah. 
Schien fie gefteen doch wie Heute, 
Plagte oft bie armen Beute; 
Manchmal ſchien fie zu beiß, 
Und fie Eochten im Schweiß: 
GE war zu arg! 
Manchmal war fie fo karg, 
Us wenn fie nit könnte, 
Dhber nit wollte mehr feinen, 
«s ob fie den Schnupfen gönnte 
Großen und Kleinen. 
überhaupt war bad Wetter 
Doch meiſtens ſchlecht; 
Niemals war ed fo recht 
Zür den Spaziergang ber Stäbter, 
Fuͤr bie Arbeit der rauen 
Mit Sonnenfhein und Regenſchauern. 
Manchmal, wie fie wol wagen, 
As Recenfenten zu fagen, 
Marb ed doch ganz und gar 
Bu ſchlimm, zu abſcheulich, 
Haͤßlich und graͤulich; 
Undb wenn es beſſer war, 
Paſſabel, huͤbſch und einmal ſchoͤn, 
So lobte man bie blauen Höhn: 
„Man kann nicht mehr verlangen, 
Der Himmel thut einmal feine Pflicht, 
Über nun bat man dad Bangen: 
Das Retter Hält fi nicht.” 
Acht Inge Sonnenfihein — 
U fängt an zu ſchreinn 
Wei eine -Dürre kropt! 
Mist Sage Regen — 
Mich fammert: wir ſehn entgegen 
Mer ‚größten Waflerönuth! 
Bär mer wicht immer fo granbios 
Der Sonne Beuerfigein! 
Bir’ nur nicht Immer fo ungemein 
Der Sub aud dem Wolkenſchoos 
rk ein Bitchen Hitze 
Wie vom ‚Keuerhorbe, 
Dann ein Süßen, wie aus ber Sprite 
Auf Sie Hurfkige Erbe, 
‚Beamter manieelich, begrefflich, klein 
Mößte vas gute Wetter fein. 
Dart ſeht der Moab, 
Die kalte, feuchte, 
Woßifeile Leuchte — 
Map iſt fie gemohnt. 





Gterne 
Etwas äußert ferne 
Geben au im Berein ’ 
Ein Bischen Schein. 
Dan fühlt ein ſchmerzliches Knacken, 
Wenn man ben flarren Nacken 
WIN graufam knicken unb drehn, 
Um nad ben Heinen Sternen zu fehn. 


Dier dieſer Pappelbaum 

Wiegt die zappeinden Blätter 
In Wind und Wetter, 
And nüget kaum. 
Geln Holz iſt nit gut, 

Um Atwas Befled daraus zu zimmern, 

Und kann mit matter Feuersglut 

Baur ſchwaͤchlich Kimmern u. f. w. 
So recenfirt der Gemeine, der VBerfinfterte weiter über Gings 
vögel, Bäume, Berge u. ſ. w., und charakterifiet ſich als eng⸗ 
herzig. Ebenſo engberzig ift die Raturanfchauung der Eiteln und 
ber Habſuͤchtigen. gebenbig basgeftelt wird bie Weltanficht der 
verfchiebenen Voͤlker ber e (8. 79). Der vierte Abfchnitt 
ift ſchwaͤcher, weniger marlig und frifh. Der letzte Abſchnitt 
„Dämmerung“ gibt eine Ahnung vom Morgenrothe ber Wahr⸗ 
beit, wie e8 aufging in der Seele ber verfchiebenen Erdooͤlker. 
Durch bas ganze Büdjlein, das hier unvollendet erſcheint, webt 
eine fchöne Sprache, eine klare Anfiht, Bebankenfülle und eine 
reihe Phantaſie. Möge es dem Dichter gefallen, wie er es 


| verheißen, der Werfinfterung bald die Verklärung folgen zu laſſen. 


29. Licher eines heimgegangenen Freundes. Elberfeld, aflel. 
1839. Gr. 12. 6 Gr 


Web Geiſtes der Heimgegangene fei, ergibt ſich ſchon nus 
dem .erften Liebe, worin bie Strophe: ‚Dort, dort find -Eeine 
Leiden, Das Stüdwerk iſt verſchwunden, Ein Born der ew’gen 
Freuden Sind die VBerföhnungswunden, Die unfre Schulb bezahl⸗ 
ten‘; ober S. 5: „Beſpreng' mit beinem Blute, Du Hoherpriefter 
mid’; ober &. 8: Schließ in beine Wunbenhöhle feft mich ein‘; 
oder ©. 12: „So Tehre bu denn bei uns ein, Mac’ uns zu 
armen Sünbdern, Die gar nichts wollen thun und fein (sic!) ;’ 
oder aus: „Der Pilger und das Schäflein” (&. 18); oder aus 
„Deimmeh” (8. 25): „Miſſtonslied“ (©. 29); „Innige Lie⸗ 
desſsglut des D 8 (S. 48) und vielen andern frommen 


Uberſchwaͤnglichkeiten. Zu bemerken if mur noch, daß ber fromme 
I Sänger ein paar Bat Seraphimen und Sherubimen 
ſagt, welches falſch ift. 


50. Das Heilige Jahr von Wilhelm herren von Kleud⸗ 
gen. Prankfurta. M., Bofeli. 1889. Br. 18. 16 Gr. 
Sin Syllus von 130 regelrechten Sonetten, nicht Hlos 
auf alle Bonus unb Fefltage bes Kircheniahres vom erſten 
Advent an, fonbeen auch auf .viele Wochentage, ‚bie ‚von 
irgend einer kirchlichen Bedeutung und Wichtigkeit find. Das 
Bonett auf ben Frohnleichnamstag läßt faft fdhließen, der Verf. 
betenne ſich zur roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche, obwol keines Mas 
rien⸗ oder eines andern Heiligentags Erwaͤhnung geſchieht. Aus 


| bee ſonntaͤglichen Perikope —— Inhalt jeden Wi 


b t Quad d indurch 
— — eben erwärmt ober pr erg ' 


{Ber Beſchluß folgt in der nädlien Eieferung.) 





Das alte und das neue Griechenland. Cine Parallele, 
gezogen auf einer Neffe nach Athen und ber Moren. 
Bon Adolf Strahl Wien, Mistes Witwe und 
Braumüller. 1840. Ge 12. 1 Thir. 

Mag auch für ben vielfach verwähnten Eurepaͤrr eine Reife 
in und durch Gricchenland -mit mandhen "Mangel und mandıen 
unbequemlichleisen, .auf den Landſtraßen und in ken Gaſthaͤu⸗ 
fern, in Betreff der Art zu reiſen u. ſ. w. verbunden fein, fo 


1091 


Hat doch auch dieſer Mangel felbft unb Haben biefe Unhequems 
lichkeiten ihre romantiſche und Imterefiante Geite, wenigftens für 
Denjenigen, der das Eigenthümliche in ben Berhältniffen und 
Zuftänden hierbei aufzufuthen und aufzufaffen vermag und ſich 
durch dieſe äußern Unbequemlichkriten nicht verflimmen Läßt. 
Die Art zu reifen in Griechenland, auf dem nicht gepflafterten, 
umebenen, oft ziemlich unmwegfamen Landſtraßen, nicht in Poſt⸗ 
wagen und auf Gifenbahnen, fonbern auf ſchlechten Pferden 
und Maulthieren, hat etwas Antikpoetiſches, etwas Patriarcha⸗ 
liſches und paßt zu dem Lande und feinem Himmel, wie zu 
den Menfchen felbft und ihren einfachen Sitten; es liegt darin 
eine Art erquidender und ergögenber Abenteuerlichkeit, wie fie 
fi uns beim Reifen mit bem Dampfwagen und auf Shauffeen 
unmdglih barbieten kann. Dieſe und ähnliche Betrachtungen 
haben fih uns beim Lefen ſchon anderer Heifebefchreibungen 
durch Griechenland aufgebrängt, und nun auch wieder bei der 
vorliegenden ſich geltend gemacht. Der Verf. diefer Reiſebe⸗ 
ſchreibung, ebenfo vertraut mit dem alten Griechenland, als er 
für dafjelbe begeiftert tft, macht feine Reife, mit dem treuen 
Paufanias in der Hand, und mehr ober weniger dem alten 
Sriechenland zugewendet, dabei nur um fo mehr mit dem les 
bendigften Intereffe an den Grfcheinungen der Gegenwart, bie 
‘er fodam tn ihren Beziehungen auf daB Alterthum um fo rich⸗ 
tiger und in ihrem wahren Eichte aufzufaffen fi) bemüht. Man 
wird es auch Hier inne, daß die gegenwärtigen Zuftände Grie⸗ 
chenlands zunaͤchſt nur aus fich felbft heraus erklärt und gebeu- 
tet werben müſſen, und baß fie nur dann richtig und mit Gr: 
folg behandelt werden koͤnnen, wenn man fie nicht einfeltig 
nad) europälfcden Theorien moderner Politit zu nivelliren und 
nach andern vielleicht erprobten Muſtern zu geftalten fucht. 
Was die hiſtoriſch⸗geographiſch⸗ literarifchen Beziehungen 
des neuen Griechenlands zum Alterthume anlangt, in deren 
Lichte der Verf. das Griechenland ber Gegenwart betrachtet, fo 
ift Hierbei für Manchen gar Manches aus dem Buche gu 
lernen, das, wennſchon es, der ganzen Wendung nad unb 
nad dem genommenen Zufchnitte, zumächft belehren will, doch 
aleichwol auch durch die Unterhaltung, welche es gewährt, ans 
zieht, zumal die Art der Darſtellung, bis auf eine gewiſſe Do⸗ 
ſis von Rhetorik, eine gefällige und nichts weniger als läftige 
auch dba if, wo fie gleihfam mit unangenehmen Reifeerlebr 
niffen ſich au befaffen und zu kämpfen hat. Der Verf. machte 
übrigens — wenn wir nicht irren, da er es nirgend beſtimmt 
fagt, im 3%. 1834 — feine Reife von Korfu (ex beftreitet befs 
fen Sdentität mit der Infel des Alcinous) nach Patras, von 
da über ben Eorinthifchen Meerbufen nach Salona, Kaftri (das 
alte Delphi), Korinth, Athen, Nauplia, Tirynth. Mycenae, 
„Tripolizza, Meflene*), Miſtra (mit den Ruinen Spar⸗ 
tas), Ravarin und Olympia. In Athen erkennt ber Reiſende 
‚mit Freuden die große Sorgfalt für Erhaltung ber Alterthü- 
mer und bie firenge Aufficht in diefer Hinſicht auf Fremde an, 
bie etwa & la Gigin daran fidh zu vengreifen Euft verfpüren 
mödten, und ex bat an ſich und hiernach nur um fo vollkom⸗ 
mener Recht, wenn er gerabesu verlangt, daß bie Mufeen 
Europas die Fragmente, die fie vom Parthbenon 
An Athen befigen, auf ven zu hoffenden Fall befien Wie 
derherſtellung, zurüdgebden follten. Intereſſant iſt Dass 
jenige, was für und wider bie Srwählung ‚Athens zur Haupt⸗ 
fladt Griechenlands gefagt wird, wenngleich ſich der Verf. aus 
politiſchen Bründen gegen dieſe Wahl feldft erklaͤrt. Wie bie 


fer übrigens ‚die Wiederherſtellung des Parthenon, wenigſtens 


in der Hauptſache und nad dem Vorgange des wiederherge⸗ 
fehlten Kiketemyels, hofft, To ift er auch ber Meinung, daß 
Argos eine reiche Fundgrube für ben antiquariichen Forſcher 
fein werde, obſchon im Übrigen biefe Stabt keinen befonbern 


e) Vom großen here. zu Meſſene bat Fiebler feiner „Reife 
durch alle ‚heile des Koͤnigreichs Griechenland” (Sp. I, 140) 
eine intereflante Abbildung beigegeben. Wir kommen nädftend 
auf dieſe Reife ſelbſt zu ſprechen. 





im Phyſiſchen und Deateriellen, theils in morali 


Eindruck auf ihn gemacht hat. Als bie ahreszeit 

Griechenland zu seiten, bezeichnet der ei a a am in 
dort gehört hat, den Anfang Mai; im Februar, wo er ſelbſt 
in den Bergen Moreas reiſte, fand er € ‘dort ziemlich kalt; 
er hatte Racıtfröfte und traf tiefen Schnee. Won den Mäns 


nern in Griechenland wirb hier bemerkt, daB fle in der Kegel 


ſchoͤn ſeien und ohne Bedenken für ben fchönften Menfchenfcla 
gelten müßten, ben man fehen koͤnne; ihre Schönheit ic 
fi aber nicht blos auf die Geſichtezuge, auch ihre ganze Ges 
ftalt trage das Gepräge ber vollfommenften Bildung und jener 
edeln Berhältniffe, die wir fo fehr an ben alten Meiſterwerken 
ber Bildhauerkunſt bewundern. Anders urfheilt der Verf. über 
ba& weibliche Geſchlecht in Griechenland; die einzige wahrhaft 
(höne Grichin aus ben untern Ständen, die er auf feiner 
Wanderung durch Griechenland traf, war Helenaja, ein Mäd- 
den von 15 Jahren, das er in einer elenden Hütte Arkadiens 
fah und als ein Ideal weiblicher Schönheit fchildert, mit einem 
dem altgriechifhen mehr, als es der Verf. bei irgend einer ans 
bern Sriechin zu beobachten Gelegenheit gehabt, ſich nähernden 
Profile, Übrigens voll Grazie in allen ihren Bewegungen und 
nicht ohne glüdliche geiſtige Anlagen. &o nannte fie z.B. den 
Zuder „verfteinerten Honig‘. 

Mit Olympia befchloß ber Reifende Telne Wanderung in 
Griedenland; aber nur mit Mühe Eonnte ex einige Spuren 
diefer einft fo hochberühmten Stadt auffinden. Die Ruinen 
lagen beinahe ganz unter ber Erde begraben; nur einen Theil 
derfelben Hatte man bamals hervorgegraben, zu bem Zwecke, 
um — Steine zu gewinnen. Indeß meint ber Werf. auch hier, 
baß (mie denn bies überhaupt von dem neuen Griechenland 
im Allgemeinen und in manchen einzelnen Beziehungen, cheils 
s geiftiger 
Binfiht gilt) au In der Ebene Dipmpias Vieles zu ns 
den fe. 17. 





Giblisgraphie. 


. Abel und Wallerfiein. Beiträge zur meueften Geſchichte 
bayerifcher Zuſtaͤnde. Nach — — Quellen —E 

Stuttgart, Grieſinger u. Comp. 1 Thlr. 12 Gr. 

Der Antiſtes Hurter von Schaffhaufen und fogenomnte 
Amtsbrüder. Gr. 8. Schaffhauſen, Hurter. 1KXhle. % Gr. 

La Beaume, J., Heinrich Fremond. Plſychologiſches 
Bild des Prieſters. Aus dem Franzoͤſiſchen überſett von X. v. 
8. geb. 0.8. 2 Theile. 8. Berlin, Voß. 3 Thlr. 

Bibliotheca erientalis. Pars I. Libros oontinens arabi- 
cos persicos turcicos inde ab arte typographica inventa ad 
nostra usque tempora impressos. Kaldie J. T. Zenker. Fasc. 
I. Libri arabici. 8maj. Lipsiae, Engelmann. 18 Gr. 

Das Blutgericht im Thurme Dallborka am an zu 
Prag. Hiſtoriſch⸗ romantiſcher Beitvag zur Altern Gelchiihte 
Böhmens. Vom Verfafier bes Waldraf. 8. Mien, Bauer u. 
Dienbie. 180. pi hg Balladen, & \ 

raun, J., Deut alladen, Romanzen un bs 
lungen. Mit hiſtoriſchen, Titenar = bißorif en Tab nee en 
Anmertungen herausgegeben. Gr. 12, alfurt am Mein, 
Gauerländer. 1 Thlr. 

Dellarofa, £., Amalie von Burgau ober Schauerfcenen 
in untericbifchen Kluͤften. Gine Wundergefchichte natürlichen 
Inhalts aus ben Beiten bes .berißigjährigen Krieges. 8. Wien, 
Bauer u. Dirnboͤck. 12 Br. 

Ctofe Seakon. Offseifgeromantlfger Beltsen air Gefalähe 
loſſe w. romantiſcher Beitra 

Böhmens. 8. Wien, Bauer u. Dirnbock. 336 16 Gr. 
.— — Die Rymphe.von Teplib, ober die Geiſterglocke 

im Ränbesthurme zu Riefenberg. Beollifage aus Wöhmens Bors 

git. 8. Wien, Bauer u..Dienbid. 16 Er. 

Döring, $: Richarb Ganage. Min Genrebild. 8. 
Sena, Mauke. Sr. 


1092 


Frauenstaedt, J., Studien und Kritiken zur Theo- 
logie und Philosophie. Gr. 8. Berlin, Vuss. 2 Thir. 8 Gr. 
Bautier, Th., Fortunio, ber Indier in Paris. Aus 
dem Kranzöfifhen von A. Hippolit. 8. Breslau, Verlages 


omtoiv. 1 Zhle. 
s Gedanken über Censur und Pressfreyheit in Beziehung 


auf Herrn Professor D. Gottfried Hermann’s, am Buchdru- 
ckerfeste zu Jueipzig gehaltene Festrede und deren durch 
die Leipziger Allgemeine Zeitung vom 25. Juli 1840 gege- 
bene Beurtheilung. Von einem Freunde der wahren Frey- 
heit. Gr. 8. Leipzig, E. Fleischer. 6 Gr. 

Sörres, J. v., Die chriſtliche Myſtik. Iter Band. Gr. 8. 
Regensburg, Manz. 2 Thlr. 12 Gr. 

Gräße, 3. ©. J., Lehrbuch einer allgemeinen Literaͤrge⸗ 
ſchichte aller bekannten Voͤlker der Welt, von ber älteften bis 
auf die neuefte Zeit. Lter Band. te Abth. Iſte Hälfte — 
Auch u. d. T.: Lehrbuch einer Literärgefchichte der berühmteften 
Wolker des Mittelalters oder Geſchichte der Literatur der Ara: 
ber, Armenier, Perfer u. f. w. te Abth. Ifte Hälfte Er. 8. 
Dresden u. Leipzig, Arnold, 2 Thlr. 20 Gr. 

Die Günderode. Ifter, 2ter Theil. Gr. 12. Grünberg, 
Levyſohn. 4 Thlr. 12 Gr. 

Halm, F., Griselda. 
from the German by Sir Ralph A. Anstruther. 
Dresden and Leipsic, Arnold. 1 Thlr. 

Hänle, ©, Kine Parifer Familien⸗-Geſchichte. 8. 
Würzburg, Stahel. 1 Thlr. 

Heller, R., Eine Sommerreife. Gr. 12. Leipzig, Pb. 
Reclam jun. 1 Zhlr. 18 Gr. 

Die Höllenbraut, ober die gefpenftigen Rächer im Rieſen⸗ 
gebirge. Hiſtoriſch- romantifche Sage aus der Zeit des dreißigs 
jährigen Krieges. Vom Verfaſſer des Waldraf. 8. Wien, 
Bauer u. Dirnböd. 1839. 16 Er. 

Jaup, Die Abstammung des Gesammthauses Hessen 
von Kaiser Karl dem Grossen; und die Abstammung aller 
jetzo regierenden christlichen Dynastieen, deren Häupter 
die königlichen Ehren besitzen, von dem Landgrafen Lud- 
wig V. von Hessen - Darmstadt. Zur Feier der Verlobung 
Seiner Kaiserlichen Hoheit des Thronfolgers, Zesarewitsch 
und Grossfürsten Alexander Nikolajewitsch von Russland mit 
Ihrer Hoheit der Grossherzoglichen Prinzessin Marie von 
Hessen und bei Rhein. Fol. Mainz, v. Zabern, 1 Thlr. 

Jeſchurun. Taſchenbuch für Schilderungen und Anklänge 
aus dem Leben der Juden. Auf das Jahr 5601 iſraelitiſcher 
Zeitrechnung. Berausgegeben von F. Maten und ©. Fran: 
tenberg. 16. Leipzig, Fort. 1841. 2 Thlr. 

Immergruͤn. Taſchenduch für das Jahr 1841. Ster Jahr: 
gang. Gr. 16. Wien, Haas. 2 Ahle. 20 Er. 

Knüttell, A., Die Dichtkunſt und ihre Gattungen. 
Shrem Wefen nach dargeftellt und durch eine nach den Did 
tungsarten georbnete Mufterfammlung erläutert. Kt. 4. Bres- 
lau, Graf, Barth u. Somp. 1 Thlr. 8 Gr. 

Konrad’s von Würzburg goldene Schmiede von W. 
Grimm. Gr. 8. Berlin, Klemann. 1 Thlr. 12 Gr. 

Lüdde, Joh. Gottfr., Die Geschichte der Erdkunde, 
Eine Abhandlung über ihr Wesen und ihre Literatur; mit 
einem beurtheilenden, ausführlichen Verzeichnisse der metho- 
dologischen Schriften über die Erdkunde. Gr. 8. Berlin, 
Stackebrandt, 15 Gr. 

Magazin der neueflen Reiſe- und Länderbefchreibungen. 
Eine Sammlung bes Intereffanteften über Länder: und Staa⸗ 
tentunde, Geographie und Statiſtik. Unter Mitwirkung von 
Sreunden bee Geographie herausgegeben von Zr. Bromme. 
ifter Band. Parkers Reife über das Belfengebirge. — — 
u. d. T.: Tagebuch einer Reiſe über das Felſengebirge na 
dem Dregongebiet von Samuel Parker. Nah dem Eng⸗ 
liſchen. Gr. 12. Dresden, Walther. 21 Gr. . 

Mathilde von Rapperſchwyl, oder das Rachegeſpenſt. Gine 


A drama in five acts translated 
Gr. 8 


Geiſtergeſchichte aus den Zeiten Kaiſers Otto des Großen. 8, 
Wien, Do. 16 Er. 

Der italienifhen Dichtkunſt Meiſterwerke. iſte Abtheilung 
Arioſto. — Mit d. T.: Ariofto’s Raſender Roland und deſſen 
Bünf Geſaͤnge. Ueberſezt von Karl Streckfuß. 2te umges 
arbeitete Ausgabe lezter Hand. S 
Schwetſchke u. Sohn. 1839, 40. 3 Thi 

— — te Abth. Dante und Taſſo. — Mit d. &.: 
Dante Aligbieri’s Göttliche Komödie. Ueberfept und ers 
läutert von Karl Stredfuß. te Ausgabe letzter Band. 
Schmal gr. 4. Halle, Schwetſchke u. Sohn. 1 Thir. 
| öl, R., Gabriele, die Zodtenbraut, oder das 
Bekenntniß in ber Ahnengruft. Cine tragifhe Geſchichte aus 
den Zeiten König Philipps II. von Spanien. „8. Wien, Bauer 
u. Dirnböd. 16 Gr. 

— — PHabamar von Ghuenringen oder bie Gründung 
des Klofters Zwettl in Unteröfterreih. Gin biftorifches Ges 
mälde aus dem Mittelalter vaterländifchee Begebenheiten. 8, 
Wien, Bauer u. Dirnböd. 1839, 16 Er. 

— — Die Zeufelöbrüde bei Zwettl, ober: Heinrich von 
Seeburg. Eine hiftorifh:romantifche Geſchichte aus den Zeiten 
der erften Markgrafen von Defterreih. 2 Theile in 1 Bande. 
8, Wien, Bauer u. Dirnböd. 12 Gr. 

Dgienski, 3., Hegel, Schubarth und die Idee der Pers 
fönlichkeit in ihrem Verhältniß zur preußifchen Monarchie. 
Gr. 8. Trzemeßno, ©. Olawski. 10 Gr. 

Pia Desideria für Ungarn. Grgänzt und mit Noten vers 
ſehen. Gr. 12, Leipzig, D. Wigand. 16 Gr. 

Dannoverfches Portfolio. Sammlung von Actenftüden zur 
Gerichte des Hannoverfchen Verfaffungsfampfes. Ster Band, 
enthaltend die Verhandlungen des Bundestages und bie neues 
ften demfelben übergebenen Xorftellungen. — Aud u. d. T.: 
Verbanblungen des Bundestages, betreffend bie Hannover⸗ 
fhe Berfaffungsangelegenheit. Gr. 8. Gtuttgart, Krabbe. 
1 Thlr. 8 ©r. ' 
' B4 AH E., Dr Bun um die Bäuerin. Trauerſpiel 
n fünf Aufzügen. . ambur offmann . 
1839, do Iron. 9, Hoffmann und Campe 

— —  dramatifche Werke ernfler Gattung. 14ter Bd. 
8, pl Sole. 12 Gr. a v © 

obe, Kobold Pirufh. Maͤhrchen in 5 Aufzügen. Gr. 8, 
keipzig, Engelmann. 18 Gr. = nor 

Altfranzoͤſiſche Sagen gefammelt von 9. A. Keller. 2tce 
Band, 8. Tübingen, Ofiander. I Thlr. 

Schubert, ©. 9. von, Anfichten von ber Nachtfeite 
der Naturriffenfchaft. Ate großentheils umgearbeitete und ſehr 
vermehrte Auflage. Gr. 8. Dresden u. Leipzig, Arnold. 
1 Thlr. 12 Er. " 

Schuſelka, F., Weltgebanten. Gr. 12, Wien, Ges 
cold, 12 Er. 

Shelleys, Percy Bysfhe, poetifhe Werke in Einem 
Bande. Aus dem Engliſchen übertragen von 3. Seybt. Ifte 
Lief. Königin Mab. Alaftor. Der entfeflelte Prometheus. 
Schmal 4. Leipzig, Engelmann. 16 Er. ' 

Bigwart, 9. C. W., Das Problem bes Böfen oder die 
Theodice. Gr. 8. Zübingen, Oſiander. 1 Thlr. 3 Er. 

Stolterfoth, A. von, Alfred. NRomantifch = epifches 


- Gedicht in acht Gefängen. te burchgefehene Auflage. 8. Frank⸗ 


furt * — Jauezander le P 
vendbelenburg, A., Logiſche Unterfuchungen. 2 Bände, 
®r. 8. Berlin, Betbar. z Thir. 4 rn " 
Bachsmann, ©. v., Lilien. Taſchenbuch hiſtoriſch⸗ ro⸗ 
mantiſcher Erzaͤhlungen für 1841. Ater Jahrg. Mit 6 Stahl⸗ 
ſtichen. Sr. 16. Leipzig, Focke. 2 Thlr. 8 Gr. 
Zachariä, I. F. W., Der Renommiſt. Ein ſcherzhaftes 
de FH alien mit ——æe— Vorworte von J. 
achariaͤ un arkaſtiſchen Federzeichnungen von Hoſemann. 
Gr. 12. Berlin, Bethge. —2 s def 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinzih Brockhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brockhaus in Leipzig. 





hmal gr. 4& Halle, 
r. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 272, — — 


28. September 1840. 





Bericht über eine Poeten-Centurie aus dem Jahre 1839. 


‚Bweiter ArtiTel. 
(Fortfegung aus Nr. 271.) 


Indem wir uns anfchiden die poetifchen Producte viniger 
Damen aus dem J. 1839 ind Auge zu faffen, tönnen 
wir eine Leine Reflerion, wie fie fi bei Erblickung de 
feh8 vor uns liegenden Sammlungen uns aufdrang, nicht 
unterdrüden. Es will uns nämlich beduͤnken, als fühl: 
ten die fchönen Sängerinnen und Afpirantinnen nad) dem 
Lorber, die Strickſtrumpf und Küchenfhürze mit Feder 
und Lyra vertaufchen, es felbft, daß fie, ſolchen Beſtre⸗ 
bungen fich hingebend, aus der Sphäre treten, die ihnen 
Mutter Natur angewiefen. Friederike Brun, geb. Mün- 
ter, betrieb das Dichten ganz heimlich und verbarg Die 
mit Berfen befchriebenen Blättchen forgfältig vor jedem 
Auge; Phitippine Engelhard, geb. Gatterer, geftattete ſich 
nur dann Verſe zu machen, wenn die Kinder beforgt und 
alle Haus: und Küchenarbeiten vollbraht waren; The⸗ 
refe Huber zögerte lange, ehe fie ihre poetifhen Producte 
auf dem literarifchen Markte ausflellte und preißgab; 
Adelheid v. Stolterfoth in ihrem jüngfteen Werke fagt: 
„Ich zitt're faft, feh’ ich Papier in weißen Frauen⸗ 
handen.” „Du Rofenangeficht (fügt fie warnend hinzu) mit 
träumerifchen Augen, Begehre du des Lorbers nicht; Dir 
fol die Myrte taugen”, und wenn Minna Fiſcher ſich 
entfchuldigend fagt: „O ſchmaͤlet nicht und mwähnet, ich 
fülle die Stunden alt mit Dichten aus — Glaubt mit, 
ih kann ein Liedchen fingen, Ohn' ein Verbrechen zu 
begehn; Man kann den Mufen Opfer bringen Unb doch 
dabei das Haus verfehn”, fo fcheint fie ein dunkles, 
richtigee Gefühl von Dem zu haben, was dem Wei: 
be geziemt. Gluͤcklicherweiſe fcheint unter ben ſechs 
Afpirantinnen nach diefem Pläschen Leine zu fein, bie 
ohne allen Beruf und Weihe die Lyra zur Hand ge: 
nommen hätte; auch ift Leine unter ihnen, bie fich ge: 
fiele moberne Zerriſſenheit, gemachten Weltſchmerz und 
"andere Ingredienzen Deine’fcher Dichtweife aus ben neue: 
ſten Rüfttammern vaterlänbifchee Poefle zu holen. Dies 
gilt zunaͤchſt von Adelheid von Stolterforh in 
81. Rheiniſche Lieder und Sagen. Frankfurt a. M., Gauers 
länder. 1839, Da bas Buch jedoch ſchon in Nr. 165 d. BI. 
f. 1889 von einem andern Mitarbeiter befprochen iſt, fo werben 
wir der Mühe überhoben, uns hier weitläufiger über fie aus: 


zufpredhen , rühmen ihren beimatlicden Sinn, ihre gefunde Les 
bensanficht und den Wohlklang ihres Verſes, bemerken inbeffen 
babei, daß Damen foldhe Lieder wie: „Den Kriegern, bie nach 
Hellas ziehen” (8. 92), „Sängergruß an der Küfte von Hels 
las’ (&.97) und „Koͤnig Ludwig‘ (&. 99) nicht machen müf- 
fen. An Adelheid fchließen wir P 


Gr. 3 1% 


Schon das verfificirte Vorwort, worin fie jagt, fie habe - 
ihre Beinen Lieder früher immer ganz heimlich gefungen, als 
hätte fie fi ihrer gefhämt, und nur erft, nachdem fie im 
Hain neben ber Nachtigall anderer Vöglein fchwächere Stims 
men gehört, habe fie gewagt in bie Welt hinauszufingen, nimmt 
für fie ein. Der erfte Syflus trägt den Namen ‚Krühlinges 
franz‘ mit dem Motto: „So bunt wie Blumen auf im F 
ling blühn, Laßt Lied an Lieb vor euch vorüberziehn.” Als 
ein gar lieblihes Bildchen daraus bezeichnen wir „Schneegloͤck⸗ 
chen’ (&. 4); aus „Morgenempfindungen‘’ (&. 17) und bem 
„Charfreitagsliede“ (&. 39) athmet tief frommer Sinn, unb 
„Die Linde’ (&. 26) bekundet Innigkeit des Gefühle. Die 
Natur, welche fie in „Stimmen im Walde“ (&. 60) belaufcht, 
ift dankbar gegen fie und geftattet ihr, daß fie manchen Bid 
in ihre geheime Werkftatt thut. Aus dem zweiten Eyklus 
„Sommerblüten‘‘ notiren wir „Der todte Schmetterling”, wos 
rin zugleich eine anfprechende Blumendarakteriftil. Der dritte 
Cyklus ‚„Herbftblätter”, enthält treffliche Sachen. Hören wir, 
wie der Dichterin über Leben und Tod denkt (S. 129): 

Ach! jft’s nicht füß, an warmer Liebeöbruft, 
Sm volften Gluͤck das Leben auszuhauchen ? 
Sich mit der frifhen, ungeſchwaͤchten Luft 
Schnell in ded Todes kühle Meer zu tauchen ? 
Da wo der Becher ſchäͤumt, da if ber bleiche, 
Der file Engel fegendvoller Retter! 
Er Ihüst und vor der ſchalen, bittern Neige, 
Er birgt die Blüte, eh’ noch Sturm und Wetter 
Sie rauh entblättern! — Eh’ ded Mittags Gluten 
Sie müde ſengen, ftirbt fie an dem Herzen, 
Das ihre Seligkeit, dad um fie bluten 
Nun wird, in treuer Liebe heil’gen Schmerzen. 
Sie hat gebläht, geliebt! — was bat dad Leben 
Nun noch für fie als tiefoerborgned Leiden ? 


Wie ſchoͤn ferner, wenn fie (8.181) den Schmerz alfo anrebet: 
Mir bit du lieb und traut geworben, 

Du Engel mit dem feuchten Bid! 

Ich laſſe nit von dir, bis dorten 

Mich einſt umſtrahlt ein ſchmerzlos Gluͤck. 
Gleich innige Gemuͤthlichkeit athmen „Der Be (&. 13 
und „An die Nacht in der Fremde“ (8.150). „Wintergrün“, 
der vierte Cyklus, wird durch das Motto eingeleitet: „Unter 
Gifeshülle grünt es fort und welket nimmer! Es leuchten bie 
Sterne, die hellen jede Racht mit ihrem Schimmer!’ Hier iſt 


82, Gedichte von Minna Kifher. Arolfen, Speyer. 1889. 
hie. 12 Gr. 





1094 


viel Religiöfes, warmes Muttergefühl, und ige ſelbſt, wie 
es Pa ‚ bewußt, geftaltet fich ihr haͤuslich⸗ mütterliches 
alten zu Gedichten. Die Crinnerungen aus ber Kind⸗ 
beit umfpielen fie und hauchen ihr Herz mit leifen Ahnungen 
an. Siehe namentlich „Bilderſchau““ (S. 200), eine Kleine 
Balerie von Benrebildern aus dem Lande der Kindheit, zart, 
naiv and Inkig. Im Anhange finden fi geößtentheils Gele⸗ 
genheftägebichte, und unter ihnen jenes oben angebeutete apolo⸗ 
etiſche Wörtchen (S. 262): „Laßt mich dichten. An die Schmäs 
er.“ Daß fie, fih in der Bilderwahl vergreifend, Anaflaftus 
Grün einen Glaſer nennt (S. 268) mußten wir belächeln. Aus: 
gezeichnet ift Hier „Für Gorneliens Polterabend‘, eine geift: 
eich gehaltene Allegorie, die nicht immer gelingt, indem man⸗ 
cher. fonft geift und gemüthreiche Dichter bei ſolcher Gelegen⸗ 
beit am falfchen Pathos, an ben Gemeinplägen, oder an herz 
tömmlicher Scherzmacherei fcheitert. Die Keen, bie bier auf: 
treten, in deren Gefolge Unfcyuld, Liebe, Hoffnung, Erinnerung, 
Tugend, Schönheit, Anmuth, Poeſie, Muſik, Verftand, roh: 
finn, Güte, Wohithätigkeit, Vertrauen, Breundfchaft, Treue, 
Sroßmuth, Beſcheidenheit, Fleiß und Häuslichkeit find, Tagen 
faft alle der Braut eine Feinheit ohne Schmeichelei und Über: 
ſchwaͤnglichkeit, und bei jedem Bilde laͤßt ſich etwas denken. 
Das ledte Liedchen feßt dem Ganzen einen nicht unmürbigen 
Schlußſtein. Wenn Minna Fiſcher fortfährt zu dichten (und 
wer koͤnnte nach diefen Proben daran zweifeln?), fo wird fie 
unfehibar die Eleinen Härten fliehen, mit benen fie hin und 
wieder das Ohr kraͤnkt, und bie fie fehr Leicht vermeiden Tann, 
wenn fie nur bie Worte anders ftellt und bas eigene Ohr ber 
Seele mehr an Euphonie gewöhnt. 


88, Gedichte von Julie von Großmann. 
1889. Gr. 12, 1 Ihe. 8 Gr. 

Ein feines Ohr für Rhythmus und Reim, ein leifes, frau⸗ 
liches Auftreten, ein tiefes Gefühl für Freundſchaft und das 
Heilige laſſen ſich dieſer Sängerin nicht abfprechen. Hören wir, 
wie fie zur Dichterin geworden (&. 5): 


Sie waren treulos alle mir gebrochen, 
Des Lebend Stüßen auf der Wanderfihaft, 
Und matt geworben ſchien die eigne Kraft, 
Und meiner Tage Urtheil fon geſprochen. 
Da wollte einmal ich noch ruͤckwaͤrts fehn, 
Ein Lebewohl der Doffnung nur noch fagen, 
Die ich verborgen in der Bruſt getragen, 
Und einfam bann bie legten Schritte gehn. 


Und in bie Ferne ſchweiften meine Blicke, 

Und tieften fi in die Grinnerung, 

Und alte Bilder wurden wieber jung, 

Und führten mi in ihren Kreis zurüde, 
Und in der Kindheit füßen Morgentraum, 
Und von bem Felde ihrer beitern Spiele, 
Ins weite Reich erwachender Gefühle, 
In meines Bufend heilig ſtillen Raum. 


Und tiefe Saiten hier mir heil erflangen, 
Und in ben Toͤnen fah’ ih Roſen blühn, 
Und ihre Farben in Geſaͤngen glühn, 

Und reihe Bilder an den Wänden prangen 
Der zaubervollen Sugendphantafte ; 

Unb als fie meine Sinne fo umwoben, 
Atheriſch mi der Wirklichkeit enthoben, 
Erſchien die‘ Goͤttertochter Poefte. 


Und ald mein Engel fah fie zu mir wieber, 

Und aus dem Blicke firömte Himmelsluſt 

In die verjüngte, ihr geweihte Bruſt; 

Und die verſchloßnen tiefen Fruͤhlingslieder 
Ste trängten auß ber Quelle fi) empor, 

In der ein langer Sauber fie gehalten, 

Und als die Kinder höherer Gewalten 
Berriffen fie ded Grames ſchwarzen Flor. 


Breslau, Kern. 


Und yur dem Himmel hoben fih bie Blicke, 
Und von dem Herzen ſank der Erbe Laft, 
Und freudig fühlt ih, daß ih nur ihr Gaſt, 
Und maß bie ſchweren Schritte nicht zuruͤcke. 
„Nur vorwärtd!” Hang die innre Melodie, 
Zum Lichte, auf bed Geiſtes freien Schwingen ! 
Der hohe Flug, er wird fein Biel erringen, 
Verliert ee nur die Dimmeldrichtung nie! 


In der That verliert ihr Flug auch biefe nie, das zeigt fich 
duch alle vier Abtheilungen, deren erſte vermifchte Gedichte 
enthält. Gar Bieles möchte man hier Reflexion bes Herzens 
nennen, 3. B. lefe man „Feſthaltung“ (&. 17), „Schmerzs 
liebe’ (©. 32), mie fie benn befondbers gern über Luft und 
Schmerz reflectirt, „Beſitzthum“ (&. 38) und viele andere. 
Ebenfo oft und gern gibt fie Rath, Srmunterung, Lehre; man 
leſe „Gluͤcksverſicherung“ (8. %2), „Bedingung“ (&.68), „Bots 
tesgabe“ (S. 122) u. a. m. Sie weilt gern in ber Ratur, 
deren Bilder fie anregen und begeiftern. Ein finniges Lied iſt: 
„Die beiden Tropfen“ (S. 60) unb erinnert mit andern hier 
gebotenen Gaben an Goethes „Zart Gedicht wie Regenbogen, 
Wird auf dunleln Grund gezogen; Darum bebhaget dem Dichs 
tergenie Das Element der Melancholie.“ Wenn fie der Lieber 
zweite Abtheilung ‚‚Dergensfrühling‘ nennt, fo iſt das Wort 
bezeichnend und wohlgewählt, und wir nennen „Stillleben“ dar⸗ 
aus charakteriftiih, wo fie ihr Dichtergläd zwar kurz, aber 
treu ſchildert. Doc würden wir, wenn wir bier nicht eine 
Dame vor uns hätten, uns nicht entbrechen, wegen ber Form 
ber hier gebotenen Sonette eine Lanze mit ihr zu brechen, obs 
wol wir überzeugt find, daß hundert und aber hundert Lefer 
und viele ihrer Subferibenten nicht ben geringften Anftoß an - 
diefen nehmen und wir überhaupt dabei in den Ruf der Split⸗ 
terrichterei kommen Bönnten; alfo ſchweigen wir darüber. Der 
dritten Abtheilung entblüben „Bundesblüten“, aber nicht bes 
Liebes⸗ fondern bes Freundſchaftsbundes; die Berfafferin hängt 
nämlich” mit ganzer Seele an ihrer Schwefter in Apollo, ber 
gemütlichen Agnes Franz, der fie auch in einem wohlklingen⸗ 
den Sonette die ganze Sammlung bedicirt hat, und macht fo 
die Bemerkung, daß unter Frauen Feine wahre Freundſchaft 
ftattfinden tönne, zu nichte. ‚Sängers Frühlingsſeligkeit ift 
bier befonders zu beachten. Die vier Nummern ber vierten 
Abtheilung find gereimte Erzaͤhlungen und koͤnnen füglich auf 
den Namen Gedichte nicht Anfprudy machen. Wenn wir fdhließ- 
lich bemerken, daß vieles bier Bebotene uns nichts zu denken 
gibt, manches Bild verfehlt fei (vergl. den Schluß des Liedes 
&,23), daß es mitunter fcheine, als verfiege der Quell ihrer 
Phantaſie leicht und man werbe bin und wieder an antiquirte 
Gefangsmanieren erinnert, fo würben wir ſolche Behauptung 
nicht auszuſprechen gewagt haben, wenn nicht die befchetdene 
Dichterin mit den Worten: „Fuͤrchte nicht Zabel, mein Herz, 
laß beine Leier erklingen!“ den Reigen eröffnete. Und möge fie 
noch recht oft klingen und zum Echo fympathetifcher Gefühle in 
verwandten Herzen werben. - 

34. Zwei Tage in Dänemark, von Guſtava von Hafel: 

berg. Gtralfund, Löffler. 1839. 

Zwar nur auf 24 Blattſeiten, aber zart und innig 
haucht biefe Guſtava ihre Empfindungen und Gebanten auf 
einem kurzen Ausfluge von Gtralfund nad Dänemark aus. 
Ihr Athem ift rein und warm. Sie hat ein Auge für bie 
Schönheiten der Natur, ein Herz, fie zu empfinden, und Geiſt 
genug, auch durch Hiftorifche Bilder und Momente das Lieb zu 
beleben. Wie ſchoͤn und traulich iſt es, daß häuslicher Stun 
und Heimatsliebe das Reifevergnägen in Schatten ftellt; denn 
wie fie nad der Vaterſtadt zurückgekehrt iſt und fie von ber 
Marienkirche überfhaut, bricht fie entzüdt in die Worte aus, 
die fie auch theilmeife zum Motto ihres Büchleins gewählt: 
Died Entzuͤcken, fei ed immer 

Nur der Seele Holder Traum; 
Mir vertlärt der Freude Schimmer 
Freundlich diefen Meinen Raum. 


1086 


Bier find meines Dafeind Sterne 
Aufgegangen be und rein; 
Reizender kann wol bie Berne, 
Uber nie mir theuer fein. 


35. Aftrallon. Eine Arabeske von Ida Gräfin Hahn: Hahn. | 
16, 10 &r. 


Berlin, A. Dunder. 1839. . 


Die bdichterifche Perfönlichkeit der Gräfin Ida ift in diefen 
Blättern ſowol als anderwaͤrts bereits fo oft befprocdhen, daß wir 
der Mühe überhoben werden, fie ins Licht zu ftellen. Vorlie⸗ 
gende Arabeske bezeugt bie NRüfligkeit ihrer Feder und ift auch 
wirklich eine brangezeichnete Arabeske, geiftreich erfunden, mit 
leichter Hand angelegt und farbig ausgemalt. 

Zauben und Sperlinge finden vor einem Haufe reichliche Atzung 
und bie Schwalben erzählen ihnen, in bem Haufe drin ſei über Nacht 
ein kleiner Menſch geboren, und der Vater defielben habe nicht 
nur alle Hausbewohner befchenkt, fondern auch Weizen für die 
Vöglein Hier gefreut. Die dankbaren Dausvögel beauftragen 
nun den Storch, alle Vögel herbeizullappern, die auch wie ein 
fhwebendes Meer herbeifhwimmen und erfucht werden, den 
Heinen Erdenbürger mit Gaben zu erfreuen. Der Adler will 
ihm den Flug zur Sonne ber Wahrheit, bie Eule das Ber: 
mögen, Nachts zu fehen, der Kalle ein ſcharfes Auge, die plap⸗ 
pernde Eifter eine geläufige Zunge und bie Nachtigall harmoni⸗ 
{hen Gefang verleihen. Nach manchem Wiberfpruche von Sei⸗. 
ten des Bimpels und einiger andern Vögel kommen endlich alle 
darin überein, dem Kindlein Gefang zu geben, was Lerche, 
Fink und Droffel noch näher beflimmen, namentlidy fol er ein 
Dichter fein. Dagegen proteftirt der Schwan: Ihr wißt nicht, 
welch' ein trauriges Geſchenk ihr ihm mit ber Dichtung Gabe 
macht 

het, Der Menſch tft laͤngſt dem 8wieſpalt heimgefallen, 
Als Kind der Ewigkeit und Kind der Zeit; 
Der Dichter fuͤhlt und ſinget es vor allen, 
Welch tiefen Jammer dieſer Zwieſpalt beut. 
Und wenn es ihm gelingt, ihn auszuſoͤhnen 
In ſeinem Lied, ſo wird die Wirklichkeit, 
So wird ſein eignes Herze ihn verhoͤhnen — 
Die Erb’ iſt nah’, der Himmel iſt fo w it! 
Was wißt denn ihr von jenem Weltenſchmerze, 
Den auch die Pöhelmenge nie begreift, 
Und der doch ewig in bed Dichters Derze, 
Wie eine Perle in der Muſchel reift? 
Mas wißt Ihe denn von jenem Nebelfchleier, 
Der fi) um’ ihn wie um Gebirge legt, 
Und den nur ber durchſchauet, der da freier 
AS Menſchenſatzung forfht und prüft und wägt? 
Was wist Ihr denn In euren gränen Hallen 
Bon jenem furdtbar harten Schickſalshohn, 
Das felbfi die Sterne aud dem Himmel fallen, 
Der Dichter von dem goldnen Sonnenthron ? 
Und dann, Ihr Thoren, was kann jest ein Dichter 
Fuͤr dieſe ſpoͤttiſch kalte Welt noch fein, 
Die nur beklatſcht, wenn grelle, ſcharfe Lichter 
Beleuchten ihres Katzengoldes Schein. 


Dann fügt er noch hinzu, wie in frühern, beſſern Zeiten der 
Dichter heilig gehalten wurde, aber jegt beachte man ihn nicht. 
Aber die übrigen Vögel, feinen Rath und feine Anficht nicht 
beachtend, bleiben dabei, er folle ein Dichter werben. Noch eins 
mal warnt ber Schwan, fein Loos fei kein beneibenswerthes; 
bean was Zönne er jeht mehr thun, ale &. 27: 
Statt dad Erhabene freubig zu verfiären, 

Es zeigen von der Narrenkapp' umfchellt, 

Und flatt die ew'ge Weltweishelt zu Ichren, 

Sich üben in ber Weisheit diefer Welt? 

Sich in die Schulen drängen, mo ber Meiſter 

In alterſchwacher Aufgeblafenheit, 


In unreif junger Frechheit für die Geiſter 
Ein abgefhmeihelt Monopol verleiht? 


Auch das Hilft nit, Kukuk, Elſter, Rabe und felbft Adler 
bringen ben Schwan zum Schweigen und alle Vögel fingen 
dem Neugeborenen das Weihelied. Jetzt ſchweben die Wollen 
herbei, verlachen die Vögel und moͤchten das Kindlein in bie 
Iuftigen Regionen binaufzieben, aber nur um Phantomen und 
Schattengeftalten nachzuiagen. Dann naht die Sonne, ihn zu 
erleuchten und zu erwärmen mit ihrem lebendigen Lichte, und 
ihn angureigen, daß er mit dem Lichtfchwerte immer weiter 
dringe. Die Elemente gefellen fi zu ihr, das Waſſer will 
ihm die Seele von Überbruß rein wafdhen, bie Luft ihn als 
ewige Freiheit umwehen, das Keuer ihn mit feiner Aureole 
frängen, und bie Erde fagt: 
— Mein armer Knabe, 
Wirft von mir empfahn 
Nur eine fhlihte Babe — 
Dereint nimmt bu fie an! 
Bit du von Herzen müde, 
Und gibt dein Bauberftab 
Nur Andern, bir nit, Friede — 
Dann ſchenk' ich dir ein Grab. 
Zuletzt fpricht der Weltgeift und fchließt mit den Worten: 
Beginne jest die kurze Pilgerreife, 
Und Halte feſt im Wollen und im Streben, 
Um Tag der Schmach, im Ruhm: und Gluͤckeskreiſe — 
Daß du mir wieder bringfi, waß id) gegeben. 


Da erwacht die Mutter des Kindleins, des hochbegnadeten und 
bochbegabten. Ein Zraumgebild hat ihr vorgefpiegelt, welche 
Zukunft des Lieblinge harre, welche Sterne ihm leuchten wers 
den, und fie nennt ihn deshalb Aftralion. 

Der Eindrud, den das Ganze auf uns machte, war ein 
wohlthätiger und anregender — aber leider zerftört die Dichterin 
das ganze künſtliche Gewebe dadurch, daß fie ben Arzt am 
Wochenbette zulegt fagen läßt: 

Mit Phantafiren und mit flartem Fieber 
Iſt jegt die böfe Krifis bier vorüber. 
Fehlten doch dieſe Worte Hier! 


36. Gedichte von Annette Eliſabeth v. D.... H 
Mänfter, Aſchendorf. 1838. Gr. 12. 20 Gr. 

Es erweckt gewoͤhnlich Fein günſtiges Vorurtheil, wenn 
ſich eines Buchs Verfaſſer nicht nennt; mit ſolchem ungünſtigen 
Vorurtheile nahmen wir auch gegenwaͤrtiges zur Hand, und 
leider ward es uns nicht benommen. Annette Eliſabeth iſt we⸗ 
der eine Ida noch eine Minna. Im Gebiete der erzaͤhlenden 
Poeſie ſich ergehend, gibt ſie zuerſt in zwei Geſaͤngen etwas 
breit und langweilig die Geſchichte eines auf dem St.⸗Bernhard 
erfrierenden Mannes, dann in gleiher Weife „Des Arztes Ber: 
mächtniß”‘, welches wol fpannen Zönnte, aber in der Behand: 
lung ganz verfehlt iſt, und zulegt in Deraoo Ghriftian von 
Braunfchweig ein Charakterbild aus dem dreißtgjährigen Kriege 
unter dem Titel „Die Schlacht im Iorner Bruch”. Da ihre 
Phantafie in Sprüngen geht und fie nicht im Stande zu fein 
ſcheint, ein Bild feftzuhalten ober kunſtrecht zu geftalten, fo 
find aud die Naturbitder, die fie in einigen nachfolgenden Lie⸗ 
dern aufftelle, nicht beffer als die gereimten Anekdoten. In 
einigen geiftlichen Liedern, die ben Beſchluß machen und Proben 
aus. einem größern Ganzen geben follen, fteigert ſich bie Myſtik 
in Gedan® und Ausdrud manchmal bis zum Nonſens. Man 
erlaffe uns die Belege für diefe Behauptung. 


(Die Bortfegung folgt.) 





Zugvoͤgel. Novellen und Skizzen von L. Muͤhlbach. 
Zwei Bände. Altona, Hammerich. 1840. 8. 3 Thlr. 


Im Allgemeinen ſpricht ſich in biefe Novellen und Skiz⸗ 
gen ein recht warmes, keckes, feinen weiblichen Urfprung verras 








1096 


6 Zalent aus, befonders in ber erflen Grzählung „Der 
euch Kind‘, worin fi) Empfindung und Darftellung oft 
bis zum Poetifchen erheben. Die zweite Hälfte fpielt unter den 
Anwohnern der Karpaten, unter Goralen und Figeunern; ber 
wildfremde Hintergrund von Localität und Rationalität ertheilt 
diefer Partie einen befondern Reiz. Die Erfindung ift im Gan⸗ 

n nicht bedeutend, aber der rührende Schluß recht geſchickt 
erbeigeführt. Es fcheint, als ob eine männliche Hand an bem 
Style nachgebeffert und fogar einige Reflerionen, bie bier nur 
#törend find, eingefchoben habe. Wan erinnert fih an Mundt, 
wenn man Folgendes lieſt: „Philoſophie ift die hoͤchſte Wiſſen⸗ 
ſchaft, ſie iſt die verkoͤrperte goͤttlich menſchliche Kraft, die, das 
Irdiſche, Reale durchdringend, ſich erhebt zur Idee, vom Be⸗ 
griff zum Weſenhaften, die in dem Irdiſchen, Vergaͤnglichen das 
Ewige, Unvergaͤngliche erkennt. Philoſophie iſt Religion, aber 
nicht die Religion des Glaubens, ſondern des Wiffens‘ u. f. w. 
So ſchreibt ein Weib, fo fchreibt Euife Müglbach nit. Diefes 
Vereinsliteraturgefchäft, deflen Vorſtand Mundt zu fein fcheint, 
foüte ſich auf keine langweilige philoſophiſche Ginfchaltungen, 
fondern nur auf ſtyliſtiſche Nachbefferungen einlaſſen; denn es 
ſt wahr, daß der Styl in dieſem Buche viel gerundeter und 
praͤciſer iſt ais in den frühern Schriften der Verfaſſerin, wo 
fie noch allein ſtand, fühlte und ſchrieb. 
„Reich duch Wind‘ ift keck hingeſchleudert und ſinnreich er- 
funden, ohne deshalb von bedeutendem Werthe zu fein. Die 
dritte entfegliche Gefchichte behandelt die Greuel, welche an dem 
medienburgifchen @utsbefiger Haberland, hier Armbrufter, von 
feinen Untergebenen verübt worden find. Die and trägt 
ben Zitel „Raturverirrungen‘ und kann, obgleih ſich aud) 
in ihr Zalent ausfpricht, an ſich ale cine Naturverirrung anges 
ſehen werden. Novelliſtiſch mögen wir uns dergleichen Scheuß⸗ 
lichkeiten, die hier bis ins Einzelnſte mit einem wahrhaft ab- 
ſchreckenden Behagen erzählt werben, weder von einem Manne 
und noch weniger von einem Weibe erzählen laſſen. Derglei⸗ 
chen Referate gehören in die Griminalacten, in eine troden bi: 
ftorifche Darftellung menfchlidher Verirrungen, in ein gerichtli= 
ches Gutachten, nur nicht in eine Novelle; denn die Kunftform 
wirb durch einen fo gräßlichen Inhalt immer gefchändet, und 
Diefe Sräßlichkeit tritt im Gegenfag zur Kunftform nur um fo 
greller und ſchneidender hervor. An den Schluß iſt eine Res 
flerion gehängt worden, weldye abermals Spuren einer männs 
lichen Hand verräth. Die in dramatifche Form aufgelöfte No⸗ 
velle „Bianca“ ift mit vieler Leidenfchaft und Glut gefchrieben ; 
Erfindung und Charakteriſtik find aber weber originell noch 
naturwahr und bie Sompofition fehr willkürlich. Ein Doge, 
der fein Weib quält, iſt aus G. Sand'ſchen Anfichten hervorgegans 
gen; auch der brutale Kniff in den Arm bes gepeinigten Wei: 
bes, womit Schriftftellerinnen die Grauſamkeit ber Ehemänner 
u charakteriſiren lieben, fehlt hier ebenfo wenig als in der 
velle ‚‚Raturverireungen”. Die „Wanderungen im Güs 
den“ find Leicht hingeworfene Skizzen, von lebendigem Karben: 
auftrag. Daß 2. Mühlbah am Königsfee eine Menge Glet⸗ 
ſcher gefehen hat — man fieht dort hoͤchſtens Schneelager auf 
den erhabenften Berggipfeln und in den Schluchten — darf ung 
nicht Wunder nehmen; wo fähe eine moderne Schriftftellerin nicht 
Gletſcher? Die letzte novelliftifche Skizze „Die Verlobung‘’ hätte 
Ihres unbebeutenden Inhalts wegen immerhin ungebrudt bleiben 
nnen. 16, 





. Notizen. 


Ein neuerer franzoͤſtſcher Reiſender, Commandeur der Fre⸗ 
gatte Venus, entwirft von dem ſittlichen Zuſtande der Marquiſas⸗ 
Inſulaner ein abſchreckendes Bild. Die Ehe iſt bei ihnen we⸗ 
der eine religioſe noch bürgerliche Inſtitution, ſondern bloße 
Gewohnheitsſache; fie hängt rein von einer gegenfeitigen Übers 
eintunft ab, verpflichtet zu einer Dauer, noch weniger zur 
Zreue, fo lange fie dauert, und loͤſt ſich fo fehnell, wie fie fich 


Die zweite Novelle . 


bitdet, ohne alle Geremonie, oft nur nach dem Willen eines 
Einzelnen von ben Betheiligten. Ginige Männer haben wol 
perl oder mehre Frauen, die in Bemeinfchaft Leben, aber biefe 

eifpiele find felten, dagegen gibt es Teine Frau, weldye es 


‚nicht, ſelbſt mit Wiffen des eigentlihen Ehemannes, mit meh: 


ren Männern hielte; gewöhnlich iſt es ein Bruder, ein Ber: 
wandter oder ein Freund, welche diefe traurige Begünftigung 
theilen. Ja, je mehr Liebhaber ein Weib hat, defto mehr 
Ehre bringt es dem Manne, der beshalb dieſe Zügellofigkeit 
eher befördert als hindert, wie es bei uns einem oornehmen 
Haufe Ehre bringt, mit recht vielen Gäften prunten zu Fön- 
nen. Zumeilen warten die jungen Mädchen nicht einmal, bis 
fie heirathefähig find, fondern entlaufen ber väterlichen Hütte, 
teben für fi) und überlafien fidh ihren Launen und dem zügel- 
lofeften Erben. Gefällt ihnen Einer etwa mehr als bie Andern, 
fo merden fie beffen Weib und bleiben es, fo lange es ihnen 
gefällt. Diefe Infulaner haben viele Kefte and Orgien und er: 
geben fich dem Vergnügen mit wahrhafter Wuth. Zuweilen 
trifft es fi, daß fie an ihren Bergnügungsplägen mit andern 
Abtheilungen von den benachbarten Infeln ober aus feindlichen 
Zhälern zufammenfltoßen, was ftetö zu einem blutigen Rampfe 
und fodann zu abfcheulichen Saftereien führt. Diejenigen 
rauen, welche ausgewählt werben, um bei diefen Feſtlichkeiten 
gegenwärtig zu fein, find auf diefe Auszeichnung äußerft ſtolz, 
doch dürfen fie von dem Fleiſche der geröfteten Feinde nicht efien ; 
man hegt nämlich den Aberglauben, daß, nähme ein Weib an 
biefer fchauderhaften Mahlzeit Theil, die erfte Schlacht verlos 
ven gehen würde. inige haben die Einwohner der Marquis 
fa& : Snfeln für tapfer ausgegeben, fie bemeifen aber nur bann 
einige Bravour, wenn ein Krieger ihrer Partei in bie Hände 
der Feinde geräth ; in dieſem Falle gebietet die Ehre, den Ge⸗ 
fangenen todt oder lebend den Händen ber Gegner wieder zu ent: 
reißen. Gegen Fremde bezeigen fie fich fehr mwohlmollend, aus 
Zurcht und weil fie hoffen Gefchenke zu erhalten; wo nicht, fo 
ergreifen fie jede Gelegenheit, die Fremden zu betrügen ober 
zu befteblen. 


Aus den officiellen Berichten über die öffentliche Erziehung 
in den Provinzen Bengalen und Behar geht hervor, daß etwa 
nur ein Neuntheil oder Behntheil der gefammten Bevölkerung 
etwas von den erften Regeln des Zählens und Lefens verfteht. 
In den Städten fieht e8 nur wenig beffer aus, und bie Stadt 
Mourdidabad zähle unter ihren 97,818 Einwohnern 90,463 
Sndividuen, welche allen Unterrichtö beraubt find, unb unter 
15,092 Kindern von 5— 14 Jahren 13,833, welche feinen Uns 
terriht irgenb weldyer Art erhalten. Die vornehmen Glaffen 
und die Heine Zahl von Gelehrten find wol gelehrter, aber nicht 
aufgellärter. Ihr Kopf bewahrt eine unverdaute Mafle von 
nuglofen Thorbeiten, gebeiligten Verſchrobenheiten und lächerlis 
chen Überlieferungen. Sie wiflen taufend unnüge oder abges 
Shmadte Dinge, bie Verfe, woraus bie heiligen Bücher be⸗ 
fiehen , die Spigfindigkeiten der Grammatik, die kleinlichen Uns 
terfudhungen ber Profodie. Von einer praktifchen Anwendung 
der Wiffenfchaft kann fchon ihrer Ratur nach bei den Indiern 
nicht die Rede fein. Alles, was bie ehemalige hinboftanifche Ci⸗ 
vilifation war, ift Staub und Fäulniß geworben. 


Man bat in England eine neue Erfindung gemadt, um 
das unfreiwillige Ertrinten zu verhüten; fie befteht in nichts 
als in einem Hute, ber den gewöhnlichen Hüten gleicht und 
auf den Kopf geftülpt werden kann. Man bedient ſich feiner 
wie eines NRettungsbootes und Tann ihn fo weit ausbehnen, 
um zwei ober drei Perfonen damit zu retten. Gr iſt fehr 
leicht und nicht theuer. Die Erfolge diefer Erfindung follen 
außerordentlich fein und bie Verſuche, die man bamit unter 
ber Leitung bes Deren Williams anftellt, ziehen jedesmal eine 
große Menge Zufchauer herbei. Es ift wahrſcheinlich, daß die⸗ 
fer Hut auf der Dandelsmarine fowol als auf der Kriegsma⸗ 
rine eingeführt wird. 5. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienſtag, 


— ⸗— Nr. 273. — 


29. September 1840, 





Bericht uber eine Poeten=Genturie aus dem Jahre 1839. 
3weiter Artiftel. 
( Bortfegung aus Nr. 272.) 
87, Der Beſuch in Hainthal. Won G. F. Eduard Grufius. 
Hamburg, Poffmann und Gampe. 1839. 16. 1 Thlr. 

Solche dem Prototupus der Voß'ſchen „Luiſe“ nachgeform: 
te Idyllen verlieren mit der Zeit doch allen Reiz. Noch mehr 
ift dies der Fall, wenn, wie hier, die Invention fo ärmlich 
ift, daß es an jeglicher Überrafchung fehlt. Das Beſte am Buͤch⸗ 
lin find fechs nett gezeichnete und fauber geſtochene Stahiftiche. 
88. Gebidte von Wilhelm Ribbed. Leipzig, Kirchner u. 

Schwetichle. 1839. Gr. 12. 1 Ihir. 8 Gr. 

Laut Vorwort will ber Verfaſſer diefe Gedichte ale Denk: 
biätter feiner Xebensreife angefehen wiflen. Die frübeften find 
von 1809, aus feinem fechözehnten Lebensjahre, bie lebten aus 
bem 3. 1839. Es ſpricht fchon für die Denkweiſe des Verf. 
vortheilhaft, daß er fie fo lange unter Verſchluß gehalten, fowie 
fein Geftändniß, daß jte fich beffer zu einem Manuferipte für 
Sreunde als zu einem offenen Beitrage für die poetifche Lite⸗ 
ratur unfere Zage eignen. Ebenfo witzig als wahr fagt er fer: 
ner in dem Vorworte, daß es ihm wünfchenswerth fein mußte 
aus feinem bisherigen PYhantafieleben eine Art von Refultat 
durch den Druck berfelben zu ziehen, das er feinen Kindern und 
Zreunden hinterlaffen möchte. „Die Koſten“, fügt er hinzu, 
„die mit der Befriedigung diefes Wunfches verknüpft find, wer: 
den Berfafler, Lefer und Berleger, jeder in feiner Weiſe, ges 
meinfchaftlih zu tragen haben: der Erfte bei der ihn treffenden 
Kritik, der Zweite durch getäufchte Erwartung, bie Letzten bei 
ber naͤchſten Meßabrechnung.“ Gerade durch diefe Bemerkung 
wird er der Kritil den Stachel ftumpfen und die Erwartung 
des Leſers befriedigen. Denn wenn fie auch nicht ben überreiz: 
ten Gaumen der durch den erheuchelten Weltſchmerz heinffiren: 
der Apollojünger hoͤchſt verwöhnten Lefer zu kitzeln vermögen, 
fo .offenbart ſich durchgängig aus ihnen eine kerngeſunde Phans 
tafie, eine patriotifche Befinnung, ein warmes Herz und eine 
anfprechende Iovialität. Aus den befjern heben wir als beftes 
Stüd bie treffende Allegorie &. 319 aus: „Wes tft das Bild 
und bie Überfchrift 7’ wo der Verf. ſich als einen Mann befuns 
det, deſſen Phantafie mit dem Verftande Hand in Hand geht; 
und ſolcher Gluüͤcklichbegabten gibt es heutzutage wenige. 

39. Sebihte von Karl Sternberg. Marburg, Elwert. 
1839, Gr. 12, 1 Thlr. 

So wenig der Menſch feine moralifche Yerfönlichkeit zu be: 
urtheilen im Stande ift, fo wenig fällt ein richtiges Urtheil der 
Künftier über feinen äfthetifhen Werth.  Worgenannter Hr. 
Sternberg erbittet fich in einer Vorrede zu dem, dem Sonfiftorial: 
zath Juſti in Marburg bebicirten Buche die Aufmerkſamkeit der 
Kunfttenner auf ein Dratorilum „Chriſti Auferftehung”, welches 
wir weber binfichtlich der Sprache noch hinfichtlich des Geiſtes 
ausgezeichnet nennen dürfen ; nicht beſſer iſt's mit den in Hexa⸗ 
metern gefchriebenen „Siegeshymnen auf Friedrich den Großen”, 
in denen mehre bedeutende Schlachten mit erzwungenem Pathos 


C 

befungen werben. @ine freie Bearbeitung von Oſſian's, Cathloda“ 
in Herametern müffen wir ebenfalld verunglüct nennen. Unter 
den andern Gedichten von mannichfaltigem Inhalte und verſchie⸗ 
denen Formen find bie patriotifchen die erträglichfien, die Epi⸗ 
gramme die matteflen, die Raturgemälbe die gefchraubteften. 
Preußen heißt einmal das Land der gelben Loden. Die Weihe 
Apollo’s fehlt biefem Sänger. 


40, Gedichte von R. Th. Wermwill. Breslau, Hirt. 1839, 
Gr. 12, 20 Gr. 

Wir durchblätterten das Außerlich recht fauber ausgeftattete 
Bud, um uns ein Bild für die Perfönlichkeit feines Verfaſſers 
zu entwerfen. Das gelang aber nidt. Sein Geiſt bewegt ſich 
fo ſehr im Zrain der Alttägiichkeit, daß fich fein Standpunkt 
in äfthetifcher Hinſicht gar nicht feftftellen läßt. Er ift auch 
nicht einmal cin entfchiebener Nachahmer, und was das Schlimmfte 
ift, e8 findet fi feine Spur, daß er mit ber Zeit aus ber 
Sphäre der Verſemacherei beraustreten koͤnne; denn felbft in 
ber Ballade, wozu er noch am meiften Talent zu haben fcheint, 
fehlt ihm die Energie und raſche Bewegung. 


1 
In biefem Opitz' Vaterlande entiproffenen Sänger iſt bei⸗ 
weitem mehr geiftige Beweglichkeit als in den beiden Vorigen. 
Auf 283 Octavfeiten verfuht er fih im Humor und in ber 
Sentimentalität. ab feinen Humor anbetrifft, fo ift es nicht 
ber, welchem Iean Paul mit bem Vogel Merops vergleicht, der 
bei feinem Auffchweben immer dem Himmel feinen Schwanz 
zukehrt, aber doch in biefer Richtung dem Himmel zuflicgt, 
oder ber fich in den Shakſpeare'ſchen Rüpeln regt, fondern er 
bleibt hübſch auf der heitern Erbe und nöthigt uns doch dann 
und warn ein Lächeln ab. Gleich im erften Liede „Das Gon- 
cert des Lebens‘ entfaltet ſich ein finniges Wisfpiel, und in 
„Weinphiloſophie“ (S. 187), „Die Folgen von Roah’s Teſta⸗ 
ment“ (S. 260), und „Die Kunſt zu trinken“ (S. 263) be⸗ 
kundet ex ſich uns als theoretiſcher Trinker. Minder glüuͤcklich 
iſt er im erotiſchen Gebiete; feine Liebeslieder find matter. 
In dem Gedichte „Der Selbftzufriedne” (&. 258) finde Hr. 
Gabriel Erfas und Zroft, wenn vieleicht Krititer und Kriti⸗ 
kaſter ihn anfallen. Er fagt da: 
Spiel’ ih noch fo wunderfhön, 
Was ich ererciret, 
Muß ich Ärmfter dennoch fehn: 
Niemand applaubdiret. 
Mein Gedicht, fo meinen fie, 
Klinge matt und aͤrmlich; 
Meined Liebes Harmonie 
Wäre ganz erbärmiid. 
Ag! wie oft ih hören muß: 
„Treibt die Kunft mit Sünden, 
Und es if ber Genius 
Bei ihm nicht zu finden. 


41. Gedichte von Wilhelm Gabriel. Breslau, Weinhold. 
1339. 8 1 Xhlr. 





1098 


Doch ber Neid rrgiert allein 
Au’ die Läfterzungen, 

Well mandmal im Mufenhain 
Preidlod ich gerunzen. 

Mag auch fhimpfen die Kritik, 
Soll mid nit verdrießen; , 

Muß bob ob dem Meiſterſtuͤck 
Ihre Sal’ ergießen! 

SW in mein Vert ienſt mic ein, 
Trot den Krittlern allen: 

Kann ja ſelbſt genug mir fein, 
Wil mir feibft gefallen. 


42, Etwas zum Lachen. Bon Friedrih Lennig. Mainz, 
Kirchheim‘ Schott u. Thielmann. 1839. 8. 20 Gr. 

Beforglich nahmen wir das Büchlein zur Hand, vermefs 
nend, ob wir Leute aus Dbers und Niederſachſen, oder gar die 
berliner Damen am Theetiſche etwas zum Laden darin finden 
würden, wie das Yublicum zu Mainz, ber Vaterſtadt bes Ber: 
faffers, welches die dritte Auflage hat drucken laffen? Indeſ⸗ 
fen iſt fein Buch beſſer als fein Titel. Der bereits 1833 ver: 
ſtorbene Verf. zeigt fih bier als ein Dann, der mit ſcharfem 
Blicke die Erſcheinungen ber Außenwelt und die focialen Ber: 
hältniffe aller Stände ber Jetztwelt auffaßte, weshalb feine 
Poefie einen vein objectiven Charakter hat. Trefflich ſtellt er 
den pfälzer Bauer (und zwar in dem ihm eigenen Dialekt) in 
feinen verfchiedenen Lebensſtufen und Verhältniſſen bar, weshalb 
fein „Jergel“ (8. 23— 44) unfern beffern Vollsdichtungen an 
die Seite gefegt werden Tann. Viele Pointen gehen und aus 
Untunde jenes Dialekts verloren und das angehängte Gloſſa⸗ 
rium ift ein ärmlicher Nothbehelf für und. Wir haben baher 
den Gedichten in hochdeutſcher Mundart eine größere Aufmerk⸗ 
famfeit und Theilnahme zugewendet, und ba ftraplt „Der 
Theaterſouffleur“ (&.91) hervor, der Die Scene aus feinem Ka: 
ften betrachtet und mit migigem Humor reflectirt und paralle⸗ 
Iifitt. In „Der Zopfträger und der Tituskopf“ treiben zwar 
Scharffinn und Wis auch ihr reges Spiel, doch wird defien 
Lebhaftigkeit durch den dazukommenden Glatzkopf gemindert, 
„Dee Schnupfer““ (S. 103) recht geiſtreich. Einige leicht ver: 
fificirte Anetdoten, als „Die Predigt” (S. 124), „Die drei: 
fache Wahl“ (8.127), wo die armen Juden herhalten müffen, 
und „Der entlarote Franziskaner” (S. 132) find für die große 
Menge und geben dem Verf. weniger Gelegenheit, feine Anti: 
thefen, fprachlichen Wortfpiele und Allegorien geltend zu machen. 
Bor allen auögezeichnet erfcheint uns die legte Nummer: „Zur 
Feier des Stiftungsfeftes der rheinifch: naturforfchenden Gefells 
Schaft zu Mainz’, wo er Mama Natur zum Gegenflande feiner 
jovialen Reflesionen macht. Kurz, es gedeiht oder gebieh bei 
ihm die fröhliche Kunft (l’art joyeuse) des Dichters, die fi 
gleich weit vom ekelerregenden Scherzen und Lieberlichen verblüm: 
ten Boten fern zu halten weiß, und in einer den Gedichten 
vorangehenden „Verſtaͤndigung“ erflärt er ſich über das Weſen 
des Spaßes, den er hier zum Beſten gibt, folgender Weiſe, 
woraus ber Leſer zugleich den Geiſt und Ton des ˖ Ganzen be: 
urtheilen wolle: 

Es iſt der Spaß ein komiſches Gewebe, 

Worin die Farben laͤcherlich erſcheinen; 

Dies iſt die kurze Antwort, die ich gebe. 

Nicht Seide brauchet man dazu, nicht Woll' und Leinen; 

Bon Laune muß der Zettel fein, 

Und Wigtzesfaͤben dicht ald Einfluß dran fi) reihn. 

Oft wird's, hat man bie Fäden eingeſchoſſen, 

Mit Schlichte von Satyre übergoffen. 

Wenn grobe Fäden unterlaufen, 

So kann mit Recht man groben Spaß ed taufen. 

Der Spaß ift ſchmuzig und misfältt geſchwind, 

Wenn feine Faͤden zottig find. 

Bon dummem Spaße hab’ ich nicht vonnöthen, 

Mit Leuten, klug wie ihr, zu reden, 


Ihr ſprechet, merk’ ih, meinem Gleichniß Hohn 
Und Haltet meine Anfiht für verkehrt, 

Und habt, ich wette drauf, doch alle ſchon 
Vom Babrikate ſpaßig Zeug gehört. 

Wie am Gebilde, bad ber Leinenmweber webet, 
Sid bald ein Sternen, bald ein Kreuzchen hebet, 
So laͤßt der Kuͤnſtler, der mit Wis zu weben 
Verſteht, nachdem's für Beit und Drt fih paßt 
Der Menſchen hundertfache Thorheit in Damaft 
Bon ſpaßig Zeug auf bunter Dede ſchweben; 
Da fieht man Wucherer, die arme Bauern retten, 
Steht Spieler, Knider, Säufer, Hochmuthsnarrn, Koketten, 
Geſtutzte Laffen, ſproͤde Jungfern alter Zeit, 

Und hageſtolze Männer conterfeit. 

Manch aufgeblaf’nem aber dummen Kopfe 
Sind dort, nit ferne von dem Bopfe, 
Zwei Efelöohren angefchoben, 

Und mandem Eh’mann Hörner angewoben. 
Mit einem Wort, dad Ganze zeiget nur, 
Die Menfhheit tn Caricatur u. f. w. 


43, Die europälfgen Lieder von Marimilian Langen: 
I & * arz. Leipzig, P. Baumgärtner. 1859. 8. 1 Thlr. 
r 


Ein prachtvoller, ein impoſanter Titel! So prachtvoll und 
impoſant wie die Vorrede, die ſich nicht an das Publicum von 
1839, ſondern an das Jahrhundert wendet. Kine Maſſe von 
Mitlebenden, fo fagt das Vorwort, habe mit Sehnſucht ben 
Zeitpunkt Herbeigewünfcht, in welchem fie dem berühmten Wanne 
etwas tiefer in die Seele zu blicken vermöchten; fie hätten ihn 
mit Ramen belegt, die fie gewiffermaßen berechtigten fein Por⸗ 
trait zu fodern, und die ihn gewiffermaßen zwängen, ihnen 
ſolches in feinen Liedern darzubieten! Go dürfe „das Zeufelss 
Driginal“, oder „der eberne Geiſt“, wie fie ihn freundlich bes 
titelt hatten, unmöglich länger auf fich warten laſſen, und da 
fie ihn als einen Menfchen von ganz eigenem Thon betrachteten, 
fo halte er fich für verpflichtet, bie aus dem neuen Thon ges 
bildeten Kiguren nicht länger vorzuenthalten. Daß dem Wanne, 
ber fich ſolche Äußerungen erlaubt, die Kritik ein Eleines Dons 
nerwetter über den Hals ſchicken werde, wollen wir ihm pros 
phezeien; einiges Wetterleuchten haben wir bereits hier und 
da gefehen. Gewiß würde fie milder ausfallen, wenn ‚der Verf. 
nicht mit jener Adeptenmiene und Boscofpradhe aufgetreten wäre, 
die uns Mar bekundet, er überfhhäge feinen aͤſthetiſchen Werth 
und der dicke Rauchfaßqualm feiner großäugigigen Bewäfnderer 
babe ihn beraufcht, betäubt und alle feine WBefcheidenheit zu 
Tode geräucdert. Ref. glaubt ihm Gerechtigkeit widerfahren zu 
laffen durch nachfolgende kurze Andeutungen über das bier Ges 
botene, welches ‚‚europäifche Lieder” nur aus dem Grunde ges 
nannt werden Tann, weil es in verfchiedenen Ländern und Staͤd⸗ 
ten Europas entftanden ift, nicht aber, well der Verf. eine 
europäifche Gelebrität hat. Einen „ehernen Geiſt“ Kann er ſich 
zwar wegen derfelben nennen lafien, aber weder „Teufels⸗“ nodg 
ein anderes „Original“; benn dann müßte er weniger an ben 
Brüften der jungen franzöfifchen Romantik gefogen, den beuts 
fen Heine weniger copirt haben und weniger beim parifer 
Shanfonnier Beranger in die Schule gegangen fein. Die Be⸗ 
lege zu diefer Behauptung wird der Leſer in folgenden Gtüden 
finden: „Der Scharfrichter” (S. 73), „Der luſtige Tanz‘ 
(8. 97), „Die Komödie im Sarge“ (S. 210), welche der 
Sphäre der neufranzöfifhen Romantik entnommen find ; bages 
gen ſpukt Beranger in „Im“ (&. 128), welches beginnt: 

Ich fah fie jüngft im Babe, 
So ganz von obngefähr, 
Ich fah die runde Wade, 
Dad Kniehen — und noch mehr. 
Kurz, was man nur kann fehen, 
Daß fah? ih ohne Zwang — 
Ich wollte ſchier vergehen 
Bor Luft und Liebesdrang u. f. w. 


1099 


Ebenfo berangerifch ift es, wenn er bem Theaterdirector ©. 
292 fagen läßt: „Wir engagiren jegt nur Mäbchenleiber.‘' Heiz 
niſch geberbet fi das „Hochzeitlied“ (S. 168), „Gin todter 
König‘ (S. 178), „Um eine Theegeſellſchaft zu unterhalten‘ 
(&. 200). Richt ohne Driginalwig iſt dagegen „Krabblerei“ 
(8. 18), „Die Spielpartie“ (S. 220) und „Der ſchwimmende 
Sarg (S. 228). Die Sonette haben ſaͤmmtlich epigramma- 
tifche, auf Gffeet berechnete Spigen, wie man fie jet liebt. 
Höhft arrogant tritt er in dem franzöfifhen Gedichte auf „Au 
tombeau de Rousseau’ (&. 122), woraus bie Stelle: 
Je sais poste aussi! (mie Jean Jacques naͤmlich) quel plaisir! 
quei bouheur! 
Je veux te regarder comme un divin eymbole, 
.Qui m’s touche l’euprit, pour elever mon o0eur! 
Peut-&tre, si mon corps succombe & la misere 
La justioe ouvrira ses bras a mon talent! — 
Et quaud pour l’estomac on n’aura rien a faire 
On payera l’esprit aveo un monument. 
In ‚Mein Portrait‘ (S. 344) kommt au die Stelle vor: 
Bein Hirn 
Hut zerhaun manch flarfen Knopf, 
Und hat improoifirt, 
Bis ih und mein Hirn und mein bentender Kopf 
Bor Ärger find crepirt. 
Wollen wir ganz unpartelifc fein, fo darf nicht unerwähnt 
bleiben , daß fich bisweilen ein leidliches Talent für Kabel und 
Apolog bekundet, das an Pfeffel mahnt; außerdem iſt munoet 
fo plaftifch=feifh, daß man «6 betaften möchte, und Manches 
fo finnig und gedantenfhwer, daß es und feflelt. Hören wir 
das Stuͤck „Sie wiegt ſchwer““ (S. 175): 
Ein Armer brachte den letten Dukaten 
Zu einem Wechsler hin. 
Der nahm aus dem Pult die Wageſchale 
Und wog ben Dukaten drin. 
Und ſprach mit eifigem Angeſichte: 
„Dem mangelt ein guted Stüd. 
Wollt Ihr nit einen Thaler verlieren, 
So geb’ ih Ihn Cuch zuruͤck!“ 
Der Arme hebt mit erſchuͤtterndem Weinen 
Die Hände zum Himmel empor: 
„Es iſt der lezte, mein Gott im Himmel! 
Du weißt, daß ih Alles verlor!‘ 
Da plöglich fpriht der Wuchrer wieder: 
„Nein, nein! ih fah ihn nit ganz tet! 
Die Waageſchal' ift niedergeſunken! 
Dad Sold iſt gewichtig und echt!” 
Und nimmt beraus den ſchweren Dufaten, 
Und zahlt bad volle Gewicht! 
Es war — eine Thräne darauf gefallen, 
Die fah der Wuchrer nit. 
Kurz, wir fehen aus dem Ganzen, Hr. Marimilian Langen: 
schwarz ift ein Mann für die aͤſthetiſche Jetztwelt; wie Er fi 
gibt, will man den Autor heutzutage haben. Unermepliche Ar: 
roganz, reizende Zerriſſenheit, aufregende Frivolitaͤt, kuͤhnes 
Einhauen auf die Recenſenten, politiſche Seitenhiebe, Grauſen, 
Gel, Entſetzen erregende Phantafieftüde, ſchlagende Contraſte, 
Alles kurz, leicht, keck hingehaucht, das erhält in Spannung 
und gewährt eine Luft, der ähnlich, die der Roué bei einem 
lucullͤſchen Mahle, oder gar bei einer cara mama findet. Der 
Britifche Zionswächter Tann ſchon ex officio zu ſolchen Dingen 
nichts Anderes fagen, als ben Vers, den wir &. 520 finden, 
und ‚welcher lautet: 
Kurzum, ich liebe nicht dergleihen Schnurren ! 


44. Erifhet, 8 E. Ferrand. Berlin, Krauſe. 1889. 


Gr. 12, Ir. 
deffen Inrifche Leiftungen wie ſchon früher in 


Der Verf., 
d. Bi. wuͤrdigten, iſt ein echter Damoifeau; deshalb theilten 
mit und baten fie uns 


wir das Büchlein einer jungen Dame 


ihr Urtheil barüber gefälligft zulommen zu laffen. ⸗ 
hielten wir auch in brieflicher Wkittbeilung ee es 
felben einen aphoriftifhen Auszug, da es, in feiner Zotalität 
mitgetbeilt, die Grenzen, die uns hier geffedt find, überfchrei: 
ten möchte. Sie läßt ſich alfo vernehmen: „So unbebeutend 
das kleine Bändchen diefer Gedichte erſcheinen mag, fo Tann ich 
mich nicht enthalten, einige, d. h. mehre lobende Worte barüs 
ber zu fagen. Schon nach feinem erften Auftreten wurbe mir 
der Verf. von einer Freundin als ein finniger und zarter Dichs 
ter gerühmt, und nachdem ich ſelbſt gelefen, mußte ich ihr beis 
flimmen. Gegenwärtige Gedichte ſcheint Hr. Ferrand neu ges 
fammelt und gefichtet zu haben (7). „Sie“ fpielt in allen Ve⸗ 
siehungen bie Hauptrolle darin. Die unbebeutendfte Kleinigkeit, 
die gewöhnlichfte Situation, bie geringfügigfte Zufälligkeit wird 
zu einem lieblichen Bildchen, das er mit Atherfarben malt und 
bei welchem entweder Ahnung ober Sehnſucht den Gchatten 
bildet. Alles ift in gewöhnliche Verschen eingerahmt, bie Keine 
Anfprüche an Kunftformen machen wollen. Gr Hagt; aber 
nicht fo raffiniert =zerriffen wie 9. Heine. Das Religiöfe babe 
ich darin vermißt; indeffen ift das Büchlein volllommen geeigs 
net, und eine lärmende Umgebung vergefien zu machen, unb 
es wird Einem recht behaglih, wenn man in einem einfamen 
Eckchen mit ihm ſchwärmt. Da man befländig bei ihm auf 
Selbfterlebtes ftößt, fo verfehlt die Lecture um fo weniger bie 
Wirkung auf die Phantafie und das Herz. Viele werden zwar 
meinen, daß man in hundert andern Büchern ber Neuzeit bafs 
felbe und noch Schöneres findet; aber ich meine, baß er im 
Auffaflen und Fühlen einer poetiſchen Situation (?) einzig das 
fteht. überaus fhön ift das Gedicht (9.16) „Ein Wiederfehn”. 
Der Dichter fieht die zur Jungfrau erblühte Schweſter feiner 
ehemaligen Geliebten wieder, die ſchon 
Schlummert unterm grünen Huͤgel 

Von Rof und Plieber überbält; 

Des Grabes duft'ges Blumenfiegel 

Hält lange ſchon das ſuͤße Bild. 


Ihre Ähnlichkeit mit der Frühverwelkten führt ihn in jene Zeit 


zurüd, wo fein Herz im erften Lichestraume für fie glü 
und er malt nun mit leichter Hand jene act ER u 
„Abendtraum“ ift jeder Zug anſchaulich. „Maiglöckchen“ und 
In Malte“ befunden * —5 geſangluſtiges Gemuͤth, 
und in orgenträumen” fühlt man ſich unwillkürli ⸗ 
gehoben "duch die Iedte Strophe: - na & empor 
Hoch über der fernen Erde 

Verſchwimmender Blütenau 

Wiegt Iuftig, ein fingender Vogel, 

Mem Herz fih im fonnigen Blau. 


Mitunter gibt's recht artige Wortbildungen, als maien⸗ 
morgenfreundlich, fonnenfehbnfudhtsvoll, maien⸗ 
blütenſchön, wanderſehnſuchtkrank, thränenres 
genſchauernd, Frühlingslebensluſt, Exinnerungs⸗ 
perlen u. f. w., und ſolche Worte haben mir ihn angiehender 
und lieber gemacht; ja, er bliebe gar nicht mehr Ferrand, wenn 
ee nicht mehr in dem „ahnungsbangen, hergumdüfternden unb 
wehmuthbangen Labyrinthe feines Schmerzes’, feines Sehnens 
und Liebeswehs umherirrte, ober fi nicht in bie „‚freubes 
ftürmifchen,, füßmächtigen und wunderwonnigen Fruhlings duft⸗ 
gewalten ſeines Liebeslenzes“, oder „in bie liebwonnig⸗ ums 
fhlingenden Arme feiner Liebften‘‘ verſenkte. Wie fchön find 
ferner die fanften ahnungsgläubigen Todesgedanken! Ift’s nicht, 
als träumte man am Bade? (8. 102) Iſt's nit (S. 115), 
als ſchaute man ſelbſt fehnfüchtig mit dem Dichter Hinter dem 
Wagen her ? Iſt's nicht, als müßte man Das, was &. 160 ſteht, 
fetbft erlebt haben? Won ©. 167 an ruht ein Flor der Schwer: 
muth über dem Ganzen. Ginmal wurbe id) an Heine erinnert 
{n dem vomanzenartigen „Auf ber Reife”, wo man an bie 
Worte im Buche der Lieder denkt: 
Sie liebten fi Beide; doch Keiner 
Wollt' es dem Andern geflehn. 


⸗ 














1100 | 


e alte Rrau’’ ift eines feiner beften Gedichte; würbe es 
ei auch AR; Glaßbrenner in fein „Taſchenbuch“ aufgenommen 
haben? Es erinnert jedoch an Chamiſſo in defjen „Waͤſcherin“. 
Das letzte Stüd ſpricht durch fein Gefühl das Herz hoͤchſt wohl: 
thätig an und ſcheint ganz für weibliche Gemüther geſchrieben 
zu fein. Möge der Verf., der in der „Gaſthofszeitung“, wo 
jeder Dichter fich eine Wergleihung gefallen laſſen muß, mit 
Spargel verglichen wird, uns bald wieder ein fo wohlfchmeden: 
des Gericht auftiichen. Auf den Dank der Damen fann er 
rechnen.“ &o weit unfere junge Gorrefpondentin, deren Anſicht 
wie hier mitgetheilt, um etwas mehr Farbe in den Bericht zu 
bringen. Gloffen dazu zu machen, wagt fein galanter Referent. 

(Der Beſchluß folgt. ) 





Leibnig und einige andere wilde Revolutionnaire. 


An einer der Recenfion des fechsten Bandes von Raumer's 
„Geichichte Europas‘, in Nr. 200 &. 807 d. Bl., eingeflod: 
tenen Bemerkung über einen Brief Leibnigens, worin diefer dem 
leivenden Gehorfam im Sinne der Stuarts für äußerfte Noth⸗ 
faͤlle eine Grenze feat, hatte ich das „Berliner politifche Wo⸗ 
chenblatt’’ deutlich als die Zeitfchrift bezeichnet, welche diefe Ge⸗ 
finnung bie ber zahmen Revolution nennt, Leibnit folg⸗ 
lich zu den zahmen Revolutionnairen rechnen müfle. 

Das Wochenblatt erwidert in Nr. 35: ich ſei in be: 
deutendem Irrthum, jene Worte gehörten nicht ber zahmen 
Revolution an, fondern der wilden. Leibnig habe es aber fo 
ernft eben nicht gemeint, es fei ihm mit dieſer Außerung etwas 
Menſchliches begegnet, zumal mit Rüdfiht auf den Biſchof 
Burnet, biefen politifhen Renegaten, an den ber Brief ge: 
richtet fl. 

Wie? Leibnig fol über einen Gegenftand von fo hoher 
Wichtigkeit anders gedacht und anders geſchrieben haben? Er 
fol die entfchiedenfte, unzweideutigfte Weranlaffung gegeben ha⸗ 
ben, daß man ihm die entgegengefegte Anficht von der, bie er 
wirklich hatte, beilege. Welch’ eine Ibee muß man von Leib⸗ 
nig gefaßt haben, um ihm einen ſolchen Leichtſinn — um mich 


gelinde auszubrüden — zuzutrauen! I einem Philoſo⸗ 


phen wie Leibnitz entfchlüpft eine folde Außerung nicht. In 
ihrer ganzen Faſſung liegt etwas fo Überdachtes, fo wohl Erwo⸗ 
genes, daß fie feine volle Überzeugung über den Revolutionsfall 
enthalten muß. Wenn man aus fo Elaren, ſchlichten, einfachen 
“ Ausdrüden eines Mannes, der ſich auf die Bedeutung und das 
Gewicht der Worte fo gut verfland wie irgend Iemand, nicht 
mehr auf feine wahre Sefinnung foll fchließen dürfen, fo möchte 
ich wiffen, woraus man unbedenklicher fchließen darf. Weit 
eher wird anzunehmen fein, baß dem Wochenblatte die Ent⸗ 
fyuldigung, die es für Leibnig in Bereitſchaft hat, ent: 
ſchlüpft fe. Denn überlegt ift die Behauptung ſchwerlich, 
daß Leibnitz fi) vor dem Publicum anders geäußert haben 
würde, als in einem Privatbriefe. Wußte Leibnitz aus fo vies 
len feit zwei Iahrhunderten vorgelommenen Beifpiclen etwa 
nicht, daß die Briefe berühmter Männer felten ungebrudt blei⸗ 
ben? Und wenn er einen Unterſchied gemacht haben follte, 


würde man feine unummunbenere, rückfichtslofere Dreinung nicht . 


eher in einem vertrauten Briefe fuchen, als in einer Drud: 
fhrift? Noch unüberlegter aber ift die Vermuthung, daß Leib: 
nie dem Bifhof zu Gefallen die Billigung von Grundfägen, 
die die feinigen nicht waren, ausgefprochen habe. Denn übers 
legt würde eine Infinuation gegen Leibnigens Charakter barin lie: 
gen, die das Wochenblatt in allem Ernſt wol nicht hat 
machen wollen. 

Das Wochenblatt wird alfo vor der Gonfequenz nicht 


zurückſchrecken dürfen, den ganzen Leibnig nicht, wie id) allers- 


dinge unrichtig vorausgeſeht, zu ben zahmen, fondern zu den 
wilden Revolutionnairen zu rechnen. Und ihn unter 
den antiliberalen Schriftflellern wahrhaftig nicht allein. 


| 


Es wird ihm 3. B. Niebuhr zugefellen mäffen, wels 
er feiner Ausfage nach („Lebensnachrichten““, Bb. III, 6. 29), 
nicht in vertrauten Briefen, fondern in officielen Berichten, 
die Überzeugung nicht verleugnet hat, „daß es, ehe ber liberale 
Despotismus Alles verfchlang, vollkommen rechtmäßige Revo- 
Iutionen gegeben, in denen eine Gewalt im Kampf gegen bie 
Ufurpation der andern fiegte, wie in England und in den Ries 
derlanden.“ 

Doch Riebuhr ſteht als Ehrenretter des roͤmiſchen Plebejer⸗ 
ſtandes vielleicht ſchon in keinem guten Geruche bei den Yubli: 
ciſten des Wochenblatts. Es fei alſo ein Dritter als Zeuge 
aufgerufen, der wie Wenige ben Haß des falichen Liberalismus 
in ganz @uropa gegen ſich aufgerufen hat — Burke. 

- Da, wo biefer große Schriftfleller in den „Betrachtungen 
über die franzoͤſiſche Revolution’ fi mit aller Stärke feiner Be: 
redtſamkeit gegen bie Behauptung erhebt, daß dem englifchen 
Volke das Hecht zuftehe, feine Herrſcher felbft zu wählen und 
fie wegen Bergehungen abzufegen, fagt er in Beziehung auf 
die Revolution von 1683: „Die Anführer diefer Revolution 
legten dem Könige Jakob nichts Geringeres zur Laft, als einen 
duch eine Menge offenbarer, gefegwidriger Unternehmungen 
erwiefenen Plan, bie proteftantifhe Kirche und ben Staat 
fammt allen fundamentalen, unbezweifelten Rechten und Frei: 
heiten ber Bürger umzuſtürzen; fie befchuldigten ihn, den Grund- 
contract zwifchen König und Bolt gebrochen zu haben. Dies 
war mehr denn Vergebung. ine firenge und gebieterifche 
Nothmendigkeit, das unerbittlichſte aller Geſeze, zwang fie zu 
dem Schritt, den fie thaten, mit unendlihem Widerſtreben 
thaten.“ (Überfegung ven Geng, Ih. I, S. 34.) 

Alfo auch Burke Zrop alles feines Feuereifers gegen 
die Männer von 1789, wird er der Verdammniß nicht ent: 
gehen können, mit ihnen zu den Böden ber wilden Re: 
volution geftellt zu werben. 

Warum ift er auch fo inconfequent, für bie Revolution 
von 1683 Partei zu nehmen! Denn freilich ift er Hier in Ge⸗ 
feufhaft von Leibnig und Niebuhr in eine Inconfequenz ver⸗ 
fallen, aber nur in eine fcheinbare. Diefe Männer haben dafür 
gehalten, daß ein Recht, welches alle andern Rechte aufheben 
und vernichten will, eben dadurch aufhört, ein Recht zu fein; 
fie haben für das wahre Princip und Fundament der Staaten 
nicht den Buchſtaben gehalten, fondern den Geift, nicht eine 
bürre Abftraction, fondern das Leben. Sie haben gemeint, daf 
es biefer Abflraction, in beren Namen der Fanatismus auf 
beiden Seiten fo viele Opfer gefchlachtet hat, nicht zulomme, 
höhnifch zu fragen: „Wo ift bie Grenze zu finden? wo beginnt 
die Nothmendigkeit 7‘ fondern fich bei der Überzeugung beru: 
bigt, daß das Gefühl und die Gefinnung der Verfländigen und 
Redlichen unter einem Volke, bei weldhem der Faden der hiſto— 
riſchen Rechtsentwickelung nicht abgeriſſen ift, hierüber nicht 
irren und als echte Stimme bes politifhen Gemiffens wirken 
werde. Gerade dadurch, daß in ben Gott Lob höchft feltenen, 
fo verzweifelten Sagen wie die, worin die Thorheit Jakob's I. 
England verfegte, eine Staatöveränderung wie die, welche Wil⸗ 
helm III. auf ben Thron hob, als ein möglicher Ausweg ers 
Icheint, wird das Königthum, diefes nothiwendige, unerfegliche 
Paladium der bürgerlichen Kreiheit in Europa, gerettet gegen 
Die, welche durch flarres Kefthalten an dem bloßen Begriffe dem 
Republilanismus die fchärfften Waffen in die Hände geben. 

Es würbe nicht ſchwer fein zu beweifen, daß ein Königthun 
nach der Belchreibung und den Wünfden des Worhenblatts 
ebenfo wenig exiſtirt oder exiftiren gelonnt hat, wie die Demos 
kratie, welche ber falfche Liberalismus träumt. Aber dies ges 
hört nicht hierher, und fo ſchließe ich denn dieſe Bemerkungen 
mit der einfachen Frage: Welches find bie beſſern und echtern 
Royaliften, bie Politiker des Wochenblatts, ober jene Ins 
confequenten ? 


Der Recenfent von Raumer’s Gefdidte 
Europas. 


Berantwortliger Derausgeber: HDeinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Eeipsig 
— — — 


Blätter 5 . 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


— Nr. 274. — 


30. September 1840. 





Bericht über eine Poeten-Centurie aus dem Jahre 1839. 0.38 die letzte Strophe eines, „Der Hühnerhof“ benannten 
u ! 


Zweiter. Artikel. 
(Beſchluß aud Nr. 273.) 


45. Kryſtalle. Gedichte von 3. X. Pangkofer. 
burg, Manz. 1839, 8. 1 Thlr. 20 Gr, 


In ber Seele biefes Berfifer lebt eine Yülle von Bildern; 
eine gewaltige Phantafie regt bier die Schwingen; aber er vers 
mag nicht aus biefem Bilderchaos etwas angenehm und Zar 
zu geftalten, und feine Phantafie geht mit ihm ducch wie ein 
nicht gu bändigenbes Roß, beffen Reiter Steigeügel ‚ Qut und 

altung verliert. In feinem dien Buche ( Beiten), wels 
Ein in zweiter, vesmehrter Auflage erfcheint, treibt ex ein gar 
tolles Spiel mit unfaubern, obrzerreißenden Reimen unb wuns 
derlichen, falfchgefchriebenen Worten (lobebären, Gataver, Dou⸗ 
feur, pleſſirt, Quarbett, bollen fi. holen u, ſ. w.). Es gibt 
faft kein Lied darin, in welchem nicht unreine Reime wären. 
Es geht ihm, wie er ©. 5 fagt: 
Ab, mander in ber Heiden Dienft 
Muß fi erbärmlich ſcheren, 
Und treibt ers Ho, iſt fein Gewinſt, 
TJodt Kindlein zu gebären; 
"Wie fih der Affe fangen laͤßt, 
So ſteckt er in ben Formen fefl, 
Und Tann fih draus nicht heben, 
Drum fhafft er auch Fein Leben. 
Kryftalle nennt er die Sammlung; dem 
Wie im Gebirgesſchacht fi die Kryſtalle 
Dur der Natur geheime Kraft geftalten, 
Der Band bed Glücks verborgen aufbehalten, 
Selbſt regelvoll in regellofer Halle: 
So in des Dichters Buſen ſich entfalten 
In Lieberformen ſich die Ideale; 
Was jene find im Reich der Diinerale, 
Sm Reich des Wiffend fie dur Geiſteswalten. 


Das Bird iſt echt ſchoͤn; wenn ber Bilbner nur bie Kraft 
hätte, das Ideal in Liederformen zu geftalten. Diefe Kryſtalle 
find wiederum in fech6 Drufen eingetheilt, und da finden wir 
neben xeizenden Bilbungen verfrüppelte Geftalten und Miäges 
burten. So fast ee &. 25 von einem Berge: 
Deiner Lenden 

Schattenkuͤhle, 

Dicht gruͤnlaubig, 

Barg des Mittags 

Verſengender (7) Sonne 

Zief mich im Dunkel, 

Bot aus gebeugten 

Fruchtreichen Zweigen 

Golbrofenfledige, 

Grauidende Labe. 


Regens⸗ 


Leicht unterſcheidbar iſt, 

Wie Federvieh am Miſt, 

Herrnhuter, Calviniſt, 

Luthraner und Papiſt; 

Doch ſchwer vom Chrift der Chriſt, 

Bis All' dad Grab umſchließt. . 
©. 51: „D, mein Schmerz ift unverderblich; Denn mein Herz 
es ift unfterblih!” Es würde uns leicht fein, dieſe Blumenleſe 
fortzufeden ; indeffen fei e8 genug. Wir erwähnen blos 8 
eines Wüſtenbildes „Die Flucht nach Agypten“ (S. 316), na 
arabiſchen Sagen gebildet voll plaftifcher Lebendigkeit und Phan⸗ 
—— „ niedriger Plattheit, unreiner Reime und Geſchmack⸗ 
0 ig [) j “ 
36, Dichtungen von Hermann Neumann. Erſter, zweites 

Dipberjaht. Düffeldorf, Schreiner. 1839. Er. 8. 3 Thir. 


Die poetiſche Aber biefes Jünglings (denn einen Juͤnglin 
nennt er fich felbft in einem Dedicationsworte an GShamiffo 
firömt fehr zei und üppig, und zwei Bände Dichtungen, bie 
sr erfied und zweites Dichterjahr benennt und nach den vier 
Sahreszeiten eintheilt, Legen als fprechende Zeugen feiner Pros 
ductivität vor und. Wie mäffen uns indeſſen hier auf bie Anz 
geige des erften Dichterjahres befchränten, da uns nur in bems 


- 


| jelben das zu unferm Reſſort gehörige Eyrifche geboten wird. 


Das zweite Dichterjahr, vulgo ber zweite Theil, gibt Drama⸗ 
tiſches; ein Märchen, das an das Lyrifche blos anftreift, duft⸗ 
voll, finnig, tänbelnd, an ben „Sommernadtstraum‘' mahnenb, 
unter dem Zitel „Die Frühlingefeier der Elfen’; dann ein 
fünfactiges Trauerſpiel „‚Althäa und Aithone‘‘, welches in Sys 
rakus fpielt.e Des erſten Dichterjahrs Krühlingsgabe ift ein 


{ artiges lyriſch⸗ epiſches Gedicht: „‚Srisholblein und Roſalieb“, 


in fieben Befängen, wo bie Phantafie des Dichters, wie in ber 
obenerwähnten Frühlingäfeier der Eifen, in Blumenbäften, Kaͤ⸗ 
fergefumme, Libellentängen unb in der Gnomen⸗ und Elfen⸗ 
welt ſchwelgt, und welches beim Lefen bie eigenthümliche Wir⸗ 
Kung auf uns hatte, baß es uns geneigt machte das Buch wegs 
aulegen, und daß wir uns bennoch fo angezogen fühlten, daß 
wir bis zu Ende lafen. Ihm folgt „Die Wunbesperic”, eine 
gutgebadhte Allegorie auf die Läuterung der Menſchenſeele durch 
Freud’ und Leid im Leben in ſechs Befängen, mit mannichfady 
abwechfeinden Rhythmen, bei der es uns in der That ſchwer 
wurde, bie Geduld bis zum Gchluffe zu bewahren, ba es in 
unfeliger ermübender Breite babinfließt unb das Auge nur fels 
ten auf einer grünen Daſe voll freundlicher Naturſchilderung 
zubt. Diefer „‚Wunberperle’’ folgt „Des Dichters Reich”, in drei 
Grfängen; transeat cum caeteris etc. In „Slüd und Che” 
herrfcht eine Schöne Sprache und viel Gefühlewärme, aber es 
laͤßt dennoch Falt. Sodann treffen wir den Sänger auf einem 
ganz andern Gebiete, nämlich auf dem der Idylle. „Johannes“ 
iſt des Titel derfelben. Sie fchildert uns die Liebe, Hochzeit 


102 


und bie Unfälle eines Landmanns, und ift infofern originell zu 
nennen, ba fie an keinen andern Idyllendichter oder an ein 


Vorbild erinnert; und weil man eigentlich nicht weiß, ob «6 ein - 


humoriftifches Idyllion oder ein fhaudererregendes Epos ift, 
fo macht es einen eigenthümlichen Effect. Wir find darin auf 
Hlaftifche Stellen vol Wahrheit und Empfindung geſtoßen; aber 
mitunter verirrt fi die Phantafle, oder fie ſchillert chamaͤleon⸗ 
artig und entzieht dem Ganzen das charakteriftifche Gepraͤge 
der Idylle. Das legte Stück heißt „Des Dichters Herz”, 


worin er fehilbert 
den fanften Schmerz 


Des Dictergreifed, der an feinem Grabe 
Mit feltem Hoffen ſchauet himmelwaͤrts. 
Durch alle Theile Geniusblitze; ein os magna sonaturum. 


47. Gebidhte von ©. &. Mehihofe. Magdeburg, Greup. 
1839, Gr. 8. 16 ®r. 

Es find die alltäglichen Gefühle, die viel befungenen Ge: 
genftände, die gebrauchtefien Bilder, bie gangbarften Reime, 
als Bruft und Luft, Herz und Schmerz, und Sonne und 
Wonne, was auf allen diefen Blättern ſchlafweckend wibertönt ; 
nun haben wie mol ſchon bin und wieber in ähnlichen Samm⸗ 
Iungen ein Stüd, eine Licbesperle gefunden — bier 
aber leider gar nichts. 


48, Dichtungen von ©. Zirndborfer. Frankfurt a. M., 
Küchler. 1840. 8. 12 Gr. 

Die Lefer follen fich diejenigen aus biefen Dichtungen aus⸗ 
wählen, bie fie am meiften anfprecdgen, will ber Verfaſſer. Wir 
verfuchten ed mit den „Kaiſerliedern“: es wollte nicht gehen ; mit 
einem Gedichte auf die Rothſchild, bie Geldkaiſer: es wollte 
nicht gelingen; mit den romanzenartigen Klängen: fie klangen 
uns nicht ins Gemüth; mit den moralifdhen und fententiöfen 
Saͤchelchen: wir fanden eine lare Moral, eine leichtwie: 
gende Weisheit, eine Weltkinder⸗Philoſophie; mit ben Genre: 
bildern, wie ber „Weihnachtsabend“: ein verbraudhtes Sujet; 
mit „Wallenſtein“ (&. 113): es ließ uns matt. Eins aber 
wollen wir mittheilen, ein Lied in Heine's poetifcher Manier, 
überfchrieben ‚Heine in Hamburg”. Das ift ein Bild nicht 
ohne Lebendigkeit und Farbenfriſche. 

Da fit er in feibenem Schlafrod 
Und ſchreibt ein verliebted Gedicht, 

Er fuͤhlt wol, ob richtig dad Verémaß, 
Do Liebe fühlet er nicht. 

„Ich will "mal ſchaun aus dem Fenfter, 

Was drunten ſtoͤrt meine Ruh?“ 
Es ſtolpert der Setzerlehrling 
Dem kleinen Haͤuschen zu. 

„Ein Compliment von Herrn Campe, 
Er wartet auf das Gedicht, 

Sie daben's ſchon geftern verſprochen, 
Und heute noch haben wir's nicht.“ 

Da ergreift Herr Heine die Lampe, 
Und es lockt ihn hervor aus dem Dauß, 
Und er geht zu Hoffmann und Campe, 
Der Kleine fchreitet voraus. 

Und old er fi dort entſchulbigt, 

Da kehrt er Ind Bimmer zuräd, 
, Und iſt poetiſch begeiftert 
Und fühle der Liebe Gluͤck. 

Und um feine Lippen zieht fi 
Ein Lächeln wunderbar, 

Und als hätt’ er Champagner getrunten, 
Erglänzt fein Augenpaar. 

Und er ſetzt fih dann in ben Lehnfiuhl 
Und vollendet fein Liebesgedicht, 

Und if er zum Schluſſe gelommen, 
Dann gefällt es ihm felber nit. 


Sie hängt ihm dann einen Klecks an 
Eine feltfame Selbftironie; 
Vertraulich fagt er dem Leſer: 
„Was ich fhreibe, das fühle ih nie. 


So entfland „das Bud ber Lieder“, 
Und Deine’d Rebende Pein; 
Sie trugen Hoffmann unb Gampe 
Ein rundes Suͤmmchen ſchon ein. 


Und braudte Herr Campe ein Werkchen, 
Dann ging er zu Deine betrübt, 
Und ſprach: „Mein theuerer Deine, 
Sein fie ’mal wieder verliebt.” 
Deren Deine ift bus was Leichtes, 
Der f&üttelt die Verſe heraus, 
Gr beginnt hoch auf dem Parnaffus 
Und endigt im Freudenhaus. 
Dad iſt die graufige Mähre 
Bon Deine, dem großen Genie, 
Das ift die alte Geſchichte 
Bon ber Heine'ſchen Poefie. 
Sie bat ganz Deutfchland bezwungen, 
Und wenn Einer im Wahnfinn liegt, 
Da nimmt er die Feder und fubelt, 
Und nennt es — ein Heiniſch Gedicht. 


©. 8. 1 Thlr. 1 

Mehr als ein enthufiaftifcher Wermunderer Petrarca’s hat 
es wibernatürlich gefunden, daß biefer Sänger mehr als breis 
hundert Sonette und über funfzig Canzonen auf bie eine Laura 
gebichtet hat; noch widernatürlicher und von Flatterfinn zeu⸗ 
gend möchte es bann aber fein, wenn ein Sänger breißig bis 
vierzig Schönen in erotiſchen Liedern ben Hof macht, wie es 
bier gefcheben. Da find vier Liebeslieder an Alerandrine, feche 
an Emma, fünf an Sappho, vierzehn an Eilla, vier an Bianca, 
drei an Malwine und ebenfo viele an Ida. Dann folgt ein 
Sonettencyllus, deſſen einleitenbes Motto fich fo vernehmen läßt: 
Ich muß ber Lieb’ in jeder Lebendlage, _ 

Auch in der unbequemften, fröhnen; 

Drum mag in jeder Form bie Liebeskiage, 
Aud in ber ſchwierigſten, ertönen. 


Er fcheint darin Petrarca zum Vorbilde genommen zu haben, 
wie denn eines völlig biefem Florentiner und fehr glücklich nach⸗ 
gebildet iſt; alle find gut gedacht in Wild und Situation. Ihnen 
folgt ein Sonettencylius nach Shalfpeare. In ben hierauf abs 
gedrudten „Herzenſsanklaͤngen und Liebesanfängen‘, flattert 
der Dichter um folgende Schönen: Guſtchen, Stephanie, Bion⸗ 
detta, Lili, Babette, Daſcha, Gäcilie, Maſcha, Donna Diana, 
Blorentine, Marie, Lotthen, Glara, Natalia, Eſtrella, An: 
giolina und Sophie. Die „Maͤdchenlieder“ haben die Über: 
ſchriften: Emilie, Betty und Emelina; das an Sappho iſt 
Matthiffonifh, an Emma Schillerifh, an Cilla Goethiſch, und 
„Dee Rabenzug‘’ (&. 72) erinnert an Heine. Nicht wahr, «6 
find der Schönen zu viel, des Dichters Herz zu groß, fein 
Sinn zu flatterhaft, indeflen ift es fo arg Aid, man muß 
beim Dichter es nicht cum grano salis nehmen. Die verſchie⸗ 
denen Ramen find nur Bligableiter für einen WBefühleblig. 
Am anfprechendfien von allen Stüden der Sammlung bezeich⸗ 
nen wir das S. 25 befindliche Gedicht „Phantaſie innerhalb 
der vier Wände”, weldyes Dugenbe ber erotiſchen Lieber auf: 
wiegt und ihn fat würdig macht aus den Propyläen in. bas 
Allerheiltgfte der Poeſie zu treten. 
50. Gedichte von Eduard Vogt. Stuttgart, Hallberger. 
1889. 8, 1 Thlr. 6 Gr. 

Immer noch erfchließt fidh in Schwaben bie Wunderblume 
der Poefie und haucht ihre würzigen Düfte weit hin durch bie 
germanifchen Fruchtauen und Eichenwaͤlder; ja, rein, lieblich 
und buftreich erfchließt fie fich Hier in einem, wie es ſcheint, 


| 49. Gedichte von 7 8 leffig. Rürnberg, Campe. 1839. 
r. 


1103 


noch jungen Talente. Es fällt kein Eich aus. Die Harmonie 
if regelcecht und bie Melodie anmuthig. „Der Liedergeif”‘, die 
erfte einleitende Nummer, läßt uns glei, einen Blick in bie 
Seele des Dichters thun: 
Es wohnet aller Drten 

Gin wunderbarer Geiſt, 

Er klopft an alle Pforten 

Und Niemand ihn verweilt. 

Es lächelt ihm willkommen 

Dad Aug’, das eben veint, 

Und wo er bingelommen, 

Nennt man fi feinen Freund. 


Gr wohnt aller Orten, im Walde, in ber Ginfamfeit, in ben 
Städten, in den Hütten, in ben Paläften, am Krantenbette, 
an ber Bahre, im Kreife kaͤmpfender Männer: 
Du Menſchenherz, bu bill es, 

Drin wohnt der Liedergeifl. — — 

Ich will dich heilig wahren 

Und bauen deinen Thron, 

Und du magſt offenbaren 

Mir manchen Liederton. 


Dieſer Thronesbau gelingt ihm und das Herz offenbart ihm 
wicklich den echten Liederton. Gern tauchen wir uns mit ihm 
in die Wonnen bes Zrühlings und ziehen mit ihm am Wan⸗ 
derfiebe aus. Wie wehmuͤthig zart iſt der elegiſche Erguß 
(8. 119) „Rah P's Tod’, und ber barauf folgende „Gruß“. 
Weich ein frommer Sinn offenbart fi im „Morgen! ed“ (©. 
129) und in dem ihm folgenden „‚Sylvefterabend”. Schön und 
piochotogifch wahr ift die „Witte. Mit warmem Herzen vers 
bindet der Dichter einen hellen Blick, den er der modernen Poeſie 
umenbet in ‚Rieder der Zeit". Man hört’s, klagt er, überall 
* aber es tönt nicht wie der Voͤgel Morgenlied, ſondern 
Sept hört man viele Lieder ſchallen, 
Doch fehlt der Herzſchlag, der fie treibt, 
Und don dem mannidfaden Dallen 
Wird müb' dad Ohr, der Sinn betäubt. 
Es if ein kuͤnſtlich Mobduliren 
Und eine hohe Dudelei, 
Man will entzüäden, man will rühren 
Und ſchaͤmt fih echter Melobei. 
Der fingt in ſchmelzenden Accorden 
Bon feiner Luft, von feinem Leid, 
Wie er verſchmaͤht, begünftigt worben, 
Von Liebihend Loden, Bruf und Kleid, 


Ein Anderer zerfließt in Thraͤnen; dann rauſcht ber Schmerzen 
wildes Klagen, dann knirſchet der Verzweiflung Hohn, 
Das Herz wird blutig erſt geſchlagen. 

Gin grelles Lied it dann fein Lohn. 

Dabt Beine Helmat ihr im Derzen? 
Gibt's nimmer mehr ein beutfh Gemuͤth, 
Dad aus fi ſelbſt in Luft und Schmerzen 
Der Lieber langen Faden zieht? 

Aus dem Zuſammenklang ber Lieber 
Tont ed heraus wie Falter Spott, 
ie Eis durchriefelt ed die Glieder — 
Es fehlt in eurem Liebe — Gott! 


D reißet nieder die Kapellen, 
Die jeder baut dem eignen Ruhm, 
Auf, Dichter, ſchwinget eure Kellen, 
Baut auf der Dichtkunſt heil'gen Dom. 
Da wird ed um dad Auge belle, 
Die Seele bieibet friſch und jung, 
Und unverfiegbar firömt die Quelle 
Der ewigen Begeiſterung. 


Solche Anſichten ſprechen für die Geſundheit ſeines Geiftes und 
bekunden ſeine tüchtige Gefinnung. Unter ben bie 
heben wir „Bbilifterus‘‘ heraus, unter ben Romanzen „Das 
Ringlein de Pl und Air (ones un wahres Wort ertönt 
en Liebe der Sammlung: er Dichter‘ 
Dctave fo ſich hören läßt: 8: „Der Dieter“, wo eine 
Es weht der Wind; wohl höre bu fein Wehen, 
Bon wann er audgeht aber weißt bu nicht, 
Und kannſt nicht fagen, wo er hin wird gehen, 
So fentt fih in die Seele das Gedicht. 
Man fieht bad Wunberbare auferfichen, 
Wie Blät’ an Blät’ aus vollen Knospen briät, 
Es flommt bad Aug’ — bie Zöne find verklungen — 
Der Dichter weiß nigt, wie ber Munb gefungen. 
Mögen diefe Töne nicht als die Iehten verklingen — möge ihm 


Gott die hebende Stunde noch oft fenden und in bas Herz eins 
ziehen, „das er zum Altar erkor“.*) 2. 





Aus Karl Immermann's Leben. 


Ein reichbegabtes, ſchoͤnes Talent, ein deutſcher Mann 
und Dichter im beſten Sinne des Wortes iſt am 25. Aug. aus 
unferer Mitte geſchieden. Die Literatur unfers Vaterlandes 
wird Immermann’s Schriften ftets zu ihren tüchtigften und ges 
diegenften Erzeugniſſen zählen unb es nur zu beklagen haben, 
daß einer größern Anzahl ein überrafchend ſchneller Tod ein zu 
frühzeitiges Ziel geſteckt habe. Hoffentlich wird es dem gefchäß« 
ten Dichter mit der Bett nicht an einem wadern Biographen 
fehlen; bis dahin werden Auffäge, wie ber in ber Beilage zu 
Nr. 248 der „Leipziger Allgemeinen Zeitung” und ber unferige, 
als einzelne Manifeſtationen des gerechten Schmerzes anzufehen 
fein, der fo viele edle Männer und Frauen im deutfchen Lande 
bei der betrübenden Nachricht von Karl Immermann’s frühem 
Abſcheiden ergriffen hat. 

Der Verfaſſer jenes Auffages Hat ſich vorzugsweiſe über 
Immermann’s glänzende Thaͤtigkeit in feinem legten Lebensjahre 
ausgeſprochen; ber gegenwärtige Aufſat eines Mannes, ben 
jahrelange Breundfchaft mit Immermann verbunden hat, wird 
mehr in die frühere Zeit feines Lebens zurückgehen. 

Ich lernte Immermann auf ber UWniverfität Galle im 
inter 1816 auf 1817 kennen. Er hatte biefelbe nach Beendi⸗ 
gung bes Feldzugs 1815, ben er. als freiwilliger Iäger im Leib: 
regiment mitgemacht hatte, zum zweiten Dale bezogen, um 
feine juriftifchen Studien zu vollenden. Die Univerfität war 
—8 befucht, vieleicht bie Hälfte der Studirenden waren 

here Theilnehmer an ben Feldzügen, ber Geift war gut zu 
nennen, es herrfchte im Ganzen genommen viel Fleiß, der re⸗ 
ligiöfe Sinn war fihtbarer als früher, offenbar unfittliche 
Sandlungen wurben felten und nur von MWenigen begangen. 
Im Winter 1817 wurden biefe Verhaͤltniſſe getrübt, als bie 
Verbindung Teutonia ſich bie alleinige Leitung aller Stuben: 
tenangelegenheiten anmaßte und ein Gechögehntel ber akademi⸗ 
fhen Bevdlkerung ein flrenges Regiment Über die übrigen Stu⸗ 
direnden ausznüben begann. Immermann gehörte durchaus 
nicht zu ihr, er lebte nur einem Kreife engerer Freunde und feinen 
Studlen, wohnte in einer wenig belebten Straße, mieb ben 
Fechtboden und bie Trinkſtuben. Ich erinnere mic ehr deut⸗ 
uch ſeiner Sammlung engliſcher und italieniſcher Werke und 
feiner lebhaften Beſchaͤftigung mit denſelben (namentlich mit 
Shakſpeare), bie zu jener Beit in Halle bei einem Stubirens 
den um fo ungewöhnlicher war, da bie meiften ber Altern durch 
ihre Verhältniffe gendthigt waren, bie Berfäumniffe ber Krieges 
jahre ſchnell nachzuholen und ſich ausſchließlich für bie Staats: 
prüfungen vorzubereiten. 

Ch wird den halleſchen Studirenden aus jener Zeit noch 
in lebhafter Srinnerung fin, wie bie Zeutonen am 28. Febr. 
1817 feüh um 10 uhr bie unmwürbige Handlung begingen,, eis 


) Der dritte und lette Artlkel folgt im November. D, Reb. 





1104 


men Studioſus der Theologie (Knauſt) auf dem großen Berlin 
vor den —E bee Profefſoren Riemeyer, Knapp und 
Meckel mit Hetpeitſchen jaͤmmerlich zuſammenzuhauen und ihn 
vor ber Thuͤre zum Niemeyer’fchen Haufe, in welches er ſich 
fächten wollte, fortwährend auf das roheſte zu mishanbeln. 
Diefer Exceß erregte in Halle allgemeine Misbilligung, Anapp 
und Niemayer ſprachen fich in ihren Aubitorien auf der Gtelle 
mit Höchfter Misbilligung aus*), andere angefehene Profefforen 
theilten die GEntrüflung, während die Häupter der Teutonia 
und die Theilnehmer am Greefle ſich nicht fcheuten, an bemfels 
ben Abende in einer großen Geſellſchaft im Haufe eines ber 
würbigften Lehrer der Univerfität ohne Ruͤckhalt von der Cache 
zu fprechen, als hätten fie etwas Loͤbliches gethan. 

Die fillle Oppofition, weldye ſchon feit einiger Beit gegen 
die Zeutonia geherrſcht hatte, trat bei diefer Werantaflung oͤffent⸗ 
ti hervor. Eine Anzahl in Halle ſtudirender Magdeburger 
und anderer, an ihrer Spige Immermann und Herzbruch (jegt 
preußischer Juſtizcommiſſarius zu Burg), erklärten ſchriftlich 
ihr Misfallen an dem Geſchehenen und fagten fi) dadurch facz 
tiſch von bee Unterordnung unten bie Teutonia los. Man weiß, 
was das auf Univerfitäten zu bedeuten hat. Die Ausfoderuns 
gen ber Zeutonen wurden nit angenommen, wir wollten uns 
in biefee Sache aus Grundſat nicht ſchlagen, ohne daß etwa 
bie Perſon des fo unſchuldig Gemishanbelten auf biefe Ents 
fhliefungen ben geringften Einfluß gehabt hätte. Auch waren 
viele, bie auf dem Schladhtfelde dem Tod ins Angeſicht ges 
(haut hatten, zu ernſt geworben, um mit ber töbtliden Waffe 

u Spielen. 
j Va fehlte nicht von Seiten ber flärkern Partei an Anfech⸗ 
tungen, Schimpfreden, Beleidigungen, ja fogar an nächtlichen 
überfällen und Auflauerungen, bie Zeit war bamals in Halle 
fehr unruhig und wenig paffend für folide Studien. Die aka⸗ 
demifche Behörde Lieb Alles geſchehen; bie der Zahl, nicht ber 
Gefinnung nad) ſchwaͤchere Partei blieb von ihre unbefchügt. 
Da fehrieb Immermann, um feiner Sache die möglichfte Öffent: 
heit zu geben, vor Dftern 1817 eine Beine Schrift „Über 
die Streitigkeiten der Studirenden in Halle”, die mit dem 
Motto aus Wilhelm Tell: 

Es kann ber Beſte nicht in Brieben bleiben, 

Bern es dem böfen Nachbar nit gefällt 


den Gtreitpuntt gründlich und klar ewbrterte und ſich ben Bei⸗ 
fall competenter Richter erwarb, weit mehr als bie ale Ges 
geuſthrift erſchienene, voluminöfe Wertheidigung der Teutonia, 
aus der Feder eines jet ſehr geachteten Profeſſors ber Medicin 
auf einer preußiſchen Unlverſitaͤt. Immermann ſah fi darauf 
noch zu einem Rachworte genbothigt. Beide Schriftchen ſollte 
ein — 5* Diograph des Dichters dereinſt feinem Buche woͤrt⸗ 
Hd einderleiben, da fie ein ſprechender Beweis für Immer⸗ 
mann's tüchtige und edle Grundſaͤtze ſowie für die Klarheit ſei⸗ 
nee Darſtellung find. Ob er auch ber Verfaſſer einer Vor⸗ 
ſtellung an den König von Preußen war (wie es im „Gonvns 
fatioh6-8erifon der Gegenwart“ angegeben ift), durch weiche wie 
am Throne Schu fuchten, ber uns in Halle wicht gegönnt 
warbe, entfinne ich mich nicht mehr genau. Jene Abfenbung 
dreiee Studirender aus unfever Mitte nach Berlin, wo fie der 
verorbene Gabinetsrath Albredtt auf das gütlafle empfing, 
fand — wenn mid mein Gedaͤchtniß nicht ganz trägt — erſt 
zwiſchen Dftern und Johannis 1817 fkatt. 

he noch die halleſchen Angelegenheiten durch die energis 
fen Maßregeln bed alferhöchften Orts beauftragten Staates 
saths von Jakob wieder beigelegt und beruhigt worden waren, 


*) Gin Mitlebender, jegt evangeliſcher Geiſtlicher, bat diefe Bor: 
Bänge in der leſenswerthen Schrift: „Wanderung buch Water: 
haus, Schule, Kriegblager und Akademie zur Kirche (Magbe: 

‚burg 1889), ©. 15-138, befchrieben. Uber tie Eonnte er 
Immermann’d Theilnahme ganz unerwähnt Iaffen? 


patte Immermann bie Univerfität verlaffen. Ich ſah ihn, als 
d ebenfalls im preußiſchen Staatsdienſte angeftellt war, zuerft 
wieder in Magdeburg, wo er als Griminalrichter fungierte, aber 
ohne ſonderliche Liebe zu biefem Geſchaͤfte. Geine Reigung, 
mehr andern Arbeiten leben und feinem Sinne für Kunft und 
Literatur durch Anſchauung und eigene Probuctionen beffer ges 
nügen zu koͤnnen, warb 1827 durch die Berfehung als Rath an 
das Landgericht zu Düffeldorf erfüllt. Denn ein rheinpreußifcher 
Juriſt ift weit weniger befchäftigt als ein foldher In den älterm 
Provinzen, außerbem geflatten ihm bie laͤngern Gerichtöferien 
vortreffliche Muße zu Reifen ober eigenen Arbeiten. Ich war 
fon ein Jahr früher nach Köln berufen worden und bei ber 
Nähe beides Stadte fand fich hinlaͤngtiche Gelegenheit zum äfe 
teen Gehen und Sprechen. Immermann’s Umgang in Diffels 
borf beſchraͤnkte fi; damals nur auf einen Pleinen Kreis ausges 
zeichneter Männer und Frauen, von benen wir bier nur Scha⸗ 
dom und den jehigen GSeheimrath KRortäm in Berlin nennen. 
Mit den übrigen Literaten Däffelbovfs fah er fi) nur fehr we⸗ 
nig, ebenfo hatte er auch in ben Jahren 1826 — 29 noch Feine 
befondere Neigung, dem dortigen Theater aufzuhelfen. Mir 
blieb ex ſtets der alte, treue Freund, bie Gegenwart gab uns, 
die wir von ber Saale und von der Elbe an ben Rhein vers 
fept waren, hinlänglichen Stoff, ihre bunten Erſcheinungen zu 
beſprechen, doch wurde auch bes frühern Beit fetö mit behag⸗ 
licher Zufriedenheit gedacht. Damals interefficte er ſich befons 
ders für das alterthämliche Köln, feine Kirchen, feine Monus 
mente, fein Carneval, das eigenthümliche Gepräge feiner Gins 
wohner liefen ihn nicht felten ben Wunſch äußern, in Köln 
wohnen zu Binnen. Die Erzählung, Der Sarneval und bie 
Somnambule‘ in den „Miscellen“ (Gtuttgart 1830) zigt 
ae aee fee deutlich. Später mag das anders gewor⸗ 
en fein. 

Nach dem Jahre 1881, wo mir ein anderer Wirkungskreis 
angewiefen wurde, babe id Immermann nicht wiebergefehen, 
aber ftets mich liebevoller Geſinnung von feiner Seite zu erfreuen 
gehabt. So erhielt ich von ihm mit fehr freundlichen Worten 
ben von ihm für Goethes Todtenfeier verfaßten Epilog, dan 
mit einer ſcherzhaften Zufchrift ein Eremplar des Doctordiplome, 
mit welchem ihn bie philofophifche Kacultät der Univerfität 
Jena aus freiem Antriebe geehrt hatte, endlich auch bie vors 
treffliche Beſchreibung bes Keftes, welches die ehemaligen Frei⸗ 
willigen zu Köln am 9. Febr. 1838 gefelert hatten, das wür⸗ 
bigfte Denkmal von Immermann’s echt vaterländifcher Geſinnung. 
Die Hiftorifche Einleitung ſowie das Nachwort verdienen von Als 
Ien, die über Immermann fchreiben wollen, befonders berüdfichs 
tigt gu werben. In bem angeführten „‚Gonverfationd:Seriton der 
Gegenwart’’ fehlt bie Erwähnung dieſes Schriftchens (Rötn 1838), 
fowie ber von ihm über den ‚„„Rafenden Ajar’’ bes Gophoßice 
berfaßten Abhandlung (Magdeburg 1826), bie von hoher Ach⸗ 
tung für ben griechifhen Dichter vol if. Immermann bat 
fih fpäterhin über Beinen Gegenſtand bes claffiichen Alterthums 
fo ausführlich amsgefprochen, ohne deshalb von ber Liebe zu 
laffen, von der er in Halle wie in Düfjelborf für die unfterbs 
lihen Werke deffelben burchglüht war. 

Als Immermann fih am 3. October v. 3. zu Halle mit 
ber geiftuollen Mariane Niemeyer, einer Enkelin des unvergeß⸗ 
lichen Kanzlers Niemeyer, verbeiratbet hatte und nun im Bes 
griff fand, an ben Ufern bes ſchoͤnen Rheins fich ein neues 
Gluͤck zu begründen, war mir von ihm ein Befuch zugefagt. 
Aber ein veränderter Reifeplan brachte mich um biefe Freube: 
ich Eonnte alfo den Freund nur mit meinen beften Wuͤnſchen 
begleiten. Ste find leider! nur für wenige Monate in Erfül⸗ 
lung gegangen und das Grab deckt jeut die theuern Überreſte 
bes Mannes, beffen Freundſchaft mid in den beſten Zeiten 
meines Lebens innig beglüdt- hat. Sit illi terra levis! 

8. &. Jacob. 


Dierzu Beilage Nr. 8. 





Verantwortlicher Herausgeber: Reinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 








Beilage zu den Blättern für Literariiche Unterhaltung. 





Nr. 3. 


30. September 1840. 





Die Mediatifirung der deutfchen Reicheftädte. Bon Guftav 
Wilhelm Hugo. Karlsruhe, Braun. 1838. Gr. 8. 
2 Thlr. 


Der Zitel biefes Buches dürfte wol Manchen, der es zur 
Dand nimmt, hinfichtlich des betreffenden Inhalts irreführen, 
wie es dem Berichterftatter felbft begegnete. Der Zitel näm: 
ich veranlaßt die Erwartung, in dem ziemlich bdidleibigen 
Bande eine hiſtoriſch, wo nicht durchgeführte, doch den Haupt⸗ 
zügen nad) fizzirte Monographie der Reichsſtaͤdte zu finden; 
diefer Erwartung jedoch entfpricht der Inhalt nicht. Es be: 
ſchränkt ſich nämlich der Verf. darauf, nachdem er auf wenigen 
Seiten dem Begriff und Urfprung der NReicheftäbte, ſowie die 
Veranlaffung ihres allmäligen Verſchwindens im Allgemeinen 
angedeutet, ein alphabetifches Werzeichniß derſelben aufzuftellen, 
das wenig mehr als cin chronologifches Zahlens und Namen: 
regifter, mit Bezugnahme auf die Wandlungen ihrer Schidfale, 
befagt. Sodann folgt eine flüchtige Gontroverfe in Betreff ders 
jenigen Städte, deren Reichsunmittelbarkeit noch nicht ermits 
telt oder irethümlich unter die Kategorie von Reichsſtädten 
begriffen wurden, und endlid cine Sammlung von Urkunden, 
im Originalterte ihrer Zeit abgebrudt, die mehr als bie Hälfte 
der Seitenzahl des Bandes füllt. So wenig anziehend für die 
Leeture hiernach das Buch auch immerhin ift, fo beabfichtigen 
wir mit diefer vorläufigen Inhaltsangabe doch keineswegs den 
Werth der Arbeit des Hrn. Hugo herabzufegen. Gr wollte, 
wie wir ihm gern glauben, einem fpätern Geſchichtſchreiber 
mittels Abfaffung biefes Buchs nur Mühen erfparen und ihm 
einen Leitfaden an die Hand geben, um fi in dem Irrgarten ber 
Quellen für 135 Particulargefchichten zurechtzufinden; denn bis zu 
diefem Belauf gibt das Verzeichniß die Zahl der ehemaligen deut: 
chen Reichaftädte an: für diefen Zweck aber ifl das Buch ganz 
geeignet. Dabei laffen wir dem Verf. ſehr gern die Gerechtig⸗ 
2eit widerfahren, daß er es an echt deutfchem Fleiß und Aus: 
bauer nicht hat fehlen laffen, um bie ihm nur irgend zugänglichen 
Duellen auszubeuten. Was ihm aber, follte ber Zitel feines 
Buche, wie wir andeuteten, nicht den dadurch erregten Erwar⸗ 
tungen entfprechen, noch ganz befonders zum Verdienſte anzu: 
rechnen iſt, dies wäre, unſers Dafürhaltens, ber Umfland, 
daß die betreffende Materie vor ibm noch gar nicht bearbeitit 
wurde, ex fohin einen gewiſſermaßen jungfräulihen Geſchicht⸗ 
boden zuerft betrat unb zu erforfchen ſuchte. Wir wollen ihm 
endlich, fielen auch die Ergebniſſe feiner Forſchungen nicht übers 
al, fetb für den bezeichneten Zweck, gleich glänzend aus, 
die deshalb vorgebrachte Entfchulbigung, «8 feien ihm die zu 
dem Behufe benöthigten Quellen nit immer zugänglich ge: 
wefen, recht gern als flatchaft einräumen, da es nur 
allzu bekannt ift, wie fehr oft theils pedantifche Geheimniß⸗ 
trämerei, theils Semädhlichkeitstiebe ihrer Hüter den Zutritt zu 
denfelben erſchweren. 

Bei der Ausführung feines Vorhabens bat das erwähnte 


guet 


tationsſchluß vom 25, Febr. 1808 


auf andere Veranlaffung, ihre Reichsunmittelbarkeit verloren 
a 


e. 

In Betreff des erſten Punktes nun nimmt der Verf. an, 
daß, hätten auch ſchon mehre Städte um das J. 1120 und 
auch wol früher kaiſerliche Privilegien bekommen, man doch 
behaupten dürfe, es hätte vor dem 22. Juli 1218 eine aner⸗ 
fannte Autonomie der Städte nicht beftanden, d. h. vor diefem 
3eitpunts wäre ihnen ber Befig der Landeshoheit noch nicht 
zuerkannt geweſen. An dieſem Zage nämlich unterfertigte Kats 
fer Friedrich Il. eine Urkunde, wodurch der Rechteſpruch der 
Sürften, daß an Orten, denen das Reichsoberhaupt einen Jahr⸗ 
oder Wochenmarkt verliehen, der Graf oder Richter einer Pro: 
ping Feine Gerichtsbarkeit habe, zur allgemeinen Kenntniß ges 
bracht wurde. Denn, fügt er hinzu, ſett diefe Urtunde auch 
nichts Neues feft, fondern fpricht fie vielmehr nur das Ergeb: 
niß einer zu einer gewiffen Reife gelommenen Landeshoheit aus, 
fo dürfte fie doch für uns das Außerliche Zeichen des Wendes 
punktes fein, da fich bekanntlich die Landeshoheit aus der Ge⸗ 
richtsbarkeit entwidelte. WBeiläufig erwähnt Dr. Hugo auch 
noch des linterfchiedes, der zwifchen Reichsſtädten und Kreiftäd: 
ten bie zum Anfange des 16. Jahrhunderte beflanden habe. Won 
Icatern habe es jedoch überhaupt nur fieben gegeben: Regens⸗ 
burg, Bafel, Strasburg, Speier, Worms, Mainz und Köln; ihre 
Vorrechte aber waren im Weſentlichen folgende: fie ſchworen 
nie einem Kaiſer oder König den Sid ber Treue; fie machten 
feinen Römerzug mit; fie trugen nie des Reiches Bürden, oder 
fteuerten zum Reiche; fie wurden nie Pfand für das Reich noch 
für einen Fürften ; fie hatten allenthalben zu Waſſer und gu 
Lande große Freiheiten an Mauthen und Zoͤllen. Einige diefer 
Vorrechte fanden jedoch ausfchlichlich der Stadt Regensburg zu. 

Mit Bezugnahme auf das nachfiehende Verzeichnis räumt 
ber Verf. ein, daß fi die Zahl ber Reicheſtaͤdte nicht mit 
apodiktiſcher Gewißheit beftimmen laſſe und daher auch jenes 
Vergeihniß nicht als ganz vollftändig zu betrachten fei. 
Selbſt die Reichsmatrikeln könnten zu dem Behufe nidt als 
Beweisflüde angeführt werden, indem viele Städte bereits 
ihre Unmittelbarkeit eingebüßt, als die erfte Matrikel im 3. 1422 
zu Stande fam. Auch fei bei Ausfertigung der betceffenden 
Matriteln nicht mit der gehörigen Genauigkeit verfahren wors 
den, da viele Städte darin aufgeführt werben, bie niemals 
reichsunmittelbar gewefen feien. Sogar einzelne kaiſerliche Pri⸗ 
oilegien oder Verleihungen genügen ihm zu dem Behufe nicht, 
weil diefe cft nur auf die Burg ober theilweiſt Rechte Bezug 
haben und wmeift in eine Periode fallen, wo bie Landesho⸗ 
beit felbft noch ein ſchwankender Begriff war. Dagegen fieht 
er als Kriterien für bie Reichsunmittelbarkeit einer Stadt fels 
gende Umftände an, von benen er ſich denn auch bei Aufftellung 
feines Werzeichniffes leiten ließ; nämlich: 1) die Grwähnang 
des kaiſerlichen Woigts oder Schultheißen; 2) bie Erlaſſung 


- oder Verpfändung der Reichsſteuer; 3) das Verſprechen, eine 


Stadt nicht vom Reiche veräußern zu wollen, unb 4) bie Vers 
pfändung einer Stadt durch) den Kaifer oder König an einen 
geiftlichen oder weltlichen Fürſten. Beträgt aber die Zahl ders 
jenigen Städte, auf welche dieſe Kriterien angewenbet werden 
koͤnnen, überhaupt 135, fo waren ihrer nur noch 51, die bis zur 
Gpode bes antik Ftiedens Fe — — —*7 — 
von denen bekanntlich vier durch den betreffenden ſelber 
an Frankreich abgetreten und 41 andere durch — 
von den erblichen Fürſten 
Deutſchlands in Weile genommen wurden. Zwei andere, 
Nürnberg und Fraukfurt, aber wurden durch die rheiniſche 
Bunbdesacte mebiatifirt, nachdem kurz gupor Augeburg in Foige 
des pre ee Friedens Baiern gugetheltt worden war. Bre⸗ 
men, Hamburg und Lübel endlich traf zwar nicht das Schick⸗ 


1106 


ſal dee Mebiatifirung als Reichsſtaͤdte; jedoch kamen fie nad 
Auflöfung bes bdeutfchen Reiche zeitweilig unter Frankreichs 
Botmäßigkeit. 

Über die Schickſalswandlungen, welche bie Reichsſtädte 
überhaupt während bee Zeit ihres Beſtehens erfuhren, enthätt 
das Buch noch mehre recht intereffante, freilich aber fehr flüch- 
tige hiſtoriſche Notizen, wovon wir bier noch einige mittheilen 
wollen. Mehre Reicheftädte waren ſchon zu einer fehr frühen 
Epoche freiwillig ausgetreten; dahin gehörten namentlich bie 
belvetifchen, bie aus dem Reichsverbande ſchieden, fobald fie ſich 
ſtark genug fühlten, unabhängig gu ftehen, wie beifpielöweife 
Zürich 1851, Bern 1353 u.f. w. Gleichwol war biefer Austritt 
blos factifch, denn de juro traten fie erft mit dem weftfätifchen 
Sriedensfchluffe aus jenem Verbande. Was nun die im Berlaufe 
der Beiten allmälig bewirkte Mebiatifirung anbelangt, fo ge: 
ſchah diefelbe auf mehrfache Weife. So namentlid durch. Ber: 
pfändung von Seiten bes Kaiſers. Wie häufig aber Reiche: 
ftädte verpfändet wurden, wennſchon fonft die Kaifer es nicht 
wagten, das Gebiet auch nur des Eleinften Dynaften zu ver: 
pfänben, davon zeugen die von Hrn. Hugo namhaft angeführ- 
ten Ausnahmen, deren Zahl fih auf nur 30 beläuft, bie nie: 
mals diefes Schickſal betraf. Merkwürdig dabei iſt, daß fi 
unter biefen nicht verpfändeten Städten ſaͤmmtliche Freiſtaͤdte 
befinden. Dagegen büßten 31 Reichsftäbte die Reichsunmittel⸗ 
barkeit durch Werpfändung ein, entweder weil fie nicht fo klug 
und freiheitsliebend wie andere waren, die Pfandfchaft einzu: 
löfen, oder aber weil der Pfandherr ihnen ſolches nicht geſtat⸗ 
tete. Des foeben gedachten Mittels, fi) Geld zu verfchaffen, 
bediente fich Thon Kalfer Friedrich II., und die erfle von ihm 
verpfändete Reicheftadt iſt Düren. Das von demfelben gege⸗ 
bene Beifpiel aber war zu verführerifch, als daß nicht alle feine 
Nachfolger bis auf Kaifer Siegmund, daſſelbe befolgt hätten. 
Indeß blieben fie bei der einfachen Werpfändung nicht ſtehen; 
fie erhöhten fpäter die urfprüngliche Pfandfumme, oder Tnüpf- 
ten die @inlöfung ber Pfandſchaft an Täftige oder ſchwer zu er: 
füdende Bedingungen, 3. B. daß Fein Pfand allein ohne die 
anbern folle eingelöft werden dürfen. Bei dem Allen trieb 
kein Kalfer das VBerpfänden der Reichsftäbte weiter als Ludwig 
dee Baier und Karl IV., die baffelbe als eine fichere Eins 
nahmsquelle betrachteten. Mit Siegmund, der zehn Reiche: 
ſtaͤbte auf einmal verpfändete, verfiechte jedoch diefe Quelle, 
nachdem fie volle zwei Iahrhunderte benugt worden war, wie: 
wol es während dieſes Zeitraums nicht an wiederholten Ver⸗ 
ſicherungen fehlte, es follten die Reichsſtädte nie verpfändet 
noch veräußert werben. Zu einem wirklichen Reichsgeſed kam 
es jeboch in dem Betreff nie, ohne Zweifel, weil fowol die Kai: 
fee als die geiſtlichen und weltlichen Fürſten, deren Vergrö⸗ 
Berungsfucht dadurch ein Biel gefeht worden wäre, ein Inter: 
effe hatten, es nicht dahin kommen zu laſſen. Seltener wie 
durch Verpfändung ging bie Reicheunmittelbarkeit der Städte 
duch Belehnung eines geiftlichen ober weltlichen Fürſten ver- 
Ioren, unftreitig weil das Reichsoberhaupt dabei weniger feine 
Rechnung als bei der Werpfändung fand. Macht nun der 
Berf. noch einige Reichsſtädte namhaft, die durch freiwillige 
Unterwerfung ihre Reichsunmittelbarkeit verloren, fo bemerkt 
berfelbe dazu doch fehr richtig, daß es zu bezweifeln flehe, ob 
diefe Unterwerfung wirklich fo ganz freiwillig und ob foldhe 
nicht vielmehr, wie beiſpielsweiſe hinfichtlich Strasburgs, durch 
Drohungen, Bureden und Beftechung einflußreicher Magiſtrats⸗ 
perfonen erlangt worben fi.“ Was nun endlich bie Abtres 
tung ber Meichsftädte von Seiten bes Kalfers und Reichs 
durch formellen Act anbetrifft, fo ging bemfelben gemeinhin 
Deceupation durch fremde Mächte ober eigene Mitftände voran, 
benen jener Act nur die Genehmigung ertheilte, weil man zu 
ſchwach war, benfelben Bi bintertreiben.. So Tamen, wie gu 
einer fehhern Epoche Mes, Toul und Verdun und bie gehn 
VBereinftäpte im Elſaß, in neuerer Zeit Aachen, Köln, Gpeier 
und Worms und endlich biejenigm 41 Reichsſtädte um ihre 
 Anmittelbarkeit, weiche Deutſchiands erbliche Furſten 1802 in 


. 


Befis nahmen und beren Abtretung der vorerwähnte Reichetage⸗ 
beſchluß —ã , — 8 5 chetag 


Nach Dem, was wie vorausgeſchickt haben, bildet das zum 
öftern beregte Verzeichniß ben Kern des Werkes. Daſſelbe ift 
in lexikographiſcher Form abgefaßt und bemfelben unmittelbar 
eine chronologifche Überficht ber Epochen beigefügt, zu welden 
die Mebdiatifirung erfolgte. Zur Probe von der Behandlungsart 
des Verfaſſers entlehnen wir dem Verzeichniſſe die freie Stadt 
Bremen. Hr. 9. beginnt mit ben Uranfängen ber Stadt, 
deren ältefte Urkunde vom 12. Zul. 1788 datirt, wo Karl ber 
Große dafelbft ein Bisthum errichtete. Indeß ftanden bie Stadt 
und Didcefe Bremen, nebfl den dazu gehörigen Ktöftern mehre 
Zahrhunderte hindurch unter dem Erzftifte Hamburg, dem na⸗ 
mentlih 965 das Recht ertheilt wurbe, zu Bremen einen 
Markt anzulegen, „wo bie einwohnenden Sanbelsleute gleiches 
Schutzes und gleiher Gerechfame genießen follen wie die ber 
königlichen Städte”. Berner wurde noch den Erzbiſchoͤfen von 
Hamburg Bann, Zoll und Münze in Bremen zugetheilt; alle 
dem königlichen Schage gebührenden Gefälle wurden ihnen zu⸗ 
gemwiefen und dabei ausfchließlich erklärt, daß Niemand anders 
zu Bremen eine Gewalt zuftehe als dem Erzbiſchofe und. feis 
nem Delegaten. Ein 1111 vom Kaiſer Heinrich V. ertheiltes 
Privilegium , woburd bie Stadt von fremden Gerichten befreit 


- wird, hält der Verf. für unecht, wie vielfältig ſich auch diefelbe 


darauf berufen habe. Denn in den Archiven von Bremen felbft 
befände ſich Leine frühere zu Gunften feiner Stadtgemeinde 
lautende Katferurkunde als das Privilegium Friedrich's I. von 
1186, beffen weſentlichſtes Recht in der Verjährung zu Gun: 
ften der Freiheit eines Jeden beſteht, welcher ſich Jahr und 
Tag unangefprocdden in Bremen aufgehalten. Behauptete nun 
gleichwol die Stadt unmittelbar unter Kaifer und Reich zu ſte⸗ 
ben, fo entflanden daraus mit dem Erzbiſchofe, ber ſich als 
Deren der Stabt anfah, viele Streitigkeiten, welche durch bie 
darüber abgefchloffenen Verträge niemals völlig beigelegt und 
die befonders lebhaft wurden, als nach ber Reformation bie 
Erzbiſchoͤe ihren gewöhnlichen Sig nicht mehr in Bremen 
hatten und dahin firebten, ben erzbiſchoͤflichen Stuhl in erbli- 
hen Beſitz zu übertragen. Karl V. nahm, wie fich leicht denken 
läßt, bie Stadt gegen dieſe Anfprüde in Schub. Gleichwol 
wurde fie erfi 1640 zum erflen Dale auf ben Reichstag zu 
Regensburg berufen, fünf Jahre fpäter aber aufgefodert, Ab⸗ 
georbnete auf den Friebenscongreß nah Muͤnſter und Osna⸗ 
brüd zu fenden. Gegen bie deshalb erhobene Beſchwerde vom 
Erzbischof erklaͤrte Ferdinand III., nad Einvernehmung beider 
Theile, daß die Stadt Bremen von uralter Zeit her eine Reiches 
ſtadt gewefen und noch gegenwärtig fei._ Wurde nun durch den 
weſtfaͤliſchen Kriedensfchluß Bremens Reichsunmittelbarkeit aus: 
drücklich anerkannt, fo währte es deſſenungeachtet noch 80 Jahr, _ 
bis die Stabt zu deren unbeftrittenen Befig gelangte. Die Krone 
Schweden naͤmlich, an bie bekanntlich die Bistümer Bremen 
und Verden unter dem Titel von Herzogthümern kamen, pros 
teftirte 165% gegen die Zulaffung der Stadt Bremen in das 
reichsftäbtifche Collegium; und durch einen noch in dem naͤm⸗ 
lichen Jahre abgefchloffenen Vergleich wurbe bie Frage ber von 
biefer Stadt angefprochenen Reichsunmittelbarkeit bie zu einer 
anberweitigen Übereinkunft ausgefest, bagegen bedungen, baß 
bie Stadt ber Krone Schweden Huldigen folle. Zwölf Jahre 
fpäter, wo dieſer Vergleich beftätigt wurbe, mußte die Stadt 
verfprechen, fich nach Beendigung des noch währenden Reiches 
tags, der aber glücklicherweiſe permanent blieb, bis 1700 des 
Sites und der Stimme auf dem Reichstage zu enthalten und Sit 
und Stimme auf ben niederſächſiſchen SKreiötagen nicht mehr 
ſuchen zu wollen. Endlich im Mai 1751 erkannte das Kur: 
fürſtenthum Braunſchweig⸗Luͤneburg, das inmittels zum Beſit 
der Herzogthümer Bremen und Verden gelangt war, die Reiches 
unmittelbarteit der Reichsſtadt Bremen an. 

, ‚Um nun nod ſchließlich einige Auskunft über die fubs 
jectiven Tendenzen unſers Gefchicht: ober vielmehr Ghronis 
Tenfchreibers zu ertheilen, mag bie Anführung einiger Betrach⸗ 











1107 


tungen genügen, zu benen ihn bie Mediatiſirung ber Reiche⸗ 
ſtaͤdte veranlaßt und worin er dieſes Greigniß beklagt. Gleidgei: 
tig mit der deutfchen Reichsverfaſſung, fagt Dr. Hugo, ging 
das Inſtitut der Reichsftäbte unter, nachdem «8 über fünf 
Zahrhunderte wehrlos der Mediatifirung, welche unter ben vers 
fchiedenften Formen ihnen drohte, preisgegeben gewefen. Verhält⸗ 
nigmäßig wenige Reichsſtädte wurben von fremden Staaten 
ihrer Reichsunmittelbarkeit beraubt; beimeitem der größere 
Theil fiel als das Opfer der Turzfichtigen Politik der Kaifer und 
der Wergrößerungsfucht der eigenen Mitftände, weldye hierbei 
gewöhnlich Hand in Hand gingen. Die treuen Dienfte zu bes 
Iohnen, das war gemöhnlid der Vorwand, deſſen ſich die rös 
mifchen Könige und Kaifer bebienten, wenn fie einem Dynaften 
eine Neichsftadt verpfändeten. Nachdem mit Eiegmund das 
unfelige Berpfänden der Reichsſtädte aufgehört hatte, blieben 
die demfelben entgangenen Reicheftädte Lange Zeit unangefochten 
und nur wenige wurden in dem langen Zeitraum von 1437— 1302 
mediatiſirt. Selbft der weftfälifche Sriede, der in dem Beſitz⸗ 
flande der beutfchen Staaten fo Vieles änderte, ließ die Reiches 
flädte in dem Zuſtande, in dem fie vor dem Anfange bes drei: 
zigjaͤhrigen Kriege gewefen, und auch nicht ine büßte bie 
Reichsunmittelbarkeit ein. Um fo nadhtheiliger war bad Jahr 
1802 für bdiefelben. Als Opfer des damals aufgeftellten Ent: 
ſchaͤdigungsſyſtems fielen 41; fie büßten ihre Reichsunmittelbar⸗ 
Zeit ein, um die von Frankreich begünftigten erblichen Fürſten 
für unbeträchtlihen Verluft auf bem linken Rheinufer übermäs 
Fig zu entfchädigen. 98, 





Sriedrich der Große und fein Hof, oder Go war es vor 
hundert Zahren. In vertrauten Briefen bes Freiherrn 
von Bielefeld, gefchrieben von 1738 — 60. Zwei 
Theile. Breslau, Mar u. Comp. 1838. 8. 1 Thlr. 
12 Gr. 


Der Freiherr von Bielefeld, der als Geſellſchafter, Lega⸗ 
tionsrath, Oberauffeher der Univerfitäten und Pringenerzieher 
am Dofe Friedrich's des Großen lebte und auch häufige Gele: 
genheit hatte, um die Perfon des Königs zu fein, Tann in 
vieler Beziehung als das Mufter eines Gavaliers aus ber erften 
Hälfte des 18. Zahrhunderts gelten. Gr befaß bie ganze lite⸗ 
rarifhe Bildung jener Zeit, huldigte den Wiffenfchaften gern 
und in jeder freien Zeit, war in den alten und neuen Dichtern 
und Hiſtorikern wohl belefen und vor allen ein großer Freund 
und Verehrer der franzöflfchen Literatur. Kerner war er ein 
eifeiger Diener feines Königs, treu, verfchwiegen über Staats: 
angelegenhelten, von denen er nicht einmal an feinen Water 
ſchreiben wit, folgfam und pünktlih, ohne zu grübeln, und 
voll aufricdhtiger Bewunderung alles Deffen, was der König 
that und anorbnete. Endlich war er auch häufig verliebt, wie 
es fi für einen Gavalier ziemt, und berichtet ganz offenherzig, 
dag ihn in England eine fchöne Englaͤnderin entzüdte, daß er 
in Breslau den Reizen eines Fräulein Warkotſch Huldigte, fie 
aber fehnell verlieh, um fein Herz einer Frau v. C. zu Füßen 
zu legen, und daß ihn wiederum das ſchoͤne ſchwediſche Fraͤu⸗ 
lein v. Sparre ganz außerordentlich gefiel — Alles aber in Zuͤch⸗ 
. ten und Ehren, denn von Ausſchweifungen ober Lieberlichkeiten 
findet fi im ganzen Buche nicht die geringfle Spur. Ebenſo 
fließt ex auch feine Verbindung mit Fraͤulein v. Reich in Halle 
Harz nach Betrachtung aͤußerer Vortheile. Nachdem er einen 
ganzen Morgen ber Toilette gewidmet hatte, ging er vollloms 
men tir6 A guatre Epingles zur Gefellfchaft, faß beim Gpiel 
feiner Erkorenen gegenüber und eröffnete am folgenden Tage 
ihrem Schwager ganz ruhig feine Abſichten. Dabei blieb es 
aber auch zuerſt. Rach ein paar Jahren begannen die Unters 
hanblungen von neuem unb hatten im Februar 1745 den glüds 
lichſten Ausgang. In einem Briefe an einen hoben Gönner 
wid er von feiner Braut nicht zu viel fagen, da ein jeder, ber 
eine Heirath aus eigenem Antriebe fließt, feine Braut flets 


in das freundlichſte Licht ſtellen wird. Die Ehe ſei aber gang 
geeignet, ben Firniß abgufchleifen, die Larve fällt, die Schoͤnheit 
vergeht und die Gattin bleibt. Um nun alfo nicht unanges 
nehmen Folgen bei dem etwaigen Mangel äußerer Schönheit auss 
gefept zu fein, habe er aud auf das Gründliche geſehen, wels 
ces bliebe, wenn alle andere Worgüge verfchwänden. Beine 
Braut habe außer einem fehr guten Gharalter auch ein großes . 
Bermögen, das ihn bereinft entfchädigen würde, wenn ex viel: 
leicht ſpaͤter bemerken follte, daß er fich in Hinficht des Charak⸗ 
ters getäufcht habe. Indeſſen Tönnen wir nach biefen Briefen 
nicht anders annehmen, als daß die Ehe glücklich und zufrieden 
gewefen ſei. Mit derfeiben Offenheit Spricht Bielefeld auch über 
die Annehmlichkeiten der glänzenden Aflembleen, bes Geremos 
nielö bei großen Zeften, vor Allem aber ift er ein Freund einer 
wohlbefegten Zafel, guten Weins, einer beitern Unterhaltung 
und aller häuslichen Bequemlichkeiten.. Wir denken aber darum 
von dem guten Manne, wenn ex fi in feinem ruſſiſchen 
Schlafwagen fehr behaglich fühle, ebenfo wenig ſchlecht als von 
Goethe, der hinter den Lederumhaͤngen eines Schlafwagens 
gleichfalls ein trockenes, ficheres Afyl gefunden hatte, und tabeln 
ihn wegen feiner Luft an den Freuden ber Tafel ebenfo wenig 
als jenen edeln deutſchen Freiherrn, deffen Bild uns Rumohr 
mit meifterhafter Hand in feinen „Deutſchen Denkwürdigkeiten“ 
gezeichnet hat. Ein Jahr vor dem Ausbruche des fiebenjährigen 
Krieges zieht fi Bielefeld auf feine Güter im Herzogthume 
Altenburg zurüd, und biefe Partie von feinem bafigen Leben, 
Treiben und Wirthichaften in Reichthum und Behagen halten 
wir für eine ber intereffanteften im Buche. Die Kriegsunruben 
treiben ihn von dort auf einige Zeit na Hamburg, wo er 
feine ‚‚Anleitung zur Staatskunſt“ verfaßt und in feiner befcheibes 
nen Weife über bie Sitten bes republikaniſchen Hamburgs res 
fleetirt. Der Isgte Brief an feine Söhne, Heinrich und Fer⸗ 
dinand, zeigt ihn durchaus als einen Wann von bravem, rechts 
lichem und höchſt Ioyalem Charakter. 


So viel über den Verfaſſer dieſer Briefe. Die Briefe ſelbſt 
find nun von Br. Förfter, Preuß und andern Befchichtfchreibern 
des großen Königs viel benugt worden und bebürfen daher kei⸗ 
ner ausführlichern Charakteriſtik. Wichtige biplomatifche Ver⸗ 
bandlungen bat Bielefeld nicht geleitet: fein Dienft im Depars 
tement des Auswärtigen beſchraͤnkte ſich eigentlich dlos auf zwei 
Gefandtfchaftsreifen nah Hanover und London im Gefolge bes 
Grafen Truchſeß⸗Waldburg. Diefen verbanten wir einige ers 
gößliche, wenn auch einfeitige Schilderungen des Lebens Im ba= 
maligen London, und eine Erzählung von Heifeabenteuern auf 
fhhledten Wegen in Deutfchland, bie wir um fo mehr gum 
Lefen empfehlen, da ſolche Dinge nachgerade zu ben faft märs 
chenhaften Sagen gehören. Gin Kriegsheld war Bielefeld nicht. 
Friedrich ließ ihn zwar im erſten fchlefifchen Feldzuge nach 
Schleſien kommen, aber er gefiel ſich in ben bresiauer Affems 
bilden beffer als in ben Feldlagern, wo er fogar einmal auf einer 
Streue fehlafen mußte, und wenn er uns fehr nalo von ben 
Schrecken erzählt, die er empfand, als ihn fein iunbänbiges 
Pferd faft unter die Kanonen der Feſtung Neiße und in bie 
Schußlinie trug, fo können wir dem Briefſchreiber nicht wohl 
glauben, daß „er fi in kurzer Zeit ganz mit dem Kriegshands 
werte vertraut gemacht habe’. Als den bedeutendften Theil 
ber Briefe betrachten wir bie Erzählungen aus dem Beben 
Friedrich's als Kronprinz in Rheinsberg, wo Bielefeld überall 
als Augenzeuge ſpricht, ſowie auch von Friedrich's Aufnahme 
in den Freimaurerorden in der Nacht vom 14. auf ben 15. Aug. 
1738. Die Schilderung bes Bacchusfeſtes, wo der Kronpring 
mit feiner Umgebung allerhand Scherz mit Bielefeld trieb, ers 
{nnern wir uns nicht in größern erden gelefen zu haben, und 
doch iſt fie um fo merkwürbiger, ba fie nad Bielefeld's Wer: 
fiherung faft die einzige in ihrer Art gewefen iſt. Denn fonft 

t Rheinsberg „ein feenbafter Palaſt, wo ſich eine koͤnigliche 

fet, ein Bötterwein, eine himmliſche Muſik, koͤſtliche Spas 
tergänge,, fowol im Garten ale im Walde, Waſſerfahrten, 
uber der Künfte unb Wiſſenſchaften, angenehme Unterhaltung, 


1108 " 


Zurg Alles vereinigt, um das Leben zu verſchoͤnern.“ Auch das 
iſt für jene Zeit bemerkenswerth, daß in bemfelben Augenblide, 
wo ber Kronprinzeffin von Preußen gemeldet wird, daß ihr 
Gemahl König geworden ſei, die Dberhofmeifterin mit einem 
nieberfchlagenden Pulver an ihr Bett tritt. 

Sn den Briefen aus Berlin befchäftigt fich Bielefeld vor: 
zugsweife mit den Hoffeften, namentlich ſchildert ev mit großer 
Ausfügrtichteit die Bermählungsfeier des Pringen Auguſt Bil: 
helm von Preußen, bei weldher Gelegenheit er nad dem Wils 
ien des Königs eine Strohkranzrede und zwar nicht „ohne einige 
ſchluͤpfrige Scherze”’ halten mußte, der Prinzeffin Ulrike und 
des Prinzen Heinrich, ebenfo den Sinzug des Königs in Berlin 
nach Beendigung bes zweiten fchlefifchen Krieges. Daß ihn 
Friedrich wirklich ſchaͤzte und feine große Anhänglichkeit an ſich 
und fein Haus erkannte, beweift auch die Ernennung Bieles 
felds zum zweiten Gouverneur des Prinzen Ferdinand, ber 
ihm die ganze Zeit Ihres gegenfeitigen Verhältniſſes hindurch 
jenes aufrichtige Wohlwollen bewies, welches bis auf unfere 
Beit ein fo ſchoͤner Charakterzug aller Prinzen des preußifchen 
Hauſes gewefen ift. , 

Die Überfetung aus dem Kranzöfifchen (denn in dieſer 
Sprache find die Briefe geſchrieben) Lieft ſich leicht und fließend. 
Nur misbilligen wir es, daß bie meiften Ramen nur mit den 
Anfangsbuchftaben bezeichnet find. Wozu bei einem, vor hun⸗ 
dert Jahren gefchriebenen Werke eine fo ängftliche Zurüdhals 
tung? Überdies fagt Bielefeld von Niemand etwas Schlechtes 
oder Nachtheiliges. 11, 





Schilderung des Miffiffippichales oder des Welten ber 
Bereinigten Staaten von Nordamerika. Nebſt Abriß 
meiner Meife dahin. Von Friedrich Arends. 
Hamburg, Herold. 1838. Gr. 8. 2 Thlr. 16 Gr. 


Der Verf. diefes Buchs iſt nichts weniger als ein Gelehr⸗ 
ter. Gr ging im 50. Jahre mit drei Kindern nah Miffuri, 
Baufte und baute fi an und genoß nach einigen mühjfeligen 
Sahren bie beruhigende Gewißheit, feine Kinder verforgt und 
ſich feibft ohne Noth im Alter zu fehen. Gtodtaub, war er 
vorzugsweiſe an fein eigenes gefundes Judicium gewiefen, und 
obwol er vielleicht Manches mit feinen Augen fah, was er bei 
offenen Ohren anders gefehen haben würde, fo zeichnet ſich feine 
Wahrnehmung doch hoͤchſt vortheilhaft vor derjenigen Anderer 
aus, die vor ihm biefe Gegenden befcgrieben unb wie Duden, 
mit einer ſtrafbaren Überfpanntheit und Phantafie über dem 
Guten das Schlimme, über den Vortheilen die Rachtheile ver: 
nachläffigten und verſchwiegen. Wem es um einen gründlichen 
Anterricht über die Staaten Miffuri, Illinois, Indiana und 
Ohio zu thun ift, der lege, was bisher über biefe Regionen be⸗ 
kannt worden ift, getroft bei Seite und halte fich Lediglich an 
biefen wackern ehrlichen, nichts verſchweigenden, nichts Gbertün: 
chenden Landmann, ber zwar viel gelefen bat, aber weder ges 
lehrt, noch gewandt, noch grammatifch ſchreibt, allein gerade 
fo, daß man Land, Leute und Leben vor fich fieht und fich 
ſelbſt unbefangen fagen Tann, weldye Vorzüge das fchöne Ba: 
terland, welche die neue Welt biete. Das einfache Refultat ift: 
Der nüchterne, fleißige, nicht ganz mittelloſe Dann gelangt in 
wenigen Jahren in ben weltlichen Staaten zu einem fichern, 
unabhängigen Wohlfland; ber unbemittelte, tüchtige Arbeiter 
bei dem hohen Arbeitslohne und ber völlig von ber deutſchen 
Weiſe verfchiebenen Art zu arbeiten einige Jahre fpäter; ber 
träge, unoxdentlihe niemals. Bei allebem entbehrt er und 
muß er entbehren lernen die Annehmlichkeiten europäifcher Ci: 
vitifation und eine Menge Beine in Europa angewöhnte Be: 
bürfniffe. Dagegen tritt nach und nad) ein Gefühl der Sor⸗ 
genfreiheit, das der Europäer und befonders der Deutfche nicht 
kennt, und ein ebenfo neues Behagen in einer völligen Uns 


— — 


abhaͤngigkeit ein, welches, wenn wir dem aufmerkſamen, dank⸗ 
baren und gnägfamen Verf. trauen dürfen, allgemach Erſat 
für den Berluft der Helmat bietet. 

Die Staaten Midigan und Arkanfas und das Gebiet 
Visconſin ſcheint ber Verf. nicht ſelbſt gefehen zu haben, bock 
fanden wir bei Vergleichung feiner Radyrichten mit dem bereits 
über jene Gegenden Bekannten mandes Gute und Beffere, 
welches der Berf. durch Grkundigungen bei Golden, bie jene 
Gegenden gefehen, fi) angeeignet hat; Anderes war jedoch auch 
füdenhaft. 

Recht wader ift der Abfchnitt ‚Auswanderung und Anfie: 
delung‘‘ (&. 568). Der Verf. verfhmäht Fremdes nicht; wer 
fi auf den Styl verftcht, fieht oft, daß er nicht mit eigener 
Zunge rebet. Aber überall ſchlägt er die fremden Rebner zur rech⸗ 
ten Zeit auf den Mund, wenn fie von dem Feuer der Rebe im 
Loben ober Schmähen zu weit geführt werden. 

Wir wüßten unter den vielen, uns befannt geworbenen, 
ein empfehlenswertheres Buch für die Wanberluftigen. Mans 
her goldene Zraum wirb hier zerflört und bie nadte, ganz 
nadte Wirktichkeit hergeſtellt. Nirgend findet man zugleich fo 
praßtifche Anleitung zur Einrichtung für die Reife und auf ber 
Reife. Der Preis dieſes Buches wird es leider nicht unter 
das rechte Publieum kommen laſſen. 6. 





Miscellen. 


Das 10. Jahrhundert wird gewoͤhnlich wegen ſeiner 
Barbarei und Unwiſſenheit unter den Gelehrten Saeculum 
plumbeun, obscurum, infelix, sterile et scriptoribus insigni- 

us destitutum genannt. Als Beleg dafür werben unter ans 
been folgende Anekdoten gegeben, welche übrigens auch wol nur 
zur Beluftigung erdacht fein Zönnten: 

1) Ein Prieftereramen vor bem Bifchof. 

Frage: Quot sunt septem sacramenta? Antwort: 
Tres. Srage: Quas? Antwort: Sunt fides, spes et cha- 


ritas. 
2) Lefegemwandtheit eines Geiſtlichen. 

Ein gewiffer Bifchof Otto hatte einem Gollegen einen Geift: 
lichen zum Diakonus vorgefchlagen und fih in dem Empfehlungs- 
[reiben nachſtehender räthfelpafter Abkürzungen bedient; Otto 
Dei gram, rogat vestram cim ut velit istum cicmdem, con- 


ducere in vym diam. Der Überbringer, an Ort und Stelle zur 
£efung aufgefodert, las nun: Otto Dei gram, rogat vestram 
am, ut velit istum clincum clancum convertere in vivum 
diabolum. 
3) Mufter von einem Teſtament. 

Sin Geiftlicder hatte ein Teſtament für einen: Laien vers 
faßt, das fo lautete: ‚In Deus nomine, amen. Deus animan, 
corpus terram, bos auper ecclesiam, altare vitulus, et tibi 
titulus, viginti par sotularibus dispersit, dedit pauperibus. 
Reliquis et reliqua, intus et extra, uxore et filis.“ 


Der Cardinal Granvella, Kalfer Karl’s V. Drinifter, wels 
her auf bie deutfchen Zärften mit Verachtung herabzufehen 
pflegte und, namentlid in fpäteree Zeit, den einen ober den 
andern für einen Dummkopf und Trunkenbold halten zu müfs 
fen glaubte, hegte, dem Anſchein nach, eine befondere Zu⸗ 
neigung ausnahmsweiſe gegen ben Landgrafen Philipp ven 
Heſſen, über welchen er gu Bopneburg fagte: „Ich weiß nicht, 
ob es von Gott alfo erfehen, oder ob mich feine Geſtalt dahin 
gereizt hat, al&bald ba ich ihn zu Augsburg anfah, gewann 
ich zu ibm eine Herzliche Liebe und Gefallen, und dachte, wenn 
du dem Fürſten beines Vermögens dienen kannſt, fo wollteſt 
du es gerne thun.“ Und dennoch ficht Granvella in Ver⸗ 
dacht, ſich nach der Gefangennehmung bed Landgrafen (18407) 
auf eine nichts weniger als ehrenvolle Weiſe gegen denſelben be⸗ 
nommen zu haben. 25. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Broddaus m Leipats. 


- 
so 
or O 


“Rh, 


Blaut ter 


für . . | . e 


literarifde Unterbaltu ng. 





Donnerödtag, 


— Nr. 275. ö— 


1. October 1840. 





Zur Nachricht. Ä 
Don diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und ift ber Preis für bem 


Jahrgang 12 Thlr. 
alle Poftämter 
preußiſche Grenzpoftamt in Halle wenden. 
und Zreitags, aber auch in Monatsheften ftatt. 


Ale Buchhandlungen in und außer 
die fih an die Eönigl. fächfifche Zeitungsderpedition in Leipzig 
Die Berfendung findet wöchentlich zweimal, Dienſtags 


eutfehland nehmen Beſtellung darauf an; ebenfo 
oder das koͤnigl. 





Perſonalien. Geſammelt von Friedrich Jacobs. Mit 
dem in Stahl geſtochenen Bildniſſe des Verfaſſers. — 
.A. u. d. T.: Friedrich Jacobs vermiſchte Schrif: 
" ten. Siebenter Band. Leipzig, Dyk. 1840. 8. 
2Thlr. 12 ©r. *) 


Es kann nicht licht ein angenehmeres und wuͤrdige⸗ 
res Schaufpiel geben ald das eines Greifes, der, nachdem 
ex. in einer langen Reihe von Jahren die Verehrung und 
das Wohlwollen der Edelften feiner Zeit genoffen hat, ſich 
entichließt, die wichtigften Ereigniffe feines Lebens und den 
Bang feiner Schidfale zum Gegenſtande einer ausfuͤhrli⸗ 
Kern Schilderung zu machen. Kine folche biographiſche 
ES chauftellung kann entweder die Erlebniffe des dußern Le: 
bens, Kriegsthaten, Reifen, inbuftrielle Unternehmungen 
und. ähnliche Dinge. mit befonderer Vorliebe behandeln, 
oder die geiftige Entwidelung, das innere Leben, bie 
Mirkfamkeit ducch literarifche Arbeiten mit pruͤfendem 
Auge verfolgen und bucch bie auftichtige Enthülung ei: 
nes xeichen Geiftes für den pfochologifchen Forſcher von 
dem größten Intereſſe fein. Werden nun Biographien der 
erftern Art mehr von Diplomaten, Militairs und Ge: 
[häftemdnnern aller Art verfaßt, die am Abend eines be: 
wegten Lebens fih und Andern zur Freude noch einmal 
die Vergangenheit wollen bei ſich vorübergehen laffen, fo 
gehören zu den Biographien der zweiten Claſſe befonbers 
die der Gelehrten, Über die freilich in unferer, auf mate: 
rielle Zwede nur zu fehr gerichteten Zeit nicht wenige 





=) Über den fechöten Band der Vermifchten Schriften haben 

wir in Re, 16 5.81. f. 1838 geſprochen, und zugleidy eine 

Überficht des in den frühern Bänden Enthaltenen gegeben, 

ſodaß alfe unfere Blätter die Schuld der Wernachläffigung 

aicht trifft, über welche ber Verf. auf S. 135 mit Recht 

beklagt bat. Wir bemerken bier zugleich, daß uns 

fers Berf. Name nicht mehr „Jakobse gefchrieben wer: 

den barf, da er auf ©. 3 erklärt, daß dies eine uns 

werfländige Puriſterei geweien, die er ſchon laͤngſt aufs 
gegeben habe. ’ 


Stimmen fih ungünftig ausfprechen. Denn man bäft 
bie beutfchen Gelehrten jest gar zu gern für unpraktiſche 
Leute, die über ihren Papieren und Büchern die Welt, 
in der fie leben, vergeflen hätten, und alfo eines lebens 
bigen Intereffe für die Bewegung der Zeit und für bie 
Lebendfragen der Gegenwart faft immer ermangeltm. Solche 
harte Worte beruhen aber nur zu oft auf der Unkunde 
ſolcher Gegner, die keine Luft haben, fi) zu unterrichten. 
Sonft würden fie einen Unterfchieb zu machen wiſſen zwi⸗ 
fhen ben fchmerfälligen Productionen deutfcher Gelehrſam⸗ 
keit bis auf die Zeit Leffing’s und Windelmann’s und ber 
beutfchen Gelehrtenwelt, wie fie fich feit jener Zeit und 
unter den Einwirkungen ber großen politifchen Erfchüttes 
tungen am Ende des vorigen und zu Anfang bes jegigen 
Sahrhunderts gebildet bat. Deutfche Gelehrte mögen im⸗ 
merhin oft wenig Leichtigkeit zeigen, fi anftatt ihres die 
genen, gewohnten Bobens auf einem allgemeinen, ihnen 
fremd gebliebenen zu bewegen, wo ihnen bie Unficherheit bed 
perfönlichen Benehmens oft ganz irrig als Mangel prakti⸗ 
fchen Talents. ausgelegt wird. Aber in denfelben Maͤnnern 
(wir erinnern nur an die großen Verſtorbenen, Leibnitz 
Leffing, Heyne, Spistier, Dohm, Hegel, Wieland, Kant, 
Fichte, Schlözer, 5. A: Wolf) wohnt nicht felten ein aus 
gezeichnetes Talent, ihr eigenftes, ſcheinbar nur auf abge 
fchlofienes Sinnen und Forſchen befchränktes Gebiet von 
innen heraus fo zu ermeitern, daß dieſes zulegt mach af 
len Seiten eine ſelbſtgeſchaffene, lebenschätige Wirkſamkrit 
echätt. Solche Gelehrte find auch praktiſche Maͤnner, frei 
lich nicht im Sprachgebrauche des gewoͤhntichen Lebens, 
welches unter praktiſchen Maͤnneen ſolche Leute verfteht, 
die, wie Bulwer *) ſagt, irgend einem beſondern Berufe 
lebend, atle engherzigen Anfichten und eigennügigen In⸗ 
tereffen deſſelben eingefogen haben, fondern vielmehr in 
einem höhern, beffeen Sinne. Es iſt daher ein großer 
Gewinn, die Gefchichte eines folchen innern Lebens aus 


*) Gnglanb, I, 86. 


„nr 1410. Y 172 


eigener Schilderung kennen zu lernen, wie wir fie in Reis: 


ke's und Semler's Autobiographien, in Büfching’s und. 


Scheffner's Lebensgefhichte, in Cramer's Hauschronik“, 
in Dinter's Selbſtbiographie, in Buͤſch' „Gang feiner 
Thaͤtigkeit“ und vor allyn in Goethe's und Jung⸗Stil⸗ 
ling's vortrefflichen Buͤchern wiederfinden. 

In dieſe Claſſe von Schriften deutſcher Gelehrten, 
welche eine ſo bedeutende Stellung einnehmen, um die 


Denkwuͤrdigkeiten des Individuums auch fuͤr die weitere 


Umgebung belehrend und anziehend zu machen, gehoͤrt die 
vorliegende Schrift eines Mannes, den Deutfchtand ſchon 
laͤngſt zu ſeinen Wuͤrdigſten zaͤhlt und den das gebildete 
Ausland als eine literariſche Notabilitaͤt erſten Ranges 
achtet. Friedrich Jacobs, ein koͤrperlich und geiſtig 
noch ruͤſtiger, 76jähriger Greis, iſt ſeit 56 Jahren durch 
feine philologiſchen Werke, bie Bearbeitung der griechi⸗ 
[hen Anthologie, der Philofkrate, des Achilles Tatius und 

lianus, feine Überfegung des Demoſthenes, feine grie- 
chiſchen und lateiniſchen Elementarbücher und zahlreichen 
Schriften philologifchen, Literarifchen und bibliographifchen 
Inhalts auf das ruͤhmlichſte bekannt. Aber er hat ſich 
auch neben diefen größern Arbeiten in den ſechs Bänden 
feiner „Vermiſchten Schriften”, in den fieben Bänden feis 
ner „Schule der Frauen“ und in den für die zarte Ju: 
gend beſtimmten Büchern als einen Dann von ehrenwer: 
sher echt evangelifcher Sefinnung, als einen unbeflechlichen 
Sreund der Wahrheit und Gerechtigkeit, und als einen 
Freund des Guten und Schönen, wo es ihm immer ent: 
gegentritt, ‚gezeigt, dabei Alles fo ſchoͤn und in claffifcher 
Form gefchrieben, daß fein Name in ſolchen Kreifen, wo 
man der philologiſchen Gelehrſamkeit und ihren Vertretern 
ſonſt keinen Platz gönnt, ebenfalls heimiſch und werth ge- 
worden. ift. 

Haben nun. die ebengenannten Eigenfchaften unferm 
Berf. in einen hohen Grade Liebe und Verehrung er: 
worben, fo erhalten dieſe biographifchen Nachrichten einen 
ganz beſondern Reiz durch die Mäfigung und Beſcheiden⸗ 
heit, welche nicht gerade immer ein Vorzug ber Autobio: 
graphien iſt. De. Jacobs fpricht, wie natuͤtlich, viel vom 
ſich und von den Seinigen, aber es ift auch nicht der 
mindeſte Schatten von. Ruhmredigkeit, von Oftentation 
oder:eine einzige Klage Über nichterfuͤllte Hoffnumgen, übel 
velohnte Dienfle oder eine zu geringe Anerkennung feiner 
ſcheiftſtolleriſchen Wirkſamkeit in diefem: Buche. Im Ge: 
ventheil Alles iſt Zufriedenheit und Dank. Wir können 
ans daher nicht enthalten die Worte herzufegen, welche 
den Veſchluß der biographiſchen Nachrichten machen, weil 
ſie auf: das Beſte dem Geiſt charakteriſiren, in welchem 
dieſes leſenbwerthe Buch abgefaßt iſt. 


weiſe Füg a pehommen; für die Geſundheit, die ich noch jest 

78. Zahre genieße; für die Liebe, die mir die Meis 
lgen deweiſen; Müx bie Freube, bie mielne wohlgerathenen En⸗ 
kel mir machen; für den heitern Sinn, den ich auch im Ater 
nicht verloren habe; für das Wohlwoilen fo bieler nahen und 


"gerufen werde, ich mit eingm guten und unbefledt 


reunde; für die Huld endtih, bie mie von b 
im, re A eh babe und no fe, 
t 


"Shell geworben iſt. Der mir beſchiedenen Tage Tönnen ni 


mehr viele fein. Möge Gott mir verleihen, daß fie rubig unb 
ohne ſchmerzlichen Anftoß verlaufen, und wenn ich von binnen 


ei 
ven Zurüdbieibenden und Mit heitern Hoffnungen für fe 30: 
tunft ſcheide. Mögen endikh alle Diejenigen, die mir Bures 
erwiefen haben und noch nicht in die Wohnungen bes ewigen 
Friedens eingegangen find, wenn ihnen biefe Zeilen vor bie Au: 
gen fommen, den Ausdrud ber Liebe und Dankbarkeit darin 
erkennen, bie mein Herz bewahren wird, fo lange es noch nicht 
in Aſche zerfallen ift. 

Man kann diefe Stelle nicht lefen, ohne auf das in: 
nigſte erwaͤrmt gu werden und befonders -in einer Betr, 
wo wie in der unferigen flürmifches Korteilen, Umwerfen 
bes Beftehenden, Nichtachtung ftiller Haͤuslichkeit und An⸗ 


preiſung einer oft nur wenig erfreulichen Öffentlichkeit an _ 


der Tagesordnung ift. 


Jacobs iſt zu Gotha am 6..Detober 1764 ge: 
boren. Sein Vater gehörte dem Mittelſtande an, das 
einfache Leben in demſelben zu jener Zeit, der Mangel 
an Zerſtreuungen und geſellſchaftlichen Genuſſen, die Er⸗ 
ziehung der Kinder, bei welcher ber Gehorfam die Grund: 
lage war — Altes bies ift auf das anfchaulichfte geſchil⸗ 
dert und wird von großem Nugen für alle Jüngere fein, 
die fi jegt kaum mehr ein Bild jener Zeit in Deutſch— 
land entwerfen tönnen. Der fromme, pflichteifrige, raſt⸗ 
106 thätige Water ließ ſich die Erziehung der Rinder fehr 
angelegen fein, bis Jacobs im zehnten Sabre dem Gym⸗ 


naftum feiner Baterftadt übergeben tvurde. Geißler, Stroͤth, 


Kaltwaffer waren hier die vorzäglichften Lehrer, und wie 
mangelhaft auch ber Unterricht und tie gering die Hülfe: 
mittel waren (mit einem griechiſchen Woͤrterbuche von 
1566 behalf fih Jacobs während feiner ganzen Schul: 
zeit), fo war doch das Schulleben jener Zeit dem Stu⸗ 
biren und der wiſſenfchaftlichen Ausbildung guͤnſtig. An 
Geſellſchaften nahmen Schuͤler keinen Antheil und fie ge: 
wannen alſo die Schule um ſo lieber, da fie allein ihnen 
Geſellſchaft bot. „Bis in mein 17. Fahr”, fagt der Verf., 
„wo ich die Schule verließ, erinnere ich mich keiner Vers 
gnägung der Art, wie fie die Jugend jetzt zu genießen 
gewohnt iſt. Die Zeit war fo ſtill, die unfelige Politik 
lag uns fo fern, aber da uns bie aͤußere Welt um fo 
wenfger anzog, waren wir befto geſchaͤftiger, unfere innere 
Bildung zu fördern.” Leffing’s Laokoon“, Herder's, Kri⸗ 
tiſche Wälder” und Winckelmann's Schriften waren von 
defonderm Einfluſſe auf den Juͤngling.. 

Nach einem zweijaͤhrigen Aufenthalte In Jena, befon- 
ders unter Griesbach's Auſpicien, gefkittete bee Vater, daß 
Jacobs nad) Göttingen ging, um Heyne zu hören. ‚Die 
Theologie“, fagt er, „war nicht aufgegeben, aber in. Schat⸗ 
ten geruͤckt, und die Philologie war, ich weiß ‚nicht: wie, 
in den Vorgeumd getreten.“ Heyne's wehlwolleudes Bes 
Hagen and fein geiſtreich anregender Vottrag feſſelren den 
lernbegterigen Juͤngting, ber aber fehon nady einen Fahre 
den geliebten Lehrer verlaffen mußte, um eine Lehrſtelle 
am gothaiſchen Gymnaſium anzunehmen Die gegenfel: 
tige Verbindung nahm in der Entfernung an Innigkeit 








gr 


und’ Feſtigkeit zu, wovon die Nachrichten Uber Herme im 
ſechsten Bande der. „Vermiſchten Schriften” das voggäl: 
Ugſte Zeugniß und eine wuͤrdige Ehremsestung des auch 
ach in unfern Tagen oft verfannten Mannes find. Im 
vorliegenden Buche find auch eine Anzahl fehr intereſſan⸗ 
ter Briefe Heyne's abgedrudt, aus denen das große In: 
sereffe des Mannes an echter Wiſſenſchaft und Gelehr⸗ 
ſamkeit, fein befonnenes Weſen, feine Theilnahme an allen 
rein Mnfchlichen umd feine wuͤrdige Vertretung der Geor: 
gia Auguſta in der weftfälifchen Zeit auf das bedeutendſte 
hervortritt. ©. 472 heißt ee: 

Möge ſich doch nie der Sinn des Yublicums fo vermwir- 
zen, —9 es den Ruhm des Mannes nicht nach Dem, was er 
durch Charakter und Geiſtesſtaͤrke vollbracht, ſondern nach der 
Vermeidung geringfügiger Fehler ſchaͤze, großes Verdienſt um 
geringer Übereilungen willen zurüditoße und den fehlerlo- 
fen Srammatider höher ald den Menfchen achte! 

Die fleigende Berühmtheit unfers Verf. in der phi⸗ 
Lologiſchen Welt zu ſchildern, oder bie lehrreichen Mitthei- 
tungen über den Gang feiner Studien zu verfolgen, die 
Beſcheibenheit im Urtheil fiber feine Leiftungen oder die 
zarte Bedenklichkeit, welche ihn abhielt, ein akademiſches 
Lehramt in Berlin oder Göttingen, trog der ehrenvollſten 
Kuffoderungen zu übernehmen — Alles dies gebührend 
anzuerkennen, muß den philofogifchen Blättern überlaffen 
bleiben. Für den gegenwärtigen Zweck tft es paffender, 
bei Begebenheiten von allgemeinem Intereife zu verweilen, 
Deren Zeuge und Theilnehmer Jacobs gemein ifl. 

Die ausgezeichnet ſchoͤne Jubelſchrift, mit: weicher der 
Verf. am 2. Nov. 18349 das Amtsjubildum des Prof. 
Kries in Gotha begrüßt hatte, gedenkt auch in einer geift: 
weichen Skizze der Anfänge der franzöfifchen Revolution 
und der Empfindungen, unter welchen man im Deutſch⸗ 
and diefelbe entſtehen ſah. Ausfuͤhrlicher iſt dies in der 
vorliegenden Schrift gefchehen, ſodaß Viele unter ben Juͤn⸗ 
gern, bie Baftilienfefte feiern und Marſeillaiſen fingen, 
bieraus Nüsliches lernen könnten. „Ich babe”, fagt ber 
Verf, „vor allım Dingen ber Sophrofyne gehutbigt, und 
biefe hat mid) immer von: ungeflümen Handeln und 
erttemen Meinungen entfernt gehalten.” Indem fich 
Jacobs nun zunaͤchſt an die gothalfchen Begebenheiten 
hält, weiß er viel Intereſſantes aus eigener Anfchauung 
von ben franzoͤſtſchen Ausgewanderten; befonder® vom Ba: 
von Grimm, von der Gräfin v. Bueil, von Frau v. 
Stael zu erzählen; der Fortgang der Ereigniffe führt ihn 
auf Napoleon’d Plane und Abfichten, der Befahr für 
Deutfchland und .den preußifch = franzöfifhen Krieg von 
1806. Wit ber Lebendigkeit bes Augenzeugen tft die bar: 
bariſche Behandtung der Bemeinen, der Übermuth der Fuͤh⸗ 
rer im preußffchen Heere und die geringe Rückficht auf 
Schicklichkeit und Achtung im gothaiſchen Lande geſchil⸗ 
dert. Von dem hochfahrenden General Ruͤchel, der den 
Buͤrgerſtand verachtete und vom Militair gehaßt wurde, 
erzaͤhlt Jacobs (S. 365 fg.) Folgendes: 

Waͤhrend ber preußiſche Tordon das gothaiſche Land beſetzt 
hielt, nahm des Generalſuperintendent Löffler aus Achtung und 
Borliche für das preußifhe Militair den General Rüächel in fein 
von Einquartierung freies Haus auf, in Erwartung anftändis 
ger Behandlung und- der ‚einer geiftticken Wohnung fchuldigen 


Akfichten. Da es nun aber wicht ſelten /geſchah, daß Solba⸗ 
ten auf der Hausflur auf Stroh gelegt ran, Da * 
ben, folche Ereeutionen abet ein Zuſammenlaufen des Volks vers 
urfachten, fo bat Löffler ben General in einem böftichen Millet 
doch einen andern ſchicklichern Ort als diefen für ſolche milt: 
tatrifche Beftrafungen zu wählen. Die Antwort, bie er erhielt 
war: „Schufter, bleibe bei deinem Leiſten.“ Jedermam war em: 
pört, Löffler aber räumte fein Haus und überließ es ber Obmacht. 


se charakteriſtiſcher dieſer Zug für den traurigen Geift 
ber damaligen Zeit ift, um fo ehrenvoller iſt die lobens— 
werthe, herzliche Eintracht, welche fi feit 1813 im.Rbs 
nigreihe Preußen zwiſchen dem Bürger: und Kriegerſtande 
entwidelt hat. 

Auch für die folgenden Jahre bleibe die Beruͤckſichti⸗— 
gung politifher Zuflände neben den Literarifchen Beſchaͤf⸗ 
tigungen. Hier ift die Verhaftung Rud. Zach. Becker's, 
ben Napoleon 17 Monate lang in ungerechter, firenger 
Gefangenfhaft gehalten hatte, und bie Art, mie berfelhe 
ber flehenden Sattin die Befreiung ihres Mannes vers 
kuͤndigte, ausführlih erzähle, weil fie nach den Morten 
des Verf. den unfichern Zuftand der Zeit in einem Bei 
fpiele darftellt und zugleich ein ehrenvolles Zeugniß der 
Achtung der Öffentlichen Meinung von Seiten eines nach 
feinem Sal moralifd) allzu tief herabgewürdigten Man: 
nes gibt. Sein Verfahren, urtbeilt Jacobs ,. gegen bie 
Fuͤrſtin Hatzfeld und gegen die Frau Becker's wird - ihn 
flet6 gegen den Vorwurf gemürhlofer Härte ficher ſtellen. 
Ein get away, wie bei bem Jubilaͤum von Göttingen 
Seidenftüder’8 Frau, vernahmen jene aus dem Munde 
Napoleon's nicht. Wir wollen ganz und gar nicht das 
fegtere, unkoͤnigliche Wort in Schutz nehmen, aber wir 
koͤnnen auch bei Napoleon In den beiden genannten Faͤl⸗ 
(en nur eine augenblickliche Aufwallung und Erregung der 
menfchlichften Gefühle, zweien ungluͤcklichen Gattinnen ges 
genüber, annehmen. Denn, wie bemunderungsmärbig Nas 
poleon auch für ale Zeiten ift, fo hatte doch das koͤnig⸗ 
liche DI der Gnade und Milde feine Stirne nicht gefalbt, 
und feine Achtung für die Öffentlihe Meinung war nur 
zu: oft blos von den Interefien des Augenblicks bedingt. 

(Die Sortfehung folgt.) 





Denkicheiften und Briefe zur Charakteriſtik der Welt und 
Literatur. Vierter Band. Berfin, A. Dunder. 1840, 
Gr. 8. 1Thlr. 18 Gr. *) 


Der Herausgeber — es wirb wol,. wenn ex ſich auch nuf 
dem Titel nur mit einer Namenechiffre hegeichnet hat, bie man 
für Albrecht Duͤrer's halten Tönnte, kein Geheimniß fin, : daß 
es „ge —— D * o w iſt io a fe gs —— — Doeun⸗ 
mente ſeiner Sammlung m . Die pexſchiedenen 
gen der Berechtigung dazu ar mehrfältig in ben — 
zeigen über dieſes Werk beſprochen worden und koͤnnen dahes 
bies ganz übergangen werden, zumal ba der Herausgeber 
meift in ben angemefienen -Srenzligien bes -Exiauhten 
Wir gehen auf. den Inhalt. Es werden uns: Mriefe non vers 
ſchiedenen mehr ober minder berähnaten. Perſonen mitgetheilt, 
von benen einige 3. B. Baum dieſes lettere Gpitheton vardie⸗ 
nen, fondern nur Dusch Geburt oder Inhen Rang ausgezeichnet 
find. Mit den Publicationen folcher Briefe dürfte man fpars 


) Bgl. über bie frühern Bände Nr. 32 9. BL. f. 188 E. 8 
f. 1888, D. Re. 





1112 


famer fein. Im der. Literatur follte nur Das eine Stelle gewins 
nen, was für fih, ohne auf Lebensverhältnifie Rücdficht zu 
nehmen, eine Geltung hat. Mit Freuden wird man aber 
Briefe von Hegel, Humboldt, Goufin, Krau von Recamier, 
Goethe, Gens, Ich, Reinh. Korfter, Ehamiſſeau u. A. m. 
Iefen. Andere Briefe vom durd ihre Lebensverhältniffe bedeu⸗ 
tenden Perfonen, wie Sir William AM Gourt (Lord Heytes⸗ 
bury), Beyme (der preußifhe Großkanzler und früher Lange 


Jahre erfter Cabinetsrath des Königs Friedrich Wilhelm III. von | 


Preußen), enthalten oft thatſaͤchlich Merkwürbiges, weshalb ihre 
Yublication von großem Interefie ifl. Wir bleiben bier ‚gleich 
bei den Briefen von Beyme fleben, die, in Berbindung mit 
Barnhagen’s Lebensgefchichte Blücher's, und des Prof. ©. 
Gans intereffantem Auffag über fein Zufammentreffen mit Jere⸗ 
mias Bentbam *), mehre biftorifche Facta (unter denen uns 
von größter Wichtigkeit die Unterhandblungen des Grafen Haug: 
wis mit Napoleon nach der Schlacht von Aufterlig) in ein ganz 
anderes Licht fegen, als dasjenige, in welchem fie bisher geſtanden. 
Gin Berichterſtatter ift eigentlich in großer Verlegenheit 
einem folhen Mofaitbuche gegenüber. Gr möchte dem Lefer ein 
Bild des Ganzen geben, und es ift fein Ganzes, fondern nur 
Theile; die Theile aber einzeln Eritifh, oder auch nur hiſtoriſch 
> zu beſprechen, Fönnte leicht zu einer Beurtheilung führen, die 
das Buch felbfi an Umfang überträfe. Wir blättern daher hin 
und ber und laffen Zufall und Willkür fchalten. 

Dorothea von Schlegel. Eine Anzahl Briefe, deren Anſpruchs⸗ 
Lofigkeit ihr Hauptverdienft bildet. Sie entwickeln weibliche Beftim: 
mung und Zuftände in angenehmer Natürlichkeit. Dan würde ins 

deſſen, wenn ein minder glänzender Rame davor fände, viel- 
leicht wenig Gewicht darauf legen. Misfallen hat und die Ein- 
leitung bed Herausgebers zu dieſen Briefen. Sie ſpricht in ei: 
ner derbern Weife, als die gebildete Buͤcherſprache überhaupt 
ſollte, von einem aus echt weiblicher Seele gefloflenen Auffage 
in der augeburger „Allgemeinen Zeitung”, ber eine fehr beber: 
nswerthe Stimme gegen die Überverehrung einiger weiblichen 
otabilitäten, die man am beften Afterweiblichteiten nennen 
Zönnte, erhoben bat. Eine Zeit, in der Gutzkow's, Mundt’s 
und Ahnlicher Brundfäge über Weiblichkeit, als übelfchmeden: 
der zweiter Aufguß einer Zriedrich Schleget’fhen Lucinden⸗Phi⸗ 
ofophie, einige Augenblide flimmführend zu werden ben Ans 
fehein hatten, bleibe fi) ganz confequent aud in biefen Perſo⸗ 
nalonwenbungen und Folgerungen. Der Zag der Wahrheit 
und bes ruhigen Urtheild wird aber auch hier nicht ausbleiben 
und leuchtet, wie uns daͤucht, Thon ziemlich nahe. 

Goethes Briefwechſel mit Spontini dreht fi, ſchon 
feit 1830 und 1832, um eine große Oper des Letztern, ein Ge⸗ 
dicht von Jouy „Die Athenerinen‘‘, die noch heute nicht in 
Scene gegangen iſt. Es würde intereffant gewefen fein, ein 
näher eingehenbes Urtheil Goethe's über einen Operntert zu le⸗ 
fen; doch er dreht fich gegen Spontini in ganz allgemeinen 
Phrafen herum, die zugleich auch befunden, daß der Briefftyl 
nicht feine Stärke war. Es ift ein Kanzleihabitus des vorigen 
Jahrhunderts darin, der vielleicht vornehm ausfehen follte, aber, 
jegt wenigftens, nur fleif erfcheint. Beſonders ift dies der Fall 
In ben Briefen an den Derausgeber. Gpontin?’s Briefe an 
Goethe find ein Problem ſchwülſtiger Ausdrucksweiſe. Inter: 
effant if ein Brief von Seydelmann (dem Sthaufpieler), 
der zwar Bein eigentlich fefles Thema bat, aber doch im Bor: 
beigehen viel Gedachtes, oft auch Beiftreiches über die Schaus 
ſpieikunſt, und zumal die unferer Zage ſagt. Das Urtheil 
dee Moe. Grelinger über Mile. Wars und Talma, wels 
es fie in einem Briefe an den Herzog Karl von Medienburg 
ausipriht, muß man geiftvoll und eigenthümlich nennen. 
Der Brief von Hegel an Prof. Gans wird vielleicht als ein 
pilantes Document von ben Meiſten befonders gern gelefen 
werden, doch uns däucht, er wäre beffer weggeblicben. Und 


*) Bin Aufſatz, ber  zuerft 1885 in ber Zeitſchrift „Berlin von 
8. Rellſtab erſchien. 


was auch der Herausgeber in feinem. Kingange dazu fagen 
möge, um das heftige Willet und die Yublicirung beffelben zu 
entfhuldigen, fo fühlt man boch auch, daß er nur dem Reh, 
eine fcharfe Perſoͤnlichkeit mitzutheilen, nicht widerſtehen konnte. 
Hegel würde entſchieden bie Veröffentlichung verneint haben. 
Der Brief von Gens an X, Müller iſt ein Meiſterftück vom 
Harer Vorlegung von Geelenzuftänden und ficherer Entwicke⸗ 
lung verfchiedenartigfter, ineinandergreifender Verhaͤltniſſe. 

Doch genug von ben Briefen. - Xu ein Wort über bie 
mitgetheilten Denkſchriften. Hier feheint dee Derausgeber uns 
nicht mit glüdiichfter Hand gewählt zu haben. Denn das Beſte, 
was wir davon fagen koͤnnen, ift, daß einige dieſer Denkichrif- 
ten Guriofitäten find, etwas Höheres aber gewiß nicht. Es mag 
fein, daß die Briefe über die Familie Rapin:Thopras bei einer 
Special⸗Geſchichtforſchung ihren Werth haben ; doch in biefer Lecs 
ture feſſeln fie (ümertic. Das Memoire des Grafen Haug: 
wig über die Freimaurerei ift allerdings merkwuͤrdig; boch es gibt 
Merkwürbigkeiten in verfchiedenem Sinne. Was der Verf. 
10 Außerordentliche in Bentham's Satire auf bie hiſtoriſche 
Rechtsſchule gelefen, das tft uns aus bem Auffag felbft nicht 
Mar geworden. Er lieſt ſich allerdings engliſch etwas angench- 
mer als deutfch, boch wäre es traurig um bie englifche Literatur 
beftellt, wenn man den Standpunkt ihrer Humoriften nach die 
fem Beifpiele beurtheilen wollte. Der Herausgeber fagt wol übere 
haupt etwas zu viel von Bentham, beffen Bedeutung allerdings 
eine große tft, aber doch nicht eine folche, die nicht auch zu 
dem entfchiedenften @ntgegentreten berausfoderte. 

Das Iekte Document, welches das Buch enthält, erzählt 
uns ein in bez That fehe feltfames Factum. Gin Lieutenant 
bes Regiments Kinski, 21 Jahre alt, Le Breur mit Ramen, 
hat der MWeltgefchichte einen Dienft erwieſen, wie ſich deſſen 
fein Zweiter rühmen Tann. An ihm nämlid lag es, 0b ber 
ganze Öftreidhifche Krieg von 1804, der preußliche von 1806, 
die ſpaniſchen und Öftreiifchen Kriege von 1808—10, bie Felb⸗ 
Bob von 181215, kurz das Großartigfte, was bie Weitge⸗ 
chichte barbietet, ſich begeben follte ober nicht. Blüdlidher- 
weife hat Lieutenant Le Breux die Dinge zugelaffen. Wie das 
zufammenhängt? Gr Eonnte beim Übergang über den 'großen 
Bernhard mit leichteftee Mühe Rapoleon gefangen nehmen, ja 
er hatte ihn ſchon in der Hand, taufchte jedoch die Rolle und 
ließ ſich felbft zum Gefangenen machen. Im andern Falle 
gab es Feine Schlacht von Aufterlig, Leipzig und Waterloo! 
Man fieht, die Welt ift diefem Lieutenant etwas ſchuldig gemors 
ben. Etwas Schauerliches bat diefe Geſchichte aber in der That. 
Men wird zweifelhaft, ob größeres. Glüuck, größeres Genie, oder 
größere Dummheit die Weltgeſchide hindert ‚oder fördert. 

So viel über den vierten Band der Dorom’fchen Sammlung. 
Man fieht, jie bietet dem Lefer mannichfaltiges Intereſſe dar, 
und doch konnten wir vielleicht Faum den britten Theil Deffen 
erwähnen, was fie enthält. 

Wlein wir wollen nicht ohne Poſtſeriptum fdjließen, und dies 
ſoll den geiftreichen, gemüthlich wigigen Mitteilungen von Chamiſ⸗ 
feau gelten, die ben Leſer ganz ungemein erfreuen werben. 





Literarifhe Motizen. ._ 
Bon X. Floquet's auf ſechs Wände bereihnefer „Histoire da 
parlement de Normandie‘’ ift der erfie Band erfchienen, welcher 
bie mertwürbigften pariamentarifchen Geeignifi unter Ludwig XIL, 
und Kranz I. umfaßt. Zugleich machen die Sournale aufmerkfam 
auf die „Annales du parlement francais’, worauf die Deputirs 
tenlammer bereits mit 460 Grempfaren fubfcribirt hat. 


Unter dem Titel „Myosotis’’ hat Paul Masgana bem 
literarifchen Nachlaß des durch fein unglück und feinen Tod bes 
kannt gewordenen Hegeſippe Moreau gefammelt und herausge⸗ 
geben. er en von bem perföntichen Intereſſe 7 * 
man an ngen nimmt man ihn 
terifchen Werth zugeftchen. muß “ “ 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 3. 4. Brodhauß in Leipzig. 














Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


ee Nr. 276, 





2. Dcetober 1840. 





Derfonalien. Gefammelt von Friedrich Jacobs. 
(Bortfegung aus Ne. 28.) 

Fuͤr den lebendigen Antheil, mit dem Jacobs das 
größte Ereigniß des Jahrhunderts, die Befreiung Deutſch⸗ 
lands, feierte, fprechen außer vielen einzelnen Stellen bie 
in Beilage Nr. 42 abgedrudte Anrede eines Thuͤringers 
an feine Landsleute und die Schrift an Germaniens Ju: 
gend: „Deutſchlands Gefahren und Hoffnungen’‘, die, fo: 
wie der Auffag: „Deutſchlands Ehre’ (Vermiſchte Schrif: 
ten, Thl. 1), nicht blos die edelften Sefinnungen athmen, 
fondern auch in einer mufterhaften Sprache gefchrieben 
find. Die nächften Jahre boten wenig Merkwuͤrdiges dar, 
über die neuen Conftitutionen und über das gewaltige 
Streben der Völker nach folchen hat. ber Verf. fchon früs 
her, im erften Bande der „Vermiſchten Schriften”‘, offen und 
freimüthig fein Glaubensbekenntniß abgelegt, ebenfo bie re⸗ 
figiöfen Zuftände an mehren Stellen und zulegt in der Vor⸗ 
rede zu den „Perſonalien“ befprochen. 

Europa — fagt er &. 188 — genoß ber Ruhe nach den Ans 
flrengungen des Krieges, und wir, in unferm Meinen Ausichnitte 
Deutichlands, führten ein flilles und harmlofes Leben unter ber 
wohlgeorbneten väterlichen BVerwaltung gebilbeter und gerechter 
Miniſter, während der Zürft, in befien Namen regiert wurde, 
durch ein unheilbares Übel gänzlich willenlos geworden war. 

Die Liebe und Verehrung der glüdtihen Gothaner 
hatte Jacobs in einer befondern Beinen Schrift: „Go: 
thas Dane am Schluffe der Zwiſchenregierung“, im J. 
1826 gegen die abgehenden Minifter, die Freiherren v. 
Truͤtzſchler, v. der Becke und v. Lindenau ausgefprochen: 
wir freuen uns diefe, im Auslande wenig bekannt gewor: 
dene Schrift hier unter den Beilagen wiederzufinden. Sie 
ft in ihrer Maren und fchönen Sprache ein Mufler po: 
litiſcher Berebtfamteit. 

Mitten unter die heiten Erzählungen aus den Reiſe⸗ 
tagebüchern des Verf. und die Ergüffe feines dankba⸗ 
ten Herzens gegen Ältere und jüngere Freunde tritt als 
ein finfterer Geift die göttingifche Angelegenheit. Der 
Berf. gedenkt der Todesfaͤlle Diffen’s und Goͤſchen's, von 
denen der Erſtere ihm eng befreundet war, und vergleicht 
diefe Euthanaſie mit dem ſchoͤnen Tode des thebanifchen 
Pindarus, der während bes großen Feſtes der Pythier in 
den Armen feines Xheorenos flarb. 

Kaum war — fährt Jacobs fort — der Jubel ber feft- 
lichen Tage von Göttingen verhallt, als bie willtürliche Aufs 


hebung bed von bem Wolke beſchworenen Grundgeſetzes von 1888 
und bie nicht minder willfürliche Verweifung von fieben Pros 
fefforen, die ſich weigerten, einen freiwillig geſchworenen Gib 
gegen einen andern anbefohlenen zu vertaufchen und zu brechen, 
erfolgte. Sieben Männer, für die ein fchulblofes, wiſſenſchaft⸗ 
liches Leben bürgt, an denen kein Werbacht illogaler Gefinnuns 
gen haftet, werden von einem Throne herab, ber burch bas- 
Blut der Vertheibiger. des Rechts und die Heiligkeit der Vers 
beißungen, für die es in jenen fchönen und glorreichen Tagen 
vergoflen wurde, wieberhergeftellt war, aus ihren Stellen ge: 
worfen, weit fie bie Heiligkeit des Eides ehren und Feine Stimme - 
der Mächtigen, vom Rhein bis zur Weichſel, von der Nordſee 
bis zu den Alpen bin, erhebt fi für fie. 

Ref. kann bie ganze Stelle hier nicht ausfchreiben, 
aber fie ift ein fprechender Beweis für die jugendliche: 
Zheilnahme, mit welcher Hr. Jacobs felbft im hohen Als. 
ter die Begebenheiten der Tages verfolge und ohne Scheu 
fie von der fittlihen Seite zu würdigen unternimmt. 

Es mochte wol diefe göttingifche Angelegenheit den 
Verf. um fo tiefer ergreifen, da er ſich aus feinem eige⸗ 
nen Leben erinnerte, wie ihm fürftliche Huld fo oft wohl: 
gethban, und wie namentlich der aligeliebte Maximilian 
Joſeph von Balern und frin Sohn, der jet regierende 
König, ihm in ſchlimmen Tagen feines Lebens die gnd- 
digſten Sefinnungen gezeigt hatten. Wir meinen die Ge 
ſchichte feines dreijährigen Aufenthalts in Baiern (1807 
— 10) und die widrigen Aretin’fchen Händel, in die Hr. 
Jacobs weniger durch perfönliche Verhältniffe als durch 
Verbindungen der Kreundfchaft verwidelt worden mar. 
Das Meifte derfelben ift außer der Grenze von Baiern 
nur fehr unvolftändig, zum Theil durch verfälfchte Nach⸗ 
richten bekannt geworden, auch waren bie Gemüther allzu 
fehr mit den großen Ereigniffen ber Zeit befchäftige, um 


| an den Händeln gelehrter Parteien Theil zu nehmen. 


Daher erſchien es jetzt, wo „bie Urheber des unfeligen 
Krieges die Erde bedeckt und von den Theilnehmern die 
meiften”, ganz unverfänglich, ja in einer Autobiographie 
nothwendig, diefe Vorgänge wahr und aufrichtig zu er 
zählen und mit fchriftlihen Documenten zu befräftigen. 
Niemand, der den Zeichen ber Zeit einige Aufmerkſamkeit 
ſchenkt, wird biefe Blätter in ben „Perſonalien“ uͤberſchla⸗ 
gen wollen: einzelne Bergleichungen mit der jüngften Ver: 
gangenheit beffelben Landes dürften ſich ganz ungefucht 
darbieten. 

Als nach dem tilſiter Frieden Baiern jeden heilſa⸗ 


1114 


men Gedanken, den bie franzöfifche Revolution in Gang 
gefegt hatte, mit weifer Auswahl und Mäßigung in fi 
aufzunehmen fhien, warb Jacobs als Mitglied der 
Akademie und Profeffor am Lyceum nah Münden be: 
eufen. Die äußern Vortheile waren für einen Familien: 
vater fehr todend, und obwol der damalige. Herzog von 
Gotha, Auguſt Emil, [ehr freundliche Gefinwungen gegen 
ihn hegte, fo war es ihm body drüdend und für fein 
Schulamt in Gotha fehr nachtheilig, daß der Herzog bei 
feinem weitläufigen Briefwechfel Cer führte ihn umter an⸗ 


deem mit Mr. Michalon in Paris über Perüden und‘ 


mit Dir. Kreusler über Kleider) und bei feinen poetifchen 
Compofitionen feine Hand zu gebrauchen anfing. Kine 
Abaͤnderung ftand nicht in Jacobs' Macht: nur Ver: 
flimmungen konnten bewirkt werden, bie in feiner Lage 
nichts befſerten. Alfo folgte er feinem Freunde Schlichte: 
groll nah München. Dort ehrenvoll empfangen, nament: 
lih vom Könige, vom Kronprinzen und vom Minifter 
Montgelns, begann er feine Arbeiten in der Akademie und 
im Lyceum mit gutem Erfolge, e6 bildete fich ein fchönes 
geſelliges Verhaͤltniß zwiſchen ihm und zwiſchen ben Fami—⸗ 
lien Jacobi, Schlichtegroll, Niethammer und Wiebeking, er 
erhielt den ehrenvollen Auftrag, dem Kronprinzen über 


griechiſche Geſchichte und Literatur Borlefungen zu halten 


und mit ihm lateinifche Claſſiker zu lefen. 

Ich Hatte Gelegenheit — fagt Jaeobe — das edle Blut 
des MWittelsbachifchen Stammes in ihm zu erkennen, feinen Ei⸗ 
fer, Kenntniffe zu fammeln, feinen Ernſt in wiſſenſchaftlichen 
Belchäftigungen, die lebenbige Achtung, welche er gegen alles 
Große und Schöne hegte, fein Streben nah Großem und 
Ruhmmärdigem, feinen Haß gegen Gewaltthätigkeit und Unrecht 
gu lieben und zu bewunbern. 

Bald aber ſchwanden die fhönen Ausfihten. Die 
Altbaiern geflatteten ſich ironiſche Neben über die Wirk: 
ſamkeit dee aus Norddeutſchland berufenen Akademiker, 
und die mehren berfelben non der Regierung verlichenen 
Ehren und Orden (auh an Jacobs) wurden, wenn 
auch nicht das erfte, doch eimes der wichtigfien Momente 
des Haſſes gegen bie Fremden. Weniger wirkte die Ver: 
ſchiedenheit des Glaubens auf den Zwieſpalt ein, weit 
mehr ſchadete den Fremden ber Umfland, daß ſich [don 
feit langer Zeit in ben altkatholiſchen Ländern Deutſch⸗ 
Innbs die Meinung feflgefegt hatte, die Proteflanten vers 
ashteten” die Kathaliten, glaubten fih an Bildung und 
Kenntniffen ihnen weit voraus und hielten in Folge bie: 
ſes Wahns nicht blos ihren Glauben, fondern Alles, mas 
fie thäten, fuͤr beffee und vorzüglicher. Da nun bie jegige 
Regierung. alle Schranken niedergemworfen hatte, die fo 
lange Zeit. Baierns geiftigen Verkehr mit dem übrigen 
Deutſchland gehemmt hatten, fo glaubte auch ber Baier 
fich ſelbſt genug fein zu können. Da nun aber ber helle 
Seift des Königs und der ſcharfe Blick feines Miniflers 
Montgelas diefe patriotifche Selbfifhägung nicht aner⸗ 
kannte, im Gegentheil fremde, proteſtantiſche Gelehrte her⸗ 
beizog, ſo kehrte ſich der Unwille gegen dieſe. Der alte 
Parteiname der Ketzer war außer Gebrauch gekommen, man 
vertauſchte ihn alſo mit dem der Norddeutſchen, unter die 
man ſogar Fr. H. Jacobi, einen Pfaͤlzer nach Abkunft 


und fruͤherm Dienfte, ſowie alle Wuͤrtemberger begriff, 
und haͤufte auf dieſen Namen alles Boͤſe, vor Allem Ges 
mütblofigkeit, Froſt, Unbehülflichkeit und Verachtung des 
gemüthlichen Sübdeutfchen. . Wie weit der Haß ging, 


möge nur eine Stelle aus einer bairiſchen Zeitfchrift „Der 


Morgenbote““ vom 3. 1809 bezeugen: 

Der Gruntgug bes fübbeutfchen Charakters ift Kraft, ber 
bes nordbeutfchen Schwäche. Daher bei jenen: Ausfchweifungen 
im Genuß ber Liebe und andere ſinnliche Wergnügungen, krie⸗ 
geriſcher Geiſt, Herzensgäte, Offenheit. Bei diefen: Onante (!), 
HDypochondrie, Falſchheit, Feigheit, Ränkefucht. 

Bei den Einzelnen blieben auch Privatintereſſen nicht 
ohne Einfluß; als ein ſolches bezeichnet Hr. Jacobs die 

Hamberger's an die Centralbibliothek, wodurch 
ſich Aretin, der Oberbibliothekar, gekraͤnkt glaubte und von 
jest an allen Verunglimpfungen ber norddeutſchen Ge⸗ 
lehrten ben thaͤtigſten Antheil nahm. 

Der innere Krieg begann mit allerhand Neckereien, 
eine gedruckte Satire veranlaßte den Praͤſidenten Jacobi 
und mehre Akademiker, denen auch Jacobs „aus Liebe 
zu dem tiefgekraͤnkten edeln Greiſe“ gegen feine Überzeu⸗ 
gung an dem guten Erfolge ſich anſchloß, zu einer Diffa⸗ 
mationsklage; aber dee Proceß ging in allen Inſtanzen 
verloren. Darauf erfhien (nach Dftern 1809), faft gleich 
zeitig mit dem Eindringen der Öftreichifchen Deere in 
Baiern, in. Münden eine anonyme Scheift, unter bem 
Zitel „Die Plane Napoleon’s und feiner Gegner, befon 
dere in Deutſchland und Oſtreich“. In berfelben: wur: 
ben die fremden proteflantifchen Gelehrten der feindſeligſten 
Sefinnungen gegen den franzoͤſiſchen Kaifen, ben Verbuͤn⸗ 
beten des Königs von Baiern, angeflagt, es wurde bes 
bauptet, daß fie den fiegreichen Napoleon ohne Bebenken 
ermorden würden, wenn fie bazu nicht. zu feig wären, 
bes Proteflantismus wurde unverhohlen als eine heimtuͤ⸗ 
difche Liga bezeichnet. Die Zeit zur Verbächtigung bei 
Davouſt und andern franzöfifchen Machthabern war wohl 
gewaͤhlt, Palm's trauriges Schickſal noch in friſchem An- 
denken, und fo Fonnten bie Angegriffenen nicht ſchweigen, 
zumal da bie Schrift überall vertheilt und ſogar ins 
Seanzöfifche überfegt wurde Jacobs fchrieb dagegen, 
nachdem das Manufcript der höchften Stelle vorgelsgt und 
von biefer gebillfgt war, ein Werkchen: „Liber Sinn und 
Abſicht einiger Stellen der zu München erfchienenen Flug⸗ 
(helft: Die Plane Napoleon’s” u. f. w., bie er in ben 
Beilagen hat abdruden laffen, und die durch bie Art ber 
Anklagen, die man jegt für unglaublich Halten wird, am 
beutlichften beweiſt, wie peinlich damals bie Stellung ber 


Fremden in München war. 


Da fi aber die bairiſche Regierung bierdurdy nicht 
teren ließ, fo verfuchten die Gegner einen andern Angriff. 
Am 7. Nov. 1809 erhielt Jacobs von unbelannter 
Hand eine Schrift, die, in Form eines an den König ge 
richteten, von dem Präfidenten Sacobi und den Akademi⸗ 
tern Jacobs, Soͤmmerring, Schlichtegroll, Breyer, Feuerbach 
und Niethammer unterzeichneten Schreibens alle Beſchul⸗ 
digungen zufammenftellte, die man gegen fie gemeinfam 
unb gegen jeden Einzelnen herumtrug, mit der Bitte, es 
möge der König gerubhen, dem ſchwarzen Verleumder ein 


1115 


ewiges Stillſchweigen amfzuerlegen und fie ſelbſt wieder zu 
Gnaden aufzunehmen. Gegen Jacobs. war namentlich vor: 
gebracht, er habe den Kronprinzen auf die Seite Oſtreichs 
zu lenken gefucht, uͤber die bairiſche Nation geſchimpft, in 
München Papier beftellt, um bie öfkreichifchen Auftuhrs⸗ 
libelle drucken zu laſſen u. dgl.m. Der fo hart Beſchul⸗ 
bigte wendete fi) in einem, mit echt männlicher Würde 
gefchriebenen, hier abgedruckten Briefe nebft Abfchrift der 
ihn betreffenden Stellen. an ben Kronprinzen und hatte 
gleich ans folgenden Tage die Genugthuung, von dieſem 
Gürften ein Schreiben zu erhalten, welches in energifchen 
Ausdruͤcken bie gänzliche Unfchuld an Allem, was ihm in 
der „namenloſen Schmaͤhfchrift“ angefonnen mar, bezeugt. 
Die Bitte um ſtrenge Unterfuhung konnte felbft der all 
mächtige Montgelas in biefer Zeit der Aufregung nicht 
erfüllen, um nice eine große Partei fih auf den Hals 
zu laden; alfo gingen die Umtriebe ungeftraft fort, mehr 
als hundert Pasquille wurden verbreitet und ange: 
fchlagen und im Lyceum Jacobs gefliffentlih Verdruß 
bereitet. Man wird diefe Erzählung um fo glaubhafter 
finden, wenn man fich erinmern will, wie in aͤhnlicher 
Weife in den 3. 1837 u. 1838 während der Fatholifchen 
Mirren in NRheinpreußen und MWeftfalen durch Pasquille 


und nieberträchtige Umtriebe das Publicum bearbeiter wor: 


den ift, und wie gerade in ben Gymnaſien es öfters ehr: 
liebende Katholiken gewefen find, welche die evangeliſchen 
Schüler gegen die Fanatiker des 19. Jahrhunderts in 
Schug genommen haben. 

Unter ſolchen Verhaͤltniſſen tonnte fich Jacobs in 
München nicht wohl fühlen und z0g ben Antrag bes 
Herzogs von Gotha, die Stelle eines Oberbibliothefare und 
Auffehers des Münzcabinets zu übernehmen, einer Auf: 
foderung aus Berlin, eine Profeffur und Stelle in der 
Akademie der Wiſſenſchaften bafeloft zw bekleiden, vor. 
„Dean”, fo fagt er felbft, „die Erfahrungen, die ich in 
Münden gemacht hatte, waren nicht geeignet, mic zur 
Verpflanzung auf einen fremden Boden zu reizen.” Der 
König Mar unterließ nichts, um Jacobs in München zu 
halten, Daffelbe that Montgelas und Geheimerath Schent 
im Auftrage des Könige. Aber Jacobs blieb feft und, 
als ob die Gegner e8 darauf abgefehen hätten, ihn nod) 
mehr zu beſtaͤrken, festen fie ihre Neckereien fort, ja, Are: 
tin *) verflagte ihn bei dem Stabtgerichte in München 
wegen ber obengenannten Schrift (gleichfam als ob fie ges 
gem ihn gerichtet fei), foderte eine Caution von 1000 Tha⸗ 
lern für den Fall feines Wegganges und ließ ihm Stadt: 
erreft auflegen. Denn er war gegen Jacobs hoͤchlich er- 
bittert, da derſelbe die ihm von der Akademie Übertragene 
Recenfion des Hardt'ſchen Kataloge der griehifhen Hands 
fchriften fo ausgeführt hatte, daß bie Lächerlichen Schniger 
und bie vielen Verfehen, von denen berfelbe wimmelt, jegt 
an ben Tag gelommen waren. Diefer Katalog war frü: 
ber von Aretin herausgegeben worden, und bie freimüthige 
Kritik des gelehrten Philologen hatte bie Ehre des Ober: 


*) Im Buche iſt der Name zwar nicht genannt, aber wol 
in einem Briefe des Verf. an Schüg, der in „Schütz's Le⸗ 
ben und Eharakter“ (1, 211) fteht. 


bibliothekars zu fehr angegriffen, als daß er nicht jche 
Gelegenheit ergriffen hätte, um jenem zu ſchaden und febs 
nerſeits fogar eine Kinge gegen Jacobo einreichte, worin 
er bat, benfelben pro satisfactione publica recht nachdruͤck⸗ 
lich und ſcharf zw beftrafen. Das Weitere über dieſe 
Händel, namentlid über bie Entwendung zweier Bände 
des Kataloge mit Jacobs' Randbemerfungen, über berem 
Urheber mol kein Zweifel flattfinden kann, nebfl andern 
Unwürbigteiten muß in den Beilagen nachgelefen werben, 
Der König machte endlich Allem ein Ende, indem eg 
bem Gtabtgerichte, welches bereits die Aretin’fche 

und den Antrag einer zu ftellenden Caution abgewieſen 
batte, andeuten ließ, es folle der Abreife von Ja⸗ 
cobs kein Hinderniß in den Weg gelegt werben, er fiche 
für ihn ein. Und beim Abfchiede fagte der wohlmollende 
Megent: „Wenn es Ihnen in Gotha nicht mehr gefällt, 
fo kommen Ste zuräd, meine Arme follen Ihnen immer 
offen fiehen.” *) 

(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Gefhidhte von Polen. 

1. Starozytnosci historyczne Polskie, czyli pisma i pamie- 
tniki do dziejöw dawnej Polski, Z rekopismöw zebrai 
Amlbrozy Grabowski. (Hiftorifge Alterthuͤmer von Polen 
oder Denffchriften zur Gefchichte des ehenialigen Polens. Ra 
Handſchriften Herausgegeben von Ambrofius Grabowski. 
Zwei Theile. Kralan 1840, Gr. 8. 5 There. . 

Eine umfangreiche Sammlung von Documenten dur pols 
nifchen Gefchichte, um deren Erhaltung nun, nach der 

tung fo vieler, ſich die Polen beforgter zeigen denn je. D 

vorliegenden Documente find faft ausfchließlich nach alten Ma⸗ 

nuferipten abgebrudt, es iſt die atte Sprache und bei mandhen 
auch die fehr verfchieden und noch ohne alle Brundfäge aus: 
geübte Schreidart beibehalten. Sie beftehen theils in Beſchrei⸗ 
dungen von Krie sebaten, folennen Sefandtfchaften, Hoffeierlich⸗ 
keiten, * B. bei Begraͤbniſſen der Koͤnige u. ſ. w., die von 
ben Theilnehmern ſelbſt herrühren, theils in Briefen, wel 

von polniſchen Koͤnigen und Koͤniginnen und andern hiſtori 

wichtigen Perſonen ausgegangen, ober an dieſe gerichtet find. 

Bon rein hiſtoriſcher Bedeutung find unter Anderm: ein aus 

dem Erafauer Stadtarchive entnommmes Ediet bes senigs las 

diſlaw Jagiello über ein mit bem Pfalzgrafen von Sachſen, 

Wilhelm, abgefchloffenes Schug = und Zrugbündnig von 1408; 

ferner eine Beſchreibung der Schlacht bei Zannenberg im J. 

1410 von Sarnicki, eine von bem berühmten Hetman Johann 

Zamoyſki felbft herrährende Beſchreidung der im J. 1600 dem 

Wojewoben ber Moldau, Michael, gelieferten Schlacht, dann eine 

Rechtfertigungsſchrift des nachher bei Gecora gefallenen Sets 

mans Zolkjewſki über feinen Zug gegen bie Tataren vom J. 

1618; außerdem eine Beſchreibung der Kriegothaten bes en 

und Hetmans Ehriſtoph Radziwill bei Guſtav Abolfs Einfall in 

Dolen und ein fehe umſtaͤndliches Diarfum aus dem Koſacken⸗ ımb 

Zatarentriege von 1651. Bon ganz befonderm Intereſſe find 

die fehr zahlreichen Briefe des Cardinals Hoſius, die berfelbe 

von Rom aus an die Königinnen Anna Jagiello unb Kathas 
rina von Schweden, fowie an einige polniſche Große gefchrie- 
ben bat. Hofius war bekanntlich einer der Beftigften Weinbe 
der Reformation und einer der erften und eifrigflen Anhänger 
bes Zefuitenordens,, er war ed, der biefen Den gm größten 
Schaden ber Reformation in Polen einführte. e blind fein 
Eifer geweien, tft aus den hier mitgetheilten Briefen erfichtlid. 


*) Ebendaſelbſt S. 210 und in des Debication des fechsten Ban⸗ 
bes der Vermiſchten Schriften”, ©. xvin. Wir haben uns 
gern biefes echt fürfttiche Wort im den, Perſonalien“ vermißt. 


1116 " 


n Polen, welche er ber gereinigten Lehre gewogen 
—— —— nennt er biefe nicht anders als „bie teuflis 
fe Lehre”, zu deren Unterbrädung alle Mittel an ewandt wers 
ben bürfen. „Daß es nicht die Sache des Königs wäre”, fehreibt 


iol oder Haller der erfte Begründer einer Buchbruderei in Kra⸗ 
Dan gewefen ; viele Gründe fprechen überwiegend für den Erſten. 


noch von Niemcewicz benusten überaus reichhaltigen Archive in 


Pulawy und Warſchau wirklich vernichtet ober weggeſchafft und 
für die Polen fo gut wie untergegangen find. Es war die erfte 
Sammlung der Art, bie in Polen and Licht trat, daher fagt 
ber Herausgeber, um feine Mitbürger für ein ſolches Unternehs 
men zu gewinnen, in ber Vorrede: „So vieler Einfälle und 
Beraubungen ungeachtet find und noch zahlreiche Handfchriften 
von Landsleuten, die Diarien ber Reichstage, Feldzüge, Nego⸗ 
tiattonen, Befchreibungen von Begräbniffen, Hochzeiten, Reifen, 
endlich Originalbriefe der Könige, Feldherren, Commiſſarien und 
vieler anderer wichtiger Perfonen geblieben. Wie traurig wäre 
es, wenn biefe theuerften Schäge länger den Motten oder wies 
derholten Unfällen blosgeftelt werden follten. Alles bies zw 
fammeln, zu ordnen, zu überſetzen babe ich mir als eine liebe 
Beichäftigung meines Alters auserfehen. Ich verhehle es nicht, 
fo viel Freude mir bie Bilder bes Ruhmes meiner Vorfahren 
gemacht haben, ebenfo viel Schmerz bereitete mir die Kundma⸗ 
Hung unſerer Gebrechen und Fehler. Aber nach dem Beifpiele 
des Sueton und fpäterer Memoirenfchreiber habe ich auch fie 
nicht übergehen mögen. Da ich zugleich im Sinne hatte, Des 
nen, weldjen bie Loofe ber Völker anvertraut find, zu zeigen, 
daß auch die geheimften Zehler den Nachkommen nicht entges 
ben und baß bie Zeit jeden von der Schmeichelei und von ber 
Furcht gewebten Vorhang herabreißt, fo warb ich vornehmlich 
zur Aufrichtigkeit verpflichtet. Dank bem Himmel, daß in 
unferer Geſchichte von jenen Grauſamkeiten und Verbrechen, 
durch welche ſich andere Völker befleckt haben, nichts zu berich⸗ 
ten iſt, der Lefer wird in unfern Hiftorten wol bie größten 
Misbraͤuche der Freiheit, fchwergebüßte Fehler entdedten, aber 
ihre Blätter find nicht durch Blut und Verbrechen gefchänbet.’ 
Die Denkſchriften ſelbſt find von zweierlei Art. Die einen finb 
Überfegungen aus frembiänbifchen gedrudten und handfchriftlis 
en Werken, die auf Polen Bezug haben. Darunter find Aus: 
züge aus Gratian’s Lebensbefchreibung des päpftlichen Runtius 
Commendoni, aus den Relationen bes Vanozzi vom 3. 1596, 
die in der Albani'ſchen Bibliothel in Rom handſchriftlich fidh bes 
finden, aus der franzöfifchen Chronik Polens von Bigenere, der 
gut Zeit Heinrich's III. Anjou fchrieb, aus Waffenberg’s Befchreis 

ung der franzöfifchen @efangenfchaft Johann Kaflmirs, aus 
den Memoiren D’Eonnor’s u. f. w. Won der größten Bedeu⸗ 
tung für Polens und auch für Preußens Gefchichte find die 
vielen Originaldocumente, die von dem 11. Sahrhunderte bis 
zum 3. 1792 reichen; die meiften beziehen fich auf bie Zeiten 
Sigismund’s I., Sigismund Augufl’s und der Könige aus dem 
Haufe Wafa. Auch nur auf bie vorzüglichſten und wichtigften 
befonders hinzumeifen, würbe zu weit führen, daher theilen wir 
lieber einige kürzere vollfländig mit. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen. 


Franzoͤſiſche Blätter bringen die Nachricht, daß ber bes 
rühmte Verfaſſer der ‚‚Sefchichte des römifchen Rechts im Mit⸗ 
telalter”, Dr. v. Savigny, fein großes neues Werk über das 
sbmifche Recht, die Frucht einer 4Ojährigen Arbeit und Er⸗ 
fahrung, unter feinen Augen von Gh. Buenour überfehen Lafle. 
Der erfte Band biefer Überfegung erfcheint bei Firmin Didot, 
der zweite wird im November ausgegeben werben. Diefelben 
franzoͤſiſchen Blätter, welche biefe Nachricht enthalten, nennen 
Savigny den größten Rechtslundigen der neuern Zeit. 


Unter den novelliftifchen und beffetriflifchen Erſcheinungen 
in Paris find zu nennen: „Cecile, histoire contemporaine; 
nouvelles diverses‘, von Mile. Leroyer de Ghantepie; „Les 
deux maitresses‘’ unb „Frédéric et Bernette”, von Alfreb de 
Muffet (2 Bde); „Le fruit defondu’’, von ber Graͤſin Daſh, 
E. Durliac, R. de Beaupoir, U. Esquiros, Th. Gautier 
(2 Bde.), unb „Suzanne et la confession de la Nazarille”, voR 
E. Durlige (2 Bbe.). 5. 


Verantwortlicher Herausgebers Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brodhbaus in Leipzig. 








4 


Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung, 


+‘ 





Sonnabend, 


— Ir. IT. — 


3. October 1840. 








Derfonalien. Gefammelt von Friedrich Jacobs. 
(Beſchluß aus Nr. 276.) 

Mir glaubten, über diefe Begebenheiten nicht ganz 
kurz binmweggehen zu dürfen, da wenigen unter unfern 
durch Verdienft und perſoͤnliche Liebenswuͤrdigkeit ausge⸗ 
zeichneten Gelehrten ſolche Anfeindungen begegnet ſind, 
als damals Jacobs und ſeinen Freunden in Muͤnchen. 
Auch ſolche Dinge gehoͤren zur Charakteriſtik des deutſchen 
Gelehrtenſtandes. Dann aber ſind dieſe Erzaͤhlungen auch 
ein wichtiger Beitrag zur Geſchichte Baierns während fel: 
ner Reorganifation durch den König Marimilian Joſeph. 
Bon diefens werden fehr anziehende Züge erzählt. Am 
Morgen des 4. Februar 1818, wo die erfte Stänbever: 
fammlung eröffnete ward, kam er zu ben Prinzeffinnen, 
wo eben der Kantor Bär Schreibftunde hielt. „Nun“, 
fügte er, „das iſt brav, daß ihr eure Lection fleißig treibt. 
Da will id euch doc auch einmal meine Lection fagen.” 
Und nun z0g er bie Eröffnungsrede hervor und las fie 
ihnen vor. Als im November beffelden Jahres ein päpft: 
licher Nuntius in München eingetroffen war, fprach man 
am Hofe überall im Scherz von ihm. Als er im Iſar⸗ 


thor einfuhr, ging dem eraminirenden Unteroffizier das 


Licht aus, an dem Wagen aber waren Beine Laternen. 
„Das tft halt luſtig“, fagte der König, als er dies hörte: 
„der Here Runtius kommt kaum hierher, fo loͤſcht er uns 
das bischen Licht aus und bringt felbft keins mit.” 

Bei folhen Erinnerungen aus Balern verweilt Na: 
cobs gern, wie ſchon die Zufchrift vor dem .fechsten 
Theile feiner „„VBermifchten Schriften” an den bairifchen Ge⸗ 
heimenrath v. Mol gezeigt hat. Wie Truͤbes ihm auch 
in den 3. 1809 u. 1810 widerfahren war, fo begrüßte er 
doch Münden in den J. 1818 u. 1825 mit der herzlich: 
ſten Freude wieder und fand fich durch die herrliche neue 
Schöpfung, über der Marimiltan Joſeph wie eine fichtbare 
Providenz maltete, durch die gehobenen Anftöße, durch die 
zu den edelften Zielen gebahnten Wege, duch die Gleich: 
fielung der Gonfeffionen, durch die Blüte der wiffenfchaft: 
lichen und Kunftanftalten zu den freudigſten Betrachtun: 
gen angeregt. Vor Allem rührte ihn des greifen Königs 
herzliche Aufnahme: fein Gruß war der eine vertrauten 
Sreundes. 

Die Befchreibung feiner, Reifen, wie ber foeben er: 
wähnten nah Münden, oder der an dem Rheine, nach 


Hamburg, Dresden, Prag, Heidelberg und zum zweiten 
Philologenverein nah Manheim, wo feine Erfcheinung 
von der Verſammlung als ein Feſt gefelert wurde, ferner 
die Reifebriefe aus Oberitalien im J. 1825 unterhalten. 
ben Lefer auf das angenehmfte, befonders durch wichtige 
und intereffante Perföntichkeiten. Denn bei den Nature 
und Staͤdtebeſchreibungen, wie fie von fo Dielen gegeben 
find, bat, mit Ausnahme Staliens,. Jacobs nicht zu 
lange verweilen wollen. So begegnen uns ſowol auf bies 
fen Reifen al& in dem Wohnorte des Verf., dem freund: 
lichen Botha, eine große Anzahl beutfcher Namen von dem 
beften Klange, die gothaifchen Zürften Ernft IL. und Aus 
guft Emil; Gefhäftsmänner wie Montgelas, v. Hoff, v. 
Truͤtzſchler; Geiftliche wie Löffler; Gelehrte wie Schlichtes 
grol, Schag, Sömmerring, Heerenz Philofophen wie F. 
H. Jacobi; Philologen und Schulmänner wie Wunder: 
ih, Manſo, Diffen, Bed, Hermann, Bättiger (S. 156 
ein fehr richtiges Wort über ihn), F. A. Wolf, Paſſow, 
Reifig, Thierſch, Döring, Schäg, Treuzer, Heyne, Roft, 
Stroh, Huſchke; Klnftter wie Langer, Tiſchbein und Emil 
Jacobs; Dichter wie Tieck und Ernſt Schulze; Buchhaͤnd⸗ 
ler wie Frommann — und viele Andere, denen bie Dank: 
barkeit des Verf. hier in kuͤrzerer Erwähnung oder in laͤn⸗ 
gern Auffägen in den Beilagen einen chrenden Denkſtein 
gefegt bat. Und da von ihm die Schidfale bes eigenen 
Lebens erzählt wurden, fo fand auch der ruͤhrende Er: 
guß herzlicher Liebe gegen die Seinigen bier eine gebuͤh⸗ 
rende Stätte. Des würdigen Vaters Andenken ift glei) 

auf den erfien Seiten gefeiert, feinen vier noch lebenden 
Kindern iſt die Schrift zugeeignet, das Lob der beiden 
vor Ihm geflorbenen Gattinnen ift mit rührender Einfach: 

heit niedergefchrieben (‚was fie mic geweſen zu befchreis 
ben, will ich nicht verfuchen”), den am 29. Juli 1833 
in der Blüte feiner Zahre verftorbenen Erſtgeborenen, Frie⸗ 
drich Joſias, ehrt ein vortrefflicher Nekrolog. 


Diefer Liebe zu den Seinigen und zur flillen Häus: 


lichkeit verdanken auch die Schriften von Jacobs für - 


Kinder und Frauen ihre Entftehung. Über diefe wollen 
wir zum Schluſſe unferer Anzeige ſprechen, da auch fie 
dem Verf. viele Freunde in der Iefenden Welt erworben 
und gezeigt haben, daß ein Philolog auch über andere als 
philologifhe Gegenftände gut fhreiben kann. Die erfte 
Gabe diefer Art war „Alwin und Theodor”, dann folg⸗ 


1118 


ten „Die JFelerabende zu Malnau“, „Die Khrenleſe“ u.a.m., 
keineswegs In ber Abficht, die Unzahl der Kinderfchriften 
zu vermehren, welche damals in großer Menge mit und 
ohne Kupfer zum Vorſchein kamen, fondern ihnen ent: 
gegenzutreten. Neun Jahre fpäter entflanden faft am 
Bette der fhwerleidenden Gattin „Roſaliens Nachlaß“ und 
„Die Dentwürdigkeitn der Gräfin Katharina v. Sando⸗ 
val”, denen fodann eine Anzahl anderer Schriften folg: 
ten, welche Jacobs fpäterhin unter dem Titel „Die 
Schule der Frauen’ vereinigt hat. Diefe Bücher zeich⸗ 
nen ſich durch den Geiſt echter Frömmigkeit und Sitt⸗ 
lichkeit, der in ihnen weht, die zwedmäßige Schilderung 
bes wirklichen Lebens und die Schönheit der Schreibart 
fo vortheithaft aus, daß ihnen in ber neuern Literatur 
wenige an die Seite geftelle werden können. „Er fe 
darin”, urtheilte &. A. Wolf, *) „der deutſche Gellert; 
ganz fo wuͤrde diefer Ehrwuͤrdige ſchreiben, wenn er jetzt 
und in ber vollendeten Anſchauung des clafjifchen Alters 
thums lebte.” Bon den Novellen und Erzählungen, bie 
innechalb ber 3. 1824— 27 in fieben Bänden erfchienen 
find, laffen wir den befcheidenen Verf. ſelbſt fprechen: 

Es hat mich nicht gereut, biefen Spielen ber Phantafie 
einige Zeit gewidmet zu haben. Sie haben zu meiner Erdhei⸗ 
terung beigetragen; auch haben fie mir in ber Iefenden Welt 
Freunde erworben, ohne mir die Freunde zu entziehen, bie ich 
unter den Philologen hatte. Wie viel von biefer Gunſt dem 
poetifhhen Werthe dieſer Arbeiten angehört, Tann und will ich 
nicht beurtheilen; gewiß aber haben die Gefinnungen, welde 
ihnen ir Grunbe liegen, daran Antheil gehabt. Es if übri⸗ 
gens nicht ohne Abſicht gefchehen, daß ſich in einigen berfelben 
Menſchen zufammenfinden, die durch die verfchiedenartigften Kors 
men bes Qultus getrennt, durch eine wahrhafte und tiefe Froͤm⸗ 
migkeit, als ben Kern aller Religionen, ohne Nachtbeil für diefe 
zu einer fchönen und edeln Liebe verbunden werben. 

In gleicher Weife fpriche fidy der ehrwürbige Jacobs 
in der Vorrede über die Religion aus, manchen unter 
den Reuproteftanten und Altlutheranern zum Ärger, Al: 
len aber, die fich, wie der Apoſtel Paulus fagt, der thoͤ⸗ 
richten und unnügen Fragen entfchlagen, da fie nur Zank 
gebären, gewiß zur Freude. 

Brömmigkeit — fagt ee — unb Glaube an ſchwankende 
Lehren find verfchiebene Dinge und bie Geligkeit, d. i. das Be: 
wußtfein von dem Frieden mit Bott durch ein fittliches und 
reines Handeln, wird nicht durch das Bekenntniß biefes oder jes 


nes Symbole gewonnen. Diefer Glaube hat mid mein ganzes - 


Leben hindurch begleitet; und je beſſer ich die Geſchichte des 
Ehriſtenthums unb ber Menſchheit kennen gelernt babe, deſto 
mehr bin ich überzeugt worben, baß man den wahrhaft chrifts 
tihen Sinn nit bei Denen fuchen müffe, die den größten 
ud in Behauptung ber Lehre zeigen, mag biefes bie alte 
tgläubige ober bie rationaliftifche fein. Der Vorwurf bes 
Hochmuthe, ben man bisweilen den Altgläubigen gemacht, ges 
reicht diefen, wenn er gegrünbet ift, gewiß nicht zur Ehre; if 
aber barum ber Dünkel der ſich aufgellärt Mennenden Lobens: 
werth? Mile in ben Tagen politifcher Aufregung die von Frei⸗ 
heit Beraufchten die Freiheit in Verruf brachten, fo bat bie 
Prahlerei der Aufgeltärten bie Aufklaͤruag felbft zu einem Kenn⸗ 
gelden der Seichtigkeit ugd bequemen Unglaubens berabgebracht. 
o Hochmuth ift, bleibt auch ber Hab nicht fern. 
Klar und ſchoͤn ſpricht der Verf. weiter hieruͤber, er 
äeigt, wie dio proteſtantiſche Kirche jetzt eine ganz ambere 


*) In Paſſow's Leben und Briefen, S. 290. 


geroorben fei als zur Beit ber Meformation, de warnt vor 
den Gefahren nicht aͤußerer Gewaltthaͤtigkeit und firenger 
Orthodoxie, fondern vor ber Gefahr, die ihren Anſpruch 
auf Wahrhaftigkeit und fie ſelbſt in der bedenklichften 
Weiſe bedroht... Denn da ber proteftantifche Lehrbegriff 
sum großen Theile meiaphyſiſcher Art umb am deu Bau: 
ben an biefe Lehren nach dem lutheriſchen Katechismus 
bie Hoffnung ber Seligkeit gelnüpft if, fo wird es 
nur zu leicht gefchehen, daß durch Verwerfung der meta: 
phyſiſchen Glaubenslehren bei Vielen auch gegen ben ei: 
gentlich religiöfen und ethifhen Theil der Religionslehre 
Gleichguͤltigkeit entftehe. 

Wer möchte aber — fährt ber wohlmeinende Verf. fort — 
eine folche Folge herbeiführen wollen? Sie wirb aber unvers 
meidlich herbeigeführt, wenn von ber Kanzel herab, ober aus 
populairen Schriften geacdhteter Theologen eine andere kehre ers 
fallt, als in den Schuien gelehrt wird; wenn bie Anhänger 
der legtern der Verachtung, und im Ba fie ſich zu Vertheidi⸗ 
gern bes ihnen früher empfohlenen und als Weg zum Heil ges 
eigten Glaubens aufwerfen, dem Vorwurfe der Froͤmmelei, ber 

erfinfterungsfucht und bes Myſticismus blosgeftellt werben. 
Diefer Zwieſpalt iſt gegenwärtig auf den @ipfel getrieben. Der 
Kirchen⸗ und Schulglaube iſt ein anderer, ber Glaube der aufs 
geklärten Geiſtlichkeit auch ein anderer ; von Grenze zu Grenze 
mwechfelt er, Während fi) aber die proteflantifhen Gemeinden 
entzweien, und bie Gemeinden an ber Ifar den Bemeinden an 
der Gera und Iim Unglauben vorrüden, und Niemand aus bem 
Irrſal einen Ausweg finden Bann, tritt die roͤmiſche Kirche, im⸗ 
mer aufmerkſam auf die Schwäde ihrer Gegner, feſten Schrits 
te6 hinzu, gewinnt jenen einen Vortheil nach dem andern ab 
und verflärkt ihre Reihen mit Denen, bie ſich nach einem pos 
fitiven Glauben fehnen und, ſelbſt nicht vermögend, die im Wirr⸗ 
ware der Meinungen verſteckte Wahrheit aufzufudyen, ſich dahin 
wenden, wo ihnen Das, was fie fuchen, als baare und echte 
Münze zugezählt wird. 

Möge eine ſolche Warnung, ein fo gewichtiges Wort - 
eines fcharfen Beobachters nicht ungehoͤrt verhalten! Ders 
jenige, welcher es ſprach, iſt fein ganzes Leben lang frei 
von Parteiſucht und Kaftengeift geweſen, er iſt ein sa- 
cerdos vivumque exemplar sincerae humanitatis, tie ihn 
da& Decret der manheimer Pbilologenverfammiung aus 
ber gemwandten Feder des marburger Profeflor Hermann 
fo richtig genannt hat, bis auf ben heutigen Tag geblie- 
ben. Deshalb verdient Jacobs, daß man ihn überall 
höre, wo fi in unferm Vaterlande der Sinn für fromme 
Michterfuͤllung, chriſtliche Tugend und edle Wiſſenſchaft 
noch lebendig erhalten bat. 11. 





Zur Geſchichte von Polen. 
(Beſchluß aus Nr. 278.) 

Gigismund I. ſchreibt an bie Königin Bone Sforza: „Wir 
danken Bw. Majeſtät inſtaͤndigſt, dab Sie uns in Betreff der 
unerhörten Neuerung bei Befehung des durch den Tod bes Eras⸗ 
mus Giolek erlebigten plocker Bischums Ihre Warnung haben 
zufommen laſſen. Wir haben dem heiligen Water felbft einen 
Sandibaten vorgefählagen und zugleich erflärt, daß wir Keinen 
anbern annehmen wärben. warten alfe der Nachricht, daß 
der heilige Water unfern Rominaten beftätigen werde; wii er 
dies nicht thun, fo werben wir nach dem Beiſpiele anderer Mo⸗ 
nardhen, und zumal nach dem Weifpiele unferer Vorfahren mit 
Kraft auf unferm und unfers Königreichs Rechte befteben. Denn 
es wäre bie gefährlifie Sache, wollten wie in unfer Rönigs 
reich einen von Denen einleffen, bie gegen uns alle mög 


[4 








1118 


Stine ſchieben, unb beren finb nicht wenige; ſelbſt wenn ber 
Menden des Hodmeifiers von Preußen, wie es feine Pflicht iſt, 
uns geherfam wäre, fo wäre es bad) ein übles Beiſpiel, wenn 
Semand anders und nicht wir felbft uns mit Rathöherren vers 
fähe. Es fei daher Ew. Majeſtaͤt verſichert, daß wir unferer 
Würbe und unſern Rechten nichts vergeben werben. Wilna 
den 16. Rovember 1522.” 

Derſelbe König ertheilt dem Franz Tege, Gefandten bes 
Herzogs Albrecht von Preußen, folgenden Beicheib: „Se. Mas 
jeät Hat, mas in der Zufchrift des Herzogs von Preußen ents 
baltın wer, mit Fleiß erwogen. Sie hätten aber gewünfcht, 
daß diefe Bitten mit größerm Bebacht abgefaßt wären. Denn 
obgleich es der Herzog anerkennt, baß er in doppelter Rüdficht 
ein Unterthan Sr. Majeftät fei, zuerſt als Lehnsmann, dann 
als naͤchſter Verwandter und Sohn, fo ſcheint er in feiner 
Schrift doch außer Acht gelaſſen zu haben, fowol was ber Lehns⸗ 
mann feinem Herren, als auch was ber Sohn dem Bater fchuls 
dig if. Se. Majeſtaͤt konnte biefe Vergeßlichkeit beftxafen, fie 
giebt es aber vor zu verzeihen. Niemals hat Se. Majeftät ets 
was getham, was den eingegangenen Verträgen zuwider gemefen 
wäre. Es befteht gegenfeitige Hanbelsfreiheit zwiſchen beiden 
Ländern, polniſche wie preußiſche Kaufleute kaufen und verkau⸗ 
fen ihre Waaren in beiden Ländern ohne das geringfte Hinder⸗ 
nis. Wenn es der Herzog fo übel aufgenommen bat, daß ihm 
auf dem Reichstage verboten worben, Geld zu ſchlagen, fo mag 
der Herzog wiſſen, daß auf biefem Reichsſtage über nichts fo viel 
geklagt und gemurrt worden wie über biefes Geld, und daß 
Ce. Majeftät dem Verlangen bes Reichstags ſich nicht wibers 
fegen Eonnte. Doch kann der Herzog feine Vermittler auf ben 
Bünftigen Reichötag fenben, damit die Sache noch einmal vers 
handelt werde. Nochmals ermahnt Se. Majeftät ben Herzog 
von Preußen, es nie aus feinem Gebächtniffe zu laffen, daß er 
ein Unterthan und Sohn bed Könige von Polen fei, und fi 
nie anbers zu benehmen, als rote es bem Unterthan gegenüber 
dem Heren, ober dem Bohne gegenüber dem Vater zulommt. 
Ale Hochachtung, die der Herzog dem Alter und ber Würke 
des Königs erweifet, wird zu feiner eigenen Ehre gereichen.” 


tere Nachricht 

ſchon längft eingeſchmolgen. 

3. Kodex dĩplomatycany wielkiej Polski. Codex diplomati- 
eus Majoris Peloniae, collectus a Casimiro Ruosyaski, Ca- 
pitaneo generali Majoris Poloniae et Mareschalco aulae re- 

gise. Edidit 35* —— — 6 Ehe. 

Der en fo loma liegt am Tage. 

Sie find De tan. auf welchem das Bebäube ber Ge⸗ 


ſchechte gegründet ift und ſich erhebt, und für das Mkittefakter 
fat das eingige Licht, bei dem dee Hiſtoriker feine Gchritte mie 
Sicherheit thun Bann. Indem fie die Angaben ber Ghrontöen 
ergänzen und berichtigen, find fie eine reiche Quelle, aus ber. ° 
ber Diplomat, Geſedforſcher, Hiſtoriker, Heraldiker und Gey« 
graph unaufpörtich zu fchöpfen verpflichtet ift, fie find zugleich 
ein Cpiegel der Jahrhunderte, in welden bie Gefdhichtsforfder 
fleißig zu ſchauen haben, um nicht nur die volle Wahrheit, 
fondern biefe auch in ihrem eigenthümtichen Golorit zu erken⸗ 
nen und barzuftellen. Deshalb find diplomatiſche Gobdices bei 
allen gebildeten Wölkern bochgeachtet und fie befigen viele 
Sammlungen ber Art. Bei den Polen hat fidy ganz beſonder⸗ 
der Geiſtliche Dogiel durch Herausgabe feines „‚Diplomatifchen 
Goder bes Königreichs Polen und des Großherzogihume Lithauen‘‘ 
verdient gemacht, fein Werk ift aber in mancher Kuͤckſicht uns 
genügend, weil es fi nur auf die Berhättaiffe Polen zum 
Auslanbe bezieht. Dagegen iſt das weite Feld der Innern Zus 
fände der Republik in legislativer und moralifcher Hinſicht 
noch wenig bebaut. Run iſt zwar bie VBearbeitung des Bro 
felber ſchwierig, aber mie groß iſt auch der Nuten, den biefe 
hier verfpricht. Erſt biplomatifche Godices Lönnen bie polntfchen 
Geſchichtſchreiber in den Stand fegen, bie wahren Werhältnifie 
ber polniſchen Fürſten zu ber Geiftfichkeit und zum Abel, der 
Städte zur Regierung, ber Bauern zu ben Beſigern ber Lands 
güter aufzupellen. Im biefee Weiſe weil der Herausgeber bes 
vorliegenden Werkes auf ein überaus wichtiges und erſprießliches 
Ziel bin. Gin Dauptmittel, es zu erreichen, iſt ein fieißiges 
Durchforſchen ber Provinzialardyive, in denen noch viele unans 
getaftete Schäge zur polnifchen Befchichte verborgen find. Das 
wird Niemand leugnen, ber in Polen jemals Xcten der Grob: 
gerihte ober die Archive ber Städte, Gonfiftorten, Domcapitel, 
Klöfter und angefehenen Häufer durchſtoͤbert oder fich überhaupt 
—* Geſchichte Polens aus dem 18. — 16. Jahrhunderte be⸗ 
aßt Hat. 

als General von Großpolen und Hofmarſchall ber Krone 
brachte Graf Kaſimir Raczyaſki im vorigen Jahrhunderte vorge 
liegenden Gober zufammen, welchen aus Familienarchiven vers 
vollftändigt nun defien Enkel, Graf Ebduard Raczyaſki, dem die 
polnifche Literatur ſchon fo viele wichtige biftorifche Werke vers 
dankt, ber Öffentlichkeit übergibt. Die Sammlung enthält 170, 
meift lateiniſche Documente, barunter päpftliche Bullen, Tönig« 
liche Privilegien ber Städte, Kiöfter u. f. w. Das ältefle Dos 
cument vom I. 1136 iſt eine Bulle bes Papftes Innocenz, in 
der die Höchft bedeutenden Beſitungen des Srzbifchofs von Gnefen 
aufgezählt werben. Die meiften Documente find von fpecielem 
Intereſſe für Großpolen, viele beziehen fich auf kirchliche Ver⸗ 
bältniffe. Unter denen allgemsinern Inhalts ik ein Privilegium 
bes Königs Wladyſlaw Zagiello vom I. 1390, durch weiches 
derſelbe alle fremben Kaufleute in Schug nimmt; b ein ans 
bexes vom I. 1455 beflimmt König Kaflmir die Handelſtraßen 
durch gang Polen. Richt ohne Intereſſe find auch die beigeges 
benen Warfimile ber Handſchriften aus vexfchiebenen Jahrhun⸗ 
derten, fowie bie Abbilbungen einiger Siegel. Das neuefte Dos 
cament if vom 3. 1597. T. 


Literariſche Notizen. 


1120 


ber Gefangenen voneinander und das Abfons 
—e ü“ e — —' bes Nachts in einſamen Zellen mit gemein⸗ 
famer Arbeit bei völligem Stillſchweigen des Tages, ſtehen eins 
ander gegenüber; nur über ben Worrang bes einen biefer Sy⸗ 
fieme vor dem anbern flreiten fih die Anhänger des Beſſerungs⸗ 
foftems. Da nun dies ber gegenwärtige Stand der Frage ift, 
fo mußte die Schrift des Hrn. Grellet, nach Beſchaffenheit der 
keſer, ſehr verfchieden aufgenommen werden. Die Gtreitenden, 
weiche wenig oder nichts darin finden, was mit ihren vorges 
faßten Meinungen in Verbindung fteht, werden ihr nur ein 
mittelmäßiges Intereſſe fchenken ; vielleicht werben fie fpäter auf 
diefelbe zurücdtommen. Aber bie wahren Freunde der Reform 
der Befenaniffe, die Freunde ber Gefangenen, welche, ohne den 
Grad von Wichtigkeit, der mit der Streitfrage verknüpft iſt, 
zu veilennen, das ganze Verbefferungsfuftem nicht darein fegen 
und eine Parteifrage daraus machen, werben bie obgedachte 
Schrift aus einem ganz andern Geſichtspunkt betrachten. Was 
Hr. Grellet vor Allem fludirt, was ihn intereſſirt, ift der 
Menfh in dem Gefangenen und nicht blos ber Gefangene, 
noch weniger der Gefangene von Auburn oder von Cherry Bil. 
Er verliert nie den Zweck des Penitentiaicfyftems aus den Aus 
gen. Dieſer Zweck it bie Wiedergeburt des Verhafteten. Aber 
um ben Gefangenen wieberzugebären, fagt Grellet, muß man 
den Menſchen wiebergebären. Das Ginzige, was diefes Wert 
der Drenfchenliebe von jedem andern unterfcheidet, find bie bes 
fondern Umftände, worin der Gefangene ſich geftelt findet; 
aber der Grund bleibt derfelbe. Vorſtellungen, Gefühle, Rei⸗ 
ungen, Gewohnheiten müffen bei dem Gefangenen, wie bei 
—* andern Menſchen, den man beſſern will, veraͤndert wer⸗ 
den. Aber welche auch die Einrichtung ber Beſſerungsanſtalt 
ſein mag, ſo bleiben die Mittel der Beſſerung noch immer die⸗ 
jelben. Hr. Grellet zeigt ſich indeß keineswegs gleichgultig ge⸗ 
gen die Art und Weiſe, wie das Gefängniß eingerichtet iſt. Er 
bat fi für das Syſtem ber einfamen Ginfperrung zur Nacht 
und der gemeinſchaftlichen Arbeit bei völigem Gtillfhweigen 
- am Tage erlärt. Aber er hat ſich dafür mit der Unabhängigs 
teit und Behutſamkeit, die ihn charakteriſiren, oem 
Er erzählt die Beobachtungen, Weflerionen und Thatſachen, 
die ihn beftimmt haben. Gr hat fi nie von ber aufrichtig⸗ 
ſten Unparteilichkeit entfernt. Auf die günftigfte Weiſe geftellt, 
um feinen Gegenſtand zu flubiren, richtet er ſich nad) den That⸗ 
ſachen, den Beobachtungen, bie nicht von geftern find, und 
nah den behutfamen und begründeten Bolgerungen, bie er aus 
ihnen zieht. Der erfte Band feines Werkes iſt weſentlich dazu 
beftimmt, bie Organifirung einer Straf⸗ und Befferungsans 
ſtalt zu befchreiden; er erklärt barin den Zweck einer folchen 
Anftalt und fchlägt dann bie nothwendigen Bedingungen zur 
Erreichung dieſes Zweckes nach und nach vor. Hier ift er noch 
in der Theorie und ſteigt nur zu allgemeinen Anwendungen 
herunter. Im zweiten Bande wendet er ſich ausſchtießlich An 
bee Ausübung. Wir empfehlen biefes wichtige und lehrreiche 
Werk allen Menſchenfreunden, welche auch mit ihren gefallenen 
Brüdern Mitleid haben und zu deren Aufrichtung und Beflerung 
gern beitragen möchten, zum ernften Studium. 


An Paris erfchten 1839 ein hoͤchſt intereffantes Wert 
vom Baron Degkrando: „De la bienfaissance publique”, 
(4 Bde.), welches - allgemein bekannt zu werben verbient. 
In einem frühern Werke: „Le visiteur du pauvre’’, batte der 
edle Verf. die Regeln der Privatwohlthätigkeit aufgeftellt, in 
diefem handelt ex von ber Öffentlihen Wohlthaͤtigkeit und zeigt 
die Verbindung, welche zwiſchen biefen beiden Arten von 
Wohlthun flattfinden muß. Aber gleiih im Anfang ſei⸗ 
nes Werkes bemerkt er, daß biefe Eintheilung nicht exfchöpfend 
fei, fondern daß es noch eine dritte Art von Wohlthätigkeit 
gibt, nämlich die der freiwilligen Wereine von bloßen Private 


tigften bisher Aber die öffentliche Wohlthätigkeit 

Schriften an, analyfirt fie mit Wohlwollen und ſpricht mit 
Adtung von ben guten Abfichten ihrer Verfaſſer. Im erſten 
Band des Werkes handelt er von der Dürftigkeit überhaupt, 
weift ihre Quellen nad, würdigt ihre Werhältniffe zu den Ge⸗ 
fegen, den Bitten und dem Zuftande der Bewerbthätigkeit eines 
Landes, zeigt die Rechte ber Armuth auf Unterlügung und bie 
Grenzen dieſer Rechte und ftellt endlid den Umfang des Übels 
dar, welchem bie Öffentliche Wohlthätigkeit abzubelfen beftimmt 
it. Der zweite Band iſt ben Anftalten gewidmet, die zum 
Zweck haben, ber Verarmung vorzubeugen. In bem dritten 
prüft er die Öffentlichen Heilmittel gegen bie Armuth und 
fommt im vierten Bande auf allgemeine Betrachtuingen über 
das Ganze der Unterflügungsanftalten zurüd. Er gebt die Bes 
fhichte der verfchiedenen Geſetzgebungen fowol bes Alterthums 
als der neueren Zeit über das Armenweſen duch, würbigt ihren 
Geiſt und ihre Ergebniffe u. f. w. Der Berf. hat eine große 
Anzahl der Armens und Wohlthätigkeitsanftalten, bie er bes 
ſchreibt, felbft beſucht. In diefer Statiſtik der Armuth folgt 
man mit Intereffe feiner Befchreibung ber Armens unb Wohls 
thärigkeitsanftalten Frankreichs, Englands, ber Schweiz, Itas 
liens, Spaniens und ber KBereinigten Staaten Rorbameritas. 
Überhaupt ift biefes Werk nicht allein ein gutes Buch, fondern 
auch eine gute That. Der einfache und klare Styl, die firenge 
methobifche Ordnung ber Ideen und bie edeln Beflnnungen bes 
Verfofferse werden allen Dentenden und Fühlenden das Leſen 
biefes Werkes interefiant machen; aber insbefonbere empfehlen 
wir bdaffelbe allen Mitgliedern von Wohlthaͤtigkeittanſtalten und 
den Dienern der Religion, deren heilige Pflicht es ift, die Armen 
zu befuchen und zu tröften, zum ernften Studium. 18. - 


Deutſche und franzöfifche Literatur in Rorbamerika. 


Auch in ihrer Theilnahme für die ernflere Literatur bes 
Auslandes fcheinen die Bürger ber Vereinigten Staaten, ihrem 
Wahlfpruche „Go ahead!’ getreu, bie des Mutterlandes überbies 
ten zu wollen. Befonders zeigt fich biefer Geiſt in Bofton, bas 
man überhaupt mit Bezug auf geiftige Regſamkeit die erfte 
Stadt der Freiftaaten nennen barf, und wo, für größere Theil⸗ 
nahme an dem literarifchen reiben Deutſchlande, wol auch 
bas Wirken zweier trefflicher Landsleute, des gu frühe uns ents 
riffenen Follen unb bes Serausgebers bes amerilanifch umge⸗ 
formten „Converſations⸗Lexikon“ nicht ohne Bolgen geblieben iſt. 
Unter bem Titel „Specimens of foreien standard literature‘ 
gibt George Ripley eine Reihe von Überfehungen ber Werte 
von Goufin, Jouffroh, Guizot, Benjamin Gonftant, Gerber, 
Schiller, Goethe, Wieland, Leffing, Zacobi, Fichte, Schelling, 
I. 9. 8. Richter, Rovalis, Uhland, Körner, Holty, engel, 
Neander, Schleiermader, de Wette, Olshaufen, Ammon, Haſe 
und Tweſten heraus. Geit zwei Jahren find etwa 40 Bände 
erfhienen. Jede Überfetung ift von Ginleitungen und eriäus 
ternden Anmerkungen begleitet, die in mehr als einer Bezieh 
böchft werthvoll find. An eine foldde Unternehmung würde 
in England kein Buchhändler wagen; daß ber, wenigſtens ebens 
fo vorfichtige Amerikaner fich einließ, gibt den ſprechendſten Bes 
weis bafür, daß biefe Überfegungen einem wahren Bedürfnifie 
feiner Zeitgenofien entſprechen. In ber Ramentifte, die übris 
gens noch nicht definitiv feſtgeſtellt iſt, mag uns mandje Lüde 
auffallen ; Vieles aber, 3. B. Kant, ift fchon überfept. In dem 
theologiſchen Zweige mag es uns, bei ber großen Vieiſeitigkeit, 
bie hierfür in den Vereinigten Staaten herrſcht, billig wundern, 
daß Paulus und Strauß vergeffen wurden. ine englifche Übers 
fegung bes Hauptwerks bes Letttern würbe gewiß ** 
Leſer finden; bie meiſten Englaͤnder, welche dieſes Buck jett 
beurtheilen, kennen es nur aus der noch unvollſtändigen frans 
eihen Überfegung, welche viele Abnehmer in England ges 


perfonen. In finer inhaltreichen Einleitung führt er die wich⸗ funden hat. | 48, 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





— 





Vittoria Accorombona. Ein Roman in fünf Büchern. 
Zwei Theile. Bon Lubwig Field. Brelau, Mar 
u. Comp. 1840. 8. 3 Thlr. 

Die Kritik follte den Werth Deſſen, was in Staat, 
Kicche, Phitofophie, Poefie u. f. w. gefchieht und zu Tage 
gefördert wird, für die Gegenwart und Zukunft feflfegen. 
Sie ift aber nur zu oft in Lob und Tadel befangen und 
parteliſch, oder fie verhält fi auch ganz gleichgültig, fo: 
daß ihr Geſchaͤft lediglich der Geſchichte anheimzufallen 
und diefe, wie man gefagt und oft wiederholt hat, das 
Meltgericht zu bilden ſcheint. Aber abgefehen davon, daß 
die Gefchichte immer nur hintennady kommt und nur fel: 
ten das Gegenwärtige aus dem Bergangenen beurtheilen 
lehrt, bat fie oft dem Unbebeutenden, ja Schlechten eine 
kuͤnſtliche Dauer verliehen, während das Edelſte und 
Scönfte völlig zu Grunde gegangen und verloren iſt. 
Zum Theil haben biefe Verhältniffe wol zu der Anficht 
Veranlaffung gegeben, in Staat, Kunft und Wiſſenſchaft 
fei jedes Vergangene eben das Unvolllommenere, und zus 
folge des a priori nothwendigen, fleten Fortſchreitens der 
Menfchheit müfle man den neueften Entwidelungen und 
Erfcheinungen immer ben hoͤchſten Werth beilegen. So 
ſei 3. B. nicht blos die claffifche, fondern auch bie ro: 
mantifche Dichtkunſt vorbei und abgetban, und es ſtehe 
eine neue in der Geburt, welche von allem Krühern ganz 
abweichend und ohne Vergleih nah Form und Inhalt 
weit vortrefflicher fein werde und fein muͤſſe. 

Sind wir aud) keineswegs der nieberfchlagenden Lehre 
des römifchen Dichters zugethan: das fpätere Geſchlecht 
ſtehe an Geift und Zugend ſtets dem frühern nach, raͤu⸗ 
men wir auch gern ein, daß die Menfchheit im Ganzen 
und Großen weſentlich fortfchreite, fo folgt doch daraus 
nicht, daß jedes Geſchlecht, oder gar jeder Einzelne und 
fein Werk in jeder Beziehung höher zu flellen fei als als 
les Fruͤhere. Darnach gäbe der Kalender bie Hauptgrund: 
Inge jeder Beurtheilung und Kritik. 

In dem Sime, wo alles Vergangene abgethan ift, 
hat auch da® Gegenmwärtige nur das Leben eines Tages 
und culminiet feinem Untergange entgegen. Sowie aber 
die ewigen Sterne troß ſcheinbaren Unterganges immer wies 
der mit gleichem Glanze auffteigen und in ihrem fichern 
Dafein ſchon manche Betrachtungsmeife überbauerten, fo 
auch die Heroen der Kunſt und Wiſſenſchaft, obwol fie 


Sonntag, . 











bisweilen dem vorfäglich befchränkten Geſichtskreiſe ents 
ſchwanden. Sopholles und Euripides, die Nibelungen 
und Triſtan, Shakfpeare und Galderon, Rafael und 
Michel Angelo, Bach und Händel wurden verfannt, verz . 
geilen, oder den elendefien Erzeugniſſen des legten Tages 
nachgeftellt. Defto glänzender war ihre Auferftehung, deſto 
augenfcheinficher trat die Mahrheit hervor, daß falfches 
Lob und einfeitiger Tadel weder zu beleben noch zu er⸗ 
tödten im Stande find. Allgemeiner Beifall tft oft Zei: 
hen der Mittelmäßigkeit, anmaßliches Verbammen vom 
fritifhen Throne herab Beweis für ein eigenthümliches 
Leben bes beurtheilten Werkes. Alle Kritik ohne Liebe 


und DBegeifterung bleibt unfruchtbar, und wer nichts er= 


zeugen kann, verfteht fehr felten zu erziehen. 

Wie oft bat man hören müffen: die Zeit der Poeſie 
und Philofophie fei vorüber und die der Praris gelom- 
men — ein Sag, den man mit gleicher Thorheit umkeh⸗ 
ven und das Auseinandergeriffene, Halbe für das Ganze 
halten und gögendienerifch anbeten könnte. Gibt es des⸗ 
halb Feine Philofophie, weil Jemand, der ſich nicht ben 
fanglebenden Äthiopen beizählen darf, in Dentfchland (die 
Nebenfproffen ungerechnet) fhon fünf Hauptſyſteme an 
fi) vorübergehen ſah? Iſt diefe Bewegung nicht Zeichen 
und Beweis des Lebens, und iſt es nicht böchfles Un⸗ 
recht, alle frühere Erftgeburt umzubringen, um das jüngfte 
Kind als das allein Iegitime auf den Thron zu fegen ? 

Sm Gefühle ihrer jugendlichen Kraft und hoͤhern 
Stellung erlärten Manche in neuefter Zeit: Ludwig Tieck 
fei ein todter Mann und geiftig Längft geflorben. Um 
jedoch ihre Leichenpredigten nicht nach herkoͤmmlicher Weiſe 
mit übertriebenem Lobe anzufüllen, haben fie dem alten 
Spruch umgekehrt und ſprechen de mortuis nil nisi male. 
Sur dies Verfahren, ober. diefen Hergang, findet fih im 
Alterthume ein Ichrreiches Vorbild: die Anklage der Uns 
fähigkeit und Abgeflorbenheit, welche Sophokles fo glaͤn⸗ 
zend mit dem „Odipus in Kolonos”, wie Tieck mit ber 
„Vittoria Accorombona“ widerlegte. 

In neueſter Zeit hat man die Poeſie hauptſaͤchlich in 
zwei entgegengeſetzten Richtungen geſucht und zu finden 
gemeint. Die erſte ſtellt das Kranke hinauf über das 
Geſunde, die Caricatur hoͤher als das Maß, die Leiden⸗ 
ſchaft hoͤher als die Begeiſterung, die verbiſſene oder laute 
Unzufriedenheit und Zerrifſenheit Höher als die heitere Har⸗ 


1122 


monie bes ebeiften Seins, ja kurzweg Lafler und Ver: 
ruchtheit über Sitte und Tugend. Allerdings gibt es 
auch Riefen in dieſer Richtung, role Lord Byron; aber 
welch ein Drachenſchwanz hat fi ihm angehangen, von 
nahverwandten Geiftern an bis hinab zu dem Gefinbel, 
was unter dem SHochgerichte mit emancipirten Weibern 
feine Orgien feiert. 

Die zweite Reihe nimmt gerechten Anſtoß an biefen 
Greueln, meint aber homdopathifch, mit der allerleinften 
Doſis Poeſie, die Poeſie ausheilen zu Finnen. Gottloſig⸗ 
keiten werden nur erzählt, um den Lefern Gelegenheit zu 
geben, fich ihrer eigenen Trefflichkeit zu erfreuen; die Zu: 
gend wird in platticter, verzuckerter Mittelmaͤßigkeit hinge⸗ 
ſtellt, damit Jeder glaube, er dürfe nur die Hand darnad) 
ausſtrecken, um fie bequem in bie Zafche zu ſtecken. Ca⸗ 
quetage gilt für Styl, überflüffiges Detail für fcharfe 
Beobachtung, Salongeſchwaͤtz für feine Charakteriftit, pſy⸗ 
chologiſche Trivialitäten für tieffinnige Entrwidelung gei⸗ 
ſtiger Zuſtaͤnde, aufgebaufchtes Wortgeklingel für echte 
Groͤße und Nullität für Tugend! 

Jene erſte Schule wähle mit blutigem Meffer in ben 
Herzen der Menfchen; biefe tragt mit oberflächlicher Ana: 
tomie nur ba, wo es den Leuten zu juden pflegt. jene 
bat nur Verbrecher und Schufte als prima sorte auf 
bem Lager; biefe fpielt alle Lieben DVettern, Muhmen und 
Bafen als Trumpf aus und meint alle zu verebeln, 
wenn fie diefelben an den Hof verfegt und die Dutzend⸗ 
waare Grafen und Marquis betitelt. Bisweilen findet 
fi ein unendlicher Hintergrund, zu dem bie Beinen im 
Vordergrunde fpielenden Perfonen nicht paffen, ober ein 
tümmerlicher Hintergrund mit ſchwuͤlſtigen Reflerionen be: 
voͤlkert, welche angeblich die Welt erleuchten follen. Ale 
diefe Beftandtheile Liegen fo zur Hand, find wie nuͤrn⸗ 
berger Zand fo leicht zu handhaben, daß man gewöhnliche 
Romane zufammenmwürfeln kann wie Tänze und Muſik⸗ 
ſtuͤcke nach Kirnberger's fpottendem Recepte, oder Gedan⸗ 
ken nach des Raymundus Lullus Drehmaſchine. Wie 
oft hoͤrt man nicht das Urtheil: „Der Roman iſt vor⸗ 
trefflich, nur muͤſſen fie keine Poeſie darin ſuchen“; und 
ſolcher Ablaßkram heißt Kritik! Freilich, die wahre Dicht: 
kunſt hat andere Quellen, Grundlagen, Beſtandtheile, Di⸗ 
menſionen, und die bezeichnete Literatur waͤchſt ganz au⸗ 
ßerhalb des Bodens, auf welchem Sophokles, Cervantes, 
Shakſpeare erwuchſen. Die Duldſamkeit fuͤr das Schlechte, 
die Angewoͤhnung an das Schlechte macht allmaͤlig ganz 
unfaͤhig, das wahrhaft Große zu begreifen und zu lieben. 

Neben dem Irrthum: man koͤnne aus bloßem Laſter, 
oder aus der gewoͤhnlichen Ordnung des buͤrgerlichen Le⸗ 
bens bie Poeſie auferbauen, läuft ſonderbar ein anderer: 
als muͤſſe man, um ſich, ſeine Umgebungen und ſein Le⸗ 
ben zu ſteigern und zu verklaͤren, die natürlichen und von 
Gott angemwiefenen Kreife verlaffen, als babe jeber junge 
Menſch und jedes junge Mädchen ein Recht und eine 
Pflicht, Romanhelden zu fpielen. 

Auf einer großen gefchichtlidhen Grundlage hat Tieck 
frei und erfinbungsreih fortgebautz; er bat nicht blos Fa: 
mitienverhältnifle an einem Faden aufgereibt, fondern bie 


*) Wir werben noch in einem 


ganze Zeit erleuchtenb vorhbergeführt. Selbſt die kleinſte 
Mebenfigur greift in das Ganze ein, bildet und erläutert 
daffelbe. Ränder und Kinderfrauen, Dichter und Garbi: 
näle, Derzöge und Päpfte, Schwähe und Kraft, Liebe 
und Rachſucht, Alles wählt aus eigenthümlichen innern 
Zuftänden und Außern Verhältniffen angemeffen und didy 
terifch hervor. Wir werden in eine Beit geführt, wo felbft 
die Edelften nicht in ganz reine Kreife eingefchloffen wa⸗ 
ten, fondern drüber binausfchweifend ſich ihre eigenes Ge⸗ 
feg und ihre eigene Losſprechung gaben, bis Sirtus' V. 
Herrfchergeift die allgemeine Regel und ein durchgreifendes 
Gefeg in furchtbarer Heiligkeit hinftellte und aufzwang. 

Vittoria iſt die glänzendfle eigenthuͤmlichſte Geſtalt, 
ohne jedoch den Andern zu nahe zu treten und ſie uͤber⸗ 
maͤßig zu verkuͤrzen. Ihre Anſicht der Welt, Kunſt, Liebe, 
Ehe iſt ſo noch nicht dageweſen und fuͤr ſie vollkommen 
natuͤrlich und gerechtfertigt. Die gewoͤhnliche Form der 
Ehe konnte ihrem Geiſte nicht genügen, und doc, bleibt 
ihre Denkungs- und Dandlungsweife wefentlih von Dem 
verfchieden, was man jegt wol Emancipation der rauen 
genannt hat. Deshalb ft ihre Liebe zu Bracciano eben 
auch eine andere, und was bie meiften Frauen abgefchredt 
hätte, zieht fie vielmehr an. In ihren bewundernswer: 
then Gedichten zeigt fi) Alles ſchoͤn und verflärt, woge⸗ 
gen bie Wirklichkeit nothwendig den Geſichtskreis trübte. 
Sa, fhon anfangs, in ben fonnenhellen Tagen ber fi 
eröffnenden Liebe fliegen dunkle Wollen ſchreckhaft voruͤber, 
und allmälig mußte ſich Alles zu einer gefchichtlichen und 
bichterifchen Nemefis fleigern. Die hoͤchſte Reinigung, 
Katharfis, konnte ohne Ungluͤck und tragifche Mächte nicht 
zu Stande kommen. Auch die Mutter, Ottavio, Mar: 
cello, Pepoli können ben Schmerzen nicht entgehen; wohl 
ift aber Jedem mit künfklerifher Weisheit und tiefem Ge: 
fühle eine andere Suͤhne und Erlöfung bereitet. 

- Dem bichterifchen Inhalte ſteht Form und Sprache 
in gleicher Eigenthuͤmlichkeit und Vollendung gegenüber, 
von heiterm Scherze bis zu furchtbarer Erhabenheit. Un: 
fee Zweck iſt nicht, hiervon im Einzelnen zu berichten; 
wir wollten nur ein Werl ankündigen, welches ohne 
fremde Hülfe auf eigenen Beinen fleht und durch fremde 
Angriffe nicht zu Falle kommen wird. *) 

Es gibt in Deutfchland noch eine Gemeinde (menn 
fie auch nicht die lauteſten Wortführer in ſich begreift), 
welche echte Dichter von denen zu unterfcheiden melß, bie 
es gutmuͤthig zu fein wünfchen, ober eitel zu fein waͤh⸗ 
nen. An ihre Spige iſt jegt ein König getreten, welcher 
in feltenee Weife Ehrfurcht vor den beflehenden Rechten 
der Gegenwart, Kraft zur Bildung einer neuen Zukunft, 
Nachſicht gegen Irrthuͤmer und Begeifterung für das Edle 
und Schöne zu vereinen weiß. Er bat den fchon bejaht: 
ten, und doch in dieſem Werke fo jugendlich Eräftigen 
Dichter in einer Welfe behandelt und belohnt, die nicht 
minder Herz und Gefühl als Eönigliche Freigebigkeie zu 
Tage legt. 95, 

rößern auf Lied’ 

Roman zurückkommen. oröheen Bericht re j 


1123 


Neue Belenntniffe von Silvio Pellico. 


Raͤchſtens erfcheint eine neue Ausgabe ber franzoͤſiſchen 
Mberfetung vorn Silpvio Pellico's, Le mie prigioni”, ale 
Beftandtheil der „Bibliothöque Charpentier, vermehrt mit 
mehren bisher ungebrudten Zuſatzcapiteln, von benen einige 
in franzöfifchen Sournalen mitgetheilt werben. Diefe Capi⸗ 
tel find naive und ſehr befcheidene Selbſtbekenntniſſe, voll 
Reftgnation und religiöfer Stimmung. Cr beklagt fich zwar 
über die vielen Gegner, die fein Buch über fein Kerker: 
eben gerabe unter feinen frühern Freunden und politifchen 
@laubensgenofien gefunden habe, indem fie fagten, er habe ein 
Meifterfiüd von Bigoterie geliefert und fpiele mit ber Religion 
Komdbie, aber er bemitleidet fie mehr als Solche, welche nicht 
wiffen, was fie thun, und tröftet fich mit ben großen Erfolgen, 
welche feine Schrift bei bem unparteiifhen Publicum gehabt 
babe. Diefe Srfolge gelten ihm als Beweis, daß das Jahr⸗ 
Hundert nicht fo irreligios fei, als er früher geglaubt; er be: 
trachtet ſchließlich die unfeligen Ungläubigen, weldye ihm beleis 
digende Briefe fchrieben, als ben Heft einer jeht ausfterbenden 
Schule bes Eynismus und bes Spottes. Merkwürdig find feine 
Bekenntniffe über feine Literarifchen Leiftungen, wenn er fagt: 
„Rachdem ich zwölf Tragoͤdien verfertigt, von denen ich indeß 
nur acht veröffentlicht habe, hoͤrte ich auf für die Bühne zu 
ſchreiben, indem ich mich nicht hinlänglich reich begabt fühlte, 
Sharaktere zu zeichnen. In meiner Zugend war ich närrifch 
genug zu hoffen, ich koͤnne einft einen Platz nahe bei Alfieri 
einnehmen, aber fpäter kam ich, ungeachtet des mir gewordenen 
Beifalls, von biefer Taͤuſchung zurüd. Jetzt habe ich nur noch 
Luft zum lyriſchen Genre und zur epifchen Erzählung. Nicht 
als od ich mich auf biefen Gebieten zu einer großen Höhe er- 
böbe; aber diefe Poefie hat für meine Seele etwas Anziehendes; 
ed freut mid, barin alle meine Gefühle, befonbers meine relis 
giöfen darlegen zu können. Oft nöthigt es mich, Verſe zu mas 
den, um zu beten, und fo entfleht bald eine Ode, bald eine 
Glegie, worin ich mein Herz vor Gott ausfchütte, und das 
reiht bin, um mich wieder —* u ſtimmen. Br mwünfchte, 
ed erhoͤben fich beſſere Poeten ale ich, welche das religiöfe Ges 
biet ber Poefie anbauten unb bie Liebe gu Bott und der Zus 
gend verbreiteten — — wir haben auch deren einige, aber nur 
geringer Anzahl, und nur zu oft wirb bie göttlichfte Kunft 
frivolen ober, fhlimmer als das, nichtswürdigen Gegenftänden 
gewidmet. Cine Beit lang arbeitete ich auch’ an einem hiſtori⸗ 
ſchen Romane, dann an einem andern; aber id war kaum zur 
Hälfte, als mein Eifer erfaltete;, denn ich fah, wie unenblid 
weit ich hinter den Meiſterwerken zurüdblieb, bie wir in bies 
fem Genre befigen, befonders hinter ben „Verlobten“ des unnach⸗ 
ahmlichen Manzoni. Nach meiner Abhandlung über bie Pflichs 
ten ber Männer fehte ich mehrmals zu einer Abhandlung über 
bie Pflichten der Frauen an, aber biefe Werfuche genügten mir 
nicht; ich fließ auf meinem Wege auf unermeßliche Schwierig: 
en unb lernte endlich einfeben, daß nur eine Frau im 
Stande fein koͤnne, ein ſolches Werk mit der Vollendung, die 
ich beabfichtigte, zu realificen. Alles in Allem, ich fchrieb viel; 
aber nur felten beenbige ich eine Arbeit, und fo ſchrieb ich mehr 
u meiner eigenen Genugthuung, als in ber Hoffnung, ein 
erk von irgend einigem Werthe berbosguheingen “u. ſ. w. 
Man kann nicht leugnen, daß in dieſen Se 
noch ein Reſt von dumpfer Kerkerluft athmet, aber vielen 
unſerer Autoren wäre etwas, auch nur ein Zehntheil von die⸗ 
fer Pe Gefinnung und liebenswuͤrdigen Beſcheidenheit zu 
wänjcen. . 





Notizen. 
Die Ermordung des Beograpben Schulk. 
Seit der Srmorbung des Geographen Schuls in Kurbiften 
haben nur wenige Keiſende es gewagt, ihren Weg in dieſes 
Land zu lenken. Zu diefen Wenigen gehört der amerikaniſche 
Miffionnair Southgate, der in der Beſchreibung feiner Reife 


ſtbekenntniſſen 


durch Armenien, Kurdiſtan u. ſ. w. über jenes traurige Erei 
niß folgende Specialitaͤten nach der Erzählung bes Yafdhas Fr 
Ban mittheilt: „Schultz hatte Wan mehre Jahre vor mir bes 
fuht und einen Monat auf feine Nachforſchungen in biefer 
Stadt und deren Umgebung verwendet. Der paſcha befchrieb 
ihn feiner Geſtalt nad) als den laͤngſten Mann, ben er je ges 
fehen babe. Gr reifte im Lande wie ein Eorb unb machte als 
Ienthalben glänzende Geſchenke. In dieſer Weiſe ging er nach 
Kurdiſtan, wo Das, worauf er feine Sicherheit baute, gerade 
ſein Verderben herbeiführte. Die Entfaltung feines Wohlftan: 
bes veizte die Habgier eines Lurbifchen Weis, ber ihn bebers 
bergte. Sein Wirth entließ ihn bei feiner Abreiſe mit einer 
flarten Wache, dem Anfcheine nach als Zeichen ber Hochachtung 
und Ehre; allein im Geheimen hatte ex dem Geleite Auftrag 
gegeben, ihn unterwegs zu ermorden. Am zweiten Zage ber 
Reife lud ihn der Anführer des Zuges ein, feltwärts abzulen⸗ 
ken, unter dem Vorwande, einige naheliegende Ruinen zu be⸗ 
ſichtigen. Sobald man einen paffenden Plat erreicht hatte, fiel 
bie Wade unerwartet über ihn her und ſtreckte ihn zu Boden, 
ohne daß er irgendwie Widerſtand zu Ieiften vermochte.” 


Zür den 20. Auguſt war zu London im Auftrage bes Prins 
jen Ludwig Napoleon bie Berfleigerung mehrer in England von 
hm gurücgelaffenen Effecten angekündigt, unter benen ſich aus 
Ber einigen guten italienifchen Gemälden ein Kiftchen mit Gas 
meen befand, welches früher Eigenthum ber Kaiſerin Joſephine 
und zum Theil ein Gefchent Pius’ VI. an ben Beneral Bona⸗ 
parte zur Beit feines erſten Feldzugs in Italien geweſen war. 
In einer andern auf den 27, deffelben Monats anberaumt ges 
weſenen Verſteigerung folte zu Gyon in der Graffchaft Flint 
in Nordwales bie Bemäldefammlung des verflorbenen John 
Douglas veräußert werben, eine ber ausgezeichnetſten Privat⸗ 
fammtlungen in Großbritannien, die Werke von Meiftern aller 
Länder und Zeiten enthält. Der verftorbene Beſitzer hatte 40 Jahre 
lang beren Herſtellung ſich angelegen fein laſſen. 47. 


Bibliographie. 


Arago, D. Fr., Unterhaltungen aus dem Gebiet ber 
Raturkunde. Ater Theil. Aus dem Franzoſiſchen überfeht von 
©. 8. Grieb. Er. 8. Stuttgart, Hoffmann. 1 Thlr. 18 Er. 
boch LO Fi Bürkengröße. —* + aus bern erben bes: 

gen Herzogs Leopo ri ranz zu Anhalt. 
Deſſau, Beitfche und- Sohn. ss j 

Bentel⸗Sternau, G. E. von, Die jüngften Zeigen: 

blätter. Schaufpiel in fünf Acten. 8. Züri, Höhe. 1 Thir. 


r. 

Bermoth, F., Karl ber Erſte, König von Großbritannien. 
Trauerfpiel in 5 Acten. 8. Magdeburg, Fabricius. 15 Er. 

Bezeredy, Frau A., Novellen und @rzählungen. Aus 
hinteclaffenen Papieren. Iſter und Zter Band. Gr. 12. peſth, 
Heckenaſt. 3 Thir. 

Bornſchein, E., Des Pfarrers Tochter von Taubenhain. 
Eine wahre Geſchichte nach Bürgers Ballade, neu bearbeitet. 
6te, fehr verbeſſerte Auflage. Mit 2 Kupfern. 8. Gifenberg, 
Schöne. 1 Thlr. 6 Er. 

Bube, A., Neue Bebihte 8. Jena, Mauke. 18 Sr. 

Die deutſche Bunbesacte vom Sten Juni 1815 mit Rach⸗ 
weifungen auf die Wiener Schlußacte vom 15ten Mai 1820 
nebfl ber Wiener Schlußacte vom 15ten Mai 1820 heransgeges 
den von 3.9. E. Meyn. KL 4 Ploen. 6 Er. 

. Bybilakis, E., Neugriechisches Leben, verglichen mit 
dem Altgriechischen; zur Krläuterung beider. 8. Berlin, 
Besser. 12 Gr. 

Gamerer, I. ®., Iohannes Brenz der Württembergis 
ſche Roformator. 8. Gtuttgart, Köhler. 1 Thlr. 

Cosmar, %., Dramatiſcher Salon. 1841. Mit dem cos 
lorirten Koftüämbilde Seydelmanns als Molitre, gezeichnet von 
Hofemann. 16. Berlin, Klemann. 1 Zhlr. g Gr. 





1194 


Spanen. Taschenbuch für 1841. Her Jahrgang. Mit Ku 
pfer= und Stahlſtichen. Br. 16. Wien, Pe 2 Ihlr. 6 Ge. 
Babre d'O livet. Theophraſtus Paracelfus ober ber Arzt. 
Hiſtoriſcher Roman aus den Beiten des Mittelalter. Nach 
dem Franzoͤſiſchen von C. Liber. 8 Bände. 8. Magdeburg. 
Rubach. 3 Ahle. 
agmente über Deutſchlande und infondesheit Bayerns 
Welthandel und über die Wichtigkeit des einzigen, ganz deuts 
fen Stromes, der Weſer. Gr. 8. Mündıen, Sranz. 4 Gr, 
Er a a de, ©. L., Bibliſche Gedichte. 8. Berlin, Beſ⸗ 
r. 


ſer. 


druckerkunſt begangen zu Frankfurt am Main am 2aten und 
25ten Zunius 1840, Eine Feftgabe, herausgegeben von den Buch: 
druckern, Schriftgießern und Buchhaͤndlern. Schmal gr. 4. Leip⸗ 
sig, Br. Fleiſcher. 1 Ahle. 12 Er. 
Gebente Mein! Taſchenbuch für 1841, 10, Jahrg. Mit 
Susfers und Stahlſtichen. Gr. 16. Wien, Pfautſch. 2 Thir. 
£ 


Gedichte zur Beier des Iohannistages 1840, Er. 8. Bas 
fel, Seul u. Maſt. 9 Br. , 

— BGensler, J., Beiträge zur Ginleitung in die Rewton’= 

ſche oder mathematifche Naturphilofophie. Iftes Heft. 8. Bern, 

Senni, Sohn. 12 Er. 

(Gothe.) Das Schoͤnſte, Erhabenſte und Lehrreichfte aus 
von Böthe’s poetiſchen Werken, zus Beförderung einer naͤhe⸗ 
zen Belanntfchaft mit den Geiftesprobucten bes großen Dichters, 
und zur Erweckung edles Gefühle für das Große und Schöne 
beraudgegehen von A. ©. vom Harze Ki. 8. Quedlinburg, 

L 


Halirſch'e, L., literarifcher Nachlaß. Herausgegeben von 
J. G. Seidl. 2 Bändden. Gr. 12. Wien, Gerold. 
1 Thlr. 12 Gr. 

Harless, Chr. Fr., Die Litteratur der ersten hundert 
Jahre nach der Erfindung der Typographie, in den meisten 
Hauptfächern der Wissenschaften, mit besonderer Rücksicht 
auf klassische Philologie, Geschichte und Chronik, Erd - und 
Länderkunde, Reisen, Naturgeschichte, Medicin und ihre 
Zweige, Dichtkunst und Romantik. Ein Beitrag zur Ge- 
schichte dieser Wissenschaften im Mittelalter und seinem 
VUaebergange zurneuern Zeit. Gr. 8. Leipzig, Fest. 1 Thlr.8 Gr. 

Henfe, ©. S., Friedrich der Große. Kurze Darftellung 
des Lebens, Charakters und ber Ihaten bes großen Königs. Cine 
Volksſchrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Thronbeſteigung 
deffelben. Mit dem Portrait Friedrichs des Großen. 8. Gan: 
gerhaufen, Rohland. 12 Gr. 

Herloßfohn, ©., Böhmen von 1414 bis 1424, Hiſto⸗ 
riſch⸗ romantiſches Gemälde in zwei Abtheilungen. Ifte Abth.: 
Johannes Huß. — Auch u. d. J.: Johannes Huß. Hiſtoriſch⸗ 
zomantifches Gemälde. 2 Bände. 8. 
5 Thlr. 21 Gr. 

Hermann, F. B. W., Die Induftrieausftelung zu Pas 
ris im Jahre 1859, mit Angabe ber Producte und Adreſſen 
der vorzüglicheen Ausfteller, Nachweiſungen über den Zuſtand 
der verfchiedenen Zweige der Kabrication, fo wie über Sins und 
Ausfuhr an Robftoffen und Manufacten in Frankreich feit 1815 
und einem Anhange über technifche Unterrichtäanftalten zu Pa: 
rise. Br. 8. Nürnberg, Schrag. 1 Thlr. 12 Er. 

Huschke, Ph. E., Ueber den zur Zeit der Geburt 
Jesu Christi gehaltenen Census. Gr. 8. Breslau, Hirt. 22 Gr. 

Iduna. Taſchenbuch für 1841. Zifter Jahrg. Edlen Frauen 
und Mädchen gewidmet. Ki. 16. Wien, Pfautſch. 1 Thlr. 

Klopstocksfeier in Leipzig am 6. November 1839, als 
dem Hundertsten Jahrestage der Aufnahme des Dichters in 
Schulpforta durch eine Anzahl ehemaliger Zöglinge dieser 
Anstalt. Gr. 12, Leipzig, W. Vogel. 8 Gr. 

Köhler, L., Der Aufftand in Maine. Hiſtoriſch⸗ roman: 
tifches Semälde aus der neueften Zeit. 8. Jena, Mauke. 1Thlr. 


Leipzig, Taubert. 


Geden?s Buch der vierten Jubelfeier der Erfindung ber Buchs 


Köflin, W., Beiträge zur Statiſtik der Geiſtes⸗Kran 
heiten in Württemberg. Er. : Stuttgart, Köhler. 6 nes 

Krauß, A., Zur Reform bes Öffentlichen Unterrichts, 
Vom eranbpunkt ber Phyfiologie und Pſychologie. Cine pä= 
bagogifche Abhandlung. Br. 8. Gtuttgart, Köhler. 1 Thir 

Krug, 8. B., Eotosbiumen. Bonn, Habicht. 1 Thir. 

Die Kunigburg ober Frauenliebe und Frauenheldenmuth. 
@ine hiftorifch : romantifche äbhlung aus ben Zeiten des deute 
fen Kaiſer Heinrich's IV. Bon Dr. E. A. 9... 8, 
fenberg, Schöne. —8 

e evangel andeskirche Preußens und bie Mi 
(daft. Er. 3. Leipzig, O. Wigand. 21 Br. fen 
Michelet, C. 2, Anthropologie und Pfychologie oder bie 

Philoſophie des fubjectiven Geiſtes. Gr. 8. Berlin, Sander. 
2 Ihle. 12 @r. 

Mittheilungen aus bem Leben eines Richters. 2ter Band. 
8. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 1 Thir. 12 Gr. 

(Müller) Zu Johann von Müllers fämmtlichen 
Werten Supplement. Bter bis Ster Band. Herausgegeben von 
Maurersßonftant. — Au u. d. T.: Briefe an Johann 
von Zauer. Ster bis 8ter Band. 8. Schaffhauſen, Hurter. 

r. 

Reigebaur’s, Handbuch für Reiſende in der Schweiz 
Herausgegeben von H. Berghaus. After Theil. Die allges 
meine Beichreibung der Schweiz und bie Anleitung zum Berei⸗ 


‚fen derfelben enthaltend. 8. Berlin, Reimer, 1 Thir. 20 Br, 


Penelope. Taſchenbuch für das Jahr 1841. Derausgeges 
ben von Th. Hell. SOfter Jahrg., ober Reue Folge, Ifter 
Jahrg. Mit Stapiftihen. Sr. 16. Leipzig, Hinrichs. 2 Ihtr. 

Ranke, 2, Deutfche Gefchichte im Beitalter der Refor⸗ 
mation. Ster Band. Gr. 8. Berlin, Dunder u. Humblot, 3 Thlr. 

Raubnig, 8, Die Muſik als Heilmittel, oder: Der Ein 
fluß der Muſik auf Geiſt und Körper bes WRenfchen, und deren 
Anmenbung in verſchiedenen Krankheiten. Gr. 12. Prag, Haaſe 
Soͤhne. 14 Er. 

Ravensberg, Otto vom, Guſtav Adolph und Wallen- 
ftein. Tragoͤdie in 5 Alten. 8. Berlin, Reimer. 16 Gr. 

— — Mansfeld und Tilly. Tragoͤdie in 5 Akten. 8. 
Shendaf. 16 Er. 

Ritter. Kleine philoſophiſche Schriften. Stes Bändchen. — 
Auch u. d. J.: Pfochologifhe Abhandlungen. Br. 8. Kiel, 
Univerfitäts: Buch. 1 Thlr. 12 Gr. 

Salon der fhönften Briefe aus der Literatur aller gebilde⸗ 
ten Rationen ausgewählt von Loutife v. &... — Auch u. d. 
2.: Die ſchönſten Briefe ber Liebe und Freundſchaft. Eine Mu⸗ 
fterfammiung und ein Roman. Zuſammengeſtellt von Louiſe 
dv. ©... Singeleitet von W. Zimmermann. 1.8. Stutt⸗ 
gart, Etzel. 1 Thlr. 6 Er. 

Scherrer, 3., Johannes Wolf. Ein Schweizeriſcher Stu⸗ 
dirender der Theologie, in feinem Bilbungsgange dargeftellt. 8. 
Zürich, Höhr. 22 Gr. 

Smets, W., Gedicht. Bouftändige Sammlung. 8. Stutt⸗ 
gart u. Tübingen, Gotta. 1 Thlr. 8 Gr. 

&paun, &., Ritter von, Heinrich von Ofterdingen unb 
das Nibelungenlied. Ein Verſuch den Dichter und das Epos 
für Deſterreich zu vindiciren. Mit einem Anbange: Proben 
öfterreichifcher Volktweiſen im Rhythmus bes Nibelungenlicbes. 
Gr. 8. Linz, Haslinger. 18 Gr. 

Rheinifches Taſchenbuch auf das Jahr 1841. Herausgege⸗ 
ben von Dr. Adrian. Mit 7 Stahlſtichen und 1 Anficht des 
v. Launitz'ſchen Monumentes für die Grfinbung des Buch⸗ 
ap Gr. 16. Frankfurt a. M., Sauerländer. 2 Thlr. 


Wrangel, 2. v., Flüchtige Skizzen aus Oft und Sub, 
gefammelt auf einer Reife nach Wosneſensk, Odeſſa, Gonftans 
tinopel, Smyrna, Athen und Gorfu. Mit 8 Lithographirten 
Anfichten und Plänen. Br. 8. Danzig, Gerhard. 1839, 40, 
3 Thlr. 12 Gr. 


Verantwortliger Herausgeber: Deinzrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig 


Blätter 


für: 


Literarifhe Unterbaltu 16. 





Montag, 


5. October 1840. 








Dem Verf. des vor uns liegenden Buches kann man 
nicht nachſagen, dag ihn die Kritik verhärfchelt habe. 
Theodor Munde ift von feinen Gegnern nicht gefchont 
und von feinen Freunden nicht verwöhnt worden. Ein 
Schriftſteller von fo lebhafter Anerkennung fremder Lei: 
Mungen hat für die feinigen noch wenig gründliche Schaͤ⸗ 
gung, noch wenig gemeſſenes Lob gefunden. Als Redacteur 
verſchiedener journafiftifcher: Unternehmungen — bes „Zo⸗ 
diakus“, der, Dioskuren““, des „Freihafen“, des „Piloten“ 
— tft er immer fo glügtlich geweſen, gute Geſellſchaft zu 
verfammeln; achtbare Männer, Männer zum Theil von 
bedeutendem Namen, haben ihm Vertrauen geſchenkt und 
gediegene Beiträge geliefert. Daraus folgt freilich nicht, 
daß er, ein glücklicher Journaliſt, bei andern Soumalen 
als Schriftfteller mit Pofaunenflößen empfangen werde; wol 
aber darf es befremden, daß aus dem Kreife jener Män: 
ner, die ihn ſchaͤtzen, fo wenig Stimmen für ihn laut 
werden. Soll damit gefagt fein, daß man ja doch heu⸗ 
tiges Tags in den Eritifchen Wäldern den Kukukruf kaum 
mehr zu zählen und nie hoch anzufchlagen pflege? 

Indem ih nun über Mundt's jüngfte Schrift beridy 
ten will, muß ich wol, dem Publicum zu Liebe, welches 
bis jest faft nur an Tadel dieſes Schriftftellers gewöhnt 
ift, mit Tadel anfangen, um bie Lefer nicht gleich zu 

. Ich will es daher entfchieden herausfagen, 
daß mir der Titel des Buches nicht gefaͤllt: „Voͤlkerſchau 
auf Reiſen.“ Eigentlich müßte es heißen: „Theodor Mundt 
auf Reiſen, um Voͤlker zu ſchauen.“ Aber das Zweideu⸗ 
tige und das Geſuchte des Titels moͤchte noch hingehen; 
wenn nur ber fuͤrchterliche Hiatus bes au au (Schau auf) 
wicht wäre! Fruͤher bat Munde drei Bände „Spazier⸗ 
sänge und Weltfahrten“ herausgegeben, und man hat auch 
biefem Titel gefucht gefunden. Was iſt am Ende aber 
ein Titel? Ich meine an einem Buche; denn an einem 
Manne iſt ex oft das Beſte, mas fi an. ihm. findet. 
Indeß hat man nicht bias. die Mücherzitel, Theabor Munbt’s 
— man hat die ganze Richtung feines Weltfahrens und 
Spazierengehens in ber Literatur nicht billigen wollen. 
Ein echter Dichter, hat man gefagt, fände in und sum 
fi bee die Fülle poetifchen Stoffe; es fei Thorheit, den 
GBegenfiäuiben ' nachzuingen, die man bearbeiten wolle; 


ja, es verrathe ſich durch diefe Jagd ein Mangel posa 
tlßer Erfindung, eine Schwäche poetifchen Geftaltunge 
triebes. 

Solche Behauptungen koͤnnen vielleicht fo wahr fein, 
als fie unwahr find. Diefelden Kritiker haben vielleicht 
hundert Dat unfere Gegenwart eine unpoetifche Zeit ges 
nannt und es nicht getadelt, wenn ber Stoff zu poetis 
fhen Werken aus der gefchichtlihen Wergangenheit geholt 
wurde. Sie bezeichnen unfere Gegenwart als eine Periode 
des Übergangs — zu neuen und großen Entwidelungen. 
Wie? Muß man denn bei folhem Glauben, bei folcher 
Erwartung die neuen Triebe der Zeit nicht lieber beobadhs 
ten als verwerfen? Was irgend einmal groß geworben 
ift, hat fich zuerft bloß geregt. Auch in der Natur gibt 
es Übergangsftufen in der Reihenfolge ber Gefchöpfe, und 
die Naturforfcher beobachten an ſolchen Wefen oft unvoll⸗ 
endete, unnuͤtz ſcheinende Körpertheile oder Anfäge, bie 
ſich erſt auf ber folgenden Stufe als vollendete, haraf: 
teriflifche Organe entwidelt zeigen. 

Nun müfien wir vor Allem anertennen, baß Theodor 
Mundt bie Richtung feiner Productionen, bie er jegt in 
einer neuen Folge von Reifen fortfegt, nicht auf Gerathes 
wohl genommen bat, fondern daß ihn eine großartige An⸗ 
fiht bewegt, eine edle Abſicht dahin treibt. Unfere Zeit 
fol, wie gefagt, eine unpoetifche fein. Dann ift fie «8 
aber nicht blos für Diejenigen, welche poetifche Werke 
bervorbringen, fondern auch für Jene, die folche genießen. 
Aber ohne Poeſie ift eigentlich Feine Zeit, die nicht etwa 
geiftig ſchlaͤft, und felbft diefe braucht etwas Poefie zu 
ihren räumen. Dan follte alſo eher glauben, bie Zeig, 
bie gewachfene, in ihrem Sinn, in ihren Intereſſen vers 
wandelte, bedürfe nur einer andern Poefie, oder der poe⸗ 
tifche Geift der Zeit fuche nach andern poetifchen Gegen⸗ 
fländen und Aufgaben, So hat ed uns Deutfchen viel 
leicht darum meniger poetifche Werke ertragen, weil ein 
Theil unſerer beften Kräfte ſich auf bie Seflaftung be 
Hiftorie und Sperulation geworfen und diefe großen Wels 
floffe zu Kunſtwerken verarbeitet bat, Diele ſchaffenbe, 
ideellbildende Richtung, bes deutſchen Geiſtes entwickelte 
fich gleichzeitig mit ber politifch zerflöcenden, umgeſſalten⸗ 
den Thaͤtigkeit der Franzoſen und ber quf Handel und 
Gewerb gerichteten der Englaͤnder. Diefe verſchiedenen 
Beſtrebungen der dyei, eigentlich ſchoͤpferiſchen Tationen Eus 


1126 


ropas bauern ‚noch fort, nur daß fie jegt mehr einander 
zu ducchdringen fuchen und ihre Ideen und Stoffe gegen: 
einander austaufhen. Daß mit folcher Umgeftaltung der 
politifchen und civiliſirten Welt, fowie ber ganzen geiſti⸗ 
gen Anſchauungsweiſe fih auch andere Aufgaben, andere 
Vorwürfe für die Poefie der europäifchen Völker bilden — 
wer möchte es zweifelhaft finden? Ebenſo natürlich iſt 
es aber auch, daß diefe neue, noch verhuͤllte Poefie bes 
europäifchen Geiſtes für feine neuen Aufgaben vor Allem 
die entfprechenden Organe bilde, nämlich die Dichter. So 
ift es gewiß eine bemerkenswerthe Erſcheinung, daß alle 
unfere jüngern Talente aus dem Sahrzehnd vor der po: 
litiſchen Erhebung Deutfchlands eine eigenthuͤmliche Mi: 
fhung kritiſcher und productiver Kräfte befigen und in 
ihrer Tchätigkeit eine gewiſſe Daft und Unruhe zeigen. 
Sie tragen das lebendige Gepräge der Übergangsperiode an 
fid — ein Geſchlecht, bas noch das Veraltete, Verfal⸗ 
ende abforbiren helfen, und doch auch fchon die neuen 
Richtungen verfuchen fol. In diefer Mifhung und Un: 
ruhe der Kräfte Liegt ein gewiſſer Unftiede, in welchem 
etwas Vollendetes entweder noch gar nicht oder nur lang: 
ſam und fpdt zu Stande fommen kann, und aus wel 
chem bie Literaturkräfte von gleicher Genefis Leicht gegen: 
einander ſelbſt feindfelig geflimmt find. 

Um aber auf diefem Standpunkte eines der bedeu: 
tendften diefer Talente im Befondern zu betrachten, fo läßt 
fih nicht verkennen, baß Theodor Mundt fi immer be: 
beutender entwidelt bat und zwar, wie es fcheint, ganz 
in der Richtung der Zukunft. Sein erſtes Literarifches 


Auftreten mit Kritilen und Novellen zeigte gleich den. 


Doppelteim der Generation feit 1806. Das Element ber 
Kritik fehlen fogar in Mundt's Begabung vorherrfchend zu 
fein; wenigftens gewann er fich durch feine Kritiken zuerft 
eine bedeutende Anerkennung. Allein Kritik und Produc: 
tion gingen in ihter Entwidelung nicht auseinander, fon: 
dern näberten fich Immer mehr. Die Kritik wurde ſelbſt 
productiv, indem fie ſich zur biographifchen Charakteriftit 
und zur lebendigen Anfchauung geiftiger Perſoͤnlichkeiten 
ſteigerte. Mundt's Betrachtungen Über Hippel, die Schil⸗ 
derung Knebel's, das Denkmal der Charlotte Stieglig gel: 
ten für vortrefflih. Mit der Charakerificung des Fuͤrſten 
Didier, des Weltgängers, mündet biefe Kritik in die 
Strömung ein, bie inzwifchen fein probuctives Zalent in 
den „Weltfahrten” genommen hatte. 

Diefes befreite fich nämlich immer mehr aus der truͤ⸗ 
ben Gährung und unfichern Seftaltung, die wir in Mundt's 
„Modernen Lebenswirren’ und in der „Madonna, Unter: 
baltungen mit einer Heiligen‘ finden. Die Conflicte des 
politifhen und focialen Lebens bewegen fih in jenen 
Schriften noch in den engften menſchlichen Verhaͤltniſſen 
und füllen — fo zu fagen — aus bee Suͤndflut ber 
Welt den hölzernen Becher einer ländlichen Hütte. Doch 
die Anfhauungen des Autors, bie im engen Geſichtskreis 
oft wie Taͤuſchungen und Irrthuͤmer ausfehen, berichtigen 
ſich ſchnell, ſobald fie das Voͤlkerleben erfaffen und fich 
"über Weltverhaͤltniſſe ausbreitn. Dort zogen ſich bie 
großartigften Anfichten ins Schiefe; hier weiß ber Dich: 


ter auch die unbebeutendftien Verhaͤltniſſe unter großartige 
Gefichtepunfte zu erheben. Die Charakteriftiit von Per 
fonen, wie George Sand, Ballanche, Xrorler, der 
Deiazet, Chateaubriand, Edgar Quinet u. f. w. verbin- 
bet fi mit der Darftellung großer Völkerzuftände. Kritik 
und Production, Phantafle und Weflerion gehen Hand 
in Hand. Und über dieſer Vermaͤhlung feiner eigenen 
geiftigen Kräfte, wie ber gewählten Stoffe, ſteht Munde 
mit klarem Bewußtſein; fie ift fein gemeſſenes, gefchaffe- 
nes Werl. Es war feine Abficht, 

für die Behandlung Öffentlicher Fragen und Verhaͤltniſſe im 
Staatenieben wie in der Gefellfhaft eine Darftellung zu ges 
winnen, die — für alle Kreife des heutigen Lebens verftänblich 
und wirkfam, mit bem ſchwerern Inhalt ebenfo in bie leichtere 
Sphäre eindringen, wie mit dem leichtern Inhalt in der ſchwe⸗ 
rern Sphäre willlommen geheißen werben Lönnte, und dies auf 
ben Grund ber fid) immer mehr ausbreitenden barmonifchen 
Bildung bes Voͤlkerlebens, welche eine große, ausgleichende Me⸗ 
lodie bes Geiſtes erfirebt, wo fonft lauter getrennte nnd verein: 
zelte Takte in ber Menfchheit fchlugen. 

Eine folhe Verſchmelzung publiciflifcher und dftheti: 
fer Elemente dee Darftellung fagt allerdings dem heu⸗ 
tigen Geſchmacke zu, der bei der jegigen Unruhe ber Zeit 
eines reinen, ideellen Wohlgefallens wenig fähig iſt. Die 
Abfichr ſolcher Verfchmelzung, um nämlich den Geiſt ber 
Öffentlichkeit im deutfchen Publicum anzuregen, verdient 
allen Beifall; nur zieht freilich auch die bedeutendfte Ten: 
denz ein literarifches Product in den Kreis ber Dienſt⸗ 
barkeit herab und bringt e6 um die Freiheit des Kunft: 
werke. 

Indeß bat es auch Theodor Mundt auf eigentliche 
Kunftwerke in diefem Selbe feiner Production nicht abge: 
ſehen. Ausdrüdtich fagt er in der Vorrede zu feinem 
vor uns liegenden Buche: 

Für mich naht nun wieder bie Zeit fhöner Dichtungen, zu 
benen ih mich durch die unmittelbare Anſchauung objeetiver 
Bölkerverhältniffe, die mich fo Lange vom eigenen Hervorbrins 
gen zurüdhielt, habe ſtark und würdig machen und gewiffers 
maßen wiebergebären wollen. 

Afo nur für Studien, nur für Übung ber Kräfte 
follen diefe Reifen, diefe anziehenden Darftellungen ges 
nommen werden, deren jüngfler Band noch zu beſprechen 
bleibt. So großartige Vorbereitungen fpannen mit Recht 
unfere Erwartung jener Probuctionen, bie Mundt felbft 
voraus ‚Dichtungen nennt. Möchten ihm poetifche Kunſt⸗ 
werte gelingen, bie auf fo hohen Fußgeſtellen ſich groß 
genug ausnehmen! Übrigens fallen diefe Studien, wie 
fhon bemerkt, ganz in die Richtung unferer Zukunft. Bei 
der großartigen Entwidelung aller Lebensverhältnifie, bei 
den erftaunlichen Anftalten zum Wechſelverkehr der Voͤl⸗ 
fer laſſen fih für die Zukunft auch ebenfo gefteigerte 
und umfaflende Dichtungen erwarten, in denen bie Leis 
den und Kämpfe der Voͤlker, fowie bie gefchichtlichen Hels 
den — wenn aud nicht ſelbſt epiſch ober dramatiſch 
zur Darftelung kommen, doc, als Maßſtab und Mo: 
tive des poetifhen Interefies bienen. Welche neuen 
und hohen Flüge hat nicht bereits unfere junge Lyrik ge 
nommen? - 

Wir muͤſſen anerkennen, daß Mundt mit feinen Bor: 


1137 


ſtudien einer großartigen Zukunft entgegengeeilt iſt, wäh: 
rend andere Talente berfelben Generation ihren Anlauf 
ruͤckwaͤrts nehmen, bis in jene Zeit, in ber wir Deutfchen 
mit bürgerlichen Trauerfpielen in Profa Verfuche machten. 
Doch es ift hier dee Dre nicht, Munde im Vergleich) 
mit andern literarifchen Kräften, befreundeten oder gegne: 
tifchen, zu beurtheilen. Nur bleibt es für ihn immerhin 
charakteriſtiſch, daß er ſchon im Anfang feiner Laufbahn 
ale Kritiker in dem Grade an Wärme und Kraft ber 
Darftelung gewann, in welchem er mit Anerkennung 
für Perfonen und Leitungen ſchrieb, während Andere gerade 
nur im Verwerfen und Herabwürbdigen fremder Leiſtungen 
ihre kritiſche Stärke haben. Diefe Liebe und die Dinge: 
dung, mit welcher Munde überhaupt feinem literarifchen 
Berufe lebt, laſſen das Beſte erwarten. Die ihm eigen: 
thuͤmliche Wärme fpriht uns in noch höherm Grade ale 
in den frübern Bänden feiner „Weltfahrten“ in ber vor 
und liegenden „Voͤlkerſchau“ an und ergreift unfer Ge: 
müth in der bloßen Lecture oft tiefer, als es manches 
neue Zrauerfpiel in lebendiger Darftellung vermag. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Romanenliteratur. 


1. Zichora, oder die Eroberung Serufalems. Bon A. Schütt. 
Zreiburg, Wagner. 1840. Gr. 12. 21 Gr. 

Ein ſchwaches Probuet, in welchem der Verf. feine Be 
Tanntfchaft mit Ginzelheiten aus der Geſchichte der Kreuzzüge 
zu bethätigen fucht. Der ewige Jude fpielt in demfelben eine 
Rolle und wird im Augenblide der Erflürmung Serufalems in 
die hoͤhern Regionen aufgenommen. Da der Mann alfo fchon 
fo lange Zeit tobt ift, weiß man, was von bem Volkebuche unb 
den mehrfachen neuern Bearbeitungen bes in bemfelben gebotes 
nen Stoffes gehalten werben muß: es find eitel Legenden! Da: 
bei ift denn Niemand mehr zu beklagen als Julius Mofen, 


denn feine Zerzinen erfcheinen nun als bie überflüffigfte Arbeit . 


von ber Welt. Bei dem Allen hat jedoch ber Berf. eine neue 
Sunftphilofophifche Idee angeregt, indem er am Schluſſe feines 
Vorworts eines Gebiets ber böhern Romantik gedenkt. Da 
bei bem gegenwärtigen Mangel an Poeſie die Kritil an der 
Tagesordnung ift, fo würde diefe dem Verf. fi auf das Dank⸗ 
barfte verpflichtet befennen, wenn er feine Begriffe von höherer 
Romantik offen vorlegen wollte. 


2. Archibald Stewart. Epiſode aus dem Jugendleben eines 
Kaufmanns von William Fancy. Leipzig, Weber. 18340, 


Wenngleich ber Verf. ein Engländer fein will, fo wird er 
doch hoffentlich nichts Erhebliches dagegen einwenten, wenn 
. B. Ref. ihn für einen ehrlichen Deutfchen hält, ber fich vers 
—* fühlte, das Hamburger Kaufmanusleben in einigen, zum 
Theil nicht mislungenen Zügen vor Augen zu flellen. Das 
Bud) iſt auf dem Zitel ziemlich richtig als „Epiſode“ bezeichs 
net, denn eine Novelle, wie ber Berf. in der Dedication meint, 
und, als „Kaufmannsnovelle“, gar eine neue Art berfelben, ift 
damit nicht gegeben. Da das Buch doch eigentlich als Epiſode 
bezeichnet if, auch ber Verf. hier und da von Kunft und Poe⸗ 
fie ſprechen läßt, fo Tann Ref. die Mühe fparen, bier den Bes 
geiff der Novelle zu entwideln, und daß ber Verf. Fein neues 
Genre erfunden habe, wird er felber zugeben müflen, wenn er 
fi mit biefem Zweige ber bdeutfchen Literatur näher bekannt 
gu machen Luft Hat. Da fehlt es nicht an edeln Kaufberren 
und durchtsiebenen Beträgern, unglücklichen Bankrotten und 
Vätern, denen das Ginmaleins an der Gtelle bes Herzens 


. N 


figt. Wir koͤnnen daher allenfalls nur zugeben, baß der Verf. 
biefes Genre wieder aus dem Staube hervorgezogen babe: ob 
er einen glüdlidhen Zug gethan, iſt eine Frage, bie wenigs 
ſtens infofeen bejahet werden Tann, als doch der Verfuch ans 
gedeutet ift, das Thun und Treiben einer ganzen Sorporation 
barzuftellen. 

3. Das Wirthehaus in den Hoclanden, von Duncan Mae 
Alpin. Aus dem Englifchen überfept. Zwei Bände. Lemgo, 
Meyer. 1839. Gr. 8. 1 Thlr. 8 Gr. 

Eine Geſellſchaft findet fidh in der Gegend zufammen, wels 
he buch W. Scott’6 „Jungfrau vom Gee’ berühmt geworben 
ift, und indem die aus verfchiedenen Ländern herübergelommes 
nen Reifenden die Zeit, welche ihre GStreifereten zu Land unb 
See nicht In Anſpruch nimmt, benugen, fi) durch Erzählungen 
zu unterhalten, verfnüpfen eben dieſe bie Glieder ber GBefells 
ſchaft in einfacher und dennoch hoͤchſt anziehender Weile. Der 
Berf. zeigt ſich überall als ein Mann von umfaflender Einſicht 
und Eebenserfahrung; feine Darftellungen find fchlicht, aber bes 
fimmt, und athmen überall bie veinfte Natur. Eben deshalb 
ift er auch frei von jener fo oft ermübdenden Breite, bie ben 
englifhen Roman im Allgemeinen charakterifirt, und es wäre 
wünfchenswerth, ihm ferner auf dem Gebiete echter Unterhals 
tungslecture zu begegnen. 

4. Chevalier Robert. Bon Charles Didier. Aus bem Frans 
söfffhen von Julius Schoppe. Zwei Theile. Zwickau, 
Schumann. 1839, 8. 2 Thir. Ä 

Der Chevalier iſt ein Kind ber Revolution vom 3. 1830, 
Er will feine Ideen von bürgerlicher Breiheit überall, zuerft in 
Polen, verwirklichen, wird überall erilict und endlich nah Tan⸗ 
ger geworfen. Bier findet er, für den Europa verloren if, in 
dem reichen Abbalah einen Franzoſen, ber fi) Jahre lang abs 
mühet, fein Vaterland zu vergeffen und ber europäifchen Bil⸗ 
dung zu entfliehen, einen jener befannten Zibertins, an denen 
Frankreich vor 1789 fo reih war und wie fie die Gegenwart 
wieder üppig bervortreibt. In Abdalah's Tochter blüht dem 
Shevalier die erſte Liebe, in bem zuffifhen Conſul der gefährs 
lichfte Beind. Es gelingt ibm, mit der Geliebten heimlich gu 
entlommen; fie wollen nach Gibraltar und von bier nach Ames - 
rita, allein Wind und Wetter werben ungünftig. Der Gonful 
längft fchon mit bem Plane umgehend, den Chevalier peimlich 
aufgreifen und nad Rußland, wo ein Preis auf feinem Kopfe 
fteht, transportieren zu laffen, bat den Flüchtigen ein Schiff 
nachgefanbt, deſſen Führer fo glücklich iſt, ben Chevalier an 
Bord zu locken, und von biefem Augenblide verfchwindet er aus 
der Gefellfchaft; vom Gonful aber meldet bie Seitung bie Er⸗ 
hebung in den Grafenftand, bie Verleihung bes &t. = Annenors 
dens und eines Sefandtfchaftspoften. Die Geliebte ſtirbt nach 
wenigen Sagen, und ihres Waters lebte Haus wirb von ben 
Bläubigen als das Grab eines heiligen Mannes bezeichnet. 

Ungeachtet der im Stoffe liegenden bedeutenden Motive iſt 
bie Ausführung doch nur ale eine ſehr flüchtige zu bezeichnen. 
Des Chevaliers Freiheitsideen werben kaum in Rußland, wels 
es dem Verf. das Land ber Ketten ift, als gefährlich anpes 
ſprochen werben, und alle Wahrheiten, bie bas Buch enthält, 
liegen weniger in der Darftellung ale im Stoffe. Wahrſchein⸗ 
uch tft es, daß das Buch politiiche Zwecke in Beziehung auf 
Rußland verfolgt, daß es die Abneigung ber Franzoſen gegen 
biefes Land unterhalten fol. Sonſt aber fehen wir das Thema 
bes Tages behandelt: Europa tft durch und durch faul, ein 
Regenerationsverfuc auf feinem eigenen Boden führt ins Ber: 
berben, und glädtlih der Mann, der mit Berftand biefen 
Schmuz zu einem golbfpendenden alchymiſtiſchen Proceffe gu 
benugen weiß. 

5. Lebensbilder aus Dänemark in Novellen und Graählungen 
von Karl Bernhard. Erſter bis dritter Band. Leipzig, 
Weber. 1840. 8. 8 Thlr. 

Es mag vielleicht felten gefcheben, daß ein NRecenfent einem 
Schriftfteler zuruft: „Du bift mein WBohlthäter!" Es mag 


8d 


1128 


bei dem allgemein eingerifſenen Vorurthelle gegen Keten⸗ 
u etwas Lächerfiches Darin liegen. Wenn man aber bes 
ken will, wie weit ein Necenfent gegen jeden Ladendiener, 


-Iede Kammerzofe im Rachtheill fteht, fo verfchwindet gewiß bas 


ffatlende, das Laͤcherliche in jenem Zurufe. Man behergige 
nur: im Felde der Lecture hat Jedermann freie Wahl, Reis 
gung, Laune, Langeweile find unbeſchraͤnkte Schiebsridgtex in 
den Leihbibliotheben. Dagegen bes Recenſent? Du lieber im: 
mel! Man bürdet ihm die ganze Leisbibtiethel auf die Schul⸗ 
teen; er fol nicht mehr denn Alles lefen, um den Leuten auf 
fein Gewiflen zu fagen: Diefe Geiſtergeſchichte ift hoͤchſt unters 
zicbtend über das Hereinrafen einer andern in unfere Welt! 
Dieſe Zendenznovelle müßt ihr lefen, wollt ihr euch ſelbſt und 
euere Zeit begreifen, und begreift ihr's bennoch nicht — gut! 
fo.lefet dieſen biftorifchen Roman, er iſt ein getreuer Spiegel 
des Jahres 1499. Meint ihr, dies Jahr gehe euch nichts au, 
dann bleibt nichts übrig, als die „Lebensbilder aus Dänemark‘ 
von- Karl: Bernhard. . Diefe Bilder find voller Erſat für fo 
vietfache Leiden, die einem Recenfenten von Schriftftellern durch 
ihre Werke, wie durch ihre Wefchuldigungen bereitet werden. 
Sie find alfo wirklich eine Wohlthat, und da fie nicht allein 
Dänemark wibderfpiegein, fondern auch bdeutiches hun und 
Laffen, fo werdet auch ihr, auf Recenfentenpaxole, euere Freude 
"daran haben. 

Die den erfien Band einnehmende „‚Hospitalverlobung ’' 
ift ein Victor Hugo'ſches Nachtſtuͤk. Wie aber Victor Hugo 
infofern als objectiver Künftier zu Werke geht, daß er nur das 
Bild ſelbſt, in allen Theilen forgfältig ausgeführt, als nadte 
That hinſtellt, fo malt freilich auch der Däne felbft die Hein: 
Pen Partien mit Emfigkeit gewiffenhaft aus, allein er iſt nicht 

alter allein, vielmehr manifeſtirt er ſich ſchon durch die Eins 
Heibung als Gontroversprebiger gegen die Meinung ber hochge⸗ 
flellten Jugend, daß ihr erlaubt fei, was ihrer Neigung fröhnt, 
namentlih in bem Verhaͤltniſſe zu geringern Ständen. Nur 
glaube man nicht, ber Verf. langweile uns mit breiten Mora⸗ 
ien, nein! ex weiß fehr gut, baß dergleichen das Übel nur Ar: 
ger macht. Der weſentliche Unterfchieb zwifchen ihm und ber 
neuern franzöfifchen Richtung möchte dahin zu beflimmen fein, 
daß, wie der Franzoſe alles Heil der Geſellſchaft in reformirter 
Sonftruction äußerer Verhältniffe zu finden glaubt, der Däne 
dem uralten Zurufe getreu bleibt: „Werdet befier, fo wird es 
befler fein!” — „ine Familie auf dem Lande‘ nimmt ben 
weiten Band ein. Man follte glauben, in biefer Stille und 
bgeſchiedenheit, getheilt zwifchen Arbeit und Wpift, Tönne gar 


‘ t6 Befonberes vorfallen: bat boy das Familienhaupt felbft 


einen bequemen Weg zum Außergewöhnliden dadurch abges 
ſchnitten, daß er keinem Roman Gingang verflattet. Allein, 
wie's denn fo zu geben pflegt, eben biefes würbige Familien⸗ 
haupt muß am Ende zu eigener großer ‚Bermunberung geftehn, 
dab man nun felber einen Roman gefpielt habe. — Der dritte 
Band gibt zwei Srzählungen, von benen bie zweite: „Ein 
Sprüchwort”, eine intereffante Galerie alter Jungfern vorführt. 
Am feinften ift der Gapitain behandelt, der bei jeber Belegen: 
heit betheuert: ex freue fich der liebenswürbigften Frau von 
‚der Welt, fie fel, mit einem Worte, ein wahrer Engel. Da: 
gegen wirft ex feinem Freunde alle mögliche Bedenklichkeiten 
gegen eine Heirath in ben Weg. Überhaupt ift der Verf. un- 
erſchoͤpflich in folcken taufendfach unbeachtet vorübergehenden 
Heinen unb feinen Zügen, die doch meiftens hoͤchſt charakteriftifch 
find und mit zwei Worten einen ganzen Menfchen leibhaftig 
vor uns hinſtellen. Faͤhrt ber Verf. fort, die Deutſchen In fols 
cher Weile zu beſchenken, fo wirb es ſehr bald nothwendig, 
feine Schöpfungen mit ihren guten und ſchwäͤchern Geiten — 
denn warum follte er von lettern fo ganz frei fein? — unb 
namentlich in ihrem Berhältniffe zum bänffchen und deutſchen 
Leben gehörig zergliedernd darzulegen. 3, 


giterarifge NRotizen. 


Ein pariſer Werleger hat von dem: Grafen Eascafes 
Reit gekauft, eine. Il e. Ausgabe —— — 
de Sainte-Helene!’ pezenftalten zu dürfen. Dieſe wird 

werden 


einige r ſchaͤtbarz Zuſaͤte erhalten; bie Lüden da 
ausgefüllt werden und die typographifche Ausflattung, zu der 
alle artiftifchen Gelebritäten Frankteicht beitragen, wird von aus 
ferordentlicher Schönheit fein. Wire der vorzüglichften Kupfer 
platten werben nur einfache Nachbildungen ber großen Serke 
fein, wozu bas Kaiferreich feine berühmteſten Künftier, einen 
David, Gerard, Eros, Birodet, G. Bernet, Prud’hon, Duplefe 
fiö, Bertau u. A. begeiftert hat. Die Herren H. Vernet, Steu⸗ 
ben, 8. Gofgniet, Charlet, Raffet, Destoudyes, Rogmeplan, 
Beaume, Tony Iohannot u. A. werben biefe herzlichen Sllufize- 
tionen durch neue Zeichnungen ergängen. Die been Portraits 
des Kaifers, Bruſt⸗ wie Knieſtücke, werden in Nachbildungen 
bier ihre Stelle finden; auch bie ſchoͤnen Statuen von Shaubet, 
Sanova, Roland u. A. Der von Lascafes verfaßte Bericht 
umfaßt bie 20 erfien Monate bes Aufenthalts Rapoleon’s auf 
©&t.: Helena, wird aber bis zu feinem Tode durch bie Berichte 
der Doctoren O’Meara, Antommarchi u. A. vervoliſtaͤndigt wers 
ben. Den Schluß fol ein Bericht über die Ausgrabung der 
fterblichen Reſte Rapoleon’s und deren Translation nach Frank: 
rei bilden. I. Ianin ſchreibt die Ginleitung dazu, bie Res 
vifion des gefammten Zertes iſt Hrn. Fayot unb zwei andern 
Perfonen anvertraut, welche das Eril Rapoleon’s auf St.⸗He⸗ 
lena zu ihrem Lieblingsftubium gemacht haben. 


Die gefundefte und anregendfte Lecture für die Zugend — 
vieleicht nur für die männtihe — find ohne Zweifel Teiſebe⸗ 
fhreibungen , einfach erzählt, möglichft fo, daß ſich bie Moral 
mit und aus den Thatſachen ergibt, auf die kindliche Kaffungs- 
kraft berechnet, ohne deshalb ins Kindiſche auszuarten. Gin 
gewifler Rouffel hatte den glüdlihen Gedanken, Algier und 
feine Bewohner zu einer Iugendfchrift zu benugen.: Das Buch 
erfegien in Paris unter dem Zitel: ‚Men veyage en Algerie, 
raconte & mes enfants, par N. Roussel”, iſt aber auch für 
Leſer jeden Alters eine ebenfo unterhaltende als Ichrreiche Lee⸗ 
ture, in Bezug auf bie Darſtellung der Sitten, Gebräuche und ves 
tigiöfen wie bürgerlichen Gewohnheiten ber Eingeborenen Alge⸗ 
riens vielleicht das gründlichfte und malerifchfte unter allen biss 
ber erſchienenen Schriften über Algier. Um bee Schrift die Phy⸗ 
fioguomie einer Zugendfchrift zu ertheilen, hat der Berf. frei- 
Hd mancherlei moraliſche Keflexionen eingewebt, die oft ebenfo 
kindiſch als an den Haaren berbeigezogen exfcheinen. Die Deuts 
fhen haben gegenwärtig einigen Mangel an guten Jugendfchrifs 
ten, woran fie vor nicht langer Zeit nodh fo reich waren; viel: 
leicht verdiente Rouſſel's Schrift mit größerm Rechte eine Übers 
feßung oder Bearbeitung, als Sue's, Soulid’s und Anderer Romane, 
deren aͤſthetiſcher Werth und moraliſcher Rugen [ehr zweifelhaft find. 


Reu erfchienen in Paris: ‚„‚Evenements et aventures en 
Egypte en 1889, von Gelpion Marin (2 Bbe.), unb „Des 
moyens d’assurer la domination francaise en Algörie”, vom 
Baron Leétang, weicher 1836 und 1837 bie Divifien in ber 
Provinz Dran befehligte. Die Tendenz ber Schrift iſt, nach⸗ 
umelfen, baß die Golonifation ohne die Herrſchaft in Afrika ein 

ing der Unmöglichkeit fei, und daß die Herrſchaft ohne bie Go: 
Ionifation nicht blos laͤſtig, fondern auch zwecklos ſei; daß beibe 
Schritt für Schritt einander folgen und bedingen möüflen. Zu 
den politifchen Schriften gehören noch: „Le faux napol&onisme 
comme interpröte funeste des id6es de Louis Napolsen par 
Hoine Wronski”, und ‚‚Guerre aux puissances si ires da 
trait6 da 15 juillet, memeire adresse au Roi et aux mini- 
stree sur la n4oessit6 de cetie guerre et los moyens de la 
faire avec succds”, von 3. B. Flandin. 5. 





Berantwortlier Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. U. Broddaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienftag, 


— Nr. 280, 


6. October 1840. 








Völkerfchau auf Reifen. Bon Theodor Mundt. 
Erfier Band. 
(Beſchluß aus Nr. 279.) 

Das neue Buch, bad uns zu ben vorfichenden Be⸗ 
trachtungen veranlaßte, führt uns in zwei einander fehr 
entlegene Länder, aber zu zwei einander befreundeten Voͤl⸗ 
tern — Franzoſen und Polen; doch beſchraͤnkt es ſich auf 
Suͤbfrankreich und auf Krakau. Bei dem Amphitheater 
zu Nismes Enüpft die Erzählung an, bie uns auf das 
anſchaulichſte in das ſuͤdfranzoͤſiſche Leben verfegt und 
mit dem Provinzialcharatter bekannt macht. Koͤſtliche Fi⸗ 
guren find gleich Hr. !’Allemand und Monſieur Laurent. 
Wir begegnen aber nicht blos einem Manne, der ſich bei 
feiner Zuſammenkunft mit einem Deutichen kindiſch freut, 
in feinee Sprache ein Deutfcher zu heißen, fondern Nie: 
mes hat von jeher auch unter den Arbeitern viele Deutfche, 
deren leicht zu befriedigendes Naturell dazu beigetragen, daß 
die Armen von Niemes mit fo vieler Ruhe und Geduld huns 

een, wie ihnen allgemein nachgerühmt wird. Die Deutfchen 

Bewähren alfo überall, daB fie einen guten Magen haben, und 
das Talent, Alles zu verbauen, erſtreckt fidh bei ihnen fogar 
auf Das, was fie nicht zu genießen befommen. 

Wenn wir nun auch bier gleich der aus den frühern 
Bänden uns ſchon bekannten Eigenthuͤmlichkeit Mundt's 
begegnen — naͤmlich feine Anfhauungen und Charafteris 
firungen mit Empfindung und Reflexion zu mifchen und 
zu binden, fo ift doch in dieſem Bande die Darftellung 
durchaus vollendeter und bee Styl ausgezeichnet. Die 
Einkleidung feiner Schrift iſt ganz kuͤnſtleriſch und fertig. 
Sonſt hat man biefem Autor eine uͤbermaͤßige Wortfülle, 
ein Hafchen nad Bildern und Wis vorgeworfen: von 
alfem dieſem iſt hier keine Spur. Die Anfchauungen find 
lebendig, die Schilderung charakteriftifh, bie Betrachtun⸗ 
gen gehen in die Tiefe, die guten Einfälle figen am Wege, 
die Neflerionen reichen die Hand und ber Gtyi if praͤti⸗ 
fer, ohne an Wärme und Glanz einzubüßen. Man lefe 
im dritten Capitel, in welchem Mundt das Hofpital In 
Nismes befucht, bie herrliche Beſchreibung der barmherzi⸗ 
gen Schweſtern. Munde ſchildert ihren Urfprung und ihe 
Wirken und vergleicht fie am Ende mit einer zweiten 
„Ausftrahlung des Katholicismus““, mit den Jeſuiten. 


i t er: 

v a hernpropaganda des heiligen Vincenz, die mit 
dem Balſam des chriſtlichen Wohlthuns ausgeſchickt, um den 
werkthaͤtigen Gei 


ft der Kirche zu verbreiten, trägt durch ihr 


pofitives Wirken ebenfo fehr zur Auflöfung des Katholieismus 
bei, wie bie Propaganda bes heiligen Ignaz durch ihr negas 
tives. Die krankenpflegenden Gchweftern haben durch das Prins 
eip der Barmherzigkeit, das einen über alle confeffionnellen Kor: 
men der Kirche erhabenen Standpunkt begründet, ein freies, 
weltliches, proteſtantiſches Element in den Katholicismus ges 
bracht, und bie Jeſuiten ein revolutionnaires durch das weltliche 
Eroberungsſyſtem, durch das fie den reißenden Strom ber Ges 
ſchichte in die Kirche binelngeleitet haben. Beide Orden, bie 
barmherzigen Schweftern und die Sefuiten, find Bugeftändniffe 
an das Weltleben der Gefchichte, welche ber Katholicidmus ge⸗ 
macht bat; aber indem biefe Propaganda ber Weltbeglüdung, 
die er ausfanbte, die Grenzen feines Reiches zu erweitern und 
Kr Fiber trachtete, hat er ſich nur in feinen eigenen Schlingen 
gefangen. 
In Montpellier werden wir mit dem Eernhaften, un: 
verborbenen Zuſtande der franzöfifhen Provinz und ihrer 
geiftigen Philiſterhaftigkeit bekannt; wir lernen bier im 
beilkräftigften Klima der Welt den Sterbewinkel aller Nas 
tionen kennen. Der Kaufmanns: und Krämergeift hat 
bie frühere Romantik vertrieben, und unter bem Centras 
liſationsſyſteme fiecht die Franzöfifche Provinz, die vor def 
fen Einführung eine fo felbftträftige Entiwidelung genom⸗ 
men hatte. Wahrhaft poetiſch iſt das fechete Gapitel, 
wo ber Reifende, von Sehnſucht ergriffen, das Meer fucht. 
Er finder zuerft ein Gefängniß mitten im Elemente der 
Freiheit, dann im Hafen von Marfeile das Meer von 
unzähligen Schiffen und wimmelnden Booten in Beſchlag 
genommen. Weiter getrieben, findet er fhmauzige Waͤſche 
und ein Peſtlazareth am Meere, bis er es dann am fols 
genden Tage in feiner Allmacht und Freiheit unter ber 
Kapelle Notre dame de la garde erblidt, wo ber Reis 
fende in ein poetifches und betendes Entzuͤcken ausbricht. 
Im fiebenten Gapitel ift Marfeile mit bem Leben und 
Treiben des Volks und der Seeleute, ber wilde Genuß 
der Matrofen in ihren Cafes, die Trachten des Volkes, 
das Unbehagen der Dige und des Miſtral hoͤchſt lebhaft 
dargeſtellt. Dann fuͤhrt uns der Reiſende durch politiſche 
Betrachtungen uͤber Frankreichs Verhaͤltniß zur afrikani⸗ 
ſchen Kuͤſte, im achten Capitel, zur Beſchreibung Toulons 
und der Galeeren. Dieſe Schilderung im neunten Ca⸗ 
pitel iſt wahrhaft ergreifend, nicht allein durch die an⸗ 
ſchauliche Darſtellung des Bagno uͤnd des ſchauderhaften 
Zuſtandes ber Verbrecher, ſondern auch durch bie Wahr⸗ 
heit und Tiefe der Reflexion. Der Dichter vertritt im 
biefer tragiſchen Darftellung den Chor, Man Iefe, was 


er Über die Sünde als felbfifräftiges, wirkendes und fchaf | 


fendes Element im Menſchen, fowie über die Aufhebung 
alfee individuellen Unterfchiede duch die Alles gleichmas 
chende Gewalt ber Sünde fagt. 

Don biefer fhgudergeregenden Wunde des 


kn 
Lebens in Fraukreich, did gehabe Hd’ denitgefif@der ben - 
RE Landeb eitern And anſtecken muß,’ werden wir fach‘ 


Polen geführt, um ein unglüdliches Land in feinen heim: 
lichen politifcgen Leiden zu finden. Auf den Inhalt 
diefes Gemälbes will ich meinen Bericht nicht ausdehnen. 
Die Mittheitungen des Buches find zu reichhaltig; fie 
verbreiten ſich über bie häuslichen und öffentlichen Zu: 
flände von Krakau mit Durchbliden in die Gefchichte Po: 
lens und in die Politik der Cabinete, über die Sympa⸗ 
thien und Antipathien der Bevoͤlkerung, über die Außer: 
hen Sefte und Innerlihen Misftimmungen des Volkes, 
über die wiffenfhaftlihen wie Uber die kirchlichen Bewe⸗ 
gungen, Am Ende führt und der Berf. in den Kaſi⸗ 
mircz — duch die Höhle des Ungluͤcks, wie er dieſe Ju⸗ 
denftadt nennt. 

Unter den Charakterbildern dieſes Gemaͤldes ſticht ein 
Mann hervor, der das hoͤchſte Vertrauen ber Schugmächte 
in jeder Beziehung zu genießen das Stud hat. Es ift 
Herr Joſeph Schindler, ein römifch: katholifcher Priefter, 
der als Vicepräfident des Senats jest die unbefegte Stelle 
eines Borftandes der Regierung vertritt und als folcher 
den ganzen Senat von Krakau durchaus im oͤſtreichiſchen 
Sinne leitet. 

Sn feiner Perfon fcheinen fich der öftreichifche und ruſſiſche 
Einfluß gewiflermaßen auf dem Indifferenzpunkte begegnet zu 
fein, und Schindler ftellt diefen freigegeichneten Punkt, auf wel: 
em ſich die beiben großen Magnete zufammenftoßen und in 
defien fubtiler Brenge eben bie heutige Regierung Krakaus fich 
zu halten hat, mit aller Meiſterſchaft dar. u 

Mundt erzählt uns bie Lebens: und Ehrenbahn dieſes 
bedeutendflen und einflußreichfien Mannes im Freiſtaate. 
Die Betrachtung, womit er die Erzählung fchließt, tft fo 
wahr und treffend, daß Ref. ſich nicht enthalten kann, 
fie bier mitzutheilen. 

An ſolchen geknfffenen Charakteren — fagt Mundt — iſt 
unfere Zeit reich; fie find die Heroen unferer gekniffenen Ver⸗ 
bältniffe. Dies find folche Figuren, die man heutzutage aller 
Drten und auf ben böchften Stellen antrifft, Emporlömmlinge 
der Knechtſchaft. Mit ihrem Talent, das fie unleugbar beſitzen, 
beuten fie die Schlechtigkeiten ber Betten aus und beweiſen 
ven Glauz ihrer Erfolge, wie in ſolchen Perioden ber 
Gerichte fig immer der Vortheil Ginzelner mit ber Schande 
Aller verträgt. Gewoͤhnlich haben fie ſich aus niebrigen Sphaͤ⸗ 
sen den Weg zu den hoͤchſten gebahnt und auf diefen Schlan⸗ 
genwindungen feine Studien der menfchlidden Natur gemadit. 
Sie Haben das Verderben der Zeit, in der fie Ichen, pſycholo⸗ 
giſch ergründet und find dadurch die Meiftee und Birtuoſen 
dieſes Verderbens geworben. Treue Diener ihrer Herzen, find 
fie zuverlaͤſſtg in ben Geſchaͤften, weil fie überall ihre eigene 
Haut mit zu Marfte tragen. Sie werden bei einem Umſchla⸗ 
gen ber Zeiten beifeite geworfen; aber dann tröſten fle ſich da⸗ 
mit, baß fie doch gelebt mb Ihren Vortheil ſicher geſtellt haben. 
Sie find zu allen Dingen gu gebraudden und find ſtark durch 
Ihre ung ber öffentlichen Meinung. Gie find geborene 
roßinquifttore und haben das policeiliche Talent, das unfere 
Zelt vorzugsweiſe ausgebitbte hat, gu einer Höhe gebracht, auf 


1130 


v& es Bine Fachtvare Gewalt ſelbſt über ben Geiſt errungen. 
Im Kampfe der Policei mit dem Geiſt, dem Geiſt ber Ras 
„tionen, dem Geift der Zeit, dem Geiſt des Individuums, dem 
Geift der abfoluten göttlidden Vernunft haben fie fich die Külle 
von Ruhm und Glück erworben, in ber fie fchwelgen. Sie 
Bein bie neunte, N fie vom a ommEn, mit irdi⸗ 

er Gier, und Wer et daden. Bultgt aßer ke: 

ient ſich ifrer" die it Her haͤufig hoch zu cine ten Wert. 


Denn indem ſie die Sache, welche ſie fuͤhren, in der Regel an 


den Rand bes Abgrundg treiben helfen, zeitigen fie dadurch das 
Schidfal ihres Volkes j ie 


Theodor Mundt entläßt uns nicht mit dem traurigen 
Eindrhden, die unfer Gemüch in ber erſten Hälfte des 
reichen Buches duch das Bagno umb in der zweiten 
duch den Kafimircz empfangen hat. Auf echt kuͤnſtleri⸗ 
ſche Weife weiß er unfer Herz durch eime Idylle zu be: 
friedigen,, die er am Schluſſe des Buches gibt. Einem 
großen Schmetterlinge folgend, geräth der Wanderer in 
das ſtille Gaͤrtchen eines Geralen und wird hier des hei- 
ligen Naturfriedens theilhaftig,, in dem alle Weſen, als in 
ihrer uranfänglihen Deimat geborgen unb geflchere find. 
In der That ift dem Lefer, nach dem vielfachen und 
hoͤchſt lebhaften Eindrüden dieſes ansiehenden Buches 
der fluͤchtige Anblick des einfachen Naturlebens in den 
Karpaten wohlthuend und erquicklich. Mit dieſer Hin⸗ 
weiſung auf reiche Befriedigung des Geiſtes und des 
Herzens ſchlleßen wie unſere Anzeige eines Buches, das 
dem Verf. viel Freunde gewinnen — vielleicht auch man⸗ 
hen Gegner verſoͤhnen wird. H. Koenig. 





Juſtus und Chryſoſtomus, Gebruͤber Pech. Zeit⸗ und Le⸗ 
benslaͤufe von Hermann Marggraff. Zwei Theile. 
Leipzig, Engelmann. 1840. 8. 1Thir. 12 Gr. 


Ich bin Feiner von denjenigen Kritikern, bie eine Frucht 
am liebften anbeißen, wo der Wurm fit, nur um mit gutem 
Gewiſſen das Geficht verzichen und fle mit Stumpf und Stiel 
wegwerfen au koͤnnen. Ich laſſe mich, wofern es fidh der Muͤhe 
Iohnt, die Mühe nicht verbrießen, den Wurmfticdh fein and ſau⸗ 
bee auszuſchneiden, und hab’ ich danm auch nichts Ganges und 
Volles, fo bleibt mir doch immer noch ein guter, geniefbarer 
Theil, der oft feine gang befondern Süßigkeiten bat. &o babe 
ih mir denn auch die „Gebruͤder Pe’ mundgerecht gemacht 
und fie mie gut ſchmecken Laffen, fo leicht es auch geweſen twäre, 
mir ben Appetit daran zu verberben. Wer Luft hat, ſich an 
ipnen zu ärgern, mag ſich äugern. Die Stellen,: wo fie fich 
angreifen Lafien, find leicht zu finden, fie Liegen offen da, ihr 
Autor deutet felbft darauf Hin und macht Keine Anfprü e dar⸗ 
auf, in ihnen ein unverwundbares Heldenpaar In die Welt ges 
ſegt zu haben. Marggraff gibe feine „‚Sehrüder Pech“ für kei⸗ 
nen Roman, für Eeine Novelle unb Überhaupt für kein Pros 
duet in ausgebildeter künſtleriſcher Form aus, wir gaben daher 
auch nicht derartige Anfoberungen an dieſelben zu machen. Gr 
Laßt feine beiden Helden, Juſtus und Chryſoſtomus, namentlich 
ben letztern, öfters aus ihrem Wefen heraus: und in fein eigenes 
hineinfallen; aber ex hat beflen gas kein Hehl unb fagt (AH. 2, 
&. 958) ſelbſt: „Der Herausgeber biefer Blätter weiß in dies 
fem Augenblide nicht, ob er ein Stück von bem raifonnizferti- 
gen Ehryfoftomus Pech oder Chryſoſtomus Pech ein Stüd von 

m ift; er kommt ſich beinahe felbft wie ein Mythus vor.‘ 
Die Verwidelungen und Entwidelangen werben oft gar will: 


kuͤrli d gewaltſam herbei t; ab d 
fich ——ù —— hil ne ehem —— — 





1131 


darüber hinweg. „Ein Novellift Hätte viel zu thun“, fagt ex, 
„wenn er überall nachweifen follte, wie bie Dinge gekommen 
find, und hat oft Mühe genug, nachzuwelfen, daß fie überhaupt 
gekommen find.” Solche Hindentimgen und Selbfigeftändniife 
machen zwar bie Sache ſelbſt nicht beſſer, aber fie nehmen wes 
nigfiens der Kritit die Waffen aus ber Hand. Es wäre zwar 
die Frage aufzuwerfen, ob ein Dichter nicht beſſer thue, Pro: 
ductionen, bie er felbft für mangelhaft erkenne, für fi gu be: 
alten. Sch denke aber, das wäre zwar echt künſtleriſch, aber 
fie unnatürlich. Erſt der Meifter iſt ein Künftler im vollen 
inne des Worts, und es wird Fein Meifler geboren. Mer 
kann von vornherein Vollkommenes produciren? Selbſt der 
Genius bringt anfangs oft Ungeſchlachtes und Formloſes zur 
Welt. Sol er deshalb bei ſich behalten, womit er ſchwanger 
eht? Er würde in fich felber erſticken, an feiner eigenen Frucht⸗ 
—** untergehen. Er muß ſich daher vom Halſe ſchaffen, was 
ihn druͤckt, damit er frei und leicht werde zu neuen und beflern 
Drobuctionen. Der Baum füttelt uns erſt feine frühreifen 
te zu, ehe er uns bie echten und vollträftigen pflüden 
Yößt, und fo lange wir biefe noch nicht haben, nehmen wir, 
wenn fie nur guter Art find, geen mit jenen vorlieb. Und der 
Markgräfier ift onerlannt ein gutes Gewaͤchs, ber auf andern 
Zweigen ſchon feine ziemlich ausgewachſenen Früchte getragen 
bat, und wir müuſſen daher au feine minder volllommenen 
Sahen mit Empfänglichkeit aufnehmen und nicht allgufehr bas 
ran maͤkeln. 

Zudem ich alfo gefonnen bin, bie Gebrüder Pech von ih⸗ 
zer guten Seite barzuftellen, muß ich vor Allem fagen, daß fie 
beide ein paar recht harmlofe Naturen find, bie man trotz ih: 
rem etwas wetterwenbifchen Wefen von Herzen liebgewinnen 
muß. Es find Feine abgefchlofienen Charaktere, aber doch recht 
wohl unterfheidbare Perfönlichkeiten. Es iſt nicht bie Form, 
die fie zu etwas Beſondern macht, fondern der Stoff. Cie find 
nicht, wie die gemeinen Erdenföhne, aus der orbinairen Erbe 
gelnetet. Im Gegentheil, die Erde hat manche Metamorphos 
fen durchmachen, manche Miſchungen und Läuterungen erfahren 
müffen, ehe fie bis d bem Stoffe durchgedrungen iſt, aus dem 
fie gebildet find. Es find ein paar echt animalifche Producte; 
nicht, wie ein marmornes Goͤtzenbild, aus Stein gemeißelt, nicht, 
wie ein hölgerner Heiliger, aus Holz gefchnigt, fondeen, wie 
eine Wachsfigur, aus Wachs gegofien: darum von geringerem 
Kunftwesth, minder göttlich, nicht allzu heilig — aber bafür 
defto menfchlicher und fleiſchaͤhnlicher; von keiner fonderlichen 
Feſtigkeit und Bormenbeftimmtheit, aber dafür deſto ſchmiegſa⸗ 
mer und fuͤgſamer, und um fo leichter in alle Formen einge⸗ 
hend und ſich in allen recht natürlid) und wohlgefällig ausneh⸗ 
mend. -Und weil es nie die flasre Form, nie bie beftimmt aus⸗ 
geprägte Geſtalt iſt, was ſich einſchmeichelt und chemiſch mit 
unferm Innern zufammenrinnt, fo find fie denn auch um die⸗ 
ſes Stoffe willen vecht die Leute dazu, ſich bald in unfer Herz 
einzuniften und dort ihre Berwandlungen, ihre Berpuppungen 
und Entpuppungen durchzumachen. Seigen fie fih heute als 
Kaupe, morgen ald Schmetterling, fo bleiben fie doch ihrer 
fubftantielen Natur nad immer Dafielbes in ber kritiſchen 
Raupe iſt nie der poetifche Schmetterling, und im poetiſchen 
———— nie die kritiſche Kaupe zu verkennen. 

Juſtus 
Zeit, ein paar leibhaftige Söhne Deutſchlands. Quitzingen, ihr 
Seburtsort, ift nicht fo Mein, als des Verf. es ſchüdert. Es 
bat feine 3b Millionen Einwohner und drüber, und die Fami⸗ 
Yig Pech fpielt eine Hauptrolle barin. Sie hat fi nach allen 
Seiten hin verzweigt und verbreitet, und wer nicht ihren Ra⸗ 
mm führt, trägt doch wenigftens ihre Schidfale. Die Stamms 
ältern derfelben hat uns ber Dichter, wenn auch nicht nach als 
Yen Geiten, doch in einigen Hauptzügen recht treffend gezeich⸗ 
net. Der Water, sin Fabrikherr, hast wie kaltes, bie Matter, 


a 
eine fromme Frau, weich wie warmes Pech. Starrheit und 
Zerfloſſenheit, Materialiemue und Nihiliomus 

und Gchwäsmertt: d«6 Pins umb Minns der jegigen Dr dh: 


[2 


und Chryſoſtomus find ein paar echte Kinder ber. 


gegengefeäte Größen, als Factoren zufammengefellt, geben flets 
ein negatives Product, und die Pech'ſche Rachlommentchaft 
mußte daher nothwenbig ins Minus zu ſtehen kommen. Zuftus 
und Chryfoflomus find bie Repräfentanten berfelben, beide gu 
ben beidlcbigen, tragikomifchen Greaturen gehörig, Die gem 
Fiſch und FSleiſch fein möchten und darum keins von beiben 
werden Eönnen; beide, wie ein griechifches Medium, zwiſchen 
Activität und Paffivität, zwifchen der Proſa der Induftrie und 
ber Poefie des Dolce far niente in der Mitte ſchwebend, Ju⸗ 
fus aber mehr nad ber handelnden Rechten, CEhryſoſtomus 
mehr nad) der fühlenden, reflectirenden Linken hinneigend. Ihre 
Erziehung iſt trefflich geſchildert. Es ift die wahre Rormalers 
sichung für Solche, aus denen nichts werden fo, ober bie ba 
auserfehen find, nachträglich vom Schickſal noch einmal erzogen 
zu werben. Wenn Juſtus in die Schule ging, gab ihm die 
mütterliche Eiche ſtets ein Regelbuch mit auf den Weg: er folle 
vor ben vornehmen Leuten, befonbers vor ber Frau Acciſeein⸗ 
nehmerin hübſch die Müse ziehen, dagegen bie Frau Mebgerin 
u. f. w. bei Leibe nicht grüßen, den Kopf folle ex fo und bie 
Nafe fo tragen und ja ben Leib fo halten, wie ihm berfelbe 
eingerichtet war. Außerdem wurben ihm auch viel Sanitaͤts⸗ 
und Präfervatiomaßregein eingefchärft: er folle ſich hübſch an 
den Gaſſenecken umfehen, damit er nicht überfahren werbe; er 
fole fih hüten, daß ihm Kein Ziegel auf den Kopf falle, daß 
ex nicht ausgleite und daß ex von keinem Bunde gebiffen werde. 
„Dieſe Maßregeln”‘, fährt ber Verf. fort, „bewirkten gerade 
das GBegentheil von Dem, was fie bezwedten. Indem Ju⸗ 
ſtus dieſelben wiederholte, ging er vor ſich hinſehend, gebüdt, 
ingkiih, ohne alle Haltung; in der Berfireutbeit zog er die 
Müge vor der Frau Kupferichmied und ließ fie fißen vor ber 
Frau Aceifeeinnehmerin; um nicht auf ber holperigen Gaffe 
auszugleiten, ſchlenderte er auf dem Bürgerfleige hin unb ges 
rieth hier mehr als einmal unter die Seräfte von neuguerbauens 
ben oder auszubefjernden Häufern, ſodaß er wirklich einmal von 
einem berabfallenden Steine faſt erfchlagen worben wäre, und 
indem er ſich einmal an einer Ecke nach einem Wagen umfah, 
ber die Seitengaffe etwa herauffahren könnte, wäre er eines 
Tags beinahe von einem Wagen, ber ihm gerade entgegenkam, 
überfahren worden.“ Ghryfoftomus bat wieder feine befonbern 
Leiden. Da ex das Nefthöckhen war, fo erhielt er nie ein Roͤck⸗ 
en von nagelneuem Tuche, fondern immer erſt aus der brits 
ten Hand, wobei denn baffelbe, wie der beutfche Kaifermantel, 
(don etwas beruntergelommen war. Died war für CEhryſoſto⸗ 
mus von bebeutenden Kolgen. Er gewöhnte fi an ein gewif- 
ſes fchlotteriges Wefen und vertiefte ſich dafür Immer mehr in 
die Schattentiefe feines Innern. Dieſer intuitiven Richtung iſt 
er denn auch fernerhin treu geblieben, wie fie ſich denn fehr bes 
ſtimmt ſchon in feinem erſten vielbewunderten Bonmot: „Kud 
ins Löchel”, an den Tag gelegt hatte. 

Nicht ganz fo gelungen, obſchon auch mit pilanten Zügen 
ausgeflattet, iſt die Schilderung der Schulzeit. Juſtus macht 
bier eine förmlich foflematifche Entwidelung durch, nach Thefis, 
Antithefis und Syntheſis. Er iſt das Muſter eines fleißigen, 
muſterhaften Schülers, ber ſogar —— Berfe macht und 
ein blaffes Bürgermädchen platoniſch liebt. Aber er if ein 
Nachtwandler und macht feine beften Arbeiten im Schafe. Die 
Ohrfeige eines Conrectors eurirt ihn aus dieſem Zuflande her⸗ 
aus und in eine ſchwere Krankheit hinein. Von dieſer geneſen, 
T&hlägt ex zum abfolmten Gegenſatz um, wird lotterig, lieſt Räus 
bersomane, wirb felbft Raͤuberhauptmann unter den Primauern 
und verlicht fich in cin fenriged Bürgermäbchen. Ge treibt - 
dies, bis er relegirt wird, fällt abermals in eine Rranfheit, ges 
neft und wird ein gefegter ordentlicher Menſch, der nach Qui⸗ 
gingen zuchdlchet und feinem Bater bei ben Habrikgeichäften 
un Geite ficht. Shegfoftemus geht inbeffen nach Bretian, ver 
aͤllt auf die Belletriftit und macht nun alle Leiden biefer glatt⸗ 
durch. Er wird nun immer bimmer und durch⸗ 
ee, und wem win ſich Hermann 


er reſtertiren ‚art 
ug an feinen Matz und fpielt feinen Vormund. Das 


1132 


nahe. Was uns felbft gar zu innerlich berührt hat, koͤn⸗ 
ne F am ſchwerſten na einer fremden Anfchauungsweife 
flldern. Der Verf. hätte daher biefe Partie ganz vermeiden, 
oder den Chryſoſtomus Pech von Anfang an als ben Vertreter 
feiner ſelbſt anlegen follen. Ehryſoſtomus 5 zufolge ſeiner 
Schoͤngeiſterei in große Roth: die Buchhändler wollen feine 
Gedichte, der Staat will feine Dienfte nicht, der Water enterdt 
ihn, feine Beliebte wird von ihm geriffen — ex legt es geflifs 
fentlich darauf an, wahnfinnig zu werben. Aber auch das ges 
lingt nicht; ſtatt feiner wird es fein Vater, ohne es zu wollen. 
Dieſer ftiebt endlich und Yuftus nimmt den Chryfoflomus zum 
Miterben an. @r begibt fi nun auf Reifen, um Abenteuer 
u erleben. Gr ift in Berlin, Leipzig, München, erfährt und 
efpricht Hier Dies und Das, ſchreibt Reifeberichte, flicht interef- 
fante Epiſoden ein, erlebt aber felbft faft nichts und kommt 
endlich in Dresden wunderlicherweife mit feinem Bruder Chry⸗ 
ſoſtomus gufammen, der unterbefien zu Haufe mit einer italie⸗ 
niſchen Sängerin die Abenteuer erlebt hat, welche Chryſoſtomus 
auf feinen Heifen vergeblich geſucht. Die Brüder finden zu: 
gleich in Dresden * erden Geliebten, nehmen fie mit nad 
Quisingen und heirathen fie. 
en ſieht, ve Knoten tft ziemlich kunſtlos gefchürzt, etwa 
wie Shryfoftomus den Knoten feines Halstuchs ee has 
ben mag. Auch durch das Kunſtloſe kann jedoch ber Kuͤnſtler 
hindurchblicken, und fo laͤßt fi aud in biefer oft außerhalb 
der Poeſie Liegenden Dichtung der Dichter nicht verfennen. Er 
muß nur nicht im Banzen, fonbern im Einzelnen gefucht wer: 
den. Wenn er eine Figur uns im Fluge —— ohne 
fie näher und ſpecieller zu verfolgen, weiß er uns im wenigen, 
pilanten Zügen ſtets ein lebendiges Bild von ihr aufzuftellen. 
Seine Charaktergeihnung hat daher etwas GEpigrammatifches, 
Skizzenhaftes. Er befigt ein ſcharfes, tiefblictendes Auge für 
die einzelnen Momente und vorübergehenden Erſcheinungen, und 
fein Griffel if gewandt genug, fie in leichter, gefälliger Dar: 
ftellung flächtig wiederzugeben. Davon zeugen faft alle Nebens 
figuren: feine Würgermäbchen, der Doctor Schwefler, die Com: 
miffionnaire des nordamerikaniſchen Mäpigkeitsvereind, Quackler 
und Kuruffel, die ſchoͤne Kathi, die Sängerin Angelika, der 
Bajazzo Giovanni und vor Allen der Maler Arthur, beffen 
nur loder eingeflochtene Geſchichte unftreitig die befte und ges 
nialfte Partie des ganzen Buchs iſt. Sie biefet, namentlich 
in ihrer Entwidelung, herrliche dramatiſche Momente bar und 
man muß bebauern, fie hier als ein hors d’oeuvre nit an 
ihrem vechten Plage genießen zu können. Um jeboch dem Lefer 
von dieſer Epifobe einen Vorſchmack zu geben, koͤnnen wir 
Schließlich nichts Beſſeres thun, als ihm Arthur in feinem Ates 
Hier vorzuführen. „Haͤttet ihr ihn allein”, ſchreibt Ehryſoſto⸗ 
mus, „In demfelben beobachten Eönnen, fo würdet ihr euch fatt: 
fam über ihn verwundert haben. Wenn er an irgend einem 
Heiligen malte, lispelte er liebreich: „Nun, lieber Junge, 8 
will bir auch ein recht huͤbſches Gewand anthun, ſei nur Hübf 
ebulbig, während ich dich bekleide; bu ſollſt dich vor deinen 
—* nicht ſchaͤmen dürfen, und gut halten will ich dich 
au, und ein Keängtein von Lichtfirahlen will ich um bein 
Haupt führen, daß die profanen Weltieute mit ihren ehrloſen 
Slatzen vor dem Blanze beines Heiligenſcheins erſchrecken fols 
len“ u. f. ſ. Dder wenn er eine Maͤrtyrerin malte, fagte er 
wol: „„Hübfches Kind, du haft fo freundliche, fromme Augen 
und rothe Baͤckchen, daß es eine Luſt ift, bich anzufehen; aber es 
thut mir leid, fhön pugen kann ich dich nicht; nur ein grobs 
linnenes Kleib Tann ich bie geben und bein Marterwerkzeug 
in die Hand; ad), gute Katharina, das iſt gar traurig, daß bu 
das harte Juſtrument in bie Hand nehmen ſollſt; aber es Tann 
nicht anbers fein, und bas wird bie body Ehre brin⸗ 
und wenn er an einem Gchlachtgetümmel malte, rief 
berenftimme: „Immer drauf, alten Kai⸗ 
erheld! Schlage den Hund von Italiener nieder! Er ver⸗ 
dient's, der Verraͤther! Raſch heran, ihr jungen Helden, Blüte 


ber deutſchen Ritterſchaft! Verlaßt euern Kaiſer nicht!” u. ſ. w. 
Dann wieder pi ee zu einem Wilde, welches eine alte Frau 
barftellte, und ſchmeichelte ihm und ſprach: „Liebes Mütterchen 
wie befindeft du dich?“ — „„Danke, guter Herr, befinde mi 

ar wohl!““ — „Hält auch noch dein warmes Camiſol?“ — 


noch Farbe?“ — „„Ei, die Halten!" — „Wußt's wol, lies 
bes Mütterdden; habe mir au keine Mühe verbrießen laſſen, 
dich recht warm und dauerhaft zu Heiden. Run muß ich aber 
geben und dem guten Wäterchen fein rothes Sammtkaͤppchen 
auffegen; er hat fo wenig Haare, daß es ein Jammer ift, und 
ich möchte um aller Welt willen nicht, daß ihn froͤre.““ 

So Schreibt Chryſoſtomus über Arthur, und es thut Gis 
nem recht weh, daß er hernach noch fo Zrauriges von ihm zu 


erzählen hat. 
Rihard Morning. 





Literarifhe Notizen. 


Die beiden Iedten Bände von Seffe's ‚„Memuirs of the 
court of England during the reign of the Stuarts” u. ſ. w. 
rechtfertigen die Erwartungen, welche man nad) dem Vorgange 
der beiden erften von ihnen hegen mußte, mehr als zur Genüge. 
Die Darftellung der Gefchichte des Protectorats im britten 
Bande bildet in ber englifchen Literatur ein würbiges Geitens 
ftüd zu den Memoiren über Rapoleon von Lewis Boldfmith 
u. A. Die Quintefleng des Raifonnements, zu welchem Seffe 
durch Grommwell’® Geſchichte geführt wird, Liegt in den mer! 
würdigen Worten: „Die Geſchichte hat es gezeigt, baß der 
Patriot oft der ärgfte Feind ber niedern Stände ift, und daß 
e6 für den Armen beffer ift, feinen Lebensunterhalt zu verdie⸗ 
nen, indem ex bem Defpoten den Purpurmantel webt, als feine 
Gmancipation den Täufchungen bes Republikanismus anguvers 
trauen.‘ Nicht minder merkwürdig find tm 3. 1840 bei eis 
nem englifchen Geſchichtſchreiber die Worte, in weichen Jeſſe die 
einzige Benugthuung für feinen durch Grommel tief gekraͤnk⸗ 
ten Royaliemus zu finden fcheint: „Es wäre eine Beleidigung 
für die großmächtigen Todten geweien, wäre es Grommell, dem 
Vernichter des Königthums, dem Mörder feines lehten Vertre⸗ 
ters, geftattet gewefen, feine Aſche mit ber ihrigen zu ver: 
mifchen. Aber unfere alten Herrſcher, fie fchlafen wohl, und 
Gromwell liegt unter bem Galgen von Tyburn“ — im 3. 1840, 
wo man in Frankreich bie Hefte eines zum minbeften ebenfo 
großen Ulurpators aus einer andern Semifphäre heim holt, 
um fie als die eines anerkannt legitimen Herrſchers zu beftats 
ten. Auf Cromwell's Lebensgefdhichte folgt bie feiner Gattin 
und Tochter, Miftreß Ireton. In ber Lebensgefchichte Kart’s II. 
ift natürlich Alles aufgeboten, um biefen Fürſten als ein Mus 
ftee von Liebenswürbigkeit darzuftellen, und dennoch Tann man 
teog dieſer Bemähung auch nad) biefer Schilderung nit um: 
bin, bie büftere Einfachheit bes Protectorats ber glänzenden 
VBerberbtheit des Hofes Karl's ohne Widerrede vorzuziehen. Der 
ſchlagendſte Beweis bafür ift das Snpaltsverzeichuiß des vierten 
Bandes: er enthält die Memoiren über die 13 illegitimen Kin⸗ 
ber Karls, über feine acht anerkannten Maitreffen; bie Ge⸗ 
ſchichte Jakob's IL., feiner beiden Gemahlinnen, feiner fünf Mais 
treffen und feiner zwei illegitimen Kinder. Die benugten Quel⸗ 
len ermangeln zum guten helle ebenfo fehr aller hiſtoriſchen 
Autorität und Unparteilichleit wie in ben erflen beiden Baͤn⸗ 
den. Hiernach ift die Wieberholung alter, als gänzlich unges 
gründet erwiefener Anekdoten Leicht erklaͤrlich, wie die Erzaͤh⸗ 
lung von Eromwel?s Gntfchluffe zur Auswanderung nach Ame⸗ 
rika und deſſen Verhinderung durch einen Rathebefehl und 
mebre andere foldhe find. 


Bon Lady Bulwer fol eine Rovelle erfiheinen unter dem 
Zitel: ‚The budget of the bubble family.“ #. 


Berantwortliher Herausgeber: Helarich Broddaus. — Drud und Verlag von J. 4. Brodhaus in Leipaig 








4 


Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Mittwoch, 


Cordelia. Von der Verfaſſerin der Agnes von Lilien. 
Ben Theile. Leipzig, Brockhaus. 1840. 8. 3Thlt. 
8 Sr 


Wir mahen im Leben öfters: die Erfahrung, daß Er⸗ 
eigniſſe, die während ihres Entſtehens und Waltens und 
auch noch in der nächften Zeit nach biefem die Gemuͤther 
der Menfchen in Spannung erhielten, begeifterten, be: 
fchäftigten, dann allmälig in ein gewiſſes Dunkel treten 
und, wenn auch nicht vergeflen, doch neben andern Er: 
eigniſſen mit Gleichguͤltigkeit betwachtet reerden. Dex Reicht: 
finn der Dienfchen, ber beftändige Wechſel der Dinge, 
das verfchiedenartige Intereſſe verfchiedener Zeiten, bie 


Schnelligkeit, womit, vor allen in unfen Zagen, ein. 


großes Ereigniß das ‚andere - verdrängt, machen biefes er⸗ 
Märlih. In fpäterer Zeit, wenn die Liebe zu einer frü- 


bern lebendig wird, wenn bie Geſchichte jene Ereigniffe 


in ihren Schoos aufgenommen, fie mit Eräftigem Grif⸗ 
fel gezeichnet, oder muͤndliche Überlieferung diefelben mit 
einem gefälligen Duft umgeben hat, dann erfcheinen fie 
in neuem Glanze, belehren, entzüden und begeiftern ein 
fpäteres Geſchlecht. Zwiſchen dem glorreichen Freiheits⸗ 
tampfe 1813 und der nädftfolgenden und unfern Tagen 
iſt der Raum noch nicht fo groß, daß die letztere Epoche 
hätte eintreten können; und doch follte eine Zeit wie jene 
befonders feft gehalten werben, eine Zeit, die, wenn je 
eine, recht geeignet war, fittlich zu wirken. Um fo erfreu: 
licher iſt es, wenn biefelbe bem gegenwärtigen Gefchlechte 
einmal lebendig vorgeführt, wenn die Jugend erinnert 
wird, was bie Väter litten und thaten, wenn befonders 
ber dem Kriegerfiande fich widmenden der Geiſt gefchildert 
wird, der damals die Krieger befeelte, die Begeifterung, 
bie in jener Zeit ganze Heere wie den Einzelnen durch⸗ 
drang. j 

Zu dieſer Bemerkung veranlaßt uns der jüngft er: 
ſchlenene Roman „Gordelia”, von der Verfaſſerin der 
„Kanes von Lilien”. Seit diefer legtere bekannt wurde, 
find bereits mehr als vierzig Jahre verfloffen, und Man: 
her, der jene Bezeichnung der Verfafferin auf dem Titel⸗ 
blatte erblickt, wied vielleicht, vorgreifend, die Meinung 
faffen, in fo geraumer Zeit werde bie Liebe, das Gefühl, 
“das Feuer, welches den frühern Roman fo anziehend 
machte, abgeſchwaͤcht, erlofchen fein. Er wird fi auf 
eine angenehme Weiſe getäufcht finden. Ja, wir behaupten, 


a) 








baß jene Eigenfchaften nicht nur nicht gefehwächt, fordern 
in reichenn Maße. wieder .erfcheinen, umd auf einer um 
fo höhern Stufe, je größer ber Gegenſtand, den der vor⸗ 
Uegende Roman behandelt, je höher er Aber dem ı deB 
frühen ſteht; wozu denn der erfreuliche Umfland Lomens, 
daß lange Erfahrung, maͤchtige feit dem Etſcheinen der 
„Agnes von Lilien“ erlebte Ereigniffe, und daran ſich 
immer höher bildender Verfiund dent neuen Romane 'eine 
Gediegenheit geben, die in diefem Maße fi) in dem Von 


Hänger nicht finden konnte. 


Einem Misverftändniffe, welches die oben gemachte 
Bemerkung veranlaffen koͤnnte, muͤſſen wir bier ſogleich 
begegnen. Der Roman „Cordelia“ gibt nicht eine Geſchichte 
jener denfwürdigen Sabre, In eine erfundene Erzählung 
verflochten, wie etwa Rellſtab's Roman ‚1812. Er dreht 


fih vielmehr feinem Hauptbeſtandtheile nad) um Gefähle 


und Begeifterung, wie fie die Derzen ber ebelflen Fang: 
linge jener Zeit, um Gedanken, wie fie die tuͤchtigſten 
Männer erfüllten. Diefe Gefühle, diefe Gedanken feſt⸗ 
suhalten, in einem lebendigen Bilde, einem Famtlienges 
mälde aufzubewahren, das war die Aufgabe der Verfaſ⸗ 
fern. Gewiß eine hoͤchſt wuͤrdige, für deren Ausführung 
die gegenwärtige Zeit wie die kommende dankbar fen wird. 
Es fehlt nicht an Darftellungen unferer Zeit und wird 
nicht an Schriftſtellern fehlen, welche die großen @reignifie 
des Freiheitskrieges mit Sachkenntniß, Kritik, auch wol 
mit Kraft und Begeiſterung darflellen werden. Aber was 
bie eigentlich bewegende Kraft, die Seele der großen Bes 
wegung tar, biefe begeifterte Vaterlandéllebe, dieſer edle 
Stolz, der fich gegen ein fremdes Joch empoͤrte — bas 
mußte von einem Zeitgenoffen feflgehalten werden, von 
einem Geifte, der, für das Große und Edle empfaͤnglich, 
das Alles unmittelbar empfand, der Theil nahm und 
mitliet und mitjubelte. So mögen wie uns freuen, baß 
es eine Frau iſt, die eine fotche Schilderung unternahm. 
Srauen haben den lebendigften Sinn, die natürlihfte Em: 
pfänglichkeit für Entfchloffenheit, Muth, Tapferkeit bes 
Mames; fie bedürfen diefer zu ihrem Schutze, und fo 
wiſſen fie diefelben zu fchägen. Wir wiflen ja, wie groß 
die Theilnahme, die Begelfterung ber Frauen während 
des Freiheitskrieges war, wie dieſe manche ſelbſt in Die 
Reihen der Maͤnner riß. 

Zu dieſer Empfaͤnglichkeit des Gefuͤhls, dieſer Begei⸗ 


- 1134 u‘ 


ſterung für das Große kommt bei ber Verfaſſerin ber 
„Gordelia” ber gluͤcküche Umſtand, daß fie viel und lange 
in bedeutenden Verhaͤltniſſen lebte. Bekanntlich iſt fie 
eine Schwaͤgerin Schiller's; mit ihm in Weimar lebend, 
war fie ein Glied der gebilbetſten Societaͤt und ſtand dem 
edelſten Hofe nahe. Verbunden mit einem hochgeſtellten, 
in hoͤhern Kreifen thaͤtigen Batten, lernte fie das große 
Leben kennen, und in weitern Räumen hatte fie reiche 
Gelegenheit, die Menſchen Eennen zu lernen. Daß fie 
Etiemente wie die angebeuteten mit dichterifhem Stun auf: 
zufaffen weiß, daß der entſprechende Ausdrud ihr zu Ges 
bote ſteht, daß fie leicht, gewandt, anmuthig fchreibt, 
davon iſt der vorliegende Roman, bie Erfindung, bie Dfo: 
nomie deffelden, die Darftellung ein ſchoͤnes Zeugniß. 
Einfah, wenig complicirt ift das Ereigniß, welches 
die Grundlage beffelben macht. Heimburg, ein beuticher 
Edelmann, findet in Florenz die Schwefter eines Jugend: 
freundes, de6 Grafen Zum, Hortenfia, an einen vor 
nehmen, reichen Italiener verbeicathet, aber ungluͤcklich. 
Mur ein Sohn biefer Ehe, Ferdinand, Enüpft fie an bie 
Wet. Duch Deimburg erfährt fie, was Liebe if. Er 
wedt in ihe die ſchlummernden geiftigen. Kräfte und führt 
fie auf eine hohe Stufe der Bildung ; aber fie muß biefe 
theuer bezahlen. Kine leidenfchaftlicye Liebe zwifchen dem 
Lehrer und der Schülerin gibt ihe einen zweiten Sohn, 
aber erfuͤllt ihre übriges Leben mit Reue und Schmerz. 
Eine toͤdtliche Krankheit des Gatten gibt Hoffnung auf 
eine Löfung des unglüdlihen Bandes; doch er genefet 
koͤrperlich, und fein zerruͤtteter Geift gibt der Gattin An: 
of, in Pflege des Gatten für ihre Schuld zu büßen. 
Heimburg muß fie verlaffen. Er kehrt nah Deutfchland 
jurüd und nimmt das Gut des nicht laͤngſt verflorbenen 
Vaters im Befis. Um ſich Eräftiger wieder an das Leben 
anzufhliegen, das ihm fo trübe geworben, auch, um dem 
Wunſche der Geliebten zu genügen, vermählt er ſich mit 
Mathilden, bie ihm zwei Toͤchter, Cordelia und Marie, 
gebiet. Die franzöfifche Despotie nöthige den beutfchen, 
für das Vaterland wirkenden Mann zu fliehen; er begibt 
fih nad Öfteeih, wo er bie Schlahten an der Donau 
mitlämpft. Indeß nimmt fich der Jugendfreund Zurn 
der Familie des Kreundes an, forget für die Bildung der 
Töchter, von denen die Ältere ihm Neigung und hohe 
Achtung einflöße, und ladet fie nebft der Mutter auf fein 
Beſitzthum ein. Mathilde, mit den Töchtern dahin rei: 
ſend, erneuert unterwegs bie Belanntfchaft mit einer Der: 
wandten, Frau von Breiburg, beren dltefter Sohn, Edgar, 
auch unter ben oͤſtreichiſchen Fahnen flreite. Erzählungen 
von ihm, aus dem Munde der Mutter und eines wuͤr⸗ 
digen Lehrers, laſſen in Kordeliens Bufen eine Ahnung 
von Liebe entfichen. So komme fie nach Zurned, bef: 
fen Befiger eine Verlobung zwifchen ihr und feinem Nef: 
fen Serdinand, dem Sohne Hortenſiens und, wovon 
Zum nichts ahnet, Heimburg’s, vermittelt. Jener bieß 
urfprünglih Guſtav; aber die Mutter hatte Ihm den 
Mamen des Altern, rechtmäßigen Sohnes, der im Kampfe 
für das Vaterland geblieben war, beigelegt. Cordeliens 
Inneres widerſtrebt biefer Heirath, da fie Serdinanden 


bem . 
Schreiben beiftimmt, ergibt fie fih. Nun erfcheint Edgar 
in Zurmed, und ihe Ungläd iſt entfchieben mit ihrer Liebe, 
der Edgar leidenſchaftlich, aber in hoͤchſter Wuͤrde begeg⸗ 
net. Indeß wird die Vermaͤhlung mit Ferdinand befchleu: 
nigt. Aber am Abend des Hochzeittages, da Edgar im 
tiefften Schmerz Turneck verlaffen, flößt er auf Heim: 
burg, den eben Räuber überfallen haben; er rettet ihn, 
doch wird berfelbe ſchwer verwundet nach Turneck geſchafft. 
Hier wird ihm bie durch jene Namenvertaufhung erzeugte 
Verwirrung Bar; aber der Zod hindert ihn am völliger 
Löfung derfelben. Er hat nur Turn das Verfprechen ab⸗ 
genommen, Herdinanden von Gorbelien entfernt zu hal 
ten, bis Dortenfien die Sadye vorgelegt worden. Turn 
ahnet ben Zuſammenhang. Er entfernt Zerbinanden 
und reifet mit der Samilie Heimburg’s nach Florenz, wo 
eben Hortenfia geftorben iſt. Die Aufldfung rüdt näher. 
Inzwiſchen erhebt fi) Deutfchland gegen den Unterbrüdeer; 
Edgar, mit den Preußen kaͤmpfend, erfcheint im gläns 
zendften Lichte. Das ungluͤckliche Verhältnis Hortenfiens 
zu Heimburg wird duch einen Moͤnch, in dem jene einen 
würdigen Beichtiger gefunden, völlig aufgeklärt; Ferdi⸗ 
nand’s Ehe wird getrennt und Edgar'n mit der Freude 
des Sieges Cordelia zu Theil. 
(Der Beſchluß folgt.) - 





Die londoner Zeitungen. 
The Journals of the Metropolis. By the author of „The 
Great Metropolis‘. London 1840, 

„ine londoner Zeitung ift ein Buch, ein ziemlich anſehn⸗ 
lies Bud, das in einer einzigen Nacht zu Stande gebracht 
wird”, fagte Lord Eyndhurft, als er im vorigen Jahre bei eis 
nem literariſchen Feſtmahle den Borſitz führte Und er bat 
Recht; eine Iondoner Zeitung iſt allerdings ein Buch, das Mes 
nige würben allein ſchreiben koͤnnten, wenigftens nicht unter 
einem Monate, das aber in Kolge einer foftematifchen Arbeite⸗ 
theilung jede Racht gefchrieben, geſetzt, corrigirt, revidirt und 
gebrudt wird, und zwar zwiſchen Abends 7 und früb 5 
uUhr. Bei einem Abendblatte muß die Arbeit natürlich) am Tage 
gethan werben, aber die Abendblätter Londons find im Berhälts 
niß von geringer Bedeutung; bie großen Morgenzeitungen lei⸗ 
ten bie Öffentliche Meinung und find der Ausdrud derfelben. 

Die Morgenzeitung wird alfo wefentlich in der Nacht ges 
ſchaffen und die befchmerlichfte Arbeit babei meift dann gethan, 
wenn bie große Mehrzahl Derer, für welche fie gethan wird, 
in den Armen bes füßen Schlafes ruht, weldye Gunſt bie ers 
ſchoͤpften Arbeiter felbft felten cher erhalten, bis 

Night’s candies are burnt out, and jocund day 
Stands tip-toe on the misty mountain top. 


Gegen 1 ober 2 Uhr Nachmittags fängt ber Hausmann in 
bem Bureau ber Morgenzeitung an den Schmuz von ber vos 
rigen Nacht wegzukehren und bie Bimmer fer Das vorzu⸗ 
bereiten, was kommen fol; um 5 ober Uhr vielleicht 
kommen bie verichiebenen Redactoren auf etwa eine Stunde 
dahin, um ihre Briefe zu Iefen oder die begünftigten Wenigen 
zu empfangen, bie um dieſe Zeit beftellt wurden, ungefähr wie 
manche Minifter einen Blick in ihre Bureaus thun, ehe fie in 
„das Haus’ ſich begeben. Der Unterredacteur fängt kurz dar⸗ 
auf an, bie Abendzeitungen zu ftubiren, aus benen er mit einer 
Schere Das herausfchneidet, was in Bereitſchaft gehalten wird 


113 


. für das umerfättliche Verlangen bes Druckerburſchen nach „mehr 
Manufeript”. Die Briefe von zufälligen Gorrefpondenten wers 
den zu demfelben Zwecke bereit gelegt, und bie Policeiberichte, 
fowie bie verfchlebenen heterogenen Mitthellungen geringer Mits 
arbeiter, von dem kritiſchen Auge bes Unterredacteurs gemuftert, 
von dem ber allgemeine Charakter des Blattes mehr abhängt 
als von dem Talente des Hauptdirectors ber Anftalt. Die Res 
porters, welche ben Sigungen der Gerichte am Wormittage beiz 
wohnten, erfcheinen allmälig, und die meiften berfelben werden 
fpäter in dem Haufe der Gemeinen wieder verwendet und ſchrei⸗ 
ben nun ausführlich nieder, was fie ſich notirt haben. 


um 8 oder 9 Uhr hat jeber Theil bes Bureau ein 
gefchäftiges Ausfehen gewonnen; um biefe Beit find bie erſten 
ſechs oder acht Reporter aus den beiden Häufern des Parla⸗ 
ments zurüdgelommen, und der Sauptredacteur ift nun im 
Stande, nad den Berichten, bie fie bringen, zu beurtheilen, ob 
die Debatten für den Abend fi in die Länge ziehen dürften, 
oder ob fi eine frühzeitige Wertagung erwarten läßt. Da je: 
doch das Berichterflatten über die Verhandlungen im Paria⸗ 
mente in den ledtern Jahren fo außerordentlich wichtig für bie 
Iondoner Deorgenblätter geworben iſt, fo müflen wir das Sys 
flem etwas ausführlicher erklären, nach welchem ein vollſtändi⸗ 
ger Bericht über eine acht⸗ bis zehnſtündige Debatte faft jeden 
Tag drei bis vier Stunden nad, der Vertagung der Sitzung 
use ſgrieben, gefegt, gedrudt und unter das Yublicam ges 

acht ifl. 

Es laͤßt fich Leicht denken, daß ein Wericht, der Häufig 
18 — 20 Riefenfpalten in ben „Times“ oder dem „‚Chronicle‘‘ 
einnimmt, unmöglid von einem einzigen Menfchen in biefer 
kurzen Zeit niedergefchrieben werben kann. Das bloße Sopiren 
wärbe für den gewandteften Schreiber eine Aufgabe fein, die 
er kaum in einem Tage löfen könnte, wendete ee auch alle 24 
Stunden darauf. Was aber für einen Ginzelnen unmöglich 
tft, wird den vereinten Bemühungen Mehrer keicht. Das foges 
nannte Parlamentscorps befteht in einigen Bureaus aus 8, in 
andern aus 10, 12 und felbft 16 Mitgliedern, je nachdem mehr 
oder minder Werth auf die Treue und Vollſtaͤndigkeit des Bes 
sichts gelegt wird. Die Herren nun, weldye biefes Corps bil: 
den, theilen ben Abend untereinander. Der erfte findet fidh auf 
der Meportergalerie in dem Haufe der Semeinen um 4 Uhr 
ein, zu welcher Zeit das Haus fi) gewöhnlich verfammelt und 
bleibt da dreiviertel Stunden, worauf ihn ein zweiter abLöft, 
der wieder feine dreiviertel Stunden bleibt und fo fort, bis das 
gange Corps durch iſt, worauf Derienige, welcher den Anfang 
—2 zum zweiten Male hingehen muß und die übrigen der 
Reihe nach ihm wieder folgen. Das Syſtem der Abloͤſung iſt 
in den verſchiedenen Bureaus verfchleden. Angenommen, «6 
gebe fieben Reporters für bas Oberhaus und fieben für das 
Unterhaus, fo trifft es ſich vieleicht, da die Debatten felten zu 
gleicher Zeit in beiden Haͤuſern wichtig find, daß einer bei der 
dritten Ablöfung zur Bertagung kommt; in biefem Kalle — 
wenn bie Lords, die meift eine Stunde fpäter zuſammenkom⸗ 
men als bie @emeinen, fi von 7 Uhr vertagen — übers 
nimmt ber ſiebente Mann bei den Lords die achte Ablöfung bei 
den Gemeinen, ber fechste bie neunte und fo fort, fobaß bie uns 
befhäftigten Lords men (Berichterftatter beim Oberhaufe) alle 
für diefen Abend Commons men (Berichterflatter bei dem Uns 
terhaufe) werden. Diefes Abloͤſungsſyſtem kommt den Uneinge- 
weihten ungemein compliciet vor und hat für bie Reporters 
felbft das Unangenehme, daß fie nie wiflen, bis das eine ober 
bas andere Haus fi) vertagt, wie oftmals an bem Abend bie 
Reihe fie treffen wird. Die Minuten werben babei böchft ges 
wiſſenhaft gezäblt, denn wenn bie Vertagung nur eine Minute 
nach drei Biertel ſtattfindet, fo reicht fie bin, ben betreffenden 
für den andern Tag zum Erſten zu maden; auf ber andern 
Seite ift vieleicht ein Reporter in das Haus gegangen, hat ba 
eine halbe Stunde und länger gewartet, und eben ba ber Uhr: 

eiger die wichtige Stelle auf bem Zifferblatte erreicht, wird zur 
ertagung gefehritten, ſodaß der Reporter mit der Überzeugung 


m ⸗ ñ———â——ĩ —â—————— — — — — — — — — — — —— —— — 


fortgehen muß, bie Reihe werde ihn erfi 
wieder treffen und er, im Falle das andere Haus feine Sitzun⸗ 
gen bis Früh um fi ober 3 Uhr ausdehnt, fo lange aufs 
biciben müßte, um zu warten, ob ihn bie Reihe noch einmal 
trifft. Wo das Reportercorps zahlreich ift, Kommt es nie vor, 
daß Giner drei Mal-in bie Situngen ſich begeben muß; bei ges 
ringen aber trifft fich bies häufig. Die Minuten werden, wie 
bereitd erwähnt, aͤußerſt gewifienhaft gezählt. 
blide, in welchem Gines Zeit um ift, verläßt 
und follte fein Nachfolger nicht pünktlich fein, 
durchaus nicht gewartet und er muß bie Lücke, die durch feine 
Rachlaͤſſigkeit entſteht, fo gut es gebt ‚ ausfüllen. Es beftcht 
ifen den verfchiedenen Beltungsbureaus das herlömmliche 
bereintommen, einander in ſolchen Fällen beizuftchen, indem 
das eine Bureau Abzüge von foldhen Theilen der Debatte gibt, 
welde in bem Bericht der Zeitung eines andern vielleicht nicht 
vollftändig find. Diefe Ausgleichung Tann aber natürlih nur 
erfi fpät in der Nacht gefchehen, wenn der Bericht des aufmerks 
famern Reporters niebergefchrieben ugb gefept ifl. Solche Uns 
regelmäßigkeiten machen ftets große Störung und ein häufiges 
an würde die. Entlaſſung des Schuldigen zur Folge 
aben. 

In ber Zeit von dreiviertel Stunden muß oft fo viel nos 
tirt werben, daß der Reporter zum vollftändigen Nieberfchreiben 
fünf bis ſechs Stunden braudt. Ein Uneingeweihter glaubt 
vieleicht, es mache einem Reporter Bergnügen, die Reden eis . 
nes vorzüglihen Sprechers bes Tages zu notiren, und er finbe 
e6 dagegen außerordentlich läftig, auf ben Unfinn Derjenigen 
su hören, welche mit ihrem unnügen Geſchwätze das Haus er: 
müden. Nichts Tann weiter von ber Wahrheit entfernt fein 
als eine ſolche Annahme.. Der albernfie Schwaͤter iſt der größte 
Liebling der Galerie, denn feine Bemerkungen laffen fich leicht 
in wenige Zeilen zufammendrängen. Sobald er ſich erhebt, 
werben die Federn und Bieiftifte fämmtlich weggelegt und bie 
Reporters, welche „daran“ find, beten im Stillen, das ehrens 
werthe Mitglied möge fo lange ſchwatzen, als ihre Zeit dauere. 
Die größte Freude aber für einen Reporter iſt eine Abftimmung 
und da die neuere Gewohnheit, die Ramen der Mitglieder nies 
derzuſchreiben, weit mehr Zeit verlangt, als es früher der Fall 
war, fo befigt biefe Neuerung den allgemeinen Beifall ber Ga⸗ 
lerie. ine Abſtimmung nimmt, wenn es ein volles Haus iſt, 
25— 85 Minuten hinweg, und biefe Zeit wird dem Reporter 
aud für feinen Theil mit angerechnet. Während bas Haus 
abftimmt, müflen fi die Fremden bekanntlich aus bem Gaale 
entfernen, und für bie Bequemlichkeit ber ,, Herren von ber 
Preſſe“ befindet ſich ein Zimmerchen hinter der Galerie, in wels 
es ſich die Mitglieder des vierten Standes begeben, um über 
bie Debatte, bie eben zum Schluß gefommen ift, ſich auszus 
ſprechen, oder um einen Theil ber bereits genommenen Rotigen 
auszuarbeiten und fo die Arbeitszeit im Zeitungsbureau ſich abzus 
kürzen. Auch werben bei biefer Gelegenheit Rotizen verglichen, 
Misverfländniffe verbefiert und die lateinifchen Citate in Ord⸗ 
nung gebracht, ober wenn fle nicht gehört oder nicht verflanden 
wurden, unbarmberzig der Vergeſſenheit übergeben. - 

Auch eine andere Glafle von Rebnern fteht bei ber Galerie 
in großer Bunft, die Herren nämlich, welde ihre Reden fertig 
gefdhrieben in das Bureau einer oder mehrer Zeitungen ſchicken. 
Diefes Syſtem iſt bisweilen fo weit getrieben worden, baß eine 
Rede, die am Abende gehalten werben follte, früb ſchon dem 
Reporter Übergeben wurde, fobaß fie in der Galerie mit Muße 
gelefen war, ehe das ehrenwerthe Mitglied ſich noch erhoben 
hatte. Ja, man kennt fogar Beifpiele, dab Reben in ben 
Abendblättern gebrudt und mit der Poft mehre Stunden vor: 
ber verfendet waren, ehe fie wirklich gehalten wurden ; doch das 
find außerorbentlidhe Fälle, bie nicht oft vorlommen und des⸗ 
balb um fo Höher gefchägt werben. 

Eine andere große Freude für den Reporter iſt die Zaͤh⸗ 
lung der Mitglieder des Haufes. Wenn irgend ein Mitglied 
meint, es wären weniger als 40 anwefend, fo bat er das Recht, 


in mehren Stunden 


In dem Augens 
ee feinen Plat 
fo wird auf ihn 


1136 


ben Sprecher aufzufodern, das Haus zaͤhlen zu laſſen. Der 
Sprecher beflehit ſodann den Fremden fi zu entfernen und bie 
Zeit, die drüber vergeht, € t hin, diejenigen Mitglieder, bie 
fi in der Bi thek ic. befinden, Herbeizubringen, ſodaß bas 
Haus vollſtaͤndig wird. Kommt indeß die nöthige Anzahl 
nicht zuſammen, fo erklätt der Sprecher das Haus für vertagt, 
and die Reporters wie die @efehgeber können über ihren Abend 
verfügen, wie es ihrien gefällig ift. Es gibt Teint beffere Me: 
ode, ſich dei der Galerie in Gunſt zu ſetzen, als den Spre⸗ 
der häufig aufzufodern, das Haus ählen zu laffen. Diele 
Zählung kommt gewöhnfich zwiſchen 6 und 3 Uhr dor, zu 
welcher Zeit das Haus am ſchwäͤchſten befegt ift, weil viele 
Mitglieder dann ruhig ihre Abendmahlzeit halten. | 

Wir haben von den Annehmlichkeiten und Freuden geſpro⸗ 
den; nun müffen wir uns aud zu bem Gegentheile wenden. 
Der Eefer denke ſich einen langweiligen Schwaͤtzer, der "in fei: 
nem Leben nur zwel Gedanken gehabt hat und nidt im ent: 
fernteften einen Begriff defigt, dieſe zwei Gedanken auf irgend 
erträgliche Weiſe von fich zu geben. Gin folder Mann foll 
nun im Parlamente figen, gern reden und vielleicht eine große 
Anzahl Astien von einer Morgenzeitung haben. Seine Reben 
müfjen natürlich in völliger Ausdehnung mitgetheilt werben ; 
die Auslaffung einer einzigen Sentenz iſt ein entſetzliches Ver⸗ 
gehen, und foüte zufällig irgend ein guter Freund „Hört!’’ ges 
rufen haben, wenn der Redner innehielt, um noch einige Worte 
zu fammeln, und der Reporter verfäumte, biefes „Hoͤrt!“ ans 

uführen, fo würbe er nie Verzeihung erlangen. &s gilt nichts 
x fhreciicger, als die Mebe eines Gigenthümers oder eines 
ad ir Freundes einer Zeitung berichten zu müffen. 

Kit angenehmer iſt es, wenn ber Fuͤhrer auf ber Mini: 
ſter⸗ oder Oppofitionsfeite des Hauſes fi) eben erhebt, wenn 
ein Reporter anfängt. Redet Peel, Rufiel, Wellington, Mel: 
bourne oder Brougham, fo wird jedes Wort forgfam aufgefaßt, 
und eine halbflündige Rede gibt den ungfüdlichen Reporter 
nad feiner Rückkehr In das eitungsbureau auf wenigſtens vier 
Stunden angefirengte Arbeit. Bisweilen fft er vieleicht mit 
dem Xusarbeiten feiner Rotizen noch nidyt fertig, wenn er ſchon 
wieder in das Haus eilen muß, und fommt er dann zurüd, fo 
hat er narärlich den erften Theil feiner Arbeit erſt zu beendi⸗ 
gen, ehe er an Das gehen kann, was er bei dem zweiten Be⸗ 
ſuche fammelte 

Die Beſchaͤftigung eines PYarlamentsreporters iſt eine Art 
Lotterie, ein Hazardſpiel, wobel Einer bisweilen lange Slück hat, 
jede Nacht eine Abftimmung ober einen Schwaͤter findet, wäh: 
rend ihn dagegen ein anderesmal an einem und bemfelben 
Abende zweimal ſchwere Arbeit trifft, ſodaß er vor 7 Uhr 
fräh nicht in das Bett kommt und mit ber Überzeugung in 
daffefbe geht, den Nachmittag mit Kopfſchmerzen u. |. w. zu er: 
wachen. Die Arbeit des Reporter iſt alfo biöweiten viel müh: 
feliger, im Ganzen jedoch weit leichter als die, welche den Res 
dacteur obliegt: Die Dreatertalten, welche ber Reporter zu ver« 
arbeiten hat, legen vor; find die Reden, die an dem Abende 
gehalten wurden, langweilig, ſo fodert man von ihm nicht, ſie 
unterhaltender zu machen ober Beredtſamkeit da zu ſchaffen, 
wo das Haus die gewoͤhnlichſten Semeinplaͤte anhören mußte. 
Nicht fo der Redacteur. Gin gewiffer Raum muß mit Bemer: 
kungen gefühlt werden, welche einen Anſchein von Originalität 
haben, und jede Racht firengt er deshalb feinen Kopf an, Re: 
flexionen über die Zagesvorfälle ans Licht zu bringen. Nie: 
mand, wer e8 nicht felbft erfahren hat, kann fich die geiftige 
Anftrengung denken, bie bisweilen von einem Zeitungſchreiber 
aefodert wird, wenn es ihm vielleicht Krankheit, Privattummer, 
Erfhöpfung u. f. w. faft unmöglid machen, ſich von den Ge⸗ 
danken Iosgureißen, die ihn ausfchließlich befchäftigen. Bei fehr 
bedeutenden Zeitungen find beshalb auch für immer mehre Mit: 
arbeiter engagirt und felten fehlt e8 an Dilettantenbeiträgen. 
Diefe aber find freiticy nicht immer fo gut, daß der Herausge⸗ 
ber fie für die feinigen anerkennen mag) obgleich der Verf. ein 


ſolcher A 


Mann iſt, der durch Zuruckweiſung feines Mannferipts nicht 


beleidigt werden darf. Im ſolchen Fällen wird dann meiſt dem 
Artiker eine Einleitung vorgefegt, in der man ſagt, er rühre 
von einem Eorrefpondenten ber, weshalb der Redacteur für den 
Inhalt nicht verantwortlich fein könne. Aber wehe dem Re⸗ 
darteur, der fi) für gewoͤhnlich auf einen Andern als fich felbft 
bei den „‚leitenden Artikein“ (leading articles) verläßt. Cin 

{tifet ‚, auch wol zwei müſſen gefchrieben werben, und 
wenn Bein Tagesereigniß den Begenftand bazu hergibt, fo muß 
ein Gegenſtand gefchäffen, ober ein alter wieder vorgenommen 
werben. fiber einen alten Gegenſtand zu fchreiben, tft eine Luft. 
Die Argumente von beiden Seiten erſcheinen wie alte Bekannte, 
die Feder fliegt über das Papier, und die Gedanken, bie man 
nur aus Artigkeit fo nennt, folgen rafcher aufeinander, als die 
Band fie auf dem Papiere feſtzuhalten vermag. Eine andere 
große Grleichterung für den Nebackenr iſt es, wenn er am vos 
den Tage von einem andern Blatte reiht derb angegriffen 
wurde. Das Yublleum erwartet natürlich eine Antwort, fie 
wird gern gegeben und fo eingerichtet, baß der Gegner eiwas 
darauf fagen und fo Gelegenheit 3 einem zweiten Artikel ge⸗ 
ben muß. Solche gegenſeitige Zaͤnkereien kommen nicht vor 
während ber Sitzungen des Parlaments und wenn wirklich in⸗ 
tereſſante Ereigniſſe geſchehen; aber in der Gurkenzeit, im Au⸗ 
guft und September, wenn ale Welt die Stadt verlafſen bat 
und in den Elubs felbft für Geld und gute Worte Teine Lüge 
zu haben iſt, gewährt ein unfchuldiges Lanzenbrechen zwiſchen 
„ Times’ und ‚‚Chbronicle’’ den en Unterhaltung und ben 
Herausgebern ber beiden Blätter einige Erleichterung unb Gr: 


bolung. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Kunftnotij;. 

Die in biefem Jahre von ber franzöftichen Schale in Rom 
eingefdhidten unb in der Akademie der fchönen Känfte zu Paris 
auögeftellten Kunſtwerke werben in ben parifer Journalen ale tm 
Ganzen fehr unbedeutend bezeichnet, benn obgleich keins derſel⸗ 
ben einen fcharfen Zabel verdiene, fo fei auch keins jener aus 
dem Herzen kommenden Lobſprüche würdig, welche zu ertheilen 
ebenfo angenehm ſei al& zu empfangen. Früher hätten ſich we⸗ 
nigflens bie Arbeiten der Architelten durch die Neuheit ber Ges 
genftände bemerkbar gemacht, das fei aber in dieſem Jahre Bel: 
neswegs ber Fall; auch feien bie Architekten febr faul geweſen 
und hätten nur wenig Entwürfe eingeliefert. Unter den Seulp⸗ 
taren bemerkt man mit Vergnügen eine kleine Statue von 
Chambard, barftellend eine junge Nymphe, welche neugierig 
auf das Geräufch einer Muſchel Hört, die fie nahe vor das Ohr 
hält. Es ift in dieſer Darfiellung viel Anmuth und Wahrheit, 
wie fpielend und dürftig im Grunde der Begenfiand auch if. 
Eine Eleine Skizze von Dttin, eine junge Nymphe darſtellend, 
welche im Spiele einen jungen Mann bekraͤnzt, verdiente eine 
Ausführung im Großen. Die Gemälde zeigen im Ganzen keine 
Kraft, Teinen Gharakter und find zum Theil ſehr trocken. 
Das größte, der Dimenfion nach, ift der gefeflelte Prometheus 
von Jourdy, aber das Bild ift Balt, obgleich es einige verbienft- 
liche Detatls hat. Überhaupt quälen ſich die franzoͤſtſchen Ma⸗ 
lee in Rom zu viel mit mythologiſchen Segenfländen und mit 
Nachbildungen der Antike. So bat Papety auf einem Gemälde 
Frauen an einer Quelle bargeftellt, in der Manier ber grie- 
chiſchen Maler, wovon man fich nach den Schriftftellern und 
den in Herculanum gefundenen Bildern einen ungefähren Be: 
griff machen kann. Der Gegenftand iſt übrigens nicht geiftlos 
behandelt. Ein Mertur, welcher dem Adler Jupiter's Ambrofta 
reiht, von bemfelben Maler, möchte noch das gelungenfte Bitb 
auf biefer Ausftelung fein; zwei andere Bilder von Murat 
und Pils — Iesterer behandelt ben ſchon müde ımd tobt ge: 
besten Gegenflandb, wie Adam und Eva aus dem Parabiefe 
vertrieben werden — find misrathen. 8. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhauß in Teipzie. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Donnerötag, 


— Nr. 332, — 


8. Dctober 1840. 








Von der Verfafferin der Agnes von Lilien. 
Zwei heile. 
(Beihluß aus Nr. 281.) 

So ift die Geſchichte im Roman eine fehr einfache, 
eigentlich nur ein Samiliengemälde. Wer, an die neueften, 
namentlich franzöfifhen Romane gewöhnt, Pilantes, Un: 
gewoͤhnliches, nur fchlagende, Uber die Region des Wirk: 


Corbelia. 


lihen hinausgehende Effecte will, bee wird durch die 


obige Mittheilung von der Lecture des Buchs abgefchredt 
werden und daſſelbe, als unter ben Anfoberungen, unter 
der Höhe ber Zeit ftehend, im voraus verwerfen. Ein 
ſolcher Kritiker voird nicht empfanglich fein für die Weife, 
in der ein bdichterifcher Geift durch einen großen Hinter: 
grund, burch begleitende großartige Zeitmomente auch dem 
Einfahen Bedeutung, Gehalt und Größe zu verleihen 
weiß. Die Verfaflerin der „Cordelia“ bat ohne Zweifel 
wohl erkannt, was es iſt, das fo einfachen, ibyllifchen 
Scenen, wie fie in Goethe's „Hermann und Dorothea‘ 
uns vorgeführt werben, eine Bedeutung gibt, die dieſes 
Gedicht zu einem der erhabenften unſers Zahrhunderts 
macht. In der „Cordelia“ ift die große Zeit, die ſich 
aus der franzöfifchen Revolution entwickelte, deren Blüte 
die Freiheitskriege der J. 1813 und 1814, der Hinter⸗ 
grund, das eigentlihe Motiv, welches der Erzählung 
Halt, Bebeutung und Weihe gib. Sehr geſchickt ift 
diefe® ganze große Weltereigniß in den Roman verflochten. 
Gleich im Anfang wirb des ungluͤcklichen Felbzugs (1792), 


der den Kampf mit Frankreich eröffnete, gedacht, und in 


"dem Verhaͤltniſſe eines jüngern, aufgeregten Mannes zu 
einem dltern, erfahrenen ber Enthufiasmus, der auch 
Deutſche im Anfange der Nevolution ergriff, mit der cu: 
higen, ahnungsvollen Betrachtungsweiſe beutfcher vater: 
laͤndiſchgeſinnter Männer contraftirt. So greifen die Kriege 
und Schlachten, die Unterbrüdung des Gewaltigen, der 
ons jener Revolution hervorging, ‚in das innerfte Leben 
der im Roman fpielenden Perfonen und deren Kamilten 
ein. Jener aufgeregte Juͤngling hat feinen Irrthum er: 
kannt; er fleht als Krieger Napoleon’8 dem edeln deutfchen 
Manne gegenüber, der einft ihn warnte, den bed Erobe⸗ 
rers Gewalt den heimiſchen Herb zu verlaflen zwang. 
"Die Gewaltthaͤtigkeiten, die Raͤnke, die Ungerechtigkeit der 
Fremdherrſchaft werden uns in wenigen, aber bedeutſamen 
Zügen lebendig in die Erinnerung gebracht. Aber das 


Herrlichſte, was jene denkwuͤrdige Zeit geboren, den Sim, 
die Begeiſterung für das Vaterland, haben wir in Edgar 
und Corbdelien: in ihm ben Heldenmuth, der, Alles dem 
Baterlande opfernd, durch feine Vegeifterung Andere fort⸗ 
reißend, gehoben und beglädt wird durch die Liebe zu 
einem verwandten Weſen; in ihr ben gleichen Heldenmuth, 
diefelbe Begeiſterung und Hingebung, doch fo, daß die 
reinfte. Weiblichkeit nicht leidet, indem fie fi kühn dem . . 
Helden zur Seite flellen kann. 

Ermwägen wir nun, mie gefchidt, wie natürlid und 
nothwendig fich alles dieſes Große in jene einfache Er: 
zählung verfchlinge — Turn's, des Mannes von groß: 
artigem, dem Vaterlande gewidmeten Verftande, und Nor: 
thon's, des alten, meifen und frommen Erziehers Edgar's, 
in deffen Herzen die Liebe zum deutfchen Rande mie eine 
milde Flamme glüht, haben mir noch nicht einmal ge: 
dacht —, fo müffen mir den Stoff des Romans wohl 
erfunden, bie Ausführung trefflih nennen. Mur zwei 
Punkte haben uns einiges Bedenken gemadt. Daß bie 
Namenvertaufhung Ferdinand’s ein zu ſchwacher Baden 
[heint, um fo große Verwirrungen, ein fo ſchweres Ge⸗ 
ſchick, wie Cordeliens und Edgar’s, daran zu Inlıpfen, 
tollen wir nicht zu fehr urgiren; die Verfafferin hat die⸗ 
fem Umftande die möglichfle Bedeutung gegeben. Be⸗ 
denklicher fcheint die Weife, in der Heimburg den Plan 
Turn's, Berdinanden, den Sohn Hortenfia’s, mit der 
jener in dem vertrauteften Verhaͤltniſſe gelebt, mit feiner 
Zochter zu vermählen, aufnimmt. Uns dänkt, diefe Ver⸗ 
mählung hätte ihm große Zweifel erwecken muͤſſen und 
die Stelle feines Briefes an den Freund: „Wenn beine 
Liebe Cordelien als Tochter aufnimmt und durch fie Fer⸗ 
binand dein Sohn wird, dann iſt ein verfchlungener Kno⸗ 
ten gelöft, der die Freiheit meines Lebens lange peinigend 
hemmt’, fcheint dem Charakter des Schreibers und ber 
Lage der Dinge nicht gemäß. 

Bon ben Charakteren im Roman können wir Abri: 
gend nur günftig urtheiln. Turn mit dem großartigen 
Verftande, der bei aller Empfindung des Guten und Wah: 
en, aller Erkenntniß deſſelben vorwiegt, ift wie aus dem - 
Leben gegriffen. Nur wünfchten wir, die Verfafferin hätte 
Ihn feltener reden laſſen. Sein Handeln charakterffirt ihn 
genug. Trefflich gedacht iſt es, dag Edgar anfangs ſich 
ihm fremd fühle, fehr gut motivirt die weitere Entfrem⸗ 





&- 2 " yıR : ’ 


dung, und wie ſpaͤterhin die beiden Männer ſich verfte- 
ben und gegenfeitige Achtung, zu Cordeliens Freude, eins 
tritt. Nicht Schöner hätte Edgar's hoher Werth dargeftellt 
merden innen als dur dieſes Verhaͤltniß zu Turn. 


b b lten auftretend, iſt ebenf lich 
ee a Fu r Ay mothwen AꝓPe 


dungsmittel zwiſchen der kleinen Welt der Familie und 
jener großen, die der Geſchichte gehoͤrt. Unter den Frauen 
ragt, wie billig, Cordelia hervor. 
durch eine lange Reihe von Jahren durchzieht, gewaͤhrt 
uns ben Vortheil, daß wir fie in den verſchiedenen Le⸗ 
bensperioden und Spoden erbliden, als Kind, Jungfrau, 
Braut, Battin und Mutter. So fehen wir die -fhöne 
Erfcheinung fih der Natur gemäß entfalten und erken⸗ 
nen, wie diefer edeln Natur fich ein gleich edler und hoher 
Wille gefelte. Mehr oder minder dienen die andern 
Grauen, bie gute, aber ſchwache Mathilde, die reizbare, 
empfängliche, fiir Edleres beflimmte, aber durch eine un: 
gluͤckliche Erziehung auf einen falfchen Weg gebrachte Hor: 
tenfia, die unter unwuͤrdigen Verhaͤltniſſen zu nichtiger 
- Schwärmerei hingeriffene Hermine, Cordelien zur Folie. 
Als einen liebenswürdigen Zug im Roman bemerken wir 
aber, daß keine Figur in Ihm mit grellen oder ſchwarzen 
Sarben aufgetragen if. Durch das Ganze maltet weib: 
Ude Guͤte und Schonung. Robert, ber wenig bedeutende 
leichtfinnige Beliebte Herminens, wird durch Turn's edles 
Benehmen zu einem Manne, der werth ift, mit Edgar 
‚für das Vaterland zu flreiten; Hortenſia verföhnt durch 
ihre Aufopferung für ben Gatten, durch ihre Reue; und 
felbft Ferdinand getsinnt am Ende unfere Achtung. Treffs 
lich gedacht iſt es, daß dieſes Kind, aus einem ungefes- 
lichen Berhättniffe entfprungen, die Stelle bes echten, 
ebein Sohnes einnehmen, dann ein fo unfeliges Misver⸗ 
ſtaͤndniß, eine folhe Verwirrung erzeugen muß. Noch 
muͤſſen wir der Familie Edgar's befonders gedenken, und 
sie ſchoͤn ihm bie beiden Brüder zur Seite fliehen. Bon 
einem folhen Vater, einer folhen Mutter, von einem 
Lehrer wie Northon mußte ein Gefchlecht gebildet werden, 
beflimmt, Gegen ‚zu ‚verbreiten und als Zeugniß dazu: 
ſtehen, was eine edle, tugendhafte Familie vermag. Me: 
iger ald die andern Frauen fcheint uns Marie, bie 
jüngere Schweſter Corbeliens, gelungen. Das Gefühl 
des Kindes, daß Ferdinand nicht der rechte Mann für 
jene fei, iſt zwar gut und wahr gedacht; aber die Weiſe, 
wie fi biefes äußert, zeigt.von zu großem Bewußtſein. 
In ihr folte fih die Natur naiver ausfprechen. 

Es gibt Romane, in denen das MWefentliche durch zu 
vieles und maͤchtiges Außenwerk erbrüdt wird; es gibt 
welche, bie aus Mangel deſſelben, auch bei gewichtigem 
Inhalte, nadt und todt erſcheinen. Der vorliegende hält 
fi von beiden Ertremen gleich entfernt. Schon das Ro: 
cal, da wir in verfchiedene Gegenden Deutſchlands und 
nad) Italien ‚verfegt werben, gibt ihm eine gewiſſe Le: 
bendigkeit; ländliches und Hofleben wird uns vorgeführt; 
an eingeftreuten, meiſtens fittlichen, Bemerkungen fehlt es 
nit; bie gelegentliche Erwähnung beutfcher MWeifen und 
Dichter, befonders des edeln, ber Verfafferin fo nahe ver- 







Daß der Roman ſich 





wandten Schiller iſt recht am Ort; ein Tagebuch Cor⸗ 
deliens, am Comerſee geſchrieben, laͤßt uns einen tiefen 
Blick in ihr reiches Gemuͤth werfen; ſelbſt geringſchei⸗ 
nende Bemerkungen, wie die (Thl. 2, Cap. 22) über die 


Blumengärtgn dir, Eapdiage, Ahun. an hrevgScai⸗ gute 


Don dem glüdtichen Umftande, daß die Verfafferin, 
mit ber reichſten Gabe des Gemuͤthe von der Natur aus. 
_geflattet, „die Welt kennen lernte, in die weltlichen Ver⸗ 
bältniffe einen tiefen Blick warf, iſt oben gerebet worden. 
Dieſes Gemuͤth, diefe Kenntniß haben fie vor allem Ver⸗ 
ſchrobenen, Eprtravaganten bewahrt, woran unfere Ro: 
manenliteratur fo reich iſt. Man freut fich, einmal durch 
einen Roman gerührt zu fein, ba fo viele es darauf an- 
legen zu allarmiren. | 

Die Sprache des Buche ift durchweg edel und ge: 
bildet, oft phantaſiereich und blühend, nie gezwungen, 
nie nad dem Pilanten, Auffallienden bafchend; was fo 
manchen Roman, fo manche Novelle unferer Tage unge: 
nießbar macht. 

So wünfchen wir, daß dieſes Buch viele Lefer finden 
möge. Die weibliche Welt wird es mit Freude⸗ aufneh: 
men und es mit Luft und Dank genießen. Unter den 
Männern möchten wir es befonders dem Miltair empfeh⸗ 
len, indem es das kriegeriſche Leben in feiner hoͤchſten 
Bedeutung und Würde darſiellt. Doch wird kein Leſer 
daſſelbe aus ber Hand legen, ohne der Verfafferin für 
ihr Werk, deſſen Seele Gemuͤth, Wahrheit und Tugend, 
innigft zu danken. 14, 


nn —s ——— 


Die londoner Zeitungen. 
GBeſchiuß aus Nr. BI.) 


Zwiſchen 11 und 12 Uhr kommt mei der auswärtige 
Eilbote, wie er heißt,. an, und hies iſt ein Ereigniß bes. Abends, 
welches einige Bewegung in dem Zimmer bes Redacteurs 
hervorbringt, weil erſt nach Ankunft biefes Grpreffen beurtheitt 
werben Fann, wie viel Raum den ausländifdhen Angelegenheiten 
zu widmen if. In den Bureaus aller Deuptzeitungen gibt es 
‚einen Redaeteur -für-bie ausländifcken "Angelegenheiten. (foreign 
editor), ‚dem. es obliegt, die aberbrachten audlaͤndiſchen Macıs 
:zichten zu ordnen; bei einigen Heltungen aber bat-man biefen 
Rebacteur nicht, und die ausländifhen Nachrichten wandern fo, 
wie fie antommen, fin die Hand des Setzers und werben To abge: 
Si Bi 1 en —— mnmten 9 eben wurben. 

e em ⸗bdes/ a | Expre eines der Mehein:⸗ 
niſſe, in das wir unſere Safer 

Das londone 


Wirkung. 


Dein, a 
| : t, 
Iondoner Poſt wirb aus * — 


wern ſie ihre. xiſer Miriefe an eirien 

m, ‚biefelben unmittelbar. durch 
einen Srprefien abgefenbet werben koͤnnen, mit dem fr diefe 
Briefe in ber Nacht um 11 ober 12 uhr erhalten, ſta zwi⸗ 


1189 


Sen 3: und 9 Uhr am nädften Worgen. Auf biefe- Weile 
Tomsmen die parifer Nachelchten von dem - vorherigen Abende 
de Racht an die Bureaus aller londoner Worgengeltungen, 
wo fie überarbeitet, gefeht, gedruckt ımd unter das Publicum 
gebeacht werden, während die parifee Poſt noch auf der Straße 
von Dover daherrvllt. Dieſer erpeefie ERbote koſtet woͤchent⸗ 
lich 85 Pf. Sterl., aber einer und derſelbe bringt bie auswär- 
tige 60 ndenz für jede Morgenzeitung, und die Stoffen wer: 
"den dadurch für jede einzelne unbedeutend. Dieſer Eilbote ift 
auch Hin ‚Mittel der alten Zeitungen, neue Goncurrenten aus 
dem Melde zu Halten, indem fie jedem neuen ben Bortheil vers 
fagen, von diefee Einrichtung auch Gebrauch zu machen. 

Diefes Syſtem der auswärtigen Gilboten gibt dem parifer 
Sorsefpondenten eine große Wichtigkeit, der Heufis in jeder 
Hinſicht der wirkliche Redaeteur für die auslänbifchen Nachrich⸗ 
ten bei-eimer Iondoner Morgenzeitung Mi. Gr bat bie Rach⸗ 
sichten in ben parifer Blättern auszuziehen und gu einem lea- 
ing artiele zu verarbeiten. Hat ein Blatt Eorrefpondenten 
in Madrid, Bayonne, in der Schweiz, in Italien, in Maita, 
in Konftantinopel oder in Bombay, fo werden ihre Mittheilans 
gen an den parifer Gorrefpondenten adreffirt, der fie verarbeis 
tet und mit feinem eigenen Artikel nach London abgehen läßt, 
auf welche Weife fie einen ganzen Zag früher zur Veroͤffent⸗ 
Hichung Tommen. 

Diefes Syſtem hat freilich auch einige Unannehmlichkeiten. 
Zuerſt wird Paris zu fehr ber Mittelpunkt der ganzen Ratios 
nalpolitft für die gefammte Iondoner Preffe; denn die Abend: 
dlätter und die Mochenblätter copiren, was bie auswärtis 
gen Nachrichten betzifft, nur bie Morgenzeitungen. So find 
alle Commentarien über die beutiche, zuffifche, türkifche und 
fpautsche Politik, welche in ben verfchiebenen londoner Zeitungen 
" erfcheinen, mit franzöftfcgem Geiſte gefärbt. Der partfer Gor: 
refpondent einer Morgenzeitung wünfcht natürlich fo zeitig ale 
mögli Nachrichten zu erhalten, und deshalb fchließt er ſich eis 
nigen ben tonangebenden Männer in Paris an, denen er ſich 
dadurch angenehm ‚macht, daß er feine Arbeiten nach ihren An⸗ 
ſichten einxichtei. Gin Iondoner minifterielle® Journal enthält 
vieleicht einen heftigen Angriff gegen das frangöfifche Miniſte⸗ 
zium. Die Reuigkeitskraͤmer in London und Paris deuten nun 
ſogleich an, der Artikel fei aus ben britifchen auswärtigen Amte 
hervorgegangen, und Eord Palmerfton muß für viele Keine Aus⸗ 
fälle büßen, die durch ein Oppefitionsmitglieb in der franzoͤſi⸗ 
Shen Deputirtenlammer veranlaßt wurden. Wir wiflen, baß 
Buizot und Thiers die parifer Artikel eines Londoner Journals 
"fertig vorgelegt wurden. Diefe Angaben, bie wir verbürgen, 
müflen den Lefer veranlaffen, auf ber Hut zu fein, wenn ſie 
bie Werichte über frangöfiiche und ſpaniſche Politik Lefen, welche 
täglich einen fo großen Raum in den englifchen Zeitungen eins 
nehmen. Diefe Berichte find faft immer geſchrieben, um irgend 
einem einflußreichen Manne in Paris ober Madrid gefällig au 
fein, und der Rebacteur ber auswärtigen Nachrichten in Eons 
don ift meift über Kontinentalangelegenheiten zu oberflächlich 
"unterrichtet, als baß ex ber Privatparteilileit feiner franzöfls 
(hen und fpanifchen Correſpondenten entgegenwirken Tönnte. 
Bor allen warnen wir das Publicam vor dem fehr gewoͤhnli⸗ 
en Irrthume, den engliſchen Miniſtern gewiſſe Astikel zuzu⸗ 
Freiben, die von Belt zu Zeit in ſogenannten minifteriellen Er 
tungen erfheinen. Cine minifterielle Preffe, in dem Sinne, in 
welchem das Wort in ber guten alten Toryzeit verflanden wurde, : 
ibt es jegt gar nicht. Das Yublicum beharrt aber nichts | 
eftomeniger babei, biefe und jene Artikel Cabinetsminiſtern zus 
zuſchreiben, und es Liegt fo ſehr in bem Interefle der Gigens 
thümer folsher Zeitungen, biefen Irrthum zu Bepänfligen, daß 
‚Je zu allerlegt einem Tolihen chte widerſprechen. 

Ein anderer Rachtheil des erwähnten Syſtems iſt ber, daß 
‚bie Politik jener Länder, bie nicht in ber parifer Linie Hegen, 
unperantwortlich vernachläffigt wird. Rich Tann ſchmaͤhlicher 

-aus ei 


dem engliſchen Publicum vergelsgt werden. Doffelbe ‚glit won 
















| felbft 


den hollaͤndiſchen, belgiſchen, —— und vruſſiſchen Zeltun⸗ 
gen, obgleich fh in Ka efen fortwährend Artikel befinden, 
die für England von ungleich größerer Wichtigkeit find als das 
Geſchwaͤt der partfer Iournafflen. Findet jemals ein werth⸗ 
voller Artikel aus einem beutfchen Blatte den Weg in bie 
Times“ ober das „Ohronicte”, fo gefihteht es nur nach einer - 
Uberſezung bdeffelben in bem „Journal des debats’‘, ‘und vor 
nicht eben vielen Monaten Eünbigten bie ‚‚Times’‘ triumphirend 
an, daß eine Angabe in ber „Allgemeinen Beitung’” richtig fein 
müſſe, weit fie ihre Weflätigung in ber „Augsburger Zeitung” 
gefunden babe. Run iſt aber bekamt, do die „Allgemeine 
Zeitung“ in ben parifer Blättern meiſt ‚Gazette d’Augsbourg” 
genannt wird. Die Tondoner Zeitungen wenden fo viel auf 
hre parifer Gortefpondenz, daß’ fle Ausgleichung das ganze 
nördliche Europa vernadjläffigen müffen. e es dabei hergeht, 
erſehe man aus dem N enden. 

Bor etwa zehn Jahren wurden die Auszüge aus ben aus⸗ 
wärtigen Beitungen, mit Ausnahme der partfer, durch einen 
Mann geliefert, ber eine einträgliche Stelle bei ber Londoner 
Poft inne hatte, derfelben aber geringe Aufmerkſamkeit ſchenken 
Eonnte, weil er alle Morgens und Abenbblätter Londons zu 
verforgen hatte, und überdies ein ausgedehntes Geſchaͤft nis 
Newsvender betrieb. Er erhielt von jedem Tageblatte woͤchent⸗ 
lich zwei @uineen und lieferte dafür Auszüge aus den deut: 
fen, holländifchen und beigifchen Zeitungen. Diefe Auszüge 
wurden fo oft abgefchrieben, als erfoderlich war, und eine Abs 
ſchrift an jedes Beitungsbureau gefchicht. Endlich kam die Sache 
{m Unterhaufe Au Sprache und ber Poſtbeamte mußte fein eins 
traͤgliches Gefchäft aufgeben. Ihm folgte ein Newsman, ber 
biefe Ausgüge lange Vieferte, bie fein Sohn noch jeht für die ganze 
londoner Prefle beforgt. @in Newsvender oder eine Perfon im 
Dienft deffelben entfcheibet auf diefe Welfe allein, was aus ben 
beutfchen, hollaͤndiſchen und andern nörblichen Blaͤttern dem eng- 
liſchen Publicum mitgetheilt werben ſoll, und ba ber erwähnte 
Mann zufällig ein Tory ift, fo werben unfehldar und vorzugs⸗ 
weife bie Artikel ausgewählt, welche feiner Partei am vortheils 
bhafteften find. 

In den legten Jahren haben bie Literarifhen Notizen ei⸗ 
nen anſehnlichen Raum in den londoner Tagesblättern einge⸗ 
nommen. Bei einigen find diefe Rotigen die Arbeit von m ⸗ 
nern, welche zu dieſem Zwecke engagirt wurden; meiſt liegt es 
aber den Parlamentsreportern ob, auch hier auszuhelfen, ohne 
daß fie beſonders dafür bezahlt werben. Dieſe literariſchen Ar: 
tikel werden nicht ſowol zur Unterhaltung des Publicums ge⸗ 
geben, als um den Buchhänblern gefällig zu fein, die am mei⸗ 
fien ankündigen laſſen und beshalb bie Hauptſtützen der Zei: 
tungen find. Die Buchhändler pflegen ſehr bald Kremplare 
ihrer neuen Werke an die Zeitungen zu fenden und die Heraus 
geber dagegen ſchnell ihren Dank dafür Öffentlich auszufprechen, 
um ein fo angenehmes Herkommen aufredht zu erhalten. In 
einigen Zeitungsbureaus behalten bie Eigenthümer ber Blätter 
diefe neuen Bücher für ſich, und biefelben werben dann von 
den Mitarbeitern entweder unbeachtet gelaffen ober nur leicht: 
hin erwähnt. Dies wiflen bie Buchhändler und fie fuchen des: 
halb die Ramen Derjenigen ausfindig zu machen, welche „bie 
Eiteratur‘’ in den Zeitungen vertreten, um benfelben die Bücher 
zuzuſtellen. Unparteilichkeit darf man alfo dei ſolchen Kris 
tiken nicht erwarten, man erwartet fie auch nicht, wird body 
der Zweck erreicht ‚und das Buch bem Yublicum bekannt 


gemacht. 

Ein ſehr wichtiger Mann bei einer Zeitung iſt der Drucke⸗ 
reifactor. Ihm liegt ein Theil der Pflichten der Bubredacteurs 
od. In allen Bureaus wuͤnſchen bie Redactoren fo zeitig als 
möglich zu Bette zu gehen, und fie verlaffen ſich auf die —T 
heit des Factors, der Alles im Gange zu Iten hat, 
darf die Officin nicht eger verlaſſen, bis die Zeitung druckfertig 
if, mas ſelten vor 9 ober 6 Uhr bes Morgens geſchieht. 
Bier "line Londoner Zeſtungedruckexei geſchen hat, Tann ſich 

ufmestkamtekt machen, bie ber Dis 


1 Hein Befitung von der 


‚1140 


\ 

zigent or) aufwenden muß. Die Hebactoren und Repor⸗ 
—* en auf Beine Yapierftreifen, damit mehre Setzer zu 
gleicher Zeit arbeiten Tönnen. WBierzig und mehr folder Pa: 
pierftreifchen gehören zu einer Golumne, ſodaß, um bie 48 Spal⸗ 
ten eines Blattes wie die „Times“ zu füllen, wahrſcheinlich 
nicht weniger als 1600 Manuſcriptblaͤttchen in einer Racht 
durch die Hände des Druckers geben. Es iſt ein wahres Wun⸗ 
der, baß fo felten eine Verſezung vorkommt, ba eine fo unge: 
beuere Menge Gar in fo kurzer Zeit geordnet werden muß. 
Der Factor kann natürlich nicht felbfk mit arbeiten; er iſt voll: 
auf damit befchäftigt, feine Leute zu beauffichtigen und neues 
Manufcript zu vertheilen. Wie das Manufeript abgefept iſt, 
wird es in Stücke georbnet, von denen jebes ungefähr fo viel 
enthält, als zu einer Columne gehört. Iſt biefe voll, fo wird 
ein Abdrud davon genommen und in das Correctorenzimmer 
geſchickt. Diefer Abdrud muß forgfältig corrigirt werben, wor: 
auf man ihn wieber in die Druderei gibt, wo bie angezeichne- 
ten Fehler abgeändert werben. Iſt dies gefchehen, \ wird ein 
zweiter Abdruck gemacht ober eine Revifion (revise) und wie⸗ 
der ben Korrectoren zur Durchſicht übergeben. Cine Revifion 
von allen Originalartiteln erhält auch der Rebacteur, um no 
-zu ändern, was er zu ändern wünſcht. Der Reporter dagegen 
dat feine Gelegenheit, feine Artikel nochmals durchzuſehen. Die 
Hapierblättchen werden ihm naß unter der Feder weggenommen 
und er ficht nichts davon wieder, bis er feinen Artikel am naͤch⸗ 
fien Morgen in ber Zeitung lie. In manchen Zeitungsoffiei: 
nen ift indeß ein Dann blos dazu engagirt, die Debatten zu 
revibiren, damit Schreib: und andere Fehler verbeflert werben, 
ehe die Zeitung in hie Preſſe kommt. 

Ein Theil des Amtes bes Subredacteurs liegt, wie er: 
wähnt, dem Factor ob. Bat biefer von jenem genug Manu: 
feript erhalten, fo geht ber Rebacteur nad) Haufe. Kaum aber 
ift er vieleicht fort, fo kommt, zwiſchen 3 und 4 Uhr, ein 
Mitarbeiter und bringt einen Bericht über eine Feuersbrunft, 
einen fchredlichen Morb ober etwas bergleihen. Da muß der 
Factor beurtheilen, ob der Bericht anzunehmen ift oder nicht; 
im erflern Kalle muß ein Theil des fchon fichenden Satzes wie: 
der weggenommen werden. Auch ber Erpreffe bleibt einmal 
über die gewöhnliche Zeit aus. Das Blatt iſt ſchon gefüllt und 
die Dampfmaſchine foll in Bewegung gefeht werben, als er 
endlich erfzeint. Die Rebactoren find aber fort und ber Drucke⸗ 
reifactor hat zu entfcheiden, was von ben überbradhten auswär: 
tigen Nachrichten noch aufzunehmen iſt. 

Auch bei andern Gelegenheiten bedient man ſich bisweilen 
der Expreſſen. Eine politiſche Verſammlung, ein Parteidiner, 
eine Wahl oder eine gerichtliche Verhandlung wird oft fuͤr ſo wich⸗ 
tig gehalten, daß einer oder mehre Reporters von jeder londo⸗ 
ner Zeitung an Ort und Stelle geſchickt werden. Würden bie 
Berichte derfelben mit der Poſt nach London gefendet, fo wuͤr⸗ 
den fie.erft früh zwiſchen 8 und 9 Uhr, für die Zeitung 
alfo zu Ipät, ankommen. "Der Bericht muß beshalb durch ei: 
nen Expreſſen abgefendet werden. 

Die Zufammenftellung eines Abenbblattes unterfcheibet fi 
von ber einer Morgenzeitung gänglid. Die eine iſt weſentli 
das Wert der Nacht, das andere das bes Tages. Durch das 
Syſtem der Grprefien nehmen die Worgenzeitungen fo ganz Das 
vornweg, was fonft den Abenbblättern Intereffe gab, daß die 
letztern jest wenig mehr als Nachdrude ber erftern find. Die 
Morgenzeitungen veranftalten auch wol eine zweite Ausgabe, 
wenn bie Poſt am Morgen wichtige Nachrichten mitbrachte. 
Indeß einige Punkte geben den Abenbhlättern doch auch noch 
Intereſſe. Erſtens koͤnnen ſelbſt die geübteften Reporters nicht 
verhüten, daß fie Fehler bei ihren Berichten über die Situngen 
des Parlaments machen. Diefe Zehler koͤnnen nie in ein Abend: 
blatt übergeben, wenn ber Subredacteur befielben aufmerkfam 
if. Fruh am folgenden Morgen werden die Abflimmungen von 
voriger Nacht auf Befehl des Unterhaufed gedrudt und den 
Mitgliedern wie Denjenigen mitgetheilt, welche dafür bezahlen. 


Dieſe Abflimmungen (vetes) enthalten überbies bie Angabe jes 
ber überreichten Petition, jeder gemachten Motion, jedes Amen 
bements und ein Berzeichniß ber Namen bei jeder Abfkim 

Mit biefen gedruckten Angaben Tann ber, Derausgeber eines 
Abendblattes einen weit genauern Bericht über die Parlaments: 
verhandlungen geben, ale es ben ‚, Times’ und dem „Chronicle’‘ 
möglich ift. Dex Bericht dev Abendblätter hat ferner ben Bor: 
zug, baß er fehr abgekürzt if. Gin gewandter Rebacteur Iann 
eine Debatte auf dem Drittel des Raumes geben, den fie im 
ben Morgenzeitungen einnimmt, ohne irgend einen wichtigen 
Punkt wegzulafien. Deshalb Tief fich der Bericht über eine 


"Debatte in einem Abenbblatte weit angenehmer als in einer 


Morgenzeitunig. 

In Zeiten von commerciellee Aufregung werben bie Abend⸗ 
blätter für Viele dadurch intereffant, daß fie die Worfälle an 
ber Stodbörfe, an der Kornboͤrſe u. ſ. w. bis zu einer ziemlich 
ſpaͤten Stunde berichten. 

Dieſe flüchtige Skizze wird eine Vorſtellung von der Ma⸗ 
ſchinerie geben, durch welche bie engliſchen koloffalen Zeitungen 
taͤglich binnen wenigen Stunden hergeſtellt werben. 51, 





giterarifhe Notizen. 


2. 5. Bungener gab in Genf heraus: „‚Essai sur la poesie 
moderne.” Ban erwartet darin eine Abhandlung über bie 
moderne Poefie im Allgemeinen zu finden, und man findet nur 
eine Abhandlung über die franzöftfche. Dadurch wird Bunge⸗ 
ner's Standpunkt ein fehr einfeitiger. Er polemifirt gegen das 
Geſetzbuch des alten Boileau, das bereits nicht mehr in Ans 
wendung ift, und zugleid gegen die Musfchweifungen der neu⸗ 
franzöfitchen Schule, indem er behauptet und nachzuweiſen fucht, 
daß eine Bereinigung der Regeln mit der WBegeifterung wol 
denkbar und möglich fei. Hätte ber Verf. einen allgemeinen 
und nicht blos franzoͤſiſchen Standpunkt, fo wärde er gefunden 
haben, daß biefe Vereinigung von einigen beutfchen unb eng= 
lifchen Dichtern aufs glücklichſte erreicht worden ifl. Der Verf. 
fchreitet in einer flüchtigen Skizze von der Verfification zur Poefie 
fort, miſcht aber beide Dinge fo ineinander, dag man über fel- 
nen eigentlichen Plan Feine Aufklaͤrung erlangen, Feine deutliche 
Analyfe geben Tann. Er gefteht in ber Vorrede ſeibſt, daß Noti⸗ 
zen und Ginfälle, nach Zufall und ohne Ordnung aufgezeichnet, 
die Grundlage feien, auf welcher er fein Buch aufgerichtet: ein 
Bud will aber Feine Splitter, ſondern Ballen. Indeß wäre 
dies noch Fein fo großes Verbrechen, wenn uns nur der Verf, 
burch originelle Anfichten, pikante Beobachtungen ober mwenigs 
ſtens einen angenehmen Styl fchablos hielt. Es gibt ja wol 
Talente, deren eigentliches Weſen in Sprüngen und Aphoris⸗ 
men befteht und die einmal ihrer Natur nach einen ſyſtemarti⸗ 
gen Gang einſchlagen Fönnen, ein Fehler, ber nur durch eine 
gewiffe Urfprünglichkeit des Verfaffers zur Tugend erhoben wer⸗ 
den kann. Diefe Urfprünglichkeit fehlt Hrn. Brugener. Geine 
Abſicht iſt edel, mancher feiner Ausfpriche treffend; er will, 
baß die Literatur einen erhabenen, würdigen Charakter, eine 
edle Tendenz habe, Bein Unrecht iſt nur, zu glauben, eine 
Vorlefung, weldde den Beifall ihres Aubitoriums erhalten, fei 
auch werth gedrudt zu werden. Diefer Irrthum iſt bei einem 
jangen Schriftſteller verzeihlich, dem bie berühmteften Profef- 
oren der Sorbonne mit ihrem BBeifpiele vorangegangen find. 


Der dritte Band des von Paulin Paris unternommeneh 
und rebigirten Werkes: „Manuscrits francais de la biblio- 
theque du roi, leur histoire et celle des textes allemands, 
italiens, espagnols etc. de la même collection‘, iſt foeben exs 
fhienen und enthält befonders eine wichtige Unterfuchung über 
die alten franzöfifchen Rittergebichte (chansons de geste), was 
mit man bie Abhandlung über die Romane ber zwölf Pairt 
im erſten Bande vergleichen Tann. 5. 





Berantwortlicher Heraußgeber: Heinrid Broddans. — Drac uns Werlag von B. A. Broddaus. in Seipzig. 





Blätter. 


x 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag 








4. Taſchenbuch für Gefchichte und Altertbum in Suͤd⸗ 
deutfchland. Herausgegeben von Heinrich Schrei: 
ber. Mit drei Tafeln Abbildungen. Zweiter Jahr: 
gang. Freiburg, Emmerling. 1840. Gr. 12. 1 XThlr. 

2. Eberhard der Erlauchte, Graf von Wirtemberg. Ein 
gefchichtliched Bild von Georg Übelen. Stutt: 
gart, Mebler. 1839. 8. 14 Gr. 

3. Mar Emanuel, Prinz von Würtemberg, und fein 
Kreund Karl XU., König von Schweden. Ein hiſto⸗ 
rifch = biographifcher Berfuh von Sigmund Schott. 
Mit den Portraitd von Mar und Karl XII. Stutt- 
gart, Krabbe. 1839. 8. 1 Thlr. 6 ©r. 

4, Wilhelm I. König von Würtemberg und die Ent- 
widelung der würtembergifchen Verfaſſung vor und 
unter feiner Regierung. Bon C. R. Köftlin. Mit 
des Königs Bildniß. Stuttgart, Brodhag. 1839. 
Sr. 8. 2 Thlr. Ä 


Das ruͤhmliche Streben, größere biftorifche Partien, 
insbefondere aber die Gefchichte des beutfchen Vaterlandes, 
fowie der einzelnen Staaten und Regentenhäufer deſſelben 
durch anziehende und gediegene Monographien und Bio: 
geaphien immer mehr aufzuhellen und dadurch für Werke 
größern Umfangs gelungene, brauchbare Vorarbeiten zu lies 
fern, zeigt fich feit einiger Zeit auch in Baden und Wür- 
temberg reger und allgemeiner al& früher. Don den ver: 
fhiedenften Seiten her werden dergleichen Schriften ange: 
kuͤndigt und geliefert. Wir machen e8 uns zur angenehs 
men Aufgabe, aus ber großen Zahl des Meuerfchienenen, 
weicher vor uns aufgefchichtet Liegt, das Intereſſanteſte 
hervorzuheben, und beginnen mit den bier angezeigten vier 
Producten, von denen das erftere zwar hauptfädhlid nur 
Baden, oder die daſſelbe nunmehr bildenden Gebietstheile, 
jedoh nicht ohne Bezüge auf MWürtemberg berührt, bie 
drei andern aber fih mit ausgezeichneten Fürften dieſes 
legten Landes ausſchließlich befchäftigen. 

Mr. 1. Dos Hiftorifche Taſchenbuch Schreiber’s, bes 
ungebuͤhrlich aus feiner Stellung als Profeffor der Moral: 
theologie an der Freiburger Univerfität Verdrängten, bildet 
eine Fortfegung des frühern Jahrgangs, welcher über mehr 
als eine dunkle Stelle in den Gefchichten des Mittelal⸗ 
ters und des 16. Jahrhunderts Licht verbreitete, und ſteht 





9. Dctober 41840. 








mit ähnlichen Schriften des unermüdlich thätigen, der Hi: 
floriographie nunmehr ganz zugewendeten Verf. in inni⸗ 
gem Zuſammenhange. Gleich der erfte Auffag: „Pe: 
ter v. Hagenbach und das Gericht der Gefhworenn zu 
Breiſach“, wird Diejenigen, welche bis dahin den Gegen⸗ 
fland vorzugsweiſe aus burgundifchen und ſchweizeriſchen 
Chroniken, aus Diebold Schilling und Johannes v. Mül: 
ler gekannt, in hohem Grade anfprechen, da bier eine 
Menge unbekannter Thatfachen mitgetheilt und wichtige 
Auffhlüffe, gefchöpft aus Archiven und handſchriftlichen 
Berichten (darunter wir befonderd das auf der bafeler 
Stabtbibliothet befindliche Chron. MSS. von Johann 
Knebel Über die verhängnißvolle Periode von 1473 — 76 
anführen), dargeboten werben. Die Biographie und Cha: 
rakteriſtik des troßgig=unbändigen Landvogts des Elſaſſes, 
Suntgaus und der vordern Lande, welcher feinem Herrn, 
Karl dem Kühnen, an Sinn: und Handlungsweife fo fehr 
glich und der Meinung ganz entfprach, in welcher er über 
jene ſchoͤnen Herrſchaften gefegt worden, tft mit Meifter> 
[haft und zugleih mit Unparteilichkeit gezeichnet. Hr. 
Schreiber fchildert die Motive des Syſtems, welches Ha: 
genbach bis zur Übertreibung und Verblendung eingefchla> 
gen, und weiſt nach, dag Dasjenige, was ihm am übelften 
gedeutet werden konnte, ganz natürlich aus feiner Stel⸗ 
lung hervorging, nämlich fein nicht zu verkennendes Stre: 
ben, die nur als Pfandfchaften erworbenen und daher 
flet8 wieder abloͤsbaren Lande den eigenthümlich bur⸗ 
gundifchen Befigungen möglichft anzundhern. Der Wider: 
ftand der „Canaille“ und der „Kuhhirten“, welche dem Land: 
vogte damit vergalten, daß fie ihn zu einem ex rustico 
nobilis, ex nobili eques auratus gewordenen Emporkoͤmm⸗ 
linge machten, mußte einen ohnehin fehr heftigen Charak⸗ 
ter, wie der feine, noch mehr erbittern. Es gab keine Art 
von Hohn und keinen Ausdrud von Verachtung, bie er 
wider feine Gegner fi nicht erlaubt hätte. Daraus er⸗ 
Eärt fih denn auch bie nachmalige Unerbittlichkeit der 
ziemlich tumultuarifhen Volksjuſtiz, trog der fcheinbaren 
gefeglichen Form von Jury, welche ſich aus Abgeorbne: 
ten ber fiegreichen Städte gebildet. Es ſcheint, daß bie 
feruellen Gründe zumeift den Ausfchlag gegeben und bie 
Entſcheidung über das Schickſal des „ſchamperen“ (ſchand⸗ 
baren) Mannes herbeigefuͤhrt haben, wie in ſpaͤtern Zei⸗ 
ten in dem, wenn auch unter veraͤnderten Umſtaͤnden, 


142 Ä 


doch im Ganjzen fo ziemlich aͤhnlichen Handel bes Ju⸗ 
den Süß. 

Wir übergehen den zweiten, für bie Archaͤologen hoͤchſt 
wichtigen und inhaltreichen Auffag über die „Metallringe 
der Kelten”, in welchem Hr. Schreiber allerlei zeither be: 
ftandene Vorurtheile über das Verhaͤltniß der keltiſchen und 
germanifchen Voͤlker zueinander zu beleuchten fih Mühe 
gibt, um uns „Balthaſar Hubmayer von Waldshut”, dem 
Stifter der MWiedertäufer auf dem Schwarzwalde, zuzu⸗ 
wenden. Diefe merkwürdige Erfcheinung, ein Doppelgän: 
ger Carlſtadt's mit ungleich energifherm Charakter und 
noch gefährlicher als Th. Muͤnzer, weil vielleicht von der 
Güte feinee Sache Überzeugter als diefe Velden, ift bisher 
noch immer nicht genug gewürdigt worden. Die Geſchichte 
von Hubmayer's Leben und Lehre aber füllt eine bedeu⸗ 
tende Lüde in der Gefchichte der MWiedertäuferei und ber 
daraus hervorgegangenen Bewegungen, insbefondere bes 
furchtbaren Bauernkrieges. Die Unterdbrüdung dieſes Auf: 
flandes war um fo folgenreicher, ald Hubmapyer, wenn er 
gefiegt, mit den Eräftigen, flämmigen, unbeugbar trogigen 
Schwarzwäldern auch nad andern Seiten hin den Aus: 
fhlag gegeben und durch feine Verbindung mit der Schweiz, 
im $alle einer Sanatifirtung und Inſurgirung der Maffen 
bafelbft, von dort aus einen Brand duch Deutfchland ge: 
fchleudert haben wuͤrde, welchen zu loͤſchen es ganz ande: 
ver Arme bedurft hätte ald der des Georg Truchſeß und 
der verbündeten Kürften. Die VBerhältniffe Hubmayer’s zu 
«den züricher und andern Reformatoren, insbefondere Zwingli, 
Leo Jud und Ökolampadius, find hier eh und aus: 
führlich auseinandergefegt; Erſterer fpielte der Achwärmeri: 
fhen Sekte gegenüber bismeilen diefelbe Rolle wie Luther 
gegenüber von Garlftadt und defien Anhängern. Wo bie 
Gontroversfchriften und Colloquien nicht ausreichten, mußte 
das brachium saeculare zu Hülfe kommen; daher die un: 
geheuere Erbitterung und die gefteigerte muthvolle Verzweif: 
lung feiner Anhänger. Hubmayer's Same ging mit feis 
nem Tode und ber Zerfprengung der waldshuter Agitation 
nicht ganz verloren; in den fogenannten „Salpetrern” des 
Hauenfteins (worüber ein Auffag des Geheimen Referen: 
dair Merk in Poͤlitz's „Jahrbuͤchern“ zu vergleichen ift) 
ſpukte der unheimliche fünatifhe Geiſt noch bis in bie 
neuern Zeiten fort. Es waͤre intereffant, die Gefchichte 
derfelben, welche der verftorbene Pfarrer Lukas Maper um: 
ftändtih nach Acten und Volkstraditionen befchrieben, end: 
lich einmal im Drude mitgetheilt zu erhalten: ein or: 
baben, welches die Befigerin dieſes Manuſcriptes, die hifto: 
riſche Geſellſchaft zu Freiburg, bereits vor etwa elf Jahren 
angekuͤndigt hatte. Aus dem Handel Hubmayer's blickt 
die angſtvolle Sorgfalt der oͤſtreichiſchen Regierung gegen 
alle kirchlichen Neuerungen auch hier in auffallender Weiſe 
hervor und erklaͤrt ſich die Haſtigkeit und Feſtigkeit, wo⸗ 
mit man der freiburger Univerſitaͤt die Jeſuiten aufdrang. 
Kein Opfer, keine Muͤhe, kein Act ſtrenger Gerechtigkeit 
war ihr zu groß, um den Katholicismus in ſeiner Rein⸗ 
heit in den Vorlanden zu erhalten. 

Unter der Rubrik „Kleinere hiſtoriſche Mittheilungen“ 
liefert Hr. Schreiber einen Aufſatz über die Romanen im 


hohen Rhätien, über die Sänger am Bodenſee und im 
Höhgau (von Schoͤnhuth); einen andern zur Sammlung 
der Minnefänger (von 2, Uhland, welcher demnaͤchſt uns 
mit einer ausfuͤhrlichen Geſchichte diefer Poefie und den 
Lebensbefchreibungen der Sänger felbft beſchenken unb da⸗ 
durch in den Stand fegen wird, anziehende Vergleichun- 
gen zwifchen feiner Arbeit und jener der Herren von der 
Hagen und Wolff anzuftellen); Verſuch einer libertra: 
gung ber Muſik des Fragmente aus dem vierten Liebe bes 
Schenken Ulrih von Winterftetten (welches im vorigen 
Sahrgange diefes Taſchenbuchs abgedrudt erfchienen war), 
von Foͤppl. Hieran reihen ſich Volksſagen über den Un: 
tergang des Suggenthals; ferner Notizen zur Gefchichte 
und Statiſtik des Aberglaubens im Klettgau und Hoͤhgau; 
ein officieller Bericht über die paͤpſtliche Nuntiatur in der 
Schweiz und deren Wirkfamkeit und Auffhwung im 17. 
Sahrhundert (unter den gegenwärtigen Umftänden von dop⸗ 
peltens Sintereffe und hoher Bedeutung, womit die Docu: 
mente und Denkſchriften in Balthaſar's „Helvetia“, in 
Troxler's „Neuem ſchweizeriſchen Mufeum”, in Le Bret's 
„Kichenhifloriihem Magazin‘ und anderwärts verglichen 
werden muͤſſen). Den Schluß bilden ungedrudte Briefe 
des Neformators Ambrofius Blaarer an die Stadt Kon: 
flanz und des berühmten Aftronomen Joh. Kepler an den 
Herzog Joh. Friedrich und die Herzogin Spbilla von Wür: 
temberg. Das Andenken diefes legtern, ſchmachvollen Opfers 
proteftantifch = pfäfftfcher Intoleranz; und moderner Schola⸗ 
ftit haben C. A. Menzel in einem Bande feiner „Deut: 
(hen Gefchichte nach der Reformation” und Hr. v. Breit: 
ſchwert in feiner Biographie zu Ehren zu bringen ſich be: 
müht, obgleich e& eigentlich einer ſolchen Bemühung- nicht 
einmal bedurfte, da Kepler’d Thaten für ihn zeugen, troß 
alten philofophifchen Facultäten der Welt; allein auf der 
Univerfitäe Tübingen laftet, in Bezug auf die Mishand- 
lung des großen Landsmannes noch immer eine literarifche 
Schmah*), welche nur durch ein feierliches Sühnfeft wie: 
der gut gemacht werden Bann, wenn man ein Denkmal 
ihm zu fegen ſich nicht bemuͤßigt finden follte. So etwas 
würde daher blos feiner felbft, nicht Kepler's willen, ge: 
ſchehen. 
(Die dortſetzung folgt.) 





Mahomet's türkifhe Himmelsbrief. Ron Leopold 
Schefer. Berlin, Veit u. Comp. 1840. Gr. 8. 6 Gr. 
Es ift möglich — wenigftens hat Ref. bie Erfahrung an 
fi gemacht und er theilt fie mit, weil fie charakteriftifch für 
die angezeigten „Himmelsbriefe“ fein kann —, daß man, unfähig 
mit dem Zitel eine Vorſtellung zu verbinden, zu lefen anfängt, 
und nachdem man bie erfte Surre gelefen (in zehn Surren zer: 
fallen die ‚„„Himmelsbriefe‘), nur um fo weniger begreift, worauf 
es denn nur eigentlich abgefehen ſei. Damit ber Eefer die Probe 
an ſich felbft machen koͤnne, und weil bie erſte Surre in Form 
und Manier als Repraͤſentantin ber übrigen darf betrachtet 
werden, fo mag biefelbe bier einen Platz in vollftändiger Aus: 
dehnung finden. 


*) Ginige Manuferipte von ihm verbrannte man, von andern 
wurbe ber Drud verhindert. Damals cenfirten die Pro: 
fefforen ſelbſt. Kepler’s Benialität war ihnen ein Greuel. 


1143 


Die vafben NG42udbe. 

Will keiner für Cuch zeugen, fo zeuge ih für Euch! 
Wit ‘jeder Gute ſchweigen, fo ſchweig' ich nicht zugleich. 
Beſtochen und verbäflert ſprecht Ihe zu unferm Dbr, 
Betrogen und belogen zieht Ihr mit Schmad hervor — 
Kommt, febt und ſchauek felber mein Volk genau erſt an, 
Und Habt Ihr es gepräfet, dann fagt und fingel dann: 
Nach alten Weltgefhichten beurtheilt Ihr bie Zeit, 

Das Geſtern ift verflofien,, heil firablt und lebt dad Deut; 
Dad Alte if vergangen , bad Neue brach herein, 

Das Neue blendet Öfter, dad Alte täufcht mit Schein. 
Gott hat und gern gelitten in feinem fhönen Haus, 

Dat oft für und geftritten, oft zog „Bott mit und” auß! 
Er, ber mit rafden Händen der Frevler Schwert zerbricht, 
Er, der gereht im Morgen und Abend hält Bericht. 

Und Hat und Bott gelitten, fo leidet Sott und no, 
Hat Er für und geftritten, [hust Gr und vor dem Joch; 
Es kann fich ſchrecklich wenden fein zorniges Gericht, 

Ihr Glaͤubigen verzaget an Botted Güte nicht. 

Will keiner für Cuch zeugen, fo zeuge ich für Cuch! 

Will jeder Gute ſchweigen, fo ſchweig' ich nicht zugleich. 

Chor der tärkiſch-himmliſchen Heerfharen. 
Es kann fi ſchrecklich wenden fein zorniged Gericht! 
Gottgläubige, verzaget an Gottes Guͤte nit! 


Schon war Ref. entfchloffen, beſſer Befähigten zu überlafs 
fen, das Publicum über die Mohammed s Scheferifch türkifchen 
„Himmelsbriefe“ zu verftändigen, als ihm bie erneuerte Anftrens 
gung zu der Ginfiht führte: Hr. Schefer habe über bie 
srientalifhe Srage mitfpredhen wollen. Das Unter: 
nehmen fcheint frappant. Der Dichter, welcher ein politifches 
Thema aufnimmt, muß ſich entweder lobendb ober tabelnd aus: 
Sprechen; allein Begebenheiten und Greigniffe laſſen ſich weder 
tabeln noch loben, fonbern nur bie Perfonen, von denen fie auss 
gehen. Da nun aber Jedermann, der nicht eingeweiht iſt in 
das geheimnigvolle Wirken, womit bie Koryphäen der Politik 
und Diplomatie Alles zu allgemeiner Zufriedenheit der Verſtaͤn⸗ 
digen werden hinauszuführen wiffen, in der orientalifchen Brage 
hoͤchſtens von der Stelle rüdende Ereigniffe und eine einzige, bie 
Blicke auf fih zu ziehen geeignete Perfönlichkeit erblickt, fo 
Zönnte man auf die Bermuthung fommen, Hr. Schefer Habe in 
den dem Fürften von Püdler: Muskau zugeelgneten „Himmels 
briefen‘’ jene hervorftechende Perfönlichleit befungen. Jedoch das 
iſt nicht der Kal, vielmehe die Summa ber „„Himmelsbriefe‘‘ 
abgefchloffen in der Anficht: an den Türken ift nicht viel, 
fie find am Ende aber doch noch beffer ats bie Chris 
ken, und man laffe fie doch ja eine Scheidewand 
zwifhen dem ſich gegenfeitig bedrohenden DOften 
und Weften Europas fein. Nunmehr das Nöthige gum 
Beleg. Surre I Hat der Lefer bereits kennen gelernt. Surre II 
ee grüne Wiege). Die Chriftenheit wird fprechenb ein- 
’ „Rab Afien Hinüber! Ihr Hunde! Fort mit Eu! 

Zort aus dem Paradiefe! Das if niht Euer Hei!” 
Diefer Sprudy wirb mehrmals wieberholt und jebesmal babei 
ein Moment hervorgehoben, bas für der Türken Berbleiben in 
Guropa ſprechen fol. 3.8. das erfle, wodurch ſich zugleich bie 
Überſchrift erklärt, lautet alfo: 

So wollt ihr und verwünfden, und fo verwuͤnſcht ihr gern. 

Die Völker find bed Sotted! Die Erde ift bed Herrn! 
Ste if die grüne Wiege, drin Jebes wird getviegt, 
Und Gined nad dem Anbern in füßem Frieden liegt. 


Gine andere Stelle fobert zum Mitleid mit ben Türken 
unter naturhiſtoriſchen Hindeutungen auf, die Ref. auf fi muß 
Beruben laſſen. 

„Nach Aften hinüber! Ihr Hunde! Jort mit Eu! 
Zort aus dem Paradieſe! Das ift nit Euer Rei!” 
Doch find wir froh und glädtih, fo Laßt uns glädiid fein! 
Und find wir alt und kraͤnklich — laßt und die Ruh gebeibn, 


Der Habicht ſtoͤßt felbſt menſchlich bie kranke Taube nicht! 

Der Dat im Meer verfolgt, fromm, das kranke Fiſchlein nicht! 

Der Wolf geht bei dem Lamme, das ſtirbt, ganz fill vorbei. 

Er ehrt aus Gott ben Tod fromm, fo hungrig wie er fei! 

Kaum Räuber werfen frevelnd Peſtkranke aus dem Haus, 

Hyaͤnen einzig ſcharren zum Fraß doch — Leichen aus! 

Und find wir frob und gluͤcklich — o fatter Habicht weich! 

Und ruhn wir alt und flerbend — Gyäne komm nicht glei! 

Wie wir bedärft Ihr einftend in Euerm Haus bie Ruh’, 

Die Krandenfonne! Cuch auch fließt Aug und Welt fih zu! 
&urre III (,,Die Bundesgenofien‘‘) alfo anhebend: 
Wenn alle braven Kürten der ganzen Chriftenheit 

Mit und zu Felde ziehen, gewinnen wir ben Streit 


und alfo fchließend: 
In Summa: Jeder Weiſe iſt Fl ein Mufelmann, 
Wer Gott wahrhaftig ehret, der rufet Gott nur an. 
Wenn alle braven Kürten ber armen Ghriftenheit 
Mit uns zu Felde ziehen, gewinnen wir den Streit 


zählt auf, weshalb wol die Türken ſich von den Chriſten moͤch⸗ 
ten beneibet glauben. Gin Gegenſtand bes Reides fo hier fein: 
Daß einen Gott wir (die Türken) glauben, unb weiter, wei: 
ter nichts, 
Den Niemand uns kann rauben, bie Sonne reinſten Lichts; 
Daß wir nicht raͤuchern, opfern, vor tobten Bildern Enien, 
Nicht ſegnen, nit verfluchen, nicht mit Monftzangen ziehn. 
ein anderer: 
Daß wir (die Türken) vier Weiber haben und alle viere ſchoͤn, 
Und fie für Und nur haben — nur unfre Kinder fehn. 


&urre IV (‚Die neuen Freunde‘). Hier fol den Mosles 
mim, für die vorher das Mitleid in Anſpruch genommen ward, 
kriegeriſcher Muth eingeflößt werden. Man Iefe: 

Stedt aus bie heil'ge Sahne, ihr tapfern Moslemim, 
Prüft euern Damabcener, faßt ihn mit Ungeflüm, 
Denn auf den Sähel gründet’ ih einft mein feſtes Reich, 
Und mit dem Saͤbel ſchuͤtzet Ihr es am beften Euch. 
Ihr habt no viele Breunde, der erfte heifet Gott! 
Der zweite heißt der SIaube, der dritte Heißt die Noth, 
Der vierte heißt der Hämus, der fünfte Heißt die Peſt, 
Der fehöte beißt der Jude, der fih In Euch verläßt, 
Gold ift die gute Sieben, wenn Du ed wohl gehabſt. — 
Der beil’ge Bund, fo heißet ber heil'ge achte Freund, 
Ihr folt zum Heil erfahren, daß er es redlich meint. 
Und eine Yreundin babet Ihr an „Europen“ auch, 
Sie läßt es gern beim Alten, nad alter Jungfern Brauch, 
Die Brille auf der Nafe, den Kuba in der Hand, 
Groberungen ... müde, gönnt fie fie keinem Stand, 
Ich fag Eu eine Babel, die Babel ift nun wahr, 
Erf glaubten fie nur Chriften, nun wird fie Türken Mar: 
Es war ein Hein grau Maͤnnchen, das hieß Napoleon 
(Daß nahm der Tod und führt’ ed auf einem Krebs bavon), 
Dad ließ „ein kleines Hütchen“, barunter gingen Bier, 
Run aub dem But gewachſen, gilt jedes Kopfes Spiel. — 
Für taufend Thaler Freundſchaft ift kaum ein halbes Loth, 
Für einen Pfennig Feindſchaft bringt Manchem Ball und Tod. 
Prüft Cuern „Damascener“‘, faßt ihn mit Ungekäm, 
Stedt auß bie heil’ge Fahne, ihr tapfern Mosiinim. 


Chor der bimmlifden Heerſcharen. 
Gott wird ed ſchrecklich wenden, fein neu'ſtes Weltgeriät; 
Gottgläubige, verzaget an Gottes Beiſtand nicht! 


In der VIII. Surre („Der vereinigte Kettenhund“) wirb 
wieber für die Türken gebeten. Hiervon wenigftens ben Anfang: 
Macht doch mein Bolt noch gnädig zu Euerm — Kettenhund! 
Samothraku bewach' er getreu zu aller Stund. 
DIL Einer din nah Oſten — den beiß er in bad Bein! 
Will eben der nad) Wehen — feg er die Zaͤhn' ihm ein! 
Gr pad’ ihn in ber Flanke, er fa” ihn im Genick, 
Ihr brecht ihn los, fo trägt er die Schläge — Eu zum Gluͤc. 


1144 


D viefer Hand if koſtbar, glaubt’d, daß Ihr's nicht erfahrt! 
in niemals füttern, nad Aurkenhunde Art. 
Macht do mein Volk noch weife zu Guerm Kettenhunb, 
KB Hundehuͤtte ſei ihm fein Cigenthum gegunat ! 
Und itt ber Bund au vieflg, ein Leviathan groß, 
So figt es Euch doch ehrlich gernfolgfam auf dem Shoes! ’ 
Iſt es dem Ref. gelungen, dem gefaßten Borſatze treu, fich 
fireng auf das Werichterftatten zu befchränten und Peine Sylbe 
Lob oder Tadet auszufprechen, To hat er zugleich gang nd 
das Berhaͤltniß bezeichnet, in welchem eine ſolche Hervorbrin⸗ 
ur Kritik fiche. € babei zu verweilm, wäre bes 
‚ weil ef. nicht beftimmen möchte, wie lange er ben 
guten Vorſatz burdygufühsen im Stande wäre. 96. 





Literarifhe Notizen. 


Bon neuern literarifchen Erſcheinungen im Fache der Ras 
turwiffenfchaften verdient eine befondere Erwähnung die Forts 
fetung von WII. Yarrel's ‚History of british birds’’. Dieſes 
Werk erfcheint ſeit nun faft zwei Jahren und wird vollendet 
zwei Octaubände und ein wärbige® Geitenftüd zu der „History 
of british fishes’‘ deſſelben Verfaſſers bilden. . Die Abbildungen 
find ausgegehihnet einzelne berfelden im ihrer Art ſchwerlich 
irgendwo übertroffen; ber begleitende Zert iſt ihrer durchaus 
würbig. — Der Herausgeber der „IIlustrations of british en- 
tomology”, James Brancis Stephens, hat von den erſten fünf 
Bänden bifes Werkes, welches deren bereits 11 umfaßt, einen 
Schägbaren Auszug veröffentlicht unter „dem Zitel: „A manual 
of british coleoptera or beetles’’, welcher ſowol Denen, für 
melde das Werk zu Eoftfpielig ift, fehr erwuͤnſcht fein muß, als 
auch für den gewöhnlidden Gebrauch genügend ausreicht; benn 
es umfaßt die fämmtlichen 3462 Species von Käfern, die ſich 
in @ngiand finden, in deren Aufzählung es fogar noch voll: 
fländiger ift als die „Ulustrations” felbft, fobaß aud für bie 
Befiger diefer das ‚Manual‘ unentbehrlich ift, wenn fle nicht 
dur ein Supplement zu den erftern in ben Beſitz diefer Ver⸗ 
vollftändigung gefeet werden. — Mit der 11. Nummer find 
Prof. Royle’s „Illustrations of the botany etc. of the Hima- 
layan mountains“ gefchloffen worden. Diefe Nummer enthält 
unter Anderm eine geologifcge Befchreibung des Himalaya; eine 
Abhandlung über indifhe Entomologie von Hope, Beſchreibun⸗ 
gen neuer Inſekten von Weſtwood, eine Drammalogie von Ogils 
by und einen vortrefflichen Inder zu bem ganzen Werke von 
Miftreß Royle, der ben Gebrauch eines Werkes, welches fo ver: 
ſchiedenartige Gegenſtaͤnde behandelt, wefentlicy erleichtert. Das 
ganze Wert umfaßt nun zwei Quartbänbe und ift die werths 
vollfte Befchreibung der Vegetation des nördlichen Indiens und 
der aus derfelben dem englifch : indifchen Heiche entfpringenden 
Hülfsquellen, bie man befigt. — James Black's ‚Manual of 
the bowels, and the treatment of their principal disorders” 
beabfichtigt ſowol eine wiffenfchaftliche Darftelung des Begen: 
flandes für jüngere Arzte, als auch eine faßliche Darftellung 
für die fo genannten gebildeten Lefer zu fein, eine Doppelaufgabe, 
die immerbin ihre Schwierigkeiten hat und auch bier nur theil: 
weile gelöft if. — Weſtwood hat in ber „Introduction to 
the modern classification of insects’’ der Erwartung, bie 
man an ihn, den Seeretair ber entomologifchen Geſell⸗ 
ſchaft, zu ftellen berechtigt war, dem SBebürfnifie einer Ans 
leitung zu den Principien der neuen Glaffification in dieſem 
Fache durchgehende entfprochen. Die beiden Bände, aus benen 
das Wert beftebt, find die Früchte vieler Jahre voll ausbauern: 
der Arbeit in Wald und Feld, Cabineten und Mufeen; fie 
find durchgängig mit Holzſchnitten ausgeftattet. 


Eine Geſellſchaft zur Aufllärung britiſcher Familienalter⸗ 
thümer hat ſich zu London als Dugdale society conſtituirt, 
deren hauptſächlich auf Auffindung bisher unbenutzter Familien⸗ 
documente im ganzen Umfange bes Landes gerichtete Thätigkeit 


auch für das hiſtoriſche Jutereſſe nicht ohne Ruten zu bleiben 
verfpridt. 47. 


Literarifhe Anzeige. 
Gouverfations Lexikon 


ber 


Ein für ſich beſtehendes und in fich abgefchloffenes Werk 
zugleich ein Supplement 
zur achten Auflage des Converſations⸗Lexikons, 


fowie zu jeder frühern, 
zu allen Nachdrucken und Nachbildungen deſſelben 


Sicbenundzwanzigstes Heft, 
Bogen 31— 40 des vierten Bandes. 
Naikem bis Roſenkranuz. 


Druckpapier S Gr.; Schreibpapier 12 Gr.; 
Velinpapier 18 Gr. 


— — ——— 

Naiken (Joſ.). — Raimund (Ferd). — Menke 
(Leop.). — Rasu⸗ Mochette (Deſri). — Mafpail (Frans 
sois Vincent). — Rationalismus. — Raus (Karl Heiar.) 
— Baumer (Friedr. v.). — Reboul (Scan), — 

(daft. — Beeurs, ſ. Staat unb Kirche. — 
Beben (Friedr. Wilh. Otto Ludw., Freih. v.). — Biebere 
(Briedr. Wilh., Graf v.). — KReguengo (Jorge d'Avillez 
Bufarte de Souſa Tavares, Wisconde de). - Be Briedr.) — 
NReiche (Ich. Georg). — Reiche: 








(gut, Freih. v.). — Bammer 
eifenberg (Beietr., Baron v.), — Reinbed — 


vens (Kaſpar Jakob Chriſtian). — Rheinwaäald (Georg 

edr. Heinr.). — Rheninus (Karl Theophilus Ewald). — 

beaupierre (Alexander v.) — Mibers (Juan Änto⸗ 
nio de). — Richmond (Charles Lennox, Herzog v.). — 
Middersstd (Hans), — Diegg (Ignaz Albert v.). — 
Rieß von Scheuruſchloß (Beorg Franz Hugo). — Biign 
(Alerandre de). — Ringseis (Ich. Nepomuk v.). — 
(Joh. Ehriftian Heinr.). — Ritſchl (Friedr. Wilh.). — Ri 
tee (Heinr.) — Bitter (Iof. Ignaz). — Rivas (Angel be 
Saavedra, Duque de), ſ. Saavedra (Angel de). — Riseies 
y Helip (Io). — Migos (Jakowakis Rerulss). — Rp 
binfon (Edward). — Robinfon (hereie Adolfine Luife.) 
— Rogberg (Karl Georg). — Rogier (Sharles). — Rag- 
niat (Iof., Bicomte de). — Romagnofi (Sian Domeniea) 
— Römiſch⸗katholiſche Kirche, -- Romanismus. 
— Kommel (Dietrich Ehriftoph v.). — Rofas (Don Yuan 
Manoel de). — Roſe (Juſtus Philippꝛ. — Rofetini 
(Ippolito). — Rofen (Briedr. Aug.). — Roſenkranz (Ich. 
Karl Friedr.) 

eipgig, im October 1840. 


$. A. Brockhaus. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brod haus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Nr. 284. —— — 


10. October 1840. 





Badiſch- würtembergifche Gefchichtsliteratur. 
(Bortfegung aus Nr. BL) 

Mr. 2. Die Blographie Graf Eberhard's des Er: 
lauchten von Mürtemberg, eine Arbeit des gelehrten, wuͤr⸗ 
digen Rectors Übelen (welchem man über König Friedrich J., 
die neuere würtembergifche Verfaffungsgefchichte, ſowie Über 
andere geſchichtliche Materien fehr fchägbare Leiftungen ver: 
dankt, und welcher ald Philolog und Meformator des Gym: 
naſialweſens in Stuttgart fortwährend in ruͤhmlichem Getfte 
wirkt), umfaßt auf wenigen Bogen viel Gediegenes und 
eine Weihe neuer Forſchungen Uber einen der eigenthüm: 
lichſten und flarrften Charaktere des würtembergifhen Herr: 
fcherhaufes. Der Verf. wollte zwar mit feiner Schrift Feine 
erihöpfende Lebensbeſchreibung des Erlauchten geben und 
verwahrt fich in edler Belcheidenheit gegen diefe Voraus: 
feßung, wol aber die erſte Monographie. Denn Das, 
worin fich das eigentliche Leben ausſpricht, geht dem Met: 
fien des WVorhandenen ab. Dieſes beſteht — wie er fidh 
ausdrudt — in kuͤrzern oder längern biftorifchen Daten, 
weiche in einem Zeitraum von 60 Jahren zerfireut find 
und meift atgeriffen und ohne Zuſammenhang, Lüdenhaft 
und dürftig umberliegen, ähnlich den Trümmern eines Bild: 
niſſes, das in eine Menge größerer und Eleinerer Stüden 
zerfchlagen if. Dbfchon aber die'e Trümmer fein Ganzes 
mehr bilden, fo find fie dody dem größten Theile nach von 
der Art, dab man volle Gewißheit hat, das Bild feroft 
muͤſſe einft von großer Bedeutung gewefen fein. Die Auf: 
gabe alfo, welche fich der Verf. ftellte, war, die Notizen 
über Eberhard nicht blos des Zeitfolge nach aneinanderzus 
reihen, fondern fie in einen organifchen, durch Zeit und 
Berhaͤltniſſe motivirten Zufammenhang zu vereinigen und 
aus ihnen ein Bild von dem Helden zu entwerfen, deſſen 
einzelne Partien zwar größtentheils nicht ausführlich und 
in feinem Schattirungen ausgemalt, fondern nur in Um: 
eiffen, jedoch fo gezeichnet wären, daB ſich eine in gewiſſen 
Hauptzügen wohl unterfcheidbare, originelle und in ihrer 
Eigenthuͤmlichkeit merfwürdige Geftalt erkennen ließe. Gluͤck⸗ 
licherweife fehlte es nicht an Thatſachen hierzu, jedoch muß: 
ten immer noch Lüden genug duch Vermuthungen aus: 
gefilkt werden, weil auch hier, wie in der Geſchichte des 
Mittelalters Überhaupt, eine zufammenhängende Darftellung 
ohne fie unmöglich if. Aber felbft da, wo der Verf, ver: 
muthese, ging er nicht mit bloßer Willkuͤr zu Werke, ſon⸗ 


bern feine Vermuthungen liegen, wie er glaubt, insgeſammt 
fehr nahe und fie find meift Folgerungen, zum heil noths 
wendige, welche aus Thatſachen hervorgegangen find. 

Graf Eberhard war der Sohn Graf Ulrich’s mit dem 
Daumen, welcher bereits ganz Schwaben mit dem Rufe 
des Namens MWürtemberg erfüllt hatte, und erhöhte diefes 
Anſehen durch gewaltige Eraftvolle Perſoͤnlichkeit, durch eine 
beinahe ununterbrochene Reihe blutiger Kriege, die er an⸗ 
greifend und angegriffen durchzuführen hatte, durch das 
außerordentliche Süd, womit er den angeftanımten Laͤn⸗ 
derbefig feiner Familie zu vergrößern fortfuhr. 

Er war — fo fchildert Hr. Ubelen ihn weiter — kühn, 
tapfer, entfchieden, unbeugfam, wie ein Mann feiner Zeit nicht 
nur in Schwaben, fondern in ganz Deutfchland, und Tämpfte 
40 Jahre lang mit beutfchen Königen, Fürften und Reichsſtäd⸗ 
ten; voll Selbfigefühls, daß er fich in Gedanken Teinem König 
und Kaifer nachfegte, und doch nicht ohne eine gewiſſe Gemüth⸗ 
lichkeit, welche, wenn auch felten, doch zuweilen hervorſcheint; 
ein echt mittelalterlidher Nitter, den — die Zeit des großen 
Zwiſchenreichs nicht wenig verwildert hatte. Die Noth, in welche 
durch feine ewigen Fehden ein großer Theil Schwabens verfeht 
ward, und das Kurdtbare feines Namens und feiner Erfcheinung 
mag jene Nachricht, nach, welcher ſchon feine Geburt verhängniß: 
voll iſt, zwar nicht erzeugt, aber doch erhalten, fortgepflangt 
und ausgefchmüdt haben. Er ward aus dem Leibe der Mutter 
geſchnitten. 

Dieſen kraͤftigen, kriegsluſtigen, wildtapfern Mann lei⸗ 
tete aber ein ungemein kluger Sinn und praktiſch⸗verſtaͤn⸗ 
diger Takt in Ausbildung des vom Vater begonnenen Sy: 
ſtems, Wuͤrtemberg höher emporzubringen, und Hr. Übelen 
bemerkt mit Recht, daß ihm gegenüber die meiften ſchwaͤ⸗ 
biſchen Großen, feine Nachbarn und Zeitgenoffen, in die: 
fer Hinſicht wie thörichte Knaben ſich ausnehmen. 

Graf Eberhard’s erfte Schule fiel in die Jahre von 
1279— 85, in eine Periode fomit, wo Schwaben durch 
den betäubenden Fall des Hohenftaufifchen Haufes in un⸗ 
gebeuerer Verwirrung, Rathloſigkeit und Entzweiung fich 
befand. Die Lage der Dinge war ganz für des Würtem: 
bergers emporftrebenden Ehrgeiz eingerichtet, und erklärt auch 
feine ganze Stellung und Haltung gegenüber von Rudolf 
v. Habsburg, dem reflaurirenden und reformirenden Kai⸗ 
fer. Diefe beiden Charaktere mit fo verfchiedenartigen Zen: 
denzen und durchkreuzenden Intereſſen mußten bald mit: 
einander in Conflict gevathen. Ihre beiden erſten Kriege 
findet man von dem Verf. ſehr lichtvoll befchrieben. In 
Erörterung der Reichsunmittelbarkeit, welche Eberhard zu: 








= 


. naften und Städte auf ihre alleinige Kraft. 


1146 


erst Wuͤrtemberg erfleitt, sieht Hr. Übelen verſchiebene An: 
gaben feines Vorgängers Pfifter in Zweifel, worauf wir 
ihm, in Bezug auf diefen, wie auf einige andere Punkte, 
wo berfelbe Fall eintritt, zu bemerken im Stande find, 


daß der qusgezeichnete und gu früh Unhingegaugene Ge⸗ 


ſchichtforfcher ud Giſchichtſchrelber Schwabens ſelbſt man: 


che Maͤngel ſeines beruͤhmten Werkes (theilweiſe einer Ju⸗ 


gendarbeit) erkannt und die Abſicht hatte, an eine ‚völlige 
Umarbeitung deffelben fi zu machen, und in Ausführung 
feines Unternehmens blos durch ben Tod verhindert wor: 
den war. Vielleicht LöfE nun Hr. Bauer in Sigmaringen, 
mit einer ähnlichen Arbeit befhäftigt, die Aufgabe, nachdem 
duch Zäger, Pfaff, Gratianus u. A. viele neue Mate: 
rialien und Auffchlüffe gegeben worden find. 

Mehre folgende Sapitel find den Verhaͤltniſſen Eber: 
hard's zu dem ritterlichen, von ihm jedoch tödtlich gehaß⸗ 
ten Grafen Albrecht von Hohenberg und zur Pfalz, der 
Schirmvogtei über die Kiöfter Lord) und Adelberg und den 
Bezügen zur benachbarten Reichsſtadt Eßlingen gewidmet. 
Bon befonderer Wichtigkeit ift dasjenige, welches das Ver: 
hältnig des Grafen zu König Adolf befpricht. Hier haben 
ihm eine ungedrudte findelfinger Chronik und mehre uns 
bekannte Urkunden treffliche Dienfte geleiftet. Das freund: 


ſchaftliche Verhaͤltniß zu Kaiſer Albrecht erhält durch das 


neu erfchienene Werk des Kürjten Lichnowsky mehr ale eine 
gewuͤnſchte Aufklärung; vielleicht hätte Hrn. Übelen auch 
die reichhaftige Urkundenfammlung im „Solothurner Wo: 
chenbiatt” (durch Rob. Glutz⸗Blotzheim und Luͤthi ange: 
legt und fortgefegt), wenn er fie gekannt, viele andere 
Belehrungen gegeben. 

Die Landvogtei in Niederſchwaben, duch Albrecht 1. 
dem Grafen ertheilt, und die ſpaͤtern Berwürfniffe mit bie: 
ſem Kaifer bilden den Anhalt mehrer folgenden Gapitel; 
auch hier kamen Lichnowsky und eine ellmanger Chronik 
dem Verf. ſehr zu flatten. Hr. Übelen widerlegt fofort die 
bisher im alle würtembergifche Geſchichtbuͤcher uͤbergegan⸗ 
gene Behauptung, daß der Erlauchte nach Albrecht's Tode 
fih um die deutfche Reichskrone beworben, ohne jedoch in 
Abrede zu flellen, daß er Wünfche diefer Art in fich ge: 
nährt haben möge. Unter Kaifer Heinrih VII. erfcheint 
der Graf als Gegenftand allgemeinen Haſſes und bitterer 
Klagen von Seite der viel gereizten und ſchwer mishan⸗ 
deiten Meichsftädte Schwabens, jedoch immer trotzig, un: 
verjagt und in feiner kecken Stellung ſtraflos den oberften 
Reichsbehoͤrden gegenüber fi behauptend. Der Böhmer: 
zug des Luremburgers laͤhmte die Energie des Kalfers ges 
gen den Widerfpenftigen und befchränkte die feindlichen Dy⸗ 
Der Krieg 
im fchwäbifchen Unterlande brachte zwar Eberhard in ziem: 
lich ſchlimme Lage, doch ſchlug er im Oberlande alle ihre 
Angriffe ab, und mit des Kalfers Tode änderte ſich ploͤtz⸗ 
ih die Scene zu feinen Gunften. Für ſtreich gegen 
Ludwig den Baiern Partei ergreifend und in die Reiche: 
acht getban, kam er endlich aud mit ben Reichsſtaͤdten 
ind Reine und in Bündniß mit Hohenberg. Später trat 
er zur Partei ded Gegners über und wurde ein fehr erge⸗ 
bener Freund Kaifer Ludwig's. Hr. Übelen fchildert die Mo: 


tive dieſer häufigen Wechfel ber Politik Eberhard's gegen- 
über den beutfhen Königen, ebenfo feine Grundſaͤtze, bins 
ficytlich der Untheilbarkeit der Herrfchaft, den Innern Gang 
und den Gelft feiner Regierung, bie Lage ber Untertha: 
nen (melde eben nicht dfe gfänzendfte mar), den Def umb 
deſſen Haushaltung, die Schönheit und Feſtigkeit ber 
Stammburg Würtemberg, welche 1312 zerflört wurde 
und niemals in ber frühern Geſtalt hergeſtellt werden 
tonnte. Unter dem Erlauchten erſt wurde Stuttgart bie 
Mefidenz des Landes. Ein Zug wider Markgraf Ruborf 
von Baden, einen nahen Berwandten feiner Gattin Irm⸗ 
gard, war die legte Kriegsthat bes Grafen und fiel nicht 
gluͤcktich aus. Der Ärger daruͤber befchleunigte feinen Tod 
(5. Zuni 1325). 

Gr hatte, was auch in jener Zeit zwar nicht einzig, jeboch 
feltenee war, feinen beiden Söhnen bedentungsvoll denfelben 
Vornamen, Ulrich, gegeben. Es geſchah diefes im Rückblick auf 
feinen Water, Graf Uri mit dem Daumen. Zwar trug er, 
erft nach dem Tode beffelben geboren, kein perfönlidhes Wild 
von ihm in fi; allein als er heranwuchs, war bie ritterliche 
Kraft und Tapferkeit bes Vaters, der ſtets fiegreich gekaͤmpft 
hatte, niemals befiegt worden war, noch im Munde Aller, die 
ihn umgaben; mit Erzählungen von ben Thaten befielben uns 
terhielt man fein Knabenalter; Unzaͤhliges erinnerte on ihn, und 
er felbft war einziger Erbe Deffen geworden, was der Water 
zum hoͤhern Emporkommen feines Haufes fo glücklich begonnen 
hatte. Wänner wie diefer follten bie Söhne werden , bas fpra 
der Beiden gegebene Name Ulckb aus. Und diefer Bun 
blieb ihm nicht ohne Erfüllung. Graf Eberhard erlebte es nodh, 
daß fein zweiter Sohn, weldyer mit bem gleichen Erfolg und 
mit nicht minderer Befonnenbeit das Werk des Waters und 
Großvaters fortſetzte, Hierin für ſich felbft den erften glücklichen 
Anfang machte; und gegen fein Ende bin ſah er einen Eakel 
von diefem Sohne zu feinen Züßen fpielen, welcher den zue 
duch ben Großvater berühmt gewordenen Ramen „Gberhard‘’ 
aufs neue verherrlihen und die Schöpfung von drei Abnherren 
in blutigen Kämpfen nicht allein retten, fonbern burdy die wich⸗ 
tigften Erwerbungen ihr bie Krone auffehen ſollte. Ohne biefe 
Männer, Graf Uri mit dem Daumen, Graf Eberhard ben 
Erlauchten, Graf Uri III., Graf Eberhard den Greiner — 
Bater, Sohn, Enkel und Urenkel — wäre an einen würtem: 
bergifhen Staat nicht zu denken; fie warfen bie Grundlage 
und wurden bie Baͤter beffeiten. Non ihnen flammt in ges 
zader, nie unterbrochener Manneslinie bas Lönigliche Haus 
Mörtemberg. 


Mit diefer Stylprobe, den Schlußbetrahtungen des 
Werkleins, welchem wir wenige ähnliche von ſolcher Gruͤnd⸗ 
lichkeit an bie Seite zu flellen wüßten, nehmen wir von 
dem Verf. Abſchied. 

Mr. 3 iſt der erſte hiſtoriſch⸗biographiſche Verſuch ei⸗ 
nes jungen Gelehrten, deſſen Vater in der Reihe der wür⸗ 
tembergifchen :Deputirten, ſowie als Wortfuͤhrer mehr als 
einer unterdruͤckten Volksſache ſich einen klangvollen Na⸗ 
men im Lande und auswärts erworben bat. Er ſchildert 
darin ein Leben, das, ebenfo kurz als großartig, mehr eis 
nem genialen Ttaume als der Wirktichkeit gleicht. Kin 
14jährigee bdeutfcher Prinz aus dem Haufe Würtemberg, 
weicher, -Bequemlichleit, Jugendſpiele und Heimat verlaf 
fend, aus angeborenem Heldenfinn unter bie Fahnen des 
tapferften Kriegers feines Jahrhunderts tritt, von dieſem 
fonft fo hohen und einfamen Charakter wie fein eigener 
Sohn geliebt wird, die Schlachten und noch mehr bie 


4148 


recklichen Intbehrungen des nordiſchen Krieges mitmacht, 
Fi — mit feinem bis auf 50 Mann geſchmolzenen 
Regiment die letzte Salve‘ gibt und, erſt 20 Jahre alt, 
in Folge feines Berufes dahinſtirbt, eine ſolche Erſchei⸗ 
ung iſt — mie ber Verf. ſagt — gewiß ſelten und ſchoͤn. 
Sie erklaͤrt auch die Liebe und Wärme, mit der das Buͤch⸗ 
lein von ihm ausgearbeitet worden, und als deſſen Staf- 
fage ihm das Reiſejournal des Secretairs und Reiſepre⸗ 
digers des Prinzen, Joh. Wendel Bardili, ſowie die davon 
erſchlenene, nur wenig veraͤndernde Überfegung: „Memoi- 
res de Maximilien Emanuel Duc de Wurtemberg” (Am: 
fierdam und Leipzig 1740), diente. 

Der Prinz, von welchem bie Rede, war der Sohn des 
Adminiftrators, Herzog Friedrich Karl von Würtemberg und 
der Prinzeffin Eleonore Juliane von Brandenburg » Anfpadh; 
ferner ein Bruder des berühmten Helden Karl Alexander 
and der Herzöge Friedrich Heinrich und Friedrich Ludwig, 
bie fich in polniſchen, niederländifchen und kaiſerlichen Feld⸗ 
zügen einen Namen erworben. Er wurde am ‚ZT. Febr. 
1689 geboren, machte. feine Studien zu Tübingen und 
Senf, genoß der Leitung des trefflichen Prälaten Dfiander, 
welcher fo Vielen vieles in Nöthen und Drangfalen jener 
verroortenen, unheimlichen, flürmereichen Zeit geweſen war, 
und trat fofort in ſchwediſche Dienſte. In ſolchen machte 
er als Oberfter eines Megiments die Feldzuͤge Karl's XIL 
in Deutfhland, Polen, Lithauen, Rußland, Volhynien 
und in der Ukraine mit, blieb ein beftändiger Begleiter 
des unermüdlich tapfern Könige, und war fo eigentlich wie 
der Schiller'ſche Mar Piccolomini ‚die Blume in feinem 
Leben’; vielleicht feine einzige Neigung und das einzige 
Weſen, welchem er fein Gemüth aufſchloß und an beffen 
innerfte Seele und Treue er ftandhaft glaubte. 

Die meiften der von Hrn. Schott ersählten kriegeri⸗ 
ſchem Ereigniffe, an welchen der Prinz Theil nahm, find 
aus andern Merken bereit6 befannt und durch die neueften 
Forſchungen und Mitthellungen F. Foͤrſter's noch weiter 
aufgehellt worben. Der Biograph hat diefelben auch be: 
nuge, und zwar mehr, als für den eigentlichen Zweck feiner 
Atbe it näthig gewelen wäre. Überall, wo er feinen Helden 
feibfE ſchildert, zeigt er Tuͤchtigkelt des Talents, gemandte 
Auffaffung der charakteriftifchen Züge und Fertigkeit in 
Han dhabung des hiſtoriſchen Styls, ſodaß wir aufrichtig 
wuͤnſchen und ihm zurufen muͤſſen, ſich an einen reichern 
Stoff aͤhnlicher Art zu wagen, und etwa die Feldzuͤge 
Karl Alexander's, weicher Oftreih und dem beutfchen Va⸗ 
terlande als Krieger größere und nüglichere Dienfte leiſtete 
denn als Regent feinem Wuͤrtemberg, zu befchreiben. An 
Materialien und Vorarbeiten. würde es hierbei keineswegs 

len. ’ 
ſet Bon der Art und Weife, in welcher das kleine Werk 
abgefaßt worden, innen mir den Lefern d. Bl. keinen 
beſſern Geſchmack geben, als buch Mittbeilung der: Stehe, 
womit er: bad Ganze befchließt: 

Es Liegt eine tiefe Poeſie in .biefem jungen, fo fruͤh vers. 
biähten Leben. Es iſt das Bemüth, bie Treue, das Hingeben 
an eine Begeifterung, bie, ob blind, ob bewußt, zu hohen Hand: 
lungen fähig macht. Daß Karl ber Magnet war, welcher das 


ſchwediſche Seeleute, wie Hoͤkeflycht und wie Löfchert, 


jungen Welt hat die Re 
men. 


Herz unfers Prinzen anzog, beweiſt deſſen Trefflichkeit. Sie it 
freilich jezt von den Meiſten vergeſſen jene eiſerne, aber große 
Belt (7), mo heftige Eeidenfchaften, aber auch hohe Tugenden 
noch in bie Weltgefchichte lebendig eingriffen, wo namentlich bie 
Treue noch nicht zur Wunderlichleit geworden war *), Pr 

| bie fich 
in die Euft fprengten, um 20 ruſſiſche Galeonen mitzunehmen, 
noch Nachahmer fanden. Rührend erſcheint die martialiſche Weh⸗ 
muth, womit ein alter Oberſt noch lange nach Karl's Tode 
fi jeden Morgen bie Piſtole auf dem Zeller bringen ließ, um _ 
fie Karl XII. zu Ehren abzufeuern. Dar war nicht der Ge⸗ 
eingften Einer unter diefen @etreuen. Als Stanislaus, ber 
flüchtende König von Polen, auf der Durchreife zu Kannſtadt 
fein Portrait ſah, wurde er heftig erfchüttert und brach in Thraͤ⸗ 
nen aus; Norberg aber weiß pm kein ſchoͤneres Denkmal zu 
fegen, als: „Er befaß zu feinen ebzeiten bes Königs Karl voll: 
kommenen Beifall”, welches zu feinem Ehrenruhm bei biefer Ge⸗ 
legenheit genug gefagt iſt. ad Karl felbft, traurig geftimmt, 
erflärte, als er den Tod des „‚Eleinen Prinzen“ erfuhr, zeigt 
das Motto dieſes Verſuchs: „Er war mein eſter Freund.‘ 


(Die Fortſetzung folgt.) 
. 


Über die Freundſchaft. Won M. Ent. Wien „Gerold. 
1840. 8. 14 Gr. 


Bür Bücher dieſer Act find bie Leſer jetzt ſelten geworden. 
Es ſcheint in der That, als wenn ſich aus unſerer Zeit die ru⸗ 
hige Sammlung des Gemüthes durchaus verloren habe, welche 
zum Senuſſe folder Schriften, in denen die Alten ihren Stolz 
und ihre Freude fanden, erfoderlich if. Wir fagen die Alten 
und verftehen darunter nicht blos die Griechen und Römer, bie 
Epochen Plato's und Gicero’s, fondern auch die Epochen Fenes 
lon's, Eefling’s, Hamann's und Bimmermann’s ‚ kurz alle die 
Beitperioden, welche Das hervorgebracht haben, was wir heute 
vorzugsweiſe als das Glaffifche bezeichnen. Es deutet ſich bier: 
aus cin innerer Zuſammenhang zwifchen jener ftillern Samm- 
lung ber Seelen und ber Erzeugung des claffifchen Literatur— 
geiftes an, ber unverkennbar iſt, fowie andererfeits die unru— 
hige, deſultoriſche und encykliſche Stimmung der Gemüther mit 
dem zerriflenen und unvollfländigen Weſen unferer heutigen Li— 
teraturen in einem engen Bufammenhange ſteht. Dies ift Har, 
man mag nun das Eine ober das Anbere mit Vorliebe ergrei: - 
fen und mit den Alten an fo gefammelten, fanft anfpredyen- 
ben Büchern, wie das vorliegende iſt, fich erfreuen, oder den 
3erriffenheiten unferer Epoche den Vorzug einräumen. Zum 
Süd Hat jedes Übermaß in geiftigen Dingen fein Heilmittel 
ſtets in ſich ſelbſt, und fo beginnt, im Überdruß an den mans 
nichfaltigen Maßloſigkeiten und tbertreibungen unſerer Zeit, ein 
kleiner Kreis von Leſern ſich jetzt wieder einer ſolibern Nahrung 
in jener geraͤuſchloſern Literatur zuzuwenden, welche wir als 
die alte und claſſiſche bezeichneten. Selbſt in Frankreich, von 
wo das Übel herkam, fammelt ſich wieber eine Schar Enttäufghs 


‚ter, Zurückgezogener, Freunde des Landlebens, welche ihr Auge 
‚auf die vergeffene Speiſe 


in ber fhönen Literatur der vorencys 


klopaͤdiſchen Zeit richten. In Deutfchland und in England bat 


es nie daran gefehlt: bier bat das Landleben und bie natür- 


liche Griftenz ihr Gewicht behauptet und die Oppofition ber 
te ber ältern nie ganz. befeltigen Föns 


hier das Heil für. Bücher dieſer ‚Art 


*) So viel wir wiffen, iſt bied auch jetzt noch nit der Fall. 

Unſere Zeit hat ſo gut ihre großen Thaten, Aufopferungen, 
Tugenden und unejgennuͤtige Begeiſterungen neben wilben Lei: 
denſchaften und reinmateriellen Tendenzen als das 12. Jahr: 
hundert, welches, nad unſerer Anficht zuch niemals als eine 
beſondere Normalperiode gegolten bat. Der Himmel wolle 
uns vor ſeiner Wieberkehr bewahren. 


Auf dem Lande iſt 


1148 


zu ſuchen; dahin wenden fie ſich und bert finden fie bie ihnen 
gebührende Teilnahme. . j 

“Der Verf., in Unterfuchungen diefer Sphäre geübt, unters 
wirft die befannte Schrift Cicero's „Bon ber Freundſchaft 
einer Zergliederung aus dem Standpunkte unſerer Philoſophie 
und unſerer ſocialen Verhaͤltniſſe. Er weiſt die Fehler und 
Zrugichlüffe des alten Philoſophen, wie ſeine Feinheiten und 
ſeine pfychologifchen Entdeckungen nad. Dies Unternehmen bat 
feine anziehende Seite; die Werke ber Alten, und vorzüglich 
die philofophifchen, werden nur zu fehr für ſich beflchend von 
uns hingenommen; äußerſt felten werden fie mit unfern Arbei⸗ 
ten gleicher Art verglichen oder aus unfern Standpuntten ber 
erörtert. Das vorliegende iſt ein Verſuch zu biefer neuen Axt 
archãologiſcher Kritik. Wir wünſchen dem Berf. Glück dazu; 
ee hat feine Aufgabe gut gelöfl. 

Bei Cicero z. 3. fällt. die Sreundfchaft mit ber Liebe zur 
Zugend und der Bewunderung für fie in Eins zufammen. Gr 
reducirt die Freundſchaft auf den Trieb zu lichen — ex adpli- 
catione animi cum quodam sensu amandi —; dies ift offenbar 
weder richtig noch erfchöpfend. Denn einmal findet ſich bie 
Freundfchaft auch unter der Zugend entfremdeten Perfonen, und 
zweitens vergißt Cicero durchaus das Wohlgefühl, von Andern 
geliebt gu werden, in Anfchlag zu bringen. Diefe Mängel 
weift der Verf. gut nach, er fegt die Quellen ber Freundſchaft 
in eine andere Region, in das Bebürfniß, geliebt zu werden, 
in den Schönheitsfinn (Liebe der Tugend) und in die Unzuläng- 
lichkeit eigener Kraft, die ihre Verſtaͤrkung In Andern fucht, bei 
welchen fie Gleichheit ber Beflrebungen vorausfeht. \ 

Den feinen Wendungen der Unterfuchung,, welche bie Brage 
mit Leichtigkeit und Geſchick in alle Beleuchtungen bringt, Tüns 
nen wir bier nicht folgen; es fei genug, anerkannt zu 
haben, daß keine Seite derfelben unerörtert bleibt und manche 
feine und glüdliche Idee ber Grörterung entfließt. Wem es 
Bedürfniß ift, ſich von feinen Gefühlen zeitweife Rechenfchaft 
zu geben, oder wen ber Überdruß an den trivialen, eiteln und 
unfruchtbaren Beftrebungen unjerer Zeiten auf Augenblide das 
Bedürfnig einer gänzlien Entfernung von biefemi oft fo öden 
und wüſten Zreiben der heutigen Welt empfinden läßt, dem 
empfehlen wir mit Zuverficht die Lecture dieſes Schriftchens, 
um fi daran zu fammeln unb fill zu erfreuen. Doc man 
darf von feinen ftillen Freuden nit zu laut fpredhen, der 
Neid der Götter ift wach, wie bie Alten fagen, und fo wollen 
wir denn auch diefen Artikel kurz abbreden. 89, 





Literarifhe Notiz. 


Ein gewifler Felix de la Karelle gab in zwei Bänden heraus: 
„Du progres social au profit des classes populaires non in- 
igentes. De Ia Karelle gehört zu Denjenigen, welche meis 
nen, baß gefellfchaftliche Vereine mehr von der Moral als von 
der Materie leben, und baß fie mehr durch die Gemeinſamkeit 
ver Gefühle und des Glaubens, als durch den gemeinfchaftlichen 
Vortheil zufammengehalten werben follten. Er gehört aualei 
zu Denjenigen, welde ben Katholicismus für Leinen abgeftors 
benen Baum, vielmehr für einen folchen halten, der Saft und 
Kraft genug in ſich Habe, neue Blätter, Blüten und Zweige 
zu treiben, damit bie ruhes und fehugbedürftige Menſchheit ſich 
darunter fammeln und zu neuen Gntwidelungen vorbereiten 
Tönne; denn „unter dem Schatten ber katholiſchen Religion ift 
ia auch das fihöne Königreidy Frankreich groß geworden”. Nicht 
weil bie katholiſche Seitenlinie bes Chriſtenthums an fich etwas 
ſo Bortreffliches wäre, ſondern weil fie die Staatsreligion von 
Frankreich ift, darum wird fie von den philofophifchen Köpfen 
in Frankreich wohl oder übel als diejenige Religion gepriefen, 
mit welcher fich die wahre politifche Freiheit und Wohlfahrt des 
Volks am beften verträgt. Der Verf. theilt feine Prüfung in 
zwei Hälften, die eine, welche die Aderbau treibende, die an: 
dere, welche die durch) Manufacturen und Handel eriftirende Be: 
vslkerung umfaßt. Mit vollkommener Unparteitichkeit und Ge⸗ 


rechtigkeit et er die übel, an denen die iur im 
Frankreich leidet und beilagt, daß bie Douanens und Schuiden⸗ 
verwaltung das Intereffe des Aderbaues dem Intereffe des Mas 
nufacturwefene geopfert habe. So liege auf dem Grundeigen⸗ 
thum eine Sculdenlaft von 11 Milliarden und ein Zligungss 
beitrag von jährtid 700 Millionen. Er zeigt buch sine Ber 
gleichung zwiſchen Frankreich und England, bis gu welchem 
Grade das Loos ber franzoͤſiſchen Adersleute verbeflert werden 
könne. In Frankreich breitet fi der Aderbau über 40 Millfos 
nen Hektaren aus, wobel eine Bevölferung von 24 Millionen 
tyätig if. Dagegen baute vor einigen Jahren Großbritannien 
im engern Sinne 18 Millionen Hektaren mit ben vos 
5,200,000 Bauern an. Der Totalwerth Defien, was die 24 
Millionen in Brankreich erzeugten, belief ſich jährlich auf 4% 
Milliarden, dagegen ergieiten dfe 5 Millionen der englifchen 
Ackerbauern auf: ipren 15 Millionen Hektaren einen Werth von 
5 Milliarden 420 Millionen. Nach den Abihäpungen des Den. 
Rubichon bringen taufend Familien in Frankreich und England 


jährlih hervor a) in England 56,C00 Hektoliter Getreide, in 
Frankreich nur 40,000; b) in England an Pferden 273, in 
Srantreih nur 65; c) in England an Hammeln 11,000, im 


Branfreih nur 1083, d) in England an Rindwich 1230 Stüd, 
in Sranlreih nur 203. Gin Berichterflatter über be la Farelle, 
die bekannte Schriftjieller Michel Chevalier, fegt mit franzöfis 
fher Galanterie feine Hoffnungen für die Vervolkommnung bes 
Aderbaues in Frankreich hauptſaͤchlich darauf, daß, wie in Eng⸗ 
land, das weibliche Geſchlecht von ben Feldarbeiten befreit werde. 
Er bemerkt mit Recht: fo werde das Weib feine Sorge auf 
das Hausweſen, auf ihre mütterlichen Pflihten mehr concen: 
triren Tonnen; die Familie erhalte einen dauerhaftern Kitt, und 
daraus entfpringe dann ein unermeßlicher Gewinn für, die Mo: 
ral und die gefellfchaftliche Ordnung, Es ift wahr, daß bie 
ebein Eigenfchaften des Weibes durch nichts mehr erdrüdt und 
exftidt werden als dadurch, daß es zu Functionen verwendet 
wird, bie ihrer Natur nah dem Manne gehören; aber die ge: 
ringere Blüte der franzöfifhen Agricultue im Vergleich mit der 
engliſchen möchte body wol in gang andern Umſtaͤnden als in 
dem von Chevalier angegebenen zu fuchen fein. Intereffant find 
des Verf. Betrachtungen über bie Arbeitsclofien in den Stäbe 
ten; hier, wie der Verf. und fein Recenfent mit Recht beiner⸗ 
ten, ift die ftärkfte Schattenfeite der modernen Welt, eine ſtum⸗ 
pfe doch freflende Materie, eine Gefahr drohende vulkaniſche 
Maſſe, die in fi wählt und gährt, aber bis auf vereinzelte 
Symptome freilih noch nicht zum vollen Ausbruche gelommen 
ift; da find die fchmerzlichften phyſiſchen Leiden, bie abfcheu: 
lichſte Demoralifation, die widerlichfte Ungefundheit an Geiſt 
und Körper, bie volfländigfte Verleugnung aller Gläubigkeit, 
aller religibſen Feſtigkeit — und wenn der fraugöfifihe Sqhrift⸗ 
fteller deutſche Babrikftädte, wie etwa Elberfeld und Barmen im 
Auge gehabt Hätte, fo. würde er Hinzugefegt haben: bier ift, im 
Begenfage zu all diefer bumpfen Selbftverzweiflung, zu biefem 
inflinctartigen SHinvegetiren, ein übel verftandener Pietismus 
vorhanden, ein GBegengift, offenbar ſchlimmer als das Gift, 
defien Wirkungen es unfhäbtidh machen fol. As Heilmittel 
ſchlägt de la Farelle Verbräderungen unter ben Handwerkern 
und ftädtifchen Arbeitern nor, etwa in der Art ber mittelalters 
lichen Zünfte. Es iſt wahr, daß der Verf. in feiner Vorliebe 
für diefe alten Inftitutionen zu weit gebt, aber fie Täßt ſich 
entſchuldigen, wenn man die jetzige ibeen-, leb⸗ und freudens 
lofe Maſſe des Handwerkerftandes mit dem friſchen, Iebenbigem, 
teten, faft ritterlich phantaftifchen Handwerkerwefen des Mittel: 
alters vergleicht, als fi jeder Einzelne als Mitglied einer 
Zunft, einer Verbrüderung fühlte, es iſt allerdings zu bekla⸗ 
gen, daß diefe Verbrüderungen allmälig in eine fo große Pe⸗ 
banterie und Steifigkeit übergingen und mit ihrer Idee auch 
dad Recht zu exiſtiren einbüßten. Verbrüberungen‘, dem Geifte 
der modernen Zeit angepaßt, ober vielmehr aus ihm wie ein 
Nothwendiges ſich ergebend, wären bier allerdings zu wünjden, 
wenn nicht alle poetifche Anfchauung im Volke erlöfchen fol. 5. 


Berantiwortliher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von 5. 4. Brockhaus in Letpzig. 





Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





(Bortfegung aus Nr. 28.) 

Mr. 4. Die ſchwierigſte Aufgabe unter den wuͤrtem⸗ 
bergifchen Hiſtorikern neueften Datums hat ſich wol der 
Verf. des Legt zu befprechenden Werkes gefept, umd bier 
ſtellen fich der Bedenklichkeiten gar manche ein, weiche jes 
body minder gefühlt worden zu fein fcheinen, als vieleicht 
der Gegenſtand wol erheifcht hatte. Ein junger Schrift: 
fleller, bisher blos als Belletriſt, Kunftkrititer bekannt, das 
bei Criminaljuriſt, ohne eigentliche biftorifche Vorkenntniſſe 
und legitimirende Antecedentien, unternimmt es, in einem 
Zeitraum von wenig Monaten, die Biographie und Re⸗ 
gierungsgefchichte feines noch lebenden Landesheren zu lie: 
fen, und zwar in einer Atmofphäre, die kaum erft von 
den ſchwuͤlen Einflüffen politiſchen Parteigeiftes von ziemlich 
loealer Natur in etwas gereinigt worden ift. Ohne auch 
nur einiges Einleitende über die Motive zu dieſem kuͤhnen 
Schritte voranzufchiden, beginnt Hr. Köfttin, wie ein von 
Klio laͤngſt Hierzu Eingeweihter, mit einem „breiten ge: 
fchichtlichen Unterbau‘, d. h. der Worgefchichte des Landes 
und der Kamilie des betreffenden Monarchen, um den Be 


weis zu liefern, daß bie „darzuflellende Periode nur keine 


weine Kortfegung, oder doch minder weſentliche Modifica⸗ 
tion feftfichender, dem allgemeinen Bewußtſein hinlänglich 
deutlicher Richtungen““, fondern das Reſultat „einer Fülle 
son Erlebniſſen fei, die an epochemachender Wichtigkeit 
Jahrhunderte vorher in den Schatten ftellen”. Der Um: 
flurz einer Verfaſſung, die dem Mittelalter angehörte, das 
mit auf ihren Truͤmmern ein Staat im neuen geläuterten 
Einne gegründet werden konnte, die Nothwendigkeit einer 
totalen Veränderung ber Verwaltung im Innern, forte 
der Verhältniffe zum Auslande, nebenbei eine Ummwälzung 
in kirchlichen Begriffen und der neue Auffhwung von 
Künften und Gewerben, eine gefeigeste Richtung des all: 
gemeinen geiftigen Lebens und bie Erweiterung ber vers 
jährten Sitte eines befondern, abgefhloffenen Stammes 
zum Volksleben find die nächften Vorwürfe des Gemaͤldes, 
welches der Verf. zu entwerfen ſich vorgenommen hatte. 
Hieran mußte er nothwendig einen Ruͤckblick auf die Ah: 
nen der zu fchildernden bedeutfamen Perfon reihen, als der 
Erkiärer des Familientypus und der Momente für die fei⸗ 
nere Nachforſchung der Eigenthümlichkeiten des Haupthel⸗ 
den, endlich als ſolcher Öffentlichen Charaktere, deren Be⸗ 


achtung bei der Beurtheilung des Nachfolgers gar nicht 
umgangen werden konnte. 

Hr. Köfttin erblickt in dem gegenwärtigen Würtemberg 
ein völlig neues, erſt durch den modernen Staatsbegriff 
gefchaffenes Ganze, deffen Beftandtheile in den frühern Pe⸗ 
rioden fogar feindlich gegeneinander ſtanden, und nur durch 
bie Gewalt eines allgemeinen Geiſtes, der alle befondern 
Intereſſen in ſich ſchlingt, zu folcher friedlichen Einigung ges 
bracht werden konnten. Mit urfprünglichen Fuͤrſtenlaͤndern 
wurden ftädtifche, geiftliche und Adelsherrſchaften und Be⸗ 
figungen verbunden. Diefe verfchiedenen Beftandtheile ers 
(deinen jedoch nicht von gleichen gefchichtlihen Werth, 
vielmehr bildet der wolrtembergifhe Name und Stamm 
(dem Verf.) den Magnet, welcher in einer vielbewegten, 
fo manche gleichberechtigten Eriflenzen in ſich verzehrenden 
Zeit in Kraft und Ausdauer ſich bemährte, und das Übrige 
unter der Beraubung der Selbſtaͤndigkeit umter fein Prins. 
eipat 309. Hr. Koͤſtlin glaubte daher auch für dieſen Nas 
men und Stamm das Recht anfprehm zu tünnen, ale 
Mittelpunkt behandelt zu werden, um welchen der ganze, 
jegt diefen Namen thellende Ländercompler erſt anſchoß. 

Bon folhem Standpunkte ausgehend, behandelt er in 
dem erſten der drei Bücher, in welche ex fein Werk eins 
getheitt hat, die Vorgeſchichte des Landes umd der Familie, 
und zwar enthält das erſte Capitel „die mittelalterliche Feu⸗ 
dalzeit“; das zweite „ben Übergang von der Feudalzeit zur 
monardifchen Staatenbildung”; das dritte „Wuͤrtemberg 
unter den Grafen’; das vierte „die Zeit der Reformation” ; 
das fünfte „die Stantenbildung unter dem Cinflufle ber 
Reformatoren“; das fechste endlich „die Revolution“. 

Man wird nun wol in dem fieben Bogen, welche dies 
ſes Buch füllen, keine neuen Forſchungen und Refultate 
berfelben erwarten, und wir können uns baber einer aus⸗ 
führlichen Eritifchen Beleuchtung des bier Abgehandelten 
durchaus entfchlagen;- Doch weiß der Verf. Iängft Bekann⸗ 
te6 und Beſprochenes auf aͤußerſt angenehme Weiſe mit 
der ihm zu Gebote fiehenden Eleganz des Styls und Üp⸗ 
pigbeit der Diction in freundiichen Miniaturbildern und 
jierlichen biftorifchen Fresken wieder vor die Erinnerung 
des Lefers, nicht nur außerhalb Württemberg zu bringen; 
auch verſteht er meifterlich die Kunft der Gruppirung, oft 
wie ein gefchicter Theatermaler und Decorateur, und Licht 
und Schatten find gehörig wertheitt. Überall, wo ihm die 


welche bei andern Materien, philofophifhen oder äftheti: 
tifhen Inhalte auch keineswegs übel anfteht, die Fern⸗ 
gläfer nicht färbt oder teübt, ſpricht er geſchickt und ver: 
ftändig. Er weiß ſich uͤber die Porteien, die politifchen, 


Biclichep, lichrariſchen und Ipcaten zu erheben dund dies 


iſt ſehr diel von einem geborenen Wuͤrtemberger und noch 
mehr von einem aus der Reihe der regierenden Familien, 
mit zahlreichen Anſpruͤchen ausgeruͤſteten); er ſchildert fer⸗ 
ner nicht blos die ſchlimmen, ſondern auch alle guten, in 
der Sntwidelung des deutſchen Staats⸗ und Fuͤrſtenthums 
bis zur Zeit der Revolution gelegenen Seiten, deren hoͤchſt 
charattoriſtiſche, geroiffermaßen zur Idealitaͤt erhobene Ver⸗ 
Eörperung ihm in der Perfon und Regierung des Herzogs 
Kart Eugen erfcheint. Doch wie viele Gerechtigkeit er in 
mancher Beziehung dem legtgenannten Zürften auch wis 
derfahren Läßt und wie richtig die Zeichnung der Zeit und 
ihrer Stimmung und Richtung, in welcher er fich bewegte, 
der Umſtaͤnde, unter melden er feine Regierung antrat, 
der Leidenfchaften und Verhaͤltniſſe, welche auf ihn ein: 
wirkten, der Hemmungen und Schwierigkeiten, mit denen 
er zu cingen hatte, im Allgemeinen genannt werden muß, 
fo hätte man doch von unſerm Gefchichtfchreiber ein voll: 
fiändigeres, gerunbeteres und fichereres Bild von Karl Eu: 
gen erwarten dürfen, Es wäre zu wuͤnſchen, daß entre: 
der er felbft oder ein anderer Gelehrter diefem fo überaus 
intsreffanten Charafter feine Aufmerkfamkeit einft noch zu: 
wenden möchte, da. fig wicht leicht für einen andern bis 
ftorifchen Gegenſtand ein folder Reihthum von Stoff und 
Borarbeiten, von gefchriebenen und gedruckten Materialien, 
ſowie von wichtigen mündlihen und privatlihen Mittheis 
lungen noch lebender Zeitgenoſſen vorfindet wie für dem 
vielbefprochenen Kart Herzog.*) Diefer felbft, Francisca 
von Hohenheim, Mantmartin, Rieger, Schubart, die beiden 
Mofer, Gemmingen, die Karlsakademie (mit einer Reihe 
ſtrahlender Ramen), Schiller u. %., welche Anhaltspuntte 
für ein Geſchichtswerk, zumal in culturhiſtoriſcher Bezie⸗ 
hung, oder für Deutwäirdigkeiten! = 

Das zweite Buch begreift das Leben König Wil 
beim’s bis zur Thronbeſtelgung. Hier nähert fih nun 
ber Berf. der kitzlichen Aufgabe, die Bildungs» und Ju⸗ 
gendgef@ichte Deeienigen zu ſchildern, in welchem Würtems 
berg nach Ebechard im Bart und Herzog Chriſtoph feinen 
eigentlichen Schöpfer, Reformator und Befeſtiger feiner 
Sebftändigkeit und polidif = moralifchen Geltung nad) au: 
en verehrt; die Schule, in der bdiefer Fuͤrſt erzogen wor: 
den, eine harte Schule, voll Leiden und Widermärtigkeiten ; 
Die Zuftände der Beit unb den Geiſt der vorangegangenen 
Megierung, den Charakter des Vaters, welcher von dem 
des Sohnes fo hoͤchſt verſchieden; die Grundfäge, nad) 
welchen Jener geleitet worben war und zu welchen Diefer 
in kräftiger Selbftemancipation von aufgebrauchten Herrfchers 
ideen, abgelebten WBorurtheilen und dem ganzen Apparute 
unvollsthlmlicher Politik fchon frühe fich bekannt und forts 
während treu gehalten hat. Noch iſt der Moment nicht 


2) So wenut ihn noch jetzt das Wolf, nach feine Gignatur. 


N, . 


Methodik dee Hegelfhen Schule, welcher er angehört, und 


A 
gekoranten, mit Sicherheit und Unbefangenheit folches chun 
zu koͤnnen, da noc viele Leidenfchaften vorerft zu Grabe 
gegangen, Irrthuͤmer aufgededt, Disverftändniffe befeitige 
und Vorurtheile befiegt fein müflen. Einem großen Irr⸗ 
thume geben Diejenigen fi hin, welche in ſchonungsloſer 
Erörterung der woralgegängenen Periode dü gegenwärtige 
zu ehren und in Entftellung des Charakters, rote im Ber: 
fennung der Eigenthuͤmlichkeiten des verflorbenen Monar⸗ 
hen ein Relief für da6 Denkmal des trefflihen Sohnes 
gefunden zu haben glauben. König Friedrich warfet noch 
af einen Biographen im größern Styl, an weichen die 
zu flellenden Foderungen eben nicht leicht fein dürften, 
Alles bisher in dieſer Hinſicht Gelieferte haͤlt nicht Gib, 
und auch Hr. Koͤſtlin moͤge uns verzeihen, wenn wir un⸗ 
ſere Anſicht geltend machen, daß auch er nach den hier 
abgelegten Proben ſchwerlich dazu ſich eigne. Wir ver⸗ 
kennen keineswegs die Richtigkeit mancher angefüheten That⸗ 
ſachen, die Guͤltigkeit der einen und andern Behauptungen 
und die Treue in einzelnen Schilderungen, Portraits und 
Silhovetten. Aber es if dad). immerhin das Gauze, was 
er über Friedrich I, beigebracht bat, mehr eine Moſaik don 
fubjectiven Anfhauungen, Parteiuutbeilen und Iocalen, uns 
ter dem Eindruck mehr oder minder unerfreulicher Erleb⸗ 
niffe und geſtreifter Intereſſen, verletzter Gefühle niederges 
fchriebenen Erinnerungen. Es fehlt bie Objectivitaͤt des 
Geſichtspunktes, die Unbefangenheit des Urtheils uber eine 
fo bervoreagende, genial = gewaltfame, durchweg Enäftige, 
impenicende Erſcheinung; und das kritiſche Secirmeſſer 
des Hiſtoriographen bat mehr einzelne Theile als die Ges 
fammtgeftalt zu zerlegen und diefe in ihrer natutgemaͤßen 
Gliederung anfhaulih und Uberjeugend vor das Auge des 
ernſtern Publieums zu bringen gewußt. Deffenungeachtet 
fehle es ihm nicht an. vielen. twefflihen Andeutungen und 
muflerhaften Beſchreibungen einzelner Seiten im. Priwvat⸗ 
und Regierungsleben ded Begründere der wuͤrtembergiſchen 
Monarchie in ihrem gegenmäctigen Zuſtande, und nad 


dem er das Schlinunfte und Därtefte gefagt, wagt er das 


Geſtaͤndniß, hinſichtlich deſſen Jedermann mit ihm uͤber⸗ 
einſtimmen wird: . 

Gewiß aber darf heutigen Kags, wo bie Wunden jene 
fhweren Zeit unter der humanften der Begierungen, unter ber 
Regierung des Sohnes jenes ſtrengen und harten Geiftes vers 
ſchmerzt und geheilt find, mit vollem Rechte barf jetzt aner⸗ 
Fannt werben, daß das Heutige Würtemberg, daß Würtemb 
eis gluctlicher, einiger Etaat ohne ihn gar nicht möglich, d 
unfere Verfaſſung, die ganze liberale Organifatien des Bandes, 
feine äußere und innere Blüte opne ibn gar nicht denkbar wäre, 
Denn Er war es, der bie Ideen des 19. Jahrhunderts mit Ge⸗ 
walt in ein widerſtrebendes Erdreich einrammelte, wenn ex fie 
gleich nicht bis zur Wihte treiben konnte; er war es, der den 
Schutt fo vieler Jahrhunderte von dew Boden wegräumte, auf 
welchem das neue Gebäude unfers öffentlichen Lebens fich eches 
ben follte; er war es, ber die Idee der Freiheit wenigflens auf 
bem religidfen @ebiete zur Verwirklichung brachte und die po= 
litiſche Freiheit wenigftens vorbereitete, Indem er die Gleichheit 
Aller vor dem Gefege mit eifernee Gonfequeng durchführte unb 
das ganze Syſtem feubaliftifcher Halbknechtfchafe von Grund 
aus zerftörte oder mwenigftens aufioderte. Ja, bies Alles würbe 
noch in viel ſchlagenderm Lichte erſcheinen, wenn es erlaubt 
wäre, feine Regierung mit andern gleichzeitigen unter ähnlichen 
Berhaͤltniffen zu vergleichen. Allein fie braucht biefe Folie nicht 


Aal 


einzel, nachdam ipg bie miskfamfie in ber Darftellung bes fr⸗ 
bern ürtemberaif en Zuftände gegeben mosden if, 
Der DVeſchiuß folgt.) 





Keifeliteratur. 

4. Reiſetaſchenbuch für Hoͤhergebildete, bie zu ihrer Belehrung 
fremde. Länder befucden wollen. Bon D. @. v. Ekendahl. 
Zwei Theile. — Auch u. d. Titel: Theoretiſches unb prak⸗ 
tiſches Lehrbuch für wißbegiesige Neifende; enthaltenb: Als 
gemeine Seifevegein, fowie das Willenswürbigfte aus bem 
Gebiete dee Exdkunde und Statiſtik, ber Mineralogie, Hy— 
drographie, Meteorologie, Botanik, Zoologie des zu bereis 
senden Landes. Werner im zweiten Theite: enthaltenb bas 
Wiffenswürdigfte von dem Lanbbau, den Bewerben und dem 

- Banbel, fowie von deu Wiffenfchaft, Literatur und Kunſt, 
ver Religion, Kirche und Schule, bes Werfaflung, Geſetzge⸗ 
bung, Bermaltung und den auswärtigen Berhältniffen bes 
De raratenben Landes. Queblindurg, ruft. 1889. Gr. 12, 

Ir. 

Trot deö langen und vielverfprechenben Titels dieſes Bu⸗ 
dies bezweifeln wie body, daß baffelbe ‘von vielen Meifenden 
darfte mit Mugen gebraucht werden koͤnnen. Dean für deutſche 
Zouriften. it es zu meitläufig, für gewöhnliche Meifende, bie gu 
Zuß ober zu Wagen bie Weit durchſtreifen, fe es nun zur 
Luft oder zur Belehrung, iſt es zu pedantiſch. Denn wer wird 
es erft aus diefem Buche lernen wollen, daß man bei feuchter 
Luft oder beim Nebel wohl daran thäte, eine Pfeife Knaſter 
zu rauchen, oder daß man ſich hüten müffe, fein Nacdhtquartier 
in ber Nähe eines-Abtrittö zu nehmen, ober daß man fich nie 
gang entkleidet in ein unbelanntes Bett. legen dürfe? Wie 
Viele haben denn Geld und Gelegenpeit, ſich mit einer fo voll: 
Röndigen Reiſeapotheke, wie fie der Verf. vorfchreibt, oder mit 
einem fo reichlichen Apparat für Geereifen zu verfehen? Und 
wie man ſich mit Retourkutfigen, Gaſtwirthen, Lohnbebienten 
m. dgl. Leuten benehmen fol, lernt ſich alles befier aus ber 
wirklichen Erfahrung einiger Tage, als aus einem folchen Buche, 
wie dad vorliegende ifl. Ebenſo heißt es body auch wenig Ver⸗ 
trauen in bie Bildung unferer Zeit feßen, wenn man einem 
Reifenden anräth, fi ja mit Zinte, Papier und Feder zu ver: 
feben, da biefe Beduͤrfniſſe doch wol in den meiften Wirths⸗ 
häufern heutzutage ben Reifenden zu Gebote flehen. Alſo in 
GBumma — man wird aus biefen Worſchriften ebenfo wenig mit 
Nutzen veifen lernen, ald Zemand aus Knigge's befanntem Buche 
„Über den Umgang mit Menfchen‘ den wirklichen Umgang ger 
kernt hat, wenn er nicht offene Augen und gefunden Verſtand 
mitbrachte. Denn ‚grau iſt alle Theorie, doch grün de® Lebens 
goldener Baum”. ,,Die Reife‘, ſchrieb Goethe an Schiller 
aus Stäfa in ber Schweiz, „gleicht einem Spid: es if 
immer Gewinn und Verluſt dabei, unb meift von ber un« 
angenehmen Geite; man empfängt mehr ober weniger, als 
man hofft, man Tann ungeflraft eine Weile binfchiendern, 
wand dann iſt man wieder gendthigt, ſich einen Augenblick zu: 
ſammenzunehmen.“ 

Run wollen wir nicht in Abrede ſtellen, daß bie aus ben 
auf dem Zitel genannten Wiffenfchaften und Zuftänden des menſch⸗ 
Hichen Lebens zufammengetragenen Notizen gang gut und ridh: 
tig find, auch den beften Willen bes Berf. verrathen, aber fie 
find zu troden, zu fuftematifch, ohne frifche Beiſpiele aus dem 
wirklichen Leben, Will nun wirklid ein Beifender am Abenbe 
in einem ſolchen Reifetafchenbuche Iefen, fo verlangt er doch 
auch Unterhaltung, Besftreuung, vieleicht noch einige Aufregung, 
she er einfchläft. Aber was wird er da mit der ſchematiſiren⸗ 
den ‚Abhandlung Über die Pflangenkunde, mit ben Belehrungen 


über Landghter und Padhteontracete, mit den Vorfchlägen über - 


Einrichtung der Gymnaſien, mit ben Betrachtungen über die 
Ausartung ber Philoſophie u. bat. anfangen! Gr wird unſtrei⸗ 
tig fein Buch ſehr bald wieder zufchlagen, wie aud Ref. nicht 


Imones ‚kann, daß er war, als er ˖ nach viiictmähiger 
Lecture deſſelben es are en konnte. Will Sr. v. : 

aber wiflen, wie foldye Bo riſten für Reifende etwa Kerr 
ten waren, fo empfehlen wir ihm bie Vorrede zu WB. Als 
zi6’ ‚„Deexs unb Querſtraßen“, ober zu Starklof's „Meulstenan 
Sohn“, ganz beſonders aber bie lebendigen Schilderungen in 
B hei Solona’s Roman „Drei Kage am Borb dee beutichen 

ajade“. 


8. Keiſebilder. Won Eduard Gehe, 
8 1 The. 


Haben wir an dem eben genannten SkendahPfchen ‚‚Reifes 
tafchenbuche‘” die Schwerfälligkeit und — ——— — — 
fen, fo befremdet uns bei dieſen „Reiſebildern“ eines ſonſt nicht 
unrühmlic, befannten Schriftftellers Thre Leichtfertigkelt und Ins 
haltiofigkeit Das erftere Wort foll bier aber keineswegs gleich 
bedeutend mit Frivolität, von ber diefer Schriftfteler ſich immer 
entfernt gehalten hat, lauten, es fol nur die geringe Rüdficht 
ausfprechen, welche Hr. Gehe auf feine deutſchen Landsleute ge⸗ 
nommen hat, indem er ihnen ſolche flüchtige Reiſebemerkungen 
über Städte und Länder, bie zwar ſchon oft von ben geſchich 
teften Händen geſchildert find, aber trögdem noch immer ſehr 
reichen Stoff enthalten, zum Eefen barbietet. Gleich zu Anfang 
die „Gedanken im Reiſewagen“ — wie gewöhnlih und ohne 
alle fruchtbare Anregung! Dann hat Hr. Gehe feinen Weg 
über Frankfurt und Mainz eingeſchlagen und die Champagne 
betreten, wo er aller Pebanterie entfagt und ſich dem leichten 
franzöftichen Leben bingegeben zu haben verſichert. Wir konnen 
dies aber nur in den kurzen Sägen feiner oft ſehr preciöfen 
Schreibart wahrnehmen, fonft finden wir viel Langweiliges und 
Überflüffiges, namentlich in feinen Beſchreibungen der Gemälde 
{m Louvre zu Paris und im Hiftorifchen Mufeum zu Werfailles. 
Für wen hat wol Hr. Sehe auf beinahe fieben Seiten die Na⸗ 
men der franzöfifchen Generale, die auf dem Arc de triomphe 
in Paris flehen, abgefchrieben? Gin deutſches Gemüth mußte 
body dabei eben nicht bie erfreulichften Betrachtungen anftellen. 
Ferner iſt auch Einiges über bie parifer Theater, über Dem. 
Rachel, die unvollfommene Heizung ber chambres garnies, bie 
NRationalgarde und den Marſchall Lobau hin⸗- und bergerebet 
worben, ben Bericht über die Gründung bes hiſtoriſchen Mus 
feums in Verſailles, nebft den bei diefer Gelegenheit gegaltenen 
Reden hat Hr. Gehe aus ben franzoͤſiſchen Zeitungen überfegt. 
Über die Häufig eingeflreuten Gedichte fönnen wir zu unferm 
Bedauern nicht anders urtheilen, als daß wir des Verf. Leichte 
und gefällige Verfification in fhnen nicht wiedergefunden haben. 
Die Ufer der Elbe fcheinen ihm günftiger zu fein ala die des 
Rheins, der Marne und der Seine. 


8. Vierwoͤchige Wanderung von Rinteln über Mühlhauſen, her 
tha, Wunfiebel nach dem Yichtelgebirge und von ba zusful 
über Baipeuth, Aulmbad, Koburg n..f. w., von Ludwig 
Bocto. Hanoper, Hahn. 1840. Gr. 8. 1 Thir. 

Nach dem fehr weilläufigen Buche des Den. Ckendahl und 
nach der etwas ſchwaͤchlichen Schrift des Hen. Gehe haben wir 
zum britten über ein Buch zu ſprechen, welches an Kraft und 
Gehalt jene beiden Werke weit übertrifft. Schon ber Name 
des Verf., der fi von mehren Jahren dur ein mit echter 
Begeifterung gefchriebenes Handbuch der deutſchen Geſchichte be: 
tannt gemacht hat, erwedte in uns ein gutes Vorurtheil, das 
noch mehe zunahm, als wie beim fortfähreitenden Leſen gewahr 
wurden, dab diere Reiſebeſchreibung nicht blos ‚allen Fußreiſen⸗ 
den im lieben beutfchen Waterlande und allen Denen, welche 
es werben wollen”‘, mit Recht zugeeignet ift, ſondern zugleich 
einen praktiſchen Sommentar zu ber 1837 herausgegebenen klei⸗ 
nen Schrift des Hrn. Boelo ‚Über Yußreifen, ats Börperliche 
und geiftige Afceti®’ enthält. Denn diefe fo nuͤtliche und flärs 
Tende Übung des Körpers Tommt jept immer mehr in Abnah⸗ 
me, ſodaß unfer Berf. gang richtig auf S. 190 fagen Tonnte: 
„Zn ber jegigen Zeit ift es freitich faft ganz unnörhig,, Erzie⸗ 
bern und Zührern der Jugend zugurufen: laßt die Jugend ſtür⸗ 


keipzig, Focke. 1889. 


⁊ 


ein Drudfebler ſtatt curribus) verwechſeln. 


1152 


wen, wagen, etwas rafen, benn gefättigte Kraft kehrt zur Ans 
muth zurüd. Sie flürmt nicht, fie wagt nicht; gemaͤchlich fährt 
He fatt deffen in Eilwagen und Miethkutfchen, und foger muß 
man das ,‚‚gaudet equis“ It in ein ‚‚gaudet curris’' (wol 

Es ift in der That 
auffallend, daß in unferer Zeit, wo fidh nicht blos viele Päba- 
gogen, ſondern fogar Gtaatsregierungen und Gtänbeverfamms 
lungen vereinigen, um die Zurnübungen als einen integrirenden 
Theil der Schulbildung einzuführen, und meinen (mit weichem 
Rechte laſſen wir jedoch dahingeftellt fein), daß allein in ihnen 
die Quelle zur Kräftigung der Jugend zu finden wäre, baß, 
fagen wir, gesae in einer ſolchen Zeit die Bußwanderungen 
von vielen Zünglingen fo ſehr gemieden werben. Für die Jus 
gend taugt tie Bequemlichkeit und Leichtigkeit ber Transports 
mittel durch Schnellpoften und Dampfwagen fehr wenig, felbft 
gefunde Zünglinge wollen jest nur fahren, wo fie früher ben 
vrangen auf den Rüden und den Stock in die Hand nahmen, 
die Weichlichkeit und Vornehmheit Vieler verfhmäht es, als 
Zußreifende einherzugeben, oder ſchaͤmt fich der ſchlichten Wan: 
derung im blauen Reiſekittel, man will, wie Dr. Boclo am 
Schluſſe jo wahr fagt, fich nicht überzeugen, daB man nirgend 
mebr als auf einer Fußreiſe fich felbfi, der Ratus und Gott 
angehöre, daß man nirgend Eräftiger, felbfländiger und wies 
dergeborener wird. Daher flimmen. wir recht von Herzen und 
im Intereffe unferer heutigen Jugend auf Gymnaſien und Real: 
ſchulen in feinen Wunſch ein, daß es ihm gelungen fein möge, 
‘alle feine Leſer von jener no zu wenig erfannten Wahrheit 
zu Überzeugen. . 

Abgeſehen von diefer allgemeinen Betrachtung gewährt aber 
auch die Schrift des Hrn. Boclo eine angenehme Unterhaltung, 
einmal durch die Perfönlichkeit des Verf. felbft, zweitens durch 
feine Schilderung mancher weniger, als es billig iſt, befuchten 
Gegenden unfers deutfchen Vaterlandes. In Hm. Boclo fehen 
wir überall den rüftigen, flarten Dann, dem, obwol im reifen 
Mannesalter, eine Tebhafte Theilnahme für alles Große und 
Schöne und ein echt deutfcher Sinn geblieben ift, er mag nun 
die Schönheit eines Morgens im Walde ſchildern, oder fich über 
den echten Patriotismus ausfprechen und ben fogenannten Kos: 
mopolitismus verbammen, oder in glühender Begeiſterung in 
Baireuth und in Wunfledel das Andenken Sean Paul's feiern. 
Richt minder angeden iſt ſein Intereſſe an den verſchiedenen 
wiſſenſchaftlichen Gegenſtaͤnden, oder an den einzelnen Zweigen 
bürgerlichen Verkehrs und landwirthſchaftlicher Cultur. So uns 
terhaͤlt er ſich ebenſo gern mit dem bejahrten gothaiſchen Kör: 
ſter, mit dem eichsfelder Schweine: und mit dem bairiſchen 
Dchfenhändler, mit dem Auffeher eines Hammerwerles als mit 
der Witde Jean Yaul’s, und bie arabiihen Pferde in Saba: 
burg, ſowie bie naturhiſtoriſchen Merkwuͤrdigkeiten auf bem 
Scloffe in Gotha feffein feine Aufmerkſamkeit in gleihem Maße 
wie der fhöne Sonnenuntergang auf dem Ochſenkopfe unweit 
Wunfiedel. Den Vorwurf der GSentimentalität, den Hr. Boclo 
befürchtet, wüßten wir ihm wirklich nicht zu machen, eher möchs 
ten wir fürdhten, daß manche Lefer an einer etwas fpielenden 
Manier und hier und da an ber zu auffallenden Ginflechtung 
der Bubjectivität des Verf. Anſtoß nehmen koͤnnten. Dahin 
rechnen wir 3. 8. die Benennungen „ber Doctor”, „ber Recs 
tor”, „der Rintelenfer”‘, unter benen er fich felbft einführt, die 
häufige Erwähnung feines ſchwarzen Fracks, bes „Confirmir⸗ 
roͤckchens““, des Naßwerdens und dee zum Trocknen angewenbe: 
ten Mittel, bed Gierbiers und der Punſcheſſenz, ferner die wie: 
derholten Anpreifungen des Zabadichnupfens, die den Thieren 
im gothaiſchen Muſeum in den Mund gelegten Reben und die 
abfurde Erzählung des alten äftreihifchen Soldaten. Solche 
Dinge erinnern zu ſehr an die Schubert’fche Art und Weife in 
einzelnen feiner Reifebefchreibungen, fie commentiren zwar bie 

fen Vorfchriften des Hrn Ekendahl (in Rr. 1) — aber ein 


diefem Grunde wäre es beſſer geweſen, die Leſer mit fo gewäßns - 


lichen Dingen zu verfchonen. 

Daß aber biefe Schrift durch die Schilderung von Gegens 
den und weniger gekannten Merkwürdigkeiten einen befondern 
Werth erhält, beweifen wir durch die Wefchreibung des kurheſ⸗ 
fifchen Kupferbergwerks in Kichelsdorf, einzelner Partien ve& 
thüringifchen Waldes und bie ausführliche Rahricht über bie 
von König Friedrich Wilheluf III. von Preußen angelegte Kunfk 
ſtraße von Herſtelle nad) Beberungen auf einem früher faft uns 
fahrbaren Zerrain längs ber Weſer. Hr. Boclo nimmt nid 
Anftanb, biefen Bau weit höher zu flellen als bie fo oft ale 
WBunderwerl gepriefene Straße, welche Rapoleon auf dem Eins 
ten Rheinufer von Koblenz nad) Bingen anlegen ließ. 

Außerdem find noch mandye andere hiſtoriſche umb geogras 
phiſche Notizen, wie fie gerade bie Gelegenheit an bie Hand 
gab, durch das Buch — deren wir hier nicht gedenken 
koͤnnen. Auf S. 59 wird auch ein in Gotha befinblidyes Ge⸗ 
mälde ber Gräfin Agnes von Mansfelb betrachtet, mit dem Zus 
fage: „ſie fel für den alternden Hermann, Erzbiſchof von Röin, 
zu jung und Ju ſchoͤn geweien”. Was foll das heißen? Gräs 
fin Agnes war bekanntlich die junge Gemahlin bes gleihfalis 
jungen Kurfürften Gebhard Truchſeß: daß fie aber von feinem 
Vorgänger, dem Kurfürflen Hermann, einem geborenen Grafen 
von —* ae ee I ift —— nicht nach⸗ 
gewieſen, auch von . Berthold in feiner neneſten Behand: 
lung der Zruchfeffifchen Händel nicht erwähnt worben. Ir 





Notizen. 


„The reformer’s portrait gallery” iſt mit ber zehnten 
Abtheilung gefchloffen worden. Das ganze Werk enthält 5 Por⸗ 
traits nebſt ODriginaldenkſchriften der ausgezeichnetſten lebenden 
Verfechter der Keformſache, ſowie eine hiftoxiſche Darftelung 
des Fortſchrittes der Reform von dem Verfuche zur Umſtoßung 
der Geptennalacte 1784 bis sum Durchgehen der Reformbil 
1832, von W. Howitt für das Werk geichrieben. Bon dem 
„Oriental portfolio’’ ift eine zweite Rummer erfchienen, welche 
unter Anderm forgfältig gezeichnete und herrlich ausgeführte 
Abbildungen der bewundernswerthen Baubentmäler von Delhi 
liefert. Auf gleiche Linie mit dem vorhergehenden ſich zu fielen, 
verſprechen, dem erſten Bande nad 1 ſchließen, Halle „Mo- 
numental effigies of Great Britain’, wogegen Lanbfcers 
„Original studies of animals’, von denen gleichfalls ber erſte 
Band jept vorliegt, michts weniger als günftige Erwartungen 
erregen. 


Am 22, März flarb in dem mexicaniſchen Dorfe San 
Angel, 74 Jahre alt, ber Präfibent der Akademie ber Willens 
haften zu Philadelphia, Maclure. Gr hat der Akademie feine 
vortreffliche Bibliothek zum Geſchenk gemacht. Lebhaften Ans 
klang nahm Maclure an ber Verbreitung ber Anſichten Robert 
Dmen’s zu News Harmony. Während feines Aufenthalts gu 
Paris 1819 fchrieb er mehre Artikel für die „Revue ency- 
clopedique”‘, bie aber von ber Genfur unterbrüdt wachen, 
darauf ins Spanifche überfeht zu Madrid und mit einigen ans 
dern Abhandlungen zufammen wieber 1831 zu Rews Harmony 
erichienen unter dem Zitel: „Opinions on various subjects, 
dedicated to the industrious producers.’ 


An demfelben Tage, an weldem zu Antwerpen das Rus 
benöfeft feinen Anfang nahm, am 15. Auguft, fand zu Edin⸗ 
burg unter dem Zulaufe eines unendlidden Volkamenge bie feier⸗ 
lihe Grundfteinlegung zum Denkmale Walter Seott's ſtatt. 
Die Keierlichleit ward von dem Landprovoſt als Großmeifter 
ber Freimaurer unter ben gewöhnlicdyen maurerifchen Geremes 


jeder Fußreifende wird fie ſich felbft zu geben wifien, und aus ! nien vollzogen. 47. 
Verantwortiiher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. 4. Brodhbaud in Leippig. 
⁊ 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


Montag, 


12. Dcetober 1840. 





Badifch - würtembergifehe Gefchichtäliteratur. 
(Beſchluß aus Nr. 286.) 

Das vierte Capitel des zweiten Buches, in welchem 
Milhelm I. als Kronprinz auftritt, gehört zu den beften 
des ganzen Werkes, wiewol manche der darin gefchilderten 
Bezüge von fo delicater Art find, daß wir über die Ruͤck⸗ 
fichtstofigkeit des Verf. in ihrer Berührung uns nicht genug 
verwundern Eönnen. Möge man daher dem Mef. verzeihen, 
wenn er fich huͤtet, in denfelben Fehler zu verfallen, und 
wenn wir, mit voller Anerkennung der Befugniffe des 
Verf. zum biograpbifchen Genremaler und der Geſchick⸗ 
lichkeit im Entwurf wie in der Ausführung der Zeichnung 
vieler Situationen, welche die Sugendgefchichte des Prin⸗ 
zen darbot, endlich auch der Richtigkeit einzelner zwiſchen 
Bater und Sohn angeftellter Parallelen und der Über das 
befofgte Erziehungsſyſtem in Bezug auf den Legtern, lieber 
den glorreihen Erinnerungen an die Verdienfte Wilhelm's 
als Feldherr, ſowie den patriotifchen, vor und während 
dem wiener Congreß manifeſtirten patrlotifchen Gefinnun: 
gen und Planen und zumenden. 

Diefe hat Hr. Köfttin aus dem vorhandenen hiftori: 
fhen Material größtentheils mit vielem Gluͤcke befchries 
ben und dem Beduͤrfniß des größern Publicums volllommen 
genügt. Die. hiftorifchen Zableaur von den gelieferten 
Schlachten, welche er entwirft, enthalten anziehende Som: 
mentare zu den vortrefflichen plaftiihen, melche man dem 
Pinfel des Malers v. Schniger verdankt, und er hat fich 
in der Manier Kohlrauſch's gehalten, welche durchaus für 
eine zugleich belehrende und begeifternde Volkslecture fich 
eignet. Doch bleibt die Aufgabe einer pragmatifchen Krieges 
gefchichte des Kronprinzen, welche einerfeits das allgemei: 
nere, populaire Intereſſe, andererfeits die Foderungen der 
Geſchichtſchreibung und der ſtrategiſchen Wiffenfchaft befrie: 
digt, noch immer zu löfen, und es werden hierzu natuͤr⸗ 
lich Kräfte erfodert, welche in ber hier angedeuteten Wer: 
einigung nicht fo leicht vorzufinden fein dürften. Nicht 
nur müffen die Acten des Kriegeminifteriums und die der 
Militairarchive mehrer, damals conlürten Friegführenden 
Maͤchte, ferner die Mittheilungen der vorzüglichiten Per: 
fonen, die bei den Begebenheiten figuricten, fodann bie 
bereitö vorhandenen Arbeiten eines M. v. Miller, v. 
Kaußler und einiger Anonymen forefältig benugt, fondern 
auch die kritiſchen Stimmen von Kriegskundigen abgehört, 


die vielen Lügen und Entftellungen in den zahlreichen frans 
zöfifhen Memoires (wir erinnern nur an die von Rapp) 
ins gehörige Licht geftellt und fomit die befreundeten und 
feindlichen Berichte genau miteinander verglichen werben. 
Die gediegene „Sſtreichiſche militairiſche Zeitſchrift“ gibt in 
ihren ausgezeichneten Monographien, welche die neuern 
Jahrgaͤnge uͤber die Feldzuͤge der Verbuͤndeten zu liefern 
begonnen, hoͤchſt lehrreiche Winke und Andeutungen hierzu. 

Mit beſonderer Vorliebe zeichnet der Verf., von den 
Lagern und Schlachtfeldern zu friedlichern Scenen zuruͤck⸗ 
fehrend, das unmittelbar nad den Befreiungsfämpfen ge⸗ 
knuͤpfte DVerhältniß des Kronprinzen mit der Großfürftin 
Katharina von Rußland, der Witwe des Herzogs Georg 
von Holitein : Oldenburg. 

Längſt eine Perle ihrer Kamille, war fie audy als eine 
Perle der ganzen europälfchen Fürftenwelt anerlannt und ge: 
feiert worden. Es erſchien bier mitten in der Beit allgemeiner 
Bährung, in der Zeit furchtbarer Gegenfäge und weit um ſich 
frefiender Charakterloſigkeit eine reine, eifenfefte Geftalt, in bie 
liebiihften Formen gegoffen. Eine hohe weiblidde Seele, auf 
welche ber ganze Schmerz und ber ganze Freubentaumel des 
Jahrhunderts zufammengeworfen ſchien, aus welcher der Geift 
der Zeit ohne alle Schladen als’ reines geläutertes Gold her⸗ 
vorfloß. Denn nicht das Geſchick des Waterlandes allein, das 
Loos bes ganzen Erdtheils rührte an bie reingeflimmten Sai⸗ 
ten biefer wahrhaft koͤniglichen Bruſt. Hier war ein Herz, 
ebenſo empfänglich für die kleinſten häuslichen Freuden einer 
bürgerlichen Sattin und Mutter, wie für bie Freuden unb Lei⸗ 
den aller Völker der gebilbeten Welt. Gier war bie reinfte zars 
tefte Weiblichkeit, namentlich die berzlichfte, natärlichfte, kind⸗ 
liche und geſchwiſterliche Liebe, vereint mit einer heldenhaften 
Entfchiedenheit der Sefinnung, wie fie fonft nur ale ein Vor⸗ 
recht des Mannes zu gelten pflegt. Und wahrhaftig, die Prüs 
fung, weldye einem fo gearteten @eifte auferlegt wurbe, war 
feine geringe. Wenn Katharina bie Stimme bes Ehrgeizes 
oder ber Eitelkeit hören wollte, fo durfte fie bie glängendfte 
Krone nur vom Simms wegnehmen; es kam nur auf ein Wort 
von ihr an und fie theilte Rapoleon’s Thron. Die gange Welt 
wurbe vieleicht eine andere. Aber gerade die verfuchte Verfähs 
sung beftärkt einen ſtarken Geiſt nur boppelt in bee Verfols 
gung der eigenen Richtung. Sie fehlug aus, was damals bie 
Welt für den Höcften Triumph zu halten geneigt war, und 
verflocht vielmehr ihr perfönliches Geſchick unter ben finfterften 
Anzeiden einer fchweren Zukunft mit dem Looſe der Wölker, 
fe unter bem harten Drude jener glangvollen Herrſchaft 
eufzten. 

Diefe Schilderung der Perfönlichkeit, des Charakters 
und des hohen geiftigen MWerthes ber unvergeßlichen Für: 
fin, eine Schilderung, welcher wis nur etwas weniger 





° 1164 


Emphafe und homitetifhes Gepraͤge wuͤnſchen möchten, 
vervollftändigt fpäter der Verf. bei verfchiedenen Antäffen 
auf fehr gelungene Weife. Gleichwol enthält aud Alles 
bie zufammengenommen nur erft Andeutungen und Pin: 
felfteiche zu einem Gemälde, wie e6 den Tugenden und 
dem Andenken ber hohen Verſtorbenen ziemt, und auch 
bier bleibt fomit einem Nachfolger noch ein fchönes Feld 
zu einer der anziehendften Biographien über, die befonders 
dur die Acten der Wohlthätigkeitsvereine und ber ver: 
fchiedenen Inftitute und Schöpfungen, melde Kutharina 
theils felbft hervorrief, theils ins Leben rufen half, In Be: 
zug auf das zu bemugende Material weſentlich bereichert 
werden koͤnnte. 

Mit rühmenswerther Unbefangenheit, mit noch gro: 
ßerm Freimuth, da eine Menge noch lebender Mitperfonen 
aus der erften Reihe der handelnden Perfonen zu berüd: 
fihtigen waren, und ganz auf die Höhe des Streites ſich 
flellend, hat Hr. Köftlin die Verfaffungsftreitigkeiten in 
den legten Jahren bed Königs Friedrich behandelt und 
duch das Chaos einer Unzahl von Schriften, Berichten 
und Darftellungen über diefe wichtige Periode im verfchie: 
denartigſten, oft leidenfchaftlichften und entftellendften Sin: 
ne fi) durcchgerungen. Er padt die Sadye überall beim 
rechten Siede, nennt das Kind bii feinem wahren Namen 
und zuͤchtigt ſchonungslos den fpießbürgerifhen lÜbermuth 
und bie theilmweife unbegreifliche Bornirtheit eines mit ſei⸗ 
ner Vortrefflichkeit fo gern Eokettirenden und nur aus dem 
Gegenſatz zur Purz vochergegangenen Periode einigermaßen 
zu Credit gekommenen Liberalismus, welcher mit einer Art 
Muth alles dargebotene Gute der Neuzeit für die abge: 
tragene Form einer aus ganz andern Zeiten ſtammenden und 
für ganz andere Verhältniffe und Beduͤrfniſſe berechneten 
Verfaſſung anfah, wobei eine Anzahl Familien und Städte 
das Land mitregierten und über defien Einfommen ohne 
genauere Rechenſchaftsablage ſchalteten; dabei verkennt er 
den richtigen Gedanken nicht, welcher wenigſtens bei einem 
Theile dee (vorzugsweife aus Adeligen und Advocaten bes 
ſtehenden) Oppofition zum Grunde lag: daß eine Verfaſ⸗ 
fung dem Volke nicht aufgebrungen vwoerden koͤnne. Aber 
der alte König war, in dieſen Tagen zu einer ungewöhn= 
lichen, ja bemunderungsmürdigen Mäßigung fi) echebend, 
zu jeder Gonceffion, zu jedem Entgegenkommen, zu jedem 
Vergleiche, wobei feine Würde nur nicht geftreift wurde, 
bereit, und fo müflen wir durchaus die Indignation des 
Verf. über die unbegreiflihe Hartnädigkeit und Verblen⸗ 
bung der Partei, welche damals bie Agitation in dieſer 
Weiſe leitete, und von welcher mehre der frühern Haupt: 
urheber des legalen Widerſtandes bereits ſich zurückgezogen 
oder ermäßigt hatten, theilen, fowie aud) "mit in die Be: 
trachtungen an feinem Sarge einftimmen. 

Langſam fiel bie majeftätifhe Eiche, an der fo viele innere 
und äußere Stürme fich zerarbeitet hatten. Das Auge war nun 
erlofhen, das vor dem größten Manne bes Jahrhunderts fich 
nicht niebergefchlagen Hatte; kalt war bie Stirn (Drei und 

nd rühmen ihre majeftätifche Schöne), die fo manchem Un: 
gewitter getrogt und hinter ber ſich fo große Entwürfe bewegt 
Hatten; flumm der Mund, aus bem fo manches geiftreiche 
Wort und fo manches harte Geſetz gefloffen war. Dem Nies 


berften glei lag ber Gewaltige, ber, mehr gefürchtet als ge- 
liebt, fo Ungebeueres verſucht und fo Großes vollführt, aber 
nicht einmal fein Iehtes fchönftes Geſchaͤft, bie Rechtfertigung 
feines ganzen Lebens, hatte vollenden bürfen. Seine reihe Er- 
fahrung, feine tiefe Ginficht, fein Tühner und eiferner Wille, 
al das, womit er mitten unter der Gährung einer Welt fein 
Land erhalten, boppelt vergrößert, zu einem Staate organifirt 
und einer vernünftigen Verfaſſung entgegengeführt hatte — all 
biefe Eigenſchaften, deren das Land in biefem Augenblide mehr 
als je zu bebürfen ſchien, waren mit einem Athemzuge entflo= 
ben und kein Ruf Eonnte fie wieberbringen. 

In dem naͤmlichen Geifte, in welchem Hr. Köfttin die 
Berfaffungstämpfe von 1814 — 16, ihre Motive, Urheber 
und Leidenfchaften geſchildert, führt er uns, das dritte 
Buch des Werkes damit beginnend, die Fortfegung derſel⸗ 
ben in den erften Jahren König Wilhelm’s in ihren ver: 
ſchiedenen Phafen vorkber und entwirft die Grundzüge 
ber Epifode des unumfchränkten Koͤnigthums diefed Mo: 
nardyen, welcher jest, „ala die Taube mit dem Ölblatt er: 
[dien und vom Schickſale dazu beſtimmt war, eine neue 
Aera in der Gefchichte feines Landes zu begründen”. Gr 
weift in den fogenannten „organifchen Edicten”, womit der 
König die eigentliche Verfaffung, über die der Streit noch 
längere Zeit ſich forterhielt, vorbereitet hatte, die Mefultate 
der vielfeitigften, compficirteften, raftlofeften Beftrebungen 
nad; WRefultate, die in ihrem Zufammenhange das Bild 
eined völlig neugefchaffenen und eingerichteten Staates dar: 
ftellten, und fammt den ungeheuern Vorarbeiten, die fie 
erfoderten, gleihwol in dem kurzen Zeitraum von nicht 
einmal drei Jahren fertig vor den Augen der Welt ſtan⸗ 
den. Mit Recht ſchildert der Verf. die zauberaͤhnliche 
Wirklichkeit, welche die Schlag auf Schlag folgenden, wich⸗ 
tigften Einrichtungen geübt, und die Überrafchung in einer 
Meife, wie feit Chriftoph’s Zeiten eine ähnliche mehr be: 
geitet worden. Es ift unmöglih, ihm Schritt für Schritt 
in feiner Deduction zu folgen; audy enthält das von ihm 
deshalb Miedergefchriebene meift Allbekanntes, ſodaß wir 
einer Aufzählung als einer überflüffigen Arbeit uns ent: 
halten dürfen. 

Durch die Überfiht der philanthropifhen und pas 
triotifhen Strebniffe der Königin Katharina, welche mit 
dev tegiten Geiſteskraft und einer wahrhaft himmliſchen 
Güte des Gemüthes ſchaffend, ordnend, anregend, begei- 
fternd dem hohen Gemahl in Allem zur Seite fland und 
an deſſen Sorgen und Anftrengungen Theil nahm, hat 
fih Hr. Köfttin ein ganz vorzuͤgliches Verdienſt erworben ; 
es ift bier der erſte vollfländigere Verſuch zu einem Denk⸗ 
mal ber echabenen Verewigten ausgeführt und bildet einen 
überaus wohlthuenden Gontraft zu dem mwidermärtigen Bere 
faffungsgezänte, welches noch fo lange die ebeiften Abfichten 
des neuen Herrſchers zu durchkreuzen und feine Stimmung 
zu verfümmern bemüht war. Über die fernern Unterhand: 
lungen, das Zuftandelommen der Berfaffung betreffend, 
über die Art und Weiſe der endlichen Verftändigung und 
ber Einführung, ſowie über den Inhalt, den Geift und 
die Hauprichtung fpriht Hr. Koͤſtlin auf ziemlich befrie: 
bigende und belehrende Weife ſich aus; doch dürften die 
intereffanten Überfichten in dem „Gonverfations:Leriton der 
neueften Zeit und Literatur”, wenngleich theilweife mehr im 


1155 u 


inne ber Dppofition gehalten, mehre Capitel der Muͤnch'⸗ 
ſchen „Sefchichte der neweften Zeit“, welche fehr ausführlich 
und nad) guten Quellen darüber ſich auslaffen, und vor 
Allem die einfchläglihen Gapitel in der zweiten Auflage 
von R. v. Mohl’s ‚Handbuch des würtembergifhen Staats: 
vechtes” mit Nuten damit verglichen werben, zur Ausfüllung 
der Luͤcken und Berichtigung mancher Xhatfachen und Urtheile. 
Die nunmehr folgenden zwei naͤchſten Capitel beſchaͤf⸗ 
tigen ſich mit den dußern Berhättniffen feit 1819 und 
mit der toeltern Ausbildung des Staates im Innern, in 
größern Umriſſen, lichtvoll überfühtlich, lehrreich, freimüthig 
und zartbehutfem zugleich; der Verf. hat die Klippen der 
abrupta contumacia, wie des deforme obsequiam gleich 
ſehr zu vermeiden, den Geiſt und die vorherefchende Ric 
tung der Regierung im Ganzen vorzugsweiſe feilzuhalten 
und hervorzuheben gefucht und die Stellung der politiſchen 
yarteien vor und nad der Julirevolution, fowie die Er: 
fcheinung und das eigenthlmliche Wefen der unter den 
Einflüffen diefer letztern entftandenen foftematifhen Oppo⸗ 
fition mit vielem Scharffinn gewürdigt. Wir enthalten 
uns, in dieſe Materie näher einzugeben, weil noch unter 
dem Eindeude des kaum Vorübergegangenen uns bewe⸗ 
gend, nicht ohne Furcht für den Verf., daB ihm ſchwerlich 
von allen Seiten her Anerkennung für die von ihm auf: 
geftellten Anſichten werde zu Theil werden, jedoch auch wies 
der beruhigt durch den Anblid bes vollkommenen Sieges, 
welchen der gefunde Verſtand des Volkes über die Leiden: 
fchaftlichkeit der Zeit und über die Jerthümer und Mis⸗ 
griffe des Parteigeiftes davongetragen. Der Augenblid, 
diefe felbft mit Ruhe und befonnener Objectivität zu bes 
ſchreiben, ift noch nicht gefommen, und die neuelten vor: 
eiligen Verſuche einiger jungen Schriftfteller, welche auch 
nicht eine Ahnung von würtembergifchen Verhältniffen ha⸗ 
ben, für die Löfung einer folhen Aufgabe, koͤnnen uns 
daher blos ein Lächeln abnöthigen. Es iſt ein fo reich: 
licher Vorrath an Thatfachen vorhanden, baß mit einzel: 
nen Genrebildern und allgemeinen Declamationen, feien 
fie auch noch fo geiftreich, vorläufig nichts abgemacht wird, 
und über den Protofollen ber legten Ständeverhandlungen 
muß noch erft viel Grad wachfen, bis eine genügende Dar: 
ſtellung der Verhaͤltniſſe möglich gemacht merden dürfte. 
Eine erklaͤrliche Scheu und NRüdfiht auf zarte Ver: 
bältniffe, welche der Gefchichtfchreiber wie der Kritiker ges 
gen noch Lebende nicht ganz außer Acht laffen darf, vers 
bindert uns die Bilder näher zu beleuchten, welche ber Hr. 
Berf. von der Samilte des Könige am Schluffe des Sans 
zen entwirft. Sie find Übrigens von Schmeichelei wie 
von Rüdfichtslofigkeit frei, in würdigem edeln Golorit aus: 
geführt, und zeigen uns einen Reichthum von Privattu: 
genden und glänzenden Eigenſchaften des Herzens wie bes 
Geiſtes, wie ihn felten eine andere fürftliche Familie alfo 
darbietet. Hr. Köftlin nimmt von dem Lefer feines Buches 
Abfchied mit Worten, welche fein Unternehmen, die Schildes 
zung eine6 noch lebenden, und zwar feines eigenen Monarchen, 
gegen den Vorwurf der Panegyrik rechtfertigen follen: 
Ehen das Bewußtfein, daß wir in ber @efchichte dieſer 
Individualität nichts zu verfchweigen, zu entflellen, oder hinzu⸗ 


zuthun nöthig haben, fowbern unfere Meinung, auch wo fie 
von gangbaren Anfichten abweicht, offen ausfprechen dürfen, bat 
uns zur Unternehmung ber ganzen Arbeit den Muth und zu 
ihrer Ausführung ben freubigen, ungerechte Vorurtheile nid 
achtenden Sinn gegeben. Mag einft der Gefchichtichreiber, wels 
her den König Wilhelm nicht mehr unter ben Lebenden zu 
ſuchen hat, benfelben Stoff bearbeiten, fo wird er uns zwar 
an Einſicht und Erfahrung unendlich, niemals aber an Keine 
heit der Abficht übertreffen koͤnnen. 

Daß diefe wirklich vorhanden war, verräth die Sprache 
in mancher einzelnen Schilderung, die wirklich an Kühns 
beit und Naivetät grenzt, und die eine und andere Stanze 
in den Ottaverime, duch melche er der Erbprinzeſſin 
von Dranien, der hohen Zochter des von ihm befchriebe: 
nen Fürften, fein Werk zugeeignet hat. Der ganze Cha: 
rakter des Könige Wilhelm macht auch eine abfichtliche 
Schmeichelei nicht nur unnöthig und überflüffig, fondern 
ſelbſt gefährlich. Dieſer Monarch fteht auf einer folchen 
geiftigen Höhe und hat für ſich eine fo reihe Anzahl von 
Erinnerungen an geleiftetes Große und Gute, daß er 
eine Ausftaffirung mit falſchem Prunke und Lünftlichen 
Eigenfchaften und Berbienften mit flolzer Verachtung von 
fih weifen kann. Es würde daher eines mehr al& ge: 
wöhnlich feinen Taktes bedürfen, um dieſe Wachſamkeit 
mit Stud überliften zu können. 97. 


Literarifhe Notizen. 

Das ‚Journal des debats‘‘ empfiehlt die neue Überfegung 
des Goethe'ſchen „Kauft“ von H. Blaze, deren vollftändiger Zitel 
tft: „Le Faust de Goethe; les trois parties ; traduction nouvelle 
et seule complöte, par M. Henri Blaze; précédée d’un essai 
sur Goethe, accompagnee de notes et commentaires, et 
suivie d’une &tude sur la mystique du po&me; edition dédiée 
à S. A. J. et R. Maria Paulowna, grand - duchesse de Saxe- 
Weimar”, mit folgenden Worten: ‚Das franzöfifche Publicum 
Bann von jegt an über biefes unermeßliche Werk des größten deut⸗ 
fhen Genies urtheilen; man kannte bisher in vankreich nur bie 
Spifode von Gretchen, und es iſt jebt das erſte Mal, daß uns 
diefes ſchoͤne Buch in feiner Zotalität dargeboten wird. Der 
Lefer wird fih klar über Goethes Gedanken und Plan bis zu 
ben entfernteften Sntwidelungen; er erflaunt, baß ex mitten 
unter fo vieler Ginbildungskraft und Ziefe fo viel Orbnung 
und Licht findet, daß er den zweiten Shell des „Fauſt““, den mar 
bisher fogar in Deutfchland ein Buch mit fieben Siegeln nannte, 
wie ein aufgefchlagenee Buch begreift. Das Erſtaunlichſte an 
diefem außerorbentlichen Werke, zugleich diejenige Eigenſchaft, 
welche viel dazu beitragen wird, ihm in Frankreich Erfolg zu 
verfchaffen,, tft die wunderbare Mannichfaltigkeit. Alle, welche 
noch Poefie und fchöne Verſe lieben, werben mit Wohlgefallen 
diefe Scenen Iefen, in benen fo viel Anmuth und Melancholie 
athmen, und Diejenigen, welche die Bewegung ber deutſchen 
Philoſophie von Kant bie Schelling verfolgt haben, werben an 
dem zweiten „Fauſt““, dieſer Epopee bes Spinozismus, eine 
weitiäufige Aufgabe des Studiums und Nachdenkens befigen. 
Hr. Blaze hat alle Ausgaben zu Rathe gezogen, an allen Quels 
len gefchöpft und auf einer Reife nach Weimar bie Eoftbarften 
Documente gefammelt‘‘ u. f. w. 


Bon T. Thoréè erfhhien: „La verit& sur le parti démo- 
cratique.“ Der Inhalt iſt in der Kürze folgender: $. 1. Die demo 
kratiſche Partei ift aus verfchiebenen Elementen zuſammengeſetzt; 
6.2. Die verfchiebenen Elemente der demokratiſchen Partei: 1) der 
National“; 2) die Sommuniften, Babouriften zc.; 3) die Revolus 
tionsmänner; 2) die junge Demokratie. $.3. Wie find alle biefe 
Elemente der republilanifchen Partei zu vereinigen ? 5. 








! 


a 


"tet. 


1156 


Biblisgraphie. 


Ain oyrt =. H., Der Tower zu London. Gin hiſto⸗ 
riſcher Roman. Aus dem Gnglifchen überſezt von E. Suſe⸗ 
mihl. Aftes Bändchen. Mit 9 Bildern nach G. Cruikſhank. 
MM. 8. Leipzig, Kollmann. 1 Zhlr. 

Aurora. % afhendud, für das Jahr 1841. Herausgegeben 
von 3. &. Seidl, 1Tter Jahrgang. 1 Wien, Riebl’s 
Wie. u. Sohn. 2 Thir. * Er. 

Bärkner, R., Lebens: und Regierungsgefchichte Friedrich 
des Großen. Rach den beften Quellen bearbeitet. @r. 8. 
Breslau, Richter. 12 Br. 

Gosmar, A., Flittern. Kleine Erzählungen, Skizzen unb 
Bilder aus dem mobernen Leben. 2 heile. 8. Leipzig, Kolls 
mann. 2 Ahle. , 

Decken, L. Freiherr v. d., Reform der Wissenschaf- 
ten, zur Herstellung der Einheit zwischen Theorie und 
Praxis. 1ster Theil. Gr. 8. Berlin, Reimer. 1 Thlr. 

‚ Deders, M., Hermann von Wied, Erzbiſchof und Kurs 
fürft von Köln. Rach gebrudten und ungedrudten Quellen als 
ein Beitrag zur Kirchengefchichte des 16. Jahrhunderts bearbei- 

Gr. 8. Kin, Du Mont: Schauberg. 1 Thlr. * Gr, 
Ehrenſtein, H. W. v., Schild und Waffen gegen Thier⸗ 

Ein Beitrag zu allgemeiner Förberung der Menſch⸗ 
Nebft einem Kanzgelvortrage vom Oberhofprediger D. 
v. Ammon unb andern Beilagen, namentlich auch mehren hier 
begüglichen, Seſeden und Berordnungen. 8. Leipzig, Teub⸗ 
ner. 16 Er. 


Jreiligrath, F., Rolands Album. Zum Beſten ber 
Ruine. 8. Köln am Rhein, Du Mont⸗Schauberg. 14 Gr. 
Irdbel, 3., Reife in die weniger bekannten Thäler auf 
der Rordfeite der Penninifchen Alpen. Mit 1 Karte und meh: 
zen Anfihten. Gr. 8. Berlin, Reimer. 1 Thlr. 12 Er. 
Gervinus, G. G., Hiftorifche Schriften. Ster Band, 
Geſchichte der beutfchen Dichtung IV. — Auch u. d. T.: Neuere 
Geſchichte der poetifchen Rational: Literatur der Deutfchen. 1fter 
heil. Won Gottſcheds Zeiten bis zu Göthe's Jugend. Gr. 8. 
Leipzig, Engelmann. 3 Thir. 6 Er. 
Ierhicte der außereuropäifchen Staaten. Herausgegeben 
von mehreren Gelehrten. Uter Band. Neu: Sübwaled. Von 


.3. D. Lang, Ifter Band. — Auch u. d. J.: Reu⸗Südwales, 
“als GStrafanfiedelung und als britiſche Golonie hiſtoriſch und 


ftattflifch dargeftellt von 3. D. Lang. Aus bem Engliſchen, 
nach der zweiten, vielfach vermehrten, die Geſchichte ber Kolonie 
bis Ende 1886 behandelnden Ausgabe überſetzt von Le Petit. 
ifter Band. Gr. 8. QDueblinburg, Baffe. 1 XIhle. 12 Er. 

Holſteins nächfte Zukunft. Ki. 8. Kiel, Baurmeiſter u. 
Gomy. 6 Gr. 

James, ©. P. R., Die Landftraße. Ein Roman. Aus 
dem Engliſchen überfest von E. Suſemihl. 3 Bände 8. 
Leipzig, Kollmann. 4 Thlr. 

Juan Manuel, Don, Der Graf Lucanor. Weberfeht 
von 3. Freiberen v. Eichendorff. 8. Berlin, Athenäum. 
(M. Simion.) 18 ®r. 

Kuffner, Chr., Neuere Gebidte. Gr. 12. Wien, 
Mausberger. 1 Thlr. 

Liebig, 3., Ueber das Studium ber Naturwiſſenſchaften 
und über den Zuftand, ber Chemie in Preußen. Gr. 8. Braun 
ſchweig, Vieweg und Sohn. 8 ©r. | 

Lindomw, C., Eyrallänge. 8. Berlin, Wolff. 8 Gr. 

Mayer, K. A., Reapel und die Reapolitaner ober Briefe 
aus Neapel in die Heimat. Ifter Band. Mit 1 Plane Neapels 
und 1 Mufikbeilage. Gr. 8. Oldenburg, Schulze. 2 Thlr. 

Menk, Fr., Des Mofelthal’8 Sagen, Legenden und Ge: 
ſchichten, gefammelt und herausgegeben von ıc. Nebſt einem 
Handbuch für Reiſende. Gr. 12. Cobleng, Hötfcher. 1 Thlr. 14 Gr. 

Merd’s, 3. H., Ausgewählte Schriften zue fchönen Eis 
teratur und Kunft. 


Ein Denkmal herausgegeben von %. ' Meiner. 


en be. mi Mexcka Bilbniffe. Wr. 8. Didenburg, Sulz. 
rg, rx. 

Müller, Joh., Romantiſche Erzählungen und Sagen. 
iftes,, Ltes Baͤndchen. B8. Anaim, 1889, ir &, 

Orpheus, Muſilaliſches Taſchenbuch für das Jahr 1841, 
Berausgegebeu von A. Schmidt. ter Jahrgang. 8. Wien, 
Riedl's Wwe. u. Sohn. 3 Ahle. 16 Gr. 

Dtfried von Tannenberg, ober ber Fluch der Verführn 
Sine Sage aus den Zeiten Weichrichs von Hohenſtauffen. 
Bin, Doll. WO Gr. 

Peipers, BE. P., System der 
senschaften, nach monodynamischem Princip. 1ster Theil. 
Tbeorie des anorganischen Dasein. Gr. 8 Köln, De 
Mont - Schauberg. 1 Thir. 16 Gr. oetifäe Eid 

Pfeffel, &. C., Fabeln und poetifdge biyngen, im 
Auswahl Herausgegeben von H. Hauff. 2 Bönte. Ge. 16, 
Stuttgart u. Tübingen, Gotta. 1 Thle. 

Thomas Platter und Felix Platter zwei Autoblographieen. 
Ein Beitrag zur Sittengefhichte des XVI. Jahrhunderts her⸗ 
ausgegeben von D. A. Hechter. Gr. 8. Bafel, Seul u. Maſt. 

r . 


5 ulvermager. Album. 16. Breslau, Friedlaͤnder. 
x. 

Rachel. Eine wahre Geſchichte aus dem Leben einer jübi⸗ 
fhen Familie zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Heraus⸗ 
gegeben zum Beſten des Vereins von Freunden Iſraels in Bax. 
fell. 8. Baſel, Schneider. 8 Gr. 

Reichenbach, M., Zeufelöftzeihe. Sagen aus dem Harz⸗ 
gebirge, 2 Bändchen. 8. Leipzig, Kollmann. 1 Thlr. 18 Gr. 

ies, J., Schilderungen des Treibens im Leben und 
Handel in den Vereinigten Staaten und Havana. Gezeich- 
net auf Reisen in den Jahren 1838 und 1839, Gr. 8. 
Berlin. 2 Thlr. 

Rom und bie beutfche Wiffenfchaft. Ein Wort an alle ge: 
bildete Katholiken und Proteftanten Deutfchlands unter Berüd- 
ſichtigung ber legten Allofution des Papſtes vom 22. Rovember. 
8. Berlin, Bechtold u. Hartje. 6 Er. 

Schilling, A., Satyriſch-komiſche Wiener Skizzen 
Zeitbilder, Dumoresten, Novelleten und Phantaflen. 16. Wien, 
Vangeoer 1841, 16 Gr. 

weitzer, L., Gedichte 8. Breslau ieblänber. 
Bor ‚Be 

Sparre, Graf P., Adolf Yindling ober Drei Jahre uns 
ter Königin Chriſtina's Regierung. Hiſtoriſche Novelle. Nach 
dem Schwediſchen von &. Eichel. 3 Theile. 8. Leipzig, 
Kollmann. 4 Thlr. | 

Steudel, J. C, F., Vorlesungen über die Theologie 
des alten Testamentes. Nach dessen Tode herausgegeben 
von @. F. Oehler. Gr. 8. Berlin, Reimer. 2 Tbir. 10 Gr. 

&töber, A., Oberrheinifche Sagen und Volkslieder. 1ftes, 
2tes Heft. Gr. 8. Straßburg, ©. 8. Schuler. 16 Er, 

Des Spielers Traum, oder: Satanas und feine Genoffen. 
Ein Roman in fieben Bädern, aus dem Englifhen von &. R. 
Bärmann. 3 Theile. 8. Altona, Hammerich. 8 Zhle. 

Trentowski, B. F., Vorftudien zur Wiffenfchaft dee 
Natur oder Webergang von Gott zur Schöpfung nach ben 
Grundfägen ber univerfellen Philoſophie. 2 Bände. Gr. 8. 
Leipzig, Weber. 3 Thlr. 

Ullrichs, H. N., Reisen und Forschungen in Grie- 
chenland. 1ster Theil. Reise über Delphi durch Phocis und 
Boeotien bis Theben. Mit 2 Plänen. Gr. 8. Bremen, Heyse. 
1 Thlr. 16 Gr. 

Urfin, G. F., Die Dampfmafdine. In zwölf allgemein 
faßlichen Vorlefungen dargeftellt. Aus dem Däntfchen. Mit 7 
Zinktafeln. Gr. 8. Kiel, uUniverſitaͤts⸗Buchh. 1 Thlr. 4 Gr. 

Weis, 3. 3, Berta oder Haß und Liebe. MRomantifche 
Geſchichte aus —8 Zeiten der Kreuzzüge. 8. Gaſſel, M. ©. 

r. 


eaammten Naturwis- 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienftag, 


Kuͤnſtlergeſchichten, mitgetheilt von Auguft Hagen. 
Drittes und viertes Bändchen. — Auch) u.d. 2.: Die 
Wunder der heil. Katharina von Siena. Leonhard 
da Vinci in Mailand. Nach dem Stalienifchen. 
Leipzig, Brockhaus. 1840. Gr. 12. 3 Thlr. 


In der zweiten Hälfte des 15. Zahrhunderts beginnt 
eine bis in die erfte Hälfte des 16. fich fortziehende Glanz: 
periode der MWeltgefchichte, welche von jichtbaren, dem 
Auge des Beſchauers entgegentretenden Dentmälern ihrer 
Größe nirgend fo viefe hinterlaffen hat als in Stalien 
und in deſſen plaftifhen und architektoniſchen Kunftwerken. 
Mangelhaft muß das Verſtaͤndniß dieſer Herrlichkeiten 
bleiben, ift uns nicht der eigenthuͤmliche Charakter jener 
Zeit aufgegangen, wo faum .irgend eine der vielen flädti: 
fchen Gemeinheiten Staliens fo Elein war, daß fie nicht 


defienungeachtet bereitd vorhandene Schäge der Kunft auf | 


eine Weife hätte vermehren follen, die in mehr als einer, 
ganz gewiß aber in Hinficht der Intenſivitaͤt des Reſul⸗ 
tates Alles übertrifft, was in gleicher Beziehung die reich: 
fien und kunftfinnigften Monarchen fpäterer Perioden zu 
ermöglichen vermochten. Die politifche Selbftändigkeit ita- 
Henifchee Städte damaliger Zeit, größer als ſich ihrer 
vieleicht felbft Deutfchlands freie Reichsſtaͤdte jemals er: 
freuten, erkläre jene Erſcheinung nicht, die in neuefter 
Zeit fi nirgend auch nur in annäherndem Grade, und 
ſelbſt da nicht wiederholt hat, mo ftädtifhe Gemeinheiten 


“eine den italieniſchen Städten des Mittelalters wenigftens 


vergleichbare Selbftändigleit behaupteten. Nur dann wird 
jene Erfcheinung begreiflih, ja es werden jene Kunft: 
werte felbft nur dann erft vollkommen verftändlich, wenn 
wie uns veranfchaulichen, welcher Art der eigenthümtliche 
Sinn geweſen, von dem durchdrungen einzelne Städte, 
ja die einzelnen Gorporationen In jeder fo Großes zu let: 
flen vermodhten, von welchem Sinne die Künftler muß: 
ten duchbdrungen fein, follten die Städte die fördernden 
Dflegerinnen fo großer Leiftungen fein. Dies nun ift, 
was Hr. Hagen in dem angezeigten dritten Bande feiner 
„‚Künfttergefchichten” in Beziehung auf eine Stadt, auf 
Siena, darftelt. 

Wird, wie fih von ſelbſt verficht, nur Derjenige, 
welcher Siena und deſſen Kunitichäge gefehen bat, den 
Darftellungen bes Hrn. Hagen mit größtem Genuſſe fol: 
gen, fo iſt darum fein Publicum nicht auf Die immer 


ET Nr, 287. — 


13. October 1840. 


noch verhaͤltnißmaͤßig geringe Zahl ſolcher Leſer beſchraͤnkt. 
Die Geſchichten Pius' II. von Pinturicchio und Rafael, 
im Locale der jetzt verſchwundenen Bibliothek des Doms, 
dieſer ſelbſt, vor allem des Beccafumi beruͤhmter Fußbo⸗ 
den in deinſelben, ein Werk, das unſtreitig an Großartig⸗ 
keit, Reichthum der Compoſition und Reiz derſelben den 
bedeutendſten Hervorbringungen der Antike gleichgeſtellt 
werden darf, die Verherrlichung der heiligen Katharina, 
Sodoma's Kreuzabnahme, Pacchiarotto's Chriſtus in der 
Verklaͤrung als Gottesſohn ſind Werke, von denen man 
in jeder bedeutenden oͤffentlichen Kupferſtichſammlung, z. B. 
in der zu Dresden, ſich die anſchauliche Kenntniß ver: 
(haffen ann. Dies nicht zu verfäumen, fodert man bie: 
jenigen 2efer auf, die entweder noch nicht in Stallen 
geweſen find, oder doch jene trefflihen Werke nur noch 
in gebleichter Erinnerung vor fich fehen. 

Wir heben einige Bruchflüde aus, welche die Art der 


- Darftellung zu charakteriſiren Im Stande find. &.74 — 79: 


Sodoma war bed Malers (Sodann Anton Razzi) akade⸗ 
miſcher Name. Die heitere Gemuͤthlichkeit des ſieneſiſchen Him⸗ 
mels ſchreibt den Bewohnern Geſelligkeit als unverbrüchliches 
Geſet vor. Die ungebundenſte Laune herrſchte in der Akademie 
der Rüpel, wo Scherz und Witz den Släfern den rechten Klang 
gab, Hilarien hießen die nächtlichen Zufammentünfte, die oft: 
mals der neugierig hereinfchielende Morgen überrafchte. Mitten 
auf der erleuchteten Zafeleunde erhob fi ein riefenhaftes Bruſt⸗ 
bild. Der Schleier, der das Haupt umhuͤllte, der fanft pläts 
fchernde Strom, der künſtlich eine Infel darum bildete, gab im 
ein heiliges Anfehen. Aber es prebigte nicht Ernſt, fonbern 
Frohſinn, nicht mit Mund und Auge, fondern mit den zahllo⸗ 
fen Brüften, aus denen es in Bogenftrahlen edeln Wein ver- 
fprigte, genug um, wie viele Becher auch fchöpften, das rund: 
ausgehöhlte Flußbette nie Ieer ftehen zu lafien. Die Verſammel⸗ 
ten in freier Rebe, die unaufbaltfam wie ber Wein Tprubelte, 
fhonten nicht Anderer, nicht ihrer ſelbſt. Namen, wie ber, ben 
fih die Luftige Akademie beilegte, wurben ben Mitgliedern ge: 
gegeben. Als Razzi, iegt eines ber älteften, aufgenommen wagb, 
als er unter myſtiſch Iächerlichem Summen ven Schleier vom 
Bilde abheben und deflen Krone mit den Midasohren Püflen, 
und es fich gefallen Lafien mußte, daß ihm als Zäufling ein 
Glas Wein auf das Haupt geſchüttet wurde, wählte er ih 
den Ramen Sobo, ber Handfeſte. „Sodoma!“ rief da mit 
wieherndem Zubel ein Theil der Rüpel wie aus Einem Munde, 
und ein anderer, als wenn es ein Commandoruf wäre, ein 
laut fchmetterndes Ja. „„Mir recht‘ ’’, ließ fich der Neuling 
vernehmen, „„das Geſchlecht Sodoma iſt alt und berühmt; wie 
viele hohe Staatsbediente und Prälaten gehören nicht zu ihm.““ 
„Sodoma!“ erſcholl es rechts und links; aber wie ber Herr mit 
dem Finger auf die Erde ſchrieb, um die falfchen Richter gu 


- 


‘+ 


entlarven, fo beſchaͤnmte er bie Spötter, indem 'er af die Tiſch⸗ | 


platte zeichnete. Wie lächerlich auch bie Figuren, nicht in ben 
edeiften Stellungen und Bruppirungen, auefahen, bie Betheilig⸗ 
ten erkannte man leicht. Er hielt ihnen den Spiegel vor, nicht 
den eigenen, und an einem Anblide, von dem fie ſich Hätten 
abwenden follen, meldeten fie fich nis fhmungelndem Wohlges 
fallen. deichtſianig, wie er war, mte ex ſich ſelldem wicht 
Den Spoetramm audp auf Tiakenbfläsen zu veLWwigem. 
och uͤbler kamen in der Akademie Die ab, die nicht zu 
ihr gehörten, wenn fie durch Geiz und Unbarmherzigkeit, durch 
Eitelteit und Stolz, dur ein unang jeder 
Art zu Misfallen Veranlaffung gegeben. Die Rüpel rügmten 
fih, das Volk gegen die Anmaßungen ber Gelehrten und der 
Tdligen zu vertreten. Scharf und ſpitzig waren die Pfeile, bie 
hier gefäpnigt wurden, und darum gefuͤrchtet. Dugendiweife flos 
gen fie nad jeder Berfammlung in der Stadt umher, und vom 
"Munde der Bacher weiter und weiter geteieben, verfehlten fie 
‚nicht das Biel, ſelbſt wenn es noch fo fern und noch fo hoch 
Rand. Wie auch die Schmeichler um die Großen fäceln mod: 
.tem, fie fingen fie nicht ab, wie ehrwürdig auch manchem ber 
‚Rod fand, und wäre es der Biſchofsmantel, er bewährte ſich 
nicht als unantaſtbar. An der Gunſt der Vornehmen lag den 
wohlgemuthen Brüdern nicht, wol aber an ber bes Volks. 
Durch Öffentlihe Komödien, bie fie von Zeit zu Zeit gaben, 
befeftigten fie fi immer mehr in feiner Gunſt. Liebe zum 
-Baterlande, Haß gegen Tyrannei war bas unerſchöpfliche Thema, 
die ernfte Grundfarbe der Darftellungen, die das buntefte Ge⸗ 
webe des Lächerlichen nicht Üüberdedte. In gemeiner Redeweife 
wurden fie vorgetragen und weckten die verfammelten Scharen 
unter fallenden Beifalltiatichen zu freifinniger Erhebung, zur 
Feier ihres angeftammten Ruhms. Mit rother Schrift las man 
in ben Jahrbüchern der Rüpel, wie Se. Heiligkeit Leo X. höchſt⸗ 
feligen Andentens die Spielenden nach Rom berufen, um in 
den Sälen, in denen ſich fonft das Gonclave verfammelte, vor 
den ebrwürdigen Vätern ihre launigen Stüde aufzuführen, wie 
‘ber Dapft den damals in Rom ſich verweilcnden Bruder So: 


doma für feine Kunft als Maler und Schauſpieler durch Ver⸗ 


leihung der Ritterwürbe ausgezeichnet habe. Dermalen hob das 
Kufepen der Rüpel nichts mehr als die Gegnerfchaft einer zwei: 
sen Akademie. Die Alabemie der Dümmlinge, geftiftet um 
Gleich mit Gleichem zu vergelten, vieb ſich an ihnen (harte 
Rinde ift nicht für zarte Haut) nur um felbfi wund zu wer: 
den. Daburch, baß die beleidigten Vornehmen, mie ed vers 
jautete, ſich hinter fie ſteckten, befamen fie nur einen zweideu⸗ 
tigen Rüdhalt gegen die Schläge, bie wie Hagelidyauer bie 
junge Saat zubedten. Auch fie gaben Komödien, aber es war 
‚ein Schaugepränge, das das Herz der Leute Leer ließ. 

©. 139 fg. ift die Rede von Beccafumi's Beihnun: 
gen zu dem berühmten Fußboden de6 Doms. Trefflich 
wird die Stelle Jeder finden, welcher fi) mit dem Ge⸗ 
gemftande jenes plaflifhen Werkes bekannt gemacht hat. 

Mofes ſchlaͤgt mit dem Stabe an ben Felſen und viel bes 
Bolkes eitt Hera, um gu fehlärfen und au ſchoͤpfen von ber 
Yerooriprubelnden Flut. Vortrefflich find drei wunderbare Ana: 
den, die mit einem Hunde ihr Spiel treiben. Man fieht, wie 
der eine im froͤhlichen UÜUbermathe die Schnauze des Thieres, 
das er am Ropfe und Halfe hält, ins Waſſer getaucht bat, 
and wie es ſich ſchüttelt, da es geumgfam genofien. Wie war 
Alles dem Beben fo treutich abgeborgt! u. f. w. 

Hier im Allgemeinen eine Bemerkung, bie, wie fi 
fofort ergeben wird, kein Zabel fein fol. Darftellungen 
aus ber Sofchichte, welche wert das kumnſtleriſche Leben einer 
untergegangenen Zeit vergegemwärtigen folen, haben mit 
einer in der Sache felbft liegenden bedeutenden Schwietig⸗ 
keit zu kaͤmpfen. Künftlerifches Leben einer Nation zu 
irgend einem gegebenen Zeitpunfte war jeberzeit nur dann 


1158 


möglid} , wenn bie Elemente bes politifchen und religioͤſen 
Lebens jenes bedingten, das Kunftleben eine biftorifche 


Nothwendigkeit, der Kuͤnſtler nicht mit feinen Beſtrebun⸗ 


gen ffolirt von Staat und Kirche und in der Mehrzahl 
feines Publicums, ber Beifall und die Theilnahme, die 
er fand, nicht blos eine Korm war, in weicher ein feiger 
ausgebildeter Luxus feine Wefriedigung ſachte Kin fo 
hoch beglinftigter Periode leiftete die Kunſt unendlich viel, 

i ig aber wird davon geſprochen. Shakſpeare 
und ſeine dramatiſchen Zeitgenoſſen haben gewiß in ihrem 
ganzen Leben nicht ſo viel aͤſthetiſche Converſation gemacht 
als die gute Geſellſchaft einer gebildeten deutſchen Mittel⸗ 
ſtadt in einem Winter. Nichts iſt bei den Griechen über 
die Kunft gefchrieben worden, als fie leiftete, mas in ver: 
einzelter, zum Theil trümmerhafter Überlieferung für die 
geoßen Bildhauer, Dealer, und Architekten bes italiensfchen 
Mittelalters Gegenftand der tiefften Verehrung blieb. So 
befteht auch, was beruhmte Kuͤnſtler des Mittelalters fchrift- 
lich hinterlaffen haben, nicht in Kunftbetradhtungen, fon= 
den, uns des Ausdrucks zu bedienen, in frodenen, duͤr⸗ 
ren Regeln, nady benen das Kechnifche und Mechaniſche 
mit handwerksmaͤßiger Stcherheit vollbradyt werden mag. 
Da nun aber die Darftellung kaum moͤglich tft, ohne 
daß den Künftlern und ihren Umgebungen fehr, fehr viel 
über Kunft und Werke der Kunft Gefprochened in den 
Mund gelegt wird, was gegen den Charakter der Zeit 
verftößt, fo erfodert ed bei dem bieraus entfpringenden 
Miderftreite zwifchen dem dazu in Gebrauch zu fegenden 
Organe große Vireuofität, wenn uns anfthaufich werden 
ſoll, wie das Kunſtleben Stafiens in feiner ſchoͤnſten Pe: 
riode das ganz naturgemäfe Ergebniß des Standpunktes 
der gleichzeitig religioͤſen Anfichten, bes pofitifhen Seins 
war, das ton allgemeinen flaatsrechtlichen Theoremen ebenfo 
wenig als von Äfthetifchen wußte. Vielleicht haben wir 
hiermit denjenigen Gefichtspunkt hervorgehoben, wonach 
der Lefer fih ein verftändig anerfennendes Urtheil über 
Hrn. Hagen's Leiftungen in dem angezeigten dritten Baͤnd⸗ 
hen bilden kann. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Bericht über Rofferti’s been zu einer neuen Erlaͤu⸗ 
terung des Dante und dee Dichter feiner Bett. Be: 
tin, A. Dunde. 1840. %r.:8. 12 Br. 

Bon anonymer, obgleich nicht unbekannter, die feftene Diafe 
finnig nutender Hand tft in dieſer Heimen Schrift ein Beitrag 


‚gu benmjenigen Stublum des Dichters geboten, weiches fi mit 


dem ſchwerſten Theile, dem Sinne feiner Allegorien, befchäftigt, 
und indem fie mit befcheidener Zurüdhaltung nur ben neuen 
Standpunkt eines Dritten gur Anerkennung zu bringen fucht, zu: 
nächft den Bemühungen um bie anfterbiidhe „‚Rombbie‘‘ ein froͤh⸗ 
Les, frifches Leben einhauchen wird. Die neuere Zeit ſcheint 
überhaupt in Beziehung auf den großen Flessutiner unerwartet 
zwei gang verfchiedene Stellungen einnehmen zu wollen; wäh: 
rend von einer Seite bie buch Zahrhunderte fanctlonirte Ber: 
ehrung treu fortgepflangt und nur noch intenfiver dahin bekun⸗ 
bet wird, daß alle Meiſterſchaft bes MWirhtess nur noch von 
Wenigen mit ihm getbeitt werben fol, haben ſich andere Stim⸗ 
men nidgt ohne Energie dahin ausgeſprochen, ſolche Verehrung 
als Zeichen der Befangenheit und Unfreibeit, des romantiſchen 





1158 


Rebelns ober gar bes num nüchtern verfkändigen Sinnes, ja 
als Bögenbienft betrachten zu wollen. Diefe beiden Parteien nei: 
gen fi fodann zu einer Spige hin, welche zwifchen der Frage, 
ob Dahte überhaupt ein Dichter fei oder nicht, faft Feine Wahl 
läßt. Der Streit Hat feine Quelle augenfcheinlich in dem tie: 
feen ober geringern Bewußtfein von dem bichterifchen Werthe 
der Allegorie. Daß dieſe bei Dante vorherrſcht, ja daB ber un: 
zerftörbare Reiz, der immer von neuem zu feinen Dichtungen 
bindrängt, vornehmlich auf ihr beruft, kann einem Zweifel 
antertiegen. Aber bie Allegorie iſt fogleih nur eine beftimmte, 
engere Form ber Poefie; indem fie vom bewußten, abfichtsvol⸗ 
fen Gedanken ausgeht, von einem ernſten, eigentliden Thema, 
und für deffen Erplication nur ein ungemöhnlidhes Gewand 
waͤhlt, indem fie alfo viel mehr zu fagen hat, als fie verräth, 
und fo leicht in ein Misverhältniß ihres viel veihern Innern 
zu dem Xußern verwidelt wird, kann fie auf biefer Grenzſcheide 
der Profa fchon über das Gebiet der Poeſie hinübergugreifen 
feheinen. Dee Dichter, Tann man fagen, d. 5. der von dem 
Weben dee Poefie durch und durd erregte, — hat 
Das, was der Allegoriker erſt erwirbt, gibt bewußtlos in über⸗ 
ſtroͤmender Fuͤlle heraus, was dieſer ſucht, überläßt framder 
Entwickelung den fubſtantiellen Inhalt ſeiner Anſchauungen, wel⸗ 
chen der Andere in ſeiner Gediegenheit ſchon als fertigen Stoff 
bereit haͤlt. Kurz, die Allegorie verräth, vielmehr ſie iſt Ab⸗ 
ſicht — Reflexion. Damit iſt freilich nicht gemeint, dem Dich⸗ 
ter die Rolle eines lyriſch Taumelnden oder eines auf Gerathe⸗ 
wohl hintappenden Viſionnairs zu ertheilen; wird er doch nur 
arbeitend und bewußtvoll die Weihe der Kunft empfangen: aber 
als lester Hintergrund und Kern für feinen Inhalt wird im: 
“mer ein unaufgefchloffeneer Schat unendlicher Gemüthstiefe und 
genialer Unmittelbarkeit bleiben, nicht der Gedanke als folcher, 
nicht ein Lchrfag, Dogma ober irgend welche fittlihe Deduction. 
indem aber ferner die Allegorie für bie ihre Gewußtes und 
Gewolltes nad) Bildern und Zeichen fucht, muß theils die Man: 
nichfaltigkeit, theils die Wieldeutigkeit derfelben an und für fich 
in das NRäthfelhafte führen. So ift es nicht zu verwundern, 
wenn ein kühner Klug der Phantafie, der aber noch nicht den 
Dichter macht oder vollendet, verbunden mit tiefem Ernſt des 
Gedankens, in Dante die Einen eine wunbderbarfte Offenbarung 
des bdichterifdgen Seiſtes hat fehen laſſen; denn mas ift bem 
gediegenen Sinne willtommener als bie fefte Baſis eines kla⸗ 
sen Gehalts und Gewinns, und was regt und veizt die For⸗ 
fyung des ewig an die größten Räthfel gewiefenen Dienfchen 
nachhaltiger als Aufgaben, hinter beren Loͤſung doch ein that: 
fächliches Refultat verborgen liegt? Aber nicht minder berech⸗ 
tigt find auch die Andern, denen Dante um eben diefer Refles 
zion, Räthfelhaftigkeit und oft einfeitiger Phantafte willen nicht 
jene ungemeffene Höhe verdienen fol, denen er vielmehr bei 
allen dichterifchen Ehren doch etwas Abſtruſes, Abftoßendes be: 
Hält; und es find ausgezeichnete Männer, welche biefe Anſicht 
theilen. In der That, wer am Kunſtwerk gewohnt fl, daß 
es fich in der unendlichen Schönheit feiner Vollendung aus fi 
felbſt erfiäre, wer Dem vor Allen den Kranz ber Poeſie reichen 
will, zu dem er fich mit vollfländiger Antwort bes Gefühle in 
feinem ganzen Innern bingezogen fleht — er darf ſich da etwas 
bedenflicher, zögernder verhalten, wo ber wahre Genuß erft mit 
dem Aufwande vielfeitigftee Gelehrſamkeit und fpeciellfter Rad: 
frage, ja hinter einer ganzen Bibliothek von Folianten gu ges 
winnen iſt. NRamentli dann aber will ſich Leicht Verſtimmung, 
Grmüdung einfchleihen, wenn der Mittelpunkt für dies Altes 
mehr oder weniger nur dieſe Perſoͤnlichkeit des Dichters, fein 
Schickſal, fein Standpunkt if, ein Umſtand, ber in Berbins 
Yung mit dem Gefagten, trot aller Anftrengungen ber erklaͤ⸗ 
renden Verehrer, auch bem zweiten Theile bes Goethe'ſchen 
„JFauſt“ nur geringe Teilnahme zugewendet hat. Weide Did: 
ter haben das eigene Bekenntniß abgelegt, daß fie in ihr Werk 


ein Beträchtliches Hineingeheimnißt haben; in Bezug auf Dante 


Zönnte als Beweis ſchon bie bedeutend ewachſene Zahl der 
Sommentare a von "denen in nt fhon Alles 


gelöft gu haben glaubt; ober wo bie Loͤſung ſich an bie vom 
Dichter deutlich genug gegebene Tendenz bes myſtiſch Relighäfen 
anſchloß, haben fie das Gedicht weniger zum dauernden Lieb- 
lingseigenthum des größern Publicums, als zum Bummel: und 
Übungsplap literarifcher Dilettanten und Geſchichtofreunde zu 
madjen vermocht, denen Ausdauer und Muße genug ver 
gönnt war, um aus ber langen Schachtarbeit endlich ein be: 
friedigendes Erz heimzubringen. um fo willfommener muß cine 
neue Bemühung geheißen werben, welche mweniaftens theilweiſe 
das biegſame, ſchwankende Element blos aſcetiſch⸗religibſer Alle⸗ 
gorie auf einen naͤhern, concentrirtern Inhalt surddyuführen 
ſucht und in dem Rebelhaften einen feſtern Boden aufzeigt. Ein 
Bericht Über die Refultate diefer Arbeit Liegt vor uns, und mit 
wenigen Worten mögen einige derfelben angebeutet werben. 

In der gemeinfchaftlichen Erklärung Dante's und vieler 
biefem gleichzeitig oder zunaͤchſt lebenden Schriftfteller, daß in 
ihren gegenfeitigen Werten außer dem buchftäblichen noch En 
anderer, oft nur Eingeweihten verftändlicher Sinn vorhanden 
fet, hat auch Roffetti die Dauptftüge feiner Anficht. (S. die 
Ausgabe der ‚Hölle‘, London 1826; „ferner ‚‚Sullo spirito 
antipapale che produsse la riforma e sulla segreta influenza, 
ch’esereitö nella letteratura d’Europa‘‘, London 1882.) In 
Bezug auf einzelne Geflalten der „Goͤttlichen Komödie”, z. B. 
Birgil, Beatrice, haben bies die Commentatoren einfliimmig zu: 
geftanden, theils lag es zu fehr auf bee Band, theild war man 
befonders dann bazu geneigt, wenn es in ben Ton der religiäs- 
philofophifchen Verklärung, zu welcher Dante das univerfelle 
eben der Welt emporbebt, einftimmen wollte. Wo bies aber 
nidyt wohl anging, bebalf man fih an vielen Stellen entweder 
mit einem gemwiffen Achfelguden, oder fdhüste ſich bei dem ent- 
ſchieden Sinntofen, wie viele Überfeger, hinter des Dichters buch⸗ 
ſtaͤblichem Text. Roſſetti vor Allen, entfehioffen, durch das un⸗ 
ausgeſetzte Studium eines ganzen Lebens ſich oder dem Dichter 
nichts diefer Art zu ſchenken, zog nun das politiſche Element 
heran, um mit dieſem Lichte in ſo manches auffallend unent⸗ 
hüllte Dunkel zu dringen, und dieſe Idee, einmal angeregt und 
in Einzelnen feſt begründet, hat ihm den Weg gu den frucht⸗ 
barften Betrachtungen geöffnet. Sie haben großen Wiberftand 
und Abneigung erfahren, man hat darin eine Befleckung, Ver⸗ 
unreinigung der fpirituellen Höhe bes Gedichts gefunden, und 
doch, bat man fich einmal mit einer Umbeutung bes nue uns 
mittelbaren Sinnes einverftanden erklärt, fo ſcheint eine weitere 
Anwendung bes Principe gar Feine innere Schwierigkeit heben 
zu koͤnnen. Denn das wurde doch auf jenem Standpunkte üäber⸗ 
ſehen, daß der Dichter, obgleich er an unzähligen Stellen dirett 
und mit furchtbarer keidenſchaft das Politifche zu feinem Thema 
gemacht hat, zu feft und markig auf der Erde fland, um ſeise 
ganze Dichterkraft in nur religiöfen Anfchauungen aufguldfen, 
daß er in zu begeifterter Thaͤtigkeit ſich dem Öffentlichen Wohl 
gewidmet und diefem Allgemeinen — geopfert hatte, als 
nicht feine Beatrice ihm auch hierfür als bie Leitende und fchä= 
gende Heilige Hätte erfcheinen follen. Dieſe reinere Politik, dieſe 
Vernunft der ſtaatlichen Ordnung, dieſe Bändigung einer vers 
zehrenden Anarchie durch die edle Macht bes Kaiſerreiche, warum 
follen fie für Dante nicht zu den religidfen Momenten gehb: 
ren, welche das Irdiſche für die reineen Sphären vorbereiten, 
obne es in einem abflraeten Jenſeits ve eben zu laſſen? 
Allerdings, und bies felgt eben aus dem Weſen ber Allegorie, 
wie file im Gemütbe des Dichters von ben mannichfattig 
Bedeutungen umſpielt wirb, es iſt damit micht ausgeichloffen, 
baß Iehtere oft unbewußt fo wunderbar ineinander hineinſchei⸗ 
nen, baß ſich das beſtimmt Begenwärtige nicht an jeber Stelle 
bezeichnen läßt. Beatrice, die früh geſchiedene, laͤngſt aller Hölle 
ber Erde entriffene, mit allem wehmitbigen Sauber ber us 
genderinnerung umkleidete, fie tft dem Dichter feine, alle an= 
dern Geliebten weit ü ende Herzenskoͤnigin, aber fie iſt 
ee Fon u 

bet, fie if diefer G er religiöfen ofopbie , fie 
es enblich für bas geſammte — der Menſchen. 


1160 


&o hebt denn der Berichterſtatter, nur bin und wieber 
leife dazwifchentzetend, ergänzend und bejabend, felten bezwei⸗ 
feind, immer aber der Beachtung empfehlend, aus dem Roſſet⸗ 
tischen Werke befonders folgende Punkte hervor. Virgil ift 
nicht Repräfentant ber Vernunft, oder ber Philoſophie als fols 
cher, der vorchriftlichen, doch neben dem Ghriftenthum hergeben 
den; denn fie ift weder „‚suo Julio’ geboren, noch ifl fie gerabe 
in Jenem perfonificirt, auch wäre feine Rebfeligkeit zu biefem 
Zwecke unpafiend, fondern er iſt Repräfentant einer Juliſchen 
DPhiloſophie, d. h. der monarchiſchen, kaiſerlichen; von ihr hatte 
fich der Wanderer verirrt und fie iſt es, welche fein dichte⸗ 
riſcher Freund Guido Savalcanti a disdegno gehabt bat (Ge⸗ 
fang 10, 63) ıc. Kannegießer 3. B. fagt zu legter Stelle, Dante 
wollte vieleicht andeuten, wie fein achtungsvolles Studium bes 
Birgit ihn nun auch mit der Grfindung bes vorliegenden Ge⸗ 
dichte belohnt habe; Streckfuß beruft ſich auf das Gerücht, wel⸗ 
&es den Dichter Guido fi) mehr mit Philoſophie als mit 
den Dichtern befchäftigt haben läßt; noch fonderbarer beweift 
W. Schmidt, daß Dante, der In die entlegenften Gebiete des 
Willens kühn hineingreift, überhaupt keinen volksthuͤmlichern 
Ramen gewußt habe. — Über Beatrice iſt foeben gefprochen. — 
Panther, Löwe und Wölfin bedeuten nicht, wenn fie noch 
dazu den Wanderer zugleich anfallen, feine Unzucht, Herrſch⸗ 
ſucht, Geiz, oder (nach Kannegießer's Anſicht) "die nach den 
Lebensaltern erwachende, herrſchende und völlig uͤbermannende 
Sinnlichkeit, ſondern das den eifrigen Ghibellinen qualende 
(ſchwarz und weiß gefleckte) Florenz, das franzöfifche Haus Va⸗ 
lois und — die päpftliche Roma in ihrer Hurerei mit dem Guelf. 
Nur fo ift es ein vernünftiger Sinn, wenn die edle Dogge, ber 
große San della Scala, einftiger Heeresfürft der Ghibellinen, 
Zommen wird, das beißhungrige Thier zu würgen und binzus 
flürgen in die ewigen Schatten. Die Sommentatoren haben 
dies zum Theil gefühlt; aber fie haben ſich beim Unbeflimmten 
beruhigt; fo erklärt Abeken freimüthig („Beiträge für das Stu: 
dium der göttlichen Komödie”, Berlin 1826), hier müfle al: 
lerdings in der Wölfin die Habgier der italienifhen Machthaber 
gemeint fein, übrigens aber fei fie Dante's — Habgier. Vor: 
trefflich fagt der verehrte Referent &.39: „Der Dichter verkündet 
alſo im hoͤchſten Pathos, es werde ein mächtiger Fuͤrſt auftre⸗ 
treten, der den Geiz, oder vielmehr feinen (des Dichters) Geiz 
durch ganz Italien von Ort zu Drt jagen und endlich zur Hölle 
ſchicken werde. Fünf Zahrhunderte hindurch hat man fo com: 
mentirt und fi an den Unſinn dermaßen gewöhnt, daß er 
kaum noch auffällt.” — Geſang 3, 22—42 find Diejenigen, bie 
in dem Vorhofe der Hölle großes Geächz erheben, bie Weber: 
guten, Noch⸗böſen, fie, bie ohne Schimpf und ohne Lob 
gelebt haben, ma per le foro, fobaß felbft die Verdammten bes 
tiefften Schlundes nicht ihren Ruhm an ihnen haben follten, 
nicht etwa moraliich zu deuten, fondern wiederum politifch; liegt 
doch die Grinnerung an das Solonifche Todesurtheil über bie 
Zeigen, die nicht Partei genommen hatten, nahe genug. 

Die Erörterung über die Riefen des 31. Geſanges iſt zu 
ausführlich, als daß hier etwas Anderes geſchehen Tönnte, ale 
auf die Schrift felbft zu verweifen; nur erwähnt möge werden, 
daß, während bie Meiften in ihnen nur ganz unbeflimmt my: 
thologifche Bilder des Verraths und Übermuths fehen, Rimrob 
ale Buido della Zorre, Ephialtes ale Robert von Sicilien (der 
fünf Mal von Clemens V. umkettete), Briareus als Philipp 
der Schöne, Antäus ald Lambertucci Drgogliofi von Bologna 
erflärt find, die gegen ihren Jupiter, ben Kaifer, Krieg geführt 
haben, weil fie noch halb in dem Höllenpfuhl von Babels Rom, 
dem Sig des „Satans“ fanden. Diefer ganze Abfchnitt ifk fo 
voU feiner Bemerkungen und umfichtiger Gelehrſamkeit, daß 
feibft das Gewagte unwiberleglich auftritt; wie bedeutungsvoll 
wird unter Anderm jener Strick am Halfe des Nimrod, woran 
ihm das Horn (des Aufruhrs) hängt, wenn wir an ben kaiſer⸗ 
lichen Sprudy erinnert werben, welcher diefen Guibo zum Strange 
verurtheilte! 


| 


Den Grundton gu biefen Anfihten haben allerdings, und bies 
ift von dem Referenten (&. 2) vielleicht zu wenig hervorgehoben, 
ſchon Vorgänger Roſſettis angegeben, wie Mardetti, Paolo 
Softa, Colelli, der Engländer Taaffe. Aber bie fhärfere Durdhs 
führung des Principe, fowie eine fernere Ausdehnung deſſelben 
auf einen großen Kreis der damaligen Literatur gebührt Rof- 
fetti allein. Das Refultat ift in ber Kürze, daß in diefer ganzen 
Zeit eine Verbrüderung der tüdhtigften Geifter für eine Einheit 
Italiens durch Dämpfung ber päpftlichen Macht, abfichtlid oder 
bewußtlos zu einer geheimen Signatur der Worte, ja Verbres 
bung und Verſetzung berfelben geführt Habe, nicht eben aus 
Neigung zur Härefie, ſondern redht eigentlih, um auch äußern 
lich jeden Schein einer Gemeinfhaft mit diefer zu vermeiden. 
&o bedeuten bie Worte vita häufig nur Ghibellinenthum, morte 
den Gegenſah, Donna unter fehr verfhiedenen Ramen bie kai: 
ferliche Würde, und mit befonderer Gründlichkelt ift der Beweis 
geführt, daß ſich hinter amore fehr oft und allgemein nichts 
weiter verbirgt als die Anhänglichkeit an die Hoheit des Kai- 
ſers. „Hoͤret auf zu glauben‘, fo lautet eine ſchoͤne Stelle 
(S. 63), „daß jene ernflen Männer immer und immer fangen 
von fchönen Augen, ſchoͤnen Haaren, daß alle diefe Mädchen 
graufam waren, daß fie alle jung ftarben und jene Dichter ih⸗ 
nen im fpäten Alter mit grauen Haaren Klageliedber fangen. 
Ihr Schmerz war viel edler und ein höheres Ziel erregte ihre 
Begeiſterung.“ Die Auseinanderfegung iſt hier, wie faft überall, 
entjcheidend, ſchlagend. Zwar verhehlt der Hr. Referent nicht, wie 
fih (mit Recht) die Auslegung bin und wieder in ein Ertrem 
verliert und erwartet fogar, gegen bie Anficht bes Schreibers 
diefee Zeilen, kaum jemals eine Bereinigung ber verfchiedenen 
Meinungen; aber jedenfalls ift bas Pofitive überwiegend, ein 
erhöhtes Intercffe für den Dichter und feine Benoflen (Petrarca) 
erwedend, und alle Freunde Dante's haben dem Dolmetfcher 
der Roffetti’fchen Ideen freundlichen Dank zu fagen. 24, 





Literarifhe Rotizen. 


Kür den Monat October ift eine ‚Natural history of 
society in the barbarous and civilized state” yon Dr. W. 
Cooke Zaylor angekündigt. Das Werk if auf Anregung und 
mit Unterflügung des Erzbifchofs von Dublin zu Stande ge⸗ 
kommen. Es foll buch eine Unterſuchung ber verſchiedenen 
Formen der Geſellſchaft ben Urfprung der Givilifation anzugeben 
fuchen, woran ſich dann bie Unterfudyung der Verhältniffe Enupft, 
unter welchen ein und biefelben Fähigkeiten des Menſchen in 
einem Lande den gefellfchaftlichen Wohlſtand begründet, in einem 
andern fi zur Quelle allgemeinen Elends verkehrt haben. 
Zu diefem Zwecke hat der Berfaffer bie Grundbeſtandtheile, durch 
welche allenthalben die Geſellſchaft zufammengehalten worben 
ift, einer Prüfung unterworfen und deren Urſprung in der 
menfchlichen Ratur, fowie ihre Entwickelung fammt ben Ber: 
bältniffen, welche deren Bervolllommnung oder Berderben her: 
beigeführt haben, nachzuweiſen geſucht. Darauf fol ein: Ans 
wenbung ber gewonnenen Refultate auf bie Geſchichte ber Gi: 
vilifatton ſelbſt bei ben älteften cultivirten Voͤlkern folgen, wos 
nad ber Berfafler zu einer Betrachtung ter hauptſaͤchlichſten 
moralifcyen Urfachen des Wahstyums und bes Berfalld ber 
Staaten übergeht. In England maht man ſich nad diefem 
Programme große Erwartungen von, dieſer beuorftehenden Lites 
rariſchen Erſcheinung, wir Deutfchen find nad mannichfachen 
Erfahrungen in der ins unb ausländifhen Literatur dagegen in 
unfern Hoffnungen auf alle ſolche, die tiefſten Grundlagen ber 
menſchlichen Geſellſchaft und der Geſchichte durchdringen wollende 
Verſuche ziemlich nüchtern und vorſichtig geworben. 7. 


Von Rours Berrand’s Werke: „Histoire des progres de 
la civilisation en Europe depuis Vèére chretienne jusqu'au 
19ieme siecle‘', erfhien der fünfte Band; der ſechtte und legte 
wird näcflen Januar ausgegeben werben. 3. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Berlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 








Blätter. . 


für 


literariſche Unterhaltung. 





(Beihluß aus Nr. 287.) 

Bei der Aufgabe, die Hr. Hagen fich in dem vierten 
Bändchen geftelit hat, tritt diefe Schwierigkeit hervor, womit 
wir jedoch keineswegs gefagt haben wollen, daß darum in 
der Verdienſtlichkeit Deffen, was hier geleiflet worden, ver: 
olichen mit Dem, was fich in dem dritten Bändchen findet, 
sin Mishaͤltniß hervorträte. Leonhard da Vinci an dem 
Hofe des Ludwig Moro von Mailand ift ein Gegenftand, 
der weniger von heutigen Verhaͤltniſſen abſteht. Einer: 
feits ein Fuͤrſt, deſſen argliftige, hoͤchſt gewiſſenlos herrſch⸗ 
ſuͤchtige Politik nicht hinderte, daß er, mit wirklichem Sinne 
fuͤr Kunſt und Wiſſenſchaft begabt, wohl begriff, wie wich⸗ 
tig fuͤr ihn es waͤre, die ausgezeichneten Geiſter Italiens an 
ſich zu feſſeln; andererſeits Leonhard da Vinci's Perſoͤnlich⸗ 
keit, die, wenn irgend eine, wol geeignet war von Ludwig 
Moro beachtet zu werden. Carlo Amoretti in ſeinen 
ſtreng kritiſch ausgearbeiteten „Memorie storiche su la 
vita, gli stadj e le opere di Lionardo da Vinci” (Mat: 
land 1804) bezelchnet den Leonhard da Vinci als tuͤch⸗ 
tigen Muſiker und Poeten, finnreihen Mechaniker, tief: 
eindringenden Geometer und Mathematiker, ausgezeichne: 
ten Architekten, außerordentlichen Hydrauliker, großen 
Plaſtiker und größten Maler. *) Das genannte Werk ift 
unverkennbar die hauptfächlichfte Quelle, deren Hr. Hagen 
fi) bedient hat, und nicht unlieb wird es dem Lefer fein, 
der an der Schrift und an deren Begenftande ein nähe: 
res Intereſſe nimmt, jenes Werk kennen zu lernen, wo: 
durch er in den Stand gefegt wird, zu beurtheifen, mit 
welcher Gewiſſenhaftigkeit der Verfaſſer fih an den hiſto⸗ 
zifch gegebenen Stoff hält. Wuͤnſchenswerth wäre es, daß 
es Hrn. Hagen gefallen hätte die Quellen, aus denen er 
gefchöpft hat, anzugeben; bedurfte es deſſen fchon nicht, 
fo viel die DBegebenheiten anlangt, für welche Ludovico 
Moro und die damalige Hofgeſchichte Mailands den in: 
terefianten Stoff des Buches abgegeben haben, da biefe 
Quellen allgemein bekannt find, fo ift es doch fehr mög- 
lich und mahrfcheintih, dab Hr. Hagen durch feine Vor: 


®) Lionardo da Vinci valente musico e poeta, ingegnoso 
meccanico, profondo geometra e matematico, egregio 
archittetto, esimio idraulico,, eccellente plasticatore e 
sommo pittore. 


fiudien in den Stand gefegt wäre, hinſichtlich derjenigen 
Kuͤnſtler, deren Leben und Werke er behandelt bat, nur 
ihm bekannt gewordene literariſche Nachweifungen anges 


geben. Es verfteht fih, daß er nicht naderzählt, was 
Vaſari, desfalls hinlängli von Amoretti widerlegt, bes 
richtet hat, e8 habe Ludwig Moro den Leonhard da Vinci 
an feinen Hof geladen, um fich des Zitherfpieles biefes 
Künftters zu erfreuen. Wir theilen Einiges von dem 
aus Amoretti überfegten Briefe mit, in welchem Leons 
hard da Vinci dem Ludwig Moro eröffner, was er zu 
leiften im Stande fi. ©. 40 fg. heißt «8: 

Ich habe jest, burchlauchter Herr, zur Gnüge bie Arbeiten 
aller Derjenigen, bie für Meifter und Erfinder von Kriegswerk⸗ 
zeugen gelten, angefehben und betrachtet und in ihren Erfinduns 
gen nichts Ungewöhnliches wahrgenommen. Ich glaube, ohne 
Semanben etwas abzuborgen, mich Eurer Herrlichkeit als Den 
empfehlen zu können, der geheime unbelannte Künfte mitzuthei⸗ 
len weiß, daneben hoffe idy meinen Dienft zu voller Zufriebens 
heit für alle Zeiten in al ben Dingen antragen zu koͤnnen, 
Me im Gegenwärtigen kurz verzeichnet find. 1) Ich weiß ein 
Verfahren, leichte Brücken zu bauen, bie ohne Mühe hin und her 
zu tragen find, um auf ihnen bie Beinde zu verfolgen und wies 
derum fie zu fliehen u.f. w. 6) Desgleichen mache ich wohls 
verdedte und unangreifbare Panierwagen, die, mitten, in bie 
Geſchuͤtzreihen der Feinde eindringend, nicht (fo viel audy der 
Bewaffneten fein mögen) zerbrochen werben Zönnen; Hinter 
ihnen Tann das Fußvolk gänzlich ungefährdet und ohne Hinder⸗ 
niß vorrüden. 8) Und wenn es zu einem Seegefechte kaͤme, 
fo weiß ich viele ber wirkfamften Inftrumente zum Angriff und 
ur Bertheibigung. Ich gebe Flotten an, welche den mächtigs 

en Bombarden troßen. 10) Desgleihen werbe ich in ber 
Bildnerei alles leiften in Marmor, Bronze und Thon: gleicher 
Weife in der Malerei, was man nur darin fchaffen Tann, fo 
gut als irgend @iner, wer es auch ſei. Wenn einige von den 
oben angeführten Dingen biefem ober jenem unmöglich unb uns 
ausführbar fcheinen follten, fo bin ich gern erbötig, davon eine 
Probe an jebem Orte abzulegen, nach dem Befehle Euerer Herr⸗ 
tichkeit, der ſich auf das Unterthänigfte empfohlen haben will 
Leonhard da Vinci in Florenz. 

Auf merkwürdige Weiſe flicht dieſer Brief von Allem 
ab, was wir in unfern Zagen in der Gorrefpondenz eines 
berühmten Malers zu finden erwarten. 

Stoff und Handlung bringen es bei ded Hrn. Dagen’s 
„Künfttergefchichten” mit fi), daß auch das angezeigte dritte 
und vierte Bändchen mehr als einen Berührungspunft mit 
dem hiſtoriſchen Romane haben. Wie in diefem war das 
darzuftsiiende Leben gegeben; die Scenen, in wels 
chen es dargeſtellt werden möchte, und der Styl der Dar: 


1162 


ſtellung hingen von dem kuͤnſtleriſchen Ermeſſen bes Ver: 
faſſers ebenfo ab, wie z. B. des Architekturmalers Dar: 
ftellung eines gothiſchen Doms durchaus Phantaſiegemaͤlde 
ſein und dennoch darin mit vollſtaͤndiger, ja minutioͤſer 
Genauigkeit erkennbar werden kann, was die gothiſche 
Bauart dem Weſentlichen nach iſt. In dieſer Beziehung 
muͤſſen wir die Leſer, insbeſondere diejenigen, welche ſich 
Hrn. Hagen's „Kuͤnſtlergeſchichten“ vorzuͤglich oder ganz 
ausſchließlich um des (wir finden keinen andern Ausdruck) 
Hiſtoriſch- romanhaften willen könnten empfohlen fein laſ⸗ 
fen, an die Schriften felbft verweifen, obfhon für dieſel⸗ 
ben folche Leſer nicht die berufenften fein möchten. Ein 
allgemeined Urtheil in der angegebenen Beziehung würde 
Niemanden befriedigen, und eine im Auszuge gegebene 
Wiederholung der Scenen ben Lefer im voraus die Un: 
terhaltung verfümmern, bie ihm das Lefen der Gefchich: 
ten felbft gewähren kann. Darum in der angegebenen 
Beziehung nur fo viel: was ein folder Auszug leiſten 
kann, ift in Nr. 24 u. 25 d. Bl. f. 1834 geleiftet, wo 
ein anderer als der Verfaſſer der gegenwärtigen Anzeige 
über Bd. 1 u. 2 der „Künfklergefchichten” Hrn. Hagen's 
berichtet hat. Derjenige nun, weldyer ſich nad) jenem 
Berichte eine Vorflelung von der Art und Weiſe gebil: 
det hat, wie Hr. Dagen das Hiftorifch:romanhafte behan- 
delt, der darf mit Fug und Recht im voraus die naͤm⸗ 
liche Vorſtellung mit Bd. 3 u. + verbinden und an die 
Lecture derfelben fich mit gleich hochgeftimmter Erwartung 
begeben. Ref. hebt davon nur fo viel hervor, als nöthig 
ift, um durch die Mittheilung des Fragmentes den Lefer 
in den Stand zu fegen, felbft darüber zu urtheilen, in 
welchem Grade Hrn. Hagen's Worte die Gemälde des 
Leonardo da Vinci vor des Leſers Augen zurüdzurufen 
vermögen. - | 

Die Scene dee Geſchichte beginnt in der Nacht, wo 
dem Ludwig Moro von feiner Gemahlin Beatrix zwei 
Söhne find geboren worden, an welches Ereigniß eines 
der fchönften Gemälde Leonardo's da Vinci ſich anfchließt, 
ein Gemälde, das felbft Ref., der es blos aus dem Ku: 
pferfliche kennt, unvergeßlich bleiben würde, follte er auch 
nicht einmal den Kupferftich wieder zu Seficht befommen ; 
wie meinen bie Leba des Leonardo da Vinci, beflimmt 
die Beatrir und die beiden jungen Prinzen zu verberrli: 
hen, ein Zweck, in Gemäßheit befien der Schwan ſich 
mit Ludwig Moro identificirt, deffen Name felbft (Moro — 
Mohr und Maulbeerbaum), täufcht Ref. nicht Alles, durch 
das Geflecht von bufchigem blütenreihen Grün. angedeutet 
ift, das als Kranz fih um bed Schwaned Hals zieht 
und aus Zweigen eines Maulbeerbaumes fcheint geflochten 
u fein. 

' Über dies Gemälde nun fagt Hr. Hagen &. 63 — 
65 Folgendes: 

Sein, Leonhard da Vinci's, Entſchluß fland feft, die Kins 
der als die Dioskuren und die Mutter, deren Ebenmaß ihm 
beim erften Anblide aufgefallen war, als Leda zu malen. In 
unverhüllter Schönheit ſteht fie neben dem ihr zugelehrten 
Schwan. Wie fie mit den Händen feinen Hals umſchlingt, 
umfängt er mit bem rechten Flügel bie blendende Geftalt. Zu 
bem Gewagteften bes Gewagten gehörte es den Gatten als 


Schwan zu benten. Wenn man auch nachmals ben Beinamen 
Moro als Maulbeerbaum erklärte, der, ein Sinnbild der Klug⸗ 
beit, fpäter aber dann auf einmal Bluͤten treibt, die fich fchnell 
in Srüchte verwandeln, fo war es befannt, daß bie Mutter ihn 
Moro, den Mohren, wegen feines ſchwarzlockigen Haares und 
feiner braunen Gefichtöfarbe nannte. Leonhard ftellte weistich 
die nadte Schöne fo, daß ber verwandelte Liebhaber von ihre 
befchattet wurde; Leda erſchien als Schwan, und der Schwan 
als Mohr. Mit verfchämten Lächeln blidte fie nieder zu den 
Goͤtterknaben, die aus den geſprengten Gierfchalen zum Vor⸗ 
fhein Tamen und bes Lichts und ber Freiheit fich freuten. Hier 
und ba fah man in ber Landfchaft Waſſer, aus dem im Hin: 
tergrunde die Rocca emporragte. Nicht wie er fie in ber Wiege 
gezeichnet hatte waren bier die Kinder zu feben, fonbern in 
dem Alter, in dem fie, ihrer Kraft fi bewußt werdend, zu 
kriechen anfangen; ber eine, von ber Anftrengung ein wenig 
ruhend, ſchaut flolz zur Mutter empor, der andere ebenfo froh 
zurüd zu der bereits durchlaufenen Bahn. Niemand zweifelte, 
daß Franz und Marimilian einft fo ausfehen würden. Auch 
Beatrir, ber, um fie zum Zorn zu reizen, Moro mit fchalt: 
baft prüfendem Auge das Bild vorhielt und feine Freude daran 
hatte, wie jeder verftohlene Blid mit einem Grröthen büßte, 
fonnte, als fie allein und Leinen Überfall fürchtend, ihr Eben: 
bild betrachtete, es im Einzelnen nicht tadeln. Wenn fie vor: 
ber über den Gedanken erſchrak, fo jest über die ergreifende 
Wahrheit. Iſt es doch, fagte fie fi, ald wenn er dafür, daß 
er mir das Badehaus errichtete, ale Preis mich im Babe ge⸗ 
fehen. Sie fchalt der Keckheit, aber von Herzen zürnte fie nicht. 


Welchem Lefer, der das gedachte Wert Leonardo’s da 
Vinci kennt, träte nicht, wenn er die mitgetheilten Worte 


lieſt, deffen wunderbare Schönheit in erfreulicher Verge⸗ 


genwärtigung vor das Auge des Geiſtes? 96, 


Hungary and Transylvania, with remarks on their con- 
dition, social, political and economical. By John 
Paget. Zwei Bände. London 1840. 


Ungarn gehört zwar, wie wir aus dem geographifcgden Ele: 
mentarunterrichte willen, zu Europa; befienungeachtet muß man 
bekennen, daß es uns übrigen Europäern fämmtli noch gänz: 
lich in gewiffermaßen aflatifcher Kerne liegt. Voik und Sitten 
in Ungarn find uns im Vergleiche mit andern viel entferntern 
Ländern nur aus fpärlichen Berichten bekannt, und biefe zeigen 
uns eine foldye Anomalie gegen den feflen Typus europaͤiſcher 
Zuftände, baß wir ungewiß bleiben, ob wir bie Grenze der Ci⸗ 
vilifation bis dahin vorrüden follen, wo über das eine Ufer 
der Donau das Kreuz emporragt, während über das andere der 
matte Schein des Halbmondes leuchte. Das Land tft uns 
zwar feiner geographbifchen Befchaffenheit und feiner ſtatiſtiſchen 
Eintheilung nad) ziemlich befannt; wir wiſſen die Lage feiner 
Städte und haben von der Eigenthümlichleit feiner Naturreize 
vom Hörenfagen etwas vernommen; aber zur natürlichen Phy⸗ 
fiognomie des Landes erhalten wir nur fpärliche Beiträge, fos 
bag wir nit im Stande find; uns ein Bares Bild von dem⸗ 
felben zu entwerfen. Kein Wunder! Die öftreichifdhe Kaifer- 
ftabt ift wol die leute beutfche Bauptflation für die Reifenden, 
welde dem füblichen Himmel Italiens zueilen; nur felten aber 
folgt ein anderer als ein Geſchäftsmann dem Laufe der Donau 
in das Ungarland hinab: felbft das in feinem Gefchmade für 
das Seltſame und Wunderliche einzig baftehende Inſelvolk der 
Briten macht hiervon keine Ausnahme. Jeder Beitrag zur 
Srweiterung ber Kenntniß biefes Landes, jeder Verſuch, und zu 
einem nähern Eingehen auf eine vertrautere Bekanntſchaft mit 
diefem Nachbarvolke anzuregen, muß daher mit Dank aufgenom: 
men werden; und biefen Dan find wir in neuerer Zeit gerade 
einem Briten fehuldig geworden für fein oben genanntes ſchä⸗ 
tzenswerthes Werl. 








1168 


et empfiehlt ſchon duch feine offenliegehbe Vorliebe 
fowol. Si er ed 8 Abenteuer im Auslande überhaupt 
begt, wie durch den befondern Reiz, den der vorliegende Gegen⸗ 
fand für ihn hat. Anſpruchslos in feiner Darftellung, von gu: 
tem Humor in feiner Beſchreibung befeelt, denkt ex mit gefun- 
dem Verſtande und fpricht fi mit Freimuth aus. In den 
politifchen und Bildungszufländen Ungarns kann man ihn für 


gut unterrichtet und fein Urtheil für ein richtiges halten. Der 


Eurus typographiſcher Ausftattung und der Verſchoͤnerung durch 
— ie ein angenehmes Gewand für feine Gedanken 
und Darftelungen. Selten enthält ein Werk fo viel gang neuen 
Stoff, der doch zugleich der Theilnahme der europaͤiſchen Ge⸗ 
ſellſchaft ſo nahe liegt; und namentlid, für feine Landsleute 
wird wol Paget’s Werk die Bahn nach Ungarn nicht minder 
gebrochen, als Graf Szechenyi's Dampfbote ihnen die reizende 
Donautour dahin eröffnet haben. Hierbei bleibt nur gerade in 
Bezug auf fie zu wuͤnſchen, daß fie feinen Anlaß zu der Andes 
zung in der guten Meinung geben mögen, die in Ungarn bis 
jegt über die Engländer vorherrichend if; daß fie immer zu 
ihren Beſuchen jener Gegenden fo viel Geift mitbringen, in ih: 
ren fchriftlichen Berichten fo viel Gefühl entwideln mögen wie 
eben Paget. Im Juni 1835 „ſchüttelte Mr. Paget den wie: 
ner Staub von feinen Füßen“ — ein Ausdrud, der in ihm faft 
einen naturalifirten Ungarn erfennen läßt —, und ba fein Weg 
unächft nach Presburg führte, fo treffen wir bald auf bemer: 
—* Kußerungen über den dort verfammelten Reichstag 
und die herrſchende politifche Stimmung. 

„Ich glaube ohne Ausnahme fagen zu Tönnen, daß unter 
den jungen Männern, mit denen ich in Presburg zufammen: 
tam, kaum @iner war, ber in Bezug auf Politik nicht libe⸗ 
rale Anfichten gehabt hätte. Indeſſen liegen in den gegen: 
wärtigen Verhältnifien Ungarns und in ber Stellung des 
Adels, dem dieſe jungen Leute angehörten, manche Gigenthüm: 
lichkeiten, die in verfchiedener Beziehung ihren Liberalismus 
fehr von dem englifchen unterfcheiden. Ohne fehr genaue Kennt: 
niß der politifchen Lage und der Verkehrsverhaͤltniſſe ihres ei- 

enen Landes fowol als der Nachbarländer, find fie volkommen 
berzeugt, daß Oſtreich die Wurzel alles zu leidenden Übels fei, 
auf das fie deshalb mit Furcht und Daß bliden. Kein engli: 
ſcher Radicaler kann auf die Vefteuerung heftiger als die un: 
garifchen Liberalen losziehen; aber .biefe vermifchen ihre Angriffe 
fo fonderbar mit den Abelsprivilegien, daß es ſchwer fein würde, 
etwas von einem gleichen Principe in ihrer Oppofition zu ers 
Bennen. Sie unterſcheiden in der That nicht fehr klar zwifchen 
den Worten Recht und Privilegium. Es iſt felbft für bie 
ftrengfte Überzeugung ſchwer, über die Gewohnheiten und Ge⸗ 
fühle der früheften Erziehung hinauszukommen.“ Paget glaubt, 
dieſe Edelleute feien ängftli um die Breiheit und bie Bildung 
des Bauernftandes beforgt, und doch kam es ihm oft, wenn 
fie von oder mit demfelben ſprachen, vor, als müffe er zu einer 
von ihnen ganz verfchiedenen Ordnung in ber Schöpfung ge: 
hören, Eurz, alle waren Reformer, aber viele von ihnen ſchie⸗ 
nen in ihren Reformideen fehr unpraktiſch zu fein. Ich fah, 
fährt er fort, nicht etwa etwas von einem revolutionnairen 
Geifte, der Oſtreich fo furchtbar fchrectt, den Fremde aus Deutſch⸗ 
land den Ungarn oft zugefchrieben haben, meil diefe laut und 
offen über Sachen reden, über welche ihre Nachbarn nicht eins 
mal fläftern dürfen, im @egentheile glaube ich, es herricht uns 
ter ihnen ein ſtrengeres Gefühl von Loyalität gegen ihren Kö: 
nig und eine innigere Liebe für ihre Verfaſſung, wie fie ift, 
ald man es in irgend einem andern heile Europas finden 
Tann. Unter einer anfehnlidhen Zahl, die deſſenungeachtet eben: 
fo liberal wie die größeren Schreien iſt, herrſcht ein gemäßigter 
Zon, ber vortheilhaft für die Zukunft zeugt. Die jungen Mäns 
ner find im Allgemeinen gute Sprachkenner; in claffifcher Bil⸗ 
dung flehen fie der englifchen Jugend glei; in einem wichtigen 
wiſſenſchaftlichen Beige über ihr, infofern nämlid das Cor- 
pus juris einen wefentlihen Beſtandtheil im Unterrichte jebes 
ungarifchen Edelmanns bilbet.’ 


— — —— — 
——————————————————————— —— ———— —— — — ——— — — —— — — — — —— — — 


Rach einer gefaͤlligen Beſchreibung der Umgebungen von 
Presburg, ber dortigen Volksbeluſtigungen und einer Reichstags⸗ 
fitung führt uns der Verf. in die Gegend des neufiedler Gecs, 
unmeit von welchem Gifenflabt mit dem Palafte der Zamilie 
Eſterhazy liegt, deſſen prächtige Gärten und Treibhaͤuſer felbft 
die weitberühmten Gewächshäufer des englifchen Grafen Shrews⸗ 
busy zu Alton Towns hinter ſich Laffen. Drei andere gleich 
große, im Umfange weniger Meilen belegene Paläfte gehören 
demfelben Magnaten. Der Eſterhazy'ſche, nicht, wie man ge: 
wöhnlic glaubt, der eifenftadter Palaft, war Paget's Verſiche⸗ 
zung zufolge der Wohnort Haydn's und feiner frühern Gompo: 
fitionen Geburtöftätte. Forchtenſtein, ein anderes älteres Schloß 
diefer Kamilie, paßt in feiner Beftimmung gang zu dem feudal: 
alterlidem Geiſt, in dem es erbaut iſt: es dient nämlich zum 
Sefängnifle für die Bauern des Zürften, über welche diefer no 
immer das Recht über Tod und Leben befigt. 

Bei aller diefer Zülle von Macht und Reichthum, deren 
äußeres Symbol man am beften in dem vielleicht hiſtoriſch ges 
wordenen von Diamanten bligenden Balakleide des Fürften ers 
fennt, das er bei der Krönung ber Königin Victoria trug, 
ſchwindet doch diefer morgenländifhe Prunk in nichts neben 
dem Anblide der Beflrebungen und Erfolge eines andern uns 
garifhen Magnaten, von welchem Paget mit leicht verzeihli⸗ 
chem Enthuſiasmus ſpricht — Graf Szechenyi. Die Rebeneins 
anderfiellung bes Großen, wie er iſt, und bes adeligen Wan: 
nes, wie er fein fol, ergibt fich faft von felbft, wenn fie auch 
im vorliegenden Werke nicht gerade durch ein Nebeneinander in 
Raum und Zeit bewerkftelligt iſt. Doch gibt es einen in das 
Einzelne gehenden Bericht der Maßregeln, die diefer patriotis 
ſche Edelmann für die Erhebung feines Landes in geiftiger wie 
in materiellee Hinſicht gerroffen hat. Won letztern ift nicht blos 
namentlid für den Reifenden, fondern auch für die Grleichtes 
zung des Handels, des Verkehrs und der Verbreitung der Ci⸗ 
vilifation überhaupt, die feinen Bemühungen hauptſaͤchlich zu 
verdantende Einrichtung ber Dampfſchiffahrr von befonderer 
Wichtigkeit, die er als alleiniger Commiſſair für Verbeſſerung 
der Schiffahrt auf der untern Donau ins Leben gerufen hat. 
Hier, auf dem Dampffchiffe felbft, begegnete der Verf. feiner 
perfönlidhen Erſcheinung. 

„Unter einem halben Dugend Perfonen, bie berechtigt fchies 
nen an Bord zu kommen, ohne ben Verlauf der vorausgehen: 
den Anordnungen abzuwarten, warb unfere befondere Aufmerk⸗ 
famteit durch die von Paflagieren wie von ber Mannfdhaft er: 
wiefene Ehrerbietung und bie in allen Blicken anfdgeinend aus⸗ 
gedrüdte Hochachtung unmittelbar auf Eine gerichtet. Es mar 
ein kurzer, ziemlich ernſt ausfehender Mann mit einem unges 
mein kleinen Auge, und in einem fo völlig englifchen Style ſich 
bewegendb, daß ich ihn bis auf den Schnurrbart für einen 
Landsmann hätte anfehen mögen. Jedes Auge hing an ihm; 
Jeder war beforgt, ihn, wenn er vorbeiging, zu grüßen; während 
fein gefeptes Anfehen und fein zufammengepreßter Mund es zeigten, 
daß er wußte, er fei beobachtet und habe eine hervortretende Rolle 
in dem Lebensdrama zu fpielen. Es war Graf Szechenyi.“ 

Die verfchiedenen Nationalitäten und Gtände Ungarns 
ſchildert Paget mit charafteriftifcher Treue. So führt er uns 
Bauern vor, von denen bie Einen „in ihrer weißgetündhten, 
von Akazien und Wallnußbäumen überfchatteten Haͤttenreihe“ 
ſich eines reichen Theiles von Grbengütern erfreuen, ſodaß man 
fi nicht wundert, wenn Paget's Widerwille gegen Zwangs⸗ 
dienftbarkeit fi für einen Augenbiid abſtumpft; während an: 
dere, und zwar die Mehrzahl die Zeichen aller Härten ber 
Sklaverei zur Schau tragen. Gr zeigt-uns mit fichtlicher, nicht 
zu misbilligender Theilnahme jene Pariaflgur, die in jeder eu⸗ 
ropäifchen Gruppe eine fo frembdartige und überall gleiche Ge: 
ſtalt behauptet — den Juden. Diefe Schilderung verbient viels 
leicht in Rückſicht auf die neulichen Verhandlungen der ungas 
riſ Reicheſtaͤnde über die ben Juden zu gewährende Ver⸗ 
befierung ihrer Lage — Gmaneipation pflegt man es zu nens 
nen, um fich diefer felbft um fo bequemer überheben zu können 


1204 


— eine nähere Beachtung. Nach einer vorhergehenden intereſ⸗ 
fanten Anekdote von einem aus dem Stammie Iſraels, der ſich 
dem Verf. zum Fuͤhrer angeboten hatte, und fih zu feiner Ver⸗ 
wundeeung bei ihm mach Walter Scott erkundigte, und bie Bes 
rechtigung zu diefer —J— durch Vorzeigung einer deutſchen 
Aberfetung des „Ivanhoe“ — dieſer romantiſchen Geſchichte bes 
verfolgten Judenthums, ſowie durch die Verſicherung bes gro: 
Sen Vergnuͤgens, mit welchem er dieſes und manche andere von 
Seott’s Werten geleſen habe, nachwies, entwirft und‘ Paget 
folgendes Bild von den ungarifhen Juden überhaupt: 

„Ss ift traurig, ben tiefen Stand zu fehen, auf den biefes 
Wort herabgedrängt if. Keine weggeworfenere Unterthänigteit 
Tann e8 geben, als den Gruß des Juden von Arva; nichts 
kann berebter die Wahrheit verkünden, wie fehr zur Beredlung 
des Menfchen Freiheit Noth thue. Ich weiß nicht, wie es 
tommt, aber überall ift die Maſſe der Juden ſchmuzig und 
arm. In Ungarn wird ber Handel zum groͤßern Theile durch 
die Juden getrieben, die ſich vermöge des ihnen zu Gebote ſte⸗ 
henden baaren Geldes in einem Lande, wo dies eine ſeltene 
Waore iſt, befonderer Vortheile erfreuen. Der Jude reiſt zeitig 
im Frühjahre rund im Lande umher und handelt mit dem Abel 
im voraus um feine Wolle, feinen Wein, fein Korn ober um 
jegliche andere Ergeugnifie, über bie er zu verfügen haben mag. 
Der Relz, den bie Erlangung eines Theils ober zuweilen der 
ganzen baaren Zahlung für Leute hat, weiche immer bereit find, 
ihre Ginkünfte im voraus zu verthun, fidhert dem Juden einen 
vortheilhaften, Handel. Es trifft ſich dabei gelegentlich, daß ber 
Betrüger der Betrogene iſt, daß der Adelige ben Juden an- 
fährt, indem er fich entweder den Handel zu halten weigert, 
ober ihn nur unredlich erfüllt, was beides ihm der eigenthäms 
liche Zuftand dee ungarifihen Geſeggebung menigfiens mit ziem: 
licher Wahrfcheinlichkeit, ftraflos zu bleiben, geftattet. Ich hörte 
einen Kal, wobei ein Jude einige Beit auf die Ankunft einer 
Quantität Korn wartete, das er mehre Wonate vorher erhan⸗ 
delt hatte, bis er die Nachricht erhielt, der Edelmann fei ent: 
fchloffen, es nicht wohlfeiler, als für das Doppelte des verein- 
barten Preifes zu laſfen, da der currente Preis feit der Zeit 
des Handelsabſchluſſes um fo viel gefliegen war; doch bot man 
dem Hebräer aus ganz befonderer Rückſicht auf feinen erlitte⸗ 
nen Rachtheil den Vorkauf zu dem boppelten Preife zuesft an. 
Der Jude vergaß, über folche Schelmerei aufgebracht, für dies: 
mal feine Klugheit, indem er dem Edelmann in nicht gerade 
gemeffenen Ausdrüden Vorwürfe machte, und man bielt es noch 
für ein großes Gtüd, daß er ſowol ohne Lörperlide als ohne 
Geldbuße davonlam. Nicht fehr lange darauf erhielt ein Jude 
von einem Abeligen in Peſth Schläge, weil er ſich etwas laut 
beklagt Hatte, die Wolle, die ihm jener geſchickt hatte, ſei in 
fchiechtem , gar nicht verkaͤuflichem Zuſtande. Wan darf nicht 
annehmen, daß diefe Bälle gewöhnlich feien, fie find vielmehr 
ſehr felten, und die Leute, ‚die fich ihrer ſchuldig machen, wer: 
den mit Verachtung geſtraft. Allein dergleichen Verhaͤltniſſe, 
weiche von den Juden forgfältig ausgefprengt werben, um an⸗ 
dere Händler vom Markte entfernt zu halten, und der befannte 
umfland, baß die Worredhte des Adels und ber unvolllommene 
Zuftand der Geſetzgebung es ſchwer macht, bie @rfüllung eis 
nes Gontraets zu erzwingen, haben achtbare Kaufleute ver: 
feucht und mit andern Urfachen dahin gewirkt, die Ungarn 
der Vortheile eines geregeltern und birecten Handels gu beraus 
ben. Die Zuben dienen den Abeligen auch als Geſchaͤftsfuͤhrer, 
Pächter, Unterhändler, Brenner und Zolleinnehmer. Sind fie 
rechtlich, fo find fie wegen ihrer Geſchicklichkeit, Geſchaͤftskennt⸗ 
niß und ausgebreiteten Verbindungen in folchen Stellungen uns 
fhägbar; allein zumellen täufchen fie das in fie gefehte Ver⸗ 
trauen und machen ſich mit großen Summen aus bem Gtaube, 
die zu einem ihrer Stämme in Polen oder in anderen Ländern 
al werden, wo es der Juſtiz unmöglich if, einen Kreuzer 

auszubringen, fo eng und geheim ift die Berbinbung, die fie 
untereinander halten. Uber ebenfo gut, wie ber Jude von 


:ebenfo thut er es mit dem Bauer. Sicher verarmıt die Ba 


es ber Jude für ihn zu finden, verſteht ſich 


den Fehlern und Bebäiefniffen des Adels Rutzen gu ziehen ſucht, 
uern⸗ 
ſchaft, ſobald ein Inde in einem Dorfe ſich niederläßt. So o 

Bauer Geld braucht, ſei es, um einem unfae vu —2* 
oder um ſich an ſeinem Hochzeittage luſtig zu machen, oder um 
feinen Schugheiligen die ſchuldige Ehre zu erweiſen, ſtets weiß 
u ungedeuern z 
fen. Der Bauer muß Alles mit ber hächften en gi 
ruͤckzahlen, und biefe verpfändet er willig, auf den Zufall 

verlaflend oder auf die Geneigtheit des Gutsherrn, ihn während 
des Winters zu unterhalten. Auf biefe Weiſe ift bie Ernte 
oft fchon bei der Ausfaat verkauft und ber Bauer für das 
übrige Jahr mit Hand und Zuß an den harten Gläubiger ges 
feſſelt. Aus diefer Rüdficht verweigert „mancher Ebelmann den 
Suben den bauernden Aufenthalt in feinem Dorfe und letht 
feinen Bauern lieber felbft Gelb, wenn er fie deſſen bebürftig 
fieht, und geftattet ihnen die Rüdzaplung durch Arbeit. Die 
Juden genießen gegen Bezahlung einer jährlichen Steuer von 
16,000 Pf. ©t. das Recht freier Religionsübung — ein Schand⸗ 
flecken fir ein freies, conflitutionnelles Land, ben biefes hoffent- 
lich bald felbft von fi abwaſchen wird. Doch fcht es einem 
—— — —X einem ae ande Bigoterie biefer Art 

orzumwerfen, fo lange er in feinem Vaterlande bie 
der politifchen Rechte beraubt fieht.“ Suben noch 
(Der Beſchluß folgt. ) 





Literarifhe Notiz. 


In Eaufanne, Genf und Paris erfchten: „Albert de Hal- 
ler, biographie.“ Diefer merkwürdige Dann, deſſen Gelehr⸗ 
ſamkeit, defien Fleiß das nachfolgende Gefchlecht, welches fich 
in allerlei focialen und politiſchen Beiläufigkeiten, gefellichaft: 
lichen Band» und Kopfleiftungen, Kunftgenüffen und andern 
Senüffen zu zerfireuen liebt, in Erſtaunen fegen, verdiente es, daß 
man durch eine umfaflende Biographie, und zwar gerade durch 
eine in der gangbarften Sprache, ber franzöftfchen, gefchriebene, 
das Andenken an ihn wieder verlebendigte. Das Reckenge⸗ 
fhlecht, welches mit der Kauft Wunberthaten verrichtete, iſt 
ausgeftorben, das Recengefchlecht der Gelehrſamkeit mit dem 
vorigen Sahrhundert fo ziemlich erlofchen, und wer weiß, wie 
nahe wir dem Zeitpunkte find, wo man fagen wird, nun ft 
auch der letzte Gelehrte geſtorben, nachdem ihm der letzte Narr 
und der legte Ritter ſeit langem vorangegangen. Ein Kritiker 
in einem franzoͤſiſchen Journale ſagt am Schluſſe ſeines Be⸗ 
richts: „Wie die Mehrzahl dev Männer von Geiſt, welche die 
Schweiz hervorgebracht hat, zeigte Haller in allen feinen Wers 
ten eine emuo ausgepraͤgte ſpiritualiſtiſche Tendenz und nie⸗ 
mals erſtickte er den Zuruf des religiöſen Gefühls, woraus er 
im Gegentheil ſeine erhabenſten Inſpirationen ſchoͤpfte. Dieſen 
Geſichtspunkt hat Haller's Biograph vorzuͤglich hervorgehoben; 
zu dieſem Zwecke ſammelt er die geeignetſten Citate und Aus: 
zuͤge aus der nachgelaſſenen Correſpondenz, um zu beweiſen, 
daß Haller ein Chriſt aus Überzeugung geweſen. Vorzüglich 
bemüht iſt er, alle Details feines Todes anzuführen und dringt 
Träftig auf bie erbaulichen Lehren, die man baraus fchöpfen 
konne.“ Unter Haller’s Dichtungen wirb mit Recht die ebenfo 
ſchoͤne als einfach rührende Elegie auf den Tod feiner Frau ges 
nannt und überfeät, aber bas ſchmeichelnd und rührend Zarte 
in der auch von Schiller gerühmten Stelle: 

Bie oft, wenn ih dich innig Tüßte, 

Exzitterte mein Der; und fpradh : 

Wie, wenn ich dich verlieren müßte? 

Und heimlich folgten Thraͤnen nah — 
klingt in der feangöfifchen profaifchen überfegung etwas matt 
und teivial. Sie lautet: „Combien: de fois, en t’embrassant 
avec axdeur, mon ceeur me disait-il en frössissant: helas! s’il 
fallait la perdre! et je versais des larmes en seoret.‘’ 5. 





Verantwortlicher Herausgeber: KReinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von JF. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerötag, 


— — Nr. 289, — — 


15. October 1840. 





1. Tyll Eulenſpiegel. 
dewell. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 
8 1 Thlr. 12 Gr. 

2. Das Gentrum der Speculation. Eine Komödie. 
Herauögegeben von Karl Roſenkranz. Könige: 
berg, Gebr. Bornträger- 1840. 8. 16 ©r. 


1. Tyll Eulenfpiegel. 

Mephifto erfcheine mit zwei ihm Verſchriebenen vor 
denn Herren. Der eine ift Fauſt; mir wiſſen's. Der 
andere aber, wer möcht es glauben, Pofa. Trotz des 
Snftruments, daß fie an ihn bindet, find fie widerfpen- 
flig und hoffen noch, weil der Teufel mit Gründen ſtrei⸗ 
tet. Mephifto erklärt indefien, fie wären fein, mit und 
ohne Wis, und ed komme nur auf den Rechtfpruch des 
Alten an, welcher Hisgrad ihnen zu bereiten fei. Der 
Herr erfcheint und verhört beide Hoͤllencandidaten. Zauft 
fpricht gerührt und gefühlvolt von feinem Durft nad 
Wahrheit. Der Herr entgegnet, er Liebe ernfle Wahr: 
heitöliebe, doch nicht unbezähmte, wilde Zriebe, und als 
der Doctor fragt, warum er ihn zum Menfchen und 
nicht zur flilen Blume gefchaffen; weift er ihn auf „des 
Menſchen Sohn”. Doc Fauſt entgegnet: 

Pie gern hätt’ ich mögen dem Kreuze huldigen! 

Laß meinen Imeifel, o Herr, mich entfchulbigen ! 

Wahrlich die Menfchheit muß arm mir fcheinen, 

Sat fie mir aufzumelfen nur Einen, 

Und biefen in längft verfloßner Zeit, 

0 Sage und Wahrheit zufammen ſich reiht! 

Zeig mir ihn gnäbig im nahen Jedt, 

Dann fei mein Heil zum Pfande geſettt. 

Der Here nide ihm einftweilen gnddig zu. Mephiftp’s 
Anklage wider Pofa lautet weit fehwerer: dem Stande nach 
ein fchlichter Malthefer, fei er feiner Meinung nad Gottes 
Reichsverweſer. Ein flarker Engel, der mit ben Mitteln 
nicht aͤngſtlich fei, ftelle er fich den höchiten Zweck und 
wate darauf 106 dur Blut und Koth, und der Dema⸗ 
gog fpiele dabei den Märtyrer, Heiligen und Helden. 
Poſa vertheidigt fi im vollſten Jambenpathos, daß er 
keiner Gnade brauche und nie, was er wollte, bereuen 
werde: 

Es zifchelt der Werleumbung Hyderhaupt, 

Ded bu bift Bott, der nur der Wahrheit glaubt. 

Mein Geiſtesſchwert ſolls haun vom blutigen Rumpfe, 

3u deinem, meinem, zu bes Lichte Triumphe. 


Komddie von Friedrih Ra: 
1840. 


Drum böre an mein inhaltfchweres Wort 

Und Sturmwind trag's durch die Naturen fort! 

Sch rede jegt nicht nur, nein Millionen, 

Es handelt fih, ob ber, ob bu ſollſt thronen. 
Mephifto meint darauf: 


— fo prahlen meine Demagogen ! 

Wie würden denn fonft die Leute betrogen, 
und obwol Pofa ſich keineswegs einfchüchtern laͤßt und 
von feinem Ideal: Freiheit und Bürgerwohl, viele und 
große Worte macht, erklärt ihm doch zuͤrnend der Herr, 
daß er geirrt: 

Ich will die Freiheit; wer ihr aber huldigt 

Get rein! fonfl wird er nimmermebr entfhulbigt, 

Du blinder Thor, entſchuldigt hoͤchſte Roth 

Haarbreit zu übertreten mein ®ebot? . 

Muß nicht bas Blatt, geriffen von dem Baume, 

Verflattern haltungslos im Iuft’gen Raume? 

Du Menfchenkind auch gleichft dem Iofen Blatt, 

Das fi) dem Baum Geſetz entriffen hat. 

Du, irres Häuchlein unter Riefengeiftern, 

Die, noch fo groß, nicht wagen mich zu meiftern, 

Du wollteft führen meine heilge Hand! - 
Poſa fragt, mo der MWeibgeborene fei, der ihm wahrhaft 
diene, und der Herr nennt, zum Erſtaunen der Drei, 
den Tyll: 

Ein wahrer Narr und Weiſer handelt recht, 

Und ich erkenne Tyll für meinen Knecht. 

Ihn ſucht — zu Eurer Strafe zu verführen ! 

Zu meinem Himmel gibts gar mandhe Thüren. 

Ihr alle drei verfucht es in der Weiſe, 

Wie Ihr die Dinge feht im Weltenkreife ! 

Dann, wenn Ihr nie erreicht, wonach Ihr firebt, 

Und Euch zerknirſchet meiner Gnad ergebt, 

Dann ftellt Euch wieder meinem Richterthron 

Und fürchtet keinen allzu firengen Lohn. 
Dies ift dad Thema der Komödie. Zauft, Poſa und 
Mephifto mühen fih in ihrer Weife ab. Der Narr aber 
bfeibe uber ihnen. Der Doctor, der Malthefer und ber 
Teufel können ihn in keiner Weife etwas anhaben; er 
durchſchaut fie und macht ihre Kniffe zu Schanden, ders 
maßen, daß jede ihrer Intriguen zu Ihrem eigenen Ders 
derben ausichlägt und auch das Gelächter nicht den Erz: 
narten, fondern fie als Gefoppte trifft. Auch die Liebe 
fann einen echten Narren und Weiſen nicht aus fi 
ſelbſt Herausbringen, und Tyll führt, nicht befiegt, ſon⸗ 
bern als Sieger fein Kaͤthchen (das von Heilbronn) heim. 
Es braucht nicht gefagt zu werben, daß bes komiſchen 


- 


1166 


Stoffes viel in diefer Aufgabe iſt, die baroden Situatio: 
nen uͤberbieten fih, aus denen ſammt und fonbers ber 
beutfche Narr firahlend im Siegerkranz hervorgeht. Das 
Ende vom Liebe, oder der Epilog im Himmel ift, daß 
der Herr den Beiden zuruft: 

br feib begmabigt und id} bin verſoͤhnt, 

eil Ihr Euch mir zu trauen habt gewöhnt! 

Ihr Habt an Menfchentugend glauben lernen 

Und Euer Glaube führt Euch zu den Sternen. 

Die Sünde ſtraft ſich felbft mit eignem Leibe. 

So geht demn ein zu Eures Herren Werde; 
denm die Verſchreibung erachtet der Herr als ungültig und 
gerreißt den Bettel, da auf Erden ihm das Papier ſchon 
zu viel ˖ gelte. Mephiſto wird zur Strafe zu 
welche die Engellegionen ihm appliciren muͤſſen, con⸗ 
demnirt. 

Daß es nicht auf einen nackten Faſtnachtsſchwank ab⸗ 
geſehen, ergeben ſchon die oben mitgetheilten Proben. Die 
Fabel iſt nur ein Schema, um der Laune gegen alle 
theoſophiſchen und philoſophiſchen Doctrinen, gegen aͤſthe⸗ 
tiſche und politiſche Diatriben den freiſten Zügel zu laſſen, 
und die ganze ibeelle Gegenwart mit ihren notabeln Per: 
ſoͤnlichkeiten erfcheint darin repräfentirt. Wenn die junge 
Richtung, zu ber ſich der Verfaffer neigt, auch nicht ver: 
deckt bleibt, und feine Geißelhiebe heftig genug fallen, 
gehört er doch nicht zu den einfeitig verflodten. Er bat 
ſich viel-wmgefehen, es weiß viel, und Kenntniſſe erzeu: 
gen von felbft Reſpect vor jeder pofitiven Errungenfchaft. 
Wenn aud ein fatitifches Narrenfpiel nicht gerade der 
Ort ift, die Anerkennung auszufprechen, fo zeugt doch das 
Ganze für eine tüchtige Geſinnung. Den Lefern wol: 
len wir bie Luſt nicht vorwegnehmen, indem wir ein 
Scenarium ber mehr oder minder geiftvellen Schwaͤnke 
geben. Daß fie bisweilen ins Grobderbe ausfallen, wäre 
fein Zabel, wenn Tyll der altdeutſche Narı des Dolls: 
glaubens bllebe; wenn fie der Wirkung entbehren, ift es 
mir‘ um deshalb, daß ulenfpiegel, der Natur der Auf: 
gabe zufolge, in Regionen auftritt, welche mit feiner 
Volksnatur niche ſtimmen. 

Poſa und Fauſt gleiten mit ihrem Bombaſt und ihrer 
gemuͤthvollen Speculation jedesmal wie plumpe Geſellen vor 
Toll's Ingenium und Naturktaft ab, der Narr laͤßt fie ſogar 
ins Narrenhaus ſperren. Schlimmer aber ergeht es Me: 
phiſto, welcher, ganz im Sinne bes deutſchen Volksmy⸗ 
thus, trotz allen teufliſchen Raffinements, als dummer 
deutſcher Teufel am empfindlichſten geprellt wich. Sa, 
much, dem Verluſte einer Wette iſt er gezwungen als Eſel 
dem Narten zu folgen. Als Probe, in welche Regionen 
fü) die Speculation begibt und wie fie populair gemacht 
wird, bier ein ergöglicher Diseurs zwiſchen Tha umd 
Eauft, der mit ihm im der Mesamorphefe als Kaͤthchen 
cortſervirt. 


und daß das Wirkliche ſeinerſeits 
Auch das Vernünftige fei bereits. 


Spitzruthen/ 


Tyll. 
Sin verwünſchter Sag! Ein Satz ber Säge! 
Eine wirkliche VBernunftsjagbhege ! 
Wie ein Keffeltreiben fo rund und zierlich! 
Was meinſt du, iſt eine Wurſt woi wirklich? 


Fauſt. 
Dergleichun Fragen laß doch kanftig! 
Frag dich lieber: iſt eine Dur ha vernünftig? 
—— ſo wenig als Scinken und Schmalz! 
ſtak i en bis an ben Hals? 
war · von vorſeſfſen, 
Und ich Schafskopf habe nur Schatten gefreſſen! 
Darum Arieg ich aud) immer neuen Appetit, 
Weil die Wurſt defertict aus bem Magengebiet! 
bdie Mut See: ’ Das ’ 
Kann ebenfo wenig wirklich fein; 
Und überhaupt alles Fleiſch und Bein 
Iſt alfo nur Dunft und —— und Schein! 
u 


auſt. 
Du folgerſt, Geliebter, im Scherze ſelbſt richtig: 
Alles unvernünftige if wirklich nichtig. 
Lt. 


v 
Dann, Geliebte, muß ich erſt Proben ſehn: 
Erlaube, ich trete dich auf die Zehen! 


Fauſt. 
O weh meine Zehen! O weh, o weh! 


it. 
Du haſt ja eine wirkliche Beh? 

Schilda macht unter feinen Anfprüchen auch den auf die 
Geburt bes Althegelthums. Am bitterften und relchhat⸗ 
tigften find die Invectiven gegen die Kämpfe der Zeit in 
zwei Zwiſchenſpielen ausgeftreut. Das’ etfle Liefert die 
Protokolle über eine Deputictentammer der Höfe, d 
zweite eine theologiſch⸗philoſophiſche Disputation zu Sata 
über eine neue Religion. Die Matadore unferer Reffau= 
rationspolltiker erſchelnen dort auf der Tribune als alte 
Weiber und fegen mit moͤglichſter Gruͤndlichkeit ihre 
Syſteme ausetnander. Die Politik iſolirt fich aber nir⸗ 
gend mehr vom gelſtigen Leben, alſo treten auch alle moͤg⸗ 
liche Tendenzen ſprechend oder beſprochen hervor, und die 
Hälfte der deutſchen Notabilltaͤten Zunge und Alte, Ver: 
geffene und neu Auftauchenbe, finden: ſich hier in der 
Hölle wieder. Wenn der Ernſt der Theorien des Haller⸗ 
Leu mit Stud in deu Spaß üͤberſetzt erſcheint, fo faͤllt 
Mephifto dafür im aͤſthetiſchen Urthelle aus ſeiner Mole, 
nämlich in pofitiven Ernſt. das ein Zeichen dafür, 
bag dem Deutfchen' bie Kunſt doch im Grunde über Alles 
geht, auch denen, die fie nur als Mittel für ihre Ten⸗ 
dengen umd Traͤume verwenden wollm? Mile dem auch 
fet, dee Ernſt iſt ehrenhaft; man höre Mephiſto, was er 
von bee wahthaften Komödie fpricht, welche die Alten nie: 
mtils voſſtommen 'erreichen Eonnten. Die Neuen: 

— ihrer Armuckh unbewırßt 

Kamen gu ben Antilen juft 

— ———— 

van nur . 

Aber, wie gefagt, die heidniſchen Alten 

Haben mie eine Konröble erdat 


4467 


Die verkehrte Welt, nicht unter teuflifchem Gpott, 
cht unter finnlofen Späßen, elenden, 
Über bie wir lachend uns felber fchänden, 
Rein, mit licbefeliger kuſtigkeit, 
Welche das Chriſtenthum nur verleiht. 
Wir halten daher die Ariflophanifche 
Kür eine poſſenhaft fatanifche, 
In welcher unter phantaftifchen Scherzen 
Der Satan als Satan peinigt die Herzen. 
Wir nicht Neuhegelianer, mit dem Reſultate vollkommen 
übereinftimmend, wuͤrden einfach fagen, das Ehriftenchum 
ift die Lehre der Loͤſung und Verföhnung, und Feine Ko: 
mödie ohne dieſe beiden. Wortrefflich wird der deutſche 
Ariftophanide charakterifict. Überraſchend aber kommt 
von diefer Seite eine Würdigung Tieck's als beutfcher Luft: 
fpieldichter. 
— Unfer ehrfamer Müdenrichtee (Platen! Freilich eine ber 
merkwuͤrdigſten Einſeitigkeiten biefes Ariflophantden.) 
Hat ihn gar nicht erwähnt als Komöbdiendichter ; 
Und dennoch hätte Tieck faft ergabelt, 
Wonach Andere umfonft ſich Thuͤrme gebabelt, 
Kur ſpukt ihm das Mittelalter im Kopf, 
Und fpudt ihm leider oft auf den Zopf! 
Er grabbett gar zu gern im Dunkeln, 
Er denkt, im Dunkeln iſt gut Munfeln; 
Drum hat er denn audy die verkehrte Welt 
Blos dunkelmunkelig bargeftellt. 


Er gab ein Vorſpiel zur wahren Komoͤdie. 
(Der Beſchluß folgt. ) 
| 
Hungary and Transylvania, with remarks on their 
condition, social, pelitical and economical, By John 
Paget. Zwei Bände. 
(Beſchluß aus Nr. 288.) 


Einen Eomifcgen Bug des nationalen Unabhängigkeitslinnes 


in Ungarn theilt Paget mit: 

„Jede eine Hütte im Piſtjom (einem nieberungarifchen 
Babesrte in der neitraiſchen Geſpanſchaft) ift über der Thäre 
mit einem Zeichen ausgezeichnet. Manche bavon find ziemlich 
drellig, nicht minder aber- bes Grund, dem unfer Gieecone da⸗ 
für angab. Das ift, weil Ungarn ein freies Sand iſt und den 
Katfen bie Haͤuſer nicht zählen laſſen wit; fo fagt-man flat: 
„Ich wohne in Nr. 10 oder Nr. 20° — „Ich wehne im 
blauen Hufaren’’ oben „in der goldenen Ente“. Das wärbe 
freilich erſchrecklich gewefen fein, hätte Kaiſer Joſeph die Haͤu⸗ 
fee wie in Hftreich gezaͤhlt. Nicht Lange nachher erhielt ich 
eine Auseinanderfehung biefes confitutionnellen Rechts. Joſeph 
foderte, offenbar für die Grundmauer feiner Reformen, die Zer⸗ 
fösung der Municipalverfafiung in den ungariſchen Comitaten 
und deren Reovganifation auf einer gang neuen Grundlage: 
denn fo lange deren Selbſtregierungsſyſtem beſtand, fand ex: die 
Ausfü feines Berwaltungss und MBefleuerungäfyfisms un⸗ 
möglih. Die Zählung ber Häufer war ein Schritt vorwaͤrts 
zu biefem Zwecke; und bad Bolt ergeiff mit dem : eigenthlimeits 
den Volkeinſtincte das äußere Zeichen, das ihren: Augen ſich 
barbot, und leiftete ihm feiner eigenen Unſchulb und ber. verbou: 
genen Gefahren unbewußt Wiberfianb.‘‘ 

Paget findet ˖ manche Berkbrungspunkte zwiſchen dem eng⸗ 
liſchen Charakter mit ſeinem folgen, zurädhaltenden Ernſte und 
Sem Magyarenthume, Beide Möller feheinen gleiche: Anlage 
um Sehen sw haben, und verhaͤten jebe Vermiſchung mit 

ederer ce; 


Des magyazifhe Bauer | 
achtung, das zuweilen vielleicht an naͤrriſchen Stolz guenzt. 


ische Bauer Hat ein hohes Gefühl von Gelbfis |- 


Sehr felten gibt er fi zum Acteur her; beshalb-ift das 
von beutfchen Schaufpielern, 6öhmifäen a * u 


‚den Zigeunern voll; denn fo wenig es jenem anfleht, zu Anbes 


ver Vergnügen zu dienen, fo wenig bat er damiber 
ihnen unterhalten zu laffen. Damit r ein Sinn für — 
lichen Anſtand, und in gewiſſen Dingen eine eigenſinnige De⸗ 
licateſſe verbunden, wie man es nur ſelten bei einem andern 
Volke findet. Der Magyare hegt eine leidenſchaftliche Liebe zu 
feinem Lande, verbunden mit der Überzeugung: Riemand fe 
fo gefegnet und glücic wie er. Der Schweizer Tann nicht 
bingebender an feine Berge, als der Magyare an feine Ebenen 
gefefielt fein. Isaplovics ergibt, baß ein junges Mädchen aus 
Debreczin, das zum erfien Male In bie Berge von Liptau und 
Acra kam, bie Dörfer mit dem äußerften Erſtaunen anſah und 
bei dem Änblick ber ipr als folche erfcheinenden Ode und Ars 
muth ber Raturfcene in den Ausruf ausbrach: „Was! Kann 
man bier auch leben?” Sprache und Religion find zwei wich⸗ 
tige Punkte der Rationalität bei bem Magyaren. laubt, 
daß er allein den wahren Glauben — ben calviniftifäm — 
babe, den er nur unter dem Namen Magyars valläs Eennt; 
baß blos feine Sprache im Himmel verflanden werde und des⸗ 
halb allein zum Beten zu brauden ſei. Cine arme Amme 
bäuerlier Abkunft — die ungarifchen ſollen die beflen in ber 
ganzen Welt fein — hörte, am Bette der Gräfin D. figend, 
diefe im Außerften Schmerze ben gewöhnlichen deutſchen Ausruf: 
„Ach Sott, ach Bott!‘ ausſtoßen. „Ach Gott, vergib mir”, 
war ihre Bemerkung darauf, „wie &önnen Sie benn erwarten, 
daß Bott Sie ert dre und Ihnen Erleichterung verfchaffe, wenn 
Sie mit ihm in einer Sprache reden, bie ex nicht verſteht.““ 
Diefe gemeinſchaftlichen Eigenthümlichkeiten britiſchen und 
magyariſchen Weſens treten noch mehr hervor, wenn man in 
Berührung mit den Wallachen kommt, die viele von den Ei⸗ 
genthümiidyleiten des celelfchen Stammes, bis auf den Zartan 
und den Dubefa des gaͤliſchen Bevoͤllerung Beitanniens. haben. 
„Her magyarifdie Bauer hegt gegen bie Walachen bie 
tieffte Beachtung. Er neunt fie „ein: Wolf, weichem das Hemde 
beraushängt”’, wegen ber Art, wie fie biefen Theil der Klei⸗ 
bung über ben unten Anzug tragen. Gr fept fie im eine Reihe 
mit Juden und Bigeunern. Gebt wenn bee Magyare in bem: 
felben Dorfe wohnt, heisathet er: nie unter bie Daiachen. Daß 
dieſe faul und trunkſuchtig find, iſt ſchwer gu leugnen. Selbſt 
mitten in der Ernte ſieht man fie um fo gemaͤchticher in der 
Sonne liegen und ſchlafen, als fie wiſſen, doß fie arbeiten fol: 
ten. Ihr Kon if allemal das zulegt weichnittene, und ſehr 
oft ‚bleibt es auf bem Woben liegen und fällt aus, weil es nicht 
zeitig zuſammengerafft iſt; und doch vergeht kaum ein Winter, 
ohne daß fie Hunger leiden. Hat bee Walache einen Wagen 
zw fahren, fo findet man ihn gewoͤhnlich darauf fchlefend ; muß 
es Beten gehen, fo macht er ſich betrunken auf den Meg und 
verſchlaͤft die Zeit, da feine Welorgung fertig fein ſollte. Kann 
man diefe Fehler nicht wegleugnen, fo ſind fie doch leicht zu 
befehöntgen. Die balbgegwungene Arbeit, womit bie ungarifchen 
Bauern ihre Zinfen begabten, erjeugt bet ihnen auf ganz na⸗ 
turlichem Wege die Neigung nicht blos, fonbeen den Vorſatz, 
im einer gegebenen Zeit ſo wenig. als möglich ge- thun. Dazu 
fommt,. ba wenigſtens ben dritten Theil des Jahres Feſte ‚und 
Faften einmehnten, während weicher die‘ Arbeit:von ihrer Reli⸗ 
gion verpoͤnt iſt; ber doppelte Zehnte an. Kirche und: Gutsbe⸗ 
füger hemmt jede Werbefferung; die Ungerechtigkeit, mit der ;fle 
behandelt werden find, Hat altes Bertzaum auf Geuschtigkeit 
und jedes Befähl:der Sicherheit vernichtet; ums fo iſt es wicht 
ſchwer, zu errathen, warum fie faul find; : Gin anderer Tee 
wirkſamer Grund ift die koͤrperliche · Schwaͤche, etzeugt von 
ſchlechter Nahrung und noch mehr von den Faſten ber griechi⸗ 
Kirche, bie mit einer Strengt beobachtet werden, wovon 
der’ Katholictimus keine Idee bat, und: fie oft auf den tiefſten 
Grad von Brmettling: herabbringen, ja fogeas: zurweiten "ben Jod 
herbeiziehen. habe oft -von-ben- -andeuten- und 
erklären hören, daß die Walachen mit dem beten Willen nicht 


‚1168 


denfelben Wetrag von Arbeit leiſten koͤnnen wie bie wohlges 
nährten Deutfchen und Magyaren. Ein anderer Grund Ihrer 
Laffigkeit ift in ihren geringen Beduͤrfniſſen und ihrer leichten 
Befriedigung zu ſuchen. Der Boden trägt ben Mais zu ber 
Holenta oder Mamalinga, mie der Walache es nennt, meift 
von feibft, und feine Frau verfertigt aus ber Wolle und dem 
Danfe ihres Kleinen Gutes Altes, was zum Haushalte und zur 
Kieidung erfobert wird. Viele Ungarn halten, ich weiß es, alle 
Gultur für unmöglich, wollte man Renten an bie Gtelle ber 
Frohnden fegen, zumal wo bie Bauern Walachen find; aber 
man laffe nur dem Verkehr einen guten Markt eröffnen und 
führe vornehmlich Hanbelögegenflände ein, und ber Walache 
wird ſchwerlich einen Begenbeweis zu den &runbfägen abgeben, 
deren Wahrheit alle Zeiten und Völker ermiefen haben. Es 
fehtt ihm nicht an Unternehmungsgeifte: denn Nichte gefällt 
ihm mehr als eine Meine Speculation. Hat ihm ein vorzüglich 
fhönes Jahr eine beffere Ernte als gewöhnlich beſchert, fo la: 
det ex fie auf feinen Eleinen Wagen, fpannt feine Ochſen an, 
verfieht ſich mit feinem Maisbrote und einem Stücke Sped und 
fährt auf einen etwas entfernten Markt, wo er feine Rechnung 
mit feinen Erzeugniſſen ie machen gedenkt. Es ift wahr, er 
fhläft den ganzen F ber auf ſeiner Ladung, vertrinkt viel⸗ 
leicht einen guten Theil des Geldes, bevor er zurückkehrt; um 
das Ubrige betrügt ihn vollends ein Jude duch Austauſch eint- 
gen werthlofen Krames für feine Frau, doch iſt der Sinn für 
Sandeldunternehmungen vorhanden, fo wenig man auch feine 
Wohlthaten veripärt.” Ein Bild fürmahr, auf welchem das 
Thal von Hatfzeg Zipperary fprechend ähnlich erſcheint. 

Se weiter man ſich von Peſth die Donau hinab entfernt, 
um fo fichtbarer erfcheint dieſer Fluß als die Grenzlinie ber 
chriſtiichen und tuͤrkiſchen Stämme; benn obgleich er exft bei 
Belgrad die Grenze Serbiens berührt, fo haben bie weibliche 
Tracht ſowol als die Bitten ber Männer doch, fon vorher 
orientalifchen Anſtrich. Bei Semlin bot der Anblick bes Fluſſes 
eine ſeltſame Zuſammenſtellung verſchiedener Nationalitäten in 
dem hier vereint anzutreffenden verfchiebenartigen Betriebe ber 
Schiffahrt dar. Auf der ungarifchen Seite müheten ſich über 
40 Leute ab, ein ungeheueres Boot dem flarken Strome entges 
genzuziehen — denn der Ungar braucht nie ein @egel, obgleich 
ex es fchon feit Jahrhunderten auf der entgegengefegten Seite 
defielben Fluſſes angewendet fieht, wo es, vom ‚Winde gebläht, 
das türkifche Boot luſtig dahinträgt; während mitten zwifchen 
beiden Watt’s ruhmvolle Erfindung ben prädtigen Zriny da⸗ 
hintrieb und die gebrechliche Kraft bee andern in deflen Spur 
hinabzureißen drohte. „Man Eonnte fi drei Weltalter in ei⸗ 
nem Augenblide der Gegenwart vereint vorſtellen.“ Die traus 
rige Einformigkeit des Militairgrenggebiets wird erſt von Go⸗ 
Iumbag aus durch ben —— Weg der Donau wie⸗ 
ber unterbrochen, bie zwiſchen ſteilen Klippen über Felſendloͤcke 
dabinftürzt, aber dadurch zugleich der Flußfahrt beträchtliche 
Hinderniffe in ben Weg legt, weshalb man bei Paget's Anwe⸗ 
fenheit, unter der Leitung des Brafen &Szechenyi und oͤſtreichi⸗ 
ſcher Ingenieure, den Bau einer guten Straße zur Herftellung 
eines leichten Landverkehrs in Angriff genommen hatte, ein Un⸗ 
ternehmen, welches die Aufmerkfamkeit auf die Überbleibfel der 
römifhen Bauten in ber Provinz Dacien: bie Via Trajana, 
ben römifchen Kanal, zu Vermeidung ber Kährlichkeiten des ei- 
fernen Thores, und die Zrajansbrüde unterhalb Blabora lenkt. 
Im Banate, das man bei Szegedin betritt, haben bie gegen: 
wärtigen Bebauer bei aller noch fo bewunbernswerthen gar 
barkeit des Bodens und dem ausgezeichnet fchönen Klima Nichte 
getban, um aus biefen natürlichen Hülfsquellen Nusen zu zie: 
ben; noch weniger die Kammerverwaltung, bie Cultur zu ers 
mutbigen. Im Lande an ber fiebenbürgifchen Grenze fcheint 
die daciſche Bevoͤlkerung feit der Zeit, da Dvib über feinen 
rauhen Verbannungsort jammerte und die Bildner der Tra⸗ 
jansfäule die wilden Krieger ber befiegten Donauflämme por⸗ 


traitixten, in Sitten und Ausfchen fi) nur wenig geändert zu 
haben. Unter ber wallachiſchen Bevoͤlkerung Biehenbürgehs 
herrſcht noch weniger Tüchtigkeit und Intelligenz als unter 
ihren magyarifchen Nachbarn: der ſchreckliche Zuftand der Wege 
macht Barhely und die Umgegend faft ungugänglih,. Nur bie 
Sutmüthigkeit und Gaſtlichkeit des Works laͤßt den Fremden ſich 
über die zahlreichen Übelſtaͤnde hinwegſetzen. 

. &s wird bei der Wichtigkeit des Begenftandes nicht be= 
fremden, wenn wir uns von Paget's Schilderungen faft aus⸗ 
fhließend auf das Bebiet ber Nationalcharaktere Ungarns ha⸗ 
ben leiten lofien; um dem dadurch etwa veranlaßten Vorur⸗ 
theile, als fei den andern Merkwürdigkeiten diefes intereffanten 
Landes von ihm keine Aufmerkfamkeit gefchentt worden, vorzu⸗ 
beugen, ſei e8 erlaubt als einzigen Gegenbeweis deſſen beach⸗ 
tungswerthe Beſchreibung ber feltenen Raturerfcheinung, weiche 
ber ——— ei im fiebenbürgifchen Szecklerlande bdarbietet, 
mitzutheilen. 

„als wir auf den Hügel Tamen, bemerkte uns der Baron 
(welcher der gaftfreundlide Wirth Paget's war), daß wir im 
Begriffe fländen, einige mineralifhe Quellen zu befuchen, bie 
den Gipfel des Berges einnehmen und bann ungefähr eine 
Meile weit zu dem Bübös, oder der Stinthöhle gehen, bie wir 
eben fuchten. Als wir bie Höhe erreichten, erflaunten wir, brei 
oder vier leiblich gebaute Hütten, eine Maffe Stroh und halb 
verbranntes Holz zu finden, als wären jene Hütten vor kurzem 
noch bewohnt gewefen. Dem war in der That fo: denn trog 
der Unmiffenheit der Bewohner von Vaſarhely über diefen Ges 
genftand, iſt der Buͤdos ein fehr fafhionabler Badeort, zum 
mindeften bei den Bauern. Sie kommen im Sommer hierher, 
bauen au6 Zweigen eine Hütte, beiten fie mit Stroh und, reich⸗ 
li mit Bedarf verfehen, verweilen fie einen Monat oder ſechs 
Wochen lang. Ohne die Quellen weiter zu befeben, eilten wir 
zu ber Höhle. An der Vorderſeite eines Dolomits war eine 
Deffnung, weit genug, um ungefähr zwölf Perfonen aufzuneh: 
men, beren Boden fhief nach Innen und abwärts von ber 
Mündung gebt. Wenige Jahre früher war die Höhle viel weis 
tee: durch ein Erdbeben war fie zum großen Theile zerftört 
worden. An ben Seiten bes untern heile befand fich eine 
bünne gelbe Rinde, ber von uns als Schwefel, der fi von 
den aus ben Felfenrigen ausftrömenben Gaſen niedergefegt hatte, 
erfunden ward. Als wir weiter in die Höhle gingen, fühlten 
wie eine kitzelnde Wärme, wie ich vordem nie etwas Ahnliches 
gefühlt habe: in dem Werhältniffe, als wir weiter binabftiegen, 
ſchlich ſie gleichſam weiter und weiter an dem Körper hinan. 
Diefe außerordentliche Erfcheinung rührt von einer Goncentra- 
tion von Tohlenfaurem Gas — mit einem geringen Theile von 
Schwefelhydrogen vermiſcht — her, welches ſich aus einer Luft⸗ 
flrömung im niedern Theile der Höhle ergießt und dieſe in 
gleicher Höhe mit der Mündung erfüllt; es ſtroͤmt fo regelmaͤ⸗ 
Fig aus, als es nur immer Waſſer thun kann. Die Zemperas 
tur war in dem einen Theile der Höhle nicht höher als in dem 
andern; ‚denn bei einer Handbewegung von bee Höhe nach der 
Tiefe bemerkte man zuerſt nicht den geringflen Unterfchied; doch 
fobald das Aeidum die Haut zu durchdringen vermochte, fühlte 
man bie kitzelnde Wärme, Wir fliegen fo weit hinab, bis das 
Gas an das Kinn reichte, wo wir es bann in ber Hand zu 
den Lippen emporbringen und uns von feinem fauern Ge⸗ 
ſchmacke verfichern konnten. Gewöhnlich nimmt man an, daß 
verdünntes Tohlenfaures Bas, wenn es In die Lunge eindringt 
und dann jede andere Luft ausflößt, den Tod herbeiführt; aber 
bier war es unmöglich, es einzuathmen; benn der in der Eufts 
röhrenfpalte erzeugte Heiz & biefe fo zufammen, daß nur ein 
unmittelbarer Tod durch ckung herbeigefuͤhrt worden ſein 
würde. Kam etwas davon in Augen oder Raſe, ſo erregte es 
Heftige Schmerzen. Die Bauern geben ben Punkt an, wie welt 
fie mit Sicherheit gehen koͤnnen, indem fie Feuer fhlagen und 
anhalten, ſobald ber Stein Leine Funken mehr gibt.‘ 80, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Druck und Werlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 





un 


0... Blätter 


für 


Literarifde Unterhaltung. 





Freitag, 


ee Kr. 290, 


16. Dctober 1840, 








4. Tyll Eulenfpiegel. Komödie von Friedrich Ra= 
dewell. 
2. Das Centrum der Speculation. Eine Komoͤdie. 

Heraudgegeben von Karl Roſenkranz. 

(Beſchluß aus Nr. 289.) 

Schließlich fei Allen, die Lateiniſch verftehen, die Raths⸗ 
figung in Schilda anempfohlen, die ba verhandelt, ob bie 
neue doctrina des Schufter Pech vom Staate zu abopti: 
ren fei. Ein guter Spaß auf den Bretern mit fehr ernft: 
haften Tendenzen hinter den Couliffen, und dazu bie 
befannten theologifchen Streiter über res divinae in er: 
baulichen Iateinifchen Knüttelverfen fi) tummelnd. Die 
Disputation mit dem Chorus ber Rathsherren 

Consentimus! 
Jam credimus quae nescimus. 
Qui cogitando nimis occupatur 
Capitis dolore a Deo cruciatur, 
tonnte füglih nur lateiniſch abgehalten werden, wenn 
auch nicht aus dem vom Eonfiftorium angegebenen Grunde: 
Rem sanctam profanat lingua vulgaris. 

Salt es dem Verfaſſer nur, eine Ariftophanifche Ko: 
möbie zu fchreiben, in dem Sinne, toie er fie für die 
modern chriftliche Welt verlangt, oder wollte er den alten 
deutſchen Narren, Tyll Eulenfpiegel, in einer modernen 
Dichtung, den Anfprücen der Gegenwart gemäß, wieder 
populaie machen? Wenn lestered, fo wird er felbft am 
beften fühlen, daß ihm das nicht gelang. Seit wir Goe: 
the's „Fauſt“ befigen, feit Xie in dem beutfchen Volke: 
märchenfchage mwühlte, ward das Verlangen ausgefprochen, 
auch den alten koſtbaren Tyll in unfere Zeit, für unfern 
aͤſthetiſchen Geſchmack überfegt zu erhalten. Es wagte ſich 
fein Dichter daran; bie wenigen Verſuche find kaum be: 
kannt geworben, oder nicht der Beobachtung werth. Der 
Verfaſſer diefer Komödie mag anfangs ben Vorfag gehabt 
haben, aber der Vorrath von Bildung und Kenntnifien, 
den er mitbrachte, wuchtete zu ſchwer auf ihm. Es ging 
ihm wie manchem Märchendichter, ber einen Klaren Quell 
findet, welcher zwifchen Moos und Steinen fidernd gar 
anmuthig iſt. Aber er will darin Gott und Welt ab: 
fpiegela und man verliert darüber das klare Waſſer aus 
dem Geſichte. Was wirkt ein Tyll des Volksbuchs? 
Daß Jeder ihn verfteht. Ein Tyll, der auf feinen Schul: 
ten den Erdball trägt, mit allen philofophifchen, theofo: 


phifchen, politifchen und Afthetifchen Adern ift nicht mehr 
für das Boll. Es ift fchade, der Verf. hat gerungen, 
mit vieler Kraft, oft mit Gluͤck, die Schulbegriffe popus 
lair zu machen, Ausdrüde zu finden, die den Nagel auf 
ben Kopf treffen und ganz und gar nicht mehr nach ber 
Schule riehen, aber aus feiner Haut konnte er doch nicht 
heraus, und die iſt eine gelehrte. Er hat ſich's gar nicht 
leicht gemacht, er fpielt nicht oberflächlich mit den Din: 
gen, er kennt fie, er hat tüchtig fludirt, er will im Po⸗ 
pulsiren auch gründlich fein. Selbſt die er am äraften 
perfifliet, find ihm um deswillen Dank fchuldig, daß er 
fie nicht mit Phrafen abfertigt, fondern er laͤßt fie ſich 
entwideln aus fich felbft heraus, und ſchmuͤckt fie dann 
nur, wie es dem Satiriker erlaubt iſt. Aber dies Sich: 
vertiefen, fo achtbar fonft, iſt für den Zweck nicht pro: 
fitabel. Ein Bild, in jedem feiner Theile zu forgfältig 
und treu ausgeführt, entbehrt als Ganzes der kuͤnſtleri⸗ 
[hen Wirkung. Es kommt dazu, daß das Luſtſpiel auch 
ber dramatifchen Handlung, der Kataftrophen entbehet. 
Der Narr kommt nicht durch Anftrengung und Kampf 
zum Siege, er ift von Anfang an in der geiftigen Über: 
macht, und zum Schluß berfelbe, der er von Anbeoinn 
war. Unvermundbarer als des Peleus Sohn, kann ihm 
nichts begegnen, und er ift ebenfo wenig ein dramatifcher 
Held als ein fertiger Heiliger, den keine menſchlichen Af: 
fecte und Schickſale mehr afficiren, der Held einer Tra⸗ 
gödie fein kann. Dies, mie gefagt, hat der Verf. fetbft 
wol beffer als wir eingefehen, und feine Polemik warb 
ihm zur Dauptfache, die er denn in einem bunten Ra: 
tetenfeuer mit Wig und geiftreichen Überrafchungen fpie: 
ien läßt. Abftrahire man vom ulenfpiegel des Wolke: 
bucyes und man hat einen gefchliffenen Spiegel, in dem 
fih das Nachtgevögel in wunderbaren Zerrgeftalten und 
doch gut getroffen wieder findet. Der Hauptgedanke, 
daß dem beutfhen Narren, ber in Herzenseinfalt und 
Srohfinn das Leben genießt und mit Mutterwis fich aller 
Anfehtungen erwehrt, der Teufel nichts anhaben Bann, 
und daß er Gott näher fleht als Grübler, Phantaften, 
Himmelsſtuͤrmer und Zeloten, wäre aber einer Ausfüh: 
rung werth, die in Einfalt und Verſtaͤndlichkeit wieder 
ihren Ruͤckweg zum Volke fände. 


2. Das Centrum ber Speculation. 
Pallas Athene, in archäofogifchen Studien in Agyp: 


1170 


tem vertieft, hört dort mit Schrecken beh Tod Hegel's. 
Sie fendet ihren Herold auf einem Strauß fpornftcads 
nach Berlin, der dem Chor der Eulen den Willen det 
Göttin verkuͤndet. Sie ſelbſt, In ihren Speciatftubien 


alzu befchäftige, weiß aus dem Geſchrei der Ppilofophen d 


nicht fogldch ju enmmehmen, wer as Nchfläger,ber wlir⸗ 
Vigii 
kuͤndigen: 
Daß zum Freiſchießen fie ſich ſammeln, 
Es werde eine Scheibe autgehenk, 
d jegticher verfuche er 
Das re treffe. ’ Reine Willkür fet 
Geſtattet. Es enticheide nur die That. 
Der Chor der Eulen findet diefe Anordnung vortrefflid: 
Den das Netheit fe, 


Rn wa teichter eſt 
Ob einer in das Schwarze ſchießt, ob nicht, 

Als wenn man er aus Büchern, aus Kritik 

Erkennen wollte, wer der Wärdigfle. 

Geſchrieben haben alle Üübergnug. 
In der Hafenhaide bei Berlin findet das Schießen flatt. 
Bon allen Winden eilen die Philofophen herbei mit Knuͤt⸗ 
tele, Piſtolen, Wehr und Waffen und Mundwerk alter 
Urt. Mehre verfihmähen es jedoch dem Rufe zu folgen, 
wie Herbatt in Göttingen, der aber wenizftens eine freund: 
Ihe Mahnung fendet, fi im Jutereſſe der deutſchen 
Wiſſenſchaft nicht vor dem Publicum durch Kagbalgereien 
zu blamiren. Andere, wie Schelling, find zu vornehm, 
überhaupt von ber Sache Notiz zu nehmen. Viele ec: 
fcheinen, ziehen aber, ohne zu fchießen, wieder ab. Dafür 
bringt Kranz von Abdera aus Münden einen fehr un: 
erwarteten DBefucher mit, George Sand, bie bei biefer 
günftigen Gelegenheit bie deutſche Speculation kennen 
lernen will. Indefſen kommt es uͤberall nicht zum Schie: 
Gen, denn der neumittelalterliche Hiſtoriker aus Halle 
poltert dazwiſchen, und Sacrilegium und Hochverrath wit: 
dernd, hetzt er die Gensdarmen gegen die verſammelten Phi: 
loſophen. Diefe ziehen ſich befcheiden vor foldyer Jnter⸗ 
vention zuruͤck, wodurd aber erſt der Ingrimm des Di: 
ſtorikers in heile Flammen auflodert: 

Rein über dieſe Feigheit! Gehen fie wahrlich auseinander 
wie Scyullnaben! O, ihr Philofophen, biefe Accommodation 
beweift recht, wie faul ihr inmendig feld. Ihr Herzlofen Lumpe, 
ihr wollt unfere Zeit cariren? Ihr wollt und fagen, was wir 
tun und laffen follen? Ich bin überzeugt, im Mittelalter 
wäre bei fo einem Bau, wie biefer hier, die tollfte Schlägerei 
entftanden. Aber dies fade, paffive Geſchlecht Läßt fih Alles 
gefallen. Große Worte, kleine Spaten, Sophiſtiſche Rechtfer⸗ 
tigungen jeder Schnoͤdigkeit. Pfut, ich ſchaͤme mich ordentlich 
mit ſolch plattem Volk zuſammen zu lebden. D Sittiichbeit, bu 
biſt wahrhaftig eher unter naturwmchſigen Koſaken, als bei die⸗ 
fen Reflexioncausgehoöͤhlten, in Eitelkeit verſumpften, hoͤchſt 
blafirten Scholaſtikern zu Hauſe. 

George Sand kehrt mit einer aͤhnlichen Klage nach Pa⸗ 
ris zuruͤck, wo die Leute auf fo bewunderungsmürdige Weiſe 
Gmeuten und Barricaden zu errichten veriländen. Die 
Gensdarmen reflectiven noch in ihrer Art bei einem Glaſe 
Weißbier und der Chorus ſchließt mit verföhnlichen Be: 
trachtungen und frommen Wünfchen die Komoͤdie: 


Ja, Preußen, du, von driedricz einf, dem phiuſophiſchen 
ni, 
Genfalen Thuns re Macht erhöht won welthiſteriſchem Range, 


iz um deshald beftehlt We allen Piloſophen zu‘? -- 


%a, Hrerden, du wirſt ber Freihelt fets und ber gelterfüule⸗ 
ten Bildu 


n 
Gin Führer fein, und die Philoſophie urn vollendeten Seife 





heranziehn. 
Umfonft warb nicht an bes Pregels Strand, in dem alter⸗ 
In Koͤsberg Zmwanrel Kant ee me Fe 
n ch ’ 
Bon w a MVchte ſodaan MSoiger, Rd ne 


Die Schüler gehabt, und weichem du dankſt des Bewußtfeins 
ı männliche Klarheit, 
Die nicht mit Illuſionen und nicht mit Viſionen fi täufchet 
Und welche dem Recht und ber — giemalt vergibt ein 
einziges ta. 
D möge bir denn fortfchreitenden Edwungs ſtets alles Gute 


Bor jener erſten Komoͤdie hat dieſe den Eichten Guß 
voraus. In jener wird man feſtgehalten und muß mit⸗ 
ſtudiren, dieſe kann man im Fluge genießend durchkoſten. 
Ob daB bei Arbeiten dieſer Art ein Votzug oder ein 
Mangel ik, möge Jeder bei fich felbft entſchelden. Ob⸗ 
gleich es dem Verf. ungemeln leicht geworden zu fein 
fheint, die Ideen feiner dramatis personze und feine 
eigenen nebenher durch da6 Wort zu verkörpern, fo leicht, 
daß der Wers oft and „Loddetigte“ ſtreift, treten die In⸗ 
divfdualitäten uns doch lebhaft genug mit ihrer Begriffe: 
welt vor den Zinn. Zumal find einige der kleinern Gel: 
ſter mit wenigen Strichen charakterifiifch gezeichnet. Wie 
die Schufgenoffen des Verf. als folche eine Kombdie be: 
grüßen tönnen, in der er ihre Zerfallenheit und ihre 
ſchwachen Selten nicht gerade fcharf geißelt, aber in fchos 
nungslofer Bloͤße darſtellt, iſt eine Frage für fih. Der 
Einzelne darf ihm aber nicht grollen, wenn er bedenkt, 
mit welcher Naivheit ber Herausgeber Roſenkranz feinen 
beſten Freund Guͤldenſtern ſich ſelbſt charakterificen läßt: 

als ih erfuhr, daß hier nach dem Centrum gefchoffen 
werbe, hatte ich keine Ruhe mehr. — Freitich weiß ich felbft 
nicht recht, was ih will. Mir geht es ganz tonfus im Kopfe 
derum, ob ich zum alten oder jungen Deu d gehöre, mad 
leider tft dies eine Sade, bei weicher bas Derz nicht entſchei⸗ 
den kann. Erſt Habe ich Gedichte gefchrieben, dann mid; ias 
Mittelalter verfenkt, hierauf mittelmaͤßige Gomptlationen ge: 
macht, dazwiſchen über Glauben und Wiſſen, Schleiermacher 
und Daub, Kant und Hegel philofophirt und endrich zwifchen 
den Parteien mid fo gweideutig umpergerserfen, daß mir keine 
eingige mehr traut. habe es mit allen verdorben und bin 
body zu furchtſam allein zu fichen. Bott weiß, mas aus wir 
noch werben fol. Am Ende werde ich wirklich nichts Anderes, 
als was ich ſchon bin, ein bloßer Sihrifrfteller. Wär’ doch 
Pa zu poniven, obne gu negiren, fo wäre ſch ber glücklichſte 


Das Mingt faſt als Selbſtverleugnung Aßre den Spaß, 
wenn man ber Conjectur einiger Gelehrten Glauben bei: 
mißt, daß unter dem Guͤlbenſtetn dee professor ordina- 
rius der Philoſophie an einer deutſchen Untverfität gemeint 
fi. Segen fungirende koͤnigliche Beamte iſt, nach Ma: 
bener, die Satire nicht zu billigen. Der Grundgebanfe 
iſt ein gluͤcklicher, bie Ausführung zum The giucklich 
überall leicht und fließend, das efgentfich Dramatiſche, 
die Schuͤrzung und koͤſung des Knetens, fehlt aber auch 
diefer Komödie. 


4001 


Vor zwanzig Jahren noch Hätten beide Komöbten 
oche gemacht. Platen war ber Legte, ber durch feine 
„Babel” ein großes Publicum in Bewegung fehte, Gruppe 
fand mit feinen „Winden” noch ein refpectables, zu einer 
durchſchlagenden Wirkung kam es aud) wicht mehr. Nun 


aber ift die Zeit vorüber für Zenien und Ariſtophaniſche 


Komoͤdien. Der Wis mag noch fo dichte Funken ſpruͤ⸗ 
den, noch fo beißende Schläge vertheilen, das Publicum 
ift fat. Es will nicht mehr Bücher über Bücher, «6 
will Urfprüngliches. So heißt es, aber wer glaubt’6? 
4, 





Romanenliteratur. 
1. Novellen. Bon Kari Bahrs. Drei Thelle. Leipzig, Ens 
gelmann. 1860, 8. 2 Zihir. 12 Er. 
2. Sonft ınd Jetzt. Rovellenfammlung von David Ruffe. 
—3Zuwei Bände. Schwerin, Kuͤrſchner. 1840. 8. 1Thlr. i- Er. 


8. Zableaur aus bem Leben. Bon E. Janinski. Zwei Bunbe. 


‚Meyer. 1840, 8. 3 Ahlr. 


Xemgo N 
4, Der Liebe Wonn’ und Web. Sagen, Novellen und Skizzen 


von Wladimir. Attenburg, Pierer. 1840. 8. 1Thlr. 6 Er. 

Unäpntich im Gingzeinen, gleichen ſich bie Beiträge diefer 
Autoren zur Unterhaltungsliteratur dach darin, daß fie ſich am 
Gehalt ihrer Erzeugniſſe auf mittlere Höhe erhalten, daß fie 
nicht Lüften, daß fie der Mode bes Weltfchmerzes und der Be: 
wegung auf eine befcheidene Weiſe huldigen, daB fie bei ſolchen 
Ergießungen weislih die Mittel zu Rathe halten und wicht 
Worte verichwenden, wenn bie Gedanken erjehöpft find. 

Mr. 1 wählt als Stoff Feiner Lamentationen die Leichtfer: 
tigkeit, den Bankelmuth der Frauen, die Untreue bes Freun⸗ 
des, die Tyrannei halbgefittigter Großen. ‚Das Meteor“ ſcheint 
die Woluft, die Sünde zu verkörpern und recht moralifch ges 
meint zu fein. In dem fehr gut geführten Dialog ber Leute 
im „Geheimniß“, die alle nicht ohne Schuld find, wirb eine bis⸗ 
see noch nicht erdrterse Geite in Borthe’s ‚‚Baufl‘ befprochen, 
was man für ein kleines Wunder anzufehen hat. Wit ger 
wanbter Dialektik wird nämlich bie Meinung vertbeidigt, daß 
die lezten Scenen im zweiten Theile des „Fauſt“ eine pottiſche 
Beichte des Unrechts, an Friebderiken verübt, enthalten. „Der 
ade in Rom’ iſt eigentlich ein Wieberesflandener, ber mit bem 
nemien dunkeln Roͤckchen gar eine trübfelige Miene annahm, ſo⸗ 
ba man kaum ben alten Bekannten, von dem Meifter Bocs 
erichtet, wieder erkennt. 


keit eines Juden Selbſtmord, gebrochene Herz 

Herzeleid herbei, „Burg Schwerin 1631" nimmt das Hifkorifche 

Snterefie wahr, bie „Memoiren“ find bittere Ironie, unb das 
nze Buch begeugt des Verfaſſers gute Gabe gu Familienge⸗ 
{ der beſſern Art. 

Kr. 3. Zableaur, meiſtens Gearebilber, ſoppen, böhnen, 
oder erzählen eine Anekdote, unb da fie fich kurz faflen, wägt 
und mißt man ihren Gehalt nicht. „Herr Lemke“ iſt tragt: 
ſcher, oder vielmeht von ber zerreißend ſchmerzlichen Art, wo 
der Wenfch ungztücklich wird, weil ex an Unſchuld unb Eiche in 
der Beuft des Bruders glaubte. „Die romantiſche Ehe‘, bie 
Umgfte Seichte, if pikant, bie Gatten wollen ums nicht 
gefallen; der weibifäge, bald aufbraufende batd zaghafte Man 

5dt nur Bedauern, die herriſche Frau Abneigung ein, wir 
nnen nicht an bas endliche Süd in bee Ehe glauben, obs 
oleich Mügli der Autos vie Frau erbeinden Täpt, damit fie 





fein gebulbig ſich vecpelten u, de Mannes Fehler niche 
länger fehen Tann, uhd dieſer zu feinem Pe Pond 
duch die Pflege der Blinden vinen teiftigen Borwand hat. 
Nr. 4 iſt durch den Titel erftärt. Es ift nur zu bemet⸗ 
Een, daß die VBonne meiftens das Geſchick, das Mich die Thor⸗ 
heit und Gchlcchtigkeit der Menſchen gab. Wahnſiim und 
Selbſtmord machen ſich geltender als eine glüͤckich⸗ Che, die 
zum größern Theil fi paffiv zu verhalten hat, und eben bei 
halb gtüdtich ift, weil fie keinen Stoff zu einem Epigramm gibt. 
Wer das finfter Leidenfchafttiche liebt, findet deffen gemug in 


| den größern und kleinern Erzählungen der Sammlung, die am 


wenigften in ihren Skizzen befriedigt. 


5. Mufdeln am Strande. Cine Sammlung von Erzählungen 
von Heinrich Smidt. Deitter und vierter Band. Lelps 
sig, Kolmann. 1840, 8. 2 Zhlr. 

Diefe Erzählungen wurden zum größern Iheil au fremden 
Ufern einmagazinict. Unter ben Seebildern gibt es recht anziehende: 
Admiral Ruyter‘ und „Scan Bart’ find für ſich befichende Bruche 
üde aus größern Werken. Die „Metamorphoſe“ druͤckt hoffmans 
niſirend die Behauptung aus, daß von den heutigen englifyen Buͤh⸗ 
nenhelden ein jeder in feinem Fache Durch Garrick übertroffen wird, 
eine Meinung, bie ſchwerlich unbedingt gültig. fein kann. Alẽ 
Gegenftüd dient die eigene Erfindung: „Die maskirte Geſellſchaft“, 
in weldyer noch ftärker Hoffmann ſpukt, dem Träumer verpers 
fönlichen ſich £udinig Deorient'’s Rollen, bilden mit ihm einen 
Roman, ber ihn ſchnurſtraks in die Hölle führt, woraus ihn 
nur fein Erwachen erlöfl. Das Reflectirende ift wohl geordnet, 
felbft geiftreih, aber das Zragifche ift ohne Erhebung, es em 
pfindelt und noch Öfter peinigt es, doch gilt der Selbſtmord 
nit als Rothwendigkeit, wie in fo vielen Schriften unferer 
Nachbarn jenfeit des Rheins. 

6. Rachtſchatten. Schauererzaͤhlungen. Frei nad dem Frans 

den und Gnglifchen von St. Frie drich, Francois 

Robert u. A. Zwei Bände. — Auch u. db. T.: Blutrofen. 
Dritter und vierter Band. Breslau, Verlags⸗Comtoir. 1840. 
as * nis 6 Gr. — 

m tniß zu den Erzaͤhlungen, bie trog des harm⸗ 
lofen Schildes, das fie führen, fo viel Greuel enthalten, geht es 
in diefen, die auf das Entfeslichfte vorbereiten, noch ſchonend 
genug zu und an Raffinements in dem haut goüt des Empoͤ⸗ 
senden iſt vollends nicht zu benten. Hoͤchſtens ift es eine Abs 
weichung von dem Herkoͤmmlichen, daß in ‚Der Entfühete”, 
ein Bann ber leibende Theil ift, aber der Schulmeifter, den 
dies betrifft, iſt ein fo armfeliger Tropf, daß wir Mathildent 
Seidenfchaft für ihn nicht nachempfinden Tönnen, und ba bie 
Geſchichte nicht ins Lacherliche gezogen ift, fo werben wir uns 
gleichgültig, wo nicht mit Abneigung, davon weg. „Des Dich⸗ 
ters Triumph‘ parapbrafirt die bekannte Erzählung von Papft 
Sirtus V., welcher denn Manne, der beißende PYasquille auf ihn 
verfertigt,, feinem Verſprechen gemäß nicht am Leben ſtrafte, 
im Unterhalt gab, aber bie Zunge und bie Bände abs 
ſchneiden lich. ESpiſodiſche Kiguren und Begebenheiten verläus 
gern die Erzuͤhlung. „‚Die Königin von Indien‘ bat mit den 
Gaunereien einer verſchmitten nen und geübter Falſchmüͤn⸗ 
. „Chriſtine in Kontainebleau‘’ wiederholt einen faft 
abgenusten Gegenfland, ber durch einige Nebenränle und ben 





Notiz. 


Raumer’s „Italien“ it mit Geſchicklichkett ins Engliſche 
überfegt worden. Die Abkürzung der Urſchrift (IT, 123): 
K. v. B. if aber, fkatt Kronprinz von Baiern, 1 als König 
von VBaiern ausgelegt worden, welches an biefer Stelle beden⸗ 
tende Misverfkändniß hoffentlich auch in England eine Beid: 


% 


tigung finden wirb. 








31172 n 


Biblingrappie. 


Arthurs vom Rordſtern Hinterlaffene geiftliche Ges 
Dichte. Auswahl und Vorwort von GC. J. v. Ammon. 8. 
Leipzig, Teubner. 1 Thlr. 4 Gr. 

Aderodt, F., Handbuch der Geſchichte des preußiſchen 
Staates. Für Schule und Haus. Ifler Theil: Won den frü: 
heften Zeiten bis auf den großen Kurfürften Friedrich Wilhelm. 
1640. 8. Quedlinburg, Bafle. 10 Gr. 

Aurelians letzte Tage. Hiſtoriſcher Roman von dem Ber: 
faſſer der Zenobia. Aus dem Engliſchen Üüberfegt von W. A. 
Sindau. 3 Theile. 8. Leipzig, Kollmann. 8 Ihlr. 12 Sr. 

Bellermann, C. F., Die alten Liederbücher der Por- 
tugiesen oder Beiträge zur Geschichte der portugiesischen 
Poesie vom dreizehnten Jahrhunderts nebst Proben aus 
Handschriften und alten Drucken herausgegeben. Gr. 4. 
Berlin, Dümmler. 22 Gr. 

Bibliothet der neueften und beften Romane der englifchen 
Piteratur u. f. w. 9Ifter bis ISfter Band. Schiff Püfterich. 
Bon Gapt. Chamier. 3 Theile. — Auch u. d. T.: Gapt. 
Shamiers fämmtlide Werke. 7ter bis Iter Band. Schiff 
Puͤſterich. In 3 Theilen. — Berner mit d. J.: Schiff Puͤſte⸗ 
ri. Ein See:Roman vom Flottenkapitaͤn F. Chamier. 
Aus dem Englifhen von &. NR. Bärmann. In 3 Thellen. 
8. Bieweg u. Sohn. 1 Thir. 

— — ter, öfter Band. Herrn Humphrey’s Wand: 
uber. Bon Boz. Ifter, 2ter Theil. — Au u. d. J.: Boys 
fämmtlihe Werke. 18ter, 19ter Band. Herrn Humphrey's 
Wanduhr. After, Zter Theil... — Berner mit d. T.: Herrn 
Humphrey's Wanduhr. Bon Boz (Charles Didens). 
Aus dem "Englifhen von Otto von Czarnowsky. ifter, 
2ter Theil. Mit Radirungen nach Cattermole und Browne. 
8. Braunfchweig, Bieweg u. Sohn. 16 Gr. 

Blangqui, A., Geſchichte der politifchen Delonomie in 
Europa, von dem Älterthume an bis auf unfere Tage, nebft 
einer Eritifchen Bibliographie der Hauptwerke über die politifche 
Dekonomie. Aus dem Franzoͤſiſchen überfegt, mit Anmerkungen 
verfehen, mit einem Auszug aus des Grafen G. Pecchio Ge: 
ſchichte der politifchen Oekonomie in Italien vermehrt, und mit 
einem theild ergänzenden, theils berichtigenden Epilog begleitet 
von 8. I. Bus. 2 Bände. Gr. 8. Karlsruhe, Groos. 3 Thir. 

Böckh, A., Urkunden über das Sceowesen des Atti- 
schen Staates. Mit 18 Tafeln, enthaltend die von Hrn. 
Ludwig Ross gefertigten Abschriften. Beilage zur Staats- 
hausbaltung der Athener. Gr. 8. Berlin, Reimer. 5 Thir. 

Chriſtoph Froſchauer erſter berühmter Budbruder in Zuͤ⸗ 
rich, nach feinem Leben und Wirken, nebſt Auffägen und Brie⸗ 
fen von ibm und an ihn. — Mit dem UmfchlagsZitel: Zur 
vierten Säkularfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst 
den 24. Juni 1840. ®r. 4. Züri. 16 @r. | 

Aetenmäßige Darftellung einer Befchwerbeführung gegen bie 
Söbliche Genfurbehörde in Hamburg. Bon einem Hamburger 
- Bürger. Gr. 8. Braunfchweig, Vieweg u. Sohn. 6 Er. 

Srauvilleg, M. B. d’, Kaflmir Baſil ober Leben und 
Tod eines franzoͤſiſchen Wobephilofophen. Etwas zum Lachen, 
zum Weinen und zum Beherzigen. Nach ber vierten franzoͤſi⸗ 
Shen Auflage frei bearbeitet von Abbe &. Zung. Nebft einem 
Anhang. Gr. 12, Frankfurt a. M., Andrei. 8 Er. 

Frid, Ida, Zeldblumen. Zwei Novellen. After Band. 
Zohanna Shore. Die Familie von Felfing. Grimma, 
Verlags: Comptoir. 1 Thlr. 16 Er. 

Gudrun aus dem Mittelbochdeutichen überfest von X. Kel: 
ler. Mir 1 Zitelbilde von F. Kellner. Gr. 8. Stuttgart, 
Ebner u. Seubert. 2 Thlr. 6 Gr. 

Halem's, ©. %. v., Selbftbiographie nebft einer Samm⸗ 
lung von Briefen an ihn von Biefter, Bode, Bürger, Cramer, 
Ewald, v. Sredenheim, Gramberg, Deerwagen, v. Hennings, 
Juſti, v. Knigge, Kofegarten, Lavater, Marcard, Meißner, v. 
Meifter, Nicolai, Delsner, v. Dmpteda, Reinhold, v. Schlieffen, 


Schroͤder, 5. &, Gr. zu Stolberg, Stolt v. Ungern, und 
Wieland; zum Drud bearbeitet von feinem Bruder 8. WB. C. 
v. Halem, und herausgegeben von C. %. Straderjian. 
Mit G. U. v. Halem’s Bilde In Kupferſtich. 8. Oldenburg, 
Shui. 2 Khir. 

Jahrbuch beuticher Bühnenſpiele. Herausgegeben von 
WB. Gubitz. Aſter Jahrgang, für 1841. 50 Merlin, Be 
eins⸗Buchh. 1841. 1 Thlr. 16 Er. 

Joaquino Gobeco genannt: Quingoſtas, ber furdtbare 
Näuberhauptmann. Rah ſpaniſchem Original bearbeitet von 
8 3ſchoke. 8. Leipzig, Drobifh. 1841. 1 Thlr. 

Kock, Ch. Paul de, Das hübfdde Mäbchen aus ber 
Vorftadt. Aus dem Frangöfifchen von Fr. —8 2 Theile. 
8. Braunſchweig, G. ©. E. Meyer sen. 2 Thlr. 16 Gr. 

_Koeller, J., Ewald und Ein. Gin Gedicht. &. 8, 
Brieg, Schward. 8 Er. 

Landau, ©., Die Ritters Gefelfchaften in Heſſen, wäh: 
zend des vierzehnten und funfgehnten Jahrhunderte, Mit ei: 
nem eg ort Zaftel, Bohne. 18 Er. 

ubojatky, $., us Monte. Hiſto un 
aus abi leaten Selfte en a —— 
ermaͤhlung im Tode. iſche Sage. 8. Warbur 
Billig. 1 Thlr. are i ie 

— — Die Jübin. Deutſches Sittengemälde aus ber er: 
ſten Hälfte bes 14. Japrgundente, 4 Khelle. Er. 12. Grimma, 
Verlags- Gompteir. Thlr. 12 Gr. 

— — er Kunſtreiter. Novelle. 16. Warbu 
Billig. 1 Thlr. rd 

‚ Der Maͤßigkeits⸗ Verein in allen feinen Beziehungen. 8, 
Riga, Goͤtſchel. 6 Er. 

Merten, 3., Die Hauptfragen der Metaphyfil in Ber: 
bindung mit der Speculation. Ein kurzer Verſuch, veranlagt 
durch die von Dr. Volkmuth in feinem dreieinigen Pantheismus 
ausgefprochene Anſicht über bie Methode der Guͤnther ſchen Phi: 
lofophie. Er. 8. Trier, Ling. 1 Thlr. 6 Gr. 

Bunte Reihe. Deutfe Driginal: Rovellen ber belichteften 
Erzähler neuefter Zeit. Ster Band. Die Masten. Novelle von 
Beer. Eliſabeth Charlotte, Herzogin von Orleans, die deut: 
fe Stammmutter des jetzigen feanzöftfchen Königshaufes. His 
ſtoriſche Skizze von Dr. Schüg. Alfred. Liebes: Rovellette von 
Ernſt Keil. 8. Grimma, BerlagssGomptoir. 1 hir. 12 Er. 
Schöpfer, K. Friedrich Wilhelm III. und fein Zeitalter. 
Zin iosraphiſch⸗ hiſtoriſches Gemälde. 83. NRorbhaufen, Fürft. 


mann, Kailhetmine, Donata ober Liebe unb 
n. n Roman. 8. Brau G. E. €. 
— niweis ẽ. Beer 

arnowski, L., Menſchen und Zeiten. In novelliſti 
ſche Rahmen gefaßt. 3 Bände. 8. Braunfhweig, ©. z 
E. — auch 3 Thlr. 

ſchenbuch für die vaterländifche Gefchichte. aus 
geben von 3. Freiheren v. Hormayr. XXX. Sabınans Der 
gefammten und XII. der neuen Folge. 1841. Gr. 12. Leip⸗ 
zig, Amer. 12 ®r. . 

nde ., Gedichte. Br. 12. . 
—EF 4* ch r Magdeburg, Ereut 

Wackerbarth, Graf, Der Britten erſte Heerfahrt gen 

China. Zum Wojahrigen Jubelfeſte der Erfindung der Buch⸗ 
druckerkunſt. Gr. 8. Leipzig. 4 Gr. 

‚Was iſt von unſerer Zeit zu erwarten? und was haben 
wir von unſerer Zukunft zu hoffen? Anſichten, Hoffnungen und 
Troͤſtungen eines Greiſes, als Vermaͤchtniß für gebildete Kin⸗ 
der. Bevorwortet vom Prof. Krug. 8. Grimma, Berlags: 
Somptoir. 10 ®r. 

Weber, F., Beichreibung bes Gutenbergfeftes in Giber: 
feld. Am 25. Juli 1840, Gr. 8. Giberfeld, Schönian. 4 Gr. 

Biggers, J., Kirchengeſchichte Mecklendurgs. Gr. 8. 
Parchim u. Ludwigstuft, Dinftorff. 1 The. 12 Gr. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhaud — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 





* 


Blätter 


für 


literarifbhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Geschichte der neuern beutfchen Kunſt, von Atbana- 


fius Grafen Raczynski. Aus dem Sranzöfifchen 
überfegt von F. H. von der Hagen. Zweiter Band. 
Minden, Stuttgart, Ninnberg, Augsburg, Karls: 
ruhe, Prag und Wien. Mit einem Anhange: Aus: 
flug nach Italien. Berlin. Auf Koften des Verfaffers. 
1840. 4. Mit einem Bilderheft in Folio. *) 


Diefer zweite Band des Inhaltreichen Prachtwerkes ift 
ebernfo ſchoͤn und zugleich; noch glänzender ausgeftattet als 
ber erfle, von welchem in Nr. 133 u. 134 d. Bl. f. 
1837 Bericht erflattet worden; er enthält 107 dem Texte 
eingefügte Holsfchnitte, Steindrüde, Kupfer: und Stahl: 
ſtiche, außer einem Bilderhefte mit 13 Blättern im groͤß⸗ 
ten $olio. 

Wenn wir in den erften Band durdy eine geiftreich 
componiste Arabeske voll heitern Lebens und harmlofer 
Ironie eingeführt wurden, fo empfängt uns hier eine in 
architeftonifhem Sinne gedichtete Ehrenpforte, heiter ein: 
ladend durch Eleganz in Anordnung und Formen, durch 
Bildwerke vol ſinnreicher Anmuth und Bedeutfamtelt. 
Wir fehen oben die göttliche Poefie und Kunft, von den 
Genien reizend vertheidigt, forvol gegen die gemeine ‚Den: 
kungsart mit Bockshorn und Schlangenzungen, als gegen 
die geiftlofe, täppifche, hochmuͤthige Kritit mit Gemshorn 
und Elefantenruͤſſel; jener wie diefer find die plumpen 
Sreifentagen gemein. Unten, im zierlichen Sockel, fehen 
wir die werkthätige Sculptur und Malerei, lorbergekraͤnzt, 
im Schuge des mächtigbefchwingten Genius der Menſch⸗ 
heit; die Genien aber, welche oben ſchirmend walten, fin- 
den wis bier mit gleicher Freudigkeit die Arbeit emfig 
fördernd, ſich unterziehend aller Muͤhſal. Über dem Sodel 
fehen wir die lebenathmenden Geftalten der vier Meifter, 
als der Säulen und Träger der Malerei, Sculptur und 
Baukunſt unferer Zeit, in feliger Ruhe, unbekuͤmmert 
um Gehören und Tagen jener biffigen Greifen, fowie un: 
angefochten von allen Beſchwerlichkeiten der Werkſtatt: 
links die Meifter Cornelius und Schadomw; letzterer in be: 
fhaulicher Vertiefung feine Lehre vortragend, wobei er mit 


*) Dieſes Werk ift durch die Buchhandlung für deutiche und 
außtänbifche Literatur von Brockhaus und Avenarius in Leip⸗ 
gi zu Beziehen. Der erſte Band koſtet 26 Thle. 16 Gr, 

zweite 53 Thlr. 8 @r., und gleiche Pteiſe hat auch bie 
Ausgabe mis dem franzäfiiden Originaltext. D. Red. 


dem Daumen ber Linken und dem Zeigefinger ber Rech: 
ten das theoretifche Kreuz fchlägt, an welches dann bie 
Philiſter fo gern bie ausübende Kunſt feſtzunageln geden⸗ 
fen; er merkt es nicht, daß ihm babei ber praktiſche Manz 
tel von den Schultern gleitet. Cornelius dagegen zieht 
den Mantel fefter um fich, ſeitwaͤrts über den vielleicht 
etwas gebehnten Vortrag des Freundes hinwegblickend; 
ihn beſchaͤftigen kuͤhnere Gebilde. Rechts ftehen bie beis 
ben Meifter Ihormwalbfen und Schinkel; jener voll ruhi⸗ 
gen Selbftbemußtfeins, die Rechte auf die eben vollendete 
Statue legend; biefer, ein Baumeifter, unbefriedigt von 
allem Fertigen, raftlos finnend auf Größeres, Herrliche⸗ 
res; mit Reisfeder und Tafel immerfort zur Hand, ſei⸗ 
ner feften Stellung fi) bewußt. Dies Titelblatt ift meis 
ſterlich geftochen von Loͤdel in Göttingen, nad Holbein, 
mit Benugung von Kaulbady’8 Compoſitionen. 

Diefer Band. ift Wilhelm Kaulbach gewidmetz 
man darf dies mol uͤberraſchend finden, da man hier, wo 
es ſich hauptfächlid von der mündner Schule handelt, 
wol eher eine Widmung an den Gründer und Director 
derfelben erwarten mußte, wie dies im erften Band ber 
Fall iſt; um fo mehr, ba auch der Atlas zu diefem ze 
ten Bande mit dem Bildniffe des Directors von Gornes 
lius eröffnet wird, eben wie der Atlas zum erflen Bande 
mit dem Bildniffe des Directors Wilhelm Schadens bee 
giant. Im Verfolg biefer Anzeige wird fich dieſe Amts 
malie vielleicht nicht ale blos zufällig, fondern ans ber 
Perfönlichkeit ſowol unfers Autors als jenes Meifters cha⸗ 
sakteriftifch genug erklären. 

Die Einleitung gibt uns eine Andeutung des Gele 
ſtes der vielen großartigen Sichöpfungen des Könige Ludwig 
von Baiern, nach ihrem reltgiäfen, vareslänbifchen und 
ritterlichen Charakter; fie eröffnee uns ben Blick In die 
Urgeſchichte des Heldenliedes, in die Aventure der Ritter⸗ 
dichtung, in den Iprifchen Minnegeſang nad) feiner irdi⸗ 
ſchen und himmliſchen Richtung und in bie ruhmreiche 
Geſchichte des Vaterlandes; Wir verweilen mit lebhafte 
Theitnahme Bei ben vornehmſten Dichtern und Dichtwer⸗ 
Een des 13. Jahrhunderts, bei den Nibelungen, bei Wolf— 
ram v. Eſchenbach und es v. d. Vogelweide; ben 
die neuere bdeutfche Kunſt verknuͤpft ſich auf die maigfte 
Weife mit der altbeutfchen Porfie, und von allen alten 
Dichten iſt Walther derjenige, ber bie volftändigfe 


1174 


Vorftelung vom Geiſte feines Zeitalter gibt, wie er denn 
auch der vollguͤltigſte Stellvertreter aller eigentlichen Din: 
nefinger iſt. Ebenſo anziehend befchäftigt finden wir uns 
mit den Dauptzügen ber bairiſchen Geſchichte, welche zu: 
gleich die bedeutendflen Momente der gefammten beutfchen 
Sefhichte in ſich enthält. Somit werben wir trefflich 
geſtimmt für ben Geift ber außerordentlichen Lünftlerifchen 
Thaͤtigkeit, welche jegt in den Ländern des Könige Lud⸗ 
wig des Prächtigen eine ſolche Yülle der großartigften 
Werke möglich) macht, wie fie uns bier als ein hoͤchſt 
bedeutendes Ganze zur Anfchauung gebracht werben. 

Der Einleitung find drei Auffäge von F. H. v. d. 
Hagen eingefügt: 1) „Das Nibelungenlied im Auszuge“; 
2) „‚Zeben und Werke Wolfram's v. Eſchenbach“; 3) „Le: 
‚ ben und Werke Walther’6 v. d. Vogelweide“, ſaͤmmtlich fehr 


ſchaͤbbar und ausgeftattet mit allen Vorzuͤgen, welche den |. 


derartigen Arbeiten biefes gründlichen, fcharffinnigen Ken: 
ners altdeutfcher Sprachdenkmale zu eigen find. Die Ein: 
Teitung ſchließt mit einer Überfiht und Erklärung ber 
„geſchichtlichen Wandgemälde in den Arcaden des Hof: 
gartens zu München”, nach dem ausführlichen Gefchichts: 
werke von Joſeph Freiheren v. Hormayr. 

Somit werden wir aufs [hönfte in den Gedankenkreis 
verfegt, der alle Unternehmungen bes Königs beherrfcht. 
Welchem Lefer die Befchichte Deutfchlands und ber Geiſt 
derfeiben fremd bliebe, ber würde nicht im Stande fein, 
das neue München zu begreifen, beffen Schöpfung unter 
dem Könige Ludwig auf eine für Baiern und für ganz 
Deutfchland fo ruhmvolle Weiſe fortfchreitet und dieſe 
Refidenz zu einem Glanzpunkte der neuern deutfchen Kunft 
erhoben. bat. 

Das erfte Capitel enthält „die vom Könige an: 
geordneten Arbeiten, in ihrer Beziehung zu den Künften, 
zur beutfchen Literatur und zu dem Ruhme bes Vater: 
landes”. Die glänzende Reihe berfelben beginnt mit der 
Walhalla, und das mit Recht, obgleich fie noch nicht 
vollendet ift: 
denn dieſes Denkmal iſt ber Lebendige Ausbrud ber Gedan⸗ 
Zen bes Königs; es iſt die Berkündigung feines Lebens. Man 
begreift die ganze Richtung, welche bie Thaͤtigkeit biefes Fuͤr⸗ 
fen genommen bat, wenn man bie poetifche Wendung feiner 
Keen Eennt, feine vaterlaͤndiſchen und religiöfen @efühle, den 
Antheil, welchen er an ber Literatur feines Volks nimmt, bie 
Verehrung, welche es für bie claſſiſchen Schriftfteller bes Alters 
thums hegt, und feine Kenntniß berfelben. 

Mir werden unten auf das Gefchichtliche und Archi⸗ 
tektonifche diefe® großartigen Bauwerks zuruͤckkommen. 

Geſchichtsgemaͤlde der Arcaden. — Befchreibung ber Glyp⸗ 
tothek und Pinakothek. — Der neue ſuͤdliche Schloßflügel auf 
der Seite des Schaufpielhaufes. — Der Beftpalaft, oder noͤrd⸗ 
liche neue Schloßflägel auf der Seite bes Hofgartens und ber 
Arcaden. — Die Allerheitigentapelle im Schloſſe. — Baſilika 
des heiligen Bonifacius. — Die Ludwigskirche. — Die gothifche 
Marienkirche in der Vorſtadt Au. — Das Dbeon oder ber Sons 
certſaal. — Das Iſarthor. — Die Bibliothek. — Die Blinden⸗ 
anftalt. — Die Univerfität. — Das zu Kunftausftellungen bes 
ftimmte Gebäude. — Die bairifche Valhalla. — Bilbfäule bes 
Könige Maximilian. — Der Obelisk. 

Man muß erflaunen über die Anzahl fo bebeutenber 
Werke, welche in fo wenigen Decennien bort angefangen 


und zum Theil vollendet wurben; befonbers kann man 
die Pracht und geiſtreiche ornamentale Anerbnung der ver⸗ 
ſchiedenen Räume des Königsbaues und bes Feſtpalaſtes 
nicht genug bewundern; erfterer iſt als ein der antiken 
und deutſchen Dichtkunſt geweihtes Denkmal zu betrach⸗ 
ten. Jedes Zimmer darin enthält Darftellungen aus ei- 
nem ber Dichter, deren Andenken König Ludwig durch 
bildliche Vergegenwaͤrtigung gefeiert fehen wollte. Der 
Seftpalaft dagegen iſt hauptfächlich den brei bedeutendſten 
Beitaltern ber mittleen beutfchen Geſchichte und den Abe 
nen des Königs gewidmet, deren Ruhm ben größten 
Stanz auf Baiern und Deutfchland ausſtrahlt. 

Bon dem Kunftwerth diefer Bauwerke und von ben 
Verdienften ihrer Meifter werden wir weiter unten Ge: 
(egenheit haben, das Nähere zu berichten. 

Zmeites Capitel: „Die münchner Schule in ib: 
rer Sefammtheit.” Mit großer Klarheit und Kenntnig, 
fowol der Perfonen ald der vorwaltenden Berhältniffe, 
entwirft uns der Verf. die Charakteriftil dieſer berühmten 
Schule im vollen Sinne des Worts nach dem Leben. 
Man überzeugt fich leicht, bag die muͤnchner Schule und 
bie des Cornelius Eine und ebendiefelbe find. Nicht alle 
Geſchichtsmaler zu München find aber im eigentlichen 
Sinne Schüler dieſes großen Meifters; einige berfelben 
find feine Alterögenoffen, bei andern würde wahrſcheinlich 
auch ohne feinen Einfluß und ohne feine Hülfe das Ta⸗ 
lent fi bedeutend hervorgethban haben; aber es ift un: 
möglich zu verkennen, baß er duch den Schwung feines 
Geiſtes fie mehr oder weniger in die Richtung bineinge: 
sogen bat, welcher er felbft folgt; die Höhe, zu welcher 
er fi) emporgehoben, hat ihnen zum Ziel gedient und fie 
zu Anfttengungen vermocht, welche diefer Schule das thr 
eigene Gepräge der Grofßheit geben. Wenn man jedoch 
bie große Tchätigkeit betrachtet, bie fi in Münden nah 
fo verfchiedenen Richtungen und in fo mannichfachen Ab: 
ftufungen entwidelt, fo entbedt man leicht, daß es bier 
noch mehre Großmaͤchte in der Kunſt gibt, und biefe find 
Schnorr und Heinrich) Heß, weldye gewöhnlich mit Cornelius 
zugleich genannt werben, wenn von ben Chorführern der 
Geſchichtsmaler die Rede iſt. Wenn man emdlich aber 
ben Mittelpunkt, die Seele diefer anhaltenden kuͤnſtleriſchen 
Bewegung fucht; wenn man nachforfcht, wer bier in ber 
That und vor Allen das eigentlich beiebende Princip ber 
Künfte ift und wer ihnen bier das fo entfchiedene Ge⸗ 
präge dee Großheit aufdruͤckt: fo iſt es der König Lud⸗ 
wig, welchem unfere Bewunderung fi dankbar zuzuwen⸗ 
den hat. Dem Cornelius gebührt aber das große Ver⸗ 
dienſt, den König zuerft ganz verflanden zu haben und 
in deſſen grandiofe Ideen eingegangen zu fein. Er war 
ber Erſte, welcher fi den Abfichten des Königs zu fü- 
gen verftand und fich mit ihm treu verbünbete, um bie 
umfafjenden Plane beffelben ins Leben zu rufen. Somit 
kann ihm Niemand den Ruhm ftreitig machen, ben größ: 
ten Antheil an dem Auffchwunge dieſer Schule zu haben, 
ja der Gründer, das Haupt derfelben zu fein. 

Es iſt befonders die Geſchichtsmalerei, welder 
bie muͤnchner Schule ihre Berühmtheit verdankt, in welche 


1195 


fie ihre ruhmwuͤrdige Beſtimmung fegt und im welcher 
fie einen ihr fo ganz eigenthuͤmlichen Charakter von Ernſt, 
Strenge und Erhabenheit entwidelt und ausgeprägt hat. 
Dabei unterfcheidet fie ſich noch duch eine ungeheuere 
Fruchtbarkeit nach mancherlei Richtungen, welche aber alle 
nur Ein gemeinfames Biel haben: das Ideale. Beſon⸗ 
ders haben ſich in ihre die ſymboliſchen Darftelungen ber 
größten Gunſt zu erfreuen. 

Hiernach wird der kundige Lefer leicht die Klippen ab: 
nen, vor welchen ſich die Kuͤnſtler diefer Schule befonders 
zu hüten haben. Die gefährlichite Klippe iſt aber eben 
jene Großartigkeit des Styls, welche den eigenthünlichen 
Charakter der Schule beflimmt. Wen könnte es wun⸗ 
bern, wenn die Mehrzahl der münchner Maler von ber 
Idee eingenommen ift, daß in eines Jeden Werken jener 
großartige Styl Herrfchend fein müfle, möge das Vermoͤ⸗ 
gen dazu herfommen, tooher es wolle. 

Wenn ber Rünftler großartig iſt — fagt der Verf. (S. 152) 
— wenn feine Gedanken edel find, fo werden feine Werke 
das Bepräge von beiden an fich tragen; aber man findet den 
Styl ebenfo wenig, wenn man ihn fucht, als man hohe, edle 
Gingebungen findet, wenn fie nicht eine natürliche Gabe bes 
Genius find. Bei allen Denjenigen, bie nicht mit hinreichender 
Kraft ausgerüftet find, um mit Erfolg allen Spuren bed Gors 
nelius zu folgen, wird der Styl eine Biererei, und fie mögen 
fi immer mit ber Löwenhaut bedecken, bie Ohrenfpigen ver⸗ 
zatben fie doch. Ich kenne Künftter, welche der Anfpruch auf 
Styl zu Grunde gerichtet hat. Ohne Zweifel ift Schönheit des 
Styls un nnlic von Überlegenheit in der Geſchichtmalerei: 
aber es ift nicht nothwendig, Gefchichtmaler r fein. Diefe 
Bahn Zemanden vorzeichnen wollen, dem es nicht gegeben iſt, 
fie zu verfolgen, iſt ebenfo unweiſe, als zu verlangen, baß ein 
Dichter wie Lafontaine fi in ber Sprache Homer’s ausbrüde: 
das Epos würde nichts dabei gewinnen, die Zabel aber würde 
viel verlieren. 

Die Natur der Richtung, welcher die Malerei in 
Münden folgt, macht ein gründliches Studium der Ge: 
‚genftände nothwendig, ja unerlaßlih. in ſolches gelehr: 
te8 Studium aber ift für den Künftler immer bedenklich. 
Der Deutfche ift fhon von Haus aus nur zu geneigt, 
fich gruͤbelnd zw vertiefen; um fo begreiflicher iſt es, wie 
es einem Maler, welcher Leben und Sitten eines Volks 
aus einer von uns fo weit entlegenen Belt f&hildern fol, 
unenblich ſchwer werden muß, einerfeitö der gelehrten Pe: 
danterie zu entgehen, und andererfeits das Überſchweng⸗ 
fiche, lÜbertriebene zu vermeiden, welchem er nur zu leicht 
anheimfäut, in dem Bemühen, den Spracbildern ber 
Sagen und Dichter in feinen bildlihen Darftellungen 
gleichzukommen, ja wol gar noch fie zu überbieten. Das 
Woribild erzeugt ſich in der Seele des Hörers oder Le: 
ſers voͤllig frei, nach jedes Einzelnen individueller Faͤhig⸗ 
Leit und Neigung; das Linien=, Farben: oder Steinbild 
dagegen dringt fih dem Befhauenden gleihfam koͤr⸗ 
perlich auf, genau fo und nicht anders, als wie es ber Mei: 
fer gedadyt und gefchaffen bat; um es alfo richtig aufzu⸗ 
faſſen, verlangt es vom Beſchauenden, ober fegt in ihm 
voraus eine gleihe Stimmung, eine gleiche Höhe der 
Phantafie, der Lünftierifchen Empfaͤnglichkeit und An: 
fhauungsgabe, wie fie den Meifter felbft bei feiner Schö- 
“ pfung befeelte. 


Gerade da, wo Dichter und Sage am 


erhabenften find, muß ber bildlich ober koͤrperlich darſte 
fende Künftler am meiften Gefahr laufen, barod, Ari 
ja ſelbſt lächerlich zu werden. 
Ein großes, glaͤnzendes und ihre bis jest in D 
land ganz eigenthümtiches Verdienſt der münden A 
demie iſt die fo vielfeitige Anwendung -der Frescomas 
bereit, welche ihre Wiedergeburt der Abficht des Könige 
verdankt, die Malerei mit der Baukunft unmittelbar zu 
vereinigen; ba fie der großartigſten maleriſchen Darfiellung 
fo günftigen Raum darbietet, hat fie fich hier fo vorzuͤg⸗ 
licher Gunſt zu erfreuen, daß fie die Ölmalerei faft in 
Schatten fellt, weil die melften Künftter mit den unge: 
beuern vom Könige angeordneten Arbeiten al fresco bes 
(häftige find. Wenn nun aber dort gehadert wird über 
den ausfchließlichen Vorzug der Fresco⸗ oder ber Ölma— 
lerei, fo gehört das zu den Seltfamleiten, welche der im» 
mer einfeitige Egoismus unter allen Verhältniffen fo Leicht 
auffchießen Läßt. 


Wenn auch in der muͤnchner Kunſtwelt ſich Übel: 
wollen, Neid und Misgunft unter dem Mantel der Kri: 
tie und Intrigue thätig erweifen, fo iſt das weder zu 
vermundern, noch fehr zu beklagen; am Ende find alle 
dergleichen Gegenwirkungen nur momentane Fermente, 
welche alles Langweilige, Pedantiſche, Tuͤckiſche, Niedrige 
und Gemeine auf eigene Rechnung für ſich ausfcheiden 
und fo den ekeln Niederfchlag, zum Bellen des Guten, 
Großen und Schönen, zur warnenden ober abfchredienden 
Anfhauung dringen. Es iſt nun einmal nicht wohl zu 
vermeiden, daß, wo bem Herrn Gott ein Tempel erbaut 
wird, der Zeufel nicht fofort auch eine Kapelle für fich 
daneben zimmere. 

(Die Portfekung folgt.) 





Zur polnifhen Literatur. 


3u ben wichtigften Erſcheinungen ber polnifchen Litern 

letzterer Zeit gehört: "Numizmatyka krajowar? —— — 
kunde), von Kazimierz Wladyſlaw Stezynſti Bandtkie (2 Thle, 
Barſchau 1859 — 40, Das Werk iſt ein Ergebniß lang⸗ 

jährigen eifrigen Forſchens und fchließt fidy würdig ben hiſtori⸗ 
fhen Werken an, welche bie polnifche Literatur bereits ben Ge⸗ 
brüdern Banbtlie verdankt. Der berühmte Gefchichtichreiber 
Thaddeus Gzacki theilte in feinem Werke über polnifcde und 
lithauiſche Geſetze „guet mehre Unterfuchungen über polniſche 
Münzkunde mit, diefe Mittheilungen hat Bandtkie in dem vors 
liegenden Werke nicht nur vermehrt, ſondern er hat fie georbs 
net und uns dadurch ein vollftändiges Bild des ganzen polni- 
fhen Muͤnzweſens gegeben. Zro feiner —— Be⸗ 
mũhungen konnte Czacki kaum 215 alte polniſche Münzen aufs 
finden und beſchreiben, VBandtkie beſchreibt hier 908 derſelben, 
da es ihm vergoͤnnt war, nicht nur neuere Auffindungen, fon: 
dern auch mehre ausgezeichnete Sammlungen ‚zu benugen. Aus 
bem Mittelalter, welches Czacki kaum berührt bat, verzeichnet 
Bandtlie vom 10, Jahrhundert, dem polniſchen Könige Bo⸗ 
leſlaw Ghrobry an, 77 Rummern, aus ber fpätern Seit, von 
——— dem Großen an bis 1835, 831 Rummern. Die: 
jenigen nzen, welche uns bier zum erften Male vorgeführt 
werden, find zum Theil die feltenflen und intereſſanteſten. Das 
reichhaltige Werk ift fomit für den Gefchichtfchreiber Polens eine 
wichtige Quelle, für den Sammler aber ift es unentbehrlich, 


denn es enthält zugleich die Ichrreichften Winke über das Orb: 


1176 


nen der Mrängen und das Feſtſtellen, weidher Zeit fie angehöutws 
andh if} bes Werth vielen angegeben. (in Verzeichniß dee Große 
agmeifter der Krone Polen und Lithauen und bie &bbilbune 
gen der Wappen berfelben, welche ſich oft auf den Münzen ſelbſt 
finden , entfalten überdies danbenswerthe Fingerzeigt; vapı feh: 
Ien Lönigliche Privitegieh für bie Münzſtaͤtten nicht. Erfreu⸗ 
lich wäre es, wenn der Verf. —* in der Vorrede zum zweiten 
Theile gegebene Berforechen ‚ tpäfer eine Geſchichte ber polni⸗ 
ſchen Rumismatik folgen zu laſſen, etfällen wollte. 
Unter dem Titel: „Galerya A ee 
ex poluſchen Schriftſteller), erfheint feit Anfang db. 3. in Po- 
ei eine Anthologie, in der zuvoͤrderſt die vorgüglichften Gedichte 


der neueften polnifchen Posten, fpäter auch Ausgüge aus pro⸗ 


aiſchen Schriften zu finden fein werden. Die wenigften biefer 
303 * bis Bat befondere Sammlungen ihrer @eiftespro: 
ducte veranftaltet, und nur in Zeitfehriften zerſtreut waren biefe 
aufgufinden, am fo verdienſtlicher iſt die uns vorliegende Guam: 
lung, die gu bet ihrer Sohifeilheit umd ihrer weiten Ver⸗ 
breitung nicht wenig dazu beitsagen wird, biefe Dichter immer 
populairer zu madjen. 3u toben ift, daß nicht Proben, fon: 
dern ſelbſt längere Bedichte vollftändig mitgerheilt werden. Be⸗ 
reits ift das erſte, zierlihe Sedezbaͤndchen und einige Hefte des 
weiten erſchienen. Sie enthalten zuerfi neben Gedichten von 
— deſſen berühmte poetiſche Erzählung„Wiestaw“, in 
welcher dieſer Dichter das Leben des poiniſchen Volkes auf eine 
ybchft anmuthige Weiſe darzuſtellen gewußt hat. Sie war das 
erſte Erzeugniß der neueſten polniſchen Dichterſchule, mit Recht 
nennt fie daher ein polniſcher Kritiker „die Morgenroͤthe, welche 
die polniſchen Dichter nach der Himmelsgegend hinwies, von 
der ihnen bie Sonne der wahren Poeſie aufgehen follte””. 
Diefer Erzaͤhlung folgen „Dumki’, zomanzenartige Gedichte, 
von Bohdan Zalefti ' Fa oouRändige —7 — dem 
Zu or's gegen die Polowzer“, überfegt von „m 
don Da Role von Malcgefli, ſowie die Heinen Gedichte 
von Sole nfti und ben Dichtern der neueften Zeit, Siemienſki 
(geb. 18 N) Kraſzewſkti (geb. 1812) und Olizaroſti (geb. 1814), 
Ss it demnach aus diefer Sammlung wol eine Anficht ber 
neueften poetifchen WBeftrebungen ber Polen zu entnehmen. Den 
Gedichten felbft gehen kurze Biographien der Dichter Bor: 
aus, . 





Miscellen. 


GSemiſchte Ehen. 

Die gemifchten Shen, bie in unfern Tagen wieder ber Ge⸗ 
genſtand fo großes und leidenſchaftlicher Gontroverfen geworben 
find, haben durch Priefterfanatismus feit dem weflfälifchen 
Frieden ungähliges Unglück in beutfcden Bamilien zur Kolge ges 
habt und es iſt zu mehren Zeiten darüber Öffenttich discutirt 
worden. lm bie Acten in dieſer Streitſache zu vervollftändigen, 
möchte es angemeflen fein, auch frühere Fälle, wo über bie 
Rechte und Kolgen gemifchter Shen gefiritten wurbe, zu prüfen. 
Die Proteftanten beriefen fich jederzeit auf den weftfäliidgen 
Sriehensabfchluß und auf bas in den einzelnen beutichen Landen 
feſtgeſetzte Herkommen. Um bie Mitte des vorigen Jahrhun⸗ 
derts machte ein Fall großes Auffehen, ber ein katholiſches 
Mitglied des Reichslammergerichts betraf und zur Gonteflation 
des höchften ‚Gerichtshofes kam. Der Aflefiov A. war Beamier 
in einem proteftantifchen Lande geweien, batte eine reformirte 
Frau geheirathet, und ohne Eheberedung Hatte man ſich barüber 
verftänbigt, daß bie Töchter in der Religion der Mutter foll- 
ten erzogen werben. Es war bies auch gefchehen, und man 
batte in einer ſehr glüdlichen Ehe gelebt. est wurde jener 
Beamte zu eines Affeffoxftele beim Reichskammergericht präfen- 


tiet und aud) nach gelieferter Pröbersintion berufen. Glech 
—* erhob mi MWiderfpruhh und man weilte ihn ‚für 
ein echt katholiſches Mitglied erkennen, wenn er le! ſt 
wibder den Willen der Mütter, die Kinder zur katholiſchen Re— 
ligion anhalten würde: Der Affeffor ptoteſtirte gegen diefe Ze⸗ 
muthung, welche ihm mit bem Religions⸗ und weſtfaͤliſchen 
eben nicht allzu combinebel feine, Beide heile wandten 
fiy an ben Karfer und der Affefios übergab ein Promemori 
welchem er tin responsum tleologicum beifügte, worna 
ihm erlaubt wurde, ſich bei — ſeiner T passive 
gu verbalten. Bel dem Gerichtögef erfolgten fehr unangenehme 
Diseufftoneri zwifchen ben katholiſchen unb evangeliſchen Lit 
gliedern. Endlich wurbe jener zum Aſſeſſorat zugelaflen und 
die Sache fchien beigelegt, als plöglich derſelbe eines Tages ge- 
en alles Erwarten in feinem Hauſe befahl, daß bie beiden’ jüngs 
den Tochter von fieben und adyt Jahren vorerft in fünf Wochen 
nichs in bie reformirtoe Kirche gehen: follten. Ale Bitten unb 
Borftellungen feiner Gattin blieben fruchtlos. Zugleich verbreis 
tete fi das Gerücht, er werde die Kinder heimlich wegbringen 
loffen. Die Mutter bewachte fie, und es wurde ihr nicht nur 
ein Revers hinſichtlich jenes Vorbabens geweigert, ſondern ber 
Bater ging noch weiter: ex hielt die Kinder in ſtrengem Arreſt, 
lien fie erft im Hauſe unterrichten und deutete dann bem 
Schullehrer und Pfarrer an, bis auf weitere Entichliefung gang 
fein Haus zu meiden. Wahrſcheinlich war es das Werl der da— 
mals den Unterricht zu Werlar beberrichenden Jeſuiten, wos 
durch der Affeffor auf andere Gedanken war gebracht und der 
ganze Friede und das häuslidye Blüd einer Familie geſtört 
worden. Die Mutter fah fi; gendthigt, beim NReikhölammers 
gericht um ein Mandatam poenale de non contrareniendo paci 
religiosae et Westphalicae, non turbando in fruitione juris 
sanctionibus hisce competentis pariter ac in pussessione vel 
quasi educationis fillarum in principils religionis evangeliche 
reformatae etc. nalhzufuchen. Das Gericht verfuchte zuerſt 
bie Güte, welche aber fehlfchlug, weil der Batte bie 
liche Bedingung flelte, daß bie Kinder bis zu ben Jahren ih⸗ 
res Unterfähleds ohne allen Unterricht bleiben ſollten. Die weis 
tere Verhandlung führte zu einer itio in partes, ga unruhigen 
leidenfchaftlichen Auftritten und die Sache wurde an das cor- 
pus Evangelicorum gebracht. 
Die damals erfkienenen Drudichriften finden Ir angeneiät 
in der „Frankfurter Gelehrten : Zeitung”, namentlich in der Kr. 
3 vom 11. Aug. 1761. Der Ref. hatte fi) aber anzüglicher 
Ausdrüde gegen ben Gerichtshof bebient, benfelben insbeſondere 
ber Parteilichkeit beſchuldigt, welches für den Verleger, Buch⸗ 
haͤndler Brönner, die unangenehme Folge hatte, daß der Fis- 
cal gegen ihn auftrat, und wiewol er fi) auf alle Weiſe zu 
erculpiven fuchte, und die Schuld einem Gandibaten, dem ex 
die Redaction anvertraut hatte, zur Luft legte, fo wurde er 
doch zum Widerruf und gu einer Gelbficafe von drei Dark 
löchigen Goldes verurteilt und das Urthen awfe ſtrengſte 
vollzogen. 


Goethe. 

Sin faſt vergeffenes Buch fiel mir neulich in meiner Bi: 
bliothek in die Bänke: Pr " Obliofeph Air bie Welt”, 
Ic ſchiug es auf, und las ©. 22 folgende, vom Berfafler 
in prophetiſchem Geifte geichriebene Werte: „Die Leiten des 
jungen Werther haben mid auf den Verfaffer viel aufmerl⸗ 
famer gemacht, als Alles, was ex vorher geichrieben. Das if, 
glaube th, einer der Scheifefteller, die auf unfere Zeitgenoffen viei 

nfluß Haben werben. Er hat Herz, Berftand und Drelfiig 
Brit, Gunſt behn Publieum und Begieche gu Yexriihen. — 8 
weht und ergt ſich * mehr in allen menſchlichen Köpfen als 
Tonfl. Fu Wird dadurch das Loos unferer Nachkommen gefer 

erben . 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaud, — Drud mid Belag von F. U. Brodhaus in Leipzig. 











Blatter 


für ’ 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Sr. 292. — 


18. October 1840. 





Geſchichte der neuern deutſchen Kunſt, von Athana⸗ 
fius Grafen Raczynski. Aus dem Franzoͤſiſchen 
uͤberſetzt von F. H. von der Hagen. . Zweiter 
Band. 


(Bortfegung aud Nr. 391.) 


Drittes Sapitel. „Peter v. Cornelius.” 

Ich Tenne Teine Höhe der Kunft, wie erhaben fie immer 
fein mag, welche Cornelius nit erreichen möchte oder koͤnnte. 
Die Ratur dieſes Künſtlers ift eine der Eräftigften, die jemals 
erſchienen find. Zahlloſe Maler haben Jahrhunderte hindurch 
darauf Hingearbeitet, die Kunft zu verberben, zu befubeln, zu 
verzerren: Cornelius wird ihre Wiedergeburt in ber Gefchichte 
bezeichnen; er iſt der Anfang eines neuen Beitalterö, und in 
Deutſchland wird biefer Name vielleicht immer vor allen an: 
dern genannt werden, als des größten Genius ber Malerei. 

Mit biefen Worten beginnt der Verf. dies dem gro: 
gen Meifter gewidmete Capitel und befennt damit gleich 
im voraus feine unbegrenzte Verehrung und Bewunde⸗ 
rung für benfelben. 

Das Alte Teflament, Homer, Dante, die Nibelun: 
gen, Goethe, die altbeutfchen Dichter und. das Evange: 
lium haben Cornelius wechfeldroeife begeiftert. In den 
Nibelungen hat er eine Kraft entfaltet, welche etwas 
Hartes hat, wie das Epos ſelbſt; aber diefe Härte hat 
etwas Geoßartiged. Das Semüth wird hier und da un: 
angenehm davon berührt, aber es wird zugleih davon 
tief ergriffen. Cornelius iſt es, der bie Vorbilder der 
Hauptgeftalten in Goethe's „Fauſt“ und in ben Nibe: 
Lungen gefchaffen und feftgeftelt hat. Die Geftalten feis 
nes Siegfried, Hagen und Volker, feiner Chriemhild 
und Brunhild find allen Derzen eingegraben, wie bie ber 
Apoftel und Propheten; ja, fie hören auf wahr zu er: 
fcheinen, wenn fie in den Darftellungen Anderer von dem 
Typus abmeichen, meldher von ihm auf immer für fie 
aufgeſtellt worben iſt. Meben biefen gewaltigen Geftalten 
begreift man kaum, wie berfelbe Meifter in feinen Bil: 
dern zu Dante fo viel Ruhe, fo viel Lieblichkeit, Kind: 
lichkeit und Einfalt darzuftelen vermochte. 

Aus Goethes „Fauſt““, den Nibelungen, dem Al: 
ten Xeflamente und aus Dante werden uns Darftellun: 
gen in meiſt vortrefflihen Holzſchnitten im Texte felbft 
mitgetheilt; fo auch von bes Meifters Frescogemälden in 
ber Pinakothek und Glyptothek; ferner von mehren vor: 
trefflichen Einzelnheiten aus bem jüngften Gericht in ber 


Ludwigskirche, einem Frescogemälde von 62 Fuß Höhe 
und 38 Fuß Breite, von welchem der Verf. gefteht, daß 
es feiner Erwartung nicht entfprochen habe. 

Ich wußte — fagt ber Verf. S. 180 — mir Beine Re- 
chenſchaft von dem Gindrude biefer ungeheuern Darftellung auf 
mich zu geben; ich fuchte ihn mir zu erklären und ſchwebte in 
peinlicher Ungewißbeit. Die Gruppen fchienen mir für die Ge⸗ 
fammtwirfung nicht günftig vertheilt, ich hätte gern durchweg 
einen gleich großen Gedanken, eine gleiche Quelle der Begeifte: 
rung entdedt. Died war ed ungefähr, was ich empfand; ins 
def diefe Eindrüde waren unbeflimmt, und ich will bier Fei- 
neöwegs ein Endurtheil über dies jüngfte Gericht fällen: ich 
Mage mich lieber an, daß ich Cornelius nicht recht verflanden 
are ald daß ich Bemerkungen und Ausftellungen gegen ihn 
erhebe. 

Diefe liebenswürdige Scheu vor Dem, was den Verf. 
in den Gebilden des hochverehrten, von ihm fo vollfom: 
men anerkannten Meifterd weniger anfpricht, ja was ihm 
darin ſchlechthin misfällt oder verfehlt ſcheint, macht Dies 
ſes ganze Capitel zu einem glänzenden Zeugniffe der ftren: 
gen Gewifjenhaftigkeit, mit welcher er die in ihm vor: 
berefchende Sympathie, feine inniofte Vorliebe für Kunft 
und Kuͤnſtler überhaupt, vor Einfeitigkeit, vor aller Mo: 
notonie des Urtheild zu bewahren fuht. Es thut dem 
edein, feinorganifirten Verf. offenbar meh, wenn er einem 
Werke nicht feine volle, unbedingte Liebe zuwenden kann; 
man hört es ihm in jedem feiner Worte an, wie pein: 
lich, wie fchwer es ihm wird, dergleichen auszufprechen. 

Sollte es denn nun aber wol ein fchöneres Element 
für das Leben und Weben der Kunſtkritik geben als 
eben diefe in vorliegendem Werke durchaus vormaltönde 
Sympathie, welche auch bie Leifefte Schönheit mit fol: 
cher Innigkeit herausfühlt, dagegen aber auch den ſtoͤren⸗ 
den Misgriff mit fo [honender Hand berührt? Die Kunft 
tft die reinfle, reichfte und fchönfte Blute unferee Gemuͤths⸗ 
Eräfte; fie vermag nur dur die Sinne auf uns ein- 
zumirken; nichts Ift ihr fremder als das abftracte Denken. 
Nur eine gleiche Külle des Gemuͤths als die, aus wel: 
cher ein Kunſtwerk hervorgegangen iſt, vermag bdafjelbe 
ganz zu verftehen und gerecht zu würdigen. Die Kunfts 
kritik ft immer auf einem mehr oder weniger bedenkli⸗ 
hen Wege, wenn fie das Kunſtwerk nur ale ein Object 
beurtheilt, welches dem Maßftabe irgend einer Theorie oder 
eines im voraus aufgeftellten Princips unterworfen ift, 
ohne alle Rüdficht auf ben Eindeud, welchen es auf das 


00H 


Gemüth zu gewinnen firebt. Das Kunſtwerk fucht nur 
die Wahlverwandtfchaften auf zwifchen ihm und dem Be: 
ſchauenden; es fragt nichts nach Syſtemen, Claſſificatio⸗ 
nen, Lehr⸗ und Schulgeboten. Findet es keine Wahlver⸗ 
wandefhaft in der Beſchauenden Herzen und Seelen, fo 
bleibt es einfam, wunverftanden und ungeliebt, wenn e6 
auch noch fo fehr allen Regeln der Kritik und der Schu: 
len entſpricht und allen Koderungen ber Techniker genügt. 
Es ift von tiefer Bedeutung, daß man in ben bildenden 
Künften die Begriffe Urtheil und Takt in dem einen 
teinfinnlihen Worte: Geſchmack auszudrüden gewohnt 
fl. Aus diefen Gründen dürfte man der Art und Weife, 
vie unfer Verf. die Kunftwerke fo vieler verfchiebener 
Meifter und Schulen mehr liebend befchreibt, als Ealt be: 
kritiſirt, beimeitem den Vorzug vor jener Kathederkritik 
geben, welche mit aufgemworfener gelehrter Naſe über bie 
Kunftwerke theilnahmlos zu Gericht fist, und melde ſich 
fhwerlih je dazu verfiehen wird, fich Lieber, wie unfer 
Berf., wegen Nichtverftehens eines Kunſtwerks anzullagen, 
als über bdaffelbe kurz und gut den Stab zu brechen. 
Mir finden in dem ganzen Gapitel mehr ale nur bloße 
Andeutungen davon, daß der Verf. zwar die höchfte Ver: 
ebrung, nicht aber eigentlihe Spmpathie hat für Corne: 
Uus, ‚den Reformator, welcher weder Schwierigkeiten noch 
MWiderfprüche duldet“; allein mit welcher umfichtigen Sorg⸗ 
falt, mit welcher Pietaͤt fucht er Alles auf, um bie gro: 
Ben Berdienfte, ben edeln Charakter, das mächtige Stre: 
ben bes Meifters anfhaulich zu machen; wie wahrhaft 
nobel ift fein Beſtreben, daß fein Nichtfpmpathifiren ja 
nicht etwa auf feine Lefer uͤbergehe! Einem fo liebens⸗ 
würdigen, fo anfpruchlofen und gerwiffenhaften Führer kann 
fih der Kundigfte mit Vergnügen, der Unkundigfte mit 
vollſtem Vertrauen bingeben. Schwerlich möchte die Strenge 
fharffichtiger Kritik ebenfo ficher dazu geeignet fein, eine 
völlig unparteiifhe und charakteriftifche Anficht von dem 
gegenwärtigen Zuftande unferer Kunft und ihrer verfchie: 
denen Richtungen zu geben, wie Dr. R. Marggraff im 
erfien Hefte feiner reichhaltigen, nicht genug zu empfeb: 
Inden „Muͤnchner Jahrbuͤcher für bildende Kunſt“ bes 
hauptet. Wenigſtens möchte man in den beiden Bänden 

der Kunftgefchichte unfers Verf. ſchwerlich auch nur eine 
- Spur von fo ungerehter und fchlechthin wegwerfender 
Kritik finden, wie folgende Stelle. im zweiten Hefte jener 
„Sahrbüher S. 185: 

Ich kann jedoch nicht fchließen, ohne im Angeficht der vor⸗ 
liegenden Abbildung (der Weltfhöpfung von Gornelius) zu fras 
gen, ob denn wirklich, wie es im zweiten Bande von des Gra⸗ 
fen R. neuerer Kunftgefchichte Heißt, die Gompofitionen unfers 
Meifters der Handlung und des Innern Lebens entbehren, unb 
erinnere dabei an die treffliche Bemerkung des Freiherrn v. 
Rumohr, daß die Verwoͤhnung des oberflächlichen Kunſtgeſchmacks 
gerade in der Beflimmtheit, die Bedingung aller Gruͤndlichkeit 
ift, überall nur Steifheit und Härte fieht. 

Die Stelle im vorliegenden zweiten Bande, worauf 
ſich dieſe etwas ungefüge Anzüglichleit wahrfcheinfich be 
ziehen fol, kann man ©. 197 vermuthen: 

Auch fcheint es Häufig, daß feine am meiften mit Kraft 
und Großheit ausgerüfteten Geftalten einigermaßen bes Lebens 
ermangeln; man möchte fagen, baß in feinen Perfonen ber Blut⸗ 


umlauf flodt. Ich erkenne immer in feinen Werken die Grund⸗ 
üge der Stärke und ber Großheit: aber ich weiß nicht, ob man 
n allen bie Wahrheit und das richtige Maß wiederſindet. 

Sollte ein fo befcheiden ausgefprochenes, im ganzen 
beitten Capitel fo [orgfäktig bebingtes und motivirtes Ur: 
eheil es verdienen, fo in anzlglihen Bezug gebracht zu 
werden mit jenen nicht eben claffifchen Worten eines an: 
bern Autors? Wenn unferm Verf. — dem ohnehin Dar- 
ftellungen, bie ſich nicht in den Schranken des Geſchmacks 
und der Mäßigung halten, leicht einen peinfichen Eindruck 
machen — die Stellung des Neoptolem, foroie fie (&. 186) 
nad) dem Garton bes Meifters gegeben wird, „nicht frei 
ſcheint von Steifheit und theatcalifcher Übertreibung”, fo 
kann man kaum anders als ihm beiftimmen; man mag 
fih des Laͤchelns nicht erwehren, wenn man in biefer 
Figur nur die „Beſtimmtheit“ finden und verehren foll, 
„welche die Bedingung aller Gruͤndlichkeit ift”. Wir duͤr— 
fen vermuthen, daß unfer Verf. ſich nicht ebenfo willfaͤh⸗ 
riger Sörderung feines Unternehmens von Seiten des Cor: 
nelius zu erfreuen gehabt habe als Dr. Marggraff, weicher 
in feinen „Jahrbuͤchern“ drei noch nie veröffentlichte, 
unvergleihlihe Gompofitionen des Meiſters in Umriffen 
nach deſſen Driginalcartons mittheilen Eonnte. Wie aber 
Cornelius ſelbſt über die Kunft und feine Beſtrebungen 
denkt, erfahren wir ©. 203: man hatte ihm vorgeworfen, 
daß er nicht genug auf den technifdhen Theil der Kunſt 
halte und ſolche Übung mit feinen Schuͤlern vernadjläffige; 
da erwiderte er die bekannten Berfe: 

Sei er kein fchellenlauter Thor; 

Es trägt Verfiand und rechter Sinn 

Mit wenig Kunft ſich felber vor. 
und fügte hinzu: 

Demgemäß verachte ich jebes Machwerk und erkenne nichts 
für Kunft an, was nicht lebt. Aber die Grabe des Lebens in 
ber Kunfl find fo unendlich als die Natur ſelbſt, und wenn ich 
das geringſte Leben mit Zaͤrtlichkeit lieben kann (die Niederlaͤn⸗ 
der), ſo werde ich darum nicht irre an der hoͤchſten, vollenbe⸗ 
teſten Anfoderung menſchlichen Kunftvermögens, und nur mit 
Abſicht Tann man verlennen wollen, daß ich mit allen Kräften 
bad zuge zu leiften gefucht habe, durch Lehre und durch 
Solchen kuͤhnen, unummundenen Meifterworten ent: 
fpricht denn auch das den Atlas eröffnende Bildniß des 
Peter von Cornelius, meifterhaft aufgefaßt und gezeichnet 
von Kaulbach, und von Keller trefflich geſtochen. 

Viertes Capitel. „Geſchichtsmaler.“ Es werden 
ihrer 61 namhaft gemacht, deren Werke theils nur ange⸗ 
zeigt, theils ausführlicher beſchrieben, theils in Holzſchnit⸗ 
ten anſchaulich gemacht werden; von den bedeutendſten Mei⸗ 
ſtern erhalten wir auch biographiſche Nachrichten, ja ſelbſt 
Bildniſſe, wie z. B. von dem fo hochbegabten, leider fo 
fruͤh verſtorbenen A. Eberle, von welchem unter Anderm 
eine großartige, wiewol unvollendet gebliebene Zeichnung 
mitgetheilt if: „Die gefangene Jeruſalem, ihrer übermüthis 
gen Feinde Hohn und Spott, von ihren Propheten ge: 
warnt und geftraft, bemeint und getröftet.” 

Den Bericht über Bonaventura Genelli (S. 239 — 
243) fließt dee Verf. mit folgenden Worten: 

Gornelius zählt Genelli zu den größten Talenten unferer 
Zeit, ja aller Zeiten; —* erklaͤrte deſſen Triumphzug des 








1149 


muftelrenden Hercules für bie ſchoͤnſten Bilder, 
ver die euere — —* rũhmen habe. Ich liche dieſe 
Lobſpruͤche, denn fie befeitigen meine befondere Mei: 
nung, fofeen fie in gewiſſer Hinſicht dem in Frage ftehenden 
Kunſtier nicht fo gänftig iſt. 

Wir werden uns vergeblich umſehen nach einem aͤhn⸗ 
lichen, gleich gewiſſenhaften und anſpruchloſen Verfahren 
anderer Kunſtkritiker, die es keineswegs lieben, ihre beſon⸗ 
dere Meinung beſeitigt zu ſehen, ſondern lieber eben ihre 
perſoͤnliche Anſicht, ſonderbare Meinung und Weisheit 
ohne Weiteres zum Richtbell der Kritik uſurpiren. 

Daß es dem Verf. nicht eben leicht ‚gemacht worden 
ift, fo weiche Materialien und Zeichnungen für fein um: 
faffendes, fehwieriges Werk zufammenzubringen, fehen wir 
in dem Bericht über Heinrih Heß, wo er (S. 256) in 
die Klagen ausbricht: 

Ich hätte hier gern einen Holzfchnitt von diefem Gemälde 
(der Grabiegung) mitgetheilt, aber ich habe Schwierigkeiten an⸗ 
getroffen, und ich bin müde, alle Schwierigkeiten zu bekämpfen, 
weiche man mir entgegenftellt. 

Bon H. Heß erhalten wir unter Anderm ein tounbders 
fhönes Blatt, von Reindel mufterhaft geflohen: „Chris 
ſtus fegnet die Kinder.’ 

Der Artikel über Wilhelm Kaulbach ift naͤchſt dem 
. über Cornelius am reichiten außgeftattet und offenbar mit 
größter Liebe für dieſen Meiſter verfaßt, im welchem ſich 
- nach dem Verf. die vielen ungemeinen Eigenfchaften ver: 
einigt finden, welche den Charakter der ganzen münchener 
Schule ausmachen; ja, er erklärt ihn (S. 195) für den 
fchönften Ausflug dieſer Schule. Der bier gegebene kurze 
Abriß feines Lebens erfüllt gewiß jeden Lefer mit innig: 
ſter Theilnahme für diefen hochachtbaren Menfchen und 
Künftier; und welche unvergleichliche Werke werden uns 
von diefem feelenvollen, grandiofen Meifter bier zur Ans 
fhauung gebracht; namentlih „Das Irrenhaus“, „Die 
Hunnenſchlacht in den Lüften” und „Der Verbrecher aus 
verlorener Ehre“. Wahrlih, nur in Shakſpeare's Welt: 
fpielen findet man noch eine gleiche Schoͤpfungskraft nach 
allen Richtungen ; eine ebenfo tiefergreifende Wahrheit und 
Einfalt in den einfachften wie in den erhabenften Concep: 
tionen : wir werden hier wie dort, nicht wie von Bildern 
und Dichtungen, fondern wie von erlebten Thatfachen mäch: 
tig in Anfprud; genommen, ohne daß wir und den beab: 
- fihtigten Eindruͤcken entziehen könnten. 

Kaulbach — fagt der Verf. — iſt fehr fleißig, vol Eifers, 
unermüdlich. Wenn er ein Bild entwirft, find alle feine See: 
lenkräfte in Thätigkeit. Seine Studien nach Mobellen werben 
mit gewifienhafter Treue und Sorgfalt ausgeführt; er gibt 
nichtẽ auf gut Glück. Das Unterfcheidende feines Talents iſt, 
daß in feinen Werken die Großheit, felbft wenn fie ben höchften 
Gipfel erreicht, doch niemals zur Übertreibung ſich verfteigt: die 
Großheit der Begeifterung, bie Tiefe des Gedankens iſt Hier im⸗ 
mer mit reinem Geſchmack und mit Maßigung vereint. Ich 
kenne Eeinen eigenthuͤmlichern Kuͤnſtler, Beinen, der fich fo ſelbſt 
gleich bleibt und doch fo wenig fich wiederholt. Die gewalts 
famften Darftellungen in feinen Werken beläftigen weder, noch 
verlegen fie, denn fie often ihm Feine Anſtrengung: er fpielt 
mit dem Kräftigen und Großen, und feine Gebilde wachſen ins 
Unermeßliche durch die Gewalt feines Genies. In feinem Bes 
mütbe, ober vielleicht in feinem Zalente, glaubt man Etwas 
durchſchimmern zu ſehen, das einige Ähntichkeit mit Byron vers 


säth. Alle Künfkier erkennen feinen Werth; Cornelius ertheilt 
feinen Werten bie größten Lobfprüche. Unter ben jüngern Künfts 
lern iſt keiner, der feine Überlegenheit beneibete, und er gäplt 
unter ihnen viele eifrige Freunde. 

Jetzt begreifen wir das „Wilhelm Kaulbach gewid⸗ 
met”, was uns oben an ber Spige dieſes Bandes be: 
fremdlich erfcheinen mußte. 

Bon Bernhard Neher's großem Frescogemälde: „Ein⸗ 
zug des Kaifers Ludwig von Baiern nach dem Siege bei 
Ampfing”, erhalten wir eine fehr faubere Lithographie von 
C. Heinzmann; der Verf. bemerkt hierbei &. 291: 

Man bat gefunden, daß die Pferde auf biefem Bilde nicht 
Styl genug haben. Ic kann diefem Urtheile nicht beiftimmen ; 
ich finde, daß fie genug bavon haben und daß fie beffer find 
als viele andere Pferde, die dafür gelten, mehr Styl zu haben. 
In dieſer befondern Hinſicht fcheint mir der Styi noch nicht 
recht verflanden zu fein, und ich begegne hier in München haͤu⸗ 
fig (bargeftellten) Pferden, bie, nach meinem Gefchmade, ihre 
ungefälligen Geftalten und ihre geringe Ähnlichkeit mit wirklis 
chen Pferden nicht durch den Styl entichuldigen Tönnen. Es 
gibt Werke, wo man gern über biefe Unvollkommenheiten weg: 
ſieht; aber diefe als Grundſatz aufftellen, fcheint mir nicht eben 
weife. Ich behaupte, daß ein Pferd wirklich wie ein Pferd 
ausjehen kann, ohne beshalb ſich vom Style ber Geſchichtsma⸗ 
lerei zu entfernen. 

ie möchten noch weiter gehen: e8 muß immer wie 
ein wirklich Pferd ausishen, aber immer wie ein in feiner 
Art vortreffliches, herrliches, wenn es irgend Anfpruch auf 
Styl haben fol. . 

Hoͤchſt anziehend find die Artikel über Joſeph Schlott⸗ 
bauer, den Meiſter in Srescomalerei, und über Julius 
Schnorr v. Karolsfeld, welchem ſich der Verf. „zu gro: 
Gem Dank verpflichtet erkennt für den Beiftand, welchen 
er ihm in vieler Beziehung bei Abfaffung dieſes Werkes 
geleiſtet hat“. Hoͤchſt beherzigungswerth für akademiſche Leh⸗ 
rer und Schuͤler iſt, was der Verf. S. 307 ſagt, bei 
Gelegenheit der ehemaligen Kunſtreformer in Rom, welche 
von den dortigen Akademikern nur die Falſchmuͤnzer 
genannt wurden, weil ſie andere Wege einſchlugen als die 
von der Akademie vorgeſchriebenen, und zu welchen beſon⸗ 
ders Schnorr gehoͤrte: 

Verwundern wir uns demnach nicht, daß es auch gegen⸗ 
wärtig unter den Künſtlern in München welche gibt, die bie 
Oberherrſchaft der Akademie nicht anerkennen wollen. Es ift 
immer fo gewefen: die jungen Leute thun nichts Anderes, als 
was die Profefforen eben auch thaten, als fie jung waren. Der 
Unterricht muß frei fein, er barf fih nur über Diejenigen ers . 
ſtrecken, die fi ihm unterwerfen und ihn benußen wollen. 

Eine Akademie würde Unrecht thun, wollte fie Denje⸗ 
nigen Unterriht aufbringen, die nicht von ihr abhangen, 
und ich meine nicht, daß man der muͤnchner Akademie 
biefen Vorwurf machen kann. Aber die jungen Künfkler 
würden ebenfalls Unrecht thun, wollten fie die Akademie 
zwingen, ihr Lehrgebaͤude aufzugeben; eine Akademie, eine 
Schule kann nicht anders als doctrinair fein, Grundfäge 
feftftellen, fie befolgen und fie von den Lehrlingen befol: 
gen laſſen. 

Sehr anziehende Bilder geben die Artikel Johann, 
Claudius und Matthias Schraubolf: fie gehören zu den 
Berbienftoollen, die im Stillen wirken, die ihren Kohn im 
Seelenfrieden finden und die fich Achtung erwerben, ohne 


1180 


darauf auszugehen ; ferner ber innigft verbundenen Freuude 
Schott und Rnauth, von welchem letztern ein kleines Ge⸗ 
mälde befchrieben wird: ein Mönch, der ins Klofter zu: 
ruͤckkehrt, in Begleitung eines jungen Mannes, einer Frau 
und eines Kindes. 

Der Ausdrud der Geſtalten ift gefühlvoll, die Stellungen 
find anmuthig. In der ganzen Darftelung weht eine reine 
Luft; die Färbung ift lieblich, vielleicht allzu lieblich. Der Gin- 
druck des Ganzen iſt unbeſtimmt, aber wohlthuend. Roſa, eila, 
Flachsblüte und Sfabell find die herrſchenden Farben dieſes Bil: 
des. Es ift rein wie das Athmen eines Kindes; man möchte 
fagen: es hauche einen Veilchenduft aus, 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Die proteftantifchen Salzburger im 18. Jahrhundert, ver: 
trieben durch den Fuͤrſt Erzbifhof von Firmian. Ein 
Beitrag zur Befchichte der hriftlichen Duldung. Bon 
Guſtav Nierig. Leipzig, Lehnhold. 1840. 8. 15 Gr. 


Wir Haben in Ar. 325 d. Bi. f. 1858 die nah Form 
und Inhalt gleich gelungene Schrift Schulze’s ‚Über die Auss 
wanberung der proteftantifchen Salzburger’ angezeigt. Denfels 
ben Stoff bat Sr. Nierig in dem vorliegenden Büchlein behan⸗ 
delt, mehr indeß in Form eines hiftorifchen Romans, wobei 
wir aber ein gewifles Quellenftubium dem Verf. nicht abfpre: 
den wollen. Die fo bemitleidenswertben Grlebnifle der pro⸗ 
teftantifhen Salzburger find an die Familiengeſchichte des rei: 
den Landmanns Manliden, ber im werffner Thale eine fchöne 
Befigung hatte, angelnüpft und Manches mit hinein verflochten, 
was eigentlich fich mit andern Perfonen zugetragen hatte. Das 
Ganze ift lebhaft gefchrieben, die Innigkeit des Verf. tritt 
überall in den von ihm gefchilderten Begebenheiten hervor, und 
fo mögen wir dies Büchlein in feiner einfachen Haltung wol 
als eine beiehrende und unterhaltende Lecture empfehlen. 11. 





Literarifhe Notizen. 


Während bie neuefte belletriftifche und erzählende Literatur 
Englands fortwährend von dem Vorhandenſein von Zalenten — 
zum guten heile den weiblichen Schriftftelleen angehörig — 

eugt, denen eine gläugende Darftelungsgabe nicht abzuſprechen 
Rt fo laflen ſich doch auch hier durchgängig Spuren der feit 
Yängerer Zeit vorberrfchenden Zerriffenheit in den literarifchen 
Beftrebungen unferer Zage nicht verfennen. Zaft überall fin⸗ 
den wir unter reizenber äußerer Umgebung der Form im Ins 
nern unnatürliche Zuftände und Situationen, oder — wenn 
auch großentheils fich felbft unbemußt — ber reinen Moralität 
zuwiberlaufende Tendenzen verftedt; ein Übelftand, ber feinen 
Hauptgrund in der falfchen Behandlung pſychologiſcher Motive 
hat. „The quadroone; or St. Michael’s day”, vom Verfaſ⸗ 
fee von „The pirate of the gulf”’ (3 Bde.), enthält eine Gr: 
zählung aus ber Zeit, ba Neuorleans noch im Beſitze der Spas 
nier war; der Hauptgedanke bes Buchs ift Schilderung ber Leis 
den und Gefahren, welchen die unglüdlichen Wefen des Nas 
mens, welder der Titel des —** iſt, ausgefegt waren, 
mobet der Verfaſſer ſich nicht im minbeften eines übertriebenen 
Zartgefühts ſchuldig macht; im Gegentheil zieht ſich die Novelle 
durch eine Reihe der großartigften, auf Dold und Blut berus 
henden Buͤhneneffecte hindurch, um endlich ber Tugend den 
Siegeskranz und das Lafter dem Henker zu überantworten. 
Bei alledem find bie Schilderungen mit kunſtgeübter Hand aus⸗ 
geführt. Selbſt diefes Lob Tann man nicht dem breibändigen 
„Greislaer; a romance of the Mohawk’’ von £. F. Hoffmann 


fpenden, welcher bie nach frühen Worgängen von ihm zu de 
genden Erwartungen in Eeiner Weile befriedigt, dem behandel⸗ 
ten Gegenflande Feinen neuen Reiz verleiht, fonbern fich mit 
ſchon oft dagemefenen Schilderungen indo⸗-amerikaniſcher Zu⸗ 
ftände begnügt und in Handlungen wie in Charakteren eine 
deutliche, aber zugleich ſchwache Nachbildung W. Scott’s und 
Sooper’® verräth. „The young prima donna, a romance 
of the opera‘ (3 Bbe.), von Miſtreß Grey, zeidgnet fich durch 
genaue Auffaffung ber, der Erzählung zu runde li 
Verhaͤltniſſe und durch forgfame Entwicklung bes Details ber 
Handlung aus, iſt aber überfhwänglid an fentimentalem Pa⸗ 
thos; das Intereffe, welches fie anregt, ift ein krankhaftes, und 
ber Charakter, deſſen Züge fie entwidelt, unnatuͤrlich. Das 
Werk ift gang für Die geeignet, Venen Schwärmen in Gefüh— 
ien bes Unglüds ein Genuß ik. Am allerdeutlichſten zeugt 
von der falfchen moralifchen Tendenz, hervorgerufen b bie 
fehlerhafte Verknüpfung fcheinbarer pſychologiſcher Begründung, 
Miftreg Kenneby’s „The voice of conscience”, obfdhon bie 
Erzählung, wie angegeben wird, auf wirklichen Thatſachen bes 
ruhen foll. — ‚The election‘, vom Berfafler der ‚‚Recollec- 
tions of Hyacinth O’Gara’, dient einem reinen Parteiintereffe, 
oder ift, zum gelinbeften gejagt, das Ergebniß zugleich ber 
traurigen gefellfchaftlichen Werhältniffe Irlands, wie der Urſa⸗ 
hen, die diefelben hervorgerufen haben und noch erhalten. Ber- 
bielte fih in Irland Alles den Schilderungen des Verfaſſers 
gemäß, fo müßte man ſich wundern, baß er nur nody bei Te: 
bendigem Leibe feine Gefchichte erzählen könne und nicht vielmehr 
bie ganze proteftantifche Bevölkerung ber britifchen Schwefter- 
infel von Grund aus vertilgt ſei. Doc enthält das Buch bie 
beften Skizzen irifcher Bitten und Gebräuche, bie feit längerer 

eit erfchienen find. — ‚The lasting resentment of Miss Keaor 

wan Wang, a chinese tale’‘, überfegt von R. Thom, iſt eine li- 
terarifche Curioſität; die Erzählung warb von einem Kaufmanne 
in den wenigen, dem Gefchäfte abgemüßigten Stunden überfest, 
in Kanton gedbrudt und von einem hinefifchen Künftler mit Illuſtra⸗ 
tionen verfehen; fe enthält eine populaire Darftellung chineftfcher 
Sitten mit einer einfachen Begebenheit verfnüpft, deren Darftel: 
lung ſehr angenehm iſt; doch hätte der Überfeger aus dem vor- 
handenen Schage chinefifcher Erzählungen wol etwas noch Werth⸗ 
volleres auswählen koͤnnen. 


Unter ben neueften englifgen Illuſtrationen Fündigen fidg 
bie ‚‚Illustrations of the seven ages of Shakspeare’’ auf ben 
erften Anblik durch ihre prachtvolle äußere Ausflattung, bei 
welcher der Verleger Leine Koften gefcheut bat, als ein ſehr 
Thägbares Werk an; zudem hat biefer für baflelbe die Namen 
von beftem Klange in der englifchen Kunftwelt zu gewinnen ge- 
wußt, von deren Zlluftrationen aber nur die von Galcott, 
Cooper und Hilton ben zu machenden Anfprüdhen genügen, 
während man im Ganzen die gegebenen Leiftungen nicht für die 
gelungenften ertennen kann. Die gegebenen Stücke find: „Al 
the world ’s a stage”, nach ber, in der vorjährigen Ausſtelung 
der koͤniglichen Akademie befindlich gewefenen, allgemein bes 
wunderten Gruppe von Mulready von Thompſon doͤchſt ſorg⸗ 
fältig wiedergegeben. Das ZTitellupfer: „The fates“, ifl von 
Leſtie. Dann folgen: ‚‚Melancholy Jacques’, von Gonftable; 
Ihe infant’‘, von Sir David Willie; „The schoolboy’‘, von 
Collins; „The lover“, von Ghalon; „The soldier‘‘, von X. 
Gooper; „The justice”, von Sir Galcott; „The pantaloon‘, 
von Landfeer, und als last scene of all Hilton’s „Dotage“. 
Die Illuſtration begleitet eine gefällige Abhandlung von Lady 
Salcott über bie verfchiedenen Darftelungsweifen der fieben 
Lebensalter zu verfchiedenen Zeiten, wobel fie als Beiſpiele 
befonders eine hHebräifche Legende aus der Sammlung von 


Hurwitz und bie fieben Geſtalten auf dem Bufgetäfel der 


Kathedrale 


zu Siena von Federigi aus der Zeit um 1482 
hervorhebt. 47. 


Derantwortliher Herausgeber: H einrich Brokhaus. — Drud und Verlag von 5. U Brockhaus in Leipzig 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





nn 2 


Montag, — Mr 293, — 


19. October 1840. 





Geſchichte der neuern deutſchen Kunſt, von Athana⸗ 
fius Grafen Raczynski. Aus dem Franzoͤfiſchen 
überfegt von $. 9. von der Hagen. Zweiter 
Band. 


(Lortfegung aus Nr. 392.) 


Sünftes Capitel. „Landfchafter.” Es werden deren 
74 namhaft gemacht. Der Verf. warnt hier befonders vor 
jenem Künftlerhohmuth, welcher ſchon die Klippe fo vie: 
ler Landfchafter gewefen if. Wer fi vor den Schoͤn⸗ 
beiten der Schöpfung nicht zu demüthigen vermag, wem 
es nicht gegeben ift, fie zu begreifen, wen das Vertrauen 
auf die eigenen Kräfte oder die Geiftesträgheit unfähig 
machen zu einer gewiflen geiftigen Spannung, Feftigkeit 
und Ausdauer des Blickes, welche allein das geheime Wer: 
fländnig der Linien, der Formen und der bucchfichtigen 
Kufthüllen eröffnen, unter melchen alle oͤrtlichen Farben⸗ 
töne ſich abſtufen, oder fi in farbigen Duft verlieren — 
ein folcher mag wol ein Praktiker werden, aber feine Werke 
werden des Reizes und ber Tiefe ermangeln, vor Allem 
wird ihnen die Wahrheit fehlen. Möchten alle neuern 
Künftler jene Eindlihe Ehrfurcht vor der Natur haben; 
denn es ift daſſelbe Verhaͤltniß des Kuͤnſtlers zur Natur, 
wie des Menfchen zu Gott: kindlich verehrt, hebt fie Ihn 
von einer Klarheit zur andern; hochmüthig befhaut und 
befeitigt, laͤßt fie ihn erſtarren in feinem Ich! 

Die Landfchaftmalerei Eennt keinen andern Kührer ale 
die Natur; nur allein unfer eigenes Verftändniß, unfere 
Augen, unfere innigften Anregungen vermögen uns den 
Sinn derfelben aufzufchließen: unbedingte Lehrfäge fodern 


den Widerftand heraus und koͤnnen nur dahin führen, den 


Meifter von alten fibrigen abzufondern. In der Malerei 
wie in der Dichtkunft gibt es fehr mannichfaltige Wege; 
die Mode und der Erfolg üben ſtets mehr Einfluß auf 
die Menfthen aus als Lehrfäge, wären diefe auch die wei⸗ 
feften und am meiften in der Vernunft begründet; die 
Mittel laſſen ſich Lehren, die Geiftesrichtung und ber Ge: 
fhmad aber Iaffen ſich weder Ichven noch befehlen. Rur 
dürfen wir nie vergefien, daß eben Lehrſaͤthe den Künft: 
ler vor ‚dem Einfluffe der Mode und bed Erfolgs ſicher⸗ 
Rellen und feine Geiflesrichtung wie feinen Geſchmack vor 
aller ——— Willkuͤr hüten ſollen. 

Zu S. 362 mag bier berichtigt werben, daß der dort 
befprothene nortwegifche Landfchaftmaler fich felbit Thomas 


Fearnlay fchreibt, nicht wie dort und im Namenverzeich⸗ 
niffe Fernlay. 

Sechstes Sapitel. „Genremaler.“ Wir lernen ih⸗ 
rer 45 kennen. 

Siebentes Capitel. „Schlachten-, Pferdes, Archi⸗ 
tektur⸗, Thier⸗, Bildniß⸗, Seeſtuͤck⸗, Frucht⸗ und Blu⸗ 
menmaler; Kupfer: und Stahlſtich; Steindruck und Stem⸗ 
pelſchneider.“ 

Achtes Capitel. „Glas: und Porzellanmalerei.“ 
Die Wiederbelebung der alten Glasmalerei begann 1818. 
Man verdankt die erſten Anfaͤnge derſelben der koͤnigli⸗ 
chen Porzellanmanufactur zu Muͤnchen, und namentlich 
dem damals bei derſelben angeſtellten Maler Franck. Erſt 
nachdem ber König ber Porzellanmanufactur den Auf⸗ 
trag gegeben hatte zu Anfertigung mehrer großen Fenſter 
für den regensburger Dom, konnte jene Anftalt die noͤ⸗ 
thige Zeit und Sorgfalt darauf verwenden, den Charak 
ter der alten Glasmalerei zu ſtudiren und im technifchen 
heile diefer Kunft zur Vollkommenheit zu gelangen. Vom 
Könige Ludwig ift alfo auch die Thätigkeit und der Aufs 
ſchwung ausgegangen, welchen die Glasmalerei gegenwärs 
tig zeigt: Alles, was von ihm ausgeht in der Kunft, 
nimmt dieſen Charakter an. Im Bilderhefte erhalten wie 
in einer colorirten Lithographie von Voͤllinger ein fehe 
anfhauliches Bild von einem ber großen Slasfenfter der 
Marienkicche in der Vorfladt Au, weiches uns einen Bes 
griff davon gibt, was in dieſer Kunſt dort bereits gelefs 
ftet worden. 

Neuntes Capitel. „Baukunſt.“ Mit großem In: 
tereſſe erfährt man hier Näheres von den Lebensumftänden 
der beruͤhmten muͤnchner Baumeiſter, deren bebeutenbfte 
Werke uns in Aufriffen einigermaßen anfchaulich gemacht 
werden. Den Anfang macht, wie billig, Leo v. Klenze; er 
iſt der alten Sprachen mächtig und feine Kenntniſſe find 
ebenfo umfoffend als mannichfaltig. Seine Studien hat 
er im Anfang biefes Jahrhunderts in Berlin gemacht and 
man darf vermuthen, daß fein bortiger Lehrer, Aloys Dirt, 
von Überwiegendem Einfluß auf ihn und feine ausſchließ⸗ 
liche Liebe für bie Baukunſt der alten Griechen und Ro—⸗ 
mer gewefen if. Späterhin ward er Baumeiſter des da⸗ 
'maligen Königs von Weſtfalen, Hieronymus Napoleon; 
dem Geſchmacke idieſes Dofes, ‚wie der Sranzofen Überhaupt, 
an ornamtntaler Eleganz und Pracht bat er vieleicht zu 








1182 


ſehr nachgegeben. Sein guter Stern führte ihn dann nach 
Batern, wo ihm Gelegenheit die Fülle ward, fein fchönes 
Talent zu entwideln. Nah ©. 477 iſt er auch ein aus: 
gezeichneter Landfchaftmaler. Der große, ihm vom Könige 
Ludwig anvertraute Wirkungskreis, die große Anzahl der 
von ihm ausgeführten Arbeiten, die Stellung als Gehei⸗ 
merrath im Minifterium des Innern, bie Erhebung in den 
Adelftand, endlich der ihm ertheilte Kammerherrntitel be 
weiſen genugfam die Größe der Gunft und des Vertrauens, 
welches der König ihm gewährt. 

Bon ber von keo v. Klenze angegebenen und gebauten 
Walhalla iſt fhon oben etwas gefagt worden; hier mag 
- darliber noch beigebracht werden, was das Hiftorifche diefes 
grandiofen Bauwerks betrifft, wobei es geftattet fein wird, 
auch das Architektoniſche deffelben etwas näher zu betrachten. 

As die franzöfifche Republik im Gebrauch ihrer Frei⸗ 
heit und Napoleon in feiner Kriegsfuht Schmah und 
Elend über Deutfchland brachten, wurde wol kaum irgend 
ein Deutfcher tiefer, fehmerzlicher davon ergriffen, als ber 
damals noch fehr jugendliche Kronprinz, jegige König Lud⸗ 
wig von Baiern. Er hatte ber Riefenmacht des Erobe⸗ 
rers damals nichts entgegenzufegen als feine heiße Liebe 
zum beutfchen DBaterlande, und dieſe verkiärte feinen bit⸗ 
" teen Schmerz zu dem Gedanken: dem Vaterlande um defto 


treuer anzubangen; den weltgefchichtlichen Ruhm beffelben 


der erniedrigten Mitwelt um deſto lebendiger vor Augen zu 
bringen und um «6 fo gefliffentlihher zu verberrlichen. 
Schon 1806 begann er eine Sammlung von Marmor: 
büften berühmter Deutfhen, um fie mitten unter den 
Truͤmmern in einem Pantheon glorreih zu vereinigen. 
Er gedachte fo die Außere Erniedrigung durch geiftige Er: 
hebung wenigftens fürerfi zu paralyſiren. Um die Idee 
eines Pantheon zu einer nationalen zu erheben, wählte 
er für das große Bauwerk, deſſen feine jugendliche Seele 
vol war, den Namen Walhalla, welcher, fo alt wie 
Stamm umdb Sprache ber Germanen, an bie eigenften Tu⸗ 
genden beutfcher Volksthuͤmlichkeit erinnert: Kreiheit, Sitte, 
Tapferkeit, Ruhm, Treue, nad) dem Tode aber ewige Hel- 
denfeligkeit in den Prachtfälen und Hainen ihrer Götter, 
wo Becher, Waffen und Harfen Eingen, wo Sungfrauen 
bie Großthaten der Helben fingen und wo ringsum in kuͤh⸗ 
len fchattenfeligen Eichenhainen bie reichbelaubten Wipfel 
mwonnigen Schlaf auf reichgebreitete Lager berabraufchen. 
Gewiß, der Gedanke war elnes deutfchen Fuͤrſten würdig: 
in einer fo ſchlimmen Zeit eine Walhalla des Ruhms, 
der Heldenfreudigkeit fürs Vaterland, dem Volke vor Ders, 
Sinn und Auge zu bringen! Wäre nur die Ausführung 
ebenfo Leicht geweſen, als der Gedanke poetifh, innig und 
einfach war. Bereits 18320 hatte der König Entwurf 
und Ausführung ber Walhalla feinem Dberbaumeifter d. 
Klenze übertragen, einem Manne, deſſen Werke theils ein 
vorherrſchendes Talent für ormamentale Pracht und Ele 
ganz, theils eine ausſchließende Liebe für die Bauformen 
bes griechifchen Alterthums beurfunden. Kein Wunder, 
wenn auch die Walhalla von ihm nur in jenen Richtuns 
‚gen gebacht, entworfen unb ausgeführt ward, wenn nur 
altgriechiſche Mittel, Formen und Motive dabei in An: 


wendung gebracht wurden. Alfo marb bie beutfche Wal: 
balla ein altdorifcher Tempel; Angefichts altbeutfcher Burg⸗ 
ruinen und neuerer Stadt: und Kirchenthuͤrme ein Fremd⸗ 
ling, freilich impofant, aber wie ein echter Eindringling 
anmaßlich, kalt und ausländifch vornehm von den ſchmuck 
(ofen vaterlänbdifchen Bergen herabprangend, weder entfpre- 
chend dem Himmel mit feiner Farblofigkeit und dem Lande 
mit feinen Wäldern und feinem Schnee, noch dem Volke 
mit feiner Eebenseinfalt, feiner ernfthaften Beſchaulichkeit 
und phantafielofen Andacht verftändlih. Fe mehr der hoch⸗ 
achtbare Meifter all fein Zalent und feine fehr ausgebil- 
beten Neigungen aufbot, deſto weiter mußte er abkommen 
von ber Idee einer Walbhalla, ale folder; e8 mußte ein 
ſolches Werk werden, wie die erfle Tafel des Atlaffes une 
vor Augen bringt, bei welchem feinem, auch nicht dem 
gebildetften Deutfhen die Idee an eine Walhalla in die 
Seele kommen kann; viel näher wird Jedem bie Bor: 
ftelung eines Opernhaufes, eines Luftfchloffes oder irgend 
eines modernften großen Gefellfhaftslocals Liegen. Der 
altgriechiſche Tempelbauſtyl ift durchaus auf eine ringsum 
freie Lage beredmet, ohne alle Beziehung auf irgend eine 
zufällige oder beabfichtigte Umgebung; er fodert weder noch 
erwartet er von bergleichen eine Verſtaͤrkung feines Ein: 
drucks; er will nur einzig und allein an und für ſich 
felöft gelten. In der Nähe wie in der Ferne erfcheint der 
griechifche Tempel zugleich groß und heiter, reich und ein: 
fa; überall in jener Majeftät erhabener Ruhe, welche 
auch den Sötterbitdern ſelbſt den Charakter uͤbermenſchli⸗ 
cher Hoheit und Anmuth verleiht. Die Eoloffalften Di: 


menfionen der einzelnen Theile ändern dieſen Charakter . 


nicht, fie drängen ſich als folhe dem Beſchauenden nur 
in unmittelbarftee Nähe auf, wenn er den Naden zurüd: 
werfen muß, um die Höhe der Säulen abfehen zu koͤn⸗ 
nen; in entfprechender Ferne jedoch erfcheint auch der ko⸗ 
loſſalſte griechiſche Tempel dennoch immer in goͤttlicher 
Hoheit, Schönheit und imponirender Ruhe. Nirgend ragt 
ed, nirgend firebt es; Alles ift in fi) durchaus vollendet, 
und eben aus diefer Vollendung des Einzelnen und Gans 
zen ſtroͤmt die heitere Begeiſterung, welche, im farbennaͤh⸗ 
renden Licht des griechiichen Himmels, fo entzüdend bie 
Wohnung der feligen Gottheit verkuͤndet. Ganz andere 
verhält es fich mit den altdeutfchen Bauwerken, welche 
in allen ihren Theilen ins Unendliche aufzuftreben ſchei⸗ 
nen, wie voll unendlicher Kräfte des Knospens, Treiben, 
Wachſens; den Eichen des Hains vergleichbar, in deffen 
geheimnißvollem Raufhen und Dämmern des Nordens 
ernfte, ſtrenge Götter walten: ihre höchften Wipfel, ihre 
ausgebreitetften Zweige fchließen fich freilich dem Auge ab, 
aber der Seele erfchliegen fie da8 Unendliche, welches ihrem 
lebendigen Wachsthum angewiefen ift. Alfo ragen und fires 
ben dieſe Bauwerke felbft über die hoͤchſten Umgebungen 
hinaus und zertheilen durch ihre Formen felbft die zerftd- 
tenden Einwirkungen eines minder günftigen Himmels, un: 
tee welchem die vorherrſchend horizontalen Linien zu lei: 
dend erfcheinen. 

Es iſt wol befonders ber uraltbeutfche Name Wal: 
balla, der beim Anfchauen des altborifchen Tempelgebaͤu⸗ 


1183 


bes auf ber erſten Platte unſers Bilderhefts dergleichen 
Gedanken unmilltürlich hervorruft; oder würde man es bil 
figen, ein Bauwerk mit altgriechifchem Namen und von 
einer bemfelben entfprechenden Beflimmung im altdeuts 
fhen Style gebaut zu finden? Eine Pinakothek oder 
Baſilika im altdeutfchen Gefhmad, wem würde fo etwas 
nicht durchaus wunderlich feinen! So nun würde man 
ſich vielleicht bier auch den altdoriſchen Tempel wol eher 
gefallen laffen, wenn man ihn mit einem griechiſchgebil⸗ 
deten Namen ald Ruhmeshalle bezeichnet fände; nimmer 
aber kann der Name Walhalle mit biefem altborifchen 
Bauwerke befreunden, und zwar deſto weniger, je genauer 
es den gepriefenften Muftern jenes Bauſtyls nachgebitdet 
worden ift. Eine Walhalla fcheint unerlaßlich eine groß: 
artige Parkanlage als +entferntere und nächfte Umgebung 
zu fodern. Gewiß ift, daß unter den künftigen Laubge⸗ 
wölben forgfältig gepflegter Eichen, Buchen, Platanen ıc. 
die beabfichtigte Stimmung für die deutfche Ruhmeshalle 
ficherer zu finden gewefen wäre, als auf dem kahlen, lang: 
weiligen Zickzack diefer fih fo ungebuͤhrlich breit vor das 
Heiligthum hinlagernden Zreppenmaffe, vor deren unaus⸗ 
weichlihem Bedientenftolze einem graufet. 

Die Aufgabe einer Walhalla war freilich ſchwer zu 
föfen, wenn fie Überhaupt zu Löfen iſt; aber auch eine 
nur annähernde Löfung, etwa durch Anwendung des fo 
hoher Pracht fähigen Rundbogenſtyls, hätte gewiß der ur: 
fprünglichen Idee, wie fie in des jugendlichen Fürften Geift 
und Empfindung fidy ausgebildet hatte, befjer entſprochen. 

Nah S. 103 follte das altdorifhe Tempelgebaͤude in⸗ 
nerhalb, feiner ganzen Länge nad), ein, Tonnengewoͤlbe er: 
halten, durchbrochen von vieredigen Öffnungen, um das 
Tageslicht einzulaffen. Ein altgriechifches Bauwerk und ein 
Tonnengewoͤlbe, die Idee ift ſchwer zu ertragen, noch ſchwe⸗ 
zer zu rechtfertigen! Der Verf. fchlägt dagegen ein wagerech⸗ 
tes, offenes Gebälk vor, mit Bildwerk von Holz, Eifen oder 
Erz verziert; feine Idee, durch einen Holzfchnitt anſchaulich 
gemacht, wird fich eher des Beifalls zu erfreuen haben. 

Sei nun alle dem wie ihm wolle, fo wird auch biefe 
altborifche Walhalla unftreitig dennoch ihre große Aner- 
kennung unter den Deutfchen finden. Wir haben zu große 
Pietaͤt für jedes Steeben, für jeden Gefhmad, ja ſelbſt 
für jede Mode; fand dody ſogar das à la renaissance 
der Parifee und die abfurde Schnörkelpracht ihres Rococo 
fofort bei uns bie gefälligfte Aufnahme. 

(Der Beſchluß folgt.) 


Weltgefchichte in zufammenhängender Erzählung von F. 
Ch. Schloffer. Bierten Bandes erfte Abtheilung. — 
Auch u. d. T.: Sefchichte der Weltbegebenheiten des 
14. und 15. Jahrhunderts. Erſter Theil. Norden — 
Mitteleuropa — Stalien vom Anfange des 14. Jahr: 
hunderts bis auf den Frieden von Bretigny und Ur: 
ban’s V. Ruͤckkehr nah Rom um 1367. Frankfurt 
a. M., Varrentrapp. 1839. Gr. 8. 2 The. 12 &r. 
Wenn der berühmte Berfaffer von ben Geſchichten Schwe⸗ 


dens im 14. und 15. Jahrhunderte fagt: „Poetiſch aufgefaßt 


iſt Alles heroiſch, ritterlich, genial und abwechſelnd rührend 


fromm; profaifch betrachtet grauſam, brutal, blutig, mitunter 
abgöttifch, abergläubig und fanatifch”: fo iſt dadurch im Als 
gemeinen der ganze Geſchichtscharakter bes germantfchen Mittel⸗ 
alters bezeichnet zugleich mit den beiden Parteien, bie in ber 
Beurtheilung dieſer merkwuͤrdigen Beit bervortreten. Denn wähs 
rend bie Ginen mit den leichten Fittigen der Phantafle über 
das Mittelalter, das felbft fo vielfach unter der Herrſchaft bee 
Phantafie fland, dahinſchweben und ber Wirklichkeit nicht immer 
nahe genug kommen, um jeder optifchen Zäufchung zu entgehen, 
treten die Andern mit dem Auge des Balten Verſtandes zur Bes 
fdauung heran und finden des Entfetlichen, Graufamen, Ge⸗ 
waltthätigen und Rohen fo viel, daß fie das Entzüden ober 
wenigftens bie Nachſicht jener nicht zu begreifen vermögen ober 
den Grund davon in Rebenabfichten, die theilweiſe allerdings 
ſich wahrnehmen laffen, fuchen zu müflen glauben. Daß alfo 
auch hier individuelle Anfichten und Verhaͤltniſſe einen entfchies 
denen Ginfluß äußern, liegt auf der Band. Allein auch bie 
Richtung, bie man bei den mittelalterlichen Studien nimmt, 
gleichviel ob aus individueller Neigung ober fpeciellen wiffens 
ſchaftlichen Zweden zuliebe, tft für das Urtheil von wefentlis 
her Bedeutung. Wer 3. B. der mittelalterlichen Poeſie, ben 
abenteuerlihen Kreuzzügen, dem kraftvollen Leben der Städte 
zur Zeit ihrer Blüte feine befondere Aufmerkſamkeit zuwendet, 
der wird ganz andere Eindruͤcke empfangen als Der, welcher 
dem Treiben und Thun der weltlichen und geiftlichen Macht 
theils für ſich, theils gegeneinander, theils der Perſonen, theils 
der Stände feine gelehrte Beobachtung ſchenkt. Legt man nun 
bei biefen Beobachtungen den Maßſtab firenger Gerechtigkeit an, 
begt man eine lebhafte Sympathie für bie Schidfale ber in 
ihrem Rechte, in ihrer Freiheit gemishandelten Völker; hat 
man ſich gleichſam das Herz vollgelefen in den büftern Urkunden 
bes gefammten politifchen Lebens im Mittelalter: fo vermag 
fi gar wol in dem Geifte des Beobachtenden ein Bild vom 
Mittelalter auszuprägen, das, je näher und prüfender man es 
betrachtet, einen in gleichem Grabe fteigenden Unwillen ober 
Schmerz zu erregen im Stande ifl. Zu dieſer Glaffe gelehrter 
Sefchichtfcgreiber gehört unleugbar Hr. Schloffer, und er madht 
auch in dem vorliegenden Werke kein Hehl daraus, daß er wes 
der gewiſſen Lieblingsgrundfägen der Zeit bei feinen Urtheiten 
und Darftellungen huldigend, noch durch die Sprache die Sache 
befchönigend, den Thaten und Perfonen ihr Recht angebeihen gu 
laſſen beabfichtige. Mag aber immerhin babei eine gewifle Ein⸗ 
feitigteit der Anſchauung und Beurtheilung des Mittelalters 
nicht abgeleugnet werben können: man iſt Leicht geftimmt fie 
zu vergeffen, da eine von tiefer Gelehrſamkeit und von bem 
Streben nach Berechtigkeit aufrecht erhaltene Indivibuatität ſtets 
einen eigenthümlichen Reiz bat. Und wer möchte überhaupt 
das Verlangen ausfpredyen, daß der hHiftorifchen Forſchung und 
Kunft die Freiheit der individuellen Auffaffung und Vortrags⸗ 
form unbebingt geopfert werben mäfle? Defienungeachtet aber 
möchte die Anklage, bie der wuͤrdige Verf. gegen die Deutfchen 
erhebt, daß fie zu fehr und zu viel über Methode und Manier 
in den hiſtoriſchen Darftellungen firitten, nicht ganz gerecht 
fein und biefer Streit einen ebenfo guten Grund als löblichen 
Zwei Haben. Die Geſchichte tft bereits zu innig mit bem Un: 
terrichtöfgftem unferer hoͤhern Schulen verbunden, als daß bie 
Frage und vielfeitige Erörterung über bie befle Methode bes 
Gefchichtsunterrichts und der dahin einfchlagenden Bücher von 
der Hand gewiefen werben Tönnte. Denn baß die Methobe bie 
Seele jedes Unterrichts fei, wird dem Verf. als Univerfitäts: 
lehrer gewiß kein Geheimniß fein. Was man nun aber auch 
für oder gegen feine ſchriftliche Vortragsmethode fagen mag, 
fo viel tft gewiß, daß man von ber Lecture feiner Werke nie 
ohne vielfacye Belehrung hinweggeht. Und wir halten uns 
insbefonbere für verpflichtet, ihm Dank zu zollen, ba wir bes 
reits ſeit einer Reihe von Jahren bei feinen Büchern mit vies 
lem Nugen in die Schule gegangen find. Und obgleich ex in 
dem vorliegenden Buche, auf die neueften ausführlichen und ge- 
Ichrten Werte, wie 3. B. auf das von Rehm verweifend, fi 


1184 


kuͤrzer faht, als ed außerdem geſchehen fein würbe, fo iſt doch 
das Dargebotene eigenthämlih und belehrend genug, um eine 
gerechte Anerkennung feines Verdienſte und großen hiſtoriſchen 
Velehrſamkeit hervorzurufen. Dennoch möchte man es faſt bes 
dauern, daß die Verlagthandlung den Verf. feines gegebenen 
Wortes nicht entband und ihm die Vollendung feiner „Ge⸗ 
ſchichte des 18. Jahrhunderts’ in der naͤchſten Zeit nicht geftats 
tete, wie wir bei ber Angeige derfelben in d. WI. fo gern und 
zuoerfichtlich hofften, fondern daß man, gegenfeitig etwas nach⸗ 
gebend, das Übereinlommen getroffen bat: (56 follen von ben 
vier Theilen dieſer Geſchichte des 14. und 15. Jahrhunderts 
vorerft nur zwei, der eine in diefem, ber andere im nädhften 
Sabre erfcheinen, die übrigen erſt nach Vollendung der „Geſchichte 
des 18. Zahrhunderts”. Indem wir am Schluſſe unferer Bor: 
bemerkungen nur noch erwähnen, daß die Vorrede manche charak⸗ 
teriftifche und offenherzige Außerung des Verf. über feine Stu⸗ 
dien und Bücher enthält nebft der Verſicherung, dem Vortrage 
befonders in dem vorliegenden Bande eine befiere Form gege⸗ 
ben zu haben, was jeder aufmerkſame Leſer beftätigt finden 
‚wird, wollen wir jest zur Sache felbft übergeben und einige 
Punkte vorzugsweife im Intereſſe unferer Lefer zur Sprache 
bringen. Wir beginnen, dem Verf. folgend, mit Deutichland. 
Während Albrecht's I. Plan, eine ritterliche Militairmonar⸗ 
chie zu gründen, den Willen dei weltlichen und geiftlichen Zür- 
ften zu bredden, bie ihn erhoben hatten mit benfelben Waffen, 
mit denen fie ihn jegt zu befämpfen fuchten, und bie Familien: 
macht zu erweitern, theild an der eigenen Charakterhaͤrte, theils 
an dem kuͤhnen Widerfiande eines veracdhteten Bergvolkes, theils 
an ber Territorialhoheit der Fuͤrſten gefcheitert war, — denn was 
feinem Vater Rudolf mit mertwärdigem Glücke gegen Böhmen 
gelungen war, hatte im Herzen Deutfchlands ungleich größere 
Schwierigkeiten und bot Feine Ausficht auf glüdlichen Erfolg 
dar — beftieg der Iuremburger Graf als König Heinrich VII. 
den Thron Deutfchlande. Voll bes Gedankens, den alten rit: 
terlichen Glanz der Koͤnigskrone zu erneuern und ber Faiferlichen 
Macht in Stalten, dem Bapfte, den Gtäbten und dem Haufe 
Anjou in Reapel gegenüber, die frühere Herrlichkeit durch Ge⸗ 
walt und Zuge Benugung der Parteien wieberzugewinnen, 
firebt ex nicht ohne Wuͤrde, Muth und Klugheit diefem Ziele 
zu. Auch ift ihm das Gluͤck günfliger ald dem Adolf von Nafs 
fau, der unter beinahe gleichen Verhältniffen und wol nicht uns 
würbiger als jener nady Gleichem nur zu feinem Verderben ge⸗ 
trachtet hatte: die Oftreicher werben gewonnen, Böhmen wird 
erworben unb balb ber Stützpunkt ber Iuremburger Madıt; 
in Stalien aber erfparte nur ein frühzeitiger und ploͤtlicher Tod 
Heinrich VII. Demüthigungen, benen er bei der Stärke und 
. Berwidelung feindſeliger Verhaͤltniſſe gewiß nidyt entgangen 
wäre: für Kaifer, die im Bangen Feine andern Mittel als bie 
Zrümmer ber frühern Lehnsmadt befaßen, war Italien nicht 
mehr zu bezwingen, noch weniger zu behaupten. Dex plögliche 
od Heinrich's hat beinahe ebenfo zahlreiche Discuſſionen her: 
vorgerufen als der Guſtav Adolf's. Die gleichzeitigen italieni- 
ſchen Geſchichtſchreiber Lafien den Kalfer eines natürlichen Todes 
ſterben; die Deutfchen dagegen beſchuldigen ben Dominikaner⸗ 
möncdh Bernhard von Montepulciano, ihm beim Abenbmahle 
im Spuͤlkelch Gift beigebracht gu haben; zwei Prebigermöndhe, 
Ptolemäus Lucenfis und Konrad v. Halberflabt geftehen "geras 
dezu die Vergiftung ein, der Prebigers und Dominikanerorden 
läßt fich ſpaͤter durch Sohann, Heinrich’ Sohn, von dem Vers 
dachte diefer Unthat freiſprechen, fobaß offenbar auf einen all⸗ 
gemein verbreiteten Glauben gefhloffen werden muß *); und 
der allbefannte Aeneas Sylvius fagt: Henricus VII. hostili 
Die beutichen Hiſtoriker 


*) Die Lehmann'ſche Ghronit von Speier fagt S. 648: „Bon 
feinem End Treiben die Alten einbelliglih, daß im ganzen 
Neid) eine gemeine Sag gewefen, ein Predigermoͤnch babe auff 
Anftiftung der Wlorentiner biefen Kayſer vergeben.“ 


fraude veneno exstinctus fertur. 


v. Ohlenfchlager und Häberlin haben mit großer Gelehrſamkeit 
den Verdacht als Hiftorifch gewiß zu erhärten gefucdht, während 
Spittler und Johann v. Müller die Vergiftung für zweifellos 
anfehen. Und will die Gefchichte auf dem Gebiete menſchlicher 
Frevel Analogien gelten lafien, fo Tann man bas Beispiel des 
Königs Shrifloph von Dänemark anführen, der, wie vollkom⸗ 
men gewiß ift, mit dem Kelche oder der Hoftle im Abendmahle 
vergiftet ward. Allein Barthold, der WBerfaffer des ‚Römer: 
gun König Heinrich's von Lügelburg‘ (Königsberg 1830), hat 
n einer Beilage zu diefem Werte, die 64 Seiten umfaßt, auf 
ein ebenfo ausführliche als gelehrte Weile jenen Verdacht zu 
widerlegen geſucht. Das Merkwürdige bei der Sache iſt noch 
der Umftand, daß Häberlin und Barthold ihre entgegengefehten 
Meinungen aus Muratort, der in feinen „Annali d’Italia” pie 
Unſchuld feiner Landsleute nad Urkunden bewiefen gu haben 
glaubt, zu vertheidigen bemüht gewefen find. Unſer Verf. laͤßt 
ih vermöge der Beſchränktheit der Grenzen, bie ex feinem 

uche geftedt bat, auf eine befondere Unterſuchung nicht ein, 
umal da er MWuratori’6 Überzeugung zugethan ift, fpricht aber, 
hnlich wie Schiller bei der Frage über Guſtav Abolfs Todes⸗ 
art, die Worte aus: „Mir wollen ben Papft und feine getreue 
Miliz, die Iefuiten des Mittelalters (die Bettelorden), nicht 
unerwiefener Verbrechen beſchuldigen.“ 

(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen. 


Eugene Pelletan, Verf. eines Romans „Elie Arvert”, 
welcher dem halb elegifchen Genre angehört, ſchrieb einen neuen 
Roman unter dem Zitel: „La lampe &teinte‘‘, gewidmet ben 
„betrachtenden Seelen, die ſchmerzhafterweiſe auf ſich ſelbſt ver: 
wiefen find, die verftummt find vor dem ſchrecklichen Raͤthſel 
bes Dafeins, die einfam durch die Welt geben umd jedes vor- 
übergehende Geräufh, alle flerbenden Stimmen in fih aufs 
nehmen, alle Klagen, welche ſich um fie her erheben und ers 
loͤſchen, alles Elend, das Leinen Namen hat, alle Leiden, deren 
Wundmal unfihtbar iſt“ u. f. w. Diefe Widmung Mt ebenfo 
foreirt als pretentids wie das ganze Buch, und ebenfo gut ge= 
meint. Pelletan's Helden find die Helden der modernen Schule, 
fogar Dichter nach der neuern Anſicht, junge Leute mit einem 
wüften und eitel närrffchen Herzen, die fi nähren von Rebeln 
und tränken von Thränen, nachdem fie ihr Vermögen im Epiel, 
ihre Geſundheit in Ausſchweifungen, ihre Zukunft in einem zu 
frühen Atter aufgerieben haben. Welt und Leben wibern fie 
in einem Lebensalter an, wo fie beide erft kennen lernen follten. 
Dann rufen fie Wehe über die Zheilnahmlofigkeit einer Melt, 
welche fie nicht verftehen, fie für Leine Genics halten wollte, 
Schade um Pelletan’s Talent! Er fchreibt oft mit Wärme 
und weiß zumellen mit einer Anmuth und Ratvetät zu ſchil⸗ 
bern, welche gegen ben pretentiöfen Charakter des Ganzen auf: 
fallend genug abftedhen. 


Erſchienen iſt: „Egalisation sociale, ou theorie d’ane 
revolution normale fondee sur l’exercice r&gulier des facultes 
de l’homme en communaute”, von Zules Ile Baſtier. Das 
Bud hat das Motto: „Le fait, c’est l’homme, la verite, 
c'est Dieu,”’ Wahrſcheinlich wieder eins von jenen auf foclale 
Verbefferung binzielenden Büdern, worin die Philoſophie bie 
Praxis, die Praris die Philoſophie zu Grunde richtet ! 


Felix Ravaifion, Generalinfpector der Bibliotheken, hat 
mebre wichtige bisher unbelannte ober vergefiene Manuſcripte 
in den Bibliotheken von Tours, Angers, Adranches, Alençon, 
Balatfe u. f. w. entdeckt, Hierunter ein noch nicht verbffentlichs 
tes Wert von Scotus Erigena, eine allgemeine Geſchichte 
von Julius Wlorus, ein Fragment von Guido von Zenit, bem 
berühmten Muſiker des 11. Jahrhundert, 24 ebenfalls noch 
nicht gedruckte Briefe Voltaire's an Turgot ıe. 5. 


Berantwortlicher Derauögeber: DHeinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodbaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienflag, 


Gefchichte der neuern deutſchen Kunft, von Athana⸗ 
fius Grafen Raczynski. Aus dem Franzofifchen 
überfegt von 8. 9. von der Hagen. Zweiter 
Band. 

(Beſchluß aus Nr. 288.) 

Bon Klenze's Baumerken erhalten wir (S. 482) noch 
vier Beine perfpektivifche Anfichten, welche freilih nur eben 
genügen, einen Sefammteindrud zu veranfchaulichen, kei⸗ 
neswegs aber geeignet find, und vom Werth des architek: 
tonifchen Details auch nur einigermaßen eine dee zu ge: 
ben. Die vier Anfichten find: die Pinakothek, die 
Glyptothek, der neue Koͤnigsbau und der Feſtpa— 
laft. Erſtere „wird von allen Gebäuden Klenze's am all: 
gemeinften bewundert”. 

Bon dem königlichen Hofbaumeifter, Prof. Friedrich v. 
Gärtner finden wir Auftiffe der Ludwigskirche, Uni: 
verfität, Bibliocthel und bes Iſarthors, forie 
mehre Einzeinheiten von diefen Gebäuden und einen Theil 
der Sasade des Blindeninftituts. Sämmtlide Ge: 
bäude haben den immer feltenen Vorzug entfchiedener Ei: 
genthuͤmlichkeit bei größter Confequenz: man fieht es diefen 
Baumerken an, daß fie von oben bis unten ganz aus dem 
Geiſt und Gemüth des Meiftere hervorgegangen find, tel: 
chem dem auch die wärmfie Sympathie von Seiten un: 
ford Verf. zugewandt iſt; denn in der Baukunſt gibt es 
vieleicht noch entfchiedenere und flärkere Übereinflimmungen 
oder Abneigungen al® in der Malerei und Sculptur; mans 
chem Baumeifter iſt eine gewiffe wohlthuende Verbindung 
der Linien und Verhaͤltniſſe natürlich, die einem wie von 
ſelbſt mit einem gewiffen Behagen in Geift und Sinn ein: 
gehen, während die Bauwerke manches Andern uns durch 
ewiges Wiederholen und Nachahmen bekanntefter Formen 
langweilen, oder durch Seltfamteiten, Ungehörigkeiten, Über: 
Indungen u. f. w. beengen und misflimmen. 

Ich Tenne Fein Werk von Gärtner — fagt ber Verf. — 
das mir nicht ſchon erfchiene; Alles, was er baut, trägt das 
Siegel eines angeborenen Geſchmacks, eines innigen Gefühls. 
Sein Kopf ift kein Kaleidoflop, welches nur die durch Fleiß 
oder Bedähhtniß gefammelten Brucftüde ebenmäßig anorbnet: 
feine Einbildungkraft ift ſelbſtſchoͤpferiſch von Natur; fein Ge: 
ſchmack bat eine entfchiedene Richtung. 

Bon dem leider bereits verftorbenen Dan. Sof. Ohl⸗ 
müller finden wir einen nur gar zu Kleinen, aber fonft 
ſehr klaren, zierlichen Stahiftic von Hofmeifter: eine per- 


— Nr. 294. — 


20. October 1840. 


fpektivifche Anfiht der Marienkirche in der münchner 
Vorftade Au. 
Von ©. 8. Biebland, welcher 1827 auf bed Könige 
Ludwig Koften eine Reife durch Italien gemacht hat, be= 
fonderd um die Bauart der alten Baſiliken recht kennen 
zu lernen, wird uns nur die Fagade einer Baſilika geges 
ben, leider ohne Grundriß und Durchfchnitte, melche eben 
bier ganz beſonders wuͤnſchenswerth waren und wozu die 
Stahlplatte noch Raums genug darbot. 


Zehntes Gapitel. „Bildhauerkunſt.“ Wir lernen 
bier 27 Künftler diefes Fachs kennen, von denen wir nur 
die bedeutendflen anführen wollen: die Brüder Konrad und 
Franz Eberhard, von denen auch ein Bildniß in Holz 
fhnitt gegeben wird, das uns fo lieb und treu anfpricht 
wie fo manche Bilbniffe dee Art aus Dürer’s Zeit. Joh. 
Leeb. Ludwig Schwanthaler, von welchem berühmten Mei: 
ſter wir intereffante Nachrichten erhalten, meift aus Mits 
theilungen von ihm felbft; man muß bie Menge und 
Großartigkeit feiner Gebilde bewundern. Zwei Statuen von 
ihm und feine Hermannsfhladht, im ©iebelfelde der 
MWalhalla, werden und bildlih zur Anfchauung gebracht. 
Er ift vielleicht der fruchtbarfte von Münchens Künftlern 
und der die grünbdlichften Studien gemacht hat. Unter fei= 
nen erhobenen Bildwerken wird der Fries mit dem Mythens 
Ereife ber Venus im zweiten Stockwerke des neuen Koͤnigs⸗ 
baues als das vorzüglichfte betrachtet; die für das Giebel: 
feld der Walhalla beftimmten Bildfäulen aber werden für 
fein bedeutendftes Wert gehalten. of. Stigimayr, ber 
Inſpector der Eöniglihen Erzgießerei, einer der geſchickteſten 
Erzgießer, durfte in dieſer Reihe nicht ungerühmt bleiben. 

Eiftes Capitel. „Die Kunftafademie.” Die Aka⸗ 
bemie und die Schule von München find zwei verfchiedene 
Dinge. Unter letzterer verſteht man die Gefammtheit ber 
dortigen Geſchichtsmaler, deren Zalent fi) unter Corne⸗ 
lius' Einfluffe entwickelt und denen das mächtige Genie 
dieſes Meifters einen Grundzug der Großheit aufgedruͤckt 
bat, dee allen gemein ift und fie von den übrigen beut: 
(hen Malern unterfcheidet. Die Kunſtakademie befteht aus 
Profefloren und einer großen Anzahl von Zöglingen unter 
ber Zeitung von Cornelius. So einig die Profefforen un: 
ter fih und mit Cornelius über die Grundfäße bes 
Unterrichts find, fo ift es doch kaum anders zu erwar⸗ 
ten, als daß fo vielfeltige, fo große und eigenthümliche 





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2 ins 


Talente, wie ſie hier ſich zuſammenfinden, auch ſehr ver- 


j ‘ 
1 7 


Die Abſchnitte Rom, Florenz, Parma, Lucca, 


ſchiedene und von der Richtung der Akademie abweichende Turin und Genua find vom Dr. Ernft Sörfter, aus dem 


Bahnen einfchlagen und ſich von berfelden durchaus unab⸗ 
bängig erhalten. 

Die Akademie Hat Wr geiftiges-Dafein von ber Schule, 
und nicht die Schule duſſelde vom der Mkademie: wie die 
Sprachlehren aus den Sprachen hervorgehen und ihre Re: 
gen fammeln, nicht aber diefe aus jenen. In der Aka: 
demie waltet der Geift der Maͤßigung, der Erhaltung, der 
Berichtigung; vergeblich aber würde man in ihr dem bele: 
benden, fchöpferifchen Geiſt fuchen, welcher ſich in Mün: 
hen überall offenbart. Diefen belebenden Geiſt finde ic) 
vor Allem in dem Könige, und er ift fo thätig in ihm, fo 
wohlthuend, fo über alle Kleinlichkeiten und Streitigkeiten 
erhaben, daß in Münden Alles gedeiht und ſich verfchönt, 
daß die Künfte fich verherrlichen, trog aller Eiferfüchteleien. 

Der König ift es, der das heilige Feuer entzündet hat 
und der es naͤhrt. Die Akademie bewegt fih um ben 
Herd her und nimmt von Zeit zu Zeit einige Sunfen ba: 
von, um fie den auflelmenden Zalenten anzuvertrauen, die 
fi in ihrem Schoofe vereinigen. Übrigens glaube ich, daß 
die Akademie, in Betracht ihrer Thätigkeit und Grund: 
füge, die größten Lobfprüche verdient. Ich werde ihr ihre 
Lehren, welche fie auf taufendfältige Weiſe zurichtet, fo 
wenig zum Vorwurf maden als ihre Grundfäge, ſelbſt 
wenn fich diefe in Abftractionen und Sophismen verirren. 
Das iſt der gewöhnliche Gang der Akademien ; wenn fie 
ſich aber auch in den richtigften Schranken hielte, würde 
fie dennoch den Vormürfen Derer nicht entgehen, bie fich 
‚außerhalb berfelben bemegen. 

Im 3. 1835 zählte die Akademie 318 Lehrlinge, bie 
fi in den verfchiedenen Claſſen auf folgende Weife ver: 
theilten: Baukunſt 83; Säle der Antiten 165; erfte Ma⸗ 
terclaffe 48; Bildhauerkunft 15; Kupferftehertunft 7. 

Zwoͤlftes Capitel. „Stuttgart.” Es wird von 11 


Kuͤnſtlern Nachricht gegeben, aber nur von zweien, von. 


Gottlieb Schi und Eberhard Wächter, von jedem ein 
großes Gemälde duch Nachbildung verfinnlicht. 

Dreizehntes&apitel. „Nuͤrnberg, Augsburg, Re: 
gensburg.“ Bon Nämberg, der Baterfiadt Duͤrer's und 
Viſcher's, berichtet der Verf. mit großer Vorliebe ausführ: 
licher. 

Die drei legten Capitel: vierzehntes: „Karlsruhe“; 
funfzehntes: „Prag“; ſechszehntes: „Wien, find 


niht vom DBerf. ſelbſt, fondern ihm von Anden für fein 
Merk gefchrieben worden; nur hat er fie mit mehren An: : 
merkungen verfeben, welche jedoch meiftens eine, dem ebein 


Verf. fonft fo gar nicht eigene, polemifche, gereizte Stim: .| Y 
Fa te des Reiches, wie fie Dante und Ludwig's Hoffheologen 


mung verrathen. 
Beilagen. 1. Befchreibung ſaͤmmtlicher Frescogemaͤlde 


ber Allerheiligenkapelle und ihrer Bedeutungen, mie fie, ei: 


nen Cyklus bildend, aufeinander folgen. 11. Überficht ber 
großen Wandgemälde und der Medatllons in der Baſilika. 
III, überſicht der Darftellung des Mibelungentiedes in eis 
ner Reihe von Frescobildern. IV. Baukoften bes neuen 
Schloßfluͤgels auf der Seite des Schaufpielhaufes. V. Aus: 
flug nad) Italien. 


3. 1837, voll lebendiger Anfchauung ber damaligen Kunft- 
zuflände in Italien und befonder6 in der uralten Wett: 
ſtadt, wo fih Muter'den. Kü lern aller Wide gchen 
das Bisherige mur Hs Sehmucht mach: etnuas Beffkem tof: 
fenbarte, und wo bie Deutfchen ohne Ungerechtigkeit ben 
Ruhm ſich aneignen dürfen, den erflen Anftoß zu einer 
neuen Bewegung gegeben zu haben, 

Mailand, Bergamo, Venedig. In Norditalien 
weiß man bis jegt wenig von Dem, was in Beziehung 
auf Kunft jenfeit der Alpen vorgeht, worüber man ſich 
eben nicht fehr zu wundern bat: mußten body noch vor 
einigen Jahren in Muͤnchen gar Manche aus den gebils 
beten Ständen nur wenig von Cornelius und gar nichts 
von Kaulbach. Ähnliches kann man auch in Berlin er: 
leben; nichts iſt natürlicher: „der Sinn für die Kunſt ift 
weder eine Pfliht, noch eine Tugend, noch ein Beweis 
von Geifl. Hoͤchſtens zeugt die Kunftliebe von Zartgefähl, 
von Takt und Gefhmad; unb dazu wird noch erfodert, daß 
diefe Liebe wahrhaft fei, was gemeiniglic nicht der Fall tft.‘ 

Das nun ift der reihe Inhalt diefes zroelten Bandes, 
in welchem’ ebenfulls die Initialen aller Capitel koͤſtlich 
verziert find mit vorfeefflichen Holzfchnitten nach den wun⸗ 
berhübfchen, finnreichen Randzeichnungen der Frau Ders 
mine Stilke zu ‘Düffeldorf. Nach einer dem Bude vor: 
geklebten Annonce haben wir noch im Laufe diefes Jahres 
den dritten und legten Band des koſtbaren Werks zu er: 
warten, welcher Bericht erftatten wird von Berlin, Mords 


I deutfchland, von den deutſchen Künftleen m Itallen, ben 


Kunftvereinen und von der nenern deutſchen Kunſtlitera⸗ 

tur. Wir fehen demfelben mit tebhaftefter Verehrung ge: 

gen den beriihmten Verf. ermartungevoll entgegen. 
Wilhelm Körte. 





Weltgefchichte in zufammenhängender Erzählung von $. 
Ch. Schloſſer. Bierten Bandes erfle Abchellumg. 
(Bofchluz aus Nr. 8.) 

Lubwig IV. oder der Bater (1814— 47), vn Mammett 
(1812) patriotiſch oder, wenn man will, office vertheibigt 
bat, gehört einer Übergangszeit ber weltlichen und 
Berhältniffe Deutfchlands an, die wol im Stande war, einen 
ſtaͤrkern und edlern Charakter Ins gefährlichfte Bedränge zu 
beingen und endlich aufzureiben, als dieſer Kaiſer befaß. 
Und des Werf. Urtheil über ihn iſt gewiß ein geſchichtiich - bes 
‚flätigtes und unparteiiſches zu nennen: „Maifer Ludwig der 
Baier war, trog feines’ langen Streites mit dem YPapfle, weder 
aufgeflärt wie Kaiſer Friedrich IL, noch ſchlau wie König 

bilipp ber Schöne, noch lag ihm an dee Behauptung der 


fherfpruch gegen die paptftifche Theologie und Rechtswiffen⸗ 
ſchaft aufflellten, fo viel, daß er dafür einen Selbvortheil ober 
irgend ein Städ Landes, bas er feiner Familie erwerben konnte, 
hätte aufopfeen ſollen.“ eine politifche Stellung ward aller: 
dings dadurch um fo ſchwieriger, baß der ſtets zweideutige 
£uremburger, Zohann von Böhmen , ſich an Frankrelch anlehnte 
und biefes, die Verwirrung Deutſchlands gern fehend, bie Paͤpſte 
in Avignon benugte, um bem Kaifer Berlegenheiten und Neth 
zu bereiten, damit das beutfche Reich zu Feiner Einigkeit und 
kraͤftigen Haltung gelange. Und man Tann in Wahrheit bes 





1187 


haupten, vaß Wein beutfiher Kaiſer von den Paͤpften fo ſchmaͤ⸗ 
lig gemishandelt worden fei als Ludwig. Wir können deshalb 
auch nicht umhin, theils um unfere ſoeben ausgefprochene Be: 
hauptung durch ein Belfpiel zu erhaͤrten, theild damit ein nicht 
Allgemein belannter Beitrag zur Charakteriftik ber chriftlichen 
Sprache bes fogenannten Statthalters Chriſti hier einen Pas 
finde, den Bannfluch mitzutheilen, den Siemens VI. 1846 über 
ckudwig IV. aueſprach. Der lateiniſche Vert findet fich bei 
Raynalbus ad ann, 1846 n. 8. Gine beutfche Überfegung, bie 
aber jede veraltet ift, haben wir nur in Bower's „Geſchichte 
der Paͤpſte“ (Bd. 8, S. 397) gefunden. Unſer Verf. erwähnt 
dieſes Anatbem nur im Allgemeinen. Nachdem der Yapft buch 
feinen Ausfpruch ben Kaifer in allen weltlichen Rechtsbeziehun: 
gen für todt erklärt hat, folgt dee kirchliche Bannftrahl in bie- 
fen an Raferei grenzenden Worten: „Wir flehen demüthig bie 
göttliche Gnade an, daß fie des genannten Ludwig Frevel zuͤch⸗ 
tige, feinen Übermuth demüthige und breche, mit der Gewalt 
ihrer Rechten ihn nieberfchmettere, ihn felbft feinen Feinden 
und Berfolgern in die Bände gebe und vor ihnen niedermwerfe. 
Er gerathe in verborgene Fallſtricke, er fei verflucht bei feinem 
@ingange, er ſei verflucht bei feinem Ausgange. Der Herr 
ſchlage ihn mit Wahnfinn, mit Blindhelt und NRaferei. Der 
Dimmel fende feine Blige auf ihn herab. Der Born des all- 
mächtigen: Gottes und des heiligen Petrus und Paulus, deren 
Kirche er mit feinem Gigenthum zu vermengen fi angemaßt 
hat und noch anmaßt, entbrenne über ihn jegt und in Zukunft. 
Der Erdkreis ftreite gegen ihn, es thue fich die Erbe auf und 
verfchlinge ihn lebendig. Sein Name gehe mit einem Menſchen⸗ 
alter unter und fein Andenken verſchwinde von der Erbe ; alle Ele: 
mente mögen gegen ihn fein. Sein Haus flehe verlaffen, alle 
Verdienſte der in Gott ruhenden Heiligen mögen ihn verberben 
und über ihn in diefem Leben eine fichtbare Rache verhängen. 
Seine Kinder mögen verfloßen werben aus ihren Wohnungen 
und vor feinen Augen in bie Hände ber Feinde fallen, die fie 
verderben.” Und damit zu biefer gräßlichen und unerhörten 
Wuth auch nody die Anmaßung komme, fügt Elemens VI., nad: 
dem er den deutſchen Fürflen eine neue Kaiſerwahl zur Pflicht 
gemacht hat, zulegt die Worte Hinzu: „‚Alioquin sedes ipsa, a 
quo jus et potestas electionis praedictae ad principes per- 
venit eosdem, super hoc de opportuno remedio providebit,’ 
Aber gleich als hätte die Wuth der roͤmiſchen Curie ihr ſchrecklich⸗ 
ſtes Gift bis zulegt auffparen wollen: Ludwig tft der letzte deut: 
ſche König, gegen den ein römifcher Biſchof den Blitzſtrahl bes 
Banned gefchleudert hat. 

Karl IV. (1347—78), deſſen NRegierungsgefchichte der 
Verf. in dem vorliegenden Bande bis 1365, b. i. bis zum Gr: 
fcheinen der goldenen Bulle, ebenfo anſchaulich als gründlich 
geſchildert hat, ein Monarch, des, mit den Waffen italienifcher 
Politit und Bildung ausgerüſtet, alle deutfchen Fürſten feiner 
Beit wie an Klugheit fo an Gelehrfamkeit übertraf, der, ohne 
perfönlich eine Banze eingelegt zu Haben, fich aller feiner Geg⸗ 
ner entiedigte, der mit fo außerorbentlicher Feinheit, nament⸗ 
lich in feiner goldenen Bulle, durch Bereinigung der Intereſſen 
des Kaifers und ber Kurfürften den Papft von dem Ginfluffe 
auf die weltlichen Angelegenheiten Deutichlands zu entfernen 
wußte, daß biefer, die neue Wendung ber Dinge ertennend, am 
Ende zum böfen Spiele gute Miene zu machen fi) genöthigt 
ſah — Karl IV. wird uns Deutfchen troß dieſer Wahrnefmun: 
gen doch nie in dem günftigen Lichte erfcheinen, in welchem er 
feinem Rationalbiograpgen, bem Böhmen Pelzel, erfchienen ift. 
Karl's Grundcharaker war - in beutfchen Angelegenheiten ftete 
Egoismus; Deutfchland ward feinem Patriotismus für Böhmen 
zum Dpfer gebracht. Übrigens fehen wir in ihm den erſten 
Kaiſer, — ein beutliches Zeichen ber veränberten und fortge: 
fehrittenen Zeit — durch ben bie beutichen Fürften fih auch an 
eine unritterliche Majeflät gewöhnten. Er war jedoch gu klug, 
am wicht zu willen, daß biefer Mangel an Ritterlichkeit nicht 
dur Schreiben, Decretiren, Ninterfiegeln u. f. w. erfeht wer: 
den Tönne, und er fand diefen Erſat im Pruuk, duch welchen 


er dem etwas bleihen Büde feiner kaiſerli Moiefät glekch⸗ 
fam einen Hebenden Rahmen zu geben —5 Fear: wir 
gulegt noch unfern Berf.: „Das Geremoniel, Kleidung, Feſte, 
Geſchirr, Feierlichkeiten, Rangbeſtimmung und prunkende Re- 
praͤſentation war Karl's Hauptſtudium, und ſelbſt im Ornate 
und im Gold und Purpur zu figuriren, fein liebſtes Wergnügen ; 
feine Beftimmungen über die neuen byzantinifchsflawifchen Aus- 
zeichnungen eines Kalfers, einer Kaiferin, der Kurfürften find 
bader in ihrer Art meiſterhaft. Wir fchen Karl bei alten 
Feierlichkeiten ben größten Werth auf das geiftliche Privilegium 
bes Kalfers legen, als Subdiakonus das Evangelium öffentikh 
mit dem bloßen Schwerte in ber Hand abgufingen, wir ſehen 
ihn ſtets, gleich feinen Untertbanen, den Slawen, befchäftigt, 
ben Heiligen, den wunberthätigen Bildern, den Goangeliens 
buchern, ben Todtenknochen, die Verehrung gu bezeugen, die 
nur dem lebendigen Gott allein gebührt.‘ 

Zum Schluffe wollen wie unfern Verf. nod eine kurze 
Strede auf dem Gebiete der franzöfiichen Geſchichte begleiten. 
Der Regierungszeit Philipp’s des Schönen (geft. 1314) wir, 
wie natürlich, eine befondere Aufmerkſamkeit gewidmet. Diefer 
Monarch), ein Lühner Mehrer des franzöfiichen Reihe, aber 
auch gewiffenlofer Vetkehrer bes Rechts, vernichtete bekanntlich 
in Vesbindung mit dem Papſte Glemens V., der freilich in 
Philipp's Gewalt fi befand, den Tempelherrenorden. Über 
biefe wielbefprochene hiſtoriſche Tragoͤdie fpricht denn auch Hr. 
Schioffer, jedoch fo, daß er die Bekanntichaft mit Rehm's Werke 
über das Mittelalter vorausfegt, fowol rüdfichtlich der hierher⸗ 
gehörigen Literatur als dev Sache felbſt. Es hat nämlich die 
fer merkwürdige Proceß bdeutfchen und franzdfiichen Gefchichtss 
forſchern vielfache Weranlaffung zu gelehrten und weitläufigen 
Unterfuchungen gegeben; doch hat bie Frage über die Schuld 
oder Unſchuid des verurtheilten Ordens Feine übereinkimmenbe 
Beantwortung erfahren. Indeß die Meiften haben ihre Stimme 
dahin abgegeben, daß die Verurtheilung theils auf unerwiefene 
theil6 auf gewaltfam erpreßte Anlagen hin erfolgt, und daß jes 
benfalls das ganze Proceßverfahren ein höchit parteiifches unb 
gewaltthätiges gewefen fei; daß endlich zwar einige Gpuren 
wahrſcheinlicher Schuld insbefondere einzelner Mitglieder fich 
zeigten, die aber durchaus nicht Evidenz genug hätten, um 
auch nur eine criminelle und ſchimpfliche Unterfuchung hervor⸗ 
zurufen, gefchweige denn ein Todesurtheil zu rechtfertigen; bie 
wahren Bründe feiner Anlage und Verurtheilung müßten ba: 
gegen wefentlich in ben großen NReichthümern des Ordens, bes 
fonders in Frankreich, in dem Stolze und in der Hartnaͤckig⸗ 
teit, womit er feine wahren ober vermeintlichen echte ver: 
theidigte, unb in der Habfucht und dem Mistrauen bes Rö- 
nigs von Frankreich gefucht werben. Und fchon bie unregel- 
mäßige Procefart und die Grauſamkeit gegen bie einzelnen 
DOrbensmitglieder liefern einen ſtarken, wenn auch nur indireeten 
Beweis für bie Unſchuid der Geſammtheit. Im iſt 
man denn nach den angeſtellten Unterfuchungen zu der t 
gelangt, daß, wie der Franzoſe Raynouard ſich ausdrückt, „der 
Ruf des Ordens und das Andenken an bie Ritter 500 Jahre 
nach feiner Aufhebung für wieberhergeftellt angefehen werben 
möffe. Nur ein gewichtiger Gegner ber Zempelherren trat in 
newexee Zeit auf, ber befannte Drientalift von Hammer, in 
der Schrift „‚Mysterium Baphometis revelatum, Auctore Jos. 
ab Hammer‘', abgebrudt in ben „‚Bunbgruben bes Orients’ (Bp. 
6, Wien 1818), Dieſer Gelehrte fuchte ans ben Denkmuͤlern des 
Drbens ben Beweis zu führen, daß er fidh der Apoftafie, Abgoͤtte⸗ 
zei, Ruchlofigkeit der Gnoſtiker und felbft ber Opbiten ſchuldig ge⸗ 
macht habe. Wegen ihn ſchrieb der fihon genannte Franzoſe Rays 
nouard (1819). Die Schrift bes Hrn. von Hammer hat keine Bexs 
änderung in ber allgemeinen Meinung bervorzubringen vermocht 
und fowol Rehm als Gchloffer gehören gu ben Bertheibigern 
bes Ordens, obſchon fie manche wahrſcheinliche Schuld nicht 
verfihweigen. Durch ihve Darſtellung und Beurteilung ber 
Sache blicken bie ſchoͤnen Morte Raynouard's hindurch: „Die 
ſchrecktiche und beruhmte Kataſtrophe der Tempelherren legt bie 


1188 


Verpflichtung auf, ſehr umfidtig und fireng in ber Wahl ber 
— die man ſich erlauben kann, um ihnen das gerechte 
itleiden zu entziehen, welches bie Nachwelt ihrem Schickſale 
nicht verweigert hat.’ Am traurigften war das Loos ber Drs 
densmitglieder natürlich in Frankreich, beimeitem milder war 
daſſelbe in den übrigen Staaten. Auch rädfichtlid ihrer Güter 
verfuhr man in Brankreih am willlürlichften.. „In England 
aber, fagt Hr. Schloffer, „wurden zwei Drittel biefer Güter 
ein Raub ber Krone; in Deutichland wurden fie zwiſchen den 
Johannitern und dem deutſchen Orden getheilt; in Gaftilien 
nahm fie die Krone in Befig; in Aragonien wurde ber Orden 
von Galatrava, in Portugal der Ghriftusordben damit ausge⸗ 
attet.“ 

r Die uns geftectten Grenzen erlauben nicht, den Verf. weis 
ter durch fein Buch zu begleiten. Wir fließen mit dem auf: 
richtigen Wunfche, ihm auf feinen gelehrten Wanderungen in 
dem weiten Gebiete der Gefchichte recht bald wieder zu bes 
gegnen. 54, 





Notizen. 


In der legten Verſammlung ber Central society of edu- 
cation zu London ward eine Darftellung der Unterrichtömethobe 
in der Blindenanftalt zu Bofton in den Vereinigten Staaten 
verlefen. Ron hervorftechendem Interefle war die Befchreibung 


des Verfahrens, welches man hinfichtiich eines weiblicyen taub: 


fummblinden und der Geruchsempfindung faft ganz beraubten, 
13 Jahre allen und feit zwei Jahren in ber Anftalt befindli- 
den Zoͤglings, Namens Laura Bridgman, verfolgt hat, ſowie 


ber in Betracht der natürlichen Schwierigkeiten günftigen Er⸗ 


folge, welche befonders durch das ſich unverkennbar kundgebende 
Streben jenes unglücklichen Wefens ermöglicht wurben, feine 
intelleetuellen Kähigkeiten innerhalb und tro& der von der Na: 
tur ihm auferlegten Schranken mit aller Energie auszubilden, 
Kolgende möchten die intereffanteften Züge der ziemlich langen 
Schitderung fein. In ihrem Streben nad Kenntniß der Worte 
und nad) Mitteilung ihrer Gedanken bildet fi das Mädchen 
Häufig felbft Worte und läßt fich dabei in der Regel durch Analogie 
leiten. Nachdem man einige Zeit darauf gewendet hatte, ihr 
einen Begriff von der abftracten Bedeutung des Wortes alene 
beizubringen, was in biefem einzelnen Kalle, wie überhaupt mit 
allen abfiracten Begriffen bei ſolchen Individuen feine befon= 
dere Schwierigkeit hat, fehlen fie denfelben endlich zu faflen und 
fie verfiand, daß being by one’s self fo viel fei wie to be 
alone oder al-one. Man fagte ihr, fie folle irgendwohin ges 
ben und allein (alone) zurüdlommen: fie that dies genau fo; 
‚aber bald darauf wollte fie mit einem kleinen Mädchen zufam: 
men geben, und fie wendete nun ihre Ausdrucksweiſe fo: Laura 
go al-two. Gine ähnliche Srfcheinung zeigte fidy in ihren De⸗ 
finitionsverfuchen zum Behufe ber GStaffification eines Gegen⸗ 
flandes. Go gab ihr Jemand das Wort „‚bachelor”’ (Jung: 
geſell); fie bat darauf ihren Lehrer um eine Erklärung, wurde 
dahin unterrichtet, daß Männer, die Weiber hätten, husbands, 
„die, welche nicht verheirathet, bachelors hießen, und antwortete auf 
die Frage, ob fie es verſtehe: „Man no have wife — bachelor — 
Tenny bachelor’‘, indem fie augenblidii Bezug auf einen ihs 
zer alten Freunde nahm. Als fie das Wort definiren follte, 
fagte fie: ‚Bachelor, no have wife, and smoke pipe.’ Sie 
betrachtete nämlich bie Individuelle Eigenthuͤmlichkeit jener @i- 
aen Perfon als ein fpecififches Merkmal des Battungsbegriffs: 
bachelor. Sie befigt diefelbe Vortiebe für Kleidungsftüde, 
Bänder und Putz wie anbere Mäbdhen ihres Alters; und daß 
dies von demfelben Wunfche, zu gefallen, wie bei andern, her⸗ 
züdre, dafür geugt ber Umftand, daß fie befonders gern in Ges 
ſellſchaft geht, fo oft fie ein neues Kleidungsflüd bat. Merken 
die Andern nicht barauf, fo leitet fie ihre Aufmerkfamteit da⸗ 
bin, indem fie deren Hand barauf legt. Gewöhnlich zeigt fie 
für folche befuchende Perfonen Vorliebe, die gut gekleidet find. 


Wegen ihres Giberwiegenden Verkehrs mit Blinden hält fie 
Blindheit für den allgemein herrſchenden Zuſtand; fo oft fie 
mit einer Perfon zum erſten Male zuſammenkommt, fragt fie, 
ob fie blind fei, oder befühlt ihre Augen. Dabei weiß fie ganz 
genau den Unterfchieb zwiſchen blinden und fehenden Perfonen ; 
denn wenn fle jenen etwas zeigen will, Iäßt fie es allemal durch 
deren Zinger berühren. Mit dem Additions⸗ und Gubtraes 
tionsverfahren mit wenigen Zahlen iſt fie vertraut. Gie kann 
Begenftände bis ungefähr zur Zahl von 100 zählen; um eine 
unbeftimmt große Zahl, oder mehr, als fie zählen Tann, zu be: 
zeichnen, fagt fie: „hundert“. Als fie einmal daran dachte, 
daß ein Freund von ihr viele Jahre entfeent ſei, ſagte fie: 
„Hundert Sonntage” — nämlih Wochen. 


Die BD auernvon Ban. 

Die Stadt Ban in Armenien, angeblih von Semiramis 
erbaut, iſt wegen ihrer natürlichen Kelfenmauern berühmt, bie 
fo regelmäßig find, daß fie von Vielen als ein Werk menſchli⸗ 
her Baukunft befhrieben worben. Mehre der Höhlen in dem 
Gelfen find denen von Petra nicht unähnlih. Der Geograph 
Schultz fol fie unterfucht und gerade zur Zeit feines traurigen 
Endes eine Beichreibung davon vorbereitet haben. Southgate 
gibt in der Beſchreibung feiner Reife durch Armenien u. f. w. 
folgende kurze Skizze davon. „Ich ging eines Zages in dem 
Garten eined Agas der Stadt umher, den ih um Mittheilung 
einiger Belehrung über den Zuſtand der Medveſſehs gebeten 
hatte. Seine Gärten lagen am Buße des Kelfens, nahe an 
deſſen weſtlichem Auslaufe. Ich bemerkte deutliche Spuren von 
Gtufen, die von der Stabt aus auf die Vorderſeite des Fel- 
fend, in welche fie eingehauen waren, führten. Augenfcheinlich 
leiteten fie, der ganzen Anlage nach, zu Gemächern in dem 
obern Theile. Die Thüren der Behältnifie felbft waren fidhtbar, 
aber ſowol von oben als von unten nur durch Seile zugänglich. 
In ihrer Nähe waren ganze Behaͤltniſſe offenbar zerflört, ba 
man ihre fonflige innere Seite jegt von außen fah. Diefe Ber: 
flörung fcheint menfchliches Werk zu fein und iſt wahrſcheinlich 
diefelbe, die Zamerlan nach Eroberung ber Stabt unternom= 
men haben fol. Die Gefchichte erzählt, er habe Hier ger 
wiffe außerordentlih fehle Bauten gefunden, beren Zertrüm⸗ 
merung er befchloffen habe. Ganze Banden feiner, im Werte 
der Vertilgung geübten Soldaten arbeiteten unter feiner Lei⸗ 
tung vier Monate lang daran; aber das Unternehmen überftieg 
ihre Kräfte, und fie waren gendthigt es nur theilweife vol: 
führt zu laſſen.“ 


Aus Neapel berichtet man die Entdedung einer neuen 
Grotte am füdöftlichen Abhange bes Hügels von Paufilipp. 
Sie tft von anfehnlicher Tiefe und zu zwei Dritteln ihrer Höhe, 
bie 45 Zuß beträgt, mit Erde, feinem Sande und Schutt an= 
gefüllt. Die Innern Wände beftehen theils aus Sandſtein, thekls 
aus Lünftlihen Mauern, an welchen man ftellenweife Spuren 
von Verzierungen durch Sculpturarbeit wahrnimmt. Ungefähr 
400 Schritte vom Gingang entfernt ftehen bis an bie Schultern 
in Schutt vergraben 12 Eoloffale Marmorftatuen, deren Köpfe 
aber leider fo verftümmelt find, daß es unmöglich iſt, ihre Bes 
beutung zu erfennen. Auch hat man mehre griechifche und rö- 
mifche Kupfer und Silbermüngen unter dem Schutte gefunden. 
Die Grotte ift nur dann zugänglich, wenn fie vom Seewinbe 
in gerader Richtung beftrichen wird, da fich außerdem bie Luft 
in einem Zuftande befindet, welcher das Athmen erfchwert und 
dad Brennen von Lichtern verhindert. Dan beabfichtigt bie 
Reinigung ber Grotte. #7. 


Die berühmten ſiameſiſchen Zwillinge Shangs Eng befinden 
ſich nach den neueften Nachrichten aus Neuyork gegenwärtig in 
Norbearolina, wo fie fi feßhaft gemacht und ein herrliches 
Grundftüd nahe bei Trapphica in der Grafſchaft von Wilkes 
erworben haben. &ie helfen felbft ihre Felder bebauen und ſa⸗ 
gen, daß fie die glücklichſten Menſchen wären. 5, 


Berantwortlier Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. 4. Brodhaus in Leipzig. 





Blätter — 


für 


literariſche unterhaltung. 


4 





Erinnerungen aus dem aͤußern Leben von Ernſt Mo⸗ 
ritz Arndt. Leipzig, Weidmann. 1840. Gr. 8. 
2 Thlr. 
Wir leben heutzutage ſo raſch hin, daß ein Viertel⸗ 
jahrhundert hinreicht, uns des groͤßten Moments in un⸗ 


ſerer neuern Geſchichte vergeſſen zu laſſen. An den 
Kampf gegen Napoleoniſche Obmacht denkt kaum Einer, 
an die Zeiten auslaͤndiſcher Unterdruͤckkung wol Keiner mehr; 
und Maͤnner, die in jenen Tagen der hehren Nothwehr 
die Bannertraͤger der edeln Vaterlandsgedanken waren, er⸗ 
ſcheinen dem heutigen Geſchlechte faſt wie Bergtruͤmmer 
einer‘ dunkeln Ritterzeit. Die Richtung der Gegenwart 
geht fo fehr aufs Allgemeine, die ganze Menfchheit Um: 
foffende, daß zumellen eine mächtige Mahnung noth thut, 
auch die Heimat babe ihre befondern Rechte auf uns 
und babe fie jest fo ſtark und dringlid als je. Darum 
ift das Buch von Arndt ein zeitgemäßes, ein Buch, wie 
es Deutfchland auch einmal bedarf, Deutfchland, das fo 
gern herzbefangen fich den Ideenſpielen bingibt und feine 
Nachbarn im Reellen ſchwelgen läßt. Wie oft ſchon haben 
wir uns an Grundfägen und Spflemen begeiftert, die 
wie Zündpulver am Geſchuͤtz aus ber Ferne aufbligten, 
bie uns die Kugeln’ an unferm eigenen Leibe trafen! 
Zwar iſt es fihdn und edel, bie Eindliche Vertrauen auf 
Schönes und Edles; aber wer befugt fein will, dem Feinde 
zu trauen, muß vor Allem die Kraft haben, ihn auch im 
Nothfalle bändigen zu innen. 

Deutfchland iſt ftark, wenn einig; wer weiß das nicht? 
Aber um diefe Einheit wieder zu knuͤpfen, bedurfte es ber 
Läuterung von 300 Jahren und ber Prüfung des tief: 
ſten Elends. Noch kurz vor dem Einbrechen ber ärgfien 
Schmach über das Vaterland, wie forglos und ohne 
Ahnung lebten bie einzelnen deutfchen Stämme, wie eng: 
umgrenzt in ihren Ortsangelegenheiten, wie berzlich haß⸗ 
ten fie ober verachteten einander! Arndt's „Erinnerungen 
führen uns ein in jene regungsvollen Zage, in jene Zeit 
des Uberganges und er hat noch ganz das Idylliſche der 
alten abgeſchloſſenen Zuſtaͤnde durchlebt. Seine Jugend 
gehoͤrt der unbewußten Daͤmmerung Deutſchlands an; 
ſein Mannesalter war das unmittelbarſte Wirken und 
Ringen fuͤr Volk und Reich; feine Greiſentage waren 
trauervoll, aber lebensreich und friſch treiben ſie jetzt wie⸗ 


ber neue Wurzeln und Wipfel, wie die Hoffnungen unſers 
Vaterlandes wieder neu erblühen. So ift Arndt’s Leben 
ein concentrirtes Bild dee deutfchen Gefchichte neuefter Zei: 
ten, ein Bild, deffen wie uns freuen dürfen, wenn nicht 
um glänzender prangender Farben willen, doc ob ber 
en tiefen, ſtarken Seele, die aus Aug’ und Stirme 
pricht. 

Arndt ift dem Baume bed DVaterlandes zu vergleichen, 
bem guten Eichenftamme, der im kräftigen derben Boden 
tief wurzelt und deſſen Krone vom reiniten Lichte des 
Himmels umglänzt iſt. Arndt iſt entfproffen aus echtem 
Bauernblute von nordifher Reinheit; Water und Grof: 
vater gehörten den dlteflen Ständen an, benn jener 
mar Landbauer, diefer ein Schäfer, und damit auch bie 
dritte, die Kriegerkafte, nicht in der Geſchlechtsfolge ver: 
mißt werbe: der Urgroßvater war ein fchmebifcher Unter: 
offizier, den bie Liebe in einen Unterthban bed Grafen 
Putbus auf Rügen verwandelte. Der Vater unfers Ernft 
Moritz war alfo nicht mehr und minder als ein Freige: 
loffener, der aber eine gute Bildung und Erziehung ge⸗ 
noſſen und ſich zu einem leiblichen Wohlftande hinauf: 
arbeitete. Arndt wurde geboren am zweiten Weihnachts: 
tage 1769, zu Schorig auf ber Inſel Rügen. Seine 
Jugend war eine Idylle; er lebte fich frifch in die Na: 
tur binein, Meer und Wald umraufchten feine kindlichen 
Sahre, und das Aufblühen des Frühlings und die Mühen 
des Sommers und das rauhe Anflürmen des Winters 
an jenen Nordkuͤſten wirkte ganz und unverhüllt und une 
mittelbar auf ihn. Gute freundliche Menfchen, wenig: 
ſtens erſchienen fie ihm fo, umgaben ihn und brachten 
ihm gar manche Freuden ein; ein redlicher, verftänbdiger 
Vater, eine fromme, finnige Mutter wirkten mit klarer 
Beionnenheit im Haufe. Die Gefchichte vorzüglicher Den: 
fchen lehrt uns gar oft, daß es Frauen waren, benen ‚wir 
bie liebevolle Entwidelung geiftiger Blüten verdanken. 
Außer der Mutter war es noch befonders eine Baſe, 
Sophie, deren milde Einwirkung auf Arndt’ Jugend 
ſchoͤn hervortritt. Der Vater hielt feine Söhne fireng 
und fern von aller MWeichlichkeit, wie es nordifchen Na: 
turen geziemte. j 

Die Sitte war damals beibes, feierlich und fireng, und 
Kinder und @efinde wurden bei aller Butherzigteit und Freund⸗ 
lichkeit der Altern und Herrſchaften immer im gehörigen Abe 
flande gehalten. Es ward felbft in den untern Ständen ebenfo 





. 11% 


ſehr, als man ſich jett lotterig ober ungezogen gehen läßt, nach 
einer gewiffen Vornehmheit und Bierlichkeit geftrebt. — — Es 
ging bei foldhen (feftlichen) Gelegenheiten in bem Haufe eines 
guten Pächters ober eines ſchlichten Dorfpfarrers ganz ebenfo ber 
wie in dem eines Barons oder Herrn Majors von, mit berfelben 
Feierlichkeit und Verzierung des Lebens; aber freilich ſteifer und 


‚ungelenter, alfo lächerlicher und alberner. — — Langſam feiers 


h 


lich mit unlieblihen Schwenkungen und Knickſungen bewegte 
fi die rundliche Frau Paftorin und Paͤchterin mit ihren Mam⸗ 
fellen Zöchtern gegeneinander, das oft falfche dicht eingepuderte 
Haar zu drei Stockwerken Loden aufgefchlagen, die Füße auf 
hohen Abfägen chinefifh in die engſten Schuhe eingezwängt, 
wadlicht einhertrippelnd. Die Männer nach ihrer Weife ebenfo 
fleif, aber doch tüchtiger. Bei diefen hatten die großen Wilder 
des fiebenjährigen Krieges den welfchen Geſchmack etwas durch⸗ 
broken. Man mochte mit Recht fagen, es waren bie komiſchen 
Zransfigurationen Friedrich's IL. und feiner Helden. Maͤchtige 
Stiefein, bis über die Knie aufgezogen, ſchwere filberne Sporen 
daran, um die Knie weiße Stiefelmanfcetten, in den Händen 
ein Langes fpanifches Rohr mit vergoldetem Knopf, ein großer 
dreiediiger Hut über den fleif einpommabirten und eingemäch- 
feten Locken und dee langen Haarpeitſche: — ba war body noch 
etwas Männliches darin. — Und die Jungen? Selbſt dieſe klei⸗ 
nen unbedeutenden Greaturen mußten fon mit heran. O, es 
war eine ſchreckliche Kopfmarter bei folchen Keftlichleiten. — — 
Das Pofftrlichfte bei diefen Abconterfeiungen des feinen unb 


vornehmen Lebens war noch der Gebrauch der hochdeutſchen 


Sprache, welcher damals in jenem Inſelchen auch für Über: 
außes und Ungemeines galt und auch wol gelten mußte, weil 
Wenige damit ordentlich umgugeben verftanden, ohne dem Da⸗ 
tiv und Accuſativ in einer Viertelftunde wenigftens einige Hun⸗ 
dert Maulfchellen zu geben. Es gehörte nämlich unerläßlih zum 
guten Zone, wenigftens die erften fünf bis zehn Minuten der Er⸗ 
Öffnung und Verſammlung einer Geſellſchaft Hochdeutſch zu rade⸗ 
brechen; erſt wenn bie erfte Hitze der feterlihen Stimmung abges 
kuͤhlt und die erften Beklemmungen, welche der Überfluß an Com⸗ 
plimenten verurfacht, über einer Taſſe Kaffee verfeufzet waren, flieg 
man wieder in die Alltagsſocken feines gemüthlichen Plattdeutſch 
hinunter. Auch franzoͤſiſche Broden wurden bin und wieder ausge⸗ 
worfen. — — Ich galt in biefen Tagen für einen treuen, gehor⸗ 
famen und fleißigen Zungen, aber zugleich für einen ungeflümen 
und trogigen, für einen ſolchen, der gern feinen eigenen Weg ging. 


"Alfo drang, auch Im jenem fernſten Winkel des Va⸗ 
terlandes, bie Eigenthuͤmlichkeit der Zeit auf das kindliche 


Gemüuͤth ein, und was uns heute nur noch lächerlich er» 


fcheint, war damals laͤſtig und quälerifh und mußte eine 
gute Eräftige Natur defto mehr auf das Innerlihe, rein 
Menſchliche zuruͤckweiſen. So entitand in Arndt der Trieb, 
die Menſchen und ihre Sitte kennen zu lernen, und bat 
ihn unbewußt einen großen Theil feines Lebens beherrfcht 
und oft zw abfichtslofem Wandern gefpornt. Auch die 
poetifche Entwidelung ber Nation fälle in feine Jugend; 
er ſah im vollen Glanze das Srühroch unferer Literatur, 
als es ſich ringsum regte und vom Summen des Lenzes 


alle Lüfte befeelt waren. 

Die Menſchen waren damals ungebilbeter, aber eigenthuͤm⸗ 
licher, mannichfaltiger und poetiſcher als jett; das Naturges 
präge war noch nicht zur platten Ginerleiheit fo abgefchliffen, 
man konnte mehr von ihnen Iernen, mehr von ihnen haben. 
Gs war das wirklich eine poetifche Epoche, wo das liebe Deutfchs 
land nad einem langen matten Traume wieder zu einem eigen 
thümlich poetifchen Dafein erwachte, und das war bas Schöne 
darin, daß bie Zeitgenoſſen viel mehr, als mir es von ben 
Zeptiebenden daͤucht, an jenem Dafein Theil nahmen. Dies 
war nicht blos bei den Stubirten und @ebilbetern ber Ball, 
fondern auch bei den Einfaͤltigen und Ungelehrten. 


Während fo das Literarifche Leben fich von felbft Bahn 
brach bis zum einfamen Haufe der Arndt'ſchen Altern, 
wurbe auch bie ernftere Wiffenfchaft nicht verfäumt und 
Hauslehrer bereiteten ihn und feine Brüder vor, die ge 
lehrte Schule zu Stralſund zu bezichen. Hier lernte er 
bie ehrwuͤrdigen Reſte reichsbuͤrgerlichen Stolzes kennen, 
und der alte Glaube und die alte Treue hielten die Ge- 
fammtbeit noch würbig und anftändig verbunden; aber 
auch fehmelgerifcher Genuß und finnliches Leben war an 
bee Zagesordnung. Doch Arndt war mit ernften Ent: 
ſchluͤſſen, ein fiebzehnjähriger Juͤngling, nach Stralfund 
gefommen und blieb ihnen treu; er war ſtark und ge 
fund, und wollte e6 bleiben. Die erwachende Sinnlich⸗ 
keit bändigte er mit Eräftigem Bewußtſein, unterwarf fi 
freiroilligen Mühen und Strapazen, und haͤrtete ſich ab 
duch Wanderung und friſches Bad bis den Winter bins 
ein. Da begab ſich's auch einmal, daß die Abſchieds⸗ 
ſchmaͤuſe von Primanern, die zur Univerfität abgingen, 
ihm fo gewaltig ins Blut fchlugen, daß er fürdhtete zu 
verweichlichen, wenn er länger dies Leben fortfeßte; und in 
feinen Gedanken lief er wirklich eines Nachmittags auf 
und davon, in die weite Welt binein, und wanderte 
mehre Tage herum, bis ihn feine Altern wieder auf: 
fanden, als er gerade der harten Wege und ber foldati= 
[hen Nachtquartiere .müde geworden war. Dann blieb 
er anderthalb Fahr zu Haufe, ftudirte fleißig und fegte 
feine Abhärtungen fort, und bezog endlih zu Oſtern 
1791 die Univerſitaͤt Greifswald. Im Fruͤhjahr 1793 
ging er nach Jena, wo er anderthalb Fahre blieb. Hier 
ſcheint vor Allem Fichte's Eräftige Perfönlichkeit auf ihn 
gewirkt zu haben, ebfchon er ſich weder feinem noch einem 
andern pbhilofophifchen Spfteme befreunden konnte; denn 
Arndt liebte mehr „das Scharfe und Spige”, das uns 
mittelbar Wirkende und Geftaltende, bie rafche That und 
was dazu führt. 

Er war zum Theologen beflimmt und predigte auch 
mehrmals mit Beifall in feiner Heimat; aber er fühlte 
nicht den rechten Beruf zum geiftlidhen Stande und gab 
ihn gerade dann auf, als man fchon allgemein anfing 
Rüchtiges von ihm zu hoffen. Er reiſte nun eine Zeit 
lang, fübmwärts bis Toscana, weſtwaͤrts bis Paris, und 


als er endlich wieder in die Heimat zuruͤckkehrte, entfchieb 


die Liebe über feine Eünftige Laufbahn. Er heirathete bie 
Tochter eines Profeffors zu Greifswald, warb dort Pri⸗ 
vatdocent der Gefchichte und 1805 außerorbentlicher Pro⸗ 
feſſor. Seiner Frau Eoflete die Geburt eines Sohnes 
(1801) ihr jugendliches Leben. 

So weit haben wir Armdt durd ein Leben begleitet, 
das frifh und regſam, doch durch Leine Außerliche Be: 
fonderheit fi von dem anderer Erdenſoͤhne auszeich: 
nete. Arndt war nun 35 Sabre alt; und fein oͤffent⸗ 
liches Wirken begann gerade von da an, als er eine 
ruhige Stätte für fein häusliches Leben gefunden. Vom 
Kernholze des deutſchen Stammbaumes entfproft, hatte 
fi‘) fein Gemuͤth ſtets dem Norden zugewendet und baran 
erfriſcht; ber Geburt nah ein Angehöriger Schwedens, 
kam das große deutfche Vaterland erft allgemach zu feinem 











1191 


Sewußtſein. Es ging ihm, dem Repräfentanten unferer 
Volksthuͤmlichkeit, wie den Germanenftämmen felbft im 
Anfang unferer Gedichte: fie wurden erft nach und 
nach inne, daß fie zu einem großen Ganzen zufammen: 
gehörten. 

Die erften politifchen Zu: und Abneigungen erachten 
in ihm durch das Zeitungslefen, dann durch die Meinun- 
gen, bie Vater und Obeim im eifrigen Gefpräche aus: 
Drachten, endlich durch die Kenntniß der vaterländifchen 
Geſchichte. Sein Vater war ein Verehrer des Haufes 
Waſa, fein Oheim ein begeifterter Lobredner des großen 
Friedrich; ſo wurde er als Knabe ſchon Royaliſt, waͤh⸗ 
rend bie allmaͤchtige Bewegung ber Zeit und bie ange: 
borne Kraft in ihm jene Begeiſterung freifinniger und 
patriotiſcher Ideen weckte, durch bie er fpäter fo mächtig 
wirkte. Royalismus aber und Liberalismus pflegen ſich 
felten zu paaren, ohne daß zugleich ein beide verfnüpfen: 
des Element hervortrete, das ariftofratifche, welches dem 
Drude von oben und unten mit gleicher Spannkraft 
widerftehen fol; daher iſt Arndt für einen flarken und 
seichen Adel und für eine Verfaffung nad) dem Mufter 
der englifchen *), infofern fi eine ſolche mit dem Be: 
fſtehen eines geruhigen ehrenwerthen Bauernftandes vereini- 
gen ließe. Über feine antifranzoͤſiſchen Sefinnungen lafjen 
wir ihn felbft reden: 

Auch da war mein politifchee Glaube wol in erfler Jugend 


—X fortlaufende Unterricht verſagt war, 


Unter diefen waren auch bie deutſchen und ins Deutfche übers 


hatte mir Abneigung, ja oft Abfcheu gegen das ganze mitſpie⸗ 
bende Volk eingeflöft.... - Ich Hatte endlich das 


eihen ‚ feinen Schlachten, feinen Weltklaͤngen und Fauſtgriffen. 
Beg 


vergötterten Geſtalt: es ſchien ein unbewußtes Grauen vor dem 
Der Zorn aber, ein 


*) Was er zwar nicht ausdruͤcklich fagt. 


Liebe zu lieben und bie Welfchen mit vechtem treuen Zorne gu 
baffen ..... Auch der ſchwediſche Particularismus war nun 
auf einmal tobt, die ſchwediſchen Helden waren in meinem Ders 
zen nun auch nur andere Töne der Vergangenheit; als Deutſch⸗ 
land durch feine Zwietracht nichts mehr war, umfaßte mein 
Herz feine Einheit und Einigkeit. Faſt zu gleicher Beit erließ 
id) zwei Kleine politifche Schriftchen. Das erfle unter dem Zitel 
„‚@ermanten und Guropa’ war nichts ald eine etwas wilde 
und brudhflüdige Ausfprubelung meiner Anſicht ber Weltlage 
von 1802; das zweite: „Geſchichte der Leibeigenſchaft in Pom⸗ 
mern und Rügen‘, behandelte ein heimatliches Übel. 


(Die Fortfegung folgt.) 





Aphorismen aus Theodor Parow's Nachlaß. Heraus: 
gegeben von Eduard Maͤtzner. Berlin, Dunder 
u. Humblot. 1839. Gr. 8. 18 Gr. 


Die Herausgabe biefer Schrift ift ein Werk der Pietät. 
Als ſolches muß fie genofien und gewärbigt werden. Br. 
Eduard Mäsner gibt bier nämlich Blätter aus den Papieren 
feines entſchlafenen Breundes, Theodor Parow. Es find, fagt 
der Herausgeber, Selbſtgeſpräche eines Denkers, weicher fi 
über die wefentlichen Intereffen des Lebens zur Klarheit zu 
bringen firebt. Sie geben gewiß ein Zeugniß für die gegen- 
wärtige Zeit und ihren flillen Ernſt, der nicht aufhört ohne 
Lohn in den Tiefen des Gedankens zu arbeiten, während am 
Markt des Lebens die Wahrheit um allerlei Preis feilgehalten 
wird. Parow flarb, nachdem er eben 30 Jahre alt geworben 
war, ohne das Syſtem feiner Gedanken vollendet gu Haben. 

Der Gharakter alles Defien, was in biefen Blättern mits 
getheilt if, dürfte der des Philofophifch = Theologifgen genannt 
werden. Schon feit dem Erſcheinen bes Chriftenthums iſt ein 
Streit gewefen, in welchem Verhaͤltniß eigentlich bie chriſtliche 
Lehre zur Philofophie ſtehe. Heidniſche Philofophen verfuchten 
das Evangelium durch ihre Philofophie zu vernichten, während 
dagegen bie chriftlichen Kirchenväter, wie Auguftinus, erklärten, 
die Philoſophie fei nur eine Dienerin, eine Magb der Theolo⸗ 
gie. So ſcharf und unverföhnt Ghriſtenthum und Philoſophie 
einander gegenüberflanden, fo glaubten doch die Philoſophen im 
Kortgang der Tage das Chriftenthum nicht ignoriren zu koͤn⸗ 
nen, weil die gebildete Welt ſich eine chriſtliche wenigſtens 
nannte; fo ift e& gefcheben, daß die Philofophen ihre Lehrweiſe 
und ihre Lehren nach den gegebenen chriſtlichen mehr oder we⸗ 
niger formten und zuſchnitten. Aus dieſer Berbindung iſt nad 
und nach die fogenannte Religionsphiloſophie entſtanden; Fried⸗ 
rich Heinrich Jacobi hat jedenfalls viel gethan, daß fie in:der 
noch jeßt beliebten Art erſchien und cultivirt wurde. Allein 
ſchon in dem Worte Religionsphiloſophie liegt etwas ſich ſelbſt 
MWiderfprechendes, eine contradictio in adjecto. Gicht man 
auf das Wefen der Religion, fo muß man fagen, daß barin 
weniger das Hare Denken, als das Glauben, das Übergengtiein, 
die unmittelbare Gewißpeit von dem Höchften und Überirdiſchen 
ein wefentliches Moment fel. Die Phitofopbie dagegen ſucht 
das in der Wirklichkeit Gegebene, das in der Übergengung Feſt⸗ 
ftehende zu klaͤren, zu begründen, zur feften und unumflößtichen 
Wahrheit zu erheben im Gedanken. In biefen Behauptungen 
ift zugleich ausgeſprochen, daß die Religion fo gut wie die Phi⸗ 
Iofophie ſich auf ein inneres Bedürfniß ber menſchlichen Natur, 
des menfchlichen @eiftes flüpt, und daß beide zu keinem vers 
ſchiedenen ober gar entgegengefegten Sefultate führen tönnen. 
Diefe Behauptung gilt natürlich nur von der Religion an ſich, 
ober von der reinen Religion, nicht aber von den verſchiedenen 
pofitiven Religionen. In biefen pofitiven Reiigionen wird ſich 
immer mandherlei finden, was bie Philoſophie ober bie philo⸗ 
ſophiſche Kritik als ſecundair bezeichnen und als fremd und bes 
terogen ausſcheiden muß. Wollen nun die Anhänger pefitivee 
Religionen dies Pofitive in bie Philofophie mit bineinverficche 


1192 


ten, ober vom pbilofopbifchen Standpunkte aus ald wahr und 
nothmwenbig beweifen, um aus Philoſophie und pofitiver Reli⸗ 
gion ein Sanzes zu machen: ſo moͤgen ſie vielleicht ein geiſt⸗ 
reiches Werk zu Stande Kt ach ob aber eins von ewiger 
Wahrheit, das muß bezweifelt werben. 

rin liegt der Seund, baß Gchleiermacher von Denen fehr 
wenig hielt, die ſich feine Schüler und Anhänger nannten: ex 
aeftand fi), daß eine ſolche Verbindung von Philofophie und 
pofitiver Religion nur für Den Werth habe, der fie entworfen, 
ber fie gewiſſermaßen geiftig erlebt hat, keineswegs aber für 
Den, ber fie blos adoptirt, daß fie mithin auf allgemeine Gül: 
tigkeit nicht Anſpruch machen Lönne. , 

Ich komme hiermit auf die vorbenannten „Aphorismen‘ 
zurüd; es zeigt ſich darin ein lebendiger Trieb nad Wahrheit 
und ein ernſtes Streben, fie zu finden; zu beklagen iſt, daß ein 
Leben, worin fo viele Zöne zur reinen Harmonie des Menſch⸗ 
lichen lagen, obne fich völlig entfaltet zu haben, enden mußte, 
Noch Sins möchte id im Zufammenhange mit dem vorher Aus: 
gefprochenen berühren. Es ift natürlih, daß, wenn auch 
das Chriſtenthum bleibt, was und wie es einmal iſt, doch die 
Auffaffung deſſelben ſich verändert. Viele Haben nun gemeint, 
daß das Chriſtenthum ſelbſt ſich vervollkommne, mehr und mehr 
ausbilde und vollende. Indeß da das Chriſtenthum von vorn 
herein fich als die wahre und einzige Religion ankündigt, fo 
liegt bie Idee der Vervollkommnung befjelben wenigftens nicht 
innerhalb der Grenzen der Lehre ſelbſt. So Leicht nun eine 
folge Taͤuſchung denkbar ift, fo würde doch das Chriftenthum 
gar nicht Ghriſtenthum bleiben, wenn es ſich mit ben Begriffen 
und Ideen ber Zeiten und nach denfelben änderte, das Evan: 
gelium iſt nicht perfectibel, nur Die, welchen es angeboten wird, 
find vielleicht zu einer Zeit geiftig mächtiger, als ihres Gleichen 
zu anderer Zeit es waren. 

Hlermit hängt die Frage fehr genau zufammen: If es 
zum Frommen ber chriftlihen Kirche, als folder, daß bie mos 
derne Theologie * ber phitofophifihen Auffafjung des Chris 

nthums vor end zuneig 

re Fr horn haben fchon im Zeitalter der Reformation 
anerkannt, daß fie nicht ohne eine feſte norma oder regula 
fidei, ohne Glaubensfymbole beftehen koͤnnten, damit nicht eine 
Zelt kaͤme, wo bie Merkmale und Kennzeichen des Proteftantifchs 
Ehriſtlichen gang und gar verwiſcht wären. Daher ftellten fie 
ihre Bekenntnißſchriften zufammen und formisten daraus bie 
fogemannten ſymboliſchen Bücher, Roch jetzt wird befanntlich 
jeder Beiftliche auf bie Lehren diefer Bücher verpflichtet. Allein, 
was hat die moderne Theologie von Daub, von Schleiermadher 
mb feinem Nachtreter Lüde, von Sad und Tweſten u. f. w. 
mit den fpmbolifchen Büchern gemein ? Wenn aber die Art und 
Weife diefer Männer, die ſich für die Koryphaͤen der theologi- 
fer Wiflenfchaft ausgeben, oder bie bafür gehalten werden, 
den Symbolen der proteftantifch = hriftlichen Kicche total fremd 
it, was mag benn ihre Tendenz fein? Wollen fie die Symbole 
umftoßen? Keineswege; fie vertheidigen biefelben. Wollen fie 
Die Symbole reetificieen? Gewiß nicht; denn Symbole, bie eis 
ner Gorreetion bebärfen, find gar eine oder Zönnen keine fein. 
Wollen fie dem Wolke Predigten & la Schleiermacher vorbalten ? 
Dahn werden fie bie Kirchen noch planmäßig entvölkern, oder 
vielmehr .entgeifteen. Wollen fle Schleiermacher'ſche, Daub’fche 
und fonftige Säge in den Katechismus bringen und ben Schul: 
Eindern eingeben? Schwerlich wird das «in Wernünftiger thun; 
obwol ſchon vor einigen Sahren die Schleiermacher'ſche Lehre 
für Katechismusſchüler appretirt erſchien; wenn ich nicht irre, 
hatte ein junger Schweizer dieſen genialen Gedanken durch— 
geführt. 


Wenn nun aus biefen unabweislich naheliegenden Fragen 
erhellt, daß die moderne Theologie etwas durchaus Unpraktiſches 
und Unkirchliches ſei, ſo fieht man daraus, daß es mit derſelben 
durchaus nichts ſei. Ebenſo unpraktiſch und unkirchlich iſt der 
in einzelnen Ländern jest moderne und ſogar von oben her 


protegirte Pietismus und Myſticismus. Sowol biefe letzege⸗ 
nannte Richtung als bie dee modernen Throlegie beide werkennen 
und verräden bie Grengen der Religion, beide perſtehen nike 
eine Grenze zu ziehen und einen Unterſchied zu machen zwiſchen 
Religion an fi und zwifchen pofitiver Religion; während die 
mgberne Zheologie ſich den Schein größter geiftiger Freiheit und 
Kraft gibt, ift fie, wenn man's fcharf nimmt, ebenfo unfrei 
und unfelbftändig wie Myſticiemus und Pietismus. 

Gegen beide Richtungen ift die Strauß’fche Methode und 
Lehre ein nothwendiges Gegengewicht, obwoi, wie id fdhon 
mehrfach ausgeſprochen habe, Strauß keineswegs origineil, fon: 
Ban Pr die zweite Auflage von Paulus, Wegfcheider und 
Roͤhr ift. 

Auf biefem Kampfgebiete wärbe Theodor Parow mit feiner. 
eigenthümlichen Tiefe der Auffaffung viel: dazu beigetragen gaben 
das Gleichgewicht herzuftellen und zu behaupten. 4, 


Eee — — ——— —— 


Literariſche Notizen. 


Eine ſeltſame Ankündigung des franzöfifiken . Journals 
„L’Audience‘’ theilen wir in volifändiger Überfegung mit: 
„L’Audience! — das ift der Ruf, den man in jedem Augens 
blik in den Öffentlichen Gtabliffements wiederholen hört. Ge⸗ 
richtshoͤfe, Rechtsfragen, induftriele UÜberſichten, Frankreichs 
und bes Auslandes Bankrotte, pikante Scenen aus den Frie⸗ 
denögerihiten und ben Disciplinarräthen ber Rationgigarde, 
Gernen aus dem criminellen Leben — das find die Aufprüce 
ber „Audience“ auf bie allgemeine Gunſt! Wenn ihr biefes 
intereffante Journal zu lefen verlangt, fo fragt nur nach der 
„, Audience ” in allen Kaffeehäufern, Leſezimmern u. f, mw.“ 
Bald nachher lieft man mit großen Buchftaben angekündigt: 
„‚Tout le monde voudra lire le dernier numero de l’Audience, 
journal judiciaire a 20 fr. par an au lieu de 72 Der 


"Inhalt diefer Nummer ift angegeben und umfaßt ein gutes 


Theil einer der langen Spalten im „Journal des debats’‘, 
voran: „Mme. Lafarge et ses deux avocats“! Mit großen 
Buchſtaben ift ber Artikel „Un. homme enterre vivant” her- 
vorgehoben; mit brei Ausrufungszeichen verſehen iſt die Rotiz 
„‚Nourriture de chair humaine “!!! Dann gibt es noch bie 
Uberſchriften: „Les ennemis du caporalat” ; ‚Une gorge a demi- 
coupee‘’!; „Ne battez pas les demoiselles !*. „Marche de 
la coalition. ler peloton. Les menuisiers. 2d peloton. 
Lescharrons, Sième peloton. Lestailleurs. 4ieme peloton. Les 
serruriers en bätimens. Sieme peloton. Les mecaniciens.’’ Diefe 
echt franzöfifche Lügen, Greuel: und Scherzzeitung, welche 
durch ihre lebendig begrabenen Menſchen, ihre in Städe zer: 
ſchnittenen Leichname und dergl. allerdings auf ein großes Pu⸗ 
blicum Anſpruch hat, verkündet audy, großartig genug, für 
ihre Abonnenten : „des consultations judiciaires gratuites par 
un comite d’avocats celebres’ u. f. w. \ 


Ein Roman von Charles Rabou: „Louison d’Arquien‘‘, 
wird von franzoͤſiſchen Kritikern fehr gelobt; fie fagen, er fei 
ebenfo originell als kurz, Zörme in einem Athem burchgelefen 
werben, fei Eräftig und naiv zugleich, der Styl ahme faſt die 
Formen der während der erfien Dälfte des 17. Zabrhunderts 
gebräuglichen Sprache nach (vielleicht in der Weife, wie 
3. Alexis in feinem neueſten Romane „Der Roland von 
Berlin’ feine Perfonen die Sprache des 15. Jahrhunderts oder 
eine derſelben ähnliche ſprechen Iäßt), der Verf. wifle au ers 
zählen, was ein feltenes Talent fei, er wiſſe auch zugleich aller 
Abſchweifungen ſich zu enthalten, was ein noch felteneres Zalent 
ſei. Vorzüglich müffe man an Rabou loben, daß er Feine 
blaſſen, falſchen und zweideutigen Leidenfchaften darftelle, bie 
Aue Surrogate für die mangelnde wahre keidenchaft 
ſeien. . 


Verantwortlicher Deraudgeber; Heinrich Brodhaud — Drud und Verlag von F. X. Brodhauß in Leipzig. 
En 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung 





Donnerdtag, 


— — 


Ernſt Moritz Arndt. 


(Fortſezung aus Nr. 293.) 


In der letztern Schrift hatte unſer Arndt, der Unter: 
druͤckung im Kinzelnen wie im Großen feind, das Mie- 
verhältniß beleuchtet, das feit dem dreißigjährigen Kriege 
zwifhen den Cdelleuten und freien pommerfchen Bauern 
ſich gebildet hatte und wodurch diefe meiltentheild zu 
Zeibeigenen geworden waren. Der Bauernftand wurde 
mit ungemeffener Dienftbarkeit belaftet, durch Verwandlung 
der Dörfer in große Pacht⸗ und Nittergüter endlich fehr zer: 
fört... . Dies veranlaßte an mehren Stellen foͤrmliche Bauerns 
aufruhre, welche durch Soldatenentfendungen und Einkerkerun⸗ 
gen gedämpft werben mußten. Auch wurden, wie es muntelte 
— was aber des verhaßten Begenftandes wegen vertufcht warb —, 
einzelne böfe Edelleute und Pächter gelegentlih, wie Ziberius, 
durch nächtliche Überfälle unter Kiffen erſtickt. Aber dergleichen 
Sreulichkeiten waren nur eine kurze Warnung und die Dinge 
tiefen nichtsbeftoweniger ihren gewöhnlichen häßlichen Lauf. Wie 
diefe Vermäftung der Dörfer der Hartherzigkeit oder Habſucht 
unbarmherziger ober verfehuldeter Herren preisgegeben war, fo 
war es auch bie Perfönlichkeit der an die Scholle gebunbenen 
Leute..... Mancher Herr ließ fi für die Kreilaflung von 
einem rüfligen und ſchoͤnen Süngling 100, ja wol 150, und 
von einer ähnlichen Magd 50 oder 60 Thaler bezahlen, konnte 
auch die Kreilaffung überhaupt gegen jede Summe ganz vers 
weigern. 

Arndt offenbarte nicht allein diefe Greuel, die durch 
kein Gefeg einen Vorwand fanden, fondern regte auch 
feinen Bruder Frig an, der damals Advocat zu Bergen 
auf Rügen war, Bauern gegen ihre Edelleute zu firmen 
und zu vertheidigen, was ihm gelang, troß der ſchmaͤh⸗ 
lihen Bermaltung der Patrimonialgerichtsbarkeiten, „welche 
Einige uns jetzt noch als ein gar huͤbſches patriarchali: 
ſches Verhältniß anzupreifen wagen!” Arndt 309 fi man: 
chen adligen Haß zu und wurde fogar beim Könige Su: 
ſtav IV. Adolf verklagt; allein diefe Anklage hatte nichts 
Anderes zum Erfolg, als daß ber König einige Sabre 
nachher die Leibeigenfhaft und Patrimonialgerichte auf: 
bob. So war bie erfte Öffentliche Wirkſamkeit des edeln 
Mannes; ein wuͤrdiges Vorſpiel zu ber Mole, bie ibm 
fpäter zu Theil warb. 

Nahdem er 1803 — 4 eine Reife nach Schweden 
gemacht, murde er (18306) zu Stralfund in der Regie: 
rungskanzlei befchäftige. Hier begann fein Kampf fürs 
Vaterland mit einem Zweikampfe. Arndt figt mit meh⸗ 
sen Sreunden beim Trunk in einem öffentlichen Garten; 


— Nr. 296, — 


22. October 1840. 


nn 


er lobt das fehmebdifche Volt: dba laͤßt der Schwede Gyl⸗ 
lenfoärd „ein fchlechtes Wort über das deutfche fallen”. 
Am dritten Zage [hoffen fie fih am Meeresftrand; die 
Kugel des ſchwediſchen Dffiziers durchbohrte Arndt und 
feffelte ihn auf ein paar Monate ans Bett. Da fchrieb er 
ben erften Theil des „Geiſtes der Zeit” (1506), womit 
er feinen Krieg gegen Frankreichs Übermacht eröffnete. 
Bald darauf zwang ihn die Schlacht bei Jena und bie 
Befegung Pommerns durch die Franzofen zur Flucht nad) 
Schweden. Aber audy hier ward er Zeuge gräßlicher Zer: 
ruͤttung; er konnte nicht froh und friedlich leben ‚‚mit: 
ten unter ben Zeichen alle8 Verderbens und Unterganges, 
two die vorbedeutenden und weiffagenden Unglüdsraben 
des Schickſals mit ihren ſchwarzen Flügeln Einem jede 
Secunde um das Haupt ſchwirrten“. Arndt ſah den 
Sturz des Königs vorher und die Franzofenliebe der 
meiften Schweden flimmte fchlecht zu feinen Gefinnungen, 
wiewol biefer Imiefpalt auf feine gefelligen und Freun⸗ 
desverhältniffe weiter feinen Einfluß hatte. Dennoch warb 
es ihm ſchwermuͤthig und unheimlich; er fehnte ſich zur 
Heimat. Der Sicherheit wegen gab er eine Reife nad) 
England vor, fuhr aber mit einem preußifchen Schiffe 
nach) Rügenwalde, wo er als Sprachmeiſter Allmann 
fandete. Dies gefhahb im September 1809. Ron ba 
fuhr er mit einem Kuͤſtenſchiffchen nady Kolberg, das im 
den Jahren 1806 und 1807 als legter Anker der preu: 
Bifhen Ehre gegen alle Feindesflut ausgehalten hatte. 
Sodann reifte er bald zu Lande, bald zur See, bald zu 
Zuße nad) der Heimat und gelangte in der Morgen: 
bämmerung zu dem trantomwer Hofe bei Guͤtzkow, wo die 
Seinen wohnten. Er fah feinen adhtjährigen Sohn und 
feine Gefchwifter wieder, aber feine Ältern nicht; den Ba: 
ter hatten fie im vorigen Sommer begraben, bie Mutter 
war ihm vor vier Jahren vorangegangen. 


Hier faß er verborgen und magte nur einmal eine 
Decemberfahrt zu feinem Bruder Karl, verkappt und ver: 
hült, ohne irgendwo eine Einkehr zu magen. 

So mußte ih in der Heimat neben fo vielen Verwandten 
und Bekannten wie cin Bandit durchs and fchleichen... . Ja 
das waren Zeiten! Das war ein Zahr, das Zahr 18091 Ge 
— mit der Achtung und Flucht aus Berlin bes edeln Mini⸗ 
ers v. Stein begonnen; alle feine Arbeiten, Aufflände, Kämpfe 
und blutige Männesfchlachten waren durch einen fürchterlichen 
Srieden verloren und beruhigt; fo viele und große Hoffnungen 





1194 . 


von vielen Millionen Menſchen lagen wieber verfunten in bem 
Abgrunde ber Verzweiflung. Es endigte mit der Auslicferung 
. und Hinrichtung des frommen Andreas Hofer. 

Bald ſchien ihm die Heimat nicht mehr Sicherheit 
zu gewähren; er. ging nad Berlin, wo fein Jugendfteund 
Georg Reimer ihm eine Wohnung beforgee. Cr. kam ein 
paar Tage vor Weihnachten an und fah den Einzug bes 
preußifchen Herrſcherpaares, fah bie Freude und den 
Schmerz des Volles und faugte neuen Grimm aus den 
gramvolien Augen der holden Königin und neue Ent: 
ſchloſſenheit aus den verfchloffenen Zügen Scharnhorſt's. 

Es war das doch eine fhöne Zeit: Alles bedrüdt, bedrängt, 
verarmt und im Wechſel zwiſchen Doffnung und Berzweiflung 
fchwebend, doch wenn aud nur ein Lichtfunken der Hoffnung 
aufſchimmerte, zu welchem heilen Morgenrothe ber Zukunft ent: 
faltete es plöglicy fein mädhtiges Gefunkel! und die Nacht und 
die mitwiffenden Sterne belaufhten Worte, welche in Gefells 
Schaften die Furcht damals kaum zu wispern wagte... . Die 
Franzoſen hatten über das alte Germanien ein Gewebe ber 
Auflauerei und Gpäherei geworfen, in deſſen weiten Kalten 
jene ziſchelnden und giftzüngelnden Würmer der Hinterlift und 
des Verraths verborgen lauerten. Dieſes Gewebe, ja diefes 
Reh und die einzelnen Fäden beffelben hielt vor vielen Andern 
der franzöfifche Geſandte Reinhard in Kaffel und der weftfälifche 
Botfchafter Freiherr von der Linden in Berlin, und ber Kranz 
zofe Bignon in Stuttgart in ber Band. 

Um Oſtern 1810, al6 Pommern wieder an Schwe: 
ben zuruͤckkam, Lehrte Arndt aud wieder in feinen Uni: 
verficätöpoften zu Greifswald zurüd; doch fobald er feine 
Familienverhältniffe geordnet, nahm er (Sommer 1811) 
feine Entlaſſung. Er war gewarnt worden, namentlid) 
duch Villers; man hielt ihn für ein Mitglied eines ges 
heimen antifranzoͤſiſchen Bundes. Er blieb fill auf dem 
Hofe Trantow, fpähete umher, wo eine von franzoͤſiichem 
Druck freigebliebene Stätte in Europa noch zu finden fei, 
und fand Leine andere al6 Rußland. Und zu rechter 
Zeit noch gab ihm der ruffiihe Geſandte zu Berlin, ber 
Graf Lieven, einen Paß nad dem Oftreihe; denn ſchon 
ruͤckten Sranzofen wieder in Pommern ein. Arndt flüdy: 
tete nach Clempenow und kam Anfang Februar 1812 
nah Berlin. 

Dier war ein Leben und Weben, ein Wogen und reiben 
dee Kräfte. Die Herzen ſchlugen volleren Schlag, bie Eiche 
fand volfte ſeligſte Umarmung; der Haß und Zorn, damals 
gang jugendliche friſcheſte Geſellen, welchen noch Feine Policei 
die Zlügel geftugt hatte, gaben einen Augenblid faft ebenfo 
große Scligkeiten. Da Habe ich viele trefflihfte Männer zuerft 
geſehen und kennen gelernt, und war mit Einemmale mitten 
in einem großen gewaltigen Männerbunbe, ber 
einen einzigen Gegenſtand feines Bedhrfniffes hatte, Haß und 
Aofchüttelung und Vernichtung ber Welfhen. Andere Schi⸗ 
boletde und Geheimlehren gab es dort gewiß bei 
den Wenigfien, wenigftens bei mir keine 
anbere. 

Die Sefchichte ging ihren unaufhaltfamen Lauf; Preu: 
fen follte unter Frankreichs Banner gegen Rußland ſtrei⸗ 
ten. Diele preußifche Offiziere nahmen ihren Abſchied, 
unter ihnen der Oberſt Graf Chazot, mit dem Arndt 
nach Bresiau ging. Dort fah er Gneifenau und Gru⸗ 
ner, welcher ale Sranzofenfeind feine Stelle als Policei⸗ 
praſident ju Berlin Harte niederlegen mäffen. 

Dier hinein kam auch zuweilen der alte General MBlächer, 
bee au bei fröhlichen Gelagen etwas vom Feldmarſchall hatıe. 


Trotz feines Alters teug er eine Herrliche Geſtalt, groß und 
ſchnell, mit den fhönften rundeften Gliedern vom Kopf bis 
zum Fuß, feine Arme, Beine und Schenkel noch faft wie eines 
—A und en a ehrar Meike meiften erHaunte fein 
Geſicht. Es Hatte zwei verfchiebene Welten, bie felbfk bei Sch 
und Spaß, welchen er ey hang frif und’ —2 it 38 
ergab, ihre Fa ni — *2 auf Stirn, fe and in 
den Augen konnten Bötter wohnen; um Kinn und Mund trie: 
ben die gewoͤhnlichen Sterblichen ihr Weſen. Daß ich es fage: 
in jener obern Region war nicht allein Schönheit und Hoheit 
ausgedrüdt, fondern auch eine tiefe Schwermuth, die ich der 
ſchwarzdunkeln Augen wegen, bie ber finftern Meeresbläue glis 
den, faft eine Meerſchwermuth nennen möchte, denn wie freunds 
ih dieſe Augen auch zu lachen und zu winken verflanden, fie 
verdunfelten fi oft auch plöglich zu einem fürdhterlichen Ernſt 
und Zorn. War ber alte Held ja auch nach dem Unglüd von 
1806 u. 1807, als er in Hinterpommern befahl, eine Zeit lang 
durch feinen dunkeln Zorn verrüdt gewefen und hatte auf alle 
Fliegen und ſchwarzen Flede an der Wand mit dem Rufe: Na⸗ 
poleon, mit dem gezüdten Schwerte geftoßen. Mund und Kinn 
aber gaben einen ganz andern Eindrud, obgleich in den äuße⸗ 
ren Formen mit den obern Theilen des Gefichts in Übereinftim: 
mung. Bier faß immer die Yufarenlift gefammelt, deren Züge: 
fpiet bisweiten fogar in die Augen hinauflief, und etwas wie 
von einem Marder, ber auf feinen Bang laufcht. 

Auh mit Scharnhorft und mit deffen Tochter, der 
Gräfin Julie zu Dohna, verkehrte er viel zu Breslau. 
Wir dürfen die herrliche Schilderung bier nicht weglaffen, 
die er von Scharnhorft mittheilt: 

Schlank und eher hager ale wohlbeleibt trat er, ja fehlen: 
derte er fogar unfoldatifh einher, gewöhnlich etwas vornüber 
geneigt. Bein Gefiht war von edler Form und mit flillen 
edeln Zügen ausgeprägt; fein blaues Auge groß, offen, geiftreich 
und fhön. Doc hielt er das Viſir feines Antiiges gewöhnlich ges 
ſchloſſen, felbft das Auge halb gefchloffen, gleich einem Manne, 
der nicht Ideen in fich aufjagt, fondern über Ideen ausruht. 
Doch tummelten ſich die Ideen in diefem hellen Kopfe immer 
herum; er batte aber gelernt feine Gefühle und Gedanken mit 
einem nur halb durchfichtigen Schleier zu umhängen, während 
es in feinem Innern kochte. Doch wie ficher und feft gefchloffen 
er fein Angefiht und bie Geberben beffelben auch hielt, er 
machte den Gindrud des fchlichten befonnenen Mannes; man 
fah Beine Borlegefchlöffer vor denfeiben. So war fein Weſen; 
er hatte es wol gewonnen durch fein Schidfal ſowol als durch 
feinen Berftand. Er hatte fi aus niederm Stande emporgerungen 
und von unten auf viel gehorcdhen, auch der Roth Behorden 
müffen. Seine Stellung in Preußen war bei aller Anerkennun 
feiner Verdienſte durch feinen König und durch viele CEdeln d 
bie eines Fremdlinge, eines beneideten Kremdlings geworben, 
denn in der böfen Zeit, feit den 3. 1805 u. 1806, Hatte er, 
von ben Eignen und Fremden belauert und ben welſchen Spä- 
bern längft verdächtig, auch wo er Großes und Kühnes ſchuf 
und vorbereitete, immer ben Unſcheinbaren und Unbebeutenden 
fpielen, fich freiwillig gleichfam zu einem Brutus maden müf- 
fen. Auch feine Rebe war biefem gemäß: langfam und fafl 
lautlos ſchritt fie einher, ſprach aber im langfam bebnenden 
Zon kühnſte Gedanken soft mit ſprüchwörtlicher Kürze aus. 
Schlichtefte Wahrheit in Einfalt, geradefte Kühnhelt in befon- 
nener Klarheit, das war arnhorft; er gehörte zu ben We 
nigen, bie glauben, daß man nor den Gefahren von Wahrheit 
und Recht auch keinen Strohhalm breit zusäcdweicdhen fol. Soll 
ich noch erinnern, daß diefer edle Menſch, durch deffen Hände, 
als des flillen und geheimen Schaffers und Bereiters, Millionen 
bingeglitten waren, auch nicht den Schmuz eines Kupferpfen: 
nigs daran hatte kleben Laflen? Gr ift ein Vir innocens im 
®inne ber geoßen Alten geweien: er ift arm gefterben. 

Mit folden Männern lebte Amdt damals in Bres⸗ 
lau und. ben fchlefifhen Bädern. Die Zeichen des neuen 





1195 


Kriege meheten ſich; die dresdner Fuͤrſtenberathung ket: 
tete Europa fefter an Napoleon. Arndt ging nun, An: 
fangs Sunt, nad) Prag, um von da nach Rußland durch⸗ 
zufchläpfen. Er reifte mit einem Kaufmann, ber häufig 
den Schmuggelhandel in den Grenzlanden trieb, als deſſen 
Commis nad) Brody. Koͤſtlich iſt die Befchreibung diefer 
Fahrt mit einem Kerl, ber ein echter Sanyo Panfa war, 
nur in bagerm Leibe. An der ruffifhen Grenze ward 
er freundlich aufgenommen und reifte von dort aus, weis 
ter mit einigen Attachés der ruffifhen Gefandefhaft zu 
Wien, unter denen der Graf Ramfay de Balmaine her: 
vortritt, fpäterhin einer der bewachenden Begleiter Napo: 
leon's auf Helena. Der Zug ging durch das reihe herr: 
liche Volhynien nad Kiew, wo Arndt in den goldylän: 
zenden Thlirmen und Kuppeln ben Vorſchimmer bes Oſtens 
anftaunte und feine Freude hatte an ben edeln Geſtalten 
von Suden und SFübinnen, die ihm in Allem beſſer ge: 
fielen als ihre in Deutfhland wohnenden Religion:yinof: 
fen. Bald ging’s nun ins eigentlihe Rußland hinein, 
zu den Dörfern der Roskolniken, einer altglaͤubigen Sekte, 
die Alles für unrein halten, was Andersgläubige berühren. 
Das Land war noch immer ſchoͤn, die Dörfer fogar zier: 
licher, aber dafür die Plage mit gewiflen Eleinen Blut: 
faugern deſto ärger. Die Leute waren überall freundlich 
und millig, aber gar oft mußte man ſich dennoch mit 
fchmaler Koft behelfen, weil Alles fhon vorher weggenom⸗ 
men war. NReifende Beamte, Seldjäger u. dgl. machen 
(oder machten damals) in Rußland wenig Umftände und 
nahmen aller Orten an Pferden, Lebensmitteln u. ſ. w., 
was ihnen eben beliebte. Doch die Munterkeit der ruffi: 
fhen Zuhrleute blieb fi auch bei Mishandlungen immer 
gleich; fie „ſchuͤttelten Prügel ab wie die Sans das Waf- 
fer, ſchwangen ſich auf ihre Pferdehen und fangen, pfifz 
fen und Batfchten wieder Iuftig fort”. Die Pferde wer: 
den dort viel zärtlicher behandelt als die Menfchen. 

Über Smolensk fuhr Arndt mit einem jungen deut: 
fchen Offizier von ber ruffifche beutfchen Legion den Weg 
nach Moskau, zumellen auch mit Tettenborn. In Wiaͤsma, 
wo er diefen traf, fand er auch Neffelrode und andere 
Mitglieder bes Cabinets; hier tafelte er mit ein paar 
hundert Gaͤſten zufammen: 


Da war heute Jubel und Begeifterung, und bie Freude 
der Becher ging Bingend um; und nad) den Bechern, ats Alles 
ſich vom Zifche erhob, erhielten auch die Yremblinge ihre Ga⸗ 
den, von melden erfchollen war, daß fle nicht für Napoleon 
nah Rußland gekommen feien: Umarmungen, Sändebrüde, 
Küffe von fehönen Frauen und Jungfrauen, welche ihr Vater: 
tand fühlten. Es war eine außerordentliche Lebendigkeit und Aufs 
wallung in dem ganzen Volke, und auch bei ben Geringften im 
Bolke, welche bie Welſchen wegen ihrer Unfreibeit Sklaven 
Rbalten: nichts blos Angehauchtes und Gemachtes; nein, es 
braufle aus dem Innerften der Herzen gleich Iebenbigftem Spru⸗ 
delwaſſer. Solche Baden von ſchoͤnen Frauen und Dirnen find 
mir nachher in Petersburg , felbft in den Paläften der Orloffe 
und Lienen, Öfter zugefallen an Zagen, wo Siegesnachrichten 
einfiefen oder gefeiert wurben. 


In Moskau blieb er nur zwei Tage und reifte von 
da nach Petersburg, durch ein fchönes, wohlbebautes 
Land mit hüͤbſchen Dörfen. Um ben böfen fchwarzen 


Feinden zu entgehen, mußte er die Zimmer meiben unb 
pflegte, wenn eine Raft kam, in den Mantel gewidelt unter 
dem Wagen zu ſchlafen; dabei hatte er den Vortheil, daß 
er feine Sachen felbft hütete, was gar nicht überfläffig 
war. Endlich langte er in Petersburg an; es mar gegen 
das Ende Auguſts. Er begab fih fofort zum Freiherrn 
von Stein, welcher eigentlih die Veranlaſſung feiner 
Reiſe nach der ruffifhen Hauptftadt war; denn in Prag 
hatte ihm Gruner mitgetheilt, daß Stein ihn bei fich zu 
haben wüuͤnſchte. M 


Ich fand in ber Demuth (fo hieß der Gaſthof, nach dem 
Namen des Wirches) fogleih ein paar Zimmer für mich, und 
nahm mir einen deutſchen Bebienten an, einen gebornen Eſth⸗ 
länder, ein hier durchaus unentbehrliches Seräth. Ich warb 
nun bei dem Deren Minifter ordentlich angeftellt, einftweilen 
gleihfam wie im ruffifchen Dienfte, denn ich befam meinen Ges 
halt aus öffentlichen Kaſſen ausgezaplt, und zwar nody während 
meines Aufenthaltes in Preußen; fpäterbin, verfteht fih, aus 
der Kaffe der Centralverwaltung in Deutſchland. Ich bin hier 
(id will diefe Kleinigkeiten auf einmal berzählen) von ihm in 
allerlei kleinen Schreibereigefhäften, zur Dublirung und Ents 
zifferung von Briefen und Depefhen, zur Abfaffung eins 
zelner Eleiner Flugſchriften gebraucht worben, fowie 
bei den Angeleßenheiten, weldye die Errichtung ber fogenannten 
deutfchen Legion betrafen. Auch hat mich ein alter ruſſiſcher 
Abmiral zuweilen in Athem gefegt und in Anfprud) genommen 
zur Erfluftigung und Unluftigung, wie bie Würfel der Ginfälle 
und Gedanken, die mit dem alten Seren durchgingen, eben 
filen.. Es war ber Admiral Schiſchkow; fo ward ber Name 
ungefähr ausgeſprochen. Died war ein Original von einem 
Manne, ein echter Ruffe, denke ih, von allerbeftem Schlage. 
Er trug den Grundtypus feines Volkes, Luftigkeit, GBefpaßigs ' 
keit und eine unbefchreiblihde Gewandtheit und Kebhaftigkeit 
beide in feinem Glieder- und Geberbenfpiele. Cr muß etwas 
von Suwarow gehabt haben... . Diefer alte würbige Admiral, 
der blutwenig Deutfch verfland, hatte entweder von mir reben 
gehört, oder irgend einen meiner Eleinen Auffüge oder Übers 
fegungen bavon zu Geſicht befommen. Er war damals, nach⸗ 
dem Romangoff den Minifter des Innern Speranski geftürgt 
batte, gleihfam als ein Lüdenbüßer in feine Stelle eingefchos 
ben, und hatte unter Anderem auch Aufcufe und Berfündiguns 
gen an das Volk zu erlaffen. Da fucdhte er nun gewaltige unb 
mächtige Worte und Redensarten, überfegte mir feine Gachen 
in schlechtes Franzoͤſiſch; das mußte ich denn beutfch geben, 
und diefes wieder, wenn möglid, mit Mebrung und Grhöhung 
bes Ausdrucks und Gedankens in wahrfcheinlich noch fchlechteres 
Franzoͤſiſch zurüdüberfegen, wodurch er benn endlich fein Ruſ⸗ 
fifches noch zu heben fuchte .... &o ward ich hier befeftigt in 
einer nicht unmwürdigen noch unwilllommenen Stellung .... 
Ich bin hier alfo gegen bas Ende bes Auguſts angelommen, 
id) meine den 26. oder 27. Tag jenes Monats, und trat vor 
den Minifter (von Stein), weldem ich aus feinem Prag einige 
mündliche Erzählungen überliefeen Eonnte. Ich ward mit gros 
Ber Zreundtichkeit von ihm empfangen. Mich hatten feine Ge⸗ 
ftalt und Darftellung, betroffen, als hätte ich ſchon irgendwo 
ihres Gleichen oder Ähnlichen gefehen; aber ih wußte mich an: 
fange nicht zu erinnern. Erſt als ich einige Stunden vor ihm 
am Theetiſche gefeflen und die erften Gindrüde ſich beruhigt 
und abgeflärt Hatten, rief ich in mie Fichte! Ja, Vieles vor 
meinem alten Fichte ſchlug mich nun: diefelbe Beftalt ungefähr, _ 
kurt, gedrungen, breit; biefelde Stirn, nur noch breiter und 

urüdtgebogen ; biefelben Beinen, ſcharfen, funkelnden Augen; 
Sf biefelbe nur noch mächtigere Naje; die Worte berb, klar, 
fe, mit kurzer Sefchwindigkeit gleich Pfeilen vom Bogen ges 
rade ins Biel ſchlagend. Daß ich dieſe Fichteſche unerbittliche 
ſittliche Strenge in den Grundſätzen bei ibm bewundern mußte, 
ergab fich fehr bald. Der Umnterfihleb war nur, daß biefee 





1196 - 


Mann der Sohn eines alten reichsherrlichen Stammes am Rhein, 
Dichte der Schn eines armen Tuchwebers in der Lauſitz war; 
daß dieſer Heichörittee mit voller Gewalt durch bie Schatten 


‚ und Rebel des Richtich immer zum Ich hinaufrang, jener Phi⸗ 


- 


loſoph aber von dem erhabenen Ich in die Schatten und Rebel 
des Nichtich hinabfteigend vergebens ſtrebte, es auf diefem Wege 
zu begreifen und mit dem Ich zu vermitteln. Dies war der 
erfte frächtige Eindeud.... Ich weiß nicht, auf welche beſon⸗ 
dere Weife oder durch weiche befondere Veranlaſſung der Herr 
von Stein nach Petersburg gelommen if. Auf die Einta⸗ 
dung des Katfers durch einen Brief; — das verficht 
fi, und das hat er mir felbft erzählt. Non Andern habe ich 
wol gehört, der Kaiſer, jezt auf dem Rande eines ungeheuern 
— der Dinge ſtehend, habe ſich an Worte erinnert, 
welche der Minifter im Sommer 1807 zu Zilfit weiffagend zu 
im gefprocdhen habe, und habe, biefe Weiffagung in feinem 
Briefe ermäbnend, ihn berufen. Wie dem nun fei, der ‚Herr 
von Stein hatte bier Beine Kämpfe, denn er ging ohne Furcht 
immer gerade durch und überließ das Übrige Bott; — aber 
der Kaifer Alerander hatte ſich langſam durchkaͤmpfen müffen. 
Diefer Here war jedes Anhauchs und Anflugs des Großen und 
Edelmũthigen fähig; aber ed war etwas Weiche in feiner Ras 
tur, was die fefte Ausdauer und männliche Härte verfagte. 
Der Krieg mit Napoleon war erllärt, und die erſten blutigen 
Bufammenftöße hatten fchon geknallt; aber noch immer faß Ro: 
mangeff am Ruder und hatte den Minifter deg Innern, den 
verdienten Speranski, und den geheimen Gtaatsrath Bed in 
feinem Minifterium, weil fie dem Kaiſer Vorſchlaͤge und Rath: 
fchläge zu den Fähnften und geſchwindeſten Maßregeln übergeben 
hatten, in Verbannung und Kerker geihidt. Er war bekannt 
als die Seele des gegen Spanien, gegen England und Oſtreich 
deſchwornen und nur zu lange und gu fehimpflich gehaltenen 
Rapoleonifchen Bündniffes; er, in feinen Sitten und Gewohn⸗ 
beiten ein abfcheulicher Weichling, gehörte zu den Entnervten, 
die in Napoleon den Schickſalsmann des goͤttlichen Fingers 
ſahen, den Feine irdifche Macht werde bändigen koͤnnen; fein 
Nath war Friede und Unterwerfung geweſen. Kaiſer Alexander 
hatte nicht den Muth, ſich plöglich von dem alten Manne zu 
ſcheiden und loszureißen, obgleich Stein über dieſe Stellung, 
befonders über die Meinung, welche biefe Stellung bei Eng: 
Iand, Öfteeih, Preußen und bei Allen, die einmal an dem 
Joche des Corſen ſchütteln könnten, nothwendig hervorbringen 
müffe, dem Kaiſer die redlichſten und tapferſten Wahrheiten 
gefagt und gefchrieben hatte... .. So wirkte er auf den Kai: 
fer; aber eine breitere mächtigere Bahn machte ex ſich bald in 
der großen petersburger Geſellſchaft, und durch diefe wirkte er 
wieder, vielleicht mächtiger, auf ben Kaiſer zurüd. Sein Muth, 
feine Kuͤhnheit, noch mehr fein Wis und feine Liebenswürdig⸗ 
keit drangen allenthalben durch und ein, und leuchteten und 
zünbeten wie Blitzſtrahl, wo irgend noch etwas zu zünden war. 
Die fittliche Schönheit und Klarheit feines Wefens, durch und 
durch mit Muth durchfchoffen, und die Freundlichkeit und Kies 
benswürbigteit, womit ee in den kürzeſten unfcheinbarften Wor⸗ 
ten an den Tafeln und Theetifchen zu fpielen wußte, wo er 
ſich auch gern und unbewußt feldft im leichteren Kofen und 
Scherzeln hingehen ließ, machte ihn bald zu einem mächtigen 
Manne in der petersburger Gefellfchaft; fein tapferer Wille, 
feine Sinfälle, feine Worte wurden zu Anekdoten ausgeprägt, 
welche wie Blinfeuer rund liefen. Bald hatte er einen fehr 
debeutenden Anhang, ber um fo treuer war, ba Alle wußten, 
daß er nur als Pilger gelommen fei, der mit dem Siege wies 
der nah Weften wolle, daß er alfo Keinem in den Weg treten 
werde. Gr ftand endlih in Petersburg wie das gute Gewiſ⸗ 
fen der Gerechtigkeit und Ehre, und die Orloff, Soltykow, 
Duwarow, Kotſchubey, Lieven und das zum Begeiſtern und 
—— fo allmaͤchtige Heer der ſchoͤnen und geiſtreichen 
rauen pflanzten ſein Banner auf. Auch war er der uner⸗ 
ſchͤtterlichſte — und Feldherr des Muthes. Als die Nach⸗ 


richt von der Schlacht bei Borodino und bald von dem Brande 
Moskaus ankam, und Zar Konſtantin umherſprengte uns 
Frieden! Frieden! rief, als die Kaiſerin Mutter und Romans 
zoff Frieden flüfterten, trug er fein Haupt nur deſto heiterer 
und ftolger. Ich babe ihn gefehen diefen heitern Muth. Ich 
war den Tag nach der eingelaufenen Runde von jenem Brande 
mit dem tapfern Dörnberg und mehren wadern Deutfchen bei 
ihm zur Zafel. Nie Hab’ ich ihn Herrlicher gefehen. Da ließ 
er friſcher einſchenken und ſprach: „Ich babe mein Gepäd im 
Leben ſchon drei, vier Mal verloren; man muß ſich gewöhnen, 
ed hinter fi zu werfen: weil wir flerben müffen, fols 
len wir tapfer fein.“ 


(Die Zortfegung folgt ) 





kiterarifhe Notiz. 


Sammlung wendiſcher Volkslieder. 

Sammlungen von Volksliedern find gewiffermaffen und mie 
Recht ein flehender Artikel ber neueften Literatur geworben. 
Faſt alle Nationen haben dergleichen Sammlungen gegenwärtig 
aufzumeifen; nur das ſich mehr unb mehr vermindernde Bolt 
ber Wenden fand bis jegt noch Teinen unter feinen Söhnen, 
der fih einer Sammlung feiner vielen Volkslieder unterzogen 
hätte. Es war daher ein glüdlidher Gedanke der oberlaus 
figifchen Geſellſchaft der Wiffenichaften, die Auffuhung und Zus 
fammenftellung derſelben zum Gegenftand einer Preitaufgabe zu 
madyen. Das Refultat war bie Auffindung und Aufzeichnung 
von mehr ald 400 folcher Lieder mit ihren eigenthümlichen 
Melodien. Es koͤnnen aber diefe Lieder den beften flamifchen 
und deutſchen Volksliedern in jeder Hinſicht an die Seite ges 
ftellt werden; aud find fie für die Kenntniß der Sitten und 
Gebraͤuche der Wenden, diefes merfwürbigen flawifchen Stammes, 
der mitten unter einer deutſchen Bevölkerung fi) fo lange in 
feiner Eigenthümlichkeit erhalten hat, von hohem Intereffe. 
Gegenwärtig hat fi) nun der hoͤchſt verdiente Secretair der ges 
dachten Geſellſchaft, der Paſtor Drbinarius Haupt in @örlig, 
in Bolge mehrfeitiger Auffoderungen, nachdem er fi) Jahre 
lang fon mit der Sichtung, Drdnung und Bearbeitung bes 
in allen @egenden der Laufig aufgefammelten Materials bes 
ſchaͤftigt, entichloffen, eine Sammlung wendifcher Lieder im Orle 
ginal und beutfcher Überfegung mit den Singweiſen auf Sub 
feription herauszugeben. Das Ganze fol in zwei Theilen bes 
ſtehen, von denen der erfte die oberlaufisifchen Bolkslieder um: 
faffen wird und zwar nach folgenden Rubrifen: 1) ‚‚Psezpolna”, 
Beldlicder, Romangen, Lieder; 2) ‚Röncka”, Zanzliebers 
3) „Wuzenenja”, Rundgefänge; %) ‚„Kwasne zpjewy’, Hoch⸗ 
zeitlieder; 5) „Stonanja“, Bittlieder; und 6) „Podkhyrluski‘, 
Legenden. Der zweite Theil wird die nieberlaufigifchen Bolkss 
lieder nach denſelben Abtheilungen enthalten. In einem Ans 
bange follen Erklärungen beigefügt werden über einzelne Lieder, 
Worte und Anfpielungen, Barianten in Xert und Melodien, 
und Paralleiftellen aus andern fomol flawifchen als deutfchen 
Volksliedern, ſowie eine mit eingebrudten Abbildungen illu⸗ 
ſtrirte Abhandlung über intereffante Eigenthümlidhkeiten, Sitten 
und Gebräudye der Wenden. Das Werk wirb ungefähr 60 Bo⸗ 
gen umfaflen und in einzelnen Lieferungen von 10 Bogen in 
Quartformat erfheinen. Der Preis jeder Lieferung iſt auf 
16 Gr. beflimmt, und das Werk beginnt, fobald die nöthige 
Zahl der Subferibenten gewonnen fein wird. Je mehr ums 
fere Zeit dem Volkethümlichen ſich zumendet, je mehr man 
wieder Geſchmack findet an den alten, ehrlichen und harm⸗ 
ofen Volksbuchern und überall die im Volke noch Iebenden Bas 
gen und Märchen aufiucht, um fo mehr laͤßt ſich erwarten, daß 
auch diefer Sammlung der wendiſchen Volkslieder, von benen 
man bisher kaum eine Kunde hatte, das Publicum feine Aufs 
merkſamkeit zulenten und durch Subferiptionen das Grfcheinen 
berfelben ermöglichen und befchleunigen werde. 98, 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Berlog von F. A. Brodhauß in Lelpzig. 





Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 





Zreitag, 


ee Nr. 297. — 


23. October 1840. 





Ernſt Moritz Arndt. 
(Fortſegung aus Nr. 236.) 

In Petersburg ſchritten die deutſchen Fluͤchtlinge in⸗ 
deſſen mit der Bildung der ruſſiſch-deutſchen Legion voran, 
unter der Leitung des Herzogs von Oldenburg, der mit 
feiner pedantiſchen Weiſe und drei Stunden langem Do: 
ciren und ewigem Zögern maͤnniglich in Verzweiflung feste. 
Da kamen die Deutfhen in fchlimme Lagen; in ruffi: 
[hen Dienft zu treten war nicht raͤthlich, weil die Ruf: 
fen anfingen alle Fremden höhnifh zu behandeln. Arndt 
ſah bier die bedeutendftien Männer jener Tage und mußte 
nur zu oft erfahren, was Cyoismus, Hochmuth und 
tudifhes Weltieben aus ben Bellen zu machen vermd: 
gen. Doch feine Eeele blieb rein und kindlich, offen und 
aroß; in den Eälen bes petersburger Glanzes wie in den 
Bauernhütten, in denen fich einft feine Flucht barg, be: 
wahrte er eine fhöne Kräftige Gleichheit de6 Gemuͤthes. 
Er bewegte ſich mit der größten Sicherheit in den hoͤch⸗ 
fien Kreiſen; aber weit mehr liebte er es, das Volk in 
feiner Eigenthümlichleit zu belaufhen. Seine Beobach⸗ 
tungen und Bemerkungen über die Ruffen find überra= 
fhend durch ihre Anfchaulichkeit und fchlagende Wahrheit. 
Wir müßten zu viele Seiten bier füllen, wollten wir das 
Schöne und Treffliche, was das Buch in biefer Art ent: 
hält, aud nur im Auszuge mittheilen. | 

Es erfolgte der Rüdzug der Franzoſen; die Ruffen 
drängten ihnen nah. Der Minifter Stein, mit ihm 
Arndt, gingen dem Kaifer Alegander nad) Preußen voran; 
am 5. Januar 1813 verließen fie Petereburg und fahen 
überall noch das gräßliche Elend jener Niederlage, jener 
Flucht von ber Moskwa bis zur Ober. In und um 
Wine, wo Arndt fünf Wochen, nachdem bie Kran: 
zoſen es verlaffen hatten, anlangte, fanden fie noch alle 
Wege voller Leihen von Menfchen und Thieren! 

Endlich kam Arndt mit feinem Stein über Königs: 
berg nah Breslau, von wo ber König am 3. Februar 
jenen ewig denkwuͤrdigen Aufruf erlaffen hatte. Begei⸗ 
fterung wogte überall, in Stäoten und Dörfern bis in 
die Eleinfte Hütte herab. „In kaͤlterer ärmerer Zeit fd: 
delt man, wenn man zurüddenkt; aber ed war Alles 
bitterfter Heiligfter Ernft, was den Leuten jebt 
ein kindliches, ja kindiſches, höchftens ein gemachte® poes 
tiſches Spiel dünken würde.” Arndt ſchrieb jegt fein 


Büchlein „Über Landwehr und Landfturm”, das ſich aller 
Drten in unzähligen Abdrüden verbreitete und gleich der 
Lunte auf ein fehwergeladenes Gefchlis auf ganz Deutſch⸗ 
land wirkte. Die Landwehr entfland; der erfte fchöpfe: 
rifche Gedanke gehörte dem General Scharnhorft an, Clau⸗ 
fewig entwidelte ihn weiter und die Grafen Dohna trugen 
vorzüglich dazu bei, ihn ins Leben zu rufen. 

Don Breslau gings nad Dresden, Anfang Aprils. 
Stein wurde zum Vorfiger eines ruffifch- preußifchen Ver: 
waltungsrathes für die deutfchen Angelegenheiten ernannt. 
Hier begann ein drangvolles Leben; es galt, alle Kräfte 
des Daterlandes anzuftrengen. Schon von Petersburg 
aus hatte Stein Über die Volksbewaffnung nad England 
und Deutfchland Briefe entfendet, die zum Theil den 
Umweg über Jaſſy nehmen mußten; er wies auf Spas 
nien, auf Tirol hin. Solche Eröffnungen wurden unter 
Andern auch dem handverifhen Miniftee Graf von Müns 
fter in London gemacht; diefer fah jedoch die Sache kalt 
und bedentlih an und erblicdte darin künftige Gefahren 
für die Ariſtokratie. Stein entgegnete ihm: „er wolle 
lieber ein Stud troden Brot mit dem aͤrmſten beutfchen 
Bauer in der Hütte effen, als in der glängendften Herr: 
[haft von Fremden abhangen”. Es laͤßt ſich leicht den⸗ 
ken, welche Schwierigkeiten hier zu überwinden waren, und 
wie bald Unverftand, bald WVerzagtheit, bald Unfinn und 
Projectenmacherei den Mann der deutfchen Zukunft um: 
drängten. Köftlich ift der Bericht, wie ein beutfcher Uni: 
verfitätsprofeffor einen Plan einfchidt zur Bewirtung eines 
unfehlbaren Sieges der Deutfhen: man folle naͤmlich 
einen magnetifchen Eifenkoloß bauen und ihn vor der 
deutſchen Fronte aufftellen, fo würde felbiger alle fran- 
zöfifhen Kugeln unwiderſtehlich an ſich locken, der deutfche 
Soldat aber mundenfrei bleiben ! 

Auch Goethe war in Dresden anmelend; 
aber der große Mann machte einen erfreulichen Eindrud. Ihm 
war's beklommen, und er hatte weder Hoffnung noch Freude 


an ben neuen Dingen. Der junge Körner war da, freiwilliger 
Zäger bei den Lügowern; ber Water ſprach fich begeiftert und 


hoffnungsreich aus, da erwiderte ihm Goethe gleichſam erzürnt: 


„Schüttelt nur an Guern Ketten; ber Dann iſt Euch zu groß, 
Ihr werdet fie nicht zerbrechen.” 

Solche Anfiht hatte jedoch keinen Einfluß auf Arndt 
und bie Seinen. Er fchrieb feinen „Soldatenkatechismus“ 
und überarbeitete ben britten Theil feines „Geiſtes ber 





1198 


Zeit”, worin er (e6 war erſt im April 1813) auf bie 
Herftellung der alten beutfhen Grenze am Vogefus, Jura 
und den Ardennen drang. Es war damals die Zeit, wo 
Arndt's Wort und Lied in jeder deutfchen Bruft zundete. 
Iſt e8 nicht wunderbare, mehr ald beſcheidene Eigenthüm: 
lichkeit, dab Arndt in feinem ganzen Buche gar nit 
(oder doch nur einmal, wo er von ein paar Iprifchen 
Saͤchelchen fpricht) feiner edeln Sängergaben gedenkt, fei: 
ner deutfchen Heldenlieber, die Helden erwedten und noch 
erwecken werden, fo länge die Jugend Eräftigen Sang in 
froher Stunde liebt! 

Arndt ſah es als Finger Gottes an, daß Kutuſow und 
Moreau ſo bald aus den Reihen der Kaͤmpfer abſchieden. 
Jener, der im ruſſiſchen Heere maͤchtiger geworden als 
Alexander ſelbſt, waͤre nie zu bewegen geweſen, mit ra: 
ſchem Muthe ins Herz Deutſchlands vorzudringen; dieſer 
wuͤrde einen verderblichen Einfluß zum Nachtheile Deutſch⸗ 
Sands im Rathe des Kaiſers ſtets behauptet haben. Die 
Solgen der Schlacht bei Lügen zwangen indeffen Arndt 
nad Berlin zuruͤckzuweichen, wo er Aufträge Stein’ aus: 
zuführen hatte. Savigny und Eichhorn faßen dort im 
Landwehrausfhuß; Süuvern fand an der Spige eines Re: 
giments Landfturm. 

Fichte hatte für fih und feinen faum waffenfähigen Sohn, 
der kaum aus dem Snabenalter heraustrat, Langen und Schwer: 
ter vor fiiner Thür angelehnt fliehen: Man hatte ihn der Ehre 
wegen zum Dffizier beim-Landflurm machen wollen; er hatte 
es verweigert mit den Worten: „Hier tauge ich nur zum Ge⸗ 
meinen.“ 

Der Waffenſtillſtand unterbrach die Ruͤſtungen nicht, 
ſondern erhoͤhte nur und ſtaͤrkte den Grimm. Arndt be⸗ 
gab ſich zu Stein nach Reichenbach in Schleſien. Hier, 
zu Gitſchin und in Dresden wurde unterhandelt; die Re: 
Auttate find befannt. Es erfolgte die Voͤlkerſchlacht: Stein 
ging mit Arndt nach Reipzig, dann nad) Frankfurt. Arndt's 
febendiges Wort ſcholl mit neuer Gewalt über’ die deut: 
ſchen Lande Hin; am meiſten Anklang fand eine feiner 
Flugſchriften, unter dem Titel: „Der Rhein Deutfchlande 
Strom, aber nicht Deutfhlands Grenze.” Sie bat für 
uns aud ein befonderes näheres Intereſſe, weil fie die 
Beranlaffung gab, daß Fürft Hardenberg unfern Arndt 
in den preußifhen Staatsdienſt einlud. 

Die Begebenheiten ftürmten indeffen voran unb fchon 
ward manche Zäufhung klar. Die geheimen Punkte des 
rieder Vertrags zwiſchen Dftreih und Baiern, dann die 
‚Erklärung ber Mächte aus Frankfurt vom 1. Dec. 1813 
machten die Vaterlandsfreunde beſtuͤrzt. Man hatte ge: 
hofft, es würden die größern Mächte Deutfchlands dur) 
Einziehung geringerer Herrſchaften geftärkt werben; flatt 
defien ſprach man überall von ber Nothwendigkeit 
ver franzsfifhen Größe und Made, nirgend 
von der Nothwendigkeit, dag Deutfchland, das fiegende, 
groß und mächtig fein müffe. Auch nady der Entthronung 
Napoleon's ward den Deutſchen kein beſſeres Loos zuge: 
theilt als das des geduldigen Zuruͤckſtehens. Arndt, ber 
1814 den Rhein bereifte, ſah mit tiefem Schmerze, daß 
die herrlichſten deutſchen, deutfchredenden Provinzen auch 
fernerhin vom gemeinfamen Baterlande abgeriffen bleiben 


folten, und frug vergeblich nad dem Warum. Franzoͤ⸗ 
fifher Einfluß überwog im Gabinete bes ruffifhen Kai: 
fers; er hatte Paris erobert, „aber ſowie er in ihre 
Thore eintritt, hatte Paris ihn erobert. 

Im September trennte fi Arndt von feinem Deros 
Stein und manderte zu Fuß, wie er es liebte, nach Bers 
in, wo er bis zum Ende des Winters 1815 blieb, Er 
gehörte nun dem preußifchen Staate ganz an, in welchem 
er eine beiebende, erhaltende und fhirmende Macht Deutſch⸗ 
lands fah und dem er fid mit voller Liebe und Zuvers 
fiht anſchloß. Doc er und Viele mit ihm folgten un: 
willigen Blicks den Unterhandlungen zu Wien, wo bie 
großen goldenen Hoffnungen des Vaterlandes in Beine 
Scheidemünze umgeprägt wurden. Man hatte den Feb: 
fer begangen, dem eben erſt niedergeworfenen Frankreich 
gleiches Stimmrecht mit den andern Congreßmaͤchten zu 
geben, und Zalleyrand verfland es, die deutfchen Intereſ⸗ 
fen möglihft zu untergraben. Zudem war Hardenberg 
viel zu offen und arglos, um ber fremden Lift zuvorzu⸗ 
fommen; „er hatte 3. B. an England für das Fünftige 
Koͤnigreich Hanover große Abtretungen gemacht, ohne dem: 
felben ganz beftimmte Verſprechungen für Preußen ale 
Unterpfänber abgenommen zu haben”. Man mag im 
Arndt'ſchen Buche felbit nachlefen, wie Preußen, das im 
großen Kampfe am meiften gethan, fich verkürzen ließ, 
während Oftreich durch bie fetteften Erwerbungen ſich ruͤn⸗ 
dete und zufammenbilbete. 

Arndt ging wieder in bie Rheinlande und erlebte ba: 
mals den Aufiland der treuen Sachfen zu Lüttih, und 
hörte die prächtige Kernrede Bluͤcher's an fie, ba das To⸗ 
ben wieder geftillt war. In Köln wohnte er, ale der 
kurze belgifche Feldzug den franzöfhen Kaifer abermals zu 
Falle brachte. 

Im Zuli erſchienen einen guten Morgen Herr von Stein 
und Derr von Goethe... . Die beiden würdigſten alten Herren 
gingen mit der aufmerffamften und vorfichtigften Zärtlichkeit nes 
beneinander ber, ohne gegeneinander zu floßen. Dies iſt das 
legte Dal, wo ich Goethe gefehen habe. D wie war er viel 
glüdlicher, heiterer und liebenswürdiger als den Frühling vor 
zwei Jahren in Dresden! Ich ſah aber wieder bier, was ich 
bei früheren Gelegenheiten ſchon an ihm bemerkt hatte, und 
was auch aus feinen Büchern hervorgeht, wie er, obgleidy ſelbſt 
nun ein Edelmann und eine Excellenz, und obenein welche Diche 
terixcellen; von Apollo’d und aller neun Mufen Gnaden! die 
bürgerliche Blödigkeit und Beklommenheit vor dem geborenen 
Edelmanne nicht los werden konnte. Daß er vor Gtein eine 
Art erflaunter Ehrfurcht gefühlte Hätte, wäre auch dem feiner 
Sröße bewußten Mann zu verzeihen gewefen; aber es erfchienen, 
fih ihm darzuſtellen, ein paar Lieutenants und Hauptleute, 
junge Adlige, deren Väter oder Oheime Goethe kannte; — und 
ſiehe da! ich ſah den Greis vor den Tünglingen in der Stel⸗ 
fung wie des Aufwartenden. Er war übrigens Außerfl liebens⸗ 
würdig und freundlich mit Allen und zu Allen, und eroberte 
nicht nur das Herz bes wadern alten Wallraff, der für ihn 
fi gern zum Cicerone machte, fondern bie Derzen aller Ans 
dern , die in feine Nähe kamen. Gtein aber war ungewöhnlid 
fanft und mild, hielt den kühnen und geſchwinden Athem fets 
ner Natur an und zügelte den Löwen, daß er nimmer heraus⸗ 
gute. Nicht lange darauf war Stein nach Paris gegangen 
und kam im Herb zurüd, Da erfhien ev im Anfang des 
Detobers mit einem gang andern Gaſt, mit bem Großherzog 
von Weimar, und das gab den Ungeweibhten eine ganz andere 








1109 


ie ee mit Fürſten zu leben verſtand. Dee Her⸗ 
lin "(ebendig und nn was ein Fürft leicht fein 
ann, führte die Eurze Waare in geſchwinder Rede; und mein 
alter Hert blieb ihm die feinige fo wenig ſchuldig, daß bie Ans 
wefenden oft erflaunten, ja erblaßten. 

Die Hoffnung, ja die Zuverficht Deutfchlands hatte 
fi) 1815 aufs neue belebt; Preußen verlangte die Ruͤck⸗ 
gabe von Elſaß und Lothringen, und erklaͤrte dabei: es 
handle hierbei blos im Sinne der deutſchen Ehre und 
verlange von dem zuruͤckgegebenen Landſchaften fein einzi⸗ 
ges Dorf. Allein es war nicht zu erlangen. Oſtreich, 
mit feinem Antheile bereits zufrieden, war nicht zum 
Handeln für die Übrigen gefonnen; Wellington und Caſt⸗ 
tereagh waren durch die Raͤnke Fouches umgarnt; auf 
den Kaiſer Alerander endlicy wirkte die franzöfifhe Diplo: 
matie mitteld des überfinnlichen (und vielleicht nicht ſtets 
überfinnlichen) Pietismus der Frau von Krüdener und 
der Diadame Lezay: Marnefia. Es Hieß immer, „um bie 
Sranzofen für das Chriſtenthum und die alte Herrſchaft 
der Boutbons zu gewinnen, müffe man fie durch Milde 
und Großmuth allmälig zum Beſſern erziehen”. Die 
Kolge von alle dem war, daß Deutfhland nad feinem 
Siege Heiner und enger umgrenzt baftand als 1790. 
(Der Beſchluß folgt. ) 


— — — — — — 
Über den gegenwärtigen moraliſchen Bu: 


ftand in Irland. 


Man erinnert fi bes Antrags, welchen Lord Roden in 
der legten Parlamentsfeffion im Haufe ber Lords ftellte, dahin 
stelend, daß eine Commiſſion niedergefegt würde, um ben Zu: 
Rand Yon Irland unter der Verwaltung des Marquis von Nor: 
manby zu unterfuchen. Lord Roden, früher eins ber einfluß: 
reichſten Häupter des Drangebundes, behauptete, daß Irland 
durch des Marquis Normanby Verwaltung in einen Zuftand 
des Elends und der Zerrüttung gerathen fei wie nie zuvor; Le⸗ 
den und Eigenthum feien in Irland nie fo ungefhügt gemwefen ; 
es beftebe durch ganz Irland eine foftematifche, organifirte und 
geheime Verſchwoͤrung, deren Zweck ſei, Irland gänzlich von 
England zu trennen und den proteſtantiſchen Glauben audzus 
zotten; der katholiſchen Priefterfchaft fei es vorzüglich zuzufchreis 
ben, wenn Irland gegenwärtig eine Beute des Elends und ber 
Agitation ſei; endlich behauptete er, daß Lord Rormanby das 
Verbrechen unbeftraft gelaffen habe und für alle jene Thränen 
des Grams und Ströme von Blut, welche feine Verwaltung 
bezeichneten, verantwortlich gu machen ſei. Man erinnert ſich 
ferner, daß das Haus der Gemeinen, von Lord John Ruſſell 
dazu aufgefodert, am 20, April 1839 mit einer Mebrheit von 
22 Stimmen erllärte, daß es den Grundfägen, nad) denen Ir⸗ 
kand während der Ichten Jahre verwaltet worden, feine volle 
Zufimmung gebe. Seitdem hat die Commiſſion ihre weits 
jhichtigen Arbeiten vollendet. 

Die damit Beauftragten, in überwiegender Mehrzahl Eorb 
groden’s Kreunde, faßen darüber vier Monate und ſtellten 15,38% 
ragen. Diefe vier Bände, 1600 Seiten umfaflend, wurben 
auf der Tafel des Haufes niedergelegt, damit die Pairs fie les 
en und in der nächſten Gigung darauf zurüdtommen möchten, 
aber fchwerlich dürfte unter 50 nur Einer Muße und Zeit ges 
nug dazu haben. Im Ganzen refultirt aus dieſer Berichter⸗ 
Battung, daß zwar die für Irland charakteriſtiſchen Verbrechen 
noch beftehen, aber in milderer Form, und daß Fein Beweis 
für bie Beſchuldigung vorliugt: die Verwaltung von Irland 
während der legten fünf Jahre Habe in der Aufdeckung und 
Beftrofung der Verbrechen Lauheit gezeigt. Das „Edinburgh 


roview”’ (Ionuarheft) enthält einen ausgebehnten Artikel, wor⸗ 
aus ſich das Weitere ergibt, wie ſehr der moralifhe und mas 
terielle Zuftand Irlands, wenn er auch keineswegs befriedigend 
it, ſich im Verhaͤltniß zu frühern Zeiten gebeflert bat. Das, 
was am meiften eine firenge und geregelte Juſtizverwaltung in 
Irland hemmt, iſt der Geiſt der Bewohner ſeibſt. Sie glaus 
ben, und hatten dazu früher manche Urfache, daß die Geſetze 
nicht zu ihrer Befhügung, fondern zu ihrer Unterdrüdung ges 
macht feien und daß fie auf eine ihnen feindfelige Weife ausges 
übt würden; fie mistrauen daher den Gefegen ebenfo fehr wie 
den Autoritäten. Dennoch wädhft das Vertrauen und die Aufs 
ruhracte. kommt beiweitem nicht mehr fo oft in Anwendung ale 
früher. Im 3. 1816 hatte man 25,000 bewaffnete Mannichaft 


nöthig, um das Land in Zaume zu halten; jegt ift man im 


Stande, die Mititairmadjt zu verringern, und als der Aufitanb 
in Sanada ausbrach, war ed Irland, von wo aus bie meiſten 
Truppen dorthin entfandt wurden. Zu derfelben Zeit, wo Lord 
Roden das Oberhaus zu bem Glauben verleiten wollte, daß 
Irland von einem Ende bis zum andern in voller Gaͤhrung 
begriffen fei, wurden 3000 Mann aus Irland nach England. 
berübergefchidt, um gegen die chartiftifchen Beſtrebungen ein. 
Bollwerk zu fein. Lord Rormandby fand bei feiner Ankunft in 
Irland eine bewaffnete Macht von 19,022 Mann; als er aber, 
von dem Reformer Lord Ebrington erfeht, Irland verlieh, bes. 
ftand fie nur aus 13,447 Mann und Irland war ruhiger ale 
je. Welch ein Unterfchicd des Zuflandes von Srland im J. 
1821, wo gang Munfter und ein beträchtliher Theil von Leins 
ftee und Connaught infurgirt waren und das Beleg mit Aus 
Berftee Strenge gegen die Aufrührer verfahren mußte! Man 


‚betrachte nur den Zuftand ber verfchiebenen Gerichtsbezirke, wos. 


bei wir mit bem Gerichtsbezirk Home beginnen. Dieſer Bezirk 
enthält folgende Grafſchaften: 

Kildare, 1833 eine der unruhigften Grafſchaften, jetzt ſehr 
ruhig. Carlow, wo noch jüngft, meift im Streite um Eigens 
thbum, einige Mordthaten flattfanden. Queen’ss County, jeht 
ſehr viel ruhiger, als ſechs bis fieben Jahre vorher, wo der 
Zuftand ſehr betrübend und jede Art von Verbrechen an ber 
Zagesordnung war. King’s: County, ruhiger als früher; vors 
dem fehr unruhig. Meath, vollkommen friedlich feit fünf oder 
ſechs Jahren; früher gab es bier viele abfcheuliche Verbrechen, 
von denen man jet nur noch felten hört. Wiſtmeath, wenis 
ger als die übrigen Braffchaften zu rühmen, doch entfchieben 
ruhiger als früher. 

Der Gerichtsbezirk Leinfter befteht aus fünf Graffchaften, 
ihr Zuſtand ift wie folgt: Widlom hat immer mehr Ports 
ſchritte gemacht und ift jegt fo ruhig wie irgend eine Grafe 
fhaft Englands. Werford ebenfo; die Verbrechen, bie bier bes 
gangen werden, zeichnen fidy durch nichts Wefonderes aus. Kils 
kenny ift in einem ſehr ruhigen Zuftande, da es body noch vor 
wenigen Sahren fehr gerrüttet war. Der Whitebogsmus dus 
ßerte fich dort ſtark durch Angriffe auf Häuſer, durch Mord⸗ 
thaten und andere ſchwere Verbrechen, auch gab es dort ehe⸗ 
mals viel Agitation wegen der Zehnten. Letztere hat jegt gaͤnz⸗ 
lich aufgehört, und 1838 fand nur eine einzige fogenannte 
„Whiteboy offence‘‘ ftand. Waterford ift ruhig. Tipperary 
zeichnete fi von jeher durch die Menge der Verbrechen aus; 
jedes Jahr während der legten fünf Luſtren wurde biefe Grafs 
ſchaft durdy Verbrechen von befonders wilder Natur, meiſt aus 
gandftreitigkeiten entfpringend, gebranbmarkt. Dieſe Verbrechen 
geſchehen noch, aber fie haben in einigen heilen nachgelafien 
und im Allgemeinen nicht zugenommen, was man boch im Bers 
bältniß zu der zunehmenden Volksmenge erwarten könnte, 

Die fünf Graffchaften im norböftlichen Gerichtsbezirke von 
uffter verhalten fi fo: Down ift in einem fehr ruhigen Zus 
ftande, wie nur irgend eine andere Graffchaft in Irland. 
Lowth Hat noch einige Whitebeyftreiche aufzumelfen, befindet 
fi) aber in keinem ſchlechtern Buftande als früher. Antrim iſt 
jest außerordentlich ruhig. Monaghan hat felt zwei Jahren 
Fortſchritte gemacht. Armagh ift unter allen Grafſchaften noch 





1200 


die verwitdertfie, woran die religiäfen Parteiftreitigkciten ſchuld 
find. Die Proccffionen ber Drangemänner, melde noch forts 
dauern, reizen die Katholiken auf und ſchreckliche Raufereien 
find die Folge davon. . 

In dem nördliden Berichtöbezirk iſt der Zuſtand wie folgt: 
Longford if theilweife unruhig durch Bhitebeyfrevel; die Urs 
ſache davon find Landverpachtungen und Vertreibung der früs 
bein Pächter. Gavan befand ſich das lette Jahr in einem 
äbeln Zuftende, fodaß die Gerichte viel zu thun hatten. Ser: 
manaegh hat ſich nicht verfchlechtert, Tyrone und Donegal eben: 
fo wenig, und in Derry geſchieht kaum ein Verbrichen. Bor 
die legten Aſſiſen kam feine Mordthat, welche in dieſen vier 
Grafſchaften begangen worden wäre. 

Der Gerichtabezirk Connaught beficht aus ben Grafſchaften 
- Roscommon, Leitrim, Sligo, Mayo und Galway. Dieſer Ges 
richtöbegirt war 1821 — 22 außerordentlich tumultuög, hat ſich 
aber beiraͤchtlich gebeſſert. 

Am Gerichtsbezirke Munfter verhält es ſich fo: Gork, bie 
größte und bevölterifte Grafichaft Irlands und lange Zeit durch 
jchrectliche und blutige Schlaͤgereien berüchtigt, iſt jege ruhiger 
als irgend eine andere Grafſchaft in Irland und fo rubig wie 
irgend eine in England. Kerry ift ebenfalls ruhig; e:merid 
theilweife beunruhigt, beſonders nad der Grenze von Zipperary 
bin; Glare ift in «einem erträglich rubigen Zuſtande und ver: 
glichen mit dem revolutionnairen Zuftande der Grafſchaft in 
den Jahren '1830 — 31 fogar in cinem guten. Diefer ganze 
Gerichtabczirk ift, bis auf Limerid, gegenwärtig volllommen 
ruhig, alle Gewalttpätigkeit im Betreff der Zchnten hat ein 
Ende genommen und felbft von Angriffen auf Geiſtliche, nech, 


bis vor kurzem fo gewöhnlich, hört man in dem gegenwärtigen" 


Augenblidte nicht mehr. 

Endlich ift Stadt und Grafſchaft Dublin, früher durch 
weit ausgreifende ungefegliche Bewegungen fo zerrüttet, gegens 
wärtig viel ruhiger und wird es immer mehr. In Dublin find 
Verbrechen zwar häufig, abır es Liegt in ihrer Natur nichts, 
was fie beſonders auszeichnete. 

Das Refultat, karz zufammengefaßt, ift dies: Won 32 
Grafſchaften find 12 volltommen ruhig, 15 nit volltommen 
zubig, aber ruhiger als früher, 5 in Bewegung, doc nidt 
Rärker als früher; eine Graffchaft, welche aufgerigter als vor: 
dem wäre, gibt ed in Irland nicht. 

Im Ganzen if mehr eine Abnahme in der Zahl der ſchwe⸗ 
sen Verbrechen als in der Zotalfumme aller Verbrechen übers 

upt wahrzunehmen; ferner eine Zunahme In der Menge der 
erbaftungen im Verhaͤltniß zu den Verbrechen, was eine nas 
türliche Zelge der gefteigerten policeilihen Überwachung ifl; und 
drittens eine Zunahme der Schuldigerftärungen im Berhältniß 
u den Berhaftungen, mas ebenfall& eine Kolge der in der Ju⸗ 
Isperwaltung getroffenen Verbeſſerungen iſt. Es ift natürlich, 
daß, je genauer die Juſtiz dem Nolte auf die Finger ficht, 
defto mehr Verbrechen entdeckt und in bie Policeiregifter einges 
tragen werden; auch nimmt bie Zahl der Eleinen Vergehungen, 
‘die aus Widerfeglichleit gegen bie gefchärften policeitichen Maß⸗ 
segeln entfpringen, wenigftens für den Augenblid zu. Dagegen 
aden in Irland die großen Verbrechen in der Periode 1856 — 
3, mit ber Perlode 1826 — 23 verglichen, folgendergeflalt abges 
nommen: Zodtfchläge und Meuchelmorbe um 10 Procent: Ber: 
fhwörungen zu Morbthaten um 29; Ginbrüce bei Nacht 56; 
bewaffnete Berfammiungen und bewafinetes Erfcheinen bei Nacht 
26; Einbrüche in Häufern 86; Dicbftähle von Rindoich, Pfers 
den, Schafen, Schweinen 34; Anfälle mit der Abfiht zu raus 
: den 5% Procent. 

In Dublin war mie bekannt die Zahl der Verbrechen in 
frühern Jahren außerordentlich groß; die Mitglieder der „Tra- 
des’ unions” vollführten ihre Anfälle am lichten Zage und 
manchmal in ben beichteflen Straßen ber Stadt; und gegen 
diefe Bewaltthätigkeiten hatte man nur einige Nachtwaͤchter, 


ſchwache alte Leute, die ſich am Lage nit einmal fchen laſſen 
durften, weil allıin ihre Anweſenheit einen Auflauf bervorgerus 
fen haben würde. G6 wurde daher eine Bill vorbereitet, um 
eine Policeimacht nach dem Mufter Londons zu fliften. Cie 
ging tm Unterhaufe durdy, die Lords verwarfen fie; erſt dm 
nächften Jahre leifteten die Lorde auf den Widerſtand gegen 
die Bill Verzicht und fanctionirten diefelbe. Seitdem bat Dubilin 
eine Policeimacht von 1000 tücdhtigen Individuen, die von was 
dern Dffizieren geleitet werden. Die Refultate warın erflauns 
lich. Die von den Verbindungen ausgehenden GBewaltthätigkei- 
ten fielen in einem Jahre von 97 auf 8! Es verringerten ſich 
die @inbrüde von 5% auf 33, Diebflähle von Pferden und 
Nindvieh von 31 auf 15, Ausfeßungen von Kindern von 38 
auf 26, Todtſchlaͤge von 16 auf 5, Aufläufe von 95 auf 29, 
Gtraßenräubereien von 16 auf 9. 

Im Norden Irlands verweigerten die Magiftrate ihre Mit⸗ 
wirkung zur Unterbrüdung ber Drangeproceffionen, welche bes 
anntlih oft aus Hunderten von Menſchen befichen und benen 
die Abficht zum Grunde liegt, die Katholiken zu infultiren und 
berauszufodern. Man errichtete alſo befoldete Magiſtrate, um 
die Conſtablerie gu Iciten, und bie günftigflen Refultate wurs 
den in Burger Zeit fidhtbar. In den erften ſcchs Monaten 1835 
fanden 14 Proceffionen flatt, 1835 27, 1839 5; Ruheſtörun⸗ 
gen, weldhe aus dem Drangismus entfprangen, ohne doch uns 
mittelbar mit Proccffionen verbunden zu fein, gab es in dem 
erften ſechs Monaten 1835 neun, in den erfien ſechs Monaten 
1836 fünf und in ben erften fechs Monaten 1839 keine. Im Suͤden 
verfuhr die Policei faft unglaublicherweife nach dem Grundfas, 
fi überall, wo jene als Kactionslämpfe befannten biutigen 
und wüthenden Händel in Ausficht fanden, aus dem Gtaube 
zu machen. Der Gedanke, aus dem biefe Berfahrungsmeife 
entfprang, iſt noch verabfcheuungswürbiger als biefe ſelbſt; man 
behauptete, daß ſich die Wildheit des Wolle, wenn es fih uns 
tereinander befämpfte und tödtete, aufriche und daß es fo wes 
niger an VBerfhwörungen gegen die Obern denken würde. Auch 
bier hat fich der Zuftand feit Rormanby’s Verwaltung wefents 
lich gebeſſert. Dieſe tödtlichen Händel und Raufereien, welche 
früher im ganzen Süden von Irland fo allgemein waren und 
das Bolt in feinem wilden und barbarifchen Zuftande erhielten, 
find beinahe verfhwunden. Gin vorherbedadhter Kactionstampf, 
wie e8 deren früher wöchentlich, wenn nicht täglich gab, ift jet 
unerhört. Das verdankt man der policeilichen Wachſamkeit und 
zum Theil der „Spirits License Act”, einer andern aus Lord 
Normanby's Verwaltung hervorgehenden Maßregel, wonach deu 
obrigkeitlichen Perfonen die Machtvollkommenheit gegeben wor, 
bie Buben früher zu ſchließen, als die Trunkenheit des Volks 
begonnen hatte. 70. 





Literarifche Motizen. 


Angetündigt wirb als eine populaire unter ben Auſpicien 
3. Eaffitte’s erfcheinende Ausgabe: „Les artisans illustres”, yon 
E. Foucaud, unter Leitung des Barons Gh. Dupin, Pair von 
Frankreich, und Blanqui des Ültern, Mitglied der Akademie 
der moralifchen und politifden Wiffenfchaften u. f. w. Das 
Werk wird mit einem Yortrait 3. Laffitte's in Kupferfiih und 
250 in den Zert eingefchalteten Wignetten und Portraits ans 
geftattet fein, gezeichnet von Fragonard, Français, Baron und 
Laville, in Holz grapirt von ben erſten Rünftiern in biefem 
Fach. 80 Lieferungen a 20 Gent. ober 40 Lieferungen a 40 Gent. 
Zeven Sonnabend erſcheint eine Doppellieferung. 


9. Derbigny, Redhtslicentiat, gab heraus: „Analyse rai- 
sonnde des ouvrages de MM. l’abbe Gaillard, Terme et 
Monfalcon, Rémacle et de Gerando sur la question des 
enfants trou vés.“ 


Verantwortlicher Heraußgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Eetpzig. 











% 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnab end, 


— Nr. 298; — 


24. Dctober 1840. 





Ernft Mori Arndt. 
( Beſchluß aus Nr. 397.) 


An Köln gab Arndt feine Zeitfchrift „Dee Wächter” 
Heraus, aus welcher fein gegenwärtige Buch eine Ab: 
handlung über die Pflege und Erhaltung der Korften und 
Bauern im Auszuge mittheil. Der WBauernfland hat 
feine Gedanken ſtets aufs ernflefte befchäftigt; er fieht 
in diefem eine um fo nothiwenbigere breite Grundlage ber 
Staatöfeftigkeit, als die Zeit mit unaufhaltfame Man: 
nichfaltigkeit erfchütternd voraneilt; er gibt eine kurze 
Überſicht der Geſchichte diefes Standes in Europa und 
zeigt, daß deſſen Blüte flets das Gluͤck und bie Freiheit 
ber Länder bedingte. Dies Schriftchen iſt ebenfo tief ge: 
dacht, als wahr und ernfi, und wer fi mit Staats: 
wifienfchaft abgibt, mag Vieles daraus lernen und noch 
ein Mehres daraus abzuleiten wiſſen. Beſonders interef: 
fant ift es zu lefen, wie Arndt das brüdende Verhaͤltniß 
der Bauern im Mittelalter, das den urbeutfchen Zuſtaͤn⸗ 
ben ganz entgegen war, aus dem Eindringen frember, 
romanifch = gallifcher Einrichtungen ableitet, weiche Bor: 
fchläge ex zur Herſtellung eines gebeihlichen Bauernſtandes 
macht, und wie er biefem eine felbftändige, ſtarke Ariſto⸗ 
ratie gegenübergeftellt fehen wit. Daher fpricht er fich 
auch entſchieden gegen die häufigen Abelsverleihungen aus. 

Schon während des 3. 1816 begann man bie Män- 
ner des Kampfes und Sieges, die Heerführer bes kuͤhnen 
Worted miszuverflehen, oder misverſtehen zu wollen. 
Der Geheimerath Schmalz, der geheime Staatsrath von 
Bülow donnerten „gegen bie Verderber und Verfuͤhrer 
der Zeit”, d. h. gegen Die vermeinten Demagogen, zu 
denen man natürlid auch Arndt zählte. Doch geiff dies 
noch nicht in fein Lebensfchidfat ein. Im Herbſt 1817, 
nachdem er zuvor noch Dänemark, Pommern, Berlin ge: 
ſehen hatte, fiebelte er fi zu Bonn an, wo er an ber 
zu fliftenden Rheinuniverfitde als Profeſſor ber neuern 
Geſchichte Ichren ſollte. Er vermählte fich zum zweiten 
Male mit der Schwefter bes berühmten Schleiermacher 
und erhielt fo noch eine große Gunſt des Gluͤckes, bevor 
es auf zwanzig lange Jahre von ihm Abſchied nahm. 
Da traf ihn der erfte Schlag: er verlor zwei Drittel fei: 
ner Bücherfammlung, die man ihm zur See von Stral: 
fund nad) Köln ſchickte. ‚Nicht lange nachher, im Früh: 
ling 1819, wurde Kogebue von Sand ermordet. Arndt 


\ 


„guter Dinge getroft, bauete fich eben ein Haus am hei: 
ligen Rhein, welches die Schönheit des herrlichen Sie: 
bengebirges recht aufs Korn nahm”. Am Jahrestage der 
Schlacht von Waterloo warb ihm fein Altefter Sohn zwei⸗ 
ter Ehe geboren; wenige Tage nachher erfchienen Beamte 
bei ihm, hielten Hausſuchung und verfiegelten feine Pas 
piere; und im Herbſte 1820 wurde ihm feine amtliche 
Wirkſamkeit unterfagt und eine lange Unterfuchung über 
ihn verhängt. 

Die Gefchichte diefer Unterſuchung darf und kann ich, wie 
der Zag flieht — das Bud iſt, Iaut bes Datums ber Vorrede, 
vor bem Pebruar 1840 beendet worden —, nicht fehreiben. 
Die allgemeine Anklage lautete auf Theilnahme an geheimen 
Gefelfchaften und böfen Umtrieben, bie dem Vaterlande gefährs 
lich werden Eönnten. Ich bin davon freigefproden. 
Aber meine trogige und harte Ratur durch wie viele Demüthis 
gungen hat fie Ternen müffen, daß ich für das liebe Vaterland 
auch noch meinen Marterweg von Leiden zu laufen, daß id 
auch noch meine Wunden zu holen hatte, ba ich mich auf 
Schlachtfelbern nicht unter Kugeln und Gchwertern umgetum⸗ 
melt hatte. Ich babe es, nachdem ich mich über bie erften 
Plagen befonnen und gefaßt hatte, wirklich fo hingenommen 
als ein Verhängniß des ausgleichenden und gerechten Gottes, 
ber mich für manche trotige und kuͤhne Worte bat bezahlen 
laſſen wollen; und dies hat mich, wofür ich Bott noch mehr 
danke, vor jener Srbitterung und Rerfinfterung bewahrt, wos 
durch die meiften in ſolche Geſchichten verflochtenen Dränner 
traurig untergehen. Doch habe ich in den langen, in Unge⸗ 
wißheit und Schweben zwiſchen Furcht und Hoffnung hinges 
Köleppten und verlornen Jahren den Vers fprechen und fingen 

anen: 
Wem vom Kanonenmund fein Iegted Schickſal blitzt, 

Den nimmt ein fel’ger Tod im ſriſchen Muth der Stunden; 

Doch auf wen Liliput mit taufenb Nadeln fikt, 

Stirbt Millionentod mit Millionen Wunden. 
Zwar ſchien ich während biefer Unterfucdhung und während ber 
Folgen und Nachfolgen bderfelben mich nach dem Urtbeile meis 
ner Freunde mit leidlicher Gutmuͤthigkeit und Befonnenheit zu 
benehmen; aber doch habe ich die langfame Berreibung und 
Zermuͤrſchung meiner beften Kräfte bis ins Mark hinein nur 
zu tief gefühlt. Man fieht dem Thurm, fo lang er ftebt, nicht 
an, wie Sturm, Schnee und Regen feine Fugen und Bänder 
allmälig gelodert und gelöft haben. 

Die Anlagen gegen Arndt lauteten auf Theilnahme 
an geheimen Gefellfchaften, Verführung der Jugend, Stre⸗ 
ben nach einer Republikaniſirung Deutſchlands. Wie viel 
Wahres an all diefen Belchuldigungen geweſen, brauchen 
wie wol nicht erſt zu fagn. Die Männer einer alten, 
verſunkenen Epoche hatten Geiſter der Zukunft erfcheinen 


1202, 


und tämpfen ſehen, hatten nur mit geheimem Beben (man 
erinnere ſich des Briefwechſels zwiſchen Stein und Muͤn⸗ 
ſter) die hehren maͤchtigen Bundesgenoſſen an ihrer Seite 
geſehen, und ganz unertraͤglich war es ihnen, daß nach 
dem Siege nicht ſogleich unterging und vernichtet war, 
was zum Siege geholfen. Edle Herrfcher wurden getäufcht 
durch die Meinungen, die ſich beforgend und aͤngſtlich 
um fie her geltend machten; einzelne Auswüchfe ber Zeit — 
aber welches Große hat nicht neben ſich das Sragenhafte, 
welche Tragoͤdie nicht ihr Satyrſpiel im Beleite! — recht⸗ 
fertigten ſcheinbar bie Worfpiegelungen der Überklugen; 
und endlid wurden bie großen patriotifchen Verdienſte 
nach Möglichkeit herabgefegt und ins Unbebeutende ver: 
ketzert. Es ift noch nicht lange her, daß wir die Be: 
hauptung lafen, und fie kam von einem hochſtehenden und 
auch würdigen Offizier, bie Sreimilligen ber Jahre 1813 — 
15 hätten faft nichts, die Linientruppen Alles gethan! Als 
ob nicht mehr die Augenzeugen jener Zeit lebten, und bie 
Geſchichte uns ein verſiegeltes Buch geblieben wäre! 

Merkwürbig ift aber, in Bezug auf unfern Arndt, 
daß er niemals Theil an irgend einem geheimen Bunde 
genommen, und nicht einmal Mitglied des Zugendbun: 
des geweſen, obfchon ihn Alles für einen der Däuptlinge 
deſſelben hielt, fo wenig wie des Freimaurerordens. Arndt 
erwartete nie etwas von foldhen Verbindungen, fondern 
nur von ber allgemeinen Volksgeſinnung. Für eine ins 
nigere Einheit und Erſtarkung des Vaterlandes hatte er 
allerdings gefühlt, gehofft und gefprochen; aber wo ift 
der gute Deutfche, der nicht zu gleicher Schuld ſich be: 
kannte und noch bekennt? Hunderte der Misitände bes 
meiland heiligen Reiches find verſchwunden, damit bie 
andern Herrfchaften wachfen und die Kraft des Vater: 
landes mehr in einzelnen Punkten angefammelt und ge: 
bunden werde; in jemen Tagen de® Schaffens und Um: 
ſchaffens mußte es aber mol geflattet fein, dieſer Concen⸗ 
trirung noch einen weitern großartigen Fortgang zu wuͤn⸗ 
fhen. Daher fagt Arndt auch ſo ſchoͤn als prophetifc: 

Ich meinte keine Ehren zu fchänden und keine Höhen zu 
erniedrigen,, fonbern hoffte, indem ich fie gu größerer Ehre und 
Hoheit auf das Innigfte zufammenband, mit bem alfo ger 
ſtärkten und vergrößerten Deutfhlandb Alle ver: 
größern unb erheben zu Tönnen. Mögen ihnen nur künf⸗ 
tig Beine fchwereren und gefährlichen Vereiniger kommen! Denn 
nach den europaͤiſchen Entwidelungen wird ihr Tag einmal 
kommen, wie der Tag für die fiille Hinlegung bes 3epters und 
Schwerts Karl des Großen gelommen ift. 

Arndt's Buch ſchließt mit einer Art politifdhen Stau: 
bensbelenntniffes, mit einer Darlegung Deffen, was Noth 
thut fürs Vaterland. Wir wollen biervon nur auf bie 
herzlichen Worte aufmerffam machen, die er in Bezug 
auf die Wirren mit Rom ausfpricht. Auch bier hebt er 
vorzüglih den vaterlaͤndiſchen Geſichtspunkt hervor; 
er weiſt auf bie Sefchichte des Reiches von 1070 — 
1650 Hin, um zu zeigen, wohin bie heutzutage aus einer 
Art von fcheiftftellerifcher Neuerungsfucht wieder gepriefenen 
Srundfäge der Gregor und Innocenz das deutſche Bas 
terland gebracht haben. Wenn die hehre Einheit Deutfch- 
lands zereifien und zerfegt worden, daß wir noch bie 


heute aus taufend Wunden daran biuteten, wenn es ſeit 
Heinrich III. keinen wahrhaften Kaifer des ganzen Deutſch⸗ 
lands mehr gab, fo weift uns die Geſchichte mit war: 
nendem Finger nach, daß ber Zerftörer von jenſeit der 
Alpen kam, und daß das Wort Gottes damals wie viel: 
leicht noch heute fo gepredigt wurbe, daß das Schwert 
ber deutſchen Größe daran zerfplittern follte. Hier ſpre⸗ 
den Thaten, fpricht die Abſicht wie der Erfolg. Doc 
heute — nein, wir find hinaus über den Gegenkampf 
ber Religionsbiener und bed Staates; und wir fehen mit 
freudiger Zuverficht, daß das Gefühl des Vaterlandes 
fetbft eine Religion wird. Denn noch gedeihen, zwar 
fliller und halb unbewußt, aber nur inniger, die Keime 
im Wolfe, die jene großen Jahre des Sieges ausgeftreut 
haben, jene Jahre, als deren edler, Liebenswürdiger Me: 
präfentant Ernſt Morig Arndt noch unter uns wandelt. 

Sollen wir, nachdem wir Arndt's Leben und Wirken 
bis zur neueflen Zeit begleitet, noch wetheilende Worte 
über dies fein Buch zu fprechen wagen? Es wäre ver: 
meffen und dazu überflüffig. Er ſelbſt ift fein Buch; 
was Edles, Naives, Idylliſches, Xhatkraftiges in ihm 
ift, das ift in feinem Bude. Welche Einfachheit und 
Reinheit der Gefinnung! Welche Kraft der Darflellungs- 
weife! Welche Wahrheit und Anfchaulichkeit ber Schilde: 
rung! Perfonen, Zeitvechältniffe, die ganze Gefchichte jener 
Kampfestane ftehen lebendig und ergreifend da und be: 
wegen ſich um ben befcheidenen, biedern Mann, ben Sän: 
ger der Schlachten und Siege. Es gibt das Bud einen 
tiefften Bli in Verhältniffe, die aus der Anfchauung bes 
heutigen Geſchlechtes faft zu entſchwinden beginnen. 

Die Arndt'ſchen „Erinnerungen““ maren bereits abge: 
ſchloſſen und hatten viele Lefer innig erfreut durch die 
ftandhafte Ergebung und männliche Kraft, mit ber diefer 
deutſche Mann fein ſchweres Verhängniß würdig trug, 
als endlich für ihn die Stunde der Gerechtigkeit kam. 
Arndt ift wieder berufen, die Jugend zu lehren, nein, 
nicht zu lehren, fondern ihr ein Vorbild zu fein in Be: 
finnung und That. Gibt es doch viele und madere 
Männer, welche mit dem Brote der Wiſſenſchaft ihre 
Zuhörer fpeifen; Arndt iſt den Sünglingen, In weldyen 
fih alle Hoffnung der deutfchen Zukunft wie in einem 
Brennpuntte fansmelt, felbft die hoͤchſte und wuͤrdigſte 
Lehre durch fein Beifpiel und feine liebevolle, freundliche 
Derfönlichkeit. Profefforen ber Geſchichte finden ſich über: 
al; aber Bonn nennt ben Dann den Seinigen, wel: 
cher dad WBaterland erkennen und ehren und firmen 
lehrt. Es iſt fo fchon, den Manu mit geeifem Haar und 
jugendliem Auge zu hören, ber fo viele Zäufchungen 
erlebte, und welden dbennod das Eine nicht getäufcht, 
was feines Lebens Kern ift, die Zuverfiht auf ein am 
Rechte haltendes, großes, deutſches Vaterland! 68, 


Romanenliteratur. 
‚, Um bas Gemüthliche auszufprechen, brauchen bie Dänen 
nicht das Meer mit ihren Gedanken und Erfindungen zu bes 
ſchiffen, fie find noch fo glädtich, eine Romanenliteratur zu be: 
figen, die fich nicht mit Unzucht und Werzweiflung gu überwürzen 








1203 


nöthig hat, um anzuziehen. Als ſolch zeine und body nicht fabe 

Koft werden uns gereicht 

1. Drei Novellen von joe Breunden, von bem Berfafler ber 
Novelle: „Der Magifter und das Zigeunermäbdhen.‘ Kiel, 
Baumelfter. 1840. 12, 1 Thir. 

„Die Hageſtolzen“ belehren ſich alle, bis auf einen, zum 
Eheftand, und ber würde wol auch den geftifteten Orben fat fo 
ſchnell verlafien haben, als Hineingetveten fein, wenn er nicht 
oeftorben wäre. Die verſchiedenen Arten bes Übertretens ihrer, 
für die Ewigkeit feftgefesten Anfichten find behaglich und an: 
mutbig erzählt. Verwickelter {ft Reuendorf“, aber einige Uns 
kenntniß beutfcher Sitte der 3. 1739 und 1740 am berliner Hof 
iſt ſichtiich und zwar fo auffallend, daß fie für uns ben Genuß 
fhmälert. Der Uberfeger hätte hier manches uns anheimfallend, 
in die Zeit rüden follen. 
Spruͤchwort: Alte Liebe roftet nicht. 

2. Der letzte Abend auf ber SOftburg. Hiſtoriſche Novelle. 
Nah dem Schwediſchen von C. Eichel. 3 Theile. Leipzig, 
Kollmann. 1840. 8. 4 ZThlr. . 

Die ſchwediſche Romanenliteratur beſitzt diefelben Vorzüge 
wie bie ihrer Nachbarn, der Dänen. Sind doch mit vollem 
Recht „Die Nachbarn“ auch bei uns ein Lieblingsbuch geworden ! 
An diefe Bortrefftichleit in der Charakteriſtik, ber natürlichen 
und doch fo lebendigen Darftellung reicht die vorliegende Ro⸗ 
velle nit Hin, nur in der fittlichen Richtung ift fie jenen 
wertben Leuten zu vergleichen. Es ift fo von allem Etwas, 
über das moderne Bitte und Rede das vermittelnde Element 
gießt. Giniges Hiftorifde, ein Stüd Ritterroman zur Zeit der 
Kreugzüge, der Hauptheld ift langweilig, ber Böferwicht, rach⸗ 
gierig und liſtig, erinnert an Raupach's Dffip und an Hoff 
mann’s Daniel im „Majorat“, einer ber vielen Nachkomm⸗ 
linge Cherubin's, in den ſich eine ſcheͤne Sicilierin, nicht die 
Frau, aber die Braut des Helden verliebt, ein Ehepaar ſtellt 
den Geiz, bie Unvertraͤglichkeit, die Selbſt⸗ und Tadelſucht, kurz 
jedes moralifche Gebrechen des Alters vor: — dies handelnde Per: 
fonal und einige Nebenperfonen thun wenig, reden viel und 
kommen, bis auf bie Hauptperfon und einen blödfinnigen Schelm, 
im Waſſer um, das dieſer in die Burg leitete, ober vielmehr 
noch den legten Halt durchſtieß. An Waffer ift überhaupt Über: 
fluß, ſowol willkürlich als unwillkürlich herbeigeholt. 


5. Der verliebte Löwe. Won Frederic Soulid. Aus dem 
Sranzöfifchen überfeht von WE. Schulg. Eleonore von Mon⸗ 
tefeltro. Bon Alphonfe Royer. Aus dem Franzoͤfiſchen 


überfegt von W. 2. u * €. dor Novellen. Braunfchweig, 


Meyer sen. 1840. . 

Der verliebte Ebwe iſt weber das gefoppte Fabelthier des 
undbertroffenen Lafontaine, noch der brutalsfentimentale, wel- 
cher die Tochter des Wärters zerriß, weil fie Braut wurde, 
fondern er if blos ein Zitular : Bierfüßler, ein modiſcher Müft- 
ling, ber einem unfchuldigen Mädchen Liebe einflößt und erſt, 
nachdem fie an einem gebrochenen Herzen ftarb, entbedt, daß 
er zum erfienmal wahrhaft liebt. „Eleonore Montefeltro‘ behan⸗ 
delt die Greuel ber Familie Borgia mit Schicklichkeit, wie benn 
beide Novellen nicht das rein gefunde Gefühb, noch einen un- 
verberbten Befchmad beleidigen. 


4. Kranzöfifcher Novellenkranz. Erſter Band. Kiet, Bünfow. 
Krane, 8. 1 Zhlr. Ä ' 


Nicht ganz fo fern von Frivolitaͤt wie jene beiden tft hier 
die erfte Novelle von Paul de Muffet, „Das Suschenthal“. 
Die obligate Figur eines betrogenen Ehemannes wird nad) Mo⸗ 
degebrauch perfiflict. „Wind und Kreuz”, von Paul d e Rod, 
will ben Preis der Originalität gewinnen, bie Dame wird ohn⸗ 
mädtig, wenn Jemand die Kreuzesform hervorbringt, ſei es 
nun mit Geraͤth, oder durch bie eigenen Beine, und der Dann 
fällt in eine gelinbe Tobſucht, fobald der Wind weht. „Die 
Maben‘’ dagegen find gut erzählt; biefe Gremplare ſcheinbarer 
Bettler, die, reich und vornehm, als Beſchüter unglücklicher 
Liebenden auftreten, haben für ihre Lebensart und Handelsweiſe 


„Der Hauslehrer“ paraphrafirt das 


beffeen Grund als ihre Sollegen. ‚Die guten Schweftern‘’ ver: 
bienen Glauben; ‚Der Kada’, Provinzialbenennung wie der, 
Lall u. f. w. eines Cretin, bient einer ſchoͤnen eleganten 
Dame zum Werkzeug, an einer Nebenbuhlerin ſich zu rächen. 
Edel ift freilich das Verfahren nicht, aber ber Anfland wird 
nicht verlegt, und fo wirb die reigenbe Grau gewiß in ber fei- 
nen Welt, in welcher fie lebt, nur Billigung finden. 


I. Wafhington Irving's neuefte Crayon⸗Skizzen. Skiz⸗ 
zenbuch in Novellen von 1839, Nach dem nordamcrilani- 
fhen Originale von Carlo Brunetti. Damburg, Herold. 
1840, 8. 20 Gr. 

Verirrt fi) einmal ein poetifches Gemüth in bie Bruft 
eines Bürgers der Vereinigten Staaten, fo fehnt es ſich weg aus 
dem Bereiche des Dampfes, ber Mafchinen und Zahlen in die 
dichterifche Urzeit feines Landes, in die alte Welt, und wenn es 
ja bie Gegenwart ber Heimat zum Gegenſtande wählt, fo ge: 
ſchieht es nicht ohne Spott und Klage der heutigen Ultraprofa, 
ber Gebrechen in ber Verwaltung, ber berrfchenden Meinungen. 
Wie in den größern Romanen, fo auch in den kleinern Novels 
ien zeigt fih Waſhington Irving als ein geiftig Verbannter 
in feinem Lande. Die nur auf das Wirkliche, bie durchgreis 
fendfte Ichſucht baſirte Volksthuͤmlichkeit tritt im „Alten Haus‘ 
hervor. Sn „Pflanzers Geburtstag’ ift der Skiav als Menfch 
weit über dem Gebieter erhaben, ber von gemeinen Trieben 
geknechtet iſt. „Der Abencerrage‘ ift eine Erinnerung bes Au: 
tors aus dem romantifchen Alhambra in Granada. „Don Mus 
nio de Hinajoſo“ ift eine echt fpanifche Legende vom fefteften 
feommen Glauben, „Das unnahbare Ciland‘‘, weltlicher gehalten, 
tönt lockenderweiſe die Sehnfucht nach einem unnennbaren Etwas, 
das fo nahe fcheint und immer verfchwindet, wenn man es er: 
greifen wi. „Die Herberge zur wilden Gans“ ift eine fchauers 
liche Räuber: und Gefpenftergefchichte; „Die Opfer ber Liebe’ 
erklaͤrt der Zitel. 18, 











Bibliographie. 


Abraham Ben Jaddai. Es ift nur ein Gott! Ver: 
theibigung des jübifchen Volkes zu den Seiten bes Jeſus von 
Nazareth gegen die harten Wefchuldigungen ber Chriften. Rad 
ber breizehnten englifchen Auflage von B. Wollfteiner. 
Gr. 12, Rothenburg, F. Wuͤnſche. 6 Gr. 

Abelgunde von Felfed. Briefe einer Verſtorbenen. Der: 
auögegeben von Maria Clara Linde. 2ter Abdrud. Br. 12. 
Braunſchweig, G. ©. E. Meyer sen. 1 Zhlr. 

Aquilon, Fürstin D. v., Kurze Erzählung meiner 
Schicksale und Gefangenschaft. Nach den in französischer 
Sprache geschriebenen Originalen übersetzt von D. E. Moller. 
Gr. 12. Hamburg, Niemeyer. 16 Gr. 

Avenarius, ©, Statiflifche Darſtellung des Kreifes 
Schaumburg. Ein Beitrag zur Kenntniß von Kurheſſen und 
zur praktiſchen Bermwaltungsfunde. 8. Rinteln, Liter. =artift. 
Verlags: Inftitut. 16 Gr. 

Belenntnifie eines Opiumeffers. 
4 Winter, 8 Weimar, Voigt. 

Bellermann, F., Die Hymnen des Dionysius und 
Mesomedes. Text und Melodieen nach Handschriften und 
den alten Ausgaben bearbeitet. Gr. 4. Berlin, Förstner. 
1 Thir, 20 Gr. 

Biner, 5., Philoſophie des Privatrechts. Ein Beitrag 
zur Nechtsphilofophie. Gr. 8. Stuttgart, Hoffmann. 12 Er. 

Blick auf bie Lage von Guropa. Gefchrieben im Juni 
1840, 8. Heidelberg, ©. F. Winter. 10 Er. 

Brougham, H. Lord, Die Staatsmänner während der 
Regierungs⸗Epoche George III. Aus bem Englifchen von Kot: 
tentamp. ter Band. Ler.sd. Pforzheim, Dennig, Find 
u. Comp. 2 Thlr. 

Brucftüde aus bem Erdenwallen eines Dämons. Frag⸗ 
ment aus den Papieren eines Blafl. Gr. 12, Grimma, Vers 
lage: Eomptoir. 1 Shlr. 12 Gr. 


Aus dem Gnglifchen von 
1 Zhle. 


1204 


Burmeifter, 6. &. 9., Weber bie Sprache ber früher 
in Mellenburg wohnenden Obobriten: Wenden. 8. Roſcock, 
Deberg. 4 Br. 

Ehriſtemeier, 3. B., Intereſſante Gemälde aus ber 
Geſchichte der Criminal⸗Rechtspflege. Nach der britten Auflage 
aus dem Hollaͤndiſchen überfegt. 8. Braunſchweig, Weſter⸗ 
mann. 1 Thlr. 8 Br. 

Coo pers fämmtlihe Werke. 148ftes bis 156fles Bdchn. 
Der Pfadfinder oder der Binnen: Ger. 3 Theile. — Auch u. 
d. &.: Der Pfadfinder oder ber Binnen: Ger. Bon 3. $ 
Gooper. Aus dem nglifchen überfegt. 3 Schelle. 16. 
Frankfurt a. M., Sauerländer. 1 Thlr. 

Gornelia. Taſchenbuch für Deutfche Frauen auf das Jahr 
1841. Herausgegeben von A. Schreiber. 26ſter Jahrgang. 
Nene Folge. 1dter Jahrgang. 16. Darmflabt, Lange. 
2 Ihlr. 8 Br. 

v. Damitz. Saͤmmtliche Schriften. Ster Band. — Auch 
u. d. 3.: Don Gebaftian von Yortugal. Hiftorifche Novelle 
-aus dem Techzehnten Jahrhundert von Karl v. Damit. — 
ODtto von Pad. Hiftorifche Novelle aus ber Zeit Karl's V. — 
Karl IV. und Günther von Schwarzburg. Hiftorfiche Erzaͤh⸗ 
lung. 3. Nordhaufen, Fürſt. 1 Thlr 


Drinhaus, 3. F., Napoleons Afche in Paris! Anfichten 


über 3eitfragen. Gr. 12. Darmſtadt, Ionghaus. 4 Gr. 

Düntzer, H., Rettung der aristotelischen Poetik. Ein 
kritischer Versuch. Gr. 12. Braunschweig, G. C. E. 
Meyer sen. 1 Thir. 

Ed, & M., Die Hamburger Gärularfeier der Erfindung 
des Buchdrucks am 24. und 27. Zunft 1840, Gr. 8. Ham: 
burg. Gr. 

Ellis, Lord, Erinnerungen und Geſtaͤndniſſe eines Bau: 


ners aus der vornehmen Welt. Deutich von 9. Gauß. 2 Theile. | 


8. Weimar, Boigt. 2 Thlr. 12 ©r 

Ewald, H., Die Propheten des Alten Bundes. 
Band. Gr. 8. Stuttgart, Krabbe. 2 Thlr. 

Franz, J., Fünf Inschriften und fünf Städte in Klein- 
asien. Eine Abhandlung topographischen Inhaltes. Nebst 
1 Karte von Phrygien und 1 Entwurfe nach Ptolemaeos ge- 
zeichnet von H. Kiepert. Gr. 4. Berlin, Nicolai. 20 Gr. 

Geſchichten von C. 1. — Auh u. d. T.: Blei und Gleich. 
8. Leipzig, Breitkopf u. Härtel. 9 Gr. 

Groß, R., Atlas der wichtigſten Schlachten und Treffen 
Napoleons. Zu allen Gefchichten bes Kaiſers. Nach den beften 
Quellen gezeichnet und mit Text erläutert. Vollſtaͤndig in 30 
Karten. Afte Lief. Lex.⸗8. Stuttgart, Scheible. 18 Gr. 

Henne, 3. A., Schweizerchronik, in vier Büchern, aus 
den Quellen unterfucht und dargeftellt. 2te, völlig umgearbei: 
tete und vermehrte Auflage. iftes Bud: Breit gr. 8. St.⸗ 

r. 

Hermsdorf, E., Syſtem der deutſchen Conſtitutionen. 


Ister 


mantiſche Räubergefehichte aus unferm Jahrhunberte. 8. Works - 
haufen, Fuͤrſt. 1 hir. — 

— — Farinello der tapfere Raͤuberhauptmann. 2 Thrike. 
8. Nordhauſen, Fürſt. 2 Thir. 

Merkel, G., Darſtellungen und Charakteriftiken aus meis 
nem Leben. ter Band. 3, Leipzig, Köhler. 2 Thlr. 

Neander, &., Das Eine und Mannichfaltige bes chriſt⸗ 
lichen Lebens. Dargeftellt in einer Reihe kleiner Gelegenheits: 
ſchriften, größtentheils biographifchen Inhalte. Er. 8.. Ber: 
lin, Lüberig. 1 Ahle. 12 Gr, 

Pahl, 3. 8. v., Dentwürbigkeiten aus meinem Leben 
und aus meiner Zeit. Nach dem Tode bes Werfaflers heraus 
ee vn defien Sohne W. Pahl. Er. 8. Tübingen, Fues. 

r. r. 

Puſchkin, A., Geſchichte des Pugatſchew'ſchen Aufruhrs. 

— je Kruffigen von 9. Branbeis. 8. Gtuttgart, Gafk 
L. r 

Racine’s säinmtliche Werke, zuin ersten Male vollstän- 
dig übersetzt von M. Viehoff. Iister Band. Gr. 16. Em- 
merich, Romen. 10 Gr. 

Red, 3. S., Der Rheinftrom und feine Anwohner. Aus 
bibliſchem Geſichtsekreiſe verglichen, zu Beichauung, nnerung 
unb auung für Jedermann. Br. 12, Neuwied, Licht: 
fers. 15 Gr. 

Reiniger, E., Poetiſche Verſuche. Gr. 12. Grimma, 
Verlage Comptoir. 1 Thlr. 12 Gr. 

itter, H. W. L., Betrachtungen, veranlaßt durch das 
Kiß'ſche Bildwerk: „Die Siegerin!‘ (Amazone.) Gr, 8. 
Berlin, Debmigke. 10 Er. 

Rittfhlog, ©., Das Aſyl auf dem Kelfeneiland und 
fein Bewohner, oder: Nur Ehriſti Chriftenthfum!! Er. 8. 
Weimar, Voigt. 12 Er. 

Romana, 3, Das Wildhaus. Novelle. 2 Bände. 
Gr. 12. Marburg, Elwert. 2 Thlr. 

Romancero del Cid publicado por A. Keller. 8. Stutt- 
gart, Liesching y Comp. 1 Tbir. 18 Gr. 

Schoppe, A., Pierre Vidal, der Zroubadour. Roman. 
2 Theile. Gr. 12. Leipzig, Zaubert. 2 Thlr. 18 Gr. 

Soulie, F., G@eneralbeichten. Aus dem Keanzöftichen 
von &. Brinckmeier. 2 helle 8. Braunſchweig, €. 
E. Deyer sen. 2 Thlr. 16 Gr. 

— — Ein Lisbestraum und Die Kammerzofe. Zwei 
Novellen. Rah dem Franzöfifigen von W. Schultze. 8. 
Braunſchweig, &. ©. E. Meyer sen. 1 Thir. B Gr. 

Spieß' fämmtliche Werke. Zum erften Male in vollfiäns 
biger Sammlung herausgegeben u. f. w. von G. Schöpfer 
von Rodishain. Iter Theil. Der Mäufefallens und Des 
chelkraͤmer. — Auch u. d. &.: Der Mäufefallens und Hechel⸗ 
kraͤmer. Eine Geſchichte, ſehr wunderbar und doch ganz nas 
türlih, von &. 9. Spies. 8. Norbhaufen, Fürft. 16 Er. 

Zaute, ©. F., Religionsphilofophie. Bom Standpuntt 
der Philofophie Herbart's. Ifter Theil. Allgemeine Religionss 
pbilofophie. iIfte Abth. Br. 8. Elbing, Levin. 2 Ihle. 12 Or. 
Zemme, 3 D. H., Die Bollsfagen von Yommern und 
@r. 8. ı Berlin, Nicolai. 1 Thlr. 16 Br. 

Ste Sul . Kafdenbud) auf has een zrur Beige, 

er Jahrg. t bem aiffe 8. F. 4. 8, 
Brodhaus. 1841. 1 Thlr. 16 Er. es vr 

Hiftorifche Volkslieder aus dem fechzehnten und fiebenzehn- 
ten Jahrhundert nach den in der Hof: und Staatsbibliothel zu 
München. vorhandenen Fliegenden Blättern gefammelt und her⸗ 
ausgegeben von 9. M. Körner. Mit einem Borworte von 
J. A. Schmeller. 8. Stuttgart, Ebner und Beubert. 
1 Thlr. 15 Gr. 

Willifen, W. v., Iheorie bes großen Krieges angewens 
bet auf ben ruſſiſch⸗ polnifchen Kelbzug von 1831. Mit 6 lis 
thegraphirten Tafeln. In 2 Theilen. Gr. 8. Berlin, Duns 
der u. Humblot. 2 Thlr. 12 Gr. 


Verantwortlicher Deraudgeber: HYeinzih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. 7%. Brodhaus in Leipzig. 


\ 
N 











Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Nr. 299, — 


25. October 1840. 





Die aud der unbefchränkten Theilbarkeit des Grund⸗ 
eigenthums hervorgehenden Nachtheile binfichtlich der 
Cultur ded Bodens und der Bevoͤlkerung, und bie 
hierdurch bewirkte Auflöfung ber hiftorifchen Ele: 
mente bed Staates, und fomit des ftändifch » organi- 
hen Staates felbftz vom ftaatöwirthfchaftlidhen, phi⸗ 
Iofophifch = politifchen und hiſtoriſchen Gefichtöpuntte 
aus nachgewiefen von Georg Ludwig Wilhelm 
Funke. Hamburg u. Gotha, 8. Perthes. 1839. 
Sr. 8. 21:8r. 

Öfter und länger fhon haben wir unfere Stimme 
erhoben gegen biejenige Richtung, welche die Staatever: 
waltungstunft feit einem halben Jahrhunderte eingefchlas 
gen hatte, die Richtung des beliebigen Nichtachtens und 
Bernichtens der hiſtoriſch fich entwidelten Zuftände und 
deren Aufopferung gegen abftracte Theorien und Mari: 
men, bie Richtung der Hervorhebung und Erfirebung ber 
materiellen Güter auf Unkoſten oder doch mit Hintan⸗ 
fegung der fpirituellen und moraliſchen, die Richtung ber 
Huldigung des Principe des Egoismus und der foge: 
nannten Sreiheit, welches eine Afterfreiheit ift und faͤlſch⸗ 
ich mit Willkuͤr verwechfelt worden iſt, da es keine Frei: 
heit überall ohne Gefeg und Regel und aus biefen ſelbſt 
fi) ergebende Beſchraͤnkungen geben kann. Hoͤchſt erfreus 
lich affo muß es fein, daß dieſe unfere Mahnungen in 
Verbindung mit andern nicht vergeblich erklungen find, 
daß Immer mehr Männer auftreten, die das Verderbliche 
in jener Richtung erkennen und mit Exrnft und Nach⸗ 
druck davon ablenken, das baflır zu ermwählende und zu 
verfolgende Beſſere vorhaltend und Ins Licht flellend. Zu 
ſolchen Männern gehört nun auch der Verf., weicher fein 
potitifches Glaubendbelenntniß felbft In der Vorrede alfo 
fund gibt: „Das Refultat aller meiner Studien und meine 
fefte Überzeugung ift, daß man nicht leere Theorien zu 
verfolgen und nad) dieſen ſich eine abſtracte Welt zu bil: 
den, fondern das Hiſtoriſch-Entwickelte überall feſtzuhal⸗ 
ten, aber, wenn es erſtarrt iſt, wieder zu beleben habe.” 

So ausgebrüdt iſt dieſer Grundſatz ſchon darum, meil 
er gegen das Ende nur bildlich ſpricht, uns noch zu 
unbeſtimmt, und koͤnnte aus Misverſtand leicht dahin 
führen, daß, um die Charybdis zu vermeiden, man in 
die Scylla gerät, Denn vom Frofle oder Krampfe ers 
ſtarrte Glieder eines Leibes werden eigentlich nicht wieder 


belebt, da fie noch nicht abgeftorben find, fondern nur 
wieder der Bewegung ber Lebenskraft zugänglich gemacht. 
Was wirklich tobt ift, das leider Bein Tebendiger Organis⸗ 
mus, fondern fest alle feine Kraft daran, es von fidh 


auszufcheiden, und ſtirbt felbft in der Erfhöpfung derſel⸗ 


ben bei diefer Anftrengung. Das eben ift die Kunft bes 
Arztes, des anthropologifchen und des politifchen, bei 
Zeiten die Megelwidrigkeit- einer jeden Lebensverrichtung, 
woraus Krankheit entficht, zu entdecken und durch Gegen⸗ 
wirkung zu unterbräden, alsdann aber, wenn dies nicht 
hat gefchehen koͤnnen, das unheilbar Verdorbene abzus 
fondern, felbjt auszufchneiden, bevor es bie benachbarten 
Theile anſteckt ober ein verzehrender Gegenſtand ber ges 
fammten Lebensthätigkeit wird. Gewiß darf der Wund⸗ 
arzt bei ſolchen Operationen nicht zu tief ins gefunde 
Fleiſch fchneiden, uͤberall nichts ohne zureichenden Grund 
zerfiören und die edlen Organe auf keine Weife vers 
legten (S. 86); aber es gibt mehre Euren, deren Aus: 
führung ganz unmöglich tft, wenn das Fleiſch erhalten 
und der Schmerz vermieden werben follte; man muß zus 
weilen auch das Befunde zerftören, um nur an die kranke 
Stelle zu kommen. Sodann misfälle uns an obiger 
Staubensregel die ausfchließende Entgegenfegung des Dis 
ftorifchen und der Speculation und die unbebingte Ems 
pfehlung der Kefthaltung des gewordenen Concreten. Denn 
nicht Alles, was die Vorfehung ber mit Willkuͤr ausges 
ftatteten Menfchheit zu fchaffen verftattet hat, ift darum 
gut; vieles iſt es wenigftens nur unter Umfländen, mit 
beren Veränderung es feine Natur ſelbſt verändert. Die 
Inquiſition mit ihren Scheiterhaufen bat niemals gut 
fein können; bie Kloͤſter waren es früher, haben es aber 
laͤngſt aufgehört. Überhaupt hat alles Irdiſche nur eine 
geroiffe Dauer und muß mit der Zeit abflerben; «6 muß 
wieder in den Schoos ber befruchtenden Natur und in 
die Allgemeinheit berfelben zuruͤckkehren, um wieder ges 
boren zu werben. ben darum num, um gültig barlıber 
urtheilen zu innen, was gut und Löblich fei, und hieruͤ⸗ 
ber ein zuverläffiges Urtheil zu haben, iſt die Theorie un⸗ 
entbehrlich; nur die Abſtraction lehrt uns bie unverwerfs 
lien Regeln dafür, und. alles Goncrete muß feinen Ge 


halt auf dieſem Probitſteine darthun. Weil aber bie 


Welt nicht eine rein geiſtige iſt, fo kann in ihr and für 
fie das an und für ſich Beſte nice uͤberal und immer 


- 


1206 


24 


das concret Gute fein, ſondern es muß nad) Maßgabe 
dee vorhandenen Umftände modificirt werden; und weil 


das Lebendige abhängig Ift von dem Dafein und ber 


wirklichen Geflaltung feines Organismus, hingegen ges 
hemmt oder zerftört wird durch bias medanifche Einwir⸗ 
tung, fo darf Ihm nichts eingezwungen und mit Gewalt 
efnwerleibt werden, fondern e8 muß immer fo eingerichtet 
werden, daß es ihm nur zur eigenen Verarbeitung zuge: 
führt und von ihm felbft dadurch in fi aufgenommen 
wird. 
Beförderung feiner Lebensthätigkeit Eönnen und müffen 
ihrer Natur nah von außen befhafft werben, mie ber 
Menſch nicht ohne Luft, Wärme und Licht zu leben ver: 
möchte. Darin eben befteht die Verſchiedenheit der Staats: 
wiſſenſchaft, der Staatsweisheit und der Staatskunſt, daß 
die erftere die abſtracten Gefege auffindet und ermeilt, 
die andere die Bedingungen und die Megeln für deren 
Anwendung und Ausübung lehrt, Die legtere endlich bie 
Mittel zur Erwerbung der Fertigkeit in deren Ausübung 
entdeckt und einübt._ So fehr wir daher mit dem Verf. 
in der MWerthfchägung des Beſtehenden und Hiſtoriſchen 
übereinftimmen, fo würde es doch auf den entgegenge: 
fegten Abweg hinauslaufen, bdafjelbe über das abſtracte 
Geſetz zu fegen, oder die beiländige Erwägung deſſelben 
geringfchägig zu behandeln. So dürfen ſich alſo auch 
auf der hoͤchſten Stufe der Glaube und die Bernunft, 
das Poſitive und das Abfolute oder Rationelle durchaus 
nicht entgegen fein noch einander bekämpfen, fondern 
muͤſſen ſich vielmehr innig miteinander verbinden, um ſich 
gegenfeitig zu unterflügen. Die Vernunft ſelbſt iſt die 
hoͤchſte Offenbarung ber Gottheit, weil der Glaube nicht 
von ihm felbft laſſen und ſich nicht ſelbſt richten kann, 
vielmehr nur mittel der Erwägung und inficht der 
Vernunft es auszumachen iſt, ob irgend eine andere 
Offenbarung wirklich eine ſolche, oder eine Taͤuſchung fei. 
Nichts kann und darf jemals der Vernunft widerſtreiten, 
obgleich Vieles über die Vernunft fein fann. Denn eben 
“fie muß erſt ſich überall felbft erkennen lernen und ihrer 
erſt felbft geroiß geworden fein, bevor fie ſich als unum⸗ 
ſtoͤßliches Geſetz umd Richterin geltend machen ann und 


: darf. Darum gerade, weil die für die Menfchen ein- 


großes Stück Arbeit. iſt, kommt die Natur und die Offen: 
barung ihnen zu Hülfe, erleichtern ihnen die Sache und 
- gehen der eigenen Selbftbeflimmung wegweiſend voran. 
Wo Kampf ift, da iſt noch Finſterniß und Irrthum; 
im Lichte dee Wahrheit iſt Sein Gegenfchein, und alle 
Karben, als Brechungen defjelben, fließen in einen 
. Strahl zufammen. 

Zu denjenigen Maßregeln nun, welche jenes vermeint: 
che Freiheitsprincip ins Leben eingeführt hat, gehört 
denn auch die Entbindung des Grundeigenthums ven 
allen die beliebige Verfuͤgung daruͤber behindernden Be: 
ſchraͤnkungen, infonberheit die willkuͤrliche Theilung deſ⸗ 
ſelben und die Zerſchlagung groͤßerer Grundbeſitzungen in 
einzelne Stuͤcke. Mit vollem Rechte eifert der Verf. gegen 
die dies bezweckenden Einrichtungen und geſetzlichen Be⸗ 
ſtimmungen und zeigt deren in ihren Folgen unerhoͤrte 


Nur aͤußere Bedingungen der Erleichterung und 


Schaͤdlichkeit und Zerſtoͤrungsmacht aus Gründen, bie bee 
Sache felbft entnommen find, und nah ben Ergebniffen 
aller Erfahrung. In dee That ift der durch diefe Maße 
regel in Toscana herbeigeführte Zuſtand ein trauriger 
Anblid; und in Frankreich, wo diefelbe in der neueften 
Beit am meiteften durchgefuͤhrt worden ift, bat fich bas 
Elend, welches fie herbeigeführt, bereits im Volke fo bes 
merflih gemacht, daß die Geſellſchaften, welche fich bas 
mit befchäftigen, größere Grundbefigungen zu erwerben 
und mit Gewinn zu zerfhlagen, allgemein den Namen 
der ſchwarzen Banden erhalten haben. 

Mit richtigem Blicke zieht der Verf. in Betracht, daß 
es bei der Würdigung biefer, wie aller politifchen Maß: 
regeln nicht blos auf ihren materiellen und ſtaatswirth⸗ 
fhaftlihen Werth ankommen könne, fondern daß ein 
höherer Standpunkt genommen werden müffe, um den 
innern Werth nach den Anfoderungen ber Staatsweisheit 
und der Sittlichkeit zu beuctheilen, indem am Ende felbfl 
der Staat mit allen feinen Einrichtungen nur als ein 
Mittel zur ſittlichen Ausbildung der Menfchheit angefehen 
werben darf, ſodaß etwas Unfittliches oder die Unſittlich⸗ 
keit DBeförberndes in ihm keinen Raum finden muß. 
Ebenſo praktifh beherzigungswerth ift die Bemerkung, 
daß man bie gemöhnlihe Umkehrung ber Erfolge im 
dee Zeit niemals überfehen müfle, indem gewöhnlich 
und ohne Dazwiſchentritt anderer Cinwirkungen ber 
naͤchſte Eıfolg einer Einrichtung fhon den Keim und 
bie Grundlage zur allmäligen Entwidelung bes gera- 
den Gegentheiles, zum menigften aber zum Abfterben 
feiner ſelbſt in der Zeit in ſich fchließt und auffchließt. 

Nach diefen beiden Geſichtspunkten nun alfo bat ſich 
der Verf. vorgefegt, zuerft die ftaatswirthfchaftliche Be⸗ 
deutung der unbegrenzten Zulaſſung der Bodentheilung 
zu beleuchten und dadurch zu zeigen, wie damit bie 
Eultur des Bodens im Allgemeinen hberuntergebracht, 
bie Landesbevoͤlkerung verringert und entlräftet, mithin 
die Grunderfoderniſſe der Staatsmacht angegriffen mer: 
den, biernächft aber in politifchem Betrachte aus der 
Ungebundenbeit des Grund und Bodens unaufhaltlid dem 
Untergang eines kräftigen Bauernftandes, die Vernichtung 
des Adels, die Aufloͤſung der einzig und allein zwedent- 
fprechenden wahren landfländifhen Verfaſſung, die Zer⸗ 
fprengung alles organifchen Verbandes in elementarifche 
Einzelnheiten, die Unterordnung ber Sittlichleit unter bie 
Herrſchaft des Eigennuges, aus dem Allem aber den Ver 
fall und ben Untergang der Staaten als unausweichbare 
Folgen darzuftellen. Er führt dies überzeugend mit ebenfo 
viel pbilofophifcker Ordnung und Klarheit, als mit Be⸗ 
nugung reicher und unleugbarer biflorifcher Unterlagen 
aus und Läßt den ganzen Umfang und die Tiefe ber 
Verderblichkeit der uneingefchränkten Bodenzerftüdelung ab: 
ehen. 
1b Wenn man bisher die Mobilificung bes Grundeigenthums 
vom Standpunkte philanthrophifcher Bildung aus foberte, fo 
fah man hierbei nur auf das Äußere, und war mithin zufrie 
a ei Gi 
u ’ u N) 

| ice viele 


. fx fie ſelbſt eine heilbringende ſei, ober ob biefelbe n 


dieſe Berveglichleit aber 


1207 


qren moraliſchen Untergang herbeiführe, inbem fie bei biefer 
wicht durch die gehörigen Srwerbsmittel geficherten Exiſtenz noth⸗ 
wendig zu Bertlern herabfinken, beren zerrütteter äußerer Zus 
ſtand dann auch eine innere Zerrüttung, eine geiſtige Verkom⸗ 
menheit zur Folge hat, welche ſie nur zu leicht zu einem Spiel⸗ 
balle der nicht durch die Kraft des lebendigen Glaubens bes 
kaͤmpften Sünde macht. 

Aber der Verf. fuͤhrt nicht nur dies aus, ſondern 
auch, daß ſelbſt die Vermehrung des Bodenanbaus und 
der Bevölkerung nur die nächfte unmittelbare Wirkung ber 
Bodentheilung fein koͤnne, daß hingegen bei fortdauernder 
Serfplitterung des Bodens deſfen Anbau unausbleibli in 
Verfall gerathen, die Landesproduction abnehmen und 
damit die Bevölkerung verkuͤmmern müffe, ſodaß aus 

e [hon nad) dieſer phyſiſchen Seite allein hin die Mo: 
bilifirung des Bodens, je weiter fie geht, defto mehr 
jedem Staate zum Verberben gereichen muß, folglich nice 
ſchtankenloſer Willkür überlaffen werden darf. 

Saft immer bedient fih der fcharf und ti 
Verf. des Ausdrucks: Mobiliſirung des 
Zertheilung oder Zerſtuͤckelung deſſelben Andem er ſolcher⸗ 
geſtalt die naͤchſte Wirkung der legtem charakteriftifch be: 
zeichnet. Denn dadurch, daß aug/materiatiflifcher Abficht 
die Berfchlagung des Grund und Bodens der Gewinn: 
fuhr anheimgegeben wird, vetliert derſelbe und deſſen 
Beſitz allerdings alle Eigenthuͤmuichkeiten eines unbeweg— 
lichen Gutes und der gegen itigen Beziehungen und Ber: 

‚bindungen aus dem fortde vernden Befisthume zwifchen 
bem DBefiger und feinem Eigenthbume; der Boden wird 
dielmehr nur noch ale 5 aare, hauptſaͤchlich als Gegen: 
fland des buch Erwerbun und Veräußerung, alfo durd) 
Befigveränberung, zu erzießenden Gewinnes angefehen, und 
nimmt foldergeftalt ganz E und gar die Natur und Be: 
Khaffenheit des bemeglichfen Gutes an. Eben durch 
nd duch) das Aufhören alles 
mmt auch der ganze Merkehr, 
die ganze Gefinnung und das 
ganze Leben des Volks ei Ine andere einſeitige Richtung an, 
indem der vereinzelnde E,Igoismus jedem Einzelnen es zum 
alleinigen Zwecke macht, aus dem allgemeinen Verkehre 







ehende 
ns, anftatt 










unbeweglichen Gutes ni 
bie ganze Betriebfameeit, 


‚ für ſich dem größtmöglich en Vortheil zu ziehen und mit: 


bin denſelben allen Andesfen nach Kräften zu entziehen. 


Denn das Grundeig Meinthum zur Waare geworden if, fo 
wird dadurch das Bamil’kkenbefigchum ebenfalls vernichtet, und 
die fämmtlien Mitglied; ze ber Familien, worin vorher bie 
Kraft bes Landes beftant „, fallen mit ihrer Werarmung bemfel: 
Den R ievolutionen, deren Haupthinderniß in 
sem Befthalten ber Gri 


“ 













ndeigenthHümer an ber Heimat und ber 
alten Sitte berupt, wilied fo der Weg bereitet (8. 32). 
Mag es auch in aꝙ ben Werhältniffen der einzelnen Länder 


gegeben fein (&. 46),.. daß bald ber Äckerbau, bald die Indus 
ſtrie größeen Umfan Ag haben, fo berechtigt dies doch Eeineswegs 
7 einer Ken Hintanfetung bes weniger bedeutenden 
lemente allein das induſtrielle Element gepflegt, ſo 
eine Aufloͤſung aller pofitiv ſittlichen Gewalten 

‚, welche in dem Elemente eines unabhängigen 

Srundeig gAnthumes ihren Stüspunkt haben. ine Berfegung 
wnferer „’ @taaten durch ein Zuruͤcktreten des Bürgerflandes ift in 
geger Amwärtiger Zeit nicht mehr zu befürdten, wol aber daurch 
SMkabſerung des Adels und des Bauernftandes beforglich. Leis 
ee bat man bie fittliche Webeutung bes Grundbeſitzes, als bie 





Unterlage aller hiſtoriſchen Entwickelung bes Lanbes unb feiner 
Bewohner und ihrer gegenfeitigen Beziehungen und ihrer Ginis 
gung, zu fehr aus den Augen verloren und urzfichtig den nädhs 
fien materiellen Vortheilen aufgeopfert. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Belenntniffe aus Leben und Meinungen von W. Rein: 
hard, ehemaligen Staatsrath. Zwei Bände. Karle: 
ruhe, Groos. 1840. Gr. 12. 2 Thie. 8 Gr. 


‚Wenn man gewiffe Bruchtbäume zur Beit verfäumt zu 
fhütteln, geht uns bie Ernte freilich verloren, aber flatt ber 
gehäuften Körbe und vollen Kammern finden wir zwifchen dem 
welfenden Laube eine Nachlefe von ganz befonders füßem Ges 
ſchmacke. Ws ift nit, um den Sommerburft zu ftillen, aber 
um 'im Herbſt bie Zunge zu erquiden. Wir theilen mit ben 
‚Bögeln bas Vergnügen, uns diefe balbgetrodneten, halb von ih: 
nen angefrefienen Refte der Pomona aufzufuchen, und je ſpar⸗ 
famer und verſteckter fie zwifchen den gelben Blättern find, um 
fo größer die Luft, fie zu finden. An dieſe Herbflluft dachte ich 
beim Durchblättern der Reinharb’fchen „„WBelenntniffe‘. Es tft 
feine Ernte, zur Zeit gemäht und gefammelt, die die Scheuern 
füllt und orbnungsmäßigen Vorrath gibt für ben Winter und 
Wiederausfaat fürs neue Jahr. Gin alter Mann geht an ei: 
nem heitern Herbſttage fpazieren unter den Gärten, bie bie 
euft feines Mannesalters waren, bie er in ber Jugend zum 
Theil felbft gepflanzt. Gr Eennt fie alle, die Bäume und 
Sträude, und greift hier und da eine Frucht herab, und ges 
denft hier und da der frohen Stunden, bie er unter ihrem 
Schatten verbradht, und der Erquidung, bie fie ibm gewährt. 
Solche gelegentlihe Sammelfrüchte find diefe „Bekenntniſſe“, 
nichts weniger als vollftändig oder foftematifch geordnet. Aber 
wer recht fatt ift der foftematifchen Weisheit, an der es, Bott 
weiß, der Welt und, der Literatur nicht fehlt, mag mit beſon⸗ 
derm Vergnügen zu diefem Nachtifch greifen, und wer in den 
foftematifhen Gompot® an dem Sauern unb Unreifen etwa 
feinen Geſchmack fand, wirb den Werth bed Gereiften deſto⸗ 
mehr zu ſchaͤtzen wiffen. 

Unfere Literatur firebt nach dem &ubjectiven. Aber wäh: 
rend man über das wirklich Erfahrene und Grlebte die Dich: 
tung faft ſchon befeitigen möchte, ift es feltfam, daß gerabe Die, 
welche noch wenig ober nichts erfahren und erlebt, uns ihre 
Erfahrungen und Erlebniſſe vorzugsmweife bringen. Die fallen 
aus andern Gründen bünn und fparfam aus; es find nicht die 
Früchte des Spätherbftes, überreife etwas eingetrodnete, fons 
dern die erften kaum gerötheten und gereiften, die man vor ber 
Beit vom Baume bridt, um doch etwas zu bringen. Unſere 
Alten Eramen nur felten ihre aufgefpeidherten Vorräthe aus. 
Weil fie fi vor den Jungen fiheuen, ober weil man, als fie 
jung waren, meinte, das Bischen, was man erlebt, Iohne fich 
nicht eben aufzubewahren und zu fortiren, um es einft ber 
Welt aufzutifchen ? Unfer Veteran fei deshalb willlommen. 
Richt Alles, was er vorfeht, iſt gut und neu; Alles aber ge: 
nießbar, eine gute Hausmannskoft, hier und da mit ber feinen 
Würze angemacht, die nur das Alter zu bereiten weiß. Es 
find keine Memoiren großer Erlebniſſe; über Feine Wendepunkte 
ber Geſchichte, nicht über große Männer finden wir Aufichlüffe 
und fie charakterificende Anekdoten. Der Stamm ift bas ins 
nere Gemüthsſs- und Gebankenleben eines beutfchen Geſchaͤfts⸗ 
mannes, deſſen Befchäfte aber nicht ben Dienfchen erbrüdten. 
Er hat viel wahrgenommen, richtig beobachtet und feine Be: 
merkungen find treffend. Der Ernſt ber Jahre breitet einen 
gewiffen Reif über Alles aus; aber es wirb darum nicht gras. 
Die Zugenbluft lobert hier und ba aus ber Reflexion hervor 
und die Laune behauptet ihr Recht. Ya, er bringt recht drol- 
lige, barode Scenen und Situationen aus feiner. Gedaͤchtniß⸗ 
mappe zum Vorſchein, und auch das Sinnliche ifl ganz unb 
gar nicht in der Erinnerung erloſchen, indem er eine betraͤcht⸗ 





1200 


die verwitdertfte, woran bie religiäfen Parkeiſtreitigkeiten ſchuld 
find. Die Procffionen der Drangrmänner, weiche noch forts 
dauern, reizen die Katholiten auf und ſchrecktiche Raufercien 
find die Folge davon. 

In dem noͤrdlichen Gerichtsbezirk iſt der Zuſtand wie folgt: 
Eongford iſt theilweife unruhig durch Whitebeyfrevel; die Urs 
fadye davon find Lantverpadgtungen und Vertreibung ‚ber frü⸗ 
hern Pächter. Cavan befand ſich das Irgte Jahr in einem 
übeln Zuſtande, ſodaß die Gerichte viel zu thun hatten. Fer⸗ 
managb hat ſich nicht verſchlechtert, Tyrone und Donegal ebens 
fo wenig, und in Derry gefchieht kaum ein Verbrichen. Nor 
die legten Affiien kam keine Morbtpat, welche in disfen vier 
Groffchaften begangen worden wäre. 

Der Gerichtsbezirk Connaught befteht aus ben Grafſchaften 
“ Roseommon, Leitrim, Sligo, Mayo und Galway. Diefer Ge: 
richtsbezirk war 1821 — 22 außerordentlich tumultuös, hat ſich 
aber beträchtlich gebeflert. . 

Im Gerichtsbezirke Munfter verhält es fi fo: Gork, bie 
größte und bevölkerifte Srafihaft Irlands und lange Zeit durch 
ſchreckliche und blutige Schlägereien berüchtigt, ift jetzt ruhiger 
als irgend eine andere Grafichaft in Irland und fo rubig wie 
irgend eine in England. Kerry iſt ebenfalls ruhig; Limerid 
theilweife beunruhigt, befondere nad) der Grenze von Tipperary 
bin; Glare ift in einem erträglich ruhigen Zuſtande und ver- 
glihen mit dem revolutionnairen Zuftande der Graffchaft in 
den Jahren '1830— 31 fogar in cinem guten. Diefer ganze 
Gerichtsbezirk ift, bis auf kimerick, gegenwärtig volllommen 
ruhig, alle Gcewalttpätigkeit im Betreff der Zıhnten hat cin 
Ende genommen und felbft von Angriffen auf Geiſtliche, ncdh, 


bis vor kurzem fo gemöhnlidh, hört man in dem gegenwärtigen‘ 


Augenblicke nicht mehr. 

Endlich ift Stadt und Grafſchaft Dublin, frühere durdy 
weit ausgreifende ungeſetzliche Bewegungen fo zerrüttet, gegens 
wärtfg viel ruhiger und wird ed immer mehr. In Dublin find 
Verbrechen zwar häufig, aber es Liegt in ihrer Ratur nichts, 
was fie befonders auszeichnete. 

Das Refultat, Burz zufammengefaßt, ift dies: Won 32 
Grafſchaften find 12 volllommen ruhig, 15 nicht volllommen 
ruhig, aber ruhiger als früher, 5 in Bewegung, doch nidt 
Härter als früher, eine Graſſchaft, welche aufgeregter als vor: 
dem wäre, gibt e8 in Irland nicht. 

Im Ganzen ift mehr eine Abnahme in der Zahl der ſchwe⸗ 
sen Verbreden als in der Totalſumme aller Verbrechen übers 
Haupt wahrzunehmen; ferner eine Zunahme in der Menge der 
Berbaftungen im Verhältniß zu den Verbrechen, was cine nas 
türlicde Folge der gefteigerten policeitihen Überwachung iſt; und 
drittens eine Zunahme der Schuldigerflärungen im Berhältniß 
u den Verhaftungen, was ebenfalls eine Zolge der in der Zus 

zuerwaltung getroffenen Verbefierungen iſt. Es ift natürlich, 
daß, je genauer die Juſtiz dem Volke auf die Finger ficht, 
defto mehr Verbrechen entdeckt und in die Policeiregifter einges 
tragen werben; auch nimmt die Zahl der Beinen Vergehungen, 
‘die aus Widerfeglichleit gegen bie geichärften policeilidhen Maßs 
segeln entipringen, wenigftens für den Augenblid zu. Dagegen 

aben in Irland die großen Verbrechen in der Periode 18356 — 

8, mit ber Periode 1826 — 28 verglichen, folgendergeftalt abges 
nommen: Zobdtfchläge und Meuchelmorde um 10 Procent; Vers 
Ihwörungen zu Mordthaten um 29; Cinbräche bei Radıt 56; 
bewaffnete Berfammlungen und bewaffnete Erfcheinen bei Nacht 
26; Ginbrüde in Häufern 86; Diebftähle von Rindvich, Pfers 
den, Schafen, Schweinen 34; Anfälle mit der Abfiht zu rau: 
- den 5% Procent. 

In Dublin war wie befannt die Zahl der Verbrechen in 
frũhern Jahren außerordentlich groß; die Mitglieder ber ‚„„Tra- 
des unions‘ vollführten ihre Anfälle am lichten Tage und 
manchmal in den belebteſten Straßen ber Stadt; und gegen 
diefe Bewaltthätigkeiten hatte man nur einige Rachtwächter, 


ſchwache alte Leute, bie fi) am Lage nicht einmal fehen laſſen 
durften, weil allıin ihre Anweſenheit einen Auflauf hervorgeru⸗ 
fen haben würde. Es wurde daher eine Bill vorbereitet, um 
eine Policeimacht nah dem Mufter Londons zu ſtiften. Sie 
ging im Unterhauſe durch, die Lords verwarfen ſie; erſt im 
naͤchſten Jahre leiſteten die Eorbs auf den Widerſtand gegen 
die Bill Verzicht und ſanctionirten dieſelbe. Seitdem dat Dublin 
eine Policeimacht von 1000 tüchtigen Indisiduen, die von was 
dern Dffigieren geleitet werben. Die Refultate waren erflauns 
lid. Die von ben Verbindungen ausgehenden Bewealtthätigkel- 
ten fielen in einem Jahre von 97 auf 8! Es verringerten fidy 
die Ginbrüche von 5% auf 33, Diebflähle von Pferden und 
Rinboieh Fe auf 1 afeäungen von Kindern von 38 
auf 26, Todtſchlaͤge von 16 au Aufläufe von 95 
Gtraßenräubereien von 16 auf 9. ‚ Fuauf u, 
Im Rorden Irlands verweigerten die Magiftrate ihre Mit⸗ 
wirtung zur Unterbrüdung der Drangeproceffionen , weiche bes 
fanntlid oft aus Hunderten von Menfchen beftchen und benen 
die Abfiht zum Grunde liegt, die Katholiken zu infulticen und 
herauszufodern. Man errichtete alfo befoldete Magiftrate, um 
die Gonftablerie gu Iciten, und bie günftigfien Refultate wure 
den in kurzer Zeit fihtbar. In den erſten ſechs Monaten 1835 
fanden 14 Proceffionen ftatt, 1235 27, 1839 5; Rubeftöruns 
gen, welche aus bem Drangismus entfprangen, ohne do uns 
mittelbar mit Proccffionen verbunden zu fein, gab es In den 
erften ſechs Monaten 1835 neun, in den erften fechs Monaten 
1886 fünf und in den erften ſechs Monaten 1839 feine. Im Süden 
verfuhr die Policei faft unglaublicherweife nach dem Grundfag, 
fid) überall, wo jene ald Kactionstämpfe bekannten blutigen 
und wüthenden Händel in Ausfiht flanden, aus dem Gtaube 
su machen. Der Gedanke, aus dem bdiefe Verfohrungsmeife 
entiprang, iſt noch verabfcheuungswürbiger als diefe frlbft; man 
behauptete, daß fi die Wüdheit des Volks, wenn es ſich uns 
tereinander befämpfte und tödtete, aufriebe und daß es fo wes 
niger an Verfhwörungen gegen die Obern denfen würbe. Auch 
hier hat ſich der Zuſtand ſeit Normanby's Verwaltung wefents 
lich gebeſſert. Dieſe tödtlichen Händel und Raufereien, welche 
früher im ganzen Süden von Irland fo allgemein waren und 
bad Volk in feinem wilden und barbarifchen Zuftande erhielten, 
find beinahe verfchwunden. Gin vorherbedachter Bactionstampf, 
wie es deren früher wöchentlich, wenn nicht täglich gab, ift jrge 
unerhört. Das verdankt man der policeilichen Wachſamkeit und 
zum heil der „Spirits License Act”, einer andern aus Lord 
Rormanby's Verwaltung hervorgehenden Maßregel, wonach "den 
obrigkeitlihen Perfonen die Machtvollkommenheit gigeben war, 
die Buben früher zu fchließen, als die Zrunkenheit des Volke 
begonnen hatte. 70. 


(PR nn ng 


giterarifce Notizen. 


Angelündigt wirb als eine populafre unter ben Auſpicien 
3. Laffitte's erfcheinende Ausgabe: ‚Les artisans Hlustres von 
S. Foucaud, unter Leitung des Barons Gh. Dupin, Pair von 
Frankreich, und Blanqui des Ältern, Mitglied der Alademie 
bee moralifchen und politifchen Wiffenfchaften u. f. w. Das 
Wert wird mit einem Portrait 3. Laffittes in Kupferſtich und 
250 in den Text eingefchalteten Vignetten und Portraits aus⸗ 
geftattet fein, gezeichnet von Fragonard, Srancais, Baron und 
Eaville, in Bolz gravirt von ben erfien Künſtiern in biefem 
Fach. 80 Lieferungen a 20 Gent. oder 40 Lieferungen a 40 Gent. 
Zeven Sonnabend erfcheint eine Doppellieferung. 


9. Derbigny, Rechtslicentiat, gab heraus: „Analyse rai- 
sonnde des ouvrages de MM. l’abbe Gaillard, Terme et 
Monfalcon, R6macle et de Gerando sur la question des 
enfants trouves.‘ 5. 


Verantwortlicher Htrausgeber: Heinrih Brockkhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brochaus in Lelpzig. 











Blätter 


für 


Titerarifde Unterbalfung,. 





' Sonnabend, 


— Kr. 208; — 


24. October 1840. 





Ernft Morig Arndt. 
(Beſchiuß aus Ar. 397.) 


In Koͤln gab Arndt feine Zeitfchrift „Der Wächter” 
heraus, aus welcher fein gegenmärtiges Bud eine Ab⸗ 
handlung über die Pflege und Erhaltung der Forſten und 
Bauern im Auszuge mittheilt. Der Bauernftand hat 
feine Gedanken ftetd aufs ernſteſte befchäftigt; er ſieht 
in diefem eine um fo nothwenbigere breite Grundlage der 
Staatefeftigkeit, als die Zeit mit unanfhaltfame Man: 
nichfaltigkeit erfchütternd voraneilt; er gibt eine kurze 
Überficht der Gefchichte diefes Standes in Europa und 
zeigt, daß deſſen Blüte flets das Gluͤck und die Freiheit 
der Länder bedingte. Dies Schriftchen ift ebenfo tief ge: 
dacht, als wahr und ernft, und wer fi mit Staats: 
wiſſenſchaft abgibt, mag Vieles daraus lernen und nod) 
ein Mehres daraus abzuleiten wiſſen. Befonber6 interef: 
fant ift es zu lefen, wie Arndt das drüdende Verhältnig 
bee Bauern im Mittelalter, das den urbeutfchen Zuftän: 
ben ganz entgegen war, aus dem Cindringen fremder, 
romanifch = gallifcher Einrichtungen ableitet, welche Bor: 
fchläge er zur Herftellung eines gebeihlichen Bauernſtandes 
macht, unb wie er diefem eine felbfländige, ſtarke Ariſto⸗ 
kratie gegenübergeftelt fehen wid. Daher fpricht ex ſich 
auch entfchleden gegen die häufigen Adelsverleihungen aus. 

Schon während bes 3. 1816 begann man die Män- 
ner des Kampfes und Sieges, die Heerführer bes kuͤhnen 
Wortes miszuverftehen, oder misverſtehen zu wollen. 
Der Geheimerath Schmalz, der geheime Staatsrath von 
Bülow donnerten „gegen die Verderber und Verfuͤhrer 
dee Zeit”, d. h. gegen die vermeinten Demagogen, zu 
denen man natürlich auch Arndt zählte. Doch geiff dies 
noch nicht in fein Lebensichidfal ein. Am Herbft 1817, 
nachdem er zuvor noch Dänemark, Pommern, Berlin ge: 
ſehen hatte, fiedelte er fih zu Bonn an, wo er an ber 
zu fliftenden Rheinuniverſitaͤt als Profeſſor der neuern 
Geſchichte Ichren ſollte. Er vermählte ſich zum zweiten 
Male mit der Schwefter bes berühmten Schleiermacher 
unb erhielt fo noch eine große Gunſt des Gluͤckes, bevor 
e6 auf zwanzig lange Jahre von ihm Abfchied nahm. 
Da traf ihn der erfte Schlag: er verlor zwei Drittel ſei⸗ 
ner Bücherfammlung, die man ihm zur See von Stral: 
fund nad Köln ſchickte. Nicht Tange nachher, im Fruͤh⸗ 
ling 1819, wurde Kogebue von Sand ermordet. Arnbt 


v 


„guter Dinge getroſt, bauete ſich eben ein Haus am hei: 
ligen Rhein, welches die Schoͤnheit des herrlichen Sie⸗ 
bengebirges recht aufs Korn nahm“. Am Jahrestage ber 
Schlacht von Waterloo ward ihm fein Altefter Sohn zwei⸗ 
ter Ehe geboren; wenige Tage nachher erfchienen Beamte 
bei ihm, hielten Hausfuhung und verfiegelten feine Pas 
piere; und im Herbfte 1820 wurde ihm feine amtliche 
Wirkfamkeit unterfagt und eine lange Unterfuchung über 
ihn verhängt. 

Die Geſchichte diefer Unterfuchung darf und kann ich, wie 
der Zag ſteht — das Buch ift, laut bes Datums ber Vorrede, 
vor dem Pebruar 1840 beendet worden —, nicht fehreiben. 
Die allgemeine Anklage lautete auf Theilnahme an geheimen 
Geſellſchaften und böfen Umtrieben, die dem Baterlande gefährs 
lich werden könnten. Ich bin davon freigefproden. 
Aber meine troßige und harte Natur durch wie viele Demüthis 
gungen bat fie Iernen müflen, baß ich für das liebe Vaterland 
au ne meinen Marterweg von Leiden zu laufen, daß ich 
auch noch meine Wunben zu holen hatte, ba ih mich auf 
Schlachtfeldern nicht unter Kugeln und Schwertern umgetum⸗ 
melt hatte. Ich babe es, nachdem ich mich über bie erften 
Plagen befonnen und gefaßt hatte, wirklich fo hingenommen 
als ein Werhängnig bes ausgleichenden und gerechten Gottes, 
der mid für mande trogige und Lühne Worte hat bezahlen 
laffen wollen; und dies hat mich, wofuͤr ich Bott noch mehr 
danke, vor jener Grbitterung und Verfinfterung bewahrt, wos 
durch die meiften in ſolche Geſchichten verfiochtenen Männer 
traurig untergehen. Doch habe ich in den langen, in Unge⸗ 
wißheit und Schweben zwiſchen Furcht und Hoffnung hinge⸗ 
Köleppten und verlornen Jahren den Vers ſprechen und fingen 

nnen: 
Wem vom Kanonenmund fein letztes Schickſal bliet, 

Den nimmt ein fel’ger Tod im frifhen Muth der Stunden; 

Doch auf wen Liliput mit tauſend Nadeln fikt, 

Stirbt Milionentod mit Millionen Wunden. 
Zwar fehlen ich während dieſer Unterfuchung und während ber 
Folgen und Nachfolgen berfelben mich nach dem Urtheile meis 
ner Freunde mit leidlicher Sutmüthigkeit und Befonnenheit zu 
benehbmen; aber doch habe ich die langſame Berreibung unb 
Zermuͤrſchung meiner beften Kräfte bis ins Mark hinein nur 
zu tief gefühlt. Man flieht dem Thurm, fo lang er fteht, nicht 
an, wie Sturm, Schnee und Regen feine Kugen und Bänder 
allmälig gelodert und gelöft haben. 

Die Anklagen gegen Arndt lauteten auf Theilnahme 
an geheimen Sefellfchaften, Verführung ber Jugend, Stre⸗ 
ben nach einer Republilanifirung Deutfchlande. Wie viel 
Wahres an al diefen Beſchuldigungen geweſen, brauchen 
wie mol nicht erſt zu ſagen. Die Männer einer alten, 
verfuntenen Epoche hatten Beifter der Zukunft erfcheinen 





1198 


Zelt”, worin er (e6 war erft im April 1813) auf bie 
Herftellung der alten bdeutfchen Grenze am Vogefus, Jura 
und den Ardennen drang. Es war damals die Zeit, wo 
Arndt's Wort und Lied in jeder .deutfchen Bruft zuͤndete. 
Iſt e8 nicht wunderbare, mehr ald befcheidene Eigenthüm: 
lichkeit, daß Arndt in feinem ganzen Buche gar nicht 
(oder doch nur einmal, wo er von ein paar Iprifchen 
Saͤchelchen fpricht) feiner edeln Sängergaben gedenkt, feis 
ner deutfchen Deldenlieder, die Helden ermediten und noch 
erwecken werden, fo länge die Jugend kraͤftigen Sang in 
froher Stimde liebt! 

Arndt fah es als Finger Gottes an, dag Kutufom und 
Moreau fo bald aus den Reihen der Kämpfer abfchieden. 
Sener, der im ruſſiſchen Deere mächtiger geworden als 
Alerander felbft, wäre nie zu bewegen gemwefen, mit ra: 
ſchem Muthe ins Herz Deutſchlands vorzudringen; biefer 
würde einen verderblichen Einfluß zum Nachtheile Deutfch: 
Sands im Mathe des Kaifers ftetd behauptet haben. Die 
Folgen der Schlacht bei Lügen zwangen indeffen Arndt 
nach Berlin zuruͤckzuweichen, wo er Aufträge Stein's aus: 
zuführen hatte. Savigny und Eichhorn faßen bort im 
Landwehrausſchuß; Suͤvern ſtand an der Spige eines Re: 
giments Landfturm. 

Fichte hatte für fi und feinen faum waffenfähigen Sohn, 
der kaum aus dem Knabenalter brraustrat, Lanzen und Schwer: 
ter vor feiner Thür angelehnt fliehen: Mean hatte ihn der Ehre 
wegen zum Dffizter beim- Landflurm machen wollen; er hatte 
es epeigert mit den Worten: „Hier tauge ich nur zum Ge⸗ 
meinen. 

Der Waffenſtillſtand unterbrach die Ruͤſtungen nicht, 
ſondern erhoͤhte nur und ſtaͤrkte den Grimm. Arndt be⸗ 
gab ſich zu Stein nach Reichenbach in Schleſien. Hier, 
zu Gitſchin und in Dresden wurde unterhandelt; die Re: 
Auttate find bekannt. Es erfolgte die Voͤlkerſchlacht: Stein 
ging mit Arndt nad) Leipzig, dann nach Frankfurt. Arndt's 
lebendiges Wort ſcholl mit neuer Gewalt über’ die deut: 
{hen Lande hin; am meilten Anklang fand eine feiner 
Flugſchriften, unter dem Zitel: „Der Rhein Deutfchlande 
Strom, aber nicht Deutihlands Grenze.” Sie bat für 
uns auch ein befonderes näheres Intereſſe, weil fie die 
Beranlaffung gab, daß Fürft Hardenberg unfern Arndt 
in den preußifhen Staatsdienſt einlud. 

Die Begebenheiten ftürmten indeffen voran und ſchon 
ward mande Zäufhung Far. Die geheimen Punkte des 
tieder Vertrags zwiſchen Öſtreich und Baiern, dann die 
‚Erklärung der Mächte aus Frankfurt vom 1. Dec. 1813 
machten die Vaterlandsfreunde beſtuͤrzt. Man hatte ge: 
Hofft, e6 würden die größern Mächte Deutſchlands durch 
Einziehung geringerer Herrfchaften geftärkt werben; ſtatt 
deffen fprady man überall von der Nothwendigkeit 
der franzöfifhen Größe und Made, nirgend 
von der Nothwendigkeit, dag Deutfchland, das fiegende, 
groß und mächtig fein müfle Auch nach ber Entthronung 
Napoleon's ward den Deutfchen ein beſſeres Loos zuge: 
theilt als das des geduldigen Zuruͤckſtehens. Arndt, ber 
1814 den Rhein bereifte, fah mit tiefem Schmerze, daß 
die herrlichften deutſchen, deutfchredenden Provinzen auch 
fernerhin vom gemeinfamen Vaterlande abgeriffen bleiben 


follten, und frug vergeblich nach dem Warum. Kranzds 
ſiſcher Einfluß überwog im Gabinete des ruffifchen Kat: 
fers; er hatte Paris erobert, „aber fowie er in ihre 
Thore einritt, hatte Paris ihn erobert”. 

Im Septermber trennte fi Arndt von feinem Heros 
Stein und wanderte zu Buß, wie er es liebte, nach Ber 
fin, wo er bis zum Ende des Winters 1815 blieb. Er 
gehörte nun dem preußifchen Staate ganz an, in welchem 
er eine belebende, erhaltende und ſchirmende Macht Deutſch⸗ 
lands fah und dem er fi mit voller Liebe und Zuver: 
fiht anfhloß. Doc er und Viele mit ihm folgten un: 
willigen Blicks den Unterhandlungen zu Wien, wo bie 
großen goldenen Hoffnungen des Baterlandes in Beine 
Scheidemünze umgeprägt wurden. Man hatte den Seh: 
fer begangen, dem eben erft niedergemworfenen Frankreich 
gleiches Stimmreht mit den andern Congreßmaͤchten zu 
geben, und Zalleyrand verſtand es, die deutfchen Snteref: 
fen möglihft zu untergraben. Zudem war Hardenberg 
viel zu offen und arglos, um ber fremden Lift zuvorzu⸗ 
fommen; „ec hatte 3. B. an England für das Eünftige 
Koͤnigreich Hanover große Abtretungen gemacht, ohne dem: 
felben ganz beftimmte Berfprehungen für Preußen als 
Unterpfänder abgenommen zu haben”. Man mag im 
Arndt'ſchen Buche ſelbſt nachlefen, mie Preußen, das im 
großen Kampfe am meiften gethan, ſich verkürzen ließ, 
während Oſtreich durch die fetteften Erwerbungen fi ruͤn⸗ 
dete und zufammenbilbdete. 

Arndt ging wieder in die Rheinlande und erlebte ba: 
mals den Aufſtand der treuen Sachſen zu Lättih, und 
hörte die prächtige Kernrede Bluͤcher's an fie, da das To⸗ 
ben wieder geftilt war. In Köln wohnte er, als der 
kurze belgiſche Feldzug den franzöfhen Kaifer abermals su 
Kalle brachte. 

Im Juli erfchienen einen guten Morgen Herr von Stein 
und Derr von Goethe... . Die beiden würdigſten alten Herren 
gingen mit der aufmerkfamften und vorfichtigften Zärtlichkeit nes 
beneinander ber, ohne gegeneinander zu floßen. Dies iſt bas 
legte Mal, wo id; Goethe gefehen babe. D wie war er viel 
glüdlicher, heiterer und fiebenswürbiger als den Frühling vor 
zwei Sahren in Dresden! Ich ſah aber wieder bier, was ich 
bei frühern Gelegenheiten ſchon an ihm bemerkt Hatte, und 
was auch aus feinen Büchern hervorgeht, wie er, obgleich ſelbſt 
nun ein Gdelmann und eine Grcelleng, und obenein welche Dich: 
terircellen; von Apollo’d und aller neun Mufen Snaden! bie 
bürgerlide WBlödigkeit und Beklommenheit vor "dem geborenen 
Edelmanne nicht los werden konnte. Daß er vor Stein eine 
Art erflaunter Ehrfurcht gefühlte Hätte, wäre auch dem feiner 
Größe bemußten Dann zu verzeihen geweſen; aber es erfdhienen, 
fih ihm bdarzuftelen, ein paar Lieutenants unb Hauptleute, 
junge Abdlige, deren Väter oder Oheime Goethe kannte; — und 
fiede da! ich ſah den Greis vor den Zünglingen in der Stel: 
lung vie des Aufwartenden. Er war übrigens äußerft liebens⸗ 
würdig und freunbli mit Allen und zu Allen, und eroberte 
nicht nur das Herz des wadern alten Wallraff, der für ihn 
fih gern zum Gicerone machte, fondern die Herzen aller Ans 
dern , die in feine Nähe kamen. Gtein aber war ungewöhnlich 
fanft und mild, hielt den Bühnen und gefchwinden Athem fels 
ner Natur an und zügelte den wen, daß er nimmer heraus⸗ 
gukte. Nicht lange barauf war Stein nad Paris gegangen 
und kam im Herbſt zurüd. Da erfhien ee im Anfang bes 
Detobers mit einem gang andern Gaſt, mit dem Großherzog 
von Weimar, und bas gab ben Ungeweihten eine ganz andere 


1199 


ie er mit Rürften zu leben verfland. Dee Hers 
a  Tedenbig und aa was ein Fürft Leicht fein 
ann, führte die kürze Waare in geſchwinder Rede; und mein 
alter Here blieb ihm die feinige fo wenig fhuldig, daß die Ans 
wefenden oft erflaunten, ja erblaßten. 

Die Hoffnung, ja die Zuverfiht Deutfchlande hatte 
fi) 1815 aufs neue belebt; Preußen verlangte die Ruͤck⸗ 
gabe von Elſaß und Lothringen, und erklaͤrte dabei: es 
handle hierbei blos im Sinne der deutſchen Ehre und 
verlange von den zuruͤckgegebenen Landſchaften kein einzi⸗ 
ges Dorf. Allein es war nicht zu erlangen. Oſtreich, 
mit ſeinem Antheile bereits zufrieden, war nicht zum 
Handeln für die übrigen geſonnen; Wellington und Caſt⸗ 
lereagh waren durch die Raͤnke Fouché's umgarnt; auf 
den Kaiſer Alerander endlich wirkte bie franzöfifche Diplo: 
matie mitteld des überfinnlichen (und vielleicht nicht ſtets 
überfinnlichen) Pietismus der Frau von Krüdener und 
dee Madame Lezay: Marnefia. Es Hieß immer, „um bie 
Scanzofen für das Chriſtenthum und bie alte Hercſchaft 
der Bouͤrbons zu gewinnen, müffe man fie durdy Milde 
und Großmuth allmälig zum Beſſern erziehen”. Die 
Folge von alle dem war, daß Deutfchland nad feinem 
Siege Heiner und enger umgrenzt baftand als 1790. 
(Der Beſchluß folgt. ) 


EEE — ——— ——— 


Über den gegenwärtigen moraliſchen Zu— 
ftand in Irland. 

Man erinnert fidy bes Antrags, welchen Lord Roden in 
der legten Parlamentsfeffion im Haufe dev Lords ftellte, bahin 
ielend, daß eine Commiſſton niedergefegt würde, um den Zu: 
hand Yon Irland unter der Verwaltung des Marquis von Nor: 
manby zu unterfuchen. Lord Hoden, früher eins ber einflußs 
reichſten Häupter des Drangebundes, behauptete, daß Irland 
durch des Marquis Normanby Verwaltung in einen Zufland 

des Elends und der Zerrüttung gerathen fei wie nie zuvor; Le⸗ 
ben und Eigenthum feien in Irland nie fo ungefhügt gewefen ; 
es beftehe durch ganz Irland eine fpftematifche, organifirte und 
geheime Verſchwoͤrung, deren Zwect fet, Irland gänzlich von 
Srgland zu trennen und den proteftantifhen Glauben auszus 
rotten; der katholiſchen Prieſterſchaft fei es vorzüglich zuzufchreis 
bem, wenn Irland gegenwärtig eine Beute des Elends und ber 
Agitation fei; endlich behauptete er, daß Lord Rormanby das 
Verbrechen unbeftraft gelaffen babe und für alle jene Thränen 
des Srams und Ströme von Blut, weiche feine Verwaltung 
bezeichneten, verantwortlich zu machen fe. Man erinnert fi) 
ferner, daß das Haus der Gemeinen, von Korb Sohn Rufiell 
aufgefobert, am 20. April 1839 mit einer Mehrheit von 
22 Stimmen erflärte, daß es ben Grundfägen, nach benen cs 
kand während der Iehten Jahre verwaltet worden, feine volle 
Zufimmung gebe. Geitdem bat die Commiſſion ihre weits 
tigen Arbeiten vollendet. 

Die damit Beauftragten, in überwiegender Mehrzahl Lord 
Hoben’s Freunde, faßen darüber vier Monate und ftelten 15,38% 
Kragen. Diefe vier Bände, 1600 Geiten umfaflend, wurden 
auf dee Tafel des Haufes niedergelegt, bamit die Pairs fie les 
fen und in der naͤchſten Gigung darauf zurüdlommen möchten, 
aber fchwerlich dürfte unter 50 nur Einer Muße und Zeit ges 
wug dazu haben. Im Ganzen refultirt aus dieſer Berichter⸗ 
Battung, daß zwar die für Irland charakteriſtiſchen Verbrechen 
noch beftehen, aber in milderer Form, und daß Fein Beweis 
für die Beſchuldigung vorlisgt: die Verwaltung von Irland 
während der Isgten fünf Sabre habe in der Aufdedung und 
Beftrafung der Verbrechen Lauheit gezeigt. Das „Edinburgh 


review’ (Januarheft) enthält einen ausgebehnten Artikel, wers 
aus fich das Weitere ergibt, wie ſehr der moralifche und mas 
terielle Zuitand Irlands, wenn er auch keineswegs befriedigend 
ift, ſich im Verhaͤltniß zu frühern Zeiten gebeflert hat. Das, 
was am meiften eine firenge und geregelte Juſtizverwaltung in 
Irland hemmt, ift der Geiſt der Bewohner feibfl. Sie glaus 
ben, und hatten dazu früher manche Urfache, daß bie Geſetze 
nicht zu ihrer Befhügung, fondern zu ihrer Unterdrüdung ges 
macht feien und daß fie auf eine ihnen feindfelige Weiſe ausges 
übt würden, fie mistrauen daher den Geſeten ebenfo fehr wie 
den Autoritäten. Dennoch wählt das Vertrauen und die Aufs 
ruhraete. kommt beimeitem nicht mehr fo oft in Anwendung als 
früher. Im 3. 1816 hatte man 25,000 bewaffnete Mannfchaft 
nötbig, um das Land in Zaume zu halten; jegt iſt man im 
Stande, die Mititairmadjt zu verringern, und als ber Aufitand 
in Sanada ausbrach, war es Irland, von wo aus die meiften 
Truppen dorthin entfandt wurden. Zu derfelben Zeit, wo Lord 
Roden das Dberhbaus zu dem Glauben verleiten wollte, daß 
Irland von einem Ende bis zum andern in voller Bährung 
begriffen fei, wurden 3000 Mann aus Irland nad England 
berübergefhidt, um gegen die chartiftifchen DBeftrebungen ein 
Bollwerk zu fein. Lord Normanby fand bei feiner Ankunft in 
Irland eine bewaffnete Macht von 19,022 Mann; als er aber, 
von dem Reformer Lord Ebrington erfegt, Irland verließ, bes. 
ftand fie nur aus 13,447 Mann und Irland war ruhiger ale 
je. Welch ein Unterfhich des Zuflandes von Irland im J. 
1821, wo ganz Munſter und ein beträchtlicher Theil von Leins 
ftee und Connaught infurgirt waren und das Geſet mit Aus 
Berfter Strenge gegen die Aufrührer verfahren mußte! Man 


‚betrachte nur den Zuſtand ber verfdhiedenen Gerichtsbezirke, wo⸗ 


bei wir mit dem Gerichtsbezirk Home beginnen. Diefer Bezirk 
enthält folgende Brafichaften : 

Kildare, 1833 eine der unruhigften Braffchaften, jetzt ſehr 
ruhig. Garlom, mo noch jüngft, meift im Streite um Gigens 
thum, einige Mordthaten flattfanden. Queen's⸗Gounty, jeht 
fehr viel ruhiger, als ſechs bis fieben Jahre vorher, wo bee 
Zuftand fehr betrübend und jede Art von Verbrechen an ber 
Zagesordnung war. King's-County, ruhiger als früher; vors 
dem fehr unruhig. Meath, volllommen friedlich feit fünf oder 
ſechs Jahren; früher gab es hier viele abſcheuliche Werbrechen, 
von denen man jest nur noch felten hört. Weſtmeath, wenis 
ger als die übrigen Brafichaften zu rühmen, doch entſchieden 
ruhiger als früher. 

Der Gerichtsbezirk Leinſter beſteht aus fünf Graffchaften, 
ihr Zuſtand ift wie folgt: Willow hat immer mehr Ports 
ſchritte gemacht und ift jegt fo ruhig wie irgend eine Graf⸗ 
fhaft Englands. MWerford ebenfo; die Verbrechen, bie bier bes 
gangen werden, zeichnen fich durch nichts Beſonderes aus. Kils 
tenny iſt in einem fehr ruhigen Zuftande, da es body noch vor 
wenigen Jahren fehr zerrüttet war. Der Whiteboysmus dus 
Serte ſich dort ſtark durch Angriffe auf Häufer, durch Mord⸗ 
tbaten und andere ſchwere Verbrechen, auch gab es bort ches 
mals viel Agitation wegen der Zehnten. Lestere hat jett gängs 
lich aufgehört, und 1838 fand nur eine einzige fogenannte 
„Whiteboy offence‘’ fland. %Baterforb ift ruhig. Zipperary 
zeichnete fih von jeher durch die Menge der Verbrechen aus; 
jedes Zahr während der legten fünf Luftren wurde diefe Grafs 
ſchaft durch Werbrechen von befonders wilder Ratur, meift aus 
Bandftreitigkeiten entfpringend, gebrandmarkt. Diefe Verbrechen 
gefchchen noch, aber fie haben in einigen heilen nachgelafien 
und im Allgemeinen nicht zugenommen, was man boch in Ver⸗ 
bältniß zu der zunehmenden Volksmenge erwarten könnte, 

Die fünf Sraffchaften im norböftlichden Gerichtäbezirte von 
ulfter verhalten fi) fo: Down ift in einem fehr ruhigen Zus 
flande, wie nur irgend eine andere Graffchaft in Irland. 
Lowth hat noch einige Wpitebeyftreihe aufzumeiien, befindet 
fi aber in feinem ſchlechtern Zuftande als früher. Antrim iſt 
jegt außerordentlih ruhig. Monaghan hat ſeit zwet Fahren 
Kortfchritte gemacht. Armagh ift unter allen Grafſchaften noch 








1200 


die verwitdertfie, woran bie religidſen Parkeiſtreitigkeiten ſchuld 
find. Die Proccffionen der Drangemänner, weiche noch forts 
dauern, reizen die Katholiten auf und ſchreckliche Raufertien 
find die Folge davon. 

Zn dem nördlicen Serichtöbezirk ift der Zufland wie folgt: 
Eongford iſt theilweiſe unruhig durch Whitcbeyfrevel; die Urs 
ſache davon find Landverpachtungen und Bertreibung ber früs 
bern Pächter. Gavan befand fi das letzte Jahr in einem 
übeln Zuftande, fodaß die Gerichte viel zu thun Hatten. Fer: 
managh hat ſich nicht verſchlechtert, Tyrone und Donegal eben: 
fo wenig, und in Derry gefchicht kaum ein Verbrechen. Nor 
die legten Aſſiſen kam keine Mordthat, welche in disfen vier 
Groffchaften begangen worden wäre. 

Der Gerichtsbezirk Connaught befteht aus den Grafſchaften 


Roscommon, Leitrim, Sligo, Mayo und Galway. Diefer Ges 


richtsbezirk war 1821 — 22 außerordentlid tumultuös, hat ſich 
aber beträchtlich gebeflert. 

Im Gerichtsbezirke Munfter verhält es fi fo: Gork, bie 
größte und bevölkerifte Grafſchaft Irlands und lange Zeit durch 
fchredtiche und blutige Schlägereien berüchtigt, if jetzt ruhiger 
ale irgend eine andere Grafihaft in Irland und fo ruhig wie 
irgend eine in England, Kerry ift ebenfalls ruhig; Limerick 
theilweife beunruhigt, befonders nach ber Grenze von Zipperary 
bin; Glare ift in einem erträglidh ruhigen Zuflande und ver⸗ 
glihen mit dem revolutionnairen Zuftande der Graffchaft in 
den Jahren '1830-—$1 fogar in cinem guten. Diefer ganze 
Gerichtsbezirk ift, bis auf kimerick, gegenwärtig volllommen 
subig, alle Gewalttbätigkeit im Betreff der Zchnten hat «in 
Snde genommen und felbft von Angriffen auf Geiſtliche, noch 


bis vor kurzem fo gewöhnlich, hört man in dem gegenwärtigen‘ 


Augenblide nicht mehr. 

Endlich ift Stadt und Grafihaft Dublin, frühre durch 
weit ausgreifende ungefegliche Bewegungen fo zerrüttet, gegens 
wärtfg viel ruhiger und wird es immer mehr. In Dublin find 
Berbrechen zwar häufig, abır es Liegt in ihrer Ratur nichts, 
was fie beſonders auszeichnete. 

Das Refultat, karz zufammengefaßt, ift dies: Won 32 
Grafſchaften find 12 volllommen ruhig, 15 nicht volltommen 
ruhig, aber ruhiger als früher, 5 in Bewegung, doch nict 
Rärker als früher, eine Graffchaft, welche aufgeregter als vor: 
‘dem wäre, gibt es in Irland nicht. 

Im Ganzen ift mehr eine Abnahme in ber Zahl der ſchwe⸗ 
ven Verbrechen als in der Zotalfumme aller Verbrechen über: 
paupt wahrzunehmen; ferner eine Zunahme in der Menge ber 

erhaftungen im Berhältniß zu den Verbrechen, was cine nas 
türliche Folge der gefteigerten policeiliden Überwachung iſt; und 
drittens eine Zunahme der Schuldigerktärungen im Berhältniß 
u den Berhaftungen, was ebenfalls eine Kolge der in der Zu: 

zverwaltung getroffenen Verbeſſerungen iſt. Es ift natürlich, 
daß, je genauer die Juſtiz dem Volke auf die Finger ſieht, 
defto mehr Werbrechen entdedt und in bie Policeiregifter einges 
tragen werden; auch nimmt die Zahl der Eleinen Wergehungen, 
die aus Widerſetzlichkeit gegen die gefchärften policeitichen Maß: 
regeln entfpringen, wenigftens für den Augenblid zu. Dagegen 

aben in Irland die großen Verbrechen in der Periode 1836 — 

3, mit der Periode 1826— 23 verglichen, folgendergeftalt abges 
nommen: ZTodtfehläge und Meuchelmorde um 10 Procent; Vers 
fdwörungen zu Mordthaten um 29; Ginbräce bei Nacht 56; 
bewaffnete Berfammlungen und bewaffnetes Grfcheinen bei Racht 
26; Einbrüche in Häufern 86, Diebftähle von Rindvieh, Pfers 
den, Schafen, Schweinen 83; Anfälle mit der Abſicht gu raus 


- ben 5% Procent. 


In Dublin war mie befannt die Zahl der Verbrechen in 
frühern Jahren außerordentlich groß; die Mitglieder ber „„Tra- 
des’ unions’’ vollführten ihre Anfälle am lichten Sage und 
manchmal in ben beichteften Straßen ber Stadt; und gegen 
diefe Gewaltthätigkeiten hatte man nur einige Ractwächter, 


ſchwache alte Leute, die fi) am Tage nicht einmal fehen laſſen 
durften, weil allein ihre Anweſenheit einen Auflauf hervorgeru⸗ 
fen haben würde, Es wurde daher eine Bill vorbereitet, um 
eine Policeimacht nah dem Muſter Londons zu fliften. Sie 
ging im Unterhaufe durch, die Lords verwarfen fie, erſt im 
nächften Jahre leifteten die Eords auf den Widerſtand gegen 
die Bill Verzicht und fanctionirten dicfelbe. Seitdem bat Dublin 
eine Policeimacht von 1000 tüchtigen Individuen, die von was 
dern Offizieren geleitet werben. Die Refultate waren erflauns 
ih. Die von den Verbindungen ausgehenden Gewaltthaͤtigkei⸗ 
ten fielen in einem Jahre von 97 auf 8! Es verringerten fig 
bie Ginbrüde von 5% auf 38, Diebflähle von Pferden und 
Rindvieh von 31 auf 15, Ausfegungen von Kindern von 38 
auf 26, Zodtfläge von 16 auf 5, Aufläufe von 95 auf 9, 
GStraßenräubereien von 16 auf 9, 

Im Rorden Irlands verweigerten bie Magiftrate ihre Mit⸗ 
wirkung zue Unterdrüdung der Drangeproceffionen, welche bes 
fanntlid oft aus Hunderten von Menfchen beſtehen und denen 
die Abfiht zum Grunde liegt, die Katholiken zu infultiren und 
herauszufodern. Man errichtete alfo befoldete Magiftrate, um 
die Gonftabierie gu kciten, und bie günſtigſten Refultate wurs 
den in Burger Zeit fidhtbar. In ben erſten ſechs WRonaten 1835 
fanden 14 Proceffionen ftatt, 1835 27, 1839 9; Rubeflöruns 
gen, weldhe aus dem Drangismus entfprangen, ohne doch uns 
mittelbar mit Proceſſionen verbunden zu fein, gab es in den 
erften ſechs Monaten 1835 neun, in den erften ſechs Monaten 
1836 fünf und in ben erften fechs Monaten 1839 keine. Im Güden 
verfuhr die Policei faft unglaublicherweife nach dem Grundſatz, 
ſich überall, wo jene als Factionskämpfe bekannten blutigen 
und wüthenden Händel in Ausfiht flanden, aus dem Gtaube 
zu machen. Der Gedanke, aus dem biefe Verfahrungsmeife 
entiprang, iſt noch verabfcheuungswürbiger als diefe ſelbſt; man 
behauptete, daß fich die Witdheit des Volks, wenn es fi) un⸗ 
tereinander befämpfte und tödtete, aufriebe und daß es fo wes 
niger an Berfchwörungen gegen die Obern denken würde. Aud 
hier hat fich der Zuftand feit Rormanby’s Verwaltung wefente 
lich gebeflert. Diefe tödtlichen Händel und Raufereien, welche 
früher im ganzen Süden von Irland fo allgemein waren unb 
das Bolt in feinem wilden und barbarifdyen Zuſtande erhielten, 
find beinahe verſchwunden. Gin vorherbebachter Bactionstampf, 
wie e8 deren früher wöchentlich, wenn nicht täglich gab, ift jet 
unerhört. Das verdankt man der policeilichen Wachſamkeit und 
zum heil der „Spirits License Act”, einer andern aus Rord 
Rormanby’s Verwaltung hervorgebenden Maßregel, wonach deu 
obrigkeitlichen Perfonen die Machtvollkommenheit grgrben war, 
bie Buben früher zu ſchließen, als die Trunkenheit des Volks 
begonnen hatte. 70. 


'en —— — — — — — — — 


eiterarifche Notizen. 


Angekündigt wird als eine populaire unter den Auſpicien 
J. Eaffitte’s erſcheinende Ausgabe: „Les artisans illustres“, yon 
E. Foucaud, unter Leitung des Barons Gh. Dupin, Pair von 
Frankreich, und Blanqui des AÄltern, Mitglied der Akademie 
der moralifhen und politifchen Wiflenfchaften u. f. w. Das 
Werk wird mit einem Portrait 3. Laffittes in Kupferſtich und 
250 in den Text eingefchalteten Wignetten und Portraits außs 
geftattet fein, gezeichnet von Fragonard, Brancais, Baron und 
Laville, in Holz gravirt von den erflen KRünftiern in dieſem 
Bad. 80 Lieferungen à 20 Gent. ober 40 Lieferungen a 40 Gent. 
Jeden Sonnabend erfcheint eine Doppellieferung. 


9. Derbigny, Recitslicentiat, gab heraus: „Analyse rai- 
sonnee des ouvrages de MM. l’abb& Gaillard, Terme et 
Monfalcon, R&macle et de Gerando sur la question des 
enfants trouves.’’ 


Verantwortliger Geraudgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Berlag von F. U. Brodhaus in Leipzig. 














Blätter 


für 


Titerarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Nr. 298; — 


24. Dctober 1840. 





Ernfi Morig Arndt. 
¶ Beſchluß aus Nr. 397.) 


In Koͤln gab Arndt feine Zeitfchrift „Der Wächter” 
heraus, aus welcher fein gegenwärtiges Buch eine Ab⸗ 
handlung über bie Pflege und Erhaltung der Korften und 
Bauern im Auszuge mittheil. Der Bauernſtand hat 
feine Gedanken ſtets aufs ernflefte befchäftigt; er ficht 
in diefem eine um fo nothwendigere breite Grundlage der 
Staatefeftigkeit, als die Zeit mit unaufhaltfame Man: 
nichfaltigkeit erſchuͤtternd voraneilt; er gibt eine kurze 
Überficht der Gefchichte dieſes Standes in Europa und 
zeigt, daß befien Blüte ſtets das Gluͤck und bie Freiheit 
der Länder bedingte. Dies Schriftchen iſt ebenfo tief ge: 
dacht, als wahr und ernſt, und wer ſich mit Staate: 
wiſſenſchaft abgibt, mag Vieles daraus lernen und noch 
ein Mehres daraus abzuleiten wiffen. Beſonders interef: 
fant ift es zu Iefen, wie Arndt das drüdende Verhaͤltniß 
der Bauern im Mittelalter, das den urbeutfchen Zuſtaͤn⸗ 
den ganz entgegen war, aus dem Eindringen frember, 
romanifch = gallifcher Einrichtungen ableitet, welche Bor: 
fchläge er zur Herftellung eines gebeihlichen Bauernſtandes 
macht, und wie er biefem eine felbftändige, ſtarke Ariſto⸗ 
£ratie gegemübergeftelt fehen will. Daher fpricht ex fi 
auch entfchieden gegen bie häufigen Abdelsverleihungen aus. 

Schon während bes 3. 1816 begann man bie Män: 
ner des Kampfes und Sieges, bie Heerführer bes kühnen 
Worted miszuverfiehen, ober mißverflehen zu wollen. 
Der Geheimerath Schmalz, der geheime Staatsrath von 
Bülow donnerten ‚gegen bie Verderber und Verfuͤhrer 
der Zeit”, d. h. gegen bie vermeinten Demagogen, zu 
denen man natürlicdy auch Arndt zähle. Doch geiff dies 
noch nicht in fein Lebensfchidfat ein. Im Herbſt 1817, 
nachdem er zuvor noch Dänemark, Pommern, Berlin ge: 
feben batte, fiedelte er fi zu Bonn an, wo er an der 
zu fliftenden Rhelnuniverfitde als Profefior ber neuern 
Geſchichte Ichren ſollte. Er vermählte fi zum zweiten 
Male mit der Schwefter bes berühmten Schleiermacher 
und erhielt fo noch eine große Gunſt des Gluͤckes, bevor 
es auf zwanzig lange Jahre von ihm Abfchieb nahm. 
Da traf ihn der erfte Schlag: er verlor zwei Deittel ſei⸗ 
ner Bücherfammlung, die man ihm zur See von Stral: 
fund nad Köln ſchickte. Nicht lange nachher, im Früh: 
ling 1819, wurde Kogebue von Sand ermordet. Arnbt 


\ 


„guter Dinge getroft, bauete fich eben ein Haus am hei: 
ligen Rhein, welches die Schönheit des herrlichen Sie: 
bengebirges recht aufs Korn nahm”. Am Sahrestage der 
Schlacht von Waterloo ward ihm fein ältefter Sohn zwei: 
tee Ehe geboren; wenige Tage nachher erfchienen Beamte 
bei ihm, bielten Hausfuhung und verfiegelten feine Pas 
piere; und im Herbſte 1820 wurde ihm feine amtliche 
Wirkfamkeit unterfagt und eine lange Unterſuchung über 
ihn verhängt. 

Die Gefchichte diefee Unterfuchung darf und kann ic, wie 
der Zag flieht — das Bud ift, laut bes Datums ber Vorrede, 
vor bem Kebruar 1840 beendet worden —, nicht fehreiben. 
Die allgemeine Anklage lautete auf Theilnahme an geheimen 
Geſellſchaften und böfen Umtrieben, die dem Vaterlande gefährs 
lih werden könnten. Ich bin davon freigefproden. 
Aber meine trogige und harte Ratur durch wie viele Demüthis 
gungen hat fie lernen muͤſſen, daß ich für das liebe Waterland 
auch noch meinen Marterweg von Leiden zu laufen, daß ich 
auch noch meine Wunden zu holen hatte, da ich mich auf 
Schlachtfeldern nicht unter Kugeln und Schwertern umgetum⸗ 
melt hatte. Ich habe es, nachdem ich mich über die erſten 
Plagen beſonnen und gefaßt hatte, wirklich ſo hingenommen 
als ein Verhaͤngniß des ausgleichenden und gerechten Gottes, 
bee mich für manche tropige und kühne Worte hat bezahlen 
laſſen wollen; und dies hat mid, wofür ich Bott noch mehr 
danke, vor jener Srbitterung und Verfinfterung bewahrt, wos 
durch die meiften in ſolche Geſchichten verfiochtenen Männer 
traurig untergehen. Doch babe ich in den langen, in Unge⸗ 
wißheit und Schweben zwiſchen Furcht und Hoffnung hinges 
Köleppten und verlornen Jahren ben Vers ſprechen unb fingen 

anen: 

Wem vom Kanonenmund fein legte Schickſal blitzt, 

Den nimmt ein fel’ger Tod im frifhen Muth der Stunden; 

Do auf wem Liliput mit taufend Nadeln fipt, 

Stirbt Millionentod mit Millionen Wunden. 
Zwar ſchien ich während biefer Unterfuchung und während ber 
Folgen und Nachfolgen berfelben mid nach dem Urtheile meis 
ner Sreunde mit leidlicher Gutmüthigkeit und Beſonnenheit zu 
benehmen; aber doch Habe ich die langfame Zerreibung und 
Zermuͤrſchung meiner beften Kräfte bis ins Mark hinein nur 
zu tief gefühlt. Man ſieht dem Thurm, fo lang er ſteht, nicht 
an, wie Sturm, Schnee und Regen feine Fugen und Bänder 
allmälig gelodert und gelöft haben. 

Die Anklagen gegen Arndt lauteten auf Theilnahme 
an geheimen Sefellfchaften, Verführung ber Jugend, Stre⸗ 
ben nach einer Republilanificung Deutſchlands. Wie viel 
Wahres an all diefen Beſchuldigungen geweſen, brauchen 
wie wol nicht erſt zu fagen. Die Männer einer alten, 
verfuntenen Epoche hatten Geiſter der Zukunft erfcheinen 


1202, 


und kämpfen fehen, hatten nur mit geheimem Beben (man 
erinnere fich des Briefwechſels zwifchen Stein und Muͤn⸗ 
fter) die hehren mächtigen Bundesgenoffen an ihrer Seite 
gefehen, und ganz unerträglih war es ihnen, daß nach) 
dem Siege nicht ſogleich unterging und vernichtet war, 
was zum Siege geholfen. Edle Herrfcher wurden getäufcht 
durch die Meinungen, die fich beforgend und aͤngſtlich 
um fie her geltend machten; einzelne Auswuͤchſe der Zeit — 
aber welches Große hat nicht neben ſich das Fratzenhafte, 
welche Tragoͤdie nicht ihr Satyrfpiel im Geleite! — recht⸗ 
fertigten fcheinbar die Worfpiegelungen der Überklugen; 
und endlih wurden bie großen patriotifhen Verdienſte 
nach Möglichkeit herabgefegt und ind Unbebeutende ver: 
ketzert. Es ift noch nicht lange her, daß wir die Be: 
hauptung lafen, und fie kam von einem hochflehenden und 
auch würdigen Offizier, bie Freiwilligen der Jahre 1813 — 
15 hätten faft nichts, die Linientruppen Alles gethan! Ale 
ob nicht mehr die Augenzeugen jener Zeit lebten, und die 
Geſchichte uns ein verfiegeltes Buch geblieben wäre! 

Merkwürdig ift aber, in Bezug auf unfern Arndt, 
daß er niemals Theil art irgend einem geheimen ‘Bunde 
genommen, und nicht einmal Mitglied des Tugendbun⸗ 
des geweſen, obfhon ihn Alles für einen der Däuptlinge 
deffelben hielt, fo wenig wie des Freimaurerordens. Arndt 
erwartete nie etwas von folhen Verbindungen, fondern 
nur von ber allgemeinen Volksgeſinnung. Kür eine in: 
nigere Einheit und Erſtarkung des Vaterlandes hatte er 
allerdings gefühlt, gehofft und gefprochen; aber wo ift 
der gute Deutfche, der nicht zu gleicher Schuld fich be: 
kannte und noch bekennt? Hunderte der Misitände bes 
meiland heiligen Reiches find verfchmunden, damit die 
andern Herrfchaften wachſen und die Kraft des Water: 
landes mehr in einzelnen Punkten angefammelt und ge: 
bunden werde; in jenen Zagen des Schaffens und Um: 
ſchaffens mußte es aber wol geflattet fein, biefer Concen⸗ 
trirung noch einen weitern großartigen Fortgang zu win: 
Shen. Daher fagt Arndt auch ſo ſchoͤn als prophetifch: 

Ih meinte keine Ehren gu fhänden und keine Höhen zu 
erniedrigen, ſondern hoffte, indem ich fie gu größerer Ehre und 
Hoheit auf das Innigfte zufammenband, mit dem alfo ges 
ffärtten und vergrößerten Deutfhland Alle ver: 
größern und erheben zu können. Mögen ihnen nur Fünfs 
tig Eeine ſchwereren und gefährlichen Vereiniger kommen! Denn 
nach den europäifchen Gntwidelungen wird ihe Tag einmal 
kommen, wie der Tag für bie ſtille Hinlegung bes Zepter und 
Schwerts Karl bed Großen gekommen ift. 

Arndt's Buch ſchließt mit einer Art politifchen Stau: 
bensbefenntniffes, mit einer Darlegung Deffen, was Noth 
thut fürs Vaterland. Wir wollen hiervon nur auf die 
berzlihen Worte aufmerkſam maden, die er in Bezug 
auf die Wirren mit Rom ausſpricht. Auch bier hebt er 
vorzüglih ben vaterländifchen Geſichtspunkt hervor; 
er weißt auf die Geſchichte bes Reiches von 1070 — 
1650 hin, um zu zeigen, wohin bie heutzutage aus einer 
Art von ſchriftſtelleriſcher Neuerungsſucht wieder gepriefenen 
Srunbfäge der Gregor und Innocenz das deutfche Bas 
terland gebradyt haben. Wenn bie hehre Einheit Deutfch: 
lands zerriffen und zerfegt worden, daß wir noch bis 


heute aus taufend Wunden daran bluteten, wenn es feic 
Heinrich IIL. einen mwahrhaften Kaifer des ganzen Deutſch⸗ 
lands mehr gab, fo weiſt uns die Gefchichte mit war: 
nendem Singer nach, daß ber Zerſtoͤrer von jenfeit der 
Alpen kam, und daß das Wort Gottes damals tie viel: 
leicht noch heute fo gepredigt wurde, daß das Schwert 
ber deutſchen Größe daran zerfplittern follte. Hier ſpre⸗ 
hen Thaten, fpricht die Abficht wie ber Erfolg. Doch 
beute — nein, wir find hinaus über ben Segenfampf 
ber Religionsdiener und des Staates; und wir fehen mit 
freudiger Zuverfiht, dag das Gefühl des Vaterlandes 
felbft eine Religion wird.: Denn nocd gedeihen, zwar 
ftifer und halb unbewußt, aber nur inniger, bie Keime 
im Volke, die jene großen Jahre des Sieges außgeftreut 
baben, jene Jahre, als deren edler, liebenswuͤrdiger Me: 
präfentant Ernſt Moritz Arndt noch unter uns wandelt. 

Sollen wir, nachdem wir Arndt’ Leben und Wirken 
bis zur neueflen Zeit begleitet, noch urtheilende Worte 
über dies fein Buch zu fprehen wagen? Es wäre ver: 
meffen und bazu uͤberfluͤſſig. Er ſelbſt ift fein Bud; 
was Edles, Naives, Idylliſches, XThatkräftiges in ihm 
ift, das ift in feinem Bude. Welche Einfachheit und 
Reinheit ber Gefinnung! Welche Kraft ber Darftellungs: 
weife! Welche Wahrheit und Anfchaulichkeit ber Schilde: 
rung! Perfonen, Zeitverhättniffe, die ganze Gefchichte jener 
Kampfestage ftehen lebendig und ergreifend da und be: 
wegen ſich um ben befcheidenen, biedern Mann, ben Saͤn⸗ 
ger der Schlachten und Siege. Es gibt das Buch einen 
tiefften Blick in Verhältniffe, die aus dee Anfchauung bes 
heutigen Gefchlechtes faft zu entfchwinden beginnen. 

Die Arndt'ſchen ‚Erinnerungen‘ waren bereit6 abge: 
ſchloſſen und hatten viele Leſer innig erfreut durch die 
fiandhafte Ergebung und maͤnnliche Kraft, mit der diefer 
deutſche Mann fein ſchweres Verhaͤngniß würdig trug, 
als endlich fuͤr ihn die Stunde der Gerechtigkeit kam. 
Arndt iſt wieder berufen, die Jugend zu lehren, nein, 
nicht zu lehren, ſondern ihr ein Vorbild zu ſein in Ge⸗ 
ſinnung und That. Gibt es doch viele und wackere 
Maͤnner, welche mit dem Brote der Wiſſenſchaft ihre 
Zuhoͤrer ſpeiſen; Arndt iſt den Juͤnglingen, in welchen 
ſich alle Hoffnung der deutſchen Zukunft wie in einem 
Brennpunkte ſammelt, felbft die hoͤchſte und wuͤrdigſte 
Lehre durch fein Beiſpiel und feine liebevolle, freundliche 
Perſoͤnlichkeit. Profefforen der Gefchichte finden fich über: 
all; aber Bonn nennt den Mann ben Seinigen, mel: 
cher das Vaterland erkennen und ehren und firmen 
lehrt. Es ift fo fchon, den Mann mit greifem Haar und 
jugendlihem Auge zu bören, der fo viele Taͤuſchungen 
eriebte, und melden dennoch das Eine nicht getäufcht, 
was feines Lebens Kern ift, die Zuverſicht auf ein am 
Mechte baltendes, großes, deutſches Vaterland! 68, 


Romamenliteratur. 
Um bas Gemüthliche auszufpredhen, brauchen die Dänen 
nicht das Meer mit ihren Gedanken und Erfindungen zu be: 
ſchiffen, fie find noch fo glädtidy, eine Romanenliteratur zu be: 
figen, die ſich nit mit Unzucht und Berzweiflung gu überwürgzen 


1203 


noͤthig hat, um anzuziehen. Als ſolch weine und doch nicht fabe 

Koft werben uns gereicht | bem Berfaffer d 

1. Drei Rovellen von zwei Freunden, von dem Verfaſſer der 
Novelle: „Der agifter und das Zigeunermäbchen.” Kiel, 
Baumelfter. 1840. 12. 1 hir. 

„Die Hageſtolzen“ belehren ſich alle, bis auf einen, zum 
Eheftand, und der würbe wol auch den geftifteten Orden fait fo 
ſchnell verlafien haben, ale hineingetveten fein, wenn er nicht 

geftorben wäre. Die verfchiedenen Arten bes Übertretens ihrer, 

für die Ewigkeit feftgefegten Anfichten find behaglich und an⸗ 
muthig erzählt. Verwickelter iſt „‚Reuendorf”’, aber einige Un: 
Zenntniß deutfcher Sitte der 3. 1739 und 1730 am berliner Hof 
iſt fichtlih und awar fo auffallend, daß fie für uns den Genuß 
ſchmaͤlert. Der Uberfeger hätte hier manches una anheimfallend, 
in die Seit rüden follen. „Der Hauslehrer“ paraphrafirt das 
Sprühmort: Alte Liebe voftet nicht. 


2. Der letzte Abend auf ber Dftburg. Siftorifche Novelle, 
Nach vn Schwediſchen von SG. Eichel, 3 Theile. Leipzig, 
Kolmann. 1840. 8. 4 Zhlr. 

Die ſchwediſche Romanenliteratur befigt diefelben Verzüge 
wie die ihrer Nachbarn, der Dänen. Sind body mit vollem 

Recht „Die Nachbarn‘’ auch bei ung ein Lieblingsbuch geworben ! 

An dieſe Vortrefflichkeit in der Charakteriftit, der natürlichen 

und doch fo lebendigen Darftellung reicht bie vorliegende Ros 

velle nicht Hin, nur in der fittlichen Richtung ift fie jenen 
werthen Leuten zu vergleichen. Es ift fo von allem Etwas, 
über das moderne Bitte und Rebe das vermittelndbe Element 
gießt. Einiges Hiſtoriſche, ein Stück Ritterroman zur Zeit der 

Kreugzüge, der Hauptheld ift langweilig, der Böfewicht, rach⸗ 

gierig und liſtig, erinnert an Raupach's Offip und an Hoffe 

mann’d Daniel im „Majorat“, einer ber_vielen Nachkoͤmm⸗ 
linge Cherubin's, in den ſich eine ſchoͤne Sicilierin, nicht bie 

Frau, aber die Braut des Helden verliebt, ein Ehepaar ſtellt 

den Geiz, bie Unvertraͤglichkeit, bie Selbſt⸗ und Tadelſucht, kurz 

jedes moralifche Gebrechen des Alters vor: — bies handelnde Per: 
fonal und einige Nebenperfonen thun wenig, reden viel und 
tommen, bis auf die Hauptperfon und einen blöbfinnigen Selm, 

im Wafler um, das biefer in die Burg leitete ,, oder vielmehr 

noch den legten Halt durchſtieß. An Waffer iſt überhaupt Über: 

fluß, ſowol willkürlich als unwillkürlich herbeigeholt. 


8. Der verliebte Löwe. Bon Frédéric Souliée. Aus dem 
Franzoͤſiſchen überfegt von B. Schule. Eleonore von Mon⸗ 
tefeltro. Bon Alphonſe Royer. Aus dem Franzoſiſchen 
überfest von W. 2, Weſché. Zwei Novellen. Braunfchmweig, 
Meyer sen. 1840. 8, 1 Thir. 

Der verliebte Ldwe iſt weder das gefoppte Fabelthier des 
unũbertroffenen Lafontaine, noch der brutal⸗ſentimentale, wel⸗ 
cher die Tochter des Waͤrters zerriß, weil ſie Braut wurde, 
ſondern er iſt blos ein Jitular⸗Vierfüßler, ein modiſcher Wäft- 
ling, der einem unſchuldigen Maͤdchen Liebe einfloͤßt und erſt, 
nachdem fie an einem gebrochenen Herzen ſtarb, entdeckt, daß 
er zum erſtenmal wahrhaft liebt. „Eleonore Montefeltro“ behan⸗ 
delt Die Greuel der Familie Borgia mit Schicklichkeit, wie benn 
beide Novellen nicht das rein geſunde Gefuͤhl, noch einen un⸗ 
verderbten Geſchmack beleidigen. 

4. Franzoͤſiſcher Novellenkranz. Erſter Band. Kiel, Bünſow. 
1840, 8. 8. 1 hir. rn 

Nicht ganz To fern von Frivolität wie jene beiden ift hier 
die erfte Novelle von Paul de Muffer, „Das Suschenthal“. 
Die obligate Figur eines betrogenen Ehemannes wird nach Mo⸗ 
degebrauch perfiflirt. „Wind und Kreuz‘, von Paul de Kod, 
will den Preis der Originalität gewinnen, bie Dame wird ohns 
mädtig, wenn Iemand die Kreuzesform heroorbringt, fei es 
nun mit Beräth, oder durch bie eigenen Beine, und der Mann 
fäut in eine gelinde Zobfucht, fobald der Wind weht. ‚Die 
Raben‘ dagegen find gut erzählt; biefe Exemplare fcheinbarer 
Bettler, bie, rei und vornehm, als Beſchützer unglücklicher 
Liebenden auftveten, haben für ihre Lebensart und Handelsweife 


beffeen Grund als ihre Gollegen. „Die guten Schweftern‘‘ ver: 
bienen Glauben; „Der Baba’, Provinztalbenennung wie Fer, 
Call u. f. w. eines Gretin, bient einer fchönen eleganten 
Dame zum Werkzeug, an einer Nebenbuhlerin ſich zu rächen. 
Edel ift freilich das Verfahren nicht, aber der Anfland wird 
nicht verlegt, und fo wirb die reizende Grau gewiß in ber fei- 
nen Welt, in welcher fie lebt, nur Billigung finden. 


5. Waſhington Irving’s neuefte GrayonsSkizgen. Skiz⸗ 
zenbuch in Novellen von 1839, Nach dem nordamerikani: 
fchen Originale von Carlo Brunetti. Hamburg, Herolb. 
1840, 8. 20 Gr. 


Verirrt ſich einmal ein poetifches Gemüth in bie Bruft 
eines Bürgers ber Vereinigten Staaten, fo fehnt es ih weg aus 
dem Bereiche des Dampfes, ber Mafchinen und Zahlen in bie 
bichterifche Urzeit feines Landes, in bie alte Welt, und wenn es 
ia die Gegenwart ber Heimat zum Gegenftande wählt, fo ge: 
ſchieht es nicht ohne Spott und Klage der heutigen Ultraprofa, 
ber Gebrechen in der Verwaltung, der berrfchenden Meinungen. 
Wie in den größern Romanen, fo auch in den kleinern Rovels 
Ien zeigt ſich Waſhington Irving als ein geiftig Werbannter 
in feinem Lande. Die nur auf base Wirkliche, die durchgrei⸗ 
fendſte Ichfucht bafirte Volksthuͤmlichkeit tritt im „Alten Haus‘ 
hervor. Sn „Pflanzers Geburtstag“ ift der Skiav als Menſch 
weit uͤber dem Gebieter erhaben, der von gemeinen Trieben 
geknechtet iſt. „Der Abencerrage“ tft eine Erinnerung des Au⸗ 
tors aus dem romantiſchen Alhambra in Granada. „Don Deus 
nio de Hinajoſo“ ift eine echt fpanifche Legende vom fefteften 
frommen Glauben, „Das unnahbare Eiland‘‘, weltlicher gehalten, 
tönt lodenderweife die Schnfucht nach einem unnennbaren Etwas, 
das fo nahe feheint und immer verfchwindet, wenn man es er= 
greifen will. „Die Herberge zur wilden Gans‘ ift eine ſchauer⸗ 
liche Raͤuber⸗ und Gefpenftergefchichte; Die Opfer ber Eiche” 
erklärt der Titel. 18, 











Bibliographie. 


Abraham Ben Jaddai. Es ift nur ein Gott! Ver⸗ 
theibigung des jübifchen Volkes zu ben Zeiten des Jeſus von 
Razareth gegen die harten Beſchuidigungen der Chriſten. Nach 
der dreizehnten engliſchen Auflage von B. Wollſteiner. 
Gr. 12. Rothenburg, F. Wuͤnſche. 6 Gr. 

Adelgunde von Felſeck. Briefe einer Verſtorbenen. Her⸗ 
ausgegeben von Maria Clara Linde. 2ter Abdrud, Gr. 12. 
Braunſchweig, G. C. E. Meyer sen. 1 Thlr. 

Aquilon, Fürstin D. v., Kurze Erzählung meiner 
Schicksale und Gefangenschaft. Nach den in französischer 
Sprache geschriebenen Originalen übersetzt von D. E. Moller. 
Gr. 12. Hamburg, Niemeyer. 16 Gr. 

Avenarius, G., Statiſtiſche Darftellung des Kreiſes 
Schaumburg. Ein Beitrag zur Kenntnig von Kurheffen und 
zur praktiſchen Verwaltungstunde. 8. Sinteln, Liter. : artift. 
Verlags: Inftitut. 16 Gr. 

Bekenntniſſe eines Opiumeſſers. Aus dem Engliſchen von 
A Winter 8. Weimar, Voigt. 1 Thlr. 

Bellermann, F., Die Hymnen des Dionysius und 
Mesomedes. Text und Melodieen nach Handschriften und 
den alten Ausgaben bearbeitet. Gr. 4. Berlin, Förstner. 
1 Thir. 20 Gr. 

Bitzer, F., Philofophie des Privatrechts. Gin Beitrag 
Rechtsphiloſophie. Er. 8. Stuttgart, Hoffmann, 12 Er. 
Blick auf bie Lage von Europa. Gefchrieben im Zunt 
1840, 8. Heidelberg, &. F. Winter. 10 Gr. 

Brougham, 9. Lord, Die Staatsmänner während der 
Regierungs⸗Cpoche George III. Aus dem Engliſchen von Kot: 
tentamp. ter Band. Lex.⸗8. Pforzheim, Dennig, Find 
u. Comp. 2 Thlr. 

Bruchſtucke aus dem Erdenwallen eines Dämons. Frag: 
ment aus ben Papieren eines Blafl. Gr. 12. Grimma, Vers 
lage: Gomptoir. 1 Shlr. 12 Gr. 


zur 





1204 


- Burmeifter, ©. ©. 9., Ueber die Sprache ber früher 
in Meklenburg wohnenden DObobriten: Wenden. 8. Moflod, 
Deberg. 4 Gr. 

-  Shriftemeier, J. B., Inteseffante Gemälde aus ber 
Geſchichte der Criminal⸗Rechtspflege. Nach ber dritten Auflage 
aus dem Hollaͤndiſchen überfegt. 8. Braunfchweig, Weſter⸗ 
mann. 1 Thlr. 8 Gr. 

Goo pers fämmtliche Werke. 148ftes bis 156fles Bdchn. 
Der Pfadfinder oder der Binnen: Ger. 3 Theile. — Aud u. 
d. 3.: Der Pfadfinder ober ber Binnen: Gere. Ron 3. 3% 
Sooper Aus dem Gnglifchen überfegt. 3 helle. 16, 
Frankfurt a. M., Sauerländer. 1 Ihlr. 

Eornelia. Taſchenbuch für Deutfche Frauen auf das Jahr 
1841. Herausgegeben von A. Schreiber. 26ſter Jahrgang. 
Neue Folge. 11er Jahrgang. 16. Darmfladt, Lange. 
2 Thlr. 8 Br. 

v. Damis. Saͤmmtliche Schriften. 5ter Band. — Auch 
u. d. T.: Don Gebaftian von Portugal. Hiſtoriſche Novelle 
ans dem fechzehnten Sahrhundert von Karl v. Damitz. — 
ODtto von Pad. Hiſtoriſche Novelle aus ber Zeit Karls V. — 
Karl IV. und Büntder von Schwarzburg. Hiſtoriſche Erzaͤh⸗ 
lung. 8. Rordhauſen, Zürft. Tr. 

Drinhaus, 3. F., Napoleons Afche in Paris! Anfichten 
über 3eitfragen. Br. 12, Darmftadt, Ionghaus. 4 Br. 


Düntzer, H., Rettung der aristotelischen Poetik. Ein 


kritischer Versuch. Gr. 12. Braunschweig, G. C. E. 
Meyer sen. 1 Thir. 
Ed, E. M., Die Hamburger Säcularfeier ber Erfindung 

des Buchdruds am 24. und 27. Juni 1840. Gr. 8. 
burg. Gr. 

Ellis, Lord, Erinnerungen und Geſtaͤndniſſe eines Gau⸗ 
ners aus der vornehmen Welt. Deutſch von H. Gauß. 2 Theile. 
8 Weimar, Voigt. 2 Thlr. 12 Gr. 

Ewald, H., Die Propheten des Alten Bundes. 

Band. Gr. 8. Stuttgart, Krabbe 2 Thlr. 

Franz, J., Fünf Inschriften und fünf Städte in Klein- 
asien. Kine Abhandlung topographischen Inhaltes. Nebst 


lster 


1 Karte von Phrygien und 1 Entwurfe nach Ptolemaeos ge- 


zeichnet von 4. Kiepert. Gr. 4. Berlin, Nicolai. 20 Gr. 

Gerichten von ©. 1. — Auch u. d. J.: Gleich und Gleich. 
8. Leipzig, Breitkopf u. Härtel. 9 Gr. 

Groß, R., Atlas der wichtigften Schlachten und Treffen 
Napoleons. Zu allen Gefchichten bes Kaifere. Nach den beften 
Quellen gezeichnet und mit Text erläutert. Wollflänbig in 30 
Karten. ifte Lief. Lex.⸗8. Stuttgart, Scheible. 18 Er. 

Henne, 3. A., Schweizerchronik, in vier Büchern, aus 
den Quellen unterſucht und dargeftellt. 2te, völlig umgearbei: 
tete und vermehrte Auflage. Iſtes Buch. Breit gr. 8. St.⸗ 
Gallen u. Bern, Yuber u. Comp. 21 Gr. 

Hermsdorf, ©,, Syſtem ber deutſchen Eonftitutionen. 
ifter Theil. Das Volk; die allgemeinen politiſchen Rechte. — 
Auch u. d. T.: Die allgemeinen politifchen Rechte und Pflich⸗ 
ten der Staatsgenoſſen in den eonftitutionellen Staaten des 
dentfhen Bundes. Br. 8. Leipzig, Cnobloch. 1 Thlr. 12 Gr. 

Hiod. Neu überfeht und erläutert von 8. W. Juſti. 8. 
Kaffel, Bohne. 1 Thlr. 6 Er. 

Jäger, ©, Briefe und Bilder aus bem Großherzogthum 
Baben und bem Elſaß. After Band. Das Großher een 
Baden. ter Band. Das Elſaß. Gr. 12. Leipzig, Brigiche. 
1841, 8 Ihr. 

Iris. Taſchenbuch für da Jahr 1841. Derausgegeben 
von I. Graf Majldäth und S. Saphir. 2ter Jahrg. Mit 
6 Stahlſtichen. Gr. 12. Peſth, Hedenafl. 3 Thlr. 8 Er. 

Koefter, H., Alcibiades, Zrauerfpiel. 8. Berlin, Behr. 
18389, ı Thir. 

Laube, H., Franzoͤſiſche Luftfchlöffer. - 3 Bände. Mit 3 
Titelkupfern und 2 Karten. Gr. 18. Manheim, Hoff. 6 Thlr. 

Loden, %., Sherubino, der edle Räuberhauptmann. Ro: 


Ham: 


mantifdge Räubergefchichte aus unferm Jahrhunderte. 8. Nord: 
haufen, Fuͤrſt. 1 Thlr. 

— — Barinello ber tapfere Räuberhauptmann, 2 Theile. 
8, Nordhauſen, Fuͤrſt. 2 Thir. 

Merkel, ©., Darſtellungen und Charakteriſtiken aus meis 
nem Leben. 2ter Band. 8. Leipzig, Köhler. 2. . 

Neander, X, Das Eine und Mannichfaltige bes chriſt⸗ 
lichen ebene. Dargeftellt in einer Reihe kleiner Gelegenheite- 
ſchriften, größtentheils biographiichen Inhalte. Er, 8.. Ber: 
lin, Lüderig. 1 Thlr. 12 Gr. 

Pahl, 8. G. v., Dentwürbigkleiten aus meinem Leben 
und aus meiner Zeit. Nach dem Tode des Verfaſſers herauss 
geasben von deſſen Sohne W. Pahl. Er. 8. Tübingen, JFues. 

Thlr. 6 Br. 

Puſchkin, A., Gefcichte des Pugatſchew'ſchen Aufruhrs 
— ae graffien von 9. Branbeis. 8. Gtuttgert, Gafl. 

r. r. 

Racine's sätmmtliche Werke, zum ersten Malèà vollstän- 
dig übersetzt von M. Viehoff. ister Band. Gr. 16. Em- 
merich, Romen. 10 Gr. 

Re, J. S., Der Rheinftrom und feine Anwohner, Aus 
bibliſchem Geſichtskreiſe verglichen, zu Beſchauung, nnerung 
und Erbauung für Jedermann. Br. 12. Reuwied, Licht: 
fers. 15 Gr. 

Reiniger, E., Poetiſche Verſuche. Gr. 12. Grimma, 
Verlags: Somptoir. 1 Thlr. 12 Er, 

itter, 9 W. 8, Betradjtungen, veranlaßt durch das 
Kiß'ſche Bildwerk: „Die Siegerin!’ (Amazone.) Gr. 8, 
Berlin, Oehmigke. 10 Br. 

Rittſchlog, G., Das Aſyl auf dem Felſeneiland und 
fein Bewohner, ober: Nur Chrifti Chriftentfum!! Er. 8, 
Weimar, Voigt. 12 Gr. 

Romana, J., Das Wildhaus. Novelle. 2 Bände. 
®r. 12. Marburg, Elwert. 2 Ahle. 

Romancero del Cid publicado por A. Keller. 8. Stutt- 
gart, Liesching y Comp. 1 Thlr. 18 Gr. 

Schoppe, A., Pierre Vidal, der Zroubadour. Roman. 
2 Theile. Br. 12. Leipzig, Zauber. 2 Thlr. 18 Gr. 

Soulie, F., Generalbeichten. Aus dem Reangöftichen 
von E. Brindmeier 2 Ichelle 8. Braunſchweig, G. C. 
E. Meyer sen. 2 Ihlr. 16 Gr. 

— — Gin Lisbeitraum und Die Sammerzofe. Zwei 
Novellen. Rah bem Pranzöfifken von W. Schultze. 8. 
Braunfhweig, &. ©. E. Meyer sen. 1 Thlir. 8 Br. 

Spieß’. fämmtlicdhe Werke. Zum erflen Male in vollftäns 
diger Sammlung heraudgegeben u. f. w.. von 6. Schöpfer 
von Rodishain. Iter Theil. Der Mäufefallens und Des 
chelkraͤmer. — Auch u. d. J.: Der Mäufrfallens und Hechel⸗ 
trämer. Gine Gefchichte, ſehr wunderbar unb doch ganz nas 
türlih, von C. H. Spies. 8. Rorbhaufen, Kür. 16 Er. 

Jaute, G. %., Religionsphilofophie. Vom Standpunct 
ber Philoſophie Herbart's. Ifter Theil. Allgemeine Religions⸗ 
pbilofopbie. Ifte Abth. Er. 3. Elbing, Levin. 2 hir. 12 Gr. 

Zemme, I D. H., Die Bollsfagen von Pommern und 
Rügen. Gr. 8. ı Berlin, Nicolai. 1 Thlr. 16 Er. 

R — Iqendug auf das er Zeus Folge. 
ter Jahrg. t dem Bildniſſe K. F. ng’s. 8. Leip 
Brodhaus. 1841, 1 Thlr. 16 Er. Fir 

Hiftorifche Volkslieder aus dem ſechzehnten und fiebenzehns 
ten Jahrhundert nach ben in ber Hof: und Staatsbibliothek zu 
München. vorhandenen Fliegenden Blättern gefammelt und ber: 
ausgegeben von P. M. Körner. Mit einem Vorworte von 
3 % Schmeller. 8. Gtuttgart, Ebner und GBeubert. 
1 Thlr. 15 Gr, 

Willifen, W. v., Iheorie bes großen Krieges angewen⸗ 
bet auf ben ruffifch= polnifchen Zelbzug von 1831. Mit 6 lis 
thegraphirten Tafeln. In 2 Thellen. Gr. 8. Berlin, Duns 
der u. Yumblot. 2 Thlr. 12 Er. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaub. — Drud und Verlag von FE. A. Brochaus in Eeipzig. 











Blätter 
| für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


Die aus der unbeſchraͤnkten Theilbarkeit des Grund: 
eigenthums hervorgehenden Nachtheile hinfichtlich ber 
Cultur des Bodens und der Bevoͤlkerung, und bie 
hierdurch bewirkte Auflöfung der hHiftorifchen Ele: 
mente bed Staated, und fomit des ftändifch> organi- 
fhen Staates ſelbſt; vom ſtaatswirthſchaftlichen, phi⸗ 
Iofophifch = politifchen und hiftorifhen Geſichtspunkte 
aus nachgewiefen von Georg Ludwig Wilhelm 
Funke. Hamburg u. Gotha, F. Perthes. 1839. 
Gr. 8. 21:6r. 

fter und Iänger ſchon haben wir unfere Stimme 
erhoben gegen diejenige Richtung, welche die Staatsver⸗ 
waltungstunft feit einem halben Jahrhunderte eingefchla: 
gen hatte, bie Richtung des beliebigen Nichtachtens und 

Vernichtens der biftorifch fich entwidelten Zuflände und 

deren Aufopferung gegen abftracte Theorien und Mari: 

men, die Richtung bee Hervorhebung und Erftrebung ber 
materiellen Güter auf Unkoften oder doch mit Hintan⸗ 
fegung der fpirktuellen und moralifden, die Richtung ber 

Huldigung des Principe des Egoismus und ber foge: 

nannten Sreiheit, welches eine Afterfreiheit ift und faͤlſch⸗ 

lich mit Willkuͤr verwechfelt worden tft, da es keine Frei⸗ 
heit überall ohne Geſetz und Regel und aus biefen ſelbſt 
fich ergebende Befchränkungen geben kann. Hoͤchſt erfreu⸗ 
lich alfo muß es fein, baß diefe unfere Mahnungen in 

Verbindung mit andern nicht vergeblih erklungen find, 

daß immer mehr Männer auftreten, die das Verderbliche 

in jener Richtung erkennen und mit Ernſt und Nach⸗ 
druck davon ablenken, das dafür zu erwählende umb zu 
verfolgende Befjere vorhaftend und ins Licht flellend. Bu 
forhen Männern gehört nun auch der Verf., welcher fein 
politifche® Glaubensbekenntniß felbft in der Worrebe alfo 
und gibt: „Das Refultat aller meiner Studien und meine 
fefte Überzeugung ift, daß man nicht leere Theorien zu 
verfolgen und nach dieſen fich eine abſtracte Welt zu bil: 
den, fondern das Hiſtoriſch-Entwickelte Überall feſtzuhal⸗ 
ten, aber, wenn es erflarrt if, wieder zu beleben habe.’ 

So ausgedrückt iſt diefee Srundfag ſchon darum, weil 
er gegen das Ende nur bildlich fpricht, und noch zu 
unbeflimmt, und Einnte aus Misverfland leicht dahin 
führen, baß, um bie Eharpbdis zu vermeiden, man in 
die Scylla gerät Denn vom Froſte oder Krampfe er 
ſtarrte Glieder eines Leibes werben eigentlich wicht twieber 


— ⸗ Nr. 299. — 


25. October 1840. 


belebt, da ſie noch nicht abgeſtorben ſind, ſondern nur 
wieder der Bewegung der Lebenskraft zugaͤnglich gemacht. 
Was wirklich todt iſt, das leidet kein lebendiger Organis⸗ 
mus, ſondern ſetzt alle ſeine Kraft daran, es von ſich 
auszuſcheiden, und ſtirbt ſelbſt in der Erſchoͤpfung derſel⸗ 
ben bei dieſer Anſtrengung. 
Arztes, des anthropologiſchen und des politiſchen, bei 
Zeiten die Regelwidrigkeit einer jeden Lebensverrichtung, 
woraus Krankheit entſteht, zu entdecken und durch Gegen⸗ 
wirkung zu unterdruͤcken, alsdann aber, wenn dies nicht 
hat geſchehen koͤnnen, das unheilbar Verdorbene abzu⸗ 
ſondern, ſelbſt auszuſchneiden, bevor es die benachbarten 
Theile anſteckt oder ein verzehrender Gegenſtand der ge⸗ 
ſammten Lebensthaͤtigkeit wird. Gewiß darf der Wund⸗ 
arzt bei ſolchen Operationen nicht zu tief ins geſunde 
Fleiſch ſchneiden, uͤberall nichts ohne zureichenden Grund 
zerfiören und die edlern Organe auf keine Weiſe vers 
legen (&. 86); aber es gibt mehre Guren, deren Aus: 
führung ganz unmöglich iſt, wenn das Fleiſch erhalten 
und der Schmerz vermieden werben follte; man muß zus 
weilen auch das Befunde zerſtoͤren, um nur an die kranke 
Stelle zu kommen. Sodann misfällt uns an obiger 
Glaubensregel die ausfchließende Entgegenfegung des. Dis 
ftorifhen und der Speculation und die unbebingte Ems 
pfehlung ber Feſthaltung des geworbenen Eoncreten. Denn 
nicht Alles, was die Vorfehung ber mit Willie ausge: 
ftotteten Menfchheit zu fchaffen verftattet bat, iſt darum 
gut; vieles iſt es wenigflens nur unter Umfländen, mit 
deren Veränderung es feine Natur felbft verändert. Die 
Inquiſition mit ihren Scheiterhaufen bat niemals gut 
fein können; bie Klöfter waren es früher, haben es aber 
Iängft aufgehört. Überhaupt hat alles Irdiſche nur eine 
gerviffe Dauer und muß mit ber Zeit abflerben; es muß 
wieder in den Schoos ber befruchtenden Natur und in 


die Allgemeinheit derfelben zuruͤckkehren, um wieder ges 


boren zu werden. Eben darum nun, um gültig barlıber 
urtheilen zu koͤnnen, was gut und Löblich fei, und hieruͤ⸗ 


‚ber ein zuverläffiges Urtheil zu haben, iſt die Theorie un⸗ 


entbehrlich; nur Die Abſtraction Ichrt uns bie unverwerf⸗ 
lien Regeln dafür, und alles Gonerete muß. feinen Ges 
halt auf dieſem Probitſteine darthun. Weil aber bie 


Welt nicht eine rein geiftige if, fo.tann in ihr and für 


fie das an und für ſich Beſte nicht überall umd immer 


Das eben ift die Kunft bes 


- 


1206 


“de 


das coneret Gute fein, fonbern es muß nad) Maßgabe 
dee vorhandenen Umftände modificirt werben; und meil 


das Lebendige abhängig ft von dem Dafen und der 


wirklichen Geftaltung feines Organismus, hingegen ge: 
hemmt oder zerſtoͤrt wird durch bios mechanifche Einwir⸗ 
tung, fo darf Ihm nichts elngezwungen und mit Gewalt 
efnwerleibt werben, fondern es muß immer fo eingerichtet 
werden, baß es ihm nur zur eigenen Verarbeitung zuge: 
führt und von ihm ſelbſt dadurch in fi aufgenommen 
wird. Nur aͤußere Bedingungen der Erleichterung und 
Beförderung feiner Lebensthätigkeit können und müflen 
ihrer Natur nach von außen befchafft werben, wie ber 
Menſch nicht ohne Luft, Wärme und Licht zu leben ver: 
möchte. Darin eben befteht die Verſchiedenheit der Staats: 
wiſſenſchaft, der Staatsrweisheit und der Staatskunſt, daß 
die erftere die abſtracten Gefege auffindet und erweiſt, 
die andere die Bedingungen und die Regeln für deren 
Anwendung und Ausübung lehrt, die legtere endlich die 
Mittel zur Exrwerbung der Fertigkeit in deren Ausübung 
entdeckt und einübt._ So ſehr wir daher mit dem Verf. 
‘in ber Werthfchägung des Beftehenden und Hiflorifchen 
übereinflimmen, fo würde es doch auf den entgegenge: 
fegten Abweg hinauslaufen, dafjelbe über das abftracte 
Gefeg zu fegen, ober die beitändige Erwägung beffelben 
geringfchägig zu behanden. So dürfen fih alfo auch 
auf der höchiten Stufe ber Glaube und die Vernunft, 
das Pofltive und das Abfolute oder Rationelle durchaus 
nicht entgegen fein noch einander bekämpfen, fondern 
müffen fich vielmehr innig miteinander verbinden, um ſich 
gegenfeltig zu unterflügen. Die Vernunft felbit ift bie 
höchfte Offenbarung der Gottheit, weil der Glaube nicht 
von ihm felbft Laffen und ſich nicht felbft richten kann, 
vielmehr nur mittel® ber Erwägung und Einſicht der 
Vernunft es auszumachen tft, ob irgend eine andere 
Offenbarung wirklich eine ſolche, oder eine Täufchung fei. 
Nichts kann und darf jemals der Vernunft widerflreiten, 
obgleich Vieles über bie Vernunft fein ann. Denn eben 
-fie muß erſt ſich uͤberall felbft erkennen lernen und ihrer 
erſt ſelbſt gewiß geworden fein, bevor fie ſich als unum: 
ſtoͤßliches Gefeg und Richterin geltend machen kann und 


barf. Darum gerade, weil dies für die Menfchen ein- 


großes Stück Arbeit. ift, kommt die Natur und die Offen: 
darung ihnen zu Huͤlfe, erleichtern ihnen die Sache und 
- gehen ber eigenen Selbfibeflimmung wegweiſend voran. 
"Mo Kampf ift, da iſt noch Finſterniß und Irrthum; 
im Lichte dee Wahrheit: ift kein Gegenfchein, und alle 
Farben, als Brechungen beffelben, fließen in einen 
Strahl zufammen. ' 
Zu denjenigen Mafregeln nun, welche jenes vermeint: 
iche Freiheitsprincip ins Leben eingeführt hat, gehört 
denn auch die Entbindung des Grundeigenthums von 
allen die beliebige Berfügung darüber behindernden Be: 
ſchraͤnkungen, infonderheit die willkuͤrliche Theilung def: 
- felben und die Zerfchlagung größerer Grundbrfigungen in 
"einzelne Stuͤcke. Mit vollem Rechte eifert ber Verf. gegen 
“die dies bezwedienden Einrichtungen und gefeßlichen Be: 
ſtimmungen und zeigt deren in ihren Folgen unerbörte 


Shäblichkelt und Zerſtoͤrungsmacht aus Gruͤnden, bie ber 
Sache felbft entnommen find, und. nad den Ergebnifien 
aller Erfahrung. In der That iſt der durch dieſe Maß— 
regel in Xoscana hHerbeigeführte Zufland ein trauriger 
Anblid; und in Frankreich, wo diefelbe in ber neueflen 
Beit am welteflen durchgeführt worden ift, hat ſich bas 
Elend, weiches fie herbeigeführt, bereits im Volke fo be 
merklich gemacht, daß die Sefellfchaften, welche fich bas 
mit befchäftigen, größere Grundbefisungen zu erwerben 
und mit Gewinn zu zerfchlagen, allgemein den Namen 
der ſchwarzen Banden erhalten haben. 

Mit rihtigem Blicke zieht der Verf. in Betracht, daf 
es bei der Würdigung biefer, wie aller politifhen Maß 
regeln nicht blos auf ihren materiellen und ſtaatswirth⸗ 
fchaftlihen Werth ankommen könne, fondern daß ein 
höherer Standpunkt genommen werden müffe, um den 
inneren Werth nad) den Anfoderungen ber Staatsweisheit 
und der Sittlichkeit zu beurtheilen, indem am Ende ſelbſt 
der Staat mit allen feinen Einridtungen nur als ein 
Mittel zur ſittlichen Ausbildung dee Menfchheit angefehen 
werden darf, ſodaß etwas Unfittliches oder die Unſittlich⸗ 
keit Beförderndes in ihm feinen Raum finden muf. 
Ebenſo praktifh beherzigungswerth iſt die Bemerkung, 
daß man bie gewöhnliche Umkehrung der Erfolge in 
dee Zeit niemals üÜberfehen müfle, indem gewöhnlich 
und ohne Dazwiſchentritt anderer Einwirkungen ber 
nächfte Erfolg einer Einrichtung fhon den Keim und 
bie Grundlage zur allmäligen Entwidelung bes gera⸗ 
den Gegentheiles, zum menigften aber zum Abfterben 
feiner ſelbſt in der Zeit in ſich ſchließt und aufſchließt. 

Nach diefen beiden Gefihtspunkten nun alfo hat fich 
der Verf. vorgefegt, zuerſt die flaatswirthfchaftliche Be⸗ 
Deutung der unbegeenzten Zulaffung der Bodentheilung 
zu beleuchten und dadurch zu zeigen, mie bamit biz 
Gultur des Bodens im Aligemeinen heruntergebracht, 
die Landesbevoͤlkerung verringert und entlräftet, mithin 
die Srunderfoberniffe der Staatsmacht angegriffen mer: 
den, biernähft aber in politifhem Betrachte aus ber 
Ungebundenheit des Grund und Bodens unaufhaltlicd, dem 
Untergang eines Eräftigen Bauernftandes, die Bernichtung 
des Adels, die Auflöfung der einzig und allein zweckent⸗ 
fprechenden wahren landſtaͤndiſchen Verfaſſung, die Zer⸗ 
fprengung alles organifchen Verbandes in elementarifche 
Einzelnheiten, die Unterordnung der Sittlichkeit unter die 
Herrſchaft des Eigennuges, aus bem Allem aber den Ver⸗ 
fall und den Untergang ber Staaten ald unausweihbare 
Folgen darzuftellen. Er führt dies überzeugend mit ebenfo 
viel philofophifcher Drdnung und Klarheit, ald mit Be: 
nußung reicher und unleugbarer hiſtoriſcher Unterlagen 
aus und Läft den ganzen Umfang und bie Tiefe ber 
hä der uneingefchränkten Bodenzerſtuͤckelung ab: 
ehen. 

Wenn man bisher die Mobilifirung des Grundeigenthums 
vom Standpunkte philanthrophifcher Bildung aus foderte, fo 
fah man hierbei nur auf das Äußere, und war mithin zufeles 
den, daß man durch bdiefelbe mehren Menſchen eine Exiſten; 
verfchaffte, ohne fi darum zu befimmern, 


ob d ifteng 
. für ‚fie ſelbſt eing heilbringende fei, oder ob diefelbe nid 3 


‚1207 


qhren moralifchen Untergang berbeiführe, indem fie bei biefer 
nicht durch die gehörigen Erwerbsmittel geficherten Exiſtenz noths 
wendig zu Bettlern herabfinfen, deren zerrütteter äußerer Zus 
ſtand dann auch eine innere Zerrüttung, eine geiflige Verkom⸗ 
menbeit zur Kolge hat, welche fie nur zu leicht zu einem Spiels 
balle der nicht durch die Kraft des lebendigen Glaubens bes 
kämpften Sünde madıt. 

Aber der Verf. führt nicht nur dies aus, fonbern 
auch, daß felbft die Vermehrung des Bodenanbaus und 
der Vevdlkerung nur bie nächfte unmittelbare Wirkung der 
Bodentheilung fein könne, daß hingegen bei fortdauernder 
Zerfplitterung des Bodens beffen Anbau unausbleiblic in 
Verfall gerathen, die Landesproduction abnehmen und 
damit die Bevölkerung verfümmern müfle, ſodaß aus 
ihr fchon nach diefer phufifchen Seite allein hin die Mo: 
bilifirung des Bodens, je weiter fie geht, deflo mehr 


jedem Staate zum Verderben gereichen muß, folglich nicht 


ſchrankenloſer Willkuͤr überlaffen werden darf. 

Saft immer bedient fi der ſcharf und tief fehende 
Dorf. des Ausdruds: Mobiliſirung des Bodens, anftatt 
Zertheilung oder Berftüdelung deffelben, indem er folcher: 
geſtalt die naͤchſte Wirkung der legten charakteriftifch be: 
zeichnet. Denn dadurch, daß aus materialiftifcher Abſicht 
die Zerfchlagung des Grund und Bodens ber Gewinn: 
fucht anbeimgegeben wird, verliert berfelbe und deſſen 
Befig allerdings ale Eigenthümlichkeiten eines unbeweg⸗ 
tichen Gutes und ber gegenfeitigen Beziehungen und Ber: 
‚bindungen aus dem fortdauernden Befigthume zwiſchen 
dem Befiger und feinem Eigenthume; der Boden wird 
vielmehr nur noch als Waare, hauptfächlidy als Gegen: 
ftand bes durch Erwerbung und Veräußerung, alfo durch 
Befigveränderung, zu erzielenden Gewinnes angefehen, und 
nimmt folchergeftalt ganz und gar die Natur und Be: 
fchaffenheit des bemeglihen Gutes an. Eben durch 
-diefe Beweglichkeit aber und durch das Aufhören alles 
unbemweglihen Gutes nimmt auch der ganze Verkehr, 
bie ganze Betriebfamkeit, die ganze Gefinnung und das 
ganze Leben bes Volks eine andere einfeitige Richtung an, 
indem der vereinzelnde Egoismus jedem Einzelnen es zum 
alleinigen Zwecke macht, aus dem allgemeinen Verkehre 
für ſich den größtmöglichen Vortheil zu ziehen und mit: 


din benfelben allen Andern nah Kräften zu entziehen. 


Wenn das Grunbeigentbum zur Waare geworben ift, fo 
wirb dadurch das Familienbeſigthum ebenfalls vernichtet, und 
die fämmtlichen Mitglieder der Kamilien, worin vorher bie 
Kraft des Landes beftand, fallen mit ihrer Werarmung demſel⸗ 
den zur Laſt. Den Revolutionen, deren Haupthinderniß in 
dem Kefthalten ber Grundeigenthämer an der Heimat und ber 
alten Sitte beruht, wird fo der Weg bereitet (S. 82). 

Mag es auch in ben Verhältniffen der einzelnen Länder 
gegeben fein (&. 46), baß bald ber Atterbau, bald die Indu⸗ 
ſtrie größern Umfang haben, fo berechtigt dies doch keineswegs 
zu einer gaͤnzlichen Hintanſetzung bes weniger bedeutenden 
Elements. Wird allein das induſtrielle Element gepflegt, fo 
wird dadurdy eine Aufloͤſung aller pofitio ſittlichen Gewalten 
Gerbeigeführt, weiche in bem Elemente eines unabhängigen 
Grundeigenthumes ihren Stützpunkt haben. Cine Berfegung 
unferer Staaten burdy ein Zuruͤcktreten des Bürgerftandes ift in 
gegenwärtiger Beit nicht mehr zu befürdhten, wol aber durch 
BHerabfehung des Adels und des Bauernſtandes beforglich. Leis 
der bat man bie fittliche Webeutung bes Grundbeſitzes, als bie 


Unterlage aller hiſtoriſchen Sntwidelung bes Landes unb feiner 
Bewohner und ihrer gegenfeitigen Beziehungen und ihrer @inis 
gung, zu Sehr aus den Augen verloren und Eurzfichtig den nädhs 
ften materiellen Vortheilen aufgeopfert. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Belenntniffe aus Leben und Meinungen von W. Rein: 
hard, ehemaligen Staatsrath. Zwei Bände. Karld: 
ruhe, Groos. 1840. Gr. 12. 2 Thle. 8 Gr. 


„Wenn man gewiffe Bruchtbäume zur Seit verfäumt zu 
fhütteln, geht uns die Ernte freilich verloren, aber flatt ber 
gebäuften Körbe und vollen Kammern finden wir zwifchen bem 
weltenden Laube eine Nachlefe von ganz befonders füßem Ges 
ſchmacke. Es ift nicht, um den Sommerdurſt zu ſtillen, aber 
um im Herbſt die Zunge zu erquiden. Wir theilen mit ben 
Bögeln das Vergnügen, uns biefe halbgetrodneten, halb von ih: 
nen angefreflenen Reſte der Pomona aufzufuchen, und je ſpar⸗ 
famer und verftedter fie zwifchen den gelben Blättern find, um 
fo größer die Luft, fie zu finden. Am diefe Herbftluft dachte ich 
beim Durchblättern der Reinharb’fchen „Bekenntniſſe“. Es ift 
feine Ernte, zur Zeit gemäht und gefammelt, die die Scheuern 
füllt und ordnungsmäßigen Vorrath gibt für ben Winter und 
Wiederausfaat fürs neue Jahr. Ein alter Mann geht an ei- 
nem beitern Derbfitage fpazieren unter den Gärten, bie bie 
Luſt feines Mannesalters waren, die er in der Jugend zum 
Theil felbft gepflanzt. Er kennt fie alle, die Bäume und 
Sträude, und greift hier und da eine Frucht herab, und ger 
dentt hier und ba der frohen Stunden, die er unter ihrem 
Schatten verbracht, und der Erquidung, die fie ihm gewährt. 
Solche gelegentliche Sammelfrüchte find diefe „Bekenntniſſe“, 
nichts weniger als vollftändig oder foftematifch georbnet. Aber 
wer recht fatt ift der ſyſtematiſchen Weisheit, an der es, Gott 
weiß, der Welt und, der Literatur nicht fehlt, mag mit befons 
berm Vergnügen zu diefem Nachtiſch greifen, und wer in ben 
foftematifhen Gompots an dem Sauern und Unreifen etwa 
keinen Gefhmad fand, wird den Werth des Gereiften deſto⸗ 
mehr zu fchägen wiſſen. 

Unfere Literatur firebt nach dem Subjectiven. Aber wähs 
rend man über das wirklich Erfahrene und Grlebte die Dich⸗ 
tung faft ſchon befeitigen möchte, ift es feltfam, daß gerabe Die, 
welche noch wenig oder nichts erfahren und erlebt, uns ihre 
Erfahrungen und Erlebniffe vorzugsweife bringen. Die fallen 
aus andern Gründen bünn und fparfam aus; es find nicht die 
Früchte des Spätherbftes, überreife etwas eingetrodnete, fons 
dern die erften Saum gerötheten und gereiften, die man vor ber 
Zeit vom Baume briht, um doch etwas zu bringen. Unfere 
Alten Eramen nur felten ihre aufgeipeicherten Vorräthe aus. 
Weil fie fi vor den ungen fcheuen, ober weil man, ale fie 
jung waren, meinte, das Bischen, was man erlebt, lohne ſich 
nicht eben aufzubewahren und zu fortiren, um es einft ber 
Welt aufzutifhen ?_ Unfer Veteran fei deshalb willlommen. 
Richt Alles, was er vorfeht, iſt gut und neu; Alles aber ge: 
nießbar, eine gute Dausmannskoft, Hier und dba mit ber feinen 
Würze angemacht, die nur das Alter zu bereiten weiß. Es 
find keine Memoiren großer Erlebniſſe; über Feine Wendepunkte 
der Gefchichte, nicht über große Männer finden wir Aufſchlüſſe 
und fie charakterifirende Anekdoten. Der Stamm iſt .bas ins 
nere Gemüths= und Gebankenleben eines deutichen Geſchaͤfts⸗ 
mannes, deſſen @efchäfte aber nicht den Menfchen erbrüdten. 
Er hat viel wahrgenommen, richtig beobachtet und feine Bes 
merkungen find treffend. Der Ernſt ber Jahre breitet einen 
geroiffen Reif über Alles aus; aber ed wird darum nicht gram. 
Die Jugendluſt lobert hier unb ba aus der Reflexion hervor 
und die Laune behauptet ihr Recht. Ya, er bringt recht drol⸗ 
lige, barode Scenen und Situationen aus feiner. Gedaͤchtniß⸗ 


mappe zum Vorſchein, und-auch das Sinnliche iſt ganz und 


gar micht in dev Erinnerung erloſchen, indem er eine beträchts 











1208 


liche Anzahl artiger Liebesabenteuer feiner Tugend erzählt, es 
verfteht fich nicht mit lüſternem Schleier, fondern mit der Ent: 
haltſamkeit und Selbſtbeherrſchung, welche die gereiften Jahre 
mit fih bringen. 

Wer die beiden Bände nicht der Unterhaltung wegen durchs 
lieſt — und bie findet er auf jeder Seite, Anekdoten, Gharat: 
terzüge, fcharfe und zahme, alle in kerniger Kürze vorgetragen ; 
es ift ein erftaunlicher Reihtyum von ſolchen Kleinzügen aus 
dem Leben ausgeſtreut —, wer aber, fage ich, nicht die Unter: 
haltung fucht, der findet auch Belehrung der mannichfachften 
Art. Richt Marimen und Dogmen, die ihn Über alle hochge⸗ 
wölbte Brüden der Speculation mad endlich über den ſieben⸗ 
farbigen Himmelsbogen in biefen IOB-führen, aber folche, die 
ihm bei jebem Schritt und Tritt im Lebennüslich fein mögen. 
Ein Philofoph für die Welt, der ſich ernftlich darin umgefehen 
hat, gibt fi und was er weiß und als probat erfunden hat, 


pr Augen eines Jeden, ber fo etwas nugen will. Meiſtens in 


eifpielen, zuweilen in abflvacten Gentenzen. Hier etwas Als 
gemeines: „Denken foll man, ehe man fchreibt. Ich halte 
mehr darauf, daß man oft, wiederholt, zurüdkommend, getreu 
denke, als lang und anhaltend. Man ermüdet ſich fonft am 
Gegenftande; Fixitaͤt der Gedanken wird leicht @infeitigkeit 
und verbreitet eine Profa der Lauigkeit und Monotonie.“ — 
„Achte auf deine Gedankenblitze, auf plöpliche Infpirationen aus 
Himmel, Natur, Menfchen und Umgebung und made dir kurze 
Beichen eigen, mit benen du ſolche Momente erfaflen, feithals 
ten, auf das Papier niederlegen kannſt.“ — „Wir fragen fo 
oft nach objeetiver Wahrheit; vielleicht kann fie der Menſch in 
feiner irbifchen Umgebung nicht erlangen ; aber fubjective follte 
uns nie fehlen, denn diefe hängt von uns allein ab, iſt bie ins 


.nere Beglaubigung unferer Menfchheit, und willen wir benn, 


ob wir nicht zu jener objectiven gelangen würden, wenn wir 
uns nicht ſtets heuchelten, betrögen, täufchten, belögen und 
überlifteten.” 

Über weibliche Bildung manches Beachtenswerthe: ‚Mir 
gefallen die Briefe der Frauenzimmer. Eitel Natur. Das 
fwägt und plappert aus dem kleinen Köpfchen und Herzchen 
fo ſchnell, einfach, natürlich und unbedacht auf das Poftpapier 
los, daß Kunft und Heuchelei, Affectation und Speenfchrauberei 
weder Zeit noch Raum gewinnen können. Es muß natürlich 
eine ganz vertraute Freundin fein, und eine, die es immer 
bleibt, die ungefähr gleiche Stellung und Intereſſen hat, Feine 
Stebenbublerin ift und nicht wohl fein Tann, auch das Geheim: 
niß bewahrt, weil man auch ihr Beheimniß hat.’ Über die 
fogenannte Lebensart recht erbaulidhe Betrachtungen ; die Para; 
dorien des Weterans zeigen aber, baß fein Gedanke frei blieb, 
während er der Phllofophie der Welt folgte: „Wir follen in 
Sefellichaft Aicht gähnen. Aber feht nur, was das für Gri⸗ 
maffen und Gefichter hervorbringt, wenn man mit Gewalt bas 
@ähnen zurüdhätt — und man merkt es dennoch. Das Verzerren 
und Schänden der Züge kann man demnad fparen, wenn man 
dem Bähnen feinen ruhigen Bang läßt. Es iſt nicht immer 
Wirkung der Langeweile; nicht felten entquillt e6 dem Magen.“ 
„HZoͤflich fein iſt Ihon gut. Aber kaum kann man recht ſtehen 
und geben, fo wird man ſchon fo geplagt und geſchoren, mit 
der Art zu fehreiten und fi zu präfentiren, mit vor und nad, 
krumm und grad, büden und liegen, Öffentlich und heimlich, 
Yaut und ftil, geſchwind und langfam u. f. w., daß man am 
Ende die Geſellſchaft Erwachſener wie die Peft flieht, all bie 
fhönen Regeln und Vorſchriften ekelhaft findet, weil man fie 
nicht alle behalten Tann, und vor Angfi, fie zu verlegten, im 
böcften Grabe linkiſch wird.” 

Unter dem aufgeflapelten Schau von feltfamen Notizen, 
die aller fieirung fpotten und keinen Auszug dulden, nur 
die eine noch bier. Der Verf. Tannte einen Geſchaͤftomann, 
der fi viel mit dem Steuerweſen abgab und foldyen Geſchmack 
daran fand, daß er ſogar Gedichte darüber verfertigte! Für die 


Berantwertliger Geraudgeber: Heinrich Brodhansd. — Druck und Verlag von J. 4. Brodhaus ia Leipzig 


Landsleute des Berf. werden biefe „Bekenntniſſe“ noch ein 
fondern Werth haben, indem fie viele —2— 8 it 
bern Zuſtaͤnden Badens und feiner Nachbarlande liefern, zu des 
nen den Rorbdeutichen der befondere Schlüfſel fehlt. Doch 
zweifeln wir nicht, daß unter allen Deutfchen der Beteran viele 
fleißige Lefer finden wird und ſchon gefunden bat, welche mit 
feiner behaglichen Rüdichauungsgabe und deren Refultaten fid 
befreunden werden. 41. 





Notizen. 


Englands neuefte orientalifhe Befelliähaft. 

Die Verdienſte der aflatifchen Geſellſchaften a han ten 
fowie derer zu London und Paris um WBerbreitung ber literas 
rifgen und wiffenfchaftlicden Gchäge der orientalifchen Eiteratue 
find befannt, namentlid hat deren Studium die Errichtung 
bes Oriental translation fund durch Beforgung von Überfeguns 
gen verſchiedener muſterhafter Werke fehr erleichtert. Jedoch 
bat man bei alledem zu wenig die Herausgabe der orientaliſchen 

inalterte berüdfigtigt. Bekanntlich befteht die ganze Lite⸗ 
ratue Adiens, mit Ausnahme Ghinas und Zibets, in bands 
ſchriſcuicher Aberlieferung; Abfchriften Lönnen baher nirgend 
zahlreich fein und find jeder Zeit Eoftfpielig. Zudem verfhwins 
den die Handſchriften mehr und mehr, ſodaß zu befürchten 
ſteht, die wenigen, In europäifdhen Bibliotheken aufbewahrten 
Schäge biefes Zreiges Wer Literatur werden in ber zweiten 
Hälfte unſers Jahrhunde die einzigen, aus ihren Truͤm⸗ 
mern geretteten Überbleibfet. fein. Nie werben ſich aber noch 
fo forgfältig gefchriebene Werte ganz frei von Fehlern erhalten 
können, und die Vergleihung‚verfchiedener Handſchriften bleibt 
Immerdar ein unabweisbarcs parfniß , deſſen Befriedigung bei 
dem jetzigen Stande der Dinge aͤuf die größten Hinderniffe ftoͤßt. 
Diefem Übelftande zu begegnen, Sr fi ein neuer Bereih in Engs 
landgebildet, deſſen Wirkſamkeit unfehlbar von wohlthätigem Gins 
fluffe für das Studium orientalifdher Literatur fein wird. Sein 
einziger Zweck foll der Drud corrfecter Terte von Mufterwerlen 
jedes Zweiges derfelben fein, wApurch deren Verehrer in dem 
Befig der Vergleichungen verfchiledener Abſchriften gefeht und 
dadurch nicht mehr an die weit Ayinder eriprießlihe Benugung 
eines einzigen Manuſcripts gebundken fein werben, Der Verein 
hat den Vorſatz, die beften Werke Mer ſyriſchen, arabifchen, türs 
fifhen, der Sanskrit⸗ und der Zeßnnfpracdhe, ber indifden, tas 
tariſchen, tibetaniſchen, dhinefifchein und der in den Ländern 
zwifchen GShina und Hindoftan hiſherrſchenden Sprachen druden 
zu iaſſen. in jaͤhrlicher Beitrag von zwei Buineen verfchafft jes 
dem Theilnehmer den Beſit eines eremolars der von dem Bere 
eine herausgegebenen Werke, Gil, Ausfhuß von 24 Mitglies 
bern, beſtehend aus den Profefforeie der orientalifdhen Sprachen 
an ben verſchiedenen Univerfitäten, Mowie aus andern audge 
neten Gelehrten, ift mit der Berich Rattung über deu Werth 
Pe Bereine zur Veroͤffentlichung h vorgelegten Werke beaufs 


Unter den neueften Bühnenerfchei 
Blätter ein auf dem Haymarkettheat zur Aufführung) geloms 
menes Stüd: „To marry or not tb marry”, ‚von /Mifireß 
Inchbald, aus. Gegenftand ber Hand a tft Befleguimg eines 
kalten, in ſich verfchloffenen Breundes ber Mlinſamkeit uufb Weiber: 
feindes durch ein unverzogenes, natves, Maeiſtig geffundes wie 
koͤrperlich ſchoͤnes Naturkind. Dagegen exin der f erſte Theil 





















ungen zeichnen engliſche 











von „King Henry Iil.”, ein fünfactiges to ©tkd 
vom Verfafſer des „Kasay on the Oxford Al , nur durch 
ſeinen Titel an Shakſpeare. Die handelnden Cha Nabkter ent⸗ 


behren geradezu alles Gharakters, die Sprache it 08 


te hr fheint mehr für den Bücdherfchran? alt 


Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


— Kr. 300. — 


26. Dctober 1820. 





Die aus ber unbeſchraͤnkten Zheilbarkeit bes Grund: 
eigenthumes hervorgehenden Nachtheile binfichtlich der 
Gultur des Bodens und der Bevoͤlkerung ıc. Bon 
Georg Ludwig Wilhelm Funke. 

Geſchluß aus Nr. 299.) 


Von uralten Zeiten her hat das Volk der Deutſchen 
eine innere lbereinftimmung des Wefens der Ehe und 
bes Staats anerfannt, wenn aud) nur mehr geahnt, ale 
deutlich eingefehen. Wenn es dem beutfchen Urfinne zur 
Ehre gereicht, daB ee alein dieſe Beziehung aufgefaßt 
und davon in der Volksſitte und in den auf biefe ſich 
gründenden aͤlteſten Gefeggebungen Anwendung gemacht 
hat, fo hat der Verf. in feinem hiftorifhen Sinne davon 
meitern Gebrauch gemacht, um finnreicd auszuführen, daß 
die Che im Staate in ber innigften Vereinigung unb 
Durhbringung der Stände aller Bürger, namentlich des 
die hiftorifchen Überlieferungen und die Anhänglichkeit daran 
mit einfacher Religiofität bewahrenden Standes der Grund: 
befiger mit dem den Erwerb und die Benugung aller 
Kortfchritte des Erfindungsgeiftes in fih aufnehmenden 
Stande der Gewerbtreibenden unter der verföhnenden und 
tegelnden Vermittelung des die Künfte und Wiffenfchaften 
umfaffendn Standes der Gelehrten und Beamten beftehe, 
mwobel der Stand der Grundbefiger das Weib, der Ge: 
werböftand den Mann, und der Stand des geiftigen 
Befisthumes das Band der Ehe ſelbſt vorftelle. Der 
Zeitgeift offenbart feine Umkehr zum Alten auch batin, 
daß er ſich Häufig in folhen Vergleichungen gefällt, aus 
denen, tie aus Öfeichniffen überhaupt, nugbare Deutun: 
gen entnommen werden können. Doc, darf dabei nicht 
vergeffen werden, daß die Durdführung folder Gleich: 
niſſe nicht zu weit gehen bürfe, weil alle Gleichniſſe 


Wemn aud dem Verf. nicht zugegeben werden mag, 
daß für das Staatsintereſſe nur der Reinertrag ber 
Grundſtuͤcke, nicht ihr Rohertrag von Bedeutung ſei, 
weil nur durch jenen das Nationalvermoͤgen vermehrt 
werde, indem es ſich nicht blos um die unmittelbaren, 
fondern auch um bie mittelbaren Vortheile hierbei handelt, 
auch das Nationalvermögen nicht alle Staatsintereffen in 
ſich faßt: fo iſt doch ausgemacht, daß das bloße Erzeugen 
und Verzehren von Fruͤchten ſich ſelbſt aufhebt und nichts 
dabei herauskommt, dafern nichts übrig bleibt. Ebenſo 


ausgemacht iſt e8, daß zwifchen der Größe des Grundbes 
figes und dem Überfchuffe des Ertrages Über den Pros 
ductiondaufwand ein Verhältniß befteht, welches nicht übers 
fhritten werden darf, wenn nicht der Ertrag immer mehr 
in dem legtern aufgehen und darin gänzlich verſchwinden 
fol. Endlich iſt auch ber klaͤgliche Zuſtand derjenigen 
kleinen Landbeſitzer bekannt genug, deren Grundbeſitz nur 
ebenſo viel liefert, um ihnen das Leben zu friſter, und 
welche dabei, weil fie ſich alle in einer Gegend in glei⸗ 
cher Rage befinden, weder einander unterjtügen, noch einen 
Mebenverdienft geben können. Es bedarf keines Beweifes, 
daß ſolches Elend die Familien aufreibt, die Menfchen 
ausmergeit und die Bevoͤlkerung Pörperlih und moraliſch 
berabbringt. In je beffern Umftänden hingegen die Lands 
befiger fich befinden, defto mehr Kinder können fie ernähs 
ren, deſto befler fie erziehen und fie zum weitern Korb 
kommen ausftatten. Es ift fonach der Wohlſtand der 
Zandbauern ein gar wichtiges Augenmerk für die Staates 
klugheit. 

Nur ein ſolcher Grundbeſitz, welcher die Bodenrente 
nicht bei der Production ſchon aufzehrt, ſondern einen 
Überfhuß zur beliebigen Verwendung, beſonders aber jur 
Übertragung von Unglücsfätten und Ausfällen im Erträge 
abwirft, gemährt Selbſtaͤndigkeit. Da nun zur Stande 
[haft das Vermögen zu fliehen und ein folcher Grad von 
Selbftändigkeit unumgänglich erfoderlih ift, fo können 
kleinere Grundbefiger niemals einen Stand im Staate 
ausmahen. Die größern Grundbefiger aber, aus denen 
der Stand der Landbauer befteht, zerfallen in den Grund⸗ 
adef und in ben Bauernfland, je nachdem bie bezogene 
Bodenrente von dem Belange iſt, daß fie allein zu einem 
unabhängigen Leben ausreicht, oder mit ihr zum Lebens⸗ 
unterhalte noch die eigene Arbeitsthätigfeit verbunden- 
werden muß. Eben darum kann weder ein Adel ohne 
zureichendes Grundvermoͤgen beflehen, noch blos durch 
die Abſtammung erhalten werden, weil dieſe allein 
nicht Unabhaͤngigkeit verſchafft, welche die Grundbedin⸗ 
gung des Adels iſt, indem ſie ſeine Selbſtaͤndigkeit als 
Standesgenofje bedingt. Selbſt anſehnliches bewegliches 
Vermoͤgen kann allgemein niemals die Entbehrung un⸗ 
beweglichen Gutes erſetzen, weil beides eine ganz ver⸗ 
ſchiedene Richtung gibt, dieſes auf deſſen Beſitzerhaltung 
und fortdauernde Ertragsfaͤhigkeit, jenes hingegen auf 


1210 


deſſen Umfag behufs bes babel zu machenden Gewinnes. 
Ein blos auf Abſtammung ſich gründender Adel ohne 
bleibendes Beſitzthum ift dem Roſte an einer guten 
Klinge zw vergleihen, indem jene Abeligen gerade 
Deffen entbehren, worauf ihr Standeswerth und alfo 
ihre bürgerlihe Ehre ſich gründet, fie aber, indem 
fie dennoch biefe genießen, deren Bedeutung aud in 
Betreff des begüterten Adels verändern und herabwürbdi: 
gen, ihn im Gegentheile in bie Verachtung und den Haß 
mit binabziehen, welchen ihre unbegründeten Anſpruͤche 
und ihre Bemühungen, buch manderlei Abhängigkeits: 
verhältniffe die ihmen abgehende Bodenrente auf andere 
Meife und durch andere Mittel zu erfegen, nach ſich zie: 
ben müffen. Sie find es eben dadurch, weiche die Ver: 
bindung der Stände zu einer politiihen Einheit hindern, 
im Gegentheil Abneigung und Abſtoßung unter-fie brin: 
gen. Solchergeſtalt fieht auch der Verf. dem unaufhalt: 
famen Untergange bes beutfchen Adels entgegen, bafern 
derfelbe nicht bald neu umgeftaltet und wieder auf Grund: 
eigenthum gegründet wird. 

Andererſeits erklärt berfelbe ſich auch gegen bie gänzs 
liche Sprengung des Verbandes, welcher die Gutsherr⸗ 
haften und ihre Hörigen bisher verband, ſchon bar: 
um, weil das Hoͤrigkeitslverhaͤtniß felbft eine hiſtoriſche 
Geſtaltung ift, welche gezogen und befchnitten werden 
mögen, aber nicht außsgerottet. Ganz treffend bezeichnet 
er das neuere Berhältniß bee Gutsbefiger nach Aufhebung 
jenes Verbandes als ein reines Beſitzverhaͤltniß, und gibt 
zwar gern zu, daß alle auf die Perfon des Hinterſaſſen 
ſich beztehenden Serechtfame, welche jene zu einer befon: 
bern Art von Sachen flempelten, nicht aufrecht zu ers 
halten gemefen wären, baß aber doch darum nicht bie 
ganze Hörigkelt hätte abgefchafft werben bürfen. Allein 
dies enthält einen Widerfpeuh. Denn bie Hörigkeit be: 
ſteht wefentlich in einem fingirten, zwar befchränkten, aber 
doch dem Sachenrechte analogen Eigenthbume und darin 
begründeten Rechten an ber Perfon der Hörigen. Ungleich 
paffender unterfcheidet ber Verf. von der Hörigkeit bie 
Grundherrlichkeit (S.90), unter welcher er ben Inbegriff 
der obrigkeitlichen Gewalt über die Ortsverhältniffe im Ge: 
biete eines jeden Rittergutes und der Schirm- und Schuß: 
gerechtigkeit über deſſen ſaͤmmtliche Einwohner verfteht, 
und welche den Gutöbefigern nicht zugleich mit ihren Hoͤ⸗ 
rigkeitsrechten hätte genommen werben bürfen, nicht bloß 
weil dieſe Grundherrlichkeit ein natürliches Zubehör bes 
echten germanifchen befonder& fächfifchen Grundeigenthums 
und ein Ausfluß ber Nechtöregel gewefen iſt, daß jeber 
Grundherr auf feinem Gebiete unumfchränkter Here ift, 
fo weit die dee Staatögewalt übertragenen oder die Rechte 
Anderer dadurch nicht beeinträchtigt werden, mithin zum 
Eigenthume felbft gehört, fondern auch, weil ohnebem 
aller dußere Unterfchieb und politifches Anfehen verſchwin⸗ 
bet, wodurch ber ablige Grundbefig vor dem bäuerlichen 
ſich auszeichnet. Wir pflihten hierin dem Verf. völlig 
bei. Wenigſtens hätte die Zeit abgewartet werden muͤſ⸗ 
fen, wo ber Bauernfland, vermöge feiner Freimachung, 
fih im Algemeinen zu dem Grabe der Bildung erhoben 


batte, daß bie abligen Gutsbefiger hierin den Mitgliedern 
der Gemeinde nur gleichzuftellen waren und die Gemein: 
ben feines Schirmheren mehr bedurften, fondern nue 
noch Vorſteher, aus ihrer Mitte erwählt. Indem man 
dieſe Beruͤckſichtigung nicht beobachtet hat, hat man offens 
bar einen Sprung gemacht, ber fo nachtheilig fich zeigen 
muß wie jeder Sprung ober Gewaltfchritt in dem Ent 
widelungsgange. 

Noch weit weniger Beifall verdient es, wenn ber Verf. 
fogar fo meit geht, die Bauernguͤter als die politifche 
Hauptfahe und deren DBefiger als ihr Zubehör anzu= 
fehen, fodaß dieſe immer noch gemwiffermaßen an bie 
Scholle gebunden bleiben follen. Wie leiht laſſen fi 
die denkendſten und ſcharf richtendften Leute doch durch 
irgend eine Vorliebe für eine aufgefaßte Anficht zu libers 
treibungen und Abwegen verleiten! 

Eben dahin iſt es aud zu rechnen, wenn ber Berf. 
gegen eine reflectivende Landwirthfchaftsführung eifert und 
vermeint, daß durch die Einführung der Neflerion in 
diefelbe der Charakter ihrer Natürlichkeit und Einfachheit 
verdorben und die ganze Landwirtbfchaft in den Charakter 
des Gemwerbebetriebes oder der Induſtrie Übertragen mer: 
den würde. Meder der ehrenmwerthen Gefinnung des 
Adels noch des DBauernflandes kann es Eintrag thun, 
wenn fie durch rationelle Landwirthfchaft den Ertrag ihrer 
Güter zu erhöhen lernen, fowie überhaupt Erweiterung 
ber Kenntniffe und Einfihten, Verfeinerung der Sitten 
und Veredlung des Gefhmads dem Wefen der Patrlars 
halität nicht entgegen find. Kin Edelmann Infonderheit 
ift als ſolcher ſchon berufen, auch in diefer Beziehung dem 
Range Ehre zu machen, den er in der bürgerlichen Geſellſchaft 
einnimmt. Nur vor Afteraufllärung und Sittenabfchleis 
fung, welche etwas Anderes ift als fittlihe Gefchliffenheit, 
möge fein Genius jeden Stand bewahren! 99, 


Souvenirs de l’Orient, par M. le vicomte de Marcellus. 


Paris 1839. 
Hrn. v. Marcellus „Erinnerungen“ fallen in eine Belt, 

bie nunmehr um volle 20 Zahr hinter uns liegt. Der Berf. 
verfpätete jedoch deren Weröffentlihung bis jest, indem er mit 
denfelben keineswegs politifhe Zwede verfolgt, fein Beftreben 
vielmehr bahin geht, uns in bie claffifchen Eindrüde unb bie 
literarifchen Genüfle einzumweihen, bie feine von ben Alten ers 
füllte Sinbildungstraft, auf dem Gchauplage ber von ihnen 
befungenen @roßthaten, fo angenehm in Anſpruch nehmen. Hr. 
v. M. nämlih war um das 3. 1820 etwa Botfchaftsfeeretaie 
u Konftantinopel, unter Hen. v. KRiviere, und wurde mit einer 
efondern Sendung nad Ägypten und ben vornehmften Dans 
beisplägen ber Levante beauftragt. Es war dies zu einer 
Epoche, wo bie Freuden des Gelehrten, des Bewunderers der 
Künfte und bes Alterthums dem Befucher jener Gegenden noch 
möglich waren. Ghateaubriand war erft vor wenigen Jahren 
dort geweien; Byron fland im Begriff, ſich binzubegeben ; einige 
anbere Literatoren, von Erinnerungen an das Alterthum ergriffen, 
folgten ihnen; auch traten Feine neuen Namen, eine neuen Ins 
terefien der Einbildungskraft bes Reifenden entgegen; Kanaris 
hatte noch nicht Themiſtokles entthront. &o durchwandert benn 
unfer Diplomat, mit feinem Homer in der Hand, Griechenland, 
Moren, den Archipelagus und bie Küften Kieinafiens. Hier, 
fowie in Ägypten und Syrien, überall begleiten ihn die Dichter 
und Gefchichtfchreiber Griechenlands; mit wahrem Vergnügen 


1211 


⁊* 


ruft er das Andenken an frühere Ereigniſſe zuräd und führt 
die Werke jener großen Schriftſteller an den Orten ſelbſt an, 
Die der Schauplatz dieſer Ereigniſſe waren; ſein mit den alten 
und neuern Dichtern vertrautes Gedaͤchtniß läßt ſelten ein auf 
große Begebenheiten bezuͤgliches Citat aus ber Acht. Aus dem 
bier kürzlich Vorbemerkten dürfte der Lefer d. Bl. vielleicht den 
Schluß ziehen, des Verf. rückblickende Begeifterung habe etwas 
Kattes und Pedantifches an fi. Denn, man darf es nicht in 
Abrede ftellen, ber Geift verlangt in unfern Zagen eine ganz 
andere Nahrung und Belchäftigung als vor etwa 20 Jahren. 
Dhne auf die Grörterung ber besfallfigen Urfadyen eingehen, fie 
gutheißen oder verwerfen zu wollen, find wir felber ber Mei: 
nung, daß Hr. v. M., träte er feine Wanderfchaft exit jest an, 
fogar flände er noch, wie damals, im Alter von 20 Jahren, und 
hätte er Feinen einzigen Vers der „Iliade“ und der „Odyſſee“ 
vergeffen, den Einfluß der Zeit erfahren, daß er ſich demnach 
mehr mit dem Vertrage von Unkiar⸗Skeleſſi, als mit der Be⸗ 
lagerung von Zroja befchäftigen, und baß der peloponnefiiche 
Krieg in den Hintergrund vor den Anftrengungen Mohammeds 
A’8 treten würde, eine Macht, eine Nation, eine Dynaftie zu 
ſchaffen, ein Königreich Agypten neu herzuſtellen. Was jes 
Doch, bei dem Allen, Dr. v. M. vor ber Kälte der Gelehrten 
von Beruf bewahrt, bies ift feine wahrhafte Leidenfchaft für das 
Altertbum. Und da nun, wie man fehon weiß, Leidenfchaft ims 
mer ein’ wenig anftedend ift, fo wird ſich auch, beim Leſen dies 
fed Werks, der entſchiedenſte Statifliter und Diplomat nicht 
ganz frei davon zu erhalten vermögen. Denn er bat einen 
Munn vor fich, der das Altertbum aus bem Grunde kennt, der 
feine Poeten auswendig weiß, deffen Anführungen aber, fo häufig 
fe auch vorkommen, nicht die Äbſicht, Gelehrſamkeit auszukra⸗ 
men und damit zu prahlen, verrathen, 

Läaͤßt nun Hr. v. M. die politifche Seite der Gegenden, 
die er befuchte, in dunkeln Schatten geftellt, fo geſchieht bies 
ganz aus freien Stüden und mit Abfiht. Denn ald Mitglied 
der franzöfifhen Diplomatie, wo er mit Auszeichnung biente, 
feinen Charakter und feine Zalente bei mehren Vorkommniſſen 
außer Zweifel feßte, befand ex fich befler wie irgend Iemand in der 
Stellung, uns, lag e8 in feinem Plane, die potitifchen Intereſ⸗ 
fen zu entſchleiern, die ſchon damals den Drient aufregten. Er 
hätte uns, wir bezweifeln es kaum, den geheimen Urfprung je: 
ner wichtigen Geheimniſſe darlegen Fönnen, bie gerade zu feiner 
Zeit ſich vorbereiteten. Der Griechenaufftand, der das osmani⸗ 
ſche Reich fo heftig erſchütterte und womit beffen Unfälle be: 
gannen, war gerabe im Ausbruche begriffen. Auf der andern 
Seite bes Mittelmeeres erhob fich bereits Mohammed : All’s 
Macht zu ihrer demnäcftigen Größe. Sieben Zahre waren feit 
der Vernichtung der Mamluken verfloffen;, Ibrahim legte im 
Hedjaz, in feinen Kämpfen gegen bie Wechabiten, den Grund zu 
feinem hohen militairifchen Rufe. Oberſt Seve war einer ber 
erften, auf den Hr. v. M. bei feiner Landung in Agypten ſtieß; 
er unterhält uns von feinen angenehmen Verbältniffen mit dies 
ſem ehemaligen Offizier Napoleon’s, der erſt Lürzlih in bie 
Dienfte des Pafchas getreten war und ber in feinem Heere das 
Amt eines Inftructors bekleidete. Man faßt begierig diefe merk; 
würdigen Einzelzüge auf, wenn man baran denkt, daß Oberſt 
Seve der Dann ift, der bie aͤgyptiſchen Truppen auf europäi: 
fen Zuß bisciplinirte und daß er, abgefehen von dem Antheile, 
den er an allen fonfligen Erfolgen Mohammed's nahm, vor 
Baum einem Zahre, unter dem Namen Sollman = Pafcha, fo viel 

uw bem glüdlichen Ausgange der Schlacht bei Nefib beitrug, 
—8 — aber bedauert man auch, daß der Verf. den politiſchen 
Maͤnnern und Ereigniſſen des Orients ſo wenige Seiten ſeines 
Buchs gewidmet hat, und daß eine freilich durch ſeine Stellung 
gerechtfertigte Zuruͤckhaltung ihn hinderte, unſerer Neugierde 
eine umfangreichere Befriedigung zu gewaͤhren Eine andere 
geſchichtlich merkwürdige Perſon lernte Hr. v. M. in Syrien 
kennen. Es war dies die Türzlich verftorbene Lady Eſther Stan⸗ 
Hope, biefe außerordentliche Frau, die England und deſſen übers 
feinerte Givilifation aufgab, um ſich dem befchaulicden und pas 


triarchalifdgen Eeben bee Araber hinzugeben, und bie es durch 
ihren Muth, ihre Freigebigkeit und eine gewiſſe myftiſche Bes 
geiſterung dahin drachte, zu einem wunderbaren Anſehen über 
die Araber zu gelangen, während fie zugleich die Aufmerkſam⸗ 
keit aller Reiſenden feffelte und ihren Neugierde auf das leb⸗ 
baftefte erregte. 

Man kann nit fagen, daß Hrn. v. M. auf feinen sabls 
reihen und pitoresten Ausflügen außerordentliche Abenteuer zufties 
ßen. Zieht gleich die Lecture feiner „„Srinnerungen” an, fo vers 
danken fie dies ber Wahrheit, mit welcher der Verf. bie ems 
pfangenen Gindrüde fildert, und der Anmuth feiner Erzaͤh⸗ 
lung, bie frei von allen Anfprüchen und von jeder Übertreibung 
it und zugleich eine vollkommene Kenntniß der Länder, die er 
befchreibt, außer Zmeifel fegt. Damit verknüpft er eine gründs 
lihe Kenntniß bes alten Griechenlands und ein gewiſſes Zart⸗ 
gefühl, das den einfacgften Begegniffen, die ihm zuftießen, einen 
geroifien Reiz verleihet. Um davon eine Probe zu geben, ers 
lauben wir uns nur eine Anführung: Bei Befichtigung des bes 
rühmten Schlachtfelbee von Warathon geleitete den HReifenden 
ein junges Mädchen, bie, arm und unwiſſend wie fie war, viel 
Gefühl befaß und bei deren Altern er die Nacht zubrachte. In 
diefer elenden Hütte warb Hr. v. M. von einem heftigen Fies 
beranfall ergriffen, als letzte Folge einer unter freiem Himmel, 
an bem Geftade des Nils, unvorfichtigermweife verbrachten Nacht. 
Smaragfi, das junge Mädchen, das am Zage feine Führerin 
gewefen war, wartete feiner bie Nacht; und folgenden Tages, 
als er fie verlich, theilte das arme Mäbchen mit ihrem Gafte, 
aus Dankbarkeit für einige Leine Gefchenke, ein Platanenblatt, 
ihn erfuchend, die eine Hälfte davon zum Andenken an fie aufs 
zubewahren. An fich ift nichts einfacher als ein foldhes Aben⸗ 
teuer, Hr. dv. M. erzählt es aber mit einer fo anmuthigen 
Einfachheit, daß may es fi auf ber Stelle dem Gedaͤchtniſſe 
einprägt, unb daß man leicht einfieht, vote bes Verf. Liebe zu 
Domer und zur Poefle bes Altertbums nicht blos eine gelchrte 
Grille ift, fondern aus einem Gefühle entfpringt, das demjeni⸗ 
gen ähnlich, welches jene unvergänglichen Vorbilder ber Anmuth 
und lieblicher Ginfachheit begeifterte. 


Bei aller dieſer Anfpruchslofigkeit verweilt Hr. v. M. mit 
Wohlgefallen bei einem Worgange, den wie ihm nacherzählen 
wollen und der freitid für ihn als Archäologen um fo widhs 
tiger fein mußte, als er ihm Gelegenheit gab, das franzöfifche 
Mufeum mit einer feiner fchönften Zierden zu bereichern. Es 
ift dies die Venus von Milo, mit deren Entbedung und Er⸗ 
werbung buch unfern Neifenden es ſich, feiner eigenen Angabe 
nad, wie folgt, verhielt: Gegen Ende Februars 1820 ſtieß 
ein armer Grieche aus Milo, Namens Gorgos, als er in einem 
ber Thaͤler bes Eilandes die Erbe aufgrub, mit feinem Grab⸗ 
ſcheit gegen eine Art Länglicher Nifche, die in den Fels gehauen 
war, ber über fein Grundſtück emporragte. Bei Abräumung 
biefes kleinen Bauwerks entbedite er fünf oder ſechs Schub uns 
terbalb eine Kleine Höhlung, worin er das Bruftbild der Ve⸗ 
nus und einige andere Marmorftüde fand. Zwei Wochen fpäs 
ter entdedte er den untern Theil des nämlichen Standbildes. 
Er brachte ſogleich Alles nach feiner Hütte. Zu ber nämlidyen 
Zeit befand ſich ein franzoͤſiſches Kriegsfahrzeug, die Chevrette, 
unter ben Befehlen bes Schiffscapitains Bauthier, auf der 
Rhede von Milo; auf berfelben diente der Schiffsfaͤhnrich Dus 
mont d’Urville, fpäterhin wegen feiner Reifen um bie Welt bes 
rühmt. Gr fah die Marmorftüde und entwarf eine Zeichnung 
der Venus. Die Offiziere der Chevrette veranlaßten ben frans 
zoͤſiſchen Gonfularagenten zu Milo Schritte zu ihrem va 
gu thun. Die bdesfallfigen Unterbanblungen zogen ſich jebo 
n die Zänge und führten zu keinem Refultate. In der Zwi⸗ 
ſchenzeit hatte Dumont d’urvflle, ber Konftantinopel beräührte, um 
fih nach dem ſchwarzen Meere zu begeben, die Zeichnung ber 
kurzlich entdeckten Bildfäule Hrn. v. M. vorgewiefen, der, auf 
fein Anfuchen, von Hrn. v. Riviere die Erlaubniß erhielt, nach 
Milo überzufchiffen. Kaum war g biee angelommen, als ber 
erwähnte Gonfularagent fi am Bord feines Schiffe, die Eſtaf⸗ 


1212 


tte, begab, ihm anzugeigen,. daß nicht blos feine: Schritte 
—* geblieben, ſondern daß ein mehrer Übelthaten beſchul⸗ 
digen griechiſcher Mönch, um fh: beb feinen Vorgefegten wieder 
im-Sunft zu feßen, auf. den Gedanken verfallen 
mit der Bildfäule ein Geſchenk & machen. In ber That fei 
es-itpn auch bereits gelungen, ſich derfeiben zu bemächtigen.und 
fie an Bord eines griechifchen Fahrzeuges zu bringen, das mit 
dem erften: günftigen Winde untes Segel gehen würbe. Auf 
diefe Nachricht befahl Hr. v. M. dem Capitain der Gfaffette, 
nöthigenfans die Abreife des griechiichen Fahrzeugs zu hindern. 
Gr begab fi Hierauf zu ben Primaten der Infel und flellte 
ihnen vor, daß der franzöfifche Agent ſich zuerſt als Käufer ber 
Sildſaͤnle gemeldet, daß der Moͤnch fie dem Kinder mit Gewalt 
weggenommen und biefer allererft bei der Rückkunft bes Jahr⸗ 
eugs bezahlt werben ſolle. Alle feine Vorfiellungen blieben er⸗ 
olalos. Man antwortete ihm, ber Dragoman. bed Arfenals 
babe befohten, die Wildfäule nach Konfkantinopel zu bringen, 
worauf: die Sttzung aufgehoben wurbe, Hr. dv. M. jedoch ers 
klarte, er halte ſich noch nicht für geichlagen, fie aber würben 
im am folgenden Zage wieberfehen. 

Indeß hatte ex felber noch gar nicht die Bildfäule geſehen; 
um ſich wenigftens das Vergnügen zu verſchaffen, beftieg ex eine 
Schaluppe der Gflaffette und fuhe nach dem griechiſchen Fahr⸗ 

enge. Allein der Mönch war ihm zunorgelommen. Gomie 
ie Schaluppe Miene machte, fig gu nähern, ließ der albanefis 
ſche Capitain feine Leute unter die Waffen treten und auf bie 
franzoſiſche Schaluppe anlegen; fomit war es diefer unmöglich 
an Bord zu gelangen, Gpäterhin jebody ließ fich der Capitain, 
der feine Unvorfichtigkeit einfa, deshalb entſchuldigen, was freis 
Ir bie Angelegenheit um nichts förderte. Bolgenden Tages 
kehrte Hr. v. M. auf die Infel zurüd. Die Recht hatte gus 
ten Rath gebracht: die Primaten hatten ſich verfammelt. und 
beſchloſſen, die gange Gemeinde folle fi, an des Moͤnchs Gtelle, 
in den Beflg der Bitbfäule fegen. Dr. v. M. benugte diefe 
erſte Einraͤumung mit diplomatiſcher Gewandtheit und ants 
wortete ihnen, er ſchaͤte ſich glücklich, mit einer fo achtungs⸗ 
wardigen Koͤrperſchaft zu thun zu haben. Hiernaͤchſt ſuchte er 
ihnen begreiflich zu machen, wie unnuͤtz es ſei, ein ſolches Ge⸗ 
ſchenk tüskifchen Beamten zu machen, denen jedwede Abbildung 
des Menſchen ein Greuel fei. Endlich bringt er es durch Bitten, 
Verftellungen, Berufung auf feinen Zitel eines franzöfifchen 
Botfchoftsfecretairs und das Verfprechen, fie für ben Fall, daß 
fie beunruhigt werden follten, Eräftigft zu vertreten, dahin, daß 
es ihm gelingt, ihren Widerſtand zu bewältigen. Ex bezahlte 
dem Griechen Gorgos auf der Stelle ben bebungenen Preis unb 
noch ein Drittel darüber. ald Geſchenk; noch an dem nämlichen 
Abende lieb er nun feine Eroberung von dem albanefifchen 
Schiffe abholen und an Bord ber Eftaffette bringen, wo er bie: 
feige mit Muße bewundern konnte. So warb dieſes ſchöne 
Denkmal einer claſſiſchen Zeit Frankreichs Gipent um, wohin 
es Hr. v. Rivitre. mitnahm und es im 3. 1821 &udwig XVIIL 
überlieferte, De. v. M. aber warb bald an fein den Prima⸗ 
ten geleiftetes Verſprechen gemahnt. Der Dragoman bed Ars 
fenals,. wüthend, daß ihm die Venus entichlüpft, legte ihnen eine 
Geldſtrafe von 7000. Piafter. auf und theilte ihnen noch übers 
dies mit eigenes Hand reichliche Geißelgiebe aus. Die franzds 
fifche Geſandtſchaft indeß nahm fich ber armen Leute an; der 
Dragoman erhielt einen Verweis. und mußte bie 7000 Piafter 
urücgeben; für die Mishandlung freilich war Keine Schadlos⸗ 
—* zu erwirken. Wir verargen es Hrn. v. M. nicht, daß 
er ſich zum Ruhme anrechnet, fein Vaterland mit dieſem Mei: 
ſterwerke der Bildhauerkunft bereichert zu haben. 

Zum Schluffe erlauben wir uns noch eine Betrachtung. 
Der Orient, wie Hrn. v. M.'s „Erinnerungen“ ihn uns ſchildern, 
eriftirt nicht mehr, an deſſen Stelle ift ein weites und unglück⸗ 
liches Schlachtfeld getreten, wo fich der europäifche Ehrgeiz ein 
Stelldichein zu geben im Begriffe fleht. Die Stille, die Unbe⸗ 
weglichleit, der orientalifche Fatalismus find vor dem thätigen 


wäre, ihnen - 


und unruhigen Geiſte Europas gewichen. Auf die Erſtarrun 
von Jahrhunderten ift jent eine Bewegung ven unberechenbare 
Belange gefolgt; einerſeits ein in Ohnmacht verfuntenes Reich 
das in Todeszuckungen liegt, andererfeits ein Reich, das in ben 
Geburtewehen begriffen if; Um beide Reiche fcharen fich alle 
Kräfte der Welt, bereit feindlich gegmeinander zu floßen, vor 
der Eröffnung. des Kampfes‘ jedoch zurüdbebend, ala. ahneten 
fie die furchtbaren Folgen, bie derſelbe nach ſich ziehen Zönnte. 
Zwiſchen dem poetifchen Oriente des Hrn. v. M. und dem be 
tigen politifchen Orient iſt allerdings ein großer Unterſchied. 
Durchſtreifen wir jedoch mit unferm Verf. jene Gegenden und 
namentlid) die Infeln bes griechiichen Archipelagus, die ſchon 
bamals fi anſchickten das türkifche Joch abzuwerfen, fo dringt 
fih uns mit ihm die Wahrnehmung auf, daß, nach Allem, dies 
ſes Zoch viel milder und ertsäglicher war, als man es gemeine 
pin im Abenblande glaubt, daß aber, überhaupt genommen, 
ei den büftern Schilderungen , bie andere Reifende von ben 
mufelmännifchen Bebrüctungen ber Ehriſten jener Gegenden ent⸗ 
werfen, viel Falſches neben dem Wahren eine Stelle gefunden- 
hat, Hr. v. M. if gleihfam ber leute Europäer, der ben alten 
Drient bereifte und beſchrieb. Seine Unbefangenpeit ift kaum 
zu bezweifeln; fein Wert gewaͤhrt baber, unter mehr als einem- 
Geſichtepunkte betrachtet, ein gang vorzügliches Intereſſe. 93. 





Notiz. 


Analytifhe und ſynthetiſche Urtheile. " 
Unter den Verdienſten Kant's um bie Philofophie wurbe 
von feinen Schülern auch angeführt, daß er zuerft den wichti⸗ 
gen Unterſchied zwifchen fpnthetifchen und analptifchen Urtheilen 
gelehrt habe, Dies wurde von Wielen verneint; Einige ließen 
Kant nicht einmal das Verdienft, den Unterfchied zuerft in der 
wiſſenſchaftlichen Zerminologie , claffificirt und fyftematifirt zu 
haben. Der Sache nach findet fich dieſe Unterfeidung gewiß 
ſchon früher ; unter Anderm in folgender Stelle des ſcharffinnigen 
und geiftreichen Condillae (‚‚Langue des calculs’‘, fein nachgelaſſe⸗ 
nes Wert, gefchrieben nach allen Anzeigen ohne Bekanntſchaft 
mit Kant): Die menſchlichen Wiffenfhaften wären alfo nichts 
ald eine Reihe zwedlofer Säge? Mean hat der Mathematik 
diefen Vorwurf gemacht, aber er ift grundlod. in denkendes 
Weſen würde Feine Säge aufftellen, wenn es alles Wiffen inne 
hätte, ohne baffelbe erworben zu haben, und wenn fein Blick 
im Stande wäre, alle Ideen und alle Beziehungen Deffen, was 
da iſt, zu derfelben Zeit beutlich zu erfaffen. So ift Gott; für 
ihn iſt jede Wahrheit, wie baß zweimal zwei vier iſt; er ſieht 
alle Wahrheiten in einer einzigen und nichts mag feinen Augen 
fo zwedlos vorkommen als die Wiſſenſchaft, auf die wir ſtolz 
find, wiewol eben fie fehe geeignet iſt, uns von unferee 
Schwäche zu Überzeugen. Ein Kind, das zählen lernt, glaubt 
eine Entbedung zu machen, wenn es zum erftenmale bemerkt, 
daß zweimal zwei vier if. Es taͤuſcht fich nicht, dies iſt für 
bas Kind eine Entdedung Dies tft auch unfer Kal. Ein 
Sat kann für den Einen identiſch fein und inftructiv für einen 
Andern. „Weiß ift weiß’, iſt identifh für Jedermann und 
für Niemanden belehrend. „Die drei Winkel im Dreicd find 
zufammen zwei rechten gleich”, ift nur für Ginen, ber Geo⸗ 
metrie verfteht, identiſch. Wir dürfen darum einen Sag nicht 
für ſich ſelbſt betrachten, um zu beflimmen, ob er identiſch oder 
inftruetiv ift, fondern immer mit Bezug auf bie Erkenntniß, 
welche urtheilt. Nur eine befchränkte Erkennniß ſchafft Wiſſen⸗ 
fhaften. Kin ganzes Syſtem Tann nur eine einzige, eine 
und biefelbe Idee fein. Vermoͤchten wir es, in allen Wiſſen⸗ 
ſchaften gleichmaͤßig der natuͤrlichen Erzeugung der Ideen zu 
folgen und überall das wahre Syſtem der Gegenflände aufzu⸗ 
faffen, fo würden wir aus einer einzigen Wahrheit alle andern 
entfteben fehen, und von unferm ganzen Wiſſen fänden wie 
einen verkürzten Ausdrud in dem Ibentifchen Sage: „Gin Ding 
ift fich ſelbſt gleich.” 48, 


Verantwortliher Deraußgebers Deinrih Brodhaus — Drud und Verlag von F. %. Brodhaus in geipzig. 








Blätter 


für 


literariihe Unterhaltung. 





Dienftag, 


— Sr 301. — 


27. Dctober 1840. 











Zur Dante- Literatur. 

1. Dante Alighieri’s göttliche Komödie. Metrifch 
übertragen und mit ?ritifchen und hiftorifchen Erlaͤu⸗ 
terungen verfehen von Philalethes. Zweiter Theil. 
Das Fegefeuer. Dreöden, Arnold. 1840. Gr. 4. 
6 Thlr. 16 Gr. 

2. Die göttlihe Komödie ded Dante Alighieri. 
Metriſch uͤberſetzt nebft beigebrudtem Briginaltert 
herausgegeben von Auguft Kopifh. In Einem 
Bande. Berlin, Enslin. 1840. Schmal gr. 4. 
2 Thlr. 8 Sr. 


3. Mein Weg in Dante’s Fußſtapfen. Nah 93. 3. 
Ampere, bearbeitet von Theodor Hell. Dres⸗ 
den, Amold. 1840. Gr. 12. 18 Sr. 


Was wir nur als einen Wunfh, kaum als eine 
Hoffnung auszuſprechen wagten, als wir die zweite Auf: 
lage bes erflen Theils von Nr. 1 in Nr. 305 d. DL. f. 
41839 anzeigten, baß die Bearbeitung des „Fegefeuer“ 
der der „Hoͤlle“ bald folgen möchte, ift nicht allein früher, 
als man es unter den obmaltenden Verhältniffen hätte 
erwarten follen, in Erfüllung gegangen, fondern es ift 
auch ganz unverkennbar, daß dem hohen Verfaſſer, wie 
dem Dichter ſelbſt, dem er fein Talent und feinen Fleiß 
gewidmet, mit dem Fortgange ber Arbeit die Flügel des 
Geiſtes gewachfen find und er feine frühen Leiftungen 
in dieſem zweiten Theile um vieles übertrifft. Man fühlt 
an ber Überfegung wie am Commentar, daß er an Ein: 
fie in die Sache, an Gewandtheit des Ausdruds, wie 
an Sicherheit des Urtheild ganz augenfcheinlicy gewonnen 
bat, und mit der geößern Schwierigkeit des Verſtaͤndniſ⸗ 
ſes bat feine Kraft ſich gebt, fein Blick ſich gefchärft 
und Luft und Liebe zum Werke haben gleichmäßig zuge: 
nommen. Wie fchon die erflen Verſe des Originale: 

Per correr miglior acqua alza le vele 
Omai la navicella del mio ingegno, 
Che lascia dietro se mar si crudele: 
jedem, der unmittelbar vorher die legten Verſe des „In- 
ferno“ gelefen, einen Eindruck wie von Befreiung umd 
Erloͤſung mahen und die Heiterkeit einer mit Hoffnung 
erfüllten Seele athmen, fo auch die erften Zeilen ber 
Überfegung: 
Durch befire Flut den Lauf zu nehmen, ziehet 
Die Segel auf jetzt meines Geiſtes Schifflein, 
Dos hinter fi fo graufes Meer zurücdiäßt: 


und biefer Charakter ber Heiterkeit, Klarheit und Hoff: 
nung verleugnet fi nirgend im Berlaufe ber Arbeit. . 
Sei es, daß das Gedicht den Überfeger alfo begeifterte, 
fei es, daß er, wie uns bünft, durd Übung eine 
größere Herrfchaft über die Sprache erlangt hat, ges 
nug, die Überfegung des „Purgatorio“ übertrifft an 
Klarheit, Wohllaut und Leichtigkeit des Ausdruds die des 
„Inferno“, nady unferm Gefühl, um vieles. Sie iſt durch⸗ 
aus lesbar, verftändlich, wohllautend und hält dabei eine 
gluͤckliche Mitte zwifchen einer die Poefte beeinträchtigen: 
den Paraphrafe und einer knechtiſchen, ſich an Wort und 
Wortftelung des Originals haltenden Manier, wodurch 
meift nur ein todter Schein der Treue erzeugt, aller Ge⸗ 
nuß der Poefie und des Gedankens aber zerftört wird. 
Was undeutfeh, verfchroben, unverftändiih und hart if, 
wird uns nimmermehr den Eindrud eines echten Dichter 
werks, wie das bes Dante, geben. Was wäre bie gött: 
lichfte Symphonie, auf einem lahmen, klapprigen und 
verflimmten Inſtrumente ausgeführt? wo doch allerdings 
aud jede Mote an ihrer Stelle, nur freilich nicht mit 
bem rechten Ton und Klang wiedergegeben wären. Der 
Überfeger hat den Verſuch gemacht, die provenzalifchen 
Worte des Arnaud Daniel (XXVI, 140 fg.) in das Deutfche 
ber Nibelungen zu übertragen, wie ſchon Kannegießer 

etwas Ähnliches verfucht hatte. Wir innen nicht dark: . 
ber urtheilen, ob es gelungen iſt oder nicht, im Allgemei⸗ 

nen aber mäffen wir dem Überſetzer beipflichten, wenn er 
fagt: er habe dadurd einen Eindrud hervorbringen wol- 
len, ber dem des plöglichen Eintretens einer frembartigen, 
in Bezug auf das Übrige Gedicht gewiffermaßen antiquir⸗ 
ten Sprache ähnlich ſei. Eine neudeutfche Überfegung iſt 
übrigens für die jenes alten Idioms unkundigen Lefer 
noch beigefügt. Daß die ganze Überfegung durchaus rich⸗ 
tig und genau iſt und von Misverfländnifien und ers 
thümern bier gar nicht die Rede fein Sinne, verſteht fich, 
bei dem großen und ernften auf dieſe Arbeit verwendeten . 
Fleiß, durchaus von felbft, und wir wollen uns nicht bie 
undankbare und für die Lefer biefer Anzeige hoͤchſt uner⸗ 
quidliche Mühe geben, folbenftecherifch hier und da etwas 
anzuzweifeln, was vielleicht auch anders noch hätte aus: 
gedrücdt werden können. Nur am Schluffe des 27. Ge 
fanges find uns zwei Verſe aufgefallen, welche gegen das 
Metrum fündigen; wir wiſſen nicht, 0b aus irgend einer 


‘ 


J 


1214 


BE 
Abfichtlichkeit, oder aus einem wirklichen Betfehen, oder 


ob etwa ein Drudfehler im Spiele if. Sie lauten: 

Denn frei, gerad’ ift und gefund bein Wille jett, 
und 

Drum über dich verleih’ ich Kron und Mitra bir 
Der weitere. ee @iche :in:-- 

Sim Ari * und geſund iſt jegt dein Wille 
der letztere, nicht ohne einige Haͤrte und Undeutlichkeit, in 

Drum reich” ich über dich dir Kron' und Mitra, 
verändern. in Meines Verſehen findet fi noch III, 
61, wo es heiße: „begann mein Meifter”, ftatt: 
ſprach ich zum Meiſter. So viel von ber Überfegung, 
welche fich unbedenklich dem Beſten, was in bdiefer Art ge: 
leiftet worden, an die Seite flellen darf. 

Einen fehr wichtigen Theil dieſes Werks machen die 
Eritifchen und biftorifchen Erläuterungen aus, deren Art 
und Weiſe allerdings ſchon aus dem erften Bande bekannt 
ift, von denen aber ganz vorzüglich gerühmt werben muß, 
daß fie an Sicherheit des Taktes, an Gründlichkeit und 
Fleiß der Arbeit die des erften Bandes um vieles über: 
treffen, obwol gerade die Erläuterung des „Fegefeuer“, 
und namentlich der legten Gefänge beffelben für den In: 
terpreten vielleicht „die fchmwierigfte und bisher von Nie: 
manden vollftändig und befriedigend gelöfte Aufgabe fein 
möchte. Einen durchaus vollftändigen Gommentar zu 
liefern, in welchem dann auch vor allen Dingen die un: 
endlich ſchwierige Feſtſtellung bes Textes hätte verfucht 
und bie vielen abweichenden Meinungen älterer und neue: 
ree Sommentaren Über unzählige Stellen hätten befpro: 
chen werden müffen, lag nicht im Plane des Verfaſſers. 
Die philologifhe Seite einer folchen Arbeit fcheint ihn 
überhaupt tveniger anzufprehen. Er hat feinen Fleiß, 
feine Studien und feinen Scarffinn vorzüglich auf drei 
Häuptgegenflände gerichtet: auf die gründliche Erklärung 
der oft fo verftecten und ſchwer auszumittelnden hiſtori⸗ 
ſchen Beziehungen; auf bie genauefte Seftftellung der Chro: 
nologie und der aſtronomiſchen Beſtimmungen des Ge: 
dichts, und vorzüglich auf die gründliche Erläuterung ber 
phlloſophiſchen und theologifhen Anfhauungen des Did: 
ters; und .diefe Aufgabe hat er ohne Vergleich beffer und 
gruͤndlicher als irgend einer feiner Vorgänger geloͤſt. Gel: 
ten mır, und nur bei den allerſchwierigſten Stellen find 
auch wol abweichende Anfichten Anderer erwähnt und be: 
fprochen; gewöhnlich begnügt fi der Verfaffer feine An: 
ficht durch die ‚Überfegung ſelbſt deutfih und beſtimmt 
auszufprechen, und, man verzeihe uns den Schein ber 
Eitelkeit, ber in diefem Geftändniffe legt, mit unendlich 
wenig Ausnahmen haben wir und gefreut, unfere eigene 
Anfiche mit der des Überfegers in Einklang zu finden; 
wogegen wir auch ebenfo aufrichtig geftehen, daß wir fehr 
viel aus diefem Commentar für das Verftändnig nament: 
lich theolögifcher Punkte gelernt haben. Won dem Fleiße, 
welcher auf die biflorifchen Unterfuchungen verwendet wor: 
den, geben vorzüglich Zeugniß die Erläuterungen zu Gef. 
Vu.VI, zu der Sefchichte Trajan's, zu der wunderlichen 


Sage, daß die Capets von einem parifer Sleifcher ab: 


flammten u. f. w. Ein Nadıtrag von hiftorifchen Erst: 


terungen beweiſt, wie der Verf. ſein Werk und die dar 
auf bezüglihen Studien nie aus ben Augen verliert. 
Was wir aber als ben wahren Glanzpunkt dieſes Com⸗ 
mentars betrachten, find bie philofophifhen und theolos 
allen Erläutermagen. Der Verf. hat fih die Mühe 
nicht verdrießen laſſen, die Werke des Thomas von Aquine 
eifrig zu fludiren, und iſt dadurch In den Stand gefegt 
worden, gerade die ſchwierigſten Geſaͤnge XVI — XVII 
mit überrafhender Deutlichkeit zu erläutern, und zum 
beſſern Verſtaͤndniß der ganzen Seelenlehre bes Dante hat 
er noch überdies eine hoͤchſt dankenswerthe Darftellung 
der Pfnchologie des Thomas von Aquino am Schluffe des 
18. Geſanges gegeben. Ebenfo fegt ihn feine Kenntniß 
ber heiligen Schrift und der kirchlichen Lehren, Traditio— 
nen und Gebräuche feiner, der Eatholifchen, Kirche in den 
Stand, mit großer Sicherheit nicht allein die vielen auf 
kirchliche Gefänge und Ceremonien bezügliche Stellen zu 
erläutern, fondern vor allem auch die fo überaus ſchwie⸗ 
tige und viel beftrittene Deutung ber großen Viſlonen in 
den legten Geſaͤngen feftzuftellen: gerade in diefen fo wich⸗ 
tigen Punkten ift er unter allen bisherigen Commentatos 
ven mol der fiherfte Fuͤhrer. Kine einfache, Mare und 
präcife Sprache, die ſich burchaus ferne hält von hochtra⸗ 
benden und hohlen Phrafen, iſt ebenfalls kein geringes 
Verdienſt diefes Commentars, an welchen wir hoͤchſtens 
das zu tadeln wüßten, daß er fi) mitunter auf allzu 
befannte mythologifche Erklärungen einläßt. 

Nicht der hohe Stand des Verf., der uns, wenn das 
Merk fchlecht wäre, höchftens zum Schweigen, niemals aber 


zur Schmeichelei und zur Lüge hätte Veranlaffung geben koͤn⸗ 


nen, fondern die billige Ruͤckſicht auf die Lefer d. Bl., unter 
weichen fih doch wol nur wenige finden möchten, welche 
an allzu fpeciellen Erörterungen Freude haben koͤnnten, 


hält uns ab von einigen Punkten zu reden, im welchen _ 


wir nicht mit dem Verf. einverftanden find; wobei wir 
aber, zur Steuer der Wahrheit, nocd bemerken müffen, 
daß fie weder fehr erhebliche Dinge betreffen, noch auch 
von der Art find, daß wir unfere Meinung ohne Weite: 


res für die allein richtige ausgeben möchten. An Deud: 
fehlern find uns allerdings, und befonder6 in den Eigen: 


namen, mehre aufgeftoßen; als finnentftellend find uns 
aufgefallen: S. 293, Note 3 „des Himmels, der Fir 
fern”, flatt: des Himmels ber Firfterne. S. 303, V. 71 
„Bieneih””, ſtatt Steineich’; eben da Note 5: „Übelfland” 
ft. Unbeftand. ©. 305 ift Vers 94 ald Rede ber Mathilde 


bezeichnet, was er niche iſt. Als Bierden dieſes Bandes 


dienen eine Zeichnung von Retzſch auf dem Umfchlage, 
ein Zitellupfer von Heß, bie Ankunft ber Seelen im 
Purgatorio barftellend, eine fchöne Karte von einem Theile 
von Toscana und ein von einer genauen Erläuterung 
begleiteter Plan des Purgatorio. 

Ganz anders ift uns beim Durchlefen von Nr. 2 zu 


Muthe geworden. Kine Anzeige des erften Heftes biefer 


Überfegung in der ‚Allgemeinen Literaturzeitung” hatte 
gelobt, was nur irgend an der Arbeit zu loben war, und 
hoͤchſt fchonend auf die Mängel der Überfegung und des 
Commentars hingemwiefen. Die Hoffnung, daß der Hr. 











1215 


Berfaſſer dadurch zu größerem Fleiße und grünblicherer 
Behandlung feines Dichters möchte bewogen werden, ift 
aber Teider nicht in Erfällung gegangen, vielmehr fcheint 
es beinahe, als ob er, je mehr er fih dem Ende feiner 
Arbeit nahete, um fo mehr, von Ungeduld ergriffen, die 
Überfegung wie aus dem Ärmel gefchüttelt habe, mas 
denn die aͤrgſten Misverftändniffe und Sinnentftellungen 
weranlaßt bat, die und noch jemals in einem ähnlichen 
Werke vorgelommen find. Alte Fehler, welche an dem 
erften Hefte geritgt wurden, find treulich beibehalten wor: 
ben, und von dem Fleiße, womit anfängfidy ein enges 
Anfchliegen an das Driginal in Ausdrud und Wortſtel⸗ 
kung erſtrebt wurde, iſt in den legten Theilen der Über: 
ſezung kaum eine Spur mehr zu finden. Alles, Über: 
fesung und Commentar, trägt die unverfennbarften Spu⸗ 
ven einer ganz unerlaubten Fluͤchtigkeit und Übereilung. 
Um diefe harten Vorwürfe zu rechtfertigen und unfere 
ſchwere Anklage zu bemeifen, führen wir aus einigen Ge: 
fingen des „‚Paradiefes‘ folgende beinahe unglaubliche Über: 
fegungsfehler an. Gef. III, Vers 40: Grazioso mi fıa 
se wi contenti Del tuo nome, „Du wirft mir gnädig 
fein, wenn deines Namens Du mir gendgft”, flatt: Es 
wird mie angenehm fein, wenn du mich mit deinem Na: 
wien erfreuſt. Ebendafelbft V. 46: lo fui nel mondo 
vergine sorella, „Als Jungfrau war ich auf der Erbe 
Schweſter“, flatt: In den Melt war ich eine Kofler: 
jungfeau. Gef. V, V. 51: Mostrando come spira e 
eome figlia, „Schaun laffend, wie er Odem gibt und 
ſchaffet“, ſtatt: mie er hauchet und wie er erzeugt,. mit 
der deutlichften Anfpielung auf die Erzeugung ded Soh⸗ 
nes und das Ausgehen bed heiligen Geiftes, die aber 
dem ÜÜberfeger nicht eingefallen fein muß. Gef. XI, 
B. 61 —63: . 

Poichè le sponsalizie fur compiute 

Al sacro fonte intra lui e la fede 

U’ si dottar di mutua salute,. 


Es ift die Rede von Dem, was bei ber Taufe des heil. 
Dominicus ſich zugerragen. Hr. Kopiſch überfegt: 

Als die Vermählungen (die Vermaͤhlung) vollſtrecket worben 

Am heil'gen Borne zwiſchen ibm und Glauben, 

Wo mit verfhwiegnem Heil fie ſich beſchenkten. 
Der Überfeger verwechfelt muto, ſtumm, verfchtwiegen, mit 
mutuo, gegenfeitig; denn mit gegenfeitigem Helle beſchenk⸗ 
sen. fie fih, fagt Dante %. 64 La donana che per lui 
Yassenzo diede, „Er fah die Frau, die für ihn gab den 
Weihrauch“, ſtatt: die an ber Stelle des Täuflings 
das Ya, das Gelübde bes Glaubens ablegte. Doch e6 
kommt noch befier. 

Geſ. XV, V. 124. Der Dichter rühmt die Sitten 
der Frauen in einer guten alten Zeit und ſagt: L'altra 
traendo alla rocea la chioma, „Und eine andre, die 
das Haar zum Thurm zog“, ſtatt: die das Haar 
vom Noden zog, d. h. auf deutſch: die da fpannz 
und damit wir biefen unerhörten Ausdrud verftchen, wird 
in einer Anmerkung davon als von einem bekannten 
Spruͤchworte geredet. „Ein Spinnftubenausdrud”, heißt 
es, „Für munteres Spinnen, wobei der Faden fo hoch aus: 
gezupft wird, ald der Arm reicht. Bel Schilderung ber 


häuslichen Freuden zeigt ein ſoſvolksthümlicher Aus—⸗ 
druck den mit ganzer Seele empfindenden Dichter.” Schade 
nur, daß diefer gemüchliche Scherz des Dichters einzig und 
allein auf der Zerſtreuung des Überfegers beruht, welcher 
rocca troden für Ihurm genommen hat, was es nie 
bedeutet. Gef. XVI, 8. 101 — 102: 


ed avea Galigajo 
Dorata in cava sun giä l’elso e pomoe. 


And Galigajo hatte ’ 
Maulbeer und Apfel fchon im Haus vergoldet. - 

Wir möchten wol fragen, ob irgend ein Menfch auf 
Erden ſich bei diefen finnfofen Worten: irgend etwas den⸗ 
ten tönnte, und begreifen nicht, wie ber lüberfeger nicht 
felbft bemerkt, daß er etwas rein Unfinmiges niederfchrieh, 
was ihn doc, hätte veranlaffen müflen den erften beſten 
Commentar nachzuſchlagen, wo er denn gefunden hätte, 
das elsa das Stichblatt des Degens und pome oder pomo 
der Degentnopf, beides zuſammen aber ein vergolbetes 
Degengefäß, oder das Zeichen der vitterlihen Würde ber 
deuten fol. Aber freilich gelso heißt der Maulbeerbaum, 
und das muß der flüchtige Überſetzer wol gelefen: haben, 
ohne fich zu bekuͤmmern, ob irgend ein Sinn dabei heraus: 
tomme. : Gef. XVII, ®. 88: 


Mostrarsi dunque in' cinque volte sette 
Vocali e consenanti, 


Die ‚Seligen, welche im Planeten Jupiter fich zeigen, ges 
ftalten ſich als leuchtende Weſen abwechfelnd in bie Buchs ' 
ftaben, welche den Sag Diligite justitiam qui judieatis 
terram bilden; dies drüdet der Dichter einfach und klar 
aus: Sie zeigten fi alfo, fagt er, in 5 mal 7, 0b. h. 
35 Vocale und Gonfonanten. : Der überſetzer aber fagt: 

In fünf Umſchwüngen zeigten fo fich fieben 

Vocal’ und Gonfonanten, 
was höchftens bei der allergutmüthigften Exegeſe beißen 
tann: indem fie ſich fünf Mal umfchwangen, zeigten fie 
jedesmal fieben Vocale und Gonfonanten, was aber durch⸗ 
aus nicht die Meinung des Dichters iſt; der bes Sta: 
lieniſchen untundige Leſer kann aber offenbar aus jenen 


1 Worten nur entnehmen, daß in allem nur fieben Vocale 


und Confonanten gebildet wurden. Gef. XIX, V. 40: 


Colui che volse il sesto 
Allo stremo del mondo 


welches. in einen: etwas umfchreibenden Überfegung heißt: 
Derjenige (Bott nämlich), welcher mit: dem Cirkel bie 
Grenzen. des Univerfums umfchrieb. Was hat unfer liber: 
feger daraus gemadt? - 
: Der, welcher den Magnet Tehrt 
Zum End’ ber Welt “ ’ 
und dazu die erbauliche Bemerkung: „Der Magnet, deſſen 
Richtung Gott geordnet, beutet wieder auf den Trieb ber 
Weſen, der nach Gott hinmelfl, der aller Dinge Anfang 
und Ende if.” Mie in aller Welt, fragt des Lefer, iſt 
der Überſetzer auf eine fo ganz falfche Fährte gerathen? 
Sanz einfach: er kannte das Wort sesto nicht, ſchlug 
nad und fand: compasso; nun, das iſt ja der Compaß, 
alfo die Magnetnabel! Die andere Bedeutung von com- 
passo, Cirkel, fiel ihm ‚nicht bei, und: in einem Com: 
mentar oder einer Überſetzung nachzuſchlagen, dazu fehlte 
e8 an Zeit. Doch, ich denke unfere Lefer haben genug 


1216 


— 


an dieſen augenſcheinlichen Beweiſen einer beiſpielloſen 
Fluͤchtigkeit, deren wir noch Ähnliche, wenn auch nicht 
ganz fo arge, zu Dutzenden anführen koͤnnten. Waͤre 
das Gedicht des Dante foeben erft entdedt worden und 
Hr. Kopiſch hätte in ber erften Freude über die große 
Entdeckung feiner Ungeduld, fie den Deutſchen mitzuthel: 
Ien, keinen Zügel anlegen koͤnnen, fo wären auch dann 
noch ſolche Misverftändnifie kaum zu entfhuldigen; wie 
aber jegt, wo es der Überfegungen in mehren Sprachen 
Dugende gibt und der fehlechtefte italienifche Commentar 
mehr als gnuͤgend iſt ſolche Verftöße zu vermeiden! Wir 
haben mit mehren Freunden oft herzlich bei diefer Über: 
fegung gelacht, aber der Leute Eindrud iſt doch ein be 
trübender geblieben, ba man in Deutfchland fo etwas 
der gelehrten Welt zu bieten wagt. | 

Auf den Commentar und auf die vielen neu und tieffin- 
nig feinfollenden Auslegungen des Verfaffers einzugehen, ba: 
ben mir für diesmal feine Luft, und fparen unfer Urtheil dar: 
über bis auf die Zeit, wo bie von dem Verfaſſer verfproche- 
nen großen Abhandlungen Uber den Dante werden erfchies 
nen fein, und wo feine Anfichten fih im Zufammenhange 
vielleicht befier ausnehmen werden, als fie jest in dem 
zerfplitterten Notenzuftande erfcheinen. Möge ihn ber 
Seift Dante's nur auch vor foldhen Fluͤchtigkeiten bewah⸗ 
ven, wie fie bier in bedeutender Zahl ſich zeigen; wie, 
wenn Antander zu einem Fluſſe bei Zroja gemacht wird 
(wohlverftanden, daß es kein Drudfehler etwa für Sta: 
mander fein kann, fondern eine reine Gedankenloſigkeit 
it), oder wenn aus einem Erzbiſchof von Canterbury 
einer von Konturbia gemacht wird, wenn, flatt Artus, 
Arrius gefchrieben wird; möge eben biefer Geift ihn 
vor fo geſchmackloſem Zieffinn behüten, wie wenn er die 
santa mola, ben heiligen Mühlftein, oder den vollen, 
erfüllten Kreis, welchen die leuchtenden Geifter bilden, 
alfo erklärt: „Das Rad wird von, dem Kreife ber heiligen 
Lehrer gebildet, welche den Menſchen die himmliſche Frucht, 
ben geiftigen Weizen, gleihfam mahlen, baß er für fie 
genießbares heiliges Brot werde.” ine ganz neue Be: 
fhäftigung für die Seligen im Parabiefe. 

Der Name Ampere hat fonft einen guten Klang, 
auch in Deutfchland, hier aber haben wir es in Nr. 3 
nur mit einer etwas flüchtig hingeworfenen Reiſeſkizze zu 
tbun. Hr. Ampere ift nämlich, wie er verfichert, aus: 
druͤcklich zwei Mal nad Stalien gereift, um alle die Orte 
zu befuchen, welche Dante in feinem Gedichte erwähnt. 
Der Gedanke ift gewiß kein unglüdticher; nur wäre frei: 
lic zu wünfchen gewefen, daß Hr. Ampere etwas gruͤnd⸗ 
licher vorbereitet an die Ausführung gegangen wäre. So 
aber gibt er uns nur das Allerbefannteite und verräth 
nur allzu oft eine ziemlich oberflächliche Bekanntfchaft mit 
ber „‚Divina commedia” und den Schidfalen des Dichters. 
Mir erhalten bier nur die Wiederholung aller der jäm- 
merlichen Redereien über die Liebfchaften Dante's; Fran- 
cedca da Polenta ift ihm noch immer die Tochter des 
Beſchuͤtzers Dante’s u. f. w., uͤberall folgt er der Heer: 
fraße der gewöhnlichen Meinungen; eigene Unterfuchun: 


gen bat er nicht angeftellt und nirgend erfahren wir 
ducch ihn etwas Neues. Wie es ſich mit der Bearbeis 


tung de6 Hrn. Th. Hell verbalte, koͤnnen wir, ba uns 


das Original unbekannt iſt, nicht beurtheilen. Manche 
Verfehen, wie, wenn gefagt wird ©. 23, die Benda fei 
eine Kopfzierbe für junge Mädchen, ba fie body im Ge: 
gentheil das Abzeichen verheiratheter Srauen und Witwen 
war; Mohammed erfcheine mit dem Kopfe auf dem Rüden 
gedreht; oder wenn von dem Laufen Brunetto Latini’e, 
um feine Leidensgefährten wieder einzuholen, welches ber 
Dichter mit dem Wettrennen balbnadter Bauern vergleiche, 
behauptet wird: es folle damit die flolze Stellung bes 
Brunetto Latini gefchildert werben — find wol Sünden des 
Hrn. Ampere; aber auf Rechnung bes Hın. Th. Heu 
kommen boch ohne Zweifel die vielen Fehler in Citaten, 
Fahreszahlen und in der Rechtfchreibung: wie Antheus, 
Hypolyt, Hieron ikon und dergleichen mehr, was Leiche 
zu berichtigen war. Auf feine Rechnung wird er auch 
wol die gemeine Beredtſamkeit für „De vulgari 
eloquentia‘’’ nehmen müffen und bie alten patres, was 
Kirchenvaͤter heißen fol. Vor allen Dingen aber ift «x 
dem edeln Philalethes eine Abbitte fchuldig, daB er im 
einer Note fagt: er citire nach deſſen trefflicher Überfegung, 
was nur von der „Hölle gilt, während er mehre Stellen 
aus dem „‚Segefeuer” und dem „Paradieſe“ entweder 
nad) Ampere oder auf eigene Hand, auf jeden Fall aber 
hoͤchſt fehlerhaft uͤberſetzt. 100. 





Notiz. 


ab, Strahl erzählt in ſeiner Reiſebeſchreibung „Das alte 
und das neue Griechenland” (Wien 1840) folgende, ihm 
von dem Amerikaner Hill, dem Director einer in Athen 
beſtehenden Schule, mitgetheilte Anekdote von einem feiner 
Schüler. Diefer Knabe, ein Sohn des bekannten Kapitanos 
Vaſſos, fah eines Tages feinen Vater in ber gewöhnlichen Kleis 
dung der Kranken (d. i. der Europäer); er war darüber fo bes 
troffen, daß er nicht eher ein Wort mit ihm ſprach, als bis 
er biefe- Kleidung abgelegt hatte, indem er binzufügte: er koͤnne 
ihn nicht als feinen Water ertennen, wenn er fo gekleidet eins 
herginge. „Wenn alle Knaben in Griechenland fo denken“, 
fegt wahrfcheinlih Strahl, ber übrigens in den Jahren 1834 
und 1855 in Griechenland war, hinzu, „wie ber kleine feches 
jährige Vaſſos, ber ſtets in ber vollen, glänzenden Tracht der 
Pallikaren, mit Piflolen und Yatagan im Gürtel, einherftols 
ist, fo ift wenig Hoffnung vorhanden, daß bie Griechen ihre 

ationaltradht ablegen werben.” Bedarf es denn biefes letzt 

um die Griechen der Givilifation zuzuführen? Wäre wirkti 
die Nationaltradht bei den Griechen — nicht blos inſofern, als 
biefelben ohne Weiteres und lediglich nach Belieben bewaffnet 
einhergehen — ein folddes Hindernig? Man bat den Griechen 
viel genommen, obgleih man ihnen auch viel gegeben hat; 
will man nun aber, eben bes lestern wegen, auch die Nationale 
tracht, die zwar an fih noch Fein Glück iſt imd kein Süd 
gibt, wenn die Griechen fie nun einmal beibehalten wollen, 
ihnen verübeln, ihnen nehmen? Gibt etwa der fränkifche Frack 
und der Filzhut, flatt der Kuftanella und des Fes gegrünbetern 
Anſpruch auf politifches Gluͤck und intellectuelle Bildung ; ma⸗ 
hen vielleicht nur jene ber Freiheit würdig und zu den Wohl: 
thaten der Givilifation gefhidt? Die Gefchichte und die Phi⸗— 
lofophie dürften keineswegs geneigt fein, diefe Kragen fo ohne 
Weiteres zu bejahen ! 17. 





Berantwortliher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. 4. Brodhauß in Leipzig. 





Bläfter 


für 


kiterarifhe Unterhaltu ng; 





— Wr: 





Bermifchte Schriften, großentheild apologetifchen Ins 
halte, von A. Zholud. Erfter und zweiter Theil. 
Hamburg, 5. Perthes. 1839. Gr. 8. 4 Thlr. 


Wenn eine tiefer. eingehende Kritik diefes gelehrten Were 


kes andern fireng wiſſenſchaftlichen Zeitfchriften uͤberlaſſen 


bleibt, fo ift es doch fehr geeignet, auch in d. Bl. befpro= 
hen zu werden, weil Inhalt und Behandlungsweife eine 
lebhafte Theilnahme gebildeter Lefer erwarten laffen. Wie 
bei alles vorwaltenden Hinneigung zu den materiellen In⸗ 
terefien und zu ſinnlichem Lebensgenuß dennod ein geis 
ſtiges Leben in unſerer Zeit Überall fich vegt, fo zeigt fich 
auch eine emeute allgemeinere Empfänglichkeit für die res 
ligiöfen Angelegenheiten der Menfchheit überhaupt und für 
das Chriftenehum insbefondere, und felbft die mannichfa: 
chen theofogifchen und kitchlichen Wirren der Gegenwart 
haben diefe Empfänglichkeit eher gemehrt als vermindert. 
Es mag mol mander Schwache irre werden und Mm: 
cher eine Entfehuldigung feines Unglaubens, feiner Gleich: 
guͤltigkeit gegen Predigt und Cultus in ber gemeinen Ans 
fiht finden, daß, da die Theologen, die doch von Amtes 
und Berufsiwegen mit Glaubensſachen ſich befchäftigen, und, 


menn überhaupt barüber ſich etwas feftftellen ließe, mit ſich 


feibft und untereinander aufs Reine kommen müßten, ſelbſt 
fo uneinig und zwietraͤchtig find, zum Theil in ganz ent 
ſchiedenen Gegenfägen ſich bewegen, überhaupt keine Wahı- 
heit feftftehe, und dag man daher am beflen thue, wenn 
man die Sache dahingeftellt: fein laffe, ohne ſich darüber 
ben Kopf zu zerbrechen und das Herz zu beunruhigen. 
Das ſcheint ſehr bequem, erweiſt fich aber als hoͤchſt ums 
bequem und troftlo® (mie es geiſtlos iſt), wenn die wich: 
tigſten Lebensfragen unabmeisbar fid) aufbringen und eine 


Antwort heifchen, die mit Gruͤndlichkeit und Klarheit auf: 


die Dauer befriedige. Man kann am menigften jetzt, da 
die kirchlichen Streitigkeiten tief ins Leben eingreifen und 
alle Verhaͤltniſſe berühren, auf dem Standpunkte eines 
geiftesträgen Indifferentismus mit Ruhe und mit Ehren 
ſich behaupten, und wer andy nur auf den Rang eines 
gebildeten Menſchen Anſpruch macht, fieht fich uͤberall vers 


anlaßt, aufgefodert, gedrungen, von Dem, was fo viele‘ 


Gemüther bewegt, Kunde zu nehmen und fich ſelbſt zu 
einer heilen Anſicht durchzuarbeiten. Zwar wird in mans 
chen Kreifen der fogenannten gebildeten Geſellſchaft, mit 
einer unglaublich faben und bornirten Oberflächlichkeit über 


Gegenftände, welche die tiefften Beduͤrfniſſe und heiligſten 
Angelegenheiten des Menfchen betreffen, gefafelt und ges 
ſchauſpielt; wer fi) aber deſſen ſchaͤmt und ſich nicht ge 
nügen laſſen mag an leerem Gefchwäg, den würde, auch. 
wenn ein tiefered Sehnen nah Licht in ihm noch nicht 
erwacht wäre, fhon die Bewegung im Öffentlichen Leben 
mahnen, ſich mit Gegenfländen zu befaffen, die bisher viel- 
leicht feiner Sorfhung und Betrachtung ferner flanben. 

Um fo willlommener muß eine Sammlung von Schrifs 
ten fein, die nicht blos auf das theologifche, uͤberhaupt 
nicht blos auf: das gelehrte Publicum, fondern. auf einen 
weitern Kreis gebildeter Lefer und Leferinnen berechnet, 
reiche Belehrung verfprechen und, wie fie als „großentheils 
apologetifchen Inhalts” fi ankündigen, gerade jegt dem⸗ 
Bedürfnig und dem Wunfche Vieler, über die Wahrheit: 
und Goͤttlichkeit und über die mwelthiftorifhe Bedeutung des 
Chriſtenthums fid zu verfiändigen,, entgegenfommen. 

Der geiftreiche und gelehrte Hr. Verf. ift bekannt: ges. 
nug, verfchrien und gefeiert, wie denn in unferer Zeit je⸗ 
der namhafte Theolog von entfchiedener. Denkart und Ge⸗— 
finaung beides zugleich fein wird und unvermeidlich durch 
böfe und gute Gerüchte hindurchgehen muß. Es iſt unter 
ben Theologen unferer Zeit fo viel feindfelige Parteiung, 
daß: gerade der, welchen bie Einen bis zu ben Wolkem 
erheben, von den Andern moͤglichſt tief: erniedrigt und geae 
fteinigt oder mit Koch bemorfen wird, und es gehört in 
befondere zu den Strategemen. einee mit der legten Kraft⸗ 
anfteengung -für ihren leichterworbemen Ruhm umd ihe vers 
faltendes Reich Eämpfenden Schule, gerade die tüchtigflew 
und ausgezeichnetiten Gegner. dergeflalt zu ſchuuͤhen, daß 
Niemand ſich verſucht fiihlen möchte, fie aus ihren Mer: 
ten kennen zu lernen. Wer niche zu jener Fahne fchihörs,: 
dee iſt, wenn nicht eim Heuchles, ein Unwihlender und wich‘ 


mit Ehrentiteln bedacht, die ebenfo wenig von wifienfchaft- 


licher wie von veligisfer Bildung Zeugniß ablegen. Schmäs 
bungen ſind auch Den. Dr. Tholuck in reihem Maße ge⸗ 
fpendet woeden, und es iſt um ſo nöthiger, Denen, welche: 
ihn noch nicht aus feinen Schriften kennen, zu fagen;' 
daß fie durch das: gefliffentlich gegen ihn verbweitete Vor⸗ 
ustheit ſich nicht. irre machen Laffen dürfen... Er bebennt 
fi: allerdings — pure et sincere — zum evangeliſchen 
Stauben, aber 6 ift ihm um bioße Erneuung altdegnsan 
tiſchet und ſcholaſtiſcher Kommen, ober um Burkdfühnung 


1218 


zur Wuͤſte verälteter Polemik fo wenig zu thun, baß bie 
Männer der firicteen Obfervanz ihn kaum als einen ber 
Ihrigen anerkennen mögen. Denn tie Reinhard zu ſei⸗ 
ner Zeit al hyperorthodox verfchrien war und jegt Man⸗ 
chem als viel zu wenig orthobor erfcheint, fo wird beides 
zugleich auch dem Herausgeber des „Literariſchen Anzeigers“ 
Schuld gegeben, und zwar beides mit Recht, je nad) dem 
Standpunkte der Ultras auf beiden Seiten. Selbſt Un: 
befangenere mögen fi nicht bergen, daß er in neuerer 
Zeit, insbefondere in der übrigens trefflichen Schrift: „Die 
Glaubwürdigkeit der evangelifhen Gefchichte”, faſt allzu ver⸗ 
mittelnd den Gegnern ſich genähert und ihnen mehr nach: 
gegeben hat, als nad) der Confequenz des Glaubens und 
dee Wiſſenſchaft zuläffig fein kann. Um fo weniger darf 
man fürchten, hier etwas Überfpanntes, Weraltetes ober 
Einfeitiges zu finden. 

Die meiften ber in dem erjten Theil enthaltenen 
Auffäge waren ſchon früher gedrudt, insbefondere in bem 
‚„‚Kiterarifchen Anzeiger” und verdienen eine weitere Ver⸗ 
breitung. Der Hr. Verf. verfichert, daß faft alle Nach: 
befferung und Vervollſtaͤndigung erhalten haben, wie man 
es von einem Schriftfteller, dem es ebenfo fehr um bie 
Gegenftände feiner Forſchung und um eine nachhaltige 
Wirkfamkeit, wie um das Vertrauen des Publicums zu 
thun iſt, erwarten darf. Um fo mehr befrembdet es, menn 
er in der Vorrede erklärt, Daß er dennoch nicht Alles, was 
in diefen Auffägen gefagt iſt, gegenwärtig vertreten koͤnne. 
Denn wenn és wahr ift, daß er „über manche Punkte 
ſich jegt anders erklären würde”, fo mar er es in jedem 
Sal der Sache, fich felbft und den Lefern fchuldig, feine 
neuefte Anficht wenigſtens in Anmerkungen beizufügen, min: 
deftens anzudeuten. Wer kann nun wiffen, was der Verf. 
jegt von den Gegenſtaͤnden, die er beſpricht, meint, ober 
worin er feine Anficht geändert hat, was das Ergebniß 
feiner neueften Sorfhungen ift, das man doch in feiner 
neueften Schrift billig erwartet? Kür Das, was er jegt 
drucken laͤßt, iſt er in jedem Fall auch jetzt verantwort: 
üb, und man fodert mit Recht, daB er, weil er es ber 
abermaligen Mittheilumg werth geachtet, auch dafür Rede 
ſtehe. Mancher Lefer wird dem Buche nach jener Erklaͤ⸗ 
sung weniger Vertrauen ſchenken, als es werth ift. 

Um einigermaßen anfchaulich zu machen, welche reiche 
Gabe hier dargeboten wird, deuten wir den Inhalt der 
einzelnen Auffäge in gedrängter Überficht an. 

L „Die Wunder Mohammed’s und der Charakter die⸗ 
ſes Religionsftifters.” Das mohlbegründete Ergebniß ift: 
Mohammed ift von feinen Zeitgenoffen aufgefodert worden, 
Wunder zu thun, und bat fi für unfähig dazu erklaͤrt. 
Mehre Stellen bed Koran bezeugen, daß er es ablehnte, 
auf ſolche Weife ſich zu beglaubigen, und wenn man bies 
fen Beugniffen gegenüber dennoch fpäter Wunder ihm ans 
bichtete, fo bezog man ſich auf andere Stellen, in welchen 
von „Zeichen die Rebe ift, womit aber nicht eigentliche 
Wunder, fondern provibentielle Erlebniſſe des merkwuͤrdi⸗ 
gen. Mannes oder Ausfprüche des Koran gemeint find. 
Alle jene Wundererzählungen find aus Quellm entlehnt, 
die mindeftens 200 Jahre jünger find als die Hedſchra. 


Ob Mohammed felbft leſen und ſchreiben konnte, ift min 
deftens zweifelhaft, gewiß aber, daß feine Ausfpräche, ver: 
einzelt aufgefchrieben, erft 10 Jahre nach feinem Tode ge 
fammelt und zufammmengeftelt wurden, nody viel fpäter die 
Zraditionen von feinen Thaten und Werfen — 150 und 
zum Theil 1000 Jahre nad feinem Tode. Mas aber 
MWunderbares von ihm erzählt wird, nicht als feine That, 
fondern an ihm und mit ihm gefchehen, das gehört, wie 
die Sage von feiner naͤchtlichen Wanderung aus Mekka 
nach dem Xempel von Serufalem, in das Gebiet der 
Viſion. 

Was den Charakter des Pſeudopropheten betrifft, ſo 
thut Hr. Dr. Tholuck, alle Gruͤnde, die fuͤr und gegen ſeine 
Anſicht ſprechen, hervorhebend, mit uͤberzeugender Klarheit 
dar, daß gemiſchte Motive und Zuſtaͤnde in ihm vormals 
teten, und daß man ebenſowol feine mit Selbfttäufchung 
und dem Wahn einer göttlihen Berufung verbundene 
Schmwärmerei, als abfichtliche Taͤuſchung und prämeditirten 
Betrug aus feinen Reden und Handlungen folgern muß. 

II. „Über die Wunder in dee Eatholifhen Kirche und 
insbefondere über das Verhaͤltniß diefer und der biblifchen 
Wunder zu den Erfcheinungen des Magnetismus und 
Somnambulismus.” Ein fehr anziehender und reichhal⸗ 
tiger Auffag, der über die fraglichen Gegenftände viel Licht 
verbreitet und mit Löblicher Unbefangenheit fie behandelt. 

1) Fortdauer der Wundergabe nad) dem Abtreten der 
Apoftel. 

Es erfcheint Ehriſtus nicht wie bie Sonne ber tropifchen 
Länder, bie ohne Morgenroth aufgeht und ohne Abenbroth un= 
tergebt, fondern wie Iahrtaufende bie Weiffagung Ihm vorans 
geht, To geht das Wunder Ihm nad, und bie Kräfte, welche 
er zuerſt gewedt bat, find noch eine Zeitlang in größerm oder 
geringerm Maße thätig. Bis in das 8. Jahrhundert haben 
wir glaubwürbige Zeugniffe einer Fortwirkung der wunderbaren 
Kräfte, die in der erſten Gemeinde thätig gewefen waren. 

2) Gründe für das Verfhwinden der Wunderkraft feit 
ber zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts. — Deutliche Zeug: 
niffe der Kirchenväter fprechen bafür, daß bie Wundergabe 
in der chriftlichen Kirche zwar aus ber apoftolifchen Zeic 
in die fpätere berüberreichte, aber allmälig abnahm. Diefe 
Thatfache, die Abnahme der Wunderkraft, ift hiftorifch nach⸗ 
gewiefen; wer aber duch die Überfchrift füch berechtigt hielt, 
auh Gründe für diefe Erfheinung, die Urfachen 
folder Abnahme hier entwidelt zu finden, der ſcheidet von 
diefem Abſchnitt unbefriedigt. 

3) Möglichkeit der Kortdauer des eigentlihen Wun⸗ 
ders. Begriff des Wunders im eigentlichen Sinne. — 
Die Maffe der Eatholifhen Wunderlegenden ift auf den 
dreifachen Urſprung zur&dzuführen — fie beruhen entweder. 
auf abfichtlichem Betrug, oder fie find das Ergebniß der 
unabfichtlich ausfhmüdenden Sage — ober fie beruhen auf 
anthropologifchen Exfcheinungen und Zufländen, die mehr 
ober weniger dem Gebiet bes Magnetismus oder Somnam⸗ 
bulismus angehören. Aber die Möglichkeit der Fortdauer 
bes Wunders im eigentlichen Sinne in den folgenden Jahr: 
hunderten bi® in unfere Zage foll nicht geleugnet werben. 
So wenig als die Verheißung des heiligen Geiftes iſt die 
Verheißung der Wundergabe auf die Apoftel allein be 





1218 


ſchraͤnkt. Der Verf. verfteht nämlich unter Wunder ein 
son dem uns befannten Naturlaufe durchaus abweichendes 
Greigniß, welches einen religidfen Urfprung und einen re⸗ 
ligioͤſen Endzwed hat. Solche Wunder im firengen Sinne 
laſſen fi) vielleicht auch in der katholiſchen Kirche bier 
und da nachweifen; aber erweislicher ift die Grenzlinie zwi: 
fchen den fatholifhen Wandern im Ganzen und benen 


der apoftolifchen Zeit. 
(Die Bortfegung folgt.) 


———— —— — — — — — — — — 


Geſchichte der deutſchen National: Literatur von ihren er: 
ſten Anfängen bis auf unfere Tage. Erſtes und zweites 
Heft. Bon 2. Wihl. Altona, Aue. 1840. Gr. 12. 
1 Thlr. 


Die Geſchichte der Leichtfertigen Buchmacherei iſt vielleicht 
nicht viel jünger als die Geſchichte der Buchdruckerkunſt, in 
deren berrliches Gefolge ſich auch bie literarifche Brivolität in 
dieſer Geſtalt mifchte. Es ſcheint aber, als ob e6 der neuern 
Zeit vorbehalten fei, dieſe Gefpenfter der Literatur fich auch in 
Kreife firenger Wiffenfhaft und zwar mit Prätenfionen eins 
drängen zu fehen, die um fo unangenehmer, je hohler und 
leerer fie find, und ein um fo fehärferes Entgegentreten ber ges 
wiffenhaften Kritik abnöthigen, je trefflichere Leiftungen biefelbe 
auf diefem Gebiete zu begrüßen gehabt hat. 

In diefe Slaffe der neueren literariichen Erſcheinungen iſt 
vorliegendes Buch zwar ſchon von tüchtigen Beurtheileen zur 
Genüge verwiefen und bie Berechtigung, ja die Verpflichtung 
dazu aus eclatanten Beifpielen dargelegt worden. (8 wird da⸗ 
der Ref. fich Hierbei etwas türzer faffen Eönnen, als außerdem 
im Intereffe der Literatur nöthig geweſen wäre; er wird ſich 
namentlich auf die Documentirung der Inſufficienz des Verf. 
zu Beſchreitung des in Rede flehenden Gebiets und der haͤu⸗ 
figen Anleiyen, bie derſelbe bei veichlicher begabten Vorgängern 
in der Wiffenfchaft gemacht hat, beichränten. lim jene Inſuffi⸗ 
cienz kennen zu lernen, bedarf ed nur weniger Blide in das 
Innere der hier eröffneten @eifteswelt, ſchon ber erſte Sag ift 
fehe bezeichnend für die ganze Richtung und Auffaſſungsweiſe 
des Verf. „Man iſt jetzt über die Anſicht hinaus“, fängt Gr. 
Sihl an, — und über wie Vieles tft man nicht hinaus, wenn 
man fich darüber hinwegſetzen will? und über wie Bieles fände 
man es neuerlich nicht bequem, ſich Hinwegzufegen? — „welche in 
der Geſchichte ber Vdiker denfelben Entwidelungegang wie im Leben 
des einzelnen Menfchen vorausfegt und hiernach die erften Anfänge 
der Sulturzuftände auf eine tiefe, dem Bewußtſein des Kindes ents 
forechende Stufe fest.” Auf biefen Satz, ber wie ein Axiom bins 
geitellt wird, folgt eine weitere Auseinanderfegung,, bie auf 
12 @eiten „über Sprache im Allgemeinen und bie deutfche ins: 
befondere‘ der Überfcheift zufolge ſich verbreiten foll, in ber 
That aber nur außer einigen allgemeinen Sägen über Anfänge 
der Sprache, Mythen u. dgl. mehre Verſuche enthält, Anas 
logien in den Sprachen nadzumeifen, die nicht eben für das 
tiefe Eindringen in Geiſt wie Stoff derfelben zeugen. So fins 
det z. B. der Verf. im Homer ben Keim zu den von ben Pers 
fern ausgebildeten Ghafelen, wenn das Wort ınxeır (ſchmelzen) 
in einem bekannten Bilde aus der „Odyſſee“ fünfmal in fünf 
aufeinander folgenden Werfen vorkömmt; fo leitet der Verf. ben 
weitfätifchen Provinzialismus : ghäg für flügge aus dem Sans⸗ 
Erit ab, wo ghaga (Luftgänger) den Vogel bedeutet, und auch 
den Ausdruck durchbrennen für weglanfen läßt er aus dem ſans⸗ 
tritiſchen bram (laufen) abftammen. Bügen wir biefen Bei⸗ 
fpielen noch folgenden Hauptfag des Verf. bei: „Die griechiſche 
unb jübifcye, die orientalifcye und oceidentalifche Weltanſchauung 
machen die Grundlage der heutigen Bildung aus, bie fich eine 
Verföhnung, eine Reutralifation derſelben zur Aufgabe geftellt 
dat’: fo koͤnnen wir ſchon genugfam über die Haltbarkeit fol: 


ln — — — ————————— ——— — — 


cher Grundpfeiler und Bauſteine zu einer beutfchen Literatu 
geſchichte urtheilen. In einem zweiten nn ber aber 
ohne befondere Überfchrift daſteht, fpricht Hr. Wihl von den 
„alten Liedern unferer Ahnen“, kommt babei auf Tacitus’ „Ger- 
mania‘, aus ber er einige Stellen deutſch anführt, theilt eine Er⸗ 
zählung aus P. Warnefried mit, in welcher er ein altes Lieb 
erhalten glaubt, und eine gleiche aus „den älteften nordifchen 
Chroniken‘, fpricht dann von Heldenſinn und Rrauenliebe ber 
Deutfchen überhaupt und fließt mit einer Anzahl Notizen, 
die fih auf die Trunkliebe ber Deutfchen beziehen. Jetzt Toms 
men wir zu einem neuen Abfchnitt, „Vorkarolingiſche Zeit’ bes 
titeltz zwei Seiten über Nlfila's WBibelüberfegung, die Anfänge 
der Romantik, die verfchiebene Stellung der Volkspoeſie in 
Deutfchland, Frankreich und England, und das Hildebrands⸗ 
lieb, von bem nun S. 35 — M eine Bearbeitung folgt, bie 
Hrn. W. felbft zum Verf. bat, aber, wohl zu merken, eine 
Bearbeitung bes fpätern Volksliedes in achtzelligen Stangen! 
Doch genug des Referivens über fo oberflädyliche, vage und fade 
Behandlung uiefes — bedeutenden Stoffes! Wenden 
wir uns zu bem zweiten Punkte, den die Kritik bei . Wi 
ins Auge zu faflen hat. den. Wihl 
In einem Abfchnittchen, bas bie Minnefänger, bie names 

hafteften je auf einer Seite, für unbebeutender gehaltene in 
einigen, ja fogar nur in einer Zeile abhanbelt, wirb über 
Walther v. d. Vogelweide (8. 54) eine Stelle aus GBottfried’s 
„Zeiften‘ angeführt, „wo unter ben lebenden Rachtigallen bie 
von ber Vogelweide als Meifterin angeführt wird”. Es ift 
ein eigenthümliches Zufammentreffen, daß Gervinus im erften 
Bande feiner „Nationalliteratur“ (&. 310) gerade auch biefe 
Stelle, nur diefe drei Verſe (die Beſchreibung geht weiter im 
„Triſtan“) anführt, wo Gottfried ‚unter den lebenden Nachti⸗ 
gallen bie von der Vogelweide als Meifterin erkennt‘. Auf der 
nächften Seite finden wir eine zweite Stelle aus dem „Triſtan“ 
über Hartmann v. d. Aue angeführt. Es ift ein eigenthüm- 
liches Jufammentreffen, daß Gervinus a. a, D. ©. 329 gerade 
auch diefe Stelle, nur biefe Verfe anführt. Dabei ift aber noch 
zu bemerken, baß Dr. Wihl über eben bdiefen „Triſtan“ zus 
nächft nur in zwei und einer halben Zeile fpricht (erft in einem 
andern Zufammenhange ©. 135 gibt er auf einer Seite kürz⸗ 
lih den Snhalt der Sage an, wobei es wiederum auffallend 
ericheinen kann, baß er S. 57 Heinrich von VBribere und Ulrich 
von Zurheim als bie Bortfeger des „Triſtan“ nennt, während 
er &. 135 Heinrid von Friberg und Ulrich von Türheim fchreibt), 
baß er fonft nirgend einzelne Stellen aus Dichterwerken citirt 
(von einem ausnahmsweiſe mitgetbeilten Liebe wird fogleich die 
Rede fein) und daß er des Mittelhochbeutfchen foweit mächtig 
ift, um in jenen beiden Stellen durchweg „ſie“ flatt „ſi zu 
ſchreiben. Wir ſchließen an biefe leutere Probe feiner Eprad: 
Tennerfchaft eine zweite an: Hr. Wihl hat ein Liebchen von 
Ulrich von Lichtenftein bearbeitet. Darin beißt es im Anfange 
des dritten Verſes: 

Swa zwei Liep einander meinent 

Herzeklichen aus Want. 
Hr. Wihl überfegt dies: 

Wenn zwei Liebende fi) meinen 

Oerzlich innig ohne Want. 
Und ber Schluß lautet im Originale: 

Stäter Liebe wil ich gern, 

Und unftäte gar verbern. 
in der Überfegung : 

©täter will ih mid erfreun 

Und unftäter auch verzeibn. 


Alfo Hält Hr. Wihl das Zeitwort gern (begehren) für das Ab: 
verbium gerne (mit Vergnügen), und weil er Feine Ahnung 
davon hat, was verbern bedeute, fchiebt er dem Dichter, welcher 
fagt, er wolle ſich unfläter Liebe ganz enthalten, gerade ben 
entgegengefehten Sinn unter. Wer fo wenig Sprachkenntniß 
hat, follte doch auch fo wenig Kühnheit haben, um fi nicht 


1280: 


an ine deutſche Likeratutgeſchichte zu wagen und dieſelbe! gar 
no’ mit angeblichen AMerfeLungen zu verbtaͤmen. 
Roch weniger aber, wenn man ſo wenig eigene Amſchanun 
der Literatürwerke hat oder haben will,’ daß eine h 
falfeäbe Shentität bei" Decfiitlän mit Anm zwei Jähee- früher‘ 
bertif® zur vierten’ Auflage gebiehenen Werke derſelben Tendenz 
ſich do t. @8' jet uns erlaubt, Folgendes ment über 


den Inhalt der „Nibelungen Not’ aus F. A. Piſchon's „geitfäben j 
zur Geſchichte bei deutſchen Ltiteratut· (©. 18), und 2, SiHrs 


Geſchichte der a (8.88) mitzutheilen: 
: Das Bedicht umfaßt s j 
vi Die Dichtung beftkät” aus drei Hauptmaffen. 
P. Fatens Sieg friede Thaten bis zu ſeinem Tode; 


feine Liebe zu Chriemhilſden, feine König Süns 
there geleiteten Dienfte zur Etlangun 
gewälftgen Jungfrau Bruhbilde, ber Zwift Brunhildens 
und Ehriemhildens; darüber Brunhildens An- 
ſtiften feines webes durdHägen, die Ermorbung 

— , .. dee . _ 
Siegfried's, 5. die Gelangung des Nibelungen⸗ 


Hort nach Worms. V Bweitens! Chriemhildens Le⸗ 


B ee 38. Fi 
. c. Kataſtrophe des Ganzen. 
is Drittens. Die — Empfang ber Burgunder von 
hriemhiſde. Hagen’d Trotz. Hagen's und Volker's Nachtwache. 
Das Zeſtmaͤhl. Kampf der Hunnen und Burgun⸗ 
der, Rübegar’d von Bechtern Kampf, der Mannen Dies 
trichs und der Burgunder. Bulegt Untergang al: 
ler Burgunder; König Bünther und Hagen fallen 
dur Chriemhilde; diefe (WE. wird) deshalb vom 
olten Hildebrand erſchlagen.“ 

Vorſtehendes — die bemerkten Varianten abgerechnet — 
und Alles, was darin geſperrt gedruckt, iſt zugleich der Wihl'ſche 
Text! 
Es iſt ſchlimm, wenn die Kritik das Amt eines Grenz⸗ 
aufſehers übernehmen muß, um magkirte Füchtlinge wieder in 
ihre Heimat zuruͤckzuweiſen und die literarifche Bloͤße Hinter 
dern bunt zufammengeftikten Gewande aufzudecken; der Leſer 
möde und eine gleiche Seſchaͤftigung mit dem zweiten Heft des 
Wihl'ſchen Buches erläffen. Ex ungue leonem! 29, 





Miscellen. 
.. Somplimentirböüder 

Es iſt für einen verfländigen beutfchen Mann Baum bes 
greiflih, wie es im lieben Waterland fo viele alderne, bafenfüs 
Bige Gefellen gibt, daB ein Buch wie das Complimentirbuch 
von Alberti *) in ein Dugend Auflagen hat erſcheinen Tönnen, 
ohne die Nachbrüde und Nachbildungen Ri rechnen. Indeſ⸗ 
fen, nil novi sub sole! Da liegt ein dickes Buch von 1728 
in ber dritten Auflage vor, mir: „Die galante Ethica, in 
welcher gezeigt wird, wie ſich ein junger Menſch bei ber galan⸗ 
ten Welt fowol durch manierliche Werke als complaifante Worte: 
zecommanbiren foll” u. f. w. Zur Gemüthdergögung ber Le: 
fee wollen wir nur in einigen Beinen Beifpielen den Unter 


ſchied zeigen, wie, im Gegenfas unferer Zeit, die Bietbengel vor 


hundert Jahren in bee Complimentirkunſt unterrichtet wurden 
Der jepige Meifter laͤßt Damen in ber Geſellſchaft alfo anreben: 


) „Reueſtes Complimentirbuch ober Anweiſung, in Geſellſchäften 
und in allen Verhaͤltniffen des Lebens hoͤflich und angemeffes 
zu reden und ſich anftändtg zu betragen x.” (Quedliuburg, Baffe). 


Tau * ⸗ 


der ſchoͤnen und?’ 


neumodige Stutzer ſagt nach dem Tanz: 


„Sis erlauben, meine Damen, daß ich Ihnen meine Hochach⸗ 
tung hezeige. Dem heutigen Tage bin ih befondern Dant 
fhulbig, da er mir das Slück beut, mic) Ihnen nähern zu 
dürfen; genehmigen Ste daher, daß ich’ mich zu dem e 
Ihrer Verehret zähle” Eins der angerebeten Guncchen fol 
darauf antworten: ,‚@®ie find uns ſehr willkommen, insbeſon⸗ 
dere: weil die weibliche Eitelleit nicht. Werchrer genug haben 
kann; gewiß wird uns Ihre Unterhaltung, um bie wir bitten, 
mehr noch als Berehrung, Bewunderung entloden.” Sm’ 
3. 1728 lautete das gratiöfe ‚„‚Anwerbungs =’ oder Viſitecompli⸗ 
ment an eine Jungfer“: „Ich Tann mich heute nicht wenig 
glücklich ſchaͤgen, indem ich die fehnlich gewünfchte Dccafton, 
mit der Mademoffelle in angenehmer Gonverfation zu fein, eins 
mal erlangt habe. Zedoch, weil ich biefes vor das größte Plai⸗ 
fir auf ber Welt achte, Dero unfhägbarer Amitie gewürdigt 
und als din treuer Diener von * angenommen zu werden, 
fo wollen fie meine Bitte lafſen ſtattfinden und durch Ihre gü= 
tige Ordre ſich allzeit meiner ſchuldigſten Obfervang verſichern.“ 
Oder: „Ich gratulire mir, fo glüdlich zu fein, Mademoiſelle 
meine ergebenfte Reverenz allhier zu machen.‘ Alberti läßs 
fo zum Zanz auffodern: „Kann ich für biefen Tanz die Ehre 
haben? (Berneigung) Nicht wahr, ich bin fo glücklich, mit Ih⸗ 
nen antreten zu dürfen?” Das alte Complimentirbuch fchreibt 
vor: „Mademoiſelle parbonniren, daß fi) Dero Diener er: 
kuͤhnt, Sie zu einem ſchlechten Tanze aufzuführen.” Der 
„Unendlichen Dant 
für die Ehre und das Wergnügen. Ich fühle mich ſehr vers 
pflichtet für die Nachſicht, mit ber Sie die Mängel meines 
Tanzes ertragen haben.” Der altmobifche drüdte fi etwas 
breiter aus: „Ich fage Mademoiſelle gehorfamen Dank, daß 
Sie mir bie gütige Erlaubniß, Sie zu einem Tanz aufzufobern, 
gegeben haben; doch geht mein inftänbiges Bitten dahin, dies 
jenigem Fehler, fo Ihr ergebenfter Diener begangen, Dero ans 
geborenen Höflichkeit nach, zu bemaͤnteln. Empfehle mich im 
übrigen ganz gehorfamft zu Dero beftändigen Affection und Ges 
wogenheit.“ Jener erbietet ſich gur Begleitung mit den Wor⸗ 
ten: „Darf id Ihnen meinen Arm anbieten, Sie nach Ihrer 
Wohnung zu begleiten ?’’ Diefer: „Die Mabemoifelle werben 
nicht ungeneigt aufnehmen, baß ich meine Obſervantz beobachte 
und Sie nah Dero Behaufung zu führen anbiete.” Zum 
Schuß aus unferm alten Complimentirbuch noch -ein Gratulas 
tionds@ompliment zum Neuenjahr: „Ich bin verbunden, der 
Mabemoifelle bei dem bereits nen angegangenen Jahre ergebenft 
zu geatuliren. Einen anftändigen Lisbflen wollte zwar gern 
wünſchen, weil Sie aber damit ohne Zweifel ſchon werben ver- 
fehen fein, fo will ich mir die Ehre ausbitten, Ihnen in die⸗ 
fem Jahre auf Ihre Hochgeit mit einem wohlgemeinten carmine - 
aufzuwarten.“ 


Reliquie von Friedrich dem Großen, 

Im Freiherrlich von Dienberg’fchen Famillenarchiv zu Brei⸗ 
tenbach unter dem Herzberg befindet ſich folgendes Originalacten⸗ 
ftäd: ‚Die Hof⸗ und Domgereinbe wünſcht ſich fhen lange 
eiwe, ber jegigen Aufliärung und Sprachgebrauch beffer ange 
mefiene Liturgie. Auch haben verſchiedene reformirte Gemtin⸗ 
ben — ei n —— — a 

je es, Dei reform eſſion zur e ge⸗ 
reichendes Geſuch, gnaͤbigſt approbiren ſollten; fo "dürfte ich 
allerunterthänigft bitten: Mir durch eine Gabinetsordre anzu⸗ 
befehlen, eine newe, dem Endzwedk gemäße Liturgie vor die re⸗ 
formirte Gonfefion entwerfen und von beim endirectorie 
prüfen gu laſſen; folche bei der Hof⸗ und Domgemeinbe allhier - 
einzufütyeen unb bene : reformieten Kirchen, weiche es verlans 
gen würden, ein gleiche⸗ zu geſtatten. Bern den 10, Mär 


1784, Doͤrnberg.“ Der fi bändig an ben 
Rand: ,‚„Wihe müßen bei dem alten bleiben, Gonft fi 
alle alte Weiber, F.“ 61, 


Verantwortlicher Herausgeber: Seinrih Brokhauſs. — Drud und Verlag von 8. %. Brodhauß in Leiyzte. 








Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


29. October 1840. 





Bermifchte Schriften, großentheils apologetifhen In⸗ 
"halte, von A. Tholud. Erfter und zweiter Theil. 
(dortſezung aus Nr. 302.) 


4) Katholiſche Wunderkreife, welche ihren Urfprung 
theils abfichtlicher, theils unabfichtlicher Taͤuſchung verbans 
ten. — Hier werden bie angeblichen Wunderthaten bes 
Ignatius Lojola und des Kranz Zaver einer ſcharfen Prü: 
fung unterworfen. Was nun ben Erſtern betrifft, fo er: 
gibt fih zunaͤchſt, daß fein Schüler und mehrjähriger Be⸗ 
gleiter Ribadeneira, der 15 Jahr nach dem Tode feines 
Meifters deſſen Leben ausführlich befchrieben und Alles, 
was zu felnem Ruhme dienen Eonnte, eifrig gefammelt hat, 
weder in der erften, noch in der zweiten vielermweiterten 
Auftage diefer Lebensbefchreibung eins der fpäter ihm nach: 
geruͤhmten Wunder bezeugt, vielmehr felbft die Frage aufs 
wirft und fehr unbefangen beantwortet: Warum es wol 
Sort nicht gefallen habe, Wunder durch einen folchen 
Mann vollbringen zu lafien? Das Wunderbare, das er 
deinem Helden gern vindiciren möchte, findet er einzig in 
defien Belehrung und einflußreicher Wirkſamkeit, befonders 
in der Stiftung feines mächtigen Ordens. Auch Maffel, 
unter ben vielen Biographen Lojola's einer der ausge: 
zeichnetften, wußte 28 Jahre nach deffen Tode hoͤchſtens 
ein paar Vifionen, nicht ein wirkliches Wunder von ihm 
zu berichten und iſt redlich genug, zu geftehen, daß er bie 
Mirakel, welche fchon damals dem gefeierten Ordensſtifter 
beigemefjen wurden, nicht erzählen wolle, weil fie ihm 
„nicht hinreichend beglaubigte” fchienen. So hat auch Igna⸗ 
tins felbft in den Nachrichten von feinem Leben, bie er 
feinem Schüler Confaloi erzählte, nur einige Viſionen, 
nicht eigentlihe Wunberthaten von ſich rühmen wollen, 
und erft der römifche Gerichtshof der Rota bat zum Be: 
huf feiner Heiligfprehung im 3. 1622 eine Menge Wun⸗ 
der entdeckt, die jedoch auch nicht bei feinem Leben, fon: 
bern erft nach feinem Tode gefchehen fein follen. 

Die Unmaffe der auferordentlichften Wunderthaten, 
welche dem berühmten Gefährten und Mitftifter des Se: 
futterordens, Franz Xaver zugefchrieben werben, beruht auf 
ſehr unbeglaubigten und zweideutigen Zeugniffen, und ents 
behrt der gefchichtlihen Begründung um fo mehr, ba fie 
in fernen Gegenden gefchehen fein follen, wo ihre Echtheit 
nie geprüft warb. 

5) Kathotifche Wunder, welche mit den Erfcheinungen 


des Magnetismus und Somnambulismus verwandt find. — 
Nach einer fleißigen und, fo weit ed auf dem jegigen 
Standpunkte ber Wiffenfchaft möglich ift, lichtvollen Er: 
Örterung des Wefend des Somnambullsmus und Magne: 
tismus (Tellurismus), wird das Verhaͤltniß ber neuteflas 
mentlichen Wunder zu den Erſcheinungen dieſer Nachtſeite 
des Menſchenlebens unbefangen und ſcharfſinnig, wiewol 
fuͤr den weiten Umfang der Frage faſt allzu kurz beſpro⸗ 
chen. Es iſt kaum moͤglich, die Hauptergebniſſe dieſer Un⸗ 
terſuchung allgemein verſtaͤndlich hier vorzulegen, ohne auf 
die ganze Gliederung derſelben tiefer einzugehen und die⸗ 
ſelbe ausfuͤhrlicher zu entwickeln, als die Grenzen dieſer 
Anzeige geſtatten. Deuten wir alſo nur an, was der 
Verf. klar herausſtellt, daß in dem Hellſehen und der Fern⸗ 
wirkung des Somnambulismus das bewußtloſe Nachtleben, 
in dem echten Wunder das bewußte Tagsleben vorwaltet, 
daß ferner die Maͤnner Gottes bei ihren wunderthaͤtigen 
Heilungen nicht, wie der Magnetiſeur, der leiblichen Ma⸗ 
nipulationen bedurften, ſondern durch die Kraft des from⸗ 
men Willens, der auch von Seiten der zu Heilenden die 
Bedingung ihrer Geneſung war, wirkten, daß alſo die von 
Jeſu vollbrachten Heilungen geiſtiger, nicht magiſcher oder 
zauberiſcher Art ſind, wie ſie denn auch nicht, gleich den 
magnetiſchen Heilungen, von einer beſtimmten phyſiſchen 
Dispoſition, ſondern lediglich von einer geiſtigen Recepti⸗ 
vitaͤt des zu Heilenden abhaͤngig ſind. Sehen wir aber 
nicht blos auf die wunderbaren Heilungen, ſondern auch 
auf die Prophetie, die jenen zur Seite ſteht, ſo ergibt 
ſich die weſentliche Unterſuchung dieſer von dem ſomnam⸗ 
bulen Hellſehen, daß dieſes ſich nur auf Particularitaͤten, 
jene aber vorzugsweiſe auf welthiſtoriſche Ereignifſe, die 
unter den religiöfen Geſichtspunkt fallen, fich bezieht. Und 
fo fällt auch die biblifche Prophetie nicht, mie die magi⸗ 
fche, phyſiſchen Bedingungen und dem aufgehobenen 
geiftigen Bewußtſein, fondern dem wachen Bermußtfein an⸗ 
heim, wie denn auch die neuteflamentlihen Vifionen nicht 
nur in der bewußten Erinnerung bleiben, fondern auch von 
bee aͤußern Erſcheinung deutlich umterfchieden werben. 

Die Tatholifhen fogenannten Wunder, welche mit den 
Erfpeinungen des Somnambulismus und Magnetismus 
Verwandtſchaft haben, werden einer fcharflinnigen Kritik 
unterworfen. Dahin gehören die Vifionen, die fhon früh, 
befonders bei den Montaniften, nachmals immer häufiger, 


1222 . 


* 


faſt bei Allen, die im Rufe der Heiligkeit ſtanden, vorkom⸗ 
men, und an denen das phantaſiereiche Mittelalter beſonders 
reich war. Die ekſtatiſche Tanzwuth, im 14. Jahrhundert 
weithin verbreitet, und aͤhnliche Erſcheinungen eines unklaren 
und phantaſtiſchen Bußkampfes kommen hier ebenfalls in 
Betracht. Bon den katholiſchen Wunderkreiſen aber, welche 
mit jenen Erſcheinungen in gleichem Gebiet liegen, ſind 
beſonders die des Franziskus von Aſſiſi, der Katharina 
von Emmerich und des Abbe Paris in Unterſuchung gezo⸗ 
gen. Wären die dem Erſtern nachgerühmten Wunder hi: 
ftortfch beglaubigt, fo müßte man zugeben, daß er in Die: 
fer Hinfiht dem Helland ſelbſt nicht nur ahnlich geweſen, 
fondern ihn fogar übertroffen hätte. Schon das erregt 
Verdacht, und wenn man biefen auch unterdrücdte und in 
gutem Glauben die Wunberberichte aufnehmen wollte, fo 
tann man fid) doch nicht bergen, daß ben Berichterflattern 
die Unbefangenheit der Beobachtung und Relation zu fehr 
mangelt, als daß man ihnen bie rechte Glaubwürdigkeit 
beimefjen koͤnnte, ſelbſt wenn man abfitlicher Taͤuſchung 
ſie nicht beſchuldigen moͤchte. Dazu kommt noch, daß 
nicht einmal die Echtheit des aͤlteſten Berichts, aus wel⸗ 
chem die ſpaͤtern mit vielen Erweiterungen und allzu uͤp⸗ 
pigen Zuthaten geſchoͤpft haben, erwieſen iſt. Was nun 
aber die beruͤhmten Stigmata, die Wundenmale des Herrn 
betrifft, durch welche der präconifirte Heilige an Händen 
und Füßen und in der Seite ausgezeichnet worden fein 
fol, fo kann diefe Exfcheinung bei ihm fo wenig wie bei 
der Monne von Dülmen, der Katharina Emmerich, bei ber 
auch die periodifhen Blutungen der offenen Wunden er: 
wieſen find, in Zweifel geftellt, aber auch nicht als ein 
eigentliches Wunder, fondern nur als die Wirkung eines 
etftatifchen und fomnambulen Zuftandes anerkannt werden.*) 


*) ine ähnliche Erfcheinung Tann man feit einigen Jahren 
an einem Kräulein v. Mörl in Galtarn, unfern von Bogen, 
beobachten. Gin glaubwürbiger Augenzeuge theilt in eis 
nem Briefe vom 11. Sept. 1837 über fie Folgendes mit: 
„In Erfolg einer bantenswerthen Verwendung und Fürs 
ſprache, erlangten wir bie Vergünſtigung, bie Kranke fe: 
ben zu dürfen. Wir murden in ihr Zimmer eingeführt. 
Sie Iniete auf ihrem Wett, die Hände auf der Bruſt ges 
faltet, die Augen gen Himmel geriätet. Ih war beim 
Anblick des bleichen, ungemein ausdrudsvollen Geſichts, das 
in einem Zuge Spuren der innern Seligkeit bei ihren im⸗ 
mermwährenden religiöfen Betrachtungen, in einem andern 
Zuge aber auch Spuren tiefer Leiden zeigt, ganz erſchüt⸗ 
tert. Dreiviertelftunden flanden wir in ihrem Zimmer; ich 
wäre gern noch länger geblieben, wenn nicht ihr Beicht⸗ 
vater, ein Franziskaner, eingetreten wäre, der unfere Ent: 
fernung wuͤnſchte. Wir durften ganz laut miteinander pre: 
“hen, ganz nahe an ihr Wett treten, fie au betrachten; fie 
bört und fieht in diefem Zuſtande gar nichts von der äu- 
Seen finnlichen Welt. Auf ber Oberfläche ber linken Hand, 
wohin das Licht bes Tages fiel, fah th, wie die Übrigen, 
deutlich das Stigma. Hr. vd. ©. verficherte uns, daß in 
der inneren Bandfläde eine offene Wunde fel. In ben er- 
ften Tagen dee Woche ift die Kranke, wie man beſonders 
aus ber Weränderung ihrer Geſichtszüge abgenommen hat, 
allgemeinen freudigern Betrachtungen hingegeben; in ben 
festen Wochentagen verräth ein fehr ſchmerzlicher Ausbrud 
ihres Antliges, wie fie in bie Leiden des Herrn verſenkt 
it. Sechs Jahre lang befindet die Arme fich in biefem 
Zuftande, in den fie zuerft bei der Feier ber Sommunion 


und 


1 

Die "angeblichen Wunder am Grabe des Abbe Parts 
in Paris werden in der römifchen Kirche felbft, weil fie 
dem Janſenismus angehören, nicht anerfannt. Ihre an⸗ 
geblicy gerichtliche, doch eigentlih nur auf foͤrmliche Ab⸗ 
hoͤrung von Zeugen, beren Glaubwürdigkeit nicht erwiefen 
it, beruhende Beglaubigumg veicht keineswegs aus, aud 
nur die acht wunderbaren Heilungen, welche der eifrige 
Vertheidiger de Mongeron umfländfih, aber kaum unbe: 
fangen berichtet hat, hinreichend zu bemweifen. Die Con⸗ 
vulfionen, Krämpfe und zum Theil fogar fehr indecenten 
Stellungen und Sprünge, melche auf dem Grabe des neuen 
Heiligen, zumeift nur an weiblichen Perfonen beobachtet 
wurden, gehören wenigitens nicht in das Wundergeblet, 
und die gepriefenm Heilungen find zum Theil aus ber 
Macht der gläubigen Zuverfiht zu erklären, zum Theil 
aber wenigftens fehr verdächtig, Indem nicht nur Selbſt⸗ 
taufhung, fondern auch abſichtlicher Betrug faft unver: 
kennbar hervorleuchtet. 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Naturſchilderungen. Eine Reihe allgemein faßlicher Vor⸗ 
lefungen, von 3. 5. Schoum. Mit zwei Steindrud: 
tafeln. Aus dem Dänifchen. Kiel, Univerfitätsbuch- 
handlung. 1839. Gr. 8. 1 Xhtr. 

Wir denken uns ben Verf. diefer „Raturfchilderungen‘‘ in 
einem Kreife gebildeter Menfchen, zu gut, um in der Beſchaͤf⸗ 
tigung mit gewöhnlicher, fehaler Romanenlecture Unterhaltung 
und Genuß zu finden, und obmwol mit Empfaͤnglichkeit für et⸗ 
was Höheres begabt, doch noch fremb in denjenigen Gebieten 
der Wiffenfchaft, in die er fie einzuführen gedenkt; unfern Bor: 
leſer felöft aber als einen Mann, ber nicht nur in dem Fade 
ber Raturwiffenfchaften vollkommen einheimiſch und burchgebils 
det ift, fondern dem fi au ber Sinn für die Schönheiten 
ber Ratur und bie Wunder der Schöpfung aufgefchloffen hat, 
dem e8 Freude macht, immer tiefer in ihre Geheimniſſe einzu⸗ 


bringen, und ber auch Andere an biefer Freude gern Theil nehe * 


men laſſen möchte. Obwol er es nicht ausfpricht, fo iſt auch 
ihm das Studium der Natur nicht ein bloßes Bildungsmittel 
für den Verſtand, fondern auch mit der moralifchen Seite bes 
Menfchen verwandt, wie bies bereitd Kant fo fchön in ben 
Worten bezeichnet: „Ich behaupte, baß ein unmittelbares In⸗ 
tereffe an der Schönheit der Natur zu nehmen (nicht blos Ges 
fhmad haben, um fie zu beurtheilen), jederzeit ein Kennzeichen 
einer guten Seele fei, wenn biefes Interefie babituell ift, we⸗ 
nigftens eine dem moralifchen Gefühl günftige Gemüthäſtim⸗ 
mung anzeige, wenn es fih mit der Beſchauung der Natur 
gern verbindet. Diefes Intereſſe ift ber Verwandtſchaft nach 
moralifch, unb ber, fo ed am Schönen ber Natur nimmt, kaun 
eö nur fo fern an demfelben nehmen, als er vorher ſchon fein 
Intereſſe am Gittlichguten wohl gegründet bat.” Wenigſtens 
deuten mandje Stellen des Buchs darauf Hin, daß fein Verf. 
die Natur nicht blos mit ben Augen des Berftanbes betrachtet, 


verfant. (Ste ift jegt 26 Jahr alt.) Gr nimmt ab und 

zu. Wenn der Beichtvater fie bei ihrem Namen ruft, er= 

wacht fie, ift aber dann fehr leidend; bie heftigſten Gicht⸗ 

fchmerzen peinigen fie dann. In biefem wachen Zuftande 

genießt fie auch etwas Speife, aber fehr wenig und fehr 

felten. Auch schreibt fie dann bisweilen an ihren abweſen⸗ 

ben Water, fpricht aber faft nie. Man rühmt ihre kind⸗ 
liche tiebreiche Sefinnung. Sobald man ein religiöfes Ge⸗ 

ſpräch anhebt, fällt fie in ihre Verzückung Ehe 

wir fie verließen, begann fie zu feufgen und zu en, 

und im Vorzimmer vernahmen wir nachher ein erſchũ 

des, furchtbares Achzen und Jammern.“ 


— 








— 





r⸗ 


1228 


ubern auch für ihre Schönheiten und für bie in ihr waltende 
—X und Ordnung Sinn und Gefühl Hat. 

Dbfchon biefer Sinn wol bei ben mwenigften Menſchen fehlt 
und da, wo er zu fehlen ſcheint, nur burch das gefchäftige Trei⸗ 
ben und ben vorwaltenden Hang ber Menfhen an materiellen 
Intereſſen verdeckt iſt, fo bedarf es doch noch der vereinten 
Kräfte dazu befähigter und befonders mit ber Babe der faßlichen 
Darftelung ausgeftatteter Naturforfcher, ihn unter ber Menge zu 
weden, denn bie Mehrzahl ſucht Unterhaltung und ſcheut bie ges 
ringe Muͤhe, die mit dem Studium wiffenfchaftlicher Gegenftände 
verbunden ift, wenn es ihr auch ficheren Genuß verheißt. u 

Wenn nun auch ber Verfaffer diefer „„Naturfchilderungen 
wiffenfchaftlichen Sinn bei feinem Auditorium vorausfegt, fo 
laͤßt ſich doch fowol aus ber Wahl bes Stoffe, als aus ber 
Art und Weife der Darftellung fchließen, daß es feine Abficht 
if, der Empfänglichkeit defjelden nicht zu viel zu vertrauen, es 
durch das Leichtere für das Schwerere vorguberciten, durch das 
Angenehme der Korm gleichſam anzukirren und fo allmälig zu 
ſich heraufzuziehen. Sowie man bei dem beften Unterricht ber 
Kinder an die fie umgebenden und ihnen befannten Gegenftänbe 
eine und bie andere wiflenfchaftliche oder moralifche Lehr: knüpft 
und dabei die Phantafie zu Hülfe nimmt, fo wählt auch ber 
Berf. meift Gegenftände aus der Ratur, bie jedem Lefer bes 
kannt find, aber er betrachtet fie aus einem wiffenfchaftlichen 
Geſichtspunkte, aus dem man fie im gemeinen Leben nicht ans 
zufehen gewohnt iſt, und verbindet bamit wiffenfchaftlidhe Ans 
fihten und Betrachtungen, zu denen ſich bis daher Laien in bie 
fee Wiffenfchaft wol ſchwerlich erhoben Haben dürften. Dabei 
ift feine Art der Darftellung fo ar, beutlidh und fo ſehr auf 
ein mit biefen Gegenfländen wenig vertrautes Yublicum bes 
rechnet, daß ihm jeder Lefer mit gefunden Sinnen und mit eis 
nigem Denkvermögen zu folgen im Stande ifl. 

Gleich die erfte Vorlefung: „Der Regen’’, bietet uns mans 
ches Intereffante dar. Der Verf. beginnt mit der einfachen 
Erfcheinung, vermöge deren Wafler, in ein offenes @efäß hin⸗ 
geftellt, nach einiger Zeit verſchwindet, d. h. als Dunft in bie 
Luft fleigt, und zwar um fo fihneller, je mehr bie Werbunftung 
durch Wärme befördert wird. Wenn die Dünfte fihtbar wers 
den follen, fo muß ber ausbünftende Körper wärmer fein als 
bie ihn umgebende Luft. Gichtbare in ber Luft ſchwebende 
Baſſerdünſte heißen Rebel oder Wollen. Aber auch bei ber 
seinften Luft befinden ſich Waflerbünfte in berfelben, die nur 
nicht fidgtbar find. Wie die Abkühlung bewirkt, daß die Dünfte 
fihtbar werben, fo ift auch fie bie Urſache, daß bie Dünfte in 
die Tropfenform übergehen. Wenn Luftfchichten von verfchiebe: 
nem Wärmegrabe ſich vermiſchen ober einander berühren, fo 
gehen bie Dönfte in der wärmern Luftſchicht in Tropfen über 
und fallen ald Regen zur Erde. Vom Meere, von Eanbfeen 
Flüſſen, Moräften, Pflanzen und Thieren fleigen unaufhörlich 
Baflerdünfte auf, dieſe fammeln ſich in ber Luft zu Wolken, 
geben endlich zu Zropfen über unb fallen als Regen wieber 
herab. Das Waſſer fammelt fi) wieder in Bächen, Flüffen, 
Meeren u. f. w., fleigt wieber ale Dunft auf, und fo befteht 
hinſichtlich des Waſſers ein unaufhörlicher Kreislauf zwiſchen 
der Erdoberflaͤche und der Luft. Unter übrigens gleichen Um: 
Händen Fält in der Nähe des Meeres mehr Regen, als in weis 
terer Entfemung von bemfelben, theils weil aus dem Meere 
mehr Wafferbünfte in bie Höhe fleigen, theils weil zwiſchen bem 
Zeftiande und dem Meere eine größere Abmechfelung ber Wärme 
und daher auch der Winde flattfindet, als zwifchen zwei Thei⸗ 
len bes Feſtlandes, wenn biefe Ebenen find. Daher regnet es 
mebr in Irland, Holland und auf der Nordweſtküſte Frank⸗ 
reihe als in Dänemark ober ber norbbeutfchen Ebene, und 
bier mehr als in Polens ober Rußlands Ebene. Cine andere 
Saupturfache der vermehrten Regenmenge liegt in ben Unebens 
heiten der Erdoberflaͤche. Berge vermehren bie Menge bes Res 
gene; biefe wirb größer, je näher man jenen kommt, je höher 
und fchroffer fie find. Auch bier liegt der Grund nahe: bie 
Euftfhichten find kaͤlter über ben Bergen als über ben Ebenen, 


und zwiſchen biefen verfchiebenen Luftfchichten findet ein haͤufi⸗ 
ger Wechſel flatt. Wald fleigt bie warme Luft ber — 


den Seiten des Berges oder zwiſchen den Thaͤlern hinauf, dald 


ſtroͤmen bie kalten Luftſchichten von den Bergen hinab in bie 
Thaͤler; unten und oben begegnen ſich dieſe Luftſchichten, welche 
verſchiedene Waͤrmegrade haben, die dadurch Abkühlung hervor⸗ 
bringen, und bie Dünfte fallen alsdann als Regen nieber. Wo 
Meer und Berg vereint wirken, nimmt die Regenmenge noch 
mehr zu und der Unterfchieb zwiſchen foldden Gegenden und 


- Ebenen, die nit am Meere liegen, wird dann fehr auffallend. 


Das Verhältniß der verſchiedenen Winde zum Regen iſt ebenfo 
einfach und Leicht erklaͤriich. Bel uns und überhaupt in ben 
meiften Gegenden des nördlichen Europas find es die Weſt⸗ 
und Südweftwinde, welche Regen bringen, hauptfächlic wenn 
fie mit Nord: und DOftwinden abwechſeln. Jene Winde koms 
men vom Meere, welches mehr ausdünftet, oder von wärmern 
Ländern, wo bie Ausbünftung bedeutender if. Wenn dann 
diefe mit Dünften angefüllten Luftftröme ben Kalten Winden 
vom Often und Norden begegnen, fo werben die Dünfte in Re⸗ 
gen verwandelt. Bei uns regnet es felten bei anderm als Weſt⸗ 
ober Suͤdweſtwinde; im entgegengefegten Falle tritt es ein, Burg 
nachdem ſich ber Wind gedreht hat, und man kann mit Rede 
alsdann vorausfegen, daß bie Dünfte, welche als Regen mit 
Oft: und Rordwind Herabfallen, vorher durch Auftffröme von 
Weften ober Süden hergebracht, fpäter aber zurüdgeführt wors 


ben find. Wenn ber Oſt⸗ ober Rordwind Tängere Zeit geweht 


bat, regnet es nicht eher, als bis ber Wind in bie entgegenges 
festen Richtungen umfpringt. In Preußen bringt der Rord⸗ 
wind bisweilen Regen, biefer kommt bort aber von der Oſtſee; 
der Sübwind feltener, da berfelbe von dem trodenen Keftlande 
berfommt. In Nordamerika iſt es ber Oftwind, ber haupt- 
ſächlich Regen bringt, dort aber kommt er von bem atlanti« 
hen Meere. Die Vertheilung des Regens über bie ganze Ober: 
fläche der Erde ift noch nicht hinreichend bekannt, der Verf. 
beſchraͤnkt ſich daher nur auf einen Theil berfelben, nämlich 
ben Theil von Afrika und Europa, welcher von bem Aquator 
und dem 60. Grabe nördlicher Breite begrenzt wird. Hier ers 
geben fich Hinfichtlich der Verhaͤltniſſe bed Regens vier verſchie⸗ 
dene Gürtel: 1) Der Gürtel des Sommerregens, vom Kqua⸗ 
tor bis zum 15. Grad nördlicher Breite. Der Regen tft bier 
auf eine gewifle Jahreszeit befchränkt, und zwar bis zu berjes 
nfgen, in welcher bie Sonne über ber nördlichen Halbkugel 
ſteht und wir alfo Sommer haben. Die Regenmenge ift babet 
groß und die Regengüffe flürzen viel gewaltiger herab als in 
den gemäßigten Klimaten. Am Morgen tft die Luft klar, ges 
gen Wormittag fammeln fi) Wollen und gegen 10—11 Uhr 
fängt e8 an zu regnen. Der Regen hält etwa bis gegen Ra 

mittag an; beim Untergange ber Sonne ift die Luft wieber 
Mar und bleibt fo während ber Racht. Die Regenzeit tritt 
nicht zugleich in ber ganzen heißen Bone ein, ſondern je ade 
bem die Sonne weiter gegen Rorben rüdt, 6 folgt fie nad. 
2) Der regenlofe Gürtel, der Gürtel ber Wüfte, zwiſchen dem 
15. und 30. Grabe nördlicher Breite (Nordafrika). Das ganze 
Jahr tft ohne Regen oder bietet nur Außerft felten ganz gafäl- 
lige Regengüfle dar. 3) Der Bürtel des Winterregens: Rorbs 
afrika und das füdlihe Europa, zwiſchen dem 30. und 45. 
Grade. Die Regenmenge nimmt in biefem Gürtel gegen Nor⸗ 
den zu, und ber Regen iſt entweber ganz auf ben Winter bes 
ſchraͤnkt, weldyes mit Rordafrika und den canarifchen Inſeln 
ber Fall ift, oder er fällt im Sommer, boch ſehr ſpaͤrlich, wie 
im füblichen Europa ; fowie man aber nach und nach nörblicher 
kommt, wird ber &ommerregen minder felten unb ber Übers: 
gang iſt in biefer Hinſicht ganz allmälig. 4) Der Gürtel bes ans 


haltenden Regens, b. 5. bes Regens (Hierunter Schnee mit begriffen) 


zu allen Jahreszeiten. Gewöhnlich weichen die Regenmengen ber 
Zahreszeiten nicht bedeutend voneinander ab, doch tft der Some 
mer: unb Geröftregen bedeutender als der Winter: und Frühjahrs⸗ 
vegen. In der Nähe des atlantifchen Meeres fällt im Herbft dee 
meifte Regen, im Innern bes Feſtlandes im Sommer. 


1224 


Auf gleich Ichrreiche Weife behandelt der Verf. in ben 
folgenden Vorlefungen das Eis in geographifcher Dinficht, ben 
Sinfluß des Lichtes auf bie Pflanzen, die Pflanzen der Urwelt, 
die Geſchichte der Pflanzen, bie Verwandlung der Pflanzens 
theile, die Gactuspflanzen, die Palmen, bie Alpenpflanzen, Ges 
birgwanderungen im Korden und Süden, ben Atna, bie Na: 
tur in NRorbafrita und Südafrika, die Ratur auf den Suͤdſee⸗ 
infeln, bie charakteriſtiſchen Pflangen verfchiebener Völker, ben 
Kaffeebaum, das Zuderrohr, die Weinrebe, die Baummollen; 
pflanze, ben Theeſtrauch. Allenthalben bietet ſich bier reicher 

of zum Lernen und zum Denken. Wir befchränten uns bier 
darauf, auf unferer Wanderung durch das lehrreiche Bud) 
einzelne Baufteine für unfere Lejer aufzuheben, die nur dazu 
dienen follen, fie zur Lecture bes Ganzen zu ermuntern. 

Die Bewohner der Alpen verfihern von dem Gletfcher, 
daß derfelbe alle fremde Körper ausſchließe, daß er in feinem 
Annern durchaus nichts Fremdartiges aufnehme. Faͤllt in eine 
Spalte deffelben ein Stein, welcher den Boden beflelben nicht 
erreicht, fo gelangt er nach einiger Zeit weiter unten auf die 
Oberfläche bed Gletſchers; faͤllt eine Geis in eine ſolche Kluft, 
fo kommen nad) einiger Zeit ihre Knochen weiter unten wieber 

um Vorſchein. Dies kommt daher, daß ber Gletſcher auf ber 
Gberfläde ſchmilzt, und um fo mehr, je tiefer ex hinunterrüdt ; 
der Körper, welcher oben unter ber Oberfläche lag, erſcheint 
alfo weiter unten auf derfelben. Nur wenn ber fremde Körs 
per zwifchen einer Spalte ganz auf den Grund fällt, gelangt 
ee nicht auf bie Oberfläche, Tondern kommt erſt am Buße des 
Gletſchers hervor. Diejenigen Gewaͤchſe, welche der geringfte 
Waͤrmegrad hervorzurufen vermag, haben ein eigenes Gepräge, 
machen eine eigene Zlora aus. Wir finden fie in den Polar: 
Yändern des Nordens, in dem nörblichften Lappland, in ben 
nördlichften Theilen Sibiriens und Nordamerikas und auf ben 
Inſeln des noͤrdlichen Eismeeres; wir finden biefe Flora in 
Gegenden, wo während 8—10 Monaten des Jahres Schnee 
die Erde bedeckt und die Seen zugefroren find, und wo mitten 
im Sommer Eisberge auf dem Meere umbertreiben. Auch füd- 
licher finden wir biefelbe Flora wieder, wenn wir bie Gebirge 
bis zu einer hinreichenden Höhe befleigen. Denjenigen Gürtel, 
welcher zwifchen ber obern Grenze bed Baumwuchſes (der 
Baumgrenze) und der untern Grenze des ewigen Schnees (der 
Schneegrenze) liegt, nennen wir den Alpengürtel und die Ge: 
waͤchſe, welche bier gefunden werden, Alpenpflangen. Diefe Flora 
bat eine fo bemerkliche Übereinftiimmung mit der Polarflora, 
daß fie mit derjelben Eine ausmachen muß. Nicht nur alle 
Pflanzenfamilien und bie allermeiften Pflanzengefchlechter find 
faſt diefelben, fondern felbft eine fehe bedeutende Anzahl ber 
Arten ift beiden gemeinfchaftlich, eine Thatſache, welche um fo 
bemertenswerther if, da zwifchen ben Alpen und ben nächften 
norbifchen Gebirgen, wo man biefelbe Flora mwieberfindet, aus⸗ 
gebehnte Ebenen oder doch nur Gebirgsmaſſen liegen, die nicht 
fo hoch find, daß biefe Pflanzen auf denfelben forttommen Län: 
nen: eine Thatfache, welche es nothwendig zu machen fcheint, 
anzunehmen, daß biefelben Arten urfprü —B auf mehren Or⸗ 
ten in weiter Entfernung voneinander entſtanden iſt, indem ein 
Transport He den Alpen und Norwegens Gebirgen fehr 
unwahrſcheinlich iſt. Die Polars ober die Alpenflora findet ſich 
aber nicht nur in ben höhern Regionen ber Alpen, der hoͤch⸗ 
ften Gebirgsmaſſe Europas, fie findet ſich überall in Europa, 
im nördlichen Aften und in Amerika wieder, wo Gebirgsmaffen 
hervortreten, hoch genug, um in ihren obern Theilen ein diefen 
Sewäcfen paſſendes Klima zu gewähren. Der erſte Charak⸗ 
terzug biefer Flora iſt Mangel an Bäumen; felbft Büfche fin: 
det man nur in dem untern Theile bes Alpengürtels, und bier 
Spielen in den Alpen bie Alpenroſen (Rhododendra) eine Haupt: 
rolle, indem fie an ben meiften Stellen ein bichtes Gebüſch bils 
den. Der kurze Sommer, Rachtfröfte, die gewichtige Schnee: 
maſſe, die gewaltfamen Winde verhindern, daß bie Gewäͤchſe 
hier lange Schößlinge treiben und fich hoch über bie Erde er= 


beben können. Auch einjährige Gew töunen hier ni 
fommen, weil bee Sommer zu als —28 nk 
benscyklus diefer Pflanzen beendigt werben koͤnnte. Ba das 
sthum der Alpenpflanzen in Hinſicht auf bie Höhe fo fehr 
beſchraͤnkt ift, To wird ihre Entwidelung durch Wurzeiſchoͤßlinge 
befördert, und ba es an eigentlicher Dammerbe fehlt und 
meiften derfelben auf nadten Felſen, in Spalten und in 
fies wachfen, fo gaben fie lange Wurzeln. Haare und Dornm 
fehlen ihnen*), ein Beweis, wie unzigtig bie Meinung ift, daß 
bie Haarbedeckung ber Pflanzen zum Schutz gegen die Kälte 
gegeben fei, denn follte irgend eine Art von Pflanzen beffeiben 
bedürfen, jo müßten es wol bie Alpenpflanzen fein. 

Betrachtet man die Sache aus einem allgemeinen Stand⸗ 
punkte, fo zeigt es ſich, daß ein feuchter Erdboden glatte, ein 
trodtener behaarte und mit Dornen verfehene Gewaͤchſe naͤhrt; 
da nun ber Erdboden ber Alpenpflangen durch den herabfträs 
menben Eh Schnee immer feucht iſt, fo fehen wie 
hierin die Urſache jener Eigenthümlichkeit der Alpenpflanzen. 
Ein fehr auffallender Zug der Alpenflora iſt die bedeutende 
Größe der Blumen, im Verhaͤltniß zum Stengel, bie befonders 
deutlich bei der Wergleichung mit den Pflanzen der Ebene, wels 
che zu denfelben Geſchlechtern gehören, hervortritt. Kaum if 
ber Schnee geſchmolzen, noch liegt er in ber Nähe, und doch 
hat bie Alpenpflange ſchon Blumen, es ift, als ob fie ſich im ih⸗ 
rer Sntwidelung beeilte, um den fo außerordentlich kurzen Som⸗ 
mer zu benugen. Gin anderer Gharakterzug bei dieſen Pflan- 
zen find bie fhönen, reinen, unvermifchten Karben, welche bie 
Blumen barbieten: bie veinfle ſchneeweiße Farbe (Dryas, vers 
fhiebene Draba- und Saxifraga - Arten); die fchönfte himmels 
blaue (Gentiana, Soldanella, Veronica, Campanula, Phyteu- 
ma, bad Zwergvergißmeinnicht, Myosotis nana, welches an 
Schönheit beiweitem feine berühmten Anverwanbten in ber 
Ebene übertrifft), die fchönfte roſenrothe Farbe (Primula- Ar⸗ 
ten, Azalea, Silene acaulis); eine reine gelbe Farbe (Runun- 
cula Potentilla, Viola biflora, Papaver). Gefprentelte Blu⸗ 
men ober eine Vermiſchung mehrer Karben in einer und berfel- 
ben Blume finb feltener. Dabei find aber alle Blumen ber 
Alpengewäcfe — vielleicht bis auf einige wenige Ausnahmen, 
bie jedoch Pflanzen betreffen, welche nur in dem untern heile 
des Höhengürteld wachſen — ohne Geruch, da ein höherer Wärs 
megrad, im Allgemeinen auch bie Zrodenheit bes Erdbodens 
und der Luft, die Entwidelung von Secretionsfloffen beförbern, 
welche von den Blumen ausdbünften, weshalb das ſüdliche Eus 
ropa 5. B. weit mehr wohlriechenbe Pflanzen als das noͤrdliche 
bat, und bie Anzahl ber duftenden Pflanzen im Ganzen gegen 
den Xquator hin zunimmt; fo begreift man leicht, baß bie As 
penpflanzen, weldye bei dem möglichft nicbrigen WBärmegrabe 
in einem flets feuchten Erdboden wachfen, nicht fchr duftenb 


fein Zönnen. 
(Der Beſchluß folgt.) 


Notiz. 
Eid der Ritter auf der Inſel Men. 

„Bei biefem Buch und feinem heiligen Inhalt, und bei 
den Wunderwerken, bie Gott im Himmel und auf Erben volls 
bracht hat in ſeche Tagen und fieben Naͤchten, ſchwoͤre ich, daß ich 
ohn' Anfehn von Gunſt oder Freundſchaft, Liebe ober Gewinn, 
Verwandten und Sippſchaft, Neid ober Bosheit bie Welche 
diefer Infel recht: vollfirecden will gwifchen dem König, unferm 
hoben Herrn, und feinen Untertbanen auf biefer Infel, und 
zwifchen dieſen felbft, und daß idy in meinem Urtheil ftets Die 
Mitte halten will, fo wahrhaft, wie des Haͤrings Rückgrat ia 
Rite bes Fiſches liegt.“ ©. „Law and lawyers’' (1240), 


+), Macht nit dad Rhododendros khirsutum hiervon eine Aud- 
nahme ? D Net. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodbaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 





Blätter 


für g 


literarifibe Unterhaltung. 





Freitag, 


— Sr, 304, — 


30. Dctober 1840. 





Vermifchte Schriften, großentheild apologetifchen In⸗ 
halts, von A. Tholuck. Erfter ımd zweiter Theil. 
(Fortſegung aus Nr. 308.) 

IM. „Über Apologetik und ihre Literatur.” „Die Apo: 
logetik, als wifjenfchaftliche Darftelung der Gründe für 
die Goͤttlichkeit der chriftlichen Religion’: — „oder Willen: 
[haft zur Rechtfertigung des Inhalts des Glaubens als 
eines göttlihen”, iſt früher faft nur als gefchichtliche 
Beweisführung, keineswegs ſtrengwiſſenſchaftlich behandelt 
worden und hat erft angefangen zum Range einer Wil: 
fenfhaft fi) zu erheben, in der das hiftorifche und ſpecu⸗ 
Intive Element einander durchdringen. Der Hr. Verf. be: 
merkt einleitend fehr richtig, daß ein fefter Glaube an den 
görtlichen Urfprung des Chriftenthbums, an feine hiſtori⸗ 
ſchen Ihatfachen, ohne Bewahrheitung bes Inhalts der: 
felben an das Gemuͤth unmöglich fei, daß aber dadurch 
die Beweiskraft der hiftorifhen Thatſachen feineswegs ge: 
mindert werde, indem der Glaube an biefe und der Glaube 
an den Inhalt fi) gegenfeitig tragen und unterflügen, wie 
denn das Chriſtenthum ein febendiger Organismus ift, in 
weichem Mh Theil von dem andern abfolut abgelöft wer: 
den kann. Wenn nun die Apologetit wiſſenſchaftlich die 
Mahrheit des Chriſtenthums darthun folk, fo reicht bie 
Behandlung ber aͤußern Kriterien beflelben allerdings nicht 
aus, vielmehr iſt fie das Mefultat einer richtig behandelten 
Dogmatik, Ethik, Kirchengefchichte, Paftoraltheologie, und 
die Nothmwendigkeit und DVernunftmäßigkeit der Gonftruc- 
tion biefer Wiffenfchaften bemeift auch bie Wahrheiten des 
Chriſtenthums. Mef. beftreitet dies nicht, kann aber dem 
Hrn. Verf. nicht beiflimmen, wenn er daraus folgert, daß 
der Apologetik kein eigener Platz in den theologifchen Die: 
cipfinen anzuweiſen ſei. Vielmehr ſcheint nothwendig, daß 
die verſchiedenen, in der Behandlung ſcharf geſonderten und 
doch als ein innig verbundenes Ganze aufzufaſſenden theo⸗ 
logiſchen Disciplinen als ein Ganzes in einer Wiſſen⸗ 
ſchaft, als in ihrem hoͤchſten Einigungspunkte, in welchem 
das hiſtotiſche und ſpeculative Element zugleich mit dem 
praktiſchen ſich durchdringen und rechtfertigen, ſich zuſam⸗ 
menſchließen muͤſſen, dergeſtalt, daß die weſentlich noth⸗ 
wendigen Reſultate aller einzelnen Disciplinen als bie 
Bauftlide eines Tempels, der Gottesgelahrtheit in ihre 
rechte Beziehung treten und in ihrer Einigung ihre volle 
Geltung und Rechtfertigung empfangen. Wie fchroff find 


Dogmatit und Ethik als befondere Wiffenfchuften von: 
einander getrennt; folhe Xrennung mag für das Studium 
unerläßlih fein; aber wie Glaubenslehre und Sittenlehre 
ihr Verftändniß und ihr volles Leben erft in ihrer Einis 
gung erhalten, diefe aber in ihrer abgelonderten Behand: 
lung nirgend Mar und befriedigend hervortritt, wie ferner 
Phitofophie und Gefchichte des Chriſtenthums doch auch 
nicht blos gefondert ihre Beiträge zum Bau der theologi: 
(hen Wiffenfchaft liefern, fondern in diefer felbft lebendig 
ſich einigen follen, fo bedarf der Bau eines Schlußſteins, 
der faum ein anderer fein kann als die Apologetit, dieſe 
in allen Beziehungen vollftändige und überzeugende Recht⸗ 
fertigung der Theologie felbft und zugleid des Chriften: 
thums. Es iſt hier nicht der Ort, dies weiter zu eroͤr⸗ 
tern; ed may genügen, nur andeutend der Apolegetik ihre 
wilfenfchaftliche Geltung zu vindidren, um fo mehr, da 
fie ihren Wirkungskreis auch unter den Nichttheologen fins 
den foll, denen mit Verweiſung auf bie befondern theolo⸗ 
gifchen Disciplinen nicht gerathen, noch geholfen ift. 

Hr. Dr. Tholuck beabfichtigte nur bie wichtigern apo= 
logetifhen Werke der neuern Zeit, von Grotius' beruͤhm⸗ 
tem Buche „De veritate religionis christianae” an, zu 
charakteriſiren, und hat Dies meifterhaft gethan, mit fo viel 
Scharffinn und Klarheit, daB denkende Lefer, auch Unges 
lehrte volle Befriedigung finden merden, wenn fie mit ben 
Hauptvertheidigern des Chriſtenthums ſich befreunden wol: 
fen. Hier kann aus ber großen, zum Theil dichtgedraͤng⸗ 
ten Maſſe des Materials nur Weniges herausgehoben wer⸗ 
den, zumeift um zum Studium bed Ganzen einzuladen 
und zu bemegen, nicht daſſelbe entbehrlich zu machen. 

Hugo Grotius wenbete die unfrelmillige Muße un: 
verdienter Gefangenſchaft dazu an, bie Wahrheit der chrift: 
lichen Religion zu vertheidigen, zuerft (1620) in hollaͤn⸗ 
diſchen Verſen, fpäter (1627 revidirt und erläutert 1640) 
in lateinifcher Profa, aus der das gefeierte Buch bald in 
alle europäifche Sprachen und felbft ins Arabifche, Mala: 
barifhe und Chinefifche Überfegt ward. Klarheit, Buͤndig⸗ 
keit und Gelehrſamkeit zeichnen es aus; es flieht auf bem 
Standpunkte eines mehr Außerlichen als innerlich lebendi⸗ 
gen Supranaturalismus, der von rationaliflifchen Deutun⸗ 
gen fih nicht fern hält. Reinapologetiſch find nur bie 
drei erften Bücher, die drei leßten mehr polemiſch, gegen 
heidniſche, jüdifche und mohammebanifche Religion. Daß . 





1226 


diefes Merk eines fo reich ausgeftatteten Geiſtes noch im: 
mer gelefen zu werden verdient, verfteht fich von ſelbſt. 

Unter den zahlreichen engliſchen Apologeten, die ſeit 
dem 17. Jahrhundert erſchienen, ſind viele, die, um die 
Schale zu retten, den Kern preisgeben und mit ihrer ſeich⸗ 
ten, zum Theil ganz deiſtiſchen Vertheidigung der guten 
Sache weit mehr geſchadet als genutzt haben. Unter ih⸗ 
nen iſt der berühmte Locke, dem Leibnitz eine Hinneigung 
zum Socinanismus mit Recht Schuld gibt, und den man 
richtiger zu den Gegnern als zu den Vertheidigern des 
wahren Chriſtenthums rechnen koͤnnte, bei all ſeinem ge⸗ 
prieſenen Scharfſinn, in chriſtlicher Erkenntniß ſehr ſeicht. 
Daſſelbe behauptet der Verf. von Laland, Foſter, Clarke, 
Paley u. A., vor denen er wol mit gutem Grunde Ph. 
Skelton („Die offenbarte Deifterei”’) auszeichnet. MWürdiger 
ftehen den Sternen erſter Größe unter den vielen gefeier: 
ten, fruͤhern und fpätern Denkern Englands, Baco, Berk: 
len, Johnſon, die auch als wackere Vertheidiger der chriſt⸗ 
lichen Offenbarung hervorleuchten, Addiſon (geſt. 1719), 
Paten (1806), Buttler (1752), Chalmers (noch jetzt Pro: 
feſſor der Theologie in Edinburg) zur Seite. Den Er: 
ftern hinderte der Tod an der Vollendung feiner Apologie; 
was er davon zuruͤckließ, ift befonder6 durch die franzöfi: 
ſche Bearbeitung des Seignieur de Correvon (1771) fehr 
empfohlen worden. Bel allen unverdennbaren Mängeln bie: 
ſes Werkes gereicht es doch dem Verf. zur Ehre und be: 
bauptet noch immer feinen Werth. 

Paley's berühmtes apologetifhes Werk (deutfh mit 
Noͤſſelt's Vorrede 1797) rechtfertigt mit der nüchternften 
und überzeugendften Kritit die Wahrheit der neuteflament: 
lichen Geſchichte. Sein Scharffinn und feine große Ge⸗ 
wandtheit in der Beweisführung hat Treffliched zu Tage 
gefördert; man vermißt aber doch eine tiefere Einficht in 
das Weſen des Chriſtenthums, defien Grundlehren zu wes 
nig in Betracht kommen, während auf die Wunder zur 
Srwedung des Glaubens an die Wahrheit des Chriſten⸗ 
thums das meifte Gewicht gelegt wird. 

Buttler's hochverehrted Werk zeigt eine tiefere Ein: 
ſicht in das Weſen ber chriſtlichen Offenbarung und hält 
die chriſtlichen Grundwahrheiten fefter, betrachtet aber die 
göttlichen Dinge doch gar zu mechanifd und anthropomor: 
phiſtiſch, und ſtellt auh Wunder und Weiffagungen allen 
Bereismitteln voran. Der gluͤckliche Gedanke, die Analo: 
gien des Reiches der Natur und des Gottesreiches aufzu: 
fuchen und nachzuweiſen, iſt fehr unvolllommen ausgeführt. 

Chalmers, ber „brilliant genius”, der glänzende Red: 
ner, befchäftige fi vornehmlich mit den Einwürfen gegen 
die uckundlihe Öffenbarung, welche aus den neueften 
aftronomifchen Entdedungen , und insbefondere aus den 
smermeßtichen Kernen, im welche fie uns den Blick geöff: 
net haben, Hergenommen find. Hr. Dr. Tholuck verfichert, 
dee Gang des Verf. fei fo ficher, feine Darftelung fo feſ⸗ 
feind, Einzelnes fo treffend, dag man mit Vergnügen 
Schritt vor Schritt folge. In jedem Kal verdient Chal: 
mers' treffliches Buch gut üÜberfegt und viel gelefen zu 
werben. 

Unter den franzöfifchen Apologeten ragt zunächft Pas: 


° 


cal hervor. Es märe nicht ſchwer, aus der Geſchichte 
jeben Zweiges der Wiffenfhaft heilleuchtende Denker aus: 
zuzeichnen, bie bei den glänzendften Geiſtesgaben und wiſ⸗ 
fenfchaftlichen Verdienſten von ganzem Derzen dem Evans 
gelium huldigten und ihre Anie vor bem Heiland der Welt 
beugten, zum fichern Beweis, daß auch Solche, die reich 
find am Gelft, und denen es um fo ſchwerer wird, in 
das Himmelreich einzugeben, des kindlichen Glaubens faͤ⸗ 
hig ſind, daß die Tiefe der Wiſſenſchaft mit demſelben nicht 
unvereinbar iſt, und daß nicht blos Solche, die, zu tiefe⸗ 
rer Forſchung unfaͤhig, aus Verzweiflung ihm ſich in die 
Arme werfen, in ihm eine feſte Burg und fichere Zuflucht 
finden. Pascal, der [harflinnige Mathematiker, deffen Löfung 
der ſchweren Aufgabe von der Radlinie allein fchon ihm 
einen hohen Ehrenplag unter den Eühnften und gluͤcklich⸗ 
ften Forſchern ſichern würde, der. Verf. der unfterblichen 
„Lettres provinciales“, in denen er der Sache der Jeſuiten 
und laren Moraliften den Zodesftoß verfegte, war mit feis 
nem feelenvollen Chriftentyum dem Geſchlecht feiner Zeit 
eine fo unbegreifliche Erſcheinung, dag man ſich nicht ents 
blödete, zu behaupten, bei der Rettung aus einer drohen- 
ben Lebensgefahr habe fein Kopf gelitten, während er zu 
derfelben Zeit durch die kühnften Eroberungen im Gebiet 
der Miffenfchaft und durch eins ber geiftreichften Werke ſolch 
Geſchwaͤtz zu Schanden machte. In feinen „Pensdes”, dem 
Werke feines reifern Alters, verfuchte er eine weit anges 
legte Vertheidigung des Chriftenthums, in ihr die legten 
Gründe des Göttlichen und Menfchlichen darzuftellen. Zehn 
gefunde Jahre meinte er zur Vollendung dieſes Werks zu 
bedürfen; aber nur vier, durch die empfindlichften Körper- 
ſchmerzen getrübte Jahre (er flarb 1662, 39 Jahre alt) 
waren ihm dazu vergönnt, und fo Eonnten nad) feinen 
Zode nur die Baufteine zu dem beabſichtigten größern 
Werke von feinen Freunden zufammengetragen und befannts 
gemacht werden. Atheiften und Deiften, Sulgn und Hei⸗ 
den, Keber und Indifferente wollte Pascal von dem Irr⸗ 
thum ihres Weges und von der Wahrheit des Chriftens 
thums überzeugen, wobei er mit Recht einen Zufland bee 
Sehnſucht, des Verlangens nach dem Heil, als fubjective 
Bedingung, welche aller Beweisführung für jene Wahrs 
heit vorausgehen muß, vorausfegt und fodert. Die geniale 
Gewalt über feine Mutterfprache und die bemundernsmwür: 
dige Feinheit und Sicherheit in der Behandlung derfelben 
ift allgemein anerkannt, felbft bei Solchen, melche, mit 
dem tiefen Gehalt nicht einverftanden, nur die Gebiegens 
beit der Form anfehen. Wer ber franzöfifhen Sprache 
Eundig ift, thut wohl, die „Pensces“ im Original zu les 
fen; die deutfche Überfegung von Kleuker ift mit werth: 
vollen Anmerkungen ausgeflattet. 

Auch die vielumfaffende Gelehrſamkeit Huet's, des be: 
ruͤhmten Bifhofs von Aoranches (geft. 1721 im 91. Jahre), 
richtete fi mitten in einer an Glauben immermehr vers 
armenben und ebenfo fehr den bobentofeften Zweifeln, wie 
den luftigſten Philofophemen fich bingebenden Zeit auf die 
Apologetit. In feiner „Demonstratio evangelica” und in 
dem anziehenden Werke „‚Quaestiones Alnetanae” (in 
der Abtei Aulnoy bei Caen verfaßt) verräch ſich fchon der 


1227 


Skepticismus, dem ber Verf. fpäter noch entſchiedener hul⸗ 
digte, und bei reihem Wiſſen doch wenig Kritik und noch 
weniger Geiſtestiefe. Won brauchbaren Materialien findet 
fi ein reicher Vorrath, neben vielem Flachen und bürf: 
tigem Schutt. 

ß Der dunantiſche Karl Bonnet (geſt. 1798), der 
gervandte Empiriker, mandyen materiatiftifchen Anfichten hul: 
digend, an pbilofophifcher und chriftlicher Einſicht dem tie⸗ 
fern Pascal weit nachſtehend, hat mit Energie und fogar 
nicht ohne Salbung in feiner „Palingenesie philosophi- 
que”, durch die Ravater’fche Überfegung weit verbreitet, und 
in ben „‚Becherches philosophiques sur les preuves du 
ehristianisme” (1773), die eigentlich chriftliche Heilslehre 
meiſt ignorirend, das Chriſtenthum faſt nur als Beſtaͤti⸗ 
gung der Unſterblichkeitslehre und Inbegriff einer trefflichen 
Moral vertheidigt. Auf die Wunder iſt auch hier das 
meiſte Gewicht gelegt; aber die Analyſen der evangeliſchen 
Geſchichte ſind trefflich und uͤberzeugungskraͤftig und die 
der chriſtlichen Moral durch die ſchoͤne Sprache der Be⸗ 
geiſterung ergreifend. | .. 

Die uͤbrigen von dem Verf. unparteiiſch gewuͤrdig⸗ 
ten franzoͤſiſchen Apologeten ſind die katholiſchen le Vaſ⸗ 
for, Bern. Lamy, Franc. Lamy (von welchem drei apolo⸗ 
getifche Schriften vorhanden, aber weniger bekannt find), 
Denpfe, Houteville, Franc. d'Agueſſeau, Kanzler von Frank⸗ 
reich („Lettres philosophiques, fragmens et reflexions 
sur Jesus Christ etc.”, 1785, befonders im dritten Theil), 
Bergier und, abgefehen von mehren Andern minder bedeu⸗ 
senden, Chateaubriand („Atala, ou les amours de deux 
sauvages dans le desert.”, 1801, und befonders „Genie 
du christianisme, ou les beautes de la religion chre- 
tienne”, 1803). Und die proteflantifchen: Jacob Abbadie, 
Jacquelot, Jacob Vernet („Traité de la verité de la re- 
Kgion chret.“, 1748) eine ſehr umfaſſende Bearbeitung ber 
„Theses de veritate rel. christ.” von’ Alph. Zutretin, 
denen man noch Ed. Diodati ( „Essai sur le christianisme”‘, 
1830) .anreihen kann. Es iſt hier nicht vergönnt, bei die: 
fen Apologeten zu verweilen. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Maturfchiiderungen. Eine Reihe allgemein faßlicher Vor⸗ 
lefungen, von 3. F. Schouw. 
(Beſchluß aus Nr. 3.) 


Den Freunden des Kaffees erweifen wir vielleicht einen 
Gefallen, wenn wir ihnen Giniges aus der Befchichte dieſes 
Getränke berichten: „Daß das Auflommen des Kaffeetrinkens 
der neueren Zeit angehört, ifl gewiß. Die alten griechiſchen und 
zömifchen Schriftfteller fhweigen gänzlich von biefem Getränke, 
Gin arabiſches Manufeript in der parifer Bibliothek, am Schluß 
des 16. Jahrhunderts von Abdsels Kader gefchrieben und von 
dem Drimtaliften Galland herausgegeben, feßt ben erſten alls 
gemeinen Gebrauch bes Kaffeetrintens in Yemen nicht weiter 
eis bis in bie Mitte des 15. Sapepunbests zurück, alfo nicht 
solle 400 Jahre vor unferer Zeit. e Sache wirb von bem 
arabischen Berfafier folgendermaßen erzählt: In Aden auf ber 
Güpdküfte Arabiens lebte ein Mufti, Namens Gemaleddin. Auf 
einer Reife nach Perfien traf derfelbe einige feiner Landsleute, 
Die den Koffer als Getränk benupten, und bei feiner Zuhauſe⸗ 


Eunft fiel es ihm ein, daß diefer vieleicht feiner Geſundheit 
teäglih fein koͤnne. ’ Gin Werfuch überzeugte ihn, —* in 
gutes Mittel fei, den Kopf zu erleichtern und ben Schlaf abzu⸗ 


‚wehren, weshalb er ihn den Derwifchen empfahl, welche Nacht⸗ 


wachen halten follten. Bald aber fanden biefe und Andere, 
daß er auch am Tage ein gutes Getränk fei; der Kaffee wurde 
nun in Aden allgemein, verbreitete fich von ba nad) dem übri- 
gen Arabien und erreichte Mekka am Gchluffe bes 15. Jahr⸗ 
hunderts. Im Anfang des 16. Jahrhunderts (1511) ernannte 
der aͤgyptiſche Sultan einen neuen Statthalter in Mekka. Dies 
fer, der den Kaffee nicht Tannte, nahm großen Anſtoß daran, 
als er einmal in der großen Mofchee einige Derwiſche fand, 
die in einem Winkel faßen und Kaffee tranten. Er jagte fie 
aus dem Tempel und berief ein Concilium von Theologen, Ges 
ſetzkundigen und ben angefehenften Maͤnnern der Stadt. Man 
disputirte lange; einer der Anmwefenden brachte durch bie Ers 
klaͤrung, daß der Kaffee, wie der Wein, beraufche, die Ver⸗ 
fammlung zum Lachen, und da er dabei gefland, bas durch das 
Geſetz verbotene Getraͤnk gekoftet zu haben, befam er für dieſes 
Bergehen bie gefeglihen Stodprügel. Da das Goncilium nicht 
einig werden konnte, fo nahm es feine Zuflucht zu den Ärzten. - 
Der Statthalter rief nun zwei perfifche ÄArzte hinzu, die den 
Kaffee für die Gefunbheit nachtheilig erklärten, worauf das 
Eoncilium ihn verbot. Man unterfagte ben Verkauf biefes Ge- 
traͤnks, alle Niederlagen wurben verbrannt, und wer überwiefen 
wurde, Kaffee getrunken zu haben, ward auf einem Eſel reis 
tend durch die Stadt geführt. Das Verbot warb indeffen bald 
aufgehoben, benn ber Sultan in Kairo war felbft ein Freund 
bes Kaffees geworben und feine Gelehrten erklärten ibn für 
ebenfo unfchädlich als erlaubt. Durch diefen Sieg wurde ber 
Kaffee. noch bekannter und verbreiteter. Ginige 20 Jahre fpäs 
ter fiel e6 einem Zeloten in Kairo, wo das Kaffeetrinken gang 
allgemein geworben war, ein, eifrig gegen denfelben zu prebis 
gen; er erklärte, daß, wer Kaffee genöffe, kein guter Mufels 
mann fei. Seine Zuhörer wurben hierdurch fo aufgeregt, baß 
fie, als fie aus der Mofchee kamen, nach ben Kaffeehäufern eils 
ten, Taſſen und Tiſche entzweifchlugen und die Gaͤſte mishan- 
beiten. Die Stadt theilte fe in zwei Parteien und die Sache 
fing an ernftli zu werden. Run beriefen bie oberflen Richter 
ber Stadt die Gelehrten zufammen; dieſe aber erklärten eins 
ftimmig, es ſei ſchon Tängft abgemacht, daß ber Kaffee ſowol 
erlaubt als auc ber Geſundheit zuträglich fei. Der Worfiger 
des Gerichts bewirthete fie —8 Alle mit Kaffee und trank 
ſelbſt die erſte Taſſe. Dieſer neue Sieg verbreitete noch mehr 
den Ruhm und das Anſehen des Kaffees.“ 


Sn ber erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts verbreitete ſich 
das Kaffeetrinten nach Aleppo, Damaskus und mehren Orten, 
und in der Mitte deffelden Jahrhunderts erreichte es Konftans 
tinopel. Zwei Privatleute eröffneten bier 1554 einen Laben 
mit bequemen Sophas, wo man Kaffee trank, Schach fpielte 
und fig unterhielt. Gin türkifcher Dichter machte ein Gedicht 
zum Lobe des Kaffees. Als aber bie Anzahl ber Kaffeehäufer 
ſtark zunahm, begann die Geiftlichkeit darüber zu Hagen, daß 
diefe mehr als die Moſcheen befucht würden. Der Mufti ex 
Härte daher das Getraͤnk für dem Koran widerſtreitend unb 
alle Koffeehäufer wurben gefchloffen. Doch ein neuer Muſti ers 
Plärte fih für den Kaffee und bald folgten die Geiſtlichkeit, 
ber Hof und die Stadt feinem Beiſpiele. Später wurden zwar 
die Kaffechäufer aus politifchen Gründen bisweilen gefchloffen, 
ale man fand, daß die Leute hier zu gute Gelegenheit hatten, 
über bie Unternehmungen bes Sultans zu ralfonniren, doch bes 
ſchraͤnkte fich diefes Verbot nur auf bie Hauptflabt und betraf 
nit das Kaffeetrinten zu Hauſe. Im Gegentheil verbreitete 
fi ber Gebrauch deffelben immer mehr und mehr; einem jeben 
Gaſte wurde Kaffee angeboten, und fo wie unfere Dienftboten 
Trinkgelder bekommen, erhielten die tärkifchen Kaffeegelder; in 
großen Häufern war ein eigenes Diener blos zur Bereitung 
und Servirung des Kaffees angeflelt, ja, ein türkifches Geſes 
beftimmte, baß, wenn ein Mann feiner Grau Kaffee verweigerte, 


1228 


dies für fie ein gefehlicher Grund zur Scheidung war. So 
ee bee Gebrauch des Kaffeetrintens im 17. Jahrhundert in 
der Levante und Ägypten feften Fuß gefaßt, ungefähr 150 Jahre, 
nachdem er in Arabien aufgelommen war. Vor ber Mitte des 
17. Jahrhunderts hat man in Europa (außerhalb der Türkei) 
nur fehr geringe Kenntniß vom Kaffee gehabt. Profper Alpi⸗ 
nus, ein Botaniker aus Padua, der am Schluſſe des 16. Jahr⸗ 
hunberts in Agypten war, ſpricht von dieſem Getränke als dort 
allgemein gebräuchlich, aber als in Europa unbekannt. In 
der zweiten Ausgabe feines Werts über die Pflanzen Agyp⸗ 
tens, von Vesling beſorgt, erwähnt dieſer deſſelben als eines 
in Europa feltenen Heilmiitels. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, 
daß ber Kaffee zuerſt nach Venedig kam. Man hat einen 
Brief von Pietro della Walle aus Konftantinopel von 1615, 
in welchem ex fehreibt, er wolle etwas Kaffee mitnehmen, wenn 
er nach Stalien zurüdeife. 1660 führten einige, aus der Le: 
vante nach Marfeille heimkehrende Kaufleute Kaffeebohnen mit 
ſich und zeigten fie und die dazu gehörigen Geraͤthſchaften ale 
eine Geltenheit; etwas fpäter fing man an, ihn dort in ben 
Kaufmannshäufern zu genießen, und 1671 ward ein Laden er: 
Öffnet. Der Erſte, welcher Kaffee nach England brachte, war 
gleichfalls ein von Smyrna heimkchrender Kaufmann, Edwards, 
der ein griechifches Mädchen mitgebracht hatte, welches ihm ſei⸗ 
nen Kaffee bereiten follte. Diefes verheirathete fich mit feinem 
Kutfcher und dieſes Paar eröffnete das erſte Kaffeehaus in 
London. In Paris Fam der Kaffee hauptſaͤchlich in Gebrauch, 
nachdem der Geſandte Sultan Mohammed's IV. fi dort läns 

exe Zeit aufgehalten und den Hof mit biefem neuen Geträn? 
Dekannt gemacht hatte. 1672 warb das erfie Kaffechaus in 
Paris eröffnet. In Marfeille, wo fchon ber Kaffee etwas frü⸗ 
der durch die von Smyrna zurüdgelommenen Kaufleute in Ge⸗ 

rauch gelommen war, hatte biefer noch einen Kampf zu bes 
fichen. Die Ärzte wurden nämlich durch bie Verbreitung eines 
GSetränts beunruhigt, welches fie als ſchädlich betrachteten; fie 
befchloffen daher, ihn zum Gegenſtand einer Öffentlichen Dispu⸗ 
tation zu machen. Durch ein Programm, welches noch exiſtirt, 
wurbe zu einem gelehrten Streite auf dem Rathhaufe eingela- 
den, und das Programm lautete wie ein Kriegémanifeſt; doch 
bewirkte dies fo wenig wie die Angriffe der mohammebdanifchen 
Zeloten das Aufhören des Kaffeetrinkens. Daß die Vertheidi⸗ 

er bes Kaffees fich indeffen nicht immer der beflen Argumente 
Bedient haben, erficht man daraus, daß das Manifeft Diejeni⸗ 
gen widerlegt, bie al6 Beweis für die Unfchäblichkeit bes Kaf⸗ 
fes angeführt hatten, daß er auf türkiſch bon (daher vieleicht 
das deutfche Wort Kaffeebohne?) genannt werde und aus dem 
glüdlidhen Arabien komme.’ 

„Der immer mehr fleigende Verbrauch des Kaffees In Eus 
zopa vermehrte die Production in Arabien; hauptfächlich als 
man im Anfange des 16. Jahrhunderts fich nicht mehr mit 
dem Handelswege über Ägypten nach Marfeille begnügte, fons 
dern um das Vorgebirge der guten Hoffnung unmittelbar nad) 
Arabien fuhr. Dabei fiel man natürli auf den Gedanken, 
diefen koftbaren Baum nach andern Ländern gu verpflanzen. 
Der holländifgde Gouverneur Hoorn Heß Pflanzen nach Bata⸗ 
via bringen; doch fol ber Kaffeebau bort erſt etwas f[päter 
(1723) begonnen haben. Er fandte 1712 auch einige Bäume 
an den Bürgermeifter Wilfen in Amſterdam, unb im Jahre 
darauf Fam einer davon nah Paris. Hier zog man mehre 
Pflanzen aus Samen, und nicht lange nachher, 1717, brachte 
Declieurx eine diefer Pflanzen nach Martinique. Die Überfahrt 
war befchwerlich und langwierig, man litt ‘Mangel an Waffer; 
aber Declieur darbte ſich felbft das Wafler ab, um feinen jun: 
gen Kaffeebaum begießen zu Tönnen. Won biefem einzigen Kaf: 
feebaume, behauptet man, follen alle Kaffeebäume in Weftin: 
dien und Braſilien abflammen; und verhält fi bies wirklich 
fo, fo verdankt man ben größten Shell der ungeheuern Menge 
Kaffee, welche jest in Europa verbraucht wird, mittelbar eis 


nem einpigen Baume, der in einem botanifchen Garten gezogen 
ward. Bon Martinique verbreitete fich ber Kaffeebau bald nady 
San : Domingo und den übrigen weſtindiſchen Infeln nebft 
Surinam, während bie Infel Bourbon und Isle de Franse 
fon 1718 den Kaffeebaum direct aus Arabien bekommen hats 
ten. Gans Domingo blieb lange Zeit der Hauptort für ben 
amerikaniſchen Kaffeebau. Diefe Infel führte zu Neders Zeit 
76 Millionen Pfund aus, weldyes das Mehrfache von Dem if, 
was Arabien audgeführt bat. Der Aufftand der Neger aber 
verminberte diefen blühenden Nahrungszweig bebeutend ; die 
meiften Pflanzer flüchteten nach Guba, Jamaica und bem Feft- 
ande Amerikas. Diefe Länder, weiche erft am Schluſſe des vo⸗ 
rigen Jahrhunderts anfingen, Kaffee gu baten, erzeugen jetzt 
außerordentlich vielen. Später hat Brafilien fi ihnen ange⸗ 
ſchlofſen, der Kaffeebau ift bier ſtark im Steigen und Sie 
Saneiro iſt ein gefaͤhrlicher Nebenbuhler im Kaffeehandel ge⸗ 
worden. 

Es fehlt an Materialien, um das Quantum von Kaffee 
zu beſtimmen, welches jaͤhrlich producirt wird; rechnet man 
aber, daß Europa 226 Millionen, daß Nordamerika 37 Millio⸗ 
nen Pfund verbraucht, und fügt man hierzu ben bedeutenden 
Verbraud) im Drient, Nordafrika und in den Ländern, die ſelbſt 
Kaffee erzeugen, fo ift ſicherlich 3— 400 Millionen Pfund eine 
nit zu hohe Annahme. Vor etwas länger als 100 Jahren 
ward aller Kaffee aus Arabien geholt und bie ganze Probues 
tion machte vielleiht 10— 12 Millionen Pfund aus; jeht lies 
fert Arabien nur zwifchen 142 und ’/,., und nach Europa kaum 
Yo Deflen, was dort verbraudt wird. Die größte enge 
führt Weflindien aus, nämlich 101 Million Pfund (an: Dos 
mingo 30, Cuba 28 Millionen); hierauf folgt Brafilien und 
das übrige Feſtland Südamerikas mit 64 Millionen, dann Java 
mit 38 und Arabien mit 24 Millionen Pfund. Die übrigen 
Gegenden liefern im Berhältniß * dieſen nur wenig. 

Die Nachrichten, welche der Verf. über das Zuckerrohr, bie 
Weinrebe, die Baummollenpffanze und ben Theeſtrauch mit 
theitt, werben nicht weniger das Intereſſe der Leſer in Ans 
ſpruch nehmen. 65, 








Literarifhe Notiz. 


Helfe ſich noch Einer vor den Widerfprüchen der Kritik! 


Ein frangöfifches Sournal empfishlt einen Roman von dem 


General Saint:Yon „Les deux Mina’ mit folgenden Wors 
ten: „Dieſer Roman iſt ein dolchſcharfes und warmes Gemälde 
ber modernen fpanifdhen Sitten: ba hat man Drama, Dbe, 
Gerichte, und ſelbſt die Analyſe des Philoſophen dürfte biefe 
Production nicht zu fürchten haben.’ Bon bem neuen Romane 
des Grafen Victor du Hamel Heißt es: |,,Der Roman des Grafen 
du Hamel, gut gefchrieben, ift das fehr intereflante Merk eines 
gewiſſenhaften Schriftſtellers, einer gewandten Weber.’ In ber 
„Bevue critique“ von Cherbullez dagegen wird. von ben „„Doux 
Mina’ gefagt: „Ein. Miſchwerk, welches feinem Gtoffe nad 
der Geſchichte, der Behandlung nad bem Roman unb bem 
Drama angehört, und worin Erzählung und Dialog abwerhfeln. 
Der General St. Yon hat an den Kriegen in Spanien Theil 
genommen und berichtet fomit als Augenzeuge, wir hätten aber 
gewünfcht, daß er fich damit begnügt hätte, einen rein gife 
rifchen Bericht über die merkwürdigſten Creigniffe jenes Kam⸗ 
pfes zu geben. Unter ber jeßigen Form leidet das Intereſſe 
wie das Vertrauen zu der Wahrhaftigkeit des Verfaſſers“, und 
in derſelben Beitfchrift wird über den Roman des Grafen bw 
Hamel geurtgeitt: „Wir haben hier eine Hiftorifche, mit ziemlich 
verwickelten Liebesintriguen verwebte Erzählung, in einem et⸗ 
was pretentiöfen, etwas chevaleresten Style g eben, wort 
der Überfluß an Details zuweilen dem Gange ber Hanblung 
und ſomit dem Intereffe Eintrag thut.” 3. 





Berantwortlihes Herausgeber: Heinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 








Blaͤrtter 


für 


Literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Beſchluß aus Nr. 201) 


Auch in Deutſchland haben, außer den eigentlichen 
Theologen, geiſtreiche Maͤnner der Vertheidigung des Chri⸗ 
ſtenthumes ſich gewidmet. Abgeſehen von Solchen, deren 
ganze fchriftftellerifche und Lebenstendenz eine apologetiſche 
Richtung hatte, wie der unvergleichliche Hamann, find be: 
fonders drei Sterne erfter Groͤße — Leibnig, Haller, Eu⸗ 
ler al8 Apologeten auszuzeichnen. 

Leibnig, über deffen vermeintliche Ungläubigkeit nicht 
minder als über feinen angeblichen Katholicismus, zu dem 
er allerdings eine Dinneigung zeigte, Hr. Dr. Tholuck fich 
unbefangen und befriedigend erklaͤrt, hat nicht, wie es bei 
feinem vielfeitigen hHiftorifchen Willen ſehr wünfchenswerth 
wäre, eine hiſtoriſche, fondern eine bogmatifche Apologetit 
geliefert, und zwar in feiner berühmten „Theodicee“, auf 
deren fcharffinnige Conftruction bier nicht eingegangen wer: 
den Bann. Die voranftehende, mit Recht gepriefene Abhand⸗ 
lung „De la conformit€ de la foi avec la raison” iſt 
ſelbſt ſchon eine Apologie des Chriſtenthums, bie ebenfo 
wie die „Theodicee“ den ſkeptiſchen Bayle in feinen Ver⸗ 
fhanzungen angreift und vertreibt. In andern apologeti: 
ſchen Schriften hat der bewundernswuͤrdige Denker. die So: 
cinianer und englifchen Antitrinitarier nicht minder Fräftig, 
wenn auch nicht überall fiegreich,, bekämpft. 

Albrecht v. Haller, der Große genamnt (geft 1777), 
der tieffinnige Maturforfcher und ſeelenvolle ernfle Dichter, 
Hat ſchon in feinem gehaltreichen Lehrgedichte „Über den 
Mcfprung des. Übels“ die apologetiſche Richtung gezeigt, 
die aus ber lebendigften überzeugung von der Wahrheit des 
- Chriftenthums® hervorging. Die von Hm. Dr, Tholuck 
mitgetheitten kurzen Auszüge aus feinem Tagebuche zeigen 
den hohen religioͤſen Ernſt des trefflihen Mannes, ‚feine 
anhaftende Sorge für das Heil feiner See. In jener 
Zeit des Abfals, da Voltaire und Eonforten die Grund: 
feften des religiöfen und des fittlichen Lebens erſchuͤtterten, 
fand er mannichfache Auffoderungen, in mehren Schriften 
das Gift, das jene verbreiteten, zu neutraliſiren. Noch im: 
mer lehrreich und beherzigenswerth find feine ‚Briefe über 
die wichtigften Wahrheiten der Offenbarung” (1783, dritte 
Aufl. 1779) und „Briefe über einige Einwuͤrfe noch le 


‚des Naturaliemus” zu bekämpfen. 


31. Dctober 1840. 


bender Sreigeifter wider bie Offenbarung’ (1715, verbeſ⸗ 
fert und vermehrt 1778). 

Euler, in mathematifchen und phyſikaliſchen Forſchun⸗ 
gen fcharffinnig und unabhängig (geft. 1783), gab 1747 
eine „Rettung der göttlichen Offenbarung gegen bie. Ein: 
würfe der Sreigeifter” heraus, kurz, gedrängt, aber xeich⸗ 
baltig, in firenger Methode und praßtifch=veligiöfer Rich 
tung. Diefe Eleine Schrift iſt jegt viel weniger befannt, 


als ſie es verdient; um fo mehr muß die Aufmerkſamkeit 


Derer, die nach einer feſten Überzeugung ringen, wieber 
auf diefelbe geleitet werden. 
Seit bem Anfang des 18. Jahrhunderts, da feindfelige 
Angriffe gegen das Chriftenthum und gegen die Offenba⸗ 
rung, ja felbft gegen die Wahrheiten der fogenannten na⸗ 
turlichen Religion überhaupt immer häufiger wurben, ha: 
ben denn auch bie Theologen nicht verfehlt, apologetiſch 
und polemifch dagegen aufzutreten und bie, befonders von 
England herüberfirömenden Irrlehren ber „„Dejfkerei und 
Man kann ſich dabei 
nicht bergen, daß geiftreiche Nichttheologen an -Driginalität, 
Energie und Zieffinn die Männer von Fach weit übertens 
fon. Auszuzeichnen find unter den Legtern vornehmlich Li⸗ 
llenthal's Gute Sache der Offenbarung” (16 Theile, 1752 
— 82); Leß, „Über die Religion, ihre Geſchichte, Wahl ud 
Beftdtigung” (2 Bde., ſechſte Aufl,, 1706) und inshefondsre 
Kleuber's „Neue Prüfung und- Erklärung ber vorzuͤglichen 
Beweiſe ‚für die Wahrheit und den göttlichen Urfprung, bes 
Chriſtenthums“ 1. (2 Bde., 1787); ‚Ausführliche Un⸗ 


terfuchung dee Grunde für. die Echtheit und Glauhwuͤrdig⸗ 


beit der ſchriftlichen Urkunden des Chriſtenthums ar 
1797 — 1800). Kürzer, aber durchaus original, - Geift 
und Leben athmend, ift feine Heine Schrift: „Menfchlicher 


Verſuch über ben Sohn Gottes unter. den Menſchen“ (1776). 


Auch Köppen’s Werk: „Die Bibel, ein Werk, göttlicher 
Meisheit” (2 Bde., 1787, neue Aufl., 1837) verdient 
hier erwähnt und empfohlen zu. werben. 

Auf die Schriften von Pfaff, Mosheim, Sad, Nil: 
felt, Serufalem, Reinhard (‚‚Berfuch über den Plan Jeſu“ ıc.) 
Eönnen wir bier nur hinmweifen und noch, hinzufügen, daß, 


‚ba jenes raſch verfommende theologifche Syſtem, welches 


Nationalismus genannt wird (mohl zu ımterfcheiden von 
dem philoſophiſchen Nationalismus), von der goͤtglichen Of⸗ 
fenbarung im eigentlichen Sinne ſich losſagte und ſich auf 


1230 


bie Seite ber Gegner flellte, gegen welche bis bahin bie 
Apologetit vornehmlich gerichtet war, dieſer zum hell 
auch die gegen die Principien jenes von ber Wurzel evan- 
gelifcher Theologie loßgeriffenen Syſtems wiſſenſchaftlich an⸗ 
kaͤmpfenden Schriften angehören. 

Wir würden die nothwendigen Grenzen unferer An: 
zeige uͤberſchreiten, wenn wir über diefen reichhaltigen Ab: 
ſchnitt noch mehr beibringen wollten, meinen aber mit der 
bier gegebenen Überficht manchen Lefern d. Bl. einen will: 
tommenen Dienft geleifter zu haben. 

IV. „Über die Hypotheſe des Urfprungs des Namens 
Jehova aus AÄgypten, Phönizien oder Indien.” Ein in 
vielfacher Beziehung fehr intereffanter Auffag, der auch 
Solche anziehen wird, die fonft auf derartige gelehrte und 
kritiſche Unterfuchungen nicht eingehen mögen. Man hat, 
die zur Befeitigung bed unbequemen Anfehens der altte: 
ſtamentaliſchen Offenbarung erfundene Hypotheſe, daß Mo⸗ 
ſes einen ‚guten Theil feiner religioͤſen und legislativen 
Weisheit von den Ägyptiern entlehnt habe, zu ſtuͤtzen, ſich 
auch keck darauf berufen, daß der heilige Name Jehova 
aͤgyptiſchen Urſprungs ſei. Dies fprachen, zumal nachdem 
Voltaire mit gewohnter Dreiſtigkeit und unkritiſcher Leicht⸗ 
fertigkeit es behauptet hatte, gelehrte Leute einander ſo 
lange nach, daß es endlich als eine ausgemachte Wahrheit 
galt. Und doch iſt nicht ein einziger directer und zuver⸗ 
laͤſſiger Beleg aus dem Alterthum dafür aufzuſtellen, und 
alle Scheingründe, die man für jene Hypotheſe beigebracht 
hat, werben durch eine unbefangene und befonnene Kritik 
völlig vernichtet. Die hebraͤiſche Wurzel des Jehovana⸗ 
mens ift mit Sicherheit nachzumeifen. 

V. „Die Geſchichte Bileam's.“ Abgeſehen von ben 
auch hier beigebrachten Beweiſen der Leichtfertigkeit jener 
modernen Kritik, der Stuͤtze des Unglaubens, bemerken 
wir nur, daß die Echtheit und das hohe Alter jener Ge⸗ 
ſchichte und der darin enthaltenen Weiſſagungen dargethan 
und Bileam's Sehergabe ebenſo wie die Worte, die er 
aus dem Munde der Eſelin zu vernehmen meinte, aus 
einem ekſtatiſchen Zuſtande, wovon in der Geſchichte Spu⸗ 
ren genug vorliegen, erklaͤrt wird. 

VI. „Zinzendorf, mit beſonderer Ruͤckſicht auf das 
Werk: „Leben des Grafen v. Zinzendorf“, von Varnhagen 
v. Enſe“ (Berlin 1830). Unbefangen und gerecht wird 
der geiſtreiche und fromme Stifter der herrnhuter Bruͤder⸗ 
gemeinde hier gewuͤrdigt und die Schattenſeite an dem 
edeln Bilde nicht verhuͤllt. Schon von dem reinhiſtori⸗ 
ſchen oder pſychologiſchen Standpunkte aus wird man die⸗ 
ſen Aufſatz nicht ohne lebhafte Theilnahme und Befriedi⸗ 
gung. lefen. ° 


Auch der zweite Theil dieſer fchägbaren Sammlung ift 
ungemein reichhaltig; wir müffen es aber hier bei kurzen 
Andeutungen des Inhalts bewenden laſſen. 

J. „Abriß einer Geſchichte der Umwaͤlzung, welche ſeit 
1750 auf dem Gebiete der Theologie in Deutſchland ſtatt⸗ 
gefunden.“ Ein trefflicher, ebenſo unbefangener wie ge⸗ 
lehrter Aufſatz, welcher in gedraͤngter Kuͤrze die merkwuͤrdige 
Erſcheinung erklaͤrt, wie ſeit der Mitte des vorigen Jahrhun⸗ 


derts, waͤhrend in England und Frankreich dem unter den 
hoͤhern Staͤnden uͤberhandnehmenden Unglauben ein großer 
Theil des Klerus entgegenkaͤmpfte, in Deutſchland gerade 
die Xheologen je mehr und mehr eine Richtung einſchlu⸗ 
gen, die nur zu geeignet war, bie einflußceichfien und in 
den Überzeugungen des Volkes geheiligtften Inſtitute zu 
untergraben und die Gemüther zu verwirren. Auch Nichte 
theologen, bie an dem Entwidelungsgange des religiöfen 
Lebens Antheil nehmen, werden mit Intereſſe lefen, wie 
hier der Zufland der Theologie beim Beginn ber zweiten 
Hälfte des gefeierten 18. Jahrhunderts, der Einflug ber 
Wolf'ſchen Philofophie, der englifchen Deiften, der Sitten 
und der Literatur Frankreichs, ber Regierung Friedrich's 
des Großen, dann die Wirkſamkeit Semler's, diefes Cho⸗ 
vagen der mobernen Theologen, und der Entwidelungsgang 
der neueren Theologie bis in das erfte Decennium des 19. 
Jahrhunderts dargeſtellt, endlich ein Überblick der allmaͤli⸗ 
gen aͤußern Verbreitung der Neologie eingeleitet wird. Es 
iſt hier über einen uns naheliegenden und erfolgreichen, fort: 
während auf die Gegenwart einmwirkenden Zeitraum viel 
Treffendes und Beherzigenswerthes beigebracht. Dies gile 
vornehmlich auc von der folgenden Abhandlung: 

„Was ift das Refultat der Wiſſenſchaft in Bes 
zug auf bie Urmelt?” Über die Bildung der Erde, die 
untergegangenen Wefen ber Urmwelt, das Alter des Men: 
ſchengeſchlechts, die urfprüngliche Einheit der Völker und 
über die Urfprache werben bier die bewährteften Exgebniffe 
älterer und neuerer Forfchungen klar und anfchaulich zu: 
ſammengeſtellt, und es ergibt ſich daraus, daß felbfi die 
tieffinnigften und gründlichften Forſcher in ihren plauffbels 
ften Hypotheſen über die Erdverhältniffe der urmweltlichen 
Zeit nichts entdedit haben, was bie Glaubwürdigkeit und 
Wahrheit ber Moſaiſchen Schöpfungsgefchhichte umb der Be⸗ 
richte von der fogenannten Sündflut wankend machen Einnte, 
daß vielmehr die gefunde Naturwiſſenſchaft auf ihrem der: 
maligen Standpunkte den Zeugniſſen biefer diteften Ur⸗ 
kunde des Menfchengefchlechts zur Beſtaͤtigung dient, mie 
denn auch die Sagen der verfchiebenartigften Voͤlker, ſelbſt 
Amerikas damit übereinflimmen. Die ebenfo unwiſſenſchaft⸗ 
lichen wie ungläubigen Fafeleien des Predigers Ballenſtaͤdt 
in feinem Buche „Die Urwelt“, welches zur Schande ber 
naturaliftifchen Theologen unter biefen ein nur zu großes, 
aber übelbegelindetes Anfehen gewonnen hat, werden tref- 
fend, umftändlicher als es ein fo boden= und haltloſes 
Serebe verdient, zuruͤckgewieſen und die mannichfachen Hp⸗ 
pothefen grünbdlicherer Naturforfcher unbefangen gewürbigt. 
Weiter ergibt fich auch, daB dem gegenroärtigen Menſchen⸗ 
gefchlecht kein höheres Alter zukomme als das, welches füch 
aus der Mofaifhen Urkunde ergibt, und daß bie in diefer 
vorliegende Zeitrechnung, wie aus der Gefchichte Überhaupt, 
aus dem Charakter der Überlieferungen aftatifcher Völker 
und aus phyſikaliſchen Gründen nachzuweiſen ifl, richtiger 
fet als die der Ägyptier, Inder, Chinefen und Babplonier, 
die mit den ungeheuerften Jahrzahlen rechnen. So ha⸗ 
ben auch die ausgezeichnetften und bemährteften Naturfor- 
fcher, insbefondere Phyfiologen, die Einheit des Mienfchens 
gefchlechts, die Abflammung aller Völker von einem gemein⸗ 














1231 


famen Stammovater aus entſcheibenden Gründen anerkannt 
und die phantaflifchen Hypothefen von mehren Adamen, 
fammt den wurzellofen und dürten Worausfegungen und 
Folgerungen neuerer Theologen, welche Alles, was bie 
Glaubwuͤrdigkeit ber Bibel in Zweifel ſtellen konnte, leicht⸗ 
fertig ergeiffen, zu Schanden gemacht. So groß auch bie 
Verfchiedenheit der Menſchenracen nicht nur in der Farbe 
und Beſchaffenheit der Haut und. der Haare, fondern auch 
in der Bildung dee Schädellnochen und felbft im übrigen 
Skelett fein mag, und fo wenig bis jegt noch genügend 
erklärt worden, auf welche Weife jene Varietäten entſtan⸗ 
den find, fo dient doch ſchon die Analogie folder Thier⸗ 
gefchlechter, die, über. den ganzen Erdboden verbreitet, im 
verfchiedenen Zonen verfchieden fich gefaltet haben, und bie 
Beobachtung der Einflüffe klimatiſcher und anderer Ver: 
bältniffe auf den menſchlichen Organismus, zur Befeiti- 
gung der bekannten Einwuͤrfe gegen Die Ableitung ber 
verfchledenen Racen von Einem Stamme. Die Anerken: 
nung biefer Stammeseinheit wird auch durch die allerdings 
immenfe Berfchiedenheit der Sprachen der Völker — in 
Südamerika allein Lafjen fi) an 500, nicht blos ald Dia- 
lekte, fondern als weſentlich verfchieden geflaltete Sprachen 
nachmweifen — nicht verhindert, vielmehr haben bie tiefſin⸗ 
nigften und gruͤndlichſten Sprachforfhungen und Sprach 
vergleichungen es immer wahrfcheinlicher gemacht, daB man 
enblih alle die mannichfachen Sprachfamilien, an denen 
man bisher kaum einige Verwandtſchaft wahrnehmen mochte, 
als aus Einer Quelle abgeleitete Mundarten erkennen und 
Wurzeln und Formen zu Einem Stamm zurüdzuführen 
vermögen wird. Wie Duponceau treffend bemerkt hat, der 
Bau der amerikanifchen Sprachen fcheine eher von Philo: 
fophen als von Wilden herzurühren, fo hat insbefondere 
das armfelige Volk der Grönländer eine in vieler Bezie⸗ 
bung meifterhaft ausgebildete Sprache und der unbezwei- 
felte Seundfag: Je diter die Sprache, deflo reicher an 
Formen, deſto volltönender im Laute, weiſt ebenfo gewiß 
auf eine auch aus andern Gründen und Zeugniffen erweis⸗ 
bare uralte höhere Cultur der amerikaniſchen Völker zu: 
el, wie eine Einwanderung berfelben aus Aſien mehr als 
wahrfcheinlich, und wenigftend bei den Tſchukſchen in Aften 
und den Estimos in Amerika die Spracheinheit unzwei⸗ 
felhaft darzuthun ifl. 

III „Einleitende Bemerkungen in das Studium der 
Paulinifhen Briefe”, die Lebensumftände, die Belehrung, 
die Offenbarungen, den Charakter und bie Sprache des 
Apoftels betreffend. Wir können hier den anziehenden und 
reichen Inhalt diefes Abſchnitts nicht erörtern, dürfen aber 
verfihern, daß Gelehrte und Ungelehrte, Theologen und 
Nichttheologen mannichfache Belehrung darin finden wer: 
den. In der Abhandlung 

IV. „Die Verdienfte Calvin's als Ausleger der heilt: 
gen Schrift” wird die dogmatifche Unbefangenheit, der 
exegetiſche Takt, die vielfeitige Gelehrſamkeit, der lebendig: 
religioͤſe Sinn, hinfichtlich der Form die Eleganz der Dic⸗ 
tion, verbunden mit Concinnität des Ausdruds, das Eben: 
maß und die Verwahrung vor unmäßigen Abfchmweifungen 
an dem geiftreihen Schriftausleger mit Recht gerühmt. 


Die aus vertrauter Vekanmtfchaft mit den eregetifchen Wer⸗ 
een Ealvin’s bervorgegangene Würdigung berfeiben verdient 
in jedem Gall beachtet zu werben, obwol ber geiftreicye 
Genfet einigermaßen auf Unkoſten Luthers und Melanch⸗ 
thon's, deren eigenthümliche und unbeſtreitbare Verdienſte 
er er er Derfkändni, ber heiligen Schrift etwas 
mehr bervorgehoben werben konnten, ausgezeichnet . 
Den Abfchnitt Auegejeich wi 

V. „Anzeigen” enthaltend, nämlih 1) Joh. Falk's 
„Soethe aus näherm perfönlichen Umgange dargeftellt”; 
2) „Briefe von Goethe an Lavater”; 3) Breitſchwert's 
„Leben und Wirken Joh. Kepler's“; 4) Fr. H. Jacobi: 
Unfer Zeitalter, nad) dem Werke „Auserleſener Briefwech⸗ 
ſel“ cu und 5) de Wette's „Kurzgefaßtes eregetifches 
Handbuch‘ übergehen wir hier billig, da Anzeigen von 
Anzeigen etwas fehr Überflüffiges find, wie denn fchon bie 
Sammlung und der Wiederabdrud von Recenfionen, die zu 
ihrer Zeit in Zeitfchriften ihre Beſtimmung erfüllten, kaum 
zu rechtfertigen ift, wenn fie nicht Durch die Bedeutung der 


beurtheilten Werke und ihrer Verfaffer, ober durch eigenthuͤm⸗ 


lichen wiffenfchaftlichen Gehalt ſich befonders auszeichnen. 

VI. „Über die Natur der Sünde wider den heiligen 
Geiſt“, ein vortrefflicher Auffag, auf deſſen theologiſchen 
Gehalt tiefer einzugehen bier nicht der Ort ifl. Endlich 
finden wir 

VI. einen Nachtrag zu dem Auffag über die Katha⸗ 
tina von Emmerich (die Nonne von Dülmen), in welchem 
aus Eberhard's „„Mebicinifc) = hirurgifcher Zeitung” (2, Bd., 
1817) der Bericht des Medicinalraths Bodde aus Muͤn⸗ 
fter mitgetheilt wird, dee den Verdacht einer betrügerifchen 


Gaukelei gegen jene Nonne erregt. 


Es ift kaum nöthig, noch befonder® zu verfichern, daß 
beide heile diefer Schriften ſehr anziehend und Iehrreich 
find und auch von Nichttheologen gelefen und wieder ges 
lefen zu werden verdienen. Wer an den befprochenen Ge: 
genfländen Antheil nimmt und nicht durch vorgefaßte 
Meinungen verbiendet ift, der wird hier gewiß mannich⸗ 
fahe Beftidigung finden und es dem raſtlos thätigen 
Verf. danken, daß er die gediegene Ausbeute feiner gelehr: 
ten Forſchungen auch bem größern Publicum zugänglich 
machte. 52, 





Notiz. 

In 8. ©. Jacob's Auffag: „Aus Karl Immermann’s Le: 
ben’, in Ar. 274 d. Bl., wird Fury eines Rachworts über bie 
Vorfälle auf der Untverfität Halle im 3. 1817 erwähnt. Diele 
Schrift, welche das Berhältniß überfichtlich darſtellt, erfchien 
1817 in Ernſt Klein's Comptoir in —— (5 Bogen, gr. 8. 
5 &r.) unter bem Zitel: „Letztes Wort über bie Streitigkeiten 
ber Stubirenden zu Halle feit dem 4. März 1817 von Im: 
mermann. Eine Srwiberung auf ©. A. ©, ulße, der Arz⸗ 
neiwiſſenſchaft Sandidat, Antwort auf: Gin Wort zur Be: 
berzigung von Immermann.“ Sie führt das Motto: 

Weh’ Dem, der zu ber Wahrheit geht durch Schuld, 

Sie wird ihm nimmermehr erfreulich fein. 

Schiller. 

Die dort erwähnte aber in Frage geſtellte Vorſtellung der Stu⸗ 
birenden an den König von Preußen befindet ſich auch in bies 
fer Schrift und führt das Datum: Berlin, ben 19. Mai 1817, 


18282 


Biblingraphie. 

' Beowulf. Meldengedicht des achten Juährhunderts.- Zum 
eisten 'Male aus !dum Arigelsächslschen in. das Nauhoskdeut- 
sche stabreimend übersetzt 'und mit Einleitung und Anmer- 

en versehen yon L, Kstzüller. ‚Mit 1 Kärtchen. Gr. 8. 
Zürich, Meyer u. Zeller, 1 Tlr, 

Der Beruf'des Weibes. "Nach der "zweiten Auflage des 
Engliſchen Originals üderfegt. Gr. 12. mar, Landes⸗In⸗ 
duſtrie⸗Comptoir. 15 Br. 

Danitewsky, M. Geſchichte bes vaterländifchen Krieges im 
Jahre 1812, auf flen Befehl Sr. Maieflät bes Kaiſers 
von Rußland verfaßt. Aus bem Ruffijcgen überfegt von C. R. 
Gold hammer. After Theil. Mit 5 Plänen. — 2ter heil. 
Mit 7 Plänen. Er. 8. Riga, Götſchel. 4 Theile. 8 Thlr. 

Die ältesten Denkmäler der böhmischen Sprache. Li- 
busa’s Gedicht, Evangelium Johaunis, der Leitmeritzer Stif- 
tungsbrief, Glossen der mater verborum, kritisch beleuchtet 
von P. J. Safatik und F. Palacki, Mit Fac-simile's. Gr. 4. 
Prag, Kronberger u. Rziwnatz. 2 Thir. 12 Gr. 

Dentmürbigkeiten und Geſtaͤndniſſe des Scharfrichters gu 
London. Nach deſſen Dietaten niebergefchrieben von dem Wund⸗ 

te des Newgate zu London. Deutſch von F. Freiherr von 
Biedenfeld. Mit bem Porträt bes Scharfrichters John 
Keith. 8. Weimar, Voigt. 1 Thlr. 12 Gr. 

Diefendad, 2., Celtica II. Verſuch einer genealogifchen 
Betchichte der Kelten. Lte Abtheilung. Die Iberiſchen und Bris 
tiſchen Kelten enthaltend. Br. 8. Gtuttgart, Lieſching umb 
Comp. 3 hir. 

Neue Fahrten bes alten Mufilanten. Herausgegeben von 
Elsner. 2 Bände. — Auch u. db. T.: Sheaterleden. Die 
beiden verrückten Kapellmeiſter. Herausgegeben von Elsner. 
2 Bände. 8. Chemnis, Binder. 2 Thlr. 12 Er. 

Forchhammer, P. W., Denkrede auf Lucian Bonaparte 
Prinzen von Canino gehalten den 15ten Auguſt 1840 in der 
Alademifchen Aula zu Kiel. Gr. 8. Kiel, Univerfitäts : Buch: 
handlung. 5 ®r. 

Frick, Ida, Erzſtufen für 1841. Novellen und Erzählun⸗ 

Gr. 12, Dresden, Bromme. 184. 1 Ihe. 12 Gr. 
Gelger, H., Die zwei erſten Jahrhunderte der Schwei: 
zergeſchichte. Won ber Stiftung ber Bünde bis zur Reforma⸗ 
tion. Vorlefungen gehalten gu Baſel. Br. 8. Baſel, Schweig⸗ 
daufer. 1 hie. 12 Er. 

GobwiesGaftle.: Aus den Papieren ber Herzogin von Not: 
3 heile. Bte verbefierte Auflage. 8. Breslau, 

18490—41.. 8 Ihr. 12 Gr. 


Quellen, Beurtheilung der Herren v. Krug, Frraehn und Schmidt, 
Antwort darauf, und 
Hartleben, 5 Thlr. 
Homer's Werke von 3. 9. Voß. In Einem Bande, 
Mit 25 Kupferftichen. Schmal gr. 4. Stuttgart u. Tübingen, 
Gotta. 6 Thlr. 
Ä Zung, %., Königsberg in Preußen und bie Extreme des 
dortigen Pietismus. Br. 8. Braunsberg, Model, 16 Gr. 
Zuftus, ©. H., Raub, Mord und Brand. Barbarifche 
Handlungen aus dem Leben ruchloſer Boͤſewichte. Gefammelt 
und als Warnungstafel aufgeftelt. 8. Leipzig, Franke. 
1 Thlr. 8 Er. 
Kloth, F. A., Der heilige Kirchenlehrer Aurelius Augu⸗ 
ſtinus. 2 Schelle. Gr. 12, Aachen, Cremer. 1 hir. 8 Gr. 
Kolb, &. F., Das Leben Rapoleon’s. Unter Eritifcher Be: 
nüsung der vorzüglichften franzöfifchen, deutſchen und englifchen 


Merke ‚über · denſelben 32 — ui 
agerbegetrer —.gefäildert. it —E in en 


ſtich. Gr. * Speyer, Rang. 8 Er. 
Kretzſchmer, 3. C., Friedrich Wilhelm III. Sein 
fein Wirken und feine Zeit. Sin —— —— 


iſche Bolt, Afte Elf. "We. 12. Bansig,Werhard. 4 Er. 
Laster, I., Die vierhun hrige Jubelſeler ver Er⸗ 
ſtuwung der Sudtutetnn g, am 3. — 1541, Eine 
NN Ih 8. Danzig, Gerhart. 5 Er. 
eonharbtstnfer, Garoline, Herbſtgabe. Taſchen⸗ 
buch auf das Jahr 1841. Ster . 8, 
ae! a0 An Jahrg eiſſen, Goedſche. 


Leynabdier. Die Opfer der Inquiſition ober bie Verbre⸗ 
hen eines Mönche. Hiftorifcher Roman von F. Freiherru u. 
Biedenfeld. 2 Wändcden. 8. Weimar, Beige. 2 
R ki co, F. 6: Dies irac, Hysınus auf das Weltgericht. 

s Beitrag zur Hymnologie herausgegeben. Gr. 4. Ber- 
lin, Bethge. 1 Thir. 12 Gr. ee “ 

Marryat, Abentener eines Heimathloſen. Als Anhang 
zu dem Roman das Geifterfchiffi von Beorg Loy. Bte Mits 
theilung. Der räthfelhafte Gaſt. — Auch u. d. Z.: Der raͤth⸗ 
ſelhafte Gaſt. Als Anhang zu dem Roman das Geiſterſchiff, 
nach Capitain Marryat von Georg Lotz. 8. Hamburg, 
Herold. 1 Thlr. 4 Br. . 

Naegelsbach, C. F., Die homerische Theologie in 
ihrem Zusammenhange dargestellt. Gr. 8. Nürnberg, Stein. 


1 Thir. 21 Gr. 
Deutſche Pandora. Gedenkbuch gitaene gcher Zuftände 
. Stuttgart, Litera⸗ 


und Gchriftfteller. Ster Band. Lex.⸗ 
hau Sur. 21 os 

e Rathhaus: Kapelle zu Schweidnit. In bie Faselkel: 
„Sählefifche Kirchen s Beichichte.‘‘ Won *** 8, Schweidnit, 

Franke. 6 Gr. 

Reiff, 3. 8, Der Anfang der Philofophie mit einer 
Grundlegung der Encyelopäbie der philoſophiſchen Wiſſenſchaften. 
Gr. 8. Stuttgart, Liefching u. Comp. 1 Thle. 15 Er. 

Ried, G., Der böhmifche Veteran. Franz Bersling’s Bes 
ben, Reifen und Kriegsfahrten in allen fünf Welttheilen. Rach 
‚mündlichen und fchriftlichen Mittheilungen bearbeitet vom Ver⸗ 
fafler des „Alten Sergeanten ꝛc.“ ac. Iſte Lieferung. Gr. 8. 
Shmelbnit, Branke. w * it & 10 

ofen und Vergißmeinnicht bargebradht dem Jahre . 

16. Leipzig, Leo. 2 Ihr. 8 Gr. 

Schmidt, J. A. F., Handbuch der Bibliothekswiſſenſchaft, 
der Literatur⸗ und Bücherkunde. Eine gedraͤngte Ueberſicht der 
Handſchriftenkunde, der Geſchichte der Buchdruckerkunſt und des 
Buchhandels, der Bücherkenntniß im engern Sinne, der Biblio: 
thefentunde und Bibliothekonomie und der Iiterächikoriichen 
und bibliographifchen Schriften. Für Gtubirende und Kreunde 
der Literatur überhaupt und für Bibliothekare, Buchhändieg, 
Entiquass a Buchdrucker insbefondere. Gr. 8. MWeimat, 

oigt. r. 

Schmitt, L. J. K., Das Religionsgeſpraͤch zu Marburg 
im Jahre 1529, Zur Feier des 1. Auguſts 1840. Er. 8. Mars 
burg, Elwert. 16 Gr. 

Btraß, F., Handbuch der Weltgeſchichte, fortgeſetzt von 
W. Havemann. 4ter Theil. Handbuch der neueren Geſchichte. 
1, Shell. — Auch u. d. T.: Handbuch der neueren Geſchichte 
von 8. Havemann. ifter Theil. Gr. 8. Jena, Brommann. 
1841. 1 Thir. 12 Gr. 

Stredfug, C., Torquato Taſſo's Leben mit Proben aus 
ben Gedichten: Rinaldo und Aminta und bem Dialog: Der 
Bamilien- Vater. 8. Berlin, Dunder u. Humblot. 1 Xhlr. 

Thon, C. F. G., Gedichte. 8. Erfurt, Hennings u. 
Hopf. 1841. 8 Gr. 

Wangenheim, F. J., Aus den Papieren eines Selbſt⸗ 
mörbers. Ben⸗Lee ober „eine Gmancipation der Juden iſt 
nicht denkbar.” 8. Leipzig, Franke. 1 Thlr. 


Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brodhausd. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Sonntag, j — Nr 306. — 1. Rovember 1840. 





Zur Nachricht. 
Von biefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und ift ber Preis für ben 
re 12 The. Alle Buchhandlungen in und außer Deutfchland neßfmen Beſtellung darauf an; ebenfo 
al 


nf Fr bie — MY fäsfifbe geitungserpebition In Beinaig oder von nat 
reußifhe Grenzpoſtamt in Halle wenden. et ti eimal, Dienf 
And — aber a in Monatöheften ftatt. e Verſendung fin en yo 


Die fittlihe Weltanfiht des Spinoza. 


In jedem Pantheismus hängt die fittliche Weltanſicht 
davon ab, in mas für ein Verhaͤltniß die mdraliſchen Be: 
griffe zu dem kosmologiſchen Lehren gebracht find. Dies 
fes Verhaͤltniß iſt in einem Spfteme der Art confequenter 
und beftimmter ausgedrüdt ald in dem des Spinoza, 
und aus biefem Grunde kann bie ſittliche Weltanficht des 
Zegtern dazu dienen, deren weſentliche Momente in jedem 
Pantheismus überhaupt fih durch Abftraction Bar zu 
machen. Außerdem gewährt die hiſtoriſche Objectivität des 
Spinoja ſchen Eyftems den Wortheil? daß man ohne große 
‚Mühe von diefen wefentlihen Momenten aus zu entſpre⸗ 
‚enden Stellen in andern pantheiftifhen Syſtemen Ber: 
bindungstinien ziehen kann, in deren Verfolgung ſich haͤu⸗ 
fig eine tiefere Kritik entfpinnt, als dies von bloß theore: 
tifcer Seite meiſtens der Fall if. Hier natürlich muß 
nicht 5106 auf ſolche weitere Entwidelungen Verzicht ge: 
leiſiet werden, fondern mir nehmen überhaupt die Vortechte 
‚einer blos fragmentariſchen Darſtellung in Anſpruch. 

Die Queen, weiche für die Erörterung unſers Be: 
genflandes zu benugen find, fließen zwar In Betreff des 
„Kosmologifcen vorzüglid) in dern Hauptwerke Spinoza’s, 
A der „Erhik”;. flr das Moralifche aber if biefe& trog dem 
:uerführeifchen ‚Titel nicht ‚ausreichend. Dafür mäffen 
vielmehr vorzüglich der ganze „Politifche Tractat“, und 
‘von dem „Theologiſch-⸗ politiſchen Kractate” befonders das 
4., 16,, 17. und 20. Capitel, und endllch bie Einleitung 
von der Abhandlung „De intellectus amendatiene” be⸗ 
umgt ‚werden. 

Bor Allem iſt nur zu fragen, tie. man, in Spinoza's 
Syſtem denjenigen Eingang finde, der am eheſten und 
ſiche rſten auf die Lagsrflätten der koewologiſchen und me: 
valiſchen Begeiffsuerdindungen hinleitet. Dieb fcheint. auf 
eine doppelte Weiſe mögltd zu fen; einmal nämlich, daß 
man —.‚gefegt, man ſchrecẽt vor der Anmuthung nicht 
auruck — ſich in abſoluter Anſchauung des Welens 








1234 


Asfichten Deffen, was gefchieht, und find zufrieden, wenn fie das 
für fo Gtwas von Andern hören; willen biefe aber nidts zu 
antworten, fo wendet ſich Jeder an fich felbft und denkt 7 
einen Zwer nad) feiner Weife. Alle in ber Natur erſcheint 
ihnen jegt als von Jemanden in einer Abfiht gemacht, weil 
«8 ein Brauchbares if; im Grunbe aber erſcheint dadurch nur 
r ung: Gott und bie Ratur feien ebenfo unfinnig wie 
fie ſelbſt. 

Und nichts als folde Meinung if denn aud das Gute 
und Böfe, die Orbnung und Verwirrung, das Warme und 
das Kalte (Spinoga nennt dies mit in dieſer Begrifföreibe), 
die Schönheit und die Häßlichkeit, was bod nur in einer Res 
Tativität entweder zum Gehen, d. h. zur Affeetion, ober zu 
ihrem eigenen Nugen liegen Tann, fowie etwa, was zur Ges 
fundpeit und zum Gottesbienfte (1) förderlich ift, bie Denfcen 
gut, das Gegenteil aber böfe nennen. In der Ratur Tann 
dietmehe nichts gef pehen, das ihe Könnte zum dehler oder zum 
Lobe angerechnet werden, denn fie iſt immer diefelbe und über: 
aW nur eine, hat immer benfelben Werth und biefelbe Kraft, 
das Heißt, die Gefege, mach denen Alle6 gefchieht, find ebenfo 
unveränderlich wie die, nad; denen bie Dinge und das Gefchehene 
beurtheilt und beftritten werden. Alfo aud) der Haß, ber Zorn, 
ber Reid u. f. mw. folgen an ſich aus berfelben Naturnothwendig- 
Felt wie alles Übrige. Daß der Menſch Denjenigen, dem es 
gut geht, beneldet, iſt ebenfo natürlich, als daß er Den, wels 
ER unglüdtidy ift, bedauert; daß er Dem, melden er haft, 

tes zu thun ſich bemüht, iſt ebenfo der Natur gemäß, als 
ec Dem, welden er liebt, wohl zu thun ſucht: wer ihn Haft, 
ben wirb er wieder haflen; wer ihn liebt, ben wird er wieder 
eben, fobald er weiß, daß jener es nicht aus irgend einem 
Grunde tgut! 

Nicht deſſer ſteht es mit dem Vorurthelle von vermeintli- 
er Bolltommenpeit und Unvolltommenheit. Wer irgend ein 
Wert fieht und zugleich weiß, daß es die Abficht des Urhebers 
befeiebigt, der nennt baffelbe vollfommen; wer aber bie Abfiht 
be& Wchebers nicht Eennt, ber wird nicht wifen, ob das Wert 
vollommen oder unvolltommen fei. Und dies ift die urfprüngs 
he Bedeutung dieſer Wörter. As ſich aber die Menfchen 
allgemeine Begriffe oder Ideen bildeten und fi Mufterbitder 
von Häufern, Gebäuden, Thüͤrmen u. dgl. auadachten, da 
eihah e6, daß Jeder nur Das, was er mit feiner Idee, bie 
se non jedem Dinge fi) gemacht hatte, übereinftimmend fand, 
volfommen nannte, das Begentpeil aber unvolllommen, mochte 
das Ding auch noch fo fehr nach bem Sinne Deffen fein, der 
€6 gemadıt hatte. Dies if derfelbe Grund, weshalb bie Men: 
Algen auch die Raturgegenflände volllommen oder unvollfommen 
mennen, indem fie auch auf biefe ihre Begriffe und Mufterbils 
der von ben Dingen übertragen, und nun, wenn fie jene bie: 
fen nicht entfprechend finden, meinen fie, bie Ratur habe ger 

He, Im Gegentheit aber, fie habe etwas Wolltommenes gelie- 
Feet. Bollkommenheit uad unvolltommenpeit Lönnen beshalb aur 
beefchtedene Denkweifen, Auffaflungsarten fein, nämlich Begriffe, 
Ale ein Seber ſich bildet, indem er die Dinge in Bezug auf 
ein Steihartiges miteinander zuſammenhaͤlt: an fi gibt's bers 
gleichen nicht. 


rt da mei⸗ 


U fdhleben ; 


m gehabt, ' 





ſowol gu ſtehen als gu fallen: wie war es möglich, baj 
gefundem Werftande den Fall vorzogen? Beth, des fe bei 

Diefelbe Bewandtniß hat es mit ber Einbildung ber Mens 
fen, fie feien frei, wovon unftreitig der zufällige Grund iſt, 
weil fie bald biefes, bald deſſen Gegenthell wollen zu kLönnen 
feinen und fid) biefes Wollens bewußt find. Müßten fie aber, 
daß jebes Beichehende — und alfo aud das Wollen — in ber 
Reihe vorangegangener Urfachen liegen müfle, deren Kette allers 
dings der Unmiffenheit ber Denfeen dem größten Theile nach 
verborgen bleibt, fobaß fie eben deshalb aus die urſachen ihreẽ 
Begehrens und Wollens nicht im Traume ahnen: fo würden 
fie ihre Einbildung aufgeben und fi) dafür Einſicht in den Zus 
fammenhang ber Welt zu erwerben ſuchen, von ber fie, wie 
jedes Andere, ein nothwenbig beflimmtes Glied find. Sie würs 
den begreifen, daß Das, was man Wollen nennt, überhaupt 
nicht etwas Beſonderes, vielmehr nur eine Form ber Erkenntniß 
iſt, infofeen der Wille eben die Einfiht in den gegenwärtigen 
Bufammengang ausdrüdt, in welchem er als That auftritt. 

Wie viel man ferner aus den Handlungen ber Menſchen 
fliegen kann, fo mödte fi, was fie für das höchſte But 
halten, auf Dreierlei zurüdführen laffen: auf Geldgier, auf 
Ehrſucht und auf Wolufl, In ber Wolluſt aber mwirb ber 
Geiſt fo fehr gefeffelt, daß er an nichts Anderes denken Bann, 
und nad) ihrem Genuffe folgt eine Traurigkeit, bie, wenn fie 
aud; den Geift nicht auffebt, ihn dod) wenigftens (hmäght und 
verwiert. Daffelbe findet auch bei ben beiden andern vermeints 
iichen Gütern flatt; und alle brei find fchon dechalb zu vers 
werfen, weil jedes ein höchftes Gut zu gewähren vorgibt und 
einen Endzwec aufftelt, auf den Alles foll bezogen werden: 
was unfinnig if. 

Dagegen iſt es eine ausgemadjte Sache, daß bie menſch. 
liche Ratur mit Rothwendigkeit ben Affecten unterworfen iſt. 
Diefe ann man alle auf drei Grundaffecte zurüdführen: auf 
die Begierde, bad Brohfein und die Traurigkeit; von 
welchen die Begierde nichts Anderes ausbräüdt, als das Beſtre— 
ben eines Jeden, ſich in feinem Sein und Weſen gu erhalten, 
das Frohſein aber dazu kommt, wenn biefes Beftreben Erfolg 
hat, die Traurigkeit dagegen, wenn es mislingt. In bem Bes 
ficeben, fi feiner Natur gemäß in feinem Sein zu erhalten, 
aeigt fh die Sohpergigkeit, während, wenn dabei zugleich 
der Nugen Anderer gefördert wirb, bie entſprechenden Hands 
lungen ebelmüthige genannt werden. Leider aber fichen 
foldhe Handlungen nidt in des Menfchen Madt, ba er von 
äußern urſachen auf fo vielfältige Weiſe in Bewegung — 
wird, daß er, wie eine vom Winde getriebene Meereswelle, hin 
und her ſchwankt, weber des Erfolgs feiner Handlungen, noch 
feines eigenen Schidfals fi bewußt. 

Außerdem liegt in Yedem von Ratur bas Bei en, daß 
ſich die Übrigen nach feinem Willen und Wünſchen richten, daß 
fie Das billigen, was er billigt, und verwerfen, waß er vers 
wirft. Da auf diefe Meife alfo Ieder gleihmäßig fieebt ber 
Sefte zu fein, fo mäffen die Menfcpen miteinander In Streit 
Tommen und fich fo viel wie möglich anftämmen, einander ges 
genfeitig zu unterbräden; bei weldem Gtreite aladann jes 
mige, der Sieger geworben iſt, jedenfalls mehr barüber frohs 
loden wird, daß er bie Andern unterbrüdt unb ihnen geſchadet, 
als darüber, daß er ſich feibft genügt hat. Wir wiſſen zwar 
Alle, daß die Religion dagegen lehrt: liebe deinen Räcften wie 
dich ſeibſt und ich gebe auch gu, daß bie Wernumft allerdings 
in vielen Zällen die Begierden zu zügeln und zu mäßigen vers 
mag: allein ebenfo gewiß iſt e&, daß der von der Bernunft 
angeratpene Weg ſchwer zu erflimmen if, und wei glauben 
FW — die race —* Du welche a —ã — 

ngelegenheiten en, auf jenen Weg hin: rt 
tönnten, ben würde ich unter bie Zahl ber Porten rechnen, die 
von ‚einem ‚goldenen Beitelter träum: J 

Rachdem ich auf dieſe Weiſe fährt Spinoza fort — 
aus der Grfahrung geleent hatte, daß Ades, mas im gewwöhhs 
chen Erben borkommt, eitel und gering! iſt, da Kb ſch, 





. Ä 1235 


daß Altes, was entmweber mich fürchtet ober welches ich fürchte, 
weder Gutes noch Böfes in ſich trägt, als nur infofern bas 
&emüth ſich davon bewegen läßt, und da ich bemerkte, daß td 
mit den Meinungen der Menfchen nicht übereinflimmen könne, — 
fo beſchloß ich endlich nach dem wahren Gut zu ſuchen, tn 
deſſen Befige meinem Geifte fowol die Wahrheit wie ein be: 
fländiges Krobfein zu Theil würde. Zunächft fah ich ein, daß, 
was die äußern Dinge betrifft, ich von ben Bergnügungen fo 
viel genießen und an Geld fo viel erwerben müffe, als eben zur 
Erhaltung der Gefundheit und bes Lebens nothwendig ift, daß 
ich aber Alles, mas meiner Natur zumiber fei, zu fliehen habe. 
Alsbann überzeugte ich mich, daß, da die Vernunft nichts gegen 
die Ratur fodern Tann, fie auch verlangen müfje, daß Jeder 
fich felbfk liebt, feinen wirklichen Nutzen ſucht und Alles, was 
zur Bewahrung feines Wefens beiträgt, ſich abfolut zu erhal⸗ 
ten bemüht: hiermit erkannte ich die Selbfterhaltung als Fun⸗ 
dament der Tugend. Endlich entbedte es ſich mir, daß, fowie 
Alles aus Gott mit derfelben Nothwendigkeit herkommen muß, 
als es aus dem Wefen bes Dreiecks folgt, daß die Summe ſei⸗ 
ner Winkel zwei rechte beträgt, fo auch alle Zuftände bes 
Menſchen, wenn fie nur wirklich aus ihm herausfommen, in 
dem Wefen feiner Natur müſſen begründet fein, und es mithin 
nur fein Biel fein Tann, diefe Natur in dem Zufammenhange 
mit dem Übrigen zu erkennen und ihren Gefegen gemäß zu leben. 
In biefer Nothwendigkeit kann allein meine Freiheit Liegen: in 
ihrer Erkenntniß werde ich allein die Gluͤckſeligkeit erlangen, die 
nicht der Preis der Zugend, fondern die Tugend ſelbſt ifl. 


(Die Kortfegung folgt.) 





RKRomanenliteratur. 

1. 3enobia, Königin von Palmyra. Aus dem Englifchen über: 
fegt von W. A. Lindau. Drei Theile. Leipzig, Kollmann. 
1839. 8. 3 Zhlr. 

Seitdem ein alter Parifer einen jungen Scythen nad 
Griechenland reifen ließ, iſt uns in brieflicher und erzählender 
Korm Länder: und Wölkerfunde und deren Sittengeſchichte 
mundrecht gemacht und, damit die Wiffenfchaft glatter eingeht, 
ein Stud Roman einverleibt worden. Zu einer der beſſern Ar: 
ten ber Gattung gehört obige ‚„‚Zenobla”. Wir erfahren haar: 
Bein, wie die berrlichichöne Frau im Staatsrathe und im ver- 
trauten Kreife fih benahm, fich Eleidete, wie ihr Ehrgeiz, bad 
Überfhägen ihrer, das Unterfchägen ber roͤmiſchen Kräfte fie 
und ihr Land ins Verderben riß. Kaiſer Aurelian tft bei allem 
Jaͤhzorn und aller Schonungstlofigkeit doch Fein gemeiner Tyrann 
wie der Perferkönig Sapor, von dem man durch den Römer 
Lucius Pifo, in Palmyra halb und halb eingebürgert, in Brie⸗ 
fen an einen Freund in Rom von bem allen erfährt, ſowie 
von der Pracht und Schoͤnheit jener Stadt, die in ihren Truͤm⸗ 
mern nur eine leife Abnung von Dem gibt, was fie war. Das 
Gehaltvollſte in diefen Berichten find die Unterrebungen über 
EChriſtenthum, das in feiner urfprünglichen Reinheit, noch un: 
verfälfcht von Wtenfchenfagungen, von weifen und frommen 
Männern, kindlich anbächtigen Jungfrauen gelehrt und aufge: 
faßt wird, mwoburd denn auch Lucius Pifo bekchrt wird. Mit 
feinem fibertritt und ber Heirath mit Zenobia’s Zochter, Ju⸗ 
ia, fließt das Bud). - 


2. Die Souvernante. Roman aus ber Befellfchaft. -Rach dem 
Englifhen der Bräfn Bleffington von F. Steger. 
Zieh Bände. Braunfchweig, Leibrod. 1840. 8. 8 Thlr. 

Wie einige Vorſteher von Koſtſchulen ben Verfaſſer von 

„Rickleby“ verflagten, weil. ee in biefem Roman auf ihr ges 

wiflenlofes Verfahren anfpielte, fo dürften der hohen und vor 

allen ber Geldariſtokratie Angehörige bie vornehme Berfafierin zur 

Rede ſetzen, daß fie ein: nur zu treues, aber unfchänes Bilbniß 

von ihnen in der Gituation ihrer „Gouvernante“ gegenübgr 


entworfen. Gin liebenswürbiges, fittlicdyes Ran, jeder 
Hinſicht eine Peikk ihr lechts, erfährt in dem Verhaͤltniß 
als Gouvernante: Allee, was gemeine Hoffährtige GSefinnung,.. 


Geiz, Reid und Verkieinerungsfucht nur Aber ein abhängige, 
unbefchügtes Weſen häufen können. Sogar ihr Ruf wird anges 
griffen, bis ihre Unſchuld, ihr hoher Werth ſiegreich aus bem 
fie umduntelnden Rebel hervorgeht. Sie wird reich, geehrt, bie 
liebende und geliebte Gattin eines durch Stand und Verdienſt 
ausgezeichneten Mannes. Die Schriftftellerin, welche ebenfo gut 
auf den Ton der Erzählung, des Dialogs ber feinen, wie bee 
platten und gemeinen Gefellfchaft fich verfteht, die eine vortreffs 
liche Styliftin ift, hat einen ihrer würdigen Überfeger gefunden, 
Er gibt nicht allein den Geift, auch die Färbung dee Urfchrift 
wieder, bei Werken ber Art ein weſentlicher Beftanbtheil. Aber 
ein aͤngſtlicher Buchſtabenklauber iſt er darum nicht; Kann ein 
Wortfpiel, eine Lächerlichkeit in der Ausſprache nur gezwungen 
in fremder Mundart ausfallen, fo läßt er fie weg, oder er 
verändert den mundartigen Schniger in einen grammatikalis 
fhen, fegt an die Stelle des englifhen Wortfpiels ein deutfches, 
wie paste, Paſte und Backwerk, Glasfluß und Flüſſigkeiten 
u. a. m. Wie viele Überfeger gibt es nicht, und nur wenige 
find, gleich ihm, Ausermählte. 

3. Die Kunft zu gefallen. Roman von Eugen Sue. Aus 
dem Branzöfifchen überfegt von Karl Ziegler. Lemgo, 
Meyer. 1840,. 12, 12 Gr. 

Ein armer junger Edelmann verfchafft durch die Gabe, 1. 
beliebt zu machen, in bie Ideen eines Jeden einzugehen, fi 
Vermögen, Rang, Anfehen, bie Liebe einer Pringeflin. Die Ers 
zaͤhlung, bie man unwillkürlich in Scenen abtheilt, fie zu ei⸗ 
nem Iuftigen Nachfpiel umfest, beginnt im Laden eines dürfti⸗ 
gen Schneiders und enbigt, viel zu tragifch für den Anfang, 
in der Abtei von Montmartre, wo er, tödtlih im Zweikampf 
verwundet, flirbt. Der Verf. nennt Ludwig XV. den geiftreichs 
fien der Könige, einen ausgezeichneten Mann, verfährt wills 
kürlich mit den hochgeflellten Perfonen bes franzäftfchen Hofes, 
damit meint er ein Recht erlangt zu haben, ganz nach Laune 
mit deutfchen Sitten und Leuten fihalten zu können. In der 
Urſchrift füllt das weniger auf als in der Überfegung, die nicht 
einmal die Ramen, viel weniger bie fchlechterbinge in Wien 
und der Gegend unmögliche Lebensweife germanifirte. Warum 
denn Schriften der Art aus ihrem eigenthümlichen Boden in 
einen ihnen wiberftrebenben verfegen ? 

4. Carlo Broſchi. Hiſtoriſche Novelle von Eugen Geribe, 
Nach dem Franzoͤſiſchen von Wilhelm Ludwig Weſche. 
Leipzig, Kollmann. 1840. 8. 1 Thlr. 

In diefem Buche fallen die hiſtoriſchen Unrichtigkeiten 
weit weniger auf. Wir find an den Höfen bes fpantfchen 
Vicelönigse in Neapel und bes Königs Kerdinand VI. von 
Spanien nit fo zu Haufe wie an dem von Ludwig XV. 
und in den Ritterfigen, in ben gefelligen Sreifen um und in 
Wien in jenen Zagen.. Wir willen, daß der Sänger Farinelli 
ein edler Menſch war, ber feinen Einfluß auf den König Fer⸗ 
binand, deſſen Schwermuth nur fein Gefang zerftreute, nie 
misbrauchte, ihn nur zu wohlthätigen Zwecken anwendete, fo 
Eönnen wir auch glauben, baß er vor allen Dingen darnadh 
firebte, einer angebeteten Dame das Leben zu erhalten, einen 
gelehrten wadern Dann, ber ihm Freund und Lehrer war, zu 
hohen Ämtern au befördern. Der bedenkliche Punkt in Fari⸗ 
nelli's Sriftenz konnte nicht unberührt bleiben, es gefchieht mit 
Feinheit, kaum andeutend. 18. 





⸗ 
Die amerikaniſchen Frauen und ein Wink für 
die deutſchen. 

In Rordamerika nehmen bie Frauen im gefelfigen Verkehr 
eine Stellung ein, bie fi} von der ber beutfchen weientlich un: 
terſcheidet. Wir Deutfche, ich meine wir deutfchen Maͤnner 


"von echter Bildung, behandeln bie Frauen fletd mit Achtung 


und Bartfinn; aber wir vergeffen nie, baß fie vernunftdegabte 

efen find. Deshalb drücken wir fie nicht zur Dienftbarkeit 
herab, erheben fie aber auch nicht zur @öttlichkeit und erwat⸗ 
ten außerdern, daß fle unfere_Rüdfichtnapme und unfere Aufs 


° 1236 | . 


werlfamleiten mis .nerhältnißmäßigen Artigkeit erwidern, daß fie 
durch, eugenehme Gitte und freundliches Betragen ſich ein echt 
auf die Achtung, ja- auf die Bewunderung Derer erwerben, bie 
ihnen nahe fommm. In. Amerika if, wie geſagt, die Gtellung 
Ye. Frauen eins wefentlich andere. Dert werben fie einiger 
wuaßen wie Weſen höherer Art, wie etwas befier als flerblich 
Geborene betrachtet. Aue ihre Gaprieen müflen in Demuth 
Singenommen, alle ihre Saunen ſelbſt von Fremden befriebigt 
werben, und Niemand erwartet, daß für all die Aufmerkſam⸗ 
Zeit, die man ihnen erweift, fie ein Wort des Dankes oder ein 
Beichen der Kerablaffung geben follen. Die amerikanifchen 
Jrauen find verzogene Kinder; fie Tönnen thun, was ihnen be: 
liebt, und der Mann if ihe Sklave. Keinem Reifenden iſt das 
entgangen, und Grund in feinem neueften Werke: „The arısto- 
oracy in America‘, ſpricht ſich darüber folgendermaßen aus: 
„Bein aus Gourtoifie geflattet man den amerilanifchen 
Geamen im Gefellichafteleben einen Rang, der weder mit ihrer 
Stellung im Privat: und Familienleben, noch überhaupt mit 
Diseretion Seiten ber Männer zufammenpaßt. Den Damen 
muß aufgewartet — den Damen muß vorgelegt — die Damen 
mäffen in den Wagen gehoben — den Damen muß aus dem 
Wagen geholfen — den Damen müſſen die Schuhbaͤnder ge: 
bunden — den Damen müffen die Bummi elafticum = Überfchuhe 
angezogen — ben Damen müflen die Shawls umgegeben — 
die Damen müflen die Treppe hinauf, hinab geführt — den 
Damen, die zu Bett gehen wollen, mäflen die Nachtlichter an: 
gesündet werden, Und fo werben- bie Damen unabläffig wie 
me, huͤlfloſe Gefchöpfe behandelt, die eher das Mitleid als die 
Bewunderung der Männer erregen, unb weil die Zahl der 
Dienfte, die fie erfodern, ebenfo groß, als Hein bie Zahl der 
Dienftleute, fo müffen die Männer die Stelle der Letztern ver: 
treten. — — In ber Art, wie die amerilanifchen Maͤnner ben 
auen nahen, drüdt fi) das Bewußtſein ihrer Untergeordnet: 
heit aus, und ſei es Beſcheidenheit oder Klugheit, aber wenn 
e den Mund äffuen, gefchieht es nur, um Das zu bejahen, 
was die rauen gefagt haben. Unwillkürlich fällt Einem bie 
ehrliche Antwort bes armen Ganbibe ein: „‚Helas, Madame, je 
repondrai comme vous voudrez.’’ Ich habe einen ber auöges 
chnetſten alten Herren der Vereinigten Staaten, einen Mann, 
ex das hoͤchſte Amt bekleidet, worüber das amerikanifche Volt 
"su verfügen hat, und deſſen vielfeitiges Wiflen ihn zu einem 
Fehr angenehmen Geſellſchafter macht, ich habe biefen Mann 
Zrauen gegenüber fo verlegen gefeben, als fei er ein Debutant 
in ber Gefellſchaft, und body war er Aberbies im Haufe eines 
‚feinee vertrauteften Zreunde. Diefes merkwuͤrdige, aber allge: 
meine Ungefchi muß feinen Grund in irgend einem Radiecal⸗ 
gebrechen der amerikaniſchen Geſellſchaft, muß ihn in dem fal: 
fen Verhältniffe Haden, in welchem Männer und Frauen zu: 
nander fliehen. Niemand Tann hieran zweifeln, ber ohne 
Vorurtheil beobachtet und Gelegenheit hat, die Sitten und Ges 
draͤuche der höher? Stände kennen zu lernen. Es zeigt ſich da 
auf Seiten der Männer in Bezug auf die Frauen ein feltfa- 
mes Bemifh von Hochachtung und Mangel an Aufrichtigkeit, 
und das Tann von nichts Anderm herrühren als eben von ber 
widernatäirlichen Stellung des Mannes zum Weide.‘ 
Auch Miß Sedgwick nimmt Veranlaffung, in einem ihrer 
Lhtern Werke: „‚Means and ends“, über jene Eigenthümlich⸗ 
ihrer Landsmänninnen Folgendes zu bemerken: ‚Der auf: 
fallendfte und vorherrſchendſte Fehler in den Bitten der Ameri- 
Baner tft, wie ich Haube, ein Mangel an Gomrtoifte. an iſt 
vielleicht die allgemeine Gleichheit der Rechte, der Zuſtaͤnde, 
der Erziehung ſchuld. Doch einen Haupttheil daran hat ges 
wiß jene mauvaise honte, jene Scheuheit, welche unfere eng: 
liſchen Worältern charakteriſirte und bie wir von ihnen geerbt 
haben. Gin wenig Radbenten und etwas mehr ſittliche Gul- 
tue würden bem gel abhelfen. Was ich unter Gourtoffle 
verſtehe, fragen Sie, und worin fidh der Mangel zeige? Ich 
will es Ihnen fügen. Vorigen Winter kam ein junger, wohl⸗ 
wspogener Ausländer nach Amerika und miethete fi, um Eng⸗ 
Berantwortiiger Gerauägeber: 


| 


Deiasih Brodband. — Drud und Verlag von 8. 4, Brodhaus in Leipzig 


liſch gu lernen, auf bem Lande in einem MWirthähaufe ein. Um 
bes Heben, weren Ausfpracdhe willen Prag fh viel im 
Gaſtzimmer auf, wo Meifende abs und ‚gusiagen. Bein Schreib⸗ 
tisch fand vorm Kamin, fo oft aber eine stage -coach anpielt 
und Frauen, zitternd und bebend vor Kälte, ins Zimmer Tas 
men, trug ex_feinen Schreibtiſch in die fernfte Ede, fchürte das 
Feuer, fepte Stühle zurecht und fand, wenn die Damen Zußs 
wärmer ober Waͤrmeſteine mitbradhten, den paſſendſten Plat, 
fie Heiß zu maden. Daun ging er wieber an feinen Schreibs 
tiſch in die alte Ecke. Die Frauen bebienten ſich feiner Zus 
vorkommenheit, ohne anfcheinend Notiz davon au nehmen. 
Nicht ein einziges Mal erhielt ex von einer —* n ein 
Zeichen ber Anerkennung, kein: Ich danke Ihnen, kein: Sie finb 
fehr gütig, kein fo nahe liegendes: Ich bitte, incommobiren 
Sie fih nit. Und welchen Schluß zog ber artige Krsmbe? 
Daß die Amerilanerianen ein unhöflihes, wenn nicht Zalthers 
iges Geſchlecht ſeien. Nun, Laltherzig find wir nicht. Zene 
auen empfanden gewiß (ämmtlich die Aufmerffamteiten bes 
jungen Mannes; eine von ihnen hat mir felbft gefagt, fie 
würde nie einen jungen Dann im Wirthshauſe zu ©... vers 
geffen; fie wäre vor ihrer Ankunft faſt vor Kälte geſtorben; 
bei ihrem Gintritte fei er vom euer aufgeflanden unb habe 
ide den Lehnfluhl gegeben, dann ihren Mantel über einen 
Stuhl gehangen, ben Stein gewärmt und Alles für fie gethan, 
was ein Sohn hätte thun können. Aber einer Anbeutung, bag 
fie ihn auch nur ſehe, hatte bie gute Dame ben jungen Mann 
nicht gewärbigt. Hier war kein Mangel an Gefühl, hier war 
Mangel an Gourtoifie. Oft babe ih auf Dampfihiffen, in 
stage -coaches, in der Kirche und bei Öffentlichen Verſamm⸗ 
ungen Männer aufftehn, ihre Pläge Frauen geben unb 
biefe Srauen ſich ruhig nieberfegen ſehen, ohne eine Sylbe, 
obne einen Blick ber Anerlennung. Und fo bei taufenb andern 
Aufmerkfamkeiten, die erwiefen und unerwibert angenommen 
wurden. Vermeidet folhen Mangel an Sourtoi: 
fie, meine jungen Sreundinnen — er iſt nit blos 
misfällig, er iſt auch eine Ungerehtigleit. Wir 
fulden für bergleihen Artigleiten wirklich. eine 
Erwiderung, denn höflide Annahme tft in den 
meiften Fällen bass Einzige, was wir dafür ge— 
ben Lönnen. Höflichkeit aber ift das Lächeln auf bem Bes 
fihte der Bitte und Lädeln gleicht dem Sonnenſcheine; von 
beiden kann felten zu viel fein.” 78, 





Literarifhe Anzeige 


BVon ftaͤndig ift jest erfhlenen und in allen Bachhanbs 
Jungen zu erhalten: 


Darfiellung 
er 
Landwirthſchaft Großbritanniens 


in ihrem gegenwärtigen Zuſtande. 
Nach dem Engliſchen bearbeitet von 
Dr. %. G. Schweitzer. 
Zwei Mänbe in vier eilungen. 
Mit 92 eingedruckten Bolzschnitten. 
1889 —40. Gr. 8. Beh. 6 Ahlr. 16 Sn 


- Dt 





Derk hat ſich gleich: bei-feinem Erſcheinen des une 
getheilteflen Bafalis von Seiten des Publitums and bez guäßs 
ten Anerkennung von Geiten ber Kritik zu erfrenen gebaht, 
——ã— allgemein für bie befte DarſteUung ber engliſchen 
een Mt Km Deister 1840. 

{ Y. %. Beodhene. 





Blätter u 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


Die fittliche Weltanfiht des Spinoza. 
(Fortſegung aus Nr. 2306.) 

Man wird bemerkt haben, daß, menngleidy anfangs 
die Deutlichkeit unfers Philofophen gerühmt wurde, fich 
dies im Obigen fichtbar beftätigtz über den Sinn feiner 
Morte laffen ſich fchmwerlich Zweifel erheben. Die einzige 
Dunkelheit Eönnte möglicherweife in den Ausdrüden 
„Bernunft” und „Leben nach der Natur” liegen, infofern 
barüber bisher Teine aus dem fosmologifchen Theile des 
Syſtems hergeleitete Erklärung beigefügt ift und man 
daher leicht geneigt fein Eönnte, feine eigene Anſicht davon 
Spinoza’8 Ausdrüden unterzulegen. Später wird es ſich 
deutlicher zeigen, was es mit Spinoza's Vernunft auf ſich 
hat; für jegt erheben wir beiläufig die Frage: wie und 
ob nad) den mitgetheilten Überzeugungen die ethifchen Be: 
griffe nad) Dem, was man darunter heutzutage, wie zu 
allen Zeiten, mit gefundem Verſtande und Urtheile ver: 
ſteht, noch eine Geltung haben Eönnen oder nicht? Diefe 
Geltung if, wenn man alle Formen des Ethi: 
[hen durchgeht, in Bezug auf jede infofern 
aufgehoben, als bis jegt jede ethifhe Form, 
Die in der Entwidelung der Wiffenfhaft vor: 
getommen tft, fi auf die Anerkennung eines 
Unterfchiedes zwifhen gebildeten und unge: 
bildeten Zuftänden des menfhlihen Bemußt: 
feing fügte, von Spinoza aber diefer Unter: 
ſchied nun nicht blos als nicht bedingend das 
Ethifhe, fondern gerade als Dasjenige be> 
zeichnet wird, woraus das Ethiſche als ein 
Borurtheilentflanden fei. Hierdurch oͤffnet fich 
zwifchen Spinoza’d Bewußtſein und demjenigen, welches 
feine fittliche Culture gerade in ſolche Zuflände fegt, in 
welchen bie Überzeugung einer Unabhängigkeit des Sittli- 
chen ſowol von dem materiellen Beſtande der Dinge, wie 
von dem phyſiſchen Verlaufe der Begebenheiten Leimen 
und gedeihen ann, eine folche Kluft, dag an ein Wieder: 
aufammentreffen beider auf keine Weife zu denken ift; an: 
dererfeitö Läßt fich erwarten, daß Alles! was unter der 
Sorm eines Ethifchen bei Spinoza vortommen kann, auf 
einen leeren Mechanismus hbinauslaufen muß, ſowie ber: 
felbe von feiner Kosmologie mag conflruirt werden. Im 
einer folchen mechaniſchen Ethik laͤßt fi) aledaun — da 
die Gewalt des verfannten Lebens denn zuletzt doc) größer 


TTT Kr. 307. —T 


2. November 1840. 


als die des verkennenden Denkens iſt — zur ſcheinbaren 
Wiederannaͤherung an das beſſere Bewußtſein im Nothfall 
noch eine leidliche Vermiſchung der ſogenannten „geſin⸗ 
nungsloſen“ Sittenprincipe, wie der Klugheit, des Nutzens, 
der cyniſchen Gluͤckſeligkeit und des nackt formellen Rechts 
anbringen, wodurch dieſelbe im Auge eines Unvorſichtigen 
und mit der Geſammtheit der Lehre Unbekannten ſich leicht 
ſogar das Lob einer hoͤchſt brauchbaren und empfehlungs⸗ 
werthen zu erobern im Stande iſt. 


Die eben ausgeſprochene Vermuthung wird durch ein 
Studium der Spinoza'ſchen Schriften voͤllig beſtaͤtigt; ſeine 
ſogenannte Ethik traͤgt von denjenigen Merkmalen, unter 
denen man ſonſt dieſe Wiſſenſchaft auffaßt, keine an ſich, 
ſondern iſt eine kosmologiſche Naturphiloſophie, die aus dem 
Hirngeſpinſte eines ens realissimum mit Hülfe einer ſcho⸗ 
laſtiſchen Logik die Welt herauswickelt, nicht einmal, wie 
es bei andern aͤhnlichen Verſuchen noch der Fall iſt, nach 
irgend welchen Geſichtspunkten einer vernuͤnftigen Intelli⸗ 
genz, ſondern ausſchließlich unter dem Bilde der weſenlo⸗ 
ſen Bewegung und des nackten, zufaͤlligen Daſeins. Die 
Einzelnheiten der aͤußern wie der innern Welt druͤcken, als 
Modificationen oder modi jenes ens realissimum, das We⸗ 
fen dieſes letztern ohne deſſen eigenen Willen und bewußt: 
los aus, Eins zwar in ſo viel mehr als ein Anderes, in⸗ 
wieweit ſich hier mehr Ausdehnung, dort mehr Denken 
zeigt, voelche® beides, Ausdehnung und Denken, eben das 
ens realissimum ausmacht. Jedes individuelle Ding iſt 
eine Partikel von beiden genannten Attributen, gleichrote 
das endliche Gefchöpf, der Menfch, bei weichem das Den- 
ken zwar im Vergleich zu den übrigen Dingen im größten 
Maße ftattfindet, der aber, was die Ausdehnung betrifft, 
werthlofer, d. h. ungöttlicher, als viele Dinge iſt und ſich 
wiederum vor feines Gleichen fowol nah dem Maße ber 
Ausdehnung, wie nach dem des Denkens auszeichnen kann. 
Ebenfo wenig wie das Sein in der Gewalt irgend eines 
Endlichen ift, ebenfo wenig hängt auch von ihm bie Aus: 
breitung feines Wefens in die einzelnen Aggregattheile ab, 
aus denen e8 als Individuum beiteht, fondern es unten 
liegt, gleich der Gottheit felbft, dem Gefege der Nothwens 
digkeit, d. b. ſowie es ift, fo war ed und wirb es immer 
fein, nicht mehr und nicht weniger, nicht fchlechter und 
nicht befjer. Bei dem fogenannten denkenden Wefen fin: 
det die Nothwendigkeit flatt, daß der Reihe und der Ord⸗ 


.” La‘ 


nung feiner Vorſtellungen eine Reihe und eine Drönung von 
Ausdehnungen (d. h. von Körperpartikeln) entfpriht, weil 


das Denken und die Ausdehnung In der Gottheit abfolut | 


gepaart und baffelbe auch in jedem Andividbuum anzu: 
nehmen if. Obgleich in Bezug auf diefe Vorfellungen 
von Irrthum, Untoiffenheit, Unverftand und Unvernunft 
ebenfo wenig wie von deren Gegentheilen an ſich nicht die 
Mede fein kann, fo unterfceiden ſich die Menfchen doch 
in diefer Beziehung theild wegen bes Maßes und der Qua⸗ 
licht der Gedanken, theild wegen deren Eintrittözeit in bie 
Mobification des Bewußtſeins, und bieten eben hierdurch 
unbewußt, in Folge eines nothmwendigen Verlaufs ihrer 
Natur, Einer dem Andern die Veranlaffung dar, ſich mit 
jenen unfinnigen Prädicaten (gut, böfe, volllommen, man: 
gelhaft, verdient, ſtrafwuͤrdig, ſchaͤndlich, lobenswerth u. ſ. w.) 
gegenſeitig zu belegen, deren Zufaͤlligkeit ſchon die Empirie 
hinlaͤnglich an den Tag bringt. Der Philoſoph aber, in 
welchem jedenfalls die Gottheit nach der Seite des Den⸗ 
kens ſich am meiſten ausdruͤckt, ſteht inſofern allerdings 
über der Mehrheit der Menſchen, die ſich in ihren Vor: 
urtheilen einander drüden und drängen; weil er aber auch 
mit Nothwendigkeit einen Leib hat, von dem er fih, da 
es nichts ohne Verbindung mit einem Ausgebehnten gibt, 
keineswegs etwa durch Selbfimorb befreien kann, fo leidet 
auch er auf vielfältige Weile wegen der Affectionen, die 
andere Leiber auf feinen eigenen ausüben. Dieſe Unvoll- 
tommenheit — wenn man ed fo nennen will — welde 
durch das Mebeneinanderleben der Menfhen entfteht und 
für Jeden, für den Einfättigften fo gut wie für ben Phi: 
Lofophen, mit mannihfahem Nachtheile verbunden iſt, treibt 
ben Legtern, für feinen eigenen Nugen zu forgen, dadurch, 
bag er nicht blos feinen Leib vor den Affectionen duch 
Andere zu ſchuͤtzen, fondern auch Andern die Überzeugung 
beizubringen fucht, daß das befte Leben dann ftattfindet, 
wenn Jeder ausichließlih nach feiner eigenen Natur, nach 
ber in diefer liegenden, ewig bejlimmten Nothwendigkeit 
lebt und wenn Niemand dem Andern dabei hinderlich iſt. 
Diefes Leben nach ber Nothwendigkeit feiner Natur und 
die Seldfterhaltung darin macht für Jeden beffen eigene 
Vernunft aus und hat für ihn nothwendig bie Gluͤckſelig⸗ 
keit zur Folge, ſodaß mithin nach feiner Natur leben — 
fi felbft erhalten — Vernunft haben und alücfelig fein 
ganz daſſelbe ift. Bleibt alfo nichtöbeftomweniger auch jene 
Unvollkommenheit des Lebens flehen, fo laͤßt fich ihr doch 
nur ein Zufland gegenüberflellen, der nach den Gefegen 
dee menſchlichen Natur entworfen iſt und nach welchem 
das unvolltommene Leben der Menfchen, tie biefe mit 
ihren Zhorheiten in Geſellſchaft zuſammen find, fich rich: 
ten muß, wenn die Vernunft jedes Einzelnen fih mit 
der Vernunft aller Übrigen möglichft gut vertragen fol: 
d. h. es muß das Naturrecht gefucht und danach das 
Leben beſtimmt werden. 

Hiermit bat alfo auch das Kosmologifche zu derfelben 
Pforte geführt, bei ber wir auch mittels ber empicifchen 

usanficht Spinoza's anlangten: bie Ethik loͤſt fi 
bei Spinoza von allen Seiten in sin von fei: 
ner Kosmologie dictirtes Naturreht auf! Sn 


1338. 


biefem hat man alfo aud das Sittliche des Spinoza zu 
fuchen, und zu bem Zwede müffen davon wenigftens wie⸗ 
ber die charakteriftifchen Zuge mitgetheilt werden. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Life of William the third by Hughses Trevor. Ziel 
Bände. London 1839. 


Das Leben biefes Fürften fällt in eine Epoche, die einen 
Wendepunkt in der neuern Staatengeſchichte bildet. Die zweite 
Hälfte des 17. und die erſten Jahre des 18. Jahrhunderts, wo 
Wilhelm III. vom Schauplage ber Welt abtrat, auf weichem 
er länger als 30 Zahre eine politifhe Hauptrolle gefpielt hatte, 
umfchließen bie Wiege ber Sepräfentativregierungen und bad 
erfte Leichentuch der unumfchränkten Throne. Die Schwähung 
ber monardifchen Gewalt mat fih zum erften Male fühlbar; 
der Katholicismus fängt an hinfällig zu werben; die Leiden 
einer in Geburtswehen begriffenen Gefellfchaft treten zu Tage; 
ein trauriger, wo nicht tragifcher, ein bleicher, wo nicht büftes 
rer Charakter verbreitet fi über, an Greigniflen gleichwol 
fruchtbare Jahre. Der zu St.s Germain in der Verbannung 
lebende Jakob II., der alternde Ludwig XIV., Frau v. Mains 
tenon, Königin ohne Namen, Wilhelm von Dranien, biefer 
verfchloffene Eroberer, find die wahren und tief ausgeprägten 
Sinnbilder diefer Zraurigkeit. Der Held, ben von bdiefen Allen 
Hr. Trevor wählte, ben er aber, wie wir gleich won nornhers 
ein bemerken, eben nicht mit fehe gelungenen Pinfelftrichen 
ſchilderte, vertritt eine an fich firengs ernfte Sache und Partei: 
er ift das Haupt bes proteftantifchen Bundes, der natürliche 
Feind des Katholicismus; oft beſiegt duch ben Degen Lud⸗ 
wig's XIV., überwindet er zuletzt biefen ſchimmernden Gegner, 
ohne Freude über feinen Sieg, noch Verzweiflung in feinen 
Niederlagen zu äußern; und wie er gebeimnißvoll während und 
vor feiner Regierung war, fo bleibt ex ein Kaͤthſel nach feinem 
Tode, wie er dies während feines Lebens gewefen ifl. Um ins 
beffen bie Ereigniſſe und Thatſachen ber vorbezeichneten Ge⸗ 
ſchichtsepoche zu begreifen und zu orbnen, {ft es unumgänglich, 
Wilhelm’s Charakter gründlich zu erforfchen. Mittelpunkt aller 
Gruppen, tritt er keineswegs mit dem größten Geraͤuſch her⸗ 
vor; er arbeitet vaftlos, ſchließt fiy an die Gegenwart und 
erobert die Zukunft. Er befonders erntet die Früchte bes 
Kampfes. Mit dem einen Yuße ruhet er auf der unumſchraͤnk⸗ 
ten Monarchie, beren faft ungeſchmaͤlerte Gewalt er übt, und 
mit bem andern ſtüht er ſich auf das republilanifche Wahlrecht, 
deſſen Erdichtung ihm den Thron verleiht, ober mit andern 
Worten, er fleht auf Vergangenheit und Zukunft zugleich. 
Wie alle große biftorifche Perſonen, tft er ein Glied in bee 
Kette des Fortſchrittes: als Bewahrer bes Beſtehenden, will er 
Drbnung; als Wann der Bewegung, will er geſellſchaftliche 
Vervollfommnung. Er iſt ein Ehrſuͤchtiger, voller Thatkraft 
und zugleich hoͤchſt verſchloſſen. Alle feine natürlichen Fehler 
treten in den Hintergrund vor ber Beharrlichkeit, mit welcher 
er feine ehrgelgigen Plane unaufhoͤrlich durchzuſetzen ſtrebt. 

Betrachtet man von dem im Vorſtehenden Lürglich ango⸗ 
deuteten Befigtspunkte Wilhelm von Dranien, fo gewährt Hrn. 
Trevor's Geſchichtswerk dem Lefer nur wenig Befriebigung. 
Daffelde entfpriht kaum der biographifchen Neugier und ent⸗ 
Hält für ben Geſchichtskundigen nichts Neues. Der Berf. bes 

andelt dieſen Fuͤrſten fat wie einen gewöhnlichen König, uns 
chtend, daß durch ihn ber hanoverſchen Dyneſtie der Meg 
gum Thron angebahnt wurde, und daß wit ihm jene Reihe 
von Triumphen ber Repräfentatipregierung beginnt, die Indien 
eroberte, für Sroßbritannten die Herrfchaft über die Meere ers 
warb, die gegen Napoleon Tämpfte und ihn befiegte, die dem 
sepublitanifden Geiſt in Amerika ins Leben rief und bie durch 
fo viele große Stantömänner, Philefopben und Dichter ver⸗ 
besticht wurde. Indeß wollen wir ben in vorliegenben zwei 
Bänden uns dargebotenen biftorifchen Stoff benugen, um, mit 


[ 


MBeifsitefegung der Form, eine Hüchtige Skizze von dem Kärften 
gu entwerfen, 'defien Gelchichte barin vorgetragen wird. Wir 
jchicken derſelben indeß noch einige Bemerkungen über bie Epoche 
soran, in weldge fein Leben fällt, und die uns nöthig erfcheinen, 
um bie Sphäre zu bezeichnen, innerhalb deren fi) Wilhelm's Ill. 
Thatkraft entwidelte. 

Man kann Wilhelm von Dranien wol mit Recht den 
Mann des Nordens nennen. Sn ihm perfonificirt fich die un⸗ 
leugbar fortfchreitende nordiſche Macht, die im 15. Jahrhunderte 
200 gar nichts bedeutete und bie zum erſten Male bervortrat, 
als Luther Deutfchland gegen Rom zur Schilderhebung aufrief. 
Furchtbarer ſchon war diefe Macht, als ſich Mazarin vor Erom: 
welt demüthigte; unbeftreitbar aber iſt fie zu der Epode, wo 
£udwig XIV. den Ufurpator Wilhelm ald König anerkennt, und 
foft unermeßlich zu unferer Zeit, wo Portugal, Spanien und 
Stalien es kaum mit den Beinern Staaten bed Nordens an 
politifcher Wichtigkeit aufzunehmen vermögen. Wir laffen, als 
genugfam erörtert, bie Urfache bei Seite liegen, weshalb der 
Proteftantismus die Religion des Nordens, der Katholicismus 
die des Südens if. Im 17. Zahrhundert war Dolland, Wil⸗ 
helm's Vaterland, der Mittelpunkt des erftern, während ſich 
der katholiſche Brennpunkt in Frankreich, bem Vaterlande Boſ⸗ 
ſuet's und Ludwig's XIV., befand. Erſchlaffte Sitten und ent: 
nerote Charaktere hatten, indem fie die Hülfsquellen vermin: 
derten, bie Stellung des katholiſchen Spaniens und Staliens 
erniedrigt und beide Länder ſchlummerten in ihrer Hinfällig⸗ 
keit. Allein England und Schottland, naturgemäße Bundes: 
genoffen der Intereffen des Nordens, waren nicht in gleichen 
Schlummer verfunten und feit lange bereits proteftantifh; ihre 
volksthumlichen Mitgefühle erſtreckten ſich auf bas republikaniſche 
Holland, den proteſtantiſchen Theil der Schweiz und die Re⸗ 
formirten in Frankreich. Auf dieſem Boden entſpann ſich der 
Kampf zwiſchen Frankreich, dem letzten Schutzwalle des Katho⸗ 
licismus, und England, dem Athleten der proteſtantiſchen Par: 
tel; zwiſchen Ludwig XIV. dem Autofraten und der abwechſelnd 
von Holland und England vertretenen Kreiheit, zwiſchen dem 
Süden, feinem Berfalle fi) neigend, und dem Norden, ber 
ſich zu feinen Schickſalsbeſtimmungen erhebt. 

Wilhelm von Dranien, ber eine fo große Rolle in dem 
politifch = hiſtoriſchen Drama fpielte, deſſen Vorhang Hr. Trevor 
vor uns aufrollt, wurde in einer bolländifchen Stadt, bem 
Haag, geboren, und einer jener ernften und einfachen Paläfte, 
die den Charakter haushaͤlteriſcher Kaufleute bezeichnen, war 
das ſchühende Obdach feiner Wiege. Seine Mutter war bie 
ältefte Tochter des unglücklichen Karl's J., der auf dem Blut⸗ 

erüfte fein Leben befchloß, fein Vater Withelm II., ein Abkoͤmm⸗ 
Ting ber in der holländischen Gefchichte fo berühmten Prinzen von 
Raffau. Seine erſten Lebensjahre umgibt ein düfterer Ernft. 
Er iſt ein nachgeborenes Lind; fein Vater iſt tobt, als er 
das Tageslicht erblickt. Seine Dutter vermag nur ihm Schmers 
geneicheen zu ertheilen und tragifhe Worte zu wiederholen. 
och iſt das republikaniſche Beil geroͤthet; Cromwell wird herr⸗ 
pe: Der Oheim bes Kindes, bereinft Karl IL., verbirgt fein 
Eönigliches Haupt, buch mehre Niederlagen gebeugt. Mazarin 
triumphirt durch feine Schlauheit über das ſturmbewegte Frank: 
zeih. Der republikaniſche Geift burcchellt Suropa. In Holland 
zerfchmettert er ſchon im voraus bie Gewalt bes Kindes, bas 
ohne Zweifel feine Väter wird beerben wollen; und bie Freiheit, 
beren Entwickelung feine Vorfahren dienten, benugt ihre Kraft, 
um ihm den Weg zum Throne abzuſchneiden. Adler diefer Hin: 
deeniffe ungeachtet, fol Wilhelm zum Befige zweier Throne ge: 
Jangen: fein Sorgeis wird ber Freiheit dienen und ſich ihrer 
feinen Zwecken bedienen. Inzwiſchen vermögen wir bem Ta⸗ 

el nicht beizuſtimmen, ben Hr. Trevor über Das verhängt, 
was ex die Verfhwörung der Holländer gegen ihren Kürften 
nennt. WBlühend, frei, ſtark, wollte Holland Leinen zukünftigen 
König; es wies ihn als Fürften gurüd, während es ihn als 
Bürger annahm. Es fürchtete Ihn ald Sohn feiner Erretter, 
denn er Eonnte fein Bebleter werben. Die Freiheit entwidelt 


bei den Mikern alle Artm von Enesgie; Unbankbarkeit 
ebenfalls eine Unabhängigkeit, weiche Republiten in Anfpru 
nehmen, Gomit bat Hr. Trevor Unrecht, wenn er uns gl 
von Anfang an Wilhelm von Dranien als einen mächtige 
Mann barftellt. Cr hatte Alles gegen fi. Soldat ohne Krone 
und ohne Vorrecht, verftand er zu warten, übereilte nichts und 
wußte anderswo eine Krone zu finden. Überdies hatte Wils 
beim II. erſt kuͤrzlich nach widerrechtlicher Anmaßung ber hoͤch⸗ 
ſten Gewalt geſtrebt und einen zwar unglücklichen und von 
den Bürgern abgewehrten Verſuch, ſich derfelben zu bemaͤchtigen, 
gemacht, der aber gleichwol in ihrem Gemüthe einen unauss 
loͤſchlichen Haß zurückgelaſſen hatte. Diefer Wilhelm hatte, ohne 
die dazu erfoderliche Gefchidlichkeit, einen Kampf wider die res 
publitanifche Partei begonnen und war dabei unterlegen. Unb 
noch fand die Republik, die überall das Daupt erhob, im offer 
nen Kampfe gegen ihren Statthalter, als ein plöglicher Tod 
ihn in Mitte deſſelben hinwegraffte und fo den Bürgern Amfters 
bams, von benen er die widerjpenftigften gefangen gefegt, zu 
Hülfe kam. Wir müffen noch bedauern, daß Hr. Trevor biefen 
intereflanten Charakter nicht ausführlicher gefchildert Hat. Denn 
von allen Naffauern war diefer junge Kürft der größte Feuer⸗ 
kopf und der einzige, ber bie vollendete Klugheit feines Stams 
mes verleugnete. 


Wilhelm's III. politifches Leben hat drei verfchiebene Epos 
den, die gleich wichtig find. Zur erften Epoche befämpft ex 
den republifanifchen Geift Hollands und wird Statthalter, zu 
der zweiten Tämpft er gegen Ludwig KIV. und wirb König 
von England; zu der dritten kaͤmpft er gegen die Parteien unb 
gründet feine Dynaftie, die in England das Haus Hanover 
fortgefegt hat. Zu allen biefen Epochen fcheint er ſich auch nicht 
ein Dal geirrt zu haben; man Lönnte ihm eher Verbrechen 
als Fehler vorwerfen. Gr beging Feine Grauſamkeiten; allein 
er hatte wenig Mitleid für die Menſchen. Er vergoß kein 
menſchliches Blut; allein er fah es ohne große Rührung fließen. 
Der Zob der Brüder de Witt erfchien ihm als nothwendiges 
Unglüd, wie etwa ber Verluſt eines Offiziere im Schachſpiel. 
Die traurige Einſamkeit Jakob's II., den feine ganze Bamilte 
verlaffen hatte, rührte ihn nicht. Da die für bdiefen König 
unter die Waffen getretenen Bergſchotten ernſtlich gesächel 
werden mußten, fo gab er deshalb firenge Befehle, die budys 
ſtaͤblich vollſtreckt wurden; daher jenes Blutbad von Glencoe, 
bas mit Hrn. Trevor alle Gefchichtfcgreiber ihm zum Börmurfe 
machen. Gegen eigene Gefahr unempfindlich), war er gleichgäfs 
tig bet den Gefahren Anderer. Verwundet in ber Schlacht an 
ber Boyne, als er eben zu Pferde flieg, fah er zwei Soldaten, 
bie vor ihm flanden, tödlich getroffen, zur Erbe fallen. „E 
war ſchon recht“, fagte Ealtblütig Wilhelm, „daß ich ni tfra 
ber mein Pferd beſtieg.“ Alle gegen ihn gerichtete Morbplane 
fegen ihn nicht in Erſtaunen, betrüben ihn kaum. Auch gegen 
die Lafter der Menſchen beat er eine wahrhaft überrafchende 
Unempfinblichleit. Gr weiß, wer ihn betrügt, er kennt, wer ihn 
verkauft; er fieht den Verrath ſich entfpinnen, er ſieht fhn 
zum‘ Ausbruch fommen; es kümmert ihn dies nicht. Sein Se⸗ 
herblick burchdringt das ganze Gewebe und er beherrſcht ſich 
felbft fo volltommen, daß man nicht einmal gewahrt, wie er 
feinen ganzen Hof, vielleicht fein ganzes Bolt verachtet. Er 
nimmt ben Verrath als eine ber natürtichften Folgen einer Zeit 
von Nevolutionen hin. An Gidfchwüre glaubt er nit. Zur 
Herrfchaft gelangt, enthebt er berfelben fein Volk, gleikhfam ats 
wollte er Ihm eine Entwürbigung erfparen. Gern verleiht er 
Begnabigung, weil er Niemand achtet und Niemand haft. Er 
kannte den Geldgeiz Marlborough's und wußte, daß er nau⸗ 
hafte Summen von Ludwig XIV. und von Jakob II. erhielt, 
um ihn ſelbſt zu hintergehen; ba derſelbe jedoch ein guter Feld⸗ 
here war, fo bezahlte ihn Wilhelin, um ſich feiner gegen ine 
Widerſacher zu bedienen; ja, er behanbelte ihn als Freund, 
faft als Bertrauten. Eines Tages zog er feinen General bei 
Seite, und ihm die Hand drüdend: „Nehmen Sie“, Tagte ee 
ihm, „immerhin die neuen Penfionen an, bie Ludwig XIV. 


nen anbietet, und fehlagen Sie die nidht aus, die Jakob II. 
Zum gibt. Ich verleige Ihnen noch überdies das Schloß ... 
eis Gigenthum und ermächtige Sie Alles anzunehmen, was bie 
Feinde Englands Ihnen geben wollen. Sie werben glauben, 
auf Sie rechnen zu koͤnnen, und wie werben fie defto beffer 
ſchiagen. Ich weiß, wie ergeben Sie mir find.” Gin Mann, 
der die Menfchen fo aus dem Grunde kannte, vermochte ſie 
weder zu lieben, noch zu haſſen, noch zu fürchten. Auch mußte 
er von ihnen weder geliebt, noch gefürchtet, noch gehaßt werben. 
Er befaß Tugenden ohne Liebreiz und Fehler ohne Gefahr für 
feinen Ehrgeiz. Er war ein Sreund ber Einfachheit, der Ge: 
zabheit, der Feſtigkeit; ſtrenge gegen ſich felbft, war er ent: 
haltfam, mäßig, ſchweigſamen und ſtets gleichen Gemüthe; 
ohne Geſchmack für die Künfte und ohne Anmuthigkeit. Der 
Verräther Hamilton, den er nach Irland gefhidt hatte, um 
den Frieden herzuſtellen, hatte ſich an die Spige der feindlichen 
Truppen geftellt und wurde als Gefangener vor Wilhelm ge: 
bracht, der ihm nicht einen Vorwurf machte, fondern blos fragte, 
ob fi die Katholiken noch Tange Halten würden. „Auf meine 
Ghre, ich meine e8’, fagte Hamitton. „Eure Ehre!’ und 
Wilhelm wandte ihm den Rüden zu. Dies ift die ftärkite Be: 
wegung von Born, der fi Wilhelm ven Dranien, dürfen wir 
anders unferm Gefchichtefchreider Glauben fchenten, je überlaſſen 
hat. Nach Ablauf einiger Zeit langweilte die Engländer diefer 
Derrſcher, den fie nicht zu lieben vermochten und der fie durch 
die Gleichgültigkeit gegen ihren Haß beleidigt. Man Üüberhäufte 
ihn mit Schmähfchriften und Spottbildern. Wilhelm hatte eine 
fehr große Naſe; man machte daraus einen Gegenftand des Ge⸗ 
fpöttes, und Garicaturen famen in Menge zum Vorſchein. So 
beifpielöweife eine als Titelkupfer einer traveftirten ‚„„Ancide‘’, deren 
Held Heiner als feine eigene Nafe abgebildet war. Dryden, 
Katholit und vom ehemaligen Königshofe mit einem Gnaden⸗ 
gebalte bedacht, machte ein Gedicht darauf, worin es hieß, es 
babe der Held Virgil's feinen Vater auf feinen Schultern davon 
getragen, indeß der Held mit der großen Rafe feinen Echwies 
gervater mit den Schultern vom Throne vertrieb, was allers 
dings ein großer Unterfchieb wäre. 

Wilhelm ließ fi von dem Allen weber erfchreden, noch 
aus ber Faſſung bringen. Es ward ihm gleichſam zur Gewohn⸗ 
heit, aller Welt zu misfallen. In frühefter Jugend war fein 
eigener Feind, Johann be Witt, fein Lehrer. Der Fünftige 
Statthalter erhielt von dem feurigen Republifaner Unterricht In 
der Mathematit. In feinen Sünglingsjahren warfen ihm bie 
Republilaner vor, es mit ben Stuarts zu halten, und biefe, 
ex halte es mit den Republilanern. Spaͤterhin mistrauten ihm 
die Proteflanten, weil er eine Tochter Jakob's II. geehelicht 
hatte, und Jakob verwünfdte ihn als einen Lieblofen Eidam. 
In keinem Augenblide feines Lebens war feine Stellung rein 
gezeichnet. Ale feine Verbindungen flanden im Widerſpruch 
zueinander; er gelangte zur Gewalt unter ber Bedingung, Nies 
mand zu befriedigen, nicht einmal feine armen holländifchen 
Garden, die man ihn zu entlaffen zwang. Sich in Mitte ber 
ungleichartigften Elemente erhebend, um fie zu beberrfchen, und 
Xeiner der von ihm gehegten Erwartungen entſprechend, mußte 
er gleichwol den Ruf der Redlichkeit bewahren, ba fonft feine 
Sache verloren war. Keinen Augenblid durfte er fein Ealtes 
Blut verleugnen, wollte er nicht Alles verwirren. Leidenfchaf: 
ten oder Launen würden ihn zu Grunde gerichtet haben. Nur 
in feinem Luftfchloffe Loo fand er zeitweilige Erholung; dort 
durfte er ſich ohne aͤußern Zwang feinen Grdanken überlaffen. 
Als er feinen erften Kampf antrat, um bie Statthalterfchaft 
zu erobern, befand er fi in einer falfhen Stellung. Gr 
nannte ſich Republifaner und firebte nach ber Dictatur, weil 
er mittels derfelben allein Ludwig XIV. zurüdtreiben und bes 
Kämpfen Eonnte. Bei feinem zweiten Kampfe war bie Schwie: 
zigteit noch größer: er gab vor, nicht nach ber Krone feines 
Schwiegervaters zu fireben; und gleichwol war es biefe Krone 


allein, durch die er feine Abſichten auf die Gmancipation und 
den Triumph des Proteſtantismus zu erreichen vermochte. In 
feinem dritten Kampfe, gegen fein Bolt, war es noch fdhlims 
mer. Gr war Groberer und war es nicht; er flüßte ſich auf 
die Legitimität und zerflörte fie, er nahm die republikaniſche 
Wohl an und entfchlüpfte ihr; er verfündigte Duldung und 
verbannte die Katholiken; ex verkündigte öffentliche Moral und 
vertrieb feine Verwandten; er ließ fi von der anglifanifchen 
Kirche Erönen und war felbft nicht Anglilaner: Zurz, er befand 
ſich im Mittelpunfte von taufend ſchlagenden und faſt laͤcher⸗ 
lichen Widerfprüden. Jede Partei, als fie ihn auf den Thron. 
fegte, hatte geglaubt, allein zu herrſchen; er täuſchte fie alle 
oder vielmehr alle täufchten ſich ſeibft. Vor Allem befag jebech 
Wilhelm die Kunſt, die Menſchen, ihre Fähigkeiten, Laſter und 
Zugenden am rechten Orte zu brauchen; und unftreitig beſteht 
bierin das erfte Verdienft eines Herrſchers. So lich er de Witt 
in fein Verderben rennen und den Biſchof von Münfter Eu= 
ropa aufreizen; ex flachelte ben Papft gegen Lubwig XIV. auf, 
machte Echomberg den Katholiken abwendig, zwang ben Vers 
räther Marlborougb ibm zu bienen; benugte nady und nad 
Sunderland, Godolphin, Halifax und alle jene Zrümmer, tie 
ein Vermächtniß der frühern Höfe waren, und zog auf biefe 
Meile Vortheil felbft aus den gefährlichfien Elementen, 

Um nun noch flicfli einige Worte über die politifdhe 
Faͤrbung des vorliegenden Geſchichtsbuches zu fagen, mag bie 
Bemerkung genügen, daß diefeibe durchgehende whigiſtiſch ift. 
Hr. Zrevor nennt die Revolution von 1688 eine glorreidhe; die 
Männer, die dazu mitwirken, werden von ihm mit ben gläns 
zendften Farben gefdiidert, den Motiven und Kolgen aber, 
welche diefe Revolution berbeiführten, entrichtet er ben Zoll 
unbedingter Bewunderung. Indeß vermißt bie Kritil die Dar⸗ 
legung des urſaͤchlichen Zufammenhanges zwifchen jener Kata= 
ſtrophe und ihren Refultaten, die allerdings ungeheuer find. 
Sa, ber Gefchichtfchreiber fagt uns nit einmal, wie es Wils 
helm gelang, jene Regierungsform, der England feine jebige 
Größe verdankt und die mit feiner Thronbefteigung ins Reben 
trat, zu befeſtigen. Das Hauptverdienſt feiner Arbeit ift: eins 
fache Darftellung der Thatſachen, bie jedoch nicht felten an 
Nachloͤſſigkeit ftreift und oftmals felbft den Ernſt ber Geſchichte 
vermiflen läßt. 93, 


giterarifhe Notiz. 


Es ſcheint eine foͤrmliche Epidemie geworden zu fein, bra: 
matiſchen Werken lange und meift polemifche Worreden vorzu⸗ 
fegen. Victor Hugo fchidte feinem „Cromwell“ eine Auseinans 
derfegung feiner Theorie voraus; Bulwer bietet hierauf bei 
ähnlicher Gelegenheit feinen Kritikern Trog und legt Berufung 
an feine Landsleute ein; George Sand tröftet fih in einer 
Vorrede über das gänzlihe Durchfallen ihrer „Coſima“; der 
große Eclat, den Mad. Girardin’s „Ecole des journalistes” 
bervorrief, gründet ſich ebenfo auf die Vorrede dazu mie auf das 
Städ felbft und die daraus entflandene Fehde mit Jules Janin. 
Wiederum iſt in England eine Tragödie von R. 9. Horne ers 
fhienen: ‚‚Gregory VII., with an essay on tragic influence”; 
aber auch biefer „Kasay’’ fcheint eine unpaflende Zugabe ſchon 
deshalb, weil bie in ihm entwidelten Anfichten nichts Neues 
enthalten, was nicht fhon früher, z. B. von Hazlitt, geſagt 
wäre; im Gegentheil dient er dazu, die Quelle der Mängel 
anfchaulich zu machen, welche die großen Vorzüge des Stüds 
felbft vor vielen andern neuern Probuctionen Englands vers 
dunkeln. Weder auf den Erfolg bes Stüds noch auf die Res 
form des Geſchmacks pflegen dergleichen Prologe von Einfluß 
zu fein. Ein unbeſtochenes Publicum iſt und bleibt der befte 
Richter, deſſen Beifall oder Misfallen fi nur Dramatiter ohne 
Grfelg auf dieſem Wege aus dem Sinne zu fchlagen uhen 
werben. . 





Berantwortlicher Herauſsgeber: Heinzih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brochaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Dienftag, 


KR Nr. 308, — 


3. November 1840. 





Die ſittliche Weltanſicht des Spinoza. 
Beſchluß aus Nr. 307.) 

„Unter Naturrecht“, ſagt Spinoza, „verftehe ich ben 
Inhalt der Regeln und Gefege, von denen die Natur eines 
jeden Individuellen, um in der für fie beflimmten Seine: 
und Dandlungsmelfe zu eriftiren, abhängt.” So find z. B. 
bie Fifche von Natur zum Schwimmen beftimmt und Die 
größern zum Freſſen der kleinern; folglich bedienen ſich die 
Fiſche mit dem hoͤchſten natürlichen Rechte des Waſſers, 
und die größern freffen mit demſelben Mechte die Eleinern. 

Nun ift zwar die Frage, wonach man die Beltimmung 
der ratur jedes Einzelnen erkennen fol, und befonderg, 
wodurd die Grenze diefer Beftimmung gezogen ift; allein 
diefe Frage beantwortet fich von ſelbſt. Nothwendig wird 
nämlih die Naturbefiimmung jedes Einzelnen an dem 
Können deffelben und an feiner Naturfraft erkannt, 
an feiner Macht und feinem Vermögen; und wie weit 
dies eben geht, fo weit reiche fein Naturrecht. Diefe 
Macht iſt theild negativ, theils pofitiv; jenes naͤmlich, 
foweit fie verbraucht wird, damit jedes Individuum fich 
in feinem Was erhalte, wie es einmat ift, dieſes aber, 
ſoweit fie angewandt wird, um mehr zu werden, d.h. um 
fi) auszudehnen; jenes Erftere muß aber diefem Letztern 
immer vorangehen. 

So lange wir alfo die Menfchen auch nur als unter 
dem Gefege der Matur lebend betrachten, ift es völlig gleich, 
06 fie nah Vernunft leben oder nicht, oder vielmehr es 
kann davon noch gar. nicht die Rede fein. Ebenfo wie 
- bier Seder mit dem hoͤchſten natürlichen echte eriftict, 
ebenfo handelt er auch mit bemfelben echte, weil es 
überbaupt feine Natur ift, zu handeln; und der einzige 
Unterfchied, der hier flattfindet, Liege nur in dem Mehr 
und Weniger; es iſt alfo nur ein Groͤßeunterſchied. 

Das Maturrecht, unter dem wir Alle geboren werben 
und meiftens noch leben, wirb mithin auch nichts ver- 
bieten koͤnnen; denn das von ihm WBerbotene könnte leicht 
die Begehtung eines Individuums fein oder werden, in 
deſſen Macht liegen und zu Dem gehören, wozu ed mit 
Nothwendigkeit beftimmt iſt. Dies beißt: das Naturrecht 
kann gar keine Gefege im gewoͤhnlichen Sinne des Wor⸗ 
te8 geben, weder verbieten noch gebieten, ſondern es ift 
eben nur Ausdrud der That, eine Sammlung von Be: 
gierden und Machtäußerungen, wie biefelben nach der Nas 


tur jedes einzelnen Individuums verfchieden gefunden wer: 
den. Zudem bat das Naturrecht fich auch jeder Beur⸗ 
theilung zu enthalten; denn wenn es ins vielleicht ab⸗ 
furd oder böfe nennen wollte, fo Eönnte es Gefahr lau⸗ 
fen, feine Unwiſſenheit zu zeigen, feine Unwiſſenheit naͤm⸗ 
ih) in der Drdnung aller Dinge, wovon jedes Einzelne 
eine Partikel ift: in der Ordnung aller Dinge ift aber 
nichts abſurd. 

Obgleich diefer Zuftand nun allerdings der Natur ges 
maß ilt, fo wird es dabei aber doch nicht zu vermeiden 
fein, daß der Eine den Andern todtfchlägt, daß Haß und 
Zorn ihre ſchrecklichen Wirkungen Außern und mithin ein 
Jeder mehr oder weniger von dem Andern zu fürchten hat. 
Gibt es alfo einen Grund, weshalb der natürliche Zuftand 
fi) ändert, fo kann es nur die Furcht fein, die, ver: 
bunden mit bem Leiden, das Jeder von Allen erfährt, auch 
Jeden bewegen wird von feinem Naturrechte etwas 
nachzulaſſen: d.h. Alle zufammen werden fid) zu einem 
gewiffen Vertrage vereinigen, dem zufolge das Begehren 
eines Jeden, fo weit es dem Andern ſchadet, gezügelt 
wird. Der naturrechtliche Zuftand der Menfchen wird alfo 
buch einen Vertrag verlaffen; und es fragt ſich nur, 
wie dieſer Vertrag einzurichten fe. Dan muß bedenken, 
daß es ein allgemeines Geſetz der menfhliden 
Natur ift, daß Niemand Etwas, das er für gut, 
d.h. für fih nuͤtzlich Hält, aufgibt, wenn er 
nicht entweder ein größeres But zu erwarten 
ober einen greößern Schaden zu fürdten hat: 
Jeder wählt von zwei Öhtern, welhes ihm das 
größte, und von zwei Übeln, weldhes ihm daß 
fleinfte zu fein ſcheint. Es iſt hierbei zu erinnern, 
daß ihm dies nur zu ſcheinen braucht, denn an fi 
gibt es kein Gut und Eein Übel. Aus diefem Gefege, 
welhes der menfhlihen Natur fo fefl einge: 
pflanzt ift, daß es unter die ewigen Wahrbei: 
ten gerechnet werden muß, folgt nun nothwendig, 
daß Niemand ohne Lift verfprehen und einen Vertrag 
eingehen wird; denn keiner wird fein Recht, das er auf 
Alles bat, abfolut aufgeben und fein Verfprechen abfolut 
halten, da er ja nur aus Furcht vor einem größern Übel 
ober aus Hoffnung auf ein größeres Gut verfpriht. Kein’ 
Vertrag alfo hat, wie hieraus ferner hervorgeht, an fich 
eine Bindegewalt, fondern er fefelt nur nach dem Maße 


1242 


des Nutzens; denn faͤllt diefer weg, fo fällt auch zuglefch 


der Vertrag weg. 

Mach dieſem Geſetze wird ſich demnach auch das oͤf⸗ 
fentliche Weſen anordnen: Jeder wird von ſeinem Rechte, 
di. von ſeiner Macht, fo viel dem Andern überlaffen, 
d. h. Überhaupt zuruͤckhalten und unwirkfam fein laſſen, 
als zu wie Vielem ihn entweder die Furcht vor Schaden 
oder die Hoffnung auf Vortheil bewegt. Wer aber am mei⸗ 
ſten Macht hat, wird auch zuletzt am meiſten übrig behal⸗ 
ten, d. h. das hoͤchſte Recht gegen alte Übrige haben, nad) 
welchem er fie mit Furcht und Gewalt In ben Schranken 
hält; und dies wird fo lange dauern, wie lange feine Macht 
dauerf. 

Es iſt zw bemerken, daß das Macht: und alfo das 
Wechthaben fich nicht allein auf Sachen oder Körper, fon: 
dern auch auf das Denken, den Geift, bezieht; denn wie 
viel der Geift Jemandes von einem Andern getäufht und 
fuͤr fich gebraucht werden kann, um fo viel hat der Andere 
ein Necht darüber. Es folgt hieraus, baß, wer ſich gar 
nicht täufchen läßt, das meifte Recht haben wird, und ein 
Solcher ift frei zu nennen, nicht etwa weil er gerade der 
Einfiht gemäß handelt, fondern weil er nur den Beſtim⸗ 
mungen feiner eigenen Natur und nicht denen einer 
andern folgt; denn die Freiheit hebt, wie wir wiſſen, die 
Nothwendigkeit keineswegs auf, fondern befteht gerade in ihr. 

Es kommt nun darauf an, wie jenes Nachlaffen der 
eigenen Macht gefchieht, welche nämlich, fobald fic jeder 
Einzelne mit allen Übrigen vergleicht, allerdings hoͤchſt Hein 
ift, immer aber größer wird, je Mehre fi, vereinigen. Ver⸗ 
einigen ſich ſolche Mehre, fo werden fie alfo, weil vereinte 
Macht, auch gemeinfame Rechte haben, und dasjenige 
Necht, welches durch die Macht der Menge ausgedrüdt 
und erflärt wieb, pflegt dann Herrſchaft genannt zu 
werden. Gefchieht es nun, daß eine ſolche Herrſchaft einer 
aus der Menge beftehenden Verſammlung übertragen wird, 
fo beißt fie Demokratie; kommt fie nur an einige Aue: 
erwählte,, Ariftofratie, und endlih an Einen, fo heißt fie 
Monarchie. 

Hiermit hat ſich nun der Stand der Dinge ſogleich 
geaͤndert, denn die Menſchen ſind jetzt aus dem Natur⸗ 
rechte in das Civilrecht getreten und die in jenem auf⸗ 
geſtellten Lehren muͤſſen daher bier gleichfalls ein anderes 
Anfehen erhalten. So erkennen wir 5. B. fogleih, daß 


jegt die Handlungen ber Menſchen gewiſſe Prädicate bes | 


kommen müffen, die ihnen an fi und nad dem Natur- 
rechte nicht zuftehen. Nach bem Naturrechte, wiſſen wir, 
gibt es weder ein Fehlerhaftes, noch ein Boͤſes -oder Gu⸗ 
te6: bier im Staate nun gibt es aber ein folches aller: 
dings, aber auch nur im Staate. Hier nämlich wird 
nun Das, was gut und böfe fel, nad) dem Rechte ber 


Herrſchaft entfchieden, indem, was mit deſſen Übereinftim: 


mung ober wenigſtens nicht dagegen gefchieht, für gut, 
das Gegentheil aber für böfe zu halten if. Die Men: 
ſchen drücken dies nur gemöhnlicdy anders aus und nennen 
gut, was ber Vernunft gemäß fei, und böfe das Segen: 
theil, was denn auch infofern nicht unrichtig iſt, als auch 
der Staat, damit er beftehen kann, nad, ber Vernunft 


eingerichtet fein muß, b. 5. nach derjenigen Einficht, welche 
die Maſchinenlehre (t), die Mebicin (!) und die Philoſophie 


er den Zuſammenhang der Dinge verfchafft hat. Man 


Könnte auch fagen, gut fei, was im Gehorfan gegen Gott 
geſchieht, und böfe das Gegentheil, denn allerdings if es 
immer Gott, ber in uns handy wur muß man nie vers 
geffen, daB wir in Gottes Macht ftehen, wie der Thon in 
der des Toͤpfers, welcher aus derſelben Maffe einige Ge: 
fäße zur Zierde, andere zur Unzierde macht, und daß folgs 
lich der Menſch eigentlih niemals gegen Gott handeln ann. 

Bevor das Eivilrecht in denjenigen Formen ſich teiter 
entridelt, die e8 annehmen muß, wenn der Staat entwes 
der ein bemofratifcher, ariflokratifcher oder monarchiſcher 
ift, muß das Recht der hoͤchſten Gewalt oder‘ der Herr⸗ 
[haft im Allgemeinen näher beſtimmt werden; benn dieſes 
kann in jedem Falle nur Daffelde fein. Wenn wir aber 
bedenken, daß, fobalb der Staat irgend Jemanden zuge: 
ſteht, nad) feinem Belieben zu leben, er unmittelbar von 
feinem Rechte nachgibt und mithin, wenn ein foldyes Zus 
geftändnig Mehren gemacht wäre, er ſich ſelbſt aufheben 
würde: fo ſehen wir leicht ein, daß auf keine Weife irgend 
einem Bürger aus dem Geſichtspunkte des Staats erlaubt 
fein darf, nad) feinem Belieben zu leben. Es wird aber 
bier mit Fleiß gefagt „aus dem Gefichtspunfte des Staats’; 
denn der Wahrheit nah bat ein Jeder auch in dem bürs 
gerlichen Zuſtande noch fein eigenes Naturrecht und hans 
delt auch in dieſem nur nach den Gefegen feiner eigenen 
Natur und forgt für feinen Nugen. 

Serner begreifen wir, daß es feinem Bürger erlaubt 
fein darf, die Befchlüffe oder Rechte des Staates zu inters 
pretiren; benn fonft würde ein Jeder fein eigener Richter 
werben, weil es ihm leicht märe, unter dem Scheine des 
Rechts feine Handlungen zu entfchuldigen oder in ein gutes 
Richt zu fielen, mithin ein Leben nad feinem Belieben 
zu führen; was aber ungereimt befunden iſt. Jeder Buͤr⸗ 
ger lebt daher, als folcher, nice umser feinem, ſondern 
unter dem Rechte des Staats, und iſt verpflichtet, alle Bes 
fehle deffelben auszuführen, ohne daß er gu entfcheiden hat, 
ob fie billig, gesecht oder ungerecht find. Dee Wille des 
Staats iſt für den Willen Alter zu halten, und mas dies 
fer daher befchließe, iſt von Allen beichlofien: es muß 
gethan werden, auch wenn e6 ben Untergebenen tabelnss 
werth fcheint. 

Allein, könnte Jemand einwenden, iſt «6 nicht gegen 
bie Vernunft, ſich einem Andern völlig zu unterwerfen? 
Dies iſt nicht der Kal; denn die gefunde Vernunft wird 
nicht befehlen, daß Jeder fein eigener Derr bleiben ſolle, 
fo lange die Menfchen noch ben Affecten unterworfen find, 
was aber, wie wir wiſſen, ihr allgemeines Schickſal if. 
Zudem gebletet bie Bernunft, ben Frieden zu ſuchen, ber 
nicht erhalten werben kann, wenn nicht die Geſetze bes 
Staats unmwandelbar feſtſtehen; und endlich drittens, ba 
ein Gemeinwefen nur zur Vertreibung ber gegenfeitigen 
Sucht und bed Ungluͤcks gefliftet wird, fo wird bach, wenn 
auch jemand einmal etwas Bernunftwidriges auf Befehl 
des Staats thun muß, diefer Schaben beiweitem vergütet 
durch den Wortheil, den er ans bem Gemeinweſen fonfl 





128 


ft. ebenfalls iſt es ein Bermunftgefeh, von zwei 

n das Bleinfte zu wählen. \ 

Um aber zw erfahren, wie weit fi das Recht des 
Staats ausdehnt, muß erklärt werden, wie weit feine Macht 
reicht. Zunaͤchſt: ſowie im bürgerlichen Gemeinweſen Ders 
jenige der Maͤchtigſte iſt und am meiſten Recht hat, der 
ſich von der Vernunft im oben angegebenen Sinne leiten 
täßt, fo wird auch derjenige Staat ber mächtigfte fein 
und am meiſten Recht haben, der auf diefelbe Bernunft 
gegründet und von ihr gelenkt wird. Denn bed Staates 
Hecht wird beftimmt und umgrenzt von ber Macht berjeni: 
gen Menge, die wie von Einem Geiſte geführt wird, und 
die Einheit der Gemuͤther wird nur dann erreicht, wenn 
der Staat vorzüglich Das will, was nad gefunder Ver⸗ 
nunft allen Menſchen das Nüsliche iſt. Berner ifi Nie: 
mand fein Herr, fondern gehört dem Staate, wie meit er 
entweber die Macht und Drohungen bes Staates fuͤrch⸗ 
tet, ober aber den Zufland bes bürgerlihen Gemeinwe⸗ 
ſens Lieb hat. Dieraus folgt, daß umgekehrt außer dem 
Rechte des Staates Alles Liegt, wozu Niemand weder durch 
Belohnungen noch Drohungen gebracht werden kann, 3.8. 
innerliches Denken und innerliches Urtheilen. Endlich ge: 
bört zum Mechte des Staates alles Dasjenige am mwenigs 
fen, was die Meiften misbilligen. Sobald bie Menſchen 
ein Gleiches zu fürchten oder einen gleichen Schaden zu 
rächen haben, find fie von Natur zur Einigung geneigt; 
und da das Necht des Staats durd die Macht der Menge 
umgrenzt wird, fo folgt, daß dieſes um ſo viel fich ver: 
Heinert, als wie weit der Staat Beranlaffung gibt, daß 
Mehre complotticen. — — 

An diefee Stelle können wir füglich abbrechen und es 
bern Scharffinne des Lefers Überlaffen, aus dem Mitge⸗ 
theilten zu [chließen, role Spinoza die übrigen Theile der 
Rechtsphiloſophie und die praktiſche Staatswiſſenſchaft, ins: 
befondere Das, was die Heutigen Völkerrecht nennen, zu 
behandeln wird gezwungen fein. Auf die Dauptfrage aber, 
das Verhaͤltniß des Sittlichen zu dem Kosmologiſchen zu: 
rücklenkend, muß bie Darſtellung wenigſtens fo viel gezeigt 
daben, daß ein foldes Verhaͤltniß, abgefehen von den 
fchroffen Gegenfägen, bie fich dadurch ſchon von Anfang 
an gegen das gebildete fittliche Bewußtſein hervorthun, ſich 
durch die nothwendigen Schlußfolgen, bie daraus zu zie⸗ 
ben find, auch innerhalb der Begriffsreflerion als ein uns 
denkbares und widerſinniges herausſtellt. 
Muſter fuͤr die Conſequenz in ſolchen Schlußfolgen, — 
und dafuͤr verdient er Lob; nur aber auch in der That 
hierfuͤr! Daß er von ber Zeit dieſes Lob nicht empfan⸗ 
gen, ſondern ſtatt deſſen gar den Ruhm erlangt hat, ge⸗ 
wiſſermaßen ber Traͤger für mehr als drei Viertel der 
neuern deutfchen Phllofopbie zu fein: dies hat Spinoza 
jedenfalls mehr dem Nichtwiffen als dem Wiffen zu ver: 
danken! Struͤmpell. 





Southgate's Bemerkungen Aber orlentaliſche 
Culturverhaͤltniſſe. 


. »Richte Ta l kteri die B der 
a en ne Bra 


Spinoza ift ein. 


kenntniß Soutbgate’s, bes bes vor Turgem erſchienenen 
intereſſanten und Iehrreichen „‚Narrative of a tour through 
Armenia, Kurdistan, Persia and Mesopotamia’’ (2 Bbe.). 
„Zu Ende des erfien Monats meines Aufenthalts in Konftans 
tinopel würde ich meine Anfichten über türkiſche Verfaſſung und 
Sitte mit dem Außerften Selbfivertrauen belannt gemacht has 
ben. Rad Verlauf von drei Monaten begann ich das Falſche 
in meinen meiften Schlüffen zu begreifen, und nad) ſechs Mos 
naten fand ich, daß ich ben Gegenfland meines Studiums fo 
gut wie gar nicht kannte. Nur Cine nügliche Lehre hatte ich 
gelernt. Ich ſah, daß mein erſtes Urtheil ungenau geweſen war, 
weil ich mic es von einer falichen Stellung aus gebildet hatte, 
Ich hatte bamit begonnen, das Morgenland mit ber Seele eis 
nes Abendländers zu fludiren; hatte ein feitftehendes Urtheil zw 
demfelben gebracht, das ſich nothwendigerweife als ein falfcher 
Mapitab erwies. Reifere Beobachtung zeigte mir bie Unrich⸗ 
tigkeiten in meinen Grgebniffen und lenkte mich alsbald auf 
ben Grund davon. Ich hatte mir das Amt eines Richters ans 
gemaßt, ohne die Befege gelernt zu haben, nad denen Recht 
zu fprechen iſt. Ic bildete mie Anfichten über die Verfaſſung 
und den Eharakter eines Volke, von deſſen eigenthümlichem 
Geiſte ich nichts wußte. Weine Stimmung war in völliger 
Verwirrung, bie nur zunabm, je weiter ich vorwaͤrtsſchritt. 
Ich war daher gezwungen zurüdzugehen und bie niedrige Stel⸗ 
lung eines Schülers einzunehmen, che ich mir es anmaßte, das 
Amt eines Richters auszuüben.” 


Ganz befondere Anwenbung finden biefe Worte auf das 
faft gleichzeitig erfchienene Werk I. Reid's, welches durchaus 
ermangelt, feinem umfaflenden unb vieloerfprechenden Zitele 
„Turkey and the Turks”, Genäge gu leiften. Nicht minder 
bewaͤhrt ſich Southgate's gefunbes Urtheil in feinen Anfichten 
über bie Erfolge ber Ausbreitung des Ghriftenthbums im Moss 
gentande überhaupt, wie unter ben Mohammedanern inöbefons 
bere; ein Gegenſtand, ber ihm als Miffionnalr ber amerilanis 
ſchen bifchöflichen Kirche für das Morgenland gang beſonders 
am Herzen lag. Gr überzeugte fich fehr bald, daß das Bekeh⸗ 
rungswerk bort keineswegs etwas fo Leichtes fei, wie er fi 
vordem vorgeftellt hatte, weil jebe Religion von längerm Bes 
ftande fi dermaßen mit ben Ginrichtungen bes Öffentlichen 
wie des Privatiebens verwebt, daß man von bem zu Bekehren⸗ 
ben nicht blos verlangen müßte, er folle aufhören, Mohamme⸗ 
baner, fondern auch Zürke zu fein. Nach einem forgfältigen 
Studium des Mobammebanismus In feinen Grundlagen, wie 
in feiner Entwidelung fand Southgate, daß bie Elemente zu 
einer Belehrung bes Islamismus zum Ghrifientbume im er⸗ 
een ſelbſt zu fuchen feien, und das weiſeſte Verfahren darin 
beftebe, ben Türken zur Reinigung und Verjüngung ihrer dis 
genen Religion behülflicg zu fein und dann von dem Eirfluſſe 
ber Aufltärung und Bilbung beren zukünftige Umwandlung im 
die chriſtliche zu erwarten. Das bloße Abwendigmadgen des 
Bolks von feiner Religion bagegen gebe noch keipeswegs bie 
Gewißheit, daB man dadurch Anhänger einer befiern gewinne. 
„Der gegenwärtige Sinfluß Europas auf bie Türkei arbeitet 
febe ſtark auf Unglauben und Zügellofigkeit bin — einen Une 
glauben, ber ſchlimmer als der Islamismus, eine Zägellofigkeit, 
tie beflagenäwerther als alle Polygamie iſt.“ 

Übrigens machte Southgate auf feiner Reiſe die Wahr⸗ 
nehmung, daß ber Einfluß des Mohammebanismus vielen Angels 
den nad im Sinken if: feine Haupsilärte ruht noch in den 
Ulemas; während allenthatben die Moſcheen verfallen, ohne 
daß man ſich einigermaßen um ihre Siederherſtellung kümmere ; 
auch fand ex keineswegs ben erwarteten Widerſtand türkiichke 
WBigoterie gegen bie-neuen Reformen, ſondern hoͤrte fie fogar 
häufig loben. Freilich gibt eine Scene, welche Southgate in 

n keinen Begriff davon, welche 
wandniß es mit ben Büdngsverſuchen habe, womit orientalis 
ſche Sroße ſelhſt gegen Europaͤer zu zemafen pflegen. „Bei 
einer Unterredung mit Malek Khafſum Statthalter von 
Tabris und Oheim des regierenden „lenkte dieſer bie 





1844 


Unterhaltung auf anmal auf bie Erziehung und ging auf bie 
Einzeinheiten feiner zeitherigen Bemühungen wie feiner Plane 
für die Zukunft ein. Gr hatte ſechs Donate zuvor eine Schule 
errichtet, in welcher er Unterricht im Perſiſchen, Armeniſchen, 
Franzoͤſiſchen und Engliſchen beabſichtigte. Der Director war 
ein im Bifhop’s Gollege zu Kalkutta gebildeter Armenier; doch 
war bei aller feiner Fähigkeit und Gelehrſamkeit ſeine Verwal⸗ 
tung der Schule nicht befriedigend. Gr wünſchte fih nun eis 
nen Lehrer aus Amerika zu verfhaffen, am lichften einen Phys 
filter; doch wollte er mit Jedem, der nur feiner Pflicht gewach⸗ 
fen fei, zufrieden fein. Er hatte mich zu fehen gewünſcht, weil 
er hoffte, ich könne ihm zur Verwirklichung dieſes Vorhabens 
behütftich fein. Seine Schule war, wie er fagte, nur noch im 
Anfange begriffen und ein fehr geringer Verſuch. Cr hatte 
eine Mittel, um Das zu verwirklichen, in deſſen Ausführung ex 
feinen Ehrgeiz fegte. „Es ift ein ſchlechtes Land’, ricf ex aus, 
„überall liegen große Schwierigkeiten im Wege, und id bin 
nice Schach!“ Gr hatte, wie er fagte, befchloffen, fobald er 
dazu befähigt fein würde, ein perfifch=englifhes Wörterbuch) 
anzufertigen. Der Schad hatte ihm gefchrieben und den Plan 
feinee Schule hoͤchlich gelobt, weshalb der Statthalter fanguis 
niſche Hoffnung auf koͤnigliche Begünſtigung fegte. Er ſprach 
frei über die VBeftrebungen der Miffionnaire in Perfien und 
drüdte feine Meinung dahin aus, daß man ſich weder in per: 
Tönliche Sontroverfen einlaflen, noch Schriften polemifchen Cha⸗ 
rakters verbreiten fole. Er fagte, man babe viel von den 
Mollahs zu fürchten und bas einzige fichere Verfahren beftche 
darin, das Volk flufenweife zu bilden und aufzullären. Ich 
machte ihm das Anerbieten, Schiſchevan zu befuden und den 
Buftand der Schule zu prüfen, wobei ich verfpradh, falls ich 
das Project thunlich finden würde, wollte ich alles in meinen 
Kräften Stehende zu feiner Unterflügung thun. Er nahm fehr 
ſtark Anftand, auf diefen Vorfchlag einzugehen, und ſchien eine 
gewiffe geheime Abneigung gegen mein Bekanntwerden mit bem 
genauen Stande der Dinge zu begen. Ich verlich ihn baher 
mit dem allgemeinen Xusdrude meiner Theilnahme an feinen 
Bemühungen und meines Wunfches, die Sache der Bildung in 
Perſien zu befördern.” Gine ganz verfchiedene Schilderung gab 
der Lehrer, dee durch eine Überfehung von Heber’s „Paläſtina“ 
und verfchiebener engliſcher Gedichte vortheilhaft bekannt ift. 
Er hatte weder Gehalt noch Zöglinge: jenen ſteckte der Prinz 
in feine Taſche; diefe verwendete er zum Birſchen auf feinen 
ununterbrochenen Jagdausflügen. Der Friede feiner eigenen 
milie wor durch die Gewohnheiten der Zungen, bie allen las 
* Trieben nachhingen, gefährdet geweſen. Eine in Be⸗ 
ziehungen zu ſeiner Familie ſtehende Armenierin hatte man in 
den Harem des Prinzen gelockt, wo man fie wider ihren Wil: 
len zurücdhielt. Der Prinz hatte bald nad Errichtung ber 
Schule an den Schach gefchrieben und biefer ihm eine Antivort 
voll füßer Worte, aber ohne bie vom Prinzen erwartete mate⸗ 
zielle Unterftügung gefendet. Von bdiefer Zeit begann fein Ins 
tereffe für die Schule zu finken. Der Lehrer hatte lange baran 
gedacht davonzugehen, aber in ber Furcht, der Deing möchte 
"Mittel finden, ihn zuräckzubalten, dieſem feine Abſicht nicht mit: 
getheilt, fondern gest Gelegenheit gefunden, fi im Geheimen 
zurüdzuziehen. Er erflärte, er werde zum Prinzen nidt zus 
züdgeben, bevor nicht alle Ruͤckſtaͤnde bezahlt feien, und unter 
"diefer Hoffnungslofen Lage war er im Begriffe, fein Blüd ans 
derswo gu verfucdhen. Bagdad, über welches Southgate feinen 
KRückweg in bie Türkei nahm, fand er in gänzlichem Berfalle: 
Heft, Hungersnoth und überſchwemmungen hatten fidh.gu fels 
ner 3erftörung verfchworen, und wahrfcheinlich nicht in zu lan⸗ 
ger 3eit wird die große Hauptſtadt der Saracenen, gleich Bas 
vöylon und Ninive, nur noch ein leerer Name fein. 80, 





Notizen. 
Das neuefle Drama von Gheridan Knowles: „John of 
Procida, or the bridals of Messina‘, behandelt ald Grund: 


idee den Sonfifet der Waters und Baterlandellebe mit ber Eiche 
xaı’ Eornv. Bernando, Johann's von Procida Gohn, unb oe 
Une, des franzöfiihen Gtatthalters auf Sicilien Tochter, find 
bie den Gonflict vermittelnden Perfonen, weldyer auf eine dem 
Untergange Romeo’s und Juliens ziemlich ähnliche Weiſe fich 
endet, nur daß nicht wie bei Shaffpeare die Werföhnung ber 
feindlichen Parteien, fondern ber Geſchichte gemäß ber Gieg 
ber Freiheit unter Procida’s Fuͤhrung über die Fremdenherrſchaft 
als Refiduum des dramatiſchen Proceffes bleibt. Die Sprache 
ift nach gewohnter Weife Träftig und glänzend, dagegen die Öfo- 
nomie des Stüds verfehlt, Indem das Interefie am größten im 
erften Acte ift und durch die übrigen fi mehr und mchr vers 
lernt, wofür ſchon ber Umſtand ſpricht, daß der Dichter zwei⸗ 
mal einen und benfelben Verſuch Procida’s, feinen Sohn zu 
Gunften ber Freiheitsſache von feiner Geliebten — vor und 
nad) deren Vermählung — abmendig zu machen, zum Gegen⸗ 
ftande der Handlung macht. Man fürdıtet, daß biefes Drama 
fi) am wenigften lang von allen Stüden des Dichters auf der 
Bühne halten werde. — Gin anderes auf Hiftorifhem Grunde 
subendes Drama von Serle hat den Namen „Master Clarke‘ 
zum Titel, unter welchem Richard Cromwell, des Protectors 
Sohn und Nachfolger, nach feinem Rüdtritte aus dem öffents 
lichen Leben feine Zage zubrachte. Richard als Heid eines 
Dramas ſcheint eine wahre Ironie zu fein; um biefem Übel⸗ 
ftande abzuhelfen, wandelt ihn Serle in einen flattlichen Legis 
timitätähelden um, läßt ben zweiten Protector ſich perſoͤnlich 
dem Könige Kart II. unterwerfen und eine durch feiner eiges 
nen Gattin Herrſchſucht veranlaßte Berfhmörung gegen den neuen 
Regenten, flatt von ibm begünftigt, durch ihn vernichtet wer⸗ 
ben. Das Stüd ift nach melodramatifhem Zufßnitte und auf 
den finnlidden Eindrud bed Außern Beiwerks berechnet; der 
Dialog iſt ziemlich gut gehalten, wenn er ſchon eigentlicher 
poctifher Schönheit entbehrt, ſowie auch die eingemifchten, meift 
auf die Gegenwart bezüglichen fatirifchen Elemente ſich im. der 
Sphäre niedriger Scherze halten. 


In England betrachtet man einen Beſuch, den die Koͤni⸗ 
ein: Witwe auf ihrer letzten Reife durch den nördlichen Theil 
des Reiche zu Rydall- Mount bei Wordsworth abgeftattet Hat, 
wobei fie einige, nicht etwa von den Muſen zubereitete, fon⸗ 
bern zur leiblihen Nahrung erfoderliche Erfriſchungen einnahm, 
als ein beachtenswerthes Ereigniß, ba feit langer Zeit zum er⸗ 
fien Male in England einem Dichter eine ſolche Ehre wider⸗ 
fahren ſei. Pope habe einen Beſuch der Königin Karoline zu 
Twickenham abgelehnt, aber den Prinzen Friedrich von Wales 
an feiner Zafel unterhalten und fei eingenidt, als ber Prinz 
angefangen habe, von Poeſie zu ſprechen. Da einmal von Bes 
ziehungen fürftlicher Perfonen zur Literatur bie Rebe ift, fo 
möge noch erwähnt werben, baß auch das „Athenseum“ fid 
aus Mündyen berichten läßt, ber hohe Überfeher Dante’s, Phi: 
lalethes, fei Prinz Maximilian Jofeph von Balern und die Über: 
fegung in München erfchienen. 


Ein Schreiben von G. Finlay an Oberſtlieutenant Leake 
aus Athen vom 8. Auguft enthält außer ben ſchon befannten 
Angaben über ben Tod Otf. Müllers bie Ausjage feines Bes 
gleiters, Hrn. Surtius, daß Müller ben Grund zu feiner Krank 
beit durch feine übermäßigen Anftvengungen bei ber Aufnahme 
eines Plans von dem heutigen Athen gelegt habe. Finlay felbft 
brachte eine Nacht mit ihm zu Rhamnus zu, wo fie unter 
freiem Himmel ſchliefen; Daſſelbe that Müller zu Orchomenos 
wo eine fehe ungefunde Luft herrſcht. Bei feiner Rüdkehr nad 
Deutichland hbeabfichtigte er fein großes Werk über allgemeine 
a zu beginnen, dem eine topographifihe 
Beichreibung des Landes von Curtius vorausgehen follte, wozu 
Müller die Karten entwerfen und auch feine weitere Unterflügung 
leihen wollte, 47, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodpausß in Leipzig 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Erfer Artikel. 
1. Urania. 

Das tiefere poetifche Intereſſe, das die ‚Urania‘ von 
jeher gewährte, dürfte ihr einen Kreis von Lefern gefchaf: 
fen haben, in beren Lebensgeſchichte das Erfcheinen dieſes 
Almanachs gleihfam verflochten ift, da fie gewöhnt wer: 
ben mußten, die Jahrgänge als ebenfo viele Dentmale 
Dichterifcher Lebensanregungen anzufehen. Diefen Lefern 
koͤnnen wir die fröhliche Borfchaft bringen, daß bie dies: 
jährigen Gaben der wiederkehrenden Mufe an Werth ben 
frühern nicht nachftehen, und daß, was Geift und innere 
Anmuth betrifft, diefe Jungfrau im befcheibenften Ge: 
wande vor ihren Rivalen immer nody ben Vortritt bat. 

Der Dichter der „Accorombona“, der immer frifche, im: 
mer jugendlich begabte L. Tieck, bat audy diefes Dal nicht 
unterlaflen, zur Ausfteuer feines lieben Guͤnſtlings würbig 
beizutragen. Der Reichthum und bie Elaſticitaͤt dieſes 
Seiftes ift wunderbar. Während er uns noch kuͤrzlich 
für die großartigften Lebensverhältniffe in Anfpruch nahm 
und in das mächtigfie Pathos zu verfegen mußte, tritt 
er uns bier mit einer lieblichen Novelle entgegen, bie 
von Gemüthlichkeit, heiterm Schickſal und feinem froͤh⸗ 
lichen Humor erfüllt if. „Waldeinſamkeit“ benennt fich 
Die herrliche Dichtung; ihre zum Grunde liegt die Schuͤr⸗ 
zung und Löfung einer Intrigue, und ihre aͤußerſt ein- 
fachen Motive find folgende: Ferdinand liebt Sidonien;z 
in der Überſchwenglichkeit des Gefühle nimmt der junge 
Mann nicht wahr, baß er wiedergeliebt if; die Neigung 
des Mädchens verbirgt ſich unter Laune und jugendlicher 
Koketterie. Indeſſen befist Ferdinand auch einen Freund, 
der aber in der That ein treulofer Freund if, und die 
reihe Sidonie, bei aller Hoffnung, bie er Ferdinand zu 
ihe macht, für fich felbft zu erobern gedenkt. Zu biefem 
Zwede läßt er Ferbinand bei einem Trinkgelage hinter: 
Hfiig betäuben und, ohne deſſen Wiffen, in die Wald: 
einfamteit eines alten Jagdſchloſſes gefangen fegen, von 
wo er, gleichfalls bewußtlos, erſt dann zuruͤckgefuͤhrt wet: 
den ſoll, wenn bie Vermaͤhlung Gidoniens gelungen. 
Doch, der Gefangene entflicht aus feiner Walbeinfamteit 
und findet, nad) mandem Heinen Abenteuer, in dem Au: 
genblicke die getäufchte Sidonie wieder, als fie eben — 
eine verlaffene Geliebte — ihre Hand dem treulofen Sreunds 


reihen will. Daß fich die Lage der Dinge ändert, bie 
Liebenden ſich verſtehen und vermäblen, ift natürlich. In 
diefen einfachen Umriſſen treibt die reiche poetifche Laune 
des Dichters Arabesken und Geflalten empor, bie von 
einer Fülle von Geiſt, Wig und Humor befeelt find 
und doch die Fabel nicht ſtoͤren, ſondern zur Einheit des 
Ganzen mitwirken. Was aber die Heine Dichtung um 
fo mehr erhöht, ift, daß fie als Mufter poetifcher Objec⸗ 
tivität und concreter Geftaltung bafteht; da iſt keine Re: 
flerion, kein Gedanke, der fich ohne Boden bemerklich 
machte, und das verdient um fo mehr Erwähnung und 
Anerkennung, als ſich unfere gegenwärtige Poefie nur zu 
oft in Abſtractionen aufloͤſt und ihre automatifchen Ges 
bilde nur den fubjectiven Kagenjammer ber eigenen Dich⸗ 
terbruft predigen. Die reinfte Sprache und die einfachlte 
Dietion breiten über die Dichtung eine heitere und claf- 
fifhe Würde. 

Die Novelle von Wilhelm Marteit dürfte am for: 
maler Vollendung der Tieck'ſchen in etwas nachſtehen; aber 
die kuͤnſtleriſche Durchführung ber einen bee, des einen 
gefchloffenen Intereſſes, gibt ihe eine höhere, innere Be⸗ 
deutſamkeit. Ein flolzes, aber tiefes Krauengemüth ent- 
büllt bier ungewöhnliche pfychologifhe Momente feiner 
Liebe zu einem Manne, ber bei aller Leibenfchaft zu we⸗ 
nig Reife und Gewandtheit bed Geiſtes befigt, um ein 
ungewöhnliches Srauenherz zu begreifen und zu bewah⸗ 
ten. Beide lieben, doch Beide find unglüdtich, weil füch 
Jedes von dem Andern nicht geliebt glaubt und in ber 
Trennung fich felbfiquäierifch verzehrt. Nah Fahren, als 
der Juͤngling ein Mann von Einfiht und Erfahrung, 
die Jungfrau nur mit fich felbft zerfallener und unglüͤck 
licher geworden, erfcheint auf einem Landgute Weſtfalens 
jener abenteuerliche, afritanifche Vogel Cursorius isabelli- 
nus, bei deffen feſtlicher Jagd und Tod die verborgene 
Leidenfhaft der Liebenden Gelegenheit bat, hervorzubrechen 
und die Verföhnung auf immer zu bewirken, nachdem das 
Misverſtaͤndniß ſich kaum mehr vermitteln ließ. Der 
Stanz tiefgefühlter und aufrichtiger Liebe verwiſcht ben 
Stolz, die Laune und die Eigenfucht und führt die Lie⸗ 
benden zur Demuth, Prüfung und Ergebenheit, Tugen⸗ 
den, welche num bie Pfeiler ihres ehelichen Gluͤckes bilden, 
Es iſt uns kaum eine neuere Novelle bekannt, welche 
die Verſtimmungen eines weiblichen Gemuͤthe, den. Zwie⸗ 








1246 


fpalt von Stolz und Liebe, Eitelkeit und Edelmuth gluͤck⸗ 
licher auseinanderfaltet, ſowie ſchoͤner zur Berföhnung 
bringe, als es hier gefhieht. Da die Dichtung enge 
Schranken hatte, mußte ein Theil ber Gemüthezuftände 
des Mädchens in ihrem Zagebuche niedergelegt werben; 
doch thut dies der Kunft bes Erzählers keinen Eintrag, 
benn er bekundet ſchon hinlänglich, wie fehr er es veriteht, 
auch das innere Leben thatfächlih und lebendig darzu⸗ 
ſtellen. Alte Nebenfiguren find vortrefflih angelegt und 
ausgeführt, vorzüglic gelungen aber ift die heitere und 
gemuͤthliche Perfon bes Waldläufer Anlauf; in ihr bezeugt 
der Dichter ganz befonders fein großes Zalent für Auf: 
faffung und Darftellung. 

MW. Alerts tritt uns in ber „Urania“ ebenfalls mit 
einer, oder vielmehr mit zwei Novellen entgegen. Sie 
teagen bie Überfchrift „Der Prätendent”. Die erfte Erzäh: 
ung ift wahrfcheinlih nach Anregungen aus den Dent: 
wuͤrdigkeiten Alfieri's aus dem Leben Eduard's des Präten: 
denten entworfen. Jedoch lag e8 nicht in dem Plane des 
Dichters, irgend einen Theil bes abenteuerlichen Lebens 
diefes Prinzen zu ſchildern, fondern fein Gegenftand war 
es, die aufopfernde Macht eines weiblichen Herzens bar: 
zuftellen, das von Liebe wie von DBegeifterung für die 
Fürftenlegitimität getrieben wird, Eduard's Rettung aus 
der Verfolger Hand zu bewerkſtelligen. Die fchöne, phan- 
tafiereiche Erzählung ift auf ihrem Hoͤhenpunkte, das Maͤd⸗ 
chen fteht als begeifterte und ſchwaͤrmeriſche Heldin vor 
uns, als die Novelle ploͤtzlich abbricht, anſcheinend weil 
der Dichter keine der Gefchichte oder ber Äſthetik entfpre: 
chende Entwidelung gefunden. Se mehr uns bie Dich: 
tung feſſelte, um fo unmilliger müffen wir eigentlich dieſe 
Bizarrerie bes Dichters empfinden, denn bie fpätere, ſum⸗ 
mariſche und abftracte Auseinanderfegung kann uns nicht 
befriedigen, ja es mußte ihm fogar ſelbſt ſchwer merben, 
diefes gluͤckliche Gleis zu verlaffen. Die poetifche Selbſt⸗ 
zerftörung fcheine ſich auch gerächt zu haben, indem bie 
folgende Erzählung anfänglic in keinen fichern Fluß kom: 
men till. Überhaupt dürfte derſelben, fo lebendig auch 
die Dialoge, fo reich bie Kabel an geiftreihen Pointen 
und fpannenden Situationen iſt, die Einheit der Ans 
fhauung und des Intereſſes fehlen, Vorzüge, die wir fo: 
eben bewundern mußten und in benen die Wirkung und 
der Eindruck folcher Beinen Dichtungen liegt. Die Hel: 
bin der zweiten Erzählung ftellt ſich als die Verfaſſerin 
der erften dar; fie bat das Manufeript ihrem Bruder 
eben zum Beſten gegeben. Allem Anfcheine nach fol biefe 
Schriftſtellerin Clotilde darthun: daß bie poetifche Trabi: 
tion, auf das Leben angewandt, aufhoͤrt Wahrheit und 
Poeſie zu fein, und daß jede Zeit ihre eigenen Objecte 
ber Begeifterung und ibeellen Hingabe befige. Sie ergibt 
fi mit einem ſchwaͤrmeriſchen Enthuſiasmus, in befien 
Glanze ihre Heldin im Verhaͤltniſſe zum fchottifchen Prin⸗ 
zen fo ſchoͤn erfcheine, der Partei des Don Carlos und ber 
ganzen Earliftifchen Legitimitaͤt; fie glaubt, baß in biefer 
ebein Dingabe der Beruf und bie Reftauration bes heu⸗ 
tigen Adels liege: und bie eble Jungfrau wich fo zur 
beteogenen Närein. Jndeſſen fpielt in der Figur bes Land: 


rathes, dem bie modernen Regferungsformen nicht mun- 
den, im bornirten Forſtrathe, der alles Übel ben Ideen zu: 
ſchreibt, zu ſehr der Gegenfag von Alt und Neu, von 
Sung und Verlebt, eine Rolle, als baf die obige Ten: 
denz immer Bar und beflimmt bervortreten koͤnnte. 

Leid thut es uns, von ber Erzählung des begabten 
Auguft Hagen: „Bon ben drei Schweſtern“, ge: 
ftehen zu müffen, baß fie einen unheilbaren Schaden in 
ſich trage. Die einzelnen Stuͤcke der Dichtung find vor- 
trefflich; fie veranfchaulichen einen feltenen Glanz ber 
Phantafie, Zartheit und Innigkeit der Empfindung und 
eine Schönheit der Sprache, mie fie felten zu finden; 
aber das Ganze entbehrt der Einheit bes Stoffes und 
fat in verfchiedene Dichtarten auseinander, bie fich wech⸗ 
felfeitig flören, ja vernichten. Die Grundlage der Dich: 
tung iſt das Feenmaͤrchen mit feinem heiten Zauberfpiel 
und feinen didaktiſchen Pointen, aber e6 wird ſtets ge⸗ 
hemmt und aufgehoben durch bie Elemente einer hiſtori⸗ 
fhen Novelle, mit ihren feften Geftalten und ihren auf 
Wirkung und Urfache gegründeten Begebenheiten; benn, 
da ſich diefe beiden Elemente nicht allein verfchlingen, ſon⸗ 
dern geradezu vermifchen, ba das Geſchichtliche in Spuf 
und das Märchenhafte in Hiftorifche Begebenheit ausläuft, 
fo wird die ideelle Wahrheit und die poetifche Nothwen⸗ 
digkeit durchaus vernichtet. Es würde zu weit führen, 
diefes organifcye Gebrechen überall nachzumelfen, aber wie 
führen nur den Schluß an. Hier gehen bie Traͤger des 
Maͤrchens, die brei lieblichen Zöchter, der tapfere Ritter, _ 
feine Burg, Alles geht zu Grunde, bie Geſchichte und 
der Zauber, und doch Ift diefe willkuͤrliche Mache bes Ge: 
hide, vielmehr diefe Bosheit, weder durch das Eine noch 
durch) das Andere bedingt. Ein folches Ende geftatten 
wir aber kaum einem $eenfpiele, noch meniger kann 
dies jedoch bei der Entwidelung von Handlungen eintre⸗ 
ten, Die ihe gutes Recht in fich tragen und nur von 
einer fittlihen Macht gebrochen werden dürfen. BIN 
man indeffen von diefen Mängeln abfehen, fo werben im⸗ 
merhin die einzelnen Epifoden dem Lefer großen Genuß 
gewähren und von bem Talente bes Dichter6 zeugen. 

Hiermit find bie poetifchen Gaben _der „Urania“ bes 
fhloffen. Der Verleger hat ihnen noch ein fhönes, ern⸗ 
ſtes Portrait des Malers Leffing beigefügt, das, nach bem 
treuen Bilde Hübner’s, von Langer geftochen worben ifl. 
Die Kraft, die Durchbildung und ber tiefe Ernſt, welcher 
aus feinen Kunſtwerken fpricht, ruht auch auf dem Antlige 
biefes Kuͤnſtlers. 101, 


Bon der Staatslehre und von der Worbereitung zum 
Dienfte in der Staatsverwaltung. Auffäge, gerichtet 
an angehende Kameraliften, zunaͤchſt an feine Derren 
Zuhörer von Karl Heinrih Hagen. Königsberg, 
Gebrüder Bornträger. 1839. Gr. 8. 2Thlr. 8 Sr. 

Diefem, in fieben Auffäge gerfallenden Werke bient 
einestheils die Kant’iche Philoſophie nach ihrer neuern Auspräs 
gung, anderntheils bie preußiſche Staatsverfaflung zur Grund⸗ 
lage. Es iſt in dem Maren, ruhigen Ton und Styl gehalten, 
weichen man an dem Hru. Berf. gewohnt iſt, und bärfte info 


1247 


feen wol als eine mufterhafte nett: methodiſche Com⸗ 
pilation betrachtet werden. Es iſt ſehr geeignet, junge 
Leute mit dem großen Gebiete ber Staatswiſſenſchaften vor⸗ 
läufig befannt zu machen und fie für biefes wichtige Stubium 
mit allem nöthigen Ernſte zu erfüllen, um fie für die Staats: 
verwaltung, ober bie Theilnahme am Innern praktiſchen Leben 
und Wirken im Staate vorzubereiten. Was bie Kameralwif: 
fenfchaft im ſich begreift, if berührt, die Reſultate ber Kor: 
ſchungen in ihrem_meiten Gebiete find angedeutet und überall 
bat fich der Hr. Verf. aus einem echt praktiſchen Geſichts⸗ 
punkte entſchieden für diejenigen ausgefprochen, welche in 
dem Gtaate, worin er lebt, lehrt, wirft und ausgezeichnet 
ward, aboptirt worben find. 

Aus dieſem Geſichtspunkt müffen dieſe Auffäge beurtheilt 
werden, wie wir glauben, und fchwerlich dürfte der Hr. Verf. 
unzufrieden bamit fein, daß wir diefen Geſichtspunkt aufftellen; 
denn felbft die Widerſprüche, denen er auf biefem Wege 
nicht wohl ausweichen kann, ſprechen dafür, daß er ſich ſelbſt 
auf diefen Standpunkt geftellt habe. Wir fagen: Widerfprüche, 
und wollen dafür einige Beifpiele anführen. S. 180 wird dag 
SIntereffe des, aus dem „Verbienftabel‘‘ ‚von ſelbſt“ in ben 
„Geb: oder Geburtsabel übergegangenen‘’ Adels durch „das 
Beharren‘‘, das Intereffe des „Nichtadels“ durch das „Veraͤn⸗ 
dern“ bezeichnet. Iſt es aber wiſſenſchaftlich gefprocdhen, den 
Hauptſtand jedes Landes, das Bürgertum, ale „Nichtadel“ 
u bezeichnen, während boch, auch nach der Annahme bes Hrn. 
Berfaers, der Adel aus biefem Nichtabel (d. h. wol mit an: 
dern Worten aus dem Nichts! 7)) entflanden iſt? Und wie uns 
hiftorifch iſt dieſer Entftehungsproceß des heutigen Adels? Je⸗ 
dermann weiß, was es mit dem erblichen Verdienft bes Adels 
zu fagen habe, und wer es nicht weiß, ber koͤnnte fich Leicht 
darüber unterrichten, wie ber deutſche Erbadel entflanben ift. 
Wozu dergleichen Studenten vortragen, da es falfch iſt! „Eben⸗ 
fo wenig das Dafeln des Adels ohne den Nichtadel denkbar ift 
— fagt ber Hr. Verf. weiter — ebenfo nothwendig tft der er⸗ 
flere dem leztern, und wenn außer ber fittlichen Würde, durch 
welche ber Abel fein Anfehen und feine Wirkſamkeit ſich felbft 
fichert,, noch Äußeres dazu beitragen Tann, fo ift es biefe Roth: 
wenbigteit.” Das ift body ein bischen viel in wenigen Wor⸗ 
ten! Sittliche Würde! Nothwenbigkeit! Und für dies alles 
in einer Staatslchre Fein Beweis? Das „Beharren“ foll wol 
die fittliche Würde und Rothwendigkeit des Erbadels bezeich- 
nen? Worin beharrt er? In Vorrechten, Privilegien? Wen 
drüden diefe? Das Bürgertum. Oder iſt diefes ohne fittliche 
Würbe? Und wenn ber Abel durch Beharren in Vorrechten eine 
fittitche Würbe, ein Anfehen behauptet, worin beſteht bie des 
Bürgers? Sehr auffallend iſt biefe Abweichung vom derma⸗ 
ligen Syſtem in Preußen und wenn aud nicht abweichend, 
doch wahrlich der Wiffenfchaft nicht wuͤrdig. Dder will ber 
Hr. Verf. blos einen Verdienſtadel flatuiren? Wozu dann ihm 
die Erblichkeit als Rothwendigkeit vindicren? Das Inftitut 
des Adels in Monarchien muß wol ganz anders begründet wer: 
den. Ohne erimirte Rechte ber Krone gegenüber verfehlt er 
ganz feinen Zweck und wird eine Landplage; benn er erntet, 
wo er nicht gefäct hat, bekommt eine Richtung gegen das 
Bolt, nicht zum Volke und Tann in dieſer Ginfeitigkeit eine 
„fittliche Würde‘ nicht behaupten, da er Eeine Anerkennung 
derfeiben finden Tann und das auf ſolche gerichtete Begehren 
als Anmaßlichkeit aufgenommen werben muß. Mei und, wo 
noch ein wegen Verdienſt geabelter Water einem Dutzend Soͤh⸗ 
nen bie Gtandesanfprüche binterläßt und zwar nicht jede m 

ro rata, fondberm jedem ganz, Tann von ber fittlichen 
ürbe eines erblichen Werbienftabels kaum die Rebe fein. 

Auf diefe Welfe behandelt aber ber Hr. Berf. noch gar 
mandıen Cat auch in der Rationalölonomie. Gr erklaͤrt ſich 
3. B. für bie größte Theilbarkeit des Bodenbeſites, weil fie 
erhöhte Bodenenltur und den moͤglichſten Ertrag bavon zur 
Ye babe. Wie müflen daraus bie Folgerung ziehen, baß er 
auch bie größte Bevölkerung, welche ein Land auf biefe Weiſe 


nähren Tann, für ein Glück halte. und doch iſt dieſer Wohle 
ſtands⸗ und Wohlbehagens-Meſſer fo vielfachen Bedenklichkeiten 
und Zweifeln ausgefegt, daß man ihn durchaus nicht in eine 
allgemeine Staatslehre, fondern nur in cine fehr befon- 
dere aufnehmen darf. — Wir gehen nicht tiefer ein; bas An⸗ 
geführte wird hinreichen, um zu rechtfertigen, was wir an- 
fangs behauptet haben. Wiffenfchaftlich iſt fehr Vieles in die⸗ 
fen Auffägen nicht, aber die Wiffenſchaft ift darin nad) Mög: 
lichkeit der, dem Verf. zunaͤchſt liegenden Wirktichkeit und Zu: 
kunft angepaßt. 

« Cine ausführlidde Inhaltsanzeige oder ein Inder würben 
das Bud; fehr brauchbar madhen. 6. 





Zur polnifhen Literatur. 


Im Laufe diefes Jahres hat Wilna in der polnifchen Lite- 
ratur wieder eine Art Vorrang ſich erworben und mehre Werke 
von Bedeutung find dafelbft erſchienen. Vor Allen thätig wa: 
ren die Buchhändler Glücksberg und Adam Zawadzki; der erftere 
gab während diefes Jahres auch nicht eine Überfegung heraus 
fo fehr war feine Tätigkeit durch Driginalwerke in Anfpruch 
genommen. Die früber in Polen fo häufigen Abdrüde auf 
Löfchpapier find aud da verfchwunden und die neuerdings ers 
fhienenen Werke weichen in Rückſicht auf äußere Ausftattung 
den franzoͤſiſchen nicht, was um fo mehr Anerkennung verdient, 
als die Koften für Drud unb Papier in Rußland fehr bebeu: 
tend find, der Leferkreis für poinifche Werke aber immer noch 
beſchraͤnkt iſt. Zu ben ausgezeichnetften polnifchen Schriften ber 
Gegenwart gehören bie von Joſeph Kraſzewſti. Durch biefen 
jungen Dann, dem es gelungen ift, in fehr kurzer Zeit ſich ei- 
nen bedeutenden Ruf zu erwerben, fteht der polnifchen Litera⸗ 
tur eine neue Körderung bevor. Mit einem eminenten Dar: 
fiellungstalente verbindet ex eine ungemeine Gewalt über bie 
Sprade, mit gleihem Fluſſe, gleicher Leichtigkeit und Gewandt⸗ 
beit ift vieleicht nie polnifch gefchrieben worden. Ähnlich man⸗ 
hen frangöfifchen Schriftftelleen weiß er über die ſcheinbar ge: 
ringfügigiten Gegenflände bogenlang auf eine anfprechende, oft 
geiftuolle Weife zu raifonniren, ihnen immer neue Seiten abzus 
gewinnen und durch Sarkasmen und treffende Wise Intereffe 
zu weden. In feinen Erzählungen, bie zuerft die Überſetzun⸗ 
gen flacher Unterhaltungsfchriften verdrängt haben, zeichnet er 
mit befonberer Vorliebe in mancherlei Wunberlichleiten befan- 
gene Perfonen fo lebensvoll, baß der Lefer vermeint, dergleis 
Gen Geftalten ſchon begegnet zu fein. Seine neuefte Erzaͤh⸗ 
lung: „Cale zycie biedna“ d.i. Sie war lebenslang elend (Sil⸗ 
na 1820), gibt ein neues Zeugniß feines vielfeitigen Talente. 
Der fonft vorzugsweife farkaftifche Autor wird bier auf einmal 
gemüthlih, in den rührendſten Zügen flellt ex einen im Dulden 
bewährten echtweiblichen Charakter wilder” Leidenfchaftlichkeit 
gegenüber bar. 

Unter ben übrigen zu Wilna neu erfchienenen Werken find 
hervorzuheben : der fiebente Theil der „Geſchichte von Lithauen“ 
von Theodor Narbutt, welcher die Regierungen Swibrygjello’s 
und Sigismund’s umfaßt, ferner eine „Sammlung lithauifcher 
Sprühmärter‘‘, von dem durch andere Schriften über Eithauens 
Vorzeit vortheifhaft befannten @eiftlichen Jucewicz. Die beis 
den neueften Hefte der „Literatura i krytyka” Grabomfti’s 


‚enthalten eine Abhandlung über bie ukrainiſche Schule der pols 


niſchen Poefle und eine Literaturgefchichte des Romans in Pos 
len. Auch bie ‚„„Wizerunki i roztrzesania naukowe‘ erfcheinen 
fortwährend, die neue Sammlung ift bis auf zwoͤlf Hefte ans 
gewachſen. Unter den Gebicdhtfammlungen befinden ſich „Reue 
Gedichte” von Julian Korfal, denen eine treffliche Überfegung 
von Ghakfpeares Romeo und Julia“ beigegeben if. Die 
„Eacyklopedya Powszechna‘, bie ſehr weitläufig angelegt iſt, 
ift ſchon wieber beim Buchſtaben D ins Gtoden 9 . Bon 
nun an fol bie erſte Sälfte von D—O in Wilna, die zweite - 
on P—Z in Barf unter ber Redaction Balinfli’s ers 
nen. 











1248 


Bor einigen Jahren find in Warfhau einer Sammlu 
polniſcher Gcheiftfteller bie ,, Pamietniki Janczara Polaka ’’ 
(Dentichriften eines polnifchen Janitſcharen) einverleibt worben, 
die in Volhynien Im Manuferipte gefunden und als ein fehr 
wichtiger Überreft altpolnifchen Schriftweſens erkannt worden 
waren. Diefer Janitſchar follte einer von denjenigen Polen 
fein, bie unter dem Könige Wladyflaw, welcher 1444 bei Var: 
na fiel, in türkifche Gefangenſchaft gerathen find. Gr beſchreibt 
feinen Aufenthalt unter ben Türken und beſonders interefjant 
den Sturm Mohammed's II. auf Konftantinopel, und bie 
Sprache führt wirklich auf den Anfang bes 16. Sahrhunderts 
urüd. Bei Gelegenheit der diesjährigen Öffentlichen Prüfung 
m Gouvernementsgymnaftum zu Warfchau bat nun der Prof. 
Kucharſki bafelbfi, aufmerffam gemacht durh ein Bruchſtück, 
das fi in Jungmann's böhmifcher. Shreftomathie ‚‚Slowest- 
nost’‘ (Prag 1820) befindet, darauf hingewiefen, daß der Ins 
halt diefer Dentfchriften genau mit der boͤhmiſch gefchriebenen türs 
Zifchen Chronik des Augezdezti „‚Hystorya neb kronyka Turecka” 
(2eitomifcht 1565 u. 1581) übereinftimmt. Es ift nun bie ins 

» terefiante Frage entftanden, ob das polnifdhe oder böhmifche 
Merk das Original fei; Prof. Kucharſki entfcheidet ſich dafür, 
daß die polnifhe Schrift eine Uberfegung der böhmifchen. 

Die Herausgabe alter Manufcripte tft für mandyen Litera: 
ten überhaupt eine mislihe Sache. Ein Dr. Nowakowſti in 
Berlin hat in ber dortigen koͤniglichen Bibliothek ein Manu⸗ 
feript gefunden, das unter vielen andern Werken aus dem Nach⸗ 
laſſe des Biſchofs von Ermland und berühmten yolnifchen 
Schriftſtellers Kraficti dahin gelommen fein mag. Es enthält 
Bruchſtücke aus polnifchen Dichtern, die Hr. Nowakowſki, da 
fie ihm unbelannt waren, ber Veröffentlichung werth hielt und 
unter dem Xitel ‚‚Jocoseria albo powazne ludzi madrych 
pisma ĩ powiesci” (Berlin 1840) druden ließ. In dem „Mas 
gazin für die Literatur des Auslandes’ wird die Sammlung 
für eine „Reliquie aus einer für die Kortbildung der polnifchen 
Sprache und Dichtkunſt wichtigen Zeit“ erflärt. Dagegen 
ſchreibt nun ein competenter polnifcher Krititer an den Redae⸗ 

teur des „„Tygodnik literacki‘; „Da du noch ale Schulknabe 
mit Mappe und Penal einhergingft, wandelte dich gewiß auch 
einmal bie Luft an, Verſe aus unterfchieblichen Büchern, Auf: 
fhriften von Bonbons u. f. w. abzufchreiben, und du haft viel: 
leicht noch drei ober vier Hefte voll davon bei dir zu Hauſe. 
Willſt du nun, daß beine Sammlung bereinft gedruckt werde, 
To höre meinen Rath, fende fie in die berliner Bibliothek. Ge: 
zäth fie bann nach 200 Zahren einem Nachlommen des Hrn. 
Rowakowſki in die Hände, fo ift ihre Veröffentlichung gewiß. 
Ein folhes Album, das ſich ein Junker des 17. Jahrhunderts 
aus den allerneueften Schriften damaliger Zeit angelegt hat, 
find nun aber dieſe „Jocoseria““, und zwar fuchte ſich ber junge 
Herr gerade bie ſchmuzigſten und fdhlüpfrigften Stellen aus.’ 
Diefer Kritiker weit darauf nah, aus welchen Dichtern und 
Schriftſtellern bie Bruchftüde der Sammlung entnommen find, 
und zeigt, daß dem Herausgeber bie längft gedrudten und be= 
kannten Werke unbefannt geblieben find, da er oft der finnlos 
jen Abfchrift gefolgt ift. 7, 





Miscellen. 


Über die Fleetheirathen, bis über die Mitte des 
vorigen Jahrhunderts, in Lonbon. 

Die Geiſtlichen für das Fleetgefängniß vertraten die @telle 
des Schmiede und feiner Kameraden in Gretnagreen. Sie 
wurden nicht mit Unrecht für ben Auswurf Ihres Standes ges 

alten, denn im Durchſchnitt waren fie von dem ausſchweifend⸗ 
en Wandel, vor Allem Trunkenbolbe. Wer fich meldete, den 
treuten fie friſchweg, ohne fich mach nähern Umftänben zu ers 


Zundigen. Wie Baftwirthe ihre Agenten haben, die buchfttäb 
ben antommenben Fremden beim Aermel faflen, ae * 
Haus ihres Principals zu reißen, wie die Schacherjuden in 
der City die Vorübergehenden anfallen, ihre Waare anpreiſen, 
fie zum Kaufe zu verlocken, fo ſtürzten jene Wiethling⸗ auf 
ein Pärchen zu, das felbander ging, fie mit ber Krage beftürs 
mend, ob fie ſich nicht wollten trauen laſſen. Gin Schotte, 
Namens Keith, hatte einen beſonders ſtarken Zulauf. Ex und 
fein Gevatter trauten an einem Morgen mehr Paare, als zehn 
ebrbare Geiſtliche anderer Kirchen in einem Monat. Der Fe 
fhof von London ercommunicirte ihn beshalb, was ihm jedoch 
jo wenig fehadete, daß er in gutem Wohlftand 89 Jahe alt 
wurde. Gin anderer Pfarrer, Gaynsham, hieß allgemein der 
Hoͤllenbiſchof. Einige Trauungen wurden wirklich in ber Sud: 
kapelle vollzogen, bie meiften in nahen Bäufern, zumal aſt⸗ 
hoͤfen. Einige Wirthe beſoldeten ſogar Pfarrer zu dem Zwecke, die 
Woche um 20 Schillinge. Sie hingen eine Tafel mit der An— 
kündigung heraus: „Hier wird wohlfeil Hochzeit gehalten und 
getraut.” Nicht allein zu leichtfertigen Trauungen gaben fidy 
biefe Pfarrer her, fondern fie flelten auch falfche Beugniffe 
aus, datirten die Trauungen zurüd, ſchrieben nur die Anfangs 
buchſtaben des Paares ein, ließen ganz falfche Namen gelten, 
gaben fogar Zraufcheine für Perfonen, bie nie getraut wurden, 
kurz, fie übten Täufchungen und Betrug jeder Art. Sie ſtan⸗ 
ben bei, wenn Wüſtlinge durch irgend einen kuͤnſtlichen Plan 
fich eines veichen jungen Mädchens bemeifterten , fie in eine ber 
verrufenen Diebshöhlen fdhleppten, wo die Trauung vollzogen 
wurde, Das Jawort ber Braut wurbe babei nicht für nöthig 
erachtet. Erſt 1754 wurde dem Unmwefen gefteuert. Den Tag 
vorher, ehe die Bill erſchien, traute Keith noch 61 Paar. 


Miß Emma Roberts, deren Berichte über Indien gern 
geleſen wurden, bat im vorigen Jahre bie Reife dahin wieder⸗ 
holt. Der Weg führte fie Über Frankreich und Ägypten nach 
Bombai. &o zufrieden fie mit dem Gapitain auf dem Dampfs 
boot Megara war, das fie nah Malta brachte, fo wenig war 
fie ed mit dem Dampfboot felbft, das, nach neuer Sonftruction 
gebaut, auch bei ber ruhigften See die heftigften Schwankungen 
veranlaßt, ſodaß die Seckrankheit ausbricht, wie man es nur 
betritt. Die vorforgliche Gefälligkeit des Gapitain Goldfmith, 
einem Abkömmling vom Bruder des Dichters, war bebadht, 


den Paffagieren die Unannehmlichkeiten ber Seereiſe zu erleich⸗ 


teen, fo viel es in feinen Kräften fland, bie freilich in dieſem 
Balle nicht auszeichten. Wie lindernd der gute Wille, bie 
Uneigennögigkeit waren, follten fie im Dampfboot Bolcano ken⸗ 
nen lernen, das bie Reifenden von Malta nach Alerandrien 
brachte. Miß Roberts warnt auf das nachdrücklichſte, auf Gou⸗ 
vernementsbampfbooten zu zeifen; für bie Paffagiere fei fafk 
durchgängig ſchlecht geforgt, ſowol was bie Koft als was bie 
Bequemlichkeit beträfe, man betrachte fie als eine läflige Waare, 
von ber man fo viel Nutzen als moͤglich ziehen müffe. Die Schiffe 
vom franzöfifhen Bouvernement follen, dem Rufe nad, no 
ſchmuziger fein. Dagegen wären bie, welde ber Compagnie 
gehörten, vortrefflich eingerichtet und einem Jeden ſei zu rathen, 
nur mit ſolchen Booten nach Judien zu reifen. 


Der Felſen, auf dem Gapitain Gook flarb, hat von feiner 
urfprünglichen Höhe verloren, fobaß Hest die Flut über den 
Gipfel geht. Ehedem war er viermal fo hoch, aber jeder Reis 
ſende, ber herkoͤmmt, bricht ein Stüddyen ab, fodaß ex bald dem 
übrigen Lande glei fein wirb. Gin frauzöfirhes Kriegeichiff 
ſchleppte eine Zonnenlaft an Gchwere davon weg; fpanifhe 
Mannfchaft, bie auf der Inſel Ianbete, belud nicht allein das 
Schiff mit tüchtigen. Gobinetsftäcden von dem Pelfen, fondern 
ee fnieten auf ihm nieder unb beteten ‚für die Seele bes u 

N genen. “ 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Berlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 














Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


nn — — — — — 


Das war eine Cenſur! 


In der „Feſtrede zur Feier der Buchdruckerkunſt“ vom 
Profeſſor Wurm heißt es: 

St es denn ber Cenſur gelungen, bie Lehre bes Papſtes 
gegen die Angriffe der Preffe aufrecht zu halten? Wir willen, 
daß die Kirchenverbefierung unaufhaltfam fortging, mitteld ber 
Preffe und txo& der Cenſur. Wir wiflen, daß das erſte Bud, 
das überall aus der Preſſe hervorging, zugleich das erfle cen⸗ 
ſurwidrige Buch, nach Begriffen der römifchen Curie geweſen 
if. Ein Stüd ohne Zweifel, daß es der Genfur nicht gelin: 
gen Tonnte, bie Läuterung göftlicher Eehre von menfchlicher Zu⸗ 
that aufzuhalten, noch den @eift ber freien Forſchung zu hemmen. 

Es fehlt nicht am überreichem Stoffe zu Stoffen zu 
diefem Thema. Sch will nur aufs Gerathewoht hinein: 
geifie Duo piegı Je: ohne die Preſſe Teıne Keforma> 
tion. Luther mußte dies fehr wohl. 

Die Buchdruckerei — fagt er in ben Tiſchreden — iſt sum- 
mum et postremum donum, das hoͤchſte und Iedte Geſchenk, 
durch welches Bott bie Sache des Evangelii forttreibt: es ifl 
die Iehte Flamme vor dem Austöfchen ber Welt. Sancti patres 
dormientes desiderarunt vider& hunc diem revelati Evangelii. 

Die Preffe hat die deutfche Nationalität aus den rd: 
mifchehierarchifchen Banden befreit; fie war Luther’ Schwert, 
Schild, Panzer, Sturmgeſchuͤtz; feine Überfegung des Reuen 
Teſtaments wurde (faft unglaublidy für die bamalige Zeit) 
in 10,000 Exemplaren verbreitet; 1518 gingen von Ihm 
aus 20, 1519 50, 1520 133, 1521 etwa 40, 1522 
130; 1533: 183 neue Schriften, deren viele mehrmals, 
ja wol ein Datmd Mat in einem Jahre neu aufgelegt 


wurden, der Nachdrucke noch nicht einmal zu gedenken; 


mehr ald vier Fuͤnftheile fämmtlicher in Deutfchland er 
fheinenden Schriften gehoͤrten den Reformfreunden in je: 
nee. Zeit an. Auch das ift richtig, daß die Meformation 
fortsing troß ber Cenſtir. Und noch mehr, Luther umter- 


warf fich der letztern ſehr bereitwillig — freilich unter Be⸗ 
dindangeh, wodurch die Beſchraͤnkung fo gut wie aufgeho⸗ 
Er bedang fih aus, daß das Epangelium 


ben wurde. 
und Gottes Wort in alle Wege frei fein müßte, und was 
unter dieſem Titel frei bleiben ſollte, war nach den Ge⸗ 
ſichtspunkten der Curie und ihres Anhangs im, beutfchen 
Meihe eben das vornehmite revolutionnnim Element ber 
Neformattondepode. 


Maßregeln der auf Seiten des Papftthums flehenden geiſt⸗ 


—— Kr. 310, 


Sodann rechnete Luther zum: freien” 
alten der göttlichen Lehre den ganzen Kampf wider bie 
Gegner derfelben, und Ließ es fich niemals nehmen, bie 





5. Rovember 1840. 


nn 
_— — — 





lichen und weltlichen Autoritäten, bie Maßregeln und Hand⸗ 
ungen der feindlich und freundlich gefinnten Obrigkeiten, 
fürftlichen und gelehrten Notabilitäten u. f. vo. ſtets der freies 
fin und fchärfften Prüfung zu unterwerfen. Mit Einem 
Worte, die Cenfur der Reformationszeit, welcher zum Trotz 
die Befreiung ber Geiſter gelang, war eine Genfur, bie 
der vollkommenen Preßfreiheit in der That gleichkam, 
und Rom wuͤrde obgeſiegt haben, wenn ſie nicht eine 
ſolche, eine ſo unbefangene, ſo lichtfreundliche, ſo wenig 
empfindliche und durchgreifende geweſen waͤre. Die Cen⸗ 
foren in Wittenberg waren Luther's gleichgeſinnte Eölle⸗ 
gen; konnte er im Kurlande etwas nicht gedruckt erhalten, 
fo ließ er «9 in einem andern drucken; ſollte er feine 
Streitfchriften vor dem Abdruck erft nady Hofe fchiden, fo 
fchidte er fie, wenn es ihm gefiel, fonft aber nicht; wurde _ 
er von Seiten des Hofes getabelt‘, daß er zu fchatf ge⸗ 
fhrieben, fo erwiderte er, er habe auch nicht darum gen, 
fhrieben, daB es hätte flumpf fein follen, und nahm 
obenein Spalatin fcharf ind Gebet wegen der am Hofe“ 
herrſchenden Furchtſamkeit, oder las andern. hohen "Perfds" 
nen den Xert, daß fie ihm in fein’ Amt de& heiligen Geiz" 
fies greifen wollen; und zulegt endeten alle Streite wegen. 
feiner heftigen Streitfchriften mit dem Hofe auf die Weiſe, 
daß feine: Kurfuͤrſten feinem „fonderlichen Geiſte“ Feine 
„Maße oder Regel“ geben wollten, und wenn fie es wol’ 
ten, daß fie e8 nicht konnten. Die Schriften anderer Mes 
formatoren waren in einem ähnlichen Zone gefchrieben, bie 

Genfur war alfo im willigen oder unwilligen Einverflände - 
niß mit der Meformation, war jedenfalls unwirkſam wider‘ 
fie, und ebenfo wenig wirkſame Hinderniſſe fand’ die Buͤ⸗ 
herverbreitung trog aller Reichsmandate, aller vereinzelte. 
Maßregeln bald im 'diefen, bald in andern Kertitorieg, 
Das gefährlichfte. Buch für das Papſtthum mar bie Lu⸗ 
ther’fche‘ Bibelüberfegang.: Ald 1522" die überſetzumg des 
Neuen Teſtamenes volftändig ausgegeben war — obenein '‘ 
mit Holzfehrtttten und Gloſſen verfehen, welche das Papſt⸗ 
thum' als das Reich des Antichrifte nach kenntlicher mars. 
chen follten — ließ Herzog Georg in Meißen (und Daffeibe!i 
geſchah in Baiern und in ber Mark) Befehl ausgehen 
bie Exemplare der Oprigtelt ausguliefett.' Herzog Gar, ” 
obröot einer ‚der erbittertften Gegnet "der Neierung, mar 
aber ein Ehrenmann. Er verfprach doch, daß dem Leuten 

ihre Exemplare bezahlt werden ſollten. Dies beitäuffig. 





1250 


Lebe Zeile von dem Vielen, was Luther wider den Her⸗ 
308 gefchrieben hat, Liefert den Beweis, wie wenig Abbruch) 
die Genfur feiner Drudfreiheit that. Man kann gerade⸗ 
bin behaupten, er hätte unmöglich freier und ſtaͤrker ſchrei⸗ 
ben koͤnnen. Sobald die erwähnten Mandate bekannt ge: 
worden waren, ließ er felnerfeits ein Werkchen ausgehen: 
„Bon weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorfam 
ſchuldig fei.” Es befteht aus drei Theilen. Im eriten 
führt er aus, daß weltliche Obrigkeit eine Drönung Got: 
tes fei, erinnert aber dabei, wenn alle Menſchen recht: 
fchaffene Chriften und Gläubige wären, fo hätte man kei: 
nen Fürften, einen König, kein Schwert noch Recht nd: 
thig, und daher fände das meltliche Schwert und Recht 
bei Denen, die Chrifto wahrhaftig angehörten, nichts zu 
Schaffen, als welche von ſich felbft weit mehr thäten, denn 
alle Rechte und Lehren von ihnen fodern möchten. Im 
andern Theile unterfucht er, wie weit fih die Gewalt 
der weltlichen Obrigkeit erficede, und lehrt, weltliche Der: 
ven koͤnnten den Unterthanen wol Gefege geben, bie Leib 
und Gut und das Außerliche betreffen; über die Gewiſſen 
und Seelen aber Eönnten fie nicht regieren, welches Gott 
allein zulomme. Hier fagt er unter Anderm: 

Afo auch die weltlichen Herren follten Land unb Leute 
regieren aͤußerlich; das laſſen fie.- Sie Tönnen nicht mehr denn 
finden und fchaben, einen Zoll auf den andern, eine Binfe über 
bie andere ſegen; da einen Bären, bie einen Wolf auslaflen; 
dazu Fein Recht, Treu, noch Wahrheit bei ihnen laſſen aefuns 
den werben, und handeln, buß Rüubern und Buvben zu viel 
wäre, und ihr weltlich Regiment ja fo tief darnieder liegt, als 
ber geiftlichen Zyrannen Regiment. Darum verlehret EDtt ih: 
ren Sinn ud, daß fie qufapeen wiberfinnifch, und wollen geifts 
lich über die Seelen regieren, gleichwie jene wollen weltlidy re⸗ 
gen, auf daß fie ja getroft auf ſich laden fremde Sünde, 

Dttes und aller Menfchen Haß, bis fie zu fcheitern gehen, mit 
Biſchoͤffen, Pfoffen und Mönchen, ein Bube mit bem andern; 
und dbarnach das alles dem Evangelio fchulb geben, und anftatt 
ihrer Beichte GOtt Läftern, und fagen: Unfere Prebigt babe 
ſolches zugericht; welches ihre verkehrte WBosheit verbienet hät, 
und noch verbienet ohne Unterlaß; wie die Römer auch thäten, 


da fie verflöret wurden. Siehe, ba haft bu den Rath GDttes 


über die großen Hannfen. Aber fie follens nicht gläuben, auf 


daß ſolcher ernſter Rath GOttes nicht verhindert werde durch 
ihre Buſſe. 

Dann kommt er auf die Sage: 

Wenn nun bein Zürft oder weltlicher Herr dir gebeut, mit 
dem Papft zu halten, fo ober fo zu gläuben, ober gebeut 
dir, Bücher von bir zu thun; follt bu alfo fagen: Es gebührt 
Lucifer nicht neben Bott zu figen. Lieber Herr, ich bin euch 
ſchuldig zu gehorchen mit Leib und But, gebietet mir nad) eus 
zer Gewalt Maß, auf Erben, fo will ih folgen. Heißt ihre 
aber mich gläuben und Bücher von mir thun, fo will ich nicht 
gepochen benn ba feyd ihr ein Tyrann und greift zu body, 
gebietet, da ihr weber Recht no Macht habt u. ſ. w. Nimmt 
er bir drüber dein Gut und flraft ſolchen Ungehorfam; fellg 
bift du, und danke Bott, daß du würdig bift, um göttlichen 
Worts willen zu leiden. Laß ihn nur toben den Narren, er 
wird - feinen Richter wol finden. Denn ich fage bir, wo bu 
ihm ‚nicht wiberfprichft, und gibft ihm Raum, baß ee dir den 


Glauben, oder die Bücher nimt, fo haft bu, wahrlich, Gott 


verleugnet. Als, baß ich deß ein Erempel gebe: 


eiffen 
Bayern, und in der Mark und andern Orten haben die Zip: 


zannen ein Gebot Laffen ausgehen, Selle die Neuen Teſta⸗ 
ment:.in bie Aemter hin und erantworten. Hie follen 
ihre Unterthanen alfo thun, nicht ein Blätlein, nicht ein Buchs 





ſtaben follen fie überantworten, bey Verluſt ihrer elf 
Denn wer es thut, ber übergibt Chriſtus dem ee ee 
bern das follen fie leiden, ob man ihnen durch die Häufer aus 
fen, und nehmen heißt mit Gewalt, es fey Bücher ober Süter. 
Frevel fol man nicht wiberfichen, fonbern leiden; man fol 
ihn aber nicht billigen, noch bienen, ober folgen, ober gehors 
hen, mit einem Fußtrit ober mit einem Finger. Denn foldge 
Zyrannen handeln, wie weltliche Fürſten follen, es find wmelts 
liche Bürften; bie Welt aber iſt Gottes Zeind: darum müffen 
fie auch thun, was Gott wider, der Welt eben ift; daß fie 
ja nicht ehrlos werden, fondern weltliche Kürften bleiben. Darum 
laß dichs nicht wundern, ob fie wider das Evangelium toben 
und wüthen: fie müffen ihrem Titel und Namen genug thun. 


Solche Rathſchlaͤge konnte er ttotz ber Cenfur ins 
Volk ertheilen. Er ſagte nach dem Tode Friedrich's des 
Weiſen, nachdem er denſelben hoch geruͤhmt: „Das war 
ein Fuͤrſt!“ So koͤnnte man ſagen: das war eine Cen⸗ 
fur! Aber man muß immerfort fagen: das war eine Cen⸗ 
fur! ſchlage man feine Bücher auf, wo man will. Sch 
will nur noch an eine feiner publiciſtiſchen Volksſchriften 
erinnern. Als der nürnberger Reichstag 1524 feinen chrift: 
lichen und patrlotifhen Erwartungen fo wenig genügt hatte, 
ließ er das wormfer Edict, das ihn in die Acht gethan, und 
den nürnberger Abfchied, der doch ſchon fo viel günftiger 
lautete, ihm aber beimeitem nicht recht war, weil er bie 
Entfheidung hinausſchob, zufammendruden: „Zwei Ealfer- 
lie uneinige und tiderwärtige Gebote, Lutherum betref- 
fend, mit Lutheri Vor: und Nachrede”, und begleitete 


fie mit den rücdfichtstofeften Anmerkungen. 3. B. wo 
ſich der Kutfer Deo chriſtiichen Wlauveno wuiser usb vore- 
ſten Beſchirmer nennt, merkt er an: „Des elenden Glaus 
bene, ber folchen oberſten Schirmer har! Was macht denn 
Gott dieweil?“ Es war, wie bie Folge bald genug lehrte, 
ein großes Ungluͤck für Deutfchland, daß die Stände, welche 
die Nothwendigkeit einer Ficchlichen Reform anerkannten 
und auf Abftellung ber Misbräuche, auf Emancipation bes 
Reihe vom roͤmiſchen Einfluffe binarbeiteten, in Nürn: 
berg ihre Kräfte nicht noch mehr zufammennahmen, um 
die völlige Aufhebung bes wormfer Edicts und mit einem 
Worte definitive Befchlüffe in der Religionsangelegenheit, 
den Wünfchen und Bebürfniffen der Nation gemäß, durdy= 
zufegen. Luther erkannte die von ben römifhen Einflüß 
fen drohende Gefahr, die Gefahr des Zauderns, Aufichies 
bens: das Verderben ſchwebte ihm vor Augen, wenn bie 
beutfhen Stände nicht einiger wären und Eräftiger aufs 
träten. Er beginnt die Vorrede ber genannten Schrift: 
Diefe zwei kaiſerlichen Gebote babe ich Taffen drucken aus 
großem Mitleiden über uns arme Deutfche, ob body Bott aus 
feinee milden Gnade etliche Seen und andre dadurch wollte 
rühren, daß fie greifen und fühlen möchten, wie blind unb ver- 
ftoct fie handeln. Schändlich lautet es, daß Kalfer und Für: 
ften Öffentlich mit Lügen umgeben u. f. w. 
.Er laͤßt num fehr ſtarke Wahrheiten folgen und fchließt 
dann milden, ohne indeß feine frei! Daltung aufzugeben: 
Doch rathe ich Wermamn, der ba gläubt, daß ein Bott 
‚daß ex fich ſolches Gebots (ihn Hinwegguräumen) enthalte. 
Denn wiewol mir GDtt die Gnabe gegeben bat, daß ich ben 
Tod nicht fo fürchte, wie ich vor zeiten thate, und mir auch 
beifen wirb, daß ich willig und gerne fterbe: fo follen fie es 
doch nidht ehe thun, mein Stündlein fey denn da, und mein 
GOtt ruffe mir, und follten fie noch fo ſehr toben und wüten. 


1381 


Denn der mich nun ins britte Jahr hat wider ihren Willen 
und über alle meine Hoffnung lebendig behalten, kann mich 
auch wol länger friften; wiewol ichs nicht fo hoch begehre. 
Und wenn fie auch nun tödten, follen fie ein folch Toͤdten thun 
das weder fie noch ihre Kinder überwinden follen. Davor i 
fie lieber wollte gewarnet haben, und ihnen warlich nicht gönne. 
Aber es Hilft nicht, GOtt hat fie verbiendet und verftodt. Ich 
bitte euch aber alle, meine lieben Kürften und Herren, beyde 
gnädige und ungnädige. (Ich gönne euch ja Fein Uebels, das 
weiß GOtt; fo könnt ihr mir nicht fehaden, deß bin ich gewiß.) 
Sch bitte euch (fage ih) um GOtteswillen, ihre wolt GOtt 
vor Augen haben und bie Sache anders angreifen. Es iſt 
wahrlich, wahrlich, ein Unglüd vorhanden, und GOttes Zorn 
geht an, dem ihr nicht entfliehen werbet, wo ihr fo fortfahret. 
Was was wollt ihre, lieben Herrn? GStt iſt euch zu klug, er 
bat euch bald zu Narren gemacht; fo iſt er auch zu mächtig, 
er bat euch bald umbracht: fürchtet euch doch ein wenig vor 
feinee Klugheit, daß fie nicht vieleicht eure Gedanken aus Uns 
gnaden alfo geftellet habe in euer Herz, daß ihr anlaufen follt; 
wie er denn allezeit pflegt zu thun mit groffen Herren, und 
fotches gar herrlich in aller Welt von ihm fingen und fagen 
lößt, Pf. 33, 10: Gott macht zunichte der Kürften Anfchläge ; 
und 2. Mof. 9, 16. zum König Pharao: Ich habe dich darum 
erwecket, daß ich meine Macht an bir beweife, und mein Name 
verfündiat werde in allen Landen. Ein Stück feines Reimes 
heiffet, DEPOSVIT POTENTES DE SEDE, Luc. 1, 52, 
Das gilt euch, lieben Herren, jetzt auch, wo ihrs verfehet. 
Sollte es das Imprimatur erhalten, wenn er jeut lebte, 
die gegenwärtigen Zuftände ebenfo frei beleuchtete, in einem 
ähnlichen Tone etwa Folgendes ausführte: Mag ed glaub: 
lich fein oder nicht, mag es noch fo unwahrſcheinlich fein, 
daß in ber, mächfien Zukunft der drohende Krieg ausbricht, 
temand kann für den Frieden bürgen, und ehe man e6 
meint, kann der Augenblid da fein, auf welchen unfere 
Keinde warten, die erfte Gelegenheit zu benugen, von bei⸗ 
den Seiten über uns berzufallen, ob aud) der Eine oder 
der Andere derzeit mit uns im trügerifhen Bunde fleht. 
Wir haben es fchon erlebt, daß fich der Oſten und We: 
fin uns zum Verderben die Hände gereicht. Wie dem 
aber fei und wie fich die Dinge geftalten, Gefahr drohet: 
es ift wahrlich, wahrlih ein Unglüd vorhanden! Wir 
haben uns keines Überfluffes von Gluͤck zu rühmen, und 
was unfere fonft hinreichende Kraft fo oft gelaͤhmt hat, 
kann fie leicht genug wieder lähmen. Es ift gut und 
loͤblich, daß fich der Nationalfinn unter uns gegenwärtig 
fo rein und ſtark regt, wie es feit 1813 nicht der Fall 
geweſen, und daß die gefeflelte Preſſe nicht, wie es natuͤr⸗ 
lich genug wäre, zuͤrnend oder verflimmt gänzlich ſchweigt, 
fondern thut, was fie vermag, das edle vaterländifche Feuer 
zu ſchuͤren. Uber täufhen wir uns nicht, wenn wir von 
allen Seiten flolge Worte hören: Deutfchland werde eher 
verbiuten, als ſich die Rheinlande nehmen laſſen; wenn 
Gefahr von ausmärtigen Feinden drohe, würden alle ins 
nern Uneinigkeiten und Verdrießlichkeiten vergeſſen fein u. ſ. w. 
Es fragt fi doch, ob nit, wenn die Preffe frei wäre, 
andere Stimmen laut werden würden von Solchen, bie 
vielleicht weniger von fo noblem Patriotismus und mehr 
von Verdruß erfüllt find und bei denen ſich noch keine 
Spur davon findet, daß fie ſich bei eintretender Gefahr 
zu Thaten oder Opfern bereit finden laſſen würden. Sind 
Solche vorhanden, fo liegt darin eine neue Gefahr, bie 
man dadurch nicht überwindet, daß man wie ber Strauß 


den Kopf unterbudt und nichts davon ſieht. Es ift fehr 
artig von der Genfur, daß fie das patriotiſche Feuer eini- 
germaßen ausftrömen läßt; allein fie koͤnnte abermals ſehr 
gefährlich werden, wenn etwa eine verberbliche Maffe von 
Phlegma oder noch fchlimmern Elementen vorhanden todre, 
weiche fie zuruͤckhielte, ſodaß man gerade bei dem jenes 
Feuer begleitenden Dampfe um fo weniger davon fähe, 
auf viel Enthufiasmus rechnete und bdenfelben zur ungeles 
genen Zeit recht fehr vetmißte. Schwerlich find die Ele 
mente zu einer Erhebung und Begeifterung, wie das Jahr 
1813 fie gefehen, vorhanden, und in jedem Fall ift es 
bei, ob auch entfernt drohender Kriegsgefahr doppelt Noth, 
daß man eilt, allem Kader, jeder Uneinigkeit, jeder Ver⸗ 
ſtimmung im Haufe ein Ende zu machen, damit felbige 
nicht am freudigen Auszuge zum Streit hindere oder drin: 
nen Laͤrm und Unfrieden erzeuge, wenn man fich draußen 
ſchlagen foll und wenn ſehr nöthig ift, daß man einig 
fet und Einigkeit zeige. Aber noch immer gefchieht nicht 
das Hochnöthige, fodaß zu fürchten ift, wir Deutfche wer: 
den uns, nachdem wir überlange Zeit gehabt, wiederum 
von den Kreigniffen überrafhen laffen, wie es fo oft ge: 
heben; denn wenn aud im einen Königreiche die Ten⸗ 
denz hervortritt, die Diffonanzen aufzulöfen, fo iſt fie doch 
in andern noch nicht zu erblicen. 

Wie dem auch) fei, fo viel ift außer Zweifel, eine rai- 
fonnable und vaterländifch gefinnte Cenſur darf keine Din- 
derniffe in den Wen legen, wenn beraleichen zur Sprache 
gebracht wird, ja, man möchte fagen, fie darf es ſchon 
nicht aus Pflicht der Selbſterhaltung, darf es nicht, wenn 
fie ſich felbft lieb hat; denn ift fie gar zu engherzig, fo 
kann fie auf die Dauer nicht beftehen. Als fie war wie 
zur Reformationgzeit, dachte Niemand an das Princip 
der Preßfreiheit, foderte Niemand die volllommene Preß- 
freiheit, war fogar ein Luther fehr damit zufrieden, daß 
feine Bücher vor dem Drude „befehen” würden. Gebt 
uns nur einen guten deutlichen Schatten der Cenſur jener 
Zeit, und glaubt e8, die unbequeme Preßfreiheitöftage iſt 
fo gut mie aus der Melt, wenigftens für bie jegige 
Generation. Luther freilich Eonnte, nachdem bie Genfur 
auf dem nürnberger Reichstage neuerdings verorbnet 
und gefhärft war, über die Latferlihen Mandate freie 
hin druden laffen — um nod den Schluß ber Nachrede 
anzuführen: 

Am Ende bitte ih, Martinus Luther alle meine lieben 
Chriften, wollten helfen Gott bitten für folche elende verblen⸗ 
bete Kürften mit welchen uns ohn Zweifel Bott geplaget hat 
in groffem Zorn, daß wir ja nicht folgen wider bie Türken zu 
sieben ober zu geben, fintemal der Türk zehenmahl klüger und 
frömmer benn unfere Fürften find. Was follt ſolchen Rarren 
wider bie Türken gelingen, bie Bott fo hoch verfuchen und laͤ⸗ 
ſtern? Denn hier ſieheſt du, wie ber arme, ſterbliche Wabens 
fad, ber Kayfer, der feines Lebens nicht einen Augenblick ſicher 
tft, ſich unverſchaͤnt rühmet, er fey ber wahre oberfte Beſchir⸗ 
mer bes ChHriftlichen Glaubens. Solches Klage ich aus Herzens⸗ 
grund allen frommen GShriften, daß fie ſich mit mir über folche 
tolle, thörichte, :unfinnige, rafende, wahnfinnige Narren erbar⸗ 
men. Sollte einer body zehenmal Lieber tobt feyn, benn ſolche 
Läflerung und Schmach göttlicher Majeftät hören; ja, es iſt ber 
verdiente Lohn, daß fie das Wort Gottes verfolgen, barum fols 
len fte mit ſolcher greiflicher Blindheit geftraft werben und ans 


1252: 


laufen. Gott exlöfe uns von ihnen und gebe uns aus Gnaden 
andere Regenten, Amen! - 
Das war eine Genfur! 26, 





Lord Byron. Ein Dichterleben. Novellen von Ernft 
Willlomm. Drei Bände. Leipzig, Engelmann. 
1839. 8. 4 Xhlr. 12 Gr. 


Es gibt glatte Bürher, über die man wegrutfcht, wie über 
eine Gifenbahn, ohne merkliche Alteration und Stöße Mean 
ift zu Ende und es bleibt eben nicht mehr in der Grinnerung, 
als was man empfindet, wenn man von ber Eifenbahn abfleigt. 
Es war ein angenehmes, anmuthiges Fliegen; nun iſt man 
aber auch wieder froh, auf feflen Boden zu treten. Daß folche 
Bücher das Product unferer allgemein geworbenen Intelligenz, 
unferge finliftifchen Bildung find, ift eine ausgemachte Sache, 
daß wir aber au fon den Sturmdrang der revolutionnairen 
Benerfeelen, den Weltſchmerz, die Europamübdigkelt, die Völker⸗ 
frühfingsgedanten und die Phoͤnixmorgenlieder fo verarbeitet und 
durchweicht haben, daß fie im bequemen Buß in jeder beliebigen 
und gefälligen Form vorgetragen werben Tönnen! das ift ein 
merkwürdiger Fortfchritt und Sieg. Zeigt er an, daß ed mit 
diefem Sturmdrang nicht viel auf ſich hatte, oder daß auch er, 
wie alles Geiftige, ber Allmacht ber Induſtrie umterliegen muß, 
die Alles glätter, biegt, für ihre Zwecke zurechtlegt und bie 
promethetifchen Ideen ſelbſt fi) unterthänig macht? Lorb By⸗ 
ron mit feiner Gigantenbruft, bie vefunifche Feuerſtroͤme ath⸗ 
met, mit feiner Liebe und feinem Schmerz, mit feinem grim⸗ 
migen Menfchenhaß und feiner thatkräftigen Begeiſterung für 
die Freiheit, der Held eines Romans, ober vielmehr vieler klei⸗ 


nee Novellen, über bie man weglieft, wie über hundert andere. 


Romans, und es bleibt nichts zurüdi An wem liegt’6? Am 
Lefer oder am Schreiber? I kann's nicht jagen. Wenn I 
als Lefer der WBlafirte bin, fo find es Viele mit mir. Die 


Schuld will ich indeffen nicht von mir abwälzen und fie auf 


den Dichter ſchieben; denn ich Tann mir nicht Rechenſchaft ges 
ben, worin diefer gefehlt, was er verfäumt hat, Im Gegen- 
iheil, das Meifte ift gut, wahr, warm, lebendig gefchildert, 
Einiges ift vortrefflih. Die Bilder haben Karbe, Geftaltung, 
Abrundung, unb ebenfo wenig fehlen Gedanken. Wer auch 
möchte im Leſen am Talent des Autors zweifeln! Hat nun bie 
fließende Feder allein, die leichte Bewältigung des Stoffes es 
gemacht, daß auch die Aufmerkfamkeit keine Stationen macht 
und nirgend dem Autor zuruft: Hier weile? Es mag doch 
auch am Stoffe ſelbſt liegen. Trotz bes fcheinbaren Reichthums 
ift er arm. Wie mannichfache Begegniffe Byron’s außerorbent: 
liche Ratur und fein noch wunderbarer Lebenslauf auch barbietet, 
es tft wieder zuviel bes Ungewoͤhnlichen, bas in Gumma eine 
Monotonie hervorbringt. Wee follte es glauben: der lahme vers 
hoͤhnte Schullnabe! die erfte Liebe bes HalbEnaben! der Lord 
in der alten Abtei mit feinen furchtbaren Spielen! der Schau: 


fpieldireetor! der gefeierte, der verfemte Dichter! ber reifende 


rite unter den Wundern Hispanlens und ben noch yeößern 


des alten Hellas! ber Schw 


Sinnentaumel erweckt durch eine ernſte, heiße Liebe und bie 
thaͤtige Begeiſterung für Italkens Freihelt, und endlich ber 
eid, auf den Curopa ſieht, unter ben auferſtandenen "Gries 
en, und dort in der heiligſten, veinſten Begeifterung. verküm⸗ 
mernb unter. ber Schtech 


laubt wäre zu erfinden; unb chen bau mag es thun, daß wir 
uns nie heimiſch finden. Byron's wuͤſte, wilbe, großartige 
Leidenfchaftlichkeit, bie, bis auf: feine legten Ihaten im Hellas, 
fi auf das Grillenhafte, Keinliche zu Mürzen durch bie Vers 
haͤltniſſe gezwungen iſt, kann nur erfchättern, Mitleid und Theil⸗ 


wärmer umter den Alpen! der bat⸗ 
chantiſche Wäftling in felmen. venetiantfchen Orgien und: aus dem - 


tigkeit eines Sklavenvolkes und ſter⸗ 
benb, gebrochenen Herzens’ in Miſſolunghis Sumpfluft!. Et 
ift weit mehr bes Wunderbuen, als simem Nomanendichter er⸗ 


nahme erweden, aber nicht wärmen, hinreißen, Liebe erweden. 
Bei allem Mitgefühl, iſt man froh, ihn nicht zum Geſeliſchafter zu 
haben, Daſſelbe iſt mit feiner Liebe ber Fall. Der erotiſchen 
Schlingpflanzen nicht zu gedenken, welche den Stamm ber Hands 
lung nur zu üppig ummwudern, was zu rügen wir Anbern 
überlaffen, wäre es doch kgum einem großen Dichter möglich, 
dieſe Maffe wechſelnder Liebesglut mit gleicher Kraft und Ans 
ſchaulichkeit zu durchgeiſten. Die Aufgabe, wer Byron, biefe 
gewaltige Natur, dichteriſch hinftellen wollte, wäre vieleicht ges 
wefen, nicht ihn ‚auszubreiten, fonbern zu contrahiren, Gin 
Rembrandt’scher Pinfel hätte mit Eräftigen Schlagichatten ein Bilb 
von ihm hingeworfen, beflen Gindrud mächtig geweien, und 
wo doch der Phantafie noch ein weiter Spielraum gelaflen wäre. 
Zerſpalten in viele Novellen, mußte fich der Dichter felbſt wie: 
berpoln “ un Ainvermeiblich, 

ele dieſer Novellen, für ſich betrachtet, find gelungen 
und anfprechend. Am heimlichften wird uns wol h ber erfien: 
„Der Morgenftern von Anneslay: Hal’, Byron's Knabenliebe 
zu Maria Chaworth darſtellend. Es iſt dem Verf. geglüdt, 
biefen Gegenfland der erflen Steigung bes glühenden Knaben fo 
barzuftellen, daß Maria Chaworth nun vor uns Icht. Xenebig 
kennt ber Verfafier nit, das ſpricht fi in mehr als einem 
Zuge in Byron's venetianifchen Orgien aus. Gelungen ift da: 
gegen die @eftalt des innigft von Byron geliebten Wefens, ber 
Gräfin Guiccioli; aber wenn die Witwe des Helden Marko Boze 
zaris deutfche Romane läfe, ob fie es gut beißen würbe, daß 
der Verf. den englifchen Lord in ihr eine alte intime Liebfchaft 
* „der Zeit feiner erſten Griechenwanderungen wiederfinden 

? 1, 





Literarifhe Motizen. 

Machſtenæ orſcheint in Aanhan- „An arennnt af Alernver- 
ies made in ancient Lycia; being a journal kept during «& 
second excursion in Asia minor, by Charles Fellows’' (mit 
mehr ale 30 Kupfern, zwei Karten und ungefähr 100 Holz⸗ 
fhnitten). Der Verf. ließ ſchon früher folgenden Brief hr 
ein englifches Sournal einrüden: „Ich habe auf diefer Reife fieben 
alte lyciſche Städte entdet, deren Namen ich aus zahtreidhen 
Infhriften und Münzen beftimmt habe, und viele andere Reſte 
zerträmmerter und jegt noch namenlofer Stäbte und Feſtungen. 
Sie können ſich den Reiz und bad Vergnügen nicht vorftellen, 
bie e8 gewährt, in biefen Städten die Werke der Kunft und 
Grgenftände von höchſtem archäologiſchen Iuterefle zu entbeden. 
Das Zeitalter tft vermutbli früher als das 4. Jahrbundert 
vor der chriftlichen Zeitrechnung. . . . I Eönnte Ihnen eine 
Lifte von geographifchen Neuigkeiten anfertigen — Flüffe, auf 
200 Meilen Länge nachgezeichnet, zwei mufgefundene Seen, und 
alles das auf dem weißen Raum einer Landkarte” u. f. w. 


Erſchienen tft gu Paris: ‚Voyage aufour du monde sur 
la fregate la Venus, exdcute pendant ies anndes 1837, 1888 
et 1839 sous le commandement de M. Abel du Petit- Thou- 
ars, capitaine de vaisseau.’ Der Reifebericht umfaßt breit 
Bände und iſt mit einer allgenieinen Weltkarte verfehen. Abz 
gefondert erſcheint hierzu ein „Atlas pittoresque”, welcher, aus 
ungefähr 15 Lieferungen: beſtehend, Panoramas, maleriſche Ans 
fiheen, coloriste Goftume, Bilder u. ſ. w. enthält. 


Vom Chevalier Artaud, Mitglied bes Iuftituts, erſcheint 
in Paris eine ‚Histoire de la vie et de toutes les oeuvres 
podtiquts de Dante Alighieri’‘,' ein Werk, weldhes einen Des 
avband und bie Einkeitumg zu beffelben Werfaffers Tiberfegung 
der „ Böttlichen Komoͤdie“ bilden wird, die naͤchſtens in einer brits 
ten Ausgabe erfcheinen fol. Zugleich iſt eine neue Überfekung 
des Dante ſchen Gedichts von Pier: Angelo Fiorentino in Ei⸗ 
nem Bande angelänbigt. 5. 


Verantwortliher Deraußgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaud im Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifdhe Unterhaltung. 





Freitag, 


ö— Nr. 311. 


6. November 1840. 








Neuefte englifhe KReifeliteratur. 


4. Travels in the West. Cuba. With notices of Porto 
Rico and the slave trade. By David Turnbull. 
London 1840. 

Es hat nicht der vom Prinzen Albert präfidirten Ver: 
fammlung in Ereter Hall beburft, um die Abfchaffung 
des Sklavenhandeld dem englifhen Volle im Andenken 
zu erhalten. Die jährlichen Zinfen von 140 Millionen 
Thaler und andere betreffende Ausgaben im Budget be: 
forgen das allein, und beforgen e8 um fo mwirkfamer, je 
unabläffiger Dir. Burton, der Negerfreund par excellence, 
barzuthun ſucht, daß alles jenes Aufwandes ungeachtet 
ber Sklavenhandel fi) eher mehrt ald mindert, und daß 
gerade bie zu feiner Abfchaffung ergriffenen Mittel die Lei⸗ 
den der unglüdlihen Schwarzen gefteigert haben. Waͤh—⸗ 
rend nun dieſer dem Übel im Allgemeinen auf die ein: 
fachfte und ſicherſte Art dadurch fleuern will, daß den 
Megerfürften in commercdiellem Wege begreiflid gemacht 
werden foll, wie fie ihre Unterthbanen, wenn fie das Land 
von ihnen bauen laffen, beiweitem beffer benugen Finnen, 
als wenn fie diefelben verlaufen, und es allerdings ben 
Nerv des Handels zerfchneiden heißt, wenn man ihm die 
Waare nimmt, fpriht Zumbull im obengenannten Werte 
ſowol vom Sklavenhandel al8 von deſſen Abfchaffung In 
fpecieller Beziehung auf das fpanifche Cuba und gibt fehr 
deuglich zu verftehen, daß, feit das englifche Parlament 
mit Portugal kurz Procedere gemacht und Spanien eine 
gleichwenig furchtbare Potenz, „after browbeating this 
feeble ally”, man auch mit dem andern ſchwachen Sreunbe 
fein langes Sederlefen nöthig habe. Da die Beſeitigung 
bes Stlavenhandels jest in England wieder ein Mode: 
artikel und die Mode dort oberfte Herrfcherin ift, fo dürfte 
eine Befolgung ded Turnbull'ſchen Rathes nicht außer: 
halb der Grenzen der Wahrfcheinlicykeit liegen. Vor der 
Hand hat die Mode dem Buche eine Aufmerkfamleit ge- 
mwonnen, bie ihm jedenfalls gebührt. 

Vorliegender Band — fagt der Verf. — repräfentirt das 
Bruchſtuͤck einer ziemlich weiten Reiſe am weltlichen Geftabe bes 
atlantifchen Meeres, die 1887 begonnen und gegen den Schluß 
von 1839 beendet wurbe. 

Nachfolgende Bände follen die übrigen meftindifchen 
Mieberlaffungen beſchreiben. Den Anfang hat der Verf. 
mit Cuba gemacht, „in der feften Überzeugung, daß, wenn 


feine, den Sklabenhandel betreffenden Vorſchlaͤge von ber 
Öffentlichen Meinung gebilligt und von der Regierung bes 
folgt würden, die peinliche Frage, wie er zu unterdrüden 
fet, ſich leicht, wohlfeil und ſchnell Löfen laſſe“. Diefe 
Vorfchläge füllen jedoch den Eleinften Raum und find 
auch das Kleinere Verdienft des Buches. Ein größeres 
hat die Schilderung des Sklavenzuftandes in Cuba. Die 
ziemlich verbreitete Sage, als feien die Sklaveneigenthuͤ⸗ 
mer in ber Havanna die mildeften Gebieter, hat der Verf. 
nur infofern wahr gefunden, als bie in der Familie auf: 
gewachſenen Sklaven, die Mitchbrüber oder Milchſchwe⸗ 
ftern des Herrn oder deffen Kinder, meift menfchlich be⸗ 
handelt werden. Doc, felbft für fie fteht vor den Thoren 
ber Stadt, in der Nähe des Öffentlichen Spazierganges, 
ein mit hölzernen Bruftwehren umgebenes Gebäude von 
befcheidenem Außern, in befjen Innerm fich eine Zahl 
Pfähle befinden, an welche die von ihren Herren ober 
Hereinnen zu einer gewiffen Zahl Peitfchenhiebe verur⸗ 
theilten Sklaven feftgebunden werden, um ſoiche „fabrik⸗ 
mäßig und in Geſellſchaft“ zu empfangen. Auch gefchieht 
das häufig blos in präfervativer Abficht. 

Keine vornehme Hausfrau wird mit bem Geftändniffe zus 
südhalten, daß fie megen der großen Hinneigung ihrer Leute 
zu Eafler und Faulheit es ber Nothwendigkeit erachte, einen 
ober mehre wenigſtens einmal jeden Monat ins Prügelhaus zu 
ſchicken, nicht als Strafe für ein wirktiches Vergehen, fondern 
weil ohne ſolche periobifche Erinnerungen ber ganze Haushalt 
aus der Ordnung kommen und Gebieter und Gebieterin alles 
Anſehen verlieren würben. 

Viel fhlimmer ergeht e8 den Sklaven auf dem Lande. 

Ich behaupte unbedenklich — fagt Turnbull — daß in kei⸗ 
nem Theile der Welt, vielleicht Brafilien ausgenommen, wo ich 
nicht gewefen bin, bie Lage ber Sklaven eine traurigere iſt als 


gegenwärtig in den Bucerpflanzungen ber weitberühmten Inſel 
Cuba, biefer Königin beider Inbien. 


In faſt hoͤhniſchem Widerfpruche mit den oft wieder: 
holten Verficherungen ber fpanifchen Regierung, daß bie 
Abfhaffung des Sklavenhandels ihr ernft fei und fie 
diejenigen ihrer Unterthanen, die ſich darin einließen, auf 
das härtefte beftrafe, ſteht die neuerliche Errichtung zweier 
großen Gebäude „unter den Fenſtern feiner Excellenz, des 
Generalcapitains, zum Behuf der Aufnahme und des Vers 
kaufs friſch importirter Afrikaner, das eine mit Raum 
für 1000, das andere mit Gelaß für 1500 Neger”. Eis 
gennug bewirkt hier allerdings gute Behandlung. Um bie 


. 


auf der Seefahrt verlorenen Kräfte wiederzugewinnen 
und dem Iebensgefährlihen Heimweh nicht zu erliegen, 
mit andern Worten, um eine verfäuflihe Waare zu fein, 
werben bie Ankoͤmmlinge gut genaͤhrt, hinreichend geklei⸗ 
det und bequem-gebeitet; man gefkättet-ihnen fodar ben 
Lusuß bes Tabacks und Singen und Tanzen in dem ge 
raͤumigen patio oder innerm Hofe. Was aber biefen Ei: 
gennug recht ſchwarz färbt, ift der Umftand, daß die mel: 
ften Importirten in dem Alter von 12 — 18 Jahren ftehen. 
Die mohlbegriffene Schwierigkeit, Männer und Srauen 
reifern Alters an die Seldarbeiten zu gewöhnen, hat dem 
Begehr nach jüngern Opfern gefteigert, und da außerdem 
männliche Sklaven gefuchter find als weibliche, fo ſtellt 
ſich das Verhaͤltniß derfelben wie drei zu eins. Diefes 
Vexhaͤltniß findet auch auf den meiften Pflanzungen flatt; 
bier und da werben fogar blos männliche Sklaven ge: 
halten und, um fie zur Nachtzeit an „verliebten Spazier⸗ 
gängen” zu hindern, fofort nach gethaner Arbeit in ihren 
Kerkern unter Schloß und Miegel gebracht. Die Specus 
lation hat herausgerechnet, daß zwölf im Lande geborene 
Sklaven ungefähr acht friſch importirten an Nutzbarkeit 
gleich find und der Kaufpreis für Legtere geringer ift als 
dee Aufwand für dad Großziehen der Erſtern. Stark wie 
deshalb die jährlichen Zufuhren fein müflen, glaubt zwar 
dee Verfaſſer, daß Hr. Burton, indem er bie Zahl ber 
Ballen — wie die Sklavenhaͤndler ſich ausdrüden — auf 
60,000 angibt, ſich einer Übertreibung ſchuldig macht, 
body iſt es ihm nicht gelungen, ſich eine Zahlengewißheit 
zu verfchaffen. Seine oben erwähnten VBorfchläge beftehen 
namentlich darin, daß der in Cuba figende Gerichtshof — 
auf peremtorifches Einfchreiten der englifchen Regierung — 
jeden Neger, fobald er ans Land getreten, für frei erklaͤ⸗ 
ven, feine etwaige Beſchwerden bei offenen Thuͤren ver: 
handeln und das Schiff confisciren fol. 

Die einzige wirkliche Schwierigkeit — fagt Turnbull — 
dürfte in dem Widerwillen der Öffentlichen Beamten liegen. — 


unb ich nehme bie Richter nicht aus —, das Geſet in Anwen- 

dung gu bringen. . 

. Die Schwierigkeit zugegeben, und es bleibt kaum eine 
ambere Wahl, als den Gerichtshof mit unbeftehlichen 
Englaͤndern zu befegen, was bann eine Art DBefigergrei- 
fing von Cuba und in der That fo gar übel nicht wäre. 
Nun, wer weiß, was gefchieht. 

2. Continental India. Travelling sketches etc,, illu- 
strating the antiquity, religion and manners of the 
Hindoos, the extent of british conquests and the 
progress of missionary operätions. By J. W. Massie. 
London 1840. 

Zwei ſtarke Wände, die bei der ohnedies fehr zuneh⸗ 
menden Literatur über Indien die Bemerkung des Verf. 
unterflügen: | 

Hindoſtan iſt heutigen Tages befier gekannt als bie Ges 
briben es zu Sohnfon’s Zeit ober die Shetlandinfeln es im 
Anfange' des Jegigen Jahrhunderts waren; bie Kriege und Ge⸗ 
bietäerrweiterungen unferer englifchen Nabobs in ben Ländern bes 
Drients, das Umftärzgen aſiatiſcher Despotien und bie Begrim⸗ 
bung, britifcher Herrſchaft unter den Völkern des Oſtens bilden 
jegt den Inhalt unferer Taſchenbibliotheken und find die Vade⸗ 
meeums jedes nach Kenntniß Werlangenden. 


1284 


Defienungeachtet enthält Maffie' Werk manches Neue, 
d auch was nicht new, intereffict durch bie Art ber 
arftellung. Namentlich möchte ich ben Leferinnen und 
Allen, die für bie Emancipation der Frauen fechten, ein 
Capitel empfehlen, das unter ber Überfcheife „Woman in 
India” den Charakter und bie Zuftände der Hindoflane 
einnen ſchildert. Möglih, daB bie „Vergleihung tröfter”. 
Ich will ein Bruchſtuͤck als Probe geben. 


Behandelt mie Gefchöpfe zweiter Ordnung, beraubt jedes 
Mittels, ſich zu unterrichten und geiftig auszubilden, ferngehal- 
ten von dem Einfluſſe felbfl erhebenden Gefühls und angewie⸗ 
fen, in flüchtigen Momenten bee Gegenwart ben alleinigen Ges 
nuß ihres Dafeins zu fuchen, mühen fie ſich ab in den Gefchäften 
ihres Hausweſens, ohne bie Freudigkeit, bie jede Arbeit, ohne 
die Liebe, die jede Laſt erleichtert, und ohne je an ber Tafel 
der Gefelligkeit Theil nehmen zu bürfen. Berurtheilt, nur mit 
Beibütfe ihrer thieriſchen Natur zu genteßen, erbliden fie in 
fich ſelbſt Werkzeuge der Sklaverei ober ber Leidenfchaft. Auch 
die Gegenftände ihrer Anbetung — benn gleich bem profanum 
vulgus find fie auf die Erkenntniß äußerer Symbole befchräntt 
— erfcheinen ihnen blos in Scenen Lieberlicher Feſte und ver⸗ 
funten in fleifchliger Lufl. Kann ed Wunder nehmen, daß 
blinde Setbftfucht der Grundzug ihres Charakters und Epiku- 
reismußs die einzige Motive ihrer Handlungen? Die Einrichtung 
und DEonomie des häuslichen Lebens beförhert Überdies das Auf⸗ 
ſchoſſen biefes wilden Unkrauts in ber Bruft ber Indianerin. — 
Stirbt der Vater, erbt der Sohn das Dausregiment unb bie 
überlebende Witwe erhält ben legten Plas im Familienkreiſe. 
Will fie die Tage des Witwenthums tragen, erwartet ihrer ein 
ſchweres Loos. Kindesliebe mildert felten die harte Strafe ih⸗ 
res Lebens; ber Held, den fie zu leeren hat, iſt voll Wermuth, 
und in ihr einfames Dafein mifcht fich Fein Gedanke des Tro⸗ 
fies, kein Gefühl der Erhebung. Alle zehn Zage muß fie das 
Haupt fich fcheeren laffen, wie altersfhwer und gebeugt es auch 
ſei; täglich, gleichviel ob das Wetter rauh und fie Trank, wirb 
kaltes Waller ihre über den Kopf gegofien; bes Nachts muß fie 
die brennende Lampe hüten und bis an den Morgen mit DI 
nähren, und läßt fie die Lampe verlöfchen, geht the ein trüber 
Morgen auf. Verſtoßen und in Kummer, barf fie bes Tags 
nur eine Mahlzeit genießen und nie auf einem Bette ruhen; 
ber harte Fußboden ift ber Pfuͤhl für ihre alten, müben Glies 
der. Gefellige Freuden gibt es für fie nicht und die Witwen; 
trauer, die fie flets tragen muß, gilt fortwährend als ein ſtiller 
Anklaͤger ihrer Ealten Liebe, ein Beweis ihrer felbflfüchtigen 
und profanen Anhänglichleit am Leben. — Während der Mann’ 
Vebt, ſteht der Frau, felbft wenn fie Mutter iſt, felten ein 
Theil am Hausregimente zu, unb was Kindesliebe ift, lernt 
die Indianerin faft nie Tennen. Das Geſet bes Menu verorde 
net allerbings, daß das Weib, welches ber Mann ſich zur Gate 
tin wählt, Fein rothes Haar und nicht zu viel ober zu wenig 
Karbe, kein misgeſtaltetes Glied und keine entzünbeten Augen, 
Beine ſchwatzhafte Zunge und Feine Krankheit an ſich habe, daß 
ihr Rame nicht ber eines Geſtirns ober eines Baumes, nicht 
eines Fluſſes oder eines barbarifchen Volkes, nicht eines Ber⸗ 
ges, einer geflügelten Creatur ober einer Schlange, unb nicht 
eines Steines oder eines ſchreckenerregenden Bildes, fonbern daß 
fie einen wohlklingenden Ramen und eine makelloſe Seftatt, etz 
nen gefälligen Bang — gleich dem Bange eines jungen Ele⸗ 
fanten —, nicht zu viele und Heine Zähne umb einen meiden. 
Leib habe — aber von Zugenden bes Herzens, von einem Grabe 
des Wiſſens, von ſittlichen Gigenfchaften und: von Milde des 
Gemhtbs iſt Feine Rebe. Und wie Eönnte das fein? ragen 
etwa Dornfträuche Weinbeeren und Difteln Zeigen? Das Maͤd⸗ 
chen hängt von feinem Vater ab, bie Gattin von ihrem Manne, 
bie Witwe, wenn fie leben wid, von ihren Söhnen. Zu kei⸗ 
ner Zeit und in Teinem Werhältniffe darf ein weibliches Weſen 
thun, was es will. Das Zureden der Freunde, bie Schmeichel⸗ 








1255 


worte ber Kitten, bie Zäufchungen ber Erziehung, das Elend 


der Zukunft und der Schmerz ber Begenwart treiben die Witwe‘ 


Ko wahnfinnigen, von Religion und Politik geheiligten 
dl: 


The widow’d Indian, when her lord expires, 
Mounts the dread pile and braves the funeral fires. 


Hieran knuͤpft der Verf. bie Befchreibung eines Sutter, 
von welchem er Augenzeuge geweſen — eine Scene, bie 
meines Erachtens auch die unzufriedenften deutfchen und 
franzoͤſiſchen Frauen in legter Inſtanz überzeugen muß, 
dag ihre Schweftern. in Hindoftan befferes Recht zur 
Klage haben. 


3. Travels in Koordistan, Mesopotamia etc. With sket- 
ches of the character and manners of the Koordish 
and Arab tribes, By J. Baillie Fraser. London 1840. 

Der mohlbefannte perfifche Reifende, der ebenfo tüch: 
tige zum Reiter als Befchreiber, der Berfaffer von „The 
Kuzzilbash”, „A winter’s journey to Persia” u. a., mit 
Einem Worte, Hr. Batllie Frafer bat duch das Werk 
unter obigem Titel die englifche Reifeliteratur in der That 
bereichert, denn flatt Wege zu gehen, bie vor ihm An: 
dere gegangen, hat er ſich Pfade ausgefudht, von denen 
es freilich fchwer iſt, zu behaupten, daß noch fein euro: 
päifcher Fuß fie betreten; hingegen laͤßt fich nicht leug- 
nen, daß noch Peine europälfhe Feder fie befchrieben. 
Mer des Berf. Darftellungsweife kennt, wird ſich auch 
nicht täufchen, wenn er die eingelegten Skizzen über Cha⸗ 
alter und Sitten ber Kurden und Araber fharf und 
lebendig gezeichnet glaubt. Daß der Reifende hin und 
wieder durch gefärbte Brillen gefehen und Unrichtiges ge: 
hört haben mag, will ich nicht widerfprehen. Doch ab: 
fihtlih bat er die Glaͤſer gewiß nicht gefärbt ober Fal⸗ 
ſches nacherzähft. Die meiften feiner Schilderungen tragen 
unverfennbar das Gepräge der Wahrheit. Unter Anderm 
ift das der Fall mit feiner Beſchreibung Bagdads zu ei: 
nee Zeit, wo dieſe einft fo berühmte Gapitole der Khali: 
fen, die Stade, In welcher Jeder fich zurechtzufinden weiß, 
ber bie „Tauſend und eine Nacht” geleſen, und bie jest 
zur Refidenz eines türkifchen Pafcha herabgeſunken, von 
Peſt, Hunger und Waffersnoth zugleich heimgeſucht wurde. 
Das gefhah 1831 und Frafer war damals fern von 
Bagdad. Er hat aber feine Mittheilung aus dem Tages 
buche eines Mifftonnairs, Namens Groves, geſchoͤpft, ber 
jene ganze Zeit — zehn ſchwere Wochen — bort zubrachte 
und Weib und Kind an ber Peſt verlor. Das aufge: 
rollte Gemaͤlde ift fürchterlih. Dennoch fchreibt mir ein 
Freund, der ebenfalls jene Schreckenswochen in Bagdad 
verliebte und nicht zu Denen gehört, die, weil fie ben 
Strauch mit umgehauen, daraus gern einen Baum ma: 
hen — er ſchreibt mir wörtlich: 

Frafer's Schilderung wird Ihnen übertrieben, die Farbe 
zu dicht aufgetragen erſcheinen. Mir dünkt die Schilderung 
ſchwach, die Farbe farblos, wenn ich mich Deſſen erinnere, 
was ich damals empfunden, und mich aufs neue von ben Ge⸗ 
ftalten des Todes umringt fehe. Nur in Einem Punkte trrt 
Brafer. Kr läßt bie Hungersnoth ber Peft folgen. Aber bie 
Hungersnoth eriftirte mit der Peſt und der Überfchwemmung 


zugleih. Schon daraus mögen Sie erkennen, daß ex nicht übers 
trieben bat. 


Mit diefee Berichtigung, welcher ih nur inſofern Ye’ 
nen Werth beilege, als fie für Fraſer's Wahrheitsliebe 
unpartelifches -Zeugniß gibt, wünfche ich dem Buche — 
und müßte es in einer Überfegung fein — bieffeit des 
Kanals viel folche Leſer, die gleich der Mehrzahl der eng⸗ 
liſchen an eine Reifebefhreibung nicht biefelben Anſpruͤche 
fielen wie an eine Novelle. 

(Die Sortfegung folgt.) 





Der Charakter, die Sitten und ber Geiſt der Frauen in 
den verfchiedenen Sahrhunderten. Von M. Thomas. 
Deutfh von Daniel Fenner von Fenneberg. 
Mebft einer Kleinen poetifhen Spende von Demfelben als 
Anhang. Marburg, Elwert. 1839. Gr. 12. 16 Sr. 


Es wird jet fo viel über die Weiber hin und her rai⸗ 
fonnirt und in einer oft fo einfeitigen, alle phyſiologiſchen und 
geſchichtlichen Erfahrungen in den Wind fhlagenden Weife, daß. 
es ein wirkliches Verdienſt wäre, wenn einmal biefer Disput 
über das weibliche Gefchledht auf eine gründliche Bafis, aus 
Geſchichte und Phyfiologie gebildet, zurücdgeführt würde. Das 
müßte jeboch in einem Buche gefcheben, welches mit ber Ste⸗ 
reotypausgabe des focialen Raifonnements über biefen Gegens 
fland, das zum Zheil von Ausnahmöweibern herrührt und ges 
nährt wird, möglichft keine Verwandtſchaft hätte, ohne deshalb 
eine philoſophiſche Durchdringung biefer Materie von ſich zu 
weifen. Man bürfte hierbei von keinen vagen Principien ause 
geben, etwa von der Anſicht der Emaneipationsfüchtigen, daß 
das Weib einmal unterbrüdt, in feinen natürlichen Rechten 
beeinträchtigt und nun aufs eiligfte zu emaneipiren fei, ſondern 
man müßte erſt aus einer gründlichen GCrörterung über Ark 
und Rätur bed Weibes auf fefte Yrincipien, auf haltbare 
Grund= und Grfahrungsfäge zurückkommen unb bie Stellung, 
genau bezeichnen, welche das Weib innerhalb der gegenwärtis, 
gen focialen unb politifchen Welt dieſen Grfahrungsgrundfägen 
gemäß einzunehmen hat. Bis jest hat man in biefer Sache, 
von Seiten ber Vertheibiger ber Emankcipationsfrage nur all- 
gemeine ſchoͤnredneriſche Floskeln zu Markte gebracht, die aller 
praftifchen Methode entfrembet find und von einem wirklichen 
Syſteme gar nichts, nicht einmal ben Anfchein einer Theorie 
haben. Wo eine Smancipation fastfindgn fol, müffen body 
beide Theile miteinander contrahiren, fie müflen wiffen, woran fie 
miteinander find, was ber eine heil zu gewähren, ber anbere 
einzuräumen bat, ein gefeglicher Zufland muß doch wenigftens 
jedem Theile garantiet und das gegenfeitige Hecht abgemefien: 
und feftgeftellt werben; aber alles bas kümmert unfere Gleich⸗ 
macher nicht, fie fpinnen an ben vagen Birngefpinnften ber Zeit 
weiter, obne zu wiflen, wo fie die Faͤden anlegen follen, unb: 
gulett haben ee fi in ihrem eigenen Traumnette gefangen und 

önnen zur Wirklichkeit nicht mehr zuruck — bas gewöhnliche 
2008 Derer, welche bloße fociale Ratfonnements und Stichwoͤr⸗ 
ter wiederkaͤnen und aufhören Wortführer zu fein, wenn ihre 
Tendenzen aus der Mode kommen und andere Tendenzen bafür 
an bie Stelle treten. Daß bas Weib feiner Phyſis nad. ans 
ders organifirt iſt und anbere Kunctionen bat als ber Mann,’ 
tft eine fo ſichtbare Erfahrung, daß man barüber Teiln Wort 
weiter veriieven darf; das Weib wird. alfo auch in der ſocialen 
und politifchen Welt eine andere Stekung und Beflimmung 
auszufülter und zu erfüllen haben als dee Mann; und je 
freier, je felbflänbiger ein Volk, deſto freier und -felbfiänbiger 
wird audy die Stellung des Weibes fein, ohne daß bamit ges 
fagt wäre, baß das Weib jemals ganz’ in bie Pofition des 
Mannes treten Tönne. 

Vorliegende Schrift des Akademikers Thomas gewährt für 
bie eben ausgefprodhenen Anſichten einige Haltpunkte, obgteich 
fie durchaus nicht gründlich iſt. Auf 144 Seiten laͤßt ſich der 


1256 


zsrichhaltige Stoff auch gar nicht erfchöpfen. Die phyfiologiſche 
und ethnographiſche Seite iſt ganz außer Acht gelafien; das 
Hiſtoriſche befchräntt ſich blos auf die Stellung der Frauen uns 
ter den Griechen und Römern, zur Zeit des Mittelalters unb 
in Frankreich; denn die Befchichte des modernen Weibes wird 
einem frangöfifhen Schriftfteller bei feiner nationellen Einſei⸗ 
tigkeit immer nur mit der Geſchichte des weiblichen Geſchlechts, 
wie fie fi in Frankreich entwidelte, zufammenfallen. Was 
von Schriftſtellern anderer Nationen als der franzöfifchen über 
diefen Gegenſtand gefchrieben worden, fcheint ihm ganz unbes 
Zannt geblieben zu fein. Dagegen findet ſich über die Pfyche 
im Weide mandye brauchbare Andeutung. Er hat Recht, wenn 
er fagt, daß für die Frauen im Allgemeinen bie Perfonen Als 
les, die Sachen nichts find; und es iſt wahr, daß die Zrauen 
felten für die Literatur, die Kunft, bie Geſchichte als ſolche fich 
begeiftern Lönnen, fondern mehr für die einzelne Erſcheinung 
ald Ausfluß und Probuetion einer Perſoͤnlichkeit, wobei fie 
böchftens die Stellung des Factum oder ber Production zur 
Krauenwelt im Auge behalten und ihr Kriterium von ihrem 
urfprünglihen Gefühle, nicht vom kritiſchen Verftande entneh: 
men; eine Reihe von Entwidelungen als ein organifches Gans 
es zu umfaflen und bie einzelne Entwidelung zu der Zotalität 
in ein Verhältniß zu bringen, wird ihnen nur felten möglidy 
fein. Daber foricht ihnen Thomas nicht blos die eigentliche 
Vaterlandsliebe, fondern auch ben KRosmopolitismus, die Liebe 
gu: Menſchheit ab, wenn man fich diefe als ein Ganzes benft; 
efto überfchwenglicher wird fich ihre Liebe für Ginzelne äußern, 
befonders für den einzelnen Leidenden, für die einzelnen ſchmer⸗ 
zenden Partien am Körper ber Menfchheit, welche ihnen immer 
nur im Spiegel Desjenigen erfcheint, für den fie ſich intereſſi⸗ 
ren, oder im Spiegel eines gefelfchaftlichen Kreifes, der fie um 
fi verfammelt. Um übrigens die Frage von Gleichheit ober 
Borrang der beiden @efchlechter gründlich zu entfcheiden, feht 
Thomas hinzu, müßte man zugleich Mebiciner, Anatom und 
Hhitofoph fein; und wir antworten ihm mit ben Worten uns 
fers Sarus: „Keineswegs Tann man ein Geſchlecht höher ftellen 
als das andere; jedes ift in feinem Kreife mit fchöner Zweck⸗ 
mäßigfeit entwidelt, und fo ftellen beide Gefchlechter zufammen 
erft den wahren Menſchen dar.” Die Überfegung iſt fietf und 
eig und bie Reihe der beigegebenen mittelmäßigen Gedichte 
unndthiger Ballaft, deffen Vorhandenſein an biefem Orte gar 
nicht zu erklaͤren ift. 16, 


Notizen. 


Das „‚Athenaeum’’ nimmt bei Gelegenheit ber Anzeige des 
kuͤrzlich erfchienenen Werks ‚The art of neediework, edited 
by the right hon. the countess of Wilton‘’ Anlaß, ſich über 
einen, an ſich jpar unbedeutend fcheinenden, aber deshalb doch 
nicht ganz zu überfebenden, mehr und mehr überbandnehmens 
den literarifchen Unfug folgendermaßen zu äußern: „Wir wüns 
ſchen Herzlich, daß uns ein mit den @eheimnifien ber Buchma⸗ 
cherei Bekannter den neuen Sinn erllären möchte, ben man 
dem Worte „edited beilegt; benn es tft dies gewiß eine 
verftechte Bedeutung, bie wir nicht ergründen Tönnen. Wir 
verftchen, was es heißt, wenn eine Perfon ein griechiiches 
Stück edirt; wir begreifen es, wenn ein NRapier eine Ency⸗ 
PMopäbie herausgibt, oder irgend eine lebende Perſon bie Werke 
eines verftorbenen Verfaſſers mit GSrläuterungen ober Verbeſſe⸗ 
sungen wieber vorführt; aber was bie hochehrenwerthe Gräfin 
ie der „Kunſt ber Stiderei”’ gethan haben mag, um 
ihren hochehrenwerthen Namen zu berechtigen, ben des unbe: 
titelten Gompilatore zu vertreten — benn ba ihre Ladyfchaft 
nur bie Herausgeberin ift, fo muß man natürlid annehmen, 
daß die Sache fich fo verhält — das geht über unfere Begriffe. 
Es ift wirklich erftaunlih, baß Perfonen von Rang und Ver⸗ 
ftand nicht begreifen, wie wenig es ihrem Anſehen entfpricht, 


ſolche Handelspfiffe zu begänftigen und ihre edeln Namen 
Taͤuſchung bes Yublicums herzugeben. Noch erftaunlicyer —* 
aber, daß Jemand mit geſundem Verſtande und von Bilbung ſich 
einbilden Tann, man koͤnne literariſchen Ruf erwerben, indem 
man unter folden Verhältniffen vor das Publicum tritt. Das 
Wahre bei der Sache iſt wahrfcheinlich, daß die Ariftokratie die 
Welt und deren Wege wenig Eennt, und daß bie £aby, deren 
Rame und biefe Bemerkungen abgezwungen bat, Zeinen bes 
fiimmten Begriff davon gehabt hat, was fie that, wie von ben 
Folgen ihrer Willfährigkeit." Das Werk an ſich erhält eine 
dem entſprechende Beurtheilung: Zitel und Inhalt ſtehen gang 
außer dem richtigen Verhältniffe zueinander: erſterer fei auf 
Effectmacherei berechnet; letzterer umfafle den eigentlichen Ge⸗ 
genftand nur fehr unvollftändig mit Beibringung einer Maffe 
nicht dahin gehöriger Notizen über Coftumirung u. dgl. 

bilde das Ganze, wie es vorliegt, für Denjenigen, welcher fi 
nicht felbft mit den, freilich nicht fehr entlegenen Quellen bes 
ſchaͤftigen koͤnne und wolle, eine gute Zuſammenſtellung. Aus⸗ 
gezeichnet ift die Schilderung der Bufammenkunft Hein⸗ 
rich's VII. von England mit Franz I. von Frankreich, bei 
welcher fo bedeutender Glanz und Prunk entfaltet wurde, daß 
ber Ort den befannten Namen des Goldfeides erhielt; body 
fcheint biefelbe ihrem ganzen Charakter nach aus einer andern 
Beder gefloſſen zu fein. 


Einer der fruchtbarften amerikaniſchen Schriftſteller, Ti⸗ 
mothy Flint, aus Neuengland gebürtig, ift Eürzlich zu Reading 
in Maflachuffets geftorben. Gr begann feine literarifche Laufs 
bahn als Herausgeber eines monatlichen Review und Iebte eine 
Zeit lang als Anfiedler am Rothen Fluſſe in Arkanſas. Geine 
Werke fanden auch in England eine günftige Aufnahme, vors 
züglich bie „‚Recollections of the Mississippi Valley”. Auch 
lieferte er im ‚‚Athenaeum‘’’ von 1835 mehre interefiante Ber 
richte über amerikaniſche Literatur. 47, 





Literarifhe Anzeige. 
In allen Buchhandlungen ift zu erhalten: 


Hiftorifches Zafchenbuch. 


Herausgegeben 


von 
Sriedrich von Baumer. 
Deue Folge. Zweiter Jahrgang. 
Gr. 12. Gartonnirt. 2 The. 12 Sr. 


Snhalt: I. Die Ritalienbrüber. Bon J. Boigt. — 
II. Ranbgloffen eines Laten zum Euripides. Bon F. v. Raus 
mer. — 111. Über die Epochen der Gefchichtichreibung und Ihe 
Verhältniß zur Poeſie. Eine Skizze von A. W. Knebel, — 
IV. Italieniſche Dip aten und diplomatifche KBerhältniffe. 
1260—1550, Bon Hıf. Reumont. — V. Sutenberg und 
feine Mitbewerber, ober die Briefbruder und die Buchdruder. 
Bon J. On. Fb. Sotzmann. (Mit zwei Tafeln 
Schriftproben.) 


Die erfte Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs beſteht aus 
gehn Zahrgängen (1830-89), die im Labenpreife 19 Thir. 16 Gr. 
often. Ich erlaffe aber fowol ben erften bis fünften (1830—34) 
als den fechsten bis zehnten Jahrgang (183539) zuſam⸗ 
mengenommen für fünf Thaler, fobaß bie ganze Folge 
gehn Thaler koſtet. Ginzeln koſtet jeder diefer zehn Jahrgänge 
Thlr. 8 Gr., der erfte Jahrgang ber Neuen Folge 2 The. 

KReipgig, im October 1840, 
S. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Str, 312, — 


7. November 1840. 





Neueſte engliſche Reiſeliteratur. 


(Jortſegung aus Nr. 311.) 


4. Narrative of a voyage to Madeira, Teneriffe and 
along the shores of the Mediterranean etc. With 
observations on the present state and prospects of 
Egypt and Palestine etc. By W. R. Wilde Du: 
blin 1840. 

Es war kein unangenehmer Zufall für einen jungen Arzt, 
tie der Verfaſſer vorgenannter zwei Bände, daß ein kran⸗ 
ker, reicher Mann, Hr. Meiklam, ihn zu feinem medici⸗ 
nifhen Rath und für eine, im Herbft 1837 nad ben 
Geſtaden des mittelländifhen Meeres gemachte Reife zu 
feinem Begleiter wähle. Hr. Meiklam bediente fidy dazu 
feiner eigenen Yacht, der Erufader, ein Schiff von 130 
Tonnen, und wer in einem Schiffe diefer Art — ih will 
nicht fagen zur See, fondern — Überhaupt nur gemefen 
ift, wird Leicht begreifen, daß es für Seefahrten ein com⸗ 
fortableres moyen de transport füglidy nicht geben kann. 
Mef., der hier aus Erfahrung ſpricht, hat ſich daher oft 
geroundert, warum bie Mitglieder der Royal Yacht So- 
ciety, Männer, denen „bie Sorge für das Leben’ fremd 
ift, von ihren herrlihen Schiffen, wahren Mufterfeglern, 
einen fo befchräntten Gebrauch machen, fie meift nur zum 
Mettfegeln: oder zu Eleinen Zagereifen, felten zu weitern 
Fahrten und noch feltener zum Vortheil der Wiſſenſchaft 
und Literatur benugen. Hr. Wilde befuchte mit feinem 
Patienten, der häufig gefünder geweſen zu fein fcheint ale 
der Arzt, Madeira, Teneriffa, Algier, Äghpten, Paläftina, 
Tprus, Rhodos, Telmeſſos, Eypern und Griechenland, 
trat in Spanien ans Ufer und kehrte wohlbehalten nad) 
Dublin zuruͤck. Madeira und Teneriffa waren bei der 
Abreiſe die allein beflimmten Zielpunfte; im Übrigen lau: 
tete der Plan: „den Lauf zu richten, je wohln Klima 
ober Neugier lockten“. Solches Reiſen bat viel Ange: 
nehmes. Aber obwol bie Meifenden überdies weder Ent: 
behrungen zu leiden, noch mehr als ganz gewöhnliche 
Gefahren zu beftehen hatten, bemweift der Befchreiber, daß 
es alles Deffen nicht bedarf, um interefjante Detaild zu 
liefern. Demnädft find die befuchten Länder und Orte 
gerade in ber neuern Zeit fo wiederholt beſucht und be: 
ſchrieben worden, daß ein abermaliges Buch in Gefahr 
fheint, Kohlen nad) Newcaſtle oder Waſſer in dis Elbe 


zu fragen. Gleichwol bat der Verf. weder das Eine 
noch das Andere gethan; zu dem Bekannten melß er im: 
mer etwas Neues zu fügen, und feine Bemerkungen über 
Agypten, feine Korfhungen in Betreff der Lage des alten 
Tyrus und feine Prüfung der fchroierigen Topographie von 
Jeruſalem — dies und mandyes Andere bekundet fchnelle 
Auffaffung, Scharffinn und wiſſenſchaftliche Studien. Auch 
fehlt e8 dem Werke nicht an warmen, lebendigen Schil⸗ 
derungen, und erlaubte der Raum, nur eine berfelben, 
vielleicht die Erfteigung des Pics von Teneriffa, heraus: 
zuheben, fo dürfte den Lefern ein Verlangen nah Meh⸗ 
tem, l’appetit en mangeant fommen. Bor jener Erſtei⸗ 
gung, die vom günftigften Erfolge gekrönt und binnen 
20 Stunden vollendet wurde, flatteten die Meifenden dem 
berühmten Dracdyenbaume — Dracoena draco — in einem 
der Bärten von Dratava eine Viſite ab und fanden, dag 
diefer Baum, der für einen der äfteften auf unferm Er: 
denrunde gilt und von welchem der Verf. deshalb be: 
merkt: „one feels a degree of veneration on standing 
beside such a patriarch of the vegetable world, which 
has withstood the suns and storma of centuries’’, ſeit 
ber Zeit, wo Humboldt ihn gemeffen und wo fein Um: 
fang unmittelbar über den Wurzeln 45 Fuß betrug, trog 
der Stügen, deren er jegt bedarf, und ungeachtet er zwar 
immer noch einige Blätter, aber fhon feit Jahren keine 
Blüten mehr treibt, ſich um 2 Fuß 9 Zoll erweitert 
bat. Der Weg nad Dratava führt vom Hafen aus an 
einem botanifhen Garten vorüber, welchen ein fpanifcher 
Edelmann angelegt und bei feinem Tode aus Beforgniß, 
daß fein Sohn ihn vernadhläffigen möchte, der fpanifchen 
Regierung vermacht hat, die nun genau Das thut, was 
der Erblaffer zu vermeiden gewuͤnſcht. 

Bor einiger Zeit — fagt der Verf. — machte die preußi⸗ 
ſche Regierung ber fpanifchen Kaufsanerbietungen, um Pflanzen 
dee weftlihen Welt vor deren Überſchiffung nadh Europa hier. 
zu naturalifiren; allein mit geziemendem würbevollen Stolze 


laffen die Spanier den Garten lieber verfallen, als daß fie An⸗ 
dern erlaubten, ihn zu bebauen. 


Hat ſchon ein deurfches Blatt diefer preußiſchen Gaͤrt⸗ 
nereifürforge gebacht, oder muß ein Itlaͤnder e8 uns Deut⸗ 
fhen erzählen, ober ift an ber Erzählung nichts wahr? 
Mef. begnuͤgt fih ungern mit der Eurzen Anzeige eines 
Werts, das eine lange verdient. 


12725816 


5. Eleven years in Ceylon. Comprising sketches of the 
field-sports and natural history of that colony, and 
an account of its history and antiquities, By Major 
Forbes. 2ondon 1840. i 

Das ,Morgindlatt“ hat aus bieſem Bude Snier 
tber den Elefantenfang in: Ceylon zufammsengefellt; und 
vor ihm ein englifhes Journal fo genau Daſſelbe gethan, 
daß fogar zwei ober drei in das Bud, hineingetragene 
Unrichtigkeiten fi in beiden Journalen vorfinden. Neu 
und interefjant find die betreffenden Mittheilungen bes 
Major Forbes allerdings. Sie berichtigen audy unter An: 
derm zum Nachtheil des Elefanten mehre, deſſen Klug: 
beit anlangenbe Irrthuͤmer und die angeführte Thatfache, 
daß in Ceylon ein einzelner Jaͤger es unbedenklich mit 
einem ober zwei Elefanten aufnimmt, hat die londoner 
Sofdatenfpötter an eine Scene erinnert, die fi vor fünf 
ober ſechs Jahren in der Nähe der dortigen Exeter Change 
zuteug. in Elefant war etwas unlenffam worden unb 
eine Compagnie Garbegrenabiere rüdte zur Erlegung des 
Eingefperrten an. Der Elefant fiel, ich weiß nicht von 
wie vielen Rugeln getroffen, und die Zeitungen gaben ei: 
nen vollftändigen Schladhtplan, A. ber Elefant, B. eine 
Compagnie Garbegrenadiere u. |. m. Das las man da: 
mals mit zu Berge fleigendem Haar. Jetzt lacht man 
über die heroiſche That, und wenn es wieder einem Ele⸗ 
fanten in den Sinn kommen follte, unlenkſam zu wer: 
den, darf er nicht auf die Ehre eines militairifchen Todes 
rechnen. Diefe Aufllärung ift jedoch nur ein untergeord: 
netes DVerbienft des Zorbes’fhen Werkes. Höhere Wich: 
tigkeit bat, was ber Verf. über das Sonft und est von 
Ceylon berichtet und mie diefe Colonie geworden, was 
fie iſt. Das könnten unfere Freunde, die Franzofen, in 
Bezug auf Algerien fi ad notam nehmen, wenn es 
nicht Dinge gäbe, welche die Sranzofen „nie lernen, nie 
vergeſſen“. Das dermalige Geplon erhebt fi) unter eng: 
liſchem Colonifationsfyfteme zu einer der wichtigften und 
werthuollften Befigungen, welche England im Often hat. 
Die Eingeborenen find von dem fie erdrüdenden Despo⸗ 
tismus ihrer Fuͤrſten befreit; durch unzugänglihe Lan: 
desſtrecken führen geebnete Straßen; unparteüifche Rechte: 
pflege fpricht gleichmäßiges Urtheil über Einheimifche und 
Stemde, über Arme und Reiche; eine tüchtige Policei 
befhügt Leben und Eigenthum; eine Sparkaffe hat fich 
Vertrauen erworben; das Land wird forgfam bebaut; 
feine phyſiſchen Hülfsquellen kommen in Fluß und die Ein: 
geborenen erfennen bie Verbeſſerung ihrer Lage. 

Mit Kraft, aber nicht nafeweis reformirte Snftitutionen — 
fagt der Berf. —; dirette, auf bebautes Land erft mäßig gelegte, 
dann genau geordnete, ſchonend erhobene, zulegt abgelöfte Steuern; 
ein ganzes an Sinem Tage aus einem fehlimmern Zuſtande 
als Sklaverei in alle Segnungen ber Freiheit, ohne Gefahr für 
bie Regierung und mit unberechenbarem Vorheile für dir Regier⸗ 
ten, eingetretenes Boll; zunehmende Lanbescultur; ein er: 
freulicher Wechſel im Charakter der Eingeborenen; im Allge⸗ 
meinen verringerte Auflagen; ſchnell fih mehrende Gtaatseins 
künfte; ein wohlhabendes und glüclihes Volk und, es iſt 
Beine Übertreibung, binzuzufegen, ein verbeffertes Klima: — bas 
find die Wirkungen ber britifchen Herrſchaft in Geylon während 
der letzten Jahre. 





Das Wie biefer Geftaltung muß in bem Werke ſelbſt 


Anqhhgeleſen werden. Der Verf. bat es mit derſelben Ge: 


nauigkeit entwidelt, mit welcher er bie frühern Verhaͤlt⸗ 
niſſe der Cingaleſen und ihre aͤlteſte Geſchichte durchfotſcht 
hat, und es muß in de Th oppelt ſuen, ee ÜcıeY 
ber Cultur zuruͤcgegeben zu ſehel, weiches-: ‚old eime zahl: 
veihe und verhaͤltnißmaͤßig civilifirte Nation zu einer Zeit 
daftand, wo Großbritannien noch nicht entdedt und feine 
Bewohner in Barbarei verfunfen waren’. Aus heimi⸗ 
ſchen, in der Paliſprache abgefaßten Urkunden — einem 
Idiome, welches dem heutigen Cingaleſiſchen ebenſo ver- 
wandt zu ſein ſcheint wie der Sanskrit dem Hindoſtani⸗ 
ſchen — laͤßt die Geſchichte Ceylons ſich bis in die aͤlteſten 
Beiten zurüdführen. Sie liefern ein Verzeichniß von Kö: 
nigen, unter beigefügter Erzählung ihrer merkwuͤrdigſten 
Zhaten, das 24 Jahrhunderte oder ungefähr bis ins Fahr 
543 vor Ehrifto hinauf und bis in die juͤngſte Zeit herab: 
reiht. Die Liſte nennt 165 Souveraine. Während die: 
fer ganzen Periode gehörten bie Cingalefen gleich andern 
öftlichen Nationen mehr zu ben gebildeten als zu den bar: 
barifhen Bölkerfchaften, fliegen aber die Reiter der Cultur 
nicht hinauf, fondern hinunter. Sie bauten Städte, Tem: 
pel und Wafferleitungen, außerordentliche und prächtige 
Werke, deren Ruinen und zahlreiche Infchriften bie ficher- 
ften Bürgen für die Wahrheit der Hiftorifchen Urkunden 
find. Aber die Zempel waren hauptfächlich einem rohen 
Sögendienfte gewidmet. Schon die Griechen und Römer 
Eannten Geylon. Es galt ihnen ein Land voll Gold, koͤſt⸗ 
licher Steine und Spezerelen, und unter der Regierung 
bes Claudius, erzählt Gibbon, wurde ein Freigelaffener, 
der die Zölle des rothen Meeres gepachtet, von ungünfti- 
gen Winden an die Küfte von Ceplon verfchlagen, wo er 
ſechs Monate bei den Eingeborenen vermeilte und den Rd: 
nig, der nie zuvor von der Macht und Gerechtigkeit Roms 
gehört, mit einiger Mühe überrebete, eine Gefandtfchaft 
an den Kaifer abzuordnen. Später machten die Portu: 
giefen den erften Verſuch, ſich der Inſel zu bemächtigen. 
Sie fliegen ums Jahr 1505 ans Land und hatten fait 
ein volles Jahrhundert mit ben Eingeborenen unaufhoͤr⸗ 
liche Sehden. Dann kamen die Holländer und vertrieben 
den legten Portugiefen 1658. Doch aud die Holländer, 
obgleich fie ſich lange Zeit behaupteten und fogar einen 
Niederlaffungsverfuh der Franzoſen fiegreich abwehrten, 
gewannen nie eigentlid feften Fuß und ließen ſich 1796 
von den Engländern ſelbſt aus Ihren Feſtungswerken faft 
ohne Schwertfhlag vertreiben. Seitdem gehört nun zwar 
Geylon zu Großbritannien, duch bis ins J. 1815 war 
ber Befig ein fehr ungeroiffer, Hunderte von englifchen 
Soldaten und Zaufende von Eingeborenen bezahlten ihn 
mit ihrem Leben. In jenem Jahre wurde ber König ges 
fangen, von feinem eigenen Adel bes Thrones fir verlu- 
flig und mit Bewilligung beffelben Eeylon zur: englifchen 
Kroncolonie erklärt. ine, zwei Jahr nachher ausgebro⸗ 
chene Empörung abgerechnet, die mit völliger Unterwer: 
fung endete, bat die Infel von de an die Segnungen 
bes Friedens genoffen. 

Major Forbes, deffen ausflhrfihen und belehrenden 











1259. 


Nachweifungen dieſe Angaben entnommen find, hat von 
1826 —37 ſich in Ceylon aufgehalten und bafelbft Leine 
Hetlichkeit, die einiges Intereffe ot, unbefucht und nichts 
unerforfcht gelaffen, was ihn in den Stand fegen konnte, 
ein in jeder Beziehung fo vollfiändiges und befriedigendes 
Werk zu liefern, als er in den genannten ziel Bänden 


geliefert bat. 


6. Journal of travels in Palestine, Egypt and Syria. 


By Marie Joseph de Geramb, monk of La Trappe. 
London 1840. 

Es mögen nahe an dreißig Jahr fein, daß ein beuts 
ſcher Baron in London erfhien mit didem Baden» und 
langem, fpig auslaufenden Schnauzbarte, in einem Go: 
ſtum, welches die Wunderlichkeiten aller Nationen des Er: 
denrundes in fich vereinigte, in einem Wagen, deffen Con: 
firuetion ein Wagenbauer zu erklären vermochte, und mit 
der Verfiherung, daß er ein, Mapoleon’6 Despotismus 
entflohenes Schlachtopfer fei. Die beutfhen Barone, mit 
und ohne Bärte, waren in jenen Zagen ber Abfperrung 
für London eine größere Seltenheit als jegt, und Baron 
Geramb wurde ber „Loͤwe““ bed Tages. Sein Portrait 
hing in jedem Bilderladen; was er that und maß er trieb, 
war ein flehender Zeitungsartikel; Leine Gefellfchaft war 
volzähtig ohne ihn; ſelbſt Carltonhouſe warb um bie 
Ehre feiner Gegenwart, und fo oft er ſich in den Strafen 
blicken ließ, z0g ihm ein Kometenſchweif von Gaffern nach. 
Sechs oder fieben Wochen länger als je ein Löwe herrfchte 
er fouverain in ber fafhionabeln Welt; dann eines ſchoͤ⸗ 
nen Morgens war er verfhwunden. Und nun, fall nad 
der Dauer eines Menſchenalters, tritt der Baron wieder 
auf, fo plöglich, als fei er von den Tobten eritanden, 
nicht länger ber Mann der Mode, fondern ein Moͤnch von 
La Trappe, als welcher er im Muſchelkleide und mit 
dem Pilgerftabe Paldftina, Ägypten und Syrien durch⸗ 
wandert hat. Das Buch unter obigem Titel erzählt die 
Refultate. 

Man darf von vornherein annehmen, daß das Gewand 
des Barons ihm Gelegenheit verfchaffte, gerabe mit fol: 
chen Theilen der Bevölkerung befannt zu werben, melde 
der Beachtung der Neifenden gewöhnlich entgehen. . Ein 
mit.einem Firman Bewaffneter — gleichviel ob Englän: 
der, Franzoſe oder Deutſcher — wird von einer mohams 
medanifchen Behoͤrde an bie andere, ich möchte fügen, 
ſchubmaͤßig abgeliefert, und was die Herren von der chriſt⸗ 
lichen Bevölkerung zu fehen befommen, beſchraͤnkt ſich 
auf flüchtige Beſuche der Kloͤſter und einiger berühmten 
Kirchen. Der beſcheidene Mönch dagegen tritt in bie Huͤt⸗ 
ten und Zelte der katholiſchen Araber, von deren Daſein 
mancher Touriſt kaum eine Ahnung hat, und obwol der 
Verf. das Verlangen nach recht Vlelem in biefer Bezie⸗ 
hung unbeftiedigt gelaffen, fo verdient er doch ſchon für 
das. Gegebene den Dank ber Lefer, und dieſen um fo 
wärmer, je ſtrenger er ſich der Wahrheit befleißigt zu ha⸗ 
ben fcheint. Bereits Burckhardt und Niebuht haben bie 


Laſten gefchildert, welche die mohammebanifchen Araber ih⸗ 


ven Frauen aufbürden. Tragt bie Naſen nicht hoc, lies 


ben Chriften; eure Ölaubensverwanbten in Palaͤſtina mas 
hen es um kein Haar beffer. Was der Verf. davon 
erzählt, dürfte in keiner unferer emancipationsluſtigen Frauen 
Neid erweden. Elf Monate im Jahre müfjen die Frauen 
von Bethlehem das Waſſer eine Stunde weit holen, in 
Schläuhen, von benen ber beutfche, Eörperftarke Baron 
einen auf den Rüden genommen und mit Mühe — fünf 
Schritt getragen hat. Demnaͤchſt müffen die Wefber auch 
das Holz, zwei und mehre Stunden welt berbeifchleppen, . 
und während fie unter ihren Buͤrden ſchier erliegen, figen 
die Eheherren auf offenem Markte und thun bei Pfeife. 
und Geplauder ſich gütlih. Das iſt aber noch nicht ger 
nug. Mit dem Holze, das fie gefchleppt, muß bie Frau 
das Waſſer heiß machen, das fie getragen, und bem Ehe⸗ 
herrn die Füße wachen, dann fein Abendbrot kochen, 
dann ftehend ihn bedienen, ihn und ben diteften Sohn, 
dann warten, bis Beide abgefpeift, und dann, in einem 
Winkel kauernd, einfam und allein fi mit Dem begnuͤ⸗ 
gen, was bie Herren der Schöpfung Übriggelaffen. . Daß 
die Sympathien des beutfchen Barons für das weibliche 
Geſchlecht auch unter der Moͤnchskutte nicht erkaltet find 
und er mit glühenden Farben die Unbill der Gedrüdkten 
ſchildert, läßt von deutſcher Ritterlichkeit ſich anders nicht 
erwarten. Daß aber der Möndh, der bigote Mönch 
und ber zelotifche Eiferer, als welcher der Verf. ſich er⸗ 
weift, Gefühl für die unglüdlichen Juden in Serufalem 
zeigt und günftiger von ihnen ſpricht als fonft ein Rei⸗ 
fender, bringt feinem Herzen Ehre. Laut feiner Angaben 
find die Juden Fremdlinge in der Stadt ihrer Väter, 
Heimatlofe auf dem Boden, wo der Tempel ihres Volkes 
ftand, verachtet von Mufelmännern, verabfcheut von Chris 
fien, Sklaven ohne gefeglihen Schutz, ja, die Knechte ber 
Sklaven. Wie wenig e6 daher auch zu verwunbdern, daß 
moralifche Verderbniß im Gefolge politifcher Bedrädung 
und ber Geift unter den Fußtritten verfrüppelt, welche 
das Herz treffen — body verfichert der Verf., dab die Ju⸗ 
den in Serufalem gut erzogen, nicht ohne geiftige Bildung 
und im bürgerlichen Verkehr nicht fchlechter als in bey 
Ländern, wo ihre Brüder nicht blos frei, fondern auch 
Freiherren, nicht blos reich, fondern auch Grundbefiger. 
Neben diefer redlihen Anerkennung fchillert die Keichtgläus 
bigkeit des Verf. bei Beſchreibung ber geheiligten Localis 
täten ins Lächerliche, und wenn nichts Überrafchendes darin 
(kegt, daß aus einem Stuger ein Ascetiker,. aus einem 
Baron ein Mönch geworden, fo legt man bagegen das 
Buch mit Bedauern aus der Hand, daß ein fo geifle 
reicher und talentvoller Mann ein fo heftiger Fanatiker 
und fauertöpfifcher Froͤmmler werden Eonnte. 

Die Reifeflizgen find zwar nur flüchtig, aber mit Kraft 
und Leben gezeichnet; ber Bericht über Goppten verdient‘ 
ſelbſt nach den betreffenden Mittheilungen des fürftlichen 
Verftorbenen Beachtung, und das vom. dem gegenwärtigen 
Zuftande Alerandriens entworfene Gemälde iſt ebenfo ums 
terhattend als belehrend. u 


(Der Beſchluß folgt.) 





7260 


Friedrich Gottlieb Zimmermann's Dramaturgie, 

nebſt einer charakteriſtiſchen Lebenskizze des Verfaſſers. 

Herausgegeben von Georg Lotz. Zwei Bände. Dam: 
burg, Herold. 1840. 8. 3 Xhlr. 


Der belannte Dramaturg Zimmermann war zwar fin 
Leſſing, injwifchen doch ein zu feiner Zeit verdienftlicher dra⸗ 
matifcher Kritiker und zeichnete ſich in diefem Beruf durch Bes 
fhmad und Unbefangenheit des Urtheils aus. Unſere Zeit hat 
allerdings wol mehr und Wichtigeres zu thun, als auf Theater: 
Zeititen aus den 3. 181720 zurüdzulommen, welde überdies 
ſchon ihre Wirkung gethan haben; indeſſen Hat Zimmerman an 
dem Orte feiner Shätigkeit (Hamburg) eine gewifle Geltung 
behauptet und fo mag denn allerdings eine Ausnahme erlaubt 
fein. Wir haben felbfi einen Theil dieſer gef;madvollen und 
geſchidten Auffäge mit Vergnügen wiedergelefen und gönnen 
diefe Befriedigung auch Andern. Kunftgeift, gute Wiflenfchaft, 
Takt und eine anmuthige, unbefangene und ungelünftelte 
Darfielung, weiche die Tiefen der wiflenfchaftlichen Kritik nur 
eben berührt, ohne ſich darin zu verlieren, geben biefen Ab: 
handlungen einen bleibenden Werth, ja vieleicht ſelbſt, unter 
fo vielen fpätern Verirrungen, einen gewiffen Anftrich von Glaf: 
fiettät. Leſſing's tiefe Durchdringung wohnt ihnen nicht bei, 
defür aber find fie auch frei von dem Gigenfinn unb dem ifo> 
Iirten, fubjestiven Urtheil fo mancher bedeutenden Dramas 
turgen, ober von ber bewußten Befangenheit Müllner’s und 
feiner heutigen Schule. Unter bdiefen durchweg guten Xuffägen 
zeichnen ſich einige durch Neuheit und wirklich geiftuolle Faſſung 
aus. Dahin gehört: „Die Schub”, „Macbeth”, „Die Braut 
von Meffina‘‘, „Ban Dyck's Landleben‘‘, „König Rear’, „Phaͤ⸗ 
dra“, „Donna Diana”, „Die Albaneferin‘ u. a.m., aus wel: 
Ken für Dramaturgen und Künftlee mancherlei zu lernen ift. 
Bimmermann bafirt fein Urtheil ſtets auf Weſentlichkeiten; er 
ift niemals blos fubjectiv, er heftet fi nie an Kteintichtelten, 
Zufaͤlligkeiten, kurz er ift, in dieſen Auffägen wenigftens, wirt: 
lich Kritiker. Die Eurzen Bemerkungen über dramatifche 
Kunft am Schluß bes zweiten Bandes laſſen bedauern, daß fie 
fo unausgeführt geblieben find; ber Verf. war auf dem Wege 
zu einem tüchtigen und lange Zeit braudybaren Lehrbuche über 
Mimit und Dramaturgie in ihrem Zufammenhange. Beine 
Bemerkungen find fein und oftmals wirkliche Lichtblide und 
haben felbft das vor Leffing voraus, daß fie niemals fpiefindig 
und bpperkritiich werben, wie dies jenem großen Dramaturgen 
allerdings wol begegnet. Der Verf. war Schulmann unb 
im Befig einer guten claffifhen Vorbildung. Es iſt unfere 
Überzeugung, daß Niemand ohne eine ſolche im Felde dramatiſcher 
Kritit auf Erfolg Rechnung machen Tönne Gr blieb ein ehr: 
licher, redlicher Freund ber Kunft auch durch bie drei Epochen 
(einer Thatigkeit, bis mit gebrochener Willenskraft Unmuth und 

noftlichkeit, die in übergroßer Gutmüthigkeit ihren Grund 
hatte, ihn von ber rechten Bahn ablenkten. Er flarb im Jan. 
1835, nachdem feine literariſche Wirkſamkeit ſchon 1833 ges 
ſchloſſen hatte. Wei. Befreundeten bat &. Log, der Sammler 
Fre Kuffäge, ihm ein anerfennungswerthes Anbenken 9 ges 

tet. . 





Neuefte englifche ſchoͤnwiſſenſchaftliche Literatur. 


‚, @rommeu ift eine. derjenigen hiftorifchen Figuren, an wel: 
hen fih Geſchicht⸗ wie Romanenſchrelber in der Regel je nad 
den politifhen Tendenzen, die diefe hiſtoriſchen oder poetifchen 
Portraiteure in Ihrer Darftellung hervorzuheben fuchen, ver: 
fündigt Haben. Bei aller diefer Verſchiedenheit gleichen fi) doch 
namentlich die legteen fat ſäͤmmtlich darin, daß fie trog ber 
Vielfeitigkeit feines Charakters immer nur Gine beflimmte Rich⸗ 
tung als den Ausdrud feiner vollen Perfönlichkeit hingeſtellt 
haben. Man kann behaupten, daß feit Shaffpeare faft Nie: 
mand in England aufgetreten ift, der dem Verſuche gewachſen 


- 


geweien wäre, eine gelungene Edüberang Soommweila in der 
angedeuteten Art zu geben. Der neuerd erſchienene „Ol 


Cromwell, a historical romanco, edited 


(3 Bde.) gehört nicht gerade zu den verfchlten Verſuchen; doch 


Tann er deshalb nicht ganz genügend befanden werben, wei «&- 
an der gehörigen Durchdringung des Hiftorifchen Stoffes, wie 


an ber eigenen Gefindung des Berf. fehlt. Grommeil’s Geſtalt 
tritt als gewaltiger Repräfentant ber vollen Zhatkraft hervor; 
feine Geſtalt brauchte aber nicht erſt noch durch den Kunftgriff 
gehoben zu werden, bie Gegenpartei bis ins kieinlichſte Detail 
berabgufcgen und zu brandmarken. Die Schlachtſtentn- fünnen 
fi ohne Scheu mit denen von W. Scott meffen ; weit ſchwaͤ⸗ 
her dagegen iſt eine eingeflocdhtene Schilderung Milton's. — 
Ein anderer biftorifcher Roman: ‚The ; a novel by an 
old author in a new walk’ (3 Bde.), macht den Zuſtand 
Staliens zur Zeit Siemens’ VII, zur Grundlage; die Zeichnung 
der Haupicharaktere, als bes Ritters ohne Furcht und Zabel, 
des Gonnetable Bourbon, des Marguis von Pescara und 
Franz' I. iſt treu; die der erbichteten Perfonen tritt gegen fie 
far? zurück. — Die Ereigniffe in ‚The man at arms‘‘ von G. 
P. R. James fpielen in ber Zeit der franzöfifchen Religions 
Triege; fie entwideln ſich ganz entſprechend den Zeitverhältnifs 
fen und folgen ſich in lebendiger Schilderung raſch aufeinander. 
Richt außer allem Zufammenhange mit dem innern Gehalte 
fteht die äußere Erſcheinung, dap der Roman fi) nicht nach 
der in England jegt faſt ftehend gewordenen Bitte durch drei 
Bände hindurchzieht, fondern auf einen einzigen bejchräntt: 
ein Beifpiel, welches vielleicht geeignet ift, der ermüdenden 
Weitſchweifigkeit der dreibändigen Romancnliteratur ale heil⸗ 
fames Gegenmittel zu dienen. — Der Architelt George Might: 
wid will in „The palace of architecture, a romance of 
art and history’, in ben @emüthern Derer, welche für das 
Schöne, das Poetifhe und Romantifche empfänglicy find, eine 
gerechte Würdigung der Baukunſt verbreiten, und, wenn aud 
ohne vollen Erfolg, erftrebt er in feinem Werke ben Stand⸗ 
punkt in Bezug auf Baulunft, den Scott's Novellen in Ber: 
bältniß zur Gefchichte einnehmen. Das Buch zeichnet fich durch 
eine toftbare Ausſtattung aus, wenn fchon die Zeichnungen nicht 
durchgaͤngig Iobenswerth find, ja fogar mitunter, wie bei den 
ägyptifchen Denkmälern und bri Gegenftänden der mauriſchen 
Baukunft, in Garicaturen ausarten. Außerbem fehlt es am 
ſtrenger Gonfequenz bes Geſchmacksſurtheils und bie ganze De⸗ 
handlung des Stoffs ift zu loſe, um viel Belehrung zu gewähs 
ren und für den großen Leferkreis von Nugen zu werben. — 
Den Stoß, welden der Ruhm ber Lady Bulwer durch ih⸗ 
ven „Cheveley“ erlitten, bat bdiefe durch ihre neueſtes Werk: 
„Ihe budget of the bubbie family‘ (8 Bde.) ,- keineswegs 
wieber gut gemacht: das Ganze ift fo fehr eine fortlaufende 
Garicatur, daß es nicht ſowol zum Lachen ald zum Bedauern 
veizt. Begleitet ift das Werk von einer fatirifchen Widmung 
an Miftreß Trollope, wie fie ein Swift u. A. ſich nicht erlaube 
haben würden, und von einer Vorrede, in weicher fie fi bei 
den Kritikern für den Zabel über ihren. „Cheveley“ bebankt,. 
„weit ihre Lob eine Schmach und ihre Bunft eine Entwärbis 
gung ſei“. — „The table talker, or brief ossays on s0- 
ciety and literature” iſt ein paffendes Geitenftüd zu Iutes 
Sanin’8 ‚‚Catacombes”, infofeen in beiden fi der Stand⸗ 
punkt des Zalents am ficherften erkennen laͤßt, von weldem in 
der franzöfifchen und engliſchen Xagesprefie die belletriſtiſchen 
Intereflen vertreten werden, wobei aber das Refultat der Ber⸗ 
aleichung nicht zu Gunſten der letztern ausfällt. — Rament⸗ 
lich wegen ihres epigrammatifchen Inhalte verdienen bie „Me- 
moirs, letters and comic miscellänies in prose verse 
of the late James Smith”, von deſſen Bruber Horace her⸗ 
ausgegeben, eine befandere Erwähnung. — Die leute Exrſchei⸗ 
nung. auf dieſem Gebiete ter engliſchen Literatur endlich ff 
„The clandestine marriage” von Mib E. Wallace (3 ar). 


Berantwortliher Deraudgeber: Heinrich Brodhbaus. — Drud und Verlag von 3. A. Brodbaus in Leipzig. 





y Borace Smith't. 








Blätter 


für 


Viterarifche Unterhaltung 








(Beſchluß aus Nr. 312.) 
7. A tour through the Australian Colonies in 1839. 
By A. Russel. Glasgow 1840. 

Herr Ruffel, mit einfachem I, alfo kein Mitglied der 
großen Bedford: Ruffell’fhen Familie, fondern ſchlechtweg 
ein junger Kaufmann, befuchte, verwichenes Jahr die vor: 
züglichften Haͤfen der auftralifhen Niederlaffungen und 
veröffentlicht bei feiner Ruͤckkehr, was er gefehen und ge: 
hört. Da der englifche Literaturmarkt mit Büchern über 
jene Colonien, namentlih in Berkdfichtigung der dahin 
flattfindenden Emigration gegenwärtig uͤberfuͤllt ift, fo 
würde ich das Ruffel’fche Product unerwähnt gelaſſen ha⸗ 
ben, wenn nicht der Inhalt der meiften jener Werke von 
mindeſtens zweifelhafter Wahrheit, gerade dieſer Punkt bei 
Ruſſel's Büchelchen mir verbürgt wäre und ich es des: 
halb der Verbreitung in Deutfchland werth glauben müßte. 

Nach einer Seefahrt von 130 Tagen landete ber Verf. 
am 31. März 1839 in Holbfaft Bai unmelt Abelaide. 
Der Weg nad) der Stadt lag Über eine meite, zwar hier 
und da mit Bäumen befeste, aber im Allgemeinen bürre, 
fandige und mit einer Menge todter Schafe baftrente 
Ebene. Das Entree in Adelaide gefhah auf Emigration: 
Square, wo hölzerne Häufer zur Beherberbung der von 
den Commiſſionnairen fpedirten Goloniften errichtet find 
und Lestere bis auf weiteres Unterbringen bleiben. Die 
Häufer waren damals fämmtlic vol und die Unzufrie⸗ 
benheit der Inwohner groß. 

Sie Magten, daß vor ihrer Abreife von England ihnen 
Berfprechungen gemacht worden, die meiſt unerfüllt geblieben, 
und daß das Unangenehme biefer Taͤuſchung durch Krankheiten 
mancherlei Art erhöht werde, von denen bie vorherefchenden 
Diarrhoͤe und Ophthalmie, jene eine Folge des Waſſers, dieſe 
eine Wirkung der vom Sande reflectirten Sonnenftrahlen. 

Die Wirchöhäufer find im Ganzen nicht übel; In el: 
gem berfelben führt „die Dame vom Haufe & la Pari- 


sinne” den Vorfig an der Zafel und die hohen Spies | 


gel fammt ben funkelnden Lampen vergegenmärtigen ein 
parifer cafe. Vorzuͤglich des Abende findet fich bier viel 
Geſellſchaft ein, und dba kann ein aufmerkfamer Zuhörer 
ziemlich, Alles erfahren, „was im Städtchen paſſirt“. Auch 
fand der Verf. mehre Kaufläden „vonftändig affortirt” und 
zahlreich beſucht. Das Sonderbarfte ift aber unftreitig, 
dag diefe dem Handel beflimmte Stadt über eine beutfche 





— Nr. 313. — 


8. November 1840. 


nr... 





Meile von Seegeftade abliegt und die Schiffe nur in 
großer Entfernung Anker werfen können, was natürlid) 
das Landen ber Güter und Paffagiere gleich ſchwierig und 
£oftfpieltg macht. 

Es fcheint beinahe — fagt Dr. Nuffel — als habe man 
fi Mühe gegeben, für die Dauptfladt bieſer jungen Golonie 
längs der ganzen Küfte die ungünftigfte Stelle aufzufinden. 

Ländereienhandel — land-jobbing — bildet zur Zeit 
ben Stapelartikel des commerciellen Verkehrs und des ge: 
felligen Gefpräche. 

Es ift in Wahrheit das non plus ultra der Unterhaltung. 
Wo Zwei zufammenftehen, reden fie gewiß von Landſpeculation, 
und eines Abends erbot fi Jemand im Öffentlichen Kaffeezim⸗ 
mer, brei ober vier Baupläge in ber bei Port Lincoln anzules 
genden Stadt um den mäßigen Gewinn von 1200 Procent 
zu verlaufen. 

Zür die ganze, auf 8000 Seelen berechnete Bevoͤlke⸗ 
rung jener Provinz gibt es noch nicht eine einzige voll: 
fländige Meierei, und für die Viehzucht, bie allein dem 
Anbauer Vortheit verſpricht, find zwar 45 MWeidepläge 
abgeſteckt, dieſe aber größtentheils das Eigenthum der ſuͤd⸗ 
auſtraliſchen Compagnie, oder einzelner protegirten Indi⸗ 
viduen und dem armen Coloniſten verſperrt. Land, fuͤr 
den Ackerbau geeignet, iſt gewiß vorhanden. Zur Zeit 
hat ſich aber alles in dieſem Bezug Geſchehene auf kleine 
Verſuche beſchraͤnkt und eingetretene Duͤrre die Erfolge 
meiſt vereitelt. Über Port Philip und andere Häfen Aus 
ſtraliens geftaltee ſich das Urtheil des Verf. günftiger. 
Gleichwol dürfte summa summarum ſich herausftellen, daß 
unter allen, der Krone England gehörigen und von ber 
Emigration in Anſpruch genommenen Colonien Shdan: 
ſtralien die fchlechtefte ift._ Das begriindende Syſtem mag 
ohne Zadel fein; aber das Land kann eine zahlreiche Be: 
voͤlkerung nicht ernähren und vor dieſem NRaturfeinde 
muß jede ſtaats⸗ und Iandwirthfchaftliche Einrichtung das 
Feld räumen. 

8. Loiterings of travel. 

1840. 

Der Amerikaner Willis ift ein bekannter Name, hat 
fih in England und Deutfchland, wenn mir recht iſt, 
zuerft durch feine „Pencillings by the way’ befannt ge 
macht, durch eins jener feltfamen Bücher, die alle Welt 
verdammt und alle Welt lief. Die Mittheifungen des 
Berf. in Betreff feiner gaftfreien Aufnahme in Privat: 
bäufern und was vornehme Leute mit ihm und er mit 


By N. P. Willis. London 


8 


berühmten Leuten gefprochen, waren unſtreitig ebenfo viele 
Verletzungen pflichtſchuldiger Schicklichkelt. Jeder und Jede 
tadelten den Verf. und harrten mit Ungeduld der Ruͤck⸗ 
kehr bes nach feinem Buche ausgeſendeten Bedienten. 
Skandal uͤber Andere tft eine herzerquickende Leeture. Doth 
iſt nicht zu leugnen, daß die Lebendigkeit des Styis, die 
Mahrheit und Kraft der Schilderungen und das allge: 
meine Intereffe an den vorgeführten Perfonen das Bud 
zu einem ber unterhaltendften machten, die feit den Ta⸗ 
gen des DVerftorbenen erfchienen find. Und bderfelbe Willis 
ift ein zmeite® Mal tiber das atlantifche Meer gefchifft, 
hat ſich wieber einige Monate in England aufgehalten 
und läßt nun feine fehnelle Feder unter obigem Titel die 
Ergebniffe erzählen. Gölte es, eine Analogie aufzufinden 
zwifchen Zeit und Raum, fo fände ber Dcean, ber Eng: 
land von Amerika fcheidet, mit den Jahrhunderten zu ver: 
gleichen, welche Generationen trennen. Der Bericht eines 
Amerilaners über das Mutterland gleicht dem Ausſpruche 
der Nachwelt, und die Befchreibung der Vereinigten Staa- 
ten von der Hand eines Engländers ähnelt dem Blicke 
auf feinen Urenkel. In beiden Fällen „distance lends 
enchantment to the view” und Neugier fhlägt die Kri- 
tie in Feſſeln. Die „Pencillings by the way” ließen die 
Engländer ſich erbliden, wie Andere fie fehen, und bie 
„Loiterings of travel’ zeigen ihnen Dinge, bie ihnen fo 
nahe find, daß fie folhe nie bemerken. Jeder Londoner 
kennt den Strand, aber nicht feine Charakteriftit. Die 
ruͤckt ihm Willis vor Augen. 
g Man möchte wirklich den Strand eine Hauptfchlagader ber 
Welt glauben. Ic wenigftens bin überzeugt, daß es auf dem 
ganzen Erdenrunde keine Straße gibt, wo der Strom des Mens 
ſchenlebens ſich fo übervoll ergießt. Auf jeber andern Straße 
der bewohnten Erde Tann man ben Vorübergehenden in bie 
Augen fehen. Auf dem Strande erblidt Jeder in bem Andern 
nur eine compacte Maffe, mit welcher er in keine Berührung 
kommen darf. Ohne die Wachſamkeit aller Sinne iſt man nirs 
gend ficher. Dmnibuffe, Gabe, Karren, Kutfchen, Hanbdfcleifen 
und Träger fperren den Fahrweg. Beitungsverkäufer, Taſchen⸗ 
diebe, Laufjungen, Kohlenabläder und eine immer fi erneuernbe, 
immer gleich fetbftfüchtige Menge füllen die Trottoirs. Bleib 
in der Betrachtung eines Kupferſtichs vor einem Bilderladen 
ſtehen, und im nächften Augenblide wirft du umgerannt. Laß 
dich in Geſpräch mit einem Freunde ein, ber feine Rafe zufäls 
lig, flatt an bie Naſe eines Andern, gegen bie einige ſtieß, 
und im nächſten Augenblicke fühlft bu ſechs Rippenſtoͤße. Willſt 
du in einen Omnibus, fo ſehen ſechs Conducteurs bir es zu: 
gleich an und zanken fi) um did, und haft bu beine ganze 
pᷣhyſiſche Kraft in Thaͤtigkeit und beine ganze Geiſtesgegenwart 
zue Anwendung gebracht, fo figeft bu wahrfcheinlich in einem 
falfchen Omnibus und fährft, zehn Meilen bie Stunde, nad 
Blackwall, während bu nach Iölington wollteft. 

- Treu wie dieſes Gemälde ift, darf man doch ben 
Verf. nicht überall zum Wegweiſer nehmen. 

Ich Liebe Eranbourne Alley — fagt er — weil es mid an 
Venedig erinnert. Dann liebe ich es, weil ich gern das Fen⸗ 
fler eines Pfandverleihers ftudire und gern in den alten Bü⸗ 
cherlaͤden Erame, deren e6 hier bie Menge gibt. Es iſt für 
einen GSchriftfteller eine heilfame Lection in der Beſcheidenheit, 
wenn ex ſieht, für wie viel er in Cranbourne Alley getauft 
werden Kann. Gin gütiger Eefer, der anderthalb Guinee für 
ihn bezahlt hat, verkauft ihn für eine halbe Krone. Für drei 
Schillinge find bie drei Wände fo gut wie neu zu befommen 


vagmmi) 2 


ger vermweilt er bafür in Syrien und Pal 


= 
und ber Antiquar veeräth durch feine Artigkeit, wie gem er fle 


um ben Preis los ift. 


Der einzige Fehler biefer Zeichnung befteht darin, daß 
es in Cranbourne Alley weder Buͤcherlaͤden noch Pfand: 


“ 


verleiher gibt. Auf eines Lie der Schenswibigkeiteif 


Londons batf Bedlam nicht fehlen. Madenzie in feinem 
„Man of feeling” hat diefe Wohnung des Elends befchrie= 
ben. Willis führt dort den Süngling vor, „ber 200 
Meilen weit gereift, um bie Königin zu heirathen“, den 
Mann Davis, „der auf Lord Londonderry gefhoflen, den 
Gapitaln Brown, ber mit ber Fauſt der Königin gedroht“, 
und wer nah Willis Beblam befchreibt, erzählt vielleicht 
vom jungen Edward Orforb, ber zwei Piſtolen auf bie 
Königin und Prinz Albert abgefeuert. Minder anziehend 
als die profaifchen Wirktichkeiten des englifhen und na⸗ 
mentlich des Londoner Lebens find die poetifhen Fictio⸗ 
nen, mit welchen der Verf. den Meft der drei Bände ges 
füllt hat. 





Der Drlent in feinem gegentoärtigen Zuftande, mit Ruͤck⸗ 
bliden auf die Vergangenheit, dargeftellt in einer Reife 
über Konftantinopel, Kleinafien, Syrien und Palaͤſtina. 
Wien, Gero. 1840. 8. 1 Thlr. 


um tie Zufunft des Orients‘, beffen Kataftrophe in Kons 
ftantinopel, in Kleinaſien und in Syrien (nebft Agypten) fich 
jedenfalls in kurzem, fühlbar nicht nur für den erftern felbfl, 
fondern auch für Guropa,. entfcheiden muß, zwar nicht gerade 
vorherfehen und im voraus beurtheilen zu wollen, wol aber 
faffen zu können, muß man ben gegenwärtigen Zufland, ebenfo 
wie die Vergangenheit des Drients kennen und Eennen lernen. 
Reiſebeſchreibungen Tönnen zu foldhem Zwecke befonders nüglich 
fein, und fie önnen, eben weit fie ſich auf unmittelbare Ans 
ſchauung gründen, dies wentgftens im Allgemeinen mehr als 
pbilofophifche Raifonnements, bie oft gleichfam nur in ber 
Luft fchweben und daher auch gar Luftiger Art find. Auch die 
vorliegende Reifebefchreibung, deren Verf. ein gebitbeter und un= 
terrichteter,, vielgereifter Mann ift, ober doch zu. fein fcheint, 
vermag, wie fehr auch derfelbe von Politik und von politiſchen 
Betrachtungen fich fern Hält und obgleid er nur auf das Xus= 
Bere der von ihm befuchten Städte und Gegenden ben Blick bis⸗ 
weilen ziemlich flüchtig und oberflächlich richtet, dennoch über 
Konftantinopel, Kleinafien (db. h. etwa nur Troja, von wo 
Abftecher nach einigen Infeln bes Archipeld gemacht werben 
und über Gilicien), ferner über Syrien und Yaläftina vielfagg 
zu unterrichten. Kiel und Mancherlei Tann man fierli aus 
dem Buche lernen, obfehon ber Verf., der „lange von bem 
Drient geträumt‘ hatte und „müde des alltäglichen Zreibens 
geworden war’, zunächft nur „nach ben Gebern bes Libanon 
und den Palmen Spriens und Ägyptens ſich gefehnt” hatte 
(8.3). Bis Ägypten iſt er indeß nicht gefommen um fo länz= 
ſtina. Ob in Betreff 
des Multum, fm Gegenfage gu ben Multa, die Ausbeute des 
vorliegenden Buches, wenn man einen höhern Standpunkt ber 
Betrachtung einnimmt, eine fehr bedeutende fei, läßt jedoch 
Ref. dahingeſtellt. 17, 





Aus Italien. 


Dee ehemalige Herausgeber der ,,Biblioteca italiana ’’, 
Ritter Joſ. Acerbi di Gaftelgoffredbo hat noch fein Pflegkind 
nicht vergeffen, das unverkennbar am freubigften gedieh, als 
er es verforgte und großzog. Zwar flellt es fi nidt mehe 
ungeberbig, wie ihm bamals zumellen begegnete, wenn es 








\ 





1263 


meinte veriskt gu ; .aber biefe Beinen Unarten liefen bem 
aufgeweckten A eg der dafür auch Spaß zu machen verfland, 
beffer als feine exemplariſche Ernſthaftigkeit und bie nur bes 
Iehrende Unterhaltung. Doch das war es nicht, was ich Ihnen 
von Den. Acerbi erzählen wollte. Eingedenk feiner früpern 
Verbindungen mit ‚der „‚Biblioteca italiana‘, Hat er in feinen 
Papieren Einiges nachgeſucht, was er während feines Aufents 
baltes in Xoppten fi niebergefchrichen hatte, und theilt es, 
da ex es unbelannt glaubt, nunmehr mit. Als erfle Probe 
teilt er ben Bericht eines Zullaners, eines in Kuna, in ber 
Provinz Gldere, geborenen Ulemas aus Tombuktu mit, den er 
im Mai 183% zu Alerandrien kennen lernte. Diefer Dann 
nannte fi Mohammed, Sohn Ahmet’s, Sohn bes Abu Beker, 
Sohn des Bolel. Cine Leidenſchaft zu reiſen hatte ihn zwei⸗ 
mal durch Sudan ober Takrur getrieben; durch Burnu und 
Zegan war er nach Tripolis gegangen, dann nad) Ägypten, 
Syrim, Bagdad, Baſſora, dann durch Hebjar nach Mekka; 
von Kaana und Mekka war er nad) Yemen gekommen, na 

Abyffinien vorgebrungen und durch Fazokle nach Ägypten zurüds 
gekehrt. Sein Erinnerungsbuch war fein Gebädhtniß, das auch 
den ganzen Koran enthielt. In Sokkoto bei Sultan Bello 
machte er bie Bekanntſchaft des Capitain Elapperton, der feiner 
in feinem Zagebuche gedenkt; es ift auch ber Mallem, oder ge: 
lehrte Ulema Bello's im Tagebuche ber Brüder Lander. Das 
lange eigenhändige Ehrenzeugniß Bello's, gang von des Suls 
tans Hand, mit feinem Siegel verfehen, ſchrieb Hr. Acerbi ſich 


genau ab und Abate Lanci zu Rom verdankt er davon eine 


buchfäbliche Überfegung. Die Bekanntſchaft eines ſolchen Man⸗ 
nes wird Niemand vernadhläfftgen,, ber weiß, wie viel Europa 
den MWerichten Eingeborener über das Innere Afrilas verdankt. 
Alles, was ihn beftechen Tonnte, wurde aufgeboten, um feine 
Sunft zugewinnen, und ber Ulema von Tombuktu, der nad) zwei Tas 
gen abreifen wollte, blieb beinahe einen Monat und and Hrn. Acerbi 
mittels feines Dragomans, Hrn. Annibale Lapi, faft 12 Stunden 
lang täglich Rede. Diefe Unterredungen gedenkt Dr. Acerbi 
jept herauszugeben, fie bürften zwei Detavbaͤnde füllen, mit 
einer Karte, bie ex unter feiner Anleitung" zufammenftellte. 
Gr verftand nichts als den Koran; aber biefer Inbegriff aller 
Wiffenfehaft und feine fullaniſche Herkunft öffneten ihm bei allen 
Mächtigen die Thore. Man reift wohlfeil in Sudan. Geſchenke 
von SHavinnen bereichern bie mwohlaufgenommenen Reiſenden. 
Unfee Ulema war mit einer Sklavin von zu Haufe abgereift 
und kam mit 22 in Zripolis an und mit ihrem Kaufpreis bes 
zahlte er die Seefahrt nach Alerandrien. Cr verftand ſich das 
rauf Amuletzettel (Nuſha bei den Türken) zu fchreiben und 
nichts empfiehlt fo fehr bei ben Gläubigen. Fuͤr alle Verfuche, ins 
Innere Afrikas einzubringen, fürdjtete er einen gefepelihen Aus: 
gang, wenn man ſich, wie bisher nur zu gewöhnlich gefcheben, 
auf die Empfehlungen der marokkaniſchen Kaufleute verließ, 
bie eiferfüchtig darauf find, ihren Einfluß durch jedes Mittel 
zu bewahren. "Au Glapperton war ein Opfer der Raͤnke eis 
nes Barbaresten, wie er ſehr umfländlich angab, und Hr. Acerbi 
bat im Maͤrzheft der „Bibliotecn italiana’’ diefe Hergaͤnge als 
Probe diefes künftigen Werkes mitgetheilt, das wol auf allges 
meine Theilnahme rechnen barf. 


Zu ben vielen Überfegungen aus Schiller's Gedichten in las 
teintfche Were iſt nun auch durch einen Italiener ein Beitrag 
gelommen. „Friderici Schilleri carmina nonnulla a Francisco 
Pkilippio latinitate donata’ (Wenedig 1840) ift ein in mehr 
als einer Hinficht wichtiger Verfuch, da ex zu. Vergleichungen 
einlabet, die auf ben Stand ber philologiſchen Anfoderungen an 
den verfchlebenen Punkten, wo bie Überfegungen erfchienen, weis 
tee ſchließen Laffen. Cine Probe ber Überfegung des „Kampfts 
mit dem Drachen“ verräth Leichtigkeit und Bekanntſchaft mit 


den Schaͤtzen der Sprache. 


Die milde italieniſche Sprache muß von ihren Dichten 
jegt Iernen Wilder des Schmerzes und bes Schreckens vorzuges 





weite zu malen. Einer ber uesipsechentfien, Dr. 8. GSomma, 
hat aus ber Chronik von bine ein Greigniß des Jahres 1511 
gewählt, wo das Schauderhafte noch dadurch gehoben iſt, daß 
ber Mord am Baftnachtdienftag im vollen Glanze der Masten 
erfolgt. Abgerechnet die Wahl, zeigt „La maschern del gio- 
vedi grasso. Novella dell dott, R. Somma’' (San⸗Vito 1840) 
von plaftifher Auffafinng ber Geſtalten und anfchauticher Feſt⸗ 
haltung der Scenen, was nicht von vielen Dichtern Staliens 





gerühmt werben kann. 2, 
Bibliographie. 
Ammon, &. F. v., Die Fortbilbung bes Chriſtenthums 


zur Weltreligion in kirchlicher Räckſicht. Darftelung eines 
Di Ater und letzter ln es. Beipig, 
r. 

Arndt, E. M., Erinnerungen aus dem äußern Eeben. 
Zte unveraͤnderte Auflage. Gr. 8. Leipzig, Weidmann. 2 Thlr. 

Baour⸗Lormian, Stephan Duranti oder bie Ligua in 
ber Provinz. Hiſtoriſch-romantiſches Bemälde aus dem ſech⸗ 
zehnten Jahrhundert. Deutſch bearbeitet von P. Sauger. 2 
helle. 8. Karlsruhe, Madlot. 2 Thlr. 8 Er. 

Bed, K., Saul. Ein Trauerfpiel in fünf Aufzügen. 8. 
Leipzig, Boͤſenberg. 16 Er. 

Bernard, Ch. de, Die Frau ohne Furcht und Zabel. 
Aus dem PBrangdfifhen von St. Friedrich. 8. Breslau, 
Verlags: Somtoir. 1 Thlr. 

Bernhard, Lebensbilder aus Dänemark in Rovellen unb 


Erzählungen. Ster Band. — Auch u. db. T.: Der Koms 
mifftonär und Zante Franciska. 8. Leipzig, Weber. 1841. 
1 Thlr. 6 Gr 


Bibliothek deuticher Schönheiten aus dem Gebiete der Poefie 
und Profa. Ater Band. Genius aus Klopflod’s Werken. — 
Au u. db. T.: Genius aus Klopflod’s Werken. Als Regifter 
vu beffen Sefammtausgabe bearbeitet von H. Döring. 8. Sena, 

auke. r. 
Boͤhmer, W., Die chriſtliche Dogmatik oder Glaubenswiſſen⸗ 
ſchaft ifter Band. — Auch u. d. &.: Die chriſtliche Glaubens⸗ 
wiſſenſchaft, ſo nach ihrer Allgemeinheit, wie nach ihrer anthro⸗ 
pologiſchen Beſonderung. Gr. 8. Breslau, Graß, Barth u. 
Comp. 1 Thlr. 12 Gr. 

Braun v. Braunthal, Lieder eines Eremiten. Gr. 16. 
Stuttgart, Grieſinger u. Comp. 12 Gr. 

Bülow, E. v., — der Novellen und Erzaͤhlungen. 
Eine Weihnachtsgabe für 1840, Er, 12. Braunſchweig, Vie⸗ 
weg u. Sohn. 2 Thlr. 

Bürger, J., Helgoland. Lieder aus der Nordſee. 2te 
Auflage. Er. 18. Hamburg, Hoffmann u. Gampe. 8 Gr. 

Cancer, ein Almanach für deutſche Buchhändler auf das 
Jahr 1841. Poetiſches Meßgeſchenk für 4 ggr. netto baar bars 
gebracht von &. Komet. 16. Leipzig, 6 Gr. 

Davy’s (Sir H.) Salmonta ober neun Angeltage. Uns 
terhaltungen über naturgefchichtiiche und verwandte Gegenftänbe, 
insbefondere über Fiſche aus dem Salmengefchiecht. Deutſch bear⸗ 
beitet v. ©. Neubert. Mit 3 Steindrudtafeln. 8. Leipzig, 
Bo. 1 Thlr. 20 Er. 

Dieringer, F. &., Syſtem ber göttliden Thaten bes 
Shriftentyums, ober: Gelbftbegründung des Ghriftenthums, volls 
zogen durch feine göttlichen Thaten. After Band. Polemik 
ee m Shaten. Gr. 8. Mainz, Kupferbeg. 1841. 

lr. r. 

Dietrich, E., Johannes Gutenberg, oder: Die Wege 
der Vorſehung. Driginal⸗Roman aus ber Zeit der Erfindung 
der Buchdruderkunft. 8. SZüterbog, Golbie. 16 Gr. 

ı ar o eri * „H., Danziger Bilder. 8. Danzig, Gerharb. 

Dornau, J., Bergmann und Wilddieb. Novelle, Gr. 18% 
Leipzig, Barth. 1 Thlr. 6 Wr. 





1264 


Erdmann, J. E., Grundriss der Psychologie. Für 
Vorlesunges. Gr. 8. Leipzig, Vogel. 12 Gr. 


— — Natur oder Schöpfung? Bine Frage an die 
——— und Religionaphilocophie. Gr. 8. Leip- 
18 Gr. 


— — Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung 
der Geschichte der neuern Philosophie. ten Bandes 1ste 
Abth. — Auch u. d. T.: Die Entwicklung des Empirismus 
und Materialimun in der Zeit zwischen Locke und Kant, 
Gr. 8. Leipzig, Vogel. 2 Thlr. 6 Gr. 

®alle, Fr Verſuch einer Charakteriſtik Melanchthons als 
Theologen und einer Entwickelung feines Lehrbegriffs. Gr. 8. 
Halle, Lippert. 2 Ahle. 

Gofmann, 3. B., Mar Emanuel. Epiſches Gedicht 

on Beläugen, Er. 8. Würzburg, Voigt und Moder, 


ein, x ‚ Schutt. Dichtungen. 4te durchgeſehene Auf⸗ 
lage. Gr. 12, Leipzig, Weidmann. 1 Thir. 

Günther, 3., Anecdoten⸗Almanach auf das Jahr 1841. 
360 — und Gharacterzüge und 26 Parodieen. 16, 


gen, Cotta. 
Ed ma 
vg, Hoffmann u. amp. r. 

Holtei, K. v., Briefe aus und Au anort 8. Us 
tona, Hammerich. 1841. 1 Thlr. 18 

Jahrbuch für 1840. (Ster — Herausgegeben von 
BR. C. Schumacher, mit Beiträgen von Bessel, Erman, Mäd- 
ter und Olders. 8. 8 u. Tübingen, Cotta. 2 Tbir. 
Kerler, 9%, Geſchichte der Grafen von Helfenftein nach 


ben Run dargeftellt. Mit 1 Stahlſtich. Roy.⸗8. Ulm, Gtets 


Kıcakı, H., Der Sterbenbe und feine Zukunft. Blicke 
in bie letzte Erbenflunde und das SZenfeits bes Dienfchen. Phys 
ſiologiiche Babe an freidenkende Gebilbete. 83. Leipzig, Koll 


mann. 12 ®r. 

Kneſebeck, 3. W. 8. F., Hiſtoriſches Taſchenbuch des 
— im  gnigee Sannover. Gr. 12. Hannover, Dahn. 

eapmir, &. 2, Preußiſche Zuſtaͤnde. Dargeftellt von 
einem Preußen. 8. eipsia, Kollmann. 12 Gr. 

Krebs, J. P., Carl Sigonius einer der grössten Huma- 
nisten d des sechszehnten Jahrhunderts ein Vorbild aller Stu- 

u oh Be Gr. 8. Frankfurt a. M., Brönner. 18 Gr. 

— chte ber Entdeckungsreifen vom Ende 
bes — Asia X auf die Gegenwart, mit be: 
fonderer Beziehung auf Naturkunde, Handel und Induſtrie nach 
ben Quellen bearbeitet. Aſte Abth. Reifen unb Entdeckungen 
in Afrika. ifter Band. Mit 1 Portrait und 2 Gharten. — 
A. u. d. T.: Geſchichte ber Steffen unb Entdeckungen in Africa vom 
Ende bes fünfzehnten Sahrhunberts bis auf die Gegenwart. Ifter 
Band. Gr. 8. Deing, R upferberg. 1841. 2 The. 8 Br. 

Lohmann, K Pi Geſchichte Bricchenlands von dem 


Ende des peloponneſtſchen Krieges bis zu dem Re feuungsans 

tritte Alexanders bed Großen. Iſter Theil. Wr. 8. Leipzig, 

Bogel. 1839. 2 Thlr. 12 Er. Zum A 
um An- 


Laun, F., Ludwig —— und und Napoleon. 
denken an das Jahr 1840 und Zubelfeier der Buch- 
druckerkunst. Schmal €. Dresden u. Leipzig, Arnold. 6 Gr. 

Renz, &, Berlin und die Berliner. Genrebilder und 
Skizzen. Mit einer Deiginals Federzeichnung von Hoſemann. 
& Berlin, Riemann. 6 Br. 


Lindner, 9. W., Das Nothwendigſte ad Mifenswers 
theſte aus dem Befammtgebiete ber Zonkunf. Gin Ganbbuds 
D, ben a unb bie Gelbftbelehrung. Gr. 8. Beipzig, 

Mörite, E., lefkice Blumeniefe. Cine Ausw 
Hymnen, Den, Uedern Elegien, Idyllen, Gaomen a. IJ 
grammen ber Griechen und Stömer; nach ben beſten Berbeuss 
!Qungen, theitweife neu bearbeitet, mit Grltärungen für alle ges 

Ideten Leſer. Iſtes Bandchen. B. ttgart, Shweigerbert. 
"Wihibnd, ©, Des Sehens Heiant. Gin Roman 

ühlbach, 6 Lebens Ein R 
atom, Hammerich. .12 Gr. 9. 
ber, P., ihn ör. 12. Burgborf, * 12 Gr. 

, Naturgeſchichte des Menfchengef Nach 
der dritten Auflage bei englifchen Originals wit —— * 
und Zuſaͤtzen herausgegeben D gm R. Ar * Banb. 
ri Aatlonen. @r. 8 


"Bed Gin 
1841, 1 Thir. 18 @e, 

dert, , ie Weisheit bes Brahmanen, ein Lehrge⸗ 
dicht 8 Bruchſt den. Ltes Binden. 2te Auflege. Gr. 8. 
Leipzig, Weidmann. 1 Ahlr. 8 

Scelmen : Lieder und andere, —E der Liederſammlung eis 
nes tufigen Malers. Ifte bis Ste Lefe. 16. Ulm, Wag⸗ 
ner, r. 

Schmidthammer, W., Der Lebensbund. Dichtungen. 
8. — Sad. Di aeg f ve ı 

e ſchaft des Lebens. es Het. 
Gr. 8, —B "Riemeyer. 8 Gr. ’ 
G. H. vn, lungen. Gr. 8. Erlan⸗ 
gen, galm u. Enfe. 1 Ahle. 14 Er. 
Schwab, G., Fünf Bücher beutfcher Lieber und Gedichte. 
Bon X. von Haller bis auf die neueſte Zeit. Eine Muſſer⸗ 
fammlung mit Rüdficht auf ben Gebrauch in Gichuien. 2te vers 
mehrte Auflage. Gr. 12. Leipzig, Weidmann. 1 Thlr. 18 Ge. 

Spruner's, K. v., historisch geographischer Hand-At- 
las. Ste Lief. von 7 illumiairten Karten, Folio. Gotha, 
J. Perthes. 2 Thir, 

Steinheim, Moſes Menbelsfohn und feine Saul in 
ihrer Beziehung zur Aufgabe bed neuen Jahrhunderte ber alten 
Beitrehnung. ®r. 12, Hamburg, Hoffnone u. Campe. 12 Gr. 

Stern, &., Lehrbud der allgemeinen Grammatik. Gr. 8. 
Berlin, Heymann. 1 Thlr. 

Hiſtoriſches Taſchenbuch. Serausgegeben von F. vom 
Raumer. neue „Baier. 2ter Jahrgang. Leipgig, Brochaus. 


1841. 2 Thir. 1 
Train, 3. rl —8 Novellen. 1. Baba und Gnttäufchung. 


2. Der letzte Sprößling. 8. Weſel, Beder. 12 Er. 
Dramatifches Vergifmeinnicht auf das Jahr 1841 aus den 
Bärten des Auslandes nach Deutſchland verpflanyt von Th. 
N 8 Sk Bändchen. 8. Dresden und Beipzig, Arneld, 
Bieland’s fämmtlidhe Werke. Supplement. Fhriſtoph 
Martin Wieland nach ben en Quellen a 
von 9. Döring. — Auch u drigept Meet! 
land. Gin biographiiches Denkmal ı von r D ing. &r. her 
Sangerhaufen, Robland. 20 Gr. 
Wintergrän. Taſchenbuch auf 1841. Desauegeneben von 
Beorg Log. 8. Hamburg, Herold. 1 Ahir. 8 
Bangerl, 3, Das Heimweh. 2te, ganz ungerti 
unb fehr vermehrte Ausgabe. Gr. 8, eien, Beck. 16 &r 
Behenber, 3. C., Antiftes Hurter und feine berungumpf⸗ 
ten Amtsbrüder. Ein Beitrag zur Würbigung feiner neueften 
Schrift. Sr. 3. Schaffhaufen, Brobtmann. 8 Gr. 
Behmen. Die Batterie vor Kunersborf, oder: Der Did 
tee und Soldat. Gin romantifches Gemälde aus dem ſieben⸗ 
jährigen Kriege. 8. Jüterbog, Colditz. 12 Gr. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaud In Leippig. 














Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Montag, 


ö— Nr. 314. — — 


9. November 1840. 


— 





Die Guͤnderode. Zwei Theile. 
1840. 4 Thle. 12 Gr. 

Wäre es nicht fhon einmal das unentflichbare Schick⸗ 
fat jedes in Deutſchland erfcheinenden Buchs von nur 
einigem Werth in die Hand der Kritit zu fallen und 
von ihr mit einem lobenden oder tabelnden Zeugniß be: 
gabt zu werben, fo hätte gewiß das vorliegende Buch ge- 
gründete Anfprüche darauf, von SKrtitern und Recenfen: 
ten unangetaftet zu bleiben, mit Lob wie mit Tadel, und, 
unbeläftigt von den oft mistönenden Stimmen eines wis 
derfpruchsvollen Gerichts, nur den Günftigen und Em: 
pfänglichen fchmweigend fich barzubieten. Aber welch eine 
Zumuthung märe das für die hungrige Kritik, fich eine 
fo koͤſtliche Beute entreißen zu laffen, welch eine uner: 
hörte Appellation an ihre Großmuth, auf einen fo felte: 
nen Fang freiwillig zu verzichten! Nein, eine folche Ge⸗ 
Iegenheit zu meitausgreifenden Meflerionen, zu fcharfem 
Tadel, zu enthuftaftifcher Bewunderung und Vergoͤtterung, 
zu reichhaltigen Gitaten und ausgiebigen Commentaren 
erfcheine nicht oft, und bie Kritik, welche neuerer Zeit 
manches Hungerjahr erlebt, läßt es fich nicht nehmen, 
fih hier auch einmal wieder gütlich zu thun. Dem Ge 
fege der unentfliehbaren Nothwendigkeit folgt nun auch 
Meferent, und indem er die-Unangemeffenheit bes kriti⸗ 
ſchen Berfahrens gegenüber einem Buche wie biefes aner⸗ 
kennt, wird er darnach fireben, durch den Charakter ſei⸗ 
nes Berichts über „Die Günderode” Diejenigen möglich 
zu verföhnen, welche das profane Volk der Recenfenten 
gerne von ben geweihten Grenzen diefes Buches ganz aus: 
geſchloſſen und ferne gehalten fähen. 

„Die Günderode” ift auch wieder ein Briefwechſel 
Bertina’s, ähnlich dem mit Goethe, welcher vor fünf 
Fahren mit fo großem Enthufiasmus in Deutfchland auf: 
genommen wurde, und man erinnert fi) wol noch ber 
fhönen und ergreifenden Stellen in bem letztgenannten, 
weiche von der Günderode und von ihren beflagenswer: 
then freiwilligen Tode fprehen. In welchem innigen, 
geiftigen Verhaͤltniß Bettina und die um mehre Jahre 


Grünberg, Levyſohn. 


ältere Guͤnderode miteinander flanden, wie fie, wenn von | 


einander getrennt, im lebendigen Verkehr und Austaufch 
ihrer Gefühle und Ideen blieben, dies wird durch vorlie⸗ 
genden Briefwechſel Mar, der einige Sabre früher als 
der mit Goethe, nämlid 1804 — 6 fällt. Wenn das 


- 
‘ 


früher erfhienene Buch mit Bewunderung einer fo genias 
len und bei aller Kedheit doch fo fichern, ihrer, wenn 
ſchon hoͤchſt eigenthuͤmlichen und vom Gewoͤhnlichen ab: 
weichenden Bildung ſich ſo bewußten Natur erfuͤllte, ſo 
muß das neuerſchienene hoͤchſt willkommen ſein, als wich⸗ 
tige Aufſchluͤſſe darbietend uͤber die gaͤhrende Entwickelung 
dieſer reichbegabten und kuͤhnen Natur, als unſchaͤtzbarer 
Beitrag zur Geſchichte eines ſeltenen Geiſtes. Selbſtbio⸗— 
graphien enthalten immer Dichtung und Wahrheit ges 
mifcht, felbft wenn der Autor jene auszufchließen gemeint 
iſt; fie find immer nur Reflexe; dagegen Briefe, wenn 
fie auch nur einzelne Momente und Stimmungen enthals 
ten, find Stüde, organifche Theile des Lebens felbft, und 
für eine geübte und glüdliche Divination iſt es vielleicht 
möglich, aus ben gegebenen Punkten annähernd bie ganze 
Linie des geiftigen Lebens zu errathen. rleichtert würde 
diefe geiflige Operation noch dadurch, oder vielmehr fie 
würde eim ficheres Reſultat geben, wenn die geniale Ver- 
fafferin fich entfchlöffe, nah und nad) das Geeignete aus 
ihrem Briefiwechfel mit andern Perfonen, Verwandten und 
Freunden, ber Öffentlichkeit zu übergeben. Denn fie hatte, 
wie fie felbft fchreibe, mit Jedem eine eigene Art zu ver: 
fehren und zu fein, indem ihr Geiſt in verfchiedenen gei⸗ 
fligen Atmofphären auch verfchiebene Phafen annahm, un: 
befchabet feiner Originalität und Einheit und Wahrheit. 
Den Beweis, daß diefe Briefe Leine fpätere Snterpolatio- 
nen enthalten, wollen wir Eritifchern Männern überlaffen. 

Hoͤchſt intereffante Momente der geiftigen Geſchichte 
Bettina's enthalten diefe Briefe. Wir wollen im Nach 
flehenden verfuchen, das Charakteriftifche ihrer gemuͤthli⸗ 
hen und geiftigen Eigenthümlicykeit hervorzuheben, muͤſſen 
aber mit ein paar Zügen das allgemeine Bild der Zeit 
entwerfen, in welche Bettina’s Jugend und dieſe Briefe 
fielen, ihre Umgebung und bie Verhäftniffe, die auf fie 
einwirkten, und ihre Sreundfchaft mit ber edeln, geiftvol: 


ten Jungfrau, an melde fie fi mit ſolcher Sehnſucht 


und Inbrunſt anfchloß, nach Maßgabe der in dem Brief: 
wechfel felbft mitgetheilten Auffchlüffe und Andeutungen 
befprechen. 

Bettina's Kindheit und Jugend fällt in die ſtuͤrmiſche 
Zeit der Revolution und ber Revolutionskriege. Ihre 
Vaterſtadt Frankfurt, bewohnt von vielen reichen und 
großen Kaufleuten, politifch wichtig duch bie daſelbſt 


1266 


erfolgte Wahl und Krönung der deutſchen Kalfer, wurde 
von den politifhen und Kriegsunruhen vielfach berührt, 
und fie felbft, einer angefehenen und reihen Samilie an: 
gehörig, kam mit vielen hochſtehenden und ausgezeichneten 
Perfonen in bäufige Berührung. Die Belege hierfür 
findet man reichlich in dieſem Briefwechſel. Napoleon, 
der damals (1504 — 6) dem Zenith feiner Macht ſich 
näherte, kam winmal buch Frankfurt; mit Emigranten 
hatte fie in Dffenbady bei ihrer Großmutter Sophie v. 
Laroche Verkehr, und traf bort au, wie in ben Tau⸗ 
nusbädern, viele fürftlihe und fonft vornehme oder be⸗ 
deutende Perfonen. Anregender noch und einflußreicher 
für einen empfängliden und hochbegabten Geift als diefe 
Zeitverhältniffe, Umgebungen und Belanntfhaften mußten 
die philofophifchen, veligiöfen und poetifhen Strebungen 
jener Zeit fein. Man erinnere fih, daß damals noch die 
fhönfte Literarifche Blüte in Weimar Deutfchland begei: 
fterte und entzüdte, daß die Philofophie Fichte's und 
Schelling’6 von Jena aus in immer weitern Kreifen fü 
ausbreitete, bag Schleiermacher feine „Reden über Religion” 
und feine „Monologen“ gefchrieben hatte, daß die roman: 
tifche Schule, Tieck und die Schlegel (Novalis war 1801 
geftorben) die jugendlichen Geifler mit einer uͤberſchwaͤng⸗ 
lichen flolgen Trunkenheit erflllten, während andererfeits 
enthufiaftifche Herolde der Herrlichkeit des Alterthums, der 
alten Weisheit, Poefle und Religion (Hölderlin, Creuzer, 
Schleiermacher) auftraten. Das Abfolute, das Göttliche, 
war damals die Lofung unter den Strebenden und Geift: 
reihen in Deutfchland, und wenn man fih in die Stim: 
mung jener Zeit zurückverfegt, wird man auch ben Gelft, 
welcher in dem vorliegenden Briefwechſel weht, eher be: 
greifen koͤnnen. Dem Kreiſe der Romantiker insbefon: 
dere war Bettina durch ihren Bruder Clemens Brentano, 
von welchem in ben Briefen fehr oft die Rede iſt und 
welcher auch ber Guͤnderode näher geflanden zu haben ober 
eine Annäherung an fie gefuht zu haben fcheint, ver: 
wandt und wurde es fpäter noch mehr durch ihren Gat⸗ 
ten, Achim v. Arnim, den fie ſchon damals kannte und 
auszeichnete. Die Guͤnderode ihrerſeits ſcheint Philofophie, 
Geſchichte, Mythologie und Poefie ernfter und gruͤndlicher 
fudirt zu haben, während Bettina mehr an Allem her: 
umnaſchte. Dies geht hervor aus einem Briefe der Guͤn⸗ 
derode (I, 21), aus dem wir Kolgendes ausheben: 

Nur das Einzige thue mir und fange nicht alles unterein: 
ander an, in deinem Zimmer fab «6 aus wie am Ufer, wo eine 
Flotte geſtrandet war. Schloffer wollte zwei große Folianten, 
die er für dich von ber Stadtbibliothek gelichen hat, und bie 
du ſchon ein Vierteljahr haft, ohne drin zu lefen. Der Ho⸗ 
mer lag aufgefchlagen an ber Erbe... beine fchöne erfundene 
Reifelarte bes Odiſſeus Tag daneben und ber Mufchelkaften mit 
dem umgeworfenen Gepianäpfchen und allen Barbenmufcheln 
drum ber. Dein Flageolet, das bu mitnehmen mwollteft und 
vergeblich fuchteft, rath wo ich's gefunden habe? Dann flats 
tert das blaue Band an beiner Guitarre fo lang es iſt zum 
Zenfter hinaus... Bon Büchern hab’ ich gefunden auf ber 
Erde den Oſſian, die Sacantala, bie Frankfurter Chronik, ben 
Hemfterhuis, darin lag beifolgender philofophifcher Auffaß, den 
ih mir gu fchenken bitte, wenn bu Keinen befonbern Werth 
darauf legſt, ich hab mehr bergleichen von bir, und da dein 
Widerwille gegen Philoſophie dich hindert, ihrer zu achten, fo 


möchte ich biefe Bruchſtücke deiner Stubien wider Willen 
beifammen bewahren, vielleicht werben fie bie mit ber Beit in: 
tereffanter. Siegwart, ein Roman ber Vergangenheit, fand 
ih auf dem Glaviere das ZTintenfaß braufliegend. Es rappelte 
etwas in ber Beinen Schachtel auf dem Fenſterbrete, ik war 
neugierig fie aufzumachen, ba flogen zwei Schmetterlinge ber= 


‚aus, die bu als Puppen bineingefegt battefl. Unter beinem 


Bett fegte bie Liesbet Kari XII. und die Bibel hervor... Ich 
babe mit wahrem Vergnügen bir bein Zimmer bargeftellt, weil 
es wie ein optifdher Spiegel beine apparte Art su fein aus⸗ 
brüdt, weil es beinen ganzen Charakter zufammenfaßt; du 
trägft allerlei wunderlid) 3eug zufammen um eine Opferflamme 
dran zu zünden, fie verzehrt fih, ob die Götter davon erbaut 
find, das ift mir unbelannt. 


Wer fih in Bettina’® Zimmer zu andern Zeiten um: 
gefehen hätte, der hätte darin noch gar viele und mans 
nichfache Bücher finden muͤſſen; fo ift irgendwo vom 
Suetonius die Rede, den fie ercerpicte, und vom Pindar, 
ben fie mit der Sünderode gelefen. Außerdem verräth 
fih unverkennbar in diefen Briefen eine nicht geringe Bes 
kanntſchaft mit ben griechiſchen Tragikern und Plato (die 
DOrthographie zeugt davon, daß die Verfafferin fie nicht 
im Original a6), fowie aud mit den Schriften von 
Schleiermacher, Fichte, Schelling und Novalis; Goethe's 
„Wilhelm Meifter” wird ausbrüdiih genannt. Muſik 
trieb fie mit genialifcher Leidenſchaft und Selbſtaͤndigkeit; 
bie Botanik und die Naturwiffenfchaften überhaupt koͤn⸗ 
nen ihr, nad) den anfchaulichen Schilderungen, die fie 
bäufig von Pflanzen und andern Naturgegenfländen gibt, 
nicht ganz fremd geweſen fein; in Marburg, wo fie bei 
ihrem Schwager Savigny einen Winter zubrachte, lernte 
fie bei einem alten. Suden, von deſſen Adel in Lörperlicher 
Erfheinung und geiftigem Wefen fie mit größter, herz⸗ 
lichſter Ehrfurcht fchreibe, Mathematik; in Offenbach 
nahm fie bei einem drmlichen Lehrer Unterricht in der 
Sefchichte, weil ihre Verwandten fehr darauf drangen, 
daß fie geregelter ſtudire, und recapitulirt aufs ergöglichfte, 
was fie in einigen Lectionen von den alten afiatifchen 
Monarhien und Königen in größter Langweile gelernt. 
Die Klagen Anderer, bag fie nichts Rechtes lerne unb 
treibe, die fie felbft nicht ungegrünbet findet, find mithin 
wol fo zu verftehen, daß fie ſich nicht auf ein förmliches 
Studium legen mochte, obwol fie bei ihren glücklichen Anz 
lagen ihren Geift mit nicht wenigen Kenntniſſen bereicherte, 
oder vielmehr anregte; denn von einer Anfammilung und 
Auffpeiherung von Wiflensfhägen, vom Lernen, will fie 
Nichts hören; fie will ihren Geiſt nähren, in Thaͤtigkeit 
fegen, freier machen. Über die Art, wie der Geift zu 
bitden fei, berrfchte überhaupt zwiſchen den beiden philos 
fopbifchen Sreundinnen („himmliſche Kerle’ nennt Bet: 
tina ſich felbft und die Guͤnderode) mancher Widerfpruch, 
obfhon im Grunde Jede die Art der Andern anerkannte 
und gewähren ließ. Der Guͤnderode Wahlſpruch, den ihr 
Bettina öfters vorruͤckt und beftreitet, war: „recht Viel 
lernen, Biel wiffen und jung ſterben!“ Bettina dagegen 
wollte ben Geift frei walten, ihn ſich ungebunden, unge 
ſchult entwideln und offenbaren laffen und ihm dadurch 
eine unzerſtoͤrbare Jugend, eine freiwillige Reife und Selbſt⸗ 
erzeugung zu einer hoͤhern Dafeinsweife ſichern. Hoͤchſt 





1267 


anziehend iſt ber halbdisputirende Austauſch der Anfichten 
der beiden Jungfrauen, welche fi im Grunde mehr er: 
gaͤnzen, als daß fie ſich ausfchlöffen. Über die Lectionen 
in der Gefchichte fchreibt die Guͤnderode an Bettina: 


Halte doch noch eine Weile aus mit deinem Geſchichtsleh⸗ 
zer; daß er dir möglichft kurz die Phyfiognomien der Bölkers 
fchaften umfchreibt, tft ganz weſentlich. Du weißt jest, daß Ägyp- 
ten mit Babylonien, Medien und Affirien im Wechſelkriege 
war, fortan wird dies Volk Fein flehender Sumpf mehr in 
deiner Einbildung fein... . Vielleicht daß di die Gegenwart 
nicht befriedigt; was uns näher liegt, wirft Schatten in unfere 
Anfchauung, und daher ift gut, daß ber Vergangenheit Licht 
die dunkle Gegenwart beleuchte. Darum fchien mir bie Ge⸗ 
fchichte wefentlih, um das träge Pflanzenleben deiner Gedan⸗ 
ten aufzufrifchen ; in ihr liegt die flarke Gewalt aller Bildung, 
die Vergangenheit treibt vorwärts, alle Keime ber Entwidelung 
in uns find von ihrer Hand gefäet. Sie tft die eine der bei: 
den Welten der Ewigkeit, die in dem Menfchengeifte wogt, die 
andere ift die Zukunft; daher kommt jebe Gedankenwelle und 
dahin eilt fie! Wär’ der Gedanke blos der Moment, in uns ges 
boren? Dies ift nit. Dein Genius ift von Ewigkeit zwar, 
doch fchreitet er zu dir heran durch die Vergangenheit .. . Sei 
nur ein bischen ſtandhaft, trau mir, daß der Geſchichtsboden 
für deine Phantafien, deine Begriffe ganz geeignet, ja noth⸗ 
wendig if. Wo willſt du dich felbft faflen, wenn du einen 
Boden unter dir haft? Kannft du dich nicht fammeln, ihre 
Einwirkung in dich aufzunehmen? Vielleicht weil, was du zu 
faſſen haft, gewaltig ift wie du nicht bift..... Wenns nur nicht 
bald einmal aus fein wird mit der Muſik, wie mit deinen 
Sprachſtudien, mit deinen phyſikaliſchen Eruptionen und beinen 
philoſophiſchen Auffägen, und dies alles als erftarrte Grillen 
in bein Dafein hHineinnagt; wo du vor Hochmuth nicht mehr 
auf ebenem Boben wirft gehen können, ohne jeden Augenblict 
einen Purzelbaum wider Willen zu machen. 

Darauf antwortef Bettina: 

Deine Schellingsphilofophie ift mir zwar ein Abgrund, es 
fhwindelt mir da hinabzufehen wo ich noch den Hals brechen 
werd, eh ich mich zurecht find in dem finftlern Schlund, aber 
dir zu lieb will ich durchkriechen auf allen Vieren. Und bie 
Yüneburger Haid der Vergangenheit, bie kein End nimmt, mit 
jedem Schritt breiter wird; — du fagft im Brief, fie fei mir 
nothwendig, zum Nachdenken, zur Selbftertenntniß zu kommen; 
ich will nicht wiberfprechen! — Könnteft du doch bie neckenden, 
graufenerregenden Gefpenfter gewahr werben, bie mich in biefer 
Gefchichtseinöde verfolgen und mir den heiligen Weg zum Tem⸗ 
pel der WBegeifterung vertreten, auf dem du fo ruhig dahinwal⸗ 
jeft und mir die Zaubergärten der Phantafie unficher und uns 
heimlich machen, die dich in ihre taufendfarbigen Schatten auf: 
nimmt. Thut der Lehrer den Mund auf, fo fehe ich hinein, 
wie in einen unabfehbaren Schlund, der die Mammuthsknochen 
der Vergangenheit ausfpeit, und allerlei verfteinert Zeug, das 
nicht Zeimen, nicht blühen mehr will. Du fprichft von meinem 
WBahrnehmungsvermögen mit Refpelt: hab’ iche aus ber Vers 
gangenheit empfangen, wie du meinft, fo weiß ichs doch nicht 
wie's zuging. — Iſts der Genius, ber dort berüber gewallt 
tommt? Das wilft du mir weiß machen! — feiner Schelm! — 
Mein Genius, ber blonde, dem ber Bart noch nicht keimt, — 
folte aus dem Schimmel herausgewachſen fein, wie ein Erd⸗ 
ſchwamm! ... ich bin nicht feige; feine (des Genius) Eingebun: 
gen fordern mich auf zum Denken, meinft bu — Ach Gott! — 
Denken, das hab’ ich verſchworen; aber wach und feurig im 
Geifte, das bin ih. Das iſt die Gegenwart, die mich mit ſich 
fortseißt ins ungewifie Blaue, ja ins Ungewifle; aber ins himm⸗ 
life, blonde, goldſtrahlende Antlig des Sonnengottes ſchauen, 
der die Roſſe gewaltig antreibt, und weiter nichts. Der Abend 
fängt mid auf in feinem Schoos, finnend lieg ich ein Welt: 
hen, lauf in die Ferne; größere Helden deucht mir da auf 
"der vollen Heerſtraße der Geſchichte, am heutigen Tage ihre 


————— ——— ——— — — — — — ——— ——— 


muthigen Roſſe tummeln zu hören; ja, ich will, i t 
bin... der auf dem Berg winkt... . ſchlaf feſt, TA are 
Beiten Genius, weckt zur rechten Stund u. f. w. 

Aus den obigen Brieffragmenten tritt ſchon auch das 
Verhaͤltniß der beiden Freundinnen einigermaßen hervor, 
ſowie die Verſchiedenheit ihrer Naturen. Folgendes iſt 
die Schilderung, welche Bettina dem Herzog von Gotha 
von dem Weſen der Guͤnderode gibt: 

Schwaͤrzlich glänzend braunes Haar, das in freien weichen 
eoden mie fie wollen fi um ihre Schultern legt. „Was 
für Augen?’ Pallasaugen blau von Farbe, "ganz. voll Feuer, 
aber ſchwimmend auch und ruhig. „und bie Stirn?” Sanft 
und weiß wie Eifenbein, ſtark gewölbt und frei, doch Elein, 
aber breit wie Platon’s Stirn, Wimpern bie ſich Lächelnd Eräu: 
ſeln; Brauen mie zwei ſchwarze Drachen, die mit fcharfem 
Blick ſich mefiend, nicht ſich faffend und nicht Laffend, ihre 
Mähnen trogig firäuben, doch aus Furcht fie wieder glätten. 
So bewachet jede Braue, aufgeregt in Trotz und Zagheit, ihres 
Auges fanfte Blicke. „Und die Nafe.und die Wange?’ Gtolz 
ein wenig und verächtlich, wirft man ihrer Nafe vor, doch das 
ift weil_ alle Regung gleich in ihren Nüftern bebet, weil den 
Athem fie kaum bändigt, wenn Gedanken aufwärts fleigen von 
der Lippe, die fi) wölbet friſch und Eräftig, überdacht und 
fanft et bon ber feinen Oberlippe. — Auch das Kinn 
muß ich befchreiben, wahrlich, ich Hab nicht vergeffen, daß Eros 
dion dort gefrffen und ein Delldyen drinn gelaffen, das ber Fins 
ger eingebrüdt, während weisheitsvolle Dichtung füllet ihres 
Seiftes Räume. 

So poetifch wird Bettina ergriffen von dem Gedanken an 
die Günberode, baß ihre Sprache felbft zu Rhythmen ſich 
geftaltet. Noch eine merkwürdige Stelle aus einem ans 
deen Brief Bettina's möge hier ftehen: 

Dein ganz Sein mit Andern iſt träumerifch; ich weiß auch 
warum; wach koͤnnteſt du nicht unter ihnen fein und babei fo 
nachgebend; nein, fie hätten dich gewiß verfchüdjtert, wenn du 
ganz wach mwäreft, dann würben dich die gräßlichen Gefichter, 
die fie fchneiden,, in die Klucht jagen .. . Du machft im Leben 
aus Großmuth die Augen zu, magft nicht fehen wie's beftellt 
ift um die Menfchen, bu willft Eeinen Abfcheu in bir auflom= 
men laflen gegen fie, bie nicht beine Brüder find, benn Abs 
furdes ift nicht Schwefter und nicht Bruder; aber du willft 
bo ihr Geſchwiſter fein, und fo ſtehſt du unter ihnen mit 
träumendem Haupt, und läcelft im Schlaf, denn du träumft 
bir alles blos als dahinſchweifenden, grotesken Maskentanz. 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Bifhof Burgef und Dr. MErie. 


In England find vor kurzem bie Biographien zweier bes 
rühmter, auch hinfichtlich ihrer Literarifchen Beftrebungen unb 
Leiftungen bemerkenswerther Theologen erichienen: bes Biſchofs 
Dr. Burgeß von Salisbury von 3. S. Harforb und bes Dr. 
M’Erie von befien Sohne. Dr. M’Erie trat von Anfang an als 
Verfechter ber Urverfaffung ber fchottifchen Kirche, als Repräs 
fentant der alten Covenanter mit dem Streben nach Wiebers 
berftellung ihrer Grundfäge wie ihrer Ginrichtungen auf. Gein 
Hauptzwed war Reſtauration der Kirchendisciplin unb eine 
Verfafiung der Kirche, in welcher diefe nicht nur ein vom 
Staate unabhängiger Körper, fondern felbft eine Leiterin und 
Auffeherin deſſelben wäre. Die bedeutenden Kämpfe, in welche 
er in Folge diefer Beſtrebungen vermwidelt warb, namentlich mit 
der fehottifchen Generalſynode, erregten bei ben, bie Offentlich⸗ 
keit begünftigenden Verhaͤltniſſen der ſchottiſchen Kirche allges 
meines Auffehen und führten mancherlei Verwickelungen herbei. 
Seine Biographie von Johann Knor, deutſch Überfeht von 
Pland, iſt in der Befchichte der fchottifchen Kirche eine Er⸗ 


° 1268 


einung, die ganz im Verhältnigfe zu dem Auftreten bed ſchot⸗ 
Hr Beton atore ſelbſt ſteht. M’Crie kämpft darin mit 
aller Kraft gegen die im Gefolge ber Revolution von 1689 ein: 
geführten Änderungen der Kirchenverfaſſung und für die Gu: 
prematie der Kirche über die weltliche Gewalt in dem vollften, 
von den Govenantern in Anſpruch genommenen Umfange. Ras 
türlid) waren aber feine Hoffnungen von der Möglicgkeit einer 
Wiedereinführung des Sovenants, fo grundlos, wie es bie einer 
MWiederherftelung der Heptarchie in Gngland fein würde; er 
ſelbſt ermangelte dieſer Einſicht und beklagt ſich auf das bit⸗ 
terfte darüber. „Ich bin in Wahrheit des Publitums über⸗ 
drüffig — es ift mir widermärtig — die Weife ekelt mid) an, 
"ig welder es bei einem und bemfelben Gegenftande kalt und 
warm wird — und id will, ich kann in feiner Atmofphäre 
nicht leben. Es iſt lange ber, daß ich es einfah, die günftige 
Meinung, die es für Knox fund gab, fei eine oberflächliche, 
hohle, toügerifche gewefen. Aber wie konnte ein ſoiches Ge⸗ 
ſchiecht wirilich oder aufrichtig Jenes Charakter verehren, mit 
feinen Grundfägen und Geſinnungen übereinſtimmen, bie mit 
allen feinen eigenen in ſolchem Widerfprude itehen ? Und was 
bedeuten Verficherungen, welche durch die tägliche Praris Lügen 
geftwaft werden? Doch ich will bei biefem Gegenftande nicht 
verweilen. Sie erkennen leicht den Zuſtand meines Gemüths.“ 
Auf die Biographie von Knor folgte die Melville's, ward aber 
vom Yublicum eher noch Fälter aufgenommen, weshalb ber 
Berfaffer von dem fchottifchen Gebiete fi) abwendete, um die 
Seſchichte der Reformation in Spanien und Italien zu ſchrei⸗ 
ben. In allen biefen Werken bezieht er ſich öfter als ein 
Mal auf die gerade damals vielfach angeregte Katholiken: 
emancipationsfrage und wieberholt mehrmals feine beflimmte 
Meinung, Britannien fei durch feierliche Verträge Bott für die 
Ausrottung des Papſtthums verpfaͤndet; dem Parlamente ſprach 
er das Recht ab, ein ſolches Zugeſtändniß zu machen. Bon 
derfelben Annahme eines foldden das ganze Bolt verbindenden 
Govenants aus behandelte er bie verfchiedenen andern Fragen, 
weiche Schottland noch jegt bewegen, und trennte ſich deshalb 
von ben Anhängern des freiwilligen Kirchenſyſtems fowol, ins 
dem er für ben religiöfen Staat lämpfte, als auch von ben 
Anhängern diefer Anficht, indem er die Freiheit der Kirche von 
aller weltliche Aufficht behauptete. . 

Gewiſſermaßen ein wahres Begenftüd zu Dr. M’Grie war 
Biſchof Burgeß, unb dennoch trafen fie oft Beide, von entge: 
gengefegten Punkten aus fidh bewegend, bei demſelben Ziele zus 
fammen. Obſchon ein ebenfo großer Zreund des Alterthums 
wie Jener, richtete Burgeß doch fein Augenmerk mehr auf das 
Dogma als die Disciplin. Die Reinheit des Glaubens war 
ihm das Höcfte, und er unterfuchte lieber, was die Kirchen: 
väter in Blaubensfachen für eine Meinung gehabt, als was fie 
gethan hatten. Die Eonfliete, in welche ihn feine Wiſſenſchaft 
führte, waren Heine Sache der Öffentlichkeit, fondern nur der 
Gelehrſamkeit und betrafen ſelbſt bier Öfter Gegenſtaͤnde von 
Curiofität, als von Wichtigkeit. In der Abgeſchiedenheit feines 
GSollegiums befejäftigte ex ſich mit geiechifcher Kritik, gab Burs 
ton’ „Pentalogia‘ und die „‚Miscellanea critica”’ von Dawes 
heraus und ſchrieb Abhandlungen über den Gebrauch bes Dis 
gamma. Eben dahin fchlug fein brieflicher Verkehr mit ausge⸗ 
- zeichneten Gelehrten faſt allein ein. Selbſt als er die Univer: 

Brit mit dem Öffentlichen Leben vertaufchte, blieb biefe Neigung 
u einer friedlichen Berchäftigung mit gelehrten Gegenfländen 

imeitem vorherrſchend. In einigen Bezug damit Zönnte man 
auch feine Unbeholfenheit im täglichen und häuslichen Leben 
fegen. Doch verfaßte er eine Flugſchrift über den Sklavenhan⸗ 
dei, predigte gegen den Unitarianismus und nahm thötigen Ans 
theil an einer fruchtlofen Bemühung, für Ebm. Burke den Zis 
tel eines Doctors der Rechte von der liniverfität Orford zu ers 
langen. Später als Kaplan bes Biſchofs von Durham wibs 
mete ex feinen Gifer der biblifchen Literatur und zeigte zugleid) 


ein ehrenwerthes Streben für Berbeffeeungen im Syſteme des 
Parochialunterrichts der englifgen Kirche. Als Vorftand des 
Bisthums ©t.: Davids widmete er feine Aufmerkſamkeit dem 
Collegium daſelbſt, welches ſich als hoͤchſt dienftlich für die 
Seiftlichkeit von Wales gezeigt hat; fpäter verfuchte er fich mit 
gleichem Erfolge an der Bildung der koͤniglichen Gefellichaft 
für Literatur. Während M'iCrie den gefeggebenden Körper in 
feiner Kirche zu einer Umwandlung ber vorhandenen Stoffe gu 
der, feiner Anſicht nad), ihnen nöthigen Geſtaltung zu bewegen 
ftrebte, faßte Burgeß die Dinge auf, wie fie find, und fuchte 
zu verhüten, daß man den Mangel eines gefehgebenden Körpers 
und Appellationsforums in der englifchen Kirche nicht fühle, 
Gleichwie dagegen M’Erie von bem angegebenen Gtanbpupite 
aus als Gegner der Katholiken auftrat und fo namentlid) die 
von dem Whigminifterium von 1807 eingebradhte Katholiken⸗ 
bill belämpfte, obſchon er felbft in jedem andern politifchen 
Punkte Whig war, fo befämpfte auch Biſchof Burgeß bie An 
fprüde der Katholiten, aber aus dem gang verfchiebenen 
Grunde, weil fie die Interefien der englifchen Kirche beeinträds 
tigten. @ine Vergleichung zwifchen Dr. M’Grie’s Petition ges 
gen die Katholilen und dem Briefe des Dr. Burgeß an Lord 
Melbourne über bie iriſche Kirchenbill ftellt ganz befonders bie 
entgegengefesten Gründe ins Licht, welche fie zu derfelben 
Schlußfolge führte, kaum Einen Grundfag nimmt ber Gine 
im Stillen an, den ber Andere nicht ebenfo verwürfe, und, 
was auf den erften Blick, bei Betrachtung der Stellung beider 
Kirdyen, außerordentlich auffallen muß, der Bifchof fügt feine 
Sache auf die Verbindlichkeit des Staates zum Schuge gegen 
die Kirche, Jener auf die Gewalt der Kirche über den Staat. 
Zufammen treffen Beide wieder in ihrer ausgezeichneten, 
einfachen Zrömmigkeit, in ihrem Werthe als Gelehrte und in 
der Achtung, die fie in ihrem Kreiſe genofien. Dagegen waren 
die literarifchen Leiftungen von Burgeß von ſchwächerm Charak⸗ 
ter als bie M'Crie's, aber zierlicher und den Gelehrten mehr 
befundend. Der Schotte war bazu gemacht, einen Gegner nits 
berzufchmettern, der Engländer fuchte fich lieber einen Kreund 
zu erhalten. Indeß hat bei allem ihren-Werdienfte doch in dem 
genannten Biographien die Parteilichleit der Freundſchaft und 
der kindlichen Liebe Beider Werth überfchäpt. 80, 


Literarifhe Anzeige. 
In allen Buchhandlungen iſt zu erhalten: 


VBAHAR. 
Taschenbuch auf das Jahr 1841. 
Menue Folge. Dritter FJahrgang. 
Mit dem Bildnisge Karl Friedrich Cessing's. 


8. Auf feinem Velinp. Eleg. cartonnirt. 1 Thle. 16 Sr. 


Inhalt: 
I. Der Prätendent. Ronelle von W. Elexis. 
IH. Cursorius isabellinus. Novelle von W. Martel. 
III. on den brei Schweftern. Erzählung von A. Hagen. 
IV. Waldeinſamkeit. Novelle von &, Lied, 


Bon früheren Jahrgaͤngen der Urania find nur noch ein⸗ 
zeine GEremplare von 1831 — 33 vorräthig, bie im herab⸗ 
gefegten Preiſe zu 16 Br. der Jahrgang abgelaffen wer⸗ 
den. Die Jahrgänge 1839 und 1840, oder der Neuen Folge 
erfter und zweiter Jahrgang, koſten jeder 1 Thlr. 12 Gr. 

Leipzig, im November 1340, 

3. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 











Oil 
Bl 4 rt ei r 


lern pr elle man 
— — nos unten u ans 
Zu ol Mi a 3 





Dienſtag, 


— Re 315. — 


10. November. 1840. 





Die Sünderode. Zwei Theile. 
(Fortfegung aud Nr. 314.) 


Oft fonft rühmt und bemunbert Bettina an ber Sreuns 


din. die milde und file Großartigkeit und Ruhe ihres 
Weſens, den Adel und Rhythmus, der fi in ihrer Er⸗ 
ſcheinung und in ihrem Thun und Reden offenbare.. Und 
außer den Briefen der Günderobe felbft, welche jedoch 
gegen die Bettina’ wenig Raum einnehmen,. enthalten 


diefe Bände philofophifhe Auffäge und Fragmente und: 


mehre Poeſien von ihr, melche thr geifliges Bild verbeut- 
Ichen helfen. Es gibt Poefien, welche ſchon mis ein 
paar Zeilen oder Accorden dem Geiſte die Überzeugung 


geben, daß. fie aus einem wahrhaft dichterifchen, geweihs 


ten Gemüthe ſtammen, baß fie nicht kuͤnſtliche Fruͤchte 
der Bildung und des Geſchmacks ſind, fondern unwillkuͤr⸗ 
liche, faſt unbewußte Ergießung einer innern, lebendigen 

uſik. Und: zu dieſen Poeſien zählen wir die bier mit⸗ 
getheilten von der Guͤnderode, von welchen vielleicht feine 
als vollendet zu betrachten ift, da es allen mehr oder 
weniger an Klarheit und an Neinheit der technifchen- Be: 


Handlung fehle, aber welche fogleich in eine höhere, ideale |: 


Stimmung verfegen, in eine Stimmung der tragifchen 
Wehmuth und. Feier. . Der philofophifche Gedanke ift 


nicht uͤberall poetiſches Fleiſch geworden, aber das tiefſte 


und ergreifendſte Pathos ſpricht ſich auch in der minder 
vollkommenen Form als ein mächtiges Ringen eines eben. 
ud. kibenfchaftlichen. Geiſtes aus. Wenn die Guͤnderode 
einerfeitö duch ihre Studien und ihre ganze Geiſtesrich⸗ 
tung als zu männlich erſcheinen koͤunte, fe. wird: bies 
wieder. · ausgeglichen durch ihre weibliche Zaghaftigkeit und 
Schuͤchternheit, deren fie fich"Telbfl! anklagt und die ihr | 
vn Meg oͤurchs Leben erſchwexen. Der Conflict dieſet 
eiden Eletzente vpielzeicht iſt es, was ihrer ganzen, Er⸗ 
fiheimumg: einem: fe. tragiſchen Charakter leiht; und was 
auchwol die letzte, traurige Kataſttophe hexbeiführne; zw | 
wejh und zu. [dichten war ihre Seele, um den ‚Kampf. | 
mit ben rauhen Mächten bes Kia beſtehen, aber |. 
ihr: Geift mar. kühn genug, ‚Tode: ins Antlig | 
* ſchaiten. 8 arſcheint — ihre —* ode, — A | sm 

——— leide — und .eiferfütig..um ihre. &i 
{ich werhend Freundin die aber doch ihre Seele le | 
b ganz ausfülen kann, als eine, zwiefache, bald als bie | 
bed, hlidenben amhendeh ‚und, mäßigenden Mentoct und | 


* Me 


nb renpt * Betti noch n ihtem 
ach mi i KR Blei, au, Muh, ur ug a 


als der beforgten, mütterlihen Pflegerin, bald aber audp' 
erkennt ihre weiche und ſtille Seele die gewaltigere Kraft 
in Bettina's Natur an; und fie folgt, halb kopfſchuͤttelnd, 
aber nachgebend dem verwegenen Kinde auf feinen wilden 
Seiftesirrfahrten.. Ihre Briefe zeigen viel mehr ernifle‘ 
Haltung und find frei von ſolchen genialen Unarten, als 
Stüche, Schimpfworte u. dgl., wie fie in Bettina's Brie⸗ 
fen ſich finden, wofür dieſe mehr als einen Verweis ers- 
hätt; dabei aber fehlt e8 ihnen nicht an einem mild laͤcheln⸗ 
den Humor, und an Tiefe des Gemuͤths und: Gelfted. 
ftehen ſich wol beide gleih. In dem Obigen if! ſchon 
enthalten, daß auch Bettina’s Rolle wechſelt. Das eine: 
Mal unterwirft fie fich halb und halb der milden Autor’ 
rität, der ftillen Hoheit und Gewalt der Altern und ver“ 
ſtaͤndigern Freundin; ſie rechnet ein neues Leben von dee? 
Zeit an, wo fie diefelbe gefunden, feit ſie mit ihr in’ 
Verkehr und Austaufc ber Ideen getreten; fie empfängt‘ 
‘ihre Briefe wie Orakel des Gentus, fie iſt eifectlichtig aufl 
ihre Liebe und traurig und befiimmert, wenn: ffe ohmw 
Nachrichten von der Freundin, ohne Verfi cherungen ihred 
Andenkens und ihrer Liebe bleibt; „Du biſt der Paton nd 
ſchreibt fie tor, „und ich bin’ dein Freund und Schu 
Dion; ja! fo will ich dich nennen kimftig, Piktonn® 
Dann aber regt fi doch in der Schülerin -ein- umabhatu⸗ 
giger Geiſt, der fich gegen bie Autorktät ſelbft bet‘ Kreutis 
bin empört, der feine eigenen Fluͤge, wie! ein: junger Adlet 
verfuchen will, "und der oft: bie befommettere Guͤnderobe 
mit fortreißt oder- fortzure ſen [cjeimt.’ "Eine Nutur wil 
die Bettinens mochte für die Guͤnderode ae en 
thlitiganregendes, aber zu Zeiten‘ auch end! — 
beruhtendes Haben; ihre Beteiſterumg konnte ſich· am Gerd 
diefer jungen Seele‘ neu entzuͤnden aber ihr tiefer: Craft 
mußte auch‘ durch die gelegentlichen Erguͤſſe eintse phan⸗ 
taſtiſchen Vtuthwillens verketzt· werden, und film ber: IE 
Grenzenloſe vorwarts draͤngende Lbenonmth ud Vaeb Bis 
timene- ſtimmte ſchweelich gunz zu ihtem trus riccktodtts · tnv 

vorwaͤrts · fchauenden Geffte Modhte aber In Bee 

3 keine völlige Harmont⸗ ihret Chatettete · und: 


—5 — fich ergeben, iſt doch dex thellwelfe Eomitaſt Aieo 


dern nribarent Geiſtesvetwandtſ nd 
ormiihe m Def —æãñã S— 








1. 
ner inzwiſchen nachgewieſen haben, daß fie" damals ſchon 


J 4 


eine Jungfrau von 18 — 20 Jahren geweſen; aber fie 
bat den Titel des Buches gewiß nicht ohne Abſicht und 
auch nicht ohne ein gemwiffes Recht gewählt; fie wollte 
damit nicht blos das Alter der Corrafpondentin bezeichnen, 
fondern auch fchon Etwas von Ihrer Individunlitaͤt. Und 
fo dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir in ben vor: 
liegenden, frühern Briefen no mehr vom Sinn und 
Geiſt, auch wol von ben Launen und gelegentlichen Unarten 
des Kindes finden. Das Mädchen, beffen ſtroͤmender Fe: 
ber diefe von Phantaſie, Geiſt und übermuth ſchaͤumen⸗ 
ben und perlenden Briefe entquellen, gemahnt uns häu- 
fig wie ein verzogenes, aber unglaublich begabtes, wie ein 
wunderbar potenzirtes Kind. Zu dieſem Begriff von 
ihrem Wefen berechtigt auch Das, was man gelegentlich 
von ihrer Außern Erfcheinung und Betragen erfährt. Sie 


iſt ſehr zart und ſchlank; fie fchlüpft wie eine Schlange 


oder ein Marder duch die Gitter eines Thors; fie freut 


- fi, daß der irdifhe Ballaft an ihre nicht zunimmt; wie” 


Kindern geht ihre Nichts über Obſt, und fie gedenkt, mit 
ber Guͤnderode ein Kinfiedferleben führend, von Nichte 
als Obſt zu Leben; fie wird von manchen Perfonen als 
Kind behandelt, mit Du angerebet; fie erlaubt fich die 
Unaeten eines Kindes in Gefellfchaft, fest ſich Uber Die 
Foͤrmlichkeiten und Regeln des comventionnellen Lebens 
meg und verübt allerlei Streihe, wie fie fih wol ein 
aufgewecktes, liberal erzogenes Kind herausnimmt. Wa: 
tee und Mutter bat fie frühe verloren; mehre Jahre 
iſt fie im. Kofler erzogen, dann in ziemliche Ungebuns» 


denheit verfegt worden, da fie einer audgebreiteten, in 


großen. Verhältniffen lebenden Familie angehört. Mies: 
mand behauptet eine Autorität über das wilde, reichbe⸗ 
gebte Mädchen; bie Großmutter liebkoſt und hätfchelt fie 
und gewinnt auch ihr Herz, aber erzieht fie nicht; ihr 
Bruder. Clemens rühmt ihre „enormen Anlagen” zu jeder 
Gattung von Kunft und möchte fie. bilden; er fperrt fie 
ein, damit, fie Gedichte mache, aber fie lacht ihn aus 
und tut, was fie will. ‚Sie läuft in der Stadt, in den 

xten, in bez Umgegend ‚herum, ſie entblättert Bäume, 


oknuͤpft Bekauntſchaften mit Gärtnern und Leuten vom 
Belle an unb behandelt. die Vornehmſten wieder mit ber- 


ungezwungsaften Keckheit. Sie zieht fih Vorwürfe zu 
wegen. ihmes unverfländigen Benehmens und. erregt dann 
bach wieder die. allgemeine Bewunderung, obgleich ber 
Nein keine befonbere Vorzüge an ihr erkennen will. Bei⸗ 
ting benutzt die Vortheile, die ihr dieſe Rolle des verzo: 
gowen Kindes gewaͤhrt, und, myſtificirt gelegentlich Dieje⸗ 
nigen, die ſich ſo vernuͤnftig ihr gegenuͤber glauben; aber 
mäglich erhebt ſich dann ihr Geiſt, wiewol auch oft noch 
ba, den Form einer beinahe kindiſchen Ausgelaſſenheit, zur. 
acthufiaſtiſchen Betrachtung und. Erörterung dee hoͤchſten 


und ‚tiefften, Probleme zu kuͤhnen Phantafien über Na. | 


tun, Lehen, Geiſt, Gott, zu begeilterter Aust rechung 
itzes Innern, zu propbetiihen Bliden in bie Raͤthſel bes 

le. Wie en, selunde, Aebensftohez Kind oft. dem 
Arange zu fingen nicht widerſtehen kann, fo ergleßt fich 
dies wunderbare Mädchenkind Bald in ertempotirten Me: 








O3 02 


loben, die fie dann ſelbſt nicht aufzufchreiben vermag, 
‚bald in ſchwung⸗ und ahnungsvollen Hymnen auf bie 
"Ratur, bie Gottheit, den Genius, und ift ſich dann dies 
fer Infpirationen und Erpectorationen bintennad) ſelbſt 
nicht mehr recht bewußt. 

An die Eigenthuͤmlichkeit bes Kindesalters, dab es 
ben Anfoderungen bes Schlummergottes fo plöglic) und ohne 
Widerſtand erliegt, erinnern auch manche Winke und Ans 
deutungen in dieſen Baͤnden, Bettina's Schlaf und Wa⸗ 
chen betreffend, bei welchen man aber zugleich ſich des 
Gedankens an den ſchlafwachen Zuſtand, an Somnans 
bule, Hellfehen, überhaupt an die Phänomene des ani— 
malifhen Magnetismus nicht enthalten kann. - So fchreibe 
fie einmal: 


Was Haft du zu forgen um mein Nachtwachen? — 
viel Blumen, die nur bes Nachts duften! ka denn 3 
Menſchen in der Nacht ſchlafen? — koͤnnen fie nicht auch wie 
der Nachtſchatten und Viola matronalis am Tag ſchlafen und 
Nachts ihren Duft aushauchen? — Warum ſind manche Men⸗ 
ſchen ſo unaufgeweckt und koͤnnen nicht zu ſich ſelbſt kommen am 
Tag, als weil es Nachtblüten ſind, aber die leidige Tagsord- 
nung bat fie aus ben Angeln gerückt, daß fie kein Gefuͤhl haben 
von ihrem Naturmwillen. — Darum verlieben fie ſich auch vers 
kehrt, weil ihre Sinne ganz verwirrt find. — Mandhe Leute 
find nur gefcheit zwifchen Licht und Dunkel, am Abend verfles 
ben fie alles. Morgens haben fie lebhafte Träume, am Tag 
find fie wie die Schaf, fo geht mirs, mein Wachen ift früh, 
ich muß dem Sonnengott zuvorfommen, wie jener Zempeitnate 
feinen Tempel reinigen, — dann ehrt eu ein bei mir und lehrt 
mir Drakelfprüche — alles paßt — fügt ſich, wollt’ ich ſagen — 
au daß ih immer fo unaufgewedt bin wenn ber Srfdihes: 
lehrer kommt in ber Mittagsftund, das iſt grad meine ver- 
flafenfte Zeit. — Du biſt auch Feine Tagsnatur, dein Wachen‘ 
deucht mir anzufangen, wenn ber Zaggott fich neigt und nicht 
mehr fo hoch am Himmel ſteht — dir neigt ex ſich herab u. ſ. w. 

Anderswo: 
Da hab' ich mich ſo vertieft in Gedanken, daß ich ein⸗ 
ſchlief, es geſchieht mir fo oft, daß ich einſchlafen muß im beften 
Denken, wenn ich eben empfind, als wolle ein tieferen Geiſt in 
mir wach werden, wo ich hoͤchlich gefpannt bin zu erfahren, 
was fi in mir erdichten will, und flatt daß es In mir ers 
wacht, muß ich darüber einfchlafen, ‚als ob eine idealiſche Ras 
tur mie nicht wolle wiflen laffen, wie fie in mir denkt und 
empfindet, — Es ift ein Zauberer in uns, der ſieht uns firez 
ben nach feinem Wiffen, der macht al mein Streben zunichte, 
wenn ich nah bin und bie Offenbarung fon —— 
ſeh, fo ſchlaͤfert er micheiin. 

Und in einem ſpaͤtern Briefe: ur . 

Ih auch ſchlaf gern, wo es grad mix, qm fsligften if, 
da ift immer bie Ruhe über mir, als wäre Seligkeit nur eine 
Wiege und ſchaukelte die Seele und wiegte fie aus einem Zraum 
in den andern bin und ber...fo bin ich da auch ein paar 
Minuten über jenen Gelübden eingefchlafen, ald wenn ber 
Schlaf die Beflätigung aller Geifteserhebung wäre!. ober ift. es 
vjelleicht im Schlummer, daß ber Geiſt in feinen Gelübben 

aufſteigt? — So wars mir. nad jenem kurzen Schlaf, als fei 
ich im Port meines Lebens angelangt, und als brauch ich keine 
fremde Wege mehr zu ſuchen. Ze 
„Hier Tel’ much erlaubt daran’ zu erinnern, wie Bet⸗ 
' tina fogleich einſchlief, als fe Goethe gefunden. hatte. Mit 
den Phänomenen des Magnetldmus und des magnẽtiſchen 
‚ Hellfehens”äßt fi nun dies‘ allerdings‘ inſafern sicht ges 
radezu vergleichen, als ja Bettina "wicht in ben’ pLößlichen 
: Ankoandlungen "des Schiafs ihre poetifch=phftöfophifden 








ar 


ſchein und Abendwolken find deine lieben Geſellen, mit 
been du dich vertraͤgſt wenn kein Menſch mit dir aus⸗ 
lommt.“ Br 


Erſtafen, wenn wir es fo nehmen duͤrfen, hatte, vielmehr 
in einem vecht aufgewedten Buftande ihres Seiftes, und 
dee fie übermannende Schlummer gerade dem Denten 
ein Ende machte; aber doch ſcheint es, als ob. bie teiluris. 
fen und folarifhen Einfläffe, um In einer jegt feltener 
mehr gehörten Sprache zu reden, auf fie anders als auf 
bie gewöhnlichen Naturen gewirkt hätten, und häufig ge: 
mahnen uns ihre abenteuerlichen, nächtlichen und morgens 
lichen Irrfahrten, im wirklichen und bildlihen Sinn, wie 
ein fehr gefteigerte® Traumleben, ober wie die verwegenen 
Spaziergänge einer Nachtwandlerin. Eine Theorie hatte 
fie fih, wie man aus ben angeführten Stellen fieht, 
feibſt nicht über ihre Scylafzuftände gemacht, denn es 
finden fi darin widerſprechende Außerungen; das eine 
Mat glaubt fie, der „Zauberet“ in ihr ſchlaͤfere fie aus 
Neid ein, wenn fie im Begriff flehe, höherer Offenbarun: 
gen theilhaft zu werden; das andere Mat ift fie geneigt, 
den Schlaf für die Beſtaͤtigung aller Geiſteserhebung zu 
hatten. So ſcheint fie unentſchieden zu ſchwanken zwi⸗ 
fhen der Anſicht, welche das wache Bewußtſein und Den⸗ 
ten als das Hoͤchſte fegt, und der andern, melde aus 
dem geheimnifvollen Reiche des Schlafs, des Traums, 
des Halbbewußtfeins neue Offenbarungen erwartef. er 
Kuft Hätte, aus ‘Bettina eine eigenthümliche Art von Som: 
nambule zu machen, ber koͤnnte, ſich allerdings auch mit 
einigem Schein auf ihre vielen Außerungen von dem Ge: 
nius berufen. Bekanntlich ſprechen manche Perfonen im 
magnetifhen Buftand von Genien, Schutzgeiſtern und 
feindfeligen Geiftern; die Einen nur von einem, Andere 
von zweien; iſt es nun nicht eine weitere Verwandtſchaft 
mit jenen Zuftänden, daß Bettina fo viel von dem Se 
wiys fpricht? Es wird ſich fpäter zeigen, daB es mit dies 
fem Genius doch eine andere Bewandtniß hat. Beach⸗ 
lenswerth ſcheint uns auch noch, was bie Günderode an 
Bettina über ihre (dev: Legtern) Gefundheit ſchreibt: 

Mir iſts Ueber, daß bu auf Koften jener intereffanten 
Blaͤſſe zunimmt, als daß id Immer Hören muß, beine Lebenz 
digkeit werde dich noch tödten, was komiſch klingi... Was bu 

lafteuntenheit nannteft, das mar nach Gömmering Rerven» 
fieber, ex jagt, du habefk keinen Sinn für Krankheitsguftände, 
du Habeft die Kinderfrankheiten wie Luftige Spiele buredhgemacht, 
diesmal fet e6 von überjpanntem Studiren gelommen. Die phi⸗ 
Tofophifchen Ausdräde Abfolutiemuts; Dualismus, Hödfte Po: 
teng u. f. w., mit denen dis in deinen Fieberphantaſtin fpietteft, 
ugten wider mid. Ich habe mic feft vorgenommen, dieſen 
Söhter nur foldje Sachen mit die gu reiben, die dir seht von 
Herzen zufagen . ; . Der Hohenfelb fagte mie, Ebel ergähle, du 
Yabefk aus Überreigtem Wibermillen gegen bie Philofophie ftars 
Bes Erbrechen gehabt, daraus ſich ein galliges Mervenficher ges 
bitdet habe. 

Auch Hieraus erhellt, daß Bettina eine ganz befonbere 
Drgankfation befaß, daß fie begabt war mit einer Leben⸗ 
bigfeit, welche, der höchſten Anſtrengungen fählg, Thäde | zünftigen Augen! 
liche Einflüffe, denen fonft die Meiften unterworfen find, —— 
neutraliſitte und vom ſich ausſchloß, dabei aber doch eine iſt & 
überung guafe Empfindlichkeit, fr andere Einflüffe,..be | ner Ar 
fordere: Sie.der Natur, .‚vefafı'. &o ſchreibt deun auch ihre ER 


Srtunbin. Im_demfeben Bee: ‚„Du_bift_gefül [3 
Autäglicgkeit der Natur, Morgen! ge Ange! entfalten -Donntz, 










































(Die Bortfegung folgt.) 





Romanenliteratgur. 2 
1. Luiſe. Von der Herzogin von ee ng dem Frans 
gelten von Wilhelm Ludwig Wert. Zwei Bände, 

eipyig, Kollmann. 1840. 8. 2 The. ö 

Die irrige Meinung einer jungen Franzöfin, daß die Liebe 
des Manmes im GEheftand dauere, führt Eiferfüchteleien ihrer⸗ 
feits herbei; als Pariferin hätte fie die Ehe als einen Gontract 
u betrachten gehabt, wobei bie Neigung nicht mehr in Bezle⸗ 
Bung Zommt als bei jedem andern wohlerwogenen @efchäft. 
Aber fie verlangt ®iebe, und da der Mann ihr foldje verfagt, 
bildet fie fich folche für einen jungen Faſhionable ein, ohne 
doch im mindeften ihre Pflicht zu verlegen. Der Mann, deſpo⸗ 
tifd) aus Temperament unb aus Grundfag, will fi von the 
trennen, fie verföhnen fi; albernes Beihwäg führt ihm ju 
feinem frühern Vorhaben zuräd. Luffe, abergläubig, aber. nie 
gläudfg, vergiftet fich und der Mann bereut zu fpät feine Härte. 
Diefe einfache Handlung, an ber nur eine leichtfinnige Goufime 
noch Theil nimmt-, iſt blos der Träger einer. Reihe von Bes 
trachtungen und Meinungen, die ſtark nach Emancipation der 
rauen riechen. Giferfuche des Welbes ift der Berf. kein Wehe 
ler, fondern Bedingung einer überfpannten Zuneigung, die bes 
Mannes dagegen if ein beleidigen der Berbacht, einlid und 
bospaft. Troedem daß mehre biefer Ausfprüche geiftzeid mb 
fharffinnig find, würde eine zweite Ausgabe die. verbefieste fein; 
wenn fie gekürzte hieß. Pi 
2. Melchior. Bon Camilla Bodin. Aus bem Branzöffiden 

überfegt von Fanny Zarnow. Zwei Wände. Leipzig, 
Kollmann. 1840, 8. 2 Zhle. 18_Gr. 

„aß dich den Teufel nur an einem Haar faflen und du 
biſt fein auf immer.” . Das Motto hätte bev- Erzählung vor⸗ 
gefegt werben Zönnen. Der Hochmuth macht ben wohlbegabten 
Melchior faul, flörrig gegen bie Grmapnungn feines befanges 
men, aber reditlichen und e8 gut mit ihm meinenden Sifefba⸗ 
ters, nicht bie Liebe ſeiner Pflegeſchweſter, bie Trrue eines wah⸗ 
ten Freundes Yann dem von einem zweiten Macaire verfährk 
u ee k ft u er, fen Besien mit 

;ophismen befchwichtigend, deren it fein heier 
erkennt, aber ber Ale zu ſchwach tft, de ve Cie A 
firebende That feftzuhalten, bald fchreifkt er weiter umb‘ weite 
auf dem Meg des Lafters; "erft fehweigt er zu den Abſcheutich 
feiten- jenes Werruchten, dann ’theilt'et fie, dis der Zod mitlej⸗ 
dig {hin der Schande ,. ber Häft entzieht. Wie Länge fm: 
fen Bande tverben durch die Berhreibungen italleniſcher bes 
fonders neapolitanifher Landſchaften und Bitten, nicht Hirte 
end ausgeglichen. ‘ 

3. Biotene, EN} a a) Roi vor 
malia Winter. Zwei inde. Leipzig, Kollmanı 

1840, 8, 2 Ihlr. 6 Gr. r 

Außer ander 
dargeftellten Pe 
Schweſter und D 
fehener Urbilder 
Savoyen find bi 












|yir 


von Camp 


an anfergrabt ie Dafdin, DIE Ernte m Shen Bi 

” M J X - LU2, 
9 ——— hi eenläihet m tin: Mügendiie" der hoch“ 
fien Überrafhung. Die Welt hat keine Freuden nach vieſer, 
fie muß flerben. Außer ben. gut gezeichneten Charakteren iſt an 


dem _ Roman bie Scenerie lobend ji erwähnen, die befcheident- 
HUB auf den Hintergrund beſchränkt, ohne unbeſtimmt zu Teiln. 


4, Des Ikarus Flügel. wa Charles. de: Bernard. „Aus 

‚dem Beaugäfifchen von St.⸗Friedrich. Zwei Bände, 

„„Mredlau, Verlage Somptoir, - 1840. 8. 2. pe 
Ikarus, ein Strebender, ber fi in feiner Provinzflabt 


kgweilt, verbrennt ſich zwar in Paris bie Flügel, nicht fos 
wal weil er nachſchwindelt, al& weil er von allen Seiten ge: 


— fänt | | 
warten: Geiten. ded Orts, ber. Lage und foger an bie 
— feiner: Braut und nachmaligen Frau, 
5; Flerita und Fabiana von. Charles Reybaud. Aus dem 
Beangöftihen von St.⸗Friedrich. Brealau, Verlage 
: 'Comptoir.. 1840, 8, 1. She. . 

Der Titel. läßt eine Novelle vermutben, es finb deren aber 
wei, In der erſten erzieht: Calderon ein junges Maͤdchen zur 
aufpielerin und verliebt fi in fie. Aber bie gefeierte 
ne ſchenkt einem Andern ihre Zuneigung, der nur, mit ih⸗ 
zeu Biche tändelt, worüber fie ſich graͤmt und ins Klofter geht. 
Kit fo gelaffen, num ſich ſtrafend, erträgt die getaufte Mau: 
sis in der weiten Novelle die. Untreue. des Geliebten. Ihre 
Giferfucht: wird. Auchflählich guc Flamme, fie zündet das Lands 
Haus des Flatterhaften an, rettet jedoch ba& Leben, die Ehre 
ber. Rebenbuhlerin, ihrer Bufenfreundin, nimmt. gebulbig. bie 
Anklage der Zauberei hin, und Läßt fi, ohne ein Wort zu ih⸗ 
yer-Bertbeibigung zu-fagen, was, ohne die Freundin. zu bes 
ſchoͤmen, nicht auszuſprechen war, verbrennen. 18. 








I... . ' . 
Gedruckte Zeitungen vor 1460: 
«3m bemfslben Jahre, in welchem bie 400jäHrige Erfindung 
bes Bücherdrucks gefeiert ward, Tann. es nur anziehen fein, 
urxtundlich nachnweiſen, daß bie Zeitungen, bieje vermeinte 
—— Spätfrucit bes. Zürkenkeieges im 16. Jahrhundert, 
ſchon vos 1460 aus gleichem, durch Konftantinopels Eroberun 
egtan Bebürfniffe Hesvorgegangen waren und quer durq 
—— dur die nad. Paris. umbergetragen. unb verkauft wur: 
WERE  Kuffinbung -biefee Beweiſes verdanken wir Hru. Em, 
ei, in Bräffel, ber bei den. Arbeiten. ber dortigen Zönigs 
k en für beigifche Geſchichte angeftellt ift.*) Hr. 
| By and nämlich von ber Hand Adrian de But’s, am Rande 
er Handſchraft bes 16, Jahrhunderts, fülgende ſchriftliche Bes 
—* diebus mira celeritate librarii seu Jibrorum impres- 
s usi sunt, tradendo recentia dosgtorum et novisgime 
* “ datjs‘ vili”pretio, nam novitatl · studentes per'illum-no- 
um induigeré denarios curaverunt. Unde factum ekt- ut 
ad inferiores has partes Turcorum yesta denuntiarentar; ma- 
jme tamen Parisiis in alml' matre studiorum omnium -com- 
ortabantnr.,, ubt diebas ils haec copiavi, non multo post 
onachus Dunis effectus, semper' quae potueram "aäßere 
Inarginibus annotavi, quatänns in parte miranda- comtingentia 
posteris in testimonsum asserenda reinguerem:; ° 
7 Adrftan be Wr, Verfaſſer der eben mitgethiefiten Runbs 
brmertüngen, war 1487 im marleberger Polder bei Saftingen in 
FZlandern geboren, und veriteß 1457; nachdem er in Medheln, 
— — — * 


J * Bulletins de Vaoaddmie royale des sciences et belles Igitres 
de Bruzelleg (Bh. 6, Abth. 1, &. 459 fg.). 














v0. Meräntmortikäer. Dezausgeier s' Deinrig. Beoddand. — Deu und Mamız.non.S; A. eo d ham in Saipaide. B J 
* 












exich 

. am. letztern/Ofr "und 

Ba Ei Ne ea 
3° ’i00 er feine Srublin un * 

——— a en — 

— 

hart gleichfalle Möng Bi und 
u Göttesgetaprtäelt war 

Brief über 

in ihm auftende 


gerichteten 
Kioßer aog 
an und ex 
ad Kiefer 
endlich 


ging nach Pa 
zu Ende brachte! 
en fig: 1858, nachl 
Minen Familie, Abt ade, 
worden .WAr,,. ne 

a er aber noch nicht Magifter t 
durch Petrarca’® gegen: die’ Eifhercien 
bie doppelte Ehe des Teufels einige Zwe 
tm, ſchab er die Ausführung feines Eintritts 
quf. Endlich löſten ſich 1460 feine Bedenklichke 
begab ſich nebſt ſeinem Eeheer Ügidius de Roye in 




























zu Dünen, wo er fein Gelübde abiegte und das DE, vie 
nahm. ' —X 

Mus der angeführten. Bemerkung be: But’s, mei At nur 
and: dem, Sbengefagten erhellt, bie-Zeit.zwifchen 1457 WR ihre 


betrifft, ergibt fih nun, daf. in dieſem Zeitraume n 
Bücher, wie ſchon befannt war, fondern auch Neuigkeitsh 
und Zeitungen nad) Paris wie nach den Niederlanden ge 
gebracht und ziemlich billig verkauft wurden. Woher 

bies aber aus dem Oberlande und aus dem Dften gefchehen a 
Deutfchland, befonders aus Mainz, wo, wie wir wifen, bd 
noch allein gebruct wurde? Wären bie erwähnten Bücher 
Zeitungen aus andern Preffen beroorgegangen als ans dene 
Mainz, welche ben 1457 beendigten und nad Paris d 
Duft gebrachten Pfalter geliefert hatten, ber ſo genaue be % 
wärbe nicht exmangelt hahen, dies bien an dieſer Stelle zu < 
währen, So erhalten wir alfo ein. neues gewichtiges Zeug 
eines Zeitgenoffen für ben deutfchen und nicht niederländiſch 
ober gar Holländifchen Urfprung der Erfindung bee Bücerbry 
mit beweglichen Schriften. --Rebenher aber erbiiten wie bie 
einen: neuen Grund für.bie auf Zrabition berubende. GenauigJ 
keit der Feſtſetzung des J. 1440 als das. ber Erfindung bu 
Büherdruds, da biefes Zahr befanntlich gerade in der. Mi 
zwiſchen dem zuerft eine Jahrzahl tragenden heiligen Chrifto 
von 1423 aus der Karthaufe Burheim (est in Lord Spence 
Belle) und zwiſchen dem Pſalter von 1457 liegt, der ſch 
eime ſolche Vollendung der bioher geheim gehaltenen Kunfſt ze 
daß demſelben zahlreiche und mannichfaltige Verfuche in dexſel 
nothwendig vorangegangen fein müffen. „N. H. Jülius. 









Literariſche Notizen. 
Hr. Bois⸗le⸗GComte benugte die. projectiste Ginfeſtigung, 
von Paris zu einem Werkchen, welches unter dem Fr em 
(dien: „Fortifioatiens de Paris; considerations. sur la de- 
ense nationale et sur le röle, que. Paris. doit.jower danss 
este ‚defense‘‘, mit einer Kaste von ben Um ungen, vom 
Pariö:unb- einem. Plan ber ‚Umgürtungsmauer unb ben. projec- 
tirten. Forts. Dev Verf. iſt Gapitain im Böniglichen General. 
Babe und hat die Pprais: „Paris est ia place..forte de. la rẽ- 
geolution, Ja ville commune de la France’ zum Motto. fein 
Schrift ‚gewählt, Des Generals be, Richemont Brofdüre: ,„P 
ris fortih& seule et iacontestable garantie. de l’independan 
de la France“, erfchien im einer zweiten Auflage. 


Die, Sieferung ber nalerie des —— — illustre⸗ 
per un homme db rien“ Yeingt-in zwei Hälften: SH von. 
Mohammed: Ali und Ibrahim Paſcha achfk den —— — das 
des Mopemmeb: iſt van Liante. u 


Neu erfchienen in Paris: „Mile. Beata et Robert 
ealre en Orieiit”, von Älphonſe Royer (2 Bde.); ‚‚Sitot 
Anina, moeurs bresiliennes”, son E. IR, Antonetz „ 
un voyagenr“,. von.2. Delatrg; „Lea. maits. de, Lo 






















Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


— Kr. 316. — 


11. November 1840. 





Die Guͤnderode. 
(Tortſezung aus Nr. 318.) 

niı Helifehend ift Bettina jedenfalls in ihrem Empfinden 
1teb und Auffaffen der Natur, in ihrem ſich Verſenken in fie, 


Zwei Theile. 


var in ihrem Einswerden mit derfelben. Man kann unter: 
* al fcheiden zrifchen ihrer Art, die Natur im Ganzen fowie 
n, da im Meinften Detail anzufehen, oder fie fo zu fagen auf 
cher fi) wirken zu laflen, und zwifchen ihrer geifligen, philo⸗ 
; bene fophifchen ober poetifchen Auffaffung derfelben, fofern jenes 
wis d mehr die Sache einer glüdlichen, feinorganifirten Sinn: 
nr lichkeit, letzteres dagegen das Product geiftiger Sponta- 
330 neitaͤt und Lebendigkeit iſt; aber in ber tiefſten Wurzel 
rländiſt iſt dann doch wieder Beides nur Eines, und das liebevolle 


Anſchauen und das energifche Verlebendigen und Beſeelen 
und Vergeiftigen der Natur bedingen ſich bei Bettina ge: 
genfeitig.. Um Proben zu finden von ihrem univerfellen, 
das Kleine wie das Große Iebendigft erfafenden Natur: 
finn, darf man die beiden Theile faft nur aufs Gerathe: 
wohl auffchlagen; überall ftöße man auf bie entzuͤckend⸗ 
ſten Schilderungen von Spaziergängen, Anfichten, Land: 
haften, „Gärten, Sommer: und Winternädhten mit Blu⸗ 
mens und Sternenſchmuck. Bon Offenbach fchreibt fie: 

Die Acacien im Dofe find recht gewachfen, fie ſchneien im 
Sonnenfchein ihr legt Silber aufd Grün. Der Garten lag fo 
morgentrunfen vorm Fenſter, ich ging hinab meinen alten Weg 
nach der Breterwand hinter ben Pappeln, und Eletterte herüber 
ins Boskett, wo ich dir Hier fchreib. Daß doch immer meine Klei⸗ 
der reißen, wenn ich recht jauchzend bin. Bank nur nicht, daß 
mein Gewand nicht gefhont Hab. Dornenröschen hat mir 





eftigung 
itel er⸗ 


di 
la de “ Fetzchen davon behalten, wie ich verfucht Hab, ob ich noch 


zwiſchen dem ifengeländer vom Boskett durchwitſchen Tann; 
es geht noch, ich Hab noch nicht zugenommen an Erdenballaſt, — 
da fiß ich auf ber Jerraß am Main, auf dem die Waſſerſpin⸗ 


nen luſtig in der Früßfonne herumfahren. Käm der Genius 
was die Bienen fummen. Iſt mir doch, als gehör ich zu bem 
on blühenden Bitronendaum; ift fo ſtill alles — wie am Feiertag, 
ıdancd md der reinliche Kies mie unter den Füßen Hirrt fhüchtern, — 
I Alles vo Schauer und Harren, daß Er komme, der, auf 

den auch ich harre, ober war er fchon hier? — und hat es früs 
wire her fo geordnet für mich, daß ich merke, Er ſei's gewefen, dem 
33 Ianelt zu meinen Füßen. Ich wollt's befingen, aber’s Lüftdhen, 
s nah ihm ſucht im Gebuͤſch, kehrt wieder und hat ihn 


nr et gefunden und fchweigt und regt fich nicht mehr, fo muß 
‚3 fon auch ſtumm fein. 
r 


Sr Ein ander Mat: 
7 Drei Uhr Morgens! — Hier bin ih — auf bes Terraſſe 


doch herangewandelt; — ich koͤnnt ihm mehr nicht fagen ale. 


Adie fonnebelafteten Afte fih gebeugt, und die Welle nachmur⸗ 


am Main, ich wollt als immer einmal hergeben in ber Früh, 
wenn der Zag noch nicht auf den Beinen ift und Lärm macht, 
am Tag bin ich zerfireut, was mir immer eine Sünde deucht, 
daß ich Antheil nehm an was mich nichts angeht. — Aber in 
ber Früh, da hab ich ein ganz lauter Herz; und fchäm mid 
nicht die Natur gu fragen und ich verfteb fie au, geſtern 
Abend war mir fo wohl hier, wie Bernhard's Schiff mit der 
Harmonie hin und her fuhr auf dem Main, die meiften Leut 
waren nachgefahren auf Nachen, wir blieben am Ufer, ih hatt 
mich ganz in die Ede gefegt, da ſteht ein großer Zitronenbaum, es 
war Wetterleuchten, aber die Dis war doch nicht abgekühlt, und 
die Blüten vom Baum wetterleudteten auch, ober follt ich 
mid getäufcht haben? — denn ich war eingefchlafen über ber 
Mufit, und wie ih aufwachte, da fah ich ganz verwundert 
wie der Bitronenbaum Flammen hauchte aus ben Blüten. — Rt 
Tanne doch nicht geträumt haben? — denn ich gudte eine gange 
Weile zu, bis ein leifer Regen Fam, ba gingen wir nad Haus. 
Wer weiß was dech alles vorgeht in der Natur, was fie uns 
verbirgt. Der Menſch hat ja auch als Gefühle, die er nimmer 
wollt belaufcht haben. — Ich Tonnt nicht fchlafen im Bett, 
es war mir zu mohl bort geftern, mo idy den Herzſchlag ber 
Natur fühlte und wo fie mit ihren Blumen mid anflammte. 
Sm Dunkel haucht man die Lieb aus und fdheut ſich nicht vor 
dem Schatz weils dunkler iſt. Nun bin ich mit Zagen herges 
ſchlichen. — Man fcheut fi) das Gebüfch zu wecken, fo ſtill if 
Alles mit Ruh gedeckt. Die verfchlafenen Kebernellchen (dudern 
zufammen im frühen Thau, und mid ſchauert auch das ftille 
Wirken der Natur, bier über ber fchlafenden Welt, obſchon 
der Wind nicht fo fharf ift, der den Zag heraufweht. Heut 
ift doch ganz milde, .aefteern Abend war der Himmel grün unb 
mifchte fi mit dem Roth das vom Untergang heraufzog, unten 
waren Yurpurftreifen und Violett mit Feuer umfäumt, dann 
kam bie Nacht herauf. — Heut früh ſchlagen bie Morgenwolken 
ihre Feuerflügel um euern fhwarzen Dom, man dent als ſie 
wollten ihn in der Glut vergehren; dazu fcjmettern bie Nachti⸗ 
gallen, und das blaue Gebirg drüben fo flolz und kühl — das 
alles freut mich beffer als Weisheit, — hier unter bem Zitro⸗ 
nenbaum, ber geftern Slammen und heut Thränen über mid 
(Küttelt.... Der Gärtner fuchte mir aus allen Büfchen bie 
fhönften Blumen heraus, der Strauß ragte mir über den Kopf‘ 
mit fhönem Bandgras, auch frifches Laub babei, und vom Ler⸗ 
henbaum und von der Scharlacheiche. Diefer Baum ift was 
man ſchoͤn gewachfen nennt, er firedt fein fcharlachroth Laub in 
die blaue Luft hinaus zum Zangen, der leiſeſte Wind bewegt 
ibn. — Im Heimgehen hatt ich Gedanken die mich ergoͤtten, 
an denen mir gelegen ift, daß fie wahr fein möchten ; fie warın 
nit in mid gepflanzt, fie wuchlen von felbft auf, wie jene: 
Blumen auf der Haide. — Morgenflund hat Gold im Mund — 
wär ich nicht früh draus geweſen, fo hätt ich fie nicht denken 
koͤnnen. — Natur ift Iehrfam, wer ihre Stumde nicht verfäumt,. 
der hat zu denken genug. . ö 
Died liebevolle Genießen der Natur, das Sichverſen⸗ 
ten in ihre Erfcheinungen und Gebilde, bie Achtſamkeit 





1374; 


auf ihe Thun und Wirken im Kleinften, und bie befebte, 
anfchauliche Schilderung alle Deffen, was ſich ben ſchwel⸗ 
genden und entzüdten Sinnen (felbft Organe der Natur!) 
aufgedrängt, iſt nun aber noch zu unterfcheiden von ber 
phitofophifch= poetifhen Auffaſſung der Natur in Gedanken 
und Phantafie, fo fehr jenes die Anregung zu diefem und 
die Bedingung davon fein mag. Den frifhen, fcharfen, 
genußfähigen Sinnen gilt die Natur hoch als ſolche, als 
etwas unmittelbar Wirkliches, als Sinnlichſchoͤnes; dem 
Gemuͤthe aber, der Phantafie und dem Denken wird fie 
mehr, fie wird Symbol eines Höhern als fie felbft, Of: 
fenbarung eines Willens und Gemüths, Entfaltung einer 
großen Einheit, Sprache eines unendlichen Geiſtes, fie 
fleigert fich von einer „Schöpfung”’ zur natura naturans, 
sur Meltfeele und zur Gottheit. So ift es bei Bettina; 
die Natur wird ihr zu etwas ganz Selbiländigen, zum 
Hoͤchſten, zum Alleine, welches Leben und Geift in ſich 
fchließt; fie wird Naturpantheiftin. 

Weißt du — fchreibt ‚fie einmal — was mich der Natur 
fo anbängig macht? — daß fie manchmal fo traurig iſt; — 
UAnbere nennen bad Langeweile, was Einem zumellen fo mitten 
tm Sonnenſchein wie ein Stein aufs Gerz fällt, ich aber leg 
es fo aus: plöglich fleht man ohne es zu wollen ihr, ber Als 
göttin, gegenüber; ein geheim Gefühl der unendlich zärteren 
Sorge, die fie auf uns verwendet, als auf alle andern Gefchöpfe, 
macht uns fchächtern; alles umher gedeiht, jeb Stäudchen, jed 
Käferchen zeigt von jo tiefer, feingegliedertee Bildung, aber wo 
it auch nur ein Knoͤspchen in unferm Geift, was nicht vom 
Wurm angenagt wär, find wir nicht vom Staub befledt, und 
asiat fih ein Blättchen unferer Seele in feinem glänzenden 

eün? Wenn ich einem Baum begegne der vom Mebithau 
sber vom Raupenfraß erkrankt iſt, oder eine Staube die ver- 
keimt, dann mein’ ich, das iſt die Sprache der Ratur, bie uns 
das Bild einer ungroßmüthigen Sesle zeigt — und wären alle 
Fehler bes Geiſtes überwunden, wären feine Kräfte in voller 
Blüte, wer weiß ob dann in der Natur noch folder Miswachs 
und ſchaͤblich Unkraut wäre, ob noch ſolche traurige Augenblicke 
in ihre wären, bie einem das Berg fpalten. Nein fie findet 
kein Gehör die Mutter, obſchon ihre Vorwürfe fo zärtlich find, 
daß fit einen gleich in ihren Schleier huͤllen möcht, und das Gift 
ber Krankheit möcht fie mit ihren Lippen: ausfaugen und aus 
ihrem Blut Balſam mifchen uns zu heilen. 

Man kann auch in biefer Stelle wieder bie Keime 
und Wurzeln von zwei Anſchauungsweiſen finden, welche 
mit philofophifcher. Conſequenz ausgebildet einander entges 
genftehen, aber in dem phantafiereihen Geiſte der Vers 
fafferin friedlich nebeneinander wohnen. Man kann darin 
einen Naturpantheismus ausgefpeochen Iefen, melcher auch 
dfe Seelen und Gelfter nur zu Phänomenen und Spielen, 
wiewol geliebteren Spielen, der „Allgoͤttin Natur’ macht; 
und. man koͤnnte wol hin und wieder beftätigende Äußerun⸗ 
gen auffenden, wie 3. B. in einem Briefe, wo fie ihre 
Freundin warnt zur Ader zu laffen, weil man gar nicht 
wiſſen Eönne, was für Veränderungen im. menfchlichen 
Geiſte ein: folder Eingriff in die Natur machen inne; 
wenn Einer nur einmal zur Ader gelaſſen, fo koͤnne er 
vieleicht Rein Held mehr werben. Es dürfte dadurch das 
echte Heldenthum im Menfchen, und fogar in feinen Nach: 


tommen, zu Grunde gehen. Denn er verliere dadurch 


den ‚Stahl im Blute, der übergehe im den Geiſt und ihn 
feſt mache, daß er thun koͤnne, was er wolle. 


Dieſer | 


Gedanke vom Stahl im Blute wird dann fehr geiſtreich 
und fchön noch weiter verfolgt; aber wenn man auch barin 
einen gewiſſen naturaliftifchen Materialismus wittern koͤnnte, 
fo zeigt doch der Zufammenhang, daß es mehr eine poe⸗ 
tiſch⸗ verfinnlichende "Ausdrudsmweife ifl; und im ganzen 
Briefwechſel herrſcht vielmehr diejenige Anfchauungsweife 
vor, welche ben Geiſt zwar der Natur nicht entgegen, 
aber doch, als ihr prius und als das Herrſchende über 
fie ſezt. Die Natur iſt Symbol, Offenbarung des Gei- 
fies, iſt felbft ducchgeiftee, aber doch immer dem Geifte 
unterthban, oder ihm gleihfam vermählt. Gerade daß 
Bettinen das Verhaͤltniß von Geiſt und Natur nicht zw 
einem feharfausgebildeten und in Begriffen ausgeprägten 
Spfteme geworben ift, fichert ihr die poetifche Freiheit un- 
endlich wechfelnder Anfchauungen und Auffaffungen, welche 
nicht eben Anfpruch machen, die Wahrheit (die ohnehin 
nicht fo leicht in eine Formel zu bannen ift) auszufpres 
hen, wol aber: als empfunbdene, fubjective, aͤhnlich ges 
flimmte Seelen anfprechende Wahrheitsſtrahlen zu gelten. 
Natur und Geift — mie umfaflend und vieldeutig find 
diefe Worte, welche die ganze Welt und alles Leben in 
fih ſchließen; und mie bormirt ift im Grunde Derje 
nige, der fie fcharf gegeneinander abgrenzen will, ber die 
eine oder den andern oder beide ergründen und erfchöpfen 
zu koͤnnen meint? Der wahre Sinn für Unendlichkeit, 
für Freiheit und Leben muß einem Solchen abgehen, und 
fein Denken felbft, mit weldyem er jenes Große zu leiſten 
fih vermißt, den Keim und Hauch des Todes in ſich 
tragen. 

Es ift das Charakteriflifche diefes Buche und. was 
darin fo anregend und ergreifend wirkt, dag es nicht die 
Auseinanderfegung eines philofophifchen Syſtems iſt, daß 
ber phantafievolle Geift der Schreiberin feine Einheit. aus⸗ 
macht. Es ift ſchon dee Verfuch gemadyt worden, ben 
Briefwechfel mit Goethe in gebundene Sprache. zu bein: 
gen, vieleicht finder ſich auch ein fuftematifcher Deutfcher, 
welher aus den in biefem Buche vorllegenden disjecta 
membra philosophi ein philofophifches Ganze zufammen= 
zufegen und deſſen Confequenz gegen alle Angriffe. ritters 
lich zu vertheidigen unternimmt; weldhen Namen etwa 
dies Syſtem tragen werde, das getrauen wir uns nicht 
zu vermuthen und verzichten auf eine folche philofophifche 
GConftruction oder Ehrenrettung. Auch gelüftet «8 uns 
ganz und gar nicht, die wirklichen oder fcheinbaren Wis 
berfprüche in den ausgefprochenen Anfichten aufzufpücen 
und nachzuweiſen; für uns hat das Buch einen unfchägbas 
ven Werth als Urkunde zur Gefchichte einer raſtlos fires 
benden, reichausgeftatteten, Wahrheit fuchenden und daher 
auh Wahrheit erzeugenden Seele, als eine teile und 
glänzende Unterbrechung der Monotonie ber Syſteme, fa 
als eine Herausfoderung des nüchtern, kalt und langwei⸗ 
lig gewordenen Geiftes der Zeit. In diefem Sinne fei 
es erlaubt, noch auf einige Eigenthämlichleiten bed Bus 
ches und der Verfafferin aufmerkſam gu machen, wobei 
wir uns des Urtheils über Wahrheit und Irrthum ent: 
halten. 

„Auch die wahrften Briefe,” fchrefbt einmal die Guͤn⸗ 








1295 


derode, „find meiner Anfiche nach nur Leichen, fie bezeich⸗ 
nen ein ihnen einwohnenb gewelenes Leben, und ob fie 
gleich dem Lebendigen ähnlich fehen, fo ift do der Mo: 
ment ihres Lebens ſchon dahin.” Dies Wort vermögen 
wie auf die hier mitgetheilten Briefe nicht anzuwenden, 
und gewiß war dies auch nicht der Sinn ber Herausge⸗ 
berin; man iſt wol eher zu der Annahme berechtigt, daß 
fie durch die Herausgabe derſelben (vielleicht fogar durch 
einige leife Retouchirungen) fie foͤrmlich als die ihrigen 
anerkannt und beftätigt, damit bezeugt habe, daß bie 
Matrone den GSefinnungen und der Begeifterung ber Jung⸗ 
frau nicht fremd geworben, ihr Genius immer noch der: 
felbe ſei. So betrachten wie die Briefe nicht als eine 
Sammlung alter, getrodneter Blüten, fondern als einen 
frifchen Blumenftrauß, bineingefchleubert in die Gegen⸗ 
wart. Wurzeln auch die Gefinnungen und Anfichten des 
Buchs. in einer ſchon ziemlich fernltegenden Zeit, fo treten 
fie doch mit vollem Leben manchen Anfichten und Xen: 
denzen ber Jetztzeit gegenüber. Bewährte ſich nicht hierin 
die unverwüftliche SSugend der Herausgeberin, welche in 
ihren Briefen fo oft den Gedanken befpricht, daß ber 
Geiſt immer jung bleiben, immer ftreben, ſich immer frei 
von ber dußern Welt erhalten und fich felbjt neu erzeu⸗ 
gen muͤſſe? So ſchwur auch Schleiermacher in feinen 
Monologen“ ewige Jugend ſich ſelbſt! aber Bettina hat 
vielleicht den Vorſatz getreuer durchgefuͤhrt. Hat es ihr 
vielleicht „der Genius“ leichter gemacht? fie mehr ſchwe⸗ 
bend durchs Leben getragen? Der Genius — dies fuͤhrt 
uns auf eine in dem Briefwechſel oft wiederkehrende Idee. 
Die beiden Freundinnen, und beſonders Bettina, kommen 
gar haͤufig auf den Genius zu ſprechen, und man koͤnnte, 
um an einen neueſter Zeit oft gehoͤrten Ausdruck anzu⸗ 
knuͤpfen, vielleicht nicht unpaſſend fagen, Bettina s Sins 
nen, Streben und Leben ſei ein „Cultus des Genius”. 
Freilich aber in einem andern Sinne, als in welchem der 
Ausdrud in ben legten Zeiten genommen worden iſt, wor: 
nach darunter die Verehrung genialer Perfönlicykeiten, ale 
der wahren Repräfentanten ber ihrer Idee nach göttlichen 
Menſchheit verflanden wird. Wenn einerfeits behauptet, 
andererfeits beftritten wurde, daß biefer Cultus des Ge: 
nius oder der Genien die einzig noch mögliche Form, oder 
das einzige Surrogat der Religion für die moderne Menſch⸗ 
heit fei, fo wurde hierbei, indem man fich beiderſeits nur 
auf den Standpunkt der den Cultus Begehenden flellte, 
nicht erörtert, was gewiß von Wichtigkeit geweſen wäre: 


welche Religion, welcher Cultus den Benien felbit, den 
über die Menge hervorragenden, fie begeifteenden Perſoͤn⸗ 
lichkeiten zukomme? worauf zu antworten wäre: daß ihnen 


nur der Cultus ihres eigenen Genius übrig bleibe, die 
Selbſtverehrung; oder aber: daß bei ihnen, als bas Goͤtt⸗ 


liche produeirend, fein Beduͤrfniß, einem Göttlichen außer . 


fi) zu huldigen, ſich finde: Der Cultus des Genius num, 
den wir in den Briefen finden, iſt allerdings ein Cultus 


des eigenen Genius, aber nur haben beide Worte eine 


andere Bedeutung; Cultus bezeichnet hier nicht Anbetung 
oder Verehrung, fondern Pflege, Bildung und: Heilig» 
haltung; und Genius hat nicht bie Bedeutung von Ge: 


nie, fondern bezeichnet bie eigene, reine Individualitaͤt, 
das Ich als objectiv gedacht, zu einem Aufern verans 
ſchaulicht und verklaͤrt. Entlehnt hatten die Freundinnen 
dieſen Begriff von dem platoniſchen Sokrates, deſſen Dis: 
monion oder Genius wol nichts Anderes iſt als fein klar⸗ 
ſtes, gefammeltes, veinftes Bewußtſein, das er mit jenem 
mythiſch⸗ poetifchen Ausdrude bezeichnet. Wie fegen eine: 
der prägnanteften Stellen in diefer Beziehung ber: 

Du und id} find bis jetzt die zwei einzigen, die miteinans 
der denken, wir haben noch keinen Dritten gefunden, der mit 
uns denken wollt... Ich dent, ob einer mit feinem eigenem’ 
Geift reden kann? — Der Dämon des Sokrates, wo ift ber 
geblieben? Ich glaub, jeder Menfch koͤnnt einen Dämon haben 
ber mit ihm fprechen wärbe, aber worauf der Dämon antwors 
ten kann, das muß unverletztes Forfchen nach Wahrheit fein 
Trage iſt Liebe und Antwort Gegenliebe. Wo die Frage blos 
Liebe zum Dämon iſt, da antwortet er, ber Lieb kann Geiſt 
nicht widerftehen, wie ich nicht und bu nicht. So lang idy’ 
vom Sokrates weiß, geb ich dem Gedanken nad, wie er einen’ 
Dämon zu haben; er hatte wol ein inneres Heiligthum, ein 
Aſyl, wo der Dämon zu ihm kommen mochte, ich hab in mie 
gefucht nach diefer Thür zum Alleinfein, wo ih diefem Weiss 
heitsgeift ins Geſicht ſehen koͤnnt, flehend um Lieb. Aber bu 
haft Recht, ein muthwilliger Wind jagt meine Gebanten wie 
Spreu auseinander, ich werde fortgerifien von einem zum ans 
dern von meiner Zerſtreutheit, dann iſts fo nüchtern in mir, 
und fo beichämend oͤde wenn ich mich fammeln will, wie foll 
da der Geift ſich einfinden? Der Sokrates hatte wol große 
Thaten gethan zuvor, und nie feinen Genius verleugnet, dann 
kam er zu ihm. — Ich fag als zu mie, laß nur ab, der Geiſt 
würde von felbft kommen, Tönnt beine Ratur ihn berbergen. 
Ich dent als ber Geift muß entfpringen aus vereinigten Natur⸗ 
Eräften, und ich hab fo keine Feuernatur die fi) fo concentriven 
kann, daß der Geift aus ihr entfpringe, aber ich wollt es boch, 
ich fehne mich nad) ihm. Ich hab ihn nicht, ich dent mie ihn 
aber und trag ihm alles vor in meinen Nachtgedanken, und 
manchmal fehreib ich an bich als wärft du fein Bote, und er 
würde durch dich alles erfahren von mir. 

Auch fonft noch tft von dem Genius die Rebe, jeboch 
mit verfchiedenen Mobificationen, ſodaß er bald das ob⸗ 
jectiv gefaßte, ideale eigene Sch bezeichnet, bald aber mehr 
das ihr mit der Freundin gemeinfame geiftige Element, 
und bald in noch weiterer allgemeinerer Bedeutung 5. B.: 

Schreib dem Glemens nichts von mir, er meint gleich ich 
fet befeffen, ex ift ganz verwundert daß ich fo bin, und fraͤgt 
andere Leut, ob ich verliebt fei, wo ich doch nur im’ heiligen . 
Drben meiner eigenen Natur lebe... Laß bie Leute bei ihres 
herzlich fchlechten Meinung von mir, es iſt meine beſte Freub, 
ich geh mit dem Dämon um, ber fagt: du ſollſt dich nichf vers 
theidigen. — IH thu was er will, alles andere ift mir einers 
lei; einmal hab ich Biflonen von ihm... wenn ichs im Ders 
zen fühl, fo ſeh ich auch mas mid entzüdt, warum ich leben. 
mag; himmliſch feucht Leben im Jugendſtrahl, vortretend, ein 
Bischen auf die Seite geneigt, fleht er immer vor mir, der. 
Gott, dem ich mich einſchmeichle, mit füßen Thränen, der mid . 
Morgens vom Lager ſchüttelt, wos kaum tagt, ich foll mich 
aufmachen, vieleicht begegne ich ihn bei Tagesanbruch, fo 
ich flüchtig vorwärts, ich fühl mid fchön im Herzen, ich fühl. 
meine Schönheit, mein Geiſt iſt ein Spiegel, ber if voll hinims . 
liſchem Reiz, — jeder Thautropfen am Weg fagt mir, ich ges‘, 
falle meinem — ihm, was brauchts mehr, wen ſoll ich 2 
gefallen wollen außer ihm? n, Yaubs doch nur, er if. 
wirklich! er fchreitet fo Leicht, ex entſchwindet mit jedem Zritt, 
aber er tft gleich wieder da! O ich weiß altes! — ich weiß zu 
lieben, aber nur ben Genius. — Keiner darf wiflen bas Bes 
heimniß, das ſich im Feuerkoris um mich ſchwingt. — Wenn 


a 


1276 


o da fteh, fi, mit gefchloffenen Armen — und ber Blid, 
N eine die Sroßmama ſtarr; — Maͤdele, was flarıft, — 
follt man glauben du wärft außer ber Welt entrüdt. Ich fuhr 
auf — da lacht fie: „Gutes Kind, wo biſcht? biſcht beim Schuß: 
engel? fo fagen bie Schwaben, wenn einer fo in fi ver: 

mmt” ... Auf der grünen Burg im Abendroth da war id) 
freudig mit der Bung, da ward immer ale wär einer hinter 
mic der mirs einflüftere; du frugſt, was ich mich denn umbreh 
so oft? — ich fagt: hinter mir tanzts, denn ich wollt nicht 
fagn: ſprichts. 

Anderswo: 


Ob handelnd ober fühlend, tiefempfindend mit dem Genius | 


umgeben, das iſt daſſelbe; was iſt denn Handeln anders als 
fühlbar werden das Rechte und es thun. Handeln ift nur ber 
Buchſtabe des Beiftes, es ift noch nicht fo füße, als die heim: 
Viche,, himmliſche Schule des Geiſtes. Mir beucht nichts. glück⸗ 
he als im Schatten liegen jener großen Linde, und durch ihr 
rauſchend Gezweig dem Geliebten entgegenlauſchen, dem heili⸗ 
gen Geiſt. Der iſt mein Geliebter, der kommt und beſucht mich 
Jett in der beißen Jahrszeit. Ach! er macht kein Weſen von 
der Weisheit, von Bottesgelahrtheit, von Zugend, von Reli: 
ion. Ich bin ihm recht wie ich bin, er lacht mid aus wenn 
1 belehrt fein will, und bläft mid an.. . Da haft du Weiss 
heit, fagt er ... Einfam — bin ich nicht — iſt der Schatz über: 
all — die dritte Perfon in der Bottheit überall. 


und in demfelben Briefe wird noch auseinandergefegt, daß 
ber heilige Geift die Weltfeele fei. 
(Die Fortfegung folgt. ) 





Eine kurse Comoͤdien von der Geburt des Herren Chrifti. 
. Von den Prinzen und Prinzeffinnen des Churfürfti. 
Hofes im 3. 1589 in Berlin aufgeführt. Nach der 
Handſchrift, nebft gefchichtlicher Einleitung herausgego⸗ 
ben. Berlin, Trautwein. 1840. 4. 1 Thlr. 16 Gr, 


Aus einer Handfchrift der Eöniglichen Bibliothek zu Berlin 
gibt Dr. Friedlaͤnder, bei Gelegenheit des Reformätionsfeftes, 
ein geiftliches Drama, muthmaßlidy von Georg Pondo, einem 
bertinfchen Dichter, verfaßt, heraus und hat dabei nicht blos 
in Schreibart, fondern au im Außern der Typen und Ber: 
zierungen die Geftalt der Handſchrift möglihft wiederzugeben 
ſich bemüht. Das Unternehmen iſt vecht lobenswerth, wenn 
. man erwägt, wie wenig diefe gang eigenthümliche Seite der 
dramatifchen Kunft in ihren Details befannt ift, und wie wills 
kommen überhaupt jeder Beitrag zur genauern Kenntnif ihrer 
Geſchichte fein muß. Ob nicht freilich auch bei der ungewöhns 
Lich ſplendiden Ausftattung ein anderes als das bloße Kunftins 
tereſſe in Anſchlag gekommen, möge bahingeftellt bleiben. Die 
Einleitung enthält einige Notigen über bie Ausübung der 
Schauſpielkunſt in Berlin im 16. Jahrhundert, namentlich über 
die beiden Dichter Paul Rebhuhn' und den ſchon genannten. 
Die gegenwärtige geiftlidhe Komöbdie tft am Hofe Johann Georg's 
1589, zum Theil von jungen Prinzen und Prinzeffinnen des kur⸗ 
fürftlichen Haufes aufgeführt worden, unter denen der 18monat: 
liche Markgraf Friedrich das Chriftkindlein vorftellte. Andere 


Rollen waren jungen Edelleuten, einige auch Kindern bürger: . 


licher Abkunft übertragen Die Handlung beginnt nach dem 
Prologe damit, daß die Hirten auf dem Felde durch die Engel, 
die in der Luft fingen, auf etwas Ungemwöhnlicdhes aufmerkfam 
gemacht werden; balb nachher wird es ihnen offenbart, daß ber 
Heiland geboren fei, und fie gelangen zum Chriftkindlein. Der 
erfte Act fchließt mit der Anwelfung: „Allhier Bereiten die drey 
Engelein den Kindlein Iefus effen, wermen In die windelein, 
ondt befchenten es mit alleriey ſpillwergk.“ Im zweiten Act, 
den wieder mit kurzen Worten ein Argumentator eröffnet, ift 
die Ankunft der heiligen drei Könige, die Erſcheinung bes 


Sterns und ber. Sintritt derfelben in das Haus ber Maria 
bargeftellt; es folgen Segnungen und Glückwünſche, und ein 
Geſpraͤch zwiſchen Maria und Joſeph fchließt das Drama. Nach: 


ber noch Schlußgefang. Die eingelegten Choraͤle find treffiiche 
Lieder von Luther und. K. Fugger. An poetifchen Werth ik 


begreiflich nicht fehe zu denken, wenn auch bie tr e 
Sprade, befonders das Plattbeutich,, in welchem ——— 
ſtets redend eingeführt werden, mitunter das Gemüth recht 
anſpricht. 29. 





Literarifhe Notizen. 

Unter der Preſſe befinden fich oder erfchienen vor kurzem: 
‚Selections from the dispatches, general orders etc, of 
Field-Marshal the Duke of Wellington”, vom Oberflieutes 
nant Gurwood; „A history of India’, von Mountſtuart 
Eipbinftone; ‚Cairo, Petra and Damascus in 1839; with re- 
marks on the government of Mahomed Ali, and on the 
present prospects of Syria’, von John G. Kinnear; „The 
martyrs of science; or the lives of Galileo, Tycho Brahe 
and Kepler’‘, von Sir Davib Brewfter; „A personal narra- 
tive of a journey to the source of the river Oxus, by the 
Indus, Cabool and Budukshan, performed under the sanc- 
tion of the supreme government of India”, von MHeutenant 
Sohn Wood (mit einer Karte); ‚The manners and customs 
of the Japanese, described from the travels and journals of 
Siebold, Fischer, Meylein, Dolff, and other most recent and 
authentic dutch authorities” (mit IUuftrationen); „Travels 
in the Himalayan provinces of Hindostan and the Panjab 
in Ladakh and Kashmir, in Peshawar, Kabul, Kunduz and 
Bokhara by Mr. William Moorcroft and Mr. George Trebeck. 
Prepared fur the press by Horace Huymann Wilson, prof. 
of sanscrit in the university of Oxford’’ (mit Illuſtrationen 
und einer Karte von Sohn Arrowſmith, die das Merl vers 
fpätet haben); „A second series of the manners and customs 
of the ancient Egyptians, comprising their religion, agricul- 
ture etc.’ von 3. Garbiner Willinfon (2 Bde.; als Schluß 
von: „The manners and customs of the ancient Egyptians‘‘, 
mit mehr als 100 zum Theil colorirten Kupferplatten und 
vielen Slluftrationen); ‚A summer’s day at Windsor Castle 
and a visit to Eton‘ von Edward Jeſſe, Verfaſſer von „A 
summer’s day at Hamptoncouri”, „‚‚Gleanings in nat 
history’ etc. (mit zahlreichen Kupferſtichen); „A series of 
picturesque views on the river Quorra, the Niger of the 
ancients”’, von William Allen (erfhienen unter den Aus 
fpieten der @efellfchaft für die Abfchaffung des Sklavenhan⸗ 
dels und für die Kolonifirung Afrikas, dem Pringen Albert, 
Gemahl der Königin von England, gugesignet; „A winter 
in the West Indies, described in familiar letters to H 
Clay of Kentucky by Joseph John Gurney”'. Diefe lange 
Reihe von intereffanten und bedeutenden Reife: und geſchichtli⸗ 
chen Werken ift, nebft vielen Überfesungen und neuen Auflagen 
älterer Werke, von dem einzigen Murray angekündigt. - 


Als neue Auflagen und Ausgaben erfcheinen nächftens In 
£ondon: ‚‚Ancient spanish ballads, translated, with notes, 
by J. @. Lockhart”' (neue vevibirte und mit zahlreichen neuen 
Driginalilluftrationen verfehene Ausgabe), wovon Halım in 
feiner Literaturgefchichte fagt: „Dieſe Tpanifchen Balladen find 
dem Yublicum jest befannt geworden, aber, was ein unſchaͤtz⸗ 
barer Vortheil ift, durch Lockhart's ſchoͤne und geiftreiche Über: 
fegung” ; ferner: Southey's „Life of Nelson““, gänzlich neue, 
mit Originalzeiinungen von Glarkfon Stanfielb verzierte Aus- 

abe; ‚Letters of the Earl of Dudley to the Bishop of 
Jlandaff (mit einem Portrait); ferner eine ganz neue mit 60 von 
Finden In Kupfer geftochenen Vignetten gefhmüdte Ausgabe von 
Byron's „Childe Harold”. Auch erfcheint bemnächft die erfte vollz 
fländige Ausgabe von ben „Poetical works of the late Rev. 
Reginald Heber, Lord Bishop of Calcutta’. 5. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhbaus — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


oo Blatte* 


für 


literariſche Unterhaltuna, 


« 





Donnerstag, 


— Re. 31T. — 


12. November 1840. 





Die Günderode. Zwei Theile. 
(Bortfegung aus Nr. 316.) 


Menn diefer Genius (der manchmal Seftalt und Farbe 
des Schusgeiftes annimmt) eigentlich nur der poetifche 
Ausdrud für das eigene, ideale Sch ift, fo Enüpfen ſich 
doch daran nody ideen, welche bei. Bettina eine große 
Bedeutung haben: die been ber freien Selbftänbigkeit, 
der himmliſchen Abkunft und ber Unfterblichkeit des Men⸗ 
Tchengeiftes. Die Menfchenfeele ift ihr nicht ber Begriff, 
die Entelechie des erfcheinenden Menfchen, an dieſen ge: 
bunden und durch ihn bedingt; fie ift in ihm, aber fie 
ſchwebt auch über, ift vor und nad ihm. Behauptet 
doch Bettina: die Schönheit, bie finnlich vergehe, habe 
einen Geift, der fich weiter entwickeln wolle; der Roſe 
Geiſt fteige Höher, wenn ihre Schönheit verblüht fei; wie 
viel mehr muß fie den bewußten Geift ald etwas Unver: 
gängliches anfprechen! Damit aber, daß fie fein Gewor: 
denfein und fein Aufhören beftreitet, daß fie ihm die At: 
tribute eines göttlichen Seins zufchreibt, fteht dann aud) 
in Verbindung, mas fie von feiner Beflimmung, feiner 
Bildungsmweife, feinen Vermögen und Bunctionen aus: 
ſpricht. Der Menfchengeift, zum Genius poetiſch poten: 
zirt, iſt fich felbft Quelle aller Wahrheit, die fih ihm 
... innerlich offenbart, die nicht dußerlich erlernt werden muß; 
. zum geben foll er erwachfen, nicht todte Stoffe der Bil- 
dung in ſich aufnehmen. Daher ift das Gewähren:, da6 
Waltenlaſſen des Genius einer der Hauptfäge Bettina's; 
nur alle aͤußere Hemmniffe hinmweggeräumt, fo mird er 
aus fi felbft zur vollften Blüte und dem Himmel ent- 
gegenwachſen. Und zwar nicht durch foftematifches Den: 
ten wird er die Wahrheit und Erkenntniß gewinnen, fon= 
dern durch freie Lebendigkeit. und Selbftoffenbarung. Die 
Bermittelung, bie Confequenz des Denkens verfchmähend, 
geht fie überall auf Unmittelbarkeit aus. „Inconſequenz 
dit Geiſt!“ ‚ruft fie aus, Die von den auf .der warmen 
. . Erde und aus: ihrem heißern Herzen auffteigenden Dim: 
pfen begeifterte Pythia und Sybille. Nichts willen mag fie 
von Denen und Philofophie, von Geſchichte und Poll: 
tie, von Moral und pofitiver Religion; - aber doch ahnt 
fie dann wieder, daß dee Geift nicht ganz. aus fich felbft 
zehren kann, und die Kiebe zur Unmittelbarkeit, zur Na: 
tur und die Anerkennung der Nothwendigkeit einer Vermit⸗ 
telung kommen gelegentlich in Colliſionen. Mit wahrhaft 


genialem Übermuthe fpricht fie fi) manchmal über und 
gegen bie Philofophie. aus: „beweislos Denken ift frei Den- 
ten!” behauptet fie, und: „ſich dem Leben der Natur 
nahen und ftil und flumm ihre Vorbereitungen mit an⸗ 
feben,, fei viel fchöner als alles Denken und Urtheilen“; 
und: „D was frag’ ich nah den Menfchen, ob die den 
Mangel an biftorifhem Sinn und der Logik an mir rl: 
gen; ich weiß den Zeufel was Logik iſt!“ 

Dein Schelling und bein Kichte und dein Kant find mir 
ganz unmögliche Kerle. Was hab ich mir für Mühe gegeben, 
und ich bin eigentlich nur davon gelaufen hierher, weil ich eine 
Pauſe machen wollt. Repulfion, Attraction, böchfte Potenz — 
— Weißt du wie mirs wird? Dreherig — Schwindel Erieg ich 
in den Kopf — — Glaubft du, ein Philofoph fei nicht fuͤrch⸗ 
terlih boffärtig? — Oder wenn er auch einen Gedanken hat, 
davon wär er Hug? Die Weisheit muß natürlich fein, was 
braucht fie doch folcher widerlicher Werkzeuge um in Gang zu 
fommen, fie ift ja lebendig? — fie wird fi das nicht gefallen 
lafien. Der Mann bes Seiftes muß die Natur lieben über alles, 
mit wahrer Lieb — dann blüht er, — dann pflanzt bie Natur 
Geift in ihn... Ich glaub einmal nicht, daß die Natur einen 
ſolchen, ber fi zum Philofophen eingezwidt hat, gut leiden kann. 

Gewiß iſts nichts in der Philoſophie; Menſchen bie gefund 
athmen, bie Eönnen fich nicht fo beengen; fiel dir einen: Phi: 
Iofephen vor, der ganz allein auf einer Infel wohnte, was fo 
ſchoͤn wär, als ber Frühling mir fein Tann, aber es wären 
feine Gefchöpfe ba, denen ber Philoſoph was weiß machen 
Tönnt: glaubft bu, daß er da auf foldde Sprünge Fäm, wie bie 
find, die ich bei die nicht erzwingen konnt. Hör, ich glaub 
er biß lieber in einen fchönen Apfel, aber fo eine hölzerne Cu⸗ 
riofität von Gedankenſparrwerk würde er wol nicht zu eigener 
Erbauung aus ben hohen Zedern des Libanon zurechtzimmern; 
fo verbindet und verfegt und verändert und überlegt und vers 
einigt der Philoſoph alfo nur fein Denkwerk, nicht um ſich 
fetbft zu verftehen, fondern um ben andern ‚von oben herab ben 
erften Gedanken beizubringen, wie hoch ex geflettert ſei; «8 tft 
aber nur der mäßige Menfch, der. noch fich Selber unempfunbene, 
der davon gefangen wird; ein anderer Tügt, wenn er bie Na⸗ 
tur verleugnet und biefem Sparrwerk anhängt und auch hin⸗ 
aufklettert; es iſt Eitelkeit und oben wirds Hoffart u. f. w. 

Mit ſolchen und ähnlichen Hußerungen fcheint freilich 
aller Philofophie der Krieg angekündigt, und die Ermah⸗ 
nungen dee Günderode, die Waffenräftung, je, bie Dr: 
gane des Geiftes nicht fo gering anzufchlagen, für Bettina 
verloren; aber deswegen fehlt. Ihe doch ihre eigene Meife 
zu fpeculiten nicht; es geht nur nicht fo logiſch und me: 
shodifch zu; ſie glaubt fi im Stande „aus reinem Nichts 


alles zu erdenken, wie Gott”, was ſtark an die Hegel’fche 


Philofophie erinnert, und fie fcheint fogar die Macht der 





1278 


Negativitaͤt geahnt zu. haben, wenn fie fchreibt: „Das 
Höcfte was die Wahrheit vermag, iſt, ſich auflöfen in 
öhere Wahrheit; ja, fie fagt: Nein! verneint fi.” 
ber das Weſen, Perföntichkeit, Bewußtſein Gottes fin: 
den fich viele kuͤhne Speculationen: 

Bott bat eine Perfönlichkeit, die Tann aber er felbft nur 
faffen, denn ex fteht fich felbft allein gegenüber, aber als Poet 
verfhwindet ihm feine Perfönlichkeit, fie Löft fih auf in bie 

ndung feiner Erzeugung. So iſt Gott perfönlich und auch 
nicht. Der Dichter ftellt dies dar... Was fag ih dir da? 
ah, id Habs einen Augenblick verfianden was Gott ifl.... . aber 
ich habs müſſen mit andern Worten reden, es iſt nicht vecht 
wie ichs gemeint hab. Ja, Gott läßt ſich nicht fangen, ich 
dacht ich haͤtt ihn ſchon. 

Gott iſt ihr: Leidenſchaft, Weisheit, Poeſie. 

Bettina mag das Poſitive nirgend leiden, und ſo auch 
nicht die poſitive Religion; im Gegenſatze zu ihr, wie es 
ſcheint, gedenkt ſie mit der Guͤnderode eine Religion zu 
ſtiften, bei der es den Menſchen wieder wohl werden ſolle, 
und dieſe Religion ſoll die Schwebe⸗-Religion, oder bie 
ſchwebende heißen; die Dogmen derſelben, die in dem 
Buche zerſtreut ſind, und welche hauptſaͤchlich im Auge 
haben: den Geiſt durch Selbſtbeherrſchung, Tapferkeit, 
innere Erleuchtung unabhaͤngig und frei zu machen, ihn 
mit Nektar zu traͤnken und uͤber Zeit und Raum zu er⸗ 
heben, wollen wir hier nicht ſammeln. Daß bei dieſer 
ſchwebenden Religion die Schulmoral übel wegkommt, ver: 
ſteht fich von felbft; Uber Handeln und fittliches Handeln 
begegnen uns manche treffende Worte, die zum Theil an 
Schleiermacher's „Ethik“ erinnern und welche bie freie, 
lebendige Individualität zur Quelle und zum Maße bes 
fittliden Handelns machen. 

Wie Bettina in der Philofophie bie duͤrre Logifche Con⸗ 
fequenz, wie fie die Gefchichte und die Gelehrſamkeit, die 
foftematifhe Moral, die pofitive Religion ablehnt, fo ver: 
ſchmaͤht fie auch in ber Poefte die ſtrenge Form, bie ge: 
bundene Sprache, welche ihr der vom Geifte der Poefie 
gefoberten Freiheit nicht gemäß fcheint. Einmal ſchreibt 
fie, wie ihr Bruder Clemens fie eingefhloffen, damit fie 
die Erzählung von einer Rheinfahrt im Mondfchein in 
ein Gedicht bringe. 

Da fland ich, ganz widerfinnig im Kopf. Ans Auffchrei: 
ben dacht ich nicht. Aber ich dacht an das Versmadhen, wie 
feltfam das iſt. — Wie in dem Gefühle felbft ein Schwung ift, 
der durch den Vers gebrochen wird. — Ja wie der Reim oft 
8 einer befhimpfenden Feſſel tft für das leiſe Wehen im 
Gef. Belehr mich eines Beſſern wenn ich irre, aber iſt es 
nicht wahrfcheintich, daß Reim und Versmaß auf den urfprängs 
lichen Gedanken fo einwirke, baß er ihn verfäliht?... Sir 
kommen Reime kleinlich vor ſowie ich fie bilden fol, ich denke 
immer: ad, der Gedanke will wol gar nicht gereimt fein; ober 
er will wo anders hinaus und ich för ihn nur — was foll ich 
feine Aſte verbiegen bie frei in bie Luft hinausſchwanken und 
allerlei feinfühlig Leben einfaugen, was liegt mir doch daran, 
daß es ſymmetriſch verpußt fei... . Rein Ich wollt nicht ein fo 
ſuͤß Dämmern zu einzelnen Gedankenſchatten zufammenballen. 
Laß es fortbämmern ober fich verflüchtigen; aber nicht in engs 
herzige Verſe einflammern . . . laß es fortblühen bis es welkt, 
du ſiehſt, ich mache mir dieſe poetifchen Unbemerfungen (Unges 
heuer) blos in Beziehung auf mich, ich Lieb bie Poeſie, fie er⸗ 


fan ie in bir und in andern mit Begeiſterung, aber nicht 
n mir. 


Dagegen vertheibigt die Guͤnderode bie gebundene 
Sprache der Poeſie; durch Kunflform erlangen Gedanken 
und Gefühle eine höhere ſittliche Würbe, und dies fei ber 
Beginn, daß der ganze Menſch fi da hinuͤbertrage. Bet⸗ 
tina iſt dieſen Belehrungen auch nicht fo unzugänglic, 


‚und einen hohen Begriff von ber Poefie fpricht folgende 


Stelle aus: 


Am Dichten hindert mich mein Gewiflen, wenn ich ben, 
wie viel reiner tiefer Sinn dazu gehört, um fo weniger kann 
ich mirs zutrauen; manchmal wanbelt es mich freilich an, ich 
fehne mich darnach, wie ein eingefperrtes Kind nad) dem Spiel 
in freier Luft, ja es fchmerzt mich tief daß ich nicht kann 
wie ich will, und daß alle Sprache, mit ber ich mein Sinnen 
feftzuhalten fudhe, nur wie bürres Holz in ber Blut meines 
Herzens zufammenbrennt; wie oft hatte ich Momente beren 
feierliche Mahnung mich auf etwas Ernſtes, Tiefes vorbereitete, 
die Poefie ſchien mir dann ein reifer Schmetterling, der mit 
dem leifeften Regen bie leichte Hülle ſprengte ... Dann fühlt 
id wie ein Göttliches, Unfihtbares dem ich geboren, ich war 
ſtolz, und wenn bie Natur rings mid mit feurigem Blick 
anglühte, dann war ich ſproͤde und verfchloffen gegen die Feuer⸗ 
raft, und doch hätt ich mein Herz bargereicht dem erften küh⸗ 
nen Augenblid der mir bie Sprache gelöft hätt, in der meine 
Lieder gefloffen wären. Doc all dies Leben, bies innere Leben 
und Aufrauſchen ging vorüber ohne etwas feftzuhalten oder zu 
erzeugen .. Ich hab wohl einen dunkeln Begriff warum ich nicht 
bichte, weil eben das Tiefe was mich gewaltig ergreift, fobaß 
es elektrifche Kraft auf die Sprache hätte, etwas iſt was fidh 
in der Empfindungswelt nicht legitimirt, oder käme) weils Uns 
ſinn iſt, was mir in ber Geele wogt, will: 2 af, was 
meine Gedanken mir vorbeten, weils Unfinn EDER: MI ahnend 
als hoͤchſtes Gefeg der Weisheit exgreift. . ur 

Sie fragt dann auch: ob's doch nicht in der Sprache 
noch verborgene Gewalten gebe, die wir noch nicht haben, 
noch nicht zu regieren verſtehen, ob.man nicht dahin brin= 
gen koͤnnt, das Ungefagte auszuſprechen? "Darauf aber 
erwibert die Freundin: wenn fie taumle und ein bischen 
trunken fei, meine fie, das fei ungausſprechlicher Geift; 
fie befaufe fi aber audy gar zu leicht, und meine, es 
müffen neue Sprachquellen fi Öffnen, um ihre Begriffe 
zu erhellen; „wollteſt du dich fefter ins Auge faffen, bie 
Sprache würde dich nicht ſtecken laſſen“. Bettina’s Un⸗ 
fähigkeit zu dichten erflärt fie daraus, daß fie fei, was die 
Dichter poetiſch nennen, „ber Stoff bitbee fich nicht felber, 
er wird gebildet, du deuchft mir der Lehm zu fein, den eim 
Gott bildend mit Füßen tritt...” 

(Der Beſchluß folgt.) 





Die fpanifche Literatur im 19. Jahrhunderte. 


Es iſt gewiß wahr, daß man in Europa nicht weiß, ob 
Spanien jest eine Literatur hat ober nicht. Um zu beweifen, 
daß es doch noch eine gibt, will ich hier bie vorzüglichiten 
Schriftftellee Spaniens tn unferm Jahrhunderte muftern; die 
meiften werben ben meiften Leſern d. BI. unbelannt fein. 

Die beiden Fractionen, aus benen in Spanien die Liberale 
Partei befteht, befigen gegenwärtig Schriftſteller von wirklichem 
Verdienſte. Das „Eco del comercio”, das Organ ber Erals 
tirten, wird mit Talent rebigirt; das tft aber auch das einzige 
Lob, welches man ihm ertheilen kann. Es war, und iſt es 
vielleicht noch, für die Sache der Königin eine faft ebenfo 
ſchreckliche Geißel als Zumalacarregui und Gabrera. Unter den 
Männern ber gemäßigten Meinung find als Publiciſten vom 


Ss 


1279 


erſten Range zu ertwähnen: Olivan, Pacheco, Brabo Murillo, 
Perez Hernandez, Donofo Gortez unb einige Andere, alle (die 
genannten wenigftens) junge und muthige, von guten Studien 
genährte Männer, Iournaliften von Beruf. Die Journale, bie 
von ihnen und ihren Freunden redigirt werden: „Ei Piloto‘, 
„El Correo nacional‘‘, „El Mensajero“, enthalten Artikel, in 
denen die gefündeften Anfichten in untabelig reiner, felbft eles 
ganter Sprache verbreitet werden. Es iſt wahr, bie periodi⸗ 
fche Preffe ift etwas Großes und Schönes, aber bedauern muß 
man doch, daß fie ihre Macht auf Koften der dauernden Lites 
ratur befeſtigt. Wie viele unfterbliche Werke Fönnten von Dem 
gefchaffen werden, was fie an Thaͤtigkeit, Talent und Genie 
aufzehrt! Darf man ſich darnach wunbern, daß die unfterbli= 
hen Werke fo felten werden! 

Alcala Galiano, jener feurige Patriot, deſſen ſchneidendes 
Wort ficher das Biel trifft, ber aber jest offen monarchiſch ges 
finnt iſt, ſchreibt fo gut, als er fpricht, und er ift bekanntlich 
der berebtefte Mann in Spanien, das doch aud den ehemals 
göttlichen Arguelles Hat. Galtano hat viel Beiträge in bie 
„BRevista espanola‘’ gefchrieben, die nicht mehr eriftirt, und 
er ift gegenwärtig eine der Hauptſtüten des „El Piloto’, ver 
auch nicht lange beftehen wird. 

Alle genannten Schriftfleller, ferner Martinez de la Roſa, 
Puche y Bautifta, der Marquis von Vallgornera, Morales be 
Bantiesteban, Silvela, Peña y Aguayo, WBenavides, Galberon 
Gollantes und einige Andere fchreiben die „„Revista de Madrid‘’, 
eine potitifch = wiffenfchaftlich= literarifche Schrift nach Art ber 
franzöfifchen Revues und englifchen Reviews. Es ift zu be: 
dauern, baß biefes intereffante perfobifche Werk im Auslande 
nicht befannt if. Dan würde baraus fehen, daß es in Spa: 
nien nit am Wiffen fehlt, fondern an Gefchäftsmännern. 
Deren gibt es nur drei: Sea, Burgos und Zoreno. Manche 
verfprechen viel; man bat aber nody .nicht Gelegenheit gehabt, 
fie wirklich handelnd beurtheiten zu Eönnen. Bu ihnen gehört 
Alvaro Florez d’Eftraba, der nach feinen Schriften vorgügliche 
flaatswirthfchaftliche und flaatörechtliche Kenntniſſe haben muß *), 
und de la Sagra, der durch feine vor kurzem in Frankreich er: 
fchienene ‚Voyage en Hollande et en Belgique’’ befannt ges 
worben fl. 

As Satiriker kennt Madrid gegenwärtig zwei ausgezeich- 
nete Schriftfteller, Segovia und Lopez Pelegrin, die unter ben 
Pfeudonymen el Eftubiante und Abenamar befannt find. Den 
Styl des erfteen möchte ih mit einem guten Dolce von To⸗ 
ledo vergleichen. Der Styl Abenamar’s dagegen. gleiht ber 
ſchweren Keule des Hercules, er zermalmt. Diefe beiden Schrift: 
fteler gehören der gemäßigten Partei an, um bie fie gewiß 
Verbienft Haben. Auch Fray Gerundio (Don Modefto Lafuente) 
ſteht als Satiriker in Anfehen. 

Spanien hat in bem gegenwärtigen Jahrhunderte mehre 
beadhtenswerthe Werke über religidfe Segenflände hervorgebracht. 
Sm 3. 183% ließ der iediar Biſchof von Aftorga, Don Feliz 
Torres Amat, der gelehrte Überfeger ber Bibel, in Dabrid bad 
„Diseno de la iglesia militante‘‘ erfcheinen, ein nadhgelaffenes 
Wert feines Oheims, bes Erzbiſchofs von Palmyra und Ber: 
faſſers mehrer geachteter Werke, namentlih auch einer Kir⸗ 
chengefchichte. Diefer 182% geflorbene Prälat, deſſen Biogra⸗ 

bie von bem erwähnten Neffen (Madrid 1885, 4.) ein Mei: 
erwerk ift, Tann für das größte Kirchenlicht Spaniens in ber 
legten Zeit gelten. Der Bifchof von Aftorga iſt ferner Verfaſſer 
eines dicken Bandes Denkichriften zur Bildung eines Eritiichen 
Woͤrterbuchs ber catalonifchen Schriftſteller. Diefe Denk 


*) Hier die Titel einiger Werke von Florez b’Eilraba: „Exa- 
men imparcial de las discusiones de ls America oon la me- 
tropoli y medios de su reconciliacion” — „‚‚Paralelo del clero 
protestante y dei olero ostolico” (B Bde., 4.) — „Proyecto para 
la constitucion politica de Espalla’’ und enblidh eine „‚Repre- 
sentaclon a Fernando VII.” (1818), die in faft alle europaͤi⸗ 
fe Sprachen Überfegt wurde, 


ſchriften wurben 1886 in Barcelona gebrudt. Die vortreffite 
hen Arbeiten über das „Heilige Spanien’ von Flores, WRisco 
und Fernandez de Rojas wurden von bem gelehrten Fray Ans 
tolin Merino fortgefegt, ber vor kurzem flarb und dem einer 
ber achtbarſten Gelehrten folgte, ber ehemalige Mönch Don 
Joſe de la Sanal. Der ehrwürbige Mann wurbe an bem bes 
kannten abſcheulichen Tage faft ermordet und verbantte feine 
Rettung nur der eiligen Flucht aus dem Fenſter eines Vach⸗ 
ftübchens über die Dächer der anftoßenden Häufer hin. Das 
„Heilige Spanien‘ zählt bereits 45 Bände und ift noch lange 
nicht beendigt. Die beiden bereit erwähnten Kortfeger, Mes 
rino und la Ganal, gaben überbies heraus: „Die Gefchichte ber 
Stadt Leon, ihrer Könige, ihrer Kirchen und ihrer Kloͤſter“, 
das „‚Eeben des id‘ und ‚„„Cantabria vindicada”. Das „Le⸗ 
ben Jeſus Chrifli von Marina, dem berühmten Verf. ber 
„Theorie der Gortes““, jenes Bude, das einen fo gewaltigen 
Einfluß auf die Gefchidde des neuen Spaniens ausübte, iſt das 
Werk eines Gelehrten und Chriften. Man hat bekanntlich den 
fpanifchen Liberalen vorgeworfen, fie wären alle Atheiften ober 
wenigftens Skeptiker. Marina, dem es als Priefter daran lies 
gen mußte, fi von biefem Vorwurfe rein zu wachen, gab in 
Saragoffa, einige Jahre vor feinem Zode, unter der Reflauras 
tion, jenes Wert heraus, das ihn indeg mit ben Männern nicht 
verföhnte, die damals am Staatsruber flanden. Man dachte 
nur immer an feine „Theorie der Cortes“. Don Ramon Gas 
brera, Don Juan Manuel Beboya, Don Manuel de Arjona, 
Don Antonio de la Euefla und andere Bürzlich verftorbene Geiſt⸗ 
liche haben beredte und gelehrte Werke hinterlaffen, denen man _ 
auf der Halbinfel Gerechtigkeit widerfahren laſſen wird, wenn 
fie ruhiger if. 

Auch einige gute Geſchichtswerke find in dem jesigen Jahr⸗ 
hunderte in Spanien erſchienen. Die „Geſchichte bes Krieges 
gegen Napoleon‘ von dem Grafen Zoreno ift in Europa bes, 
tannt. Die „Geſchichte ber beiden Revolutionen von 1820 und 
1836, die kürzlich in fpanifcher und franzöftfcher Sprache ohne 
Angabe des Verfaſſers erichien, die aber von Mitiano herrührt, 
läßt in Hinſicht des Style, der Methode und befonders ber . 
Unparteitichkeit nichts zu wuͤnſchen übrig. Seit lange ſchon 
fland Miñano unter den erfien Rotabilitäten Spaniens; dieſes 
legte Werk hat feinem literarifchen Ruhme den Stempel aufges 
drüdt. Jeder Gebildete auf der Halbinfel Eennt die bewuns 
dernswürbigen Briefe eines pobrecito holgazan und bes Don 
Juſto Balanza, in benen man bie Sprache bed Cervantes und 
ben tiefen Geiſt Quevedo's vereint findet, Niemand hat bort 
jene politifchen Brofchüren vergeſſen, weiche die Reife um bie 
Welt gemacht haben würden, wären fie franzoͤſiſch gefchrieben 
gewefen, und die ſich ebenfo wohl erhalten werben wie die Schrif⸗ 
ten Paul Louis Gourier's. Gin fpäterer Gefchichtfchreiber Spa⸗ 
niens wird fie nicht entbehren Eönnen. 


Miñano iſt gleichfalls Verfaſſer eines auch im Auslande ges 
ſchaͤzten Werks, das ihm das Kreuz ber Ehrenlegion erwarb, 
nämli des „Geographiſchen Wörterbudhe von Spanien und 
Portugal”. Man flaunt, daß ein einziger Mann ein fo umfafs 
fendes und fchwieriges Werk vollenden konnte, namentlich in 
Spanien, wo ber Mangel an ftatiftifchen Daten und jeder Art 
von Borarbeiten bie Ausführung faſt unmöglich machte. Der erfte 
Band biefes Werks erichien in Madrid 1826, der -Iehte 1829, 

Bei biefer Gelegenheit erwähnen” wir auch ein anderes 
Hauptwerk, das Aufſehen in ber gelehrten Welt gemacht haben 
würde, wäre es dieſſeits ber Bidaſſoa gefchrieben worben, naͤm⸗ 
Ih das „Wörterbuch bes alten Spaniens, Tarraconense, Be- 
tica y Lusitana“, von Don Miguel Gortes y Lopez. Es if 
vielleicht nicht zehn Perfonen in Europa befannt und würbe 
boch dem gebulbigen Fleiße eines Deutfchen Ehre machen. Bier: 
ber gehört aud das „Wörterbuch der ſpaniſchen Architekten‘ 
von Don Eugenio Llaguno, das 1829 in Madrid erfchien, mit 
trefflichen Erläuterungen von Juan Gean Bermubez, von bem 
bie „Beſchreibung der Kathedrale von Sevilla” und bie „Ge⸗ 
ſchichte ber, Malerfjule von Sevilla’ herruͤhrt. 





ris, lieb 163% in London eime wichtige Schrift unter dem Zitel 


Dieſe Wörterbücher haben mich von den neuern biftorifchen 
- Werken abgeleitet. Kehren wir. zu benfelben zurüd. Der bes 
. rühmte.:Iefuit Ian de Mariana gab zum. exflenmale 1601 in 
Toledo in: der Landesſprache feine ‚Allgemeine Geſchichte von 
Spanien“ bis zw: den. katholiſchen Königen heraus, die 1608, 
. 3617 und 1623 neu gedruckt wurde. Diefe Geſchichte wurde 
. duch den Pater Miñana bis zu. Philipp II: fortgeieht und 
diefe Zortfegung in unfern Sagen bis zum Jahre 1803 von 
Don Alberto Liſta fortgeführt, den wir fpäter unter den Did: 
tern. wiederfinden werden und ber auch ein ausgezeichneter Ma: 
thematiter iſt. Er ſchrieb die beften Lehrbücher diefer Willen: 
- Saft, die Spanien befigt. Liſta legte indeſſen auf diefe Forts 
feßung fo wenig Werth, daß er ihr nicht einmal feinen Namen 
vorfeßte, ob fie gleich zu den mwichtigften Arbeiten gehört, bie 
neuerlich in Spanien erfchienen find. 

... Der Manyuis von Wiraflores, fpanifcher Gefandter in Pa: 


erſcheinen: „Apuntes historico - eriticos para escribir la hi- 
storia de la revolucion de Espaia de 1820 à 1823”, bie fi) 
durch Unabhängigkeit und Wahrheit auszeichnet. Schon 1833 
Hatte Mirafiores eine „Geſchichtliche Abhandlung“ über die ſpa⸗ 
nifche Throͤnfolge herausgegeben, bie erſte Schrift biefer Art 
nad) dem Tode bed Königs. 

Auch die „Lobrede auf die Zatholifche Königin‘ von Don 
Diego Elemencin ift ein beachtenswerthes hiftorifches Werk. 
Der Verf. betrachtet darin jene Periode befonders aus dem Ge: 
fihtspunfte der Givilifation wie Prescott in feiner trefflichen 
„History of the reign of Ferdinand and Isabella “, Eine 
andere Arbeit Glemencin’s, bie von feinem Fleiße und feiner 
Gelehrſamkeit zeigt, ft fein ‚„Sommentar zu Don Quixote“, 
der länger iſt als der unſterbliche Roman des Cervantes. Als 
Glemencin, Secretair der Akademie der Gefchichte, 1834 an der 
Cholera farb, fürchtete man, dieſer Commentar, der noch nicht 
ganz erfchienen war, möge unvollftändig bleiben; man fand 
aber unter den Papieren des Verf. den ganzen fünften Band, 
der 1838 erfchien, forwie ein Werk, an weichem Glemencin fein 
ganges Leben hindurch arbeitete und das nächftens erfcheinen 
fol, nämlich eine „Spaniſche Ritterbibliothek““. Bei feinem 
ode war Glemencin Secretair der Kammer der Proceres. 

Diefer Tod erinnert an den des Secretairs der Deputir⸗ 
tenkammer, Zrueba, ber 1836 in Folge von übermäßiger Arbeit 
farb. Gr iſt jedoch mehr ein englifcher als fpaniſcher Schrift: 
fteller, denn feine in ganz Europa befannten Romane erſchie⸗ 
‚nen in engliſcher Sprache in London. Bald nach ihm ſtarb 
ein anderer. Romanenbichter, Lopez Goler, in Madrid, und 
ganz kürzlich folgte ihnen Muflo y Valiente, ein großes Ta⸗ 
Ient, nach, der bei Lebzeiten faft nichts herausgab, weil er zu 
viel Dachte und ſchrieb. Seine nachgelaffenen Werte follen ſe⸗ 
doch naͤchſtens erſcheinen. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Miscellen. 
Friedrich Wilhelu II. 


über den verewigten König Friedrich Wilhelm III. wird 
viel Biographiſches erſcheinen. Fingerfertige Scribenten haben 
ſchon jett dicke Wächer angekündigt. Man ſollte aber durch 
ein gemeinſames Ubereinkommen erſt recht viel Einzelnes, Cha⸗ 
ralterzüge und Anekdoten, von ihm ſammeln. Der König 
konnte befanntlich ebenfo nicht leiden, daß man Öffentlich über 
ihn und feine Handlungen ſprach, als ex aud ein Feind aller 
Schmeicheleien, pruntender Ehrenbezeigungen, oder gar erniebri- 
gender Huldigungen war. in Augenzeuge bat mir erzählt, 


daß der fonft milde König einft wahrhaft außer fi vor Zorn 


gerieth, als die Bürger einer Stadt in Oftpreußen die Pferde 
feines Wagens ausfpannen und ihn durch die Straßen ziehen 








1280 


wollten. Gin wahrer Reichtum von edeln und großmüthis 
gen Handlungen, von herrlichen Gharafterzügen läßt. ſich aber 


‚aus den Entſcheidungen und Reſolutionen, die. aus feinem ge⸗ 


heimen Gabinet bervorgingen, fammeln; gwar nicht fo pifant 
und originell wie fo niele. Refolutionen: Friedrichs des Großen, 
aber. nicht minder tzeffend, mild, gerecht und alle vom felbfläns 
digen Geiſte feines. eigenen Willens und Charakters beſeelt. 


Ich erinnere daran, daß nad) dem Regierungsantritt des Kö⸗ 


nigs die damaligen öffentlichen Blätter taͤglich iutereſſante 
Anekdoten von dem jungen Königspaar brachten, welche Ge⸗ 
rechtigkeit, Milde und freundliche Herablaſſung athmeten. Fol⸗ 


gende hübfche Anekdote von der liebenswürdigen Königin wurde 


damals mit vielem Vergnügen gelefen. Diefe fam, auf einer 
Reife, durch Damig, eine Meile von Stargard, wo. umge: 
fpannt wurde. Während dies geſchah, näherte fi) der Schulze 
dem Wagen und bat in feiner plattdeutfchen Dunbart die Koͤ⸗ 
nigin: „Dat ſe doch en bätken utftiegen möcht; et weren vel 
Lüde da, de fe gern fehen wüllen.“ Sogleich that es bie 
Königin und fagte mit ihrer gewöhnlichen Liebenswürdigkeit: 
„Run, Leutchen, befeht mid! Dann ging fie in das nädhfte 
Bauernhaus und fragte die Wirthin, ob fie gut gekocht hätte, 
fie habe viel Hunger. Die Wirthin ermiderte: Hirſe mit 
Mich und Kartoffeln fanden auf dem Tiſch. Die Königin 
goftete die Hirſe, aß Kartoffeln und gab der Bäuerin ein an 
fehnliches Geſchenk. . 

Es mag auch hier, zur Vergleihung mit ber Gegenwart, 
aus dem „Frankfurter Staatsriftretto‘' von 1797 die Antwort 
mitgetheilt werden, welche der junge König dem Magiftrat zu 
Berlin, auf die abgelegte Condolenz und Gratulation, münds 
lich ertheilte: „Der Verluſt meines geliebteften Herrn Vaters 
Majeftät ift, wie ich Sie verfidern kann, mir ſehr ſchmerzhaft 
gewefen, und ich hätte wol geswünfcht, daß ex noch längere Jahre 
möchte gelebt haben. Fahren Sie fort, das Befte der Stadt und 
der Bürgerfchaft zu befördern und aus allen Kräften zu beforgen. 
Ih werde alle Gelegenheit wahrnehmen, Sie zu unterflägen. 
Wirken Sie fernerhin mit Treue auf das allgemeine Befle und 
deſſen Wohlfahrt, und genügen Sie Ihren Pflichten und mei⸗ 
nem Willen, wogegen Sie fi) meiner Gnabe und meines Bei: 
ftandes beftändig verfichert halten können.“ 


Alte Leihbibliotheken. 


Neulich fand im „Morgenblatt”” (1340, Nr. 10): „Man 
kann dreift behaupten, daß Leine deutſche Leihbibliothek auch 
nur als Ladenhüter ein Buch enthält, das zum Jahr 1740 hin⸗ 
aufreichte und das Überhaupt ber ſogenannten Leſewelt faſt nie, 
auch nur zufällig, ein ſolches Buch in die Hänbe fällt.” — 
Sm lieben Deutfchland gibt es Feine Regel ohne Ausnahme, 
und fo vermag Einfender auch eine Leihbibliothek nachzuweiſen, 
bie noch viel weiter hinaufgeht. Bu Wetzlar, wohin gegen Ende 
des 17. Jahrhunderts bag Reichskammergericht verlegt wurde, 
etablirte fich gleichzeitig bie Winkler’iche Buchdruderei und Bude 
handlung. Bier fteht noch eine Leihbibliothek, die von Scott 
und Elauren hinauffteigt bis zu Ziegler's „Aſiatiſcher Baniſe“, 
bis zu den Berſchrobenheiten und Armſeligkeiten des „Galanten 
Sprachmenger's“ Zalander (Bohſe) und Menantes (Hunold); 
bis zu „Hercults und Valiska“ von Buchholz, und bis zur „Ara- 
mena’’ und „Octavia“ des phantafiereichern Herzogs Anton 
Ulrich von Braunfchweig. Da ftehen fie die einfam Verſchmaͤh⸗ 
ten und denken der Zeit, wo fie ben Urgroßmüttern Kreude 
und Unterhaltung gewährten. — Freilich haben in neuerer. Zeit 
Bücherfammier manche Lücke gemacht, denn dieſe Romane find 
meift verlefen und felten geworden, weil Bibliotheken fie ver⸗ 
fchmähten. Ginft fand ich einen willlommenen Vorrath foldher 
alten Romane im verſteckten Winkel der Bibliothet einer aufs 
gehobenen Benebictiner Abtei, nebft einem gefihriebenen Lieder: 


buch (Gommersbuch), welches überfchrieben war: „Lieder bei'm 
Iuftigen Suff.“ 61. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaud in Leipzig 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Die Günderode. Zwei Theile. 
Geſchluß aus Nr. 817.) 

Die obigen Hußerungen Uber Sprache und Unfinn 
führen uns enblih zur Erwähnung eines unglüdlichen 
Dichters, von welchem in diefem Buche viel die Rede 
iſt. Eine geiflige Verwandefchaft Bettina’ mit dem na= 
turfeligen, fprachgewaltigen,, tieflinnigen Hölderlin fprach 
Meferenten ſchon in dem BBriefwechfel mit Goethe an; 
bier nun findet er jenen Eindrud volllommen beftätigt. 
Bettina ift eine ſchwaͤrmende Bewundrerin des fchon wahn⸗ 
finnigen Dichters, den fie den größten elegifchen Dichter 
nennt; fie möchte zu ihm nach Homburg und ihn pfle: 
‘gen; fie erzählt der Freundin, was fie nur von ihm er: 
fahren ann, Ihe kommt fein Wahnfinn felbft fo mild 
und fo groß vor; fie wiederholt die Worte eines Freun⸗ 
bes: Hölderlin’S ganzer Wahnfinn fei aus einer zu feinen 
Organiſation entflanden; tie der indifche Vogel in einer 
Blume ausgebrütet, fo fei feine Seele. 

Wenn ih bedenk — welder Anklang in feiner Sprade! 
Die Gedichte die mir St.- Elair von ihm vorlas — ad)! was 
ift doch die Sprache für ein Heilig Weien! Er war mit ihr 
verbündet, fie hat ihm ihren beimlichfien, innigflen Reiz ge: 
ſchenkt, nicht wie dem Goethe durch die unangetaftete Innigkeit 
des Gefühle, fondern busch ihren perfönlihen Umgang. So 
wahr! er muß bie Sprache gelüßt haben. — Sa, fo gehts, 
au mit den Göttern zu nah verkehrt, bem wenden fies zum 

lend! 

Ja, wer mit Gräbern ſich vermaͤhlt, der kann leicht wahn⸗ 
ſinnig werden den Lebenden, — denn er träumt nur hier am 
Tag, wie wir traͤumen in der Nacht, aber drunten im Schlaf wacht 
er und geht mit jenen mitleidsvoll Hand in Hand, die laͤngſt ver⸗ 
ſchollen der geſchaͤftigen Eile des Tages ſind. Dort faͤllt der Thau 
auf die Seele ihm, die hier nicht Feuchtung in der Kehle mehr 
hatte zum Seufzen ... Seine Seele waͤchſt, die bier unten 
fchiäft und verwirrte Träume hat, hinauf als himmlifches Grün, 
die ſchwebende Ferfe ber Bötterjünglinge umfpielend. Ach, Poes 
fie, heilig Grabmal, das ftill den Staub des Geiftes fammelt. . . 
o du läßt ihn auferſtehen wieder; laß mid hinabfteigen zu ihm 
und die Hand ihm reihen im Zraum, daß er mit Heiligen. 
Hinger die goldenen Saatlörner mir auf bie offne Lippe fireue, 
und mich anblafe mit dem Odem, ben er nad) dem Willen ber 
Götter aus ihrem Buſen trintt. Denn ich begehre fehnfüchtig, 
mitzutragen gemeinfam Weh des Tags, und gemeinfame Troͤ⸗ 
fung zu empfangen in ben räumen der Nacht. 

Was wären doch die Dichter, wären fie es nicht, bie das 
Schauervolle ins Göttliche verwandeln? 

Gewiß ift mir doch bei diefem Hölderlin, als müfle eine goͤtt⸗ 
liche Gewalt wie mit Fluten ihn überflrömt haben, und zwar 


r. 318. Me 


13. Rovember 18&0. 





——rm 


die Sprache, in übergewaltigem rafchen Sturz feine Sinne 
überflutend, und biefe darin erträntend; und als die Gtrö- 
mungen verlaufen fich hatten, da waren die Sinne geſchwaͤcht 
und die Gewalt bes Geiftes überwältigt und erföbtet. Und 
St.:&lair fagt: ihm zuhören fei gerade, ald wenn man es 
dem Zofen des Windes vergleiche, benn er braufe immer in 
Dymnen dahin, die abbrechen wie wenn der Wind fich dreht, 
und dann ergreife ihn wie ein tieferes Wiffen, wobel einem bie 
Idee, daß er wahnfinnig fei, ganz verſchwinde, und daß ſich 
anhöre, was er über die Verfe und über die Sprache fage, wie 
wenn er nah daran fei das göttliche Geheimniß der Sprache zu 
erleuchten, und bann verfchwinde ihm wieber alles im Dunkel; 
die Sprade bilde alles Denken, denn fie fei größer wie der 
Menfchengeift, der fei ein Sklave nur der Sprache. 


Noch Vieles von des wahnfinnigen Dichters rhapfo: 
difchen Ergüffen wird angeführte, und dann fagt Bettina: 

Ich verftehe alles... dir muß dies alles heilig und wich» 
tig fein. — Ab einem foldhen wie Hölderlin, der im laby: 
rinthifhen Suchen leidenſchaftlich hingerfffen ift, dem müflen 
wir irgendwo begegnen, wenn auch wir das Göttliche verfol: 
gen mit fo reinem Heroismus wie er. — Mir find feine Sprüdhe 
wie Orakelſprüche, die er als der Priefter des Gottes im Wahns 
finn ausruft, und gewiß ift alles Weltleben ibm gegenüber 
wahnfinnig, denn e8 begreift ihn nicht. Und wie tft doch bag 
Geiſtesweſen jener befchaffen, die nit wahnfinnig ſich deuten ? 
St es nicht Wahnfinn au, aber an bem der Gott Teinen Ans 
theit Hat? Wahnfinn, merk id, nennt man bas, was Teinen 
Widerhall hat im Geiſt der andern, aber in mir hat bas alles 
Widerhal, und ih fühle in noch tiefern Ziefen bes Geiſtes 
‚Antwort darauf hallen als blos im Begriff. 


Es ift hoͤchſt intereffant zu beobachten, wie biefer le⸗ 
bensvolle Geiſt die Geheimniffe des Bewußtſeins und ber 
Bemwußtlofigkeit zw ergründen ftrebt, bald im Bewußtſein 
das Höchfte erkennt, bald ein noch Höheres in ber Be: 
wußtlofigkeit ahne und dann beides (in Gott) auszuglei⸗ 
hen fucht. Bitter wirft Bettina es der Freundin vor, 
daß fie ſich nach einem Buftande fehne, wo die Erinnerung 
erlöfhe, daß fie erlöft fein möchte von den engen Schran- 
ken ihres Weſens und ihr Bewußtfein überfchreiten; aber 
in dem wahnfinnig gewordenen Dichter ift fie geneigt das 


 Digan einer überwältigenden hoͤhern Macht zu exbliden, 
. fein Wahnfinn, die Zerftörung feines Bewußtſeins iſt 


gleihfam eine göttliche Weihe; der gewaltige Geift ber 


Sprache, bes Rhythmus bat ein zu ſchwaches Inftrument 


zertruͤmmert. Es ift bier nicht der Ort für eine Unter 
ſuchung, ob eine folhe Erklärung des MWahnfinns mlaͤſ⸗ 
fig ober gar erfhöpfend fei; wir wollen nicht ſtreiten mit 


\ 


5 


einer Art der MWeltanfchauung, welche auch Das, was 


den gewöhnlichen Sterblichen als etwas Negative, Leibiz 


ges und Zerflörendes erfcheint, noch als eine pofitive Po: 


tens aufzufaffen vermag oder doch verfucht; wie bie Schlan⸗ 


genbeſchwoͤrer die gefuͤrchteten giftigen Schlangen zu be: 
herrſchen und zum Tanze zu zwingen wiſſen, fo ziehen 
folche kuͤhne Geiſter auch die Leidenfhaft, den Wahnfinn 
in den Kreis der Phänomene, mit welchen fie furchtlos 
fpielen. Der Donner, der Sturm, Untergang und Tod 
gehören ihnen auch zu der großen heiligen Muſik, welche 
das Leben trägt, und flatt mit ihnen zu rechten, muß 
man fie vielmehr um ihre glüdliche Begabung beneiden. 
Das vorliegende Buch will keine Belehrungen geben, fein 
Spftem aufftellen; es gibt das Empfundene, das Erlebte 
einer reichen Seele, und jedes Lebendige hat in feiner Art 
und Sphäre Recht. Kein für das Höhere, für den Geiſt 
Empfänglicher wird das Buch mweglegen ohne Bewunderung 
vor dem Genius der Herausgeberin; und wenn Mancher 
bedauern follte, daß Bettina nicht in beflimmten, be: 
grenzten Sphären Größeres geleitet, daß fie nicht 3.8. 
als Dichterin aufgetreten und ihre großen Gaben eigent: 
lich nur verfchleudert habe, fo dürfte darauf erwidert ters 
den: an einem Mann, beffen Aufgabe es iſt, zu wirken, 
zu erfchaffen, koͤnnte man es allerdings tadeln, wenn er 
feinen Geifteskräften nicht eine beflimmtere Richtung ge: 
geben, wenn er nicht ein beflimmtes Gebiet des Lebens 
oder der Kunft bearbeitet hätte, wenn er ganz in ſelbſt⸗ 
befchaulicher Begeiſterung und an gelegenheitlicher Mit: 
theilung an Andere aufgegangen wäre, anders aber ver: 
hält es ſich bei einer Frau, deren Beruf es nicht iſt, 
ſchoͤpferiſch im Leben aufzutreten und ein beflimmtes Ge: 
biet zu cultiviven, welche am fchöniten und natuͤrlichſten 
wirkt durch freie, gebildete Darftellung und Mittheilung 
ihres eigenen Innern Wefens, duch ihr Sein, und nicht 
duch Handeln, durch die harmonifche Erfcheinung ihrer 
Natur, nicht durch Virtuofität in einzelnen Fächern. Dem 
weiblichen Genius ift es vielleicht am gemäßeften, Kunft, 
Religion, Wiſſenſchaft, Gefchichte vereint und ungetrennt 
- auf fi wirken zu laffen, fie mit reger Empfaͤnglichkeit 
in fi zu bewegen und von ihrem Einklange ſich begei⸗ 
flern zu laffen, aber weniger durd, Ausbildung einzelner, 
productiver Talente ſich auszuzeichnen. Sollte fih nicht 
durch diefe Annahme ber Widerwille erflären laffen, wel: 
hen Bettina auch in biefem Buche gegen die Stau von 
Stadt und ihre Bücher an den Zag legt? 

Mir fliegen mit einer Stelle, in welcher Bettina, 
welche bin und wieder einen lechzenden Thatenmuth und 
eine glühende Bereitwilligkeit zu Opfern ausfpricht, welche 
fih Kraft und Einſicht zutraut, Deere in Schlachten zu 
lenken und Reiche zu beherrſchen, vefignirend auf Kunſt 
und Wiſſen fih nur nad ber flillen Seligkeit eines ru⸗ 
bigen Reifens fehnt: 

Wo die Bienenfhharen von Dichterlippen unb in feinen 
biumenfproffenden Zritten Honig fammeln, und wo Geiſter lichte 
Berggipfel umtanzen, mo die Seele ſich aufichließt leis wie eine 
Knospe, und des Geiftes Strahlen in ihrem Kelch eingebet: 
tet, wie bie golbenen Staubfäben in ber Rofe, ihr Leben ent- 
wideln und auch beenden — dort will ich hin, das liegt mir 


+ 1982; | 
«s Io 


im Sinn, nichts wie Blütenmeer, Duft einathmen, Birn ſpei⸗ 
fen und reife Zrauben und füße Pfirfig, getHeilt mit mir von 


-Doppellippen, ich die Hälfte und die Er der heute noch am 


Scheideweg meiner harrte als die Sonne hinunter war. Was 
iſts? — er wird” mich fhon erziehen, Thraͤnen wirds gern 
it reis 


das weiß ich, aber auch Luft, fo ifts immer wo Schoͤnh 


fen foll, und das ift alles was ich verlang vom Schidjal, «8 
fou mich fcheiden vom Schichten, es foll Leine Sünde in mir 
dulden, in meinen unaufhörlicden Träumen nur möcht ich eine 
Bollendung empfinden — der Liebe, der Schönheit — das ift 
mein Ziel, und mein Geiſt ftrebt eine Natur da herauszufinden, 
indem ich dem Schönen fortwährend begegne. 

Nicht ein Buch, fondern eine Geiftesgeftalt ift vor 
uns; die Kritit muß verflummen, und nur der lebendige 
Sinn muß fih bemühen zu verfichen und nachzufuͤhlen. 
Mef. hat gefucht einige Geſichtspunkte anzudeuten und 
auf einiges Charakteriftifche aufmerkfam zu machen; flatt 
eines zufammengefaßten Urtheils ladet er nur alle Freunde 
der ins Gewand der Phantafie gehuͤllten Wahrheit und 
Erkennniß ein, in biefen üppig blühenden Garten zw tre⸗ 
ten, von beifen Früchten er im Obigen einige Proben 
gefammelt hat, welche manches Auge und manchen Gau⸗ 
men lüftern machen werden, und welche wie nichts find 
gegen die Fülle derer, die noch von den fihmwerbelafteten 
Zweigen winken. 23. 





Die fpanifhe Literatur im 19. Jahrhunderte. 
GBeſchluß aus Nr. 317.) 


Eines der ausgezeichnetften fpanifchen Werke ift das „„Exa- 
men de los delitos de infidelidad a la patria‘, das Don Feliz 
Joſe NReinofo 1816 Herausgab. Die Inquifition feste es auf ben 
Inder und die Demagogen erklärten es für antipatriotifch. 

Ehe ich zu den Dichtern übergehe, erwähne ich noch einige 
wichtige profaifche Werke; ein ſehr befanntes ift die „Samm⸗ 
lung der Reifen und Entdeckungen zur See durch bie Spanier 
feit dem Ende des 15. Jahrhunderts‘, von dem gelebrten Dis 
reetor ber fpanifchen Akademie, Don Martin Fernandez de Na⸗ 
varrete, ber über diefen Gegenftand eine Menge verdienftvoller 
Werke und Abhandlungen gefchrieben bat. Außerdem gab er 
1819 eine vortrefflidhe ‚‚Biographie bes Cervantes’ Heraus. 

Don Manuel Sofe Quintana, der als Dichter durch feine 
patriotifchen Lieder während des Unabhängigkeitslrieges ſehr be= 
rühmt wurde, fchrieb auch ein Werk, das ſich durch Gelehrſam⸗ 
feit und den reinften Styl auszeichnet, bie ‚„„Vidas de Espa- 
noles celebres”’ nämlih, wovon aber nur. vier Bände erſchie⸗ 
nen find. 

Don Joſe Llorente, ber Verf. der „Geſchichte der Inqui⸗ 
ſition“, und ber Doctor Villanueva, die beide kurz nacheinan⸗ 
ber ftarben, find zwei Denker, auf welche Spanien mit Rede 
ftolz fein Tann. Ich weiß nicht, ob Martinez de la Rofa ſei⸗ 
nen „Geiſt des Jahrhunderts“ vollendet hat, von welchem 1835 
in Maprid ber erfte Band erſchien und dem fpäter ein gweiter 
und britter folgten. Das „Leben Dernan Perez bel Pulgar, 
genannt el de las Hazanas““, ein Refumd über den Krieg der 
Gomunibades vor feinem Zrauerfpiele: ,‚Die Witwe von Pas 
dilla⸗“, lange Commentare zu feinen didaktiſchen Gedichten und 
feiner Überfegung des Horaz, bas find die profaifchen Werke 
bes Martinez de la Rofa. 

Ich komme nun auf Larra, der ſich in allem verfuchte, 
in Politit, Poeſie, Theater, Roman, und nidyte zu Stande 


brachte. Er machte fich zuerft in den letzten Jahren ber Res 


sierung Ferdinand's VII. bekannt. Seine Briefe eines pobre- 
cito hablador und feine trefflichen Artikel in der „Revista es- 
panola‘ ftellten ihn fogleih in gleichen Rang mit ben erften 





1288 


n Schriftſtellern. Im J. 1882 erfchien fein hifkorifcher 
— he de Don Enrique el Doliente‘, . und der 
Bühne gab er außer vielen Überfegungen „No mas mostra- 
dor’, das ungeheueres Gluck machte. Im 3. 1836 ließ ex fein 
Drama ‚„Macias‘ aufführen. Aber an feinem Herzen nagte 
ein geheimer Schmerz und im Februar 1837 gab er ſich felbft 
den Tod. Sein Begräbniß machte in Madrid das größte Auf: 
fehen; alle ausgezeichneten Männer ber Hauptflabt folgten ihm 
ans Grab; nie war bis bahin in Mabrid einem Schriftfteller 
eine ſolche Huldigung bargebracht worden. 


Unter den Dichtern erwähne ih zuerft Don Javier be 

Burgos, der 1835 Minifter war. Beine trefflichen Gedichte 
find noch nicht gefammelt, fondern fin Zeitfchriften zerftreut. 
Seine metrifhe Überfegung ber Werke des Horaz reicht indeffen 
ſchon bin, ihm in ber fpanifchen Literatur einen vorzüglidhen 
Play zu ſichern. An Überfegungen iſt bie meuere fpanifde Eis 
teratur überhaupt fehr reich; ich erwaͤhne nur die wichtigften, 
3. B. bie der „Iliade“ von Don Joſe Gomez Hermoſilla, der 
die lezte Hand an die Übertragung ber „Odyſſee“ legte, als 
ihn der Tod überrafchte. Die Spanier behaupten, diefe Über: 
fegung fei die befte, bie jemals in irgend einer Sprache von 
den Gefängen Homer’s erſchienen. Auch die Überfegung der 
Palmen (in Berfen) von Don Tomas Gonzales Carvajal wird 
ehr gefchäßt. 
" ige Poeſie wurbe von jeher in Spanten eifrig ges 
pflegt. Liſta und Reinofo find in unfern Zagen die würdigen 
Fortieger Herrera's und ray Euis de Leon's. Die religiöfen 
Hymnen bes Erſtern und das Gedicht „Innocencia perdida‘ 
des Leptern zeichnen ſich durch Gedankenreichthum und dichteri⸗ 
fhen Schwung aus. 

Martinez de la Rofa iſt als Igrifcher und felbft als epi⸗ 
ſcher Dichter mehr noch geſchaͤtzt denn als proſaiſcher Schrift⸗ 
ſteller. Don Eugenio Tapia, bekannt durch ernſte juriſtiſche 
Arbeiten, iſt auch einer der beſten lyriſchen Dichter Spaniens. 
Daſſelbe laͤßt ſich von Don Joſe Joachim de Mora ſagen. Das 
Talent Jerica's hat viel Ähnliches mit Piron. Alle dieſe Dich⸗ 
ter, ſowie Arjona, Sanchez Barbero, Caſtro, der Graf von No⸗ 
roiia und Roldan, die ſaͤmmtlich vor wenigen Jahren geſtorben 
ſind, gehören der ſogenannten alten Schule an. Neben ihnen 
ſtehen andere jüngere zahlreichere, wenn auch nicht beſſere Dich: 
ter, welche die neue Schule bilden, der man keinen andern Vor⸗ 
wurf machen Tann, als daß fie nicht eben national ift und be- 
fonders 8. Hugo, Samartine, Vigny u. A. nachahmt. Noch 
eine dritte Nuance iſt zu erwähnen, jene nämlich, welche ſich 
ernſtlich bemühen, die alte ſchoͤne caſtilianiſche Poefie von neuem 
zu weden, wie fie in den Romanceros und Cancioneros liegt. 
Männer beider Schulen fchließen fich biefer Nuance an; man 
findet ba Lifte, von bem man gefagt hat, er denke wie Rioja 
und mache Verſe wie Galderon, ferner den Herzog von Rivas, 
den Verf. bes „Moro exposito”, Roca, ben Herzog von Frias, 
den Baron von Biguezal, Vega, die beiden Bruder Bermubez 
de Caſtro, Don Enrique Bil, Espronceda, Madrazo, Paftor 
Diag und einige Andere. Don Juan Bautifta Alonfo, einer 
der erſten fpanifhen Abvocaten, hat 1836 einen Band aller⸗ 
liebſter Gedichte herausgegeben. Garcia be Willalta und Esco⸗ 
fura, bie beide zu ben beften Dichtern gerechnet zu werben ver: 
dienen, haben jeder einen guten hiftorifhen Roman gefarkeoen, 
der Srftere, „Ei golpe en vago’’, ber Letztere „Ni rey ni 
zoque”, Beide zeichnen ſich buch fchönen Styl aus. Ich er: 
wähne bei biefer Aufgählung natürlich diejenigen nicht, welche 
Beine ausgezeichnete Stellung einnehmen. 

Das fpaniiche Theater befindet ſich allerdings in einem bes 
Bagenswertben Zuftanbe, inbeß es ift nicht im Sinken, fondern 
im Gteigen begriffen und ich Eann einige berühmte Namen 
nennen, welche für das Theater fehrieben oder ſchreiben. Quin⸗ 
tana gab eine Tragödie: „Pelayo’‘, die, obwol claſſiſch, alfo 
nit nad dem heutigen Geſchmacke, auf ber Bühne große 
Wirkung hervorgebracht bat. Bein „Herzog von Bifeo”, eine 
andere claffifche Tragoͤdie, tft viel ſchwaͤcher. Burgos ſchrieb 


„Los tres iguales’, ein allerliebftes Luflfpfel in den alten Re⸗ 
geln, ferner „El baile de mascaras‘‘, ‚El optimista y el pesi- 
mista’’ und ‚„„Desenganos para todos”. Martinez de la Roſa 
nimmt bekanntlich auch unter den dramatiſchen Dichtern eine 
hohe Stelle ein. Er ſchrieb eine große Anzaͤhl Bühnenjtüde, 
und die vorzüglicfien find: „Odipus“, in welchem er, mie 
Biarbot fagt, nad Sophokles, Seneca, Gorneille, Voltaire, 
Lamothe und Dryden nody immer originell war; dann ‚Nina 
en casa”, ein hübfches Zuftfpiel; die „‚Conjuracion de Vene- 
cia’, ein Drama in modernem Geſchmacke; „Vedua de Pa- 
dilla”; ,‚Moraima‘; „Lo que puede un empleo‘ und „Los 
celos infundados‘, 

Der Herzog von Rivas (Don Angel Saavebra) ift ber 
Berf. des „Don Alvaro“ ober der „‚Fuerza del sino“, eines 
philoſophiſchen Spectatelftüds, Er war bekanntlich unter Iſtu⸗ 
riz Minifter und gehört jest zu der confervativen Partei, 

Gil y Zarate, der lange eine ber fefteflen Stügen.ber als 
ten bramatifchen Schule war, verließ diefelbe vor brei Jahren, 
als er fein herrliches Drama ‚Carlos II.‘ auf bie Bühne 
bradjte. Bor biefem hatte er unter andern eine rein claffiiche 
Tragoödie geſchrieben, „Doña Blanca be Gaftila”. Nach feis 
nem Übertritte zu den Romantikern fchrieb er „Rosmunba‘‘, 
ein Drama, das ebenfalls fehr großen Beifall fand. 

Man wundert fich vielleicht, daß ich noch Fein Wort von 
bem fruchtbarften der Lebenden fpanifchen dramatiſchen Dichter 
gefagt habe, von Breton be los Herreros, ber in feinen pikan⸗ 
ten Eleinen politifchen Briefen in dem Journal „‚Abeja” Don 
Carlos und deſſen Anhänger auf hoͤchſt launige Weiſe bekriegte. 
Breton hat ſich ein ganz eigenes Genre gebildet, das man das 
„Tachenerregende‘ nennen könnte. Man darf in feinen Stüden 
keinen wohlbedadhten Plan, einen tiefphiloſophiſchen Zweck, 
keine ſcharf gezeichneten Charaktere ſuchen; aber von ber vis 
comica, von unerhörten Situationen und Wisfpielen wirb man 
fo viel finden wie bei Moliere, Moreto und Golbont.‘ Ein 
fünfactiges Luftfpiel von ihm wurde zweimal hintereinander 
vom Anfange bis zum Ende an einem Abende auf berfelben 
Bühne gefpielt, zufolge bes energiſch ausgebrüdten Willens bes 
begeifterten Publicums. „La marcela‘‘, ein Luflfpiel, das alle 
Vorzüge und Fehler des Verf. an fich trägt, empfing mehr als 
ein Mal diefe ungewöhnliche Huldigung. Gr fchrieb auch ein 
ZTrauerfpiel ‚„‚Merope”, unb ein Drama „Elena“, jedenfalls 
das befte feiner Werke. 

Goroſtiza (Don Eduardo), Staatsmann im Dienfte Mexi⸗ 
cos, obgleih Spanier und als geſchickter Diplomat befannt, 
bat vor unb nach feiner Auswanderung in fein neues Vaters 
Iand einige recht hübfche Euftfpiele gefchrieben, von denen das 
befte ‚„‚Indulgencia para todos‘’ Heißt. Auch Doro, im Dienfte 
Chilis, iſt Spanier und bat einiges für die Bühne gefchrieben. 

Herebia (auf Cuba geboren), noch fehe jung, hat ſich durch 
einen Band Gedichte bekannt gemacht, aus benen bas Genie 
fpricht. Unter ben ˖ lyriſchen Dichten find noch zu erwähnen 
Somoza und Serafin Galderon, ber Bruder Gorofliga’s (‚Don 
Pedro Angel) und Solis. 

Das find die fpanifchen Schriftfteller, die einen Namen bas- 
ben. Nur noch einige Worte von einigen, bie als Buͤhnen⸗ 
bichter angefangen haben, fich einen Ruf zu gewinnen. 

Ein feltfames Scaufpiel fah Madrid am 1. März 1836% 
Man gab an biefem Abende zum erſten Male ben „Trovador”, 
ein Drama in fünf Acten von einem völlig unbelannten juns 
gen Manne. Man wußte blos, daß er fehr unglücklich fei, daß 
er als Freiwilliger zur Rorbarmee geben wolle und nur auf 
ben Srtrag feines Städs rechne, um.fich zu equipiren, Man 
erzählte, er babe bei ber Direction mit vielen Schwierigkeiten 
zu kaͤmpfen gehabt u. f. w. Das Stüd wurde gefpielt unb 
ſchwerlich hat irgend eines gleichen Enthuſiasmus erregt, das 
Yublicam warb vor Begeiſterung faft wüthende. Das Stüd 
ift aber auch wirklich ſchoͤn und feitbem Häufig mit großem 
Beifalle aufgeführt worben. Der Dichter mußte, in Spanien 
etwas Unerhörtes, auf ber Bühne erſcheinen. Gen Ramıe, 


—8 


wu: | 


n Joſe Garcia Gutierrez, wurde mit einem Male in ganz 
— berühmt und die Kolge davon war, daß der Dichter 
nicht zu der Nordarmee ging. Seitdem bat er nichts mehr 

iefert. 
gr läcticher war darin 3. Gugenio Harzembuſch, der 1857 
glänzend debutirte und beffen zweites Stüd, „Dona Mencia”, 
das erſte, „Los Amantes de Teruel’’, noch übertreffen fol, was 
allerdings viel fagen will, ba biefes Drama zu ben ſchoͤnſten 
gehören dürfte, die feit langer Zeit, nicht blos in Spanien, ge: 
dichtet worden find. Vortrefflich ift auch das biflorifche Drama 
„Dona Maria de Molina’’ von Roca de Zogores, fowie „Alfredo’’ 
von Pacheco, das Ähnlichkeit mit den Schiller ihen Stüden hat. 

Wenn wir von den jungen Bühnendichtern noch Caſtro y 
Dvozco, Don Zofe Muñoz Maldonado und Don Joſe Diaz er⸗ 
wähnt, haben wir alle vorzügliche Namen genannt. 51, 





Skizzen und Erinnerungen aus Algier und Algerien von 


A. Jaͤger. Leipzig, Fritzſche. 1840. 8. 1 Thlr. 12 Gr. 


Obſchon wir vor kurzem eine gerade nicht ſehr empfehlende 
Anzeige dieſes Buches in einem soi disant kritiſchen Blatte la⸗ 
fen, fo können wir doch nicht anders als dieſe „Skizzen und 
Erinnerungen‘ empfehlen; denn man kann Manches über Als 
gier, nad) verſchiedenen Seiten hin, daraus lernen, und der 
Berf. feibft muß als geeignet, über Manches in ben betreffenden 
Beziehungen zu belehren, angefehen werden. Er war früher, 
nach ©. 29, ein „würdiges“ Mitglieb ber auf traurige Weife 
von ihm felbft gefehilderten Fremdenlegion (legion etrangere, 
— lögion a etrangler), nachher ber neuerrichteten Regimenter 
ber reitenben afrifanifchen Zäger, im Ganzen anderthalb Jahr 
in Algiee geweſen, und hatte da nun wol auch Gelegenpeit, 
fi in fo weit dort umzuſehen, baß er ſich dadurch veranlagt 
finden Eonnte, einige Skizzen von ben intereffanteften Vorfal⸗ 
Ienheiten und hervortretendften Merkwürdigkeiten mitzutheilen 
(8. 30 fg.), theils „um manche irrige Anfichten zu berichtigen, 
theild um Denen, die gewillt fein möchten, ihr Schickſal in 
jenem Lande zu verfuchen, von bem ihrer dort harrenden Loofe 
sine Andeutung zu geben”. Denn mas er fonft noch über feine 
Beweggründe und über feine Zwecke in biefer Hinficht fagt, To 
wollen wir zu feiner Ehre nicht glauben, daß er fein Buch ge: 
fihrieben habe, um der „Auffoderung eines fpeculativen Ber: 
legers zu genügen”. Im Übrigen läßt fich daſſelbe bis auf eis 
wige hohle und leere Raiſonnements, die zur Sache weiter 
nicht gehören, auch als ein unterhaltendes gut Iefen. Im Eins 
zeinen verbreitet ſich der Verf. über die Fremdenlegion, ihre 
Zuſammenſezung und ihre Schickſale; über Algier, bie 
Stadt und ihre Umgebungen, die Geſchichte Algiers und deſſen 
frühere Berfaffung in politiſcher Beziehung, namentlich feit dem 
16. Jahrhundert unter der Herrſchaft der Türken (die übrigens 
„das Land kaum mehr verödet unb bie Ucbewohner mehr vers 
mölbert hat, als die neunjährige der Franzoſen““, &. 48), über 
die Einnahme Algiers im 3. 1830 und uber die Verwaltung 
deſſelben und Algerien feit diefer Zeit, über Abbl Kadr (ber 
Berf. fehrelbt die arabischen Namen nach dem Gehöre, ©. vııı.), 
ſowie üßer bie Webuinen, die Spahis und Yuffuf und übers 
haupt den Krieg in Afrika, namentlich auch über einige der 
bervorragendften Perfönlichleiten aus der Geſchichte des Krieges, 
aber nebenbei auch über algierifche Grauen und Mädchen, fodaß 
"man ſchon hiernach abnehmen kann, was ber Lefer in bem 
Bude findet und was er daran hat. 17. 





Notizen. 

Rach den neueften Berichten aus London flieht es mit dem 
Buftande der dortigen Theater nicht eben ergößlich aus, das res 
eitirende Schaufpiel, obgleich es in der jüngften Zeit durch ei: 
nige neue Erſcheinungen fich bemerkbar gemadjt hat, und bie 
englifche Oper liegen faft auf gleiche Weife darnieder. Was 


Verantwortliher Deraubgeber: Heinrich Brodhaud, — Drud und Verlag von F. X, Brockhaus in Leipzig. 


Jemand von Coveutgarden fagte: „Das Thrater ſleht mach 
da, wo es land, aber dis Tage feines Glanzes finb für immer 
dahin“, biefer nicht geiſtreiche aber wahre Ausſpruch gilt auch 
von Deurylane. Lehteres ſchuldet 230,000 Pf. &t., Covent⸗ 
garden 256,496 Pf. St. ; bie Intereſſen zu 5 Procent gerechnet, 
machen im erſtern Falle jährlich 11,500 Pf. St., im Ichtern 
12,800 Pf. St. jährlich! Goventgarben wurde fa einen 
Monat früher als gewöhnlid mis den „Luſtigen Weibern vom 
Windfor’ eröffnet; ein neues Stück von Sheridan Knowles: 
„Ihe bride of Messina‘, beilenntlid nicht die Schiller'ſche, 
folgte, und als nächſte Reuigkeit iſt ein mufikalifches Drama: 
„Ihe Greek boy’, verfproden. Zu ben talentvollfien Mits 
gliedern diefer Bühne gehört Hr. Moore, der in dem neuen 
Stüde von Knowles als Johannes von Proeiba die Hoffnun- 
gen gerechtfertigt bat, die er ala Hamlet erwedte. — Ruſtiger, 
befonders durch die Erwerbung neuer, talentvoller Mitglieder, 
fheint fi nod das Haymarket⸗Theater zu regen; es engagirte 
in Tester Zeit einen rühmlich befannten Schaufpieler, Hrn. 
James Wallad, und eine trefflidhe Schaufpielerin, Mrs, Stir⸗ 
ling. Gin neucs Stüd von Gearle: ‚‚Master Clarke‘, wurde 
bier mit den unzweideutigſten Zeichen von Erfolg gegeben; 
bie Sournale meinen jeboch, baß es fo gut wie bie „„Bride of 
Messina’ bedeutend gekürzt werben müſſe, wenn es fich halten 
fole. Es hat einen viel befriedigendbern Schluß als das Drama 
von Knomles, ift aber weniger interefiont und enthält keine 
eigentlich ergreifenden Stellen. Den günftigen Grfolg ver: 
dankt das Drama hauptfächlic dem Spiele Macready's und 
der Miß Helen Faucit. 


Das „Foreign quarterly review“ bemerkt: „Schiller's Pos 
pularität iſt gegenwärtig größer in Deutſchland denn jemals. 
Verfchiedene Zournale, welche Goethe früher als den Barome⸗ 
ter ber Mode betrachteten und priefen, haben jest ihren frühern 
Korpphäen zu Gunften feines großen Zeitgenoſſen verlaffen. 
Beide Schriftfleller find fo verfchieden, daß fie nicht wohl mits 
einander zu vergleichen find und daß es gerathen iſt, fich eines 
Seden zu erfreuen, ohne ben Einen oder den Andern durch eine 
unbillige Vergleichung herabzufegen. Wolfgang Menzel, ber 
einer fo großen Popularität in England genießt, aber in Wahr⸗ 
heit der vorurtheilvollfte Schriftfteller is, war vorbem einer 
der heftigften Antagoniften Goethes.” Wir führen biefe Be⸗ 
merfung an, nicht weil fie an ſich fo widtig wäre, fondern 
als Ausſpruch britiſcher Unparteilikeit und ais Symptom ber 
Aufmerkfamkeit, womit man in England bie literariſchen 
Stimmungen und Richtungen Deutfchlande bis ins Ginzelnfte 
zu verfolgen beginnt. 


Drtolan, Profefior an der Nechtsfacultät zu Paris, gab 
eine „Notice biographique sur M. Dupin’ heraus. Das ges 
genwärtig eine fo feltfame unb ifolirte Stellung einnehmenbe 
„Journal des debats’’ bemerkt hierüber: „Es tft ein Vorrecht 
Derer, melde eine fo ſcharf gefchnittene, fo originelle Phys 
flognomie wie Dupin befigen, baß fie oft ımb ebenfo oft vom 
ihren Freunden wie von ihren Gegnern beurtheilt werden; fie 
fodern gewiſſermaßen ben Pinfel des Portraitmalers heraus, 
bald den ſatiriſchen, bald ben panegyriichen. Seit 10 Jah⸗ 
ren hat vielleicht Niemand fo oft diefes Glück oder Unglück 
gehabt ald Hr. Dupin. Wol mag Br. Dupin fihon in einer 
vorfichtigern, pilantern und weniger ausſchließlichen Weiſe, ale 
von Drtolan gefchehen iſt, gewürdigt worden fein; die großen 
Gigenfchaften ‚umd hervorragenden Talente des Geſchilderten 
hätten ſchwerlich etwas von ihrem Glanze eingebüßt, wenn fie 
in einem minder troddenen, minder rauhen Tone gefeiert wor: 
den wären ; auch bie Lobrebe hat ihre Delicateffe und Verſchwie⸗ 
genheit. Das feheint Hr. Ortolan vergeffen zu haben — was 
uns betrifft, fo haben wir die Schrift mit alter Theilnahme ges 
leſen, weile man der glänzenden Laufbahn und den Talenten 
des Hrn. Dupin fchuldig * 


) 





. Blätter 


für 


lbiterariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 






Biographie von Ludwig van Beethoven, verfaßt von 
Anton Schindler. Mit dem Portrait Beetho— 
ven’3 und zwei Facfimiles. Miünfter, Afchendorff. 
1840. Gr. 8. 2 Thlr. 16 Gr. 

Biographien bedeutender Männer find immer eine 
intereffante und nad Umftänden wichtige. Erfheinung 
für die Literatur und für das Reich des Gedankens Übers 
haupt. Der Menſch bleibt eine fo unendliche Aufgabe, 
daß jedes Individuum eine neue Löfung derſelben fodert, 
und wenn fie gefchicter Hand anvertraut wird, feſſelt fie 
uns, felbft wenn der Gegenfland von minderer Auszeihe 
nung if. Dies iſt das Geheimniß, duͤnkt uns, wodurch 
faft alle Bipgraphien einen fo eigenthuͤmlichen Reiz aus⸗ 
üben. Im böchften Maße muß dies nyn der Fall bei 
einem Manne wie Beethoven fein, von dem jede, nur 
die geringfte AÄußerlichkeit betreffende Überlieferung eine 
Reliquie ift, gefchtoeige Alles, was ſich auf innere geiftige 
Thatſachen begründet. Das vorliegende Bud nun ift in 
diefer Beziehung ein wahrhafter Schatz. Wir können es 
tein eben georbneted nennen, was und den Charakter des 
außerordentlichen Mannes mit pſychologiſcher Klarheit ent⸗ 
wickelte; dies wäre auch eine Aufgabe, der der größte Geiſt 
kaum gewachfen wäre: doch es iſt eins von aphoriftifcher 
Natur, das die Grundbedingung der biogtaphiſchen Dar:, 
Feitung, die der Treue und Wahrhaftigkeit gewiffenhaft 
zu erfilen ſcheint. Gehe richtig heißt es in der Vorrede, 
wo ung. berichtet, wird, Rochiitz habe bie Biographie Beet⸗ 
hehen's zu fchreiben, abgelehnt, obwol Beethoven ſterbend 
dieſen Wunſch ausgebrügt: daß zu einer Biographie 
defſelben ein Mann gefodert werde, hen in ſoiner naͤchſten 
Naͤhe gelebt und Wieles mit ihm erlebt habe. In 
diefemm. Falle ik Hr. Schindler geweſen. Grmägen wir 
dies, fo mochten wir feinem Manche nach maht Natizen 
wäünfhen, mehr Kopf, Leib, da ſich Ales von feihft durch 
Veethonen s Geift beleben wuͤrde. Hr. Schindler theilt 
das Echen Werspouen’s in drei. Hauptad ſchnitte. Der erfle 
wnfaft. die Sygendiahre vom. dem Gehurssiahre 1770 
(17. Dec.) — 1R00,_ alſo die erfien 30 Jahre. Der 
Biasioph rüuhnee dieſe Zeit wit. deecht als ein hersfichen, 
nie wieberfehrendes Zeitalter der Kunft, das für Bestho: 
ven fpeciell das goldene geweſen. Leider geht uns ber 
Biograph zu kurz Über diefe Zeit hin, namentlich von 
der Jugend Veethoven’s, von feinem Aufenshalte in Bonn 


—— Nr. 319. — 


14. Rovember 1840 





erfahren wir zu wenig, was noch nicht befannt wäre. 
Mehr ſchon gibt uns das Buch über Beethoven's Aufent⸗ 
halt in Wien. Er war zueft 1786 — 87 dort, Das 
mals lernte er Mozart kennen, und es iſt bekannt, wie 
er vor bemfelben über ein gegebenes Thema phantafirte, 
wodurch dieſer ſcharfblickendſte und unbefangenfte alles 
Mufifer fagte; „Gebt Acht, der wird noch in der Melk 
von ſich reden machen!” Der zweite Aufenthalt Beetho⸗ 
ven’s in Wien beginnt von 1792 und ift von ba ab ein 
dauernder geblieben. Bon diefem gibt un J 
intereſſante Data. Der beruͤhmte Arzt v 
die fuͤrſtliche Familie Lichnomwsty waren di 
ten, die ſich des jungen, maͤchtig emporfl 
annahmen und ihn vielleicht etwas ver 
intereffant ift Das, was uns Hr. Schludl 
haͤltniß Haydn's als Lehrer zu Beethoven I 
eine auffallende Stelle in ‚den „Biograp 
von Wegeler und Ries auf, in, denen es 
ven Äußerte: er habe zwar einigen Unten 
gehabt, aber nie etwas von ihm gelernt. 
iſt auffallend genug; Haydn verbefierte R 
gen im Contrapunfte nicht. genau, fond 
gröpften Fehler ftehn. Der, Componiſi dei 
Here Schenk (ein verdienſtvoller Muſiker, ber auf dieſe 
Weife der Wergeffenheit wieder ensziffen wich), bemerkte 
dies zuerſt, und Beethoven begte von dem Augenblidg, 
an ein Mistrauen gegen. Haydn und wandte fi, an, 
Schenk, der auch noch frin Corrector blieb, nachdem ſchon 
Aprechtsberger feinen. ünterricht im Gonfrapunkte Übers 
noramen. Die Erzählung diefer Begebenpeiten, zumql bie 
Schilderung des Danfgefühls Berrhpven’g gegen den alten 
Lehrer, ais er ihm nad) langen Jahren elqmal wieher 
bear, iſt ungemgin rührend. 

der zweite Abſchnitt ur 

ar rtichſte an, g 

! auch Teiber. (ch 
| en, an ea 
! 18 ganze Lebı 
J mar, bie fie 
wandelte. Es bleibt das 
daß fie fih unter den J 
gerade den ausſuchte, un 
zu fchlagen, bei bem dieſ 


13 rı6[, } 78 


hatte. Nur ein erblindeter Rafael ift einem des Gehört 


pfungskraft feines Genius; benn felbft ſtarke Naturen 


beraubten Beethoven im Maße bes Unglüds zur Seite 4 waͤren unter ber Hälfte, bem Viertheil dee Bürbe von 


zu fielen. Doc noch andere böfe Senien fingen bier an 
den Pfad des edeln Künfklers zu umfchleihen, und lei⸗ 
der in die befreundetſten Beftgiten gekleidet, die die Natur 
ſchafft. Es waren feine Brüder, von denen ihm mittel: 
bar und unmittelbar vieled Leid kam; freilih auch nicht 
ganz ohne eigene Verfehuldung, indem feine Lebensunbe⸗ 
huͤlflichkeit ihm Fehlgriff Über Fehlgriff thun ließ, wie red: 
lich, ja wie erhaben edel oft ſein Wille war. Doch edle 
Umgebungen wuͤrden dieſe ſeine Fehler nicht misbraucht, 
den ſchon Ungluͤcklichen nicht noch ungluͤcklicher dadurch 
gemacht haben. Dieſe traurige Wahrnehmung machen 
wir aber an Denen, welche Beethoven's Stuͤtzen, die Er⸗ 
gaͤnzungen der Luͤcken zu ſein beſtimmt waren, die durch 
das Rleſenmaß, zu welchem bie ſchaffende Natur ihn 
einerſeits ausgedehnt, auf der andern Seite in ſeinem 
Weſen entſtanden. Was uns Hrn. Schindler's Buch üͤber 
dieſe Verhaͤltniſſe mittheilt, iſt ebenſo ſpannend als leider 
herzzerreißend. Am tiefſten ruͤhrt und erſchuͤttert uns die 
Darlegung des Verhaͤltniſſes, welches Beethoven zu ſeinem 
Neffen hatte. Hier offenbart ſich der innere Adel ſeines 
Herzens, der felbft unter den verkehrteſten Handlungen 
feiner für diefe irdiſch menſchlichen Verhältniffe völlig un: 
zureichenden Lebenspraris nie ganz verloren geht. Mit 
einem wahrhaft heiligen Eifer verficht er vor Gericht fel: 
nen Beruf und fein Recht, der Erzieher und Vater ſei⸗ 
nes Bruderfohnes zu fein, da er deſſen Mutter für ein 
unſittliches Weib haͤlt. Wie lebendig in feinem Herzen 
der Trieb derjenigen Liebe war, bie die natürlichen Ber: 
hältniffe des Menſchen geftaltet, die Liebe des Vaters, 
Bruders, ber Familie, das entwickelt fich bier In ruͤhrend⸗ 
ſter Welle. Und wie wird ihm vergolten? Durch end: 
ofen Summer und Undank, duch gänzliches Misrathen 
der Frucht, bie er zu veredein fo heilig glühend bemüht 
war! Wahrlich, die Gaben des göttlichen Genius in ihm 
waren theuer erfauft! Um dieſen Preis würbe fie faum 
Einer unter Taufenden annehmen! Abermals zeigt es 
fih bier, wie felten ein außerordentliche Maß ber Be: 
vorzugung ‘Dem, der es empfangen hat, zum Gluͤck wird; 
diefes verbleibt der Welt; der Kampf, der Schmerz, die 
Bürde Dem, der es verbreitet! Ein neuer Grund, bank: 
bar zu fein für Das, was uns buch den Unfterblichen 
geworden, denn wahrlih, nicht ihm, nur uns warb es 
gefchentt, er bat es mit Rieſenkaͤmpfen der Seele errin- 
gen und behaupten müflen! Aber auch fein Antheil 
und Maß an der Befeligung iſt ihm geworden; in den 
truͤbſten Übeln leuchtet ihm die Kunft als ein flets mildes 
Licht; in den verworrenſten Labyrinthen reicht fie ihm 
führend die Hand, in ben verzweiflungsvoliften Kämpfen 
fteht fie ihm fegnend zur Seite. Der Beweiſe davon gibt 
uns das Buch in dem zweiten Abfchnitte gar viele, tief 
bewegende. Wie es ihm unter den eigenthuͤmlichen Um⸗ 
ftänden feines Lebens und Charakters möglich geweſen, fo 
Großes und Erhabenes, zu Zeiten auch frifch Heiteres zu 
fhaffen, das bleibt uns ein wahrhaft unloͤsbares Raͤthſel 
und der fchlagendfte Beweis für die unermeßliche Sch}: 


. erlegen, bie er zu tragen hatte. 


Ungluͤck, VBerbitterung und aufreibenden Lebensverdruß 
Lesteres, ber Verdruß, 
ift der freilich geringſte Grab des Leidens, aber für bie 
kuͤnſtleriſche Stimmung vielleicht gerade der töbtlichfte; gro⸗ 
Bes Unglüd erhebt; es fpannt die Kräfte. Ewig wies 
berholte Unannehmlichkeiten aber reiben auf, wie bie 
halbe Dofis eines Vomitivs, die alle Nerven des Kär: 
pers anwidernd verſtimmt. Solcher halben Dofen reichte 
ihm ſein ungeordneter Hausſtand, den er durchaus nicht 
zu regeln und zu beherrfchen verſtand, taͤglich. Man 
fehe nur ©. 114 u. 115 das Verzeichniß feiner häuslichen 
Unfälle, wo man unter Anderm fait alle Donate entlafs 
fene Dienftleute findet! Mol fagt der Verf. dabei mit 
Recht: „Genug diefes beiammernsmwertheiten Anblids haͤus⸗ 
licher Verwirrung!” Und wir fagen: Genug dieſes wah⸗ 
ven Märtprertbums! Ja, Beethoven war ein Märtyrer! 
Das Buch lehrt es uns auf jeder Seite. 

Dies Maͤrtyrerthum fleigert fich aber noch im dritten Ab⸗ 
fhnitte des Lebens,’ von 1813 bis zu feinem Tode. Zwar 
fängt dieſe Periode mit einer Glanzzeit an, doch fie ftreift 
kurz vorüber — ber wiener Congreß, in dem bie hoͤchſten 
irdifhen Notabilitäten fih dem Herrfcher im Geifterreiche 
Der Töne ehrfurchtsvoll näherten. Dies war der Gipfel 
de Ruhms und Glanzes feines Lebens; von da ab 
ſenkte es fih in ein Chaos dunkler Zerwuͤtfniſſe, trüber 
Berriffenheit und DVerddung hinab. Das Übel der Harts 
börigkeit waͤchſt bis zur völligen Zaubheit: die Kunſt ver: 
fälle um ihn ber; Gögenbienft verdrängt den Goͤtterdienſt, 
Beethoven fieht fih in ber Öffentlihen Meinung vom 
Throne geftürzt durch Roſſini!! 

Dem Narrenlönig 
Gehört die Welt! — dem tollen Roß 
Des Aberwitzes an ben Schweif gebunden - 
Eins aber hebt den großen Genius in unfern Augen, 
wiewol ihn der Biograph deshalb tadelt. Roſſini wollte 
fi) verehrend vor ihm beugen — Beethoven verſchmaͤht 
diefe Huldigung; vier Mal pocht der Staliener an bie 
Thuͤr des Deutfchen — fie bleibe ihm  verfchloffen. 
Mit Recht! Kür Beethoven war Roffini nur ein Tem: 
pelfchänder! Das Maß feines Ungluͤcks fuͤllt ſich mehr 
und mehr. Sein Neffe lohnt ihm mit Undank; fein 
Bruber benimmt ſich theils hochmüthig albern*), theils 
unwuͤrdig, ja empoͤrend; fogar Männer, bie fi damit 
unauslöfchliche Flecke auf ihre glänzenden Namen druͤcken, 
Cherubini und Goethe, vergehen fich ſchwer an ihm durch 
Gleichguͤltigkeit, die einem folhen Manne gegenüber viel 
leicht das Strafwuͤrdigſte iſt! Ja, zuletzt wird Beethoven 
irre an ſich felbft und fehlt an feiner reinen fittlichen 
Größe, durch Misgriffe, die, wären fie nicht Erankhafter 
Art, ihn ſchwerem Tadel blosftellen würden, vor benz 
ihn ſelbſt feine kuͤnſtleriſche Größe nicht ganz ſchuͤtzen 


*) Zu Neujahr ſchickt er ihm eine Starte: „Johann van Beet⸗ 
boven, Gutsbeſitzer.“ Beethoven fchreibt auf die Rück⸗ 
feite: Ludwig van Beethoven, Hirnbeſitzer, und fhidt 
fie fo zurüd. 








kaͤnnte. Enblih naht ihm ber fanfte, 
und dem lang Gequälten wird Ruhe am 26. Mär; 1827, 
unter einem ftlemenden Gewitter des Himmels. 
Unwiftürlich find wir mehr zum Referenten aus dem 
Buche als zum Mecenfenten über baffelbe geworden; es 
ift gewiß fo beffer. Denn dem Urtheile fällt da6 Wert 
nur in wenigen Momenten anheim; fonft iſt nur Dank 
dafür zu ſagen, daß uns ber Verf. mittheilt, was er 
allein befaß und uns nun zum Gemeingut übergibt. 
Doch allerdings, ftellenweis fodert er, felbft wetheilend, 
auch das Urtheit heraus. So namentlih in dem An: 
bange. Vieles darin iſt anziehend und belehrend. Doc 
geht der Verf. mit feiner Perfon ein wenig zu breit 
heraus und mit mancher andern Perſoͤnlichkeit unſtreitig 
ungerecht um. Der Schlüffel zu dem Vortrage der Beet: 
boven’fchen Werke ift allerdings bisweilen paſſend, oft 
aber dünkt er uns auch gar unpaffend, mindeftens un: 
nöthig. Viel wird keinenfalls damit gewonnen; wem bie 
Werke nicht felbit den Schlüffel in die Hand geben, dem 
geben folche Bemerkungen ihn gewiß nicht. Einzelne Ste: 
den entftellen das Buch. Dahin gehört ein unmürbiger 
Ausfall auf Karl Maria v. Weber, dem gewiß Misver: 
fländniffe zum Grunde liegen. Was Hr. Schindler aber 
vollends über defjen Oper „Euryanthe“ andeutet, iſt in 
ſich ſelbſt gerichtet und bringt ihm als Muſiker wenig Ehre. 
Beethoven felbft dürfte fo gering nicht von einem Werke 
denken, das ein Stolz Deutſchlands ift, wenn auch nur 
Wenigen zugänglih. Hauptſaͤchlich aber misfällt ung, 
was der Verfaſſer Bitteres wider Ried fagt*), der ge: 
wiß treuſter und verehrendfler Gefinnung gegen feinen gro- 
fen Lehrer war und ihn, Alles in Allem genommen, in 
feinen „Notizen nicht übler hinftellt als unſer Autor ſelbſt. 
Sndeffen find und bleiben wir ihm vielen, warmen Dank 
ſchuldig. Auch er hat das Seinige redlich gethan, troß 
der angedeuteten Fehltritte; er hat uns ein Buch gegeben, 
was Jedem von fefjelndem Intereſſe fein muß und kei⸗ 
nem Muſiker in feiner Bibliothek fehlen follte. Somit 
reichen auch wir ihm zum Abfchiede über das Ganze ver: 
föhnt und wahrhaft dankbar die Hand. 71. 





Betrachtungen über den Begriff des fittlichen Geiftes und 
über das Wefen der Zugend. Bon Karl Bayer. 
Erlangen, Palm. 1839. Gr. 8. 2 Thlr. 12 Gr. 

Vorliegende Betrachtungen über ben fittlichen Geiſt find 
aus der neueren Philofophie hervorgegangen. Wiewol nicht zu 
leugnen, daß der Kern, bie Principien diefer Abhandlungen aus 
der Mitte jener Gedantenrichtung entnommen, fo hat doch ber 

Berf. die Weiſe feiner Darftellung ein folches Miever⸗ 

haͤltniß in feine Arbeit gebracht, daß wir verlegen find, wels 

den Namen und welchen Werth wir ihnen eigentlich beilegen 
follen. Die Erpofition bes Werkes beutet darauf hin, daß es 
feinem größten Theile nach eine Metaphyſik der Sittenlehre ents 


*) Es ift überhaupt auffallend, daß es gezabe verflorbene 
berühmte Männer find, die ber Autor angreift, nament⸗ 
lich hätte er, was er gegen Ried zu fagen hat, unmittel- 
bar nach der Erfcheinung des Buches deffelben fagen follen, 
wo dieſer ſich noch vertheidigen konnte. 





erloͤſende Freund | halte, und hiernach würde ſchon ber Titel ganz unangemreſſ 


fein, da es wol in ber praktiſchen Moral, abe tt er 
fpeeulativen Wiffenfchaft Betrachtungen im kun Sinne. 
bes Wortes geben kann; denn, wie ber Berf. ja auch ſelbſt 
behauptet, bie wiſſenſchaftliche Methode ift bei ben Problemen 


zu rechen, gegründet fei. Was jeboch bie Äußerung 
über die wiffenfchaftliche und praktiſche Abneigung ber Zeit in 
Hinſicht der Sittlichkeit anlangt, fo wollen wir fie zwar nicht 
als ein Zeichen gelehrten Dünkels und Gerbfifchägung, ſondern 
als ben Ausbruch einer hypochondriſchen Laune anfehen, die wol 
aud) tiefere und firebfame Geiſter haben koͤnnen, die aber vom 
philofopbifchen Standpunkte unfers Autors aus ebenfo falfch als 
ungeredjt iſt. Kür bie ethifche Wiſſenſchaft, feit es möglich war, 
fie als wahre Wiflenfchaft zu behandeln, d. h. feitdem bie Freie 
beit aufgehört bat ein Poftulat zu fein, feitbem ber Geiſt fi 
als freier Geiſt zu begreifen angefangen, ift mehr geichehen, als 
Hr. Bayer zugeben will. Zu gefchweigen, baß Hegel die Sphäre 
entworfen und bie Lineamente der Wiſſenſchaft auf das bes 
flimmtefte und großartigfte gezogen, To iſt es Dotbo, aber nas . 
mentlich Michelet, der für die Philofopbie der Moral fehr Be⸗ 

beutenbes gethan hat. Und wäre dies auch nicht, ift denn das 
Syſtem der Wiffenichaften in feinen Theilen nicht gleich wichtig 
und würdig? taucht Der, welcher die Logik behandelt, oder 
die Afthetit, oder die Naturwiffenfchaften nicht in die eine tiefe 


und heilige Quelle des Geiftes mit Dem, welcher bie Princi⸗ 





1238 


der Moval :emtfoltter! : Und: die Zumoralicat unfess Zeite 
— A Kann: unfe: rl ‚Im Ben pe bin. futihe Expebung 
——— „und! ‚unenblidyen Bewegung ! bes: Beifteds ine. den. 
—— — it? 
en 


loggen ſterd, 
—— in a große Gebiete: 
—* der Idee im abſtracten Slemente 
Logik; in die Philoſophie der Natur, der Idee in ihrer Außer: - 
Vichätit, Negativität; in die Phitofophie des Geiſtes ber cons 
eroten Idee, wo bie Ipentität von Bubject und Objeet vollzo⸗ 
gen, wo ‚der. Begriff.ben Begriff zu feinem Daſetin hat — wo 
en. Gef iſt. In dieſer hochſten und letzten Dphaͤre des abfox.. 
Imten , ſich felbfb- genugfamen Geiſtes iſt auch das: Verhältnif 
ſeiner Freiheit und Selbſtaͤndigkeit bageünbet ; der Mille iſt Hier. 
micht mehr abſtracter Verſtand, Leidenſchaft, er bat nicht mehr 
wiſchen Reigungen zu waͤhlen, ſondern er iſt bie Bernunft, bie 
dor fig felbft fi an und für- fich befiimmt. In biefer Selbſt⸗ 
beftimmung , wo die ſubjeetive Vernunft allein das Wiflen dies. 
fe6- feines abfeluten Begriffs ausmacht, der fein Inhalt und 
fen Zwech ift, in dieſer Identität des Beſondern und Allgemeis 
nen, liegt als einfacher, unmittelbarer Begriff das Recht, ale 
Urtheil die Moralitaͤt; als Schluß — die ihrem Begriffe gemäße 
Realität — die. Sittlichkeit. Wenn alfo unfer Verf. anhebt, 
Hof: die Ethik ein Gebiet der Freiheit fei: die fittliche Freiheit 
eine. Form des. abfoluten, fidy feloft genugſamen Geiftes, fo ſteht 
er anf: dem: wahrhaften Boben. des ethiſchen Wiſſenſchaft, den 
auch das .befchwänkte Bewußtfein anerkennt, indem es mit Roth: 
wendigkeit bie fittlidde Freiheit vorausfegt, und in dem wahren 
Mittelpuntte einer philoſophiſchen Betrachtungsweiſe, ba er bie 
Feeiheit, wie die kritiſche Philoſophie gethan, nicht blos als 
eine VBoraueſetzung der ſittlichen That anerkennt, ſondern ben. 
Begriff der Freiheit: intellectualiter gefaßt Hat. Und, weil bie 
Sictlichkeit in: der Selbſtaͤndigkeit und Freiheit des abfoluten 
Geiſtes ihren felbfländigen Grund bat, gefteht er ihr aud mit 
Recht ein felbfländiges Princip und das Problem einer felbs 
fländigen: Wiſſenſchaft zu, bie um ihrer felbft willen bargeftellt 
und. mit einen andern vermifcht werben darf. Geiftige Selb⸗ 
länbigkoit: ift alfo das Prinsip und Problem feiner Ethik, und 
ba: fie, dieſe Seibſtaͤndigkeit, im Begriffe des abfoluten Geiſtes 
beruht, fo kommen ihr deſſen wefentliche Verhältnißformen: zu, 
die Ides der fittlichen Freiheit, die. Idee ber fittlichen Liebe umb 
vie Bee ber Gelbſigenaͤgſamkreit: oder, das Verhaͤltniß ans ſich, 
zu fih und in-fih. Die. Ethik if alfo nichts als eine Analyfe 
des Begriffes der geifkigen Selbſtaͤndigkeit, welche wiebenum 
nichts Anderes als eine Form bes abfeluten Geiſtes. Diefes 
Princip dev Ethik iſt aber nicht allein in fich ſelbſt wahr und 
nothwendig, fonbern es iſt auch) in fich ſelbſt fruchtbar, ſabaß 
fowor die ſittliche Perſoͤnlichkeit, als auch die fittlichen Verhaͤlt⸗ 
niffe und. die ſittiiche Weit aus ihm abgeleiteb werben und in. 
iger begriffen. find, Der fittliche Geiſt in feiner Bewegung iſt 
die fittkiche That, und bie Momente beu fittlidhen That find. der 
ſitttiche Geiſt als Geſet feinen ſelbſt, dee ſittliche Seift als Zweck 
ſeiner felbſt, der ſittliche Seiſt als: ſittliche Kraft. Die Wers 
wintiikhungsformen bes ſittlichen Seiſtet, in denen das Weſen 
ber digkeit ſich enthͤilt, find bie Gebiete der Gitlichs 
Beit: die fittliche Perſoͤntichkeit, das fittliche Verhaͤltniß nah bie 


firttiche Welt. Das Bewußtſein aber: über die Berwirkiidung | 


iſt die ſittliche Weltanſchauung in ber Natur und. Gefchichte, 
im Selbſtbewußtſein und Sotteöbrwußtfeln. 

In der That hätten wie in biefen Begriffen uns ihrer naͤ⸗ 
hern Entwicklung allıd Das, in welchem das metephyfifche Be⸗ 
fen der Sittlichkeit beſchloſen iſt, und zu dem ſich die Darſtel⸗ 
lung der Gebiete der Sittlichkeit, als bes fich verwirklichenden 





Geiftes, wien das Beſondene zum Allgentinen, mie Die Eril⸗ 
lung zum⸗Poſtulate verhält: Wenn. mir aher dieſen Axund⸗ 
zügen, welche dem Buche innewohnen, unſern Beifoell nicht. 
berfagen Tönnen, fo möffen wir um fo mehr bedauern, daß fie 
der Verf. nicht feſt im Aitze behalten und: feiner Arbeit- bie 
ftsenge:: wifenfcgaftliche. Fornu gu geben: verſchmaͤhzt bat. Der. 
Umfang den Schrift warde fir zwar ouf wenigen. als den drite 
ten, Theil befhrändt haben, aber fie mürbe am intenfipem Werth 
das beiweitem erfehen, was ihr an Grtenfion verloren ginge, 
und bie Berlagshandlung hätte bann gewiß nicht ſcheuen 8* 
fen, das äußere Gewand beſſer autzuſtatten, als es im entge⸗ 
gefegten Falle geſchehen iſt. Außer ber. Vermiſchung, Wieder⸗ 
bolung:und immer erneuerten Erklaͤrung und Umſchreibung ber. 
fpeculativen Wahrheiten. find es weitlaͤufige, beſonders polemi⸗ 
ſche Srgäffe, welche die Abhandlungen ‚in die Breite ziehen. Ab: 
gefehen, daß fie den Zuſammenhang und die Einftcht in das 
Weyl: vollends: vernichten, gehören ſie bei aller Ensrgie den. 
Sprache, als baare. ‚Berfinubesrcflerionen gar nicht in bie. Meta⸗ 
phoſik der Sitten, Der Verf. wird, fi in ihnen untreu, ins 
dem er zu Anfange des. Buches fehr richtig fagt, daß das Boͤſe, 
das Negative, in metaphyſiſchen Unterfudhungen, als einem hoͤ⸗ 
bern Standpunkte, keinen Platz finden dürfe, und was beginnt 
ee wol Anderes, wenn er über Wahn, Ierthum und Unzulängs 
lichkeit in der Theorie oder Praxis der Tugend ſpricht, raͤumt 
ev hier nicht der Negation das weitefle Zelb in feinen fpeculas 
tiven Unterfuchungen ein? — Noch haben wir zu erwähnen, daß, 
ber Verf. feine Betrachtungen über alle metaphyſiſchen Begriffe 
der Sittenlehre, wie wir fie angegeben haben, ausdehnt, aber 
in den: Verwirklichungsformen bes fittlichen Geiſtes, in dem prak⸗ 
tifchen Theile der Sittenlehre, beſchränkt er fich allein auf die 
Erörterung der fittlichen Perfönlichkeit: die fittlichen Verhält⸗ 
niffe_ und die fittlihe Welt behält er fi für ein kuͤnftiges Mal 
auf. ‚Wir ſchließen mit dem Wunfche, daß Hr. Bayer feinen 
Tünftigen. Probuctionen eine foldye Geftalt geben möge, wie fie 
been innerm Gehalte angemeflen und zur Förderung una Vers 
breitung ber philofophifchken Wiſſenſchaft zweckdienlich iſt. 36: 


Literariſche Notizen. 


Franz Kugler's ſchaäßzbare, wenn auch nicht fehler⸗ und 
lückentreie und nicht immer durch gründliches Urtheit ſich cams 
pfehlende „Geſchichte der Malerei“ erſcheint in engiſſcher Über» 
ſetzung unter dem Titel: „A popular histary of peiating;. 
translated from the German of Dr. Franz Kugler; edited 
with notes by Churles Locke Enstleake.” Bei demfelben 
Verleger, John Murray, erfcheint: „History of the reforma- 
tion in Germany, from new and original sources. By Leopold 
von (!) Ranke’”’, und „The domestic life and manners of 
the Romans. ranslated from the German of Prof. Becker, 
of Leipsig’’ (2 Bde., mit Muftrationen). 


Mit zwölf herrlichen in Kupfer geftocdhenen religiäfen Gem: 


: wofitionee von Friedrich Overbeck geziext, erſchien jett vollläns 
| N : ‚„Hesres: nouvellen, 1 latin fı 3 
u 
Auch die religioͤſe Literatur wi jeht als Lusuiatikl unb 
a igt unb. vertrieben fein, daher beißt ea in 
| Ber-Bu 


o.de Paris et de Rome, par M. PAbbéẽ Dessance.‘“ 


ndlerangeige :. „Die Einf find für. jede: Seite 
venfchieden. und a — gu er ñ für jede 


Zu den. literarifchen Geltfamteiten und KÜberſpanotheiten 
gehören die „Propheties” und eine-Schrift unter dem Zitel: 
„La tin des temps’, mit. einer Notiz von Eugen. Bareſte und 
bem geheimniß⸗ und ſchreckensvollen Metto: ,‚‚Des oracles 
zodentabies ansoncent d’ailleurs que les temps sont ar- 
rinds, Ä 5. 


Verantwortlider Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 8. A. Brodbaud in Leipzig. 








Blätter 


f 





ur 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 





Die Luſt zu reiſen und die Luſt zu ſchreiben mehren 
ſich taͤglich und gehen miteinander Hand in Hand, und 
welcher Schriftſteller koͤnnte jetzt nicht reiſen, und welcher 
Reiſende nicht ſchriftſtellern? Je mehr bei der jungen 
Generation im Allgemeinen die eigentliche Productionskraft, 
die dem innern Triebe zu ſchaffen mehr gehorcht als ge⸗ 
bietet, im Abnehmen iſt, deſto mehr macht ſich ihre 
Neigung Raum, an Gegebenes, Erlebtes, Perſoͤnliches 
und Zuſtaͤndliches reflectirend ſich anzuſchließen und ihre 
Reflexionen in der Form von Buͤchern herauszugeben. 
Man hat jetzt mehr den Drang, uͤberhaupt Buͤcher zu 
ediren, als wirklich zu produciren; aber die Eitelkeit, als 
Literat genannt und in den Blaͤttern recenſirt zu werden, 
bat nichts gemein mit dem Stolze, den der wahre Dich⸗ 
ter fühlt, felbft wenn er nie etwas herausgegeben hätte. 
Jeder, der eine Reife gemacht und fi) in der Welt etwas 
umgefehen bat, möchte gern einem möglichft meiten Kreife 
Mittheilungen barüber machen, und wir glauben, baß 
bas ein fehe natürliches Beduͤrfniß fei; ja, es erfcheint 
dem Reiſenden oft, als ob eine Stadt, ein Berg, ein 
Waſſerfall, eine Gemaͤldegalerie erft feitdem er fie befucht, 
betrachtet oder gar in feinem Notizenbüchlein befchrieben 
bat, die rechte Eriftenz und eine ganz neue Bebeutung 
erhalten hätten; befigt nun der Reiſende einigen Styl 
und einige Darftellungsgabe, und findet er einen Verleger, 
fo hieße es doch wirklich die Entſagung zu weit treiben, 
wenn er die Gelegenheit, die Nefultate feiner Reife dem 
möglichft großen Publicum, d. h. dem Lefepublicum mit: 
zutheilen, ungenugt vorübergehen ließe. Selten haben 
diefe Meifebefchreibungen einen literarifchen Werth und 
werben oft, wenn fie Ddiefen Anfprudy machen und eine 
übermäßige perfönliche Eitelkeit zur Schau tragen, dem 
Leſer wie dem Beurtheiler unerträglich; doch finden fich 
auch Meifebefchreibungen, die einen fo großen Schag von 
gelungenen Schilderungen, intereffanten Beobachtungen 
und feinen Bemerkungen enthalten, daß man nur be: 
dauern ann, einen folhen Schag in der ephemeren Form 
eines Neifetagebuch& neben hundert andern ephemeren Klei⸗ 
nigteiten dem Lefepublicum feilgeboten zu fehen. Aber wel: 
cher noch fo vortrefflihe deutſche Roman Tiefe jest nicht 
Gefahr, nah einem halben Jahre vergeffen zu werden? 
Und welches noch fo gelungene Drama müßte nicht fuͤrch⸗ 


ten, nie zur Aufführung, folglid auch nicht in das Pu⸗ 
biicum zu tommen? Und von wie vielen literarifchen, 
auch gelehrten Erfcheinungen neuerer Zeit ließe fich bes 
baupten, daß fie in Deutfchland eine durchgreifende Wir: 
tung erzielt haͤtten? Entweder ift ihr Publicum oder die 
Dauer ihrer Wirkſamkeit Mein. Alles überftärzt, über: 
baftee ſich, eine Erfcheinung verdrängt die andere, und 
die große Maſſe, auf der das Nationalleben eigentlich be: 
ruht, ift ohne Wärme und poetifche Empfänglicykeit. Wir 
fangen mit der gediegenflen unter den uns vorliegenden 
Meifebefchreibungen an: 


1. Reife in Stalin von 3.9. €. Greverus. Bre: 

men, Kaifer. 1840. 8. 1 Thlr. 12 Gr. 

Eigentlich) ber erſte Theil einer „Reiſeluſt in Ideen 
und Bildern aus Italien und Griechenland”, wovon der 
zweite Theil, Griechenland enthaltend, aus buchhaͤndleri⸗ 
fhen Rüdfichten fchon früher erfchtenen iſt. In jünafter 
Zeit ift in der Form eines Reifetagebuches nichts Anzie⸗ 
henderes über Italien erfchienen al8 Baumann’s, Pro: 
feffors in Luzern, „Reiſe durch Stalien, Sicilien und 
Calabrien“; auch vorliegende Meifebefchreibung gehört zu 
den intereffantern und inhaltreihern, und wenn Greverus 
an Friſche der Anfhauung unb FSarbenglanz ber Dar⸗ 
ſtellung hinter Baumann zurädfteht, fo leiſtet er in meh: 
ten Gebieten, wie auf dem der Kunftbetrachtung, troß 
mancher allzu Beer Behauptungen, mehr als Baumann; 
auch ift fein Blick hinlänglich heiter, unbefangen und un= 
getrübt, um ben verfchiedenften Erxfcheinungen offen zu 
fein, obgleich in Betreff einzelner ein etwas flark kriti⸗ 
fher Verſtand in ftörender Weiſe fi geltend macht, eine 
gewiffe deutſche Überklugheit, die jedoch in jene modifche 
Arroganz, welche überall Recht haben und das letzte Wort 
behalten will, nicht ausartet. Italien bewährt auch in 
Greverus feinen Zauber, den es auf uns nordifche Bar: 
baren, mit Ausnahme einiger Nicolaiten, feit der Voͤl⸗ 
terwanderung ausgehbt hat. Wer fein Weſen zur kuͤnſt⸗ 
leriſchen Reinlichkeit, Klarheit und claffifchen Ruhe aus: 
bilden möchte, vorausgefegt, daß er zur Klarheit und 
Gtafficität berufen ift, der gehe nach Stalien, es iſt ihm 
fein befferer Rath zu ertheilen. Goethe in feiner Vollen⸗ 
dung iſt ein Geſchoͤpf Italiens, Windelmann iſt es, un: 
zählig viel andere Maler und Poeten find es; und mögt 
ihr in Deutfchland zwanzig und mehr Jahre mit Res 











1290 


flerionen, kritiſchen Meſſerſchnitten, Selbſtbeobachtungen 
und unabläffigen Studien an euch herum ciſelirt, geglaͤt⸗ 
tet und gereinigt haben, ein einziges Jahr, mit Luft und 
ſich hingebender Liebe in Italien verlebt, wird in der Hin 
ficht mehr für euch. thun, als bie zwanzig Jahre In Deutfch: 
land, wo eilt big kleiglichſtaen Kädfichten,- gefeßfchaftlichen 
Taͤndeleben und truͤbſeligſten Nochduͤrfte von allen: Seiten 
ber kreuzen, einfchüchtern, bämpfen und demüthigen. Ref. 
benkt dabei an ben verftorbenen Gaudy, der, wenn auch 
gerade kein 
des poetifches Talent war. Welch ein ganz anderer Mann 
war er, als er aus Italien zuruͤckgekehrt, in perfönlicher 
Hinficht fowol als in literasifcher! Wie anmuthig, fasbig, 
feicht und humoriſtiſch geftalteten fich feitdem feine No: 
vellen, nachbem er vorher in Deutſchland mehre Jahre 
mit Heine'ſcher ſpitzfindiger Zerriſſenheit und Selbſtquaͤlerei 
und der zur Mode gewordenen Buonapartomanie ſich ab⸗ 
- gequält! Und wenn er in Berlin zu Grunde ging — 
wenigſtens hat Berlin vielen Antheil an feinem Tode —, 
fo war Italien, oder die Schnfuht nad Italien daran 
Schuld! Selbft gut gefchriebene Bücher über Italiens Land, 
Bolt und Kunftvefle klaͤren den dien bdeutfchen Horizont 
über jedes Einzelnen Haupte auf und fiimmen fröhlich 
und frifh, wie ein fonniger Maitag. Solch einen er: 
heiternden Eindruck, mit Ausnahme meniger Partien, 
bat auf Ref. auch das Buch von Greverus gemadıt. 
Greverus bemerkt in ber Vorrede, daß fein Meifebericht 
fubjectivee Art fei, und das habe feinen Grund einmal 
in bes Verf. Vorliebe für foiche Meifeberichte, die ihn 
duch Bewegung, Leben und Golorit mehr anfprächen, 
als die fogenannten objectiven, die im Grunde, wenn fie 
treue Meifeberichte feien, doc auch aus fubjectiver Anficht 
hervorgingen, nur daß die Subjectivität gewaltfam in ben 
Hintergrund gedrängt und unter bem Scheine der Wil: 
ſenſchaftlichkeit verftedt würde, was ſich denn nur zu oft 
durch Trockenheit und Dürre raͤche. Greverus trat feine 
Reiſe um Weihnachten 1837 an und gelangte über Pa: 
ris und das füdlihe Frankreich an die Grenze Staliens. 
Don Nizza wählte er ben ſchoͤnen und grandiofen Weg 
zu Lande nad) Genua, ber fih mit unglaublicher Kühn: 
beit über himmelanragende Felfen und Schluchten. meiftens 
am Meere hinzieht, auf der Capra zoppa, wo an ber 
einen Seite ber Straße nadte ſteile Felswand, an ber 
andern ein fchwindelnder Abgrund von 1500 — 2000 Fuß 
Tiefe ift, wahrhaft graufenerregend wird, aber auch ebenfo 
oft die reizendſten Ausfichten auf Meer und Land und 
blühende Gärten barbietet. Genua ald Stadt machte 
auf Greverus keinen günfligen Eindruck, fo prachtvoll 
auch ihr Anblid. von der Seefette iſt. Livorno, das weder 
eine ſchoͤne Lage, noch Alterthuͤmer, noch ein gutes Thea⸗ 
ter, noch eine Bibliothek, dagegen einen fchlimmen Pöbel 
befigt, wird blos geflreift. Unendlich intereffanter als 
Stadt ift Pifa, befonders ihr Profpect am Ufer bed Arno 
bin. Greverus fah ihre Palaͤſte, ihre Kathebrale und 
ben hängenden Thurm in magiſcher Monbfcheinbeleudy: 
tung. Der Verf. hätte hier die Anekdote von jener Eng: 
laͤnderin erzählen koͤnnen, welche in ihrem ‚Guide‘ las, 


te, doch immer ein bedeuten⸗ 


man dort noch zu gewinnen vermag, nichts von ihrem 


bag ſich der haͤngende Thurm im Mondſchein am beiten 
ausnähme, deshalb direct nach Pifa reifte, Abends ein 
traf, den Thurm im Mondfchein fah und andern Mor⸗ 
gene früh direct nah England zuruͤckreiſte. Zwiſchen 
Piſa und Florenz hatte Greverus viel vom Poͤbel und von 
ben inſolenten Paſtillpynen zu leiden; -er gedenkt babei 
Nicolats mit wehmuͤthigem Humor, geſteht aber, dag 
fih dergleichen Unannehmlichkeiten nicht wieder auf feiner 
Reife ereignet hätten. Ex gibt bei diefer Gelegenheit zu= 


gleich einige Fingerzeige über bie Art, wie man in Sta- 


lien am beften und wohlfeilſten reifen taun. .Die Tage, 
bie der Verf. in Florenz zubrachte, waren ihm die ges 


Außreichſten feines Lebens. Er ſagt: 


Hier in Florenz lernte ich erſt Italien kennen und fühlte 
tief, daß es Leine Fabel, kein leeres Geſchwaͤtz ift, was man 
uns von diefem Wunderlande berichtet, daß, was die Reiſenden 
und die Buͤcher uns erzählen, beimeitem hinter der Wirkiichkeit 
zurüdbleibt, daß Italien größer ift als fein Ruf, und größer 
als alle Zugendträume, bie man von ihm begte... . Man 
thue Alles, was Deutſchland im Fache der Kunft in ſich ſchließt, 
zufammen, es wirb bie einzige mebiceifche ‚Sammlung nicht 
aufwiegen, man vereinige Alles, was Guropa an Kunft und 
Alterthum befist, und lege es auf die Wage gegen Italien — 
und bie Schale, in welcher Italien liegt, wird fich wicht be= 
wegen. 

Der Berf. gefteht, baß er bis bahin ſich für Kunſt⸗ 
fachen nie ſo recht habe begeiftern können; wenn er An⸗ 
dere in Begeiſterung vor einem Kunſtwerke ‚Habe: ſtehen 
fehen, fo habe er wol veefucht, fich in. dieſelbe Begei⸗ 
fterung und in Exelamationen bineinzureifomiren, ‚aber 
das Alles habe nichts feuchten wollen; Auch vor Baus 
werten hätten nur einige mittelalterige Dome, worunter 
Meftminfter und ber Eölner Dom, und auferdem nur bas 
Parthenon in Athen, ber Jupitertempel daſelbſt und der 
Tempel von Phigalia feine Seele ganz erfüllt, während 
ihm St. Peter in Rom und St.⸗Paul in. London todte 
Steinmaffen geblieben wären; aud in den Sammlungen 
bed Nordens, mit Ausnahme etwa der muͤnchener Glyp⸗ 
tothek und Pinakothek, fei er undefriebigt geblieben ; immer 
nur hätte ihn Einzelnes angefpsochen, ſelbſt noch in Ve⸗ 
nedig und Genua, und namentlic, hätten ihn die. pariſer 
Zouvregalerien kalt gelafien. Ganz anders in Florenz! 
Da babe er in Runftgenäffen wie ein Kind geſchwelgt. 

Ich traute meinen: Augen nicht — Heißt es weiter — mei- 
nen ‚Gefühlen nicht, war außer mir, war in. mir, fühlte meine 
Sehnſucht nach dem Schönen ganz geftillt und verlangte nicht 
mehr. — Italien ift es werth, daß man es fein Lebelang im 
Herzen trage und Alles daran fetze es zu ſehen. Alles, was man 
über biefes Land fagen kann, iſt arm, iſt nichts, — und Alles, 
was über Italien bidher gefagt ift, hat ber Ideenmaſſe, bie 


Reich⸗ 
thume genommen. 

Hiermit vergleiche man, was wir weiter unten aus 
Robert Heller's Reiſebeſchreibung anführen werben, wo 
auch dieſer Reiſende geſteht, daß er erſt in Italien zu 
einem gewiſſen Kunſtſinne durchgedrungen ſei. 

Zu dieſem Kunftgenuffe trägt, wie der Verf. ſagt, 
die ſchoͤne Aufſtellung und Anordnung der ———— 
lungen, wie bie Liberalitaͤt, womit fie geoͤffnet find, we⸗ 
ſentlich bei. Überhaupt iſt der Werf. des Lobes ber Flo⸗ 





meint er, koͤme ed auf Erben nicht geben. 
ſcheiden fich durch ihre Mechtlichkeit und feines Ehrgefuͤhl 
‚von allen übrigen Jtalienern in dem. Grabe, daß fie ſelbſt 
-Dpfer nicht ſcheuen, um nur wicht in den Verdacht ber 
Habſucht, ber Übervortheilung und Prellewei zu gerathen. 


1291 . 


nntiner ganz voll; freunblichere und hommetere Leute, 
Sie unter⸗ 


Der Verf. hat fi in Florenz tuͤchtig umgeſehen, es 
würbe uns aber offenbar zu weit führen, wenn wir ihm 
Schritt für Schritt vor jedes Gemälde, vor jebe Statue, 
in jede Kicche, im jeden Palaſt begleiten wollten. Hin 
und wieder macht er eine antiquarifche Bemerkung, bie 
vieleicht nicht fo geradehin zu verwerfen fein möchte, fo 
befonders eine in Bezug auf die Niobegruppe, die er mit 


- ‚Gitaten. unterflügt. Wir erfuchen die antiquarifchen For⸗ 


cher, dieſelbe im Buche ſelbſt nachzulefen und zu prüfen. 
Der Berf. führt uns fodann nah Rom. Intereſſant, 
auch für den gelchrten Forſcher, iſt feine Betrachtung über 


bie antiten Baureſte zu Rom. Das Forum madte auf 
‚in keinen imponirenden Eindruck. Hierzu trägt der Um⸗ 


Hand fehr viel bei, daß die Monumente an ihrem Fuße 
mit Erde bedeckt find; das jegige Campo vaccino naͤm⸗ 
lich Liegt 12 — 14 Fuß über dem alten Forum; baher 
die verkürzten und ihrer Baſen beraubten Monumente, 
nach des Verf. Ausdrud, ſehr abenteuerlich und lächerlich 
ausfehen. Über die Art, mie diefe Erdanhäufung, bie 
größtentheils aus lockerer Dammerde befteht, bewirkt fei, 
macht ber Verf. eine Hypotheſe, ee meint, baß ber Xi: 
berfluß durch feine häufigen Uberſchwemmungen und durch 


den dicken zuruͤckbleibenden Schlamm (flavus Tiberis) zu 


Diefer Erhöhung ebenſo gut tie vermobderte Vegetation 
mitgewirkt habe. Gin anderer bei dem Forum hoͤchſt auf: 
fallender Umftand iſt ihm bie Menge der Monumente, 
die an und auf bdiefem Heinen Raume zufammengedrängt 
waren. Auf eben Sal, meint er, fei der Plag mit 
Prachtwerken überladen gewefen? fie hätten fich felbft im 
Wege geftanden, dadurch den Eindrud geſchwaͤcht u. ſ. w. 
Und nun gar die Anlage biefer Gebäude unmittelbar am 


Fuße des hoch überragenden Gapitols! Der Verf. ſucht 
:diefen Umftand, überzeugend genug, aus dem Wefen ber 


Römer zu erklaͤren; auch fcheine überhaupt der Sinn für 


Spmmetrie in der Stellung mehrer Gebäude weder bei: 


den Römern ‚noch :bei ben Griechen In unſerm Sinne ent: 
widelt geweien zu fein; man finde auf ber Akropolis zu 
Athen diefelbe Rüdfichtslofigkeit in der Stellung der Tem⸗ 
pel zueinander. Die Triumphboͤgen vermochten ihn nicht 
zu begeiſtern; fie ſchienen ihm kleinlich, und vergebene 
babe er fich einzureden gefucht, daß in der Größe nicht 
die Schönheit beſtehe. Das Coloſſeum machte auf ihn 
einen großen, bei Mondenlicht fogar geſpenſtiſch grauen: 
‚baften Eindrud; an dem Pantheon imponirte ihm nur 


der majeftätifche Porticus, twelcher die Rotunde in Schat: 


ten fehle. Einen grandiofen Eindrud machten noch auf 
ihn die ehemals fogenannten Bäder des Titus, bie man 
jest für einen Xhell bes Neronifchen goldenen Palaſtes 
erfannt hat, und bie Bäder des Earacalla. Unter den 
Kicchen wird bie Peterskirche einer fcharfen Kritik unter: 
worfen. Auch hat fi der Verf. ein eigenthümliches 


Princip in Betreff der Baukunſt gebildet. Cr findet bag 
Weſen der ſchoͤnen Baukunſt in dem Rhychmus b.; b. in 
ber abwerhfeinden Bewegung und Nuhe; Die Bewegung 
aber iſt dabei das Poſttive, die Ruhe das Negative, wel: 
ches ohne jenes Element der Bewegung und’ des Lebrns 
keine Bedeutung bat und zur maſſigen Truͤgheit wird. 
Die Bewegung aber wird vepräfentiet durch die perpendi⸗ 
cularen Linien, weil fie bimmelan, von der Erdſchwere 
hinwegſtreben, bie Ruhe oder bie Traͤgheit durch bie Do: 
eizöntallinten. Die altgriechifche Baukunſt vereinigt‘ bei: 
bes, Bewegung in ihren Säulmorbaungen, und Ruhe 
in dem Architran und ben ihm angehökigen Gliedern, und 
beide, Bewegung und Ruhe, ftehen in ber richtigſten aber 
mäßigften Wechfelwirtung. Außer der altgriechifchen gibt 
es nur noch eine einzige originale und genuine Art ber 
Architektur, bie gothiſche. Sie erſtrebt in ihren Spitz⸗ 
bögen und enblofen Pfeilern, auf denen nicht Archittave, 
fondern die Spisbögen ruhen, in welchen‘ bie Idee ber 
Bewegung fortgefegt wird, Bewegung ohne Ruhe. Das 
ift die kuͤhnſte, aber eine uͤberirdiſche Idee: fie ringt mit 
ber Idee der Unendlichkeit. Dabei iſt biefe Bauart wicht 
phantaftifh, ſondern rein ideal und verbient als dus 
kuͤhnſte menſchliche Streben die hoͤchſte Bewundetung. 
Alle uͤbrigen Bauſtyle find ſaͤmmtlich verfehlt und zwitter⸗ 
artig; auch der byzantiniſche Styl, der buch Kuppeln 
und Kreisſsbogen die Idee ber Bewegung begrenzt, flatt 
fie fortzufegen, und in Phantaſtik ausarten läßt. Bei den 
Römern verfhwand die Idee des Auffircbens und ber 
Bewegung; das Maffige, die träge Schwere trat am bie 
Stelle der Rhythmik, das Seelenloſe, Ideenleere walset 
vor in den Horizontalgliedern, und wo man atıfflre: 
bende Glieder anwanbte, ba war es meiſtens zum Schein, 
alfo ohne Sinn und Bedeutung, in Wand: und Halb⸗ 
fänten u. f. w. Hieraus entiwidelte fi) bie moderne ita⸗ 
tienifhe Baukunſt mit Schnörkein, Hohlkehlen, Wand⸗ 
pilaſtern u. f.w. Die vermünftigfle italieniſche Bauart iſt 
noch bie aus ber Arohitectura rustica erwachfene floren= 
tinifhe, bie für großartige Profans ober Privatgebände 
unferer Beit die zweckmaͤßigſte zu fein fcheint und man⸗ 
cherlei Mobdificationen fähig iſt, aut muß fie nicht affecti⸗ 
ren. Ganz vichtig, ſetzt der Verf. hinzu, fühlen dies die 
wadern münchener Baumelfter, nur iſt ihre Bauart niche 
ruſtik und Eräftig genug. Jene Idee ber Rhythmik, der 
abwechfelnden Bewegung und Ruhe, ging verloren und 
artete ans, ald die Baukunſt anfing von den Göttern 
und ben ihnen geweihten Monumenten ins gemeine Le: 
ben, an Privatperfonen, uͤberzugehen — die Baukunſt 
wurde eine Magd der Sterblichen und bes Webärfniffes 
und fah fich immer mehr zum laden, zum Negativen 
und Obnmächtigen verdammt. Diefes ganz niedliche und 
zierliche Syſtem hat fih ber Werf., wie er fügt, aus 
VBerzweiflung der Innern -Unklacheit, der Urthellslofigkeit 


und des Schwankens gemacht. 


Einen etwas boshaften Anfteich dat das Capitel: Kle⸗ 


riſei und Gottesbtenfl”, dem fich wie aus JIronie ein Ca⸗ 


pitel über bie Antikenſammlungen in Rom anfchließt. Hier 
bei dem Anblicke biefer ewig lebendigen marmernen Götz 


1292 


4! 


terbilder, deren Rom ziehe befigt ald bie Übrige ganze 
Welt zufammen — man hat bie noch jegt in Rom vor: 
handenen Kunſtantiken an Statuen, Bäften, Reliefs auf 
30,000 angefchlagen —, kehrt ihm die jugendliche Begei⸗ 
flerung wieder zurüd, die ibm bei der Kritik der moder⸗ 
nen römifchen Bauwerke, ber Kirchen und der Klerifel 
verloren ging. Von hier geht ex zu ben Gemaͤldeſamm⸗ 
lungen über und bringe dem Genius Rafael's den Zribut 
feiner tiefften Verehrung dar. Dann flürzt er ſich wie: 
der in das marlicte, bunte und charakteriflifche Leben des 
Volks, fchildert wie ein echter Verliebter die Meize ber 
eömifhen Frauen und Jungfrauen, wenn er auch zu: 
gibt, daß ihnen eine eigentlich geiftige Bildung und eine 
gefellfchaftliche Bildung hoͤhern Style mangele, und flat: 
tet fodann dem großen Meifter Thorwaldfen in deſſen 
Atelier einen Befuch ab. Greverus bemerkte, es mäülle 
ein großes Gefühl fein, fo unter feinen eigenen Schöpfun: 
gen zu wandeln, worauf Thorwaldſen als echter Kuͤnſtler 
erwiderte: „Nicht eben, die Freude des Kuͤnſtlers liegt im 
Schaffen felbft — was da ift, kümmert mid wenig — 
ich denke immer nur auf neue Werke.” Auch die deut: 
fhen Mater werden befprochen, aber ein Koch, ein Cor: 
nelius malten nicht mehr unter ihnen; zwar leiſtet ihre 
Schule mehr als irgend eine andere und fleht auch höher 
in Anfehen, ihre Vorzüge beftehen hier, wie überall und 


von jeher, in Wahrheit und Kraft des Ausdruds, in |’ 


einer gewiffen Ehrlichkeit, Biederkeit, Herzlichkeit und 
Naiverät der Darftellung, aber es fehlt ihnen an Idea⸗ 
‚lität, wie Sreverus klagt. Wo fie über einfache Grup: 
pen von drei oder fünf Perfonen hinausgehen — was 
freitich felten gefchieht — da fehlt es gewöhnlich an orga= 
nifcher, in die Sefammtidee eingreifender, lebendiger Hand⸗ 
lung, an echtem innern Drama, indem ein Xheil der 
Derfonen lahm, muͤßig und überfläffig if. Dies Urtheil 
des Neifenden ift auf die Mehrzahl der deutfchen Maler 
auh in Deutfchland anzuwenden, fie wiflen bas Leben 
nicht auf der vollen That zu ergreifen, fie haben Keine 
dearnatifhe Energie. In der Farbe ftehen die deutfchen 
Maler, wie Greverus fagt, ben Franzoſen beiweitem nach, 
dann fehlt es ihnen auch meilt an Schul: und wiſſen⸗ 
ſchaftlicher Bildung, daher iſt die Unterhaltung mit bie: 
fen Künfttern meift fehr dürftig, nicht roh, aber flach, 


fie leben in einer gewiſſen Maler: Burfchen: Fidelitdt, find- 


übrigens fittlih, mäßig und enthaltfam. 
Auf der Reife nach Neapel hatte der Verf. das Gluͤck 
mit fünf jungen ebenfo hübfchen al® originellen englifchen 
Damen, welche ohne alle männliche Begleitung ihre Welt⸗ 
fahrten machten, zufammenzureifen. Diefe Epifode bat 
ein gar anmuthiges und Iufliges Anfehen, Überhaupt weiß 
der Verf. ſolche MReiferencontres immer mit vieler Leben: 
. digkeit darzuftellen. Bon hier an wirb jedoch die Reife: 
befchreibung etwas flüchtig, wenn es auch an einzelnen 
intereffanten Beobachtungen und Bemerkungen nicht fehlt. 
Neapel und feine Umgebungen, der Befun, Pompeji und. 
Herculanum find ſchon gar zw oft befchrieben, oder, wie 
man ed jegt nennt, ausgebeutet worden. Weſentlich 


selda. A 


Neues finden wir auch bei Greverus nie. Nun geht 
die Reife wie im Fluge zu Schiffe nah Meffina, von 
ba zu Lande nad) "Catania, dann wieder zu Schiffe nach 
Syrakus, endlid nah Malte. Bis Rom feige das In⸗ 
terefie des Buches, in Rom erreicht es feinen Glanz⸗ 
und Höhepunkt, von da an erlifcht es fiufenweife und 
verflegt zuletzt in faft gänzlicher Trockenheit. 
(Die Yortfegung folgt.) 





Literarifhe Notiz. 

Anftruther’s Überfehung der Halm'ſchen „Brifelbis”: „‚Gri- 
drama in five acts; translated from the German 
of F. Halm’', empfiehlt der „‚Atlas’’ mit folgenden, ziemlich 
inhaltloſen Worten: „Wir empfehlen biefes Buch allen Claſſen 
von Leſern, mögen fie es für die Winterabende kaufen“; und 
von Edmund Bach's „The poems of Schflier explained ; 
with a glossary, elucidating the difficulties of language, 
construction and historical and other allusions’’ heißt es tm 
den ‚Times‘: ‚Ein Bud, klein an umfang, weldjes aber, 
wie wir glauben, allen Denen von beträdtiichem Nutzen fein 
wird, die fih mit dem Studium ber deutſchen Poefie beichäfti- 
gen”, und im „Atlas”: ‚Der Verfaſſer hat den Lefern ber 
Schiller'ſchen Gedichte einen annehmlichen und ſchätbaren Dienft 
geleiftet; das Buch follte in Aller Händen fein, welche Deutſch⸗ 
lands auderlefene Literatur ſtudiren.“ 5, 


Vorläufige Anuzeige. 
In meinem Verlage werden im künftigen Jahre erſcheinen: 


Die ſymboliſchen Vücher 
Ai ra I Aa 


überfegt und mit einer Einleitung und Anmerkungen ber- 
ausgegeben von 


Dr. E. G. A. Böckel, 
großherz. oldenburg. Geh. Kirchenrath x. 

Dieſe Sammlung wird im AÄußern ganz mit der in meinem 
Berlage erfchienenen ‚Concordia. Die fombolifcken Bächer der 
evangelifch:lutherifchen Kirche, mit Ginleitungen herausgegeben 
von F. A. Koethe‘ (1830, 1 Zhir. 12 Er.) übereinftimmen. 





Predigtsammlung 
8 
den Werken der vorzüglichften Kanzelredner 
um 
Borlefen in Laudkirchen. 


Das Werk wird drei Bände in Großoctav bilden und der 
erſte unter dem Titel: 

Evangelienpredigten auf alle Sonn: und Feſttage 
des Sahres zum Mortefen in Landkirchen wie auch zur 
häuslichen Erbauung. 
bereite gue PR 5* * außgegeben — Der Irene 

and wi eiprebigten, der britte igten ü 
freie Tezxte enthalten. Br * 
Eeipzig, im November 1840. 
J.A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 








Blätter 


für u En 


literariſche Unte 


chaltung 





Montag, 


— Nr. 321. — 


16. November 1840. 





Reiſebeſchreibungen. 
Fortſetzung aus Nr. 320.) 
2. Eine Sommerreiſe. Bon Robert Heller. Leipzig, 
Reclam jun. 1840. Gr. 12. 1 The. 18 Gr. 
Diefes Reifetagebuch lieſt fih um fo leichter, da «6 
nicht eben mit tiefen Gedanken beſchwert ift und fi) mehr 
an die Materie und das raſch in die Augen Fallende hatt; 
aber es macht auch eine im Ganzen beſcheidene Miene 
und will nicht fir mehr gelten, als es werth if. Wenn 
ein Buch fo anfpruchslos auftritt wie diefes, fo findet der 
Lefer zuletzt immer nody mehr, als er anfangs erwartete. 
Drag, Wien, Gräg find in der erften Hälfte des Buches 
die Dauptpunkte, die der Verf. bereift und befchreibt. Eine 
ſcharf eingehende Darfiellung der wiener Genfurverhältniffe 
dürfte in diefer Partie das Intereſſanteſte fein. Weiter: 
bin beſucht der Verf. die berühmte adelöberger Grotte, 
Trieft, fodann Venedig, womit das Buch einen tiefern 
and anziehendern Inhalt gewinnt. Hier zuerft lernt er 
auch, nad) eignem Geſtaͤndniß, Gemälde und Kunſtwerke 
verfiehen, ſchaͤtzen und liebgewinnen. Früher, fagt er, ſei 
feine Gteichgültigkeit gegen Ölgemälde fo weit gegangen, 
daß er-lieber Kupferftiche als Digemälde gefehen babe, und 
feroft in Wien fei ihm der Beſuch der Galerien cher eine 
Kaft als ein Genuß gewefen. Die drespner Galerie, um 
deretwillen fo viele Fremde aus entfernten Gegenden kaͤ⸗ 
men, hätte ihn Salt gelafien. Woran habe das nun ge 
legen? fragt er fi), er babe doc, fonft für die Künfte, 
für. Mufit, Bildhauerwerke, WBühnendarftellungen u. f. w. 
Sinn gehabt, die Farben, morin die Natur prange und 
auandre, habe er auch geliebt, warum nicht die Malerei? 
Er babe gefühlt, daß es «ine Linde in feinem Vorſtellungs⸗ 
sermögen geben müfle, unb das habe ihn oft geſchmerzt, 
denn 'zulegt feien Landſchaften und Architekturen doch das 
Einzige gewefen, was ihm von den Bildern der Galerien 
noch am meiften angelprochen. . In Vencdig fällt es ihm 
wie Schuppen von den Augen, ploͤtzlich, wie jede Erleuch⸗ 
tung, kommt die Belehrung über ibn und Tizian, Paul 
Veroneſe, Baſſano, Carpaggia, Tintoreito und Porbenone 
werden ihm die Apoſtel, die ihm die himmliſche Gewalt 
der Malerei predigen und ihn für die Kunſtreligion gewin⸗ 
nen, für deren Myſterien er fruͤher verfchloffen war. Bon 
Venedig nah) Pabun, Vicenza, Verona, Beſuch des ans 
geblichen Sarges von Julia, den er für einen fleinernen 


Zrog hält, wovon aber fein Reifebegleiter, ein Engländer, 
einige Stuͤckchen heimlich abfchlug und triumphirend als 
Reliquien mit hinüber nad) England nahm; dann Reife 
nad dem Gardafee und Aufenthalt dafelbft, in einem Pa⸗ 
tadiefe, das zu fchildern der Verf. nicht genug Worte unb 
Farben auftreiben kann; Durchflug duch Tirol, wo ee 
es ſich befonders unter den fchmuden gefangluftigen Bun 
fhen des Zillerthales wohl fein laͤßt, Raſt in Gaflein, 
von wo aus er mehre Ausfllige ins hohe Gebirge unters 
nimmt, dann Streifzug nach Hallein, Salzburg, Berch⸗ 
teögaden, über München -nach feinem geliebten Leipzig. 
zuruͤck. Behagliche und zu flüchtigem Genuß geneigte 
Reifende wie Heller verrathen leicht ihre Anlage zum No⸗ 
velliften und angenehmen Erzähler, aber ihr Raifonnement, 
das in Neifejournalen nicht zu umgehen ift, wird felten 
von einiger Tiefe und Schwere fein. Der Verf. erzählt 
fo ungenirt und bequem, wie man eben eine Gefellfchaft 
unterhält, daß er in der oder jener Stadt gefrahftüdt, In 
dem oder jenem Hoͤtel gefpeift, mit. dem oder jenem Reis 
fenden ein näheres Verhaͤltniß angeknuͤpft, im Meere ges 
badet, einer Dame ein werlorengegangenes Armband wieder⸗ 
gefunden und zuchegebradht habe u. f. w. Der Styl iſt 
etwas flüchtig und breit behaglich, doch fchlägt in einzel 
nen Partien die Darftellungsgabe des Verf. wie auf dem 
Wege der Inſpiration mit waͤrmern Farben durch, fo in 
der ſehr gelungenen Schilderung ber adel&berger Grotte, in 
der Beſchreibung bed Sardafees, der Umgebungen von Ga 
fein u. f. w. Der Verf. ſcheint überall bin zu viel von 
feinem fieben Leipzig mitgenommen und fi, ohne daß er 
ed fich vielleicht ſelbſt geftand, nach den Fleiſchtoͤpfen Sach⸗ 
ſens zuruͤckgeſehnt zu haben; der Norddeutſche vermißt un⸗ 
gern die Bequemlichkeit, womit er zu Hauſe ißt, trinkt 
und ſchlaͤft, und alle jene Arten kleinlicher Befriedigungen, 
die mit dem norddeutſchen geſelligen und bürgerlichen Le⸗ 
ben verbunden find. 


3. Briefe über Helgoland, nebft poetifhen und proſaiſchen 
Berfuhen in der dortigen Mundart. Bon Theodor 
. 9. Kobbe. Bremen, Kaiſer. 1840. 8. 12 Er. 
Helgoland, das barode Eiland, iſt durch Heine, fpäter 
buch) Wienbarg's Buch, durch einzelne Auffäge von Will: 
komm u. %. in der modernen beutfchen Literamme faſhio⸗ 
nable geworben. Der büffeldorfer Dialer Jordan hat durch 
feine Genregemaͤlde, been Sujets dem Leben und Treiben 





1914 76 


der Helgolaͤnder entnommen ſind, beſonders durch ſein un⸗ 
ter dem Namen „Der Heirathsantrag auf Helgoland’ be⸗ 
danntes Bild das Seinige dazu beigetragen. Auch in wiſ⸗ 
fenfchaftlicher, topographifcher und mediciniſcher Hinſicht iſt 
in neuerer Zeit Manches über Helgoland und fein Bad 
veröffentlicht worden. Einen aus allerlei Nottzen übet al: 
letlei beigoländifche Gegenftände gemifchten kleinen Beitrag 
zur Kenntnig von Land, Volk, Lage und Bad gibt In 
vorliegendem Schriftchen ber als Schriftiteller und nament⸗ 
lich ais Herausgeber der „Humortſtiſchen Btärter Mit un⸗ 
bekannte Theodor v. Kobbe. Den mediciniſchen, topogra⸗ 
pöffchen und mehr wiſſenſchaͤftlichen Antheil uͤberlaͤßt er 
Seinem Freunde, dem Prof. Philipp Stieffel aus Karls⸗ 
ruhe, bekannt als Verfaſſer einer mehrmals aufgelegten 
Gaturgeſchichte und eines „Jahrbuch dee Meteorologie“, 
welcher zur Heilung eines Iangjährigen koͤrperlichen Leidens 
nad Helgoland kam, hier mit Kobbe zuſammenttaf und 
auch wirklich geſund wegging. Im einem Anhange beſchreibt 
Scieffel die Art ſeines Leidens, die aͤrztlichen Vorſchtiften, 
Hie er befoigte, ohne fich geheilt zu ſehen, und bie treffli⸗ 
Hei Wirkungen, welche der mumtere gefellige Aufenthalt 
uf Helgoland, die ftiſche Seeluft und das Serbad auf 
ſeinen Zuſtand geäußert haben. 
ſerrur fectgeſetzt und auf dieſem Wege eine vadicale Hei: 
dung erzielt. Die Bemerkungen von Theodor v. Kobbe find 
es loſe und fluͤchtig geſchrieben, bringen abet doch man⸗ 
ches Intereſſante uͤber die Helgolaͤnder, welche eine zwar 


Seine, aber doch ſcharf ausgeprägte Mutionalität für ſich 


Hiden. Er theilt auch einige poetiſche Verſuche von dem 
uften Schiffecapitain Hans Frank mit, dem vielleicht ein: 
Higen Dichter, den die Doch nicht unpoetifhen Kinder ber 
Fnſel bisher beſeſſen Haben. Er nennt ihn den Hebel 
Hetgotands, wol niche mit Recht; ein hochdeutſches Ge⸗ 


dicht von Frank, welches die Meile von Kurhaven zur In⸗ 


‚friert, iſt viel zu kuͤnſtlich geatbeitet für einen alten 


chifſẽecapitain ımd Volbedichter und prunkt mit Miythoe | 
Dogtfchen Figuren wie Neptun und Thetis. Volkom«giger 
And vinige bier ebenfalls mitgetheilte Gedichte Frank's tn | 


hhelgolaͤndiſcher Nundart, doch fehlt ihnen De poetiſche Faͤr⸗ 

bung ver Hebel Then Dialebtgedichte. Der NRaritaͤt wegen 

chellen wir ben Amfang des einen mit; er kautet: 

‚. Reli Famel kum ens juart 01 Klein Maͤgdlein! omm einmal 
F Me, RA — 

baſt bie up Lun ie auf Helgoland, 
—II—— von üp'dt, u —— it viel von 
BE Oed, do mi dien Hm. Aqch bitt um beine Sons. 
Auch hat ‘ver Gerawsgeber: zwei helgolaͤnder Geſpraͤche zus 
rechtgeſetzt und mit wimer deutſchen Überfegumg begleiten. 
Das Schriftchen trägt einen durchaus aufprucheloſen Cha⸗ 
kalter, 

4, Reifeſtenen in Bateen, Tirol und Schwaben von Emm a 
v. Nindorf. Stuttgart, Ebner u. Seubert. 1840. 
& 1Ahlr. 16 Gr. 

Als Kritiber tft Referent, wie ee offen geſteht, durch 
dieſes Bech ein wenig in Weriogenheit geſetzt worden, wie 
os ihm oft nach der Lecture won Bicchern geſchieht, welche 
eimer Deiblichen Feder, ‘oben bäffen einem Weiblichen Herzen 


Seitdem hat er die Waſ⸗ 


ihren Urſprung verdanken. Es iſt ſo viel Kindiſches darin, 
nd doch wieder fo viel Herziges und Verſtaͤndiges, fo viel 
berflüffiges, und doch fo wenig, mas man wiſſen möchte, 
fo viel Tängelndes un Hüpfendes auch in Styl und „Dars 
Hung, und wWieder:fo gwieb.gragbäfe ung, dn 
ntes Gemenge and —8* en inch Loft Aa 
beit, daß man gar nicht weiß, ob man bier kritiſch und 
misbilligend verfahren, oder das Weſen, ganz ſowie es iſt, 
fi) aufführen laffen, wol gar noch loben fol. Emma v. 


"Mindorf Tieht mit dem Herzen, hört mit dem Gefühle und 


fühlt mit den Augen. Alles wird ihr perfönlid und tritt 
mit ihr in ein enges Freundſchaftsbuͤndniß, felbft das Lebs 
loſe: ein majeſtaͤtiſcher Berg, ein romantifches Thal, ein 
(höner Waſſerfall — fie befchreibt alle diefe Gegenftände 
mit berfelben Wärme und Liebenden Hingebung, wie fie 
ihre reizende Englaͤnderin Jemima oder ihre Agnes, oder 
ihre Thekla, mit denen fir reift, oder ihren Juſtinus Ker⸗ 
ner, den fie verehrt, ober Gomtelius fehlldert, wie er vor 
feinen Fresken ftcht und fie der reffenden Dame erklaͤrt. 
Ja, fie befchreibt das KAußere ber Menſchen wie Landichafe 


ten, und das Außere der Landſchaften wie ein wienſchliches 


Herz, fie iſt immer im poetäfcher Auftesung, im enthufles 
ſtiſcher Stimmung, fie ift Dichterin, weniger durch ihre 
Reime, als buch einen Grundton Ihres Weſens, ber Überall 
lteblich durch ihre Profa hinburchfchtmmere — und fle iſt 
gluͤcklich, denn fie iſt religiös. Recht erbauliche, aber auch 
ebenfo triviale Bemerkungen brängen ſich neben ganz tiefe 
finnige Ausfpriche, und mitten aus dom Strome der Erals 
tation ragen vole kahle Felſen ganz pedantiſche, proſaiſche 
und hausmuͤtterliche Bemerkungen, wie viel Dies oder je= 
nes Unternehmen gekoſtet, wie body diefor ober jener Berg 
et, Notizen Über Walzwerke, Pabbelöfen und Pubbelhamss 
mer, Steinſalzgewinnung, fogar geologtſche Bemerkungen. 
Man lernt aus dieſem Buche lange nicht fo viel, was 
man wiſſen, als wie man empfinden, aufnehmen, lieben 
fol, Der "weibliche Geiſt iſt romantiſch, maletiſch, dee 
maͤnnliche claſſiſch, plaſtiſch, immer fühlt, wo Diefer weiß, 
jener converſirt, dieſer ſchulmeiſtert ober ſptelt den Profefe 
for auf dem Katheder. Dieſer Unterſchied iſt mir Bar ge⸗ 
worden, als ich das Buch des Prof. Greverus Aber Jeu— 
tun mit dieſem Buche der Emma v. Mindorf über Suͤbe 
baietn verglich. Aus ſenein bleiben unleugbar viel nahe 
einzelne Poſten haften, bie zuſammen wine ganz bettuͤcht 
liche Summe geben, aus dieſem bleibt ein gewiſſer Ile 
venowurdiger, aber unbeſtiumter and in ſeine einzeinen 
Momente nicht gu yerlegander‘ Eindruck uͤbrig; Dim won 
man das Merz zerlegt, fo iſt es dodt; der Bet Ki 
ſeckren und hat ſelbſt ain Seckren Frude. Man 
ſtchtige uͤbcigens, daß die Dam von Abel iſt amd 
geringften nen kuinbuͤrgerlich; imätenden, Gin 
blatſchſchweſterlichen Non nicht mat, welcher jezt 
ven. bürgerlich Inge Schtiftſtettetn als eine det 
lichſten Elgenſchaften Hervostries, wodtrech ein Menſch 
lleberowirrdig und ekelhaft erſchanen Ton. Sie gr 
anch nicht zu den emanriptrten Frauen, dewen es ans ges 
ſchlechtlichein Stolze ſchwer ſaͤlt, die Verdienſte eines Man⸗ 
nes unbefangen anzuerkennen; vielnhr bringt 'fie dem 


arg 
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hantichen Beirats‘ in enchfaſtiſcher Weiſe ihre «Erutble 
gungen dar, und mit wer fo größerer Energie und mit 


um fo größerem Rechte, je markirter der maͤnnliche Genius 


ja feiner · geſchlechtlichen Entfchiebenheit fich darſtellt. So 
defonders dem Baumeifter der Mariahilftirche zu Mün- 
chen, dem verſtorbenen Ohlmuͤller, wenigſtens dem Geifte, 
ber ſich in ſeinem Bauwerke auspraͤgt, denn perföntich 
ſcheint ſie ihn nicht gekannt zu haben, ſo dem Meiſter 
Cornelius, ſowol in perſoͤnlicher als kuͤnſtleriſcher Hinſicht. 
Wr Gornelius kennen gelernt hat, ſieht ihm in der Be⸗ 
ſchreibung der Verf. deutlich wieder vor ſich. Sie fehlt: 
dere Ihe Zuſammentreffen mit Cornelius in der Ludwigs: 
Eiche mit folgenden Worten: 

Ich fpürte Herzklopfen, aber mehr als vom Steigen (auf 
den Gerüften) von ber Nähe eines großen Mannes. Da faß 
eg, ber neue Michel Angelo, und malte im Ehere am jängften 
Gericht, welches Fas Ganze als Hauptſtück kroͤnen fol. — Als 
er uns gewährte, biefer Dante mit Patette und Pinfel, kam 
er von feinem Site zu uns herunter: eine Heine gebrängte 
Geſtalt in blauer Blouſe; dem Anicheine nach kaum 40 Jahre 
wie, obſchon er mehr zählt; offene Züge, prädtige braune Au: 
gen, denen man bie leuchtenden Gedanken anſieht; ein beſon⸗ 
Zeres Licht gebt von dem fonnigen Geſichte aus. So, mit ebler 
Freundlichkeit empfing er und-te. 

Das Bud) zerfaͤut In drei Hauptpartien, die erſte um⸗ 
faßt die Reifebitdee aus Tirol und Südbalern, Gegenden, 
in denen die Verf. fchon in früher Jugend zu Hauſe geswefen 
zu fein ſcheint; die zweite oder vielmehr legte eine Reihe 
Gedichte, weiche wenigſtens durch ihre einfach herzliche 
GSrundftinrmung anſprechen, und die dritte eine „Villeg⸗ 
giatut in Weinsberg”. Hier, bei Juſtinus Kerner, lernte fie 
auch den Dr. Strauß Eennen, ben fie, felbft eine Bläubige, 
mit Liebevoller Unparseilichleit wuͤrdigt; fie fagt gelftreich: 

Strauß hatte die Kuͤhnheit und Fefkigkeit, bie Sünden dis 
nes halben Yahshunberts auf feine Schultern zu nehmen. Es 
Eommmt mir gerade fa vor, als wenn ihr viel ausgegeben ran 
aber lange ruhig und munter in ben Tag bineintebt, bis es 
ach einmal in den Ginn kommt, zufammenzureihnen: dann 

unb fehreit über bie große Summe — unb Strauß 


ihr 
Weine ſoche philoſophiſche Addition. 

Die Mittheilungen uͤber Juſtinus Kerner und deſſen 
Haͤnstichkeit find von großen Intereſſe, erfreuen ſich aber 
Schon einiger Popularität, da fie früher bereite im „Mors 
genblatte” veroͤffentlicht wurden. Wir unterlaſſen daher, 
Auen Auszug aus ihnen zu geben, wozu wie ans ſonſt 
veranlaßt fühlen möchten. Jeder, dee reift, Hat außer der 
Keiſe ſelbſt noch einen Lieblingszweck, ein Steckenpferd, 
auf dem er ſich in kindiſchem Behagen feſtgeſattelt hat. 
Man kann :wol Bam: Enam v. a auf Ge⸗ 
ſpenſtetgefchichten gecciſt; aberall, wo fie t, An ˖ jeder 
Veſellſchaft, mitt der fie zufaͤlllg, z. B. im Poſtwagen, zu: 
ſammenkommt, ſucht ſie das Geſpraͤch auf Geiſtererſchei⸗ 
nungen zu lenken, und fie bat das Gluͤck gehabt, deren 
viele zu ſanmeln und in ihrem Wuche mittheilen zu koͤu⸗ 
nen; auch Mint zu keugnen, daß ſich darunter manche 
ganz merkwürdige beſinden, die allerlei Gedanken erwecken, 
gegen welche ſich der Verſtand — oft aber umſonſt — 


ſtraͤubt. 
Dee Veſchicz Tolzt. 


Bruchſtuͤcke aus dem keben und den Echtifeen hun Yes 
'ving’s, gewefenen Predigers an ber ſchortiſchen "Marten. 
nalkirche in London. Sufanmengefteit und herauege⸗ 
geben von Michael Hohl. St.⸗Gallen, Scheitl 
1830. Gr. 8. 1Thir. 6 Gr. 


Im kirchlichen wie im politiſchen Leben regen ſich zu die⸗ 
fer Zeit mancherlei Geiſter, und es iſt oft eine ſchwere Aufgabe, 
te zu prüfen und zu erkennen, woher fie ſind und wohin fi 

euern. Iſts bach, als ob alle feltfame Meinungen, wunder⸗ 
iche Philofopheme, Hirngeſpinnſte, Kegereien und Schwaͤrme⸗ 
reien, die jemals auf religiöfem Gebiet hervorgetreten, Ki wies 
ber aufgemacht hätten, einen Kampf auf Leben und Tod zu 
beftehen und die Welt umzugeftalten. Die fchale Profa deB 
nüchternflen Unglaubens begegnet ben phantaflifhen Gebilden 
bes Aberglaubens, und ber Glaube hat nach-beiden Seiten bin 
mit alten unb neuen Waffen zu fireiten. Wir leben eben in 
einer Zeit des Kampfes und auch manch reblicher Streiter uns 
terliegt bemfelben. 

er ausgezeichnete Dann, aus befien Leben und Schriften 

Bruchſtuͤcke uns vorliegen, ging auf als ein hellleuchtender Stern 
und ging unter als ein raſchverglimmendes Meteor. Er war 
vol tiefen Ernſtes, voll redlichen Willens, voll heiligen Eifers 
vol glühender Begeiflerung; er kämpfte tapfer, oft fiegrei 
wider die Serthümer, Thorbeiten, Sünden feiner Zeit und ſei⸗ 
ned Bolles; aber ben Keind in der eignen Bruſt erkannt' ee 
nicht, überwand er nicht, und fein kurzes Leben und Wirken 
beflätigte nur bie alte Erfahrung, daß die am meiſten reichbe⸗ 
gabten Menſchen die fchwerften Verſuchungen zu beßehen haben, 
bie gefährlichften, wenn der rauſchende Beifall der Welt fie über 
ihre ftille und befcheibene Stellung hinausrüdt. 


Offentliche Blätter haben über Eduard Irving und über 
die von ihm audgegangene Sekte mandgerlei Kunde verbreitet 
aber aungenügenbe; em fo willlommener ift bie kleine Gcheift, 
in weldger ein giemiich unbefangener Beobachter, der ihn par« 
föntih) kannte und viel mit ihm verkehrte, zwar nur Bruch⸗ 
ftäde, aber doch ein gieenlich anfchauliches und, wie es Scheint, 
auch tree Wild bed beruͤhmten mb berüchtigten ſchottiſchen 
Prebigers mittheilt. Über ben Bang feines Meiftes iſt zu mes 
Kebeatungen um Kris meter autgrfühete Wactlen aus her 

eutungen au en aus de 
Geſchichte feines Lebens. 

Am 16. Aug. 1792 zu Aman, in ber ſchottiſchen Graf⸗ 

empfing ex von ſeinen braven unb 

e 


eig Errabepier. Befo mehe hat e$ bar wilbe, und unhänbtge 

Ä er. mehr that er e unb u e 
Knabe allen Benofien au Tbrpritihen Abungen mb, Sertigbehten 
zuvor. Doch fachte er mehr Sem Umgang älterer verſtaͤndiger 
Männer und ſchloß fi gern an fe aus Kicber, als auf den 
Zum dev ‚weite ee an den einſamen Staͤt⸗ 
ten, Vie durch die frhern presbyterianiſchen a 
Märtyrer a et waren. Im der Schale zog ihn -am 
meiften bie Btathematit an, in der ww zu GBeinburg, wo de 
feine Studien Tortfegte, ſich bat fo amsgeidnete, 
* * 3 Babe A —— OMabbingion 
berufen warb. Schhon To früh. ber: -Borbeweitung auf ſeinen eis 
weft, mit man⸗ 





vſellig, 
te er ſich vor Andern aus und 


| maxd nach zwei Sahren bei einer böbern Lehranftalt in Kirk⸗ 


1886 


weder ex, arch 
in mebren Er ee einige a linge 
senee Wohnung beauffictigend und feine Kenntniffe in 
der nat und Katurwiffenfchaft, in alten und mehren 
neuen Sprachen und in der Theologie erweiternd, fleben Jahre 
verweilte. Im 3. 1819. kehrte er nach Edinburg zurüd, ent: 
ſchloſſen, fi nun ganz dem geiftlichen Beruf zu widmen, übri⸗ 
ens noch ganz ohne beftimmte Ausſicht und feinen fernern Le⸗ 
Beneweg ort anheimftellend. Dort hörte ihn ber berühmte 
Dr. Ghalmers, damals Pfarrer an ber St. : Sohanneslircdhe in 
Glasgow, und fand an feiner Prebigt und an feinem ganzen 
Weſen fo viel Gefallen, daß er ihn zum Amtsgehülfen wählte. 
Drei Zahre wirkte er vereint mit diefem trefflichen Manne, 
neben welchem er als Prediger wenig Aufſehen machte ‚ aber 
durch eifrige Verufstreue und duch echtevangelifchen Lebens: 
wandel fich auszeichnete und im Herzen ber Armen und Ries 
drigen, der Witwen und Waifen ein dankbares Andenken be: 
‚gründete. Das Pfarramt an einer ſchottiſchen Stiftskirche lehnte 
er ab, hauptfächlich weil er fie nicht der Gunſt des Patrone 
verdanken wollte, wie er denn ſchon damals mit dem herrſchen⸗ 
den Patronatswefen nicht einverflanden war und baffelbe für 
ein großes Übel in der Kirche hielt. Aber willig folgte er dem 
Nufe der Meinen calebonifhen Gemeinde in London, melde, 
nachdem ex viermal vor ihr geprebigt, ihn zu ihrem Seelſorger 
erwählte und durch Subſcription einen angemeſſenen Gehalt 
nbradte. 
u aan im Herbft 182% feine glänzende und einflußs 
reiche Wirkfamkeit. Die Heine ſchottiſche Kirche in Hatton 
Barden ward kaum noch von 50 Perfoneh befugt; aber noch 
‚ war !ein Vierteljahr verfloffen, feit Irving dort prebigte, als 
fhon 1500 Sitze, mehr als zu vergeben waren, in Anſpruch 
genommen wurben. Bald war kein Raum mehr für bie Scha⸗ 
ven, bie herbeiftrömten, den genialen Prediger zu hören. Die 
ausdgezeichnetften Perfonen des Landes, bie berühmteften Parlas 
mentsredner, Sanning, Brougham, Malintofh u. A. gefeliten 
fi; zu der andädtigen Menge. Gr fühlte um fo mehr fi 
berufen , als firenger Gittenrichter und Gtrafprediger den Dos 
hen ımd den Niedrigen den ganzen Ernſt feines Amtes zu zeis 
gen. Da Viele vergebens ſich herbeidrängten, einen Plat unter 
feinen Zuhörern zu finden, bot er ihnen vafch einen ſtarken Des: 
tavband feiner Vorträge an, unter dem ſeltſamen Titel: „Für 
die Orakel Gottes: Wier Reben; für das künftige Gericht. Gin 
Lehrftüc in neun hellen.” Dieſes Buch erregte eine fo uns 
erhörte Aufmerkfamkeit, daß vor Ablauf von ſechs Monaten 
eine zweite und dritte Auflage nöthig war. In allen Belt: 
ſchriften wetteiferte man in ungemeinem Lob und Tadel diefer 
merfwürbigen Erſcheinung. Die in ben vorliegenden „Bruch⸗ 
fücten‘’ mitgetheilten Proben beurfunden eine fehr vertraute 
Belanntfchaft mit der Sprache der heiligen Schrift, einen les 
benbigen und redlichen Gifer für ECrweckung chriſtlichen Lebens, 
einen großen, aber nidyt geregelten Reichthum und eine vor: 
chende, oft chwaͤngliche Gewalt ber Phantafie, eine 
5 kuͤhne, häufig fich ſelbſt überbietende, all uwortreiche, 
nicht überall geſchmackvolle Beredtſamkeit, und machen bie Sen⸗ 
fation begeeiflich, welche fa originelle Erguͤſſe eines reichen Geis 
ftes und Herzens erregen mochten, 
: Dee Zudrang zu feiner Kirche warb immer größer, fein 
Eifer immer gewaltiger, der Beifall allgemeiner, obwol ex nad 
allen Geiten bin die Schärfe bes zichtigenden Schwertes feiner 
Mede wendete und wider Alles, was in Kirche und Staat vom 
Übel war ober ihm vor dem Worte Gottes nicht beſtehen zu 
Zanen ſchien, feine Bannſtrahlen fchleuberte. „Er warb bas 
große Wunder des Tages in der Hauptfladt der Welt” und 
er hatte das feltene Slüd, oder vielmehr das Unglück, bie 
vornehme, fahbionable Welt anzugichen und, in ben hoͤchſten 
Kreifen beſprochen zu werden“, meint ber Verfaſſer. Daß Its 
ving mit der Kraft und Gigenthämlichkeit feiner Rede die Hös 


Geha der Goeffchaft fe) angeſtet, in 
un 


er nicht nur anzugiehen, ſondern auch feſtzahalten uemodhee 
—— u ara, a . Laͤnge ſeiner oft zwei und drei 


Stunden und noch länger dauernden Predigten immer wieder 


bie lebhafteſte Theilnahme und ungemeflenen Beifall fand, 

Wie gerade und rückſichtelos er feine Bahn verfolgte, be⸗ 
wies er beſonders durch eine ‚‚riefenfafte” Predigt (fie nimmt 
im’ Drud 130 Großoctavfeiten sin), welche die Iondoner Miſ⸗ 
fionsgefellfchaft zur Feier eines ihrer Zefte von dem berühmten 
Rebner erbeten hatte. Solche Verſammlungen haben, naͤchſt der 
Erbauung und des abzulegenden Rechenfchaft vom Wirken bes 
Vereins, befonders den Zweck, die zahlreich verfammelten 
nehmer zu reichen Beiträgen für ben wohlthaͤtigen Iwed zu ers 
muntern. Es war um p mehr eine unangenehme UÜberraſchung 
für das leitende Gomite, als Irving aufs nachbrädiichfte die 
ganze Art der Wirkſamkeit jener Geſellſchaft tadelte und es 
hoͤchlich misbilligte, daß man Gelbbeiträge fammele, durch Setd 
einen Awed fördern wolle, ber nur durch Glauben und Gebet, 
wie zur Zeit der Apoftel, erreicht werben koͤnne. Seine ſchwaͤr⸗ 
merifhen, zum Theil hoͤchſt phantaftifchen Anfichten traten da 
ſehr unmwillfommen hervor. Gieichwol erfuchte ihn im folgens 
den Jahre die Gontinentalgefellfchaft auch ihre Sahresprebigt 
zu halten. Er that es und verbreitete auch biefe Predigt, 
welche, die Weifjagungen Daniel’ und der Offenbarung Jo⸗ 
hannis auf die Beitverhältniffe anwendend, ebenfalls mancherlei 
Anftoß gab, im zahlreichen Abbrüden. In bemfelben Jahre bes 
gleitete ex die neue Ausgabe des berühmten Horne'ſchen Com⸗ 
mentars über bie Pfalmen mit einer Ginteitung, in welcher 
eine Eräftige Begeifterung für jene heiligen Lieder mit vielen treffs 
lichen, aber auch manchen überfpannten Anfichten fi) ausſprach 

Im 3. 1827 fol Irving zuerft die Meinung, ber Leib 
Chriſti fei von fündlichem Fleiſche geweſen, das ewige Wort 
babe die menfchlidhe Ratur in ihrem gefallenen Zuftande ange 
nommen, geäußert haben. Gegen Ende des nächften Jahres 
erklärte ex fie ſehr umftändlich in drei Großoctanbänden unter 
dem Titel: „Predigten, Vorleſungen und Gelegenheitöreden”, 
als er darauf fein gelichtes Vaterland, Schottland, befuchte, 
wo er eine außerordentliche Thaͤtigkeit entfaltete und fih bes 
mühte, in ber eben in Edindurg verfammelten Generalfgnode, 
als Mitglied bes Presbpteriums von Annan, Gig und Stimme 
zu erhalten, warb er, vieler mächtigen Fuͤrſprache ungeachtet, 
zurückgewieſen, bauptfächlic) wol wegen jener bäretifchen Meis 
nung von ber Natur Chriſti. Diefe Abweifung verſtimmte und 
erbitterte ihn gegen das hohe Kollegium. Inbeß hielt er in 
Edinburg einige Wochen lang alle Abende Vorleſungen über 
bie Offenbarung Johannis; fie wurden in vier ſtarken Octav⸗ 
bänben, bie, wie er verficherte, nicht den zwanzigſten Theil fels 
ner Bemerkungen enthielten, gebrudt und verriethen noch flärs 
ter feine excentrifhen Anſichten und feine vorherrſchend apoka⸗ 
Inptifche Richtung. Rad; London zuruͤckgekehrt, prebigte ex auch 
in feiner Kirche über benfelben GBegenflanb. 

Damals hörte ber Herausgeber der „Bruchftäde”‘ ihn zum 
erftien Male, aber. mit fo wenig Befriedigung, daß ein ganzes 
Jahr verging, ehe er dem gefeierten Redner wieder nahte. 
Doch 309 Ip nachher deffen gewaltige Beredtfamkeit, durch eine 
hohe, kraͤftig ſchoͤne Geſtalt, durch tiefen Ernft und ebrfurchtges 
bietenbe rde, durch den begeiftertften @ifer untesflägt, und 
das perfönliche Wohlwollen, mit welchem Zroing ihm enigegens 
kam, unwiderſtehlich an und er warb von da an nicht nur fein 
eifriger Zuhörer, fondern auch fein Hausfreund und häufig fein 
Zifchgenoß. Er war alfo hinreichend in den Stand gefeht, den 
außerorbentlichen Mann genauer kennen gu lernen, unb er bes 
wahrte ſich bei all der Bewunderung, Berebrung und Liebe, 
ber er fi bingab, eine Unbefangenhelt, bie um fo nöthiger 
war, ba Irving's glänzende, zum heil hoͤchſt liebenswürdige 
Eigenſchaften mit feinen Irrthümern und Fehlern aufs Innigfte 


verbunden waren. 
(Der Beſchluß folgt.) 


Verantwortlicher Herausgeber: Geinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von J. A. Brodhaus in Reipzig. 





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B +31 


trefflich gehen. Diefe Lestern haben Ihe Mecept mit fo 
beredter Zunge gepriefen, daß der Geiſt ber Concurrenz in 
ale Welt gefahren und ein edler Wetteifer entitanden iſt, 
ſich auf die liſtigſte und frechfte Art zu beflehlen und in 
die Kinanzfpeculationen fo viel Saunereien zu mifchen, 
als mit der Vermeidung des ZuchtpoliceigerichtE nur mög: 


lich find; bisweilen kommt es auch vor, daß man felbfl 
diefem Borurtheil Trotz bietet, wozu bie Geſchichte der 


feanzöfifchen Actiengefellfchaften im J. 1836 binlängliche 
Belege liefert. " 
Waͤhrend nun aber Jeder feinem Mammon nachjagt, 
während die höchften Stände, gleih Matroſen und Sol: 
baten, die in der gefahrvollen Unficherheit ihres Lebens 
fi) ganz dem Güde und Genuffe des Augenblids bin» 
geben, weit fie nicht wiſſen, ob die naͤchſte Zukunft noch 
ihnen gehört, von dem Tage nehmen, was er gibt, und 
nur an die Gegenwart und an fi felbft denken, ſchwillt 
das von Eiferfucht, Habgier, Rache, und mer weiß ob 
nicht von der Vorſehung bewegte Meer der untern Volks⸗ 
claffen immer höher an: noch Erdäufeln nur leichte Wellen 
die Oberfläche, aber in ber Tiefe nimmt die gewaltige 
Steömung unmiderftehlich ihre Richtung. Mit ſtolzer Zu: 
verficht und erzwungener Heiterkeit fehen Diejenigen, weldye 
am Steuerruder figen, über das von leichtem Wellenfchlag 
bewegte Meer, das fie mit Gottes Kraft wie Neptun 
einft zur Ruhe brachten, wenn es fidh empörte. Sie fe: 
ben und hören nur, was fie fehen und hören wollen: 
ſtille Zufriedenheit und Vertrauen, das Lob ihrer Bor: 
zuͤge und Zugenden, was ihrer Macht und Einficht ſchmei⸗ 
chelt und ihre Gemaͤchlichkeit nicht ſtoͤrt. Natürlich geht 
für fie Alles ganz vorteefflih, und es bleibt nichts zu 
wünfchen übrig. So fliehen Die, von denen Huͤlfe und 
Rettung kommen follte, in einer ſchwarzen Nacht von 
Rauch und Wollen, in bie dee Opferdampf der eingebit- 
beten Selbſtgenuͤgſamkeit fie huͤllt, nicht wiſſend, nicht 
abnend, daß das Staatsihiff an vielen Stellen led! ge 
worden und in großer Gefahr fchwebt, wenn nicht bald 
Gegenanftalten getroffen werben. Blitzesſchlaͤge, wie bie 
Arbeiteraufftände und Coalitionen in Lyon, Paris und 
England, fahren wol erhellend durch das Dunkel und 
erleuchten den Abgrund, über den fih das Staatefchiff 
immer tiefer hinuͤberbeugt; aber die Bequemlichkeit ber 
neuen Lenker mag ihrer nicht achten, oder häft fich die 
Augen zu, wie wenn es hinreichend wäre, daß ber Mit: 
telftand das Steuer führe, ohne zu wiſſen, wohin das 
Staatsſchiff gerichtet werben muß und melden Weg es 
einzufchlagen babe, um nicht an ben Klippen zu zer: 


en. 

In der Stunde der Gefahr wird jeder Paflagier Dia: 
teofe, in dem entfcheidenden Moment der Krife darf Je⸗ 
ber feine Meinung abgeben. Ehre gebührt Denen, welche, 
wie ber Verf. des vorliegenden Werks, mit Eifer, Bes 
fonnenhelt, Muth und Unparteilichleit Hand anlegen und 
fi über ihren Stand erheben, um das zu ihren Süßen 
wimmelnde Schaufpiel bes menfchlichen Elends und Sam: 
mers beffer überfehen zu Eönnen. Her. Lafarelle bat lange 


“und ernfihafte Studien gemaht, um den Sig und das 


Heilmti 
erſtrecke 
claſſen, 
beſitzer 

kleinen 

erklaͤrt 

und ſo 
tionn: 
fe, ind, 
zudeuter 
beurthei 
praktiſch 
nichts 
Zaufpat 
ih Lan 
„Medite 
putirten 
allein w 
er Theil 
man ihr 
teihaupt 
heit kon 
Anſichte 
findet, 

bringen. 
Bifion | 
mittheitt 
welchem 
tholicisn 
eine cur 
Clootz uı 
(wir ſoll 
der), ver 
Abfhaffı 
(das Ge 
die aller 
Lamarti 
aber ſeh 
Winde 
mit jene 
demnach 
L. Brot 
fehlt do 
unter p 
jede Paı 
fi jede 
bürfniffe 
ciale Da 
Begriff 
der Geſi 
Lafarelle 
Kennzeic 
pathie f 
ihren He 
namentl 
allein ei 
Ordnun 





1208 


durch bie umermehlichen Lindten des euſſthhen Meilen. 
In Deteröburg bewundert er die koloſſalen Bauwerke, ohne 
daruͤber diel Neuss zu ſagen. Don da nach Archangel. 
Faſt noch an den Thoren der weiten und rauſchenden 
Hauptſtadt ſah er ſich ſchon mitten in ungeheuere Wal⸗ 
dungen voerſetze. Era eamas sing Weing Anhöhe, mit der 
Ausficht auf ein Mew von Tannen, in ber Fene bie fünf 
afiatiſchen Kuppeln einer griechiſchen Kirche (Jeſus in ber 
Mitte der dier Evangeliſten), bald gruͤnlich, bald im hellen 
Metallglanze ſchimmernd, mit ihrem weißlichen Thurme uͤber 
den Wald emporragend, dies faſt bie ganze Ausſicht, welche 
man von Petersburg nach Archangel genießt! Doch gibt 
ed am Dnesafer ein herrliches Panorama. Was er über 
die Bewohner dieſes Landſtrichs fagt, iſt von ziemlichem 
Antereffe. In Archangel, in deffen Umgegend er ein Feſt 
mitmacht, wobei fo ſtark getrunden wurde, daß ein Mann 
ärztlicher Huͤlfe benöthige war, gefiel es dem überaus 
freundlich aufgenommenen Reifenden fehr wohl. Später 
wohnte er noch den Kirmeſſen in zwei Dörfern bei, wobei 
die Mädchen, die legionenweiſe verfammelt waren, kreifchende 
GSefänge anſtimmten und fpaziergangartige Taͤnze ausführ: 
ten, die mit dem beutfchen Cotillon einige Ähnlichkeit hat: 
ten. Übrigens war das Coſtuͤm der Frauen ſehr reich zu 
nennen. Über Wolodga, eine durchaus ruſſiſche, ſchoͤn und 


regelmäßig gebaute Stadt mit menigftens 50 Kirchen, deren. 


vereinigte Thuͤrme, 600 an ber .Zahl, ber Stadt ein ganz 
eigenes. und heiteres Anfehen geben, über Jaroslawl, bie 
wie alle ruffifchen Städte ausficeht, fpäter die Wolga hinab 
am Bord eines Marktfchiffes, bei Koſtroma vorbei, mo 
“eine Kicche, auf einer bedeutenden Anhöhe gelegen, eine 
fhöne Ausfiht und im Innern den Anblid ſehr alter 
Frescogemälde und reich vergoldeter Bilbhauerarbeiten bar: 
bietet, geht die Reiſe weiter nah Nifhni Novgorod, mo 
die berühmte morgenländifhe Voͤlkermeſſe gehalten wird. 
Des Berf. Bemerkungen über das bunte Treiben in Nifchni 
Novgorod find nicht ohne Interefſe, obwol man eine far: 
bigere und anſchaulichere —— erwarten und wuͤn⸗ 
ſchen konnte. Uber Wladimir, wie Niſchni Novgorod ſehr 
vortheilhaft auf einer Anhoͤhe amphitheatraliſch gelegen, mit 
einer Vorſtadt von unermeßlicher Laͤnge und Einfoͤrmig⸗ 
keit, reiſt der Verf. nach Moskau. Der Weg iſt ſehr bes 
ſchwerlich; bald wird man ſich jedoch, Dank ſei es der 
ſchoͤnen macadamiſirten Chauſſee, die von Niſchni nach Mos⸗ 
kau gemacht wird, ber Diligence wie auf dem Wege von 
Petersburg nach Moskau bedienen können. Der Reifende 
nennt dieſe uͤber loſen Sanb und duch Torfboden und 
Moräfte 400 Werſte weit gefuͤhrte Chauffee ein der Roͤmer 
wuͤrdiges Wert. Alles, fagt ex, mas in Rußland gefchieht, 
geſchaͤhe in imponirenden Berhältniffen ; es ſcheine, ald nähme 
man fich bei dem Baue von Gebäuden, Wegen und Ras 
naͤlen foͤrmlich vor, fie mit bee ungeheueen Ausdehnung 
des Heike im Einklang zu bringen. ber den wunder⸗ 
baren Eindruck, den Moskau auf den Beſchauer macht, 
ſtimmt auch Robert in das allgemeine Urtheil ein. Abers 
mals beſuchte Hr. Robert von Moskau aus Peteräburg, 
über das er noch einige nachtraͤgliche Notizen gibt, und 
kehrt dann über Finnland nah Stocholm zurkd, Was 


} ruhztu odeb, fein Die gehhet Hat, Das und nur 


Das Ichilbert der Reiſebriefſteller; auf Zufländlies und 


zipgenanntes Volkerbetreffliches Läßt er ſich im geringſten 


ht ein. Darum behagt er ſich unter diefen ibm neuem 
Localitäten und Nationalitäten ale ein echter Wineralog, 
ie Steing fauiselt 'und‘ mit. objectivge Ruhe betrachest 
und beſchrelbt. Schattenfeiten gißt es für ihn in Ruß 
land nich. 16, 





Bruchſtuͤcke aus dem Leben und ben Schriften Eduarb Ir⸗ 
ving’s, geweſenen Prediger an der ſchottiſchen Matios 
nalkiche in London. Zuſammengeſtellt und herausge- 
geben von Michael Hohl. 

Beſchluß aus Ar. M.) 

In einem neuen Werke über bie menſchliche Natur Chriſti 
bekannte er fi unummunbden, beflimmt und warm zu dem 
Glauben, daß Er wahrer Gott und wahrer Menſch fei, uns 
ſtraͤflich, heilig, volllommen, obwol verfucht, gleichwie anbere 
Menfchen, und vertheibigte mit dem größten Aufiwande von 
Scharffinn, Gelehrſamkeit und aller ibm zu Gebote ſtehenden 
Beredtfamfeit feine Meinung, daß Chrifti Leib zwar ganz hei⸗ 
lig, aber dem unferigen in allen feinen Schwachbeiten und in 
ber Empfänglichkeit für Verſuchungen gang gleich geweſen ſei, 
wofür er eine Menge von Wibelfprüdgen zu deuten weiß. Gr 
leugnete dabei aufs entfchiebenfte, daß die ſündliche Regung an 
fih ſchon Sünde, daß durchs Fleiſch verfucht zu werden, Unhei⸗ 
ligkeit fei, da ja die Heiligkeit eben barin —* — daß man den 
Verſuchungen des Fleiſches triumphirend wiberftehe. Indem ex 
dieſe Meinung aufs ſchroffſte hervorhod und bald zum Mittels 
punkt der evangeliſchen Predigt machte, aufs ſchaͤrfſte der Lehre 
ber Kirche entgegenſegte, bald auf bie Andersdenkenden foͤrm⸗ 
lich anathematiſirte, trat eine überhandnehmende Geiſtesver⸗ 
ſtimmung und ſein Hang zur Sektirerei immer unverkenn⸗ 
barer hervor. 

Allmaͤlig minderte ſich zwar der Zudrang gu ſeinen Vor⸗ 
traͤgen; aber noch immer waren alle Räume um ihn her mit 
andächtigen Hörern erfüllt und er felbft ermüdete nicht im Ei⸗ 
fer und Kleiß feines Amtes. Er prebigte-niht nur an jedem 
Sonntage Vormittags und Abends, oft auch Nachmittags, fons 
dern auch Mittwochs, fpäter auch Freitags, hielt regelmäßig 
längere Betfiunden an jedem frühen Morgen, nadımels auch 
an jebem Abend, befudgte bie Kranken, aͤbte bie ſpeciellſte Seel⸗ 
forge und war aud daheim, in ben wenigen Mußeſtunden 
immer bereit zu Belehrung, Rath und Zrofl, wenn man fd 
an ihn wendete. 

Irving's vertrautere Freunde und Freundinnen verfammel- 
ten ſich in feinem Haufe am Abend jeder Gonnabendse. Wähs 
rend der Thee genoſſen warb, beſprach man traulich bie Anges 
legenheiten des Tages, geiſtliche und weltliche. Darauf begann 
bie Erbauung mit dem Gefang eines Pſalms, dem ein langes, 
aber ergreifenbes, oft erfgütternbes Gebet folgte. Dann warb 
jedem Anweſenden eine Beine Bibel gereicht, ein Abſchnitt vore⸗ 
gelefen und Jedem feeigelafien, wie ibn ber Bei trieb, feine 
Benurkun mitzutheilen. Palmgefang und Gebet beſchloß 
die gemeinfame Andacht. As unfer Berf., oft eingeladen, eins 
mal an einer ſolchen Erbauungsſtunde theilnahm, warb daß 
lange Schlußgebet ploͤtlich durch fcharfbetonte, fdsnelbende, gang 
fuembartige unb und ſchaudererregendo Kbne, die Gin 
nee dee Anweſenden ausfiieh, an die fi) baum einige engliſche 
ufammenbängende Worte anfchloffen, unterbrochen. Als dieſer 
usbruch vorüber war, fuhr Irving im Gebet fort, Gott dans 
Tend für biefe feine Manifeſtation; benn er hielt biefe Muss 
rufe w für die Stimme des Heiligen Geiſtes. Balb dar⸗ 
auf brach ein junges Frauenziuuner in Shniiche, aux noch ſchaͤr⸗ 
fere und gellenbere Laute aus, denen eine erbaulicke Grmahnung 


4 


18 


rien weh VDeten i ß4 das Aufichen, 
—— ———— ve Sant erkink 
anf fo —— ward, und Si alsbald uns 
ammunden und umfänbiidg hiefe &rfceinung e. eine Kund⸗ 
gehung des Geifteägaben, wie fie im apoſtolifchen Zeitolter fidh 

raußeet, erläxte. Bon da an kamen ſolche Wanlfeſtationen 

vor, auch an Irving's Tiſche, wenn er GSaſte geladen 
hatte, und ex feibft gab nun immer mehr einem Wahne 
Yin, der feinen ſonß gefunden Verftand zu verwieren drohte. 
Dabei war ex dem Widerſpruch, auch der freundlichften Mit: 
theilung naheliegender Bedenken und Warnungen fo ungugäng- 
lich, daß felbft fein ihm lieber und werther Bruder fo wenig 
wie befonnene, wohlmeinende Breunde noch etwas zu entgeg= 
un wagten. 

Immer tiefer verſtrickte und verwirrte er fi in feinen 
Meinungen von „der Babe des Weiſſagens und bes mit Zun- 
gen Redens’‘, die er als die Frucht des Glaubens und der Ge: 
betäerhörung betrachtete. Da er zubem auf eine neue eigen: 
tbümliche Ordnung des öffentlichen Gottesdienftes einführte, fo 
ward er endlich von den Curatoren feiner Kirche vor dem ſchot⸗ 
tifchen Presbyterium in London angeklagt, und ba alle Bemü- 
Jungen, ihn auf den vechten Weg zurüdzubringen, vergebens 
waren, von biefem im Mai 1832 feiner Stelle entfegt. Die 
Köftimmung feinee Richter bewies, daß man gern biefes Äu- 
Sexfte vermicben hätte, feinen fhönen Anlagen und feiner ſon⸗ 
Kigen Wirkfamkeit willig Gerechtigkeit angedeihen ließ; feine 
Bertheidigungsrede aber, im ber feine Befangenheit fanatifch fich 
Zund gab, war am wenigften geeignet, ein milderes Urtheil zu 
dewirken. Seine legte Predigt in der ihm theuern Kirche be 
zeugt ebenfo deutlich, daß feine Schwärmerei fein gefundes Ur- 
sheil ganz überwältigt hatte. j 

Geine Anhänger fanden balb ein anberes Local, das fie 
zum gottesbienftlihen Gebrauch einrichteten und ganz und un: 
bedingt ihm überließen. Dort geflaltete er den Gottesdienſt 
allein nach feinen Anfichten, gab den Außerungen der angebli: 
den Geiſtesgaben den freieſften Raum, führte neue Gebr uche, 
auch mancherlei Kirchenämter, wie fie In des erſten Kirche bes 
Kanden, Propheten, Evangeliſten, Apoftel, Diakonen, Altefte 
ein und ertbeilte fish felbft das in der Apolalypfe erwähnte 
Amt „des Engels”. Er gedachte bie ganze apoftolifche Kirche 
wieberberzufßtellen und wirkte mit großem Eifer und Fleiß weiter. 

Aber nicht lange war ihm diefe Wirkfamkeit vergönnt. 
Die Generalfgnobe, welche ſolches excentriſche Treiben nicht län: 
ger zulafien mochte, gab dem Presbyterium in Annan, von bem 
ex die Ordination empfangen hatte, auf, ihn wegen feiner haͤ⸗ 
retiſchen Grundſaͤte über die Natur Ehriſti aus dem ſchotti⸗ 
jchen Klerus auszuſtoßen. Das Presbyterium lub Ihn vor auf 
ben 13. März 1883, und nachdem man feine zwei Stunden 
lange, wenig zufammenhängenbe, oft deſultoriſche Rede gebuldig 
angehört, erfolgte feine förmliche Ausſchließung. 

Am folgenden Tage trat Irving der Diarzkiche gegenüber, 
von einem Zelte aus, vor einer zahlreichen Volksmenge auf, 
prebigte über das neunte Gapitel bes Propheten Zacharias und 
ias zum Schluß einen langen Brief vor, in welchem er feiner 
Iondoner Bemeinde den Verlauf der richterlichen Berhanblungen 
mittheilte und feierlich betheuerte, daß er der gegen ihn gerich⸗ 
teten Kiage unfchulbig fei. Nachdem er noch Öfter in feinem 
Baterlande-geprebigt, kehrte er nach London zurüd, wo er in 
feines Gemeinde foriwirkte und in Berbinbung mit Gleichge⸗ 
Äinnten an ber Ausbreitung feiner Sekte, auch außerhalb ber 
Sauptftabt, eifrig arbeitete, nicht ohne Erfolg. Die Zahl fels 

nbänger —*8* ſich. 

Im Spaͤtherbſt 1884 beſtimmte ihn feine tieferſchütterte 
Gefundheit, fi mit feiner Gattin nach Schottland gurüdzugies 
gen. Zunehmende Kraͤnklichkeit nöthigte ihn in Glasgow zu 
Dieiben, wo er im Haufe eines dis dahin ihm fremden Mannes 
ae Aufnahme und Yfiege fand. Wald Eomnte er die Ber⸗ 





(ungen feiner Anhänger nicht mehe def 


uden. Ein hikiges 
vernehrte raſch feine legten Kräfte; feine einſt Tale, 


keaͤftige Geſtalt war u en, 
fein ſchwarzes Haar A ae ge 
orden und ein tiefes Setlenladen fi au. feinen Adgen. 
zaubten ihm eft das Bewuftfein; in bem 


Schmerzen 
freien Stunden fchien ex, beftändig ken Blick gen. Himme gie 
wenhet, iu Fillee Gebet verfunfen zu Ganft unb zub 
farb er in ber Nacht vom 6, Rn . Desember — 42, 
Jahr alt — von Bielen, auch von Solchen, die nicht feine Ans 
bänger waren, betrauert. 
So bald und fo traurig endete ein Mann, ber aufßrrors 


dentli begabt, eifrig, reb twollenb, für 
ich reich begabt, fromm, eifrig, redlich, woh en ne 


feinen Beruf feurig begeiſtert, den fegensreichfien 

mwonnen haben würbe, wenn nicht va Übermaß feiner ungeorbe 
neten Phantafle ihn irregeleitet, ber ungemeffene Beifall ber 
Welt ihn berauſcht und bie natürliche Eitelkeit bes Bergend, 
bei dem Mangel an Wachſamkeit üben ſich ſelbſt, ihn verdiene: 
bet hätte. So ſteht er als ein eruftes, warnendes Zeichen in 
unferer vielbewegten Zeit ba, nicht daß wir ihn richten, ſon⸗ 
dern daß wir bie Richtung, ig ber er von ber vechten Bahn 
abwich, beklagen und an feinem SBelfpiel uns Tpiegein. Ins⸗ 
befondere mag bie unfelige Sektirerei, zu der unfere Zeit ſich 
hinneigt, in ihrem verführeriſchen und vesberblidden Einfluß er⸗ 
kannt werden. Wir empfehlen das lehrreiche Büchlein befons 
ders jungen Theologen, bie Irving's heiligen Eifer für feinen 
Beruf, die unerfchöpfiiche Wegeifterung für alle Theile des geift- 
lihen Amts fi aneignen mögen. Aber auch Nichteheologen - 
werben mit Intereſſe und mit Rusen biefe „‚Wruchftüde” leſen. 
Sie genügen, nicht nur den ausgezeichneten Mann, ſondern auch 
manches andere Beherzigenswerthe kennen zu lernen. 

Der Herausgeber verbient Dank für feine Mittheilung. 
Sie zeigt eine wadere Sefinnung und achtbare Sinſicht. Die 
Sprache ift nicht überall fehlerfrei, wir wollen fie aber Gier 
nicht befritteln. 52. 





Miscellen. 


Karl, Herzog von Bourbon, Gonnetable von Krankreid, - 
war von feinem Könige Franz I. abgefallen und hatte fi in 
Kaiſer Karl's V. Dienfte begeben. In der Schladjt von Pas. 
via (24. Febr. 1524) war es nahe daran, daß ber König dem 
im Raiferlichen Heere fechtenden ‚Derzoge zum Gefangenen fi 
hat ergeben follen, was aber ber König, obgleich er damals 
wirklich gefangen warb, dennoch iu vermeiden wußte. Der 
Kaifer bewies dem Herzoge die größte Aufmerkſamkeit, ja er, 
ber ſich lange geweigert hatte, den in ſchimpflicher Gefangen⸗ 
ſchaft gehaltenen König zu befuchen, empfing defien rebelliſchen 
Untertban, als berfelbe nach Toledo Fam, mit ausfludirter Eh⸗ 
senbezeigung. Die Spanier aber, welche Bourbon’s Verbrechen 
verabfcheuten, vermieden allen Umgang mit ihm bergeflalt, daß, 
als der Kaifer den Marquis von Billena anſprach, dem Gon: 
netable feinen Palaft fo lange, als ber Hof zu Toledo fein 
würde, zur Wohnung einzuräumen, biefer antwortete: „Sr. 
Tönne feinem Gouveratne biefe Bitte nicht abfchlagen, aber der 
Kaiſer müffe fig nicht wundern, wenn er den Augenblid baxs 
nach, da der Sonnetable ausgezogen fein würbe, fein Haus bie 
auf den Brund nieberbrennen werbe, weil es zur Wohnung 
für einen Mann von Ehre untauglich geworben wäre, nachdem 
es durch die Anweſenheit eines Berrätherk entweiht worden ſei.“*) 


—— — — — 


ſhmeie und —— fügte: 


*) Guiociardini bist. d'Italia XVI, 2236. 
**) Jorli vita Adriani 187, 


Cd 


\ Bibliographie. 


Andenken an bas Feſt vom 24. Juni als Gebächtnißfeier 
Outenbergs und ber Erſindung der Buchdruckerkunſt. Gr. 8. 
Lauͤbeck, Astchenfeldt. 8 Wr. 

Balzae, M. 9. v., Pierrette. Aus bem Kranzäfifchen. 
8. Magdeburg, Bühler. 1 Thlr. 

Belani, 9. E. R., Wittenberg und Rom. Hiſtoriſch⸗ 
zomantifches Gemälde aus ber Reformationsgeichichte. 3 Theile. 
©r. 12, Leipzig, Ph. Reclam jun. 5 Thlr. 

Dethmar, F. W., Freundliche Erinnerung an Hol- 
land und seine Bewohner, Zugleich ein Wegweiser für 
Reisende. III. — Auch u, d. T.: Reise von Amsterdam 
in die nordöstlichen Theile des Königreichs der Niederlande. 
Gr. 12. Essen, Bädeker. 1 Thir. 6 Gr. 

Elöner, 3. G., Ungarn durchreiſet, beurtheilet und bes 
fhrieben. 2 Bände. Gr. 12, Leipzig, Frohberger. 3 Thlr. 

Sefireben bei der vierten Säcularfeier der Erfindung der 
Buchdruckerkunſt in Baſel gehalten im Münfter dafelbft von 
den Herren Antifles Burckhardt und Profeffoer Hagenbad 
den 2Aften Juni 1840, Rebſt einer Beichreibung des Zeftes. 
Mit 1 Abbildung von Butenberge Standbild nach David 
d’Angers in Paris. Schmal gr. 4. Bafel, Schneider. 15 Er. 

ebrih Wilhelm IV. in Königsberg. Sin Brief. Er. 8. 
Leipzig, D. Wigand. 4 Er. 

Gedenkbuch ber vierten Säcularfeier der Erfindung ber 
Buchdruckerkunſt go Braunſchweig, am Johannisfeſte des Jah⸗ 
res 1840. Gr. 8. Braunfchweig, Vieweg u. Sohn. 3 Br. 

Goldbſmith, O., Der Landprediger von Wakefield. 
Deutſch von &. Suſemihl. Illuſtrirt von Ludwig Richter. 
Mit mehr als 60 Holzfchnitten. Afte Lief. Gr. 8. Leipzig, 
G. Bigand. 1841. Preis für 10 Lief. 2 Thlr. 12 Er. 

Hartenfels, E., Grupello. Hiſtoriſche Rovelle, mit 
einem Vorwort von Grabbe. Br. 12. Düffelborf, For⸗ 
berg. 16 Br. 

Heingen, K., Reife nad Batavia. Gr. 12. Köln, 
Su. W. Boifleree. 1 Thlr. 

Henfe, ©. C., Friedrich Wilhelm II. und bie berühm: 
teten Männer des Preußifhen Staates unter feiner Regierung. 
ifte Lief. Mit dem Portrait Friedrich Wilhelm’s III. 8. San: 
gerhaufen, Rohland. 6 Er. 

Die Heymonskinder. Ein Gedicht in zwanzig Gefängen. 
8. Rörblingen, Bed. 22 Er. 

Smmermanns, K., Schriften. 12ter Band. Demos 
rabilien. After Theil. — Auch u. d. T.: Dremorabilien von 
8. Immermann. ifter Ihell. 8. Hamburg, Hoffmann 
u. Sampe. 2 Ihr. 

Kobbe, P. v., Roͤmiſche Geſchichte. ifter Theil. Won 
ber älteften Zeit bis zum erſten Puniſchen Kriege. Gr, 8, 
Leipzig, Engelmann. 1841. 2 Thir. 

Log, G., Gedichte. Ste vermehrte Auflage. Mit dem 
Bildniß des Verfaſſers. 8. Hamburg, Derold. 1 Ihr, 

Mannbach, 3. A., Die räthfelhafte Alte, oder bie 
Zobtenhöhle bei Sievering. Romantifche Erzählung aus ben 
. Beiten Ludwigs II, König von Ungarn. 2 Theile, Gr. 12. Wien, 

3, Stoͤckholzer v. Hirſchfeld. 1 Thlr. 18 Gr. 

— —, Berthold von Aarburg, oder bie Schaubertbat in 
der Zobtengruft. Romantifche Rittergefchichte aus dem zwölften 
De Gr. 12. Wien, 3. Stoͤckholzer v. Hirfchfeld. 

[2 % 


Rehm, W., Beleuchtung der von dem Bern Bus 
perintendenten 8. W. Welzmann herausgegebenen Gchrift: 
„Ueber das Verhältnis der Volksſchule zum Staat und zur 
Kirche nebft Angabe der weſentlichſten Bedingungen bes Ge: 
deihens der Volksſchulen und ihrer Lehrer. Gr. 8, Effen, Bäs 
deker. 10 Gr. 

Der Nibelunge Lied. Abdruck ber Handſchrift des Frei⸗ 
beren Joſeph von Laßberg. Mit Holzfchnitten nach Originals 


zeichnungen von Ebuard MWendemana und Julius -Käbner. 
entmal zur vierten Gäeularfelee der Buchbru ‚ iße 
Hälfte. Sch I 4. Leipzig, Otto u. Georg Wigand. Sulke.:Pr. 
r 


5 Thlr. 19 Gr. Ladenpr. für das Ganze 10 Thlr. 
Defele, A. Freih. v., Unterhaltungsblaͤtter. ahlun⸗ 
en und Rovellen. Ifter Band. I. Die Kapelle zu SGrotta⸗ 
errata. II. Das Unglädshaus der Flammaͤnder. ılı Salim⸗ 


beni's Rache. — 2ter Band. 1. Quintin Meſſis der Schmieb 
von Antwerpen. II. Die weiße Frau In Perſien. II. Wamba, 
ober die Weflgothen in Spanien. 8. Augsburg, v. Jeniſch u. 
Stage'ſche Buchh. 3 Thir. ‚ 

Püttmann, H., GChatterton. Ifter Theil. Leben des 
Dichters. — ter Theil. Dichtungen. 8. Barmen, Lange⸗ 
1 Ahlr. 20 Gr. 

Rolly, B. v., Die Donaureife von Regensburg bis Linz, 
Eine Darftellung der auf biefer Route befindlihen Mertwärbig- 
keiten in hiftorifher, topographifcker und artiſtiſcher Bezle⸗ 
bung, nedſt einer Andeutung bes Sehenswerthefien in ben 
Städten Regensburg und Paflau. Gr. 12. Wien, Robrmann. 
8 Gr. Mit Panorama 3 Thir. 12 Er. 

St. Nelly, Novellen. Inhalt. I. Die Reife nad Tet⸗ 
&en geben he Gcjferwant. ah Der Säger und fein Liebchen. 

. Benno ober die Verwandtfchaften. 8. Lei Meißner. 
1841. 1 Zplr. 12 @r. ü palg, Meifner 

Sam Slick's Reden und Thun. Aus bem Yankee :Englis 
fen überfegt von E. A. Moriarty. Ifter Band. 8. Braun- 
fi weg, Weflermann. 1841, 1 Thlr. 4 Gr. 

himmer, ©. A., Das Kaiſerthum Defterreich, in ſei⸗ 
nen merkwuͤrdigſten Städten, Babeorten, feinen Domen, Kir⸗ 
hen und fonfligen ausgezeichneten Baudentmälern alter und 
neuer Zeit, biftorifch stopographifch bargeftellt. Mit 108 Stahl⸗ 
ſtichen von den ausgezeichnetfien Künftlern unferer Zeit. Rad 
Driginalgeihnungen der Architekten M. Bayrer und Joh. Pops 
pel. Ifter Band. Gr. 8. Mir 27 Stahlftichen. Darmftadt, 
Lange. 2 Thlr. 6 Er. 

Sieben Sendfchreiben des ewigen Juden an bie Züricheri⸗ 
ſchen Beiftlichen nebft einem vifionären Anhange. 8. ©t. allen, 
Wartmann. 12 Er. 

Steinacker, G., Pannonia, Blumenleſe auf dem 
Felde der neuern magparifcien Eyrit in metrifhen Übertragun- 
gen. Ifte Abth. Gr. 12, Leipzig, Einhorn. 12 Er. 

Stolle, ®., Der neue Gäfar. Ein Beitenflüd zu 
„1813 und „Eiba und Waterloo”, 3 Theile. 8. Leipzig, 
Meißner. 1841. 4 Thlr. 12 Br. 

Strauss, ©., Minona. Biber aus bem Schatze der 
Eebensweishelt. Mit 6 colorirten Bildern. 16. Hamburg, 
Herold. 1 Thlr. 

Die Straußiade in Züri, ein Heldengebicht in neun Ges 
fängen von Sadrach, Meſach und Abebnego. 2te verbefferte 
und verjüngte Auflage. 8. St. Ballen, Scheitlin. 6 Er. 

(Zerfteegen.) Auswahl aus Gerhard Serfteegen’s 
Schriften, nebft dem Leben beffelben. Gerausgegeben von 
G. Rapp. Gr. 12. Efien, Baͤdeker. 1841. 1 Thlr. 8 Br. 

Der Traum. ine wahre Sefchichte. Das heidenmüthige 
Männlein. Gine Begebenheit unferee Tage. Kür Zung und 
AU neu erzählt von einem Weltmanne 12. Nördlingen, 


Bed. 6 Gr. 
Bogl, J. R., Balladen und Romanzen. Neuefte 
Beige. tes Bändchen. Gr. 8. Wien, Wallishauffer. 1841. 
r. 
— —, Neuer Lieder⸗Frühling. 8. Wien, Wallishauſer. 
r. 


1841. 18 6 

Weſt, Th., Friedrich der Große. Pte bis Ite Lief. 
Schmal 4. Mit 6 unh. u. nilum. Abbild, u. 2 Lich. Bildniffen. 
Berlin, Bade. Subſcr.⸗Pr. 2 Thlr. 

—ã A aus dem verborgenen Leben; ober Lebens: und 
Slaubenserfahrungen eines Ungenannten, in Gefängen. Gr. 12. 
Eſſen, Bädeler. 20 Sr. 


Berantworilicher Herausgeber : Delnzih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig 
KT SHE 


[4 








Li 


Mittwoch, 





.. An — — — — —— — 


Taſchenbuͤcherſchau fuͤr das Jahr 1841. 
| Bwmeiter Artifel.‘ j 
2. Rheiniſches Taſchenbuch auf das Jahr 1841. Her: 
ausgegeben von Dr. Adrian. - 

Herr Adrian bietet feinen Lefern gar Vielerlel. Er 
eröffnet feinen Almanach mit einer Zitelvignette, die aus 
den Helden der Rheinſage componirt iſt; dann folgen 
fünf Frauenbilder, von denen beei wegen ihrer ausführ: 
lichen und forgfältigen Nococotoilette beffer in ein Mode⸗ 
journal gehören als hieher. Feinheit und Sauberkeit 
dürften allen diefen Schmeichlern der Mode und des Auges 
nicht abzuſprechen fein, nur fehlt ihnen jeder ideale Cha: 
zaßter, den ihnen felbft die artigen Gedichte der U. v. 
- Stolterfoth nicht beilegen konnten. Das eigene Bildniß 
der Dichterin überragt an Adel und Ausdrud die übrigen. 

ine würdige artiſtiſche Zugabe iſt aber dad Monument 
um. Gedächtniß der Erfindung ber Buchdruckerkunſt, deſ⸗ 
In Modell bei der Zeftfeier in Frankfurt von E. v. Lau: 
nitz ausgeführt und auch erfunden wurde und befjen 
Guß vorbereitet wird. Die eigene Erklärung des Kuͤnſt⸗ 
fer iſt beigegeben. Die literarifchen Gaben find nad) Ge: 
halt und Inhalt fehe verfhieden. Kranz Dingelftedt 
eröffnet die Reihe mit einem „Bade-Idyll, Efel: Frige”. 
Es iſt ein wahrhaftes, Idyll, das im Zauber eines ge: 
müthlichen und echt deutfchen Humors die alte und ewig 
höne Wahrheit geltend macht, daß die Liebe in ihrer 

einheit und Bartheit auch unterm groben Kittel glüht 
And einer tragifhen Opferung fähig if. Darauf folgt 
„Der vothe Zwerg“, eine vortreffliche Erzählung von %. 
v. Sternberg, deren fcharfe Auffaſſung pfochologifcher 
Züge und geiftreiche Reflegion über Leben und Geſellſchaft 
an das Talent Balzac’s erinnert; fie veranfhaulicht den 
Satz: bie abſtracte Macht des Golded, wenn wir und 
ihrem Dienſte anheingegeben, gewährt uns wol bie Eri: 
fleng, aber fie gewährt diefelbe, damit fie die Bluͤte und 
sucht, den Genuß des Dafeins für fich drehe. Mür: 
dig reiht ich an diefe Erzählungen die Abhandlung von 

duard Beurmoann;. „Die franzöfifhe Bühne und 
sinige deutſche Schauſpieler.“ Sowol der gediegene In⸗ 
* als der Glanz, die Leichtigkeit und Grazie des Styls 
nimmt für hie Meine Arbeit ein, Der Verfaſſer erpliciet 
den. Aufand der, dramatiſchan Kunſt aus dem ‚Charakter 


*) Bol. ten eefon: Aetitel ie Va. aon D. Mb. ID. Red, 


... Blätter 


fir 


literarifde u 


I) 
I. 


FE dee Ba 1 2, 








und ber Geſittung beider Nationen. Nach biefem iſt ihm 
das Vaudeville ein echt franzoͤfiſches Drama, und bie aus⸗ 
gezeichneten Spieler deffelben, 5. B. Wirginie Dejazet, re⸗ 
prüfentiren Nichte als ihren Nationalcharakter. In dee 
Unterfuchung Über die franzoͤſiſche Tragoͤdie wird zwar 


das hohle Pathos der alten claſſiſchen Bühne anerkaunnt, 


aber ihre Leidenſchaften waren edler als die rohe, ge⸗ 
meine Leidenſchaft ber romantiſchen Tragoͤdie, deren Mu⸗ 
ſterexemplar der „Thurm von Nesle, deren Schauplatz 
die Porte St.⸗Martin. Die vorzüglichften Schauſpieler 
der romantiſchen Tragoͤdie ſind alle vortreffliche Mimiker 
und Meiſter im Feuer der Leidenſchaft. Die Deutſchen 
befigen vor der Hand keine Bühne, nur Schauſpieler, 
die aber mit ihren Dramen nicht in der Nation wurzeln. 
Ludwig Devrient war durch feine Beiftestiefe und Ge⸗ 
muͤthsinnigkeit ber größte deutfche Schaufpieler, kein Frans 
zofe darf ihm deshalb nahe treten. Einen großen Thell 
des Almanachs nehmen ein die „Erinnerungen ar. ben 
Liedercomponiften Joſeyhh Danny”, von U. Hungasi. 
Dieſer Künftter war in Wien geboren, lebte in Mainz 
und farb vor kurzem bafelbft im Wahnfinne. Das pfye 
hologifche Moment mag interefiiren und ift auch benutzt 
worden, aber das ganze Leben mit allen Breiten biefes 
nicht außerordentihen Mannes zu erzählen, ſelbſt ſeine 
Zraurede in extenso mitzutheiten, das ift zu viel. Über⸗ 
haupt möchten reivr Hrn. Hungari vathen, bie ‚Lichter 
dee Poeſie kuͤnftig nicht im Schwalle ber Rede untergehen 
zu laflen. Bon ben zwei Gedichten, mit denen uns hier 
noch einmal A. v. Stolterfoch entgegentrite, zeichnet 
fi das an den „Rhein“, duch Kraft und eine ‚herrliche 
Schlußpointe aus. Hr. Adrian beoſchließt dus Buch mit 
eines Reihe ‚‚Melfebriefen”, vom Jahre 18839, aus: Of 
reich: - Dee Almanach Hätte in ber Dhat gewann , wis 
ihm biefe Gabe verfagt worden; denn abgeſehen, daß Ak 
Briefe hohl und leer ſind, preiſen fie‘ uns Die Argloſtg⸗ 
Bit, die Naͤtzlichkeit und Bortvefflichdeit dor Gefeiichaft 
Kein an, was in freien, proteſtantiſchen Gauuͤthern, fie 
Die doch die Witefe auch vorhanden, als Bornirthrit gilt 
und Abſcheu und Widerteillen erregen mul. 
3. Lilien. Taſchenbuch hiſtoriſch⸗ romautiſcher Erzaͤhlun⸗ 
gen fur 1841, von C. v. Waͤchsmang.. 
Dos Buch iſt mit Stahlſtichen von, (hs ſchönen 
Seanengeflaltem vetziert, welche ‚hie Heldinnen der Kizlh⸗ 


vB ya gi! 


(ungen barftelen. Letzterer Anzahl ift vier. 
v. Wachsmann ein bedeutendes Zalent der Darftellung 
und die Gewalt der Sprache befigt, ift bekannt; aber er 
jagt feine Muſe athemios, und anflatt mit Kraft und 
Sta einherzupandan, Yfchlenders” da ‚da6 ttli 

Weidi durch alle Sonn und Alf —*2 ga 
einem gewöhnlichen Weibe: das heißt auf fpanifh, Hr. 
Wahsmann wird manchmal langweilig, weil er zu viel 
ſchreibt. Die erſte Geſchichte behandelt. ben Fall des Fuͤr⸗ 
ſtenhauſes della Scala, das im 14. Jahrhunderte zu Ve⸗ 
rona herrſchte. Verwandtenmord, Grauſamkeit und Haͤrte 
beflecken faſt alle Glieder dieſes Hauſes, und bier ſehen 







wir, wie die letzten Zweige deſſelben, die Zwillingsbruͤder 


Antonio und Bartolomeo, durch Wildheit und Leiden⸗ 
ſchaft des Erſtern untergehen, indem ſie dadurch den Fluch 
erfüllen, den ein Unglüͤcklicher auf dem Blutgeruͤſte uͤber 
die Scala ausſprach. Fielen die langen, unerquicklichen 
Unterhaltungen ber veronefifhen Buͤrger und das vers 
brauchte, kaum gefchichtlich begründete Bild der alten 
Zaubrerin und Giftmifcherin aus, fo würde dieſe Novelle 
durchaus fpannen und intereffiren. Die zweite Erzählung: 
„Morgan der Buccanier“, iſt unter allen wol die [hwächlte. 
Die Geſchichte, von der wir nicht wiſſen, ob fie erfunden, 
oder aufgefunden, fchleppt fih In langen, unbebeutenben 
Geſpraͤchen zu einem fehr gewöhnlichen Seefampfe, von da 
zu einem kurzen Auftreten des Mäuberhelden, von bier 
aber in die Familie eines langweiligen Kraͤmers, in mel: 
her zuletzt auch Morgan erfcheint, um ſich zu verheica- 
then und hinfort als ordentlicher Pfahlbürger zu leben. 
Die dritte Erzählung: „Die Tochter Spagnoletto's“, hat 
mehr Gehalt. Im ihre treten nicht ohne Charakter bie 
berühmten Mater Salvator Rofa, Joſéè Ribera, genannt 
el Eepannol, Belasquez und defien Freund, Diener und 
Kunftgenoffe, der freigelaffene Diulatte Juan Pareja auf; 
indeffen bildet den Mittelpunkt der Erzählung bie entſa⸗ 
gende Liebe der Tochter Ribera's und des Don Juan 
d'Auſtria, natürliher Sohn Phitipp’s IV., der ihn hier 
nad Neapel fhidt, um die Unruhen, weiche Mafaniello 
anregte, vollends zu unterdbrüden. Der fchleppende Ans 
fang und das fchleppende Ende fchadet dem Eindrucke bes 
Sanzen. ine lebendige, hinreißende Erzählung ift die 
letzte und Eürzefle: „Burg Priebenig.” Sie ift eine 
eigentlich gefchichtliche an ba in ihe fih eine Zeit 
veſtimmt fpiegelt, der Huffitenkrieg, und ihr Held de 
blinde Ziska mit feiner Horde. Möge künftig der Dich: 
ter ſich mehr concentriren, als es in diefem Almamache ges 
Ichehen ifl. Ä | 
4. Penelope. Herausgegeben von Theodor Hell. 

In ber wüften Inhaltsloſigkeit, mit der wenigſtens 
für dieſes Mal Theodor Hell feine Leſer bedient, Ilegt 
eine grüne Dafe, auf welcher ber Lefer von feinem lan⸗ 
gen Zuge buch die große Sahara ausruben und ſich an 
der feifchen, lebendigen Quelle der Poefie in Etwas er 
feifhen kann. Diefe Dafe in der Wuͤſte, dieſer Saulus 
unter den Propheten iſt die Novelle von Th. Mügge: 
„Das Gold der Pinheitoo.“ Im 17. Jahrhunderte 
bewohnte St.sPaut, im ſogenannten 2ittorale, einem 


Daß Hr. | füblichen Küftenflriche Braſiliens gelegen, ein Eräftiger mb 
ſcoͤner Menfchenfchlag, der ſich aus ber Vermilhung von 


ortugiefen mit Indianerinnen gebildet hatte. Die Pau= 
liſten waren aber gefuͤrchtete Leute; fie trieben Küftenraub, 


figen über, die ndiliger hen und, machten, fid gu Ste 
dm, —6 Biden fr Buff «is Ion und 
Edelfteinen, nannten ihre Stade eine Republik und ent= 


fhteben ihre innern mie auswärtigen Händel mit dem 
Meffer, kutz fie waren. ebenfo wild als civilifir. Sie 
jerfielen untereinander in zwei Gefchlechter, in die Ra= 
malhos und Pinheiros, Urfache, daß bie Blutcthe nie 
fchlief, und daß endlich eine große Wanderung von beider 
Sanıilien unternommen wurde, die den Haß ableffen und 


‚bie Entdedung ber maͤrchenhaften Goldgebirge bewirken 


follte. Das ift der Hintergrund eines Gemdldes, auf 
welchem fi ein Berhältniß entfaltet‘ ebenfo zart, ebenfo 
vol Glut, ebenfo voll Tragödie wie das von Nomeo 
und Sulie Und wie meifterhaft weiß der Dichter jene 
wunderbar intenfiven Naturen darzuftellen, in denen das 
Idyll und die Tragoͤdie nebeneinander legt! Dofores, bie 
balbwilde Jungfrau, voll ſchoͤner Leidenihaft und fo rein 
und freu; Sofe, ein SZüngling, glühend in Haß und 
Liebe, ein junger Löwe, und biefer Sohn ber Natur edel, 
hochherzig, ergeben "bis in den Tod. Theodor Hel! 
gibt uns zu dem Bildniffe des dreiundzmanzigfährigen Erz⸗ 
berzogs Stephan eine „biographifche Skizze”, wiewol wir 
nicht wiffen, warum dem jungen Fürften, ber ſich erfl 
augzeichnen wird, diefe Auszeichnung ſchon jegt zu Theil 
wird. Anders iſt es mit Marie von Würtemberg, ber 
fuͤrſtlichen Künftlerin, dieſe verdient bie „biographiſche 
Skizze“ und die Abbildung ihrer plaftifchen Leiftungen. 
Im Übrigen aber, hat nicht Theodor Hell eine Indis⸗ 
cretion begangen, daß er bie Zochter des‘ Buͤrgerkoͤnigs 
neben ben Sprößling des aͤlteſten und legitimfien Fürften: 
hauſes feßte? Auf die Lebensläufe folgt eine Gefchichte 
von der Verfafferin der „Bilder des Lebens”, unter bem 
Titel: „Skizzen aus der Schweiz“; doch konnte biefe 
Skizze ebenfo gut In Lappland oder Patagonten entworfen 


‚werden, benn fie enthält nichts als den Stoff zu einer 


fehr verbrauchten Movelle; warum alfo ber hochbeinigte 
Titel? Indeſſen ift die Behandlung diefes Stoffes ganz 
ſchuͤlerhaft; der Dichterin, oder vielmehr Meferentin, fehlt 
ed an aller poetifhen Anfchauung und Tiefe, Eigenfchafs 
ten, die auch nicht fehlen dürfen, wenn fich die Gefchichte 
in der That zugetragen hat. Was aber von biefen Skiz⸗ 
zen gilt, muß auch von ben „Wegen Gottes’ gefagt 
werden, von denen uns Regina Frohberg erzählt; Ge⸗ 
waͤſch, unempfundenes Gewaͤſch trivfaler Lebensanfchaus 
ung! Um das Quoblibet zu vollenden, hat der Heraus⸗ 
geber ferner ein Literarifches Märchen eingefuͤgt, „Die 
Hochzeit des Zwiebelkoͤnigs Eps“, „ein Cäprictio”, wie es 
beißt, für Blumiſten and andere Liebhaber von Br. A. 
Köenfeger, nebfl einer iNuminirten Abbildung. Welcher 
Gedanke, Zwei, Polemik hier zum Grunde liegt, gegen 
welche literariſchen Genoffenfhaften hier geftritten ‚wich, 
tft aus. bem planfofen Wafte nicht Heranszulefen; fein 
Gran Wis, kein Schatten von Humor! „Die. Seifen 





⸗ 


mihleꝰ, eine Erzaͤhlumg · vdn Emle d’Eftede, ein lebl 
ches Idyll, nach dem Motive einer Ballade erzaͤhlt, uber, 


wenn, wir nicht ſehr irren, ift dem Publicum biefe Meine | 


Dichtung ſchon bekannt. Den Schluß des Almanachs 
„Bedichte!. Bon ihnen iſt nichts Merkwurdiges 
zu erzählen, als daß 


verfation in bem Verſe des Woͤlkchens enbet: 
.Guter Mond, wir beibe 

Ziehen durch die Nacht, 

Und an ein Beliebtes 

Wird von uns gedacht. 
Das. ift doch zu arger eomsantifcher Unfinn, den Theodor 
Hell dem Wilhelm Kilzer hilfe in die Welt fegen! 
5. Cornelia. Taſchenbuch für deutfche Frauen auf das 
Jahr 1841. Herausgegeben. von Aloys Schreiber. 

Wir haben auf unfern .einfamen Wanderungen buch 

Diefe Einöden, wo kein Quell bes "Taftaltfchen Waſſers den 
bürren Boden traͤnkt, die Mufe drei Mal aufgerufen, 
daß fie und helfe die Tenne heiliger Literatur fegen; drei 
Mat aber wimmerte fie auf und Bagte; fie wollte sher 
bie Wellen bes flillen Oceans zählen, als das Taſchen⸗ 
buch lefen, was Aloys Schreiber fuͤr deutfche Grauen ge: 
fchrieben.” Sieben hübfche Staͤhlſtiche zieren das Buch, 
fonft haben ſich alle Übrigen, weiche daran arbeiteten, 
verſchworen, troſtlos langweilig und. unangenehm zu fein. 
„Der Maskenball“ Heißt das Product von Lina Rein: 
Hardt. Ein junger Dann begibt fih, um gefallene 
Engel zu retten, auf einen Ball masqud, wo bie Relis 
sion bed Fleifhes zu Daufe; zwei Damen fallen Ihm 
dabei auf, aber fie wollen von ihm nichts wiſſen. Späs 
ver erhält er Anzeichen, baß eine dieſer Frauen feine Braut 
muß geweſen fein, und das häft die Gefchichte in Athen, 
bis die Braut endlich Ihre ſtraͤfliche Neugierde bekennt 
und der Dichterin die Gelegenheit nimmt, weiter zu dich⸗ 
sen. Alles ift ordinair, d. b. ohne Originalitaͤt, und die 
Darftelung eine ganz puerile. „Der Tſcherkefſe“, hiſto⸗ 
riſche Novelle von E. M. Ed, bietet ein etwas höheres 
Intereſſe dar, dem Stoffe nach; aber ber Erzählung: 
weife fehlt jede Lebendigkeit, fobaß mir uns nur ſchwer 
entfchließen konnten, bei dem jungen David und der ſchoͤ⸗ 
wen Ghuria ſo lange auszuhalten, bis ſich ihre treue 
Liebe belohnt. Aloys Schreiber tritt hierauf ſelbſt mit 
drei kleinen Erzaͤhlungen auf, die ſich unter den uͤbrigen 
Schwaͤchlingen etwa noch als die ſtaͤrkſten herausſtellen, 
ſewol was Gegenſtand, role Art der Erzaͤhlung betrifft. 
Die erſte berichtet, wie Katharina Cornaro bie Könige 
krone von Cypern an bie Republik Venedig ſchenkt; die 
zweite, wie ein ausfchwelfender Benuefer ein braver Kerl 
wird durch feine Liebe zur corficgnifhen Prinzeffin Vio⸗ 
Bante; in ber dritten aber gewinnt ein armer Teuſel einen 
Erbproceh, Taufe Mich ein Sur und heirathet ein Maͤd⸗ 
den, das man Ihm fruͤher beftritt. Schließlich tritt Ama⸗ 
tie Schoppe, geb. Weife, mit einer Erzählung ein, in 
welcher. eine alte Geſchichte mit alten Rebensarten 


alte Weile, aber mit nen Namen verhandelt web: 
einem Spaßvogel macht fein eigener Ernſt ein quiproquo. 


in dem alleriegten der Mond fidh : 
mit dem Woͤlkchen beſpricht und daß bie dunkele Con⸗ 


] eine Straße, genannt ‚‚des Trois pncelles‘, 


Die- Gedichte, welche den Erzaͤhlungen beigegeben find, - 
haben allerdings mehr Werth, aber fie müßten noch viel 
beffer fein, wollten fie den Verdruß aus dem Gemuͤthe de6 
Leſers ſchaffen, den die Novellen binsingepflamgt! 10% 





Die Sage von der Strafe des Trois pucelles zu Tours. 


In der an alten Übertieferungen vreichen Stadt Tours iſt 
Miß Soflelo 
theilt in ihren Tchägensmerthen Relfeberichten über das norde⸗ 
weſtliche Frankreich eine an diefen Namen fi Inüpfende Sa 

mit, deren Reize wenig denen ber alten italtenifchen Nove 

nachſtehen, wie fie in dem „Dekameren“ ihren Gianzpunkt ges 
funden hat. Im ber Stadt Tours lebte vordem ein Jude, rei 
und hochgeachtet. Gr hatte eine ſehr fchöne Tochter, deren 
Klugheit ihren Nelgen gleichkam; und als ſie zum heirathe⸗ 
fähigen Altee erwachſen war, ſchiug ihe Water vor, fie einen 
jungen Manne ihres Stammes zu verbinden, ber kein anderes 
Befitkhum hatte als feine Tugend und feine Liebe. Aber das 
reichte der ſchoͤnen Tochter Iſraels nicht hin, die ihn verſchmähte 
allzumal. Bergeblich machte der Vater ihr ellungen unb 
fhtlderte the die Unwürdigkeit aller Kinder Abam’s und bie 
Vorzüge des jungen Tobias vor allen Großen und Gewaltigen 
der Erde. „Aber weil du meiner Erfahrung nicht trauen 
willſt“, fuhr der welfe Jude fort, „ſo ſuche und richte ſelbſt, 
mein Kind! Ich will deine Nachforfehungen leiten und hoffe 
vor dem Ende bes fechsten Monats drei Liebhaber, einen Fur⸗ 
ften, einen Priefter und einen Ritter, zu deinen Füßen und von 
deiner Verachtung Üüberfchüttet zu fehen. Nichts Eonnte fich beffer 


für die Launen der ftolgen Jungfrau ſchicken als dieſer Vorſchlag, 


und es brauchte feiner Überlegung, ihn alsbald anzunehmen. Dems 
gemäß fammelte fie um fich ein zahlveiches Gefolge von Pagen 
und Begleitern, umgab fich mit Damen und, mit reichen Kleidern 
Gold und Juwelen verjehen, machte fie fich auf zu ihrer Fahrt 
und nahm den Weg nach Bretagne. Sin Herzog, König oder 
Fürft herrſchte damals in Armorica, der war jung, reich, ſchon 
und mächtig. Die fchöne Züdin erſchien plögti an feinem Hofe, 
wo ihre Reize und ihre Pracht das möglich größte Auffehen ers 
regten; und das an ihr haftende geheimnißvolle Wefen fügte neuen 
Neiz zu alle dem andern; denn weil fie buch ein Gelübbe 
gebunden war, Tonnte fie ihren Namen nicht nennenund war eins 
ztg unter bem der „unbekannten Dame’ belannt. Der leicht 
entzündbare Fuͤrſt warb fehr bald der Sklave ihrer Augen; 
auch fehlen fie feine Geftändniffe nicht mit Kälte aufzunehmen; 
nur verlangte ihre zarte Zurädhaltung von ihm, feine Wer⸗ 
bung um ſechs Monate zu verſchieben, zu welcher Zeit ihm bie 
fhöne unbekannte ein Stelldichein in der Stadt Tours beflimmte. 
Als diefe Eroberung vollführt war, begann fie nun, ſich nach 
einem Prieſter umzufehen, um an ihm bie Gewalt ihrer Keize 
zu verfuchen, und es dauerte nicht lange, fo war es ihr ges 
lungen das Herz eines jungen, ſchoͤnen Moͤnchs fo zu begaubern, 
baß er fein Gelübde und jegliche Rückſicht vergaß, nur nicht 
die Hoffnung, ihre Gunſt zu erlangen; unb nur zu bald lauſchte 
er ihrem Borſchlage gu einer Zufammenkunft zu Kours binnen“ 
ſechs Monaten, bort bie Entſcheidung feines Schickſals gu Ye 
ven. Es wäre unwa geweien, daß fo viel Talent 
und Schoͤnheit 8 nach einem zaͤrtlichen Ritter Hätte (when 
follen , der vor ihren Künften gefallen wäre; unb «6 war der 
teefftichfte Paladin des Landes, der ihren Borſchlag annahm 
fih gegen das Ende von ſechs Monaten am Charfreitage m 
Zours zu begeben, wobei er nicht im mindeften zweifeite, de 
Sand feiner ſchöͤnen Zaubrerin werde bann feine Dingebung bee 
Iohnen. So weit ging Alles gut und jeder ber Anbieter war 
zufrieben. Die GSharferitag, als dee jebem beſonders beftimmte 
Tag am, umb die drei Liebenden m fi; nach ber ſchoͤnen 
Stabt auf, vol von Erwartung und Ungebuld, - Aber es entſtand 


eine Beriegenpeit: die fhöne Unbelannte hatte Teinen beſtimm⸗ 


- 


Bm. Pion zur iſau mentunft genannt, ne da .f 
Fekaunt war, wie follte man fie Anden ? Der a 
am ber Ritter waren alle in gleicher Lage. De 


Rat. M⸗ 
urſt ſandte 


ten in jedes Viertel der Stadt, die ſich nach einer jungen, | 
zeijen umd oönen Perſon, genannt „bie unbekannte Da = 


erkundigen follten; aber ex brachte nicht heraus und machte ſich 
zu — über feine Rachlaͤſſigkett, nicht umſtaͤndticher 
I feiner Beftellung gewefen au fein. Der Mönd ging in allen 
trafen Haus fie Haus betteln; aber ba er natürkikh das 
Qupenvigrtel mieb, fo gürkte es ibm mit feinen Rachforſchun⸗ 


gen nicht beffer. Des Ritter, deſſen Muth größer war a6. 


Kin Wie, Fam auf das Austunfrimittel einer Jusfoderuns an 
an gange Zourgaime, indem er bie Wortseffliggfeit feiner unbe> 
Jannten Gebipterin bekannt machen ließ, 
bei keinem Aufrufe beſtritten wurben. Als fi 
Kande peinlicher. Ungewißpeit befanden, ward eines Morgens 


deben van ihnen ein Weisfchen zugeftellt, worin ihnen aufger | 


gaben ward, eine gewifie Straße au fuhen, dort von Haus 
gu Hays nachzuforſhhen und zu fragen, mas fie zu fzagen für 
—æãc bis fie zufällig gun Fine kommen würden, 19 
die Antwort auf. ihre Trage lauten würde: „Ich bin Fuer.‘ 
Sobald fie diefe Eröffnung empfangen hatten, m 
der drei Liebhaber auf zu feiner ntbedungsreife, Des Zube 
grmmangelte nicht, vertleidet ihre Bewegungen zu beobachten, 
and Hatte Beine Beine Freude, als er fie an einer Thüre nad) 
der andern anklopfen umb bie Ginwohner fragen und beläfligen 
fan, bie bei jeber Frage eine neuen Ankoͤmmlings mehr 
md mehr ungeduldig wurken, bis zulegt bie ganze Nach⸗ 
barſchaft in Aufrupe war und bie unbelannte Dame zu allen 
Keufeln wünfcpte. Der Mönch, der vor hen andern den Vor⸗ 
$prung hatte, kam enblih an das Haus, wo ihm bie vorher 
nerabrebete Antwort. zum Eintritt einlub; mit Entzüchen trat 
gg in einen bunkeln Gang und wickelte ſich durch das Labyrinth 
eines finſtern Corridors hindurch, bis er in ein großes Zimmer 
intrat, wo ihm aber Zein Licht entgegenftrablte. Er hatte nicht 
ange da verweilt, als der Kürft anlangte, den man in baffelbe 
Behältziß führte. Sobald er beim Offnen ber Thüre ein Ges 
wand erblidt hatte, flürmte er vorwärts und empfing in feinen 
Armen die Geflalt des erfiaunten Mönchs, der laut aufzu⸗ 
Schreien begann, indem er glaubte, der böfe Feind ſelbſt habe 
n,umarmt. Bei dem Jone einse foldken ‚Stimme und ben 
dılägen „Die. ihr folgten, 309 ſich der Fuͤrſt zurüd, als ein 
Dritter zu dem Danbarmange fam in ber Geltalt eines Ritters. 
Dieſer, als er einen Empfang fand, ber fo verſchieden von dem 
swwarketen war, begann wader um ſich zu fhlagen, und bald 
seichellie das Heug von Geſchrei amb hinwber und Yerüber aus⸗ 
ostheilten Schlägen. Die ganze Racht durch waren bie drei 
angtüdlihen Liebhaber in. dieſem verftedten, Orte eingefpertt, 
und als ber Morgen tagte, isugen fie fo unwilltommene Zeichen 
Drar pächtliden Anfeengung, daß fir froh waren, einen Auss 
gang zu bemerten, ber ihmen. venflattete in Die Straße zu ents 
wien ad Ah in idee. varſchiedenan Wohnungen a. begeben, 
— — gagen die raͤnkepolle Urhebexin ihres Unfalls, 
anna fie ihre Verſucht, fie zu entdecken, von neuem; aber 
plögjicy apurben fie. darin aufgehalten: dur den Empfang sine 
andarz Sriefes, der fie nom dem wahreg Namen und. Stande 
an ehe hunasn Saian Anhieb 1, ken fr nen 
#.: ! Kap ;DeS:-} 1. He ei, den ne 
TE ——— perlaſſen und, Esine 







gabe fi 
derlich ankhweridich u. und da fis: #6 Für. Bug 


Ror weiten dam au-werkiegen, fo vestieß 


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Krengzug mit. Won der Zeit an nannte mia die wo⸗ 


vies "Abenteuer‘ ſich begrben hatte, des riob pucäike, · 





—Aus J tal ven. 
Kaum habap die 


qhriften 
ei secoli 
Iicato ed illustrato con documentä 
pure inediti” des Dr. Baye beiinnt gematht, fo nrüffen fie 
diefe Anzeige mit der Rachricht felhrs Joden verbinden. Im 
wenigen Korfitern lebte eine fo lebendige Anſchauung des Kun 


die Grfcheinung bes „‚Garteggio inedito d’artisti 
XIV., XV., XVL.’$u 


betvicbes im Mittelalter. ala im Baye, der die Ude 
lichkeit feiner Forſchungen mit dem Raben gebüßt hat, ‚Stang 
in feinen Anfoderungen, war der nie raftende Mann am ſtreng⸗ 
ften gegen fi, wenn es galt eine Angabe zu begründen; ud 
fein zur Hektik geneigter: Röuper, dor bel einen Reife duxch 
Griechenland ſchon gelitten haette, wo Gaye mit feinem englis 
chen Gefährten nur nach ſchweren a en ‚I Epicus 
unmeit Janina) ben Händen der Klephten entging, erlag bie 
fen Anfteengungen. In Rlorenz, wo Gaye feit einet Reihe von 
Jahren Wbte, war fein Mame fo geehrt, dab bei ben wiffen= 
ſchaftlichen Maͤnnern eine. "Wersfung auf ihn ale Eupfehlung 
geit, und Jeder, ber wit ihm auf ſejnem täglichen Kenge durch 
die Gafeinen gefeben worden war, ſich eine freundliche Auf⸗ 
nahme in den gelehrten Kreiſen verfprechen durfte. Chen war 
der dritte Band feines ‚‚Carteggio” bei Molini zu Florenz er⸗ 
ſchienen, ald Baye, nur 37 Jahr alt/ am 86. Aug. 1898 ſtarb, 
ficher noch reiche ‚Bauarbeiten für weitere timteufuchungen bins 
terlaffend, die er nach fo zurechtgelegte Materiale auch wol 
in feinem Vaterlande, Holſſein, zu benutzen gedachte. 





Nicht Für die, beiden Koͤnigreiche biesfeit und jenſeit des 
Karo allein, fonbern für ganz Europa, das zu ben Herrlichkei⸗ 
ten der geſegnetſten Landfteiche pilgert, iſt Die M t vom 
Widigkeit, daß man in dem Heerden gweier Mrühen Baro is 
Iroja (in ber Capitanata des Koͤnigeeichs Reaptl) bie echten 
Kuhpocken gefunden hat. Genaue Verſuche, bie man im Juli 
1838 in ber Gentral: Impfanftalt zu Reapel anſtellte und bie 
in Bosgia und Troja ‚wiederholt wurden, beſtätigten die Wahr⸗ 
heit biefer Entbedang. und sine eigene Suhrift: ‚, BEO- 
verta del <ow-pox Hella Capitepaig, o napıa vario quie ticcv 
relativa alla vacqinia. Memgria discussa dall Istitwo cen- 
trale vaccinico napoletano, approvata da B.M. (D. G.) « 
scritta dal dottore Salatore de Renzi’" (Reapel 1839), 
berichtete über alle einzelnen Punkte der Unterfidiung. 





, Untee: ben alltaͤglichen Erſcheinungen ter ſchoͤnen Biteratum 
Ttalieng verdient ein Romayı „Gin, nevella italigap,: pubbli« 
sata da Luiqi Bamami‘' (area 1830), fidger eine Ausı 
zeichnung, nicht wegen bed Wenuffes, den er ben Leſern ver- 
ſpricht, ſondern wegen ber eigen lichen Weife, wie fein 
Wesf. thn- geendet hat. Nachdem bie, Biebenden die gewöhnik 
—— — Far Sn Ne anhen Fr * er 

dein. Maſſer e Tı 99... MR zeigt x 
Retenbuhler, wirft den Fahn sm-, a Mr lan 
wi, wirb von, ihm im Waffer erfhfagen, mit Yen Bähnen In 
DE Kicfe gegerre u. f. io. , fobuß nothwenbig das Buch a Ente 
sehn mußte, weil Niemand:mmege am Buben war, ber tun abe 
witer dehnen / Kon qant Dagen ‚; fram⸗ſiche Banae 
berung Di. Ibn, ben bad unfere, Kun ir. {be Grfiaus, 
en Diet diefes. Xalent im Überbisfen au) der. graufäften 

u Fi . Pr 7 ’ 4 1% . 








075 
re ran - 


[> a u) x) 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung, 





Donnerdtag, 





Du progr&s social au profit des classes populaires 
non indigentes par M. de Lafarelle, ancien ma- 
gistrat. Zwei Bände. Paris 1840. 


Man kann nicht bezweifeln, daß der erfchätternben 
Bewegung, die heute durch fo viele Staaten geht, haupt: 
ſaͤchlich jene Erſcheinung zum Grunde liege, welche man 
übereingelommen ift, ben Pauperismus zu nennen — eine 
.ber wichtigfien Lebensfragen der Gegenwart, von deren 
Loͤſung die zukünftige Geſtaltung Europas abhängt. Die 
Klagen des Armen find allgemein; das Geſchrei mag für 
viele Ohren läftig fein; allein es exrgönt zw laut, um «6 
mit floifhem Gleichmuth anzuhören, zu nachdruͤcklich, um 
auf obsigkeitlichen Befehl zu verfiummen, zu drohend, um 
die Prüfung ber Beſchwerden länger binauszufchieben und 
auf morgen zu vertagen. Wer bürgt uns für ben naͤch⸗ 
fin Morgen? Sahen wir vor kurzem in Frankreich nicht 
alle Spmptome eines Krieges der Armen gegen die Mei: 
‚hen ausbrehen? zZitterte nicht unlängft ganz England 
vor den Chartifien, welche die Kriege des Spartacus ge: 
gen die Herren der Republik und des roͤmiſchen Bodens 
zu erneuern drohten? Denſelben Urſachen muͤſſen biefel: 
ben Wirkungen folgen. Die Proletarier des 19. Jahr⸗ 
hunderts ſind viel weniger gegen koͤrperlichen Schmerz ab⸗ 
gftumpft und viel mehr für Sinnengenuß empfaͤnglich 
Als die Sklaven der alten Welt, und willen außerdem 
noch, vermäge des empfangenen Unterrichts, ihre Win: 
fche und Beſchwerden zu motivicen, in Beofihüren, our: 
nalen und Volksverſammlungen vorzutragen. Der Geiſt, 
“der fih in vielen Ländern regt und von Dielen für ein 
ſchlimmes Beichen ber Zeit gehalten wird, iſt kein falfcher, 
nur von einigen erhigten Köpfen erlünftelter Enthufias⸗ 
mus, weichen die Menge nicht theiltz es iſt ebenfo wenig 
‚ein Eindifches, nahahmungsfüchtiges Modersefen, fonbern 
as ift die wahre Äußerung eines geseiften Zeitalters, der 
Ausdruck einer auf wirkliches Beduͤrfniß gegriindeten Ge: 
müuͤthaftimmung. Gegen Sklaverei und Tyrammei erhebt 
fih ein hochherziges Gefuͤhl und keine -leidenfchaftliche Be⸗ 
rechnung. Was das. Zeitalter bei feinen wechſelnden -Gi- 
viliſationsbeduͤrfniſſen fodert, gehe nicht aus metaphpfiicden 
Adftrastionen, fondern aus: Hef empfundenen ancheepolo⸗ 
gifchen Bedürfniffen hervor. Ohne Nationen und Geſchlech⸗ 
tes in Nihtswärbigkeit zu fürn, kann man fie wicht 
unterbräden. Der cakulisende Verſtanb, da eu nur ge: 


dem das von feiner Kraft ergriffene Gemuͤth widerſteht. 
Mehr durch Gemuͤthskraft als durch Staatsklugheit und 
Berehnung iſt Europa frei geworden. Hat etwa sin 
tief angelegter Plan die ungeheuern Reſultate ber jüngs 
ſten Periode erzeugt? Dat der Eräftige Arm eines Riche⸗ 
lieu die politifhe Welt aus ihren Angeln gehoben, das 
Napoleon'ſche Kaiferreih umgeflürzt, eine neue Ordnung 
der Dinge vorbereitet? — Keineswegd. Zwei unfichtbare 
Mächte haben die Lage Europas umgewanbelt: fie heißen 
Zeit: und Volksgeiſt. | 

Der Zeitgeiſt geht aus ben Beraͤnderungen hervor, 
welche ſich im Laufe Ber Generationen in ber allgemeinin 
Det: und Dandlungsweile ber gebilbeten Welt ereignen. 
Sein Einfluß wählt in dem Verhaͤltniß, in welchem fh 
eine Nation vergeiftigt. Für ganz ungebilbete Voͤlker gibt 
es gar keinen Beitgeifl. Die Eſkimes und Feuerlaͤnder 
werden noch in Jahrhunderten nicht von. ihm ergriffen 
werden. Der im Schoos ber Civiliſation gebosene Zelt: 
geift verbindet und verfchwiflert, was durch Nationalisit 
gefchieden war, verämbdert unmerklich, aber faft mit ‚jebem 
Sahrzehend, die Phyfiognomie und ſcheidet die Benenatios 
nen. Wollte man ben Zeitgeiſt unterdruͤcken, fe .uhfte 


man vorher die Givilifasion gu Grabe tragen, mud +6 


märe gleich unlogiſch, vom einem böfen Zeitgeiſt, wie von 
einem todten Lebendigen gu ſprechen. Wenn: einmal bie 
Denkungsart des größten. Theils einer. Nasiom eine gewiſſe 
Übereinftimmung, eine beſtimmte Richtung genommen .unb, 
ohne von einem Gegenflande zum asbem abzuſpringen, 


fich ein feſtes Ziel auserſehen ‚bat, fo. iſt es ein eiteles 


Unternehmen, dieſelbe gewaltſam aͤndern zu wellen; viel⸗ 
mehr iſt es der Klugheit gemaͤß, bie beſte Partie aus dis 
nee ſolchen Stimmung zu: ziehen und den hoch angeſchwel⸗ 


lenen Strom auf eine geſchickte Weiſe zu leiten, anflett 


ihm einen ohnmaͤchtigen Damm. entgegenzuſezen. Mas 
bat es feiner Zeit einem beruͤhmten Parlamente geholfen, 


baß .ed ſich der Werbefferumg . des Kalenders wiberſetzte, 
jede philoſophiſche Lehre, welche außen dem -Kusife feiner 
ſcholaſtiſchen Spitzfindigkeit lag, verketzerte, daß es :bas 
Srechmittel und die Pockenimpfung 


füe. unchriſtlich ver⸗ 
weiſen ließ? — Gleich jenen klainen Muſcheiſiſchen, wolche 
ſich an den Grand der Meexraſchiffe kleben und . vom: dh: 


:4820 


eine Probe von der eiſterſchaft, mit welcher Sr. Kuffner den 
Bers de Ar | 
au, ich ben, es tu halt nat zu ie, 
Vað⸗ ;ver Serr Herzog jedem Mann’ dei Monate 
·Ein'n halben Thaler auf- die Hand, dann wir, 
As ˖ Obesfien, wie ben HSauptleuden, einen 
— Golbguͤfkden monatlich, nebſt ˖ vier 
Maß alten Wein für jeden Qag, 
Din’ Andern eine Maß -vom — abige Des 
Warum das Hofburgtheater ſolche mittelmaͤßige men in 
GScene ſetzt, begreifen wir nicht. Der dramatifchen Poeſie kann 
dadurch nur Schaden zugefügt werden; denn einmal wirb mit 
folchem Zeuge der Geſchmack vollends verborben, und ſodann 
darf ein befferer Dichter ga 
poetiſches und werthvolles —* einer- Theatetdirection anzu: 
bieten, : ohne befürchten R müffen, daß er damit -abgewiefen 
werde, um dem Mittelmäßigen den Vorrang zu laffen. 
84. Ariadne. Drama in drei Abtheilungen, von Friedrich 
Dfann. Braunfchweig, Vieweg u. Sohn. 1840, Gr. 12. 12 Er. 
Die befannte Kabel, nit ohne Gewandtheit bramatifit. 
.. Bon einer poetiſchen Erfaſſung des Stoffes haben wir ‚nichts 
. gelpürt; deshalb biejbt uns nur übrig, der Sprache und des 
Verſes zu gedenken. Die Sprache iſt — edel, doch 
„nicht Immer gluͤcklich gewählt, ber Vers ſehr ungleich. Es gibt 
piele Stellen, welche ‚alles Lob verdienen und durch die Diction 
der Poefie AL, annaͤhern. So wenn Thefeus zu Phaͤdra ſpricht: 
icht Zufall iſt's, der uns und finder ließ 
“Und unfre SGände ineinander -fchlang, 
"Notwendigkeit lag in der Macht des Bilde — — 
— — Deiner Augen Bauber, 
Aus welchem eine reine Seele ſprach, 
Die Tiebend in mein Wefen äberging, 
Vermocht' ich nicht zu wiberſtehen. — 
Bewundrung if der Liebe Quelle nicht; 
Ich kann verehrten, wo ich haffen muß, 
Doch Heben nicht ıc. 
wenn Endora zu Artadne fpricht: 
Ergib dich uns, wie ſonſt, und öffne 
In unfrer Mitte, die du fonft belebt, 
Den Stan bir wieserum für ſtille Freuden, 
Wie fie der Frauen Leben harmlos bietet. 
Sicht Hohem nachzuftreben , iſt den Frauen 
Beſchieden: doch in Kieinem groß ju fein, 
In ſtiller Wirkſauckeit, die fichibar ſchafft, 
Fur Andre Hanbeind feiber zu genießen, 
Det ift ber Frauen ſchoönſtes Boos und Biel — 
ſo erinnert die einfache Würde der Sprache an Goethe, wähs 
send das Gententiöfe darin das. Bebantengepräge Schiuer's 
trägt. Dit aber vernadhläffigt der Verf. auch die Sprache und 
Kr, vgrtzpuich durch Einſchiebung langer Zwiſchenſfaͤte, den 
Binn. 3:8. 


Ich ſchalt ihn treulos, drohte mit Gewalt; 
Er lachte meiner Ohnmacht, und verſpottend 
Ariabne's Thraͤnen, hieß er mich In Baude, 
Mi Yreigebor'nen, Koͤnigsſohn und Held, 
(Daß ich es war, erprobt’ am Minotauros 
3%) ſchlagen. 

(Die Yertfegung folgt.) 


Ober, 





Miscellen. 

Kaifer Karl V. ontſchied — wie König Friedrich II. von 
‚Preußen in einem Briefe an den Grafen Solms in Berlin 
vom 21, Ian. 1780 erzählt — einen Rangſtreit ber Hofdamen 
über ben Vortritt dahin: daß bie größte Raͤrrin vorausgehen 
fole.*) Eine folche Entſcheidung mußte aber nothwendig bie 


) „Briedri der Große. Bine Lebendgefihickte von 3. D: ©. 
VPreuß“⸗ (Berlin 1883), 3. Bd., ©. 18, Rote 3, 


u Qurlle Meurn Bits werben Aber den 9 


: Na 


© 
4. Hebildet, worüber 
nn —* * w Sohann Chrift 


r nicht mehr wagen, ein wirklich 


J dert haben, welcher Streit-aber 


achtritt. Da alſo 


rwmgferteigkekten gar oft, au Odfen N azrorkanten und vor⸗ 


demmen mußten, ſo gabs es kein 
sbnungen. Aus dieſen, femme aus 
eidengsauelen Hat 


ittel dagegen, als 
ger mn ei andern 
ſtch nach and nach ein eigenes Rangs 
tan Heilbad, fürktich 

ein Handbuch berauss 
und Theorie nebft einem 
Promtuar über bie praktiſchen GStundſaͤtze ben, ingleichen 


rudorſtadttſcher Rath, 
‚gegeben Hat, In welchem die Literatur 


de 'neueften vorzäglihern Stangerbnungen im Anhange enthal⸗ 


ten find. (Ansbach 1604.) Aus biefem Buche erfährt man 
daß die Turfächfifcke Hangordmmg mac 2751. ime 
‚gebracht: worden fel, z. B.: vo ſogar in Meime 
Damit ein Zeber Ierne Frei, 
Die jest der Rang Bei Hofe, Tel, 
Bo feh’ er dieſe Ordnung an, 
" Die Alullees deutlich zeigen Tann. 


Der Premierminifer ſprach: 

Mir folgt der Obermarſchall nad) 3 

ns General: Feldmarſchalls Sang 

Kömmt Gabinetöminifer Rang; 

Die Gonferenzminifter fein 

Nehmen die fünfte Glaffe ein, 

Nebſt dem Obermeifter vom Stall _ 

Und auch der aͤlteſte Sofmarſchall u. f. m. 

Inter ben Auslunftsmitteln , Bangftreitigleiten 
gen, wird (8,96) aufgsführt bie Wahl bes: Sigens an siner 
sunden Jafel. Go wurde ‚1698 auf tem Gongreb mı:&arlos 
wie verfahren, wo die Gefandten bei sömifchen: 8,.ber 
‚Dforte, Rußlands, der Könige von Polen und Groß den, 
bann der Republik Wenedig in einem runden Ganle sum: 
menlamen, in welchen für jeden Gefandien eine zigene Thũr 
fügrte- und in beflen Mitte eine runde Tafel fand, nach. der 
zeder qus feinem vor dem Saale befindlichen Zelte derch Feine 
Thür auf ein Signal mit gleichen Sqhritten ging, bie:@efanb- 
ten fid) einander becomplimentirten and gugleich jeder fi auf 
den feiner Thuͤr gegenüberftchenden Stuhl fehte. Ebenſs gin= 
gen ber ruſſiſche und tuͤrkiſche Befandte 1787 auf dem Congreß 
u Nimirow durch drei beſondere Thüren in eine Art von Scheuer. 
ach ber Meinung einiger Rechtagelehrten iſt es (S. 110), 

der beſtehenden Verbote gegen ben Zweikampf ‚ungegehtet , . ers 
laubt, wegen Rangftreitigkeiten ſich zu duelliven » wie dann fo= 
gar die Biihöfe von Gichfläbt und Gpeier ihrer obmaltenden 
heftigen Rangſtreitigkeiten wegen auf Piftolen fich herausgefo⸗ 
in ben Jahren 1662 und 1664 
sum Vortheil des Siſchofs yon Eichſtaͤdt vom Kaifer entſchieben 
worden fl. Die Doctoren der Theologie haben (G. 172 fg.) 
ben Bang vor ben Doctosen der Merhte, biefe »og benen ber 
Medicin, und letztere vor denen ber Philoſophie, weil die Theo⸗ 
logen für das ewige Wohl der Menfcyen,. bie. Suziften für des 
ren ze tliches Wohl Rd ‚die Mediciner nur für bas Wohlſein 
des menſchlichen Koͤrpers ſorgen haben. Die Philoſophen wer⸗ 
den eines Grundes gar nicht gewuͤrdiget. Noch ſchlimmer kommen 
(S. 269) bie Maler und Pfeifer weg, welchen nad) der Meiz 
—R Feen (De zolleg. opif. ib, 57) und Andr. My⸗ 
u iss, de jure carnificum, Leipzig 1782 ber, Acharſcich 
voranzugeben ‚bat. a A ter 


gu Sefeitis 





Die Fugger in. Augsburg beberbeegten Miſer Karl V. auf 
das prächtigfte, heisten unter Anderm ben Kamin, an welchem 
der Kaiſer ſaß, mit: Bimmetrimde und warfen in foldhen eine 
bebeutenbe Schuldverfchreibung des Kaiſere. Ebenſo verbranns 
ten die venetianiſchen Geſandten in Gegenwart bes Königs 
Heinrich IV. von Frankreich einige von biefem ber Republif 
ausgeftellte Schuldverſchreibungen, woruber ber König lächelnd 
feinen Beifall zu erkennen gab mit den Merten: „Se babe 
noch nie eine fhönere Ilumination gefehen.“ 25. 


Verantwortliher Heraudgeber: Heinrich Brodhbaud — Drud und Verlag von ®. A. Brodbaus in geipsig. 
— ne 





Strafgeſete, bie in der Übung ber eben nicht 

Kunſi befichen, zugufchlagen, wo eine Hand nad) Verbo⸗ 
tenem greift, und welche fich größtentheil® damit befchäfs 
tigen, die Diebe, Bettler, Raubmörder, Verbrecher und 
Sünder jeder Art zu züchtigen, die eine ſchlechte Verwal⸗ 
tung und eine abfurbe Geſetzgebung ſelbſt gemacht haben, 
Man bedenke einen ſolchen Zuſtand der Dinge in einem 
Lande und Zeitalter der Aufklärung und erflaune, daß 
nun das Unausbleibliche erfolgt; erflaune über die erbits 
texte und allerdings bedenkliche Stimmung der Gemüther, 
über den revolutionnairen Geift, den man allenthalben 
wie ein Gefpenft zu fehen glaubt, das auch wirklih ums 
geht, Unheil verfündend und Unheil Dringend, wenn man 
e8 nicht zu beſchwoͤren verſteht. Wahrhaftig, ein Spuk 
Iaunigen Muthwillens tft diefer Geift keineswegs, noch 
die Zolge wollüftigen übermuths. Suly, der vielleicht 
gegen den Vorwurf, er gehöre zu den Demagogen und 
Jakobinern gefichert ift, fagte: „Das gemeine Volk fteht 
nie auf aus Luft zu feindlihem Angriff, ſondern aus 
Ungebuld, den Schmerz länger zu ertragen.” (Pour la 
populace, ce n’est jamais par envie d’attaquer qu’elle 
se souleve, mais par impatience de souffrir.) 

Wenn eine herrfchende Partei fich gegen bie Mafie fo 
geftellt hat, wie es bie franzöfifche Bourgeoiſie feit 1830 
getban, wenn fie einen heiligen Kreis um ſich gezogen, in 
welchen alle übrigen nicht eindringen dürfen, wenn fie in 
ihrem Übermuth die Grenzen eines pays legal abgeftedt, 
welche zu überfchreiten verboten iſt, dann freilich bleibe ihr 
kaum etwas Anderes übrig, um fi) zu behaupten, als 
firenge Geſetze, Gefaͤngniſſe, Landesverweifung, eine hohe 
und geheime Policei, Zuchthäufer und Bayonnete. Wie 


zuverläffig aber ale diefe Werkzeuge geworden find und. 


wie weit ſolche Stantömittel reihen, lehrt die Gefchichte 
und befonders die franzöfifhe der neuern Zeit. Auf dem 
Wege der Routine, den man in Frankreich zu verfolgen 
ftartfinnig entſchloſſen ſcheint, wandert man ohne bie größte 
und dringendfte Gefahe nicht: weiter. Der ungefchidte 
Krieg mit ber öffentlichen Meinung, mit den Beduͤrfniſ⸗ 
fen und Wünfchen ber untern Claſſen, mit der allgemei- 
nen Noch und Einficht, die man nicht erfennen will, oder 
mit verbächtigen Namen zu Achten fucht, muß fchredliche 
Folgen haben. Der Hohn, der dem Hungernden das 
Brot, das er ſich ihm zu geben anflellt, vor dem Munde 
in Stein verwandelt, muß eine tiefe Erbitterung erzeugen. 
So iſt indeſſen größtentheils das Benehmen der neuen 
Geldariſtokratie, welche Frankreich regiert. 

Die alte Ariſtokratie war fonft, obgleich faft immer 
zue Anmafung und Willkür geneigt, doch vorfichtiger und 
billiger. Riß fie auch alle Ehre und Auszeichnung an 
ſich und betrachtete fich als die Seele des Staats, das 
gemeine Volk aber als den Leib, fo gönnte fie biefem 
doch des Leibes Nothdurft. Man forgte dafür, daß bie 
Einne des finnlichen Weſens abgefüttert wurden, und fah 
es gern, wenn ber Bürger in unwiſſender Beſchraͤnktheit, 
aber gut genaͤhrt, die hoͤhern Anfprüche vergaß, bie er 
hätte machen können. Die edein Gefchledhter Rome, bie 
fih zur Lenkung ber Weltbeherrfcherin berechtigt glaubten 


und bie Plebejer eiferfächtig von jedem Antheil an. ber 
hoͤhern Staatsgewalt auszuſchließen fuchten, ſteuerten doch 
und ſprachen Beine Befreluug und Loskaufung vom Krieges 
dienfte und ben Öffentlichen Laſten an. Im Begentheil 
flieg die Pflicht der Leiftung, wie billig, mit dem Ver⸗ 
mögen. Die legte Claſſe, die nichts hatte und nichts 
war, brauchte auch weder zu dienen noch zu bezahlen; 
fie ging ber Krieg nichts an, in dem fie nichts verlieren 
und nichts gewinnen konnte. Und wie oft wurbe erobere 
te6 Land unter die Unbegüterten ausgetheilt und die Til⸗ 
gung ihrer Schulden ausgefprohen? Man fuchte Denje⸗ 
nigen, welchen die bürgerliche Ordnung weder Vorzug noch 
Vortheil gewährte, wenigftens das Leben in ihr erträglich 
zu machen. Selbft, da in der verborbenen, gefeglofen Zeit 
von altem Recht und alter Sitte nichts mehr übrig war, 
fand man das Volt mit Brot und Spielen ab. Auch 
ber Feudaladel betrachtete den Kriegsdienft auf eigene Kos 
ften al8 den Beruf feines Standes; maßte er fi) Auss 
zeichnungen und Beguͤnſtigungen an, dann verweigerte er 
dafür auch nicht größere Beſchwerde, für höheres Recht 
übernahm er auch härtere Pflicht; wollte er an Rang der 
Erfte fein, fo war er auch der Erſte an Tuͤchtigkeit und 
Muth. Die Ariftokratie von Venedig könnte jest wegen 
ihres echt ariſtokratiſchen Geiſtes fire claffify gelten. Doch 
forgte fie für finnliches Wohlleben unter dem Volke und 
für ſtrenge Gerechtigkeit; fie machte mit furchtbarem Ernft 
über das Betragen der Nobili, die fi wohl hüten muß⸗ 
ten, durch freches Betragen, Übermuth und vornehme Mes 
dereien den britten Stand und das Voll zu reizen oder 
zur Unzeit an feine Abhängigkeit zu erinnern. Der Wahl: 
fpruch der Regierung war: ‚Brot auf dem Markte unb 
Gerechtigkeit auf dem Stadthauſe!“ (Pane in piazza, 
giustizia in palazzo.) $ür den Verluſt ber bürgerlichen 
Freiheit und ehrenvoller Rechte fand der politiihe Haufe 
eine gewiſſe Entfhädigung In Sicherheit, Müfigang und 
Maskenfreiheit. Die lange Dauer diefes Staates beweiſt 
übrigens, daß fi die Verwaltung bdeffelben mit einiger 
Geſchicklichkeit benommen haben muß. 
(Die Fortfekung folgt.) 





Das Leben eines Zägers, oder John Tanner's Denkwuͤr⸗ 
digkeiten über feinen breißigiährigen Aufenthalt unter 
den Indianern Nordamerilas. Aus dem Englifchen 
überfege von Karl Andree. Leipzig, Engelmann. 
1840. Gr. 8. 1 XThlr. 18 Gr. 


Apotheker und Gergeanten, Kammerbiener und Pagen, 
Kammerfrauen und Hebammen, Mobehänblerinnen, Scharfrichs 
tee, Galeerenſtlaven und allerhand Leute aus ben untern unb 
niedrigern Claſſen ber Geſellſchaft haben in ben letzten 20 — 30 
Jahren Dentwürbigleiten gefchrieben ober unter ihrem Namen 
ſchreiben Lafien. Die in jener Zeit herrſchende Vorliebe bes 
Publicums für geitgenöfftiche Darftellungen ſchien bie Spetula⸗ 
tion zu rechtfertigen, und fo befanden wir uns benn recht oft 
in fehr fchlechter Geſellſchaft, bie unfere befonnenen Vorfahren . 
weife und Zlügiich von ſich entfernt gehalten hatten. Es ges 
hörte aber dies auch zu dem Nivellement aller Stände, von 
dem ſich noch immer manche Leute gar treffliche Früchte vers 
fprechen : einen wirklichen Gewinn hat indeß weder bie Cultur⸗ 





- noch die Gefchichte aus eimer jener Mudhwmadgereien ges 
” or Papiere wis auch Die Denkwuͤrdigkeiten eines Jäs 
.gers, aber nicht etwa eines Feldjägers, wie ihn Boethe unten 
uns mit befonderm Wohlmollen eingeführt hatte, oder eines 
alten tächtigen Forſtmanng, dee und die Abenteuer eines langen 
weidmaͤnniſchen Bebens mit einer ſolchen Auſchaulichkeit ſchildert, 
wie etwa Wilh. Martell in Schloß Giternberg” eine Wolfejagd, 
ober Walter Scott eine hochlaͤndiſche Jagd im „Gafaͤhrüchen 
Schloſſe und einen Lachsfang im „Aſtrologen“ und in „‚Redgaunts 
let“ beſchrieben Hat, nein, wie befommen in vorliegenden Buche 
bie fehe einförmigen Grlebniffe eines nordamerikaniſchen India⸗ 
ners und Jägers auf 328 Geiten gu Iefen. Dex: deutſche Übers 
ſeter erklärte dieſe zu Neuyork im J. 1880 —I „Denk⸗ 
mürbigkeiten‘‘ für einen wichtigen Beltzag zur Kunde des Lebens 
unter ben norbamerifanifdhen Jaͤgern, daher gingen wir auch 
ohne alles Vorurtheil an das Leſen bderfelben, wir waren im 
Begentheil nady:ben Schilderungen eines Geoper, Irving, Birb 
-und bed Prinzen Masimilien zu ed geipaunt auf biefe neuen 
Mittheilungen aus ben urweltlichen Wäldern und enblofen Steps 
pen. Aber wir faben uns bald getäufdt. 
John Zanner, der Sohn eines evangelifchen Geiſtlichen, 
der aus Virginien nach Kentudy gewandert war, wurde in 
feiner frühen Jugend von ben Schahnis (Opammefees) feinen 
Aeltern geranbt, mußte viel Roth, Hunger und Leiden exbul: 
‚sen, bis ihn nad zwei Jahren Ket⸗no⸗kwa, eine alte rau 
von dem Stamme der Ottawahs, aboptirte und ihn vor allen 
Beleidigungen, die ihm mehr als einmal Iebensgefährlicy ge= 
worden waren, ſicherte. Bon ba an lebte er 30 Jahre unter 
den Indianern, er nahm ein Weib, zeugte Kinder und warb 
ein Jäger. Die Erzählungen von feinen Jagden auf Biſons, 
Elenn⸗ und Mooſethiere, von feinen Biberfallen, von ber Ahorn⸗ 
zuckerernte, nehmen einen großen Theil des Buchs ein, aber fie 
wiederholen ſtets baffelbe, und wenn man eine ober zwei biefer 
Beſchreibungen gelefen hat, fo wirdSman nicht Luft Haben, 
weiter gu lefen. Waren Lebensmittel im Überfiuß da, 
. tan bie Indianer; Trinken und Spielen, befonbers 
ben Weißen einen guten Handel gemacht hatten, füllten ihre 
Zeit aus und der übermäßige Brantweingenuß führte dann ge: 
wöhnlich Schlägerei, Verwundung (mir erfahren unter Anderm, 
daß das Abbeißen der Naſen etwas ſehr Gewoͤhnliches war) und 
Merb Herbei. Mußten bie Indianer aber diefer Steizmittel ent: 
an aber hielt fie die flvenge Kälte vom Jagen ab, fo flelte 
ſich auch bie graͤßlichſte Hungersnoth ein. Neben dieſem Jaͤger⸗ 
leben fanden dann Kämpfe auf Leben und Tod mit den Sioux 
und andern Rothhaͤuten ſtatt, die nur ſelten mit einigem In⸗ 
tereſſe für die europäffchen Leſer beſchrieben find. Denn e6 geht 
dem John Tanner mie fo vieien ungebilbeten Menfchen, daß er 
bie oft wiederkehrenden Greigniffe jedesmal mit berfelben Breite 
und Umfländlichkeit fchiidert. Dabei weiß er für nur ein 
fehr am meiften noch, nachdem 
er fi hat, und ſteht in dieſer 
ODinſicht weit hinter dem alten er, der, wenn 


eringes Intereffe erwecken, 
wieder zu den Weißen begeben 








J nach 
teten Schriftſteller Edwin James Eens 
nen lernte, bem er, bes Schreibe 
——ã in wie Beber dictirte. Ein 
tet fi) mit einzelnen Zufigen-des , Deraudae: 
bers üben die Feſte der Indiauer, über ihre Totems ober —* 
miliennamen, fiber ihee Munde der Geſtirne, über ihre Anficht 

von ben Traͤumen, über ihre Muſik und Volktlieder. 

Die deutſche Übertragung lieſt ſich leicht unb angenehm, 
hat auch durch manche Erlaͤuterungen des Hrn. Andre⸗ gewon⸗ 
‚nen. Um fo wehr wünſchten wir, daß er feinen Fleiß bald ei⸗ 
nem andern, dankbarern Gtoffe zuwenden moͤge. 11. 





| Literarifche Anzeige. 
Converſations⸗Lexikon 
der 
Gegenwart. 


Ein für ſich beſtchendes und in fich abgeſchlffenes Berk, 
zugleich ein Supplement 
zur achten Auflage des GonverfationssBerifong, 


fowie gu jeber frügern, 
su allen Nachdrucken und Nachbüdungen deſſelben. 


Achtundzwanzigstes Heft, 
Bogen 41— 50 des vierten Bandes. 
Bofini bie Gapayer Zug. 
Drudpapier 8 Gr.; Schreibpapier 12 Gr.; 


Belinpapier 18 Gr. 
I — — 0) 











Rofini (Si i). — 8 .—_ 
en ER ED ES 
arl Job. .d Karl — .— 
Fin (Albin Rein N toins, ee — 





au Rod (Ant 
Müdkert (Friedr.) — Rudberg (Friederih). — 
(Andreas Gottlob). — ee (Ignaz v.) — Ru 












⸗ ent n. — 
„auch nur gemeinen Soldat, bie Aufmerktamkeit und X eils _ 
aan * —* ſeiner Biographie Ir einem hohen —8* er⸗ rg tar s Kg (Eubw. 
alten ya | «itenburgifcges Eouf £ 
Endlich (es mag um bas Jahr 1813 geweſen fein) faßte Ä 
Kanner.ben Gatkhiuß, aus dem Lande ber —& in 4 —* zubuegund atde, — (X hear reg * 
einigten Staaten zu gehen, wobei ihm die durch ſeines Bandeirn ehe BL.) = 
Del mit ben Beamten der HubfonsbaisGompagnie gemachte Kugmlin). — Freies une (Charles 
Be ann fa befonbere gu Hatsen kam. Ge berwerkftelligte dies |. | — Gaintine (Kapker 
unter vielen ten ange auhalten⸗ 
aa an ann m Sängeriane 
w Hülfe mit einem Safirmeffer ans dem Brfbe eine Ernſt Wñh. Sprifian). — Gauget, — Ge 


ſchnitt. Geinen Sohn und zwei feiner Töchter aber hatte er 
zurhdiaffen mäflen. Bon ba an lebte er 
ſeinen weißen Brüdern, deren Sprache er 


unter ben “Indianern 
als Dolmetfcher bet 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Werlag von J. X. Brockhaus 
——— En nn 





Eeipgig, im Nodember 1840. 


S. A. Srockhaus. 


in Leipzig, 


Bıat ter 


für 


literarif ch e Unterhaltun 8. 





Dreitag, 


Du social au profit des elassen populsires 
ae eipentes par M. de Lafarelle. Zwei Bände. 
Bortfetung aus Rr. IM.) 

Später und an andern Orten hat man ſich Aber bie 
Heinlihe Sorge, das Volk wenigſtens in feinem anime: 
Aiſchen Leben zu fchonen, hinausgeſetzt. Die reichen hoͤ⸗ 
been Stände trugen kein Bedenken, ſich Alles anzueiguen, 
Auszeichnung, Macht, Ehre, Wahlleben und Müfiggang, 
und den. armen niedern Ständen nichts zu laſſen als 
Arbeit und Entbehrung. Solche loͤwenartige Xheilung 
‚mag man fi mit Limen gefallen lafien, oder da, wo 
man wichte Anderes weiß ober nichts Anderes willen kann. 
In dem Anderdwiffen und Anderslönnen der nichern 
Staͤnde liegt allerdings, wie wir ſchon oben gefagt, ber 
weſentliche Grund des fo weit verbreiteten revolutionnai: 
‚ren Geiſtes. Wenn fich früher bie Maſſen willenlos der 
‚Gewalt tlüchtiger Dssposen und gepriefener Geſchlechter un: 
‚terworfen haben, fo. war das im Gange der Ratur und 
sims Intereſſe deu Civilifation. Die Schwäche lehnte fich 
‚an bie Stärke; der Wehrloſe flüchtete fi) unter den 
Schutz des Geruͤſteten; bei größerer Klugheit und reiche 
‚wer Eıfahrung erholte man fich Mathe; dem Weiſen und 
Gerechten übertrug man die Schlichtung feiner Streitig: 
Leiten, wie man im Kriege ber Führung des Tapferſten 
amd Kläügſten folgte. Diele Ariſtokratie iſt, wie gefagt, 
in der. Natur gegruͤndet und wird durch die Anerkennung 
der Untevgeondneten und den wohlthätigen Ginfluß auf 
‚biefelben legitim. Die neuere Plutokratie, weiche die Stelle 
‚ber vom ihre verdraͤngten Erbariſtakratie mit allen. ihren 
Vorrechten, aber ohne ihre Verpflichtungen einzunehmen 
‚fucht, iſt ‚dagegen von ganz anderer Art und ‚gegen bie 
Matur. Sie will. nieht geben, nur empfangen, nicht 
Ichigen, fondeen ſich ſchuͤten laſſen und hut, wenn auch 


Ihwach, ‚wie die Stärke, macht die Anſpruͤche den Tugen⸗ 


ben und Talente, ‚der Verdéenſte, und bed Muthes, weil 
‚fie im Baſitz der Reichthmer iſt; fie verhält ſich gegen 
das niedere Volk, mie, bei gewiſſen wilden Stämmen, die 
Männer ſich gagen ihre Weiber verhalten: haben dieſe die 
Anſtrengungen und Schmerzen: der Niederkunft autgeſtan⸗ 
den, dann exholen ſich jene an ihrer Stelle in gemaͤchli⸗ 
cher Ruhe und guͤtlicher Pflege, als haͤtten ſie geboren. 
Wohin dieſe unnatuͤrlichen MWerhältniffe geführt haben, 
das lehrt die Geſchichte der Volksaufſtaͤnde in England 








und Frankreich; wohin ſie noch fuͤhren werden, das muß 
ſich bald entſcheiden. Was in Frankreich und England 
den Kampf der Mutnaliſten und den Kampf ber Char⸗ 
tiften veranlaft ‚hat, wird nach und nad) ein Gegenſtand 
bes Streites der ganzen Welt werden. Die Ausſicht auf 
bie nahe Zukunft iſt für Die, welche die Beſtimmung 
bes Lebens in dem ruhigen Genuſſe deffeiben ‚finden, nicht 
erfreulih. Es frage fih, wie muͤſſen fid in dieſer kriti⸗ 
[hen Stekung Diejenigen verhalten, welche ein günflige- 
res Ungefähr mit irdifhem Wohlſein gefegnet, wornach 
die große Mehrzahl ſeufzt? Bleibt nichts Anderes uͤlbrnig, 
als fih in feinen Mantel zu huͤllen und gebufbig «ine 
fociale Revolution abzuwarten, ober fein Schwert umzu⸗ 
güsten und Gemalt mit Gewalt abgumehren, fo lange wan 
kann? In glüdlichern Zeiten als bie: unſerigen koͤunte 
man allenfalls auf die Steichgältigkeit in politiſchen An: 
gelegenheiten anwenden, was Montaigne vom pbilofopäls 
fchen und religiöfen Skeptisiemus fagt: „es fel ein. weiches 
Kiffen für gute Köpfe”. Aber die beiten Köpfe erſchre⸗ 
den heutzutage bei dem Gedanken an eine ſociale Um⸗ 
wälzung, die mit der Auscottung aller Reichen und mit 
der Berftörung alles Gefuͤhls für Sitte und Schoͤnhelit bes 
Lebens anfangen und eine längere, dickere Nacht der Mars 
barei beraufführen wuͤrde ale ber Sturz des voͤmiſchen 


Weltreichs. Da uns überbies das Chriſtenthum gelehrt 


bat, daß wir Alle Brüder und Kinder eines Gottes ſind, 
fo koͤnnen ‚fi unfere 19 Jahrhunderte lang unter dem 
Einfluß der chriſtlichen Wazal . gemilberten. Sitten nicht 


an das Schauſpiel menfchlicher Leiden gewoͤhnen, fahaf 


alle billigen Leute entmeber aus Intereſſe aber: Mitleiden, 
aus Vorſicht ‚ober Pflichegefühl eingefteben, es ſei Habe 
Zeit, die Hand aufs Herz zu legen und zu fragen:. Sind 


die Klagen :der- niedern und. ‚armen: Volksclaſſen gegrins 


dee? Was können, was ſollen mir thun, um: ben Schre⸗ 
den und. Berwüflungen der Repolutionen vorzubeugen? 
Die Erde nimmt täglich eine neut Geflalt: an; Alles auf 


:ihe und in ihre verändert ‚fi; und firebt einem ‚geroiffen, 
ihrem bebingten Zuſtande vorgeſteckten Ziele der Mailen: 
‚dung entgegen, mund die zablreichfie Elafle ‚ber ‚fühlenden 
‚und bentenden Weſen, bie fie trägt, follte ewig auf bem 
‚nämlichen Punkte ſtillſtehen und (dem. Fluch verhaftet blei⸗ 
ben? Warum gebören. wir. nicht: mehr zu dem Stamme 


Kain's? Vergebens fucht man..biefen Kragen auszuwei⸗ 


ya 


: i in unſere hoͤchſten Freuden, fie truͤ⸗ 
* A ee ere glorreichften Triumphe und brin= 
gen untoiderftehlih aus jenem bumpfen, unermeßlichen 
Volksmurren herauf, welches wie das Kiagelied bes mos 


deraen Europas: geworben. Die Antwort auf fene-&ras‘ 


ges iſt einfach und leicht. Wir dürfen nur die Urſachen 
entfernen, welche eine gewaltfame Umwaͤlzung berbeifühs 
ven und durch Reformen die Revolution ableiten. Die 
merkwürdigen Erfcheinungen, die uns in Frankreich und 
England überrafht und unvorbereitet gefunden, verdienen 
fhon darum die aufmerkfamfte Unterfuhung und eine 
unparteilfche Prüfung, damit wir leiſten lernen, mas 
uns bei diefen Kriſen vom Zufall oder von einer unab: 
wendbaren Nothwendigkeit kommt. Das aber wird moͤg⸗ 
lich, wenn wir die Gefege kennen, nad) denen bie Ereig: 
niſſe fich geftalten. Auf biefem Mege kann es uns ge: 
lingen dem libel vorzubeugen, wenn wir entfernen, mas 
8 erzeugt. Kennen wir die Gefege, nad denen die Er: 
ſcheinungen ſich bilden und folgen, die Urfachen, die fie 
ins Dafein rufen, dann haben fie fchon die Herrſchaft 
verloren, welche die unbelannten Maturkräfte über und 
zu üben pflegen. Das Gewitter hat aufgehört, für uns 
eine unwiderſtehliche Macht zu fein, feitdem wir die Ge: 
fege beffelben Eennen. Durch dieſe Kenntniß iſt es uns 
gelungen, den zuͤndenden und-zermalmenden Blig unſchaͤd⸗ 
lich abzuleiten. Es möchte wol noch leichter fein, über 
die politifchen und focialen Gewitter Here zu werben, ih: 
zen zerftöcenden Einwirkungen vorzubeugen, oder bie bon: 
nerfehwangern Wolken gefahrlos vorbeizuführen. Begrei⸗ 
fen und befolgen wir, was uns bie Geſchichte und eigene 
Erfahrung lehrt, dann find die Leiden und Opfer ber 
Bergangenheit ein für die Gegenwart und Zukunft zu: 
ruͤckgelegter Schatz; begreifen oder befolgen wir es nicht, 
dann freilih muß über uns kommen, was wir durch Un: 
beftinnmtheit, Sorglofigkeit oder böfen Willen verfchulden. 

Es gereicht der franzoͤſiſchen Literatur zu hohen Eh: 
sen, daß fie fich von jeher unabläffig mit Unterfuchungen 
biefee Art abgegeben hat, und daß fich In Ihrem ganzen 
Laufe eine philanthropifche Tendenz verfolgen läßt, welche 
felbft die ſeelen⸗ und gottlofe Phitofophie der Encyklopaͤ⸗ 
biften adelt und fo viele flache neuere Utilitarier unter 
den feanzöfifchen Auteren über unfere tiefften Denker er: 
hebt. Wenn wir an bie Arbeiten von Saint: Simon, 
Fourier, Wronski und andern franzöfiihen Philanthropen 
denken, fo drängt ſich uns unwillkuͤrlich das Gefühl auf, 
daß ber heutigen beutfchen Wiſſenſchaft das wichtigfte Les 
benselement fehlt und daher vielleicht ein naher Tod be: 
worfteht (31). Der complete Mangel an Sympathie und 
Menſchlichkeit iſt hoͤchſt charakterifiiih Für die deutſche 
Wiſſenſchaft, welche, in ihrer oberlehnsherrlichen Verach⸗ 
tung der aus dem Studium des Lebens und der Sitten 
geſchoͤpften Reflexion, keine andere Welt kennt als die Bü: 
cher⸗ und Gedankenwelt. Die Folge dieſer ftoifchen Gleich⸗ 
guͤltigkeit gegen die Außenwelt iſt, daß ploͤtzlich die wich⸗ 
tigſten Fragen auftauchen, welche unſere ſtolze Wiſſenſchaft 
nicht zu loͤſen im Stande iſt. Wie koͤnnte ſie eine Ant⸗ 
wort auf die ſocialen Raͤthſel und Probleme bereit haben, 


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weiche heutiges Tags bie Melt bewegen? Sie weiß nichte 


#inmal, baß die Sphing der Gegenwart biefe Räthfel auf: 
gegeben hat. Was kümmern fie die Zudungen ber Zeit⸗ 
efhichte und der Lauf der Welt? die Begeifterung und 
Deofelptemmacherel, welche die gettlofen, materialiſtiſchen 
Selten Saint: Simon’s und Fourler’s anfeuert und mit 
Aufopferung ihrer individuellen Eriftenz zur Realifation 
großer philanthropifcher Gedanken und Pläne hintreibt — 
davon weiß bie gottesfuͤrchtige, ſpiritualiſtiſche deutſche Wiſ⸗ 
ſenfchaft nichts: fie halt es unter ihrer Würde, auf Ecs 
was zu finnen, womit auf außerordentlihen Wege dem 
Ganzen gedient wäre. Bloße Projectenmachesei iſt allers 
dings oft lächerlich; aber wirb es unfere Spftembaueret 
niht auch? Und wir müffen dabei noch bie betrübenbe 
Erfahrung machen, daß in diefem Jahthundert bei ung 
kein einziger Mann aufgeflanden, welcher Liebe und Aufs 
opferungsfähigkeit im Derzen und irgend einen heilſamen 
Gedanken im Kopfe trug, durch deifen Ausführung ent= 
weder menfchliches Elend gemindert, oder menfchliches Gluͤck 
gemehrt werden koͤnnte. Welches Land ift reicher an Phil⸗ 
anthropen als Scankreih? Die meiften Schriftfteller ern= 
fieree Art haben immer ben Nutzen ihrer Mitmenſchen 
im Auge, mögen fie nun Uber Phyſik oder Moral, über 
Sefchichte oder Erziehung, über Nationaloͤkonomie oder 
Theologie fchreiben. Was können wir Saint:Simon, Fou⸗ 
tier und Wronski entgegenfegen? Die Nationaloͤkonomi⸗ 
ſten find in ihrem Streben, zu nügen, fo weit gegangen, 
daß fie jebe Narbe, jede Wunde des gefellfchaftlichen Koͤr⸗ 
pers ausgemefien und fondiet, alle Spmptome und Fälle 
unterfucht und durchforſcht haben. Allein gleich den Arzs 
ten, welche die Wirkung des libels, jedoch keineswegs feine 
Urfache Eennen und bie Krankheiten trefflich zu befchreis 
ben, jeboch nicht zu heilen verſtehen, hat jeber fein Mit⸗ 
tel und feine Methode vorgefchlagen, bie am Ende zu 
nichts geholfen, oder denen man ſich einſtweilen noch nicht 
unterziehen wit. Es Eonnte nicht wohl anders kommen. 
Die Einen, ungebildete, rohe Empiriker, verorbneten blos 
unzulängliche Linderungsmittel und erweichende Umfchläge, 
fo unbeilbar fchien ihnen die Krankheit, oder fo ſchwach 
war ihre Erfindungskraft. Andere, kecke, hanbfertige Chis 
rurgen ſchnitten unverbroffen ins gefunde Fleiſch und hoffs 
ten bie Geſellſchaft zu verjüngen, indem fie wie bie Toͤch⸗ 
tee des Pelias verfuhren, welche ihren Water in Städe 
zerrifien. Andere, neuerungsfüchtige,, foftematifitende Als 
Iopathen, hielten dafür, die alten ſtockenden und verbors 
benen Säfte müßten durch reinigende und abführende 
Mittel ganz hinausgefchafft werben, um ein völlig neues 
Blut in dem focialen Körper zu erzeugen, und biefe 
Blutreinigung und Erneuerung koͤnne nur die Weiberges 
meinfchaft, welche die Durchkreuzung und fomit die Ders 
edlung der Racen bewirkte, zu Stande bringen. Noch 
Andere, abgeſchmackte, charlataniſirende Homoͤopathen, meins 
ten, um ein Übel zu heilen, brauche man es nur zu ver⸗ 
ſchlimmern und es curire ſich dann von ſelbſt: die Staates 
geſellſchaft, erklaͤrten ſie, beduͤrfe blos eines kleinen Reiz 
mittels, und das beſte Reizmittel ſei die Concurrenz: einige 
Tropfen oder Pillen Concurrenz und Alles wuͤrde vors 


⸗ 





sn 


ich n. Dieſe Letztern haben Ihe Recept mit fo 
ae ie gepriefen, daß ber Geiſt der Concurrenz in 
ale Welt gefahren und ein edler Wetteifer entſtanden if, 
ſich auf die liſtigſte und frechfte Art zu beitehlen und in 
Die Finanzfpeculationen fo viel Gaunereien zu miſchen, 
als mit der Vermeidung des Zuchtpoficeigerichts nur mög: 


lich find; bisweilen kommt es auch vor, daß man felbft 
dieſem Vorurtheil Trog bietet, wozu bie Geſchichte ber 


frangöfifhen Actiengefellfhaften im 3. 1836 binlängliche 
Belege liefert. 

Während nun aber Jeder feinem Mammon nachjagt, 
während bie höchften Stände, gleih Matrofen und Sol: 


daten, die in der gefahrvollen Unficherheit ihres Lebens 


fih ganz dem Güde und Genuſſe des Augenblids hin 
geben, weit fie nicht wiffen, ob die naͤchſte Zukunft noch 
ihnen gehört, von dem Tage nehmen, was er gibt, und 
nur an die Gegenwart und an fich ſelbſt denken, ſchwillt 
das von Eiferfudht, Habgier, Rache, und wer weiß ob 
nicht von der Vorfehung bewegte Meer der untern Volke: 
daffen immer höher an: noch Eräufeln nur leichte Wellen 
die Oberfläche, aber in der Tiefe nimmt die gewaltige 


Strömung unwiderſtehlich ihre Richtung. Mit flolzer Zu: 
verficht und erziwungener Heitereit fehen Diejenigen, welche 


am Steuerruder figen, über das von leichtem Wellenfchlag 
bewegte Meer, das fie mit Gottes Kraft wie Neptun 
einft zur Ruhe brachten, wenn es ſich empörte. Sie fe: 
ben und hören nur, was fie fehen und hören wollen: 
flile Zufriedenheit und Vertrauen, das Lob ihrer Vor: 
zuͤge und Tugenden, was ihrer Macht und Einficht ſchmei⸗ 
cheit und ihre Gemaͤchlichkeit nicht flört. Natürlich geht 
für fie Alles ganz vorteefflih, und es bleibt nichts zu 
wünfchen übrig. So flehen Die, von denen Hülfe und 
Rettung kommen follte, in einer ſchwarzen Nacht von 
Kauh und Wolken, in bie der Opferdampf der eingebil⸗ 
deten Selbfigenügfamkeit fie huͤllt, nicht wiſſend, nicht 
ahnend, dag das Staatsihiff an vielen Stellen leck ge: 
worden und in großer Gefahr ſchwebt, wenn nicht bald 
Gegenanftalten getroffen werden. Blitzesſchlaͤge, wie bie 
Arbeiteraufftände und Coalitionen in Lyon, Paris und 
England, fahren wol erheilend buch das Dunkel und 
erleuchten den Abgrund, über den fi das Staatsſchiff 
immer tiefer binhberbeugt; aber die Bequemlichkeit der 
neuen Lenker mag ihrer nicht achten, oder hält ſich bie 
Augen zu, wie wenn es hinreichend wäre, daß der Dit: 
telftand das Steuer führe, ohne zu willen, wohin das 
Staatsſchiff gerichtet werben muß und meiden Weg es 
einzufchlagen babe, um nicht an ben Klippen zu zer: 


llen. 
” In der Stunde ber Gefahr wird jeder Paflagier Mas 
teofe, in dem entfcheidenden Moment ber Krife darf Je⸗ 
ber feine Meinung abgeben. Ehre gebührt Denen, welche, 
wie der Verf. des vorliegenden Werks, mit Eifer, Be: 
fonnenheit, Muth und Unpartellichleit Hand anlegen und 
fih über Ihren Stand erheben, um das zu ihren Süßen 
wimmelnde Schaufpiel des menfchlichen Elend und Sam: 
mers beffer überfehen zu können. Hr. Lafarelle hat lange 
und ernfthafte Studien gemadht, um den Sig und das 


Heilmittel des Ubels aufzufinden. Seine Unteefuchungen 
erſtrecken fich vorzugsweile auf bie unbemittelten Wells: 
clafien, classes non-indigentes, wozu er die Heinen Gutes 
befiger und Pächter, die Tagelöhner und Feldarbeiter, bie 
Meinen Handwerker und Fabrikarbeiter rechnet. Der Verf. 
erklaͤrt im Voraus, er gehöre zu der focialen Partei 
und focialen Schule, im Gegenfag zu der revolus 
tionnairen Partei und revolutionnairen Schu⸗ 
le, indem er dadurch ohne Zweifel den Geſichtspunkt ans 
zubeuten glaubt, aus welchem er Menfchen und Dinge 
beurtheilt; indeß ift das Syſtem ber theoretifchen und 
praktiſchen Ideen, welche die ſociale Partei charakteriſiren, 
nichts weniger als beſtimmt und genau abgegrenzt. Der 
Taufpathe und Chorführer dieſes parti social iſt bekannt⸗ 
lich Lamartine. Wir geben gern zu, daß der Dichter der 
„Meditationen“ ſehr vielen von ſeinen Collegen in der De⸗ 
putirtenkammer an Geiſt und Rednertalent uͤberlegen iſt; 
allein wenn er auch bisweilen uͤber Discuſſionen, woran 
er Theil nimmt, ein ploͤtzliches Licht verbreitet, ſo kann 
man ihm doch ſchwerlich die feſten Principien eines Par⸗ 
teihaupts zugeſtehen, und man wuͤrde ſehr in Verlegen⸗ 
beit kommen, ſollte man feine politiſchen und religiöſen 
Anſichten, wie man ſie in ſeinen Werken ausgeſprochen 
findet, in ein harmoniſches, zuſammenhaͤngendes Ganze 
bringen. Sein Code social, den er uns in der achten 
Viſion ſeines letzten Gedichts: „Der Fall eines Engels“, 
mittheilt, iſt ein wunderſames chaotiſches Gebraͤu, in 
welchem man Pantheismus, natürliche Offenbarung, Ka⸗ 
tholicismus, Radicalismus und Materialismus entdedt, 
eine curioſe Olla Potrida, worin Ideen von Anacharſis 
Clootz und Baboeuf, Evangelienmoral, pythagoraͤiſche Diät 
(wir ſollen kein Fleiſch eſſen, die Thiere ſind unſere Bruͤ⸗ 
der), republikaniſcher Unſinn, Vertheilung des Eigenthums, 
Abſchaffung der bürgerlichen Gerichte und der Todesſtrafe 
(das Seroiffen fol unfer Richter und Henker fein), kurj 
bie allerheterogenften Elemente durcheinandergeworfen find. 
Zamartine bat unter den verfchiedenen Parteien eine neue, 
aber ſehr buntfchedige Fahne aufgerollt, weiche, von bem 
Winde allerlei Lehre bewegt, fich bald mit biefem, balb 
mit jenem Parteibanner vermifht. Die fociale Partei tft 
demnach noch nichts Fertiges, Gewordenes; obfchon Hr. 
2. Brothier eine eigene Schrift darüber verfaßt hat, fo 
fehlt doch noch immer die genaue Definition, was man 
unter parti social zu verſtehen habe; außerdem macht 
jebe Partei in Frankreich auf diefen Titel Anfpruch, weit 
ſich jede für ein Drgan ber focialen Intereſſen und Bes 
bürfniffe ausgibt; endlich fcheint mie die Benennung „ſo⸗ 
ciale Partei” ein Nonfens, ba ber Begriff ſocial ben 
Begriff von Partei ausfchließt. Keine Partei ift mit 
der Geſellſchaft ibentifh, eben weil fie Partei iſt. De. 
Lafarelle hebt zwar an einer Stelle zwei charakteriftifche 
Kennzeichen der focialen Partei hervor: nämlich ihre Sym⸗ 
pathie für friedliche Reformen und Verbeſſerungen, und 
ihren Daß gegen gewaltfame Umwälzung, wodurch fie ſich 
namentlich von den revolutionnairen Parteien unterfcheide; 
allein «6 gibt Beine Partei, welche nicht die Liebe zur 
Ordnung affihiet. Einige verrüdte Clubiſten ausgenoms 


‘1318 


= 


Sonfliet gerieth, auch bie gewaltige Seele Marla Stuart's in 
Wort und That hervorbrechen laffen. Gin fchönes, Liebendes 
und zwar leidenfhaftiich liebendes Weib, wie Maria es war, 
fpricht nicht fo ſchläfrig flau, wie Hr. Müller fie ſprechen Läßt, 
als Bothwell ihr den Tod Darnley’s meldet. Kurz, der Cha⸗ 
rakter diefer Maria ift weniger verzeichnet als mit Wafferfar: 
ben gezeichnet. Und das macht dies fonft mit Liche und Fleiß 
“ ausgearbeitete Drama, das in recht hübfchen Jamben geſchrie⸗ 
ben iſt, die hin und wieder nicht ohne einen poetifchen Schwung 
find, fo unbedeutend. Auch die meiften übrigen Charaktere vers 
flahen fih gar zu ſehr in das Allgemeine ber verfchiedenen 
Genres, in bie fie gehören. Die friſche urfprüngtiche Schöpfer: 
kraft der dichtenden Imagination hat fie nicht hervorgerufen. 
Bothwell und Morton find noch die vorzüglichften Figuren. Das 
Drama beginnt mit — Ermordung, deſſen ſuͤdlich leicht⸗ 
biätige, —2*8 ſche Sängernatur nicht‘ Gbel entworfen 
tft. Darniey’s Tod und Maria’ Verbindung mit Bothwell, 
der entfchieden als Darnley’s Mörber hingeftellt wird, bilden 
ben Gipfel des Stüds, das mit dem Schluſſe des dritten Actes 
bedeutend an Intereffe verliert. Bothwell wird erfchlagen, bie 
ſchottiſchen Lords befiegen die Königin, fperren fie auf Lord 
Herrey's Schloffe im See Ben Lomond ein, fie entflieht, ver- 
Uert abermals die Schlacht und rettet ſich nach England. Der 
Schluß ift Außerft ungenügend und Iäßt vollkommen Ealt, ba 
Zeri⸗ ſchattenartig verſchwindet. Die Sprache verdient, wie 
ſchon geſagt, vielfache Anerkennung. Sie iſt edel und kraͤftig, 
nur laͤßt der Verf. leider ſeine Perſonen viel zu viel ſprechen, 
wodurch denn die eigentliche dramatiſche Lebendigkeit, welche 
ohnehin den Muͤller'ſchen Vers nicht auszeichnet, ganz verloren 
geht. Als einziges Beiſpiel, wie der Verf. die Sprache hand⸗ 
habt, mag das Lob Maria's Hier ſtehen, das fie dem ſchotti⸗ 
ſchen Wolke ertHeilt, als Rizzio fih wundert, daß man in bies 
fen Rebelbergen noch beiten fein konne. 
ar 


a. 

Du ſiehſt das Äufre nur, du weißt ja nicht, 
Wie edle Blüten diefer Boden trägt! 
Wo if ein Voll, das mit dem meinen fid 
An kühnem Muth, an Freiheitsſinn verglige? — 
Seh nur getroft in jene Nebelberge 
Und jede Hütte findeft dus geöffnet, 
Man fragt nit, wer du bift, der Ghrenplag 
Am Herde wird dem Fremdling eingeräumt; 
Und wenn die Sommernacht dich uͤberraſcht, 
&o leg’ dich nur auf diefen Haiden fhlafen, 
Und fei’6 in dem Gebiete deines Feinde, 
Denn wenn du ſchlaͤfſt, fo hat er keinen Doll. 
Es if ein Land ber Helden — 


Daß es dem Derf. gelingen würde, auch bie Leidenſchaft zu 
ſchiidern, eine durch Schuld befledte Seele in ihrer Gewiſſens⸗ 
angft ergreifend barzuftellen, beweifen bie ſchwachen Anfänge in 
Maria’ Monologe, als fie die Srplofion hört, die ihren Gat⸗ 
ten in bie Luft fprengt. 

Du, Liebe — fhhte mic! 


Nimm mir das dunkle Schredibilb aus der Geele, 
Das tief, tief unten lauert! Taucht binab, 
Ihr graͤßlichen Geſtalten — laßt mid 108! 
Fort! Ich bin ſein! 

Ha, wenn bie Erbe bebt, 
Wer will mir's dann verwehren? Iſt bie Erbe 
Doch nur ein leblos Ding und hat kein Herz, 
Und dennoch bebte fie. Ich aber hab’ 
Gin Herz, dad ahnt, was dies bedeutet und 
Ich fol nit zittern, wenn ich weiß, es ift 
Sin Grab geöffnet und nicht weiß, für wen? 

Ich kann 

Nicht mehr allein fein, fürchterlich iſt mir 
Die Einſamkeit — ih will die Schwefler rufen. 
Und wenn fie kommt, was bann? — Er will ja fommen, 
Sr Hält fein Wort, und wie er auch erfcheint, 


Son will ich Hier erwarten. Wenn im Tobde 
Sein flarrer Blick mid ſucht, wie mid fein Her 
Im Tod umfaßt, wenn fih fein Arm zum Gruß 
Fuͤr mich no hebt ıc. 


80, Mansfeld und Tilly. Tragödie in fünf Acten. Won Dtto 
v. Ravensberg. Berlin, Reimer, 1840. 8. 16 Gr. 
31. Buftav Adolf und Wallenftein. Tragoͤdie in fünf Acten. 

Von Demfelben. Ghendafeltft. 1840. 8, 16 ®r. 

Der Pfeudonym Dtto v. Ravensberg ift Fein Neuling mehr 
in der dramatiſchen Literatur Deutfchlande, er bat ſchon zu 
verfchlebenen Malen das Yublicum mit feinem Zalent bekannt 
gemacht, aber das Publicum ift flörrig und mag nicht auf ihn 
bören. ine fo gaͤnzliche Nichtbeachtung verdient jedoch gerade 
diefer Pfeudonymus nicht, ba es ihm ſowol Ernft um die Sache 
ift, die er mit heroiſcher Begeiſterung pflegt, und da vielleicht 
nur das anerkennende Wort noch fehlt, um ihn zu freierm, 
eigenthümlicherm Auftreten zu veranlaffen. Wir vermiflen bis 
jest eben auch das Urfprüngliche an feinen Productionen, das 
alle Kraft der Rede, alle jugendliche Friſche der Begeifterung 
doch nicht zu erfegen vermag. Gin Verehrer Schiller's, ſchließt 
fih Dtto v. Ravensberg dieſem claffifhen Dramatiker — viel- 
leicht ohne fein Wiffen und Wollen — faft ſklaviſch an. und 
dies verurfacht namentlich bei dem Kritiker ein banges Unbeha⸗ 
gen, ohne daß er doch geradezu mit dem bichterifich geftimmten 
Autor hadern fann. Befonders fühlbar iſt diefe nicht zu em⸗ 
pfehlende Hingabe an Schiller ſche Dietion und Denkungsart bei 
den vorftehenden beiden Zragddien, bie eigentlich diefen Namen 
mit Unrecht führen, indem beide Probucte nur bramatifche Kampfs 
gemälde find, in denen ſich Scene an Scene flüchtig und oft 
ſehr willlürlich reiht und bie mit bem Tode bes jedesmalis 
gen Haupthelden naturgemäß, aber nicht kunſtvoll, abſchließen. 
Die verworrene Zeit des breißigjährigen Krieges ift die weite, 
blutige Bühne, auf welcher beide Tragoͤdien fpielen. Iſt jene 
Zeit reich an gewaltigen Perföntichkeiten, die wol in die knappe 
Kleidung eines Tünftierifch zugefchnittenen Dramas eingezgwängt 
werben koͤnnen, fo muß doch der bramatifche Dichter jedenfalls 
bei Stoffen aus jener Gefchichtsepocye bie ohnehin beifpielloß 
zerriſſene Handlung etwas zu einigen fuchen, wenn irgend ein 
Bild daraus entfliehen foll, das vom Afthetifchen Standpunkte 
aus nur einigermaßen befriedigt. Gerade dies ift es aber, was 
Dtto v. Ravensberg ganz unbeachtet gelaffen hat. Daher zers 
fahren beide Dramen völlig ins Planlofe, denn das lodere Ges 
ripp, welches die Stelle des Planes vertreten fol, Tann Ries 
mand bafür gelten laffen. Mit diefem Übelftande ift aufs engfte 
ein zweiter verbunden, daß nämlich gerade bie Hauptabfiht des 
Berf., ein Bild des Kampfes jener Zeit zu geben, großentbeils 
nicht. erreicht wird. Um bie Wüſtheit einer Beit zu fchildern, 
ift es weber nöthig, noch vathfam, felbft wüft zu werben. Nicht 
das 3erfahrene im Entwurfe, das Wilde, Wüfte, Unbändige 
der handelnden Charaktere, einige Eräftige Volksſcenen u. dgl, 
dienen bazu, ein lebendiges Bild verworrener Zuftänbe, eines 
gerlotterten Lebens zu geben. Es thut uns Leid, daß gerade 
Ravenöberg, dem fonft nicht unbedeutende Mittel zu Gebote 
ftehen, fi) fo gang vom Stoffe hat hinreißen Laffen, dermaßen, 
daß wir beide fogenannte Tragdbien als folche für gänzlich miss 
ungen bezeichnen mäüflen, obſchon wir gern bie Kraft ber Spras 
de, die nur zu oft ans Rhetoriſche ftreift, bie hin unb wieder 
ſichtbar werdenden glücklichen Griffe in der Gharakteriſtik und 
das nicht abzuleugnende Talent für dramatische Auffafiung des 
Lebens anerkennen. Nach biefem allgemeinen Urtheil über beide 
Producte bemerken wir nur, daß in bem zuerft genannten bie 
blutigen Kämpfe und das ruhelofe Umherſchwaͤrmen Mansfelb’s 
und Ziliy’s von Land zu Land mit allen Schreden und Greueln 
bes Fanatismus anfchaulicy gefchilbert werden, bis Mansfeld ſei⸗ 
nem GScidfale wie ein Held erliegt. Der Verf. bat fich fafl 
ganz -treu an dic Gefchichte gehalten, was ihn eben an jeber 
dramatifchen Gefchloffenheit verhinderte. Das zweite Drama, 
in welchem bie beiden glorreichen Helden bes breißtgjährigen 
Krieges, Guſtav Adolf und Wallenftein, figurtven, teifft derfelbe 


DE En ⏑ — 


1319 


Zabel hinſichtlich ber - zu großen Zerriſſenheit in ber Ökonomie 
bes Städes, wir fehen uns aber auch genöthigt, außerdem noch 

erade in dieſem Probucte das zu auffallende Anfchmiegen an 
Ehiler zu rügen. Es mag fein, daß es ſchwer ift, bei Zeich⸗ 
nung eines Charakters wie Wallenftein fi) ganz von ben Eins 
flüffen Schillers loszumachen, die gewiflermaßen von Jugend 
auf in unfer Kühlen und Denken übergegangen find; nichtes 
beftoweniger muß der Dichter darnach ftreben und fich, je ſchwe⸗ 
zer bie Aufgabe ift, deſto größere Mühe geben. Dtto v. Ra⸗ 
vensberg aber fcheint dies gar nicht eingefallen zu fein, und fo 
haben wir denn das für und keineswegs erfreuliche Schaufpiel, 
daß der Wallenftein Ravensberg’s faft ganz fo fpricht wie der 


Schillers. War dies Abfidht des Autors, fo Eonnte jedenfalls - 


die Veröffentlichung feines Dramas unterbleiben; fühlte er es ſelbſt 
aber nicht, fo bedauern wir aufrihtig, daß er fo wenig feine 
Driginalität überwachen Tann. Unferm Ermeſſen nach halten 
wir überhaupt die Wahl dicfes Stoffes für ſehr unvortheilhaft. 
Guſtav Adolf und Wallenftein können zufammen in einem Hra⸗ 
ma nie eine gute Rolle fpielen, es bat ſchon Noth genug mit 
einem allein. Vornehmlich ift der fchwebifche König ganz und 
gar keine dramatifche Perfon. Der Verf. hat fih nun zwar 
die möglichfte Mühe gegeben, eine Art von tragifcher Nothwen⸗ 
digkeit oder Schidfal, oder wie man es fonft nennen will, in 
fein Stüd zu verflechten, um den Tod Guſtav Adolf's drama: 
tif zu motiviren; es iſt ihm aber nur zum heil gelungen, 
und noch dazu durch eine völlig willkürliche und bier jedenfalls 
nicht zu billigende Faͤlſchung der Geſchichte, indem er den Her: 
309 Franz von Lauenburg zum Mörder des Könige macht, was 
befanntermaßen längft als unrichtig erwiefen if. Dabei erkens 
nen wir willig das viele Poetifhe, Kräftige, Schöne und Ge: 
lungme an, das biefe planlofen Dramen vor manchen beffer 
angelegten auszeichnet und ben Beruf des Verf. kund gibt. 
Der Rede mächtig und bewegt im Bergen, entftrömen ſei⸗ 
ner Feder oft trefflihe Bilder. &o z. B., als Guſtav Adoif's 
Gemahlin auf die Bitte des Königs, fie folle ſich freuen, ants 
wortet: 
Ich laͤchle ja! 
verfegt der König: 
Wie eine Weide, bie 


Ihr grünes Haar um Grabesurnen hängt! 


Dagegen verfällt er aber auch wieder faft immer in ben rhe⸗ 
torifchen, fententiöfen Pathos Schiller’s, fobald Wallenftein die 
Scene betritt. Gleich bei feinem erſten Erſcheinen beginnt er: 
Der ift nicht zu beneiden, ber nichts mehr 
Bu hoffen hat, weil feiner Wuͤnſche jeden 
Dos Gluͤck mit Iächelndem Erfolg gekrönt! 
Der if’, der an ber Himmelsleiter ſtets 
Erwartungsvoll zu neuen Höhen Elimmt, 
Und droht’ ihm jäher Kal! Warum denn zürn’ ich 
Mit meinem Shidfal heut! Der Schwede nimmt 
Mir nichtsé, fein Stern erliſcht, der meine ſtrahlt, 
Und etwas Wicht'ges geht am Himmel vor! — 
Die unfichtbaren Hände broben fehen , 
Das Buch zufammen vol geheimer Schrift — — 
— Die böfen Mächte ſind's, die tuͤckiſchen, 
Die mir den Bi in ihre Welt nicht gönnen ! 
und gleich darauf: 
Die Macht gebietet und bie Klugheit herrſcht; 
Wer fih nicht ſelber dienet, if ein Thor, 
Und und zum Dienfte ſchicket ih bie Welt. 
Wer greift nicht nach ber Hand, bie ihm dad Gluͤck 
Aus Himmelnahen Hoͤh'n entgegenfiredt! 
Was du befigelt, halte fell; was bu 
Ergreifen kannft, laß ed bir nicht entgehn, 
Dir iſt dad Kleinſte wen’ger nicht misgönnt ! 
Den Lürftenhut bed Reichs hab’ ich verbient, 
Zwei Derzogtbämer mir erworben, wäre 
So fern der Abfland einer Krone .nun? 
Hält’ Ih von Neuem wol ben Kriegeömantel 


Mir umgetban, bem Keaifer nur zu dienen, 

Der auf dem regendburger Tag mich bloßgeftellt? x. 
Iſt es nicht, als ob man Schiller fprechen hörte? Auch hat es 
uns gewundert, daß Otto v. Ravensberg moraliſch ben Cha⸗ 
rakter Wallenftein’s ganz fo wie Schiller erfaßt, obwol hier ebene 
falls eine Modification nicht allein nahe lag, fondern auch exs 
fprießlicher werden Eonnte. Daß Wallenflein Fein Verraͤther, 
kein Rebell war, ift längft erwiefen; dem Dichter muß es ins 
deß freigeftellt bieiben, wie er die nun einmal verunglimpfte 
Perfon des großen Feldherrn auffaflen will. Allein uns fcheint, 
als gewönnen Held und Dichter, wenn ber Lestere fi Mühe 
gäbe, die poetifche Geſtalt der hiſtoriſch beglaubigten fo nahe 
als irgend möglich zu rüden. Hier und ba erinnert ber Verf. 
auch an Shaffpeare. Wir würden bergleichen Ähnlichkeiten uns 
erwähnt lafien, fähen fie dem Driginale nicht gar zu ähnlich. 


Man höre: 
Der Himmel flürmt 

-Mit Schredgebilden, Blätter ſchwigen Blut, 

Und Kriegeöfhuren, ganz in Stahl gerüftet, 

Auf Beuerroffen braufen durch die Luft. 
Hier darf man nur „Julius Caͤſar“ von Shakſpeare nachichlagen, 
um mit einigen Wortveränderungen ben Urtert berzuftellen. 
Dhne den Autor dieſer Ähnlichkeiten halber eines Plagiats zu 
befhuldigen, wollen wir ihm durch Anführung berfelben nur 
größere Behutfamkeit für die Zukunft empfehlen, indem bie 
Kritik im Allgemeinen weit eher das Tadelnswerthe ſchonungs⸗ 
108 hervorhebt, als das Gute nur leife anerkennt. 


32. Ulrich, Herzog von Würtemberg. Hiftorifches Schaufpiel in 
fünf nern von Chr. Kuffner. Wien, Mausberger. 1840, 


. r. 
33. Die Maltheſer. Hiſtoriſches Schauſpiel in drei Acten. Bon 
. Demfelben. CEbendafelbfl. 1840. 8. 16 Gr 

Auf diefe beiden Schaufpiele läßt ſich das Sprüchlein 


„Biel Geſchrei und wenig Wolle‘ trefflih anwenden. Das 


Hofburgtheater in Wien bat zwar das Publicum durch Auf⸗ 
führung berfelben ergögt, vieleicht auch nicht, der Hr. Berf. 
ermangelt nicht in einer Vorrede gu den „Maltheſern“ von ber 
hohen Begeifterung zu fprechen, bie ihn von jeher bei Nennung 
bes Namens La Balette ergriffen babe; allein trog biefer Be⸗ 
geiflerung, troß ber Benutzung des Schiller’fchen Planes, trotz der 
Aufführung im wiener Hofburgtheater find dennoch „Die Mals 
theſer“ ein Höchft mittelmäßiges und „Ulrich von Würtemberg‘ 
ein fchlechtes Drama. In den „Maltheſern“ wirb die Belages 
rung Maltas von ben Zürlen 1565, oder vielmehr die heidens 
müthige Vertheidigung der Infel buch bie Drbensritter unter 
Anleitung bes Großmeiſters Valette versweiſe erzählt, d. h., 
es werden lange Reben von diverſen Rittern gehalten, etwas 
Liebeszuthat muß halb als Zwiſchen⸗, halb als Nachkoſt das 
quälende Einerlei langweiligen Redens von Ruhm, Nitterlichkeit 
und Zob würzen helfen; ein plumper algieriſcher Corſar, Dras 
gut, der als liffig ausgegeben wird, hilft ben lahmen Berfen 
durch Träftige Fluche auf und fpielt den Spion und Verräther, 
ohne zum Zwede zu kommen, und fo endigt das Schaufpiel 
mit ber Verherrlichung des Ordens und bem ſchmaͤhlichen Tode 
ber Liebenden. Noch weit unbebeutender und kaum lesbar iſt 
das zuerfl genannte Drama „Ulrich, Herzog von Würtemberg‘“ 
Diefes aller Poefie bare, nur aus hoͤchſt trivialem Geichwäg 
beſtehende Schaufpiel ift eigentlich den „Lichtenſteinern“ bes vers 
florbenen Wilhelm Hauff nachgebildet, und zwar in fo auffals 
lend bequemer Weiſe, daß ganze Situationen jenes werthoollen 
Romanes bier, nur Indglichtt fad dramatifirt, erfcheinen. Auch 
das eingeflochtene Liebesverhältniß entfpricht genau der Anla 

Hauff's, ſodaß denn Hrn. Kuffner Fein anderes Verdienſt übrig 
bleibt, als das ber fchlechten Verſe und einer hoͤchſt mittelmäs 
Bigen Profa. Bon Fünftlerifcher Anorbnung, von Verftändnig 
der Ökonomie eines Dramas kann gar nicht die Rede fein; es 
ift blos ein Stück, worin eine Menge Perfonen auftreten, ihr 
Sprüdlein berfagen und wieder fortgehen. Nirgend eine Noth⸗ 
wenbigteit, daß dies fo und nicht anders fein Tönne! Rur 


1316 


den. So wenig Hoffnung auch ba fein mag, daß man 
in einer von wilden Leidenfchaften, niedriger Dabfucht und 
unverfhämter Herrfchbegierde tief beivegten, von Wahn, 
Betrug, Beſtechung, Lift und unſchluͤſſiger Vielwiſſerei 
bintergangenen und gelähmten Zeit bie aufrichtig ge: 
meinten Ratbfchläge dieſes Werkes in Erwägung ziehen 
werde, fo glauben wir doch, daß der einfichtevolle Verf. 
nicht ganz in der Wuͤſte und ganz tauben Ohren ges 
predigt hat; wie wenigſtens wuͤnſchen es von ganzem 
Herzen. 56. 





Die Caninefaten. Ein biftorifher Roman von 3. van 
Lennep. Aus dem Holländifhen überfegt von J. H. F. 
Lerz. Zwei Theile. Aachen, Mayer. 18410. Gr. 12. 
1 Zhle. 12 Sr. 


Ban Lennep ift in feinem Vaterlande als Romanſchrift⸗ 
fieller eine Rotabilität, gewiſſermaßen der bolländifche Walter 
Gcott; denn feitdem die dramatifche und epifche Poeſie nirgend 
einen rechten Anklang mehr findet, ift Walter Scott bas Mus 
fter, dem faft alle Talente nadjftreben wie dem Altmeifter aller 
Porfie, aber nur ben Wenigften gelingt es, auf diefem Wege 
einen poetifhen Höhepunkt zu erreichen, welcher über der Schnee⸗ 
linie der bloßen Unterhaltungsiecture liegt. Auch von Lennep 
kann man fagen, daß in ihm keine eigentlich poetifche Anſchau⸗ 
ungs⸗ und Geftaltungstraft fei. Wer bei den Romanfchreibern 
Jüngflee und älterer Zeit fleißig und aufmerkfam in die Schule 
scht, Tann dergleichen Romanoperationen ausführen, wenn er 
auch Feine filbfteigene poetiſche Baſis bat. Lennep’s Roman 
fpielt unter den Ganinefaten, einem bataviſchen Volkeſtamme, 
um die Zeit, als Civilis das Banner der Freiheit gegen bie 
römifche Herrſchaft erhob. Um biefe heibnifchen Urzuftände dem 
jetzigen Lefepublicum ein wenig ſchmackhaft zu machen, bat van 
£ennep in belannter Weife ein romantifches Liebesverbältniß 
eingefädelt, zwiſchen dem römifhen Hauptmann Aquilus und 
der GSaninsfaterin Ada. Dies Berhältniß, fo viele Hinderniffe 
ihm ſich auch in den Weg ftellen, nimmt einen glücklichen Aus⸗ 
gang; denn es ſteht in dem Bude im letten Gapitel (&. 251) 
gefhrieben: „Es waren noch nicht ſechs Monate verfloffen und 
die Burg Matilo, jegt wieberbergeftellt und verfchönert, ward 
Seuge einer intereffanten Feierlichkelt. Die Schwefter des edeln 
Brinio, die jungfräuliche Witwe des braven Markmann, wurde 
duch ihre Verwandten als Braut in die Arme des glücklichen 
Aquilus geführt. Roͤmiſche Üppigkeit und germanifcher Übers 
fluß vereinigten fi zu dieſer Hochzeitfeier. An nichts gebrach 
es dem feierlihen Mahle. Dank der Sorgfalt des Calpurnius!“ 
Galpurnius nämlich {ft ein anderer römifcher Offizier, eine Art 
gedämpfter Fallſtaff, ein gutmütbhiger und zugleich literarifch 
gebilbeter Schlemmer, ber alle Augenblide den Horaz citirt. 
Man kann ſich diefen Roman ſehr wohl in moderne Zeiten 
Übertragen denken. Aquilus wäre bann etwa ein Gapitain von 
der franzoͤſiſchen Garde, Galpurnius ein Feinſchmecker aus Pas 
sis, Brinio ein edler Franzoſenhaſſer, Übrigens Landwirth, Ada 
ein tuchtiges deutfches Mädchen, doch nicht ohne alle Senti⸗ 
mentalität, ebenfo wol wie Aquilus u. f. w. An einer gemwiflen 
Birtuofität fehlt es fonft dem bolländifchen Schriftfteller nicht; 
es gehört ja überhaupt nur Übung dazu, um fi auf einem 
Snftrumente einzufpielen. „Die Saninefaten‘ gehören in einen 
ganzen Cyklus von romantifchen Dichtungen, die unter dem 
Titel „Hollands romantifche Geſchichte“ fortgefeht werben fol- 
len und deren erfte Abtheilung fie bilden. Unſere Überfegungss 
firmen werden nicht ermangeln hierauf zu reflectiren, um unfere 
- deutfche Leſewelt, die für deutfche Erzeugniffe kaum noch Schmed: 


Bibliographie. 


Bayer, K., Die fittlihe Welt. Zeitſchrift für prakti 
Philoſophie. Iftes Heft. 8. Erlangen, Palm. 12 Gr. 

Altdeutsche Blätter von Moris Haupt und Heinrich 
Hoffmann. 2ter Band. Ates Heft. (Schlus.) Gr. 8. 
Leipzig, Brockhaus. 12 Gr. 

EGabiéres, rau v., Beonore von Wiran. Überfeht von 
anny Zarnom. 2 Theile. 8. Leipzig, Kollmann. 
hir. 12 Gr. 

ladung, 3. A. F., Kurze Aeſthetik für junge Damen. 

Als Encyklopaͤdie der fhönen Künfte ıc. 2 Bändchen. Er. 16. 

Vien ae ‚0 Pr She. 12 Gr. 

rankl, 8& A., Gedichte. . Re Brodhaus. 

1 Shir. 4 Sr. Pad ” 

Gelbcke, F. A., Octavianus Magnus. Gin ſatiriſches 
Gedicht in vier Geſaͤngen, allen wahren Freunden der Tonkunſt 
gewidmet. 8. Hamburg, Hoffmann u. Sampe. 12 Gr. 
Sos3t, C., Das laute Geheimniß. Romantiſches Luſt⸗ 
ſpiel in 5 Aufzügen bearbeitet von G. Blum. 8. Berlin, 
Schlefinger. 1841. 16 Gr. 

Hauch, 3. C., Cine polnifche Familie ober die verlornen 
Kinder. Rad einem Wanuferipte. 2 Theile. 8. Leipzig, 
. 2 Ihlr. 18 Gr. 

Kung, G., Gutenberg oder bie Grfindung ber Buch⸗ 
beuderkunft. Nebft einem Berichte über die vierte Gälulars 
feier dieſer Grfindung in Gtrasburg. 1840. Ein Gedenk⸗ 
und Leſebüchlein für Bolt und Schule. Mit 3 Abbildungen. 
12, Gtrasburg, Levrault. 8 Gr. 

Das Leben bes Könige von Preußen Friebrich Wilhelm bes 
Dritten. Gin Volks: und Kamilienbuch als Denkmal für Alle 
in Zrauer und Freude. ifte Lief. 8. Braunsberg u. Mobs 
zungen. 4 Gr, 

Müller, Ruffen und Mongolen. Bilder aus bem Wechſel⸗ 
kampfe biefer Völker. Ater Band, Gr. 12. Göslin, Senbeß. 
1 Thlr. 12 Gr. 

Naubert, B., Volksmährchen der Deutfchen. Reue Aus⸗ 
Fr in 1 Band. 8, Leipzig, Gebhardt u. Reis 

r. 

Nur nicht nach Norden! Bemerkungen auf meinen Reiſen 

in den Jahren 1839 und 1840, Aus den Memoiren des Grafen 

von S*’***, Gr, 12. Leipzig, Brodhaus. 1 Ipir. 8 Gr. 

Perlen des Orientes und Kernfprüche der Väter. Eine mes 
teifchegereimte Ueberfegung des talmudiſchen Traktates, betitelt: 
Pirke Aboth, von M. €, Stern. Gr. 8. Wien, %. Edler 
von — ch Sr. ; jr 

eife durch Salzburg und Throl nad Italien. Ifter Band. 

@r. 8. Düffelborf, Schreiner. 1 Thle. 12 Er. Br 

Skizzen aus dem Alltagsleben. Aus dem Schwediſchen. 
Ates, Stes Bändchen. Auch u. d. T.: Das Haus, oder Fas 
milienforgen und Familienfreuden. 2 Theile. 8. Leipzig, 
Brodhaus. 5 hir. 

Zalvj, Die Unächtheit der Lieder Offian’s und bes Macs - 
aperfon’fhen Oſſian's insbefondere.‘ Gr. 8. Leipzig, Brockhaus. 

r. 

Tarnow, Fanny, Geſammelte Erzählungen. Iſter 
Zter Band. 8. Leipzig, Kollmann. 2 a. 12 Gr. ' 

Ungarn und die Walachei in neuefler Zeit. Vom Grafen 
von P... Gr. 12, Leipzig, Ph. Reclam jun. 1 Thlr. 12 Er, 

Violen. Cine Sammlung von Rovellen und Erzählungen 
von beliebten Schriftftelleen. 2 Bände. Gr. 12. Wien, 93. 
Stoͤckholzer von Hirſchfeld. 1 Thlr. 

WBeihnachtsbläten. Ein Almanach für die Jugend auf bas 
Jahr 1841. In Verbindung mit Andern herausgegeben von 
Buftav Plieninger. ter Jahrg. Mit Stapiftichen. 12%, 
Stuttgart, Belſer. 1 Thlr. 10 Gr. 

Wieſe, ©, Don Yuan. Zrauerfpiel in fünf Acten. 8. 

r. 


gabe. 
land. 


und Riechwerkzeuge hat, nun auch einzuholländern. Leipzig, Brockhaus. 1 Thlr. 6 & 
Verantwortliger Herausgeber: Heinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von F. 4. Brockhaus in Leipzig. 





Bıdatter  —-. - 


für 


Titerarifbe Unter ba 1tung. 





Dramatiſche Buͤcherſchau für das Jahr 1839. 
Dritter und legter Artikel *) 

So bedeutend die Anzahl der dramatifchen Ptoductio— 
nen if, die uns noch vorliegen, fo unbedeutend, um nicht 
zu fagen werthlos, find fie in Bezug auf ihren. Gehalt, 
fodaß einige Aufopferung dazu gehört, fo viel Werthioſes 
‚genau: durchzuſehen, um nur einiges Beſſere, nur einzelne 
Spuren eines bier und da fich regenden Talentes aufzu— 
finden! Dies ift in der That eine betrübende Erſcheinung 
um fo betrübender, als wir genöthige find, unter dieſen faſt 
vierzig Dramen denjenigen ben Vorzug zuzugeftehen, welche 
uns durch Uberfegungen.aus dem Auslande überliefert wor⸗ 
den find. Die Frage, woher kommt dies? liegt nahe, bie 
Antwort aber, bie wir darauf geben möchten, kann felt 
ſam ſcheinen. Es ift naͤmlich unfere Überzeugung, dag 
auch das beutfche Drama größtentheild durch die Über» 
ſchwemmungen, die regelmäßig von Jahr zu Jahr das 
Brachfeld unferer gefammten Literatur verheeren, mehr und 
mehr niedergedrhllt wird. So kommt es denn, daß nes 
ben den Überſetzungen guter und ſchlechter Stade von Ori⸗ 
ginaldramen nur biejenigen zum Druck gelangen, welche 
die röfpeetiven Autoren. umfonft oder gar auf eigene Ko— 
ſten in den Buchhandel geben. Und das find, mie ſich 
ieicht denken läßt, ‚gewöhnlich die unbedeutendſten, da ein 
wahrhafter Dichter ſich fo leicht nicht entſchließt, ein poe- 
tiſches Werk ſo ganz und gar dem Winde preiszugeben. 
Kleber behält er e6 im Pulte und erfreut ſich daran mit 
wenigen poetiſch gefinnten Freunden. Daß es in Deutſch⸗ 

. Iand- eine große Anzahl folher im Pulse ruhender, mern 
nicht - mufterhafter, doch gewiß poetiſcher Dramm ’gibt, 
"darauf möchten wir wetten; was hilft es uns aber, wenn 
wir den. Bann nicht aufheben koͤnnen, der fie ausſchließt 
von der Kiteratur und von der Bühne! 

Halten win uns nun an das Vorhandene und kehren 
+ zu ben bedauernowerthen Schlachtopfern eines undegreifli⸗ 
hm Schickſals zutuͤck, fo gerathen wir diesmal felbft in 
eine unangenehme Klemme. Unſer kritiſches Bewußtſeln 
veigt und wider Willen zus Härte und Strenge auf, wäh: 
vend dee Wunſch, auch In dem Verfehiten, dem Schwa⸗ 
hen ober Formloſen den guten Willen, das unentwickelte 
Talent, Fleiß und Mühe anerkennen zu wollen, uns toie: 

gt den erfien und zweiten Art. in Rr. 126 - 129 und 
20 d Bl. D. Red. 





ber mild und nachſichtig flimmen möchte. Zuteht wiuß, 
wie Überall, fo auch bier, die Hoffnung auf ein-Wefferes, 
das uns die nächfte Zukunft verbirgt, mit ihrem milden 
Troſt auch unfer Urtheil mäßigen, ohne es zu beſtechen i 


29. Meria, Königin von. Schottland. Dramatifces @el in 
fünf Aeten. Won Hermann Müller. Altona, 
vi. 1840, 8. 1 Ihe, 
Die Lebensgefchichte der ın 
iſt ſchon fo k zu dramatiſch 
daß es nur einem eminenten 
faft esthöpften Quell aufs ne 
porfptubeln zu laffen. Selbſt 
theils mit den wirktichen Borg 
theils und vornehmlich mit d: 
im Vergöttern wie im Verdan 
natiſchen Yublicums zu kamp 
fein Gente, kaum ein Kalent, 
des Thema zu wagen, verdien 
tung. Müller bat ſich nun zı 
Schiler aus dem Leben Maria 
lic die Ermordung Rizzio's, 
Xöbtung ihres Gemahle Darn 
well und den für fie fo ungli 
aus allen diefen Borgängen en 
tors hat demnach nicht die gı 
Zrauerfpiel und Tann füglid 
auffodern; allein die Perföntic 
mal dur Schiller zu einem poetifchen in feiner Art vollende⸗ 
ten Gavakter erhoben worben tft, "birfe fäwebht dem Eefer Stets 
vor Augen. Ohne Hücfiht auf bin At 


fe Königin zu einem poetiſchen 
® in die Mitte der 


Königin imponirte. Statt beffen aber, was gibt uns Müller? 
Ein Weib, das Rhlm 

ur andern büpft, das ‚vor. dem n bes ;Gattenmorbes 
faum mit. einiger Rofstterie vefähehtt, mahher ebenfo gleichgäls 
tig ben neuen Gatten :vergißt, ſich aus Kächerlichem deichtſinn 
einem fchrärmetifdgen Iünglinge (Dongias) in die Arme 
wirft und, nachdem AHles verloren if, :ebenfo leichtſinnig bie 
Flucht ergreift. Dies iſt aber weder ein Hiftortich wahres, noch 
ein poetifäyes Sonterfei Maria’s. Der Verf. konnte ihr alle 
Züge laffen, welche bie Seſchichte ihrem Charakter gegeben; er 
konnte fie teichtfinnig, flatteehaft, etel, verfiebt fhildern, aber 
ee mußte in Momenten, wo die Beibenfchaft des Weibes mit 
dem furchtbaren, blutigen Dämon der raͤchenden Nemefis in 


1318 


= 


Gonfliet gerieth, auch bie gewaltige Seele Maria Stuart's in 
Wort und That hervorbrechen laſſen. Gin fchönes, liebendes 
und zwar leidenfchaftiich Liebendes Weib, wie Maria es war, 
ſpricht nicht fo ſchlaͤfrig flau, wie Hr. Müller fie ſprechen läßt, 
als Bothwell ihr den Tod Darnley’s meldet. Kurz, ber Cha⸗ 
rakter diefer Maria ift weniger verzeichnet als mit Wafferfar: 
ben gezeichnet. Und das macht dies fonft mit Liche und Fleiß 
“ ausgearheitete Drama, das in recht hübfchen Jamben gefchrie: 
ben ff, die hin und wieder nicht ohne einen poetifchen Schwung 
find, fo unbedeutend. Auch die meiften übrigen Charaktere vers 
flachen ſich gar zu fehr in das Allgemeine der verfchiebenen 
Genres, in bie fie gehören. Die frifche urfprüngliche Schöpfers 
Traft der dichtenden Imagination hat fie nicht hervorgerufen. 
Bothwell und Morton find noch die vorzüglichften Biguren. Das 
Drama beginnt mit Rizzio's Ermordung, deffen Südlich Leichte 
biätige, (deesdaft iron fe Sängernatur nicht‘ übel entworfen 
tft. Darnley’s Tod und Maria’d Verbindung mit Bothwell, 
der entfchieden als Darnley's Mörder Hingeftellt wird, bilden 
ben Gipfel des Stüds, bas mit dem Schluffe des dritten Actes 
bedeutend an Intereffe verliert. Bothwell wird erfchlagen, bie 
ſchottiſchen Lords befiegen bie Königin, fperren fie auf Lord 
Herrey's Schloffe im See Ben Lomond ein, fie entflieht, ver⸗ 
liert abermals die Schlacht und rettet fig nad) England. Der 
Schluß ift äußerft ungenügend und laͤßt volllommen kalt, da 
a fhattenartig verfchwindet. Die Sprache verdient, wie 
fon gefagt, vielfache Anerkennung. Sie ft edel und Eräftig, 
nur läßt der Verf. leider feine Perfonen viel zu viel fprechen, 
wodurch denn die eigentlie bramatifche Lebendigkeit, welde 
ohnehin den Muͤller'ſchen Vers nicht auszeichnet, ganz verloren 
gebt. Als einziges Beifpiel, wie ber Verf. bie Sprache hand: 
habt, mag das Lob Maria’s hier ftehen, das fie dem ſchotti⸗ 
fhen Wolke ertheilt, als Rizzio fi) wundert, daß man in bies 
fen Rebelbergen noch heiter fein Eönne. 
Maria. 
Du fiehſt dad Tußre nur, du weißt ja nicht, 

Wie edle Blüten diefer Voden trägt! 

Wo if ein Voll, dad mit dem meinen fi& 

“An kuͤhnem Muth, an Freiheitsſinn verglige? — 

Geh nur getroft in jene Nebelberge 

Und jede Huͤtte findet du geöffnet, 

Man fragt nit, wer du bill, der Ghrenplag 

Am Herde wird dem Prembling eingeräumt; 

Und wenn die Sommernacht dich überrafcht, 

So leg’ bi nur auf diefen Haiden fchlafen, 

Und fei’8 in bem Gebiete deines Feinde, 

Denn wenn bu füläflt, fo bat er keinen Dolch. 

Es iſt ein Land ber Helden — 


Daß es dem Berf. gelingen mwürbe, auch bie Leidenſchaft gu 
ſchiidern, eine durch Schuld befleckte Seele in ihrer Gewiſſens⸗ 
angft ergreifend darzuftellen, beweifen die ſchwachen Anfänge in 
Maria's Deonologe, als fie bie Erplofion bört, bie ihren Gat⸗ 
ten in bie Luft fprengt. 

Du, Liebe — fhäge mid! 


Nimm mir das dunkle Schreckbild aus der Seele, 
Das tief, tief unten lauert! Taucht binab, 
Ihr gräßlihen Geſtalten — laßt mid los! 
Korti Ich bin fein! 

Da, wenn bie Erbe bebt, 
Wer will mir’d dann vermehren? Iſt bie Erbe 
Doch nur ein leblod Ding und hat kein Herz, 
Und dennoch bebte fi. IH aber hab’ 
Gin Herz, dad ahnt, was dies bedeutet und 
Ich fol nicht zittern, wenn ich weiß, es tft 
Sin Grab geöffnet und nicht weiß, für wen? 

Ich kann 

Nicht mehr allein fein, fuͤrchterlich ift mir 
Die Einfamleit — ih will bie Schweſter rufen. 
Und wenn fie kommt, was dann? — Er will ja fommen, 
Sr Hält fein Wort, und wie er auch erſcheint, 


Ihn will id bier erwarten. Wenn im Tode 
Sein flarrer Blick mich ſucht, wie mich fein Der 
Im Tod umfaßt, wenn fih fein Arm zum Gruß 
Fuͤr mi noch hebt ıc. 


50. Mansfeld und Tilly. Zragdbdie in fünf Acten. Won Otto 
v. Ravensberg. Berlin, Reimer. 1840. 8. 16 Gr. 
81. Guſtav Adolf und Wallenftein. Tragoͤdie in fünf Acten. 

Bon Demfelben. Ebendaſelbſt. 18420. 8. 16 Er. 

Der Pſeudonym Dtto v. Ravensberg ift Fein Neuling mehr 

in ber bramatifchen Literatur Deutfchlande, er hat ſchon zu 
verſchiedenen Malen das Publicum mit feinem Zalent befannt 
gemacht, aber das Publicum ift ftörrig und mag nicht auf ihn 
bören. Cine fo gänzliche Nichtbeachtung verdient jedoch gerade 
biefer Pfeudonymus nicht, da es ihm fowol Ernft um die Sache 
ift, die er mit heroifcher Begeifterung pflegt, und da vielleicht 
nur das anerkennende Wort noch fehlt, um ihn zu freierm, 
eigenthümlicherm Auftreten zu veranlaflen. Wir vermifien bis 
jest eben auch das Urfprüngliche an feinen Produttionen, das 
ale Kraft der Rebe, alle jugenblihe Friſche der Begeifterung 
doch nicht zu erfeßen vermag. Gin Verehrer Schiller’s, ſchließt 
fi Dtto v. Ravensberg dieſem celaffifhen Dramatiker — viel: 
leicht ohne fein Wiffen und Wollen — faft ſklaviſch an. und 
dies verurfacht namentlich bei dem Kritiker ein banges Unbeha⸗ 
gen, ohne baß er doch geradezu mit dem bichterifch geſtimmten 
Autor hadern fann. Beſonders fühlbar iſt diefe nicht zu em⸗ 
pfehlende Hingabe an Schillerfhe Diction und Denkungsart bei 
den vorftehenden beiden Zragdbien, die eigentlich diefen Namen 
mit Unrecht führen, indem beide Probucte nur bramatifche Kampfs 
gemälde find, in denen fi Scene an Scene flüdhtig und oft 
ſehr willlürtich reiht und bie mit dem Tode des jedesmalis 
gen Daupthelden naturgemäß, aber nicht kunſtvoll, abſchließen. 
Die verworrene Zeit des breißigjährigen Krieges ift die weite, 
biutige Bühne, auf welcher beide Tragoͤdien fpielen. Iſt jene 
Zeit reich an gewaltigen Perfönlichkeiten, die wol in die Enappe 
Kleidung eines Lünftierifch zugefchnittenen Dramas eingezwängt 
werben können, fo muß doch der dramatifche Dichter jedenfalls 
bei Stoffen aus jener Geſchichtsepoche die ohnehin beifpiellos 
erriffene Handlung etwas zu einigen fuchen, wenn irgend ein 
id daraus entftehen fol, das vom Afthetifchen Standpunkte 
aus nur einigermaßen befriedigt. Gerade dies ift es aber, was 
Dtto v. Ravensberg ganz unbeachtet gelaffen hat. Daher zers 
fahren beide Dramen völlig ins Planlofe, denn das lodere Bes 
tipp, welches die Stelle des Planes vertreten foll, Tann Nies 
mand bafür gelten laffen. Wit biefem Übelftande ift aufs engfte 
ein zweiter verbunden, daß nämlich gerade die Hauptabficht de# 
Verf., ein Bild des Kampfes jener Zeit au geben, großentheils 
nicht. erreicht wird. Um bie Wüftheit einer Zeit zu fchildern, 
ift es weder nöthig, noch rathſam, felbft wüft zu werden. Nicht 
das Zerfahrene im Entwurfe, das Wilde, Wüfte, Unbändige 
der handelnden Charaktere, einige Eräftige Wolksfcenen u. dgl 
dienen dazu, ein lebendiges Bild verworrener Zuſtaͤnde, eines 
zerlotterten Lebens zu geben. Es thut uns Leib, daß gerade 
Navensberg, dem fonft nicht unbedeutende Mittel zu Gebote 
fteben, fi) fo ganz vom Stoffe hat hinreißen laſſen, dermaßen, 
baß wir beide fogenannte Tragöbien als folche für gänzlich miss 
lungen bezeichnen müflen, obſchon wir gern bie Kraft der Spras 
de, die nur zu oft ans Rhetoriſche ftreift, die bin unb wieder 
fihtbar_ werdenden glüdtichen Griffe in ber Gharakteriftit und 
das nicht abzuleugnende Talent für dramatifche Auffaffung bes 
Lebens anerkennen. Nach diefem allgemeinen Urtheil über beide 
Probucte bemerken wir nur, baß in bem zuerfl genannten bie 
blutigen Kämpfe und das ruhelofe Umherſchwaͤrmen Mansfelb’s 
und Tilly's von Land zu Land mit allen Schreden und Greueln 
bes Fanatismus anfchaulich gefchilbert werden, bis Mansfeld feis 
nem Schidfale wie ein Held erliegt. Der Verf. hat fich faft 
ganz -treu an bie Gefchichte gehalten, was ihn eben an jeber 
dramatifhen Geſchloſſenheit verhinderte. Das zweite Drama, 
in weldem bie beiden glorreidhen Helden bes breißigjährigen 
Krieges, Guſtav Adolf und Wallenftein, figuriven, trifft derfelbe 


1319 


Kabel hinſichtlich der zu großen Berrifienheit in dee Okonomie 
bes Stüdes, wir ſehen uns aber auch genöthigt, außerdem noch 
gesabe in diefem Probucte das zu auffallende Anfchmiegen an 

hiller zu rügen. Es mag fein, daß es fchwer iſt, bei Beichs 
nung eines Charakters wie Wallenftein fi) ganz von ben Eins 
flüffen Schillers loszumachen, bie gewiffermaßen von Jugend 
auf in unfer Fühlen und Denken übergegangen find; nichtss 
beftoweniger muß ber Dichter darnach ſtreben und fich, je ſchwe⸗ 
zer bie Aufgabe ift, defto größere Wühe geben. Dtto v. Ra⸗ 
vensberg aber fcheint dies gar nicht eingefallen zu fein, und fo 
Haben wir denn bas für uns keineswegs erfreuliche Schaufpiel, 
daß der Wallenftein Ravensberg’s faft ganz fo fpricht wie der 
Schillers. 
die Veröffentlichung feines Dramas unterbleiben ; fühlte er es ſelbſt 
aber nicht, fo bedauern wir aufrichtig, daß er fo wenig feine 
Driginalität überwachen Bann. . Unferm Ermeſſen nach halten 
wir überhaupt die Wahl dieſes Stoffes für ſehr unvortheilhaft. 
Guſtav Adolf und Wallenftein können zufammen in einem Dras 
ma nie eine gute Rolle fpielen, es hat fhon Roth genug mit 
einem allein. Vornehmlich ift ber ſchwediſche König ganz und 
gar Feine dramatifhe Perfon. Dee Verf. hat fih nun zwar 
die möglichfte Mühe gegeben, eine Art von tragifcher Nothwen⸗ 
digkeit oder Schidfal, oder wie man es fonft nennen will, in 
fein Stüd zu verfledhten, um den Tod Guſtav Adolf's drama: 
tifh zu motiviren; es iſt ihm aber nur zum Theil gelungen, 
und noch dazu durch eine völlig willkürliche und bier jebenfauls 
nicht zu billigende Fälſchung der Geſchichte, indem er den Ders 
zog Franz von Lauenburg zum Mörder des Königs macht, was 
belanntermaßen längft als unridhtig erwiefen iſt. Dabei erken⸗ 
nen wir willig das viele Poetifche, Kräftige, Schöne und Ge: 
lungene an, das dieſe planlofen Dramen vor manchen beffer 
angelegten auszeichnet und ben Beruf bes Verf. kund gibt. 
Der Rede mächtig und bewegt im Bergen, entftcömen ſei⸗ 
ner Feder oft treffliche Bilder. So z. B., ald Guſtav Adoif's 
Gemahlin auf die Bitte des Königs, fie folle ſich freuen, ant⸗ 


wortet : 
Ich laͤchle ja! 
verſetzt der Koͤnig: 
Wie eine Weide, die 
Ihr gruͤnes Haar um Grabesurnen haͤngt! 


Dagegen verfaͤllt er aber auch wieder faſt immer in den rhe⸗ 
toriſchen, ſententioͤſen Pathos Schiller's, ſobald Wallenſtein die 
Scene betritt. Gleich bei ſeinem erſten Erſcheinen beginnt er: 
Der iſt nicht zu beneiden, ber nichts mehr 

Zu hoffen bat, weil feiner Wuͤnſche jeden 

Das SGluͤck mit laͤchelndem Erfolg gekrönt! 

Der iſt's, ber an ber Himmelsleiter ſtets 

Erwartungsvoll zu neuen Höhen Eimmt, 

Und droht’ ihm jäher Fall! Warum denn zürn’ ich 

Mit meinem Shidfal heut! Der Schwede nimmt 

Mir nichté, fein Stern erlift, der meine ſtrahlt, 

Und etwad Wicht'ges geht am Himmel vor! — 

Die unfihtbaren Hände droben ſetzen 

Das Bud zufammen vol geheimer Schrift — — 

— Die böfen Maͤchte find’d, die tüdifhen, 

Die mir den Bi in ihre Welt nicht gönnen ! 
und gleich darauf: 

Die Macht gebietet und bie Klugheit herrſcht; 

Wer fi nicht ſelber dienet, if ein Thor, 

Und und zum Dienfte fhidet ſich die Welt. 

Wer greift nicht nach ber Hand, bie ihm dad läd 

Aus Himmelnahen Hoͤh'n entgegenfiredit! 

Was du befigelt, halte feſt; was du 

Ergreifen kannt, laß ed bir nicht entgehn, 

Dir iſt dad Kleinfte wen’ger nicht misgoͤnnt! 

Den Fürftenhut bed Reichs hab’ ich verbient, 

Zwei Herzogthuͤmer mir erworben, wäre 

So fern der Abfland einer Krone nun? 

Haͤtte ih von Neuem wol ben Kriegeömantel 


War dies Abficht des Autors, fo Eonnte jedenfalls - 


„Biel Geſchrei und wenig Wolle” trefflich anwenden. 


Mir umgetban, dem Kalfer nur zu dienen, 

Der auf dem regendburger Tag mich bloßgeftellt? ꝛc. 
Iſt es nicht, als ob man Schiller fprechen hörte? Auch hat es 
uns gewundert, daß Dtto v. Ravensberg moralif den Cha⸗ 
rakter Wallenſtein's ganz fo wie Schiller erfaßt, obwol hier ebene 
falls eine Modification nicht allein nahe lag, fondern auch er⸗ 
fprießlicher werden Eonnte. Daß Wallenflein ein Verräther, 
fein Rebell war, ift Längft erwiefen; dem Dichter muß es ins 
deß freigeftellt bleiben, wie er die nun einmal verunglimpfte 
Perſon des großen Feldherrn auffaflen wid. Allein uns fcheint, 
als gewönnen Held und Dichter, wenn der Leptere fih Mühe 
gäbe, die poetiſche Geſtalt der hiſtoriſch beglaubigten fo nahe 
ald irgend möglich zu rüden. Bier und ba erinnert der Verf. 
auch an Shakſpeare. Wir würden bergleichen Ähnlichkeiten uns 
erwähnt lafien, fähen fie dem Driginale nicht gar zu ähnlich. 


Dean Höre: 
Der Himmel flürmt 

-Mit Schredigebilden, Blätter ſchwitzen Blut, 

Und Kriegeöfhuren, ganz in Stahl gerüftet, 

Auf Feuerroffen braufen durch bie Luft. 
Hier darf man nur „Julius Caͤſar“ von Shalfpeare nachſchlagen, 
um mit einigen Wortveränderungen ben Urtert herzuftellen. 
Dhne den Autor bdiefer Ähnlichkeiten halber eines Plagiats zu 
befhulbigen, wollen wir ihm durch Anführung derfelben nur 
größere Behutſamkeit für die Zukunft empfehlen, indem bie 
Kritit im Allgemeinen weit cher das Tadelnswerthe ſchonungs⸗ 
108 bervorhebt, als das Gute nur leife anerkennt. 


32, Ulrich, Herzog von Würtemberg. Hiftorifches Schaufpiel in 
fünf den von Chr. Kuffner. Wien, Wausberger. 1840, 
. r. 


33, Die Maltheſer. Hiſtoriſches Schauſpiel in drei Acten. Bon 
. Demfelben. Cbendafelbfl. 1840. 8. 16 ®r. 

Auf biefe beiden Schaufpiele läßt fih das Gprüchlein 
Das 
Hofburgtheater in Wien hat zwar das Publicum durch Aufs 
führung berfelben ergögt, vielleicht auch nicht, ber Hr. Verf. 
ermangelt nicht in einer Vorrede gu den „Maltheſern“ von ber 
hoben Begeifterung zu ſprechen, bie ihn von jeher bei Nennung 
bes Ramens La Balette ergriffen babe; allein trog biefer Bes 
geiflerung, trog der Benutzung des Schiller’fchen Planes, trog der 
Aufführung im wiener Hofburgtheater find dennoch „Die Mals 
theſer“ ein Höchft mittelmäßiges und „Ulrich von Würtemberg‘ 
ein fchlechtes Drama. In den „Maltheſern“ wird bie Belages 
rung Maltas von ben Türken 1565, oder vielmehr bie heidens 
müthige Vertheidigung der Infel durch die Orbensritter unter 
Anleitung des Großmeiſters Valette versweiſe erzählt, d. h., 
es werben lange Reben von diverſen Rittern gehalten, etwas 
Liebeszutbat muß halb als Zwifchen-, Halb als Nachkoſt das 
quälende Einerlei langweiligen Redens von Ruhm, Ritterlichkeit 
und Tod würzen helfen; ein plumper algierifcher Corfar, Dras 
gut, ber als liſtig ausgegeben wird, Hilft den lahmen Verſen 
duch Bräftige Küche auf und fpielt ben Spion und Berräther, 
ohne zum Zwecke zu kommen, und fo endigt das Schaufpiel 
mit ber Verherrlihung des Ordens und dem ſchmaͤhlichen Tode 
ber Liebenden. Noch weit unbebeutender und kaum lesbar iſt 
das zuerft genannte Drama „Ulrich, Herzog von Würtemberg‘ 
Diefes aller Poefie bare, nur aus hoͤchſt trivialem Geſchwaͤt 
beftehende Schaufpiel ift eigentlich den ‚‚Richtenfteinern‘ des vers 
ftorbenen Wilhelm Hauff nachgebildet, und zwar in fo auffals 
lend bequemer Weife, baß ganze Situationen jenes werthuollen 
Romanes hier, nur mögliche fad bramatifirt, erfcheinen. Auch 
das eingeflochtene Liebesverhältniß entfpricht genau ber Anlage 
Hauff’s, fobaß denn Sen. Kuffner Fein anderes Verbienft übrig 
bleibt, als das ber fchlechten Verſe und einer hoͤchſt mittelmäs 
ßigen Profa. Bon Lünftlerifcher Anordnung, von Verftändnig 
der Okonomie eines Dramas Tann gar nicht die Rede fein; «6 
ift blos ein Stud, worin eine Menge Perfonen auftreten, ihr 
Sprüdlein berfagen und wieder fortgehen. Nirgend eine Noth⸗ 
wendigfeit, daß dies fo und nicht anders fein koͤnne! Rur 


U. Golbguͤlden monatlich, nebſt ˖vier 


dad nur aben gugefügt werben; denn einmal wirb .mit 
An — Geſchmack vollends verderben, ‚und fodann 
“darf ein befferer Dichter gar nicht mehr wagen, ein wirklich 


Bon einer poetifchen Erfaſſung des Stoffes haben wir ‚n 


. Kerle Au gedenken. 
" piele Stellen, welche alles Lob verdienen und durch die Dietion 


| ſo erinnert bie einfache Würde der Sprache an Goethe, wähs 


-Mört, vornehmlich durch Einfliebung langer Zwiſchenfaͤte, ben 


* 


sine Probe von der Weeiferfchoft, mit welcher Hr. Kuffner den 
Bert: handhabt: 


WA ·ber Gere Herzog jebenr Mann’ des Momars 
.Eln'n dulden Thaler anf die: Hand, bann mir, 
2006 Oberſten, tele ben Sauptleuden, einen 


Maß alten Wein fir jeden Gag, 

Den’ Andern eine Maß vom A let ahige Di 
‚Barum das Hofburgtheater ſolche mittelmapige Dramen in 
eh fegt, begreifen wir nicht. Mer dramatifchen Poefie dann 


eetiſches und werthvolles Product einer Theatetdirecklon anzu: 


Bieten ohne befürchten in mäffen, daß er damit abgewieſen | 


werbe, tum bem-Mittelmäßigen den Vorrang zu laflen. 


84. Ariadne. Drama in. drei Abtheilungen, von Friedrich 
Dfann. Sraunſchweig, Vieweg u.Sohn. 1840, Gr.12, 12 Gr. 
Die bekannte Kabel, nicht ohne Gewandtheit ar — 
beshalb bleibt uns nur übrig, der Sprache und bes 
* Die Sprache iſt durchgängig edel, doch 
et Immer ‚glüdlich gewählt, dev Vers ſehr ungieich. Es gibt 


pürt; 


der Poefie ſich annaͤhern. Sp wenn Thefeus zu Phädra ſpricht: 
iht Zufall iſt's, der uns und finden Tiep 
Und unſte Hände ineinander ſchlang, 
Mothwendigkeit lag in der Macht des Blickes — 
— — Deiner Augen Bauber, 
Aus meiden eine reine Seele ſprach, 

Die liebend in mein Wefen &berging, 

Vermocht' ich nicht zu widerſtehen. — 

Bewundrung iſt der Liebe Quelle nicht; 

Ich kann verehren, wo ich haffen muß, 

Doch ‚Heben nicht ıc. 
Oder, wenn Endora zu Ariadne fpridt: 
Ergib di und, wie fonft, und Öffne 

In unfrer Mitte, die bu fonft belebt, 

Den Sinn bie wiederum für ſtille Freuden, 
Wie fie ber Frauen Leben harmlos bietet. 
Richt Hohem nachzuſtreben, iſt den Brauen 
Beſchieden: do in Kleinem groß zu fein, 

In Hiller Wirkſaukeit, bie ſichtbar ſchafft, 

Yür Andre hanbelnd felber zu genießen, 

Dat iſt der Frauen ſchoͤnſtes Loos und Biel — 


gend das Gententlöfe darin das Gebantengepräge Schiller's 
trägt. Oft aber vernachlaͤſſigt der Verf. andy bie Sprache und 


Stan. —** — ihn-ireulos, drohte ·mit Gewalt; 
Er lachte meiner Ohnmacht, und verſpottend 
Ariadned hraͤnen, hieß ar mich in Bande, 
Mich Freigebor'nen, Koͤnigsſohn und Held, 
Daß ih es war, erprobt’ am Minotauros 
Seh) ſchlagen. 
GDie Yertfegung folgt.) 
Mm selten. crudrich I 

Kaifer Karl V. antſchied — wie König von 
yeah I einem Briefe an den Grafen Solms in Berlin 
vom 21. Ian. 1780 erzählt — einen Bangftreit der Hofdamen 
über den Vortritt dahin: daß bie größte Närrin norausgehen 
folle.”) ine foldye Entſcheidung mußte aber nothwendig bie 


*) „Friebri der Große. ine Lebensgeſchichte von I. D. E. 
"Preuß (Berlin 1892), 3. Bd., ©. 188, Note 2. 


"| dert haben, welder S 





Murlle Meum Bwißis werben Abe den Machtiitt. Da alſo 
| ——— N, an · Hoͤfen zumal, vorkamen und vor⸗ 
5 IHR, ed wrn holt ahcht zu wie, N m 


‚gebracht: worden ſei, z. B.: 
Damit ein Jeder lerne frei, 
Mie ippt der Rang bei Hofe, Tel, 
BSo feh’ er dieſe Ordnung an, 
·Die Alles deutiich zeigen Tann. 
Der Premierminifter ſprach: 
Mir folgt der Dbermarfchall nad) ; 
Nah General: Heldmarfhalld Gang 
Koͤmmt Gabinetöminifier Rang; 
Die Gonferenzminifter fein 
Nehmen die fünfte Claſſe ein, 
Nebſt dem Dbermeifter sem Stall 


Unter den. Auskunftsmitteln,, Rangſtreitigkelten zu befeitis 
gen, wird (8.96) rt die Wahl des: Sitzens an siner 
vunden afel. So wmurde 1698 auf dem Gongreß zu Carlo⸗ 
min verfahren, mo die Geſandten des rmiſchen Kaiſers, ber 
Pforte, Rußlands, der Koͤnige von Polen und Großbritannien, 
dann ber Republik Venedig in einem runden Saale gafamı: 
‚menlamen, in welchen für jeden Gefandten eine eigene Thür 
fügrte- und in deffen Mitte eine runde Tafel fand, mach. ber 
Kr qus feinem vor bem Saale befindlichen Zelte durch Feine 
Thür auf ein Signal mit gleihen Schritten ging, bie Gefand⸗ 
ten fich einander becomplimentirten und gugleich jeder fi auf 
den feiner Thür gegenüberfichenden Stuhl fehte. Ebenſo gin⸗ 
gen der zuffifche und tuͤrkiſche Befandte 1737 auf dem Gongreß 
Mu Nimirow durch drei befondere Thuͤren in eine Art von Scheuer. 
Nah ber Meinung einiger NRechtsgglehrten iſt es (KG. 110), 
der befichenden Werbote gegen ben Bweilampf -ungegihtet , ı ers 
. laubt, wegen Rangitseitig eiten fich zu duelliren, wie denn fo: 

gar die Bifchöfe von Eichſtaäͤdt und Speier ihrer obwaltenden 
heftigen NRangftreitigkeiten wegen auf Pifkolen ſich herausgefo⸗ 
treit-aber in ben Jahren 1662 und 1664 
zum Vortheil bes Biſchofs von Eichftädt vom Kaiſer entfchieben 
worden ifl. Die Doctoren der Theologie haben (S. 172 fg.) 
ben Rang vor ben Doectoven der Rechte, diefe nor benen der 
Mebicin, und legtere vor denen der Philofophie, weil die Theo: 
logen für Dos, ewige Wohl der Menfchen, bie. Zuriften für bes 
ven zeitliches Wohl und die Mediciner nur für das Wohlfein 
des menschlichen Körpers Fi forgen haben, Die Philofophen wer: 
ben eines Grundes gar nicht gewürbiget. Noch ſchlimmer fommen 
(8. 269) die Maler und Pfeifer weg, welchen nad ber Mei⸗ 
nung eines Straud) (De coljeg. .opif. th. 57) und Andre. My: 
lius (Diss. de jure carnificum, Leipzig 1782) ber, Scharſcichter 
voranzugehen ‚bat. 





Die Fugger in. Augsburg beherbergtem Miſer Karl V. auf 
bas prächtigfte, Heizten unter Anderm den Kamin, an weldem 
der Kalfer ſaß, mit. Bimmetrinde und warfen im folcdhen eine 
bedeutende Schuldverſchreibung des Kaiſers. Ebenſo verbranns 
ten die venetianifchen Gefanbten in Gegenwart bes Königs 
Heinrih IV. von Frankreich einige von biefem der Republik 


Sr habe 
noch nie eine ſchoͤnere Ilumination gefehen.” ' 25, 


Verantwortliher Deraudgeber: Heinrig Brodhaus. — Drud und Verlag von 8. 4. Brodhaus in Leipzig. 


Und auch der aͤlteſte Lofmarfchell m. f. w. ” 


ausgeftellte Schutbverfchreibungen, worüber ber König laͤchelnd 
| feinen Beifall zu erkennen gab mit den Worten: 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 








Dritter und legter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 347.) ‘ 
35. Der Trinker. Gchaufpiel in fünf Xufgügen, Hamburg, 
Hoffmann und Gampe. 1840. Gr. 12, 16 Er. 

Der ungenannte Verf. biefes Schaufpiels ift ein talentvols 
ler Dann, das beweifen ſchon bie vielen intereffanten Fehler 
deſſelben. Leiber hat es deren fo viele, daß Alles drunter und 
drüber geht, und zuletzt felbft die Abficht des Autors: von ber 
Zrunkfacht abzufchreden, in den Wind verpufft. Secretair Als 
berti, ein Ienntmißreicher junger Dann, hat fih dem Trunke 
ergeben und wird: von biefem Lafter fo beberricht, daß er end: 
en die größte Noth geräth. Won Gläubigern gebrängt, von 
ſeinen Schwiegeraͤltern verlafien, auf dem Punkte, bes Amtes 
entfeht gu werden, will ex ſich an einer ihm anvertrauten Kafle 
vergreifn. Er findet den Schlüffel dazu nicht, läßt bie Kafle 
Mfoen und fiede ba — fie ift bereits ausgeplündert! Diefen 
- Dietitahl het ein Spieler, Säufer und Wollüſtling, v. Zäl: 
ſcher, begangen, theils um ſich Gelb zu verfchaffen, theils auch, 
um fih an Alberti’s tugendhafter Frau, Ida, bie er zu ver- 
führen gefucht, zu rächen, noch mehr aber an beren Dienftmäb- 
hen Kaͤthchen, die ihn ein paar Mal nach Frauenzimmerart tüch⸗ 
tig hat ablaufen Laffen. Er ſteckt naͤmlich den Schlüffel zur 
Kaffe, welchen ex dem betrunkenen Alberti geftohlen, in Kaͤth⸗ 
chens Koffer, mittels weldyes Kniffes, mag ber Leſer fich ſelbſt 
buzu denken. Als nun ber Schlüffel dort gefunden und Käth: 
chen fonach des Diebftahls befchuldigt und gewiſſermaßen fact 
überführt wird, verliert fie ben Verſtand und flirbt. Alberti 
ift durch dies Unglüd zur Vernunft gefommen, er wird ein 
oebentlicher Mann und vom Kürften feines früheren Leichtfinns 
wegen begnabdigt, Fälſcher aber, den man mittlerweile aus Ver: 
dachtsgruünden doch auch einzieht, erfährt den Tod Kathchen's 
und gugleich ‚ daß ein Kellner feinen Diebſtahl belaufcht 
hat. Darüber ſchlaͤgt er in fi) und erhenkt ſich ſelbſt. Dies 
die Slizge, aus dee ſchon zu erfeben iſt, baß der Autor auf 
eine wunderliche Weise mit feinen Figuren und ganz unbegreif: 
lich mit des postifchen Gerechtigkeit umfpringt. Statt daß den 
Trinker Alberti das Werhängniß ereilen follte, ſtirbt das un- 
fehuldige mumtere Kaͤthchen Knall und Fall durd die Niebers 
trädtigkeit: — die Derjon — anfes Er⸗ 
adptens gänzlich .ü 8, für die kunſtgerechte rung 
n Dramas, da fein Diebftahl nicht fhlechthin mit Arberti’s 
Hang zum Trinken zufammenhängt. Alberti müßte ohne Käls 
Schee’s Zwiſchenhandlung die Strafe ereilen, Kaͤthchen aber durfte 
von Redhts-wegen gar nichts geichehen. Denn fo, wie das Stüc 
t ſchließt, beareifen wir gar nicht, wie fein Inhalt zu den 
Worten im Prologe paßt, wo ber Verf. doch fagt: 

So fbheut dad Laſter denn, bied graufe Lafter, 
Das ringe umher in euern Kreifen wüthet, 
Das allverbreitet, aud am meiften mit 
Den ewigen Gefeben der Natur 
Sm Streite if, das ſpielend euch umfäleicht, 


Montag, — — Ir. 328. 





werden, und doth tzan? fie Leinen Tropfen! 
:gegen wird nach mancherlei Zrübfalen ein ganz angefihener und 
geachteter Mann. 
-beachtenswerthes Xalent in biefem S 


23. Rovember 1840. 


I nn ır none 





Doch plbtzlich mit des Raubthierd ganzem Grimme 

Die Beute part und wäthend fie zerfleifiht. 
Im Schaufpiele fehen wir mm das arme Kathchen gerfleifcht 
Der Saͤufer das 


Bei allebem aber fpricht ſich dennoth ein ſehr 

—* aus. Der Verf. 
verficht zu charakterifiren, er beſitzt hinlaͤngliche Erfindunge⸗ 
gabe und es fehlt ihm weber an poetifchen Intuitionen, noch 
an Kraft der Sprache, um ebenfo‘ bie füßem Laute der Liebe, 


.ale das Aufbraufen ber Leidenfchaft in Worte zu Bleiben. Er 


ſelbſt ift fich auch feiner Kraft bewußt, er würbe fonft nicht im 
Prolog fagen: 

Erwartet nit ein leichtes Bühnenftäd, 

Wie eben ed bie Gegenwart verlangt ıc. 
Daß er weiß, was und wie die Bühne wirken fol, deuten bie 
fpätern Worte an, wo es heißt: 
Was ift der Bühne hohes Siel? — Sie fol 

Das Leben euch, bad ganz gewöhnfiche, 

Wie's Heute if, wie’d morgen wieber wied, 

Veredelt durch bie Kunſt, doch nicht verändert, 

In ihrem klaren Spiegel wiedergeben, 

Das iſt mein Biel, danach hab’ ih gerungen, 

Es feſtzuhalten, war Ich firtd bemüht. 
Das ketztere ift ihm aber nur ſchlecht gelungen! Zwar ſehen 
wir das Leben, wie e8 allenfalls fein kann, nur bie Veredlung 
durch die Kunſt ift nirgend zu erkennen. Wir erwähnten ſchon, 
daß dem Autor Kraft und Zartheit der Sprache zu Gebote 
ſtehe; Hierbei Lönmen wir aber nicht anzubenten vergeffen, daß 
ee fich hinſichtlich der Kraft zumellen etwas gar gu teen an bie 
Natur anfchlieft. Kann man bies auch nicht ſchlechthin ver: 
werfen, fo glauben wir doch, es verliert ein literariſches 
buct durch den Hinwegfall ſolcher Kraftausdrücke nichts. 
In der Regel aber iſt die Sprache des Verf. würdig, warm, 
von Leidenfchaft und Innerlichkeit So fagt Alberti zu feiner 


au: 

& "Du 'tennft daB zaͤhe Nez des Laſters nit. 

Wer nit bie erften Fäden kuͤhn zerreißt, 

Naher wird es zu ſpaͤt, ed weht ein Baden, 

Es knuͤpft ein Glied fich an Ps and’re feft, 

Und täglich zieht ed enger ſich zuſammen. 

Wie loder war ed erft, ih fühlte kaum 

Den leihten Druck, jetzt ſchmerzt es hie und ba, 

Schmerzt überall, preßt oft im Krampf bie Bruſt 

Zuſammen, daß ber ‘freie Athem fehlt, 

Umſchlingt den Hals, als wollt’ es mid erwürgen, 

Berwählt dad Mark und reist den feſten Bau 

Der eifernen Gefundheit aus den Zugen. 
Die Sefpräche bei. dem Fürften gwifchen dieſem und ‘feinen -Räs 
then, von denen der eine ein Stodariftofrat, ber andere ein 
vernünftiger Liberaler ift, machen den Befimungen bed Betf, 
zwar alle Ehre, finb aber nicht recht eigentlich am Plage. Rod 
Heber Hätten wir ihm jedoch die freilich aus dem Leben gegeifs 


Blätter 


für 


literariihe Unterhal tung. 








na nn —— 


Dramatifche Buͤcherſchau für das Jahr 1839. 
Dritter und legter Artikel. 
(Wortfegung aus Nr. MT.) 


35. Der Zeinter. Gchaufpiel in fünf Xufgügen. Hamburg, 
Hoffinann und Gampe. 1840. Gr. 12, 16 Er. 
Der ungenannte Berf. biefes Schaufpiels ift ein talentvols 
ler Mann, das beweifen fchon die vielen intereffanten Behler 
Beider hat es deren fo viele, daß Alles brunter und 
Driver gebt, und zulett felbft die Abficht des Autors: von ber 
Truntſacht abzufcheedten, in den Wind verpufft. Seeretair Als 
berti, ein Zenntmißveicher junger Dann, hat fi dem Trunke 
erneben und wirb- von biefem Laſter fo beberrfcht, daß er end⸗ 
Yich in die groͤßte Noth geräth. Won Bläubigern gebrängt, von 
feinen Schwiegerältern verlafien, auf dem Punkte, bes Amtes 
eritfegt gu werben, will ex ſich an einer ihm anvertrauten Kaffe 
gergreifen. Er findet den Schlüſſel dazu nicht, läßt bie Kafle 
öffaen und fiehe dba — fie ift bereits ausgeplündert! Diefen 
- Distfftabl hat ein Spieler, Säufer und Wollüftling, v. Zäl: 
ſcher, begangen, theils um ſich Gelb zu verfchaffen, theils auch, 
um fih an Alberti’s tugendhafter Frau, Ida, die er zu ver: 
führen gefucht, zu rächen, noch mehr aber an beren Dienfimäb: 
chen Kaͤthchen, die ihn ein paar Mal nach Frauenzimmerart tüch⸗ 
tig hat ablaufen laſſen. Gr ftedt nämlich den Schlüffel zur 
Kaffe, welchen er dem betrunkenen Alberti geftohlen, in Kaͤth⸗ 
chen’s Koffer, mitteld weldyes Kniffes, mag der Lefer fich ſelbſt 
Dazu denken. Als nun ber Schlüflel dost gefunden und Kaͤth⸗ 
chen fonach des Diebſtahls beſchuldigt und gemiffermaßen factifch 
überführt wird, verliert fie den Verſtand und flirbt. Alberti 
ift durch dies Unglüd zur Vernunft gelommen, ex wird ein 
ordentlicher Mann und vom Yürften feines fruͤhern Leichtfinns 
wegen beanebigt, Fälſcher aber, den man mittlerweile aus Ver: 
dachtsgsünden doch auch einzieht, erfährt den Tod Kathchen's 
und zugleich ‚ daß ein Kellner feinen Diebſtahl belaufcht 
hat. Darüber ſchlägt cr in fi und erhenkt fich ſelbſt. Dies 
die Sligge, aus bee ſchon zu erfeben ift, daß ber Autor auf 
eine wunderliche Weiſe mit feinen Figuren und ganz unbegreif: 
lich mit des poetifchen Brscchtigfeit umfpringt. Statt baß ben 
Teinker Alberti das Werhängniß ereilen follte, ſtirbt das un⸗ 
fchuldige muntere Käthchen Knall und Fall durch die Nieder⸗ 
trachtigkeit⸗ a ni ei Derfon —* uns Er⸗ 
achtans gänzlich -ü üffig für die kunſtgerechte Dur rung 
“ Dramas, da fein Diebſtahl nicht ſchlechthin mit Afberti’s 
Yang zum Trinken zufammenhängt. Alberti mußte ohne Faͤl⸗ 
Schee’ 6 Zwiſchenhandlung die Strafe ereilen, Kaͤthchen aber durfte 
von Rechts wegen gar nichts geichehen. Denn fo, wie das Stüd 
jetzt ſchleßt, begreifen wir gar nicht, wie fein Inhalt zu den 
Torten im Prologe paßt, wo ber Berf. doch Tagt: 
So ſcheut daß Lafter denn, dies graufe Zafter, 
Daß ringd umher in euern Kreifen wüthet, 
Das allverbreitet, auch am meiften mit 
Den ewigen Geſetzen der Natur 
Im Streite it, dad fpielend euch umſchleicht, 





Doch ploͤtzlich mit ded Raubthiers ganzem Brimme 
Die Beute part und wuͤthend fie zerfleiſcht. 
Im Schaufpfele fehen wir nur das arme Kathchen gerfleiſcht 
werden, und both tzant fie Beinen Tropfen! Der Sätfer das 
‚gegen wird nach mancherlei Zräbfalen ein ganz angefähener und 
geachteter Mann. Bei alledem aber fpricht ſich dennoch ein ſehr 
beachtenswerthes Xalent in biefem Shaufpieie aus. Der Be. 
verſteht zu charakterifiren, er beftat hinlaͤngliche Erfindungss 
gabe und es fehlt ihm weber an poetifchen Sntwitionen, noch 
an Kraft der Sprache, um ebenfo‘ bie füßen Laute der Liebe, 
als das Aufbraufen der Leidenichaft in Worte zu kleiſden. Er 
ſelbſt ift fich auch feiner Kraft bewußt, er würde fonft nicht im 
Prolog fagen: 
Erwartet nit ein leichtes VBuͤhnenſtuͤck, 
Wie eben eb die Gegenwart verlangt ıc. 
Daß er weiß, was und wie die Bühne wirken fol, deuten bie 
fpätern Worte an, wo es heißt: 
Was ift der Bühne hohes Ziel? — Sie fol 
Dad Leben euch, das ganz gewöhnliche, 
Wie's heute iſt, wie's morgen mwieber wieb, 
Veredelt durch bie Kunſt, doch nicht verändert, 
In ihrem Maren Spiegel wiedergeben, 
Das ift mein Biel, danach hab’ ich gerungen, 
Es feftzuhalten, war ich firtd bemäht. 
Das Eeptere iſt ihm aber nur ſchlecht gelungen! Zwar fehen 
wir das Leben, wie es allenfalls fein Tann, nur bie Veredlung 
durch bie Kunſt ift nirgend zu erkennen. Wir erwähnten fon, 
daß dem Autor Kraft und Zartheit ber Sprache zu Gebote 
ftehe; Hierbei Fönmen wir aber nicht anzudeuten vergeflen, daß 
er fich Hinfichtlich der Kraft zumellen etwas gar zu tven an bie 
Natur anſchließt. Kann man bies auch nicht ſchlechthin ver: 
werfen, To glauben wir doch, es verliert ein literariſches 37 
buct durch den Hinwegfall folcher Kraftausdrücke gar nichts. 
In der Regel aber iſt die Sprache des Berf. wärbig, warm, 
u Leldenſchaft und Innerlichkeit. Go fast Alberti zu feiner 
au: 


"Du tennft bad zaͤhe Net des Lafters nit. 

Mer nicht bie erften Faͤden Pühn zerreißt, 

Nachher wird es zu fpät, es webt ein Kaben, 

Es knuͤpft ein Glied fih an Gh8 and’re Te, 

Und täglich zieht es enger fih zufammen. 

Wie locker war ed erft, ich fühlte kaum 

Den leichten Drud, jetzt ſchmerzt e8 bie und ba, 

Schmerzt uͤberall, preßt oft im Krampf bie Bruſft 

Zuſammen, daß der freie Athen fehlt, 

Umſchlingt den Hald, als wollt' ed mid erwuͤrgen, 

Zerwuͤhlt dad Mark und reist den feften Bau 

Der eifernen Geſundheit aud ben Fugen. 
Die Sefpräche bei dem Fürften zwiſchen diefem und feinen Räs 
then, von denen der eine ein Stockariſtokrat, der andere in 
vernünftiger Liberaler iſt, machen den Befinmungen bes Verf 
zwar alle Ehre, find aber nicht recht eigentlich am Platze. Ko 
Heber Hätten voir ihm jedoch die freilich aus dem Leben gegrifs 


1922 Ä 


J 
enen en Schwafeleien der Leidenfrau und Krankenwaͤr⸗ 
— een Sie gehören gar nicht mit zur Handlung und 
flören fogar den 2efer, wie vielmehr die Darftelung! Übers 
haupt ift dies Schaufpiel nicht Leicht aufführbar, wir zweifeln 
aber nicht, baß der Verf. bei feinem unverfennbaren bebeutens 
den Talente ohne große Mühe ein vecht tächtiges Theaterſtück 
liefern Tann, und wir wollen uns freuen, wenn er es recht 
bald dazu bringt. 
86. Dramatifche und lyriſche Verſuche von Leopold Engels: 
berg. Wien, Zendler u. Schäfer. 1839. Gr. 12. 18 Gr. 
Hr. Engelöberg fagt im Vorwort zu diefen feinen „Verſu⸗ 
chen‘: Kir übergebe biefes Stüd aus dem Grunde der Of⸗ 
fentlichkeit, weit ich leider die Erfahrung gemacht habe, daß es 
falſch abgefchrieben auf vielen Bühnen herummandeln mußte, 
und beleuchte keineswegs die Art und Weife, wie manche Büh: 
nen zu demfelben gelangt find.’ Dies Stüd, bas Hr. Engels: 
berg ber Öffentlichkeit Lieber nicht hätte übergeben follen, Heißt: 
‚Der junge Barbe, oder der Fleine Improviſator“, und führt 
eine ausnehmend fchlecht gelungene Lithographie biefes Barden 
als üherflüffigen Ballaſt bei fih. Der junge Barde ift ein 
Knablein von 14 Sahren, eigentlich eine Waife, uneigentlich 
aber ein angenommenes Kind. Geine Pflegemutter iſt von Th: 
rem Vater mit einem Liebhaber entlaufen, ber Water hat ihr 
geflucht, ber Liebhaber iſt ihr untreu geworben und fpäter in 
einem Duell geblieben. Dies ift ber eigentliche Vater des Im⸗ 
provifators. Nun kommen biefer Morig und feine Quaſimut⸗ 
tee mit ihrem alten Vater zufammen, der von dem Talente 
des Knaben zur Verzeihung beflimmt wird. Von dem groß: 
artigen Talent bes jungen Barden Tann man fi durch fol: 
gende Probe eine Vorſtellung machen: 
Sicher meinft bu, Derr, bie Poefie; 
Nun, den ſchwachen Funken gab mir die Natur; 
Ohne diefen Funken Eannft bu nie, 
Nie ein Barde fein. Doch höre weiter nur. 
Run, das muß Bott wiflen, ſchwach genug ift der Funken von 
Poeſie, welcher in die Seele Hrn. Engelsberg's gefallen iſt, fo 
ſchwach, daß wir ihn in der That gar nicht entdeden koͤnnen. 
Die lyriſchen Verſuche zu beurtheilen, kommt uns eigentlich nicht 
u, da fie mit dem Drama nichts zu fchaffen haben. über bie 
nbhängfel bdiefes Wüchleins erlauben wir uns aber doch ein 
Wort nur im Iuterefie der etwaigen Eefer. Hr. Engelsberg iſt 
Raturbichter. Gr fagt: 
O, ſchmaͤht mein Lieb mir nicht, ihr Leute, 
Und gönnt mir meinen Hochgenuß (2), 
Vergebt, und hört den Sänger heute, 
Der unmwilltärlih fingen muß. 
Nein, wer muß, den kann Niemand hindern! Alſo nur friſch 
brauf zugefungen! Außerbem beſteht ber übrige lyriſche An⸗ 
bang aus Belegenheitsgebichten an hohe Perfonen, Gönner und 
Freunde. Auch aus Befängen auf fich felbft; endlich aus ei: 
nem Vers auf eine Recenfion, der noch hier ftehen mag, damit 
wir nicht etwa das Unglüd erleben müflen, baß ihn ber Verf. 
auf uns beſonders abbruden Läßt. 
Wer kaum ſich ſelbſt dem Schlamm entwinbet, 
Der waſchet nie den Anbern rein. 
Der Edle nur, ber zart empfinbet, 
Kann Richter THöner Künfte fein. 


87. Albrecht Dürer. Dramatifches Gemaͤlde in ſechs Bildern. 
Der Erinnerung des Meifters geweiht von Friedrich Wag⸗ 
ner. Nürnberg, Bauer u. Raspe. 1840, Gr. 8. 16 Gr. 

In einer Reihenfolge von bramatifchen Bilbern, bie keinen 
Anfpruch auf Kunſtwerth machen, führt ber Werf. einfach und 
anfprechend die Hauptepochen aus bem Leben des großen Malers an 
uns vorüber. Sein Berhältniß zu feiner Gattin Agnes, fein Wans 
berieben, fein Aufenthalt in Venedig, fein Zufammenleben mit 
iulio Romano, Blorgio und Tizian, feine ehrenvolle Aufnahme 
in Antwerpen, enblid fein Tod in Pirkheimer’s Armen wird 
ſchlicht und mit Wärme erzählt. Wie gefagt, die Kunft bat 
wenig dabei gethan, auch die Poeſie tft nicht eben incommodirt 


worben; als eine Srinnerung an den großen Meifter, wofür es 
fh gibt und nur geben will, verdient bie faubere Azbeit, bie 
ihren Grundzügen nach ber Rovelle ‚„„Rünftierehe‘ von Leopold 
Schefer entlehnt iſt, unfere Anerkennung. Die Ausftattung iſt 
böchft fplendid, gegiert mit dem Bruſtbilde Dürer’s, nad Rauchs 
Modell von Wagner geflohen. Der Umfchlag zeigt die üg= 
lichften Lebensmomente des Malers in gierlichen —2 
88. Die Nibelungen. Siegfried's Tod. ine romantiſche Tra⸗ 
gödie in fünf Acten. Von Ehriſtian Wurm. Erlangen, 
Palm. 1839. 8, 1 Thlr. \ 

Es wird inımer ein nicht fehr dankenswerthes Unternehmen 
bleiben, ein älteres Gedicht, befien Meifterfhaft alle Jahrhun⸗ 
berte anerkannt haben, fei es in ähnlicher, fei es auf andere 
Art zu bearbeiten. Wollte 5. 8. Jemand aus der „Ilias“ eine 
Tragödie machen, fo würde er nur Lachen erregen. Daffelde 
gilt faft in ganz gleichem Grade von den Nibelungen. Nichts⸗ 
deftomeniger hat Hr. Wurm fi daran gewagt und ben er⸗ 
greifenden Untergang Siegfried’ in eine romantiſche Tragoͤdie 
umgemobelt. Wir hätten nichts bagegen, wäre bies mit bem 
zu einem ſolchen Unternehmen unerlaßlichen Zalent geſchehen; 
allein unfer Autor befigt von allebem nichts als die fehr alls 
tägliche Fertigkeit, fünffüßige Jamben zu ſchmieden. Jamben 
allein, und wären fie vollkommen tabellos, machen noch Teine 
Zragödie; auch durch Umgeflaltung ber epiſchen Elemente zu 
bramatifch = draftifcher Handlung wird dies noch nicht bewerk⸗ 
ftelligt; man will vor Allem raſche Handlung, beftimmt aus⸗ 
geprägte Charaktere, Gebrängtheit der Scenen, fpannende Si⸗ 
tuationen und ergreifende Entwidelung. Hr. Wurm aber gibt 
von Allem gerade das Begentheil. Seine Perfonen ſprechen 
ſaͤmmtlich eine wie die andere. Ghriembilde, Brunhilde, Das 
gen, Siegfried, Volker u. ſ. f. find Iangmweilige Hampelmänner, 
die die Worte zierlich wie die Eier fegen, als fürchteten fie fich, 
bie Sprache möchte beim Sprechen zu Grunde gehen. Und bas 
Alles gefchieht fo breit, flach und falbabrig, daß Einem babet 
angft und bange wird. Kurz, biefe fogenannte romantifche Tra⸗ 
goͤdie Hrn. Wurm’s gehört unter die mislungenften dramati⸗ 
ſchen Arbeiten des ganzen Jahres. 

39. Dramatifche Gaben von Herzenstron. Wien, Zenbler 
und Schäfer. 1839, Gr. 12. 21 Gr. 

Drei Dramen find es, bie uns ber Verf. diesmal darbie⸗ 
tet. Das längfte davon: „Roſa“, Drama in fünf Acten, ift 
nah dem Franzöfifchen bes Alerander Dumas frei bearbeitet, 
Das Stück ift nicht ſchlecht, infofern man die Bühnentechnif 
befonbers ins Auge faßt, die fich darin ausfpridht. Roſa Monti 
ift eine junge Italienerin, die ſich in einen jungen Franzoſen, 
Arthur v. Savigny, ehemals verliebt hat, als dieſer in Reapel 
fih aufhielt. Ihr Water geftattet aber bie Vermaͤhlung mit 
dem jungen Franzoſen nicht, weit er mit deflen Water in Tod⸗ 
feindſchaft lebt. Sapigny geht nun zurüd nach Paris und vers 
lobt fich mit der ſchoͤnen Tochter des Barons Delaunay, Amas 
lia. Kurz vor ber Vermählung kehrt deren Water aus Italien 
urüd mit einer jungen Frau. Diefe Frau ffl Rofa. Der junge 
—**— entbrennt alsbald wieder in undänbiger Liebe zu dee 
ſchoͤnen Stalienerin, heirathet aber doch Amalia. Run dehnt 
und zieht ſich das misliche Verhältniß fort unter Qualen und 
Bekümmerniffen aller Betheiligten, bis der alte Delaunay ba= 
hinterkommt. Es gibt Skandal, der jebocdh durch ben ritters 
lichen Edelmuth des Alten gebämpft wird. Der junge Savigny 
mit feiner Frau wird gendthigt, nach Italien abzureifen, und 
fo gleichen fich denn alle Störniffe — eine Seltenheit in frans 
zöftfchen Dramen — ohne förmtichen Eclat auf, bie Erwartun 
gen bes Leſers werden aber nur zum Theil befriebigt. " 

Die beiden andern Piecen find Erfindungen bes Berf. „Die 
Perüden‘‘, ein bramatifcher Scherz In einem Aufzuge, iſt ſehr 
gewoͤhnlich und nicht übermäßig ergoͤtrlich. Gin er beträgt 
vier Guratoren einer reichen Witwe dadurch, daß er jebem 
nach dem Munde fpricht, wodurd er denn die Hand ber Witwe 
und ein’ fehr anfehnlicyes Wermögen gewinnt. Das Iehte: „Der 
Bräutigam als Botaniker’, Luftfpiel in zwei Aufzägen, beruft 


N 


ü gen Zäufigungen und enbet chen auch, tie alle Eufls 
— einer —* Gin junger Baron ſoll nach dem 
Willen feines im Commandoton auftretenden Vaters eine junge 
Witwe heirathen, ohne doch Luft dazu zu haben. Er führt fi 
daher, um erft zu recognosciren, bei beren Water, einem eifri⸗ 
gen Botaniker, als Botaniker ein, verliebt fidy aber wider Wil⸗ 
- ken in bie im beffimmte Braut. Bein Freund, ein lockerer 

Zeifig, will ihn um bie reiche Braut prellen und exicheint in 
der Geftalt des wahren Bräutigams, ohne body als folder Glück 

u maben. Endlich löfen ſich die Verwidelungen zu Aller Zu: 
elevenbet. Das Bud iſt der Schaufpielerin Karoline Bauer 
debicirt und kann unter fo vielen mittelmäßigen Probucten im: 
mer noch als eins der erträglichern mitlaufen. 


Wir kommen jegt zu einer bedeutenden Anzahl von 
Zrauer:, Schau: und Luftfpielen, die fämmtlid andern 
Nationen angehören und theils in treuen und woͤrtlichen 
Überfegungen,, theils in freien Bearbeitungen oder Umar⸗ 
Beitungen unferer Literatur einverleibt worden find. Go 
wenig wir mit Denen harmoniten können, bie da gern 
behaupten möchten, nur in Frankreich und England blühe 
noch die dramatifche Poefie, fo find wir doch auch nicht 
fo einfeitig, das viele Gute, ja theilweife Vortreffliche un⸗ 
Beadytet zu laffen, das uns von biefen Nachbarländern 
auch in der dramatifhen Literatur zulommt. Es iſt lei: 
der eine unfelige Wahrheit, daß ber Deutfche dem Frem⸗ 
den ſtets eine größere und unbedingtere Aufmerkſamkeit 
ſchenkt als dem Einheimifhen. Selbſt das Beſte wird 
nur ausnahmsmeife und erſt nach längerer Zeit anerkannt! 
Daher kommt es benn, baß der Buchhandel, der immer 
mehr zum bloßen Schacher herabfinkt, auch von Jahr zu 
Jahr mehr auf das Ausländifche fpeculirt und darüber — 
meiſtentheils, weil er das Ausländifche um den halben 
Dreis, oft noch billiger bekommen kann — das Inlän: 
difche ganz vernadhläffige und die bedeutendſten Zalente 
entweder duch Bernachläffigung zum Schweigen zwingt, 
oder fie nur für das leidige Überfegen miethet. Che nicht 
ein reger Sinn für das Höhere, für die Kunft, für die 
Literatur unter den Verlegern fich wieder geltend macht; 
bevor fie nicht von dem Wahne zuruͤckkommen, daß ber 
Buchhandel ebenfo kaufmänmifch betrieben werden muͤſſe 
wie der Rofinenhandel, ift kein Umſchwung im literarifchen 
Verkehr, keine echte Würdigung des Einheimifchen möglich. 
Gerade weil aber der Misbrauch und Unfug mit dem Bü: 
cherſchacher jegt fo weit um fich gegriffen bat, hoffen wir, 
daß bemnaͤchſt auch eine Anderung zum Bellen nicht mehr 
gar fern fein wird. Wenden wir nun dies auf die dra⸗ 
matifchen Producte an, die uns Überfegungsmeife aus ber 
Fremde überliefert werden, fo gibt es auch unter biefen 
eine - binlängliche Menge hoͤchſt erbärmlicher Erzeugniſſe, 
Die nur der Überfepungsluftige und mit dem Fremden ko⸗ 
Betticende Deutfche ſich hat zueignen können. Über. diefe 
werthloſe Waare werden wir kurz fein. Allein es find 
auch fehr beachtensmwerthe Gaben darunter, Gaben, die fi 
der beutfche Genius mit Fleiß angeeignet hat und bie als 
Die geiftige Vlüte einer fremden Nationalität alle Beach: 
tung von Seiten ber beutfchen Kritik verdienen. Diefen 
wenigen bebeutendern Probucten, bie ſich vor den deutſchen 
weißt durch größere Bewandtheit in Handhabung ber ſce⸗ 


‘ 


Technit und durch lebendigere Beweglichteit ber. 
Charaktere audzeichnen, widerfahre demnach ihe Recht. 


40, Galiguls. Hiſtoriſches Schauſpiel in fünf Aufzügen vom. 
Eduard Jerrmann. Frei bearbeitet nah Alerander 
Dumas. Berlin, Schleſinger. Gr. 8. 16 ®r. 


Gleich nach ben erſten Aufführungen biefes Stüdes in Pas 
ris ift in allen Journalen, franzöftichen fowol als beutfchen, 
fo viel darüber gefprochen worden, daß wir füglich annehmen 
tönnen, Diejenigen, welche diefe bramatifchen lüberfichten einer 
Beachtung würdigen, werben den eigentlichen Inhalt beffelben 
kennen. Was uns Hr. Jerrmann in feiner Bearbeitung gibt, 
ift nicht mehr das Drama Dumas’, fondern nur ber innerfte 
Geiſt feines Stüdes in einer faft ganz andern, dem beutidhen 
Gefühl und Geſchmack angepaßten Gewandung. Jerrmann fpricht 
fi über Zweck und Tendenz dieſer freien Bearbeitung in einer 
bem Drama vorgedrudten @inleitung ausführlich und verfläns 
dig aus, und wir Pönnen nicht umhin, ihm in den melften 
Ginzelnheiten Recht zu geben. Für uns freilich erwaͤchſt daraus 
ber Üibelftand, daß wir nunmehr weder ein beutfches, noch ein 
franzöfifches Stüd haben und mithin unfere Beurtheilung auch 
nur zum Theil den frangöfifgen Autor treffen ann. Alles 
Graſſe, Wilde, Ungereimte, Indecente hat Jerrmann mit Ge⸗ 
[hi in feiner Bearbeitung entweder ganz weggelaflen ober es 
gemitbert, oft ganz geändert. Ebenſo find bie langen fchönen, 
ſchwaͤrmeriſchen Reden weggefallen ober gekürzt, und der Schluß 
bes Stücks, ber im Originale in eine ſcheußliche Metzelei aus⸗ 
läuft, gemildert, aber auch dermaßen geändert worden, daß jest 
ganz andere Perfonen umlommen als in ber Tragödie von 
Dumas. Es iſt nicht unfere Aufgabe, mit dem Bearbeiter bars 
über zu rechten, um fo weniger, als Jerrmann babei bie beuts 
chen Bühnen vor Augen hatte und beabfichtigte, das Stüd in 
ber jegigen Form aufs Theater zu bringen. Der Inhalt ber 
Zerrmann’fchen Bearbeitung ift nun Türzlich folgender. Cali⸗ 
gula lernt Stella, die Tochter feiner Amme Junia, Tennen, bie, 
eine Ehriftin und mit dem freien Gallier Aquila verlobt, den 
graufamen Wollüſtling feffelt. Er laͤßt fie nun entführen und 

quita ale Sklaven auf dem Forum verlaufen. Keiner der 
VBerräther ahnt, daß der Kaifer felbft biefe Barbarei begangen 
babe. Aquiia wird von dem Römer Cherea gekauft und dies 
fer verfpricht ihm die Freiheit, wenn er ben Kaifer ermorden 
will, da Cherea Satigula’d Geliebte, Meffalina, ebenfalls licht. 
Aquila widerftrebt aber, bis Meffalina felbft erſcheint und er 
von bdiefer erfährt, daB fi Stella bei dem Kaifer ndet. 
Man wird Handels einig, Aquila wirb zu Galigula gebracht, 
wo er Stella findet. Meflalina aber will nun Beide vernich⸗ 
ten und weiß den Kaiſer in dem Momente ins Gemach zu fühs 
ren, wo Aquila feine Verlobte umarmt haͤlt. Galigula ver= 
bammt ben GBallier A Tode, verfpricht ihm jedoch das Leben 
bis zum naͤchſten Morgen noch zu ſchenken, wenn fi) dann 
Stella ihm ergeben wolle. Gtella gibt bas Verfprechen, in ber 
Nacht aber wird Galigula von Annius, Lepibus und Cherea 
ermordet, Meffalina von Aquila. Claudius wirb zum Kaiſer 
ausgerufen und die beiden Geliebten geben fiegend aus dem 
Kampfe hervor. Ob dies Lehtere ganz zu billigen tft, wollen 
wir dahingeftellt fein laſſen. Es ließe fich wol viel gegen bie 
ganze Bearbeitung einwendben, wenn man das Original ale 
Grundlage berfelben betrachtet. Allein, dies möchte uns bier zu 
weit führen. Uns bleibt nur im Allgemeinen übrig zu fagen, 
daß auch durch die Bearbeitung noch die Großartigkeit ber Ans 
lage hindurchſchimmert, wenn auch in ganz anderer Strahlen⸗ 
brechung. Die Charaktere Caligula’s, Lepidus’, Cherea's, Stel⸗ 
la's find Höchft bedeutend und müflen dem Eindrucke zufolge, 
den fie auf uns bei ber Lecture gemacht haben, auf ber Bühne 
von großer Wirkung fein. Die wilde Barbarel bes verwimmer⸗ 
ten, in moraliſchem Schmuz untergegangenen Heidenthums ges 
genuͤber der gläubigen Ehriftenbemuth und ſchwaͤrmeriſchen Dul⸗ 
dung Stella's, iſt ergreifend und trefflich beroorgehoben. Und 


- 


t 


1816 


ben. So wenig Hoffnung audy ba fen mag, baß man 
in einer von wilden Leidenfchaften, niedriger Habſucht und 
unverfhämter Herrfchbegierde tief beivegten, von Wahn, 
Betrug, Beſtechung, Lift und unfchlüffiger Vielwiſſerei 
bintergangenen und gelähmten Zeit die aufrichtig ge: 
meinten Rathſchlaͤge diefes Werkes in Erwägung ziehen 
werde, fo glauben wir doch, daß der einfichtsvolle Verf. 
nicht ganz in der Wuͤſte und ganz tauben Ohren ges 
predigt hat; wir wenigflens mwünfchen es von ganzem 
Herzen. 56, 





Die Saninefaten. Ein biftorifher Roman von J. van 
Lennep. Aus dem Holländiihen überfegt von 3.9. F. 
Lerz. Zwei Theile. Aachen, Mayer. 1810. Gr. 12. 
1 Zhle. 12 Sr. 


Ban Lennep ift in feinem Vaterlande als Romanfdhrifts 
fieller eine Rotabilität, gewiflermaßen der holländifhe Walter 
Scott; denn feitdem die dramatifche und epifche Poefie nirgend 
einen rechten Anklang mehr findet, iſt Walter Scott das Mus 
fter, dem faft alle Talente nachſtreben wie dem Altmeifter aller 
Poeſie, aber nur ben Wenigften gelingt es, auf diefem Wege 
einen poetifhen Höhepunkt zu erreichen, welcher über der Schnees 
linte der bloßen Unterhaltungslecture Liegt. Auch von Lennep 
fann man fagen, daß in ihm Leine eigentlich poetifche Anfchaus 
ungs⸗ und Geftaltungskraft ſei. Wer bei ben Romanfdhreibern 
jüngftee und älterer Zeit fleißig und aufmerkfam in die Schule 
scht, Tann bergleichen Romanoperationen ausführen, wenn er 
auch Feine filbfteigene poetiſche Baſis hat. Lennep’s Roman 
fpielt unter den Ganinefaten, einem bataviſchen Volksſtamme, 
um die Zeit, als Givilis das Banner der Kreiheit gegen bie 
zömifche Herrſchaft erhob. Um dieſe heibnifchen Urzuftände dem 
jegigen Lefepublicum ein wenig ſchmackhaft zu madıen, bat van 
Eennep in bekannter Weife ein romantifches Eicbesverhältniß 
eingefädelt, zmifchen dem roͤmiſchen Hauptmann Aquilus und 
der GSaninrfaterin Ada. Dies Verhältniß, fo viele Hinderniſſe 
ihm fi auch in den Weg ftellen, nimmt einen glüdtidyen Aus⸗ 
gang; denn es fleht in dem Buche im Iehten Gapitel (S. 251) 
gefchrieben: „Es waren noch nicht ſechs Monate verfloffen und 
bie Burg Matilo, jest mwieberhergeftellt und verfchönert, warb 
Seuge einer intereffanten Feierlichkeit. Die Schwefter des edeln 
Brinio, die jungfräuliche Witwe des braven Markmann, wurde 
durch ihre Verwandten ale Braut in die Arme des glücklichen 
Aquilus geführt. Roͤmiſche Üppigkeit und germanifcher Über⸗ 
fluß vereinigten ſich zu dieſer Hochzeitfeier. An nichts gebrach 
es dem feierlihen Mahle. Dank der Sorgfalt des Calpurnius!“ 
Salpurnius nämlich iſt ein anderer römifcher Offizier, eine Art 
gedämpfter Fallſtaff, ein gutmüthiger und zugleich literarifch 
gebitbeter Schlemmer, ber alle Augenblide den Horaz citiet. 
Man kann fih dieſen Roman fehr wohl in moderne Zeiten 
übertragen denken. Aquilus wäre dann etwa ein Gapitain von 
der franzöfiichen Garde, Galpurnius ein Feinfchmeder aus Pas 
ris, Brinio ein edler Srangofenhafler, übrigens Landwirth, Ada 
ein tüchtiges deutfches Mädchen, doch nicht ohne alle Gentis 
mentalität, ebenfo wol wie Aquilus u. f. w. An einer gewiffen 
Birtuofität fehlt es fonft dem holländifchen Schriftfteller nicht; 
es gehört ja Überhaupt nur Übung dazu, um fi auf einem 
Anftrumente einzufpielen. „Die Caninefaten“ gehören in einen 
ganzen Cyklus von romantifhen Didytungen, die unter bem 
Titel „Hollands romantifche Geſchichte“ fortgefegt werben fol 
len und deren erſte Abtheilung fie bilden. Unfere Überfegungss 
firmen werben nidyt ermangeln hierauf zu reflectiven, um unfere 
- beutfche Lefewelt, die für deutfche Erzeugniffe kaum noch Schmed: 
und Riechwerkzeuge hat, nun auch einzuhofländern. 16, 


Jahr 1841. 


Sibliographte. 


„Saper, K., Die ſittliche Welt. Zeitſchrift für vraktiſche 
Philoſophie. Iſtes Heft. 8. Erlangen, Palm. 12 Br. 
Altdeutsche Blätter von Moris Haupt und Heinrich 
Hoffmann. ?2ter Band. 4tes Heft. (Schluss.) Gr. 8. 
Leipzig, Brockhaus. 12 Gr. 
—  Gübidres, Frau v., ®eonore von Biran. Überſetzt von 
ganny Tarnow. 2 Theile. 8. Leipzig, Kollmann. 
Zhlr. 12 Gr. 
Fladung, 3. X. F., Kurze Aeſthetik für junge Damen. 
Als Encyklopaͤdie der ſchͤnen Künfte ıc. 2 Bändchen. &r. 16, 
Wien, Wallispauffer., 1841, 1 Thir. 12 Er. 
Leipzig, Brockhaus. 


Frankl, 8 A., Gedichte 8. 
1 Zhir. 4 Gr. 

Gelbe, $. %., Octavianus Magnus. Gin fatirifches 
Gedicht in vier Gefängen, allen wahren Freunden der Zonktunft 
gewidmet. 8. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 12 Gr, 

Soz zi, C., Das laute Geheimniß. Romantiſches Luſt⸗ 
ſpiel in 5 Aufzügen bearbeitet von G. Blum. 8. . Berlin, 
Schlefinger. 1841. 16 Gr, 

Hauch, 3. C., Eine polniſche Familie oder die verlornen 
Kinder. Nach einem Wanufcripte. 2 Theile. 8, Leipzig, 
Kollmann. 2 Ihlr. 18 Gr. 

Kung, G., Gutenberg oder bie Erfindung der Budhs 
druckerkunſt. Nebft einem Berichte über die vierte Gäkulars 
feier dieſer Erfindung in GStrasburg. 1840. Gin Geben; 
und Leſebüchlein für Volt und Schule. Mit 3 Abbildungen. 
12, Gtrasburg, Levrault. 8 Br, 

Das Leben bes Königs von Preußen Friebrich Wilhelm bes 
Dritten. Gin Volles und Familienbuch ald Denkmal für Alle 
in Zrauer und Freude. ifte Lief. 8. Braunsberg u. Mobs 
rungen. 4 Gr. 

Müller, Ruffen und Mongolen. Bilder aus dem Wechſel⸗ 
kampfe diefer Völker. Ster Band. Gr. 12, GSöslin, Hendeß. 
1 Thlr. 12 Gr. 

Naubert, B., Vollsmährchen der Deutfchen. Reue Aus: 
gabe. 4 Theile in 1 Band. 8, Leipzig, Gebhardt u. Reis: 
land. 21 Er. 

Rur nicht nad) Norden! Bemerkungen auf meinen Reifen 
in ben Jahren 1839 und 1840, Aus den Memoiren des Brafen 
von S*’***, Gr. 12, Leipzig, Brodhaus, 1 Thlr. 8 Gr. 

Perlen des Drientes und Kernfprüche der Väter. Eine mes 
triſch⸗gereimte Ueberfegung des talmubifchen Traktates, betitelt: 
Pirke Aboth, von M. €, Stern. Gr. 8, Bien, 8. Edler 
von Schmid. 9 Er. _ 

Reife durch Salzburg und Tyrol nach Italien. Ifter Band, 
Gr. 8. Düffeldorf, Schreiner. 1 Thlr. 12 Er. 

Skizzen aus dem Alltagsleben. Aus dem Schwediſchen. 
Ates, Stes Bändchen. Auch u. d. T. Das Haus, oder Far 
milienforgen und amilienfreuden. 2 heile. 8. Leipzig, 
Brodbaus. 3 Thlr. 

Talvij, Die Unächtheit der Lieder Offian’s und bes Mae⸗ 
poerfon’föhen Oſſian's insbefondere.” Gr. 8. Leipzig, Brodhaus. 

r. 

Tarnow, Fanny, Geſammelte Erzählungen. Iſter, 
Zter Band. 8. Leipzig, Kollmann. 2 Thir. 12 Gr. 

Ungarn und die Walachei in neuefter Zeit. Rom Grafen 
von P... Gr. 12. Leipzig, Ph. Reclam jun. 1 Thlr. 12 Br. 

Violen. Eine Sammlung von Rovellen und Erzählungen 
von beliebten Schriftſtellern. 2 Bände. Gr. 12. Wien, 3. 
Stoͤckholzer von Hirfchfeld. 1 Thlr. 

Weihnachtsblüten. Ein Almanach für die Jugend auf das 
In Verbindung mit Andern herausgegeben von 
Buftav Plieninger. ter Jahrg. Mit Stahiftichen. 12, 
Stuttgart, Belfer. 1 Thlr. 10 Gr, 

Wieſe, S., Don Juan. Zrauerfpiel in fünf Acten. 8. 
Leipzig, Brodhaus. 1 Thlr. 6 Gr, | 


Verantwortlicher Deraußgeber; Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. 2. Brockhaus in Leipzig. 











Blätter 


pi 


Literarifhe Unterbaltung. 





Dienſtag, 


24. November 1840. 





Dramatiſche Buͤcherſchau für das Jahr 1830. 
Dritter und letter Artikel. 
ABortfegung aud Nr. 378.) 


41. Des Stranders Tochter. Gchaufpiel in fünf Aufzügen. Brei 
nad Sheridan Rnowles von Friedrich Treitfbe 
Bien, Balispaufer. 1840, 8. 15 Gr. 

Dies Schaufpiel wäre den beften ber neuern Zeit beizugäßs 
len, litte «8 nicht an einer dem Gelft des Dramas widerfpre: 
enden aflzuaroßen Wigkürfichteit pinfchtli der Behandlung 
bes Stoffes. Die Perfon nämlich, durch melde das Drama 
erfi zum Drama wirb, erfcheint von vorn herein In nebelhafter 
‘@eftalt, man ahnt wel, daß von ihr die Berwidelung aus⸗ 
gehen wird, man kann ſich aber über die Nothwendigkeit ihrer 
Handlunggmweife durchaus Feine Hase Rechenfchaft geben. Darin 
nun liegt die 
gearbeitet if} und von Anfang bis zu Ende fowol durch bie 
‘&ituationen ber handelnden Perfongn, wie durch die reiche Büle 
von Wedanten ‚und poetiſchen Anfhauungen intereffirt. Crft 
wenn dad Ende näher heranrüct und man fieht, daß fo vieles 
Freffliche 6106 zu melodramatifcher Effectmacherel benugt wor: 
den AR, finkt die Theiinahme und man legt das Buch unbefrigs 
digt aug der Hapd, Dos GStüd fpielt Im Norden Schottiands, 
an bee Meergölüfte. Gtrander, von dem Ertrage Defien lebend, 
was ihnsn das Merr von geftheiterten Othiffen yumfrft, find 
bie Hauptperfonm, Das Shkanbret, diet von den Moralls 

ten und Don weißherzigen Denfhen fo oft verwünfchte, non 


baehärteten Männern und den tolfühnen RU” 


— 
it eine 
— 


freuen ſich diefes Shaufpield und, lauern, en aus, af 





Strande. Auch Robert, obw: 
gebeten, dem — Ere⸗ 





folle aur die Ertrunkenan uns 


bert 
— Wanne a i 8 an 


Worte zu. bert iſt ittert, er glaubt feine verſtorbene 
Gattin zu Sehen, die, gleich ber Zechter / immer gegen dab Se⸗ 


Schwäge des Stüde, das außerdem vortreffiigh: 


nn naan an. 


werbe dee Strander Einwendungen gemacht hat. Gr verſpricht 
Maria, das Gefundene wegzumerfen, ben Tobten aber, der noch 
in feinem Kahne ruht, zu beerdigen. Zu biefem Wehefe eilt 
eu fort, fogleich aber teftt Rocrit, ber iym Heimtich: gefolgt IR, 
auf, legt Robert's zurüdgelaffenen Mantel an, ergreift deffen 
Mefler und eilt, jegt von Maria für ihren Water gehalten, in 
den Kahn und ftößt es dem Ertrunkenen in die Brufl. Als 
man bie ‚Leiche ‚entdeckt, wird Mobert von den übrigen trans 
bern ald Mörder ergriffen und von feiner eigenen als 
folder vor Gericht angeklagt. Nocris, bee ſich fider glaubt 
und bie That blos begangen hat, um fi an Bobens zu vädhen, 
man erfährt nicht recht, weshalb, zugleich aber au, um bem 
verhaßten Bhuard Maria abfpenftig zu machen, verfpricht jeht, 
ben Angeklagten zu befreien, wenn Maria ihm die Sand reis 
Gen wolle. Eduard wird unterdeß als tobt gemeldet umd bie 
jeängftigte, von ihrem Vater vermaledeite Tochter gikt ihre 
ufage. Norris behauptet nun, daß fein flüchtig geworbener 
Seföhrte Wolf, den er jedoch nur fortgefchict hat, weil Kiefer 
den Srevier, bei der hat eriammte, der Mörder des Fremden 
ſei. So wird Robert losgefproden und die Verheirathung der 
unglũclichen Maria foll gattfinden, als des todigeglioubſe Ehyard 
geſund und begütert wieder erſcheiot. Dennoch hält Maria ihr 
Wort, das Vrautpgae wandelt zus Küche — da Bo at auch 
Bolf, von Geroifjensbifen beynzupigt,. wigber yurde n acer 
Norris als Mörder ars ber. ſo eficht, und hie ‚hi 
Eibenben mecden vepeinigt, ber —* aber der herichtig⸗ 
ei 4 


:1318 


- 


Gonfliet gerieth, auch bie gewaltige Seele Marla Stuart’s in 
Wort und That hervorbrechen laſſen. Gin fchönes, Liebenbes 
und zwar leidenfchaftlich Liebendes Weib, wie Maria es war, 
Spricht nicht fo ſchläfrig flau, wie Hr. Müller fie ſprechen läßt, 
als Bothwell ihr den Tod Darniey’s meldet. Kurz, der Cha⸗ 
rakter dieſer Maria ift weniger verzeichnet als mit Waflerfars 
ben gezeichnet. Und das macht dies fonft mit Eiche und Fleiß 


“ ausgearbeitete Drama, das in recht hübſchen Jamben gefchries 


ben ift, die Hin und wieber nicht ohne einen poetifchen Schwung 
find, fo unbedeutend. Auch bie meiften übrigen Gharaltere vers 
flachen ſich gar zu fehr in das Allgemeine der verſchiedenen 
Genres, in bie fie gehören. Die feifche urfprüngliche Schöpfers 
Traft der bdichtenden Imagination bat fie nicht hervorgerufen. 
Bothwell und Morton find noch die vorzüglichften Figuren. Das 
Drama beginnt mit Rizzio's Ermordung, deffen ſuͤdlich leicht⸗ 
biätige, ſcherzhaft⸗ ironiſche Sängernatur nicht‘ übel entworfen 
ift. Darniey’s Tod und Maria’s Verbindung mit Bothwell, 
der entfchleden als Darnley's Mörder bingeftellt wird, bilden 
den Sipfel des Stüds, bas mit dem Schluffe des dritten Actes 
bedeutend an Intereſſe verliert. Bothwell wird erfchlagen, bie 
ſchottiſchen Lords beftegen die Königin, fperren fie auf Lord 
Herrey's Schloſſe im See Ben Lomond ein, fie entflieht, ver- 
liert abermals die Schlacht und rettet fi nach England. Der 
Schluß ift äußerft ungenügend und läßt volllommen kalt, ba 
ae fchattenartig verfchwindet. Die Sprache verdient, wie 
fon gefagt, vielfache Anerkennung. Sie ift edel und Eräftig, 
nur läßt der Verf. leider feine Perfonen viel zu viel fprechen, 
wodurch denn die eigentliche bramatifche Lebendigkeit, welche 
ohnehin den Muͤller'ſchen Vers nicht auszeichnet, ganz verloren 
geht. Als einziges Beilpiel, wie der Verf. die Sprache hand⸗ 
habt, mag das Lob Maria’s hier ſtehen, das fie dem ſchotti⸗ 
Then Volke ertheilt, als Rizzio fi wundert, baß man in bies 
fen Rebelbergen noch beiten fein konne. 
ar @ 


Du fiehft das Tußre nur, bu weißt ja nicht, 
Wie edle Blüten biefer Boden trägt! 
Wo ift ein Voll, bad mit dem meinen fidh 
"An tühnem Muth, an Preiheitöfinn verglide? — 
Geh nur getroft in jene Nebelberge 
Und jede Hätte findeft du geöffnet, 
Man fragt nit, wer bu bift, der Ghrenplag 
Am Herde wird dem Fremdling eingeräumt; 
Und wenn die Sommernadt dich überrafht, 
So leg’ di nur auf diefen Haiden fchlafen, 
Und fei’8 in dem Gebiete deines Feinds, 
Denn wenn du ſchlaͤfſt, fo bat er Teinen Dolch. 
Es if ein Land der Helden — 


Daß es bem Verf. gelingen würde, auch bie Leidenschaft zu 
ſchiidern, eine durch Schuld befledte Seele in ihrer Gewiſſens⸗ 
angft ergreifend darzuftellen, beweifen die ſchwachen Anfänge in 
Maria’s Deonologe, als fie bie Erplofion hört, bie ihren Gat⸗ 
ten in die Luft ſprengt. 

Du, Liebe — [Hüte mi! 


Nimm mir dad dunkle Schreckbild aus der Seele, 
Das tief, tief unten lauert! Taucht hinab, 

Ihr gräßlichen Geſtalten — laßt mid los! 

Fort! IH bin fein! 


” Da, wenn bie Erbe bebt, 


Wer will mir’d dann vermehren? Iſt bie Erde 

Doch nur ein Ieblod Ding und hat kein Herz 

Und dennoch bebte fi. Ih aber hab’ 

Gin Herz, dad ahnt, was bied bedeutet und 

SH foll nit zittern, wenn ich weiß, es iſt 

Sin Grab geöffnet und nicht weiß, für wen? 
Ich kann 

Nicht mehr allein fein, fuͤrchterlich iſt mir 

Die Einfamteit — ih will die Schwefter rufen. 


\ Und wenn fie kommt, wad dann? — Er will ja kommen, 


Sr Hält fein Wort, und wie er auch erfcheint, 


Son will I bier erwarten. Wenn im Tobe 
Sein flarrer Bid mi ſucht, wie mid fein Der 
Im Rob umfaßt, wenn fi fein Arm zum Gruß 
Fuͤr mich no hebt ıc. 


50. Mansfeld und Tilly. Tragoͤdie in fünf Acten. Bon Dtto 
v. Ravensberg. Berlin, Reimer. 1840. 8. 16 Gr. 
31. Guſtav Adolf und Wallenftein. Tragödie in fünf Acten. 

Bon Demfelben. Ebendaſelbſt. 1840. 8. 16 Er. 

Der Pfeudonym Otto v. Ravensberg ift Fein Neuling mehr 

in ber bramatifchen Literatur Deutfchlande, er Hat ſchon zu 
verfchiedenen Malen das Publicum mit feinem Zalent befannt 
gemacht, aber das Yublicum ift flörrig und mag nicht auf ihn 
hören. Gine fo gaͤnzliche Nichtbeachtung verdient jedoch gerade 
dieſer Pfeudonymus nicht, ba es ihm ſowol Ernft um die Sache 
ift, die er mit beroifcher Begeiſterung pflegt, und da vielleicht 
nur das anerfennende Wort noch fehlt, um ihn zu freierm, 
eigenthümlicherm Auftreten zu veranlaffen. Wir vermiffen bis 
jest eben auch bas Urfprünglicdhe an feinen Productionen, das 
alle Kraft der Rede, alle jugendliche Friſche der Begeifterung 
doch nicht zu erfegen vermag. Gin Verehrer Sciller’s, ſchließt 
fih Dtto v. Ravensberg dieſem claffifhen Dramatifer — viels 
Teiche ohne fein Wiffen und Wollen — faft ſklaviſch an. und 
dies verurfacht namentlich bei bem Kritiker ein banges Unbeha⸗ 
gen, ohne baß er doch geradezu mit dem bichterifch geftimmten 
Autor hadern kann. Beſonders fühlbar iſt diefe nicht zu em⸗ 
pfehlende Hingabe an Schiller'ſche Dietion und Denkungsart bei 
ben vorflebenden beiden Zragödien, bie eigentlicy diefen Namen 
mit Unrecht führen, indem beide Probucte nur bramatifche Kampf: 
gemälde find, in benen fih Scene an Scene flüdtig und oft 
ſehr willkürlich veiht und bie mit dem Tode bes jedesmalis 
gen Haupthelden naturgemäß, aber nicht kunſtvoll, abfchließen. 
Die verworrene Zeit des breißigjährigen Krieges ift bie weite, 
blutige Bühne, auf welcher beide Tragödien fpielen. Iſt jene 
Beit rei an gewaltigen Perföntichkeiten, die wol in die knappe 
Kieidung eines Tünftierifch zugefchnittenen Dramas eingezwängt 
werden koͤnnen, fo muß doch ber dramatiſche Dichter jedenfalls 
bei Stoffen aus jener Geſchichtsepoche die ohnehin beifpiellos 
errifiene Handlung etwas zu einigen fuchen, wenn irgend ein 
ild daraus entftehen foll, das vom äfthetifchen Standpunkte 
aus nur einigermaßen befriedigt. Gerade dies ift es aber, was 
Dtto v. Ravensberg ganz unbeachtet gelaffen hat. Daher zers 
fahren beide Dramen völlig ins Planlofe, denn das lodere Bes 
sipp, welches bie Stelle des Planes vertreten fol, Tann Nies 
mand bafär gelten laffen. Mit diefem Übelftande ift aufs engfte 
ein zweiter verbunden, daß nämlich gerade die Hauptabficht des 
Verf., ein Bilb bes Kampfes jener Zeit au geben, großentheils 
nicht. erreicht wird. Um bie Wüftheit einer Zeit zu ſchildern, 
ift es weder nöthig, noch rathſam, felbft wüft zu werden. Nicht 
das Zerfahrene im Sntwurfe, das Wilde, Wüfte, Unbänbdige 
der handelnden Charaktere, einige Eräftige Volksſcenen u. dgl 
bienen bazu, ein lebendiges Bild verworrener Zuftände, eines 
zerlotterten Lebens zu geben. Es thut uns Leib, daß gerade 
Ravensberg, dem fonft nicht unbebeutende Mittel zu Gebote 
ftehen, fi) fo ganz vom Stoffe bat hinreißen Laflen, dermaßen, 
daß wir beide fogenannte Tragöbien als folche für gänzlich miss 
ungen bezeichnen müſſen, obſchon wir gern die Kraft der Spras 
che, die nur zu oft ans Rhetorifche ftreift, die hin und wieber 
ſichtbar werdenden glüdlichen Griffe in der Sharakteriftit und 
das nicht abzuleugnende Talent für dramatifche Auffafiung bes 
Lebens anerkennen. Nach biefem allgemeinen Urtheil über beide 
Probucte bemerken wir nur, baß in dem zuerſt genannten die ' 
blutigen Kämpfe und das rubelofe Umherſchwaͤrmen Mansfelb’s 
und Tilly's von Land zu Land mit allen Schreden und Greueln 
bes Fanatismus anfchaulich gefchifbert werben, bis Mansfeld ſei⸗ 
nem Scidfale wie ein Helb erliegt. Der Verf. hat ſich fafl 
ganz -treu an die Gefchichte gehalten, was ihn eben an jeber 
dramatifchen Gefchloffenheit verhinderte. Das zweite Drama, 
in welchem bie beiden glorreichen Helden des bdreißlgjährigen 
Krieges, Guſtav Adolf und Wallenftein, figurixen, trifft derſelbe 


D > Er U SE ES GE I — 


1319 


Zabel hinſichtlich der zu großen Zerriſſenheit in det Okonomie 
bes Stüdes, wir ſehen uns aber auch genöthigt, außerdem noch 
erade in bdiefem Producte das zu auffallende Anfchmiegen an 
Sciler zu rügen. Es mag fein, daß es fchwer ift, bei Zeich⸗ 
nung eines Charakters wie Wallenftein fi ganz von den Ein: 
flüffen Schiller’ lodzumadhen, die gewiffermaßen von Jugend 
auf in unfer Fühlen und Denken übergegangen find; nichts⸗ 
befloweniger muß ber Dichter darnach fireben und fich, je ſchwe⸗ 
zer bie Aufgabe ift, defto größere Mühe geben. Otto v. Ra⸗ 
vensberg aber fcheint dies gar nicht eingefallen zu fein, und fo 
haben wir benn das für uns keineswegs erfreuliche Schaufpiel, 
daß der Wallenftein Ravensberg’s fat ganz fo fpricht wie ber 


Schillers. War dies Abficht des Autors, fo konnte jedenfalls - 


die Veröffentlichung feines Dramas unterbleiben; fühlte er es felbft 
aber nicht, fo bedauern wir aufrichtig, daß er fo wenig feine 
Driginalität überwachen Bann. . Unferm Ermeffen nach balten 
wir überhaupt die Wahl dieſes Stoffes für ſehr unvortheilhaft. 
Guſtav Adolf und Wallenftein können zufammen in einem Dra⸗ 
ma nie eine gute Rolle fpielen, es hat ſchon Noth genug mit 
einem allein. Vornehmlich ift der ſchwediſche König ganz und 
gar Feine dramatifche Perfon. Der Berf. hat fih nun zwar 


die möglichfle Mühe gegeben, eine Art von tragifcher Nothwen⸗ 


digkeit oder Schidfal, oder wie man es fonft nennen will, in 
fein Stüd zu verfledhten, um den Zod Guſtav Adolf's drama: 
tifch zu motiviren; es iſt ihm aber nur zum Theil gelungen, 
und noch dazu durch eine völlig willfürlicye und bier jedenfalls 
nicht zu billigende Faͤlſchung der Geſchichte, indem er den Her⸗ 
zog Franz von Lauenburg zum Mörder des Königs macht, was 
befanntermaßen längft ale unrichtig erwiefen ift. Dabei erken⸗ 
nen wir willig das viele Poetifhe, Kräftige, Schöne und Ge: 
Iungme an, das dieſe planlofen Dramen vor manchen beſſer 
angelegten auszeichnet und ben Beruf des Verf. Eund gibt. 
Der Rede mächtig und bewegt im Bergen, entftrömen ſei⸗ 
ner Feder oft trefflicde Bilder. So 3. B., als Guſtav Adoif's 
Gemahlin auf die Bitte des Königs, fie folle fich freuen, ant⸗ 


wortet : 
Ich laͤchle ja! 
verſetzt der König: 
Wie eine Weide, bie 


Ihr grünes Haar um Grabesurnen hängt! 


Dagegen verfällt er aber auch wieder faft immer in ben rhes 
torifhen, fententiöfen Pathos Schiller’s, fobald Wallenftein bie 
Scene betritt. Gleich bei feinem erſten Srfcheinen beginnt er: 
Der ift nicht zu beneiden, der nichts mehr 

Bu Hoffen bat, weil feiner Wuͤnſche jeden 

Das Gluͤck mit Lächelndem Erfolg gekrönt! 

Der iſt's, der an ber Himmelsleiter ſtets 

Grwartungsvoll zu neuen Höhen Elimmt, 

Und droht' ihm jäher Fall! Warum denn zurn’ ich 

Mit meinem Shidfal Heut! Der Schwede nimmt 

Mir nichts, fein Stern erliſcht, ber meine ſtrahlt, 

Und etwad Wicht'ges geht am Himmel vor! — 

Die unſichtbaren Hände droben feten 

Das Bud zufammen vol geheimer Schrift — — 

— Die böfen Mächte find's, die tüdifchen, 

Die mir den Blick In ihre Welt nicht gönnen! 
und gleich darauf: 

Die Macht gebietet und die Klugheit herrſcht; 

Wer ſich nicht ſelber bienet, if ein Thor, 

Und und zum Dienfte ſchicket ich die Welt. 

Mer greift nicht nad der Hand, bie ihm das Gluͤck 

Aus Himmelnahen Höh’n entgegenftredt! 

Was du befigefi, halte fell; was bu 

Ergreifen kannft, laß ed bir nicht entgehn, 

Die iſt das Kleinſte wen'ger nicht mißgönnt! 

Den Fuͤrſtenhut des Reichs hab' ich verdient, 

Zwei Herzogthuͤmer mir erworben, waͤre 

So fern ber Abſtand einer Krone nun? 

Hält’ Ih von Neuem wol ben Kriegeömantel 


Mir umgethan, dem Kalfer nur zu dienen, 

Der auf dem regensburger Tag mich blosgeſtellt ? ꝛc. 
Iſt es nicht, als ob man Schiller ſprechen hörte? Auch hat es 
uns gewundert, daß Otto v. Ravensberg moraliſch den 
rakter Wallenſtein's ganz ſo wie Schiller erfaßt, obwol hier eben⸗ 
falls eine Modification nicht allein nahe lag, ſondern auch er⸗ 
ſprießlicher werden konnte. Daß Wallenſtein kein Verraͤther, 
kein Rebell war, iſt laͤngſt erwieſen; dem Dichter muß es in⸗ 
deß freigeſtellt bleiben, wie er die nun einmal verunglimpfte 
Perſon des großen Feldherrn auffaſſen will. Allein uns ſcheint, 
als gewönnen Held und Dichter, wenn der Letztere ſich Mühe 
gäbe, die poetiſche Geſtalt der hiſtoriſch beglaubigten fo nahe 
als irgend möglich zu rüden. Hier und da erinnert der Verf. 
auch an Shalfpeare. Wir würben bergleihen Ihnlichkeiten uns 
erwähnt lafien, fähen fie dem Driginale nit gar zu ähnlich. 


Dan höre: 
Der Himmel flürmt 

-Mit Schredgebilden, Blätter ſchwitzen Blut, 

Und Kriegeöfhuren, ganz in Stahl gerüftet, 

Auf Beuerroffen braufen durch bie Luft. 
Hier darf man nur „Julius Caͤſar“ von Shakſpeare nachſchlagen, 
um mit einigen Wortveränderungen den Urtert herzuſteüen. 
Ohne den Autor biefer Ähnlichkeiten halber eines Plagiats zw 
befchuldigen, wollen wir ihm durch Anführung derſelben nur 
größere Behutfamkeit für die Zukunft empfehlen, indem bie 
Kritit im Allgemeinen weit eher das Tadelnswerthe fhonungss 
108 hervorhebt, als das Gute nur leife anerkennt. 


32. Ulrich, Herzog von Würtemberg. Hiftorifches Schauſpiel in 
fünf neten von Chr. Kuffner. Wien, Mausberger. 1840, 
. r 


83, Die Malthefer. Hiſtoriſches Schaufpiel in drei Acten. Bon 
Demfelben. Ebendaſelbſt. 1840. 8. 16 Gr, 
Auf diefe beiden Schauſpiele läßt fi das Sprüchlein 


„Biel Geſchrei und wenig Wolle’ trefflih anwenden. Das 


Dofburgtheater in Wien bat zwar das Publicum durch Xufs 
führung berfelben ergögt, vieleicht auch nicht, ber Hr. Verf. 
ermangelt nicht in einer Vorrede gu den „Maltheſern“ von bee 
hohen Begeifterung zu fprechen, die ihn von jeher bei Nennung 
des Namens La Balette ergriffen habe; allein trog biefer Bes 
geifterung, trog ber Benutzung des Schiller’fchen Planes, trotz der 
Aufführung im wiener Hofburgtbeater find dennoch „Die Mals 
theſer“ ein hoͤchſt mittelmäßiges und „Ulrich von Würtemberg‘* 
ein fhlechtes Drama. In den „Maltheſern“ wirb bie Belages 
rung Waltas von ben Türken 1565, ober vielmehr die heidens 
müthige Vertheidigung ber Infel durch die Drbensritter unter 
Anleitung des Großmeiſters Walette versweife erzählt, d. h., 
es werden lange Reden von bdiverfen Rittern gehalten, etwas 
Liebeszuthat muß halb als Zwiſchen⸗, halb als Nachkoſt das 
quälende Einerlei langweiligen Redens von Ruhm, Nitterlichkeit 
und Tod würzen helfen; ein plumper algierifcher Corſar, Dras 
gut, der als Liftig ausgegeben wird, hilft ben lahmen Verſen 
duch Bräftige Flüche auf und fpielt ben Spion und Verräther, 
ohne zum Zwede zu kommen, und fo enbigt das Schaufpiel 
mit der Verherrlichung bes Orbens und bem fchmählichen Tode 
ber Liebenden. Noch weit unbebeutenber und kaum lesbar if 
bas zuerft genannte Drama „Ulrich, Herzog von Würtemberg‘ 
Diefes aller Poeſie bare, nur aus hoͤchſt trivialem Geſchwaͤtz 
beſtehende Schaufpiel ift eigentlich ben „Lichtenſteinern“ des vers 
ftorbenen Wilhelm Hauff nachgebildet, und zwar in fo auffals 
Iend bequemer Weife, daß ganze Situationen jenes werthuollen 
Romanes hier, nur Inögticht fad dramatifirt, erfcheinen. Auch 
das eingeflochtene Liebesverhältniß entfpricht genau ber Anlage 
Hauffs, ſodaß denn Hrn. Kuffner Fein anderes Verdienſt übrig 
bleibt, als das ber fchlechten Verſe und einer hoͤchſt mittelmäs 
Bigen Profa. Ron tünftierifcher Anordnung, von Verftänbnig 
der Ökonomie eines Dramas kann gar nicht die Rebe fein; es 


iſt blos ein Stüd, worin eine Menge Perfonen auftreten, ihr 


Sprüchlein herfagen und wieder fortgehen. Nirgend eine Roths 
wendigkeit, daß dies fo und nicht anders fein Eönne! Rur 


::4820 


eine Probe von der Weeiferfäisft, mit welcher Hr. Kuffner den 
Bers handhabt: 
Si, et halt ˖nicht zu viet, 
Wat · ber Herr Oerzog jedem Mann’ des Monats 
Ein'n halben KThaler auf die: Sand, dann mir, 
aus Oberſten, wie den Sauptleubden, einen 


F Goldguͤkhen monaklich, nebſt ˖ vier 


Maß alten Wein für jedenQaug, 
Den’ Andern eine Maß vom Heurigen. 


Barum das Hofburgtheater ſolche mittelmäßige Dramen in 


-Gcene. feht, begreifen iwir n 


ft. Der dramatifchen Poeſie Kann 
hadurch nur Schaden zugefügt werden; denn einmal wirb mit 


folchem Zeuge der Geſchmack vollends verdorben, und fobann 


darf ein befferer Dichter gar wicht. mehr wagen, ein wirklich 


ꝓpoetiſches und werthvollet Product einer-Sheaterbirertion anzus 
bieten, ohne befürchten F müffen, daß er damit abgewieſen 


werbe, um dem Mittelmaͤßigen ben Vorrang zu laſſen. 
84, Ariadne. Drama In drei Abtheilungen, von Friedrich 
Dfann. Braunfhweig, Vieweg u.Sohn. 1840, Gr. 12. 12 Er. 
Die befannte Kabel, nicht ohne Gewandtheit dramatifirt. 


Bon einer poetiſchen Erfaſſung des Stoffes haben wir nichts 


pürt; deshalb bleibt uns nur übrig, der Sprache und bes 


Berfes zu gedenken. Die Sprache iſt durchgängig edel, doch 


„sicht immer gluͤcklich gewählt, der Vers fehr ungleich. Es gibt 


piele Stellen, melde ‚alles Lob verdienen und durch die Diction 
der Poefie fih annshern. Sp wenn Thefeus zu Phädra ſpricht: 
fiht Zufall iſt's, der uns und finder Tieß 
Und unfre Haͤnde ineinander ſchlang, 
MNothwendigkeit lag in der Macht des Blickes — — 
— — Deiner Augen Bauber, 
Aus weichem eine reine Seele ſprach, 
Die Tiebend in mein Wefen äberging, 
Vermocht' ih nicht zu wiberfiehen. — 
Bewunderung 'ift der Liebe Quelle nicht; 
Ich kann verehrten, wo Ich haffen muß, 
Doc) ‚Heben nicht ıc. 


Ober, wenn Enbora zu Ariadne ſpricht: 


Ergib dich und, wie ſonſt, und öffne 
In unfeer Mitte, die du fonft belebt, 
Den Sinn dir wiederum für flille Freuden, 
Wie fie der rauen Leben harmlos bietet. 
Nicht Hohem nachzuſtreben, iſt den Frauen 
Beſchieden: doch In Kleinem groß zu ſein, 
Sn fiilee Wirbfanrkeit, die ſichtbar ſchafft, 
Für Anbre hanbelnd felber zu -genießen, 
Das iſt der Frauen ſchoͤnſtes Koos und Biel — 
fo erinnert die einfache Würde der Sprache an Goethe, waͤh⸗ 
rend das Gententiöfe darin das Bebantengepräge Schiller's 
traͤgt. Dit aber vernadhläffigt der Verf. auch die Sprache und 


-Rört, vyrntzwiich durch Einſchiebung langer Zwiſchenſaͤtze, den 


Sinn. 3.8. 
Ich ſchalt ihntreulos, drohte-nmit Gewalt; 
Er lachte meiner Ohnmacht, und verſpottend 
Ariabne's Thraͤnen, hieß ar -weidh in Bande, 
Mich Freigebot'nen, Königefehn und Held, 
(Daß ich es war, erprobt’ am Diinstaueod 
3%) ſchlagen. 
(Die Jortſetzung folgt.) 





Miscellen. 

Kaifer Karl V. entſchied — wie König Triedrich II. von 
Preußen in einem Briefe an den Grafen Solms in Berlin 
vom 21. San. 1780 erzählt — einen Rangſtreit der Hofbamen 
über den Vortritt dahin: baß bie größte Rärrin vorausgehen 
fole.*) Cine folche Entſcheidung mußte aber nothwenbig die 


*) „Friedrich der Große. Bine Lebendgefhiähte von 3. D. E. 
Preuß‘ (Berlin 1882), 3. Bo., ©. 183, Rote 2, 


T% 
vcht — werũuber JIdhann Ehriſtia 


n Quelle Meuen Zwiſtes werben "übte den Madhtiitt. Oa alſo 
— —XRXE feat, vorbamen Alb vors 


Bouramen mußten , ſo gabs es kein ittel ba sam als 
andern 

"wach and: nach ein eigenes Rang⸗ 
| bach, fürkticy 


Damit ein Jeder lerne frei, 
Wie ippt ver Rang bei Hofe, Tel, 

"&o feh’ er dieſe Ordnung an, 

" Die Alles deutlich zeigen Tann. 


Der Premierminifter ſprach: 
Mir folgt der Obermarſchall nach; 
Nah General: Geldmarfhalld Gang 
Koͤmmt Gabinetöminifter Rang; 
Die Gonferenzminifter fein 
‚Nehmen die fünfte Claſſe ein, 
-Nebf dem Obermeiſter nem Stall _ 
Und auch der aͤlteſte Hofmarſchall u. ſ. w. 
inter ben Auslunftsmitteln,, Mangfreitigfeiten zu Geſeiti⸗ 
‚gen, wird (8.96) aufgeführt bie Wahl des Sitzens an siner 
sunden Zafe. So murbde 1698 auf dem Gongres zu: WMarlo⸗ 
‚sig verfahren, wo die Geſandten des vömilchen: Kakfers „ber 
Pforte, Rußlande, der Könige von Polen und Geofbrisennien, 
dann ber ‚Republit Wenedig in einem zunben Saale guſam⸗ 
‚monlamen, in welchen für jeben Gefandien eine eigene Thur 
fügrte- und in deſſen Mitte eine runde Zafel land, nadh.ber 
—F aus feinem vor dem Saale befindlichen Zelte darch Seine 
Thür auf ein Signal mit gleichen Schritten ging, bie Gefand⸗ 
ten fich einander becomplimentirten and gugleich jeder ſich auf 
den feiner Thür gegenüberfiehenden Stuhl fehte. Ebenſs gin= 
gen der ruffifche und. türkifche Gefanbte 1737 auf dem Congreß 
u Rimirow durch drei befondese Thüren in eine Art von Scheuer. 
ah ber Meinung einiger Rechtagelehrten iſt es (G. 110), 
der beſtehenden Derbote. gegen ben Zweikampf ungeqchtet, er⸗ 
laubt, wegen Rangftreitigkeiten fi zu duelliren, wie.bann. ſo⸗ 
gar die Bifhöfe von Cichſtädt und Gpeier ihrer obwaltenden 
heftigen Rangſtreitigkeiten wegen auf Piſtolen fich herausgefo⸗ 


'| dert haben, welcher Streit-aber in ben Zahren 1662 und 1664 


zum Vortheil des Bifchofs yon Eichftädt vom Kalfer entſchieden 
worben ifl. Die Doctoren der Theologie haben (&. 172 fg.) 
ben Bang vor ben Doctoren ber Rechte, diefe nom benen ber 
Medicin, unb letztere vor denen ber Philofonbie,. weil die Theo: 
logen für das erpige Wohl der Menſchen, bie. Suriften für bes 
ven ze tliches Wohl und.bie Mediciner nur für das Wohlſein 
bes menſchlichen Koͤrpers Fr forgen haben. Die Philofophen wers 
ben eines Örundes.gar nicht gewürbiget. Noch fehlimmer kommen 
(&. 269) die Maler und Pfeifer weg, welshen- nach ber Weis 
nung eines Strauch (De. colleg. .opif. th. 57) und Andr. My⸗ 
lius (Diss, de jure carnificum, Leipzig 1782) der. Scharſrichter 
voranzugeben hat. 





Die Fugger in. Augsburg beherbergen Miſer Karl V. au 
das prächtigfte, heigten unter Anderm ben Kamin, an weidien: 
ber Kalfer ſaß, mit: Bimmetrinde und warfen in foldhen eine 
bedeutende Schuldverfchrefbung bes Kaiſers. Ebenſo verbranns 
ten die venetianifchen Gefandten in Gegenwart des Könige 
Heinrich IV. von Frankreich einige von biefem der Republit 
ausgeftellte Schutdverfchreibungen, worüber der König laͤchelnd 
feinen Beifall gu erkennen gab mit ben Werten: „Er babe 
noch nie eine fchönere SHumination gefehen.‘‘ 25, 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brodhaus in Leipzig. 


Blatter | 


für 


Literartifde Unterhaltung. 





" Dramatifche Buͤcherſchau für das Jahr 1839, 
Dritten und letter Artikel. 
(Fortſezung aus Rr.: 329,) 


47, Scaufpiele von Don Pedro Galberon be la Barca. 
Üderfegt von 3. D. Gries. Zweite, durchgefehene Ausgabe, 
Erſter Band. Mit dem Bildniſſe Salderon’s. Berlin, Ricos 
fai. 1840, 16. 17 Gr. 

"Die Vortrefflichkeit der Gries'ſchen AÄberſezung Calderon's 

ift To allgeniein anerkannt, baß es beim Erſcheinen biefer zwei: 

ten Auflage nur einer Anzeige bedarf, um bie @ebildeten aller 

Stände auf bie meifterhaften Dichtungen des ebeln Spaniers 

-aufmerkfant zu machen. Der erfle Wand enthält „Das Leben 

. ein Traum“ und „Die große Benobia”. Das Yublicum Tehnt 

beide Dramen, wenn auch nur das erftgenannte durch die Büh⸗ 

nendarftelung unfer volllommenes Gigentfum geworben iſt. 

Die Überfegung dat nur unbebeutende Veränderungen erlitten. 

Das’ Bild des Dichters wird erſt mit den folgenden Bänden 

verfprochen. 

45. Der verwunbete Lirbhaber. Lufifpiel in einem Aufzuge. 
Rad Bupaty und mach einer Heinen Erzaͤhlung bearbeitet 

und %. vor Kurlänber Wien, Wallishauffer. 1889, 


Fin kungen Higiger Major hat ein Duell mit einem Frem⸗ 
den gehabt, den: er ierthümlicher Weiſe für feinen Nebenduhler 
hdaͤlt, iſt verwundet worden und muß nun das Zimmer hüten. 
Seine Beliebte kommt verkleidet, um Ahn zu pflegen und Ihm 

zugtleich ſeine arge Eiferſucht abqugewöhnen. Diefe Geliebte, 
eine junge Witwe, iſt reich und wohlthätig, der Onkel bes 
Eechors will aber wihts von ihr wiflen, indem er behauptet, 
der Major könne nicht heirathen, weil er zu liederlich ſei und 
viet Schalbden ˖ mache. Dieſe will der Onkel nicht bezahlen. 
Da ſchlaͤgt fi die junge Witwe ins Mittel, die Sache kommt 
heraus, es t fh, daß der Major den’ eigenen: Onkel für 
-- feinen Nebenbuhler gehalten Hat, und bie. beiden —— heira⸗ 
then einander. Am Anen Thenterabend: dürftig aus zufu Em Ei 
das Stüd gut genug. Es gibt adch wich. —* en 
ſchen Werth hat es natuͤrlich hicht. 
Die sisher angezeigten? Luſtſpiele und; Poffen waren 
mieiſtentheile Bratbeitungen franzöfticher” odet itakieniſcher 
Originale. Nur im erſten Artikel unſerer diesjaͤhrigen 


dramatiſchen Buͤcherſchau kamen uns einige nicht zu vers 


achtenden Heutſche Drigieren! uſtſpiele vor. : Eine: groͤßere An: 
zahl liegt jest vor Ans, geile "Luftfbfele thrils Poſſen 
enthaltend. Hat nun im verfloſſenen Jahre "Leine" dern 
ELuſiſplel güinftige" Armoſphaͤre über Deueſchtand geſchwebt, 
oder find die Marren hier von Haus -aus fo erhabett, daß 
ſie vor lauter· Luſt and’ Narrethei ſchier ernſthafte worden: 
genug, Freunbr omudritt enrweder mit einet fehr Wei⸗ 





ichm 
wandeite 







nerlichen oder mit einer ſo pathetifch- komiſchen Miene 
auf, daß wir entweder das. Lachen ganz verdeſſen, "oder 
- über diefe pathetiſche Spaßhaftigkeit vor lauter Lachen 
: wieder Thraͤnen vergießen. Die Deutfchen: find — Gott 
ſei's gedankt — naͤrriſche Kaͤuze, unſere Luſtfpieldichter 
ſind aber jedenfalls die naͤrriſchten von allen! Duͤrfen wir 
an die geehrten Leſer d. Bl. die Bitte wagen, dem zu⸗ 
naͤchſt angezeigten Buͤchlein ihre ganz befondere Aufmerk⸗ 
ſamkeit zw ſchenken, fo! werden fie unfer Urtheil geuscht 
finden und mit uns der beutfchen Narrheit mit Prfaumen, 
Zimbeln‘ und Pauken ein weitſchallendes Loblied fingen. 


49, Die eiferfüchtigen Weiber. Poſſe in einer rbtheitung, unb 
Proben dramatifcher Sprüchwörter von G. Schüd. Nebfl 
einem Vorworte, verbunden mit-einer Subferiptiontsintabung 
auf bie fümmtlichen: Werke (m bes obigen Verfaſſers. Düs 
firow, Opitz. 1888. 8. 12 @r. 

Schon manche —8 Schrift iſt und zu Handen ge⸗ 
kommen, über die wir ein Urtheil fällen ſollten, und nichffels 
:ten fiel es uns ſchwer, elnen, ob auch gerechten, Zabel über 
derartige Schriften auszufprechen, weil ber Rame des Verfaſſer 
“ein berühmter, ein: allgemein geüchteter und ehrenwerther War. 
Nie aber ift es uns roch vorgelommen, daß wir: gleich don 
vornherein unfer Urtheil vöNig Uuntergraben ; die Beber uns echt 
eigentlich : aus ber ae Kr: en grfehen hätten. GSo weit Hat 
es bis zetzt nur Hr G. daus ˖ Wismar gebracht, aus 
Mismar, das im Lande ran 8 ‚ober megrenduz/ satt, 
dicht an der Dfifee, im Ungefichtei dev Inſel Yoel. : Sr. 
iſt ein Setrle , ein großes Genie, wo wicht bas-allevgrößte, das 
bio jegt auf“ deutfeher Erde einhergrwandelt; er ift ein fich ſelbft 
bewußt gewoͤrbenes Genie, und — trauere mit uns, bu arines 
deuntſches Volt — auch das Jehte Genie, das: in Deutſchtand 
gekannt, verkannt, — — und mishandelt werden : Mrd! 
‚Beh bir, du mecklenburgiſche Stadt Bitmar, bie im Anges 
-Möte der flachen Infeli Poet: legt, weht bir; daß dir der un⸗ 

aͤngtiche Ruhm zur am geworden ift,’dem legten deutſchen 

Dichtergenius in beine Mauem zu fließen! — Wahrhaſtig, 

F Em wine Homer  inb‘ wer auf ſeine Spur 

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fenen h en Schwafeleien der Leichenfrau und Krankenwaͤr⸗ 
terin geſchenkt. Sie gehoͤren gar nicht mit zur Handlung und 
flören ſogar den Leſer, wie vielmehr bie Darſtellung! Übers 
haupt iſt dies Schauſpiel nicht leicht aufführbar, wir zweifeln 
aber nicht, daß ber Verf. bei feinem unvertennbaren bebeutens 
den Zalente ohne große Mühe ein recht tächtiges Theaterſtück 
liefern Tann, und wir wollen uns freuen, wenn er es recht 
bald dazu bringt. 
86. Dramatifche und lyriſche Werfuche von Leopold Engels: 
berg. Wien, Zendler u. Schäfer. 1839. &r. 12. 18 Gr. 
Hr. Engelsberg fagt im Vorwort zu bdiefen feinen „Verſu⸗ 
hen”: „Ich übergebe dieſes Stüd aus dem Grunde der Df: 


n“: 
fentlichteit, weit ich leider die Grfahrung gemacht habe, daß es 


falsch abgefchrieben auf vielen Bühnen herumwandeln mußte, 

und befeuchte keineswegs bie Art und Weife, wie manche Buͤh⸗ 

nen zu bemfelben gelangt find.‘ Dies Stüd, das Hr. Engels: 
berg der Öffentlichkeit Lieber nicht hätte übergeben follen, beißt: 

„Dee junge Barde, ober der kleine Improviſator“, und führt 

eine ausnehmend fchlecht gelungene Lithographie biefes Barden 

als überflüffigen Ballaft bei fih. Der junge Barde iſt ein 

Knaͤblein von 14 Jahren, eigentlih eine Waife, uneigentlich 

aber ein angenommenes Kind. eine Pflegemutter tft von ih: 

rem Vater mit einem Liebhaber entlaufen, ber Vater bat ihr 
geflucht, ber Liebhaber iſt ihr untreu geworden unb fpäter in 

einem Duell geblieben. Dies ift ber eigentliche Water des Im: 

provifatorde. Nun kommen biefer Morig und feine Quafimut: 

tee mit ihrem alten Water zufammen, ber von dem Zalente 
des Knaben zur Verzeihung beflimmt wird. Won dem groß: 
artigen Zalent bes jungen Barden kann man fi durch fol: 
gende Probe eine Vorftelung maden: 
Sicher meinft bu, Derr, die Poefie; 

Nun, den ſchwachen Funken gab mir die Natur; 

Ohne biefen Funken kannſt du nie, 

Nie ein Barbe fein. Doch höre weiter nur. 

Run, das muß Bott wiffen, ſchwach genug ift ber Funken von 

Doefte, welcher in die Seele Hrn. Engelsberg's gefallen ift, fo 

ſchwach, daß wir ihn in ber That gar nicht entdecken koͤnnen. 

Die lyriſchen Verſuche zu beurtheilen, kommt uns eigentlid nicht 

u, ba fie mit dem Drama nichts zu fhaffen haben. über bie 
nbhängfel biefes WBüchleins erlauben wir uns aber doch ein 

Wort nur im Interefie der etwaigen Lefer. Hr. Engelöberg iſt 

Naturdichter. Er fagt: 

O, ſchmaͤht mein Lieb mir nicht, ihr Leute, 
Und gönnt mir meinen Hochgenuß (?), 
Vergebt, und hört den Sänger heute, 
Der unwiltürlih fingen muß. 

Nein, wer muß, den kann Niemand Kindern! Alſo nur friſch 

drauf zugefungen! Außerdem befleht ber übrige lyriſche An: 

bang aus Gelegenheitsgebichten an hohe Perfonen, Gönner und 

Freunde. Auch aus Gefängen auf fich felbfi; endlich aus ei- 

nem Vers auf eine Recenfion, der noch hier flehen mag, damit 

wir nicht etwa das Ungläd erleben müflen, daß ihn ber Verf. 
auf uns beſonders abbruden läßt. 
Wer kaum fi felbft dem Schlamm entwinbet, 
Der waſchet nie ben Anbern rein. 
Der Edle nur, ber zart empfindet, 
Kann Richter Ihöner Künfte fein. 

37. Albrecht Dürer. Dramatiſches Gemälde in ſechs Bildern. 
Der Erinnerung des Deifters geweiht von Friedrich Wag⸗ 
ner. Nürnberg, Bauer u. Raspe. 1840. Gr. 8. 16 Gr. 

In einer Reihenfolge von bramatifchen Bildern, die keinen 

Anfprud auf Kunftwerth machen, führt ber Verf. einfach und 

anfprechend die Hauptepochen aus dem Leben bes großen Malers an 

uns vorüber. Sein Berhältniß zu feiner Gattin Agnes, fein Wans 
berieben, fein Aufenthalt in Venedig, fein Zufammenleben mit 

Biulio Romano, Giorgio und Tizian, feine ehrenvolle Aufnahme 

in Antwerpen, endlich fein Tod in Pirkheimer’s Armen wird 

fhlicht und mit Wärme erzählt. Wie gefagt, die Kunft hat 
wenig dabei gethan, auch die Poefte tft nicht eben incommodirt 


worden; als eine Srinnerung an ben großen Meifter, wofür es 
fih gibt und nur geben will, verdient bie faubere Arbeit, bie 
ihren Grundzügen nad der Rovelle „Kuünſtlerehe“ von Leopolb 
Schefer entlehnt iſt, unfere Anerkennung. Die Ausflattung ift 
hoͤchſt [plendid, geziert mit dem Bruſtbilde Dürer’s, nach Rauch's 
Modell von Wagner geflohen. Der Umſchlag zeigt die Mis⸗ 
lichſten Lebensmomente des Malers in zierlichen Holzſchnitten. 
38. Die Nibelungen. Siegfried's Tod. Eine romantiſche Tra⸗ 
goͤdie in fünf Acten. Von Chriſtian Wurm. Erlangen, 
Palm. 1839, 8, 1 hl. 

Es wird immer ein nicht fehr dankenswerthes Unternehmen 
bleiben, ein älteres Gebicht, beflen Meiſterſchaft alle Jahrhun⸗ 
berte anerkannt haben, fei es in ähnlicher, fei es auf andere 
Art zu bearbeiten. Wollte 3. B. Jemand aus ber „Ilias“ eine 
Tragödie machen, fo würbe er nur Lachen erregen. Daffelbe 
gilt faft in gang gleichem Grabe von ben Nibelungen. Nichts⸗ 
beflomeniger hat Hr. Wurm ſich daran gewagt und ben er= 
greifenden Untergang Siegfried’s in eine romantifche Tragödie 
umgemobelt. Wir hätten nichts bagegen, wäre dies mit dem 
zu einem folchen Unternehmen unerlaßlichen Talent gefcheben ; 
allein unfer Autor befigt von alledem nichts als die fehr alls 
tägliche Fertigkeit, fünffüßige Samben zu ſchmieden. Jamben 
allein, und wären fte volllommen tadellos, machen noch Feine 
Tragödie; auch durch Umgeftaltung ber epifchen Glemente zu 
dramatifch = draftifcher Handlung wird dies noch nicht bewerk⸗ 
fteligt; man will vor Allem rafche Handlung, beftimmt aus 
geprägte Charaktere, Gedrängtheit der Scenen, fpannende Si⸗ 
tuationen und ergreifende Entwickelung. Hr. Wurm aber gibt 
von Allem gerade bad Begentheil. Seine Perfonen ſprechen 
fämmtlih eine wie die andere. Chriemhilde, Brunhilde, Has 
gen, Siegfried, Volker u.-f. f. find langweilige Hampelmänner, 
die die Worte zierlich wie die Eier fegen, als fürchteten fie fc, 
die Sprache möchte beim Sprechen zu Grunde gehen. Und ba® 
Alles gefchieht fo breit, flady und falbabrig, daß Einem babei 
angft und bange wird. Kurz, diefe fogenannte romantifche Tra⸗ 
gödie Hrn. Wurm’s gehört unter bie mislungenflen bramati= 
ſchen Arbeiten bes ganzen Jahres. 

39. Dramatifche Gaben von Hergenstron. Wien, Tendler 
und Schäfer, 1839, Gr. 12. 21 Gr. 

Drei Dramen find e8, bie uns ber Verf. diesmal darbies 
tet. Das längfte davon: „Roſa““, Drama in fünf Acten, iſt 
nah dem Franzöfifhen des Alexander Dumas frei bearbeitet, 
Das Stück ift nicht ſchlecht, infofern man die Bühnentechnik 
befonders ins Auge faßt, die ſich darin ausſpricht. Roſa Monti 
ift eine junge Stalienerin, die ſich in einen jungen Franzoſen, 
Arthur v. Savigny, ehemals verliebt hat, als diefer In Reapel 
fih aufhielt. Ihr Water geflattet aber die Wermählung mit 
bem jungen Franzoſen nicht, weil er mit deſſen Water in obs 
feindfchaft lebt. Savigny geht nun zurüd nach Paris und vers 
lobt ſich mit der ſchöͤnen Zochter des WBarons Delaunay, Ama= 
lia. Kurz vor der Vermählung Eehrt deren Water aus Italien 
zurüd mit einer jungen rau. Diefe Frau iſt Rofa. Der junge 
Sranzofe entbrennt alsbald wieder in unbänbiger Liebe zu der 
fhönen SItalienerin, heirathet aber doch Amalia. Run dehnt 
und zieht ſich das misliche Verhältniß fort unter Qualen und 
Belümmerniffen aller Betheiligten, bis ber alte Delaunay da⸗ 
binterfommt. Es gibt Skandal, ber jedoch durch ben ritter- 
lichen Edelmuth des Alten gebämpft wird. Der junge Savigny 
mit feiner Zrau wird gendthigt, nach Italien abzureifen, und 
fo gleichen fi denn alle Störniffe — eine Seltenheit in frans 
zöſiſchen Dramen — ohne förmlichen Eclat auf, bie Erwartuns 
gen des Lefers werden aber nur zum Theil befriebigt. " 

Die beiden anbern Piecen find Erfindungen bes Berf. „Die 
Perüden‘‘, ein dramatifcher Scherz in einem Aufzuge, if ſehr 
gewoͤhnlich und nicht ebrrmäpig ergöttich. Sin —*— beträgt 
vier Guratoren einer reihen Witwe dadurch, daß er jebem 
nach dem Munde fpricht, wodurch er denn bie Hand der Witwe 
und ein’ fehr anfehnliches Vermögen gewinnt. Das letzte: „Der 
Bräutigam als Botaniker“, Luſtſpiel in zwei Aufzägen, beruht 


N 





artigen Taͤuſchnngen und enbst eben auch, wie alle Eufls 
— — mit einer Heirath. Sin junger Baron ſoll nach dem 
Willen feines im Gommanboton auftretenden Waters eine junge 
Witwe heirathen, ohne doch Luſt dazu zu haben. Gr führt ſich 
daher, um erſt zu recognosciren, bei deren Water, einem eifri⸗ 
gen Botaniker, als Botaniker ein, verliebt ſich aber wider Wil: 


en in die ihm beftimmte Braut. Sein Freund, ein loderen | 


win ihn um die reiche Braut prellen und erfcheint In 
— —E Bräutigams, ohne doch als ſolcher Glück 
maqhen. Endlich loͤſen ſich die Verwickelungen zu Aller Zu: 
— Das Buch iſt der Schauſpielerin Karoline Bauer 
vbedieirt und Tann unter fo vielen mittelmaͤßigen Producten im: 
mer noch als eins der erträglichern mitlaufen. 


ir kommen jegt zu einer bedeutenden Anzahl von 
Zeauers, Schau: und Luftfpielen, die ſaͤmmtlich andern 
Nationen angehören und theils in treuen und woͤrtlichen 
Überfegungen , theils in freien Bearbeitungen oder Umar: 
beitungen unferer Literatur einverleibt worden find. So 
wenig wir mit Denen barmoniren koͤnnen, bie da gern 
behaupten möchten, nur in Frankreich und England blühe 
noch die deamatifche Poefie, fo find wir doch auch nicht 
fo einfeitig, das viele Gute, ja theilweife Vortreffliche un: 
beachtet zu ‚laffen, das uns von diefen Nachbarländern 
auch in der dramatifchen Literatur zulommt. Es ift lei: 
der eine unfelige Wahrheit, daß der Deutiche dem Frem⸗ 
den ſtets eine größere und unbedingtere Aufmerkſamkeit 
ſchenkt als dem Einheimifchen. Selbſt das Beſte wird 
nur ausnahmsweiſe und erſt nach längerer Zeit anerkannt! 
Daher kommt es denn, daß der Buchhandel, der immer 
mehr zum bloßen Schacher berabfinkt, auch von Jahr zu 
Jahr mehr auf das Ausländifche fpeculirt und darüber — 
meiitentheild, weil er das Ausländifche um den halben 
Preis, oft noch billiger bekommen kann — das Inlaͤn⸗ 
difche ganz vernachläffigt und die bedeutendſten Talente 
entweder duch Wernachläffigung zum Schweigen zwingt, 
oder fie nur für das leidige liberfegen miethet. Che nicht 
ein reger Sinn für das Höhere, für die Kunft, für die 
Literatur unter den Verlegern ſich wieber geltend macht; 
bevor fie nicht von dem Wahne zurückkommen, daB der 
Buchhandel ebenfo kaufmaͤnniſch betrieben werden muͤſſe 
tie der Rofinenhanbdel, ift kein Umſchwung im literarifchen 
Verkehr, keine echte Würdigung des Einheimifchen möglich. 
Gerade weil aber der Misbrauch und Unfug mit dem Bü: 
cherſchacher jegt fo weit ums fich gegriffen hat, hoffen wir, 
daß demnaͤchſt auch eine Anderung zum Beſſern nicht mehr 
gar fern fein wird, Wenden wir nun dies auf die dra⸗ 
matifchen Producte an, die uns uͤberſetzungsweiſe aus ber 
Fremde überliefert werden, fo gibt es auch unter diefen 
eine - binlängliche Menge hoͤchſt erbärmlicher Erzeugniſſe, 
Die nur der lüberfegungsluftige und mit dem Fremden ko⸗ 
Bettirende Deutfche fich hat zueignen können. Über. diefe 
wertblofe Waare werben wir kurz fein. Allein es find 
auch fehr beachtenswerche Gaben darunter, Gaben, die fi 
der beutfche Genius mit Fleiß angeeignet hat und bie als 
die geiftige Bluͤte einer fremden Nationalität alle Beach⸗ 
tung von Selten ber beutfchen Kritik verdienen. Diefen 
wenigen bebeutendern Producten, bie fich vor den. deutſchen 
meift durch größere Gewandtheit in Handhabung ber fces 


niſchen Technik und durch lebendigere Bewegilchteit ber. 
Charaktere audzeichnen, volderfahre demnach the Recht. 


40. Galiguls. Hiſtoriſches Schauſpiel im fünf Aufzügen vom 


Eduard Ierrmann. Frei bearbeitet nach Alexander 


Dumas. Berlin, Gchlefinger. Gr. 8. 16 Gr. 


‚_ Blei nach den erften Aufführungen biefes Stüdes in Pa⸗ 
ris iſt in allen Iournalen, feanzöfifchen ſowol als beutfchen, 
fo viel darüber gefprochen worden, daß wir füglich annehmen 
tönnen, Diejenigen, welche diefe dramatifchen liberfichten einer 
Beachtung würdigen, werben den eigentlichen Inhalt beffelben 
kennen. Was uns Hr. Ieremann in feiner Bearbeitung gibt, 
ift nicht mehr das Drama Dumas’, fondern nur ber innerfte 
Geiſt feines Stüdes in einer faft ganz andern, bem beutfchen 
Gefühl und Geſchmack angepaßten Gewandung. Jerrmann ſpricht 
fi über Zweck und Tendenz dieſer freien Bearbeitung in einer 
bem Drama vorgebrudten Ginleitung ausführlid und verfläns 
dig aus, und wir können nicht umpin, ihm in ben mefften 
Einzelnheiten Recht zu geben. Für uns freilich erwächſt daraus 
der Übelftand, daß wir nunmehr weder ein beutfches, noch ein 
franzöfifches Stüd haben und mithin unfere Weurtheilung auch 
nur zum Theil den franzöfifhen Autor treffen Yann. Alles 
Graffe, Wilde, Ungereimte, Indecente bat Jerrmann mit Ge⸗ 
(hie in feiner Bearbeitung entweder ganz weggelaffen ober es 
gemildert, oft ganz geändert. Ebenſo find die langen fchönen, 
ſchwaͤrmeriſchen Reben weggefallen ober gekürzt, und der Schluß 
bes Stüds, ber im Driginale in eine fcheußliche Metzelei aus⸗ 


läuft, gemildert, aber auch dermaßen geändert worden, baß jest . 


ganz andere Perfonen umlommen als in ber Tragödie von 
Dumas. Es iſt nicht unfere Aufgabe, mit dem Bearbeiter dar⸗ 
über zu rechten, um fo weniger, ald Jerrmann babef die beut= 
ſchen Bühnen vor Augen Hatte und beabficdhtigte, das Sthd in 
der jegigen Form aufs Theater zu bringen. Der Inhalt ber 
Jerrmann'ſchen Bearbeitung ift nun kuͤrzlich folgender. Cali⸗ 
gula lernt Stella, die Zochter feiner Amme Junia, Eennen, bie, 
eine Shriftin und mit dem freien Gallier Aquila verlobt, den 
graufamen Wollüſtling feffelt. Er Täßt fie nun entführen und 
Aquila ale Sklaven auf dem Forum verlaufen. Keiner der 
Verräther ahnt, daß ber Kaifer felbft diefe Barbarei begangen 
babe. Aquila wird von dem Römer Cherea gekauft und dies 
fer verfpricht ihm bie Freiheit, wenn er ben Kaifer ermorden 
will, da Cherea Galigula’s Geliebte, Meſſalina, ebenfalls Licht. 
Aquila vwiberfirebt aber, bis Meffalina felbft erfcgeint und er 
von bdiefer erfährt, daß ſich Stella bei dem Kaifer befindet. 
Man wirb Handels einig, Aquila wirb zu Caligula gebracht, 
wo er Stella findet. Meſſalina aber will nun Beide vernich⸗ 
ten und weiß ben Kaiſer in dem Momente ins Gemach zu fuͤh⸗ 
ren, wo Aquila feine Verlobte umarmt hält. Galigula vers 
dammt den Ballier zum Tode, verfpricht ihm jedoch das Leben 
bis zum nächften Morgen noch zu fchenten, wenn ſich dann 
Stella ihm ergeben wolle. Stella gibt das Verfpredhen, in ber 
Nacht aber wird Galigula von Annius, Lepibus und Cherea 
ermordet, Deffalina von Aquila. Glaubius wirb zum Kaffee 
ausgerufen und die beiden Geliebten geben fiegend aus dem 
Kampfe hervor. Ob dies Letztere ganz zu billigen iſt, wollen 
wir dahingeftellt fein Laffen. Es ließe ſich wol viel gegen bie 
ganze Bearbeitung einwenden, wenn man das Original als 
Grundlage berfelben betrachtet. Allein, dies möchte uns bier zu 
weit führen. Uns bleibt nur im Allgemeinen übrig zu fagen, 
bag auch durch die Bearbeitung noch die Großartigkeit der Ans 
lage hindurchſchimmert, wenn auch in ganz anderer Strablens 
brechung. Die Charaktere Caligula's, Lepidus’, Cherea's, Stel⸗ 
la’8 find hoͤchſt bedeutend und muͤſſen dem Eindrucke zufolge, 
den fie auf uns bei ber Lecture gemacht haben, auf ber Bühne 
von großer Wirkung fein. Die wilde Barbarei des verwimmer> 
ten, in moralifchem Schmuz untergegangenen Helbenthums ge» 
genüber der gläubigen —— und ſchwaͤrmeriſchen Dul⸗ 
dung Stella's, iſt ergreifend und trefflich hervorgehoben. Und 


m 


J 


1824 


Mrs find vegugäistife die beiden Hebel, von. welchen bası@Adit 
in Bewegung gefeht. wisd. Unſertr Gewohnheit nach belegen 
wir unſer Urtheil durch einige kurze Auszüge, bie zugleich einen 
Beweis von der gewanbten, ja gelungenen Übertragung bes 
Warbiiters liefern. Zaerſt ein MED von Galigula’s felgen Th⸗ 
mannenfurcht. Win Ungewitter zieht über Kom hinweg. 
Saligula (fi an zwri SMaven anktammernd). 
Bleibt bier, fo tan’ des Donners fardtbar. Sofern 

D5 unfeen Yluptern rollt! Bei euerm Erben 

Deriaßt den Ort nt, bis der Tegte Biitz 

Die Racht der Wolten wird zerriffen haben. 

Des Murmels Horr, Im eiſerſuͤchte gen Groll, 

Entſendet gegen mid die Donnerkelle. 

D Jupiter! Bezaͤhme deinen Born! 

Ich bin nicht Sort! Dh fuͤhl's, Ich bin es nicht! 

IE mich nicht uhr vermeſſen — Hoch sin Big! . 

Bu Bohn, Skläden — ttief aufathmend) er hat nicht gegünbet! 
Großartig it Jumiu's Verzweiflung über Stella’s V inden 
und ihr Zweifel an der heit ber Goͤtter Roms geſchttdert. 

Sunta (auf die Laren zuſchreitend). 

"Mer nahm die Kraft euch, ober biendete 

So euern Bid, daß ihre nit fehen Tonntet, 

Was unter euerm Aug’ fi Bier begab? 

Und wenn ihrs faht, daß eure Donner Tehwiegen, 

Kein Blitzſtrahl die Verwegenen zermalmte? 

Dat diefe Seit, bie alle Welt verpeftet, 

Mit Gifthauch ſelbſt die Götter angeftedt? 

O eitle Goͤzen! Als man fpärli nur 

In Thon und Sandſtein euer Bild noch formte, 

Konnt' eine Diuttor gläubig euch vertraun, 

Da Thüstet ihr der Tochter heil'ge Unſchuld. 

Doch nun ihr prangt in Märmor, Gr; und Golb, 

Dobt ihre nur Sorge, noch euch ſelbſt zu wahren; 

Dem Lafter gbnnt Ihe unverbienten Lohn, 

Dee Unterbrüditen Leiden ſprecht ihr Sohn! 

Nicht feid ihre mehr der Unſchuld Schlrm und Retter! 

So feib vernichtet denn, ihr falſchen Goͤtter!, 


Endlich, um die Milde, welche durch die Bekehrung pam Shris 
ſtenthum in Stella's Beift und Herz Wurzel sehglagen bat, 
onzubeuten, noch ein Stüd aus der Erzaͤhlung Stella's von 
den Apoſtein, die an Italiens Küfte gelandet find. 
— So faß ich finnend eined Abendé da, 
Und Länger als gewöhnlich meine Grüße 
An dich im Schufuhtähaud, den Lüften fpeubenb, 
Daß fie nad Rom hinüber bir fie trügen — 
Ks eine Barke plösli) landwoͤrts ſchwamm, 
In der zwei Männer und zwei Frauen faßen, 
Bei deren Anblick ih fo ſtaunend fianb, 
Daß die Grinn’zung mid, noch jet entzuͤcket. 
Uns: ihre Däuptex flog ein Otrahlenſchein, 
Des blendond einen Glanz um fie verbreitet, 
Daß ich bie Augen ſcheu zur Erbe flug; 
Und als ih mich vom erften Schreck erholt 
Und ſchuͤchtarn wagte wieder aufzubliden, 
Da Handen fie im milden Glanz vor mir, 
Der Gottheit Boten, bie fie und geſendet. 
— — Am. andern Tag erbauten fie Altäre 
Dem sin’gen Gott und feinem heil’gen Sohn, 
Der, feine Macht auf Erben zu verländen, 
Dur Wunder feine Sendung bat bewährt. 
Den Sichen heilte feinee Hand Berührung, 
Ja aus ber Gruft erftanden auf fein Wort 
Die Todten, die der Brabftein ſchon bedeckte x. 
Zerrmann hat durch biefe in ihrer Art gelungene 
Seinen Beruf kundgegeben, auch andere von ben beſſern fran⸗ 
aöfiicden Bühamftäcen in ähnlicher Weife ber deutſchen Bühne 
Anguverleiben. Vielleicht kaͤmen dadurch nad und nach bie 


earbeitung 


| Altdeutscohe Blätter ron 


Led. mehr im 


. wenn 


Ipegrmeanet, ons ein Soc ein Anfensigen 
ned noch: Lager wicht Die Mifecung Telbi-meäsr, 
(Die Vebiſetung waigt) 





Abdoel⸗Kadet umd die Verhaͤltmiſſe zeichen: Franzoſen 
und Arabern im noͤrblichen Afrika. Bon A.W. Dis 
nefen. Aus dem Daͤnifchen  Überfegt von Auguſt 
von Keltſch. Nebſt einer Karte. Berlin, "Mittier. 
1840. 8 1Thlr. 6 Sr. 

As 0b unfere Zeit mcht ſchon ook genug -wäte an Grö⸗ 
fen und Berühmtheiten mancheslei Art, wenn auch nur an pas 
piernen, hat der Verf. bes bänifchen Originals, deſſen Berbeut: 
(hung hler vorliegt, der koͤnigtich daniſche Aetillerieöffünter Di: 
nefen, Ritter vom Danebrog ımb von Ser: Shtenlegion, eine 
neue Größe, eine neue Gelebrität, mämlich ben erſten ‚großen 
Mann der nordweſtafrikaniſchen Nationalität der Neuzeit auss 
findig gemacht, „Waͤhrend meines Aufenthaltes in fa im 
J. 1837', bemerkt derfelbe in der Worrede, „habe ich mit gro: 
ßem Intereffe gefehen, wie die Nattonulität- dee heutigen aras 
biſchen Völlerfyaften nuch einem Schlummer ‚von vielen Jahr⸗ 
hemdertea wieder aufgewacht iſt, and in -Merbindung, vhiermit 
fühlte ich eine lebhafte Bewunderung ‚für bie Perſoͤnlichkeit des 
Mannes, der ein nationales Gefühl bei einem Wolle hervor- 
rufen konnte, deffen Neigungen Jahrtauſende hindurch an einer 
fo gaͤnzlich ungebundenen Verfaffung hingen, daß Bigriffe wie 
Staat, Vaterland und Regietung ihin fremb geblieben find. 
Abd⸗ el⸗Kader iſt diefer Mann, der, von feinen vielen und gro⸗ 
fen Eigenſchaften unterftügt und durch bie Umſtaͤnde begünſtigt, 
den Beſchiuß faßte, feine Landsleute zu einer Nation zu vers 
einen, ihren polttifcyen Ideen eine neue Richtung zu geben mb 
ihmen ben: Keim gu Gluͤck, Wohlſtand und Kraft gu legen, ohne 
beshalb ‚auf gewaltfame Weiſe die Verbindung mit bem Altes 
Zuftanbe und deu Fraditionen bes Worgeit abzufchneiben.” Der 
Verf. fucht dies in feiner Darftellung weiter zu entwideln; wir 
müflen es jedoch Andern überlaffen, zu unterfuchen, ob ihm 
dies wwichtich gelungen ſei. Dabei verbreitet er ſich zugleich 
über bie Berfahrungtart, Politik und Kriegführung ber Frans 
un im nörblicken Afrika, fowie über- bes Sand, in welchem ex 

1837 aufpielt, über bie dortigen Völkerſchaften und berem 
Zuſtände. Gewiß iſt das Buch in diefer Beziehung von nicht 

eringem Intereſſe; aber für Abbsel-: Kaber, 'wenn ſchon ber 
erf. über deffen Pläne und ihre Erfolge ſelbſt, mit Recht, 
nicht urtheilt, vielmehr gewiſſeühaft genug. dies "ber Entſchei⸗ 
dung deu Beit uͤberlaͤßt, iſt er denn doch enwasımehr als recht 
iſt eingenommen. Abd⸗el⸗Kader iſt gleichſam F n Heiliger, 
ſein Held, auch ſchildert er ihn wirtii (©. 195) nad feiner 

Phyſiognomie ats einen Helligen und demerkt, ran habe wicht 

Unrecht gehabt, ihn mit den Poetralte zu vergleichen, weiche 

uns bie Dendition von Ehriſtus überlichert habe. 47, 





Literarifhe Anzeige 
Dusch ‚alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 
r Moritz 
Supt wald Heinrich Hofemmen. Tüvster 

und "zweiter Band in 8-Heften. 1835-40. 

Gr. 8. 4 Tulr. 12 Gr. 

Vorläaufig ift mit dem foeben erſchienenen vierten Hefte des 
zweiten Bandes dieſe fuͤr die altbenrfthe eiteratur fo Intereffante 
Sammlung geſchluffen. 

.  Beipzig, im Rovsinben 1840. 
° B- 8. Weodhaus. 


- Berantwortlicher Herausgebevr Leinzig Brokkhaus. — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus In’kuipzüg 


Bıdtter 


pie 


literarifche Unterbaltung. 








Dienſtag, 


329. — 


24. November 1840. 





Dramatifche Bücherfchau für das Jahr 1839. 
Dritter und letter Artikel. 
ABortfetung aus Nr. 32.) 


41. Des Stranders Tochter. Gchaufpiel in fünf Aufzügen. Brei 
nad Sheriban Knowles von Eriedeih Treietäße 
Bin, Balispaufer. 1840. 8. 15 Gr. 

Dies Schaufpiel wäre den beften der neuern Zeit beizuzaͤh⸗ 
len, litte «6 mit an einer dem Geiſt des Dramas widerſpre⸗ 
Senden afzugeoßen Wiltlürtichkeit pinfchrlih der Behandlung 
des Stoffes. Die Perfon nämlich, durch welde das Drama 
erfi zum Drama wird, erſcheint von vorn herein In mi“ ” " r 
‘Geftalt, man ahnt mol, daß von ihr die Verwickeln 
gehen wird, man kann id aber über die Nothwendig! 
Handlungsipeife durchaus Leine arg Rechenſchaft geben. 


situatianen der handelnden Perfonen, wie durch bie zei 

von Wedanken ‚und poetiſchen Anfhauungen intereffir: Bi 
wenn das Ende näher heranrüdt und man fieht, daß fo vieles 
Freffliche 61086 zu melodramatifcher Effectmacheret benugt, wor: 
ben {R, finkt die Theiinahme und man Legt das ” *  " ""r 
digt ang der Hand, Das Stüd fpielt im Rort 
an ber Merrgsküfte. Gtrander, von dem Ertrag 
was ihnen das Meer von gejeiterten Schiffer 
die Hauptperfonen. Das Straͤndrecht, dies vo 
fen und don weichherzigen Menfchen fo oft ve 

‚hgehörteten Männern und den tollfühnen Ki 
genommene Recht, ift | 
— dreht. ne e 
"hat eine Spdter, „ bie mike einem jur 
& yard, dereitö verlobt iR Eduard geht eben 
auf einee Hanbelsrelfe fein Glüc zu verfuchen. 
im Anzuge und mehre Gegel ber Küfte nahe. B 
feeuen fi) dieſes SäHaufpield und lauern, Zigeen glei), auf 
die ihnen gerite Beute. AL der Sturm ausbyicht und Rothe 
fhüffe gehört werden, gilt Iedsemann nad dem kilppenreichen 
Strande. Auch Robert, obwol von feiner Tochtet gemarnt und 
gebeten, dem (ündlihen Erwerbe zu entfogen, wirb von ben Übriz 
ven mit fortgerlifen. Unterwegs Beasanee ibm Norcig, der reichte 
Strander, ein finfterer, von ben Übrigen gefürätet , Mann, 
dem man allgemein nur Wöfes autraut. Diefer —— Robert 
freundlich an unb gibt ihm Unterweifungen, wie tr Leicht (M 
Reicytyum gelangen könne. folle nur die Ertrunkeran als 
Sand ziehen, fie trögen meiflend vei Gelb bei ſich Robert 
Täßt fi von dem Keucdleeifhen Wanne vettocden, ex eilt an 
den Strand, findet einen Grtruntenen, trägt ihn An feinen 
Kahn und nimmt ihm eine mit Bolb gefüllte Seldkate ad. 
Während er nun bfe blanken Golbftüde zähle, erfheint Maria 


een it und von Anfang bis zu Ende fowol d 


felbepohnsen in Schu 
Funee ſich di 





auf einem delſen und ruft bem Vater bitiende und mahnende 


Worte zu. Robert tert, bt be 
Satin {u ſehen eg ) der Lau. Se gegen oe 


: 
B 
ı 
nun liegt die Schwäche des Stüds, das außerdem vı FR 
? 
13 


werbe ber Strander Einwendungen gemacht hat. Gr veripricht 
Maria, das Gefundene wegzuwerfen, ben Zobten aber, der noch 
in feinem Kahne ruht, zu beerbigen. Zu dieſem MWehefe eilt 
er fort, fogteich aber tritt Morris, der ihm heimlich gefolgt ÄR, 
auf, legt Robert’s zurüdgelaffenen Mantel an, ergreift deſſen 
Meffer und eilt, jest von Maria für ihren Water gehalten, in 
den Kahn und ftößt es bem Ertrunkenen in bie Bruft. Als 
man bie ‚Leiche entdedt, wird Mobert ‚von den übrigen Gtrans 
been ald Mörder ergriffen und von feiner eigenen Tochter ald 
folder vor Gericht angeklagt. Nerris, ber ſich ſicher glaubt 
und bie That blos begangen hat, um fi an Mobest zu vachen, 
man erfährt nicht recht, weshalb, zugleich aber au, um dem 
verhaßten Bbuarb Maria abfpenftig zu machen, verfpricht jeht, 
ben Angellagten zu befreien, wenn Maria ihm die Hand reis 
en wolle, Eduard wird unterdeß als tobt gemeldet und bie 
geänafigter von ihrem Water vermalebeite Tochter gikt ihre 

ufage. Norris behauptet nun, daß fein flüchtig gewordener 
Gefährte Wolf, den er jebody nur fortgefidt hat, weil Mefer 
den Srevier bei ber That erkannte, der Mörder des Fremden 
ſei. So wird Robert losgefpzoden und bie Werbeirathung ber 
unglüdlichen Maria fol Rattfinhen, als hen tohtasglauhte Ebyarb 
gefund und begütert wieber erfheint. Dennoch hält Maria ihr 
Ben, er 

, von Gewifensbiflen beynı 

Roreib ald Mörder ap Tele dreht, und bie kähen 


ber fogleih aufteht, und % 
Eiebende be ⸗ 
— erden vereinigt, Taken aber. ber. 


13142 
begegnet, nachdem fie ihn eben erſt vor Bericht ala Moͤrder 
sp! 


at, 
begeignet v Maria. 


Rein Water, theurer Vater! 
Robert. 


. Par Bin ich· wirki ? 
Komm, fremde Birne, wieberhol’ ben Namek; 
Ob auf erlogen, klingt er doch fo ſuͤß. 

Maria. 
Wie meinſt du das? 
Robert, 


Beim Dimmel, ja, es iR 
Das größte Gluͤck, ein gutes Kind zu haben. 
Marin. ° 
Ich war's, ich bin’e. 
Robert. 
Du biſt ein gutes Kind? 
Sieh ſcharf mir in die Augen. Moͤchtelt du 
Mit frecher Stirn zum zweiten Male lügen? 
Mario, 
Hör’ mih af an! 
Robert. 


Steh’ auf,. daB nicht Gewalt, 
Des Waters Worrecht gegen dich erwache, 
Daß ich nicht in dein aufgeloͤſtes Haar 
Wie in ein Neſt won Schlangen zornig greife, 
Marta. 


— Ich zeugte, was ich ſah. 


Robert. 
Es wäre gut, befäß’ dein Mund ein wenig 
Bon bem, was allzu viel dein Derz befigt. 
Maria. 
Wovon ? 
Nobert. 
. Bom VFelſen und vom Kiefelfteine, 
Die unerweichbar, feſt verfchloffen find. 
Mario. 
Dan brachte mid zum Saale des Gerichtes: 
Dort in den dunkeln, hohen Hallen ſchien 
Des Weltgerichted Stunde mir gelommen. 
Da war kein Raum in meined Bufend Raum, 
Die eigne Meinung liftig zu verſchließen, 
Und offen ftand mein Denken vor dem Richter, 
Wie jegt mein Antiis offen vor bir ſteht. 
Bas ih ald Werth und Geltung fonft verehrte, 
Was Alle mir, vor Allem wichtig ſchien, 


Das warb zu Nichts, zu Nichts! Und glei, als ob 


Ein höherer Befehl den Geiſt erfülle, 

' Die Wahrheit zu verkünden, alfo wid 
Bon mir bed Truges, ber Verſtellung Nebel; 
Hell leuchtend ſah ich nur dad große Auge 
Der Gottheit, dad auf mich gerichtet war, 

Und unwillkuͤrlich ſchloß die Lippe ſich 

Nach dem Bebot bed ew’gen Waterd auf, 


* 


———— 


et 
% 


you nicht unter die Ausnahmen. 


| 43, John Milt on's bramatifche Werke. Aus dem Englifchen 


überftgt von H....d. Berlin, Hirſchwald. 1840, 8, 16 Gr. 
Große epifhe Dichter haben nur felten auch Bedeutendes 
im Drama geleiftet. Der Dichter des „Verlorenen Parabiefes‘‘ 
€ Seine beiden dramatifchen 
Berfuche, bie un® vor derg Überfeger etmas au die! verheißend 
als dramakiſche Verkeangekündigt werben, nen durchaus 
aur den Literarhiſtoriker intereſſiren, deſſen Zweck und Aufgabe 
es iſt, den Geiſt eines Dichters nach allen Seiten hin, in all 
feinen Ausſtrahlungen kennen zu lernen. Das erſte dieſer beis 
den Producte: „Comus“, iſt ein großes Spiel in dramatiſcher 
Form, wie fie zu Milton’6 Zeit und fchon viel früher, nament⸗ 
ti in England, noch fehr häufig vortommen. Halb Schäfer-, 
halb Zauberfpiel, bewegt es fi in höchft engen Grenzen und 
fildert die Scherze Comus', ber mit feiner Iuftigen Schar ſich 
allerhand Nedercien erlaubt. Bon einem eigentlihen Inhalte 
iſt nicht die Rede, es wird Hin und her geſprochen, faft ohne 
alle Handlung. Die einzelnen Perfonen reden ſehr viel und 
fagen Alles, was fie zu fagen haben, in ber unbeholfenen Ma⸗ 
nier von Schulknaben ber, die ſich ihre Lection abhören Laffen. 
Wir müffen befennen, baß uns wenig Poetifches in diefem Spiele 
aufgeftoßen ift, nicht einmal die Grfindung läßt einen Dichter, 
am wenigften einen fo bedeutenden wie Milton, ahnen. Anz 
fprechender, obfchon in Hinſicht auf die Form ebenfo ſchwerfaͤl⸗ 
lig und undramatiſch, iſt das zweite Stüd: „Simſon Agonis 
fies”. Diefes intereffirt vornehmlich dadurch, dag der Dichter 
es ſchrieb, als er bereits längft erblindet war. Der geblendete 
ifeaelitifche Held gab ihm nun mannichfache Veranlaffung, ſich 
über bie Verlaſſenheit des Blinden auf Erben auszufpredhen, 
ſolche Worte kommen denn bem blinden Dichter aus dem Here 
zen und ergreifen den Lefer. Über das Stüd ferbft iſt wenig 
zu fagen. Es flellt ‚die @efchichte faft ganz fo dar, wie bie 
Bibel den Vorfall erzählt. Die Leute fprechen eben wieder ohne 
Ende, dazwiſchen ermahnt der Chor, aus Ifraeliten beftehend, 
in antiker Weife bald zur Duldung, bald zum Handeln. Sins 
fon, tm Gefängniß zu Safa, wird in ben Palaft ber Phitifter 
geführt, man hört ein Getöfe, dem bald darauf ein Bote folgt 
um das Geſchehene Simfon’d Vater und dem Chore der Zfraes 
liten zu erzählen. Ob die Überfegung treu ift oder nicht, kon— 
nen wir nicht entfcheiden, doch wollen wir ben Verfiherungen 
des Überſetzers gern Glauben ſchenken. Allein feine Entfchuls 
bigungen wegen Handhabung der Sprache und in Bezug auf 
ben Versbau können wir doch nicht gelten laſſen. Sol ein Ges 
bit einmal in Werfen überfegt werden, fo muß ſich der über: 
feger alle mögliche Mühe geben, dieſe fo viel als irgend mögs 
lich ift lesbar herzuſtellen. Kann er bies nicht, fo fol er uns 
lieber Profa geben. Die reine Profa fpiegelt bann ben Geiſt 
bes Dichters, die Poeſie ſelbſt, reiner ab als fo abſcheulich zer⸗ 
hackte Verſe, wie fie uns mit wentgen Ausnahmen ber Übers 
feger bietet. So heißt es im „Comus“: 
Rein, nit Ein Wort 
. Will ich zu viel geſprochen haben: denn 

Gegen Bedrohungen ber Bosheit, Zauberei, 

Und gegen jene Macht, die irrende 

Menſchen Zufall benennen, halt' ich dies 


Wie ich jetzt dich nur, Water, ſeh' und Höre u. ſ. tw. 


43, Die Widerſpenſtige. Luſtſpiel in vier Aufzügen von Shak⸗ 
ſpeare. Mit Benugung einiger Theile her Überfegung bes 
Grafen Baubiffin von Deinharbflein. Wien, Wallis⸗ 
baufier. 1839. Gr. 8. 16 @r. 
niger eine ‚Bearbeitung als eine Berarbeitung, wenn 
man ben Shakfpeare’schen Tert dagegen in. Was in dem Stüde 
uthalten iſt, weiß alle Welt, wir haben alfo weiter nichts zu 
sagen, ais daß Hr. Deinbarbftein das Original für ben mobers 
en Geſchmack des Wiener hat -zubereiten wollen. Dies ſchien 
nicht wohl möglich ohne einen bedeutenden Zuſatz von Wafler, 
‚der denn auch nicht mangelt. Trotzdem aber bleibt noch immer 
‚genug von Ghakfpeares Witz, Lauge und geniales Derbbeit ı 
brig, um bei einer Darftelung Effect zu machen. 






Wir koͤnnten mit leichter Mühe eine 


Stets fefl: die Tugend Tann wol angegriffen 
Werden, bo nimmer nimmt fie Schaben, von 
Mer ungerechten Stärke überrafcht, 

Nie wird fie unterliegen. 


Und an einer andern Gtelle: 


Er reiht dem Durfl’gen 
Mit ſchlauem Worte den verberblidhen 
Trank dar, ber unter tiefen Bauberfpräden 
Semifhet worben, deſſen füßed Gift 
Dad Antlig beffen, ber ba trinkt, verwandelt 
Und ihm unwuͤrd'ges Ausſehn eines Thiers 
Dafür verleipt, Indem er der Vernunft 


Prägung darauf verloͤſcht u. f. 


m. 
Menge ähnlicher und ſo⸗ 


.y_w ww zu. mg Term m wi 7 


199 


gar noch mistathener Werfe dus dem', Simſon“ anführen, ftatt 

deffen aber heben wir ein paar jener rührenden Klagen heraus, 

in welchen ber Dichter den Kummer eines Blinden ergreifend 

F} il 

ſq Blind fein unter Beinden, 

Weit ſchlimmer died als Beffeln, Kerker und 

Als Bettelſtab, ald ſchwaches Sreilfenalter! 

Das Licht, das erſte Gotteswerk, iſt mir 

Erloſchen, alle ſeine Freuden find 

Fuͤr mid dahin! — — 
Kaum nur ſcheine 

Ich halb zu leben, und bin todt mehr noch 

as halb! — o Duͤſter, Duͤſter, Duͤſter bei 

Dim Glanz des Mittags, unvertilgbar Dunkel, 

Gaͤnzliche Finſterniß ohn' alle Doffnung, 

Daß je es wleder tagen wird! — 

Die Sonne if mir ſchwarz, 

Und fihweigend wie ber Mond, 

Wenn er die Naht verließ, 

In feiner Hoͤhl' verftedt, 

Da Licht dem Leben fo nothwenbig iſt, 

Das Leben felbfi, wenn wahr ed, daß das Licht 

Au in der Seele wohnt, wie fie verweilt 

Sn jebem Körpertheile, warum wurde . 

Das Sch’n befhräntt auf foldhe zarte Angel, 

Wie «6 dad Auge iſt u. f. w. 

Solche und ähnliche Ausbrüche der tiefften Bekümmerniß wie- 

berholen fich einige Dal und geben Kunde von bem Kummer, 

von ben Leiden des blinden Dichters. Noch ift zu erwähnen, 
daß „Simſon“ das Leute poetifche Product des greifen Milton 
war, während „Somus’ angeblich für feine Zugenbarbeit ges 
halten wird. Ein bedeutender Unterfchieb zwifchen beiden Pro: 
ducten tft allerdings nicht zu verlennen, leider aber nur wenig 
von bem Hohen Geiſte des entzücten Sängers, beffen „Verlo⸗ 
renes Paradies’ alle civilifirte Nationen bewundern. Das 
dramatifhe Spiel „Comus“ wurbe 163% auf Ludlow⸗GCaſtle 

*. u Dräfidenten von Wales, Grafen Bribgewater, aufs 

geführt. 

44, Der Gelzige und feine Tochter. Drama in zwei Acten. 
Rad Bayard und Duport, von E. Angely. Berlin, 
Fernbach jun. 1840. Br. 12. 16 Er. 

Die ziemlich gewöhnliche Gefchichte eines geizigen Waters, 
der mit feiner freigebigen , milden, menfchenfreundlich gefinnten 
Tochter in Gonflict geräth, gut und faft zu effectreih darge: 
ſtelli. Dee Schwager des Gutsbeſitzers Hartmann geräth durch 
falsche Speculationen und zu großen Aufwand in eine bedrängte 
Lage, die bald zum entichiedenen Bankrott führt. Hartmann's 
Tochter, Gugenie, liebt den Sohn bes Oheims, einen jungen, 
hübfchen, etwas zu fehr mödernifirten Mann, der gern heiter 
and gut lebt und in feiner Kreigebigleit und Nichtachtung bes 
Geldes ein artigeer Pendant zu dem filzigen Hartmann ifl. 
Sobald nun der bankrotte Schwager ſich Leinen Rath mehr 
weiß, melbet er feinem Sohne, daß er fi) bas Leben nehmen 
werde. Gugenie iſt außer fih, theils über das Unglüd bed 
Oheims, theils über die Verzweiflung ihres Geliebten, fie 
bittet ihren Vater ben Armen zu retten. Dieſer iſt aber, wie 

ch von felbft verſteht, unerbittlih. Da thut Gugenie das 

Außerfte. Sie entwendet dem Geizhalſe einen Theil feines tod⸗ 

ten Mammons und fenbet ihn im Namen ihres Waters bem 

Bebrängten. Kaum entdeckt der Geizige den Diebſtahl, als er 

faft von Sinnen kommt und, ba Gugenie fih als Dieb bekennt, 

diefe verflucht. Unterdeß wird der Obeim durch die unerwartete 

Halfe gevetiet, der Geizhals tröftet fi, da er erfährt, das 

Geld folle verzinſt werden, er gibt bie Hand Eugeniens bem 

Sohne feines Schwagers und fährt fort Geld zuſammenzu⸗ 

fharren. Der Charakter Hartmann's, die Perfönlichkeiten 

Gugeniens und ihres Geliebten, begleichen. ber gutmüthige, im. 


Stillen Eugenien anbetenve Kranz find recht Lobenswerth ge: . 


halten, obwol ber Sharalter des Geizigen busch ben Dasfteller 


leicht ins Sarikirte bindbesgegogen werben kann. Vlele GSitua⸗ 
tionen, vornehmlich in den Scenen, wo bie Liebe zum Gelbe 
mit der Liebe des Waters zur Tochter kaͤmpft, finb mit vielem 
Gluͤck erfunden und zeugen von bedeutender Menfchendeoba 
tang. Sonſt Hat auch dieſes Stück, wie faſt alle frangöfff 
Dramen biefes Schlages, nicht den mindeſten Kunſtwerth. 
Technik allein und das Charakteriſtiſche der Rollen, die wenigs 
fiens immer dem Leben abgelaufcht, nur leider ohne poetif 
Verklärung in nadtefter Profa hingeſtellt find, bilden ben Werth 
folder Ergeugniffe. 


45. Das Innere einer Familie, ober ber Haustyrann. Charak⸗ 
tergemälbe in fünf Aufzügen von 3. von Ylög. Ka ber 
Idee des A. Duval. Mündıen, Franz. 1839. 8, 16 Er. 

Ein reicher Bankier, tüchtig in feinen Geſchaͤften, auch 
fonft ein braver, geachteter Mann, fpielt in feinem Haufe den 
abſcheulichſten Tyrannen, angeblih aus purer Eiche zu bem 

Seinigen, die auch wirklich groß iſt, wenngleidh Niemand viel 

davon merken kann. Frau und Kinder dulden die harte Be⸗ 

handlung des Waters mit beifpiellofem Gleichmuthe; da kommt 
der Bruder von Slementine, ber Frau bes Bankier, unerwars 
tet nad einer ſehr langen Abwefenheit in das Haus feines 

Schwagers. Gr erfährt, wie es feiner Schwehter, feinem Nef⸗ 

fen, feiner Nichte ergeht, fieht es, unerkannt, felbft unb bes 

ſchließt, den tyrannifhen Dann, ber von feiner Abfcheulichkeit, 
bie eigentlich blos darin beſteht, daß ihm Niemand etwas zu 

Dante madıt, gar Eeine Ahnung hat, vielmehr behauptet, Je⸗ 

bermann bemühe fi ihn zu Ärgern, durch eine Radicalcur 

zu beilen. Er veranlaßt bie leidende Frau, nebft ihren Kindern 
den Haustyrannen fcheinbar zu verlaflen. Dies wirkt, ber Bans 
tier erkennt fein Unrecht, er ordnet feine Angelegenheiten und 
beſchließt, nunmehr ganz zerknirſcht und niedergeſchlagen, für 
fein ganzes übriges Leben auf Reifen zu geben. Schon ift Alles 
zur Abreife fertig, da erſcheinen bie Geflüchteten wieder, ber 
maslirte Schwager gibt fi zu erkennen, der Bankier gelobt 


änderung und die Yamilie bittet um Verzeihung, die bean 


auch gewährt wird, fowie bie billigen Wünfdhe ſowol ber 
Tochter, bie bereits einen Gelichten hat, als auch die bes Soh⸗ 
nes, ber unter das Militair geben will, Diefes Familienges 
mälbe ift bem Leben treu, doch Eeineswegs flörend nachgebilbet, 
es trägt fogar einen poetifhen Anhauch. Viele, fehr viele Fa⸗ 
milienväter würden, wenn fie es aufmerkſam Iefen und Kir 
ganz verblenbet find, ihr „gang.natürlich Ebenbild“ darin ers 
bliden. Nur hätte ber Bearbeiter, da er bie Handlung einmal 
auf deutſchen Brund und Boden verlegt, die Deutſchthämlich⸗ 
Leit auch firenger feftbalten follen; denn hört man vom WRarks 
felde, von den Champs elysses und andern ähnlichen nur 
bei Paris gelegenen Drtlichleiten fprechen, wenn boch alles 
Ubrige völlig germanifirt ift, fo bringt dies eine unangenchme 
Störung hervor. 


46. Luſtſpiele und Poflen von Kari Lebrun. Mainz, Kupfer: 
berg. 1889, 8. 1 Thlr. 16 Er. 

Unter den zahlreichen Überfegern, Bearbeitern und Zerar⸗ 
beitern auslänbifcher, vornehmlich franzöfiicher Dramen hat 
ſich von jeher Karl Lebrun vortheilhaft ausgezeichnet. Seibſt 
einer ber talentvollften komiſchen Schauſpieler aus ber Altern 
Zeit, die man hier mit Zug und Recht die de nennen Tann, 
außerben noch Buͤhnendichter, in welcher Eigenſchaft er zwar 
nie Außerordentliches ober auch nur Hervorragendes geliefert hat, 
befigt er Liebe, Luft, ja Begeiſterung genug für feine Kunfl, 
um wenlgftens im Intereffe dieſer, ganz abgeſehen von der 
dramatifchen Poeſie an ſich, nur Beſſeres ber deutfchen Bühne 
zuzumelfen. Während eine Menge Anderer fabritmäßig übers 
fegen , jede Stunde fo und fo viel Scenen, wählt, präft und 
arbeitet Lebrun mit Tünftierifher Befonnenheit und gibt fo 
den beutfhen Scaufpieleen immer Stüde in die Hände, an 
benen fie ſich üben und etwas lernen Können, Schon dies vers 
dient Anerkennung, weil buch die Wahl folder Stüde ber 
Schauſpieler erzogen und erft zum wirklichen Kuͤnſtler gebildet 


18 








— me eat 9 a ’ 
B 

En in Site Kae, pe” 

le gab ihm den Namen midi Holländer”. Lebrun 


Sat nun das’ Werdienft, dies allerdings vortvefftiche Euftfpiel 
abermals neu begrbeitet und bem @eichi read: unferer Zeit ange⸗ 
ze zu haben —* ihm eben zu ſchm di. A ae 
Haben bas Ei — 1 F 
tiſche · Idee — 
7 allein die geödt MAR ergerifenbe, om 
die ihnen einen ben ° Werth Eh ben 
„BoRändern“ ftoben: ofen K chts ige tm Gegen⸗ 
Gyr find die darin auftretenden Perfonen, wenn man will, 
YohR Fruteam Menſchen, aber freitich Beenfchen von echtem 
Sgaot und Korn, von einer unantaftbaren Redlichkeit/ von 
Omen fo becben Offenpeit, daß fie der. feinfühlenbe —3 
enſole wirb_grob fhelten Tönnen. Auch die Handlun 
Ser Hebet des Stüds iſt höchft einfach. Ein junger Kauf don 
ſpiett, geräth in Schulden, fetzt feinen Water, befien Gompas 
ey ee iſt, in Berlegenheit und 7 ihn qulegt fo weit, 
ber Grebit auf dem Spiele ft Gin reicher Holläns 
KH der Soeft, der mit feiner Si ke das Haus bes Kaufs 
— bringt die Verwirrung thejls durch feine Derb⸗ 
it. weicher er den jungen Braufewind ablaufen läßt, 
ls bie birdere npeit, mit der ex der Tochter bed 
mfmannt feine dm ale während feine eigene Nichte 
den jungen Hans lich buch Liebe zur Befinnung zuräds 
Aüßrt, wieder ins Gleiche. Der anziehendfte —— ft je⸗ 
denfalks van der Hoeft, troden, derb, pedantijch, holuändiſch 
eigenſimig und dabei der edelſie Menſch, den man ſich nur 
senken Tann. Hier ein Weifpiel von feiner Rede- und Hands 
Sungsweife. Heinrich, der lockere junge Mann, braucht @elb 
und will von dem Holländer borgen. 
Selnri. Votre santd, Monsieur? 
8.5. Hoeft. Mar-good, mpn Heer. 
Peinrih. Mir that der Kopf weh! 
Bd. Hoeft. Vom Naftfgwärment 
Peineih. Nein, vom Geldmangel. 
B. d..Hseft. IR Shnen fehr gefund. 
Selarich. Bir for 
8. 8. Doeft. Beil Sie dann nichts zu verthun haben. 
Heinrich. Mein Here, wotöe halten Sie mih? 
®. d. DHoeft. Sir eg — 8 Ns 
ein Sander Bir nit, vor 
een 3* Rede ze mir eben.ein (pecniativer 


bel bar, Bei. % ein Drogent verbignen Hefen. 
— * A — 
Seißgide u campiet, aber ein hunert 
37 Sie wig 6 Su arg Geld, iR feit ber Iepten Hans 


. i, TE Uns ehent 

gun CD eig, DR haben Sig. gemib. ogeräfkig. 
oe 

Searic — mie. uf ein acht Fage dayıit helfen? 

8.8. Hoeft. We, mon Heer. (Bieht bie — 

Selarich (für Ab). Dad ging defer ots id be 

Bd. Doeft (gibt ihm ein Papier). Da! 








. ara 7 modern ee alien. Vet GE test 


E —8 2a Pl eine ſoich Sue 


noch — 
Bd. Doef. IR gu 
Yeinrih. Mörm 7 dethott andaben, air ‚eine aͤhnliche 
ww teen? (Gibt idıg hen Säeip ai 
. d, Hoeft (ber ihn —RX ig pi ie Beleſtaſche egh. Reis 
ie, fobald — bie erften Hundert bezahlt fein werben 4. f. w. 
Gegen biefes glactiche und in feiner Art bedeutende Eufts 
fpiel ſtechen die übrigen fr ab, ,„Gafaneva im Fort 
&t.: Andre’, ein Intriguen 3 drei Aufzügen, iſt dem 
— fen entiehnt un! ten nur durch bie Spanmung, in 
weldee man erhalten wird, einigermi für die völfge Bes 
— entſchaͤdigen, aus ve es zufammengefeht {fl. 2er 
run erflärt es in feinem kurzen Vorworie felbft für eine bloße 
Kleinigkeit, ohne weitere Bedeutung. Die Handlung beruht 
auf der Pfiffigkeit des gefangenen Gafanova, ber feinem Ges 
fängniß zu eneflfpfen weiß und nun den Wagiftratsperfonen, 
ben Weibern, den Gefangenwärtern, kurz Jedermann Rafen 
dreht und doch immer wieder im Gefängniffe if, wenn ber 
Sqließer in Begleitung des Gommandanten gu ihm Fommt. 
Barum Lebrun die Kleinigkeit gerade a mad genannt 
hat, fehen wir nicht ein. @s fpinnen 1:7 gzwar mandperlei 
Intriguen barin F „oergleichen gefchieht aber —* in vielen 
andern kuſtfpieien, und fo wäre bie gewoͤhnliche Sezeichnung 
„Luſtſpiel““ wol auch Sinseidend geweſen. 
Betterableiter“, Poſſe in zwei Aufzugen, nad eig: 
m hie —* tet, EM u ea u, vd 
en fein, wenn ein tüdtiger Komiker den Koh 
—5 u geben verſteht für bie Lecture 
In wen Der — Wetteradieiter iſt wunder: 
Gandert fi mänte, Beheeioege um einen gerodgnil 
\ osre ‚pubern un einen Renſchen, ber in ber 
EB gerolnnen, fi an einen jungen Sa— 
Tonet ige us * ummheiten, alle Seren die dieſer 
möglicjerioeife begehen Tann, für ihn übernimmt und ausführt. 
Diefer tragilomifthe Rare * der Koch Blicotot. Es läßt fih 
denken, daß ber arme Teufel bie verrüdteften Wetion für feis 
nen Herrn oder Bufenfreund eingehen und gewinnen muß und 
baß te Dabei faſt — ums Reben kommit. Aloſen 


Be Rn. — hu Zuf⸗e 
a eine in 
Seyatfın gitt, " fo ne de ai no apaxt, für 
daß der Arge gar fein ‚Ende Br 

Den —* des Buches ‚made. ‚eine-Pofie in drei %ı 


Ener Mae er E Sala 8 und 

it 

„| Semi —* fr Sinn, 5 * 
Dahnen Böhnen- wir daher diefe Heine Lu 


Fame 
Pe yuten Br 6 che 

3 Re on 3 ni iin ar enden yet, ve 
* nn andı 


denen meiſtentheils Er it die: Pointe bike 
det: Dafür, daß Eebrun ar. * hätt von Wefem Mapfſcigen 
Wege, verdient ec unfern Dani 

(Die —— ig 


Berantwortlicher Heraudgeber: Helatia Sroahaus. — Drud und Serlag von F. X. Brochaus in 





Blätter 


für 


Titerartfde Unterhaltung. 


Mittwoch, 








Dramatlſche Buͤcherſchau für das Jahr 1839, 
‚Dritter: und letter Artidel. 
Eortſetzung aus Nr. 20.) 

47. Schauſplele von Don Pedro Calberon de la Barca. 
Überfegt von 3. D. Gries. Zweite, burchgefehene Ausgabe. 
Erſter Band. Mit dem Bildniffe Galderon’s. Berlin, Ricos 
li. 1840, 16. 12 Gr. 

Die‘ Vortrefflichkeit der Gries ſchen Überfehung Calderon's 
iſt fo allgeniein anertannt, baß es beim Erſcheinen diefer ziweiz 
ten Auflage nur einer Anzeige bedarf, um die @ebildeten aller 
Stände auf bie meifterhaften Dichtungen des edeln Spaniers 
aufmerkfam zu machen. Der erfte Band enthält „Das Leben 
ein Traum‘ und „Die große Zenobia”. Das Yublicum' kennt 
beide Dramen, wenn auch nut das erftgenannte durch die Büh- 
nendarftellung unfer volikommenes Gigenepum geworben iſt. 
Die Überfegung bat nur unbedeutende Weränderungen erlitten. 
Das’ Wild des Dichters wird erſt mit den folgenden Bänden 
verſprochen. 

48. Der verwundete Lirbhaber. Luſtſpiel in einem Aufzuge. 
Rah Dupaty und mach einer kleinen Erzaͤhlung bearbeitet 
von $ * — KRurlänbder. Wien, Wallishauffer. 1889, 

6 r. 


Ein junger hitziger Major hat ein Duell mit einem Frem⸗ 
den gehabt, den: er ierthuͤmlicher Weiſe für feinen Rebenbupler 
" Yält,, ÄR-verwundet worden und muß num das Zimmer hüten. 

Seine Beliebte kommt verkleidet, um Ahn zu pflegen und Ihm 
zugteih feine arge Eiferſucht abgugewöhnen. Dieſe -Belichte, 
eine junge Witwe, if reich und wohlthätig, der Onkel des 
Dinore will. aber wicht von ide wiflen, indem er. behauptet, 
ber Major konne nicht Heirathen, weil er zu liederlich ſet und 
vlet Schalden madpe. ' fe‘ wilt ber Onkel nicht bezahlen. 
De jchlaͤgt fi die junge Witive Ins Mittel, die Sache kommt 
heraus, «6 ergibt‘ fih, daß der Major ben eigenen Onkel für 
-- jenen Webentahler gehalten hat, und die-befden Lrutchen heiras 
then chrander. - Um einen’ Thenterabend: dürftig auszufültn, i 
das Stüd gut genug. Es gibt- adch wich fehlechtere. Litera 
- fly Bacth Hat eh Ratbwihinicht, 


Die Siehe‘ ange zelgren kuſtſpiele und: Poffen waren 
meiſtentheils · Beatbeltungen franzöftfcher" oder ftafienifcher 
Driginaie. Nur im erften Artikel unſerer dießjährigen 
dramatifchen Buͤcherſchau -Lomen uns einige nicht zu ver: 
achtende⸗ veniſche lluſtſplele vor. Eine groͤßere An⸗ 


zaht litgt· jetzt vorne, thells Luſtſplele thetls Poſſen | 
d. Hat nun im verfloſſenen Jahre kehne vem 


ent! 
- Eufffpter” güinftige"Arethfphäre "aber Derrtfchtänd‘'gefäjtvebt, 
oder ſind die Narren hier von Haus aus fo erhabeit, daß 
ſie vor lauter Luſt und’ Naenthei ſchier ern B 
genug, Freund? Komme! tritt: enmweben Mit: einet fehr wei· 











26. Rovember 2840. - 
nerlichen oder 'mit einer ſo pathetiſch⸗komiſchen Miene 
auf, daß wir entweder das. Lachen ganz verdeſſen, "oder 
- über diefe pathetiſche Spaßhaftigkeit vor Iauter Laden 
wieder Thraͤnen vergiepen. : Die Deutſchen find — Gott 
ſel's gebankt — närrifche Käuze, unfere Kuſtſpieldichter 
find aber jedenfalls die naͤrtiſchten von alten!‘ Dürfen“-tbir 
an die geehrten Leſer d. BL. bie Bitte wagen, dem zu⸗ 
naͤchſt angezeigten Büchlein ihre ganz befondere Aufmerk⸗ 
famteie zu ſchenken, fo- werden fie unfer Urtheit gerecht 
finden und mit uns ber deutfchen Narrheit mit Pofaumen, 
Bimbeln und Pauken ein weitfihallendes Loblied fingen. 


49.. Die eiferfüchtigen Weiber, Poffe in einer Abtheilung und 
Proben dramaiiſcher Gprühwörter von ©.- Shüg. Rebft 
einem Rorworte, verbunden mit-einer Gubferiptiondeinladung 
auf die fümmtlichen. Werke (7) des obigen Verfaſſers. Büs 
fitow, Opig. 1888, 8. 12 Gr. J 

Schon mandje bedeutende Schrift iſt ums zu Ganden ge⸗ 
kommen, über die wir ein Urtheil fällen folkten, md nicht Jels 
errchten,‘ Kabel über 





vornherein unfer Urtheil vdllig Uuntergraben ; 
eigmttih aus der Hand geiffen Geiden Hüte. ©.&6 weitrgat 


es bis- Fit: nur Hr '@. 6 aus. Wismar gebracht aus 
| Wistner, das'im Lande Wediendurg, odeuiRt gt, 
dicht an der Dfifee, im Angefichtet der Juſel Poel. Gt. Ghüt 


jtößte, dab 
abht 


': ter bakftämden: u 
oe at ara, heefmi 
fie ‚in: fein” feerbeigen 
apetent. ROBBE a 


Ta23”res 


re 


werfen, und nicht etwa blos fein Werk, feine Poſſe — Poſſen! 
Alles, Alles, was von ihm habhaft zu werden iſt, foll unter 
unſere Eritifhe Guillotine. Warum hat Hr. Schüß auf bie 
neun Deufen Beichlag gelegt! 

Der Dichter der Poffe: ‚Die eiferfüchtigen Weiber‘, in 

denen fo” unendlich viel Poeſie ſteckt, daß fie „kein Sterblicher 
eritdeden kann, beabfichtigt, ober hat eigentlich beabfichtigt, feine 
fämmtlichen Werke in fünf Bänden herauszugeben, und bietet 
das Manufeript dem Hrn. Verleger mit devoteſter Devotion 
um den Außerfi billigen Preis — um die Ehre, fich in einer 
Sefammtausgabe zu fehen — an. Der Dr. Verleger hat troß 
biefer beifpiellofen Billigkeit doch noch immer verichiebene Bes 
benklichkeiten, macht VBorfchläge mancherlei Art und will fich 
endlich zu einer Herausgabe auf Subfeription verftehen, wenn 
der Dichter ©. Schüg ihm erlaubt, die bis dahin geführte Cor⸗ 
sefpondenz mit ihm in der Subferiptionsangeige abdruden zu 
laſſen! — Deutſchland, Deutfchland, wohin ift e8 mit dir ges 
kommen, und Sie, Hr. Opitz, was haben Sie für ein bluts 
dürftiges, ſteinhartes Herz! Diefe Unbarmherzigkeit wird Ihnen 
die dramatifche Literatur niemals vergeben! Der Dichter geht 
darauf ein und fo erhalten wir benn in biefem Probepoflens 
ftüde ein Stuͤckchen Gorrefpondenz, womit fi Hr. Schüg wahr: 
ſcheinlich den entfeglichften Poſſen felbft gefpielt haben wird. 
Es thut uns leid, außerordentlich leid, daß wir uns mit aller 
Gewalt in bie ricterliche, unerbittlihe Stimmung bineinreden 
möflen, es hilft aber nichts, Dr. Schüß hat es gewollt, und 
fo komme denn fein Blut, feine Arroganz über ihn! Gr ſchreibt 
an feinen Verleger wie folgt: 
„— — Benn als angehender Verleger es Ihnen Ernft 
ift, fo werden Sie in diefem Anerbieten claffifher 
Werke, denen bie Zeit einen fleigendben Werth 
verleiden wird und bie eine ungeheuere Senfa: 
tton, jo dffentlih laute Empörung (Hr. Schüg hat 
wahrfcheinlih Gelaͤchter fchreiben wollen) zum Theil in 
ber Literarifhen Ideenwelt — aber befto beffer für Sie! — 
erregen möüffen, ein Wahrzeihen Ihres Slüdes 
ertennen und nicht anſtehen, baffelbe ungefäumt durch eine 
Subferiptionsanzeige zu verſuchen. — — Säumen Sie alfo 
Leine Minute, Ihr Glück zu ergreifen und zu ver= 
wirklichen, es könnte zu [pät werben. Es wird Sie 
fihee nicht gereuen und Sie werben felbft eingeflehen, daß 
Ihnen als Anfänger ein feltenes Glück warb, entweder ben 
erſten deutſchen claffifden Dichter ei- 
ner neuen deutſchen Literatur, oder 
vielmehr, wie ih glaube, den legten beut- 
fen eistkisen Dichter verlegt zu haben, mit dem 
bie deutſche claffifhe Literatur gefhloffen tft, 
ber in feiner gebrängten Burgen Darftellung 
dennoch Alles an Bollftändigleit, Selbftänbig- 
keit unb innerer Bollendung übertrifft, was 
bie alte und neue Beit uns liefert in allen 
Nationen.“ 

„Ich wiederhole Ihnen aber noch ein Mal, daß ich von 
meinen Werken durchaus auch nicht die geringſten Koſten haben 
Fr, benn fie koſten mir fon genug — mein ganzes 
Leben! 

Auf diefe dummdreiſte, beifpiellofe Arroganz antwortet ber 
witzige Berleger fo humoriſtiſch und vortsefflih, daß wir fehr 
bebauern, biefe Antwort hier nicht folgen laſſen zu koͤnnen. 
Hr. Schütz muß in ſich und feine faden Poffen, wie fein Menſch 
fonft auf Erben, vernarrt, ober reif zum Irrenhauſe, ober 
endlich — und das ſcheint uns faft das Wahrſcheinlichſte — ein 
vollkommener Ginfaltöpinfer fein, wenn er, wie es boch wir; 
lich der Yan tft, nicht eingefehen bat, daß ihn der Werleger 
mit der gegebenen Antwort hänfelt, freilich in einer Art und 
— Weife, wie fie unter cultivieten Nationen gebräuchlich if. Sept 
bat bie Kritik die Verpflichtung, bie ironiſchen Ruthenhiebe, 
‚bie ein Thor noch immer für pikante Schineichelreden halten 
kann, in recht verftänbliche, grob beutfche Stockoruͤgel zu vers 


1330 


wandeln, b. h. mit andern Worten, Hrn. Schü mit ber Nafe 
darauf zu floßen, daß er ein Thor, ein beifpiellos arroganter 
Menſch und der poeſieloſeſte aller eingebildeten Gecken iſt, die 
ſeit Adam bis auf den heutigen Tag dies Narrenhaus — Welt 
genannt — burchwandelt haben. Beine lächerliche Eitelkeit gebt 
aber noch weiter. Der Verleger deutet an, es möge erfprießs 
ich fein, wenn das Beuftbilb des großen Poeten feine un= 
fterblihen Werke ſchmücke. Darauf gibt nun Hr. Schüs nach 
einigem koketten Sträuben folgende Anorbnungen über bie 
Art und Weife ber Anfertigung feines Portraits. Wie Alles 
an ihm, find auch diefe Vorfchriften fo Lächerlich originell, 
Pe wie unfere Eefer damit befannt machen müflen. Hr. Schüß 
reibt: 

„Erſtens muß dies Bruſtbild ſehr gut, genqu aͤhnli 
aber ganz einfach nach der Natur, aiſo nadt und ge 
wie ich bin, gezeichnet und ausgeführt fein, und Tann nady 
Unten von Wolken begrenzt erfcheinen; zweitens, um ber Wahr: 
heit nahe zu kommen und ihr befcheibentlichft einen Ausbruc zu 
geben, fouU über meinem Haupte eine Dornenkrone ſchweben; 
über der Dornenkrone aber follen finftere Wolken, aus denen 
Blige über mein Daupt ſich kreuzen, ald Sinnbild des innern 
und äußern, bes überirbifchen (wie fo?) und irdiſchen 
Kampfes, aus dem ich hervorgegangen bin. Über biefen fin= 
ſtern Wollen aber mag endlich, zur Befriedigung und Erbauung 
des Publicums (?), ein Sternenfranz in einem überirdiſchen 
Lichte erfheinen. Dies mein wohl ausgeführtes und gettoffenes, 
übrigen einfaches Bruftbild foll mein Hauptftüd, den „Arcmin‘? 
zieren. 

So viel über die unerhörten Thorheiten biefes eingebilbe= 
ten, in fich felbft vernarrten Poeten zu Wismar. Schwerlich 
kennt ihn außer den Mauern jener Stadt irgend Jemand, unb 
feine Schriften kennen zu lernen, haben wir nad biefer Probe 
von Dichterbefcheidenheit und nachdem wir biefe verunglüdte 
Poffe durchgewuͤrgt haben, Feine Luft. Über biefe Albernheit 
felbft etwas zu fagen, bleibe uns erlaſſen. Es würde ja doch 
bei Hrn. Schüß’s Anfichten ‚feuchtlos fein. Der Inhalt der gans 
zen Poſſe läuft barauf hinaus, daß ſich ein paar alte und 
junge verliebte Weiber auf bie abgefchmacktefte, geiftlofefte Weiſe, 
bie uns noch je vorgelommen tft, um ein paar Mannsperfonen 
(reiten. Pe eine Probe von dem vollendeten Styl und Dias 
og des Verf.: 

Albertine. Dein Bott! — Das iſt eine von deinen Fra⸗ 
gen! — Was fol’ ih da fuhen?t! — wenn ich ſpazieren geh', 
fu’ ih da etwas?! — 

Betty. I, warum nit! — Man fucht fehr oft was, 

Albertiine. Ich nidt. 

Sophie Gluth. Man ſucht freilich nichts, aber findet doqh 
ſehr oft was. 

Albertine. Haſt bu vielleicht ſchon was gefunden?! — 

Sophie Gluth. Die — 

Betty (boshafter Weiſe). Was denn?! — 

Sophie Gluth. Ich ging legtthin ſpazieren und fand — 
(haͤlt fi den Mund zu und lacht affectirt). Da, ba, ba, ha! — 

Betty. Was bennf! — 

Albertine (ſpoͤttiſch. Men denn?! — mußt du fragen! — 
Ich weiß ed ſchon. 

Sophie Gluth. Wen denn?! — Du weißt ed niht! — 

Albertine. Wen anders ald Deren Taufendfhön!? — 

Sophie Gluth (affectirt). Herrn Tauſendſchoͤn?! — Nein, 
den fand ih nicht! — 

Albertine. Nun, fo fand er dich! 

Sophie Gluth. Iſt das wahr, Herr Tauſendſchön?! 

Tauſend ſchöͤn (affectirt Zerſtreuung). Ich weiß gar nicht, 
wovon Sie reden, meine Damen! 

Wir affectiren nun zwar keine Zerſtreuung, find auch wirklich 
nicht zerftreut, und wiſſen dennoch auch nicht, wovon bie Rebe 
ift; nur bas Eine fehen wir klar ein, daß Hr. Scyüs wie ſei⸗ 


ner Meinung nad der ‚geikte, fo wahrſcheinlich auch der ges 


ſchlagenſte alles Poeten fein und bleiben wirb. 


w 0 mm._1htm 2-72. 0 — 


7 


1431 


50, Bauen Emaneipation. Eufifpiel in drei Aufgügen, von 
Wilhelm Marhiand. Wien, Wallishaufler. 1840, 


. 16 Br. 

Auch Here Marchland tritt mit Prätentionen auf, welche 
den unbebeutenden Werth feines Stückes weit übertreffen. Er 
fpricht in der Vorrede von der fletd willigen Aufnahme, bie 
fein Luſtſpiel auf ber ZIofephftädter Bühne gefunden, nachdem 
die erflen Bühnen Deutſchlands es nicht haben aufführen wols 
len; ex fagt, folle fein Stüd gefallen, müfle es von guten 

aufpfelern dargeftellt, von einem Yublicum gefehen werben, 
bas nicht durch franzöfifche Küche verwöhnt fei u. f. w. Sollen 
wir offen fein, fo begreifen wir wol die Nicytaufführung dieſes Luft: 
fpiels auf den erſten Bühnen Deutſchlands, nicht aber die wies 
derholte Darftellung befjelben auf dem Joſephſtädter Theater. 
Und hält der Verf. diefe Aufführung für eine Empfehlung, fo 
mag er fi) wol irren. Wir find kein Freund ber franzöftichen 
Bituationenhafcherei, auch lieben wir im Luftfpiele den feinen 
Gonverfationston, allein ein Luftfpiel, in dem man gar keine 
Situationen entdeden Tann, in weldem der Gonverfationston 
fo fein gehalten ift, daß man auf Keine Weife hinter den Sinn 
kommt, ein ſolches Luſtſpiel ift uns doch zu fein! Der Verf. 
wird daher nicht verlangen, daß wir uns eines Weitern über 
feine ‚Grauen » Emaneipation‘’ auslaffen follen; denn wir wüß- 
ten in ber That nichts davon zu fagen, als daß eine Frau, 
bie fi für emancipirt ausgibt, am Ende als nicht emancipirt 
erſcheint. Was aber damit bezwedt, was im Verlauf diefes 
Luftfpiels entwidelt werben foll, das iſt uns volllommen un⸗ 
Har geblieben. 


51, Komus. Etuis Repertoire für deutfche Bühnen und Privats 
theater. Sammlung kleiner Luftfpiele, herausgegeben von 
8 dm ainau. Zwei Bändchen. Breslau, Kern. 1839. 

[} 7 
Bloße Lappalten, nur in Familiencirkeln aufzuführen. Das 
erfte Bändchen enthält ein Luftipiel: „Der Ruß’, von Carlo. 

Ein junger Rechtsgelehrter vertiebt ſich in eine ſchoͤne Sänge⸗ 

rin und betheuert, er möchte zehn Jahr für einen Kuß von 

ihr hingeben. Seine Frau, eine Iugendfreundin der Sängerin, 
autorifirt diefe, dem Gchwärmer ben erfichten Kuß zu geben, 
was denn auch gefchieht. Hierauf behauptet bie Frau, daß er 
nunmehr auf gehn Jahre fein Leben an fie verloren habe. — 

Das zweite Bändchen enthält wieder ein Luflfpiel von dem⸗ 

felben Verfaffer: „Bruder Kris”. In biefem wird ein reicher 

Vater, ber feine Tochter einem armen Clavierlehrer nicht zur 

Frau geben will, weil ex arm ift, buch ben Schelmenſtreich 

eines Iuftigen Bruders, der es übernimmt, fich felbft als einen 

aus DOftindien eben zurückgekehrten reichen Verwandten auszu⸗ 


geben, welcher dem Clavierlehrer 100,000 Pf. Sterl. auszuzah⸗ 


Ien bat, hintere Licht geführt und zur Berlobung feiner Toch⸗ 
ter mit dem Glavierlehrer vermocht. Als Alles abgefchloffen ift, 
kommt der wahre Bruder Brit als Bettelmann zurüd, bie 
Verlobung fol südgängig gemacht werben, allein die Bedin⸗ 
gungen find von dem pfiffigen Patron fo geftellt, daß fie nicht 
mehr umgefloßen werden koͤnnen. 


52%. Die Verrätherin. Originalluftfpiel in einem Aufzuge, als 
Seitenftüd des Originallufifpiels!: „Der Verräther”. Von 
Kranz von Holbein. Hanover, Helwing. 1840. Er. 8. 
1 Thlr. 8 Br. 

58. Die erlogene Lüge. Originalluftfpiel in vier Aufzägen, von 
Demfelben. Gbendafelbfl. 1840. @r.8, 1 Ihle. 8 @r. 

54. Der Zugendfreund. Luſtſpiel in drei Aufzägen, frei nach 
Angelot und GEomberouffe, von Demf.elben. Eben: 
daſelbſt. 1840. Er. 8. 1 The. 8 Gr. 

55. Die verhängnißvolle Wette. Drama in fünf Aufzägen, 
nah bem Sranzsfiihen des Alerander Dumas, von 
Demfelben. Chendafeibft, im Selbſtverlage bes Dichters. 
1890, Gr. 8. 2 The. 

Holbein's Name hat als Theaterdirector und Bühnenbich- 
ter einen guten Klang, wenn er aud als lehterer immer nur 


einen untergeorbneten Rang einnehmen wird. Wie Lebrun 
auch Holbein die Zertigkeit, ältere Dramen für unſern Fr | 
ſchmack zurecht zu machen, faſt zur Kunft erhoben. Längen zu 
kürzen, Untheatralifches den Foderungen des Theaters anzupafs 
fen, gelegentlidh wol auch Poetifches mit Profaiichem zu vers 
taufchen: in dieſer Kunft wird es Holbein und Lebrun fo Leicht 
Keiner zuvorthun. Wird ein folches Talent mit Befonnenpeit 
ausgeübt und nur, wenn eine unerlaßliche Nothwendigkeit dazu 
drängt, in Bewegung gefeht, fo Tann Fein Verftändiger etwas 
dagegen haben. Die meiften Dramen, und bie beften gerade 
am erfien, erfobern eine Zurichtung für bie Bühne, wie fie 
nun eben befteht und beftehen foll, und ba find denn geſchickte 
Hände gar nicht zu verachten. Daß Holbein ein Meifter ſei 
in der Kunft, den theatralifchen Anfoderungen unferer Zeit ſich 
anzufchmiegen, beweifen feine zuerfigenannten Originalluftfpiele: 
„Die Verrätherin” und „Die erlogene Lüge”. Da ift jebes 
Wort, jebe Sylbe berechnet; ba find die Schritte, bie Bes 
wegungen, bie Blide, bie @efichtszüge abgewogen unb abges 
zirkelt; da fteht mit Einem Worte die Technik auf dem hoͤch⸗ 
ſten Punkte der Ausbildung, nur leider — auf Koften ber 
Poefie! Es ſchmerzt und, dies alte gewöhnliche Klagelicd auch 
bier abermals anftimmen zu müffen, aber wir Zönnen nicht 
davon laffen, bevor nicht bie Ausgebilbetheit eines dramatifchen 
Salentes der Poeſie ebenfo viel Rechte einräumt wie ber Dars 
ftellungsfunft. Wir find überzeugt, daß Franz dv. Dolbein vor 
manchem Andern ben Beruf hätte, beides miteinander zu vers 
einigen; er ift fiher nur zu bequem ober, was noch fchlimmer 
wäre, wol gar auch wie andere WBühnendirectoren, auf ben 
teoftlofen Einfall gelommen, nur das Theatraliſche ſei das 
Poetiſche. Gewiß ift „Die Verraͤtherin“ ein ganz braves Luft: 
fpiel, an dem in Bezug auf bad Techniſche Niemand etwas zu 
tadeln finden moͤchte, aber wie leicht wäre es geweien, aus 
diefem ſchwaͤrmeriſch⸗luſtigen Thauring, der das Wachsbild 
feiner todtgeglaubten Geliebten mit ſich berumführt, es ankleis 
det, mit ihm fpridht, zu ihm betet, mit wenig Federſtrichen 
einen poetifchen Charakter zu machen, während er jest nur ber 
Scyattenriß eines Charakters ift, wie ihn die Schaufpieler uns 
ferer Zage am liebften haben. Treu nach dem Leben und eine 
treffliche Satire auf viele unferer zu berzlofen Putzdocken erzo⸗ 
genen Damen fiellt Amalia dar in der Perfon der koketten 
Wirthstochter, und ihr Ausfpruch über die Kleidung: „Ob es 
wärmt ober nicht, das gilt mir gleich, wenn’s nur Eleidet, 
den Herren gefällt und die Frauenzimmer vor Ärger 
barüber berften möchten”, paßt auf eine Unzahl junger Da: 
men, wie man fie alle Zage auf den Straßen und Promena= 
den herumſtolziren ſieht. Auch die übrigen Verpuppungen, in 
die fih Amalia, Thauring's noch Iebende Geliebte, wirft, 
find alle ganz allerlicbft, gute Copien bes wirklichen Lebens, 
nur portife ift Eeine. Sie werben Jedermann amufiren, man 
wird fie außerordentlich reizend finden und body, fobald ber 
Vorhang gefallen iſt, ihrer nicht mehr gebenten. Ginen fehe 
laͤcherlichen Gindrud muß es machen, wenn Thauring feine ver: 
meinte Wachsfigur aus ber Stube herauszieht, uns ſcheint 
diefe Situation etwas ins Kindifche Hinüberzufpielen, fo übers 
safchenb die Verwandlung ber vermeinten Wachefigur in bie 
lebende Amalia fein mag. Warum ber Verf. das Luſtſpiel 
„Die Verrätherin‘ genannt bat, laͤßt fich nicht wohl einfehen. 
Daſſelbe gilt von bem zweiten Stüd: „Die erlogene Lüge”, 
nur hat uns dies vermöge bes Übermuthes und ber kecken Er⸗ 
findung, bie darin erfichtlich iſt, beffer gefallen. Ein Graf, 
Iuftig, forglos und ſtets zu tollen, ja verrückten Streichen aufs 
gelegt, erzieht feine eingige Tochter als Sohn, und zwar fo, 
daß die Tochter felbft gar keine Ahnung von ihrem Geſchlechte 
befommt. Ignorirt man biefe Iehte Unwahrſcheinlichkeit, fo 
ſchickt fi, der Gedanke vortrefflich zu einem Luſtſpiele. Dieſes 
funfzehnjährige Mädchen, das wie ein Junge flucht, ficht, reis 
tet und tollbäuslert, lernt nun ihren Couſin kennen, ber ein 
Auge auf feine noch ſehr jugenblihe Zante hat. Durch dies 
Verhaͤltniß erwacht, ohne daß Karoline es ahnt und ſich Res 


cheuſchaſt davon ablegen kann, die gefchkechtliche Meigumg. Ka⸗ 
roline liebt ihren Eouſin und entbrennt in der tn 
1: jucht wem” ee’ miß-Phren>; befßerfeitigen- Bante zärtlich! Hut. 
cher Ku; den’ der Gonfin ſich von einer Eänte 
rerxbiitet, die Eutſcheidung "herbei. Die Sante fodert, daß fi 
:yer . Gönfin’;die‘- Magen 'Herbinden: Kaffe: folle; ſchait bied-ges 
»ichehen tft, gibt fie Karolinen, Sem’ al® Knaben ergogenen Bküds 
den ee ano am und: winkt ihre, ſtatt khrer den. Wetter 
gu kaffen. Karoline pt ſich ‘dies nicht zwei Mal fagen, - fie 
pt wie ein inbränftig Hebendes De&bcher und macht ben Bet⸗ 
tee bald toll. Kaum aber Hat dieſer die Binde vom Auge ge⸗ 
:giffen, fo- fieht er den vermeintlichen Karl, ber durch ben 
"ShawF ben gefpielten: Betrug verräth. - Weide find verſtimmt: 
- Aitguft,':daß: er fo hintergangen, Karoline, daß fie Tein Maͤd⸗ 
3. chen fein: fell. - Um aber: die-Zärtlichkeiten bei Wetters noch: kün= 
ger zu: genießen, behauptet fie einen Augenblid lang, fie- fei 
-Hn- Mädchen‘, -um ’es- fogleich als eine Lüge zu widerrufen. In 
set Berwirrung tritt: denn: ber Graf Hinzu, fagt, daß es eine 
.-erlogene ge fer und'führt alle''zu dem entſchiedenſten Gluͤck. 
- Das weitte Luftfpiel: „Der Fugendfreund‘‘, nach: Angelot 
‚and Gombrerouffe bearbeitet, fireift in einigen Scenen an das 
-eenfte Drama und- überfihreitet, ſtreng genommen, die ren: 
gen des Luftſpiels. Da indeß der Gegenſtand felbft nicht leicht 
- eine andere Sendung zuließ und gegen das Ende hin ſich 
Alles- wieder in das rechte Gleis findet, darf eine folche Abs 
ſchweifung nicht ˖ als Fehler angeſehen werben. Was dem Über⸗ 
feher oder Bearbeiter angehören mag, und was dem Originale 
ı entlehnt iſt, wagen wir nicht zu entfchelden; "die Zenbenz und 
die ganze. Wendung, welche das Luflfpiel nimmt, laſſen vers 
mutben, daß Dolbein viel bazu gethan bat, während bie Grund: 
lage den echt franzoͤſiſchen Urfprung nicht verkennen laͤßt. Ge⸗ 
gen alle Gewohnheit Hat das Stüd eine Tendenz, bie auf einer 
imoralifchen Baßs ruht; es ſchildert nämlich bie Folgen weibs 
licher Gefallſucht und hohler Koketterie umd enthält, da mit 
der Höchfien Steigerung bes Gefahrdrohenden ein nothwendiger 
Anſchwung eintveten muß, bie‘ hmung einer Kokette. Da 
fſtellerin dieſer Kokette ift- die Gräfin Amalla von Stauffen, eine 
re Witwe. Sie lockt alle Männer an, läßt fie eine Weile 
AR ſheen Negen zappeln und fpfelt, fobald fie Miene zu einer 
ernft geimeinten Werbung machen, bit Gleichgültige, Kaltwidige. 
Oberft Rettau, ein verdienter rufſſiſcher Dffigier, wird ebenſo von 
Amalien · behandelt, ex nimmt aber die Sache ernſthaft, ein Ju⸗ 
gendfreund don: Ihm, der trockene, derbe, ja grobe Doctor Grander, 
‚ verbündet ſich vem Leidenden, Sefoppten und weiß ihn dahin 
„3 : briagen / daß er im vollen Ernfle mit Amalfen- bricht. : Brans 
der -eiuckirt-jegt bie ſtolze Graͤfin, die von: Jedermann nur 
GSehmeichelworte mb: Salanterien gu Hören gewohnt iſt, mit 
. lfichtötofer Ehrlichkeit und ſchwoͤrt ihr, für feinen Freund 
Rache an ihr zu nehmen. : Er hält Wort, und gwar fo, daß 
dadurch eben das -Lufifpiel gewifftemaßen zum Drama empor 
waͤchſt. Jetzt ergreiſt die WBräfin- bie bitterſte Reue, fie gefteht, 
Aaß ſie den. Oberſten wirklich ilebe, Faß’ fie: nicht: mit feinem 
k en u fpielen ; ihn nicht zu Tränken und zu quälen beab⸗ 
5 e, ſonbern dieſe Manoeuvres nut vorgenommen habe, theils 
: m: auns-den- fie u 


"aussuwählen., teils auch um ihrer Dante gu Gefallen zu Ieben, 

"She ein ſokches Umſpringen mit ‚ben Männern für das-tiner 

v Damerwon@tetibe aHdie ziemtembe (won geher geruhmt Habe. 
Derꝰ Beſchluß folgt.) 


.ı) 





a 





Maumderlei. 
Rache und’ Neid Mind Untugenden, die aus‘ Schwäche und 
Mängel ihren Urfprung nehmen. Wer ſtark genug tft, Belei⸗ 
bigungen und nkungen nicht zu fühlen, oder gegeri Schäden 
und döfen Willen geſichert zu fein, ber’ ee f 









mſchwvarmenben Maͤnnern fi den würbiaften |- 


1332 
wundenen Feinde iſt Aberflüffig, ober: am tobien 5 weiiötgen 


Beinbfetigbeiten: nicht über das Brad -Hamud- dauern Token, und 
welcher Gefunde wird den Gefunden, welcher. Meicht den Reis 
chen wegen?'Befmdheit !oben! Reiditäuni : beneiden 722. Daher iſt 
: ein Unterfehteb Ti. den⸗ Vugenden, bieaus Gocheloſigkeir unb 
Nefbloſigkeit Yeudorgehen. ' Sie ſind oft ohne Verbienfl ; inur 


Berge einer Yiflinmenten Lage; eines beſtiinmten Zuftandes,:anb 


‚fie werden erſt dann berdienfilich, wenn" es ˖ ſich anders! vertätt, 
- wenn etwa · devn Feind noch: nicht unfchädlich zeworden, oder 
ı wenn -Befunbheit'und Reichthum - fehlen. Weil ver -äftere 
Menſch -von einer Rarken- Einwirkung ber Sufkänbe "tinmer: we⸗ 
niger abhängig wird, fo ſollten ſihm -eigeritlich die Tugenden 
der Rachekoſigkeit und Neidloſigkeik don ſelber anwachſen. Im⸗ 
mer aber würde folgen, daß⸗ es wuͤnſchendwerther ſei, dieſe Tu⸗ 
gendben verdienſtlos, als verdienſtlich anszuhben. 


Friedrich Schlegel, ber’ als Renegat den Proteftinttemus 
“ 'anfenbet, feugnet nicht dad Bebürtfniß einer Kirchenreformatfon 
im 16. Jahrhundert, allein fie Yabe eine göttliche fein nrüffen, 
würbe dann ihre Yöhere Sanetion fchon von ſich ſeibſt mit ſich 
geführt, und würde fi) niemals unter Feiner Bedingung don 
dem geheiligtem Mittelpunkte und der ehrwürbigen Grundlage 
der alten chrifttichen' Überlieferung in Lehren und- Gebraäuchen 
losgetifien haben. Der Proteftantismus, fowie er hiſtoriſch 
wirklich wurbe, ſei Menſchenwerk geweſen und in ber eigenen 
Selbſtygeſchichte feiner Eutſtehung nicht anders erſchienen. Zwar 
werde gleich anfangs der Grundfatz aufgeſtellt, er werde bes 
ftehen, wenn er mehr als Menfchenwerk fei, fein Beſtehen diene 
» alfo- zum Beweiſe, daß er von Gott fei. Allein dieſen Beweis 
inne Niemand für Hiftorifch gültig anſehen, nachdem bie mo= 
hammedaniſche Irrlehre, welche das goͤttliche Preinekp im Mens 
ſchen mehr als jede andere verwüſte und vernichte, ſchon volle 
12 Jahrhunderte in der Welt beſtehe, obwol dieſelbe, wo nicht 
etwas Ärgeres, doch gewiß nur Menſchenwerk geweſen. 

Hier wird allerdings: wahr hervorgehoben: daß aus: dem 
bloßen Beſtehen in der Zeit weder auf Göttliches ober Drenfch- 
liches, noch auf Gutes oder Boͤſes, Wahres ober :Ireiges.- ges 
ſchloſſen werben: kann; denn ber Teufel, das Böfe-und der Srrs 
thum beharren und wirken fortwährend in zeitlicher Menſchen⸗ 
geſchichte. So audy muß die ihrer Idee wach goͤttlich gegrän⸗ 
dete fichtbare chriſtlich⸗katholiſche Kixche, ungenchtet aller Din: 
gel, die fih in den Jahrhunderten kund gaben, jeben Abfall 
und jede ausgefprochene Trennung als etwas Ungoͤttliches, yon 
menfchlicern Ungeküm und: menfhlicher Wilkür. Hernergehrwch= 
te6 betrachten. Wie aber, wenn bei dringendem Bebärfniß: ber 
‚Reform bie vollige Unmöglichbeit derſelben hervorleuchtet? : Da 
gibt es bei Demjenigen, was der Menfch für Wahrheit, Recht, 
betligfte Übergeugung unternimmt, eine Zuverſecht, welche «allein 
ihm den Gedanken lebendig: erhalten Tann ‚ - ev’ wirke dem gott⸗ 
lichen Willen- gemäß,: zumal wenn babei deine Mittel gewelt⸗ 
famer Dunchführung — kein mohammebanifchee Schwert and 

" Sriegeöheer — in Xamenbung fornmen. -- Solche Zuverſicht ges 
gen fohreiende, aller wahren Hergensandacht "and: Gibtenreinpeit 
verberbliche Misbraͤuche durften die Reformatoren bes 16. Jahr⸗ 
underts gewiß faffen, fie durften in ber veinen rvang n 
bre und Geftnnung ein Göttliches erkennen und‘ ’biefe® durch 
allgemeine Wirkemg’auf die Semuͤther und Forthang derſelben 
bewährt halten. Abfall und Trennung von’ der rkoͤnſch⸗ tatpo: 
liſchen Kirche war nicht arfprüngticher Wille, ſondern ein 
der Work, durch menſchliche Gewalt, oder, nach Luther, "durch 
ter Neufet Gervorgedtacht. 


Gleichwie jene kuͤnſtlichen Mnemoniker, um bas Bebädhts 
niß zu flärken, verlangen, daß wir noch mehr behalten follen, 
als wir. iu behalten. wänfchen, ebenfo verlangen: jene abfeluten 
ſchen Syſteme, daß wir an 








philoſoph Mehres glauben ſellen 
„ale wir, zu glauben begehen, näuilich an ihre wünberlichen 
Oenke amd Ahflyauungstänfte. 60 





— — — — — — — — 


55 ⏑ > DEE > Sn x Be ⏑ 


Blatter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Donnerstag, 





Dramatiſche Buͤcherſchau fuͤr das Jahr 1839. 
Dritter und letzter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 2330.) 

„Die verhaͤngnißvolle Wette”, nach Alexander Dumas be: 
arbeitet, verbient endlich unter allen franzoͤſiſchen Dramen des 
verfloffenen Jahres In gewiffer Hinficht den Preis. Wir haben 
oben von Dumas’ „Caligula“ gefprochen, foweit dies nach ber 


"fat gänzlichen Umgeftaltung Jerrmann's noch möglich war; wir 


erkannten darin die Großartigkeit der Anlage, bie geniale Aufs 
faffung ber gefchichtlichen Sonflicte, die in jenem Gedichte ur 
Erſcheinung gebracht werden follen, endlich die Kraft, Schöns 
eit und den Zauber der Sprache an; halten wir aber jetzt dies 

rama dagegen, das auf feangefifgem Grund und Boden fpielt, 
deffen Seele in der liebenswürdigen Sittenlofigkeit bes vorigen 
Sahrhunderts athmet und das feine zauberhafte Hülle von der 
großartigen Perfibie der ausgebilbetfien Givilifatton borgt, fo 
verfhwindet aller Glanz unb Pomp bed Römerthums vor bie: 
fem füßen, verlodenden @ifte einer gefinnungslofen Zeit, bie 


"immer lächelte, immer tändelte, immer liebenswärdig und ver: 


führerifh war und dennoch weit graufamer als bie blutbürs 
flige Tyrannei der römifchen Kalfer. Wenn man biefes Drama 
ieh ‚ fo drängt ſich faft wider Willen der Gedanke auf, daß 
es im Drama eine Poefle der Situationen geben koͤnne, bie 
wir fo gern und mit Hecht hinwegzweifeln möchten, die ſich 
aber bier mit eimer Gewalt geltend macht, welcher ſelbſt trif⸗ 
tige Gründe nicht mehr Widerftand leiſten wollen. Das ganze 
Drama befteht vom Anfang bis zu Ende aus einem Gewebe 
von Intriguen, bie ſich gegenfeitig berühren, durchkreuzen, vers 
Kain: immer eine die andere zu drohen, und doch 

er und fpielenb zum erwänfchten Ziele führen; unb bie Er⸗ 
findungsgabe bes Dichters erregt wirklich Erſtaunen durch bie 
Tcherzende oft, womit er fpielenb unb wit vollendeter 
Anmuth diefe Hundert ſchwirrenden Yäden hält und leitet, ohne 
fich jemals zu irren. Es iſt ein Meifterfüd von Intriguens 
fpiel, das feinfte, vollendetfte, weiches wir kennen, und wir 
wäßten in der hat nicht, was an biefem fein angelegten Plane 
geändert werben follte, wollte man nicht dem Stüd ans Leben 
greifen. Wie immer bei Dramen biefer Art, fo fehlt auch Hier 
alle eigentliche Poefie, es iſt allein die Poeſie der Situationen, 
die wirklich bei einen fo geftelgerten Ausbilbung an die wahr: 
hafte Poefie anſtreift. Das Städ fpielt, wie ſchon angebeutet 


- ward, im Anfange des vorigen Jahrhunderts. Dee berüchtigte 


Herzog von Richelieu, die Marquifin von Prie, feine Beliebte, 
der Here von Aubigny und deffen Braut, die funge Gabriele 
von Belle⸗FJele, deren Altern und Brüder in der Baſtille 
ſchmachten, find die Hauptperfonen. Der ſtets abenteuerfüchtige, 
von den Damen angebetete und daher bei diefen auch immer 
fiegreidhe Herzog elien geht nım im Schloſſe von Shantiliy 
die übermätbige Wette ein, daß er binnen 24 Stunden bie 
Gunſt derjenigen Dame gewinnen wolle, die Ihm gzuerſt begeg⸗ 
nen werde. Man tft kaum darauf eingegangen, fo erfcheint 
die ſchoͤne Gabriele, die eben durch Wermittelung der Marquiſe 








4 
und bes Herzogs die Befreiung: ihres Waters zu erwirken fucht. 
Diefe wird nun als das erwählte Opfer begeichnet und von 
Richelieu als Zeichen bes erlangten Sieges fefigefellt, daß er 
aus dem Fenſter der Dame feinen Gegnern ein Billet, zuwerfen 
wolle. Alle find es zufrieden, die Marquife erfährt die MWette 
von Richelieu felbft und wird um ihren Beiſtand erfucht, ben fie 
ihm auch zufagt, obſchon fie Gabriele Leiten und fi an dem 
Herzoge dafür raͤchen möchte, daß er ihr kurz vorher feine Liebe 
aufgefagt hat, freilich zu bderfelben Zeit, wo fie das Gleiche 
that. Trot allen Vorfichtsmaßregein, welche nun ber Herzog 
trifft, um nicht betrogen zu werben, und troß ber faſt an eine 
prophetifche Borausficht fireifenden Schlauheit ber Maraquife, 
ungeachtet der vielfachen Schwüre, Betheuerungen und Zufagen, 
die man zu halten ſich durch die Bitte verpflichtet fühle, Toms 
men doch beide Theile zum Ziele, inbem fie recht nad) Art ber 
lftigften Diplomaten fi ſtreng an bie Worte der Berfprechuns 
gen halten, fonft aber nad Belieben bamit umfpringen. Go 
allein wird «6 dem Herzoge möglich, das bezeichnete Zimmer 
Babrielens zur rechten @tunde gu erreichen, der Marquiſe aber 
das junge Mädchen in der Zwiſchenzeit nach Paris zu Ichaffen 
und an beflen Statt ben Herzog felbft zu empfangen. Richelieu 
gewinnt bie Wette; Aubigny, wirthend, daß feine Braut ihn 
fo taͤuſchen, fich felbt fo wegwerfen Tann, und durch ein Ge⸗ 
fpräch mit Richelien, welches ex auf ihr Witten verborgen ans 
hört, vollends von ihrer Schuld ugt, fobert nun ben 
Herzog. Das Duell kann jedoch nicht ftattfinden, ba Auoray, 
der Greffier des Ehrengerichtes, dahinterkommt. Aubigay thut 
nun den Vorſchlag, um Leben und Tod zu würfein. Wer bie 
wenigften Augen bat, foll ſich binnen ©tunben feibfl ers 
fyießen. Dies gefchieht und zwar auf ber Bühne, Aubigey 
verliert. Da tritt unerwartet ein Wechfel im Miniſterium ein, 
die Marquiſe wird verhaftet, ebenſo Richellen. Diefee Minis 
fterwechfel rettet Aubigny; denn jest Tann Gabriele eben, bie 
Marquife hatte fchwören müflen, von ihrer nädktlichen Reife 
nah Paris, um ihren Water in ber Baftille zu ſehen, fo lange 
zu ſchweigen, als ber Herzog von Bourbon an ber Spitze des 
Minifteriums flände. Sie erzählt Aubigny den Vorfall, Wis 
chelieu kommt dazu, beftätigt das Geſchehene, bittet Gabriele 
um Berzeihung und — gelobt Befferung! — Nur Me Haupt: 
momente bes verwidelten Gewebes, aus welchem biess Drama 
zufammengeflocdhten iſt, ſoll dieſe Skigze andeuten, ba es uns 
möglich fein möchte, eine detaillirte Darftellung dieſer kunſtvol⸗ 
len Anlage zu geben. Man iſt bei ber Lecture ſchon genbthigt, 
in biefee Vollendung grundſatzloſer Befinnungen,, in dieſer hoͤch⸗ 
fien Blüte menſchlicher Lafterhaftigkeit jene zwar ſchaudererve⸗ 
gende, aber doch verführerifche hohle Tugend ber Weltleute zu 

ewunbern , die, wenn Fein Verdienſt, doc gewiß ein Studium 
if. Diefe verborbenen Edelleute finb noch galant umb Hebenss 
würbig in dem Augenblide, wo fie ſich die Hälfe brechen mol: 
Im. Sie zerreißen einander mit Anftand, fie gehen anftändig 
mit dem Teufel fpazieren und werben nöthigenfalls auch mit 
Anftand in dee Hölle Plat nehmen. Das ift Die Poeſie des 
Anftandes, in ber Dumas Meiſter if; denn alle Perſonen 


» 
.» " 9 


ſind gleich groß in dieſer überguiterten Lügenbaftigkeit. Das 
ift aber auch der ſtets offene Abgrund, an beffen Ranbe bie 
Eiviliſation auf ihrer hoͤchſten Vollendung ſchwankt; benn was 
damals Sitte war, das iſt es jest noch, nur unter ein wenig 
veränderten Formen. Leicht, frei, mit nie unficherem Takte, 
wie bie Fäden der Intriguen, handhabt Dumas aud) den Con⸗ 
verfationdton feiner Figuren. Da fpricht Jeder nur das Noth⸗ 
wenbigfte, aber immer treffend, nie verlegen um ein bezeichnen: 
bes, ein höflich ausmweidhendes Wort, immer bereit, feine Tod⸗ 
feindfchaft zu geftehen und doch der Sitte mit Grazie zu 
huldigen. Wir können uns nicht enthalten, bie Scene, wo 
KRichelieu und Aubigny um den Zod würfeln, bier folgen zu 
laſſen. 

Aubigny. Nun wohl, Herr Herzog, da find Würfel und 
Becher; drei Würfe und wer verliert ... 

Richelieu. Wer verliert... nun? 

Aubigny. Berfhmettert Ginnen beflimmter Friſt ſich ſelbſt 
dad Sehirn. Das if Kein Duell, fondern ein Spiel, welches das 
Marſchalls⸗ und Ehrengericht nichtd angeht. 

Rich elieu. Sehr kuͤnſtlich ausgedacht. 
Hazardſpiel. 

Aubigny. 

Richelien. 

Aubigny. 
Herzog? 

Richelien. Nein, aber ich überlege, und das ift bei mir 
auch ungewöhnlich. 


Ein eigenthuͤmliches 


Sie zaubern? 
Der Vorſchlag ift ungewöhnlich. 
Ste werben ihn doch nit ausſchlagen, Herr 


Aubigny. Sie warten bo nicht, bis Sie wieder ein. 
fhwarzes Stäbchen tettet ? 
Niheliew. Sie denken fo ſchlecht von mir, wollen mid 


reisen. — Ih nehme Ihren Vorſchlag an. 

Aubigny. Das erwartete id von Ihnen. 

Rihelieu. Verſteht fih von ſelbſt. — Aber ih muß mir 
ſechs Stunden Zeit bedingen, meine Geſchaͤfte zu orbnen. 

Aubiony. Sechs Stunden, es fei. (Sie treten an ben 
Tiſch.) Alſo wer in drei Würfen das Wenigſte zählt, ift bei Ver⸗ 
luſt feiner Ehre verpflichtet, bis ſpaͤteſtens Morgen früh neun Uhr 
fih eine Kugel durch den Kopf zu jagen. 


Richelieu. Es gilt. Mein Ehrenwort darauf. 

Aubigny. Und bad Meine. (Die Würfel in ben Becher 
werfend.) Es gilt. (Dem Herzoge ben Becher hinreichend.) IR 
Ihnen zuerft gefällig ? 

Richelieu. Sie find außerorbentlih guͤtig. (Nimmt ben 
Beer und ſchuͤttelt zum Wurfe.) 

Auvray (eintretend, fuͤr ſichh. Gharmant! Sie ſpielen 


Nun iſt nichts mehr zu befuͤrchten. 
Richelieu (wirft). Fuͤnf! 
Auvray. Darf man fragen, wer der Gewinner iſt von den 
beiden Herren? 
Aubigny. Der Verlierer. 
Auvray. Es fteht ja Fein Geld. 
Rihelieu. Wir fpielen auf Ehrenwort. 


Auvray. Alſo wol fehr body? 


Aubigay. Bagatelle. (Wirft.) Sechs! (Gibt Richelieu 
den Becher.) 

Richelien (wirft). Bier! 

Aubignp. Und bie frähern Fünf macht Neun. 


Richelien (fehr ruhig). Neun. 
Aubigny (wirft). Drei! 
Nieliew. Und bie fruͤhern Sechs macht Neun, 
gleich. Ich denke, wir retiriren und enden das Spiel. 
Aubigny. Ih denke nicht. 
Richelien. Au gut. 
Aubigny. Wir ftehen glei; alfo entfheibet nur ein ein- 


Bir fliehen 


Richelien (tief und ernfi, aber ohne Jurcht). Der lebte. 
Aubigny (wirft und fagt ganz kalt). Eilf! 

Niche lien (nimmt ebenfo Beer und Würfel und wirft). Zwoͤlf! 
Anbigny (ſehr ruhig), Ich babe verloren. 


. 1334 ” 


Rigelieu. Der Wurf gilt nichts. Ih mußte bo dee 
Reihe nach früher werfen. 

Aubigny (fell. IH Habe verloren, und fage: der Wurf 
gilt. (Holt feinen Hut von einem Rebentifhe) Es if jest drei 
Uhr Morgend, um neun Uhr werben Sie bezahit fein. 


Wir fragen. mit Recht: warum hat bisfes in feiner Are 
meifterhafte Drama noch Feine beutfche Bühne zur Aufführung 
gebracht? Zweierlei nur Tann es fein, was diefem entgegen= 
ſteht, entweder ber Mangel an Schaufpielern, bie ein folches 
Stüd mit der erfoberlihen Gewandtheit darftellen Eönnen, oder 
bie freilich fehr lare Moral, welche burchgehend darin vorwal= 
tet. Bielleicht trägt beides zufammen bie Schuld. Eigentlich 
unfittli Tann man das Drama nicht nennen, bei den Büh- 
nenbirectoren wenigftens Tann dies ber Iekte Grund fein, ber 
fie an ber Aufführung verhindert, da wir ja täglich zehnmal 
— franzoͤſiſche Dramen unangefochten über bie Breter 
gehen ſehen. 


Der Zufall führt und nun aus dem galanten Frank⸗ 
reich wieder zurücd ins deutſche Vaterland, und zwar bies- 
mal nad Frankfurt am Main unter bie derben gutmü⸗ 
thigen Reichsſtaͤdter. Wenn wir zur Abwechſelung auch 
einen Beinen Abftecher nad Berlin madhen, wird man 
und das nicht hoch anrechnen. Es gefchieht im Intereffe 
der beiden Volksdialekte, welche durch die naͤchſtfolgenden 
Kleinigkeiten im Drama repräfentirt werden follen. 


56. Der Prorector. Gin Euftfpiel in zwei Aufzügen. Zweite, 
mit einer Vignette und einigen Zugaben vermehrte Ausgabe. 
Frankfurt a. M., Koͤrner. 1839.. 8. 6 Er. 

57. Hampelmann’s Bad⸗ und Neifeabenteuer. Localpofle in 
pe Abtheilungen. Zrankfurt a. M., Döring. 1839. 8, 

r“* 


58. Frankfurt wie es leibt und lebt. Dritte Anſicht. Der 18. 
Dctober. Bon Verfaſſer des „Graͤff“. Mit lithographirtem 
Umfchlage. Frankfurt a. M., Körner. 1839. 8. 6 Gr. 

59. Das Kunſtcabinet. Komifche Scene mit Geſang. Bon 
Ludwig Lenz. Mit einem colorirten Coſtumbilde. Berlin, 
Klemann. 1840. Gr. 16, 6 Gr. 


Bon Localpofien darf man nicht viel verlangen. Sie er⸗ 
füllen ihre Beſtimmung, wenn fie die Denk- unb Redeweife 
bes fraglidden Ortes treu und ergoͤtzlich ſchildern. Frankfurt 
a. M. eignet ſich borzugdweife zur Dramatificung bes Volles 
lehens, weil die Bevölkerung im Allgemeinen berb, aber gut⸗ 
muͤthig ſich zeigt und der Dialekt naiv Elingt, aud) da, wo 
er and Grobe freift. Unter den uns vorliegenden Kleinigkeiten 
bat uns „Der Prorector am mehrften befriedigt. Die Cha⸗ 
rakteriſtrung eines Schulmannes, der aus purer Gutmüthigkeit 
fih allen Refpect vergeben hat und bafür nun von feinen Ran= 
gen auch wieder blos des Spaßes wegen wie ein Rarr tractirk 
wird, iſt vortrefflich. Uns felbft find ähnliche Originale vorge⸗ 
tommen, und aud jest noch, glauben wir, würbe es nicht 
ſchwer halten eine Anzahl folder gehänfelter Gymnaſiallehrer 
aufzufinden. Den meiſten Spaß gewähren bie vielen moraliſchen 
Srmahnungen bes Prorectors, bie nach jeber neuen Ungezogen⸗ 
heit fich wiederholen, während ſchon ein noch tollerer Schaber⸗ 
nad im Anzuge ifl. Der Proreetor trägt biblifche Geſchichte 
vor und Religion, es tritt aber immer fo viel Störung ein, 
daß über bem Burechtweifen und Ausfchelten bie meifte Zeit vers 
gebt, worüber die wilden Rangen ein Seelengaudium haben. 
Eine Probe von bes Prorectors Art, zu bociven und zu ermah⸗ 
nen: „Prorector. Mer hawe heut von der —R Vor⸗ 
ſehung, die mer ſchond allbereits e biſt dorchgegange hawe, gu 
handele. —No jetzt ſinn mer am 69. Paragrapho. Mohr les emol. 
Mer kenne gleich de folgende, weil ex korz is, derzu nemme. 
Br tief ein wenig zu gefchwind.) Les boch langſammer. 

waas net, ihr habt gor Ban @efiel bei ber göttlichen Mohr: 


1336 


heit (Mohr lieſt abermals zu geſchwind), ſchwei ſtill un les bu, 
Müller. (Möller lieſt umd übergeht einige Zeilen, worüber der 
Prorector aufs befte ſchimpft und hernach bie zwei Paragras 
phen geſchmackvoll erklaͤrt. Mer derfe nor in das Reich der 
Matur gebe, fo finne mer de greßte un beitlichfle Spure ber 


Vorſehung. Mer wolle vorerſt e mol in bie GSchepfung zus 
rickgehe. Wann Gott kan Abwechſelung gemacht hett, mer 


miffte entwebder vor lauter Kelt erfrien, ober vor beflänniger 
His verſchmachte. Betracht nor dos Dierreih, do kenn mer 
wnd net genug verwunnern, un mer miffe mit David ausrufe: 
GSroß find die Werke des Herrn u. f.w. Nach vielfachen 
Duälereien von Geiten der Schüler läßt fih der Prorector gar 
verleiten, die GStaffe mit Hülfe feiner Rangen zu weißen. Zu 
Diefem Schauſpiele kommt ber Rector, der nicht eemangelt dem 
Prorector deshalb zur Rebe zu ftellen. Diefer glaubt jedoch 
im vollen Rechte zu fein, und ruft, nachdem ſich der Rector 
wieder entfernt bat, feufzend aus: „Do Tann mer recht fehe, 
wie ftets Undank der Welt Lohn id. Wir made uns verbient 
um die Staff, daß mer ſche mit unferm Flaſch un Blut gleichs 
fam widder in gute Stand ftelle, ohne Bauamt ober Rechenei 
ebbes zuzumuthe, und dodervor — — Aber loßt norz, die 
Strofgerichter Gottes bleibe doch net aus bei fo Satansknechte, 
die norz ber Sünde fröhne.” 

Ganz in gleichem Style find ‚„„Dampelmann’s Bad⸗ und 
BReifeabenteuer‘‘ gefchrieben. Hampelmann ift ein reicher Kauf: 
mann aus Frankfuri, ber ind Bad reift, um ſich zu vergnügen. 
Seine Frau ift ihm geftorben, worüber er ſich ſehr freut, ba 
fie ihn tuͤchtig gequält hat. Kaum im Babe angelommen, wird 
er in bie feltfamften Liebesabenteuer verwidelt, kommt aus 
einer Verlegenheit in bie anbere, reift endlich ab, trifft unter: 
wegs eine junge Frau, die fehr von zudringlichen Courmachern 

equält wird und, um ferner bis zur Ankunft ihres Mannes 

& vor neuen Zubringlichleiten zu fihern, Hampelmann bittet, 
Daß er einſtweilen ihsen Dann vorftellen möge. Der gutmüs 
thige Frankfurter willigt ein und geräth dadurch in immer grös 
Bere Bertegenheit, bis enblich der erfehnte Mann ber Dame 
Viele und den gequälten Kaufmann erlöfl- 

Die dritte Piece tft unbebeutend und gar zu planlos hin⸗ 
geworfen. Auch ift ber Dialekt darin völlig verändert, unge⸗ 
hobelter, zuweilen ſehr unverſtändlich. Sie enthält eine Reihe 
bunt zsufammengewärfelter Volksſcenen bei ber Feier bes 18. 
Detobers und fchließt mit einem Toaſte, worin ber Rebner 
das deutſche Waterland leben läßt, bei dem Worte „Freiheit“ 
aber fteden bleibt. 

„Das Kunftcabinet” nimmt unter der um ſich greifenden 
Ranteliteratur eine untergeorbnete Stelle ein. Herr Lenz iſt 
weder ein Beckmann, noch ein Glasbrenner. Die meiften Witze 
find fad, wenigftens beim Lefen, der Zuſchauer amufirt ſich 
dielleicht beſſer. Der Inhalt laͤßt fich erratben. Gin berliner 
Eckenſteher oder einer feines Gelichters erklärt einem berliner 
Bürger Quappe und deſſen Soͤhnlein bie verſchiedenen Gegens 
Hände in einem Kunftcabinete. Über ben Unfinn, der dabei 
y Markte gebracht wird, fehweigen wir. Wie geiſtreich Hr. 

nz in feinen Witzen iſt, beweift ein einziges Beiſpiel. Bei 
Erklärung ber Wadsfigur, welche ben Dey von Algier vor: 
ſtellen fol, wird gefagt, diefer Dey fet ber Schwager bes ‚Ab: 
delkater““, feine Frau wäre bie „Abdelmies“. Das Titelbild 
zeigt uns den Erklaͤrer des Kunftcabinets, wie er Hrn. Quappe 
web Söhnlein eben eine „antike Vaſe aus bie letzten Dage von 
Pompeji‘ präfentirt, in ber Weide leider nur eine bunzlauer 
Kaffeelanne erkennen. 


60, Sin Beſuch in St.⸗Gyr. Komiſche Oper in brei Acten 
von Bauernfelb. Muſik von Deffauer. Wien, Mauss 
50, Gr. 12, 8 Br. 


61. Der Brauer von Prefton. Komifche Oper in drei Aufzü⸗ 
gen. Rah bem n ber Leuven und 
Brunswid, gur beibehaltenen Muſik von Adam von bem 

von Lichtenſtein. Mainz, Gchott’s Söhne. 
. 2.58, 3 ®r. 


62. Der Schöffe von Paris. Komifche Oper in zwei X j 
von Wilhelm Auguft Wohlörid, —ãS rcar 
vor deinti Dorn. Leipzig, Wunder. 1889. % 

r 


‚_ Der Vollſtaͤndigkeit wegen raͤumen wir auch der O 
dieſem dramatiſchen Zwittergeſchoͤpfe, das weder Shaun 
Trauer- ober Euftfpiel, noch ganz Melodrama ift, eine befchels 
bene Stelle hier ein. Glücklicherweiſe ift die Anzahl diefer Bros 
ducte nicht groß, was uns fehr freut, da wie nicht verhehlen 
wollen, baß uns bie Poefie ganz abſcheulich vorkommt, fobald 
fie ald Sklave auftritt und nach bem Fidelbogen des Muſikers 
Berfe madıt. Gin fo großer Freund und Werehrer ber Muflt 
wie find und fo gern wie den Werth einer tüchtigen Oper 
anerkennen, fo ungern fehen wir es, wenn Dichter ſich zur 
Anfertigung von Operntexten gewinnen Laffen. In ber Regel 
tommt dann gerade das allerdümmſte Zeug zum Vorſchein; 
denn ein echter Dichter Tann feinem Geifte keine Feſſeln an 
legen, ohne ihn ganz außer Ihätigkeit zu fehen. Sollen und 
müffen aber doch Opernterte gefchrieben werben, fo überlaffe 
man dies Gefhäft entweder dem Gomponiften felbft, oder übers 
twage es Solchen, die für Geld Jedermann die gewünſchte Ane 
zahl Berſe nach einem vorgeſchriebenen Schema auffeten. Auch 
unter den uns vorliegenden Opernterten ift ber von bem Dich⸗ 
tee Bauernfeld. herfiammende ber mittelmäßigfte, beinahe noch 
mittelmäßiger als der Inhalt der Oper felbfl. Gin Berbanns 
ter aus Gngland, Sir Mortimer, und ein Luftiger Franzoſe, 
Marquis Tarteron, beſuchen das Grpiehungsinftitut zu St.⸗ 
Eyr und verlieben fi beide in bie Zöglinge Adele und Giife, 
Die Erzieherin Feniſe kommt dahinter und iſt furchtbar ent» 
ruſtet. Um die Sache zu verheimlichen, werben auch Briefchen 
gewechfelt und dabei bie Perfonen ber Liebhaber vertaufcht, 
fodaß zulegt die beiden Zöglinge befürchten mäflen, an faiſche 
Männer zu gerathen. Der König fchlichtet jedoch die entſtan⸗ 
bene Verwirrung zu Aller Zufriedenheit. Mortimer und ber 
Marquis find zwei ganz entgegengefegte Charaktere, ber Eng⸗ 
länder melandolifhsfhmwärmerifh, ber Franzoſe lebensluftig, 
fanguinifh. Mortimer fingt: 

Aug’ in Auge tief verfunten, 
Liebe glühend, wonnetrunten, 
Der; an Der; mit leiſem Beben — 
Das ift Liebe, das ift Leben. 
Der Marquis Hat eine andere Anſicht vom Lieben. Er ente 
gegnet daher: 
Was fol dad Schwärmen? 
Soll ih mi härmen? 
Huͤbſch iſt Annette, 
Huͤbſch iſt Finnette, 
Glaube mir, Lieber, 
Wechſeln iſt gut. 
Diefen beiden Charakteren gemäß find denn auch bie Geliebten 


egeichnet, der aͤlt bie I ‚be ⸗ 
ven die — E ⸗ ne uf age 


bele. Die Erfahrung fagt, foldde Tem⸗ 
peramentöharmonie gebe in ber Regel Beine glädtiche Ehen. 
„Der Brauer von Prefton” bringt bie ſchon fo oft benutzte 
Geſchichte zweier Zwillinge auf bie Bühne, bie einander fo ähns 
lc fehen, daß Niemand fie voneinander unterfcheiden Tann. 
Einer diefer Zwillinge iſt Brauer. Diefer will Hochzeit machen 
und erwartet feinen Bruder Georges, der Militair iſt und im 
Rufe ber Lieberlichkeit ſteht, obſchon Jedermann feiner Bravour 
alle Gerechtigkeit wiberfahren lafien muß. Während nun ber 
Brauer noch auf biefen wartet, kommt ber Sergeant Toby unb 
meldet dem Bruder, daß Georges gegen bie Ordre gefehlt Habe 
und über die 3eit vom Heere weggeblieben ſei. Er werde er⸗ 
ſchoſſen, wenn er nicht zur beftimmten Belt ein ‚ beshalb 
folle es (der Brauer) flatt feiner erſcheinen. Der ver läßt 
fih bereben, er erhält Parbon, muß nun aber wiber Willen 
eine Schlacht mitlämpfen, gewinnt diefe durch die Rage feines 
Pferdes wider Willen, wird Major wider Willen, fol ein vom 
feinem Bruder verführtes Mädchen heirathen und wird vom 


1386 u 


Abeig a wider Mllien t. Endlich geräth er 
gar in —8* die irlaͤndiſchen RAebellen geſchickt zu wer⸗ 
den. Da konmt noch zu rechter Zelt der wirkliche Georges, 
tritt ohne Weiteres an des Brauers Stelle, heirathet das vers 
Mädchen und rettet den in fo vielfache Bebeänguiß ge: 
Sommenen Bruder. Mer Text iſt recht nett, heiter, ohne 
Sqhwulfſt, den Sitnationen und Perfonen angemeffen. Rech 
befiex aber hat uns ‚Der Schoͤſſe von Paris gefallen. Wohl⸗ 
Dei hat unferer Weeinung nach ben richtigflen Takt und jenes 
bequemes, Rule und ſchmiegſame Talent, beffen der Operncom⸗ 
nit bedarf, um nicht mit der Poeſie in Golltfion zu geras 
In. Schon bie Frühen Wohlbrück ſchen Opernterte haben uns 
an en; wie erwähnen hier nur bes vielleicht ges 
Sungenfien ‚Der Templer und bie Jüdin“. Die vorliegende 
Sr ſpielt unter Kari VIE., dem liebeſuchtigen, fangestuftigen 
nige Frankreichs, zur Zeit, wo die Bngländer das ganze Land 
bedrohen und bie Jungfrau von Orleans als Retterin auftrktt. 
Der Gchöffe von Paris, mit den Engländern verbünbet, will 
heirathen. Diefee Schöffe I ein haͤßlicher, alter, bärbeißiger 
Rei, die WBraut ein fehönes, junges Drädchen, bie Berlobte 
eines armen Studenten. Karl VII. erfcheint verkleidet bei dem 
Ahärmer von Rotees Dame, um mit ihm und Andern für bie 
Gache des Könige zu wirkten. Der Gloͤckner hat eine liſtige 
Aochter, bie natürlich den Studenten zugethan if, An diefe 
wendet fig Loriot, dem man bie Braut wegichnappen will. 
Sie verſpricht zu helfen und erſcheint, als der Schoͤffe den 
Brautzug Hält, vor der Kirchthuͤre als Zigeunerin. Die Stu⸗ 
denten machen einen Bieinen Auflauf, der Hochzeitszug wird 
auseinandergeriffen,, Loriot erwifcht die Braut und läßt fidy 
ſtatt bes Schöffen, dem bie fr Zigeunerin dummes Zeug 
prophegeit, trauen. Run wüthet dee Gchöffe, droht mit Häns 
gen, en und Brennen, entdeckt auch die Entfährte auf 
Sem Ihurme Notre: Dame und ſchleppt fie fort in feine Be⸗ 
Yaufung. Jetzt willen feine Gegner fich Teinen Rath mehr, 
nur des Thuͤrmers er Zrinette verliert ben Kopf nicht. 
te gibt das Feuerzeichen und bringt Paris in Aufruhr, bei 
dem Durcheinander wird die Braut don Loriot wieder erbeus 
tet, der König gibt fidh zu ertennen, gewinnt Paris für fid, 
erflärt Loriot's She für gültig und vergibt nach einer komiſch⸗ 
berben Lection dem Schöffen von Paris feine Untreue. Unter 
den Arien unb Liedern find manche recht hübſch. Das Trink⸗ 
Ued I befonders wohl gerathen. 
j Schenkt ein! Trinkt aus! Schenkt ein! 
Es if Studentenwein! 
Schenkt ein, daß Alles teinken Tann, 
Ihr Freunde nur herbet! 
Hoch lebe jeder brave Mann, 
Weß Standes er auch ſei! 
Denn wenn ſich flotte Burſche freun, 
Mus Alles froͤhnch fein! 
Schenkt eini Trinkt aus! Schenkt ein! 
Und jubert laut beim vollen Glas: 
Virat univorsitas! 
um, wenigſtens fiheinbar, einen Eneine poetiſcher Produetionen, 
won denen freilich die meiſten ebungen des Gottes 
waren * mit einem poetiſch betitelten zu ſchließen, 
en 


laffen wir . 
GB. Apolle’s und Biyn’s X fe. Allegorien, Wahrheiten und 
Beithiiber. Deamatifches I von Dito Weidemann. 
VBreslau, Weinhold, 1839, Ge. 8. 12 Sr. 
felgen. Dieſes fonderbare, tieffinnige ober unverſtaͤndliche Spiel 
iM dem Könige Otto von Griechenland gewibmet. Der Besf. 
macht genz artigs Berfe, nur misbeaucht ex zuweilen bie orte 
in allzu großer poetiſcher BB: 
Denn Eipt erlerchtet, reine Bieder tönen 
Ner, mo bie Herzen Eried’ und Liebe ſcbnen (eie!). 
ber Aegel handhabt er die Sprache gewandt und zwanglos, 


In 
bed) if es weniger ber poetiſche Gedanke, ber uns aus feinen 


Werfen entgegenglängt, als bie Abrundung ber Foerm, ber ges 


Iungene Ryytbmus. Das klingt dans wir Yorfle. Go, wenns 
Joana zu Apollo ſpricht: 
Der, welder feine Augen wandte, 

IR Göttern mehr als And’re nah! 

Wer bift bu mit dem Pi 

So glängend,, wie ichs nimmer fah ? 

Die Leier ſchmuͤcket deine Hände, 

Der Locken Gold ein Lorberkranz, 

Und Anmuth fllngt um beine Lende 

Bin zarted Band von Borgenglanz. 
Was bie Berfammlung ber griechiſchen und ſtandinaviſchen Götz 
terwelt eigentlich bedeuten fol, wozu Bela und die Nernen 
auftreten und fich wie Seren geberben, weshalb ber Verf 
nlyß und Diomeb bemüht hat, warum enbikh Obin, Ybuna, 
bie Trottare und Andere in dieſem Gpiele in fhönen Verſen 
fprechen müffen, das zu erratben, hat uns nicht gelingen wol⸗ 
len. Zur Apotheofe Apollo’s und Hiyn's, ber Tochter Obin’s, 
war eine fo große Zuſammenkunft kaum noͤthig, ba ſich noch 
dazu die verſprochene Apotheoſe nicht eigentlich zutraͤgt, fonberm 
mehr vorbereitet und nur hinter Dunſt und Daͤmmerſchein voll⸗ 
zieht. Bollig raͤthſelhaft iſt uns der Schluß geblieben. Gier 
nämlich erſcheint, nachdem bie verſchiedenen Sottheiten, zulent 
Amor verſchwunden iſt, ein offener Pavillon am Königspalais 
su Athen. Darin fieht man den König Dtto und feine Bemaß: 
Iin, feitwärts die Hofbamen von Rorbenpfiycht und Wiefenthal ; 
bahinter die Oberften Kolokotroni, Zyavellas, v. Heß und Geis 
das. Endlich die Drbomnanzoffigiere. Der König hält ber 
Königin einen offenen Brief mit dee Aufſchrift Hin: „Witte um 
Verzeihung“; dieſe ſchlaͤgt das Schreiben zufammen, gibt es 
ber Sieſenthal und fagt: „ßZum Hofmarſchall!“ Bittet viel⸗ 
leicht Hr. Weidemann damit um Verzeihung? Wir wiſſen es 
nit und Iaffen deshalb das Raͤthſel auf fich beruhen, 


Und fo fei denn mit diefem dramatifchen Spiele, das 
auf fo unklare Weile eine Apotheofe uns vorführt, fuͤr 
diesmal bie Revue der dramatifchen Productionen beſchlof⸗ 
fen. Apotheofiren können wir die Dichter nur dann, 
wenn wir es verfiohlen, hinter Dunſt und Wolfen thun; 
benn nur wenigen gebührt ein Kranz, woräber Daum 
die andern eiferfüchtig werden möchten. Wir wollen 
ihnen Bedenkzeit laffen, vielleicht daß wir dann In Jah: 
resfriſt mit gutem Gewiffen mehren eine wohlverdiente 
Lorberkrone auffegen können. Den Sternenkrauz, bie 
Apotheofe, verleiht erft bie Nachwelt, 10. 


ö——— —— ñ— — — — — — 
Notiz. 


In ber Umgegend von Rantes hat fi bei dem bretagnis 
ſchen Wolke das Andenken an Abdlerb um» Heloiſe bis auf den 
hentigen Tag erhalten, aber freilich im einem andern als dem 
gewoͤhnlichen romantiſchen Bewande, unter weichem es in ber 
Geſchichte und Literatur fortiebt; Heloiſens gedenkt man aid 
eines dere, und in ber Sammlung beetagnifiker Poeſten von 
de ta Billemargud iſt ein intereſſanies Gedicht enthalten, wet: 
ches ihre greulichen und verberblidden Bauberfoemein befchreibe, 
Rantes ſelbſt IM nicht arm an biffoxiichen Denkmälern; in bee 
Kathedrale befinden fi die Bräber Franz I., Herzegs von 
Bretagne, und feiner beiden Bemahlinnen, Dargarethe von Foir 
und Margarethe von Bretagne, nebft dem Kerpen feiner Toch⸗ 
ter, ber Herzogin Anne, das in einer goldenen Kapſel ver⸗ 
ſchloſſen und glücticherweife ia’ den Revolusionsflärmen exheiten 
werben if. Zu Nantes trat bie unglüditiche Maria Stuart zum 
sehen Male auf franzöfiichen Grund und Boden, und die audges 
geichnete Gemaͤldeſammlung bee Stadt beftst ein vorzüglich fhhnrs 
und gut erhaltenes Gemälde ihrer Feindin Eliſabeth . 


Verantwortlicher Herausgeder: Heinrich Brokhaud. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Breitag, 


— Nr. 332, 





27. Rovember 1840. 





Neuefte Schriften über Friedrich) den Großen. 
Schubart nannte in feinem vortrefflihen Humnus auf 
Sriedrich den Großen den König einen ‚einzigen, nie aus: 


gefungenen Dann’, und wir finden bies Wort durd bie - 


ſich fchnell einander folgenden Schriften, welche das Ju: 
belfeſt feinee Tihronbefteigung am 31. Mai 1840 hervor: 
gerufen hat, vielfach beftätigt. Einer folhen Theilnahme 
Tann ſich ein Jeder, der es innig fühlt, wie Großes und 
Nachhaltiges Deutfchland dieſem preußifhen Könige ver 
dankt, nur innig erfreuen, ja wir wollen ſelbſt in diefer 
Beziehung nicht allzu ungünftig über compilatorifche oder 
durch mercantilifche Intereſſen hervorgerufene Schriften 
(mie etwa die von Fern, Reihe und Henfe) urtheilen, 
da fie doch vielleicht hier und da dem Andenken an ben 
großen König eine weitere Verbreitung und ermünfchte 
Erneuerung gegeben haben. Uber abgefehen von diefer 
Tendenz, ber Bedeutung bed Moments zu huldigen, ber 
wär neben manchen gewöhnlichen Productionen und über: 
ſchwenglichen Exclamationen (mie der von Beta) auch in 
Geſinnung und Ausführung ehrenwerthe Schriften, voie 
die gleich zu erwähnende des Generals v. Minutoli, ver- 
banken, kann doch ſchwerlich einer dieſer Schriftfleller die 
nuͤtzliche Hülfe leugnen, welche ihm bie Bücher des ge: 
lehrten, fleißig fichtenden und von ber innigften Liebe für 
feänen Gegenſtand ermärmten Profeffor Preuß geleiftet ha⸗ 
ben. Es darf dies bei einer Äberficht über mehre, der 
Sriedrichsliteratur angehörige Schriften um ſo weniger 
unbemerkt bleiben, da ber Herausgeber der „Halleſchen 
Gahrbücher”, der fi gern als eine neue puissance, wie 
weiland der Herausgeber bes „Rheiniſchen Merkurs“, gel: 
tend machen möchte, in einer mit maßlofer Deftigkeit ge: 
gen Barnhagen v. Enfe gerichteten Abhandlung („Halleſche 
Fahrbuͤcher“, Suni, Nr. 156) auch des Derbienftes bes 
Hrn. Preuß nur geringſchaͤtzig, ia faft ſpoͤttiſch erwähnt 
Hat, wie denn fogar einer der Mitarbeiter an den genann⸗ 
ten Jahrbuͤchern, Hr. Köppen, in der unter Nr. 2 zu 
erwähnenden Schrift fich über bie hiftorifhen Arbeiten des 
Hrn. Preuß (S. 17) in einer Weife geäußert hat, bie 
man hoͤchſtens der Jugend des Verfaſſers zugute halten 
fann. Und doc iſt nicht leicht ein Scheiftfteller, im Bes 
wußtfein des treueften Fleißes und im Beſitz ber ausge: 
zeichnerften Huͤlfsmittel, befcheidener aufgetreten als diefer 
berliner Gelehrte, der mit Recht felbft da, wo man nicht 


feiner Meinung ift, die Humanität. des Gegners für ſich 
in Anſpruch nehmen kann. | 
Wir wenden uns jegt als Fortfegung unferer frühen, 
Berichte *) zu ſechs neuen Schriften über Friedrich den 
Großen. Es find folgende: eine biftorifch s militairifche, 
eine apologetifhe, zwei flaatsrechtlihe und ein Bändchen 
Gedichte, dem wir noch eine kurze Notiz Über ein halb 
ars, halb raifonnirendes opusculum angeſchloſſen 
aben. . 


1. Stiedrih und Napoleon. Eine Parallele. Von ©. v. 
Minutoli. Berlin, Echlefinger. 1840. Gr. 8. 
1 Zhlr. 

2, Friedricd der Große und feine Widerfacher. Eine Ju⸗ 
beifchrift von Karl Friedrich Köppen. Leipzig,. 
D. Wigand. 1840. Sr. 8. 1 Thlr. 

3. Friedrich's des Großen ſtaatsrechtliche Srundfäge. Ein 
Beitrag zur bundertjährigen Feier feiner Thronbeſtei⸗ 
gung mit einer Einleitung, von C. M. Wolff. Ber: 
In, Heymann. 1840. Sr. 8. 18 Gr. 

4. Friedrich's des Großen Verſuch über die Regierungs: 
formen und die Pflichten der Regenten. Überfegt und 
mit einer Einleitung und einem Nachwort herausge: 
geben von K.E. Shubarth. Breslau, Schulz. 1840. 
Gr. 8. 16 Gr. 

5. Friedrich's des Großen Jugendjahre. Ein Beitrag zur 
Sedächtnißfeier des Helden. Von Theodor Pofthu: 
mus. Berlin, Plahn. 1840. Sr. 8. 1 Xhlr. 

6. Das Jubeljahr 1840 und feine Ahnen. Vergangen⸗ 
heit und Gegenwart. Von Heinrih Beta. Berlin, 
Vereinsbuchhandlung. 1840. 8. 16 Sr. 

Die unter Nr. 1 aufgeführte Schrift ift die Überar⸗ 
beitung und Erweiterung einer in demfelben Jahre erſchie⸗ 
nenen Brofchüre deſſelben Verfaſſers, die von uns aud- 
in Nr. 97 d. Bl. erwähnt worden iſt. Hr. v. Minutolk 
ift nicht nur als militairiſcher Schriftſteller und kenntniß⸗ 
reicher Reifender feit längerer Zeit auf das vortheilhafs 
tefte befannt, fondern war auch durch feine frühere Stel: 
*) Über die Schrift von Preuß: „Friedrich's II. Jugend und 

Thronbeſteigung“, berichteten wir in Nr. 43 d. Bl., über 
die Bücher von Kern und Reiche in Nr. 282 f. 1839, über 
das Buch von Deinfius über Friedrich II. in Me. 162 b. 
Bl., und über das artiftifche Wert von Kugler und Mens 
zel in Nr. 131. 5 








\ 


- 


fung zum preußtfchen Hofe wohl geeignet, die beiden groͤß⸗ 
ten Männer des vorigen und jegigen Jahrhunderts nad) 
Gefichtspunkten zu würdigen, unter benen es nicht einem 
Jeden gegoͤnnt iſt, fie zu betrachten. Die Schrift macht, 
ne die „flihese, dulsch Hre Klar 
a 


gel "und Unparteilichkeit einen guten Eindruck und ver: 
dient viel gelefen zu werden. Wir fagen dies beſonders 
in Beziehung auf die Urtheile über Napoleon, deſſen Ber: 
herrlichung in Deutfchland (den Franzoſen kann man ber: 
gleichen nicht werdenden) bei vielen jungen Leuten zumtmmt, 
ohne daß fie wiſſen wollen, welche ſchwere Leiden ihre 
Wäter unter der franzöfifinen Zwingherrſchaft getragen 
haben und mit welchen theuern Opfern bie edle Freiheit 
von einem Gewalthaber erfauft worden ilt, der es felbft 
‚ganz natürlich fand, daß ihn die Deutſchen hätten haffen 
müßten. Hier wird ihnen nun gezeigt, daß Friedrich ale 
Feldheer größer als Napoleon war, indem er bie Gtund⸗ 
ge der Takrie und Strategie meiſtens den Umftänden 
anqupaſſen verftand, fih Im Gluͤck nicht hinreißen und 
im Unglück nicht entmuthigen ließ, daß aber auch nad) 
dem Cifötge ihrer beiberfeitigen Thaten der Vortheil auf 
der Seite Friedrich's ift, fo lange es noch Menfchen gibt, 
die Gefühl haben für Größe des Geiſtes, für Helden: 
murh, Menfſchenfreundlichkeit, für Großmuth und Milde 
gegen fein duch ihn glüdliches Volt, während Napo⸗ 
Yon nur den Nachklang großer,- durch ihn und die Ta⸗ 
pferkeit feiner Nation bewirkten Großthaten als Echtheit 
interließ. Sehr paſſend if hierzu eine Stelle aus Thiers' 
ichenrede am Sarge des Marſchalls Matfon angeführt 
worden. 
Hr. v. Minutoli hat feinen Stoff in fünf Abſchnit⸗ 
ten behanbelt, zuerſt die Gefchiihte Friedrich's bis zum 
"zweiten ſchlefiſchen Kriege und die Napoleon’s bis zum 
Trieben von Campo Formio, dann die Gefchichte des fie: 
deniährigen Krieges und der Landesverwaltung bis zu ſei⸗ 
nem Tode, ſowie Napoleon's Kriege bis zur Niederlage 
in Rußland; drittens, die Vergleihung Beider als Herr: 
fer und Staatömänner; viertens als Feldherren; fünf: 
tens als Menſchen, Freunde und Verwandte. Der Raum 
geftattet uns nur Einzelnes hierbei zu bemerken. Wir 
"würden zuvoͤrderſt Schriftſtellern wie Bictor Hugo und 
Eisner gar nicht die Ehre angethan haben, fie in fo gu: 
tee Gefeufchäft zu nennen, neben Männern wie Beh: 
kenhorſt, Loffau, Rogniat, Somint — um nur bei ben 
Militalrſchriftſtellern ſtehen zu bleiben —; ebenfo ift des 
xhemaligen göttinger Prof. Saalfeld „Geſchichte Napo⸗ 
Han’ jetzt nicht mehr als hiſtoriſche Quelle anzufkh: 
- von; Über Walter Scott's ‚‚Befchichte Napoleon's“ koͤnnen 
iwir des Verf. Urtheil nicht theilen. Um nun ferner bei 
*den erſten beiben Abſchnitten vorzugsweiſe ſtehen zu blei⸗ 
ben, fo wird ſich der Laie im Kriegshandwerk durch die 
Deutlichkeit und Überfichtfichkeit derſelben, die auch ohne 
die beigegebene Karte des Kriegstheaters hervorgehoben 
werben müßte, fehr angenehm angefprochen fühlen. Wir 
halten diefe Partien für ein vortreffliches Supplement zu 
vielen über Friedrich II. und Napoleon geſchriebenen Bü: 


HA, Praͤcißon and, wor⸗ 


Sqhlachten 
18 bier Yanprfdchlich altem, duch ihre Aufıkfkig: | 


Der einzelgen Mapoleon’fiyen Belbgäge, Kber die Sagachten 


138 : 
. it 


dern und empfehlen daher ganz befondbere aus dieſem 
Grunde die vorliegende liberficht den kuͤnftigen Geſchicht⸗ 


ſchreibern beider Fürften. Wir rechnen bahin die Bemer⸗ 


tungen über die mit großen Zruppenmaflen geführten 
Über derſqunze Lager, shber dem Charaluer 


Friedrich's und die verfchledenen Eigenthuͤmlichkeiten bei: 
der Feldherren, Über bie Eitmärfche der Truppen und bie 
Verlufte an Menfhen in den Kriegen beider Felbherren, 
wo unter Anderm gezeigt iſt, daß die Schlachten Friedrich's 
rüchfichtlih der Kürze des Gefechte und der Goͤße des 
Verluſtes im Ganzen fucchtbarer waren als die der neuern 
Kriege. Wo ber Verf. manchen eifrigen Rapoleoniften bie 
Feldzuͤge des Kaifers, wie z. B. die in Rußland, die an 
der Saale und Elbe 1813, oder die Unterlaſſung der 
gehörigen Armirung der Feſtungen In Frankreich, zu ſcharf 
zu tadeln ſcheint, da muß man bedenken, daß er dem 
Urtheile der bewaͤhrteſten Kriegeſchrkftſteller Frankreichs ge⸗ 
folgt iſt, wie er ſich denn auch mit Beziehung auf feine 
fruͤhern militairiſchen Schriften in der Vorrede aushrärdk- 
lih dagegen verwahrt ‚bat, als wolle er erſt nach dem 
Falle jenes Riefengeiftes feine Thaten bekritteln. Ebenſo 
ruhig und unparteiiſch urtheilt er Aber Friedrich, wie z. B. 
m der Kritik der Schlachten bei Kunerobdorf und Zom- 
dorf, und ſchließt fich öfters an Behrenhorſt am, ber be⸗ 
kanntlich gerade ein blinder Lobredner des preußifchen 
Könige war, wogegen die frühern faft ale Orakel hber 
den fiebenjährigen Krieg verehrten Schriftfteller, Lloyd und 
Tempelhof, ale wenig unterrichtete und nicht zuverläffige 
Zeugen bezeichnet werden. Freilich konnte eine folche freie 
Würdigung des Könige auch weit felchter unternommen 
werden als im entgegengefesten Falle, da Friedrich feine 
Fehler oft genug eingeftanden hat, Napoleon aber jeden 
ſelbſtverſchuldeten Unfall feinen Unterfeldherren oder Wer: 
bündeten beizumeſſen pflegte. 

Außer diefen Erörterungen könnten wir noch die paf- 
fenden kriegsgeſchichtlichen Parallelen aus alter und neuer 
Zeit, das gerechte Urtheil über die Ermordung bes Der- 
3096 v. Enghien, die edle Bemühung, von Napoleon bie 
Schuld der Vergiftung der Kranken im Lazareth zu Jaffa 
abzumälzen, bie zeitgemäßen und durch Zahlen beiegten Be⸗ 
merkungen über bie Höhe ber Abgaben im franzöftfchen 
Kaiferreiche gegen die im Königreiche Preußen, emdfich bie 
Präftigen Worte über Deutfchlandse Schande durch die 
Franzoſen und ihre übermüthigen Ausfprüde in Betreff 
der Rheingrenze herausheben, um einen Beweis des man: 
nichfach Reichhaltigen zu.geben, welches biefe Schrift in 
ſich ſchließt. Nur Eins haben wir an berfelben auszu⸗ 
fegn — das find die vielen Drudfebter in den Eigen: 
namen und in den Stellen in franzöfifcher oder Lateini: 
fcher Sprache. Dat ſich ſogar Taeitus auf ©. 235 einen 
grammatifchen Schniger muͤſſen aufbürden taffen! 

Mit der Ruhe und Erfahrung dieſes Verf. bilder 
bie kecke Sprache und das ftürmifche Dreinfchlagen bes 
Verf. von Ne. 2 den ſchroffſten Gegenfag. Hr. Köppen 
(Oberlehrer an einem berliner Gymnaſium) hatte ſich durch 
eine „kiterariſche Einteitung in die norbifche Mythologie“ 


(Berlin 1337) und dann durch eime ſehr ‚überfläffige 
Tritik des wicht minder Überflüffigen Buches des Bürger: 
nmeiftere Neumann Über die Beſchraͤnkung des lateiniſchen 
-Antereichtö im den vworährigen „Dalelchen Sahrbiicdern‘” 
vekannt gemacht; jetzt fühlte er ſich gedrungen, zum Ay: 
Selfeſte Friedrichs des Großen mit Feuer und Schwert 
gegen alle Widerfacher des Könige aufzuireten. Er bet 
Dies ſowol in der vor uns liegenden Schrift ale in einem 
Ahnlichen Auffage in den „Halleſchen Jahrbuͤchern“ mit 
einer glähenden Beredtſamkeit gethan, feine Worte fallen 
Hagelsbick, ja wie Keulfhläge auf die Helme, mit denen 
Wöhner, Buͤſching, v. Haller, Leo, E. M. Arndt, Stef: 
fens und andere Feinde des Könige Ihr Haupt bededt 
Haben. Wer weilte sin fo jugendlich Lraͤftiges Beginnen 
cadein, wenn bie Sache es verlangt? Wir Lönnen in 
einem folhen Falle felbft Ertravaganzen des Ausdruds 

einem Schriftfieller, der es redlich meint, zugute halten, 
an denen e6 allerdings in ber Köppen’schen Schrift nicht 
Fehlt. Dahin gehören die wiederkehrenden Erwähnungen 
der bornirten Drthodorie, der wittenbergifchen Steifleinenen 
and der aufgeblafenen Schulluͤchſe, dahin ber Ausfall auf 
ie „alten Brahmanen der Logik, die, mit untergeſchlage⸗ 
nen Beinen in ewiger Ruhe da figend, mit eintönigem 
Seſchnarr wieder und wieder lefen die heiligen drei Vedas, 
und dann und wann einen lüfternen Blick hinüberwerfen 
nach der tanzenden Bajaderenwelt“, dahin die Verun⸗ 
glimpfungen einzelner Clafien ber Geſellſchaft, wie „ber 
aus dem Nationalismus hervorgegangenen Paſtoren, jener 
harmloſen, vegetativ⸗freudigen, kindergeſegneten Hausvaͤ⸗ 
ter”, und überhaupt der Theologen ohne bie mindeſte Be: 

ſchraͤnkung, da feine Vorwürfe doch nur auf katholiſche 

And proteftantiſche Jeſuiten und Ultramontane paſſen, da: 

hin gehoͤrt endlich die Verunglimpfung eines ganzen Lan⸗ 

des, wenn Hr. Koͤppen „mecleuburgiſche Unvernuuft“ als 
einen ſpruͤchwoͤrtlichen Ausdruck braucht, oder die ſpoͤttiſche 

Bezeichnung Hegel's als „des :Philefonben vom Kupfer: 

graben”. Und ift bean Hr. Koͤppen fo alt, fo erfahren, 

daß er An-Beziehung auf die heutige Menfchheit fagen 
darf, es fei „in der Buͤchſe der Pandora nicht die Hoff: 
nung, fondern lediglich die Dummheit zurüdgeblieben”. 

Auch paſſen zu ſeiner fonft deutlichen, verſtaͤndlichen Rede 

gar nicht recht fo unblare Texminolegien wie „incorporirte 

Staatlichkeit”, oder wo es von Friedrich heißt: „er war 

fi die incorporirte Idealitaͤt in der realen Ausbreitung 
des Staats, das Subject zu deſſen Subflanz”. Hr. 

Wöppen fpricht gern von Pedanten „und von nicht zeitges 
maßer Gelahrtheit: find denn aber felhe und ähnliche 
Ausdruͤcke nicht ebenfall eine ſtiſche Pedanterie? 

AIndeß wir. wollen, wie gefagt, won biefen Auewuͤch⸗ 

"Ten jest abfehen, obgleich es am fich Fein gutes Zeichen 
für ‚eine Sache iſt, wenn man fi zum Seicheln und 
gendthigt fieht, und une an bie Zenbeng des 
Buches halten. Eine Vertheidigung des ‚großen Könige 
iſt jedenfalls, wo fie Neth thut, Löblih und ſteht befon: 
dus einam :erußiichen Stantsdiener wohl an, der ſo (eb: 

und die- Ehre feines 


Haft für das Vatarlandes 
fühlt, als von Hr. Koͤppen in einer ſchoͤnen Stelle (S. 141) 


gefchehen iſt. Nur hätte man billig: von ihm verlangen 
koͤnnen, daß er dabei mit einigen Worten auch der Fort⸗ 
ſchritte gedacht hätte, duch bie man in Preußen unter 
der Regierung Friedrich Wilhelm's III. durch freiwillige Ver⸗ 
träge, durch Gerechtigkeit, Mäßigung und Weisheit auf 
dee Bahn der wahren Kreihelt und des echten Gehorfams 
weiter gekommen iſt al6 in manchen außerbeutfchen und 
deutfhen Staaten, und daß fi hierin vor allen ber 
Geiſt Friedrich's des Einzigen in’ fortdauernder Thaͤtigkeit 
beurkundet bat. Die Andeutungen auf S. 162 u. 172 
find nicht ausreichend. 
(Die Bortfetung folgt.) 





Romanenliteratur. 


u Frankreichs von Ero Gozlan. Aus dem Fran⸗ 
zoͤſiſchen übertragen non Emilie Wille. Zwei Theile. 
Leipzig, Kollmann. 1840. 8. 8 hir. 8 Gr. _ 

Verftändige Fuspüge aus Memoiren und Beſchreibungen, 
eine lebendige Darftelung, viel Gäprit, phrafenreiches, aber 
nicht ſchleppendes KRaifonnement, bas für und Deutfhe mituns 
ter zu fpiefindig und nicht von ber bonne verite, wie fie Fi⸗ 
garo nennt, iſt, das alles, verbunden mit der im Original gewiß 
leichten und glänzenden Schreibart, machen das Werk zu einem 


1. Die Bu 


gelungenen. Es erfpart bie Mühe, aus vielen biden Bänden 


zufammenzufuchen, was man bier in gebrängter Kürze findet. 
Auch kann man fi wol einbilden, durch das Leſen bes Buche 
nicht allein unterhalten, ſondern auch belehrt zu werben. Bon 
den galanten Feſten, Ludwig XIV. gegeben, von feinen und 
bes Nachfolgers Liebichaften esfährt man, und zwar von bem 
Schleier der Grazie verhält, recht viel, wenn auch nicht Neues, 
doch Anziehendes. Die religiöfen prunkvollen Belufligungen des 
balbverrüdten Marquis Brunoy, die theatralifchen des Abte 
Voiſenon werben uns vorgeführt und, um das zu Zönnen, die 
Burgen und Schlöffer, wo fie flattfanden, befchrieben. Vergebene 
fuht man hei ber Wahl nach einem Plane, es müßte denn ber 
fein, Schauplag und Stück auszufuchen, wo Königthum, Feu⸗ 
dalherrfchaft, die Entfittlihung des Abel und der höhern Geiſt⸗ 
lichleit am bequemften Au befpötteln waren. Aber öfters ift es 
ſchwer zu entfcheiden, ob es dem Verf. mit bem Eobpreifen des 
Gewerbfleißes, ja ber Thaten ber ſchwarzen Bande Ernſt ober 
Ironie ift, ein Wigwort gilt ihm höher ald Milde und Wahr⸗ 
heit des Gefuͤhls. Ernßlicher Ernſt iſt ihm nur dann, wenn 
Deutfchland und vor allem Üftreich geichmägt wird. In bie 
Überfegung haben ſich viele Nachläffigkeiten eingefchlichen. Die 
Wortfügung, die Stellung des Zeitworts iſt öfterer der frans 
zöfifchen als ber deutſchen Sprache angemefien, haut wird ims 
mer als hoch genommen, da es bei Landſtrichen und Klüffen 
auch ober bedeutet. Aus Aachen, wo Karl ber Große begraben 
Kegt, ift die „Kapelle von Aix“ geworben und ähnliche Schniger. 
Die vielen unrichtigen Ramen ber Maler in ber Befchreibung 
von Aguado's Gemäldefammlung können nicht alle dem Cor⸗ 
rector zur. Laſt fallen. Es wäre aber mäglih, daß ber Verf. 
es fich damit mundrecht gemacht hätte, denn ſehr genau nimmt 
er es mit feinen Angaben nicht. So läßt er Boffuet, ungefähe 
50 Zahre nach defien Tode, bei dem ausgelaffenen, feinen Stand 


‚Shändenden Abt Voiſenon, Argerliches erleben, und aͤhnliche 


shronologifche Fehler wären nachzuweiſen. 


2. Deutfige Bollsfagen, zunähft aus den Rheinlanden. Her⸗ 


ausgegeben und erzählt von Koderich Benedix. Drittes 
und viertes —8— Weſel, Bagel. 1840. 8. 8 Gr. 
Ein ‚gutes Lied fingt man gern zweimal; hat es eine Adi 
Melodie, fo ve genügt ed auch Die, weldgen das Bekannte mid Ks 
hast. Ant hübfege Seiſen haben „Der —— — 


„ 


! 


‚r. ſer von⸗ 
Stavoren“ und mehre andere. In’ ruhrenden Mollaccord lau⸗ 


\ 
. 
. - 
18% ‘ ‘ 


ten ‚Die Bloden zu Speier“ Kaiſer Heinrich's IV. teagifches 

Gefcid ein, die Undankbarkeit feines aufruͤhreriſchen Sohns, 

die Treue eines alten Diener. „Die Lieberlihen Spieler‘ 

könnten auch da zu Haufe fein, wo man den Rhein nicht rau⸗ 
ſchen hört. Boͤſes Gelüften führt den Zeufel herbei, frommes 

Gebet, fruchtbringende Reue vertreibt ihn, das iſt der Grund: 

gebanke ber guterzählten Gage. 

8. Waflli und Aglae ober die neue Helena. Gine Erzählung 
aus der neueften Geſchichte des Drients für gebildete Lefer 
von Adolf Strahl. Wien, Volke. 1840. 8. 15 Er. 

Der Zweck, den ſich der Verf. vorfegt, die Sitten und Ge: 
braͤuche der verſchiedenen Wölkerflämme des osmanischen Reichs 

u ſchildern, wurde kurz und bündig erreicht. Geſchickt hat er 

—2 — aus dem albaneſiſchen Krieg eingewebt, Ali Paſcha's 
Abſcheulichkeiten nicht veredelt, aber auch nicht auf eine empoͤ⸗ 
zende Art ausgemalt. Nicht allein auf die Schlachtfelder, auch 
in die Harems führt uns der Geleitsmann, feinee Meinung 
nach ift das Leben der türkiſchen Frauen minbeftens ebenfo an= 
genehm als das der eleganteften Guropäerin, eine Anficht, in 
die, trog der fie vechtfertigenben Scheingrünbe, nicht viele fein: 
gebildete Damen einflimmen werben. 

4. Das Gewitter und das Sympofion. Ober: Proteflanten und 
Katholiken feit dem Jahre 1837. Cine Novelle von Auguft 

Schmeißer. NRubolftadt, Froebel. 1840. 8. 1 Ihr. 

Möchten doch alle unfere Landsleute, in religiöfen Wirren 
begriffen, ſich fo ruhig verftändigen wie die Reiſenden, welche 
in DOrlamünde und Schwarzburg zufammentrafen! Dann wäre 
aller Streit gefchlichtet und fie begriffen, daß beide Parteien 
Einen Shriftus glauben, nur verfchiebene Gonfeffionen hätten 
und recht füglich nebeneinander beftehen Eönnten. Wenn aud 
der Domainenpachter und ber Kaufmann lebhafter an das ir: 
diſche Wohl denken ale an das ber Seele, fo ift body bie 
Duldfamteit der übrigen Befellfhaft Leine matte Lauheit. Der 
katholiſche und proteftantifche Geiſtliche, der, Philofoph und 
Oberſt, der Edelmann und felbft bie Frauen verfechten ihre 
Meinung mit gewichtigen Gründen. Goͤrres und Hegel, Schle⸗ 
gel’ und Ammon, Schelling und bie Kirchenväter werden citirt, 
das Für und Wider erwogen, keiner ändert feinen Glauben, kei⸗ 
ner will ben andern belehren. Sogar ein Iefuitenzögling, der 
Frau und Kind verließ und die Prieflerweihe empfing, fieht das 
Ungefeglihe, Naturwibrige des zweiten Gelübbes ein, er tritt 
in feine früheren Verhältniſſe zuriick, wie hoffen, ohne fchlimme 
Folgen. Alle gelangen zu ber Einficht des Sinen, was Noth 
thut, „vor den Fremden fich zu hüten‘, welche die Zwietracht in 
Deutfchland anfachen und brennend erhalten, um zu trennen 
und baburch um fo gewiſſer zu herrfchen. Das junge Deutfchs 
land bekommt audy feine Streihe, es wird zu fehr ale Leiter, 
zu wenig als Werkzeug angefehen. Daß Frau von Sturm mit 
am meiften gegen die gemifchten Shen ift, ift richtig empfun- 
den, die fühlende Frau leidet mehr an ber entftehenden Spal⸗ 
tung in der Kamilie als der Mann, deffen Thaͤtigkeit ihn 
nicht in den engen häuslichen reis bannt wie das Weib. 
Gewiß werden Viele mit den Schlußworten des „Sympoſion“ 
einverftanden fein: „Ehrenvoller Friede, gewiffenhafte Eintracht, 
treue, kindliche Anhänglichleit an die mütterliche Chriſtuskirche, 
gemeinfames Kämpfen gegen ihre zahlreichen Zeinde, um ger: 
manifche Sitte in Ernſt und Würde für Sittlichkeit und Hu⸗ 
manität als liebend verbundene Söhne des einen Vaterlandes 
zu erftreiten, zu bewahren!” 

5, Schuld und Buße, oder das Gt. Dagbalenens Klofter zu 
Debreczin und feine Bewohnerinnen. Wahrheit und Die; 
tung. Bon 3. Satori (Neumann). Zwei Theile. Leipzig, 
Kolmann. 1840, 8. 2 Thlr. 

Zwei Liebende müflen Moͤnch und Ronne werben. Sener, 
der bald Dechant wird, feht die Liebfchaft fort, die Folgen hat; 
‘eine weichherzige Äbtiffin entfernt die Schulbige, weldye, von eis 
‚nem Nachkoͤmmling der tückiſchen, wollüftigen Pfaffen ber Rit⸗ 


terromane des vorigen Jahrhunderts verfolgt, eingekerlert wird, 
aber befreit in das Klofter zuruͤckkehrt, wo man fe glei einer 


"Heiligen verehrt: Ste ſtirbt und der Dechant kommt mit ben 


Thränen auf ihrem Grabe davon; zu erflarren darauf, wie 
weiland Giegwart, hat er nidt nöthie. Daß ber Papft fo 
leicht Dispenfation ertheilt, wundert und nicht, bie Leute wer⸗ 
den ihm ebenfo langweilig geweien fein als uns, die wir ihre 
Geſchichte erzählt befommen, und fo wollte er fie fih je eher 
je liebee vom Halſe fchaffen. 18. 





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Eeipzig, im Rovember 1840, 


S. A. Brockhaus, 





‘ &r. — 






Gerantwortiiher Herausgeber: Heinrig Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhauß in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Nr. 333 — 


28. November 1840. J 


nn nn nen 1 7 70-22 -em cn 


Neueſte Schriften über Friedrich den Großen. 
(Sortfegung aus Nr. 332.) 

Afo Hr. Köppen will den großen König vertheibigen. 
Ahnliches hatte vor mehr als 20 Zahren ein preußifcher 
Major v. Seidl in einer dreibändigen Schrift verfucht, 
die er einen nothwenbigen Anhang zu Dohm's „Denkwuͤr⸗ 
bigkeiten” nannte. Sener hatte beftimmte Namen und 
gewiſſe Thatfachen, gegen bie er ben König in Schuß 
nehmen zu muͤſſen glaubte, auch Hr. Köppen ficht mit 
redlichem Bewußtſein und gutem Gluͤck gegen Haller, Bü: 

fching und mehre Andere, dann aber führt er in allge: 
meinen Ausbrüden feinen Krieg mit den theologifhen und 
politifhen Gegnern Friedrich's und den Obfcuranten fei- 
nes Ruhms. 

Nur feine wirklichen, ewigen, unverföhnlichen Keinde wol: 
Yen wir vor bie Schranfen rufen, fie, die zugleich auch unfere 
Feinde find, fie, die nicht feine Mängel und Schwächen, fons 
dern ihn felbft durch und durch, d. h. fein Weſen, fein Princip 
haften und belämpfen, die ihm von Anfang an gegenüberges 
fanden, die ihm noch gegenüberftchen und. gegenüberfteben wer⸗ 
ben bis zur Götterbämmerung. Seht ihre fie daherziehen, bie 
heilig: närrifche Schar in ihrem altfränkifch = modernen Coſtume, 
baıb den Kreusfahrern, halb der Reichs⸗ und Reißausarmee 

bntih, fanatiih und feig, furchtbar und fpaßhaft zugleich? 
Hört ihr die greuliche Katenmuſik? alts und neuteflamentliche 
Pauken und Zrompeten, moralifhe Maultrommeln, erbauliche 
Dubelfäde, biftorifche Sackpfeifen und andere Schnurrpfeifes 
a Ton Freiheitshymnen, gebrällt im urteutonifchen 


An bdiefen Worten ift die Tendenz der Köppen’fchen 
Schrift ziemlich vollftändig angezeigt, fie ft alfo nicht 
blos eine Apologie Friedrich's, fondern auch eine fcharfe, 
grimmmige Polemik gegen die Gebrechen der Zeit. Und das 
ft es, was uns nicht an ihr gefällt, daß fie des großen 
Königs Namen als eine Art von Aushängefchitd gebraucht 
und eine Menge von Dingen hineingesogen hat, deren 
Beſprechung an fi) gar nicht unzWweckmaͤßig war, in ein: 
zelnen Bezuͤgen fogae recht gut, aber, durchaus nicht in 
eine apotogetifche Schrift für Friedrich gehörte. Anders 
wäre es, wenn fie ſich als eine Vollefchrift gäbe, aber 
das ift fie ihrer ganzen Anlage und Sprache nach feines: 
wege. Bei den Einfichtigen ber’ gebildeten Stände aber 
ſteht Friedrich's Name zu Hoch, ale baß ihm die unan- 
ſtaͤndigen Hiftörchen bei Buͤſching oder die unmwürbige Ver: 
unglimpfung Haller's ſchaden koͤnnte, bei ben Unverftän: 


digen aber, bei „den unfaubern Gelftern, die ganz ernſtlich 
ben Göttern des Lichts das Garaus merhen wollen“, bei 


ben Dickkoͤpfen in Chriſto, bei den katholiſchen Wölfen - 


in Schafskleidern und den proteftantifhen Schafen in 
Wolfskleidern, bei den Muckern, Pietiſten, Sefuiten, bei 
den Indifferentiften, biefen Kröten des Sumpfes (alles Ka⸗ 
togorien, weiche Hr. Köppen unter den Gegnern Friedrich's 
gemacht hat) —, bei allen diefen wirb der Schrift ihr 
heftiger Ton und der Kewereifer ihres Verfaſſers mehr 
ſchaͤdlich als förderlich fein, gefegt daß fie uͤberhaupt eine 
fothe Schrift für werth halten gelefen zu werben. 

Auf der erften Seite des Buche erklärt Hr. Köppen 
gut und Bündig, weshalb gerade Friedrich vorzugeweiſe 
den Beinamen des Einzigen verdiene, und ftellt Ihn über 
Sofeph 11. und Napoleon, denn er ijt ber Philofeph auf 
dem Throne, er if der freimuͤthigſte/ unter ben Königen. 
Warum konnte Hr. Köppen bier nicht den unwuͤrdigen 
Witz unterdrüden, dag Ramler, der ben König zuerſt 
den Einzigen genannt, hierbei auch feinen einzigen Ge⸗ 
danken gehabt habe. Es erinnert dieſe renommiſtiſche 
Redeweiſe nur zu fehr an den Styl gewiffer Schriftſteller 
der neueften Zeit, die man nicht mehr mit dem gangbas 
ren Collectivworte bezeichnen foll und zu denen wir doch 
Hrn. Köppen zu zählen keine Urfache haben. Dann geht 
ed mit ſcharfer Waffe auf die Pfaffen los, die grimmig- 
ften Widerfacher Friedrich's, umferer Zeit und der gamgen 
Menfchheit, fie, „in denen die Kategorien des Aberwiges 
und des Hochmuths vollſtaͤndig Fleiſch geworden find, fie, 
die ſich felbft alter Emaneipation entgegenfteßen, weil fie 
ſelbſt Altes mancipiren möchten‘, und fo geht das 27 
Zeiten (S. 18) unter den härteften Borwürfen fort. Die 
erfte Handlung pfäfftfchen Hafies war Woͤllner's Heberliche, 
nichtöwärdige, verhungte Ausgabe der Werke bes Königs. 
Mir theilen hier ganz des Derf. gerechte Indignation, 
fhimpfen uns aber nicht felbft betes allemandes, wie ders 
felbe à la Heine und Boͤrne gethan bat. Und wenn es 
wahr ift, daß die berfiner Akademie ber Wiſſenſchaften an 
Friedrich's Geburtstage Vorlefungen ‚über die Erections⸗ 
musteln in den männlichen Sefchiechtötheilen einiger firauß: 


artigen Vögel’ hat halten lafſen, fo iſt das allerdings 


unpaffend, Hr. Koͤppen aber auch anguliagen, daß er hier 
kein einziges Wort von ber nicht blos „beſprochenen“, fon= 
dern feit längerer Zeit ſchon im Drucke begriffenen neuen, 


‚+ .# 


fehe würdigen Ausgabe ber hiſtoriſchen Werke Friedrich's 
Binzuzufügen für gut fand. Als Berliner konnte er ſehr 
wohl wiſſen, daß Prof. Preuß fhon längere Zeit vor 
dem Tode König Friedrich Wilhelm's III. den Auftrag zu 
diefer Arbeit erhalten hatte. Darauf wird Buͤſching's, 
der „zugleich ein Theologe und ein Kammerdiener“ iſt, 
Bud) mit nicht unverdientem Zabel abgefertigt. Friedrich's 
Religion, heißt es weiter, war die Religion der Aufklaͤrung, 
worüber das Bekannte, mitunter in etwas declamatoriſcher 
Form, gefagt ift. Seine theologifche Erziehung und Bildung, 
feine Studien der Wolffhen Phitofophie, bie äfthetifche Bil: 
dung ducch Voltaire und andere Franzoſen iſt gut dargeftellt 
und dann der Vorwurf der Srreligiofität entkraͤftet. Friedrich 
zwar ein Zreigeift in der edeiften, urfprüunglichen Bedeutung 
des Worte, er war ein Ungläubiger, weil er nicht an bie Prie⸗ 
fer und an Ihre Ehr⸗ und Hochwuͤrdigkeit glaubte, aber er 
ift nie, wie ein wahrer Philofoph thun wird (eine ſchoͤne 
Stelle auf S. 67 fg.), gegen den Glauben als ſolchen und 
gegen die wahre, lebendige Froͤmmigkeit in die Schranken ge⸗ 
. treten und bat, was auf S. 71 gut bemerkt iſt, nie für Buͤr⸗ 
ger und Bauern, fondern für Gelehrte und Philoſophen ge: 
fchrieben. Sein Chriſtenthum war reiner Deismus, d. 5. 
Slaube an Gott, damit hing die chriftliche Duldung auf das 
engfte zufammen, und in beiden liegt die Erklärung des fo 
oft gemisdeuteten Ausfpruche: „Hier muß ein Jeder nad) 
feiner Façon felig werden‘ (S. 92). 

Mir flellen Hrn. Köppen’s Eifer und Mühe in Auf: 
fuchung hierher gehöriger Stellen aus Friedrich's Werten 
nicht in Abrede, aber zur Steuer der Wahrheit muß body 
bemerkt werben, daß im erſten und britten Bande des 
von ihm fo verächtlich behandelten Buchs von Preuß alle 
diefe Dinge mit Beifügung aller Stellen ausführlicher 
und für Manchen vielleicht anfprechender abgehandelt find. 
Daß es aber nicht blos 1815 einen Prediger gab *), ber 
in einer zu Berlin gehaltenen und auch gedrudten Pre: 
digt fich erfrechen konnte zu fagen, „Friedrich fei groß 
in der Welt, doch Mein im Himmel geweſen“, fondern 
daß auch bei Gelegenheit des Jubelfeſtes ähnliche, unüber: 
legte Kußerungen von einzelnen Predigern (Ref. fpricht 
als Ohrenzeuge) gethan worden find, möchte zum Theil 
Hrn. Koͤppen's fcharfe, unverföhnliche Rede rechtfertigen. 
- Ein nicht minder firenge® Gericht ergeht über Frie⸗ 
drich's weltliche Widerſacher. „Wer zaͤhlt die Völker, nennt 
die Namen‘, fagt Hr. Köppen wol etwas hyperboliſch, 
denn noch lebt der alte Fritz im Wolke in verbienter Be: 
rühmtheit und felbft im Schoofe bes Katholiciemus, in 
alien, ift ja der gran Federico wohl bekannt, wie und 
nicht blos Goethe („Saͤmmtliche Werke”, XXVIL, 183) 
und Preuß (II, 295 fg.) erzählen, fondern aus viel neue: 
ser Zeit Sr. Foͤrſter (‚Briefe eines Lebenden‘, I, 258 fg.), 
ja auf dem Theater Palacorda in Rom haben die Zu: 
fchauer noch vor. wenigen Jahren ben großen König in 
hoͤchſt abentemerlicher militairifcher Kleidung erfannt und 
betoundert. Nun alfo, welche find die weltlichen Wiber: 
ſacher? Da iſt zuvoͤrderſt Hr. v. Haller, ben „die radi⸗ 

*) M. ſ. Röbenbed’s ,, riebrich's des 
) FR en Beiträge zur Geſchichte Friebrich's de 


1342 


calen Oppoſitionsmaͤnner als ihren Geſetzgeber und Solon” 
anſehen, „deſſen Unvernunft aber keine ſimple, gemäth- 
liche, mecklenburgiſche Unvernunft iſt, ſondern echter, veri⸗ 


tabler Vollblutjeſuitismus, maſtig wie ein ſchweizer Tuch, 


groß und breit wie die Alpen, die fein ſeliger Großvater 
beſungen hat“ (S. 103), da find ferner principielle Gegner, 
die hiſtoriſchen Juriſten, als Veraͤchter des preußiſchen Land⸗ 
rechts, ſodann „die begeiſterten, leidenſchaftlichen, gedanken⸗ 
armen und eben deshalb kurzlebigen oder abenteuernden 
Maͤnner in altdeutſchen Roͤcken, die feuereifrigen Helden 
des Tugendbundes, die Turner, bie Franzoſenfreſſer“ wie 
Arndt und Steffens, endlich die Ariſtokraten in Alteng⸗ 
land. Hier find nah unſerm Dafuͤrhalten wieder bona 
mixta malis. Die Haller'ſche Theorie geben wir Hrn. Köp: 
pen gern preis, ebenfo Lord Brougham's Rodomontaden; 
über Arndt, beffen Urtheil aus dem J. 1814 wir keines⸗ 
wegs vertreten wollen, fei hier nur erinnert, daß er in fei- 
nem „Geiſt der Zeit” (III, 208) anders gefprochen unb 
fih ganz neuerlih („Erinnerungen aus meinem dußern 
Leben”, S. 54) geäußert hat, er glaube es nicht verdient 
zu haben, daß man ihn der Nichtachtung des großen Rö-= 
nigs befchuldige. Gegen bie fogenannte hiſtoriſche Rechts⸗ 
faule ift Hr. Köppen ebenfo ungerecht wie Viele in unferer 
Zeit, worüber wir uns aller weitern Erörterung enthalten, 
da Klenze in den berliner „Jahrbuͤchern für wiſſenſchaft⸗ 
liche Kritik“ (1836, Nr. 49) die richtige Mitte angegeben 
bat. Auch folte, wer über folche Dinge fchreibt, nicht 
außer Acht laffen, was bie beiden Häupter biefer vermeint- 
(ih feindlihen Schulen, Xhibaut in dem Auffage „Über 
die fogenannte biftorifche und nicht hiftorifche Rechtsfchule” 
(Heidelberg 1839) und Savigny in ber Vorrede zum er- 
ften Bande feines „Syſtems bes heutigen römifchen Rechts 
zur DVerftändigung gefprochen haben. 

Gern erkennen wir in bed Verf. Auseinanderfegung 
bes politifchen Glaubensbekenntniſſes des Könige und in 
feiner Entwidelung ber Politik beffelben an, wie unend⸗ 
liches Recht Friedrich feinen Gegnern gegenüber hat. Ebenfo 
tönnen wir nur alles das beloben, was von ihm über 
bes Königs adminiftrative Grundfäge, feine Gefeggebung, 
fein Finanzfpftem, fein Heerweſen und den Abfolutismus 
feiner Regierung gefchrieben iſt. Friedrich's Stellung zu 
Rußland und fein Benehmen bei der Theilung Polens 
bat Hr. Köppen nach den Umſtaͤnden richtig aufgefaßt; 
nur ift der Ausdrud: „nie find unter ihm bie Preußen 
Bo: Ruffen geweſen“, wieber eins ber unpafjenden Wig- 
worte des Verf.“) Was endlich die bis zum Ekel wie: 
derholte Kitanei, Friedrich fei ein Kranzofe und ein Ver: 
ächter des Deutſchen geweſen, betrifft, fo hat Dr. Köppen 
den befannten Joeſpruo Goethe's mit Gluͤck commentirt, 
wobei man dent die Unangemeſſenhejt einzelner Ausdruͤcke 
ihm um ber guten Sache willen nachſehen kann. 


*) Prof. Schubert zu Königsberg erklärt im ‚Berliner Ta: 
ſchenkalender f. 1834 das Wort ‚‚Preußen‘’ für zufammen- 
gefeet aus der polntfchen Präpofition po, die „nahe“, „bei“ 
bedeutet, und dem Worte Pruzzi, alfo Po-ruzzi, zufam- 
Fa Me Pruzzi, Prussi, d. h. Nachbarn, Anmohner ber 

ufien. 





Pr, Zur; 


7 U PT ru TI er 


wu m 0 nn 


1843 


He. Köppen ſchließt mit dieſen Worten: 

Ge if alter Wolksglaube, daß nach hundert Jahren die 
Leute wiedergeboren werden. Die Zeit ift erfüllet. Möge fein 
wiebergeborener @eift Aber uns kommen und alle Widerfacher, 
die den Gintritt ins Land ber Verheißung uns wehren, mit 
Hammendbem Schwerte vertilgen! Wir aber fhwören in biefem 
feinem Gelfte zu leben und zu flerben! 


(Die Sortfekung folgt. ) 





Gorrefpondbenznadhridten. 
Yarid, Detober 1840. 


Bon allen Arbeitern, welche vor kurzem burch ihre Goalis 
tionen und ihr Verlaffen der Werkflätten die Hauptfladt in 
Unruhe verfehten, waren bie Maurer die erften, welche ben 
Mapnungen der Behörde Gehör gaben und fchnell fich wieder 
an ihre Arbeit verfügten. Es Eoftete dem Polizeipräfeeten ein 
Wort, fie daran zu erinnern, daß fie im Winter fonft nichts 
su thun haben würden, und die Drohung, diejenigen , welche 
in der Goalition verharren würben, von Beſchaͤftigung bei dfs 
"fentlihen Bauten auszufchließen, um bie Dlaurer zu ihrer Kelle 
und die Steinhauer zu ihren großen Meißeln wieder zurückzu⸗ 
führen. Dies hängt mit der großen Bauwuth der Parifer und 
den außerorbentlichen Bauten des Staats zufammen, zu denen 
-unftreitig ber fo bauluftige Ludwig Philipp den Anftoß gegeben. 


"Allerdings Tann es wol bier Beine golbnere Zeit für alle Arbeis 


ter und Künftler, die mit Architeftur irgend zu thun haben, 
gegeben haben als die jetige. Man kann faft fagen, daß am 

de jedes Herbſtes Paris durch neue Verſchönerungen und 
Erweiterungen von neuem unkenntlich geworben if. Im voris 
gen Jahre waren allein 940 neue Gebaͤude entflanden. Es iſt 
Daher wol an ber Zeit, darüber ein Wort zu fagen. Schon 
jegt iſt faft, wenigſtens für die belebteften und wichtigſten 


‚heile der Stadt, der Rame Lutetia, Kothflabt, und der ur: 
alte Ruf der krummen und engen Straßen auf Paris nicht 


mehr anwendbar. Die engen Säßchen verfchwinden nach und 
nach, weil nach policeilidher Werorbnung jedes neu reflaurirte 
Haus um mehre Fuß zurädgerädt werden muß, und wenn bies 
Auch jegt manche Unregelmäßigkeit zur Folge bat, fo erfreut ſich 
doch der Blick fortwährend über einen neuen Raum, der in eis 
mer ſolchen engen Safe gewonnen wird, in ben neues Licht 
:deingt, das auf die Baffe zurückfaͤllt. Die Speculation kommt 
dem zu Hülfe; flatt einen Hof und Bintergebäude zu behalten, 
dricht man neue Heine Seitenftraßen duch, um Häuferfronten 
and daran zu vermiethende Boutiken zu gewinnen. Der Ans 
Stoß, beſſere Luft, weitere Räume zu fuchen, iſt gegeben, und 
fo wandern ganze Maflen von Familien ben Vorflädten zu, bie 
auf allen Seiten in vollem Marfche nach ber Ebene begriffen 
find und fi mit neuen Häufern und fehönen breiten Straßen 
vedecken, befonders nad den Anhöhen von Montmartre zu. 
Diefes Wandern wirkt natürlich wieder auf die innere Stadt 
zurüd; denn da bort dadurch viele Wohnungen leer werben, 
fo find die Hauseigenthümer mehr geneigt, ihre Häufer zurüds 
zuziehen, d. 5. zu verkleinern und überall Licht und Raum zu 
verſchaffen. Was das Straßenpflafter betrifft, das hat auch 
amendlidh gewonnen. Die Goſſen verſchwinden überall aus ber 
Mitte, wo fie die Straßen ewig befeuchtet hielten, und rangi⸗ 
zen fi zu den Seiten; bie Straße felbft wölbt fi in der 
Mitte, flatt wie früher dort fich zu vertiefen. Durch bie 
ganze Stadt find Wafferleitungen angebracht, die den Goſſen 
fließendes Waſſer zuführen und ven Samy wegſchwemmen; 
ja, man hat bier und da begonnen, die Kinnſteine unter bie 
Zrottoirs zu führen, fobaß mehre Straßen wenige Stunden 
aa dem anhaltendfien Regen troden wie gebielte Fußböden 
find. Natürlich zeichnen ſich die Quartiere ber Zullerien, ber 
Börfe, der Madeleine, der Boulevards und bie daran foßenden 


Borftädte am meiften aus. Doch auch jenfeit der Seine ges 


Ichieht außerordentlich viel, 


Es ik natuͤrlich, daß biefes freiere und faubere Anſehen, 
bas die Straßen gewannen, bald die Erweckung bes Sinnes 
für ſchoͤne Baukunſt zur Folge hatte, die, man Tann fagen, faft 
Sahrhunderte in den Franzoſen, wenigftens in den Parifern, 
ſchlummerte. Bis vor kurzem hatte verhältnißmäßig Beine große 
Stadt fo wenig Öffentlihe Dentmale, fo wenig ſchoͤne Gebaͤube 
aufzuweilen als Paris. Es fehlte an Raum, fie zu bauen, 
und noch mehr, fie zu beſchauen. Keine Stadt hatte fo wenig 
Öffentliche große Pläge, und felbft nach dem, was Napoleon bas 
für gethan, fand er für feine Säule nur einen fo kleinen Plag, 
baß man heute noch in bie Beitenftraßen treten muß, um fie 
im Ganzen aufzufaffen. Kür die Privatgebäude befoigte man 
den Brundfag, nur das Innere wohnlich zu machen unb auss 
zuſchmücken, die Straße durchaus nicht beachtend. Ja, bei den 
Hotels der vornehmen Gavaliere ward biefer Brundfag bis zur 
orientalifchen Weife getrieben. Sie wurden ganz den Augen 
bes Publicums entrücdt und Hinter einem Hof aufgeführt, den 
nach ber Straße zu eine Mauer mit einem Thorwege ſchloß, 
oder hoͤchſtens ein einftödiges Gebäude mit Wohnungen für bie 
Dienerſchaft. Napoleon’s große Bauten ermedten immer noch 
nicht die Rachahmung ber Bevoͤlkerung; auch unter ber Re⸗ 
ftauration fchlummerte noch der Sinn für Architeltonil. Spaͤ⸗ 
ter bemädhtigte fich feiner zuerſt die Speculation ber Gafetiers 
und der NReflaurateurs; fie war immer noch mehr auf Fremde, 
befonders Englaͤnder, als auf Einheimiſche berechnet. Aber von 
diefen Leuten fuchte bald einer ben andern zu überbieten, und 
es ift unglaublich, mit welcher Pracht, mit welcher Verſchwen⸗ 
dung von Gold, Spiegeln, Bronze und Malerei dieſe Gtabliffes 
ments aufgeführt wurden. Unfehlbar haben fie unendlich beis 
getragen, das Auge ber einheimifchen Bevölkerung für biefe 
Schönheiten aufzuthun. Bald folgten bie Hauseigenthümer 
nad, und feit lange wird kein neues Haus ohne Baleons und 
alle Etagen mit Bronzevergierungen aufgeführt; ganze Stra⸗ 
Ben ftehen jetzt ſchon fo dba. Endlich find nun auch bier unb 
da Gculpturverzierungen, Mauerarabesten, Hautreliefs, ſorm⸗ 
liche Büften hinzugelommen, und das merkwürbigfte Gebäude 
der Art iſt vor kurzem ben flaunenben Bliden des Publicums 
auf dem Boulevard italien neben Zortoni und an der Ede ber . 
Straße Laffitte enthüllt worden. Hier find die Fenſterſchwib⸗ 
bogen mit Bronze gefhmädt, mit Stukkatur betedt, Arabess 
ten und Köpfe aller Art bieten fi) bar. Noch merfwürbiger 
ift die Anlage dadurch, daß fie, unter dem Ramen Oite ita- 
lienne, den Play mehrer früherer Häufer einnehmend, mit ih⸗ 
ren Hintergebäuden gewiflermaßen eine befondere ifolirte Pleine 
Stadt in Paris bildet. Sowie man nämlid .in die Thorwege 
eintritt, wird man durch ein prachtvolles Gorps be Logis mit 
zwei großen Seitenflügeln, die einen großen faubern und ges 
säumigen Hof einfchließen, überrafcht; in deſſen Mitte ſteht 
eine fchöne mit Gewaͤchſen verzierte Fontaine; und dieſe es 
bäude bilden wenigſtens 20— 25 geräumige Bamilienwohnuns 
gen, beren Inhaber gewiffermaßen fo durch bie Nähe eine Art 
von befonderer Golonie, dem Geräufche ber Straße entzogen, 
bilden. Ein ebenfo prachtvolles Gebäude führt der Braf Pours 
tales hinter der Mabeleine auf; bie Cits italienne ift aber 
barum interefianter, weit fie in jeder Beziehung dem öffentlis 
hen Gebrauch anheimgeftellt iſt und das Publicum felbft aus. 
den Mittelftänden an fchönes Wohnen gewöhnt. 


Ich fagte oben, daß die Bauten der Regierung den Haupt 
anftoß zu dem Erwecken diefes Sinnes für Architektur in ih⸗ 
rem weiteften Umfange gegeben haben. Bier fteht nun ber Bes 
völkerung das Haupterwedtungsmittel noch bevor, unb dies wirb 
die endliche Gröffnung bes Innern ber Madeleinenkirche fein; 
denn hierin wird Alles, was Architektur, Sculptur und Mas 
lerei Prachtvolles und Großes Hat, zuſammen verfchwenbet, und 
feit ich bie Arbeiten im Innern gefeben, freut es mich fehr, 
daB die Mabeleine nicht zum Grabmal Rapoleon’s beftimmt 
worden tft: denn, als Kirche dienend, werden in biefem Denk⸗ 
mal biefe Künfte länger und unmittelbarer auf die Menge wirs 
ten. Es ift jest in alle parifer Gotteshäufer ein folder Zus 


1844 . 


deang, daß man an-ber Biedererwachung eines ernfllichen res 
igidfen Bebürfniffes in Paris nicht mehr zweifein Zann. Die 
Madeleine wird die Parochialkirche bes Tailerienquartiers, und 
die jetzt dagu dienende, ganz runde Kglise de l’assomption ber 
Herzogin von Orleans zum lutheriſchen Gottesdienſt eingeräumt 
“werden. Dies ift ein großes Bebürfniß; benn bis jet haben 
‚bie Eutheraner nur ben Pleinen Tempel in der Willette, wo im 
Monat nur einmal Vormittags beuticher Gottesdienſt fein 
kann, während dreimal frangöfifch gepredigt wird. Nach ber 
Einraͤumung der Eglise de l’assomption foll es regelmäßig abs 
wochfelnd geſchehen, franzäfifch in der Willette, wenn deutfch in 
ber Aflomption, und umgelehrt. Die Madeleine präfentirt fich 
als ein oblonger Tempel, voen mit einem zugefpigten Giebel, 
"auf dem der koloſſale Chriſtus die Magdalena befchügt gegen 
bie Steine, die auf fie gefchleudert werben follen. Xrontifpiz 
unb Dad) :auf allen Seiten wird von korinthiſchen Säulen ges 
fragen, und in ben Riſchen unter dem Säulengange find Sta; 
tuen ber Heiligen angebradyt. Bowie man beim Frontifpigeins 
gange in das Innere tritt, bietet fi ein ‚großes Dblongum 
dar ohne Seitengänge, das von ber Dede herab ‚durch brei über 
. gewölbten Kuppeln angebrachte Fenſter erleuchtet wird. Die 
‚Kappeln find mit goldenen Vierecken bedeckt, in deren Mitte 
große Goldroſetten auf Lafurblauem Grunde. An den beiden 
Geitenwänden des Schiffes gehen korinthiſche Säulen nieder, 
»on benen mehre wieder Giebel Haben, und fo Einfaflungen 
von Altären und Gtatuen von Heiligen bilden, von denen bie 
Kirche überfüllt ift. Die Säulen geben nicht bis zu den Kup: 


peln, fondern laſſen von ihrem Ende bis zur Kuppel-auf jeder 


Seite drei große Felder, auf denen Frescogemälde angebracht 
werben. Außerdem find in die Seitenwände felbft Heine Mar: 
mortafeln eingefügt, auf benen allen in byaantinifchem Styl 
Beinere Bemälbe ausgeführt werden. Am Ende des Säulen 
ganges, dem Gingange gegenüber, bildet ein Schwibbogen eine 
große Niſche, in die eine vierte Kuppel von oben des Licht fals 
len läßt. Dort ift die Abtheilung für den Hochaltar. Der Ein: 
-gang felbft wird wieder von einem gleichen Schwibbogen zu ei: 
ner dem Altar gegenüberftehenden aͤhnlichen Abtheilung gebil⸗ 
det, beffen Plafond von Boldrofetten gebildet ift, die hier aber 
von drei Basreliefs, heilige Bamilie, Engel und die Jungfrau 
barftellend, unterbrochen werden. Zu jeder Seite der Eingang⸗ 
abtheilung ift niedriger wieder eine gewölbte Nifche angebracht, 
in welche Gettenaitäre fommen. Das größte Brescogemälbe ift 
aun in ber Altarabtheilung, über dem Altar unter der Kuppel 
angebradt. Der biefem Felde in der gegenüberftehenden Eins 
gangsabtheilung entfprechende Raum wird die Orgel enthalten; 
im Ganzen alfo fieben große Brescogemälde, deren Ausführung 
den Derren Ziegler, Signol und Abel de Pujot anvertraut iſt. 
Der Gefammteindrud des Ganzen ift durchaus mehr ein heites 
. zer ale ein ernfler, wie dies der Charakter aller neuern fran⸗ 
-zöfifchen Kirchen iſt; doch hat die Madeleine fchon der vielen 
Statuen und Säulen wegen durchaus nicht das Anſehen eines 


Goncert= oder Zangfaales, wie die viel befprochene Rotre Dame - 


de Lorette. Die Kunft, fo mannichfach bier ‚verwendet, adelt 
das Gange; es ift allerdings mehr der griechifche Gottesdienſt 
als ber ratliche ‚ doch ift er der Natur des anfangs zu einem 
Tempel des NRuhms beftimmt gewefenen Gebäudes bu 
gemeflen. 

Sowie bie fih in engen Straßen zufammendrängende 
Volksmaſſe ben erwähnten unvortheilhaften Einfluß auf ben 
Sinn für Arditeltur unter den Parifern ausübte, fo mußte 
diefer Umſtand auch auf die übrigen bildenden Künfte zurüds 
wirken. Sie erfodern alle mehr oder minder Raum und an 
biefem mußte es auch in ben Wohnungen fehlen. Dan hat im 
Auslande kaum einen Begriff von der Kleinheit der parifer 
Semaͤcher, und was man hier einen Salon nennt, iſt oft weiter 
nichts als ein Behältnif von einigen Quadratfuß, in bem eben 
kein Bett ficht. Dazu muß es zugleich von Meubles überfüllt 
fein, um mebr oder weniger aisance ded Bewohners gu ver: 


aus anz 


rathen. Kein Wunder, daß weber für. Bibliotkelen no Se⸗ 
alte und andere —** der Audi ein Piã echen 
übrig bleibt. Dies mußte am allermeiſten auf Scutptur zu⸗ 
rüdwirten, von der man lange Zelt wenig oder nichts, Taum 
eine Büfte in den Wohnungen der Reichſten fand. Dennoch 
fodern die franzöfiihen Kamine ‚allerhand Shmud und bie 
Mode brachte für diefen alle Augendlid etwas Ant uf. So 
waren fie bis vor eihiaen Fahren mit Keinen Spielereien im. 
Geſchmack der Zeit Louis’ XIV., ben. man Rococo nennt, ũber—⸗ 
laden. - Seit 4889 — und das iſt ein großer Hebel für die 
bildende Kunft — hat endlich die Sculptur, auf Duodezdi⸗ 
menfionen zurüdgeführt, ſich diefer Kamine bemädtigt; auch 
jene Eleinen Gtatuetten aus Gips, mol auch aus Marmor 
und Bronze, von benen in neuerer Zeit fo viel die Rebe iſt 
und die den doppelten Ruten gewähren, den Sinn der Maflen 
für fchöne Formen zu weden und den Künftlern, die fonft nur 
von ben Reihen und Großen Beichäftigung zu erwarten Bat- 
ten, die nöthigen Einnahmen und bie nöthige Muße verfchaf: 
fen, fi, obne für Zrot arbeiten zu müſſen, mit größern -unb 
dauernden dpfungen befaffen zu Tönnen. Dieſe neuc Bahn, 
die fich die fuanzöfiiche Sculptur für ihre Producte gebrochen, 
bat fogleih ein eigenthümliches Kunftgenre hervorgerufen, das 
ih nur mit ben Beinen Dimenfionen verträgt, im Großen 
ausgeführt, wiberli werden würde — die fatirifche, die So= 
mifche, die groteske Sculptur, ein Genre, deſſen fig bis jepe. | 
nur bie Malgrei und Zeichenkunſt bemäcptigt hatte, aus dem. 
einfachen Grunde fon, weil eine fatiriidhe Figur, ohne dem 


- DOriginal,. das ſie carikirt, fehr ähnlich zu fein, faft alle eis 


gentliche Bebeutung und allen Werth veriiet, die Ahnlichkeit 
in ber Seulptur ſchon ſchwer zu erreichen iſt, wenn das Sri⸗ 
ginal bem Bildner figt, der fatirifche Bildhauer fie aber meift 
im Fluge aufhafhen und dem Driginal abfichlen muß; denn 
Wenige figen willig u ihrer eigenen Garicatur, namentlid aus 
einem fo dauernden Stoffe gebildet, als deſſen fich ber Bilds 
bauer bedient. In dieſer unendlihen Schwierigkrit, die zu bes 
fiegen, eine gang befondere und eigenthümliche Anlage und 
Drganifation exfoderlich find, Liegt zugleich eine Garantie gegen 
ben Misbrauch dieſes Genre. Roc immer flcht ihr Schöpfer, 
ber jüngere Dantan, ber bilbhauerifche Gallot der Frangofen, 
einzig in feiner Art da; alle Verſuche der Nachahmung, die ber 
der großen Popularität und dem Lucrativen dieſes Genre fo 
viel Verführeriiches in Paris hat, wo täglih, flündtich Tau— 
fende darauf finnen, wie fie Geld verdienen und ſich bemerkbar 
machen Fönnen, find bie jegt immer miölungen. Auch it von 
vornherein zur großen Ehre bes Schöpfers der carikicenden 
Bildhauerei zu erwähnen, daß die Güte und der Edeimuth fei- 
nes Charakters und die Delicateffe feiner Geſinnung ihn felbfk 
von jedem unlautern Gebrauch feines eminenten Zalentes zu⸗ 
rückhalten. Wie viel Geld koͤnnte er nicht einer Menge von 
Notabilitäten abprefien, die eine übertriebene Empfindlich- 
keit gegen bie Satire Haben, wenn er ihnen broben wollte, 
ihre Chargen anzufertigen und ein Metier zu treiben, das fehr 
gang und gäbe in Paris, mit dem eigenthümlichen Ausbrude : 
„Faire chanter quelqu’un‘, bezeichnet wird; d. h. man läßt 
Satiren auf Jemand ſetzen, ſchickt ihm einen Correcturbegen 
zu und veröffentlicht fie nicht, wenn er bezahlt! Dantan macht 
nie eine Charge von einer NRotabilität, die er in biefer Weife- 
empfindlich weiß, fo feine Achtung vor jedem Zalent bethäti=- 
gend. ‚, Anber, Delavigne wiflen davon zu fagen, unb- 
befonbers unfer Meyerbeer, der bie beutfche Scheu vor der Ga⸗ 
tive im hoͤchſten Grade hat. Ja, als ex Om. Dautan erltärt,. 
er Eönne gerabegu krank werben, menn eine Garikater auf ihn. 
erſchiene, verferkigte der Künftler von ihm eine Maſſe der ideal⸗ 
ſten und edeiſten Buͤſten in allen Größen, aus allen Stoffen, 
ohne daß Hr. Meyerbeer, Dantan’s Charakter Iennend , auch 
nur eines ber ge thenrern Exemplare anzukaufen 


ößern und 
für nöthig gefunden hätte. 
(Der Beſchluß folgt.) 


Werantwortiger Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhauß in Eeipzig. 
ER 





Blätter 
9 | 


literarifhe Unterhaltung. 





Neuefte Schriften ber Friedrich den Großen. 


(Bortfegung aus Nr. 332, 

Wir wenden uns weiter zu den beiden flaatsrechtli: 
chen Schriften, die fich auf Friedrich IT. beziehen. Der 
Berf. von Nr. 3 bat fi In der Einleitung über die Aus: 
Dehnung ber Böniglihen Gewalt in Frankreich feit Lud⸗ 
wig XI. und bie Vernichtung des mittelalterigen Staats 
verbreitet, dann über die Grundfäge Ludwig's XIV. und 


feiner Zeit, die Anfichten Voltaire's und Rouffeau’s und. 


die Umwandlung des franzöfiihen Staates durch die Re: 
volution. Ihm gegenüber flellt er den preußifchen Staat, 
zeigt, wie die Ausbildung defjelben, die in dem Boden 
dee Reformation murzelte, eine weit ruhigere und einfa: 
chere geweſen fei, und wie Friedrich Il. zuerft zum Be: 
mwußtfein des neuen Staatsrechts gekommen fel. 

Seinem Regierungsfpftem — heißt es am Schluſſe — liegt 
die höhere Einheit der abſtracten Monarchie und Demokratie 
zum Grunde; es ift dies nicht blos ein äußerlich mit republis 
anifchen Einrichtungen umgebener Thron, fonbern bie innige 

"Wereinigung des Bewuß!ſeins des Herrichers und des Volkes in 
der höhern Idee des Staates, eine Vereinigung, welche fich kund 
gibt in der gegenfeitigen Liche des Herrſchers und des Volkes. 

Es ift in diefen Erörterungen gerade nicht viel Neues, 
aber fie enthalten Wahrheiten, die nicht oft genug Mar 
und deutlich (mie hier) gefagt werden können, und dienen 
alfo nicht unpaffend zur Einleitung in bie flaatsrechtli: 
hen Grundſaͤtze bed Könige. Diefelben find aus feinen 
verſchiedenen Schriften über die Entflehung des Staats 
und der fürftlihen Macht, über die Staatsverfaffungen, 
über die Pflichten des Bürgers, über die Vaterlandsliebe, 
über die Stellung und bie Aufgabe des Fürften, über die 
Geſetzgebung und allen übrigen mit Fleiß und Ordnung 
zufammengeftellt, ein Unternehmen, das um fo dankens⸗ 
wertber iſt, je weniger fich verhältnismäßig die Werke 
Friedrich’ II. in Öffentlichen und in Privatbibliotheken 
finden. Einige Titerarifche Zugaben, wie fie Hr. Wolff 
ohne Muͤhe hätte aus Preuß's inhalteeicher Schrift: „Frie⸗ 
drich der Große als Schriftſteller“ (Berlin 1837), entneb: 
men können, würden feinem Buche nur zur Zierde ge: 
reicht haben. 

Nr. 4. Es war kein übler Gedanke ded Hrn. Schu⸗ 
barth, auf Veranlaſſung des Jubiläums Friedrich's des 
Großen diejenige feiner ftaatswiffenfchaftlichen Abhand- 
lungen neu zu überfegen, welche ein echt Ianbeswäterliches 


Glaubensbekenntniß ifl. Die Schrift felbft überhebt und 
bei ihrer Vortrefflichkeit des weiten Lobes, das ihr auch 
Hr. Schubarth im Nachworte reichlich. gefpenbet hat. Aufs 
fallend aber iſt es, daß weder im Nachworte noch in ber 
vorgefegten Einleitung angegeben iſt, daB dieſelbe vom 
Könige 1777 gefchrieben, in feinem Haufe nur in acht 
Eremplaren gedrudt umd blos an die Vertrauteflen aus 
feiner Umgebung verſchenkt worden. ift, wie bei. Preuß a. 
a. D. ausführlich nachgelefen werden fann. Hm. Schu⸗ 
barth's Einleitung fleht nun allerdings in einer gewiſſen 
Verbindung mit dem koͤniglichen Auffage, obfchon derfelbe. 
eigentlich bei feiner Klarheit und Verſtaͤndlichkeit einer fol 
chen nicht bedurft hätte, Aber wir haben uns ber Vers 
muthung nicht erwehren können, daß ben Verf. noch be 
fondere, fubjective Gruͤnde zu diefer Zugabe veranlaßt haben, 
namentlich fein Haß gegen Hegel und gewiſſe Doctrinen 
der Zeit vom Staate und vom Staatsleben. Die Ein. 
leitung holt etwas weit aus und geht zuvoͤrderſt auf grie⸗ 
hifches und roͤmiſches Staatsweſen zuruͤck, wo uns bes 
fondere die Erdrterungen über das letztere angeſprochen 
haben. Aber non S. 23 an, wo ber Berf. nachmeifen 
will, wie „das antike Princip in der Aufnahme von dem 
neuen, d. h. von dem germanifchen, welches das Princip 
der Freiheit in feiner innerlichſten Macht und Bedeutung‘ 
ift, duch das Maß einer verbältnigmäßigen Begrenzung, 
die ed an diefem aushbte, in feiner allgemeinen hiſtori⸗ 
(hen Bedeutung verklärt. und die großartige Richtung deſ⸗ 
felben in der Zweckbeſtimmung von ihrer anfänglichen Iſo⸗ 
listheit entkleidet ward“, non da am geflehen wir Hrn. 
Schubarth nicht recht zu verſtehen. Hätte es ihm bo 
gefallen, ſich bier etwas beutlicher auszubräden und lieber 
durch Thatfachen belehren, als durch Raiſonnement be: 
weifen zu wollen! So viel erfehen wir, daß ihm das 
bermalige europdifche Staateleben wegen mancherlei Ver⸗ 
twireungen, Widerfprücen und Abweichungen von dem 
Princip der eigentlichen Sreiheit nicht gefällt; wir erfreuen 
uns ferner feiner gutpreußifchen Gefinnung, die ihn in 
dem Staatsweſen feines Vaterlandes die „Möglichkeit eis 
nee Durchfuͤhrbarkeit der Angemefienheit des Staatslebens 
mit der abfoluten Geſtalt der Freiheit“ erkennen läßt. Er 
erklärt mit Net, daß die Geftaltung des preußifchen 
Staatöwefens in der Hauptſache auf ethiſchen Motiven . 
ruht und daß es gänzlich an Thatſachen fehle, weiche bie. 


& { 


conftitutionnelle Staatsweife in Preußen als irgend ges 
rechtfertigt erfcheinen laſſen. Es gilt ihm alfo als ein 
Stück des preußifchen Staats, daß berfelbe der Entwide: 
lungsepoche des Conſtitutionalismus entgangen fei. 
iſt dier , wor wie ‚unge mitagfrieigich’ ll. Ande⸗ 
ken deſchaͤſtigen, nicht deu Dpt, dich weitläufig zu con⸗ 
mentiren. Auch beſcheidet ſich Ref. gern ſeines Urtheils 
gerade in einer Zeit, wo Preußens Koͤnig ſoeben erſt die 
Berathungen uͤber bie Verfaſſungsfrage in fo edler und 
milder Weife geftattet bat. Darin aber muß er der An: 
ficht des Hrn. Schubatth beitreten, daß bie echte buͤrger⸗ 
üche Freiheit in Preußen unter allen Regenten aus der 
Hohenzollern, und zumeiſt unter König Feledrich 
Wilhelm II., in einem ſolchen Grade gebluͤht babe, daß 
den preußifehe Untenthan ſich ohne Scheu mit den Untertha⸗ 
men comfitntionneiler Staaten veugleichen kann. Es iſt viel: 
leicht niche uͤberflaͤſſig, hierbel auf Friedrich von Raumer's 
am: fuͤnfundzwanzigjaͤhrigen Regiorungefeſte Friedrich Wil⸗ 
beten’ 6 III. gehaltene Rede (im, Hiforiſchen Taſchenbuche für 
1020) und auf mehre · Scellen in deſſen, Beiefen aus Eng: 
laub (IT, 167 fg., 204, 208) zu verweiſen. Gegen Hegel 
aber iſt Hr. Schubarth von einem ſehe bittern Haffe erfuͤllt. 
Gr befchuldigt ihn geradezu Lehren venbreitet zu haben, weiche 
dem: Gbeundprineipe bes preußifihen Staats durchaus ent: 
gegengefegt twaren (S. 44 fg.), ex Magt ihm an, daß er nicht 
mit dee Gewifſenhaftigkeit eines redlichen, unbefcholtenen 
Mannes gehandelt habe, nachdem er ſich hatte eiblih auf 
das Princip des Staats verpflichten laffen, er nennt ihn 
‚Ann ſchwachen Mann, ber in fittlichen Dingen keines 
gefunden, gluͤcktichen Blickes fähig geweſen ſei“ (S. 117). 
Auf ſolche Vorwuͤrfe und Anfeindungen zu antworten, wenn 
es Noth that, bleibe ben anerkannten Deiftern und Juͤn⸗ 
gern der. Hegel'ſchen Philoſophie uͤberlaſſen, wie wir denn 
forben eine Schrift von Immanuel Ogienski über Schu: 
barth und Hegel angezeigt finden. Wir haben weder zu 
den. Süßen des Meiſters gefeffen, noch find fonft in feine 
Lehre eingeweiht worden, aber es will doch nicht recht 
ziemlich erfcheinen, einen Mann von anerfannt: rechtlicher 
Geſinnung fo öffentlich, gleichſam vor der Stantsbehörbe, 
zw verbächtigen und ansipreußifcher Geſinnung anzuklagen. 
Wie fich doch. die Zeiten ändern! IR es doch noch gar 
nicht lange ber, daß ber leipziger Krug Hegeln einen 
pkilasophus aulicus nannte. Und nun fol er mit einem 
Male ein: arger Demokrat fon! 

Das Nachwort enthält eine weitere Erörterung der 
von Friedrich II. aufgeſtellten Mapimen und zugleich eine 
Widerlegung Derer, weiche ſich mis der Anfelndung bed 
ſonrverainen Principes in Deutfchland befaffen und ihre 
Anfeinbungen: gegen Preußen namentlich richten: 

(Dre Befchluß folgt.) 





Correfpondenznadhridten. 
GBeſchluß aus Nr. 332.) 
Befonders merkwürdig bei biefer. Fünftlerifchen Erſcheinung 
iſt, daß Dantan in der idealen und ernſten Sculptur ebenfalls 
au. den ausgezeichnetfien Kuͤnſtlern bes jegigen Frankreichs gehört. 








ale, bie<pier Dichte umb 


16° 


Er Bat dies nicht nur in ber Maſſe von ernſten portraitirens 


dan Beinen @ipsbäften bewährt, bie er bereits fa von allen 


Rotabilitäten Frankreicht angefertigt und bie in feinem Atelier 
in ſechs langen Reihen terrafienförmig aufgeftellt ſtehen, die erſte 
er, bie zweitw- ereowgirenbe Birtugfen, NG Compo⸗ 

dits fü ichner, 

did ſechete chauſpicler und Saͤngerimnen enthaltend: Er ver⸗ 
fertigte in Rom die koloſſale Büfte Pius’ VILL., für das Mu⸗ 
feam der Marine, die Eede des Jean Bart, unb befonbers 
zwei große Meifterwerke: die Statue Boielbieu’s und des gro⸗ 
fen Tragikers Lekain im Goftüm bei Drasman im Augenblick, 
wo er ausruft: „Je ne suis point jaloux, mais si je l'étais 
jamaia’’, unb die Hand ben Doldy ergreift, für das Yeryflil Des 
The&tre francais. Beine großen Büften ber Matibran, Rours 
rit's, ber Demoifelle | un. Lamenneit‘ waren· in meeun 
Ausftelungen Gegenflände allgemeiner Bewunderung. Neuer: 
ih hat Graf Demidoff feine Statut unb fen Büfe in Les 
bensgröße von ihm arbeiten lafien. Auch einige ber koloſſalen 

. — Dantan’s fatirif 





Statuen der Madeleine find von ihm 


keit hrer Pro= 
feſſſon, ebenfalls ihre darin erreichte Geſchicuchteit outrirend, 
ſodaß beſonders der laͤchenlicht Contraft ihrer phfſchen Weittek:- 
mit Dem, was fie kuͤnſtleriſch erreichen, hexvortritt. So nenn 
anfhauliht er 3. B. das Wort, bas Roſſini ed Shalberg 
fagte, als er von diefem ein aͤußerſt ſchwieriges Stuck ausfüh- 
ren geſehen: „ich möchte bad Stück für zwei Bände reducirt 
ſehen“, dadurch, baf..er Thalberg am Glavier finend, mit geh 
Fingern an jeber Hand darſtellt. Da, wo die 2 
fih ſchon Caricatur iſt, autrist ex fie nicht weiter,. ſondern 
gibt ihr nur einen feinen Satirzug, ber die Intention bes 
Kuͤnſtlers verraͤth. Im dieſen Faͤllen it die Ahnlichkeit fo volls 
kommen, daß 4. B. Talleyrand in London feine Charge ſehend, 
erſchrocken mit allem Senft fragte: ‚Bin idy denn wirktich fo 
haͤßlich?“ ‚Allerdings‘, erhielt er von feinem Begleiter zur 
Antwort, „es tft nicht Charge, es ift Portrait” — und Tal⸗ 
leyrand hatte fo viel Geiſt; die Charge felbft zu kaufen und in 
feinem Zimmer aufguftellen. Es iſt aber eine andere Anek⸗ 
dote, bie in ganz Frankreich bekannt und die der Känfkter ſelbſt 
fehe gern zu ergählen pflegt, welche: vor allem die ganze Eigen⸗ 
thümlichleit und das Cinzige feines Talentes veranſchanlicht. Bew. 
einem Jahre ging Dantan nad London, um dort an politiſcen 
Originalen feine Komik zu üben. Indem erſten ariſtokratiſchen Sa⸗ 
Ion, zu bem man ihn zuläßt, erblidt er einen Heinen Mann, deſ⸗ 
fen Außeres und deſſen Benehmen ibn fo frappirt, daß er zu 
ſich ſagt: das muß ber Herzog von Wielkinston fein. Nach 
uf gelommen, beichäftigt ihn, wie immer, hieigange Radıt bins. 
durch dies Bild und am Morgen nimmt ex ſeine Thenerde und 
fein Streichmefler, das einzige Inſtrument, deſſen er außer feis. 
nen Fingern fidy bedient, und gibt bie fonverbare Figur wies 
dee. Kurz darauf erhält: er einen Beſach vom Grafen V’Drfay, 
und biefer, entgädt üker bier Charge, fülret: ihn: denſelben Tag 
ing Oberhaus, damit er ſich dert; neue Onigisale: und: Schlacht⸗ 
opfer feinee Komik ausfude, Der erſte Monn, ben Dantau 
bier ins Auge faßt, ift der auf einem Wollfad ſigende Kanzler, 
Lord Brougham. Die origiwelle Erfcheinung frappirt ihn fo, 
daß er bie ganze Sitzang üben von ihm Bein Auge verwendet, 
in feines. gewöhnticken Brobadtungeypofltur, das Kinn auf die 
eine Hand geſtüht. Dam kann ſich banken, weichenreigeuthüntz 
lichen Ausdrud feine Phyfioghomie gehabt und wie feine. ganze 
Seele darin ſich widergefpiegelt haben muß, denn Brougham bes 
merkt fehs: bald dieſen beobadhtender Blick, fühlt fih immer 
mebe danurch genirt und zeigt endlich einem: Rachbar Dantan 
mis ben Warten: „Des. Menſch da Libellirt midi” Rach 
der Sitzung folgt Ihm Dantan in das Worzimmer, um noch 
mehr feine @eflalt zu beobachten. Da fpricht ihn Brougham 


> 





[st 


Englich an, was jener aber nicht verſteht. Die Charge wir 
aun wie bie Wellingtan’s gefertigt und macht ungeheures 
Aufiehen, und Brougbam hat eben ben Gel wie Talleyrand: 
er kauft fie umb zeigt. fie aller Welt. mit den Worten: „Ich 
Hab’ «6 felbft geſehen, wie ex. mich gefaßt har!“ 

Dan kan denken, wie biefer:: plöplich in der Greielgchaft‘ 
in ·Frankreich, wo man fo eitel if, auftaudgende Geulpturs 
Gallet in Paris ‚die allerdrolligſten Dinge veranlaßte, und bei 
alter gutmäüthigen Jovialitaͤt, die Ihm eigen iſt, fo Manchem 
eines Ehaberncd fplelte. Er kam faft-zufälig auf feine Kunft 
und diefe zur Popularität. So portraitiste er eines Tags mit 
feiner Biyserde und feinen Fingern den mit ihm im Satom ber 

fin Betgioſo anweienden Decorationsmaler Giceri umb 
fegte deſſen Kopf auf eine Barbierbüsfte, um deffen grobe Pins 
felei, auf ben Berneffeet berechnet, augubeuten; der Jubel ward 
barhber ein und Dantan fehte nun feine Kunft ſyſtema⸗ 
tig fort. Am: ſchlimmſten gimg es Balzae. Dieſer war ges 
zabe bamals bei deu Damen fehr beliebt, wegen Rehabilitation 
Her Frauen über dreißig Jahr in feinen Romanım Gr wollte 
ihnen daher: ein angenehmes Wild von feinem Außen ſich traͤu⸗ 
men lafſen und hatte, wegen deu: ungeli Gorpulenz feines 
Kopfes u ‚nis gelitten, daß man ibn portraitirte. 
Da ftelle ihn ploͤtlich Dantan mit feinen unmäßig langen Haas 
xen und feinem berüchtigten übergroßen Spagisrfte und feines 
Fleiſchmaſſe Die geſammte Damenwelt war enttaͤuſcht und 


daß er die Haare abſchneiben 
LTieß und ben Stock wegwarf. Andere, die große Badenbärte 
Hatten, als fie Dantan reprobucirte, wie: der Zeichner Charlet, 
Iteßen fich. bie. Bärte abſchaeiden, um nice mehr bev Charge 
zu gleichen. Da verfestigte fie aber Dantan weit-zwul verfchdes 
Demwen: Profilen, von benen das eine ben Bart, das andexe kei⸗ 
nen hatte und doch bie frappantefte Khalichtait darbot. Akt. 
Daupve;, ber kleine Sänger, zum erften Mul auftsat-und Dantau 
ihm in die Goulifien folgte; um ihn zu beobachten, fah-er, wie 
Duprez, um ſich größer zu machen, große Korkfohlen untes bie 
Schuhe gelegt Hatte. Das Publicum hatte es nicht: bemerkt; 
als. aber bie Charge mie den Korkſohlen erſchien, warb: bas 
Belächter fo allgemein, daß Duprez beſchaͤmt die Sohlen weg⸗ 
warf und ſich zeigte, wie er war. Gin anber Mal Hatte fidy Lidzt 
Darüber fo: geraͤrgert, daß Dantan in feiner Chargen ihm die 
Jangen: Haare, die er: trug, zu ſehe outrirt :hatte, daß er das 
Sxtmptan., das des Künſtler ihm ſchickte, feinem Portier gur 
ung feines. Kamins: gab. Run raͤchte ſich Dantan durch 
Anfertigung einer zweiten :Sharge, in dee die Haare fo den 
Birtuofen am: Glavier überſchütteten, baß man nichts. zu ſehen 
bekam als Haare und Piano. Lisgt: lachte und beide ſoͤhnten 
fi. wieber aus... 

Dantan’s Atelier, das fortwäßrend von :ber: höͤchſten Ge; 
ſellſchaft ſehr befucht wird, liegt in der fugenannten EitE Or⸗ 
Yeans, in der Rue Lazare. Die Wefuchenden empfängt ein 
Mann: von etwa 40 Jahren (Dautan iſt .1800 in Paris gebos 
uf ala ernſter Bild⸗ 


‘ 


, im fein: Ike j 
Garn überrafcht : unb: in: dem: uan.. ben Känftlee nurı von: 
feinen ernften Arbeiten umgeben fiebt:- guerit in bie terraffens 
fbrmig geerdacten der Rotarilitten, deren ich be: 
reits :gebacht,; dann :amw dev Dede: umchex vie ogroßen Mäfen vom‘: 
Pius, Wart und Anbeun; amp ben: Wilken einige-erufte Goms 
pofittonen, wie 3. Bo Litzt in» [ehe eleganter Kleidung und 
Seoelleng auf. einem Dia figend, ben Kopfeſiimend aufıbew; 
Arm: geflügt und ein Notenblatt auf dem uͤbereinandergeſchla 
genen Knie haltend; nur eine Charsencompofftion IR da, der 
erühmte Zahnarzt Pernet, wie ex auf bem Schenkel eines Pas 


‘ 


tienten mit eiatin feiner Knie fi ſütenb Iben in dem. 
surüdgebogenen Mund mit einem Sußeumznt Fakes, um ihm. 
mit ungeheures Kraft einen Zahn auszureißen. Dicht neben 
ber WBürtenterraffe befindet ſich ein kleines aufrechtt fichendes: 
Piano und der Kuͤnſtler erzählt mit Freude, wie viel bebeus 
tende Vlxtuoſen ſich daran gefept, ihm ihre Pofen und Mas: 
nieren bei iprem. Spiel recht zu veranfchaulichen,,. und : dabekı 
ihm, dem Muſikfreunbe, einen erquicklichen Genuß bereitet. 
Das einzige Bizarre im Zimmer dieſes Callot bildet eine 
Sammlung an der Ihär und den Wänden aufgehängter alter: 
Boffen und anderer Gegenflänbe, unter denen fi als beſon⸗ 
deres Guriofum’ eine lange bentſche Stubentenpfeife mit n⸗ 
rothsgoldner Quaſte und einem Burſchenmappen auf dem Fopfe 
befindet, das Seltſamſte find aber wunderbare Gegenfbände, , 
wie Vogeleier von Gipe, die an langen Käden von der Dede. 
bis in die Mitte des Zimmers berabhängen. In. Dantan’s 
befonders. mit. Gemälden von befreundeten Malern verziertem 
Schlafzimmer erbiidt man an der Wand der Nifche, in bes feim- 
Bett ſteht, und worauf fein erſter Blid beim Erwachen fallen 


muß, ein Gemälbe, einen von ben Gegenſtaͤnden, mit denen - 


ſich Nachts feine Phantafie zur Production feiner Shargen ats 
ne befchäftigt, himmelweit verſchiednen ee da 
in dem ünpigften Rubens’idhen Golorit ſtrahlende nackte, auf 
dem Bauche: liegende Rymphe, ein Weifterflüd- eines- franzäs - 
ſiſchen Malers, deſſen Name mir entfallen if. Wir paſſicen 
buch ‚einen dritten Raum, in welchem einige compiicirtere 
Chargen, um fogleid in den großen Baal zu treten, dee bie, 
eigentliche Galerie Dantan aufweil. Bei. dem erßſen Bid 
in biefe Maſſe von Figuren erflaunt man.-über bie beifpiellofe . 
Probuctivität bes Künſtiers. GE find wenigftens 4--500 Gtas . 
tustten, bie theild einen großen Zifch. in der Mitte belaſten, 
theils ringe an ben Wänden herum in doppelten Reihen aufs: 
geftelt ſtehen. 

Zreten wir zuerſt an den großſen Tiſch in ber Mitte, denn: 
er enthält die von Engiande mitgebrachee Ausbeute, bie zugleich 
im Altgemeinen die intereffanzefle: iſt, da fie die einzigen polls 
tifchem Chargen umfaßt, die der Kuͤnſtler je gemacht; um es 
zu können, mußte er eben nad England reifen. Außer ale 
leyrand hat Dantan keinen franzöfiicyen Politiker portraitist; 
und was ihn aͤußerſt charakterifirt und ehet, weber im ernſten 
no im komiſchen Genre, denn da'er.bas Iehte nicht buefte, 
fo mochte er auch das erſte nicht; denn hätte er. irgend eine: 
politifcy bedeutfame P 
Empfinblichkeis:.fo leicht if, fo hätte er auf alle größern: Auß⸗ 
träge von Staatswegen Verzicht leiften mäflen, wie es allen. 
Kunſtlern geht, bie eine politiſche Oppofitionsmeinung äußern. 
Wie Dantami die erfie politifche Sharge gemacht, Habe ich oben 
ergählt, und fo finden wir benn. hier auch zuerſt den 
von Wellington, einen ungeheuerm: langen Kopf, deſſen R 
und Stirn ſich fo verlängern, daß er faft bie Gefialt einee- 
Mondfichel hat, auf einem kleinen Köcprechen mit Spindelbei⸗ 
nen, im gefchniegeitfien Bunde, den Beinen Giaquchut unterm 


JNArm und- einen winzigen Degen zur Seite. Ihm. zunüchkt ſtehe 


WBitgelm IV. in Uniform und ben Saͤbel Haltend, Kopf und 
Bruſt vorgebeugt, mit ausgefpweigten: Beinen, ſodaß «6 aus⸗ 
fieht, als wolle er in der Mitte auseinanderbrechen. Ne— 


| best: biefem figt der äußerfiirtange und hagerr Bord Grey, deflen 
nfehawitd 


macht, daß er 


ee mit 


Sergeg 6 
einem Vogelgeſicht, fonft etwas: feift und ſehr Ufer . 


fpeedgenb zu dem Herzog von -Gunsberiaub, der feine Be . 
tung des Hauſes baburdy andeutet, daß er ba Linken: Buß in 
der rechten Hand hält: und in ber dabdurch Jumkiddgebeugten Stel⸗ 
lung nur. vom feinem Gefldgt den großen Badnbast gig. Das 
neben ein englifchen Bifchef in feinen Ornat. Dann: ber Ye 
wet ber Sammtung, Lord Brougham, auf einem Wollſack 
ſigend, mit der ungeheuern Gtaatöperüde, mit einem bünnen, 


erfen verlegt, was. bei bes franzoͤſteſchen 


vie (pten Raſe 
un Sr, ar er sur 
13 ‚als Tomifch gehaltene Grups 


bett, ganz in verfunten, vote ſchlummernd, mit dem Kopf 

A — runden breiten Hut auf dem Kopf, in 
‚ad und weiten Beinkleidern, faft wie ein ruhig ſtil⸗ 
Die Iondoner Börfe endlich if sepräfentirt durch 
zwei merkwürdige Gtatuetten bes verftorbenen Rothſchiid. Die 
eine ift ganz Poefie und Allegorie. Der beleibte Bankier fteht 
auf Bold, wählt in Gold, ale feine Taſchen und Adern find 
angefhwollen von Gold; Beldftäde figen ihm auf ben Eippen, 
in den Paaren, überall. Diefe Statuette war ben Engländern 
zu fombolifch; fie wollten von Dantan den Rothicilb, wie fie 
{fh an der Wörfe täglich gefehen, Daher machte er ihn, den 
dien Mann im Frack und breiten Hut, mit laͤchelndem Ge⸗ 
fit, und nur bie offenftehende, mit Gold gefüllte Weftentafche 
fumbolifiet hier feinen Charakter. 

Gehen wie nun noch zu den frangöfifchen, an den Waͤn⸗ 
den herumgereihten Ghargen, fo wie zuerft eine ganz 
neue von Liszt, zu bee Dantan ben feltfamen Enthuflasmus der 
Ungarn über defien Spiel höchft geiſtreich benuti hat. Liszt, 
am Piano figend, dreht uns feinen langen, magern, wie eine 
bloße Rädenwirbelfäule ausfehenden und von ben langen Haas 
ren oben bedeckten 575 und bat auf denſelben den Eh⸗ 
zenfäbel gebunden, t ne Landsleute geſchenkt, und auf 
dem Saͤbel ſteht das Berwunderungswort; „Peste!“ 
Dann ſieht man ei menſchliches Portrait an einen 
Maikäfer gefegt, aı lügeln ein Ehrenlegionkreuz eins 

jehängt: if, der M t aber wieder auf einer Lampe. 
(6 iſt Hr. Romieu, ne Dorbogne durch bie Julirevo⸗ 
Iution geworben, ei sensluftigften Feinfchmeder unter 
den Literaten der Reftauration, der früher einen betrunfenen 
Kameraden auf ber Straße liegen ließ und nur eine brennende 
&qmpe neben ihn flellte, damit die Fiacker ihn verfchonten; die 


Dorbogne-ift zugleich das Vaterland der Trüffeln, und als einft- 


dee Gourmand Romieu in feinem ganzen Departement bie Mai: 
Bäfer,. bie den Trüffeln viel ſchadeten ausrotten ließ, erhielt er 
von den Miniftern bie Ehrenlegion. Dann erblidt man Drfila, 
der durch den Proceß ber de. Lafarge die Auſmeckſamkeit ers 
regt, wie er einen Hund auf doppelte Weife vergiftet, um die 
Wirkung der Gifte zu feinem berühmten Werke zu erproben; 
indie Schnauze dwinge er ihm eine Giftkugel und die entges 
iengefente Öffnung bringt er mit einem Deftilicapparat in 
dung, um ihm auch von biefer Seite Gift einzuflößen. 
Arago erſcheint als Magier mit einer Zuderhutmäge auf dem 
Kopfe, in einem Gemwande gang mit @ternen befäet, in ber 
Hand eine ganz gewöhnliche WBeiberbrille u. f. w. Moffini ers 
feint zweimal, einmal, wo ber bekannte, befien Opern in ben 
Debats” zu hart beuctheilende Kritiker Gaftit Blaze, bie 
Beile auf der Rafe, auf feinem Halſe zeitet und ihm den 
Kopf zwiſchen die Beine drüdt, das andere Mat fehen wir 
Roffinl, den nach ber ten Meinung bie Gourmanbife 
in Italien vom Gomponiren abhält, als von Maccaroni und 
Zchffeln aufgeblafenen bien Dann in einem beblümten Schlaf: 
zode, fat in feinem erſtickend. Strauß ift auch da, der 
Wiener, mit convulfir Geberben bie Bioline fpielend. Auf 
dem Piebeftal liegt ein Blumenſtrauß und unten herum find 
walgende Paare, bie ſich um einen großen Vogel Strauß dies 
hen; denn bier hat ber Känftier ſich ben deutſchen Namen beus 
ten .lafien. Bertioz Geficht iſt von feinem entfeglich großen 
Haardahnekamm, ben er tuägt, fo beſchattet, daB nur bie fpige 
hexnorfü Bieter Huge’s Charge iſt fat nichts ale 





ua 


Stirn, die bei bem ter euer iſt; in Alexander Der⸗ 
as das Mieftenhate Ten Drfhte Bih BE Bine Teimes- 
Haare befonders hervorgehoben. Herold trägt die Brille fo 
weit unten an der Rafenfpige, daß man offenbar fleht, er trägt 
fie nur, um zu zeigen, daß er Augen hat, da fie fo entfegtii 
Bein find. Dupreg, bee ſich durch Gtubien eine fo fla: 
Stimme angefchafft hat, daß fie fm wunderlichften Gontraft zu 
feinem Beinen Kbeper feht, veißt einem fürdhterlichen Aund con= 
vulfiviſch auf in einem großen Kopfe auf einem wahren Min= 
besförper. Bräderie Gontie beftcht ans nichts als aus einem. 
Schuh, aus dem ein Kopf mit ungehewern glogenden Augen 
und einem Sapeur⸗ Schnurtbart heraußficht. 

Schräßtich ſei noch bemerkt, daß Dantan nie Sarlcaturen- 
auf Damen macht und deshalb von benfelben aͤußerſt wohl ges 
Utten ift. Nur eine Ausnahme machte er auf das dringende 
Bitten der großen Balibran, bie durchaus carikirt fein wollte ; 
doch bei der Nachricht von ihrem fo frühzeltigen Tode zerbrach 


Dantan vol Schmerz die Form; man ficht daher nicht 
mehr. Die ihn beſuchenden Damen nedt der Künftler-. 
mandmal. Er hat hier und da eine etwas fannenhafte Sta⸗ 


tuette, die ee mit einem Uberzuge verficht. Die Rengier der 
Frauen kennend, verläßt er bann wol unter einem Bonwande- 
daß Atelier, fiher, daß fie meift den Überzug aufheben werben, 
dann fucht er fie aber durch plögliches Dereintreten zu übers- 
raſchen und auf der That zu ertappen. 105. 





Literarifhe Notizen. 
Dr. Ch. Ermormant, Mitglied bes Inflituts, gab ſoeben 
heraus: „Essai sur le texte grec de linscription de Rosette”, 
eine Abhandlung, welche die dritte Nummer einer Sammlung 
von vermifcten Auffägen über das ägpptifde Alterthum bildet 
und wovon bereit# Unterfuchungen über Gorapollon und aber 
den Sarg bes Myeerinus ald erſte und zweite Rummer erſchie⸗ 
nen find. Der Verf. hatte nicht die Mbficht, eine vouftändige. 
Interpretation der Inſchrift von Rofette zu geben. Won den 
drei Zerten, woraus biefe Jaſchrift befteht, Tann weder der 
hieroglyphiſche, noch der bemotifche, fondern, dem Buftande der 
Wiffenfhaft gemäß, nur ber gricchifche Segenſtand einer gründ⸗ 
lichern Unterfudhung fein. An biefen Text hält fih auch Ernors 
mant, indem er verſucht, in das Werftändniß eines Denkmals 
einzubringen, welches bie Unterfuchungen feiner Vorgaͤnger nicht 
volftändig aufgullären im Stande waren. Er hat den Tert 
fo eorreet als nur immer möglich hi und eine treuere- 
unb zugleich elegantere Überfedung geliefert als je einer vor- 
ihm. Der angehängte Commentar hat zum Imed, im Ganzen 
und Ginzelnen den rein ägpptifchen Charakter des Decrets, wel- 
ds seranntiich der Gegenftand ber berühmten Inſchrift iſt, 
arzulegen. 


Eugen Biot, Sohn des berühmten Gelehrten gleichen Ras 
mens, bat über ben Lieblingsgegenftand feines Studiums ein. 
Berk unter dem Titel herausgegeben „De L’abolition de les- 
clavage ancien en Occident”, eine von ber Alademie der 
moralifcgen Wiffenfhaften gekrönte Edrift. Der Berf. hat- 
darin nadhzuwelfen gefucdht, wie bie primitiven Formen der- 
häuslichen und ruralen Sklaverei flufenweife im abenblänbifchen-. 
Europa verfhwunden find, bis jene in ben befolbdeten Domeflis- 
Tendienft überging and biefe in unfern Tagen zur vollfkänbigene 
Gmancipation und Ablöfung aller Frohnen gebich. 


Als eine Kortfegung ber „Correspondance d’Orient‘‘ ber- 
Hessen Mipaud und Poujoulat erſchien von -bem Lei eine 
„Voyage dans l’Asie- Mineure, en M&sopotamie, & Palmyre,. 
en Byrie, en Palestiae et en Egypte” (2 MWbe.). Ban 
rühme die Sahrheltallebe und den ſcharfen MBeobadhtui 
des jungen Beifenden. 





VBerantwortlicher Derausgeber: Heinrih Brodpaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddausß in Reipzig. 


Blätter 


. Ä - für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 335. — 


30. Rovember 1840. 





Neueſte Schriften über Friedrich den Großen. 
(Beſchluß aus Nr. 334.) 


. Me. 5. Auch die Poefie hat bei dem Feſte der Ge: 
daächtnißfeier nicht ausbleiben wollen. Unter dem Namen 
Theodor Poſthumus hat ein preußifcher Artillerieoffizier 
(denn ein folcher fol der Pfeudonymus fein) es unter: 
nommen, die Jugendjahre Friedrich’ des Großen zu 
befingen,. Nun ift derſelbe zwar kein zweiter Schubart, 
Ramler oder Stägemann, aber er hat doch nicht immer 
obne Gluͤck und hier und da mit ziemlicher Gewandtheit 
es verftanden, den oft fpröden Stoff in kürzern und Idn- 
gern, reimlofen Gedichten, nach Art des Herber’fchen „Cid“, 
zu bewältigen. Wir fagen den fpröden Stoff, denn 
der Verf. hat fih fogar vorgefegt, auch Ebicte, Briefe, 
Cabinetsbefehle, ja felbft die Snftruction König Friedrich 
Wilhelm's I. für bie Erziehung feines Sohnes und das 
Reglement für fein Begräbniß poetifch zu behandeln, mo: 
bei er fich freilich die größte Freiheit in der Compofition 
herausnehmen mußte... Immer hat es indeß nicht gluͤcken 
wollen der Profa ein bichterifche® Kleid umzuhängen ober 
die veraltete Redeweiſe und den Styl der Referipte zu 
verändern, wie e8 uns denn überhaupt bedenklich erfcheint, 
daß Hr. Poftbumus mit folcher Treue hat Jedes und 
Alles aus den Jugendjahren des großen Königs wieder: 
geben wollen und bafür nicht der eigenen Gompofition 
eine leichtere Bewegung gegönnt hat. Manche Gedichte, 
vote der „Vorklang“, „Die Jagd in Wufterhaufen”, „Das 
Blutgeruͤſt“, „Die Erfcheinung bes großen Kurfürften”, 
„, Die Huldigung‘ und der „Nachklang zum 1. Juni 1840 
beweifen eine gute Dichterifche Anlage und laffen fih auch 
vorlefen. Dies kann aber bei vielen Stellen unmöglich 
zur Befriedigung der: Hörenden gefchehen, denn nur zu 
oft klingen einzelne wie verfificirte Zeitungsartikel, wie 
z. B. auf ©. 79: | 

So, um Preußens Friedensliebe 
Bei ftets kriegsbereitem Zuftand 
3u verfpotten, fpricht Georg 
Oft von feinem lieben Bruder, 


Der den Bogen ſtets geipannt hält, 
Aber niemals los ihn drückt. 

Nennt ihn ſtets den prügelfert’gen 
Unt’roffzier, auch anbftreuer 
Heil'gen roͤm'ſchen Reiches wol. 


Dder auf S. 190: 


Bei der Kammer der Regierung 
Und. Domainen {ft von feinem 
Vater Friedrich angeſtellt. 
Des Geſchäftsgangs wird er kundig; 
ziefe Blick' in die verflochtnen 
Zweige der Verwaltung wirft er; 
Kennen lernet er bes Landes 
Hülfsquell’n, Zuftand und Bebürfnig 
Aus dem Grunde, ber Geſetze 
Inn'res Wefen wird ihm Bar. 
Endlich auf S. 211: 
Kayſerlingk, der künſtleriſche 
Knobelsdorf ſind meiſtens um ihn. 
Darum ſind an ſie die Briefe 
Selt'ner als an Algarotti, 
An Manteufel und an Jordan, 
Oberſt Cames und an Suhm. 
Nicht minder ſonderbar nehmen ſich die proſaiſchen Worte 
des aller Dichtkunſt abholden Koͤnigs Friedrich Wilhelm's J. 
aus, wie in dem Begnadigungsdecrete fuͤr ſeinen Sohn: 
Solches moͤgt Ihr allerwegen 
Kund thun, daß die Welt vom wahren, 
Richtigen Verlauf der Sache 
Informirt wird, um ſomit 
Vorzubeugen allen falſchen 
Spargementen, ſo von Unſern 
Handlungen und Thaten häufig 
Übelwollende verbreiten. 
Und nicht minder in der Anordnung über feine Beerdigung, 
wo den Truppen Solgendes anbefoblen wird: 
Keine Rührung foll man zeigen, 
Solches fchadet fehr der Haltung. 
Dat man Wafler in den Augen, 
Iſt's mit fcharfer Richtung aus. 
Darum wäre anzurathen, ' 
Daß die Leute man die Nacht durch 
Putzen ließe. Diefes Mittel 
Hebt Gemuͤthobewegung leicht. 0 
In folhen und aͤhnlichen Stellen hat militalrifche 
Pünktlichkeit und Genautgkeit ber dichterifhen Auffaffung 
gefhadet, und ed waͤre zu wuͤnſchen geweien, daß Hr. 
Poſthumus fi die hohe Einfachheit der Dichtung in ben 
Romanzen vom Cid hätte ale Muſter dienen Iaffen. 
Die Lefer, die doch in dieſem Buche ein Gedicht erwar- 
ten und nicht blos hiftorifche Notizen finden wollen, wuͤr⸗ 
den damit gewiß fehr zufrieden geweſen fein. Übrigens 
find, wie aus dem Vorigen ſchon hervorgeht, Die zuver⸗ 


f q 4 


Käffigften Quellen überall benugt worden und fo erhält | dem ermahnt 1840 ein Trauerfeſt zu feiern, weil SEO 
Zweckes willen verfaßte Buͤch⸗Khalif Amru bie alerandrinifhen Bibliotheken 


das um eines mohlthätigen 
kein dadurch vielleicht auch bei Solchen a Werth, denen 
Die dichterifche Behandlupg wenigen zufagt. . 

L “ Ei * on den Kir es feadaͤmichf beit, 
ſo ißt bed hatt des Bchleins keinen. Zwoffel 
daruͤber, daß ohne Friedrich's Jubilaͤum dieſe Schrift wol 
ſchwerlich verfaßt ſein wuͤrde. Ein großes Ungluͤck waͤre 
das nun freilich nicht, 
dep. Hen. Vera, (eigentlich heißt der Verfaſſer: Bettzmich 
sicht ganz tibergehen zu dinfn, da fie das Schickſal ge⸗ 
habt. bat, als das erſte Buch unser König Triedrich Wil⸗ 
helm's IV. von Preußen Regierung von ber Genfur ver: 
boten zu werden. Dadurch bat fie für kurze Zeit von 
ſich zu reden gemacht, Welche Gründe bei dieſem Ver⸗ 
bote obwalteten, iſt uns nicht bekannt. Hat indeß der 
neue Monarch den legten Theil des Buͤchleins geleſen, 
fo koͤnnen wir uns mol denken, daß bie unehrbietige, ge⸗ 
ringſchaͤtige Weiſe, mit welches in, derſelben von feinem 
ruhmwuͤrdigen Vater geſprochen if, und auf ber andern 
Seite der verfchwenberifhe Weihrauch, ber ihm dagegen 
hier gefreut worden ift, feine beſcheldene Sinnesart unan- 
genehm berührt haben mag. Abgeſehen hiervon, mollen 
wir nur zur nähern Kenntniß des Vuches bemerken, daß 
daſſelbe hiſtoriſche Überfichten Über alle Jahre, im denen 
die Zahl 40 vorkommt, alfo von 40 nach Chriſti Geburt 
His 1840, gibt. Da nun gerade von Hrn. Beta nicht 
viel Neues gefagt werden Eomnte, fo follte doch wenigſtens 
Die Einkleidung new, die Schreibart auffallend fein. Schabe 
um das Talent des Verf., das fich in mehren Stellen, 
wie in ber VBefchreibung ber Burg Hohenſtaufen, des 
Landes Preußen, der Einweihung bes Friedrichsdenkmals 
in Berlin und in dem Urtheile über Schiller recht ſchoͤn 
bewährt hat. Denn fonft-ift feine Rede meiftens bom: 
baſtiſch, gefäne fih in allerhand Migeleien, Antithefen 
und froftigen Anſpielungen und zeigt überall jenen neu: 
meodigen Liberalismus, der fi, wie auch Dr. Köppen 
gethan hat, vorgenommen zu haben ſcheint, Friedrich's 
großen Namen zum Dechmantel eigener reformatoriſcher 
Diane zu machen, bie aber zum Gluͤcke der Staaten nur 
auf dem Papiere und alſo unausgeführe bleiben werden. 
Bon der Schreibart und ben Urtheilen des Hrn. Beta 
geben wir nur einige Beiſpiele. So heißt es vom deut⸗ 
ſchen Reiche, es fei vor Napoleon zufammengefallen wie 
ein Gholem; die. Dominitaner werben domini canes ge: 
sannt; von Berthold Schwarz wird gefchrieben, daß durch 
deſſen ſchwarzblaue Koͤrnerchen ber junge Zeitgeift das 
Mittelalter niebergebonnert. habe; von England. lefen wir, 
Daß: dies große Helbenland ber Revolution fich in neueſter 
Brit durch feine vierfchrötige, phlegmatifche Beafſteaksna⸗ 
nu auf dem Strome des modernen Völkerlebens habe 
aufgaltem laflen und ba es in einzelnen Formationen 
ordentlich feflgefsaren fe, Ramler wird von Hrn. Beta 
micht minder unwuͤrdig behandelt ald von Hrn. Köppen, 
und Winckelmann beißt gar „ber Ellenritter ber Schön: 
geil”. Sehe froſtige Scherze merben. mit ben Weibern 
von Weinsberg getrieben und bie jegigen Philologen wer: 


ver 
brannt bat. 

Sapienti aat! Was. mwürbe Friedrich II. wol zu. einer 
lchen ade giſagt haben, er, kenn Klarheit und Eine 
heit üßer ging! Und wie wärbe ihm wos fein 

Lob aus einem folhen Munde gefallen haben, der aller: 
dinge gewaltige Invectiven auf Haller, Hengſtenberg und 
die Jeſuiton ſchloudoert, aber- auch wioderum von Chartis⸗ 
mus und Socialismus ſich die größten Dinge und eine 
neue Welt: und Heilsordnung verfprihtd Nun, es if 
ein Gluͤck, daß baflır geſargt iſt, daß bie Bäume nice 
zu ſchnell in den Himmel wachfen. 11. 





Weisthumer gefammelt von Jacob Grimm. Zwei⸗ 
ter Theil, Mitherausgegeben von E. Dronke unb 
H. Beyer. öttingen, Dietrich. 1840, &r. 8; 
3 Thlr. 16 Gr. " 

Man bat mit Recht bie Weisthümer unferer Vorfahren 
als ein herrliches Denkmal der alten deutſchen Rationalfreipett 
be: t. In diefen Vereinbarungen zwiſchen Sanbröhesren und 
Gemmeinten über politifche umb Lirdkiiche. Besfaffung, incheſon⸗ 
bere auch über din Handhabung der Griminaliufliz üegt ein 
bisher noch wenig bekannter Schat nicht blos. von rechtahiſtori⸗ 
chen Daten, fondern von trefflihen Zügen des altdeutſchen Na⸗ 
tionalcharakters, bie ein wichtiger Beitrag zu einem Gittenges 
mälde jener Seiten find. or Allem ift es ber. Genubgug ber 
Treue in allen Verhältniffen bes bürgerlidgen und öffentlichen 
Lebens — unb eine folche Öffentlichkeit gab es damals in meif 
hoͤherm Sinne ale jegt — , der überall bervortritt und ala bie 
feftefte Garantie der rechtlidhen Inſtitutionen erfcheint. Att 
Typus kehrt die Formel wieder, welche 5. B. (8. 18) in den 
„Westhum von Collerdail”! (Rbherthal) fo lautet: „Item 
wieset der scheffen, maa.solle feagen megger, forster, bü« 
del. u. gemeyne, ob. sie icht wissen von abegange myner 
herrschafft, is sie an lüden, husern, wegen u. s. f., das sie 
das by iren eyden, sie der herrschafft von ire ampts we- 
gen vnd iren elichen wiben gethan haben, das furbringen,‘ 
So erfgeint die Amtsr unb Unterthanentneme nicht in. tem Ge; 
wande eines unterwürfigen. Gehorfams, fonbern in dem Line 
bes liebenden Zugethanfeins, welches fie mit. ber ehelichen Treue 
identificiet. Als trefflicher Eommentar diefer Formel mag fols 
gendes Fragment bienen, das der Herausgeber bei diefer Ge⸗ 
legenheit mit veröffenslicht, und bas wir. als ein Eofbkares Probes 
ftüd bes Hier Gegebenen mittheiten: „1866 erschien, vor. dag 
serren (Gitterthbür) der burg Bucherbach graf Johaun von 
Sarbrücken in streit mit ritter Jofried von Mülenbach we- 
gen der vogtei zu S. Nabor, um durch zeugen die sache 
zu erledigen. Da stund der gref vor der serren mit seiner 
ritterschaft u. mit seinen edelknaben, peisstern. und as» 
leuten. und anderer biederar. loute viel: und: nief. mit seinng 
selbs leib herrn Mülenbach, ob er da wäre, wie sie über- 
eingekommen ? Da kamen zyreen seiner diener her, und ant- 
worteten: sie weren von wegen ihres herrn da. Da kamen 
des grafen zeugen und bereiteten sich, den eid zu thun und 
der meisterscheffen von S. Nabor sprach: gnädiger herr, 
ihr wisset, wär ich 100 meilen wegs von hier, und ihr 
liesset mich wissen, dass ich zu euch käme und hülffe euch 
zum recht, so bin ich es zu thun schuldig. Da thät der 
graf von Saarbrücken einen tisch darbringen, und stellte 
ihn vor die serre der burg und daraufi Tegen ein weiss 
handgwehl, und thät den zeugen ihre hände waschen und 
trockenen, und die heiligen von der pfarre zu Cölle dar- 
bringen und auf den tisch setzen. Dann liess der graf die 











1861 


ihee me ‚ sglatel, — messer niadorcogen, 
A— je hand auf die igen legen, und mahnte 
ode auf eid und treue, die sie ihm gethan hätten, auf die 
gegenwärtigen heiligen und auf gottes lichnam, mit dem sie 
<arstahm und eusterben. sollen, auf ds treus,. die.sie haben 
gethan weibern und. kindern, dass sie wedar nach liebe, 
„ech furcht weder durch neid, noch durch hass. und nach 
keinerlei sache gegen die wahrheit sagten. . 
Wir haben ne biefe eine Seite deu ſich hier barlegenden 
Sharakters hervorgehoben ; es find gleich bedeutfame Weifpiele 
on Gerechtoͤgkeios⸗ und Freiheiteliobe, Strenge des Urtheils 


amd des Bucht und andern Borzugen bes Rechtslebens jener 
„Zeiten in diefen „Weisthümern““ vorhanden; abes zu einer ges 
iben würde eine Umfaͤnglichkeit biefes 


wügenden Barlegung derfe 
Deriche nöthig fein, welche zugleich feinen Zweck überſchritte. 
Es genüge an einer Probe und an ber Hervorhebung einer 
Seite, auf die vielfadhe Ausbeute aufmerkſam zu machen, welche 
Me vorlisgenne Sammlung nicht blos dem Juriſten, ſondern, 
ud viell wedg mehr, dem Geſchichtoforſcher gewähren. wizb. 
Ref. ift der Überzeugung, daß ſich allein aus ben in dieſem 
‚Myelle gebotenen Quellen ein ſehr guwerüpeiihes und betaillirtes 
omätde des Öffentlichen debens früheren Wittelalter ents 
werfen ließe, dem noch mande Skizze zu ei 
des — 4 a — Die gras pi: beröffent: 
Ltdgte te ung dieſer Gammlung (ber erfien Abthei⸗ 
Wang Ira außer einem Glofſar eine ausführliche Einleitung, 
Aber Natur, Alter und Bedeutſamkeit ber hier mitgetheilten 
Denkmäler beigegeben werben, nad; deren Erfcheinen alfo ein 
Aberſichtlicher Bericht ſich mit mehr Sicherheit entwerfen laſſen 
wird) enthält die. Weisthämer aus ben Gebleten ber Woſel, 
Saar, Rabe, Ahr und Ruhr, deren Boden demnach hauptfächs 
Aich die Länder von Trier, Kbin und Jülich find, Sie ind zus 
mei aus dem 18. bis 16. Jahrhundert, gehen aber auch theits 
-weife in das 12. hinauf, wo fie meifl lateinifeh find (eines ver 
Alteſten if das von Andernach 1171, ©. 623), und bis in 
das 17. Sahrhundert herab. Ihre Anzahl läßt ſich nur unges 

aber ficher weit über ein halbes: Tau⸗ 


einfaffung noch nicht vouführt und der Gchöpfeiimer unaufs 
gehangen iſt.“ 29, 








Aus Italien. 


Die „„Biblioteca italiana’ dauert in biefem Jahre mit wes 
nig bemerkbaren Abänderungen fort. Noch fliehen ber: Aſtronom 
Francesco Earlini, der Profeſſer P. Gonftgliacdgi, der Biblio⸗ 
Thekar an der Brexa, Dr. Giulio Fexrario, der Praͤfeet ber 
Ambrofianifchen Bibliothek Dr. Abate Catena und Dr. Giamb. 
Jentonetti, ſaͤmmtlich Mitglieder des k.k. Inſtituts, an der 
Spige, die ſich Mitarbeiter aus der Meihe der übrigen Infti⸗ 
tutsmitgtieber gewählt haben und auch im Auslande, wie fie 
verfichern, jenfeits der Werge (di oltremonte) Mitarbeiter gu 
haben en. Noch Hat fi aber dieſer Werein fo achtungs⸗ 
werther e nicht burch große Hervorbringungen —— 
gemalt. Im thaͤtigſten ſcheinen die Phoſiker für ben 3 
Der Zeitſchrift gu fein; denn werthoolle Detttheilungen, die nur 
u fehr in akademiſch gelehrter Weiſe hevbortreten, brachte fa 
ches neue Beft der Beitfchrift. Aber eine „Biblioteca italiana‘, 
ein Gpracfaal für die Zeitintereſſen ber gangen Halbinfel, ein 
Mittelp ſeiner gelehrten und wiffenſchaftlichen Veſtrebungen, 
ein Muſeum für feine Kunſtfreunde iſt fie noch nicht geworben. 
Kürzere Auszüge, die jedoch vom Gehalte der erfcheinenden 
Werke beutlichere Worftellungen gäben, bürften leicht ben Ita⸗ 


fi 

Xuswobl weit unb bie Buͤcher _ 

* Gelbſt in Seal macht ein * Ma 
von nach Wenebig, Dis 

findet es nod, viel ſchwieriger feinen Weg. Was ——æ 


zu erfahren, daß Pro 

des Studienjahres am 1. Dec. 1859 Arduino's Werbienfle um 
bis neue Geflaltung ber Geologie fi) zur Aufgabe machte. 
Schon 1796 ſtarb Arduino; feine Werke find nicht ſehr verbeei⸗ 
set; und ſelbſt bie zühmenben. Erwähnungen durch Fortis Man 
raſchini und Marzari koͤnnen für. die Welchrung Suchenden 
nicht ausreichen. Wie ein Bibliothekar das lebende und has 
lebende Regifter feines Mürherfchanes iſt, ſo ſollten die Veſorger 
bee „‚Biblioteca italiaga‘’ das geiftvolle. und geiftanzegende Mies 
giſter der Literatur fein, die fie ſich zur Domaine euloren has 
ben. Bei dem ‚‚Discorso inaugurale letto nella grand‘ auls 
dell! I. R. Universita di Padora per Vaperture di tat! gli 
studj nel giorno 1 dic. 1889 dal dott. A. Otulle‘‘ (Yas 
dua 1839) anzufangen, Hätten fie kurz aber volftänbig, fi 
gend und, wenn es Noth thut, einſchlagend, angeben fellen, was 
bas Bub beingt, bes Astikel wärs nicht länger. geworben, als 
De I und für die Leute dieſſeit und jenfelt der Berge 

rend, 





fectus) und übte als Heerführer von Ruhm ſelbſt Einfluß auf 
die VBeſezung des Throns aus. Wann er die Gomfularwürbe 
verwaltet, war eigentlich bie Frage. Borgheſi wiberlegt bie biäs 
berigen Annahmen und thut bar, baß er zum erflen Mails vor 
820 der St. fie verwaltet haben müffe, obgleich über das 
Jahr ſich Gewiſſes ſchwerlich wird ausfinben leffen ; zum zwei⸗ 
ten Male nach Vitellius Zobe (ber am 29. Dec. 822 eumors 
det warb), wahrſcheinlich gemeinfam wit G. Petilius Cercala; 
und zwei Sabre darnach warb er zum beitten Male als Con⸗ 
ſul ſubſtituirt (825), gleichzeitig mit T. Flavius Gabinus, dis 
nem Sohne bes gleichnamigen Präfesten ber Hauptſtadt. Mus 
cianus, ber bald barauf geſtorben fein mag, gehörte zu ben 

eldheruen feiner Beit, auf befien Mittheilung 


Ienntgißzeichen 5 
ſich Plinigs nicht felten beruft, beſonders in Bezug auf Gegen⸗ 


ben des innern Aflens, die er beim armeniſchen Feldzuge hatte 


ten t. 8 gel ⸗ 
— u me We 





Biblisgrephie. 


Albin. Novellen. Gr. 12. Breslau, Kohn. 1 Thlr. 

Babel. Harausgegeben von dem Literaten : Verein in Pa⸗ 
ci. Deutfh von D. *Si Wolff. I. Serie. Ster Dand. 

Hp Weber. r. 

Das Königreih Bayern in feinen glterthümlichen, ger 


. Wänden, Bra. 16 Gr. 


henalzer von Saiut⸗Beor⸗ 
ges. Nach dem Franzoͤſiſchen von W. £. Weſché. 4 Bänke. 
8. Leipzig, Kollmann. 5 Ahle. 

Bibliothek des Frohſinns. Neue Folge. Ite Bection. 
Boccaccio’s Dekameron. Iſtes Baͤndchen. — Auch u. d. X: 


1882 


Das Dekameron von Boctaccio. Men überfekt von GE. 
Drtlepp. After Theil. Gr. 16. Stuttgart, Köhler. 1841, 
66®© " 


r. 

Säpäftticher Bilderſaal. Ifter Band. Der Bergnügling. 
en vom Verfaſſer der Briefe eines KBerftorbenen. 
8, Gtuttgart, Hallberger. 3 Thlr. 15 Gr. 

Blum, ©., Theater. 2ter Band. Die Herrin von ber Elfe. 

Ich bleibe ledig. 8. Berlin, Schlefinger. 1891. 1 Thir. 8 Gr. 
. Bode, G. H, Geschichte der hellenischen Dichtkunst. 
Ster Band. Dramatik. — Auch u. d. T.: Geschichte der 
dramatischen Dichtkunst der Hellenen bis auf Alexandros 
den Grossen. 2ter Theil. Komödien. Gr. 8. Leipzig, 
Köhler. 2 Thlr. 8 Gr. 
Börnes, L., Urteil über H. Heine. Ungedruckte Gtellen 
aus den Parifee Briefen. Als Anhang: Gtimmen über 9. 
Deine's letzies Buch, aus Zeitblättern. Gr. 12. Brankfurt a. M., 
Gauerländer. 8 Gr. 

Johann Brenz. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen 

von I. — und, te Ifter Band. Gr. 8. 

mbu . Perthes. r. r. 

d —A be la Barca. Schauſpiele. Überfegt von 
J. D. Gries. te, durchgeſehene Ausgabe. 2ter bis 7ter 
Band. Er. 16. Mit E.s Bilbniß. Berlin, Nicolai. Subſer.⸗Pr. 
3 Thlr. 

a regfhmar, Ph. 3., Beiträge zu der Lehre von dem 
Leben. ifter Theil. Das materielle Leben. Gr. 8. Frank⸗ 
fürt a. M., Sauerländer. 2 Thlr. 8 Gr. 

Fiedler, Reise durch alle Theile des Königreichs 
Griechenland in Auftrag der: Königl. Griechischen Regierung 
in den Jahren 1884 bis 1837. 2ter Theil. Mit 5 lithogra- 
phirten Tafeln und 1 illuminirten, geognostisch - bergmänni- 
schen Karte ded Königreiches Griechenland in Roy.-Fol. 
Gr. 8. Leipzig, Fr. Fleischer. 1841. 4 Tbhir. 12 Gr. 

Hortmann, H., Über das Weſen und bie Bedeutung ber 

biftorifchen Entwidelungen. Gin Beitrag zur Philoſophie ber 
Gefchichte. te ganz umgearbeitete Auflage. Gr. 12. Weſel, 
Prinz. 1 Ihlr. 
Send. Schriften von Sriebrih von Gens. Gin 
Denkmal. Bon Buftlav Schleſier. Ater Theil. — Auch 
u. d. Z.: Briefwechſel zwifchen Genz und Johannes v. Muͤl⸗ 
ler. Mit einem Anhang vermifchter Briefe. Herausgegeben 
von Guſtav Schleſier. Ster Theil. — Auch u. d. T.: Uns 
gebrudte Denkſchriften, Tagebücher und Briefe von Friedrich 
von Geng. Gr. 8. Manheim, Hoff. 4 ZHir. 

Die Großmutter. Cine Kamiliengefhichte nach bem Frans 
zöfifchen von Fanny Tarnow. 2 Theile. 8. Leipzig, Kolls 
mann. 1841, 2 Ihlr. 18 Er. 

Grube, &., Gedichte und Erzählungen. 2 Schelle. 8. 
Düffeldorf, Schreiner. 1 Thlr. 16 Er. 
van den Hage. Der Schaafhirt. Hiftorifcher Roman 
aus den Zeiten dee Utrechter Stiftsfehbe 1481 bis 1488. Aus 
dem DHolländifchen überfegt von DO. 2. B. Wolff. ter Theil. 
8. Leipzig, Weber. 1 Ihlr. 8 Gr. 
Hanke, Henriette, Herbftblätter. In drei Erzaͤhlun⸗ 


gen. Die Sphinx. — Der jüngfle Tag. — Das Häuschen 
auf der Stadtmauer. Gr. 12, Berlin, Betbge. 1841. 
+ Ihlr. 4 Gr. 

Herbfteofen. 1841. Die Grafen Werbenfels. ropertia 


di Roffi. Zwei Erzählungen von Mathilde von Stambke. 
ter Jahrg. 8. Breslau, Kern. 1 Thlr. 

Hermingarb von Eikenterpen. Aus bem Hollänbifchen von 
J. D. v. Bétaz. Gr. 8. Rinteln, Liter. artift. Verlages 
Inſtitut. 1 Thlr. 6 Er. 

Hoffmann von Fallersleben. Unpolitifche Lieber. 
zn hell. 2te Auflage. 8. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 

ie. 

Hüllmann, 8. D., Griechiſche Denkwürdigkeiten. Gr. 8, 
Bonn, Mareus. 22 Gr. 


Keratry, ML, Das Enke bis Iepken Jahehunderts ober 
Acht Zahre. Aus dem Krangäfiichen übsrfeat von Emilie 
gBilte. 8 Theile. 8. Leipsig, Kollmann. 1841. 3 bir. 

G 


r. 

Kern, J. 3, Zerſtreute Blätter. Gefammelt und her⸗ 
ausgegeben. Zürich, Schultheß. 1 Ahlr. 8 Br. . 
Die ungöttlidde Komödie. Aus dem Polailden von NR. 
Batornidi. 8. Leipzig, Weber. 1841, 1 She. 

Kugler, 8, Gedihte 8. Gtutigart u.. Zübingen, 
Cotta. 1 Zhlr. 8 Er. 

Kuriänders, F. A., dramatifder Almanach für bas 
Jahr 1841. Fortgefegt von 6. W. Rod. Blfter Jahrg. 12. 
Leipzig, Baumgärtner. 1 Thlr. 8 Er. 

Legouve, E., Editha von Falſen. Aus dem Franzöfi⸗ 

ſchen überſezt von Emilie Wille 8. Leipzig, Kollmann. 
1841. 1 Thlre. 16 Gr. 
Der binkende Teufel. Neue forgfältige Über: 
tragung buch &. Fink. Jlluſtrirt mit Holzſtichen nach Tony 
Johannot. 7tes, 8tes Heft. Ler.⸗8. Pforzheim, Dennig, 
Sind u. Comp. 18 Gr. 

Lochner, 8. W. K., Kaifer Lubwig ber Bayer unb bie 
Stadt Rürndberg. Urkundlich bargefickt. Gr. 8. Nürnberg, 
Er. Sampe. 6 Er. 

Loewenberg, 3, Alerander v. Humboldt’s Reiſen in 
Amerika und Aſien. Eine Darftellung feiner wichtigſten Forſchun⸗ 
gen. Ltes Bändchen. Mit 4 Kupfern und 1 Karte. Br. 12. 
Berlin, Haſſelberg. 1 Thlr. 12 Sr. 

Memoiren einer Pairin von England zu. Kor Zeiten. 
Derausgegeben von Laby Eh. Bury, überfist von Amalie 
Winter. In 3 Theilen. Gr. 12. Braunſchweig, Bieweg 


u. Sohn. 3 Thlr. 12 Gr. 
Meyer, J., Schillers Wilbelm Tell. Auf seine Quellen. 


zurückgeführt und sachlich und sprachlich erläutert. Nürn- 
berg, Fr. Campe. 12 Gr. 
Minnefinger. Deutfche Lieberbichter des zwölften, drei⸗ 


zehnten und vierzehnten Jahrhunderts, aus allen bekannten 
Handfchriften und frühern Druden gefammelt und berichtigt, 
mit ben Lesarten berfelben, Geſchichte des Lebens der Dichter und 
ihrer Werke, Sangweifen ber Lieder, KReimverzeichnis der Ans 
fange, und Abbildungen fämmtlicher Handſchriften, von Frie⸗ 
drich Heinrich von der Hagen. 4 Theile. Mit Muſik⸗ 
beilagen. Leipzig, Barth. 1858. In 8 Bänden. 25 Thlr. 

Pfarrius, ©, Karlmann. Gin Gedicht. Gr. 12. 
Bonn, Weber. 1841. 14 Er. 

Phitofophie der Philofophie. Er. 8. Hamburg und Gotha, 
Friedrich u. Andreas Perthes. 1 Thlr. 

von Raumer, Gefchichte der Hohenftaufen und ihrer 
Beit. te verbefferte und vermehrte Auflage. 2te bis te Lief. 
Gr. 8. Mit 4 Beilagen, Leipzig, Brockhaus. Subſer.⸗Pr. 
1 hir. 12 Gr. 

Robin, ©, Die Yulver-Wesfchwörung in Jammers⸗ 
haufen. Driginalstuftfpiel in vier Acten. 8. Breslau, Kohn. 


r. 
Schreiber, F., Das Orakel ober bie Todtenmeſſe der 
Vertriebenen. Hiftorifcher Roman. 2 Theile. 8. Meißen, 
Goedſche. 1841. 1 Thlr. 16 Gr, 
Stengel, Er. v., Der Bäderjunge. Gin Roman aus. 
ber Geſchichte Frankfurt's am Main von 1612 bis zur Mitte 
1619. 2 Theile. Gr. 12, Mannheim, Loͤffler. 1841. 8 Ihir. 
Tholuck, A., Zur Charakteriſtik rationaliftifcher Polemik. 
ine Beleuchtung ber Schrift: „Wie Hr. Dr. Tholud die 
Schrift auslegt, wie er beten lehrt und dichtet.“ Br. 8. 
Halle, Lippert. 6 Gr. 
uehtrig, $. v., Blide in das Düffeldorfer Kunfts und 
Künftlericben. ter Band. 8. Duͤſſeldorf, Schreiner. 1 Ihir. 
Deutfche Vierteljahrs Schrift. Ates Heft. 1840. October — 
Drjember. Gr. 8. Gtuttgart und Tübingen, Gotta. 1 Thlr. 
r. 





Verantwortlicher Herausgeber: KSeinrich Brodbaus. — Druck und Verlag von J. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


[4 





Bon diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und ift der Preis für 


u 12 Ahle. Alle Buchhandlungen in und außer 
alle Po 
preußifche Grenzpoflamt in Halle wenden. 


und Freitags, aber auch in Monatöheften ftatt. 


Santa: Rofa. 

Die „Bevue des deux mondes’ veröffentlichte vor 
einiger Zeit ein Schreiben Goufin’d an den Fuͤrſten von 
la Ciſterna mit interefianten Mittheilungen ber die Por: 
föntichkeit des Grafen von Santa⸗Roſa, der in ber pie: 
montefifhen Revolution eine fo bedeutende Rolle fpielte, 
feitbem aber mit biefem revolutionnairen Intermezzo im 
großen welthiftorifchen Drama dee Neuzeit in den Hin⸗ 
tergeund getreten, ja, man kann mol fagen, der Vergeſ⸗ 
fenheit anheimgefallen iſt; ein Schidfal, das fich zwar 
erklären läßt, wenn man das Wefen und die Erfolge der 
Revolutionen von Neapel und Piemont in Betracht zieht, 
“in Betreff der Perfönlichkeit des Grafen aber ein unge: 
rechtes genannt werden muß, da er jedenfalle weit über 
fein Volk und die factifche Geſtaltung der Begebenheit, 
die ihn in ihren Strudel riß, erhaben war. Diefes er: 
gibt fih aus den Mittheilungen feines Freundes Coufin, 
deffen Geiſt doch zu bedeutend und deſſen politifche An: 
ſichten zu gemäßigt find, als daB Steundfchaft oder Par: 
teigeift ihm dermaßen über einen Mann hätten täufchen 
tönnen, daß er feine Bedeutſamkeit weit über ihr mahres 
Maß emporgehoben hätte, ein Misgriff, den überhaupt 
die Franzoſen felten bei ausländifchen Berühmtheiten fich 
zu Schulden kommen laffn. Es möge daher erlaubt 
fein, das Factifche aus diefem biographifchen Beitrage hier 
mitzutheilen, fei es auh nur, um in Deutſchland das 
Urtheil über eines der Häupter der piementefilhen Revo: 

Iution berichtigen zu helfen. 
" Wir uͤbergehen den Anfang des Schreibens, in mel: 
hem Couſin einfeitend feine Anficht über bie piemonte: 
ſiſche Revolution, die er für ein verfehltes Unternehmen 
haͤlt, auseinanderfegt, um von ba aus ben Übergang 
zu der bedeutendſten Perſoͤnlichkeit, Die in derfelben auf: 
tauchte, zu mahen, zu Santa⸗Roſa, der alle Gbrigen 
Häupter diefer Bewegung „übertraf und deſſen heiden- 
muͤthiger Geiſt und Überlegemes Talent, beffer geleitet und 


den 
eutfchland nehmen Beftelung darauf an; ebenfo 


ter, die fich an die Eönigl ſaͤchſiſche Beitungserpeditiog in Leipzig oder das koͤnigl. 
6 Die Verſendung findet wöchentlich zweimal, Dienflags 


durch die Erfahrung gereift, feinem Vaterlande ſowie dem 
Haufe Savopen den fähigften Minifter hätte geben Ein: 
nen”. Beilaͤufig bemerken wir bierbei, daß Couſin ben 
Hauptfehler dee piemontefifhen Revolution darin ſieht, 
daß die Häupter berfeiben ihre das, Element des modernen 


‚Liberalismus beimgifhten und dadurch Spaltungen im 


Innern herbeiführten, ſtatt ihr einzig den Charakter einer 
national⸗ politifchen Bewegung. und einer militairiſchen 
Reaction gegen Sſtreichs Oberherrſchaft in Stalien zu 
laffen. . FW 

Couſin wurde zur Bekanntſchaft Santa⸗Roſa's im 
Oetober 1821 durch die Leſung einer Broſchuͤre: „De la 
revolution piemontaise‘’, geführt, die ihm während einer - 
heftigen Bruſtkrankheit, an der er damals auf den Tod 
daniederlag, in bie Hände fill. Der Einbrud, den diefe 
Schrift auf den franzoͤſiſchen Philofephen machte, ber, 
vom bamaligen Miniſterium aller feiner Stellen entjegt, . 
zu jener Zeit ganz in der Zuruͤckgezogenheit feinen philofo: 
phifhen Studien lebte, war außerordentlich, 

Sch fand — fagt er — einen wahrhaften Helden in bem 
eingeftandenen Haupte dieſer Revolution. Die Figur biefee 
Mannes fteht dergeftalt. über den Ereigniſſen jener SO Tage, 
daß fie allein mich befchäftigte. Ich fah, wie er zuerfi, als 
Anhänger des englifhen parlamentarifchen Syſtems, für fein 
Land nur eine eonftitutionnelle Regierung mit zwei Kammern 
und felbit einer erblichen Pairie foderte, dann aber, als das ver⸗ 
bängnißvolle Beifpiel der Reapolitaner und ihre Annahme der 
fpanifhen Conſtitution alle Gemüther. entzündet hatten, nur 
mit einer einzigen Sache, ber militairifchen Leitung ber Redo⸗ 
Iution, fi — und, von den Umſtänden zu einer wahr⸗ 
haften Dictatur erhoben, eine Thatkraft, die ſelbſt ſeine Feinde 
bewunderten, entwickelte, ohne daß er auch nur einen Augen⸗ 
blick jenen Geift xitterlicher Maͤßigung, der in Revolutionen 
ſo ſelten iſt, verleugnet haͤtte. 

Als Beweis hiefuͤr führt Coufin bie merktuuedige Po⸗ 
elamation an, welde. Santa⸗MNoſa als Kriegsmintfter 
am 23. März 1821, ats ſchon die co elle 
verloren war, erließ, worin er in den ehrerbletigſten Aus⸗ 
druͤcken über den König und de Megenten, den damali⸗ 


1354 


gen Prinzen Karl Albert von Carignan (den jeigen Rd: | 


nig von Sardinien), die heimliche Entfernung des Letztern 
aus der Hauptfladt in der Nacht vom 21. zum 22. März 
anzeigt, nichtödeftoweniger aber die liberale Gefinnung 
und die Hingebung des Prinzen für bie italienifhe Sache 
ruͤhmend anerkennt unb zulest die Piemontefen aller 
Parteien auffodert, allen Meinungszwiefpalt fahren zu 
faffen und fih um ihre nationalen Fahnen zu fcharen, 
um ben gemeinfamen Feind zu bekämpfen. 

Endlich als Alles verloren war — fährt Koufin fort —, 
unterhandelte Santa: Rofa noch mit dem Grafen v. Mocenigo, 
dem ruffifchen Befandten in Zurin, um unter ber Bedingung 
einer Amneflie und einiger Verbefierungen im Innern eine alls 
gemeine Pacification zu bewerkftelligen, wogegen er für diefen 
Preis anbot, nebft den andern Häuptern der Revolution auf 
die Amneſtie verzichten und freiwillig ſich verbannen zu wollen, 
um fo ben Zrieden und die Wohlfahrt des Waterlands befier 


zu fichern. 

Diefe edelmuͤthige Handlungsweiſe machte auf Coufin 
den lebhafteſten Eindruck und feine Bewunderung für 
den Helden der Schrift wuchs noch, als er vernahm, daß 
derfelbe auch deren Verfaſſer ſei. Die Abweſenheit alles 
Parteigeiſtes, die Redlichkeit, die jeder Abficht Gerechtig: 
Leit widerfahren läßt, die Hochherzigkeit, die in der Trüb: 
fat des Erild weder in ungerechte Vorwürfe, noch bittern 
Haß ausbricht, der Enthuſiasmus für ein edles Biel, ber 
auch das ſchwerſte Opfer nicht heute, verbunden mit 
der wuͤrdevollſten Mäßigung, dazu endlih das feltene 
Talent, das fich auf jeder Seite ber Broſchuͤre ausſprach — 
alte dieſe fchönen Figenfchaften, melde die Broſchuͤre 
„De la revolution piemontaise” in Santa⸗Roſa vereint 
zeigte, machten biefen in den Augen Coufin’s zu einer 
hundertmal Intereffantern Erſcheinung als die Revolutionen 
von Piemont und Neapel felbft. Nichts war daher natür: 
licher, als daß fich zwiſchen dem franzöfifchen Philoſophen 
und dem italieniſchen Patrioten, der zum Tode verurtheilt, 
ohne alle Hülfsquellen, ja, faft ohne Brot, unter einem 
fremden Namen in Paris fich insgeheim aufbielt, eine 
Belanntfchaft entfpann, bie bald zur innigften Freund⸗ 
(haft wurde. Doc hören wir die Worte Couſin's ſelbſt, 
foweit fie zur Charakteriftit feines Freundes dienen. 

Ich fand — fagt er — mehr noch in ihm, als ich erwar: 
tet hatte. In feiner Miene, feinem Gange, allen feinen Wors 
ten fpiegelte fi al das Feuer und bie ganze Thatkraft bes 
Verfaſſers der Proclamation vom 23. März wieder. Zu glei: 
cher Zeit fchien ihm der traurige Zuftand meiner Befundheit bas 
innigfte Mitleid einzuflößen, das ſich jeden Augenblid durch bie 
Lebenswürbigfte Sorgfalt ausſprach. Indem er mich in einem 
fo Eritifchen Zuſtande fah, vergaß er ganz fich felbft und dachte 
aur an mid. — Er hatte den Namen Conti angenommen unb 
wohnte nicht weit von mir in einem Dachfläbchen mit einem 
turiner Freunde, der, ohne an der Revolution Theil genommen 
zu haben oder durch fie blosgeftellt zu fein, freiwillig fein Va⸗ 
terland verlaffen hatte, um feinem Freunde zu folgen. Welcher 
Urt war nun der Mann, in beflen Verein man die Verbans 
aung den Freuden bes Baterlandes und ber Familie vorzog? 
Es if unmöglich den Reiz feines Umganges zu beſchreiben. 
Diefer Reiz beſtand für mich, ich wieberhole es, in dem Ver⸗ 
eine von Kraft und Gutmüthigkeit, ber fih in ihm kund gab. 
Ich fah ihn immer bei dem geringften Scheine von Hoffnung 
zu gefährlichen Unternehmungen bereit, und doch zugleich be: 
glädt, fein Leben in der Werborgenheit mit der Sorge um einen 


Ieibenden Freund binbringen zu Zönnen. Gen Herz war ein 
unesfchöpfiicher Brunnen liebevoller Gefühle. Er war gutmä= 
thig bis zur Liebe für alle Welt. Begegnete er auf der Straße 
einem unglüdlidden Armen, fo theilte er feinen legten Heller mit 
ibm; war feine alte Wirthin ein wenig krank, fo forgte er 
für fie wie ein Sohn; bedurfte Jemand feines Raths, fo ſpen⸗ 
Sete er ibn ruͤckſichtsloss — und bas Alles nur aus einem un= 
wiberftehlichen Triebe feiner herrlichen Natur, deſſen er ſich gar 
nicht einmal bewußt war. Auch Eonnte man ihn nicht kennen, 
ohne ihn zu lieben. Ich zweifle, ob jemals ein menſchliches 
Geſchoͤpf, felbft ein Weib, fo geliebt worden iſt wie er. Gr 
batte in Zurin einen Freund, bem er feine zurüdgelaffene Frau 
und Kinder anvertrauen Tonnte, und ein anderer war ihm, 
wie oben erwähnt, in bie Verbannung gefolgt. Bier noch ein. 
ſchlagendes Beiſpiel von biefem Gefühle, das er einflößte. Noch 
ganz jung in dem Regimente feines Vaters angeftellt, Hatte 
man ihm einen andern Knaben feiner Heimat zum Kameraben 
gegeben, ber aber nachher bas Heer und Piemont verlaffen und 
feinen jungen Deren aus den Augen verloren hatte, aber bag 
Andenken an diefen war tief in feinem Herzen geblieben, und 
eines Tages ſah ber jeht im Elend fchmachtende edle Graf in 
fein Dachſtübchen plöglih den armen Boffi treten, ber in Paz 
vis das Handwerk eines Limonabiers angefangen und burdy bie 
Beitungen die Abenteuer feines ehemaligen jungen Offiziere ver- 
nommen hatte. Die Nachrichten, bie ihm hierdurch zugekom⸗ 
men waren, hatten ihm keine Ruhe gelaflen, bis ex die Woh⸗ 
nung feines alten Herren ausgelundfchaftet, zu dem er nun kam, 
um ihm feinen Sparpfennig anzubieten. Späterhin, ale Sans 
ta⸗Roſa im Gefängniffe des Saales Saint: Martin faß, babe 
ih Boffi und feine Frau unzählige Male mit einem Körbchen 
Brüdte im Arm ftundenlang warten ſehen, bis die Thüre fidh 
finete, um dann mit bem Refpect eines alten Dienerd und ber 
adeeliteit eines wahren Breundes ihre Gabe ihm anbieten zu 
nnen. 

Bom Det. 1821 bis zum 1. Ian. 1822 lebten wir in 
der vertraulichften und innigſten Verbindung. Während bes 
Tages, bis 5 oder 6 Uhr Abends, blieb er in feinem kleinen 
Zimmer mit Lefen und Vorarbeiten zu einem Werke über bie 
eonftitutionnellen Regierungen des 19. Jahrhunderts befchäftigt. 
Nach Anbruch der Nacht verlich er feinen Verfted und kam zu 
mir, um ben Abend in meiner Gefellfchaft bis 11 oder 12 Uhr 
des Nachts zuzubringen. Santa⸗Roſa war ein eifriger Freund 
gefelliger Unterhaltung und plaubderte vortreffli. Aber ich war 
damals fo hinfällig und ſchwaͤchlich, daß ich die Kraft feiner 
Rebe nicht ertragen konnte. Sie verurfadhte mir Fieber und 
eine Aufregung ber Nerven, bie faſt mit Ohnmachten endigte. 
Bei folgen Gelegenheiten wurde ber thatfräftige Mann mit der 
feurigen Stimme zum liebevollfien Weſen. Wie viele Raͤchte 
bat er nicht mit meiner alten Wirthfchafterin mir zu Häupten 
am Bette gefeflen! Wenn es dann wieder beffer mit mir ging, 
legte ex fih, angekleivet wie er war, aufs Sopha und fchlief 
bei feinem guten Gewiſſen und feiner unvergleichlichen Geſund⸗ 
beit tro& alles Kummers in wenig Augenbliden ein, um erft 
mit Zagesanbruch wieder aufzuwachen. 


Ich muß bier fein Äußeres zeichnen. Ganta:Rofa war 
faft 40 Jahr alt und von mittlere Größe, ungefähre 5 (paris 
fer) Fuß 2 Zoll hoch. Bein Kopf war ſtark, feine Stirn Tabl, 
die Lippen und bie Nafe ein wenig zu bil; für gewöhnlich trug 
er eine Brille. Nichts Zierliches in feinen Manieren, vielmehr 
ein männlicher Zon unter fonft höchft feinen Formen. Gr war 
durchaus nicht Schön, aber fein Geficht Hatte, wenn er ins 
Feuer kam — und er war immer feurig — ctwas fo keiten: 
ſchaftliches, daß-es intereffant wurde. Am merfwärbigften an 
ibm war eine ungemeine Körperkraft. Weber groß noch Hein, 
weber bil noch mager, war er in Anfehbung ber Kraft und 
Behenbigkeit ein wahrer Löwe. Hoͤrte er nur irgend auf gu 
beobadıten,, fo ging er nicht mehr, fonbern fchnellte fort. Geire 
Muskeln waren von Stahl und feine Hand ein Schraubenflod, 
in welchem er die Stärkften fefthielt. Ich habe ihn faft ohne 





1385 


“ bie ſchw Tiſche Heben fehen. Die Längften , artigk 
ꝛ —— — re a Ben Felt und Kim wie zum Kriege ihrer 


S Handwerk, das er auch leibenfchaftlich liebte, geboren. Er war | der G 
. Grenadierhauptmann geweſen unb Niemand hatte von der | dem g 
, Ratur mehr von Dem empfangen, was in pbofifcher wie in | Bultaı 
geifliger Hinſicht den Soldaten macht, als er. Seine Geberben | Vorret 
' waren belebt, aber ernfthaft; feine ganze Perfon und fein gan= | nale r 
zes Äußere trugen den Ausbrud der Kraft. vielt 
Wir hegten im Grunde diefelben Meinungen und Er bat | rungen 
t nicht wenig dazu beigetragen, mich in meinem guten ®lauben | fegung 


zu befefligen. Wie ih, war er durch und durch conflitutionnell, | ungead 
weber ein Serviler noch ein Demokrat, ohne Neid und ohne | ganz 1 
Übermuth. Gr teachtete weder nach Vermögen noch nach Rang, | Heil u 
und materielles Wohlfein war für ihn ein gleichgültiges Ding; | Arbeit 
wohl aber firebte er eifrig nah Ruhm. Ebenſo war er in | urtheil 
Sachen der Moral ein aufrichtiger Freund der Zugend und | urtheil 
hatte einen vegen Sinn für Pflicht; zugleich aber empfand er | größter 
auch das Bebürfniß, zu lieben und geliebt zu werben, und Liebe | des Di 
ober eine zärtliche Breunbfchaft war feinem Herzen unentbehrs | weil ü 
dd. In veligidfer Hinfiht galt er in Italien für einen FR ftellten 
frommen Mann, und in der That war er voll Ehrfurcht für | vorwal 
das Chriſtenthum, das er zum Begenflanbe aufmerffamen Stus | ven au 
diums gemacht hatte. Gr war fogar ein wenig Theolog. So | Lichkeit 
erzählte ev mir, baß er in der Schweiz mit ben proteftantifchen | bavon 
Sheologen bisputirt und den Katholicismus gegen fie vertheis | Nr. 8, 
digt Habe. Aber fein Glaube war kein bigotter wie der Mans 
ont’s, und Taum Habe ich im Srunde feines Herzens mehr als 
en Blauben des favoyarbifchen Vicars (wol bes in Lamartine’s 
„Jocelyn“ — 7) erblidt. Lern⸗ und wißbegierig, übrigens aber 
Alles an bie Politik anlnüpfend, verfchlang er in meinen Bü: 
chern Alles, was auf Moral oder das praktifche Leben Bezug 
Er Obgleich liberal, oder vielmehr weil er es wirklich war, 
rchtete er ben Einfluß der vorgeblich Liberalen Declamationen, 
und bie Erkenntniß vom fortwährenden Sinken bes religiöfen 
Glaubens in der europäifchen Geſellſchaft ließ ihn die Nothwen⸗ 
digkeit einer edeln und erhabenen philofophifchen Moral fühlen. 
Natürlich war feine wohlgebilbete ebelmüthige Seele der Sig 
beenünftiger metaphyſiſcher Anfichten. Niemand auf der Welt 
hat mich in meiner philofophifchen Laufbahn mehr ermuthigt 
und aufrecht erhalten als ev. Weine Anfichten waren bie feinen 
geworden, und wäre er in Frankreich geblieben, fo würde er 
für die gufe Sache der Philoſophie in ihrer Anwendung auf 
Moral und Politik ein ausgezeichneter Schriftfteller mehr und M 
ein feftes, Hochgefinntes, Überzeugendes Organ geworden fein. Ref. ui 
Do kann man nicht behaupten, daß er eigentlich Literat | — fl! 
oder Philofoph gewefen wäre, vielmehr war er Militaie und | Schon 
Politiker. Sein Geiſt war gerad und das echte treffend wie | hamme 
fein Herz; er verabfcheute die Paradoren und begte in wich: | Ausbill 
tigen Materien einen tiefen Widerwillen gegen alle gewags 
ten, willtürlichen und blos individuellen Meinungen. Gr fchalt 
mid oft wegen mehrer meiner Meinungen und führte mich ohne 
Unterlaß von fchmalen und gefährlichen Pfaden der individuel⸗ 
len Theorien auf bie große Straße des gefunden Menfchenvers 
flandes und des allgemeinen Bewußtſeins zurüd. Er war wes 
der ein umfaflender, noch ein origineller Denker, aber er befaß 
ein tiefes und Träftiges Gefühl und ſprach und fchrieb mit Ernſt 
und Feuer... Seine Schrift über die piemontefifche Revolution ent⸗ 
Hält wahrhaft fchöne Seiten. Und bies war nur fein erfier Vers 
fach; was würde er nicht geleiftet Haben, hätte er länger gelebt? 


(Die Bortfegung folgt. ) 





Die Verherrlichung der Stadt Burfa. Eine Reihe tür: 
kiſcher Gedichte von Lamy’y. In das Deutfche über: 
tragen von Auguft Pfizmaier. Wien, Gerold. 
1539. Gr. 12. 14 Gr. . 


SJammer’s „Reife von Konftantinopel nach Burfa und dem 
Dlymp’ (Peſth 1818) veranfchaulicht uns einigermaßen bie Groß: 





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1386 | \ 


Was vüthreipaft In dieſer Mel”, 
Was die Natur verbougen Hält, 
Di tiven und verzeidmen fie, 
Und weißen von der Wahrhdelt wie. 
Sie zänden, wenn bie Nähte nah'n, 
Sich bei den Sternen Kerzen an, 
Und jeder Stern mit hellem Schein 
Schmitzt glei dem Wacht, verzehrt von Pein (M. 
Wenn ibrer Rede Ion fie Hören, . 
Da wollen Engel fid) belehren — 
Bon ihrer Weber Strich gezogen 
Drebt fi im Kreis der Himmelsbogen. 


Daß eine gewiſſe Vorliebe zu feltfamen Hyperbeln feit- 
md ift, verſteht füch bei dem morgenlänbifchen Dichter von 
- fe Man ehe Hierga noch außer den gegebenen Beifpielen 
Nr. 16 und 17, „Der Bach Kaplulaja‘ und „Die Wunder: 
quelle Tſchamludſcha“ (&. 88 — 89): 
Kaplukaja der Aamuth Bild! 
Ein Luſtort iſt ſtin Uferrand, 
Und feinen Reiz faßt Mein Verſtand: 
Bon Bucher iſt fein Bett erfuͤllt, 
Ein Strom von Roſenwaſſer ſchoilt — 
Bun rm haut friſcher Ambrabuft, 
Der reinſte Moſchus If die Luft! 
Fuͤrwahr durch den edea’fhen Hain - 
Fließt kaum ein Strem fo hell unb rein! 
Die Bunderquelle Tſchamludſcha. 
Sieh Tſchamludſcha, die Wunderquelle! 
Ein Garten blüht an biefer Stelle, 
Bor welchem Edens Pracht vergeht. 
Vom Himmel ift fein Gruͤn gefärt, 
Bon Engeldand gepflanzt die Schar 
Der Bihten an der Quelle Mar, — 
Und jeder Baum ald Anka (dev Greif) baut 
Sein Neft dort, wo ber Himmel graut. 
Faſt Ironie Tönnte fcheinen die Gingangeflrophe von 
Fir, 39 (©. 62): “ s j 
Als erſter Sultan ging voran 
Der Staubendlämpfer Shah Dbman : 
- Mit feinem Schwert prägt’ er allein 
Beweife den Ungläub’gen ein. 


b ir als igenthümlich aus: Nr. 43 
(8. *⸗ een in e hea ee Freude —*8* 
ge Speiſehaͤuſer“ (zur Bewirthung bee Armen bes 


Bon Ort zu Ort entflehn Sebäube, 
Beflimmt allein zu Luft und Freude. 
An Sütern find die Küchen reich, 

Den bimmlifhen Gemaͤchern gleich. 
Fürs ganze Land wol reichten hin 
Die Spenden, ohne Maß verliehn. 

- Sn Säulen wirbeln DämpP empor; 
Der Himmel flieht durch trüben Flor 
Und dreht fih wie ein große® Rad, 
Wenn dunktelnd ibm der Schwindel naht. 


Den Engeln füße Nahrung bringt 
Der Duft, der zu den Sphären dringt. 
Die runden Tiſche ſteh'n im Kreis: 
Ihr Silber ift wie Lillen weiß, 
Omaragben gleich ihr Porzellan. 

Der Seele Koft lat Jeden an; 

Denn Bläub’gen ift dad Hand geweiht, 
Für Fromme fteht fein Tiſch bereit, 
Wo bed Gebetes Ton erſchallt: 

Für Geiſter iſt's ein Aufenthalt. 


phen des Schlußgebichtä: „Des Dichters Entſchulvigung 
zutheilen, in denen fich 
lich rührende Weiſe ausſpricht. 


Endlich koͤnnen wie uns nicht verſagen, die Iatten: — 
Indivdbuolſtaᷣt deſſelben auf ——— 


Du flieht, es zittern beine Glieber: 
D leg die Feder aus ber Hand! 
Das Bud bed Herzens fihließt fi$ wieder : 
D leg bie Blätter auß der Hand! 
Betrachte nur der Geiſter Land. 
Gen Himmel richte deine Schwingen, 
Um Gott die Seele darzubringen! 
Unb find dir einft in Luft die Stunden 
Bei des Verderbens Glas entſchwunden, 
Betritt jetzt froh (es iſt die Zeit!) 
Die Wohnung der Beſtändigkeit: 
Um wuͤrdig ſeines Reichs zu ſein, 
Beſchaͤft'ge dich mit Gott allein! 
Dieſe überſetzten türkiſchen Gedichte zeichnen ſich trefflich 
vor einer zahlloſen Menge nicht ganz unberühmt gebliebener 
deutſcher Originalgedichte aus. 96. 





Literarifhe Notiz. 

Sin wichtiges geographiiches Wert ift die Sammlung- 
aller an den Marineminifter gerichteten Berichterftattungen des 
Capitains Dumont b’Urville, welcher bie Erpebition bee Gors 
vetten L’Aftrolabe und la Zeléee nad) dem Güdpole und im 
Deean befehligte. Diefe Srpedition gehört zu ben widhtigften, 
welche in des jüngften Zeit unternommen wurden. Die Samm⸗ 
lung ift mit vier großen Karten verfehen, welche die in ben 
Gübmeergegenden von ben Fahrzeugen eingefchlagenen Straßen 
und die Entbedungen anzeigen, bie biefer unerſchreckene See— 
fahrer gemacht hat. 5 


Literarifhe Anzeige. 


Durch alle Buchs und Kunftbanblungen iſt von mit 
beziehen das Bilbniß von ’ Br 


Marl Friedrich Lessing. 
Geftochen nad) dem Gemälde von 3. Hübner 
von Th. Langer. 


Diefes Bildniß, das für das ähnlichſte des ausgezeichneten 
Künſtlers gilt, ziert den Jahrgang 1841 der Urania, und 
es find davon einige befondere Abdrücke auf großem Papier zu 
dem Preiſe von 8 Gr. veranftaltet werben. 

In meinem Berlage erfchienen ferner nachflebende Bild⸗ 


niſſe, meift zu fruͤhern Iahsgangen ber Heaminz es find da⸗ 


Drüde für S Sr, zu erhalten = 
BSauernfeld: ’ . 
Caſteni. Cornelius. Dane 
necker. Jakob Bla, Goethe. Hamann. Alerxander 
dv. Kumboldt. mn. Koseiuszko. Gerhacd 
v. elgen. Eamcgartine. Albin v. Mesd . 
Felix endels ſohn ⸗ Vartholdiy. Wilhelm Müller. 
Deblenfegläger. Jean Paul Friedrich Richter. SEIN. 
Johanna Scho enhß ver. Ernſt Schutze. 4 — 
+ Br, Thorwalb ſen. w + 
De Zelle. Jelter. 
Leipzig, im Rovember 1840. 


F. A. Brockhaus. 







von fortwaͤhrend gute IH 
uber, MWaggefen. 
Calberon. Ganose. 








Verantwortiiger Herausaber: Heinzrih Brokhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brodhaus in Leipzig. 





Blaͤtt 


für 


Literarifde Un 








, Al 
Mittwoch, — Kr. 33 
| 
Santa:Rofa. vet 
(Fortfegung aus Nr. 336.) gen ı 
In Sachen der Politid zeigte diefer angebliche Revolution= | beiden 
nair eine foldhe Mäßigung, baß, wenn er zu jener Zeit Mit: | gen c' 
glied der frangöftfhen Deputirtentammer gewefen wäre, er zwis | gen II 
ſchen den Herren Rain? und Reyer⸗Collard feinen Sig einge: | erzäh 
nommen haben würde. Meine Kreunde und ich wurden bamals | ben, 
vom Miniflerium Richelien nit zum beften behandelt und | volutii 
waren deshalb nicht immer gerecht gegen daffelbe. Santa⸗Roſa J 
ſetzte mit feinem gewohnten Ernſte meinen Aufwallungen einen | im fi! 
Damm entgegen und wunderte fi fehr über die meiner be | milie 
fonnenften Freunde. Ich erinnere mich noch, wie Santa-Rofa | litair 
eines Abends bei mir einer ernften Beſprechung, an der die | die fr: 
Herren Humann und Royer: Collard Theil nahmen, beimohnte. | torre 
Es handelte fih um den Entſchluß, den man unter den dbama= | Rateı 
ligen Umftänden in Betreff des Minifleriums Richelieu faflen, | fehied | 
ob man es fortbeflehen Laffen, oder durch eine Verbindung mit | der €: 
der äußerſten Rechten flürzen follte. Hoyer» Sollard meinte, | Tpäter 
daß nah einem Gturze des Minifteriums Ricelicu zwar bie | Piem 
Herren Corbiere und Villele ans Ruder fommen, ſich aber nicht | Enbe. 
ſechs Monat würden halten können, daB dann aber ein liberas | und |ı 
leres Minifterium unvermetdlich ſei, ſodaß der Sturz des Mi- | Erfol 
nifteriums Nichelieu indirsct zum Triumphe der liberalen Sache | persg 
führen müſſe. Keine Ausſicht konnte wol für einen Profcribir= | in di 
ten wie Santa: Rofa verführerifcher fein als diefe, bie ihm ein | in efn! 
liberales Minifterium und mit ihm ein befieres Scidfal der | ward 
piemontefifchen Verbannten in Frankreich verſprach. Nidhtdeftos | maltu ı 
weniger foderte er mid auf, mich aus allen Kräften diefem | eine ! 
Darteimanoeupre, dem er einen fehr flrengen Ramen gab, zu | redete 
wibderfegen. " Berm ı 
„Nehmen Ste Feine Rückſicht auf mi — fagte ee —, ih | men. 
werde, was ich kann. Thun Ste dagegen Ihre Schuldigkeif, | verm« 
und als guter Bürger haben Sie keine andere, als ein Minis | Enth | 
flerium nicht zu belämpfen, das das legte Hülfsmittel gegen | Daufı | 
die allem Fortfchritt und aller Aufllärung feindfelige Partei ift. | Rapo 
Man darf nichts Boͤſes thun in der Hoffnung, damit Gutes | fo vı 
zu ernten. Ob Sie die Herren Eorbiere und Billdle fpäterhin | So r 
werden flürgen können, beffen find Sie nicht gewiß; mol aber | lichen | 
wiffen Sie fiher, daß ihre Regierung ein Über if. Wäre ih | Stur ! 
Deputirter, fo würde ich 28 verfuchen, das Miniſterium Riche: | er zu 
lieu gegen den Hof und bie rechte Seite zu Präftigen.” Dies | bahn | 
ward auch meine Anſicht; aber fie fiegte nicht, und das Gr: | tiven 
gebniß davon war ber Sturz des Miniſteriums ichelieu und | mein« 
die fiebenjährige Dauer des darauf folgenden Minifteriums Cor: | minif 
biere - Billele. leide 
Die erften Folgen biefes Ereignifſſes fühlten bie piemontes | einer ı 
fiihen, ruhig in Parts unter angenommenen Namen lebenden | fon. | 
Flüchtlinge, die von nun an ben Berfolgungen und Piadereten | angef ı 
der franzoͤſiſchen Policei ausgefegt waren. Bald erhielt auch | bahn 
Rofa die Warnung, daß ihm die Policei auf der Spur fei und | Stali ı 
ihn zu verhaften fuche. Um ihn alfo dieſer Maßregel und dem | offen ! 
Schickſale, möglicherweife ausgeliefert und in Piemont bingerichs I ſchwe 





1358 


die die Freundſchaft SantasRofa’s in meinen Bufen niebers 
legte; aber Eins kann und muß id} fagen, nämlich daß Gantas 
Rofa damals, in ber tiefen Ginfamkeit, in der wir zufammen 
lebten, mir, feinem vertrauten Freunde, deſſen politifche Anz 
ſichten minbeftens ebenfo weit gingen als die feinen, mehr als 
zwangigmal verfiderte, daß feine Freunde und er nur erfl 
fehe ſpaͤt in Verbindung mit ben geheimen Geſellſchaften getre- 
ten waren, erſt als es aufs Äußerfle gelommen war und fie 
einfahen,, daß die piemontefifche Regierung zu ſchwach fei, um 
allein Öftreich zu wiberfteben, baß eine Militairrevolution un: 
zureihend bleibe, wenn fie ſich nicht auf eine bürgerliche ftüge, 
und daß zu einer folhen die Mitwirkung der geheimen Gefell: 
schaften unerlaßlih ſei. Er bebauerte biefe Nothwendigkeit, 
Hagte aber ben Adel und die beftgenden Claſſen Piemonts an, 
das Land und fich felbft dadurch ins Verderben geftürzt ‚gu 
haben, daß fie nicht ihre Schuldigkeit geihan, den König nicht 
laut von den Gefahren, in denen bas Land ſchwebte, unters 
zichtet,, und daß fie Hierdurch die Patrioten gezwungen hätten, 
w Berſchwoͤrungen ihre Zuflucht zu nehmen. Ganta:Rofa’s 
% ichkeit war allem Geheimen abgeneigt, und ohne daß er 
mir es fagte, fah ich deutlich, daß er, bei feinem ritterlichen 
Sinn, eine Art innerer Scham verfpürte, nach und nach bie 
zu bdiefem legten Mittel getrieben worden zu fein. Ohne Uns 
terlaß wiederholte er mir: „Die geheimen Geſellſchaften find 
die Peſt Italiens; aber wie kann man fie vermeiden, wenn es 
eine Öffentlichkeit, kein gefegliches Mittel, ungeſtraft feine 
Meinung auszufprechen, gibt?” Gr erzählte mir, daß er 
ange den Vorſatz bewahrt, an Eeiner geheimen Geſellſchaft Theil 
nehmen, fich alles materiellen Handelns zu enthalten und 
7 auf geiftige Thätigkeit, auf bie Macht des Wortes zu bes 
fchränten, um durch Schriften moralifchen ober politiſchen Ins 
halts auf die Öffentliche Meinung Italiens einzuwicken und fo 
die Wiedergeburt Italiens gu befördern. Died nannte er eine 
literarifche Verſchwoͤrung. Sicherlich wäre fie nüßlicher geweſen 
als die traurige Schilberhebung von 1821. GantasRofa’s Ge⸗ 
danke war es nun, jene literarifche Verſchwoͤrung im Schoofe 
Frankreichs wieder zu beginnen, und fein Zroft befand barin, 
nicht zu feinem Nutzen thätig gewefen zu fein, ſondern nur an 
fein Land gedacht zu haben. Sein gutes Sewiffen, im Verein 
mit feiner angeborenen geiftigen Kraft, ſchuf ihm in unferer 
Einfamteit von Auteuil ein ruhiges und faft glüdliches Leben. 
Der ſchlechte Zuftand meiner Geſundheit und feine unkluge 
Freundſchaft, nebft der feigen Erbitterung ber franzöflfchen Po⸗ 
Iicei, viffen ibn aber aus biefer Einſamkeit und flürzten ihn 
ins Verderben. Eines Tages war nämlich der Zufland meiner 
Bruft fo beunrubigend, daß Santa: Rofa, bavon erfchredit, mich 
beſchwor, nach Paris zurüdzufehren, um bdafelbft einige Hülfe 
zu fuchen. Ich gab feinen Bitten nach und ging wieder nach 
Paris. Santa⸗Roſa, beforgt um mich, konnte es in Auteull 
nicht aushalten, unb den Abend ſah ich ihn an meinem Bette. 
Statt nun bei mir zu bleiben, wollte er bie Nacht in feiner 
alten Wohnung zubringen; bevor er ſich jedoch dahin begab, 
beging er die Unklugheit, ein Kaffeehaus zu befuchen, um bie 
Beitungen bafelbft zu lefen. Kaum hatte ex es wieder verlaflen, 


als er von einer Menge Policeibiener feflgenommen, auf bie 


Yoliceipräfeetur gebracht und ins Befängniß geworfen wurbe. 
Wahrſcheinlich hatte man ihn an der Barritre, wo er ſchon feit 
langer Zeit fignalifict war, erfannt. 

Wir übergeben bier ben weitern Bericht Coufin’s 
über die gerichtliche Unterfuchung, in welche Santa :Rofa 
wegen angeblicher Umtriebe gegen bie franzoͤſiſche Regierung 
verwidelt wurde und bie mit der Erklärung von Seiten 
bed Unterfuchungsrichters endigte, daß Fein Grund zur 
Anklage vorhanden ſei. Xrog dieſes Ausſpruchs des Ge: 
richts und der dadurch bewirkten Steilaffung wurde San: 
ta⸗Roſa dennoch vom Minifter Corbitre aus Paris und 
nach Alenson unter policeiliche Aufficht verwiefen. Zwar 


l 


proteſtirte Santa⸗Roſa hiegegen und verlangte, daß man 
ihn entweder in Paris laſſe oder Paͤſſe nach England 
gebe; aber er erhielt gar keine Antwort darauf und ward 
ohne Weiteres nach Alencon gebracht. Seinen Aufenthalt 
in dieſer Stadt ſchildern einige Briefe an Coufin, die 
diefer mitteilt. In diefen Briefen zeige fi Santa = Rofa 
ganz von ber ſchoͤnen Seite des Herzens, ganz fo gut- 
müthig, theilnehmend, bingebend, ganz fo edelmüthig, 
moralifch = religioͤs und männlicy = refignirt, wie ihn ung Cou⸗ 
fin fchildert; eher Eönnte man in ihnem ben Feuergeiſt 
und die Energie des Charakters vermiffen, die ihm dieſer 
ebenfalls zufchreibt. Da fie meiſtens nur die momentanen 
äußern Verhaͤltniſſe Santa:Rofa’s zum Inhalte haben 
und weder bedeutende Lebensfchidfale deſſelben fchildern, 
noch fonft intereffante Begebenheiten und Perfönlichkeiten 
zum Gegenſtande haben, fo übergehen wir fie und heben 
nur einige Stellen aus, die zur Charakteriftil ber Anſich⸗ 
ten ihres Verf. dienen. So kommt er bei Gelegenheit 
eines Urtheils über Coufin’s Philofophie auf den Zuftand 


- Europas zu ſprechen und aͤußert ſich barlıber folgender-, 


maßen: 

Erſchreckt es Sie nicht, die widhtigften reliniöfen und mo⸗ 
ralifhen Wahrheiten den Angriffen von zwei der öffentlichen 
Drdnung und dem Glück der menſchlichen Sefellfchaft gleich ges 
fährlichen Arten von Menfchen preisgegeben zu fehen? Gehen 
Sie nicht, daß der Sieg, mag er nun der einen oder der an- 
dern Partei zu Theil werben, jebesmal gegen bie wahre Frei⸗ 
beit benugt werben wird, deren Verbindung mit der. Moral 
doch ein unzerftörbares Geſetz der ewigen Weltorbnung ift? In 
diefem Kampfe des Böfen gegen das Gute, in biefem Kampfe 
eier Princeipien — doch nein, das Boͤſe iſt kein Princip, es 
ft nur eine Thatſache — ift e6 eine Pflicht, feine Stimme 
vernehmen zu laffen, wenn man das Bewußtfein feiner Kraft hat. 

Santa:Rofa war in feinem Erile mit einem flaate- 
wiffenfchaftlihen Werke über die conjlitutionnellen Re: 
gierungen befchäftigt; alle feine Studien bezogen fich hier: 
auf und Häufig berichtet er darüber in feinen Briefen 
an feinen Freund Coufin. Bei einer folchen Gelegenheic 
äußert er einmal: 

IH babe die Grundgedanken des Werks, das mic jebe 
Stunde bes Tags beihäftigt, aufs Papier zu bringen ange- 
fangen. Je weiter ich vorwärtsfchreite, je mehr ich eindringe, 
deſto dunkler fehe ich es um mic) werden. WBonald (den er 
eben vorhatte) hat tiefe und bewunbernswerthe Sachen, aber 
er bat auch andere, die Einem ein mitleidiges Lächeln abnöthi- 
gen oder gar in Entrüſtung verfegen. Bonald und Tracy kom⸗ 
men darin überein, bie Alten herabzufegen, jene Alten, benen 
wir fo viel verdanken und deren ehrwürbdige Überbleibfel die 
Sivilifation wiedererwedten, die fchon verfallen war. Das 
Chriſtenthum hat vielleicht verhindert, daß dieſe Givilifation 
nicht gänzlid) mitten unter den Barbaren zu Grunde ging; 
aber ihre Wiedergeburt ift jedenfalls dem Wiederaufleben bes 
Studiums der Alten zu danken. Jegttt behandeln wir unfere 
Meifter mit Verachtung und erklären uns für weiſe, aufge= 
Märt, groß, während fo viel Dinge um uns vorgeben, die 
uns demüthig machen ſollten .... Es fcheint mir nothwendig 
und aud völlig wahr, einen weſentlichen Unterfchied zwifchen 
allgemeinem und indivibuellem Nutzen zu ftatuiren. Der allge= 
meine Nuten, ben ih auch, um ihn mir felbft zu erklären, 
@leichheit der Wreibeit nenne, muß das Biel der Sefege fein. 
Diefer allgemeine Nutzen ift auch das Glück, und zwar das 
größte Süd aller Individuen. Das Süd befleht darin, thun 
zu können, was man will; damit aber Alle dies Glüͤck genics 


’ - 
4 1859 
. 


Sen innen, darf man nichts thun, was dem Anbern Schaben 
bringen Eönnte. Die Entwidelung der Rechte des Menſchen 
ift das Ziel des Gefehgebers, wie bie Lehre des Defalogus das 
Biel des Prieſters. Gott iſt ber Mittelpunkt von biefem Allen. 
Die Unterwerfung bed Starken unter die Befege, welche ben 
Schwachen befhügen, ift unerflärbar ohne Bott. Die Freiheit 
ler Tann nicht anders als im gefellfchaftlichen Zuſtande ſtatt⸗ 
finden. Unter welchen Bebingungen? Wie? Das erfte Er: 
Foberniß ift, daß die Freiheit über ber Gewalt ber Mehrheit 
Ttehe; eine Wahrheit, bie Rouffeau leider nicht erkannt hat. 
Zwar kann man die Freiheit nicht ganz außerhalb der Gewalt 
der Mehrheit flellen, denn es wäre bann gar Feine fociale Exi⸗ 
fen; möglich; befienungeacdhtet aber glaube id, daß die haupt: 
Faächlichſten Garantien ber individuellen Selbſtaͤndigkeit, oder, 
zit andern Worten, ber Eoftbarfte Theil der Freiheit nicht dem 
Belieben der Mehrheit überlafien werden darf. Diefer bleiben 
immer noch die Verfafiungs: und Verwaltungsgeſetze. Sociale 
Geſetze dagegen würbe ich bie nennen, welche ben Bereich der 
Freiheit jedes Einzelnen feflfegen, um bie Aller dadurch ficher 
zu ſtellen. Mag man biefe letztern nun Rechte, Pflichten, Sa: 
zantien nennen, fo iſt das glei; Recht kann man durch Pflicht 
überfegen, und umgekehrt. 

Santa: Rofa’s Aufenthalt in Alencon dauerte nicht 


ange. Ein Befuh, den Couſin ihm in biefer Stadt 


abfltattete, fowie einige Unklugheiten, die fich die Genof: 
fen feiner Verbannung zu Schulden kommen ließen, ver: 
wmehrten den Verdacht der Pollcei des damaligen Mini: 
ſters Corbiere, die ohnedies überall Verſchwoͤrungen nit: 
terte. Dazu kam noch eine Debatte in der Deputirten⸗ 
kammer, in welcher ſich mehre Oppoſitionsdeputirten uͤber 
die Plackereien, welche die Policei gegen die italieniſchen 
Fluͤchtlinge ausübte, beſchwerten. Die Antwort bed Hrn. 
v. Corbiere, daß die Fluͤchtlinge mit dem Verfahren der 
Megierung ganz zufrieden feien, veranlafte Santa: Rofa 
diefer gänzlih aus der Luft gegriffenen Behauptung in 
einem veröffentlichten Briefe zu widerfprechen und die un: 
redliche Handlungsweiſe des Minifters auf ihren wahren 
Gehalt zurüdzuführen. Diefer Schritt, zu welchem Santa : 
Roſa einzig fein veges, durch die Inſinuation des Mi: 
niſters in feinem Innerſten gekraͤnktes Chrgefühl ange: 
trieberr hatte, erbitterte die Policei dergeftalt, daß fie ihn 
ohne Weiteres von Alenson nad) Bourges bringen ließ, 
wo ihm bie firengfte policeiliche Aufficht, die ihm nicht 
einmal bie Spaziergänge vor den Thoren der Stadt zu 
befuchen erlaubte, das Leben aufs dAußerfte verbitterte. 
Den Borfchlag, heimlich nady England zu entfliehen, den 
ihm feine Freunde ſchon in Alengon gemacht hatten, ver: 
warf er als feiner unwuͤrdig und als ein Gefländniß, dag 
er Deſſen fchuldig fei, weſſen ihn die franzöfifche Policei 
beſchuldigte. Endlih, im Det. 1822, erhielt er, nach: 
dem er früher vergeblihd darum nachgeſucht hatte, bie 
Erlaubniß, fih nad England zu begeben. 

Bald — fagt Eoufin — hatte er Frankreich, für das er 
gefchaffen war, verlaffen und war wie verloren in ber unge: 
heuern Wäfte von London, ohne Vermögen, ohne Hülfsquellen, 
ohne irgend einen einzigen wahren Freund, er, ber nicht lebte, 
als um zu lieben und thätig zu fein. Nach den erften unruhi⸗ 
‚gen Beftrebungen,, ſich eine erträgtiche Lage zu fchaffen, verfiel 
der Unglädtiche bald in eine tiefe Melancholie, aus der er nur 
manchmal erwachte, um gleich wieder in fie zurüdzufallen, bis 
ihn endlich die Langeweile biefes bald zerftreuten, bald einſiedle⸗ 
riſchen Lebens ben großherzigen, aber für ihn verberblichen Ent: 


Thate 





1360 


der Mußk, wo es faft gar zu fehr an ber Tagesordnung iſt, 
die Kunft mit beichrenden Worten flatt mit vorangehenden 
Thaten zu verbefiern. Bu jeder Zeit aber war es ein Zeichen bed 
beginnenden Verfalls der Kunft, wenn die Theorie fich derfelben 
u ſehr bemächtigt, natürlich da diefe erft der fchöpferifchen 
raxis folgen konnte. Um fo mehr muß man es aber in Zei⸗ 
ten, wo fo viele Worte gemacht werben, ſchäten, wenn man 
gute vernimmt, wie bie unfers Verfaſſers. Er zeigt fi faft durchs 
ea als ein Mann, ber nicht nur redlich gearbeitet, fondern 
—* ſeine Kunſt verſtaͤndig durchdacht hat. Der Fehler bei 
dem Buche iſt nur der, daß es zu viel mit einem Male und 
in gedraͤngtem Raum gewollt hat. Wenn uns Jemand in ei⸗ 
nem Bande das Wiſſenswertheſte aus dem Geſammtgebiete der 
Tonkunſt geben will, ſo muß man annehmen, daß, hat man 
Dasjenige inne, was uns darin geboten wird, man das Übrige 
ats nebenfächtich allenfalls entbehren Zönne. Dem tft aber nicht 
fo, eigentlich flellt der Verf. nur das Aligemeinbelanntefte zu= 
fammen, was als der Glementarbegriff der Kunft zu betrach⸗ 
ten iſt, wobei man beimeltem über bie wichtigſten Dinge nur 
gang obenhin belehrt wird, fowie etwa ein Dann von Bad) 
einem ganz Unmwiffenden einen ungefähren Begriff von einer 
Disfem bis dahin völlig unbelannten Sache geben würde. Als 
Beifpiel für unfere Behauptung mag uns Das dienen, was ber 
Bert. über den Begriff Buge ſagt. Es beſchraͤnkt fih auf 
fieben erklärende Zeilen, aber fo unbeflimmt, daß man daraus 
auch nicht im mindeften einen Begriff von der beflimmten Borm 
einer Fuge bekommt. Das Übrige find die bekannten unge: 
nügenden Muthmaßungen über die Abflammung des Wortes, 
einige äflhetifche Bemerkungen über bie Bebeutung ber Fuge 
u.f. w. Wil uns Jemand das Wiffenswerthefte aus ber Ton⸗ 
Zunft geben, fo muß uns gewiß dabei auch das Wiffensmwerthefte 
der verfchiebenen Theile beigebracht werben, was aber hier nicht 
der Fall if. Dem Muſiker Tann biefes Wiſſen nichts hel⸗ 
fen; dem Laien gibt es allenfalls einen dunkeln, ſehr unbe: 
fimmten Begriff der Dinge. Doc ift das Buch nicht in allen 
Theilen fo ſchwach. Den gefchichtlichen Abfchnitt kann man 
als eine Heraushebung des Wichtigſten allenfalls gelten laſſen; 
indeffen wo die Biographien von Sebaftian und Emanuel Bad, 
Graun, Haydn, Mozart, Beethoven gegeben werden, da dürfte 
man doch mit gleichem Rechte nach) Händel und Glud in nam: 
licher Ausführlichkeit fragen, die jedoch nur beiläufig, beſonders 
Lesterer, bei der Berührung der englifhen und franzöfifchen 
Muſik erwähnt find. Doc das Werk hat auch feine werth: 
vollen Abſchnitte. Dahin gehört befonders der fechöte, worin 
„die Muſik ale Bildungsmittel“ behandelt wird. Bier ift ber 
Verf. ganz auf feiner Stelle, fpricht würdige Anfichten aus, 
denen man nur beipflichten Tann, und entwidelt fie mit Klar: 
heit. Zumal hat er fih dem Geſangsſtudium gewidmet, und 
was er darüber fagt, iſt wirklich das Wiffenswerthefte davon 
und ann ale Anknuͤpfungspunkt für den ausführlichern Unter: 
zicht dienen. Überhaupt ift das pädagogifche Element dasjenige, 
in bem ſich der Verf. am ficherften bewegt, wie er bies auch 
durch feinen ehrenvoll erfüllten Xebensberuf bethätigt hat. Wie 
gefagt, das Buch würde ungleich mehr und wahrhaft Wiſſens⸗ 
würbdiges geben, wenn es hätte weniger geben wollen; fo bleibt 
freitig eine gute Hälfte ziemlich muͤßig, wie redlich auch ber 
Bille ſich überall gezeigt hat. 71. 


Literarifhe Notizen. 


2. Allsury zeigt in einem Journale zugleich vier in Ver⸗ 
. fen geichriebene Werke an: „Provence”, von Abolf Dumas, 
welcher vor zwei Jahren auf dem Dbdeontheater mit einer 
Zr geeie debutirte; ,, Beatrice”, ein Gedicht von Saints 
Rene : Zaillandier; ,‚Fables et apologues”, vom Mars 
quis von Foubras, unb ‚‚Heures d’insemnie”, vom Grafen 
.& be Maricourt, Atteche bei der Gefandeihaft zu Neapel. 


Hlerzu macht der Berichterſtatter felgende Einleitung: ‚„‚Men 
muß von Göttern entfproffen fein, um die Sprache der Börter 
zu lieben; bie Profa, bie ganz gemeine Profa ifl das Brot, 
welches der demokratiſchen Stinnnmg unfere Jahrhunderts zu: 
fagt. Die Profa bat fich. mit der Freiheit der Preffe zugleich 
auf den Thron gefegt. Dichter! eure goͤttliche Kunſt duftet ei: 
was nad) Ariftofratismus, ihr felb ober waret die glänzenben 
Satelliten ber Throne; eure fehönften Denkmale find niches als 
die funtelnden Kinderklappern der Eiviliſation; Plato urırfte 
gar wohl, was er that, als er bie Dichter aus friner Repukfit 
ausfhloß. Dichter! was Habt ihr gemein mit un8? Eur 
eyra, eure wohltönenden Gefänge, eure leichten Zierlichkeiten, 
was haben fie gemein mit diefem ſchrecklichen und mieffingenben 
Durdheinander unfers conftitutionneflen Seſchͤzweſers ? Die 
Proſa ift es, welche von einem Enbe der Welt dis zum ambern 
den Herren fpielt, fie ordnet bie Intereffen der Volker unb das 
Schickſal der Staaten; fie führt das Wort in den fouverainen 
Verfammlungen, fie macht Krieg umd Frieden, flärzt Reiche 
und gründet fie, rettet das Vaterland in ben Tagen Der Er: 
fahr, fie ift das Schwert und das Schild der freien Mökker zc.’ 
Traurig genug, wenn ber Beſitz der trodernen Freiheit nrit 
bem Verluſte fo großer Güter erkauft werden müßte! Dder 
was gewinnen wir, wenn wir zwar unfer tkaͤgliches Brot mit 
dem Bemußtfein, conftitutionnell zu fein, genießen können, wenn 
wir aber einen poetifchen Gebanten weder faffen no ausſpre⸗ 
hen dürfen, welt er etwas Ausfchließliches hat und aus ter 
praktiſch mercantitifchen Richtung der Zeit, aus ihrem journali- 
ftifch raifonnirenden Charakter herausfällt? Hoffen wir, daß 
unfere Zeit, wenn fie zu jenem enexgifchen Charakter, zu jener 
Kunftbildung des alten freien Griechenlands burchgebrungen ift, 
auch ihre Afchylus, Sophokles, Pindar und Ariftophanes haben 
wird. Freilich gehören dazu auch andere Menſchen, ein anderer 
Himmel und andere Götter! Übrigens werden die Poefien be 
Hrn. Abolf Dumas, ihres gefühlvollen Inhalts, ihrer phentas 
fiereichen Lebhaftigleit wegen gerühmt, aber ihrer zu dunfıin, 
unbeflimmten und verſchwommenen Zräumereien wegen getabelt; 
feine Dichtungen gehören zum größern Theile jenm Genre an, 
welches die Franzoſen das intime nennen. Zaillandier if ein 
noch ſehr junger Dichter, poetiſch ervegbar, wie ein junger 
Menſch von zwanzig Jahren zu fein pflegt; feine „Beatrice“, 
ein @ebicht in vier Geſängen, ift ein fehe unvolllommencs 
Gedicht, von bizarrer Auffaffung, nach dem Mobell bes „Ahas⸗ 
ver’ von Quinet geformt, aber rein, keuſch, edel und chriftiich. 
Die Zabeln des Marquis Foudras beweifen eben nur, daß es 
in Srankreich felbft einem Marquis noch Feine Schante bringt, 
Fabeln zu fchreiben, und keinem noch fo berühmten politifchen 
Zournale Schande, darüber zu fprechen. Unter des Grafen 
Maricourt's Gedichten find diejenigen, welche unter dem Ein⸗ 
fluſſe großer häuslicher Leiden entſtanden find, die vorzüglichs 
ſten; es athmet eine füße Melancholie, eine tiefe Empfindung 
darin; aber ber Ausdrud iſt wenig mannicfaltig und hat nur 
eine Seite und nur einen Zon, und der Berfification mangelt 
es ein wenig an Anmuh und Eleganz. 


Die fogenannte librairie d’education von 28. F. Hivert 
kündigt eine Menge gefchichtlicher und geographifcher Werke an, 
weldye von bem fleißigen Victor Boreau oder unter feiner Lei⸗ 
tung verfaßt find, hierunter eine Geſchichte von Franktrich, 
2 Bbe., mit aeograpbiichen, fynoptifchen, ſynchroniſtiſchen Tas 
bellen, von Boreau; eine Geihichte Englands, von Boreau 
und Lafon; eine neue Gefhichte, von Boreau und Dudiron ;. 
eine Geſchichte Rußlands, von Duchiron; eine Geſchichte Po⸗ 
lens, von Cynski und Boreau u. ſ. w. Unter ber Preſſe find 
eine Geſchichte Italiens, von Boreau und Duchiron; eine Ge⸗ 
ſchichte Deutſchlands, von Boreau; ein Werk unter dem Titel: 
„Littooraturo, cours méthodiquse“ und ein anderes unter dem 
Titel: „Siècles litteraires de la France‘ u. f. w. 5. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Werlag von F. X. Brochaus in Leipzig. 





- mar TE we ı1T 


Blaͤtt 


für 


literarifde Un 





Donnerdfag, — Kr. 338 





Santa-Roſda. 
¶( Befchluß aus Nr. 287.) 


Noch mehr charakteriſiren folgende beide Stellen die 
Meinheit und Gediegenheit der Geſinnung und Denkungs⸗ 
weiſe Santa: Rofa’s: 

Ich arbeite gegenwärtig — fhreibt er an Couſin — an 
einer Skigze deu italieniſchen Literatur. Indem ich dabei das 
bewegte Leben Giordano Bruno's, Gampanella’s und einiger 
andern Männer deſſelben Schlags überblicke, Habe ich viel an 
Did) gedacht. Aus biefem florentinifehen Platonismus ging eine 
Sräftige und edelmüthige Jugend hervor, die das Vaterland 
gerettet hätte, wenn bies möglich geweſen wäre; wentgftene 
aber retteten fie ihre Ehre. Wir Italiener des 19. Jahrhun⸗ 
dert dagegen haben nicht einmal diefen traurigen Vortheil. 
Mein Freund, es gibt Gedanken, bie einen Mann fein ganzes 
Leben über verfolgen; du verſtehſt mi und wirft mich bekla⸗ 
gen. Was für Vorwürfe made id mir nicht, und um mel: 
chen Preis möchte ich nicht die SO Tage meiner, durch fo viele 
Yerthämer bezeichneten politifchen Laufbahn zurückkaufen.... 


Bald bin ich 20 Jahr alt; fenrig habe ich nach Glück geftrebt; |. 


ich war dafür gefchaffen, es zu empfinden. Mein bitteres Schick⸗ 
fal hat alles dies durchkreuzt. Doch habe ich noch eine Zukunft: 
ich befite Kinder, liebe und achte ihre Mufter; meine Kinder 
werden mich glüdtidy oder unglüͤcklich machen. Wenn ich dage⸗ 
gen meinen Leiden unterliegen follte, fo fürchte ich nicht das 
Leere, das ſchreckliche Nichte, an das ich weder glauben kann 
noch will, und dem, wenn es auch durch Feine logiſche Demon: 
ftration wibderlegbar fein follte, mein Inneres doc aus freiem 
Willen wie aus Inſtinct für immer und ewig wiberftrebt. — 
Senn idy arbeite, wird mein Gefchriebenes immer der Ausdruck 
meines Gewifiens fein und werbe ich immer mein Vaterland 
vor Augen haben, unb das Andenken an meine Mutter wieb 
auch eine Gottheit fein, die mir mehr ale ein Opfer befiehlt. 
Dies Gefühl iſt eine der Zriebfebern meiner innern Griftenz. 
Gut oder böfe, es if. Es iſt mir aus diefem mächtigen Grunde 
unmdglih, ganz und völlig din neuen Sitten und ber neuen 
Zelt anzugehöeren. 

Dann: 

Alles verurtbeilt mich, ich weiß es; aber wenn ich unters 
gehe, mein Freund, fo find es nicht leichte Wunden, die mei- 
nen Tod verurfachten. Bein Ders war ſchon vor dem Zeit: 
punkte unferer Rıvolution ſchmerzlich zerriffen; ich weiß nicht, 
was aus mir geworden wäre, wenn das italieniſche Kieber 
mi nit —* hätte. Doc kann ich mir das Zeugniß 


eben, daß ich Beinen einzigen Moment Selbflfucht, Furcht ober 
degend eine ar Ha Leidenſchaft gefannt habe. Aber ich 
biteb unter ben Berhältnifien. Je mehr ſich die Ereigniſſe von 
mir entfernen, deſto lebhafter erwacht in mir die Grinnerung 
an meine Fehler. Ich denke noch immer mit Schaudern on 
das unglüdiiche Gefecht von Rovara, wo bas conftitutions 
nelle Heer fo ſchnell in die Fucht gefiblagen ward. Dies iſt 





1362 


Anftelung ertheilen wollte. Er erhielt die Antwort: Man 


werbe feben. 


Den 2. Ian. 1825 verlieh Santa: Rofa Rauplia, nachdem . 


er die Regierung benachrichtigt, ev werde ihre Wefehle in Athen 
erwarten, befuchte nun Epidaurus, Aegina, den Tempel bes 
Zeus = Panhellenios, Tandete den 8. Abends im Piräus und kam 
den Kag darauf in Athen an, wo er einige Tage ber Beſich⸗ 
tigung der alten Denkmaͤler widmete. 

Den 14. San. unternahm er einen Ausflug in bie Um⸗ 
gegend von Athen, um Marathon und das Vorgebirge Sunium 
zu befuchen. Rad) feiner Zurüdkunft in Athen befiel ihn ein 
Wechfelfieber, das ihn fehe fchwächte und in dem Vorſatze bes 
Körkte, nicht nad) NRauplia zurückzukehren, weil das bortige 
Klima nody ungefunder war ald bas von Athen und feine Kranls 
heit nur verſchlimmert haben würbe. 

Da der Kiephtenhäuptling Odpffeus, der in geheimem Gins 
verftändnig mit den Tücken zu ftehen ſchien, gedroht hatte, ſich 
Athens zu bemächtigen, fo trug Santa s Rofa das Geinige dazu 
bei, um biefe Stadt in Bertheidigungsfiand gu fegen. Die in 
Athen erfcheinende Zeitung erzählte von feinem Enthufissmus 
und feiner Tätigkeit; aber fein Ginfluß hörte mit den Drohun⸗ 
gen des Odyſſeus auf, und fo verließ er endlich doch Athen, 
um fich wieder zu feinen Breunden nach Nauplia zu begeben. 

um dieſe Zeit ging man damit um, die Belagerung von 
Yatras ins Werk zu ſehen. SantasRofa, der bis dahin von 
der Regierung noch immer Feine Antwort auf feine Anerbietuns 
gen erhalten hatte, drang von neuem darauf, ihn bei biefer 
Ainternehbmung zu verwenden. Dan ermwiderte ihm: fein Rame 
fei zu befannt und Zönne die Regierung bei.bem heiligen Bunde 
eompromittiren; man bitte ihn daher, wenn er fernerhin in 
Griechenland zu bleiben gedenke, einen andern Namen anzus 
nehmen. Bon einer Anftellung war nicht mehr bie Rebe. Um: 
fonft ftellten ihm feine Freunde vor, daß er bie Verbindlichkei⸗ 
ten, bie er gegen die Bevollmächtigten der griechiſchen Regierung 
in London, gegen feine Freunde, ja gegen ſich felbft Gbernom: 


men haben Eönnte, mehr als erfüllt habe; daß er zu nichts. 


mehr verpflichtet fei und einer Nation, die feine Dienfte nicht 
offen anzuerfennen wagte, nichts ſchuldig fein könne. Santas 
Rofa verließ unter dem Namen Deroffi, als griechifcher Solbat 
gekleidet und bewaffnet, Rauplia am 10. April, traf im Haupt⸗ 
quartier zu Tripoligga ein und folgte mit dem Präfidenten Leon⸗ 
dari dem Heere, das zur Belagerung von Patras beflimmt war, 
nun aber Ravarin zu Hülfe eilte. Als bier der Fürſt Mauro: 
torbato eine Recognofeirung unternahm, um ſich von ber Stel: 
Ing der Heere und ber Lage von NRavarin zu unterrichten, 
verlangte Santa: Rofa ihm folgen zu bürfen, nahm Theil an 
dem Gefecht vom 19. April gegen die Truppen Ibrahim Pa: 
fihas und zog am 21. in NRavarin ein. 

Kortwährend trug er das Portrait feiner Kinder bei fi. 
Als er am 20, einige Tropfen Wafler zwiſchen bem Glas und 
der Malerei bemerkte, dffnete er das Medaillon, um bas Waſ⸗ 
fer zu entfernen, hatte aber das Unglüd, mit biefer Manipu⸗ 
lation die Hälfte des Wefichts feines Sohnes Theodor zu ver: 
wiſchen. Dieſer Unfall machte einen unglücklichen Eindrud auf 
ihn, indem er darin nichts Anderes als ein unglüdhweiffagenbes 
Anzeichen fah. In biefem Sinne ferieb er Tags darauf an 
einen Freund in London: „Tu me riderai, ma sento dopo di 
eiö ch’io non devo pilı rivedere i miei figli.“ 

In Ravarin zurücdgeblieben, verbrachte er, da die Schwäche 
ver Beſatzung die Dffenfive zu nehmen nicht erlaubte, 1% Tage 
mit Leſen und Mebditiren in Erwartung eines entſcheidenden 
Greigniffes. Beine legte Lecture waren Shaffpeare, Davazanti 
und die Tyrtaͤiſchen Gefänge feines Freundes Provana. 


Unterbeffen hatte ſich das griechifche Heer, das Navarin 
entfegen follte, zerfireut und bie griechiſche Flotte hatte die 
Landung der Zürken in Modon nit hindern Fönnen. ie 
Belagerung, die die legten Tage bes April fchläfriger zu wer: 
den ſchien, wurde wieder mit großem Gifer betrieben, bald war 
eine Brefche offen und praftilabel und hatte fi der Feind 100 


itt von der M t. Die beib 
—— vor ee ns noch ein —— — 


‚ber inne hatte. Als nun der Wind am 7. Mai Abends bie 


griechiſchen Schiffe nach Norden trieb, fürchtete man, bie Zür- 
ken möchten ſich ber Infel Spbalteria, die ben Hafen beit, zu 
kemächtigen fuchen. Diefelbe war von 1000 Dann und 15 Be: 
fügen vergheibigt. Zur Berfläulung ſandte man noch 100 Mann, 
worunter Santa⸗Roſa. Am 8. früß um 9 Uhr ſchrieb diefer 
noch an Gollegno: ‚Uno sbarco non mi pare impraticabile 
sul punto alla difesa del quale io mi trovo.“ Zwei Stun= 
ben fpäter ward bie Infel auch wirklich angegriffen und ſchon 
Mittags befanden fi die Türken im rubigen Beſit berfelben. 

Bon den 11— 1200 Wann, bie fi auf der Jaſel befan- 
ben, retteten ſich einige an Bord ber Schiffe des im Hafen 
befindlichen griechifchen Geſchwaders, das im Augenblid bes 
Angriffs die Ankertaue zerhieb und mitten durch die türkiſche 
Flotte hindurch das Weite gewann. Zweien gelang es, ſchwim⸗ 
mend von ber Infel nah der Feſtung Navarin zu kommen. 
Nach ihrer Ausfage hatte ber größte Theil der Befagung eine 
Fuhrt nördlich” von der Inſel durchwatet und fich in das Alte 
Caſtell (Paldo s Eaftro) geworfen. Diefer Haufen Stuinen wurbe 
von den Türken am 10. Mai genommen. Über das Schickſal 
ber Srieden, die fi hineingeworfen, drang keine Kunde nad 

avarin. 

NRavarin war nahe baran, Fein Zrinkwafler mehr zu has 
ben; feit längerer Zeit ſchon erhielt ber Mann täglich nur zwei 
Glaͤſer. Auch der Kriegsbebarf war erfchöpft. Ibrahim Paſcha 
ließ daher eine Sapitulation antragen und verlangte, daß man 
Parlamentaire fhide. Mit biefen verließ Gollegno die Feflung 
om 16, Mai, um etwas @enaueres über das Schickſal feines 
Kreundes, das er nur zu fehr abnte, zu erfahren. Das Re 
fultat feiner Rachforfhungen war, daß SantasRofa, der fi 
weder unter Denen befand, welche von ber Infel Sphalteria 
nad) PaläosGaftro geflüchtet waren und ſich daſelbſt ergeben 
hatten, noch auch an Bord ber griechiichen Fahrzeuge, die da- 
mais fi im Hafen befanden, ſich gerettet hatte, obne Zweifel 
bei der Vertheidigung von Sphalteria geblieben fei; eine Ans 
nahme, die durdy die Ausſage eines ägpptifchen Solbaten vom 
Regimente des bekannten franzöfifhen Renegaten Soliman s Bei 
(Dberft Selves) beftätigt wurde, welcher erflärte, unter den Tod⸗ 
ten auf Sphalteria den Mann gefehen zu haben, deſſen Signa⸗ 
lement von Sollegno an Soltiman : Bei mitgetheilt worden war, 
und auf welches geftügt, ber Letztere hatte Nachforſchungen an: 
ftellen laſſen. 


Auf eine fpätere Anfrage Goufin’s an Collegno, ob 
er nicht noch Einzelnheiten aus Santa: Rofa’s letter Le⸗ 
benszeit wiffe, theilte diefer nachträglich noch Folgendes mit: 

Am 4. Dec. 1824 erblidten wir zuerſt bie Gebirge bes 
Peloponneſes. Von ſechs Paflagieren, die an Bord ber Little 
Sally waren, fühlten fünf die am Ende einer langen Seereiſe 
fo natürliche Freude, drei befonders Eonnten es nicht erwarten, 
den geheilligten Boden zu berühren. Santa⸗-Roſa allein, auf 
eine Kanone geflüst, betrachtete mit trübem Auge bas Land, 
bas von Augenblid zu Augenblid deutlicher bervortrat. Am 
Abend beffelben Tages fagte er zu Collegno: „Ich weiß nicht, 
warum ich es bebauere, daß bie Reife ſchon gu Sande if; Gries 
henland wird dem Bilde, das ich mir davon mache, nicht ent= 
fprechen; wer weiß, wie wir.empfangen werden und welches 
Schickſal uns daſelbſt erwartet.” 

‚ ‚Am 31. Dec. befand fih SantasRofa bei dem Juſtiz⸗ 
minifter, dem Grafen Zheotoli. Man ſprach von der Kälte, 
mit ber die Ausländer, für welche body bie griechifchen Bevoll⸗ 
mädhtigten in London bürgten und bie nur verwendet zu wer⸗ 
ben wuͤnſchten, von der griechiichen Regierung empfangen wür⸗ 
den. „Was wollen Sie?’ erwiderte hierauf der Graf-Theotoki; 
„nicht Mannſchaft, nit Waffen und Munition, fondern Geld 
vor Allem bebüsfen wir.‘ Den Tag darauf äußerte ein junger 
Schotte, Namens Mafon, der in freundfchaftliden Verhaͤltnifſen 





198 


u Santa sofa fand, gegen biefen, daß ein Grieche, Freund 
Grafen Theotoki, ihm gerathen habe, weder mit Gantas 
Rofa noch Gollegno umzugehen, ba fle ber Regierung verbäd- 
ig felen. GantasRofa verließ Nauplia den Tag darauf. 

Bel unferer Abreife von Epidaurus am 3. Jan. bat uns 
ein ehrwärbiger, aber nur mit Lumpen bededtr griechiſcher 
Prieſter um Grlaubniß, auf der von uns gemictheten Barke 
it nach gina überfäiffen zu dürfen. Auf unfer Befragen 
erzählte er, daß er Theflalien, fein @eburtsland, verlaffen habe, 
um den WBerfolgungen ber Kürten zu entgehen. Geine Frau 
und fünf Kinder hatten fi auf eine ber Infeln bes Archipe- 
Angus geflüchtet und befaßen Feine andern Mittel gu ihrem Uns 
terhalt als die Almofen, die ihr Water durch Worweifen von 
Reliquien auf feinen Streiferelen von den Bläubigen erbettelte. 
Die Üpnlickeit der Lage, die im Elend ſchmachteüde Frau mit 
Ähren fünf Kindern bewegten Santa: Rofa tief. Gr gab dem 
Papas alles Gelb, was er bei fich hatte. 

Schon Anfang März fehlen Santa-Roſa ganz von dem 
Gedanken abgelommen zu fein, fi mit feiner Bamilie in Bries 
henland niederzulaffen. Deſſenungeachtet wollte ’er es nicht ver⸗ 
Aaffen, ohne wenigftens bie Beine gefehen zu haben. Um 
Diefe Beit Bam ein Abgefandter des Gomitds ber Iondoner Phil: 

Hellenen, Hr. Whitecombe, in Rauplia an, um Geiten des 
Somites Beſchwerde über bie beiden gu London befindlichen grie⸗ 
iſchen Bevollmächtigten Euviotti und Orlando zu führen, weil 
Fe das Gchicfal Griechenlands baburd; blosftellten, daß fie 
*eute, bie durch ihre fortwährende DOppofition gegen ben heilis 
gen Bund befannt feien, bahin fenbeten. Diefer Ankunft ver= 
dankte es Santa- Roſa mwahrfcheinlich, daß er nur als gemeiner 
Soldat den Feldzug mitmachen konnte. 

Am 16. Mai, ald Gollegno bem Unterbefehlshaber Ibras 
Hm Papas zu Modon fagte, daß Gantas Mofa beim Angriff 
der Ägypter auf Sphakteria auf dieſer Infel geweſen fei, und 

Sollman- Bel barauf antwortete, daß fi) Santa sRofa nicht 
unter den Gefangenen befinde, näherte ſich ein greifer Türke, 
mit langem fllbergrauen Bart, Gollegno und fagte diefem auf 
Weangöfifh: „Wie, GantasMofa war auf der Infel Gphakte: 
wla und ich habe «6 nicht gewußt, um ihm das eben zum 
zweiten Male retten zu Lönnen?” Diefer ſcheinbare Türke war 
ein Pole, Namens Schule, der früher als Dberſt in franzöfie 
Fühen Dienften geftanden, dann in Neapel, darauf im März 
1821 in Piemont, fpäter in Spanien unter den Gortes und 
endlich in Ägypten Kriegedienfte genommen hatte. Mei feiner 
Znmefendeit in den farbinifchen Staaten war er gerade in dem 

fugenblid in Savona angekommen, wo bie koͤniglichen Garas 
diniers Santa : Rofa verhaftet hatten. An der &pige von drei⸗ 
Hg und einigen Stubenten hatte er bei diefer Gelegenheit Santas 
Mofa wieder aus dem Gefängniffe, das hieß, unter den dama— 
digen Umfländen, von dem Schafot befreit — und vier Jahre 
Itzu leitete er mit den Angriff, bei welchem Santa⸗Roſa 
lied. 

Dies iſt Alles, was Coufin über bie legten Augen: 
die Santa: Rofa’s in Erfahrung zu bringen gewußt 
Hat; Schritte, die er bei dem Fürften Maurokordato that, 
um feinem verflorbenen Freunde ein Grabmal auf Sphak⸗ 
«eria auf feine Koften errichten zu dürfen, blieben fruchts 
108, denn auch nach beffen Tode noch zeigte fich die grie— 
chiſche Regierung abgeneigt gegen ihn, wohingegen alle 
Griechen, bie Theil an dem Feldzuge von 1825 genom⸗ 
wen, nur mit der größten Bewunderung von Ihm ſpra⸗ 
hen. Endlich, bei der Anwefenheit des franzoͤſiſchen Corps 
unter dem Marſchall Maifon im Peloponnes, gelang es 
Coufin, durch die Hand des Dberften Fabvier, den bie 
feanzöfiihen Soldaten ſowie das Volt treulich darin mit 
Halfen, dem unglüdlihen Santa: Rofa auf ber Stelle, 
auf ber er gefallen fein foll, beim Eingang einer auf der 





Inſel befindlichen Höhle, ein Denkmal erri ken laſſen 
mit der Inſchrift? „Au comte el sei — 
Bosa, tué le 9 Mai 1825.“ 40. 





Die Univerfität in Athen und die dortigen wiſſenſchaft ⸗ 
lichen und Kunſtanſtalten. 
Detaillite Rachrichten über Literatur und was damit dus 


andere beffe die wiı 
Eu 5 





) Derfelbe if ſeitdem geſtorben. 


1364 oo. 


irgiſchen Klinik: Ophthalmie, und über Vergiftungen. IV. 
Phitſoſophiſche Facultät. I) NR. Wamwas, Dekan umd 
ordentlicher Profeſſor der Philofopfie: Ethik. 2) K. Wuris, 
ordentlicher Profeſſor der Mathematik und Phyſik: Phyfik. 
8) ©. Gennadios, ordentlicher Profeſſor der griechiſchen Philo⸗ 
logie: Encyklopadie der philologiſchen Wiſſenſchaften. 4) Dom: 
nandoe, ordentlicher Profeſſor der Naturgeſchichte: Anfangs⸗ 
gründe der Naturgeſchichte. 5) X. Landerer, ordentlicher Pros 
feſſor der Chemie: Experimentalchemie. 6) K. Negris, ordent⸗ 
r Profeſſor der Mathematik: Geometrie. 7) H. N. Ul⸗ 
6, ordentlicher Profeſſor der lateiniſchen Philologie: Geſchichte 
der roͤmiſchen Philologie. Cicero de natura deorum. Gatul⸗ 
Ins und Zibullus. 8) 2. Roß, oxdentlicher Profefloe ber Ar: 
chaͤologie (fehlt). 9) K. D. Schinas, ordentlicher Profeflor der 
Geſchichte: Griechiſche Alterthümer. 10) N. Fraas, außeror⸗ 
dentlicher Profeſſor der Botanik: Flora von Griechenland. Ex⸗ 
eurfionen. V. Privatdocenten. 1) I. Wenthylos: Erklaͤ⸗ 
zung ber Antigene des Sophokles, Auswahl griechifcher Dichter, 
Metsit. 2) ©. Wille: Livius. 3) K. Ziffavas: Philoſophiſche 
Einleitung in das Studium der griehifhen Sprade. 
Die öffentliche Univerfitätsbibliothek, die 1838 erft im Ent⸗ 
ftehen begriffen war und zu deren Erweiterung bie Mittel nur 
arfam floflen, war bamals ebenfalls vorläufig in einer alten 
Kae aufgefieilt, das Meifte war zu jener Zeit nicht durch 
Kauf, fondern duch Schenkung in diefelbe gelommen.*) An 
Handſchriften befaß fie deren 30, aus dem 11.— 17, Jahrhun⸗ 
dert, welche fie aus zwei Kiöftern auf Andros und Salamis 
von den dafigen Moͤnchen als Geſchenk erhalten hatte; indeß 
find disfelben ohne großen Werth. Won andern Anftalten wiffen- 
ſchaftlicher Art erwähnt Zachariaͤ ein Wineraliencabinet (in der 
Gewerbfähule), das jedoch nur die Mineralien enthielt, die aus 
dem griechifchen Kefllande, im Peloponnefe und auf ben Infeln 
in Auftrag der Regierung gefammelt worben waren, unb daß 
damals erft vor kurzem angelegte zoologifche Cabinet, weldyes 
eine ziemlich volftändige Sammlung ber Fifche in den grie 
ishen Gewäflern enthielt. Schubert erwähnt in feiner 
Reife durch das Morgenland in den Jahren 1836 und 1837” 
(BD. 3, S. 501), bei Gelegenheit einer von ihm befuchten 
Sitzung des naturhiftorifchen Vereins in Athen, eine naturges 
fdichtlihe Sammlung, die zwar erft im Entſtehen war 
(Schubert befand fi im Sommer 1837 in Athen), aber doch 
bereitö einen Schatz enthielt, von welchem bderfelbe meint, daß 
er bald die Aufmerkfamkeit aller Naturforfher in Europa auf 
fich ziehen werde, nämlich die foffiten Überrefte von Landthie— 
xen, die fi in einer ganz in ber Nähe von Athen vorkom⸗ 
menden Knochenbreccie fänden. Unter dieſen Überreften, meint 
Schubert, feien manche, welche bisher unbelannten Thierar⸗ 
ten der. VBorwelt angehörten. Ebenſo gedenkt bderfelbe des 
weftwärts von Athen gelegenen, vor einigen Jahren von Dr. 
Fraas angelegten botanifhen Gartens. Won Kunftanftalten in 
Athen erwähnt Dr. Zacharia die Sammlung der bei der Rei: 
nigung der Akropolis aufgefundenen Bruchflüde alter Kunſt⸗ 
werk, die damals theils in alten Kafematten, theild in ber 
Eleinen WMofchee des Parthenon, theild in einem befondern neu⸗ 
erbauten Haufe auf der Akropolis ſich befand. Indeß bemerkt 
er, daß diefe Sammlungen zur Zeit nur wenige an und für 
fi vorzügliche Stüde, wol aber manche Eleinere Bruchftücde 
enthalten hätten, welche über die Kunft der Griechen neue Aufe 
fchläffe zu geben vermödten. Beſonders intereflant feien bie 
eichen Kragmente von Bildwerken, an denen fich deutliche 
ven alter Bemalung erkennen ließen. Eine andere Kunft: 
fammlung fand ber genannte Reiſende in dem fogenannten 


” Died ift wol audy feitben ber Fall geweſen. Aus neuefter 
Beit Buben wir übrigend bei tiefer Gelegenheit der werthvollen 
Geſchenke für bie Univerſitaͤtsbibliothek in Athen zu gebenten, 
welche für fie bie Buchhändler Karl Zaucınig, Gebruͤber Brock⸗ 
Haus, Barth, Franz Köhler und Hahn in Leipzig unb Hano⸗ 
per gemacht haben. j 


Shefeustempel (von dem jedoch. Prof. oh ie einer eigenen 
Schrift behauptet, daß er vielmehr ein el des Ares Sei), 
wo berfelbe unter Anderm mehre Modelle und noch nicht vollen- 
dete Darmorftatuen ſah, die man in einer auf Delos entdeck⸗ 
ten Künftlerwerkflätte gefunden hatte und welche über das 
Zechnifche ber alten Bildhauerkunſt intereffante Aufſchlüſſe ga: 
ben. Gr meint darnach, daß die alten Künftler ihre Wodelt 
nur in ganz Meinen Dimenfionen aus Thon gebildet unb dann 
obne Weiteres den Marmorblod mit dem Melßel aus freier 
Dand bearbeitet zu haben fchienen. Endlich erwähnen wir hier 
noch der in Athen feit mehren Jahren beftehenden archäologt⸗ 
Then Geſellſchaft, welche wenigftens früher auch eine "Zynus- 
eis Koymoloyıxn herausgab. 

So viel oder fo wenig nad den Mittheilungen ber Ge- 
nannten und Anderer über die oben angebeuteten Gegerſſtände. 
Muß man nun aber nicht, auch nach dieſem Wenigen, bem 
erwähnten v. Schubert Recht geben, wenn er a. a. O. &. 502 
fagt, daß „Athen durch feine Ausgrabungen nad zwei Seiten 
bin einen Zutritt zur Erkenntniß der inhaltreichen Seſchichte 
feines Landes öffne, und daß, während der Zreund der Kunft 
eine Welt, die für ihn auf Immer untergegangen ſchien, aus 
ihrem Grabe auferfichen fehe, dem Freunde der Natur auf 
demfelben claffifhen Boden eine Vorzeit der Lebendigen ent: 

egentrete, deren Kunde noch niemals zu feinen Ohren gr= 
ommen ſei!?“ 17. 





Miscellen. 


Philibert de Lorme, ein geſchickter Baumeiſter, der zu Pa⸗ 
ris den Palaft der Zuilerien aufgeführt, verftand Hein Latein. 
Dem Dichter Ronferb , weicher eine Satire auf ihn umter dem 
Zitel ‚‚La truelle crossse’‘ verfertigt hatte, ließ er deshalb, 
ale Ronfarb im Garten der Auilerien ſpazieren geben wollte, 
die Thür vor der Nafe verfihliehen. Ronſard, welcher das Blüd, 
das de Lorme am Hofe gemacht, immer mit neidiichen Augen 
betrachtet hatte, ſchrieb hierauf am die verſchloſſene Thür: Fort. 
poverent. habe. Darüber beſchwerte ſich be Lorme, in ber 
Meinung, daß hierin eine Beſchimpfung liege, bei des Koͤni⸗ 
gin Katharina von Medicis, welche deshalb Ronſard zur Ber 
antwortung 309, der fig aber damit entſchuldigte, daß jeme 
Worte aus bem Aufonius (Epigramm. VI, 7) entiehnt fein 
und keine andere Bebeutung hätten, als die: Fortunam re- 
verenter habe, 


König Heinrich IV. von Frankreich fuchte feinen Übertritt 
zum Katholicismus bamit zu befchönigen, daß er fagte; bie 
Urkunde, in der er der proteflantifchen Lehre entfagt und welche 
er nach Mom gefenbet habe, fei nicht von ihm felbft, fondern 
von einem Andern, ber feine Handſchrift nachgemacht Habe, 
unterzeichnet worden. Der Gouverneur von Saumur, Philipp 
Mornäus du Pleffis, ein eifriger Proteftant, bemerkte dem 
König mit freimüthiger Offenheit: „Site, die Urkunde iſt mit 
Ihrer Bewilligung und auf Ihren Befehl dem Papfte vorge⸗ 
legt worben als eine von Ihnen felbft ausgefertigte; es ift auch 
Ihr Wille, daß foldye dafür gelte, weil fie fonft von feiner 
Wirkung wäre. Wenn Sie baber au ihre Berwiffm etwa wit 
einer Spisfindigkeit befchwichtigen zu Zönnen fi ſchmeicheln 
wollen, fo glauben Sie nur nicht, daß Bott durch falde So⸗— 
phiftereien ſich täufchen laſſe.“ 


Franz Graverol, ein Abvocat zu Nimes, gab (1679) eine 
Grölärung einer alten Infcheift heraus unter dem Wise „Mi- 
les missistus‘‘. Yohana Feiedrich Guib, Profeſſor der Vhilo⸗ 
logie zu Drange (geſt. 1651), ein aufgemedter Kopf, lieh hier: 
auf eine Lobrede auf das Schwein bruden, welche er Grave⸗ 
voln dedicirte und bie ben Titel hatte: „In alimentum 
milftis missiti D. Franc. Graverolä Fredesici G@uihbei por- 
cus, 2, 


Verantwortlicher Herausgeber: Leinrih Brodhaus. — BDrud und Verlag von BE. U. Brockhaus in Leipzig. 





[> DE . Zee + Sp PERLE O2: 26 


Dur 1 0 





Blaͤtt 


für 


Literarifde Un 





Breitas, . 





Siſtoriſches Taſchenbuch. Herausgegeben von Seiebei ch 
v. Raumer. Neuefolge.: Zweiter Jahrgang. Bo Lei Br 
5. A. Brockhaus. 1841. = 12. 2.Thlr. 12 

"ef. kann nit umhin, wie er bei ben Anzeigen ei: 
niger der frühen Jahrgänge dieſes Taſchenbuches, bie |- 
von ihm ausgingen, gethan, auch dießmal wieder zu thun 
and die im vorliegenden Jahrgange enthaltenen Aufläge 
nicht nad) ihrer Reihe im Buche, fondern nad) ber Meihe 









des allgemeinern Intereſſes, was ſich an fie knuͤpft, zu be: 
ſprechen. Da ergibt fich fofort eine Rangerdnung, bie 
von hinten beginnt, denn daß der Auffag: ‚Gutenberg 


und feine Mitbewerber, ober Me Briefdrucker und bie 
-Buchdruder”, 
Theilnahme erregen wird, 


von J. D. F. Sotzmann, die lebhafteſte 
iſt Ref. ebenſo uͤberzeugt, als 
ee dem Verfaſſer deſſelben für bie Mare, lichtvolle Aus⸗ 
einanderſetzung ſeinerſeits herzlichen Dank weiß. Unſer 
Jubilaͤumsjahr hat uns mit Monographien zur Geſchichte 


der Buchdruckerkunſt uͤberſchuͤttet; auch einige ſehr dan⸗ 


kenswerthe umfaſſende Arbeiten ſind erſchienen; aber dem 
Laien in dieſer Art Forſchungen, der doch im allgemeinen 
Umriſſe und ſo weit Jemand, ohne das Techniſche des 
Geſchaͤftes naͤher zu kennen, eine Einſicht haben konnte, 
dieſe zu haben wuͤnſchte, wurde uͤber der Menge dieſer 
Schriften und Abhandlungen und Heinen Artikel, die ſich 
alle nod) durch das mehr oder weniger breite Beſprechen 
des Gegenftandes in allen Kreifen eine Beit lang zu -einer 
Art die Unterhaltung einfchließender Mauer verquidten, 
angft und bange. Man fehnte fich nach einer Überficht, 
nach einer Zurechtlegung und Zurechtweifung des Cinzel: 
nen. Den Eindrud aber dankenswerther Erfüllung biefes 
Wunſches macht durchaus die vorliegende Abhandiumg. Sie 
vermenfchlicht die ganze Erfindungsgefchichte ber Buchdru⸗ 
ckerkunſt, wie man in neuefter Zeit auch die Entdeckung 
Amerikas vermenſchlicht hat; denn ein Unmenſchliches er: 
fheint eine Erfindung, fo lange fie "betrachtet wird ale 
ein ſpukhafter Zufall, oder als ein bioßer ‚genialer Griff, 
oder als ein Erzeugniß reinen Eigenſinns — als etwas 
Unmenſchliches erfcheint es, wenn man einer To gemachten 
Erfindung dann eine Umkehr im Leben ber Voͤlker, je 
der Weltgeſchichte zufchreiben fol. Eine Exfinbung, bie 

der Menſch ohne Brauen betrachten foll, muß fich ſelbſt 
darftellen als eine naturgemäße Entwidelung forefchreiten: 
ber Kenntniß und Fertigkeit, und als getragen zugleich 


geſchit 
wickel 
ſich ii 
oder 
drucke 
irgend 
wirkti: | 
und e | 
Geſchi 
buͤcher 


fen, 


recht ı 
Arbei 


drucke 
fortſch 
Niede 
folgen | 
Ausft 


2 8 


1. 
figen Grenzen verſuchen, auf ben Gedanken der Mög: 
lichkeit des Druckes größerer Schriften mit beweglichen Let: 
tern, und feine großartigere Weiſe, bie Sache anzufeheh, 
feine Verbindung mit andern Gewerben, namentlich mit 
Goldſchmieden, endlich vor Allem auch fein gaͤnzliches Ab⸗ 
ſehen von Dem, was bei den Briefdruckern zeither die 
Hauptſache geweſen, von ben geſchnittenen Holztafeln, fuͤh⸗ 
ren ihn, nach anfaͤnglichen, denen der Briefdrucker an 
Unvolikommenheit aͤhnlichen Verſuchen in Strasburg, dazu 
den Letternguß zu vervollkommnen und namentlich das 
Letterngut zu erfinden, dadurch den Sag kleinerer Lettern 
moͤglich und ſo die Erfindung der Buchdruckerkunſt erſt 
zu der welthiſtoriſch wichtigen zu machen, die ſie gewor⸗ 
den iſt. Man ſieht ſo einerſeits, wie man Koſter in 
Harlem und Pfiſter in Bamberg die Ehre einer gleichzei⸗ 
tigen Erfindung des Druckes mit beweglichen Lettern laſ⸗ 

und dennoch dem mainzer Patrizier die Ehre der 
welthiſtoriſch wichtigen Seite des Buchdrudes in ähnlicher 
Weiſe allein vinbdiciren kann wie Columbus allein bie 
Ehre der melthiftorifch wichtigen Auffindung Amerikas trog 
der Fahrhunderte fruͤhern Entdeckung dieſes Welttheils 
durch die Normänner; andererſeits ift deutlich, wie In ber 
ganzen Gefchichte der Erfindung der Buchdruckerkunſt nir⸗ 
gend ein Sprung iſt, und daß, wenn auch Died einzelne 
Individuum von mainzer Patrizier nicht geweſen waͤre, 
doch die Gefchichte denfelben Gang genommen und bie 
Erfindung der Buchbruderkunft in den naͤchſten 50 Jah⸗ 
ren an zehn andern Drten hervorgerufen hätte, wenn fie 
durch Gutenberg auch nicht zu erfprieflihem Stande ge: 
bracht worden wäre. Auch ohne Gutenberg wäre die Re: 
formation gekommen, audy ohne Gutenberg die Genfur — 
und wir find bei diefer ganzen Geſchichte den Zufall los. 
Aber nicht blos eine ſchoͤne, klare Überſicht gewährt bie 
Abhandlung über den Stand dieſer Korfchungen, fondern 
fie greift auch geſtaltend, Pritifch geftaltend in dieſe ein 
und weiß zu manchem Räthfel die Löfung, was zeither 
noch vorlag, fo lange biefe Forſchungen fi zum Theil 
im Dienfte Heiner Eitelleiten und vorgefaßter Meinungen 
fortbewegten. 

Einen ähnlihen Eindruck überfichtlicher Orientirung 
würde bie erſte Abhandlung des vorliegenden Jahrganges: 
„Die Vitalienbrüder“, von Johannes Boigt, machen, 
wenn nicht der Segenftand zw fehr widerfirebte. Diefes 
deutfche Seeräuberwefen in ber Oft: und Nordſee ift aber 
nur eine Schling: und Schmarszgerpflanze, die ſich um 
den Stamm anderer politifcher Erfcheinungen, theils ſtaͤm⸗ 
miger Verhaͤltniſſe, wie die der nordiſchen Reihe und bee 
deutfchen Ordens, theils ſchwankenderer, getheilterer, ge: 
wiffermaßen politifhen Buſchwerkes, wie die der Hanfe: 
ftäbte und ber friefifchen Häuptlinge, herumringelt und 
rankt. Zeichnet man nun bie Schlingpflange, ohne jene 


Stämme und Buͤſche anders als mit wenigen Streichen 


enzudeuten, fo ſchwebt das Gezeichnete halb in der Luft, 
verwirrt den Blick mehr und bleibe im Gedaͤchtniß doch 
aur in den großen Partien des Gefchlinges zuruͤck. We⸗ 
nigftens Referent iſt es fo gegangen, fih am Ende ber 
Lecture weniger im Zuſtande orientirter Einſicht als zer: 


1366 


ı ff, 

EN 

ſplitterter Aufmerkſamkeit zu finden; zumal ba, was ge 
wiß mehr an ber Natur bes auffindbaren Materials als 
an dem Willen bes ausgezeichneten Verfaſſers lag, bie 
Faͤrbung der ausgezeichneten Partien nur eine fchwache 
iſt. Bänden fich mehre, recht anfchauliche Sittenzäge, bie 
den moralifhen, focialen Charakter ber Vitalienbrüder 
ſcharf abbildeten, die einzelnen hervorragenden Führer cha⸗ 
rakterifiten, fo würde Alles eine lebendigere Phyfiognomie 
gewinnen, während jest das Einzelne wie ein Blatticht 
von bald größerm, bald kleinerm Epheulaub erfcheint, im 
Wefentlihen auf allen Seiten von gleicher Zeichnung und 
Färbung. Für eine Stelle dieſer Abhandlung iſt Ref. 
im Stande, eine Bleine, freilich [ehr unweſentliche Verbeſ⸗ 
ferung zu geben. S. 104 wird naͤmlich Wiarda geta- 
beit, daß er in einem frififchen Verſe gelefen habe: Dronk 
dees hensa in een flensa, und bafür wird gelefen: Dronk 
dees heusa in een fleusa — allein in biefem Falle bat 
Wiarda Recht. Die frififhe Mundart zeichnet fich naͤm⸗ 
ih dadurch unter allen deutſchen aus, baf fie die Guttu⸗ 
ralen in Sibilanten auflöfl, und fo fagt fie für Hängen 
dba, wo das Wort ſchwach flectirt, nicht blos hingia, fon= 
dern auch hinzia; gehangen heißt huinsen; daraus er- 
klaͤrt fih, daß im Mittelniederländifchen, was fo viel 
friſiſche Einflüffe erhalten Hat, ber Henkel henze heißt. 
Hans, hens bedeutet alfo frififh einen Henkelktug, und 
hansbeeker noch heutzutage im Holländifchen einen gro⸗ 
Ben Henkelbecher; flensa aber weift ganz analog auf das 
deutfhe flinE bin; der Ders ift alfo in Wiarda’fcher 
Lefung beizubehalten und zu überfegen: „trank biefen 
Henkelkrug in einem Nu’ — heusa hingegen und fleusa 
find gar Beine friſiſchen Worte. 

Was den Auffag: „Staltenifche Diplomaten und bi: 
plomatifche Verhaͤltniſſe 1260— 1550”, von Alfred Reu: 
mont, betrifft, fo enthält er viel dankenswerthe Anre⸗ 
gungen und Belehrungen; allein, daß er ſchwerlich einen 
anziehenden Eindeud auf viele Lefer machen wird, bat 
feinen Grund in dem Misverhältniffe des Stoffes und 
des zugeflandenen Umfanges der Abhandlung. Der Stoff 
ift fo umfangreich, daß er offenbar leiden muß, wenn er 
in den Raum einer kurzen Abhandlung eingezwängt wird, 
bie, ohne fich bei irgend einem Gegenftande mit Behagen 
aufhalten zu können, Namen häufen und alle Verhält: 
niffe nur anrühren barf. Es iſt, wie wenn ein tüchtig 
berangeswachfener Junge in einem zu engen und zu fur: 
zen, verwachſenen Rode fledt; man fühlt, was es für ein 
prächtiger Kerl fein müßte, wenn er das paffende Kleid 
anhätte; aber in ber Zwangsjacke, die er anhat, ift man 
froh bei der Vorftelung, daß man mit ihm fertig. ift. 
Da ift denn der Auffag: „Über die Epochen der Geſchicht⸗ 
fhreibung und ihr Verhaͤltniß zur Poeſie“, von 3. W. 
Loͤbell, das gerade Gegentheil. Freilich ift bier das 
Thema ganz in ber Hand des VBerfaffers; man kann 26 
zum Buche ausdehnen; man kann es auch, ohne daß Über: 
Ladung nothwendig wäre, in kleinerm Umriß halten; «6 
bleibt unter allen Umftänden verftänbig und behaglich, und 
fomit durchaus im fchriftftellerifchen Charakter des Ber: 
faſſers — und damit uns zu bee Gradation ber Bebag- 








7 


1367 


Uchkeit auch der Grundton ber Iegtern nicht fehlen möchte, 
Hat Hr. v. Raumer unter der Überſchrift: „‚Randglof: 
{en eines Laien zum Euripides“, eine Sammlung von 
"Aufzeichnungen binzugegeben, welche kaum den Namen 
‚einer Abhandlung verdienen dürfte. 40. 


Anſichten eines Engländers über Goethes „Fauſt“ und 
die englifchen Überfegungen des „Kauft“. 

Das „Foreign quarterly review‘’ brachte in einem feiner 
Ichten Hefte einen Auffas über Bocthe’s „Kauft“, wie zugleich 
-über neun verfchiebene englifche Uberſezungen bes großen beuts 
ſchen Gedichte, weldyes jegt durch bie gefammte civilifirte Welt 
„fashion ift. Die hier gu Grunde liegenden Überfegungen find 
die von Sohn Hille (1 ; bie von Robert Talbot (zweite 
Ausgabe, 1839); die von John Anfter, zugleich mit ber „Braut 
von Korinth’ (1888) ; die von Haymward (britte Ausgabe, 1838) 
in Profa; die von Siackie (1834); die von Syme (183%); die 
von Bird (1889); endlich eine Überfegung bes zweiten Theile, 
von 8. 3. Bernays (1859), und eine Überfegung deſſelben 
Theils, die 1838 erfchien. Die größere Anzahl ift mit Noten 
verſehen, bei ber von Talbot Mi ber beutiche Text gegenüber 
gebrudt. Der Reviewer zieht Anfter’8 Überfegung, was bie 
poetifcge Kraft und die Diction betrifft, allen übrigen vor. 
Ihm, fagt er, fei bie Pflicht aufzuerlegen, auch den zweiten 
Theil des „‚Baufl” zu überfehen, mit demſelben Vorrath von 
Phantaſie und berfelden wahrhaft poetifchen Empfindung; bie 
Freiheiten, bie er fich zu geflatten pflege, um feiner Überfegung 
den Anftrih eines Originals zu ertbeilen, wie z. B. Hinzu⸗ 
fügung von Phrafen, Bildern u. f. w., werde man ihm gern 
vergeben.” Man würde bann den vollftändigen Goethe’fhen 
.„Fauſt““ in einem durchaus englifhen und durchaus poetiſchen 
Style beſitzen; mit einem Worte, ber „Faustus, a dramatic 
mystery, by Dr. Anster‘’ würbe alsdann als ein wahrhaft 
engliſches Dichtwerk baftehen. Er führt fogar eine Stelle aus 
dem „Fauſt“ an, bie er ruhmwürdig, aber noch ruhmwür⸗ 
iger in der Überfesung als im Originale nennt. Es ift bie 
Stelle, die der Dichter im „Vorſpiele“ fpricht, mit dem Anfange : 
„„Geh Hin und ſuch dir einen andern Knecht.” Aber der Übers 
feder braucht Hier 40 Zeilen, um bie 24 Verszeilen des Ori⸗ 
ginals wiederzugeben. Um zu beweifen, wie umſtaͤndlich ber 
‚Überfeger paraphrafirt, führen wir folgende Worte im Zerte 
and in der Überfegung an: 

Goethe: 

Wenn die Natur bed abend ew'ge Länge, 
Sleihgü.tig drehend, auf die Spindel zwingt, 
Wenn aller Weſen unharmon’fhe Menge 
Verdruͤßlich durch einander Klingt; 
Wer theilt bie fließend immer gleiche Reihe 
Belebend ab, daß fie fih rhythmiſch regt? 
Wer ruft dad Ginzelne zur allgemeinen Weihe, 
Wo es in herrlichen Accorben ſchlaͤgt? 

Anfer: 

Then nature, like a tired and stupid aloven, 
Twiste wich dall fiugers Ihe coarse threads of life, 
When all things, that, together interwoven, 

In happy concord still agreeing, 

Should join to form the web of being, 

Are tangled in inestricable strife; 

Who then oan cheer life’s drear monotony, 
Bestow upon the dead new animation, 
Restore the dissonant to harmony, 

And bid the jarriog individasi be 

A chord, that, in the general consecration, 
Bears part with all ia musical relation ? 


Wo ift in der englifchen Übertragung diefer Stelle moch die, 
@Bocthe’fche reizende Einfachheit und Goncinnität? Der Reviewer 





x 


führt felbft aus Anfler eine Stelle an, von ber er gefteht, das 
fie „„exceedingiy diffuse‘ fei. Anfters ,‚Fauft‘ iſt weder 
ein Originalwerk, noch eine Überfegung, fondern eine den Text 
Far aber breit auswäflernde Umſchreibung, welcher wir ihre 
Verdienſte einer großen Lesbarkeit und Deutlichkeit wie eines 
englifhen Styls nicht abfprechen wollen. Aber man denke ſich 
eine deutſche Überfegung des Shaffpeare’fchen „Hamlet“ in ähne 
licher Weife. Die gewifienhaftern Deutfchen würden ein lins 
ternehmen biefer Art für eine am Genius des großen Dichters 
begangene Verſuͤndigung anfehen, ftatt diefe Manier, wie bee 
Reviewer thut, zu empfehlen. Am Schluffe feiner Abhandlung 
fcheint er felbft einzufehen, daß er in feiner Anpreifung der Anz 
fterfchen Bearbeitung zu weit gegangen fei. @r meint, daß, 
ungeachtet ber Bortrefflichkeit, womit Anfter und Zalbot den 
erften heil des „Fauſt“ überfegt, doch noch manche Gigens 
haft den Überfegern Hinzu: und andere hinwegzuſchaffen wären, 
wenn eine entfprechende Überfetung des zweiten Theils zu 
Stande kommen follte. Der Überfegee müfle nicht mehr 
rathen anwenden, als der Dichter gethban. Das fei ber einzige 
Mangel an Anfter’s Übertragung, daß er nicht in Gore 
Style, fondern in feinem eigenen fchreibe. (Unfers Beduͤnkens 
ift dies aber auch ber größte Fehler, den ſich ein überſetzer 
überhaupt zu Schulden Eommen laffen kann.) Hier fei bie 
ſcharfe, mmte, haͤufig trockene und nadte Form bes Aus⸗ 
drucks noͤthig, wodurch ſich das Deutſche auszeichne. Wan 
müſſe auf die Künſtlichkeiten des Styls halten, auf genaue 
Wiedergabe der Bilder, auf moͤglichſte Treue üͤberhaupt. Man 
brauche dazu keinen Überfeger wie Pope, fonbern einen wie 
Voß in feiner berühmten Übertragung der „Odyſſee“; keinen 
Überfeger, ber überall nad) poetifcher Diction Iungere. Davon 
fet in ber Partie des Mephiftopheles nichts enthalten, man 
müffe da dem profaifchen Ausdrud das volle Geſicht zumenben 
und ihn in aller feiner urfprünglichen Dürre wiedergeben. Anz 
ſter fage zwar, es fei in der englifchen Sprache für einen Dich⸗ 
ter kaum möglich, die Form ohne einen Zuſat von Färbung 
oder wenigſtens conventionneller Sprache ber Poefie zu behaup⸗ 
ten; und wenn es Einem auch volllommen gelänge, fo wäre 
zu fürchten, daß bie Wirkung in kurzer Beit die der Langweile 
fein möchte; mit au feiner Meifterfchaft und feinem unvergleich⸗ 
lichen Humor fei Swift ermübend; Butler, wenn noch gelefen, 
fei ein befchwerliches Studium u. f. wm. Das tft wahr, fagt 
ber Reviewer, aber es muß gebuldig ertragen werben; es gibt 
im „Fauſt“ neben den höhniſchen und farkaftifchen Partien 
auch ebenfo viel andere voll Gefühl und Leidenfchaft, und wenn 
nun Alles poetifch wiedergegeben wird, fo wird ſich ein offen- 
barer Mangel an jener Kunft, welche geſchickt Licht und Schat⸗ 
ten vertheilt, bemerkbar machen. 

Die Menge ber Überfegungen, fagt der Berichterſtatter, 
zeigt, daß dieſe Dichtung für Alle, welche deutſche Sprache ſtu⸗ 
diren, ein tiefes und bleibendes Intereffe habe. Kür diefe fos 
wol wie für da8 große Lefepublicum bebürfe fie jedoch der Aus⸗ 
legung, und Dank verdiene Der, weldyer das Räthfel Löfe, das 
in biefem ebenfo ſehr nach Abfonberlichkeit als nach Wahrheit 
firebenden Gedichte eingehüllt Liege. Er, der Neviewer, glaube 
ben Sclüffel zu haben. Laffen wir und das Gebidht von dem 
Briten auffchließen. 

Nah der Meinung unferes Briten, ber übrigens diesmal 
ein warmer und unzweideutiger Bewunderer Gocthe’s ift, Hat 
man das „Vorſpiel auf dem Theater” zu wenig um Rath ges 
fragt, und doch fei hier ber Schläffel zu fuchen für die Art der 
Behandlung, welche ber Dichter für fein Werk aboptirt habe. 
Die Dichtung fet ftü dweife und in langen Zwifchenräumen ent⸗ 
flanden, darauf ziele benn der Dichter, wenn er ben Theaters 
director fprechen Laffe: „Gebt ihr ein Stüd, fo gebt es gleich 
in Stücken!“ Diefer Schlüffel, obgleich fich der Reviewer auf 
feine E ntvedung viel einzubilden ſcheint, fchließt uns noch nicht 
fo au Berorbentlih viel auf. „Wenn nun auch die Korm ber 
Sompofirzon fragmentarifch iſt“, heißt es weiter, ‚fo war body 
bie Idee des Ganzen bem Dichter klar; und wenn irgends 











4868 


wer von dem Ganzen zu den Theilen fortfchritt, fo war dies 
"Borthe. In diefem Prologe lernen wir erkennen, was bem 
wahren Dichter eigenthümlich iſt und was er von dem allges 
meinen Geſchmacke, auf deſſen Niveau herabzufteigen Goethe 
nimmer gemeint war, zu erwarten hat. Gegenwärtig, wo das 
erlangen nach einer Regeneration ber englifchen Bühne fa 
Hark und allgemein wird, Tann man fih bei dieſem „Vorſpiele“ 
mit außexorbentlihem Gewinne Rath holen. Der dramatifche 
Dichter in England liegt, trog aller Verfiherungen vom Gegen⸗ 
theil, In den Zeffeln der Theaterdirectoren und ber Schaufpie: 
ker. (Iſt es etwa in Deutfchland im Allgemeinen beſſer bes 
Hellt? oder der deutfche dramatifche Dichtef nicht noch mehr 
durch unzählige Cenſur⸗, Hofs und andere Rüdfihten gehemmt 
als der englifhe?) Er würde wohl thun mit dem Tühnen 
Ynabhängigkeitsfinne wie Goethe's Dichter zu ſprechen: Sch 
‚bin und ſuch die einen andern Knecht!“ (Go, and elsewbere 
some fitter servant find, nach Anfter.) 

Was aber ift der eigentliche Lebenspunkt und die Ginheit 

des Stuͤcks? fragt unfer Engländer und er fährt fort: „Dieſe 
‚ragen haben bie Kritiker bes „Fauſt“ ebenfo beichäftigt, ale 
"dee Knoten des „Hamlet“ die Gchaufpieler. Bei beiden if et 
die philofophiiche Tendenz, bei beiden die anomale Behandlung, 
wodurch fo Viele verwiset werben. Der Urfprung, die Ent⸗ 
widelung, bie Beflimmung des Menfchen, bargeftellt in einem 
Individuum — dies ift der weite Jahalt unb bie begrenzte 
Finheit, welche fich beide Dichter zum Aisle ſetzten. Damlet 
‚and Fauft find Repräfentanten ber Gattung; wir find Ham⸗ 
t, wir.find Fauſt. — — Go gefchah es denn, daß ſowol 
„Boethe wie Shakſpeare in biefen Zragödien mehr von dem 
Reichthum ihres Genies ausſpendeten als in ihren übrigen 
‚Beoburtionen.” 

Diefe Analogie zwiſchen beiden Meifterwerten ift, wie uns 
jer Engländer meint, früher noch nicht gehörigermaßen nachge⸗ 
wieſen worden; body habe Goethe felbft in feiner unvergleichli: 
„chen Betrachtung über den bänifchen Prinzen in „Wilhelm Meis 
fer Lehrjahren““ dazu vorbereitet. Indeß ift das Bewußtſein 

iefer immer noch weitläufigen Verwandtſchaft zwiſchen Ham⸗ 
et und Fauſt bei uns Deutſchen ſo populair geworden, daß 
wie nicht wohl an Fauſt denken, ohne nicht zugleich an 
Hamlet zu denken. Beide, bemerkt unſer Engländer, haben 
ch mit der Wiſſenſchaft gequält und ſchlagen beim Beginnen 
des Stücks eben ihre Bücher zu, um fih in bie Angelegenheis 
ten der Welt zu mifchen. Dierbei befommt Goleridge einen 
Berweis über eine Stelle, worin er behauptet, es fei im „Fauſt“ 
‚Beine xechte Urfächlichkeit und kein Fortſchritt. „Goleridge“, 
fagt der Reviewer, „hat Goethe nie von Seren bewundert, 
und ohne Bewunderung iſt keine gerechte Kritik denkbar. Gr 
Yebt lieber mit Schiller und fcheint nicht Über jenen urfpräng« 
lichen Gegenſatz hinausgekommen zu fein, welder zwiſchen beis 
den Geiſtern bei ihrem erften Bufammentreffen fo bezeichnungss 
voll heraustrat. Wie gut wäre es geweſen, wenn er beide bis 
zum Zeitpunkte ihrer Vereinigung verfolgt hätte!’ 

Unfer Brite kommt nun wieder auf feine Betrachtung ber 
Verwandtſchaft zwiſchen Hamlet und Fauſt zurüd, und 
findet einen Hauptunterſchied zwiſchen Fauſt und Ham⸗ 
Iet darin, daß diefer ſoeben fein Studium abgeſchloſſen habe, 
jener ſoeben abſchließe, dieſer als Schüler, jener als Meiſter. 

ei dieſer Gelegenheit überfegt er Fauſt's erſten Monolog in 
wortgetreuer Proſa. Es iſt merkwuͤrdig, daß unſer Brite nicht 
feines Landsmanns Chriſtopher Marlowe gedenkt, der in aͤhn⸗ 
iſcher Weiſe feinen Fauſt ſich ausſprechen und, aus Überbruß 
am Studium, ber Magie und dem Teufel ſich ergeben läßt. 
Auch des alten Yuppenfpiels und der übrigen vielen Dramen, 
—5— den Fauſt zum Gegenſtande haben, gedenkt er mit 
keinem Worte; er betrachtet Goethe's Fauſt viel zu iſolirt, 
viel zu abgefondert von der Fauſtſage felbft, To frei und ſelb⸗ 
"Bandis fie auch von Goethe dehandelt fein mag. Für die Eng⸗ 
jander namentlidy müßte es von großem Intereffe fein, über 


bie vielen Bearbeitungen, ˖welche sie Fauftſage In’ Dentfchtent 
erfahren hat, Kenntniß zu. erhalten, aunıbnnläh. sen Brab.ik- 
rev Popularität mb ihre Medartung gqu senmflen. -Afbex- ber 
Reviewer ſtect zu tief in ben..Gntberkungen, melde er ⸗ 
zug auf das Geheimniß bes Goethe'ſchen „Fauſt“ gemacht ha- 
ben will. Theil an dieſen Entdedungen ſcheint Blackie zu Ba: 
ben, deffen Ginleitung gu feiner Überfegung des ‚‚Baufl‘’, mi 
die Überfegung ſelbſt, hier ſehr gerihmt wixd. Wiadie Sagt: 
„Die menihliche Vernunft trug immer Werlongen, zu einem 
neuen Leben aus der eiſigen Nacht des laſtletemus aufge: 
wedt und mit -ben- unfubftantiellen Margenwolken iner Philo⸗ 
fophie des Gefühle und der Phantafie umgeben zu - werben.” 
gie on, ruft der Reviewer aus, ſtimmt das zu Fauf's 
orten: 
Wenn ihres mcht fuͤhlt, ihr werdet's nit erjagen, 
Wenn es nicht aus der Seele dringt u. ſ. w. 

Andere Entdeckungen führt ihm Garkyle zu, welcher ebenfalls 
angeführt wird, andere wiederum — ner „Bis 
ſprächen mit Goethe”. Ausführlicher tft der Interpret über 
den zweiten Theil unb wir finden hier manche gute und brauch⸗ 
bare Bemerkung, glauben jedach, daß die ganze Darlegung von 
größerm Interefje für die Engländer als für die Deutfchen fei, 
bei denen bereits ganze Bücher über den ‚‚Badfl” und nament⸗ 
lich über beffen zweiten Theil gefchrieben find. - Eine Bemer= 
kung des Briten wollen wir jedod anführen. Er rähmt bie 
Überfegung, welche Bernays vom zweiten Fheile dei ;‚Katk‘* 
geliefert hat, als treu und genau, vermißt aber darin die rhyth⸗ 
mifchen Reize bes Originals; denn in dieſer Hinſicht fei das 
deutfche Original faft ohne Nebenbuhler. Ref. geficht, daß 
auch er, vielleicht ein zu enthufiaſtiſcher Verehrer des erfien 
Theils, den Glanz ber Sprache und des Verſes, worin diefer 
zweite Theil ſchimmert und prunkt, immer bewundert bat, daß 
ihn aber dieſes unabfehliche Geſpinnſt ineinander gewirrter 
Alegorien und Anfpielungen nie auf bie Dauer feftbalten 
konnte, ba feiner Meinung nad) ein echtes Dichtwerk nur ſolche 
Geheimniffe verträgt, weldye gefunder Menfchenverftand, mit⸗ 
ſchaffende Phantafte und nach lende Empfindung emträthfeln 
mögen, obne beshalb bei hundert und aber hundert Quellen, 
Auslegern und zufälligen Gefpräden um Rath und Auskımf 
bettein zu müflen, denn zu einem guals und arbeitsvolkn 
Studium, wobei man, wie bei einem gelehrten Buche, Rädkte 
zu durchwachen hat, iſt nad) feiner Anficht bie vaterländifche 
Poefie nicht da. Der zweite Shell des Goethe'ſchen „Fauſt“ 
ift an fich eine zweckloſe Unform, welche nur bazu beitragen 
konnte, ber von Natur dem Unförmigen und Regellofen fi zu= 
neigenden dichterifchen Phantafie der Deutfchen Gntichuldigung, 
neue Nahrung und, in gewiſſer Hinficht, auch leicht nachzu— 
ahmendes Mufter zu gewähren. 70, 


- 





giterarifhe Notizen. 


Zur Orientirung auf ben Kriegs- und Blofabeplägen ber 
orientalifhen Wirren fft eine in Paris erfchienene Karte zu 
empfehlen, welche ben Titel trägt: ‚Nowvelle carte physique 
et politigue du th&ätre de la guerre en Orient“, umfaflend 
bie europätfche und aflatifche Türkei, Agypten, Gyrien, das 
ſchwarze und mittelländifche Meer, Griechenland und den Archi⸗ 
pelagus, ben Plan von Konftantinopel und ein ftatiflifches 
Zableau der Streitkräfte zu Land und Meer, mit einem Pors 
teait des iPaſcha von Ägypten und einer giettichen Bignette. 


In zwei Foliobaͤnden ‚und mit einem Atlas von 140 Kupfer⸗ 
platten erſchien: „L’aucien Bourbonnais; histoire, monumens, 
moeurs, statistique‘’, von Achille Aflier; bie ungen find 
Fe bes Direction Aimée Chenavard's von Dufour aufge: 
ührt. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von JF. A. Brockhaus in Leipzig. 








Unm8ıE WLBEnETiT 


Citeratifde 





2. -A- ihird- 


Blatt 


für | 
um: 





üver Holzſchneidekunſt. 


4. & tresiise on. woed eugraving, histerical and 


prastisel. With: unwards of: three. kumdred ihus- 

tratfons, engraved on wood, by John Jackson: 

London 1839. 

te- „A treatise on wood engre- 
ving, historical and practical“; exposing the fal- 
lacies contäined in the first, restoring the pas- 
sages suppressed in the second, and containing an 
account of Mr. John Jackson’s actual share in the 
composition and illustration of that work. In a 
letter to Stephen Oliver. By Wm. A. Chatto, 
author of the: first: seven chapters: of the work‘ 
and the writer of the whole as originally printed. 
Lonbon 1839. Gr. 8. 

Der Berf: des Buches Nr. 1 iſt eigentlich ein 
Ht. Chatto, ‚obgleich. er nicht auf dem Titel deffelben ge: 
nannte. wird. Der: Kormenfchneider Sohn Jackſon hat, 
außerdem daß er die Holzichnitte, die‘ in dem Buche: ent⸗ 
hatten: find, beforgte, gar keinen Antheil: am? demſelben, 
indem er dem Berf. nur die Materialien zum achten Ca: 
pitel, welches das jetzt in Gebrauch feiende Techniſche 
abhandelt, gab, wie ihm denn and bee Letztere bios in 
Beztehung auf das Techniſche um:Rath frug. Über bie 
Alles - berichtet uns das Schrifichen Nr. 2, auf bad wir 
ſpater zuchdkönnmen werden. Hier haben wir es zuerft 
mit dem Werke felber zu thun. 

Jedenfallo iſt daſſelbe ein bedeutendes Werk, daB bie 
gerauen BVeachtung eines jeden Sammterd von Kupfer» 
ſtichen und Holzſchnitten verdient und dem Kenner, ber 
fi damit näher bekannt macht, zur Freude gereichen 
wird. Freilich ift es noͤthig, erſt den gehörigen. Stand⸗ 
puult einzuuchmen; ‚um ſolche Bedeutung anzuerkennen, 

Dar: dieſcide eine doppelte iſi, nämlich einmal in Wejichumg 
auf Inhalt und Gehalt des Buches an ſich, und zwei: 
tens in Bijiehung auf das Verhaͤltniß zu uns deutſchen 
Leſern. Es ifk- wat natürlich, dab ums hier Die letztere 
Bagiehung zuerſt befchäftigt. Schon laͤngſt find wir ges 
wohnt, daß umd aus England kunſt⸗ und literarhfftori⸗ 
ſche Unterſachungen der Art heruberkdmmen. Strutt, 


Detley, Douce, Dibdin find uns wohlbekannte Namen, 
un) hinlaͤnglich find wir auch mit den Refultaten ihrer 


ben‘ iſt, 
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1370 


ger anzunehmen, ba fi gerade in dieſer Hinſicht bas 
Buch vortbeilhaft auszeichnet. Vielleicht gibt folgende 
Stelle aus dem Schrifthen Nr.2 (S.17) einigen Auffchluß: 
Der Keim ber Abhandlung über den Holzſchnitt war eine 
Nachricht über das Leben und bie Werke von Thomas Bewik, 
geſchrieben 183%, umd in jenem Jahre von dem Hrn. Harvey, 
Hrn. ©. Landes und verfchledenen andern Perſonen gelefen. 
In dem nämtlichen Zahre, in der Abſicht, fie zu erweitern und 
eine Darlegung von dem Urfprung und den Kortichritten ber 
Kunft zu ſchreiben, las ich und machte ih Auszüge aus den 
Werken von Heinede, Papillon, Zanfen, Bartſch, Dttley und 
Dr. Dibdin. Sie befinden fi noch in melnem Beſitze und 
Zönnen durch bie Jnſpectoren einer Öffentlichen Bibliothek 
begeugt werden, welche mich mit ben Papierbogen verfahen, 
worauf fie gefchrieben find, und meine Aufmerkfamkeit pr 
Werke im Betreff des Holzſchnittes Leiteten, mit welchen i 
vorher noch nicht befannt war. , 
Alfo möchten wol jene Infpectoren die Schuld mit 
tragen, indem wir fehen, daß fih dee Verf. doch wenig: 
ſtens nad) ber Literatur feines Faches erkundigte. Aber 
es fcheint auch, als wenn er wirklich feit 1832 diefe Er: 
kundigungen in Beziehung auf bie deutſche Literatur ein: 
geftellt habe. Dem fei übrigens wie ihm wolle, für 
uns Deutfche mag auch dies ein Zeichen fein, daß es 
mit der erwarteten Weltliteratur, beren Chorage die 
deutfche fein werde, wol noch etwas weit hinaus ifl. 
Daß dies Buch in ber eben ausgefprochenen Dinficht 
an wefentlihen Mängeln leidet, kann fich leicht ein je: 
der in biefem Fache Erfahrene vorftellen; doch würde 
man fih immerhin eine unrichtige Vorſtellung machen, 
wern man nun glaubte, dies Buch fei dadurch für une 
Deutfche ohne eine befondere Bedeutung: es findet viel: 
mehr das Gegentheil flat. Das ganze achte Gapitel 
gibt uns von ber jegt in England gebräuchlichen Tech⸗ 
nit des Kormfchnittweiens, von der Art des Abdrudens 
und der Heranbildung der Lehrlinge eine fo vollftändige 
und gruͤndliche Auseinanderfegung, wie man fie wo an: 
ders vergeblich fuhen wird. Dabei wird das alles durch 
beigegebene Holzſchnitte auf das anſchaulichſte demon: 
ſtrirt. Überdies erfahren wie auch dabei, wie ſich dort das 
Verhaͤltniß der Zeichner zu den Formfchneidern gefaltet; 
ein Verhaͤltniß, bas für die Kunſt bein erfreuliches ge: 
nannt werden muß; benn fo lefen wir (S. 692): 
Betrachtet man die Zahl ber Holzfchnitte, welche jährlich 
- in dieſem Lande angefertigt werden, fo muß man um fo mehr 
erftaunen, baß es hier fo wenig Perfonen gibt, welche fähig 
find, eine gute Zeichnung auf Holz au machen. Es kann in 
ber That gefagt werden, daß 6 in dem Königreiche nur einen 
die Wiſſenſchaft der. Zeichnung verftehenden Mann gibt, welcher 
ch ex professo bazu herleiht, für Bormfchneider Zeichnungen 
auf den Stod zu mahen. Ohne bie Beihülfe feiner Talente 
wärbe ber moberne englifche Holzſchnitt, fofern als es bie Orts 
ginalität der Zeichnung betrifft, eine jämmerliche Leere bar- 
bieten. Jedesmal, wenn eine gute Originalzeichnung nöthig 
it, To gibt es nur eine Perfon, an die ſich der engliſche Form⸗ 
ſchneider wenden kann, mit Gewißheit fie zu erhalten ; benn obſchon 
einige unferer ausgezeichnetflen Maler gelegentlich Zeichnungen 
für den Holzſchnitt geliefert haben, fo ift es doch meiftentheils 
eine Sache befonderer Gunſt gewefen gegen ein Individuum, 
welches ein Sntereffe an dem Werke hatte, in welchem foldye 
Zeichnungen erfäheinen möchten. In biefer Hinficht find wir 
weit, ſehr weit hinter unſern franzoͤſiſchen Nachbarn zurüd. Die 
grwöhntichere Art franzbſiſcher Hoizſchnitte, weiche Figuren ents 


halten, ſtehen weit höher als unfere ber naͤmlichen Glaffe, bie 
Zeichnung ift viel richtiger, dem Goftume if mehr Aufmerk⸗ 
ſamkeit gezollt und in dem Detail bemerken wir ben Ausbrud 
größerer Kunftleantniffe, als fie in ben Probuctionen unferer gele⸗ 
gentlichen Zeichner zweiten Ranges auf Holz gefunden wird. 
&s kann nicht gefagt werben, daß biefer Fehler aus einem 
Mangel an encouragement herkomme; benn ein Beidiner auf 
Holz, auch von mittleen Fähigkeiten, iſt beffer füe feine Zeich⸗ 
nungen besahlt als ein Maler zweiten Ranges für feine Ses 
mälde. Die Wahrheit ift, daß ein Geſchmack für richtige Zeich⸗ 
nungen nicht genug in England cultidfrt iſt: unfere Künſtler 
wollen Maler fein, bevor ſie können, und baber Fönnen 
verhältnismäßig wenige eine gute Zeichnung auf Holz machen. 
Sie bebürfen- dee Hütfe beflimmter Yarben, um das Auge zu 
betrügen und es abzuhalten, auf den Fehlern ihrer Zeichnung 
zu verweilen. SEs iſt besiwegen von großer t, dab 
ein Bormfchneider felbft einige Kenntniß von ber Zeichnung habe, 
u bem Behufe, daß er fähig fel, manche Fehler au verbeſſern 
In ber gewöhnlichen Art von Gegenftänden, welde tm zum 
Schneiden gefendet werden. Die Guperiorität franzöfifcger 
Künftier in alledem, was die Zeichnung betrifft, ift ebenfo aus 
genfcheintih in ihren Lithographien als in ihren Holzfchnitten. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Bon M. Ent. 
Gr. 8. 20 Sr. 


Bon allen bramatifhen Dichtern, welche zur Zeit ihrer 
Zhätigkeit eine bedeutende Epoche machten, iſt felbft in feinem 
Baterlande kaum einer weniger befannt als Lope de Vega. 
Außer einer großen Zahl von Novellen und andern Gedichten 
wird bie Mafle feiner Schaufpiele zwar verfchieben, immer aber 
in einee Summe angegeben, die uns in Erftaunen fegen muß, 
felbft wenn wir wiſſen, wie günftig, neben der italiſchen, die 
ſpaniſche Sprache dem Verskunſtler entgegenlommt und melde 
außerordentliche, ſchon in der Kindheit geübte Gewandtheit Lope 
de Vega fi im Versbau erworben hatte. Und bie Kunft bes 
Bersbaues nimmt in Vergleich zu den übrigen Reguffiten zu 
Herftellung eines dramatifchen Sedichts immer nur eine unter- 
georbnete Stelle ein. Daß übrigens felbft dem Spanier Lope 
de Vega ein Brembling geworben iſt, barf eben nicht auffallen, 
wenn man weiß, wie die Mehrzahl feiner Schaufpiele bei ben 
Bühnen als gefchriebenes ober gebrudtes Manufeript ſich ver: 
zettelt hat und wie die mabrider Sammlung berfelben fo lang⸗ 
fam vorrüdte, daß fie hoͤchſt felten vollftändig angetroffen wird, 
auch fhon nad; dem 25. Bande einfchlief. Dazu iſt ferner der 
batd fi) bemerkbar machende Einfluß franzoͤſiſcher Schaufpiele 
zu rechnen, welcher den Reformator der ſpaniſchen Bühne, unb 
als ſolcher iſt Lope de Vega gu bezeichnen, nicht allein, ſondern 
au Galderon u. A. zucäbrängte, 

Die Deutfchen, die von Alters her ein unermüdlicdhes Stre⸗ 
ben an ben Zag legen, bie Literatur aller Welt ſich angueignen, 
darf daher unter jenen Umflänben Fein Vorwurf treffen, wenn 
fie von dem Spanier Leine genügende Rechenſchaft geben Eön= 
nen. Unter ben ältern, nun vergeffenen beutfchen Sckififiellern 
und Dichtern iſt, wenn nicht Sarsbörffer oder einer feiner Zeit⸗ 
genoſſen, wie Ref. ſich für den Augenblick nicht exinnert, doch 
Sronegt der erſte, welcher bie Aufmerkſamkeit der Deutſchen 
auf Lope de Vega hinzulenken fuchte. Aber auch Fr. Schlegel 
und andern Reuern bat es felbft in ber Blütezeit der deutſchen 
Romantik nicht gelingen wollen, für diefen Dichter Theilnahme 
zu erweden, und es ſcheint faft eine gewiſſe Abneigung gegem 
bie fpanifche bramatifche Poefte in Form unb Weſen vorzuwal⸗ 
ten, ba fie überhaupt in Deutfchland zu Teinem Ginfluß ges 
langt ifl. Der Urfachen für dieſe Erſcheinung gibt «6 gewiß 
mehre. Fuͤr das feine Spiel in Wort und Sinn, wie es ber 
Aubländer liebt, mangelt es dem Deutfchen an Ohr, unb wenn 
er auch im Stande if, Schwung und Pathos leidenſchaftlich gu 


Studien über Kope de Vega Garpio. 
Wien, Gerold. 1839. 


— 


‚ fo mäffen beide morai 
— und HRetuDDen bagıgen, wie bebktfam 


von p 
nb gehaltvoll fie auch auftönen mögen, finden in feiner Bruft 
keine za Daun 


ulootfen. 
K ntzigue auf das Künftlichfte verwidelt und bis pi äußerften 
Spitze getrieben erfcheint, muthet der deutſchen Gemaͤchlichkeit, bie 
ſich nad des Tages Laft und Hige einmal bequem fattlachen will, 
wirklich zuviel Geiftesanftrengung zu, wogegen das Schaufpiel 
und die Zragdbie Geſchichten und Sagen behandeln, die dem 
Deutſchen, defien eigene Geſchichten und Sagen tobt baliegen, 
in Leben und Gitte durchaus fremd find. Zu dem Allen kon:mt 
noch ein Umftand, der auch ben Shakfpeare’fchen Dramen fo 
häufig entgegenfteht: die Gcenerie nämlid. In biefen wie in 
den ſpaniſchen Schaufpielen ift, da bas bei der einfachen Orga⸗ 
nifation ber Bühne überflüffig war, ber Ort ber Handlung fels 
ten angegeben, und ebenfo wenig find die verfchiebenen Scenen 
abgetheilt. Ergaͤnzen wir nun beides, fo gerathen wir bei ber 
nun einmal beftehenden Wafchinerie, ber gegenüber eigentlich 
aue ein einziger Zuſchauer ben vollen beabfichtigten Genuß ha⸗ 
ben Tann, In einen fo häufigen Scenenwecfel, baß wir noth⸗ 
wendig verwirrt und verbrießlidh uns abwenben, und wir fonft 
fo Gerechten find dabei fo ungerecht, unfern Verdruß dem 
Schauſpiel zur Laft zu legen, anftatt ber G@inrichtung unferes 
Theaters. Rechnen wir zu bem Allen noch, daß der beutfche 
berfeger glaubt, ein Sklave feines Originals bis zu dem ges 
ringfügioften Kleinigkeiten herab fein zu mäflen, daß er a 
bei aller Anftrengung, aller Bewanbtbeit dennoch bei oft fehr 
weientlichen Stellen feine Bewifienhaftigkeit befchwichtigen und 
Rott des Beiftes einen Schatten geben muß, fo Tann es nicht 
auffallen, wenn das größere Publicum ſich unempfänglich zeigt. 
Ref. glaubt, der Überfeger habe zu bedenken, daß, wie wefents 
lich nothwendig in und an einem Kunſtwerke auch das Unbe⸗ 
deutendfte erſcheint, es ihm doch nun einmal nicht gelingen 
könne, fein ‚Original ganz getreu abzufpiegein. Gr muß ſich 
daher entweder dem Geiſte feines Volks mehr anbequemen, ober 
— den guten Rath geben, das Driginal gefaͤlligſt ſelber 
gu leſen. 

Diefe Betrachtung leitet uns zu ben vorhandenen Übers 
ſezungen. Bon Fr. Schlegel wollen wir nicht reden. Seine 
Lieblingsibee war eine Dichterzunft: er, der Meifter, warf feine 
Überfehungen nur als zugeſchnittene Stüde den Gefellen zu 
weiterer Verarbeitung zu. Von Julius von Soden tft ebenfalls 
nicht zu reden, benn ein flächtiger Blick zeigt felbft dem Un⸗ 
Bundigen, daß er bes Spaniſchen wenig mächtig war; und daß 
es ihm auch fonfl an manchem Nothwendigen fehlte, fcheint 
unter Anderm durch den Umfland bethätigt zu werben, daß er 


weder in feinem analptifchen Ratfonnement, noch in den vielen |. 


zum Theil überfläffigen Anmerkungen zu dem Gchaufpiele: 
„Die drei Diamanten” anführt, bie Grundlage biefes Stücks 
ſeü das ſehr befannte Volksbuch von ber ſchönen Magelone. 
Die Arbeit diefes Uüberſeters hat keine Fortſetzung erfahren. Auch 
Richard muß Hier übergangen werden, da feine, übrigens im 
Ganzen lobenswertden Überfetungen blos Novellen bes Lope de 
Bega wiebergeben, und fo bleibt denn nur noch von ber Mals⸗ 
burg übrig, der, außer feiner neben Gries verfuchten Überfegung 
des Galderon, auch von Lope be Bega 1824 drei Gtüde dem 
Yablicum vorlegte. Gute Einfiht in feinen Dichter, Kennts 
niß ber Sprache, Gewandtheit im Versbau find ihm nicht abs 


angweil 
beifeite, 
Selegen! 
fiebe bei: 
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glücklich 
allein, 
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und der 
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nur erfüllt ec felbe durch andere Mittel, aufı-anberm, ey 
0 Bei bei a : „Die Gräfin Mathilde‘ 
2 Fr a Matilde) fagt ber. Bf, 


3 ‚Bes uns hier geboten *3. iſt ‚nichts: Anderes ais 


der Ball üft, 9 

iple, ‚mit ihren: beifern Ühergen; 
in..einen yenzeißenden 

und Geohiäte —— in ‚taufend. Sällen,; dazu a 


ausgefpzodene 
Yäsung. des Ider eintet ‚Bieltesbnung‘‘, 
zine. Müahrheit ‚bleibt, Kenn. aber ‚dem, Dichten, unh: ind«. 
nbere..dem bramatäfchen, Gridhichte und. Erfahrung Rock zus. 





Jängläche # Qütelien. bitihen .müflen ,. wenn. fermen 
a hans In Menfhraleten —— 
felung if, fo wWirb:eä ‚immer. nur. auf dem  anlemımem, 
jenen! fi Sehhhls ‚und. befferer Übergeugung. 
mis. dev, Ihre eiaer fittlichen Meltorduung In Einklang: zu. baiz. 
Yeg Sabc vie folhe ufifung Thealtin. vecbhalen. Fate 
Pen Te — Peg ung 
— übe veupg de 
sole, neue 3a unh„überehen wollen, 
jan; ‚nicht er Ei —S — 
ee, wenn, „jofltap, fe die, 
— 6,.amfaehen, a. lab⸗ 
fen? Mi Kan a ven —— — dem. 
* en use ar Ara 
* PR 
8 iuce. des, Grhanfplis ; „, Viaitdiihe für. birfen, 
et al6, volfangnen, gi u 
Diele ie ie anberg, in; dam vorkegens. 
dem Bade, Be Han ons un Be aaa ve. 
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| wegen des weiten Sumpfes, deu: bie: gamge Kül 
«| nimmt und ber, 





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tr ir! Pabeonte m — 
mäßig zwei o! 7 im gen 
10.12 @diffe, meiſt 4. Di der Eradt 
unslacklich Fre en Pe vom bee: 


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Hi] 


obgleich: man: ih 


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5 Üremehten, verber! Fieber ‚erzeugt: Dagartemme, . 
daß das Waffen außerordentlich ſchlecht ik. Die meiften Bemitien. 
haben Fein anderes als Regenwafler, das von den Schindelm-ber: 
Daͤcher, über ‚die es Jäuft, bevon es in Ciſternen gefammelt wird, 
eine. ganz gelbe Farbe erpält., Als liegt in;der Gitabt. 
ein. Regiment Schwarzer. Ie- ui ‚ die Lasen dieſes 
Drts if, um ſo mehn iſt es zu verwunbern, deß ein ſo derr⸗ 
ide Bled wie bie. Ste⸗ Ippmasboi- an dem Punkte, 09 bes 
Sin num Qaneane Seth ba er 

ei  felbft, zum —8 fen man 
den · ſcheint —X — und. Da geitehen IR. 


er a SE Sm m 
und t er r 
ornitpolsgiihen Bere, * der F ha — 
Schmerz unb Rath. gefppenkeisen: Bllgef: ausgenommen, IR das 
ganar Gefieden von metallartig-Tdimmamnden::gol —— 
Den, Kopf ein Soſqel der. Shänfken-g: 7 » 
wie Samımet anzufühlen.- Das,glöngeudfe aber If. hrs ** 
— ——— 
mi . ” J 

Amerikas trugen ——— —— 





—— 


2 Blätı 


für 
literariſche Un 


Bonntag, —ı Nr. 34 








Über Holzſchneidekunſt. fi vi 

(Befäluß aus Rr. 30.) Ef 

Auch das fiebente Gapitel iſt für den deutſchen Lefer | dap 

von befonderm Intereffe, denn man erfährt hier manches | von 
Ausführliche über die neuern und meueften englifchen \ 
Sormfchneider, befonders über Bewick und feine Werke, | Aus 
- worauf id) beſonders aufmerffam machen moͤchte. Aud | vom 
fehen wir in diefem Buche, wie «8 in England mit kunſt⸗ ! 
gefchichtlichen Studien und Anfichten fteht. Dem Leer | an | 
wird es gewiß Spaß machen, folgendes Pröbden zu | deut 
koſten (S. 367): erken 
Obſchon jegt noch auf 100 der von Albrecht Dürer gezeich⸗ in a 
neten Ortginalftöde und auf 300 der von den ausgezeichnetſten grav 


Berfon, welche fi für einen Belehrer des Publicums im Betreff | venti 
der Kunft ausgibt, folgendes Gutachten ab vor dem gewählten | necti 
Gomite bes Haufes der Gemeinen für Künfte und ihre Verbins | of A 
dung mit den Manufacturen, verordnet 1835. Er wurde ges | oo 
fragt: Blauben Sie, daß ber Fortſchritt der Künfte in diefem The 


"tigkeit verhindert wird? und er beginnt das Gomite aufgußtäs | theilı 
zen wie folgt: Gehe verhindert. Mit den Fünften der Zei: | nicht 
nung Qularamengängenbe "@rfindungen neuer Inſtrumente ober ge € 
„neuer Sc ingöweifen find 3. B. — der Leichtigkeit , wo⸗ biefel 


als isgend weiche andere Han ae Cold’ ein Schut, Einyı 
a, die beftehenden Gefege gewähren, iſt völlig unzureichend. ftand 
36 Yann meine Meinung nlht beffer erläutern, als indem ich | tend 
das Bormenfäniben in Metall (engraving in metallic relief) tung 
-erwähne, eme Kunft, von der-man annimmt, daß fie vor fantı 
drei oder vier Jahrhunderten erifkirt habe, und deren Wieder⸗ 
auffiutung lange 3eit ein desideratum unter den Künftiern ger | große 
nift. _ Albrecht ber beides, ein Mater und ein gors | Goptı 
menfchneider war, befoß gewiß diefe Kunft, d. h. die Kunft, | if, r 
«feine Beidmungen, noddem fie auf‘ Papier ehtworfen merken, | {ff et 
woren, unmitteiber auf Metali ſtocte überzutpegen-(transferring — (& 
immediately into metallic relief), fodaß fie dann mit der Bud; | ſchen 
druderpreffe abgedruckt werben mochten. Gegenwärtig find die | gut, 
sine Art von Zormfdnitten, welche Sie mit der Buchdru⸗ | zieml 


derpreffe 0° "Innen, Holzftiöde oder fereoty be | Heine 
Latſche vo: n; und dann find dieſe Solgfpmitte nur dien 
Gopien un sche Gopien ihrer Originale, mwährend-in | . 
dem Ball‘ iver’s e6 volltonmmen Bar if, daß-e feine einer 
eigenen 31 waren, welde auf den Metoiftod übers | folge 
gi agen ı ich find Holzfemitte im Punkt ihrer Grbße | burhi 

fhräntt,, weit fie nur auf, ——— ausgeführt werden breit 
Zönnen, deſſen Breite ſehr ge tft; In der That, wir haben derfel 


Reine Holy initte auf — gr fadhen @tod von eöheem Im Um 
fange al Detav; wenn des Holzfänite größer ff Fendt 
‚gu oder drei Stuce zufanmen verbunden; aber us wei mit dung 








1374 


bei Verfertigung der Copien mehr im Auge behalten 
haͤtte; denn dadurch, daß man gar zu aͤngſtlich bemuͤht 
war, ſo viel wie moͤglich Zahl und Form der Striche 
im Einzelnen, in ſo einem bedeutenden Maße verkleinert, 
wiederzugeben, haben die Copien oft einen ganz andern 
Effect als die Originale bekommen. Aber hier haben wir 
wieder den Englaͤnder! 

Nimmt man nun noch an, daß dies Bud über: 
haupt prachtvoll ausgeftattet ift und ſchon als bloßes 
Kormfchnittwerk eine große Bedeutung in Anſpruch nimmt, 
fo wird der Lefer, der ſich noch nicht felber davon über: 
zeugt bat, mir glauben, wenn ich behaupte, daß mir 
auf dem ganzen Continente kein Ähnliches Werk über un: 
fern Gegenſtand befigen. 

Es kann nicht bie Abſicht fein, bier eine eigent- 
liche Recenfion über dies Werk zu liefern; ich Lönnte 
daher füglich fchließen, denn ein Eingehen in das Einzelne 
wäre hier nicht am Plage; doch will ih noch Eins er: 
mwähnen, worauf befonders in neuefter Zeit die Aufmerk: 
ſamkeit des Eunftliebenden Publicums gelenkt iſt. Es tft 
die Frage nach der Eigenhaͤndigkeit derjenigen Holzſchnitte, 
die man beruͤhmten Malern aus vergangenen großen 
Kunſtzeiten ſchon ſeit Jahrhunderten zugeſchrieben hat. 
Bekanntlich beliebte es erſt der neuern Zeit — zuerſt durch 
Unger und Bartſch — dieſe Eigenhaͤndigkeit geradezu 
wegzuleugnen, und man ſtellte die ganze Sache etwa ſo 
vor, als wenn blos Leute, die nichts von Kunſt- und 
Kuͤnſtlerweſen verſtuͤnden, die Eigenhaͤndigkeit annaͤhmen, 
und doch waren es Vaſari, van Mander, Sandrart, 
Papillon, denen es gar nicht in den Sinn kam, eine 
ſolche zu bezweifeln. Da nun auch in allerneueſter Zeit 
die Ableugner der Eigenhaͤndigkeit nicht einen einzigen 
Beweis fuͤr ihre Behauptung haben vorbringen koͤnnen, 
wie ich dies an einem andern Drte*) hinlaͤnglich nachge⸗ 
wieſen babe, hingegen für die Eigenhändigkeit eine be: 
beutende Anzahl ausdrücklicher und unverwerfli: 
- her Zeugniffe vorhanden find, wie benn auch immer wieder 
von neuem dergleichen aufgefunden werden, fo kann man 
das Verharren bei jener Ableugnung nur einer fuflema: 
thifchen Verblendung, einem balbvorfäglichen Selbftbetrug 
zuſchreiben. Daß auf biefe Art die negirende Partei alle 
Augenblide genoͤthigt iſt, fich felber Widerfprechendes zu 
fagen, daß fie immerfort eine Menge Halbheiten an den 
Mann zu bringen fuchen muß, geht aus der Natur der 
Sache hervor. Da fih nun unfer Engländer zu biefer 
Partei gefchlagen bat, fo widerfaͤhrt ihm auch häufig 
genug ber foeben ausgefprochene Übelftand; was im Ein: 
zelnen nachzumelfen einem andern Orte aufbewahrt bleibe. 

Nr. 2. Diefe Heine Brofhüre macht uns mit einem 
abfcheulichen literarifchen Betruge bekannt, der ebenfo frech 
ale plump ill. Der Verf. des Werkes ift nämlich, wie 
ich fchon oben fagte, Chatto; Jackſon hat nur bie Holz: 
fchnitte dazu beforge, auch einige felber gefchnitten; ferner 
bat berfelbe die Materialien für das achte Capitel gelie: 
feet, die dann von Chatto bearbeitet wurden, wel⸗ 


*) @, „Über bie Eigenhaͤndigkeit der Malerformfchnitte” 
(Leipzig 1840). 


ziebung auf einige techniſche Verhaͤltniſſe, Jackſon's 
Gutachten einholte. Übrigens war Jackſon vor feiner 
Bekanntſchaft mit Ehatto ganz unmiffend in dem hiſtoti⸗ 
[hen Theile feiner Kunſt, weswegen Chatto auch nidt 
bie geringfte Beihülfe im biefer Hinficht von ihm genoß 
Unter ſolchen Umftänden kamen beide Männer überein, 
dem Buche folgenden Zitel zu geben: „A treatise on 
wood engraving, historical and practical; the histori- 
cal portion by William Andrew Chatto; the practi- 
cal by John Jackson” (©. 8). Ferner ſchrieb Chatto 
eine Vorrede dazu, worin er auf eine beſcheidene Weiſe 
ben Antheil, ben beide Männer an dem Werke hatten, 

angab. Trotz dem erfhien dies Bud, ohne daß man 

Chatto etwas darüber fagte, nicht nur unter dem Titel, 

den es jegt bat, fondern auch mit Auslaffung ber hier 

erwihnten Stellen aus Chatto’8 Vorrede. Fa, man fegte 

fogar noch eine Vorrede, von Jackſon unterzeichnet, dem 

Werke vor, in Beziehung auf deren Inhalt Chatto fehr 

tichtig fagt (S. 16): 

The substance of Mr. Jackson’s preface, when deprived 
of its colouring matter, is simply as follow. 1\. "That 
long previous to his amusing himself with copying old wood 
engravings, and making „memoranda“, he had even in the 
habit of studying the productions of the old masters, and 
of noting the simple mistakes that many authors had made 
in consequence of their knowing nothing of the practice of 
wood engraving. 2. That having prosecuted his inquiries 
farther and having detected many erroneous statements re- 
specting the history of the art, in the works of different 
authors, he at length determined upon engraving a fac-si- 
mile of any thing he thought worth preserving — 5. That 
though he has not written the work, it is compiled from 
his memoranda and that through me the historical portion 
has only in some degree been extended beyond what he 
originaly contemplated. 

Es laͤßt fi denken, daß ein Mann wie Chatto nich 
bazu ſchweigen konnte, wenn er auf eine fo plumpe 
Weife um die wohlverdiente Anerkennung gebracht wer: 
den follte. So hat er denn in dem vorliegenden Schrift: 
chen feine Stimme erhoben, und fo voll und durchdrin⸗ 
gend, daß an dem Erfolg gar nicht zu zweifeln If. Es 
ift demnach zu wuͤnſchen, daß man auch in Deutfchland 
diefe Broſchuͤre nicht außer Acht laſſe. 


Auguft Ernft Umbreit. 





Deutſche Pandora. Gedenkbuch zeitgenöffiicher Zuſtaͤnde 
und Schriftſteller. Erſter und zweiter Band. Stutt⸗ 
gart, Literatur⸗Comptoir. 1840. Lex.⸗8. 3 Thle. 18 Gr. 


Die Formen, in denen ſich das literariſche Treiben bewegt, 
find weniger einer Mode, als einer nothwendigen, von Innern 
und äußern Umfländen abhängenden Wandlung unterworfen. 
Der Zournalismus, ber eine Zeit lang bie herrſchende Form 
ber Tagesliteratur war, iſt einerfelts fo cynifch, anbererfeite fo 
flach geworden, daß bie befiern Federn, bie ihn vormals grüne 
beten und trugen, fi fall ganz aus bemfelben zurüdgezogen 
haben. Wenige Journale haben einen geachteten Rang behaups 
ten Tönnen; bie meiften find der Art, baß bie Theilnahme ba: 
ran eher eine Erniedrigung als eine Auszeichnung if. Inzwi⸗ 
schen bleibt es Webürfnig für bie Literatur, Gegenftände des 
Augenblids zu vrfafien, Dinge zu behandeln, bie vorübers 
gehen ; andererſeits durch Lürgere Formen Einzelnes aus bem 


cher Letztere auch bei den frühen Capiteln, in Be 








u. su [077 u 


- > -- 


1375 


— 


rrnern unb äußern Leben abzuſpiegeln, was auch eine dauern⸗ 
dere Geltung hat, aber boch nicht geeignet iſt, für fich felbft 
als ein Werk aufzutreten. &o bat ſich eine Gattung von Sams 
wwuelfchriften gebildet, in denen fich die Autoren wie in einem Ges 
fetifchaftsfaal begegnen. Ste halten bie Mitte zwiſchen Iournalen 
sundb Büchern, wie eine Ausflucht über Land die Mitte gwis 


ſchen Spaziergang und Reife hält. Und gerade eine ſolche 


Ausflucht ift oft fehr erquidend; fie gewährt Genuß und Vor⸗ 
theile einer Reife, ohne ihre größern Koften und Unbequemlich⸗ 
Zeiten. Wie faft bei allen Zeiterfcheinungen, die fich eine ge⸗ 
wiſſe Gültigkeit verichaffen, haben Zufall und Rothwendigkeit 
einander im glücklichen Augenbli bie Hand geboten. Jener 
gab die Veranlafiung, während dieſe aus den innern Urſachen 


hervorging. Das erfte Werk der Art in neuerer Zeit war das 


befannte „Livre des Cent et un“, das veranlaßt wurde burch 
Die bebrängte Lage eines Buchbänblere, dem man von allen 
Seiten zu Hülfe eilen wollte, das feine innere Urfache aber 
in einer Richtung der franzöfifchen Literatur fand, die aus den 
Lebenszufländen der Geſellſchaft überhaupt hervorgegangen war. 
Ihm folgten bald ähnliche Werke in Deutſchland nach; die Sour: 
male nahmen die fonft beliebte Form ber Monatshefte oder Viertel: 
jahrsichriften an, um ihre Mittheilungen in diefer Weife einrich- 
ten zu können. Andere Unternehmungen bildeten ſich, die von 
vorn herein nicht als fortlaufende, fondern nur als in einem 
gewiſſen Raum und Zeitraum abgefchlofiene zu gelten trachteten. 


Zu dieſen gehört das vor uns liegende Sammelwerk Pandora, 


das fih, um eine beflimmtere Färbung au haben, noch außer: 
dem, wenn nidt fireng und ausſchließlich, doch vorzugsweife 
die Aufgabe geftellt bat, beutfche Zuflände zu behandeln, 
um fo nad und nad ein Gefammtbild des Vaterlandes und 
feines jetzigen geifigen Lebens zu geben, das uns in einer Reihe 
einzelner Gemaͤlde vor bie Seele geführt wird. Diefe Richtung 
laͤßt trotz Ihrer Entfchiebenheit den mannichfaltigften Wechfel zu. 
Leder der mitarbeitenden Schriftfielee — und die beften haben 
ihre Theilnahme theils zugefagt, theils ſchon bethätigt, wes⸗ 
halb wir uns eine Ramenaufzählung erfparen können — hat 
Die Aufgabe nach feiner Beſonderheit erfaßt, fobaß unfer In⸗ 
terefie in der That recht vielfältig und verfchieden angeregt 
wird. Unfer Urtheil muß fi nun, nad biefer Andeutung 
über die Idee bes Ganzen und deren innere Begründung in uns 
fern literarifchen Zuftänden überhaupt, auf das Einzelne wenden. 

Der erſte Band gibt uns Auffäge von Fr. Körfter, Franz 
Dingelftedt, Guſtav Schwab, K. v. Wachſsmann, Theodor v. 
Kobbe, Friedrich Koͤlle. Fr. Foͤrſter theilt uns Erinnerungen 
aus dem Befrelungslriege in Briefen mit. Das Wert konnte 
nicht wohl mit einem glüdlichern Gegenſtande beginnen, als mit 
der lebendigen Vorführung einer Zeit, deren Größe und erhebenbe 
Gewalt noch jetzt freudig in jedem beutfchen Herzen nachbebt. 
Seit 1815 find wir erft wieber ein Deutfchland, ein freies, 
ſelbſtaͤndiges Volk geworben; ein beutfchen Zuftänben gewid⸗ 
meted Buch Enüpft alfo am beften bier an. Aber auch für 
fi ift ber Beitrag von großem Intereſſe, da ee uns keine 
nachträgliche Schilderung jener Zeit, fondern bie ihres lebendig 
fen Lebens in Briefen, die unter dem Eindrucke beflelben ge: 
ſchrieben find, gibt. Wir leſen dergleichen von dem Autor 
oder Rebacteur des Ganzen muthmaßlich felber gefchrieben, mit 
dem Buchftaben & unterzeichnete; ferner von Theodor Körner, 
an den jene meift gerichtet find, von Schleiermacher, Zelter, 
Goethe, Bouquet, Morig Arndt (befien damals gefelerter 
Name jest in erneuertem Purpurglanz bes fchönften Lebens⸗ 
abends ftrahlt), Rahel und Eleonora Prohaska, jenes heldenmü⸗ 
thige Mädchen, das. vom Drange ber großen Beit fortgetrieben, 
fetbft die Waffen ergriff, um für das Vaterland zu fechten 
und zu fallen! Die meiften biefer Briefe find aus Dresden, 
viele aus Berlin gefchrieben, in ben erflen Monaten bes 


„Jahres 1818, wo der ruſſiſche Eisgang die beutfchen Stroͤme 


der Macht und Freiheit von ihrem Zoch befreite und fie neu 
loebrauſten, in verboppelter Gewalt, nach ber langen Hem⸗ 
mung. Wir haben es hier mit keinem eigentlich literari⸗ 








"IE6 
















Nied Vie Yan bu —* vober Ve War: :| Uwe wäre. — Der :Unfeng bifes Benin Teil im 
eg 1 * a mn pl —— Berichte ‚alten, note er hie Mone and Werla 

Dee gelte Wand ietet -u6 wi e von — * blidet. BE Krb hendert Gedichte bes — 2 
Se Wubwig Rellſtab, 3. M. Söll, Ludwig Büheln, | Rüttert, die einen Innen :Bufemmenhang haben, ber Ama 


isfem | den Mitel: Stillleben eines beatichen Dichters‘, - ausgebunbett if 
' * Bir — ieſenivr debärft ige Times — 
—E en Dufinaus N echo. Dies ——— 
Dichteet wũrde allein hinreichen, ihm ein awiges gs 
ern. 


—* Auguſt Eewalb dar, — 5 in db 
Sonde 


eb: Ah ofkt 
1Sie alle vier And Wilder —— Hrrtiichteiten und —*8 
Der erfte Verfaffer, der ſich gern auch als den dieſer Krittkk be⸗ 
Iennt, hat die Zuſftande eines ſtaumverwandten Vachbarvolkes 
und Landes den deutſchen einverteibt, indem er cine Herdſtreiſe 
nach Repenbagen fm 3. 1889 ſchildert, bald ſcherzend, -batd 
get, wie Segenſtaͤnde und Greignifie felbft es warm. 
ann ſich nicht Tetbft tadeln oder loben, glaubt ader doch, 
‚fein @egenftan Anziehungẽkraft genug bat, um gem . 
‚den praͤchtigen Sund in bie wundervollen Buchenwaͤlder Seelands 
‚und die herrlichen Kunſtſtaͤtten Kopenhagens zu folgen. — 
Be er dort im Norden, fo wandert 2. Bührlen im Süden 
Deutfchlands durch den Schwarzwald und führt und gar an: 
Mmuthige, vrfrifchende Pfade. Was er vielleicht in ſolchem, 
‚mehr der afgemeinen Bildung een Werk hätte erſpa⸗ 
izen dürfen, wären bie geognoftifigen Einſtreuungen geweſen. 
Die: ‚Biffenfihaft will niet fo gelegentiikh behandelt fein, fie 
-wird dabei ebenfo fpröde und unbequem, wie tragend und be: 
ſeligend, wo fie in ihrem vollen Rechte bleibt. — H. Koenig, 
"der bekannte, Hochadhtungswerthe Literat, beingt uns einen 
Auffatz: „Fulda in feinen Verwandlungen“, der offenbar ale 
:eehft belehrender den Preis unter den vier ähnlichen verdient. 
Mr gibt einestheils eine Geſchichte des Laͤndchens Fulda, in 
Wauptzügen, mit manchem charakteriſtiſchen Detail verwebt, an: 
Dererſeits eine Orts und Sittendarſtellung, letztere geiſtvoll mit 
ychologiſchem Blick aufgefaßt. Der Beitrag bringt uns einen 
men, zu wenig gelannten Theil unferes Batrelanbes 
zeht anſchaulich u eindringtich näher. Auch dem Scherz 
wird fein Recht, B. die artige Erzaͤhlung von dem 
„Sohn Yszap (iepapfin) bekundet. — aber der Verf. dem 
fo allgemein geſchätzten und geliebten Fürſten Primas nicht 
Anrecht thut? Die Beſtrebung, Heine in deſſen ſchonungsloſem, 





eiterariſche Anzeige. 
ConverſatiousLextkou 
der 
Gegenwart. 
Ein für ſich beſtehendes und in ſich abgeſchloſſenes Merk, 
zugleich ein Supplement 
zur achten Auflage des Converſations⸗Lerxikons, 


fowie zu jeder frübern, 
zu allen Nachdrucken und Nachbildungen deſſelben. 


“ Heunundzwanzigstes Heft, 
Bogen 51— 60 des vierten Bandes. 
Beävols bis Schulz. 


Drudpapier 8 Gr.; Schreibyapier : 28 6: 
Belinpapier 18 Gr. 








danla (Emeventius). Schacht (XH.). — Whek 
au 










Die Wahrheit gaͤnzlich misachtenden Wis nachzuahmen, die | farik (Paul Io — — Geha 

uns Thon formel nicht ann! behagt, len bier viel: —— En ne — Sirius (Sc 

— ne her einem ſchwerern Fehler, als ein blos Aftyetifher oder | Ludw. v.). — :@uheffer ( X — — * 
fein würde. Doch das iſt mehr Vermuthung als | 'Wchele (Georg Victor 






—— en der Berf. auf feinem Standpunkte allerdings 
genaae aber den Bürften Dalberg unterrichtet fein muß. — 
Zewald mit feiner Iefdten, angenehm darftellenden Feder 
I uns einen Diſtriet an der aͤußerſten Grenze unſeres 
aterlandes nah der Barbarei zu, die in Norddeutſchland 
wohlbekamte Strandreiſe von Koͤnigsberg nach Memel. Das 
Bild iſt ſehr lebendig und gewinnt einen Höhern- romantiſchen 
Neiz durch die eingeſtreuten, veigenben, Tettifchen Lieder. Möchte 
holy der geſchätzte Likerat den Schatz, von dem er ums fo fhöne, 
"Hau ‚metanehöftiche e KVlaͤmmchen leuchten Fäßt, ganz Heben! 
"ine ’giürktiche Bemerkung macht der Verf. bei Gelegenheit 
dieſer Laufen, Yansfänten Gtembreite über das erfchlaffende 
Brauemreiſen unferer Tage, wa e Aerbings die Reize bes Reis 
‘feine völlig abftampft ‚ce 488). Xuf den teifich gefchrie: 
"denen Auffeg von Söltl: „Kunſt und KRänfkter in Münden”, 
würde unfere aben gethane Außering, daß kritiſche Wlätter |: 
nicht wohl in’ dieſe Sammkung dehörten, nit paffen, denn er |: 
‚IR veiwtitem mehr derſchtend und ſchitdernd ats kritiſch. Zwar 
'iſt die Kande über das reiche Kunſtieben zu München weit ver⸗ 
dreitet; doch wer nicht, oder lange nicht dort gewefen, wird |- 
Immer aus —— ufettig Pr die dortigen gute 
un örgänge unte te orden fein, und' fo m man e 
"den Autor‘ für die Züſammenſtellung eines Ganzen darüber Reipzig, im November 
‚Son Dank wiſſen, felbft wenn fte nicht aus fo bevechtigter %e: Zu Vrockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhausd. — Drud und Verlag von F. 4, Brodhaus in Leipzig 


Ungföe ar 





den (Mil. — v.). — SEE 
Shmeler (Joh. Andreas). — samiß | 
— Schmid homtithenner Ehregot 







Gqeiſeſteveigench. 
txrch. — Schrobter (Adolf) — 
—— — 
Kaspar — — Sau 


ei Heiar.) — 
iels Stockfleth). — he 
-mund). — ? us *— (Bar Aug. Sig 










Blatt 
fit 
Literarifde Un 








—Bevoͤbkerungskunde. 

Schon: die oberfäkßliche: Betrachtung: dev. Zeit, in. der 
wir loben, zeigt, wie deren Richtung, mit ben vochenge: 
gangenen: Epochen verglichen, eine loͤſende, enctfefſelnde, 
feeimadzende genamtt werden: darf. inter den verfchies 
desma Seiten nun, welche diefe einmal befichende Rich⸗ 
tuarig, wie alle menfchlichen: Dinge, dem Auge des Beob⸗ 
achters darbietet, iſt unſtreitig eine der erfreulichſten die 
Einwirkumg folches ſtaͤrkern Freiwerdens auf das Geiſtige 
und. insbeſondere auf alles Gewußte. Wir ſehen allmaͤ⸗ 
lig die bisher in die Hallen dee Hoͤrſaͤle oder in bie B⸗ 
cherftuben der Gelehrten gebannte Wiſſenſchaft aus den 
geſchloſſenen Raͤumen heraustreten, in allgemein faßlicher 
Form ihre legten Ergebniſſe unter das Volk verbreiten, 
und Deren. tiefſte und verborgenſte Lehrfäge auf bie 
ganze gewordene und mithin lebende Natur, vor allem 
auf deren Wipfel, auf den Menfchen anwenden, wovon 
glaͤnzende Sien in Ritter's Schaffung der von ihm 
neugebildeten Erdkunde, wie in Carus nicht hinreichend 
gelannter Phyfiologie vorliegen: 

So wan es bemnad) der neueften: Zeit vorbehalten, 
durch Mehrung und Benugung früher als Staatsgeheim- 
niß behandelten Tharfachen und Wahrnehmungen, eine 
auf den: zwei Saͤulen der Wahrſcheinlichkeitsrechnung und 
der aus: dem Geifligen umd Leiblichen zuſammengeſetzten 
Anthropologie ruhende Bevoͤlkerungskunde als ei⸗ 





Bei 
. Dange 
tinger 

Wert*) 
‚wie alı 
befannt 
ſchaftlid 
ließen 
toͤnende 
fie od 


nen gleich neuen wie anziehenden Zweig ber immer wei: 
ter ſich veräftelnden Naturwiffenfchaften hervorzurufen. 
Schon find, Dank fei es den einſichtsvollen Veroͤffent⸗ 
lichungen der meiſten euncopäifchen Regierungen, denen: 
fly audy: die der nordamrerikaniſchen Freiſtagaten anzu: 
fgtiegen. geſtrebt hat, reiche Sammlungen von Thatfarhen 
und Zählungen- ans: Licht getreten und alsbald von. ein⸗ 
fiehtönchen: Simatsmännern, Naturforſchern, Arzten und: 
Mathematidern zu nuͤtzlichen Verechnungen und Wruglel- 


bed: Getecſtaudes gemaͤß erbaͤutort; zum allgemeinen: Be 
er auch alldemein verftuaͤndlich dargeſtelt weben, ein 


ſolchrr Rahmen ward bisher ſchmerzuch vermißft, mithin 


auch ein denſelben füllendes, treues und. lebensuolles Ge⸗ 
maͤlde. Der ſchoͤrbarr Verſuch hierzu von: Biffet Haw⸗ 


kuͤrzern 
bildet, 

populat 
nicht al 


allen gı 
oder Er 
ſolchen, 
nernden 
des Ver 
chungen gedtancht worden. Ein Rahmen jedoch, in wel⸗ 
dem alle jene einzelnen Leiſtungen vereinigt und ber 8 
für jeden denkenden WMenſchen gleich großen Wichtigkeit 








1328 


gebene, ſich bei den Weltverbindungen Englands über bie 
ganze Erde verbreitende Zeitſchrift. Dieſes letztere, ſchen 
zu mehren Bänden angewachſene Hauptwerk ſcheint voͤl 
lig außerhalb des Bereiches bes binnenlaͤndiſchen WBerfaf: 
fer gelegen zu haben, ber hier, im Gegenfage zu bem mit 
Recht von ihm (S. 22) getadelten franzoͤſiſchen Jout⸗ 
nale gleichen Namens, Thatſachen und nur folche ge 
funden haben würbe. 

Alte diefe foeben aufgezählten großen Gebrechen find 
um fo mehr zu bedauern, da bei ber in England gefeg 
lichen Öffentlichkeit und den reihen Mitteln, weiche auf 


beu unge fo fichtbae wahrnehmen laflen! Doch 
—* — auffallenbem, uns gleich von vornherein 
begegnendem Mangel, ſowie von bem aller und jeder 
Vorrede eines zur Hälfte in die Welt gefchleuderten Bu: 
ches, aus deſſen Titel wir blos fchließen koͤnnen ‚ daß 
feine noch ruͤckſtaͤndige, beiweitem umfafjendere Hälfte 
die befondere. Bevoͤlkerungskunde ber verfchiedenen einzelnen 
Länder der Erde enthalten foll. 
Es ift eine anerfannte, jüngft von Hrn. Hoffmann, 
Director des flatiftifhen Bureaus in Berlin, ausgelprochene 
Wahrheit, daß „die Zuverläffigkeit aller Aufnahmen von 


atiſtiſchen Nachrichten weſentlich durch Die Culturſtufe 
m wird, worauf fi) die große Maſſe Derjentgen 
befindet, von melden Nachrichten eingezogen werben 
müffen”. Demgemaͤß muß nothwendig ber Benugung 
aller ſtatiſtiſchen Angaben eine Eritifhe Prüfung und 
Sichtung ihrer Quellen vorangehen. Ja, felbft bie von 
Staatsbehörden gefammelten und veröffentlichten Zahlen 
bedürfen noch einer befondern Lduterung, weil, wie ber 
genannte große Statiſtiker mit Recht fagt, „zu deren 
eichtiger Darftellung nicht hinreichend verbreitete Kenntniffe 
erfobert werden, oder wobei Eigennug, Mistrauen ober 
Parteilichkeit auf das Geſtaͤndniß einwirken, weldes Cor⸗ 
porationen oder Privatperſonen abgefodert wird”. 

Folge nun aus fo offenem Geftändniffe eines der ur: 
theilsfähigften lebenden ftatiftifchen Praktiker, wie abwei⸗ 
hend am größerm ober geringerem Werthe ſelbſt fogenannte 
amtliche Angaben find, aus denen dann allgemeine Schlüffe 
gezogen werden müffen, was foll man benn erſt von einem 
Schriftfteller fagen, der wie Hr. Bernoulli nicht einmal 
auf jene Quellen gar verfchlebener Söligkeit zurückgegangen 
it? Denn mit Ausnahme der von Hoffmann und Quetelet 
über Preußen und Belgien gelieferten amtlichen Urzahlen 
und einigen Nachrichten aus Meinen Schwelzercantonen hat 
Hr. Bernoulli einzig aus theilweife recht ſchaͤtzbaren, aber 
doch abgeleiteten Compendien und aus deutſchen, ſchwei⸗ 

eriſchen und franzoͤſiſchen Journalen, wenngleich mit 
——* der ſo wichtigen rein mediciniſchen geſchoͤpft. Er 
weiß nichts von den durch die Regierungen von Schwe⸗ 
den, Norwegen, Dänemark, Großbritannien und Se: 
Land, Frankreich, Sardinien, Toscana, Neapel und Nord: 
amerifa durch den Drud veröffentlichten, aber freilich 
nicht immer kaͤuflichen mannichfaltigen Statiſtiken ber 
Volkszahl des Unterrichtöwefens, ber Verbrechen und 
Strafen, bes Aderbaues, Handels, Gewerbes u. ſ. w., 
den Quellen ſelbſt. Alles, was ihm vereinzelt aus 
denfelben zukam, find "nicht immer wohlgewählte ober 
richtig zuſammengeſtellte Bruchſtuͤcke und Auszüge in ben 
Souenalen zweier Sprachen. Noch minder haben ihm 
Mufterwerke über einzelne Stäbte vorgelegen, wie bie 
herrlichen, fünf Quartanten flllenden Arbeiten Villot's 
und des Grafen Chabrot über die Statiftit von Paris, 
die‘ jährlichen Bekanntmachungen der dortigen Hoſpital⸗ 
und Hofpizverwaltung, die überreichen gedruckten Berichte 
und Actenſtuͤcke der Parlanıente von England und Frank⸗ 
reich. Ebenſo wenig die feit Anfang 1838 in London von 
der dortigen hochverdienten ſtatiſtiſchen Gefellfchaft herausge⸗ 





jener Infel zufammenfließen, dort feit einem Sahrfünft, 
von ber Regierung beguͤnſtigt, ein Eifer für Statiftik 
im weiteflen Sinne des Wortes entftanden iſt, der jenes 
Reich jegt vor allen andern zum Mutterbodben ber 
Statiſtik gemadht hat. Zur Erhärtung diefer, wie 
leider Hrn. Bernoulli's Beiſpiel darchut, allzuwenig be: 
fannten Erfcheinung, fei es erlaubt, bier nachſtehende, 
(ehrreiche Stelle aus dem neueften Umiaufsfckeeiben der 
londoner ftatiftifchen Gefellfcyaft an ihre Mitglieder vom 
30. Juli d. 3. Herzufegen, mit ber wir gegenwärtige 
Warnung vor einer fo unreifen und flüchtigen Arbeit wie 
die Bernoulli'ſche gern nugbringend befchließen. möchten. 
Das Sammeln flatiflifcher Angaben und deren Zufammen: 
ftelung für wiſſenſchaftliche Ergebniffe hat während der letzten 
10 Jahre in England beträchtliche Fortfcheitte gemacht, wovon 
der Beweis vorliegt, ſowol in der von ber Regierung unter 
der Leitung des Präfidenten bes Handelsamtes getroffenen Maf- 
regel der Errichtung einer befondern ſtatiſtiſchen Abtheilung, als 
auch in der Bildung einer eigenen flatiftifchen Section bei ben 
jäprligen Zufammenkünften ber britiſchen Naturforſcher und 
rate, im Zufammentreten flatiftifcher Vereine in London und 
den übrigen größern Städten Großbritanniens. Hiervon war 
die natürliche Kolge, daß mehre wichtige Werke über die Sta⸗ 
tiſtik bes britifchen Reiches in der neueften Zeit von einzelnm 
Schriftftellern bekannt gemacht wurben, und baß bie verſchie⸗ 


denen Regierungsämter ausgebehnte Unterfuchungen anftellten, 


um flatiftifche Thatſachen zufammenzubringen. 

Das Werk, welches zuerft genannt zu werben verdient, 
ift die Reihe der alljährig vom flatiftifhen Amte der Regierung 
herausgegebenen Sammlung, welche eine Zufammenfaflung der 
wichtigften Berichte enthält, die von ben verfchiebenen Regierungss 
behörben über bie vereinigten Koͤnigreiche abgeflattet werben, 
fowol hinſichtlich auf Bevölkerung als auch über ben Handel, 
das Geldweſen, die Münze, Zölle, Ein⸗ und Ausfuhren, Ber: 
brauch, Abgaben, Acciſe, Steuern, Poftwefen, Schiffahrt, 
Sparkaſſen, Verbrechen, Armienwefen u. f. w., nebft den auf 
diefe Zweige bezüglichen Angaben fremder Laͤnder. Gin allijäb: 
tig in einem befondern Bande befannt gemachter Anhang lie= 
fert gleiche Auskunft über jede der britifchen Riederlaſſungen in 
den fünf Welttheilen. Die Heihefolge der Bände biefes Wer: 
tes umfaßt jetzt vollftändig die Jahre 1820—37, und der Band 
für 1838 liegt zur Ausgabe bereit. Die Anbangsbände über 
bie Rieberloffungen geben erſt bis zum Schlufſe des 3. 1836, 

Unter ben während ber legten brei Jahre von einzelnen 
Säriftftellern herausgegebenen Werken über vaterländifcge Stas 
tiſtik find zwei befonders wichtig, nämlich bie Gtatiftil bes 
britifchen Reiches von MiEulloch, dem Verfaſſer bes: Handelss 
Woͤrterbuches, und bie Fortſchritte bes beitiichen Wolke von 
G. R. Porter, Director des ſtatiſtiſchen Amtes. Das letztge⸗ 


nannte Werk iſt noch unvollſtaͤndig, da ber länge verheißene 


dritte Band beffelben noch immer nicht erſchienen iſt. 
- Die vom Ingenteurflabe angeftellte Vermeſſung Englands 
ift.jegt für die. Grafſchaften Northumberland, Gumberland, 





1379 


Weſtmoreland, Durham und bie Theile ber Graffchaften York 
und Lancafter beenbigt, welche norbwärts einer von Oſten nach 
Weften zwiſchen Hull und Preflon gezogenen Linie liegen. Das 
gefammie Kartenwerl wird 110 Blätter betragen, wovon 78 

reits erfchienen und 7 in ben. Händen ber Kupferftecher find. 
Die gleichartige Vermeſſung Irlands ift für 24 von den 32 
Srafſchaften, aus denen es befteht, bereitd vollendet; 19 derſel⸗ 
ben find ſchon erfchienen und die übrigen fünf werben jett ge: 

ochen. Von den acht noch rüdftänbigen iriſchen Grafſchaf⸗ 
ten werben ſechs: Clare, Kilkenny, Werford, Tipperary, Lis 
merict und Waterford, jetzt vermeſſen und zwei, Cork und Sligo, 
ſollen es erſt werden. 

Die Zehntencommiſſion iſt mit einer Aufnahme von Eng⸗ 
land und Walis beſchäftigt, welche fie innerhalb weniger Jahre 
in den Stand fegen wird, die ausgebreitetften, wo nicht gar 
volfkändigen Überfichten der Vertheilung und des Werthes des 
Grundbefiges zu liefern. Zu ben wichtigfien, von ber Regie⸗ 
zung vor kurzem bekannt gemachten Actenftüden gehört der 
Bericht des DOberaufnehmers aller Geburten, Sterbefälle und 
Shen. Diefe Stelle ift erft 1837 errichtet worden, da es frü⸗ 
ber unmöglih war, über ben fraglidhen Gegenftand genaue 
Auskunft zu erlangen. Der erfle Bericht enthält die Angaben 
über die während bes mit Juni 1888 endenden Jahres für 
Gngland und Walis aufgenommenen @eburten und Sterbefälle, 
bei denen das Alter nebfi Krankheit ber Geſtorbenen angegeben 
und ein Sterblichkeitsvergleich ber verfchiedenen Theile des Sans 
Des angeftellt iſt. Der zweite, ſich an ben erflen anfchließende 
Jahresbericht umfaßt das 3. 1839 bis zum 30. Juni und 
wird eben ausgegeben. 

Eine andere, nicht minder wichtige Reihe von Berichten 
über bie Krankheiten und die Sterblichkeit der britifchen Trup⸗ 
pen in den verfchiebenen Welttheilen wird von der Regierung 
unter ber Leitung des Majors Tulloch bekannt gemadjt. Die 
in ben drei bisher erichienenen Bänden unterfuchten Befigungen 
find: die vereinigten Königreiche, Weftindien, bie ſechs nordame⸗ 
zilanifchen Provinzen, die Befagungspläge im Meittelmeere und 
in Afrika. ‚Oftindien und Auſtralien follen noch begonnen wers 
den *). Major Zulloch iſt jest mit einer Unterſuchung ber 
Krankheiten und der Sterblichkeit der Landinvaliden im Ber: 
forgungshaufe in Chelſea befchäftigt, bie einige ſchaͤzbare Er: 
gebniffe liefern wird. Die babei benugten Urkunden umfaflen 
40,000 Eeben. 

Bon dem Ausfchuffe zur unterfußiung der Lage der Hands 
weber in ben drei Reichen find fünf Bände Berichte heraus: 
gegeben worden. Sie enthalten eine große Menge nüglicher 
Thatſachen über bie Anzahl ber auf biefe Weiſe Beichäftigten, 
über deren gefelligen und fittlihen Zuftand und über die Preife 
der Arbeit, der Waaren und der Belöfligung. 

Die vor ungefähr 20 Jahren begonnene Unterfuchung ber 
Ginkünfte der milden Geftifte in England und Walis ift end: 
ch. beichloffen und bas Parlament hat befohlen, baß ein 
Auszug diefer Boliantenreihe angefertigt werde. Dies ift indeß 
eine Arbeit, welche eine beträchtliche Zeit erheifchen wird. 

Der erſte Bericht des Ausfchuffes zur Unterfuchung der 
Rothwendigkeit der Errichtung einer Landespolicei in Eng⸗ 
land ewthält eine große Menge neuer und wichtiger Angaben 
über bie Arten und die Ausbreitung der. Verbrechen in unferm 
Lande und über die Gewohnheiten nebſt der Werfahrungspeife 
ber verbrecherifchen Bevoͤlkerung, ſowie Vorſchlaͤge zur unter⸗ 
drũckung jener. Die in den legten Jahren und im gegenwärs 
tigen befannt gemachten Berichte: bes Unterhaufes über Gifens 
bahnen liefern eine fehe ins Ginzelne gehende Befchreibung der 


‚9 Soeben ih auch ein ähnliher Parlamentöberiht über ben Ge: 
ſundheits zuſtand der Flotte in den fieben Jahren von 18393, 
in Suͤbamerika, Weftindien, Nordamerika, im Mittelmeere 
und auf ber pyrenqaͤiſchen Balbinfel erſchienen, dem die übri: 
- gen Theile des Reiches wahrſcheinlich bald nachfolgen werben. 


N 


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Eiſenbe 


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1980 


* Wet — mborb und Ich Kine. Seioenk von 1 Benfveufu. 
5. Rotallens 12* — —ãA— 836 


1840, 8, 1 Ihr, 4 
Auch in der Ddu⸗ wechſelt Wah a Did: 
tung nter nach Akt umferer Radıibarır an 
etlauben fi, das Schickſol noch Eebender zum — — 
Gebrauch zurecht zu machen, F wird doch nur in das Leben 
von Adgeſchlebenen elgaenmädktig ein | 
gehn geht ausſchließlich den “an, die Kindhektt, 
ickelang, die Studien und erflin —— | ve hochbe⸗ 
7 Mannes, deſſen Verdirnſte ale ——— die Nach⸗ 
ar dankbar anertmır, wenn fr rau mi 
deren noch mancher Lebt, von Pr ausgrzeidmeten 
EP ung als geiftticher Rebner urtheilen Tann, in aus def⸗ 
im Biographie Bi — AR Auch feine kiebre werbang 
,. Defto willlürlicher wurde mit dem 
Denaen Ne * der. Stadt, wo ber Kührer feine Braut 
dand, ren er fich mit feiner Goufine verbinden, die ihm miss 
fat, weit fle albern und verfihnärt iſt. So verunglimpfte ber 


& eine der tflinnen, deren großartige Eigen⸗ 
aften, und feltene Gef aft die Anerkennung fanden, wekche 
— verdiente: Ihre Erzieherin wird wol auch nicht das lächer⸗ 


e Zerrbild gewefen weiches bier dargeſtellt if. Was 
Ben Zranen entzogen iſt, wird bem Prinzen zugelegt, hier if 
er ein Schwäͤrmer, in der Wirklichkeit ging fein Trübſinn 
Seffleszerrättung üben Gr flarb erſt, unter Aufſicht —* 
in —85 Jahren, die Heimtidye Seiratt mag nur im Gehirn 
Dichrenden ertfiteen, ebenfo wie die italieniſche Reife: Sein 
Be war allein dort, mit ihm hat er, wetin man bie alten 
n noch gelten läßt, die deutſchen Oemarkungen nit 
efeheitten. — Die zweite ei: bat wenig —— 
ae ein noch junger Witwer fich in ein artiges Mäddyen v 
Itedt und fie heitathet, Bann allenthalben und gu jeber Stunde 
en Damit mm die Sache nicht gkeich im erſten Wegen 
noſchaft erreicht, untsereben fi die Leute mit geringem 
afwand von Gebanken re e_ angenehm ‚ siferfüchteln,, erſinnen 
Kifte und treiben Mastenfi 
4, Arnulf — — gmant der Eifenfreffer, oder: Die 





Blutrache auf Burg * n an ber Donau, Schauerliche 
ee unb Kittergufäh " auf Oſtreichs Vorzeit. Ron 
Lubmig. Dellarofa. | a. einem a reupfer, Bien, 


Singer und Goͤri 2 8. 
5, H obert von —— A van Todtengerit um 
* nacht in den unterirdiſchen Schauerklüſten der Burg⸗ 
e Speben in Ungarn. Hiſtoriſch⸗romantiſche —— aus 
10. 5 1 ‚Ihrtandat von Demfelden. Wien 
rhun⸗ 


fern. 12, 1 Ioie, gr. 

nung be alenftein, oder des Drachenfelfers 

acht der Zauberkräfte. Rikter⸗ und Geiler 
E}- von atbert, v. Wansdorf. Mit Titelkupfer. 
Gera, Heinſius. 1320. 1 hle. 8 Gr. 

3, Die manbernbe Kun sau von Slonsto — oder die Verſteiner⸗ 
ten. Gine Rittergeſchichte aus Mährens Vorzeit von Ru⸗ 
h olf' minsöd, © Brit Bieffupfes, Wien, Meyer und 

omp. $ 
a i Titel —F u" die Bücher Futter für Schneider: 
en bes Dütdenorbens und aͤhnliche R ulinge, 
dfe vorlich —* „ enthalien. Die Wiener 

Poeſie alter Sagen in breite, langweilige Proſa. Rohet was 

zen bie Ritter⸗ Rauber⸗ und Geilterromane des vorigen Fü 
berts, allein in denen von Spieß war doch ein phanfk 


, und bie. bes bodenlöß gesheineu Eramet hatten I 
ihrer ibung unbewußt burlesken immer der to⸗ 
taͤlen Nüchternheit dieſer neueſten manierl den rt Arten jener ver⸗ 


cht wie ſeine Zeitge⸗ 
—5 auf einer offenen Ebene 


zerquetſchen die 


ef edöme, aber das den,. ———— 
lich zu erlilten, wied abgeſchmackt bie KMNunder⸗ 
* in en Demtonftratimen eine an &taubenettik 
bigen, fo ar Ye, ran für 1 une untergeosüwete Be See 
D, ’ 
* Unter ZU ver Bafer dftte mit dem Bote 
erivechfe 





“ 


Miscellen. 


Um. 7. Juni 1530 fenb eine Zufemmanlgnft ſtatt 
Königen Ycany 1. von $ iger Fin wu: Heinrich V 
Oulsnes una Arber, 

Die beiden Könige und ihr: Gefolge: bee —* fh um Die. Meter, 
* Rh Anders Yon Hamas bis Suarck pe Golf 

n den DOM 

erpielt, Der: Marſchall von Bruns ben ſelbft 
in wafen 


ren. Sieger. Darüber wurde der Köni 
ſich herauf mis dem Könige von Freu 


feht, daß eu: den König Franz beim-Rragen faßte-mit den Wor⸗ 
tem: „Wenden, ide muß mis Ihnen ringen!’ Zugleich gab em 
fi) ein paarmal Mühe, ihm ein Bein unterzufhlagen; aber ber 
König von Frankreich, der ein guter Ringes war, Ihlang ſich 
um den Leib feines Gegners und warf ihn zu Boden. 
König von England, den dies verbzef, wolkte von neuem wiss 
bee anfangen, allein ex wurde baran geßinbert. 


Nicht minder sitterlich benahm ſich Köntg 
Frankreich im J. 1528, als die Erditterung ade Am ame 
Kaifer Karl V. auf einen hohen Grab grfiegen war uud * 
Kaiſer, wie aus Saillerd’8 „Histoire de Francois I.’ (8%. 2, 
&. 470, fid ch ergibt, Fir zu. einem Zweikampf heransgefobet 
8 Al nahm die Derausfoberung an und es lag. nidht on 
ihm, wenn ber Zweilampf dennoch nicht ffättfand, ungendder 
deshalb mehre Botſchaften bin und bet gefandt worden warren, 
welche die Modalitaͤt des Zweikampfes betrafen und mit ge 
genſeitigen, faſt bis Ins Poͤbelhafte fallenden 
und Scheltworten begleitet waren. Nach andern 
B I. der Herausfoderer geweſen 


trichten ſoll Franz —*8 

acht Jahre made Me te bes Kaifer, nachdem er feihen Ein 
zug am 6. April 1 in Rom gehalten hatte, in efnet A: 
de ben af ae den König Franz 1. die‘ närmlidye 
often”, fagte ex, „nlhr n, das Blut 
unferer ——E n Unteetkanen muthwillig zu 

uns unſere —*8*— perſonlich, mit Waffen, Ge I.) 

einer 


N; 
ſelbſt wählen Panır, in bloßen Hemden, auf = 
Brüde, einer in einem Fluſſe vor Anker Hegenben Sa auße 
nterdben.‘‘ Mo jeboch die: 


en G 
eine deutliche Bei en im. 
was der Kalter Anſichttich *. Zoritampxfes 


Teste Karl TIER: wieder: 
forum 
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N eine farm uf 
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Der. Gebreuch, in-jebem Bande: wiſſe Pfründen & 

in je e IE BR 
mittelharen Beſchung dei Payftee v murbe zu Aus 
fang bes r a are über feine — Grengen er⸗ 
weitert. e e und &eo X ** 
aıfe Äuferfle tetehen, alten — 
das fogenantite en des Vorbehatts nit a 
fegt war, untte dem Vorwande, vaß fir a daſſttbe in * 
danken vorbehalten hätten. 





Berantwortlier Herausgeber: Heintid Brodbaus. — Drud und Verlag von $. X. Broddaus in Leipzig., 


saftıren — vorzazichen. „Beer 3 ver vb 


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tter 


Eiteraritde Unterhaltung 





Dienftag, 





Taſchenbuͤcherſchaur fuͤr das- 1841. 
Dritter Artikel.9 
5. Iris. Herausgegeben von Johann Graf Mailäth 
und: Dr. ©. Saphir. 

Wohlgelungene Stahlſtiche, derer Motive den Dies 
tungen des Almanachs entnemmen, und eine: pruchtbeile 
Ansflatting: find zu ruͤhmen, zu tadeln aber die Bedien⸗ 
tenhaftigkeit, mit welcher die baden Hebammen dieſer 
Dichtungen, die Redactoren, „emfig⸗ benvkht: find, ‚die Itiod 
ſo in die Welt zu ſenden, daB die Leſewelt keinen Grund 
haben fol, derſelben das bißher bewieſene Wohlwollen zu 
entziehen”; die Poeſie iſt für ſolche Ausdrucke zu flolz; 
fowie ihre‘ Prieſter. Indeffen würde die „Irks“ in: bei 
That diefes beanſpruchte Wohltvollen verloren haben, machte 
fir das nicht reichlich gut, was fie bei ihten Leſern mit 
der erflen Novelle: „Der! Verftanb' des Zufalls“, von €: 
v. Buͤkow, verfehen bat, Die breite Erzählung, obne 
jedes dichteriſche Intereffe, voR-faber haste volde, die fich 
in ihrem· barbariſchen Sargen'unterhätt, wie: „Mamma 
iſt ins Palais befohlen, um mit: ben Majeftaͤten Boſton 
zu ſpielen““, ſcheint eigends für die Langeweile erfunden: 
Eine zweite Novelle: ‚,‚Cheilte‘‘, vmifouife vw; Pldnnbes, 
behandelt dus Hinſchwinden eines: herrlichern, dem Tode 
geweihten Navthens und verdient wegen ihver zarten und 
tiefen Gemlithoſchilderer, ſowie ihers reinen und ſaubern 
Styls“ ein“ vorzuͤgliches Lob. Die dritte Babe: Im Profa 
neunt ſich⸗ „Beldblunten” ; es: find Blätter ans dem Tages 
buche Adalbert Grifters5. Gedankenreichthum,; helerter 
Humor unb'Phantafle mie fie Außeeft'anziehiudn Ari 
Gedichten enthält‘ ber "Almanach sie‘ Schoͤnes⸗ Bor al: 
Im: ander If: die Ode Harunos an Stollen zu ewige 
nen. Es vurfte micht' oft vorkommen, daß ſich ſelbſt rin 
begabter oͤſtteichiſcher· Dichten zw: einenn "weiten; weltge· 
ſchchtuchen Lidenshorizont erhebt: und das iſt Kiew’ ges 
ſchehen ein: hoher⸗ Gedankenftug, ein‘ tiefgefuͤhltes und 
ergreifendes Pathos und volltudete Form reiheno die Dich: 
tung. an dal Schänfte,; mas jeher Dante" solliingeng 
rolt koͤnnen uns nichk enthalten ;. hen Ihetli ber letzton 

Strophe mitzutheilen: | 
und ich ſtaub unb ıchkin inneres: Auge — — fahrpueiägegeben 

Die üppigen: Glieder, Magbalena, 

*) Vgl. den erſten u; zweiten Art. in Nr. 309 u. Bars Bi 


‘ 





8: December 1880, 





Büßend ihrer Jugend Berirrung weinend 
Nie verfiegende Thraͤnen ihren Vergehen, 
Zu ſpaͤt erkennend, fruchtlos Hekeisend, 
Fluchend ihrer Schönheit unfelgem Zuͤuber; 
und zu mir ſprach bes Genias Stiiume: 
Das tft Italien! 

Als Senrebild in: feiner Aut: ebenfe. anfpmcchendinub 
vollendet tft: das Gedicht: „Ein Savohardenknabe“, wor 
Kitten v. Levitſchnigg. Außerdem find'nedh zu rwaͤh⸗ 
wen die Gedichte von Gabriel Seidl; bie vier fie 
gen Lieder vom: Grafen Mailaͤth; die Gedichte vonc A. 
Frankl, der: ſich jimgſt um die dentſcheLicuratut wor 
dient gemacht, daß er feinem: Landsmann Hiſcher eine 
gebuͤhrenden Denkſtein geſetzt. Auch der Meſterionepoeſica 
von Betty Paoli iſt ruͤhmlich zu gedenken, ſochie "WR 
dichteriſche Schilderung einen Fahrt des Dampfbootes RR 
dor, von. dem Dichter des „Savoyardenknabent, mie 
das Beſte gehoͤrt, was der Aimanach aufzuweiſen. Dante 
mer⸗Purgſtatl bat den Almanagchet mit zwei ſchͤrun 
Bruchſtuicken orientaliſcher Oichtung bedacht, deren seite 
ven einem‘ unbekanntken Alchter⸗, das andere ben: Ghaſelen 
des dermaligen oemaniſchen; Reichshiſtorivgraphhen;, Esand, 
enmommen iſt. Sie Hatibels:: beider vom orientaliſchen 
Sechoͤnheitsideal, Leila, d. i. die Nuhr, - die’ ſchwr pbraumu 
Bedeuinin, die Geliebte nom Kais; weicher, aus Liebe zu 
ihr raſend, als orgenlaͤndeſches Vorbild die Orlando fü: 
rioso, bei: unsd den burdy: Dior Überfeungl De: ronmut 
ſchen Gedichtes Dfasmi!s von hey. "bekanıtk if, : Kin 
das naͤchſte Mai. Eitkdigti:un’Dr.: Sapkir: feinen: Raͤch 
teitt vom der Medactiua: an, Moͤgebard Unternehmen das 
durch nicht verliarrn, ſendern ˖ durch tnoch: forgfltigere Aue 
wahl: mehr. erbluͤhen. 


6: Drptens.: Mufialiſchas Vaſchenduch - Heraugegrbeu 
von Kuyafl SHmidr* 
Untor beit: wer @nchlfhtherp: if due wohta 


Pi ucheſahrte 
BURG" Meherbrers min Facſimile zu erwahnen Di 
-Mmarkıch' zerfätie: im Weitnägen die! fuͤr die Seſchtchee der 
muſitaliſchen Qunſt ſoht ſchaͤſenonvrthzi in werthoour Dias 
fiebeilugen von Licdern, " Demintcinn va. Moeyerbeer; TR 
Wrigen: von namhaften wiener Meiſtean rap entre ſru 
in Novel wird: Etzählungen’ von: groͤßſerntheils mittel⸗ 
mpg Gehaler: undiin eine Meihe- von Seien, von 
bewen allechinnge'nun'dercfiuiine Theu dichutiſcen Worth 
und Deighinfkär beſte. ZUR gefchicſalichie Veituagi ſteht 





% 


“ & 4 


„wa | 


fi £ 1 + * | + ’ . B 
obenan: eine frei nad) ber „Gazette musicale‘’ bearbei⸗ | fühl der geheimnißvolle Dolmetſch der Muſik ſei. I. Rit⸗ 


tete biographiſche Skizze von Meyerbeer, die anziehende 


Auftklaͤrungen über die frühe Erweckung feines kuͤnſtleri⸗ 
ſchen Genius, feinen Unterricht und feine Jugendarbeiten 
gibe und mit einer charakterifirenden Aufzählung feiner 
Werke und ihrer Gefchichte ſchließt. Dem reiht fich eine 
mit Luft, Liebe und Poefie gefchriedene Biographie Joſeph 
Haydn’s an, von Heinrich Ritter v. Levitſchnigg, 
bei welcher Gelegenheit wir auc erfahren, daß es biefer 
Dichter im vorigen Jahrgange war, der die herrliche Bio: 
graphie Gluck's geliefert hat. In Form einer Novelle lie: 
fert 5. Treitſchke für die muſikaliſche Kunftgefhichte in: 
tereffante Notizen über die „Zauberfloͤte“, den, Dorfbarbier” 
und „Fidelio“; und ben Befchluß in diefer Art macht ein 
alphabetifches Verzeichniß der bis in das vorige Jahrhun⸗ 
bert befannten muſikaliſchen Inſtrumente. Die Erzählun: 
gen bewegen ſich fämmtlich in der Gefchichte oder dem Ge: 
biete der Tonkunſt und kranken größtentheild an jener 
falſchen, fputhaften Romantik in Callot= Hoffmann’fcher 

anter, ohne doch die geniale und pfychologifche Tiefe des 
Kammergerichterathes zu haben. Diefer Vorwurf teifft 
zudoͤrderſt die fonft gut erzählte Novelle: „Der Meifter 
und der Maeftro”, von P. Lyſer, in welcher die Freunde 


und Genoffen Hoffmann’s auftreten, um alle zulegt bie 


traurige Prophezeiung einer Zigeunerin zu verherrlichen. 


Ein verfehlter Wurf ift die profaifhe Bearbeitung der 


Sage von Lore Ley duch A. Schmidt, zumal ein deut: 
ſcher Dichter diefem Stoffe fchon feine einzige und hoͤchſte 
Korm gegeben. Ritter v. Tſchabuſchnigg laͤßt in einem 


Phantaſieſtuͤcke einen englifchen Lord dreimal die Harmo⸗ 


nie der Sphären hören und dann flerben. Ale biefe 
Maͤrlein find jedoch weit entferne, die Muſik zu verherr: 
lichen und ihre göttliche Macht auf das menfchliche Ge: 
miıth darzuſtellen; denn die Muſik iſt keine Naturmacht, 
weiche die Sreiheit bes vernünftigen Geiftes vernichtet und 
vernichten foll, fondern eine Macht aus dem freien, fitt: 
lichen Elemente des Menſchen geboren und ihn für biefes 
Element beftimmend: jede andere Darftellung ber Muffe 
iſt Phantafterei, die nicht In die Kunft, fonbern ind Blaue 
führt. Die Novelle: „Mozart und feine Freundin’, von 
Leopold Schefer, leidet an diefer falſchen Romantik nicht. 
Sie behandelt die durch Öffentliche Blätter ſchon bekannt: 
gerooebene und enthüllte Begebenheit am Lebensende des 
Kuͤnſtlers, aber ungeachtet der Dichter Alles thut, um bie 
Roheit der gemeinen Wirklichkeit durch eine pſychologiſche 
Vertiefung wegzufchaffen, fo ſpukt dieſe wirkliche Begeben⸗ 
beit doch zu fehe in der Dichtung und hat ihre freie, 
orgamifche Geſtaltung und ben poetifchen Genius bebin- 
beet. Leopold Schefer ift Übrigens vor allen beutfchen 


Dichtern berufert, die Künftlee durch ihre Gefchichte zu 


verherrlichen, wie bie Kunſt ſelbſt; die „Kuͤnſtlerehe“ fpricht 
bafür. Die wahre und tiefe Macht der Muſik auf das 
menfchliche Gemuͤth zeigt E. Straube in feiner Novelle: 
„Der Mann mit der Floͤte“ aufz fie fteht der Schefer'⸗ 
fhen würdig zur Seite, und wie flimmen dem Dichter 
aus vollem Herzen bei, daß nicht die Malerei des Wor⸗ 
tes, nicht bie Malerei der Töne, ſondern allein das Ge: 


ter v. Seyfried erzähle im „Kalkanten“ bie Kuͤnſtler⸗ 
gelhichte des berühmten Orgelſpielers Frohberger; er gebe 
bierzu ein genaues DBerzeichniß feiner Werke. Der Stoff 
ft comantifh und zu feiner Bearbeitung die Affectation 
eines veralteten Styles gar nicht nöthig, wie der Erzäb: 
lee zu meinen ſcheint. Unter ben Iyrifhen Gaben müffen 
wir den „Liederkranz“ von Gabriel Seidl hervorheben, 
die Lieder von D. L. B. Wolf, von Frankl, vor allen 
aber eine moderne Ballade: „Der legte Tänzer”, von Nep. 
Bogl. Der Redaction flehen Talente genug zu Gebote, 
als daß wir nicht die Erwartung hegen follten, fie werde 
künftige Sahe uns weniger mit foldhen Dichtungen be 
fhenten, die feine wahren Geſichtspunkte für die mufi: 
Ealifche Kunft gewsähren. Die Ausftattung bes Almanachs 
ift prachtvoll. 
7. Immergruͤn. 

In den Novellen: und Liederkram, ben alljährlich dag 
gute Wien in bie Welt fchit, bat fich eine Perle ver: 
loren, die ihrer Bedeutſamkeit wie ihrer Faflung nad) von 
außerorbentlihen Werthe iſt: vorliegender Almanach bat 
die Ehre, fie zu bergen; es iſt ein geſchichtliches Lebens⸗ 
gemälbe: „Gutenberg's Tod”, von Kranz Dingelſtedt. 
Der Dichter hat mit forgfamer Pietaͤt die fpärlichen Re: 
liquien geſammelt, bie fi Über die legten Tage des Ex: 
finders der hochgefeierten und der erflen aller Künfte vor: 
fanden, und ein rührendes und verföhnendes Gemälde 
gefchaffen, das vielleicht bleibender, anziehender und ver: 
berelichender wirkt als ein Bild von Stein oder Erz. Es 


I komme bier nicht darauf an, zu unterfuchen, welche Züge 


des Gemaͤldes Wirklichkeit, welche Dichtung, genug daß 
es eine wahre, geiflige Verklärung bes Genius, der bie 
Welt erleuchtet, der ein neuer Demiurgos einer neuen, 
ſittlichen Were if. Daß Fuſt und Schoeffer Gutenberg 
mit Undank belohnt, daß er am Abende feines Lebens 
Mainz nochmals verlaffen und im Elende herumirten und 
fterben mußte, ift bekannt; hier galt es vielmehr, an den 
fpärlihen gefhichtlichen Andeutungen das nothwendige in⸗ 
nere Leben eines Mannes zu entwideln, der fein Dafein, 
feine Güter an biefen einen Gedanken feßte, deſſen welt 
bewegenden Einfluß er ahnete und der ihn Haß, Berfols 
gung und vielleicht gar dem Hungertode ausfegte, hätte 
ihm nicht aus irgend einen zufälligen Grunde ein mild: 
thätiger Bifchof zwei Malter Korn und Bekleidung für 
das legte Jahr feines Lebens gewährt. Sinnend, emfig, 
ſtolz, voll Einfalt und Froͤmmigkeit, unbeugfam im tief: 
fien Elende, immer weiterftrebend und bie irdiſche Aus: 
beute der Kunft nicht begreifend, ſtellt uns Dingelftedt 
ben Greis Gutenberg bar; und fürwahr, das find die 
Züge und die Schidfale des Genies: der Klugheit und 
dem Zalente gegenüber hat ed immer diefe Phyfiognomie. 
Neben dieſem Seelengemälde voll Geift und SPoefie 
werden die beiden andern Movellen des Almanachs aller: 
dings fehr herabgeſetzt. Die eine: „Das Kroatenmaͤdchen“, 
ft von Julius Krebs; neue Geſichtspunkte für das Le: 
ben enthält fie nitht, aber Gemüch, Phantafie, eine bei: 
tere Verſoͤhnung machen’ fie anziehend genug. Die an: 


1883 


beta: „Der Geldſchacht“, erzählt uns Ludwig Storch; 
fie iſt ſehr gut erzählt, nur liegt ihr ein abgenugtes Mo: 
tiv, ein Zaubermärchen, zu Grunde, bem jede tiefere und 
wahrhaft poetifche Pointe fehle. Im ben „Lyriſchen Blaͤt⸗ 
teen‘. begegnen wir zumeiſt allen Dichternamen an ber 
Donau, fie haben aber das „Immergruͤn“ gerade nicht 
außerordentlich bedacht. Die Ausftattung, ſowie bie bei: 
gefuͤgten Stahlitiche find ſchoͤn. 
8. Aurora. Herausgegeben von J. G. Seibt. 

Das Taſchenbuch ift eben Leine Aurora der Poefie. 
Unter den vielen Erzählungen und Gedichten, die es bringt, 
erhebt fich nur einiges Wenige Über gänzliche Bedeutungs⸗ 
lofigkeit. Der Herausgeber ſelbſt tritt uns mit einer dra⸗ 
matifchen Skizze entgegen, fie iſt elegant gefchrieben, aber 
leer; unter den Erzählungen wäre etwa „Das Alibi“, von 
Eduard Silefius, die einzige, bei der der Lefer noch 
einige Zeit finnendb verweilte, nachdem er fie gelefen. 
Dafür find unter den Gedichten einige an Form und 
Gehalt vortrefflih: wir rechnen hierzu die Bearbeitung 
einer ferbifhen Sage: „Die Vile“, aus dem Nachlaffe 
Weſſely's; „Die Spedfeite”, von Eaftelliz „Der Bar: 
tholomdusbrunnen”, von Pfuff; vorzügliches Lob aber 
verdient das Eleine Liedchen: „Der Lanztnecht”, von Vogl. 
Die Lieber des Derausgebers befunden gleichfalls fein ly⸗ 
riſches Talent. Schöne Bilder zieren das niedliche Büchlein. 

9, Eyanen. 

Die „Cyhanen“ enthalten vier Novellen, deren keine ohne 
poetifches Intereſſe. Als die vorzüglichfte möchten wir 
„Die Kunft des Dergeffens”, von 4. v. Tſchabuſchnigg, 
bezeichnen. Eine feine und dichterifche Sprache, heiterer 
Humor und eine Fülle von Phantafle zeichnen fie aus. 
Nicht weniger werthvoll find „Die Wege ber Nemeſis“, 
von Vogl. Die Erzählung verfege uns nach Rußland 
und flieht die Rache des Leibeigenen Iwan dar, befjen 
Braut von feinem geaufamen Herrn einem fibirifchen 
Koſacken gefchenft wurde, ber fie zu Tode mishandelt: fie 
bat deshalb eine fociale Pointe. Die Novelle: „So wars 
Alten recht”, von A. v. Schaden, bat zwar nichts Neues 
noch Originelles zum Gegenſtande, aber die freie und leichte, 
wie ſcharfe Darftelung, welche darin herrſcht, macht fie 
anziehend. Die ſchwaͤchſte der Erzählungen tft „Der Wal: 
derfuͤrſtin Rache”, von Rofe Ludmilla; eine fpani: 
fche Raub» und Zigeunergeſchichte, ohne Einheit, aber vol 
feffeinder Situationen und Phantafie. Unter den Gedich⸗ 
ten zeichnet fi £&. Storch's „Hymne an die Nacht” durch 
Kraft und Glanz der Diction, wie durch die Tiefe der 
Anſchauung aus. Die übrigen wenigen Gedichte find recht 
artig, aber nicht ausgezeichnet. Sieben Kupfer⸗ und Stahl: 
ſtiche von großer Schönheit in Gegenſtand und Ausfüh: 
rung, ſowle elegante Ausftattung gereichen dem Almanach 
zum Lobe. 

10. Gedenke mein. 


An innerm Gehalt und Ausſtattung iſt diefer Alma | 


nach dem vorigen gleih. Storch bewährt aufs neue fein 
Talent für lebensuolle und frifche Erzählung in: „Die ge: 
fpenfiige Puppe’, die noch. überbies durch ihre pfpcholos 
gifhen Züge anziehend und deshalb das geiſtreichſte Stud 


bes Buches fein bürfte. Wagner flellt eine geſchichtliche 
Epifode aus der Zeit ber Troubadours dar; — 
fehlt zwar die kuͤnſtleriſche Einheit, fie eröffnet dafuͤr aber 
tiefere Blicke in den Geiſt diefer liebes und poeftereichen 
Zeit. Tarnowski, ein fchlefifcher Dichter, Liefert eine 
Keine Skizze von einem Künftterleben, die durch Darftels 
lung und Humor interefüict, und ©. Seidi ftellt in 
einer langen Erzählung den Zwieſpalt und bie Verſoͤh⸗ 
nung von Kunft und Liebe dar; aber bie Erzählung iſt 
oberflächlich, breit und ohne bichterifche Tiefe. Unter deu 
Gedichten zeichnet ſich allein die Ballade: „Der Meifter . 
trunk“, von 3. Vogl, aus; fie ift lebendig, keck und ber 
Vers rund und fluͤſſig. Fr. Rüdert’s Gedicht, in. 
welchem er und die ganze Naturgefhichte der Kroftmotte, 
gleich einer Naturlehre entlehnt, vorträgt, ift ein neuer 
Beweis, wie diefer Dichter feine Kunft immer mehr und 
mebr glei einem Dandwerke vollzieht. 
11. Iduna. 

„Iduna“ iſt fpeciell edein Frauen und Maͤdchen gewid⸗ 
met, und wahrhaftig! e8 gehöre viel Edelmuth dazu, dies 
fen Pfautch'ſchen Verlag zu kaufen, zu lefen und doch ohne 
Zorn zu bleiben, denn ‚„Iduna” ift das Stieflind der Ver: 
lagshandlung. Eine Menge werthlofe Bilderchen veruns 
zieren den Almanach, aber fie entfprechen ganz der Poefie, 
die uns Julie v. Großmann, Hr. Patuzzi und Hr. 
Hannuſch in ihren Novellen vortragen: bier iſt Alles ge: 
wöhnlich, geflidt und unempfunden. Unter den wenigen 


‚Gedichten tritt blos das eine: „Kaiſer Friedrich in Vene⸗ 


dig”, von Seidl, durch feine geiftreihe Schlußpointe herz 
vor; das ift ber Geift, auf welchen fih „Iduna“ vedus 
cirt. Transeas umbra! 


12. Weihnachteblüten. Herausgegeben von Piieninger. 
Es freut uns, nad) einer langen Wanderung durch 
fo viel leeren Schein und Pomp einige Worte über ein 
Büchlein zu. fagen, da6 zwar einfach, aber mit einem 
reellen Gehalte und mit einem Zwecke aufteitt, der über 
die Damentoilette hinausliegt. Wenn audy die Erzählun: 
gen und Gedichte diefes Jugendalmanachs nicht von ei⸗ 
ner tiefen, poetifchen Anfchauung eingegeben, fo find fie 
doch lehrreich, Bar, anregend gefchrieben und rein und 
keuſch, wie es der Kreis jugendlicher Lefer bedarf. Hr. 
Plieninger bat mehre Mitarbeiter; aber bie hat dem 
Grundzug des Büchlein nicht verwifcht, denn es behält 
feine praßtifch = ſittliche Tendenz bis ans Ende und iſt 
durchweg entfernt von jenen orthoboren und pietiftifchen 
Anmuthungen, welche der Jugend, zum Nachtheile ihrer 
Seiftesentwidelung, fo oft gemacht werden. Wir können 
mit Recht den mit bübfchen Stahlſtichen verzierten Als 
manach als ein Weihnachtsgeſchenk für bie vierzehnjährige 
Sugend empfehlen. ' ° 10t, 


Bibliographie. 


Adami, %., KrauensRovellen aus bem biftorifhen und 
mobernen Leben. Ifter Band. 8. Berlin, Stadebrandtfche 
Buchh. 1841. 1 Thlr. 6 Gr. 

— —, Ronellengeifter der Vorzeit und Gegenwart. 2 Bände. 
8. Berlin, Stadebrandtfche Buch. 1841. 2 Zhir, 





1984 


| euten : Ekifutarfeler: her —7 
7 * 
anf ah An bei „, u ic.“ und 
Weife u. Stoppank 1 Shle. 
land und nach den bisher 'zuglinglichen Texten des Urſchrift 


—*—* ei *7 Nobeſſe. 8. 
35 nm Bir und 25, —* 
wurde. zIhmal ar 

Eee ae —— dr gewaͤhlteſten — 
ſoftien diteratur det Tas und Aucctandei. Iſter Wand. 

larbes, Matteo Marta, Grafen von Scanbiano, 
Verliebter Roland, als erſter Theit zu Arlofto’s Rufendem Ro⸗ 
um eufiehmale vouflänbig verdeutſcht, mit Gloſſar und Anmer⸗ 
* Mernusgepehen von ©. Negis. Rey.⸗8. Berlin, Rei⸗ 


e., Werke. Aus dem Gnpitdkn Trike 
Mi Fee, a. *8 — Iſtes bis Bre abchen — 
Mb ud. Ti Godolphin. Bir a von E. 8. Bulwev. 


Aus dem Engliſchen von G. N. Bärmonn In 9 Baͤndchen. 
iftes bis 8tes Bändchen. 16. Stuttgart, Metler. 9 Er. 
GSavenbifh. oder ber Patrieier zur Ser. Bon dem Berfafler 
des „flie enden Hollanders“, bes So afenabmirals” des -,, Paul 
winkle” €. der dritten Nuflage dr® Erlpiffiien von 
Ye Stegen, üſter Thall. 8. MWeaunfkhweig:, &. G. ©; 
Meyer son. — 3 Theile 4 Pr 


„ehemein, 3 ,„ Marie Gapelle ober. Shares Lafozge’s 
Roman aus ber neueften Belt. 3 Bände. 8. Leipzig, 
Ehe 2 Ihre. 18 G 


Dellardfa, £., le von Kouigſtein oder bie Aodten⸗ 
ne iin aus den een Seife: 
. R, 


hu Davos, 
was dem’ — en, bearbeitet von X. errn v. T. 
S Bandchen. 8. Stattgart, Weile u. Stoppant. 2 Thlr. 12 Ex: 


Eliſe oder Befeh und Natur. Gin Roman aus deu neueſten 
Fa yon 5 wdinand „.” 8 Stuttgart, Wachen: 


auner, £ 8. —— 5 : Gonftäang. 3889. WO Gr. 

laͤtter. ine —— von Erzaͤhlungen 

nagegeben von A. Schumacher und 

Beer, vi —— *75 fünf Fichten“ — 

e e ntel des fünfzehnten Ja er 

——— erth. B. e Kaulfuß hier. u. 
Kugler. 


* 6 Ver W Geſammeli⸗ 
Les ab. 66 Se Ball Bee 
—* — 1841. 3 The, 


Gedichte der europaͤiſchen Staaten. 1 audgegeben von 


% 9 8 Deren und 8. 2. Ulert. te Lief. Ifte- Abth. 
Gefchüchte des os 8 in So, von J R. 
dinte iſea. Iſtep Theil. — Auch wo id . J.: Geſchichte bes 


inkeiſen. 1fter 
Re “ bis zum Jahre 
ran kreichs im Redolutions⸗ 


osmanifchen Reiche in Europa, von I 
She. gr an 1% —2 


Her 74 = ae ee a, Gr. 8. Has 
urg, en aan — Sr 
g ben Frauen r das Fhr 1841, 


Gerne on 3 F. Tg — Sehe mit © era 
fihen. 16. Wien, Zendler u. Schäfer. die: 8 

Rheiniſches Jahrbuch. — von F. ius⸗ ⸗ 
rath, C. Matherathund K.Simroch ter Jahrg. Er. 12, 
Köln a. Rh., DuMont: —— 1 Thlr. Gr. 

e Kock. Das hübſche Madchen aus der Vorſtabt. Aus 

dem —*8 von B. —A und Fr. Steger. Lter 
Theil. 8. 2 Thle. 2 hie. 1 r. 


Een a1! Eiche md OO ERBE 3. Stats 


Maarı. Die meter 


Übrige, oaf. 1 — aus — en © 


art, Saft.‘ 
Morepat. —* arme Jakob.“ Aub den en von 
GB tin Am eſe v. Ater Wanh:: Ab abusgen Som 
fie. : 5. - Dreaunſchveig, ©. ©: &. Dieber. sen: 1 16 Ge. 
Mügge, Th., Touflaink. Ein Roman. 3Aheile. 8 


—2 —5 — 5 Ihblx. 

Mühld A., Aſtro von Sondowall oder bie — 
höhle. Eine Eine aus ‘ben Selten ber der Sölkermunbertung. 8 
Wien; Bauen und Divnbäck. 16 Gr. 

Mümnch, & un, Die —8* —8 ber Hohenſſaufen, 

Reihe von Biographien und. Monograppien nebſt Der —* 

der Volkepoefie bes verlieh nten, SapeSunberis, aus dea 
eich nes bearbeitet. Ifter Bandr König Enzlo. — ud 

. Br Kohig Gnzto. Aue ——— neu beucbeitet mit 

— * —53 kriciſchen/ — und — In⸗ 

0 ⸗ 3 1. 2 Ahlr. 4 

Parthey, er Wenderungen durch Sicilien und die 
Levante. ister Theil. Sicilien, Malta. — 2ter Theil. Das 
Nilthal. — Auch u. den T.: Wanderungen durch Sfeilien 


und Malta. Wanderungen durch das: Nüthel. @& Ber- 

„ Nivolai. 1834, 40. 4 Thir. 

Rein, 8, Novellen. Iies Baͤndchen. Inhalt: Dex 
Rpeinfchiffer. Donna Cia. — tes Bändchen. Inhalt: Der 
ae aus Brügge. Die Templer. 8. BWetlin, Hayr. 

Das vierte Gkchlaxriet ber Eufibung der B 
begangen zu Stuttgart am- 24. und 25. Juni 1840. Mit 


1 Anficht des Marktpiapes am Fefltage. und 1 Abbildung des 
Beftzuget, Schmal gr. 4. Gtutigart, zehdfng. 1? &r. 
Saint-Aubfn, Horace de. Der Fteihrre vom Studhe: 
Sorbon ober ber Wannfliih. Aus dem von Brent von d. 
Wrbell, 2 Aheile. 8. Week; Prinz. ı 1841. 
Satori, (Reumann) J. Gifaberh, Prin 
—X Eine hiſtoriſche Erzaͤdlung. 8 


. Leipzig, Meißner. 
Schefer, e., Anne, viel Köpfe ine: Sauber 


geſchichte. Kl. 8. Stattyart, Soffwennı“ 1 Ihe. © 
a ee y 


3: Ahle: 
: von Böhs 
1841, 


, Broo. 
4 Thlr. 1 drgbe 


Shtentereh, F. — — 
Hewanusgegeben von H. E. Mautiſch. Iſte Abthh Bi 
mit der gebiſſenen Wange. iftes 1 TER 
Friedrich mit ber gebiffenen Wange. ine bialagifirte ehe 
von Er. he ealentet . Eeipzig, Deelger. an. SEN. 

‚Hdm Klmmonn. und eine‘ ‚Santitte Hi 






+ 


ſto —— —* der y:: Reibung e 
ee — Morig. 8. - Maghehung,; — 1881; 


Sherry. Leben und Abenteuer Valentin Bor de Bauch: 


rednerd. Aus dem Gnglifhen von E Betndmeler. Ster 
Band, Abbildungen nad OVnwhyn⸗ 8: eig, 
G. * G. Enten. 16 ®r. 


Stone, %, Nepenthes. Momo Noyellen und. 
lungen, 4 Bände, 8. Stuttgart; Hoffmann, 184], 5 

Ueber bie Intereſſen Suropent. Rach Anſichten des 3* 
loſophen von Sansſouci. Leipzig, Gebr. Schumanu.1 

un toenfals Bepicom but Er Gupplementbenb, Be⸗ 
arbeitet und hera 


Bil omm, ©, D 
Kt. 8. Stuttgart, Hoffmann. 


Berantwortlicher Hevantgeber: Hetarich Brudpaus — Deu und Derleg von Er X Brokpaus in Leipzig, 


⸗ 








Bläaät— 


für 


literariſche Un 








Ein bekannter Kritiker ſtellte vor mehren Jahren, bei 
Gelegenheit der Beurtheilung eines Gemaͤldes auf der 
berliner Kunſtausſtellung, Ingeborg und Frithiof, ich weiß 
nicht mehr von welchem Water, den Gag auf: die Kimſt⸗ 
ler follten fich vor dem Misgriffe Hirten, ihre Gegenſtaͤnde 
aus minder betannten Gedichten zu wählen. Nur 
Dichtungen, weiche den Stempel ber Claſſieitaͤt errumgen, 
wären entfprechende Vorwürfe für die Kun. Der Sag 
om fich Tieße fih kaum dann rechtfertigen, wenn über bie 
Stenzen des „Bekannten und des „‚Claffifchen” eine Über: 
sinkunft zu ermitteln wäre. Jener Kritiker, geachtet we: 
gen feiner Kunſtanſichten und Belefenheit in ber claffifchen 
Literatur des Alterthums, wenn er nidyt zufällig ein Deut: 
ſchar, und gerade ein gebildeter Norddeutſcher war, hätte 
aber aus dieſc Geſichtspunkte, allgemeiner genommen, 
die Mehrzahl der hiſtoriſchen Bilder jener Ausſtellung ver⸗ 
werfen muͤffen. Denn beſonders die and der birffelborfer 
Schute beſchaͤftigten ſich faſt allein mit Darſtellungen aus 
Goethe ſchen, Uhland ſchen und andern Gedichten. Wer, 
ander einem gebildeten Deutſchen, kannte dleſe romanti⸗ 
ſchen Dichtunzen, und zumal die gewählten Gegenſtaͤnde? 
Die Maler dieſer Schale ſetzten etwas darin, die unſchein⸗ 
baren Zuͤge dee Dichtung aufzugreifen und dieſe ſelbſt⸗ 
ſchoͤpſeriſch herdorzukehren. So entſtand Leffing's noch 
immer größtes Bild: das traumnde Abnigopaar. Wer, 
ſekbſt im gebildeten Deutſchland, hatte dns‘ Uhland'ſche 
Gedicht fo vor Augen, dab ihm anf der Stelle in dem 
Bilde alle Bezuͤglichkeiten der Dichtung eingefallen wäre, 
daß er vergleichen und den Maler nach dem Dichter rich 
ter Pnnen! Wie der Dichter das Medkt‘hat, das hiftoriſche 
Factum nach feiner Anſicht zu tdenden, zu breism-, es 
ga vergroͤſern und zu: verkletnecn, ſteht es auch dem Rlmfl: 
er zu, das Gedicht ia ſich zu Dem, was er will, zu 
verarbeiten. Der ctaſſiſche Typus iſt nur im Alterthume 
gegeben, und auch ba nur, well das Alterthum abge: 
ſchloffen hister und liegt; wann 26 much: lebte, wäre Hecht 


— 


Mittwoch, — N Nr. 34 


* 


N 


. 128 . 


Hänge und wol zur Bewunderung geflimmt, aber. nicht 
bingeriffen haben? Was hinreißt, erweckt Nachfolger. 
Diefe find ausgeblieben bei uns und anderwärts; und 
felbft was wir aus Schweden davon hören, ift unbedeu⸗ 
tend. AS Walter Scott feine Harfe des Nordens an: 
ſchlug, wirkte er wie ein Zauberer. Seine Toͤne durch⸗ 
riefelten die Herzen ber germanifchen Völker aller Zungen 
und Zonen, fie entzuͤckten die romanifche Welt, fie dran: 
gen wirkungsreich bis In die ſlawiſche. Er beſchwor eine 
untergegangene Welt herauf, er belebte die Gegenwart 
durch feine kernigen, Eräftigen Darftellungen befreundeter 
Charaktere und ein Heer von Nachfolgern fland m allen 
Laͤndern auf. Iſt Zegner’s Kraft ſchwaͤcher? Er ift fo 
ſtark in feiner Urt, ale bie Art es fodert. Uber die 
wunderbare, dämonifche Karbenmwelt des Schotten iſt eine 
andere als die des Schweden. Auch der Morden hat fich 
mannichfach geftaltet, ausgebildet. Aber die franzoͤſiſch⸗ 
claffifche Bildung hat in Schweden früh Eingang yefun: 
ben; fie harmonirte in ihrer Klarheit und Präcifion mit 
der Natur und den Menfchen, bie fie dort vorfand. Der 
kalte Oftwind, der von den afiatifhen Steppen herüber: 
weht, verfcheucht die Nebel und Düfte, er fondert und 
fchließt die Individualitaͤten. In den ſchwediſchen Wäl: 
dern fieht man nicht den fchmwellenden Maldduft, man 
fieht die einzelnen Bäume, jeden abgefchloffen in fi), der 
Witterung die Stirne bietend. So liegen auf ben Fel—⸗ 
bern die Sranitfelfen und Steine, iſolirt, von allen Sei: 
ten von Wind und Wetter umfegt. Und die ſchwediſche 
Menſchennatur ift nicht anders. Daß das Gemuͤthsele⸗ 
ment in einer religiöfen Richtung fich einmal im Nebel 
gefiel und träumende Smwebenborgianer erzeugte, ift eine 
Ausnahme von der Regel. Am Allgemeinen ift der 
Schwede zur Präcfion und Klarheit von Natur geneigt, 
er liebt das Klare und Durchſichtige, wie es das Him⸗ 
- melsblau Uber ihm iſt. Daher fand hier die Glafficität, 
wie die Franzofen fie in die moderne Welt eingebürgert, 
auch abgefehen von den politifchen Bezuͤglichkeiten zwiſchen 
Frankreich und Schweden, befonders günftigen Eingang 
umd hielt ſich länger als in allen übrigen Rändern, ja 
zum Theil länger als in Frankreich felbfl. Unter dem 
Namen der Phosphoriften trat erft fehr fpät eine roman: 
tifh= nationale DOppofition auf. Sie war flark, weit fie 
fih auf ein volksſthuͤmliches Alterthum fügte, fie war 
ſchwach, weil fie Gefühle und Empfindungen in Anſpruch 
nahm, die ber Nation und ihrer Bildung fremd waren. 
Ge keder, Übermüthiger fie auftrat, um fo heftiger war 
der Widerftand, und die Spmpathien für dieſe jungen 
Talente blieben um fo mehr aus, al& fie noch mit Stim: 
men und Mitteln kämpften, die in andern Kindern, nach 
der gelungenen Revolution, ſchon als flumpf und abge: 
nugt reponict waren. Ihnen fehlte außerdem ein durch: 
greifendes pofitives Talent; duch Worte und Gründe 
allein, ohne Werke, fiegt Seine neue aͤſthetiſche Schule 
auf die Dauer. 

Da trat Tegner auf, duch Werke und Worte zwis 
fchen den claffifhen Alten und romantifchen Jungen ver: 
mittelnd. Nach feiner eigenen Erklärung hielt er eine 


Sn 


Krifis im ber ſchwediſchen Poeſie für notbwendbig , aber 
die deutfchen Theorien „mit ihrer gangbaren Karfuntel- 
poefie” waren ihm zuwider. Diefe Krifis mußte auf eine 
felbftändigere Weife gefchehen und die neue ſchwediſche 
Schule erfhien ihm allzu negativ, ihe kritiſhes Einher 
fahren allzu ungerecht. In lesterer Beziehung nahm er, 
wie bekannt, fid) des von den Phosphoriften allzu barfdı 
angegriffenen Altershauptes der ſchwediſchen Literatur, des 
Dichters Leopold, duch Wort und That an. Dagegen 
behauptete er auch gegen ihn die Mechte der Dichtung an 
den einheimifhen Schägen der Vorzeit und propbezeite 
der fchmwedifchen Literatur durch Anwendung der flandina- 
vifhen Saga und ihres Mythus bie Auferwelung eines 
neuen Lebens. Wie er duch die That dazu gewirkt, be- 
weifen fein „Axel“, fein ‚‚Feithiof” und andere Gedichte. 
Klar, verftändig, ſtark und durchfichtig find alle feine 
Dichtungen; er athmet in reiner Begeifterung für fein 
Bott, aber er kann dieſe Begeifterung nicht mittheilen. 
Mir ehren fie, aber wir werden nicht damit fortgeriffen. 
Durch verfcheuerte, idealiſirte Darſtellung des Poetifchen 
in den Bildern der Vorzeit verfchafft er ihnen allerdinge 
eine allgemeinere Xheilnahme; jedoch biefe Theilnahme 
geht nit ins Blut. Das Nationale iſt zu fehr abge 
Hört. Wodurch machte es ein Shalfpeare möglich, wo⸗ 
duch Scott, daß wir mit Leib und Serle für fein Eng: 
land, für fein Schottland Partei nehmen, indem fie bie 
Fahnen dafür aufrollen? Als Romantiker in unferm Sinne 
fireihen fie von dem heimifhen Metall den eigenthümli: 
hen Noft, den Nebelanflug, das Moos und die Spu: 
ven der Witterung nicht fo ab, daß uns nicht ſchon Die 
Örtliche Färbung allein dafür beflicht! Unfere Karfunkel⸗ 
poefie haben wir Deutfche Iängft zu Grabe getragen, auch 
wir lieben das Plaſtiſche, Klare, der Nebel darf nicht 
das Gemälde füllen, aber in bduftiger Ferne mögen mir 
ihn noch gern dulden, die Kunft will ebenfo wenig das 
Nadte allein, als die Natur ihre Wahrbgiten fchroff ne 
beneinanderftelfte. Sie gab manche verfchmelzende Tinten, 
die bie rauhen Formen und die fchroffen Abgründe weni 
ger fchredhaft zeigen. Gemüth, Ahnung, Humor, wer 
zahlt alle deren Nuancen auf, wodurch bas Leben erträg: 
lich wird und die Kunft uns fchmeichelt. Die ſchwediſche 
edlere Poeſie durchhaucht der trübfinnige Ealte Geift des 
Nordens. Er brütet nicht an Ahnungen, aber an trü⸗ 
ben Reflerionen. Wenig Sonnenlicht, nirgend ein kecker 
Ausbruch der Luft. Daher Bewunderung vor diefen durch⸗ 
Härten, edeln Geſtalten unb Handlungen, aber ihre At: 
mofphäre iſt nicht unſere. Wir fehnen und, nachdem 
wir genug bewundert, bahin, wo uns heimlih und bei: 
miſch iſt. 

Tegner’s Kraft iſt nicht in allen Gedichten dieſelbe. 
Am meiften bewundert iſt fein „Frithiof“, und mit Recht. 
Er bat in diefem Exrpflallenen Prachtgebäude die ganze 
mptbologifche Herrlichkeit des Nordens geſchickt angebracht, 
reine, edle Thaten, die Naturfraft ber rohen Heldenwelt 
idealifict; „aber es ift kein Winkelchen, wo es uns Men: 
fchen von heut gemüthlich wird, keine Bärenhaut. hinterm 
Herde, keine warme Bank auf dem Ofen. Anders 





1887 


darin ift feim „Arel“, eine weit einfachere Dichtung; aber 
die patriotifche Wehmuth durchhaucht mit einer gewifien 
Wärme das Ganze und die Innigkeit der Auffaffung 
nähert fi dem, was wir Gemuͤth nennen. Dagegen kann 
der Dichter in andern Poefien, befondere wo er reflectirend 
oder belehrend auftreten will, in den troſtlos nüchternen 
Ernft und jenes flandirende Moralifiren verfallen, welches, 
eine Mitgift der franzöfifchen Glafficktät, uns ale ein 
Segengift aller Poefie erfcheint. Solche patriotifche Ge: 
Dichte, wie das von ber Akademie gefrönte und belohnte 
auf fein Baterland, das anbebt: 

Land, wo bie Väter ruh'n, du Wiege meiner Tugend, 

Bolt, das im Heldenland vergißt der Helden Tugend! 

Dir weih’ ich einen Sang aus meinem ſchatt'gen Thal; 

Das Schmeicheln lullt dich ein, hör Wahrheit audy einmal u. ſ. w. 
koͤnnte in Deutfchland nicht. mehr vorfommen. Die 
Summa unfers wiedergewonnenen portifhen Geſchmacks 
tebellirt gegen die Monotonie folcher Threnodin. Was 
auch unfer Humor, unfere Ironie fonft verfündigt haben 
mögen, biefe Leierkaften und Gtlodenfpiele, geftimmt auf 
thräanenreiche Vaterlandsmelodien, haben fie fortgebifien. 
Mur der Holländer noch gefällt fih, fo mit Thränen in 
den Augen bie Herrlichkeit feines Vaterlandes fich ins Ge: 
wiffen zu fingen. Mir kam der Ernft dabei zwar ehren: 
werth, aber höchft komiſch zugleich vor. Übrigens ift das 
Gedicht „Swea” (1811 gedichtet) ein Product der Juͤng⸗ 
lingsjahre des Dichterd. Der gewiegte Dann hat fich 
anders, koͤrniger, ſchon vernehmen laffen, und wir find 
begierig zu hören, wie ber gereifte Dichter, der Kirchen: 
fürft und Staatsmann, in feinem neueften Werke ‚Gerda‘ 
feine Stimme wird ertönen laffen. 

Tegneͤr's Leben, von feinem Verehrer und von ihm 
Verehrten, dem jegigen Bilhof Franzen gefchrieben, bie: 
tet des Belondern und Charakteriftifhen wenig. Es ift 
aber abgefaßt, wie man in Devotion vor einem großen 
Manne die Hgupt: und Staatsactionen feines Lebens 
fubmiffeft nebeneinanderftellt und ihn überall möglichft rein 
und nobel zu malen unternimmt, damit Niemand einen 
Anftop nehme. Da ift nichts von Schwächen, auch 
nichts von folhen Zügen aus dem Kleinleben, daraus 
man einen Blick auf den Entwidelungsgang feiner Ideen 
thun könnte. So etwas wäre gegen die fchwedifchen De: 
hors. Und doc laufen Gerüchte von Tegner um, die 
ihn gar nicht in folchen negativen Deiligenfchein büllen, 
Dagegen weit aufgewedter und Liebenswürbdiger zeichnen. 
Mur der Zug ift bemerfenswerth, daß er als Student 
drauf und dran war cum infamia relegirt zu werben, 
wegen eines fehr verzeiblihen jugendlichen Muthwillens, 
an dem er nicht einmal unmittelbar Theil hatte. Wäre 
er auch in diefem Falle der Dichter feines Volks geworden? 

Hrn. Mohnike's Verdienſte als gelehrter Kenner der 
Tandinavifchen Literatur find anerkannt, besgleichen, daß 
feine Überfegungen, wenn auch nicht von poetifcher Me: 
productionskraft fprubelnd, unter den vorhandenen doch 
die vorzüglichften find. Fleiß, Treue und Geſchick reichen 


auch bier vielleicht aus, während fie bei einem Shakſpeare, 
Calderon und Dante zu wenig wären. Diefe fchägens: 


wertbe 
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Allemaı 
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Vertran 

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" 1986 


Yeiden. Weiten, find andy die gegewfeitigen Briefe geſchrieben, in 
denen der Wunſch, etwas dem deutſchen Reiche und der ge: 
fammten Chriſtenheit — w leiften (la — 88 
du bien public tft der gewöhnliche Ausbrud) auf das Deut: 
lichfte hervortritt. Die Unterhandlungen zwiſchen ben einzelnen 

ürften, namentlich zwifchen den Kurfürften von Sachſen und 

vandenburg, zogen da indeß fehr in bie Länge, die einzeknen 
Jntereſſen waren ſchwer zu vereinigen und nicht alle peoteftan: 
tischen Zürften entichlaffen ſich ſchnell der Union beigutreten. 
Aber die Gefinnungen bes Könige und des Landgrafen blieben 
unverändert biefeiben. Wir wollen dazu nur zwei Belege ge: 
ben. So ſchreibt Heinrich an den Landgrafen unter dem 25. 
Dee. 1606: ‚‚Je n’ay jamais doubte de vostre bonne vo- 
lonté au bien et advancement de ceste Union, de lagnelle 
vous m’aves voulu, par. vostre lettre du 28. d’octobre, de 
nouveau donner si ample tesmoignage; car je me suis pro- 
mis oela et de vostre affection & la manutention de la dits 
cause publique, autant ou plus que de pas ung aultre prinee, 
et de vostee prudence a scaveir acortement acheminer la dite 
Uaion pour bien auquel on aspire, qui est tant digne 
d’ung coeur vrayement göndreux, comme l’effect en ost de- 
sire par les gens de bien’ (S. 837), Da nun ber Landgraf 
trot feines guten Willens ſich mit ber oft verflechten und egoi⸗ 
Sifoen -Yolitit der proteftantifhen Kürften nicht vereinigen 
Zonnte, und felbft feinen Beitritt zur Union gu verweigern Ans 
laß hatte, fo mußte ex befürchten, baß ber König gegen ihn 
Verdacht ſchoͤpfen koͤnnte. Er ſetzt ihm alfo in mehren Schrei⸗ 
den feine Motive auseinander und erklaͤrt, wie ex ſtets bereit: 
willig fein würde, der Sache ber Keligton zu bienen, felbft 
wenn es fich nicht ber Union angefchloffen hätte. „Ich habe”, 
ſchreibt er am 7. Rov. 1608, „ihnen verfprochen, que si, en- 
tre oy et la, il tomboit quelyue chose sur les bras de ces 
Messieurs Unis, que je me sentois oblige, par raison d’es- 
tat et de conformit# de religion, de les assister avec la 
mesme portion A laquelle j’aurois pu estre taxd en y en- 
trant, Ce que je garderay aussi loyaulment et de bonne 
foy“ (S. 878). 

Wir koͤnnen jetzt nicht auf bie weitern Details dieſer ins 
terefianten Gorrefpondenz eingehen, in der wir auf ber einen 
Seite die großartige Politik Heinrich's und feines Sully erken⸗ 
nen, auf der andern die echte Würde des deutſchen Reichsfür⸗ 
ſten wahrnehmen, der fidy nicht, wie fo viele nach ihm gethan 

Rn, an kreichs Konig wegwirft und über dem eigenen 


gang ben bes nfanen Baterlandes vergißt. Wäre 
hier ber Ort dagu, fo ließe ſich zwiſchen biefer Gorreipondeng 


Heinzidys mit einem beutfchen Fürſten und dem Verkehr Lub- 
wig’s XIV. mit ben beutfchen Yürften feiner Zeit ober den Vers 
handlungen Rapoteon’s mit ben Fürſten bes Rheinbunbes eine 
Parallele durchführen, weiche die Wichtigkeit der durch Hru. v. 
Rommel bekannt gemachten Briefe in das befle Licht fegen 
würde. Die legtern find übrigens ein befonbers ehrenvoller 
Beitrag zur Charakterſchilderung Heinrich's IV., dem neuer⸗ 
dings Sismondi in dem letzten Bande feiner franzoͤſiſchen Ge⸗ 
ſchichte die Glorie zu eutreißen geſucht hat, mit welcher man 
in Frankreich fo lange, und in einzelnen Beitabfchnitten auch 
nicht ohne Affectation, das Andenken diefes Königs umkleibet 
hatte, Schon der Gngländer Burke hatte hierüber fehr richtig 
geipcodgen (‚, Refleotions on the revolution in France”, ©, 

‚ unb jest verdanken die Franzoſen neue Aufichläffe über 
die Liebenswärbigkeit ihres Lieblingskönigs einem deutſchen Ges 
lehrten, bem auch König Eubwig Philipp durch überſendung 
einer großen goldenen Medaille dafüc feine befondere Werth⸗ 
Khäyung an den Tag gelegt hat. 

Außer dieſer beutfchen Angelegenheit werben aber auch ins 
nere Angelegenheiten Frankreichs und allgemeine eurepäifcke 
Berhältniffe in diefen Briefen zur Sprache gebracht. Bon ben 
erfiern erwähnen wie Hier bie Mishelligkeiten bes Königs Hein» 
rich mit dem Herzoge von Bouillon zu Seban, bem Haupte der 


Hugenotten und einen nahen Werwundten bes Aurfürfken sen 
ver Pfalz. Der Landgraf Morit zeigt fh bier als einſichts 
mit 


Mäßigkeit und Klugheit verfu 
den die Streitigkeiten audy 
barer Weife Außer fih a 
1604) über bie ngen 


der Sgeglichen. > 
—— m 1 ge 
weiche der Laudgruf wegen be 


bevorftspenben Ginfiufles ber Sefuiten in 
hen * , m sera oT —— des — — 


à autres, de me faire changer d’opinion, ny de r680lution- 
(&. 162). Was fonft in den b neten Jahren ſich in Spa⸗ 
nien, in Holland, in England, in Polen, in Ungarn, in be 
übrigen öftreichifehen Staaten errignete, ferner bie i 

in einzelnen deutſchen Staaten, wie im Braunſchweigiſchen, = 
Herzog Heinrich Julius im übeln Bernehmen mit der Giak 
Braunfchweig fland, dann bie Wechfelfälle des Türkenkriege is 
Ungarn, bie Empoͤrung bes Erzherzogs Matthias gegen Kaiſer 
Rudolf 11., Alles dies und vieles Andere gibt Gelegenheit za 
vertraulichen Erörterungen, bie von den Geſchichtſchreibern die: 
fee Belt nicht überfehen werden bürfen. Die Iehten Brieft 
en na auf ben Ausbruch des jülich⸗ clevefchen Erb⸗ 
olgetrieges. 

Die wachſende Vertraulichkeit beider Fürſten gibt ſich auch 
in der wiederholten Erwähnung ihrer haͤuslichen Angetegenhei⸗ 
ten, in der herzlichen Theilnahme an Heirathen, Gutbindungen 
ber fürſtlichen GBemahlinnen unb in andern freunsi m 
Srlundigungen vielfad zu erfennen. Bon befonderm Suterefie 
ift das aus dem Deutihen in das Franzöoͤſiſche übertragene 
Tagebuch des Landgrafen über feine Reife nach Paris und ben 
dortigen Aufenthalt, aus dem man binlängtidy wahrachem 
tann, wie gebiibet ber Geift dieſes Yürften war, wie aufmeb 
fam er fi für alles Wiflenswürbige erwies, und auch wich 
wohlbewandert im Gefpräd mit bem Könige über Pferde un 
Zagden, und wie freimüthig er fih gegen deffen Miniſter Bit 
lerote ausſprach. Als derſelbe nämlich Aber bie fortwährent: 
Geldnoth feines Herrn Hagte, entgegnete ber Landgraf: „Reg- 
lez, je vous en prie, les aflaires, de sorts que le Rei 
fasse pour deux anndes cesser les grands bätimens; car 
avec l’argent &pargn& nous lui construirons un palais tout 
propre à ses intentions, à son agrundissement et As 
gloire” (&. 72). - 

Der deutſche Herausgeber bat durch eine gründliche bil 
riſche Einleitung, durch zwediuräßige Anmerkungen, durch Über: 
ſchriften und Regiſter dem an ſich fchon intereffanten Bude 
noch einen höhern Werth gegeben. Zu folgen Zugaben mar 
aber nicht leicht ein Anderer fo geſchickt ats Hr. d. Rommel, 
der fo tief in die heſſiſche Landeszeſchichte eingebdeungen iR. 
Einer rũhmlichen Erwaͤhnung verdient auch noch bie bei den 

iffriven eingelner Stellen mittels des vorgefundenen Schlüſ⸗ 
ſels angewendete Mühe. 11. 





Piterarifhe Rotizen. 


Berliog, weldger die Schumann'ſchen Melodien zu meh⸗ 
ren Gedichten von Beine empfiehlt, nennt Letztern einen halb⸗ 
feanzöftfchen Beutſchen, deſſen Proſa funkele und erfchättere 
wie eine elektriſche Batterir und deſſen Varſe in Oeutſchland 
wenigſtens ebenſo volkethũmlich ſeien wie die Eiche Werans 
er's in Frankreich. Heine ein Volksſaͤnger wie Biranger! 

ieſe Anſicht fehlte noch, um die kreuz⸗ und querlaufenden Be⸗ 
griffe uͤber Heine gänzlidr zu verwirren. 


Hr. Bignan, bekannt durch feine Überſe des Homer 
hat fih in einem neuen —— Unter 
3 Gtüd In Berfen, ne et N; wa oe Fra eh 
e ’ u e N w an 2 
—* Zügen reich fein ſoll. ’ u 5° 


Verantwortlicher Deraußgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Berlog von F. 3. Brodhaus In Leipzig. 


ber andern ber X 
r (vergl. 0.0 305), en | 











Blaͤtt 


für 


Literarifbe Un 








lin, Nicolai. 1840. 16. 1 
Es war eine Zeit, wo Galderon unter uns Deutfchen | Ben, 
viel genammt und beſprochen wurde, auch haufig über die | bat, ! 
Bühne ging, Die Überfegung, die X. W. v. Schlegel | großen 
1803 gab, und feine. gleichzeitigen Borlefungen in Berlin | dium 
machten zuerſt mit dem großen Dichtergenius befannt; denn D 
zuvor hatte man nicht viel mehr als literariſche Notizen lung 
von ihm. Goethe, auf alles Große aufmerffam und von Jdes ü 
dem Gedanken erfüllt, daß eine Weltliteratur fich vorbe⸗ bas X 
reite, dußerte fich wiederholt öffentlich fiber den Dichter, 
der auch ihm jegt erſt bekannt geworden war; und, wie | und k 
denn bei ihm der Gedanke fogleic zur That wurde, er | Zeit u 
ließ den Spanier den Deutfchen auf der Bühne lebendig Überfet 
worden. „Die große Zenobin” und „Der ftandhafte ſtigkeit 
Prinz“, namentlich der legtere, von Wolff auf dem weis ben Ü 
marifchen Theater vortrefflich dargeftellt, machten das Pu: | 34 det 
blicum empfänglich für die hohe, in ihrer Fülle und Madye | fünften 
eben nicht leicht zu faffende Schönheit des Fremdlings; | Arioft, 
andere Theater folgten. Gries, von Einfiedel und Goethe Studi 
angeregt, wandte fein außerordentliche Talent dem außer: | No t 
ordentlichen Geifte zu; andere Überfeger firebten ihm. mit Titel . 
mehr oder minder Gluͤck nach und Galderon mar bald | fie «8 
ein yefeiester Name in Deutfchland. Aber was wir fo oft | det, zu 
in der literaxifchen Welt finden, daß eine glänzende Ers | Nlreng 
fheinung eine Zeit lang biendet und herefcht, dann verduns | er bem 
Zelt oder vernachläffige wird, das zeigte ſich auch hie. |, N 
Calderon wird weit feltener genannt als in den erften beis | biefer 
den Decennien dieſes Sahrhunderts. Dies iſt zu natür- | gelandt 
lid, als dag man ſich darüber wundern follte. Wenn nur | gung (© 
nicht ein koſtbares Beſitzthum, das den Deutfchen einmal Mm 
eigen geroorden, dadurch, wenn auch ihnen nicht genommen, wertber 
doch verfümmert, ber Genuß Dielen entzogen würde! Und | Fein ger 
in dem Verlauf von fat 40 Jahren hat das Urtheil der Do 
Einfihtigen über Calderon fich gefegt, gebildet; man ift | jedes T 
von den. Eytravaganzen, duch die er anfangs unmebelt | zum B 
wurde, zuruͤckgekommen; man erkennt neben feinem Großen | befchäft 
auch feine ſchwachen Seiten; man fieht ein, daß er und | denn ei 
Deutihen nie Das werden kann, was Shakſpeare ift. | Orient 
Da ift es denn dem befonnenen, aufrichtigen Werehrer des | dung t 
Dichters hoͤchſt erfreulich, daß dieſelbe Buchhandlung, die | das M 





- nug. So weiß man, daß die Araber im Mittelalter in 
—Kunſt und Wiſſenſchaft ſich auszeichneten. Die große Nei⸗ 


gung, das tiefe Studium, das ſie dem Ariſtoteles zuwand⸗ 


ten, ihre Bemuͤhungen um die mathematiſchen Wiſſen⸗ 
ſchaften beweiſen, daß Verſtand und Scharfſinn in hohem 
Grade bei Ihnen cultwirt waren. Zu diefem kam nun bie 
eigenthuͤmliche glänzende Phantafie der Orientalen, ihre 
Luft an Tropen, ihre leidenfchaftlihe, man kann wol fa: 
gen, freche Rhetorik. Daß diefes Alles auf ein von den 
Arabern unterroorfenes, lang behauptetes, in Elimatifcher 
Hinfiht nicht ſehr verfchiedenes Land wirken mußte, war 
nothwendig. Ein Element aber war, was beide Natio⸗ 
nen, bie Überwinder und die Überwundenen, immer aus: 
einanberhielt, die Religion. Chriftentyum und Moham: 
medanismus blieben fortdauernd Feinde. Aber mit den 
obengenannten Eigenfhaften verband fic jenes leicht;“und 
wenn daſſelbe fih innig mit dem Mitterwefen vermählte 
und ritterlicher Sinn den Spanier auf das innigfte durch: 
drang, fo mußte er bdiefen Sinn auch bei dem Feinde 
erfennen und hoͤchlich fchägen. Der ftandhafte Prinz 
gibt uns im fchönjten poetifchen Bilde die Verwandtſchaft 
des Spanierd mit dem Araber. Werben wir nad) folchen 
Betrachtungen, bie leicht mehr ins Einzelne gehen koͤnn⸗ 
ten, den Einfluß, den ber Orient auf Spanien gehabt, 
verkennen? Lefen wir in ben fpanifhen Romanceros, 
fo werden wir überall in ihnen Anklaͤnge aus dem Oſten 
finden. 

Dieſer Einfluß zeigt fich beſonders deutlich bei Calde⸗ 
ron; Einfluß kann man faum mehr fagen; feine innerfte 
Natur tft von Drientalismus durchdrungen; er ift, wie 
Goethe fih ausdruͤckt, ein wuͤrdiger Enkel edler Stamm: 
väter. Mas ihn von den beutfchen Dichtern fcheidet, web: 
halb er, wie aucd bewundert von den Einfichtigen, nie 
dem Herzen des größern beutfchen Publicums vertraulich 
werben wird, ift fein Mangel an Gemüth, Shakfpeare, 
fo reich an biefer Eigenfchaft, ift ihm wie ein Landsmann, 
und es bat fih auch duch andere, jenem Gemüth bie 
Mage haltende Eigenfhaften in feiner Verehrung nicht ſtoͤ⸗ 
ven laffen. Aber bei Galberon wiegt der Verſtand vor, 
und biefer wird oft auf das fpißfindigfte vorgetragen, oft 
“in einer Fuͤlle poetifhen Ausdruds, von Bildern, Tropen, 
oft von aller Kunft einer hyperboliſchen Rhetorik, deren 
öfttiche Herkunft Goethe im „Divan“ fo ſchoͤn nachweiſt. 
In diefer Dinficht wie in mancher andern kann fih Cal: 
deron von feiner orientalifhen Nationalität nicht losma- 
hen. Wir werden uns damit nicht verföhnen. Wie wird 
dee Deutfche je mit Gunſt und Genuß die Schilderung 
einer verfchleierten Schönen leſen koͤnnen, wie fie in den 
„DBerwidelungen des Zufalls” vorkommt? wo ber Dich 
ter, nachdem er eine Hand gefchildert, 

vom heilften Glanze, 
Die der Lilien und ber Rofen 
5— war, und der als Sklave 


uldigte des Schneees Glanz, 
Gin beſchmuzter Afrikaner — 


dann, um auch dem Fuße ſein Lob zu ſpenden, dieſes ſo 
anfaͤngt: 


1390 


feier auf die Buͤhne gebracht hat. 


tig macht's ein kleiner Bach, 
Welcher, Natter von Kryſtallen, 
Zwiſchen nieberm Gras vom plumpen 
Bußtritt eines Baums gertrampelt, 
Schnappte nach dem reihen Saum 
Ihres Oberkleids, befalbend 
Jener Franſen reines Gold 
Dit des Speichels Alabaſter — 
Denn er zwang ſie, um das Gift 
Seiner Lippen abzuhalten, 
Sehn zu laſſen einen Fuß, 
Von Geſtalt und Schmuck ſo artig, 
Daß er ſprach: Ich bin Jasmin, 
Aus des Schuhes Knosp' entfaltet — 
oder wenn der Dichter (in den „Drei Vergeltungen in 
einer’) ein anmuthiges Thal darſtellt? 
Einen Waffenplatz der Blumen, 
Weit fie drinnen, wohl beſchüͤtzet 
Dur die Schanzen und die Gräben 
Eines Bachs, nicht fürchten dürfen 
Das Belagrungszeug der Sonne, 
No die Streiferein der Stürme. 
Es gehört wirklich in Galderon’d Spftem, fo gu verfaßs 
ven, und wir, denen bier alle Anmuth über ſolchen Tro⸗ 
pen und Hyperbeln verfhwindet, müfjen annehmen, daß 
feinem Publicum daffelbe gemäß war. Merkwuͤrdig ift in 
jener Dinficht eine Stelle aus dem Feftfpiel: „Hüte dich 
vor flilem Waſſer!“, wo ber Dichter, im Begriff, die Feier 
einer Verbindung Deutſchlands und Spaniens burch eine 
Vermaͤhlung zu fchildern, fo bevorwortet: 
D daß ich fie fchilbern koͤnnte! 
Doc, wie ſehr ich mich beftrebe, 
Unausführbar iſt's, wenn nicht 
Die Rhetorik mir gefällig 
Shrer Freiheiten Gebrauch 
Wird in Rebfiguren lehnen, 
Mir verftattend, was man Bilder 
Der Perfonendidhtung nennt, 
Da Unmoͤgliches, ein niebrer 
Vorwurf geiftiger Ideen, 
Sich entweder denket ſchweigend, 
Dder auch ſich darftellt redend. 
Wenn mir aber biefes uns Widerſtrebende überwinden, 
dann tritt mit einem Male der eigentliche Dichter hervor, 
in Scenen, bie kein anderer erbacht, die fein ſchoͤpferiſches 
Genie auf das glänzendfte beurfunden. Wir erinnern nur 
an die, wo (im „Wunderthätigen Magus”) Coprian in 
heiliger Raſerei vor den Stuhl des Statthalters ſtuͤrzt und 
ben Glauben der Chriften mit feuriger Zunge predigt, mo 
(im ‚eben ein Traum”) Baſil zu den Füßen feines Soh⸗ 
ned liegt, oder der ftandhafte Prinz ale Geiſt feinen 
Portugiefen die Fackel vorträgt, fiegreich an dem Orte, wo 
er in der härteften Sklaverei fein Leben verlor. 

Auch die Schaufpiele, in denen ſich die eigenthiimlichfte 
Nationalität ausfpricht, entbehren nicht eines eigenen Bau: 
bers. So kann man in dem Stud: „Hüte dich vor ſtil⸗ 
lem Waffer!” nicht ohne Wermunderung betrachten, wie 
der Dichter die Schiiderung einer Königlichen Vermaͤhlungs⸗ 
Jeder ber drei Acte 
enthält die ausführliche Darftelung einer Prachtfcene bes 
hohen Feſtes; doch find diefe von lebendiger Handlung ums 
geben, und von einer Handlung, wie fie fich einzig zu 


1391 


jenen Scenen (hit. Ein die menfchlihe Natur ernſtlich | würd: 
berishrender Gegenftand würde folche Scenen erbrüdt und | durdy 
wermächtet haben; ja, felbft eine. ernfthaftere Intrigue, wie | wie £ 
fie in den Comedias de capa y espada vorkommen, | biefen 
hätte die Zufchauer zu ſehr von dem Hoffeſte abgelenkt; | tiguer 
der Dichter wählte mit großem Verſtande Handlung und | tige! 
Derfonen, duch bie das Lönigliche Feſt gehoben werben | feger 
mußte, fodaß es impofant und feiner hohen Bedeutung | wird 
gemäß auf der Bühne erfcheinen konnte. Und wie, wenn | tiche | 
wir die Treffiichkeiten des ‚Lauten Geheimniſſes“ entwi⸗ als e 
den mollten! Punk 
Bei foihen Vorzügen geben wir den Gegnern Calde: | Kraft 
ron's gern auch bie anbermweitigen Mängel zu, die man | tigkeit 
diefem Dichter vorzuhalten pflegt. Dahin rechnen wir bie | melfen 
oft allzu fpigfindige Anlage und Entwidelung eines Schaus J 
ſpiels, tie ſich dieſe beſonders in jenen Comedias zeigen, | fie im 
wo es und Deutſchen oft ſchwer wird, im Leſen alle die | mals 
Zäden und Verfhlingungen im Kopfe zu behalten, wodurch | einger: 
nur ein vollftändiges Auffaffen des Planes gelingt; ja, e6 | des 9 
gehört ein’ ganz vorzügliches Spiel auf der Bühne dazu, | „Un. 
— um bie vigentliche Intention des Dichters anfhaulih zu | Stell 
machen. Selbſt in den ernften Dramen iſt diefe Spiz⸗ Th. 
findigkeit manchmal flörend, wie denn der Schluß ber vor: 
trefflichen „Locken Abfalon’s” uns einigermaßen erfältet, 
da der Dichter, wie in einem Rechnungserempel, ein im 
Kleinſten genaues Facit zu ziehen fih bemüht. Dann , 
find uns, bie wir am bie unendlich mannichfaltige Were | Wofuͤ 
Shaffpeare’s gewöhnt find, bie häufigen Wiederholungen 
Salderon’s, die Familienaͤhnlichkeit gar mancher feiner Stüde 
anſtoͤßig. So liebt er die oralelhaften Reben, wo eine 
Derfon etwas fpriht, worauf eine andere, ohne Wiſſen, 
prophetiſch antwortet; was in einzelnen Fällen, wie in ber 
„Zenobia“, allerdings eine herrliche Wirkung thut. Sehr 
Häufig finden fi Anfpielungen auf das Kartenfpiel, Gleich 
niffe, davon hergenommen; wie denn felbft in den „Loden 
Abſalon's“ fünf bis ſechs zum Theil weit ausgefponnene | wo di: 
der Art vorfommen. Und mie unzählige Dale finden wir | al na, 
blutgenetzte Schlachtfelber mit Nelken verglichen? will |: 
Und doch, welcher Freund ber Kunft wird fich duch | und |: 
ſolche ihm nicht zufagende Eigenthuͤmlichkeiten ſtoͤren Lafs 
fen in dem bohen Genuſſe, den die eigentliche Kunft des 
Dichters geroährt? Eben begegnet uns in dem mweimari- 
fhen „Album zur Säcularfeier der Buchdruderkunft eine 
Schilderung, wie die oben erwähnte Scene aus dem „Stand: | Sreili| 
haften Prinzen“ auf Goethe wirkte, da er fie einer Ges | des © 
ſellſchaft vorlas. In der That, die Gewalt der Poefie | vian 
ward Einem nie fo lebendig, als wenn han den Schau: a 
fpielee Wolff diefe Scene fpielen fah. Merkwürdig ift es | dem | 
auch, daß Goethe, ber mehre Stüde Calderon’s auf die | tende 
Bühne brachte, doch biefes nur mit den ernflen gewagt | Ausg. 
bat. Ohne Zweifel wußte er auch die andern zu wuͤrdi⸗ 9 
gen, ſah aber ein, daß dieſelben dem deutſchen Publicum | tbige | 
nice faßlich, nicht gemuͤthlich fein Finnen, daß dagegen | lichen 
Calderon's Eigenthuͤmlichkeiten, die und Fehler fcheinen, | (Th. 
vor der Exrhabenheit und dem Exnft jener Stüde in Schat: | fohun 
ten treten und leichter in ihnen zu ertragen feien. bob | 
Bon bes Überſetzets Kunft bier ausführlich zu reden, | babu: 


Born | 


” 
ER 





1393 


der etwas Schleppendes hineinbrachte, durch einen männs 
lichen verdrängt iſt. 

’ &o könnten wir noch gar mande Stellen anführen, 
um zu bemeifen, daß Hr. Gries, wenn er die neue Aus⸗ 
gabe eine durchgeſehene nennt, eher zu menig als zu 
viel geſagt, daß er ſich redlich bemuͤht hat, auch dieſem 
Werke die moͤglichſte Vollendung zu geben. Moͤge ſein 
Bemuͤhen anerkannt werden! und moͤge daſſelbe die Liebe 
zu dem großen Dichter wach erhalten und dem Studium, 
das er ſo wohl verdient, einen neuen Anſtoß geben! Moͤge 
vor Allem Gries ermuntert werden, noch mehre Stuͤcke 
Calderon's zu uͤberſetzen! 

Wir muͤſſen zum Schluß auch der Verlagshandlung 
den ihr gebührenden Dank ausſprechen. Sie hat, bei gro: 
Fer Wohlfeilheit (das Bändchen koftet nur 12 Gr.), et: 
was fehr Anmuthiges geliefert; Drud, Papier, Correctheit 
ſind von einer Art, daß jeder Liebhaber von guten Buͤ⸗ 
chern mit Luft dieſe Baͤndchen in feiner Sammlung auf: 
ftellen wird. 14, 





Eichhoff's Werk über Sprache und Literatur ber Slawen, 


Gin intereffanten Buch iſt die „Histoire de la langue et de 
la litterature —8 Russes, Serbes, Bohemes, Polo- 
nais et Lettons, considerdes dans leur orgine indienne, leurs 
anciens momens et leur état prösent‘, von F. G. Eichhoff 
(Paris 1839). Das Buch iſt, wenn auch keineswegs erfchöpfend, 
ganz geeignet, bie Aufmerkſamkeit der Franzoſen auf den Ge⸗ 
genftand zu leiten, den es behandelt; es langmweilt nirgend, iſt 
angenehm gefchrieben und entfaltet fich in glänzenden Gemaͤl⸗ 
den und bliäfchnellen Überfihten. Das Werk enthält vier Abs 
theilungen; bie erfte handelt von der Geſchichte ber Slawen, 
Die zweite von ihrer Sprache, bie dritte von ihrer Literatur, 
die vierte bringt die Überfegung mehrer Vollspoefien mit bem 
Text gegenüber. Die erſte Abtheilung enthält allbefannte An: 
fihten, welche indeß für das größere franzöfifge Publicum 
ziemlich neu fein mögen. Der . weift nach oder fucht nach⸗ 
zuweiſen, daß bie ſlawiſchen Boͤlkerſchaften ebenfalls zu dem 

indo⸗ europaiſchen Syſteme gehören, daß auch ihre Miege 
n ben Thalern des Himalaya A ſuchen ift und baß man mit 
Wahrfsheinlichleit unter. den Sceythen bes Herodot Tlawifche 
Stämme zu vermuthen bat. Der Verf, geht nun auf bie Epoche 
der Völkerwanderung Über, als bie Slawen bie von den Gerz 
manen verlaffenen Streden zwiſchen bee Donau und dem baltis 
fhen Meere einnahmen, eine mehr friedliche als kriegeriſche Er: 
oberung. Erſt von da an treten die Slawen aus dem Dunkel 
ihres vegetativen Urlebens an das Licht der Gedichte. Won ben 
Idiomen der. Slawen find bereits zwei, das Altflawiiche ober 
Selavoniſche und das Preußiſche erloſchen; unter ben 60 Mils 
Konen Individuen, woburd bie große ſlawiſche Voͤlkerfamilie 
gebildet wird, find gegenwärtig acht Hauptibiome im Bange. 
So abweidjend dieſe Idiome und Dialekte unter ſich auch fein 
mögen, fo laſſen fie ſich doch bei näherer Bergleichung fämmt: 
lich auf bie heilige Sprache der Indier zurüdführen, auf das 
Sanskrit, welches bie gemeinfame Mutter von faft allen Idio⸗ 
men gewefen zu fein fcheint. Der Verf. gibt eine intereffante 
vergleichende andlung über die verſchiedenen ſlawiſchen Al⸗ 
phabete, über bie Identitaͤt ruſſiſcher, polniſcher, boͤhmiſcher, 
lithauiſcher Wörter mit ben correſpondirenden Wörtern bes ins 
difhen Bocabularium zc. Diefe durch eine finnreiche Methobe 
verdeutlichten philologifchen Beobachtungen werden durch ben 
genauen Text bes Baterunfers in ben zehn bereits erlofchenen 
oder noch lebenden Idiomen, welche die Tlawifche Sprackfamitie 


ausmachen, boſchloſſen. Das ältefle Denkmal ber Flawif 
Literatur ſcheint die — el zu ſein, welche den bei⸗ 
den polniſchen Apoſteln des neunten Iahrhunderts, die für die 
Aubreitung des Gpriftentygum unter ben Slawen mit lfes un 
Grfolg thötig waren, den Miſſſonnairen Konflantin, genanst 
Cyrillus, und Methodus angefchricben wird. uch bat ma 
eine Sammlung zuffifcher Befege unter dem Zitel „‚„Pravdı 
ruskaia”, die gegen 1080 von Jaroslaw I. veranftaltee wurde 
Im Laufe deffelben Jahrhunderts wird bekanntlich Mefkor, 
Mönch) eines Kieflers. zu Kiew, Water ber ruffifdgen Geſchiche 
durch feine Zöfklichen Annalen, bie in einem falbungsvellem, oft aber 
auch Me = Styl gefchrieben find. Diefe Iaprbächer far: 
ben mehre Fortſetzer, aber das Sclavoniſche ober Altſlawiſche 
verbard immer mehr und machte endlich dem Ruffifchen Piss 
So entſtand eine neue Literatur, deren Verlauf der Werf. iz 
einem rapiden Jabltau bem Leise darſtellt. Die ruffifchen 
Sqriftſteller, welche ſich gegenwärtig aus n, werben eben⸗ 
fals mit Genauigkeit gefübert und geprüft. Hierauf wendrz 
ſich Eichhoff zu der Darftellung der fechifchen, polniſchen, boͤh⸗ 
miſchen, lithauiſchen und —*2* Literaturen. Unter dieſen 
ift die polniiche Die glängenbfte, bemerkenewerth durch die Menge 
ber Probuctionen in allen Gattungen, die ungeachtet bes Uns 
glüds, welches auf biefem Wolfe laflet und feine Rarionalita: 
iu vernichten droht, immer noch im Wachſen find. Die von 
hoff ausgewählten Volksgeſaͤnge find folgende: 

1, Dev Sieg des Zaboi, eine alte boͤhmiſche Srabition, weiche 
in hochpoetiſcher und naiv kraftvoller Darftelung ben Wer im 
die heibnifchen Zeiten der Böhmen mit großer Lebendigkeit unb 
Anfgaulichkeit verfegt. „Zaboi, ein mächtiger Krieger ber boͤh⸗ 
miſchen Nation, die von ben Deutſchen unterbrüdt und mit 
Gewalt zum Ehriſtenthum bekehrt worden, verfammelt im 
Stillen feine Genoſſen, ruft fie zur heldenmuͤthigen Vertheidi⸗ 
gung auf, verbindet fi mit ber Horde bes Slavot, feines 
Vaffenbrudrrs, — fich auf die von Ludiek angeführten Deuts 
ſchen, töbtet ihren Chef, richtet unter ihnen ein großes Bluthad 
an und befreit fein Vaterland.“ 

up —* 1 dei en foR —E Denkmal ber 

altpo en Literatur, eine fei reli yane, wele 
ſich bis zu ber Zeit zuruͤkführen laft, wo ſich das polniide 
Volk zum Ghriftenthum wendete, und melde an Maria, bie 
Mutter Gottes, gerichtet, von den zur Schlacht ziehenden Krie 
gern en wurde. q din de Dich 

. Der Zug bed Igor, ruſſiſches Gedicht in Profe, 
bem Ende des 12. Jahrhunderta angehoͤrend, weiches eine Epi: 
ſode aus dem Kriege gegen die Polowzer zum Begenflande bat. 
Die Polowzer fiegen und nehmen ben ger und feinen Bruder 


gefangen. 
. Die Schlacht von Kofovo, ein ferbiiches Gedicht vol 
Rolverät. und —— ſerbiſch * 

. te Hymne an Gott von Dergevin, ein 
Meifterflüct der neuruſſiſchen Literatur, welches die Ehre Hat, 
in faft alle Sprachen überfeht oder nachgeahmt su fein und 
mit golbenen Leitern in dem Palafte zu Pesking wie im Lem: 
pel von Jebbo zu glänzen. —* davon eine Überfegung 
in Werfen, welche voller Schwung unb Erhabenheit iſt und in 
dem Überfeger zugleich einen Dichter erkennen läßt, Sier eine 
Kleine Probe aus der Überfehung von Eichhoff: 

De la creation que ton souflle penätre, 

Tous les cercles unis se eonfondent en toi; 

Ce qui semble perir s’eclipse pour renaltre, 

Et la vie-& la mort s’enchalne par ta loi. 

Dans les champs de j’dther, féoondes diinnellen, 

Faillirent par essaims les dioileu nouvelles, 

D’innombrables soleils brillerent sous tes pas: 

Ainsi qu’en un beau jour, sur les plaines neigeuses, 

Le givre, s’dpauchant en peries laminenser, 

Tourbilloane et solatille au milieu des frimas etc. 

70. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhand in Beipzig. 
ee VVEEEEEEEEEEGEEEEEE 





B14 


tt 


für 


Uiterariſche Un 





Die Fortſchritte der Schule Fourier's in Frankreich. 
Es ift nicht zu verwundern, wenn, bei der allgemeinen 
intellectuellen und fittlich = refigidfen Verwirrung unſerer 


Zeit, der Saint: Simonismus, von bedeutenden Rede⸗ 
tafenten und glänzenden Schriftflellern gepredigt, troß bes 
greulichen Kerns feiner Lehre, gleich anfangs eine zahl: 
reihe Anhängerfchaft gewonnen, zumal in dem von fo 
vielen Nevolutionsftürmen aufgewühlten und zerffüfteten 
Sranfreich, mo die Majorität das Chriftenthum nur noch 
wie ein fernes Wunderland oder wie ein Ammenmärchen 
vom SHörenfagen kennt. Wol aber darf es befremden, 
daß die beimeltem reinern, gefündern und praßtifchern Ideen 
Fourier's, welche die Saint: Simontftifche Sekte auf jede 
Weilſe ausgebeutet und in ihrem Sinne verarbeitet hat, 
lange Zeit hindurch nur geringen Anklang fanden und 
eigentlich eine Predigt in der Wüfte waren. Diefe aufs 
fallende Erſcheinung erklaͤrt ſich aus mancherlei Umſtaͤn⸗ 
den, zunmaͤchſt aus der Individualität Fourier's, deſſen 
gleichfam aus Einem Guß hervorgegangener, von einer 
vereinzelten Natur beherbergter Geift ſich zu keinen Con: 
ceſſionen, Übergängen und Schonungen verſtehen wollte. 
Die neueſten und oft anziehendften Fragen der Metaphy⸗ 
fit, kuͤhne, aber flets eng untereinander zufammenhängende 
Anſichten über eine noch bevorfiehende Reform der Sit: 
ten und Famftienverhaͤltniſſe, Entreürfe zu einer Gemeinde: 
organifätion, tiefe und heile Ideen über den Einfluß der 
fhönen Künfte auf die Entwickelung der Menſchheit ver: 
fiehten fi bei ihm wie durch einen Zauber mit den 
Gliederreihen einer herausfodernden, unerbittlichen Syn: 
thefe, und das iſt gerade das Misgeſchick der Schriften 
Fourier's und bie Urfache jener haͤmiſchen Beurtheilungen, 
weiche fie von den franzöfifhen Journaliſten erfahren, die, 
unfähig, das Streben von dem Üeleifteten, den ewigen 
Kern von der vergänglihen Schule zu unterfcheiden, für 
große, ungewöhnliche Individualitaͤten Beinen andern Maß: 
ftab haben als den, welchen ihre eigene Bornirtheit und 
Attägtichkeit ihnen darbietet. Das große Publicum mußte 
natuͤrlich weit weniger von Fourier als von Saint: Si: 
mon erfahren, da die Schüler des Erftern verfchmähten, 
fih zu lächerlichen Komoͤdianten zu machen und fich gleich 
Marktfchreiern auf ein hohes Gerhft zu flellen, um bie 
gaffende Menge herbeizuloden. Wenn endlich Fourier 
ſelbſt bei den gebildeten Glaffen fo lange unbemerkt ge: 


Darftel! 
den Mi 
fo größı 
mehr gı 
genſatz 
Werke 
fen ba: 
gefehtt, 
keiten ıı 
- Hülle ſi 
zugewen 
anzufuͤl 
Rechen | 
tbeilun: 
nie I: 
„Theo: i 
eyclope ı 
Kirche 
Saint: | 
hielt in 
ſtem öfı 
„Bade ı 
deß nat | 
digirte | 
du pro ı 
nifteriel | 
lung ir 
Ende | 
situatio ı 
lich au 
Ftanttı : 
mÄnnet | 
ale Hei 
darftellt 
ausgeze 
wirkte 
und gel 
litique 
de la ! 


1394 


bei Franzoſen feltene Allgemeinheit des Standpunktes ver: 
räth und wegen ihrer Beziehung auf bie ſchwebende orien: 
talifche Streitfrage von ganz befonderm, augenblidlichem 
Intereſſe iſt. Das noch unvollendete Werk Conſidétant's: 
Destinée sociale“ (1836 — 38, 3 Bde.), enthält bie 
umfaffendfte Darlegung des Fourier ſchen Syſtems. "Wer 
äftefte Schuͤler Fourier's iſt Juſt Muiron, Präfecturfe: 
eretair zu Belangen, der bereits 1824 gegen die „Gebre⸗ 
chen unfers induftciellen Verfahrens’ eine Streitfchrift er: 
ließ und 1832 die ‚‚Transactions sociales, religieuses 
et scientifiques” berausgab, worin Fourier's Theoſophie 
und Kosmogonie hauptſaͤchlich entwidelt werden. Außer 
ben Ehbengenannten erwähnen wir noch von Fourier's 
fchreibenden Anhängern Lemopne, Ingenieur beim Stra: 
Ben: und Brüdenbau: „Progres et association” (1833); 
Berbreugger, Secretair des Marſchalls Claufel: ‚‚Confe- 
rences sur la theorie societaire”, Vorleſungen gehalten zu 
Lyon 1834; Madame Glariffe Vigoureur: „Paroles de 
providence” (1835); Villegardelle: „Accord des interets 
et des partie” (1836); Paget, praktifcher Arzt: „Intro- 
troduction à l’dtude de la science sociale” (1838); Bau: 
det: Dulary,, ehemaliger Deputicter: „Essai sur les har- 
monies physiologiques’ (1838). Die Verfaſſer diefer 
Schriften richten Ihe Algenmerk entweder mehr auf das 
Ganze, auf die geſchichtliche Entwidelung der Menfchheit, 
oder ausſchließlich auf das unmittelbar drängende, indu⸗ 
ſtrielle Beduͤrfniß und fielen die Affociation als einziges 
Mittel dar, dem immer weiter um fich greifenden Krebſe 
des Pauperismus zu fleuern, dem Stande der Armen 
abzuhelfen und ber Mehrzahl einen Zuſtand behaglichen 
Lebensgenuffes zu bereiten. In Allem, was bie Ecole 
societaire hat druden laffen, ift erfchrediich viel zu ler⸗ 
nen; Fourier läßt Bentham auf deſſen eigenem Gebiete 
unendlich weit hinter fich zurüd und der geringſte Schü: 
fer Fourier's erfcheint immer noch als ein Benthbam in 
höherer Potenz. Jene Werke verdienen deshalb die größte 
Beachtung und aufmerffamfte Lecture Aller, denen bie 
wichtigen Fragen ber Zeit am Herzen "liegen und denen 
e6 mit ihrer Löfung Ernft if. Man wird einige Male 
vielleicht Lächeln, andere Male ungläubig den Kopf ſchuͤt⸗ 
ten, aber das Ganze hochachten und ſehr Vieles zugeben 
müffen. 

Auch auf journatiftifhem Wege fuchte die Ecole so- 
cietaire für das Bekanntwerden ihrer Ideen und Prin⸗ 
cipien thätig zu fein. Im 3. 1832 erfhien ein jour- 
naliftifches Wochenblatt unter dem Xitel: „La reforme 
industrielle”, von Fourier, Muiron, Confiderant ıc. re: 
digirt, und Hr. Baubet: Dulary gab das Journal „La 
phalange” heraus, um bie Grundfäge Fourier's über 
Landwirthfchaft und Aderbau zu verallgemeinen; man 
verfuchte fogar das neue Spftem in die Wirklichkeit ein: 
zuführen und feine Stichhaltigkeit zu erproben, und grüns 
dete ein Phalanstere *) zu Conde fur Veyre bei Verfailies, 


*) Phalanstdre ift die einfache Molecule der Fourier'ſchen Af: 
fociation, das foeiale Element bes menſchheitlichen Orga 
nismus: eine Vereinigung von 1500— 1800 Menfchen, Mäns 
ner, Weiber, Greife, Kinder, binreichend, um Aderbau, 


im Eure: und Lolrebepartement, als einfiweiligen Mittel 
punkt der Ausführung. Keine biefer Unternehmungen hat 
ſich befondern Erfolge zu erfreum. Das landwirthſchaft 
liche Etabliffement ſcheiterte; Menfchen, wie ein Phalas- 
stere fie vorausfegt, fehlten: die Gebildetern, welche br: 
Gedanken begriffen, konnten, die Ungebildeten wollten nik 
arbeiten. Die „Beforme indastrielle” oder „Lie phalas- 
stere” ging nach Verlauf eines Jahres ein; dagegen erbiel: 
die „Phalange“ unter ber Leitung Victor Confiberant's ei: 
nen neuen Aufſchwung und erwarb fi durch die raflicer 
Bemühungen ihres eifrigen Directors eine hoͤchſt adhtbare 
Stellung, welche neuerdings noch glänzender und einfluk 
reicher geworben. Es bat fi ndmlih vor kurzem ein 
Berein für die Verbreitung und Verwirklichung der ‚‚Theo- 
rie societaire” in Form einer Actiengefellfchaft gebildet, de- 
ven Betriebscapital auf 700,000 Francs angefege ifi, wo⸗ 
von am Tage der Bekanntmachung fofort 413,000 Franc 
fubferibirt worden. Der Verein hat bereitd von einem 
reihen Gutsbefiger, in der Nähe von Houdan, 10 Mei: 
len von Paris, ein anfehnliches Terrain angelauft, wo ein 
neues Phalanstere, jedoch auf Bleinere Verhältnifie als das 
erftere reduciet, erſtehen fol. Der Anfang dazu tft ge⸗ 
macht und ber Bleine Landwirthſchaftsverein verfpridyt un- 
ter der Pflege und durch neue Anſtrengungen ber Kreunde 
und Bewunderer von Fourier's Theorie zu gedeihen. 

Die „Phalange‘ iſt nunmehr das officiele Organ‘; 
der conflituirten Ecole societaire. Diefelbe erfchien fonit 
nur alle 14 Tage, wird aber feit dem 1. Sept. drei 
mal wöcentlih (Sonntag, Mittwoch und Freitag) aus 
gegeben, im Großquartformat unferer deutfchen Zeitungen; 
jede Nummer ift einen oder anderthalb Bogen ſtark und 
behandelt außer den großen focialen und inbuftrielfen Pre: 
blemen, womit die „Phalange” ſich früher beinahe ank 
ſchließlich befaßte, auch noch die Fragen der Zagespolitif, 
Literatur und Kunfl. Das Blatt fcheint mir fogar ie 
ſprachlicher, ja felbft in orthographiſcher Bezichung merk 
würdig und ein Ausdruck wirklich focialer Intereſſen. 
Nach der deutſchen, das Verftändniß der ganzen Phrafe 
und das Dervorheben eines einzelnen Hauptworts fehr «: 
leihternden Methode werden in der „Phalange” die mei: 
ften Subflantive mit großen Anfangsbuchftaben gedrudt; 
die Redacteurs nehmen keinen Anſtand, nad dem Bor: 
ange ihres Meifters entweder neue Worte nach franzoͤ⸗ 
ſiſchen Analogien zu bilden oder fremde Ausdrüde unver: 
aͤndert beizubehalten. Wenn biefe neuen Wortfhöpfungen 
auch nicht jedesmal bem Genius der franzöfifhen Sprache 


Hausweſen und mehre Arten von Gewerben fabritmäßig 
zu betreiben. 

*) Ein anderes Fourieriſtiſches Sournal tft „Le nouveau 
monde‘, unter der Leitung des Hrn. Czynski und ber 
Mabame Batti de Gamond, die das Schiema herbeige: 
führt, welches im vorigen Sabre in der neuen Kirche aus: 
gebrochen. Mad. Gatti's Werk gilt für eine verflümmelte 
Darlegung bes Syſtems von Fourier. Czynski, ein pol: 
niſcher Jude, iſt ein hoͤchſt confufer Kopf und ein fehr 
zweideutiger Anhänger, der vermuthlid nur fo lange den 
a fpielen wird, als Procente dabei zu verdies 
nen find, 





wollkommen angemeffen fein und fi nit immer mit 
Srazie flgen follten, fo verdient biefe linguiftifche Neue: 
sung *) dankbare Anerlennung der fremden und die Nach: 
ebmung einheimifher Schriftfteller. Es ift nicht zu vers 
kennen, daß ber franzöfifchen Sprache durch ben Weltver: 
Behr eine weſentliche Umbildung bevorfteht, die fich bereits 
merklich macht. Von einer pofitiven, gefchloffenen, armen 
und gleich den todten Sprachen behandelten wird fie eine 
Bebenbdige, fich fortbildende und bereichert fich entweder 
durch Wiederaufnehmen veralteter Wortformen aus ihren 
eigenen Provinzialdiafekten, ober nimmt die Worte mit 
Den Begriffen und Gegenftänden zugleih vom Auslanbe 
an. Denn die deutfche Sprache mit dem Wolke ſich feit 
Wenſchengedenken fichtlich gehoben, gereinigt und gebeffert 
Wat, weshalb uns ſchon Herder's Profa jetzt wegen ber 
vielen eingemifchten franzoͤſiſchen Ausdrüde misfälte, fo 
aus dem neueſten Gange der franzöfifchen Sprache er: 
Achtlich, daß das Volk feine ausfchließende, Alles franzd: 
ſiſch machen mwollende Befchränktheit gegen eine allgemei: 
sere, ben übrigen Völkern mehr fich annähernde, menſch⸗ 
Beitlichere Bildung vertaufhen will, baß feine Sprache 
zwar an ber frühern kuͤnſtlichen Reinheit und Glaͤtte ver» 
Bert, dafür aber die Kähigkeit und den Muth gewinnt, 
far neue Ideen neue einheimifche Worte zu fhaffen und 
weue Gegenftände ohne Umfchreibung auszubrüden. 
Durch die Verbreitung der Fourieriſtiſchen National: 
slonomie muß bie „‚Phalange’ auf die Dauer allmälig die 
franzoͤſiſche Journaliſtik Heilfam influiren. Wenn die Po⸗ 
Kri® auch ben Partelorganen der Preffe verbietet, das Sy: 
ſtem Fourier's anzunehmen, fo merden fie doch mit ber 
Zeit fo gefcheit fein, fich bedeutende Theile des Fourier'⸗ 
ſchen Denkens und Raiſonnements zu nuge zu machen 
und hinter die Ohren zw fchreiben, wie es denn auch 
gluͤcklicherweiſe ſchon gefchieht. Welcher Lefer des „Con- 
stitutionnel”’ bat ſich vor 20 Jahren von dem neuern 
Sinanzadel und dem induſtriellen Feudalweſen der Gegen: 
wort etwas träumen laffen? Fourier hat biefe gefellfchaft: 
liche Phaſe gleich bei feinem erften Auftreten im $. 1808 
prophezeit, und fhon vor 20 Jahren drang bdiefer ſcharf⸗ 
Bildende Mann auf Organifirung der Arbeit, auf Res 
gulirung des Arbeitslohns u. f. w., wovon bie franzöfi: 
ſchen Journale erſt jetzt, feit ben neulichen drohenden 
Aufammenrottungen aller arbeitenden Gtaffen in Paris 
einige unzufammenhängende Worte zu flottern anfangen. 
Nicht blos die Journale, auch die Regierungen werben 
mit der Zeit in ihrem Finanz: und Verwaltungsweſen 
monde von Fourier's nationaldkonomilhen Ideen anwen⸗ 
den müffen, wie denn auch der imaginaire Unterfchieb 
zwiſchen Grund: und anderm Eigentyum (Geld, Talent 
and Kenntnißcapital), der jegt noch großes politifches Ge: 
wicht bat, der richtigern Fourier'ſchen Anſchauung Plag 
machen wird, um darnach das Verhaͤltniß des Menfchen 
(de Arbeiters und des Gonfumenten) zu bem zur Pro- 


*) Sehr glücklich gebildet und dem Genius ber franzöftfchen 
Sprache ‚nicht zuwider fcheint mir z. 8. raciner anftatt 
bes weitläufigern prendre racine, wie wir aus bem Sub: 
Bantio Wurzel das Verbum wurzeln abgeleitet. 








1886 


„Am — ben 19. Aug. 1859 wurde das Abends 
mahl zum legten Male in Brainerd, im Heimatlande ber Ches 
zolses, von den Miffionnairen ausgetheilt. Die Arbeit, die Ins 
dianer vor ihrem Abmarfche in Sompagnien einzutheilen, war bes 
endigt. Die außerordentliche Dürre, weiche damals in jenem 
Bezirke herrſchte, Hielt fie länger, als man erwartet hatte, in 
Ipeen Lagerplägen zurüd. Dennoch fagten fie Anfang Octobers 
n wiberwilliges und betrübtes Lebewohl dem Lande, welches 
fie lang und Träftig, wenngleich vergebens, im Befige zu behal⸗ 
ten geftrebt hatten. Sie wurden in 14 Sompagnien eingetheilt, 
die mit ben Kamilien und Einzelnen, welche von frühen Aus⸗ 
wanderungen zurüdtgeblieben waren, ungefähre 16,000 Köpfe 
gählten. Ihe Warſch ging durch die Staaten Tenneſſee, Kens 
mdy, Illinois, Miffuri und Arkanſas, eine Wegſtrecke von 
- 6700 englifhen Meilen. Bis auf eine machten alle Com⸗ 
pegnien den Marich zu Lande, zwifihen 16 und 18 Meilen 
täglich, womit fie viertehalb bis fechstehasb Monate zubrachten. 
Wenn man erwägt, daß diefe Sompagnien aus beiden Ge⸗ 
ſchlechten, Alt und Yung, Gefunden und Schwachen jedes Stans 
des und Beſchaffenheit zufammengefeht waren, daß man fie vier 
Monate lang vor dem Abmarſche auf den engen Raum ber 
ihnen angewiefenen Lagerpläge, bei ungewohnter Koft befchräntt, 
unthätig und gegen die Witterung unbeſchuͤht gehalten hatte, 
sınd baß man fie auf dem ganzen Marſche blos unter Zelten, 
großentheils unbeBleibet ließ, fobaß fie in einem ben ſtrengſten 
Theil bes Winters in fich fchlleßenden Zeitraume oft paßliche 
und ausreichende Rahrung entbehrten, kann man fidh nicht wuns 
dern, bg fie große Leiden und Sterblichkeit zu erbulden hatten. 
In einer aus 8 — MO Menſchen beftehenden Sompagnie ereig⸗ 
neten ih 30 Todesfälle und 15 Geburten, ebe fie den Mifffs 
fippi erreichten, jenfeits weiches Stromes fie noch bie halbe 
Meife zurüchzulegen hatten. Won dem Augenblide an, wo bie 
Gherolees, am 23. Mai 1838, durch die Truppen der Ver⸗ 
einigten Staaten in Lager verfammelt wurden, bis zur Ans 
Zunft der legten Sompagnie im Gebiete von Arkanſas, ges 
zade sehn Donate darnach, beteng die Anzahl der Geſtorbenen 
nad) ber forgfältigften Schägung Derjenigen, welche am genaue: 
fen darüber IM urtheilen vermochten, 30004500, täglich 18 
— 15 Zobesfälle unter 16,000, alfo mehr als ein Viertel 
in Beit von gehn Monaten! Auch hat «8 gar nicht ben 
Anſchein, ats ob biefe entfegliche Sterblichkeit der Nachlaͤſſig⸗ 
Beit, ſchiechten Behandlung, ober unnöthigem MWitterungseins 
uffe abfeiten Derienigen zugefchrieben werden mäffe, denen bie 
nefüheung ber Verſetung aufgetragen war. Alle Anorbnun: 
gen wurden vieleicht auf eine fo menſchliche, forgfältige und 
zweckdienliche Weiſe getroffen und ausgeführt, ale bie Ast ber 
Maßregel nur zuließ, und bie Xuswanderer erfuhren nicht mes 
nige Handlungen cheiftlicher Gaſtlichkeit und Liebe von einem 
helle der Bewohner der von ihnen durchmeſſenen Staaten. 
Jede Sompagnie warb von einem Arzte begleitet, mehre ent: 
Yelten eine Anzahl frommer Ghriften und fie wurden von 
Zühren gelettet,. bie Bott fürchteten und ben Sonntag feierten. 
Altes Leiden umb alle Sterblichkeit war vermuthlich bie noths 
wendige Yolge der Maßregel felbft und hätte bei dieſer 
durch Beine Vorſicht verhätet werben gekonnt.” 

Seit biefer gegwungenen Auswanderung haben fich, wie die 
Miſſtonnaire berichten, die Zwifte und Streite, welche über bies 
jelbe ſchon vor ber Maßregel unter den Gherokees geherrſcht 
hatten, auch in ihre neuen Wohnplaͤte verpflanzt und ſind in 
wechſelſeitige Gewaltthaten und Blutvergießen ausgeartet, die 
ber Bruns biefes ungläditchen zeeriffenen Wolle bitter befla: 
gen muß. . 





Literariſche Notizen. 
Als eben erſchienen werben angekündigt: „Memoirs of the 
Colman family’, von R. B. Peake (einfchließlich ihrer Corre⸗ 


ners for foreign missionu’, September 1889 (Bofton 1839), 
©. 185 fg. 


denz mit ben au en Perfonen i Zeit); „Th 
ae: or the = ern school for —— von Dtifir 
Gore, Verfafferin von ‚„„Mothers and daughters”, „Stockeskil 
place” ıc. (8 Bde.); „The life, joarnals and correspondas« 
of Samuel Pepgi, F. R. 8. Secretary to the admiralty in 
the reigns of Charles Il. and James H. Indeding a mem- 
tive of his voyage to Tangier’ (2 Bde., wit Kupferſtichen 
das Ganze jegt zum erften Mal aus den Originalen veröffentlidt) 
Von Burnet’s „History of the reformation‘ (mit diſtoriſcha 
und Biographien Anmerkungen) tft foeben ber dritte Bons 
erfchlenen ; bas Gange iſt auf 1314 Bänte berechnet. - 


Unter ben neueflen franzöfifhen Publicationen auf dem 
Gebiete des Romans und der Dichtung find zu nennen: „Lea 
solitudes”’, Dichtungen von Paul Zuiflerat; „Leigle et ia c- 
lombe”, Roman von X. Remy, mit einer lterariichen Abhauk- 
lung von Bicomte von Arlincourt; ‚Les deux familles”, Sie 
man von Baron de Lamotbe; „‚Recits et ballades”‘, von be 
Lorgeril. Auch ein neuer zweibändiger Roman von G. Sand unter 
dem Titel: „Le compagnon du tour de France”, mwurbe ai 
nächftens erfcheinenb angefünbigt, mit der Bemerkung, baß bie 
fer Roman nicht, wie es gegenwärtig häufig gefchieht, im 
Journalen oder Sammlungen bereitö verdffentiiht worben fei 


Der britte und vierte Theil der ‚Souvenirs du duc de 
Vicence”, von Mde. Charlotte de Sor, find ſoeben erſchienen 
und bilden bie Ergänzung unb den Schluß bes Werkes. ie 
enthalten den Bericht über die große Reife des Katſers längs 
der Seeküfte, befonders in Belgien und Dolland, wo er fi 
zwei Monate lang aufbielt. 5. 





Literarifhe Anzeige. 


In meinem Verlage ift ſoeben erſchienen und in ala 
Buchhandlungen vorräthig: 


Taſchlenbuch 
dramatiſcher Driginalien. 


Herausgegeben 


von 
Dr. Sranck. 
Günfter Jahrgang, 

Mit einem Bildniss und acht colorirten Costümbitsen. 

| 8. Elegant cartommirt. 3 Thlr. 16 Gr. 
Inhalt: Irrgänge des Lebens. Zrauerfpiel in fünf Auf 
ügen von Pannafſch. — Chriftine von } ben, Sram 
in drei Aufzügen nad) van der Velde von W. Bogel. 
Richard Savage oder der Sohn. einer Mutter. Ziauerfpiel ia 
fünf Aufzügen von Karl Bupisw. — Worceſter oder Bei 
und Rarrheit. Luſtſpiel in zwei Acten von Dr. Srand. — 
ale —— —— raten der Deutſchen im 

. undert, nad ihren hiſto 

trachtet von E. Aeinholdo. Bi rom vrauditungen ve 


Der. erfte bis vierte Jahrgang enthalten Beiträge von Al⸗ 
bint, Bauernfelb, Caftelli, Franck, 5. Halm, Im: 
mermann, Lagufius, Liebenau, Maltig, Yannafdy, 
WVeihfelbaumer und Zahl has, mit den Bilbniffen von 
aan us Albini, Ca⸗ 

elli, einem Facſimile und ſteniſchen Kupfern. Der 
Jahrgang koſtet 2 Thlr. 8 Gr., der zweite 3 Thir., der —8 
2 Thlr. 12 Gr., ber vierte 3 Thlr. 
Meipzig, im December 1840, 


S. a. Brockhaus. 





® 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Leipzig. 


Blatt 


für 


Literarifde Un 





Sonnabend, — Kr. 341 





Die Fortfchritte der Schule Fourier's in Frankreich. | fi ı 
(Beſchluß aus Nr. 346.) oder 
Aud die Kourierfche Politie dürfte nicht ermangeln, | und | 
ſich Gehör zu verfchaffen, feitdem fie an der „Phalange” | Rebe 
. ein Häufig fprechendes® Organ erhalten. Aus ben bisher | nalen 
‚erfchienenn Nummern erhellt bereite zur Genüge, daß | rende 
Vie Anhänger Fourier's die polttifhen Probleme aus ei: | Beift: 
nem ungleich hoͤhern, allgemeinern Standpunkte auffafs | fhlofl 
fen als die einfeitigen franzöfifchen Parteiblätter, welche | wie d 
in ihrer teuflifhen Malice und grenzenlofen Bornirtheit | manc 
alle Tragen verdrehen und alle Intereffen gegeneinander | difche 
begen. Die „Phalange‘’ verwirft jeden gewaltfamen Fort: | Tief: 
ſchritt und fodert fociale Reformen ohne Revolution; fie | befaß 
will nicht blos negativ, atomiftifh, untergrabend und zer: | gezeis 
flörend zu Werke gehen, fondern zugleich pofitiv, fchöpfe: | blieb 
riſch, geſtaltend und belebend fein, und Ihre reine, edle | tiger 
und frieblihe Tendenz hat bei dem durch und durch cor: | Man. 
tumpirten, von Grund aus unmoralifhen und nichts: | fludi: 
nutzigen jonrnafiftifchen Treiben in Paris etwas Herzflär: | ben | 
tendes. Aus Demjenigen, was mir bi6 jegt von Fourier's fi |: 
Schriften und von den Werken und Bellrebungen ber | aud | 
Ecole societaire befannt geworden, ergibt fi hinrei⸗Achtu 
chend, dag Fourier und feine Schule unbedenklich zu ben | rütte | 
bedeutendſten Erfcheinungen der neueften Zeit zu rechnen | ſowie 
find und auf die intelfeetuelle Entwickelung Frankrelchs, word 
wie auf die Cultur uͤberhaupt einen großen und mwohlthä: | neue: 
tigen Einfluß üben werden. Fourier's Ideen enthalten | Diver 
ungemein viel Wahres, das In dem allgemeinen Bewnft: | Zale 
fein Fruͤchte tragen wird. Fourier hatte, wie alle Scher, | Ziele 
:den SInftinet der Zukunft; er fah jedoch weiter, tiefer und | beite | 
ſchaͤrfer als andere ſociale Meformatoren unferer Tage, | 18. | 
z. B. Saint: Simon, deſſen Herrfchaft der Induſtrie mit | meld 
Buizot's Herrſchaft der Mittelcluſſe im Wefentlichen auf | nom | 
Eins herauskommt. Was Ariftoteles in feiner Politik als | ben. 
einm wünfchenswertben Zuſtand fchildert, das iſt Für | Ling 
Srankreih nunmehr eingetreten; aber «8 reicht nicht bin, | und | 
dag der Mittelſtand das Steuerruder führt, er muß auch | genn | 
wiſſen, wohin das Staatsſchiff zu richten iſt. Der alte | von | 
und neue Liberalismus, die ganze und hulbe Revolution | Bon: | 
weiß es nicht, Die franzöfiiche Revolution bat mit der | für 
Vergangenheit zu brechen, aber mit dee Zukunft nicht | die «| 
anzunapfen gewußt. Dan hat feit 1314 umgeheuere | vem | 
materielle und geiftige Fortfchritte gemacht; aber man hat | krafı ı 





1398 


gen eines Krieges ber Armen gegen bie Reichen ausfegen 
will. Die Löfung, welche die Saint: Simoniften vorge: 
fchlagen und welche Dwen in Amerifa und Schottland 
verfucht, iſt gerichtet. In ber chriftlihen Welt kann kein 
allgemeiner Zweck durch Vernichtung der Individualitäten 
erreicht werden. Auf dee andern Seite erweiſen chriftliche 
Lehren und Moralien, abflracte Gefege und Gebote ſich 
heutzutage nur zu ohnmädhtig gegen die Koderungen und 
die Gewalt der Leidenfchaften, Neigungen der patheti: 
fen, oder, role Kourier fagt, der paffionnelten Na: 
tur bes Menfchen überhaupt. Fourier hat die harmoniſche 
Ordnung in der materiellen und organifhen Welt wahr: 
genommen, welche in ihm ben Glauben und bie Überzeu: 
gung ausgebildet, daß es auch eine fociale Ordnung, eine 
firtliche Welt geben müffe, in welcher die mannichfaltigen 
Seelen: und Berftandesträfte auf harmonifhe Weife zur 
Wirkſamkeit kommen könnten. Diefem, bisher nicht nad 
Gebühr beachteten Momente hat Fourier feine ganze Auf 
merkfamfeit gewidmet, und wenn man einerfeit bedauern 
mag, daß er hierbei ſtets in fhroffer Einfeitigkeit befan: 
gen geblieben, fo dürfte doch andererfeitd nicht zu vergel: 
fen fein, daß bie Eckenntniß der Wahrheit gerade dadurch 
am meiften gefördert wird, daß einzelne Momente, bis 
zum Übermaße geltend gemacht, das Ausgeſchloſſene bie 
zur ſtaͤrkſten Reaction antreiben und hierdurch die volle 
Mürbigung des Einen wie bes Andern möglid machen 
und herbeiführen. Nicht zu überfehen iſt endlih, daß 
Fourier's Lehre aus zwei ganz verfchiedenartigen Elemen: 
ten befteht, von denen jedes ſelbſt auch aus dem Gegen» 
fage zu begreifen, welchem baffelbe entgegengetreten iſt. 
Die Lehre von ber paffionnellen *) Anziehung, 
welche auf möglichft reiche, präfente Befriedigung aller Ein: 
zelnen als ſolcher ausgeht, ift felbft nur eine jener man: 
nichfaltigen Oppofitionen, welche fich in neuerer Zeit gegen 
bie abfolute Askefe und Kaſteiung der mittelalterlichen Kirche 
erhoben. Der einfeitigen Foderung unbedingter Selbſtoer⸗ 
nichtung iſt die nicht minder einfeitige Foderung unbe: 
fehränfter, unmittelbarer Setbflbefriedigung entgegengetre: 
ten und bat vielfach zu egoiftifher Vereinzelung und Zer: 
fplitterung, eben dadurch aber gerade auch zu vielfachen 
Elend und verzwgifelter Seldftvernichtung hingefuͤhrt. 
Gerade bdiefee Vereinzelung ift Fourier mit ber 
Soderung dee Vereinigung und Gemeinfamung, 
der Affociation, gegenübergetreten, und das Bemühen, bie: 
ſes Princip in die ganze Ökonomie des menſchlichen Da: 
feine einzuführen, bildet das andere Element feiner Beſtre⸗ 
dungen. Fourier bat zwar biefes Princip ungleich tiefer 


*) Passionnel würde durch leidenſchaftlich ober lei: 
denfchaftig nicht wiedergegeben. Passion ift bei Fourier 
Leidenschaft und Trieb zualeic. Die franzoͤſiſche Sprache 
bat kein Wort für Trieb, nisus, und fo unterfcheidet fie 
wei weſentlich verfhiebene Dinge nicht. Was Kourler vom 
* der Passion ſagt, daß dieſelbe Passion nach Um⸗ 

Anden Gutes und WBöfes hervorbringe, gilt von Leiden⸗ 
ſchaft und Trieb; wenn er aber eine lange Reihe von 12 
Passions aufftellt, fo bat man natürlich Triebe zu lefen, 
weil es im Begriffe ber Leidenfchaft liegt, daß nur Gine 
den Menſchen haben Kann, 


erfaßt und auf minder abſtracte Weife entwidelt, als dies 
von der Saint: Simoniftifhen Sekte gefchehen, ift aber 
auch nach diefer Seite hin nicht von Übertreibung frei ge: 
blieben. Wie er bei Erörterung des paffionnellen Mo: 
ments Triebe mit Leidenfchaften gleichbedeutend genommen 
und die übergeordnete rationelle, moralifhe und religiök 
Sphäre größtentheils nicht nad) Gebühr beachtet, fo bat 
er bei Entwidelung des Affociationsprincips bie Mechte der 
Individualitaͤt unzulaͤnglich berüdfichtigt. Fourier zeichnet 
fih jedoch unter allen neuern focialen Reformatoren da: 
duch aus, daß er die Grundlage unferer Sittlicheit, das 
Samilienband, erhalten will, welches bei den Saint Si: 
moniften wie bei Omen verloren geht. Die Regierung 
eines Phalanstere ift weder auf den Saint: Simoniflifdhen 
Despotismus, wo der Director ein Papft wäre, noch auf 
die abfurde Wolksfouverainetät bafirt, nach welcher der 
Dumme fo E&ug ift wie der Gefcheite. Die Societaire 
haben alle Stimmrecht, aber jeder in bem Zweige ober 
in den Zweigen feiner Arbeit; arbeitet Jemand in zehn 
Sichern, fo flimmt er zehnmal, wenn in zwanzigen, zwan⸗ 
zigmal. Dadurch entfleht eine auf freie Wahl gearün- 
bete Hierarchie, die einzige, welche die Zukunft anerkennen 
zu wollen fcheint. Dem Fourier verdanken wir ferner den 
hochwichtigen Unterfchied zwifhen Guͤtergemeinſchaft 
und Güterverein, gemeinfhaftlihe und ver: 
einte Wirthſchaft, und fo viele andere Begriffe, de 
ven Verwechſelung zu den abfurdeflen Confequenzen geführt. 
Für die Erziehung der Kinder will Fourier in eine 
Weiſe forgen, gegen welche nicht viel einzumenden il 
Fourier's Plan ift theil: und ſtuͤckweiſe feit vielen Jahrten 
in Herendutercolonien, Moͤnchskloͤſtern, Cafernen, Atbeits⸗ 
und Armenhäufern ausgeführt worden und man befinde 
fi) wohl dabei. Es fragt fih, ob es möglich iſt, feeie 
Menfhen und die es bleiben follen, fo zu Disciplinicen, 
daß fie ein Phalanstere bilden. Wenn die Anhänger 
Fourier's die Entdeckung Ihres Meifters für ebenfo wid: 
tig halten als die Entdedung des Pulvers und der Bouf: 
fote, fo wird die Zukunft zwifchen ihnen und unferer bu: 
tigen Lebensart entfcheiden. In der jeßigen Generation 
werden nur Wenige Luſt haben, und wäre der Vortheil 
auch noch fo groß und offenbar, ihr gemohntes Leben auf: 
zugeben und in ein folches Klofter zu geben; in Mord: 
amerila, wo bie Demokratie nicht wie bei uns eine auf: 
geblafene Theorie if, fondern im Blut und in den Sitten 
wurzelt, möchte der Verſuch eines Phalanstöre eher ge- 
lingen. Wer weiß aber, was bei uns audy no einmal 
geſchieht? Zweifeln wir auch einflweilen noch an dem 
Gedeihen eines folchen Unternehmens, fo heißen wir darum 
doch die Bemühungen ber Zourieriften *) um Vereinigung 


*) Vielfachen Anklang finden bie Ideen Fourier's in ben Pro: 
vinzen Frankreichs, wo verſchiedene Departementalblätter 
fie theilweife angenommen haben: dahin gehören ber „Pré- 
curseur de l’ouest”’, der „„Courrier de Saumur‘’, der ,„Gla- 
neur d’Eure et Loir‘’, befonders der „‚Impartial de Besan- 
con’ und bie „Aube““. Die zulegt genannten zwei Journale, 
die „„Colonne de Boulogne’’, die „‚Vigie de l’ouest‘’ und dag 
„Journal de Bergerac’’ haben ihre völlige Zuftimmung zu 
dem neuen Manifeſt des „„Phalange‘ ausgebrüdt. 


1399 


und Kuüpfung gemeinſamer Intereſſen fchon jest will: 
kommen, da wie mit Goethe für heilig halten: 


Was viele Seelen zufammen 
Bindet; band’ es auch nur leicht, wie die Binſe ben Kranz. 
56. 





Aus Italien. 

Daß dich die Peſt! iſt jenfeit der Alpen ein Zuruf, bei 
dem * 3 mehr hinhoͤrt, als etwa bei hol dich der Kukuk! 
Das Wort Peſt ſcheint im Deutſchen völlig feinen Accent ver: 
loren zu haben, wenigftens im Vergleich mit dem dumpfen 
Klange von Cholera. Selbſt Grippe tönt Vielen bedeutfamer. 
Nur in den Kirchengebeten bat fie noch ihren ererbten Ehren⸗ 
plag, während die Lehrer über Staatsheillunde fie beinah igno⸗ 
tiren. Uns ift fie freitich ein bloßer Schatten am Name; 
aber auch der binnenländifhen Wiffenfchaft dürfte fie bald wie: 
der etwas Bedeutendes werden. Nicht etwa duch ihr Ein: 
ſchleichen in bas gegen fie abgefperrte Gebiet, oder gar durch 
einen mörberifdhen Triumphzug, wie die Brechruhr ihn hielt; 
das iſt ſchwerlich bei der Aufmerkſamkeit auf jeden ihrer 
Schritte zu fürchten. Aber da ſie bis jetzt ihre alten Reſiden⸗ 
gen noch inne bat und bie Luft, dieſe kennen zu lernen, fo ſehr 
an ber Mode ift, fo darf bie Beulenpeft wol ſich verſprechen, 
daß man fie feientififch bald etwas weniger vernachlaͤſſige. Sie 
darf hoffen und wuͤnſchen, über fich felbft dadurch mehr ins 
Klare zu kommen und endlich zu erfahren, ob bie abfchließen: 
den Formalitäten, welche die neuere Zeit anzuorbnen für gut 
befunden, fo unerlaßlih feien, wie man behauptet, oder fo 
überflüffig, wie Clot Bey verfihert, ber ſich auf bie alte Belt 
beruft, die auch ſolche Abfperrungen ſich nicht einfallen ließ. 
Bei den Alten gebot religiöfe Anſicht die Schickung der belei⸗ 
digten Gottheit und das deiov darin zu fürchten; aber heut—⸗ 
zutage kennt die Wiſſenſchaft keine Sefpenfter mehr, und ba: 
durch, daß man ihnen * a a male 

afhende Antwort erhalten. Nur die Peft fürdhte n 
been) Leider hat die Wiffenfchaft 


Zahre verbot bie Direction des Peſtlazareths zu Ancona den 
Eingeſperrten das Baden im ringe das Gebaude umgebenden 
Meere, obgleih Meerwafler für ein unvergleihbares Reini: 
gungsmittel gilt. Bei dem 3wieſpalt der jet herrſchenden 
Anſichten muͤſſen viele Beſchraͤnkungen ven in der Quarantaine 


Gefangenen als Billkürlichkeiten erſcheinen und Prüfungen der bie⸗ 
herigen Vorfchriften feheinen unerlaßlich. Sehr verdienſtlich if es 
daher, daß ein durch Erfahrungen zum Stimmabgeben berufener 
Arzt, Dr. A. A. Frari, Praͤſident der See⸗Quarantaineanſtaiten zu 
Venedig, in einem eigenen Werke: „Della peste e della pubblica 
amministrazione sanitaria (Venebig 1840), alle Berordnungen, 
bie ex erreichen konnte, gewiffenhaft nebeneinanberftellt,, um 
wenigftens in Italien die Regierungen zu einer Gleichmaͤßigkeit 
des Verfahrens zu beflimmen, die man bi jetzt noch ſchmerz⸗ 
lich vermißte. Frari nennt Vieles, was jest noch verlangt 
wird, laͤcherlich, unpaſſend und unnüs. Er thut Vorſchlaͤge, 
die gewiß vor vielen andern Beachtung verdienen; doch meint 
er, daß die Sache wichtig genug ſei, daß nicht blos die Docs 
toren, ſondern die Regierungen deshalb gu einer Beſprechung 
zuſammenkaͤmen. 


Ein neues Trauerſpiel von G. B. Niccolini iſt fuͤr die 
Literaturfreunde Italiens ein Ereigniß. Waͤhrend bie junge 
Welt jeder feiner leuchtenden Feuerkugeln ein flaunendes ap! 
oder Evviva nachruft, bringen Andere bie Waffereimer getras 
gen, um für die abfallenden Funken bei der Dand zu fein. 
Niccolinis neueſte Tragödie: „„Rosmonda d’Inghilterra‘ (los 
renz 1839), iſt ein romantifhes Stüd, darum ſcheint für 
patriotifches Werg weniger Zündftoff darin enthalten; deſto 
weniger [dont man das äfthetifche Wafler. Das Stüd ift nad 
einer englifhen Sage gearbeitet. Rosmonba, bie Tochter Wal: 
ther Elifford’s, iſt vom König Heinrich II. unter dem anges 
nommenen. Ramen Alfred gewonnen, entführt und nah Woob⸗ 
flo gebracht worden. Die Liebe bes gluͤcklichen Paares bat 
Prüfungen zu beflehen. Die Anfeindungen bes aufgebrachten 
Vaters, die Erbitterung des gefränkten Bruders und Cleonos 
rend von Aquitanien eiferfüchtige Scheelfucht bekaͤmpfen ihre 
Wonne. So vielfachen Gegnern erliegen Rosmonda und ihr 
Bruder. Gleonora, die kuͤhnſte der Geftalten, erobert fi 
duch den Mord der mit ſich felbft zerfallenden Rosmonda eis 
nen Gemahl und einen den Rebellen abgerungenen Thron. Das 
ift der einfache Inhalt des Stücks, dem die Keitif nicht den 
Mangel an Einheit von Zeit und Ort, fondern die vielen Vers 
kleidungen, bie verbraudyten Ihürme und Saftelle, das Waffen: 
geklapper und ben Aufwand von Mondfchein zum Vorwurf 
macht. Doc hat das Stüd bei der Darftellung in Rom und 
Blorenz gefallen. 

ud, wie traurig fieht in Lettern, 
Schwarz auf Weiß ein Lied mi an, 
Das aus fhönem Mund vergättern, 
Menſchen rafend machen Tann. 


Noch fehlt zur Kenntniß der Biteratur von Sarbinien ein 
Bud, wie man es endlich über Sicilien in Parthey's „Wand⸗ 
rungen“ befigt. Daher iſt jeder Beitrag für Sammler von Bes 
deutung. - Gin Advocat, Pietro Martini, bat durch feine 
„Storia ecclesiastica della Sardegna“ (Gagliari 1839), vor 
ber nur der erfle hell noch erfchienen if, und durch die 
„Biogratia sarda del dottor in leggi P, Martini’ ( Bde., 
Cagliari 1837 88) in feiner Weiſe vorgearbeitet und Freunde 
ber italieniſchen Literatur werben dankbar bie Hülfe binnehmen, 
bie es ihnen bieter, ſchon darum dankbar, weil es ihnen zur 
Übung der Kritik fo viele Gelegenheit bietet. 2. 


ER —— — — — — — —— 


Literariſche Notiz. 


In Paris iſt erſchienen: „Entre l’Europe et l'Asie; par 
le prince de Puckler- Muckau, traduit de lallemand par 
Cohen‘! (2 Bde.). Hierüber Heißt es in ber „Revue critique’’ 
von Gherbulieg: „Ein Spaziergang in Griechenland bat der 
teichten und angenehm bequemen Feder bes Kürten Püdlers 
Muskau den Rahrungsfloff zu diefen zwei Bänden verfchafft. 
Es finden fi) darin viel niediiche Beſchreibungen, einige inters 


1300 


eflante Angaben über den Zuſtand des Landes und viel frivoles 
Geſchwaͤt, welches freilich kein großes Intereſſe darbietet, aber 
Boch den Lefer angenehm unterhält. Die clafitiche Bildung ver- 
‘eäth fich hier und de, fobald der Werfaffer auf eine ber zahl⸗ 
—8 Ruinen ſtöͤßt, womit der Voden Griechenlands bedeckt 
ft, aber ſte tritt weder pedantiſch noch excluſiv auf. Der 
»Herf. paradirt nicht damit und man kann ihm nur Dank wiſ⸗ 
fen, daß er uns mehr mit ber Gegenwart als mit der Ber: 
Hangenheit bekannt macht, während die Erinnerungen am das 
Altertyum in Werken biefer Art fo viel Raum einzunehmen 
pflegen, daß, ungeachtet ber zahlreichen Werke über Griechen: 
land, der actuelle Zuftand diefes Landes ziemlich unbekannt ge: 
blieben iſt. Püdler: Muskau fehlägt einen andern Weg ein. 
Die Sitten des Landes und deffen neue Staatseinridhtung Haben 
vorzüglich feine Aufmerkfamkeit erregt. Die Art, wie er reifte, 
hat ihm erlaubt, beide ganz in der Nähe zu fludiren, und fo 
find ‘Seine Bemerkungen meift recht intereffant. Er entwirft 
von dem griechifchen Volke Kein ſchmeichelhaftes Wird; Alle aber, 
weiche die Dinge mit einem ruhigen vorurtheilsfreien Blicke be: 
trachtet haben, werben mit ihm übereinfiimmen. — Die jepige 
Verwaltung hat digfem unglüdlidhen Lande die Sicherheit und 
die Wohlfahrt noch nicht verfchaffen Fönnen, welche zur Entwi: 
delung feiner moralifchen Kraft nothwendig find. Liegt ed nım 
an den unzureichenden Mitteln oder an dem miteinander uns 
vereinbaren Charakter bes Königs und des Volks, ſoviel fcheint 
gewiß zu fein, daß es der Wermaltung an Rachdruck fehlt und 
daß fie bis zu biefem Augenblidde nur geringen Ginfluß auf bie 
Beodlkerung ausgeübt hat. Und wenn fie einen Ginfluß aus: 
übte, fo war diefer nicht einmal immer ein glücklicher; woraus 
denn Yüdtler- Muskau den Schluß zieht, baß die conflitution: 
nelle Regierungsform nur eine unglückliche Erfindung fei, des 
ren Refultate den Hoffnungen, weldge man von ihr gehegt, 
im geringften nicht entfprähen. Indem er. Griechenland mit 
Agypten vergleicht, rühmt er die von Mohammed gefchaffenen 
Snftitutionen und weiſt darauf Hin, um wie viel beffer der 
Despotismus diefes Mannes, ungeachtet feiner Ungebuͤhrlichkei⸗ 
ten, das Werk der unternommenen Reorganifation gefördert 
babe. Ohne die Meinung des Verfaflers geradehin zu theflen, 
muß man in der That doch zugeben, daß die conftitutionnellen 
Verwaltungen nicht gehalten haben, was fie verſprachen. Es 
ift gewiß, daß die ausübende Macht ebenfo oft im Guten wie im 
Böfen gehindert wird; es ift ein Regime von Haldfreiheit, wors 
aus nur mit Mühe etwas Großes, Spontanes, Kräftiges ber: 
vorgeben Tann; und wenn es ſich darum hanbelt, eine nieder: 
gebrädte Nation zum Bewußtſein ihrer felbft zu bringen, 
fie durch einen Eräftigen Antrieb auf die Heerftraße der Civili⸗ 
fation zu verfegen, fo find es nicht die halben Mafregeln, 
welche da wirken Eönnen. Es war das Unglüd Griechenlands, 
daß es fich nicht aus ſich felbft wiedergebären konnte“ u. P w. 


Bibliographie. 


Arndt, E. M., Berichte. Neue verbefferte, verminderte 
und 200 vermehrte Audgabe. Br. 12. Leipzig, Weidmann. 


r. 

von Arnim ſammtliche Werke. Herausgegeben von Wil: 
beim Srimm. Tter, Ster Band. — Auch u. db. T.: Ars 
muth, Reichthum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores. Gine 
wahre Geſchichte zur Iehrreidhen Unterhaltung armer Fräulein 
aufgefchrieben von Eubwig Ahim von Arnim. 2 Bände. 
Mit Melodien. Br. 8. Berlin, Veit u. Comp. Gubfer.sPr. 
2 Zhle. 12 ®r. 

Afträa, Taſchenbuch für Freimaurer auf das Jahr 1840 
und 18941. Herausgegeben von Friedrich von Sydow. 
Ster (Iter) Jahrg. Er. 12. Gondershaufen, Eupel. 1 hir. 

Beranger’s Pleder in den Versmaßen des Driginals ver: 


sent von 2, ©. Rubens. Br Band. 8. Ban, Fijcher. 
r. 


Ehriſtoterpe. Gin Taſchenbuch für chriſ er des 
Jahr 1841. ‚Drrauögegeben, in Denen * en dcs 
Albert Knapp. Rer Jahrg. Mit 6 Kupfem. Gr. 12, 
Zübdingen, Dfiander. 2 hir. 

d a Ra ——— ir — Sofe ph vor 
r . us der wo en Tatholifchen lio on⸗ 
ders abgedrudt.) 12. Aachen, Eremer. 8 Sr. ther bei 

Hagen, K., Deutfchlands literariſche wud veligiäfe Ber: 
hältniffe im Seformationszeitalter. Mit befonderer Stüdkiuht 
auf Wilibald Pirkheimer. ifter Band, Br. 8. Grlangen, 
Palm. 1861. 1 Thir. 18 Sr. 
4 Pain ©. .. Nr sa 

an der vor H. Here verfaßten inals Dichtung beuckh 
bearbeitet. Gr. 12. Kiel, Schwere. fs Gr. s 


roberung von Gonftantine. 
Roman. 2 Theile. 8. Leipzig, Hartknoch. 3 Thir. 

Die bekehrte Juͤdin. Gine Srzählung vom HSerausgeber 
der Reiſe auf dem Poſtwagen (und bes „Ruhethals“). (Aus 
der wohlfeilen Batholifchen Bibliothel befonders abgedruckt) 12. 
Aachen, Gremer. 8 ®r. 

Kohl, I. G., Reifen in Sübrußlanb. Ifter Tel. Reu- 
rußland — Ddefia — Ausflüge in bie Steppen — die Krim. 
Rebft 1 Karte der Anlande des Pontus. — 2ter Theil. Be: 
arabien. — Zur GSharakteriiit der pontifchen Steppen. — Die 
Karalten. Br. 8. Dresden u. Leipzig, Arnold. 11. 
8 u * —F 

Iler, &., Rapoleon -bei Hanau. Hiſtori Novellt. 
8. Hanau, König. 1 Thlr. 8 Er. PiRveipe 

— —, B., Des Bettlers Gabe. Taſchenbuch für 1841. 
7ter Jahrg. Gr. 12. Göslin, Sende. 1 Ihir. 8 Gr. 

Münchhauſen, Ph. DO. v., Liebesnovellen. Gr. 12, 
Kaſſel, Fiſcher. 1841. 1 Ihlr. 6 ®r. 

Driginal: Beiträge zur deutſchen Schaubühne. V. Die 
Unbelefene, Luftfpiel. Die Stieftochter, Luftfpiel. Pflicht uad 
Liebe, Schauſpiel. Zum Beßten des Prauenvereine zu Drei: 
ben. 8. Dresden u. Leipzig, Arnold, 2 Ihr. 8 ®r. 

Schneegloͤchchen. Gin Taſchenbuch für das Jahr 1841. 
Ster Jahrg. Mit Beiträgen von Robert Bürktner zw» 
Brancois Robert. Nebft 8 Genrebildern. 16. WWBrediau, 
Richter. 2 Thir. 

Seraphine. Cine hiſtoriſche Erzaͤhlung. Ifter Spell Der 


*5 et il. nn Eme Ster Theil. Die Siegei⸗ 
palme. us ber ibliothe ] 
abgedrudt.) 12 Are , rem en e befondens 


Zafchenbuch ber Liebe und Freundſchaft gewibmet. 1841. 
Herausgegeben von Ludwig Storch. 16. Mit 6 Stahl: 
feichen. antfurt a. M., Wilmans. 1 hir. 12 Er. 

Mediciaifche Unterhaltungs⸗Dibliothek oder Gollecti⸗Blat⸗ 
tee von heiterem und ernftem Golorite für alte und junge Aerzte. 
Snbalt. 5 a wakterifiiten * vu aller Zeiten. 2. No⸗ 
velen um zzen von ärztlichen Imtereffe. 3. mente zur 
ärztlichen Eebens: Politik. 4. Mediciniſche Länder eltern: And 
Gräbtefunde. 5. Porfieen In ärztliden Beziehungen. 6. Mies 
eellen. 7. Aphorismen und Gentenzen. 8. Guriofa und Anel: 
doten. Stes Bändchen. Mit den Bildniſſen von Gwieten’s 
und Reis. 8. ipzig, Ingelmamı. 1841. 18 Er. 

Weber, Sagen der Borzeit. In 8 Bänden. G6ter Band. 
Die Heilige Behme. — 7. Band. Der Windling von Egitheim. 
Gilaubensmuth. Nackt und blos. Ste vechtmäfige Auflage. 
Gr. 5 keipris eier an ı Ahlr. 8 Gr. 

erner, D., mas nzer, Anführer der rebelliichen 

Bauern in Thüringen. Hiftorifcher Roman aus dem Bauern: 
Eriege 1525. 8, Arnſtadt, Meinparbt. 1841. 1 Thir. 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrih Brockkhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhauß in Reipzig. 


.. 





Blatt 


für 
Literarifde Un 


Sonntag, — Sr. 348 





Bericht über eine PoetensCenturie aud dem Jahre 1839. | 53. € 


elh 
Dritter und letzter Artifel.”) f 


51. Gedichte von Auguſt Lamey. Strasburg, Schmidt und leibte 
@ruder. 1839. Gr. 12. 1 Ihlr. erfülli 


Walt getroſt im Pilgerzuge, ander! 


Lieder, nach dem deutſchen Dainz Sam 
Geht, auch aus der Alfa Kruge er rt 


Fließt es in den heil’gen Rhein. bengz! 


Wohl wahr; indeſſen rauſchen die Lieber aus ber Alfa Kruge | gen m 
nicht fo melodiſch als die aus dem Schwabenlande. Ben. La⸗ſprecht 
mey begeiftert weder die Ratur, noch die Eiche, noch das Bei: 54. € 
lige; nur auf irdiſche Verhaͤltniſſe, Situationen, Gefühle, Zu: 
ftände und Charaktere richtet fih ber Sinn; die Gegenwart 
mit ihren politifchen Verhältniffen und Ramen intereffirt ihn; . 
daher Mandhes über Rapoleon und die Seinen, über Waterloo 6: 
und St.⸗-Helena, Gchlachtfeenen und Feſtlichkeiten. In Kolge ah 
diefer Richtung zieht er auch Lamartine, Victor Hugo, Beran: Get: 
ger und felbft dem alten Hans Lafontaine den galliihen Rod | 1 en: 
aus und Eleidet fie in ein beutfches Gewand, welches hin und ung 
wieber durch ein Gauwort etwas buntidhedig fih ausnimmt. | 
Beim Blättern blieb das eilende Auge blos auf zwei Nummern | Freu 
hängen. Das eine iſt ein zomanzenartiger Klang unter dem | 55. |! 
Zitel: „Der Kriegsfährt“, und erzählt, wie ein ergrauter Kai: no; 
ferfolbat, ber auf dem GSterbelager liegt, feinen alten erblinde: 
ten Hund, feinen legten Freund, erfchießt, bevor ex felbft endet, | ausge | 
um das treue Thier vor Mangel und Schmach zu fichern. | fiheli| 
Das andere ift überfehrichen ‚‚Butenberg und Rouget⸗Delille““ dem ı: 
(Lepterer bekanntlich der Verfaffer ber marſeiller Hymne) und 
begimnt alfo: 
D Stradburg, meine Baterfladt, 
BIER in der frommen Acht, 
Dein &utenberg im Bruberhof 
Dat Satanskunſt erbadht. 
‚Bon Delille⸗Rouget's Liebe Heißt es: 
Das ſtarke Lieb, von Mund gu Mund 
Raufcht über Thal und Hoͤhen, 
Man fah die hellen Flammen ſchier 
Entlang bem WBoben geh'n. 


Übrigens, wie ſchon gefagt, viel Alltaͤgliches: Alfatifches. 
52. Gedichte von Ferdinand Röfe. Hamburg, Meißner, 
1889. 8, 8 ®r. 


Das Belle am Büchlein iſt feine Kürze. Hr. Prof. Kug⸗ 
ler, dem es dedicirt iſt, Hatte dem Berfafter in feinen jüngeren 
Jahren den Rath gegeben, feine Verſe zu verbrennen. er 
ke Bar ——— 
den!“ &o entftand dad Much. u 


*) Bergl. den erfien und zweiten Artikel in Nr. 183 — 186 und 
20 — 294 d, BI. D Red. 


| | 1402 


Diefe geheimen Schmerzen, bie feinem vollen Herzen entquellen, ſ 


find in Formen gegoffen, die überall an Schiller erinnern; aber 
wenn ber Verf. Schiller auch nie gelannt Hätte, fo würde er 
doch dichten müffen; denn feine Bruft ift voll, feine Phantafie 
erregbar, fein Herz warm und bie Natur erfhließt ihm übers 
au en Tempel. Jeder Bühlende und Ieder, ber Im Gebiete 
der Semuͤthswelt kein Fremdling iſt, wird gern feinen Hauchen 

Laufchen und dem tröftenden Worte feiner finnigen Reflerion 

das Herz Öffnen. 

56, Heinrich Ddring’s poetifche Werke. Vom Verfaſſer 
felbft gefammelt und herausgegeben. Zweiter Band. Qued⸗ 
Unburg, Baſſe. 1838. Gr. 12, 1 Thlr. 12 Gr. 

Es iſt kein gutes Zeichen für den literarifch : äfthetifchen 
Werth diefes dickleibigen Quedlinburger = Baffe- Buche, daß wir 
uns durchaus nicht zu erinnern vermögen, ob der erſte Band 
deffelben bereits buch unfere Hände gegangen und in b. BI. 
von uns angezeigt fei; denn eine bedeutende Erſcheinung ber 
Art verlieren wir nicht fo leicht aus Gebächtni und Herzen. 
Wirklich find dieſe Lieder, fo bedeutend ihre Zahl auch iſt, Leine 
Hedeutendere Erſcheinung auf unferm literarifhen Marlte. In 
ben Poeſien ſcherzhafter Gattung aus den Jahren 1818 — 33 
wirb das bekannte Thema: Wein, Geſang und Liebe (&. 20) 
unaufhoͤrlich variirt und macht nur Hin und wieder Platz ei: 
nigen Einfällen aus ber Atmofphäre des fpießbürgerlicden Le⸗ 
bens; bie NRaivetät iſt matt, die Ironie alltägli; eine Eleine 
‚Ausnahme etwa maͤcht: „Conterfey einer ehr= und tugendfamen 
Jungfrau“ (8.78); doch iſt diefe Blüte nicht in des Verf. eis 
genem poetifhen Garten gewachſen, und „Gerſtung's Gigarren- 
lichen‘ (S. 97), eine Eocalparodie bes Rings des Polykrates 
von Schiller, voll ergößlicher Einfälle und wihiger Antithefen. 
Die dramatifirten Scenen aus dem Militatr:, Studenten: und 
häuslichen Leben ermangeln auch bes frifhen Hauchs. Was 
die Poeſien ernfter Gattung anbelangt, die ben fcherzhaften Ge⸗ 
dichten folgen, fo fehlt auch ihnen der Glanz des Idealen; auch 
hier begegnen wir auf allen Blattfeiten Zuftänden, Situatio: 
nen, Äußerungen des Alltagslebens, die dem Verf. bei der Reich: 
tigkeit, mit der ex zu reimen verſteht, gewiß nicht ſchwer zu 
bilden geworben find. Wir konnten aus dem ganzen GEyklus 
nicht ein einziges notiren. Unter dem Schilde: „Denkmale ber 
Verehrung, Lieb’ und Breundfchaft‘‘ find eine bedeutende Menge 
Gelegenheitsgebichte ausgeftellt, die ſich ſchlankweg Iefen Laffen. 
Ihnen folgen „Bibliſche Gemälde”, in Gonettenform aus dem 
eben Zefu, bei denen uns auffallend war, daß auch das „Wa: 
terunfer‘' in eine GSonettenform gegoflen tft, wo es ſich nicht 
gut ausnimmt. Den Beſchluß machen metrifche Überfegungen 
aus dem Engliſchen, Sranzöfifchen, Lateinifchen und Griechiſchen; 
Alles Har, verftändlid — aber ohne Glanz und Duft. 


57. Vigilien. Nächtliche Lieder. Bon Lebrecht Dreves. 
Bonn, König. 1839. 8. 1Thlr. 4 Er. 

In Ne. 213 d. Dt. f. 1838 iſt ſchon die Rede von dem 
Berf. gewefen, indem wir feine „Lyriſchen Anklänge”' dort an: 
zeigten, auf jene Anzeige den Lefer verweiſend, der ſich über den 
Charakter und Standpunkt biefes Sängers unterrichten will, 
wollen wir hier nur auf einige Nummern deuten, die uns be: 
achtenswerth ſcheinen. „Vigilien“, fo nennt er feine Lieder, 
„weit du fie fchufeft, Heilige Mutter Nacht, bie ih am Schreib⸗ 
pult oft herangewacht.“ &o originell auch die Sachen zu fein 
(einen, fo Tann man ſich doch nicht des Gedankens entbrechen, 
daß die WVegeifterung bei ihm nicht felten burch fremde Flam⸗ 
men gefehürt werde. Einiges ift aus der Lecture von Wolke: 
Liebern und Maͤrchen entftanden. „Was willft du mehr?” 
(8. 60) nach dem fchönen ftalienifhen Volksliede: 

Tu sei quel doloe fuoco, 
L’anima mia sei tu! 
E degli affetti miel — 
Dormi, che vuaot di piü? 


E degli affetti miei 
Tien le chiave tu! 


E di ste suore hei — 
Dormi, che vuoi di pia? 


E di sto cuore hai 
Tutte le parti tu! 
E mi vedrei morlre — 
Dermi, che vuoi di pia? 


E mi vedrai morire, 
Se lo commandi tu! 
Dormi, bei idol mio — 
Dormi, che vuoi di pia? — 


das auch Goethe in dem bekannten „O gib vom meiden 
Pfühle“ nachgebilbet, Hat unzählige Nachbildungen veranlıfı; 
die unferes Verf. ift nicht übel gerathen und lautet: 
Du bift meiner Seele Leben, 
Mein Wuͤnſchen und all’ mein Begehr, 
Mein Hoffen und al mein Streben — 
Schlummre, was willit du mehr? 


Mein Hoffen und al mein Streben 
Sf ohne Gegenwehr 
In deine Band gegeben — 
Schlummre, was willft du mehr? 


Sn beine Hand gegeben, 
Wuͤnſcht dieſes Herz fo ſehr 
Vor'm Tode nicht zu beben — 
Schlummre, was willſt du mehr? 


Bor'm Tode nicht zu beben, 
Wuͤrd' ihm nur dann nicht ſchwer, 
Braͤch' es für bi, mein Leben — 
Schlummre, was willft du mehr? 


Eine Stelle aus Jean Paul’s „Titan“ hat er rhythmiſirt unt 
gereimt, und „Röschen's Klage“ erinnert an Biretchen’s „Meist 
Ruh’ iſt Hin‘ doc allzuſehr. Kür die Romanze iſt er nid 
ohne Zalent. Verglichen „Die Heimkehr“ (8.93), „Rächtü⸗ 
her Einlaß“ (8. 104) iſt anfpredyend, aber auch ſchon ven 
Dlaten unter dem Zitel ‚Der Pilgrim von St.⸗Juſt“ bear: 
beitet; „Die Marmorbraut”, ebenfalls entfianden buch ein 
Wort Heine’s im „Salon“ und durch Eichendorff’ Novelle: „Die 
Marmorbraut‘‘; ‚Drei Freunde” (S. 100), ein anſprechender 
Apolog; „Vier Kuͤſſe“ (S. 118), finnig und zart gebadht; „De 
lene“ (S. 123) wedt dagegen eine widrige Empfindung, unge 
adıtet das Gedicht etwas Unverftändlidhes Hat; „Lenz uns 
Herbſt“ endlich (&. 151) ift durch ein Rüdert’fhes Sedicht 
hervorgerufen und Hr. Dreves bringt dem Dichter darin feine 
Qulbigungen bar. Die Sprache tft überall leicht, gefällig, die 
Rhythmen fehwebend und dem jedesmaligen Stoffe entfpreikent, 
das Äußere bes ganzen Buche fpienbid. 


58. Klänge ‚und Bilder aus Ungarn. In Dichtungen von Io: 
bann R. Bogl. Wien, Zendler und Schäfer. 1839. 
&r. 12, 18 Gr. 

Hier begegnen wir dem Dichter auf unferm kritiſchen Wege 
zum vierten Male und freuen uns abermals ber Begegnung, 
um fo mehr, da uns verftattet wird, ihn von Angefiht gu Xu= 
geſicht zu ſchauen, inbem fein lithographirtes Portrait das Au: 
Berlich wohl ausgeftattete Bändchen ſchmückt. Gern laffen wir 
uns von ihm führen in die 

Kahlen Pußten, ſchwarzen Waͤlder, 
Himmel voll Melancholie, 
Rebengaͤrten, reichen Felder 


von Panonien, das uns ſeine reiche Phantaſie mit ſeinen Hai⸗ 
den, Seen, Rebenhügeln und Feldern recht magiſch und lockend 
malt. Wir wandeln mit ihm in bie Burgen, bie rinſamen 
Schenken, die Spelunken ber. Räuber: und Zigeunerborben und 
fühlen uns ergriffen bald von Schauer und Graus, bald von 
wilder Luſt, bald gebienbet und angezogen burdy bie Fata: Mor: 
gana s Bilder der ungarifchen Haiden. Um zu zeigen, wie gut 
ber Dichter den Romanzenton trifft, theilen wir hier mit: 
„Des Haideſchenken Töchterlein” (&. 30): 


. — —— 
— — — Te — — — lu a 


Bor der Haibeſchenke fihet 
Einſam dort ded Schenken Kind, 
Schwarzes Auge, glutburdbliget, 
Und das Antlig frif und Lind. 


Nieder zu ben Lenden bangen 
Schön gewundne Flechten ihr, 
Und die jugendlihen Wangen 
Gluͤhn wie friſche Roſen fdhier. 


Doch fie figt mit ſtillem Weinen 
Unterm niedern Binfenbadh, 
Und es folgt der Blick der Kleinen 
Mir auf ddem Pfade nad. 


AG, wol fprechen felten Säfte, 
Mädchen, bir im Daufe ein, 
Und die Zeit wirb dir zum Feſte, 
Sigen Räuber drin beim Wein. 

\ J Nur die Wolken zieh'n und iagen 

Über bir dahin fo frei, 
Gleich als mollten fie dir fagen, 
Wie's fo anders drüben ſei. 


Und der Sturmwind kommt geflogen, 
Nättelt an tem Häuschen bir, 
„Komm zu dir, mein Kinb, gezogen, 
Friſch nun auf und folge mir!” 

Sonne, Mond und Sterne ziehen 
Ginfam über Haus und Hain, 
Stäftern fie nit im Entfliehen: 
„Kind, wie bi du fo allein!” 

Mir au thats im Herzen webe, 
Und fo zog ich denn auch fort 
Durch die oͤden fühlen Haiben, 

Naß das Aug’ — und ohne Wort. 


Doch ald drauf der Schlaf mid Tüßte, 
Traͤumte mir, daß ih im Sand 
Einer weiten, weiten Wuͤſte 
Ein verlorned Nöslein fand. 


59. Gedichte von A. Daeves. Bremen, Geisler. 1838, 
®r. 8. 2 Thlr. 

Daß der Sänger biefer Lieder, laut Wibmung, feinen 
Blick vor all den auf deutfcher Dichterau geflochtenen Kränzen 
mit Zagen fenkt, gibt Kunde und Zeugniß, daß er feinen aͤſthe⸗ 
tifhen Werth nicht überfhäßt, daß aber Freundes Zuruf ihn 
bewegen Eonnte, aud feinen befcheidenen Kranz an bie Schwelle 
des Rachruhmtempels niederzulegen, feheint doch zu befunden, 
er meine, dieſer Kranz fet nicht arm an frifhen und duftigen 
Blüten, und er wolle es darauf ankommen laſſen, ob nicht 
eine oder die andere Hand ihn aufnehme von der Schwelle, 
um ihn in das Allerbeitigfte zu Hängen. Voll und did iſt bie: 
fer Krang: 451 Seiten. Die Blumen beffelben find, wenn 


auch mitunter einem fremden Zreibhaufe entnommen, mit Sorg⸗ 


falt und Fleiß gepflegt und aus dem warmen Boden eines 
edeln Herzens luſtig emporgefchoffen. Wir find Beinen Augen 
blick im Zweifel, daß der Kranz feine Stelle im Heiligthum 
finden würde, wenn nit gar zu viele Goncurrenten mit ihren 
großen und Bleinen Krängen jenem Zempel nabten und auf 
gleichet Gluͤck Anſpruch machten. Einige Hindeutungen auf 
das hier Gebotene beweiſe das. „Der Rhein‘ (S. 66) erin⸗ 
nert In Form und Geiſt an Schillers „Lied von der Glocke“. 
An leidigen Sloffen und Alltagsphrafenkram fehlt e6 nicht, aber 
auch nicht an treffenden Bildern und am ethiſchen Moment, da 
fich überall eine wadere, milde, ſchoͤne Gefinnung offenbart. 
Das Anfhauen von Gemaͤlden regt ihn oft zum Bilden artiger 
Lieder an, nicht minder thut das ber calebonifche Barde 
Dffien, dem er bie Lieder von Gelma und Carrik⸗Thura 
ac Dacpherfon in gereimten Jamben nachbildet. Gin langes 
ng 





" 0 1404 


ver leſtern halten wir indeffen bei Unternehmungen ber Art für 
eine —* —XE und die Auffoderung an Kunſtfreunde, 
die auf dem Schaupiatze der Hermannſchlacht leben, ihm Rach⸗ 
richten darüber mitzutheiten, ift mindeſtens — wunderlich; denn 
ein Gedicht ift keine Differtation oder ein gelehrter Greurs, 
fondern ein Wert ber Phantafie. Das Fragment lieft ſich übris 
gens ganz gut und flicht gegen bie frühern Leiftungen Anderer 
durchaus nicht ab, fodaß man dem Verf. fein: „Anch' io son 
pittore 1" (&. 65) audzurufen, billigerweife nicht wehren kann. 
Der „Hermannſchiacht“ folgen Romanzen, unter denen „Jakob 
Müller aus Baſel“ (S. 92) ihm leicht den Namen eines 
Pittore lascivo zuziehen koͤnnte. Der iyriſche Theil enthält 
Sachen, die durch ihre lebensfrohe und gemüthliche. Reflerion 
anfprechen und das Walten ber Natur uns freundlich enthüllen; 
ausgezeichnet ift nichts darunter. Unter dem Namen ,, Pot: 
pourn‘‘ werben uns eine ziemliche Anzahl von Gnomen, Denk⸗ 
fprüchen und Epigrammen geboten, unter denen wir zur Probe 
eins mittheilen:: 
Ich fand auf meinem Haupte dad erfte graue Haar, 

Mer brachte denn zum Denker die Unglüdtfaat mir dar? 

„Ich war's!“ rief dad Vergnügen; dad Leid: „S’ift meine Spur!” 

Run — theilen beide redlich, fo bleiht ihr Haare nur! 
Wir theilten noch andere gute Einfälle der Art mit, werden 
aber daran durch den dem vorigen fogleich folgenden Einfall 
gehindert: 

Auögeriffenen Zähnen vergleich idy gehaltoolle Stellen, 

Aber der blühende Mund fehlt, den die Muſe geküßt! 


Dann folgen Sonette, bie nicht eben im Phantafieglang pries 

matifch fchillern, aber wie bie übrigen lyriſchen Gedichte ducch 

die behaglichfte Bemäthlichkeit ſich ausgeiänen. Kaͤthſel und 

Gharaden machen auch bier den Beſchluß. 

61. Poetifche Berfuche von Wilhelm Schwaab. Kaflel, Luck⸗ 
hardt. 1839, Er. 1%. 5 Gr. 

Sind, was der Titel fagt. 

62. Gedichte von 3. 3. CH. Wilder. Nürnberg, Riegel und 
Wiener. 1838. 8. 1 Thlr. 

Wir haben es hier mit einem Sänger zu thun, der über 
Reeenfentenlobhubelei und Recenfentenunbill, ja über allen Er⸗ 
dentand erhaben iſt — denn ee wandelt nicht mehr unter den’ 
Lebenden, deren Kreife er im Anfange bes Jahres 1858 verlieh. 
Er war erfter Pfarrer an der heiligen Geiſtkirche zu Nürnberg. 
Einer feinee Freunde und Verehrer, der ſich aber nicht nennt, 
fept feinen Gedichten einen Bleinen biographifdhen Denkflein vor 
und fagt uns, baß einige Freunde des Verſtorbenen biejenigen 
feiner Dichtungen, welche ihnen als die gelungenften erſchienen, 
gefammelt und zum Drud zufammengeftellt hätten. Wir ha: 
ben nun biefe Blätter, welche eine Iiebende Hand an des red⸗ 
lichen Mannes beſcheidenen Denkſtein geheftet, durchlaufen 
und ſahen (S. 5): 

Wie fih ihm dad innre Leben 
Stets geftaltet in ber Brufl, 
Das zu jeglichem Begebniß 
Füget Baffung, Ruhe, Luſt, — 
Wie er pflüdet feine Blumen, 
„Bo ein. Anbrer Dornen ficht, 
Wie er liefet da Bedeutung, 
Wo man font vorüber flieht, — 
Wie er grollend, wie er ahnend 
Auf das Schlechte niederblidt, 
Und des höhern Sinnes Giegel ' 
Selbſt auf bad Eeringe druͤct! 


Was bedürfen wir. alſo weiter Zeugniß für fein Streben und 
feine Leiftungen? Gollten wir die reinen Dentmalblätter mit 
einem fplitterrichterlichen Tadel bemaleln ? Das ſei ferne! Hin⸗ 
weifen wollen wir blos noch auf zwei Blumen, die über feis 
nem Grabe duftig und farbig blühen: „Warum frifh auf dem 


Wirfen die Halme fiehn und ſprießen“ (&. 96), unb „Dass 
Sachs an Goethes Schatten” (S. 130). 
(Die Fortſetzung folgt.) 


Literarifhe Notiz. 
Michel Chevalier hat in einen Auffag über Ledlerci 
Schrift: „Le Texas et sa revolution’, folgende intereflant: 
Betrachtung eingefchoben, von der man nur nicht recht einfiche, 
wie fie in einen Auffag über Texas geratben il. Rachdem er 
eingeftanden, daß mit Napoleon alle Hoffnung auf eine fran- 
öſiſche Weltherrſchaft erlofchen ſei, fährt er fort: „Bas bie 
Sage noch erfchwert, ift dies, daB Andere fleigen, während wir 
im Sinten begriffen find. Der Stern des katholiſchen und ie- 
teinifyen Suropas ift im Grlöfchen, aber (haut nach bem 
Dften! Gehet ihr da nicht einen auffleigenden Stern, mit 
beffen Glanz und Größe von Jahre zu Jahr, von Zag zu Zag 
der Glanz und die Größe der durch Rußland perfonificirzen 
flawifchen Völkerfchaften zunehmen? Guropa hat gegenwärtig 
drei Däupter, wovon das eine, bas unferige, matt wird. Die 
Lebenskraft, weiche die Fatholifchen und lateinifchen Bölferfchaf: 
ten verlieren, gebt in bie beiden rivalifirenden Gruppen über. 
Wahrlich, man möchte faft glauben, daß für ben Lateinifchen 
Katholicismus die leute Stunde gefchlagen hat. Indeß fragen 
nech zwei katholiſche Staaten, Frankreich und Oftreih, äußer- 
ih die Spuren von Geſundheit zur Schau. Aber erfkerrs iſt 
in feinen innerflen Gingeweiden durch die Schwert: und Feuer: 
proben, benen es feit einem halben Jahrhundert unterlag, tief 
erfhüttert; der andere Staat ift glücklich und ſtark zu Kaufe, 
aber es fehlt ihm die Fähigkeit, Das, was er fühlt, rinım 
andern mitzutheilen; er hat feine Initiative, keine weit ausgrei: 
fenden Arme. Mit Italien endet für diefen Staat die berühr⸗ 
bare Welt. In feinem Temperament findet ſich Fein lateiniſcher 
Urftoff; fein Blut iſt deutſch, mit einem ſlawiſchen Zufae. 
Seine Aufgabe ift durch feine geographiſche Lage gleicdhfam an⸗ 
gezeigt; er ift der Vermittler zwifchen den verſchiedenen Völker: 
gruppen, aber an Feines Spige. Frankreich allein iſt ber Ko: 
ryphäe der Eatholifchen und lateinifhen Nationen von einer 
Hemifphäre bis zur andern, der Verwahrer ihrer Befkimmm: 
gen, die Hoffnung, ja die einzige Hoffnung ihrer Zufmft 
Ihm liegt es ob, fie wieder zu beleben. Wenn es ſich dur 
eine feiner erhabenen und dramatifchen Anftrengungen , weven 
es das Geheimniß befigt, dazu nicht vorzubereiten vermag, fe 
ift es um fie, fo ift es um Frankreich felbft gefchehen; fo mer: 
den fie alle miteinander in der anglo-ſaxoniſchen Flut ober in 
ber ſlawiſchen Brandung untergehen. Dann wird Krankreidg 
eine Macht zweiten Ranges, ein fubalterner Staat fein, olüd: 
ih genug, wenn es nicht die Provinz eines abenbländifden 
Reiches geworden. Es gibt für Frankreich Keine wahrhaft 
und gebiegene Größe, als wenn es fein Geſchick mit demjeni- 
en diefer Völker zu verfnüpfen weiß, wenn es fein ober: 
ed Directorat über fie ausbreitet, zugleich aber auch auf fie 
beſchraͤnkt. Daher hatte Ludwig's XIV. Pıan —— 
Reſultate für Frankreich als der Napoleon's; denn er beffand 
darin, die unmittelbare Vormundſchaft Auf den Kreis ber ka⸗ 
tholifchen und Lateinifchen Völkerſchaften zu begrenzen. Rapos 
leon dagegen, fortgeriffen von feiner unerfätttichen j ier nach 
Herrſchaft, ſeſte einen Vaſallen auf den Thron von Meitfalen 
und zu berfelben Zeit einen andern auf ben von Reapel. (ir 
wollte unbeichränkter Herrſcher fein in Preußen wie in Spanien, 
an den Mündungen der Elbe und der Weidhfel, wie an denen 
ded Po und bes Tajo. Wr ftrebte darnach, einzig zu fein, im 
Angeficht der Sonne, im Angeficht Wottes. Ein ausfdweifene 
der Ehrgeiz, eine falſche Auffaffung, deren ſchreckliche Folgen 
alle Hülfsquellen feines Geiſtes, alle Aufopferungen Beautreiche 
nicht verhüten konnten. Während das Gehäude Lubwig’s des 





Großen ihn, den Geis, überlebt hat, hat Napoleon, geftorben 


in der Kraft feines Sabre, Länger gelebt als fein Berk!” Merk: 
würdig, da es ein Franzoſe fagt. 5. 


Verantwortlicher Derauögeber: Heinzih Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


„us. - 


- — — — — — — 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, 


14. December 1840. 





Bericht über eine Poeten-Genturie aus dem Jahre 1839. 


Dritter und Tester Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 348.) 


63. Wiflen und Glauben. Dichtung von Anton Paffy. 
Hölten, Paſſy. 1839. Ler. 8. 9 Er. 

Eine geil: und phantaflereiche Allegorie auf wenigen Bo: 
gen in wohlklingenden Oetaven. Binandeos (das Wiſſen) 
trennt fidh flolg von Androgin (dem Glauben); beibe aber 
fühlen fih in Folge diefer Trennung Höchft elend und verlaffen, 
bis Androgin dem Ginandeos entgegenfliegt, ihn zur Wie⸗ 
deransfühnung auffodert und nun die Genien mit reuigen 
Thraͤnen einander in die Arme finten: 

Schon hoͤr' ih Androgin verſohnlich ſprechen: 
„Bieib’, o Ginandeos, nimmer von mir fern, 
Behüte mich vor dem gemeinen Zechen 

"Der Solbſtgerechtigkeit am Quell ded Deren. 

Dos nie dem Pimmel unfere Gebrechen 

Wir leihen; daß die Schale von dem Kern 

Mit Geil der Ghinbige zu ſcheiden tauge, 

Sei förder nicht daB Liht mehr — fei dad Auge!’ 

Ginandeos drauf: „Das Auge ſchwimmt in Thraͤnen, 

Dem deine Huld mid, Androgin, verglich! 

Ab, nit gewußt von bir, galt eitled Wähnen 

Mir für dad Wiffen, weil ich von dir wid. 

Der Jünger Schar auf felbfigebauten Kähnen 

Weil’ ih an jenes Schiff nun ſchwefterlich, 

Darin allein, weil Gott es dir gehauet, 

Bom Himmel angefhaut, dab Auge ſchauet.“ 


Das Bud Hat ein gefäliges Äußere und namentlich einen far: 
bigen Umſchlag, @inanbeos und Androgin in ihrer Trennung 
und Wiebervereinigung im Bilde barftellend. Das Epigramm, 
welches wir in Wilder’ ‚‚Sedichten‘‘ fanden und welches lautet: 
Kunſtreich farbige Gülle verleiht dem Buch der Verleger, 
Findet der Geiſt dann auch nichts, hat doch das Aug’ noch etwas — 
würde auf das Buch durchaus nicht anmwenbbar und paffend fein. 


64. Die deutschen Monumente von Eecil. Grimma, Werlags: 
Gomptoir. 1839. Ki. 4%. 6 Er. 

Wir leben in der Zeit der Gifenbahnen und Monumente. 
Der Berf. beſchwört auf 24 Blattſeiten die Schatten von Her⸗ 
mann, Gutenberg, Guſtav Adolf, Luther, Goethe, Schiller, 
Zean Paul, Mozart und Beethoven herauf und läßt fie aller: 
lei Dinge über Deutfchland fagen; fie radotiven zwar nicht, 
aber was Geicheiteres koͤnnten fie doc aus bem Schage ihres 
unfterblichen Geiſtes hervorbringen. Goethe, dem bekanntlich 
Korm und Reim in feinen Gedichten Nebenfadhe war, feheint 
auch in den beſſern Regionen den Grundfag beibehalten zu ha⸗ 
ben ; denn er veimt bier „Erde“ und „‚begehrte‘. 


65. Der Winter. Fortfegung des Srröfes von 8.3 Schu: 
1 r 


ler. Manheim, Löffler. 1838, 8, . 
Da wir uns über bie Perfönlichkeit und die Leiftungen 
diefes Naturſaͤngers ſchon ausgefprochen haben, fo genüge bier 


die Bemerkung, dab „Der Winter” nicht fchlechter als „Der 
Herbſt“ dergeteant iſt, daß auch hier das Versmaß dem in 
Kleiſt's „Fruͤhling“ nachgebildet wurde und daß das Büchlein 
wol noch mehr Leſer finden würde, wenn der Drud nidt einem 
ägenden Xugenpulver zu vergleichen wäre. 


66. Klänge aus der Welt des Gemuͤths. Eine Reihe pſychi⸗ 
ſcher Dichtungen von Wilhetm Saint:Panl. Berlin, 
Heymann. 1839. 8, 1 hir. 


Der Berf. gehört zu den bevorzugten Naturen, bei denen 
ein von ber Phantafie mit Flügeln verfehener Verftand fich vors 
herrſchend zeigt, und führt uns vor ein ziemlich wohlaffortittes, 
bodjaufgefpeicertee Lager von fentimentalen Betrachtungen, bie 
ſämmtlich“ zu perluftriren und hintereinander durchzufühlen ei⸗ 
nem ehrlichen Ref. und dem Lefer gewoͤhnlichen Schlags ſchwer 
uzumuthen if. In der That ift er Fein Fremdling in ber 

elt bes Gemüths und man folgt ihm gern darin als ei: 
nem kundigen Gicerone. Dem hier Gebotenen ift deshalb der 
Rame pfochifcher Dichtungen nicht fireitig zu maden. Der 
erfte Abfchnitt gibt unter der Auffchrift ,„, Sinnenfein und 
Scheinleben“ eine ziemliche Anzahl poetifcher Reflerionen über 
den Widerftreit der menſchlichen Zweinatur und das Eben der 
Vergangenheit und Zukunft. „Die fünf Zonen der Innentbeit‘‘ 
gibt die Ginleitung zu einem Gedicht im elegifchen Versmaße, 
weiches der Verf. fpäterhin in gereimten Jamben fortfegen will. 
Sin Beiblatt verfinnticht die Idee deffelden. In einer Pyras 
mide mit fünf Fächern ſteht in dem Fache des Fußes: Dunkel: 
heit und @igkälte, und es wird hHingebeutet auf die Region 
bes tauben Larvenfeins und bes Vegetirens in den Tiefen, wie 
in den Höhen der Bocietät. Zweite Zone: Dämmerung und 
Kälte, Dindeutung auf bie Region bes Sinnenbebhagens und 
des Genuffes in der Außenwelt. Dritte Zone: Helle bes bes 
deckten Tages und Kühle, Region des bürgerlichen Ruhms, ber 
bürgerlichen Ehren und ber irdifchen Gebieterſchaft. Vierte 
Bone: Licht und Wärme; Hindeutung auf die Region des bb: 
bern Strebens, des idealen Schaffens, bed Kampfs, der Innens 
leiden unb ber ewigen Zugend. Fünfte und hochſte Zone: 
Sonnige Lichtfülle; der Ganzmenſch; Region des Glücks ins 
nern Friedens, der Weiſen in Hütt’ und Palaſte. Aus foldyen 
Plänen und Schematen offenbart fi des Verf. Neigung zum 
Speeuliren und Philofophiren; Empfinden und Malen gelingt 
ihm auch in dem „‚Eyrifchen Intermezzo‘ nicht ſondertich, ob- 
wol wir daraus „Der Bloden Tod“ (&. 93) als ein echt poe⸗ 
tifches Sujet hervorheben muͤſſen; fchief und ſchielend dagegen 
ift (&. 97) der Gnom: ‚‚Heiligkeit des Thiers“. Im „Humo⸗ 
riftifhen Intermezzo” ift gleich die erſte Rummer: „Die drei 
ragen’, ein Fa Einfall voll pfochologifcher Wahrheit, dem 
ſich „Der geiftlofe Styliſt“ (& 159) und „Das Seelenſturz⸗ 
bad“ (8. 160) würdig anfchließt. Der dritte Abfchnitt ver: 
breitet fich bidaktifch über Geift und Sendung der Poeſie, gibt 
Gelbfigebachtes in epigrammatifcher Korm und fpinnt die @e: 
danken Anderer über den fraglichen Gegenſtand oft finnig aus. 


Beachtenswerth ift hier „Der Inrifche Dichter” (8. 195) und 


— 











1406 


„Dichters Antwort (&. 196). Der vierte und tete Abfchnitt 
if uͤberſchrieben: „Der Genius, oder Geiſt und Verſtand“, und 
bringt pbilofophifhe Aphorismen in Zabeln und Gpigrammen, 
die Gewandtheit in der Behandlung des Verſes und der Sprache 
überall befunden, obwol wir nicht ungeneigt wären, ihm megen 
einiger Lühnen Wortbildungen, wie „herzdurchmait“, „über: 
brüden‘ und „enthimmeln”, den Fehdehandſchuh binzumerfen. 
67. Gedichte von ©. Drärler: Manfred. Frankfurt a. M., 
Sauerländer. 18988. 8. 1 The. 18 Gr. 
Wir haben es bier mit keinem Verfifer, wie fie heutzu: 


. tage. in Unzahl auftauchen, fondern mit einem ausgezeich⸗ 


neten Zalente zu thun, welches ſich durch befonnenen Fleiß gu 
einer nicht unbebeutenden Höhe hinaufgeſchwungen hat, und 
Gedichtſammlungen wie die vorliegende geben aufs neue den 
fhönen Beweis, daß es mit der vaterländifchen Lyrik nicht fc 
er ftehe, wie einige Kritiker uns glauben machen wollen, 
und wie wir felbft wol manchmal meinten, wenn die Zlut all: 
täglicher oder ſchiechter Gedichte uns entweder alles Gefühl für 
das Schöne erkältete, oder uns nöthigte, einen hohnlachenden 
Satyr mit einer Seißel zu bewaffnen, auf daß er das Gezüdt 
firfingriger Reimfchmiede abhalte, fich ferner mit anmaßender 
Unverfhämtheit zum Tempel der Unfterblicgleit zu drängen. 
So lange «6. in Deutfchland Dichter gibt wie Drärler: Man: 
fred, dürfen wir den Untergang ber deutſchen Liederkunſt nicht 
fuͤrchten. Er entfhädigt den Kunftrichter, der feine Erzeugniffe 
von amtswegen würdigen muß, für die Langeweile einer oft 
Schlaf erregenden und für den Unmuth einer unkuͤnſtleriſchen 
Lecture; er befchäftigt und ergöst ebenfo fehr ben Geiſt bes 


blos Erholung fuchenden Kefers, wie er feine Einbildungskraft 


in ein gefälliges Spiel fegt; er überzeugt das große Publicum, 
bag es noch Deutfche gibt, die, ohne bei Heine, Uhland, Goes 
the und Schiller in die Schule gegangen zu fein, ſich felbftän- 
dig zu erhalten wiſſen. Das klingt faft wie Lobhudelet, Be⸗ 
ftehung und Übertreibung; aber Ref. verfichert, Hrn. Drärler: 
Manfred perfönlid gar nicht zu kennen und nur der Wahrheit 
und Gerechtigkeit gemäß gu urtheilen. Da ift Leine kuͤrſtliche 
3erriffenheit, kein Kokettiren mit dem Weltfchmerz, Fein müßi: 
ger oder in Reimnoth erzeugter Gedanke, Eein unktares, fchies 
iendes Bild, kein Bocksſprung ber Phantafie, Fein romantiſch⸗ 
moftifches Geklingel, fein Steobfeuer der Begeiſterung, Fein 
Wicdererfcheinen bagewefener Bilder und Ideen. Die Klarheit 
des Geiftes iſt ebenfo groß wie die Wärme bes Herzens, und 


es geht in feiner Innenwelt nicht her wie in dem Quartier: 


des Junker Verſtand (S. 263), wo die Dame Herz ben Pe: 
dantenfram entfernt und aufräumt, aber am (Ende doch dem 
pebantifchen Junker als Hausmagd dienen muß, ſondern beide 
theilen hier die Herrfchaft, der wehmäthige Ernſt fchaltet bier 
fo feierlich und impofant, wie der Humor im Sylphengewande 
über des Lebens wechfelnde Erſcheinungen hinhüpft; der Dichter 
verwaltet mit gleicher Würde das Hohenpriefteramt im Tempel 
der Natur, wie in ben Myrthenhainen der paphiſchen Goͤttin; 
er bedenkt das Leben, nicht das ‚‚conventionelle im Chapeau 
claque, auch nicht das finanzielle mit Rothſchild'ſchen Looſen“, 
fondern wie es ſich dem gläubigen, denkenden und fühlenden 
Sterblichen offenbart; er ſpricht Über daffelbe weder wie ein 
Timon, noch wie Momus. Er liebt nicht blos die Poeſte, 
„die Zauberin, die mit verliebter Muͤh' ſich Feenreiche geftaltet, 
die dem Prometheus gleich den Sonnenfunken entwandte, den 
- Wunderbaum, an beffen taufend Äften liebe Sänger mit dem 
Haar der Gedanken Hängen bleiben”, er entwidelt auch ihren 
Urfprung, ihr Weſen, ihre Würde, ihren Lohn und ruft ihr zu: 
Du daft mir Gegen oft gebradt 
In melne flile Bruſt, 
Haſt meiner Schmerzen dunkle Nacht 

Erfuͤllt mit liter Luft; 

Du Haft den Menſchen oft gefagt, 

Wie fie mir werth und lieb, 

Du daft den Menſchen oft geklagt, 

Wie meine Seele trüb. 


D Lied, du daft mein ganzes Herz 
Der Welt gebradht zur Schau, 
Du bift mein ritterlihed Erz, 
Worauf ih kuͤhn vertrau'; 
Du bift der Bote, für und für 
An Deren ausgefanbt, 
Du bift mein herrlichſtes Panter, 
Bekannt img ganzen Yanb, 
Du bift der Seele Wiederhall, 
Der in der Welt verklingt, 
Du bift ded Herzens Nachtigall, 
Die liebend Hingt und fingt; 
Du bift die Rede, die ih red”, 
Wenn ed zu Menſchen gilt, 
Bift dad Gebet mir, dad ich bet’, 
Wenn Heil'ges mich erfüllt. 
Du bift mein Lieb, du bift mein Neid, 
Du bit mein golb’ner Thron, 
Du biſt der grüne Lorberzweig, 
Die diamant’ne Kron’, 
Du biſt mein faltenreides Kleid, 
Das uͤppig mich umflicßt, 
Dran Demant fih an Demant reidf 
Und Perl' an Perl’ fih ſchließt. 
Leſen wir gleich im Beginn, mit welchem Auge er bie Ratur 
betrachtet, und wie er (&. 160) ein Rationalbild aus dem Tre: 
penlande malt, fo fheint ex Matthiffon und Xreiligrath in ſich 
zu vereinen; lefen wir bie humoriſtiſche Blüte „GSrinnerung” 
(&. 82), fo erfcheint er als Shalfpeare , Iefen wir „Sraaden 
der Liebe” (S. 169), fo fcheint er Uhland's Gefühl mit Schil⸗ 
ler's Glanz zu paaren; er geht überall feinen eigenen Weg und 
fagt felbft (8.337), es fromme wenig, fi) Andern anzwpaffen; 
er habe ein Liebdhen, eine Eeier, eine wunderſchoͤne Wele: 
Wem folder Reichthum ift gegeben, 
Und aud ein Herz, dus ihn erfaßt, 
Der kann am eig'nen Derde leben 
Unb gehe nimmermehe zu Gall. 


Gin Liebchen hab’ ich, fo wie keines 
Auf diefens weiten Grbenrund; 
Ein liebes, guted, engelreine6, 
Mir angetraut im Geiſterbund. 


Was mir unfonft ber Herr gegeben 
An Liedern und an Firdermuth, 
Es abeit finnig mir das Leben, 
Als meiner Seele beited But. 


Ob And’re dab erkennen wollen, 
Ob fie erkannt es ober nicht; 
Ob fie mir Lob und Ehre zolen — 
Darüber halt’ idy nie Gericht. 
Das Tann ihn auch in der That nicht küͤmmern; bat er doch 
ben fihern Schatz, den fchönen Reichthum im Herzen; har er 
fi doc mit feinem Pfunde ſchon fo viel der eigenen Ef er- 
wuchert, was braucht er nach ber Menge zu fragen. O Reich⸗ 
thum, groß und unermeßlidh, wo Gegenwart und Bergangenheit 
vom lichten Simmel nieberfehn!" ruft er aus: 
Du wechſelreiche Lebendmafle, 
Du Rätdfelanfang, Raͤthſelſchluß, 
Gebante, den ich Halb nur falle 
Und den th ewig denten muß! 
. Das Alles ift mein großes Babe, 
Das mir die Schörfung zugeführt, 
So groß, daß, wenn ich einft im Brabe, 
Es lang mich überbauern wird. 


Möchte Manchem das legte Wort als bie Beſcheidenheit und 
Demuth verlegend erfcheinen, fo kann es Mef. doch nur als 
eine Außerung, ber Wurzel bes ebelften Selbſtgefühls ent: 
fproflen, betrachten. 


4 








1407 


68. Sefänge ber Liebe von Abolf Peters. Dresden, Wal: 
tber. 1840. Gr. 12. 1 Thlr. 12 Sr. 

Wie eine in den Strom geworfene Rofe von bem Fiſcher⸗ 
Enaben erangelt wird, ber fie dem Liebchen barbietet, alfo wirft 
der Sänger 

kuͤhn entfchloffen, 
Glaͤhe Knospen, Heine Lieber, 
Ihr am Buſen aufgeſchoſſen, 
In den Strom ber Jahre nieder, 


und verſichert, es kümmere ihn wenig, ob ſie mit dem Wellen⸗ 


ſpiele verſchwinden, oder vielleicht von einem Fiſcherknaben auf: 
gefifcht werden. Kein übles Bild, in der Vorhalle der Pleinen 
Bildergalerie aufgehängt; auch kann es unferm Licbesmaler we: 
nig kümmern, ob man feine Ausftellung befuchen werde, weil 
er überzeugt zu fein ſcheint, fein Talent gebe ihm ein Anrecht, 
mit fo Vielen aufzutreten und feine Bilder aufzuftelen. Run 
entfaltet füh bier die Wonne, die Sehnſucht, die Qual der 
Liebe, Zrennung und Wiederfinden, Kußgelispel und Geufzers 
laut; mitunter Übertreibung und Tautologie; einige Male fogar 
metaphyſiſche Spisfindigkeiten aus dem Gebiete der gewaltigen 
Leidenfcheft, die an den Sänger ber Laura mahnen, und Gen: 
rebildchen, bie an Ferrand erinnern. Melodie iſt in allen und 
gegen bie Regeln des Generalbaffes, das ift hier gegen die 
Zorm, nirgendb gefünbigt. Die Sonette klingen recht ſüdlich 
und die launigen Licbeselegien erinnern fehr ſtark an Goethe, 
wos wir ihnen verzeihen wollen, da ber Verf. kein fllavifcher 
Nachahmer if. In den Romanzen ertönen hin und wieder bes 
kannte Weifen, und in einer bderfelben ift das alte Handwerks⸗ 
burfchentied: 
D Berlin, ih muß did Laffen, 

Berlin, du fhöne Stabt, 

Und drinnen muß ich laſſen 

Meinen herzallerliebſten Schag 


gar glüdlich benugt und angebracht. Den Wanderliedern laufcht 
man gern, da der Verf. klar ſchaut und gefällig fingirt; wären 
nur mehr ſolche jovial naive Sachen dabei wie „Die Früh⸗ 
lingewanberung (5. 255). Hübſch gedacht ift „Die Schweig: 
ſame“ (&. 275) und den Schlußftein bildet ein bunter Hoch⸗ 
zeitkranz in fieben verſchiedenen Formen für den Vermaͤhlungs⸗ 
tag eines ſprachkundigen Freundes, in denen eine fiebenfache 
Rationalität (ferbifch, perſiſch, ſpaniſch, griechiſch, italieniſch, 
frangöfifch und deutſch) hoͤchſt anmuthig repraͤſentirt wird. Dem 
Serbiſchen möchten wir den Vorzug einräumen. 


69. Gedichte von Ritter Braun von Braunthal. Reue 
Folge. Nürnberg, Bauer u. Raspe. 1859. 16. 1Thlr. 8 Gr. 


Wir haben diefem männlidden und biderben Ritter fchon 
einige Male bie deutſche Hand gedrüdt, das letzte Mal in 
Fr. 302 d. Bl. f. 1837, wo er im Gebiete des Humors fein 
bunttraufes Spiel trieb, Gegenwärtige neue Folge feiner Ge: 
dichte bringt uns „Balladen, Romanzen und Erzählungen‘, die 
fämmtlih vom Talent für epiſche Geftaltung der Poefie Zeug: 
niß ablegen. Die „Lebensbilder“ lobhudeln die Mimen der Zeit; 
man kennt ja den Qualm der um fie gefhwungenen Rauch⸗ 
faͤfſer. „Freie Phantaſien“ geben, was fie Tagen. Unter den 
Anſchauungen unb Liedern“ finden wir zunaͤchſt Sonette über 
was Sonett, von benen das zweite charakteriftifch ift: 


Daß ein Geheimniß dad Sonett zu nennen, 
Wird, wer die Kunfk zu dichten je getrieben, 
Ber ein Gonett, ein guted, hat gefchrieben, 
Mit mir geneigter Liederwelt befennen. 


Der Punkt, worin vereint die Strahlen brennen 
Der Gtimmung, ob wir baflen ober Lieben, 
Mup finden, wer zwei Dal die fhöne Sieben 
Duräfingen will und oßne fie zu trennen. 
Gedanken in einander fo zu flechten, 
Die einem einzigen Gefühl entiproffen, 
Oaß fie ein Blumenſtrauß bed Herzens feinen, 


Bezeugt ben Künfiler im Sonett, ben echten, 
Und ihn begrüf? ih ald Petrarch's Genoſſen, 
Der groß war, wie kein Anderer, im Kleinen. 
Bon dem Liede ,„An Lenau“ (S. 237) verfpradden wir 
mehr. „Dichten und Denken” (©. 245) ee geifiele 
der behandelt fein. „Der Himmelszoͤgling“ (S. 262 entfaltet 
wunberliche, fchielende Bilder, und wenn es (&. 277) Heißt: 
Was dem Bröhlihen der Beer, 
Sind mir Tintefaß und Feder; 
Bin darin ein flarker Becher, 
Pokulire, wie nicht Ieber — 
fo iſt auch dies Fein anmuthiger Gedanke, wer wird ſich im 
inte beraufchen wollen? Daß der Verf. ein ſtarker Becher if, 
befunden feine frühern Gedichte, feine „Zhierftüde”, „Ste⸗ 
bende Masken“ und dies Büchlein, welches in der That manches 
Schöne bietet und nicht fo ſchlecht iſt, wie es durch fein For⸗ 
mat (klein Sedez) und feinen Drud (Augenpulver) dem Publi⸗ 
cum erfcheinen muß. Blos das Papier ift gut. Kommt Hr. 
Ritter Braun wieder (und gewiß wirb er e8), dann erfcheine 
er im ritterlichen Coſtum! ' 


70. Gedichte in hochdeutſcher, oberbaierfcher und pfaͤlziſcher 
Mundart von Franz von Kobell. Münden, Lit. art. 
Anftatt. 1839. Gr. 8. 16 Gr. 

Der ift der Armfle auf ber Welt, 
Dem nicht ein frohes Lieb gefällt, 
Und Dep der Herr in Gnaben denkt, 
Dem er’d zum Gigenthume ſchenkt, 


fingt der Berf. (S. 27). Mehr als ein frohes Lieb gelingt bem 
Bildner gegenwärtiger Lieder, beren zehn fi in Erinnerungen 
aus Griechenland ergießen und von denen andere eine gefunde 
Lebensanfiht in anſprechenden Rhythmen und Klängen bekun⸗ 
den. Die Lieder, welche in oberbatriihem unb pfälztichem Dias 
lekt gefchrieben find, mögen wol jene grazidſe Raivetät hauchen, 
die fi im Munde des Volks fo gut ausnimmt; inbefien geht 
Vieles für Den verloren, der benfelben nicht genau kennt. 
71. Poetifhe Erſtlinge eines Buchbinders, von Joh. B. Eöls 
len. Köln, Renard u. Dubyen. 1833. 8. 8 Sr. 
Der Verf. beginnt alfo: 
Statt zu falgen und zu ſchlagen, 
Mid auf ben Diymp zu wagen, 
Haͤtt' ih nie gedacht. 
Statt zu heften und zu leimen, 
Sollt' ih ſchlechte Verſe reimen, 
Wuͤrd' ich ausgelacht. 
Statt beſchneiden und ſtatt faͤrben, 
Um den Lorber mich bewerben, 
Faͤllt mir gar nicht ein. 


‚Statt zu glätten, zu formiren, 
Mich als Dichter probuciren, 
Nein, das laß ih fein. \ 


Er läßt es aber doch nicht fein; und ein Hauptargument iſt: 
„die Arbeit fehlt!’ Da muß er denn, die Brillen zu vertreis 
ben, Berfe ſchreiben. Wenn nun Leute aus biefem Gtande ans 
fangen zu letern, unb dabei, wie biefer, kreuzbrave Kerle find, 
dann eonnivirt der haͤklichſte Kritikaſter. 


72. Poetiſche Verfuche von Hermann von Rotted. Kreis 
burg, Wagner. 1888, 16. 14 @r. 

„Mit größter Schüchternheit”‘, fagt der jugendliche Lorder⸗ 
afpirant, zur Zeit Studiosus juris (vieleicht Sohn bes berühns 
ten Hiſtorikers?), ‚‚übergebe ich diefe meine erften poetiſchen 
Verfuche dem Drude. Ich babe biefelben nicht für das große 
Publicum beſtimmt; fondern dies Büchlein fol blos ein Ge⸗ 
fhen für einen Kreis von Freunden und Freundinnen fein. 
Wer bies bedenkt, wirb meine Verwegenheit weniger groß fin 
ben und einen Heinern Mapflab zur Beurtheilung meiner Ber» 
fuche anlegen.” Wer mag bei ſolchem begütigenden Worte 
noch maͤkein und echten? Die Freunde und Freundinnen, berem 


1408 


Yiee Erwähnung gefchleht, mögen Kunfteichter fein! Den eige⸗ 
nen Verfuchen find angehängt metrifche Überfegungen ber Ges 
dichte von Eſaias Tegner, die man nicht unbefriedigt leſen 
wisd und die von des Überfegers Gewandtpeit Im Ausbeud 


Zeugniß geben. 
78. Kinder der Muße. Arolfen, Speyer. 1889. 3. 12 Gr. 
Kinder der Muße — nit der Mufe — will der er: 
lauchte Verf. gegenwärtiger Gedichte fie genannt wiffen. Auf 
die dringende Witte des Verlegers hat er ſich entfchloflen, fie 
durch den Drud allen Denen zugänglich zu machen, die ſich für 
felbige intereffirt haben, und betrachtet fie gugleih als ein 
freundliches Andenken an ihn für die Bewohner der Stadt 
Arolfen, wo der größte Theil derfelben entftanden iſt. Wir er; 
lauben und blos, in der aus nur vier Drudbogen beflebenden 


Heinen Sammlung auf die glückliche Parodie der Schiller ſchen 


Blode: „Ber Pfarrer‘, hinzubeuten, die man wegen Ihrer witi⸗ 

gen Antithefen und Einfälle mit Vergnügen Iefen wird. 

7%. Bunte Scenen und Bilder von Joh. Joſ. Dilfgneis 
der. Köln, Boifferee. 1839, Gr. 12. 12 Gr. 

Bei der Lecture von Probuctionen wie gegenwärtige flu: 
tet in unferm Innern ein Wedhfel von amei Empfindungen: 
Toͤdtliche Langeweile und tiefer Verbruß. Ein Proͤbchen aus ben 
„Bunten Scenen’, überfchrieben: „Was bedeutet's?“ 

A. Wie wurd’ Ihr Nachbar doch fo bleich? 

B. Gr wurde blaß und roth jugleich. 

C. Er hielt dad Sactktuch vor's Geſicht. 

D. So oft man von dem Punkte ſpricht, 
Hält er ſich vor Verlegenheit nicht. 


75. @ine letzte Licbe. Bon A. Schulenburg. MWefel, Klönne. 
1889. 8. 8 Wr. 


Faſt wie das vorige, und enthält humeriſtiſch fein follende 
Klagen eines Zunters, den die Geliebte verſchmäht, weil er 
Proteſtant if. Mir jenen die Bemerkung bierher, mit welcher 
das Büchiein auf S. #1 ſchtießt: 

Was af du nun gewonwen, mein ſchwergepruͤftes Herz? 

Der kurzen Luſt Erinn'rung und ewig langen Schmerz! — 
Da! — wenn mein Aug’ vor Wehmuth nun naß und immer nafler, 
Dann lady’ ih unter Thränen, und nenn’ fie: Eelnifh Waffer. 
Bedarf es noch fernern Urtheils? 
76. Gedichte von Ebuard Brauer. „weite Sammlung. 
Karlörube, Braun. 1839. 16. 9 Er. 

Hier ift mehr Klang und Melodie — mehr Takt für Das, 
was fich ziemt. Sind auch bie Romanzen mehr Anekdota und 
die vermifchten Gedichte bona mixta malis, fo wird der innere 
@inn doch nirgend verliebt. 

(Die Fortſetzung folgt.) 


Mandherlei. 

Der Religion ift Beziehung auf eine perfönliche Gottheit 
weint. Alles Opfer, aller Dank, jegliches @ebet iſt nichts 
ohne diefe Menausfegung. Beugnet deshalb der Pantheift dies 
felbe, fo wird alle Religion zum leeren Spiel der Phantaſie. 
Diefe bleibt Freilich immer in der Religion thätig, ba ohne 
Dhantafie Nichts für den Menfchen vorhanden iſt, ald was er 
‚jeden Yugenblid mit Sünden greift; allein es ift doch ein 

nterfied , ob fie ein Wirkliches dabei vorausfent, oder nicht. 
Die Überzeugung von Wirklichkeit der Beziehung auf einen pers 
ſoͤnlichen Sorte ift religiöfer Glaube. Das Bewußtſein ſchlecht⸗ 
hiniger Adhaͤngigkeit, worauf Schleiermacher die Religion zu: 
rückführt, iſt allerdings ein Moment derſelben, allein nicht das 
Weſentliche; denn es kann flattfinden gegen jede Naturgewalt, 
obne Opfer, Dank, Gebet, auch ift kein befonderer Glaube bei 
dieſem Bewußtfein, Leine Phantafie, fondern baare Wirktich- 
keit. Wird diefe von ber Phantafle ergriffen, fo ift es eine 
Begriffſsphantaſie ohne Zugabe des geiftigen Gefühle, eine Phan⸗ 
taſie des Einen in Allem, bes Beſondern im Allgemeinen. 


BU man die Erkenntniß der Schwache des Maiden div. 


mit eimer flarren Erkaltung ohne Im 
dige Wärme. Weil nun dieſes ſich fo verhält, if cin. 
fehen,, daß in einem gewiffen Giane gefagt werben kann: ‚in 
Pantheift habe keine Religion““, und in gewillem Ein: o 
habe dennoch eine”. 


Über Goethe ein Wort zu verlieren, darf man ik u 
beinah ſchaͤmen, da fo Wieles ſchon an ihm geprieien un « 
tadelt worden in Zeitblättern ımb gangen Büchern. Aber im 
ft als ein Phitofophifdges zu Toben, daB er im feinem Arben 
zimmer und Schlafgemach feine ſchöne Meubies gehabt, fer 
dern fchlechte vom gewoͤhnlichſten Holze. Koftbare und ſerder 
gearbeitete nämlich beengen den Beift, rauben ihm Etwas con 
feiner Freiheit, weil man ſich nrit Thnen im Acht nehmen map, 
um fie nicht zu verderben; fie fodern eine Hoͤflichkeit des Im: 
gangs, woran Schriftfteller und Dichter nicht denken mim 
und nicht denken folen. Wie Einem in vornehmer Grfelikeh 
das Schlechteſte beifällt oder Nichts, To gefhicht es zuifden 
vornehmen Stühlen und Tiſchen. Neuere ch Schrift: 
ftellee Haben laut Befchreibung forgfältig ausgefdimätt Schrride- 
zimmer; allein Paris bifdet die Patiſer umd gitt ihnen &: 
wohnheit, Vornehmes nicht Höfticher zu behandeln als Gemeint, 
oder es frage fih, ob fie nicht zwangloſer unb geiſiger nd 
arbeiten würden bei ſchmuckloſer Umgebung. Blod Edit: 
ftellerinnen möchte ich hübſche Verzierung ihrer Romatika 
empfehlen, theils weil ihr @efchlecht den Putz mehr lichen nd 
als die Männer, theils weil ihr Weſen und Umgang Ker: 
lich dadurch beläftigt werden kann, indem Liebensmürtigr 
und Anmuth ihres Dichtergenius damit im beſten Ginfleg 
lebt und eine wilde greipeit ihrer milben Zuiht und Ei 
wenig entfpricht. Übrigens beflätigt Goethe diefe Geha 
bei Edermann: „Praͤchtige Gebäude und Zimmer find fake 
fien und Reiche. Meiner Natur ift es zuwider. Ich bin as 
ner prächtigen Wohnung fogleich faul und unthätig. Geringe Br 
nung dagegen, fählechtes Zimmer, ein wenig unordentlich orbentih | 
ein wenig zigeunerhaft, ift für mid; das echte; es lütme | 
ner Ratur volle Freiheit, thätig gu fein und aus mir klin m 
fhaffen. ine Umgebung von bequemen geſchmadoollen Mr 
bies hebt mein Denken auf und verfent mich fm einen hie 
lichen paffiven Zuſtand. Ausgenommen, daß man bon Jam 
auf daran gewöhnt fei, find prächtige Zimmer und eltzum 
Dausgeräth etwas für Leute, bie Leine Bebanken hab m) 
haben mögen.” . 








Literariſche Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 


Skinen aus dem Alltagsleben 
Aus dem Schwebifchen. 


8 Geh. 

1. Die Vöchter des Präfidenten. Erin 
einer Gouvernante. 1838. 1 Thlr. 16 & 
EN. III. Die Nachbarn. Zwei Theile. 1839. 3. 
IV. V. Das Sans, oder Familienſorgen 
und Samilienfrenden. Zwei Theile. 1840. 32H. 
Der allgemeine Beifall, den die exfien Bandqen dit! 
anziehenden Erzaͤhiungen erhielten, dürfte im noch hör 

Grade der neueften Gabe der Wexfafferin zu Theil werden 
Eeipzig, im Decsmber 1840. , 
F. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipile 
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Literarifde Un 





Dienftag, — Kr. 350 





Bericht über eine Poeten⸗Centurie aus dem Jahre 1839. 
Dritter und letter Artikel. 
(Enrtfegung aus Nr. 310.) 


77. Edgar, ober Blätter aus dem Leben eines Dichters, von 
Karl Bernau. Münden, Franz. 1838. Er. 8. 8 Er. 
Edgar verfieht es, unfere Zheilnahme an feinem Liebes⸗ 
lud, wie an feinem Liebesſchmerz zu gewinnen. Jedes Lied 
n ber Meinen Brofchüre ift eine Blüte, dem wärmften Herzens: 
boben entfproflen, und bekundet fein fhönes Talent. 

76. Feſtgabe zum Reujahre eines heibelberger Mufenfohne, fet- 
nen Freunden und Eommilitonen von Mar Leuenfels. Bei: 
deiberg, Winter. 1839. ©r. 12. 14 ©r. 

Sn einem Epiloge, an die lieben Seinen gerichtet, gibt 
uns der Mufenfohn ein currieulum vitae academicum in nuce 
und erzählt uns zugleich, wie es gefommen, daß er gereimt und 
gebfähtet und feine Scheu vor der Preſſe überwunden habe: 

Do warb ih neulich felber krank 
An argem Schmerz ber lieber, 
Nun dacht” ich wieber an Geſang, 
An Poefie und Lieder;“ 

Denn da ich lang zu Haufe blieb, 
So pakte mid der heil'ge Trieb — 
Das ift nun bie Geſchichte, 

Da find nun die Gebichte. 


Mir meinten hier etwas gang Anderes zu finden, als es ber 
Fall war; bean wenn au „Das heidelbesger Waterunfer‘’ 
(S. 10) und „Das beibeiberger Faß“ (8. 21), auch das Gpi: 
gramm „Hamlet“ (&. 25), burſchikoſen Wis enthalten, fo vers 
miffen wie doch bie derben Trink⸗ und Gommerslieder aus der 
alten Zeit, wo ber deutſche Burſch im Element ber akademi⸗ 
ſchen Freiheit athmere und trank, welche bas 19, Jahrhundert 
in einen großen Sarg gelegt und tief vesfenkt hat. Zum Epi⸗ 
grammattfäen neigt ſich der Verf. auf jeder Seite bin; doch 
bat Bieles eine flumpfe und Manches gar keine Spige. Die 
Itden Freunde und Landsleute, bie ihn weranlaßten, eine 
Heine Kuswahl feiner poetiſchen Verſuche dem Drade zu übers 
geben, wird das Büchlein gewiß freundlich an die Lenztage bes 
akademiſchen Lebens erinnern. ’ 


79. Lyriſches. Mom Domperen G. Benelli. Neiffe, Hennings. 
1840, Gr. 8. 8 @r. 

Nr. 1 fobert den Lefer auf, die Parze zu werden, um ben 
Liederfaden zu durchſchneiden, wenn ex nicht golden ober von 
der Brazie gefponnen if; und wahrlich, die Kritit kann ſich 
nicht unterfangen, jene Parze zu werben; denn bier tönt „kein 
Led, gewebt aus nieberen Erdenftoffen, aus Zufall, Angft, Daß, 
Eiche und Gitelkeit, es klagt nicht den Schmerz verſchmaͤhter 
Minne, es fingt nicht von dev Tapferkeit der Helden, es mel: 
det nichts von zerflörten Burgen oder von nedender, trügeri- 


fher Bauberei‘‘; es fingt Das, was broben iſt und ewig währt, | 


es fingt den Jammer der ſtreitenden Kirche, die Heilige Jung⸗ 
frau sein und Leufch, gibt in einem Fragment Adam's Abbitte 


% 
>, 





1410 


84. Der BVollsvertreter; 
Karlerube, Groos. 1839. 8, 
Richt in den Tempel ber Natur, noch in bie Hallen ber 
Kunft will uns der anonyme didaktiſche Sänger führen; 
Rein; anderm Sale giltd, def Heiner Raum 

Das ganze Vaterland vertretenb faßt; 

Wo, wie vom Herzen aus, fein Lebensſtrom 

Durch aller Adern Lauf bie Wellen treibt, 

Und Dauerkraft dem Körper feined Wolke, 

Geſundheit, Haupt und Gliedern ftrömen fol. 


Mit einer tüchtigen Geſinnung, in einer edeln Sprache, bie nie 
u falſchem Pathos ſich verirrt, wird ber Beruf, die Eigen⸗ 
haften und Pflichten des Patrioten beſprochen, der Geift ber 
Wahrheit, Eintracht und Gerechtigkeit hervorgehoben, der in 
jedem Volksvertreter walten A auf die Ramen Zimoleon, 
Antonin und Hermann aufmerffam gemadht und auf Janus’ und 
Afträa’s Reich hingedeutet. Die Schreibart ift eigenthuͤmlich. 

85. Romanzen und Lieder von F. Brunold. Prenzlau, 

Bincent. 1839. 8. 8 Gr. 

An Kerrand’s Befellfhaft haben wir zuerſt die Bekannt: 
(haft diefes jungen Sängers gemacht, feine „Neuen Lieder‘ 
in Nr. 295 d. Bl. f. 1858 angezeigt und mit einigen Weber: 
ſtrichen charakterifirt. In Jahresfriſt ift der Dichter Fein An: 
derer geworben; wir fönnen mithin bei Gelegenheit der vorlie: 
genden kleinen Sammlung auf jene Charakteriftit vermeifen. 
86. Genfitiven. Gebihte von Friedrich Bach. Leipzig, 

Baumgärtner. 1839. 8. 18 Gr. 

Der Bärtner und Pfleger diefer „Senſitiven“ meint in 
einem Vorworte, es habe zwar ben Anfchein, daß eines einzigen 
Blättchens Flüftern, oder -einer Blume Wohlgeruch zur Beier 
eines goldenen Sommertags (morunter er poetifches Leben und 
Treiben verfteht) allzumenig ſei, aber darum doch die weite 
Landſchaft mit allen ihren Blüten und Bäumen nichts verliere, 
Das wollen und müffen mir dem Befheibenen gern zugeben; 
indeffen gibt e8 hier manchen magern Gedanken, der nur durch 
ein feines Wort ober eine gefällige Form aufgepußt wird; ber 
Quell der Begeifterung fcheint dem Verf. überall leicht zu ver: 
fiegen ; denn feine Lieder find fämmtli à courte haleine oder 
gebräufette Papierſchnitzel. Vier Abtheilungen berfelben gibt es, 
und jede ift einem Dichter oder Freunde dedicirt; die „Ero⸗ 
tica“ dem Fr. Rüdert, die „Wanderlieder“ dem Gugtzkkow, 
„Natur und Gemüth’ dem Nikolaus Lenau, und die „Lieber 
vom Sterben’ einem Freunde, Ramens Lippmann. An den 
meiften Liedern neuerer Zeit haben wir bie Breite und Seid: 
tigkeit tadeln müflen; hier fließt ein Bach, fo waflerarm wie 
. heutzutage ber Zliffus und Gephifus um Athen, der kaum im 
Stande ft, die poetifhen Blumenkindlein zu fäugen. 

87. Poetiſches Etui von Hermann Bienenfeld. Müns 
den, Fieiſchmann. 1838. Gr. 12. 16 Gr, 

Stwas mehr yoetifches Leben regt fi) in biefem bairiſchen 
Gänge: als in der Bruſt feines Landsmanns Dorner (fiehe 
Re. 51); aber ein Dichter iſt er deshalb noch nicht, und wenn 
ee auch ſich befcheibend fagt: 

Strebend nur fteh’ ih Gericht, 

RNichtet deöhelb nidht zu firenge 

Was ich bringe im Bebicht, 
fo barf body die unpartetifche Kritik nicht verſchweigen, daß uns 
bier viele unpoetifche Werfe geboten werden, unter denen einige 
fih bis zum Ronfens erheben. Der Humor langweilt mitun: 
ter und Alles trägt das Gepraͤge ber Mittelmäßigkeit. 
88, Akrothinien; Liederproben nebft einleitendem Vorwort, Bra: 

en aus ber Poetik und Metrit berührend. Bon Albert 

0%. Nürnberg, Recknagel. 1839. 8. 12 ®r. 

Der Berf. diefee Gedichte Läßt benfelben ein Vorwort vor⸗ 
ausgehen, welches eine Art von feibfländiger Abhandlung bildet 
und ſich Aber den fubjectiven Charakter derfeiben, über die fubs 
jective Richtung ber mobernen Poeſie überhaupt, über bie 


jambifh tn zwölf Betrachtungen. 
12 Gr. 


Grunbfäge bei Überttagung aus alten Dichtern, über bie me 
triſche Behandlung ber altelaſſiſchen Versmaße, namentlidy über 
die Behandlung der ſapphiſchen und alcäifhen Strophe und 
über Gonftiges hinſichtlich der Werfification hoͤchſt verfländig 
ausläßt, und wo er befonbers nit vergißt, ein apologetifches 
Woͤrtchen hinſichtlich der eigenen Kinblein gu fagen. Er tritt 
alfo Hier als Theoretiker und Praktiker, als Didgter und Res 
cenfent, als Inſpirirter und als Nüchterner auf, was nicht Je⸗ 
bermanns Sache ift, ba er „das mäonifche Ohr vor bem Lärme 
feiner Scholien zugirrt“, wie Ktopftod in einer Ode fagt; auch 
behauptet ja Wander, daß bie Britifche Thaͤtigkeit die Phan- 
tafie zerflöre und fich überhaupt nicht für den Dichter fdyide. 
Leptere Behauptung widerlegt indeſſen unfer Verf. burdy bie 
vorliegenden Gedichte feibft, die fämmtlich einen fubjectiv = Igris 
fen Charakter haben und bie er zum Theil als bie Außerun⸗ 
gen einer gewaltfamen Reaction des nach Freiheit ringenden 
fubjectiven @eiftes gegen den berben Zwang ber objectiven Welt 
betrachtet wiffen wi. Sie find mehr reflectiv und fpeeulativ 
als phantafiereih, und zeugen überall mehr von Fühler Beſon⸗ 
nenheit und Nüchternheit, als von feuriger Begeifterung. Man 
vergleiche in Bezug auf bdiefe Behauptung: „Guter Rath‘ 
(8. 6), eines der beften Gedichte, oder „Bei Zuräderhaltung 
eines weggelichenen Buches’ (&. 14), ober „Das zeitgemäße 
und wahre Wort (©. 32): 
Nicht Dienfleifer, o nein, nicht Tuͤchtigkeit zum Berufe, 
Dienfiedjahre nur find’s, die man von euch jegt begehrt. 


Die eine befondere Abtheilung bildenden „Gedichte an Laura’’, 
erinnern nicht im geringften an die Schiller'ſchen Lauralieder, 
und „Bei Überreihung eines Halstuchs“ (S. 79) iR bit 
profaifeh und matt; vielen Epigrammen fehle der Stachel; die 
freien Übertragungen aus altsömifhen Dichtern find gelun: 
gen; nur irrt der Überfeger, wenn er meint, er könne durch 
feine Übertragungen denfelben Gindrud beim deutfchen Leſer her: 
vorbringen, wie ihn der Römer beim Lefen ober Anhören bei 
Originale empfunden habe. Die Erfllinge der Iugemöporfe 
im Anbange find, wie fi der Verf. auch darüber rechtfertigen 
mag, Jugenbfünden ; überhaupt aber macht er mehr Worte, als 
der ganze Kram werth ifl. 


89. Hamburgiſcher Liederkranz. Hamburg, Perthes = Befler und 
Mauke. 1838. 8. 16 Gr. 

Eine Anthologie gefelliger, gemütlicher beutfcher Lieder, 
für Freunde des Befanges, nicht blos von hamburgifchen Did: 
tern, fondern auch von den Korpphäen beutfcher Lieberkunf, 
fowie von ungenannten Dichten. Ginigen ift die Melodie in 
Noten beigefügt und ber Herausgeber und Sammler, Br. 3. 
D. Runge, hat fie in gefellige, vaterländifche und einſame Lies 
der eingetheilt, für weldyes legtere Spitheton ein bezeidinenberes 
gewählt werden konnte. 


90. Gedichte von Karl Doignon. Erlangen, Yalm. 1839, 
8 16 Gr. 


Sie haben das Motto an der Stirn: „Zur fernen Rad: 
weit wollen fie nicht fchweben” ; aber das koͤnnen fie auch nicht, 
denn fie erheben ſich nicht aus der Sphäre ber Mittelmäfigkeit. 
Gleich die erſte Nummer bekundet des Verf. Unfreifeit; denn 
ed if in Form und Geift eine Nachahmung des Shiler'ſchen 
Liebes: „Will fi Hektor ewig von mir wenden‘, und fo viele 
auch gut verfificiet find, fo tft doch keins angehaudt von wahs 
rer Begeiſterung. Die Wärme, die den patriotiſchen Liedern 
bin und wieder entftrömt, wird durch bie ihr fogleidh folgende 
Verherrlichung Napoleon’s erfältet. Die dramatiſchen Werfuche 
find zu wortreich; doch das Gelungenfte bietet fi in der über: 
fetung einiger Bedichte von Beranger, Bernie, Lamartine unb 
Victor Hugo. Hören wir das legte nach Hugo, „An Ste": 

Was lauf’ ih in ben Wäldern no 
Der Voͤgel buntem Gang? 
Singt doch ber fhönfte Vogel mir 
In deiner Gtimme Klang. 











=— —— — — — 


1411 


Mag Luna mir verhällen auch 
Der Sterne firablend Chor, 
Strahlt body der hellfte, reinſte Stern 
Aus beinem Xug’ bervor. 

Was frag’ td, ob der Lenz erneut 
Des Gartens Blumenzier? 
Die ſchoͤnſte Blume blühet ja 
Sn deinem Derzen mir, 

Die Liebe ift der Vogel ſchoͤn, 
Der Stern auf Dimmeldflur! 
Die Blume, die im Bergen bluͤht, 
Es ift die Liebe nur. 


91. Gedichte von Georg Daniel Hirg, Drechslermeifter in 
Strasburg. Mit einem Vorwort von Eduard Reuß. 
Strasburg, Schmidt und Bruder. 1838. Gr. 8. 1 Thlr. 

Der wadere firasburger Drechslermeifter, der in weißen 

Hemdsarmeln und mit dem Schurzfel vor dem Titel bes äu⸗ 


perlich anftändig auftretenden Buchs abgebildet iſt und aus 
- gar gutmüthigen und Mugen Augen uns anſchaut, hat noch 


mehr Drang und Beruf zum Verſemachen als ber oben er: 
wähnte Buchbinder Göllen. Der Hr. Berausgeber feiner Ge⸗ 
dichte, ein Jugendfreund von ihm, hat Recht, wenn er fagt, 
es fei etwas Neues, Vielen Fremdes, Manchen gewiß Willloms 
menes und ber Theilnahme Aller Würbdiges, wenn einmal wieder 
ein Meifterfänger auftrete von altem Schrot und Korn, bem 
der vor 500 Jahren erfungene Ruhm der flrasburger Gilde zu 


Herzen gegangen fei, in dem ber heilige Geiſt der Dichtkunft 


Zeugniß gebe, baß er gettoft vor dem Gemerke oder Meifter- 
Kup! feiner zünftigen Mitbürger um ben herkoͤmmlichen Sän- 
gerdan? der König Davides Münze werben dürfe. Dem Lefer 
aber fagt Hirg im verfificirten Vorwort: 
Was anſpruchlos in ſlillen Feierſtunden 
Der Drechsler⸗Meiſter fang, 
Was er in Freuden und in Leib empfunden 
Auf feinem Lebendgang ; 
Died fichet hier vor euerm Blick entfaltet, 
In Liedern hat's beſcheiden fich geftaltet. 
Was ich gefungen, floß aus treuem Bufen; 
Nehmt'ß liebreich, Freundlich Hin! 
Nur fpärli wurde mir die Gunſt der Muſen, 
Schlicht ift des Drechtlers Sinn. 
Er fuͤhlet immer ſeine Kraft entweichen, 
Kann nie des Pindus ſteile Hoͤh' erreichen. 


Wir ſehen daraus, daß feine Freunde, bie ihm den Rath gege⸗ 
den, fi zur Meifterfchaft gu melden, d. i. feine Verſe bruden 
zu laffen, ihm noch die WBefcheibenheit nicht ausgerebet haben. 
Seit dem zwölften Jahre fchon hat er gefungen und in eier: 
fanden oder am Sonntage fein Lieb gebrechfelt, woraus denn 
nach und nad) gegenwärtige Sammlung entftanden if. Alles, 
was feinem beſcheidenen, ftillgufriebenen Leben Zon und Farbe 
gibt, iſt in der vieljährigen Arbeit in freundlichen Reimen abs 
gebildet: die Kinderſpiele, bie treue Liebe des Zünglings, die 
Wanberfchaft, die Sehnſucht nach der Heimat, bie Rüdlehr, 
das Handwerk (im Liebe vom Drechsler, womit er S. 1 ber 
ginnt), Yamilienfreuden und Familienleiden; auch hat er ges 
fungen, wie der hling fein Gemuͤth auffchließt, wie ber 
Sonntag ihn feierlich ſtimmt, wie die Mähren aus Krieg unb 
Vorzeit ihn bewegen, wie er den Zraualtar oder bad Grab 
eines Freundes mit ofen ober Gppreffen Eränzt; auch bie alte 
treuherzige Rebe ber früheften oberrheiniſchen Meifterfänger if 
ihm in der eat Abtheilung: „Gedichte in ſtrasburger Mund⸗ 
art““, gefügtg ab mundrecht; und da feine Gedichte chriſtliche 
Zucht und Bitte bewahren, Herzlichkeit und Wahrheit aus ih⸗ 
nen tönt, politifche Loyalität ihnen eigen ift und allen ein echt 
deutſcher Sinn beiwohnt, fo wänfchen wie ihm "viele Freunde 
und Bewunderer auch außer ben zahlreichen Subſcribenten 
in ſeiner Vaterſtadt! Gin ihn charakteriſirendes Lied findet ſich 
(8.119) überfhrieben: „Weine Leiden und Freuden.“ 


92, Gedichte, den Manen Xneillon’s zugerignet, von Xuan 
Doyé. Berlin, Hayn. 1839, —* 96 ar. our 
Laß dein Gedicht, mein Kind, und komm, 
Schau erſt die Wirklichkeit, 
Und werde erſt recht Hug und fromm, 
Dann haſt du Dichtigkeit. 
Doch treibſt du das Gedicht zuvor, 
So dichteſt du meiſt blos für's Ohr — 


fo laͤßt fi (S. 84) ein weiſer Vater vernehmen, ber den Sohn 
in bie Innen⸗ und Außenwelt einführen und darin heimifch 
machen will; der Verf. wolle die Worte auf ſich ſelbſt anwen⸗ 
den und das folgende Axiom (S. 98) beherzigen: 
Der Menſch, er denkt, er forſcht, er finnt, 
Er eilt, er fliegt, er ſteigt, 
Er ſammelt, bildet und er ſpinnt, 
Er ſucht, er nimmt, er reicht; 
Doch iſt die Arbeit dann gemacht, 
So bleibt es doch noch immer Nacht. 


In dieſen Verſen bleibt es wirklich immer Nacht. Ihr Bilb- 
ner kann weder den Gedanken in ſich in Klarheit ausbilden, 
noch die Sprache beherrſchen. Er vergreift ſich im Ausdrucke. 
Ein falſches, unverſtaͤndliches, überfchwänglicdhes Pathos verlei⸗ 
tet ihn bis zur Radotage. Ein wirklich oft guter Gedanke 
wird durch das Gewand entſtellt, in welches er ihn kleidet, 
und ein fchönes Bild verzerrt ſich, weil ſich feine Phantaſie 
dem Zügel des Berftandes entreißt. Auch iſt er ein Unfreler; 
um das beflätigt zu finden, lefe man nur das lettte Gedicht: 
„Das Schiff‘, einen lang und breit ausgefponnenen Galimas 
thias, der Schiller’fchen „Glocke“ nachgebilbet. Won Aneillon 
wird (©. 6) gefagt: „Mit der Welt bift bu fortan zerfallen‘; 
das ift aber Ancilon nie und war ed nie; auch will der Berf. 
das gar nicht fagen, aber er vergreift fih im Worte. ©. 11 
heißt es, das Weib wirke pathetifch! im Lebenskreife, und 
S. 22 wirb der Freundſchaft ein Sternenbufen beigelegt. Wir 
Tönnten eine kleine Blumenleſe ähnlicher Verfe bier fammeln, 
aber eine Gedichtſammlung tft kein Exercitium eines Tertianers. 


8. Knopen von ©. W. Menne Bonn, Habidht. 1839. 


. r. 
Wir zweifeln, daß es volle, duftige Blüten werden. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Hiftorifhe Notizen aus dem nordweſtlichen Frankreich, 
nah Miß Coſtello. 


Jemehr man fi) von Nantes aus bie Loire aufwärts den 
Grenzen ber Bretagne nähert, oder diefelben bereits überfchrits. 
ten bat, um fo mehr verlieren fi) auch die Spuren bes einens 
thämlichen Charakters, welcher dieſe Provinz vor bem übrigen 
Frankreich auszeichnet; doch ift die Gegend zwilchen Nantes 
und Angers noch nicht ganz arm an Iocalen Denkwürdigkeiten, 
von denen Miß Goſtello in ihrem „Summer amongst the bo- 
cages and the vines“ manche intereffante Züge mittheilt. 
„Das Dorf Marillais in ber Nähe ber Eoire ift berühmt buch 
die vielen Wunder, welche Rotre Dame l’Angevine bafelbft ver⸗ 
richtet hat: fo zahlreiche Pilger wallfahrteten zu Ihrer Kapelle, 
daß hundert Schlachtochſen von ihnen aufgezehst wurden, als 
wären ed ebenfo viel Stuͤck Zebervich; felbft Heute noch ſieht 
man am Feſte Mariä Geburt große Scharen bort, aber freilich 
nicht fowol von ben Wundern, als dem flattfindenden Jahr⸗ 
marlte herbeigegogen. Auf einem hohen Hügel fieht man ben 
majeftätifchen Thurm von St.⸗Florent le Viril ober le Mont: 
glonne unb in ihm bie faf noch allein übrige Spur ber ches 
dem prachtvollen Abtei, welche Karl’ bes Großen Froͤmmigkeit 
bier errichtete und Jahrhunderte hoch verehrten; bier iſt auch 
zu feben das Grab bes heiligen Moron, wo er 100 Jahre lang, 
gefhlafen hat, und wohin fi St.⸗Florent zurädzog, nachdem 
ee ein ganzes Heer von Schlangen ausgetrieben hatte, bie ihm 














1413 


das Recht, ihre Wohnung in Beſit zu nehmen, flreitig machten. 
Do werden diefe Legenden hier felten erwähnt, allen Glauben 
der Art verläßt man mit der einfachen und phantafiereichen 
Bretagne: die fehredlichen Verwüſtungen der venbeeifhen Ar: 
meen haben das ganze Geſchlecht der Drachen fammt den un: 
derfrämern in die tiefften Gründe unter dem ſeichten Wafler 
der Loire hinabgefchredt, um fie nie wieder das Licht bes Ja⸗ 
ges feben zu laflen. Ingrande bildete die alte Grenze von An: 
jow und Bretagne: das einzige Markzeichen befand in zwei 
Pfählen mit den Wappen der Herzogihümer, daneben hatte 
man einen ungehenern Stein aufgerichtet. Man kann ſich leicht 
die Reibungen vorftellen, die in jeden friedlichen Zeiten an den 
Grenzen, die gerade mitten in ber Stadt waren, flattfinden 
mußten. Gine Beranlaffung des Haders zwiſchen den Stadt⸗ 
bewohnern war ziemlicy Iuflig. Als die Derzogin Anna Koͤni⸗ 
gin von Frankreich warb, bemwilligte fie den Bretagnern das 
Recht des Franc- sale, die demzufolge für das Pfund Galz 
nur zwei Liards bezahlten, während das Wolf von Anjou es mit 
13— 14 Sous bezahlen mußte. Da bie Straßen fehr eng wa: 
zen, fo ward von den gegenüberftehenden Zenflern aus ein un: 
unterbrodhener Schleichhandel getrieben. Die minder glücklichen 
Nachbarn, die von diefer bequemen Lage keinen Nutzen ziehen 
Tonnten, übermachten bie Andern forgfältig und fanden Grund 
zum Streite darin, daß biefe fich zum Frühſtück in den Leckerbiſſen 
von Speck, Schinken und Salzhäringen gütlidh thaten. Wenn 
Thon dergleichen Streitigkeiten nicht mehr vorlommen und ſich 
Niemand mehr in bdiefer Art in des Nachbar Haushalt mengt, 
To ift die Stabt Ingrande doch noch jest getheilt, indem ein 
Theil zu dem Departement ber Nieberloire, der andere zu dem 
von Maine und Loire gehört. Es ift eine Hübfche Heine Stadt 
mit einer fehr alten Kirche und einer herrlichen Ausſicht ringe: 
um. Wir begegneten einem intereffanten Hochzeitszuge von zehn 
Paaren, alle voll Luft und Froͤhlichkeit, nett und fchmud ge: 
leider. Wir Hatten dieſes Lebensbild nicht Tange Hinter uns 
gelaffen, als wir von einer Anſicht überrafcht wurben, bie und 
mehr anzog ale Alles, was wir unterwegs von Burgruinen ges 
troffen hatten. Als wir bie daran ſich knüpfende Berhiäte 
hörten, fonnten wir nicht anbers ale ben Dochzeitsgäften Glück 
wünfden, daß der frühere fchrediiche Befiger nicht mehr von 
feinen Fenſtern aus nach bem Zuge unter feinen Thürmen Iugen 
und um die hübfche Braut werben Tonnte; denn wie hätten 
fie feinen Klauen entrinnen koͤnnen, der noch fdhlechter als Don 
Juan war, deffen Ruf vom Indus biß zum Pol fich verbreitet 
bat. Wer hat nicht in jeder Sprache und unter jeder Zone 
von dem Schreden erregenden Ramen bes Blaubarts gehört ? 
Diefer Blaubart lebte hier, nicht in der befannten Geſtalt von 
Fatime's tückiſchem Gemahle, ſondern unter franzoͤſiſchem Cha⸗ 
rakter, in feiner eigentlichen Wirklichkeit als Gilles de Meg, 
Here von Laval.“ 

Oberhalb Angers beginnen die Levées der Loire. Diefe 
Gegend zeigt eine merkwürdige Erſcheinung, die bei dem erſten 
Anblicke die größte Überrafhung gewährt. Diefe find die in 
Felſen gehauenen unterirbifcgen Wohnungen, deren mpfteriöfes 
und malerifched Anfehen anfangs an ein Wert ber Natur bens 
ken läßt; aber ihre Yäufiges Wiederkehren gewährt bald bie 
Überzeugung, daß fle von Menfdhenhänden det find; und 
da fie flundenlange Strecken fort zum Vorſcheine kommen, fo 
horen fie natärtih auf, Staunen zu erregen, behalten aber forts 
während den nämtichen Reiz; denn es kann nidgt leicht etwas 
KHomantifeheres und Geltfameres geben als biefe längs der Vor⸗ 
derfeite ber Felſen in jeder denkbaren Entfernung hinlaufenden 
Höhlen, die von alten Volksclaſſen bewohnt werben, vom MBetts 
ler, der nur ein Obdach ſucht, und vom Bauer, der fein lände 
liches Behaältniß nur kaͤrglich ausftattet, an, bis zum reichen 
Bürger, der ſich einen Sommeraufenthalt baut und feine wilde 
Wohnflätte auf alle mögliche Welfe, wie «6 ihm fein Geſchmack 
eingibt, ausftatter., 

Die berühmte Abtei von FJonterraud, Midyard’s I. Lbwen⸗ 


herz Grabſtaͤtte, ift in ber legten Beit m ein Gefängniß umge 
wandelt worden und nur bee Chor ber dient noch zu 
einer Kapelle. In diefer befinden fi) vier Statuen auf Hölzer: 
nen Grundlagen, etwa brei bie vier Ruß über den Boden erhaben, 
von denen man alsbald Heinrich 11. von England, feine Be 
mahlin @leonore und beren fampfiufligen Sohn, Stüchardb Li: 
wenherz erkennt. Neben Letzterm ſteht eine zarte weibliche Ge 
ftalt: ob es deſſen Gemahlin Berengera, oder feines Bruders, 
Johann's ohne Land, Witwe fein folle, Darüber finb die Alter: 
thumskundigen getbeilter Meinung. Keine dichteriſche Beſchrei⸗ 
bung kann ben @indrud der wirklichen Erſcheinung Richard's 
im Leben befler vor die Seele führen als biefes herrliche Bil. 
Ein unwiltürliches Zurchtgefühl befchleicht uns bei feinem An: 
blide, und feine gerunzelte Stirn ſcheint ſich noch mehr ne 

ei: 


‚ten, gleich als ftrafe er die Freiheit, die es ftch erlaubt, 


nem fo mächtigen Derrfdher fo weit zu nähern. Die Stirne 
ift eine der impofanteften, die man fehen kann: breit, offen, 
majeftätifh, von finftern, eng aneinander anfchließenden Augen: 
brauen begrenzt, ftreng, felbft ſtolz. Der obere Theil ber Rafe 
ift fein geformt, der übrige Theil Leider verſtuͤmmeit, ohne daf 
es jedoch die Geſichtsbildung entftellte. Die Augen find ge: 
fchloffen und feheinen von fchönem Schnitte, doch nicht fehr groß 
zu fein. Der Mund ift bildfhön, das Kinn unb 
zierlic) gerundet; ber Eurze gefräufelte Bart, das lange, flarfe 
Daar und der Schnurrbart fein; die ganze Gefliytebildung gut, 
aber ziemlich breit; der Hals fehr ſtark und did, die Broſt be: 
wundernswerth ſtark gebaut. Cine Hand ift noch vorhanden, 
die breit und Präftig und, wie das ganze Bild, arsgezeichnet 
gearbeitet if. Sein Gewand tft über. den Hüften von einem 
Gürtel umfcloffen; von einem Harnifch zeigt ſich Feine Spur; 
die Füße find etwas verflümmelt, fie flemmen fidy auf einen 
deutlich genug Heroortretenden Löwen. Gin Juwelenband um: 
fließt fein Haupt, das Daar ift gang dunkelbraun, bie gan 
Statue, nad dem Brauche ihrer und der frühern Zeit, gemalt. 

Seine gewichtige Keule liegt ihm zur Seite zum Zeichen feiner 

Gewalt und Staͤrke. Das nahe Chinon ft fein, wie feine 

Vaters Sterbeort. 80. 


Literariſche Notizen. 


In zwei Bänden erſchien von H. Arnaud (Mde. Charlet 
Reybaud) „Georges, auivi de Fabiana““. Beide Novellen fin 
gut geſchrieben, anmuthig erzählt und defonders die erftere 
wahrhaft intereſſant. Da iſt nichts von den jegt gewöhnlicher 
Fehlern, nichts Forcirtes, nichts Übertriebenes; Seidenſchaften 
und Gefühle treten in einer durchaus natärliden Weüe anf. 
Die Ereigniſſe find dem gewöhnlichen Leben entichne. Rur die 
esceptionellen Perfonen, welche Moe. Reybaud ſchudert, erin 
neen an die neuere Schule, aber fie mißbraucht diefeiben nik 
u jener unartigen und traurigen Manier, womit ihre ſchrifi⸗ 

ellernden Genofien alle Gchiätichkeiten mit Käßen zu zretm 
lieben. Indeß find ihre jüngfien Romane ihren älters an 3e 
halt und forgfältiger Ausarbeitung nicht gleich, man dumm 
nur bebauern, daß fie den Meg, dem fie in iheen „„Aventures 
d'un rensdyat‘’ einſchlug, nicht mehr mit gleicher Wärme vers 
folgt, daß fie ih, wie sin { Kritller jagt, im bie 
betvetenen unb wieder betretenen Yußfkeige ber Peuilieton - Lite: 
ratur geworfen bat. 


A. Boutriche, der ſich Profeſſor ber ſchoͤnen Miffenfchaften 
und ber Geſchichte mennt, zugleich Autne eines chranologiſchen 
und ſynchroniftiſchen Atlas der allgemeinen Geſchichte, gab her⸗ 
aus:- „Tabiveau comperatif et histerique des religisas an- 
ciennes et modernes, des prinoipales necies zellgwases et 
3 38 —— phiguee.” —— ſoll den * Ein; 

Ehriſtenthums unb zug ie Grundung chriftli⸗ 
u Grfelfhaft auf den Teammem des Heidenthums no 
Weich. . 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinsih Broddaud — Drud und Belag von F. X. Broßhans in Lkeipaig. 
— — — — — — — — 





—— — — ———n nu . 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Bericht über eine Poeten:Genturie aus dem Jahre 1839. 


Dritter und legter Artikel, 
(Beſchluß aus Nr. 360.) 
94. Didtungen von 3. M. Hutterus. Wöünfter, Deiters. 
1888, Gr. 12 12 ®r. 

„D zürnt dem Dichter nicht”‘, ruft der Sänger aus, „wenn 
er vom Leben bie Blicke wendet einmal, daß ibn bes Herzens 
flille Welt begläde!'’ Und wer könnte das, da er und ein 
freundlicher Führer durch des Herzens Welt wird? Schon das 
erfte Lied: „Das ewige Licht‘, nimmt für ihn ein. „Nacht⸗ 
wache“ (S. 9) ift ein Heines, aber anfprechendes Rachtſtück, 
das uns an das Sterbe- und Zodtenbett eines Freundes vers 
feet. Wie traut und heimifch weiß er uns (S. 14) ‚Die 
Hütte“ zu machen, in beren kühlenden Schatten wir einft Alle 
eingeben; wie gern begleiten wir ihn „Auf ber Wanderung”, 
wo er eine Menge Frescobildchen malt, unter denen freilid 
auch bebeutungsiofe find. „Stimmen der Nacht“ (&. 60) klin⸗ 
gen recht anmuthig buch die Stille und zeugen von großer 
Phantaſiebeweglichkeit. „Franz von Chila“ iſt ein tragiſcher 
Act, nach einer alten Sage bearbeitet, wo freilich das Lyriſche 
vorherrſcht. Unter dem Titel „Skizzen“ werben uns Bilder 
und Beſchreibungen in ungebundener Rede geboten, die von 
ſcharfer Beobachtung und Auffaſſung des wirklichen Lebens ein 
ehrenvolles Zeugniß geben und bei denen gleichwol das Ideal 
durch den Schleier eines leichten Humors ſchimmert. Überhaupt 
geben Buͤchlein wie gegenwärtiges Zeugniß und Kunde von 
ber Univerſalitäaͤt deutſcher Geſangesluſt und Bildung überhaupt, 
und fo leichter eine einzelne anmuthige Erſcheinung in der gro: 
Sen Mafle verfehwimn:t, um fo mehr follte eine partellofe und 
vorurtheilöfreie Kritik ſolche Erfcheinungen herausheben. 

95. Dichtungen von Hermann Kurs. Pforzheim, Dennig, 
int u. Comp. 1839, 8. 1 hir. 6 Er. 

Da das aͤußerlich und innerlih wohl ausgeftattete Buch 
wenig Berſifieirtes enthält, fondern der Novellenpoefie angehört, 
fo können wir es nicht vor unfer Forum ziehen und bemerken 
blos, daß ber geiſtreiche Verf. den Shakſpeare ebenfo gut fu: 
dire. bat wie feinen Tieck, dabei aber jede Kette, bie ihn an 
Jeme binden: lönnte, durch feine Energie leicht von ben Händen 


abgefireift hat. 
96. Gedichte von Morit Fränkel und Mar Ring. Leip⸗ 
zig, Hartknoch. 1839. Gr. 12, 1 She 

Die Kameradfchaft, die fich bier dem Yublicum producirt, 
ift keine pierifche, fondern eine fionitifche, die Blumen, bie fie 
zieht, find nicht Indiens Lotosblüten oder die Zamarinden aus 
Hellas, fondern Sarons Nofen und Libanons Gedern, nicht des 
antiten Homeros oder bes modernen Ziel und Hegel Zöglinge, 
fondern Erzeugte aus dem Stamme Levi's, die aber die Kri: 
sit, wenn fie fonft freifinnig und vorurtheilsfrei it, aus dem 
Fluch, der auf dieſem unglüdlichen, heimatlofen Wolle ruht, 
emaneipiren muß; denn Beiden wohnt der Rationaliharffinn 
und die Regſamkeit einer orientalifchen Phantafie bei, die blos 
bei Hrn. Fraͤnkel im dritten helle der „Apokryphen“ buch 


Mittwodh, — Sr. 351. — 





Heine irre geleitet wird. Unter dem Gefammttitel „Bibel“ 
ftellt Hr. Fraͤnkel eine Bildergalerie von bibliſchen, heiligen, 
väterlichen Notabilitäten auf, die fämmtlidy ein echt orlentau⸗ 
ſches Coſtum tragen und befunden, der Maler nehme den Pin: 
JRR nicht ald Neuling und Anfänger zur Hand. Wie gut nimmt 
fi) des großen Befengebers Geftalt mit den Tafeln am Fuße 
des Sinai aus! Wie erbaben klingt Debora’s Siegsgeſang! 
Wie rührend ertönt der Adfchled vom Leben aus dem unbe 
von Jephtha's Töchterlein! Wie anſchaulich ift Simfon mit 
Delila vorgeftelt! Daß Samuel kürzer abgefertigt wird, thut 
der Sänger unbezweifelt in Kolge eines richtigen &efühls, nach: 
bem ber Mann als ein recht tüdifcher Pfaff erfcheint; ganz 
Recht, daß Saul, David, Jonathan und Bolemo con amore 
gemalt werden. Die Propheten Elias und Ieremias tragen 
Beide ihre orientalifches Kleid. Judith's Stimme erfchallt wie 
eine aus den Wollen fallende. Die Maccabäer, obwol unvols 
Iendet, folgen und Jeſaias macht einen nicht unwürbigen Be: 
ſchluß. um unfer Urtheil zu belegen, laſſen wiz bier „Der 
Segen“ (des Mofes) abdruden (©. 15): 
Bernehmet, Himmel, mertet auf, ihr Tiefen 
Ein Lob des Ew'gen will mein Lied erklingen, 
Wie Thau der Wolken meine Rede triefen, 
Die Regen, die ein durſtig Land durchdringen. 
Er if ber Eckſtein, der des Weltalls Saͤulen, 
Geſtirne trägt und Himmel ausgebreitet, 
Dur graufe Oden, wo Hyaͤnen heulen, 
In Fruchtgefilde Bid’ und Ströme leitet. 
Im Grund ded Meere, in der Ströme Nofen, 
In Hungerwuͤſten führeft du die Seugen 
Der Allmacht, fiehſt fie in den duft'gen ofen, 
Die fi vor deiner Hüt:’ im Winde neigen. 
Bernimm denn, Israel: den Nichts ergründet, 
Der einzig Ewige, der ewig Eine, 
Dep Hand dich Iodgelauft und fidy verbuͤndet, 
Dat. dich gefalbt zur heiligen Gemeine. 
Dein Erb’ if Tieblich, wie des Bräuttgams Kaum, 
Wirk fider wohnen in ben feſten Stäbten, 
Gott if dein Zeld, der Derr ein ehrner Hammer, 
Der beine Feinde wird zu Boben treten. 
Wie Sand am Meer ſoll fi bein Same mehren, 
Sn fpäten Beiten noch bein Nam’ erſchallen, 
Mit deiner Breundfhaft Könige fi ehren, 
Sürftinnen finden an dir Wohlgefallen, 
Bei Ruben fei kein Dürftiger zu finden, 
Wer wird die Menge feiner ‚Deerben zählen? 
Ein Löw’ ift Jude in ber Thaͤler Bründen, 
Ein Schild if Levi’d Wort, fein Blick Befehlen, 
Es reifen gold’ne Fruͤcht' in Joſeph's Bauen, 
Die Frucht der Tief’ und Höh'n an ſchweren Zweigen; 
Wie upp’ge Reben wird er lachend ſchauen 
Und über feiner Mauern Haupt fid) neigen, 


x 


m 








uula — 


Aud Aller Wurzeln treiben faft’ge Sproſſen, 

Die Schut und Labung Euch und Fremden ſpenden. 
Der Glanz des Ew'gen iſt auf Euch ergoſſen, 

Und euch und mich befehl' ih feinen Haͤnden. 


"Ra ihm tritt unter dem, Titel „Apokryphen“ Hr. M. 
King auf. Unter Apokryphen verftehen bie Juden biejenigen 
Bücher der heiligen Schrift, die nicht gleichen Werth und gleiche 
Rechte mit des Thora haben, weil ihre Verfaſſer der Inſpira⸗ 
tion Jehovah's entbehrten, und die, da fie urfpränglich nicht 
in hebraͤiſcher, fondern in griechiſcher Sprache gefchrieben find, 
auch in den Synagogen nicht vordelefen werden. Wahrfcheins 
Lich follen aber die hier gegebenen „Apokryphen‘’ fo viel als Pros 
fangebichte heißen, im Gegenfaß ber erften aus ber heiligen @es 
fcpichte des Wolle. ,, Des Jahrhunderts Liederfülle“ (&. 100) 
charakteriſirt und preifet unfer Jahrhundert hinſichtlich der poe⸗ 
tiſchen Probuetionskraft und feinen Freiheitsſinn. Grgreifend 
if die Klage in: „Der Judenkirchhof“ (S. 116), wo eine 
Strophe lautet: 

Den Arm geftlügt auf meinen Knieen, 
Schau’ ih dann zu dem Himmel auf, 
In ungetrübtem Lichte wandeln 
Die Sterne ihren ew’gen Lauf, 
Doch du mein Voll, du bift erloſchen, 
Dein Beil’ger Glanz warb nachtumhuͤllt, 
As Gott von dir fein Antlig wandte, 
Warſt du mit Sram und Schmach erfüllt. 


Mit vollen Baden und wirklich lächerlicher Übertreibung heißt 
es (©. 185) von Börne: 

Boͤrne todt! — Gin Riefendentmal ſchuldet ihm die ginze Welt, 
Eine @äule, die gertrümmert, wenn der Erbball morfh zerfällt. 
Was Nationen Hoch und theuer, bringe jeded Bolt ihm bar, 
Und fein Heiner Dügel werde einer Welt zum Hochaltar! 
kege, Schweiz, auf feine Buhre, deined Tell's geprief'inen Pfeil, 
Deine Gharte, ftolzed England; goͤnne aller Welt dad Heil! 
Willſt du auch bed Freiheitshimmels, wie des Meerd Gebieter 

fin? — 
Gottes Sonne ſtrahlt für Alle; freie Griechen ſchließt den Reih'n. 
Dier flieht eure Bundedlade, reidt, Nationen, euch bie Dand, 
Schwoͤrt, und euer Schwur entzunde gottgefäll’gen Opferbrand. 
Ewig wird bied Denkmal fiehen, Ew'ges legten voir zu Grund, 
Börae’d Deaufoleum heiße: Freier Völker freier Bund! 


Unter den Romanzen und Balladen find einige recht büfter ge⸗ 
halten; doch erinnern die „Räuber“ (S. 147) ſehr an Deine, 
was noch mehr, wie fchon gefagt, im dritten Theile der von 
Fraͤnkel abgefaßten „Apokryphen“ der Fall iſt. ,„‚Morgenlich‘ 
(&. 206) zeichnet ſich bier durch feine Krifhe aus. Den Be: 
ſchluß macht eine Ränie auf Sand’ Tod. 


97. Bunte Blätter von Wilhelm Wagner. 
Songbaus. 1839. Sr. 12. 1 Thlr. 


Der Prolog, der vor nutzloſer Sehnſucht nad dem Ent: 
ſchwundenen warnt und bas zagende Gemüth zu Eräftigen und zu 
eemuntern firebt, fleht in lofem, wo nicht in gar keinem Zus 
fammenhange mit den folgenden Blättern, bie mit Recht infos 
fern bunte genannt werben koͤnnen, als fie moralifch= äfthes 
tiſche Auffäge in ungebundbener Rede mit Gedichten abmechfeln 
laſſen. Lestere find, mit wenigen Ausnahmen, Neflerionspoes 
fin, wie denn das Gebiet ber Reflerion unb Speculation übers 
haupt bie Geiſtesdomaine bes Verf. zu fein fcheint. Einige 
Male bat ex Sean Paul in ein rhythmifches Gewand gehüllt 


Darmftadt, 


und wir wundern uns, daß dies nicht ſchon öfter von Andern- 


efcheben, da es eine leichte Sache ift und Jean Paul felbft 
rgendwo fagt, es fei ihm oft beim Schaffen, als müffe er fi 
ins Metrum flürzen, zu gefchweigen der Stredverfe in den 
„Flegeljahren““. ‚Die Lampe des Gefangenen“ möchte Leicht das 
Befte unter den Gaben in gebundener Rebe fein. Außerdem 
oibt der Verf. unter dem Titel „MQuodlibet“ philoſophiſche 
Aphorismen, bie fi gut leſen laſſen und wie alles bier Ge⸗ 


- x 


botene einen gefunden Werftand, ein feharfes, beobadhtenbes A 
und eine gebildete Sprache —æ beobeqh * 


98. Gedichtetes von Theodor Martin David Stockiſ«. 
Helmſtedt, Fleckeiſen. 1889. Gr. 12. 10 Gr. 
Heißt wirklich fe, iſt aber keiner, 
Nicht trocken, nicht dumm, von Geſchmack auch feiner, 
Bleibt, wie er hofft, noch lange friſch, 
Paßt aber nit auf jeden Tiſch — 


fo lauten bie Worte auf dem Zitel, dicht unter dem Ramen. 
&o werden wir fogleih in bas Gebiet bes Humors geführt. 
Run ift es eine ſchoͤne Sache um das veritatem dicere ridendo 
unb ben grazidfen Scherz; wenn aber der Humor in einem fo 
ſchmuzigen Gewande auftritt, daß er nur Gel und Indigna⸗ 
tion erregt, wie hier, dann ift es ſchlimm, fehr ſchlimm. Gleich⸗ 
wol träumt dieſer Stockfiſch von einer geiftigen Verwandtſchaft 
mit Goethe, bebicirt fein Buch, von dem wir uns wundern, 
wie es das Imprimatur erlangt, ben Manen jenes Dichter⸗ 
fürften und fagt, es Plinge bier dem Meifter mandjes nach 
und von mandiem Wort und Klang wiſſe er nicht, ob es nit 
von Jenem in ihn gedrungen fei. Gut, daß Goethe kobt if; 
mit weldem Scham: und Zornroth würde er auf ben Gtods 
fiih bliden, defien Scherz an das Botenreißen anſtreift. Fu= 
befien ergibt fi aus einer Unterredung (&. 1), de ex mit der 
eigenen Gedichten hält und die ihn am Ärmel zupfen, da er 
fie in die Welt fenden will (fie geben ihm unter andern Din: 
gen auch den Rath, „feinen geiftig=falz’gen Schweinebrei allein 
zu frefien‘‘), daß er ohne Scham und Scheu umd ungefänbert 
fie ausftelle, und fo führt er uns in ‚langweilig i 
Hexametern“ ein ‚„‚Röschen in neun Jahren‘ vor, in weldem 
Zeitraume er ihr Liebesabenteuer erzählt, unb wie es gugegan- 
gen, daß fie am Ende eine alte Iungfer geblieben. Goldyxs 
Röschen kann ſchon das Blut eines rüfligen Ladendieners in 
Wallung bringen unb felbft einem alten Herrn lüflern made. 
Die zweite Abtheilung hat bie Weifung an der Spige: „As 
Leben, Ratur, oder ſonſtwo genommen; was brin noch zid 
ift, Tann noch drein kommen.” Aus weldgem Leben und nk 
her Ratur das bier Gegebene genommen fei, ergibt fich «x 
einer Befchreibung, mo er fagt, wie ber Tag bes Derrn fo ct 
entweiht werde, und wo die Stelle vorlommt (&. 85): 
. Fuͤllt fih Wald und Nafenfig, 

Und die Maͤuler fpuden, 

Saufgeftant und Schweinewitz, 

Klaffend muß der Weiberfälis 

Danb und Arm verfäluden. 


In „Die Facultäten“ (S. 87) Läuft zwar mancher gute Gr. 
mit ein, wenn aber ber Pofitiotheologe (&. 92) ausruft: 
Das Pofitiv' ift befted Element 

Fuͤr's bürgerliche Leben, denn ed werben 

Gemein' und edle, Elein’ und große Deerben 

Bon Schmuz und Unflath rein darin geſchwemmt: 

Die Ochfen hat ber Richter, — Schafe ber Paſtor. — 

Die Schweine nimmt bie Policei glei felber vor — 


fo wendet man ſich mit Ekel von diefem Schmuz und Unflath. 
Dergleichen findet fi auch in den „Jahreszeiten (8. 97), 
wo es vom Frühling Heißt: 
Die Eenzluft kann der Künfte viel: 
Loͤſcht durſt'ge Dichterzungen, 
Traͤgt füchelnd Der’ und Beſenſtiel 
Und bringt den Mädchen Jungen. 


Der Sommer if ber Accoucheur: 
Duft Alten aus den Schößen, 
Dat wenig Nachtruh, Schweiß viel mehr, 
Und fieht auch viele Bloͤßen. 

Es gukt der Herbſt durchs Schluͤſſelloch, 
Kommt eben von der Reiſe, 
Hat Schweiß auf ſeiner Glatze noch, 
Und Schnee ſchon an dem Steiße. 


1118 


Der Binter muß, den Sonncaball 
Bu werfen, Kräfte brauchen, 
Gr macht das Meer zum feiten Wall, 
Daß er nicht tief kann tauchen. 


Bon einer „Aride“ (8. 102) mit ihren heedenen Lenden, Hüf- 
ten und Brüften, ſowie von einer alternden Schönen, zu ber 
ein Er (8. 103) fagt: „Deine Ringgebirge find auch ſchon 
enttheont”‘; und von Denen, die (S. 107) , die Dinterbaden 
fchlagen, um e6 den Leuten für Muſik aufzupaden‘‘, dürfen 
wir bier nicht en detail reden. Noch ſchmuziger erfcheint „Der 
Philoſoph Hartbauch“, der fein heimliches und fein Studirge- 
mad an einer Wand Hat: 

Das Hoͤchſte, was er bat, fein geiftiged Beſteck, 

Beim Tiefſten, was es gibt, bei feinem eignen Died. 


Noch indecenter find die Verſe, die diefen folgen. Die dritte 
Abtheilung hat das Motto: „Meiſt artige fanfte Weilen, kann 
Mutter und Tochter leſen“; wir rathen aber, auch diefe Verſe 
keiner Wutter oder Tochter Iefen zu laſſen. In ber letzten 
Abtheilung erreicht das unfläthige das Nun plus ultra und 
wir belegen dies mit einem delikaten Biſſel Wis, welches 
©. 163 zu lefen ſteht: „Als die Frau an meinem Tiſche, einen 
Schmuzfleck fi ausmadend, einen Zintenfled bekam“. 
Ein Beiböbild am Gelchrtentifch 

Daft wie zum Schwert ein Flederwiſch, 

Zum Putztiſch aber ein Schreibetifh 

Paßt wie ein Igel zum Afterwiſch. 

Was ih in Ihrer Stelle geantwortet hätte. 
Wenn ber Stodfifh wird zum Tintenfiſch, 

So paßt er auf keinen guten Tiſch; 

Vielleicht zum Igelafterwiſch! 
Die Relation über ſolch ein Buch iſt zu vergleichen dem Aus⸗ 
miften des Augiasftalls. 
99, Dichtungen 

Hoff. 1859. &r. 12. 20 Er. 

Gin Sammelfurium, beftehend aus einer mit Verfen durchs 
webten Erzählung: „Don Juan“, deſſen wüflen Sinn der Verf. 
durch das Medium moderner Zeitideen läutert; aus einem Cy⸗ 
Uus von Gedichten, betitelt: „Sohn der Zeit‘, der häufig in 
einen falfchen Pathos rebet und beshalb langweilt; aus einer 
dramatifchen Scene von Siegmund Geißler, gezogen aus ber 
Chroni? der Tagesliteratur, betitelt: „Der ſchwaͤbiſche Apoll“, 
wo bie Geißel der Satire mitunter recht Träftig gefhwungen 
wird, und aus einer langweiligen Verfelei: „Des Phönir 
Scheiterhaufen“. 

100. Lichter und Schatten. Gedichte von Otto Freiherrn von 
Grothuß. Berlin, Ende. 1836. 8. 1 Thlr. 

Schatten genug, aber wenig Lichter für Geiſt und Derz 

find in dieſer Bagatellenpoefie zu finden. 80. 





Stehende Figuren in der engliſchen Tagesliteratur. 


Zur Tagesliteratur laſſen ſich wol auch alltägliche Rovellen 
zählen. Wer da nun dergleichen im Engliſchen oder aus dem 
Engliſchen mit einiger Bedachtſamkeit gelefen hat, dem kann 
es kaum entgangen fein, daß ziemlich regelmäßig jede Rovelle 
zwei ober drei Perfonen von außerordentlich ſchmuzigem und 
ebenfo viele von faft fleddenreinem Charakter enthält, fowie daß 
wunderbarer Welfe Tugenden und Laſter mit gewiſſen perfön- 
lichen Eigenheiten, gewiſſen flaatsbürgerlihen Stellungen, ia 
fogar mit gewiffen Verwandtſchaftsgraden brüderlich und ſchwe⸗ 
fterih Band in Hand gehen. Die junge Dame und der 
junge Herr, die am beften ausfehen, find zweifelsohne Muſter 
von Bäte — etwas langweilig vielleicht, aber gewiß „ſehr 
gut”. Ihnen gegenüber ſteht ein häßlicher Burſche — wahrs 
fcheintih Hat er rothes Saar und einen Höder —, der führt 
gegen Jemand Boͤſes im Gilde, aber auf die eine ober bie 
andere Weife wird er angeführt. Fügt es fi, daß er ber 


von Theobor Creizenach. Manheim, 


Oheim jenes Jemand it fo Hat er ein boppelt fi es Herz! 
Die Bäter find meiſt raub und grob, die An ende 
dumm ober inteiguant, b. h. wenn fie in die Bierzig und dar⸗ 


über; denn find fie jung, find fit bie Lieblichften Gefchöpfe von 
ber Welt, wahre Engel mütterlicher Zärtlichkeit. Pfaffen find 


ftets verfchmigt und heimtückiſch, es wäre denn, daß fie filberne 
Loden haben, dann find fie bisweilen fehr liebenswürdig, offen 
und voll Sanftmuth. Kommt ein deutfcher Baron vor, fo liegt 
feine Burg auf einer elfenfpige oder mitten im Walde, und 
er iſt ein Wüthrich, ein Ungeheuer. Aber ein junger, englifcyer 
Edelmann, der auf die Jagd reitet, ift meift ein ganz erträgs . 
licher Menſch. Gibt es in der Kamilie Jemand, der von ber 
Gnabe lebt, vielleicht eine vater= und mutterlofe Waiſe, unb 
diefe weiblichen Geſchlechts, fie muß ein reizendes, herrliches 
Gerhöpf fein. Zu vermuthen ſteht, daß ber einzige Sohn ſich 
in fie verliebt und fie dann von allen Seiten verfolgt wird, 
ausgenommen von einem alten Bedienten oder einer alten Haus⸗ 
hälterin. Am Schluffe triumphirt fie. Alles dies iſt um fo 
feitfamer, weil man nicht juft viel in der Welt gelebt zu haben 
braudt, um zu wiſſen, daß innere Güte, wie innere Schlech⸗ 
tigkeit nicht beflimmten Perfonen, beflimmten Ämtern und ber 
ſtimmten Verwandten ausfcdhließend anhängen. Das Wunders 
bare erklärt fi aber dadurch, daß jene Perfonen dichteriſche 
Fictionen, flehende Figuren der Novellenliteratur find. 

Demnädft ift es merkwürdig, wie die Zagesliteratur im⸗ 
mer irgend ein Öffentliches Übel aufzufinden weiß, das allgemeis 
ne Sympathie verdiene und über welches nicht oft, nicht Laut, 
nicht flark genug gefprochen werden koͤnne, d. h. eine Zeit lang, 
denn nad Ablauf diefer Zeit wird nicht die geringfte Notiz weis 
ter davon genommen, gleich als fei das Ülbel von felbft vers 
fhwunden, oder aus dem Grunde geheilt worben, während 
doch weder das Eine noch das Andere ber Fall if. So plagen 
ſich feit einigen Jahren viele fcharffinnige Männer in England 
mit dem Zuſtande der Armen in den dortigen Arbeitöhäufern. 
Sie haben bie fire Idee, daß jener Zuftand der unglädtichfte 
auf Erben fei, obwol, wenn fie fich die Mühe geben wollten, 
ein foldyes Arbeitshaus zu befuchen, fie die Inſaſſen in phyſiſcher 
Beziehung beffer verforgt finden würden, als Hunberttaufende 
ihrer Mitbürger fich felbft verforgen können. An Armenhäufern 
fehlt e8 in England nirgend und in jedem kann man fich herum⸗ 
führen laſſen. Statt aber das zu thun und dadurch ihrer 
firen Idee unter die Augen zu treten, jammern und fchreien 
jene Herren Woche für Woche und Tag für Tag über das uns 
erträgliche Schidfal der „‚eingepferchten‘” Armen und erſchoͤpfen 
fi in Bitterkeiten gegen Diejenigen ,. die alles Mögliche kun, 
die Armen mit ihrem Schickſale zu verfühnen. 
gebt ein Glaube, daß ein Arbeitshaus eine grauenhafte Anſtalt 
und jeder Armenverwefer ein Unmenfh fe. Das gilt beim 
Volke für ebenfo gewiß, ale daß jeder deutfche, auf feiner Wald-. 
burg haufende Baron ein Wüthrih if. Diefen Blauben vers 
wenden jene Derren zu ihren Declamationen in Wort unb. 
Schrift. Rach allen Richtungen hin wird er befprochen, nur 
nie na der Richtung, wo die Wahrheit liegt. Jett reden 
fie von den flöhnenden Eeiben verhungerter, verfümmerter Kinds 
beit, dann von dem thränenlofen Kummer des verfrüppelten 
Alters. Die Iünglinge und Mädchen find alle unſchuldig und 
intereffant, die Brauen und Männer haben insgefammt beffere 
Zage gefehen und jede Tugend geübt. Die Schilderung treibt 
den Leſern das Wafler in bie Augen und männtglid wundert 
ſich, role dergleichen geduldet werben könne. Da liegt ber Haſe 
im Pfeffer. Es wäre wunderbar, wenn dergleichen in einem 
eioflifirten Lande geduldet würde. Aber was nicht eriftirt, bes 
darf keiner Ausmerzung. Jene Leiden und Kümmernifie find 
dichterifche Fietionen, ftebende Figuren ber Tagesliteratur. 

Sin dritter Gegenſtand, deſſen gewöhnliche Darftellung mit 
der Wahrheit in Zwiefpalt liegt, find die Fabrikarbeiter. Wer 
in Mancheſter bie erfte befte Baummollenfpinnerei befucht, fihdet 
eine Menge Menſchen beiderlei Geſchlechts, reinlich angezogen, 
bei Arbeiten, leicht genug, um Spaß zu fein, in Bimmern 


Im Yublicum.. ° 





Mi 


oder Saͤlen, die ſriſche Euft und mäßige Maͤrme habın, und 
im Allgemeinen nicht länger befchäftigt, als der Geſundheit zur 
trägli. Er ficht Kinder, die ihre armen Altern unterflügen, 
Märchen, fo nett und hübſch wie die woplhabendfien Land⸗ 
mädchen, kann ſich fagen laſſen, daß fie Legtexen auch an Mo⸗ 
zalität nicht nachſtehen, wird an dem Ganzen fchon um ber 
hersfäpenben DOrbnung willen Gefallen finden und weiß vielleicht 
ereits aus flatiflifchen Tabellen, daß die Zahl der Verbrechen 
in den Manufacturdiſtricten geringer iſt als in ben aderbauen> 
den. Run nimmt er bie Tagesliteratur zur Hand, Wie ganz 
anders die Sache fih. da ausnimmt! Zunörberft find die juns 
gen Arbeiter insgefammt verbuttet, die Kinder nicht halb fo 
groß, wie Kinder diefes Alters fein follen. Er muß fi) alfe 
geirrt haben, denn die Kinder, die er gefchen, waren genau 
fo groß, wie Kinder ihres Alters zu fein pflegen, und Jemand, 
der fie gewogen, hat fie auch mit andern Kindern von, gleichem 
Gewichte arfunden. In den Arbeitsfälen vergeht Feine Minute, 
ohne daß ein Mädchen vor Hunger und Anftsengung ohnmäd: 
tig wird, und wenn bie Tilhftunde fhlägt, ſchleppen ſich bie 
Arbeiter, jung und alt, mäbhfelig fort. Gr muß fi ein zwei: 
tes und drittes Mal geirrt haben, denn zu Ohnmachten ſchienen 
ibm die Mädchen nicht geneigt, und als die Eßſtunde flug, 
meinte er ein luſtigeres Getümmel, cin heitereres Völkchen nie 
gefehen zu haben. Er lieſt weiter, und felfam, wenn ein 
Kind in der Spinnerei antritt, geſchieht es ohne Ausnahme an eis 
nem gang ungewöhnlich Falten, firftern, regneriſchen Morgen 
im November oder Sanuar. Der Wind heult, Regen und 
Schnee peiticht gegen die Fenſter. „Das Kind ſteht auf von 
feinem warmen Bettchen und mit kaum bedediter Bloͤße geht 
es zitternd und bebend die Treppe hinab in die Straße. Ar: 
mes Kind! Das Blut gefriert ihm unter den Rägeln; feine 
Schuhe können nicht mehr geflidt werden; Waſſer und Schnee 
dringen durch zwölf Köcher; feine Züße haben Zroftbeulen, es 
hinkt und wimmert und ſchluchzt. Der Vater, der in derſel⸗ 
ben Fabrik arbeiter, überholt das Kind, nimmt e6 auf den 
Rüden und murmelt einen entfeglichen Fluch. Diefes Kind ift 
ein neunjähriges Mädchen, das zur kleinen Hälfte bürftig be: 
Heidet an einem traurigen Sanuarmorgen durch Kälte und 
Finſterniß fortgefchleppt wird zur — Arbeit.‘ So fchildern die 
Times“ wörtlich, den erflen Gang eines Kindes in eine Baum: 
wollenfpinnerei. Laſſe ſich dadurch Niemand irren; der fo ge: 
fchilderte Vorwurf ift eine dichterifche Fiction, eine ftehende 
Zigur der Tagesliteratur, an dem Ganzen ebenſo viel wahr, 
als daß die Novellenglänbiger durchweg ein hartherziges Ge: 
f lecht, die Roellenfhulbner würdige, aber unglückliche Men; 
fen" find. Jeder Fabrikherr muß ein SPlaventreiber, jeder 
Arbeiter ein Sklav, jener ein Geldſchinder, diefer ein Hunger⸗ 
leider fein, während in ber That beide Iheile einander um den 
Marktpreis dienen, der Arbeiter fo frei wie fein Herr, fo eigen: 
zügig wie diefer, und dieſer, flatt gleichgültig zu fein gegen 
das phyfiſche Wohl feiner Arbeiter, ſchon um feines Vortheils 
willen darauf finnt, die Arbeit der Geſundheit angemeflen und 
Die fotche verrichten, zu fittlih guten Menſchen zu machen. 
Das kümmert aber jene Schreiber nicht. Sie fchreiben im Be: 
Thmade der Zagesliteratur, denn ihr Zweck ift nicht die Wahr; 
beit, fondern das Honorar, unb ihre meiften Lefer lefen fie 
beim Frühſtück oder des Abends und wiffen nichts von Fabriken. 
Aber amufanı müßte es fein, einen birminghamer Arbeiter zu 
beobachten, dem bei Rindsbraten und eines Schüffel junger 
Schoten aus einem Buche oder Tageblatte vorgelsfen würde, 
daß er ein armer, verhungerter, verbutteter Wicht fei, der. von 
früh bis fpät Feine Erholung Eenne; oder ein derbes Mädchen 
in Dundee, das von feinen neun Schillingen wöchentlich ſich 
gut beköftiget, gut Bleidet und einen Sparpfennig zurüdlegt, 
wenn ihm Schwarz auf Weiß gezeigt würde, daß es ein verhuns 
gertis, zerlumptes, zur Gchande gezwungenes Geſchoͤpf fei. 


Das find, wie gefagt, dichterifche Kickionen , flehende Kiguxen 
der Tagesliteratur. 


Berantwortlicher Derausgeber: Heinrib Broddaus. — Drud und Verlag von 3. A. Brodkbaus in Leirzig. 


Es gibt noch andere beugleidhen,, bie. erſt feit kurzem Sd 
geltend machen und eingeführt worden find von Wlännern, ve: 
ren Ideen im Allgemeinen ein philoſophiſches Gepräne tragen 
und die offenbar Butes beabfichtigen, Sie erklaͤren den Da: 
deiögeift für einen Inbegriff aller Gelbfifucht und finden in im 
den Duell der Übel, welshe gegenwärtig England befümmırı.. 
Ihrer Werfiherung zufolge iſt der jegige Handel all struggı 
and scramble; die alten gefelligen Banbe bes Worthaltens fin 
zerrifien, eine allgemeine Unruhe beherrſcht die hanbeltrribente 
Tlaſſe, die eiferne Nothwendigkeit flößt fie vorwärts, die Sucht 
des Vornehmthuns kneipt fie in bie Ohren unb die Wiehrzahl 
lebt über ihre Kräfte, gibt mehr aus, . ale fie einnimmt. Daran 
iſt Manches wahr, das Meifte unwahr. Ohne Rückſicht auf 
perfönlihen Gewinn gibt ed Leinen Handelsgeiſt. Aber gerate 
die Dandeltreibenden in England find die Wohlthätigſten, for- 
gen für ſich und vergefien nicht Andere. Demnächſt if es un 
beftzeitbare Thatſache, daß in geiftiger Beziehung der Haudel 
eher günflig als ungünflig wirkt. Wo der Danbel blüht, ba 
bühen Künfte und Wifimfchaften und findet der Ärmfte fein 
Seückchen Brot; „an ber Straße, die ber Handel zieht, biö- 
ben die Künfte alle, die das Leben ſchmücken; und wo ber 
Reiche ſchwelgt, braucht auch ber Arme nicht zu barben”. We 
der Handel all struggle and seramble ifl, muß er, wenn nicht 
auf feiner Höhe, doch bereits auf einem hohen Yamite ſtehen, 
und je größer der MBetteifer, deſto größer das Vertrauen und die 
Verträglichkeit. Nur Krämer dürfen mistrauifh und konnen 
neidifch fein. Die Unruhe ift bei Jedem, ber Urſache bat, „für 
morgen zu forgen”, eine unabmweisbare Folge der Unſicherheit 
der Zukunft, bat aber das Gute, daß fie ein raftfofer Spora 
zur Thätigkeit iſt. Die eiferne Nothwendigkeit mag immer 
vorwärts ſtoßen. Wo Nichte vorwärts gebt, gebt Alles rüd- 
wärts, und ſtehende Waſſer werden faul und ſtinken. 
Bewegung und dem Streben nad Vorwärts dankt Gnalaal 
zum beften Theile feine Bröße, feinen Ruhm, feine üüberleger- 
heit. Und was das allgemeine Mebrausgeben als Einnchva 
anbetrifft, fo fleht es damit wie mit dem Regen: es Tann ix 
lich nicht mehr Regen niederfallen, als Waflerbünfte in x 
Luft find. Das wären demnach gleichfalls, obwol gut gemeieu, 
00 dteriſche Fietionen, ſtehende Figuren ber neueſten Taget 
iteratur. 

Und wie lange ſolcher Zwieſpalt dauern wird zwilde 
Wirktichkeit und Darſtelung? Ich meine unmaßgeblich & fanst, 
ale es leichter bleibt, zu fchreiben als zu forſchen, Leichter je 
Magen als zu Helfen, Leichter zu lefen als gu denken, unb bie di 
Wahrheit anfangen wird, eine ſtehende Figur zu fein. 74, 





Literarifhe Notiz. 

Philarete Chasles beginnt, feinen landgemäfftfchen 6 
maten und Abminiftratoren gegenüber, diejew * 
und Englands ihrer gründlichern Kenntniſſe wegen zum Deuſter 
aufzuftellen. Er fagt bei irgend einer Gelegenheit: „‚Riemand 
kann zweifeln, daß Maͤnner wie Metternich und. Gens zu den 
wahrbafteft unterrichteten ihrer Ration und ihrer Zeit zu zählen find. 
In Preußen fowol wie Oftreich muß.man eine gemwiffe Peifungs: 
zeit, eine Lehrlingszeit durchgemacht haben, um zu einer Stel⸗ 
lung zu gelangen, welche einen politiihen Einfluß ſichert; das 
Recht der verfchiedenen Völker, ihre Verfaſſungen, ihre diplo- 
matifche Geſchichte, ihre gegenfeitigen Beziehungen, die Ent: 
wirtelungen und. Veränderungen in ihrem Handelsverkehr find 
in biefen „despotiſchen“ Ländern von Denjenigen, welche fid 
um eine abminiftrafive Stellung bewerben, beſſer gefannt als 
in unferm Frankreich in der Regel von ben ehrenwerthen 
Deputicten” u. f. w. Es iſt eine zu große Geltenheit, wenn 
ein Franzoſe die Gründlichkeit deutjcher Diplomaten und Ad: 
miniftratoren feinen Landesgenofien zum Mufter empfiehlt, um 
auf diefe Stimme in der Wüſte nicht aufmerffam zu machen, 


4 











Blırı 
fir 


Literarifide Un 


Donnerstag, — Kr. 352 








Der Geiſt Friedrichs des Großen. *) er ein 

Den Geiſt Friedrich's des Großen heraufbefchwären | Hecht: 

aus der Unterwelt ober aus den Gefilden ber Seligen ber: | wenn 

abflehen, das wäre wol die richtigfte Jubelfeier, die befte | derwa 

Huͤlfe für viele Noch diefer Zeit. Aber wenn unfere Stimme R 

nicht fo weit reicht, fo iſt's richtig, in feinen Thaten, feinen | wicht: 
Worten die Spuren feines Geiſtes wieder zu fuchen, um 


To viel möglich den Fußſtapfen des großen Mannes zu fol: 9 
gen, wenn der Wille ernſt iſt. Das Leichtere iſt, feine v„r 


Worte wiederholen. Eine vollſtaͤndige Ausgabe der Werke ** 
des koͤniglichen Schriftſtellers waͤre eine wuͤrdige Feier des 
Jubeljahrs. Sollte es wahr fein, daß die Manuſcripte 
Friedrich's des Großen an der Cenſur, d. i. an der Xngſt⸗ von d: 
lichkeit dieſes oder jenes Genfors einen Stein des Anſto⸗ | 
Bes gefunden haben follten? Wenn «6 fich To verhält, fo 2 
iſt's ein Zeichen ber Zeit und ein Zeichen dee menfchlichen | fo Ein 
. Schwäche, nicht minder mahnend und warnend als die | MUE RM 
kaiſerlich Napoleoniſchen Adler naͤchſt der Gruft Friedrich’ | zn den 
in Potsdam. Thunlicher war, einen Auszug aus Friedrich's erweif ı 
bereit& veröffentlichten Werken zu geben, wie vorliegendes | an, 1: 
Buch gewollt hat. Die Idee war gut; die Ausführung 
ift nicht fo glüdlih. Es find zu viele matte liberfegun- 
gen franzöfifher Verſe darin. Viel beffer wäre es ge: 9: 
weſen oder könnte es noch fein, einen einzigen Bogen | fen, 
drucken zu laffen mit inhaltfhweren Gedanken Friedrich's der © ı 
des Großen, aber wenigſtens zu 300,000 Eremplaren, und | daran 


diefe zu verſchenken unter die Landwehrpflichtigen der gan⸗ unferi 
zen Monarchie.“) Da mürde Jedermann die Aus: 31 
—5 — e des gz ͤrſtuichen Schriftſtellers leſen mit religioͤſem .. Ä 
ah Politik der Könige und jebes rechtlichen Man: rinnig | 
nes befteht in Büte und Gerechtigkeit. über : 


Damit ein Zürf die Pflichten, welche ihm gu erfüllen ob- | dit d 
liegen, nie aus den Augen laſſe, muß er fi) erinnern, dag | Be ' ı 


*) Seiſt Friedrich's bes Großen, Gedanken und Marimen | weile ı 
’6 des Großen, zur Iubelfeier feines 4 Buglerunah: bern ' | 
r. 


antritts. Berlin Eicbmann u. Somp. 1840, 8, 12 Berla : 

Vgl. hierüber aub Rr 32 — 338 0. U. D Re. ben I 
”) Bill man dem —Se Könige das * Oyren: 

denkmal errichten, fo lafle man abdrucken auf Minen Mo- ji: 


gen, aber für Hunderttauſende, feinen Aufruf zum Rampfe | aus ı | 
aus Breslau, eine kurze Geſchichte bes Kampfes und bie | ihren ! 
koͤnigliche Verordnung vum 22, Mai 1815, deren Somple: | ihnen 

ment nad) 25 Iahren die rähmtichfte und dantbarfie Auf⸗ ga ı 
gabe feines Rachfolgers geworben. ad ı 


. 





— 


herrſchte bald nach dem Befrelungẽkriege. 


—F 2 


nen bie Folgen nur unendlich ſehlerhaft fein. Daher dieſer uns 
mäßige Hang nach falſchem Ruhm, daher ber Drud ber Auf⸗ 
lagen, womit das Volt belaftet wirb, daher bie Traͤgheit der 
Härten, ihr Stolz, ihre Ungerechtigkeit, ibre Tyrannei und 
alle jene Lafter, weiche hie menſchliche Ratur herabwürdigen! 
Beau die Furſlen 2 vor diefer irrigen Anficyt fred machten, 
wenn fie bis zu der Zeit ihrer Anſetung hinau 

fo wärben fie fehen, daß ihr Rang, auf den fie fo eiferfüchtig 
find, und ihre Erhebung nur das Werk der Völker iſt, daß 
Diefe Zaufende von Menſchen, die ihnen unterworfen find, ſich 
Eeinesweges zu Sklaven eines Einzelnen bergegeben haben, um 
ihn furchtbarer und mächtiger zu machen; daß fie ſich keines⸗ 
weges Einem unterworfen haben, um Märtyrer feiner Eaunen 
und Ginfälle zu fein. 


Die Gebrechlichkeit unſerer Tugenden iſt in 
den Entſchlüſſen ganzer Corporationen noch mehr 
ſichtbar als bei einzelnen Perſonen. 


Jeder dieſer Säge und hundert andere gaͤben Stoff 
zu ebenſo viel politiſchen Excurſen ober Predigten. Nur 


gen wellten, 


über dem lezten Sag, welcher den blinden Egoismus ber 


Gorporationen anklagt, hier einige Bemerkungen: 

Die Geſchichte lehrt, daß Corporationen, vornehmlich 
erbliche, daß die Kaften in ihren Meinungen und Hand: 
Lungen noch mehr die Gebrechlichkeit unferer Tugenden 
verrathen, als diefelbe bei einzelnen Perfonen fich vercäth. 
Es fcheint, als wenn die Berantwortlichkeit fuͤr eine ſchlechte 
That, ja für ein Jahrhundert voll ſchlechter Thaten fich 
vertheilt anf alle Mitglieder der Corporation, fomit auf 
die Einzelnen ein fo geringes Theil fälle, daß dies Mi: 
aimum das Gewiſſen nicht als Skrupel druͤckt. Vielmehr 
zeigt die Geſchichte, daß hundertmal die Unterdruͤcker im 
Contraſt mit der Geduld der Unterdruͤckten ſich des ſieg⸗ 
reichen Unrechts, welches ihre Vorvaͤter begangen und 
welches fie ſelbſt fortſezen, geruͤhmt haben. Sehr ſelten 
tft die Geſinnung eines ber unterdruͤckenden Corporation 
angehoͤrenden Mannes, wie ſie in der „Bibliothèque uni- 
verselle (vorigen Jahres) Art. Mecklenbourg glaubwuͤr⸗ 
dig erzaͤhlt wird. Es war in der Geſellſchaft die Rede 
von dem Bedienten eines Herrn, ber als Schwiegerſohn 
des vortrefflichſten preußiſchen Miniſters deutlich genug 
bezeichnet wird. Dieſer Bediente trug den Stempel des 
keibeigenthums, ſodaß er dem Fremden auffallend war. 
Der Here antwortete: „‚C’est un de ces malheureux qui 
mous deshonorent”. Solche wahrhaft fromme Sefinnung 
Das iſt aber 
Ausnahme, ehrenvolle Ausnahme. Jene Erfahrung iſt 
nur zu allgemein herrſchend, fie iſt der Hauptſchluͤſſel zum 
Berftändniffe nicht nur der alten Befchichte der Kämpfe 
groifchen Patriziern und Plebejern, fondern auch ber fort: 
dauernden Kämpfe der neueſten Zeit. 

Vergleichen wir einen Augenblick bie Geſchichte bes 
franzoͤſiſchen und des engliſchen Adels. 

Der Adel in Frankreich ift pulverifict, bat in ber 
Wirklichkeit Guͤter und Achtung, Vorrechte und Rechte 
verloren. Durch eigene Verſchuldung. Freilich hat er 
eine Milliarde duch Deren von Villele wiedergewonnen, 
aber auch eine folhe Summe von Haß, daß es eine 
traurige Stellung if}, jet in Frankreich einen Namen 
bes altfrangöftfchen Adels zu tragen. Allerdings ift Die 


» mis > 


heutige Pairskammer zu ſchwach, um ber Deputirtenkam: 
mer das Gleichgewicht zu: halten; fie hat wiel wenige 
Macht ald das Haus des Senats in irgend einem nor: 


amerilanifchen Sreiftaate gegenüber dem Haufe ber Rep: 


fentanten, und da® iſt' wahrſcheinlich ein 





} Dauptgrum, 
weswegen das gegenwärtige holitiſche Gebäude Im Frant 


reich, trotz aller Klugbeit Ludwig Philipp's, noch imme 
die erfoberlihe Sicherheit entbehrt. Diele der 
Pairskammer rührt aber großentheils ber von bem un 
verbefferlichen Eigenfinne bes franzöfifchen Adels, ber brei- 
mal die Krone in Gefahr der Vernichtung geflürzt Yat, 
bennoch aber bis auf dem heutigen Tag nicht Elüger und 
aufgeflärter über feine eigenen Intereſſen geworden if, 
fondern in blindem Stolze beharet auf Prätenfionen, deren 
Erfuͤllung unmoͤglich ift. 

Blicken wir dagegen nad) England. Mirgend im der 
Melt hat der Adel fo viel Einfluß auf die Regierung des 
Landes als in England. Und was das Merkwuͤrdigſte 
tft, der mächtige engliſche Adel ift in England nicht ver: 
baft, fondern geehrt, hochgeehrt von bem ganzem WBolke, 
von ben reichften wie von ben drmften Commoners. Die 
einzelnen Radicalen, bie das Gift ihrer Galle aiber Aes, 
fo auch über die Lords ausfchürten möchten, die radical 
Vituperativen zählen nicht. Wie viel Millionen (nic: 
franzöfifcher Livres, fondern englifcher) in der City ange⸗ 
bäuft find, wie fehe der Geldſtolz ſich verfleigen mas, 
auch der Reichſte neigt fich willig vor bem Lord, dem 
erblichen Senator, role biefer ohne Widerrede, vielmehe 
mit Freuden ſich neigt vor dem Souverain. 

Mahrlih, es fcheint der Mühe werth, eben jet ir 
Sründe zu unterfuchen, weswegen ber Adel in Franka 
gehaßt, nicht mehr gefürchtet, fondern verachtet, Durhant 
unfähig ift, eine Stäge bes Throns zu fein, wesweae 
aber auf ber andern Geite bes Kanals der Adel, der ve 
Frankreich kommend, in England Wurzel flug, bie arf 
diefen Tag groß und mächtig iſt, ficher in feinen Priv: 
legien, fichernd für bie Krone und zugleich ein Gem: 
ftand der Achtung, des Ehrgeizes für faſt alle Bürae, 


auch bie floßzeften Buͤrger Englands. 


Die Löfung des Näthfels if fehr einfach: in Englam 
iſt dee Adel begrenzt auf den Älteſten der Familie. Da: 
ber fieht man keinen betteinden Adel. Der engliſche Adel 
hat eine Proletarier. Nach hundert Jahren wird es wie 
jest nur Einen Herzog von Wellington geben, mohlbe: 
gütert; ein folder kann mit Anftand erinnern an bie 
Schlacht von Waterloo. Gaͤbe e6 aber 10 ober 20 
Nachkommen, die alle den Titel Wellington fährten, fo 
würbe das Gegentheil flattfinden. In Frankreich zeuate 
ein Marquis, wenn er drei oder ſieben Soͤhne hatte, drei 
ober fieben Adelige. Wer zu viel will, bekommt zu me: 
nig. Der franzoͤſiſche Adel, blind durch Stolz, bat das 
gewollt und will bis biefe Stunde, tro& aller kectionen, 
Das, was unmöglich iſt. Die Cadets, die güteriofen, aber 
betitelten Cadets mollen flandesgemäß leben, das ift, gleich 
den Erben, fie wollen eine Barriere bilden zwiſchen dem 
Souverain und den Steuerpflichtigen, damit fie allein 
alle Gnade des Souverains auffangen oder bispenfiten ; 


2‘ 


ie behaupten, daß bes Gouverain (id ‚verunrsindge, der. 
ich weit Buͤcgerlichen umein 


gen wolle, unb bennocd ver 
Zangen fie von dem fleuerpflidhtigen Wolke geachtet ober 
‚geliebt zu werden! Die franzöfiichen Könige waren um: 
‚geben von bettelnden Proletariern des Adels, von betitel: 
sen Bettlern. Diefe erhielten alle einträglichen Amter im 
uittaiı, in der Kirche, im Civildienfie, ihre immer 
Sringendern Bitten bewirften erhöhte Steuern und ver: 
suehrte Schulden. Aber was war das Nefultar? Be mehr 
Amter, je mehr Millionen der König vergab .an die bes 
titelten Cadets, deflo mehr wuchs die Zahl derfeiben. Es 
wiederhett ſich In diefer Region nothwendig Daffelbe, was 
fich bei den Proletariern ber ſchwer arbeitenden Claſſen 
zeigt. Je mehr Almofen vertheilt werben, deſto mehr 
Bettler, fo in Rom, fo in Verſailles. Jeder Cadet, 
Ser ein Amtchen oder eine Penfion echafche hatte, febte 
ic) wieder, um neue befislofe, titelberechtigte, ſtandes⸗ 
gemäße Unterftlügung fodernde Cadets zu zeugen. Bon 
allen Bettleen find die abeligen die unverfchämteften; 
fie behaupten ein Recht zu haben, daß die fleißigen 
Bürger für fie arbeiten follen, eher als für ihre eigenen 
Kinder. Denn die Eöniglichen Abgaben werden eingefo: 
dert, che das Brot für die Kinder gekauft iſt, und eine 
Denston für ben Cadet oder eine Pagenanftalt, eine Rits 
seralademie u. dgl. iſt ja nichts anders als eine auf Ko: 
ſten des arbeitenden Volks errichtete Pepinitte von mehr 
und mehr befisfofen aber prätenfionsvollen Cadets. Der 
Dauperism des Adels ift das Verberbendringende für das 
Franzoͤſiſche Gouvernement vor und nach der Revolution, 
namentlich für die Reftauration gewefen. Je mehr Als 
wmofen in Rom außsgetheilt worden, defto mehr Bettler; 
je mehr Penfionen, je mehr Millionen in Berfatlles an 
die Cadets vergeudet wurden, deſto mehr Supplikanten, 
deſto mehr wahrhaft huͤlfsbeduͤrftige Prätendenten, defto un 
verfhämte Prätenfionen. ‘ 
(Der Beſchluß folgt.) 


Die Gefege der Lebensdauer. Ein Lehrbuch von Lubds 
wig Mofer. Berlin, Veit u. Comp. 1839. Gr. 8. 
2 Thlr. 8 Gr. _ Ä 


Ein großer Shell Derer, bie in neuerer Zeit über diefen 
Gegenftand ben haben, hälst fich zu aͤngſtlich an die Dies 
thoden, wilde von den Begründern bdiefer Sphäre gefchaffen 
wurben. Man blieb, wie gewoͤhnlich, gar au lange auf dem 
«einmal gebahnten Wege, unbelümmert, wohin er führe. Der 
Begenftand der Mortalität ift bisher nie wein und für ſich bes 
Handelt werben, fondern ſtets mit Rückſicht auf gewiſſe prak⸗ 
tifye Anwendungen. Als im 17. Zahrhunderte die Hazarbfpiele 
Die Beaprigeintichkeitsrehnung hervorgerufen, wurben bie Leh⸗ 
zen bdiefer Rechnung auf die Dauer des menfchlichen Lebens an 
gewandt, ben Spielen ein neues Feld zu eröffnen. Der Schöpfer 
dieſes Gebiets war Ebmund Hally. Wie ibm, kam es auch 

scieur hauptfaͤchlich auf die genauere Rechnung von Ren: 
ten, Zontinen u. f, w. an. Güßmiich erſt gebührt das Vers 
bien, das Problem der Mortalität der niedern Region diefer 
Anwendungen enthoben zu haben. Ge behauptete, daß bie 
Sterblichkeit bes Geſchlechts Naturgefene, nach der Gpradıe 

‚ feiner Zelt: göttliche Ordnungen, zu Grunde lägen ; er beſchied 
# dabei freitich in jeder Zahl, weiche mangeihafte Beobach⸗ 


tungen 
Binger, 
ebren ; 
bie Wi 
Tonnte. 
ner Al 
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flaatsö! 
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biefer ; 
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flimmt: 
böhern 
hat dei: 
zu lief 
werden 
zuführ: 
brauchl 


1 denen |! 


Kommenblingen, ſodaß, wenn nur Ve Serrbtbechkelt 
ag & ve deobachtet worden, fie eben das 
dab, in dem ganzen us von Fahren bekannt fei. Die 

lichkeit der Kinder im erften Jahre, in den erſten Tagen 

Ber Geburt, ihr wahrſcheinliches Leben, ja die Zahl der Kodtgebores 

am ift mit großer Annäherung gegeben, fobald man nur weiß, 

wie viele gwanziglährige von einer beftimmten Anzahl derfelben 
in einem Jahre fierben. Bür diefe Behauptung werden in dem 

Werke hinreichende Beweiſe beigebracht, und bamit ift eine mes 

ſentliche Frage beantwortet, diejenige, ob bie unverhaͤltnißmaͤßig 

große Gterbligkeit der Kinder unmittelbar nach der Geburt 
eine nothmwendige Erſcheinung fei. Sie iſt um fo weſentlicher, 
als aus den MWerfuchen, welche gemacht worden, ein mathemas 
tiſches Geſet für die Sterblichkeit zu finden, genau das Umge⸗ 

Tehtre zu fchließen wäre. 

Uber die Jahre 90 hinaus treten dem bezeichneten Gliede 
neue binzu, welche anfangs noch ganz unmerklich, mit den 
Schon einen bedeutenden @influß gewinnen und bie Sterblid: 
Feit vergrößern. Hierdurch werden neue Data nöthig, w 

die Beobachtungen zu llefern haben, und eben dadurch wird 


der Stand der Unterfuchung mislicher. Denn je höher hinauf, 


deſto unſicherer werden die Beobachtungen, deſto mehr werden 
fie durch die bedeutenden Fluctuationen, denew die Bevölkeruns 
en in einem langem Zeitraume flet6 unterworfen find, mobis 
dirt. Indem der Verf. fidh jedoch an die von Brune berech⸗ 
neten Erfahrungen der berliner allgemeinen WBitwenanftalt 
hielt, wobei jene Fluctuationen und die Unficherheit der Alters: 
angaben wegfallen, ift es ihm gelungen, die Form der weitern 
Glieder aufzufinden und mit Hülfe derfelben bie Beobachtungen 
auf eine zum Theil Überrafihend genaue Weiſe barzufteken. 
Diefe gorm entfpricht in einer gefegmäßigen, wiewol etwas 
eigentgämlichen Art, der Form des erften Gliedes. 
8 tft die jetige Lage diefee Aufgabe, fle iſt inzwiſchen 
To lange noch nicht vollkommen befriedigend, als die Sterblich⸗ 
Zeit der höhern und hoͤchſten Alter nicht aus ben Beobachtungen 
über indiſtinete Bevdikerungen abgeleitet it. In dem hiervon 
handelnden Abſchnitte hat der Verf. einige Bemerkungen mits 
getheilt, die plaufibel erfcheinen, wenn fle fich auch nicht bes 
weiſen laflen, und bie darauf Hinausfommen, daß das eigents 
liche, vollftändige mathematifche Befed der Sterblichkeit eine 
unendliche Reihe fein moͤchte, deren erſtes Glied die erwähnte 
vierte Wurzel aus dem Lebensalter, deren weitere lieder in 
. ber Art fortfchreiten, wie fie fi aus ben Erfahrungen ber ber: 
Umer Witwenanftalt herausgeftellt hat. In dieſem Fall fleht 
gu hoffen, daß zwifchen den aufeinander folgenden Zahlencoeffi⸗ 
eienten irgend eine Beziehung flattfände, welche es möglich 
made, den einen aus dem andern zu berechnen und dadurch 
bie Beobachtungen fpäter mehr und mehr entbehren zu Tönnen. 
Um hierüber zu entfcheiden, deduͤrfte es jedoch vorerſt fehr ge: 
nauer und unzmeideutiger Beobachtungen und zwar hauptſaͤch⸗ 
lich über die Alter 40 — 60, 

Die zweite Aufgabe ift die ber Fruchtbarkeit. Dan hat 
bie Loͤſung berfeiben inmitten von Zuftänden geſucht, die auf 
die mannichfaltigfte Weiſe veraͤnderlich find, und fo ergeben die 

erigen Unterfuhungen zum BRefaltat nicht viel mehr, als 
daß auf eine Ehe ungefähr vier Kinder Tommen. Und das iſt 
etwas, was allenfalld vor aller Untesfuchung zu haben geweien 
wäre. Denn da die Menſchen in dem Alter beirathen, wo beis 
Taufig bie Hälfte der Geborenen ſchon wieder geftorben, fo 
mälfen begreiftich etwa vier Rinder aus einer She hervorgehen, 
wenn biefe bei hyrer Lünftigen Verheirathung wieber ein er: 
paar Nefern follen. Über eine genauere Kenntniß Laffen bie 
Unterfudjungen bis jegt noch ungewiß, und fo darf es au 
nicht befcemden,, wenn ihre Refultate fo große unterfchiede geis 
en, daB man fie für Widerfprücdhe erflären muß. Die Frucht⸗ 
Parkett an fig unterliegt ohne Zweifel einfachen und beſtimm⸗ 
ten Gefehen ; aber et werben Umftände vorhanden fein, die bes 

Efichtigt werden müffen, wenn man bie zu biefen @efehen 


gelangen wi, aub weile, win Mi We nid erwägt m 
ẽntferat, vinen ſcheindar : gung wuguiionm ‚Biufiusuer Femsektrum 
Iafen. Außer den Pinctuationen ba fehien um 
Berf. das Alter der Eheleute deu erhebliche biefer mia 
zu fein, und baher hat er ausführlicher auf beide BE 
nommen. Gollte man einft in den Wellg der nöcht 
bachtungen gelangen, dam reiäfen viele einige 
Überlegungen, anf bis allgemeinen Gterbiidhkritäg 
aus, um für bie Zahl dee Kinder in ben v 
numerifche Geſeg zu erlangen. Bis dahin kann 
wichtigen Begenftand nur auf das dringenbfle Denen 
legen, welche in ber Lage find, dies t mie m 
bereichern. 


Aus dem oben Gaſegten ‚arht wol hial⸗unlich Hesnar, 
ein ng über ben befprochenen Gegenſtand an der Zeit * 
Doch fühlt der Verf. zugleich ſehr wohl, daß es ca Anderes 
ei, von einem Mangel deutlich darchveumen gu ſein, und ein 
nderes, etwas für feine Beſeitigung gethan zu Gaben. Darüber 






f 


„letz: 
EHRE 








wunſcht er fidh * Aichter, ſolche, weidge mit des les 
nomie eines Lehe wäher bekannt find, Diefe ik nadh Yan 
ben man igt, ver⸗ 


Wiffenichaften, nad) dem Zwecke 
überall fo einfach nit, befonber nenn Ber Ge 


‚ le Seusafänte 
mehr ober weniger —— ebanbeit, während st 


lichkeit m. ſ. w. ausführlich gehandelt, und endlich Felge na 

beibrenten, Tebeusvexrkhems 

gen, Witwenpenfionen und Zontinen, welche die größte Im 
2, 





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Geschichte der Wohenstanfen 
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Ri 1, aberiptiomöpeife: 
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Beipgig, im Dermber 1840, 
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Berantworttier Herauögeber: Heinrich Brodhauns, — Drud und Verlag von F. U. Brodbaus in Leipzig 





Blätter 


für 


lit erariſch eu n terhaltung. 





Freitag, 





Der Geiſt Friedrich's des Großen. 
(WBeſchluß aus Nr. XB.) 
Der engliſche Adel bat feine Einrichtungen getroffen 
gemäß der Natur ber Dinge, feid aus geringerm Stolz, 
mas doch kaum ber Kal fein möchte, ober aus größerer 


Klugheit. In England wird uͤberhaupt Derjenige, wel: 
her nicht befigt und dennoch ſich den Befigenden gleich⸗ 
fielen will, für toll gehalten. Das iſts aber gerade, 
was die Gadets in Frankreich gethan haben, fie gaben 
das Beifpiel, was Wunder alfo, wenn ber Tiersetat dems 
felben folgte? Wahrlich, die Cadets der englifhen Gro⸗ 
gen ftehen fi) nicht fchlechter als die franzöfifchen, fon: 
dern im Gegentheil beffer. Wer wird nicht gern, wenn 
er die Macht dazu hat, unter übrigens gleichen Umſtaͤn⸗ 
den, feine Blutsverwandten lieber befördern als einen Un⸗ 
bekannten? Aber bie Frage, warum es fich hier handelt, 
ift die Frage des Rechte. in Cadet aus der Bretagne 
kam nah Verſailles und behauptete, wegen feines Titels 
habe er das Recht, Bevorzugung zu verlangen, wegen 
feines Titels habe der Minifter die Pflicht, ihn zu bes 
fördern. Wenn ein Cadet de famille aus Wales nad) 
Dorningftreet kommt und ſolche Prätenfionen macht, fo 
wird er gerabezu für toll angefehen. - 

Der franzöfifche Adel wollte und will Kafte fein. Der 
englifche Adel hat von Anfang an nicht Kaſte fein wol 
fen, denn von jeher haben die jüngern Söhne ber Lords 
als Repräfentanten dee Commoners im Unterhamfe gefel: 
fen. Sie konnten mit Fug die Städte repräfentiren, denn 


fie ſelbſt, die juͤngern Söhne, gehörten und gehören der. 
Natur der Dinge gemäß zu den Commeners, zu den 


Bürgern. Da liegt der Hauptunterſchied zwifchen dem 
franzöfifchen und dem englifhen Adet. Wer fihen und 
lernen will, der fehe und lerme. 

Menn jeder Vater nur Einen Sohn hätte, fo wäre 
freitich die Aufgabe des Staats nicht ſchwer. Alles bliebe 
von einer Generation zur andern, wie es war, es wäre 
die Kaftenabtheilung der Hindu, ber 


‚Ein Vater bat zwei, drei oder fieben Söhne, es iſt aber 
nur Ein But vorhanden. Wie da? In England geht 
alle unbemwegliche Eigenthum an den aͤlteſten Sohn über, 
ganz allgemein. Das ft confervativ. Aber die jüngern 
Söhne, die kein Gut erben, machen auch nicht die Ans 


Agyptier vielleicht. 
nuͤtzlich, wenigſtens doch auf längere Zeit möglich. Aber‘ 


ſpruͤche, die, ohne die Bafis eines Srundeigenthums, grumbe 
los, ungerecht, laͤcherlich, verderblich find. Das iſt cons 
ſervativ. In Frankreich hingegen vor der Revolution 
verlangten die Cadets, auch wenn der aͤlteſte das Gut 
ausſchließlich erbte, dieſelben adligen Titel, Ehren und 
Vorrechte wie ber Altefle. Die Stellen, welche der Abel 
mit Cadets befegte, welche wußten, daß fie’ vorgezogen 
werden mußten, alſo ſich wenig tauglich machten, wur⸗ 
ben dem Talente, dem gerechten Ehrgeize der Bürgerlichen 
entzogen. Aber das war nicht genug, das war nicht‘ das 
Wichtigſte; daffelde kann in England gefchehen. Aber es 
war eine Barritre, eine angeblich loyale, kuͤnſtliche, fin⸗ 
giete Barriere gezogen, jenſeits welcher bie Betitelten das 
audſchließliche Recht auf einträgliche Amter, auf Ehren 
und Würden hatten, bieffeits welcher die Buͤrgerlichen 
fteben oder Enten und zufehen ſollten, wie jene Priviles 
girten die Steuern ber Buͤrger verzehrten, um fnmer 
mehr pricilegiete begehrliche Cadets zu erzeugen. Was 
Wunder, wenn endlich, nachdem manche Generation 
gebuldig gewefen, endlich die Indignation fi erhob und 
mit einem Zußteitte die Barriere zerflörte? Wir find bie 
Nachkommen der Eroberer, fagteri die Cadets, wir berus 
fen uns auf das hiſtoriſche Recht. 
Bürgerlichen, wir tefpectiren das hiſtoriſche Mecht, aber 
wir nppelliten an den Tag vor der Eroberung. — Der 
franzöfifhe Sonverain, immer umgeben, immer bethört 
von den Cadets, wollte Lieber der Souverain einer gerins 


18. December 1840. 


Wohl, fagten bie 


gen Mingrität ale der Majorität des Volks, oder Wie 


mehr des ganzen Volks fein. Daher die Indignation 
eines Garnot, ber nicht einmal Oberſt werden konnte, 


baher Indignation der Majorität, bald darauf Revolution, " 


deren Ausgang nicht zweifelhaft fein Eonnte, da der Fuͤrſt 
trog feines guten Willens für das Volk überhaupt bens 
noch darauf behartte, vorzugsweife der Souverain der 
Minerität zu fein, 
ber feanzöfifchen Köndge die Krone zu Kalle gebracht durch 
ihre Excluſivitaͤt, durch ihre abfurde Koderung, DAB ein 
Cadet de famille ohne Gut daſſelbe Privilegium’ ‚Jabtn 
möfje wie der Beſtter drs Gute. Und doc h ‚bie 
Chefs der adeligen Famllien in Frankreich noch jegt nicht 
belehrt über ihre eigentlihe Stekung im Staate. Sie 
wollen nicht belehrt fein, fie gefallen fi in ihren alten 
Vorurtheilen, im ihrem aften Unrechte, denn fit gehöre 


.... 


Dreimal haben die Umgebungen _ 


ve. 


einee Corporation an, beren Gewiſſenhaftigkeit, wie bemerkt 
worden, geringer {ft als die des einzelnen Individuume. 

Mach dem Code Napoleon werden die liegenden Gruͤnde 
wie der bewegliche Nachlaß unter ale Kinder gleich ver: 
theilt — eine Einrichtung, die nicht drei Menfchenalter 
fortgehen Tann, ohne allgemeine Verarmung zu beivirken. 
Aber nichtsdeftoweniger beharren auch heutzutage bie adeli⸗ 
gen Familien auf ber monftröfen Prätenfion, daß alle 
Mitglieder derfelben, und wenn fie aud) nur einen Ader 
oder ein Pferd, oder bald nur ein Hufeiſen erben, ben: 
noch allefammt ein Recht haben auf adelige Ehren und 
Vorrechte. Diefe Vorrechte follen hauptſaͤchlich darin bes 
ftehen: daß ehrliche Arbeit ihnen zur Unehre gereiche, daß 
fie, auch wenn fie wenig ober nichts fteuern, nen ober 
nichts gelernt haben, dennoch bei Befegung aller Amter, 
zumal der einträglihen, den Vorzug verdienen vor ben 
talentvollſten Söhnen der fleuernden Bürger. 

. Die Proletarier des Adels, das iſt eigentlich ber re⸗ 
velntionnaire Stoff In Frankreich. Gegen die Proleta: 
eier der Schwerarbeitenden, wenn fie einen Schilling Ta: 
gelohn mehr fodern, wenn fie den Bäderladen ftürmen, 
wenn fie das Eigenthum der Beſitzenden offen angreifen, 
werden die Kanonen gelöft, die Kartätfchen treiben fie zu= 
ch in ihre gehörigen Schranken. Aber welches Mittel 
gibt es gegen die Überfhwenmung ber Vorgemaͤcher des 
Könige durch die Cadets der adeligen Familien, die Ver: 
forgung, um ſtandesmaͤßig leben zu können, erbitten, und 
nicht nur erbitten, fondern fodern und durch unermübd- 
liche Intriguen erlangen? In der Anerkennung ihrer Ti: 
tel Jiegt allerdings ſchon eine gewiſſe Billigung, ja Be: 
eechtigung ihrer Foderungen. Der König gibt ihnen Mil: 
lionen, und noch mehr Millionen, und ihre Foderungen 
fteigen immermehr, muͤſſen immerfort fleigen. Woher 
werden dieſe Millionen genommen? Aus den Taſchen der 
Ürbeitenden, der Steuernden. Wenn aber mehr Steuern 
gefodert werben, als zum Zweck des Staats nothwendig, 
fo iſt's Unrecht, fo werben die Steuernden unmillig. 
Wenn fie am Ende inne werden, daß fie Steuern geben 
ſollen, um neben der / Regierung, neben dem Hofe eine 
große, flolze, undankbare Bettelanflalt zu unterhalten, fo 
kommt dee Augenblid, wo fie ergrimmen, wo fie infur: 
giren, und die Revolution ift da. Nein, die Revolution 
iſt laͤngſt vorher dagemefen, bevor die Unorbnungen in 
ben Straßen begonnen. 

Revolutionnair iſt Derjenige, welcher nicht mehr be: 
figt als ein Anderer und dennoch Vorrechte vor demfels 
ben begehrt. 

Revolutionnair ift Derjenige, welcher nicht befigt und dem 
Beſitzenden fein wohlerworbenes Eigentbum nehmen will. 

MRevolutionnaie ift der Gutöbefiger, welcher nicht mehr 
befigt als fein Nachbar und dennoch benfelben hindern 
will, gleiche politifche Rechte auszuüben. 

Revolutionnair ift dee Cadet eines adeligen Gutsbe⸗ 
ſitzers, welcher nicht mehr beſitzt als der Sohn des Be: 
amten, des Geiſtlichen und dennoch dieſelben hindern 
will, in derſelben Garritre des Staatsdienſtes mit ihm 
zu wetteifern. 


f er 
y “ r 12 . x 


„ Revolutiomnaic iſt alfo Derjenige, welcher als Gab 
eines adeligen Vaters kein But befist unb dennoch mehr 
politiſche Rechte in Anfpruch nimmt als ber bisrgerlige 


" Gutsbefiter. gs tr | 
. Revolutionnaie iſt bei Cabet eines adeigen Batırl, 


welcher im Eramen einen geringern oder audy einen gle: 
hen Charakter befommen bat wie ber Sohn feines buͤr⸗ 


gerlihen Nachbars, und dennoch, aus feinem andern Grunde, 


ale meil er unbürgerlich fei, in ber amtlichen Carriere 
Vorzüge vor ihm begehrt. 

Revolutionnalr, doppelt und dreifach, ift ber unbür: 
gerlihe und unabdellge Sohn eines adeligen Gutsbeſthers, 
welcher weder Geiſt noch Kenntniffe, no Taͤlent, noch 
Flelß befigt und nichtsdeſtoweniger vorgezogen zu werden ver⸗ 
langt in der Bewerbung um mehr oder minder wichtige Äm⸗ 
ter vor der ganzen hoffnungsvollen Jugend der Mittelclaſſe. 

Kevolutionnale war und ift der Junker aus der Bre- 
tagne, welcher nad Verſailles kam ober nad den Tui⸗ 
lerien kommt und mehr Ehre begehrt ald der gediente 
erfahrene Beamte des Königs. 

Kein anderes Mittel gibt es gegen bie Gefahren der 
Revolution als die Begrenzung bes Adels auf den Alte 
ften der Familie. Dadurch gefhieht es, daß in England 
der Thron eine Stüße im Abel findet, daß in England 
die hoͤchſte Claſſe nicht gehaßt, fondern geachtet ift, baf 
England weit entfernt von einer Revolution, Frankreich 
noch immer nah daran fl. Der franzöfifche Adel tar 
bie Nothwendigkeit einer Reform des Abel, ber Begrer⸗ 
zung des Adels auf ben Älteſten der Familie bis ir 
Stunde noch nicht begriffen. Er ift gemefen um wel 
bleiben Kaſte, verhaßte Kafte. Daher die Unmögliähit, 
in Frankreich eine erbliche Pairie zu conftrutren. Dake 
Übermacht der Wahlkammer, Ohnmacht der Krone. Nim: 
mermehr werden die Franzoſen einwilligen in die Errik 
tung einer erblichen Pairskammer, einer Kammer, bi 
nicht aus erblichen Senatoren beftcht, wie die englifcen 
Lords, fondern bie einen repräfentativen Charakter ki, 
die alfo die ungemefjenen Prätenfionen von Hundert: 
fend betitelten Cadets zu vertreten bat. 

Erſt Reform des Adels, das ift unerlaßliche Bebin: 
gung, wenn in Frankreich duch Reform ber Pairskam: 
mer dem Throne die erfoberliche Stüge und Stärke ge: 
geben werben fol. 

Ob der fraͤnkiſche Abel nicht urſpruͤnglich begrenzt mar 
auf den Älteſten? Siehe Juſtus Möfer's Zeugnif über 
die ditere und jegt wünfchenswerthe Einrichtung bed ger: 
manifchen Abel. Es ſcheint allerdings, daß die Aus: 
behnung des Adels auf alle jüngere Söhne eined abeligen 
Gutsbeſitzers durchaus im Widerfprud, ift mit der ur: 
fpränglihen Einrichtung des Adels ſowol, wie mit der 
Natur der Dinge In Deutſchland ift in der neueſten 
Zeit duch Umwandlung aller „Comteſſen“ in „Gräfin: 
nen’ gewiffermaßen durch ein kleines Taſchenſpielerkunſt⸗ 
flü die Zahl der Gräfinnen mit einem Male wenigſtens 
verdoppelt. So wenig aber alle Töchter eines Könige 
den Titel Majeftät haben koͤnnen, ebenfo wenig gilt Graͤ⸗ 
fin für die Tochter eines Grafen. Gräfin ift Gemahlin 








— 


| 1438. . 


eines Grafen. Im naͤchſten Menſchenalter aber kann es 
Hiſto riſches Recht fein, daß alle Toaͤchter eines Grafen Gtaͤ⸗ 
finnen beißen. Ehemals theilten alle Söhne eines Tür: 
ſten Land und Leute. Siehe Thüringen. Seit Einfüh: 
zung ber Primogenitur In die regierenden Familien datirt 
eine befiere Zeit für Fuͤrſt und Voll. Zuverlaͤſſig iſt die 
Begrenzung des Adels auf den aͤlteſten Sohn, mie fie in 
England flattfindet nach altgermanifher Sitte, heilfam 
für den Thron, für das Volk und für den Adel felbft, 
am meiften für biefen ſelbſt. Viele einzelne franzoͤſiſche 
Adelige haben dies laͤngſt eingefehen. Aber bie Gebrech⸗ 
Aichkeit unferee Tugenden, ſowol der Gerechtigkeit als der 
Klugheit, ft am meiſten anſchaulich in den Befchlüffen 
ganzer Gorporationen. Der frangöfifche Adel als Corpo⸗ 
ration beharrt auf Prätenfionen für alle Cadets, deren 
Srfüllung fernechin unmoͤglich iſt, und wird dadurch den 
gänztichen Ruin des Adels Überhaupt herbeiführen. So 
Lange der Adel feine Titel nicht befchränkt auf den Kite: 
ſten ber Familie, leben in Frankreich zwei verfchiedene 
Voͤlker, herrſcht nicht innerer Friede, fondern nur Waf- 
fenftitiftand, alfo fortwährend Gefahr und Revolution. 
Die Mevolution 1789 war nicht gegen den König gerichtet, 
fondern gegen ben Abel; jener fiel, weil er ber Souve⸗ 
rain ber Minorität fein wollte, weil man ihm eingebil- 
det hatte, daß er der erfle Edelmann fei, der Chef der 
ſchlechten Unterthanen, welche behaupten, daß ber König 
nur ber Erfte ihres Gleichen ſei. 103, 





Das Studblum der angelfähfifhen Sprade 
und Literatur in England. 


Das unermeßliche Gebiet, über welches ſich ter gewaltige 
deutſche Sprachſtamm erſtreckt, ift, Dank ben flaunenswerthen 
Bemühungen der Gruͤnder der beutfchen Philologie, kein uner: 
meſſenes mebr: feiner Wurzeln Lauf, feiner Zweige Berbreitung 
Liegen offen vor Alter Augen und bie Wege find gebahnt, auf 
welchen der Forſcher fortan vorzubringen hat zu ben Fundgru⸗ 
ben der reichſten Sprachſchätze. Nach ſolchem herrlichen Erfolg 
für das Ganze liegt es zunaͤchſt ob, den einzelnen Theilen von 
den verfchiedenen Seiten ber bie ungetheilten, ausdauernden 
Kräfte des Studiums der en zuguwenden. SDeutfchem 
Fleiße find bis jet faft allein der Ruhm, aber zugleich auch die 
Mühe bei Errichtung der Grundlage des begonnenen Riefens 
baues vorbehalten. gewefen; von nun an follten aber auch bie 
andern Vöoͤlker, weile durch Abflammung, Sprache, Gitte 
oder Verfaſſung in 3 welcher Beziehung zu dem großen 
germaniſchen Körper ‚ bie Aufgabe erkennen, ſich zu dem 

enommenen Standpunkte zu erheben und von diefem aus ben 
hnen zunächft zulommenden Antheil an bem großen Werke zu 
volführen. Keinem Volke faft koͤnnte diefer Beruf näher liegen 
als dem Englands. Das grammatiiche Idiom feiner Iebenden 
aftheilen ihres Wortſchatzes ſtammt aus 

Altvorbern, abgefehen von der 

allgemeinen ſprachlichen Rüdficht, daß bie Werfolgung dieſes 
ſtromes bis zu feiner Quelle zu dem Punkte führt, wo 

‚Rh die gemeinfhaftlihe Wurzel ber abenbländifhen Haupt: 
ſprachen nachweiſen läßt. Aber auch auf englifhen Schuten 
und Univerfitäten bat die althergebrachte Anhaͤnglichkeit an dem 
Studium ber bisher allsin als ſolche anerkannten claffifchen 


Titeratur ein fo mädhtiges Übergewicht behauptet, daß nicht 


vloe die angelfächfifche Sprache, fondern die philofophifche und 
biftorifhe Grammatik der heutigen englifhen ganz ohne Bes 
rückſichtigung geblieben find. Allerdings hätte man fich bei eis 


ner ſolchen Zhellung ber Arbeit — ein Printip, welches in ber 
neuern Zeit Erfolge zumege gebracht, die vordem in bas Ge⸗ 
biet der Wunder gerechnet worden wären — unter bie vers: 
ſchiedenen Nationen, wie die oben angebeutete, mit Behutfams- 
keit vor einem Übergewichte nicht ſowoi der nationalen, als viels, 
mehr der naheliegenden fogenannten praktiſchen Intereſſen vos 
ben reinwiffenfchaftlichen zu hüten; denn folange ben letztern 
nur eine untergeordnete Stellung zugeftanden wird, iſt am. 
keine dauernde Begründung berfelben zu denken, weil ber ihnen 
zugewendete Gifer das begonnene Werk wieder verläßt, fobald 
das bringendfte Bebürfniß für den duch Zufall und Willie. 
ihnen übergeorbneten Zweck befriedigt erſcheint. Einen ſchlagen⸗ 
den Beweis hierzu liefert das Studium angelſächſiſcher Sprache 
und Literatur in England. Die Eirchlichen, im Zeitalter der 
Reformation erregten Intereffen waren es, welche demfelben 
bort den erflen Anftoß gaben; man hatte in ben erhaltenen 
ſchriftlichen Denkmaͤlern dieſer Urſprache eine Waffe erkannt, 
die in dem begonnenen Kampfe mit Rom gute Dienſte leiſten 
könne. Die Srundlagen der fächfifchen Kirche Englands ſtamm⸗ 
ten aus einer Zeit, die vor der vollendeten Entwidelung römis 
fen Kirchenglaubens und römifcher Kirdenzußt lag; bie ber 
Natur des Landes entſprechende iſolirte Lage ihres Klerus hatte 
ihr lange Zeit die urfprüngliche Einfachheit im religiöfen Glau⸗ 
ben und in kirchlicher Praris bewahrt, und der dem fächfifchen 
Stamme eigenthümliche gefunde Verſtand, der in feinen Rach⸗ 
kommen fortlebte, befähigte biefe, ihre Entfernung von bem 
Mittelpuntte der kirchlichen Macht zu einem heilfamen Wibers 
flande gegen Das anzuwenden, was ihnen als eine Neuerung 
erfheinen mußte, und bie theoretifhen Spisfindigkeiten zurüds 
zumeifen, auf welche ſich die neuen Lehren gründeten. Über 
die drei großen Streitpunkte, zwifchen dem Papſte und den 
Reformatoren: das Lefen der heiligen Schrift in der Landes⸗ 
fpeache, die Priefterche und die Anwefenheit des göttlichen Leis 
bes im Sacramente, wies die Gefchichte der fächfiichen Kirche 
eine große Maffe gewichtiger und durch die Beit geheiligter Aus 
torftäten nach, deren ſich di bebienen die proteftantifchen 
Kämpfer nicht unterliegen. Beſonders wendete Erzbiſchof Par⸗ 
ter, der erſte proteftantifche Primate, großen Eifer auf bie 
Wiederbelebung des Geſchmacke für einen Literaturzweig, ber 
für die vorliegenden Zwecke die ſchaͤhbarſten Documente enthielt. 
Außer feinem Gifer für die Religion hatte er als verehelichter 
Priefter befondern Anlaß, die in dieſem Stücke befonders firens 
gen Autoritäten ber fächfifhen Kirche zu Rathe zu ziehen, 
mebre berfelben theilte er im Original mit und dies find bie er= 
fen, in England gedrudten Stüde in angelfächfifcher Sprache, 
Dies lenkte natürlich die Aufmerkfamkeit der englifchen protes 
ſtantiſchen Theologen nur um fo mehr auf die Pflege derſelben 
und eine Eurze, aber ununterbrochene Reihe einzelner Gelehrten 
in dieſem Fache trat unter dem Schutze ber Beiftlichkeit auf. 
Sohn Day fertigte 1566 die erflen angelfädhfifchen Lettern in 
Metall; das dritte Werk, welches in biefer Sprache erfchien, 
war ein Abbrud ber fächfifchen Evangelien von Kor, dem Mars 
tyrologiften. In feiner Widmung an bie Königin Eliſabeth 
bemerkt er felbft, fein Unternehmen rühre nicht fowol daher, _ 
daß er ein großes WBebürfniß erkenne, daß biefe Sprache in 
Gebrauch komme und angewendet werde, die außer Gebrauch 
und ohne allen Zuſammenhang fei, fondern bamit Ihrer Maje⸗ 
Kät Unterthanen überzeugt werben möchten, daß Die, welche ſo 
ernftlich arbeiteten, die heilige Schrift im Engliſchen zu haben, . 
feine Neuerung einführten, fondern vielmehr zu Dem zuräds . 


Tchrten, was Brauch dir englifhen Kirche gewefen feit eu. 


hunderten. Gin“anberer Gelehrter aus jener Zeit, ber 

mit fächfifher Literatur erfolgreich befchäftigte, war der Rechtes 
geleßrte und Alterthumsforſcher, Sir H. Spelman, welcher fie 
für durchaus erfoderlich für jeden Tünftigen Miederherfteller der 
verfallenen Wiſſenſchaft erlärte. Von biefer Überzeugung ges 
trieben, begründete er einen angelfächfiicden Lehrvortrag an ber 
Univerfität Cambridge mit einer jährlichen Ausflattung von 
20 Pf. St.; doc ward bdiefe wohlmeigende Abſicht durch bie 


| 1434 


fie nad feinem Ableben vereitelt. Abd! | Seide ſich Petheram 


Benben Beitnerpältni 

die us t LE ihr — neue fee 

en w * w } 
aan e, an —IAII 

duch weiche man ſich zut Kenntniß jener Sprache hindurchar⸗ 
beiten‘ mußte, in der Vorrede zu feiner Abhandlung über das 
Alte und Reue Zeftament von 1623: „DHier auf diefem Zelde 
der Weichrfamteit,, in diefem Baumgarten ber alten englifchen 
babe ich mich feib ans Werk gemacht, wo 


deu Luft 


® une 


beſte Überfegung ei Dichters, die ich je gelefen habe; und 
a 


Stande fand, gleichſam ohne Blaſen FH ſchwimmen, nämlich 


M Camden und Andern, teils von ihm, theild von 
Henry Savill Herausgegeben, fich zerſtreut finden; ſowie bei 
Thomas von Walſhingham, Gajus und Lambard, nebfl mehren 
alten Urkunden, die ich in den Löniglichen Archiven und in ben 
_Regiften von Kiöftern fand. Zulegt durch die Gewöhnung 
noch geſchickter gemacht, nahm id mir bas Herz, weiter zu 
gehen und in bie Tiefe unterzutauchen unter bie reinen fächfifcden 
Denkmäler meines achtbaren Verwandten, H. Spelmgn, meis 
nes ehrenwerthen Freundes, Sir Robert Sotton und unſerer 


Bibliotheken zu Gambridge. Soweit Fam ich mit Hülfe eines , 


Führers, mährend ich nun, Bott fei Dank, im Stande bin, 
Unbere einen nähern Weg zu führen.’ Aber mit der Veran⸗ 
laſſung zu dieſem Anſtoße verſchwand auch ber erwedte Enthu⸗ 
fiasmus für dieſes Studium und man ließ daſſelbe wieder lic: 
gen; als man kaum angefangen hatte, ſich nur einigermaßen 
mit ihm befannt zu maden. Aud in der neuern Zeit bedarf 
es jur Wiederbelebung deſſelben gar einbringlider Mahnungen, 
damit ber von Sharon Turner und andern Gchriftftellern * 
gebene Anſtoß einen erwuͤnſchten Erfolg erlangen moͤge. Eine 


erfeeutiche gapeuns muß daher von dem angtdeuteten Stand⸗ 


puntte aus, die vor kurzem erſchienene Schrift von John Pes 
thetam: ‘,,Äu_ historical sketch of the progress and present 
state of Anglo - Saxon literature in England’, genannt wers 
den , welche alle hervorſtechenden Einzelnheiten bis auf den heu⸗ 
tigeh, Zag umfaßt. Die Krwähnung biefes Werkes dringt uns 
noch die rines Philologen aus dem vorigen Jahrhundert, Horne 


Zoos, bezüglich feiner „‚Diversions of purley“ auf, über | 


ommen. 





vaß za mel 


mebe von ber —— Giusale, nußen 
inmal ei be, Re op | 
einmal eine folche gegeben babe, A aa — — ide gebi 


die ungänftigfien Woructheile heaten, ge hõci 

Literatur für aͤrmlich und krines allgemeinen 3 es fr 

wertb erachteten; wogegen nad jener Zeit eine Tkmmgeflaltun 

ya Gefinnung —A die. ich durch eine en Anfeinen; 
olge von Schriften ehemaliges; 3u 

then Eprade und ihr Ber ame jur Ratferpcoche * 

gab. 3* u ° 






Miscellen. 


As Karl V. einmal 1539 in-Begleitung ber meiflen Stie⸗ 
ber feines Adels in Toledo non einmm ierg . zuxũcttam, 
flug einer feiner Hofbebientm, um bem oil auf deu Berge 
Ping zu machen, das Pferd des Herzogd von Infaniado tt 
eingm Stocke. Der hochmüthige Geitilianer,  Hieräber. entrüßer, 
zog den Degen unh er ; Bebiın 
ten.“ Karl, aufgesradt harüber, befabt fogkeich ſrichter 
Ronquillo den Herzog in Verhaft zu, gehmen., ‚Zi abeg Ron: 
quifo biefen Auftrag vollziehen _mollte, trat der Cometabte von 
Caſtilien dazwiſchen, gab Ronquillo einen Vermeis, Ichauprere, 
die .Iurisdiction über eine Perſon von hahem Mel ki tin Bor⸗ 
seht feines Amtes,. unb führte ſogleich den „Deryag von Satans 
tado auf fein eigenes Zimmer, Dig Anweſenden. vom, yetin 
Adel waren - über die Kühnheit, womit der Gonnetable die 
Rechte ihres Standes behauptet: hatte, fo erfreut, Bafı fie famm 
und fonders. den Kaiſer vertichn und ben. Gonmetable mir - 
unendlichem Krohloden nad Haufe begleiteten. Karl begab fi 
nady feinem .Palafte zurxuck und —— ihm als ollen 
der Gardinal von Zavera.*) . Der Kaiftg ga Anbeflen Bistih. 
einem Stolze nad), der mächtiger war, als daß er’ ihn Bat 
bändigen innen. Gr lieh am folgenden Morgen dem Oerzezt 
von Infantado anzeigen, daß er. den, ber ibn befcdgimpfs bez, 
fo, wie es der He verlangen würbe, wolle beftrafen ickı. 
Der Herzog betraditeie dies als eine volllommene Ehrentdu⸗ 
run reihen — Fakfertichen ahnlich vr und 
madıte demfelben e6 ein an 8 als Ert: 
Ihädigung für die erlitgene Berwundung.*) 


Rachdem Rom am 6. Mai 1527 von einer kaiſertichen 
aus Spaniern, Italienern und Deutſchen beſtehenden Armee in 
Sturme (wobei ihr Anführer, der Herzog von Bourbon, ge⸗ 
blieben) erobert und der Papſt Glemens VII. in ber 
durg gefangen worden war, verbarg ber Kaiſer Karl V. fin 
Freude barüber unter einer heuchleriſchen Außenfeite. (Er be 
theugrte, er habe non. Bourbon's Abfſichten ‚nichts gewußt; er 
legte ebenfo, ‚wie fein Hef, Zrauer an; er ftellte alle öffentl: 
den Freudenbezeigungen über die. Geburt feines Gchnrs Phi- 
lipp ein und Lich durch ganz Spanien Gebere und Heocefftor 
nen für bie Erlangung der Wreikeit des Papftes abhalten, die 
er ihm durch einen einzigen an feine Generate seulaffenen Be . 
fehl jeden Augenblick Hätte geben koͤnnen. ***). 


du Paris befland im 17. Jahrhundert ein NKiofler, im 
urden Und wilße aan Bührtinnen —— 
urden und welche dann em . 
In ſolches Kloſter follte ein wegen 8 — 
chen aber 





haͤndel bekanntes Hoffraͤulein abgeführt. werden. 
erklaͤtte der Kanonikue Karl Bauten: das gehe wicht an; 
„cax elle n’est ni file, ni repentie‘, 2. 


*) Bekannt durch ben Dichter Johannes Secundus, welcher bie deei⸗ 
dehnte Elegie des dritten Buchs ihm gewibmet Bat. 
») Robertſon, Bd. 2, ©. 660 0 
o) Ebendaſ., Bd. GS. mo. 


sc Merantwortliger Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Druck und Verlag von F. X. Broddans in Seipzig. 
ee = ea EEE . 


Soleribge’s anſchließt ne d zu ei Sr 
@ ’ 4 
—— 





Blätter 


fürn 


Literar för Unterhaltung, 





— WM. 


Sonnabend, 


354. — 


19. December 1840, 





Friedrich Schmitthenner' 8 zwölf Bücher vom 


Staate, oder ſyſtematiſche Encyklopädie der Staats⸗ 


 wilfenfeeft ften, Erſter 
839. Gr. 8. 3 The. 1 
om Schmitthenner’s * zwar, wie aus dem 
Titel erhellt, noch nicht vollendet; eine tiefer eindringende 


and. en Heyer, Bater. 


Kritik des von ihm in demfelben aufgeftellten Syſtems 


ift Daher für den Augenblick noch nicht ſtatthaft. Gleich 
wol deuten die vor und liegenden fünf Bücher bereits 
bhintänglih an, was von diefem Staatephilofephen, bei 
Durchführung feines Syſtems, zu erwarten iſt. Eine vor: 
laͤufige Beſprechung diefes Bandes fcheint une mithin audy 
Thon jegt an ihrem Orte zu fein, zumal da wir, nad 
Dem, was hier geleiftet worben, faum bezweifeln, daß der 
Verf. in den von ihm noch nachzuliefernden fieben Buͤ⸗ 
chern mit Fofgerichtigkeit die Lehren entwideln wird, be: 
ren Darlegung das Mer veroollftändigen fol. — Mit 
dieſer Vorbemerkung beabjichtigen wir zugleich den anuly: 
tifhen Weg zu rechtfertigen, den wie bei unferer Beſpre⸗ 
hung vorzugsmeife fefthaften werden. Abweichungen von 
dieſem Wege aber und Ausflüge auf das Gebiet der Kri⸗ 
tit werden wir uns nur da erlauben, wo uns foldyed un: 
umgänglich erfhien, um dem Lefer durch Hinweiſung auf 
andere ftnatswiffenfchaftliche Syſteme einen Maßſtad für 
die Haltbarkeit des Schmitthennerfhen Lehrgebäudes un 
die Dand zu geben. 

Gleich von vornherein (in ber Einleitung) geht der 
Berf. im Gegenfage zu den Lehrern, welche wie Kant den 
Staat durch Vertrag, oder wie v. Haller durch die zu> 
fällige Macht und Weisheit eines Fürften entitehen af 
fen, unmittelbar von der Kdee des Staats aus. Ihm 
ift der Staat weder Werk des Zufalls umd beliebiger Der: 
träge, noch auch etwa in dem Sinne NMaturericheinung, 
daß, mie Hegel meint, was wirklich ift, vernünftig noth⸗ 
wendig ware, ſondern der Staat iſt Ihm ein „ethiſcher Or⸗ 
ganiemus“, d. h. „die im der Idee praͤfigurirte, aber durch 
die menſchliche Freiheit zu realiſirende Form der Geſell— 
ſchaft“. Dieſer Gedanke iſt der Grundgedanke des Spy: 
ſtems, oder vielleicht das Syſtem iſt nur die vollſtaͤndige 
Entwickelung jenes Gedankens. Vermag nun der Menſch, 
außerhalb der Staatsgeſellſchaft gedacht, ſeine Beſtimmung 
nicht: errrichen, fo erſcheint dem Verf., als Zweck des 
Staa das „hoͤchſte allgemeine Wohl”, oder in audern 


Worten, bee Staat ift die nothwendige Form der Gefells 
(haft, bei welcher diefe, wie. jedes einzelne Mitglied derfelz 
ben, allein. feine Beſtimmung zu erreichen vermag,. In 
diefer Beſtimmung des Menſchen aber, als finnlichen, 
fittlichen und intellectuellen Weſens, find Wohlfahrt, Recht 
und Gultur enthalten, und eben dieſe begreift daher der 
Zwei des Staats — [ofen die Kirche, als das Syſtem 
religiöfer Intereſſen, von ibm unterſchieden iſt — als „conſti⸗ 
tutive. Momente‘ in fih.. Dee Staat ift alfo, nah Hrn. 
Schmitthenner’s Lehre, die Einheit von den drei Syſtemen 
der materiellen Wohlfahrt, des Rechts und der Cultur, und 
die gefammer Wiſſenſchaft des Staats unterfcheidet fich, 
demgemäß in die duei Reiche der oͤkonomiſchen, Rechte: 
und Culturwiſſenſchaften. 
Zur „Geſchichte der Staatswiſſenſchaft“ uͤhergehend, 
fertigt der Verf. zumal im Vergleich mit v. Raumer und 
Weitzel, die Entwickelung der politiſchen Lehren ſeit der 
Mitte des vorigen Jahrhundetts etwas kurz ab;' mit deſto 
größerer Ausführlichkeit aber behandelt er die nationalwirth⸗ 
ſchaftlichen Docteinen. Indeß koͤnnen wir ihm- für diefe 
Ausführlicpkeit nur Dank wiſſen, erwaͤgend, wie hoͤchſt man⸗ 
geihaft die Auskünfte find, die andere Schriften über 
Stautswiffenfhaft und Policei hinſichtlich der Grundfäge 
ertheifen, denen man im Mittelalter bei Anordnung Öfono: 
mifcher Werhältniffe huldigte. Während z. B. das. Merz. 
cantilfpftem gemeinhin als eine Erfindung Colbert's darge⸗ 
ſtellt, von italienifhen Scheiftftellern fogar dee Gofber: 
tismus genannt wird, weit Dr. ©. nach, daß dieſes Sy⸗ 
ftem bereits im Mittelalter, ja felbft im. entfernten Alterthume 
gegolten habe und namentlich den Reichspoliceiordnungen 
von 1530, 1848 u. 1577, ſowie allen Landesordnungen 
jener Epoche zu Grunde lag. Ganz beſonders hat ung 
die Schilderung befriedigt, die der Verf. von der Uwerfal⸗ 
fung Deutfchlands entwirft, und die nicht weniger für die 
Klarheit feines. Begriffüvermögend, wie für feine Kennt: 
niß der Altern Sprachen ein vortheilhaftes Zeugniß abiegt. 
ir übergehen, was Dr. S. bei. dem Anlaß über . die 
Schichtung der Geſellſchaft zu dei, Staͤnden — Adalin⸗ 
gen, Bemeimnfreien.-und Unfreien — beibringt, um einige 
flüchtige Züge feiner Schitderung dee allmdligen Wand⸗ 
lung der Staatsformen zu entiehnen. Die altefte diefer 
Formen war nach feiner Annahme die „pattiarchaliſche 
Monarchie”, ein Doppelipftem, role. er fügt, indem Der 


126· 7 


litiſche Gliederung, „bie Schichtung zu Ständen und de 
Entwickelung der Herrſchaftskreiſe“ als eine durchaus cr: 
das der 
Verf. auch das „goͤttliche“ nennt, iſt ihm dee Inbdegrij 
der mit der Idee der fitttichen Wr nochwehdig gegedenen 
Geſetze und der duch diefe begründeten Verhaͤltniſſe, oder 
die göttliche Ordnung der im Zufammenieben der Wen: 
ſchen gefegten Beziehungen der Perfonen zueinander. Bon 


König von ber einen Seite „ber maͤchtigſte Pateimonlals 
dere”, mithin dee Schutzherr eines zahlreichen Gefolges von 
Srundholden, von der andern Seite aber Haupt umd 
Fuͤhrer einer „freien? Nation war. Diefes Doppelfgitem 
erfuhr in Griehenland und Kom eine ganz andere Aus: 
bildung wie bei den germanifchen Völkern. Dort nämlich 
wurde der König durch die edeln Geſchlechter (die Cupa⸗ 
triden und Patrizier) vertrieben und es trat am bie Stelle 
der Monarchie eine arlſtokratiſche, fpäterhin eine demokra⸗ 
tifche Republik. Bei den germaniſchen Voͤlkern dagegen 
erhielt das Syſtem der Grundherrſchaft "das Übergeroicht, 
ſodaß die freien Gemeinden meift gefpsengt und ihre Mit: 
glieder in das Verhaͤltniß der Grundunterthänigkeit gebracht 
wurden, twomit das Spflem de6 Feudalismus das ganze 
Syftem des Staats durchdrang. Die Auflöfung diefes 
Syſtems ward durch die Einführung bes roͤmiſchen Rechts, 
die veränderte Art der Kriegführung, namentlich durch die 
ſtehenden Heere, und endlich durch bie Geldwirthſchaft her⸗ 
beigefuͤhrt; und fo entſtand bie ‚Konftitutionnelle Monat: 
hie” als die, wie dee Verf. beifügt, „den modernen er: 
hältniffen allein anpaffende Staatsform”. In Betreff ber 
für diefe Staatsform aufgeftellten und zum Theil in da6 
peaktifche Leben Üübergegangenen Theorien unterſcheidet Br. 
S. das „engliſche Syſtem“, bei welchem die Souveraine⸗ 
tät in dem Parlamente ruhet; das „franzoͤſiſche Syſtem“, 
bei welchem dieſelbe grundgeſetzlich dem Volke zuſteht; und 
das „deutſche Spftem”, bei welchem bie Staatögewalt uns 
getheitt in der Hand des Monarchen ruhet und die Con: 
flitution mehr darauf berechnet it, dem Volle „Freiheit“, 
d. b. eine dee willkuͤrlichen Einwirkung der Staatögewalt 
entnommene Sphäre, als „Herrſchaft“, d. h. vollen oder 
theitwelfen Befig der Staatsgewalt, zu gewähren. Der 
Berf. redet vorzugsweiſe dem bier zuletzt erwähnten Syſteme 
aus leicht begreiflichen Beweggruͤnden das Wort. Er Hält 
daſſelbe für dns organic eichtigere, ſcheint aber den viel: 
befprochenen Gegenſatz zwifchen landſtaͤndiſcher und Reprä: 
fentatioverfaffung, bei dem allerdings mannichfache Begriffs: 
verwirrung mitunterläuft, nicht anzuerfennen, oder ihm doc) 
wenigſtens keine praktifche Bedeutung einzuräumen. 

nter dem Namen „Ethnologie” die Doctrin begreis 
fend, welche Andere Metapolitit genannt haben, ftellt der 
Berf. die Lehre von den focialen Kormen dar, weiche die 
Srundfage der pelitiſchen bilden. Es mag für unfern 
Zweck genligen, dem betreffenden Buche ‚nur diejenigen 
Kernfäpe zu entiehnen, woraus Hr. S. im Verfolg fei: 
ned Werks die ihm eigenthümliche Lehre vom Natur: 
rechte entwidelt. In der Ethnologie nämlich ftelt er 
den Menfchen unter den drei Geſichtspunkten als „Per: 
fon”, als „ſinnlich bebürftiges” und als „denkendes We: 
fen’ dar umd folgert daraus bie Naturnothwendigkeit der 
Bereinigung von Menſchen zu Staatsgeſellſchaften, deren 
Drincipien erörtert werden. Die Familie iſt das erfte 
ethiſch⸗ orgamifche Inſtitut“; fie erweitert ih zum Ge⸗ 
jchlechte (Sippfhaft), das Geſchlecht zum Stamm und 
Volke. Mit diefer Erweiterung beginnt zugleid „die ors 
ganifche Manifeftation dee Sprache, des Rechts, des Cul⸗ 
tus”. Es verſteht ſich dabei, daß der Verf. auch die po: 


a 


ganiſche auffaßt. Das natürlihe Recht nun, 


den diesfälligen Doctrinen anderer Philofopben aber un: 
terfcheidet fih Hrn. S.'s Darftelung und Auffaffung des 
betreffenden Begriffs vornehmlich, dadurh, daß, nach ihm, 
das Recht nur im Zufammenbange des Staats gefaßt un) 
als mit und in dem Staate gefegt betrachtet wird. Zur 
Nechtfertigung bdiefer Abweichung läßt er ſich, wie folgt, 
vernehmen: 

Bei den Geſetzen ber Natur fragt man nicht leicht nad 
bem Gntflehungsgrunde, indem man an nt, baf in ber 
Natur mit dem Inhalte, als der den Rdum erfüllenden Mos 
terie, auch die Form, unter ber fie befteht, notfwendig gegeben 
ſei. Gelbft in den böhern Kreifen des Lebens, in ber Thier⸗ 
weit, wo die Natur zu freier Individualität kommt und wo 
fi die Raturgefege als Inftincte barftellen, erkennt man an, 
daß fie zu ihrer Form des Lebens nothwendig find, Fe \eitk 
conftituiren. Gchwieriger zu erkennen ift, daß auch für die ſitt⸗ 
liche Welt, das Gebiet der Freiheit, ein organiſches Opftım ven 
Geſetzen in ideeller Präfiguration befteht, weil diefe Geſetze, der 
Freipeit gegenüber, nicht in der Yorm von Naturnothwendig⸗ 
keit, fondeen in derjenigen ethiſcher Poftulate gelten könner. 
Die Schwierigkeit loͤſt fih nur dann, wenn die Bildung dr 
Geſellſchaft nicht als eine atomiftifhe, fondern als eine organi 
ſche Entwidelung gefaßt wird. Es if dann nichts einfacde, 
als zu erkennen, daß derfelbe, der den menſchlichen Willen ds; 
demfelben aud das Maß fehte, durch das er neben ander: B} 
(en zu beftehen vermag, und das Band, durch das er um 
benfelben beftehen muß, ober, was eine andere Form dieſes %: 
dankens ft, daß in dem Bildungsproceß, in welchem bir tie⸗ 
zelnen Willen zur Griftenz kommen, aud die Befege her: 
gingen, die ben Verein derfelben tragen und halten, damit ort 
bier nicht ein tolles Durdpeinanderftören der Atome, fondern cz 
foitematifch geordnete Welt fei. 


Über die Realiſation des Rechts fpricht ſich hiernaͤcht 
der Verf. in folgender Weife aus: 


Das natürliche Recht ift, feinem Wefen nad, nur ein ik 
led, es tft die Idee des Rechts felbft, die in dem Zufammeas 
leben der Menſchen realifirt werben fol. Diefe Realifation aber 
geſchieht theils auf natürliche ober richtiger organifdge Weiſe, in: 
dem das Recht in ben Gewohnheiten zur äußern Exiſtenz 
durchbricht, theils mit Bewußtſein und Freiheit, indem es durch 
die Sefeggebung zur Geltung gebradht wird. — Das Brfeg 
ber menschlich = fittlichen Ratur, das eigentlich erſt in fpdterer 
Entwidelung als Rechtögefeg dem fubjectiven Willen gegemübers 
teitt, exiftiet in dem unentwidelten Zuſtande bes Meufhen (dem 
Status integritatis), in der Form bes natürlichen Gefühls und 
Triebes und regulict, dem Inftinct der Thiere gleich, das Then 
ber Menſchen. Ohne das Bewußtſein der Verpflichtung leat 
die Mutter den Säugling an die Bruſt, ohne den beſtimmten 
Gedanken der Gerechtigkeit Gbt der Menſch Talion, ohne über 
die Natur der Nechtsinftitute nachzudenken, erwirbt der Menſch 
Eigenthum, tritt er in die Ehe und in den Staat. Da nun 
diefe Befühle und Triebe theils bei allen Menſchen, theils, To 
weit nämlich individuelle Berhältnifle einwirken, bei den tie: 
dern eines Stammes und natürlichen Woltes diefeiben find, fe 
bilden fi allgemeine Hanblungsformen oder Gewohn —— n, 
die, inſofern fie das Sittliche zum Inhalte haben, Sitten 
(moeurs) , infofern fie aber ohne Beziehung auf das fittlide 


— 


1488. 


Giefes find, Gebraͤ manidrau) Helfen. Co find alle Ges 
u bie a in der das Recht fi manifefirt, 


: bb. 9. zur äußern Griften, kommt. Der Boben dieſer Eriftenz 


— — — — — — - 


wm — — — — 


—— wg am ey us 


ifE zwar das Bewußtfeln, des ungebilbete Menſch weiß bas 
Stecht und das Recht if nur ein lebendiges, fofern es gewußt 
wird; allein das Verholten des Bewußtſeins zu demſelben ift 
noch ein unmittelbares, ber Menſch reflectirt noch nicht darauf. 
— Gleidgwie in der Sprache, die ebenfalls eine organifche Ma⸗ 
nifeflation des Volkegeiſtes iſt, theils die allgemeinen Katege⸗ 
rien des Berkonbes, theils aber auch die allgemeine Anfchauunges 
zwoeife biefes Geiſtes ſich ausprägen, fo enthält auch das Ge: 
wobnbeitsreht das natürliche Recht, das in ihm gewiflermaßen 
geiftige Kriſtalle anfeht, theild und außerdem aber auch die zu⸗ 
fällige, wenigſtens individuelle, objectivirte Befinnung eines Vol⸗ 
kes. Es kann ſodann fein, ja es liegt ſogar in der Ratur ber 
Sache, daß auf einer niedern Stufe ber Gultur Rechtöverhälts 
niffe , die eine Entwidelung ber reellen Perfönlichteit und volls 
kommene Suftitute des Staats voraudfegen,, entweber gar nicht 
oder verunftaltet, dagegen aber Inftitute, die in einem entwi⸗ 
delten Gtaatsleben unflattbaft find, aus Geltung Tommen, wie 
die Sklaverei und Leibeigenfchaft, die Yolygamie, eine auss 
fchweifende väterliche Bewalt, mit dem Rechte der Zödtung und 
des Berkaufens der Kinder. Nothwendig bat aber im Natur: 
ftaate jedes Boll das ihm abäquate Recht. 

Die Wichtigkeit des Gegenſtandes, um ben es fich 
handelt, wird unfere Anführungen rechtfertigen; um aber 
unfere Darlegung des Shen Spftems fo viel als nd: 
thig zu vervollftändigen, mögen folgende Andeutungen ge: 
nügen: Als eine der Angeln, um die fi Die ganze 
Theorie bed Verf. vom Staate dreht, iſt die Lehre vom 
organifhen Rechte zu bezeihnen. Das Rechtsver: 
bältniß ift dem Verf. entweder ein atomiftifches ober mes 
chanifches, in weldyem die Perfon der Perfon fo gegenüber: 
ſteht, daß Recht und Pflicht, feien fie nun urfprüngliche 
oder erworbene gegenfeitig einander als Gorrelata entfpres 
chen; oder es iſt ihm ein organifches, wenn es nämlich 
durch die Idee eines organifchen Inſtituts gefegt ift, fo: 
dag Rechte und Pflihten Functionen find. So waͤ⸗ 
ren, beifpielsweife nach diefer Anficht, die Hoheitsrechte or⸗ 
ganiſche Rechte, d. h. Functionen in dem Organismus des 
Staats, die durch den Regenten und die Beamten, als 
die Organe des Staatslebens, vollzogen werden. Organi⸗ 
ſche Rechte ſind aber Rechte und Pflichten zugleich, ſodaß 
es nicht in der Befugniß des Subjects ſteht, fie aufju: 
geben oder ihre Ausübung zu unterlaffen. Den Begriff 
des DÖrganifchen überall feithaltend und die fittlichen Ver⸗ 
haͤltniſſe als ein Lebendiges nehmend, entwidelt der Verf. 
eine Reihe eigenthümlicher Anfichten über die Ehe und 
Familie, die bürgerliche und religiöfe Gemeinde, die, vers 
mögen wir auch nicht fie in allen Stuͤcken zu theilen, 
dennoch außer Zweifel fegen, daß er über feinen Gegen- 
fland fang und gruͤndlich gedacht hat. Seine Anfichten 

über den Staat felbft behält er fi vor in einem befons 
dern Buche der zweiten Abtheilung feines Werkes zu ent: 
wideln, deren Erfcheinung wir entgegenfehen. 

{Der Beſchluß folgt.) 





Cine kritifhe Stimme aus England über 
G. €. Leffing. 
Das „Morgenblatt‘' lieferte bereits einen Auszug aus eis 
ner längern Abhandlung über 2effing, welche das ‚Foreign 


vartegiy zawiaw”, auf bie 71 
—* Fr * auf muche Geſammtausgabe ber Leſ⸗ 


Auszug, den das ‚‚Morgenblatt‘ gab, ſcheint befonders auf 


Mitcheilung aller derjenigen Stellen bexechnet gewefen zu fein, . 


worin der Engländer eine, wenn auc 
mit gegen Goethe eröffnet, indem er 
Dichter, Lelfing als Charakter 
Weife zu verkleinern fucht. 


noch fo beiläufige Pole⸗ 
diefem Shakſpeare ale 
gegenüberftellt und ihn auf biefe 
In vielen englifdden Beitfchriften 


ſcheint es jegt zum Ion geworden zu fein, die deutſche Litera⸗ 


tur in ihrer philofophifhen und Eritifchen Tiefe zwar anzu⸗ 
erkennen, aber dabei zu verſtehen zu geben, daß unfere Dichters 
werte mit denen der Engländer nicht concurriren Zönnen, wozu 
fie ſich der Finte bedienen, Shakſpeare, den freitih G@ingigen, 
vorzufchieben und naferümpfend unb wegwerfend zu äußern, daß 
gegen dieſen unſer Goethe doch eine ſehr geringfügige poetiſche 
Macht ſei. Man ſieht an dieſem Beifpiel, daß bie Englaͤnder 
Goethe wirklich fürchten, denn Furcht gibt ſich überen kund, 
wo man eine Groͤße zu verkleinern und, ſtatt mit ihrem eigenen 
Maßſtabe, mit einer fremden, hier nicht ausreichenden Eüe su 
meflen firebt. Dichteriſche Gewalten wie Domer, Sophokles 
Dante, Arioſt, Galberon, Shakſpeare und Goethe laſſen iig 
einander nicht ſubordiniren; die urfprüngliche Tiefe ihres Ge⸗ 


nies ift vielleicht diefelbe, aber Zeit und Bolt, worin fie wurs 


ein, mobificiren und ſchattiren fi. Shakſpeare concentrirte 
ch mit allen feinen Kräften im Drama, Goethe breitete fi 
aus und verzweigte fein Genie auf wahrhaft wunderbare Weiſe 
in allen nur denkbaren Formen ber Poeſie, feiner großen Vers 
dienſte als Profaift, Kunfttenner, Krititer, Raturforfcher und 
Philofoph gar nicht zu gedenken. So viel raſch sudende Ges 
dankenblitze bei Shakſpeare, fo viel mild erhellende Gebans 
kenlichter bei Goethe, To viel Überfprubeln der Kräfte bei 
Shakſpeare, fo viel weiſes Maßhalten bei Goethe! Die unenbs 
liche Mannicfaltigkeit, die Univerfalität Goethes bezeichnen 


feine Zeit, feine Nation auf der Spige ihrer höchften Eutwicke 


lung, und fo wenig Shaffpeare, als ein Engländer geboren, 
zur Zeit ber Glifaberh ein Goethe werben Tonnte, ebenfo wenig 
tonnte Goethe, als ein Deuticher geboren, am Hofe von Weis 
mar ein Shakſpeare werben. Dies, follte man meinen, müßte 
den engliſchen Kritikern, ſo abſichtiich beſchraͤnkt fie oft auch 
find, doc von felbft einleuchten; aber es leuchtet ihnen nicht 
ein. Und fie haben für eine naferümpfende Beurtbeilung Goe⸗ 
the’6 eine deutſche Autorität — W. Menzel, der, geftchen wir es 
nur, ben Gngländern wirklich eine Autorität ift. Erfreulich iſt 
es hierbei, zu bemerken, wie wenig alle journaliftiichen Ausfälle 
im Stande find, einen oft Angegriffenen, wie Menzel, feines 
Ginfluffes und Anfehens zu berauben; unerfreuli, zu fehen, 
wie die Schmähartikel deutſcher Schriftſteller gegen bie großen 
Genien ihres Baterlandes wenigftiens außerhalb Deutichlande 
einen Anklang finden; und wahrlih, Menzel's Ausfälle gegen 
Goethe find allzubefhränkt, zu hitzig, zu einfeitig, als daß fie 
noch als ruhige Eritifche Eroͤrterungen gelten könnten. Indem 
die Engländer unfer Bolt durch die Brille dev Menzel'ſchen Lis 
teraturanfichten betrachten, mögen fie zwar Vieles fchärfer und 
deutlicher erkennen als früher, aber mehr noch wahrlich in ef: 
nem fchiefen Lichte und einer verzerrten Geftaltung. So bes 
fonders in Bezug auf Goethe, wie fie Tieck und feine Nachfols 
ger in einer fragenhaften Verkleinerung erblidlen würden, wenn 
die „„ Halle ſchen Jahrbücher‘ — über deren fonftigen Werth 
wir uns bier fein Urtheil geftatten — je bei ben Englaͤndern 
eine Autorität werben follten. Und fo zerrüttet find bei uns 
die literariſchen Zuſtaͤnde, daß wir gegenwärtig ein literariſches 
Journal haben, welches ſich die haͤmiſche Verkleinerung bes 
größten unter unſern geſtorbenen Dichtern, und ein anderes, 
weiches fich die injuridfe Verkleinerung des größten unter uns 
feen lebenden Dichtern, nämlich Zied’s, am Herzen liegen läßt. 
Was. man aber der Ehre bdiefer beiden Wänner abbricht, bricht 
man ber Ehre ber deutſchen Nation felbft ab; aber leider vers 
leben wir jegt in Deutfchland die Periode der Maͤkelei und Haͤ⸗ 


und auf bie Fragmente bes wolfenbüttelen . 
Ungenannten fid) flügend, im legten Quartalhefte enthält. Des 


i 


Zkelet/ die al: niemand um Heiligen Herunuftacheet und 
eine viel 1Aänvlichere Krankheit ift ald ale-Mertgtt:@äntimentes 
dtät und aller Zied-Romanticiemus. Was aber Menzel's foges 
nannte deutfche Literaturgefchichte bei den englifchen Kritikern zur 
Autorität erhebt, iſt erfktich eine Eigenfchaft, weldye fie im Allge⸗ 
meinen nicht befigen, nämtich die Kraft und Wärme des Worte, 
die Napidität eines geiftreichen Raifonnements, welches durch 
die Funken, die es um ſich wirft, nothwendig das Auge eines 
ſchon vorher Befangenen bienden muß; fobann eine Etgenfchaft, 
weiche fie mit Menzel gemein haben, die moralifche Befangens 
heit, welche die aͤſthetiſche Freiheit auf ein Beringes befchränfen 
mödjte. Dierzu kommt Menzel’6 Antifeangofentyum, wegegen 
auch wir nichts einzuwenden hätten, traͤte es nicht gar fo 
ſchroff und einfeitig hesvor. —— Vorzüge glauben wir 
nicht zu mistennen, und wir bemerken fogar mit Breuden, daß 
die freiere Bewegung, die fi) in Menzel's kritiſcher Beiſe aus⸗ 
ſpricht, auf Styĩ und Auffaffung englifcher Kritiker einen gün⸗ 
ſtigen Ginfluß gehabt zu haben ſcheint; aber leider fehen wir 
auch Menzel'ſche Anſichten, welche den Stempel der Parteilichs 
keit an ſich tragen, faft wortgetreu und ohne nähere Motivis 
zung oder Kenntniß der Sachlage in ber englifchen Kritik wis 
dergefpiegelt. Daher die Sympathie, daß fi das „Morgen⸗ 
blatt” auf bie Anſichten des englifchen Kritiker im ‚Foreign 
quarterly review”, diefes auf Menzel's Anſichten beruft. 

Der Berf. der fraglichen Abhandlung über Leffing, deren 
im „Morgenblatt“ nicht berüdfitigre Partien wir befonders 
im Auge baden, braucht zuvörderft eine ziemlich lange Einlei⸗ 
tung, um nachzuweifen, daß Leffing ein Poet war, obgleich er 
einige in inhalt und Form ſehr vollendete Stücke gefchries 
ben habe; man müfle ihn als Vorläufer der deutfchen Literatur 
betrachten, die fi nach ihm und durch ihn fo reich und tief 
ansgebildet habe, und mehr nad Dem würbigen, was er als 
größer Reformator für fein Zeitalter gewefen, ale nad Dem, 
was er für uns fei und einer entferntern Nachkommenſchaft 
fein würde. Überhaupt müſſe man einen Literator nicht nach 
Dem allein abfchägen, was er zu Papier gebracht, fondern wie 
ee durch Sharalter, Gefinnung und That im Allgemeinen ges 
wirkt. Dean dürfe z. B. nicht fo befchräntt fein und wie 
Hällam an Luther nichts weiter herausfinden als ein Gedrüll 
in ſchlechtem Latein; im eleganten Lateinfchreiben hätten es 
allerdings Valla und Grasmus dem Mönde von Wittenberg 
weit zuvorgethan; Luther ſei eine Feuerſeele geweſen und habe 
die Herzen der Menfchen entzündet; daher fchreibe fich feine 
ungemeine Wirkſamkeit, und das Veni, Vidi, Vici des wahr 
haften @enies fei zu allen Zeiten bewundert worden, nicht weil 
: 86 fi in der Schrift, fondern weil es fich in Thaten verkün⸗ 
digt. Leffing laffe fich freilich mit Luther, wenn man bes kLetz⸗ 
tern gigantifche Druckkraft, feine mächtige Blitz⸗ und Donner: 
feete erwägen wolle, nicht vergleichen; er habe nicht fo brüllen 
gekonnt wie der große kirchliche Neformator, aber er habe deſto 
wifienfchaftlicher, ſchaͤrfer und fauberer zu feciven gewußt. Auch 
in feiner Erfcheinung Lündige fiy etwas Srregulaices, was dem 
oberflächlichen Beobachter fogar als etwas Paradores erfcheinen 
konne, wie bei Euther an, Etwas, was ſich unter Feine ber ge⸗ 
wöhnlichen Kategorien bringen laffe und fi auf dem Papiere 


nur ſehr unvollendbet und ungenügend ausnehme: unzählige Li⸗ 


nien, Skizzen, zwar von feiner Auffaffung und Eräftigem Um: 
riß/ aber doch fragmentarif, ein Zickzack bald hier bald dort: 
bin, bald’ nach innen bald nad außen feltfamlich laufend und 
wol gar, fo weit man feben könne, ohne Zweck und Biel abs 
—3*— keſſing habe aber auch mehr fein Zeitalter als bie 

achkommenſchaft im Auge gehabt, er ſei fortwährend in theo⸗ 
logiſche, kritiſche, philologifche und artiſtiſche Streitigkeiten vers 
ftochten geweien, und er habe, indem er diefe literarifchen 
Schlachten (Klug, feinem Naterlande und feiner Zeit mehr ges 
nußt, als gegenwärtig ein engliſcher Krititer würdigen tönne; 
ja, es dürfte Leicht gefchehen, daß man einen Mann, der fo viele 
Pyamden in den Staub geftredt, ſelbſt für einen Pygmoͤern zu 
halten ſich geneigt fühle. Biſſet Hawkins in feinem Buche 






„Germanyt hate fir Faß Wegeucih 2 

jchuidig gemacht. ach Hawline: Arſca fek: Ceffing viel za 
ſehr überfhägt worbeir; man Habe ihn feat, fün: Amer Dider 
gehalten, ex, Hawkini, aber könnt ibm die Sufpimation rind 
dichteriſchen Genius nicht: zugefichen; zwar fei ee mit vice 
und fehr mannichfaitigen Yäbigkelten begabt, aber in iram 


Studien defultorifch, mehr eifiig ‘ats ausbauerd geweien, wide 
weniger parador und, um feinen literariſchen Charakter red: 
geleräudslichen 


genau mit einem zu. Leffing’e Zeiten noch nicht 
Worte gu bezeichnen, revolutionnair; er habe fortwährend ar: 
nad gebürftet, Neues zu entdbeden ober neue Anfichten fir V-⸗ 
tes, aber fein Plan babe immer etwas Zufälliges unb Untari- 
mäßiges gehabt, er fe in der umfafleutfien Bedeutung we 
Worte ercentwifch gewefen u. f. w. Unſer Stevirmez meint, bas 
fel doch zu wenig Lob für einen Mann wie Erfing, ber bie 
deatſche Sprache, welche jet von allen em Dentern 
ſtudirt würde, fo meiſtertich gehandhabt und ben GSrund ſtein 
zu jener deutſchen Literatur, bie ſich durch Brünslähleir, Hus 
mantität und Charakter auszwichne, habe legen helfen. Dierbet 
wird Goethes Aueſpruch citirt, daß anderen Leute Genie zwar 
mehr geglänzt haben möge als Teffing’e, aber daß man Finca 
folden Charakter nicht wieberfinde. Und ein fohber, Teßf ber 
engliſche Kritiker hinzu, babe damals in Deutfhlans Morh ges 
tban. Um das Jahr 1750 fet die deutſche Literatur nicke nur 
teoden unb platt gewefen wie der märkifie Sau, ſondern 
jdlechter als das — weibiſch, knabenhaft und kindiſch; in je⸗ 
dem kleinen Fürſtenthum habe eine Verwaltung von Picffer 
und Pompadours, von franzöfifhen Kochen und engtiſchen Por⸗ 
den gewuchert — und nichts fet als Gegenhalt zu diefer ager 
meinen Verderbniß dagemwefen als Friedrich's des Großen rifiger 
Sarkasmus, die dürre Pebanterie der Univerfitätsgeichtjamteit 
und die dickkoͤpfige Starrheit des orthodoren Eutherthums. Das 
ift allerdings wahr, aber ber hoffärtige Engländer ficht ich 
zu viel Verpeftung Im bamaligen Deutſchland, fogar in jene 
genialen Werken, welche ben Durchbruch einer neuen Zeit, dan 
neuen Geiſtes verfündigten und, aus dem Borne der erme 
ſten Naturfraft gefhöpft, nur in ihren einzelnen Überm:c: 
gen, aber durchaus nicht in ihrer Sefammeerfcheinun 3 
krankhaft angefehen werben Tönnen ; find doch felbfE jene üter: 
treibungen als Auswucherungen einer zu faftvollen gifunte 
Drganifation im Gegenfat zu der allgemeinen Trockenheit un 
Nüchternheit wol zu entfhuldigen und zu erlären. Waim 
ſcheint dem Engländer nicht alles als Krankheit? Krankheit ik 
ihm Wieland’s feinduftiger Platonismus in deffen frühern Re: 
fen, wogegen das wolläftige Etement, das fi) in feinen fpären 
Productionen findet, auf eine naturgemäße, aber doch zu su% 
ſchweifende Weife reagire hade: Krankheit ift ihm Kiopkekt 
Barbenpoefie, Krankheit Schillers ‚Räuber‘, Krankheit St 
the’8 ‚Werther‘; und ungehörigen Orts ſchleicht ſich hier die 
haͤmiſche Bemerkung ein, daß der poft: werther’fche Geitsı, 
allerdings In jeder Hinſicht ein newer Menfch, zu früh im Treib⸗ 
baufe der Hofgunſt untergefrochen fei, als dab er ſich in vollr 
Gefundgeit habe entwideln koͤnnen. Aber Leifing, fagt ber 
Engländer, war ein Mann, unb eines Mannes beburfiz da: 
mals die beutfche Literatur. Iſt etwa der „Göt von Berlis 
nn, ae en cine ale ce, fü 

erauf folgt eine ziemlich umflänbliche, für englifche Leſer 
gewiß intereffante Darftellung der Gauptmomente aus Leſſing's 
Leben. Es wird darauf aufmerffam gemacht, daß Leffing, um 
Keines Knecht zu fein, von feiner Feder lebte, und biechei trefs 
fend bemerkt: „Leſſing wußte, daß eines echten Literaten Theil 
nicht von biefer Welt iſt; daß Geld nicht bie Wänze iſt, we- 
mit er bezahlen oder bezahlt werden kann — — — Seffing’s 
Srundfag war: wer geſund iſt und arbeiten will ‚ bat in ber 
Belt nichts zu fürchten! — — — Wahrlich, man kann fagen, 
daß ein Schriftfteller, welcher nicht mit heiterem Gtoiciömus 
Noth leiden Tann, feines Berufs nicht werth iſt und das Herz 
nit auf dem rechten Flecke hat.’ 

(Der Beſchluß folgt.) 


Berantwortlicher Derausgebers Heinrih Brokhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 
LEER 





gegen Ecing 


ftr 


Literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 






Zriedrich Schmitthenner's zwölf Bücher vom 
. Stoate, oder ſyſtematiſche Encyklopaͤdie der Staats: 
vwoiffenfpaften. Erſter Band. 
Weiglub aus Nr. 34.) 

Inzwiſchen iſt von den fünf Büchern dieſer Abthei- 
tung, nach unferm Ermeſſen, das legte, worin die Ratio: 
nalötonomie behandelt wird, das reichhaltigſte an ori⸗ 
gineilen Ideen, fodaß man dem Verf., hätte man auch 
gegen dieſe Ideen an ſich Manches einzuwenden, den von 
ihm bereits ‚In der Einleitung erhobenen Anſpruch einraͤu⸗ 
men darf, er fei der Erfinder eines neuen Syſtems für 
die betreffende Disciplin. Hr. S. benennt fein Spftem, 
ganz folgerichtig, das organifche; deſſen Verhäftniß zu 
den frühern, am meiften bekannten Spftemen ſtellt er, wie 
folgt , dar: 

Man pflegt gewöhnlich drei Gpfteme dieſer Wiſſenſchaft 
sufzuführen: das Mercantilffiem , das phyfiokratifche und das 
gnbufsioßen Adam Smith's. Bon diefen eriftist aber das 

jescantälfpftem nicht als eine fpeculative Theorie; es iſt mehr 
ein aus der unmittelbaren Auffafung von Erſcheinungen abges 
Teitetes, praktifes Princip. Das pᷣhyſiokratiſche und das Ins 
dußtriefpfiem ftehen fi darin gegenüber, daß jenes die Producz 
tion des Werth der Naturksaft, dieſes bie Erzeugung des 
Zaufcwerth6 der Arbeitskraft zuſchreidt; beide fimmen darin 
überein, daß fie bie Rationaliwirthfcaft nur als ein Aggregat 
von Privatwirshfdaften faflen und Zreipeit und Bölkerglüd 
ducch die Zerfegung ber Gefellfchaft in ihre Atome bedingt meis 
nen. Diefe Auffaflung hat fih als burdaus unzulänglid ers 
wiefen, um die Grideinungen des Gewerblebens aus ihr zu 
erflären, fogar al verderblih, wo man praktiſche Maßnahmen 
aus ihr abgeleitet hat. Mehre denkende Schriftſteller haben das 
der bereits die Ginfeitigkeit dieſer Syſteme zu eraängen, ſowle 
Die @egenfäge zu vermitteln gefudt, und die Wiffenfchaft Acht, 
befonders durch die Bemühungen deutfcher Gelehrten, der Bahr: 
peit viel näher. Man wird, nad fo vielen tzefflichen Vorar⸗ 
beiten und bei dem tiefern wiffenfchaftligen Bewußtſein unferer 
Zeit, fa unwilfüclic zu dem Gedanken gedrängt, die Ratios 
valötonomie fynkretiftifch und als organifhes Syßem 
begreifen .. „ Aus diefer Auffaffung ergeben ſich weitere Grund⸗ 
Ye der Wiffenfcaft, welde allerdings denen der Phyfiokratig 
und des Induftsicfyfteme fehr beftimmt gegenübertreten . ... Das 
werthooße Product ift nicht das Refultat einer einzelnen 
Kraft, fondern der Werbindung der Kräfte in einem 
Produstionsprocch, weshalb denn auch bie Größe des Tauſch⸗ 
werth6 einer Productiv⸗ oder Erwerbskraft ihrer lucrativen 
Benugbarfeit im einem Induftrieprocefie gleih if. Wie bie 
einzelne Kraft iher Bedeutung nur in dem Probuctionsprocch 
ewinnt, fo hat diefer die feinige nur in einem organifden 
Ehkım des Production. Gin ſolches organiſchet Soſtein 


20. December 1840. 


iſt aber ohne oͤffentliche Birthſchaft nicht möglich. Die Staata⸗ 
orbnung Zann außerdem Peine Phyfiokratie fein, tritt vielmehe 
als EogoFratie im Gebiete de Ethiſchen jener gegenüber. " 

Möge fi) nun diefe wiſſenſchaftliche Auſicht als tie 
tig bewähren ober nicht, fo Äft jebenfahs HödhE intereffang, 
Grundfäge entwideln zu fehen, die denjenigen, die durch 
3. 3. Say aufgeftellt worden find und unter uns viel 
fache Anerkennung gefunden haben, zum Theil ſchnurſtracks 
entgegenftehen. Auf jeden Fall muß die Wiſſenſchaft duch 
hiefes Werk großen Änſtoß erhalten. Mas das Studium 
deffelben erſchwert, freilich aber auch zugleich eine Wider 
legung f&prolerig macht, iſt die ſtreng foftematifhe Entwi⸗ 
delung. Das Ganze ijt ein gefhictes Gewede auf das 
feinfte zugefpigter Begriffe. Um aber für defien Gehalt 
hier einen. Maßſtab zu geben, mögen einige flüchtige Ans 
deutungen genügen. 

Eigenthuͤmlich iſt bem Verf. gleich von vornherein die 
Darlegung der Relativität, oder, wie er ſich ausdrückt, der 
dämonifhen Natur des Werthes. Begreiflich find Ge⸗ 
brauchswerth und Tauſchwerth, aber auch Tauſch⸗ 
werth und Preis fehr ſtreng geſchieden. Erſterer, deſſen 
Momente haarſchatf dargelegt find und der hiernach im 
innern, aͤußern und reellen Werth unterſchieden wird, if 
einfach ald Preisfähigkeit, letzterer aber als das hei 
der Veräußerung eines Gutes feftgefegte Äquivalent defi⸗ 
nirt. Streng ifk ferner die Unterſcheidung des materiellen 
oder ötonomifchen und bes geifligen, inöbefondere des in⸗ 
telectuelen, moralifgen und religiöfen Werthes durchge ⸗ 
führe, wo denn aud die Lehre von dem geiftigen oder 
Tulturgutern aus der Nationafgfonomie weggewieſen if, 
Die Gründe, die Hr. S. für diefe Scheidung, vorbringg, 
Find mindeftens beachtungswerth, follten fie auch nicht 
überall zur Überzeugung: führen. Denn allerdings kaun 
«8 eine Verwirrung der Begriffe veranlaffen und erſcheint 
ſelbſt gewiffermagen herabwürdigend für das Geiſtige, wenn 
die Cultur in der Staatswirthfhaft abgehandelt und das 
Moratifhe und Religiöfe mit dkonomifhem Maßſtabe ges 
meffen wird. Im Betreff feiner Lehre von din Pros 
ductivfräften wollen wie nur fluͤchtig bemerken, daß 
der Verf. dabei gar zu fehr ins Einzelne geht. Wenn 
derſelbe aber bei der Eintheilung der Capitalien feyärfer als 
feine Vorgänger unterfcheidet, fo ann der Daraus ſich erger 
bende Gewinn für die Wiſſaaſcheft chen nice ſehr hoch 





2278, ] P 


efchlagen werben, wogegen wie es als einen Kortfchritt 
—— nnldelung betrachten, daß er das Mefen der 
Arbeitscheilung, die eine fo große Rolle in der Na⸗ 


ionaföf ie fpielt, mit größerer Beflimmtheit auffaßt. 
tionaloͤbonomie Ip ut ni ap —— — 
rin ‚gegebene Definition Ber Grund: 


18 ge fernere 
bezchnen wir die | 
sehten, bie er von dem Reinertrag bes Landes unterſchei⸗ 
det und als den Tauſchwerth der gewinnbringenden Benutz⸗ 
barkeit oder Geldertragsfähigkeit einer Naturkraft angibt. 
Gleich eigenthuͤmlich IfE die Theorie des Gewinns, mit 
weicher allerdings die bisherige Nationaloͤkonomie nlemals 
recht fertig werden konnte. Hiernach naͤmlich ergibt ſich, 
neben den drei Elaſſen des Einfommens — Grumdrente, 
Capitalrente und Arbeitslohn — noch eine vierte Claſſe 
von Gewinn, der aus der Mitwirkung der zu einer in⸗ 
duſtriellen Unternehmung vereinigten Kraͤfte entſpringt und 
der in dem Überſchuß deſteht, welcher verbleibt, nachdem 
von dem Ertrage des Geſchaͤfts Verlag und Arbeitslohn 
abgezogen ſind. Mehr jedoch wie von allen Eigenthuͤm⸗ 
Uchkeiten dieſes neuen Syſtems wird man betroffen, wenn 
der Verf. die mercantiliſtiſche Anſicht von der Natur dee 
Geldes wieder and Zagesticht zieht. Nach den man: 
nichfahen Ausführungen der Phnflofraten und der An: 
Hänger Adam Smith’ muß e6 auffallen, auf einmal wie⸗ 
der in einem wiſſenſchaftlichen Werke über die Votzuͤge 
der Geldform des Werthes in der Nationalwirthſchaft, die 
Mittel, das Geld in das Land zu ziehen und im Lande 
zu behalten, über die Bedeutung einer günftigen Handels: 
Bilanz u. f. w. Erörterungen zu lefen. Man hätte glau: 
ben follen, es feien dies Alles Längft abgethane Dinge, 
die nur von einer wifienfchaftlichen Praris in Ehren ge: 
halten würden. Da uns indeg der Raum d. Bl. nicht 
geftattet, gegen Den. &. deshalb polemifh zu Felde zu 
ziehen, ſo mag hier die fluͤchtige Bemerkung genuͤgen, daß 
derſelbe auch bei der Entwickelung dieſes Lehrſatzes wenig⸗ 
ſtens folgerichtig zu Werke geht und die zu deſſen Gun: 
fen angeführten Argumente aus ben tiefeen Grundfägen 
des Syſtems felbft ſchoͤpft. 

Die Darſtellung der Nationaloͤkonomie ſchließt endlich 
mit der Lehre von dem Weltverkehr und dem Wider: 
ftreite der verfchiedenen Nationalinterefien. Der Verf. wen: 
det ſich bier polemificend gegen Adam Smith, Say, Sie: 
mondi ıc. und fucht, mit Aufbietung aller Kräfte, darzu: 
thun, daß allgemeine Handelsfreiheit nur als ein dem ewis 
gen Frieden vergleichbares Ideal zu betrachten fei. Es 
folle daffelbe, meint er, erſtrebt werden; menn aber ein 
einzelner Staat zu defjen Realiſtrung fofort fchreiten wollte, 
fo wäre dies Schwärmerei und eine unverzeihliche Preis: 
gebung feiner Intereſſen. , 





Eine tritifche Stimme aus England über 
&. €. Leſſing. 
(Beſchluß aus Mr. 35.) 

Ein Eleines Rencontre, was Leffing mit Voltaire gehabt, 
wird ebenfalls erzählt und hinzugefügt: „„In dem Zeitraͤum⸗ 
zen 1750— 80 «8 zu feiner Aufgabe zu machen, Voltalre's Aus 
deritaͤt in Deutfchland zu bekämpfen, war Eein geringes Vers 


ie Überfebung- eines befannten 
oltaire ip viel wir ‚und! erikdern 


jegt — wen "man euch glauben 





Here lies — were churchman’s wish the will of Ged — 

Who long ago had lain beneath the aod. 

May God forgivo the Hoenriade, 

His iragedies and verves! — all are bad; 

His other works, the truth to tell, 

Are pxetty, pretty, very well. („Da&hbat er ziemlich gut gemadt.ri | 
„So unter Friedrich's des Großen Rafe zu ſchreiben“, bemerkt 
der englifche Kritiker, „war von lüdlicher Vorbedentuag für 
Schlegel und Schiller, für Kant, endt, Sollen umb Menzel, 
für jenen wahrhaft nationalen und antifca Sherat: 
ter, durch weichen ſich feit ihrer legten Wied bie beut: 
fe Literatur und bejonders die deutſche Kritik fo ehrenvol 
auszeichnet.” 

Der Kritiker ſieht ſelbſt ein, wie ſchwer es fein möchte, 
einem Gngländer die Refultate der literarifgen Wicktamkeie 
Eeffing’s anſchaulich zu machen. Das liege daran, Ya die eag⸗ 
liſche Literatur eine Literatur bes Charakters und der Dant- 
lung, die beutfche eine Kiteratur des Gedanfens und Sefühls⸗ 
ſei. „Ein ernſtes und wuͤrdiges Nachdenken, ein Berlongen und 
Streben nad ber ſpeculativen Wahrheit, eine Borliebe für wie 
fenfchaftliche Unterfuhung um ihrer felbit willen, eine nidt gr: 
rade tiefe Froͤmmigkelt an ſich, aber doch ein angeberener Zrirk, 
bie philoſophiſchen Wahrheiten aller Religionen prüfen — 
dieſe Eigenſchaften find erfoberlih, um die mei en deutſchen 
Schriftſteller, gefchweige einen fo fragmentarifchen und polkei: 
ſchen Schriftfteller wie Leſſing gu würdigen. Aber Zohan Bai 
if, wie wir Alle wiſſen, mebe ein Geiſtlicher als ein theelcci⸗ 
fer Zorfcher, hat mehr mit dem praftifchen Verſtande au mt 
bee Ppilofophie zu thun, und während er ſich damit begnigt, 
Menſchen zu beſchreiben, überlaͤßt ex dem Deutſchen die wer: 
niger dankbare, doch nicht weniger nothwendige Aufgabe, ur 
und über den Menfchen zu fpeculicen,‘ 

Der Reviewer findet aber glüclicherweife etwas Britifcet 
in Eeffing, Nichts von jener Nebeih Ic, welche der beutfden 
Speeulation eigen fei, nichts Traumhaftes, Verfhwommenes in 
feinen Dramen, was viele beutfche Dramen dem männliden 
GSeſchmacke der Engländer fo ungenießbar mache. „,tefüng 
war’, Heißt es weiter, „der Dichter der Realität, der ledend⸗ 
gen handelnden Natur, fo weit ex fie kannte oder fie in einer 
deutſchen Welt vermochte su kennen.“ Der Gngländer zieht 
bier eine feltfame Parallele zwiſchen drei Männern, weldye cbre 
nicht viel Gemeinſames haben, zwiſchen Goethe, Kant und Leis 
fing. ‚Unter biefen‘‘, fagt er, ‚„‚war Eeffing der am wenige 
kunſtliche und, fo weit es bie bloße Manier betrifft, durchaus 
engliſch; Kant a Philoſophie mit einer (dulgemäs 
Ben Phrafeologie, wodurch mehr ber Anfchein eines Geheimnif: 
ſes, als wirklich vorhanden war, bewirkt wurde; Gorthe’s viel: 
befprochene Dbjectivität dagegen war von einer au garten, finn- 
lichen und kuͤnſtleriſchen Natur, um den Sympathien des der⸗ 
ben und kraͤftigen Briten irgend zu entſprechen. Ferner war 
deſſing von jedem philoſophiſchen oder aͤſthetiſchen Manierismus 
frei. Was ihm geſtattet war zu ſehen, das ſah er Bar, und 
er fagte EHar, was er fab. Beine Dramen find volfommen 
wahr, genau und natürlich und ohne allı Affectation, ohne alle 
Phraſen. Wir mit unferm Shaffpeare und einer Schar nicht 
unmürbiger Satelliten mögen immerhin berechtigt fein, etwas 
fühl auf ihn berabzufehen, aber ſelbſt wir, geborene Dramati: 
ber wie wir find, werden nicht leicht viele Stücke prodmeiren, 
welche in vollkommener dramatifdyer Beinheit ſich elaſſiſcher dars 
ftellen möchten als Eeffing’s drei vorzuglichſte Dramen: ‚Smilie 











— m To En — 





fusi 


SBalottt”, „hing von Barnheim” und „Nathan ber Veiſe“, 
In be t, wie mögen fie für Zelt, ſelbſt teoden balten, 
aber was darf und Engländern nicht kalt einen, im Ber: 
haͤltniß dem Feuer und der Furie, welche uns von ber 
Bühne —* entzüden? Und was ſollte uns nicht trocken ers 
——— im —— zu FR überein Shmud: — 
e, den wir und zum e gemacht gu haben fcheinen, 
um uns für bie gebräuchliche Kahlheit unferer Profa zu ent> 
ſchädigen?“ Zugeflanden, daß bie Profa der Engländer in ber 
Hegel ebenſo praktiſch als kahl ift, To können wir doch nicht 
einräumen, daß wir an feurigen, poetiih ſchmuckreichen Dra⸗ 
men fo arm feien. Abgeſehen von Shaffpeare — wo find die 
feiner würdigen Satelliten, auf welche bas englifche Drama flolg 
fein Zönnte? Haben bie Engländer auf dem Gebiete des hoͤhern 
Drama unfern Goethe, eeffing, Schiller, Leiſewit, Berftenberg, 
3. Werner, 9. von Kleift, Grabbe, Immermann, Grillparzer 
u. f. w. in jängfter Beit eine aͤhnliche Reihe von Goncurrenten 
gegenüberzuftellen? Oder ift Shelley’s Drama: „Die Genci” 
nur aufführbar? Oder Byron’s „Manfred'“ weniger nebelhaft 
als bie nebelhaften Dramen beutfcher Dichter ? Oder Gheridan 
Knowles bedeutender ald Raupad und Müllner? Und wer 
t mehr dazu beigetragen als die Englaͤnder — „‚geborene 
rametiler wie fie find” — mit einem Ballaſt von Romanen, 
welche in Überfegungen die ganze choilifirte Welt unter Wafler 
und bie Kritil in Schreden fehen, den Geſchmack an ber Lecs 
ture ober Aufführung dramatiſcher Erzeugniſſe zu erftiden ? 
Sonſt find des Reviewers Bemerkungen über Leſſing als 
Dramatiker ganz richtig und treffend, aber lange nicht erſchö⸗ 
pfend, namentlich hätte fih über die tiefe Bedeutung des „Nas 
than“ viel Gründlicheres und Philoſophiſcheres fagen laflen, als 
Bier gefcheben if. Gr fagt unter Anderm, baß die geringe Zahl 
feiner clafifchen Dramen genügend beweife, baß Leſſing feinen 
ſehr hohen Rang ald Dramatiter einnehme; denn große Benies 
feien allewege fruchtbar. Leffing felbft babe ſich für Bein gro: 
Bes poetiſches Genie gehalten, wie aus einer Stelle in der 
„Hamburgiſchen Dramaturgie’’ hervorgehe, welche bier in fiber: 
fegung mitgetheilt iſt und deren Kern auf dem befcheidenen 
Selbſtbekenntniſſe Leffing’s beruht: „Ich muß Alles durch Roͤh⸗ 
zen und Dradwerl aus mir berauspreflen‘ (in der Überfegung: 
„With me is all squeezing and pumping”). Doch babe Lefs 
fing ein feiner dramatifcher Takt innegewohnt; fogar fein Ju⸗ 
gendprobuct: „Der junge Gelehrte‘, bezeuge dad. Und dann 
müffe man noch den jämmerlidyen Zuftand bedenken, in welchem 
fi zu Leſſing's Zeit die deutfche Bühne befand. In der „Ham⸗ 
burgifhen Dramaturgie” habe er Boltaire befämpft, dem koketten 
franzöfifchen Weſen den Weg veriperrt, Shakſpeare dagegen den 
Weg nad Deutſchtand gebahnt und dadurch England und 
Deutfhland in literarifher Hinſicht fo eng verbrübert, als fie 
es in piapfifcher find. Zwanzig Jahre vor Goethe habe Leſſing 
Shakſpeare den Deutfchen zum Muſter aufgeftellt, 40 Jahre 
vor Schlegel habe er Calderon flubirt. Lefling’s Stüde feien 
nicht nur als vollendete Muſter des deutſchen Styls ſchaͤtbar, 
fie feien auch fdäpbar als lebendige und charakteriftifche Ges 
mölde bes Z3eitalters, in welchem er lebte. „Emilie Galotti‘ 
fei anzufehen als eine ernfle Grinnerung an die Erbaͤrmlichkeit 
und Berderbniß der kleinen bdeutfchen Fürſtenthümer zu einer 
Zeit, wo ein fchrediiches „Dubarrydom‘ (nad Gartple's Auss 
deud) Halb Europa uberwacherte; „Minna von Barnhelm‘ fei 
ein feines Gabinetsſtück, „Nathan der Weiſe“ aber als bie 
Blume und gereifte Frucht von Leffing’s gefammter poetifcher 
Triſtenz anzuſehen, obgleich nicht für die jenige, doch vielleicht 
für eine zulänftige intellectuelere Schaubühne paflend. Sodann 
Iommt unfer Engländer auf Leffing’s Fabeln und Epigramme 
zu fprechen, von benen er mehre überfegt mittheilt. Die Deut⸗ 
jchen, fagt er, hätten ein natürliches Geſchick, einzelne Perlen 
aneinander zu reihen, wie die Orientalen et nennen. Bon dies 
ſer Art feien mehre nette Sachen von Schiller, und ſelbſt Eo- 


leridge babe ſich nicht entbloͤdet fie gu Fichten. Lelfing’s „‚Rads 


Soon” wird mit ausgezeichnetem Lobe erwähnt und ebenfalls 


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a IR Mater ⏑—— —— 


Het, und betrachtet DIE Familie, dAP Bateriand, das Ei⸗ 
um als die drei nothwendigen Arten der Gemeinſchaft des 
—** mit Seinesgleichen und der Ratur; das dritte han⸗ 
beit von dem flbel, feinem Urſprung und feiner Heilung; das 
vierte von ber gegenfeitigen Verbindlichkeit dee Menſchen, bes 
ers von ber chriſtlichen Liebe und Barmherzigkeit; das 
Kae weit nach, daß diefe gegenfeitige Verdindlichkeit ein« 
ewige ſei und flellt umter Anderm folgende Saͤtze auf: „die 
Eebe befindet ſich nicht außerhalb des Himmels”; „das zukünf⸗ 
tige Leben unterfcheidet filh in der Weſenheit nit vom gegen: 
etigen‘‘; „Menſchheit und Menſch find identiſch“; „das zus 
künftige Leben des Menſchen iſt mit der Vervollkommnung 
der Wienfchheit verknüpft‘; „wir find nicht blos die Kinder 
und.die Rachkommenſchaft Derjenigen, weldye vor uns gelebt 
Baden, fondern im Grunde und in der Wahrheit biefe frühern 
ihenerotionen fetöfl‘‘; „die Individuen haben ihre Dauer in 
ver Sattung”. Das fechste Buch fucht aus Virgil, Plato, 
Pythagoras, Mofes u. f. w. nachzumeifen, es fei ſchon im Al: 
terrbum die Anficht der Philoſophen und Religionsledrer gewes 
Ten, daß ſich der Menfch in der Menfchheit wiedergebaͤre. In 
feinen weſentlichſten Punkten ſcheiat das Werk von Lerour eine 
Mehr oder minder gut verbante Reproduction der Hauptgrund⸗ 
ſütze der modernen deutſchen Philofophie zu fein. 5, 





Bibliographie. 


Aufret, J., Lieder. 8. Gtuttgart, Mepler. 1 Thir. 8 Er. 
Barthelme, X, Das Chriſt⸗Püppchen. Ein Schau⸗ 
Pe in fünf Aufzügen. 8. 1839. Kitzingen, Köpplinger. 


Bernhard, Lebensbilder aut Dänemark in Novellen und 
Grgählungen. Htee Band. Der Kinderball. — Auch u. d. 2.: 
Dre Kinderbali. Novelle. 8. Leipzig, Weber. 18941. 1 Thir. 
. Beskow, B. dv. Schwediſche Tragoͤdien. Weberfeht von 
J. Oehlenſchläger. After Theil. — Auch u. d. T.: Bus 
ſtav Adolph. Tragoͤdie. Aus dem Schwediſchen von X. Deh⸗ 
Lenfhläger 8. RLepgig, Weber. 18411. 1 Thir. 8 Gr. 

Süpdöftlicher Bilderfaal. ter Band. Griechiſche Leiden. 
fer Theil. Herausgegeben vom Verfaſſer der Briefe eines 
Berkorbnen. 3. Stuttgart, Hallberger. 3 Thlr. 15 Gr. 
Btüthen der griechifchen Dichtlunft in beutfcher Nachbil⸗ 
dung u. f. w. von A. Baumftart. tes Bändchen. 
Auch u. db. T.: Bluͤthen der lyriſchen Dichtkunft der Briechen 
in deutſcher Nachbildung. Mit den nöthigen Erlaͤuterungen 
a von A. Baumſtark. ®r. 16. Karlsruhe, Groos. 


r. 

Boccaccio's fämmtlihe Romane und Novellen. Zum 
erſten Mai überfegt von W. Röder ter Band. Gr. 16. 
Ctattgaet, Griefinger u. Somp. 15 Gr. 

Böttiger, Die Weltgeſchichte in Biographieen. 
Band. — Auch u. d. J.: Die mittlere Befchichte in Biogras 
ꝓhieen. ter hell. Gr. 8. Werlin, Dunder u. Qumblot. 
Mal. Bubfer.:Pr. 1 Thlr. 18 Er 

Breiter, F., Die Philoſophie des Anaragoras don Kla⸗ 

wornena nad) Ariftoteles. Ein Beitrag zur Geſchichte der Phi: 
Aſochie. Sr. 8. Berlin, Bethge. 12 Er. 
. Goethe’ ſaͤmmtliche Werke, Supplement. Boethe’s Les 
ben von 9. Döring. — Auch u. d. T.: Goethe. Gin 
biographifchee Denkmal von H. Döring. Ifte Lief. 8. 
Jena, Mauke. 8 Br, 

Hand⸗Bibliothek auslänbifcher Claſſiker, in getreuen Uebers 
fegungen von einer Geſellſchaft Gelehrter. Ifter Band. — Auch 
2 d. 3: Die Frithiofe⸗ ne aus dem Schwediſchen des E. 
Kegndr. Ueberfept von X. ©. Wollpgeim. Ste, wers 


ater 





a v — 


Harriffon, S. B., Mitthetlungen aus dem Zr 
buche eines Arztes. Aus dem Engitihen. "te Auflage, ferzun 
durchgefehen und mit einem Borworte begleitet von 8. r. 
Hermes. In 5 Theilen. 8. Braunſchweig, Bieweg u. Ech 
1859, 4 hir. 9,® ich \ 

Darrys, H., Bollsfagen, Märhen und Legenden Ri: 
derſachſens. fe Abth. en Abth. Dre Harz. Br. 12. CK, 
Schulze. 20 Gr. 

Hende, K. L., Daguerreotypen und Chaufſee-Sefßcken 
2 Baͤnde. 8. Leipzig, Weber. 1841. 3 pie. 

4 Koenig und feine Lügen. Ein Gegenſtüct zu: 9. 
Gretſch und die Tuffiihe Literatur in Deutſchland. Er. Ir. 
Samburg, Perthes⸗Beſſer u. Maufe 6 Er. 
 Eaube, $., Jagbbrevier. Br. 16. kripzig, ©. Wizone. 
1841. 1 Ihr. 12 Er. 

Lenau (Riembſch von Strehlenau) N., Reuere Schichtr. 
2te vermehrte Auflage. 8. Stuttgart, Hallbexger. 1 Ax ?1 Gr. 
A —A—— Sarotine, * er Albricht Dice. 

rama in vier en. it 9 Abbifd Mufit: 
beilage. 8. Rürnkerz, Winter. 1 Zbir. Ben u j 
xhei e —* * Aus dem Pal Friedrichs des Großen. : rer 
nöberg. — Auch u. d. T.: Rheiriberg. 8. Eiturr- 
gart, Krabbe. 1841, 1 Thr. 18 Gr. deizibeng. 

Lubojagky, Die Jüdin. Deutſches Gittengemätte aus 
ber erften Hälfte des 14. Jahrhunderts. rer, Ater Thcil. 
®r. 12. 4 Iple.: 5 Thlr. 12 Er. 

SaintsPierre Paul und Virginie umb wie indiſche 
Hütte. Neue Uebertragung durch G. Kine. Ritt 800 in ven 
Text gedsucten Bignetten und 80 großen Bildern in frinf«m 
Zeunin. —— ns Stadiſtich. tes bie Imi 

. Ber.:B. cin, Denning, Wind u. Somp. Es 
ſer.⸗Pr. 5 Thir. 8 Ge, Gubfer.sPr. für das Ganze: 6 pr, 

Schleiß, M. 3, Gonradins des Ichten Dobenkrr 
Zod. Zrauerfpiel in fünf Aufzügen mit einen Worfpiee 
1 Holjfehnitte von Thomas Bauer. Gin Beitrag zut voran 
Säcularfeier der Grfindung der Buchdruckerkunſt. 3. Kia: 
sen, enger: an * 

erwood, reß. Die Nonne. dem 
Englifchen der dritten Auflage von Elle —— 
2 Theile. Gr. 12. Reutlingen, Enßlin u. Saibtin. 1 Zkr. 

Spindler, G., Vergiß mein nicht. Zafchenbuch für ie} 
Jahr 1841... 12ter Jahrg. 16. Mit 7 Stahiftichen. Sar- 
gart, Dallberger.. 2 hir. 12 Er. 

Aus Sur * E. — —** en ne Guyana im Jahr 1772, 

em Sranzöfifhen von Paul Sauger. 8, rieraht 
Modiot, 1841. 1 Xhlr. 6 @r. ’ Kenarch, 
Taſchenbuch dramatiſcher Originalien. Herausgegeben von 
Dr. Stand. Ster Jahrg. Mit 1 Bildniß und 3 coierirm 
Sofiumbildern. 8. Beipgig, Wrodhaus. 1841. 3 Thir 16 &. 

Berliner Theater⸗Almanach auf das Jahr 1821. Veroms 
gegeben von Alexander Cosmar. Gter Jahrg. 16. Bern, 

v 


Bade 1 TYr 1a. 
Balther Eduard Gternthal. Cine Gperefter 
ozig, 1 Xhlt. 16 Gr. " 
10ter bis 


Bälsge. 8. Leipzig, Meißner. 
Berner's ausgewählte Scheiften u. f. w. 
ldter Band. — Au u. den J. 3, WBerner’s beamatifche 
Werke. Aus feinem handſchriftlichen Nachlaffe Seransgegeben 
von feinen Breunten. 7ter Band. Die WRutter der Matte: 
bier. — 3. Werner’s ausgewählte Predigten a. ſ. w. Iſter 
Band. Vom Weihnachtsfefle bis zum fünften Gonmtage nach 
Dftern. — 2ter Bd. Vom fechöten Sonntage nad Dflern bis 
—* fechäzehnten Sonntage nach Pfingſten. Ster Ws. Bom 
an Benntage nad) eufnaften bis zum vierten Sonns 
vent. 8. mma, Berlag&:G@omptoir. 1 . 
18 Bbe.: 4 Thlr. 8 Gr. "oo us she. 5 0x 





. Mmwontworttiger Oeraukgeber: Heinrich Brodhaus. — Died und Werlag von F. X. Broddans in Sciyılp 








Blatter 


für 


littrariſche. Unterbaltu ng. 





Montag, 


—————————— —— 






Pole Haudfchag des deutfchen Volkes, Ein Bud) 


r Schule und Haus. Bon 
Leipzig, D. Wigand. 1839. Gr. 8. 2 Thlr. 

Auch diefe überaus reichhaltige Anthologie deutſcher 
GSebichte, welche neben vielen gefchägten und zum hell 
(wie W. Wadernagel’8 alt: und neudeutfches „Leſebuch“) 
claſſiſchen Arbeiten diefer Art. Raum auf dem literarifchen 
Markte findet und fich eine gute Aufnahme verfprechen 
Darf, ift ein Beweis dafür, daß die Liebe zur Poeſie 
beim Publichm keineswegs in Abnahme if. Nur von 
der Perſon der Dichter hat fie fih, im kaͤltern Geifte 
der Zeit, bie fih von der Anhänglichkeit ans Einzelne 
und Befondere meg dem Allgemeinen zufehrt, etwas ab: 
gewendet. Sind doch die Perfönlichkeiten im vorigen 
Jahrhundert zur Gnüge beräuchert und vergöttert worden, 
fodag nach Naturgefegen eine Ebbe auf die Flut eintre: 
ten und die Poeten ihrer nie ausbleibenden Selbftvergöt: 
terung und gegenfeitigen Befeindung überlaflen mußte. 
Auf ihre Werke hat fich diefe Gleichguͤltigkeit nicht erftredt. 
Was nur einigermaßen gut iſt, findet eifrige Lefer, Altes 
wie Meued: die ältern Dichter erhalten, wenn nicht alle 


“immer wieder neue Auflagen, doch mit ihren befiern Ar: 


beiten einen ewigen Sig in den Prytaneen unferer poe: 
tifchen Literatur, den Sammlungen, und von jungen Dich⸗ 
tern find feit fünf Jahren wenigftens zwölf mit felbftän- 
digen Sedichtebänden aufgetreten, die alle nicht ohne 
Namen geblieben find. 

Um nun von gegenmwärtigem „Hausſchatze“ zu fprechen, 
fo kuͤndigt fich fein unverfürzter Titel als die „Vollſtaͤn⸗ 
digſte Sammlung deutſcher Gedichte, nach den Gattungen 
georbnet, begleitet von einer Einleitung, bie Geſetze der 
Dichtkunſt im Allgemeinen, forie der einzelnen Abtheilun: 
gen inshefondere enthaltend, nebſt einer kurzen Überficht 
ihrer Bildungsgefchichte feit den früheften Zeiten ihres 
Erſcheinens in Deutfchland bis auf unfere Tage, und bio: 
graphifchen Angaben über die Dichter, aus deren Werfen 
Poeſien gewählt wurden”, on. Der Verleger verfichert 
auf dem Umfchlage des Buches noch weiter, daß in der 
Erfüllung der edeln Pflicht, die Monumente feiner größ: 
ten Geiſter forgfältig und dankbar zu erhalten, andere 
Länder uns meit voraus feien; daß Sranzofen, Engländer, 
Epanier, Portugiefen, Staliener u. f. m. Sammlungen 


befigen, die in forgfältigfter Auswahl das ganze Gebiet 


DO. 8.8. Wolff.. 


21. 


ihrer heimifchen Poeſie umfaflen; baß es uns Deutſchen 
bis auf die Sammlung bes Hm. Wolff ſtets noch an 
foihen gefehlt habe; denn fo „viel Gedichtſammlungen 
wir auch aufzuweiſen vermögen, fo feien biefe do nur . 
für befondere, meift päbagogifche Zwede angelegt und gu 
befchränft, um jenem von andern Nationen längft er: 
reichten Zwecke zu genügen. Einen hoͤhern Gefichtapustt, 
als den der Schule, behauptet Herr Otto Wigand, haben 
die Herausgeber felten ober nie im Auge gehabt, und 
namentlich die Geſetze der poetifchen Geftaltung und bie 
Bildungsgefchichte derfelben gänzlich unberührt gelaflen. 

Die beiden Wadernagel, Goͤtzinger, Schwab, Herzog, 
Gruppe und Andere mögen fi für dieſes Verdammungs⸗ 
urtheil bedanken! Hr. O. L. B. Wolff ſelbſt, im richtigen 
Gefühle, daß gemäßigte Anfprüche eines neuen Werkes 
der Art, ohne Herabfegung anderer, dem Buche fördern: 
ber fein müflen als eine gegenüber von dieſen hoͤchſt uns 
billige Selbftüberfchägung, deren Unmwahrheit jedem mit 
diefer Literatur einigermaßen Bekannten fofort in die Augen 
fpringt, gebraucht in ber Vorrede weit befcheibenere, und 
inoffenfive Ausdrücke. . 

So viel vortreffliche größere und Kleinere Sammlungen 
diefer Art wir auch befigen — fagt ee —, fo fehlte es doch noch 
gänzlich an einer ſolchen, die die @eftaltung unferer Poefie in 
den einzelnen Sattungen berfelben feit ihrem Anbeginne verfolgte 
und zufammenfaßte; die genaue Beobachtung biefes Punktes gibt 
daher dem vorliegenden Bude vielleikt einigen Werth, 
wenigftens den ber Neuheit. Neben ben äfthetiichen 
Zweck ſtellte fich daher ber hiftorifche, und der Erfüllung beider 
wurde gleichmäßig nachgeftrebt. Die zu jeder Gattung gegebes 
nen Kinleitungen enthalten bemgemäß zugleid mit der Ent⸗ 
widelung berfelben auch einen Eurzen Überblid ihrer Geſchichte, 
und die mitgetheilten Gedichte dienen , abgefehen von ihrem ins . 
nern Wertbe, als Belege. — Überall wurde darauf Rüdficht 
genommen, nur das Beſte zu geben, was in biefer Gattung 
überhaupt vorhanden war; daß daher Manches an poetifcher 
Bortrefflichleit, namentlich bei Dichtungsarten, die zur Zeit 
befchränkterer Anfichten angebaut und fpäter vernadjläffigt wur: 
ben (verlaffen, follte der Verf. fagen, denn ein begrünbetes 
Aufgeben iſt ja keine Vernachlaͤſſigung), Anderem nicht gleich 
kommt, verfteht ſich von felbft, ja, es mußten felbft Gedichte 
aufgenommen werden, die faft gar feinen poetifchen Werth haben, 
weil es darauf ankam, die hiſtoriſche Entwidelung der Dich⸗ 
tungsarten durch Proben zu veranfchaulicdhen. 

Diefed Vorwort, in welchem außerdem noch Wilhelm 
Wackernagel's „Altdeutſchem Lefebuch” die Gerechtigkeit wi⸗ 
derfahren tft, daB es als vortrefflich bezeichnet und deſſen 


1434 


Berfoffer als ein anerkannter Forſcher und Meiſter cha⸗ 
raßterifirt wird, dem Hr. Wolff, wo es noth that, bereit: 
willig gefolgt iſt, finden wir ganz an ber Stelle. Es 
bezeichnet die Vorzüge des neuen Werkes, die wir mit 
Vergnügen anerkennen, und läßt auch bie kaum über: 
windlichen Schwierigkeiten ahnen, die eine Üüberwiegende 
Bereinigung des biftorifchen Zweckes mit dem äfthetifchen, 
bei einer Eintheilung nad Dichtungsarten, erzeugen muß. 
Die große Fülle von Mittheilungen in Einem faſt uns 
überfehbaren Bände hat e6 dem Verf. allerdings möglich 
gemacht, fehr viel Vortreffliches zu geben; aber die Haupt: 
zudfiche, welche auf bie hiſtoriſche Entwidelung genommen 
tft, noͤthigt Ihn gar viel Unbedeutendes beizumifchen, und 
fo ift dieſer „Poetiſche Hausſchatz des deutſchen Volkes’ faft 
unvermeidlih von einem unpoetifhen Schatze der beut: 
ſchen Reimkunſt begleiteg worden. 

Eine kurze Überſicht des Einzelnen wird beides ins 
Licht ſtellen. 

Nach einer allgemeinen Einleitung in die Poeſie, die 
ſich freilich jeder Aſthetiker und Dichter wieder anders ent⸗ 
wirft, die aber in dieſer Geſtalt, als klar und verſtaͤndlich, 
zu ihrem Zwecke hinreichend erſcheint, und einer ſpeciellern 
desgleichen, zum erſten Theile, zu der lyriſchen Poeſie, und 
insbefondere zum religiäfen Liebe, folgen fofort die reichen Pro: 
ben diefer legtern, und zwar zuerft die religiöfen Lieder. Vor: 
erſt ganz wenige ans Mittelalter geenzende Proben (Gottfried 
von Strasburg, Tauler), dann aus dem 16. Jahrhundert 
Luther, Zuftus Jonas, Hans Sachs und andere Lieder 
aus bem „Wunberhorn‘’ (befanntlich einer etwas unfichern 
Quelle); auch minder bekannte Namen, wie Johann 
Walther (bis 1547), Heinrih Knauſt (um 1575) neben 
befanntern begegnen wir bier und werden fo allmälig 
in das 17. Jahrhundert zu Ringwaldt, Joh, Deermann, 
Spee, Daniel Wuͤlffer (er fehle im Dichterverzeichniß, 
war Profeffor und Prediger zu Nürnberg, geboren daſelbſt 
1617, geftorben 1685), Opitz, Flemming, Dad), Tſcher⸗ 
ning, Gryphius, Harsdörffer, Gerhard, Neumark, 3. 
und S. Frand, Angelus Silefius, Hoffmannswaldau 
hinübergeleitet; minder berühmte Namen, aber verbiente, 
find Erasmus Finr, genannt Franzisci (geb. 1627, geft. 
1694), Knorr v. Rofenroth (geb. 1636, geſt. 1688 oder 
1689), Mich. Schirmer (geb. 1606, geft. 1673), Amilie 
Juliane Stäfin zu SchwarzburgsRubdolftadt (geb. 1637, 
geſt. 1706). Mit dem 18. Jahrhundert erfcheinen Schmolde, 
Zinzendorff, Sreilinghaufen (aus deſſen Geſangbuch eine 
große Merkwuͤrdigkeit, das deutfche Canticum transscen- 
dentale, wahrſcheinlich nur in der Überfegung aus dem 
beigefügten Latein von ihm, fonft diter, hier eine Stelle 
hätte finden dürfen, wenn es nicht etwa die Reim: und 
Zormloſigkeit außgefchloffen hat), Hagedorn (mit einem 
fehr ſchoͤnen Liede), Woltersdorf, Karl Friedrich v. Mofer 
(geb. 1723, gef. 1798). In diefer Reihe Eönnten wir 
Martin Günther (um 1721) entbehren und vermiſſen 
wir (freilich aud in fämmtlihen andern Sammlungen) 
den geiſtlichen Liederdichter M. Philipp Friedrich Hiller, 
geb. in Mühlhaufen an der Enz, im Würtembergifchen, 
geft. in Steinheim bei Heidenheim als Pfarrer 1769. 


„ 


Er iſt, nicht der Correctheit, aber ber Anlage nach, ni 
Paul Gerhard, der größte, leider nur unter ben Stile 
im Lande bekannte, geiftliche Lieberdichter bee Deutihen, 
gewiß der größte des 18. Jahrhunderte. Einer zweim 
Auflage dürfte Hr. Wolff wol einige Lieder beffelben ein 
verleiben. Zur Bewahrheitung unferer Behauptung fick 
eins der Heinften bier: 
Die Welt kommt einft zufammen 
Im Glanz der ew’gen Blammen 
Bor CEhriſti Richterthron; 
Dann muß ſich offenbaren, 
Wer Die und Jene waren, 
Sie kennt und prüft des Menſchen Soßen. 
Der Greu'l in Finfterniflen, 
Das Brandmal im Gewiflen, 
Die Hand, die blutvoll war, 
Das Aug’ voll Ehebrüche, 
Das frevle Maul voll Klüche, 
Das Herz des Schalte wird offenbar. 
Das Flehn der armen Sünder, 
Das Thun der Gotteslinder, 
Die Hanb, bie, milbe war; 
Das Aug’ voll edler Fähren, 
Der Mund voll Lob und Lehren, 
Des Ghriften Herz wird offenbar. 
Wo wird man ſich verfteden ? . 
Was wird die Blöße decken? 
Wer ſchminkt ſich da geſchwind? 
Wen kann die Lüge ſchützen? 
Was wird ein Werkruhm nüsen? 
Da find wir Alle, wie wir find. 
Herr, diefe Offenbarung 
Drüd’ du mir zur Bewahrung 
Befländig in den Sinn, 
Daß ich auf das nur fehe, 
Ich gehe oder fiche, 
Wie ich vor deinem Auge bin! 

Allmaͤlig erfcheinen nun in Hrn. Wolfe Sammlız; 
bie correctern Dichter bes 18. Jahrhunderts: Geller, 
Klopſtock, Kieift, Herder, Stilling, Sturm, Uz, She 
bart, Lavater, Klamer Schmidt, Jakobi, Claudius, Bof, 
Bürde, Stolberg, Miller, Tiedge; aber in ihrem Se 
leite bricht auh zum erften Male die Profa herein n 
Manchem von Cramer, Ramler, Gleim, Denis, Fun 
von der Rede und Rudolphi, Niemeyer, Stäublin, Seume, 
wenngleich ‘zum Theil berühmte Namen unter den Bei: 
trägen fiehen. Erquickt wird man erft wieder durch No⸗ 
valis, Schenkendorf, Arnim; aud die aufgenommenen 
Proben von Theod. Körner, Weflenberg, Krummacher, 
Ruͤckert (jedoch mit einem zwar ſehr fhönen, aber nur 
mittelbar religiöfen Liede), Eichendorff (drei herrliche Lie⸗ 
der), Fouqué, Uhland, Wilh. Meinhold, vom Verfaſſer 
fetbft (Ave Maria Stella) und Diepenbrod verbienen will 
kommen zu heißen; Heydenreich dagegen, Mahlmann und 
einige Andere thun zur Entwidelung ber deutſchen geift: 
lichen Liederpoefie gar nichts und hätten fuͤglich wegblei⸗ 
ben können; dagegen ift Albert Knapp allzuwenig, Spitta 
und Moͤwes gar nicht beriidfichtigt worden. Auch darf 
es, bei der Aufnahme von einigem Unbebeutenden, auf: 
fallend gefunden werben, daß fogar einige in der Einleitung 
zum teligidfen Liede herausgehobene Namen, wie Afdyas, 


Moberthin, Lange, Winkler, Funk, durch gar feine Pros 
den vertreten worden find. 

„Das weltliche Lied” (S. 47 fg.) beginnt, ber Ein 
Beitung gemäß, mit Liedern der Minnefinger Hartmann 


von Aue, Walter von ber Vogelmeide, Markgraf Hein: |- 


wich von Meißen, Heffo von Rinach, Herzog Johann von 
Brabant; Kriftan vom Hamle, Graf Konrad von Kilch⸗ 
berg, von Kürenberg, U. v. Lichtenſtein, Markgraf Dtto 
von Brandenburg, Dtto von Turne, Heinrich von Vel: 
Big, Konrad von Würzburg. Die meiften find nur. Nach- 
Wildungen, woruͤber ſich der Herausgeber in ber Vorrede 
dahin erflärt, daß, wo von fahrer verſtaͤndlichen Poefien 
des Mittelalters gute Überfegungen vorhanden waren, die: 
fen von ihm der Worzug eingeräumt worden, teil es 
gegolten habe, Denkmäler der Poefie und nicht der Sprache 
zu bringen. 

Nach den Minnefingern werden, mit Recht möglichft 
Warfam, einige Proben der fogenannten Meifterfinger zum 
Beften gegeben, das Volkslied aber wird, was an dem 
Herausgeber etwas befremden muß, nicht bedacht, fondern 
die Sammlung fhreitet ſogleich zu den Kunftdichtern des 
17. Zahrhunderts fort: Zinkgeeff, Wedherlin, Opitz, 
Flemming, Tſcherning, Moſcheroſch, Dad, auch Gerhard, 
Anfchag, Rift, der Stifter des Schwanenordens, Rempler 
won Lömenhalt, der Stifter der auftichtigen Tannenge- 
Feufchaft, Harsboͤrffer, der Stifter des Pegnigfhäferordens 
(sworum nicht auch Klai?), Zefen, der Stifter der obfcur 
gebliebenen Roſengeſellſchaft, ferner Lund oder Lundius, 
Albert, Grob, Erhard, Birken oder Betullus, Rongehl; 
and einige minder berühmte: Auguft Augspurger (von 
Dresden um 1644), Chriftoph Arnold (ein Bauer aus 
der Gegend von Leipgig, geb. 1646), Johann Lubwig 
Praſch (geb. 1637), Joh. With. dv. Stubenberg (geb. 
1631, geft. 1688), Mitglied der fruchtbringenden Gefell: 
ſchaft/ Matthias Abele (aus Nürnberg 1673), 4. A. 
© Haͤugwitz (fehlt in dem Dichterverzeihniß, das von 
ihm gegebene Lied iſt eine Klage der Jungfrauen um 
Maria Stuart; ebenfo wol hätten einige hiftorifch = Iyrifche 
Stuͤcke aus den Dramen de6 A. Gryphius gegeben wer⸗ 
ven können), Greflinger (gef. um 1677); von den Schles 
Kern Lohenftein und Günther. Alle diefe Beiträge find 
wohl gewählt. 

’ (Die Bortfegung -folgt.) 





Heinrich Koenig.*) 
us dem Leben find bie willke 7 
en Bet fint Iommenften, 


begriffen if. 
weitum verbreiteten 


einzeln 

ver fi in wirft hier und dort ganz 
ii . , da das Se 

— nen Fr Genegte” — — in ap 


*) Aub dem Leben. Bon Heinrich Koenig. Brei Thelle. 
Stuttgart, Gaft. 180. 8. 2XHlr. 12 @r. 





tend als die Gammlungen Öffentlicher Parlamentsverhandluns 
gen und taͤuſchender Gtaatsverträge. 

Heinrich Koenig ift ein offner, fefter Charakten der unſern 
mildern age ebenfo entfpricht, wie Arndts biebere Derbheit der 
Zeit kriegeriſchen Dranges. Koenig fleht mit finniger Beobach⸗ 
tung, ja_oft mit vorherrſchendem Zieffinn an bem Stromes— 
ufer der Weltereigniffe; und mögen die Wellen oft fürmifd 
jitteen und bie Bilder der Tage vı , er erkennt durch die 
Kae Strahlenbrechung hindurch re wahren Umriffe; der 
Augenblid vermag ihm nit die reine Anfhauung der gangen 
Grohe 8 v duntein: —S entire ai ine & 
neben und mit dem literarifien, ein öffen: Eharakter in 
ſtaatiichem Sinne geworden wie Bulwer und Lamartine, bexem 
parlamentarifches Wirken ſich auf ihr poetiſches füst; ja, er iſt 
es fon in unfern befchränkten Berhältnifien geworben. Be— 
denken wir Deutſchlande Zerrifienheit und die unendliche les 
vigfeit, in einem engumfetofienen Staatsgebiete öffen: zu 
wirken und feine Unabhängigkeit mit Würde gu bewahren, fo 
möchten wir Koenig’6 Verdienfte als Mitglied der Eurl 
Kammer wol noch höher ſtellen als feine poetiſche Wei 
wie groß und ernft auch diefe if. Daher vermiffen wir in 
16: Bitfamtet, die wie ale bon werihonihen Kite ur 

er ſamkeit, die wir als ben wi 13 
Seſchichte des Innern, minder fichtbaren Triebwerko eines One 
ftitutionnellen Staatslebens betrachten würden. Bielleicht indefz 
vierte Befaltng 

jofer Geftaltung die unverhällte ven darf; 
jedenfalls hat Koenig noch eine Schuld dem beul Yublis 
cum gegenüber eingegangen, an deren Abtragung wir ihn 
mad möfien, Bu it nice 

16 vorliegende nit eine gleihmäßig 2 
tende Lebensb: bung; es hebt nur — —— — 
und Klippen einer edein und eigenthämlichen Griftenz hervor 
und fildert zuweilen aud) freundliche Ruhepunkte berfelben. 
Dennoch) tritt das Gharakterbild Koenig's deutlich und vollfäns 
de bangen 
gang dargeboten wirb. 8, wei 2 
9 komrrunteation", iſt fowol als individuelles Geelengemälde 
wie als. Zeitfpiegelung hoͤchſt bedeutend und belehrend. Mir 
fehen, wie in ber feften Burg des anerzogenen Glaubens 
als ungeahnte Verraͤther, Muthille und ſcherzender Hohn ers 
ſcheinen, weil das Gemäth mit aller ahnungsvollen Blut doch 
nicht die Balte Erkenntniß erftien kann; wie dann mit ber 
Kräftigung des Geiſtes auch die imte Regation bewußter 
gefchleht und der vollendete Mann fich endlich einem Glaubens 
banne gang entzieht, gerade weil er ihn und befien Träͤger fo 
genau tennt. Und fo wie Koenig, ber wahre, freie, nach jeder 
Richtung freie Mann, aus dem Gige eines m 
thums hervorgegangen, der damals gewiß u den fin m ges 

izte, fo find upt aus dem Gchoofe der nebeligften Glau⸗ 

bensregionen bie tächtigften Kämpen für freie Beiftesherrfchaft 
erftanden; es fcheint faft, man müfle Sklave gewefen fein, um 
die Rothiwendigkeit eines chriſtuch > gefeplihen Zuftandes 
und sit zu erkennen. Koenig fegt der petrinifchen Kit 
(Rom) eine paulinifcpe entgegen, deren völlige Ausbilbun; 
ex von ber Zukunft Hofft und vorausfieht; biefer zählt er fi 
bei, aber er glaubt fie im Proteftantismus nicht 7 finden. 
Er legte einen Theil feiner Erfahrung und Erkenntniß in zero 








atır de „as 


eulzanı eines Kacholiken“ 

* ve Geiſtuichkeit heſſen gu Schritten gegen ben Ver⸗ 

foffer; man verlangte Widerruf und that ihn förmlich ie 

Bann, als derſelbe nicht orfoigee. Koenig iſt des eigen 

den Anſicht, „es fe nicht unrecht, vom Standpumkte des 
geweien”, eine ſolche Maßregel zu treffen; uns dünit, 

dab Hier Koenig im Unvecht if. Mer Kirchenbaun fell, nach 


ben Auslsgungen 

ter's, nichts anbers fein als „eine Erklaͤrung ber , 
Denjenigen von ſich ausfchließe, der Lich feiber non ihr 

ausſchließe“; es WU alfo keine egel fein. Allein 

wer fich felbſt ausfchlieht, der iſt ja ſchon ausgefchloffen; 

gu was behdarf «6 da no 


aur einige Worte (1, 144— 146), aber fie wiegen ein ganzes 
auf. 

Der zweite Aufſat biefee Sammlung: „Krieger und Pries 
ſter“, enthält ©cenen aus ber 3eit von 1813 — 14, mit töfl: 
iicher Saune und zumelien auch mit tiefem Ernſte geſchildert. 
Der Rüdzug der franzoͤſiſchen Heeresmacht, das Herannahen 
dee koſakiſchen Befreier, Tod und Leben in wechlelnder Graͤß⸗ 
lichkeit, enblich die fproffenden Hoffnungen des neuen Friedens 
unb die Abenteuer einer Wallfahrt bitden eine lebensnolle Reihe 
anziehender Darftelungen. Es fei uns erlaubt nur ein paar 
Selten bier anzuführen: „Der Freiede kam auch anfangs Juni. 
Ach, der pariſer Friebe! Mas wurde nicht gejubelt, geichoflen, 

! Der parifer Friede! Das war doch die neuefle Mode 
aus Paris für alle Stände, nach Aller Geſchmack. Und eine 
echte pariſer Mode: die Bacon hatte viel gekoßet; der Zeug 
am Schmude war vielleicht nicht für die Dauer; aber die Putz⸗ 
macher hatten etwas babei verdient.‘ 

ine Reifetgitderung („Von Pillnig bis Sonnenflein‘) gibt 
dem Berf. Gelegenheit, die wichtigften focialen Fragen zu be⸗ 
zühren, und namentlich über das Berhältniß bes Weibes zum 
Manne und zur Welt fi in eigenthümlicher, tief bebeutfamer 
Weiſe auszufprechen. Babel weht der frifchefte Humor und es 
findet fi Gelegenheit, Beobgchtungen über vieles im Wege Lies 
gende einzuftreuen. Über die hohe Dichterin, bie Sachſen ats 
die feine preift, fagt Koenig: „Prinzeſſin Amalie war auf Rei: 
fen; fonft Hätte ich vielleicht auch die Dichterin gefehen, die wir 
nicht genug fchägen Ehnnen. Denn fie fleigt von ihrer Höhe 
in unfere bürgerlichen Berhältniffe nieder, um uns mindeftens 
poetiſch zu begreifen. Sie braucht keine originelle Srfindung, 
keine Fahne Ausführung ihrer Luflfpiele zu haben, die Gunſt 
ihres Befuches iſt Alles werth. Wie weiblich Enüpft und fpinnt 
fie den Kaben! wie pringeßlich ſcherzt und beglädt fie! ber 
Landmann kann ſich ihrer Vorliebe freuen. Und wenn ihre 
Geftalten auch nicht mit uns Bürgerlichen gelebt haben, wie 
schön ift e8 doch, daß die hohe Dichterin von uns träumt! wie 
belehrend iſt es für uns, zu erfahren, baß wir uns auf fürft- 
Yihen Höhen fo wunbderli und oft verwahrloft ausnehmen ! 


6 ik cin Yorfig, bie einen Mipelt ber Politik cal 


4 
ren Tann.‘ 





von der Haͤuslichkeit Soethe⸗ und Ziecks unterhalten 
„ Nuffen in Deutftanb ein 
Besf, „Litera Bilden”. 


Die „Feſttage ca 
erfe eBe Autraberntfeler gu Wein ii 
ſich son ſelbſt verſteht, erſte Gutenberg ju Rain m 
* 1836, —* ſegenreiche Bildſtock⸗ ik eine Humotetke ass 
welcher die derbe t in jeder Zeile Tepe; die anpfinb- 
famen Ultvamontanen heutiger Zeit werben ſreilich über Ben 
leumbung ſchreien und ale Diejenigen werden ihnen Glanben 
ſchenken, weiche mit gefchlofienen Augen Gefchichte fkudiren. 
Das Bud) Heinrich Koenig’s, obfihon nur eine Zufamrzmen- 
ſtellung acht verfchiedener Arbeiten, laßt ſich doch infoferm als 
ein Ganzes betrachten, weil es in Born uud Wem, in Schyl 
und Aufchauungsweife wie aus Einem Guſſe il. Die mannich⸗ 
faltigen Gegenflände der Dasftellung find wie Dra= 


perien, mit denen eine und biefelbe edle Geftalt abweisfeinb 
umkleidet; die Körperförmen werden immer d ‚bie 
reinen Gefichtsgüge immer dem Blicke völlig frei bleiben. Soc: 


nig ift flets derfelbe, ob ex im Gcherze ober in amflen Borten 
feinen tiefen Geiſt uns offenbart; denn ex it ein Gharafter, 
ein edler, freier und männlicher, im Leben wie in der Literatur. 
Und das will in unfern Tagen viel fagen. Darum it ex ein 
Schriftfieller für Männer. Wenn irgend Jemand dafür ge⸗ 
wirkt hat, die Belletriftit zu entwäſſern und fie, bie bisher zu 
oft nur auf den Toilettentiſchen der Damen weilte, cu auf 
den grünen Zifchen ber Staatsmänner beimifch gu maden, fo 
ift er es vor Allen. 

Koenig bat in der Literatur eine eigene umd würdige Ster 
lung: er gehört Peiner der Tagesparteien an; die Nennung fer 
ned Namens erweckt nicht, wie bei fo manden Ambern, una: 
Pürlicde Nebenideen. Unter den Männern ber jüngften Zeit hi: 
tet nur Immermann einige entferntere Bergleihungäpusir mi 
ihm. Beide fanden den Goterien, diefen Affecuranzges-t 
ten bes ephemeren Ruhmes, gänzlich fern; Beide verfukun Wa 
auf den verfchiedenften Gebieten, hatten bei der Ausfändem mn 
ferer Literatur lange und viel um Anerkennung zu ringen m) 
bringen erſt jegt dur. Immermann hatte in feinem lexte, 
herzlichen Werke das deutſche Leben poetiſch verflärt; am 
wir wünfchten fehr, daß diefem auch Koenig flch zuwende 
möchte. Das vorliegende Buch bewährt, daß er die Zirfem wei 
die Oberflächen unferes Lebens Eennt und treu ab x: 
mag. Seine „Hohe Braut’ und fein „William“, Wal ir 
martigen, innigen Poefie, haben ihm bei einem gemählı 
Yublicum bie fchönfte Achtung und Zuneigung erworben; ode 
in das eigentliche, große Publicum Deutfhlande wird er m? 
duch Werke deutfchen Inhalte dringen. Died Buch ba 
ihm den Weg dazu. 68. 





Literarifhe Anzeige. 


Folgende intereffante Schrift erichien foeben in meinem 
Verlage und ift durch alle Buchhandlungen von mir zu beziehen : 


Rur nicht nach Morden! 


Bemerfungen 
auf meinen Beifen in den ZBahren 1839 
uud 1840. 


Aus den Memoiren 


des 
Grafen von S+***, 
Gr. 12. Seh. 1 Ihr. 8 Sr. 
. Zeipgig, im December 1840. 
3 U. Brockhaus. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von F. A. Brodhausß in Leipzig. 
— tr — — — — — 


w - . - 


‘ 


Blatt 


- für 


Literarifde Un 





Dienſtag, 


—— Rr. 351 





Poetiſcher Hausſchatz des deutfchen Volles. Ein Bug 
fir Schule und Haus. Von D.L. B. Wolff. 
(Fortfegung aus Nr. 356.) 

Nun ift die Reihe an ben Glaffifern des 18. Jahr: 
hunderts: Günther, Hagedorn, J. A. Schlegel, Gleim, 
Uz, die Karſchin (weicher Gruppe mol zu viel Ehre ans 
gethan ift), v. Creuz, Leffing, Wieland (mit einem ſehr 
geringen Liede, er gehört diefer Gattung eben gar nicht 
an), Jakobi (mit ſchoͤnen Beiträgen), Hölty, Bürger, 
und, noch als Bach), feinem Urfprunge nahe, nit ale 
Strom, mit neun Liedern Goethe; nicht in allen (3. B. 
„Shriftel”, ‚„‚Sefunden’) würbe man ben Heros unferer 
Poeſie erkennen. Recht zum Scherze hat Hr. Wolff an Goe: 
the’& Rieder die Mufen und Grazien aus der Mark mit 
einem langen Liede: „Die Dorfbervohner”, von dem bes 
Fannten Paſtor 5. W. 4. Schmidt zu Werneuden an 
gereiht. Nah ihm kommen Fritz Stolberg und fein feind⸗ 
licher Freund Voß, Tiedge, Overbed, Schiller mit einem 
feiner älteften, einem mittlern und einem feiner jüngften 
Lieder, nicht mit fehr charakteriftifhen, Matthilfon und 
Salis, Stägemann, der mit feinem Lebensalter hier, 
mit feinem jugendlichen Geifte und den Gegenſtaͤnden ſei⸗ 
ner Lieder [päter einzureihen war, «ine Schwierigkeit, 
die auch die andern Sammler empfunden haben. Den 
Übergang zur romantifhen Schule macht Hölderlin ‚aber 
mit einem Gedichte („Das Schidfal”), in welchem er 
noch ganz als Nahahmer Schiller's erſcheint. Nun tritt 
die Phalanx der Romantiker auf, beide Schlegel, Nova⸗ 
is, Tieck, mit den befannteften, aber auch den beften 
ihrer Lieder, Fouqué, mit drei minder gewohnten, Bren⸗ 
tano (mit dem vielgefungenen: Nah Eevilla u. f. w.), 
Arnim, Kteift, Arndt, der Restere mit fünfen, im ziem: 
lichem Misverhättniffe mit den andern, Chamiſſo mit 
drei Liedern (voran, mie billig, „Der 3opf”); ein unerwars 
tetes und der Mittheilung mwerthed von Karoline v. Wolt: 
mann (,‚Srühlingelied der Deutfchen im J. 1813”); drei 
Hebliche Lieder von Eichendorff, aber nur eins von Schen⸗ 
tendorf; nur eins von Kerner, nur eins von Karl 
Mayer (diefe Verkürzung ift gewiß nicht abſichtlich, fie 
kaͤme aber auch zu fpät: der Sturm gegen die Schwaben 
ift bereits verfauft und nicht nur ihre Eichen, and) ihre 
Apfelbaͤume ſtehen); zwei von Uhiand (o wie wenig!), 
drei von Rüdert (auch viel zu wenig!), eins von Theo⸗ 


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Die auf die Veredelung —, lauter Dichtern, bie in an⸗ for und Staatsrathsofficial daſelbſt), und einen im Dik- 


deen Arten große Beltung haben, an uns vorüber, fobaß*t- 
Eheweid“ von Wilhelm Smets, endlich „Sappho a 
Phaon“ von Bherefew. Artner. 


man müde iſt, ehe man an einigermaßen wahrhafte Hym⸗ 
nam ‚von Schubart, Schiler und Ruückert kommt. Freu⸗ 
dentheil, 
allen Hymnenſchwung. 

Angenehm dagegen uͤberraſcht uns der Sammler durch 
die Abſchnitte Dithyrambe und Rhapſodie, duch 


jenen, indem er nur zwei Gedichte, ein ſtetfes vom SchoͤPhilan 


pfee der Gattung in Deutſchland, Wilamov, und ein 
begeiftertes, wenn auch allzu wortberedtes, vom Maler 
ter ; und durch dieſen, indem nur Goethe, 
. Maler Müller und Schiller ihn mit Gedichten ausfuͤllen. 
Die Elegie hebt mit gereimten Befängen von Opig, 
Flemming, dem längft ais Dichter vergefienen Sreiheren 
Eberhard v. Gemmingen (dee mit feinem Freunde Huber, 
beide aus Schwaben, den berishtigten Marſtall mie Stu: 
ten genug verfah), Chr. Felix Weiße (auf Gellert's Top), 
gr. Schmitt an; dazwiſchen und dahinter folgen bekann⸗ 
tere Diftichen von Klopſtock („Selmar an Selma“), Stol: 
berg, Voß; dann wieder vergeſſenswerthe Meime von 
Nicolay; beſſere von Hay; dann folgen die koͤſtlichen 
Elegien von Goethe: „Alexis und Dora” und „Euphro: 
fpne”, dann Schiller's, Nänie”, dann Matthiſſon's „Rui⸗ 
nen”, Die ſchoͤne Elegie von Salis an fein Vaterland, 
Liedge'6 ‚‚Runnersborf, Wilhelm v. Humboldt's Rom’, 
das gewiß mancher in beutfcher Literatur nicht Unbewan⸗ 
derte hier zum erften Dale lief und woraus er fich wol 
auch überzeugt, daß jener feltene Geiſt kein Dichtergeift 
im engern Sinne war. Eine Reihe von Difticden wallt 
| nun wieder in fehr leiblichen Gedichten von Beume, Ko: 
| fegasten, Neubeck, Neuffer dahin; zwei im böhern Style 
(aber die Berfe, was einige Wale vorkommt, falſch gedruckt) 
von Immermann, eine von E. Schulze; zwei entbebr: 
liche Reimgedichte von Mahlmann; prächtige Diflichen 
„An die Nacht” von Rüdert; eine etwas rhetoriſche Ele⸗ 
| gie auf Hebel's Tod in trochaͤiſchen gereimten Tetrame⸗ 
| „ teen, worin bie kühne Behauptung aufgeftellt ift, daß, 
u wenn der Belchen und ber Blauen, bie Riefenberge bes 
| Schwarzwaldes, laͤngſt verkohlt fein, der Name bes als 
| femannifchen Sängers noch leben werde, von 8. L. Stu: 
Bert (zu Karlsruhe); „Genua“ von Michael Beer, „Goe⸗ 
the’ Deimgang” von A. Grin, und ein elegifches Lieb 
von der Graͤfin Ida Hahn-Hahn. 
Im Ganzen ift, bei dem gemiſchten hiſtoriſch⸗aͤſtheti⸗ 
fihen Intereſſe, das auch dieſe Auswahl Leiten mußte, bie: 
e gluͤcklich ausgefallen. Eine Elegie Knebel's, A. W. 
legel's, und von den neueflen Dichtern, Gruppe’s und 
Mazerathis, vermiffen wir jedoch. 
Im Marſtall der Heroide findet, wer will, Gedichte 
von Hoffmanndwaldau („Eginhard an Emma“, an welche 
Abes großen Karlee Knecht” ein killet doux genan von 
108 Zeiten richtet), Wieland (acht Spalten bes Lerißon: 
format), Daniel Schiebeler, Kofegarten; dann sim zier⸗ 


Aches Gedicht von A. W. Schlegel (‚Neoptotemus an | 


Diokles“), einen gereimten Brief der Thusnelda an ben 
Arminius, von Chr. Kuffner (geb. 1778 zu Wien, Gen: 


ablmann, Bärmann und Indem find ohne 


Gen des „Ernſt Grafen von Gleichen an fein deutſches 


Eine "auserkfone Samniung bilben He Sonmette; 
zuerſt die von Opitz, Flemming, Hoffmanusweatdau, Se 
henſtein, A. Gryphius, Chr. Gryphius, Günther, aus der 
Alerandrinerzeit; aus der Fuͤnfjambenzeit, praͤludirt durch 
dee von der Linde (J. B. Menden, geb. 1675, 
gef. 1752, nicht der berühmte Polyhiſtor Burkhard Men⸗ 
den) und mit einem gar nur viergambigen von Schiebeler, 
folgen die ſchmuckſten Meifterftüde von Goethe, Bürger, 
A. W. Schlegel, Fr. Schlegel, Tied, Uhland, Rüdert, 
Eichendorff, Smmermann, Ehamiſſo. Aber von Ernft 
Schule iſt mic 12, won Riemer mis 15 Geonetten 
des Guten zu viel gegeben; und Juſtinus Kerner, im 
Liede viel zu kurz gelommen, wird bier im Sonetten⸗ 
himmel ohne hochzeitliches Kleid ſich ſchwerlich zu Daufe 
finden. Einige gute Sonettiften. find dagegen vergeffen, 
5 B. bie .aus der „Einſiedlerzeitung““, wie Stredfuf 
und Andere. 

Das Madrigal, Rondeau, Triolet repräfenti- 
ven Ziegler, Rottmanner, Riemer, Hageborn, Goͤt, Raf- 
mann; die Canzone: Vermehren, Loͤben, Deblenfchläger, 
E. Schulze, Robert, Stredfuß, Smets; die Gloſſe: Ri. 
Meyer (geb. 1775 zu Bremen), Malsburg, Wi. Mir 
ler, 2%. Robert; Uhland, ber einer der erften mit feines 
Stoffen war, iſt unverzeibliher Weife übergangen; dr 
Seftine: W. v. Schüsg; die Cancion Fr. v. Shua, 
Löben, Riemer und Smets. 

Cantaten baben' geliefert 3. G. Jakobi, Yir, 
Schiebeler, Wieland, Ramler, Moſes Menbdelsfohn \ix 
Rarität: Brautlied auf die Vermaͤhlung der Prinpſſu 
von Dranien), v. Gerſtenberg, Ebeling und gu sum 
letzt — Goethe („Rinalde'“). 

Der Menuet ift abgetban; das Gaſel beginnt ber 
Hopswalzer mit Rüdert, Platen, ©. Pfizer, un: ds 
Ritornell mit W. Müller und W. Wackernagel. Rıh 
der Cantate kommen uns beide Dichtarten fogar natkr 
lich und einheimiſch vor. Sie fchließen den erſten Theil 
oder die Inrifche Poeſie. 

Die epifche empfängt uns in ber Fabel mit rk 
viel Schönem, mitunter auch Mittelmäßigem, aus alte, 
mittlerer und neuer Zeit; aus ber alten iſt Boner and 
ein langes Fabelgedicht des koloczaer Cober Des Hundes 
Moth”; aus der mittlern B. Waldis, H. Sachs; ans 
der neueren Hagedorn, Gellert, Weiße, Lichtwer, Eeffing, 
Willamov (der durch einen beharrliden Dreudfehler im 
Buche Willanow heißt, im Regiſter fleht der Rame rich: 
tig), Zachariaͤ, Gifede, die Karfhin, Nicolan, Pfeffel 
Shaudius, Maler Müller, Haug, Eangbein; aus der neue: 
ſten Zied mit feinem „Miſekaͤtzchen“, Rüdert („Urfprung 
ber Rofe”) und A. C. Fröhlich (mit zu Wenigem). 

Die poetifhe Erzählung eröffnet der koloczaer 
Coder mit einem Gedichte: Vom Kopen. Der Heraus 
geber hätte wol für einen großen Theil Deutfchlands ke 
merken dürfen, daß unter dem Kosen hier ein cauhss, 





wengefchorenes Oberkleid, eine. Pferdedecke oder in Regenman: 
23 verftanhen if: s könnten fonfi die Gymnaſial⸗ und 
Wealteheer, denen das Much empfohlen wird, Acheu werden 
und glauben, die Schüler erhielten Hier einen erbaulichen 
Epilog zum humoriſtiſchen, Weinſchwelg“. Die Erjaͤh⸗ 
:faung behandelt einen eruſten, didaktiſchen Stoff, der auch 
6 audern altdeutichen Darſtellungen bekannt ifl. Dar: 
auf folgen Sehe von Dans Sache; endlih Reueres von 
Hagedorn, von J. B. Michaelis, Gleim, Kretfhmann, 
Sturz, Seume, Bürde, Rochlig, Weiße, Pfeffel, Leon: 
Hard Wächter, Langbein, meift gereimte Profa; Proſa 
auf Stelzen von Kofegarten, Kalt, W. Ribbek (der Propſt, 
den man bier nicht anzutreffen erwartete), Georg Wil: 
helm Dtto v. Ries (bin. Hauptmann, geb. 1763); alles 
mit ein yaar Körnern von Selling und Schiller gewürzt; 
namentlich nimmt ſich des Letztern Handſchuh“ mit feinen 
Deſtien in dieſer zahmen Menagerie ſeltſam aus. Poeti⸗ 
fcher, ohne wahre Poeſie zu fein, find die Erzählungen 
von Amalie v. Helwig, Präkel, Schmidt von Lübel, 
Ge. Kind. Endlich erſcheinen Dichtungen von Fouqud 
C. Der Reihefürft und das Kaiferfchwert”), „Der arme 
Deinrich” (Bearbeitung von Chamiffo) und andere Mei: 
ftergedichte des Legtern, die große altenglifhe Erzählung 
„Rind Horn“ von Rüdert, „Julius von Eſte“ vom 
Derausgeber, „Des Propheten Erdengang” von Bictor 
Strauß, „Des Sapieha Rache” von Gaudy, „Der Noch 
Indiens“ von Bechſtein, „Gerontes“ von Guſtav Pfizer. 
Die legte Erzählung „Der arme Fiſcher“, von Ida Gtaͤ⸗ 
fin Hahn: Hahn, gehört wieder der Mittelgattung zwifchen 
Proſa und Poefie an. 

Die Legende ſtellt fich zuvoörderſt mit einigen komi⸗ 
Then Sthden von Hans Sachs ein, auf welche der tro⸗ 
ckene Ernst Herder’s folgt; dann die bekannte Kirfchen: 
Legende Goethe's, Schubart's „Ewiger Zube’; einige Ver: 
ſificationen von Koſegarten, ein lebendigeres Gedicht von 
Hfeffel; eine artige Legende von Kalt („St.⸗Martin“), 
A. W. Schlegel's vortreffliher St.» &ucas: Rafael; wei: 
ser Gedichte und Verſe von Helmina v. Chezy, Weel, 
A. v. Helwig (vier fehr lange), Langbein (hier mit einer 
komiſchen Legende ganz an feiner Stelle), Kind (nicht 
weniger als drei), zwei von Apel, je eins von Fr. Zaun 
und Krug v. Nidda, Prägel; zwei von Haug, eins von 
Caſtelli. Bis dahin ift der Artikel erfreulich, wortreich 
Pedacht. Nun folgen Dichtungen von Uhland, Fouquéè, 
Streckfuß, Chamiffo, Kerner, Rüdert, Körner, Leop. 
Schefer, Ludw. Gieſebrecht, W. Gerhard, 3. G. Seidt. 

(Der Beſchluß folgt.) | 





Zus Italien. 

Der ſelbſt durch eine Wette fo bekannt gewordene Streit 
über die eigentlichen Anläffe von Zorquato Taſſo's letzten trau: 
tigen Schickſalen naht ſich feiner Entſcheidung, indem Mardhefe 
Gapponi mit dee Darlegung der Sründe hervortritt, die ihn 
an feiner abweichenden Anfiht beflimmen. Durch die Dichter 
halte vie Meinung beinah überzeugende Kraft gewonnen, daß 
Liebe zur Fuͤcſtin Leonora der Grund von Zorquato’s Trübfinn 
und von alle dem Jammer war, der feine lettten Lebenstage 


umfehattete. Auch Veoftffor Möflnt hat dirfer Un 
egeben und durch fein berühmtes Trauerfpiel noch ee 
auben verſchafft. Marcheſe Bappont maxhte feit drei Jahren 
ſich anheiſchig, durch Zeugniffe darzuthun, Laß nicht Die Liebe, 
fondern Zorquato’s unglädbringendes Weftbalten an einem Zus 
geftändniffe, das ex der Mediceiſchen Kamille im Mär 1575 
gab, der Grund feines Leidens war, als Garbinal Geipione 
Gonzaga den Dichter feinem Alfonfo II. von Eſte, Het⸗ 
og von Ferrara, durch Verlodungen abwendig gu machen ver: - 
and. Kur einen Theil feiner Gründe hat Roſini's Gegner 
im erflen Theil feines Buches (,‚Sulla causa finora ignota 
delle sventure di Toryuato Tasso. Saggio del marchese 
Gaet. Capponi’’, Florenz 1840) niedergelegt; doch find fle ges 
wichtig genug, um die enbliche Eatſcheidung ſchwieriger und 
sweifelbafter zu machen. Gapponi gründet feine Annahme anf 
einen Zwift, ber feit 1541 die Gefchtechter ber Mebici und 
ber Eſte einander fernhielt und dadurch herbeigeführt war, 
daß Coſimo I., damals noch ein junger Mann, in Eucca bem 
Herzoge Greote IT. von Ferrara den Worrang über ſich zuges 
fand, als beide dem Kaiſer Karl V. ihee Verehrung berbrin 
gen wollten. Gapponi nimmt als entfchieben an, daß in Folge 
diefes Zwiſtes bie Medici die Abficht hatten, dem Herzog Als 
fonfo eine Schmad) anzuthun und ihm Zorquato, als die ſchoͤnfte 
Zierde feines Hofes, zu entführen. Wittelsperfon bei biefem 
Vorhaben war Cardinal Scipio Gonzaga, kin Gegner der fe, 
aber dem Haufe Medict vbllig ergeben. Schon Bernardo Zaffe, 
Zorquato’d Water, hatte man durch Benedetto Varchi bem 
Cardinal Luigi d'Eſte zu entfremben geſucht; bei Torquato bes 
günftigte der ererbte Zrübfinn der Mebicl Beginnen und fo 
verbrachte der Dichter- ber ‚„‚Gerusalemme‘‘ tm Beſtreben na 
der Berne und fich felbft verbannend aus dem Kreife, wo Build 
und Großmuth ihm entgegenfamen, zerriffenen Herzens kum⸗ 
mervolle Tage. Die einzelnen Lebenserelgnifie des Torquato 
beftätigen Gappont in feiner Anficht. Taſſo widmete 1565 feinen 
„Rinaldo‘ dem Cardinal Luigi d’Efte, der dankbar für biefe Auss 
zeichnung den jungen Dichter unter bie Edelleute feines GSefol⸗ 
ges aufnahm. Im October deſſelden Jahres kam Taſſo an deu 
Hof von Ferrara, als man eben den feftlihen Einzug von Als 
fonſo's zweiter Bemahlin vorbereitete. Bis zum Brühling 1566 
blieb Zaffo in Ferrara und entfernte fi} dann nah Pabıra, 
Mailand, Pavia und Mantua, als der Sardinal wegen Pius’ IV. 
Tod fih nad Rom begeben hatte. Damals, meint Gappomi, 
war Taſſo nicht verliebt in Leonora, weil er fonft fidy auf fo 
viele Monate, ohne baß bie Noth es gebot, nicht würde von 
ihr entfernt haben. Im %. 1568 glühte Zaffo für Lucrezia 
Bendidio; und fo weit war er damals entfernt, fagt Capponi, 
Gleonorens Liebhaber zu fein, daß er von ihr den Rath er⸗ 
bielt, einige Ganzonen des Pigna, ber auch in die Bendibio 
verliebt war, zu erläutern, um bem jede Beſorgniß zu neh⸗ 
men und einen Dann, ber ihm beim Herzog hätte ſchaden Pins - 
nen, für fich zu gewinnen. Dieſer Umfland mar nicht nem, 
doch Tann man denken, daß Capponi thn mehr, als bisher ges 
ſchehen war, hervorgehoben unb geltend zu machen gefucht bet. 
Der Widmungsbrief von Taſſo's Erklärungen der Canzonen bes 
Pigna an Leonora und eine Stelle im fünften Acte des ‚‚Aminta‘ 
batten bis jetzt bie Anficht begründet, daß Torquato die Werts 
didio aufgab, als Pigna fi ihr näherte; aber Capponi ſucht 
durch manderlei Gründe zu bemweifen, baß fein Verhältnis zur 
Bendidio fortbeftand, indem er für fie feine Disputation über 
die Liebe hielt und fein eigenes Verhaͤltniß zu the, dur 
Darftellung ber an Wahnfinn grenzenden Leidenſchaft, noch 15 
im „Aminta‘ bekannte, Muß man diefem Verhäftniß des Die 
terd zu Eucregia Bendidio wirktich die Bedeutenhelt zugefteßen, 
die Gapponi ihm unterlegt, fo würbe unfere Meinung von der 
Zartheit des Gefühle der Faͤrſtin freilich finten müflen, Ye fps 
ter einen Weihrauch angenommen hätte, ben fie nicht lange 
zuvor auf fremdem Altar bampfen ſah, den fie beinah mit eigener 
Sand bei Öffentlichen und feſtlichem Anlaß dort verbrennen Hatf. 
Jener Wahnfinn, der fpäter den Dichter fo tief elend machte, 


* 


dieſer Anträge wäre. 


Ze | 


nach, wie die: Andeutungen. hes „Aminta’‘ e6 darthun, 
vor 1 3 begründet und hatte — Capponi in ſeiner Beiden: 
Kihafı zur Bendidio feinen Grund. Doch auch vor 1570 ſcheint 
unferm Berf. ein Verhaͤltniß zur Kürflin Leonora anzunehmen 
unftstthaft. Denn als er 1570 nad) Frankreich ging, verordnete 


‚er in feinem letzten Willen, daß von feinen „für einen Freund 


emachten Sonetten nur das Cine: „Or che l’aura mia 
7. altrove .spira’‘, bekannt gemacht werde, dad Capponi auf 
Laura Peperara bezieht, und der Vollzieher feines legten Wil: 
Ins, Rondinelli, war angewiefen, wenn fi irgendwo Hinders 
aiffe zeigten, fih an die Huld ber gnädigflen Frau Leonora 

wenden, die aus Liebe zu ihm, wie ex vertraue, ibm bei⸗ 

ben werde. 
tend bervorzugehen, daß auch 1570 der Dichter noch fern von 
der Liebe zu Leonore war, der er die Sorge vermachte, das 
Andenken an feine Liebe für eine andere Frau für ewige Zeiten 
zu. erhalten. 

Nach einer einjährigen Abwefenheit reifte er aus Frank⸗ 
reich, unzufrieden mit dem Cardinal, ab, in deſſen Dienſten er 
ſich befand und, ſtatt zu Leonora zu eilen, wie man von einem 
Liebenden vorausſetzen ſollte, verhielt ex ſich in Rom und 
in Peſaro bis zum Mai des folgenden Jahres. Bei ſeiner 
Küdkehr nach Ferrara (Mai 1572) wies ihm ber Herzog einen 
Jahrgehalt an, der für jene Zeit für fürfttich gelten mußte. Der 
Dichter gedenkt dieſes Empfanges im „Aminta.“ Dieſes Gedicht 
führte die nähern Beziehungen zur Fürflin Lucrezia von Urbino 
herbei, die aus des Dichters Munde bie fhönen Reime zu ver: 
nehmen wünſchte. Taſſo folgte dieſer Entbietung im Anfange 
8 Sommers 1573 und genoß in Gafteldurante die Gunſt, die 
Seonora, Bräfin.von Scandiano, und bie Ganfeverino ihm ent: 
gegentrugen, während Zürflin Leonora Bere nur feine Berathe⸗ 
sin und die Hüterin der Geheimnifle feiner Neigungen zu an: 
dern rauen blieb. So ſucht Capponi das Trugbild einer Neis 
gung zwifchen Zafio und Leonora zu vernichten. Geine Schwer⸗ 
muth läßt er hingegen dur den Vertrag bedingt fein, ben 
Tafſo im März 1575 durch einen Brief an Gonzaga einging. 
Capponi entwidelt aus verlorenen Worten des Dichters, die 
feine Briefe enthalten, daß nicht der Herzog Alfonfo es war, 
ber ihm in Zerrara läftig fiel und um befienwillen Zaffo Ser: 
zora verloffen wollte, daß Ehrgeiz, namentlich der Wunfch"eis 
nes reicdhlichern Gehaltes diefen Entfchluß bedingte; daB cr felbft 
auf die Gefahr hin, fich fchlechter zu befinden, den Dienft des 
Herzogs Alfonfo ‚aufzugeben entfchloffen war. Diefer Entichluß 
begriff eine völlige Verzichtung auf bie Rückkehr nach Ferrara 
in fih, da der Herzog 1574 das Verlaffen feiner Stadt, um 

andern Fürften zu dienen, ohne feine vorgängige Geiapbniß vers 
boten hatte. Doc ergab fih auch Gapponi bei feiner For⸗ 
fung, daß Zorquato Zaffo die Medici nicht zu Herren haben 
wollte; daß bie Anträge, die Gonzaga ihm gemacht Hatte, 
doppelt reizend für ihn waren durch die Ehren, melde die Me: 
diei ihm zudachten, namentlich durch das Kreuz des von Cos⸗ 
mus 1. geftifteten Stephanordens, daß ber Dichter jedoch nicht 
fid) verbarg, wie den Begriffen von Ehre entgegen die Annahme 
Es finden fi Stellen in Taſſo's Brie⸗ 
fen, die feinen Wunſch, die Verhandlungen geheim zu halten, 
audfprecyen, und die Beforgniß vor Nachtheil, wenn fie bekannt 
würden. Die Berfpaltung und Zerriffenheit im Gemüthe des 
Dichters durch dieſe Entſchlußloſigkeit über feine Außere Lage 
ſcheint Gapponi ausreichend, um feine nachmalige Gemüthstrant: 
pi vollſtaͤndig zu erfläzen. Gewiß war fie von entfchiedenem 

@influffe, wenn man auch zweifeln mödte, ob fie von aus: 
fgließendem war. Zwar fdhlug Taſſo am 31. März 1575 bie 
von Bonzaga gemachten Anträge aus, doch ſchon am 6. April 
wer er andern Binnes, denn in einem Briefe diefes Datums 
an den Garbinal Albani nach Rom Außert er, daß er nad 
Rom zu- geben beabfichtige, um ſich wegen feines künftigen Les 
benslaufes mit ihm sendlaufeh mit ihm zu beratben. „und wenn er In frgemb I wethe... berathen. „und wenn er in irgend 


Aus diefem Umſtande ſcheint Capponi einleuch⸗ 


Etwas ſeiner Huld bebärfen follte, was augebeutet we 
den würde, wenn er mit Herrn Seipie ga sufoman: 
traf’, fügt — J— „ſo tebe er bis Bertrauens, deß Er 
nach gewohnter Meile fie : gewähren werde.“ tan bar 
allen Grund, mit yon bier an bie Anträge ber Bixi 
durch Cardinal Bonzaga zu benten, da es deutliche Zeugaik 
gibt, daß nicht gleich Alles abgebrocdyen wurbe und baf fe 
bie Verhandlung nicht verbergen blieb. Taſſo beflagı dh un, 
wie Gapponi annimmt, nicht aus bloßer Einbitbumg über ext 
gefangene Briefe, und feine weitere Gorrefpondeng mit Gonzage 
zeigt Luͤcken und derſieute Namen. Selbſt noch aus feiner &e- 
fangenſchaft gibt es einen Brief (vom März 1579), werin er 
Gonzaga fchreibt, daß Er zum großen Theile an feinm Un: 
glüde ſchuld fei; mährend er ihm helfen wollte, Babe er un- 
leugbar ihm großen Nachtheil zugefügt; zu feinen WBerirzungın 
babe er Anlaß und gleihfam die Rothwendigkeit berbeigefühn, 
Gapponi meint, daß Herzog Alfonfo feiner Schweſter Eueregia 
feine Gntbetung bes geheimen Vertrags mitgetbeilt habe, bie, 
vielleicht in feinem Auftrage, den Dichter im Zuli 1575, der 
bei ihr fi aufhielt, von ber Reiſe nad) Rom abbringen fchte, 
weil eine ſolche Entfernung, wenn er die „Gerusalemme nd 
nicht befannt gemacht und der Leſewelt übergeben hätte, vers 
daͤchtig und unerwünſcht erſcheinen müßte. Me undatirte Bricfe 
des Dichters, die auf feine innere Entzweiung und auf feine 
Furcht, som Herzog durchſchaut zu ee, hinweifen, ſetzt 
Mardıfe Gapponi baher in biefe Periode, da ohnthin vie de⸗ 
woͤhnliche Behauptung erſt im Scpt. 1576 Zoe Lirbe zu 
Leonora durch den Herzog entdedten läßt. Die Heife nach Rcm 
fand flatt, auch nach Florenz ging der Dichter. Dei fine 
unſchluͤſſigkeit hinderte cine abichließende Annahme ber Anträge 
des Gardinals und des Broßherzoge, Tafſo Fam wieder neh 
Berrara, mo ber Herzog ihn gütig empfing und den Verirric⸗ 
durch Milde gewinnen wollte, Doch fein Übel war mädti 
als feine Einfiht. Nur um einen Vorwand zum Bıud wu 
gewinnen, hielt der Dichter, nad) Gapponi’s Anficht, ım x 
durch Pigna's Tod erledigte Staatsſecretairſtelle an, 2 m 
—— daß ſie ihm verweigert werde, und ſtand dena xa 
Fe —** F a de * gegen Erwarten geräte. 
n gewohnter Unfchlüffigkeit fam er jcdoh nie zur A 
feiner ſich drängenden Plane. iedoch until 
Mit dem Mai 1576 bricht Gapponi feine ne 
ſuchungen ab, in der Überzeugung, Mar ermwiefen zu bike, 
daß bis dorthin nur feine Dienftverhältniffe der Grund ar 
Leiden und cines Zuſtandes waren, den Niemand für einem ar 
funden anerdennen wird. Gapponi behält ſich vor "im zeiten 
Theile zu beweifen, daß Zorquato Zaffo nit Urſache hetu fo) 
wahnſinnig zu ſtellen, noch daß er als Wahnfi inniger einziern 
—J im St. s Annenfpitale unter die Wahnfinnigen acı% 
ar 


Ein Ardjitekt hat unter dem Titel: „Opere architet:c-” 
che di Raffaello Sanzio, misurate ed illustrate deli’ arch- 
teito Carlo Pontani’' (loreng 13840) ein Werk angrfim 
deffen Fortgang man wuͤnſchen muß. Hr. Melchior Beifkuni, 
ber davon im Aprilhefte der ‚‚Biblioteca italiana‘ eine merts 
reihe Anzeige macht, könnte zwar mit al feinem Lobe bie 
Meinung davon herabſtimmen; doch iſt es gewiß ein Gewinn, 
von den Merken des Genius genauere Renntniß za erlangen, 
und Genaueres, als bis jegt vorhanden war, verdankt mar 
3. B. ihm über den Palaſt Uguccioni zu Florenz, auf den ſich, 
was bis jest erſchienen, beſchräänkt. Im Texte hat Hr. Bon: 
tani gemeint, ſich gehen laſſen zu bärfen; er gibt allgemeize 
Betrachtungen über Baufunft, namentlih im Sinne der Girie: 
hen, bie jedoch, mwenigftens in Dem, was er über Symmetrie 
fans, fi keineswegs als in griechiſchem Geiſte gedacht bes 


währen und durch griechiſche Bauwerke beftimmt —8 


TTT gerantwortlißer Herausgederi Deintib Broddaus — Drud und — — Herausgeber: Heinrich Brodhaus — Drud und Verlag von F. X. Brodhauß in geipzig. 














Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


— ro — — 


‚.fo ‚viel, daß es uns wieder herzlich wohl wird. 





Mittwoch 









Poetiſcher Hansſche des deutſchen Volkes. Ein Buch 
für Schule und Haus. Von O. L. B. Wolff. 
(Befchluß. aus Nr.,.367.) 


Seit wir in diefee Sammlung vom religioͤſen und 
mweltlichen . Liebe Abfchled genommen, war uns mehr aber 
‚weniger zu Muthe, als eb wir durch Buͤcherſaͤle wandel⸗ 
ten, in welche die Baͤume aus dem Dichtergarten hier 
umd. da mit ihren ‚grünen Wipfeln durchs Fenfter ‚herein: 
or. "Mit-der: Romanze, und: Ballade treten wir 
wieder in die: friſche Gottesluft hiaaus und in jenen Gars 
sum der: Porfie ſeibſt ein. Zwar muͤſſen wir auch hier 
:an manches ſieifen Buchẽewand, ſchlaffen Thraͤnenweide und 
hier und dort an einer Gruppe geruchloſer Blumen voruᷣ⸗ 
‚ber,' aber es aͤſt doch darin des Bluͤhenden und ODrtign 

ei 
:alfo an Weiße, Löwen, Gleim, Schiebeler, Gotter, Clau⸗ 
dDins (ein fehr geringes Gedicht), Geißler (die nach des 
„Herausgebers Anlage allerdings größtentheils nicht fehlen 
:barften), und eilen wir ben zwar noch unfihern, aber 
‚dach. ebenhigen: Verſuchen von Bürger, Voß, Dölty, Stol: 
sberg, Miller und. Müller zu, bis wir une im buftigften 
‚Bthtenwalde finden. Womn Goethe (von:ihm-10), dann, 
Schiller (mit gleichfalls tO), beide Schlegel (A. W.mit 5), 
Ried: (mit 3), Fouqué (mit, 6), 8. G. Webel, Schmidt 
v. gabeck, Krummacher, © M. Arndt, Schentenhosf, 
‚Mädeet,: Follen, W. Müller (mit 8), Uhland (mit 24), 
Schwab: (mit: 5.meift nicht in den Ausgaben befindlichen ; 
fetiten Ste: causgeſchoſſenen denn wirklich Die beften fein?), 
»Menzel, Kerner, G. Pfizer, Chamiffo (ein einziges Ge⸗ 


ndicht, iſts woͤglich?), Gaudy, Hoffmann ven Folleraleben, 


aMeine mur: mit 3), Leitner, Simrock, der Herausgeber, 
Pilaten Zedlit, Ebert, Seidl, A⸗Gruͤn (mit 7), Bechſtein 
mit 3), Kopiſch Feeiligrath (mit 4), und außerdem noch 
theiis bekannte, theils unbekannte Namen. Gluͤckſeliges 
Deuiſchland, in welchem man vor dem Walde von Bal⸗ 
faden: und Romanzendichtern die Bäume nicht ſieht! 
Dennoch: find einige, z. B. Lenau, bien ganz abergangen. 
1 Doch uiſt dieſer Artikel ſehr wohl; ausgeſtattet und bringt 
. un8. einen: großen Reichehum xigenthuͤmlich dautſcher Dich⸗ 
tungen zur Anſchauung. 
Auf das epiſch⸗lyriſche; Vorſpiel folgt das ernfle Del: 
‚dengedihe:mit Proben aus „Dee Pfaffen Lamprecht 
Liede Son. Alexander“, aus Heinrichs v. Veldeck „Hfrzog 






23. December 1840. 








Ernſt“ und „Aeneide“, ans Hartmann's v. Aue „Iwein“, 
aqus,Lohengrin““, dem „Nibelungenliede“, ber „Gudrun“, 
aus Meiſters Konrad von Würzburg „Trojanerkriege“, aus 
Ottokar von Horned, womit die mittelhochbeutfche Zeit 
fhließt. Dann folgen Bruchſtuͤke aus dem „Zenerdanf”‘, aus 
Triller's „Saͤchſiſchem Prinzenraube”, und — mit einem 
plöglichen, dem hiftorifchen Entwidelungsprincipe des Verf. 
ſich freilich Faft nothgedrungen entziehenden Eprunge find 
wir an Klopſtock's „Meſſias“ (zweiter Gefang); dieſem 
Bruchſtuͤcke reiht ſich der achte Geſong von Bodmer's 
„Noachide“ und ein Bruchſtuͤck des abſolut vergeſſenen 
„Cortes“ Zacharld’6 an. Exquicklicher iſt der er e., Ge: 
‘fang aus Wieland’s „Oberon“, von welchem romantifchen 
Nitte wir allzubald und allzulang in Sonnenberg’6 „Dos 
natoa’” auf der Echnedenpoft hinkender Herameter aus⸗ 
zuhen dürfen, denn fein erfter Gefang nimmt 28 Spal⸗ 
ten ein. Alxinger's „„Doolin von Mainz” liefert ein kur⸗ 
zes Bruchſtuͤck; dann ein ohne Zweifel den meiften Leſer 
ganz neuer Dichter Fr. Aug. Müller (geb. 1767 im 
Wien, geft. 1807) das erſte Buch eines „Richard Lönden: 
herz”; fodann ein unbekannter Verfaffer den erſten Ges 
fang einer „Pſyche“; dann Pprfer eine Probe feiner „Dat: 
kabaer“; Krug von ‚Nidda den zweiten Gefang feines 
„Skanderbeg“; Fouqué den zweiten feiner „Corona“; 
"Schulze. den dritten Geſang der „Bezauberten Roſe“; kin 
Here Friedrich Begemann (gefl. um 1828) eine Pr 
aus dem „Gefegneten VBaterflud:”. (keineswegs zu b 
Schlechteſten gehörig) ; dann etwas aus Beshftein’s, auft” 3 
endlich aus Lenau’s „Fauſt“ (trog der dramatiſchen Korn 
„mol ‚mit Recht, hier .eingereiht). 
‚Des Eamifhe Heldengedicht. tritt. Iuflig-auf,mit. 
„Relnecke Suche” (im, nieberländifchen Original) und dem 
„Froſchmaͤusler“;, hierauf kommt ein kleines Fragwient 
aus: „Der Sieg des Liebesgottes“ von Ui; eins, gus 
‚bem „Schnupftuch“ Zachariaͤis; ein anderes ‚aus ‚been 
„VRenommiſten“ 3 qus Blumguer s „Aensis, -aub, 
the's „Reinecke“ (pierter Geſang); aus der En e“ 


‚von.Kortum (geb. 1745, geſt. 4824);3; aus Baggeſen © 

„Adam und. Eva” (aus ‚dem, nierten Buchy);..Ai 

hel's „Eeldherrxhraͤnke“ (erſtet. Belang " womit dieſeq a⸗ 

pitel ſchließt. 
Der dritte Theil umfaßt die dramatiſche Poeſie. Hier 

geht das Trauſerſp ie lzurick his auf Hans, Sachs, van 


1442 


> ı 
welchem uns „Ein Elegliche Tragedi bes Fuͤrſten Concreti 
mitgetheilt wird. Folgt ber vierte Act des „Carolus 
Stuardus von A. Gryphius (mo blieb Klai?); zwei Pröb- 
chen aus Lohenftein’6 „Ibrahim Baſſa“ und „Epicyaris‘‘ 
(jener erhabenen Freigelaſſenen, der freilich in wenigen Zeilen 
Tacitus ein Denkmal gefest bat, das fein Dichter fo 
leicht erreichen wird). Der „Theodoſius“ Guͤnther's, aus 
weichem der erfte Act mitgeteilt wird, ift eine Jugend: 
arbeit von biefem Dichter, deren Raum im Iprifchen 
Theile zwölf feiner Gedichte‘ hätten einnehmen koͤnnen. 
Don Elias Schlegel (‚Hermann‘), Weiße („Richard III.“), 
Teig Stolberg („Theſeus“) iſt mit Recht ganz Weniges 
gegeben. 

‚ Endlich erſcheinen Proben aus Schiller („Braut von 
Meffina”, „Maria Stuart”, „Wallenſtein's Xod’’; warum 
ift die hronologifhe Ordnung nicht beobachtet worden, und 
wo blieb der „Tell“?), aus Gollin („Bela's Krieg mit bem 
Vater”, der „Regulus“ hätte doch wol allgemeiner ange: 
zogen!), aus W. v. Schüg („Racrimas”), (marum von 
Fr. Schlegel's „Alarkos“ nichts?), aus Körner („Zriny“), 
aus Müliner („Die Schuld’), aus Houmwald (‚Die Frei: 
ftatt), aus Grillparzer („Medea“'), aus Raupach („Die 
Königinnen”), aus Immermann (‚Das Bericht von St.: 
Petersburg”), aus DM. Beer („Struenſee“), aus Auffen: 
"berg („Die Schweftern von Amiens”), aus H. Koenig 
(‚Die Bußfahrt”), aus Grabbe („Koͤnig Heinrich VI.“), 
aus Moſen (Rienzi). 

Für eine Sammlung bat Wolff befonders in der zwei: 
ten Hälfte hier viel geleiftet, aber daß Tieck mit ber „Ge⸗ 
noveva‘’ und Uhland mit dem „Herzog Ernſt“ übergan: 
gen worden, wird dem Buche nicht frommen. Bon ben 
ältern hätten Leiſewitz, Babo und Gerftenberg, wenigftens 
nach dem Plane des Verf., hergehoͤrt. 

Das Schaufpiel liefert Proben von Leffing’s „Na: 
than”, mit einer wenig gelannten chriftlich = apologetifchen, 
aber Iefenswerthen Fortfegungsprobe von J. G. Pfranger 
(geb. 1745 zu Hildburghaufen, Hofprediger zu Meinin: 
‚gen, geft. 1790), von Goethe's „Iphigenia“ und „Taſſo“, 
Kotzebue's „Guſtav Waſa“, H. v. Kleiſt's „Prinz von 
Homburg”, Fouqué's „Heimkehr des großen Kurfürften”, 
Fr. Kind's „Van Dyk's Landleben”, Klingemann’s „Cor: 
109", Deinhardſtein's „Hans Sache”, Platen’s „Glaͤſer⸗ 
nem Pantoffel”. 

Der Abfchnitt des Luſtſpiels enthält alte Proben 
von Hans Sache, einem Ungenannten und J. Ayrer 
(welcher, im Dichterverzeichniffe vergefien, ein Zeitgenoffe 
von Hans Sachs, Notar und Gerichtsprocurator zu Nürn: 
berg war und zwifchen 1575 u. 1589 60 Stüde ge: 
ſchrieben); ungern vermiffen mir ein paar Scenen aus 
J. G. Schoch's „Comoedia vom Studentenleben“ (Leip⸗ 
zig 1657), wodurch auch das 17. Jahrhundert repraͤſen⸗ 
tirt geweſen waͤre. Der Herausgeber fuͤhrt uns vom 16. 
ſogleich ins 18., aus welchem wir Fragmente von Cronegk 
„Die verfolgte Komödie” (warum hier nichts von Leffing ?), 
von Goethe „Die Laune bes Verliebten“, von Tieck Octa⸗ 
vianus“, von Kogebue „Eulenfpiegel’’ erhalten; endlich aus 

dem 19. Jahrhundert Proben von H. v. Kleift „Der zer: 


brochene Krug”, von Th. Kömer „Der Nachtwaͤchter“, 
von Steigenteſch „Die Abreife”, von Müllner „Die Ber 
trauten“, von Immermann „Die ſchelmiſche Graͤfin“. 

Um confequent zu fein und keine Dichtungsart zu 
verfäumen, theilt uns endlich der Derausgeber fogar ans 
dem Singfpiele Bruchftüde von Opitz, A. Gryphius, 9. 
Hinze („Don Quipote”, ber Berfaffer, auch Mef. gaͤnz⸗ 
(ih unbekannt, fehle im Dichterverzgeihniffe, das Stud 
erfhien Hamburg 1690), dann von Wieland, Goethe, 
Jakobi, Anton v. Klein (auch biefer fehle im Dichter: 
zeichniffe), Schikaneder, Herklots und Kind mit. 

Ein vierter Theil ift den gemiſchten Gattungen ber 
Moefte gewidmet. Hier bringt das Lehrgedicht, in wei: 
chem die Deutfchen von jeher Meifter waren, fehr viel 
Scyönes aus dem „Freydank“, aus Rudolf's von Ems 
„Baraam und Sofaphat’‘, dem „Winsbecker“, dem „Ren: 
ner” Hugo's von Zrimberg, für die alte Zei. Aus dem 
17. und 18. Jahrhundert von Opitz, Hagebern, Haller, 
Gellert, Sukro, Lichtwer; auch minder Belanntes von 
C. F. Zernitz („Von den Endzweden ber Welt”, der Ber- 
faffer ift 1717 zu Tangermuͤnde geboren und geſſorden 
1745), Gieſeke, v. Creuz (der erite Sefang ber. ,‚Bräber‘ 
dieſes mit Unrecht vergeffenen Dichters voll Gefühl und 
Phantafie; dem Herausgeber gebührt herzlicher Dank für 
biefe Mittheilung) , ferner von Käftner, Gleim, Ur, Wit 
hof, Dufch, Leffing, Wieland, Tiedge; endlich, die Kıom 
bes Abſchnitts, Ruͤckert und Schefer. 

Das beſchreibende Gedicht iſt vertreten durch Dis, 
Brodes, Haller, Gieſeke, Cronegt, Kleiſt, Zachani, £ 
Stolberg, Schiller, Nebel, Lavater, Marchiffen, va 
Herausgeber („Des Abends Frieden‘) umd ilägent 
Die Epiftel durch U, Gleim, Same Schmidt, du 
Karſchin, Jakobi, Michaelis, Ebert, Goͤckingk (ben wu 
im Liede vergebens gefuche), Gotter, Nicolay, Bürger, 
5. Stolberg, Pfeffel, Soethe, Tiedde, Seume. Pie 
fehlt Hölderlin. Auch die neuefle Zeit Hätte einiges Der: 
treffliche geboten. 

Das Idyll beginnt mit ziemlich kühlen Proben ven 
Roſt, Kleiſt, Kretfhmann, Fr. X. Brenner (fehlt 
Dichterverzeichniß und iſt, wenn wir uns nie taͤuſchen, 
chronologifch zu früh eingereigt). Waͤrmeres folgt von Holt, 
Voß, F. Stolberg; Unbebeutendes von Heydenreich (diefem 


iſt doch wirklich vielfach zu viel Ehre angethban)z Anders 


von Pfeffel, Kind, Prägel, Karoline Pichler; Treffliches son 
A. W. Schiegel („Nicon und Heliodora”); Zartss von 
Loͤben; Tuͤchtiges von R. Wyß dem Juͤngern. 

Die Allegorie, Parabel und Paramyt hie fül 
len, meiſt würdig, J. E. Schlegel, Goͤtz, Herder, A. 
W. Schlegel, Schiller, J. F. Seidel, Goethe, Immer⸗ 
mann. 

Die Satire (wie lange werben unſere Gelehrten noch 
Satyre fchreiden?) bringe Fragmente und Gedichte von 
Seb. Brant, Canig (deffen Satiren viel befannter zu fein 
verdienen), Daller, Hagedorn, Rabener, Michaelis, F. 
Stolberg, Falk und Immermann. Das Epigramm 
Proben von Opitz, Dlearius, beiden Gryphius, Wernidr, 
Hagedorn, Ewald, Käftner, Leffing, Kleiſt, Goͤckingk, 


— — 





19 


Kretſchmann, Klopftock, Schiller, W. Müller, Varnha⸗ 
gen, Ptaten, Robert. Wie: Hier Kuh, Pfeffel, Haug 


und Weißer fibergingen werden konnten, iſt nicht zu bes | 


greifen. 

Die Parodie und Traveſtie bringt wol einiges 
Zuftige, aber aud) fein einziges Kunſtwerk und iſt nur 
Da, um thr Fach auszufuͤllen. Zum Rächfel haben zwan⸗ 
zig deutfche Dichter und Reimer beigefteuert. Wir ver: 
miffen einen ber beften Räthfeldichter der Gegenwart, dem 
das ‚‚Morgenblatt” feit vielen Jahren finnvolle und poetifche 
Mittheilungen unter ber Chiffre 3. ©. M. verdankte und 
welcher feit längerer Zeit zwei Sammlungen veröffentlicht 
bat. Der Berf. ift 3. G. Mofer (wuͤrtemb. Oberbibliothefar 
und Oberſtudienrath), geboren zu Stuttgart 1790, wo, 
beiläufig gefagt, Uhland nicht, wie das Dichterverzeichniß 
behauptet, geboren iſt, fondern zu Tuͤbingen. Diefes 
Verzeichniß verdiente Überhaupt eine Revifion; bier und 
da fehlen genauere Beflimmungen: Menzel ift 1798 ge: 
boren; €. Mörike ift geboren zu Ludwigsburg 1804; 
Lenau (Nik. Niembfh, Edler v. Strehlenau) fehlt, er 
ift geboren zu Ezadät in Ungarn 1802; Follen privatis 
firt zu Altiton, nicht Altikom; Froͤhlich ift zu Brugg im 
Argau 1796 geboren; Grillparzer ift jest Vorſtand bes 
Archivs zu Wien; Alb. Knapp tft Archidiakonus zu Stutt: 
gart, feit vielen Jahren; Zul. Moſen ift zu Marienei 
im Voigtlande 1803 geboren; Guſt. Pfizer ift zu Stutt: 
gart geboren 1807. Überhaupt fehlen nur zu viele 
nothwendige Daten, andere wiederum bedürfen fehr der 
Berichtigung. 

Gewiß bat Herr D. L. B. Wolff, als Dichter und 
Riterat berufen und mit Talent und Gefhmad zu folder 
Arbeit ausgerüftet, Vieles in diefem umfangreichen Werke 
gefeiftet, und unfer Zadel im Einzelnen gilt zum größeren 
Theile nicht fowol der Ausführung bes Planes, als dem 
Diane ſelbſt. Da dieſer wol nicht mehr von ihm geaͤn⸗ 
dert werben kann, fo wäre wenigſtens zu wünfchen, daß 
bei einer neuen Auflage durdy irgend eine Drudeinrichtung, 
ober wenigſtens durch gefperrte Schrift im Megifter das 
Dreiswürdige von dem bloß hiſtoriſch Merkwuͤrdigen unter: 
ſchieden, auch dieſes letztere moͤglichſt reducirt wuͤrde, was 
dem Verleger ſelbſt, der das Werk bei ſo wohlfeilem Preiſe 
fo ſchoͤn ausgeſtattet hat, zugute kommen müßte. Bei 
der gegenwaͤrtigen Einrichtung muß es dem Laien ſehr 
ſchwer werden, ſich zurecht zu finden. 72. 





Promenades. dans Londres par Madame Flora Tristan. 
Paris und London 1840. 


Das Buch ift von ber erſten bis zur legten Seite eine blus 
tige Satire auf England und die Englaͤnder. Man begreift 
anfangs nicht, wie eine Frau, eine Dichterin, eine philantropis 
ſche Sntbufiaftin, fo viel Galle und Misgunft in ihrem Herzen 
begen kann, als von ber Verf. über alle Seiten bes öffentlichen 
und bes Privatiebens in England ausgegoffen wird. Gtubirt 
man indefien den Charakter und die Perfönlichkeit der Madame 


Flora Triſtan ſo wird ihr Haß gegen das Britenthum eini⸗ 
r 


germaßen erklaͤrlich. Wan denke fi) eine Frau, bie, obgleich 
Reine Franzoſin von Geburt, Fraakreich als ihr Vaterland bes 


ritterfi 
Sntrü 
gie in 
tie mi 


” 
. 





fall 


‘Ser Lharatuer und he "Xofläten unſerer Vetſ. ftta ablpit- 

! j ! 9 non iücoſt ‚daß men 
—9— 8 at a 8 
rer. zäwberiicen Anktuth ® unferalten, 
YLR en, ala ob fie in einem befänbigen Zus 
Kan nd unfähig gec Kr Kentting 
ae, oo mit ganzer Geele Ihnen zu en, wörin 
water Barhe und dad Wide sefeht, ee injche fie von 
ber Nöthwenbigkeit, ipre geiftigen und Teibliden Kräfte zu ent» 
wideln, zu überzeugen; ich möchte ihnen beweifen, daß die Tüßen 
Worte: Umpfüngiiäteit des Sergens, Bartheit der 
Empfindungen, ausgewählter efhmad, kaum et 
Mas, andered bedeuten al6 Shmwäde, und daß ſhwoch Se⸗ 
fe, welche Gegenftand des Mitlelds ober HöGfRens einer 

uch, Mitleid erzeugten Liebe find, unfehlbar balb Gegen⸗ 
vu der Verachtung des Mannes werden. — — NG mün: 


igen,, daf die Eleganz wenfger nöeckh "IR als die mo⸗ 
ae kei daß ap ae 30. eines — Edrgei⸗ 
—R ohne" Unterfchieb des Geſchlechts ſein muß, feines 


leihen nütlich zu werben.’ 

Eine zweite Stelle, die.ivie hinzufügen, beweift, daß die 
SGmaneipafion bes Weibed nicht die einzige kahne Ipee ber 
meueften Zeit iſt, welche ſchon vor 50 Jadren jener englifche 
Blaufsumpf vertreten hat. „Die Yulbigungen und der Res 

ect", jagt Mary Wolftonecraft, „welche man dem Gigen: 

hum Ik, find die vergifteten Quellen der meiften Übel, die 
aus dem Lehen eine gräßliche Sammerfcene machen. "Alle Welt 
acht die Whtung burcy ben Reichtum zu erobern, und der 
Rechthim,’ wie er auch erworben fei, verlangt ben &efpect, 
weldjer nur dee Tugend und dem Talente gebihrt. Menflgen, 
’welde alle Venſchenpftichten vernachläffigen, werben wie "Palbs 
’götter verehet Wie kann man erflaunen, daß die Welt nur 
noch eine Räuberhöhle, ein Tyrannenneſt iſt!“ 9. 





Literarifhe Notizen. 


Aufmerkſam müfjen wir machen auf einen zarten, empfin⸗ 
hungsbstlen Dichter, Ferdinand Dugud, der unter dem eiwas 
Ayleeten Xitel „Les gouttes de rosee” eine Reihenfolge ‘von 
-I00 "Sonetten’ herausgegeben hat, worin erben allmäfigen 
Verlauf eines Eiebesverhäftniffes von dem erften reinen Jubel 
an” 18 zum Erwachen der Eiferſucht, bes Streltes zwiſchen 
"spptähe und Siebe, der Cangweile und des Übertruffes Ihilbert, 
öber wie es der Dichter ausbrüdt: 

._ Soyes jeune, röven qu'un bel ange sax doux yeuz 

‘Pour charmer voire cosur cat dessendu des eicus, 

'Quo sa lüvre vous parlo et que sa main vous touche; 

Vous vous röreilleren toutsä-conp dans la malt, 

- Et vom verrex groupds wulour de votre conahe 

be päle"iscleinent, la tristemse et Tehnul! 

: Der-geftslpte itek des: Buches findet feine Ruchtfertigung In! 
den Beiden: &tußjeflen des gefüflvoffen Widmungeſenetts, an 
Marie geridgtet, fie lauten: ‘ 

Votre amour est Ja fleur, mes vers sont la rende 

Dont les göuties souvent ressemblent & des pleurs! 
Die Form if überall. gewandt. gehandhabt; das Gonett macht 
fi, trog der mitten jnittenen Alerandriner, in feiner eigens 
thümlicen Liebenswürbigkeit, im. Lachen und Meinen glei 
anmuthig, auch hier geltend; es iſt jenes Spiel, welches die 
Reime treiben, die ſich bald fliehen und bald — aber doch in 
heftimmter Regel — wieber haſchen, was dem Sonette feinen 
befondern eig ertheilt. Die Gedanken können ſich nirgend fo 
fpielend abzunden, ſich ablöfen und einander antworten wie 
im Sonett, jeder Gap hat feinen beflimmten Gegenfag, aber 


VeROR Haben ati ihe · t 


— dm 
Bieſthausg; 45 if das eh eben 00 = de 


ee — Pi en en jebe gebuzt 


rm zurüdgefunten, welde an WBarbarei grenzt. &ı 
—X Bee Ale Iren ar 
Wätkirfpfilie gu Mötttragen, machen ivit bach mit. einem Be 
mette ;Bagud's: einen Derſuch in felgewder -M : 
Sie erſe · ieb· entRaht im atlmer gelder Mitte, 
&ie träumt um zubt im ‚Dein, beglänst von Bonbeöftahten, 
Erblaft, wenn bleffend weißt die Sonne ans den Talea, 
Und twändelt ihren Bing mit Telhtem, freiem Schritte 
Sie glaubt und fürchtet micht das Dan drr weihfhen Eitte: 
Gern wier shit Gtic md Rahm um: Butwnift ‘fie Bejapken 
Der braunen Dirae Ruß, der’ TOR geheimen :Dimalen 
Sein. ſchones Dofein-dantt und zärtlich: füher- Witze, 
Doch wwitten im Geräufh- ver Stadt wutficht. bie zweite, 
AB Nochter ber, Begier, bed Lüßternen Berlangens, 
Mit ihrer eigenen Scham im Rampfe fteten Bangens, 
Gin weiter Abgrund Mafit, vo fie aud geß' und färeite; 
Won Qualen ietö verfolgt, die Ihre Thatee räden, 
Heißt fie bald Liebe nit, heißt fie Halb mar Merbreden. 
(— — — er pourmulvi:par le remerds vengeer, 
Ohasge bieniöt son nom eenisc lo nom de arime!) 








Ein franzbfiſches Journal wacht bei- Gelegenhett einer An- 
zeige von den „‚Translations from.the lyric poots of Germaoy 
with brief notices of their lives and writings, by'J. Macray’ | 
(Orford), folgende Bemerkungen: Oie detrtfäge Literatur | 
seid) an 'Iprif_jen Diteen. Ihre Profobie, sugteihe anmıık 
w Mingenb 7 geai ae inderiß Den eiem 

inzofen! —, bequemt di Productier⸗· x 
Au) die tügeigften Snifefteler 3 ——— 
folg dieſe harmonienreiche Lyra gehandhabt, won peiter te 
Dtchtkanft ihre füßeften, rührendften Toͤne emtlepne. % ax 
“manche flürhtige Gtüde don Goethe, 'von- Ghilier, won Kehe 
welche gerade in das Herz mad dort tiefer - “ 
mande Meifterwerke pöhern Ranges. — glaube zö 
nidt_ zu täufen, wenn ich behaupte, daß faft alle rear 
die Deutfch freiben, ein Iedhaftes Verlangen empfinden, in it 
zer Mütterfpräche diefe neue Mufit wiedergugeben,: deren Kiiaz 

Im exfien’ Mal ihr Ope beeäprien. ber tiefer a 

ift: veller Schwierigkeiten; die Feanzeſen befombers heben ki: 
her dergebens darnach geftrebt und E wird ihnen ‚wel aeet⸗ 
lich jemals gelingen, da bad beutfche Benie wieber' der Ram 
des Keangififhen Selftes, noch derjenigen "des ’ Franzäfiier 
Ioloms_conform fft.’’ Der 'Werkäiterftetten- ua: num darır' 
Yin, daß es ben Gngläudern’ ale: Weis, Grruns aunb-Bpeed: 
verwandten der Deuffcen ‚weniger ſchwer gemacht. it, Kia 
und Sinn ber deuten Lyrik in ihrer — wieder⸗ 
zugeben,“ und ‘davon feien Macray’8 Übetfehtinäen "ein augen 
fcheinticher Beweis. Er Habe unter ben gahiteihen Mreffcen 
Grgeugniffen der Deutfden diejenigen ausgewählt, welde 
tym am geetgnetſten erſchtenen, die Tugenden sifer Geeten: 
poefie herauszuftellen, worin die Rachbarn vom jenfeit des 
Rbeines eine‘ umefkeitbare- Sipreiseität trlangt hätten. Ar 
Arten der Phantafie und des Stas feien-Hies'oeutreien, im einer 
Mannicfaltigkeit und Verſchledenheit, Per das Unterneham 
fer h 





Einer 
der, Elaudius a. ſ. w., lauter! Gemätde "und — 
voller Anmuth, Reiz und Zeile. Die’ kurzen "Rotigen über 
jeden der Dichter find aus Stober's Werk Über die deutide 
Eiteratur genommen. 5. 








Hierzu Beilage Rr. 4. 





Werantworttiger Heranigeber: Heimridh Bredhans. — Drad und Brrkg vom 8. Wrodpans In Lelpsig. 


‘ 


Beilage zu den Blättern für literariſche Unterhaltung, 





Nr. 4. 


23. December 1840, 





Drei Bücher deutfcher Profa in Spray: und Styiproben, 
von Ulphilas bi auf die Gegenwart (360 — 1837). 
Herausgegeben von Heinrich Künzel. Drei Theile. 
Frankfurt a. M., Sauerländer. 1838. 8. 4 Thir. 

Die Schwierigkeit einer paffenden Auswahl und Zuſammen⸗ 


flellung von Sprachproben unferer profaifchen Rationalliteratur 


tigt fi) audy bei dem vorliegenden Werke, und um fo mehr, 
e weiter der Kreis ift, defien Hauptpunkte diefe Sammlung 
in fi zu vereinigen firebt. Die Enden beffelben liegen nicht 
blos der Zeit und ber geiftigen Geftaltung nad, fondern, was 
das fchwierigfte iſt, auch hinfichtlich der fprachlichen Form fo 
weit auseinander, daß nur von Dem, der in lehterer Beziehung 
befondere Studien gemacht bat, ein alfeitiges Verſtaͤndniß der: 
felben erwarter werden fann. Inſofern muß alfo der Theil des 
Werkes, welcher es mit dem vorzugsweife fogenannten Altdeut: 
Shen zu thun hat, der Mehrzahl von Lefern, für die das Buch 
abgefaßt iſt, ein mehr oder weniger undurchdringliches Myſte⸗ 
zium bleiben, und kann hoͤchſtens als ein Schauftüd gelten, an 
dem der Uneingemweihte feine Entzifferungsoerfuche mit bilettans 
tifher Genußſüchtelei oder in felbfibehaglicher Beſchraͤnktheit 
madt. Dies um fo mehr, als beinahe jede Erklärung hier 
Seiten des Herausgebers unterblieben if. Nicht diefes, daß fie 
unterblieben ift, tabeln wir, fondern daß überhaupt etwas auf: 


‚ genommen iſt, was ohne eine befondere, nicht blos oberflächlich 


beizugebende fprachliche Erlaͤuterung, fondern fogar ohne ein 
tieferes Studium, wie es faum zum Verfländniß lebender Spra⸗ 
hen erfoderlid IE, nimmermehr in Sinn und Geiſt des Lefers 
übergeben Tann. Hr. Künzel konnte aber auch, unbefchadet der 
Erreichung feines Zweckes, ſich diefes Theils unferer National: 
literatur völlig begeben. Wer fi das Altdeutfche in feinen 
Hauptphafen zugänglid machen will, findet dazu trefflicdhe Ge⸗ 
legenheit in den Lefebüchern von Wadernagel und 3iemann; Hr. 
Künzel hat nady diefer Seite hin das Studium nicht im ge: 
ringfien weiter geführt, er vermarhte es aber auch nidht, wenn 
er nicht die Tendenz des Buches ganz verändern wollte. Hätte 


er, flatt von Ulphilas anzufangen, das 14. oder 15. Jahrhun⸗ 


dert als Ausgangspunkt genommen, fo wäre nicht blos die Con⸗ 
fequenz und Einheit des Planes, Sprach- und Stylproben 
zu geben, gerettet, nicht blos der Zwed erreicht, den jeber 
£efer haben kann, fondern wir hätten auch eine fehr ſchwache 
Seite diefee Sammlung weniger. 

Wir wollen, um diefe legtere näher au betrachten, nicht an 
die bereits vor länger als einem Jahre von Wadernagel in 
feinen ‚„@inige Worte zum Schu literarifchen Gigenthums’’ 


(Bafel 1838) auch gegen Hrn. Künzel erhobenen Anlagen ers 


inneren, infofern fle die Berechtigung zum Abdruck biefes und je: 
nes Stücks aus alten Handfchriften und Druden zum Gegenſtand 
haben. Dergleichen Streitigkeiten können in der That weder 
dazu dienen, bie Wiſſenſchaft zu fördern, noch — was fchon viel 
werth wäre — richtige Anfichten über das Wefen bes literari- 
Then Eigenthums und die Grenzen der darauf fidh grändenden 
Nechte zu verbreiten; fie eignen ſich viel mehr dazu, die Wiſſen⸗ 
ſchaft in den Bereich eines Handwerkes herabzuziehen und in 
der Gelehrtenrepublik gewiffe Begriffe, die einem Zunftzwange 
nicht unaͤhnlich find, einzuführen. Gehen wir aber audy ganz 
davon ab, ob Hr. Künzel Manches mit ebenfo gutem Recht als 
Hr. Wackernagel veröffentlichte, ober ob er auch Beſſeres und 
mehr gab als Hr. Wadernagel, fo ift doch fo viel gewiß, daß, 
was er gab und wie er es gab, nicht allenthalben beifallswärs 
dig gefunden werben Tann. Um nur Einiges zu bemerken, fo 
finden wir unter Nr. V ein ®tüd von Zfidorus’ De nativitate 
domini‘ aus Palthen’s Ausgabe abgebrudt; Hr. Künzel bemerkt 
felb (S. 825), daß ber Abbruck, den Roſtgaard veranflaltste, 


viel genauer ald der Palthen'ſche iſt; dagegen fcheint er bie 
Ausgabe von Holzmann gar nicht zu kennen, obwol fie ſchon 
1836 in Karlöruge erſchienen ik. Wenn wir nun fchon das 
legtere billig verlangen koͤnnten, warum zog ee nicht wenig⸗ 
ffens die ihm bekannte beffere Quelle vor? Werner die Rechts 
ſchreibung anlangend, fo iſt zwiſchen z und $ nur bei zwei 
Sragmenten unterfchieden, und zwar bei Nr. XI, das er fe 
aus Wadernagel entiehnt zu haben angibt, und bei Rr. XIV, 
das er feiner Verſicherung nad) der &üte des Dr. Carové ver: 
dankt; die Auswahl der von Hrn. Künzel beigegebenen lites 
rariſchen Anmerkungen anlangend, fo ſpricht er über ben „phi⸗ 
lofophifchen Tractat von der wirklichen und möglichen Vernunft“ 
doppelt fo viel (indem er Gervinus Anficht mittheilt) als über 
den Sachfenfpiegel; die Auswahl des Tertes anlangend, fo ift 
aus dem 15. Jahrhundert Mur Hiftorifches mitgetheilt, auf Briefe 
wenig oder gar keine Rüdficht genommen, und unter Nr. XLIX 
ein ganz in fchweizerifchem Dialekte gefchriebenes Stück aufges 
nommen, während fonft die Rückſicht auf provinzielle Sprach⸗ 
richtungen völlig ausgefchloffen if. Doch wir wollen nicht weis 
tee auf derartige Mängel eingehen; das Alts und felbft noch 
das Mittelhochdeutfche erfobert nun einmal, um nicht zu fagen 
eine delicatere Behandlung, doch eine feinere Durchdringung fos 
gar Seiten Deflen, der es zu Schaugerichten für das Yublicum 
mit berlinifcher Sauce von literarifchen Anmerkungen anrichten 
will. Denn, um den Grundfehler des ganzen Buches zu bes 
aeichnen , fo ift e& zu fehr a la Mundt gearbeitet. Das Bud 
fi Mundt bedieirt, in der Vorrebe wird auf Mundt's „Kunſt 
der beutfchen Proſa“ nicht undentlicy ald auf die vorzuͤglichſte 
deutfche Literaturgefchichte hingewiefen, und keine Seite der An⸗ 
merlungen vergeht ohne beftändige Gitate des Mundt'ſchen Wer⸗ 
tes, die häufig von anſehnlichen Ercerpten daraus begleitet find: 
kurz, der Verf. fcheint feine Arbeit völlig als eine Beiſpiel⸗ 
fammlung zu Mundt's Buche hinzuftellen. Es Tann aber in 
der That kaum im Intereſſe der deutſchen Literatur gehandelt 
beißen, wenn Mundt’s Ichönrednerifche, alle Ziefe und Gründ⸗ 
lichkeit entbehrende Arbeit auf foldye Weiſe noch näher an das 
Herz des Publicums gelegt wird. Vielmehr mußte das Unters 
nehmen des Berf. als durchaus felbftändiges ſich darftellen und 
jedbwede Beziehung auf fremdes Urtheil über fchriftftellerifche Bes 
deutſamkeit und Gharakterifirung völlig unterbleiben, da eben 
aus den eigenen Bundgruben, deren Probeftüde ber Derausges 
der vorlegt, die Kenntniß und Würdigung der einzelnen beutf 
Claſſiker geſchoͤpft werden fol. 

Inwiefern nun die getroffene Auswahl felbft gu redhtfertis 
gen oder zu misbilligen fei, darüber kann bier im Einzelnen 
nit füglich geurtheilt werden, ba die hier leitenden Geſichts⸗ 
puntte zu vielfady find und die Entfcheidung felbfi im Grunde 
nur fubjectio fein muß. SInfofern weder offenbare Misgriffe, 
noch auffallende Auslaflungen fichtbar find, muß Ref. fich im 
Aligemeinen beifällig Hinfichtlich berfelben ausfprechen. Vielleicht 
bätte bisweilen Belannteres mit minder Bekanntem, obgleich 
nicht minder Werthoollem vertaufcht werben koͤnnen, wie 3. B. 
bei Engel, von dem der „Traum bes Galilei”, bei Jean Paul, 
von dem unter Anderm bie „Reujahrsnacdht eines Unglücklichen“ 
mitgetheilt find. Bei Letzterm hätte eher aus ber „Vorſchule der 
Aſthetik“ ein Fragment gewählt werben können. Anderwärts 
fheint bie befonbers bemerkbare Rüdficht, wonach o 
über bie Verhaͤltniſſe der deutichen Literatur ausgeſucht worben 
find, ſich bei Klopſtock nicht wohl rechtfertigen zu laflen, von 
dem faft nur derartige Gtüde mitgethellt find. Doc möge 
durch diefe mehr ausnahmsweiſe angeführten Punkte das obige 
allgemeine Urtheil nicht alterirt werden. Dagegen muß F 
ale eine befondere —— bezeichnend, den Umſtand erwähs 
nen, daß von Friedrich Wilhelm III. fieben, von Rahel ſeche, 








von Bettina neun, von Varndagen v. Enfe drei Pioten ihrer 
Schriftdenkmale mitgetheilt fin 
Rad dem Befagten 


-Bammtung- feinetwegt-auf-beuDöhe . - 

in der Abſicht des Verf. gelegen haben dürfte. Cine richtige 
Anſicht von dem Werthe ber deutfchen Literatur überhaupt, wie 
von ben Ruancen ihres Außen Erſcheinens — das Hödgfte, was 
durch eine ſolche Sanımlang überhaupt bezweckt werben kann —, 
wird ſchwerlich ‚auf dieſem Wege erreicht werben, und wenn das 
Bud reinigen Erfolg, ja ſeldſt einiges Verdienſt Hat, fo kann 
jener, wie biefes, mur in ber erleidgterten Kenntaißnahme von 
einzelnen ſchriftſtelleriſchen Productionen, in ſporadiſcher Beleh⸗ 
rung über einzelne Richtungen und Zuftände und in der Gr: 
gaͤnzung von Lüden befkehen, die ſeibſt dem forgfältigen For⸗ 
fcher und dem tiefern Kenner ber deutichen Literatur nicht abs 
gehen koͤnnen. Haͤtte der Herausgeber nichts weiter als biefes 
angeftrebt, fo wäre fein Streben für ein höchſt anertennenswer: 
thes, der Erfolg ader für ein diefem Streben ganz entipre: 
chender gu achten. 


Nachdem Ref. vorſtehende Anzeige bereits gefchloffen hatte, 
dam thm zufällig noch ©. 102 des erften Theils diefes Werkes 
vor Augen, und er gewahrte in den erſten Zeilen des dort aus 
der fchönen Movelle Nik. v. Wyies „Buryalus und Lucretia‘ 
mitgetheilten Bruchftücks fo auffaliende Entftelungen, daß er zu 
näßerer Prüfung und 'Wergleihung mit einem ihm vorliegen: 
den Abdruck dieſer Rovelle Schritt: zur nähern Würdigung des 
Buches Tann NRef. einige Werte darüber nachzutragen um fo 
weniger ſich enthalten, als die Ungenauigkeit und Sorgloſigkeit 
des Herausgebers bier allzu fprechend ſich herausſtellt. Der 
Anfang 

lautet: fol lauten: 

"ALS geoſſer eren angelegt und! Was grofler eren angelept und 
eebotten worben feit keiſer Sig: | erbottenworden feyn keyſer Sig: 
munden bo er des erften ein reyt |munden, bo er des erften ein veyt 
gu Senis (dann bu und ich bur⸗ zu Senis (dann du und ich bur: 
tig fine tft vetzet allmthalben |tig ſint) ift peget allenthalben 
Euntbar vnd offen) dem was kuntbar ond offen. Dem was 
gebauen und zu gericht ein|gebauen vnd zugericht ein 
palaſt ıc. pa ꝛc. 

Im Verlaufe lieſt Hr. Künzel ſtatt gar nahe gleich — 
garnacht gleich; ſtatt anredung redlicher Frauen — an re: 
bung redlichen Frauen; ſtatt ie augbrawen in böglin (Bo: 
gen) weiß geftelt — ir augbrawen ir bedlin weiß geſtellt 
a. f. f., ſodaß im Durchſchnitt die fünfte Zeile feines Abdruckes 
unverſtaͤndlich iſt. Was kann man darnach von der Richtigkeit 
und Gorsfalt des Abdruckes anderer älterer Sprachdenkmale 
vermuthen ? 29, 





Leiden und Freuden eines Schulmeifters. Zwei Theile. 
Bern, Wagner. 1838. Gr. 8. 2 Zhle. 


Wenn etwa einige Lefer unferer Blätter fi) wundern foll: 
den, wie ein Buch, das feinem Titel mach vorzugsweife der 
päbagogifdyen Literatur anzugehören. ſcheint, zur Beſorechung 
in unfere Blätter kommt, und aus biefem Grunde unfere An: 
geige zu überfchlagen nicht et wären, fo mäffen wir 
—8 bitten, dieſelbe nicht allzuſchnell zu uͤberſehen. Wir wollen 
keineswegs unfern wenigen Worten ein befonderes Gewicht bei- 
;Yegen, aber wir glauben ihnen wenigſtens darin einiges Ver⸗ 
dienft zuſchreiben gu konnen, daß fie auf das vorliegende Buch 
andy kalten und Solche aufmerkfam machen, die nicht gerade dem 
Schulſtande angehören. Denn die „Leiden und Freuben“ Peter 
Keaſer's, Schulmeiſtere zu Gytiwyl im Ganton Bern, find eine 
der vortrefflichſten Bolkeſchriften, bie ums feit langer Zeit gu 


Beficht gekommen And. Ales ift bier friſch, lebendig, durch⸗ 
«us aus dem Beben gegriffen, ohne alle Beimifchung von Schul: 


pebanterte, fodaß wir das Buch, an das wir nit ohne ein 
vgewifles Mistrauen gegangen find, nicht friiher weggelegt haben, 


d. 
erſcheint das Verdienſt der vorliegenden 


weiß, wie felten die verdrießliche Arbeit eines Ech 


” 


bevor wie 


baffeibe n batten. Bornegme Leute — 2: 
ſolche gibt es auch 


bucdhgelefe 
nicht felten im Schuiftande — werben bei 


-Mächig ‘auf den armen ſchweizeriſchen Schulmeifter berabfcke, 


aber wer ein. Herz. bat für menſchliches Elend, wer bie Gag 
um Weib und Kind im Herzen getragen und es tief gefixt 
bat, wie weh es dem Armen thus, in Roth und Kummur .ı 
fiten, wo ihm mit wenigen Gulden geholfen wäre, mer x 
utmeifters 
antrfannt wird, der muß bis! Duch deb geiuimuen, mit dem 
asmen, redtichen @kbulmdifter Wie daben, fein -eumes, 
treues Weib bewundern und ſich id freuen, daß der wa⸗ 
dern Leuten am Ende noch fo wider ihr Gi en gehoifen wit, 

Die Lebensgeſchichte des Schulmeifters Aft Schr eicik. 
Er war der Sohn eines arınen Webers, warb bei bez Uxfrie- 
den und den Sänkereien feiner Ältern groß gezogen, entiich ki 
dann Schulmeiſter zu werben, und erhielt eine Bärftige Stelle 
auf ber Schnabelweide im Canton Bern. Da erlebt er man- 
es Ungemach, er kann mit den Kindern und mit din Atern 
nicht recht fertig werden, er will gern heirathen und erhält 
einen Korb, endlid fällt er in die Schlingen eines Licderlicyen 
Mädchens und wird dadurch zum Hohn und Spott bes ganzm 
Dorfes. Hier kann er nun nicht bleiben, 2 glädt ibm eine 
andere Stelle in Gytiwyl im Banton Bern gu esfalten. In 
biefer befindet ex fich befler und weiß ſich ur Misgriffen 
in Acht zu nehmen. Die hübſche, rührige Tochter eines Schuh: 
maders wird fein Weib, er befommt Mind auf Kinn, ie 
Roth um das tägliche Brot wird groß, Die armen Leute wif: 
fen fih gar nicht mehr Ir beifen, da erſcheint endih am 
Schluſſe des Buches die Hülfe, eine jährliche Zulage von 1508, 
zur bisherigen Befoldung. 

Man fieht, daß bas alles außerordentlich einfache Tine 
find, wie fie ſich in ungäpliger Wenfcen Leben ereigner heber. 
Aber die Art, wie fie erzählt find, ift meifterhaft und mat 
bem Berfafjee — ober den Verfaffern — alle Ehre. Dıre 
bat uns faft vorfommen wollen, als ob der Name Pete Li 
ſer's egdichtet wäre und ein hochgebildeter Mann, ber air mi 
den Leiden bes Schulmeifterftandes in der Schweiz volkemn 
vertraut iſt, habe das Ganze verfaßt, oder Peter Kin ka 
wirklich feine Lebensfchidfale zu Papier gebracht und ein Irkc 
rer hat fie mit Ginleitungen und Raifonnements verfehen. 3x 
einer ſolchen Vermuthung führe auch die doppelte Schrtiber 
in der Alles, was den Schulmeifter und die Seinigen feltit a: 
geht, mit fehweizerifhen (für Deutfche nicht immer verfäntG 
hen) Idiotismen und Provinzialigmen vermifcht iſt, das Üsrke 
aber in einer fehr gebildeten, hochdeutfhen Sprache. Zva 
Merthe des Buches thut diefe Verfchiedenheit gar Beinen Ex: 
trag: wir durften bdiefelbe aber nicht unerwähnt Laffen. 

Eine vorberrfhende Eigenſchaft in den Erzählungen ti 
Schulmeiſters iſt Naivetaͤt und Treuherzigkeit, en der fdhwei 
zeriſche Dialekt treffiich paßt. Seine Fehler und NWerfehen ve: 


ſchweigt er nirgend, fo beim Unterrichte der Kinder, im Be: 


hältniß zu feinen Bauern, und vor Allem, ale die Baralik 
mit ihrer Tochter Bäbeli ihn betrunken und verliebt madez, 
um ihn zu zwingen das ſchon ſchwangere Mädchen zu ehelicden. 
Das ift eine Scene, wie fie gu unzähligen Malen im wenſch⸗ 
lichen Beben vorkommt, aber fo treu ift fie wol nicht Leicht ge: 
ſchildert. Ebenfo feine Bewerbung um die hübfche Mäbeli. Sie 
war ſchlank und hoch, hatte aber micht fo Herzfchäne Baden 
wie Mich und Blut, bei denen es einen dünft,. wenn man 
fie nur etwas Enufte(?) ober müntfle(?), fo müßten aus ber 
einen Bade einige Kacheln Mitch iprigen kühwarm, und aus 
der andern einige Dugend Kartoffeln trollen jchän mehlig und 
aufgefprungen‘' (I, 34). Es ift wahrhaft zum Lachen (und 
doc) wieder gar nicht erdichtet), wie ihn die Defperation über 
ein ihm von ber Waͤſcherin entwendetes Hemde u bringt, 
vleih am Abend zu dem Mädchen, dem er ſchon felt längerer 
Beit gut geweſen war, hinzuftürmen und fie anzubsüflen: „Wtä: 
beii, ih muß a Grau da, notſch mi naͤh, wetſch mi härathe 7” 
Bortrefflich it nun des Mädchens Verſchaͤmtheit gefchiäpert: fo 





— ————— 





— — — — — — — — u» 








Ka 
foricht und. chantelt daq echte Matunkinh. ‚Überhaupt hat ber Sraͤnume und Schame nem. Mheain. Den, Melfehilhege 


Berfaffer diefe Frau in ihrer. einfachen Kraft, ihrem Beuereifer 
are en gu Mann und Kindern mit großer Wahrheit 
gu köllaren- gamußt «und ia. Berfteilan -Yönsliches Scenen eine 
‚große Zartheit am den Sag geisgt. So. 
—E der, Reife zu Kaͤſer's Altern, der Haechzeit, des 
FKintritte der: jungen ‚Brau in das Haus Ihres. Mannes, der 
Schwangerſchaft und Entbindung des, Frau (mobei ber Verfaſ⸗ 
fee den guten Kath gibt, daß die Kindbetten der Schulmeiſter⸗ 
frauen im Sommer und nicht im Winter zu halten wären), 
ihre erften Mutterfreuden und in ber ausgezeichnet fehönen Stelle 
über den ed eines Kindes. ‚Den armen Käfer drüden viele 
Georgen, er muß von Pfarrern und Schulpflegern viel aus: 
fichen, dem ‚bald iſt er zu weltlich und verliebt, bald hat er 
‚sicht die wachte Methode und wird wie ein Scholknabe abges 
kanzelt, er tektt mie Schulden in den Cheſtand, und nachdem 
‚in ‚die böfen Bläubiger gezwungen haben zu bezablen, iſt 


i der: Befehreibung .der 


aus Rheinbatern und: den amjrenzenden Bändern. Aus 
den Papieren-eines "Düden. Iwelter Band. Cpeier, 
Neidhard. .1839. Sr. 12.. 1 Tüte, 

RKef. hat ſich bei Marchſicht dieſes zweiten Bandes eine 
fihon lodend angezeigten Buches *) öftere geheagt, worin eigent⸗ 
kich ber Reiz und die feſſeinde Kraft Aizfes anfenuchslofen: Reifes 
berichts befiche, ber, weder ausgegtichnet urch Neuheit amd 
Gobße der Ideen, noch durch phentafeneiie Natues und Ghes 
‚eaktesmalerei, ihm-beim Durchlaſen ein fo: großes Behagen -brs 
seitete. Er hat ſich immer antworten muͤſſen, das es ber 
geſunde und beſcheidene Sinn bes. Vexrfaſſers, fein empfaͤnglicher 
‚und zugleich natürlicher und pwaktiſcher Geiſt ſein maſge, ber 
ihn anziehe. Der. Verf; gibt nichts und ill ‚nichts geben , als 
was wirklich in. ihm Icht und zum Wewußtfein geangt:ift; .er 
haſcht weder nach genialen Gedanken, noch nach poetiicher 


immer Armuth im Haufe und die, @beleute figen oft trübſelig 
Seieinander. Aber fie find doch glücklich miteinander und das 
Büd einer glücklichen, kinderreichen Ehe ift nicht leicht an⸗ 
ſchaulicher dargeſtellt worden als in der ſchlechten Hütte des, 
Schulmeiſters gu Gytiwyl. 


Schilderung und liefert treu und freimüthig, was ex befigk; 
er iſt nur freigebig mit feinem Gigenthum, er borgt nicht 
‚und verſchenkt nicht. Entlehntes. Mädkten- doch alle Reiſebe⸗ 
richtexſtatter dieſem WBeifpiel folgen; maörhten ſie dach glauben, 
daß dieſe Treue gegen ſich ſelbſt der, einzige Weg sum Beifall 


Die in durchaus hochdeutſcher Sprache geſchriebenen Ab⸗ 


Fnitte find von großer, pſychologiſcher Wahrheit umd zeigen 


in den Betrtachtungen über Liebe, Menſchenwürde, Mitleid, 


sgefühl und aͤhnliche Begenftände von dem warmen Her⸗ uU : 
En und. von dem ——æ—, Kopfe ihres Verfaſſers. Seine | ‚treu ſeiner Subjectipitaͤt, nur ber hat auf dauerude Theil⸗ 


pädagogiſchen Anſichten und Erfahrungen find nicht bios für, 


Dorfichulmeifter geſchrieben, auch Hier ift- ein. lichever Takt und 


eine wohlmeinende Gefinnung nicht gu verfennen. Endlich gibt . 


aber das Buch ſowol in den Lebensfehidfaten des armen Schul⸗ 
meifters und in der Art, wie man mit ihm. umgeht, als auch 
in ben Ratfonnements über allerlei ſchweizeriſche Zuſtaͤnde, über 
Adel und Junkerthum, über Erziehung und Bildungsverfahren, 
Aber bie Diplomatit und das politifde Leben in der. Schweiz 
Äntereffante Beiträge zur Geſchichte der eibgenöffifchen Werhält- 
niffe. Die neuefte Zeit bat uns wenig (@rfreutiches über biefe 
vernehmen laflen, um Sugenbunterricht und Scyulorganifation 
ſteht es troß aller wohlweiſen Erziehungsrätbe und Erziehungs: 
helden, „die ihre beftäubten pädagoglichen Weisheitsbüchfen off: 
nen‘, nicht zum DBeften, und an Belegen hierzu fehlt es in 
Peter Kaͤfer's Buche ganz und gar nicht. In welchem Zone 
folche Expectoxationen gehalten find, mag ber Lefer aus folgen: 
der Stelle (I, 240) abnehmen. . 

„Die theuere Eidgenoſſenſchaft muß eine gar traurige Zis 
gur in der Diplomatik fpielen. Da meint jeder Garnhandler 
und Uhrenmachergeſelle, jede Baſe, und ganz befonders jeder 
Tagſatzungsheld, er vereinige alle. Weisheit in fi, und bie 
ganze Gidgenoffenfhaft könne nur dann gerettet werden, wenn 
fie feine Rathichläge befolge. Wenn daher einmal die arme 
eidgenoͤſſiſche Weisheit in Anſpruch genommen wird, ba geht 
es (os, daß man toll werben möchte. Die ganze Gidgenoflen: 
haft ſcheint in einen Froſchweiher verwandelt zu fein und bie 
— darin alle in der Paarungszeit dem Geſchrei und dem 
Gequäte nach, das herz: und ohrzerreißend aus allen Schlün⸗ 
den und Thaͤlern kömmt, denn jeder ˖ Fr meint, wenn er 
nicht am lauteften, unverfchämteften quäfe, fo werde feine 
Stimme nicht geachtet. Und wenn dann endlich alle Welt weiß, 
was die Eidgenoſſenſchaft will und weiß, und ſich fäuberlidh dar⸗ 
nach gerichtet bat, und bie Repräfentanten ber Eidgenoſſenſchaft 
Sprechen eine Anſicht oder eine Mafregel aus — hinterdrein, wie 
die Mühle von Plemp, fo geht der Höllenlärm don neuem (o8.' 

Und fo möge die originelle Schrift recht viele Lefer in allen 
Händen außerhalb ter Schweiz ſinden. 


derfäumen: fit anzutaufen, denn es herrſcht in’ derfeiben mehr 


—* gewinnen laͤßt. 11. 


Leſevereine auf dem 
-Sanbe und die Dibllotheken der Schullehrerſeminarien ſollten nicht. 


Prfiche Weiähelt, als ſich aus manchen dickleibigen Methoden⸗ 


iſt und daß dem Leſer, ſelbſt dem.gewöhnlichften ‚- ein: ungemain 
feiner Sinn dafür beimohnt, zu erfennen, was dem Autor ans 
gehört, der zu ihm ſpricht, und was-bisfem-fremd, angerignet, 
geborgt, oder — geftoblen iſt. Rur wer fein eigen bleibt, 


nahme zu rechnen. Sich felbft treue Meifende find, um Bei⸗ 
fviele zu nennen, Seume und Semilaffo, und mas fie auch 
fonft zu wünfden übrig laffen, dieſe Eigenfchaft überwindet 
alle Mängel. - - . oo 
Der Verf. beichränkt den Bericht von ‚feinen: Wanderungen 
auf einen Fleinen Kreis, für.den er uns jedoch lebhaft zu ins 
‚terefficen weiß. Rheinbaiern iſt fein borbehaltenes Gebiet, das. 
se kaum ein oder zweimal verläßt, Bein offenes Auge und 
fein, reicher, mit Hifforifchen und Kunſtſtudien gefättigter Wil: 
ſensquell findet in dieſer Monographie viel Wiffenswerthes und 
Anzirhendes vorzutragen. Beſonders lehrreich aber zeigt ſich 
fein Bericht für die hier überall anzutreffenden Reſte alter und 
mittelalterlicher Architektur. Naͤchſt diefer widmet er ber Ras 
turſchilderung feine beften Kräfte. Seine Charakterbilder und ' 
foeielen Schilderungen tzeten nur epifodifh auf, aber er ent⸗ 
wide in ihnen große Kunſt und übertrifft nicht felten Heine 
und Gauby durch das flüchtige Intereſſe, das er feinen Geſtal⸗ 
ten wmitzugeben weiß. Vor allen Dingen tft feine fentimentale 
Weiſe natürlicher und ungezwungener, wenn fie auch ber 
Heine'ſchen verwandt if. Die Wefellfchaft in der Gewitter: 
aacht auf der Spige bes Donneröberges ift in biefer Gattung 
mufterhaft. j 
Sein Ausflug beginnt mit Speier. „Speier ift langwei⸗ 
lig — oder bin ichs? Ich weiß nicht, wer mehr.” Der Verf. 
flieht vor dieſer Langweile in das Lauterthal, in den Weſtrich. 
Diefe Zhäler, das Glan = und Nahegebiet, Meifenheim, Rothen⸗ 
feld und Rheingrafenftein geben. zu Schilderungen Stoff, über 
denen der Abendfonnenglang einer weichen und ſchwexverwun⸗ 
detin Seele, die an ihre eigene Unheilbarkeit glaubt, zu ruhen 
ſcheint. „Der Styl — ift der Menſch“, fagt Buffon, und 
wenn er Recht hat, fo ift — ober war — der Verfaſſer ein 
ſehr liebenswürdiger Menſch. Es ift unmöglich, uns. eines 
fillen und innigen Antheils an feinen Geſchicken zu. entziehen. 
Er felbft Sagt: „Der Tag ift wie die fromme ‚Seele, nie ſcho⸗ 
per als im Erloͤſchen“, und in feiner Darfkellung erkennen wit, 
ba auch er. im Erlöſchen iſt. Dieſe milde, fanfte. Ruhe — 
nicht etwa erkũuſtelt, ſondera wahr und treu — thut, unbe⸗ 
ſchreiblich wohl; fie iſt erquickend und: fie perklaͤrt bie gange 
Schilderung, Hier iſt Fein Kampf und Wiberftceit, a e 
er. den Sonntagsmorgen auf Remigiberg malt, unter Glocken⸗ 


u ' £ “ Te f “ 
*) pl. Über den erfien Band Nr. 17706. Bi f. -B.Ren 


1448 


hall und Bügen frommer Wallee nad) bem Jempel des Des, 
fo zichen durd) feine Seele Gedanken wie fromme Pilger und 
Zöne wie Glodentöne und geben uns ein warmes Werlangen, 
den Verf. näher kennen zu lernen. 

Wir innen das Einzelne in feinen Gchilderungen ohne 
Sisbrauch des Raums nit näher erwähnen und dürfen nur 
einiger Hauptpunkte feiner Wanderung gebenten. Kıe , 
das Fallenſteinerthal, der Donnersberg, das Schlachtfeld vom 
Daſendahl, wo zwei Könige (kudwig und Abrecht von Deutfch- 
Land) tämpften, Klofter Koſenthal mit feinen Sagen, @räns 
ffadt, Kloſter SHöningen, Worms, Bandelcon, Oppenheim, 
Manheim, Forfi, das malerifche Dürkheim endlich, find Haupt⸗ 
punkte feiner Schilderung. Die glückliche Behandlung von Sa⸗ 

en und Legenden, von volksthümlichen Grinnerungen und Bis 
Konen im Geifte der Heine'ſchen Reiſebilder bilbet einen vor: 

Öglichen Rei an diefem Werke, das wir zu ben nad allen 
Gelhtungen bin ertragreichen und erfreulidhen Reiſewerken zäh: 
len dürfen. 
j de Verf. wird uns am Schluß als ein Berflorbener 
gegeben ; allein man weiß jett, was bas zu fagen bat, und 
.wir wollen uns herzlich freuen, wenn er uns als ein wieder: 
-erftandener Geiſt im Leben noch einmal begegnen folte. Gein 
: Beiden fcheint uns wenigftens ganz lebensfählg zu fein. 39. 





Karl, Erzherzog von ſtreich, und die Öflreichifche Armee 
unter Ihm. Bon F. 3. A. Schneidawind. Mebft 
dem Bildniffe des Erzherzogs Karl. Erſte und zweite 
Lieferung. Bamberg, Lit.:art. Inflitut. 1840. Gr. 8. 
41 Thlr. 12 Gr. 

Der Berfaffer vorliegenden Werkes iſt dem Publicum durch 
eine Reihe Bände von Kriegsgefchichten der Franzoſen feit dem 
Ausbruche ihrer Revolution bis zum parifer Frieden bekannt 
und hat durch biefelben erprobt, daß er den Stoff und die 
Quellen für alle einzelnen Greigniffe und Perfonen kennt. Er 
bemühte fi) mit größter Unparteilichkeit die Kriegsereigniſſe 
"vorzutragen, um ben Verdacht bes Lobrebners irgend einer 
Partei zu befeitigen. Rach dem Zitel diefes Buchs aber koͤnnte 
der Schein entftehen, als wollte er unbedingter Lobredner bes 
dſtreichiſchen Delden werden, um fo mehr, als er fidh die oͤſt⸗ 
reichiſche Cenfur ertheilen lieh. Allein bei der allgemeinen 
Preßfreiheit, welcher ſich alle Ertegfährenden Parteien bedienen, 
hielt der Verf. für gerecht, fi) nur von der firengften Wahr: 
beit leiten zu laſſen und Lod und Tadel nad feiner Überzeu: 
gung in gleichem Maße auszufprehen, Rach einer kurzen Gin: 
-Ieitung über die Entftehung bes franzöflfch = deutſchen Kriege im 
Herbſie 1792 unter dem General Dumouriez, an defien Seite 
"der jegige König Ludwig Philipp von Frankreich fland, wird 
Erzherzog Karl als Theilnehmer dere Schlacht von Gemappe 
ohne Commando’ angezeigt. Erſt im Februar 1798 erhielt er 
"die Avantgarde unter bem Generalfeldmarſchall Jofias von Kos 
burg. Sobald die Öftreicher bis Brüffel wieder vorgerüdt was 
zen, ernannte der anmefende Kaifer Franz feinen Bruder Karl 
zum Generalgouverneur, welcher durch Amneftie die Belgier zu 
"gewinnen fuchte, während die Branzofen mit ununterbrochenem 
Verluſte an ihre Srenzen ſich zurüdzogen. Die Eroberung der 
gZeſtung Balenciennes koſtete dem franzoͤſiſchen General Guſtine 
-das Leben unter ber Guillotine und diente der oͤſtreichiſchen Armee 
zur Grmunterung; Kari wohnte 1798-94 jeder bedeutenden 
Waffenthat bei. Die erften bedeutenden Schlachten waren jene 
"bei Sharlerof und Fleurus, welche beide bie Oſtreicher aus Mel: 
gien wieder vertrieben, weöwegen Karl ein Jahr ſich zurückzog. 
Richt glücklicher war der Anfang des Iahres 1796, in 2 
die Öffreicher von Mainz bis Tirol unter wiederholten Meinen 
"Berluften durch Würtemberg, Baiern und Franken ſich guräd- 
ziehen mußten, bis der Erzherzog Karl bei Amberg bie Frans 


jefen fo Träftig im Monat Auguf flug, daß fe ſich in dm 
olgenden ſechs VWochen wieder bis an den dein zurk 
mußten, weswegen Karl am Fort von Kehl im ſich 
aufſtellte. Das Sluck, welches ihm in Deutſchland begennete, 
veranlaßte ihn, ſich an die Spike der italieniſchen Armee ar 
—— u fielen. Allein dieſer drang im DRärz 1797 x 
r 


Uyrien gegen Steiermark vor, ba Gefahr für ir 
Stadt Wien entſtand, weiwegen Kaifer Kranz zwei Genereh 
zu Sriebensunterhandlungen entgegenfehidte,' weldye zu Leoben 
abgeſchloſſen wurden und auch auf die Armee in Deutfdtant 
fih erfiredten. 

Während des langwierigen Gongrefied zu Raftabt zog Bo⸗ 
naparte nad; Ägypten und ein zahlreiches Hülfscorpe der Ruf 
fen unter dem General Suwarow befdrberte den Priedensbrud 
1799, Nachdem Kart einige Vortheile Über bie Framgofen in 
Schwaben erzungen hatte, drang er in bie iz vor, sie 
mehre Öftreichifhe Generale in Italien glͤclich . Abs 
lein die Ruffen hatten in der Schweiz fo große Verlufte erlit⸗ 
ten, daß ihr Katfer Paul fie zum Rüdzuge beorberte und ſich 
von der Verbindung mit Hſtreich trennte. Dieſer Abgang eines 
ganzen Armeecorps war für bie oͤſtreichiſchen Truppen um fo 
niederſchlagender, als” faft gleichzeitig Bonaparte aus Ügppten 
zurückkehrte und plöglid zum Gonful erkoben wurde. Kaum 
waren befien Anerbietungen zum Frieden von England und 
Oſtreich verworfen worden, fo drang er mit einem Armeecorps 
über ben großen Berg St.⸗Bernhard und lieferte Lie entichei- 
bende Schlacht bei Maxengo, in Folge weicher ſogleich ein War 
fenftillftand für Italien und Deutfchland abgefchloffen wurbr, 
auf welchen dann der Friede zu Luneville am 9. Febr. 1801 
folgte. Der Verf. bediente ſich bei dieſer Darfielung ber of 
ficielen Quellen der Franzoſen, wie der Oftreicher zur ge 
treuen Gchilberung feines Helden Karl, in fehr reiner Schreit⸗ 
art und mit fo viel Kenntniß vom Kriegsweſen, daß man giex 
ben koͤnnte, ex felbft habe ben Feldzug gemachte. Mar fm 
daher der Erſcheinung des zweiten Bandes, in welchem die fie 
gerifchen Ihaten Karl's von 1805-— 15 vorkommen, zit deſto 
größerer Luft entgegenſehen. 8. 





Tee Roſa. Seitenſtuͤck zu dem „Blauen Maͤrchen“ für ok 
und junge Kinder. Neu erzähle von A. Lewald. 
Stuttgart, Scheible. 1840. 8. 1 Thle. 18 Ge. 


Auguft Lewald, wie oft er auch ſchon geirrt haben 
läßt ſich nicht irre machen. „Fee Rofa‘’ iſt dem ei ir 
hen’ fchnell gefolgt, und ihr werden ficher noch mehre Bücher 
voll ähnlicher Märden folgen. Auguſt Lewald hat Necht! Ee 
muß auch Bibeln geben für jene Maſſe, in welcher das rein 
poetifche Bewußtſein noch unentiwidelt ſchlummert, umd Fideln 
werben raſch zeriefen. Mehr weiß Ref. über dies Buch nick 
zu fagen, ba e8 ähnliche und gleiche Probucte bietet wie das 
„Blaue Märchen‘, atfo für daffelbe bie Anzeige bes leptern in 
biefen Blättern wiederholt werden kann. 3. 


— — ———— — —— 
Miscellen. 


VBohber rührt der Name: Schulfrchs? 

Juſtus Ludwig Brismann, vorher Rector mw Reumburg, 
nachmals Profeffor ber griechiſchen Sprache zu Iena (get. 1588), 
zeigte fich dafelbft als einen Pedanten und trug einen mit Fuche⸗ 
pelz gefütterten Mantel. Die Studenten nannten ihn beshelb 
© 4 al f ": 6, welcher Spottname feitbem den Steifgelehrten 
geblieben 


Die Büchercenſur in Baiern unter ber R des Rue: 
fürflen Karl Theodor war fo fireng, daß fie ein 1798 erſchie⸗ 
a en el in Demnfeiben eine Aumwelfung ent: 

war, 0 zu ten, b wie Flelid- 
fpeifen fmeden. munter, des ſe wie BO 


Verantwortliher Herausgeber; Leinsih Broddaus — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in geipsig 


140 


einem ſittlichen Abſterben, wir haben ‚zu klagen über bas 

——e— zu klagen beim Blicke in die Zukunft, 
und in dieſer Trauer kann uns nur der Gedanke an die 
Nothwendigkeit des Naturgeſetzes, dem hier die Welt folgt, 


röfteg. 6 herangahenpe Verderben 
—2 — ni; egtiſtegung und des 
einfettigen Verſtandesrichtung, 





Wwelche nach dem Borthell 
trachtet, die Keime bes Beſſern töbtet und die Welt mit 
giftigem Miasma erfüllt. Doc find nicht alle Völker 
den Vortheilen und Nachtheilen der Cultur gleich zugäng» 
lich: es gibt ein wirkliches geiftiges Racenthum. Die von 
der Natur den Thieren nähergefleliten, denen die Anlage 
zu höherer Bildung fehle, find freilich dieſer Bildung 
nicht theilhaftig, dafuͤr entgehen fie aber auch dem Ver⸗ 
derben und innen — waͤhrend ebler organifirte Völker 
nur um Nachruhm exiſtiren — Jahrtauſende lang ein 
einfoͤrmiges, farblofes Dafein durch die Geſchichte fort: 
ſchlappen. 

In dem von der Nothwendigkeit geleiteten Leben, der 
durcheinander wogenden Maſſe alles Daſeins, gibt es 
aber für bis phyſiſche und moraliſche Eriftenz der Einzel⸗ 
nen, der Familien, der Völker, ja des ganzen Dienfchen: 
gefchlechtes drei Stufen, die Entwidelung, die Reife und 
das Abftacben. In diefem Kostgange nähert ſich Alles 
filmen Vollendung und biefe ift Gorruptel und Tod. Im 
Lehen der Wölker ſtellt das griechifche Alterthum das finns 
liche Ingenbleben mit feiner Begeifterung für das phyſiſch 
und maraliſch Schöne bar. In den chriſtlichen germa⸗ 
niſchen Voͤlkern herrſcht das Gemuͤth ver und führt die 
Menſchen von dem aͤußerlich Schönen in ſich, in bie 
Tiefe des Gefuͤhls zuruͤck. Die Sinnlichkeit, die Freude 
aw der ſchoͤnen Form iſt getoͤdtet. Mit der Reformation 
endlich beginne Das Alter, welches calculirt und das Nuͤtz⸗ 
liche berechhnet. „Das, worauf alle Thätigkeit gerichtet 
wird, tft das Geld. Gerd iſt die Leidenichaft des Alters.” 

‚Auf :biefen Leitenden Ideen beruht der exfte Abſchnitt 
der. vorliegenden, Vorſchule der Potitik. So anerkennens⸗ 
werth dabei auch die gelungene, mit trefflichen Gedanken 
gemiſchte Darſtellung iſt, ſo laͤßt ſich doch auf dieſe 


x Wen nur eine hoͤchſt traurige Staatokunft gruͤnden; wahr: 


lich keine andere, als bie in’ dem cola durern autant que 
moi ihren Treſt findet und vor bem mahnenden Ber: 
derben noch fo viel worw.Beben genießen läßt, als gemoffen 
waethen ˖ kann. Der Verf. iſt offenbar mit feiner Annahme 
den. Dualismus «inet heilfamen und eines verberblichen 
Principe, weiche die Entwicklung ber Cultur beherrfchen, 


anf einem von ber Philoſophie laͤngſt aufgegebenen Stand⸗ 


puutte fliehen geblieben. Bekennt doch Mephiftopheles: 

... abc dem Michts entgegenfkellt, 

Das Spas, dieſe plumpe Welt, 
So viel als ih fchon unternommen, 

in Ich wußte Ihr nicht beizuköemmen. 
Und indem der Verf., wie. die St.: Simoniften, einen 
progres continu in der Welt annimmt, aber nur einen 
emigen Progreß zum Werderben, zur Corruptel, hat er 
jenen. Dualismus durch das dem böfen Principe einge: 
rqaͤumte ‚Übergewicht vollends troſtlos gemacht. Auch in 


4 


eigt fi in dem |- 
+ 6,. in der 


ſchengeſchlecht zuſtrebt, erſcheint im Alt 


” 


"der Annahme der Nothwendigkeit im Sinne bes Bel 


iſt ein Stehembleiben auf dem Standpunkte der alten 
Melt, mit welcher der Verf. durch eine bedeutende dı: 
ſiſche Bildung augenfcheinlich ſehr vertraut if, zu bemer⸗ 
t Den Alten waren bie Goͤtter blos Perſonifẽcationen, 
Bar bier und da fm Finzaͤnen, w etwas einer 
hoͤhern Kraft Zuzuſchrelbendes bemerkt, Wirkeh, aber zur 
im Einzelnen. Die Sortentwidelung des Ganzen erſcheint 
als ein auch den Göttern verfchlofienes Gebiet, in wel⸗ 
chem ein blindes Schickſal, eine Nothwendigkeit herrfät, 
gegen die der Einzelne kein Verlangen, daß es anders 
fein follte, aufftellt. Denn bie Nothwendigkeit kann nicht 
anders, fie ift blind und bewußtlos, fie kann wicht waͤh⸗ 
(en, alfo auch nicht Anſch zur Klage, nicht 

des Troſtes duch eine ben Menſchen ſchwerzende Wahl 
herbeifuͤhren. In der chriſtlichen Welt iſt Die Nothwen⸗ 
digkeit nicht blind und bewußtlos, aber der Einzelne bat 
ben Eontraft zwifchen Dem, was iſt, und Dem, mas nad) 
feinen Neigungen und feinem BDaflırhalten fein ſollte 
fahren zu Laffen und flatt des legten ein Diheret, was 
ihm nur aus dem Wirklichen erkennbdar wird, anzunch 
men; alsdann wird auch bier bie Nothwendigkelt nicht 
teoftto® fein. Die Troſtloſigkeit — weicher der Verf. am 
Ende nicht entgeht — Liegt in dem Widerfpruche des Wirt: 
lichen mit Dem, was fein folte. Der Unverflänbige pflegt 
legterm Das, was feinem fubjectiven Meinen und Ber 
langen entfpriht, unterzuſchieben. Dieſe Thorheit if 
freilich dem Berf. fremd; baflır hat er aber bem Wirk 
lichen etwas Unmahres untergefhoben und bamit jez 
Widerſpruch, jene Troſtloſtgkeit body) herausgebracht. Am 
wird in der Wirklichkeit, auch ohne jenem ſeichten Dpi- 
mismus zu huldigen, ber jegt — freilich nicht von Leuten, 
die in ber Wiſſenſchaft mitfprechen — bin und wieder laut 
wird, jenes ewige Kortihreiten zum Verderben, jene pls 
liche Korruption bed Gereiften nicht anerkennen Ednuem. 
Mer in dem Strome ber Zeit mitſchwimmt, ber wird 
feeilich in jeder Krkmmung und Wendung einen Mid 
ſchritt, in dem Verſchwinden einzelner Bötkerinbiwidusi- 
täten und dem Hervortteten neuer Tod und Verderden 
erblicken. Wen es aber möglich) wäre, von oben das Sanze 
zu überf[hauen, ber wuͤrde in jenen Krümmungen und 
Rüdtäufen Bortfchritte und in ben Ganzen eine Darmo- 
nie erbliden, in welcher ein unendliches Feſthalten deffel: 
ben Tones, ein Forttönen berfelben ; wenngleich noch fo 
(hönen Stimme fidrend wäre. So [hin ums bas 
Jugendleben der Menſchheit im helleniſcher Alterthume 
auch erſcheint, ſo waͤre doch die Dauer dieſes Jugend⸗ 
lebens nicht ſchoͤn. Wäre es moͤglich, uns im jenes Ju⸗ 
gendleben zuruͤckzuverſetzen, ſo wuͤrde es uns nicht genuͤ⸗ 
gen: nicht weil wir reifer und entartet, ſondern weil wir 
reifer und beffer geworben find und’ auf einem hoͤhern 
Standpunkte al& dem ber Hertſchaft ber Sinne und bes 
finntig Schönen flehen. Die Freiheit, der das Men- 
terthume nur als 


eine ſchoͤne, aber ſchnell welkende Blüte: daB Zeitalter iſt 


vor ber Idee der Freiheit nicht durchdrungen. Ariſtote⸗ 


‚Ie6 findet den Dualismus zroifhen Herrſchenden und Be 


— — 


1451 





Berrfdgten, er findet das Verhaͤltniß von Deren und Skla⸗ 
von in Ordaung. Seitdem bat ſich das Menſchenge⸗ 
Fchteche feinem Ziele mäher gerungen, ohne daß ihm bie 
Eindruͤcke feines Jugendlebens verloren gegangen wären. 
Einem böfen und verberblichen Principe kann man in 


dieſenn Rampfe keinen Einfluß zuſchreiben. Das Schlechte 


sub Fatcſche hat Seine nothwendige ſelbſtaͤndige Exiſtenz 
und vermag das Gute und Wahre nicht zu verdraͤngen. 
Mur das Schlechte, und neben dem an ſich Schlechten 
auch Dosienige, deſſen Fortdauer mit ben übrigen fort: 
gebildeten und veränderten Elementen des Zeitalters einen 
TRisten bilbet und neben ihnen als ſchlecht amd falſch 
erſcheint, muß untergehen. So klagt man mit Unrecht 
über das Verſchwinden einer gewiffen Art von Pierdt 
gegen manches Große und Beftchende, man bedenkt aber 
möcht, daß biefe Pietät wol früher ganz ehrenwerth war, 
Yeutzutage aber nur als eine gemeine, noch dazu ganz 
unzuverläffige VBedientengefinnung erfcheinen müßte. Die 
Sivisifation verdirbt die Völker nicht, fie verleiht vielmehr 
einem beſtimmten Volkscharakter, durch den es möglich 
wire, ber Corruption zu widerſtehen, ober ſich aus dem 
langfam und unmerklich einreifenden Werderben durch eine 
eble Anſtrengung emporzureißen. Denn die Völker fleigen 
nicht langfam empor, um ploͤtzlich zu flürzen, wie der 
Berf. annimmt, fondern alimälig, und indem fie das 
ı Gewonmene zu behaupten glauben, finten fie und koͤnnen 
I Sich nur in Eräftiger Anftrengung heben. „On va au malpar 
\ une pente insensible, on ne remonte au bien que par 
ı um eflort”, bemerkt Montesquieu. Fruchtbar wird daher 
| eine Worfchuie der Potitik nur fein, wenn fie, flast eine 
Ausſicht auf unvermeibliches Verberben ber Boͤlker zu ers 
oͤffnen, zeigt, wie bie Givilifatton den Völkern einen be- 
ſtimmten Charakter verleiht. Diefer iſt bei den Völkern 
nach der Geſtaltung ihres Lebens und ihrer Schidfale, 
; ihrer klimatiſchen und anderer Verhaͤltniſſe verfchieden. 
Befchraͤnkt man fih nur auf die die europaͤiſche Cultur 
‚, tragenden Völker, fo erblidt man bei dem Deutſchen bie 
eeichte Verleugnung feiner felbft (wofuͤr Andere ſchon haͤr⸗ 
tere Ausdrucke gebraucht haben), bei dem Franzoſen Die 
Thydatkeaft und bei dem Engländer den Stolz. Iſt fo 
der Gang der Givififation und der daburd bedingte Cha: 
rakter der Völker beftimmt, fo wicd die Staatskunſt Dit: 
tel finden können, die Givilifation fo zu leiten, daß ber 
Chastter des Volks ein edler bleibe oder werde. Nur 
auf dieſe Weiſe — nice durch ein veraͤchtlich eigennuͤtziges 
Feſtklammern am Beſtehenden — ift dem drohenden mo: 
raliſchen und politiihen AUntergange vorzubengen. 
(Die Bertfegung folgt. ) 





Portraits und Benrebilder. Erinnerungen und Lebens: 
Kudim. Bon D. 2.8. Wolff. Drei Theile. Kaffe, 
Krieger. 1839. 8. 3 The. 12 Sr. 

„ Sole Bücher den dankbares Publicum fins 
den; denn der a —— zu en 
Kurt 5 in taufenbfältigen Bormen überall. Die befte Form 

nun wol die, unfere ‚ unfer Urtheil über eine Indi⸗ 
vitmelität, deren Name und augeſprochen, zu Aaͤren und gu ver 





geln ur 
Wege, 
wir bod 
gleich, 
ben gele 
fommen 
De 
der erſte 
feines ei 
traits d 
Literatu 
Relatior 
und ein 
lockend, 
willkürli 


1452 


daß dergleichen Parallelen ihr Gutes haben, dein fie halten | Düttte und Atton lab u ÆElopftoct ii 
bof im en — mu Verf. N Richtigkeit feinek oft | nee der vrel große Dichten, weche iher poctiiime" Minfcheum 
herben Bußerungen zugeflanden werben: allein dürfen | gem aus dem Ehriſttathum —** and ich 

zweierlei nicht überfehen. Einmal, daß in Frankreich nnd Ei: ben, 2 das am nit. has einzige Sie 

ĩand, ja felbft in ihren Hauptflädten, mit denen wir Deutjchen Fir . Ha N und te 

es doch eigentlich immer yur zu thun haben, gewiß auch foldhe gma ——— — 


verborgene Edeiſteine glän en, deren Werth nur ein befihränt: | weiche bis in ihe 3 [1 
tee Kai —5 riet ; fobann, daß es großentheild an | für find, bie Fig —— — zu ein ſcheint aus feinen 


der Perſonlichkeit vs DI 3 und Kuͤnfilers ſelbſt liege, wennbeiden Nivalen. ie fue hiex nicht das Bes 
auf de = 









nieht jede Rummer der Tagesdtätter, nicht ale Satons fehten | Genie Dante’s n's gl 

Kamen widerhallen. So wäre benn 3. B. Elafing, wenn ihm ſtock ef wi (dm 

wirklich ein großer Ruf vergoͤnnt geweſen, mit ſeiner milden | ſeines Bd rd Yin 4 iſt 
Gefinnung, feiner edeln —— vielleicht etwas reicher, | deutſcher Syſt 

Ma ae mi nicht gluͤcklicher umter den Pofamentönen bes | der ya — "Die en benfdjaft- wueys ‚. ‚weiche: Dante 

Ruhms geweſen, wogegen ber Kreis, in welchem er thätig war, | feelte; Be Ent dan n miſchen N 

ihn fü fühänte mb, was mehr fagen will, ihm liebte und damit | Logif M gen, wei rend „rag bei . immer 

zugleich ſich fefter ehrte. Freilich ehrt es uns aud, wenn wir | nur den er: eu Glauben antrifft, die I Iefafer 

vor after Welt einen Künftter amerfennen und ihm unfere Brs | die kräftig ag zeitgiit —— 

wunderung zoften. Können wir aber ſagen, en ste fun, ber | tef wol wen 

Heute in Berlin, morgen in Paris bie Dienge, feft! daß wir | dar als 7 ** Romöbie” ba6 „‚Meutorene 

i dem unſere Acclamationen bezahlen, he 








bn, Ken wir | dies”, aber fie iſt gleihmäßiger vom Anfang bis 
el tig fein, gewiß nicht! Meiftens tt . ein derühm⸗und hält —R* jenen seen und erhaben BEE möge 
m bas aud ger nicht einmal, wogegen Glafing und | ftärif und firengen Gang 5. *28 eu’ 

* Ahnliche ohne € e felär Siebe den Grund und Boden ih: | exfobert. Jedes diefer drei Geb —— na 

res irmerften Dafeins verlieren. ftesstbaren Übergewicht eine —— Seite des Eiſterahac. 
Leon aller Vorſicht iſt Ref. nun doch aus feiner Reten⸗ Das ae gehört dem Katholiciemns am, «6 darin 

fentehrolfe getreten, und es iſt nur gut, daß fo ein ecenfent die plaßliche Jendenz, das ftoffliche mbol vor; bad zweite ge⸗ 

für Alles einen Grund anzuführen weiß. Dier Täßt fi 3. bört dent anglikaniſchen Proteftanttämius an; GAR der 

fagen: Die Improvifatton ift in Deutſchland immer noch —* Gontroverſe macht ſich darin Rau; bad * geht von der 


8, und da eben im gegenwaͤrtigen Augenblicke mehre Im: ** Luthere aus, das Drama mis fſelnuen pummpbaftn 
ꝓrodiſatoren aufgetreten ſind, ſo iſt es ganz in der Ordnung, hen weicht der religibſen Kamne. —— — 
bie Sache zu beſprechen. Das Übrige mag ‚feine Rechtfertigung iu aur an bie wahrhaft veligiö en Sa obez an birjenigm 
in fi) felber finden und nebenher daran erinnern, daß es tägs | ausgewählten aemätder, welche Alles, X dn iſt, zu würk 
lich dringendere Pflicht wird, unſer Deutſchland ſchärfer ins | ‚gen und fi mit dieſer erhabenen Poe —* — 

Auge tu. De er und neben dem Albernen, Schiefen, Gchnöden | Entzüdungen in Einklang zu ſetzen w 
Klopftoc 






ſogar Th. B, S. 127) das Gute überall hervorzuheben. Wir | ats anatyfirt fein wellen. 

haben batb nicht nöthig, unfere Blicke vom Austande weg: | Sprade gerfen werben; überfegt, verticat.gg has Hauptoerdieni 

zumenben; nur_mäffen wir durch diefe Sternfeherei uns nicht, | welches feine Originalität begründet. &elpft wenn es — ma 

wie das fo a gefchieht, zu dem Glauben verleiten laffen, | uns unmöglich fe eint — gelänge, bie Meſſid 

dort ſei * ohne Frage N ala zu Hauſe, und daß dem | fche Verſe zu —* ‚ fo würde bed) ber: 

ai 1 fe e und denn auch aus manchen ber vom Verf. | feinen unverneidtichen Henfifiidyien 
—— a —— — und engliſcher Literaten zc., | men bie reiche 4 bes deutfch 

die im ‚ entgegentreten. Da das | geben Zönnen. Diefelbe Bemerkung draͤngt ſich auf, 

ſchon in —ã—i danden iſt, ſo wäre hier die | man Klopflod’s „Oden“ betrachtet, die man als ſein Meike 

klang ber gegebenen Stizzen am umechten Orte, nur | werk anfleht, oder feine „geiftiche Fre 

—* fei a berke Ar daß eben ber biograpäifähe Theil des | vichterflatter brauqh hier den bene 2 

hr fr * *— ber Ya —— Re iſtorie von wwefents benfetben ai Reung der Sedantm, i 

em m ift, wohin denn a e tächt as | dungen wie in dee „Meſſſade“ anteifft. Es i 

tion über ðoeihe 8 „Romeo und Julie” — net wer⸗Dichter im entjchiesenfen Glan De m 8 De 


den ma Fr2 
biel im Bu mebergelegten Grgäßtumgen wrıfe | flättet. Die Rettigkeit b 
ſen jedem: unverwö Me —* —— ſein, — oem bie Weiße deu * — — —— 










—2 iſt inf befonders hernorzuheben, als diefe Erzaͤh⸗ iM cu ein ah ollex Luruki, wor 0: d 

den —— = —XÆX — Ben 0% ne |s fd Pant — ER gr R or hai * 
m Schatz iner Zeit, wo das Vaterland — 

der chrift „Auf ügen“ eine Schnur epigrammati⸗ſeiner wenig auf de Forum ber Bl —ãA 


ſcher Gedichte "die zum Shell herb und derb genug find. gedenkt, in dieſer anerkennenden in würehi 
Alein wir mögen uns daran wel erbauen unb erfreuen, da | zu fehen. —* erinnert ſich a | jeln parifer I * 
wir theils he Wahrheit anerdennen theis einem | weldem uns ein beutfcher Reiſender t, Srigi- 
— nicht zürnen können, ber ſich überall fo liebens⸗ naltext ber zaeffa abe‘ ne it ſi men für TE: 
Dicheung erlärt u 





i ra Zeit —* ir einen a Tee r Hi de Mußeftund 
n dieſer nicht eben 0 riebr oig je —— — en —— 
leſen, obgleich er fe doch —* a wien “ 
\ Literarifhe Notizen. Eh 
Über die neurſte deutſche Ausgabe von Rlopfter®’s- faͤmmt⸗ a ae as — u —8X — — 


enthätt die „‚Revas oridque⸗⸗ von Cherbuliez Manee depuis 1788 usa 1 joe, 
eabe, befonders Buch. bie Saralleie: yustfhen Aiopflnd, | Manr,. Ahoscaten am ah nn I a WR ei 


Verantwortlicher Herausgeber: Seinrich Brodhaus. — Deu und Verlag von $. X. in Leipzig. 








1444 


Tociater Güter und mit dem Bunehmen des Gebietes 
der legtern find die Bedingungen des Pauperismus gege: 
ben. Wo der Menfch in einer reichen Natur lebt und 
ihm nicht blos Luft und Waffer, fondern bie Erde, das 
Pflanzen: und Thierreich zur Benutzung offen ſteht, if 
von keiner Armut die Rede. Nach und nach find aber 
die Güter der Natur zu focialen Gütern geworden und 
der Menſch, der in unfern civiliſirten Staaten nicht durch 
eine geſetzliche Erwerbsart Antheil an ihnen erlangt bat, 
wird außer Luft und Wafler nichts mehr vorfinden, wo: 
nach er die Hände ausſtrecken dürfte. Der Einzelne muß 
daher erwerben und damit vertheilen fich die vorhandenen 
Guͤter unter die Einzelnen. Fruͤher war das einmal Ers 
worbene in keinen übergeoßen Maſſen gehäuft und in 
den Bänden der Beſitzer firiet. Der Eigenthumskreis ber 
Einzelnen war gegen bas Ganze mit feſten Grenzen um: 
geben. Diefe Grenzen find nun nach der franzöflfchen 
Anfiht, daß die Giuͤckeguͤter mobiliſirt werden müßten, 
theilweiſe vernichtet. Die Güter find alfo gleichſam flüfs 
figer geworden und ihre Bufammenfitömen an einzelnen 
Punkten ift damit erleichtert. Größere Maſſen ziehen 
immer die Meinern Quantitäten gleichartiger Stoffe, die 
. in ihrem Bereiche vorhanden find, an fih unb nad bies 
{em Geſetze ſtroͤmen die Gluͤcksguͤter immer dahin zufam: 
men, wo fich bereits eine Maſſe von ihnen angehäuft 
findet. _ Das Gewerbe: und Induſtrieweſen beföcbert bie: 
fe6 Zufammenfttömen und liefert immer geößere Sum: 
men in die Hände Derer, welche mit größern Capitalien 
zu arbeiten vermögen. &o find denn bie großen Maffen 
der Voͤlker von Gluͤcksguͤtern, von den Bortheilen, welche 
fie gewähren, entbiößt, fie find gezwungen für die Rei: 
chen zu arbeiten, um ein aller Genuͤſſe, ja aller menſch⸗ 
lichen Cultur entbehrendes Leben zu friften. Ein folcher 
Zuftand tft an fich verwerflich; denn was auch gerade in 
Deutfchland eine vornehmthuende Pedanterei dagegen fagen 
möge, er ift mit dee Moral nicht zu vereinigen. Daß 
der Reiche, der ſeine Mittel benugt, ſich reicher zu machen 
und zu erhalten, der, weil er einmal das Geld, wonach 
Alles gemefien wird, in Händen bat, feine Macht be: 
aust und die Preiſe der Arbeit fo ſtellt, daß ber Arbei: 
ter nichts als. Stiftung eines freudelofen Daſeins geroinnt, 
mit dem Rechte in Einklang bleibe, iſt freilich Leicht zu 
zeigen. Allein damit ift die Frage nicht gelöfl. Gegen 
die hiftorifchen Begriffe von Eigenthum und wohlerwor⸗ 
.benen Rechten haben ſich naturrechtliche Anfichten mit fol: 
chem Erfolge geltend gemacht, daß man Heutzutage von 
der Rechtmäßigkeit einer Menge von Rechten — die man 
früher für ebenfo heilig und wohlerworben hielt als Erb⸗ 
recht und Eigenthum — keineswegs fo vollftändig über: 
zeugt iſt wie früher. Daß die größere Anzahl ber Den: 
ſchen in einem Elende verfümmert, welches fie von aller 
‚geiftigen und phyſiſchen Ausbildung abhält, daß fie der 
Moheit, dem Verbrechen und ber Strafe — bie ihnen 
das phariſaͤiſche Vornehmthun der höhern Glaffen als ver: 
dient beimißt, um fie auf legale Weife verachten zu Eins 
nen — anheimfellen, empört das Gefühl eines Jeden, den 
nicht das eigene Intereffe hart macht, in ſolchem Maße, 


daß er jede Rechtfertigung jenes Zuflandes aus Recht un 
Religion als leere Spisfindigkeit zuruͤckweiſt. Der Par 
perismus iſt aber aud dringend gefährlich. ine zah: 
reiche Menfchenchafle hat bei dem Beſtehen ber Recht 
ordnung, und fomit des Staates, Tein Intereſſe: fie ik 
vielmehr fo roh geworben, daß ſittliche Gruͤnde Leine Ehr 
furcht gegen bas Recht in ihre medien, daß fie in dem 
Miederwerfen der rechtlichen Schranken ihren Vortheil fin: 
det. Schon Neder äußerte: „On pourrait dire qu'an pe- 
tit nombre d’hommes apres s’tre partage la terre, ont 
fait des lois d’union et de garantie contre la malti- 
tade, comme ils auraient mis des abris dams les bois 
pour se defendre des betes sauvages. Cependant on 
ose le dire, apres avoir 6tabli des lois de proprieid, 
de juslice, de liberte, on n'a presque rien fait en- 
core pour la classe ia ples mombreuse des citoyens. 
Que nous importent vos lois de proprietd? pourraient- 
ils dire. Noss ne possedons rien. Vos lois de ju- 
stice? Nous n’avons rien à defendre Ves los de 

liberte? Si nous ne travaillons pas demsin, nous mour- 

rons.” Nun iſt es freilich richtig, daß Die Peoletarier, 
eben weil fie roher und ſtumpfer find, bie volle Haͤrt⸗ 
bes auf ihnen Laftenden Miggeſchickes nicht fe ſchwer füb: 

len. Schwerlich werben biefelben aber den oem 
von Gleichheit und gleichem Anſpruch auf Lebensemuf 
verfchloffen bleiben. Zu dem Pauperismus geſelt fd 

endlich noch eine Erfindung der neuern Staatskunſi, weide 

ihn vollends zu einem furchtbaren Werkzeuge in der fa 

Neuerungsfücdtiger und Misvergnügter macht: bi dm 

materiellen Intereſſen eingerdumte uͤberwiegende Oetım, 

Damit ift das einzige Mittel gegen verberbliche Krila — 

der Beiſtand tüchtiger moralifcher Elemente im Belk — 

in den Hintergrund gedrängt. Man hat Erhaltung wi 
Beflehenden mit Erhaltung des Rechts verwedhfelt m 
das gemeine eigennügige Intereſſe der auf geifliger Er: 
fenntniß und fittliher Stärke beruhenden Vaterlandeirk 
vorgezogen. Diefe Kraͤnkung und Erniedrigung des Er— 
lern kann in ber fittlihen Ordnung nice ohne ſchlimm 
Solgen bleiben. Gaͤbe ein folder Misgriff nur zu gm 
rechtem Spotte Beranlaffung (wir dürfen nur an de 
Spott der Franzoſen Über die Geltung des Epicier erin⸗ 
nen), fo wäre diefes eine verfhmerzbare Folge: bie 
ſchlimmere liegt in dem unausbleiblihen Untergange dr 
moralifhen und geiftigen Elemente im Wolle, welche die 
einzigen Rettungsmittel in focialen und politifchen Krifen, 
aber keineswegs fo ftark find, baß fie eine auch nur in: 
direct Eundgegebene Verachtung überdauern Pönnten. In⸗ 
dem man biejenige Glaffe, welche nicht durch RKeichthum, 
Srundbefig oder Gewerbsbetrieb die materiellen Intereſſen 
zu verteeten geeignet iſt, fondern fih mie Wiſſenſchaft 
und Kunft befchäftigt, von politiſchen Rechten ausſchließt, 
bat man fie den Proletariern gleichgeftellt und Damit den 
einzigen fichern Berbändeten auf die Seite, von melde 
Gefahr droht, hingefchoben. Vergebens wird man nad 
Mitteln fuchen, ben Pauperiömus zu heben. Auswan: 
derungen entfernen meift nur Diejenigen, welche noch fo 
viel Mittel haben, ſich auch im Waterlande zu ernähre; 





1455 . \ ' 


Golonifationen ſind durch bie Erfahrung nicht bewährt. 
Die beigiſchen Golonien ſchloſſen 1832 ihre Rechnung 
nad) zehniährigem Beſtehen mit einem Defict am Gapi- 
tat von 254,771 $. Die reactionnairen Maßregein, 
neue Befhränkung ber Erwerböfreipeit und Flxirung des 
Eigenthums find theild unmoͤglich, theils gefaͤhrlicher als 
das zu heilende User, bie Maßregeln der St.» Simonifen 
werden — wenn man es nicht der Zukunft überläft, ob 
fie jemals praktiſch werden, fondern fie plöglich einführt — 
das Verderben, deſſen langfames Herannahen man be: 
bede, piögtich herbeiführen. Cine Dinwegidaffung des 
ibels if bei den ſocialen Werhättnifien, wie fie einmal 
find, nicht zu Hoffen: man kann daſſelbe nur auf man: 
nichfache Weife mildern. ine verderbliche Krifis wird 
man aber weder durd Entfernung der Symptome des 
Übsets, noch auch durch die Geltung Derer, welche bei 
dem Ausbleiben einer folhen Krifis ein materielle® In⸗ 
tereffe haben, ſondern allein durch Belebung der morali: 
fen Elemente im Volke vermeiden können. 

In dem bristen Abſchnitte, von dem ſittlichen Leben, 
unterfepeibet der Verf. Laſter umd MWerbrechen, Moralltaͤt 
und Griminalität. Aue Handlungen des Menfchen gehen 
aus Xrieben und Neigungen hervor und find an ſich 
weder gut noch böfe. Uber die Vernunft erzeugte bie 
fireticpen Ideen und bezeichnete bie Handlungen, welde 
mit dem von Ihe aufgeftellten Zwecke übereinflimmen, als 
gut, dieaber, welche demfelben widerſprechen, als ſchlecht 
ober Laſter, oder, inſofern fie poſitive Lebensanordnungen 
verlegen, als Verbrechen. Die bloße Sitte bildet ſich zur 
Moralität aus, in welder das Gute aus freier Selbft: 
beftimmung gethan wird. Die Grundfage des ſittlichen 
Lebens ift die Familie, der Staat und das Vermögen. 
Die Moralität dußert ſich a) im häuslichen, b) im ges 
fedigen Leben. Grundlage des häuslichen Lebens ift bie 
Ehe. In diefer beruht die Keufchheit und ſittliches Leben. 
Die Krufchheit ſteht — wie der Verf. aus der Gefdichte 
naprveift — mit den Culturverhältniffen des Volkes in 
Verbindung. Eine einfache natürliche Lebensweiſe, Maͤ⸗ 
igkeit, fruͤh eingepflanzte Gottesfurcht und vor Allem 
nbekanniſchaft mit den Anreizungen zum Lafter find Bol 
werte der Keuſchheit. Die Givilifation, melde diefe Sim: 
plicität hinmwegnimmt, wirkt dagegen durchgehende nach⸗ 
iheilig. Keuſchheit iſt aber die Quelle aller Moralitaͤt: 
die Beflecktheit der Seele durch den Hang zur Unzucht ift 
ein Gifthauc, unter dem nicht blos bie Bluͤte ber Kraft, 
fondeen auch dee Adel der Seele dahinweltt. Das Ent 
ſchwinden der Keuſchheit in einem Volke ift daher ein 
fittliyes Werderben, dem das politifhe Verderben bald 
nachfoigt. Um dieſem vorzubeugen, muß ber Staat — 
der nicht blos eine geoße Gewerbeanflalt, fondern eine für 
die Tugend ercichtete Gemeinſchaft ift — die Erziehung 
der Jugend gehörig regeln, den Sinn für Gymmaftit 
und &rperliche Züchtigkeit wecken, Lurus und Verweich- 
ũchung dagegen verächtlich machen. Dann zeigt der Verf. 
an Beifpielen aus dem iterthume (bie neuere Zeit koͤnnte 
ebenfo ſchlagende aufzeigen), wie die Gefelligkeit zum Zwede 
der religiöfen Erbauung, ober der Beluftigung, fobald fi 


Gefüptfhweigerei Hinelamifce, Detnsaniet ober Bali 

tel ber Unzucht werden kann. Wüdfichttie des — 
Lebens preiſet der Verf. die vergangenen Zelten, wo groͤ⸗ 
Gere Traulichkeit und „echt beutfche”” Gemuͤthlichkeit hettſchte, 
die Stände nicht fo ſchroff geſchieden waren (2), und ſeibſi 
Fürften in populairer bürgerfremmdlicher. Weile fi im 
Volke bewegten, entwirft ein abſchreckeudes Gemälde von 
ber Seichtigkeit und Gemüthtofigkeit der Jetztwelt, in wels 
her man „Slitter und Tand, traurige Duͤrftigkelt hinter” 
dem äußern Scheine matter Bildung, Kartenfpiel, Afthe- 
tiſches und politiſches Gewaͤſch, Flügel und Fortepianos 
für Hände, die beffer den Beſen führten” u. f. w. finder 
und die Bedingungen eines wahren gefellfchaftlichen Le: 
bens, Öffentlichkeit und Gemeinſchaftlichkeit vermißt. An 
Roheit gebe dabei unfere Zeit dem Mittelalter wenig 
Ser kr uufere Erholangsmittel, namentlich das 

etenfpiel, nur in fer Hinfiche 
licher als bie des —E ee he 
(Die Bortfegung folgt.) 





Keben des Willem Wilberforce in feiner 12) 
wickelung dargeftellt nah „The ee ten Eue 
force by his sons Robert Isaac and Samuel Wilber- 
force. 5 Vols. London 41838”, von H. F. Uhben. 
Mit einem Vorwort von Dr. Aug. Neander. Ber 
lin, Beſſer. 1840. Gr. 8. 1 Thlr. 8 Gr. 


Überall, we nur einigermaßen Thellnahme an bee Seſchichte 
der Menfchheit vorausgefegt werben darf, wohnt ſchon dem bios 
Ben Ramen des wahrhaft ehrwürdigen Milberforce bie Kraft 
inne, die hohe Berdienſtesſtufe zu vergegenwärtigen, welde ex 
ſich burch die große und beharrlich Derfoigte ‚Hauptaufgabe feis 
meb Lebens neben ben ebenbürtigen Geiftern eines 
Easenfas, Howard, Ihomafius, Mafbingeen u. X. auf immer 
n hat. Da aber Wilberforce in feinem Öffentlichen unb : 
j n Eben jenen durch das Iebenbig + Exäftige Evangelium. 
n en und verfiärten Sinn unausgefegt bewäprte, der ihr. 
i den auf dem Gebiete des ehten Glaubens und Lieben 
j Heroen, wie einem Chryfoftomus, Spener u. X. on 
U. —... fieilt und ihn, unbefledt von der Welt, duch 
fie Hindurdfühete, einem Fluſſe vergleichbar, der fi dur eis 
nen See feinen eigenen Weg dahnt und in bemfelben noch 
lange das fchöne Grün der Gebirgäthäler, in welden er ents 
fprungen ift, behält: fo maß es wol ein eigenthümliches Ins 
terefie haben, ihn von ber rrin⸗chriſtlichen Seite näher kennen 
gu lernen. Dazu wird unter uns mit dem beflen Erfoige bie 
vorliegende Biographie dienen, bie in ber nunmehrigen Art ihe 
ver Gompofition durch bie Anregung bes Herrn Worrebners vers 
anlaßt worden ift. Raͤmlich das glei auf dem Titel bezeiche 
nete, madı großastigem englifen Zuſchnitte angelegte Wert 
enthält nicht ſowol eine Lebensgefchichte des großen Mannes, ; 
als vielmehr eine reiche Materialienfammlung zu einer folden, 
in ihre ungemein Bieles, was dem ‚Herigonte Anh Snteeefe deuts 
fer Leſer ferner liegt und fremder bleibt. Rach gefliffentlicher 
Ausſcheidung dieſer Beſtandtheile und durch zwedmäßige Aus: 
wahl aus ben anberweitigen reichhaltigen und für bie 
des chriſtlichen Lebens wichtigen Materialien, fowie durch Pafs 
fende Verbindung derfelben zu einem inneen Ganzen in num - 
diefe Sceift entftanden, welche eine befriedigende Totalanfıpaus 
ung vermittelt und auf eigenthümliche Weiſe anzieht und fefielt. 
Sie erreicht dies namentlich dadurch, daß fie das äußere und 
innere Leben ihres Helden aufs innigfte verſchmiizt, in ihm 
nicht blos den hochftehenden Staatsmann, fondern auch ben des 











1456, 


üt CEhriſten uorführt, erftern durch Entfaltung feines gan: 
Bee de, Kane. Deiprimeen feiner: Bolt: —— 


⸗ ⸗ 

Beben, teen. basdh:gahlnchdie Diietiweilungen aus: Bagsbüdern: 
und. Briefen, und man, faun ben Doppelmeg durch bas Gebiet - 
der Geſchichte und Betrachtung nicht zurücklegen, ohne am 

Biete das Ergebniß zu finden, daß es doch eigentlich Feine befs 

fern pradettchen Erbauungstüchee gebe als bie Lebensſchilderun⸗ 

gun graßer und gutes; Müenfdgen. - 

Einen ‚ahermaligen ‚Xuögug . aus dem Xusyage: mag, ja 
darf Ref. ben. Laſern d.⸗Bl. nicht bieten. Ihnen iſt der zothe 
Faden, . der ſich durch Wilberforce's öffentliches Leben in feinem 
unattä} igen Kämpfen für die .Abfchaffung des Sklavenhandels 
zieht, nach feinen Hauptwindungen auch aus bem Brodhaus’: 
fiyen. ‚, Somvesfatioms « Lexibon“ ſchon bekannt oder doch fofort 
eeighar, und tft. 26 - Ihnen um bie. nähere Keuntniß ber eins 
zelnen Mamente in biefeg für bie Ehre ber MWenſchheit To. wich⸗ 
tigen Angelegenheit zu tun, fo leiftet dazu das von Hrn. Uhde 
feiner Schrift beigefügte verbienftliche Sachregifter unter dem 
Areftel · Sliavenhandel“⸗ die erwünfdtefte Aushülfe. Das ins 
nes Ulaubewslehen. bes: herelichen Mannes aber exrſcheint nad 
den hier zufammengrfüpten beilungen ſa aus einem Guſſe, 
daß iſolirt herausgenommene exungen aus Tagepüchern, 
Briefen, Betrachtungen, Gebeten u. |. w. ben beabſichtigten 
Gindrud weniger bervorbringen, vielleicht eher hier und da 
Misperftändniß_herbeiführen_ möchten. Es bürfte daher für die 
Grwedung des Werlangens, die Er Schrift en zu lernen, 
am ‚stplobenhfien fein, . einzelne aus dei nes Leben 
I lan et —ã an reiben, welde feine ehrenvolle 
"Stellung auf den Höhen der enfäshelt ahnen und durdfchim: 
mern laffen. ' 

Willam. Wilberforre (geb. zu Hull in der Grafſchaft Vork 
den 29. Aug. 1759, geft. zu London ben 29. Jali 1883) ward 
in den Grundfägen bes Kirchenlehre erzogen und, bewahrt. ge⸗ 
biieben vor dem Unglauben, hatte ex von Kindheit an ein äußer> 

. Meiner um dasfünfundamanzigfte 
hauptſächlich Dusch Iſaak Milner, 


er ben 
— Die er gewonnen hatte, offenbarte ſich auch in ſei⸗ 
nem. Alichen Leben und er. fand durch unausgeſetzte Selbſt⸗ 
prüfung im Lichte des görtlicken VBorte ſo feR in dem Ent⸗ 
jchtaſſe, keines Menſchen Knecht gu fein unb bie Ehre GSottes 
in lem zu ſuchen, daß er ſich mitten unter dem Kampfe der 
Parteien etiner vielbewegten Zeit von jedem verwerflichen 
enfrei zu erhalten wußte. Im feinen zahlreichen, ge⸗ 
ſchaͤſtlithen Beruhrungen mit vielen und hochſt bedeutenden Min: 
nem feines. Volks und feiner Zeit, bie das in ihm vorherr⸗ 
ſchende chriſtliche Princip mehr ober weniger ignorirten, vers 
Leuguste er ſelbſt bad Durchbrumgenfein von ihm nicht einen 
Augembikt: une darch frommen Sinn, ſittlichen Ernſt und im: 
menu gleiche Wegeifierung füv Recht und Ordnung und wahre 
* erhielt er ſich im Baufe ſeines ganzen Öffentlichen Les. 
nd ſelbſt die Achtung der Ihm gegenübevftshenden Partei. 
Diefelbe Sewiffengaftigteit, an firenge Ordnung getnüpft und 
mit aufrichtiger und ausdauernder. Siebe ‚ bewägete ex, 
in feinem -bausikchen Leben und wamentlidh in der Ginwirkung 
auf: die: Erziehung feiner Kinder. 
"Se feine geſammte Thaͤtzgkeit fand Wilberforcte ben Gen: 
tralpunkt in den Worten: ‚Das Werl, wesen wir arbeiten, 
die Wahrheitlichtverbreitung, tft fo alt als die Erde, weiche 
wie en, und unfere t-hat in gewiflen Sinne 
eine Thnlichkeit wit ber: Dirkfamktit Gottes.““ Das befondere 
Hauptziel, welches er ſtets im: Auge behielt uub verfolgte, wer 
die. Aufhebung des Eladenhandels, und ex iſt es, dem io⸗ 
nen in fremden Welttheilen ihre Mätederherfiällung zur wahren 
Menſchenwuũrde, die Mittel zur zeitlichen Wohlfahrt umb zum 






ewigen Delle zu verdanken haben, und in ben Beiträumen, bir 
moch en gzu verbanfen haden werden. Was er bin 
enftritt iſt bekannt, ‚und mag: es: auch fein, bakıber @iälnsn. 
hoandel noch immer niqt unterheüds sngchen iſt, viekmche gera 
jegt grauſamer und zexſtoͤrender als früher ben wird — 
doch wird und muß es England zu unvergänglidg - glängenden 
Ruhme gereichen, daß es den herrlich -großen Rorck mit 


tangabe 
nahm ZRülbesforca an allem ‚Bemeinnägigen-und ‚Urofen, was 
nur in feinen Bereich trat, ben lebhafteſten Antheil, Kür tie 
Golonte der befreiten Neger in Sierra Leone, für bie Ausmi- 
tung bes Chriſtenthums in Jadien, für das Gebeiben der Bi 
bel⸗ umb. Mifionsgefeliichaften , für die. bei Us: 
tenwichts ber Kinder in Babrikfiädgen:u..f. w. intersffirse er fidh 
aufa lebhaftefte, gegen Grziehungamerhoden, die Citzlfeit und 
Naceiferung zu den Triebfedern ihres Syſtems machten, 8. 
die Lancafter’fche, erklärte er fi entſchieden. Seine bereits im 
3. 1797 erſchienene treffliche Schrift: Praktiſche bericht des 
vorherrſchenden zeligiöfen Lehedegriffs ber Belanner bes Sie: 
ſtenthums in den höhern und mitten Ständen biefes Landes, 
verglichen mit dem wahren Chriſtenthume“, trug gar Belebung 
and ‚neuen en ee PR ag Per-o ae ſewie gur 
egründung ber ‘großen, u en fitken Wereine fız 

die Verbreitcag des ‚göttlichen. Montes und’ die. ber 
Dribenvölfer ungemein viel bei: Wis zum I 1886 erlebte Ye 
15 Auflagen, zum Theil in fehr vielen Abdrüden. Deuticland 
verdankte die Subfidien, welche es nach dem Freiheitskriege von 
England aus erhielt, eigentlich Wilberforce; benn er bewirkte 
im 3. 1814 die Zuſammenkünfte ‚zur Unterflügung ber Deuts 
fden!’, an meiden Prinzen, Mimiſter, Bithöfe m. f. m. Au- 
a ehond ! i 

m Befondern mögen folgende Züge zu feiner Charakttri⸗ 
firung dienen : Als er 1786 nad, feiner Untfehfedenen Guam 
fung bes Chriſtenthums zum erſten Male wieder mit inne 
Mutter und Schweſter zuſammentraf, fürchteten diefe ca ds 
rine ganz außergemöhnlide und fankerbare. Weiſe zu ine, 
bex Alles, was fie bemerkten, war größere Sreundlichkrit ua 
Bemütherube. Er hatte ſich vorher als Regel feines Betraztai 
niedergefchrieben , freundlicher und liebevoller als je gegen ferne 


Mutter zu fein, fie mehr um Rath zu fragen, A für ik 
Urteil und viel mehr Demuth an ſich ſelbſt zu zeigen ak 
Ungufriebengeit mit Andern. Gr. fügete feinen 2 % fe on, 


daß eine Sreundin feiner Mutter zu berfelben fagte: ‚Be 
TI fo Hoffe ich, wird er uns — —* 


{Der Beſchluß folgt.) 


bas 
: gen ' 





Literarifche Anzeige. 
In meinem Berlage erfchien foeben und iſt durch ale 
Buchhandlungen zu beziehen: 
Die Unächtheit der Lieder Osgian's 
und bed Macpherſon ſchen Offien’s insbeſondere. 


Bon Talvj. 
Br. 8. Seh. 16 Br. 


Bon derſelben Verfaſſevin erfchlen bei min in d. J. 
Verſuch einer geſchichtlichen Charakteriſtik der: Botkelieder 
germaniſcher Nationen mit einer lberficht der Aeder auher⸗ 

europäffcher Wölkerfchaften. Br. 8: 3 Thie. 12 x. 

Eripzig, im December 1340, 


F. A. Brotkhens. 


Verantwortlicher Deraudgeber: Deinzih Brodhaud. — Drmt und Verlag vos F. 4. Beodbausd in einig 
DE u 








Bla Lt 


für 


Literariide un 





Sonnabent, — Kr. 361 


Borfchule der Politit von Wilhelm Goͤtte. der | 
(Bortfefung aus Nr. 380.) liche 

Ruͤckfichtlich der Eriminalität leitet der Verf. das Ver: | Dft 
brechen zwar nicht unbedingt aus der Unfittlichkeit her, | Leben 
fondern nimmt als zur Erzeugung der Verbrechen mitz | ber, 
wirkende Umftände Reichthum und Armuth an. Lafter | 9en, 
ſoll fih mehr auf Selten des Reichthums, Berbrechen | eine 
mehr auf Seiten der Armuth finden. Das Lafter reige | lectu 
den Menfchen, auch wenn er einfehe, daß er fich fehade, | tücht! 
fort, beim Verbrechen beflimme er fich für einen erfann: ‚| Sadı 
ı ten med, zu beffen Erreihung er ungefeglihe Mittel | einen 
wähle. Bei dem Verbrechen fei daher immer Überlegung | Dari 

t  (praemeditatio) und Abficht zu ſchaden (dolus) (??). Die | fenid 
1 Merbrechen claffificirt der Verf. demgemäß fo, daß fie ent: | Sphi 
j weder 1) ein pofitives Gut; a) den Beſitz einer Sache, | Täuf 
;  b) Genuß eines Vergnügens, Stillung einer Leidenfchaft, | In t 
: 
| 





der Rache u. ſ. w. erftreben. Erſtere follen aus dem Man: | gutgı 
el fließen und den Armen eigenthuͤmlich fein; letztere aus | nach 
bermuth, und alfo den Wohlhabenden. 2) Die zweite | Forn 
Hauptelaffe von Verbrechen, welche ein Übel verhindern | her 
oder hinwegräumen wollen, find die mannichfachen Mord: | Bran 
thaten, die aus andern als den sub 1 gedachten Quellen | focial 
fließen, durch welche der Verbrecher das aus einer Be: | manı 
ieidigung entftehende Gefuͤhl der Mache, des Haffes, den | Urthı 
Neid, die Furcht vor Schande, vor Leiden (Duell, Kinz | liche 
dermord, Selbſimord) aufheben will. Auch politifche Wer: | Werd 
brechen gehören hierher, denn fie wurzeln im Parteihaß. teit 
Die ganze erfte Hauptclaffe und von der zweiten Glaffe | firen 
Kindermord und politifche Verbrechen fallen in bochcivilis | bewa 
firte Zeiten. Diefe Behauptung fucht der Verf. — mel: | Zeit 
cher ganz richtig bemerkt, daB im heibnifchen Alterthume | und 
| &eibfimorb unter Umftänden für eine moralifch gute Hand: | bage 
ulung galt — durch criminalſtatiſtiſche Notizen zu rechtfer⸗ und 
tigen. Die civilffictern Zeiten entbehren der Tugenden, | glatt 
welche perföntiche Hingebung und großartige Selbftver: | 
leugnung vorausfegen, dagegen ſchaͤtzt man Tugenden (?), | fofer 
welche zum Befige führen, Sparfamkeit und Ermerbfleiß. | Dief 
| Wohlthaͤtigkeit iſt in neuerer Zeit nicht fowol Folge der | foph 
Ä Menfchenliebe, als vielmehr der Klugheit, da ohne Unter: | ralit 
| ftügung der Armen bie Reichen ihren Reichthum nicht | fich 
behaupten könnten. mor 
Diefer Abfchnitt des Buches iſt nun nad) unferer Anz | auch 
ſicht der beiweitem ſchwaͤchſte und entfpricht feinem Zwede, I nich: 





\ 1458 


den engern umb weiten Kreifen, im welchen das Inbdi⸗ 
viduum fich bewegt und welche es mit ber Außenwelt 
verbinden, in der Familie, ber Geſellſchaft, dem Staate. 
Der engſte Kreis ift die Familie. Diefe beruht auf ber 
Ehe, der Subfiftenz des gemeinfamen Lebens, und der 
Erziehung und Abfonderung der Kinder. Wenn nun ber 
Verf. 6108 von der Ehe, als einem Beförderungsmittel 
der Keufchheit und Zucht, und von bem gefelligen Leben 
ſpricht und fih über die Kolgen der Unzucht und bie 
Flachheit und phyſiſche und moralifche Verderblichkeit ber 
gefelligen Vergnügungen ber heutigen Zeit mehr im mi: 
fonnirenden und beciamirenden Tone ausläßt, fo ift da⸗ 
mit feine Aufgabe ungelöft geblieben. Die Ehe als Grund: 
Inge der Familie iſt mehr als VBeförderungsmittel der 
Keuſchheit, biefe iſt nicht dee Inbegriff aller Tugenden, 
fondern ihr Fehlen ift nur ein Merkmal der Auflöfung 
bes fittlichen Bandes überhaupt. Die Familie iſt ber 
engfle Kreis, in welchem ber Einzelne mit dem Ganzen 
zufammenbängt und fittliche Bildung erhält. Sittlichkeit 
Lege nicht im Lernen einzelner Tugenden, bie geübt wers 
den follen, fie Liege im Wollen bes Guten, und was gut 
fet, lehrt das Gewiſſenz der Menfch hat die Berechti⸗ 
gung, in fi und aus fih zu willen, was Recht und 
Pflicht fe. In der Familie lerne der Menſch zunaͤchſt 
nicht blos das ihm Angenehbme, zu dem ihn die ſinn⸗ 
Uche Ratur treibt, für gut zw balten: er muß fein 
Wollen und Wünfchen mit dem fittlichen Ausbrude des 
Kreiſes, in dem er lebt, In Einklang bringen. Dier fpricht 
fi feine Sittlichkelt als Liebe aus. In den weitern 
Kreifen der Geſellſchaft und des Staats, im gefelligen 
und öffentlichen Leben läutert fic fein Wollen noch mehr 
nad dem Ausdrucke dieſer Kreife, es fpriche fih ale Ge: 
meingetft und endlih al6 Vaterlandsliebe aus. 
In allen drei Ausdruͤcken ber Sittlichkeit waltet das Uns 
terordnen des eigenen Intereſſes unter den Zweck einer 
groͤßern Geſammtheit vor: wie in der Familie der Ein⸗ 
zeine nur Gluͤck und Frieden in der Opferung feiner Kräfte 
fuͤr die Seinigen findet, ſo iſt auch geſelliges und politi⸗ 
ſches Gluͤck nicht in dem Verfolgen eines perſoͤnlichen ſelbſt⸗ 
nuͤtzigen Jutereſſes, ſondern nur im Erſtreben des Wohle 
der Geſellſchaft, des Staats begruͤndet. Gerade in dieſen 
weitern Kreiſen iſt jetzt eine Laͤuterung nothwendig. Die 
ſittliche Idee der Familie iſt dem Menſchen von der Na⸗ 
tur ſo feſt eingepraͤgt und wird von Naturtrieben ſo feſt 
getragen, daß hier ein Zweifel oder Misgriff nicht ſo leicht 
mehr moͤglich iſt. Auf die Geſellſchaft und den Staat, 
an welche Naturtriebe nicht ſo unmittelbar feſſeln, muß jene 
in der Familie zum Bewußtſein gekommene Idee erſt uͤber⸗ 
tragen werden. Hierbei wird nun im Handeln und Leh⸗ 
ren um ſo leichter geirrt, als die Elemente dieſer groͤßern 
Kreiſe mannichfacher find und ben ſittlihen Ausdrud ber 
Sefeufchaft und des Staats, dem ber eigennügige Son: 
derwillen ſich fügen fol, nicht fo Mar zur Anfchauung 
bringen. Deshalb bat bier der Eigennus immer nod 
einen größeren Einfluß gehabt, wir bemerken flatt des Ge: 
meinfinns oft Kaſten⸗, Zunft: und Adelsſinn, flatt ber 
Vaterlandsliebe oft eigennügige Wünfche der Abänderung 


und ein ebenfo eigennüsiges Feſthalten am Befftehenden 
daneben, als Zeichen totaler ſittlicher Schwäche unb Us: 
fähigkeit, das Verhaͤltniß des Einzelwillens zum ſittliche 
Geiſte des Ganzen zu begreifen, einen Knechtsſinn, den 
jede irdiſche Groͤße imponitt, der in Densmurh vergeht, 
umd freilich Leicht reglerbar, aber nicht zuverlaͤſſig um 
ohne fittlihen Werth iſt. 

Aus dieſen Andeutungen folgt, wie wenig bed Bart. 
Arbeit, die bei ber Familie nur die Keufchheit, bei der 
Geſellſchaft nur gefellige und religiöfe Vereine ins. Anıe 
faßt, dem vorgeſteckten Plane genügt. 

In Beziehung auf Verbrehen and Strafen if bes 
Derf. Eintheilung nach ben Zweden usb 
welche den Verbrecher leiteten, nicht brauchbar. Nach 
biefen Claffificationen läßt fih duch Hilfe der Criminal: 
ſtatiſtik kein Reſultat gewinnen, weil biefe uns bie in ben 
einzelnen Fällen vom Verbrecher Bwede nid 
mittheilt. Überhaupt iſt die Criminnifissikil med wide 
fo weit ausgebildet, daß fie über ben mereifhen Zuſtand 
ber Völker fichere Refultase liefern koͤnnte. Dez Umland, 
daß man blos über die entdeckten Anger 
befigt, zwingt zu ber Annahme, baf das. Vechaͤltain zei- 
fhen ber Zahl der entbediten und nmicht entbeckten Ber 
brechen nicht immer ein gleiche fei, daß ſach alſo 
richtung und Thätigkeit ber Policeibehörben in dem 
[hiedenen Ländern und Zeiten gleiche. Son aus 
Grunde können die Refultate nur ungefähre fein. Ge 
nauere Beobachtungen (zu welchen der Aufſatz won Das 
telet in ber „Rerue encyclopedique”, Th. 57, © 54 
übrigens eine dringende Auffoderung enthäfe) de du 
Verhaͤltniß der Verbrechen und Steafen zu ben ükiye 
ſocialen Elementen fehlen noch und deshalb lafſen ih 
auch nur allgemeine Refultate gewinnen. So find Ber 
brechen gegen das Eigenthum in civilijieten Ländern, Bro 
brechen gegen Perfonen in minder civilifirten Ländern hir 
figer. Die Motive zu manchen Verbrechen, Kindermor, 
Duell, Selbſtmord (fofern man dieſen hierher ziehe) kom⸗ 
men nur in civllifirtern Rändern vor und im Gumm 
werden von Frauen weniger Verbrechen begangen als vr 
Männern. Der Berf. iſt auch nur zu biefen allgemeiner 
Refultaten gekommen, die er durch — freilich ohne Angabe 
der Quellen gemachte — flatiftifche Notizen redhtfertige. Im 
Allgemeinen wird fi) in ben modernen civiliſirten Stae⸗ 
ten ein Ähnliches Verhaͤltniß finden wie das von Gaeccy 
für Frankreich angegebene. Hier wurden 1825 — 31 
durchſchnittlich jährlid 5300 Verbrechen gegen Eigenthum 
und 1900 Verbrechen gegen Perfonen begangen. Bon 
100 Verbrechen der legten Art wurben 86 von Mäns 
nern, 1% von Frauen, von 100 Verbrechen der erſten 
Art 79 von Männern, 21 von Frauen verübt. Die 
meiften Verbrechen kamen bei beiden Geſchlechtern auf 
Perfonen, bie zwifhen 25 und 30 Jahr alt waren. Bon 
14 Vergiftungen famen 12 auf Frauen, von 100 Ber: 
giftungen waren 35 Folge eines ebebrecherifhen Wer: 
bältniffes. 

Der befte Theil des Goͤtte'ſchen Buches iſt endlich der 
vierte und legte Abſchnitt, über das geiſtige Leben ber 


Pe — 7 Gr DEE u nd — u 


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| 1469 
Menſchheit. In ber Einleitung gelangt freifich dee Verf. | es u 


zu keinen tröftlichen Refultaten- Die vorchriſtliche Menſch⸗ 
Weit entwickelte ſich unter ber einfeitigen Form des Staats, 
ſodaß das Leben freng natiomal blieb. Diefe Schranken 
bat das Chriftenthum entfernt, indeſſen bie fittliche und 
geiftige Vollendung, auf melde Chriftus hinwies, iſt nicht 
erreicht, und die von ihm ausgehende Quelle der Weis: 
beit ift, je entfernter von ihm, defto truͤber und unrei⸗ 
mer geworben. ine allgemeine Kortbildung des Men⸗ 
ſchengeſchlechts, eine Erziehung, durch welche Reſultate 
für die Sefammtheit erlangt werben, gibt es nicht, viel- 
wiehe iſt die Menſchheit auf jeder Stufe zu wahrer Hu: 
manttät auf ihre Weife fähig, und Hiermit fähig, bem 
&cyöpfer, der Altes mis gleicher Liebe umfaßt, auf jeder 
Stufe zu gefallen. Die fortfchreitende geiftige Bildung 
fegt keineswegs Fortfchritte im Leben felbft voraus, fons 
dern erſcheint auch neben Ruͤckſchritten. Sie begründet 
Das Gluͤck der Menſchheit nicht, denn dieſes ruhe im 
ſittlichen Handeln, welches nur aus Energie des Willens 
hervorgeht. Hoͤhere Bildung bricht aber die Energie und 
ſteigert den Egoismus. Steigerung des wiſſenſchaftlichen 
Sinnes fi, da ber Trieb, ſich zu beichren, bem Alter eigen 
iſt, ein Zeichen des Alterns ber Menfchbeit. 

Diefe einleitenden Gedanken, in welchen ber Verf. 
immer jede Klippe, an welcher der Geift des Menſchen⸗ 
geſchlechts ſcheitern kann, als. unvermeidliches Biel feiner 
Reiſe fefthält und Hinter dem Troſtioſen nichts höheres 
Troͤſtliches kennt, werden nady einer Überficht der folgen: 
Den von ber Erziehung und dem Unterridhte und ber 
Literatur handelnden Capitel am beflen gewürdigt werden 
Sonnen. Das Princip der Erziehung iſt ftaatsbürgerliche 
Trefflichkeit und ale Erziehung iſt Staatspaͤdagogik. 
Denn wenn es außer dem Staatsleben kein anderes ver- 
nünftiges Leben gibt, fo kann auch nur die Erziehung 
vortrefflich fein, welche zu jenem anleitet. ine folche Er⸗ 
ziehung kennt nur das Alterchum. Das Chriftenthum, 
welches bei ber Meinigung der Einzelnen und der Fami⸗ 
lien anfängt, achtet zu wenig auf den Staat; in diefer 
Hinſicht können aber kräftige Schritte zu einem erfreulis 
Gen Ziele führen. Formell ift das Princip bee Erziehung 
Gewöhnung: fie muß ſich über die Sugendzeit hinaus 
auf das ganze Leben erftreden und vom Staate, wel: 
her hiermit als Erziehungsanftalt des Menfchengefchlechts 
eefcheint, durdy Entfernung zweier ber Freiheit und Sitt⸗ 
lichkeit widerftreitenden Übel — ber thierifchen Roheit und 
der übertriebenen Verfeinerung — zu leiten. Er hat nicht 
blos durch Lehre, fondern hauptfählih duch Benugung 
des Nahahmungstriebes im Menſchen zu wirken. Wenn 
dann endlih Chriſtenthum und Wiffenfhaft das Leben 
ducchdeungen haben, fo wird vielleicht das antike Princip 
von ber Subordination bes Einzelnen unter den Staat 
und das moderne von ber Selbſtaͤndigkeit des Individuums 
in einer hoͤhern Einheit aufgehen. Dann wird die Staats: 

paͤdagogik nicht blos eine einfeitig auf Staatszwecke ge: 
sichtete fein, fondern die Erziehung bed Einzelnen ale 
sein menfchlihe und abfolute umfaflen. Ein folches Gut 
wird aber die Bifdung aus ſich ſelbſt nicht erzeugen, 


bürfe 


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1460 


ieken erhalten. Das if der Erfolg des Verkehrs mit Eus 
bee De gegen alle Erfahrung if die Givilifation bes Ins 
nern drei Jahrhunderte vorgerädt, doch eben da kann auch vers 
derblicher Einfluß dieſes Tod bringenden Handels wahrgenom⸗ 
men werben. Der Sturm auf der Oberflaͤche regt auch allmäs 
Yig die flilen Tiefen bes Oceans auf.‘ Wiederum warnte er 
das Haus, „nicht den Zorn des Himmels herbeizurufen durch 
die Berhaͤrtung, mit der in einem erkannten Unrecht fortgefabs 
zen werde. Ich meine nicht, daß wir die rächende Hand ber 
Vorfehung in Orkanen und Gröbeben ſchauen werden; aber es 
ibt eine beftimnite Ordnung in Gottes Regierung und eine 
Fee Verbindung zwiſchen Laſter und Glend, welche mittels 
natürlicher Ereigniffe Seinen Willen auswirkt und Sein Regi: 
ment rechtfertigt’ (S. 153). 

Im 3. 1800 hatte der geringe Ausfall der Ernte bie alls 
gemeine Unzufriebenpeit erhöht und das Parlament warb zus 
fammenberufen, um fi) wegen der zu erwartenden Theuerung 
zu berathen. Wilberforce, Mitglied des deshalb im Unterhaufe 
erwählten Somite, nahm ſich diefer Sache mit dem größten 
Kifer an. Gr benuste feine ausgebreitete Gorrefpondenz, um 
aus allen Theilen des Landes Nachrichten einzuziehen, und drang 
darauf, daß man entfchiedene Maßregeln ergreife. Gr wünfchte, 
die höhern Stände folten ſich nicht blos fcheinbaren, fonbern 
wirklichen Entbehrungen unterziehen, um fo dem Volke Muth 
zu machen, daß es feine Roth beffer tragen koͤnne. „Man vers 
gleicht unfern. Zuftand mit dem eines Schiffs, das auf halbe 
Nationen gefent iſt; aber dies geſchieht dann auch mit den Offi⸗ 

ieren, nicht blos mit der Mannihaft. Er gab in diefem 
abre 8173 Pf. Sterl. für wohlthaͤtige Zwecke (8. 163), 

Wenn für etwas auf Religion und Sittlichkeit Bezuͤgliches 
im Parlamente ein Anwalt gefucht wurde, fo war ber Erſte, 
auf den man gewoͤhnlich verfiel, Wilberforce, ſodaß er bei meh⸗ 
zen Beranlaſſungen erklaͤren mußte, den Antrag nur in dem 
Falle ſtellen zu wollen, wenn fi kein Anderer dazu fände. 
So ging es mit dem BVorſchlage einer Öffentlichen Belohnun 
für Ienner, den Erfinder ber Schutpodenimpfung, wie au 
wit einem Antrage auf Abfchaffung ber Stierhegen in Eng⸗ 
land (©. 167). 

Im 3. 1807 wollte das Minifterium dem roͤmiſch⸗-katho⸗ 
Ifchen Gollegtum zu Maynooth in Irland eine erhöhete Unters 
Aüsung des Staates zulommen laffen. Wilberforce, obwol ges 
neigt, ben Katholiken politifche Rechte zu gewähren, Tannte den 
ndifferntismus in religlöfen Dingen ald die Quelle biefes An: 
trage, hielt die Befoͤrderung bes Katholicismus für das Un 
glül Iriands und meinte, ſich entſchieden dagegen erklären zu 
möffen, indem er nicht „ein Ehrenmitglied aller Religionen’ 


ſei (S. ). 
eine religidfe Anficht von ber Entwickelung ber Geſchichte 
fpricht ſich auch in feinem Metheile über Napoleon aus. „Dies 
fer Mann ift offenbar ein Werkzeug in der Hand der Borfehung. 
Wenn Gott feine Abſicht mit ihm erreicht hat, wirb er wahrs 
ſcheinlich geigen, wie leicht er es von ſich thun Tann.‘ (S. 219.) 
Ais er im 3. 1809 auf eine Anfrage bei Perceval erfuhr, 
daß der Anfang ber Parlamentsfigungen auf Montag, den 16, 
Jannar, angefeht fei, wies er denfelben barauf bin, wie durch 
dieſe Beſtimmung ſo Viele zum Reiſen an einem Sonntage 
deranlaßt würden, und bat, wenn es moͤglich wäre, um eine 
Änderung. Er erhielt zur Antwort: „Mein theurer Wilbers 
force! Sie werben fi freuen, zu hören, daß die Zuſammen⸗ 
Zunft bes Parlaments bis zum Donnerftag, den 19., verſchoben 
ft, um bie Übelſtaͤnde zu vermeiden, auf welche Sie aufmerk⸗ 
ſam gemacht haben.“ Der Sonntag war der einzige Tag, an 
welchem Wilberforce mit ſeiner Familie traulich leben konnte. 
An den andern Tagen hörte jede Möglichkeit eines ſolchen haͤus⸗ 
lichen Lebens auf. „Ich bin dann’, pflegte ex zu fagen, „wie 
ein Unverheiratheter.“ (S. 224 u. 228.) 
Mit der Aufnahme, welche Kalfer Alexander und König 
Friedrich Wilhelm III. und die übrigen hoben Herrſchaften 1814 


— 


in London gefunden hatten, war Wilberforce nicht ganz 
den. „Wir haben nun wie Hiskias den Prunk ıwurferer 
thümer, unferes Boldes und Silbers aufgewiefen ; wir 
fie mit unfern Bantetten gefättigt, aus denen fie „nu 
höre, nichts machen. Warum haben wir fie nicht zw ert |; 
haften Dingen außer einer Quaͤkerverſammlung geführt? M 
babe nichts dagegen, daß man fie zu Zeugen unferer Grik ; 
macht, und es gefällt mir, daß man ihnen unfere Dochadituzy | 
und Bewunderung beweifl; aber warum ihnen bas Rüstide 
vorenthalten? (&. 270.) 

Als Blücher nad) der Schlacht bei Welle - Alliance feines 
Adjutanten an den Prinz= Regenten gefchidt hatte, uns bemiel- 
ben Bericht zu erflatten, und dies gefchehen war, fragte der 
Prinzs Regent: „Hat ber Marfhall Bücher Ihnen fonfl ned 
einen Auftrag gegeben 7” „Ja“, war bie Antwort. „Er beauk 
tragte mich, Wilberforce von Allem zu benachrichtigen, was vos: 
gegangen iſt.“ „So gehen Sie auf alle Fälle ſelbſt zu ihr”, er- 
widerte der Prinz; „Sie werben ſich über ipn freuen.” (8. 281.) 

Doch genug der Mittbeilungen über ihn, da aus ihnen 
klar hervorgeht, welch” ein Sinn in ihm war und weiche hohe 
Achtung er genoß. Nur noch wenige Worte über ben Abend 
feines Lebens und feinen Abfchieb von bemfelben. 

Im Kebruar 1825 ſchied er aus dem Parlamente und bes 
flimmte Burton zum Erben feines Plaßes bei der Leitung der 
Sktavenangelegenheit. Won allen Seiten bedauttte man feinen 
Austritt. Burton erinnerte ihn an die Inſchrift ver Kartha- 
ainenfer auf das Grab Hannibal’s: „Wir vermißten ihn am 
Tage der Schlacht.“ Romilly pflsgte von ihm zu fagen: „Er 
war der wirkfamfte Rebner im Haufe ber Gemeinen”, und 
felbft Pitt hatte mehrfach über ihn geäußert: „Bon allen Re 
ſchen, die ich je gekannt habe, befigt Wilberforce bie größte ne 
türliche Beredtſamkeit.“ Die desten Jahre feines Lebens bradar 
Wilberforce auf feinem. Sige Highwood Hi, 10 Meilen nt 
lich von Londen, zu; bisweilen lebte er längere Zeit bei fernm 
Söhnen von welden ber eine Vicar zu GCaſt Karleigh iz ker 
Brafihaft Kent, der andere Hector zu Brighſtone auf ber S 
fel Wight war. Zu feiner Stärkung war er im Mei 185 
zum Beſuch ber Bäder nach Bath gegangen; bier erfrustt: u 
eenftlih und wendete fich im Juli nad) London, um ben Dr. 
Shambers zu brauchen. Am 27. Zuli hatte er mehre Ania 
vom Schlage. Seinem Ende nahe, fagte er: „Ich bin in eiren 
fehr leidenden Zuftande.” ,Ia”, war bie Antwort, ‚aber Ex 
haben Ihren Fuß auf dem Zelfen. „Ich wage nidyt”, emi 
derte er, „ſo beſtimmt zu fprechen; aber ich Hoffe, ich habe.“ 
Diefee Ausdrud feines demüthigen Glaubens war fein let 
Wort. Gr ſtarb um 3 Uhr Morgens, Montag den 29. Zi 
1883, faft 7% Jahre alt. Das Parlament befchloß, feine ft 
liche Hülle in der Weftminfterabtei beizufegen. Dem Leicher⸗ 
begängniffe folgten die Mitglieder beider Häufer, und als Zr 
ger des Leichentuchs fah man den Prinzen von Slouceſter, bes 
Lord Kanzler und den Sprecher des Unterhaufee. In Berl 
und Hull waren bei biefer Gelegenheit öffentliche Werfammiue 
gen; bie Graffchaft errichtete ihm zu Ehren eine Zuflsschtsflätte 
für Blinde und feine Vaterſtadt eine Denkſäule. In Welins 
dien und Neuyork legte die farbige Bevölkerung bei der Tobes⸗ 
nachricht Trauer an. 45, 








Literarifhe Notiz. 

Ein fatirifches Werl unter dem Zitel: „Museum parisien. 
Histoire physiologique, pittoresque, philosophique et gre- 
tesque de toutes les betes curieuses de Paris et de la ban- 
lieue; pour faire suite à toutes les &ditions de M. de Buffow‘', 
ericheint in Lieferungen mit 300 Beichnungen von GSranville, 
Gavarni, Daumier, Zravies und H. Monnier; ber Zert if 
von Louis Huart. Die vierzehn erften Lieferungen enthalten 
unter Anderm folgende Gattungen: Der Löwe, die Eöwin, ber 
Panther, ber Ziger, ber Luchs, die Deufihredengrille, der 
Tiger im Dienft eines „Lion“ u. f. w. 5. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von J. X. Brochaus in Leipzig. 





Blaͤtt 


für 


Litferarifde Un 





Sonntag, 





Vorſchule der Politit von Wilhelm Goͤtte. 
(Beſchlus aus Nr. 361.) 

In Anfehung der Methode ber Erziehung wird bie 
Tendenz der heutigen Zeit, welche fofort Fruͤchte ihrer 
Thaͤtigkeit verlangt und nur eine aͤußerlich glänzende gei⸗ 
flige Nothreife erzielt, ftreng getadelt. Dann befpricht der 
Berf. in der Kürze die Bell: Lancafter'fche, die Peftaloz: 
zUfche Methode, ben Philantropiemus und Humanismus. 
Diefer ift von ben realiftifchen Zendenzen der Philantro= 
pie nicht einmal erfchüttert, viel weniger verdrängt. Die 
Seftaltung des heutigen Echulmefens leitet der Verf. aus 


dem Charakter des Deutfchen, feiner Anlage zum geiftigen 


Fürfichfein und zur Abtrennung vom Leben, aus ber mon: 


. arhifhen Berfaffung Deutſchlands, aus der Reforma⸗ 


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' und dem Kampfe des Lebens mit der Schule. 


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tion, ber praftifch=mercantilifhen Richtung des vorigen 
Jahrhunderts, dem Kampfe der paͤdagogiſchen Principien 
Denn 
die von der Reformation belebte Wiffenfhaft würbe bald 
in fcholaftifche Erſtarrung verfunfen fein, wenn nicht bie 
Philoſophie huͤlfreich Hinzugetreten wäre, welche auf eine 
der Natur und dem Bedlrfniß des Menfchen angemeffene 
Erziehung hinwies. Diefe praktifhe, am Ende zum Mas 
terialismus führende Philofophie brachte die Philantropie 
auf, diefe führte zum Principienftreite, und aus biefem 
geht das legte, jegt wirkende Moment hervor, der Kampf 
des Lebens mit der Schule. Nachdem ber Verf. darauf 
die niedern Schulen, die Realſchulen und die claffifchen 
Schulen näher betrachtet bat, flellt er als Refultate der 
Bemühungen im heutigen Erziehungswefen feft: eine Ver: 
befjerung der Lage der Lehrer, ein immer mehr bemerk⸗ 
bares Verfhwinden thierifcher Roheit, dagegen aber auch 
Vernachlaͤſſigung der phyſiſchen Erziehung und baher Bär: 
perliche Untüchtigkeit mit ihren ſchlimmen Rüdwirkungen 
auf den Geiſt, Vernachlaͤſſigung der Übung und thätiger 
Gewöhnung in ethifchen Principien, daher innere Zerriſ⸗ 
fenheit der Gemuͤther, platter Materialismus, hohle Ber: 
flandesaufllärung und Bewegungs: und Neuerungsfudht. 
Endlich betrachtet der Verf. den Zufland unferer Lite: 
ratur. In diefer wiederholen ſich bie verfchiedenen Stu: 
fen, auf welchen Überhaupt bie geiftige Thaͤtigkeit erſcheint: 
Anſchauung, Vorftellung, Erinnerung und bemußtvolles 
Denken. Sn der Zeit ber Poefie iſt das Erkennen des 
Menſchen ein unmittelbares: Geiſt und Natur find noch 


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12342517 


dem Luſtſpiele und dem Romane, iſt Satire und Luſt—⸗ 
fpiel einer folgenden Belt aufbewahrt, weil jegt noch ihre 
Bedingung, die Parrheſie, oder Freiheit in Wort und 
Schrift, fehlt. Defto mehr wendet ſich die Thaͤtigkeit dem 
Romane zus ders Epas cillifigsger peofailger Zeiten Die 
einfache Skingek-it indeß auch hier nicht mehr varhan⸗ 
den. Roman und Rhetorik haben durchaus die Profa in 
neuerer Zeit durch einen Beiſatz verderblicher Zierathen, 
poetifcher Sprünge und affectirter Gefühle verborben. Die 
Literatur bat an "Eleganz und Vlelſeitigkeit gewonnen, 
zehrt aber ‚nur an dem. Reichthume der Vergangenheit 
und bat die Kraft zum felbfländigen Schaffen verloren. 
Bei dem Zuflande Deutfchlande, weiches einer Na: 
tionalliteratur entbehrt und nur fremde Literaturen ver: 
arbeitet, ift es nach ben Anfichten des Verf. völlig ver: 
kehrt, auf den Grund eines gänzlich gemisbitligten 
Kosmopolitismus - eine Weltliteratur anzupreifen. Jener 
ſchlimme Zuſtand aber iſt nicht unbedingt den Schrift: 
ſtellern zur Laſt zu legen: vielmehr zumeilt der handwerks⸗ 
mäßtgen mereantilifchen Geſtaltung der Literatur, in tel: 
cher die Schriftſteller Fabrikſktlaven der Buchhändler find. 
Die ‚Höhergeftekten in Deutfchland fhreiben wegen des 
Zumftgeiftes nicht; denn das Schreiben tft eine Befugniß 
ber Gelehrtenzunft auf den Univerfitäten und auf die 
außer diefer noch fchreidenden unzinftigen Gelehrten fieht 
man mit Serinofhägung hinab. Obgleich die Anfänge 
zu- einer: Befferung: diefes Zuflandes gemacht find, fo kann 
man doch behaupten, „baß der Schriftfteller noch nicht 
als folcher die Ehre hat, melde ihm gebührt, fondern 
wenn fie’ ihm werden foll, immer noch etwas Anderes, 
hoher Beamter, Hof»: und geheimer Rath fein muß”. 
Dazu kommt der Autoritaͤtsglaube, welcher des Genie, wenn 
es: nicht zuͤnftig if, das Emporfommen unmoͤglich madıt. 
„Wte, wenn Hegel, den man jest vergöt- 
tert, In feinem 32. Jahre nicht einiges Ver: 
nebgen erlangt hätte, würde feine Schule jegt 
extſtiren?“ Zu dieſer Zunftmäßigkeit, von welcher 
auch der noch nicht ganz vertilgte grobe und brutale Ton 
der pertodifchen Literatur eine Frucht war, gefellt ſich 
endlich noch das Misverhaͤltniß der Zahl der Schreibenden 
zu der ber Lefenden und ber Mangel der Parchefte. Diefe 
deretfche fabrikmaͤßig gefchaffene und an Muffe das Be: 
bürfniß weit üͤberſchießende Literatur hat endlich auf bie 
Bildung: folgenden Einfluß. Ste befördert: beven Aus: 
dehnung - und Verbreitung, 
Gehalt fehlen, was fie an Ausdehnung zu viel hat. Re: 
ligion - und Moral aber haben fidy keineswegs in dem 
Mauße gehoben, als die literariſche Bildung um fic ge: 
griffen "bat Dabei iſt der ſtaatsbuͤrgerliche Charakter ver: 
ändert, - indem ‚bie: neuere- Bildung nur als Dppofttion 
aufgetteten iſt, die Pietät zerſtoͤr und Neuerungsſucht 
und Misbehagen ‚herbeigeführt hat. 


maͤnnliche That ausgezeichnet ift. Und am Ende iſt noch 
das Eindringen der Schulgelehrfamkeit in die Lenkung der 


Stänten, welche allein der Thatkraft anvertraut fein folte, - 


laͤßt indeß an Tiefe und- 


Damit hängt bie 
Vetachtimg: altes Deſſen zufammen, was nicht fcientififche 
Befähigung hat und blos durch Willen, Gefinnung und 





und bamit das Misverhaͤltniß einer chineſtſchen Regierung, 


die Misgriffe fchulgerechter Whigs und aͤquilibriſtiſch kün= 


ftelnder Doctrinaires zu beforgen. 

So find denn die Refuftate bes Verf. auch bier troſt⸗ 
loſe: auch den geiſtigen Lbew⸗der e Menſchheit find "die 
biäherigen Fortſchutte nm Schehtte gum Verderben gewe⸗ 
fen. Wir möchten an bie Worte Lerminier's: „Dira-t-on, 
parceque la science sera plus r&pandue, le coeur sera 
plus Egoiste et moins devoue? Anathème sur une pa- 
reille idee! Ce qu'il faut, c’est que lintelligence vienne 
6clairer la _passion, et c’est dans cette sainte union 
que vous trouverez le rem&de aux douleurs sociales”, 
erinnern: - Dre Def. faßt bet Betrachtung bes geifligen 
Lebens, der Erziehung, der Wiffenfchaft, der Literatur 
nur die Auswüchfe und Misbildungen, an denen unfer 
Zuftand leidet, in6 Auge; und wahrlich, es wäre ſchlimm 
um uns beſtellt, wenn unter diefen fchadhaften Stelten 
kein gefunder Träftiger Kern läge, ber von ihnen niche 
zu übermältigen ift,. der fie vielmehr ausflofen und aus⸗ 
heilen muß. Manche Schäden dieſer Art, die der Verf. 
noch anerkennt, find bereit® gehoben. Die Erziehung fol 
nah dem antiten Principe blos Staatszwecken dienen 
und fomit eine von ber abfolut menſchlichen Bildung ver- 
fchtedene Bildung erzeugen. Jene antite Subordination 
bes Einzelnen und die moderne Erhebung bes Einzelnen 
zur abſoluten Selbſtaͤndigkeit find aber in civiliſirten Staa⸗ 
ten duch Aufhebung jenes Dualismus zwifdyen dem Staate 
und den Einzelnen, zwifchen Herrſchern und Beherrfchten 
fo gefchlichtet, daß es eine rein menfchlidhe Bildung gibt, 
bie nicht auch eine ſtaatsbuͤrgerliche wäre und welche alfo 
der Iegtern keinen Abbruch thut. Denn mit: dem eimjel- 
nen Staate ift ber Kreis, im welchem der Menſch fi 
bewegt, nicht gefchloffen: unter fi werben die Voͤlker 
duch die Einhelt der Gattung’ ihrer Individuen, durch 
ben gemeinfamen, den Volksgeiſt in fi aufnehmenden 
Menfchengeift gebunden und auch das Verhaͤltniß des 
Einzelnen zur Gattung ift fonah von ber Mechtsidee 
buchdrungen. Deshalb kann man den Kosmopolitismus 
— den freilich der Verf. mit der Polypragmofpune und 
potitifhen Kannegießerei zufammenmifcht — nicht verwers 
fen, fonbern wird ihn ale ein ſchoͤnes Erzeugniß des Chri: 
ſtenthums in Ehren halten müffen. So viel iſt freilich 
zuzugeben, daß mir nach dem praßtifhen Beduͤrfniffe noch 
immer auf die engern Kreife zu achten haben, fo fange 
in diefen unmittelbar fchmerzende Übel fühlbar find. Ebenfo 
wenig läßt fich das Entftehen einer Weltliteratur für ein 
Über haften. Goethe hielt es nicht dafuͤr. Das abſolute 
Mahre und Schöne iſt allen Menfchen gemeinſam und 
bedarf eines nationalen Anſtrichs. Der Verf. haͤlt auch 
bier nur die ſchlimme Seite feſt, er erblickt in der Welt: 
literatur nur ein ſchwaͤchliches Aufgeben ber Individuali⸗ 
tät und Nachahmen fremder Individuatitäten, weiches 
doch mit der Anficht‘ von einer Weltliteratur noch nicht 
fo nahe verbunden tft, als mit der verlangten Nationa⸗ 
lität der Literatur eine Verunftaltung ber Kunſt und Wit: 
fenfhaft durch Anſtreichen "mit ben Lanbeefarben jedes: 
Staates verbunden fen wuͤrde. 


1988! 


- Ungeachtet: dee bis -jegt gemaͤchten Ausſtellungen iſt 
das Urtheil fiber das Goͤtte'ſche Buch ein guͤnſtiges. Nie: 
manb wird. bafjelbe ohne Intereſſe und ohne. Belehrung, 
oder mindeſtens einen reihen Stoff zum weitern Nach⸗ 
denken zu finden, leſen können; und obgleich das Bud) 
die-Zuflände und deren bevorflehende Entwidelung meift 
zu fehr ins Truͤbe malt, fo iſt uns eine ſolche Richtung 
— bis zu einer Vermittelung dieſer Gegenfäge — body 
immer nod) lieber als die entgegengefegte flach optimi: 
ftifche, welche fein anderes Übel in der Welt erblidt als 
Tadel und Unzufriedenheit mit dem Beſtehenden. 102, 





Studentenleben in der erſten Hälfte des 18. Jahr- 


hunderts. 

As Leyſer im J. 1720 Prorector warb an der Unfverfität 
zu Helmflädt, lieferte er in feiner Antrittsrede: „Pauca de Aca- 
demiae Juliae malis illorumyue remediis” (Meditat. ad Pand. 
Bd. 13, ©. 2837 — 299) ein fo lebendiges Gemälde von dem 
damaligen Studentenleben in Helmftädt, daß es ſich in gar 
mancher Hinſicht wol verlohnen möchte, diefe Darſtellung wie: 


. ber aufgefrifcht zu lefen. Möge nun gleich Leyſer felbft ſprechen: 


„Ich war”, fagt er ©. 289, „in einer Nachbarſtadt mit 
einigen vornehmen und einflußreichen Männern bei einem Mahle. 
Einer davon erzählte, daß er einen Sohn habe, den er eben 
auf die hohe Schute ſchicken wolle, nur wife er nicht, welche, 
von den vielen in Deutfchland vorhandenen, die paflendfte fet, 
und, indem er fi an mich wendete, ſprach er: ‚Sie kommen 
mir gerade recht, fagen Ste mir doch, ich bitte Sie, aber auf: 
richtig, welche von den drei Univerfitäten, bie jegt vorzüglich 
in Anſehen ftehen, fol icy wählen, Iena, Leipzig, oder Halle?" 
Betroffen hierüber, jebocdy ‚meinen Verdruß unter Lächeln vers 
bergend, verfegte ih: „Sie hätten noch einer vierten erwähnen 
Sollen, naͤmlich der bier in der Nachbarſchaft befindlichen zu 
Helmftädt, die, wo nicht vorzüglicher, doch gleich zu achten iſt 
den drei von Ihnen genannten.’ „Wie?“ entgegnete 
mein Geſpraͤchsgenoſſe mit Heftigkeit, „Sie wollen ein Freund 


von mir fein und nehmen body keinen Anftand, mir den Rath 


w geben, das Wohl meines theuern Sohnes Ihrer Untverfität 
n Selmflädt, der allbefannten Syrte, an der ſchon fo viele 
Wohlgefinnte Schiffbtuch gelitten haben, anzuvertrauen ? ‘' 
Run erzäpite er, was ihm felbft vormals bort begegnet fei. 
Nachdem er einige Jahre auf einer ausländifchen hohen Schule 
verweilt, wollte er noch @in Jahr auf der Univerfität in Helms 
ſtaͤdt zubringen, bevor er eintrat ins Gefchäftsleben. Dort an: 
gelangt, fand er Aufnahme bei einem Manne, ber damals uns 
ter die Zierden der Univerfität gezählt wurbe. Froh über biefes 
gluͤckiiche Creigniß gleich beim Eintritte, glaubte er nun in als 
ĩen Stüden trefflich berathen zu fein. Sogleich nach der erfien 
Abendmahlzeit begab er ſich, feiner Gewohnheit nach, auf fein 
Zimmer zum Studiren. Kaum hatte er ſich an ben Tiſch ge: 
fest, als er Lärm hörte von einem auf ber Straße brüllenden 
und das Pflafter mit bem Hieber wetzenden Burfchen. Diefe 
auf den Univerfitäten nicht‘ feltenen Albernheiten Hätte unfer 
Mann allenfalls ſich noch gefallen Laffen Zönnen; aber nun ka⸗ 
men ſpornſtreichs die Kameraden herbei, pochten an feine Thür 
und fchrien: „Heraus, Burſche, bändige ben Übermath des 
Schreiers, wie fliehen bir beit’ Gr, der Neuangelommene, 


entgegnete: „Was geht mid das an, mich kennt ber Tollkopf 


gar nicht und Hatte auch nicht die Abficht, mich herauszufo⸗ 
dern.’ Drobend bagegen ferien die Andern: „Heraus, wir 
find deine Kameraden, wir müffen einer bem andern Helfen !’’ 
Rochgedeungen alfo und betrübt griff er nach dem Hieber und 
folgte dem voraneiimbeh Zuge. Die Sache lief jedoch biesmal 
beffer ab, als er gehofft Hatte. Der Nachtſchwaͤrmer naͤmlich 


wurde zurücgebrängt und nahm nad) einem kurzen Gefecht bie 


Flucht. Errungen war jo ber herrliche Sieg, und nun begas 


ben ſich die Andern, als wäre es unter ihnen ſchon verabredet 


gewefen, in die Kneipe, um dort Triumphiieder gu fingen, und ' 


zerzten unfern Dann, der keinen Widerſpruch wagte, mit ſich 


. dahin. Es ward tüchtig und bis tief in bie Nacht gezecht und 


endlich, bet Tages Anbruch, nach Haufe gegangen. Am an 

Tage ſtand unfer Dann, nachdem er den Raul ausgeflafen. 
auf und, noch mit wüften Kopfe, verwünfchte er alle Trink: 
gelage und gelobte, niemals einem ſolchen Commers mehr beis 
zumohnen. Aber der Unglückliche Tannte den Brauch (Burfchens 
Somment) unferer Mufenföhne nicht, bie Niemand in Ruhe 
laffen. Kaum hatte er fi) angefleidet, als ein Dienftjunge 
von einem von Denen, mit weldyen ex bie vergangene Nacht 
durchgezecht hatte, erſchien, mit ber Ausrichtung: Mein Herr 
läßt Sie grüßen und Sie bitten, bei ihm mit der übrigen ge⸗ 
ſtrigen Geſellſchaft den Kaffee einzunehmen.“ unſer Mann vdankte, 
indem er vorgab, er ſei unwohl. Auf dieſes kamen im Nu die 
andern Kameraden herbei und zogen den vergebens ſich Straäͤu⸗ 
benden mit fi fort, indem fie ihm im Kortgehen ein Mal 
um dad andere zuriefen: „Brüderchen, bu mußt dich zu ung 
balten!’’ Denn, was die Hauptfache ift und was ich früher zu 
fagen ſchmaͤhlich vergeflen habe, die Saufbrüder hatten gleich bei 
dem erften Gelage fammt und ſonders dem darob Erftaunten 


die Brüderſchaft aufgedrungen, nach der Vorfahren Braudy, ber, , 


wenngleid auf andern Univerfitäten beinahe abgelommen, auf 
der unfrigen noch heilig beobachtet wird. Doch nun wieder zu⸗ 
rück zum Geſellſchaftscirkel! Da ift von Wiffenfchaft, da if 
von irgend einer anftändigen Unterhaltung keine Rede. Den 
erften Gegenftand des Geſpraͤchs machte fogleich das Befecht von 
geftern aus, bad die Ginleitung gab zu weiterm Gefchwäge. 
Jeder ließ ſich befonders angelegen fein, feine Zapferthaten und . 
Zweilämpfe zum Ekel des Zuhörers im bramarbafivenden Zone 
herzuerzaͤhlen. Dabei ward wader getrunfen und nad dem 
Kaffee gutes Wein aus vollen Flafchen geleert, während vom 
Dampfe des Tabackrauchs das Tageslicht verbunkelt ward. End⸗ 
lich vüdte die Mittagszeit heran. Unfer Mann, froh, daß ex 
jest ſich losmachen ‚zu koönnen glauben durfte, fand auf und 
wollte fort. Aber einer ber Bramarbaffe, der am meiften We⸗ 
fens von feinen Großthaten gemacht hatte, vertrat ihm den 
Weg, mit ben Worten: „Bruder, Rahmittag befuche ich bich, 
forge dafür, daB wie gut bewirtbet werden.” Betroffen hiers 
über, wagte ber Arme weder Ja ‚noch Rein gu ſagen. Gein : 
Stillſchweigen wurbe für Einwilligung angenommen und gleich - 
nad) dem Mittagsefien fand fich der Baft mit mehren Andera 
ein. Es wurde wieder gezecht und Muſik herheigeholt, von bes 
ven Getös aufgefchredt exit alle Hauseinwohner herbeigelaufen 
kamen, fpäter aber einige vorübergehende Studenten angelodt 
wurden, bie Treppe binanfliegen und an bie Thür pochten. 
Der Bramarbas, der fi zuerſt ale Gaſt aufgedrungen, lud 
fie, nicht andere, ald wäre er bes Wirth, freundlich ein. Degt- 
wurben unfläthige Lieder gefungen und, fiehe dal mitten unter 
Sang und Klang hielt fi) einer der @äfte von unferm Mann 
beleidigt, fing Hänbel an und ſchmiß im, ehe ex ſichs verfah, 
das volle Glas ins Geſicht. Sogleich wurden bie Hieber ges 
zogen, aber nad) leichtem Gcharmügel die Kämpfer von ben 
Andern wieder auseinanbergebradgt. So verſtrich ber Tag und 
ein großer heil der Nacht und bie laͤſtige Saufgeſellſchaft zog 
endlich ab. Des andern Tags aber kamen einige davon, weiche 
für die Beherzteſten galten, wieder, erwähnten des geftrigen 
Haders, fodesten unfern Mann auf, fi) Genugthuung zu vers, 
ſchaffen und verhießen ihm dabei brüderlich ihren Beiſtand. 
Während hierüber gerathſchlagt warb, wurden abermals einige 
Flaſchen geleert und endlich der Beſchluß gefaßt, ben Gegmee 
zum Zweikampf herauszufodern. Nachdem diefer nidyt ohne Blut⸗ 
vergießen flattgefunden, Iud ber Gegner zum Zeichen der Aus⸗ 
föhnung unfern Mann mit den Secundanten ein zu fi, um 
von neuem zufammen zu zehen. Es mußte auch diesmal Folge 
geleiftet werden, und fo warb eine Zeit lang baffelbe Leben 
fortgeführt; Tag für Zag gab es neue Zufammenfünfte, neue 
Bcchgelage, neue Händel, neue Zweilämpfe, Deflen überdräffig, 





1464 


Mm nach Verlauf von etwa vier Wochen Helms 
a at feitdem —* gegen die Univerſitaͤt daſelbſt ge⸗ 


iten Widerwiilen noch nicht abgelegt.“ 
ſaß Run, an feine Zuhörer, bie Stubenten, ſich wenbend, lieft 


ber angehende Prorector biefen ben Iert. „Das Leben”, eifert. 


er (8. 292), „das ein großer Theil von Ihnen führt, meine 
Herren, ein zügellofed und liederliches Leben, ift allein Schuld 
daran, daß unſere Univerfität in üblem Rufe ftebt u. ſ. w. 
Hat doch fon Jemand — Id glaube ihn hier in diefer Ber: 
fammlung zu fehen — hierüber Klage führend bei mir, fehr 
paſſend das vorhin auf das neue Rom gedichtete Cpigramm: 
Vivere qui sancte eupitie, discedite Roms ; 
Omnia cum liceant, non licet esse bonum 
auf unfere Univerfität angewenbet’’ u. f. w. 

Im folgenden Sabre, nämli 1721, legte Leyſer das Pro: 
rectorat nieder und hielt bei diefer Belegenheit eine Rebe (a. a. O. 
©. 300 — 804), in weldyer folgende merkwuͤrdige Stelle (8.302, 
303) vorkommt: „Den wenigen’, redet er die Studenten an, 
„von Ihnen, meine Herren, bie fi durch fittliches Betragen 
und regen Fleiß vor dem gemeinen Haufen ausgezeichnet haben, 
will ich das verdiente Lob nicht verfagen. Die übrigen aber, 
welche die Mehrzahl ausmachen, mögen ſelbſt urtheilen, ob fie 
Lob, ob fie Dank verdienen. Glauben fie ſich deſſen würdig, 
fo laſſe ich mich, ihnen beiftimmend,, gern bapı bereitwillig 
finden, und dante ihnen hiermit, daß fie, mit Einer Toͤdtung 
zufrieden *), meine Amtsführung nicht mit dem Blute von zwei 
oder mehren Leichen befubelt haben; danke ihnen, daß fie, um 
mie die Unterfuhung zu erleichtern, vor meinem Haufe und 
vor meinen Augen Aufftände, Raufhänbel, Kiopffechtereien und 
tobenden Larm verübt haben; danke ihnen, daß fie nicht ab- 
gelafien haben von ber Lebensweiſe ihrer Vorfahren, nicht aus: 
geartet find von ihnen, und daß fie den Ruhm, unfere Uni⸗ 
verfität fei der Ausgelaffenheit Sid, ſorgſam bewahrt haben. 
Diefen Herren allen wünfche ich, ba mir Beſſeres nichts zu Ge⸗ 
bote ftcht, daß fie zu Verſtand kommen mögen‘ u. f. w. 2. 


— — — — — — — — ——— — 


Literarifſche Notizen. 


Über Mery’s „Les nuits de Londres” (2 Bbe., Paris) 
fogt ein frangöfifcher Kritiker: „Einige von Mery’s Novellen 
fragen wol ein englifches Golorit an ſich, aber die geringere 
Zahl; der Verf. ſcheint an der Aufgabe, die ex fih im Zitel 
geftellt hat, ermüdet zu fein, wollte aber doch bie beliebten 
wei Bände vollmachen und nahm nun Alles darin auf, was 
Tom gerade zur Hand war. Man darf biefe geiſtige Faulheit 
bedaueen, da der Verf. wol befähigt erſcheint, ein pikantes 
Gemälde der englifchen Bitten aufzuftellen ; die zwei ober brei 
Driginalftiggen im erften Bande feines Werkes bezeugen, fein 
Talent für die Caricatur. Mag ber Verf. auch ein wenig übers 
teeiben,, fo unterhält er doch; man gibt ſich gern biefer leichten 
Lecture hin, als einer Föftlichen Zerfireuung mitten unter ben 
lang gefponnenen und ermüdenden Slucubrationen der Tagespo⸗ 
Lit. Hrn. Mery mangelt es nit an Originalität, aber er 
ſchreibt in einer etwas lockern Weife, er legt feine Gemälde 
faum nur obenhin an, und das iſt um fo ärgerlicher, da man 
fühle, ex Eönnte es beffee machen. Hier und da begegnet man 
einzelnen Zügen von fatirifcher Kraft, welche den alten Mitarbeit: 
ter des Dichters Barihelemy wieder in bas Gedaͤchtniß bringen.’ 


Unter den neuen beiletriftifchen Erſcheinungen, welche die 
feanzdfifche Prefie lieferte, find zu nennen: „La course au 
elocher; le comte de Mansfeld”, von X. Zavergne (2 Bbe.); 
der zweiten der genannten Erzählungen iſt ſogleich der Stoff zu 
einem Drama entliehen worden, womit das Theater ber Porte 


e) Waͤhtend Leyſer's Prorectorat wurbe ein Gtubent von einem 
andern getoͤdtet. 


©t.: Martin wieder eröffnet wurde; „Los edies «(les hama) . 
roman &pique contemporain en six chanis, par A. G.”, me 
von in der Anzeige gefagt wird: „Der Berf. hat eine Epim 
aus dem letzten Bürgerfriege in Spanien genommen, um ik 
noch verhaßter zu machen und feine blutigen Ergebniffe mar 
kirter bervortreten zu iaſſen; bie Empfindungen, welche it: 
dabei geleitet haben, find glühende Waterlandsliebe, grenzenleie 
Ergebenheit für den conflitutionnellen Thron und bas Berlargen 
nach einem Zuſammenſchmelzen aller Parteien. Die WBelchnusg, 
nach der er geizt, iſt die Billigung der edeln Seelen.” Gemn 
erfhien von Paul be Kod: „L'homme aux trois culotts, 
ou la republique, l’empire et la restauration’’ (2 Be); 
„Hille, femme et veuve‘; „Adele Lauray”‘, von A. Arncult, 
Verf. des „Struensée“; ‚‚Deux histoires (Hercule hard, 
1772; Le colonel Surville, 1810)”, von & Sue (2 Be, 
zweite Ausgabe). Der Schlöfferliteratur, wenn biefer Auctend 
geftattet ift, begründet in Frankreich durch Gozlan, in Deutfds 
land durch Laube, fhließt fich an: „Souvenirs historiques des 

residences royales’’, von Vatout, erfiem Bibliothekar des Ki: 

nigs, Mitglied der Deputirtenlammer, wovon ber vierte Band: 

„Palais de Fontainebleau”, erſchienen if. Endlich erwähnen 

wir noch „„Melanges philosophiques, esthetigues et Jrtzeraires, 

de F. Schiller‘, zum erften Male überlegt von F. Bege. 


Die Brüder Pourrat haben ihre Bibelausgake in fünf 
Bänden, Überfegung von Genoube, mit gegenübergreradtem 
Zert der Wulgata, mit Abhandlungen, Gommentarm und cı> 
Märenden Noten über philologifche, geſchichtliche unb geogte⸗ 
phifche Punkte und über die Differenz ber heiligen Zerte, jegt 
befchloffen. Journale führen zur Empfehlung an, daß dieſe Anis 
gabe 7; Hrn. von Quäelen gebilligt und von bem Überfeker, 
ni enoude, Sr. Heiligkeit Gregor XVI. überreicht wer 

en fei. 5, 


. 


Bibliographie. 


Adami, Fr., Sonnenblumen. Almana orifcher unb 
moderner Novellen für 1841. Zter Jahrg. > Fans 
brande’fche Buchh. 1 Thlr. 16 Gr. 

An bie Deutfchen und insbefondere bie Preußen über ds 
Verlangen nad) Preßfreiheit in Deutſchland und nad ein 
Sonftitution im preußifchen Staate. 8. Leipzig, Einhorn. 8 €. 
.. Irving’s, W., Sketch Book. Mit einer Kinleitug 
über Irving’s Leben und Schriften und erklärenden Anse- 
kungen herausgegeben von E. A. Toel. Gr. 12. Lim 
burg, Herold u. Wahlstab. ı Thlr. 


Lambrecht ., Gebidte. 8. 
ae AA „H., Gedichte Dibenburg „ Edalge. 
Lindner, B., Sachſens große Erinnerungen. Ein Kris 


von Gedichten. 8. Leipzig, ©. 9. Reclam. 1841. 1 Ahu. 
mit Mir abaub, —* der at. Deutſch bearbeitet und 
nmerfungen verfeben. 8 8 , ©. b 
1841 3 Ehle- 8 Gr. eine, G. Migan 
ürnberger, J. E., Ernſte Dichtungen. „12 
Kempten, Dannheimer. 1841. 1 Zhlr. * en 9 
er Br Araber der RBahrpeite: Freund. Ein Bud ur 
gefelligen Unterhaltung von GE. und M. 16, 
hardt 18 2 0 Saflet, dee— 
aupad’s bramatifche Werke ernfler Gattung. 15Ster 
Band, 8 — — Soflmann u Gampt, 4 Ehe 12 Sr, 
e .Freih. v. ‚12. R 
Ic. 18 35 Freih. v., chte. Gr 
Aſchabuſchnigg, A. Ritter v., Ironie bes Lebens, 
Novelle. 2 heile. 8. Wien, Rohrmann. 1841. 2 Ihe, 
3ſchoke, Br, Der Raubritter Rino ober: bie Burg 
Pepsaenftein. Ritter: Roman. 8. PBripzig, Drokifh. 1881, 
E 


Berantwortliher Heraudgebers Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von J. A. Broddaus in Leipzig. 








Blatter 


‚für 


Titerarifde Un te rhaltu na. 





Montag, 











Uber Ludwig Tieck's Vittoria Aceorombona. *) 
Nicht eine Kritik ſoll es ſein, was ich in den folgen⸗ 
denn Blättern über Tieck's „Vittoria Accorombona” zu 
fagen gedenke, ſondern ein Verſuch, die dem Werke als 
Keim und Lebensprincip inwohnende Idee ſich ebenſo in 
reflectirender, wiſſenſchaftlicher Form entfalten und glie⸗ 
dern zu laſſen, als ſie ſich im ſchaffenden Geiſte des 
Dichters zu einem concreten und rein kuͤnſtleriſchen Bilde 
geſtaltet hat. Was auch ſoll einem poetiſchen Erzeugniſſe 
gegenuͤber, das ſich, wie das vorliegende, auf der Stelle 
ale ein echtes, großartiges Kunſtwerk ankuͤndigt, ſogleich 
der alte fplitterrichterliche Verſtand fich breit machen, er, 
der ungläubiger al® ein Thomas, auch dann nkht ein: 
mal an das Große und Göttliche glaubt, wenn er bereits 
feine Finger in bie Nägelmale und feine Hand. in bie 
wunde Seite gelegt. hat. Das iſt aber das traurige Schick⸗ 
Sal gerade der beften unter den Erzeugniffen der neuern 
Poefie, daß fie faft nirgend mehr ein unbefangenes, glaͤu⸗ 
diges Gemüth vorfinden, das fie in ihrer vollen Srifche 
und Lebendigkeit mit Wärme und hingebender Liebe in 
fih aufnimmt und welches Selbſtverleugnung genug be: 
figt, um fi einmal ganz in einem fremden Kunſtwerke 
aufgehen zu Jaflen. Da meinen fie, durch ein ſolches 
Sich⸗Hingeben an das Schoͤne ihre Freiheit und Selbſtaͤn⸗ 
digkeit zu verlleren, und bedenken nicht, daß gerade der 
Genuß des Schoͤnen mit der Empfindung der unbeſchraͤnk⸗ 
teſten Freiheit, mit einer Aufloͤſung aller beengenden Feſ⸗ 
ſein verbunden iſt, und daß umgekehrt die kalte Zuruͤck⸗ 
ziehung in ſich ſelbſt, das fuͤhlloſe Zuruͤckſtoßen alles neben 
uns Auftauchenden nichts iſt ale die Folge eines kleinen, 
engherzigen Egoismus. Man glaube nicht, als ob ich 
Hiermit jenem blinden Enthuſiasmus das Wort reden oil, 
der ohne ein Gefuͤhl für das Fehlende umd Mangelhafte 
zu behalten, überall in Staunen und Bewunderung zer: 
fließt und in enkomiaſtiſche Erelamationen und Phrafen 
außbricht, die in ihrer Hohlheit und Leere deutlich genug 
beweiſen, daß er, dei Kichte betrachtet, vom Schönen und 
Trefflichen nicht nrehr empfunden hat als vom Verfehlten 
und Mistungenen. Aber fo verkehrt dieſer iſt, ebenſo 
widerſinnig iſt es, am das Schöne nur mit dem kritiſchen 


*) Bgl. darüber eine vorläufige Anzeige in Nr. > * * 
‚Meb, 





Meffer gehen zu wollen, ald ob es überhaupt nur dazu 


da wäre, fich :operiren und, wenn es unter ungefchidten - 


Händen den Beift aufgegeben, gar ſeciren zu laſſen. Das 
Schöne will empfunden fein, und bdiefe wahre und innige 
Empfindung des Schönen fondert von felbft das Unſchoͤnt 
aus und verwirft das Häßliche, ſodaß in ihr die Kritik, 
wenn auch embryonifh, nothwendig mit eingefchlofien 
legt. Freilich laͤßt ſich innerhalb dieſer urſpruͤnglichen 
Empfindung der ſchoͤne Gegenſtand nicht beſprechen: denn 
jede Beſprechung ſetzt ſchon einen ruhigern, kaͤltera, bes 
wußtern Zuſtand voraus; aber wenn die Begeiſterung 
eine echte und wahre geweſen iſt, ſo kann ſie nie zu einer 
poͤlligen Kaͤlte umſchlagen und wird uns auch bei der ru⸗ 
bigern Betrachtung noch durchdringen, ohne daß dadurch 
anfer Blick umnebelt und uns bie unbefangene Anſchauung 
geraubt zu werden brauchte. 


So wird auch mir der Eindruck nie verſchwinden, ben 
„Bittoria Accosombona’ auf mic ‚gemacht. ‚Auf das 
Fiefſte ergriffen und erſchuͤttert, ‚fühlte ih mid) dad) zzu⸗ 
gleich im Imerſten befriedigt, Litterſter Schmerz aub 
KMeſter Genuß waren voͤllig verſchmolzen, gaͤnzlich Cins 
geworden in mir: wie ein eigenes großes Erlebniß ſtand 
das Ganze vor meiner Seele. Es iſt dieſer Reman ein 
gewaltiges und feiner Idee nach dis jetzt einziges. Kunſte 
wark. Wie ſchoͤn das Tragiſche ſei, das haben wol mit 
gleicher Kunſt und gleichem Effect auch andere Neagdr 
dien zur Anſchauung gebracht; aber wie tragiſch das 
Schöne ſei — das iſt noch nie von einem Dichter de 
wahr und fo poetiſch, fo ergreifend und fo verſoͤhnen 
bargeftellt, ja,e& ift wol noch nie zum eigentlichen ‚Gramd: 
gedanken «einer ſo großartigen Dichtung gemacht worden. 
Andere werben uͤber die Grundidee dieſes Werkes andets 
denken; man wird dem herrlichen Gedichte bald biefe, 
bald jene Tandenz unterlegen, wie es gerade den. Auſichten 
mad Gaſinnungen des Ginen aber des Andern .genahm.umb 
hequem iſt; wir aber will es ſcheinen, als nb es⸗ uͤbenall 
nur die Tragik des Schönen ſei, was: dem Dichtet 
618, begeiſtemde und leitende Uranſchauung. ner Augen 
gefchwibt babe, wenn ſich ihm dieſelbe auch nicht. in Ta 
abſtracter und hegriffsmaͤßiger Form, als in walcher ur 
es hier ausſprechen müflen, ſondern von nonmherein ff 
concretem, lebensvollem Bilde dargeſtellt bat. Es if als 
neuer, garigineller und hoͤchſt genialer Griff, den Riec 





hiermit in das Reich der tragifchen Ideen gethan. Sämmt: | 
liche tragifche Charaktere, die bis dahin von Dichtern er: 
fhaffen oder nur behandelt find, finden ihren Untergang, 
weil fie fich ſelbſt übernehmend aus dem Kreife des Schoͤ⸗ 
nen heraustreten, das Maß uͤberſchreiten, uͤbermůͤthi die 
Grenzen und Schranken, innerhalb welcher allein ein luͤck 
fuͤr ein beſchraͤnktes Weſen moͤglich iſt, niederreißen und 
ſo ſich ſelbſt dem Allgemeinen, dem Abſoluten in die ver⸗ 
nichtenden Arme liefern. Vittoria dagegen, der tragiſche 
Hauptcharakter dieſes Romans, geht unter, eben weil ſie 
burchweg ſchoͤn iſt, weil fie, wie groß und herrlich fie 
auch daſteht, doch mie fich ſelbſt vergißt, im Gluͤcke nie 
flolz und übermüthig, im Unglüde nie trogig und un: 
geduldig wird, fondern ſtets ſich in ben ſchoͤnen Grenzen 
des Ebenmaßes erhält. Freilich werben gar Manche fein, 
die auch hierin nicht mit mic übereinflimmen. Jene Eng: 
berzigen, die das Schöne nah den Vorurtheilen einer 
Heinbürgerlichen Sitte meffen, werden auch ſchon in ber 
Pittoria einen übermuth und eine Überhebung über fich 
ſelbſt, Über die Beſtimmung bes Welbes, Über die heilig: 
ſten Inſtitute des Lebens entdecken und darin den Grund 
erkennen, warum fie fich nicht hat behaupten koͤnnen, 
warum fie hat untergehen muͤſſen. Namentlich wird man 
eine Schuld auffinden in ihren Anfihten über die Ehe, 
in ber Art und Weife, wie fie fi dem Gardinal ars 
nefe ergeben till, und in ihrem erhalten gegen Peretti. 
Aber trifft denn ihre Abneigung gegen die Ehe die Ehe 
ſelbſt, d. h. die heilige, tiefe Idee derfelben? Richtet fie 
fich nicht vielmehr gegen jene factifhen Zerrbitder, bucch 
melche die Heiligkeit der Idee nur entweiht und gemis⸗ 
braucht wird? Entſpringt fie nicht gerade aus bem echte: 
fen fittlihen Principien, aus ber höhern Achtung ber 
Weiblichkeit und der richtigen Erfaffung bes gefchlechtli: 
hen Verhaͤltniſſes? Vittoria verſchmaͤht das eheliche Band, 
bis ein Dann fich finde, der ihr Achtung und Liebe ab: 
zugewinnen vermöge, und wer behaupten mollte, daß da⸗ 
mit der Ehe zu nahe getreten fel, wuͤrde dadurch zu er: 
kennen geben, daß er in ber. Ehe nichts fieht als ein rein 
commerzielles Sompagniegefchäft, abzweckend auf Kinder⸗ 
zeugen, gemeinfchaftliden Erwerb und gegenfeitige Affe: 
curanz. Was aber Vittoria's Bereitwilligkeit betrifft, mit 
der fie entſchloſſen iſt, den entehrenden Anträgen Farneſe's 
Gehoͤr zu geben, ſo zeigt ſich auch hierin nur die Groͤße 
und Kraft ihres Charakters, die Ruhe und Klarheit ihres 
Blicks, keineswegs aber eine Nichtachtung der Sittlichkeit 
oder Mangel an weiblichem Bartgefühl. Die Mutter 
verzweifelt und laͤßt ſich in ihrer Verzweiflung ſelbſt zu 
einer Verletzung der ihr angeſtammten Wuͤrde hinreißen; 
auch Caporale fieht Leinen Ausweg; von allen Seiten 
drängt das Ungluͤck heran, gleich ben fürchterlichen, ſchwar⸗ 
zen Geſtalten in Vittoria's Traume. Einbuͤßung alles 
Vermoͤgens, aller gewohnten Ehre, Blosgeſtelltſetn den 
Begierden und Verfolgungen eines wilden Wolluͤſtlings, 
Verluſt eines Bruders durch das Beil des Henkers, kurz 
eln klaͤgliches, jammervolles Geſchick, dem die ganze Fa⸗ 
mille anheimzufallen droht — das ſind die finſtern Aus⸗ 
fihten, wenn Farneſe's Antrag zuruͤckgewieſen wird, und 


unter ſolchen Verhaͤltniſſen faßt Vittoria ruhig und gefik 
den Entſchluß, ſich ſelbſt zu opfern, aus feinem anten 
Motiv, als ihre Mutter, ihre Gefchwifter vor dem bi= 
benden Elend zu retten, freilih mit Hinwegſetzung übe 
das Öffentliche Urtheil, aber über ein Urtheil, das nurem . 
Vorurtheil ift, das nur am Namen haftet, und weide ! 
eine ähnliche Opferung mit Lob und Bewunderung kroͤnen 
würde, wenn der Mann, dem PVittoria gegen ihre Nei— 
gung fich preisgeben will, ein folcher geweſen wäre, dr 
fie fih in Form Rechtens hätte antrauen laffen. Darm 
werden auch Diejenigen, welche in dieſer Bereitwilligkeit 
Vittoria's, mit Farneſe in ein uneheliches Werbälmiß zu 
treten, eine Schuld erkennen, an ihrer Vermaͤhlung mit 
Peretti nicht den geringften Anfloß nehmen, obſchon — 
wenn überhaupt bei einer fo hochherzigen Selbfkopferung 
von Schuld die Rede fein könnte — diefe Handlung ihrem 
abfoluten moralifhen Werthe nach von derjenigen, zu mel: 
her fih Vittoria bis jest nur entfchloffen gezeigt hatte, 
niht um ein Haar breit verfchieben ift. Dagegen möchten 

Manche — denn der Moraliemus nimmt wunderliche 

Richtungen — infoweit mit ihren Anklaͤgern tbereinitin: 

men, daß fie in ihrer Geringfhäsung Peretti's, im ihrer 

Auflöfung des ehelichen Verhaͤltniſſes eine Schuld erfen- 
nen, oder, wenn fie wirklich hierin bie Stimme der tie: 

fer liegenden Sittlichkeit anerkennen follten, doch einen An- 
griff wagen gegen ihre Liebe zum Herzog Bracciano. Frei 
lid, werden fie fagen, bat fie fi vor dem legten Schritte 
gehütet, aber fie bat doch ihrer pflichtwidrigen Neigun; 

Raum gegeben, hat gefliffentlich diefelbe genaͤhrt, bat im 

Geliebten Geftändniffe und Zugeftändniffe gemacht, us! zur 

weiß, ob es nicht mit ber Zeit doch noch zum legten Shan 

gelommen wäre. Was fol man darauf ermwidern? Iqh 

denke: wer nicht im Stande ift, gerade in dieſer Liebe, die 
auf der einen Seite ganz Hingebung, ganz Berauſchung 
auf der andern ganz Zurüdziehung und Enthaltfantei 
ift, ben hoͤchſten Adel, bie echteite Würde der TBeibit 
keit zu erkennen, ober wer ed gar wagt, dieſes reinfte Bir 
der Unfchuld mit feinen Anfchuldigungen zu befubdeln, de 

ift keiner Antwort würdig als jener, bie Vittoria fehi 
ihrem Bruder Ottavio gibt: „Wie tief ich dich verachte, 
kann ich nicht ausfprechen!” Vom poetifhen Stanbpunft 
koͤnnte man fich folche Anfchuldigungen gar nicht moͤglich 
denken, wenn wir nicht ähnliche, bie der „Junge Tiſchlermei⸗ 
ſter“ von Ziel hat erfahren müͤſſen, bereite erlebt haͤtten. 
Denn das {ft die wunderliche Doppelmaske unferer Zeit, 

daß fie nach der einen Seite hin ber nadkteften, ſchamlo⸗ 

feften Immoralität, bier aller Sitte und Grazie entkleide⸗ 
ten Lüberlichkeit luͤſterne, freche Blicke zumirft, während 
fie von der andern Seite ein rigoriſtiſches, geoßinquifite: 
riſches Geficht ziehe und über‘ jede Regung des Derzens, bie 
fie mit den ſtarren Paragraphert der in Ihr fleinernes Heu 
gegrabenen Gefegtafeln nicht in Einklang bringen kann, 
das fanatifche Kreuzigt ihn‘ ausſpricht. Beſtaͤnde bie 
Sittlichkeit blos in einer Schonung und vorſichtigen Be 
obachtung der gefrglichen Formeln, fo müßte oft der ab: 
gefeimtefte Boͤſewicht, dee ſchlau genug ift, fih um biefe 
Formeln berumzufchleichen, fittliher fein als Einer, der 





-- — 


1467 


ine heiligem Eifer fire das Wahre und Gute einige ber: 
felben umflößt und zertrimmert. So leicht verleglich bie 
Sefege find, fo verfteht doch ein Gaukler zwifchen Ihnen, 
wie zwiſchen Eiern, noch fehr wohl einen Ciertanz auf: 
zuführen, fo frivol und obſcoͤn, als irgend einer fi) den⸗ 
ten Läßt, und doc, keines der Eier auch nur berührend, 
indeß "ein echter Taͤnzer trog aller Würde und Grazie 
gerade in feiner künftlerifchen Begeifterung eins oder das 
andere zertritt. In Bittoria’g Liebe ift kein Jota finn- 
Sicher Luͤſternheit; fie ift ganz Geiſt, ganz Seele, obfchon 
nicht fo ſchemen⸗ und fchattenhaft, daß fie nicht fühlte, 
wie der pfochifche Enthufiasmus in feiner Höchften Potenz 
auch den Körper mit fortreißen muͤſſe. Sie fühlt dies 
und dennoch verzichtet fie darauf, nicht weil fie in der 
Sache feldft etwas Sündliches erblidte, fondern aus ben 
ceinften, edelften Motiven und Im Gefühle ihrer weiblichen 
Kraft. 

Du wirft mich verftehen, Geliebteſter — fo fpricht fie fich 
zu Bracciano felbft darüber aus —, mein Herz, meine Seele, 
alles mein Wünſchen ift bein; wie kann es anders, wenn mein 
Eigenfinn es auch felber wollte. Die unbebingte Hingebung iſt 
der Liebe Alles, das habe ich erft erfahren, feit ich dich kenne. 
Inbrünftiger Wunfh, Wonne und Paradies iſt mir mit dir 
jene WBereinigung, die ich fonft mit Grauen betrachtete. Aber 
— iſt denn nicht in der Liebe auch ohne diefe Vollendung das 
böchfte Glück? Jeder Blick von dir iſt meinem Herzen ein Gruß 
aus dem Himmel, jedes Wort eine Offenbarung und jeder Drud 
der Hand eine felige Gemeinſchaft ber Geiſter. Wäre ich frei, 
Theuerſter, id) käme beinem Wunſche entgegen, ja, ich koͤnnte 
mit mitleidigem Lächeln auf die Welt herniederfchen, wenn fie 
mich deine Buhlerin nennen würbe: aber ich habe meiner Mut: 
ter, bem Garbinal und dieſem Peretti mein heiliges Wort, mein 
feierliches Verſprechen gegeben, niemals zu freveln, niemals biefe 
Untreue und Schwachheit mir zu Schulden kommen zu laffen. 
Sowie die Sachen In der Welt ftchen, muß ich bem guten, 
«deln Montalto mein Berfprechen halten, ich darf ihn und 
meine Mutter nicht auf diefe Weife kränken. Du glaubft nicht, 
von welcher Schmach uns Montalto durch feinen Edelmuth, 
durch. diefe traurige Bermählung erlöft bat. Wäre ich frei und 
ungebunden, fo wäre ich dein. Siehe, ich habe dir jest mit 
meiner Liche auch die Wahrheit gegeben. 

Und fo fpriche fie ſich, als Bracciano’s Liebe fie aber: 
mals bedrängt und fie zur Flucht oder Scheidung bewegen 
win, noch einmal aus, mit derfelben Ruhe, bderfelben 
frommen Ergebung, derfeiben Wärme und Innigkeit. 
Und nachdem fie eben diefe Seelenſtaͤrke eines erhabenen 
Weibes entwidelt, uͤberlaͤßt fie fih wieder den barmlofe: 
ſten Taͤndeleien und zeigt fi als ein fo einfältiges, un: 
ſchuldiges Kind, daß man fieht, mie auch die ideale Ver: 
ſenkung in jene Vereinigung keine Regung finnlicher Luft 
in the aufgeweckt hat. 

Recht To, mein Liebfter — fagte fie lachend, als Braceiano 
Te gedroht, fie wider ihren Willen zu entführen —, ba geras 
then wir auf die vechte Bahn. Und fo veiften wir benn und 
reiten Arm in Arm in das Unendliche fort und fort, bis alle 
Bettern und Bafen weit, weit hinter uns lägen, und wir lanbeten 
dann an einer unbewohnten, unentbedten Infel im flillen Dcean, 
obne Menſchen, hoͤchſtens mit einigen Affen bevölkert. Palmen: 
wein, die füßeflen Brüchte, die herrlichftien Blumen, Alles 
wüchfe uns freiwillig entgegen , die Jahretzeit ein ewiger Fruͤh⸗ 

ling — nun entdedfen wir plöglic einen alten, aber fehr men: 
fſchenfreundlichen Zauberer. Gene Kunſt, alle feine Geifter 
ftänden uno zu Gebote, er hexte uns immer Speiſe und Trank, 


wohlf: i 
von d ı 
ris ge‘ 
in Di ı 


„Rai ı 


Unter ı 


' 1468 


heißt es beim Wintermant: Czu nuwen meren schribet man 
ns alsus | Dz in die turcky der mechtige charamannus | Der 
etwan den konig von cypern hatte gefangen | Deshalb ym 
‘as kongrich must langen } Czins vnd tribut all jar'] Seolichs 
habe er en’ gelediget offenbar '| Vnd ist widder den grossen 
“(ürken bereit‘ | getrulich zu helffen die cristenheit | Derzu 
f;chribt man vns vorbas | wie die grois turke vs gezogen 
‚was | In die Sirphle (Servien) mit siner stercke n. T. w. 
Der Friede Karaman’s mit dem König von Gypern und die 
Grobsrung Gerviens "durch bie Tuͤrken war aber 1454, alfo erſt 
ein Jahr vorher, gefhehen. Ferner tft die Auffoberung an die 
Kürten zum Türkenkrieg beim Hlanmant an ben W30 von 
Burgund, beim Apprile an ben König von Fran , und 
‘beim Brechmant an ben Dauphin von Frankreich gerichtet, 
daher ſich erfiärt, daß die Schrift auch nach Frankreich unb 
Burgund geſandt worden, befonders wenn, wie fi} wol ans 
nehmen läßt, es auch Tatefnifche Ausgaben davon’ gegeben ha: 
ben follte. Es flünde alfo diefe Nachricht ganz in Merein⸗ 
Mimmung mit ber in der Abhandlung: „Gutenberg und feine 
Mitbewrrver“ (in Raumer’s „Hiſtoriſchem Taſchenbuch“, 1841) 
‚gegebenen Darftelung und es beflätigte ſich dadurch nur noch 
mehr, daß bie wenige Bogen ſtarken Producte der deutfchen 
und nieberländifchen Briefdrucker, wie die Pfiſter'ſche „Manung“ 
(novissime gesta Turcorum) unb bie harlemier Drude einiger 
von den, ©. 659 biefer Abhandlung genannten Beinen Schrif⸗ 
Am des AÄAneas Sylvius, Zurresremata und Anderer (recentia 
:doctorum) ſchon in Frankreich und in den Niederlanden ver: 
breitet waren, ehe die großen gedruckten Bücher der erften malns 


ge en Typographen dahin gelangten. Je wichtigerinbefien , 
oem ⸗ 


Bochet die gemachte Entdeckung erſchien, um deſto 

"weniger hätte er unterlaffen follen, näher angugeigen, in wel: 
(dem Monuferipte er bie Randbemerfung de But's fand, und 
‚welche Art der Interpretation, nad Maßgabe Defien, was 
diefer noch fonft darin notirt hat, auf obige Stelle anzumenden 
iſt; denn, fowie die Sache liegt, Eönnte man wol zweifeln, 
entweder, ob die Worte übroram impressores richtig gelefen 
find, ober ob, dba jene Bemerkung erſt nach 1460, wo be But 
Mönd in Dünkirdhen wurde, gefchrieben ift, biefer nunmehr 
eläufig gewordene Ausbrud nicht von ihm rückwärts auf ben 
:Handfchriftlidden Verkehr mit Büchern und Gcheiften angewandt 
"worden ift, che noch von ihrem Drud die Rede war; eine Un: 
genauigkeit, von der fich bei gleichzeitigen Gchriftftelleen noch 
‘andere Proben leicht würben aufweiſen kaflen. 
. Sormaun. 





Mancherlei. 


Der Phyſſker weiß mehr als die Maſſe des Volks, näm⸗ 
ih vom Magnetismus, von Cleltricität, Galvanismus, von 
Thermometern, Barometern, Dämpfen, Luftarten a. f. w. 
Mit dem Metaphyſiker iſt's umgekehrt, er weiß weniger als 
„ale Welt und der Katechismus von Schöpfung des Menſchen, 
‚vom Sündenfoll, von Erlöfung, Auferfiehung u. f. w. Geſetzt 
‚au, die Metaphyſik ſpricht von einem radicalen Böſen, fo 
‚Tann file doch Keinen rechten Urfprung deffelben angeben, und 
ebenfo wenig volftändigfte Heilung des fündigen Zuftandes vers 
ſprechen; geſetzt auch, fie lehrt eine perfönliche Unftecblichkeit, 
was fie nit immer thut, fo weiß fie doch nichts Rechtes über 
Simmel und Hölle, Gericht und Richter zu fagen. Theologen 
Fr fi deswegen gegen den bloßen Nationalismus, der 
nichts Anderes fein wird als philoſophiſche Metaphyſik; denn 
diefer trachtet Ihnen ihren Mehrbefig zu rauben. Sagen fle 
ſich aber gänzlih von ihm Los, fo befommen fe a viel, und 
die Maſſe des Volks erwirbt Leicht noch mehr Wiſſenſchaft als 
fie felber von himmliſchen Freuden und hölltfchen Leiden, von 
Hülfeleiftung der Mutter Gottes und der Deilfgen, von guten 
und böfen Geiſtern und von deren Thaten. Sie baben alfo 
Urſache, ihren Überfluß zu vermindern, die rationaliftifdh = mes 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Druc und Berlag von F. 4. Brodhaus in Beipzig. 


‚Guten, was das Gebiet.der#'rauenkrankheiten betzifit, zu zie- 





taphyſiſche Armuth fich als Welfpiel der Mäfigung bien z 
taſſen und ber Anbäufung bes Wiffens eine’ zu 
hun fie dieſes nicht, fondern Yarmeheen Ihren. Müeichthum v⸗ 
aus. möglich, baun muß ihnen .bie Adienmation bes 16, ie 
yubet ein verkehrtes Unternehmen bün welde der * 

ahrhunderten angehaͤuften Wiſſenoſchat verkteinerte und < 
ſtoliſche Genugſarkeit empfahl. 


In Kirchenliedern ſolen drei Dinge vereinigt werde 
Dogmatik, Poeſie und Erbauung. Run gibt es bogmeris, 
Lieder ohne Poeſie und Erbauung, poeifde ohne Dosm:z 
und Erbauung, erbauliche ohne Poeſie und Dogmatil, ser « 
mifchen ſich diefe Eigenſchaften wiederum anders. Biele Mir. 
fhen werben erbaut durch bloße Dogmatil chue Porfie, wm 
biefen Gharalter tragen viele Kirchenlieder; andere Wiendgo 
wollen Poetifches und halten das blos Dogmatäide unet:: 
lich; noch andere erbauen fi an matten Klärigen und frage 
wenig nach Dogmatik unb Poeſie. Wie fol man Licderiomm: 
lungen einrichten für Alle7 


Die Philoſophie der Menſchen iſt eine Ironie auf ſich ſeldi 
Sie möchte wol, aber Tann nicht; fie ſucht wol, aber finte 
nicht. Am meiften erhellt dies bei jenen Ehren, welche Au 
ergründet zu haben vorgeben. Da man Eee Kosmolcgie uns 
Anthropologie nad Wunſch befigt, fo bilket man licher eine 
Theoſophie. Verwüchfen nicht gewiſſe Verkehrtkriten und Wun⸗ 
berlichleiten ber Menfhen von Jugend auf wit Einem (ütker, 
fie müßten im bhöchften Grade auffallen und in ihrer Rutzioſig 
feit erkannt fein. So auch bei den Phllofophen die Gerokz- 
heit des Anfangs von oben, da der menſchtiche Geik far 
von unten fi einigermaßen zurechtfindet unb dann zur Ei | 
binauffchaut. 


Wer ober was iſt Bott? Der unſichtbare Freund za 
Gele, der alle Bebanten weiß und begleitet, ein Gegenfes 
der innigften Freude oder bes tiefften Erſchreckens, cin Grm 
der Zuverfiht bei dem Wanken und Schwanken Des krias, 
eine Quelle des Dantes, der Beruhigung und Doffuum. Exık 
du, er fei in dir, fo haft du Wahrheit gefprechen, weil er wie 
gend außer dir zu finden; ſagſt bu, er fei nicht du Fi, fı 
ift es Wahrheit, denn ex ift viel Höher, veiner und grwaltie 
als du, was bein Gedankenumgang mit ihm dich getehr: habe 
muß. Wird im menſchlichen Herzen der Umgang mit Se 
aufgehoben, fo iſt es wüfte und leer, obne Freude, Zuverfdt 
und Troſt. 50 











. 





Literarifhe Anzeige, 
Durch alle Buchhandlungen .ist gu, erhalten: 


Ansalekten für Frauenkrankheiter, 
oder Sammlung der vorzüglichsten Ahaus 
lungen, Monographien, Preisschriften, Disser 
tationen und Notizen des In- und Auslands 
über die Krankheiten des Weibes und über 
die Zustände der Schwangerschaft und des 
Wochenbettes. Herausgegeben von einem Ver 
eine praktischer Ärzte. .Erster und zweite 
Band in 8 Heften. Gr. 8. Jedes Hlefi 16 Gr. 


Aus der imser stärker anachwwellemden Rlut. snedicänischer 
Schriften eine Sammlung alles. Gediegenen, Brauchbaren exd 





hen, ist der Zweck der Herausgeber. Nie wellen dem prak- 

tischen Arzte für einen geringen Preis viele Werke ersetzen. 

aus denen er das. hier (sesammmelte selbst: schöpfen müsste. 
Leipzig, im December 1840. 


M . A. Brockhaus. 








Blatt 


für 


Literarifde Un 





Dienflag, 





Über Ludwig Tieck's Vittoria Accorombona. 
(Fortfegung aus Nr. 363.) 
ie aber, wird man einwenden, wenn fie, fomeit dies 
von einem Sterblihen behauptet werden kann, durchaus 
unfchulbig ift, wodurch laͤßt fi) dann ihre Untergang vor 
dem böhern Richterſtuhle rechtfertigen? Erſcheint er nicht 
als eine rohe Gewaltuͤbung ohne Zug und Recht, ohne 
Anerkennung des Buten und Schönen? Erfcheint nicht 
fo die herifchende MWeltregierung, die waltende Gottheit 
als ein blindes, neibifches Fatum, und darf ein Dichter, 
in dem bie chriftliche Meltanfchauung. lebt, von einer fo 
troftlofen Idee Gebrauch) machen? Es wären dies alles 
ganz gerechte. Einwendungen und Vorwürfe, wenn nicht 
der Dichter, wie volr oben bereit angebeutet, einen neuen 
Bil in die tragifhe Welt eröffnet und auch bie im 
‚ Wein: Schönen liegende Tragik aufgedeckt hätte. Denn 
wenn einerfeit der tragifche Keim in alle Dem liegt, 
was übermüthig über die Schranken hinausgeht und fi 
ſelbſt als das Unbedingte und Abfolute fegen möchte, fo 
muß er, wie wir, der Sache tiefer nachbentend, nothwen⸗ 
dig annehmen müffen, umgekehrt auch in Dem verftedt 
fein, was fich gänzlich von jenem Übermuthe, jenem Sid): 
ſelbſtvergeſſen frei erhält, weil es eben durch feine Selbft: 
begrenzung, durch feine Abgefchloffenheit in ſich ſelbſt eine 
Selbſtgenuͤgſamkeit ausdruͤckt, die ebenfalld nur dem Ab⸗ 
ſoluten zukommt und die daher an jedem Einzelwefen nut 
eine in fich haltloſe Ufurpation fein kann. Daher bie 
WVercrgaͤnglichkeit und Hinfaͤlligkeit aller ſchoͤnen Erſcheinun⸗ 
gen, daher die kurze Dauer jedes harmoniſchen, vollkom⸗ 
mene Befriedigung gewaͤhrenden Zuſtandes. Die einzelne 
Erfcheinung kann ſich einmal nicht dauernd mit dem AU, 
mit dem Abfoluten im Einklang erhaltet; ja, daß’ fie ale 
Einzelnes, wenn auch nur vorlibergehend, das Abſolute 
zu repräfenticen, ſich ſelbſt als folches zu fegen. fucht, muß 
: dem Abſoluten als eine: Anmaßung  erfcheinen, gegen 
weldye es nothwendig reagiren: muß. So: mefteht zwiſchen 
‚ dem Schönen und dem Abföluten ein Kampf, ein Com: 
flict,, der nicht anders als mit einer Aufloͤſung des Schd: 
nen In das Abfolute, mit einem Untergange ber ſchoͤnen 
Erfhenung als Erſcheinung endigen kann. Es könnte 
(einen, als Liege In ber Armahme eines foldyen Stand: 
punftes des Schönen zum Abfoluten etwas Troſtlofes. 
Mas lohnt es fih, kann man fragen, mit ſchoͤnem Eben⸗ 





—— Ri. 364 


maße 
begrer 
dieſer 
rigen 
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ſolche 
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um : :' 


liche Gottheit ſteht fie vor uns ba, im fich ſelbſt befriedigt 
und abgefchloffen. Was fol fie noch in der Welt? Und 
was fol die Welt noch mit ihr? Die Welt fühle ſelbſt, 
dag Vittoria Ihr entwachſen iſt, fie erkennt in ihr ein 
fremdes, höheres Weſen und mag es nicht mehr in fi 
dulden. Im Gefühle ihrer Unvollkommenheit ſcheidet fie 
das Vollkommene von fih aus, für fih nur in Anſpruch 
nehmend, was ihr gehört: den Stoff, bie Erfheinung. 
Je ſtaͤrker die Welt Vittorien gegenuͤber ihre Nichtigkeit 
empfindet, um fo getwaltfamer fucht fie ſich derfelben zu 
entledigen. Sie bebient fich dazu als Inſtrumentes einer 
Mittelsperfon, die ſich fo recht in ihrer wiberfprechenden 
Stellung zum Schönen repräfentirt: bed wilden Luigi 
Orſini. Erſt nach dem Schönen luſtdurchgluͤht verlan⸗ 
gend, dann es haſſend, verfolgend und zerſtoͤrend — ſo 
zeigt ſich Orſini und fo charakteriſirt ſich die rohe Sinn: 
lichkeit, die, weil fie das Schöne ſelbſt nicht erringen kann, 
ihm endlich rachſuͤchtig wenigſtens Das wieder zu entreißen 
fucht, was fie ihm geliehen hat: die irdiſchen Schäge und 
den fchönen Körper. Und das Schöne fühle felbft, daß 
e6 der Welt dies Opfer zu bringen bat. Im göttlichiter 
Ruhe überliefert Vitoria ihren finnlihen Theil den hab: 
-gierigen, rachſuͤchtigen Anfprüchen ber Sinnenwelt. Es 
erfüllt fich ihr nur eine Langgenährte Ahnung, fie erfennt 
es als ihr unvermeidliches Schiäfal, und mit Ergebung 
enthält fie felbft dem Dolce ihren fchönen, dem Tode 
verfalfenen Leib. So geht Vittoria allerdings an der Ver⸗ 
worfenheit ber Außenwelt unter, aber e8 wuͤrde dies nicht 
möglich gewefen fein, wenn nicht auch in ihr ſelbſt ein 
tragifches Motiv, nämlich bie Präoccupation einer voll: 
tommenen Harmonie und Abgefchloffenheit gelegen hätte, 
und Laube, ber fonft diefem Kunſtwerke große Bewun⸗ 
berung zollt, bat daher nicht Recht, wenn er in biefer 
Beziehung fagt: „Leider entfpricht der tragifhe Ausgang 
mehr der allgemeinen Roheit und Verwilderung des Zeit: 
raums als dem Begenfage zu Vittoria's perfönlicher Welt 
— ginge fie um deswillen zu Grunde, daß fie eben Vit- 
toria, eine duch Naturell und Princip eigene Frau fei, 
fo gerwänne der Roman eine großartige Einheit.” Diefe 
großartige Einheit befigt vielmehr, nach unſerm Sinne 
gefaßt, dieſes Kunſtwerk im hoͤchſten Grade, und wie wir 
biefelbe als zwiſchen ber Hauptperfon und ihrem Schid: 
fat flattfindend nachgersiefen haben, fo wollen wir zu 
zeigen verfuchen, daß fie auch über allen Nebenfiguren 
amd über der ganzen hiſtoriſchen Entwidelung und poetifchen 
Darftelung ſchwebt. Ale Nebenfiguren nehmen zu Vit⸗ 
toria als zu ihrem Mittelpunkte den natuͤrlichſten und 
nothwenbigfien Standpunkte ein, fie verhalten ſich zu ihr, 
wie fih bie Umgebung zum Schönen verhalten muß. 
Mir Einnen fie am einfachflen in zwei Gruppen ſondern, 
nämlich in ſolche, die zu ihr vorzugsweife im confoni: 
renden, und folche, die zu ihr überwiegend im diſſoni⸗ 
senden Verhaͤltniſſe ſtehen. 
Das Verhaͤltniß der Conſonanz iſt entweder ein all⸗ 
gemeines oder ſpecielles. Um das Schoͤne verſammeln 
ſich die Freunde des Schoͤnen, und das Schoͤne bedarf 
dieſer Umgebung, weil es erſt in ihrem Reflex zum effecti⸗ 


ven, lebendigen Daſein gelangt, gleichſam aus ber Kuec⸗ 
penhuͤlle fich zur Bluͤte entfaltet. So finden wir Witteriz 
im Kreiſe von Künftlern und Kunſtfreunden, bie fich az 
ihrer phyfiſchen wie pfuchifchen Schönheit erwärmen u) 
daffr wieder ihrem Herzen und Geiſte bie nöthige NRat- 
rung geben. Wir finden bier zunädft den gemuͤthliches 
Gaporale, einen warmen, vertrauten, leidenſchaftsloft 
Freund des Schönen, ben Tied als ein hoͤchſt freundli⸗ 
ches Bild uns bingeflellt Hat. Es will mir fdheinen, 4 
ob in ihm Tieck eine feiner eigenen Lieblingsrichtunge 
gezeichnet habe: jenes innige, befchauliche Anfchmiegen an 
das Schöne, fern von jeder felhflfüchtigen Luſt, reine 
Zärtlichkeit, reines Wohlwollen, mit dem geliebten Ge 
genftande harmlos fcherzend, ihn liebreich haͤtſchelnd und 
in der Zeit der Noth beforgt feine Hände über ihn brei- 
tend. Wir finden hier ferner den fhon feinem Verhaͤng⸗ 
niß entgegengehenden Tocquato Taſſo ale eine noch fchöne, 
wohlthuenbe Erfcheinung. Zwiſchen ihm und Vittoria 
drückt fich fo recht das Wechfelverhältnig bes Dichters und 
bes Schönen aus. Gegenſeitige Verehrung und Bewun⸗ 
derung, Empfangen und Gewähren, und enbüd bie in- 

nigfte, keuſche Verfchmelzung, Einswerden in einem Tüßen, 
rein poetifhen Raufche. Außer biefen beiden werben ned 
manche andere Beziehungen angedeutet, 3. B. des gefäl- 
ligen und galanten Grafen Pepoli, bes firengen Speton 
Sperone, des eiteln Malafpina u. f.w., welche bald mehr, 
bald minder auch in die DVerwidelung ber Babel einge 
flochten find. Concentrirt aber werden diefe verſchiedener 
allgemeinen Berhältniffe in dem einen beſondern, melde 

der Herzog Bracclano zu Bittoria einnimmt. Es ik du 

Verhaͤltniß der gegenfeitigen Liebe, und erft in bidm 
erreicht das Schöne den Zweck feines Dafeins, feine let 
und hoͤchſte Beflimmung; in ihr erſt gehen Die beiden 
Elemente des Schönen, Idee und Erfheinung, völlig in 
Eins auf, und nad ihr firebt daher Alles bin und mit 
ihr iſt Alles abgefhloffen. Das Vittoria gerade einen 
Mann wie Bracciano liebe, ift wieder auf das Tiefſte 
der Hauptidee begründet. Die vollendete Weiblichkeit kun 
nur in ber vollendeten Männlichkeit ihre Ergänzung fir 
den, und Bracciano bat alle Eigenfhaften, die einen 
Mann im vollen Sinne des Wortes harakterifiren. Den 
diefer Seite faßt ihn auch Vittoria von Anfang an auf, 
und ehe fie nod Näheres über ihn weiß, ehe fie im ihm 
einen andern als ben fremden, unbelannten Don Gin 
feppe kennen gelernt bat, fühlt fie fich von ber Adgemalt 
der Liebe zu ihm durchdrungen. 

Ah, Freund — fagt fie zu Saporale am Tage nach ihrem 
erften 3ufammentreffen mit Bracciano — ich habe die gank 
Nacht nicht fchlafen koͤnnen, und wenn ich auf Augenblicke cin 
fhlummerte, fo fanden bie Bilbniffe der alten Heroen vor mei: 
nen Augen. &o hab’ ich body wirklich einen wahren, wirkli⸗ 
hen Mann gefehen ! 

Nicht die äußere Seite feiner Erſcheinung iſt es, was 
diefen unbezwingbaren Eindruck auf fie gemacht. Er iſt 
fhon im vorgerüdten Alter, er befigt nicht mehr bie an: 
lodenden Reize der Jugendlichkeit. Aber wie denkt Pit: 
toria darüber? 

Wer ift denn jung? — fagt fie — Iſt es benn etwa mein 











41 


wrättes, laͤngſt geftorbenes Mannchen, dieſer Peretti, teil ex | fehe 
blonde Haare und rothe Wangen Hat? Ale fpredden immerbar | er f 
von ber Unfterblichkeit, von ber hoben Würde ihrer Seele, und 
geben dann doch dem Kielde, dem rohen Überzuge ben Vorzug, 
Jugend! tft fie nicht eine Einwohnerin des Himmels und ber brüd 
feligen Geflive? Laͤßt fie ſich denn in trägen Gefühlen und als | feine 
bernen Sedanken beherbergen? — Ic kann es jegt ahnen, wenn | ihn 
auch nicht verfichen, was die Liebe zum Manne fein möchte. recht 
Und wenn mir biefe Viſion, die Botterfcheinung , nahe tritt — 
wer bat ein Recht, fe zurücguhalten? Wer tft es, der fobern | f&eir 
darf, ich fol mid von biefer Weihe abwenden? Weshalb? L 
Wem habe ich es verfprocdhen, mir oder ihm oder Bott, daB | ober 
ich dieſen Beinen Francesco lieben wi? Lieben? Als hätte ih | wir 
nur gewußt, was das Wort zu bedeuten habe! durch 
So bringt fie ſich ſelbſt zum Bewußtſein, daß ſich dem 
im dieſer Liebe der Zweck ihres Daſeins erfuͤllt, und nach⸗ den 
bem einmal dieſe heilige Flamme angezündet iſt, kann fie | ſonat 
durch nichts, felbft nicht duch die Ahnung, daß dem | nr, 
Geliebten eine [were Schuld auf dem Herzen liegt, etz | (hen; 
ſtickt und ertöbtet werben: denn fie befigt jene heiligende | ng y 
Kraft, die den von ihr ergriffenen Gegenfland in fich 
reinigt und läutert, fobaß er vor ber Liebenden Seele frei | 
und ſchuldlos bafteht. Plan 
Er ſollte ein Verräter, ein Mörder fein? — ſagt Bit: 
toria, als ihr Gaporale bedenkliche Ahnungen über ihn mit; | MET 
theilt. — Meinethalb! Und wenn er mir entſchwunden ifl, wenn faltig 
er dem Hochgerichte angehört, wenn er ein Bettler if: meine | flicte 
Seele ift auf ewig mit ber feinigen verbunden. if, I 
Ein Mörder wirb er wirklich, ſogar ein Mörder feiz | in ih 
nee Gemahlin, bie durch ein unwuͤrdiges, niedrige Bes | ander 
tragen feinen Zorn gereist. Diefe That muß jeden An: | in ih 


dern von ihm zurädichreden, fie muß feinem fonft edein | erken 
Weſen jene fchauerlihe Beimifhung geben, die eine völs | bereit: 
tige Hinnelgung zu ihm unmöglich macht; aber die Kiebe | cher 


kann dadurch nicht im unaufbaltbaren Kortfchritte geſtoͤr Kind 
werden. Zwar fühlt auch Vittoria in einem duͤſter Mo: | entm 
ment das Schreckliche biefer That. Es zieht gleihfam | men. 
der Schatten derfelben uͤber das fonnige Bild ihrer Liebe, | Kind 
ſodaß es ploͤtzlich finfter und unheimlich daſteht. Aber | fie A: 
wie die Sonne den Nebel, weiß Bracciano diefen Schats | von |i 
ten raſch zu zerſtreuen, ee tritt gerade aus biefem büftern | gar ı 
Hintergeunde um fo fchöner und herrlicher hervor, und | felbe 
Vittoria neigt ſich mit derſelben Dingebung ihm ent: | Weft: 
gegen. Alles dies iſt mit der Hand eines genialen Mei: | Stel: 
ſters gezeichnet und fo angelegt, daß auch wie felbft in | haft ı 
das Außerordentliche mit bineingeriffen werden und Alles | den. 
natlırlicdy finden, wie es denn, vom hoͤhern Standpunkte | lichen 
betrachtet, in der That natuͤrlich if. Überhaupt iſt das | eben 
Bild Bracciano's mit benfelben fichern Zügen entworfen | für 
and ausgeführt als das Vittoria's. Nur fein Ende fcheint | gefät : 
mir nicht eng genug mit feinem frühern Leben verwoben. | gleid 
war wird angedeutet, daß feine römifchen Feinde baffelbe | ner | 
herbeigeführt, und fein Untergang erfcheint fomit als eine | in < 
Folge feiner Ermordung Peretti’s; aber feine Neigung | Dar ı 
zur Aldhimie und Zauberei, die ihn biefen Feinden in die | fchiel : 
Haͤnde liefert, ſteht mit feinem fonfligen Weſen, wie ee | einzi ı 
es in diefem Romane entfaltet, fo gar in keiner Verbin: | weil | 
dung, daß fie faft als ein willkürlich herbeigezogenes, wenn | min 
auch vielleicht aus der Geſchichte entnommenes Motiv er: | bie | 
fheint. Dagegen flimmt das Mpftifche feines Untergangs | dem: 





MU . 


in ihrem Willen aufz aber. eben darum ſinkt er in ihrer 
Achtung: benn er entſpricht ihrem. Stolze nie. Ottavio 
enrrefpendiet zwar. mit biefer Seite. ihres Weſene, fie ex⸗ 
reicht auch-eigen..ihres graͤßten Wuͤnſche an ihm, indem 
fie es endlich dahin bringt, daß er die Würde eines Bi⸗ 
"Schafe; exlangtz aber ſtatt ihr dafuͤr zu banken, verbinbes 
ex fich, mit Farneſe, ihrem heimlichen Feinde, und tritt 
der Mutter und Vittorien mit den bitterſten Kraͤnkungen 
und..dem uͤbermuͤthigſten Hohn entgegen. Er, auf ben 
fie am ſtolzeſten gewefen ift, läßt fie am empfindlichflen 
feinen eigenen ‚Stolz fühlen. So erreicht fie auch ihren 
Wunſch, Vittorio trog ihrer Abneigung gegen bie Ehe 
vermählt zu fehen, vermählt mit dem Neffen eines ein: 
flußreichen Cardinals, ber für bie Familie auf das Sreund:. 


ijchſie thatig iſt. Aber auch) hieraus entipringt nur Uns. 


lu und Giend. und die Tochter fühlt ſich ſeitdem der 
Mutter mehr und mehr entfremdet. Nicht anders iſt «6 
mit Marcello... Auch er erkennt die Bemühungen feiner 
Sutter an; kaum von ihr frei gemachs, läßt er fich abers 
‚ mals mit ben Banditen. ein, und wirkt fogar bei jener un: 
gluͤcklichen Kataftrophe, die den Untergang ber Mutter nach 
fich zieht, tätig mit. So Hark: Donna Julia von Na: 
tur it, kann fie doch allen diefen Anfechtungen bed Schick⸗ 
fals ‚nicht wiberfichen, fie verfällt in Wahnfinn und ſtirbt 
unter der Pflege eine® armen, früher von ihr verachteten 
Prieſters an ihrem gefcheiterten Hoffnungen. Ihr Ende 
und mehr noch das von Ditavio, der im Unglüde zur 
Befinnung kommt und der kurz vor feinem eigenen Tode 
am Grabe ber Mutter und im Haufe defjelben Prieſters 
die ganze Unmwärdigfeit feines lieblofen und hoffärtigen 
Betragens fühlt, gehört zu dem ergreifendflen und er: 
fHütterndflen Momenten, die wol jemals von der Hand 
eines Dichters gefchilbert find. Es wird diefe Partie des 
Romans ſtets als eine Muſterſtelle der echteflen und rein: 
fin Rührung angefehen werden. müffen. 
(Der Beſchluß felgt.) 





€ Z3Zaharid’s Reife in den Orient in ben Jahren 
- 4837 und: 1838. Heidelberg, Moe. 1840. 8. 
2 Thlr. 


Unter den in der letzten Beit erſchlenenen Reiſebeſchreibun⸗ 
gen in ben Orient und nach. Griechenland hat bie vorliegende, 
infoweit dieſelbe es überhaupt mit dem Driente zu thun hat, 
ein eigenthümliches Intereffe, und wir können es daher dem 
Herausgeber nur Dank wiflen, daß er, wennfchon in ben led: 
ten zwei Jahren mehre Netfebefchreibungen exichtenen find, in 
denen ein großer Theil der Öftlichen Länder, die auch er beiucht 
hatte, mit ‚größerer ober: geringerer Ausführlidkeit und Ge⸗ 
nauigkeit gefchildert worden, doch dadurch ſich nicht hat abhal⸗ 
ten laffen, die ſeinige herauszugeben. Nicht nur, daß er auf 
feinem Wege einige minder befannte Gegenden berührt hat, 
und daß er, bei firengerer Auswahl, auch aus bekannten Laͤn⸗ 
dern und Otten manches von Andern nicht Ermwähnte berich⸗ 
ten Tounte: fo ift es eben ber. eigenthümliche Zwed der Reife 
felbft, welche er bier befchreibt, der nun auch feiner Beſchrei⸗ 
bung diefer Reife ein befonderes Intereffe verleiht. &3 war 
nämlich unferm Berf., der feit mehren Jahren mit dem Stu⸗ 
dium des byzantinifchen Rechts fich befchäftigt und deshalb bes 
geits einen Theil der größern Bibliotheken Europas wegen ber 


in ihnen zerſtreuten handſchriftlichen Quellen janes Gtechts befuche 
batte, darum zu thun, nun auch bie großen Bibliotheken von Wien, 

Venedig, Florenz und Rem, Sefon ed. aber bie noch im Driente 

vorhandenen Bibliothelen zu feinem Zmede P antexfuchen, um, 
menn. auch Zeine poſitive Ausbeute heimzubringen, a 
freilich zum Theil nun auch geſchehen, wenigſtens die ⸗ 
gung. zu gewinnen, daß man überhaupt, von verborgenen Schaͤ⸗ 
gen in jenen Bibliotheken des Orient? nur gefuäumt und ge; 
fabelt habe. &o bilden denn nun au, bei jenem eigenthüm⸗ 
lichen Reiſezwecke des Verf., bie in feiner Reiſebeſchreibung nie⸗ 
dergelegten allgemein intereffanten Nachrichten über die von ihm 

unterfuchten Bibliotheken, wennſchon fie ſich keineswegs auf uns 

gebührliche Weile hervorbrängen, doch den eigentlichen Kern 
des Buchs; aber auch neben dieſen Radrichten hat er darin, 
mit Umgehung bes Befanntern und rein Perfönlihen, bie Er⸗ 
gebniffe feiner Bemerkungen und Beobachtungen über allgemein 
intereflante Begenftände in ben von ihm ⸗beſuchten Ländern und 
Städten, auf dem Gebiete ber Wefchichte :unb bes Statiſtik iss 
fofern sö um bie Vergangenpeit. ober die Gegenwart, um ben 

Menſchen unmittelbar oder nur mittelbar, um Wiſſenſchaft und 
Kunft, um Sitten und Gebräuche ber Völker und einzelner 
ihrer Claſſen fich Handelt, mitgetheilt und, mit einem Worte, 
Bilder voll Leben und Ausdrud vor’ dem Leſer aufgelelt, bes 

zen Betrachtung ebenfo F erfreuen umb zu unterhalten ale zu 

belehren vermag. In 16 Gapiteln ſchildert uns der Berf. die 

von ihm vom Gept. 1837 bis wieber dahin 1838 gewmadhte 

Reife, mit ihrem Ausgangspunlte Meißen und dem Endpunkte 

Wien. Dazwiſchen liegen bie balb kürzern, bald längern Au⸗ 

fenthalts: und Durchgangspunkte Prag, Wien, Venedig, Flo: 

venz, Rom, Neapel, Sicilien, Malta, Athen, Saloniki, ber 

Berg Athos, Konftantinopel und Zrapezunt. Gbenfo gern folgt 
ihm ber Eefer, wenn er über die Schenswürbigkeiten Wiens 
und die bortige Hofbibliothek, über die Vergangenheit, Gegenr 
wart und Zukunft Venedigs, bie proteftantifche, griechische und 
armenifche Kirdye, das Centralarchiv und die Marcusbibliothek, 

die Kunſtſchaͤtze, Improvffatoren und Theater bafelbfi, Aber 

die Stadt und das Leben in Florenz nebft der Laurentiantigen 

Bibliothek, über bie Bibliotheken Rome, die reizenden Ungt⸗ 
bungen Neapels, über Malta, bas nene und alte Athen wit 
feinen Umgebungen, bie dortige Univerfität unb ben Rechtszu⸗ 
ftand in Griechenland erzählt, ald wenn er uns von feiner 
Reife durdy einen Theil des Peloponnefes und dann burdh die 
Inſel Eubba nach Saloniki, von Saloniti ſelbſt, weiter von 
bem Berge Athod und feinen Beſuchen in einigen: der vielen 
feiner Klöfter, fowie von dem gegenwärtigen- Auflanbe des 
Möndhsthbums bafelbft und von der griechifchen Geiſtlichkeit, 
endlich von Konftantinopel, mit den im Meer von Marmore 
gelegenen Prinzeninfeln und der Reiſe nach Trapezumt und 
feinem -Aufenshalte daſelbſt und in ver Umgegent berichtet 
Deun ber Verf. ift ein gebildeter, gemätblicher, angenehmer 
Reifenber, er beobachtet gut und lebhaft, erzählt ebenſo Lebens 
dig, als er bie Eindrüde in fi aufnimmt, iſt ohne Anfprüde 
für ſich und Andere; aber er erfüllt die Anfprücdhe, die man an 
ihn unb fein Buch zu machen berechtigt iſt. 17. 


Literariſche Notiz. 


In Lieferungen erſcheint: „Les vieux conteurs francais, 
contenant: Les cent nouvelles nouvelles dites les nouvelles 
de Louis XI; les contes et joyeux devis de Bonaventure 
des Périers) L’heptameron, ou les.nouvelles de M 
de Navarreg le moyen de parvenir, par Bersalde de Ver- 
ville; revus et corriges sur les &ditions originales, par Paul 
Jacob, bibliophile‘’ (mit erflärenden Anmerkungen und Hifto: 
rifhen Notizen). Won Demfelben erſchien, als Beftandthefl der 
„Bibliotheque d’elite’‘: ‚‚Lettres d’Heloise et d’Abeilard, tra- 
duction nouvelle, pr&öc&dee d’an travail litt6raire, par M. Fille- 
nave‘', einzige volfländige Ausgabe in einem Bande. 5. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Erippig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Nittwod, 








Über Ludwig Tieck's Vittoria Accorombona. 
(Beſchluß aus Nr. 3.) 

Betrachten wir das Schickſal ber obenermähnten Pers 
fonen noch fpeciellee in ihrer Stellung zu Bittoria, fo 
drückt fi im Allgemeinen der Gedanke darin aus, daß 
unmittelbare neben dem vollendet Schönen nichts beftehen 
kann, was den Anſpruch macht, für ſich felbft etwas zu 
fein. Das Schöne bat neben feiner freundlichen auch 
eine verdunkelnde, vernichtende Gewalt, die es gegen Allee 
herauskehrt, was fi nicht in reiner Empfänglichkeit ihm 
hingibt oder ihm in abhängiger Thätigkeit feine Dienfte 
widmet. Diefe Gewalt muß felbft Derjenige fühlen, wels 
cher glaubt fich am eheften über das ſchoͤne Object erhes 
ben zu dürfen: fein Autor und Schöpfer. In dem Wahne, 
nah Willkür darüber verfügen zu koͤnnen, gibt er fich 
fetbft zu ihm eine falfhe Stellung, in welcher entweder 
er das Schöne oder das Schöne ihn negirt. Am eheften 
wird ſich dies Nefultat ergeben, wenn er an fein fchönes 
Product, wie Julia an Bittoria, egoiftifche, eigennuͤtzige 
Zwecke knuͤpft; das Schöne hört dann auf Das für ihn 
zu fein, was es ift, und Indem es fich als Das, was «6 
ift, zu reftituiren fucht, muß es nothwendig ihn aus ſei⸗ 
ner Epiftenz  binaustreiben. So mußte Donna Julia 
nothwendig ein tragifches Ende nehmen, als fie Vittoria’s 
Schönheit zur Befriedigung ihrer ehrgeisigen Abfichten zu 
benugen und von ihre eine Selbftopferung zu verlangen 
wagt. Noch ſchroffer tritt diefer felbftfüchtige Zweck in 
Ottavio hervor, der feinerfeitd nicht einmal biefelben An- 
fprüche, wie Donna Julia, zu machen bat. Sein Ber: 
haͤltniß zu Vittoria ftreift mehr an bie ungemilderte Difs 
fonanz, darum konnte fich diefelbe auch nicht unmittelbar, 
fondern nur buch die Mutter vermittelt zur tragifchen 
Gonfonanz auflöfen. Weit minder feindli iſt die Be: 
ziehung Marcello's zu Vittoria. Die Wildheit und Un: 
gebundenheit, fo ſehr fie der Einheit und Geſetzmaͤßigkeit 
des Schönen woiderftrebt, hat doch Momente in fi, bie 
dem Schönen feiner Unendlichkeit nach fehe nahe verwandt 
find, naͤmlich das Abenteuerlihe und Romantifhe. Um 
diefee Sekte willen wird daher auch Marcello ſtets von 
Vittoria in Schug genommen, und umgekehrt gelangt 
Virtoria durch ihn zur Freiheit, wird ihrer ehelichen Ban: 
den entfeflelt und mit dem geliebten Geyenftande verbun: 
den, was Alles nur durch ein Princip, das gemwaltfam bie 


Schranken der Sitte burchbricht, errungen werben konnte, 
So fteht er ber fchönen Schwefter, bald fördernd, bald 
Gefahr bringend, zur Seite, bis er mit ihrem Untergange 
auch felbft den negativen Mächten verfällt. Flaminio 
endlich drädt zwar activ gar keinen Gegenſatz zu Vittoria 
aus und geraͤth daher mit ihr in keinen eigentlichen Gone 


flict. Aber weit ex fi) überhaupt pofitiv zu wenig gels 
tend macht, fo wirb er von der Schwefter gänzlich vers 
f[hlungen. In anderer Umgebung hätten vielleicht feine 
mancherlei guten Eigenfchaften ihren Effect nicht verfehlt, 
aber neben Vittoria verſchwinden fie oder erfcheinen nur 
wie Reflerxe ihres Glanzes, die fich nicht felbftändig bes 
haupten Eönnen. Er wird daher zugleich mit ihe nieders 
gefloßen. 

Es bleiben uns nun noch biejenigen Perfönlichleiten 
zu befprechen übrig, bie urfpränglid ferner fichen, aber 
von ber Schönheit angelodt, in ihrer Unwuͤrdigkeit zu⸗ 
rückgeſtoßen und dadurch zu Gegnern und Verfolgern bee - 
Schönheit gemacht werden. Unter biefen ftelle ſich und 
zuerfi Camillo Mattei als der mildeſte und natärlichfie 
Segenfas bar. Er geht unter an feiner Bebeutungslofigs 
keit. Im Gefühl berfelben wagt er anfangs felbft nicht - 
feine Wuͤnſche zu Vittoria zu erheben, bis ein gluͤcklicher 
Zufall, der den ganzen Roman fehr fchön einleiter, ihn 
tühner macht und bie Leidenſchaft in ihm aufflachelt. 
Vittoria, die reine, kindliche Schönheit, ift ihm nicht 
abhold, fie würde ſich, der hoͤhern Weihe noch unkundig, 
aus Dankgefühl mit ihm verbunden haben; aber Yulla, 
der ihr zur Seite fiehende Stolz, verbindert «6 und Gas 
millo iſt nun einem unabmwendbaren Verderben bingeges 
ben. Er hat die Schönheit gefchaut, iſt von ihr entzüns 
det unb kann doch nicht zu ihrem vollkommenen Beſitz ges 
langen. Er erkennt baher in ihr nur ein unglüdhringendes- 
Princip, das er verfolgen möchte und das ihn doch wies 
der, wo es ſich zeigt, unwiderſtehlich anzieht. Nadhbem 


. er ihrer Vernichtung halb in die Hände, halb entgegen: 


gearbeitet hat, verfällt er einem Geſchick, bas ihn, ebenfo 
zweideutig gegen ihn verfahrend, zu einem Lebendig⸗Todten 
macht. Er wird auf die Galeere verbannt. 

Den zweiten Gegenfag bdiefer Art bildet der Cardina 
Farneſe. Er repräfentitt die feine Sinnlichkeit, die das 
Schöne fehr wohl zu fchägen weiß, aber es in biefer 
Schaͤtzung zugleich geringſchaͤtzt, weil er es eben zu einem 


18 


bloßen Spiel ber Sinnlichkeit berabwärbigen will. Auch 
in dieſem erkennt Vittoria noch ein verwanbdtes Princip 
und iſt im Nothfalle entfchloffen, ſich ihm zu opfern. 
Aber auch hier tritt ihr ber Stolz in der Perfon Julia's 
entgegen, Farnefe's Antrag wird zurkdgewiefen, feine 
fmählichen Pläne ſcheitan und er ſelbſt wird ber Ber: 
achtung blosgeſtellt. Er gebt, wenn nicht in Perfon, 
doch in feinen flolzen und genußfüchtigen Tendenzen un- 
ter, weil er ſich an dee: Schoͤnhoit, ihron hoͤhern Soeelon⸗ 
abel verkennend, verfünbigt bat. 

Ihm gegenfider fteht die rohe Sinnlichkeit, repraͤſentirt 
durch den wilden Luigi Orſini, deſſen wir [hen oben Er⸗ 
wähnung gethan. Er iſt der allerſchroffſte Gegenfag zu 
Vietoxia, obichon fein Verlangen nach der Schönheit eine, 
wenn auch noch ſo vide Anerkennung berfeiben im fich 
(läßt. Er wird von Vittoria feibfi auf das Beſtimm⸗ 
tete zurlickgeſtoßen, hieraus entwidelt ſich eine weine Dif- 
ſenanz, am welcher beide, er und Vittoria, untergehen 


Zeige fi im Schickſal birfer brei Perſonen, welch 
ein Srevel darin liegt, unwuͤrdig nach dem Schönen zu 
verlangen, fo erkennen mir aus dem Geſchick ihres Ge⸗ 
mahle Peretti, daß es nicht minder übermäthig umb ges 
faͤhrlich iR, die Schönheit unbernfen in Befig zu nehmen. 
Während jene am verungtlidten Verlangen, geht dieſer 
am gluͤcklich ereungenen Befig unter. Ihm, dem Kleinen 
und Unmwürdigen, gegenüber zeigt ſich Die Größe und Würde 
bee Schoͤnheit in ihtem wollen Glauze. Wie eine Bott: 
heit ſteht Wittesia da, als fie den Winzigen im feine 
Schrankben zuruͤckweiſt; und er, ſich feibft ihrer unmerth 
fühlend, wagt keinen Widerſpruch, indem er aber aus 
Made für dem Cardinal Farneſe uͤberliefern wi, überlie⸗ 
fart er ſech ſeibſt des Vernicheung. 

So feben wir die Schoͤnheit nach allen Seiten bin 
tragiſch wirken und biefer tragiſche Charakter bes Schoͤ⸗ 
ne zeigt. fich endlich and im Gegenſatze Vittoria's zu 
ihrer Zeit. Dieſer allgemeine Gegenfatz wumfchließt umb 
motivpirt alle beſondern. Waͤre die Zeit eine andere ges 
waſen, fo hätte fh wol auch das Schöne vom feiner mils 
darn und freundlichen Seite gezeigt. Die eingelne Schön: 
beit. haͤtte ſich verfihmalgen: im bie: allgemeine Harmonie 
und, Be hätte: aladanı nicht fo. Helist, fo in fich abges 
ſchlaſſen, ſo in fi allein: die Gottheit uſurpirend bages 
flenbens fie ſelbſt hätte beſtehen können: und wuͤrbe das 
Andese um: fidy haben befleben: laffen. Die Wunden, bie 
es geſchlagen, wuͤrde es voleden geheilt baden, und flatt 
da und bors. verzehrende Flammen beruorzuleden, hätte 


eh sehn. wohlthaͤtig, wie die Sonne, nur Licht und Waͤrme 


verbreitet. Sa aber, ſelbſt einem traurigen Schickſal preis: 
- gegehen,. hat 8, ohne es gerade zu wollen, die allgemeine 
Verwilderang und: Itrrhttung in ned; größere Gaͤhrung 
gebracht und Ihe: endlich durch Eczengung eines fanatis 
ſchen Gegenſatzes ein Ende bereitet, nicht minder tragiſch 


als das ihrige. Dem frechen Übermuch der Banditen, 


ber völligen Ungebundenheit des Beitalter6 tritt ber ers 
grimmte Montakto gegenüber, beffen frühere Milde. wei 
nicht zu einem forunebittlihen Zorn umgeſchlagen waͤre, 


wenn nicht bie Sqchoͤnheit Wittoria’s auch feinen gelichten . 
: Neffen Peretti in das allgemeine Unmefen verflochten und 


dadurch im Oheim ben bitterfien Haß gegen baffelbe = - 
wedt haͤtte. Montalto iſt ber über das Außerorbent: 
liche und Drbuungsiwidrige empoͤrte Geiſt der Drdmung, 
ber das bucchwählte, verwüflete Gebäude völlig nieder 
reißt, um aus feinen Truͤmmern ein neues erfichen zu 


laffen. 
Mit wie kuͤhnen großartigen Fügen auch das Gemaͤlde 
dieſes hiſtoriſchen Hintergrundes vom Dichter hingeworfen 
iſt, bat man ſchon von verſchiedenen Seiten mit vollſtem 
bewundert. Geſchichte und Poeſie ſind fo innig 
verwoben, daß fie völlig Eins geworben find und mol 
Niemand mehe dis Frage aufwirft: was if wahr daran, 
und was ift erfunden? Diefelbe Anerfennung bat ber 
meifterhafte Styl gefunden, Mandye Haben fogas gemeint, 
als habe Tieck darin ſich felbft übertroffen. Es iſt aber 
kein anderer Styl, als welchen bie Unbefangenen ſchon 
immer an ihm bewundert haben, nur daß er matürlich 
bier burch den neuen Stoff neu modificirt erſcheint. Es 
drückt ſich darin auf eine ſeltſame, fat räthfelhaite Weite 
zugleich die ſchoͤne Abgemeſſenheit Vittoria’s und bas uns 
ruhige Sichgehenlaſſen der Zeit aus, und zugleich gibs 
er uns ein Bild der Ruhe, mit welcher der Dichter über 
dem Ganzen ſchwebt. Bei ähnlichen Stoffen, z. B. im 
Hexenſabbath, hat der Styl einen aͤhnlichen Charakter, 
wie benn überhaupt biefe Novelle manche Verwandte 
bat. Daher ſcheint e8 mir ungerecht, ber „Wittorta Ic 
corombona’' gegenüber Tieck's frühere Leiſtungen allzu fehr 
in den Schatten flelen zu wollen und fich zu geberden, 
als habe man, nad) diefer zu urtheilen, ein ſalches Wed 
nicht mehr von ihm erwarten kaͤnnen. „Bittoria“ gehört 
unftreltig, namentlich von Selten ber Absundung, zu einem 
daffifhen Ganzen, zu feinen größten Meiſterwerken, abe 
ich möchte ihr nicht unbedingt vor allem den WBorram 
einchnmen. Manches verkannte Werl von ihm Iaße ſich 
ihr an: bie Seite fielen, am überfprubelnder Poeſie if 
fogar manches noch reicher, und es iſt daher eine Ex 
ſcheinung wie biefe an Tieck gar nie fo wunderbar, all 
e6 mandhe feiner frühern Gegner, die durch dieſes Werk, 
vielleicht auch durch eine hohe Anerkennung mit ihm wer 
ſoͤhnt find, gern darſtellen möchten. Selbſt bie Pleinem 
Productionen Ried’6, obſchon zumellen bie Spuren ber 
Fluͤchtigkeit vervachend, beuten ſaͤmmtlich ben: ungeſchwaͤch⸗ 
ten Dichter und: fichern Meiſter an, ber, was er mit 
Ernft angeeift, in genialer und echt kuͤnſtleriſcher Weile 
auszuführen verfleht. Intereffant würde es ſein, dieſen 
Punkt einmal näher zus beiprechen und auselnanbergu: 
fegen, weldye Stellung biefes neuelle Product Ziel’s zu 
feinen frühen Erzeugniſſen einnimmt; ‚hier jedoch wuͤrd⸗ 


eine folge Unterfuchung zu weit führten, unb ide muß 


mic; für diesmal begnügen, kurz meine Gedanken über 
die Grundidee des Werks und über die Gliederung ber: 
ſelben angedeutet zu haben. 

Richard Mortiing. 











158 


User dir Erzlehung des Lanbvolte zur Sittitchtit Son 
Karl —R König. Halberſtaͤbdt, Helm. 
1840. Gr. 8. 12 Gr. 


Miemand kann nad feiner Stellung und berufsmäßigen 
Bildung und Erfahrung mehr befähigt fein, über den, wichtigen 
Gegenfiand: Erziehung bes Landvolks zur Sittlichkeit, «in 
Wort mitzureben, als ber Landgeiftlide. Doch kommt es bei 
feinen Mittkeitungen weientli darauf an, daß er einerfeits ein 
tüchtiger Beobachter iſt und nicht, von vagen Aligemeinheiten, 
von « n Verbefierungswünfden und Ideen ausgehend, dies 
felben unprattifh auf die Wirklichkeit angewendet wiflen will; 
andererfeitö barauf, daß er von feinem boch immer befchräntten 
Standpunkte aus frei genug umperblidt, um nicht das Indivi⸗ 
duelle, ob auch an fi gut Erfaßte, übermäßig und misgreis 
fen$ gu verallgemeinern. Beide Klippen vermeidet ber auch 
fonft fchon (durch feine „Wanderung zur Kicche‘‘, fein Schrift⸗ 

nn: ,‚Bon den nothwenbigen Gigenfchaften eines tüchtigen 
Schulgen oder erften Ortsvorſtehers“ u. f& w.) vortheilhaft be: 
Zaunte Berfaffer, Er ift feit einer Reihe von Jahren Lands 
prediger im Halberſtaͤdtiſchen gewefen, bat auch eine Superin⸗ 
tendentur geführt, flellt aus ber Mitte des Lebens das Landvolk 
feiner Gegend und deſſen Werhältntfie im Guten und Schlim⸗ 
men bar, bezeichnet Mängel und Bebürfnifie, knuͤpft Wünfche 
unb Borfdjläge daran, und das Alles in einer Weiſe, daß man 
beim Lefen wie das Gefähl verliert, man babe es mit einem 
denkenden, wiſſenſchaftlich gebildeten Manne zu thun. Er ift 
—— erwaͤrmt von ſeinem Gegenſtande, aus jedem 

ste ſpricht ein bieberes Wohlmeinen, ein männlicher, deut⸗ 
fer und cyrifttider Sinn. Er redet im Eifer, aber fein Ur: 
theil bleibe nüchtern, befonnen. Gr iſt ein großer, vielleicht 
ein etwas eingenommener Verehrer bes Preußentbums, naments 
Lich in Geſetzgebung und Berwaltung, body nicht blind gegen 
Mängel und Gebredhen, nicht von ber leidigen preußiſchen Ei⸗ 
telkeit beherrſcht, weder Schmeichler noch fervil, fondern frei= 
finnig, offen, gerade; mit ber tiefften Ehrfurcht vor der Re: - 
gierung und den Behörden feines Landes verbindet er ben Frei: 
muth, der ihnen bie Wahrheit wicht fpaxt; . diefe aber weiß er 
ignen gerade in dem Tone — er ift Meifter befielben — zu 
fagen, der gesignet if, ſich Gehoͤr bei ihnen zu verichaffen. Gr 
macht keine übertriebenen Anfprüche an bie Befepgebung, fonbern 
verlangt nur eine umfichtige Benugung ber in berfelben reich⸗ 
lich gebotenen und mit Sharffian, mit praktiſchem Blicke von 
ihm bezeichneten Hülfsmittel zur Belebung ber Sittlichkeit der 

Landbewohner. Er wid nicht Alles von ben Behoͤrden gethan 
wiften, fondern ruft auch die Einzelnen zur Mitwirkung auf, 
doch aber wiederum nicht zu einer folchen, welche flörend in bie 
Berwaltung eines monardhifchen Staats eingreifen würde. Bein 
Ausdrud f: wie feine Gefinnung frifh und kraͤftig. Er geht 
unmittelbar auf die Sache, nennt das Ding beim vechten Ras 

men, iſt treffend, derb; bier und ba wol etwas ungenau, an 

das Niedrige fireifend, ein wenig edig, ungelenk. So koͤnnte 
auch die Anordnung überfichtlicher, logiſcher, die Darftellung 
würde noch beffer fein,. wenn fie minder aphoriſtiſch wäre; es 
fehlt nicht ganz an oft ſchon Dagewefenem, Trivialem; ber 

Verf. zeigt ſich in einer und der andern Beziehung befangener, 

als zu wünfdhen wäre, wogegen ex aber body im Ganzen einen’ 

ſehr freien Standpunkt einnimmt. Mit einem Worte, feine 

Schrift it eine Eernhafte, anregende, aus bem Leben und für 

daffelbe; rei an guten Beobachtungen, an Ideen, weiche bie 

ganze Aufmerkſamkeit des Menſchen⸗ unb Vaterlaudefreundes 
verdienen; eine praktiſche Volkoſchrift, wie wir beven nicht gu 
viele haben, wie wir uns eben weit viele wuͤnſchen mäflen. 

Schon dadurch nüsge fie, ift fie intereffant, daß fie, baͤuerliche 

Sitten einer einzelnen Gegend Deutſchlandé anfchaulich ſchil⸗ 

dernd, einzelne Züge zu einem treuen Bilde von unferm ges 

fammten Volkeleben liefert, bas wir, um es nur zu geflchen, 


viel zu wenig Bennen, in das unfere Schriftſteller noch viel zu 
wenig ‚bineingreifen,, fo alt auch bereits unfers Dichters und 
ihres Vorblids Zuruf iſt: . 


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Staͤnl 





78 


dem Lande im eigenen Jutereſſe; denn bie Erziehung 
vi Landvolke ira ik auch, von hoͤhern ae 
abgeſehen, fo in Vortheil, die Entfittlifung, bie Bortbauer der 

Hoheit und Stumpfheit deffeiben iſt auch fein Schaden, ſchon 
weil er fi von jeher aus dem’ Bauernflande ergänzt, erneuert 
bat, weil er aus bemfelben ftetö neue, frifche Kräfte und Säfte 
erwarten unb erhalten wird und muß. 

Auch darauf macht der Verf. aufmerkfam, daß der Schul: 
unterricht auf dem Lande, trod Allem, was für denfelben ges 
fchehen und geſchieht, oft genug ungenügend und verkehrt iſt, 
und fodann darauf, daß die Bauernkinder faft immer nur lers 
nen, um wieder zu vergeflen, namentlich daß es an einer Ans 
ſtalt für den wohlhabendern Bauernftand fehle, in welcher fich 
die der Schule entlaffenen Söhne, ihrem Lebensberufe gemäß, 
über die Leiftungen der gewöhnlichen Dorfſchule hinaus noch 
fortbilden koͤnnten. Doch will er keineswegs „gelehrte“ Bauern, 
fondern nur tüchtige, aus dem Schlendrian herausgerifiene Lands 
wirthe. Mit Recht weiſt er darauf hin, daß es höchfl vors 
theilhaft auf die Gittlichkeit der mit dem Landbau Beſchaͤftig⸗ 
ten zurüchvirfen müſſe, wenn ber Iegtere vationell betrieben 
werde. Ste muß ja wol gewinnen, wo gründliche Kenntniffe, 
firenge Srundfäge, viel Selbfiverleugnung dazu gehören, eine 
auch nur einigermaßen bedeutende Wirthſchaft zu führen. Kein 
guter Wirth duldet ſchlechte Beute, und findet nur ber rechtliche 
AÄrbeiter ein gutes Unterlommen, fo tft ſchon bierburch an ben 
unterfien Stand der Hebel der Sittlichkeit angelegt. 

Am ungenügentfien ift uns ber vierte Abfchnitt: „Die 
Kirche“, erihienen. Der Verf. fagt da freilich auch Richtiges 
und Gutes, doch iſt mit dem Ganzen nicht viel anzufangen 

und Giniges erregt auch Bedenken, 3. B. wenn er, wo er bie 
ſchiefe Stellung, in welche die Beiftlichkeit bee lutheriſchen Kirche 
bineingerathen, und bie Kirchenzucht beſpricht, ben Brundfag 
aufftellt, daß bie lehtere betreffend Alles fallen mäfle, was mit 
dem Haren Buchſtaben ober auch nur mit bem Geiſte der bers 
maligen Geſeggebung in Widerſpruch fiche. Er feht dabei eine 
vom chriftlichen Beifte wahrhaft und für immer durchdrungene 
Geſetzgebung voraus, während doch, bie vorhandene zu vergäts 
tern, fein eigentlicher Sinn Teineswegs ift: ex gibt nur nad 
dieſer Seite Hin ein wenig zu viel, mebe als er wol felbft 
glaubt. Wie dann, müflen wir fragen, wenn bie weltliche Ge⸗ 
feßgebung Richtungen einfchläge oder da oder bort eingefchlagen 
hätte, welche dem Buchſtaben ober dem Geiſte des Evangeliums 
zuwiderliefen? So etwas ift nidyt undenkbar, kommt vor, {fl 
vorgelommen. Der Staat Tann fich felbft und die Kirche kann 
ihn bawider nur möglichft volllommen ſicher flellen, wenn fie, 
nicht zwar als ‚‚Serifchaft”‘, wol aber als eine — in ben 

anten und unter dem Schut der Geſetze — felbftänbige 
Koͤrperſchaft dafteht, um im Stande ie fein, das chriſtliche 
Prindp und Leben in ihrem Schoofe Eräftigft [ir bewahren, ih⸗ 
rer Gigenthämtichkeit nach zu pflegen und nöthigenfalls nach⸗ 
druͤcklich geltend di machen, wo ihm von weltlidher Seite Vers 
Iegung droht. Es tft ſchon gut, wenn ber chriftlidhe Staat es 
über ſich nimmt, chriftliches Leben zu befördern, nachdem, wie 
der Verf. fagt, „die Kirche bei uns untergegangen iſt““; allein 
der chriftliche Staat kann fich dabei vergreifen und ſchwer vers 
fündigen; es tft offenbare Unnatur, wenn von ihm und feiner 
Verwaltung bie religiöfen Impulfe ausgeben; er vermag übers 
haupt nicht, was bie freie Kirche allein vermögen würde; ber 
Untergang derfelben bei uns ift nichts Anberes als bie antis 
evangeliſche Wermengung des weltlichen und geiftlichen Regi⸗ 
ments, die den Brundfägen ber deutſchen Reformatoren unb 
den Gonftitutionen unferer Kirche ſchnurſtracks zumiberläuft, 
von welcher ſchon Luther und Melanchthon namentlich fo ſchlimme 
Zolgen ahnten und vorausfagten, die mit einem Worte gerabe 
die Übelftände herbeigeführt bat, welche unfer Verf. fühlt, eins 
fiebt, beklagt, und die nicht baburdh befeitigt werben Fönnen, 
daß mun bie Grundurſache des Übels, den Schaden fortbeftehen 
läßt, den er ale foldyen nicht erkennt, indem er es gang in ber 


Drbaung findet, daß ber Staat „und keine anbere Wladyt” di 
Förderung des chriſtlichen Lebens in die Hand nehme, b. 
daß die unfelige Wermengung beiber Regimente, bie in ihren 
Principe widerchriſtliche, antilutherifche Gäfareopapie und mt 
ige die Erniedrigung, Schwäche und Berweltiiyung ber Kirk 
fortbauere, die freilich nicht hierarchiſch „ aber anf 
eine Staatsdienerin fein fol, und den Grundfägen ihrer Gr 
ftehung — nicht ohne die angemefiene Strafe — untren gewen | 
ben it, indem fie die Gäfareopapie in fi amflonımen Id, 
Ste machte ſich berfelden Untreue ſchuldig, als fie ben freim 
Gedanken, die freie Forſchung dur) Symbolzwang, jenen far 
sen, intoleranten Orthodoxismus zu feffeln trachtete, von dem 
der, ob auch feinerfelts nicht fündlofe Rationaliemus, wide 
berzeit fo vielfach misverftanden und ungerecht geſchmäht wirt, 
befreite und den man uns jeßt unter allerlei frommen Geber: 
den zurädführen möchte. Emancipation von der Gäferropapiı 
gehört zu den widhtigften Zeitaufgaben ber deutfchen Proteflan: 
ten, fowol um ihrer innern als äußern Werhältnifie willen 
— des Verhältnifies namentlich zu ber katholifchen Kirde — 
und möge ber Verfaſſer bedenken, daß jene Emancipation zu 
einem freien, eblern und Eräftigern Volkeweſen, wie er & 
body will, wefentlich mithelfen würde, muthmaßlich indeß 
freilich wol erft von ber Gntwidelung eines ſolchen zu ers 
warten fein dürfte. Er meint, bie Kirche werke ſich wahr⸗ 
ſcheinlich nie wieber conftituiren ; wir glauben, fe müfle es um 
ihrer felbft willen, werbe es, fofern die Heimlichteit unt vos 
Alleinthun der Begierungen ber Öffentlichkeit und dem Mits 
denken, Juͤhlen und Handeln der Bürger im Staate weicht, 
fofeen ſich die Einſicht der Zeit durchgreifend bemädhtigt, def 
es fchlecht beftelt fei mit der Kirche — welche Ginfidht dem 
Verf. geworden iſt — und daß nur badurdy geholfen werde 
könne, w- je zu eat er Bar dehe unb deukek 

gemäß eonflituires bis wohin ihn fi onſt confjegers 
tes und fcharfes Denken noch nicht —5 at. f 

(Der Beſchluß folgt.) 








Literarifhde Notizen. 

Die ‚Revue de bibliographie analytique’‘, bie feit den 
Anfang des 3. 1840 befteht, von den Herren Miller und Ix 
benas redigirt wird und neben ben Büchertiteln auch eine de 
taillirte Analyfe ber Bücher gibt, bringt in einer ihrer lem 
Nummern eine Notiz über bie Frequenz der deutſchen Unis 
fitäten, worin fie freimüthig genug biefen bie Supericritit 
über die wiſſenſchaftiichen Bildungsanftalten Frankreicht je 
ſteht. „Die deutfchen Studenten‘, fagt fie, ‚empfangen auf 
eine ernflere und tiefere Art ihre Stubienbilbung, die wir wik 
rend der Zeit unferer Erziehung nur obenbin empfangen. De 
ber iſt die deutſche Jugend im Algemeinen auch folider unten 
richtet als die unfrige. Die Zournure ihres Geiſtes und der 
Ernſt ihrer Gewohnheiten tragen dazu weſentlich bei, abe 
man muß auch in ber großen Anzahl der Univerfitäten, in m 
Berbienft und dem Eifer der Profefloren, in ber gediegenen und 
Eräftigen Drganifation bes Unterrichts den Grund bapen fu 
den” u. f. w. Unter den aufgeführten Univerfitäten fehlen aber 
nicht blos Greifswald und Zübingen, fondern auch ſaͤmmtlicht 
Hochſchulen Öftreiche. 


Azais gab heraus: ‚„‚Explication generale des mourvemens 
politiques et sp6cialement des circonstances actuelles” ; dir 
Herren de Gabalvene und Barrault ein Werk unter bem Zitt: 
„Deux anndes de l’histoire d’Orient”‘, beflimmt, ihre Arbriren 
über den Drient zu vervollſtaͤndigen. Gin franzäfifches Jour⸗ 
nal fagt hiervon: „Dieſer neue ebenfo bramatifche als genaue 
Bericht läßt den Drient mit größerer Treue erkennen als bie 
geachtetfien neuen Reifen, und empfiehlt ſich durch das lebhafte 
Intereſſe ber großen hiſtoriſchen Ereigniffe, welche bier mit alır 
Pilanterie der zeitgenoͤſſiſchen Memoiren erzählt find.” 5. 


Verantwortliher Derausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von $. X. Brockhaus in Leipzig. 





Blat: 


| für 
literariſche Ur 


: Donnerdtag, —- Tr. 361 








Leben und Wandel Karl’. des Großen, .befchrieben von | Sag 
Einhard. Einleitung, Urſchrift, Erläuterung, Urkunz | Ien. 
denfammlung, in zwei Banden. Herauögegeben von | rafdı 
Julius Ludwig Sdeler. Hamburg und Gotha, | Pipi 
F. und X. Perthes. 1839. Gr. 8. 3 Thlr. 6 Gr. | bein 

Wie man an Schulen und Univerfitäten Iacitus’ | entid 

Bud; über. Deutfchland vielfach benust hat, um an befz | Geld 

. fen Erlaͤuterung zugleich Ausführungen über: das deutfche ſelte 
Alterthbum anzulnüpfen, fo ift Einhard’s Buch über Kart | einen 
den Großen fhon, auf Univerfitäten wenigftens, mannich⸗ Ni 
fach benust worden, zugleich als Probe fpäterer Latinitaͤt, nun 
. ale Schilderung der bedeutenden Perfönlichkeit des Kaifers | tern 
und als Anſchließungspunkt für Ausführungen über die | flehei 
deutfche Welt am Schluffe des bdeutfchen Alterthums zu | liche 
‚ dienen. Der. mäßige Umfang des Buches, der für feine | wol 
. Zeit hochgebildete und zugleich, hochgeftellte Einhard, der | auf 
intereflante Segenfland- dee Schrift, kurz, Alles vereinigt | Mer: 
fi, das Buch zu ſolcher Lecture zu empfehlen; felbft für | phus 
höhere Schulen dürfte ab und zu, wenn anders die Zeit | Ablei 
es zuläßt, eine Lecture diefer Art zu Unterftügung hiſto⸗ (©. 
riſcher Auffaſſung nicht ganz unangemeffen fein. Unter | Ber 
dieſen Umftänden kann man es einen glüdlichen Gedan- | von 
ten nennen, daß Hr. Dr. Ideler aus den nicht überaut (ſtatt 

zugänglichen vertsandten Geſchichtsquellen theil$ die un- | ein ı 

mittelbar richtigen Partien in einer Reihe Beilagen, welche | Hein: 

den zweiten Band füllen, bat zufammendruden, theils | Arbe 
aus ihnen und aus neuern Schriftftellern über Karl den | Ihen 

Großen und feine Zeit und Verhältniffe hat einen Com: | Sreu 

mentar erwachſen laffen, der nebſt Tert und zwedimäßiger | lung 

Einleitung den erfien Band ausmacht. Auch muß das | unbe 

verfländige Maß billig anerkannt werden, welches ber | nuße 

Verf. bei diefer Arbeit gehalten hat, denn Einhardb und | Karl’ 

fein Buch find ein Stoff, über welchen, wer «6 darauf | Seit 

anlegt, ohne zu große Muͤhe auch Folianten vollſchreiben | noch 

kann. Das Buch bietet nun Denen, bie entfernter von ä 

großen Bibliotheken fich lehrend oder lernend mit dem | gendj 

Gegenſtande beichäftigen wollen, einen zwedmäßigen Ap: | ter’6 
parat; kann auch dem bereit mit den Quellen Bertraus | fache 
ten ald bequemes Handbuch, als angenehmer Begleiter | Gedi 
bei Studien auf dem Lande und in bunbdertfältiger Weife | über 
bienen, ohne zu einer bloßen trodienen Sammlung gewor: | ber $ 
-den zu fein, denn Hr. Dr. Ideler bewährt in feinem Com: | fehr 
mentar vielfach eigenes richtiges Urtheil und laͤßt es an | desh: 
Anregungen für weitere Stubien und Betrachtungen über | ter « 





408 


(bald ift es Dietrich, König von Baiern und Schwaben, 
bald Florus, König von Ungarn), welche Bertha hieß. Er 
läßt fie ducch Boten holen, welche nad einer Faſſung 
unterwegs einig werben, fie zu vertaufchen, ehe fie Pipin 
gefehen, und die Tochter Desjenigen von ihnen, ber: durch 
das Loos beſtimmt wird, unterzuſchieben; nach einer an⸗ 
bern Faſſung kommt Bertha wirklich zu Pipin und wird 
ihm angetraut; in ihrer Begleitung aber iſt eine Diene⸗ 
rin, deren Tochter ihr zum Verwechſeln aͤhnlich ſieht, und 
weiche Bertha zu beſtimmen weiß, daß fie in der erſten 
Macht ihre Stelle durch diefes ihre ähnliche Mädchen vers 
treten laͤßt, welche Pipin nun für feine vechtmäßige Ge⸗ 
mahlin hält und auf deren Betrieb die wahre Bertha 
verftoßen wird. In beiden Erzählungen fol Bertha, dort 
um den Tauſch zu ermöglichen, hier um fie zu befelti: 
gen, in den Wald geflhrt und ermordet werben; unter 
den Mörbern finder fly aber eine menfchlicyere Seele, und 
fo wird fie lebendig im Walde gelaffen, wo fie nad ſchwe⸗ 
sen Leiden und Gefahren, bie befonders das franzöfifche 
Gedicht ſchoͤn und weitlaͤufig fchildert, bei einem im 
Walde wohnenden Danne, nad) ben Alteften Auffafſun⸗ 
-gen bei einem Müller, Aufnahme und Rettung findet. 
Um die Ehre diefes Rettungeplages ſtreiten fich in Deutſch⸗ 
and eine baftifche, eine fraͤnkiſche und eine thuͤringiſche 
Muͤhlſtelle; das franzoͤſiſche Gedichte Hat natürlich eine 
franzoͤſiſche Muͤhle vor Augen, da Pipin in bdemfelben 
ganz als König von Frankreich erfcheint. 

Der deutfchen Sage nach jagt nun Pipin einmal zu: 
fällig in der Gegend der Walbmühle, wo Bertha eine 
Zuflucht gefunden bat, er verirrt fih, muß über Nacht 
in der Mühle bleiden und verlangt von dem Müller, 
daß er ihm eines der beiden Mädchen, die er im Haufe 
fieht (Bertha oder des Müllers Tochter), zur Bettgefellin 
gebe; der Müller gibt Bertha, welche diefe Nacht gefegnes 
ten Leibes wird. As Pipin bie Mühle verläßt, verlangt 
er, wenn Bertha von ihm ein Kind erhalte, folle der 
Müller nad Hofe kommen und es anzeigen. Sie ge: 
biert einen Sohn; der Müller kommt und fragt, wie er 
beißen folle, worauf Pipin den Namen Karl beftimmt, 
den jungen Karl, als er einigermaßen berangemachfen iſt, 
am Hofe mit den Prinzen, bie ihm das untergefchobene 
Weib geboren bat, erziehen läßt, bis Karl biefer jungen 
Herten, die ihn als unehelich geboren verachten, gewaltig 
wird; woruͤber die falfche Königin fich fo erzümt, daß 
Dipin den Karl von feinem Hofe fortfenden muß, an ben 
Hof eines fremden Zürften. Erſt durdy Karl, der einmal 
feine Mutter beſucht, wird deren mahrer Name und ber 
Betrug, der mit ihr gefptelt worden, entdeckt — Karl 
veranlaßt nämlich Bertha's Mutter zu einer Nele an 
Pipin's Hof und fie erkennt fefort, daß die Königin 
nicht ihre Tochter if. 

Das franzöfifche Gedicht, welches ſchon (um Karl vor 
dem Vorwurf, ein uneheliher Sohn zu fein, ganz zu 
retten) die Act der Unterfchiebung ber falfchen Frau hat 
ändern möflen, damit Bertha dem Pipin erſt als cheift: 
liche Ehefrau angetraut ward, ehe fie bei Seite gefchafft 
wurde, laͤßt auch Kart nie bie Holle eines unchelichen 


Kindes am Hofe fpielen, fonbern führt die Königin Blende 
fleur, Bertha’6 Mutter, fruͤher an dem framzoͤfiſchen hei 
als Pipin die Bertha wiederfindet. Die falſche Feer 
wird von Bertha's Mutter trog der großem Abntäker 
leicht erkannt, weil ihr ber ‚große Fuß, ber Bertha mi 
zeichnet, fehlt — und fie iſt fchon befeltigt, als Pix 
auf ber Jagd Bertha findet, die er erkenne unb als im 
eheliches Gemahl an den Hof nimmt. 

Dan ficht, das franzöfifhe Gedicht Hat bie Ser 
Intereſſe der chriftlichen Ehe und ber Wurde des kinie 
lichen Hofes aus einer Ältern, rohern Geflalt geine, 
wobei aber fehr gut möglich bleibt, daß oſs eimzein 
Züge reiner aus ber alten Sage bewahrt bat als de 
deutſche Faſſung, und dahin rechnen wir nun emtfühiehre 
Bertha's großen Fuß, der nach noch andern Feffungen 
ein Bänfefuß war (reine Pedaugque; vgl. Geimm’s, My 
thologie”, S. 173 u. 241). Schon Grimm hat darauf auf: 
merkfam gemacht, daß in bdiefer Bertha, der regima pede 
aucae eine alte heidniſche Schwanenjumgfne ir eime dhrifl: 
liche Königin verkleidet erſcheine. Und aun gehen mir ei: 
nen Schritt weiter und glauben, bie ganze Sage von 
Karl’S Geburt und Jugendjaheen Ihr «in 
Bruchſtück altbdeutſcher Mythologie anfpreigen 
zu dürfen, wobei wir als Rem ber. age , 
daß ein fraͤnkiſcher Knig auf ber Jagd mit einer Cam: 
neniungfrau zufammentrifft, mit ihr ein Aud zemgt, bis 
Kind dann am Hofe erziehen läßt, we es feine hoöhen 
von der Mutter geerbte göttliche Nacur gegen die andıı 
Kinder des Königs geltend macht, dehalb von besm Bir: 
ter verfolgt, vom Hofe verbannt wird, aber zu 


3u dieſer Behauptung aber, und bie #ft ch dem, 
Bezitam « 
nommen iſt, führe uns die mittelalterige Sage von F 
latus, welche, wie Mone (Anzeiger, Jahrgang 18%, 
©. 421 u. 423) yanz richtig bemerkt, aus zwei gan we 
f&iedenen Elementen zufammengewachfen und deren erfi 
Element altdeutſch iſt. Diefer erſte Theil der 

lautet naͤmlich folgendermaßen: In Mainz figt eim fıisk: 


ſcher König, Tyrus oder Cyrus geheißen, oder nach ber len: 


nifchen Bearbeitung der Sage: Atus. Wir halten bier Um 
für fpäter gemacht und nur den Namen Tyrus oder 6: 
rus für bedeutend, zumal auch bie lateiniſche Bearbeitus; 
ben Namen nicht ganz aufzugeben wagt, und nur in ze: 
geſchickter Weiſe einen aͤhnlichen: Tia (Mogamus atque Tia 
rivus flumengque dedere etc.) einfliht. Dieſer Ainig Ty- 
rus, Cyrus (vielleicht auch Eins, Eius) kommt auf der 
Jagd zu einem Jagdhauſe im Walde und erfennt Abends 
in den Sternen, daß bie rechte Gonflelatien iſt, em 
tächtigen, weitberühmten Helden zu zeugen ; feine Bemat: 
iin bat er nun Leider nicht zur Hand; aber fein GSefetze 
beingt ihm ein Mäbcen aus einer benachbarten Mihie 
mit welcher er das Werk vollbrinagt. Er himcertaͤßt dem 
Muͤller, wenn feine Tochter Pila von ihm geſegneten Lei: 
bes werde, ſolle er es melden. Sie gebiet einen Gebe; 
der Muͤller kommt und fragt, wie er heißen folk: „‚Coa- 
veniens nomen volo, rex alt, ut sibi detur,-memgme di- 





* 


— —— TR 





“or Atus et mater Pila voeatur, compositum nomen 
Pilatus ei tribuatur.” In der deniſchen Bearbeitung, wo 
der Koͤnig Tyrus heißt , beißt der Müller Atus — ſicht⸗ 
bar iſt aber, beide Namen: Pila und Atus, find nur ber 

g an die chriſtliche Pilatusſage wegen herein⸗ 
gekommen und ſo Tyrus allein ein der alten deutſchen 
Sage angehoͤriger. Pilatus wird nachher von ſeinem Va⸗ 
ser an den Hof genommen, wo er aber deſſen Sohn von 

Der rechten Gemahlin. erfchlägt und deshalb verbannt, an 
Lew römifchen Kaiferhof als Geißel geſchickt wird. 

Man ficht, es iſt auf ein Haar die Ältere Karlöfage, 
sur in noch roberer, heidniſcherer Geſtalt — und daß auch 
Bier das Waſſerhaus, die Mühle, eine fo bebeutende Rolle 
fpiett, ſcheint Grinm's Veranithung, daß das Mädchen, 
welches dem Könige dem tuͤchtigern Sohn gebiert, eine 
Schwanenjungfrau, ein Wafferweib iſt, zu beflätigen. Der 
Mamme Tyrus ober Cyrus iſt nur der alte Söttername 
Bye, ber freilich althochdeutſch Zin (Ciu) lautet, und fich 
won Zior (gloria) der Bedeutung nach fcheibet, wenn beide 
Worte auch naͤchſt verwandt bleiben; aber urſpruͤnglich 
ſcheinen fie doch auch im Deutfchen, wie im Altmorbifchen 
Tyr Fre umd tyr (gloria), identifch, und bie altfrän- 

‚ Pattere Form für beide Begriffe mochte, wie im 

* "Verwandten Ungelfächfifchen, Tir lauten. Dann ba: 
‚ben wie alſo einen Gott (Tir) und ein Wuͤnſchelweib 

(Berhta) an ber Spige eines alten Koͤnigsgeſchlechts (Ty⸗ 
rus regiert über die Lande am Main, Rhein und an der 
Moſel), welche genealogiſche Sage von feinen Koͤnigen 
vom Volke, dem fie geläufig war und in deſſen Vorſtel⸗ 
fung die Heiligkeit bes Koͤnigthums mit der Abflammung 
sufammenbing, fpäter auf Die Karolinger übertragen ward. 
Der Bruderzwiſt und das Misverhaͤltniß der Königin zu 
vom einen Gohne, bie in diefer Sage ein Hauptmoment 
find, haben fich nachher noch weiter fagenhaft umdeſtaite, 
was wir hier nicht weiter verfolgen koͤnnen. 


Über die Erziehung des Landvolks zur Sitttichkeit. Von 
Karl Bernhard Koͤnig. 
(Befhtuh aub Se. 266.) 











vet er fih A 8 Hypothekenweſen und beflen &irkungen 
auf bem de ve Abldfungen, die Separationen, die Brunbs 
feuer, bie Geſchloſſenheit der Höfe, deren Einfluß auf die Sitt⸗ 
lichkeit, das ee, das Befindeweien, Schließung ber Ehen, 
zeiten, Kindtaufen, Beerdigungen, Bergnügungen, Spinn⸗ 
uben und Milttairbienft; die treue Schilderung iſt mit rich⸗ 
tigen und feinen Bemerkungen burdhwebt, fie bilbet eben durch 
ihee Treue und Wahrheit, und noch mehr buch bie aus ihr 
unverlennbar hervorleuchtende gerabe ehrliche Geſinnung bes 
Berf., der die Sache, des Landvolks wahres Beſte, und nichts 
als die Bade meint, einen wopltjuenden — zu der Ein⸗ 
eit, ber Phantaſterei, womit ſich unter Anderm ber ariſto⸗ 
—— und neuerbings: ber — unbe Bunte 

ſittl Einfluß der Geſchloſſenh 
Si u nliches Darben vernehmen hoffen. Nur ungeen vers 
fagen wir es uns, ben Leſern Sins und das Andere aus biefem 


a Fand Die Müafihe uf den * 





Der Verf. ift von Liebe für den Bauernſtand, deffen Tüch⸗ 
“ Zigkeit und Gedeihen die Grundlage ber bürgerlichen Wohlfahrt iſt 
und bleibt, auf das lebhafteſte durchdrungen, ein guter Beobachter, 
ein wohlmeinender, kundiger Rathgeber: das ift der Sindeud, den 
die Lecture bes Büchleins zurüdläßt. Möge es recht viele Lefer 
“finden: die Beachtung wird dann von felbft folgen. 36, 





Entgegnung. 

Dem Berfaffer der Kritik meines Buches: „Beet hoven's 
Biographie”, in Ar. 319 d. Bl., bin ich für feine nachſichtige 
Beurtheilung zu Dank verpflichtet, kann aber nicht umhin, den 
mir dort gemachten Vorwurf von Angriffen und Ausfällen auf 
EG. M. v. Weber, Zerd. Ries und andere „verflorbene Maͤn⸗ 
ner“ entfchieden zurüczumeifen. Geftattete es bier der Raum, 
Alles aufzunehmen, was ich desfalls zu meiner Vertheibigung 
. anführen tönnte, fo würde bies ſogleich geſchehen, und möglich 

vielleicht, daß es fich bei ftrenger —E herausſtellte, daß 
Weber nicht der Verfaſſer jener bittern Kritiken über Beetho⸗ 
ven’d Werke gewefen, für den anfänglidy der in Wien lebende 
rähmlich vekannte Zonfeger und Schriftfteller Baron d. Lannoy 
gehalten wurde, bis Freunde von Beethoven bie fihere Kunde 
erhalten haben wollten, daß fie aus C. M. v. Weber’s Feder 
herrühren. In diefem Falle war ih nur Referent und beutete 
6108 im Vorbeigehen (&. 99) an, was hierüber zwifchen Beet⸗ 
hoden und einigen feiner vertrauten Freunde Öfters beſprochen 
wurde. Behauptet habe ich Hierauf bezüglich nichts, werde aber 
jedenfalls auf diefen Punkt, wie auch auf den, die Oper „Eu: 
yanthe”’ betreffend, feiner Zeit zurüdtommen und eins und 
das andere nicht Unmwichtige aus der Zeit, wo Weber diefe Oper 
in Wien einftudirte und felbft aufführte, mitteilen. Hier bes 
merke ich blos, daß ich damals oft mit Weber zufammen war 
"und daß ich für feine Perfon wie für feine Werte nur Achtung 
und die höchfte Wertbfchägung empfand, die fich ſeitdem in Be: 
zug auf legtere nur noch gefteigert hat. Was ih (S. 99) in 
„Beethoven’s Biographie” auf Weber’ „Euryanthe“ deutend 
bemerfe, ift nicht anders zu verftehen, als daß biefe Oper bei 
ihren erften Aufführungen 1824 in Wien nicht gefallen und 
‚auch bald vom Repertoir verſchwand, was eine befannte Sadıe 

iſt. Seitdem bat man hier und da Veränderungen darin vor: 
genommen, wie 4. B. dies Jahr wieder in London, und der 
Bühnens und ufitfenner Hr. Roͤckel, zulegt wieder Chor: 
director bei der deutfchen Oper in London, verficherte mid) vor 
kurzem bier: erſt jegt geftalte fih jene Oper Weber’s zu ei: 
nem abgerundeten Ganzen. Somit ift alfo wirklich jene Re⸗ 

form damit vorgenommen worden, von ber Beethoven Webern 
gegenüber ſprach. Auch in Bezug auf diefe Oper enthielt id 
mich eines Urtheils; wie folte demnach meine Ehre dabei ins 
Spiel kommen? — Mit bdiefem Wenigen über ©. M. v. We⸗ 
ber und feine „Euryanthe““ wuͤnſche ich einſtweilen auch dem 
Verfaſſer der Kritit meines Buches über Beethoven in ber bers 
Yiner Iris“ geantwortet zu haben, der gleichfalls Anſtoß an 
jener Stelle meines Buches genommen. 

Ferd. Ries angehend, berührt nun meine Feder in demſel⸗ 
ben Bewußtfein, die Wahrheit zu fagen, das Papier, wie vor 
Jahr und Tag, als id das ihn Betreffende in „Beethoven's 
Biographie” niederfchrieb, mic beflagend, daß ich gegen einen 
Todten fprechen muß — folglich nicht Alles fagen darf, was ich 
geoen deſſen Biograpbifche Notizen zu fagen Grund habe. lm 

ru zu fein: Im 3. 1833 verabredete ich mit Ries in Frankfurt 
Die Derausgabe von Beethoven's Biographie, wozu ſich Ries 
Beiträge zu liefern erbot. Wie er den Charakter Beethoven’s 
aufgefaßt, führte ich bereits in der Einleitung der „Biographie‘ 
deutlich an. Im 3. 1835 in bdiefe Provinz gelommen, hörte 
ich zu meinem Grftaunen, daß Ries feine Anfigten und Urtheile 


über den Charakter feines Lehrers im Glauierfpiel ben Birk 
freunden rüdfichtstos mitgetheilt, auch gemeine Anekdoten ik 
ihn in die Feder dictirt habe, bie hier exiſtiren. Als zu ins 
fien 1837 Hr. Ries das Mufitfeft hier dirigirte, fpradıı wi; 
abermals zufammen Gber unfer Vorhaben und Einer trier wm 
Andern zum ernfllihen Beginn der Arbeit an. Ich erlıs: 
mir, ihm hierbei zu bemerken, daß id) das von ihm über Ber. 
hoven Berbreitete ungern gehört und gelefen Gabe, wie um 
noch: daß ich nichts Unanftändiges .und unwürdiges, ober übe: 
haupt Anekdotentram von ihm annehmen würde — was ih 


unangenehm berührt zu haben ſchien. Rady ungefähr 7—8 Mr 


naten vernahm ich feinen Tod, und bald barauf erfchienen fine 


und Dr. Wegeler's „Biographiſche Rotigen”. Nebſt vielem das 
feglichen, was einen Anbern, ber mit Beethoven’s Denk: ze 
Handlungsmweife nicht fo bekannt war ale ich, fo tief verlen 
fonnte, als gerade mid, fand id) auf &. 127 jener „Rotizen 
dieſe Stelle: „Einige über aewifle Perfonen aufs beffimmtrfir, 
jedoch nicht zu ihrem Lobe, fi ausfprechende Briefe Berthoven’s 
halte ich, wenigftens einflweilen und, wie id zu bern Beſten 
hoffe, auch auf immer zurüd.‘ Und ber alte, befonnene Wi: 
geler Eonnte fo ſchwach fein; auch noch eine drohende Rot 
dazu zu maden! — Daß diefe Drohung eine andere als eben 
meine Perſon betreffe, darüber bin ih nur zu gat unterrichtet. 
— Hier die Srllärung dazu. Ried fagte mir ſchen 1833 in 
Frankfurt, daß er einige Briefe von Beethoven habe, worin 
ſich diefer heftig gegen mich auslaffe, daß ich unteren gegta ihn 
fei, ihn torannifise*) u. f. w. Solche Dofen Bertienmiien 
Braufepulvers kannten wir jedoch Beide aus vieler Griahrune, 
folglich gaben uns berlei Ausfälle nur Stoff zum Lachen. (Aha: 


lie Anklagebriefe von Beethoven, befonders gegen Hefteth d. 


Breuning, Dr. Malfatti und gegen mich, exiſtiren nicht wenise 
in Wien, und moͤglich ift es, daß fie früher ober fpäter x: 
druckt werden dürften. Jedenfalls wird die Lefewelt eine m 
terhaltende Lecture daran erhalten. S. 159 von „Bertosers 
Biographie.) Welcher Dämon konnte Hra. Ries anfedte, 
jene Briefe mir gleihfam wie einen Popanz in feinen „iu: 
zen“ vorzubalten? wollte man ben Zeugen ber Wotrteit be: 


mit intimidiren? Vergebens bemühe id mich, einen wrrin: | 


tigen Grund zu, einem foldden Benehmen aufzufinden. Dee 
hatte wol Hr. Kies wirklich von mir zu Per lie Vicke 
— wenn ich auch nur hätte laut ſagen wollen, wie ſehr es But: 
boven ſchmerzte, erleben zu müffen, daß diefer fein Schütt ': 
fchnell die ihm angemwiefene Bahn verlich und dem SModrtrain 
ih Hingab, für ihn alfo Fein Verbreiter feiner Lehre, zu 
Beethoven von ihm Hoffte, fonbern nur ein Berhanbie franz 
Manuferipte in on ea. Wie ſchnell verraudkte De, 
was der zwanzigj e ler von feinem Lebe = 
in die Welt nahm! s.o4 gropen * 
Ih wollte kurz mich faſſen, darum bemerke ich blos ned, 
daß, wer immer mit Nennung feines Ramens bie Wertheitigung 
des Hrn. Ries in Bezug auf diefen Gegenfland und feine „‚Rotiza 
* Beetpoven” übernehmen will, es immerhin thun möge, aba 
aud) meine prompte Erwiderung barauf zu gewärti . 

Aachen ben 6. December 1840, ms gen bi 

A. Schindlet. 


*) Beethoven's Unbeholfenheit und Eigenſinn in Hand habesg weit: 
licher Dinge tft bekannt, daher er nicht ſelten durch ein gewiſ⸗ 
fe6 Imponiren gezwungen werben mußte, Drbre zw paritem, 
wenn bad zu Verhandelnde nicht zu feinem Nachtheil abgeiker 
werben follte. Gin ſolches Verfahren mit ihm nannte er „Ie 
tannifiren” und gewoͤhnlich folgten feinerfeit® Anklagebrieft, 
worauf ich jeboch nicht achtete, weil Id wußte, daß nicht au 
berd mit ihm zu verfahren fel, wollte man ein gänftigrö Re: 
fultat für ihn erzielen. 





Das Regifter zum Jahrgang 1840 ift unter der Preffe und wird im Laufe des Monats Januar 
nachgeliefert werden. 


. Berantwortlier Herauögeber: Heinrih Brochaus. — Drud und Berlag von B. X. Broadaus in Leipzig. 








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Alte — —— „Le „I. IH ICH 


— ei Ne * 5 — 
1. F . 
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Waren. Apum 











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Ein für fich 
zugielld an Zupplement zur 2 
ei: gewie ‚gu jeder Teühenp, ıqm- Allan 


— — — 
Brevmanvauneics wen, Bogen 6290, inebfi 
Ä a bis Si 







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( I Bripe Gr | dwic 
—— —* 100. ur 

Be —* if, 57. * pir erschlagen: | ‚Nam 

| 1 


Chir che" Muskeliehre Ans 
J ‚AbdHäungen, - © lee 
Ein Handbuch für seadirepde un dpyeühepde Aue 


gerichtliche te und W 


| . De. ML, ®. —— *. 
| a m dgl. ohlruıg.-Beindbiche- 


| ala iu Miet, 
WVB Miſa- 
Ein‘ Bardin Er. 4. — afeln Abbildungen und 


Preis der sole Ameske ‚cart. tho Dil. Pr. Crt, 

Preis der nicht colorirteh Ausgabe, cart, 7 TiAlr. 
1 2 Gr. Pr. Ort. J 
Über jedes“ riginalwerk, ‚in dessen. iise ‚hei 10; 

— 2 — —* A der „Anatomie 8 die —*2 in, 
‚enthalte .ich mich. | 
jeder Lobprdeung —X Fir * * Bitte, RE dreh 

jene: Ahnen un.pr prüfen“. _ 

je D ‚acht sehr a führliehen | 
Register, mit einer vollständigen „Synonymik der wichtigsten |; 








- 
no 





\ 


‚ Standpunkt der Wissenschaften, 


m Mit einen, Abbildung 


= 


Durch ae Dirkiediungen du fu- wi Anand 


ist von mir zu bexiohen 


: Das Geschlechtsieben des Weilbes 


in a physiologischen, pathologischer und therapgpfischer. 


Hinsicht . 
dargestellt von 


Dr. Dietr. Wilh. Heinr. Busch, _ 


=6e.-8.-}Auf feinem Druck-Velinpapier. 1889-40, -- -H-- 
Band: Bhysiologie und allgemeine Pathologße des weib- 
20 om. 





Geschichten. .B Thir. 

Band: Actiolegie, Diagnostik, Therapie, "Diätetik aid 
Kosmetik, sowie aueh üpecielle Pathologie und Therapie der 
weiblichen Geschlochtskrankheiten , getrenut von der Pokwanger- 
schaft, der Geburt und dem. ‚Woohenbette; 8 Thlr. . 


berghmte Verfasser legt in diesem "Werke dteiRe- 
Rhız dreissigjähriger Erfahrung nieder und liefert, seit 


A. E. von Siebold das erste umfassende Handbuch der i@e-. 


schlechtskrankheiten des Weibes nach dem gegenwärtigen 
Das ganze Werk wird aus 

den. bestehen. 
Leipzig, im Juli 1840. : on 
| F. 4. Brockhaus. 


_ Bönchtenswertho Nachricht für Reisende. 
Br das Herrliche fübbeutfche Alpengebirge nah allen 
turigen zu Fuß oder zu Bagmm am genußreichſten bexeifen, 


ei Hier nen wie folgende Reiſehandbücher, welche 
Hmann in München erſchienen find und durch 


vier 





jede * —— bezogen werden können, als durchaus 


ne und frme ' Begweiſer aus eigner Überzeugung em⸗ 
Bas Bairifche Alpengebirge nebit 


, angrenzenden Theilen von Tirol und Salzburg. Ein 


" Handbuch für Reifende zur genußreihen Kenntnig iefeb ' 


reizenden Hochlandes. Bon J. J. v. D 
ie 2 Karten, einer Anſicht des Gebirgszuges und 
Städteanfihten. 8. 1 Thlr. DO Gr, oder 2 $1., 48 Kr. 


Reues. ausführliches Handbuch für |. 


enwanderer und. Reifende ‚durch bas Hochland. in. 
ſtreich ob der Ens, Sal PR Gaſtein, die Kammer: 
 güter ıc. "Bon SG. u. Ehezy. Dit 1 Karte und 





Be Rael Drabife in Leipzig if neu y erfäifenen und |. 


vor alle en zu erhalten 


#eotg 


abe 7 


ie vierten Bücninrfeier 


ber Erfindung der Buchdruckerkunſt. 


Eine Darftelung der’ ‚Entftehung, "Ausbreitung und 
RETTEN der = Zopagsüpbie b bis zur gegen⸗ 


Heinlein, : 
—8* ber Leipziger Buchdruckergeſellſchaft. 
des" Sestsalons. 
Brofh. 12 Gr., illum. 14 Su - 





Büch 


h ; üchaft, mit ‚sich! selbgt . meint 


| Repertori 


„Apfiäten. Gr. 8. 1 Thir. 12 Gr, oder 2 81. 42,88, ' 


—— da yalaıyı * soben a 
«I. 38. (Doctor der Medicin, Chirurgie 
und —88 ), Homöopathische 
Arznefbereitunge - Lehre. d Liefe- 
rung. 9 Bogen und 2 Tithögraphirte Abbildungen, 
(Das Ganze wird aus 3 Lieferungen à 8—9 Bogen 
bestehen.) 1840. Gr.8. Brosch. Preis 1Fl.30Kr, 
oder- 21 — 

4. dere gut ist dieses Buch für jeden homöopathischen 


‚.derf&e gut. mit auinon der Wissen- 
—— 1— ——* 
viel auf die Reinheit und richtige Behandlung der Arznei- 


mittel an,-els in der Homöopathie! 





«. D. Geister i 
ebln a Be . alleh —E orig: 1 


"Album, :\dramatigue, :ou 'cheix' de: : Püboes fran- 


gaises interessantes et propres à initier dans 
‚te iangage de ia womvrersation.  Cakier I: 
.M. Musard, ou comme le temps passe. Co- 
..medie en un uote par M. L. B. Picard. 
.. „Tasphenformat. ..Geheftet 8. en x 
" Mer Fertigkeit im Sprechen zu erlangen unb bie feinern 
Wendungen ber framzöftichen Sprache fich ‚angueignen 2 — 
6 


dem dürfte dees dl ttete un 
———— —— 





‚Much ‚alle ——ã unb Poſtaͤmter if Pr beziehen: 
Blätter für laterariſche 
(Verantwortlicher Derausgeber: Hel nei Brod: 
haus.) Jahrgang 1840. Monat Suni, ober 
Nr. 153 — 132, 1 Beilage, Nr. 2, und -2 Titerarifche 


Anzeiger: Nr. XII und XIV. Gr. 4. Preis des Jahr⸗ 
‚ gange vgn,366 Nummern (oufer den Beilagen) 12 hir. 


der gesammten deut- 
schen Literaturf.- : Herausgegeben von 
JE. &. Gersdorf. 1840. Dreiundzwanzigsten 
"Bandes sechstes ‚Heft, (Nr. VI.) Gr. 8. "Preis eines 
Bandes 3 Thlr.'' 


Allgemeine. Bibliographie für 

Deutschland. Jahrgeag 1840. Monat Juni, 
oder Nr. 23 — 26, und Bibliographischer Anzeiger: 
Nr, 23 — 26, "Gr. 8. ‚Preis 'des Jahrgangs 3 Tblr. 


Leipzig, im Zuli 1840. 
Ä ln 5. A. Brockhaus. 
"ur gefäigen Bexhtung! 


Die Rebaction ber vom 1. Zuli-d. 3. ab erfcdheinenden 
belleteiftifchen Zeitſchrift „Befefrüchte (Driginalblatt) t) fact 
unter den beffern deutſchen Literatoren- noch einige Mitarbeiter 
im Fache der Novelliſtik, eitecatur, Kunft Ind des öffentlichen 


Balbdige @infendungen berartiger robuctionen, unter Bei⸗ 
fügung der Honorar⸗ RBebingun en, wid ber Dr. Buchhändler 
, Stefansti, fowie bie Re action ‚der Kefefriiiste 








: Lebens. 


in Bor en bankbarft annehmen. 


x 





| er —EX aeſheni dr, 
0. #riedrich 8 
fein Beben, fein Wirt 


Ein Erinnerungsbuch für 
von J. &. Kretz ſchmer, Regierungsrat 


| Wwit AS Pe 
i der koͤnigl. Familie und hoher Staatsbeamten aus bi 
Selten warb ein Monarch geliebt und verehrt wie Friebrich 
* den Hintritt eines theuern Entichlafenen gerechter wie über ihn, in! 
BBohlchater beweint; daher wird ein Werk willlommen fein, welches 
\- ſchmudlos und wahr, wie Er felber war, befchreibt. Damit die Anf 
Vrr ei auf Sge, pro Rieferüng see wor 
Allle Buchhandlungen nehmen Beſtellungen an und geben auf jede 6 G 





J Dechh au⸗ Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen: der 
Pas Pfennig⸗Magazin 
* fr Verbreitung gemeinnügiger Kenntniſſe. a 


704840: Sunl. Nr 375—378, nict 


Mr. 875. "Prinz Eugen. * Die londoner Brüden. Die 2 
Händel der Engländer mit Shine. — Mr. 876. "Anekdoten J 
aus dem Leben Briedzich’e des Großen. Prinz Eugen. (Bes C 
; plus.) Der Quaͤker und ber Räuber. Ein Beſuch im Gil: | 
bergwerk zu Kongsberg. Drientaliſche Juſtiz. — Mr. 877. 

BR *Poitiers, *Die Pehuenden. Die, Strafen ber Ghinefen. 
e Die Therläden in Petersburg. * Von einigen Sumpfoögeln. — | — 
Me. 878. *Lapfar Die 9 in ‚London. *Marokko. 
" Bon ben Höhlen. Beifpiellofe Ignoranz. Merkwuͤrdiges Duell. 
2HDer Leichenzug, nach Robert. 





r 





: Die mit * begeichneten Auffäge entpalten eine D 
= oder mehre Abbildungen. ‘! 
Preis diefes Jahrgangs von 53 Nummern 2 The. — Der ‘: 
! Preis der ehe f Anl Sehrgänge von 1008.87. Ar. 1—248 : 
euthaltend, ift von 9 Thlr. 12 Gr. auf 5 Thir. ermäßigt. | 
* Einzeln toftet jeder diefer Jahrgaͤnge 1 Thlr. 8 Gr.; die Jahr⸗ " 
j und 1889 koſten jeber 2 Ihr. .—. ven, 
Eeivptig, im Juli 1840, | . | 
F. A. Seodhbaus. ee 
0.0, Bertfauf bat ı 
von Flörke's getrockneten Flechten. | 
h Ein bauptfächlich beiebrendes Hülfsmittel beim Studium 


. der Botanik ift die Anſchauung gut getrodneter Pflanzen, deren 
richtige Beflimmungen durch uber! ffige Autoritäten verbürgt 


„bene Profeſſer Floͤrke in Roſtock ausgab. Es ging ihm. das 
Talent/ab auch mir mangelt, feine Produetionen durch 
Freundesempfehlungen, durch lobpreiſende Inſerate ins Publi⸗ 
eum zu bringen. Daher find dieſe treffiich ausgeſtatteten Semm⸗tat 
lungen getrockneter Flechten weniger verbreitet als fie ed wol | WI) 
verdienen daher hinterließ er feiner Witwe eine Anzahl von | UN 
Exemplaren fowol der „deutſchen Lichenen, gefammelt und mit 
Anmerkungen herausgegeben von Heine. Aug. Floͤrke“, Liefe⸗ 
sungen *— 10, begleitet von guten Diagnofen und Angaben 


* 


4 
J 
J 
N 












Durch alle foliden Bo nen —XRX 





ans ſeinen Tas 


Supplement zu  sämmilichen on Bipgrapkien!äns 


Ger Friedrich 


Wine Amt 


rossen-Akömter. 
& des Grossen. 


vlogr. 


e Ir 
j a .7 8 . . 
7 - - 








Dit einer Abbildung ts Midckte zur Friedrichs - Stafne 
12 Bogen. Sauber broſchitt. "Preis 12 Gr., oder 15 She. 


Klebagun —— 


| j Berlin. 


In meinem Verlage ist aoeben ersälilenen: 


Trsch (Joh. Sam), 
" Aueratr der schönen Künste 


"der "Mitte des I8. Jahrhundert bis auf die 
al —** atiseh bearbeitet und mit 


istern versehen, 
N bis. ne due 2980 fortg 





esetate Ausgabe von 
WER, 4 Mese mid Oh. Ant.'Geisster. 
(Aus der neuen Ausgabe Bes Haudbuchs der deutschen 
Kitttahur sonders - abgedruckt.) 
- Gr. 8. 1840. 3 Thlr. 12° Gr. 


"Mit dieser Abtheilung ist die neue Ausgabe von Ersch’s 
‘der deutschen Idteretstr“ vollständig. : Das 
ee aus 4 ——— 
. Hm aber zu.@r 
Ka, Saskehhusen ‚der den Preis eich, 


"bedeutend zu ermässig en 


das Ex. aufDrückp. für 8 auf Schr 

— —— ind, Mr Fer Hr. 
jede ‘von winem in seiriem 

— —— Wanne Die auf die Zeit des -Brkchei- 

Bömer | 

Philologie, "Philosophie un Pädagogik, von E. @. A. Böckel. 

R TI Til. 16 Gr, "Fetet 16 Gr. 

Wuillonie, won EG. 4, Dückel, "1088, —X 16 Gr.) 















Jeiat 16: * 
Jurisprudenz ven J. Oh. Zuappe. 1828. 
Mm ruhe Tüee, (1 Pr. 20 Gr.) 
T, 
—— 


Mathematik, Natur- und Gewerbekunde, von Fr. W. 


4 Thle) 16G 
Bbeischäten. Mr er 8 Gr.) 
Die „Literatur der vermideliten Schriften“, von Ch, Ant. 
uuoler 4837), kostet-@0 :Gr. 
Leiprig, im Juli‘ 1840, | 
F. A, Brockbaus. 





Abrocht Busen uud 
Menebeitet van Dr. 8. 





Bei — — im menden iſt —— 
tote Def. 









Ver, ——— 5 
von —— Berge 


lich bei 28 arexn bes 
einen boden Genus —8 wir 








Be; —* n Berlin in Meeifüfnen: 
Der 7.7 
: Ein 1@erzbaf 2 ——— 


Soæderiu 








Mit einleitendem Vorwort von 5* 


und 8. Federzeichnungen non ‚Hafen. 
Preis 10 Br. 
wen 
Baar Sa ar 
u 
© Sun al) Kt, und nehmen : Kin Aheh. 





Buchhandlungen ver Ins und Kaslandır in 


von Lo begiehen: 
Dersuch einer geschichtlichen Charäkteristik 
der Volkslieder germaniſcher Rationen 
Me TEIIE IT FTIR 
der Lieber außereuropdtfcher Voͤlkerſchaften 





Druck und KBerlag von g.x“ Brodhaus in Leipzig. 





Yy 


DD 





Etterariſche 


1840. N; 


N — — — — 
Dieſer eiterarifche Anzeiger wird ben bei F. A. Brodhaus in; 
sen riſche unterhaltung und Iſie beigelegt ober beigehefl 
ober deren Rat 





Vollständig ist jetzt erschienen und durch alle 
Buchhandlungen zu erhalten: 








Ausführliche Eneyklopädie | N 
er gesammten Ä 
‚BStaatsarzneikunde. |: 

Im Vereine mit mehreren Doctoren der Rechtsgelahrt- ( 


heit, der Philosophie, der Medicin und Chirurgie, mit 
praktischen Civil-, Milittair- und Gerichisärzten und 
Chemikern bearbeitet und herausgegeben von 


Georg Friedrich lost. 


Für Gesetzgeber, Rechtsgeiehrte „ Policeibeamie, 
‚ Militarrärzte, gerichtliche Ärzte, Wundürzte, 
"Apotheker und Veterinairärzte. 





Zwei Bände, nebst einem Supplementband in 
14 Heften. (168°, Bogen.) Gr. 8. 1838—40. 
11 Thir. 16 Gr. 


Diese Encyklopädie bat denselben Beifall von Seiten 

des Publicums und dieselbe Anerkennung von Seiten 

der Kritik gefunden, wie die früher bei mir erschienene 

Eneyklopädie der gesammten me- 

dicinischen und chirurgischen |, 
Praxis mit Einschluss der Geburtshülfe, der Au- 
genheilkunde und der Operativchirurgie. Im Verein 
mät mehreren praktischen Ärzten und Wundärzten 

‚herausgegeben von &. FF. Most. Zweite | 
stark vermehrte und verbesserte Auflage Zwei 
Bände. Gr. 8. 1836—37. 10 Tulr. 

— — Supplement zur ersten Auflage, ent- 
haltend die Verbesserungen und Zusätze der zwei- 
ten Auflage. Gr. 8. 1837. 2 Thlr. 12 Gr. 

Leipzig, i im Juli En 
F. A. Brockhaus. 


MBergesgrüsse | 
‚aus dem 


Salgbnager , tieoler und bairi- 
DL ſchen Sebirge ch | 


Bo: 
s Beinrich 8t lit}. , j 
Gr 8. an be — In umſchlag 


Die Witten ſowol, ae Bi net und fagenreichen füb 
deutichen Alpen burchfixeifen , wie bie —X ih je: 


” . 
. 
. N 








Zi ine, Pas ve 
Schubert ¶ Gotthitf Heine. von), 
Die Symbolik des Tranmes. 

Dritte, verbefferte und vermehrte Auflage. Mit einem 

Anhange aus dem Nachlaffe eines Viſionairs: bes J. 3. 8 

Dberlin, geweſenen Pfarterd im Steinthale und “einem 

„Bragment über bie A u BWathend. Gr. 8. 

r. 1: 
> Ye ben Werth und 1 hohe Intezefe der Schrift ſprechen 

‚me beſten die wiederholten Aufiagen. Dieſe dritte Auflage kann 

mit Recht eine verbefferte und vermehrte genannt werden, 

——  Binzein iſt auch zu haben: 

Werichte eines Viſionairs über den Zuſtand der Set 
ma dem Tode. Aus dem Nachlaſſe Johann Fries 
drich Dberkin’s, geweſenen Pfarrers km Steinthale, 
zältgetheift won G. H. von Schubert, nebſt einen 

h dragment: die Somm cha den Wachene. Gr.s8. 1837. 12Gr. 
»Weipgig, im Zuli 1840. 
5. a. Srackhaus. 


Raturge ſchichte 


gestienten Himmels 


J 5. p. Grlithuisen 
Gr. 8. Hürhen bei Fleiſchmauun. 
2 Xhle., oder 3 FI. 36 Kr. 

Wichts beurkundet fo fehr bie Groͤße und Meispeit des 
I phöpfers-als die Sternkunde. Im diefe Wündeeweft ben Befek 
einzuführen, beaöfitigt :der. ale Aftsonom chauich bekannte 
derr — durch 'biefeds ſchoͤne Werk, ‚bad die algeweinſte 
3ßBerkeeitang‘ vesbient,. 








5 vBremeinem Verlage if erfchlemen. und im allen wihtae 
chungen gu · hahen · 
M⸗ Barrnkräuter in: onlorirten Ab- 
En) 
— Aust. Kunze, Professor. det 
Botanik nd Medicie; Director des botanischen Gar: 
tens zu Leipzig. 1. "Band. 4. u.2. Lieferung, oder 
ndßohässihr's Barrnlaräuter Supplement: 
4.” 5'Bogen Test'usd '20.‚colorirte’Kugfertäfeln. In 
tem Umschlag. Jede Lieferung *.2Y. Thlr. ' 
Demremierder: ANer TGarices) 
zu Schkuhr’'s Monographie in Abbildung und Be 
schpelbungg herausgegeben von'!Br; Ghust: ME unge; 
Buniesseri der Botanik ud -Mektiein, «Direstar des 
botanischen Gartens :zu Leipzig. I. Band, iste 
Lieferung, oder ch s Biedgräser 


neuefolge. 8 en Text und 10 

a seine fertafeln, In *2 The. : 

Bon von · den * des Seogrie ‚cine 

jaften reue ails 

er —8 aus — 

er ' Beck, ı Ihr Pig 
ee Gtelung bei ie und aldi * 

taniſchen Gartens ingerer mit den Fami⸗ 


nmtäsgetreu erläntert und besahrie- | 


Deuhrichen Mertit Yundt zur” 1 
Zannter „und bisher. nad) 


Pen am fo 
Beton Yublicums empfohlen werben, * Beidmung & 
Golorit "unter der Auffiht des Herten Sreansgebees beforzt 
werben und ber unterzeichnete — ſeinerſeits nichts gefpart 
hat, ebenſo wol durch eine elegante und wärdige Ausflatzung, 
als durch einen verhaͤitnißmaͤßig billigen Preis zu größerer Bers 
Be beizutragen. 
her erſchlenen bei mir dereits 
Schkahr O., Enchiridion botanicum seu descri 
ptiones et icones plantarom-in Europa vel äposte 
«rescentium vel in-horfis aab die pordarintiem. Edi- 
tio latins. Vol. I. Cum 84 tabulis coler. msi. 
15 Thlr. 
— —, ste Classe des Lindee’schen -Pflanzensystems, 
oder kryptogamische Gewächse. 7. Band, 1stes — Ites 


Heft. Farrnkräuter, Mit 219 vl. 


6r. 4. : Jedes Heft 5, Thlr. * 

— —, Dasselbe. II. Band, . iates und 2ies He. 
Deutsche Moose, Mit 40 colorirten Köpfern. Gr. 4. 
* — Thlr. 

Botanisches Handbuch der . wehrsten, theis 
in Deutschland wildwachsenden, theils "ausländischen 
unter freiem "Himmel aisdoteräden Gewächse. Mit 
453 coloriften J te Ausgabe. 

Gr. 8. Jeder Band 20. Tult. 





"Banie. 
*S0"Thir, 

— —, Bedenreibuos und Abbildung der ‚thels be 
"kannten, theils noch nicht beschriebenen Arten von 
Biedgräsern nach eigenen "Beobachten; und wı- 
grösserter °Darstellung der kleinsten Theile, Wit 
93 cölorirten Kupfern, Gr. 8. *16 Fiir. 
aciviia — Ju 1840, 


Eenſt Freiſcher. 





vBel Justus Naumann in Drosden ist emdie 
nen und durch alle Buchhandlungen, in Läiprig, bEfPrie- 
ıdrich Fleischer, 'zu' dezichen : 


“Gutenberg’s erster 
Facsimile der ersten Seite .ıler 4 
zarinisohen) ‚Bibel, ‚mit kurzer Erftätei 
Gelegenheit der vierten 'Säcularfeier..des, 
„drucks. Folio. 8 Gr. 









Du alle Buchhandiumgen von mir zu ——— 
in jas:&hi 


mune. In zn ironum willen. 8. er 


16 Gr. 
a ee —S ©. 8. Kruz 
Reipsig, im Juli —2 
8. A. Avthhaus. 
— —* 





In ihrem mit —* 


"Chesuik dretten — 
Erropa. 


unter ropa. * ‚ch tonik d : 
Die Genremalerei in ihrer — Debsutung, von 2, 9. 





aus dem Tirffichen von D Bibliothekar in Heide 
ine, van . VD 8. Antien. — Der 8 rine 

Mewaidb, — Apenbilder, 58 laudereien aus 

ee er Aug Ciiehen land, bon gSgelbman ilder aus Belgü 
ſchen, nebſt ovellen aus 2 a — und Franzoͤſiſchen u. 


Die artiftitnen. Beilagen werden tn fol; 
Die ea ax — Leſuenr bei den ee 
Ruben) —8 am. chei 


oniften. — Anßcht von - -Bupalette auf Dale. — Der R — 
von eoin. — „Somgofitlonen: Der Schwargwä der, co 


comp. von Meherbeer. — —**— aus Otto IH.’ von Eindpain 
— — eerin⸗ und Tbomas Morley. — Die 


R | 
x 

Den abonniet für das dritte Quartal mit 

k. RL, Rhein., oder 3 

Für! en Preis alle Buchhandlungen and alle 

ohne weitern Porto⸗Aufſchlag und Preis 

Im Wege bed: Buchhandels Tann man die Ze 

ben, N jedes einzelne mit reſp 1%1. 36 st. “und 
.6_ Gr. en. 

Dr -Snde Juni 1840, 








Beipgig, bei Binrichs iſt exjchienen: J 
Conversations- Taschenbuch | 5. 
8 


für Reisende und Andere, um sich mit den auf Rei- 

sen, im Verkehre und im geselligen Umgange gebräuch- 3 
ichen "Ausdrücken "bekannt 'zu "machen. ‚(Nach Frau R 
von Genlis.) In’ sechs Sprachen: Englisch,"Deufsch, hi 
Französissh, Italienisch, Neugfiechiäch und Rus | ..,, 
sisch, te ’uimgearb. u. Yet. Attiege, 16. Cart. 7 


"Dasselbe "in' sechs BAER "Eußfisch ; ‚"Dientsch, Prah- | > 
zösisch, Italienisch, Spanisch und Russisch, Tte 
— und vermehrte hrte Auflage. 16. Cart. 1. Thir. | efian: 


EN. auneR, Di 8: 25 in —X 
Morwegen, Schweden, —— Polen hd hand 
YianTand. Eme Kortfegurng el Aral Me 
den Haupiftädten von Be (etdkte 
ab. Heinen Geädteplänen, Wo Bogen) in engl. 
Reintep. vebd· "1 Ion. — * BE 
muße die Wecbicchaurg mit des: ocd Reden‘ ie: |. 
Leichtert wich uni die Baht der Bahin Raifinden: wöhß; the 
fühlbarer wird das Bedürfniß ba. NERT ner gnver 


FIR; tan — teen. “ —* 









-. 
. 





Durch alle Buchhandlungen bes In Il Auclander If} von. 


u h ben: x . 
Fa FE en Wort, üble: 


‚animalischen Magnetismus, Soclenkörper 


untl Lebensessenz; 

“nebst Beschreibung des ideo- somnambülen Zustandes 
MH „des Fräuleins Therese v. B—-y zu Vasarhely. im J. 1838, 
: amd einem ‚Anhang. 
"Beobachtet, geschrieben und. gegeben von ... 
Franz Graf von 82... % . 

Gr. 8 Geb, 1 Thlr. 


weine 5. A. Brockhaus. 











habe 
Ser "Über 
bie iöraelitifche 


öffentliche Religions- -Prüfung 


Confirmation. 
Eine Schrift für israelitiſche Altern, Lehrer, Schutvorſtaͤnde 
und Alle, welche ſich für religioͤſe Bildung und Erziehung 
interefficen, 
J on Dr. M. Sudiuger 
Oberlehrer an * — Schul⸗ und utlepebe» Bittunge 
-  anftalt zu Kaffel. 
Gr.s. Kaffel in. E. Krieger's Verlagshandiung. 
1840. A Bogen. ) Geheftet Hreis 8 Gr., oder 36 Kr. 





u 4 vriß 
E Gefchichte des Mittelalters. 
Lehrbuch 


u Borefungen an ——— und obern Gymnaſial⸗ 


aflen, 
Gr. 8. Kaffel in J. C. Rrieger’s Verlags⸗ 
handlung. 1840. (69 ek Preis 45 To. ., ober 


— — — — 
Soeben iſt fertig geworden und in allen Buchhandlungen 
u, Habn:ı - 


8er Spin 


Hiſtoriſhet Roman 


J. x. FT ngöuBeim. 
Inhalt: — Band: "ni — bei Jena.“ 
nen * lachtbei Wagram.“ 
ch lacht bei — 
— 2 Da und St.sHelena.' 
Der rühmlichft befannte Verfaſſer hat feinen: sim eigens 
thömlichen, -lebehbigen Darftellungsweife ein Wert gegeben, wel⸗ 


T. 


Es ift eben erſchienen und durch „alle Buchhandlungen zu 
n: 0. A 





I Bud ts und, —E Kay Pc en ben —* 


Bewei Wollstroft m 


Bi Manen bes @i —— — * Opfer biz. 


Adolph der : der Kiibtte, 


Raugyaf von Daffel. 





.Dramatiſirt vom SBetfoffer des behtjchen Alcibieden 


Zweite daurchgefehene Oebiginalauflage. 
Drei Theile; wiit einem Titeltupfer und einer Mufikbrikz 
zum I. Theil. 

Die fortdauernbe Nachfrage nach dieſem vielgeleſenen, hẽql 
anziehenden dramatiſirten Roman bat den jetigen Berka 
beftimmt, ihn neu aufzulegen und bie neue Auflage, um ie 
Eigenthämlichkeit des Ganzen etwas nicht zu nehmen, ganı st 
treu nach der vom Verfaſſet kurz vor feinem Tode vorgencmaten 
‚Rerifion gu — — —* jent‘wirb Hoffentlich das Bud 


.ue.6@&, „9, Melzer. 
Bei DR. Du Mont: Schauberg in RI 
und in allen Buhandlangen pu haben : ” "IR erfhinn 
| AUnleitun 9 


zu Dentichen Dtiläbungen 


auf böhern-Bildungsanftaiten 


, Dr. 3: 3. Bilschneider. 
8.. 96 ©. Preis 6 Gr., ober 27 Kr. Rhein 


:4 noch viele 


eeipaie,. im Juni⸗ 











Bei Fleiſchmann in Münden if erſchtenen: 


Moore, Th., Die Liebe der Engel Ein 


mpehihe Didlung. Aus dem Engliſchen oͤberſcht 

von affene. 3. 9 Gr., oder 35 Kr 

Wer vo db nicht gerne Freunden und Geliebten zuit bicer 
lieblichen Dichtung —* Geſchenk machen? 





In meinem Verlage iſt erſchienen und durch all Bit 
anblungep bes In⸗ und Auslandes zu beziehen: 


Römische Briefe 


‚von einem Florentiner. 183738. 


Zwei Theile. 
Sch. 4 Thlr. 12 Gr. 

Der Verfaffer fchitbert in d Bere in gefdgmadrelkt, 
ebenfo beichrender n tecbattrnbee Darfletlung Das neut 
Rom in feinen oͤffentlichen Zuſtaͤnden, goie fie in den Formen 
—— der 3 ————— — —— ehe 

u em 
und — alten na zeigen, - farbe gefeigen Verhoͤlt⸗ 
aiffen, kinen & eſten und feiner ‘äußern Gricheihung, in den 
‚&rgeugniffen der neuern Literatur und Hanf: Was Merk 
wirb für Be en, ber Rom auf. "akmgere aber 


5:fein, da wir 
kein ee in der Eiteratur —* 
Eeinzig, im Juti 1800. 


FR, Wrütkhens. 


Gr. 12. 


TUT Druck und Verlag von F. & Brockhaus in 7 J 





Literarifcher 


N 


1840. Nr.: 


0 — 
Dieſer eiterarifche Anzeiger wird den Wi 5. A. Brodhaus fn 7 | 
r 


{he Unterhaltung und Iſis beigelegt oder beigeheftet, 
| oo. oder deren Raum | 





Eonversafiuns-Werxika 


Di 

Ein fir fich beftehended und in | 

zugleih ein Supplement zur”achten Auf 
fowie zu jeder frühern, zu allen Nachdrub 





VvVierundzwanzigstes Hekt, Bogen 
Pae bis Phile 


Jedes Heft auf Qruckpapier S Gr.,. auf Schreibp 







- 


aſſos (Mancel da Silva). — u (Hippolpte — Antofne). - 






* 
Charles). — Ge int.). — Bet N.M.)- 
—— ' af (Orc in Fo Ai “ ( | 
. 7 Pfizer au atius). — ugu riedri 
Fand Helnr.), — Philips (Georg). — —— 


Eeipzig, im Juli 1840. 





Geſangbuch für Gymnaſien und | ?% 
höhere Rebranftalten. Dsnabrüd 1840, | gut 
in der Hodborfl’ihen Buchhandlung, Gr. 8. 6 Gr, | leid 

Unter ihres Gleichen nimmt bdiefe 241 Nummern flarke | 

Sammlung geiftlicher Lieber eine ehrenvolle Stelle ein. Bie | 

fodem Kirchengefangbudy zu Hülfe kommen, wo hefien Ge | un! 

brauch bei der Jugend in der Schule nicht ausreicht und iſt r 

nach bewährten Grundſaͤtzen veranftaltet, abhold verwäflertem 8 

Text und die urfprünglichen Lesarten älterer Lieder meift wie: 

derherſtellend. Daß visle Lieber nur abgekürzt, oder nur ein: 

zeine Strophen daraus, überhaupt zurge Lieder gegeben wors 

den, war dem Zweck entſprechend. Für Anfang und Schluß 

der Lectionen find 82 Nummern vorhanden. Der Morgens 

und Abendlieder find 42. Zu Anbachten an ben Borabenten | 
dee hohen Feſte find 31 Keftlieder aufgenommen, benen 8 
Schulfeſtlieder beigefügt find. Won Nr. 166— 241 fol: | po 
gen Lieder zum Borlefen und zu häuslichem Gebrauch, fowie | chı 
zum Auswendiglernen beim Religionsunterridit, nach dhros | be 
nologifher Ordnung ihrer Verfaſſer und mit Auswahl des Vor: ı bi 
zuͤglichtten, mas fie geleitet. — Den Liedern find die Dichter 
beigefegt und gibt ein Regifter noch nähere Auskunft über dies 
felben. — Das Büchlein Hält die rechte Mitte zwiſchen der 





Vollständiges Real-Lexikon 


er Ä 
medicinisch-pharmaceutischen Natur- 


geschichte. und Rohwaarenkunde. 


- Enthaltend: ‘ 
Erklärungen und Nachweisungen über alle Gegenstände 
der Naturreiche, welche bis auf die neuesten Zeiten 
in medicinisch-pharmaceutischer, toxikologischer und 


diätetischer Hinsicht bemerkenswerth geworden sind. 
Naturgeschichtlicher und pharmakologischer 
Commentar jeder Pharmakopde für Ärzte, 
theker und Droguisten. 


Studirende, Apo 





Heraufgegeben vo 


n 
Dr. Eduard Winkler. 
In zwei Bänden. 
Erstes bis sechstes He. A—O. 

Gr. 8. Jedes Heft im Subsersptionspreis 20 Gr. 
Die Kritik hat sich auf das günstigste über das Werk 
ausgesprochen, das einem wahrhaften Bedürfnisse entspricht, 
An dem zweiten Bande, der das Werk beendigt, wird un- 

unterbrochen fortgedruckt. 
Leipzig, im Juli 1840. 
. _ FF A. Brockhaus. 





Söchft intereffantes Werk. 


Soeben hat {n-meinem Berlage bie Preffe verlafien, und 
iſt in allen foliden Buchhandlungen Deutſchlande und der 


Schweiz zu haben: 
UÜber bie 


gefährlichen Classen der Bevölkerung 
_ in den großen Städten 
und den Mitteln, fie au beſſern. 


Bon ber Akademie ber, moraliſchen und politifchen Wiſſenſchaften 
| getrönte Preisſchrift 


von 


9. Æ. Bregier, 

Burtaus Chef an der S nes Präfeetur. 
Aus dem Französischen übersetzt von 

@. von MM. - . 
ur Erfte Lieferung 

Broſch. 1 Fl. 12 Kr., oder 18 Gr. 
Diefes hoͤchſt Intereffante Werk berührt bie ſchwierigſten 
Probleme unferer Belt, und hat ber Verfaſſer beffelben alle 
Schwierigkeiten überwunden, die einer fo neuen und frembartis 
gen Unterfuchung im Wege ſtanden. Er hat Das, was er ge⸗ 
malt hat, geſehen; feine Darftellungen find Reminiscenzen; fie 
haben ganz das Intereffe, wenn auch nicht ganz bas Graͤß⸗ 
liche Dr Bichtickelt Staatsmaͤnner, Juriſten, Werwaltungss 
deamte werben dieſes wichtige Wert mit dem größten Intereſſe 
Iefen, da es über fo viele Punkte in ftaatsrechtlicher, juriftifcher 
und bkonomiſcher Beziehung neues Licht verbreitet. Jeder ans 
dere gebildete Lefer wird barin aber Unterhaltung, Belehrung 
und Stoff zum Nachdenken finden, und wird gewiß nicht ein 
Werk unbefriebigt aus der Hand legen, bas nicht ber Aners 
fennung und Belohnung bes Inſtituts von Frankreich beburft 
hätte, um fich über bie ephemeren Erſcheinungen ber Tages⸗ 


s 


x, 


Y 


literatur gu erheben. — Ging allgemeine Andentung und Befpres 
hung des reichhaltigen Inhaltes biefes Werkes findet fih in 
Nr, 85 des diesjährigen. Jahrganges der Blaͤtter für literariſche 
Unterhaltang und in Nr. 5% bes Magazins für die Literatur 


des Auslandes. 


Das game Bert wird in vier ‘bis fünf Lieferungen, 
jede von 10 Bogen fu 1 FL. 12 Kr., ober 18 Gr., erfcheinen 
und zwar fo, baß es in Zeit von einem halben Fahre vollendet 
fein wird. — Die Abnahme ber erften Lieferung macht für das 
Ganze verbinblih. Das erfte Heft iſt bereits erfchienen unb 
in allen foliden Buchhandlungen zu haben, wofelbfl-audg Pro: 
fpeete gratis ausgegeben werben. 

Koblenz, im Juli 1840, 


Rudolph Friedrich Hergt. 





Bei J. U. Mayer in Aachen if foeben erfchlenen und 
in allen en zu haben: “ 


Der Kaſchmir⸗Shawl 
Charles "White, 


Berfaffer ded Herbert Milton ıc. ıc, 
Roman in brei Bänden. - 
‚ Aus dem Englifchen 


von 
€. Richard. . 
8. Drei Bände. Elegant geheftet. Preis 4 Thle. 


- Unter allen Laͤndertheilen unfers Erdkreiſes bietet im gegens 
wärtigen Zeitabfchnitte vielleicht keiner fo allgemeine, an bie 
neueften Weltereigniffe gelnüpfte Anziehung dar, ald Mittels 
often. Deshalb war es ein glädlicher Gedanke bes geiſtvollen 
Verfaffers, feine Iebenvollen, farbenprunlenden Gebilde in den 
Rahmen dieſes wunderfhönen Landes zu faflen. Sitten, Ge 
bräuche, Lebensgewohnheiten und Denkweifen von Afghanen, 
Zurfomannen,, Khoraßanen, Perfern und vielen andern Bölker- 
flämmen gewähren reihen Stoff zu Schilderungen voller Leben⸗ 
digkeit, Kraft und Reiz, find in einem reizenden Blütenkranze 
um einen Baden gewunden, ber hohes romantifches Snterefie 
barbietet. Leſer und Leferinnen werden biefe Bände mit loh⸗ 
nenbem Vergnügen zur Hand nehmen. 





Dur alle Buchhandlungen und Poflämter iſt zu beziehen: . 
Blaͤtter für Titerarifche Interhaltung. 
(Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brod: 
baue.) Jahrgang 1840. Monat Juli, ober 
Nr. 183 — 213, und 2 Literarifche Anzeiger: Rr. XV 
und XVI. Gr. 4. Preis des Jahrgangs von 366 Num⸗ 
mern (außer ben Beilagen) 12 Thlr. 
Bepertorium der gesammten deut- 
schen Literatur. Herausgegeben von 
E. 6. Gersdorf. 1840. Vierandzwanzigeten 
Bandes erstes und zweites Heft, (Nr. VII, VIIL) . 
Gr. 8. Preis eines Bandes 3. Thlr. 
Allgemeine Bibliographie für 
Deutschland. Jahrgang 1840. Monat Juli, 
oder Nr. 27—31, und Bibliographischer Anzeiger: 
Nr, 27— 31. Gr. 8. Preis des Jahrgangs 3 Thlr. 
Leipzig, im Juli 1840, ZZ 
S. a, Brockhaus. 


U) 





— 


- 


Durch alle Badiganbtungen und Poſtaͤmter iſt gu hezichen: 


Das Fre ec 
für Verbreitung gemeinnügiger Kenntniffe. 
1840. Zuli. Nr. 379 — 382. 


Mr. 5719. *Der Erbe von Linne. Abb: ef: Raben. Be⸗ 
nußung des Laubes als Yütterungsmittel. "Die Radeln von 
Gtretät. Urfprung ber Heinern europäifgen Monarchien und 





—— Regentenhäufer. * Die Belagerungen Konftantinopeld. — | 
. 5 


* Tamerlan. Zaubflumme vor Gericht. —— 
5 en burch die Yingerfpradge und Mimil, Die Opfes ber 
franzöfff en Revolution. *Karahiſſar. Urfprung der Bleinern 
europäifchen Monarchien md ihrer Regentenhäufer. (Beſchluß.) 
Die Hadſchuten. Gonfumtion ber Stadt Paris. » Der Har⸗ 
pyenadler. Erieſon's Feilenhaumaſchine. — Mr. 881. *Gap⸗ 
Die heutigen Griechen. Eine Angewohnheit. 
zu Anet. Die Juden in Damaskus. Ratigen über Seiden⸗ 
ucht. *Der Pfauenargus. — Mr. 882, * Franz Drake. 
eltfamer Wunfch eines Sterbenden. Der Kraken. *Thann. 
Die ſchwarzwaͤlder Uhrenfabrikation. Die Öffentlidhen Bäder 
- in Konftantinopel. Gemälbeeinfuhr in England. 
Die mit * bezeichneten Auffäge enthalten eine 
ober mehre Abbildungen. 
Breit biefes Sahrgangs „von. 5? Rummern 2 Ihlr. — Der 
Preis der erfien DRAHT bon en, Nr. 1—248 
enthaltend, ift von 9 Thir.1 hir. ermäßigt. 
@inzeln — jeder dieſer Jahrgaͤnge oe 8 Gr.; bie Jahr⸗ 
gänge 1838 und 1839 koſten jeder 2 Thlr. 
Reipsig, im Juli 1830, 
‘ F. R. Brockhaus. 


Im Bade des Unterzeichneten erfcheint auf fefte VBor⸗ 
aunsbeftelu 
| eine "Pracht- Ausgabe vom 


Bayyon: AUlmanas) 


fämmtlicher 
fonverainer Diegenten Europas, 


enthaltend die betreffenden 47 fo richtigen als vollſtaͤndigen 

WappensAbbildungen, nebſt den hauptſaͤchlichſten Ritterorben 
in vefp. Gold: und Silberdruck 
chönftem Farben: Eolorit. 

Die Ser be eines en⸗Almanachs ber 
die in den —ã Staaten Europas Da günftige Auf- 
nahme als ein ee Unternehmen "erwiefen und haben 
esmpetente Be iler auch in heraldiſche wiſſenſchaftli⸗ 
cher Hinſicht demſelben einen entſchiedenen Werth zugeſprochen. 
Diefem vor einigen Monaten in meinem Verlage erſchienenen 
und in jeber foliben Yanbiung vorrätbigen Wappen = Almanady 
in fchwargen, durch eine Barbentafel erklärten 5 Zoll hohen 
en (reis in elegantem Quartbande 31% hir.) in 

id, ‚Dielfeitigem erlangen zu entſprechen, geſonnen 
eine Pracht⸗Ausgabe in reſp. Farbendruck 
und Colorit 
nachfolgen zu laſſen, worauf ich mir hiermit zur gewogentlichen 
Untergeiänung einzuladen erlaube. 
ies würbig ausgeftattete, in einem reichen Goldſchnitt⸗ 
Sinbande abgeliefert werdende wirft er? dürfte 
den fürftlichen und öffentlichen Bibliotheken fowol, als Bäder 
und Kunftfammlungen vermögenber Leute, oh u einer werthoollen 
Zierde dienen unb jebem Diplomaten, Hiſtoriker, Heraldiker 
und Kuünſtler fo Ba als angenehm fein. 





* Das Schloß |. 





zahlteichern Shelinafen ü 
eg in bien une anf 13". Baler 
feft, was Diejenigen, welche bas vor etwa: 8 Jahren erfchles 
nene, ungebunden 104 Thaler im Subfertptionspreife Loftende 
von Gelbkeſſche Wappenwerk kennen, am beften zu würbigen 
wiflen werben. 

FT Da bies Prachtwerk überall nit in ben Handel 
kommen wird‘, fo werden von demſelben auc) nur fo viele 
Gremplare angefertigt, als vor Michaelis d. 3. feft beftellt 
find, und wird hiermit die Ablieferung mit Beſtimmt⸗ 
heit im Novenber d. J. ben reſp. Subferibenten, 
Xe Ramen, Stand und Wohnort dieſem Werke 

—8 alleinige WBefiger und Beförderer vor⸗ 
Gehen ‚werben un ben etwas ganz Außergewoͤhnliches 
exwarten bürfen, zugefichert. \ 

Roflod, im Juni 1840, - 

G. Xiedemem, 
Beſitzer ber geoßhergogl. mecklenb. Hof⸗Steindruckerei 
und Inhaber der großen goldenen Preis⸗Medaillle. 





In der Gineiderten Buchhandlung in Leipzig find 
eben erſchien 


Dapit und Kailer. 
Hiftorifcher Roman fe nah Dinpeonuet bearbeitet 
von &. ©. F. be Eafieee de Verfae. 

2 Thle. 8. 8 Gb 1% Zhle. 


Die dramatiſche Ppefte Ppeſie der Deutfchen. 
Verſuch einer Entwidelung derfelben von bee dltellen Zeit 
bis zur Gegenwart; ein Beitrag zur — der deut⸗ 
ſchen Nationalliteratue. Von FJoſ. Kehrein. 
2 Bde. Gr. 8. Velinp. Seh. 2° Thlr. 
An 1200 Dichter werben darin beſprochen mit Angabe ihrer. 
wichtigſten Lebensverhaͤltniſſe. 


Kuowles’, James Sheridan, 
getgeig⸗ Geier fagd, und ber Bettler) überfegt bon 
Sufemt iBL. % u. d. Titel: Biblio: 
* —**— Euffpieidicter Ztes Bdchn. 8. Geh. 


40. Thir. 
R eife n. 


für die Jugend und ihre Freunde von *2. 1. Theil: 
Die fröhliche Reife m nach a 1a Mit 2 Anſiqhten. 
.Cart r. 


I. — ⸗ 





In meinem Verlage iſt erſchienen und durch alle Buchhand⸗ 
ungen zu beziehen: 


Rüpelberger (ER. J., ehemaliger Pfarrer 
zu St.Jobſt Nümberg), Die kirchliche Tradition - 
über den Apoftel Johannes und feine Shriften 

in ihrer Grunblofigkeit nachgewieſen Gr. 8 
1 zb. 12 Gr. 


Das hohe Intereſſe und die wiffenfchaftliche WBebens 
un „ice Schrift werben bald allgemeine Anerkennung 


nder ipiig, im Juli 1840, 


* A. Brockhaus, 


4 


‚ Schwarzwald. Bon 


„Beſiter der neuen ſchoͤnen Zafchenaudgäbe von sg Men 


fämmtlihen Werken obiged in Drud-uUnd ® Bar bang  untermifäte werhreibung einer Reife derberähm: 


ten Berfafferin nah Italien. 






gem eum Derlage erfeheint fc forben und 


Sr 


nn 





Fe 
8 


Gedenkbuch zeitgenöffifcher Zuß Zuſtaͤnde und Schriftſteller. 





Zweiter & 


Inhalt. Stileben eines beutfiäen OHichters. 
dert. — Des Deutſchen Bafttefus beim dän 
Reifebildern von 2. Relifiab, — 


Beife nah Memel. n A. Lewalb. 


Kunft und Künftler in 
E. Büptien. — Fülda in fein 


Juqchhandiangen zu bahen‘ £ 





andern 


Band 


Geſammelt in undert ländlichen Bildern von 
: de er 


Gen Gtammüberwanbten, Line 
en. Bon I. IR. Böll, — Bentatage im 
derwandiungen. Von ». Koenig. — &ine 





Inhalt des erften Bandes: Erinnerungen aus vom Befreiungstriege, m. Briefen ademmelt von 


wab. — Das Leben in bes 
Bon Theodor v. Kobbe. — Erichtes vom Nahe 1 
Dreis jeden Bandes, elegant geheftet, 


griedrig Förſter. — PYrobikus. Von Franz Pin ee — &hiller’s Wrub Ein Eu 
Suftan Subssen, - 5* 


Fl. Rhein. = 1 


v. Wachs mann. — Holfeit — 
K. v. mann. fe u meiner Zeit. 
3 Von Beiebrig DöR es a m 3 j 


bie. 21 gie. Preuß, 


Ausführliche Profpecte find in allen "Buchhandlungen gratis zu haben. 


Stuttgart, im Juni 1840. 


Literatur - Compteir. 





SubferiptiondsAnzeige. 


Im Verlage von Friedrich Fleiſcher 
in Leipzig 


erfeinen in neuen, glei) den von 
land ıt. gedruckten Taſchenausgaben: 


I. 
Salomon Geßners 
ſämmtliche Werke. 


Zwei Baͤnde mit Portrait. 
Subſeriptionsprei⸗ 1 Thlr. 4 Gr., oder 251. 6 Kr. Rhein. 

Es wird dieſe Ausgabe eines unfsrer geſchoͤtzteſten deutſchen 
Stofftter mit größter Sorgfalt von einem der Sache gewachſenen 
Gilehrten beforpt, und mit Hottingers Kebensbefchreibung und 
einer Sammlung Ausgewählter Briefe des Dichters bereichert 
werden. Der in allen Buchhandlungen gu findende — 
Proſpectus, gibt darüber nähere Nachricht und verheißt Samm⸗ 
ern auf gewiſſe Anzahlen von Exemplaren, intereſſante Praͤ⸗ 
mien, ober auch Freiekemplare. Zu Michaeli d. I. wird das 
Ganze erſcheinen. Yu 


M. T. Cicero 
ſammel iche Briefe, 


rMderſedt und erlaͤutert von 
E. M. Wieland. 
Voliſtaͤndig in 12 Bänden. 
Subhſerjptionepreis 4 Thlr., ober 7 X 18 N. Rhein. 
Der Werth biefer elaffifchen Überfegung 'ift laͤngſt aner⸗ 
kannt, und es dürfte‘ einer fo wohl fenen ‚je gain ſehr * 
beſorgten :und. eleganten Ausgabe‘ b A Beif 
claſſiſcher Literatur. wol nicht ermangeln 


3 
Her, Klopflod, Wie: 


gleichmäßig ausgeftattete Werk als ein werthuglies Supplement 
betrachten. Die erften 3 Bände erſcheinen zu Michaelis, und 
dann von 8 zu 3 Monaten wieder 3 Bände. Die erfte Hälfte 
des GSubferiptionspreifes ift bei Empfang des Iften und bie 
zweite Hälfte bei Empfang des 7ten Bandes füllig. Auch hier 
erhalten @ammiek die in dem in allen Buchhandlungen zu 


befommenben Yrofpeetut verfprochenen Breieremplare. 





Bei 2. Eevit ia Bromberg erſcheint auf Bubfeiption: 


 Briedeich Wilhelm INN. 
Herausgegeben ‚von 
@. ©. von Hippel, 
vormal. Etgatsrath und Reglerungs⸗Praͤfbent. 
Ausgabe auf milchweißem Papier 73 
⸗gutem Druckpapier 20 — * Gr. 


def —5 — 
Ing —— — 


Zanbmanniane, oder des Inumi en 
" wittenberger Profeffors Friedrich 2 namann ee 
fälle und Schriftproben. Von 











7 erſchien in meinem Berlage und iſt durch ali⸗ Vuch⸗ 


handlungen zu beziehen:. 


Renfeits der Berge. 
Ada — Bein ehr. 


j 8. Geh, ——— 12 Gr. 
Eine angiehende, mitPoeftenund Erzählungen 


rüber erſchienen Son Bi ben in meinem Verlage: 
—* 1 zul Mine Rene. 334 chte. 1Thle. 


8 Br. — “* genetinnifge Räste, 1 Thl 4 
Reipsig , im Zuli 1840, 


- %. Brodhaus. 


Drud und Verlag von ®. A. Brockhaus in geipzig. 





4 
‘ 





Biterarifgen 






Dieſer Literariſche Amelger· lrd den bel $. 7* —e— in 2 
riſche und u ee ; 
st 





In allen Buchhandlungen des Ins und Auslandes wich 


nn zweite verbefterte uud o< 
Geschichte der 
| und ihrer. 
griedrich von 





Das Wert erſcheint in 6 Bänden oder 24 ieferungen, 
Jeden Monat wird eine Lieferung, alle vier Monate ein Baı 






oem, der — Band erfheint am 1. Rovembet. 
a len TV" äuf rar gutem Mafdinenvelinpapier, die Bi 





Ausgabe Nr. 2, auf — Velinpapier, die t, bie Kiefer 


: SEngfühefiihe Senfänbigungen üben Di 
Reipsig, im Auguſt 1840. 











In a find erſchienen und in allen Buchhand⸗ Se 


tungen zu, ka ei 
7 Moden und Trad Sin 
Fragmente zur Geſchichte bes Coltüms | em 
%. * au £ f. —*F 

8. Preis 2 Zu 30 Kr., In 1 hie. 12 Gr. I 


d, ea, * En ——— d 
— — a 
fobann, In bei Beute 1 — Tracht das Na 


ffe Pt me Eradı fixeng — 
ak art Seen werden die A EL in we 





m Alterth ft, miteinander 
ine A dm —2 wi — ver⸗ 
A en, wie ber 
Habitas in dem ——— ——— w unb 
—— — Rode ag, und 

Beh; den Bea 908 nicht ' vermag. ſinb 
trägt in —— des  Goftänms, Teiggephaft in einer .. 

g ‚, ber fih nur unterhalten w 

el ing In eine Sapitel —* e ber 


Berſaffer hie —* int in ihrem allgemeinen 





in - SEE BER 6 "min Sm —— SE nn LEERE GE © ©. f 


m Wei da Ciltraur- Comptoirs in Seuttgart erſcheint: 9 


A t I a: 
_ Monatschrift fir . Zeitgeschichte und vs herkunde, 


Abonnement für einen iinen Band von fee von ſechs Monats «Beten: 
6 FL. Rhein, oder 3 Thlr. 12 gGr. Preuß. 
ohne Preiserhöhung bei allen deutſchen Poftämtern, Zeitungs » Erpeditionen und Buchhandlungen. 
Preis jedes Monatöheftes im Wege des Buchhandels: 1 ZI. Rhein, ober 15 gGr. Preuß. 


Der erfte Band, Januar bis Juni 1840, ift durd alle Buchhandlungen zur Unfiht zu erhalten, und enthält: 


Gegentoärtige Stellung der Whigpartei, mit befonderer 
Rüdfiht auf die legte Parlamentsfigung, von Dr. Fr. Kot: 


„Stile Zuflände in neuer und neuefter Zeit. 


Gedanken über den Hattiſcherif von Sutgen eh, von &—r. 

ee Skizzen ül “ bie ogmadt der Vereinigten Staa 

ordamorike 8. Cooper. Pr] drei Aetifeln, 

Auszug aus dem Berichte” des Hra. Blangui, über bie 

Says De, ed rangsffe ar Beli En im nördlichen Hrrita. 
ie 


‚von 9. 


Wbiteboyb. Zur Darftellung ber iriſchen Angelegenheiten. 
Die oe tans u. ber Feldzug der Ungländer. 
Fi Sicften ne Schrift entarchie. Von 
riedri e 
Die periodiſche ee in den ſtandinaviſchen Reichen. Bon 
armier. 


wre zur Geſchichte des ſpaniſchen Unabhängigkeitsfrieges. 


— Per Schöte, König von Dänemark. Von einem 
en. In zwei Abtheilungen. 


über bie europaiſche 


oſtreform in England. 

af von der Ganptfiabt Merico Pal Acapulto im Ja⸗ 
nuar 1833. Von einem deutſchen Feiſenden. 
Ueber die Keime reiner —2 im gegenwaͤrtigen 


Gegen Eine Skizze von [bert Oppermann in 
öͤttin⸗ 
 Veraltung der u in Irland. 

Die Kofaten. 

Gruft, Graf von Benzel: Sternau. Grinmerengen vow 
H. Koenig. 


Shweir: Zuftände in der Gegenwart. Von Johann 
BWilhelm von Reihenderg. 

Verhältniffe Spaniens Mi Seinung des Congreſſes. 

—5 der britifchen Klotte 

Die Bel ng on rapoffa Rad, General Baron 


Rejeune. Abtheilungen. 
Werbätinife je F —5 — Sein 9 Jaſtalen 
PR. ſiſcher SIournalismus. dem „‚Quarteriy 
jew‘ 


ee erfihe der en 9—t 


Probehefte koͤnnen duch alle Poftämter und Buchhandlungen unentgeltlich bezogen werben. 





:_ Im Berlage von @. F. Geyer, Water, in Gießen 
HR nen erſchienen: 
von Feuerbach, Lehrbuch des in Deutschland 
gültigen peinlichen Rechts. 13te Auflage, Mit vie- 
.: len Anmerkungen und Zusatzparagraphen, und mit 
: einer vergleichenden Darstellung der Fortbildung 
* des Strafrechts durch die neuen Gesetzgebungen, 
. herausgegeben vom Geh. Rath und Prof. Dr. C. J. 
4. Mittermaier in Heidelberg. Gr. 8. 52 Bogen. 
3 Thlr,, oder 5 FL. 24 Kr. 
Dr. von IE (roh. Heff. Beh. Staatsrath und Untvers 
Mtötstanzer von Gießen), Handbuch des deutſchen ge: 
meinen bürgerlichen Proceſſes, nebft einer —8 
lichen Vergleichung ber in Deutſchland geltenden par— 
tieularrechtiichen Grundſaͤte des Clvilproceſſes, einer 
Prüfung der neuern Entwürfe und motivirten Wors 
läge zur Civilproceßgefeggebung. — Auch unter dem 
Titel: Handbuch, über bie Lehre von den Rechts⸗ 
mitteln. ?2ter und legter Band. ar 8. 52 Bogen. 
3 Pi .16 ®t., ober 6 Fl. 36 Kr. 
Der ifte Band dieſes nun vollftänt gen Werkes erſchien 
Fe Bu 8, Fall ober 6 Fl.; beide Mönde alfo 7 Thir. 


Sintenis (Dr. ©. 8. &., Profeſſor in Bien), Crläute 
rungen über verfchlebene Lehren des Civilpeocefjes nah 
von Eindeꝰs Lehrbuch in einzelnen Abhandlungen. 
Erften Bandes 2te6 und Ite6 Heft. Gr. 8. 1 Ahle 
12 Gr., oder 2 51. 42 Kr. (Preis aller 3 Hefe 
2 Thlt. 8 Gr., oder 4 81. 12 8.) 

— — Dr. Henr., Capita selecta ex jure divili. Sm. 
8 Gr., oder 36 Kr. 

Spice (Drtan 3. 8., Die Lehre bes chriſtlichen Gin: 
bene und Lebens, in ſyſtematiſch georbneten Bibel: 
ſpruͤchen. (Zum dritten Lehrgang des Unterrichtsweg ⸗ 
weiſers gehörig.) 8. 3 ra ober 12 Kr. 

— — Unterrichtöwegweifer J. 1. Dentäbungen x. 
2te verbefferte Auflage. 16 &. , ober 1 Fl. 12 Kr. 


6 Gncpllopkbie ber Staau⸗ 
(Ne) Want), wiet Im Saufe dee Zapıcı 


J 
— —A * ich hierdurch auf 


verehrlichen Vublicum bekannt gu machen mich —e— 
‚Der Dbige. 


Sießen, 12. Juli 1840. 





m 


Steudel Nomenclator botanfcus. 
| . Editio secunda. 
Ale und te Rieferung. 


Im Badag ber Untergeichneten tft ſoeben erſchienen und in allen Buchhandlungen su haben: . 


:  Nomenelator hotanicus 


Synonymia plantarum universalis, 


ordine alphabetico nomina atque synonyma, 0 
tum generica tum specifica, et a Linnaeo et a recentioribus de re botanica scriptoribus 
| plantis phanerogamis imposita. 
Autore I, ßteudel, Med. Dr: 


Editio secunda ex novo elaborata et aucta. 
Aſte und te Lieferung, Subſcriptionspreis für jede Lieferung 1 Fl., oder 16 Sr. Das Ganze wird in 12 Liefe⸗ 
zungen je zu ungefähr 8 Bogen erfcheinen ind zum’ Subfcriptionspreis von 12 Fl., oder 8 Thlr., bis zur Vollen- 
dung des Druds zu haben fein. Sollte das Werk, wie zu erwarten ift, mehr als 12 Lieferungen umfaſſen, fo 

wird der Preis dadurch für die Gubferibenten nicht echöht, fondern die nachfolgenden Bogen bdenfelben gratis 

nachgeliefert. | 

Wenn ſchon vor 20 Jahren bie erfte Ausgabe dieſes Werks eine gefühlte Lücke in ber botaniſchen Literatur nach allgemeiner 
Anerkennung auf eine befriedigende Art ausfülte, fo wirb nach biefem Zeitraum, der an Fruchtbarkeit ber Entdeckungen jebe 
frühere noch fo glänzende Periode ber Bereicherung ber botanifchen Kenntniffe weit übertrifft, einer zweiten Auflage, deren Bears 
beitung der Verfaſſer aufs.neue eine lange Reihe von Jahren wibmete, um fo weniger‘eine dankbare Aufnahme fehlen, als gleichs 
zeitig mit dem fich barbietenden reichen Material ber wirklich neuen Entdedungen bey Fleiß ber verfdhiebenen, unabhängig vons 
einander biefelben oder verwandte @egenftände bearbeitenden &Schriftiteller, und beren individuelle Anfichten über Bildung von 
bireichen neuen Gattungen, bie Mafle der Synonyme auf eine der Wiſſenſchaft felbft beinahe Gefahr drohende Art vermehrte, 
& bat fih daher der Verfaſſer die Aufgabe geftellt, dem botaniſchen Yublicum gleihfam einen Leitfaden aus biefem Irrgarten 
gu bieten, indem er mit Beachtung ber ihm auf verfchiedenen Wegen zugekommenen Wünfche, infofern ihn folche nicht zu weit 
von dem urfprünglichen Plane entfernten, jede im ganzen Umfange der botanifchen Literatur befannt gewordene Pflanze in alphas 
betifcher Ordnung mit Zugabe ber nad) Genus, Species, Autorität, Synonymie, Lebensdauer, Vaterland und Stelle im Syſtem 
auffährt und ba, wo der Name des Autors und die defländige Hinweiſung auf bie foftematifhen Werke von Sprengel, Decans 
dolle und D. Dietrich (jo weit biefe ienen) und ein am Ende bes Werkes beigefügtes vollftändiges Verzeichniß ber angeführten 
Autoren nicht zureichend erſchien, auch noch häufig eine fpeciele Nachweilung beifügt. Auf biefe Art erhält man über bie anges 
führten Dromente eine fehr ſchnelle und vollftändige Aufklärung, das Auffinden der bis jetzt aufgeftellten Gattungen und Arten 
wich erleichtert, und es dient’ biefes mit großem Zeitaufwand und unermübeter Geduld und Ausdauer burchgeführte Werk als 
Repertorium ebenfo fehr dem Literator, als dem von großen Bücherſammlungen entfernten Liebhaber ber Botanik, fowie den 
Befitern von Herbarien und Gärten. Gin Werk in biefem Umfange, welches mit Einem Blide den gegenwärtigen Reichthum 
der botanifchen Entdeckungen vor das Auge bringt, fehlt in ber botaniichen Literatur. Wenn auch einige verwandte Werke (wie 
Loudon Hortus britannicus, ed. 2, London 1830—89, und Sweet Hortus britannicus, ed, 3, London 1839) ihre ehrenwerthe 
Stelle fiets behaupten werben, fo Fönnen fie doch das angezeigte Werl um fo weniger entbehrlidh machen, als darin hauptſaͤchlich 
nur auf die in England cultivirten Pflanzen, auf die Synonymie aber nur fehr eingeſchraͤnkt Rüdficht genommen ift, während 
bie foflematifche Anordnung ben fihnellen Überbtid und die Grleichterung des Auffindens nicht gewährt. Beide Werke führen nur 
etwa 30,000 (alfo um 10,000 weniger als bie exfte Ausgabe) Arten auf, während das jegige Wert nahe an 5000 Benera und 

über 70,000 Arten aufzählen wird. Die zweckmaͤßigſte tnpogeapbifihe Einrichtung macht es möglich, daß dieſes ausgebehnte Mas 
terial in einem für Deutlichkeit und Überficht nicht flörend einwirkenden, möglichft engen Raum sufammengefaßt wird. ' 
Der Drud diefes Werkes wird möglichft befchleunigt, fobaß jeden Monat eine Lieferung die Preffe verlaffen und das volls 
Hänbige Werl innerhalb Iahresfrift fertig werben Tann. Nach vollendefem Drud tritt ein erhöhter Ladenpreis efn. 





Stuttgart und Tübingen, im Juli 1840, 3. ©. Cotta’sche Buchhandlung. 
Bei G. Enuton in Halle iſt ſoeben erichienens Mende, F. w. E. (Oberpfarrer), Der Schorfam 
Germar, €. 5, Die Berfleinerumken bed | in ber Erziehung. 5. Geh. 15 wer 





- mansfelder ferfchiefers. Mit 2 Stein: nit Ch. c, Eyftem ber Pterylographie. 
brudtafeln. 8. Geh. 15 Gyr, — "des Verf. handfchriftl. aufbewahrten Unterfuchuns 
Leo, Heinr. Rebrbud ber Huiverfalgefchichte, gen verfaßt von H. Burmeifter. Mit 10 Kupfer 
Ster Band,’ der neuen Geſchichte erſte Hälfte enthal⸗ tafeln. Sr. 4. Cart. 6 Thie. 
tend. Zweite Auflage. ®r. 8. 2 The. 15 Sp | SZ 








> 


neuigheiten * —ãS 


verfendet von; 


® ær. Brockhaus in Reipgi 


1840, Be Mhui Is Juni 


nt"! 


—* 








































26. Klegis 82. iend * erh Ein.|,, 
Roman. Drei Bil ib 16. SH 1: 
27. Bilber-Eonverfi 5 as "Deutfepe: 


Wolf. Sin ah zur Verbreitung Semeinnütiger Kennt: 
niffe und zur Unterhaltung. In vier Bänden. Mit bildlichen 
Darftelungen und Landkarten. Gr. 4. Geh. Dritter Band: 
M—R. eigene, ı AD * vierzeßnte‘ eRfrung. se — 
Vierter Band: 9 Zr Fimfte Lieferung: 6 Er. ot 
28. Gonverfatigns .Regiton der Gegenwart. Gins | 
undzwanzigſtes dis breiundzwanzigftes Heft. (Midigchl- 


ER Re | 
. are fi — algeſchigrues Met, —8 


"ein Supplement zur achten Auflage bed Connerfationd s Lerilond, 
" Ay“ zu jeder fruͤhern, allen Nachdrucken und Nachbildungen deſſelben. 
29. Corbelia. on ber Berfafferin on „Sankö: von Lilien”. 
ee Theile. 8. Geh. 3 Thlr. 8 
liche Eincykiopkäle der gesamm- 
een Staetsarinelikunde. Im Vereine mit mehreren 
Doctoren der Rechtsgelahrtheit, der Philosophie, ‚der Me- 
dicin und Chirurgie, mit praktischen Civil-,:Militair- und 
Gerichtsärzten und Chemikern bearbeitet und herausgegeben 
‚. von@eörg Prieär. Most. Für Gesetzgeber, Rechts- 
8 Foliceibeamte, Militairärzte, gerichtliche Ärzte, 
Wündätzte, Apotheker "und Veterinairärzte. Vierzehhtes 
(letztes) Heft. ( eGebärmutterschieflage— 
Zwerchfellwunden:) Gr. 8, Bubscriptionspreis eines 
Heftes von 1% Bogen 20 Gr. 
° Dad ganze jest vol!ftändtige Wert befteht aus ynel Bänden 
Pr einem Supplementbanb So re und toftet 11 Thlr. 16 Br. 


1. Sagen (Fuguft Se unten: 
a und viertes —X Geh. 

Auch unter den Titeln: 

III. Die Wunder der h. Katharina von Siena. 1 Thlr. 12 &r. 
IV. Leonhard da Vinci In Mailand, 1 Ahle. 12 Br. 

Das erſte und zweite Bändchen: „Die Chronik feiner Vaterſtadt 
vom Florentiner Lorenz Shiberti, dem berähmteften Bildgießer des 
funfzehnten Sahrhumbertd‘ (1833), koſtet 3 Thlr. 

82. eld (Prof. Dr. P. &.), Der Chemismus 
"In der thierischen Orga sation. Physiologisch- 
cheiiische Untersuchungen der materiellen Veränderungen 
“ oder des Blutbildungslebens im thierischen Organismus, 
insbesondere des Blutbildungsprocesses, der Natur der 
Blutkörperchen und ihrer Kernchen, Ein Beitrag zur Phy- 
alologie und Heilmittellehro. Gekrönte Preisschrift. Mit 
einer lithographirten Tafel. Gr. 8. 1 Thir, 8°Gr. 
88. — Deine (3:39), Handbuch für Meifende 
ien. Dritte, — ſehr vermehrte und 
aut uflage Drei She e. Gr. 12. Sauber cart. 3 Thlr. 
torlum der gesjammten deutschen 
——— (iebenter Jahrgang, für das’ Jahr’ 1840.) 
“ Eee im Verein. mit mehreren ‚Gelehrten von 


Autcheif Gert: —— — wird: 
„lei 


—— Band. Ge Jeder Band. Band eimp ' 5 Bogen. in | 
gen Heften ‘3 hir. 
85, a aukert — 33 Bermif mifgte ag 
idaiſſe det 
—— 4.Xhle, 12 “ 
Die erfte Bolge diefer- Schriften beſteht aus vier Bänden und 
erſchien 1ERS— 86 in der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart. 





maurſſſtken ——38 


2 





“er 





Aurgese 
‘ Ilhdie. Enthaltend : Erklärdn 


Erg are ten' 


gen und Nachweisungen 
nstände der Naturreiche, welche bis auf 
iten in medicinisch - harmacentischer, to- 
‘ xikologischer und diätetischer Hinsicht bemerkenswerth 
geworden sind. Näturgesehichtlielierrund: ogischer 
Dommentar jeder Si ‚ Ärzte, Studirende, 


Fr (m ei Bänden. Sechstes 


eReI, u 
ER. 1% vo —8 A 
Bi}. — —* iſt neu 
— en * unter » dem 
Ppaget ed. ad Cr de6 Melkes von beutfchen 
 Diöten, Gefammelt und herauegegeben von Bois 
nun „bvergnuͤgtem Weinhaͤndler in Berlin. 
B Bortiak "Herausgebers und einer Bei: 
I üßer ſein Leben" Tel Weſen, ' fehl Wirken und 
feirie Verbienfte um bie Menfchheit. 12 St. 
KEnrio ‚Kebinet. Schnacken und Schnurren 
zur rſchuͤtterung bes. Zwerchfells in Reime gebracht 
und. mit anſchaulichen Pidern verfeben von Geis: 
Pd 5 Mit 40 illum. Kupfern. 3% Sr. 
tori, J. (Reumann), Buch für 
—*2 Made, Mic-S —* 2 
r r. 


af —* 
ge 


Untergeichnetem un aan url J 
—E —* „Me erienen und Tann le 


Berfud 
einer Phyſiologie Der Sprache 


nebſt hiftorifcher Entwidelung ver abendl 
Idiome nach phyſi — * ni vn 


Dr. B. M. Rapp. 
' Dritter Band, . 
— —— 
Auch unter dem beſondern Zu: 


Die lebenden S 


Me rg 


griechiſch⸗ roͤmiſch⸗ a Zunge 
©. 8. Preis 2 SL a Re, oder 4 Ihlr. 12 Gr. 


ↄvnoiosi⸗. Zweits Abth 
Lebende Sp 1 
357 II. Romanl ger Sinn: 




























1 





iome, €) bad 
Probftüdes.: LER, ı Bothifchen — m: ie? 


ı b) bp germ 
S 1 
— Gum —8 * — ae 
im Su 1840, 


Stuttgart. und Tübingen, 
a re SE ® '& 














forgfältig vermichen, fein Buch ift, wie ee es ſelber nennt, ein 
Kinderbuch, kann von jedem Schüler verflanden und von jebem 
Eehrer und jeder Lehrerin gebraucht werben, ' \ 

Dann hat der Verf. ganz befonbere Gcrge angewandt, um 
in dem Elementarwerk einen anſehnlichen Sprachſtoff, naͤmlich 
einen Wort⸗ und Phraſenſchat zuſammenzubringen, mit deſſen 
Beſitz der Schüler nach zweijaͤhrigem Unterricht ih in ben Be⸗ 
fig der franzöfifchen Sprache gefeht findet. 

Die franzöfiihen Säpe des Sprachbuchs find fo ausges 
wählt, daß fie die confljtutiven Slemente der franzoͤſiſchen Sons 
verfations⸗ und Büuͤcherſprache enthalten. Gin ler, 
das Sorachbuch durchgearbeitet hat, kennt 1) die wichtigften 
und gebräuchlichfien Wocabeln und zwar in ihren verfdiedenen 

. Bedeutungen; 2) die wichtigften Synonymen; 3) bie meiften 
Phrafen, befonders die fog. locutions adverbiales; &) bie Ibio⸗ 
tiömen, Sallicismen u. f. w., benn ber Verf. übt biefe Dinge 
von ben erften Lectionen an, indem er dafür hält, baß biefe 
Seite des Sprachunterrichts ebenfo wichtig ift als bie gram⸗ 
matifche und darum nicht befondern Recueil de locutions, Dic- 
tionnaires de gallicismes, Esprits de la conversation, Exer- 
cises phrassologiques etc. zu überlaffen. Dazu kommt, baß 


die meiften dieſer Säge — es find viele Taufende und faſt 


alle aus guten franzöflfgen Autoren genommen — zugleich in⸗ 
haltsvoll, entweder hiſtoriſch oder. ethiſch beiehrend find, 

Die Fibel (Eehre von der Ausfprache) hat hier eine Ges 
ſtalt, die fie bisher in keinem Buche hatte. 

Die Berlagshandlung hat ihrerfeits durch ſchoͤnen Drud und 

> fee gutes Papier dem Werke eine würbige Ausftattung gegeben. 
Stuttgart und Tübingen, im Juli 1840, 
8. G. Eotta’fher Verlag. 





Durch alle Buchhandlungen des Ins und Autlandes it von 
mie gu beziehen: . 
Versuch einer geschichtlichen Charakteristik 
der Volkslieder germanifcher Nationen 


Ä mit einer Überficht 
der Lieder außereuropäifcher Voͤlkerſchaften 
von 


LAaL VS 
&r. 8. 3 Chlr. 12 Gr. 
Die Freunde der Poeſie werden dieſe neue Schrift der Ver⸗ 
"fafferin , die durch Ihre gelungene Übertragung ferbifcher Wolke: 
leder und durch andere riften ſchon vortheithaft bekannt 
it, mit dem lebhafteften Interefie begrüßen. 
Leipzig, im Auguft 1840. 


$. a. Brockhaus. 





Soeben iſt erſchienen: 


Lehrbuch 


— der 
theoretischen Chemie. 


3um 
Gebrauche bei Borlefungen und zur Repetifion 
für Studirende. 


Bon 
D. Ehri Albert Weinlig. 
Iſte Lieferung. Gr. 8. 1 The 4 Gr. 


Diefes Lehrbuch wird dem bei dem raſchen Fortfchreiten 
der Wiſſenſchaft wieder fühlbar gewordenen Bedürfniſſe einer 
Eurzen und überfichtiichen Darftellung der vorzäglichften That⸗ 
fachen abhelfen, in theoretiſcher Beziehung namentlich burch eine 


möstihft ſcharfe SSonberung bes Wellfichenben von bem bias 
Hypothetiſchen — bei aichtedeſtoweniger vollftänbiger und klarer 
—— bes Lehtern in feiner heutigen Geſtalt — ben Stu 
direnden wilfommener Führer fein, enblih durch Andeus 
tungen ber zu machenden praktifchen Greurfe und ziemlich reiche 
Angabe ber neweften Zournalliteratur auch den Docenten einem 
nicht ummwichtigen Dienft erweifen. 
Der Schluß wirb noch in diefem Jahre erſcheinen. 


Eeiptig, im Juli 1840. 
Kcopold Voss. 
Durch alle Buchbandlungen ist von uns zu beziehen: 


LINSTITUT, 


Journal general des societes et travaux 
scientifiques de la France et de l’Ktranger. 
I. Sciences mathematiques, physt- 

ques et naturelles. Paralssant tous les 
jeudis par numeros de 8 pages. Se annde 1840. 
Prix de l’abonnement anauel 30 Fr. 

IE. Sciences historigues, archeolo- 
giques et philosophiques. Parsissant 
le 1er de chaque mois par numeros de 16 pages. 
Se annde 1840. Prix de l’abonnement aunuel 20 Fr. 

Les deux sections ensemble 50 Fr. 
Lkeipzig, im Auguft 1340, 
Brockhaus 5 Wucenarius, 


Buchhandlung für deutſche und ausländifche Literatur, 
(4 Paris: meöme maison, Bue Richeliea, No. 60.) 








In der Wagner'ſchen Berlagsb blung in ulm i 
foeben erſchienen un in * —— —R a 


Die Dee der Regalschnle, 
nach ihrer theoretiſchen Ve 
und praktiſchen Aus 
mit beſonderer Beruͤckſichtigung von Thierfd' 
Schrift: „Über den gegenwärtigen Zuſtand de} 
öffentlichen Unterrichtes in den weftlihen Staaten 
von Deutichland”, 
bargefelte 
voR 
Dr. Christian Heinrich Hagel, 

Drofehor der Mathematik und Phyfil an bem obera Gpmnafse 
und ber hoͤhern Buͤrgerſchule zu Ulm. 


26 in + S., beftet, pls. 
> Bogen e., oder 3 A. ' 


Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 
Examinatorium in jus criminale Germaniae com- 
mune In usum tironum editum. 8. Geh. 


16 Gr. 


Ich habe diefe Schrift aus dem Verlage von ©. F. Kru; 
an mich gebradkt und ben Preis ermäßigt. 
Eeipzig, im Auguft 1840, 


F. %. Brockhaus. 















\ 


Liter 


ariſcher Anzeige 





⸗ 


v 


1840. Nr. XVII. 


— — — — — — — —— — — — — 
Dieſer ——— Anzeiger wird ben bei F. A. Brockhaus In Leipzig erſcheinenden Zeitſchriften: Blätter für litera⸗ 


ſche Unterhaltung und Iſis beigelegt oder beigeheftet, und betragen die Jaſertiensgebühren für die ZJeile 
vo. 0 oder deren Raum 2 Sr. or, 





’ 


Eonversafi 


s⸗Xexikon der Gegenwart. 





Ein fin ſich beftchendes und in ſich abgefchloffenes Werk, Ä 
zugleih ein Supplement zur’achten Auflage des Gonverfationd-Lerikond, 
fowie zu jeder frühern, zu allen Nachdruden und Nachbildungen defjelben. 


.” Vierumdzwanzigstes Hekt, Bogen 1-10 des vierten Bandes, 
Pae bis Philologie. 


Jedes Heft auf Druckpapier S Gr., auf Schreibpapier 12 Gr.; auf Velinpapier 18 Gr. 





al (Tranz). — Yalmblab (Wild. Kredrit). — Yanofla (Theodor). — 
Louis Zofepb). — Yrusrollen. — Paraney (Sharles Hippolyte de). — - 
— Darlamentarregierung. - Yarnel (Sir Henry). — Paſſavant (Ich. David). — 
(Hippolgte — Antoine). — Patente. — 
aui Friebrich (Großherzog von Medienburg: Schwerin). — 
auperismus. — Jeerleamp (Hoffman Peter). — Pelet (Jean Jaques Germain). — 
Pepoli (Carlo, Graf). — 
ein (Me partei) I Bil.) ver (Bu 
ee (Burkhar .). — ilh.). — | 2 
chatius) — Failiee Auguft Friedrich (Landgraf von Heffens Homburg). — Philipaborn (Ich. 


Be (Ludwig Mia, Graf). — RMadagogik. — Pages (Sariır). — 35 
Iacty 


Julia). — Yarifet (Stienne). 
efips ar da Silva). — 


eilt (Anton Frieder. Ludm.Aug.). — 
Zean Charles). — Pertz (Georg Heinz). — 
euron (Amedeo) — 
av). — Baer (Paul 
Kaxl Hein), — Phillips (Georg). — Phils iogie. 
Reipzig, im Juli 1840. 


aff (Ehriftian Heinr.). — 





ieie, — 
amunean 


Jean Pierre). — 
ierfabritation. — 
efſus (Jean Marie). — 






901 atrimonialgerichtsbarkeit, — 
aul Wilhelm Zriedrich (Herzog von Würtemberg) — 
Pelet de la Lozere (Baron) — 
Mernice (Ludw. Wild. Anton). — Perfien. — Perfil 
Petitionsrecht. — Peucer (Deinr. er ä — 


F. A. Brackhaus. 





Geſangbuch für Gymnaſien und 
höhere Eehrauftalten. Oenabruͤck 1340, 
in der Rackhorſt'ſchen Buchhandlung. Gr. 8. 6 Gr. 

Unter ihres Gleichen nimmt diefe 241 Nummern flarke 

Sammlung geiflicher Lieber eine ehrenvolle Stelle ein, Sie 

fol dem Kirchengeſangbuch zu Hülfe kommen, wo heffen Ge: 

brauch bei der Jugend in der Schule nicht ausreicht und iſt 
nach bewährten Brundfägen veranftaltet, abhold verwäflertem 

Text und bie urfprünglichen Lesarten älterer Lieder meift wies 

derherſtellend. Daß viele Lieder nur abgekürzt, oder nur ein: 

zelne Strophen daraus, überhaupt rurge Lieder gegeben wors 
den, war dem Zweck entfpredend. Kür Anfang und Schluß 
ber Lectionen find 82 Nummern vorhanden. Der Morgens 
und Abenblieber find 42. Zu Andachten an ben Vorabenden 

der hohen Zelte find 31 Feſtlieder aufgenommen, benen 8 

Schulfeſtlieder beigefügt find. Won Nr. 166— 241 fol: 

gen Lieder zum Vorleſen und zu häuslichem Gebrauch, fowie 

zum Ausmwendiglernen beim Religionsunterridjt, nach chro⸗ 
nologifcher Ordnung ihrer Werfaffer und mit Auswahl bes Vor: 
züglichien, mas fie geleiſtet. — Den Liedern find bie Dichter 


. beigefegt und gibt ein Regifter noch nähere Auskunft über dies 


felben. — Das Büchlein Hält die rechte Mitte awifchen der 


Vorliebe zum Alten und richtiger Schaͤzung des Neuen, und 
Tann um fo mehr empfohlen werden, als fein geringer Preis bei 
Bule Austattung in Drud und "Papier die Einführung ers 
leichtert. 





Bei M. Du Mont⸗Schauberg in Köln iſt erſchienen 
und in allen Buchhandlungen zu haben: . 


Die Lehre von ben Decimalzahlen 


der geometrifhen Proportion. 
Zum Selbftftubium bearbeitet 
von J. Schweiger. 
56 S. Gr 8. Beofchirt. Preis 5 Gr. 

Diefes Schriftchen darf Allen empfohlen werden, bie eine 
populaire und dabei doch gründliche Abharfolung über bie Dea 
eimalzahlen at» die Proportion wünfden. Es if in demfels 
ben nur das einfache elementarifche Rechnen vorausgeſett, und 
die Anwendung ber Proportion auf bie zufammengefehtern 
Rechnungsarten gezeigt, wodurch es fich befonbers zum Gebrauche 
beim Elementarunterricht eignen dürfte, 


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1 - 
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In Untergeläinetrun Gab ifihäyen Mnd.in ul Madpenhäingen nedtihig än Aabını " 


Supplemente 
zu Schillers Werken. 


Aus feinem Rachlaß 
im Ginverftändnig und unter vr der Familie Schiller’8 herausgegeben von 





Hoffmeifter. 
Erſte Abtheildng: Nachleſe und Variantenfammlung. 
Erfier Band: 


Gedichte und Dramen ber erſten Weriode Bis auf Don Carlos. 
Taſchenformat. Velinpapier. Preis 45 Kr., oder 12 Gr. 
, verſchiedenen Nacht u den Serke Uer's, welche in ber eit {en d, 
3 ea Shliers geiiges Mieten unb feine Perfon ber, mia 
„60 ver Jamille bes zu früh Dahingeſchiedenen zur Pridt, in ber rechtmäßigen Verlags s Buchhandlung ber Schiller hen Berk 
„Guppiemente zu denfelben herauszugeben, welche des Rationalbichters würdig fein und fo viel als möglich In feinem eigenen 
„Geifte. veranfkaltet merken foflen.”’ 


vork Berte kündigte Sees Appellationsgesichtäsath, Eruſt von Schitter, tn Kom, 
Schiller fen Kamille das Bat an, defien erfier Band ſoeben erſchienen. n Sqhitter den "Ronaeı Wer oma 
e Sammlung ent 


t in ihrer erften Abtheilung nicht nur Gedichte, Auffäge und Varianten, bie den bisher erfhlmenn 


NRachtraͤ len, ſondern t auch durch ih 
Ben f ” Ch nen diesen Snhaltöverzeichniß alter Schriften Ediller's na Bahr, und wo möglih Dont 


n. 
et und Tabingen, im Jull 1840. S 





Tg —18 auffinden Tan 

Bi I. G. Eotta’scher Very, 
— — — — — — 
3 S. Bolt, beſondern Empfehlung biefer dritten nflage hal. Di 


{ Einrichtung 1 $Heben, 
Deutschlands Geschichte | Tann a ar nur nee 
ale Stände deutlicher Zunge. 7 


bereichert. Durch bie Vertheilung des Inhalts in dre 
4 Binde. Gr. 8. Münden, bei Fleiſchmaun. 





von denen bes erfie bie allgemeinen Zufammenfleilunge 
Überfichten enthält, während der zweite und dritte in che 
Ein würbiges Geſchenk für deutſche Söhne und jeden Ge⸗ 
bildeten, und babel eines Preiſes, ber es auch dem wenig Bes 


betifcher Ordnung alle Intereffanten Punkte Itallem Kalt - 
wittelten — t, indem die 4 Bände mit 96 Bogen 
nur 8 Thir. ober 4 Bl. . 


48 Kr. koſten 
Neue Schriften über Italten. 


Soeben erfhtenen in meinem Verlage nachſtehende Schriften, 
dis darch alle Buchhandlungen bes In⸗ und Auslandes dezogen 
werden koͤnnen: 

(Da Graͤfin), Jen feits der Berge. 
Fwei Theile. 8. Geh. 3 Thir. 12 Gr. 

ine anziehende, mit Poeſien und Erzählungen unter 
mifchte Beſchreibung einer Reife dee Berfaflerin nach Stalien. 
Nleigebaur (3. $.), Haudbuch für Meifende 

in Seelien. Dritte, ganz umgearbeitete, ſehr 
vermehrte und verbefferte Auflage. Drei Theile. Br. 12. 
Sauber cart. 3 Thlr 


Diefes Handbuch hat ſich ſeit Jahren den Reiſenden nad) 





iſt der Gebrauch des Werks weienttich bequemer gemacht wer. 


Raumer (Friedr. v.) Atalien. Veitraͤge if 
FRenutuiß diefes Raudes. Zwei Theile. Geil 
Sch. 4 Thlr. 

In biefem Werke legt 


. 


der 


berahite Bexfafer bie Ri 
tate feiner Beobachtungen über ein Land nieber, bad e ur 


wiederholten Mufmthakt fehon frühes. Lande, fm dahn I 
aber unter ben günftigften Werhältuiffen aufs neue bauqu 


Hömifche MWeriefe von einem lorentist:. 
1837-38: Zwei Theile. Gr. 42. Geh. 4 Thl. 129 
Dee Verfaffer fhlidert in diefem Werke, in gefgmadwin 
eberifo belehrender als ımterhaltender Barfelung are 
in feinen öffentlichen Zufänden, feinen geiekigem B% 
bältniffen, feinen Feſten und feinen äußern Grideinung, i jr 
Erzeugniffen der neuern Literatur und Kunſt. Des Be 
wird für Neben, ber Rom auf längere ober Fürget‘ 
Zeit befucht, unentbehrlich fein, ba wit Fein übe 
Tches in ber Riteratur befigen. 


Reipzig, im Augoſt 1840. —. a. Brockhau 





Italien als ein ſo zwedmäßiger Führer bewieſen, daß es keiner 





Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 
———r — — — ——— ——— ——— 





Befangbuhs:- Entwurf | 


⸗ 


| 
\ 


Literarifche 


— 
1840. N 


. 
Dieſer eiterarifche Anzeiger wird den tei F. %. Brodhaus ih 
r ilche Unterhaltung. und Iſis beigelegt, oder beigehef 

Ä oder deren Rat 





Bei dem hohen Interefie des gegenwärtigen Standes ber 
orientalifyen Angelegenheiten erlaube ih mir auf das, Enbe 


:». 3. in meinem Berfage erſchienene Werkchen aufmerkfam zu 


machen: 


Die ‚orientaltfche Zrage 
und Ihre Löfnung. 
Aus dem Geſichtspunkte der Gift. 
Friedrich Schott, 
8. Geh. 18 ©r. 


Eeipzig, im Auguſt 1840. 
$. a. Bruckhaus. 


Sn dem Untergeichneten ift foeben erfchienen und durch alle 





. Buchhandlungen zu beziehen: 


Ansichten 


über den 


für die evangelische Kirche Würtembergs. 
Zur Ausgleihung ifhiebenartiger 
Wünfhe und VBorfhläge, 
Zugleich ein Beitrag gur deutſchen Hymnologie. 


on 
Archidiakonus an der Stiftskirche zu Stuttgart. 
8. Broſch. Preis 1Fl., oder 16 Gr. 
Stuttgart und u% en, im Quli 1840, 
Cottaꝰ ſcher Verlage 





In meinem Berlage erfchienen foeben und find in allen 
Buchhandlungen zu finden : 


Der Diamant. Ein Spiel der Phantasie. 
Bon &,&erpen. Gr. 12. Geh. 1 XThle. 12 Gr. 


"Elifabetb Stuart, Gemahlin Friedrich'e V. 


von der Pfalz, ober: Der Meligionskrieg in 
-Peutschtänd. Wan: Profeffor Dr. Soltl. After 
heil. Sr. 1% Sch. 1 Thlr. 21 Sr. . 
Maria Stuart’s, Kni 
und une wucde durch — 


aller europaͤiſchen Hehe 2 Sauna 
Wenige Eennen bad 






tfchreiber gein be 
u * errlicht, aber nur 
leich Mao und ach uns 


glädtichen Enkelin @ rd welche in end 
a a En 

ma en n 

ſchlechtes nach Deutſchland gebsacht und durch ihre verwan t: 


mn. 


in von 632 Schoͤnheit 





wein neue wichtige itterariſche Erſcheinungen. 
Steffens Memoiren 


Sm unterzeichneten Berlage iſt ſoeben erſchienen und zu haben: 


Was ich erlebte. 





uns Der Eriunerun 
von 


Erſter Ba 
Mein geiftig einfames Knaben: und erſtes Jugendleben. 


J 8. 1840. Fein Belin: Drudpapier und geheftet. 


Diefe Memoiren gehören zu ben bebeutenbflen Erſcheinungen in ber Literatur. 


— g dürfte kein Werk von gleich großem Interefie erfchienen fein. 
weiche rtigen Zeit genannt werben barf, wirb mit jebem Bande wachſen und die Theilnahme 


leich eine Darftell db 
geißveicer 5 in ai Srabe In Anfpruch nehmen, 


Wenric 


— 

niebergefärichen, 

Steffens. 
weiter 





Bent. 
Univerfitätsleben. — Literarifches Treiben. — Wifſenſchaft 


liches Treiben. — Politiſches Treiben. — Das einſame 
Leben und bie legten Tage in Kopenhagen. 
Preis 3 Thlr. 


Seit Goethe“s „Babrheit um) 
Der Reichthum des ae diefer Bebensbarfiekung, 


Bittoria Accorombona. 


is Roman in fünf Büchernu, 


von Xndwig 
1840. Fein Velin-Druckpapier und geheftet. 


Zwei Baͤnde. 8. 


Cieck. | 
Preis 3 Thlr. 


mittoria Hecsrombonge , bem Eräftigen und begabte &irtus V. nahe verwandt, und berühmt durch 
wunderbaren Schickſale, ihre Schönkeit, a SR —**— „ſowie uch die hoctragifche Kataſtrophe Fiir 
Todes, ift im obigen Romane poetifch zur meifterhaften Darftelung gebradıt. 
Deutſchland wird biefe neue wunberherrliche Babe des 6 großen Dichters mit Dank entgegennehmen und ſich baran erfreum. 


Einige aebeutfame Worte des Dichters über fein W 
enthalten gu dürfen: 


glaubt der Verleger Freunden und Verehrern deſſelben nicht vor⸗ 


„Den Roman habe ich mit großer Liebe uhb mit nicht nachlaffender Begeifterung ausgearbeitet, er tft bas 


mandjer Jahre. Die wenigen Freunde, denen ich ihn mi 
Das Uetheil von Kennern if kaum zu erwarten; follte es denn Feine mehr geben? — 


„die meiften meiner Werke, 
„ober: warum ſchweigen fie alle? — 


Refeltat 
eilte, find Hingerifien worden und fielen ihn Höher, als 


Die Verlagshandiung Kofef Mag und Comp. in Breslau. 





Budfanblangen verfenbt worden; if foeben erſchlenen und am alle 


Bascals Beben 


und der 
Bei feiner Schriften, 
zum Theil nach neu aufgefundenen Handſchriften 
met Unterfuhungen über die Moral der 


Jeſpiten, 


Dr. thermann Reuchlin. 
Sr. 8. Broſch. Preis 3 SL, oder 1 Thlr. 20 Sr. 


Der Verfaſſer Hat fich durch feine Geſchichte von Ports 


Koyal und durch das glüdliche Wieberauffinden ber Familien⸗ 
papiere der Pascals Perier berufen gefehen, eine ne blichere 
und umfaffendere Biographie dieſes Mannes zu fhreiben. Pascal 
in mehren Gebieten des Geiſtes als Staf anerkannt unb 
nd voran unter ben Männern, welche die wichtigſten Inters 
effen feines Jahrhunderts verfochten, daher fein Leben und feine 
Gcehriften bei den Gebildeten aller "Zeiten lebhafte Theilnahme 
finden. aufn. Bir ——ã— — 2a —*. * gen befondere 
Bedeutung ; mit ben unw n 
und feines Bitzes, mit unvergleichlichem Erfolge hat er eine 





jeder freieen Entwidelung der Menſchheit feindfelige * de 
kaͤmpft. Bor Allem aber ſteht Pascal, in feinem Leben wi 
in feinen Schriften, vor uns als einer ber auserwählten Zohan 
der Wa ehelten von weldgen bie Me felbft getrage⸗ 
> wirb,. ie dieſer Beruf der Mittelpunkt feines Lebens war, 
fo hat es auch vorliegende Biographie fidh zur erften Aufgabe 
— ihn darin zu erfaſen und von ba aus bie gazt 
Entwidelung biefes großen es zu verfolgen. 
— und Tübingen, im Juli 1840, 


8. G. Gotta’fher Verlag. 


em Veriage ift erſchienen und fe | 
FUEE — en und durch alle Bud« 


Gedichte 


von 
Theodor Tpel. 
8. Geh. 1 Thle, 


Eeiptig, im Auguſt 1840. 
J. A. Vrockhaus. 














In Unterzeichnetem ift foeben erſchienen und an alle Buchhandlungen verſandt 


Deutsch he 


Viertelja ro⸗ Schrift 


fur 1840. 


Ztes Heft oder Juli bis September. 


Inhalt: Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der poliifchen Dfonomie. — Skonomifd;: peli⸗ 
Fragmente von Gentz. — Die deutſchen Reiſebeſchreiber über Italien. — Die franzoͤſiſchen Departementster 
(Conseils generaux) und die deutſchen Provinzialſtaͤnde. — Zur vierten Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckt 
eunſt. — Hiftorifcher und politifcher Proteflantismus. — Über die Haupterfcheinungsformen der Sucht ſchnell ve 
muͤhelos reich zu werben, im Gegenfage des Mittelalter und der neuern Zeit. — Gedanken über moberne und ſchi 
Literatur. — Über das deutfche Vereinsweſens. — Kurze Notizen. . 
"Der Preis des Jahrgangs von 4 Heften ift 12 Fl., ober 7 Thlr. 8 Gr. 
Stuttgart und Tübingen, im Juli 1840, 


- | 3. ©. Cotta’scher Derlag. 


[2 











Bei Georg Wigaud in Beipzig iſt erſchienen: 


Vorſchue der Politik, 


Bon Wilhelm Götte (nachgelaffenes Werk). Gr. 8. 1840, 2% Dh. 









Agerabgesetzter Preis. ZZ Mono JEMEN, 


Geutsud, Der Gefhichte der abendländi. Soeben find bei mir erfhienen und durch alle Bakkr 











R Ne Im Bi —— — ng Aber uf As tungen zu Degiehen: . 
utert durch eine Sammlun überfegter Mufter: . 
ſtuͤke. Im Verein mit literarifhen Freunden bear: Der Roland von Berlin. 
+ beitet und herausgegeben von Dr. F. W. Geethe. Ein Roman 
’ ‘ iſter Bd., iſte Abth.: Jial. prof. Literatur. 1882, 2 Thlr. von 
ie s 2e = Stal. port, ⸗ 1234, æ Thlr. 12Gr. u æti 
der = Me = Frang proſ. = 1838. 2 Tbir. 8 Gr. B. exis. 
zuſammen Ladenpreis 6 Fa 20 Gr., auf® Thlr. 19 Sr.; Drei Bände. 
einzeln bleiben bit Eabenpreffe, j 8. Geh. -6 The. 
Bentin, dem 1. Auguft 1840 dinaud 4. un 
— ge Rube Cordelia. 
i S. Eeimer in Berlin if erſchie vd Bon dr . Bu 
ae Bacpenhtungen ya baten u eh gerfefſerin von ;Ngnes-non Tilien“. 
. 3ean Paul’s | Zwei "Theile. 
fammtlihe Werke, 8. Geb. 3 Zok. 88h. 
Neue Ausgabe in 33 Bänden. Die Namen ber Merfaffer ee Beiden I 
After und 2ter Band. - | mane bürgen für das Hohe 3 derfelben. | 
Seder Band auf gutem Mafchinenpapiee 14 Sr. Beipsig, im Auguft 1840, | 
« auf feinem Delinpapiet geh. 20 Gr. j SR. Brarkhans. 


Druck und Verlag von 8. U. Brockhaus in Leipzig. 








zn‘ 





Eiterariſchen 


1383840. , Nr 


in £ 


— — — — — —— — ———— ———— — 
Dieſer Literariſche Anzeiger wird den bei F. A. Brockhaus 
riſche Unterhaltung und Iſis beigelegt oder beigeheftet 


oder deren Raum 





Vittoria Acco 

in Roman in f 

2 von Xnudwig 

Zwei Bände. 8. 1840. Brestau: of 





Die beiden letzten {m vorigen Jahre erſchienenen Wände ber 
gefammelten Novellen Zied’8 belehrten und, daß der Genius 
des verehrten Dichters noch ſchaffensfroh die Flügel rühre, und 


feiner göttlichen Natur zufolge dem Gefege des Alters nicht un⸗ 


terthan fet, welches weit entfernt den Barbenglanz feiner Phan⸗ 
tafien zu erbleichen, ihnen nur Träftigere Zinten leihe. 

Mit UÜberraſchung begrüßen wir jett abermals ein neues, 
umfangreichexes Product feines Geiftes, den Roman: Vittoria 
Aceorombona, welcher bereits in den neunziger Jahren, wie 
man hoͤrt, begonnen, und jetzt mit ſtolzem Bewußiſein ben Hän⸗ 
Ben des Publicumg übergeben, als ein wichtiges Moment bei 
einem Gefammturtheil über Tied’d Bedeutung anzufehen und 
am baeften die vorjchnele Meinung, als babe er bereits ale 
Dhafen feiner Entwidelung durchlaufen, widerlegen wird. Die 
Eutwicelungsfähigkeit eines echten Dichters iſt unendlich. : 


Wem bie leidver.unvollendere Novelle Tiecks: Der Aufruhr. 


in ben Gevennen, befannt ift — und welchem Gebildeten wäre fie 


es nicht — weiß, mit welcher Meifterfchaft ex einen biftorischen 


Stoff zu behandeln verfleht: hier licat uns ein hiftorifcher No: 
‚man vor, der ald Mufter dieſer Gattung gelten wird, Der 
biftorifche Roman, wie ihn die meiften unferer Novelliſten be: 
bandeln, ift bei uns mit Recht als eine Abgefchmadtheit in 
Verruf gelommen, jener Roman, der willlürlich aufgegriffene 
Facta und hiftorifhe Namen verbigbet, um einer faben Liebes: 
geſchichte VerwideJung und Interefje zu geben, unbefchadet ihrer 
Möglichkeit aber eine Verwechſelung ber gebrauchten Namen, 
. Beiten und Länder zulaffen würde, ober, und bies find die be⸗ 
Ken ,.doch nur ein von der Oberfläche gefihöpftes, ganz Außer- 


liches und proſaiſches Bild der Zeit ‚geben, welche darzuſtellen 


fie ſich anmaßen. 
Hier weht ein anderer Geiſt, ober vielmehr eben der Geift 


ber Seſchichte und aus der Dichtung entgegen, zum Beweiſe, 


daß die Poefie, weil file die Offenbarung des Goͤttlichen im 
Schifchen iſt, andy bie Schlüffel zu den Geheimnifſen ber Ge⸗ 
ſchichte habe; wie auch Shakeſpeare's hiſtoriſche Schaufpisle ‚und 
mehr als hundert, unter dem Gewicht von Namen und Jahres: 
ablen erſtickende Geſchichtswerke die Ahnung bes hu 
aͤhrhunderte fürmenden Weltgeiftes zuführen. oo 


In der Vittoria tritt and eine ganze Zeit In inbibidueller | 


Wahrheit nahe; eine ganze Zeit in ihrer Bedeutſamttit nach 
allen Richtungen hin erfaßt, ihren Charakter de 
widelnd, , und in ben einzeften Indivibuen ſich ſelbſt offenba- 


send und begreifend. Daher ſchweben auch die Perfohen, welche 


uns ber Dichter vorfüher, nicht ald ehe Abfkrackiänen über 
Beit und Raum — fie find mit dem White ihres: Zeit gehlährt 
und wurzeln in dem Boden, ber ihre Geburktsſtaͤtte war; es 
find nicht Sliederpuppen, mit hiſtoriſchen Gtiquetten behangen, 
welche der Dichter nach für regiert, fondern fie tragen 


die 


ent⸗ 


Literatur⸗Artikel der Schleſſchen Zeitung. Medacteur: R. Hilf 





\ - 
und hat einer büftern Erhabenheit Platz gemacht, welche 
. * in Mirsrionen, "Gitwatiomen und” Charakteren Außer. 
Lehtere dagegen treten chärfer und beftimmter hervor, .bie 
Wirklichkeit bat ein größeres Recht "gewonnen. Dies gilt bes 
fonders von den, beiden QDauptfiguren: der Bittoria und bem 
Derzoge Bracciano. Erſtere iſt ein Meiſterſtuck in Anlage und 
. Ausführung und beſonders deshalb merkwürdig, weil fie eine 
‘von jenen weiblichen Figuren iſt, welche unfere neuern Dichter 


am Oberrhein, Nuͤrn in Franken einuchme, wirb Hiercus 
unzweideutig erhellen. Überhaupt Eönnen- wir *verfiddern, kei 
biefe Schrift über beutfche Kunftgefchichte im Allgemeinen uns 
über ben Entwidelungsgang ber ſchwaͤbiſchen Malerſchule cin 
helles und in mehren Beziehungen neues Licht verbreitet, t:- 
gegen au) Manches, was feisber für wahr galt, als unk- 
grünbet.fallen muß. Die technifche Ausflattung entfpricdht dem 
hiſtoriſchen und artiftifchen Werth bes Inhaltes, ſodaß mi 


mit fo vieler Vorliebe ſchildern, um fie als Probleme focialer 
Theorien aufzuftellen. - 

Niemals vielleicht ift der Conflict innerlicher Selbſtbeſtim⸗ 
mung bes Weibes mit den äußern Verhaͤltniſſen prägnanter 
ausgebrüdt worden, jener Conflict, der durch die Ehe auf die 
Spige getrieben wird; aber auch nirgend iſt eine Eöfung deſſel⸗ 


ben, ohne ven fchönen Charakter echter und wahrer Weiblichkeit | 


zu verlegen, mit größerer Kunſt verfucht worden. Es müßte 
vom hoͤchſten Interefie fein, bier eine Vergleichung lien 
Zie und ber Sand zu ziehen, weldye daſſelbe Thema in allen 
ihren Romanen behandelt. Tieck zeigt, wie bei wahrer geiftiger 
Freiheit und Klarheit (und nur wo dieſe vorhanden if, Tann 
doch überhaupt von einer Smancipation die Rebe fein) jener 
Gonfliet fi von felbft loͤſt, und eine Beſchraͤnkung nur info: 
feen vorhanden fit, als überhaupt alles Göttliche im Menfchen 
an bie Bedingungen’ ber Zeitlichleit geknüpft ift, während dieſe 

in jenem Gonflict gefällt, mit ihm fpielt, an ihm zu 


Grunde geht und bie innere Verworrenheit, welche an ihm 


vorhergeht, zu einer Folge deſſelben macht. 


Mit dieſen Worten, welche ſich nicht anmaßen, über ein 


Buch, wie vorliegender Roman iſt, ein entſcheidendes Urtheil 
abgeben zu wollen, moͤge derſelbe der Aufmerkſamkeit der Leſe⸗ 
welt dringend empfohlen fein, ohne Furcht, daß das dafür ans 
geregte Intereffe fi getäufcht finden werbe. R. B. 





"Soeben wird von uns ausgegeben und iſt in allen Buch⸗ 
und Kunfthandlungen zu haben: ’ 


ms Bunstleben 
, i 
Mittelalter. 
Ein Beitrag zur Culturgeschichte von Schwaben. 
Beſchrieben und erläutert 


von u 
Karl Grüneifen und Eduard Mauch. 
"it 5 Stabituichen uud 3 Steindracken. 


Sr. 8. Cart. 1 Thlr. 12 Gr., oder 2 Fl. 24 Kr. 
' Prachtausgabe 2 Thlr. 12 Gr., oder 4 Fl. 


Franz Kugler äußerte gegen ben erfigenannten Deren Ver: 
faſſer: „Bevor wir uns vermeffen, lieber Freund, eine deutfche 
"Nunftgefchichte zu ſchreiben, bürften noch viele provingielle Kor: 
ſchungen nöthig fein”; und dies als Motto bezeichnet mit wenigen 
Worten den Standpunkt und Werth einer Specialgefchichte. 
Kommt aber Hierzu, daß ſolchen Forſchungen ſich Männer uns 
terziehen, welche neben der reinften Liebe zur deutſchen Kunft 
durch Nie tieffte Einſicht in dieſelbe anerfannt und ausgezeichnet 
find, wie der Verfaſſer bes Niklaus Manuel und der Heraus: 
geber der demnächft ericheinenden erſten Abtheilung von Archi⸗ 








3 


und Ornamentik bes beutfchen Mittelalters, enthaltend 


das Münfter za ulm (Fol., mit deutfchem, franzoͤſiſchem unb 
englifchem Zert), fo wird die freubige Aufnahme eines’ Werkes, 
das Refultat ber grändlichften Studien ift, bei allen Kunfl: 


und Vaterlandäfreunden nicht fehlen. Daß ulm in biefer Hin⸗ 


fiht für Schwaben feine ebenfo eigenthümtliche als bedeutende 
Stelung in gleicher Reihe mit Köln am Niederrhein, Baſel 


\ r 


Kunftleben im Mittelalter als ein höͤchſt wichtiger Beitraa zu 


‚ Kunde deutfcher Borzeit und ihrer hohen Kunſtleiſtungen erfchein:. 


ulm, 184 


Stettinꝰ ſche Buchhandlung. 





In unserm Verlage ist soeben erschienen und in alles 
Buchhandlungen zu finden: 


Lehrbuch 





von 
Dr. K. RB. Hagenbach, 
Prof. der Theologie in Basel, 
Erster Theil. 
Bis auf Johannes Damascenz. 
Preis 2 Thlr. 
Leipsig, im August 1840, 
IWW eidmanpr’sche Buchhandlung. 





‚Le Repertoire du theätre frangals à Berlin, 


welches bis jetzt 230 Theaterstücke von Scribe, Delavigne, 
V. Hugo, Dumas, Bayard etc. in’ Grossoctarformat 
eathält und je nach dem Erscheinen bedeutender Stücke 
auf der pariser Bühne fortgesetzt wird, theilt seinen Abon- 
nenten alle vom Theätre francais gegebenen Stücke auch 
im Repertoire mit für 2 Gr. und für Nicht - Abonnertea 
8 Gr. Der Abonnementspreis für 12 vollständige Stücke 
2 Thlr., wobei zwei Stücke des Theätre francais für ee 
Nr. gerechnet werden. Wir empfehlen zum Unterricht 
Nr. 227: La fille du Cid, tragedie par C. Delavigs, 
6 Gr. Das vollstäadige Inhaltsverzeichniss des Repertair 
in allen Buchhandlungen gratis. 
Berlin. 


Schlesinger’sche Buch- u. Musikhandluxg. 





Durch alle Buchhandlungen und Poftämter iſt zu beziehen: 


FIſis. Encyklopaͤdiſche Zeitfchrift, vorzüglich für Natur 
gefchichte, Anatomie und Phnfiologie. Won Den, 
Sahrgang 1839. Eiftes und zwölftes Heft. Bit 
einem Kupfer. Gr. 4 Preis bes Jahrgangs von 
12 Heften mit Kupfen 8 Thlr. 

Blätter für literariſche Interbaltung 


(Verantwortlicher Herausgeber: Heinrtich Brod: 


haus.) Sahrgang 1840. Monat Auguft, ode 
Nr. 214— 244, und 4 Viterarifche Anzeiger: Ar. XV 
— XX. Gr. 4 Preis des Jahrgangs von 366 Rum 
mern (außer den Beilagen) 12 Xhir. | 
Bepertorium der gesammten deut- 
. schen Literatur. Herausgegeben von 
AM. . &er sdorf: . 1840. Vierundzwanzigsten | 
Banden drittes Heft. (Nr. IX.) Gr. 8 Preis eins 
Bandes 3 Tulr. oo. 
Leipzig, im Auguft 1840; 


"Ss. A. Brockhaus. 














— .. 


Bei Wilh. Engelmann in Leipzig iſt Torben er⸗ 
dienen und —* men Deutſchlands und Öftreichs 
zu baben: 


Sflerander Puſchkins 
Dichtungen. 


Aus dem Mrung überſetzt 


Dr. Robert Rip ippert 
gwei Baͤnde. Broſchirt. bir. 12 Gr. 
Inhalt dieſer ei. Bände: 


Erfter Band: Balladen: 
Debication an den Herzog von| Her Hufar. 
Leuchtenberg. Der Wowiode. 
Zueignung. Budris und feine Soͤhne. 


Gefangene am Kaukaſus. NDie beiden Raben. 
Ageuner. ESerbiſches Lied. 
De: — von Bals| ner Feldherr. 
tſchisſara 
Das Raͤuberbrüderpaar. 


— Zweiter Rand: 


Dos Mährlein vom maͤcht'genGeſpraͤch zwifchen Buchhändler 
König, Heren Silvan und] . und Dicter. 
feineg Sohne, dem tapfern und Eugen Dnägin. Acht Bücher. 
edlen Ritter, Fürſten Harald, Der fleinerne Sa 
wie aud) von der wunderfchd- | Die Ieaten Xugenblice vuſch⸗ 
nen Schwanenprinzeſſin. kin 
Boris Godunoff. 


Der durch mehrjährigen Aufenthalt in Rußland und gründ⸗ 

es en hu mit ber ruffifchen Sprache und den Eigenthüms 
lichkeiten der Sitten und des Charakters des ruffifhen Volkes 
. vertraute Berf. unternahm es, durch bie poetifche Bearbeitung 
ber gefeierten Dichtungen Puſchkin's denfelben einen noch grö- 





.- Bern. Kreis von Lefern zu verſchaffen, als dies bereits in dem 


Vaterlande des Dichters ber Fall iſt. Es ift daher zu hoffen, 
baß eine getreue —a Überfegung in den Ländern, wo man 
Sinn für wahre Poeſie hat, jede Anerkennung finden wird. 


. 


[4 


dem Anterzeichnucten if :eifchienen- ums fs ‚allen Su 
handiengen zu haben: 


genommenen Werkes 


und Raffiniren), 


Cechnologische Encyklopädie 


alphabetifches Saubbuch 
Technologie, der techaichen Chemie und bes 


Maſchinenweſens. 


Gebrauche fuͤr Kameraliflen, Hkonomen, Kuͤnfiler, 
Fabrikanten und Gewerbtreibende jeder Art. 


He rausgegeben 
Soh. Bon. Prechtl, 


1 k. n. à wirkl. Regierungsrathe und Director des k. . polpteh | 


Snftituteß in Wien ıc. 
Zehnter Band. 


Mühlen — Papierfabrikation. 
Mit den Kupfertafeln 203— 230, 
Preis 6 Fl., oder 3 Thlr. 12 Gr.“ 
Der vorliegende Band biefes mit allgemeinem Beifall af 
enthält bie Acikel: Müplen ar 
Tunft, Mabelfabritation gelfeb | 
tron (fünftlidhe Sodo), müde (4 (Bacfen ‚Ble (Prefen | 
fen, Papierfabrik Diefe Artitl 


bilden ebenfo viele Driginalabhandlungen, in denen jeder So 
feinem wefentlichen und neueften Zufande ic 


genſtand nach 


kundig und erſchöpfend dargeſtellt iſt; ſodaß ein Jeder Hier af 


wenigen Bogen zufammengedrängt finden Tann was er fett 


mit Benutzung einer bebeute 
finden im Stande wäre, 


npen Bücherſammlung nicht aufız 


da bie einzelnen Artikei oft woldhtigt, 


den Berfaflern eigenthümliche, noch nicht durch den Drut be 


kannt gemachte Erfahrung 


en und Beobachtungen enthalten. 


Die erften neun Bände, mit 202 Kupfertafeln 
jeder 6 SL, ober 3 Thlr. 12 Gr. * fein, fm 


Stuttgart und Zübingen, Inf Juli 1840, 





.&. Cotta’fcher Verlag. 





Com ersafions-Kexikon. der Gegenwart. 





Ein fuͤr ſich beſtehendes und in abgeſchloſſenes Werk, 


zugleich ein Supplement zur achten Auflage des Converfationg- -Lexikons, 
ſowie zu jeder frühern, zu allen Nachdrucken und Rahbildungen beffelben. 


= - FSünkundzwanzigstes Heft, Bogen 11-20 des vierten Bandes. 
BE Nhilofophie bis Pofener Augelegenheit. 


Jedes Heft auf Drudpapier S Gr., auf Schreibpapier #2 Gr., auf Belinpapier 18 Gr. 













2 — 
—— 





Pk: as — 


€ amitie) — — (5 I € 
te —— Antoine Aimée Sanſon de). — 
Rortfolio. — Yortugal, — 





. E (Exoft Bei 


Reipjig, in —* 1840. 


gien, — 


/ 


iTofo Ser ® te, — PYhilpotte (Beine). — 
Pe vjonbie Ah aft (ob Bay) _ eK He 


Forenotogie. — 
——— Aug. ei 359 en — 


—** tur, — 


Bun (Iob. eine ee). — RPoppig Ans —— — — 
—ãâ "Em 


ER 


A. Brockhaus, 





Druck und Berlag von B. U. Brodhaus in Leipzig. 
’ {| 











gitern ariſche 


1840. N 


fer Literariſche Anzeiger wird den bei F. A. Srokhaus in 
Biete rifche ————— und Ifis beigelegt oben beigen 
ober deren Ri 


Conversalions· Lexit 
J — 
Ein für ſich beftchendes und | 


zugleich ein Supplement zur achten 2 
ſowie zu jeder fruͤhern, zu allen Nacht 


Sechsundzwanzigstes Heft, 20, 
Posgaru bi bi 


Jen Heft auf "Drudpapier 8 Gr., uf Sr Schr 











Etienne zu 
thanafub, Sof). — Radiealis mus und Mepublike: 
‚ Bü) — Nafn (Karl Chriſtian). — —8 —2 


Eribaig, im September 1840. 





Für Ceihbibliotheken und Kesevereine. 


ichnetem find erſchienen und durch alle Budgand- 
PN ja beziehen: 


Gefanmelte „Erzählungen. 


Verfasserin der Bilder des Lebens. _ 
. Bweiter Band. 
* 8. Broſch. Preis 3 SL, oder 1 Thlt. 20 Gr. 
Inhaltı 1) Here und Seiave. TM Meine Sqhweterreiſe. 
@pifong aus ‚einem Jagebuch. 3) Der Worabend ded Weihnachts⸗ 
— It Lieber Liebe waltet Bu Einfach —S en 
diefen Darſtell in 
—** ———— —* — — ee 
von tiefer mtniß. des menfe — hauptfächli aber des 
. weiblichen 16, wie fie nur von einer aufmerffamen und u. ! 
Be a Me SE 
en. Wer 
Tann: uns —S und richtidere uffeptäffe über 17 manche 


— die 
Ir Gmmait yahm mie Die 
o in ewal aben wie 
Kelten” ——* 1 ee, de mit feltenem Earl 


In ar er j in af ichte Suhl ii finden: " 


. Mm anrt Zußzt ne nn 
" Aus dem Ruſſiſchen überfegt ’ 


€. Ww. 


ur Zweiter Band erſte Abtheilung. TEE ng en 
. Bes 1 Fl. 24 Re, oder 21 St. ' " 


Inpalt: Neuere Geſchite. Einteitung. I. Peter der Große. a) Entwicelung ber en 
b) Anfang ana Umwandlung bes Staates. c) Kampf mit —* A. 0 eu Rufla J ei ’ m Phrt, 
Rußlande im Norden. E) Innere Einrichtung Rußlande unter Peter —* —3 a re Ri 
Na 938 Peter's des Großen bis auf Katharina II. 1) Katharina I, Br —* IT. 3 7 Ina —— D » Prim 
5). Giljabetda Petrowna. 6) Pete HI. 7) Rußl ac fa Adır 1708. 
Stutts att und Tübingen, im Auguſt 








3. G. Ceixoſhe Verlag 


Am Verlage von RMegandes Duncker in Berlin 1%: biefe MWeltgebanten . Ws pt 
ſchien —* iſt durch alle ſoliden Buchhandlungen gu er⸗ Hagen * weichen a ein Goa 
halten: foefaßt, mit Wis und Scharffinn eriet nd 






















Gedichte in einfacher gebilbeter Sprache oft mit Laune, Humor uni fe 
en bel. unter ber Rule 6 een Hilde u 
Emanuel Ge von den verſchiedenen Wölkern ber Erbe kurze, trefſade Che 
8. Ees geb. 1° geh. 1 Thlr. rakteriſtiken liefert, worunter bie aa he a dt: 
endafetöft ift unlängft Inaft eefitenen: —* — leben —— — tes — 
Ion Gräfin Hahn- a a —* —— 

et e 4 e. bideten empfohlen gu 
8. Sch. 2 Thlr. CCCCCC 
an Dre aue Buchdandlungen und Voſtaͤm er Ik: 
*** s Pfennig in 

sich. " | 
ter Joucus PERF sur * —** Ne hlannes 5 "die Gal⸗ 
Br: Barvn * —* 
tri Die © ben. — Bi 
@Göthe und Einer seiner Bewunderer. | $ Ku Di 0 — U 
Ein Stud Leben⸗ eichichte, * —* Mittel, Weatten u fang e: KL. —— 
BGre. 8. Beh, Der. ee Pie he man ch 
ATT i cu , m 
Na Gracn Hahn, Eiefanten —E * —— 16 ia Dar 
Aſtralbion. ‚Das aus_hen. ig: un) Bboeiendene De 
Eine Arabeske. | " 8 bee: | —3 
8. Eleg. ah. Yrı Thle. I ‚aan: * 
% ! A | 





Bart Gerotl’s Bu — Ar MBH Kemer. 2 
iſt Zu erſchienen und daſe m. n alın Badihanblungen * ——— Die — bee Be: Boni "Di 


z.nad) einem. Gemälde von Derbeitg 
Die mit * begeihneten Kuffäge ruchalten eine 


= e 1 — e 5a 1 u — @ IR oder mehr —— — 











2 anime Le: — 98 
— 
Prany Schuseike. entheitenb, von 9 Sie, 1 12 ar TY 73 
Gr. 12. Wien 1840. Broſchirt. Preis 12 Gr. Saͤchſ. | Singen — kofet jbee jeber „ee —* 1 ee; 5er die KR 
;günge 1 39 tofbtı jedes &:CH0.. 


u at ——— enthält die Rubriken: Weit, Erdkug Btipgig, —— * 
Welt Welttheile, De f ichte der . A 
Benfägeit, a bietet —** — — — Ba 3; 





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3m unterzelchnetem find erſchienen und bitch ONE ochhantlungen 


zum ersten Male 'beka: 
Eauard'&ert 


. Vierte Centurie, ers: 
' Tafel GCCI— CC 


Grossfolio. Preis 5 Fl. oder : 
Inhalt: 


cEeti; 1) Eaes Olyimpte. 2) Bieasinische Gottheiten. — C 
CCHI— CCCVI. Griechische Kopfbedeckungen. — CCCVIL, 
‚deckung. — CCEFX, Dinedali et Dacdalidarum quae supers 
— — CCCXIV. Hekate. — CCCXY. Leichenmehk 

GCCKXVII— CCCXX, Gottheiten in H. 
Stuttgart und Tübingen, im Auguſt 1840, 





— in Leipgig iſt erſchienen und In 


allen he zu haben: und in 
a Ba 
Roman 
vg 
vr ÜURTDBRE, 
2 Bände. u 2 Ihr. 
a & au 
Hany: Ban. de 
Roman nad pem ‚Polnifgen &. 8 


von Emil l. Di 
Broſch. 1 Thlr. dete Wi 


Anter der Erde. 


Ein Denkmal für die Lebendigen | Mr: 





Ion 
Bean Bingetficht. — 
2 Binde. Besfä. 25h. T 
Fa u ‚od 
Bei mic iſt erfälenen: "ne 
5 | E 
Susi 1540. u 
——* Ku 
ee ii 
Ki orfääfiäen rue 8 
Hamburg, 1. Auguft 1840, , en 


Joh. Aug. meioner. 











zu Sc 


- Supplemente 
hiller's Werken. 


Aus feinem Rachlaß 


im Einverſtaͤndniß und unter Mitwirkung der Bamilie Schiller's herausgegeben von 
im Sinverf Karl Hoffmeifter. ki 


Erſte Abtheilungt Rahlefe und Variantenfammlung. 
Erfier Band: 


Gedichte und Dramen ber erften Perlode Bis auf Don Carlos. 
Taſchenformat. Welinpapier. Preis 45 Kr., oder 12 Ex. 


„Die \ 


iedenen RNachtr den Werken Schiller's, welche in ber i d, emelat 
Autereſſe, al ee Kür aR den Tag was Schillers ee 7 feine An ** 
A ver Jamille des ga früh Dahingeſchledenen zur Pflicht, in bes rechtmaͤßigen Verlago⸗Buchhandlung der 


betrifft, made 


| Berk 
„@uppiemente zu benfelben herauszugeben, welche des Rationaldichters würbig fein und fo viel als möglich in feinem eigenen 


. „Gele veranfiaitet werden follen. vor 
e 


J. G. Cotta'scher Verlag. 





S. G. Bolf, 
Deutschlands Geschichte 


alle Stände deutſcher Zunge. 
4 Binde. Er. 8. Münden, bei Fleiſchmann. 
Ein würbiges Befchen? für beutfche Söhne und jeben Ge⸗ 
birdeten, und babel eines Preiſes, der es auch bem wenig Be: 


wittelten zugäng 
sur 3 Kl oder 4 Il. 48 Kr. Toflen 





Neue Schriften über Italten. 
In meinem Berlage nachftehenbe 


Soeben erſchlenen Schriſten, 
die durch alle Buchhandlungen bes In⸗ und Auslandes bezogen 
werden koͤnnen: 


Hahn· ahm ( Na Gräfin), ZJen ſeits Der Berge. 
Zwei Theile. 8. Geh. 3 Thle. 12 Gr. 
Eine anziehende, mit Poeſten und Grzählungen unter: 
mifchte Beſchreibung einer Reife dee Verfaſſerin nach Italien. 


Tleigebaur (3, $.), Haudbuch für Beifende 
iss Skalien. Dritte, ganz umgearbeitete, fehr 
vermehrte und verbefferte Auflage. Drei helle. Gr. 12. 
Sauber cart. 3 Thlr. - 

Diefes Handbuch hat fich feit Jahren den Reiſenden nad) 

Stalien als ein fo zweckmäͤßiger Führer bewiefen, daß es keiner 





Drud und Berlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 
4 EEE BE SEE EEE ET 


Artikel wurbe mehr ober weniger umgearbeitet. und durch 3a 
„berrideet k 


lid; macht, indem bie 4 Bände mit 96 Bogen 


befondern Empfehlung biefer britten Auflage bedarf. 
innere Ginrichtung if gang biefelbe en nt Iren 


« Durd) die Bertheilung bes Inhalts in drei TSete — 
von benen bes erſte die allgemeinen_ ufammen umb 
Überfihten enthält, während der zweite und —ritte.ig.alphes 






betifcher Orbnung alle intereffanten Punkte Itakiemb 
ifl der Gebrauch des Werks —æa .ù begann gemacht worden. 


Raumer ( Friedr. p.), Atalien. Weiträge | 
Kenntniß Diefeb Kanbes. Zwei Theile. —* 
e r. 
dieſem Werke I berüfimte. Vexfaier bie Refals 
tate ne re be ein Land nieder, 5* er durch 
wiederholten Auſuthalt ſchon frühes. Tanne, Im - Jahre 1839 
aber unter ben günftigften Verhaͤligiſſen aufs neue bifuchte, 


Hömi 





fche Briefe von einem Blorentiner. 
1837 — 38 Zwei Teile. Gr. 12. Geh. 4 Thir. 12 Sr. 
Der Berfaffer ſchildert in biefem Werke, in gefchmadvollex, 
ebenfo belehrender als unterhaltender Darkeilunn. 5 Nee 
dom in feinen öffentlichen Zuſtaͤnden, feinen. gefelligen: Ber: 
bältniffen, feinen Feſten und feinee äußern G@richeinung , in ben 
Erzeugniffen der neuern Literatur nnd Kunſt. Das Mer 
Zeit befaßt, unentbehriid Tin Re wie Klett 
entbehr in, R 
liches in ber Literatur behien, “wi 
Eeipzig, im Xuguft 1840. 


F. A. Brockhaus. 








In Untergefätetem ſind erſchlenen und durch AUF Sechhandlungen gu biglehen « 


zum ersten Male bekannt gemacht 


vo 


Vierte Centurie, erstes Heft. 


‘ ° Tafel GCCI—CCCKX. 
Grote. Pre 5 Fi, oder 8 Tal. 4 Gr. 
alt: 


* Inh - 
=> _ CC: 1) Gaen Olympia. 2) Eltnsinische Gottheiten. — CCCIL Götterpamm I" I w 
_ SCHI—.CCCV. Grischtsche Kopfbedeckungen, —- COCVIL, GOCVIR. Gran. 8 . 
””- =deckung.. — CCEEX. Daedali et Dacdalidarım quae supersunt reigee N - 
* "Ysterienbilder. — CCCXIY. Hekate. — CCCXY. Leichenmahle, — OOCKN, ©" - 
— CCEXVII—CCCXX, Gottheiten in Hermengestalt, 






er,  Gtuttgart und Tübingen, im Auguft 1840, u.» — —— 
— — ö————————— u FE 3 
Lee‘ - - ur 
= es beim dinsern I Selpatg if erſchienen und — 
‚& . 
wi s s nn ei 
Be Di Entriguanten. PR 
el Roman SZ 
Ewumssen unse | - __ 
mg 2 Bände. Broſch. “ers » — —* — 
au — — ig — — — 
”  Hgay: Ban, ae nn... 
MY Roman nad dem Polnifhen — — 

des A. A. — — — 
i= von Emil Brachvogel. — ⸗ — 
x Broſch. 4 The. zn. 7 Prag Bam 
Bo Nr EZEI_-.- 
3 Muter dr Eee — — 
FT Ein Denkmal für die Lehen — — 

— 

= Yin EEE — un 
B 2 Bla. Bei, — — — 








> weile sans neue Umarbeitung ber erflen 
. Ale’ Grfcheinu 


PR in SEN Deutfe 
en: 


elmanı in Leipsi: 
3 een 


“8 Gervinus, 
—R 


der poetiſch 


Rational: Lileratur 
der sen 


Bon den erften Echter der deutſchen Dichtung 
bis gegen das Ende des 13. Jahrh. 
Zweite umgearbeitete Ausgabe. 
&. 8. Broſch. 3 Thlr. 
Der Verleger erlaubt fich bei bem Erſcheinen ber Lten ums 


jtarbeiteten jabe dieſes anerkannt werthvollen und in! 
Feigen an ie daß en Ausgabe eine * 


Aufis 
ingen der neueften Zeit find darin intel 
und vom Verf. eingefchattet worden, fobaß zu hoffen ifk, 
Zreunde unferer beutfchen Literatur werden diefen Band E 
noch größerer Beteiligung ent; — nehmen, als es bereits 
ſchon mit dem ältern — le gefe 


® den il 
und Eee Beten in zedden IR ericienen 


W. Meißner, 
Sefhihte und Befhreibung 


— — 


Eiſendahnen. 
Mit 10 Steindrucktafeln. Gr. 8. 








Bi M. Du Mont: Schanbe: erſchie⸗ 
ner * in allen "Buchhandlungen zu Fo sn 


Sammlung 
von 
Beifpielen und Aufgaben 


aus ber allgemeinen 
Arithmetik „and Algebra. 
Gymnaſien, hoͤhere —E und Gewerbſchulen 

in ſyſtematiſcher Folge bearbeitet 

von 
3 PARAT Seis, ö 
‚weite uflage. 
352 m ge. 8. Preis 1 The. 

Die Gunft, deren ſich die bekannte Sammlung von Meier 
Dirſch beim mathematifchen Publitum erfreute, ileß brwarten, 
daß eine IR, P bie im Atgemeinen denfelben Iiwedt vor Kus 
gen hat, fi in ng beflelben durch bedeutende 
Borzüge andy 43 gewiß mit Beifall werde aufgenommen 
werden. Und ich find nicht allein die Mängel jener Samm⸗ 
un die jedem erfahrenen Lehrer bekannt genug ‚fur fondern 

die —e bie theovetii —* I; 
Elementar⸗ Mathematik ſeit dem Erſcheinen —— gemaht 
der Art, daß das iß einer neuen, dem jegigen — 


dunkte der Wiffenfchaft entforechenden Gammlung von Übungss 
Drud und erlag von ®. 4. Brodheus In Leipjig 


— — 
aufgaben aus ber allgemeinen Arithmetik und Algebra ir 
dringenbes geworben war. Die vorliegende, —* 
beit und Reihgaltigfeit des ä 
nung und aa und überhaupt ve —5 
und die umſichtigſte Behamblung einen unde 
fiert, war var. allen Lehrern ber ee ars 
a *6 nung, 14 die —e in vielen ia 

al fo Turger Zeit biefe neue e nö 
nicht nur mit mehren zufäglichen Pe 
um einen neuen — vermehrt wurde. 


— — 
Griechische Mysterienbilder. 
‚Zum ersten Male belannı gemacht vom 
. Eduard Gerhard. 
Auch unter dem Lite: . 


Vases grecs relatifs „u mmystere, 





-  publies 
Edovard erhard. 
BRoyal-Folio. Preis 5 Fl., ‚oder 3 Tal, au, 


Sotta’tr Baz 





Dusch ale Buchhandlungen des Iaz und Aulanhit} 
beziehen: 
dan F bud 


Beifende iin Dielier 
3. 5. Heigebaur. 


— 
Meiste, ganz umgeasbeitec, ſehr vermehrte un 
Auflage. 
Dre ki = heile 
Gr. 12. Sauber car. 3 The. 


u ganttuh at fich —— den — 
Be ee 
u Eit aber 
—— —— Ü Ye — geblieben u u 
— Durqh Dre Merten ans Sapal Ma 
ie denen der exfte die Olgeneinen — 
en enthält, mähemb berg; — ns ki 


Deb 
H — ea — —— —— mai 


Beignin, Im Orient IM, — 








R 


Literariſche! 


1840. Nr. 


Lagen 
Diefer Literarifche Anzeiger wirb den bei J. A. Brodhaus in f 
riſche Unterhaltung und Iſis beigelegt ober beigchefte 

\ oder deren Raun 














— —— — —— 


Vellständig ist jetzt erschjenen und durch alle , jät 


Buchhandlungen zu erhalten: 2 
Ausführliche Enoyklopädie | °“ 
der. gesammten jat 


| { 
Staatsarzneikunde. |) 
im Vereine: mit mehreren Doctoren der Rechtsgelahrt- 


, heit, der Philosophie, der Medicin und Chirurgie, mit | 9, 
“ praktischen Civil-, Militair- und Gerichtsärzten und. 


Chemikern bearbeitet und herausgegeben von ID. 
Georg Friedrich lost. _ 


Für Geseisgeber, Rechtsgelehrte, Policeibeamie, | he 
. Mihtairärste, gerichlliche Arzte, Wundärzie, 
: "Apotheker und Veterinaträrzte. 


= Zwei Bände, nebst einem Supplementband in 
14 Heften. (168°), Bogen.) Gr. 8. 1838 - 40. 
11 Thir. 16 Gr. 


Diese Encyklopädie hat denselben Beifall von Seiten 
des Poblicums und dieselbe Anerkennung von Seiten der 
Kritik gefünden, wie die früher bei mir erschienene 
Encyklopädie der gesammten me- 

dicinischen und chirurgischen 
Praxis mit Einschluss der Geburtshülfe, der | zwı 
Augenheilkunde und der Operativchirurgie. Im Verein | ©t 
mit mehreren praktischen Ärzten und Wundärzten 
- herausgegeben von &. F\. Most. Zweite stark | yo: 
vermehrte und verbesserte Auflage. Zwei Bände. | Er; 


Gr. 8. 1836— 37. 10 Thlr. . .} fein 
— — Supplement zur ersten Auflage, ent- a 


, haltend die Verbesserungen und Zusätze der zweiten han 
« Auflage. Gr. 8. 1837. 2 Thlr. 12 Or. 


Leipzig, im September 1840, d 

me 

In dllen Buchhandlungen iſt bereits angekommen bie viel⸗Erf 

erwartete: ai 

— Zugend⸗Bibliothekf * 
von 

j den 

Gustav Nieritz. | fege 


(Verlag von M. Simion. Athenium in Berlin.) 
Durch dab Erfcheinen diefer Jugend⸗Bibliothek iſt für das | Hr01 
BVebürfniß der Heben Kinder, befonders ber reifen Jugend, das | if « 
\ ganze Jahr hindurch auf das befte und billigſte geforgt. der 
Daß bie Jugends@rzählungen von Guſtav Nieritz vortrefftich 
find, darüber if nur Eine Stimme. Auch Erwachſene leſen 
fie mit Vergnügen. Bon diefer Jugend : Bibliothek erſcheinen 


= 


‘ D 
. 
° 
x 
* 
4 l x 
. 








zk eben zer: 
Eins öfter] © 


* und in 10 im al Ben agen Du 


zu haben‘ 


Suftus und Chryfoftomus, 
Gebrüder Pech. 


Zeit- und Lebensläufe. 


Bon 
Herman Marggraff. 
2 Theile. 8. Droib. 1 1 Thlr. 12 Gr. 


Die Rebellen von VTrland. 


Novelle 
von 
Dr. Fr. G. Küͤhne. 
3 Theile. Broſch. 4 Thlr. 12 Gr. 


Der Verf. hat ſich bereits durch ſeine Kloſternovellen“ 
und „Weibliche und männliche Charaktere“ als ein fc 
feiner und gewandter Darſteller und Kritiker erprobt, daß es 
wohl nur biefer Anzeige bedarf, um das gebilbete Yublicum auf 
biefe neuefte Erfcheinung aufmerkfam aufmerkſam zu madıen. 


SKaiferin und SHapin. 


Ein Hiftortfcher Roman aus dem dritten Jahrhundert ber 
riſtli rche. 
3 Theile. Sof 4 Ihle. 12 Gr. 








Den Inhalt biefes ausgezeichneten Romans bildet ber | 


samt bes Deidenthums mit der aufleimenden chriſtlichen 
rche 





In allen Buchhandlungen iſt zu haben: 


Se ammtgebiet 


Geschichtichen Unterrichts 


ur Sf. m ü Ilerxr, 
Ecſter Curſus. Deutſche Geſchichten ſut Bürgerlhulen, 
 Drogyianafien und. Realfchulen. After Band. 8 
\ Reipsig, Gerhard Fleiſcher. 1842. 1 Thir. Ts 


Geſchichte iſt bei ung Deuefihen un und bei allen denjenigen | 


Ben welche mit uns auf gleicher Wilbungsfkufe ſtehen, eine 
WDifſenſchaft für Alle geworden. Mas gründliche Forſchung 
Großes und Herrl rderte, das fuchte eine naturgemäße 
Anterrichtsweiſe, das ſuchten faßliche Dauftellungen zum Gemein⸗ 
gut aller Gebiſdeten zu machen. So Verdienſtliches nun aber 
auch in dieſer Hinſicht gelsiftet wurbe, Immerhin mangelt es an 
em ‚ voridhes Tür Lehter und Lernende gleichſam als 

Wegweifer auf 
biete des Willens dienen köunte. 

Die Veriagehandlung freut ſich, gerabe Im vierten Särhlars 
jahre der guoßen Erfindung — en ein. Wert barbieten gu 
Formen, weiches, durch die ihr verſchwifterte ſchreibekunſt 
der unmittel ac, eben higen Miecheilungen eines ald-Gerchilites | 
lehrer und: Geichichtefosfiher gleichtndſig bekannten Mannes ents 
nommen, hoffentlich ‚ge en wird, jenem Mangel 
abzubelfen; fie darf es daher allen Hlteen, weiche eine geeignete 
Lecture für i adhen, allen Echrern, welche Erfahrun⸗ 


Kinder T 
gm im seſchicheuichen unterrichte machen, ober ſchon gemachte 


einem ebenfo umfangreichen als wichtigen Ber | 


enmteben wollen, ja unben her Beſchichte, welche etwa 
er ihres 8 a Fe ah su unternehmen be 
— 2 — — 

Werk erſcheint, in ee hiebenen Stufen bes Unter: 
te von feinen erſten Anfängen bis zum Beginn felbfländiger 
wiſen keit umfaſſend, in folgenden (the Abtheilungen: 
(ie, Se * ten für die d all ice. Jugend. für Bine: 
rogymnaſien und meine 
Ing 5.’ Gebiete der Grie * er Se te. der Rönır. 
5, Gefchichte der Deutſchen. 6. Allgemeine Serbichte 

Jede Abtheilung bildet übrigens ein felbfländiges Werk und 
if eingeln ver aufcih. eften Ab 
ee zweite Band ber e n Abtheilung wird um Weih 
nachten 1840 ausgegeben. i 





Bei mir ist erschienen: . 
Reise durch das Iunere von Nord-Amerläa 
von 
Maximilian, Prinz zu Wied- Neauvied. 
1ite, 12te und 13te Lieferung. Royalfolio. $., mit 
12 Kupfern, 1 Plan und Holzschaitten, in 5 verschiedenen 
Ausgaben. 


Nunmehr sind die zum erstem Bande örigen Vig- 
netten complet und dieser Band kaın ade gehärie werden. 


Die folgenden Isieferungen sind grösstentheils in Arbeit und 


Ganze wird heffentlich binnen 7 Monaten ferüg 


w 
Koblenz, 25. August 1840. 
I. Hölscher . 


In Unterzeichnetem find ſoeben erſchienen und an alle Bad: 
banblungen verfandt worben: 


Gedichte 


von 
Wilhelm Smets. 
Bollftändige Sammlung. 
8 Broſch. Dee 7 BL. 10 Br, vn 1 Dun 8 &. 


Stuttgart und Tübingen, im Aug 
J. ©. Cotta fee 35 Verlag 


Kadke ende Artikel, 
Merkiein 


aus dem’ Verlage von I. A. in Paris, 

innen durch alle Buchhandlungen des In: und Auslandes 
von mie bezogen werden: 

Jonglears et trouvdres, ou chotx des salats, &pitres, r&- 

veries et mutres piöoes lögeres des Iditme et 14iöme ziöcles; 


publi6 pour 1a premitre fois, per Mokilde Jubinal, 
d’apres les manuscrits de la bibliothèque du. zei. Gr. 3. 


Paris.. 1886. 1 Thir. 36 Gr. 
‚IIEPI TON ZPEON 
". TOY ANGPRIIOY, Des deyoirs des hommes. Discours 
à un jeune homme. Traduit de l'italien en grec moderne 
par Cebes de Thebes. 12. Paris. 1885. 16 Gr. 
eron CA, Munographie den * des — 
qui en ont &t& separes. Accompagnée d 
nees par l’auteur Ar u ge * — eteẽ rare 





Gr. 3. Paris. 1 
BEOPYAAKTO2. Thesen i Simocakine quaestiones 
hysicas et epistolas ad codd. recensuit verdisne Kime- 


nciana et notis instruxit Jo. Brase. . 
Gr. 8. Paris. 1835. 3 Thlr. 
— im September 1840. j 
\ F. A. Brohkhaus. 
LI Un 


/ 








In 2 


⸗ 


Sa Nntergeichnetem: ift erſchienen und an alle Duchhand⸗ "Art 
Buıngen verſandt worden: ’ 


Colonia sumlocennme. 


Nottenburg am Nedar 


unter den Römern. 

Mit Rüdfihe auf das Zehentiand und Germanien 
überhaupt. 

Ein antiquarifhstopographifder Berfud 


von 
Momdekan v. Jaumann. 
N Mit 23 Lithograpbien. 
Herausgegeben vom k. würtembergifchen Verein für 
oo Vaterlandskunde. 
Gr. 8. Preis 2 Ft. Fr le oder 1 Thle 16 Gr. 
- | nbalt: - 

A) Topographie. 1. Geographiſche Lage überhaupt. 
2. Lage und Umfang ber Römerflabt. 3. Römiſche Caſtelle. 
Lager und fonftige Befeſtigungen. 4. Römifche Wafferleitungen. 
5. Römerftraße.. 6. Zelt des Beſtandes unferer Römerflabt nach 
Denkmaͤlern und Schriftfielen. 7. Bewohner bes Zehentlandes 


und unferer Römerflabt. 3. Beſchaffenheit des Zehentlandes. 
®. Name unferer Römerftabt. 10. Schlacht bei Solicinium. 

B) Autiquarium. 1. Giniges über Negierung, Milis 
Yairverfaflung, Religion, Gebräuche, Eultur ber Römer. 2. Se: | 
bäude, Bäder, Heizungen, Säulen, Friefe, Gapitäler, Moſaik, 
WBandsekteidungen, Ziegel, Gement, Ihürgeräfte, Nägel, Schloͤſ⸗ 
fer, Schläſſel u. f.w. 3. Monumente. 4. Beabpeget auf dem 
Sexenbuckei und im Schönbuch aufgebedt. 5. Römifche Ge: 
Kbhirre. 6. Verſchiedene Gegenflände. 7. Münzen. 

Stuttgart und Tübingen, im Auguſt 1840, 


RS. ©. Eotta’icher Verlag. 





Sn Karl Gerold’s Buchhandlung in Wien 
iſt ſoeben erfchienen und daſelbſt, fowie in allen‘ Buchhandlungen 
Deutſchlands zu haben: 

Jahrbücher der Literatur. Neunzigfter Band. 

1840. April. Mai. Juni. | 
—Inhal & . & - 
Art. I. 1) Die Sintftehung bes manichäifchen Religiontſyſtems, 
) hiſtoriſch⸗kei unterſucht von Friedrich Edu—⸗ 
Dr Grm, N za) ober et rchitektoniſchen 
2 tupa’s (Topes e a 
) Denkmale ber Indo⸗Baktriſchen Koͤnigeſtraße und 
bie Koloſſe von Bamiyan; eine Abhandlung zur 
Alterthumskunde bes Orients, vorgetragen in ber 
konigl. Akademie der Wifienfchaften, von Karl 
‚Ritter. Berlin 1838, on 
- 4, Lateiniſche Schulgrammatik, von Sebaſtian 
Mutzl. Dritte Auflage. Landshut 1898, 
-RI. 1) Li romans des sept Sages, nach ber pariſer Hanb⸗ 
ſchrift herausgezgeben von Heinrich Adalbert 
Keller. Zübingen 1886. ' 

2) Essai sur les fables imdiennes vt sur leut in- 
troduction en Europe, par A. Leiseleur Des- 
Iongchamps, suivi du Roman de sept Sages de 
Rome en prose, publi& pour la premiere fois 
d'après un mantscrit de la bibliothdgue royale, 
avec une analyse et des extraits du Dolopathos 

5 par le Houx de Liner pour servir d’introduc- 

6 de ZIP, XI et XIV* siecles 
oo pübliees par M. Robert. Paris 1838. 
J— 8) Das Buch bes Weiſen, in luſt⸗ und lehrreichen 
- ‚ Erzählungen des Indiichen Philoſophen Wibpaf, aus 
‚beit Areabiſchen von Philipp Wolf. Zweite Aufs 
lage. Stuttgart 1889.) 


Ver] 
Gott 


tion aux fablea enth 
befoi 


a 


. 








\ - 


den und bat einer büftern Erhabenheit Platg gemacht, melde 
fh in — Situatienen und Charakteren aͤußert. 
Lehtere dagegen treten Thärfer und beſtimmter hervor, bie 
Wirklichkeit hat ein größeres Recht gewonnen. Dies gilt bes 
fonders von den, beiden Yauptfiguren : der Vittoria und dem 
Derzoge Bracciano. Erſtere iſt ein Meiſterſtuͤck in Anlage und 
Ausführung und beſonders deshalb merkwürdig, weil fie eine 
von jenen weiblichen Figuren iſt, welche unfere neuern Dichter 
mit fo vieler Vorliebe ſchildern, um fie ale Probleme focialer 
Theorien aufzuftellen. Bu 

Niemals vielleicht iſt der Conflict innerlicher Selbſtbeſtim⸗ 
mung des Weibes mit den äußern Verhaͤltniſſen praͤgnanter 
auegedrũckt worbem, jener Conflict, der durch die Che auf die 
Spidte getrieben wird; aber auch nirgend ift eine Eöfung befiel- 
ben, ohne den ſchoͤnen Charakter echter und wahrer Weiblichkeit 
zu verlegen, mit größerer Kunft verfucht worden. Es müßte 
vom höchften Interefie fein, bier eine Vergleichung poifhen 
Ziel und der Sand zu ziehen, welche daffelbe Thema in allen 
ihren Romanen behandelt. Wied zeigt, wie bei wahrer geifliger 
Freiheit und Klarheit (und nur wo biefe vorhanden it, kann 
doch überhaupt von einer Emancipation die Rebe fein) jener 
Conflict fi von ſelbſt löft, und eine Beſchraͤnkung nur info: 
feen vorhanden iſt, als überhaupt alles Göttliche im Menfchen 
an die Bedingungen’ ber Beitlichleit geknüpft ift, während biefe 

in jenem Gonflict gefällt, mit ihm fpielt, an ihm zu 


runde geht und die innere Verworrenheit, welche an ihm 


vorhergeht, zu einer Folge deſſelben macht. 


Mit diefen Worten, welche fi nit anmaßen, über ein 
Buch, wie vorliegender Roman ift, ein entfcheidendes Urtheil 


abgeben zu wollen, möge berfelbe der Aufmerkſamkeit ber Leſe⸗ 
welt dringend empfohlen fein, ohne Furcht, daß das dafür ans 
geregte Intereffe ſich getäufcht finden werde. R. B. 





Soeben wird von uns ausgegeben und iſt in allen Buch⸗ 
und Kunfthandlungen zu haben: _ f 


Alms Bunstleben 
| gRittelalter. 
Ein Beitrag zur Culturgeschichte. von Schwaben. 


Beſchrieben und erläutert 


Karl GSrüneifen und Eduard Mauch. . 
a "7: Gtapiftiigen uud 8 Steludrücken. 


‚Sr. 8. Cart. 1 Thir. 12 Gr., oder 2 Fl. 24 Kr. 
Prachtausgabe 2 hie. 12 Gr., oder 4 Fl. 


Franz Kugler äußerte gegen ben erſtgenannten Herrn Ber: 
faſſer: „Bevor wir uns vermeffen, lieber Freund, eine deutſche 
"Runftgefchichte zu fhreiten, dürften noch viele provinzielle For⸗ 
"fyungen nöthig fein‘; und dies als Motto bezeichnet mit wenigen 
Worten den Standpunkt und Werth einer Specialgeſchichte. 
Kommt aber Hierzu, daB ſolchen Forſchungen ſich Männer un⸗ 
terziehen, weiche neben der zeinften Liebe zur deutſchen Kunft 
durch die tieffte Ginficht in dieſelbe anertannt und ausgezeichnet 
find, ‚wie der Verfaſſer des Niklaus Manuel und der Heraus: 
geber der bemnächft erfcheinenden erften Abtheilung von Archi⸗ 
tektue und Ornamtentit bes deutſchen Mittelalters 
das Münfter zu ulm (Fol. mit deutſchem, fcanzöfifchem unb 
englifhem Xert), fo wirb die freudige Aufnahme eines’ Werkes, 
das Reſultat der gruͤndlichſten Studien if, bei allen Kunft: 
und Baterlandsfreunden nicht fehlen. Daß 
Acht für Schwaben feine ebenfo eigentgümliche als bedeutende 
Stellung in gleicher Reihe mit Köln am Nieberrhein, Baſel 





\ ‚ 


enthaltend ' 


in diefer Hin⸗ 


am Oberrhein, Närn in Franken einnehme, wirb hieraus 
ungweibeutig erhellen. überhaupt Eönnen-wie verſichern, daß 
biefe Schrift über deutfche Kunftgefdichte im Allgemeinen und 
über den Gntwidelungsgang ber ſchwäbiſchen Malerſchule ein 
helles und in mehren Beziehungen neues Licht verbreitet, bas 
gegen auch Manches, was feither für wahr galt, als unbe: 
gründet.fallen muß. Die technifche Ausflattung entfpricht dem 
biftorifhen und artiftifchen Werth bes Inhaltes, ſodaß ms 
Kunftleben im Mittelalter als ein hoͤchſt wichtiger Beitrag zur 


. Kunde beutfcher Vorzeit und ihrer hoben Kunſtleiſtungen erfcheint. 


ulm, 1840 , 
” Stettiuꝰſche Buchhandlung. 





In unserm Verlage ist soeben erschienen und in allen 
Buchhandlungen zu finden: 
buch 


Lehr 





von 


Dr. K. R. Hagenbach, 


Prof. der Theologie in Basel. 
Erster Theil. 
Bis auf Johannes Damascenus. 
Preis 2 Thlr. 
Leipzig, im August 1840, 
WW 


eidmann’sche Buchhandlung. 





‚Lo Röpertoire du thöätre francals à Berlin, 


welches bis jetzt 250 'Theaterstücke von Bcribe, Delavigne, 
V. Hugo, Dumas, Bayard etc. in Grossoctavformat 
enthält und je nach dem Erscheinen bedeutender Stücke 
auf der pariser Bühne fortgesetzt wird, theilt seinen Abon- 
nenten alle vom Theätre francais gegebenen Stücke auch 
im Repertoire mit für 2 Gr. und für Nicht- Abonnenten 
83 Gr. Der Abonnementspreis für 12 vollständige Stücke 
2 Thir., wobei zwei Stücke des Theätre francais für eine 
Nr. gerechnet werden. Wir empfehlen zum Unterricht 
Nr. 227: La fille du Cid, tragedie par C. Delavigne, 
6 Gr. Das vollständige Inhaltsverzeichniss des Repertoire 
in allen Buchhandlungen gratis. 
erlin. 


Schlesinger’sche Buch- u. Musikhandlung. 


Durch alle Buchhandlungen und Poftämter iſt zu beziehen: 

Stils. Encyklopaͤdiſche Zeitfchrift, vorzüglih für Natur 
gefchichte, Anatomie und Phyfiologie. Bon Dken. 
Sahrgang 1839. Eiftes und zwölftes Heft. Mit 
einem Kupfer. Gr. 4 Preis des Jahrgangs von 
12 Heften mit Kupfern 8 hie. 

Blätter für literariſche Unterhaltung. 
(Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Broc⸗ 
hauß.) Jahrgang 1840. Monat Auguſt, ober 
Nr214 — 244, und 4 literariſche Anzeiger: Mr. XVI 
— XX. Br. 4. Preis des Jahrgangs von 366 Num⸗ 
mern (außer den Beilagen) 12 Zhir. 

Bepertorium der gesammten deut- 

. schen Literatur. Herausgegeben von 
I... Gersdorf, 1840. Vierundzwanzigsten 
Banden drittes Heft, (Nr. IX.) Gr. 8. Preis eines 
Bandes 3 Thlr. \ 

Leipzig, tm Auguſt 1840. 


"S. A. Brockhaus. 











— Regine. gelizönt worden 


wi BB ss, T®- °. 


| 55 es da 
—— — 


— 


e itera ri cwt et 





- 1840: „NT. . 


5 Eiterariſche An wird, den bei F. U. Brodhaus in % 
wie eifge ————— ya, Se Mariah, —8 inne) 
j ee U exen Raum 





Boehen erscheint i in beinain ı Verlage and ist dutch alle 
Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen: - 
Mfünefeld Inüe Dr. #1 £.), Der Che- 

J asemus der thierischen Orga- 

* -ch - Untersu- 
""chnig X der —— Veränderungen oder den 

Bluthildungslebens i im thierischen Organisınus, ins- 

_ besondere ‚des Blutbildungsprocesses, der Natur 

der Blotkörperchen und- frrer Kernchen. Ein Bei- 

ärag zur Physiologie und Heilmittellehre. Gekrönte 
Preischriyn. „Mit einer Hithographirten Tafel: Gr. 8. 


1 ‚Thlr, 8 

ur erfchtung dieser Schrift gen mt 

die Bemerkung, dasa gie von der Akademie 
de. Wimvesschaften 


 Mwelgeäg, im September Mn 
F. AM. Brockhaus. 


FZuͤr techniſche Schranftalten, ‚ Symnafien und 
Realfchulen 


iR.fo —28 eben im Verlage der K. Amannm'ſchen Buchhandlung 
asdurg erſchtenen und an alle ſoliden ———— 


—— verſandt: 
ee AÆtlas 










R aturbifterifäger 


* wſonderer au * F irnroprs Grunde 
züge ber ee ’ ek 
und mit erläuferndem Tezte den 


von ' 
Dr. Ehbuard Böhner, 
a re ee Chemie und: Phyſck an der U. Kreis⸗ 
bſchul Augsẽb der k. hatr. bota⸗ 
aiſchen Geſellſchaft zu —Se — — — — — gritgfiebe. ‘ 
Groß Querfolio. uf 14 ſchwarzen Tafeln 216 Abbildungen, 
euf-!: le »Boliogafel. einen theoret. Dureifepnitt 
eils der Erde und 31, Bogen Ser) 
Preis in farbigem Umfetag geheftet 191. 48 gu Rhein, 
.. . ober, 1 Thlr. 3.9Gr. Preuß. - 

Bol jeder Lehrer der Raturgeichichte hat. mit Yan Hm. 
Berfafler oft und hart ben angel eines ngturhifloris 
I Tg rn hama are 

gralter a 
von Segenftaͤnden genau und natu — Wen Mi 
al 


den 
—— — bas Mittel an die Hand gebe, das vom Ldeh⸗ 
nins darch Priparate 

ſich wiekr In: na —— 


Mr: —*2* 





11,” f 


















Brise 





Boris Godunoff. 


. vertraute Verf. unternahm es, 


Bei RBITH. Engelmann in Leipzig iſt Toeben ers 


ſchienen und in allen Buchhandlungen. Deutſchlands und Oſtreichs 


zu haben: 


eclerander Pufchkin’s 


Dichtungen. 


Aus dem Ruſſiſchen überſetzt 


bvon 
Zwei Bände. Broſchirt. 2 hir. 12 Er. 
Inhalt diefer zwei Bände: 
De ;efter Bub: Balladen: 
ebication an den Herzog von | Der , 
. Leuchtenberg. Der — 
Zueignung. Budris und ſeine Soͤhne. 
En Bafangens aM Kaukaſus. Die beiden Raben. 
Ageuner. Serbiſches Lied. 
Der Speingbrunnen von Bals| Her Keldperr. 
$farai. 


tſchisſar 
Das Raͤuberbrůderpaar. 





Brof Rulin. Zweiter Band: 
Dos Mährlein vom maͤcht'gen Geſpraͤch zwiſchen Buchhändler 
König, Herrn Silvan und] - und Dichter. 
feinem Sohne, bem tapfern und Eugen Onögin. Acht Bücher. 
edlen Ritter, Farſten Harald, | Der fteinerne Saft. 
wie auch von der wunderſchoͤ⸗ Die legten Augenblide Puſch⸗ 
nn Schwanenprinzeffin. fin’e. 





Der durch mehrjährigen Aufenthalt {n Rußland und gründ> 
liches Studium mit der ruſſiſchen Sprache und den Eigenthüms 
Yichkeiten der Sitten und des Charakters des ruffiihen Volkes 
durch die poetifche Bearbeitung 
der gefeierten Dichtungen Puſchkin's benfelben zinen noch grö- 


* $ern. Kreis von Leſern zu verſchaffen, als dies bereits in dem 
Vaterl 


ande bes Dichters der Fall iſt. Ss iſt daher zu hoffen, 


daß eine getreue ae Überfegung in den Ländern, wo man 


⸗ 


ie hat, jede Anerkennung finden wird. 


®inn für wahre Po 





8 
‘ 


dem Anterzeichnelen iſt etſchtenen Bech 
—* zu haben: ” und im ‚allen 


Technologische Encyklopädie 
oder 
alphabetifches Saubbuch 


Technologie, ber teehwifchen Mihewie. und des 
Mafchinenmwefens. 
3 
Gebrauche für Kameraliften, Sfonemen, Künflie, 


Sabrifanten und Gewerbtreibende jeder Art. 
Herausgegeben 
A 


20 
Zoh. Bus. Precht, 


LE nd. wirt. Megierungörathe und Director des k. £. polptakuinien 


Anftituteß in Wien x. 

i Zehnter Band. - 
Mühlen — Papierfabrikation 
Mit den Kupfertafeln 203— 250. 
Preis 6 Fl., oder 3 Thle. 12 Sr.‘ 

Der vorliegende Band dieſes mit allgemeinem Brifal auf- 
genommenen Werkes enthält die Artikel: Müplen, Müunz- 
Zunft, Mabelfabritation, Nägelfabrikatien, Me- 
teon (Lünftlide Soda), Nickel (Padfong), Die (Prien 
und Raffiniren), Ofen, Yapierfabrikntion. Diefe Artikel 


bilden ebenfo viele Orfginalabhandlungen, in benen jeder Ge 


genftand nach feinem wefentlihen und neueflen Zuſtande 

Fundig und esfchöpfend dargeſtellt iſt; ſodaß ein Fre —* 

wenigen Bogen zuſammengedraͤngt finden kann, was er ſelbi 

mit Benugung einer bedeutenden Büdherfamniung nicht avufız 

finden im Stande wäre, da bie einzelnen Artikel oft vweidtige, 

den Verfaſſern eigenthümliche, noch nicht durch den Brut be 

kannt Fra Erfahrungen und Beobachtungen enthalten. 

e erften neun nde, mit 202 Kupfe 

jeder 6 BL, oder 3 Thlr. 1! &. ° ef rtafeln, ehe 
Stuttgart und Tübingen, Inf Juli 1840, 


3. &. Cotta'ſcher Verlag. 


Conversalions-· Texikon der Gegenwart. 





zugleich 


| Ein fir fich beftehended und in ſich abgefchloffened Werk, 
ein Supplement zur achten Auflage ded Converfationd-Lerikons, 


foroie zu jeder frühen, zu allen Nachdrucken und Nahbildungen beffelben. 


$ unfund;wanzigstes Heft, Bogen 11—20 des vierten Bandes. 
Mhilofophie bis Poſener Augelegeuheit. 


Jedes Heft auf Drudpapier S Gr., 









ophie. — Miloſophie ber 
— etismus und Anyiieltmns. _ 
Bam. — Yuggenborf ( Foh. Ehritian). — 
8 e (Fan Baptifte Antoine Aimt Ganfon de). — 
oppo (Ernft Beicde.). — Rortfolio. — Yortugal. — 


Eeipzig, im Auguſt 1840. 





⸗ 


— — — — — — 
Geſchiſte· — 
— (Joh. Baptift). — 
len, — 
oppe (Ich. Heinr. Morig v.). — 
Portugieſiſche Biteratur. 





auf Schreibpapier 42 Gr., auf Belinpapier 18 Gr. 


renologie. — PhHfiouie- 
aten: Sallermünde (Aug. & ). — 
Worte Biteratur, — Ip. ie — 
oppig (Souard Friedr.). — 
ſener Augekegenhett. 


ER Brockhaus. 


Philpotts⸗ (Heinr.) — 





DHruck und Verlag von F. U. Brockhaus in r | 
— — — — — — — 











Ä eiteratiſche 


1840. Ni 


x Diefer Literarifche An i 
zeiger wirb den bei F. A. Brockhaus in 
" sifhe Unterhaltung und Iſis beigelest ober — 
oder deren Ray 


Conversalions· Xexik 
Ein für ſich beſtehendes und i 


zugleich ein Supplement zur achten 
ſowie zu jeder. fruͤhern, zu allen Nachd 








Bechoundmwanzigetes Heft, Bog 
Posgarn bi 


voe Heft auf Drudpapier S Gr., auf Schre 









garu, ſ. Sudow (Karl — — Pott (David 3 
eminarien. - 


#1 (Joh. 3 — 
Fri bes A ne $. +. eu foren Bad Erdmaı 













cenz). — & (Anto 

ti A * — vovin u — 
din ( Georg ( fgang Deine). — 3 
Stienne Marc), — (Lambert Abo]. — Suinet (\ 


fhanafius, Graf). — Radiealismus unb Republikan 
Ki. ., Bf) — Rafn (Karl Chriſtian). — Rahel, We: 


Eeipzig, im September 1840. 





Eür Leihbibliotheken und Kesevereine. 
unge Sn Unlergeinetem 1 find erſchienen und durch alle Buchhand⸗ 


Geſammelte Srzahlungen 


Derfagserin der Bilder des Kebens, _ 
Zweiter Band. 
- 8. Broſch. Preis 3 Fl., oder 1 The. 20 Gr. 
Inhalt: 1, Here und Gare. 9) Meine Gchweizerzeife. | ]ı 


Gpifobe aus einem Tagebuch. 3) Der Worabend bed Weihnachts⸗ 
\ ſen N „N eis Liebe! Liebe waltet überall ! —* aber wahr. 





Tann. uns aber. defſere und richtigere Au e über name 
Grit: und — in an 3 Lebenss | 
lagen ertheilen, als gerade Frauen, welche. die Spradge, In der fie 
Schreiben, wie die et der Darflellung, beren Gegenſtand ihr 
gan 5 Weſen fo in ihrer Gewalt haben’ wie bie 

aflerin der 6 Lebens, bie mit ſeltenem Scharf⸗ 


N ⁊ 
.. 
- 
. . 
. 
- 





5 "€ N in ei ichte w Ruf ' . 


. MR. ichte DRußl an nn 
" Aus dem Ruſſiſchen überfegt 


E.“w. 


Zweiter Band erſte Abtheilung. 
Preis 1 Fl. 2% Re, oder 21 Sr. 
It: Heuere Geſchichte. Sinteitung. I. Peter ber ro Entwickelung be 
b) —* Ummanblung nn. c) Kampf mit —* XII. Dun Rußlande, 18 © ame zu Kir: 
Rublande im Norden. &) Innere @insilgtung Ruflands unter Peter den h) Dir auie eiter Peters. — I. Die 
Nachfolge Peter’s des Großen bis auf: Katharina II. 1) Katyarine I. 2) —— Ir 3 Anna a Soannana 9 Johann II 
5). Bilfaberfa Petrowna. 6) Peters II. 7) Rußla San 1 7. 
Stutts art und Tübingen, im Auguft 











B. G. Cotta'ſchet Verlag 


Verlage von Megandes Duncker in Berlin aus ı fi dieſe Weitgedanken 4 Es find. koemologiſche Be 
en Taten u und if "ur alle foliden Buchhandlungen gm * * * “ welchen en ol eninde 
ER au fotfaßt, mit Wis und Gcharffinn — mb 








—ã bilbeter S it Saune, MM) 
* un Sen bee a San dr han a 
unt es ee , ‚de 
Emanuel Geibel. den verkhiebenen MWöikern ber GErde Burge, tere Ob 
8. Eu⸗· geh. 1° geb. 1 Xhlr. vofterifiten liefert, worunter bie en alt: 8 ge: 
lungen und dem Zeitintexefie vorzüt enſ bezeiinet 
Goendatettft IR untängk —*ãXX MT * —* ee DEcRE Dad Gage: Dale an, 
Ra Sräfi 1. ala geifiee — and —* De a ie 
er 7 e. biideten empfohlen du werden. 





8. Geh. 2 rs 


| i Serite Ourch alle — and Poſt iſt zu — 
Cdiqte 
Das Pfenni — 
Anguſt Kopiſch. u für. Wechrei a | 
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1 








8. Beh. 17. DHL. Augufl. Ne 3 IT. 
Pe * —88* ——— Se "die Sel⸗ 
*Die Gchwalben. — Me. 384 Bi 


Br. Baron be. In. Wistte Yauaad 
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Göthe md Einer seiner Bewimderer. | Jim is 


Ein Stüd Lebens efchichte, KRhodus. Ginfaches Mittel, Ratten gu fangen. * 
®r. 8; Seh. a Ik. . D 


Ton Graliu Hahn, 
Aſtralion. 
Eine Arabeske. 
8 u. Yra The. 














In Kart chhandiung Ir Wien MR 
ift foeben eefälenen ent und * Dun in In alm Buchhandlungen Eranfe einem. Gemälde von Areheitg: ar 
23 — Mi Die mie * begeläneten Anträge enepatten t 
welig sedn „Ren RL 
3 . entpaktenb, if: von 9 Efie. Byte eilt 
Gr. 12. Wien 1840. Broſchirt. Preis 12 Gr. Saͤchſ. ** en gen Sabeginge —* Ze, 5 807 die 
Die —S enthält die Rubriken: Welt, Erdkugel, Seiptig, im Septeiuber 1640: 
Veltmeer e We Me Geſch te der . > een 
Irenfhheit, Mur bietet eenie ix Ei —— ER ; . 





In unterzelchnetem find erſchienen unb durch ANE BZuchhandlungen zu beziehen: 


STIER BEI 










rsten Male 


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zum € 





| "Gerkare:. 
| Vierte Centurie, erstes Heft. 
oo Tafel GCCI— CCCRX. 


Grossfolio. Preis 5 Fl., oder 3 Thir, 4 Gt. 


Inhalt: 

CECCI. fUaea Olympia. 2) Efensinische Gottheiten. — CCCI. Götterpaare. Jupiter in Knahenbildung, — 
CCCH— CCCVI. Griechische Kopfbedeckungen. — CCCVIL, COCYIH. Götterbilder mit bedeutsämer Kopf- 
bedeckung., — COIX. Dinedali et Diacdalidarum quae supersunt reliquae. — CCCX — CCOII. Cerealische 
Mysterienbilder. — CCCXIV. Hekate. — CCCXYV. Leichenmehle, — CCCXVI, CCCXVII. Rückkehr der Kora. 
— CCEXVII—CCCXX, Gottheiten in. Hermengestaft, 

Stuttgart und Tübingen, im Auguft 1840, 

| 3. ©. Eotta’scher Berlag. 

















; in Leipzig iſt erſchienen und n ber Stettim'ſchen Buchhanblun ciene 
en. nn ofen 
(@ N (ARE s | | 
O7) N ntriguanten. Bevoͤlkerungswiſſenſchaft 

; Roman | Dr oe von W 
| von | Ä r. Christoph Bernoulls, 
TE en vor URTÜRN, orbentlihem Profeffor an ber Univerfität in Baſel. 
2 Bände. Broſch. 2 Thir. Erſte Hälfte. 
a Allgemeine Bevoͤlkerungsſtatiſtik ober Verhältniffe 
Handy: Han. der Lebenden, Geborenen, Verehelichten und 
V Sterbenden. 
| Roman nad AL Polnifgen Gr. 8: Vellup. Broſch. 3 Ft, oder 1 Thle. 21 Gr. 
von Emil Brachvogel. Di jetjä gab e : 
ne ken I a li pen Belle ee 

a | er — 
. ; j Er. . I _ &r . i — * N es 
| vichtöärgte und Ärzte üb ‚al ; 
Unler der Erde. — — 
Ein Denkmal für die Lebendigen | hihi ai, See vaer wert Benin 
dr anz in geitt eb t. | u Gset tinꝰſche Buchhandlung. 

2 Baade. Broſch. 2Ahk. Durth alle Buchhandlungen und poßͤmter iſt gu begiefen: 






— 
yrf. 1830. Vierundzwanzigsten 


X. &. Gersdorf 
Bundks vier Heft. (Nr. X.) Gr. 8. Preis eines 





Fre: 





Bei mir iſt erfhlenen: 
A 








— — rn — 


jue Gefhichte Ber 

Mn EEE Til 

auf fehnfterm Wellnpapier. @: Gr 4. Zt. | imomeine Bibliographie für 

| I. Son den Bud en au Gamburg. — IL Hams Mr Nager . rahtgang 1840. Monat August, 

burgiſchhe Drucke bis zum Jahre 1800. _ Anhang von einigen ager NT. 9, und Di iographischer Anzeiger: 

| alten nieberfächfifjen Otuden. U Nr. 32-36. Gr. 8, Preis des Jahrgangs 3 Thir. 
Hamburg, 1. Auguft 1840, eripgee, tm Geptekiier 1840, 


| 
| - 
Ioh. Hug. Hleisone. | - . A. Arockhans. 


















” 4 
\ 
U 
= 


Bei Wilhß. Engelmann in F 


ſchienen und in allen Buchhandlungen Deu 
zu haben: 


s 


N eis 
G. ©. Gervinus, 
Geſchichte | 


der poetifden 


Rational-Riteratur 


+ der Deutfden. 
Erſter & 


heil. | 
Bon den erften Spuren der deutfhen Dichtung 
bis gegen das Ende des 13. Jahrh. 
Zweite umgenrbeitete Ausgab 
Gr. 8. Brofh. 3 Thlr. 
Der Berleger erlaubt fich bei dem Erſcheinen ber 2ten ums 
- gearbeiteten Ausgabe biefee anerfannt werthvollen und inhalts 
reihen Werkes nur zu bemerten, daß biefe Ausgabe eine theil⸗ 
- weile ganz neue Umarbeitung der erften Auflage. ifl. 
Alle rfeheinungen der neueften Zeit find barin berüchicptigt 
“und vom Verf. eingefchattet worben, fobaß zu h tft, 
Freunde unferer beutfchen Literatur werben biefen Band mit 
noch größerer Befriedigung entgegen nehmen, als es bereits 
ſchon mit dem aͤltern Werke geſchah. 


a 


e. 


N 
% 


Bei Berbarb Fleiſcher in Dresden 
und in allen Buchhandlungen zu Haben: 


+ DR. RB. Meifiuer, 
Geſchichte und Beſchreibung 


Dampfboote, Dampfſchiffe 
Eiſenbahnen. 


Mit 10 Steindrucktafeln. Gr. 8. 


iſt erſchienen 





Bei M. Du Mont⸗Schauberg in Köln iſt erſchie⸗ 
nen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Sammlung 


von 
Beifpielen und Aufgaben 
aus der allgemeinen 


Arithmetik und Algebra. 


x 
; höhere Bürger und Gewerbfchulen 


Gymnaſien 
in ſyſtematiſcher Folge bearbeitet 
von 


die jedem erfahrenen Lehrer bekannt genug find, ſondern 
, eopetifihe 


der Art, daß das Beduͤrfniß einer neuen, dem jedigen Stand» 
Gammlung von Übungs⸗ 





Drud und Verlag von F. A. Brpdhaus in Leipzig - 
En . 


\ 
u 


eu 


aufgaben aus ber allgemeinen Asithınetit und Agebra ein ich 
pringenbeö geworden war. Die vorliegende, welche ſich durch Ra 
beit und Reichhaltigkeit des Stoffes, fiematifche Aucıı 
nung und Stufenfolge und überhaupt d ediegenen Geki 
und bie umfichtigfte Behandlung einen um tbaren Ber 

fiert, war daher allen Lehrern ber Mathematit eine fo wii 
fommene Erſcheinung, daß die Einführung in vielen Lebıce 
falten in fo kurzer Zeit biefe neue "Auflage nöthig machte, x 
nicht nur mit mehren 
um einen neuen Abfch 












tt- vermehrt wurbe. 


handlungen zu beziehen: 
Griechische Mysterienbilder. 
Zum ersten Male bekannt gemacht vos 


; Eduard Gerhard. 
Auch unter dem Xitel: 


Vases grecs relatifs aux mysteres, 
publiés par 
Edouard Gerhard. 
Royal-Folio. Preis 5 Fl., oder 3 Thlr, 4 Gr. 
-  Diefe Sammlung bildet zunaͤchſt ein änzun 

ben „Antilen u ee en ee 
ausgeber in Stalien gefammelt wurden und in gleichem er 
ſchienen find; nur wegen ber ungewöhnlichen Ausbehnung 
gebachtem Veft enthaltenen Denkmäler wurben beide Merl 
durch Verſchiebenheit des’ Formats voneinander getrennt. 

Außerdem wird dieſes Werk zugleich als felbflänbige 
wahl großgriechifchet Wafenbilber exften Ranges, durch tank 
lerifchen wie durch antiquarifhen Werth, ben Sreunden 
elaffifchen Alterthums willlommen fein, und hat die Berk 
handlung es fich angelegen fein laſſen, durch einen ungewöheäd 
wohlfeilen Preis, wie folcher bereits für die Antiken Bilbent 
flattfindet, auch den Ankauf biefer Myfterienbilber zu erleichter 

Stuttgart und Tübingen, im Xuguft 1540. 

. + + "‚Eotta’fher Verlag. | 





Durch alle Budhandiungen des In: und Auelandes Kr | 
beziehen: u 
| . Han » bu‘ 

Ä * 

Reiſende in Stalien 

. VOR . 
| 3.8. Aeigebaur. 
Oritte, ganz umgenrbeitete, fehr vermehrte und w 

befierte ‚Auflage. 


Drei. Theile 
Gr. 12. Sauber ca. 3 Thlr. 


Diefes, Handbuch hat ſich feit Jahren ben Reifenden ach 
Yallın ne. ca fo —— —* tiefen ‚: daß es bie | 


befonbern Empfehlung dieſer bei de 
—* — ganz dieſelbe — ae LH 


⁊ 





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Artikel wurde mehr oder weniger umge | | 
bereichert. Durch die Vertheilung bes Inhalts in brei Theile 
von benen der erfte die allgemeinen Zuſammenſtellungen u 
Überfihten enthält, während der zweite und britte in alpis 
betifcher Ordnung alle intereffanten Punkte Italiens ſchildert 
iſt der Gebrauch des Werks weſentlich bequemer gemacht worte 
Beipzig, im Geptembir 1840, | 
F. %. Brockhaus. 








zufästichen Bemerküngen, Tonbern af 
n 


der in 


Ku 


In unterzeichnetem find erſchienen und durch alle Bak 


N 


! 


giterarifge 
| - 1840. Nr. 


Lagen 
Dieſer Literariiche Anzeiger wirb ben bei F. A. Brodhaus in 
sifhe Unterhaltung und Iſis beigelegt ober beigcheftd 

oder deren Na 






nn — —— — — — — 


Vellständig ist jetzt erschienen und durch alle ı jäl 


Buchhandlungen zu erhalten: n 
Ausführliche Encyklopddie | ° 
der. gesammten ia] 


‚Stastsarzneikunde. |; 


Im Vereine: mit mehreren Doctoren der Rechtsgelahrt- | 
heit, der Philosophie, der Medicin und Chirurgie, mit | , 
praktischen Civil-, Militair- und Gerichtsärzten und 


Chemikern bearbeitet und herausgegeben von Mi 
Georg Friedrich Kost. — 


Für Geseizgeber, Rechisgelehrte, Policeibeamte, | han 
Mistairärzte, gerichtliche Arzte, Wundärste, 
: "Apotheker und Veterinairärste. 


* Zwei Bände, nebst einem Supplementband in 
14 Heften. (168°, Bogen.) Gr. 8. :1838—40. 
11 Thir. 16 Gr. 


Diese Encyklopädie hat denselben Beifall von Seiten 
des Publicams und dieselbe Anerkennung von Seiten der 
Kritik gefunden, wie die früher bei mir erschienene 
Encyklopädie der gesammten me- 

dicinischen und chirurgischen 
Praxis mit Einschluss der Geburtshülfe, der | zwı. 
Augenheilkunde und der Operativchirurgie. Im Verein | St 
mit mehreren praktischen Ärzten und Wundärzten | ©. 
herausgegeben von &. F\ Most. Zweite stark | mo: 
vermehrte und verbesserte Auflage Zwei Bände, | &;! 
6r. 8. 1836— 37. 10 Thir. . fein 
— — Supplement zur ersten Auflage, ent- J— 
‚ kaltend die Verbesserungen und Zusätze der zweiten | 


 Aufla Gr. 8. 1837. 2 Thlr, 12 Gr. | don 
Teipsis, “ ne A. Brockhans. vn | 
a en Buchhandlungen iſt bereits angekommen die viel an | 
Angend: Bibliothet Si 
. Gustav Britz. . 


"(Verlag von M. GSimion. Athenaͤum in Berlin.) 
Durch dad Erfcheinen biefer Tugend: Bibliothek iſt für das | gro | 
Bebürfniß der Lieben Kinder, befonders ber reifern Zugend, das | IR | 
\ ganze Jahr hindurch auf das befte und billigfte geforgt. ber | 

Daß die Jugends@rzählungen von Guſtav Nierig vortrefflich 

find, darüber if nur Eine Stimme. Auch Erwachſene leſen 

fie mit Vergnügen, Bon dieſer Jugend⸗Bibliothek erſcheinen 


8 


“ 
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. 
. v R 
s - 





. Drogyfanafien und. Realfhulen. 


ei ia Lip st ben ⸗er⸗⸗ 
ſchiene und in en il]: 


zu haben‘ * 


Juſtus und Chryſoſtomus, 
Gebrüder Pech. 


Zeit- und Lebensläufe. 


Bon 
Hermann Marggraff. 
2 Theile. 8. Prob. 1 1 Thlr. 12 Gr. 


Die Rebellen von VTrlaud. 
Novelle 
Dr. IFr. ©. Aühne. 
3 Theile. Broſch. 4 Thlr. 12 Sr. 


Der Verf. hat ſich bereits durch ſeine, Kloſternovellen“ 
und „Weibliche und männliche Charaktere“ als ein ſe 
feiner und gewandter Darſteller und Kritiker erprobt, daß «6 
wohl nur biefer Anzeige bebarf, um das gebildete Yublicum auf 
biefe neuefte Erfcheinung aufmerkſam aufmerkfam zu machen. 


SKaiferin und Sklavin. 


Ein Hiftortfcher Roman Alten „beitten Jahrhundert ber 
3 Theile. —** 4 Thlr. 12 Gr. 
Den Inhalt dieſes ausgezeichneten Romans bildet der 


Kampf bes Heidenthums mit ber aufleimenden chriſtlichen 
che 











In allen Buchhandlungen ift zu haben: 


Gefammtgebiet 


&eschichtlichen Unterrichts 


A4A. SE aller, 
Erſter Curſus. Deurtſche — für ntgerfhulen, 
Site b. 
he — ei 1 Zhlr. 12 Sr. 


Beast are Anl Dekan gm Gem 
u e, uchten en m 
gut aller et madıen. Go ——— nun aber 


nem we t Lehrer and gleichſam als 
Wegweifer - auf einem ebenfo umfangreichen als wichtigen Ge⸗ 
biete des Wiffens dienen könnte. 

Die Veriagehandlung freut fich, gerade im vierten Gäcklars 
jahre ber großen Erfindung Butendergs ein Werk darbieten gu 
Pörmen, welches, durch die ihr verſchwiſterte Schnellſchreibekunſt 
der unmittelbaven, lebendigen Mietheilungen eines als Meſchichts⸗ 


lehrer und —— ne fe re befannten Mannes ents 





78— —* —* " — elle eine * 
allen eiche eine geeignete 
en, allen Rehrern, welche Sefahrun: 


ciden u — machen, oder ſchon gemachte 


nommen, 

abaubeifen; ; 
Lecture fü 

gen im ber 









—* wolen, ja welche etm: 
eviſton ihres g 


ARE —— co * ch rc au —— be 


Werk erfi int, ni eledenen fen bed Unter: 
richte von feinen erfien Anfängen bis zum Beginn felbflänbizse 
Wiffenfet pe umfaflend, in folgenden ſechs Abtheifunge: 
* für die zur Ta für Bürger: 


—n— 
te ber Römer. 


(hen a. Gerichte. 
Sehe Abtheilung bildet übrigens ein felbfländiges Wert un) 
ift einzeln I 


Der zweite Band ber erſten Abtheilung wird um Mer 
nachten 1840 ausgegeben. 9 





Bei mir ist erschienen: 

Reise durch das Innere von Nord-Amerika 
von 
Maximilian, Prinz zu Wied - Neuwied. 
lite, 12te und 13te Lieferung. Royalfolio. 4, mi 
12 Kupfern, 1 Plan und Holzschaitten, in 5 verschiedenen 
Ausgaben. - 

Nunmehr sind die zum erstem Bande en Vig- 

netten complet und dieser Band kann eing den werden. 


Die folgenden Lieferungen sind gröästentheils in Arbeit und 
Ganze wird heffentlich binnen 6-— 7 Menaten fertig 


—es— 
Koblenz, 25. August 1840. \ 
I. Hölscher. 


In Untergeichnetem find foeben erſchienen und an alle Bud- 
banblungen verfandt worben: 


Gedichte 


Don 
Wilhelm Sueis. 
Bollftändige Sanımlung. 
8 Broſch. Preis 2 Fl. 15 Kr., ober 1 Et. 8 Gt 


Stuttgart und Tübingen, im Auguft 
.®. Coltafger 3 Verlag 


Nachſtehende Artitel, 
aus dem Verlage von I. U. Merkloin in Parit, 
koͤnnen durch alle Buchhandtungen des In: und Ausland 
von mir bezogen werben: 
Jonglears et trouväres, ou choix des saluts, 6pitres, 
veries et mutres plöoes lögeren des 1Bitme et 14itme een. 


publi& pour 1a premißre foig, x: Mekille Julbtesal, 
d’apres les manuscrits de la bibliothöque du zoi. Gr. 5. 


Paris.. 3886. 1 Tälr. 36 Gr. 
IIEPI TON re 








5 T OY ANGPLRIIOY. Des deyoirs des hommes. 


a un jeune homme. Traduit de l'italien en grec ** 
par Cebüs ra —— 12. Baris. 18385. 16 Gr. 

s raphie = pemehns cs das geares 
qui en ont dte 3* Accom — e 7 planches dessi- 
nées par l’auteur, ou — especes ont Eté ſigurces 
Gr. 8. Paris. 1894. | 

ı EOPYAAKTO2. Eher ai Simocakine quaestiones 
hyaicas ot epistolas ad codd. recensuit versiene Kime- 
‚ donciana et notis instruxit Jo. Mrase. 
Gr. 8. Paris. 1855. 3 Thir. 


Beipzig, im September a 


! 






“u 





a. Sroshhaus. 








Gr. 8. Preis 2 51. 42 Kr. a oder 1 Thle. 16 Gr. 


2. Lage und Umfang ber Roͤmerſtadt. Romiſche Caſtelle. 
— und fonftige Befeſtigungen. 4. Srömiiche Wafferleitungen. 
S.- Nomerſtr 


Dentmäleen und Schriftſtelern. 7. Bewohner bes Zehentlandes 
und unferer Römerftabt. 8. Beichaffenheit des Zehentlandes. 
®. Name unferer Römerftadt. 10, Ale bet Solicinium. 


vairverfaſſung, —— Gebraͤuche, Cultur der Roͤmer. 2. Ge⸗ 
bäube, Bäder, Heizungen, Säulen, Briefe, Sapitäler, Mo ai, 
Wandbekleidungen, Ziegel, Sement, Thürgerüfte, Nägel, Schloͤſ⸗ 
fer, Schläfſel u. ſ. w. 3. Monumente. 4. Srabhage auf dem 
—— und im Schönbuch aufgedeckt. 5 

Ehirre. 6. BVerſchiedene Gegenflände., 7. Münzen. 


iR ſoeben erſchienen und daſelbſt, fowie in allen’ Buchhandlungen 
Jahrbücher der. Literatur. Neunzigfter Band. 


4 


Sn —— it erfälenen und an alle VDuchdand⸗ 
ngen verſandt worden 


Colonia somlocenne. 


Nottenburg am Nedar 


unter den Römern. 
Mit Rüdfiht auf das Zehentland und Germanien 


uͤherhaupt. 
Ein antiquarifd: topograppifgen Verſuch 


Domdekan v. . Iaumann. 
Mit 23 Lithographien. 


erauögegeben vom ?. würtembergifchen Verein für 
+ Br Baterlandsfunde, 


Inhal 
A) Topographie. 1. Gegapti ade Überhaupt, 


aße. 6. Zeit des Betanbes unferer Römerflabt nad 


B) Autiquarium. 1. Giniges über Regierung, Milis 


Roͤmiſche Be: 


& tuttgart und Tübingen, im Auguft 1840, 
&. ©. Eotta’fher Verlag. 





Sa Karl Geroid’s Buchhandlung in Wien 
Deutſchlands zu haben: 


1840. April. Mai. Juni. 
Inhalt. 
Art. I. 1) Die But bes manichäifchen Religionsſyſtems, 
hiſtori —R unterſucht von Frie drich Edu⸗ 
De Getin. 2 — ei bie architektoniſchen 
2) tupa’s ( Topes a 
Denkmale ber Indo⸗Baktriſchen Konigsſtraße und 
die Koloſſe von Bamiyan; eine Abhandlung zur 
Alerthumskunde bes Orients, vorgetragen in der 
königl. Akademie ber Biſſenſchaften ‚von Karl 
— Berlin 1838. 
A. Schulgrammatik, von- Sebafian 
Mut * — uflage. Landshut 189 
-g1, 1) Li Fe mens des sept Sages, nad) ber arifee Hand⸗ 
ſchrift h —— von von veinrie Adalbert 
Kelle r. bingen 1 
2) Essai sur les fables ——— at sur leute in- 
troduction en Europe, par 4. Leiseleur Des- 
Iongchamps, suivi du Roman de sept Bages de 
Rome en prose, publie pour la — fois 
d’apres un —— de —* bibHo dgıe e royale, 
avec une analyse et des extraits du Dolopathos 
ıı par le Houx de Linc Er, pour servir d’introduc- 
tion aux fables de % XUT et XIV" sidcles 
' 9) ae r M. Fri Pr 1838. serien 
2. as Buch bes en, in luſt⸗ und le 
- gi Lungen des indiſchen Philoſophen Bibpai, aus 
2 Wolf. Zweite Aufs 
Tan. Stuttgart 


T 


ZRER 


— ne —— 
3 Es 83. 8 
—A————— 





. j Im 
wichtige 


— 


Aur a iſt forben folgende wär 


ber das 
Studium der gRatut wiſſenſchaften 


J und über den 
Zuttand der Ehemie in Preußen, 
on 
Dr. Justus Liebig, 


. Yrofeffor der Chemie an ber Untorsfität zu Biehen, Ritter x. 


y 


äußere 


Gr. 8. Fein Belinpapier. Geh. Preis 8 Gr. 


Braunfhmweig, 15. Auguft 1840, 
. Friedrich Wieweg und Sohn. 


Im Verlage des Unterzeichneten. erfchien forben: 


Sketch Book 


of 
Geoffrey Crayon. 
Sr. 8. Velin:Drudpapier. Geh. 1 Thlr. 
bige Ausgabe di gemein beliebten Buches t 
a ten — eh Dard) Gorreiheit as a eu 
Ausftattung aus. Dee Preis iſt beiimeltem geringer wie 


fämmtlihe früheren Ausgaben. 


Bremen, im Auguft 1840, J 
€. Schünemann. 





Bin G. B. König in Bonn wurde am 1. September 


verfandt: 


Albers, 3 J. 


. (Prof. Dr.), Beobachtungen auf 
dem Gebiete der Pathologie und pathologifhen Anas 
tomie. Itee Theil. Gr. 8. Geh. Preis 1 Thlt. 6 Gr. 

» 8, Die falſche Sanskritphilologie, 


Su 
an bem Beifpiel des Herrn Dr. Höfer in Berlin auf: 


gegeigt. 8. Geh. "Preis 12 Or. 





unterzeichneten iſt foeben eſchienen und in allen Buch⸗ 


In 
Handlungen gu finden: . 


a 


Bol. B. 
A. Das Ibeal eines edlen cafe. B. 
Die Aufgudpt ebier Schafe. 1) Bon innen Heraus. 2) Bon |, 


©. 


- Bad Ebelfchaf 
in allen feinen Beziehungen. 
6 Elsner. 
(8 Schlußftein defien, was ber Verfaſſer bereits über 
. verebelte Schafzucht gef . 


edler Schafe, 


ion dee Güte, UV. . 
Die Glaffification. 


ſich bewußt oder unbewußt in bie 


- x 
außen hinein. W. Ersattung des Edeiſsafer m 
en Stand A. Gonfequenz, Bs Gonli 
renfan Va Wie üperfiehelung des Eieiipit 
A. Bon den Worfigtömafregeln , bie‘ dabei zu nehm fa, 
1) Zür weite Berne waͤhlt man am vortheilpafteften das Gap 
2) Man Hüte ſich vor erblichen Krankheiten. 3) Man wi 
zum Zcansport. geübte und auverläffige Leute, 
‚große Heerde zum Überfiedeln. _ 5) Behandlung der 
ihrer Ankunft. B. Won der Veränderung, welde bie Dierk, 
lung bes @belfchafgs In feinee Wolle hervorbringt. C. Grpkit: 
cher Bang ber Überficbelung des Edelſchafes. WEL Su 
der Vegeneration bes @belfchafes. A. Di: 
Degeneration. 1) Saumſeligkeit oder angewandte uni 
Srunbfäge bei der Züchtung. 2) Unebles Blut, wid au 


na satin VERK. Ginfuß dis Er 
meint jegeneration. o 
4e6 auf bie Hgricultur und Mens » 4 
influß auf die Agrieultur. 1) Der materlelle Ginfiuf. 2% 
intellectuelle. B. Einfluß auf die Bevölkerung. 
Stuttgart und en im Auguſt 1840. 
8. &. Eotta’iier Baia, 


Soeben erſchien in unferm Verlage: 


Kicchengefchichte Medklenburgs, 
Dom Licentiaten der Theologie Dr. Als 
Wiggers. Uh at. ‚ 

‚Diefe Geſchichte einer echt lutberiſchen Banbestiche ynin. 

13 MEER Side 

en 





logen des ganzen proteftantif Deutſchlande unbeahtet Krk. 
Binftoeffihe Hofsushının 


in Parchim u. Eudmwigsiuf, 


Conversations- Lexikon, 
Durch alle Buchhandlungen des“ Ins und Ausland Ajı 
beziehen: 


Sonverfations: Regiton ber Gegenmil 
In vier Bänden. Erſtes bis ſechsundzwanggſte dt 
—A Sr. 8. Jedes Heft auf Drudp. 80, 
auf Sihreibp. 12 Gr., auf Velinp. 18 Gr. 

Diefes Bert ik ein für Eh und ia 
fenes, bilbet aber zugleidh einen Guppleum 

Auflage bes Gonv.s@er., fowie zu allen fühm, 

zu allen Nachdrucken und Rachbildungen deſſelden. | 





— * 
Lerikons. Gr. 8. Geh. 
Velinp. 1 Thlr. 12 Sr. 


Diefed Regifter gibt eine BoWftänbige Mahweihm 
fei a Setitei biefes , fen 
auch alter in andern ten ger 


In 
Die Anfiht BE 


‚im Septembre ry *. chau 


Deut und Werlag von ®. &. Broddaus in Beipzig 7 


— 











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' 





1820. — 





Defee Bitenariihe Anzeigen wird, den bei F. X. Brodhaus In dei 


rifhe Unserhaltung u, sfs belgelcet oder 


beigebeftet, 


BEE ober derin Raum $ 


Boehen erscheint in weinai! Virlage und ist durch alle 

Buchhandlungen des In · und a Fe 
Mrönefeld f. Dr. J, Der Che- 
zeismus 8 —— — 
—— chemische - Untersu- 
er dr unteren Ver Verinderangee oder des 
Biutbildungslebens im thierischen Organismus, ins- 
. ‚ besondere des Blutbildüngsprocesses, der Natur 
‘der Blotkürperchen und #irrer Kernchen. Ein Bei- 
&rag zur Physiologie und Heilmittellehre. G@eArönte 
rg —* Miteiner Uthographirten Tafel: Gr. 8. 

x Empfehlung dieser Schrift gen: 

sie Bemerkung, dasa ge von der — 


-Scr_Wisseuschuften im 
user iraeine — Pr 
‚ eignig, im September 1840 
F. 4. Brockhaus, 


Fuͤr technifche Eehanalen, Symnafien und 





it go foeben im eh der E. Kokmann'icen Buchhandlung” 


al erfe fenen und an ale foliden Buchhandlungen 


"Faturbipgrifiger er Atlas 


au Bu he ii * 3 t —8* Grund⸗ 
—* atutgeſchicht Kost —2 “ 


von ' 
Dr. Eduard -Böbmr, 
Sehe der Roturgefläte, Spemie uhb-PhpRt. an der E Kreids 
amdwirtyſh · as eb Eewerbfäuie jr Augeburg- der 2 baic. botes 
aiſchen Sefelfhaft zu —— — eorzefponbirendem Mitgllede 
Groß Querfolio. Ant 14 fhmarzen Tafeln 216 Abbildungen, 


. fl: er —X Se ilotafel —V Fa 


eils der Erde nd 8%, 
Preis in farbige Umfcylag geheftet 1. WI. 48 su Rein. er 
. oder, 1 hr. vw ‚8Gr. Preuß. ' 


vr, Year eh say y 
—— ba und |- 


Mi] aut an die *8 





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Meta u 1 
FESTEN, r 
Syftem . 


— 


7 aner Geschichte "derselben, 


Dritter und fegter Theil. Gr. 8.1840. Preis 3 „e 
Gerhard Sleifcher 


in Dresden und Leipzig. 





In ui Verlage iſt focbı 
ne nam 


Christus. ‘ 
. &i Gemä j 
Sriſches Gemäe 5, 308 Gefängen 


. 8. 8. Eleg. broſch. Preis 1 Thir. 12 Or. 
“Hameln, im September 1840, 
Bughandlung von Hermann Weichelt. 
— 
; 1 er-Festschen Verlagibuchhandlung ia Leipri 
Deinen und in allen FH handlung.” 20 haben: ene 
ie Hausmusik in Deutschland in 
—F 16. 47. upd 18. Jahrhunderte. Materialien zu 
mebst einer Reihe Vo- 


Ceinpositionen von H. Issac, 


ber allgemeinen 


Stüde, 
— — worunter —— — f —E 
nMeifter Lob”, und gwei — 
—E befaß, 


Era 
enthalten, 


biographifhen Andeutungen aus Dez Behr bl dm 
gebers liefeen nicht nur eine "treue 
bengn, fondeen auch monde nicht unintereflante — 
Beit, in weicher mandjes. ſeither zur literariſchen 
gebichene Talent fid) entwidelte. Die Lefewelt hat fin 
fo mehr Gelegenheit, bie Pietät des greifen Waters derch me 
Te u die feines es zu ehren, ba Bild 
Ergeugnifien befteht, wekhe ſowol here 
Katar, als nielmehe gerechte Würkigung —E 


men konnen. 





Bi Z. M. Bebharkt in Srimma enchiencn fon 
und liegen in allen Buchhandlungen zur Anfıht: 
v.Bose, Über arabisch-byzantinische 

Münzen. Sendschreiben an Hrm. F. de Salz 
Fr Mit 1 Titelvigaette. Velinp. Gr. Brad. 


Catalogun- librorumi maanuscripe 
rum qui in bibHotheca 
Ciyitatis Lipsiensis asservantur, 
editus a Dr. Naumann, de Boss, Dr. De- 
litzsch et Prof. Dr. Fleischer. Gum tab. bog. 
XV. Gr. 4 Cart. Auf Schreibvelinp. 22 Til. 

Auf "Schw. Kopferdiue 3 - 














le und Instrumental. 
W. Beints, H. L. Hassler,. 
Le, m H. Albert u. 8 —* —* Sorten, 7 j Die außer: Gnhiit 
Yon Karl Ferdinand Becker, Orgr a 
en an —— — Gr. 4. Brosch, die "en Berfaflung, ir Bqr 
hlı inheit. Gr. 8. Br 
Preis 2 Thlr. ang in Wien Unteriber wu find und werben nohh init 
In Karl Geste, — Bu un! 2 ghanhlungen Am acer I) Me rörterbuch der wer 
"aß ſoeben eeietmen, ut a lands zu haben: _ , dischen, Sprache, ach dem ober 
Rubwi :| Dialekte, nebst einen Vorworte übe, die Kun 
[ ß. ie Wenden: überhaupt, vorzüglich aber 
ari er N a sprache und Wostbildung. 
„liter 6 Ra m. Val. Martialis ep! —E | 
8 suit Dr. Schneidewin, Pı Göttin. Zrl 
Gabriel e eidl. 25 Gr. En ai 
42. in 380. —E —2 mia Eu nid vita mpeg 
j *. ae IT 12 er. worden, Prof. M., Eimendatianes inte 
) m s Trachinias. 
ee ——— — 
2 ee 8 der Syeit und Ballade, und ent a mL. Bröi in Frankfurts 
Fo —E —— 238 — F FR in allen —SeS pr Te 
eh Jahre 1 — ca Sopran de Bigonius, Karl, ‚einer der 5 * 
— —A— ia | manisten des sechszehnten Jahrhun 
B. 2 ss een Kun, feineh Gobneh ui —* BER a Studirenden, ; ie 
—— neigen, 9 f Zohanf |: * DB: (ah gi 18 Gr. 
BR Geidi dem Geichäfte unterz08, — wm Umschlag 
gugtweife berufen füeiam darfte, da er m 














un u —<— .  %* 


I 


."  Steudek Womeneclator botankwu. 
Ä , * Editio secunda. 
Dritte Rieferung . B 


Ami Berlag ber Unterzeichneten iſt ſoeben erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


NMomenclator botanicus 


Synonymia plantarum universalis, 
" enumerans . 
| ordine alphabetico nomina atque synonyma, | 
tum generica tum specifica, et a Linnaeo et a recentioribus de re botanica scriptoribus 
_ plantis phanerogamis imposita. | \ 
Autore E. ®teudel, Med. Dr. 


Editio secunda ex novo elaborata et aucta, 
:Deitte Lieferung: Calimeris— Clidemia. Subfcriptionspreis 1 Fl., oder 16 Gr. Das Ganze wird in 12 Lieferungen 
 je’zu 'ungefähe 8 Bogen erfcheinen unb im Subfcriptionspreis von 12 Fl., oder 8 Thlr., bis zur Vollendung bes 
Drucks zu haben fein. Sollte das Werl, wie zu erwarten iſt, mehr als 12 Lieferungen umfaflen, fo wird ber 
Preis dadurch für die Subferibenten nicht erhöht, fondern bie nachfolgenden Bogen benfelben gratis nachgeliefert. 
Wenn fchon vor 20 Sahren die erfte Ausgabe biefes Werkes eine gefühlte Lücke in der botanifchen Literatur nach allgemeiner 
Anerkennung auf eine befriedigende Art ausfüllte, fo wirb nad dieſem Beitraum, der an Fruchtbarkeit der Entdeckungen jebe 
frühere noch fo glänzende Periode der Wereicherting dee botanifchen Kenntniffe weit übertrifft, einer zweiten Auflage, beren Bears 
- beitung ber Verfaſſer aufs neue eine lange Reihe von Jahren wibmete, um fo weniger eine dankbare Aufnahme fedten, als gleidhs 
geitig mit dem ſich darbietenden reichen Material ber wirklich neuen Entdeckungen der Fleiß ber veridhiebenen, unabhängig von⸗ 
‚ einanber biefelben oder verwandte Gegenſtaͤnde bearbeitenden GSchriftfteller, und beren indivibuelle Anfichten über Bildung von 
— neuen Gattungen, bie Maſſe der Synonyme auf eine der Wiſſenſchaft ſelbſt beinahe Gefahr drohende Art vermehrte, 
bat ſich daher der Verfaſſer die Aufgabe geſtellt, dem botänifchen Publicum gleichſam einen Leitfaden aus dieſem Irrgarten 
gu bieten, indem er mit Beachtung der ihm auf verſchiedenen Wegen zugekommenen Wänſche, inſofern ihn ſolche nicht zu weit 
von dem urfprünglichen Plane entfernten, jede im ganzen Umfange der botanifchen Literatur bekannt gewordene Pflanze in alphas 
betifger. Ordnung mit Sugabe der nach Genus, Species, Autorität, Synonymie, Lebensdauer, Vaterland und Stelle im Syſtem 
auffährt und ba, wo ber Name des Autors und die befländige Hinweifung auf bie foflematifchen Werke von Sprengel, Decans ' 
dolle und O. VBietrich (fo weit biefe erſchienen) und ein am Ende des Werkes beigefügtes vollftänbiges Verzeichniß der angeführten 
- Autoren nicht zureichend erfchien, auch noch häufig eine fpecielle Rachweifung beifügt. Auf diefe Art erhält man über die ans 
.. ‚geführten Momente eine ſehr ſchnelle dnd vollfländige Aufklärung, das Auffinden der bis jeht aufgeftellten Battungen und Arten 
. wirb erleichtert, und es bient diefes mit großem Zeitaufwand und unermüdeter Geduld und Ausdauer durchgeführte Werk als 
RKepertorium ebenfo fehr dem Literator, als dem von großen Bücherfammlungen entfernten Liebhaber ber Botanik, fowie ben Bes 
.. fiterw ‚von Herbarien und Bärten. Gin Werk in diefem Umfange, welches mit Einem Blicke den gegenwärtigen Reichthum ber 
botanifchen Entdeckungen vor das Auge bringt, regte in der botanifchen Eiteratur. Wenn aud) einige verwandte Werke (wie 
Loudon Hortus britannicns , ed. 2, London 1850-39, und Sweet Hortus britannicus, ed. 8, London 1839) ihre ehren⸗ 
wertbe Stelle ftetö behaupten werben, fo koͤnnen fie doch das angezeigte Wert um fo weniger entbehrlich machen, als darin haupt⸗ 
ſaͤchlich nur auf die in England cultivirten Pflanzen, auf die Synonymie aber nur ſehr eingeſchraͤnkt Rädficht genommen iſt, wäh: 
senb die foftematifche Anordnung den fchneflen Überblid und bis Erleichterung des Auffindens nicht gewährt. Weide Werke führen 
nur etwa 80,000 Arten (alfo um 10,000 weniger als die erſte Ausgabe) auf, während das jebige Wert nahe an 5000 Genera 
und über 70,000 Arten aufzählen wird. Die zweckmaͤßigſte typographiſche Einrichtung macht es möglich, daß biefes ausgebehnte 
Material in einem für Deutlichleit und Überficht nicht ftörend einwirkenden niöglichft engen Raum zufammengefaßt- wird. 
Dee Drud biefes Werkes wird möglichft beſchleunigt, a jeden Monat eine Lieferung die Preffe verlafien und das volls 








: Jrandige Werk innerhalb Ichresfrift fertig werben Tann. Rach pollendetem Drud tritt ein erhöhter Labenpreis ein. 
tuttgart und Tübingen, im Auguft 1840, 3 G. Eotta’sche Buchhandlung. 
" Heute wurde an die Gubferibenten verfendet: “ Durch alle Buchhandlungen unb Poftämtes iſt zu beziehen: 


Reichenbach ,- Ersd., Icones florae Bepertorium der gesammten deut- _ 
germanicae. ch, IV, Decas 5, 6,7, 8. schen Literatur. Herausgegeben von 
der JFamlie Banunculaoeae, namentlich bie Gattungen Caltha, Bandes fünftes Heft. (Nr. XI.) Gr. 8. Preis eines 
„Trollius, Helleborus, Paeonia. , Bandes 3 Thlr. . Zu 
., $alngia, den 10. ‚Bert. 1840, „ ‚Leipzig, im September 1840, 


| Beiedrih Gefmeißer. * P: \ Brockhans " 


— En zn — —— — —s— — PEN ———— — — 


—R 


4 


Eeehemhat bie Preſt Hei und verlaffen und If durch ae Bekäliinngen Tu Mayer 7 








Okkizie 


Bandbuch 
re: des Generalsatabs, 


mit befonderer Ruͤckſicht auf die 





Organifation des 8 ‚ürttembergifchen 


El C— u 





v. 


“l Tu Fre, f 


Rh 





achten deutſchen "Mrmee: :@orps, 


Ä Manr, | 
" Yatıptinann Im RB. 'Generalauartiermeifßerftah. 

Mit Genehmigung des K. W. Kriegsminiſteriums. 

Bogen, 5 Quarttabellen und 2 


sapien. 


Preis brofchiet 3 5. Rhein. , oder 1 Thlr. 






Tage Abſchaitt. * 


— "Then Große. Balitarı 


offnumg ı Haare ran ih 
artiers Des Sten —* 


riee⸗· Torps 





4 


| Fer sa ee Euwneteeie be Ges —— * 


ung, Bewegu —8* Lter Abſchnitt. 
—— Corps. i sun. Tor —* — und 


— Re lan 
ifte Abthl. Bureaugeſchaͤfte 


eöverfa un Write und &i Shane di Deutfegen 52 Gele 
eor un n ee 
Sten **5 — Eee * Ein 





nfüährung für jebe Waffe * formation, Etinte, 

Degenili ji 5 
Functilouen bes 

ſchnitt. en punifetion des Pl Ss 


Abthl. an im äußern * 








Dte Abthl. Kriegsoperationen, — 6tr A Abſquitt. Gerresverpflegung. — Tter — Militatrifdge und al 


‚wotizen. 


Wir glauben biefes Vandbuch nicht allein. Offigieren vom Fach, ſondern überhaupt allen — en re birke, 


“ wei über die Dtganffationsverhättniffe ber obenbegeichneten Truppentheile ſich auf dienſtliche und offlcl 


—ã en 
—* ⸗Corps an Intereſſe gewinnen. 
N tattgart und Tübingen, im Auguft 1840, 


u verichaffen wünſchen. Insbefondere möchten diefe Nachweiſungen durch die bevosftehenden Kriegaitungen En 


J. 6. Cotta scher berlag 





Boeben jet bei uns erschienen und in allen Buchband- 


* A 
Di * Literatur der: ersten hundert 
. ).dahre nach der Erfindung der Ty- 
Bi; hie, in den mehresten Hauptfächern der 
ua " Wissenschaften mit besonderer, Rücksicht auf clas- 
Sæche Pilologie,' Geschichte und Chronik, Erd- und 
._ "Länderkunde, Reisen, Naturgeschichte, Medicin und 
ihre Zweige, Dichtkunst und Romantik; Ein Beitrag 


uf Gesclächte dieser Wissenschaften ım Mittelalter 





2 
:.J60 Hemd Jedi ' g zur newern Zeit, Von Chr. 


in ete.” 


itel dieses Buches za leisten ver- 
spreche i das in dem. Buche in reichem 

FR ‚geleistet und noch 'bedeutend’ niehr' a 

“ angibt. Es ist nicht bloss dis Literatur‘ des 

** hier aus allen Hauptfä 


Grundzögen entworfene Zeichnungen des 


triebs einzelner Wis ‚ und selbst Charakteristik 
einzelner ‚bedeutender oe in den Gebieten der Natar- 
"kunde, ker- und derkunde, Heilkunde, 








‚ entsprochen worden sei, 


RB; Dr., k ‚Geheimen Hofrath und |. 


als der Titel } .: 
Mittel 


und vorzüglich der Poesie aus jener Zeit, 'die dieses Bed & 
jed en Wissenschaftsfreund anziehend machen werden 

fe und in welchem Geiste diesen Aufgaben in dem Br 
darüber im voraus zu 
steht dem Verleger nicht zu. Der Name seines Verse 
lässt indessen schon erwarten, was: Bier we 
Das Buch hat derselbe den um die —— vg 
verdienten deutschen Städten Mainz In, : Leipsg ‚a 
berg, Nürnberg, Augsburg, Basel 


zügesigne et. | 
Kent’sche Verlagsbuchliandinüg in Leipsig 


Bei dem n 
orientaliſchen Mare er ten CH mit ar ae on 
in meinem Berlage erſchienene mh! 


























Druck uns Berlag von U. U. ITEITIT in Seipite 


erst iel 


Kur au 


En LXMXÆ. 


.. R a wi 


—.— u Wu N 


Bi terariſcher Anzei iger. 





1840. Nr. XXV. 


ee Anseioen wich ben bei I, %. Beodbaus in Leipatg eriheinenden Beitthriften: Blätter für Literas 
Diefer Siterarifche Anzeiger wirb ben bei 3. %. Brockhaus in Leipzig erfcheinenden Beitfchriften: WBiätter für litera 
ü rifch ————— und Iſie en an Nam 2 er. betragen‘ bie Infertionsgebühren für die Seite . 
ee deren Raum 





Conversafions-Xexikon der Gegenw art. 


Ein fuͤr ſi ich beſtehendes und in ſich abgeſchloſſenes Werk, 


zugleich ein Supplement zur achten Auflage des Converſations-Lexikons, 
ſowie zu jeder fruͤhern, zu allen Nachdrucken und Nachbildungen deſſelben. 








Siebenundzwanzigstes Heft, Bogen 31—40 des vierten Bandes. 
Meaikem bis Rofentram. 


Jedes Heft auf Drudyapier S Gr., auf Schreibpapier 12 Gr., auf Velinpapier 18 Sr, 


Naikem Se) . = Reimund (Ferd.). — Ranke (Eeop — NMasoul⸗Mochette (Difire). 25 afpai — 


çois Vincent). — Rationalismus. — Ron (Karl Heine). — Raumer (Friedr. v.). — Reboni (Scan). —\ Me 
wiſſenſchaft. — Recurs, ſ. Staat und Kirche. — Beben (Briedr. Wilh. Otto Ludw., Breib. v.). — 
en: Bilh., Graf v.). — Be guengs [en d'Avillez Zufarte de Soufa Tavares, Vieconde de). _ Debm ( ( en — 

e (Joh. geer — Reihe @ifenfiud (Karl Sriedr.). — Reichenbach (Heine. Gotttieb Eubw.). — KReichenbach 
(dar, Breih. v Reigetommergerigtseeid. — —— (Friedr, Baron v.). — Reinbeck (Georg). — 
‚Reinhold —e — Reifliger (Karl Gottlob). — Religiöfes Keben ber @rgenwart. — Beliftad (Lüdw.). 
— Brimuiat (Sharles de) — Rennenkampf (Alerander v. — Guſtav d. — Paul v.). — BRenffelaer (Renfles 


laer van). — BMentenanftalten. — Rettberg (Friedr. Wilh.). — Rettig (Heint. Chriſtian Michael). — Rettungs⸗ 
aufer. — Reum (Joh. Adam). — —— (Afred). — Reus (Fuͤrſtenthümer.) — Reuterdahl IWNenrik). — Reu⸗ 
vens (Rafvaz Jakob CEhriſtian). — KAheinwald (Georg Kriedr. Seine), — Mhenius (Karl Theophilus aueh). = 


Bine pie: u. Kuand ex BR Bi on ann — de). — NRichm ee er —* Herzog v —8 
ervo ans). — na v.). — von eut eor 
(Alerandre de), — Ringseis Se. —* we v.). — Rink (Joh. Ehriſtian Heinr.). — Sitfar (Mr * de —E u 


‘ y. (Heins.) — Ritter (of. Ignaz). — Rivas (Angel de Saapedra, Duque de), ſ. Sanvrien a ve). — Bis 


etip (Joſe). — Rizos —— Nerulos) — Robinfon (Edward). — Robiuſon (Thereſe Abolfine eu) 
(Rex! Georg). — ger ee — Rogniat Sof, Vicomte de). — Romaguofl (Bian Domenico 
_ = Rosa re mus. — Rommel (Dietrich Chriftoph v.). — Rofas (Don Yuan 





zn, ne — AR Raucp. — —— (Jppolito). — ofen (Briedr. Aug.). — Roſenkranz (Joh. 
art Friedr 
Eeipzig, im October 1840. F. A. Brockhaus. 
Bei C. E. Fritz ſche in Leipzig iſt erſchienen: ee be 5 Raſtatt die —— und 
en es Her von Enghien, 
B riefe und Bilder und —E . ankreich, ber die babifde und Franıde 
ans dem fiiche Armee u. f. w. und nicht minder intexeffante Notizen über 
Großherzogthum Schiller, Jean Paul, Auffenberg, Goethe u. f. w. 





Baden und dem Eifeft Bei J. G. &. Schreiner in Duͤſſeldorf iſt ſoeben 
Harl "Te ger, erfchienen und urch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
ehemaligem Secretair des Zürften von Puͤckler⸗Muskau, zur Belt Gedichte und ‚Srzäblungen 


Dffizier in der Fremdenlegion in Algier. 


2 Bände. Eleg. broſch. 3 Thlr. Elisabeth Grube ,„ geb. Diez. 
Der Berf. gibt in biefem Wert höchfl intereffante Mit: | 2 Bände. 8. Velinpapier. a unſchlag geheftet. 
theilungen über manche bis dahin noch unbekannte ober irrig Preis 1 Thlr. 1 
aufgefaßte und verbreitete Thatſachen, namentlich uͤber den — 


- 


- Zhellnahnte zugewendet; ſchon wurde "ine zweite Auflage ber 
erften Lieferung nöthig. Dieſe Theilnahme, es ift nicht zu 


—_ — Geſamm 


N 


d 


⸗ 


Dei Bitte —— in Leipzig iſt exſchienen und in. 


der Karl Berald'ige ten, fowie in 
allen andern in: und auslaͤndiſchen Buchhandlungen zu Baben : 


Pia Desideria 


un on 
” Ergänzt und mit Anmerkungen erfehen. 
0 Br. 1%. Leipʒig 1840. | 
In Umſchlag geheftet. Preis 16 Gr. Saͤchſ. 
Auf bie Sigiechit dieſer Schrift noch beſonders aufmerk⸗ 
ſam zu machen, ſ 
tichen Senſation, die die einzelnen Artikel derſelben bei ihrem 
erften Erſcheinen erregten, und des Beifalls zu gebenken, wo: 
mit fie von allen Freunden ber Wahrheit und wahrhaften Fort: 
fehreiteng auf der Bahn der Civiliſation im Leben ber Völker 
einftimmig bewilllommt wurden. Die neue bingugelommene 
Borrebe dient, wie Anmerkungen und Schlußrede gehaltreich 
und gebiegen, zur glücklichſten Ergänzung und Abrunbung. 
&o kann das Ganze als eine der intereflanteflen Erſcheinungen 


—ã in ® 


auf dem Gebiete der neueſten publiciſtiſchen Literatur Allen, 


denen das Wohl der Staaten am Herzen liegt, insbeſondere 
aber allen der hochherzigen Nation Ungarns "Angehörigen mit 
voller Überzeugung um fo mehr empfohlen werden, als bie bas 
rin ausgefprochenen Wahrheiten zwar vielfach angefochten, aber 
durchaus nicht wiberlegt worden find. _ 





Bon Ludwig Viel 


find im untergeichnetem Verlage nachftehende Werke erfchienen 
und daſelbſt, wie in allen Buchhandlungen: zu haben: 


- Bittoria Accorombona. 


Ein Roman in fünf Büdern,. 


| Bon 
Rudwig Tied. 
8. 1840. Sein Belin: Drudpapier und 


gwei⸗ Baͤnde. 
geheftet. Preis 3 Thlr. 


Vittoria Accorombona, dem kraͤftigen und hochbegabten 
Papfte Sirtus_V. nahe verwandt und berühmt bu 

wunderbaten Schickſale, ihre Schöngeit, Anmuth, Kenntniffe 
And Geiftesgaben, ſowie durch die hochtragiſche Kataſtrophe ih⸗ 


ihre 


08 Todes, iſt im obigen Romane poetifch zur meiſterhaften 
Darſtellung gebracht. “ 
yDeutjſchland wird biefe-neue wunderherrliche Babe bes gro⸗ 


Sen Dichters mit Dank entgegennehmen und fi) daran erfreuen, 


FZieck, Rubwig, Befammelte Novellen. Bermebrt 
und vorbeffert. Ste Auflage.- 1--Ates Büntehen. 8. - 1869. 

Geheftet 70 Bogen. 3 Thle. 

elite Rovelen. Vermehrt und verbeflert. 
5—5tes Bändchen. 8. 1839, Geheftet 89 Wogen. 3 Thlr. 
18 ®r,, oder 22"), Sgr. | 

— — Gefammelte Novellen. Vermehrt und verbeſſert. 
9tes und 10te8 Bändchen. 8. 1839. Geheftet 39 Bogen. 


2 Thir: 12 Gr., oder 15 Sgr. 
_ Die neueften Novellen des jetzt lebenden erffen deutſchen 
Dichters erfcheinen vollftändig gefammelt, mit neuen noch nicht 
gedruckten Dichtungen vermehrt, in fortlaufenden Folge. Die 
Tusſtattung in Druck und Papier if durchaus corrett, fauber 
und elegant, und ber Preis aufs Billigfte geftellt. — Das ges 
bildete Publicum hat biefer Ronellmausgabe: bereits feine volle 





zweifeln, wird fich noch fleigeen, denn, wie ber Dichter in ber 


T 


Vorrebe fo ſchoͤn ſagt Apollo in Lichte 
ſtets der heitere st, ob ach rs 
Geſtalten tief 


garn. 9*8* 


nt unndthig; es genügt, der ungewöhns 


den dürfen. 





Regionen Kleiky bh 
unten im Rebel bes —** und geſrentt 
und tanzen.“ nſenderges (dimirar 


Ziel, Eubwig, Dramaturgifde Blatter. 1: 


einem Anhange noch ungedruckter Aufſätze Über das kan. 
Theater und Berichten über bie engliſche Buhne, gehn 
„auf einer Reiſe im Jahre 1817.. 2 Bänbe, 8. 18%, g; 
404, Bogen. 1. Thlr. 


"Euremont. Gin Roman aus ben Jahren 1806-15. 6 


ausgegeben von Ludw. Zied. 3 Bände. 8. 1836, & 
68% Bogen. 3 Thlr. 12 Er., oder 15 Sgr. j 
Markos Hobregon, ober Auto=Biegraphie des fpaniik 
Dichters Bicente Espinel ZAus.dem Spanifken im 
ſetzt und mie Anmerkungen und einer Werrede von Eubr 
Ziel. 2 Bände. 8, 1827. 32%, Bogen. I The. 


B di o Max un 
erhuune Boht Ben un Em 





Psalter und Harfe 
Lieder von Spitta 


zum Singen am Pianoforte 


'componirt 
von 


“ A: Mühling, 
Magdeburg, in der Oreswstz’schen Buchbanduy 


Ein Heft dieser Lieder, welches der Componist gleid. 
sam als Probe erscheinen liess, fand nicht nur in seiner Nik 
erfreulichen Anklang, sondern es haben sich auch » 5# 
ige kritische Urtheile vernehmen lassen: 

) in der Allgemeinen musikalischen Zeitung 189; 
2) in den Jahrbüchern des deutschen Nationalvereis fu 

Musik 1889, 
dass er sich ermuntert und veranlasst fühlte, nun 40 die 
trefflichen Lieder in 4 Heften herauszugeben, welche ft 
müthlichen Musikfreunded argelegentlichst ‘empfehlen ve 





Der sehr billige Preis für alle 4 Hefte iet? Tor. | 
einzelne Hefte werden zu %, Thir. abgegeben. | 
EEE u — 

Durch alle Buchhandlungen und Poßdmter iſt zu bezichen: 
Vſis. Encyklopaͤdiſche Zeitſchrift, vorzüglich für Am 
geſchichte, Anatomie und Phyſiologie. Von Din 

Sahrgang 1840. Viertes Hefe. Gr. 4. 
98 ven Di 8,Xı 
e fur Iiteraeitche Unterhalm 
(Verantwortlicher "Herausgeber: Heintid Brot: 
baus.) Jahrgang 1840. Monat Septembet, che 
Mr. 245 — 274, 1 Beilage: Nr. 3, und 3 litnarite 
Anzeiger: Ne. XXI— XXI. Gr. 4. Preis des Jahr 
- gangs von 366 Nummern (außer,den Beilagen) a 
Allgemeine Bibi ographie !! 
Deutschland. Jahrgang 4 MonatSepl 
ber, oder Ne 39, ind Bib grapbischer " 
zeiget: Nr. 36-39. Gr. 8. Preis des Jahrge 
3 Thlr. 0 | 
Leipgig, im Detober 1840, 


F. A. Frockhaus. 








— 





Bei Wilß. Dinhorn In Leipzig iſt erſchlenen und 
in allen Buchhandlungen zu haben: 


WeihGeechenk 


Briefe. | 
“Aber Afthetifche Bildung weiblicher Jugend 
bon 


Ehr. Defer. | 
Zweite vermehrte und verbefferte Auflage. 
Mit einem Titelkupfer. 
Elegant cart. 1 Thlr. 18 Gr. 


Brofdirt.. 1 =: 12 > 


Über 
Erziehung und Uinferricht 
“ h Be Kinder i 


in und außer dem dlterlihen Haufe, auf dem Lande 
und in der Stadt; 


' nebft 
einigen in größern und kleinern Schulkreifen gehaltenen 
Morgenandachten 


von 
Dr. phil. Ernst Innocenz Hauschild, - 
ordentlichem Lehrer an der Buͤrgerſchule und außerordentlichem Leh⸗ 
rer an der Nicolaifchule zu Leipzig. 
Broſch. Yreis 6 Br. 





In unferm Verlag iſt erſchienen: 


Gedichte von Ernst Dinche 
Preis 1'/ Thlir. 


Magbeburg. 
Greug’fhe Buchhandlung. 


In Untergeichnetem iſt foeben erfihienen und durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 


Entwurf 


Bitnegie 


evangelische Airche 
u Königreiche Würtemberg. 


Sr. 8. In Umſchlag geh. Preis 1Fl. 12 Kr.,. oder 18 St. 
Verfchiedene Grande haben den Wunfch hervorgerufen, dab 
bie im Jahre 1809 eingeführte Liturgie für die evangelifche 
Kirche im Koͤnigreiche Würtemberg einer Veränderung unter⸗ 
toorfen werben möchte. 
Daher wurde mit Genehmigung Seiner Majeftät des Koͤ⸗ 
nigs das Beichäft einer Revifion defielben einer -Gommiffion 


von Geiftlichen übertragen. Die alläemelnen Grundfäge, welche 


fie bei diefer Arbeit befolgen zu müflen glaubten, find mit we- 
nigen Worten folgende: 

Der Geift eines wahrhaft chriſtlichen Gebets und vorzüg- 
lich der Geiſt der Ahriftlichen Demuth, welcher überhaupt bei 


üt . 
Frauen un Kungfranen. 


⸗ 


bee Anrede an Gott, das unenblid erhabene, ölernollfonnzenfe 
Velen, nie zurücktreten baxf, Toll bie ‚Gebete durchdringen und 


beherrſchen. 

A Yormularien follen nicht nur bie bibliſchen Lehren bar- 
fielen, fondern auch fo viel möglih in Worte ber heiligen 
Schrift gefaßt werden, ober doch Anfpielungen und Begichen- 
gen auf biblifche Stellen ausdrücken, überbies durchaus das Be 
präge der evangelifchen Kirche und ihrer Glaubenslehre an 


ſich tragen. 

Endlich follen fie einſach, für das chriſtliche Bolt fagıih 
und verfändlich fein, das Gemäth anregen und zu 
Andacht erheben, daher denn auch ſowol ber lehrende als er- 
zählende Ton moͤglichſt zu vermeiden war. 

Mit Feſthaltung dieſer SBrundfäge find außer ber ältere 
und neueren würtembergifchen Liturgie mehre Kirchenagenden 
und Hturgiföe Sammlungen ber evangelifchen Kirche in Deutrd- 
land unb in der Schweiz, bin und wieder auch Häuslide Be 
betbücdher aus frühern und fpätern Perioden benußt worden. 
Stuttgart und Tübingen, im Auguft 1840. 


8. &. Eotta’iäer Verlag 





Nene Schriften über Italien. 


Soeben erichienen in meinem Verla de Schrif⸗ 
ten, bie durch alle Buchhandlungen nd — Uuslandes 
bezogen werden tönnen: - 


. Ida Gräfin), eits d 
a 


Eine angiehende, mit Poeflen und Erzählungen untermi 
Befeeibung. einer Reife ve Berfafferin Er Sollen. iſchte 


Neigebaur (J. F), Haudbuch für Meifente 
is talien. Dritte, ganz umgearbeitete, ſeche 
vermehrte und verbefferte Auflage. Drei Theile. Gr. 12. 
Sauber cart. 3 Thlir. 

Diefes Handbuch bat fich feit Jahren den Reiſenden uud 
Stalien als ein fo zweckmaͤßiger Führer bewiefen, baß es keise 
befondern Empfehlung biefer dritten Kuflage bedarf. Di 
innere Einrichtung iſt gang diefelbe geblieben, aber faſt jeher 
Artifel wurbe mehr ober weniger umgearbeitet und Durch Zujäge 


bereichert. Durch die Wertheilung des Inhalts in Drei Theile— . 
von denen der erfte bie allgemeinen Zufammenftellungen m 


Überfichten enthält, während der zweite und beitte in alpke 
betifcher Orbnung alle intereffanten Punkte Italiens fdhilbert — 
ift der Gebrauch des Werks weſentlich bequemer- gemacht werden. 
Raumer (Sriedr. v.), Stalien. B 

Senntniß Dief: 


Sch. 4 hir. 


ieſes Randes. Zwei re — 
In dieſem Werke legt des berühmte Verfaſſer die Mefulsct 


feiner Beobachtungen über ein Land nieder, das er durch wieder 
holten Aufenshalt fchon früher kannte, im 'Iahre 1839 aber un 
ter den günfligften Verhältniffen aufs neue befuchte. 


ömifche Weriefe von einem Sierentiner. 
kart — 38. Zwei Theile. Gr. 12. Seh. 4 Ihr. 12 Sr. 
Dee Verfaffer fchitdert in diefem Werke in geſchmackvoller, 





ebenfo belehrender als unterhaltender Darſtellung Das wem 


Rom in feinen - Öffentlichen Zuſtaͤnden, feinen gefelligen Ber 
ältniffen, Teinen Zeiten und feiner äußern Erſcheinung, in ben 
rzeugniffen der neuern Literatur und Kunſt. Des Merk 

wieb für Sehen, ber Rom auf iangere oder Fürzer: 
eit beſucht, unentbehrlich fein, da wir Fein abe: 
Ges in ber Riteratur befigen. 

Eeipzig, im October 1840, 


FA 





Drud und Verlag von F. X. Brodhauß in Leipzig. 





Brockhaus. 





| pe Boxlesungen, 


tung 
D 
Fe ae 


Siterariſcher Anzeiger 


. 





18408. Nr. XXVI. 


EEE EEE — — — 
Dieſer Literariſche Angeiger wird den bei F. U. Brodheus in Leipzig erſcheinenden Zeitſchtiften: Blaͤtter fer iena⸗ 


riſche Unterhaltung und Iſis beigelegt ober brigeheftet, und betragen bie Juſertionsgebaͤzren für bie 
\ 





welde 
an der koͤniglich bairifchen Friedrih-Aleran- 
derö-Univerfität zu Erlangen 
im Winter⸗Semeſter 1840—41 gehalten werden follen. 


Der gefegliche Kufaug derfeiden iſt der 19. Detoder. 
——— 
Theologiſche Facultät. | 

Dr. Kaifer: Übungen des eregetifhen Seminariums der 
alt= und neuteflamentliken Abtheilung,, die Geneſis, die bes 
bräifchs jüdifchen Alterthümer, bie Hrifliidde Apologetit. — Dr. 
Engelhardt: Kirchengefchichte und das kirchengeſchichtliche 
Seminar. — Dr. Höfling: Übungen des homiletiſchen und 
des katechetiſchen Seminartums, Homkletik, Liturgik. — Dr. Har⸗ 
leß: theologifhe Encyklopädie, über bie Paſtoralbriefe. — 
Dr. Kanke: Dogmatil, neuere Gefchichte der Dogmatik. — 
Dr. Krafft: den erften Theil der Dogmatik. — Dr. von 
Ammon: kirchliche Archäologie, Eymbolit und Polemik und 
das Poftoralinftitut. — Dr. Hofmann: Gedichte und Aus: 
legung ber altteſtamentlichen Weiffegungen auf Chriſtus, Ges 
ſchichte der Schrift neuen Teſtaments. — Dr. Wiener: die 
beiden Briefe an die Korinther, über bie praktifche Behandlung 
der kirchlichen Perifopen. — Dr. Thierfch: über Lehre und 
Gtreitigkeiten der antenitänifdhen Kirchendäter. 

Die vier angeftellten Repetenten werden unter Aufficht und 
Leitung des k. —328 wifftufchaftlicde Cowetſatorien in las 
teinifcher Sprache und Repetitorien für die Theologie Studiren⸗ 
den in vier Jahrescurſen halten. 

Jerikifce Sacnltät. 

Dr. Bucher: Inftitutionen des römifchen Rechts, Geſchichte 
des roͤmiſchen Rechts, roͤmiſches Erbrecht. — Dr. Schmidt; 
Kein: Encyklopaͤdie und Methodologie der Rechtswiſſenſchaft, 
Stiminatrecht, deutſches Bundesrecht und europäffckes -Wöller: 
seht. — Dr. Feuerbach: deutfches Privatrecht, deutfche Staats: 
und Rechtsgeſchichte. — Dr. Stay: Civilproceß, Rechtsphi⸗ 
ſophie. — Dr Selling: juriſtiſche Ecyklopaͤdie, ordentlichen 
oder frramariſchen Eivilproceß, Civilproceßpraeticum. — Dr. von 
Scheurl: Pandelten nah Puchta's Lehrbuch der Pandekten, 


Eregeſe des WBeweisftellen in dem ebengenannten Lehrbuch, aus⸗ 


gewaͤhlte civilrechttliche Controverſen. 
Medicktniſche Facultãt. 





ei 
ben iattoſophiſthen Berrin. — Dr. Roßhiet: Ranfhri n 
des weiblichen Geſchteches, gebarts huͤlfliche Klinik, Geſchichte 


J 


ober deren Naum 2 Sr. 


un ex 
benfeld. Br. 13. Elegant 





gie, chirurgiſch⸗ augenärztiiche Klinik. — Dr. Trott: die To⸗ 
zifologie, die Semiotik. — Dr. Fleiſchmann: Dfteologie 
und Gpndesmologie, Homdopathie, mebicinifch = forenfiſches 


Practienm. 
Philoſophiſche Facultat. 


ſchichte, deutſche Geſchichte. — Dr. Rückert: Sanskritgramma⸗ 
tik und ‚Erklärung e nes Tertes, Krabiiches, ausgewählte Stüde 
der Hamafa. — Dr. Dödertein: Übungen des k. philologi⸗ 
fhen Seminars, Perſius und Juvenalis, philologiſche Cucyklo⸗ 
päble. — Dr. von Raumers allgemeine Naturgeſchichte, Paͤ⸗ 
dagogik, Novom Organem des Baco. — Br. Kopp: Hodege⸗ 
tik des ofademifhen Studiums, Aristoteles de .anima, Cice- 
ronis Academica. — Dr. von Staudt: analytiſche Geome⸗ 
trie, Differenzlals und Integrairedinung. — Dr. Fabri: En⸗ 
eyliopädie der Kameralwiſſenſchaften, politiſche : Stechenkanft, 
Ankeitung in Verfertigung von Bauanfchlägen. — Dr. Dress 
ler: ‚hebräifche Sprache, bas Bud Hiob. — Dr. Winters 
ling: Äftpetit, Young’s Night Thoughts, Eonverfatorien und 


Privatlectionen in englifcher, italieniſcher und franzoͤſiſcher 


Sprache. — Dr. Martius: Pharmakognofle bes Pflanzens 
reichs, bie Heilmittel des Iierreigs. — Dr, van Schalen: 
Logik und Metaphyſik, philoſophiſche Ethik, Religionspbilofophte, 
Lecture und Erlaͤuterung der Jakob Boͤh me'ſchen Sthrift von 
den drei Principien götttichen Weſens. — Dr. Hey der Nogik 
and Metaphyſik, die hiſtoriſche Erſcheinung des Pansheiämurs, — 
Dr. vo * R umer: Ribelungenlied, gothiſche und althoch⸗ 
deutſche Proben. 

Die Zeichenkunſt lehrt Küfter; die Tanzkunſt Häbcſch; 
bie Fechtkunſt Raab; die Reitkunſt Flinzner. 

Die univerſitaͤtsbibliothek iſt jeden Tag (mit Ausnahme des 









Sonnabends) von 1—2, das Leſezimmer in denſelben Stunden 


und Montags und Mittwocht von 1 —8, das Naturalien⸗ 
a abinet Mittwochs und Sonnabends von 1—2 uhr 
geöffnet. 





In allen Buchhandlungen I zu haben; 
Das Bud, Des Bofen. 
@in Iaire' i 
— 6. Be 
eimar, 


twerten mit Lößkichen Abbilbiupgen k been Preis 


een unb Abs 
ber Sultus, einzelne 
— Abier denn 


| U. beftzen wie noch. Bein 
der Geburtölunde. — Dr. Stromeyer: theoretiſche Chirur⸗ Irpopukaises Wu, weldes, Allen verſtaͤndlich, der "Wiens 


. faft Ihe volles Mecht wiberfahren laͤßt ımb gu wiſſenſchaſtlichen 
Studien [pornt und leitet, die Praxis ber Gultur im Auge 
behält, die Liebhaber einfach und füßlich zur Vermehrung ihrer 
Sammlungen führt und fie der Gefahr überbebt, unter anderm 
Namen theuer etwas Neues gu bezahlen, was fie Längft ſchon 
befaßen; welches Vorſchriften enthält, aus Roſen fo vielerlei 
fehr angenehme und nügliche Dinge zu bereiten und zugleich in 
einem Überblick der Geographie, Geſchichte, Symbolik und Poefie 
der Rofen Unterhaltung und erheiteende Belehrung bietet. — 
Der rühmlichft befannte Hr. Verfaſſer hat es verfucht, ein 
ſolches Buch zu fchreiben, es bei geringem äußern Umfang über 
1500 Varietäten auszubehnen, wozu ibm bei vieljährigen eigenen 
Beobachtungen und Studien aus den größten und neueften Wers 
Ten Frankreichs und Englands, aus ben Mittheilungen berühm⸗ 
tee Gärtner und Naturfreunde reihe Quellen floffen. Wie 
ſehr ihm diefer Verſuch gelungen iſt, daven zeugen die vielen 
einftimmig rühmlichen WBeurtheilungen , die fchon jeht, wo es 
len die Preſſe verlaffen, aus allen Eritifchen Blättern wieder⸗ 





Steffend Memoiren. 
Im unterzeichneten Verlage iſt foeben erſchienen und gu 


Ras ich erlebte. 


u Aus der Erinnerung niebergefchrichen, 
| upon Henrich Steffens) 

Erfter Bond. Zweiter Band. 
Mein geiltig einfames Ana: Univerfitätsieben. — Literas 
bens und erſtes Jugendleben. riſches Treiben. — Willens 

ſchaftliches Treiben. — Do: 
litifches Treiben. — Das eins 
fame Leben und bie festen 
Rage in Kopenhagen. 
8, 1840. Fein Belins Drudpapier und gebeftet. Preis 5 Thlr. 

Diefe Memoiren gehören zu den bebeutendften Grfcheinuns 
gn in der Kiteratur. Get Baetbes „Waäahrheit und 

Iptung‘ dürfte kein Werl von gleich großem Intereſſe ers 
en fein. Der Reichthum bes Inhalts biefer Lebensbars 
—* ‚ weldge zugleich eine Darſtellung ber gegenwärtigen 
t genannt werben barf, wird mit jedem Bande wachlen und 
die Theilnahme geiſtreicher Leſer in hohem Grabe in Anfpruch 


Verner find im anterzeichneten Berlage erſchienen: 
Gebirgs-Sagen. 
Als Anhang: Die Trauung, eine Sage des Nordens, 
i Henrich Steffens. 
Hiezu: 
Die legten Worte des Pfarrers von 
ittelfahrt auf Seeland, 
von F. W. J. von Schelling. 
8. Geh. 20 Bogen. Preis 1 Thlr. 
Dieſen trefflichen —— ⸗Gagen find bie berühmten 


8W Geheimen Ra Schel⸗ 
ling in Mänden, ide be jr ———— Gagrı Wie 





Zeauning, portiidy. verherrlidken, mit Geuchmigung bes Gem 
Verfaffers und nach einer durch ihn ſelbſt von neuem wewäbirten 
Abſchrift, Hinzugefügt worden. Freunde ber werben 
biefe hoͤchſt werthvolle Zugabe mit Dank und Theilnahme act 
entgegennehmen. 

rühern Käufern ber Bebirgs:Gagen, welde bike 
ohne jenes Bebicht erhielten, wird baflelbe unentgeltlich no 
geliefert, wenn fie e6 von ber Buchhandlung, wo fie bas Werk 
Fauften, verlangen. 


Steffens, G., Die ien Walſeth und Keil, 


Famil 
Ein PTR Novellen. Dritte verbefierte Auflage. 5 Baͤndb⸗ 
dien. 8. 1837, 711, Bogen. Sch. 3 Thlr. 


— — Die vier Morweger. Gin Eyklus von Rovelen. 
Sch. 3 Thlr. 20 Er., ober 25 Ser. 
— — Malkolm. Cine norwegiſche Novelle. Zweite ver 
6444 Bogra. 
Geh. 2 Ihr. 20 Gr., ober 25 Ger. 
— — Die Revolution. 
4 Zhlr. 
welche fämmtlich bem Lefer hohen geiftigen Genuß In Fülk: 
barbieten. 


Zweite verbefierte Auflage. 6 Bändchen. 8. 1837. 8734 Bogen. 
befierte Auflage. 4 Bänden. 8. 1838. 
Eine Rovele. 3 WBänbe. 8, 
1837. 61 Bogen. Geh. 
Verlagshandlung Bofef Max und Eomp. 
2 45 





In der 
Karl Serold’ihen Buchhandlung 
in Wien ift in Commiſſion erſchienen, und daſelbſt, fowie bei 
.F. Favarger, Buchhaͤndler in Trieſt, 
un Dr α na Meilen Aufeigen 
gu n: 


H a nd bucd 
Veterinärkunde 


fü R 
Phyſiker, Thierar te und Okonomen, 
von 
ah. Eman. Beith, 


der Arzneitinde Doctor, bormaligem Director und erſtem Profeßer 


am E. 2. wiener Thierarznei⸗JInſtitute. 
Vierte Auflage, 
neuerdings mit vielen Zufägen verfchen und zeitgemäß 
vervollſtaͤndigt 


von 
Zah. Elias Veith, 
k. k. ord. Öffentl: Profeſſor an demſelben Juſtitute. 

Erſter Band und zweiten Bandes erſte Abtheilung. 
Gr. 8. Wien 1840. Preis bes vollſtaͤndigen Werkes 
4 Zhle. 12 Br. Saͤchſ. 

Die vierte Auflage biefes ſchon bei feinem erſten Erſcheinen 
mit allgemeinem Beifall und ehrenber Anerkennung aufgenoms 
menen unb feitbem faft in allen thierärztlichen Lehranfkalten 
eingeführten Werkes hat abermals eine bedeutende GErweiterung 
erhalten, wozu nicht blos die neuern veterinäriichen Werke 
und ‚ fondern auch bie am wiener Suflitute unb 
anberwärts im Kaiferflaate gewonnenen Srfahrungen mit ber 
erfoberlichen Auswahl benupt wurben. Siegen bes hlerdurch 

vergrößerten Umfanges ſchien es swedmäßig, den 
zweiten Band in zwei Abtbeilungen zu trennen, wovon bie 
er Mare Dermehrten Bocanyapı, bi Über 100 Moges 
, die 
or. 8. betragen wird, iſt der — — erhöht worben. 


— Bei BE. Reclam Jam; in Leipzig erſchien forben: 
Heller, Robert, Eine Sommerreife. 
1 Thle. 18 Gr. 
Anftatt jeder Anempfehlaung biefes Werkes eines bekannten 
Verfaſſers verweifen wir auf das Urtheil ber Eritifchen Organe, 
Das Büch ift eine wichtige Erſcheinung im Gebiete der Heifes 
literatur, und vorzüglich dürften bie Darftellung der Litera= 
zifhen Verhästniffe in Oſterreich, die Schilderungen 
aus Prag, Eräg, Trieſt, Benebig u. f. w., ferner bie 
Bilder aus Tirol und dem Salzburgifchen (Wildbad, 
GBaftein) das allgemeine Intereffe erregen. — 
Ungaru und Die Walachei in der nenefte 
” Zeit, vom Grafen von P... 1 Thlr. 12 Sr. 
‚8. © R., Wittenberg und Rom. 
Hiſtoriſch⸗ romantiſches Gemälde aus der Reformations: 
geſchichte. 3 Bände. 5 Thlr. 
Weit Weber, Sagen ber Worzeit. 8 Bände. 
ever Band 16 Sr. 
Weihe zum Spielberg. Wufentbalt des 
nachmaligen oͤſterreichiſchen Staafögefangenen Adryane 
in Genf. Verkehr mit den italieniſchen Klüchtlingen 
und DVerfchworenen, und feine Aufnahme in die revo⸗ 
Iutionnaire Propaganda. 2 Bände. 2 Thlr. 
Geheimniſſe des Spielbergd. Denkwürdig⸗ 
keiten eines oͤſterre ichiſchen Staatsgefangenen, 
ſein Proceß vor der oͤſterreichiſchen Unterſuchungscom⸗ 
miſſion gegen geheime Verbindungen in Mailand und 
ſeine Schickſale auf dem Spielberg in Gemeinſchaft 


mit dem Grafen Gonfalonieri. 4 Baͤnde. 4 Thlr. 
Vanin, J., Reiſe in Stalien. 1Thlr. 
ze Pacheco und Philipp von Dr 


leans, oder die Siftmifcher im Palais: Royal. Mo: 
moantifches Gemälde aus ber Sefchichte des franzöf. 


Hofes unter Louis XIV. 2 Bände. 2 Thlr. 
Santo Domingo, Geift des Papftthauis, 
oder Rom wie «6 If. Zter Band. 1 Thle. 
efterreichifche Dagnerreotypen. Wilder 


aus dem Leben und Zreiben ber öfterreichifchen Haupt: 
ftäbte. Iſtes Heft. 6 Gr. 





Bei Stto Model in Braunsberg erfchien forben und 
tft durch jede gute Buchhandlung zu haben: 


Qung, Dr. A., Königsberg in Preußen und 
die Ertreme ded dortigen Pietiömus. 8. Geh. 


20 Ser. 

Eine Schrift über Königsberg in Preußen wird jedem ges 
bildeten Deutfchen um fo intereflanter fein, als biefe Statt 
aufs neue dadurch in ein volles Licht tritt, daß bafelbft gegens 
wärtig ein König feine Huldigung empfängt, an ber fi bie 
fhönften Hoffnungen Enüpfen, bie bereits begonnen haben in 
Erfuͤllung zu gehen. Wir glauben aber bie angegeigte Schrift, 
ihrer nähern Tendenz nad, am beflen auf bie Weife zu em: 
pfehlen,, daß wir uns kurz über ihren Inhalt verbreiten. 

Der Berfafler gibt uns 1) die Umriffe einer Gulturgefchichte 
Köntgsbergs während ber Zeit von Kant bis auf die Gegenwart, 
2) eine Darftelung und Kritik bes Ebel'ſchen Pietismus, wie ders 
felbe mit dem Pietismus überhaupt in Verbindung fleht. — Im ers 
ften Schelle begegnen wir unter andern Dännern wie Kant, Hippel, 
Hamann, Herder, Werner, Hoffmann, Lewald, Scheffer, Krug, 
Herbart, Dinter, Diähaufen, Kähler, Lebnarbt, Borowski, Rofens 
kranz. Beſonders ausführlich laͤßt fich des Verfafler über Herbart 


vernehmen. Die KönigsbergersZuftänbe werben fowol in Bezie⸗ 


Yung auf bie einzelnen Bilbungtinſtitute, als auch in B 
auf die Einwohner und bie jekige Seit Überhaupt in ber mans 
nidhfaltigften Weiſe befprochen. Der VBerfaffer weift uns wieber 
und wieder nach, welch eine große Bedeutung Königsberg für 
bie gefammte beutfche Bildung bat, indem er das bereits Ges 
leiftete in feinen einzelnen Richtungen überfchauen läßt, wie 
er auch barauf hinweift, was noch zu mwünfchen übrig iſt. 
Im zweiten Theile wird uns biejenige Geſtalt des Pietismus 
vorgeführt, die in neuefter Zeit ale Ebel' ſche Lehre fo viel Aufs - 
fehen erregt hat. Der Verfaſſer charakterifict das Weſen bes 
deutichen Pietismus, und gibt damit zugleih Grunblinien zue 
Geſchichte deffelben. Er zeigt uns die Stelle, welche im Pie⸗ 
tismus dem Ebelianismus gebührt, und läßt uns biefen Schritt 
für Schritt bis in feine greilſten Ausartungen begreifen. Überall 
wird hingebeutet auf die große Veränderung, welche, zum Theil 
duch Strauß veranlaßt, der Theologie bevorſteht. Auch in 
biefee Hinfiht feinen uns die aufeinander folgenden Thefen, 
welche der Verfafſer für eine Zukunft der Theologie gibt, fehe 
merkwürdig zu fein. Kurz, wir erhalten nicht nur eine äußers 
liche Dererzählung der Ebel’fchen und pfetiftifchen Lehre, fons 
dern eine Kritit ihrer Principten und Gonfequenzen, vom 
Standpunkt einer Philoſophie, welche nirgend Partei nimmt 
und überall den ideelen Fortſchritt feſt im Auge behält. 
Überhaupt dürfte diefer zweite Theil auch deshalb jeht vom größter 
Wichtigkeit fein, da wir näcftens bie Dogmatil bon Streau 
erhalten, - mit ber fich vieleicht die in unferm Buche angebeus ” 
tete neue Spoche ber Theologie von der Philofophie aus 
vollends datirt und abichließt. — Außerdem weifen wir noch 
vorzugswelfe auf Das hin, was ber Berfaſſer in der Borrebe 
über Offentlichkeit und Eiteratur fagt. Und fo ſei biefe 
Schrift aufs Befte ben Deutfchen empfohlen. 
Braunsberg, im September 1840, 





Bei C. Schreiner in Dü R | 
erfchienen —A alle een A Gesiche " Torben " 


Reife - 
durch Salzburg und Zirol 
nad Italien. 


ifter Band. Gr. 8. Velinpapier. Preis 1Thlr. 12 Gr. | 





Kone NOIMIRR 


Soeben find bei mir erſchienen und burd alle Buchhard⸗ 
Iungen zu beziehen: 


Der Roland von WVerlin 
Ein Roman 
von 
B. SL e& i8. 
Drei Baͤnde. 
8. Geh. 6 Thir. 


Eordelie. 


8. Sch. 3 Thlr. 8 Gr. 


Die Mamen ber Werfafler B Beiden 
mane bürgenzfür bas hobe * fe —— 


Eeipzig, im Detober 1840, 
Brockhaus: 





BF. A. 








te Auf lage von Hartigs Fotbllihrvuth 





In tmterzeichnetem iſt ſoeben erſchtenen und durch alle Buchhendlungen zu beztehen: 





Lehrbuch 





für Förſter 


und für Die, weiche es werden wolten, 


Dr. Georg 


Sudieig 


Achte vielfach —*— und Gerbefferte Auflage. 
Mit vier Aupfertafeln, worunter zwei colorirt, und Tabellen. 
Nach des Verfaſſers Tode herausgegeben von 


Dr. The 


3 Theile. Gr. 8. Velinpapier. 


Sartig. 


Preis 7 FL. 12 Kr., oder 4 Thit. 8 Gr. 


n mehte Jahre vor dem Tode bes Verfaſſers warb ſeſnem Sohne der Auftrag ae, für den Fall einer neuen Auflage 


"des en für Foͤrſter einer gänglichen Umarbeitung des bem Standpunkte der Wiſſenſ 
an wifſſenſchaftliche Bildung ber Hevierförfter nicht mehr entiprechenden erften Bandes zu unterziehen. 


ft und den gefleigerten Anfoberungen 
Dem Auftrage lei⸗ 


Hend, übergibt er den Jachgenoſſen hiermit einen kutzen Abriß derjenigen Zweige der Raturkunde, welche für ben pe von 
befonberer Bedeutung find, indem fie diejenigen Kräfte, Stoffe und Körper behandeln, welche auf die Holgerzeugung und Ergie 


- "hung wefentlichen Einfiuß” ausüben, die Art und Menge berfelben beſtimmend. 


Zufäge größern Umfangs enthält n 


zweite Band in den Abfchnitten über Betriebslehte, Bewirthſchaftung ber Mittelmälder und über Forſtinſekten. Kuperdems —* 
die beiden Iehten Bände noch von der Hand des verſtorbenen Verfaſſers viele wichtige Zufäge und Serbefferungen 


nach deſſen handſchriftlichen Bemerkungen in biefe achte Auflage fibergegangen find. 
ficherfte Buͤrg aft für ben Werth befielben, weshalb ſich ber Herausgeber dirfer 
nderungen, fondern nur Zufäge zu dem Frühern, ba wo es zwedimäßig erſchien, geftattet hat. 


diefes Werkes aufgenommen wurden, ift bie fi 
neuen Auflage eine 
. Stuttgart und Tübingen, im September 1840, 


Der Beifall, womit bie Frübern Auflagen 


G. Cotte’scher Verlag. 





Meinen Univerfitätfreunden zeige ich hiermit an, daß bie 
ihnen Längft verfprochenen und —* gewidmeten 
iſchen Erinnerungen aus meinem 
ee Reben in : Seidelberg und 
Kiel in den Rohren 1817, 2 Bände, 
"Soeben im Verlage von Wilh. Kaifer in Bremen erfchies 
zen unb ur alle Buchhandlungen für 1 Thlr. 16 Gr. zu 


haben find 
Dibenburg, ben 27. Geptember 18 


Eheodor. von Kobbe. 


Soeben ift bei uns erfchienen und in allen Buchhandlun⸗ 


Wüãgemeint Geſchichte 


hoͤhere vruram un Gef chichtfreunde 


earb e itet 


r. Rasl. altaus, 


Eehur —* an der. —* zu Leipzig. 
Drei Baͤnde. | 
"Grfttr Band: Geſchichte bes Witertgums. 








25'/ Bogen in gr. 8. Broſch. Preis 1 Thlr. 8 Sr. 


Der durch feine altdeutſchen, hiſtoriſchen und literarhiſto⸗ 
—— ih it Get and Meg auf er Bruniage 
@ n e m rundlage 

der hiſtoriſchen Jacta und neuerer Jorſchungen | I Ange 
met auf bie uobarakterifieung der Böllen, kn ent Ber 
den der einzelnen Tnbivibuen gerichtet unb ſomi Ken die 


Saupfm le ‚ welöge itne an fich tragen und wodurch 


voneinander ‚unterfcheiben, hevauszuſtellen geſucht. Die Aue: 
kennung, welche die eigene Methode feines Lehrbuchs ber Wett 
geſchichte für die mittlern Claſſen gelehrter Schulen gefunden 
bat, wird vorliegendem Geſchichtswerke, das einen ganz andern 
und hoͤhern Geſichtspunkt einnimmt, gewiß in noch größem 
Grabe zu Theil werden. Zur Erleichterung bes Antaufs habea 
wir den Preis fo niedrig als möglich geſtellt, und if jebe 
Buchhandlung in den Stand gefest, auf 10 Gremplare us 
Sreieremplar zu geben. 

Der au zweite Band’ erfcheint zu Reujahe unb der dritte za 


Oſtern 
Fep’is: Berlagsbuchhandlung in Leipzig. 
In meinem Berlage erfchien ſoeben und " durch alle Bud 





| Handlungen zu beziehen: 


| Rermifäte Säriften 


Friedrich Cheodor Schubert, 


kaiſerl. ruſſ. wirklichem Staatörathe x. 


Reue e Fotge. 
Drei Bände. 
it Dem. Wildsiffe des Werfalfers, 

8 4 Thlr. 12 Sr. 


Di b rmifchten & des berühmten 
Berafı ut EDBD LE: gen wen in dee 3. ©. 
— ——— 
en anziehende Mitthe 

befonders Aftronsmi ie und Pu “ Aka 


Leipzig, im Detober is 
ar . Besdihens. 








- Driud und Verlag von 3. 4. Brodhand in Leipzig. 





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mn 


- 





—F 4 324 ⸗ e * or * . . 1 a £ £ . u Fi 8* 
3 Ih _ u ac U 
u LM un 20 ie U Ze 1 2, 2. Sue a 5, a 


1840. Nr.,XXVH. 





e 


Djeſer Literarifche Anzeiger wird ben bei —XXXLX n Si —5— arſcheinenden Zeitſchriſten: Blätter für litern⸗ 
er beigeheftet, und 


riſche Unterhaltung und Iſis belegt, 


od 
ee derer Rat 2 





ag betragen Die Ipfertionsgebügren- für. Dia Beile 





In allen Buchhandlungen iſt zu erhalten: 


VRAHID. . 

‚Taschenbuch auf das Jahr 1841. 

Mene Folge. Oritter Bahrgeng. 
Mit dem Bildnisse Karl Friedrich Cessings. 


8. Auf-feinem Velinp. Eleg. cartonnirt. 1 Thlr. 16 Gr. 


nbhaltı: 
I. Dee Prätendent. Node von RB. Sflegis. 
II. Cursorius isabellinus. Rovelle von W. Marten. 
TH. Ron den drei Schweftern. Erzählung von SE. Hagen. 


IV. Watdeinfümteit. Novelle von E. Kied, 


"Bon frühern Jahrgaͤngen ber Urania find. nur noch eins. 
bie im herab: 


zeine Gremplare von 1831 — 38 vorräthig, | 
geieoten reife zu 16 Gr. der Sahrgang abgelaffen wer⸗ 
en.- 


"Die Jahrgänge 1839 und 1840, oder ber Neuen Kolge 


sifter und zweiter Jahrgang, koſten jeder 1 Thlr. 12 Or. 


. Reip im Dcgobes 1830. 
aa, Im Ss. 8%. Brockhaus. 


Te — — — 


>» Binnen Kurzem erſtheint Im Betlage des unterzelchneten: 

| 1 Beh 

kritiſchen Geſchichte 
Aigebrea 


von 
G. G. Fi Nesselmann, 


‚Dr. bez Dhilof, ‚und Privatdocent an der Upiverfität zu Koͤnigebero | 


Erfter Theil. 
Der 8 hat, übergeugt wie wenig bie‘ ättern Wexke 
Aber die Berichte der Mathematik ben wiffenfchaftlichen Ans 
foberungen genügen, vor einer Reihe von Jahren den Ents 
Ahinb gefaßt, eine aus ben ummittelbaren Quellen geichöpfte 


Gerichte ber Algebra , dieſes fo wichtigen und in ben hübern 


Geihihnberäm:. gerabe-anı Aleffigften und ıfehlerhafteflen bes 
handelten Theile der Mathematik, zu bearbeiten, zund ifk mit 
weder. bie. allgemeine ‚Ginleitung unb. bie Geſchichte der Alges 

ra bei den öriechen umfaßt, jegt dem Bruce übergeben 
Zann. Gin mühfames, aber mit Ausdauer durch viele Wahre 
fortgefegtes Stadium der alten Mathematiker und vieler ans 
duer-„amd die Geſchichte der Wiflenifchaft bozü icher Merle 


in den verſchiedenſten oceibentalifchen und orientalficyen " Gpras 


chen und-ous allen Jahrhunderten hat ihn An den Stand ge: 
fegt, nicht wiy ſehr viele-Yehler früherer 
Tradition Jahrhunderte lang aus einem 
“übergegangen: waren, aufzudeden, fonbern andh eine nicht ge: 


zinge Anzahl gang neuer,. bither unbefannter biftorifcher Refulz 


tate zu liefern. Er det die Mühe nicht gefcheut, außer ben 
befannteften Quellen die.fo wenig beachteten gricchiſchen Arith⸗ 







ke, welche durch 
uche in das andere 


* -. [0 << — 


metiker, die Cammentare non Theon, Prokius, Eutolius u. %., 


welde Montucla, der immer noch als Autorität gilt, zum Theil 
gar nicht, zum Theil flühtig angeſehen hat, ferner die arabis 


| ſchen Mathematiter und Biftoriogrophen, ſowie bie Werke her 


Perfer und Inder im Original durchzuarbeiten und daraus den 


J Stoff zu feinem Werke ſich mühevoll herbeizuſchaffen. If ſchon 


diefer irſte Theil reich an neuen Zorfhungen und Refultaten, 
fo wird der zweite, welcher die Algebra ber Araber, Perſer 
und Inder behandeln fell, es noch weit mehr fiin, weil ges 
rade über die Mathematik diefer Völker ncch wenig Brauchba⸗ 
res gefchricben worden ift, das im Stande wäre, die Leitungen 
derfeiben in ihrem wahren wiſſenſchaftlichen Zuſammenharge ew 
tennen zu laflen. Der zweite Theil wird, wenn Trine umNoTs 


bergefehenen Hinderniffe fih in ben Weg flellen,. dieſem erſten in 


einigen Monaten folgen. Der dritte Theil wird dann die Al⸗ 
gebra in ihrem Übergange ous Afien ‚nach. Europa “barftelien 
and ihre Gefchichte bis zum Anfange des 17, Jahr hunderts,. Bis 
auf Vieta, fortführen, der vierte aber das an. Erfindungen 
reiche 17. Zahrhundert behandeln, ‚mit deſſen Schluß dee Vers 
faffee fein Werl zu beendigen gedenkt, indem er DIE Wrarbeis 
tung der Geſchichte von 1700 ab cinem Andern überläßt. 
Braunsberg, im September 1840. 


Otto Model. 





Dei icchuf's werkiingiige Oriminal-Recktsfälle, 
doeltaq vollstündig. ut 


* 
s [ 

* Pa er 
‘ 


Hanoyer. Im Verlage der Kahn'ſchen SHofbuchtenbs 
fung find focben erſchienen: a Ze 
Mertwürdige Eriminul ReditstAfe 
. ‚für sichten, Geähtwärzte, Verthtidiger und. 
Mychologen 
herausgegeben von 
nn 0 ea, 
araherzogl. Mchſ. Juſtigraid, ‚eb oroßherz. heff: Satınigäeubles 
Nitter fen Slaffe. 
Viertes Bond. + Nebft:atphaber. georbneten- Sach⸗ 
re giſter über ſaͤmmtliche vier Bände. Gr. 8. 1840, 
2 Thir. KPrefbdes ganzen Werts 9 Thte) © 
De Verfaffer, ald ausgezeichneter Sriminatift bereits 
eähmtichft Lekannt, Hat jest diefes Merk deendigt, welches 
fidg über alle Berbrehen erftredt, die das deutſche 
perrerre Xecht rennt, und dur ſeine Vollſtanblokeit un 
Neichhaltigkeit nicht nur zunaͤchſt fͤr Unterfuhungs=: Richs 
ter, Vertheidiger, Gerichts aärzte und. Beiftlädye von 
„hohem Werthe fein, ſondeen au Pfyhologen'unb dem ges 
fammten zeifeen. Publicum eine ‚beichrentg und hoͤchſt anzies 
henbe N AA hs nun, Das Gange umfaßt die bes 
eutenbe Baht von fechs zig der merkwürdigſte 
minaisHehhtiefätte, werke, abgeſehen —XE 
großen wilſenſchaftiich⸗praktiſchen Intereſſe, 
ſedem bentenden undgefäbluollen zeſer ein meums 
und weites Keld zum Studium dex menfhliden 
Natur, der Charaktere, Eeidenfhaften, Verbre⸗ 
hen und Bertrrungen afler Art darbieten. 


’ «hf 


. 





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yar semaine au moins, 


A 21 FRANC 75 CENT. le volume, format grand in-138, papier jesus velin (&quivalant au 
format in- 12), une gravure sur acier par volume. 





ı Le titre de Bibliotheque choisie, que nons donnons à 


«ette collection, nous le justifierons en n’admettant dans 
notre collection que des ouvrages deja publids avec succes, 
et dont le suffrage general aura constat& le merite. Nous 
ne confondrons point d’ailleurs la vogue &phemere obtenue 

r des circonstances du moment avec la r&ussite durable 
“’un bon livre. Enfin, nous n’imposons point nos preferen- 
ces au public, qui pourra toujours faire son propre choix 


ans notre choix même, puisque chaque ouvrage peut s’ac- 


Yuörir söpar&ment. 


La variet& des genres est une condition n&cessaire pour : 


satisfaire & tous les goüts: notre Bibliotheque renfermera 
%onc les“ ouvrages d’Histoire, Me&moires, Voyages, Poe&sie, 
Quittérature. Nous nous garderons bien d’exclure le Roman, 
genre devenu eminemment fangais, et qui, lanc& dans la 
sphere des questions sociales, vulgarisateur des besoins et 


«es moeurs de Pépoque, a pris depuis vingt ans un si grand 


A6veloppement. 
=:+. Nous publierons €galement les traductions nouvelles 
des meilleurs ouvrages de la litt&rature étrangère. Ces tra- 
ductions seront toujours accompagne&es de Notices litteraires 
et biographiques, \ 

L’exscution matörielle sera l’objet de tous nos soins: 
<orrection scrupuleuse d’apres les manuscrits et sous le con- 


e‘ F 
Memeires du duc de Saint-Simon, nourelle 
6dition entierement conforme au manuscrit autographe, 
20 volunes, dont 2 de tables; 38. portraits. En vente 
IA, 
Seuvenirs de la Marquise de Cröquy. 9 vo- 
'$ IIames; 9 portraits. En vente t. 1—6. 
Les Mistöariettes de Tallemant des Reaux, 
&dition revue et augmentde d’apres le manuscrit auto- 






graphe, avec notice par M. Monmerque. 10 volumes; 


10 portraits. En vente t. 1—8, 

Memorial de 8° Heldne, par le Comte de 
Las Cases, nouvelle Edition, revue par l’auteur. 8 vo- 
lumes; 8 gravures. Es vente t. 1 —6. 

Me Macon, par Michel Masson et ‚Raymond Brucker. 
2 volumes; 2 vignettes. 


tröle des nuteurs; notices litt@raires et biographiques don- 
nant l’bistoire de livre et do l’&crivain; impression satisfai- 
sante, convenablement cspacee et A’une lecture facile, en 
Evitant les inconvenients habituels des volumes <ompactes; 
beau papier et d’une qualit& toujours &gale, format commode 
et portatif: — telles sont les conditions que nous nous enga- 
geons A remplir. 

Des portraits d’apr&s nature, ou pris aux sources les 
plus authentiques, des vignettes en mpport avec le sujet 
des vuvrages accompagneront’ nos Editions, Ces planches 
seront grav6cs sur acter par des artistes de m£rite. 

La certitude du bon march& qug nous promettons se 
trouve acquise par la premiere indicalion des ouvrages que 
nous annongons pour nos debuts, En comparant nos prix 
nouveaux avec les prix des Editions pr&öc&dentes, on recon- 
naftra qu’il y a r&duction des trois quarts ou des deux tiers 
an moins. C'est ainsi, par exemple, que nous donnons pour 
15 fr. 75 c. la nourelle &dition en neuf volumes, avec neuf 
portraits, des Souvenirs de la Marguise de Creyuy, tandis 
que l’ancienne, d’ailleurs Epuisee, coütait 52 fr. SO c. sans 
gravores; que les Memoires de Saint-Simon ne coüteront 
que 70 fr. avec trente-huit portraits, an lieu de 165 fr., prix 
de l’ancienne &dition lore de sa publication, et qui, ac- 
jourd’hui, devenue fort rare, oohte-de 250 A 300 franca, 


PREMIERE LISTE DES OUVRAGES SOUS PRESSE: 


Kettres sur le Nord, Voyage en Banemarck, 
Sudde, Norvege, Laponie, Spitzberg, pır 
X. Marmier. 2 volumes; 2 vignettes. Cet ouvrage a’ 
encore paru que par fragments dans la Revue des Deus 
Mondes. , 

L’Ame KExilee, par Anna Marie. 1 volume; 1 vignette, 

Sous les Tillenls, par Alphouse Karr. 2 volumes; 
2 vignettes. ‘ 

Fortunio, par Theophile Gautier. 
1 gravure. 

Wragoletta par H. de la Touche. 


&dition. 2 volumes; 2 gravures. , 


1 volume; 


_ Nonrelle 


"Le Moine, par Lewis; traduction entierement neurelle, 


par M, Lson de Wailly, avec notice. 
vures. 


2 volumes; 2 gra- 


CONDITIONS BE LA SOUSCREIPTION. -— Chaque ouvrage de la collection peut ktre demande s4- 
garement. — On peut acquerir volume par volume, sans &tre oblig& de retirer les volumes swivants. 
j On souscrit chez BROCKHAUS & AVENARIUS, 60, rue Bichelieu, 4 Paris 
(& Leipzig: meme maison). 


. Das 
Lied der Nibelungen 
| aus dem Urterte neu übertragen 
von Dr. Heinrich Döring. 


| wt und Eeipzi Berlag von E. Hilfe 
zu —* Buch alle —ÆRS f aberg, 


26 Bogen Belin, fauber broſch. Subferiptionspreis 16 Gr., 
oder 20 Sgr., oder 1 $1. C.⸗M. 
Der Ladenpreis wird bedeutend erhöht werben. - 


- . 





In Wilh. Kaifer’s Buchhandlung in Bremen if 


erſchienen: 
Geſchichte des ehemaligen 
Niederſtifts Münſter 
amd der angrenzenden Grafſchaften 
Diepholz, Wildeshanfen ze. 
Ein Beitrag zur Gefhichte und Verfaſſung Weflfalens 
Ä von €, H. Nieberding. 
Erſtes Heft. 8 Gr. 


/ 








Godwie⸗Caſtle und St. Rode " R 


Im unterzeichneten Beilage ift erſchienen und zu haben: 


Godwie⸗Caſtle. 
Enso den Papieren der Herzogin von 
Nottingham. 
Drei Theile. 
WDritte verbeſſerte Tuflage, mit ber Recenfion bes 
| rofeffors Dr, Branif. 


8, 1831. Weheftet. Preis 5 Thlr. 15 Ger. 


St. Rode. 
Ron der Berfofferin von Godwie⸗Caſtle. 
0 vet Theile. | 


Zweite verbeſſerte Auflage. 
8, 1840, Geheftet; Preis * Thir. 221, Ger. 


Durch Gobdwie-Eafle, wie durch St. Mode ift 
Der eigentliche, Weit und Teben im Großen und Ganzen dar⸗ 
ftelende höhere’ Roman, der bei ung in neuerer Zeit faft vers 
drängt ward, wieder erweckt und erneuert, und zwar mit ber 
Meifterfchaft des echten Dichtergenius. — Der Beifall aller Ge: 
bildeten hot fi beiden Werken in vollem Maße zugewenbet, 
ſodoß di Deitte ' Auflage von Gobwie⸗Cafftle und bie 
zweite Auflage von St. Mode in kurzer Zeit nöthig wurde, 
Verlogspandiung Jofef Max und Eomp. 
EP Zn in Breslau. 


— 





Soeben iſt erſchlenen; 


Erinnerungen 
aus dem 


ännßeren Beben 
Eruft Morig Mendt. 


Zweite unveränderte Auflage. 


Mit Bilinif. Gr. 8. Gebunden. Preis 2 Thle. 
eüpzig. 
WWeidmanm'ſche Buchhandlung. 





Im Berlag von F. G. Köhler in Stuttgart find 
foeben erfäienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Die 
Säullchrer Bildungs uftalten 
Deutfchlands. 
Ein officdellee Bericht über eine paͤdagogiſche Reife durch 


Süds und MittelsDeutfchland, mit befonderer Ruͤckſicht auf 
Zu MWürtemberg. 


Bon 
Dr. Th. Eisenlohr, 
Diakonus in Nübingen. 
Gr. 8. Broſch. 1 Thle., oder 1 St. 48 Kr. 

Die vorliegende Schrift enthält einen Öffentlichen Bericht 
Aber die ausländifchen Schulichrer s Bildungss Anflalten, beren 
Drud auf den befondern Wunfd der evangelifchen 
Dberfhulbehörbe Würtembergs erfolgt if. Wir 
glauben eben darum auf fie befonders aufmerffam machen zu 
dürfen. Sie betrifft Anftalten, die neben ben Btealichulen im⸗ 
pe in ihrer großen Wichtigkeit für Volksbildung fich her⸗ 
auöftellen. 


\ 





Ar 


d 
ſe 


— 


Befannt gemacht. Die Bauerakelege hetten bicher noch Beinen 
‘ Hiftoriograph gefunden, der dieſzẽ große Ereigniß umfaffen 
ſchilderte, daher dieſes Befchichtöiwert überall willkommen fei 
pie, Da wird 6—7 Lieſerungen umfaſſen. 


(4 | — — n n 
Sechstaufend Deutfine Spruchworter 
ud Mebensarten. | 

"Auf Druckpapier broſchirt 15 Gr., oder 1 8.5 | 

auf Belinpapier 18 Gr., oder 1 81. 12 Kr. 


Süddeutſche Schulzeitung für Be 
lehrten⸗ und Realſchulen. 
Herausgegeben von den Rectoren, und Profeſſoren 

Frisch, Keim, Pfaff, Schall, Schmid. 

II. Jahrg. 1839. 2 Hefte. &r.8. 1Thlr., oder 181.42 Kr. 

Al.Jahrg. 1840. Erſtes Heft. Gr. 8. 10 Gr., oder 42. Kr. 

Dieſe Zeitſchrift iſt keines wegs nur für Süddeutſch⸗ 

Land beſtimmt, ſondern wird durch ihren mannichfaltigen In⸗ 

halt überall Intereſſe erregen. Der billige Preis erleichtert 
bie Anſchaffung für alle Schulanſtalten. 


arten 





Dldenburg. 
fung ift foeben ienen: 


Heapel und die Neapolitaser 
oder Briefe aus Neapel in die Heimat. 


Bon 
Dr. Karl Yugust Slayer. Ä 
Exrſter· Band. Mit einem Plane von Nenpel und einer 
Mufitbeilage. 
| Gr. 8. Belinpapier geheftet 2 Thlr. | 
"Dies Wuch ift für Ale deſtimmt, fagt ber Here Berfaflen 
sin der Vorrede, die Freunde bes Schönen find, alfo auch dad 
Achbne Italien Haben. Denen unter ihnen, bie Italien ſchon 
kennen, will «6 das bort Grlebte neu. vor die Seele führen ; 
Denen, bie jenes Land betretem werben, will es ein Ichrreicher, 
heiterer Begleiter fein; Denen endlich, bie nicht fo olüdlich 
find, die Alpen überfchreiten zu Lönnen, will es wenigftens ein 
lebendiges Bild Deſſen aufſtelen, was ihnen zu hauen. verfagt 
ward. Die Darftellung beſchraͤnkt fih auf einen Beinen Theil 
ber Halbinfel, aber auf den fehönften, auf einen Kleinen Theil 
der Nation, aber auf den heiterften; fie führt aus, was von, 
Anbern nur ſtizzirt worden, denn ber Verfaffer war nicht blos 
Ser Befucher, fondern Bewohner Sübditaliens und beobachtete 
Jahre: lang. 

Mit dem zweiten Bande, der in mÄglihft Eurzer Zeit 

nwachfolgen foll, wird dies intereſſante Buch beendet feim. 





In allen Buchhandlungen iſt zu haben: 
— Nork, über Antaiiemus ber 
Borberbeftimmung Der menfch- 


lichen Schickfale, erwieten in 220 Mei- 
Spielen für das Borbandenfein eines Divinations- 
vermögene, nebft pſychologiſchen Erflärungsver- 
ſuchen erböbter Geclenzuftände, 8. Weimar, 
Boigt. MV, Thle. 
Motto: Der Hypotheſen koͤnnen wir entbehren, 

Wo bie Beweiſe ſtuͤndlich ſich vermehren. 

Obſchon die Schickſalsfrage wichtiger als alle politiſchen, 
focialen 20. Fragen der Gegenwart iſt, weil fie die Denker 
aller Beiten und Völker befhäftigte, fo Haben unfere modernen 
Zoillettenpbilofophen fie dennoch mit vornehm abſprechendem 


a hai mei aber | n RR, Hei 
eit neben dem Wwohla :Jonne. Außerden 
gewaͤhrt der em Bee mes an Thatfachen für * 


gm Berlage ber ECquije ·ſchen Buchhand⸗ 


ſilberne Hochzeit Gr. M. des Königs im J. 1835 


” 


Lächeln ala, 83 kın, curliier: 
mutbigte ffet 0 Bart T 
Bekenntniß des Gchidfalglanhens; 

Noch Niemend entfich dem verhängten Seſchick 

Und wer fi vermißt, ed Alglig, gu werben, 

Dee muß ed felber bauenb vollenden.” 
gieichſam einen Commentar zu Kiefern,‘ indem er ſich ur Is 
gabe ftellte, vagen „Meldungen darch Zrugniffe der Seſchiche 
und durch Ei abe ‚aus bee Geglenſehre feften Boden zı 

pr \ 







bandenfein einer natürlichen nis auch kunſtlichen Borherfchungs: 


gabe, von Zräumen, „Hellfehen ber Siomnambülen, dem zwei 


ten Geſicht, Ahnungen ꝛc., ſowie aflrologifdger Prophetien eine 
anziehende Lecture. 


U 
In allen Buchhandlungen bed In; und Auslandes 
wird & nn angenenen; uft 


Ge 11 hte - 
Wuchdruchereien der Stadt 
| Keipjig 
Beschreibung der Feierlichkeiten 
gegenwürtägen :Bubilaums, 





In zwei Ausgaben: 
Nr.1. Auf Mafhimennelinpepier . . . . . . 2 The. 
Nr.2. Auf feinem ſatinirten Velinpapier . . 52h 
Di seid von demo 
— bie ee Eier 8 a 








Eeipzig, im Dstober 1840, 


FA. Brockhaus 





Bm. na Mu | zur. 
em ger PYrofeſſor 


und , 2 be ef 

Ä ſchen Ybitoſophie gelefen. 
1) Bei ſeiner (unfreiwiligen) En 

ſur bekam der unteggelönate , was 

cirten — ſelbſt einem Borſtande der 

ten in Münden und zwei erität 


sost.ber Sc 
n fur; vorher Nat 
e Der lieder 


‚ma: bie „WBegeugung: ber Allerhöcfken Zufrieden: 


heit mit feinen bigperigen Dienſtleiſtungen“; 

2) zu gleicher Zeit befam er vom alabemifchen Senat ein 
Zuſchrift, worin ihm besfelbe „fein -Bebauern, ihn alt 
Collegen zu verlieren, ausbrüdte”; und — 

3) von dem Programme, welches die Unigerfität ouf ie 
Serausgeger 


en, wurde auch bem Qufestirten zu Landehut ein Erempie 
zugeiicht mit der Inſchrift: „Dem geiſti. Ratte —* 
Dr. und’ ef Salat m warbigen Deren Col⸗ 
legen von eiten der vetijttät ' 
den Verfafſer.“ l Eu nen bare | 
Eandshut, den 5. October 1840. 


Dr. RS. Salat, 


Druck und Verlag von $. A. Brockhaus in Leipzig. 








Ziterariſche 
1849. Nr. : 


Dieſer Literariſche Anzeiger wird den bei 8. A. Brockhaus in ! 
eifhe Unterhaltung und Iſis beigelegt oder beigeheft 
ober 








deren Rau 
Berlaufige Auzeige. [8 
hen im Fnf &ı 


In meinem Verlage werben im Tänftigen Sabre erſcheinen: 


Die ſymboliſchen Bücher 
der reformirten Kirche %ı 
überfegt und mit einer Einleitung und Anmerkungen ber: | DM 
ausgegeben von 
Dr. €, ®. A. Böckel, . m; 
großherz. oldenburg. Geb. Kirchenrath ıc. 

Diefe Sammlung wird im XÄußern gang mit der in mei: | 
nem Verlage erfchienenen ‚„‚Concordia. Die Ipmbolifchen Bücher & 
der evangelifch : tuekeriföen Kirche, mit Einleitungen herauss | im 
— von F. A. Msethe“ (1880, 1 Thir. 12 Er.) 

flimmen. Q 


Predigfsammlung 3 
den Werken der vergügfifen Kanzelredner ar 
Vorleſen in Bandlicchen. fr 


Das Werk wirb brei Bänbe in Großoctav bilden und ber ei 


erſte unter bem Zitel: 

@vangelienpredigten auf alle Sonn: und Sefttage 5 
des Jahres zum Vorleſen in Landkirchen wie auch zur | ur 
häuslichen Erbauung. un 

bereits zur DOftermeffe k. 3. ausgegeben *33. „Der ba 
Ban wird me sinten, ber dritte Br sten üner 
entha olu 
Eeipzig, im Dctober 1840. fd 
FT. Srockhaus.- 











Bei uns it erſchienen: 9 
Fuͤnf Buͤcher 
Deutscher 


Lieder und Gedichte, 


Son N. son Haller bis auf bie neueſte Zeit. 
Eine 





Musters ammlung he 
mit Rückſicht auf den Gebrauch in Schulen. 
Herauegegeben 
von 
Sultar Shwab, 
Zweite vermehrte Auflage. 8. 


Gr. 12. Gebunden. Dirie Fi Thir. 
In diefer neuen Auflage hat ber Herr Herausgeber eine 
mäßige Anzahl neuer, aber bereits mit Achtung und ſelbſt mit 


[4 


N 


Sn der Schweighanfer‘f hen Buchhandlung in Baſel find nachſtehende Wer 
erichienen und durch alle Buchhandlungen zu bezichen: 


Gelzer, Dr. Heinrich, Die zwei erften Jahrhuuderte der Schweizergefchichte,. Von be 
di en. rer nie zur Reformation. MWorlefungen gehalten au Saſel. St. 5 

eh. reis r. r. 

Dieſe Vorleſungen ſchließen ſich nach Behandlung und Tendenz genau an das früher rühmlichſt bekannte Werk bes Hm 
Verfaſſers: Über die drei legten Jahrhunderte der Schweizergeſchichte; beide bilden nun zuſammen ein Ganzes: Die Seſchicht 
De pn titi@en Bundes von feinem Entſtehen bis zu feiner Auflöfung am Enbe des vorigen Jatr— 
underte . 
Engelhardt, Chr. Moe. (Mitglied der Geſellſchaft des naturg. Muſeums zu Strasburg und mehrer ander: 
gelehrten Geſellſchaften, Maturfchilderungen, Sittenzüge und wiflenfchaftliche Remerkun 
gen aus den höchften Schweizeralpen, befonders in Südwallis und Graubünden. 
Mit 5 Anfihten (vom Eringerthal, Monte: Rofa, Matterhorn, Theodulpaß, Hinter: Rheinurfprung) und eine: 
Panoramalarte der Bisp: Thäler in Kolio und mehren Lleinern Abbildungen. Preis 5 Thitr. 6 Gr. Dir 

illuminirten Kupfern 8 Thlr. 12 Sr. 

Det Herr Verfaffer Hat ſich die Schilderung einiger ber merkwürdigſten und am wenigften befuchten Alpengegenben, haupt⸗ 
fächlich der Wiege des Rheins und ber Rhone, zur Aufgabe geftelt und fich beſtrebt, dieſe außerordentlichen Gebirge mit ihres 
ungeheuern Schneegipfeln und Gletfchern in ihrer ganzen Pracht und Schönheit mit Anfaden Worten, wie fie des Gegenſtandes 
allein würdig find, wahrhaft, ja topographiſch richtig, darzuftellen. Außer ber Beſchaffenheit und Entſtehung der Gebirge ric- 
tete er fein Augenmerk auch auf die Baus und Kunftdentmale ber Vor⸗ und Jetztwelt, die Befchichte, die Sitten unb Gultur bei 
Landes. Die beigegebenen Abbildungen, an denen man bie größte Treue erkennen wirb, follen die bebeutendften und feltfamftra 
Gebirgshoͤhen und Gegenden veranſchaulichen. . 

Stockmeyer, Im., ud Balih. Heber, Beiträge zur baseler Buchdrucker- 
geschichte. Zur Feier des Johannistages MDCCCXL herausgegeben von der historischen Geseil- 
schaft zu Basel. Mit vielen Holzschnitten. Gr. 4. 20 Bogen. Geh. Preis 1 Thir. 12 Gr. 

Dieses Werk hat den doppelten Zweck, einen Beitrag zur Literaturgeschichte zu liefern und als Erinnerung ao die 
Säcularfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst zu dienen. Die Herren Herausgeber sind im Stande ‚gewesen, über die 
Glanzperioden der baseler Buchdruckerkunst im 15. und 16. Jahrhundert die interessantesten Aufschlüsse zu geben. In de 
äussern Ausstattung ist das Mögliche geleistet worden, namentlich haben wir uns angelegen sein lassen, die höchst origi- 
nellen Wahrzeichen der ältern Buchdrucker getreu in Holz graviren zu lassen, . 

Spieß, SED. (Lehrer in Burgdorf), Das Turnen in den Freiübungen für beide Geſchlechtet 
geordnet. 11 Bogen. Gr. 8. Geh. Preis 20 Gr. 

j Der Herr VBerfaffer hat ſich laͤngſt durch bie außerordentlichen Refultate feiner Methode den Ruf eines dentenden Zurich 
rers erworben. In dieſer Schrift bemüht er fich, bie Zuftände bes Stehens, Sehens, Hüpfens, Springens, Laufens und Dress 
zu verfolgen und zu erklaͤren. Die dahin einfchlagenden Übungen werben auf bem ebenen Boden ohne Maſchine vorgencmzn 
und eignen fi aus dieſem Grunde vorzüglich auch für. das, weibliche Geſchlecht. Es verdient biefer Verſuch, das Turnen auf nos 

‚turgemäße Grundſaͤtze a ode die Beachtung von Altern und Lehrern in va Grabe und wird fie gewiß auch finden 

Ein in Vaſel, oder kurze Darftellung Der Stadt Vaſel und ihrer nd I» 

: gebungen. Sür Fremde und Einheimifcge. Geb. Preis 12 Gr. Mit iluminirtem Grundriß der Stade 18 &. 

.. Ein beutfcher Gelehrter, welcher ſich länger als Jahr und Zag in Bafel aufgehalten, hat ſich während diefer Zeit vie 

: wit der Betrachtung der Kunſtdenkmaͤler, ſowie anderer Merkwürbigkeiten befchäftigt und eine Weichreibung bavon in Form ein 

- eintägigen Wanderung aufgefeht, der von Eunbiger Hand ein Überblid der wichtigften Ereigniſſe der Gefchichte von WBafel beige 
ben worben if. Der Grundriß der Stadt iſt mit Berädfichtigung ber neueflen Beränberungen aufgenommen worben. 
Bernoulli (Prof. Dr. Chriftoph), Handbuch der Technologie, oder r 

Der technifchen Gewerbe nad) Den neueften Uufichten und Erfindungen, Zweite neu ke 

“arbeitete Auflage. Dit 4 Steindrudtafeln. 2 Theile in 1 Bande. Preis 3 Thlr. 18 Gr. 

Diefes Werk verbreitet fich in 63 Abfchnitten über die wichtigften gewerblichen Verfahren und Fabrikationszweige mit cimr 
Gruͤndlichkeit und Faßlichkeit, die ihm bereits in ber erften Auflage nicht nur die Anerkennung ſachkundiger Richter enworke, 
fondern auch die Einführung in mehren Bewerbfähulen zur — — gehabt hat. Es gehoͤrt daſſelbe zu den wenigen gniſta 
der technologiſchen Literatur, die klare Darſtellung und praktiſchen Sinn mit wiſſenſchaftlicher Behandlung bes andet zu 
vereinbaren gewußt. In der neuen Auflage wird man dieſe e in erhöhten Maße wiederfinden: auf-jeber Seite ik de 
befieende Hand des Verfaſſers fichtbar, bie neueften Entbeckungen und Bervolllommnungen find durchgängig benugt und ermähnt. 

Wir glauben es daher allen Fabrikanten, Kaufleuten, Lehrern und Freunden ber Induſtrie beftens empfehlen zu dürfen. 
von Brunn, DMiIEL, (Pfarrer in Bafel), Beleuchtung der Sriftlichen Eehre in dem Eonfie 
manden⸗Unterricht. Sr. 8. 26 Bogen. Preis 1 Thlr. 4 Er. 

Der ehrwürbige, als gemuͤthlich⸗ ascetiſcher Schriftftellee und einer ber Begründer bes hieſigen Miſſionshauſes bekanıte 
Here Verfaſſer Hat fih am Abende feines Lebens bewegen laffen, bie in feinen öffentlichen Religionsvorträgen, ben von ibm 
geleiteten Privat⸗Andachtſtunden, ſowie im Gonfirmanben : Unterrichte vorgetragenen Grundwahrheiten des Ghriftenthums nieder: 
zuſchreiben, und feinen — Zuhörern und Schülern in einer joßematif n A übergeben. 

“B en SL, ( ehren am Gymuafium), Peſtalozziꝰs Eeiſtungen Erziehungs fache. Gr. 3. 

eh. Preis 12 Gr. 

Gine gebrängte, aber bennoch tief eingehende und den behandelten Gegenſtand nach allen Betten unparteitfch beleuchtende 
Monographie, die nad) dem einftimmigen Urtheile competenter Richter vorzüglich geeignet ift, angehenden Lehrern und allen Freun: 
den der Pübagogik ein getveues Abbild bes merkwürdigen, viel verlannten, edein Mannes zu geben, durch den die heutige Gv 
ziehungs [und Unterrichtsmethobe vorzüglich begründet worden ift. 

\ 





= 


T — | . 





Bircher, Prof. Friebt,, Der Sonuambulisu: 
Diefes Werk deipricht in drei Wänden: das Schlafwandeln 
und die Beſeſſenheit. Wir könnch es jebem Gebildeten empfehlen, i 
Seſpenſter, des thierifchen Magnetismus und Hellſehens, dev Befeffe: 
in dieſe merkwürdigen Grfcheinungen fucht, mit denen moderner A 
und verftänblich gefchrieben, bie Darftellung anziehend und lebendig, fi 
Man wird es dem Heren Verfafler Dank wiflen, biefen Gegenſtand 
Aufmerkfamkeit des wiſſenſchaftlichen und gebildeten Publicums zugär 


— —, Die Naturlehre der Seele für Gebildet 

Gleich dei ihrem exften Auftreten wurde diefe populaire und | 
mit dem größten Beifall aufgenommen, der durch zahlreich laut gewo 
derſelben iſt, denkenden und für die Gehelinniſſe der Natur und des 
verftändliche und anziehende Kenntniß des Menfchen von feiner inter: 
nambulismus’, bie fich mit dem Herrn Verfaffer auf. diefem dunkeln 
wird fie die vorgeführten abnormen Srfcheinungen im Zufammenhan; 


BSaubart, Rud., Erzählungen aus der Schwe 
132 Bogen compreffen Druds mit geſtochenen XZiteln uı 
Diefes Wert ift für Schule und, Haus ein Leſebuch ber v« 
Sharaktere und bedeutungsvoller Begebenheiten gewährt, um fo Ich 
Sprache und Denkweiſe der verfchiedenen Zeiten forgfältig bewahrt v 
Der erfte Band enthält die Erzählungen aus ber dem Schwe 
aus der Helvetier, der zweite bie Erzählungen aus der Helbenzeit 
auf den goldenen Bund, der vierte bis zur Anerfennung der i 
. Die Gerichte der Wiflenfchaft, Gultur und Geſittung ift üt 
im vierten Bande die. Erzählungen aus bem Leben Plater’s, Bri 
Schilderung der Wirkfamkeit von I. K. Siegel, Wettftein, We 
derer, fowie der berühmten Theologen 3. K. Lavater, 3.9. £ 
Bellenberg. Gleich intereffant, namentlich für unfere Zeit, find 
kriegs in Bafel, des Ubligenfchwyler Handels zc., woran fich anſchl 
Baterland hervorgerufen. Aus ber Gefchichte der blutigen Kämpfe | 
Ken fie fi ihrer heidenmüthigen Ahnen würbig gezeigt, find bie ! 
Singelnpeiten hervorgehoben worden. Den Schluß bilden die wichti 
tralitätserflärung. 


. 





Steudel Nomencl: 
Editio se 
Bierte Kie 


Im erlag bee Unterzeichueten ift ſoeben erſchienen und in allen 


Nomenéelator 





— 


SGSynonymia planta 


ordine alphabetico nomi 
tum generica tum specifica, et a Linnaeo et ı 
Ä plantis phanerogaı 
Autore E. Steue 

ur. IEditio secunda ex novo 

Bierte Lieferung: Ciidemia— Diosma. Gubferiptionspreis 1 
je zu ungefähr 8 Bogen erfcheinen und im Subſcriptionsprei 
Druds zu haben fein. Sollte das Werk, wie zu erwarten 
Preis dadurch für die Subferibenten nicht erhöht, fondern | 

Stuttgart und Zübingen, im September 1840, 








Ia alten Muchgandlangen iſt zu habenz ', 


nee 
an nad unter folgenden Seit Ziteln gm haben: 
Ya Gen ed 


fels om 
—— au Beer inne 
Urn, . Menfegenalter eines mn 
bie mertinhrh, n fee ‚Rebens. Uusben 
—— a Reben un Sale 
etra en Über e AR es en am Ende 
einer Wehen Seſch it IV. Ruintus Sa ein in 
den Wbelftand erhoben ober Reben eines batrife en 
Edelmanns 2 jahre vor und 3O nach Ber 
"Mietige ung. npundert und Iegter Beitrag 
efrolog ebenen Huf eigene Rechnung 
Yefigrieben und Berausgegehen vom . ber Bin: 
zede ber ebenen. I. „Bot rg mi ha ⸗ 
she nit? Go . Geh. Micimar, Woigt. 


4 Ibis. 
„ae aus den posftehenden ſecht Ziteln Senna nicht abjus 
war ii n enthalten 

uhr daß e6 ale More, Anltile und  Raöreht zu ber du em 
wartenden GeibfisEebensi 18 des Ireih. v. TH auf 
-Zilerfelb enthalte, worüber ber Medente hier fehlende Titel das 
Weitere befagt. Hat Giner was immer von dem alten Frei⸗ 
herrn gelefen, es ift darauf zu wetten, er werde dieſe Sylveſter⸗ 
jdeiBeicherrung nicht umgelefen aus dee Hand legen. Haben 

— el 


n gleich Anfangs feiner humoriſtiſchen © 
* Fe ft —— aueh ae glauben, ex eh 
frts durdy @eibflänbigkeit und Driginalität. 


, un 
Stuttgart. In A a aweiserbart's Verlagähands 
‚IR-ssfchlenen -und- in allen Buchhandlungen zu haben · 
Elartife e Biumenlefe. 
ine Auswahl 
von Hymnen, Oden, Elegien, Idyllen, Gnomen und 
Epigrammen der Griechen und Römers 
nach dem beften Verdeutfhungen; theilwelfe neu bearbeitet, 
mit Erklärungen für alle gebildeten Lefer. 
In zwei Bändchen herausgegeben 
den 


PR. ‚Mörike, 
Werfaffer ded „Maler Pe YA 
Erſtes Bändchen. 








2 U. over 1 Ahle. 8 Br, 
Diefe von einem unferer neueren Dichter mit feinem Ges 
— —— rt wird gewiß von Allen, denen 





‚In Unterzeichnetem ſoeben erfhiumen und 8 
. Buchhandlungen Gesfandt Jo u vu er 


"Glen aus Dem Leben und 
3 der Natur. 


Vermiſchte Schriften 
— % Kantt, 
"Rebacteur bed Morgenblatted. 
and 


Inpattı Die Mleine tabt und der Sapemarkt. Sterns 
sifde Sriuen: I. Das Jabz :1740, II. Gchallsnarten. TIL. Der 
deutſche und der frangöfifäge Feullletoniß. IV. Uder deutſche 





—__ 36 Cell 
Conversations- Lexikon, 


Durch alle Buchhandtungen des Ins und Autieria A; 


beziehen: 
Gonverfations: Rıriton ber eier 
In vier Bänden. ern Pan Hay 
Ro. Gr. 8. Jedes Heft auf Druh. 5%. 
auf Sheeisn 12 Br: ‚auf Velinp. 18 Gr. 
N) eftchendes 
sssciäloflenes, Hi Gider et hu einen 3 
jur st 
m — Bahr und ge a din fin 


onver ſatious · Eexikon. Achte Origin: 
12 Bande. &r. 8. Druckp. 16 Thit., Schreh Fr 
Velinp. 36 Thlr. 

Hiervon iR ein unveränderter Ahdrud wunkkn 
worden, von bem die einzelnen Bände auch nad —X 
— en ah aa 
2 Ihte., auf Belinp. 8 Thir. Eoflet, — 
Uuiverfal. iſter zur 8. Aufl. des Gomeicie: 

Lexikons. Sr. 8 Geh. Deut. 16 Sr, Er 
4 


A — ibt elı von; 
i X 
—⏑ ———— 8 


ouch aller in andern Mrtitein —88 
fonen und Begenftände. Die üAnfigt bi M 
wird am beften bie Unentbehrlichkeit deffelben für ar 
fiter dee 8. Auflage barthun. 

Reipgig, im Detober 1840. 

BE. Beodhen, 
Beridtigung. 

In ben „i keiten and s 

ya 


Prätat und Generalfuperintendent — einem ®ı 


ein j0 
BEE — 
eten me „mit fe 
——E fe"! gegen „‚Ultramontane rl 


— 
gogefärie! 


ben —58 — — Kir 
A, Ibere Umftände, n = 


Pak er 

Antiöritiß: I armer 36 

in di „um —— Fi 

pbie” (Eandöput 1815); wahl aber machte Ih Lin 

ne) 
. im tofophte ein D nt 

fein * er U), m 


ſandehut, den 5. October 1840. Dr. 2. Gel. 


Brad und Berlag von 8. &. Broddaus in Eeippig 
ZI 2 on 





_ EINLADUNG ZUR SUBSORIPTION. 


In Berlin, Paris und London erscheint am 15. November d. J. und nehmen alle Buch- und Musikhandlunge & 


scription an auf: 


Methode des Methodes de Piano par Moscheles et Fei, 


Die vollständigste 





Pianoforte - Schule, 


oder die Kunst des Pianofortespiels, als Resultat einer genauen Prüfung der hesa 
Werke dieser. Gattung, insbesondere der Lehrbücher von 
C. Ph. E. Bach, Marpurg, Türk, Müller, Dussek, Clementi, Smidi, Adam, Cramer, Cm 
Hummel und Kalkbrenner, 
- sowie der Vergleichung und Würdigung der verschiedenen Spielarten und Systeme der berik- 
testen Meister, nebst 

instructiven Uehungsstücken von Moscheles, Czerny, Cramer, Scarlatti, Bach «. 
| und neuen für diese Schule componirten Etnden von 
F. Chopin, Th. Böhler, Heller, Ad. Henselt, F. Liszt, F. Mendelssohn - Bartheldy, 


Moscheles, Taubert, Thalberg. 
Für die königl. Conversatorien und Musikschulen herausgegeben von 


J. MOSCHELES un FETIS 


Auch mit fransösischem Text. 


8 Lieferungen (jede von 6 Bogen) in gr. Folioformat. 
onv.-M. Von Neujahr an tritt der Ladenpreis von 1 Thlr. für die Lieferug eu, 


— 1 Fi. 12 Kr. Rbein, — 1 Fi, C 


Subscriptionspreis für jede Lieferung nur }, Til. 


Schlesinger’sche Buch- und Musikhandlung in Berin 





In Unterzeichnetem find foeben erfehienen und an alle Bud: 
handlungen verfandt worden: 


Vomer's Werke, 


von 
 Bohann Heinrich Voß. 
Dracht-Wusgabe in Einem Bande. 
Mit fünfundzwanzig Kupferftichen. 


- Belinpapier in Umfchlag broſch. Preis 10 $t., oder 6 Thlr. 
Diefe Prachtausgabe von Homer’s Werken reiht fi in 
Format und Papier unfern neueften fo beliebten compacten Aus: 
gaben von Goethe, Schiller, Klopſtock, Platen und Pyrker 
an, bie fie übrigens an typographifcher Ausftattung noch über: 

-telfft und wirb daher gewiß Vielen willlommen fein. 

Stuttgart und Tübingen, im September 1840, 

VJ. G. Eotta’iher Verlag. 


In allen Buchhandlungen iſt zu haben: 
Sep. ug. Friebr. Schmibt, 
Diakonus zu Ilmenau und Adjunetus ber Superintendentur und 
Schulau 


fficht 

Handbuch der Bibliothekswiſſen⸗ 
[Hefe ‚ der Riteratur: und Bücherkunde. 
| gebrangte Uberſicht der Banbfchriftentunbe, 
her Geſchichte Der Buchdruckerkunſt und bes Buch⸗ 
Banbels, ber Bücherkenntniß eivograpdie) im 
engern Sinne, der Bibliothekenkunde und Biblis⸗ 
thekonomie und der literarhiſtoriſchen unb biblio⸗ 
geapbifsen Schriften. Für Stubirende und Freunde 
er Riteratur überhaupt und für angebenbe Biblio⸗ 
thekare, Buchhändler, Antiquare und Buchbruder 
" insbefonbere, Gr. S. Weimar, Boigt. © Thir. 
Allen Denen, welche fi nicht bios als Buchdrucker, ſon⸗ 
bern als Bücherfreunde und Eiteraten, im weiteren Sinne bes 
Wortes, ein nüsliches Andenken an bie vierte Säcularfeier der 





- Deutfchland auf allen Bühnen mit Beifall zuru 


Buchdruckerkunſt fliften wollen, Tann biefes gründlig gu 
und mit erflaunenswerthem Fleiße ausgeacbeitete Hal 
mit Überzeugung empfohlen werden, und willkommen mul iR 
auf dem Zitel genannten Perfonen eine Schrift fein, — 
gebrängter Kürze eine überſicht des ganzen Büchern > 
währt, fie über ein bloßes mechantiches Verfahren Ida 
Büchergefchäfte zu einer wiſſenſchaftlichen Bildung ak = 
zugleich heilfame Winke zur befjern SBetreibung ber Sa 
felbft ertheilt. In ihre wird Ieber ein ra 
finden, wie wir e8 in biefem Umfange noch nigt bein, m 
weldyem ex entweber ihm nothwendige Kenntnifie felök cr 
ann, ober doch wenigitens auf die Schriften hingemicen m 
in denen ee für fein Stubium ober @efchäft weitere Atiıd 
zu gewinnen vermag. 


Briefe von Karl von Holtei. 


Kari von Goltei, der gemuͤthliche Kolksdidte, | 
geniale Verfaſſer or Eiederfpiele ‚ welche — * kr 
Der alte Keldherr, Die Wiener in Berlin, Eu 
nore u. —8 un beren zo don Sul, er “ 
ungen Werden (3. B. a ante vum 
—X u. ſ. —85 hat foeben ein Berl mit dem Ai: 


Briefe 


aus und nad 


Grafenort 


von 

Karl non Multi 

8. Altona, Hammerich. Se. un nt 
herausgegeben, das eine ebenfo intereffantt © Gerne 
gende ®eeture barbietet und hiermit ben zahlseiden Aue 
des Deren las, an iedem Freunde einer gt 
Unterhaltung beftens empfohlen wird. el 

Sämmtliche Buchhandlungen Deutſchlands haben KAP 
von Holtei’s Briefe vorräthig. 








7 Einladung zur Bubseription 


auf 


Socthe’s 


sämmtliche Werke, 
mit neuen Zufägen vermehrte, neugeorbnete 


vloliftändigite Ausgabe. 
Dierzig Bünde 


Unter des durchlauchtigſten deutfchen Mundes ſchützenden Privilegien. 

HE Diefe Ausgabe wird die erſte durchaus vollſtändige von Goethe't Schriften zu nennen fein, indem fie nicht allein 
den ganzen Inhalt dee vergriffenen Ausgabe in 55 Bänden von 1826— 34, und ber in 2 Bänden mit 4 Abtheilungen in den 
Jahren 183637 erſchienenen, ſondern auch alles Dasjenige enthalten wird, was jenen Ausgaben bisher noch fehlte. 

Sie wird aber auch zugleich ben Vortheil einer größeren Bequemtichkeit gewähren und zwar ſowol durch eine beſchraͤnk⸗ 
tere Baͤndezahl, als die Ausgabe von 1826, wie beſonders auch dadurch, daß darin, nachdem nunmehr ſaͤmmtliches Material zus 
fammengebradjt worden, eine befriedigendere Anordnung und Zufammenftellung des Bufammengehörigen möglich ges 
weien, als bei Goethe's Lebzeiten, wo felbft während dem Drude der Ausgabe von 1826 noch verſchiedene Werke erft im Gnts 
fiehen waren und man über ben bereinftigen Nachlaß nur noch wenig Entſchiedenes vor Augen hatte. | 

Diefe beffere Zufammenftellung mög Goethe's Sinne zu bewirken, war man gewiffenhaft bemüht. Und es dürfte 
wol dafür fprecden, daß der biefe neue usgabe redigivende vieljährige Mitarbeiter Goethe’s, Dr. J. P. Eckermann in 
Weimar, dabei vielfache Andeutungen und Winke hat benugen Eönnen, die ihm aus häufiger Befprechung des Gegenſtandes 
mit Goethe felber noch in feifcher Grinnerung lebten. | - 

Die Sorrectheit bes Textes anlangend, fo find zum Vortheil diefer neuen Ausgabe nicht allein alle Altern Editionen 
u Grunde gelegt, fondern es find in zweifelhaften Bällen auch die noch vorhandenen Manuferipte zu Rathe gezogen, ſodaß man 
denn nit auein u befte Lesart hat wählen, fondern auch vielfältige, durch mehre Ausgaben hindurchgehende, veraltete Druckfeh⸗ 
ler bat befeitigen Tönnen. 

j Die unterzeichnete Berlagshandlung beehrt fich hiermit anzuzeigen, daß ber Drud diefer mit ber bekannten Taſchen⸗Aus⸗ 
gabe von Schillers Werken in 12 Bänden in Format und Papier ganz gleichen Ausgabe bereits begonnen hat, und bie erſte Lies 
ferung von 5 Bänden Anfang Dctobers erfeleinen wird. ' 

Bir beabfichtigen, das Ganze in 8 Lieferungen, je zu 5 Bänden, herauszugeben und biefe fi von Monat zu Monat 
folgen zu laffen, ſodaß alle 40 Bände bis zur Dftermefie 1841 fertig fein werden. 

Die Subfeription von 26 Fl. 40 Kr., ober 16 Thlr., wird nur erſt nad Erſcheinung jeder Lieferung je mit 3 Il. 20 Kr., 
ober 2 Thlr., gezahlt. 


s 
. ® 
. 
” 











In Bezug auf unfere ſchon früher gemachte vorläufige Ankündigung einer 


Ga le rie 
Goethes sämmtlichen Werken. 


Rah Zeichnungen von W. Kaulbach und seinen Schülern, 
in Stahl geflohen von 
Steifenfand, Weber, Euzing: Müller, Hoffmann u. 3C., 


zeigen wir hiermit gleichzeitig an, daß biefe Sammlung, in 20 Blättern erfcheinend, in Format und Papier vorfichender Ausgabe 
angepaßt und wo möglich mit jeder ik berfelben in 5 Blättern ausgegeben werben foL Um diefe Galerie allen Käus 
gen ber Goetheſchen Werke zugänglih zu machen, haben wir den Subferiptionspreis. nur auf 5 Fl. 20 Kr., ober 3 Ahlr. 

Sr. , geftellt. Die Lieferung von 5 Blättern koſtet demnach 40 Kr., ober 10 Gr. Das Unternehmen felbft betreffend, bemers 
Ten wir nur, daß das Banze aus einer Reihe von bucchaus vollendeten Stahlſtichen beflehen wird, denen theils Kaulbach's 
eigene, theils Zeichnungen feiner Schüler zu Grunde Liegen. Männer wie Steifenfand, SnzingsMüller, Hoffmann, 
Weber, lichen ihren gewandten Grabftidhel der Vervielfältigung der Zeichnungen jenes Meifters und feiner Schule, und fo dürfte 
es der unterzeichneten gelungen fein, mit dieſen Blättern eine Galerie anbieten zu koͤnnen, die ein vollendetes, in gleichartigem 
Geifte durchgeführtes Ganze bildet, wie ein folches noch zu einer Tafchens Ausgabe gegeben worben iſt. 


Stuttgart, im Geptember 1840. 36. Eotta’sche Buchhandlung. 








* 


mit dem boeben erſchienenen 7ten und Sten Band findabie 


Memoiren des Bei ufels 


Fr: Sonli Fu 
Be Altona, Sammerich, 1840. Pyeis 3 Er 

ei re dies Werk bes ‚geiftreichen Soulie in Frankreich bie 
groͤßte Senſation bekannt. nie Heat eine vollftänbige 
bdeutſche Überfegung ʒ* r nem Zweifel unterwor⸗ 
fen, wer Abenteuer. über urn feltfame Verwickelungen, 
komiſche Scenen unb —** e Entwickelungen liebt, der 

findet in dieſem Werke eine reiche Ausbeute. 
Jede gute Leihbibliothek hat Goulil's Memoiren des 
Teufels vorräthig und fie gehören zu ben gelefenften Büchern. 





Im Verlage von G. Geyfe in Bremen. iſt ers 
fhienen und in allen a handlungen zu haben: 


 Noifen und Torfchungen 
in Griechenland | 


G. N. Mirichs, 


Dr. ph. ., ordentlichem ve * —— in Athen. 
Reiſe über Deipbib * a er ab Borotien bis Theben. 


zwei Plänen. 
1840." sh 1 Xhle. 16 Gr. 

Wenn Werke über das heutige Briechenland bie allgemeine 
amfeit überhanpt fchon in Anſpruch zu nehmen pflegen, 

icfte * vorliegende Buch ſolche ganz beſonders verdienen. 
Der gelehrte Herr Verfaffer bietet in feinem Werke nach jahres 
Yangem Aufenthalte in Griechenland das Ergebniß wiederholter 
Reifen und. geänbticher Borfchungen bar; er unterläßt babei nicht, 
bon den Zuftänden des neuen Griechenlands auf das alte unter 
intereffanten Vergleichungen und Gitaten binzumeifen, fobaß das 
Buch fich zu einer ebenfo interefſanten Lecture für Gebildete eignet, 
vie es für Gelehrte manche wiffenfchaftliche Ausbeute enthält. 


In der Unterzeichneten ſind erſchienen und durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 


Bweites Beriht des litroriſch/ geleliges Berzins zu Stralſaet. 


Sc. ’% 

se, A., "Poetifches Magazin für Gebächtnigäbungen 
und Declamation in Schulen. Mit fortfgreitenden Ergoͤn⸗ 
ungen. ifter Theil, far ber erften beiden Hefte ber früs 
ern Auflage. Geb. Thlr. 

Ditersborff, Die Börde pr Aterthums und ihre elaffifchen 
Schriften. Geh. Ihlr. 

Gmali N „ R,, Baumböhenmefler und Pe — es Ber⸗ 
fah Aummeffung und Sölgbeseähnung fü uͤnner, 
Bauherren und Holzhaͤndler. Mit ner Zeichnung. — Fr 
Portrait des Hera £ ongistgrial- un und Schulratb Dr. 

“nike, gemalt und äuf Stein gezeichnet von 2 a 

/, Thir., chinesisches Papier % T 


Im vorigen Jahre we 
Byron, Junkherrn Harold's erfahrt. Aus dem Eu 
Bfchen. "von 6:9. Yommer-Eiipe, Sch, 1 Thir. “ 
zamer, » Über das Weſen und die Behandlung ber 
deutfchen iteraturgefchichte auf Gymnaſien und über Schiller's 
Maria Stuart insbeſondere. “ Ihlr. 

„S. K., Deutſche Satzlehre für die mitt en und 
untern " Slaffen höherer Lehranſtalten, neoh einem Anhange 
über Wortbildung und Orthographie. T 

Gerth, Ac., Materialien zum Engliſch⸗ , fuͤr den 
hulgebrauch bearbeitet. , Thlr. 











Ges, ”. E uchhaltung für Kinder 
te“ Mat — * ale ie 
0 2 € 
—**8* — a u für bie nuten Bi 
Schulze, Dr. ., De philosophia et moribus hi | 


PN eg & =. r 
13, + e Contro der 
zw — — —— X er ——— 
hfdher Verſuch für Arzte und —XãXXX 1% 
ber, nr B., Zur Geſchichte der — Gymncimn 













35— Kectoren Gn 
mit Y d 
——— * —53 ſiumt und tal 
| er ice Vucfontung (€ Hingh 
in Stralfund. 


— — — — — 
In allen Buchhandlungen iſt fortwährend zu erhaltn: 


A⸗⸗⸗ 





zur Verbreitung gemeinnuͤtziger Keuntuß. 


Erſter bis fünft 1883 — 
ron A Sahrgang ( 87) zuſanmennt 
Einzelne Sahrgänge bavon 1 Ahlr. 8 

GSechtter bis mi Sabegang sung (15884) jedes 2 Zi. 


lagasin für Kinder, 


Bänf Be ig- Mlogaji zuſammengentuuu 
—* Jahrgaͤnge davon 16 Gr. 


Sonntags Magazin. Dei Drei Bände. 
Kational-Flagazin. Ein Ban. Ni 4 


Unterhaltungen eines Vaters mit sen 


Kindern. 
Zwei Bändchen. Mit 51 Holzſchnitten. 12 &. 


Dersische Fabeln. seit 18 Hotgiänitm, ı« 
Anfangsgründe der Bo der Botanik zum ac 


für Säulen und zum Selbſtunterrichte. Zweite Aufl 
gaͤnzlich umgearbeitet und vermehrt von E. Wirk 
Mit 140 Abbildungen. 16 Gr. 


Der Führer in das Reich der wen 


schaften und Künste, 

Drei Bände, Mit 375 Abbildungen, In engl. Brinmand 
Enthält und find Fr geheftet zu hab: 
—— zum Gelbfiftudium der Mechanik, 9: 6 

oftatif. 6 6 e 


6 Gr. zur uge 6 Sr. — —*5 Zmeilt 





— 6 Gr. — ap tik. 3weite Karen 9 6.- 


Elektrieitaͤt, Salsanism 
Reue —— 6 Er. — 
alographie, 6 Gr. — Gestogie. 21 en 





‚180. - 
Weineratsgie pt 


nerun und 6i 1! &. — mie. 18 9. - 
—— üttentunde. 12 ©. — —* 
logie. 9 G ornd 


Eeipzig, im Detoder 1840, 
$ . a. Brockhaus: 





- Druck und Verlag von B. 4. Brodhaud in Leipzig. 








In er! finb forben;erfäplmen: < 


Hol schnitt." IE 


gar. Ga zochnin von 


Schiller s 


in zwölf Bänden, 


Bierte Lieferung: 
* Die Kraut von Klessina. — Die Jungfrau von Orleans. — 


Preis 15 Kr., oder 4 Gr, 


Mit diefer vierten Lieferung ift nun bie Reihenfolge von 24 Holzſchnitten zu unferer mit fo au emeinem ; Beifall aufge⸗ 
nommenen neueſten Taſchenausgabe von Schiller's ſämmtlichen Werken geſchloſſen und koͤnnen jest voll 


vn. 


ken 





Naria Stuirt. — FSiesco. 


ndige Eremplare dieſer 


hübſchen Illuſtration um den aͤußerſt niedrigen Preis von 1Fl., ober 16 Gr., durch alle Buchhandlungen bezogen werben. 


Stuttgart und Zübingen, im October 1840. 


Bei Wilhelm Engelmann in Leip ig if foeben er⸗ 
ſchlenen und in allen Buchhandlungen Deutfglande, Öftreiche 
und der Schweiz zu haben: 


Die Rebellen von Jeland. 


Novelle 


ER J 5. Susi. Bühne, ® 
ne Drei Bände . 
' Gr. 12. Broſch. 4 Thlr. 12° Gr. 


Je weniger fi Englands Literatur um bie Geſchichte Ir⸗ 
lands bekümmert, um fo intereſſanter muß es fein, wenn ein 
deutſcher Roman, geftüst auf Quellenſtudium die wichtigſte 

Epoche derſelden zur Darſtellung bringt. Der’ Autor ſchildert 
* als Geſchich ihre treiber und als Yoet die evolution Irlands 
in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. 








ei RX. B. Wallishauſſer in Wien iſt erſchienen, 


und jeder guten Buchhandlung zu haben: 


Kurze Aesthetik für junge Damen 


als Enepfiopäbie der (önen Kuͤnſte nebſt serien ' 
or. And F kungen 


« Sr, o 2 1 
ET, 3. Hadınng: 
:B wandchen —R mit vielen Hoitſchnitten. Auf 
Biltapapfer in elegantem Umfchlag brofchiut. 1 Thlr. 12 Gr. 
- , Dee Herr Verfaſſer, durch feine in zwei ſtarken Auflagen 
verbreiteten „populären Vorträge über Phyſik für Damen”, 
feine „Edelſteinkunde in Briefen an zwei deutfche Fuͤrſtinnen“ 
und feine „Mythologie. für junge Damen’ der Damenwelt im 
guten Andenken, trägt in gegenwärtiger Schrift in zehn Vor⸗ 
trägen bie für Damen wiffensiwertbeften Lehren aus bem weiten 
bes Schönen im Allgemeinen und ber einzelnen ſchoͤnen 
Künfte insbefondere, als der fchönen Baukunfi „Gartenkunſt, 
- Yıoflil, Malerei, Muſik, Dicht⸗ und Rebekunſt, Tanzkunft 
unb Mimik, fowie die Technie und kurze — aller dieſer 
ſchoͤnen Kauſte, ohne allen gelehrten Prunk, auf eine Geiſt und 
Herz Hilbende, leicht faßliche und intereffante Weife vor, indem 
er durch fruchtbare Behandlung feines Stoffes, durch lebendige 
Bezüge —* n auf das geſellſchaftliche Leben und durch eine 


Das 


ent, Miscellen. — Mr. 3%, *John 


3. ©. Cotta'scher Berlag. 


Have und Kdtvoße Darftellung. dem Gegenſtande ei einen magifchen 
Reiz zu geben, unb die Aufmerkſamkeit feiner Leferinnen i 
einem hohen Grade zu feffeln verfieht. Bon Selten der Ben 
lagshandlung ift das Werkchen mit befonderer Eleganz audges 
flattet worden. Es läßt fih daher .mit Gewißheit Hoffen, daf 
diefe kurze Aſthetik in keiner Damenbibliothet fehlen wird. 


Soeben ift bei einrich Franke in Leip am 
und in allen ungen 8 haben: a erichi 


Naub, Mord und Brand, 


‚| Barbacifche Dandlungen aus. dem Lehen ruchloſer Boͤſe 
wichte. A und ald Warnungstafel aufgeftelt von 
Dr. G. $. Fuſtas. Sch. Preis 1 Thir. 8 Gr. 


Derch alle Burhbanbiungen und Poftämter iſt zu beziehen: 
kennig ⸗ Magazin 
füͤr Verbreitung gemeinnuͤtziger Kenntniſſe. 
1840. October. Rr. 392-396. 

ME. 392. *Antonio Ganova. Der Binterſchlaf ber 
Shlere. *Der Herzog von Wellingten und fein Schild. (Forts 
fegung.) Das Barometer. Der verhütete Juſtizmord. Rotiz. — 
Mr. 393. *Linorno. Ghineſiſche Papierfabrilation und Drud⸗ 








‚| methode. * Napoleon in Boulogne. Das Barometer. (Berdtuf.) 
Zwei neue Arten von Brücden. Antkdote aus Talma’s Leben. — 


Mr, 394. *Benjamin Weſt. * Bordeaux. Die Inſel Gar 
binien und ihre Bewohner. Hellung der Kurzſichtigkeit und bes 
Welli d ſei Shit. —* —55* 
von Wellington und ſein et 
— in Nordamerika. Notiz. — Me, 89%, * Di 
Straße in Neweaſtle. John Milton. 3 ) * Die Sale 
eines altenglifhen Landedelmanns. Gefaͤ angnife in Rorbs 
amerika. (Beſchluß.) * Die Ruinen von Perfepolis unb Schaper. 
Die mit * begeidneten Kuffäge “ntpalten eine 
oder fee Sahraanae ve PP . 
6 diefes Yahrgangs von mmern She. — De 
Preis ber erften — von 188337, Rr. 1248 
enthaltend, tft von 9 &r. auf 5 Thle. ermäßigt. 
Einzeln Eoftet jeber 5— Jahrgaͤnge 1 Thlr. 8 Gr.; bie Jahr⸗ 
gaͤnge 1888 und 1839 koſten jeder 2 Thlr. 
eeiptis, ‚ tm Rovember 1840, 


B. U. Brockhaus. 


MHuntti (Ch. 9), Distrihation‘ mötho- 
digue de la famille des Gramindes, contenant 
218 descriptions de Gramindes nönveles.»2 vblb. 
In-folio. Avec 220 Da ee Paris. 


net de. la familie 
A dterker avec plüs - 











4, 0 
are rah 
planches, gravets avec le plus grand soin d’apres les dessins 
et sous la directign de Mme. E. Delille, representent toutes 
I" dafii "ce livre. 


les ces decri 


s circonstänces parliculidres nobs permetteni des "ceder | 


cei exemplaire a un priz favorable; le pric en est de‘528 FA > 
et il pourra £tre fourni, franco Leipzig, au prix de 350 fr. 
Leipzig, le 10 octobre 1840: 


Brot ads’ & Aveharlüs. Fa 





. , ‚Sn, allen Buchhandlungen {ft zu haben: 
Das Leſhl auf dem Belfeneitand und fein Bewohner 








- Mon 8. Kann = ar. 1 et Seiwar, Boigt. 
eb. Thle. 
Motto: Wehe 8* (Myſtikern, Pietiſten 
und Zanatikern), bie aus Licht — 
Finuſterniß machen! — 

Lebt Du, inmitten ſchaͤumender Wogen und rollender 
Donner auf ſchwerkaͤmpfendem Schiffe zu weilen; liebſt Du, 
af tomantifgem Gilande einfame Banderungen zu maden ; 
Alebſt Du, bie Wonne bes Wicberfehens zweier Hergensfreunde 
had) Yänget Zrennung zu thellen; 


a . 









x ten — are J hören: dann Lieber bi 
6 Hier! Webotene wird Dir — So lies 


8 und metAidde natreild? Lu “P*$ 


Nur Chrifti Chriſtenthum. 


liebſt Du, Geißelhiebe auf 
die Bordermanner der Einflerlinge unb Banatiter mit kraͤftiger 


d ww 
gie re —3 pe für: 






bern —ã* Genuß und Befriedigung erwarten Di 


—RTC ?. 


Der —** Zuſtand 
Boceitation 


. .IJe6n Baron, M. D. 
Ä — dem ’ewgiifgen 
.. von 


5. G. Gmelin, 
Dr. und ordentlichen Profefloe der Medicia. 
Gr. 8. In Umſchlag broſch. Preis 48 Kr., oder 12 Er. 
Dev Bericht über; die Vactination ift hund die Mittels 
lungen vieler der angefehenften Arzte Stiglarids entflaiben, und 
über ben jegigen Zuſtand ber Vaccination in Englanb 
auf eine authentifche Art ig Kenntniß. Beſondern Werth 
erhält derfelbe durch die Nachrichten über fruͤhere und -jegige 
Podenepidemien unter bem Rindvieh, durch kuͤntliche gelungene 
Verfuche über die Hervorbringung von echten Kuhpeden durch 
Ginimpfung einer Kuh mit Menfchenpoden, woburd; bie Rater 
ber Kubpoden vollkommen ins Licht gefeht-wird. Es dürfte 
daher biefer Bericht nicht blos für Ärgte, fordern auch für 
das größere Yublicum von Wichtigkeit fein, daB ſich fü dem 
Gegenftand interefliet. - 
Stuttgart und Tübingen, im Detober 1840, 


3. ©. Cotta’fder Belag. 


" Eomversafions-Xexikon der Gegenwart. 





ui ein 


in fir fich beftehended und in fich abgeſchloſſenes Werk, 


Sihmlemant zur achten Auflage des Converſations⸗Lexikons, 
forte zu jeber frühern, zu ‚allen Nachdrucken und Nachbildungen veffelben. 


® 


\ Arhtundjwangigstes Heft, Bogen 4150 des vierten Bandes, 
Dofini bit Saboyer Zug. 


Jede Heft auf Drudpapir S Gr., auf Schreibpapier 12 Gr. „auf. Belinpapier 18 Gr. 





Rofint (Giovanni). — Kofi (9 2 Pellegrino). — Roft (Valentin Ehriſtian Friedr.). — Rs 
a 


Rob. Friedr. v.). — Rott 


rl — Leopol 
Rüdert Brite). — — R Bet 


Si Ferd. Friedr. Jul.) — R 7— I · 


— im November 1840. 


Joh. ee Otto — 





— DR Ibin Reine, Baro % ws 
‚eieteih). — SET — 5* — 8 —— 


PP 
ebr. ). — 


5 a. Brockhaus, 


Drud und Deriag von 5. 4 Brockhaus in Leipzig 


— — ge⸗ 
* unter den 8» 











giterarifger 


1840. Nr. 


Diefer Literarifhe Anzeiger mird, dep ii , A. Broshaus in Be 
rifhe Unterhaltung und Ift8 beigelegt oder beigeheftei 
ober deren Raum 

















%. IH. “. 
d 
Neuigkeiten und Fortsetzungen, a5, 
verfendet von f 
® q 
SH. Brodbaus in Leipzig. = 
1840. Juli, August und September. R 
AR. I dieſes Berichts⸗ die Verſendungen vom Januar, Zebruar 2 
und März enthaltend, findet fih in Nr. XI des Literarifchen 
Anzeiger; Nr. Il, tie Verfendungen vom April, Mat und a6 
Suni, in Nr. XVII beffelben.) 1 
für Frauenkrankheiten, oder } 
n Annlehten vorzüglichuten Abhandlungen, Monogra- J 
— Preisschriften, Dissertationen und Notizen des In- A 
Anslandes über die Krankheiten des Weibes und über 2 
As Zustände der Schwangerschaft und des Wochenbettes. 1 
‚ ‚Herausge von einem Vereine praktischer Ärzte. | 47, 
‚dweiten Ka des viestes Heft Gr. 8. Geh. 16 Gr. h 
Dex srfie Band in 4 Heften (1ER) koſtet 2 Thlr. 16 Gr, die 
erſten drei 37 des — — 2 Ihlr. q 
88. Meridht an bie Witgbicher 
Der Beutiaen | —** zur Erforſchung vaterlaͤn⸗ 
Ziſcher Sprache und Altesthümer Leipgig. GDesaudgegeben | ge 
n dem ee der a Fafaft Kari Hugufl | 1a 
Die Berichte vom Jahre 1885 *. koſten jeder 10 Gr. ws 
89. Bilder⸗ Tonverſations⸗Eexikon für bas beutfehe 49 
Bolt. Sin Handbuch zur Verbreitung gemeinnüflger Kennts . | 
niffe und zur Unterhaltung. In vier Bänden. Mit bildlichen {| 
Darftellungen und Landkarten. Vierter Band: S—Z. Sechete | 
Suferung Br. 4. Geh. 6 Br. Je 
40, Altdeutsche Blätter von Mortte Maupt | x 
AT Æ Hoffmann. Zweiten Banles viertes | ge, 
Her. .8. 12Gr. 
Borläufig IR mit dem vierten Hefte biefe für bie gitbeutfche fol: 
Literatur fo intereffante Sammlung gefchloffen worden. Der erſte Hi 
und zweite and 8 Heften beſtehende Band Eoften 4 Thlr. 14 Gr. N, 
Esuverſations⸗Qoxikon ber Bessumart, Biere | 50, 
Fi bis Rebenunkgwanzigfiss Sf. (Par— 3. 
ee Br. 8. Preis eines Heftes von 10 Bo em ie 
auf Drudp. 8 Br., auf Schreibp. 12 Br., auf Belinp. 18 
Gin für fi beſtehenbes, in fi abgefchloffene® Bert, zugteid | ! ® 
ein Supplement zur achten Auflage des Sonverfationd «Leritons, | u 
fowie zu jeder ſrͤhern, zu allen Rachdrvden und Nachbildemgen Pr 


) 


deffelben 4 34 
* 532 BIER ur ei, 


h — 
dem 23 n bearbeitet von ger. 









2 zwei Minden. Sm el Bandes —E Karel lung. ur 52. 
geurgnhten: : Geh. 1 
in zwei heiter en mil 7 Holzſchaicen 9 
sie) toſtet B Zr. 4 Gr., dad ganze ——— d 
Ahlr. 36 Br. 1 
Pu 


“gend (Rubw. Eng.), Bebite. 8. Geh. | 


* 





. Im Venege von Bra, Barthz und Comp. in Mresian ik ſoeben erſchienen unb band <a“ | 


gu beziehen: 


‚ Bußpanblungn 


Die Dichtkunft und ihre Gattungen. " 


Zörem Weſen nad bargeftellt 


durch eine nad den Dichtungsarten 
georduete Mufterfaumlung 


August 


tert von 


st Rnüttell. 


(Mit Räückſicht auf ben Gebrauch in Schulen.) 


36 Bogen Belinpap. Klein Quart. 


Eleg. cartonnirt. Preis 1' Thlr. 


Bir empfehlen diefes Buch allen Unterrichtsanſtalten, in denen ſchoͤne Literatur gelehrt wird, mit deſto größerm R 
als der Here Verfaſſer durchweg ſowol in ber, Anordnung bes Stoffes ale in ber Auswahl ber Mufter befonbere Kückſicht auf 


Schulen genommen bat. 


Mit gleihem Rechte dürfen wir es aber auch allen Bebildeten als ein ebenfo angenehmes als nüßliches 


Handbuch anbieten, durch welches fie ihre Anſichten von Poefte und Kunft erweitern, bie Werke ber Poeſie 


vollftändiger würdigen, reiner genießen und ridtiger beurtheilen werben. 


In ber That bürfte fi dieſes 


Buch ganz befonders eignen, als willkommenes Gefhenk in zarte Hände überzugehen. 





Soeben tft von der in Deutfchland, England, Holland 
und Dänemark mit großer Theilnahme aufgenommenen Novelle: 


Die Hallig 


Die Schiffbrichigen. auf einem Eilande 
Der Nordſee 


von 
3 €. Biexnatzki. 


8. Altona, ch. Geh. 14 The. 
—* weite vermehrte und verbefſerte Auflage 


—* bereits in mehre fremde Sprachen über—⸗ 
ſetzte Novelle hat in allen Theilen Deutſchlands gahleeiche 
und innige Freunde fich erworben. Biernauti’s Name 

t nicht mehr fremd, feine Schriften befinden ſich nicht nur 
pn eder Leipbibliothel, nein, auch in ben Händen chriftlicher 
Jamilien; Vielen iſt die Hallig ein Haus⸗ und Handbuch ges 
mworben , Dielen wird es bies noch werben. 

Die neue Auflage iſt vermehrt und bie Ausflattung eles 
gant, ber Preis fehr billig. 

Saͤmmtliche —— Deutichlands haben Bier: 
nagtrs Hallig vorrätbig. 





Bei Wilhelm Engelmann in Leipzig tft foeben er: 
ſchienen und in allen Buchhandlungen Deutihlands, Oſtreichs 
und ber Schweiz zu haben: 


Roömiſche Geſchichte 
Dr. Peter vor Robbe. 


Erfter Theil 
Von der aͤlteſten Zeit bis zum eifien Puniſchen Kriege. 
| Gr. 8. Broſch. Preis 2 Thlr. 


Vorfte hendes Wert, welches unter ben neuern Erſcheinun⸗ 
gen auf dem Gebiete der Geſchichte keinen niebern Plat ein: 
nehmen wird, — nicht blos die Reſultate mehrjähriger 
Forſchungen, fonbern gibt auch in gebrängter Kürze bie  Anters 
ſuchungen, durch —2*— dieſelben gewonnen ſind. Der Herr 

flee Liefert in Narer Darſtellung ein —5 Bub 








von dem Entwidelungsgange des Innern unb aͤußern Staats⸗ 


lebens ber Römer. Die rationelle Behandlung bes Stofies, 
welche fi von dem unkritifchen Verfahren der frübern S 

ſchichtſchreider ebenfo fern hält, wie von ber allzu großen Smeifel- 
‚fucht neuerer, wird nicht weniger ben Beifall aller Sachver⸗ 
ftändigen erwerben, ald bie einfache gebrängte Darſtellung und 
die zweckmaͤßige Anordnung, welche bies Wert befonders für 
den Gebraud der Schüler in den höhern Slaffen, fowie eines jeden 
Freundes des roͤmiſchen Alterthums geeignet macht. Die Brauch⸗ 
barkeit bes Werkes wirb erhöht durch die genaue Angabe ber 
Quellen und durch bie Rachweiſungen auf neuere Seſchichte⸗ 
werke, von: welchen be Herr Berfafler in der Ginleitung eins 


kurze Charakteriſtik gie 
Der Zte und Ste (te$te) Band erſcheinen im Laufe des 


naͤchſten Jahres. 


Für Leihbibliotheken und Freunde guter 
belletristischer Werke. 


Bei Karl Hoffmann in Stuttgart find foeben fol 
gende Romane erfchienen: 
Bechſtein, B., Sophientufl. ‚Novell. 8. Broſch 
1 Thlr. 18 Gr. — 3 Ft. 9 
Ri ge, Sb, — hiſtoriſcher Roman. 
aͤnde. 8. Broſch. 5 Thlr. — 9 SL 
—*8 R., Viel Sinne, viel Köpfe 8. 
Broſch. 1 The. 6 Sr. — 2 Ft. 15 Kr. 
& erg, U. v., Beosgette. 8. Brofd. 
1 Thle. 2 Gr. — 35.9 K. 
Storch, & J Salfenberg. 8 Broſch. 1 Th. 
12 Gr. — 2 51. 42 Rt. 
. Mepenthes, neuste Novellen und Er: 
1ählungen 4 Bände. 8. Broſch. 5 Thlr. — 


9 gl. 
Willkomm, ©, Der Zeaumbenter. 8. Broſch. 
1 Thlr. 18 Gr. — 3 SL 9 
Die Ramen ber Verfafler en für bie Geblegenheit, bie 
Firma des Verlegers für bie elegante Ausflattung biefer Romane, 
welche in jeder guten 2eibbibliothel zu —* ſein werben. 
inlänglic bürgen. Leihbibliotheken, —* — die gauze Samm⸗ 
lung nehmen, erhalten von jeder Buchhandli 
meſſenen Ra Der Berleger kann ſich mit 
dung nicht befaſſen. 










einen —* 














Mozins grosse 
'Sorben haben wir an die verehrlichen Gortimentshanblungen | 


volfitändiges ' 


der deutschen und fra 


nach den neueften unt 


über Sprache, Künfte | 
enthaltend die Erklärung aller Wörter, die Ausfprad 
Beifpiele zur Berftändlichkeit ihrer -verfchiedenen Bet 
Wörter, Sprüchmörter und ſpruͤchwoͤrtlichen Redensart 
ſiſchen Geſetzbuchs, die Münzen, Gewichte und Maaß 
gebraͤuchlichſten Eigennamen von Pe 
Mit Beitraͤge 

Guizot, Biber, Hölder, Eourtin unt 

Aufs Neue durchgefeher 


von 

Dr. %. de 

Drofeffor an ber Univerfi 

4 Bände, Au acht Rieferungen 

zu 1 51. 45 Kr., oder 

| Crete — Embr 

In biefe neue Ausgabe wurben bie neueften Vocabeln und Rebe: 

literariſchen Beberkrieg, ben Salons, ber Phrafeologie der neuen € 

auch den Dialekt der niebern Claſſen angehören. WBereichert iſt diefelt 

gleichende Synonymik, durch Angabe ber unregelmäßigen Bildung ber 

arten, welche bie Gigenthümlichkeit beider Sprachen am beften dezeich 

der neuen Auflage nicht bedeutend vergrößert; daher kommt es, daß ı 

vermehrte Wörterbud) um einen verhältnißmäßig fo ungemein billigen 

Bir hoffen fomit, daß diefe neue Auflage die Brauchbarkeit un 

noch bedeutend erhöhen wird. 

Auf die äußere Ausftattung — Schrift, Drud und Papier — — 

durch Einſicht des Werkes überzeugen wird, und um ben resp. S 

wie es vor, auch bie Zte Lieferung in 2 Abtheilungen zu ve 
‚Stuttgart und Tübingen, im September 1840, 








Bei Fr. Sam. Berharb in Danzig iſt focben ers , Te 
dienen und in allen Buchhandlungen zu haben: fen 


® ® © dei 
Friedrich Wilhelm IL |: 
Sein Leben, fein Wirken und feine Zeit. Ein Erinnerungs: er 
buch für das preußifche Volt von &, &. Kretz ſchuer, 
koͤnigi. Regierungsrarh, Ritter des eifernen Kreuzes ıc. ıc. R 
In 12 Lieferungen, mit 48 faubern Portraits. 
„mit ben Portraits Friedrich Wil 


Erxfie Kiefer 
beim IL, Friedrich Wilhelm III., Friedrich Wilhelm IV. 
und ber hochſ. Königin Luiſe. Elegant broſchirt. ©: 


eu 

Brei: 3 Sur. an 

Innere Gediegenheit und äußere Eleganz zeichnen biefes K 
beben des hochſ. Kötige Mojeſtaͤt vor andern Werken g 





Im Berioge des Eiteratur⸗ Fomptolao in Stuttgart iſt erſchienen und in allen Bydihanbiungeg des In⸗ und 


Auslanbes zu haben 





Goetbe:-Salerie 


Stahlſtiche zu Goethe's Weiſterwerken nad) Zeichnungen von 3* zus und Z. Meaßle- 
Artistisches Supplement 


Goethe⸗ fämmtliden Berken 


n allen Ausgaben, und im Kormat anpaffend 
der nenerfheinenden Musgabe in 49 Bänpben. 


In Heften zu 42 Stahlſtichen. — Jedes Heft 36 Kr. = 11% Spr. 
anf Hefte find bereitd erfchienen, 


und bie in biefem Jahre erfcheinende Serie von acht Ser, DO 
Sorrathig unb 


zungen. 


26 Widtter enthaltend, wird gufammen nur A M. MS Mr. 


pie. often. 
won ınE Einfit an snbalien IE bie Apetpe-Glalsrie in RFen.- Buß: und Aunkpent 





Im Berlage ber Untergeläneten iR erſchlenen: 
Me m © L ven 


Pairin vo“ England 
—zu For Zeiten. 


Herausgegeben 
Lady Charlotte Burg, 


überfeßt 


Smelie "inter, 
Velinpapier. Geheftet. Preis 3 The. 12 Br. 


Braunfihweig, den 1. Detober 1840 
Friedrich Vieweg ‚und Sohn. 


ei 8. B. Miallishauffer in Wien iſt erſchienen 
mb m allen guten Buchhandlungen zu haben: 

Seembedi, O. v., Algemeine Anwelfung zum Augen: 
kranken⸗Examen mit diagnoftifchen Tabellen der Nevrofen 
und Gefaͤßkrankheiten, nach dem Syſteme des Herrn 
Prof. Eden von Roſas. Gr. 8. Geh. 18 Gr. 

, Beh. W., Dahaben un Romanzen. ; Reunfe 
it 


Ss. *8 Feinere Ausg. 1 Thlr. 3 ör. 
Neuer Liederfruͤhling. Gr. 8. Geh. Vellinp. 
48 r. 


akefpeare, König Lear. Trauerſpiel in fünf Auf⸗ 
zuͤgen. Fuͤr die Darhetung auf nee k. k. Sofburgtbeater 


son GC. A. Wet. Geh. 15 
J— Trauesfpie — Aufhgen. a He 
die ne au urgtheater einge 
a me v8 Geh. 15 Sr. 
Gleich, Doctor —— oder: Bier Bränig and 
Eine Braut, in 3 Aufzuͤgen. 2te Yefioge. 
&. 8. Geb. 
— —, Her — und Fran Baberl. Poffe mit Geſang 
in 3 Aufzuͤgen. Frei bearbeitet nach deſſen dunpee 
Der Fleiſchhauer von Dedenburg. Gr. 8. Geh. 8 













Soeb bei Geinrich Frauke in Lei ecſchte⸗ 
nen und in allen —— su haben: Ars 


Ans den Papieren eines Scibftmörders, 
Ben:2ee 


oder 


Eine Emancipation der Juden iſt nicht denkbar 


F. 2. Wangenbeim, 
Geh. Preis 1 Thlr. 

Der in ber Lefewelt fo allgemein belannte und befichtz 
Verfaffer übergibt mit dem Ben⸗Lee bem Yublicum bie Ant 
wort auf eine von ihm ſelbſt aufgeworfene Brage: Erde eine 
Emancipation der Zuben dbenkbar?”, bes 
antworten nur ihm felbft als möglich ſich — da bei⸗ 
nahe drei Jahre darüber verſtrichen ſind und Keiner ſich an 
dieſe Antwort auf ben welthiſtoriſchen Gegenſtand gewagt hat. 
Unparteiifch wie in jeder feiner Literarifihen Probuctionen erfcheint 
ber Verf. auch in diefer kritiſchen Beleuchtung ber 3 
und geheimften Verhältniſſe der Chriften und der Yuben, und 
fomit glauben wie jedem Freunde des ſocialen Bells ein bödk 
intereffantes Buch In bie Hand zu geben. 





Soeben erschien und ist durch alle Buchhandlungen ven 
uns zu beziehen: 


RiD3n 


Histoire des reis du Kaohnir, "traduite ot .oom- 


meutee par A. zroyer et ‚pahlite.anx Krais 
de la Societe ‚asiatigue. 
Tome L (XXIV n. 480 S.) Texte sanscht des sig 


‚premiers (340 8 et notes, 

Tome I. 8.) Tradustion; Kagnisse —— 
et .ethnographiqgue da Kachmir ;apeien ei mpdierne; 
Examen critique des six premiers ‚lives. 


av ‚Gr. in-8. pP 2 1 
als. Kris a RAD. 


Leipzig, 15. Ostober 1840, 


Brockhaus & A 
(A Paris, möme maison, Ag 


Dru@ und Berlag von F. 4. Broddaus in Leipzig. 





— 
—— ——n 





Siterarifher Anzeiger: 





184%, Nr. XXX. 


Diefer 


Liserarifche. Anzeiger wird den bei F. A Brodhaus in Leipzig erfifeinenden Zeitſchriften; Blätter AT literas 
rifche Unterhaltung:und Ifis beigelegt oder beigehefret, und betragen bie-Infertionsgebiihren für bie Belle 


ober deren :Raum 2 Br. 





In allen Bucspantungen des In= und Auslanves iſt zu erhalten: 


TE , 





IA. 


Taschenbuch anf das Jahr 1a 
Rene Folge, Dritter Rahrgang. ; 
Mit dem Bildnisse Karl Friedrich Lessing's. ‘ 


8 Auf feinem Belinpapier, 
Inhalt: 


Elegant cartonnirt. 
1. Der Praͤtendent. Novelle von W. Alexis. — II. Cursorins: isabelliaus. 


1 Thlr. 16 Gr. 


Novelle von W. Martell. — III. Von den drei an Erzhuung v von 8. Sagen. — 
IV. Waldeinſamkeit. Novelle von ®, Tied 


WVon frühern Jahrgaͤngen der Urania ſind nur noch einzelne Exemnplare von” 1831 8 vor⸗ 
raͤthig, bie im herabgefetzten Preife zu 16 Gr. der Jahrgang abgeleffin waden. Die 
Sahrgänge 1830 und 1840, oder der Neuen n Boige erſter und zweiter Jahrgang, Loſten ten 


1 Thir. 12 Gr. 
Reipzig, im November: 1840. 


Im Verlage der Unterzeichneten iſt ſoeben erfehienen : 


Jah s ud 
Rovelieuund Erzählungen. 


Eine Beinnontsgube für 1840. 
ı Eduard. ‚von. Bülgw. 


8. Sauber broſchitt. Preis 2 Ihre, 

Die zu Uterariſchen Weihnachtsgaben ſeit fo Tanger Zeit, 
beliebten Beurngen © fepenbächer finden Ammer mehr ürſache, 
fich zu re N. —— — fäRs-theiliweife weg, 
und bie — — dieſen ge der Nätespaltengss 
iteratwe: wieberam -in ber, Achtung bed Publicums zu heben, 
indem ſie, wie.g. B. die neue Folge ber Urania, dem Inhalte 
Aufmertfamtcht wibmen. 





In ‚diefem Ginme erlaubt nun. auch die unterzeichnete Ver⸗ Ben 


‚lagshanb! fi mit einem. Teſchenouche ohne Kupfer ber: 
Reihe äl Aonier — Unternehmungen —A —— er erſten 
Theii dieſes Jahrbuche als zwedmäßige Weihnachtsgabe dem 
gehilsten Yublicum und au empfehlen. 

Es iſt der Imed® ves Heransgebers, neben eigenen Rovellen 
und Erzählungen werthvolle neuere und älfere unbefanntere 





‚nit allein fortzufü 


BG A. Brockhaus. 


Productionen dee Novelliſti 
bloße Überfegungen davon a 


“| augeweife nur foldhe Beiträg 


‘ober Redattion fid mehr ot 


mit mehr als einen vergef 
mobernen Ropellenlitsratur 
eichelt fich, bak glei bie 


er als ſolche Schäge 
' gie dürfte das MWefte 


nbe Grattan gefchrieben 
beliebten Wreite befreit. D 
gers fozicht gewiß. felbft an 
wol zu den mufterhafteften 
befigen. Hr. von Balow hi 
Schiacken der beiden ſtarken 
le ger eigene Rovellen : 
verfchieden aufgenommen we 
aber ſiche — dv 
der ernften würbigften Seite 
Innen steh fe för und 
cum. “ 


wenn geiftesverwa: 
Braunfhmeig, ben 


— 


ro Gorbn, ap And Fr an al Bychbandiangen verſendet: 


—— & 
Pandora; 


Deutſche 











Gedenkbuch zeitgenoͤſſiſcher Zuſtaͤnde und Schriftſteller. 


— — — — — — — 


ſchen in Paris. Von G. Deppin 
ginalej aus unſerer Zeit. Won ilibaib U 


Dritter Band. - 
Inhalt Duͤſſeldorfer Anfänge. Maskengeſpraͤche, mitgetheilt von Karl 





mmermann, — Die Deut: 


Sam 
— Der — Advocat. Mitgetheilt von Karl Vuchner. — Zwei Dri 
Tegid, — Trier und Luxemburg. Bon Eduard Duller. 


Inhalt des erſten Bandes. 


"U Grinnerungen aus bem Befreiungekriege. In Briefen gefammelt von eb 
OSingelſtebt. — Schillers Bruder. Ein uriofum. Von Su ar 


er. — Probilus. Bon ran 


Ö 
ſtav Shwab, ia a in den Subeten. Bon KR. u 
Friebrich Kölle, 


MWachsmann. — Holſtein zu meiner Zeit. Von Theobor v. Kobbe. — Erlebtes vom Jahre 1813. Von 


Inhalt des zweiten Bandes. 
Stillleben eines deutſchen Dichters. Geſammelt in hundert laͤndlichen Bildern von 
ſchen Gaſtbeſuch beim daͤniſchen Stammverwandten. ine Galerie von Herbſt⸗Reiſebildera von E. R 
Göltl. — Wandertage im Schwarzwald. Von Fri 
erwandlungen. Bon B. Koenig. — Eine Reiſe nad Memel. Bon A. Ee 


Kuünſtler in ——— Bon J. M. 
Fulda in ſeinen 


Sriebrich —— — Des Deuts 
enſtab. — Kunft mb 
a Subwig Bübhrlen. — 


Preis jeden Bandes 3 51. Rhein. = 1 Thlr. 21 Gr. 





In politifchen und niurariſchen 3eträitn des Ins und Xuslandes, deren Urtheile und Berichte auf dem Umidlage bes 
britten Bandes zufammengeftellt find, tft nur Eine Gtimme-über dies echt beutiche Nationalunternehmen, und ebenfo hat es 
auch bereits feine Stelle in ben Kreifen bes höher gebildeten Publitums eingenommen, das bie orbinaire Unterhaltungss Literatur 
‚nicht zu befriedigen vermag. Wer in einer gebiegenen und gehaltreichen Lecture Genuß ſucht, wird ſich an ben Gaben ber Pan: 


_bora gu erfreuen nicht berfäumen. 


Vorraͤthig in allen Buähondtunge, von welchen auch ausflhrlihe Proſpecte gratis ausgegeben werben. 


Stuttgart. 


Literatur- Comptoir. 





Men erfchienene Auflagen 


<in G. RM. Sauerländer’s Verlags haud⸗ 
| Jung in aran, 
sure Herbfimeffe 1840. 


önfte X kkeſs ⸗ 
Fünfte Auflage von FR —— tn 


‚ Nopter 6 Fa — 9 BL; auf halbweißem Papier 5 Thlr. 
"7 Bu — Diefem ſich anreihend: var — 
Genfer — — Theile, a2 She. — IH 
"Bmwöälfte Auflage von Girgel’s feanzöfier Bramme: 
tik, verbeflert von Profeſſor &. v. Oreil. 15&r. — II. 
Seq̃ te Auflage von Birgel’s fenmöffgem Refebuß, 
berheffect von Profeffor @. v. Orell. Gr. — 
Vierte Auflage von dren⸗ —* —e 
Sprachlehre für Anfaͤnger. 8 Gr. — 30 Kr. 
‚Bra ig ſt e Auflage von ben Stunden ber eendacht. 
8. Winde in grodem Drud, weiß Papier 5 Thlr. 16 Gr. 
10 Fl.; auf halbweißem Papier 5 Thlr. 8 Er. — 8 Fl. 
u Auflage von den Stunden ber Au⸗ 
N. in einem Band in Bibelformat, weiß Papier 4 Xhlr. 
balbweiß 3 Thlr. — L. 30 Kr. 
‚Kate — abe von bemfelben Werke, in 12 Theilen, 
bie — 


gJahrgang — von Malten’s Bibliothek ber 
3. Bay en Weltkunde in vier Bänden. 9 Thlr. 8 Gr. 


ang 1840 1840 vom Za peinerboten. Vollſtaͤndig 


a Büßlein, ol * anſchauliche Darſtellung ber Regeln 
des ler» Ar anf und ber finnreichften Züge berühmter 
Dpieler, r ee von Pe &. v. Drell. m 

bir. 20 Gr. — 2 Fl. 85 


In upterzeichnetem ſind ſoeben erſchienen und an alle De 
handlungen verfandt worden: 


Gedichte 


von 


Eranz Angler. | 
&..Belinpap._ In Umſchlag beofiirh, „Des 2.15 8r, 


oder 1 Thlr. 8 
Stuttgart u und Babe m Beier 1840, 


tta ſcher Verlag. 





Durch alle Buchhandlungen ist zu erhalten: 


Analekten fürFrauenkrankheiten, 
oder Sammlung der vorzüglichsten Abhand, 
lungen, Mono aphien, Preisschriften, Disser- 
tationen und Notizen des In- :und Auslandes 
über die Krankheiten des Weibes und über 
die Zustände der Schwangerschaft und des 
Wochenbettes. Herausgegeben von einem Ver- 
eine praktischer Ärzte. Erster und zweiter 
Band in 8 Heften. Gr. 8. Jedes Heft 16 Gr. 

Aus der i immer stärker anschwellenden Flut medicinischer 

Schriften eine Sammlung alles Gediegenen, Brauchbaren und 

Guten, was das Gebiet der Frauenkrankheiten betrifft, zu zie- 

hen, ist der Zweck der Herausgeber. Sie wollen dem prak- 


: tischen Arzte für einen geringen Preis viele Werke ersetzen, 


aus denen er das hier Gesammelte selbst schöpfen müsste. 
Leipzig, im November 1840. 
FF. A. Brockhaus. 


= 








. Bei Eiebmann & Comp. in Berlin iſt erſchienen ur 


Bibliothek der neuesten ı 
in den Origin«| 


Diefe Ant epologit jion die zahlreichen ‚Desande der neuen Spi | 
landes, namentl mit den Meifterwerken eines 


nlwer, Enoper, Bickens, Irving, El 
und der übrigen Heroen der englifi 


in einer eleganten und hoͤchſt billigen —88 bekannt mach 
ferungen von circa 100 Seiten a 3%, Sgr., 8 gGr., 12 Kr. C.⸗ 
Bereits erichienen 


Master Wunphery’s € s Clock. 





Neueſte —* des AR englifchen — 9 


Dentnächft werben aufgenommen: 

The Pathfinder, by Cooper. 

Les Frangais des ix-neuvieme Siec 

Pierre Paul Rubens, par Henri Bert 
8andron Hall, or the Days of Queen 

Babel. Publication de la Societe des 
Cola Rienzi, the Last of the Tribunie: 
Notre-Dame de Paris, par Victor Hı 


Ausführtihe Profpecte gratis und auf 6 Er 





ei 8. B. Wallishaufſer in Wien ift erfhienen | fe 
und In allen guten Buchhandlungen zu haben: tb. 


Sandbudh . bi 





ber w 
Französischen Sprache : 


Proſaiker, mit 
Zweitanfend _ 
Regeln und Bemerkungen über die franzöfifche Satz⸗ 
bildung und NRechtichreibung von 
3. 9. Sofstetter, - 
Profeſſor der franzoͤſiſchen und polnifhen Sprache und ihrer 
. Literatur an ber E. ©. SCherefien s Nitteratademie. 
Gr. 8. 484 Seiten. 2 Thir. 
Diefes Wert zeichnet ſich vor den bisher erſchienenen frau: 
pierden Opra prachlehren baburdh aus, daß es im eigentlichen Sinne | 
Theorie mit der Praxis verſchmelzt, indem" bie aufeinander | . 
folgenden Auffäge der vorzäglichften franzöftichen Claſſiker, von Ä 
der zur Seite ſtehenden deutſchen Überfegung begleitet, durch Y 
2000 Regeln und man über bie Eigenheiten der franz q 
| 
d 


Auserleſene Stüde der vorzüglichften feanzöfifchen | fi 
L 


zoͤſiſchen Sprache erläutert find. Bei den früher herausgeloms 
menen franzoͤſiſchen Sprachlehren wurde ber Artikel, das Haupt⸗ 
unb Beiwort, zu weitfchweifig behandelt, währmb man bie | 
übrigen Rebetheile nur obenhin abgehandelt Endet In biefem 
bbuche aber wird bas Fürwort, das Zeitwort, der Par- 
pe, bas Rebenwort und bas Borwort fo vollſtaͤndig und 
-fo Bar abgehandelt, daß der Liebhaber ber franzoͤſiſchen Sprache 
8* keinen andern "Yülfsbücern feine Zuflucht nehmen darf. 
te Rechtfchreibung ift nach einer ganz neuen Methode, bie s 
3 er tft, dieſe befondere Schwierigkeit ber rangifi 
Km © ache zu Löfen, behandelt worden. Man barf biefes | - 
zu jenen frivolen alltäglichen, ſich einander gegen: 





In un terzeichnetem find erſchlenen und in allea Buchhandlungen vorräthig zu finden: 


eute 


zu Schiller‘ s Werken. 


emniny ualeieen Baplzt 
im Einverft nbniß und unter Mitwirkung der Familie Schliler's herausgegeben von 
Karl Hoffmeitt: 


er 


CEiſte Abtheilung: Nachlefe und Bariantenfammiarmg. 


Erſter Band: 
Gebichte nucd Deamen der erfien Weriode bis anfı Den Carlos. 


Bmweiter Banb: 


Dichtungen der zweiten Be o on Carlos bis zu feiner Aückkehe 
F e 


Taſchenformat. Vellnpapier. Preis jeben Bandes 45 Kr., 
ler's, welche in de it. erſchi ‚angem 
Yuc an ben Zag kit, ma Sein Aut Bi tönen Ma, u ss c hi * 


Sn en —B e u den Werken Schill 
na une utfhlan! 

milie bes gu Dapingefäfebeam zur Ba in” de 
"au gu benfelben 2 Sesausugeben, wege 0 


veranftaltet werben 
vorfichende Worte Er Hin te der, 
Familie, das Werk an fen ae 
ment 


eh "bias 8 
en —— » Auffäge 


Shiler‘ 


En wo ah —8 und Zag, wird 


—5 
— ben bisher erſchieneuen 
uni 
dern Ih une von Briefen Schillers, un —* Ah durh 
—e aus. Ein ee chronol 
thelis zum beſſern 


ober 12 Gr. 


betzifft, 2 
Berlags⸗ er hen Dire 
—eS BR Kr ri digmen 


erichtsrath Ernft von Schiller in Köln, Im Ranıen der von 


ui er Ansenung uk ie 


atler —— 


—SE 
dienen, tpeils wird e& 


tänbniß ber — 


welchen ee den ae ‚der einzelnen Beſandthelle dieſer Sammlung mit den ganez 


iden fein, duch 
Richt erfeden und ihre Stelle fchnell auffinden 
u rnart und Kübingen, im Detober 1840, 


3. 6G. Eotta’scher Verlag. 





Bei E. S. Reclam sen. in Eeipaig fi feesen fer⸗ 
etg dewerden mad fm allen Buchhandlungen gu haben: : 
Baundbn & 
der theologiſchen Riteratur, 
hauptſachlich der proteftantifchen, nebſt kurzen blographiſchen 
Notizen Aber Die theotogiſchen Schriftſteller von 
* Dr. SBeued. Wines 
Toayt. Sicipeiath und orbenitihen Yrofrier ter α an der 
Matverftät. Selpyig- 
Zweiter und Band. 33 in ge 8 
Ps 2% wo Dritte ſeht vermehrte Auflage. 


theilung, erfchien 1888, 
t * 
ſonach für: den Preis 


fepeint, deſſen Zwech tft, bie nı uf 
ee Eu 
Iade (1841) eefheihn, 


—— 


ſchon im — 


an Siebe, Beites Buchhandlung in Bien if er⸗ 


teahl, CHA, Wafi —ã— oder bie neue, 
a, Eine Erzaͤhlung aus der netten Gefcpichee 
des Orients flr gebildete Lefer. 16. Maſchinendelin 
1840. 15 &. 
Im einer Zeit, wo bie Angelegenheiten bes Ortents das 
33 en zen, dürfte die gı —e— einer 
ui bee neneften Seſichee uiſchen 
—— erkennen I ifee Iebpafte Speiimahme nicht verjagen. 
FETTE —— 


In meinem Verlage erſcheint ſoeben und iſt derch alle 
Buqhihandiungen zu beziehen: 

Die Wnächtheit der Lieder Ossian’s 

und des Macpperfoniäen SN Oſſian's insbeſondere. 


Gr. 8. Geh. 16 &. 


Bon derſelben Werfafferin erſchien bei wir im d. I.: 
Verſuch einer geſchichtlichen Charakteriſtie der Bolkolleder 
germaniſcher Nationen mit elner überſicht der Lieder 

außeseuzondifänr Bäterfäaften. Gr. 8. 3 hr. 12 Sr. 

Beipsig, im Rosembes 


—T A. Brockhaus, 











Siterarifcher Anzeiger. 





1840. Nr. XXXII. 


— — —— ——— — — —— — — — 
Dieſer eiterarife Anzeiger wird den bei F. A. Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Beitfshriften: Blätter für literas 
sifhe Unterhaltung und Iſis beigelegt oder beiaeheftet, un betragen die Infertionsgebühren für bie Zeile 
ober beren Raum 


de intereffante Schrift erſchien foeben in meinem 
PEN ta durch alle at on mir zu begichen: 


ur nicht nach Norden! 


Bemerkungen 
anf meinen Deifen in Den ehren 1639 


Aus en Memoiren 


bes 
Grafen von S****. 
"ein Br. a2. Se. ddr. 8 Gr. 
g im ovem 
F. A. Brockhaus. 


Bei G. Bethge in Berlin iſt erſchienen: 
Erbauliches und Veſchauliches aus 
em Morgenlande 


von Sriedrich. Rückert. 
Zwei Baͤndchen. a 16 Gr. 


Der RKenommist. 
Ein ſcherzhaftes eldengedicht 
von 8. F. david. 
Mit einleitmdem Vorwort. von Zuſtus Suhartä 
und 8 Federztichnungen von 
Dies alte, an Humor voch unübertroffene Oi er ge: 
wiß in ber jehigen Geſtalt Vielen eine Vielen eine willlommene Gabe fein. 
Dies irae, Hymnus ymnus atıf das Welt» 


gericht. Als Beitrag zer Hymnologie, heraus- 
gegeben von Dr. Zisco. Geb. 1 Thir. 12 Gr. 


vLogiſche Unter Unterfuhungen 


von ' uburg 
Fe * 3 Thlr. 4 Gr. 








In Unterzeichnetem ist soeben. erschienen und an alle 
Bpnchhandlungen versandt worden: 


Jahrbuch für 1840. 


Herausgegeben von 
C. Schumacher, 
‚mit Beiträgen vbn 
Bessel, Erman, Mädler und Olbers. 
8, Cart. Preie 3 Fl. 24 Kr., oder 2 Thlr. 
Inhalt:. Astronomische -Ephemeride für 1840. Über 
Maas und Gewicht im Allgemeinen und das preussische 
Längenmaas im Besonderen von F. W. Bessel. — Über die 
Welistellung des Körper unsers Sonnensystems von Mädler. — 


Über-die neuern Sternbilder von Olbers. — Untersuchungen 
über den Einfluss des Mondes auf die Witterung von 

ler. — Über Meteorologische Beobachtungen bei einer Seo- 
reise um die Erde von A. Erman. — Tafel, um aus der 
Ephemeride den Aufgang der Sonne für Orte zwischen 44° 
und 55° nördlicher Breite zu berechnen. — Tafeln zur Be- 
stimmung der Höhen, vermittels des Barometers von Gauss. — 
Bessel’s Tafeln, um Höhenunterschiede aus Barometerbeobach- 
tungen zu bereehnen. — Tafeln zur Verwandlung der Baro- 
meter- und Thermometerscalen. 

Stuttgart und Tübingen, im Oct. 1840, 


I. &. Cotta’scher ‚Verlag. 


Bet W. @inporn in eeipato {ft foeben erſchienen und 
durch-alle Buchhandlungen zu haben 


Gedenk- und Nnotizenbuch 
für Jugenienre. In Beziehung auf ihre Dienſtver⸗ 
—B8 im Frieden und Kriege n Dr. von Hoyer, 
koͤnigl. preuß: Generalmajor. amd Sngenitueinfpector a. D. 
Mit 4 Zeichnungen. Broſch. 1 Thle. 4 Gr. 
AM vettjen & Ar 1 hlr. 


DANRORNIA. 


Blumenleſe auf dem Felde der neueren magyarifchen Lyrik 

in metrifchen Übertragungen von G. Steinacker, Di 

rector der fläbtifchen weiblichen Erziehungsanſtalt zu Des 
brezin. Broſchirt 12 Sr. 











Soeben haben wir als Fortsetzung versandt: 


Dr. Thomas Graham's 


Lehrbuch der Chemie. 


Bearbeitet 


Dr, Fr, Tuh Qt 
Professor der Chemie am Ele ‚aero au Braunschweig. 
öte bis 7te Lieferun 


mit 83 in den Text eingedruckten Holzschnitten, 
Gr. 8. Fein Velinp. Geb. 1", Tbir. 
Der Subscriptionspreis jeder Lieferung ist 12 Gr., und 
der bei si Vouendung des ganzen ‚Werkes eintretende Laden- 


-t preis 16 Gr. für. jede Lieferung. 


. Über die von Herrn Prof, Otto für zweckmässig er- 
achtete Eintheilung, das Lehrbuch der Chemie, statt wie es 
früber Plan war, in einem Bande,. ia. dr. Bähden 
erscheinen zu lassen, spricht sich derselbe iu einer den ebea 
erschienenen Lieferungen beigegebenen Benachrichtigung aus, 
worauf wir hinzuweisen uns erlauben. 

Braunschweig, den 1. October: 1840. 


Fr. Fieweg:& Bohn. - 





iterarifche Anzeige für die Befiter ber neuem 

Zafchenausgaben von Schiller, Goethe, 

Shakfpeare x., die classische Kiteratur 
des Auslandes betreffend. 


Bei Karl Hofmann in Stuttgart erfihlenen ſoeben 
in eleganten Tafchenausgaben: 


rioſt's raſender Roland, von 9. Kurt; 
ifer Band. Mit 1 Stahl. Broſch. 12 Sr. — 54 Kr. 
Das Ganze befteht aus drei, raſch aufeinander folgenden 
Wänden mit 3 Stabift. und koſtet vollfkändig 1% Thlr. — 3 Fl. 
Seaflo’s betreites Ierufalem, von Wutterihofer. 
if Hälfte. Mit 1 Stahlſt. Broſch. 12 Ge. — 54 Kr. 
(Die 2te Hälfte erfcheint in wenigen Wochen). 
Beide Taſchenausgaben verdienen in Beziehung auf 
Gebiegenheit der Uberſerung, Schönheit ber Ausflattung und 
on t bes Preifes jede Empfehlung Cie fließen ſich 
9 den nachftehenden, kürzlich in derſelben Berlags⸗ 
Bandlung erſchienenen Werken an, deren Werth durch viels 
che Recenfionen anerlannt wurde. 
ei®’S empfindfame Reife, von A. Lewald. Mit 
1 Stahlſt. Broſch. 9 Gr. — 36 Kr. . 
Geldfmith?’s Lanpprebiger, von Wakefield. Mit 
1 Stabi. 12 Gr. — 48 Kr. 
Byronꝰo (Lord) ſaͤmmtliche Werke. 10 Bände. Broſch. 
2 Zhle. 12 Br. — 4 5. 30 Kr. 
‚ R. v., Algemeine Weltgeſchichte. 4 Bände. 
Brofh. 2 Thle. 15 Gr.—4 St. 30 Kr. 
Borräthig in allen foliben Buchhandlungen. 


nen 
BE Iarrabgeseizte Preise. a > 


Solgende werthvolle Werke unferes Verlags find zu 
- den beigefegten ermäßigten Preifen durch alle guten Bud: 
bandlungen zu beziehen: 
Wei, Chriftian Daniel, XAnfeitung zur Kenntniß ber 
allgemeinen Welts und Volkergeſchichte für Stubirenbe. 
1. Theils 1. Hälfte. Zweite, verd. und verm. Aufl. Gr. 8. 
1818. 2. Zheit, 1788. 8. Theil, 1802. 4. Theil, 1807. 
A helle. Fruͤher 9 Ihte. 8 Gr., jent 4 Ihlr. 
I Dei 1. Theils 2. Hälfte iR nie erſchienen. 
Wence, Vames, Reifen zur Gntdedung ber Quellen des 
Nils, in den Jahren 1763873. Aus dem Engliſchen über: 
feat von 3. Ir Boltmann, und mit Zufägen und Anmers 
Zungen begleitet von I. $. Blumenbad und 2.6. Tych⸗ 
fen. 5 Bände. Mit Kupfern und Karten. Gr. 8. 17 
‚und 1791. Früher 12 Thir., jegt 3 Ahle. 
Atco ‚ Jo. Godofr., Antiqua historia ex ipsis 
veterum scriptorum Graecorum narrationibus oontexta. 
IV vol. 8mal. 1811-—18. Früher 10 Thlr. 8 Gr., jetzt 


4 Thlr. 

@sidfmiths, Dliver, Serchichte der Römer; überfegt un 
ergänzt von Ludw. Ih. Kofegarten. i. und 2. Bb. 
Keue verb. Aufl. Gr. 8. 1805. 3. Bd. Zweite Aufl. 
®r. 8. 1821. 4. Bd. Gr. 8. 1802. (Dder Kofegar: 
ten, Geſchichte des oftröm. Kaiſerthums. 1. und 2. 3b.) 
4 Bände. Fraher 5 Thlr. 8 Gr., jest 2 Ahle. 

‚Jos. Geo., Bibliotheca historica. Instructa 
a Burc. Getth. Struvio, aucta a Chr. Budero, nunc vero 
ita digesta aucta et emendata, ut paene novum opus vi-' 
deri possit. XI vol. Smaj. 1782—180%. Früher 23 Thir. 
16 Gr., jetzt 8 Thir 
⸗ Rohz. v., Der Geſt ichten Schweizeriſcher Eid: 
genoffenfcpaft 1.—5. Bandes 1. Abtheil. Reue Aufl. Gr. 8. 
1826. Fraͤher 8 Thlr. 16 Gr., jent 4 Ahle. 









1830. Früher 2 Zhir. 12 Gr., jest 1 Ihle. 12 Br. 

— —, Ürinnerungen, Überblide und Maximen ans ber 
GStaatstunft bes Alterttums in Gemälden aus bem fläbtifchen 
Leben und aus ben Geſchichten unb Berfafjungen der Ph: 
nizier, Griechen, Karthaginenfer und Römer. Ge. 8. 18629. 
Srüger 5 Ihe. 8 Gr., jest 1 Zhir. 12 Gr. 

Thuringia Sacra, sive ria Monasteriorum " praecipwo- 
rum ac maxime illustrium Thuringiae ex Codd. MSS. 
edita et multis dipfomatibus illustrata, auctore Firdd. 

x . or is Dat Thle., jetzt 2 Thlr. 
ittmann, . t ber geiedhiten 

Staatöverfaffungen. Br. 8. 1822. Früher 8 Ahlr. 8 &r., 


Thlr. 

wo, Cheiſt. Dan., Hi oriſche Gemaͤlbe. 1. und 2, 
Berſuch: Heinrich VIII. 8. uch: Ebuard VI. von Eng 
land. 4. Berfuh: Maria, Englands Monardhin. 4 Tpeile. 
8. 1798. Fruͤher 7 Thlr., jet 2 Ahlr. 

— —, ‚Gerichte der Stuarte auf bem engliſchen Zheone. 
4 Theile. 8. 1794-97, Krüper 7 The. 16 Gr. jegt 2 fr. 

— —, Handbuch ber allgemeinen Gtaatswiffe ft dh 
Schlozer's Brundriß bearb. 6 Theile. 17961802. Früher 
9 hir. .20 Er., jegt 2 Ahle. 16 Br. 

Weltgefchichte, Allgemeine, von ber Schöpfung an bis auf ge 
— e Zeit; welche alle bekannte Re und Gtaaten, 
hre Veränderungen, Staatsverfaffungen, Geſetze, Religionen, 
Bitten und Gebraͤuche ıc. begreift; ausgefertigt von Wilh. 
Buthrie, Joh. Bray und andern berüßmten Gelchzter. 
Aus dem Englischen überfept; aus den DOriginalfchriftfleiiere 
berichtiget und verbefiert, mit einer fortlaufenden 3eitrd: 
nung, Bufägen und Anmerkungen durchgehends verfehen, ver 
©. &. Heyne, mit einer Borrede von Dr. I. X Erarfi, 

— 1.—4. Theil, Alte Geſch. von Senne: 

— 5, Theil. in 4 Bänden. Ritter und Meitemseier, Get. 
des orient. Kalſerthums, der alten Ballier, german. Bölker x. 

— — 
.Bd. in theilungen. er i i 

8. ud. Gchroöckh, Geſch. von Italien. 

9. Bd. in 9 Theilen. einrich, Deutſche Neihegid. 




















BEEBEEEEREEE 
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16. Bb. in9 Theilen. Wagner, Geſch bed europ. Rortead. 
17. Bd. in 5 Theilen. . 9. Müller, Geſch. de 


Schweizer. 
Gr. 8. 1766 1808. Früher 90 Thle. 16 Gr., je dt 20 A. 
eeipzis. Weid mann ſche Buchhandlung. 





Durch alle Buchhandlungen und Poftämter iſt zu beziehen: 
Bepertorium der gesammiten deut- 
schen Literatur. Herausgegeben von 
E. &. Gersdorf. 1840. Fünfundzwanzigsten 
Bandes zweites und driftes Heft. (Nr. XIV, XV.) 
Gr. 8. Preis eines Bandes 3 Thlr. ” 
Leipzig, im November 1840. 
5. %. Brock bus. 





als modern, fo 


* Untengeldjeietem iſt PR —* md an ale Buchhandlungen verſaubt: 


eutsch he 


Vierteljahrs⸗Schrift 








fur 1840. 


4te8 Heft, oder Dctober bis December. 
Der Preis des Jahrgangs von 4 Heften ift 12 Fl., ober 7 Thlr. 8 Gr. 
Anhalt: Die Eontroverfe des Pietismus und ber fpecwlativen Theologie in MWürtemberg. — Die ſlawiſchen 


Völker und ihre Verhättniß zu Deutfchland. — Adel und Grundeigenthum. — 
Über bie Errichtung ftaatswirtbfchaftlicher Sacultäten auf den beutfchen Univerfitäten. — Über bie Kalts 


naſten. — 
waſſer⸗ Heilmethobe. — Die deutſchen Gewerbeverein. — 
Stuttgart und Tübingen, im Detober 1840, 


Über deutfchen Unterricht auf Gym⸗ 
ie Hoffnungen unferer Zeit. — Kurze Notizen. 
3. &. Cotta’scher Verlag. 





Soeben iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu 


Schutt. 


Dichtungen 
von 
Huaflafins Grün. 


Vierte vermehrte Auflage. 
Gr. 12. Brofh. 1 Thlr. 
Leipgig, im October 1840, 
Weidmanmſche Buchhandlung. 


X£c => Weihnachts- und Neujahrs- 
geschenk für 6 — — 


Eſthetiſches Lexikon, 


enthaltend: 





Kunfiphilofenhie Plaſtik. 
Poeſie. Graphik. 
Poetik. Architektur 
Rhetorik. Malerei. 
Muſik. Theater 
Jana Jeitteles. 


Gr. 8. 1839. 2 30 Broſch. 4 Thlr. 8 Gr. ! 


Neueſtes, erſtes, volftänbiges äftpetifches Realwoͤrterbuch, 
voll Geiſt unb Grazie, fo gründlich als geſchmackvoll, fo tief 
oöpfend als reigend, fo wahr als Eritifch, fo 
unterhaltend als belehrend, fo „Bothmnendig als bequem. — Auf 
60 Bogen großes Format in 5 rtikeln und Tohandkungen 
FMH und Kunftausbrüde ke na bem neueften wiffenfchafts 

lichen 4 ukte erklaͤrend und berichtigend , ein completes 
Lehrbuch ber ſthetik, eine deutliche Besstunft, eine lichtvolle 


— — — 


Poetik und Rhetorik, ein ausführliches —— der Muflt 
Malerei und des — in ſich faſſend, iſt db ech 
georbnete wahee Encyflopäbie aller Zweige bes 
ſchoͤnen Künfte zum momentanen Nachſchlagen wie 
benden Unterricht für jeden Gelehrten vom Fach, wie für Lis 
teraten, Belletriſten, Dilettanten, Muſiker Maler, ‚ Schaus 
fpielee ıc. als. Lehr⸗, Hauss und Handbuch unentbebrtich. 
Mehr als Beurthettungen in heutfehen franzoͤſiſchen 
und engliſchen Zeitſchriften die tät dieſes Werkes 
anerkannt. — „Seitteles’ Afpetifches 2* ſagt ſelbſt der 
neuefle Bearbeiter bes Artikels Aſthetik im Brockhaue'ſchen Gon⸗ 
verſations⸗Lexikon der Gegenwart, Kr das Befte, was biefe 
ihn In unfern Tagen hervorgebracht hat.‘ 
Beipnachtögefjenten kann baber nichts Angemefleneres 
empfohlen werben. 
Wien, im November 1840, 


Braumäüller & Seidel. 
Herabgefepter reis 
Bibliothek des Srohsinns! 


40 Bände in X Sectionen, ſchoͤn broſchirt, flatt 10 The. 
für 4 Thlr. — flatt. 16 Fl. für 6 Fl. 


Veranlaßt buch he e Rudahmu en, —— * ber 
Verleger bewogen, © s Ende 1 —Aã en 
Preis bei Abnahme ber ganzen —— zu ln 
ebenfo mannichfaltige als anerkannt werthoolle Inhalt 7* 
aus 4000 Anekboten von Regenten, Staatsmännern, 
herren, Gelehrten, Kuͤnſtlern, Arzten, und vermiſchten —28 — 
fobann aus einer großen Sammlung Gpigtamme, Bräthfel, Trades 
ſtien und Parodien, Sprädwörter (6000), Tomifchen ehefen, 
Zeitungsanzeigen, humoriftifi € Blumenlefe, Guriofitäten, Voſte⸗ 
lieder aller Kationen, mär F Scenen aus Luſtſpielen, Poſ⸗ 
fen, Vaudevilles u. ſ. w 

Einzelne Theile behalten ven bisherigen Preis, 

A As Weihnachtsgeſchenk durfte dieſe Unterhaltung⸗⸗· 
Bibliothek beſonders willkommen gei N 

Stuttgart, im Rovember 1840, 


3.98. Köhler. 





* 





Rene ſchonwiffenſchaftläͤche uund hiſoriſche Dhriften 


im Verlage von 
F. A. Brockhaus in Zeipzig. 


Alegies (RB), Per Roland von Westin. Gin 
Roman. Drei Bönte. 3. Sch. 6 Thir. 
Gorbelia. Bon btr Berfafferin von E Agnes von Lilien”, 
* Theile. 8. Geh. 3 Thlr. 85 © 
gen (Kuguft), „Rünfier Gefgigten. Erſte⸗ 
viertes Baͤndchen. Gr. Geh. 
I. II. Die Chronik feiner —* vom Florentiner Lorenz 
Ghiberti, dem berühmteflen Bildgießer des 15. Jahr⸗ 
hunderte. 1833, 3 Thlr. 
DI. Die Wunder der h. Katharina von Siena. 1840, 
1 Ahlr. 12 @r. 
„IV. Seonharb da Vinci in Mailand. 1840, 1 Thir. 12 Gr. 
Wkinien aus bem Sltagsieben. Aus dem Schwediſchen. 


. Die 1e Kalter b bes Deäfidenten. Erzaͤhlung einer Gouver⸗ 
nante. 1838. 1 hlr. 16 Gr. 
u. u: ie Rachbarn, Go Theile. 1889. 3 Thlr. 
IV. V. Dad Haus, ober re und Samilienfreuben. 
et Theile, "TER, 


—— es Gin), ), Senfeits bes Berge. 


——“ * he in en fräher bei mir: „Be: | 
dichte“ (BBB5, 1 Xhle, 182 Er); „Neue Gedichte“ (1836, 
. 43* Pe „Venetianiſche Nähte” Ge Meilend A R te Sirif 
eage baur . ende 
in: Nitalien. s 0, gm en ungen, (as vermebete Berfafen, Folge a iq Mit m Bild niſſe dei 





N, 





Wirte ie, © Dee PIERRE Cini Fänf Kcten, 


Dos heinfelden Berfaffer find früher in Tmeleen Berlage ber 
ausgekommen: „Theodor“, ein Roman (1833, 1 Ahir. 28 Gr.); 
„Hermann, ein Roman (1834, 1 Thlr. 6‘&r.); „Drei Trauer: 
fpiete” (dEB6, 1 Thlx. 12 8r.); „Drei Dramen (1U86, 1b. 
6 Sr); „Friebrich“, ein Roman. (1886, 1 Thlr. 13 Er). 


Apel (Theobor), Sedichte 8. Geh. 1 Thir. 
Branfı (Bud. Füg.), "Gebiete, 8. Ge. 
*. 


8833e5 (Botthitf eine. n.), Die Bym 
bolit des Axape An: , hen anb ver 
mehrte Auflage. nem- Anhange: and : dem: Madkafie 
eines Bifionairs >: 5 Dieelin ; ewtſenes Pfarrers 

im Gteinthale, und einem Fragment "über die orred⸗ des 


aden Gr. 8. 1 The. 12 Sr. 
nzein iſt auch zu haben: — 


Berichte eines Viſtonairs über dem Bußenbider > Made vo 
dem Zobe. Aus dem Radlafie Johann FErtebrid 
— — enen Pfarrers un thale, —— 
von G. pe fl Eragment: 

Sprache d achen⸗. Gr. 8. m 34 


Schubert ¶(Friedr. 








Stuttgart. 

Ein Wort über aninalischen Magmetioms, 
Seelenlörper und. Lebenkessenzz; nebst Be- 
schreibung des ideo-sommambälen Zustandes des Fräuleiss 
Therese v. ey zu Vasarhely i im J. 1888, und einem An- 
hang. Beobachtet, geschrieben und gegeben von Hvan: 
Graf v. Bereıcy. Gr. 8. Geh. 1 Thir, 


Hranie., —— auf —— nn tt Deren Folge. 

tter Jahrgang. em nifie Karl Krie & 

8. Sart. 1 Thle. 16 Gr. % Eefhng 
Von frühere Sahrgängen ber Urania ſind nur ode eimgelz 

GEremplare von 1831—38 verraͤthig, bie im Be 

Mreife zu 16 Sr. der Jahrgang abgelaffen werben. Die Jahrgänge 

1839 und 1840, oder der Neuen Folge erſter unb zweiter Sahrgazs. 

toften jeder 1 hir. 12 Gr. 

Biflorifches Vafchen buch. Herausgegeben v. 
aumer. ne Folge. Zweiter Jahrgang.” Er. 12. Gart. 


Die ide Pr bed Hiſtoriſchen Taſchenbuchs beſteht aus jebe 
Jahrgaͤngen (180 — 39), die im Ladenpreiſe 19 Thlr. 16 Sr. keſten. 
Ich erlaſſe aber fowol der erſten bis fünften (1630 — 36) als ber 
festen bis zehnten Jahrgang tür tan j 

sufammengenommen Thaler, 
fobaß die ganze Folge gehn Thaler koſtet. Cinzeln "ort jes 
der biefer zehn Jahrgaͤnge 1 Apr. 8 Gr., der erfie Sabrgans 
der Neuen Folge 3 Xhlr. 


Thlr. 
‚Baumer ( ziebr. v.), Dtalien. Beitzöge au erfien 1823-26 in der J. G. SGotte'ſchen — æ in 
‘ Renntni es Eandes. Zwei Theile. Gr. en. 


4 Ihlr. s 
che Briefe von einem Ylorentiner. 193738. 
‚Zwei Theile. Er. 12%, Geh. 4 Thir. 12 Er. 


ar ern 8. Ch., Freiherr v.), Kritik bes Möller: 
to. Mit praktiſcher Anwendung auf unfere Zeit. Gr. 8. 
Sr 1 Thir. 20. Gr. 

Barnbugen ©. Onfe (8. %.), PBentwürbig- 
Peiten und vermifchte Schriften. Fünfter Band, ober: 
Neue Folge erfier Band. Gr. 8. Geh. 2 Thlr. 12 Or. 
Die erſte Bolge dieſer Denkwuͤrdigkelten erſchien in 4 Bänden 

1837 — 38 bei 9. Doff in Manheim, 


 Altdeutsche Blätter von Morlts Haupt und 
 Meinrich ‚Z@o #. Erster und zweiter Band. 





- 1835-40. Ger. 4 Thir. 12'Gr. 





er der 
Kberficht ver Lieder ——e — Bbiterſchaften. Br. 8. 
3 Thin 12 Sr. 
— , Die Nndstheit der Richer Dffien’s und bes 
Marpherfon’fchen Offian's insbeſondere. Gr. 8. Geh. 16 Gr. 


euer (Sriedr. v.), GSeſchichte Dee Pohen⸗ 
Naufen un a inter . — verbeſſerte umb ver⸗ 
wehrte Auflage. In ne Bänden oder 24 Lieferungen. Gefker 
Band oder erſte bis vierte Lieferung. Preis ber 
Lieferung auf Belimp. 12 Gr., bed Bandes 2 Ihlr.; 
aufertrafeinem Belinp. bie Lieferung 1 Ihe), der 





de bramatifcher Origiualien. DBrransgegeben 
von Dr. dene. Fünfter —— Dit einem Bildnis 
und acht eolorirten Goftümbilbern 3 Thlr. 16 Br. 
Band % Thlr. Der erſte Jahrgang koſtet 3 Thlr. 8 Gr., er zweite 3 Tr, 
Jeden Monat erfcheint eine Lieferung, alle vier Dionate ein Band. ber dritte 2 Thlr. 18 Gr., ber vierte 8 Tblr. 


Drud und Berlag von $. U Brodhaus in Leipzig n 


[5 











200 Seiten in Quarto, enthaltend 600 Columnen Tert. 


Literariſche: 


1840. Nr. 


—— — — —— — — — — —— — 
Dieſer Literariſche Anzeiger wird den bei F. A. Brockhaus in 


riſche uüͤnterhaltung und Iſts beigelegt oder beigehef 
oder deren Rau 


In allen Buchhandlung 





Siſtoriſches 


Heraudgi 

. | von 
Friedrich vo 

Neue Folge. Zwı 

Gr. 12, Cartomnitt. 

Inhalt: I. Die Sitalienbrüder. Bon F. 
Ewipides. Von P. 9. Raumer. — II. üb 
Verhältniß zur Poefie. Eine Skizze von B. TE 
und diplomatifche Verhältniffe. 1260 —1550. % 


feine Mitbewerber, oder die Briefdrucker und die Bıı 
(Mit'zwei Tafeln Schriftproben.) 


Die erfte Folge des Hiftorifchen Taſchenbuchs 
im Ladenpreife 19 Thlr. 16 Gr. often. Ich erlaffe 
als den fechöten bis zehnten (1835 — 39) zuſamu 
die ganze Folge sche Thaler koſtet. Einzeln I: 
der erfte Sahrgang der Neuen Folge 2 Thlr. 
Eeipzig, im November 1840. 


j Gerabgefegter Preis J 
einer ſchoͤnen 


Dolyglott-Ausgaber |: 
Silvio Pellico le mie prigioni. 
Italieniſch — deutſch — franzöfifch 


in dreifachen Colummen nebeneinander, gedrudt; mit | ı 
neuen Lettern, ganz correct, auf feinem Drudpapter. | ! 
( 
‘ 





- Statt 1 The. 18 Sr. nur 20 Gr., flott 3 Fl. nur 
15.20 Kt. 


Diefe Ausgabe gehört zu den fchönften PolyglottsAusgaben 
Deutſchlands; ihre Verbreitung wurde leider durch Genfurver- 
hältniffe vieler Staaten ſehr gehemmt, obwol Pellico's 
Schrift, weit entfernt von revolutionnairer Tendenz, ſich durch 
wahre veligiöfe Demuth eines Dulders bei 1Ojährigen Leiden 
auszeichnet. Die Sprache ift edel und rein, bie frangöfifche 


v . 


O©estreichische militairische Zeitschrift. 
Paͤnumeration auf ben Jahrgang 1841. 
Die Buchhandlung WBraumüller & Geidel in Bien 
im Haufe der Öftreihiicen Sparkaffe hat den Vertrieb biefer 
if im Wege des Buchhandels übernommen. 
Sie erfucht die Buchhandlungen des Ins und Auslanbes, 
ihre Beftellungen für ben Jahrgang 1841 ihe balbigft mitzus 
deilen. @ie wird bie Beranfaltung treffen, daß biefer Sal 
ng in allen Buchhandlungen Deutihlands um acht Thaler 
ach ſiſch zu Haben fein wird. 
Die Altern Zahegänge biefer Zeitſchrift werden eben allda, 
vom 1. Januar 1841 an, um folgende Preife zu- erhalten fein: 
Die dritte Auflage der vereinten Jahrgänge 1811, 
und 1818, in vier Bänden, für 10 81. &.:M., oder 6 Thlr. 
16 ©. Eädfiih. 
Jeder der einzelnen Jahrgänge 1818—39, in fo lange 
disteden FH — find, 10 $1. G.sM., oder 6 Thir. 
2 s 
ae Zapıgang 1840 für 12 Bl. G.⸗M., ober 8 Thir. 
Bei Abnahme einer ganzen Sammlung ber ältern Jahr: 
Hänge wicb gwar bie dritte Auflage der Dereinten 1811, 1812 
und 1818 au) zu 6 Thir. 16 @r., bagegen jeber der Jahr: 
jänge von 1818 bis einfdläffig 1859 nur zu 5 Thir. 8 Gr. 


et. 
Wien, im Rovember 1840, 
Braumüller & Seibel, 


Durch alle Buchhandlungen iſt zu erhalten: 
M. %. Eicero’s 
fämmtlide Briefe, 


überfegt und erläutert 
v 


on 
€ AM. Wieland. 

Elegante Taſchenausgabe in 12 Bänden. 
GSubferiptionspreis 4 Zhte., ober 7 81. 12 Kr. Rhein. 
Leipzig 1841. Friedrich Fleiſcher. 

Die 3 erften Bände find erſchienen, und werben bie Übti- 
gen Bände im Januar, April und Juni 1841 vonftändig 
unb ſicher erfgeinen. Die Zahlung braucht jegt nur zur Hälfte, 
die andere Hälfte bei Empfang des 7.9. Theils geleiftet zu 
werden. In Bormat und Ausflattung fehließt ſich dieſe Aus: 
‚gabe ganz der neuen, jett von &. M. Wieland’s Werten ers 
fchienenen,, vonftändig an. Der Verleger glaubt zur Empfehs 
Iung eines Wertes, das zwei ber gubßten —S— 
der alten und neuen Zeit an ber Gpite trägt, nichts binzufüs 

‚u dürfen, und bemerkt nur, daß, ba bie ledte Ausgabe 

be in gr. 8.) 12 Ihaler Boftet, wol eigentlich erft jeht 
der gänftige Zeitpunkt ber allgemeinften Berbreitung eingetreten 
it, der durch Bewährung eines Freiexemplars auf 12 
plare gern noch unterftügt werben ſoll. 








Wohlfeile Ausgabe. 


Ale Buchhandlungen des Ins und Auslandes nehmen Bes 
fellungen an, auf die wohlfeile Ausgabe von 


G. €, Kessing’s 


Detan- Ausgabe in 8 Bänden 






Werke, 


die Gelegenheit, die Weste eines De erflen Glaffi- 


—*— 
— ——— 


Die Großboctav-Ausgabe von Leſſing's 
Schriften, herausgegeben von Karl Lachmang, 
12 Bände auf Velinpapier mit Portrait in Stahiſtich, 
koſtet jegt im Labdenpreife 16 Thle. — und ber dazu ge 
börige Supplementband 1 Thlt. 10&gr., ober 8 9Gr. 

Berlin, den 1. November 1840. 

Moß’ige Buchhandlung. 





Bei Karl Hoffmann in Stuttgart iſt forben er⸗ 
ſchienen und in jeder ſoliden Buchhandlung zu haben: 
Biger, F., Philoſophie des Privatrechts 

Ein Beitrag zur Rechtsphiloſophie. Gr. 8. 

Broſch. 12 Gr. — 48 Kr. 

De B dı jr fs 
gate Gm bie Betoltiäkie vr Auhtagufe I don 
Rechte des Gigenthums, des Ba 6 und der Bamilie, im 
Sinne der neuern Philofophie, barzuftellen. Indem er barin 
neben ber philofophifgen Entwidelung einer vergleichenden Mufs 
faffung der betreffenden pofitiven Rechtsinftitute befondere Auf⸗ 
merkfamkeit ſchenkt, wird feine Schrift für den Freund bes po⸗ 
fitiven wie des philoſophiſchen Rechts von Intereſſe fein. 


BSonrnalcirkel und Xesegesellschaften 
machen wir auf die befannte, ae ef 
riginalien. 
Aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunft, Laune und 


Phantaſie herausgegeben von Geo 
Preis 6 The. Saͤchſ. 
aufmerffam, und bitten um frühzeitige Beſtellungen für 1841 





ee 
Heroldꝰſche Buchhandlung. 
Durch ale Buch» und Kunftpandlungen iſt von mir zu 


beziehen das Milduii von , , 
Karl Friedrich Lessing. 
Geftochen nad) dem Gemälde von I. Hübner 
von Th. Langer. 


Dieſes Bildniß, das für das ähnlichfte des au 
Künfters gilt, ziert den —S 1841 ber gen 
es find davon einige befonbere Abbrüde auf großem Papfer zu 
dem Preife von 8 Gr. veranftaltet worden. 

In meinem a ferner nachſtehende Bilh: 


N 


In —R find ſveben erſchienen und an alle Buchhan 


Ki eisen und Lände 


der aͤltern unden 
Zwangigfte Ei 


Reie 
auf den griechifhen Sufein 


Dr. Ludwi 

Erfter 3 

Enthaltend Syros, Tenos, Delos, Rhenaͤa, Naxos, Paro 

Seriphos, Siphnos, vholegandro 

Mit zwei fi: 

Sr 8. Broſch. Preis 2 St. 15 

Die Inſeln des ägäifchen Meeres find bisher auf eine auffall 

glauben daher auf eine um fo günftigere Aufnahme gegenwärtiger Schı 

macht, nach einem mehrjährigen Studium ein möglichft treues Wild ber. Ky 

derfelben in @efchichte und Kunft, zu entwerfen. Ebenſo dürfte der weit 

ins Klare zu bringen, und bie Zufammenftellung der biefelben betreff 
bisher über biefe Fragen herrſchenden Verwircung, Intereſſe erregen. 

Stuttgart und Zübingen, im Dctober 1840, 





Auch unter dem befondern Zitel: 











SE Werabgesenzte gesetzte Prrie. DE | 


Folgende werthoolle Werke unſers Verlags find zu | 3 
den beigefegten ermäßigten Preifen durch alle guten Buch: | 
handlungen zu beziehen: = 

eid, ©. C. E., Theorie der Gartenkunſt. 5 Bde. ! 
H Pen, Kupfern &r.%. 1779—85. Früher 18 Thlr. 8 Gr., 
eg T. 
' der, Chr. G., Allgemeines Gelehrten s Lexikon. 4 Bde., 
und Abelung’s Borcienun 2Bbe. &r.4. 175087, Früher | 
25 Thir. 8 Gr., jegt 8 Thir. | 
Sörebens, Karl Peinvich, Berikon deutſcher Dichter und E 
E Dr aiften; enthaltend kurze Biographien der GSchriftfteller, 
I Angei ge ber Quellen, beögleichen eine Charakteriftik | 
erben ‚, befonders aber Nachrichten von ihren Werten, bes | 
zen Ausgaben und Inhalte der wichtigften, ſowie eine Rach⸗ | 
welfung ber v orzäglicten Öffentlichen Beurtbeilungen und 
andern Literarnotizen. 6 Bbe. Gr. 8. 1806— 12, Früher | 
15 Thlr. 9 Br., jest 6 Ihe. A 
Muſenalmanach, Deutſcher. 1.—3. Jahrg. 1830 — 82; her⸗ 
aus egeben von mad. Wendt. 4. — 10. Ja v9. für 
33 — 39; herausgegeben von U. 9. Chamiſſo und | 
| web. Mit den Portraits von Goethe, Tieck, | 
* ». v. Schlegel, Chamiſſo, Rückert, Schwab, Uhland, 1 
Or Pre Paten. 10 Bde. 16. Brüher 15 Thlr., 
| eht 
Ä —8 6,08, Einleitung in bie fhönen Wiffenfchaften. . 
Ra dem Franzoͤſiſchen des gern. oatteur, mit Zuſaͤtzen ver: | 
mehrt. 4 Bde. Bünfte verb. Aufl. 8. 180%. Früher | 
2 able. je an a \ 
| mes, © „ Schriften. Reue verb. auf. 2 Thle. 8. 
‚ 1786, ber 1 Thlr. 8 Gr., jet 20 








Geben iſt erfchienen : | \ 
eng: 








enb umb 
loyd's, 4. E., Theoretiſch⸗ praktiſche fo bas Khöne Bilh vollenbenb., Der Drud bes Werks if pradie- 
ſche Sprachlehre für Deutſche. Mit me em 16 jan Ki ienen Etabifide bilden ein Album, 0m 

er n 


faßlichen Übungen nad) den Regeln ber Sprache 

verſehen. Sechste verbefjerte Auflage. 

8. 1841. 22 Gr. J 
= Hamburg, Verlag von A. Campe. 


Zu ee Srockhans in Eeipzig. 


—C————————, llllll —— 
*. - 
Ehier- und Bögel- Angen 
um Gebrauch beim Ausbalgen von Thieren und Vögeln, be: 
e ich in allen Größen und in verfchtebenen Arten, fowol 
planconvere von weißem Glafe, bie 
auf der Ruͤckſeite gemalt werden; bann ſchwarze Kugeln, wie 
auch farbige von Gmail, und Inſektennadeln verſchiedener 
Größe, zu billigen Preiſen, ſowol im Detail ald en gros zum 

Biederverkauf. 
Sreiövergeichnifie, worin bie verſchiedenen Größen der Nu- 
meros abgegeichnet find, ſtehen atis zu Dienſten. 
. . ert Sohn 
in Frankfurt a. M. 


ö—— — — — 
Soeben iſt bei Franke in Leipzig erſchie⸗ 


nen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Marie Eapelle 
Charles Lafarge’d Lob, 


Roman aus der neueften Zeit 


maffive weiße, halbrunde, 


n 
Sultan Ehownitz. 

Drei Bände. Infaubern Umſchlag geh. Preis 2 Thlr. 18 Gr. 
VBorſtehendes Werk, welches ben berühmten Proceß ber 
Madame Lafarge, ber in ber neueften Beit die Aufmerkſam⸗ 
Zeit von gang Europa im hoͤchſten Grade erregt at, behandelt, 
dürfte zu ben intereffanteften Iiterarifchen Erſcheinungen ges 

werben, weshalb wir baffelbe allen Gebilbeten als eine 


hit 
Schft anziehende und unterhaltende Lecture empfehlen koͤnnen. 


Oberrheiniſche Sagen 
und Volkslieder 


geſammelt und herausgegeben 
von 


August Stöber. 
Mit 12 Stahlumeiffen. Royaloctav. Velinpapier. 


- Deutfher Gang aus dem Elſaß iſt uns Deutichen wills 
Bommen; doppelt willtommen aber, wenn er und. nführt in 


- bie tieblichen Sagen, welche noch im deutfchen Stamm bes jen= |- 


feitigen Oberrheins leben, wenn uns die anmuthigen und heis 
mif Klänge beutfcher Volkslieder in das feifche, naive und 
bantaflevolle Volkeleben bes. Eiſaſſes verſezen. Schmerz und 

ube müffen ſich in deutſchen Herzen miſchen, wenn zwifchen 
Maffengeräuf und Kriegsbrohung der beutfche Gruß vom ans 
dern Ufer herüberfchallt. 

Wir erhalten hier die fhönften Sagen bes Elſaſſes thells 
in den poetiichen Bearbeitungen unferer anerfannteften Dichter 
Goethe, Schilter, Arnim, Rüdert, Shamiffo u.f.w., 
theils In neuen Bearbeitungen meiſt elfaffifcher Dichter, welche 
ich diefen wärbig anſchließen; dazwiſchen Volkslieder, Kinder⸗ 
und Hausliedchen. aus dem Munde bes Volks niedergefchrieben, 


einen Gtahlumriß in 2., und Eoflet im Gubf 
8 Er. (10 Sgr.) — Auf jehn Eremplare wird eines gratis 
gegeben. — Zert und Bilder erfcheinen feparat; zu ben legterm 
ald eigenes Album, wird ein Zitel und Umſchlag _ 
Gin er rag ber a Kenn in jeder Buchanb- 
ung eingefehen werden. — d Berkes tri 
ein ee Ladenpreis En net ollendung bes tritt 
er ngen find ts d 
kungen ae gen fin fertig und an alle Buchhanb- 
Akadem. Bellogshandlung von &. J. inter 
iin Heldelberg. 





In unferm Verlage if foeben erfähjenen : 
Gedichte 


von 
Gruft M Arudt. 
Neue verbeſſerte 
verminderte und doch vermehrte 
Ausgabe. 
Broſchirt. Preis 2 Thlr. 


Vor Kurzem iſt fertig geworben: - 
Erinnerungen aus dem aͤußern Leben von Eznuſt Mo— 
rudt. Zweite unveraͤnderte Auflage. it 
Arndt's Bitdniß. Cartonnitt. Preis 2 he. 
und früher: . 
Schwediſche Geſchichten unter Guſtav dem Dritten, vor 
zuͤglich aber unter Guſtav dem Vierten Abolf. Bon 
. MR. Hendt, Dres 3 Thlr. 
Leipzig, 13. November 1840. 
Weidmann’ihe Buchhandlung. 





Bei mir iſt erfchienen und durch alle Buchhandlungen des 


ns und Auslandes zu beziehen: 
Geschichte der Mohenstaufen 


und ihrer Zeit 
von 
Friedrich von Raumer. 


Zweite verbeſſerte und vermehrte Auflage. 
In 6 Bänden oder 24 Fieferungen. 
Erfter Band oder erſte bis vierte Lieferung. 


Katgabe Ar. 1 Subferiptionpreik 

usgade Nr. auf gutem Mafchinenvelinpapt 

bie Bieferung * Gr., nie) Banb —* 

Ausgabe Nr. 2, auf extrafeinem Velinpapier 

—— — 

eben Mon ‚eine un 

vier Monate ein . ieſernvs. ale 
Eeipzig, im November 1840, 
q 5. %. Brockhaus. 


Drud und Verlag von $. 4. Brodhaus in Leipzig. 
isst EEE — —— 














Literariſcher 
1840. Nr. 


Diefer eiterarifähe Anzeiger wird den bei F. A. Brodhaus in 
ü rifhe Unterhaltung und Ifis beigelegt oder beigehi 

















Eomversafions-Kezik 


Ein für fich beftehended und i 


zugleich ein Supplement zur achten 2 
fowie zu jeder frühern, zu allen Rad) 


Heunundjwanjigstes Hett, * 
Seavbole bi 


Jedes Se ef Drudpapier S Gr., auf Sa 


ie und Ehnufbielerinnen, — —2 diu⸗ re 
Schele (Georg Victor Friedr. Dietrich, eip. v. — Schell! 
Berthold v.). — Scherr (Thomas Ignaz). — Schildener 
Georg Ferd.). — eat er (Iohannes v.). — ESchleiers 
hannes, Freih. chleswig⸗ Dolfiein. — eEdliel 
SchmeRer (Rob, —E — * (38 Heinr. Th.). 


iber —88 Schriftſtelerei — — a 
su ern Bi). Schuilehrerfeminare. | 
Su (Niels Stodfieth). - — Schultze (Karl Aug. Sigmum 


Reipsig, im December 1840. 





Im Verlage von Ed. Leibrock in ı Brauns chweig 
ist erschienen : 

Sowerby, ., Mineralconchologie Grossbritannien, 
oder ausgemalte Abbildungen und Beschreibung der 
Schalthierüberreste, welche zu verschiedenen Zeiten 

und in verschiedenen Tiefen der Erde erhalten wor- 
den sind. Deutsche Bearbeitung, durchgesehen und 
bevorwortet von L. Agassiz. 1—-Illte Lieferung. 
Jede mit 21 Tafeln colorirter Abbildungen, Roy.-8.- 

“ Brosch. 

Jede Lieferung kostet 8 Thir. Das Ganze wird aus 

8 Lieferungen bestehen und die Fortsetzung rasch geliefert. 


&ubity Volks- Kalender für 1841, 
mit 120 vortrefflichen Bildern geziert. 
(Preis 12%, Sgr.; 10 g@r. Saͤchſ.; 45 Kr. Rhein.) 


Diefes a gemein beliebte Volksbuch, als ber unterhal- 
tendfte und nüglichfte der erſcheinenden Wolke s Kalender aner- 


m m, — 





Tannt, im Jahrgange 1841 feine ſechs Vorgaͤnger beimeltem 
übertreffend, fehlte eine Zeit lang; jegt aber iſt derſelde 












verd alle 135 ente Mohimu⸗ iſt gay 
gazin 


Das Pfkeunig⸗ Ma 
fuͤr Verbreitung gemeinnuͤtziger Kenntniſſe. 


1340. November. Ne. 397 — 400. 


Me. 897. *Gotthold Ephraim Leſſing. Sir Joſua 
Reynolds. Kurzer Abriß der Seſchichte der Buchdruckerkunſt. 
Der Mann von ſechs Frauen. * Nizza. — Mr. 398. * Etwas 
über den Tanz im Deorgenlande. Kurzer Abriß ber Gedichte 
* Buchdruckerkunſt. (Fortſetzung.) * Die Sternwarte gu Delhi. 
Betent, Notiz. "Lade Giger Stanhope. — Mr. 899. * Skizzen 
. aus Tunis. Kurzer Abriß ber Geſchichte der Buchdruckerkunſt. 

(Geſchluß.) * Quarantaineanſtalten. Lady Eſther Stanhope. 
GSeſchiuß.) * Die Märkte in Petersburg. — Mr. 400. "Bir: 
gilius. in geiftlicher Dieb. Die chineſiſchen Fahrzeuge. * Der 
Herzog von Wellington und fein Schild. John Davidſon. 
Selifame Art, die Kühe mit Wildpret zu verſorgen. Be: 
nugting der Luft der Pferbeflälle. _ 

Die mit. * begeichneten Auffäge enthalten eine 
ne ereh Sahepangs vo Po 2 She Der 

s8 biefes Jahrgangs von ummern .—_ 
Preis ber erften fünf Sahrgänge von 1838337, Nr. 1—248 
enthaltend, ift von 9 Thlr. 12 Er. auf 5 Tpie, ermäßigt. 
Einzeln Eoftet jeder biefer Jahrgänge 1 Thlr. 8 Gr.; bie Jahr⸗ 
Gänge 1838 und 1839 koſten jeder 2 Thlr. 

Eeinzig, im Deeember 1840. 

3. A. Vrockhaus. 


——— — — — ———— — 
In der K. Gerold'ſchen Buchhandlung in Wien iſt 
chienen und in allen Buchhandlungen Deutfchtands zu haben: 


Zahrbächer der Literatur. Einundneunzigfter Band. 


1840. Juli. Auguft. September. 
—JInhalt. 

Art. I. 1) Lehrbuch einer allgemeinen Literargeſchichte aller 

bekannten Völker der Welt, von der Alteſten 

bis auf bie neueſte Zeit, von Dr. Sröße 
Dresden unb Leipzig 1887. 

%) Introduction to the literature of Europe in 
the fifteenth, sixteenth, and seventeenth. 
centuries, by Merry Hallam. London 1839. 
11. Notitia Dignitatum et Administrationum omnium 
> tam civilium quam militerium, in ibus Orien- 
tis et Occidentis. Ad codd. mass. Monachiensium, 
Romani, Parisiensium ac Vindobonensis editorum- 
que fidem recensuit, tabulis ad cod. ms. biblioth, 
reg. Palatin. Monachiens. depictis, commenta- 
rüs indicibusque illustravit, libellos rovinciarum 
Romanarum et Gallicanarum, Hieroclis Zuv&x9n- 
0», Urbium Romae et C. P. descriptlones, de 
icis machinis commentarium aliaque addidit 

Eduardus B . Bonnae 1839. 

II. Kurs Mainz in ber Epoche von 1672. Won Dr. 
Buhrauer. Zwei Theile. Hamburg 1839. 

- IV. Die Sprüdmwörter und Sinnreden des deutſchen 
Bofkes in alter und neuer Beit. Zum erflen Male 
aus ben Quellen gefchöpft, erläutert und mit Einlel⸗ 
tung verfehen von 3. Eiſele in. Freiburg 1840. 

V. Dr. J. ©. A. Heyſe's ausführliches eehebud 
der deutfchen Sprache. Neu bearbeitet von Dr. K. 
. 8 Seyſe. Erſter Band. Hanover 1858. 

VI. Die deutfchen Päpfte. Rad Handichriftiichen und 
gedruckten Quellen verfaßt von Höfler. Erſte 

“md zweite Abtheilung. Regensburg 1839. 

VH. Seſchichte der osmaniſchen Dichtlunft bis auf un: 
fere Zeit, mit einer Blütenlefe aus zweitauſend⸗ 
weihundert Dichtern, von Hammer: Purgs 
Karl. Vier Bände. Peſth 1836 —38. 











Art, VIIL Gaͤl unb Balbul, das ik: Wofe unb. % 
Kafti. in dad it: De & ea Ye 

ausgegeben unb deutſch Güberfeht b ofepb von. 

Hammer. Pefl und Leipzig in Eomimiffton 1334. 

IX. —X Heine übertubwig Börne. Hau⸗ 
urg . - 

X. Alerander Puſchkin's Didtungen. Aus bem 
Kuſſiſchen überfeht von ee. iĩpʒi 
1840, Zwei Theile. 

XI. Richard Savage. Ein Genrebilb von Dr. Heint. 
Döring. Jena 1840. 

XII. Commentar Joh. Ladislaw Pyrker's 

Werken, vop Soͤller. Augsburg. 1840. 

XIII. Hiſtoriſche Volkelieder aus ben 16. und 17. Jahr⸗ 
hundert, nach den in der k. Hof⸗ unb Staates 
ee zu —* borhanbenen fliegenden Btlät: 
ern gefammelt unb herausgegeben von . Mar 
Coͤrner. Gtuttgart 1 vb 


Inhalt des Anzeige: Blattes Ne. XCI. 


Andeutungen über bie von ber Löniglichen Bibliothef zu Paris 


an arabifchen, perſiſchen und türkifchen Handſchriften in ber 
neueften Zeit gemachten Erwerbungen. Bon Suflav Klü: 
gel. (Fortſetzung.) 

1) De la poe&sie chretienne Par A. F.- Ris. 
l’art, peinture. Paris 1837, 

2) Memorie storiche delle arti e degli artisti della Marca 
di Ancona del marchese Amico Ricci. Tom. II. Mace- 
rata 1884. ' ‚ 

3) Di Bernardino Pinturicchio, pittore Perugino, Memnorie 
raccolte e pubblicate da @. B. Vermiglioli. Perugia 1337. 

4) Della vita e delle opere, di Pietro Faanucc. mmen- 
tario storico del Prof. Antonio Mezzanotie. Perugia 1837, 
(Bortfegung.) 

Blumenlefe über das ethiihe Staattprincip. 


Forme de 





Bei G. B. Adnig in Bonn veben: erſchienen uns 
duch ne zu pr ſoede * 
Kälidäsae Meghadüta et Sringars- 

tilaka, ex recensione_Joannis Gildemeisteri. 

Additam est Glossariam. Gr, 8. 2 Thir. 

Malavika et Agnimitra drama indiem 

Kälidäsae. ad scriptum. Testum primus. edidit, in 

. latinum convertit, varietatem scripturae_ et  annota- 
tiones adjecit Otto Fridericus Tullberg. Lex.-8. 

2 Thlr, 12 Gr. 

Pänini’s acht Bücher grammatischer Re- 
ein. Herausgegeben und erläutert von Dr. Otto 

Böhtlingk. 2 Bände. Gr. 8. Cart. 20 Thir. 

Band I enthält: 
Die sütra’s mit Imdifchen Scholien. 
Band II: 

Die Einleitung, den Gommentar, bie Erklärung ber 
‚grammatifchen Ausbrüde, alphabetiſches Verzeichnij 
der sütra’s und einen Ganapâtha. 

Badices linguae sanscritae, ad decreta 

.grammaticorum definitae atgüe copia exemplorum 
axgnisitiorum illustratae. Ed: N. O. Westerggard. 
Dean». Lex. -8&. .iste.Abtbeilung. 2 Thlr. 8 Gr. 
Die zweite und lette Abtheilung erſcheint dis zum 1. Fe⸗ 

bruar 1841. 

eber’s, Dr. M. 3, Handbuch ber Zergliederungs: 
Kunde ‚und = Kunft- des menſchlichen Körpers. Ilten 

- Bandes tes Heft. 20 Sr. . 

Das Wert wird bis Oſtern 1841 ‚vollendet fein. 














Boeben ist erschienen und nehmen alle Buch- und Mas 


-Möthode des Methodes de Pis 
Die vollständigste 


oder die Kunst’ des Pianofortespiels, als . as 
Werke dieser 1 Gattun; tung, insb 
Bach, Marpurg, Türk üller , such, 
9 " und Par 
sowie der Vergleichung und Würdigung der versch 
testen Meiste 


Anfangsübungen und for 

vor Moscheles, Czerny, Crau 

und neuen für Spielor höherer Aı 

von F. Chopin, Th. Döhler, Heller, Ad. Hense 
Miescheles, Taubert 

Für die königl, Conversatorien und M 


J. MOSCHELES 
Auch mit fransösi 

"9 Lieferungen (jede von 6 Bogen) in gr. Folioformät. 
Von Neujahr an tritt der gewölinliche Ladenpreis von 1 1 
Der Titel des Werkes gibt einen anschaulichen Begriff, 
Pi) mit dieser zu vergleichen wäre; sie nimmt einen durchauw 

ie ist 

‚eine gedrängte, durch Beispiele erläuterte 
bisher erschienenen Schulen, als auch die 
Moscheles und hie gegründeten, enthı 


Schlesinger’sche Buc 


In Unterzeichnetem ift foeben erfchlenen und an ade Buch⸗ | jel 





handlungen verfanbt worden: be 
Be h AR ud 4 


vollſtãndigen Tbierfeefenfunbe. M 
P. scheitlin, 


feffor, - 

2 Thle. Gr. 8. Velinp. Deeis MN oder 4 Thlt. 6 Br. \ 
Insatt: 1) ® griff, Gele, Spiere, | & 
Shisrferle und Tpierferlentunde. 5 —2 — siert gi 


ſeelenkunde ber Inder, Perfer und” hptier. 
Di und Der Katanı 8) hi 2 eigentüce is | € 
in en! ' 
vſychologie durch die en Yofıhten der Philofophen 
es 


* 


an bie e bis auf Leibnig, € 
—5* ——— 
zeeteiichen ä Rittel lüds 
Yden Studium 1 iic in he er | = 
Im Blenden. ” m. 17 — 
arten anf 18) Das Als 
eine ai 
fen ‚bes Thier ungen Pe 
Sqhein⸗ umd vo Bon ben Bergälts 
niffen des Thieres. 


Bir Hoffen mit dieſem Werke jedem denkenden Menſchen, 
Befonbenk — — ar hen Bit 
m zu fel 12 
Wispeitung feiner Anfihten nicht dm af —E 


Bei Georg Wigundiin Leipzig erſchien forben : 


Mirabaud, System der Natur. 


Deutſch bearbeitet und mit Anmerkungen ver: 
feben. Ausgabe in einem Bande. Gr. 8. Broſch. 
Preis 3 Thlr. 8 Gr. 

Bel der hohen gefchichtlichen Bedeutung, welche dem Syſtem 
der Ratur, als dem confequenteften Ausdrud der materieliften 
Ideen des 18. Jahrhunderts, zukommt, bebarf dieſe neue Bears 
beitung deſſelben einer befondern Reh 
ger, jemiehr bie gegenwärtige Ausgabe durch bie zahlreichen An- 
merkungen, womit der Herausgeber den Text begleitet hat, ein 
felbftänbiges und zeitgemäßes Snterefie erhält, Mit ruhiger 
Prüfung wird hier der wahre Gehalt des meift fo Leibenfchaft: 
Yich beurtheilten Werkes ermittelt und durch Zufammenftellung 
der in deinfelben niedergelegten Ideen mit ben Zenbenzen und 
der fortgefchrittenen Entwidelung unferer Zeit nicht nur ber 
. Standpunkt angedeutet, von welchem aus bas Werk felbft be: 
urtheilt werben müffe, fondern auch ein Beitrag zum wahren 
Berſtaͤndniß der damaligen Beitphilofophie überhaupt geliefert. 
Es wird daher diefe Ausgabe felbft für die Beſiher des Ori⸗ 
ginals oder irgend einer beutfchen Überfegung von dem höchften 
Intereſſe fein. 
vierten Theil bes ganzen Raumes ein. 


Weihnachtsgefchent für Yäger. 
Bagdbrevier. 
Bon Seinrich Laube. 


16. Sehr elegant gebrudt und gebunden. 1'/ Thlr. 











Weihnachtsbücher, 
welche fih durch Schönheit, gediegenen Inhalt 
und billigfte Preife empfehlen. - 
Verlag von Weiſe & Stoppani 
in Stuttgart. Ä 


A 

Nebau, H., Volksnaturgefchichte aller drei 
Reiche, oder gemeinfaßliche Beſchreibung der merk: 
wuͤrdigſten, nuͤtzlichſten und ſchaͤdlichſten Thiere, Pflan⸗ 

- zen und Mineralien. Nebſt einer ausführlichen An⸗ 
weiſung, Säugethiere, Vögel und deren Eier und Ne: 
ſter, Amphibien, Fiſche, Käfer, Schmetterlinge, Wär: 
mer, Pflanzen, Mineralien u. f. w. zu fammeln und 
aufzubewahren. . Nach ben beflen Quellen und Hülfss 
mitteln bearbeitet. @in Band von 800 Seiten Lexikon⸗ 
Bormat, ſchoͤn und folib gebunden, mit mehr als 200 illus 

- minirten Abbildungen auf 20 großen Gteintafeln und geflos 
chenem Titel. Zweite verbefferte und mit einem 
Regifter vermehrte Auflage 7 Fl. 12 Kr. — 

4 Thle. - 
Gebauer, A., Das erfie Lefebuch für Kinder. 


Ein Band, fehön gebunden, mit 20 Bildern. 1 81. 30 Kr. 


— 21 St. . 

offmann, Fr., Freundliches für freundliche Kin: 

ber von 4 — 6 Jahren. Gin Band, elegant gebunden, 
mit 20 Bilden. 1 51. 30 Kr. — 21 Br. 
sppe, v., Hofrath Dr. &. H. M., Der neue 
Taufendtünftler und Magiker. Die Belchrei: 


tfertigung, um fo wenis 


- 


Die Anmerkungen bes Herausgebers nehmen den 


bung und Erklärung feiner Künfte und vieler Dierk 
wuͤrdigkeiten ber Natur und Kunft überhaupt, nad 
richtigen phyſikaliſchen, chemifchen und mechaniſchen 
Srundfägen. Zum Nugen und Vergnügen für Jeder⸗ 
mann. Mit 5 Gteintafeln. Zweite Tehr vermehrte 
und gerbefferte Auflage Geb. 1 5. 30 Kr. 


— r. 

Zimmermann, W. F. A., Der phyſikaliſche 
Jugendfreund. Eine Reihe- von Kunftftüden aus 
verfchiedenen Zweigen ber Maturwiffenfchaften. Gin 
Band von 25 Bogen, elegant gebunden, mit 104 Abbil⸗ 
dungen auf 14 Zafen. 2 Sl. 24 Sr. — 1 Fhle. 8 Gr. 

ermaun, FB. W. A., Das Meer, feine 
Bewohner und feine Wunder Seitenflüd zu 
8. 5. V. Hoffmann’s Erde und ihre Betvohner. 
Zwei Iheile, fhön gebunden, mit herrlichem Stahlſtich un) 
18 zum Theil ausgemalten Tafeln. 4 8. 48 Kr. — 
2 Thle. 16 Sr. 

Hoffmann, SR. 3. B., Wandkarte der alten 
Welt, in vier großen Blätten, in- Stein geftoden 
von E. Windelmann. 3 Fl. 36 Kr. — 2 Zhlr. 





* 
Budvandtunem am begehen foeben erſhienen und durch alle 
Gellert’s 


fämmtliche Schriften 
Neue rechtwaͤgige Taſchenausgabe 


in nben. 
Mit Gellert's Bildniß 
in Stahlstich von Marl Barth. 
Broſchirt. Preis 2 The. OO Gr. 
Leipzig, im November 1840. ” 
Weidmanndſche Buchhandlung. 





In unserm Verlage ist soeben erschienen und durch 
alle Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen: _ 
Frauenstädt, Dr. J., Studien und 

Kritiken zur Theologie und Philosophie. 
Gr. 8. Geheftet. 2 Thir. {0 Sgr., oder 8 Gr. 
Dgienski, Dr. Immauuel, Hegel, Schubarth 

und die Idee der Perfönlichkeit in ihrem Ver 
haͤltniß zur preußifhen Monarchie. Gr. 8. Geh. 
12% Sgr., oder 10 gGe. 

Berlin, im October 1840. 

Voßſche Buchhandlung 


Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 





| Altdeutsche Blätter _von Moritz 


Haupt und Heinrich Hoffmann.” Erster 
und zweiter Band in 8 Heften. 1835 — 40. 


Gr. 8. 4 Thir. 12 Gr. 


Vorlaͤufig iſt mit dem foeben erfchienenen vierten Hefte des 
zweiten Bandes biefe für bie altdentſche Literatur fo intereflante 
Sammlung geſchloſſen. 


Reipzig, im December 1840, 
i F. æÆ. Sreockhans. 


Druck und Verlag von 8. 4. Brockhaus in Leipzig. 














Literariſcher 


1840. Nr. 


Dieſer Literariſche Anzeiger wirb den bei F. A. Brodhaus in 
riſche Unterhaltung und Iſis beigelegt ober beigeh 
ober deren Ra 











In meinem Verlage iſt ſoeben erfchienen und in allen | 
Buchhandlungen vorrätbig: 


Taſchenbuch 
dramciſeher Sriginalien. 


Deraußgegeben 


Dr. F * nch. 
Säünfter Sahbrgang. 
Mit rinem Bildniss und acht colorirten Costümbildern. 
\ 8. san cartonnirt. 3 Thlr. 16 Sr. 


Anhalt: änge des Lebens. Zrauerfpiel in fünf Auf: 
ügen von Ya Sanns ch. — Ghriftine von Schweden. Drama 
I drei Aufzügen nach van ber Velde von AB, Bogel. — 
NRichard Savage oder der Sohn einer Mutter. Trauerſpiel in 
fünf Aufzügen von Karl Gutzkow. — Worcefter oder Geiſt 
und Rarrbeit. Luftfpiel in zwei Acten von Dr. Frauck. — 
Die dramatriiche Literatur und das Theater der Deutfchen im 
19. Jahrhundert, nad — hiſtoriſchen Vorausſetzungen be⸗ 
trachtet von S. Reinhol 


Der erſte bis vierte Jahrgang enthalten Beitraͤge von x 
bini, Bauernfeld, Gaftelli, Brand, 8. Halm, Im: 
mermann, gagufius, Ciebenan, Maltie, Yannafd, 
Weihfelbaumer und Zahlhas, mit ben Bildniffen von 
Bauerafeld, Immermann, Srabbe, Albint, Ga: 
ſtelli, einem Faeſimile und fcenifchen Kupfern. Der erfte 
Jahrgang koſtet 2 Thlr. 8 Gr., der zweite 3 Thlr., der dritte 
2 Thir. 12 Gr., der vierte 3 Thlr. 

Eeipzig, im December 1840, 


S. 4a. Brockhaus. 





Bei Weife und Stoppanſſin Stuttgart iſt ſoeben 
in Commiſſion erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Blüthen. 


Eine Sammlung 
ber gewählteften ſchoͤnwiſſenſchaftlichen 


Riteratur Des Su: und Auslandes 
Erfter Band. 
Brofhirt. Preis 1 Fi. 86 Kr. — 1 Thlr. 
Inhalt des erften Bandes, 

Der Meineid, Novelle. — Gabriele, dialogifcher 
Roman von ©. Sand. — Die Köntigseide, gefchihtliche 
Rovelle. Die ſchlechte Partie, Rovelle nad dem Frans 
* — Die moderne Heirath, ein Acktbil, — Ein 


bendanfdem Meere. — Sagevon Hippofrates. — 
Sr e en diceer, gefchichtlidhe Gradbtung aus dem fechögehnten 
ahrhundert 
Senige Worte werben hinreichen, ben Zweck dieſes Unter⸗ 
uchmens kund zu geben. Was Almanache jährlich und Zeit⸗ 
Fhriften täglich ober in groͤßern beſtimmten Perioden der gebil⸗ 








- 1114 Thir. kostet, sind auch stets einzeln zu haben unter 
Mebe rselzungs Anzeige ’ anchtehunden ‚Titdn nd reisen : “ 
eschichte der hellen. Dichtkunst: I. Bd. Geschichte 0, 
Zu Vermeidung von Gollifionen yeigen wir hierdurch an . . | 
daß dei und eine wam Merfaffer veranfigitste beusfde au a tkummt, (EB) EA 
Bearbeitung von: — 1, Ba. Il Abth.. : Jonische L nebst Abhkandl, 
Gervais über ältesten tus in Volksliedern und Tonkunst d 
Giraudeau ce —— ete lee. Gr. 8, X (838) „En Bogen) 2 —— 
— — — . . . A 2 ih d A 
nach der zweiten Wusgabe bei Driginals und mit ben Lyrik. ( 1833.) Gr. 8. (811%, Bogen.) 2 Thlr. 3 Gr. 
Kupfern deffelben in zwei Bänden in Großoctav unter bee | — Ili.Bd. I. Abth.: Tragödien und Satyrspiele. 
Preffe iR, und der erſte Band in einigen cheinen (1880.) Gr. 8. (86 Bogen.) 2 Thir. 12 Gr. 
wird, —— III. Bd. II. Abth: Komödien. (1840) 2 Thir. 8 Gr. 
Leipgig, im December 1840, nn 
Brockhaus & Wuenariud, Munk, Dr. E. de Fabulis Atellanis 
Buchhandlung für deutſche und auslaͤndiſche Literatur. scripeit fragmentaque Atellanarum Poetarum. 
(4 Paris: memne maison, Rue de Richeligu, No. 60,) Gr. 8. (12 Bogen.) 1 Thlr, 


Ein geachtetes kritisches Blatt schliesst eine Recension 
über dieses Werk mit folgenden Worten: 








bie Buchhandlung von leganber Duncker in Berlin: Untersuchungen auf der andern Seite, machen diese zeit- 
Gedichte gemässe Monographie zu einer höchst anziehenden, belch- 
n renden Locturo. 

Gmannä Geibel. ni | 
an Pintarchl Vila, Fhoglonin. Besam 
Gräfin Sahn- Hahn (7 Bogen.) 12 Gr Sraner. . 8 

- 2 . ⸗ 
De i Auch diese mit Gelehrsamkeit und vollständiger Keantuics 
ra 2 8. des Plutarch’s bearbeitete Biographie des Plecion erfreute sich 
j Eine Zrabeste RR bereits der günstigsten Bourtheilung in kritischen Blättern. 

. leg. geh. AM ⸗ 

ine anfprechendere Babe dürfte Damen.niht leicht ge | C- Ballusti Cr. de beilo Ju 

boten werden Binnen. liber. Grammatisch, kritisch und historisch erklärt 
MT von Dr. C. G. Herzog. Gr. 8. (32 Bogen.) 2 Thlr. 
Gedichte Der rühmlichst bekannte Herausgeber hat diese Abthe- 
von ng des Sallust mit  Jerselben Bargfalt . Bachkenntniss und 
isse bearbeitet, wie seine früher erschienenen . 
Auguſt Kop iſch. —*8* "Ausgaben von Sallust Catiline und der Werko Cäs Cäsar. 


3. Geh. 1% Thir. — 

————— Weissenborn, Dr. H, de Versibus Giyco- 

Deutsche Gedichte für die Jugend. nicis. Pars I, de Basi Versuum Glyconeorum. Gr.$, 
Herausgegeben 











(4 Bogen.) 8 Gr. 
(heim Ratife, In uUnterzeichnetem iſt ſoeben erſchienen unb an alle Boqh⸗ 
veriie lhren eo or 1 Yn — handlungen verſandt worden: 
Die Ochutausgabe in 3 Abteilungen & 14 Kir. Baal eritique t 
ur ı8 O S 
Philologie. pP © 
J. B. F. E. Lefeore, 


Bei K. F. Köhler in Leipzig ist soeben erschie- 
De Fee alle Bach —— zu habenı Dostear mödeoin de In fand de Bari, en sorvioe de S. A. ie 
Bode, 6. H. Dr., Geschichte der dramati- Gr. 8. Broſch. Preis 48 Kr., ober 12 Gr. 


schen Bichtkunst de Hellenenm bi Inhalt: I Cause de la peste. II. Contagion de la 
anf Alexander den Grossen. Aer Theil: Komödien. ports. II. Duree de l’incubation de la peste, d&duite de 
(Auch unter dem Titel : Geschichte der hellen. Dicht- Im chöorie or ar 7 a sn de Mr, ‚ericiques ** * 
kunst, II. Bd. II. Abth) Gr. 8. (27 / Bogen.) ron, adresse au gouveraement francais. V. — 
2 Tulr. 8 Gr. tiques inspirdes par ia lecture d’une brochure_ intitulde: 
Mit dieser Abtheilung ist nun das Werk vollendet und | Relation sar la peste qui a rdgnd en Groce em et en 
den Verehrern und Kennern der griechischen Dichtkunst, so- Cosse de Gendre, . Quelques 


1828 Mr, le 
wie den Studirenden der Philologie, ein höchst brauchbares röflerkons ues touchant les publications sur la poste de 
mit vielem Fleisse ausgearbeitetes Handbuch geboten. — | Mrs. les Drs. Boyer et Bulard. VII. Projet d’organisatien 


Der Werth des Werkes wird auch durch die reichhaltige | hygisnique. ’ 
erböh tuttgart und Shbingen, im Detober 
“ 


15W, 
. ©. Cotta ſcher Verlag. 


\ 


Literatur, vollständige Register ete. t. 
Die Bände und Abthei angen des Werkes, das nun com- 
plet in III Bänden (5 Abth., 1531/, Bogen) besteht und 











Bei 
Tendler und Schäfer, Buchhändler in Wien 


und Mailand, ift ſoeben erfihienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 





Huldigung den Frauen. 


Taſchenbuch für das Jahr 1841, 


berauögegeben 


S 9% € aſtelli. 
Iöter Zahrgang mit 6 Stahlstichen.‘ 12. 


‚Elegant gebunden mit , Goldſchnitt in Schuber . 


In Seide & Tanglais 


2 Thlr. 8 Sr. 
Thlr. 0 Gr. 


Obſchon ein 19ter Jahrgang durch * Jahrezahl feines Erſcheinens zeigt, baf er * dem —— empfohlen iſt, ſo 


dürfen wir doch auch 


verſichern, daß Herausgeber wie Verleger Alles anwandten, um 


der allgemeinen Gunſt 


und feinem Zwecke, den Schönen zu huldigen“, immer würbiger zu machen. 
Sechs Stahiftiche, ebenfe oiele Schöne barftellend, weiche Blumen barbieten, zieren dies Taſchenbuch, und für ben Inhalt 


rechen die Ramen Bauernfelb, hen Grillparger, Halm, 9 


ammer, Seidl, Vogl und Andere, — 


tee auch nicht fo allgemein genannt, fidh Fi durch ihre Beiträge die allgemeine Anerkennung erwerben werben: 


felt mit Proſa; Drud und Papier find an 


Andig, und das Ganze bürfte Jedem Ehre machen, ber einer Dame bamit —* 





Bei Scheitlin und Zonikofer in St.s@allen if 
foeben erfchienen und durch jede Buchhandlung Deutſchlands 
und ber Schweiz zu beziehen: 


Sweihunbert „‚Hoperbein 
Bahl’s ungebente Rafe 


Originalausgabe. Mit fünf Stahlſtichen, gezeichnet und radirt von 
oe Souderland. 
Drei 1 hle. — 1 FL 30 Kr. Rhein. 
Gonderlanb’8 Eompofitionen haben europäifchen Ruf, unb 
es dürfen diefe Stahlradirungen zu feinen gelungenften Arbeiten 
geraͤti werden. 
Der zent ift von Haug, bem een Spigrammatiler ber 
aeuern Zeit. 
Zur Probe folgen: hier: ® 
Der Bli und anl's Ken Repemethobe, 
Süngft lud er feine Kinder ein: 
Vernehmt den Sihauertob vom |„Gegt al’ Euch auf mein Naſen⸗ 
ſtaͤrkſten Blitze: ben - 
Gr fuhr in Wahl's erhob’ne Ra: | „Als wär's ein langer Schimmel I 
ſenſpitze, Dann hob er zu ben Sternen fie; 
Shop Meil auf Meile fort im So lernten fie Aftvonomie 
Flug des Licht, Unmistelbar am Himmel. 
Und zehrt auf halbem Weg fi 
ab zum Nichts. 


Berla . ler in Stutt ti 
—* ni und * le —2* —X 





„der Schweiz u. ſ. w. zu de 


Das Dekameron von Boccäecio. 


Neu überfegt von Drtlenp. 
1. 2. 3. Theil. Tafenformar, Das Bänden 24 Kr. 


Dies Beräfente Liest Boccaecio s enthält 100 Novellen, 


dm : Ipiehungölreft beſien, 
Pen ans ern gefefe wird, Gine —E — hat 


fi der Peſt in Florenz (1378) durch die Flucht entzogen, und 
verlebt auf dem Lande poetifche Tage, beren jedem 10 Novellen 
gewidmet find, daher der Name Dekameron. 
Der Verleger fobert jeden Freund biefes . bumoriftifchen 

claffifchen Werkes auf ‚, biefe neue Überfegung mit allen bisher 

eriftirenden zu - ‚oerglel und Riemand wird in ber Mahl 
unfchläffte bleiben. — Die Kortfetung folgt ununterbrochen, 
und wird das Banze binnen 3 Monaten im Druck beendigt fein, 


Ä Merabgeortzier Preis. 


Tafchenbuch 
der vaterländifchen Geſchichte. 


Herausgegeben von of. Frh. v. GKormagyr. 
Neue Folge. Iſter bis 8ter Jahrgang. 1850—35. Mit vielem 
Kupfer:, Stahlſtichen und ai Eithographien. 8. 6 Bänke. 


VBisheriger Preis 15 Thlr., —* 27 Fl. — Nunmehr 
herabgeſetzt auf unbeſtimmte Zeit auf. 6 Thlr. 16 Gr., 
oder 12 Fl. — Einzelne Jahrgaͤnge, ſo weit es der Vers 
rath geflattet, auf 1 Thlr. 12 Gr., oder 25.42 Kr. 
Beftellungen nehmen alle Buchhandlungen an. 
Münden, den 1. November 1840, 
G. franz. 


Durch alle Buchhandlungen iſt zu erhalten: 

Bericht vom Jahre 1840 an bie Mitglieder der Deutſchen 
Geſellſchaft zur Erforſchung vaterländifcher Sprache und 
Altertbümer in Leipzig. Herausgegeben von dem (Ges 
keäfsfügens der & Seicifäaf Karl Huguft fie. 


106.30 
Die 8 von 1886. 89 haben benfeiben Preis. 
FE Brockzaus. 














| Ein neuer Roman von f. Mühlbach. 
In meinem Berlage iſt erſchlenen: 


Bebens Beilaud. 


Ein Roman 


von 
X. A in h ibac h. 
Dreis 1 Thlr. 12 Sr. 

Diefe neue Dichtung der Verfofferin von „Fra 
al’ und „„Zugusgel‘ behandelt in fehr intereffanten 

. und ansegenden Bildern rine Bekebrungsgeſchichte der allers 
neueften 3eit. Die Verfafferin thut hier unter der anfprechenden 
Jorm ber Dichtung tief ernfle Blide in das innere pfychologis 
fhe Leben der Besenwart und führt zugleich in eine bunt’ bes 
wegte Welt von Greigniffen und Gharakteren, in deren gläns 
gender Gatfaltung die Verfaſſerin von neuem ihr jugendlich 


bensvolles Talent bewährt hat. 
S. 8. Hammerich. 


Altona, im December 1840, 
Durch alle Buchhandlungen und Poftämter iſt zu beziehen: 

Bepertorium der gesammten dent- 
schen. Literatur. Herausgegeben von 
E. 6. Gersdorf. 1840. Fünfundzwanzigsten 
Bandes funftes Heft. (Nr. XVII.) Gr. 8. Preis eines 
Bandes 3 Tulr. 

Allgemeine Bibliographie für 
Deutschland. Jahrgang 1840. Monat Novem- 
ber, oder Nr. 45—48, und Bibliographischer An- 
zeiger: Nr. 45 — 48. Gr. 8. Preis des Jahrgangs 
3 Thir. 
| einaiß, im December 1840, ® 


8. a. Brockhaus. 


und iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu 


Das Religionsgeſpräch 
zu Marburg im Jahre 1529. 


- Bon Licentiat Pfarrer Schmitt zu Marburg. 
®r. 8. Broſch. 91, Bogen. 16 Er. — 1 EL 12 Kr. 
Das Geſetz und die Verheißung. Handbuch zum Alten 
Keftamente, ſowie zu allen biblifchen Geſchichten. Kür 
Lehrer und zum Selbftunterrichte für Gebildete. Bon 
Pfarrer Dr. Blackert, Gymnaſiallehrer zu Mars: 
burg. Zwei Bände. Sn 8. 39% Bogen. 2 Thlr. 

= 3 Fl. 36 Kr. 

MouELLER, Dr. Jur., Professor zu Halle, De mi- 
"racaloram. Jesu Christi natura et necessitate, Par- 
ticula I. 4. Brosch, 6 Bogen. 10 Gr. = 45Kr., 

Bufti, Dr. N. W., Ober: Gonffforialcach ic. zu Mars 
burg. Die Vorzeit. Zehnter ——ãA Mit 
fünf Kupfern. Gr. 12. 18 Bogen. Gebunden. 
1 Thlr. 16 Gr. = 3 Fl. 

Der Geidelberger Katechiomus mit Bibel: 

ſpruͤchen. Zum beſſern Verſtaͤndniſſe für die Katechu⸗ 

menen zergliedert und herausgegeben von Metropolitan 








Dr. G. v. Noques. Dritte verbefferte Auf: 
lage. 6 Bogm. 4 Sr. — 18 8 
A Bei Einführung in Schulen Anden Yartiepreife Kati 
und werden Freiexemplare verwilligt. 
Dee eneheffifee | Symbolftreit. Gchriften von 
apfeld, Dr. Kling, Dr. Bilmer, Pfar- 
8 etin und Pfarrer Exter. Zwei Abthei= 
lungen. Gr. 8. 19%, Bogen. 1 The. 8 Er. — 
2 Fl. 24 Kr. 
Marburg, im November 1840, 


N. &. Elwert’s Univerfitäts: Buchhandlung. 








In alten Buchhandlungen iſt, neu erfchienen, zu haben: 
Salomon Gehuer’s. 


fämmtliide Werke. 


Neue Stersotyp-Ausgabe. 


2 Bände. Velinpapier. Mit einem ſchoͤnen Portrait. 
11, Thir., 2 51. 6 Nr. Rhein. 
Leipzig 1841. Friedrich Fleiſcher. 


Der Verleger dieſer, für feinen Verlag erworbenen Werte 
eines Schriftſtellers, der bereits fo lange Zeit der Liebling der 
deutfchen Nation gewefen ifi, glaubt obiger Anzeige nur noch 
hinzufügen zu müſſen, baß dieſe Ausgabe durch einen adhtunges 
wertben @elchrten auf das Sorgfältigfte geleitet unb vicle in 
den frübern Ausgaben nicht tefindliche ſehr fchäpbare Vermeh⸗ 
zungen erhalten hat. Hinſichtlich der äußern Ausftattung fchlicht 
fie fi) den neuerdings erſchienenen fo belichten Ausgaben vom 

Schiller, Wieland, Klopfiod, Sellert u. a. m. volllommen am, 
und ift durch ein von K. Barth fehr fchön geftochenes Portrait 
noch befonders geziert. 





Soeben if in meinem Verlage erfchienen: 
Kr tie 


evangelifchen Geſchichte 
Sobanues 


Bruno“ Bauer. 
Gr. & 23” Bogen. Belinpapier. 
Bremen, im Rovember 1840. 
el Schünemann. 


2 Thlr. 








Durch alle Buchhandlungen ift von mir zu beziehen: 


Skizzen aus dem Alltagsleben. 
Aus dem Feigen 


I. Die Döchter des Bräfidenten. 
einer Gouvernante. 1835. 1 Thir. 16 Gr. 
IN. IHN. Die Nachbarn. Zwei Theile. 1839. on 
IV. V. Das Baus, oder 
and ilienfrenden. Zwei Theile. 1840. 3 — 
Der allgemeine Beifall, den die erſten Biandge 
anziehenden en erhielten ‚ bürfte in 
Grabe der neueflen Gabe ber Verfafferin u Theil werben. 
Reipgig, im December 1840, 
F. A. Brockhaus. 








Drud unb Berlag von $. X. Brodhaus in xeipzig 











Literariſcher 


1840. Nr. 


N [/ÜÜuÜ EEE EEE 
Diefer Literarifche Anzeiger wird den bei F. A. Brodhaus in 
sifhe Unterhaltung und Iſis beigelegt oder beigeh 

ober deren Rı 





Auf das am 1. Ianuar 1841 beginnende neue vierte 


Eeipziger Allger 


werden bei allen Poſtaͤmtern und Zeitungserpebitionen des | 

zu machen bittet, angenommen. Der Preis beträgt in 

ten aber wird folcher nad Maßgabe ber Entfernung von &ı 
Hntündigungen aller Art, welche durch dies X 

ber Raum einer gefpaltenen Zeile mit 2 Nor. = 2 Sgr. 
Eeipzig, im December 1840, 








Erschienen und versandt ist: 


Journal für praktische Chemie. 
Herausgegeben von ®. EL. Erdmann und 
MR. F. Marchand. 21. Bandes 5. Heft, 
oder 1840, Nr. 21. Gr. 8. Geh. Preis des Jahr- 
gangs von 3 Bänden, oder 24 Heften, 8° Tbir. 

Inhalt: Über die chemischen T'ypen und die Wirkung 
der Alkalien auf die Essigsäure; von J. Dumas. — Wir- 
kung des Chlors auf das Sumpfgas; von Melsens. — Über 
die Finwirkung der Alkalien auf die Alkohole und verwandte 

Verbindungen (zweite Abhandlung über die chemischen Ty- 

pen), von J. Dumas und J. S. Stuss. — Über die Natur 

er schwarzen Substanz, welche durch Einwirkung von 

Schwefelsäure auf Alkohol bei höherer Temperatur entsteht; 

von ©. L. Erdmam. — Über den Zustand des Harnstoffes 

im Harne ; von L. R. Lecanu. — Noch etwas über den Jodgehalt 

des Leberthrans; von W’. Stein. — Über die Darstellung 

des unterschwefligtsauren Natrons ; von €. F. Capnun. — Über 

Verhalten und Zusammensetzung einer Reihe von fetten 

Körpern, — Chemische Notizen; von Leykauf. 

Joh. Ambr., Barth in Leipzig. 


Bei Weiſe und ®toppani in Stuttgart ift ſoeben 
in Sommiffion erſchlenen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


China, 


feine Zuftande und Ausſichten, 
. in befonderer Rüdfiht auf 
die Verbreitung des Evangeliums, 
mit kurzen Umriſſen feines Alters, feiner 
Geſchichte, Chronologie, Bevoͤlkerung, Sprache, 
Literatur und Religion. 
Frei bearbeitet 
nach dem Werke des englifchen Miffiondrs 
. . Medhurft. 
Broſchirt. Preis 1 Fl. 36 Kr., oder 1 Thlr. 

Bei einer fo wichtigen Zeitfrage wie die chineſiſche muß bie 
Bearbeitung biefes Werkes für das beutfche Publicum um fo 
mehr an Interefie gewinnen, als ber gelehrte Verfaſſer ber 
neuefte Reifende in dieſem Lande ift, das er zwanzig Jahre lang 
als Mifftonär bewohnte und mit der Sprache, ben Gitten 








IV. 


Vv 


| Im Verlage von | 
Tendler und Schäfer, Buchhändler in Wien 


und Mailand, if erfchienen unb in allen Buchhandlungen gu haben: 


Erzählungen 


allen Farben, 
3.8 Eastelli 


4.—6. Band. Mit farbigen Titeln in Congreve-Umfchlägen broſchirt. Preis 2 Thlr. 18 Gr. 


Snhbalt: 
Band. Die Erfcheinungen auf bem Wege durch die Stadt. Ein allegorifches Märchen. — Peter = Paul und Paul Bar 
Novelle. — Die Belagerung von Amafi. Eine orientalifhe Erzählung. — Künſtlerleidenſchaft. Rovelle. — Laura, or | 
die aufgeregte Phantaſie. — Der Invalide. Eine Meine pſychologiſche Novelle. — Die Mordhöhle. Criminalgeſchichte. — 
Drei Eomifche Gefpenftergefhichten. — Der Blinde von Clermont. Eine einfahe Geſchichte — Asmolan. Ein Würden -— 
Ein muthwilliger Iugendftreih. Skizze aus dem Reben. — Die Kirde zum Glas Waſſer. Sage. 
Band. Das Ichte Mittagsmahl. Cine kleine Erzählung. — Der Altar des Künſtlers. Legende. — Die Heilung. Hunt: 
ſtiſche Erzählung. — Der alte Kamin. Cine italienifhe Sage. — Das R.fedaftöddhen. Gemälde aus bem Leben. — Dir 
sächende Maske. Novelle. — Das Bild. Eine Meine Rovelle.. — Der Chriftinos. Hiſtoriſche Novelle. — Zwei Nähte in 
Rom. Kovelle. — Die Zauberbrille. Gin Maͤrchen. — Das letzte Opfer des Spiels in Paris. ine Zagsbegebenseit. — 
Der Spottname. Tragi⸗komiſche Erzählung. — Geſchichte Ruftan’s, Napoleon’s Leibmameluten. Aus dem Branzöftigen. — 
Die Wahrheit. Ein indifches Märdhen. — Ein Mittagsmahl bei Beethoven. Cine phantaftifche Erzählung. — Das baut 
Sacktuch. Eine rührende Geſchichte. 


. Band. Begriffe von Gott. Ein Märchen. — Die Verlaffenfrhaft des Pflanzers. Erzählung. — Vier Eleine rührende Er⸗ 


zäblungen, und zwar: 1. Lieber flerben! Eine einfache Geſchichte. 2. Die beiden Müttter. Wahre Begebenheit. 3. Dt 
Kunftreiter. Eine Meine Novelle. 4. Der Bettler. — Die Bermandten. Ein Märdyen nach dem Franzöͤſiſchen. — Di 
Phufiognomiften. Sin Märchen. — Fünf Zage auf dem Lande. Gin Lebensbild. — Die Pantoffeln des Sultans, Dre 
talifche Erzählung. — Die Eroberung von Jore. Skizze aus dem italienifhen Feldzuge. — Wie fliftet man Heicatdın! 
Sin Gemälde aus dem Leben. — Der Räuber Kara: Al. — Zanubio und Zeana. Gine italienifcye Novelle. — Künfle 


geefireuung. Gine wahre Begebenpeit. 


Die im vorigen Jahre erfchienenen erften 3 Bände enthalten: 


. Band. Der große Rittmeifter und das Beine Miinchen. Erzählung aus dem Leben. — Der Sargmacher. Rahtflüd. - 


Oberſt Graf Chabert. Mititairifhe Novelle. — Der Dichter. Traum eines griechiſchen Philoſophen. — Acht vernünftig? 
Zage. Anekdote aus dem Leben eines Kuͤnſtlers. — Der Grundfag. tLebensflizze. — Die drei Riefen. Allegoriſche Märdın.— 
Die rothe Rofe. Greuelgefhichte aus dem vendeer Kriege. 

Band. Die fhöne Züdin von Willeika. Novelle aus dem zuffifhspolnifhen Kriege. — Fra Diavolo. Eine Räubens 
schichte, — Meine Frau iſt ein Engel, Meine rau ift ein Satan. Zwei Eebensbilder. — Das Nothwendige und dat Übers 
flüffige. Ein Märchen. — Gapitain Rabe. Scene aus dem Militairieben. — Der erfte und legte Kuß. Wahre Begeder— 
heit. — Der Unbekannte. Geheimnißvolle Geſchichte. 


UT, Band, Die Bafe aus ber Provinz. Einfache Geſchichte aus dem Engliſchen. — Zwei Dornenkronen. Gerdächttihe Re 


velle. — Die beiden Freunde, oder die Reife nach Mekka. Maͤrchen. — Die Schaufpielerin eines einzigen Abende. Etjah⸗ 
tung, aus ben Zeiten Ludwig's XVI. — Eine Racht in der Ditigence. Komiſche Skizze aus dem Leben eines meiner Freund— 
Das Parkgitter. Räubergefchichte. — Canova's Zugendliebe. Cine Künftlernovelle. — Der rothe Mantel, Ein Ragrfüt. © 
Der Nageiſchmied zu Paris. Biographiſche Skizze, zur Bedachtnahme für Väter. — Muff und Puff. Eine rührende 
ſchichte. — Die fixe Idee. Eine einfache Malergeſchichte. — Auge und Herz. Rovelle. 


Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: Gubit; Volks Kalender für 1841, 


Altdeutsche . Blätter von Morstz mit 120 vortrefflichen Bildern geziett. 
Haupt und Heinrich Hoffmann. Erster — 12%, Sar., 10 &. Sädt., 2 8 an 
und zweiter Band in 8 Heften. 1835 — 40. und nütlicfie der erfpeinenden Golts Rafender anerkannt, in 
Gr. 8 4 Thir. 12 Gr. Jahrgange 1841 feine ſechs Vorgänger beimeltem üperterffind, 


ne jeder in 
Borläufig iſt mit dem focben erſchienenen vierten Hefte des | fehlte eine Zeit lang; jent aber {fl — old 


zweiten Bandes biefe für die altveutfche Literatur fo interefjane | Allen Foliben Buchhandlungen zu habe 
Sammlung gefchlofien. 


angenehmeß, ee fo —A Beipnagt‘ 
und Neujahrs-Geſchenk zu empfehlen. 
Eeipzig, Im December 1840, Berlin, im December 1820, 


SF. A. Brockhaus. Wereins⸗ Buchbandlung 














Eomversafioys-Xexikon der Gegenwa 


a 


Ein für fich beftehendes und in ſich abgefchloffened Werk, 
zugleich ein Supplement zur achten Auflage des Converſations-Lexikons 
| fowie zu jeder frühern, zu allen Nachdrucken und Nahbildungen veffelben. 


Dreissigstes Heft, Bogen 61—70 des vierten Bandes, 
0 Schulz, bis Sklavenangelegenheit. 


Jedes Heft auf Drudpapier S Gr., auf Schreibpapier IB Gr., auf Velinpapier 18 Gr. 





Schulz (With). — Schulze (Friedr. Gottlob), — Schulze (Gottlob Lebrecht). — Schüͤ 


(Hugo Freih. v.). — 


Schüte (Joh. Stephan). — Schwalbach (Joh.). — Schwarz (Ich. Kari Ed.). — Schwarzburg -Rubolftabt. — 
Schwarzburg: Sondershaufen. — Schwarze (Karl Kriedr. Chriſtoph). — Schwarzenberg (Joh. Daniel Wil. 
Ludw.). — Schweden. — Schwebifche Literatur und Kunfſt. — Schweiger (Aug. Sottfr.). — Schweiger (Chris 
ftian With). — Schweiz. — Scolari (Edvige). — Sedgwick (Miß Anna) — Seeromane, — Seidenbau, — 
Seibenftidier und bie göttinger Unruhen, — Seidl (Ich. Gabriel), — Seinsheim (Karl Aug., Graf v.). — 


@enaneour (Etienne P. de). — 


Serbien. — Sermes (Gerhard Herm.) — Seuffert (3ob. Adam). — Seperin 


(Dmitri Petrowitſch d.). — Seybold (Friedr.). — Seydelmann (Karl). — Seyffarth (Guſtav). — Sheil (Ridar 
Lalor). — Sibbern GBzeberit Ehriftian). — Sieilien. — Siebelis (Karl Gottfr.). — Sigalon (Zavier). — Gitlig 


(Karl Zul.). — Simr 
Eeipzig, im December, 1840. 


(Karl), — Sintenis (Wild. Franz). — Sklavenangelegenheit. 


S. A. Brockhaus. 





Bei Eduard Meißner in Leipzig erfchien foeben 
und ift in-allen Buchhandlungen zu haben: 
3wei Capitel 


aus einem Manufcripte 


' über 
Deutfche Angelegenheiten. 
1) Über den Beruf und die vornehmfte Aufgabe deut: 
ſcher Publiciſten. 
2) Über deutſchen Abel und feine Reform in geſchicht⸗ 
licher, ftaatsrechtlicher, national=dfonomifcher und po: 
litiſcher Beziehung, mit befonderer Hinweiſung auf 


Die neueſten Erfcheinungen in Preußen. 


Gr. 8. Broſch. 16 @r, 





Poblications nouvelles 


Hauman & Co. ä Bruxelles, 


Novembre 1840. 


| Litterature. 
Arnould, A., Un secret. 1 Vol. In-13. 1 Thlr. 
—— , Adele Launay. 1 Vol. In-18. 1 Thir. 
de Balzae (H. de St.-Aubin), Dom Gigadas. 2 Vols, 
In-18. 2 Thlr. 
Revue parisienne, dirigee par de Balzae. 1840. Juillet — 
Septembre. In-16. Jede Nummer 6 Gr. 
Gisquet (Ancien prefet de police), Me&moires &crits par 
lui-meme. 6 Vols. In-ı8. 6 Thir. 
de Lamartine, Vues, discours et articles sur la question 
d’Orient. 1 Vol. In-183. 16 Gr. 


Marmier, X., Schiller. 1 Vol, In-18, 16 Gr, 


Scott, Walter, Allan Cameron. Roman inedit. 2 Vols. 
In-18, 2 Thlr. 6 Gr. | Ä 


| Seiences. 
Cousin, Vietor, Oeuvres completes. 3 Vols. Gr. in-8. 
16 Thir. 


s 





Catalogue de la soci6t6 beige de librairie, Hauman & Co, 
a Bruxelles, 
In Leipzig vorräthig bei 
Brockhaus & Avenarius. 





Tuffoderung. 
an Gelehrte Deutjchlandd und des Auslandes 
zur Theilnahme an einer 


CGommiffiond- Anfalt 
für Selbst -Derlag von Gelehrten 


Friedrich Freifcher, 


Buchhaͤndler in Leipzig. 


_— | 

Der beutfche Buchhandel, fowie die Probuctivität der deut⸗ 
ſchen Literatur haben in neuern Zeiten eine foldhe Ausdehnung 
gewonnen, daß bie biäherigen Mittel zu beren Förderung öfters 
nicht mehr ganz zu genügen feheinen. 

Manche Schwierigkeiten gewährt befonders oft ber ſchnelle 
Bezug der Artikel, welche im Selbfiverlage von Gelehrten und 
oft nur in fo Eleinen Auflagen erſcheinen, ſodaß ſchon deshalb 
ihre allgemeine Verſendung nicht ausführbar ift. 

Diefen Schwierigkeiten bürfte aber wol ziemlich vollftändig 
zu begegnen fein, wenn in Leipzig, dem Hauptfige bes Buchs 
handels, ein Lager von ſolchen Schriften errichtet würde, und 





man alfo fidher fein Eönnte, das Bewäünfchte von daher ſchnell 

beziehen zu koͤnnen. 

Died zu vermitteln ift der Zweck oben erwähnter Anfkalt, 
und es ergeht baher an alle reſp. Selbſtverleger die Auffoderung, 
den beabfichtigten guten Zweck durch eine baldige und fortges 
fegte vege Theilnahme Eräftig zu, unterftügen. 

Die beftimmten Aufgaben ber Anftalt find: 

1) Alle new erfcheinenden Werke von Selbſtverlegern in einer 
geeigneten Anzahl in Commiſſion zu nehmen; 

2) für- deren zweckmäßige Bekanntmachung durch Verzeichnifle, 
Snferate in Blättern und Katalogen und, da thunlich, auch 
Verſendung bie größte Sorgfalt gu tragen; j 

8) den Gigenthümern nad) Ablauf einer jeden Dftermefle dar⸗ 
über genaue Abrechnung und prompte Zahlung zu gewähren. 

In dem Rufe, ben fi meine Handlung nun feit einer fo 
langen Reihe von Zahren zu bewahren gefucht hat, dürfte wol 
für das Unternehmen einige Garantie liegen. Ich bemerkte aber 
ausdrüdtidh, daß meine Abficht Hier Lediglich tft, etwas Nüß: 
liches und Butes zu fördern, keineswegs aber beftehende 
Verhältniffe lösen, oder irgend Jemand zu nahe treten zu wollen. 

Wegen der nähern Bedingungen bitte ich, fich gefaͤlligſt 
ſchriftlich mit mir verfländigen zu wollen und, einer fofortigen 
Antwort ftets fich verfichert zu halten. 

Leipzig, im November 1840. 


Friedrich Fleiſcher. 
Soeben iſt erſchienen: 


Richard Savage 


oder der Sohn einer Mutter. 
Trauerſpiel in fünf Aufzugen von K. Gutzkow. 


Im Taſchenbuch bramatifcher Originalien, her⸗ 
ausgegeben von Dr. Brand, fünfter Jahrgang. (Preis 
diefes Yahrgangs, mit einem Bildniß und acht colorirten Coſtüm⸗ 
bildern, elegant cartonnirt, 3 Thlr. 16 Gr.) 
Leipzig, im December 1840. 


3. U. Brockhaus. 


Bei &. Bethge in Berlin iſt eben erfchienen: 

Die Philofophie des Anaragorad von Klagomend 
nad) Ariftoteles. Ein Beitrag zur Gefchichte 
der Philofophie von F. Breiter. Brofc. 
Ye Thlr. 


Bei uns ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu 
haben: 


Abhandlungen über das Nervensystem. 
Von Marshall Hall _ 


Aus dem Englischen mit Erläuterungen und Zusätzen 
von Dr. G. Kürschner zu Marburg. 

Mit einer lithographirten Tafel und einer Tabelle. 
Gr.8. 14',, Bogen. Brosch. 1 Thir. — 1 Fl. 48 Kr. 
Beiträge zur medicinischen und chirurgischen Heilkunde 
mit besonderer Berücksichtigung der Hospitalpraxis. 
Von Dr. @. F. B. ADELMANN zu Marburg. 
Erster Band. Gr. 8. Brosch. 16 Bogen. 

14 Thir. = 1 Fl. 48 Kr, 

LucaE, Dr. J.C.G. zu Frankfurt a. M., De sym- 
metria et asymmetria organorum animalitatis, 'impri- 
mis crani. Cum 3 tab, lithog. "Gr. 4. Brosch. 
6 Bogen. 16 Gr. = 1 Fl. 12 Kr. 








Elemente der analytischen Chemie, 





M. 
Mit 10 Kupfertafeln. 


Eine Geburtszange. Von Professor Dr. HvErEa 2 


Marburg. Mit einer Abbildung. Gr. 4. 
= 36 Kr. " . 


38 G: 


Von Professoi 
Dr. WINKELBLECH zu Kassel. Miteiner Kupfer. 
tafel. Gr. & Brosch. 29 Bogen. 2 Thir. 6 Gı: 
=4HFi. 
Marburg, im November 1840. . 
N. &. Elwert’s Universitäts-Buchandlung, 


Im Verlage ber Buchhandlung bes MBaifenbanfes 


in Halle ift foeben erfchienen und in allen B d 
des Ins und Auslandes zu haben: uchhandiungen 


COMMENTARII 
DE BELLIS 


C. IULII CAESARIS. 


RECENSUIT ET ILLUSTRAVIT 
ERN. CHRIST. SCHNEIDER 


LITT. ANT. PROF, VRATISL. 


CAR. 


P 
C. IULII CAESARIS COMMENTARIORUM DE BELLO 
GALLICO. 


LIBRUM I—IV. CONTINENsS. $Smaj. 
Preis 1”, Thaler. 


Euklid's Elemente, 


Ffunfzehn Büder, 
aus dem Sriehifhen überfegt 


v0 
| I. $. körenz. 
Aufs neue herausgegeben 
nebſt einem Anhange 
von 
C. Dippe. 
Preis 14 Thaler. 


Bei mir iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen dei 





Ins und Ausiandes zu beziehen: 


Geschichte der MWohenstanfen 


und ihrer Zeit 


Friedrich von Daumer. 


Zweite verbefferte und vermehrte Auflage. 
In 6 Bänden oder 24 Kieferungen. 
Erſter Band oder erfte bis vierte Lieferung, 


Subferiptionspreife : 
Ausgabe Nr. 1, auf gutem Maſchinenvelinpapier, 
bie Lieferung 12 ®r., der Band 2 Ihr. 
Ausgabe Rr. 2, auf ertrafeinem Relinpapier, 
die Rieferung 1 Thlr., der Banb 4 Thlr. 


eben Monat erſcheint eine Eieferun afle 
en ein u jeferung, 
Reipzig, im December 1840, 


F. A. Brockhaus. 


Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


— mn 4—2— — —. — 2m. 








6te verbeſſerte Ausgabe. Gr. 8.