Google
Uber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|ht tp: //books.google.comldurchsuchen.
i's AR
VERRE VN
ape
Xp d
x
Ki
Phe Lt
X
ox S. Nae eee c1 5l pe Y
Jg n EON So a5 N, LE |
d A AS AUR NN C. qa ro Ch ur? Digitizedby: S 908 C vn n
f Pu os Ey ah EA a AD MAUS ee E A AD: M.) RE] ' i uir
Nar nra i dS NE EN ER ac 2 PH TSA er E " \ EX \ modd er o LM je
* + "
nA i © cca? Me? fe Fee ee NECS LE LAPTOP OT en sr es thus "sd. TE i a^
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google
"y
ES- UND. VOLKESKUND
he
; ne 2 ptm
XXXII. HEFT
E GESCHICHTE UND VERFASSUNG DES: e
BEARBEITET
von — DEC 1 5: 1965
UNIVERSITY .OF CALIFORNIA
R o% wr. KARL SCHOLL pui.
STRASSBURG
Ep. Herz (Heitz & MüNpEL) |
1907. e
Digitized by Google
bo
BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE
von Elsass-Lothringen.
Band I.
. Die deutsch-französische Sprachgrenze in Lothringen von
50
Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1:3)0.0W)). (Vergriffen.)
1
. Ein andechtig geistliche Badenfahrt des hochgelehrten
Herren Thomas Murner. 65 S. Neudruck mit Erläutergn., insbe-
sondere über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit $
' Zinkätzungen nach dem Original.
. Die Alamannenschlacht vor Strassburg 357 n. Chr. von
Archivdirektor Dr. W. Wiegand. 46 S. mit einer Karte und einer Wen
skizze.
. Lenz, Goethe und Cleophe Fibich von Strassburg. Ein en
licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Porträt
Araminta’s in farbigem Lichtdruck und ihrem Facsimile aus dem Lenz-
Stammbuch von Dr. Joh. Froitzheim. % S. 2 50
. Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsass von Dr.
Const. This. 43 S. mit Tabelle, Karte und acht Zinkätzungen. 1 50
Band II.
‚Strassburg im französischen Kriege 1552 von Dr. A. d^
1 50
laender. 68 S
7. Zu Strassburgs Sturm- und Drangperiode 1770 bis 20
Von Dr. Joh. Froitzheim. 88S.
. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. "E. eil
von 1065—1648. 114 S.
. Rechts- und Wirtschafts-Verfassung des Abtei bieten
Maursmünster während des Mittelalters von r. MR
Hertzog. 114 S.
. Goethe und Heinrieh Leopold Wagner. Ein Wort der Kritik
an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 68S. . 150
Band III. l Por
. Die P ENEE P im Elsass. Von Dr. H. Witte. 158 S. 2 50
16.
17.
18
19.
21.
. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. Il. Teil
von 1648—1791. 158 S. 2 50
. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Aae
1
bayr. Hauptmann. 48 S.
. Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth-
ringen zum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1542 yon
Dr. Siegfried Fitte. Mit Karte. 103 S. 2 50
. Deutsche und Keltoromanen in Lothringen nach der Völ-
kerwanderung. Die Entstehung des Deutschen a yon
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte. 250
Band IV.
Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen
und Sittengeschichte des Elsasses und der Schweiz im 15. Jahrhundert
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Puller von Dr. H. Witte,
IV u. 148 S. 2 50
Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen
ca du zu Frankreich im 16. Jahrhundert von Dr. A. Hollaender.
Der lateinische Dichter Johannes Fabricius Montanus (aus
Bergheim im Elsass) 1527—1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul-
pinus. 30 S. — 80
Forstgeschichtliche Skizzen: aus den Staats- und Gemeindewald-
ungen von Rappoltsweiler und Reichenweier aus der Zeit vom Aus-
ga nge des Mittelalters bis zu Anfang des XIX. Jahrhunderts von Dr.
ug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Uebersichtskarte. IVu.78S. 2 —
. Die Festung Bitseh von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage
mit einem Anhange enthaltend die Umgebung von Bitsch. Mit 2 Ansichten
und Plan von Bitsch, nebst Karte der Umgegend. 52.5. 1 50
Band V.
Ritter Friedrich Kappler. Ein elsässischer Feldhauptmann aus
dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus, VIII u. 112 S. 3-
DIE GESCHICHTE UND VERFASSUNG
DES CHORHERRENSTIFTS THANN
BEITRÄGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE IN ELSASS-LOTHRINGEN. XXXIII.
DIE GESCHICHTE UND VERFASSUNG
DES
CHORHERRENSTIFTS THANN
NACH ARCHIVALISCHEN URKUNDEN
BEARBEITET
VON
Dr. sur. KARL SCHOLLY
KAIS. NOTAR ZU THANN (ELSASS)
STRASSBURG
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL)
1907
DD gs)
A 32 BY
he II IL
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
Kapitell.
Gründung des Klosters St. Amarin am Doroangus . . .. ]
Besitz desselben . . . P uk ces AP ub, iade ex 6
Streitigkeiten mit der Abtei Murbach dS. tas ee Lco Ee Ro 3 11
Inkorporation der Kirche zu Altthann . -. . dise 14
Tausch des Kirchensatzes Eglingen gegen Weiler ‘ 18
Bestrebungen des Kapitels, nach Thann verlegt zu w ‚erden à 20
Kapitel IL
Das Stift wird nach Thann verlegt. Gründe des Landesherrn 23
Die Gründe des Konzils von Basel in der Bulle sacrosancta
generalis . . (ov 1 owe do 24
Der Abt von Murbach wahrt seine | Rechte s. s 25
Vereinbarung, durch welche die Rechte des Abts festgelegt
Werden. . . . Be ee a Ole dee Ris sp, A 26
Die Reliquien des hl. Akrinis: op oe by aoe ids i 28
Verträge zwischen der Stadt und den Chorherren . "M . di
Die Streitigkeiten wegen der Opfergaben werden vermittelt. . 34
Verpflichtung der Stadt zur Unterhaltung der Theobaldus-
jo MO MVC".
e
Kapitel III.
Patronatsrecht zu den Kanonikaten . . . . . . . . .. ~~ 39
Zahl der Pfründen . . . a lee cer dee Hd 42
Erfordernisse der Ana TO: in E Stiftskapitel JG" 45
Einführung und Eid der neuen Kanoniker S 4 mo feces Us 41
Pflichten derselben . . . . . nn. — DO
075
z= : =
Kapitel IV.
Die Dignitáten des Stifts:
a) Der Propst :
Wahl und Bestitiguag
Rechtliche Stellung
Nebenbezüge .
b) Der Kantor
c) Der Kustos ; :
Dessen Sorge für die alte Stiftskirche. zu St. deris :
Das Kapitel tauscht den Pfarrsatz von Eschenzweiler gegen
die Kaplanei St. Amarin ;
Größenverhältnisse und Stil der Stiftskirche St. Amann:
Neubau der Pfarrkirche daselbst .
Der Senior des Kapitels
Kapitel V.
Entwicklung der Pfarrei Thann
Der Pfarrer gehört zum Stiftskapitel
Neuregelung des Anfalls der Opfergelder .
Die Wahl des Pfarrers obliegt dem Kapitel .
Alter Brauch bei den großen Wallfahrten .
Das Kapitel hält an seinem Wahlrecht fest .
Bezüge ;
Streitigkeiten zwischen Pfarrer und Kapitel wegen der Seel-
sorge zu Altthann .
Der Sekretár und der Punktator ;
Kapitel VI.
Geschichte der Altüre zu Altthann und Thann
Die Kapläne präsentiert das Kapitel selbständig
Einkünfte der festangestellten Kapläne
Kapitel VI.
Einnahmen des Stifts:
Zehntenzu Thann, Altthann. Erbenheim, Oberaspach, Nieder-
aspach, Eglingen. Dornach, Eschenzweiler, Traubach
Erträgnisse der Dinghöfe von iua QU. Brünighofen,
Reiningen i
Die Thanner Pfründen sen gering Aa
Ausgaben des Stifts für Kirchen und Pfarrhäuser
Seite
115
119
121
123
— vil —
Die Residenzpflicht der Chorherren . ,
Die Spezialien und täglichen Distributionen
Der kanonische Gottesdienst
. Kapitel VIII.
Streit zwischen Pfarrer und Kapitel wegen des Vorrangs bei
Prozessionen . :
Bauliche Veriuderangen di in der Stiftskirche :
Prozeß zwischen Magistrat und Kapitel wegen Instandhaltung
des alten Friedhofs um das Münster .
Bauwerke auf dem Friedhofe
Die alten Grabdenkmäler werden aus der Stiftskirche entfernt
Kapitel IX.
Der Beginn der Revolution in Thann
Dekret über die Zivilkonstitution der Geistlichkeit
Die Chorherren leisten bezw. verweigern den Eid
Einführung des konstitutionellen Pfarrers Goetzmann
Tätigkeit der Gesellschaft der Volksfreunde .
Verkauf der Stiftsgüter
Beschlagnahme der Gold- und Silbersachen sowie dër Glocken
des Miinsters ‘
Feier des Festes der Vernunft .
Verwüstungen an der Stiftskirche. "E
Die Abhaltung: des Gottesdienstes in der Franziskanerkirehe
und dem Münster .
Rückgabe der Kirche an die Katholiken
Kapitel X.
Die Própste des Stifts Thann
Anlagen.
Die Statuten von 1350 SE :
Prüsentation eines Chorherrn auf Grund der ersten Bitte :
Ernennung eines Kanonikers nach Resignation des Vorgüngers
Investitur der Kanoniker . :
Kid der Kanoniker und Sacellanen
Eid der Chorherren vor der Wahl des Propstes
Wahl des Propstes
Vorschlag des Propstes durch das Kapitel zur Beonehmizune
Konfirmation desselben durch den Bischof
— vill —
Seite
Treueid des Propstes . . . P Xo Re uo uel ue ce
Päpstliche Bulle für die Pfarrei Thann ie Ho CV ode oy Re DEUS
Transaktion von 1400 . . . . . . . . . . . . . . . 194
Wahl des Pfarrers . . . .. . 196
Vorschlag des Kapitels zur Bestütigung des Pfarrers » » . 196
Rodel des Dinghofs Oberaspach . . . . . . . . . . . 196
» » » Deckweiler . . . 2 & o ce 35 ee s 198
> > > Brinighofen . . . . . . . . . .. £202
KAPITEL I.
Gründung des Kiosters St. Amarin am Doroangus. Der Besitz und
die Patronatsrechte desselben. Streitigkeiten mit der Abtei
Murbach. Unierung der Kirche zu Altthann. Tausch des Kir-
chensatzes Eglingen. Bestrebungen des Kapitels nach Thann
verlegt zu werden.
Das ehemalige Benediktinerklösterlein und nachmalige Chor-
herrenstift St. Amarin führt seine Gründung auf den hl. Ama-
rnus, auch Marinus, Emerinus und Emeri genannt, einen
Schüler des hl. Columban zurück, der in dem später nach ihm
genannten Tale von dem ihn besuchenden Bischof Praejectus
von Clermont krank angetroffen und wunderbarer Weise geheilt
wurde!, Der Sage nach fielen die beiden Heiligen miteinander
unter den Dolchen der Anhànger Ebroins im Jahre 670 oder
673. Der Leichnam des hl. Amarinus wurde in das Kloster zu-
rückgebracht, wo er als Patron hoch verehrt war; später, zu
einer unbekannten Zeit erfolgte die Translation der hauptsäch-
lichsten Reliquien nach der Abtei Murbach.
Wann das Kloster gegründet wurde, läßt sich mit Sicher-
heit nicht feststellen, denn während einzelne Schriftsteller die
Gründung bereits in die zweite Halfte des 7. Jahrhunderts ver-
'egen 2, geben andere als Zeitpunkt der Errichtung das 8. Jahr-
hundert an3. Ueber die Lage des Klosters ist nur soviel be-
! Kraus, Kunst und Altertum im Oberelsaß, S. 15.
2 Gatrio, Abtei Murbach I, S. 117.
3 Basilea sacra von 1648. S. 98. Quamvis de origine pervetustae
et celebris ecclesiae St. Projecti et Marini (vulgus Amarinum vocat)
ejusque fundatore nihil ad nos transmiserit obliviosa antiquitas pro-
babile tamen est eam cum illustri Murbacensi monasterio coepisse
circa annum 727, |
SCHOLLY. 1
EL M
kannt, dab es vom hl. Amarinus mit Erlaubnis des Taleigen-
tümers Warnacher nicht weit von der Stelle erbaut war, der
im Volksmunde der Doroangus hieß (ad locum, quem Doroangus
gentili lingua barbari vocitant, ubi haud procul cellulam beatae
recordationis et venerandus vir construxerat)!.
Ueber die Erklärung des Ausdrucks Doroangus sind die
verschiedensten Ansichten und. Vermutungen aufgestellt worden,
von denen keine das Richtige trifft. Ravenez schreibt in seinem
Werke über den Doroangus?: C'était une localité de la Vosge
alsatique dont le biographe de St. Praejectus évéque d'Arvernes
a parlé en ces termes. «Vers le méme temps il arriva que
l'hmme de Dieu se rendit à la cour du.roi Hildéric pour la
fondation d'une église. Il se mit donc en route, et comme il
suivalt cette vaste solitude qu'on appelle la Vosge il arriva en-
fin à grand'peine et par des sentiers difficiles à travers mon-
tagnes et les vallées jusqu'à un endroit, que les barbares dans
leur langage paien appellent Doroangus. C'était à peu de distance
de là que le vénérable Amarin, de bien heureuse mémoire, avait
avec la permission du prince Warnéchaire élevé aprés un tra-
vail immense un petit oratoire.» Au lieu de Doroangus, Savaron
lit Cloroangus; dans une autre vie recueillie par du Chesne, on
trouve Claroangus in Vosaco ; dans les Bollandistes, Doroangus
in Vosago, dans Wion Claroangus in Morago. Sous ce nom se
cache, selon toute apparence, la ville de St. Amarin, qui recut
de son nouvel habitant, célébre par sa piété une appellation
nouvelle qui s'étendit peu à peu à toute la vallée. A l'entrée
de cette vallée prés de la ville de Thann est un coteau fertile
en vins ; on l'appelle encore aujourd'hui Rangen.
Auch Grandidier 3 und Gatrio4 bringen den Rangen in Ver-
bindung mit dem Doroangus. Unzweifelliaft ist diese Lesart die
beste; die mit cl anfangenden Schreibarten sind offensichtlich
aus dem Anfangsbuchstaben d verlesen, wobei der Gedanke an
clarus und angulus bei den lateinisch gebildeten Abschreibern
1 Grandidier hist. d'Als. II, S. 54. ILI
2 l'Alsace illustrée III. S. 468. | l
3 Pièces justificatives de l'histoire d'Alsace II, S. 54. Antiquum
St. Amarini monasterium situm fuerit ad Thuram amnem in vicina
montis qui adhuc dicitur Rangen. Moné Zeitschrift für die Geschichte
des Oberrheines VII, S. 231.
4 Abtei Murbach I, S. 117 «eine Stelle, wo die Thur am Rangen
vorbeiflieDt». i
a pem
vielleicht unabsichtlich mitwirkte. In Doro steckt der Name
Thur !, schon früher und heute noch im Volksmund als Dur
gesprochen 2 und in angus ein altes Wort für Au, Wiese oder
Feld, das unter anderm in Furtwangen, Ellwangen und Wangen-
burg fortlebt 3. Hätte St. Amarinus nicht den alten Namen ver-
drängt 4, so hieße heute wahrscheinlich das Städtchen St. Ama- .
rin Thurwangen oder Thurau5. Mit Rangen hat der zweite Teil
des Wortes nichts zu tun, denn einmal liegt kein sehr abschüs-
siger und steiler Berg, wie es der Thanner Rangen ist®, in der
Nähe des alten Klösterleins, welches neben der heutigen Pfarr-
kirche von St. Amarin stand, dann aber fließt, was allen diesen
Geschichtsschreibern entgangen ist, die Thur ziemlich weit ent-
fernt von dem Kloster und zwar südlich längs des Seitenkamines
des Tales. Eine Veränderung des Flußbettes der Thur seit der
Gründung des Klosters ist nach der ganzen geologischen For-
mation völlig ausgeschlossen.
Die Vogesen galten zu jener Zeit als eine öde Wildnis,
welche jeder Reisende gerne vermied 7, Sankt Columbanus war
der erste Eremit, welcher in diesen Bergen ein Asyl suchte und
am Ende des 6. Jahrhunderts das Kloster Luxeuil gründete,
dessen Mönche durch ihr heiligmäßiges Leben in jener Gegend
bekannt und wohl gelitten waren. Ein Schüler Columbans soll
nach der Ueberlieferung Amarinus gewesen sein; dieser über-
schritt, wohl, um das Evangelium in dem bisher von Glaubens-
boten noch nicht betretenen Gebiete der Vogesen zu verbreiten,
unter großen Mühen den Kamm des Gebirges nach Urbis zu
und gelangte dem Laufe der Thur folgend an das Tal, dessen
Wiesen und Felder sich bis zu dem Fluß herab zogen, dem
1 Das Wort Thur oder Dur ist nach Schoepflin und Laguille
keltisch und bedeutet soviel als Bach oder Wasser. Alle Ortschaften
mit der lateinischen Endung durum liegen nach Schoepflin an einem
Wasserlaufe.
2 Ingold, Mabillon en Alsace «les Allemands disent Dhour et
non pas Thur». =
3 Nach Strobel vaterl. Geschichte I, S. 28 hätten die Nemeter
und Vangionen um das Jahr 80 oder 100 v. Chr. das Elsaß zum
ersten Male besetzt.
4 Der Name St. Amarin erscheint nach Kraus S. 15 nicht vor
1135 urkundlich nachgewiesen.
5 Mitteilung des Herrn Gymnasialdirektors Dr. Seelisch zu Alt-
kirch früher in Thann. |
6 Gebrüder Grimm, Deutsches Wörterbuch VIII, S. 9.
1 Ravenez I, S. 32, 50.
sa ium
Doroangus, einem Ort, der im Gegensatz zu dem sonst überalb
die Gegend bedeckenden Urwald von den wenigen Ansiedlern
urbar gemacht worden war. Seitwärts in dem Tale errichtete
Amarinus ein Klósterlein, in welchem seine Schüler einfach und
arm lebten ; sie genossen nur Brot und Wasser und verdienten
sich durch Arbeit ihren notdürftigen Unterhalt selbst}. Durch
ihr frommes Leben und ihren Eifer zogen sie sich die Achtung
und das Wohlwollen aller Bewohner des Tales, ebenso wie ihre
Brüder von Luxeuil, zu.
Gatrio verinutet, daß das Kloster durch die Herren von
Murbach wahrscheinlich zuerst materiell gehoben 2 und später
an einem unbekannten Datum in ein Kollegiatstift umgewandelt
worden sei?. Diese Ansicht dürfte, soweit es sich um die finan-
zielle Unterstützung durch Murbach handelt, eine bloße Ver-
mutung aber keine Tatsache sein. 1m Gegenteil ist anzunehmen,
daß die Abtei nur sehr wenig für das Kloster getan hat, da
nicht eine einzige Urkunde hierfür einen positiven Beweis lie-
fert. Wenn auch diejenige über das Gut zu Odern vom 9. Fe-
bruar 1299 von den vielfachen Wohltaten der Herren von Mur-
bach gegenüber dem Stift spricht, (propter multiplices favores
retro abbatem et conventum monasterii Morbacensis erga nos
favorabiliter exhibitis) so beweist dieser unbestimmte Ausdruck
um so weniger, als die Familie derer von Rötteln, welcher der
damalige Propst Lutold angehórte, Lehensleute des Klosters
Murbach waren, wie aus einem Revers vom 27. April 1259
hervorgeht. Der Ansicht von Gatrio widerspricht der Besitzstand
des Stifls innerhalb und außerhalb des St. Amarintales. Durch
die Schenkung Karls des Großen, des pastor Murbacensis, kam
das Tal, so wie er es besaß, an die Abtei als Almosent. Das
Original der Urkunde ging verloren, hat aber den Schiedsrich-
tern im Streite der Grafen von Pfirt mit der Abtei Murbach
1 Bez. Arch. Colmar Lade 14.
* Bd. I, S. 117. f
3 Wann das Kloster säkularisiert wurde, läßt sich nicht fest-
stellen, nach einer Mitteilung Bez. Arch. Lade 1 und 14 wäre dies
zur Zeit des Königs Childerich geschehen (?) Wenn Schickelé, le
doyenné de Masevaux S. 130 schreibt, au XIII. siècle le monastère
devint un collège de chanoines, so ist dem entgegen zu halten, daß
die Papstbulle von 1191 bereits von Chorherren spricht.
4 Schoepflin, Als. il. II, S. 99. Als. dipl. I, S. 297. Die alten
Territorien des Elsasses S. 56. Bacquol Ristelhuber Dict. S. 22.
MED Me
zur Zeit des Kaisers Friedrich II. noch vorgelegen. Gegenstand
der Schenkung war nicht das Gut von Odern, welches dem
Kloster viel früher, vielleicht von dem Talherr Warnacher ge-
geben war. Dieser rechtliche Besitz daz gut ze Adern lag mitten
im Murbacher Gebiet und hatte die Abtei zur Arrondierung ihres
Besitztums schon langst ein Auge darauf geworfen. Bereits in
der Mitte des 13. Jahrhunderts erwarb Murbach durch An- und
Rückkäufe von den Grafen zu Horburg die vielleicht von ihr
infolge Geldnot an diese verpfändeten Gebiete im obern Amarin-
tai wieder, und fehlte nur noch das Gut zu Odern zum Allein-
besitz. Erst unter dem Propst von Röteln gelang es der Abtei
sich durch eine Art Vorkaufsrecht das Gut zu sichern, indem
abgemacht wurde, daß weder das derzeitige Kapitel noch dessen
Rechtsnachfolger jemals aasselbe verkaufen dürfte. Ein förm-
liches Kaufversprechen an-Murbach ist zwar nicht in die Ver-
einbarung aufgenommen, aber aus dem Schlußsatze, daß die
von St. Amarin auch sonst nichts zum Schaden der Abtei vor-
nehmen werden, folgt das Vorrecht des Klosters. Im gleichen
Jahre bestätigte der Bischof die Abmachung. Im inneren Ama-
rintale ist von den Wohltaten der Abtei an das Stift nichts zu
finden, was es hier halte, hesaß es kraft eigenen Rechts. Wie
steht es nun mit den Besitzungen des Kapitels außerhalb des
Tales? Die älteste uns bekannte Urkunde, welche die Eigen-
tumsrechte und die Besitzverhältnisse des Stifts St. Amarin er-
wähnt, ist eine Bulle des Papstes Coelestinus vom 3. März 1191,
sofort nach seinem Regierungsantritte erlassen (anno primo pon-
tificatus) !. Die Bulle war wohl gleichzeitig mit denjenigen für
die Abtei Murbach und das Kloster Goldbach vom Papst unter-
zeichnet und scheint mir die Amariner Bulle die Echtheit der
von Jaffé als unecht angesehenen Murbacher Bulle zu beweisen.
Wenn Gatrio meint?, dab der Gegenstand sowohl der Murbacher
als der Goldbacher Papstbulle so vollkommen mit den Ereignissen
und der Sachlage jener Zeit stimmt, daB deren Inhalt auf histo-
rischem Boden fußt, so hat er mit seiner Ansicht sicher Recht;
wenn ihm die vidimierte Abschrift der St, Amariner Bulle be-
kannt gewesen wäre, so würde er seine Vermutung gewiß als
positive Tatsache aufgestellt haben. Der Papst bestatigte seinen
gelieblen Sóhnen dem Propst, welchen er nicht mit Namen
1 Bez, Arch. Lad. 14.
3 Abtei Murbach I, S. 255.
uuo IGP aS
nennt, und den Kanonikern der Kirche zu St. Amarin auf
deren Ansuchen die Kirche und den Dinghof mit allem Zu-
beliör zu Oberaspach, die Kirche zu Dornach! und den Ding-
hof daselbst, die Kirche zu Eschenzweiler 2 und den Dinghof,
den Dinghof zu Brünighofen3 mit seinen Einkünften; alles
was sie besitzen zu Deckenweiler4, die Mühle, Reben und
Häuser zu Sennheim5, die Reben zu Ufholtz und die 15 Fuder
Wein daselbst, alles was sie besitzen zu Wattweiler, den Hof
und die Reben zu Sulz, die Häuser und Reben zu Merxheim &
und Bergholtz sowie zu Odern? und Urbis8® und alle Rechte
und Gerechtigkeiten innerhalb und außerhalb des Amarintales,
so wie das Stift dies alles in ruhigem und richtigem Besitz
habe. Gegeben ist die Bulle im Lateran 1191 quinto nonas
Marti anno primo pontificatus. |
Die Bulle gibt genau den gesamten damaligen Besitz des
Stifts an, die verschiedenen Rechte in Sennheim, Wattweiler,
Sulz und Bergholz werden später nicht mehr erwähnt und sind
wohl verkauft oder umgetauscht worden. Der Hauptbesitz lag
im Herzen des Stammlandes der Grafen von Pfirt, von diesem
frommen Geschlecht sind dem Kloster St. Amarin nachgewie-
senermaßen Begabungen gemacht worden, nicht die Abtei Mur-
bach war die Wohltäterin des Stifls, sondern das gräfliche Haus
Pfirt. Die Ansicht, daß Murbach das Stift unterstützt habe,
wurde von den Amariner Chorherren stets zurückgewiesen,
allerdings mit der nicht zutreffenden Motivierung, daß ihr Stift
älter als das Kloster Murbach sei.
Ueber Zuwendungen der Grafen von Pfirt geben folgende
Tatsachen Aufschluß. |
Im Jahre 1262 schenkte Graf Ulrich I. dem Stift den Ding-
hof zu Altthann, den dieses später mit Genehmigung des Bischofs
an das Frauenkloster daselbst abtrat «zur Erinnerung an seinen
Vater Friedrich und seine Mutter Heilewige und seine Brüder,
1 ecclesia Thurnechensis.
2 Eschelswillre.
3 curtem Brunicovensem.
4 Tecwillre ein zerstörtes Dorf, dessen Bann heute mit Reiningen
vereinigt ist. Schoepflin Als. il. S. 44.
5 Sennen.
6 Merckensheim.
7 Aderen.
8 Urbeitz.
—95À mnn
auf daß das Anniversarium feierlicher gehalten werde»: die
Früchte sollten in die Präsenz fallen, mit der ausdrücklichen
Bestimmung, daß ein durch Krankheit oder sonst entschuldbare
Abwesenheit verhinderter Chorherr daran partizipiere!.
4318 verlieh Graf Ulrich II. aus demselben Dvnastenge-
schlecht dem Kapitel das Patronatsrecht der Kirche von Traubach
(Trogebach)? «propter deum et in nostrae et progenitorum
nostrorum animarum remedium et salutem». Die Kongrua der
Pfründe betrug, wie der Offizial des Bischofs, welcher das
Patronat genehmigte, bestimmte 17/4 Korn, 17/4 Spelz und
Hafer und die Opfergelder ; ein Pleban sei sofort zu ernennen
und binnen Monatsfrist dem Bischof zu prasentieren. Die Ueber-
schüsse der Pfarrei seien ganz für die Kirche zu St. Amarin zu
verwenden in subsidium et augmentum praebendarum vestrarum.
1358 bestätigte Rudolf das Patronat.
Wann die ältesten Statuten des Stifts erlassen worden sind,
entzieht sich unserer Kenntnis ; 1214 fügte denselben der Propst
Amarinus von Stoer Zusátze bei, aus denen nachstehende Punkte
besondere Erwähnung verdienen?.
4. Der Hochaltar darf nur von Kanonikern bedient werden.
2. Die Anniversarien sind abwechselnd vom Pleban, den Sacel-
lanen und Kaplänen zu halten und haben die Abwesenden keinen
Anteil an der Präsenz. 3. Der Kanoniker, welcher die Distri-
butionen genießen will, muß anwesend sein und psallieren; ist
er über drei Monate abwesend, so hat er nur Anspruch auf die
fructus grossi. Der Chorherr, welcher zwei Jahre lang seine
‘esidenzpflicht nicht erfüllt, geht seiner Pfründe verlustig. Der
Propst allein ist zur Residenz nicht verpflichtet. Außer der
freien Prábende des Propstes bleiben in Zukunft 12 Pfründen
für die Chorherren, daneben bestehen sechs Sacellane und vier
Kaplane, welch letztere die Seelsorge ausüben. Dieser Nachtrag
zu den Statuten enthält den Nachweis, daß schon damals das
Stift für 19 Kanoniker eingerichtet war und gibt zugleich einen
kleinen Fingerzeig, wie der Gottesdienst im St. Amarintal ge-
halten wurde. Wohl seit der Zeit des hl. Amarinus ist die
Seelsorge von den Mönchen des Klosters und später von ihren
Rechtsnachfolgern den Chorherrn im ganzen innern Tal ver-
1 Bez. Arch. Lade 25.
? Daselbst Lade 21 und 1.
3 Bez. Arch. Straßburg.
PNE NEC
nennt, und den Kanonikern der Kirche zu St. Amarin auf
deren Ansuchen die Kirche und den Dinghof mit allem Zu-
behór zu Oberaspach, die Kirche zu Dornach! und den Ding-
hof daselbst, die Kirche zu Eschenzweiler? und den Dinghof,
den Dinghof zu Brünighofen? mit seinen Einkünften; alles
was sie besitzen zu Deckenweiler4, die Mühle, Reben und
Häuser zu Sennheim5, die Reben zu Ufholtz und die 15 Fuder
Wein daselbst, alles was sie besitzen zu Wattweiler, den Hof
und die Reben zu Sulz, die Häuser und Reben zu Merxheim 6
und Bergholtz sowie zu Odern? und Urbis8 und alle Rechte
und Gerechtigkeiten innerhalb und außerhalb des Amarintales,
so wie das Stift dies alles in ruhigem und richtigem Besitz
habe. Gegehen ist die Bulle im Lateran 1191 quinto nonas
Marti anno primo pontificatus.
Die Bulle gibt genau den gesamten damaligen Besitz des
Stifts an, die verschiedenen Rechte in Sennheim, Wattweiler,
Sulz und Bergholz werden später nicht mehr erwähnt und sind
wohl verkauft oder umgetauscht worden. Der Hauptbesitz lag
im Herzen des Stammlandes der Grafen von Pfirt, von diesem
frommen Geschlecht sind dem Kloster St. Amarin nachgewie-
senermaBen Begabungen gemacht worden, nicht die Abtei Mur-
bach war die Wohltäterin des Stifls, sondern das gräfliche Haus
Pfirt. Die Ansicht, daß Murbach das Stift unterstützt habe,
wurde von den Amariner Chorherren stets zurückgewiesen,
allerdings mit der nicht zutreffenden Motivierung, daß ihr Stift
älter als das Kloster Murbach sei.
Ueber Zuwendungen der Grafen von Pfirt geben folgende
Tatsachen Aufschluß. |
Im Jahre 1262 schenkte Graf Ulrich I. dem Stift den Ding-
hof zu Altthann, den dieses später mit Genehmigung des Bischofs
an das Frauenkloster daselbst abtrat «zur Erinnerung an Seinen
Vater Friedrich und seine Mutter Heilewige und seine Brüder,
1 ecclesia Thurnechensis.
2 Eschelswillre.
3 curtem Brunicovensem.
4 Tecwillre ein zerstórtes Dorf, dessen Bann heute mit Reiningen
vereinigt ist. Schoepflin Als. il. S. 44.
5 Sennen.
6 Merckensheim.
7 Aderen.
8 Urbeitz.
= a
auf daß das Anniversarium feierlicher gehalten werde»: die
Früchte sollten in die Präsenz fallen, mit der ausdrücklichen
Bestimmung, daß ein durch Krankheit oder sonst entschuldbare
Abwesenheit verhinderter Chorherr daran partizipiere!. |
4318 verlieh Graf Ulrich Il. aus demselben Dynastenge-
schlecht dem Kapitel das Patronatsrecht der Kirche von Traubach
(Trogebach)? «propter deum et in nostrae et progenitorum
nostrorum animarum remedium et salutem». Die Kongrua der
Pfründe betrug, wie der Offizial des Bischofs, welcher das
Patronat genehmigte, bestimmte 17/4 Korn, 17/4 Spelz und
Hafer und die Opfergelder; ein Pleban sei sofort zu ernennen
und binnen Monatsfrist dem Bischof zu präsentieren. Die Ueber-
schüsse der Pfarrei seien ganz für die Kirche zu St. Amarin zu
verwenden in subsidium et augmentum praebendarum vestrarum.
1358 bestátigte Rudolf das Patronat.
Wann die ältesten Statuten des Stifts erlassen worden sind,
entzieht sich unserer Kenntnis ; 1214 fügte denselben der Propst
Amarinus von Stoer Zusätze bei, aus denen nachstehende Punkte
besondere Erwähnung verdienen?.
4. Der Hochaltar darf nur von Kanonikern bedient werden.
2. Die Anniversarien sind abwechselnd vom Pleban, den Sacel-
lanen und Kaplänen zu halten und haben die Abwesenden keinen
Anteil an der Präsenz. 3. Der Kanoniker, welcher die Distri-
butionen genießen will, muß anwesend sein und psallieren; ist
er über drei Monate abwesend, so hat er nur Anspruch auf die
fructus grossi. Der Chorherr, welcher zwei Jahre lang seine
vesidenzpflicht nicht erfüllt, geht seiner Pfründe verlustig. Der
Propst allein ist zur Residenz nicht verpflichtet. Aufer der
freien Prábende des Propstes bleiben in Zukunft 12 Pfründen
für die Chorherren, daneben bestehen sechs Sacellane und vier
Kaplàne, welch letztere die Seelsorge ausüben. Dieser Nachtrag
zu den Statuten enthält den Nachweis, dab schon damals das
Stift für 12 Kanoniker eingerichtet war und gibt zugleich einen
kleinen Fingerzeig, wie der Gottesdienst im St. Amarintal ge-
halten wurde. Wohl seit der Zeit des hl. Amarinus ist die
Seelsorge von den Mönchen des Klosters und später von ihren
Rechtsnachfolgern den Chorherrn im ganzen innern Tal ver-
1 Bez. Arch. Lade 25.
2 Daselbst Lade 21 und 1.
3 Bez. Arch. Straßbure.
— B
sehen worden. Der eigentliche Pfarrherr war das Stift, welches
an seinen Rechten zäh festhielt ; aus diesem Grunde erklärt
sich auch der Umstand, daß die Pfarrkirche St. Martin in
Amarin, über deren Gründung keinerlei Andeutung zu finden
ist, noch 1441 weder Taufstein noch Tabernakel oder Beicht-
stuhl besaB, da diese das Stift in der Prajektuskirche festhielt,
in welcher der eigentliche Pfarrgottesdienst stattfand. Der Ple-
ban scheint schon 1214 ein Mitglied des Kapitels gewesen zu
sein und eine Präbende gehabt zu habent.
Im Jahre 1916 gab Abt Arnold von Murbach, Graf von
Froburg der ihm unterstellten Kirche zu St. Amarin neue Sta-
tuten?. Dieselben beziehen sich, wie man aus dem Ausdruck
«statuta» schließen könnte, nicht so sehr auf die Regelung ge-
wisser kirchlicher Angelegenheiten, sondern sie sind in ihrem
ersten Teile mehr eine Aufzählung der dem Abt als Inhaber
der weltlichen Gewalt über das Kloster zustehenden oberherr-
lichen Rechte. Die Chorherren von St. Amarin fühlten sich
stets durch diese Statuten in ihren alten Rechten geschmilert
und beeinträchtigt. Vergleicht man dieselben mit dem Inhalt
der Papstbulle von 1191, so drängt sich unwillkürlich die Ver-
mutung auf, dab in der Zwischenzeit zwischen der Abtei und
dem Kapitel Tauschverträge stattgefunden haben müssen, über
welche wir keine Urkunden mehr besitzen, oder, was wohl we-
niger anzunehmen ist, daß die Vertragsschließenden von 1216
die Rechte des Stifts gróblich verletzt haben’. In den Statuten
heißt es, daß von Alters her der Abt der Kirche von St. Ama-
rin am Abend vor dem Feste der Erscheinung des Herrn mit
13 Pferden besucht4, wobei er an diesem Abend und dem
folgenden Tage die zwólf Kanoniker daselbst zu Tisch hat. Der
Klostervogt (praepositus) muß dem Abt und seinen Leuten so-
wie den Chorherrn auf eine geziemende und vollständige Weise
1 1216 unterschreibt Albero Pfarrer und Kanonikus zu St. Ama-
rin die Statuten.
2 Schoepflin Als. dipl. I, S. 331. Bez. Arch. Lade 12.
3 Sitfferlen. la vallée de Saint-Amarin S. 32 «en 1216 disaient
les chanoines l'abbé Arnold abusa de son autorité civile sur les cha-
noines; en 1222 l'abbé Hugo abusa contre eux de son autorité spi-
rituelle».
4 Ein ühnlicher Brauch findet sich für die Propstei Colmar zum
Jahr 1237, wonach der Abt von Münster mit zwölf Pferden feierlich
in dieselbe einreitet. Strobel vaterl. Geschichte des Elsasses I, S. 523.
a 0 =
seine Dienste leisten und zwölf neue Teller nebst zwölf neuen
Trinkbechern vorsetzen, letztere stehen zu je sechs auf beiden
Seiten des Abts, ein dreizehntér wird vor ihn gestellt. Der
Kustos der Kwche gibt für die Beleuchtung am Abend zwölf
Kerzen, jede einen Pfennig wert; der Propst sorgt für das
Frühstück, der Klostervogt für das Nachtessen. Am Morgen
des Festes Epiphanie hält der Abt den feierlichen Gottesdienst
mit dem entsprechenden Zeremoniell des hohen Festtages. Ehe
er zum Altar tritt, haben die Vorsteher und Beamten (officiales
sive dispensatores) der Klosterhöfe außerhalb und innerhalb des
Tales zwölf Fuchspelze unter seine Füße zu legen. Diese Höfe
sind Oberaspach, Dechunwilre, Brunighoffen, Eschenzweiler und
Dornach. Die Beamten sind der Klostervogt (praepositus), der
Kellermeister (cellerarius), der Schaffner (causidicus) und der
Fórster (forestarius) des Abts. Die Dispensatoren sind der
Heimgisel von Mollau und der Heimgisel von Weiler, die
beiden Dinghofvógte.
Als unzweifelhaften Grund für die Unterlegung der Fuchs-
felle gibt Lunig! die um jene Zeit herrschende Kälte an; ob
derselbe stichhaltig ist, mag dahin gestellt bleiben, es liegt viel
nàher und erklart sich auch aus der Anwesenheit des Fórsters,
daß der Abt bei Gelegenheit seiner Anwesenheit im St. Ama-
rintal sich überzeugen wollte, ob das Raubwild in den be-
rühmten Jagdgründen der Abtei vertilgt würde. Man wird
wohl nicht fehl gehen in der Annahme, dab alljáhrlich neue
. Felle unterlegt wurden.
Nach diesen die Rechte des Abts festsetzenden einleitenden
Bemerkungen, folgt die Aufzáhlung der Rechte des Kapitels.
Der Abt gibt den Chorherren jedes Jahr aus seinen Reben zu
Uffholz 15 Fuder (carratae 2) Rotwein, welchen er durch seine
Untertanen aus dem St. Amarintal in das Stift führen läßt.
Jeder zu dem Fuhrdienst verpflichtete Talbewohner hat zwei
Zugochsen zu stellen außer den Edeln und ihren Dienstleuten,
die frei sind. Der Abt sorgt dafür, daß der Wein zu Martini im
Stifiskeller liegt. Vom Hofe zu Uffholz erhält jeder Chorherr zu
Charsamstag 30 Hühner und 190 Eier, und muß der Propst von
den Höfen zu Aspach, Deckenweiler, Dornach und Brünighofen
———————
_ 1 Spicilegium ecclesiasticum cont. I, S. 942 «eo fine citra du-
bium, ut frigus arcerent».
? Nach Berlers Chronik bedeutet carrata ein Fuder.
— 10 —
(der obgedachte Dinghof von Eschenzweiler blieb, aus welchem
Grunde wird nicht gesagt, frei), 80/4 Korn und 7/4 Dinkel in das
Kornhaus des Kapitels zu St. Amarin überführen lassen, damit
jeder Kanoniker seine Frucht zugeteilt erhallen kann. Zu St.
Thomastag soll er jedem Chorherrn ein Schwein besorgen und
zu drei König dem Kapitel einen Ochsen liefern, aus dessen
Haut zwölf Paar Sohlen für die Dienstboten herausgeschnitten
werden können. Am Feste der Apostel gibt er den Kanonikern
zwölf kleinere Gegenstände zum Geschenk, wie sie sich für
Geistliche ziemen und zahlt ihnen zum Fest St. Amarinus aus
den Einkünften von Aspach, Dornach und Eschenzweiler 5 So-
lidi. Von des Abts Fleischkammer (carnistrinum) erhalten die
Chorherren zwölf Schulterblätter (scapulae Schüfeln). Am Tag
Johannes des Täufers liefert der Kellermeister des Abts vier
Maß kleines Salz und ebensoviel zu Weihnachten aus dem
Lager der Höfe zu Mollau und Storkensohn. In. der Kreuzwoche
bekommt jeder Chorherr von den Höfen im Tal 30 Eier und
an bestimmten Tagen von Urbis fünf Schafe. Zwei Juchert
Acker liefern der Kirche den Raps zum Oel für die Beleuch-
tung. Das Stift hat den Zehnten vom Vieh, von den Gemüsen,
vom Hanf und anderen Gegenständen, ferner von den Mutter-
schweinen. 24 Arbeiter aus dem Tal machen jede Woche die
Runde in den Stiftsgebäuden, uın alles, was nötig Ist, auszu-
bessern, dafür gibt ihnen der Abt 24/4 Korn. Am Gründon-
nerstag erhält jeder Chorherr zwölf Pfennige, um seine Fische
für die Festtage zu kaufen. Die Kanoniker haben das Recht
ihre Pferde auf der dem Abte gehörigen heiligen oder großen
Wiese vor dem Städtchen (pratum spirituale), dem heutigen
Breuil!, weiden zu lassen, sobald das Heu abgeerntet ist. Es
steht ihnen der freie Genuß des Waldes d. h. das unbeschränkte
Jagdrecht im Tale zu, und nur sie oder ihre Angehörigen dürfen
mit den Leuten des Abts und der Edeln in den Gewässern
fischen. Auf der Klostermühle haben die Bäcker der Kanoniker
das Recht alle Erzeugnisse, welche letztere für sich brauchen,
unentgeltlich zu mahlen?. Als Zeugen des Abkommens unter-
1 1399 tritt das Kapitel an Murbach einen Acker im Brühel
oder Brühell vor der Stadt um zwei Pfund jährlichen Zins ab. Bez.
Arch. Murbach Lade 55. |
? Wenn der Verfasser des Artikels über das Stift St. Amarin
im Reichsland Elsaß-Lothringen schreibt, daß dieses 1216 auf zwölf
aa ne
L]
schrieben auBer anderen der Propst Konrad Schwarz, genannt
Niger, und der Kanonikus und Pfarrer Albero von St. Amarin.
Ein langjahriger Streit zwischen dem Kloster Murbach und
dem Stift St. Amarin wurde am 22, Oktober 1222 zu Bühl wegen
der Wahlen zum Kapitel geschlichtet '. Abt war Hugo von Ro-
thenburg ; Propst des Stifts Wernher. Vom apostolischen Stuhl
waren als Schiedsrichter in dem Zwiste die Aebte von Faverney
und Bithaine in Burgund sowie der Kanonikus Johannes zu
Rhein aus Lautenbach ernannt worden, nachdem die früher be-
zeichneten Schiedsrichter Abt Wetzelo von Pairis und Dechant
Hesso von Lautenbach, welche einen Vergleich zwar angebahnt
aber nicht vollendet hatten, in der Zwischenzeit gestorben waren.
Das von den letztern aufgestellte Kompromiß wurde in den we-
sentlichen Punkten unverändert angenommen und entscheidet
die Abmachung: -
Wenn die Propstei, das Dekanat, eine Kanonikatspfründe,
oder sonstige Stelle zu St. Amarin erledigt ist, die eine Neu-
wahl erfordert, so ist der Abt von Murbach durch einen oder
mehrere Chorherren hiervon zu benachrichtigen, Der Abt soll
sich mit ibnen, und sie sich mit ihm über den Tag, an dem
die Wahl stattfindet, einigen, damit alle Beteiligten dabei an-
wesend sein kónnen. Die Wahl selbst findet zu St. Amarin
statt und wohnt derselben der Abt oder sein Stellvertreter an.
Ein aktives Wahlrecht steht ihm und seinem Bevollmächtigten
nicht zu, er darf keinen Druck! auf die Abstimmenden aus-
zuüben versuchen, wenn er aber um seine Meinung befragt
wird, kann er sich für einen Kandidaten verwenden. Zuerst
stimmt der Propst ab, in welcher Weise die Wahl geschieht,
wird nicht gesagt, hierauf folgen die übrigen Chorherren nach
der Reihe ihrer Ernennung. Der Abt oder sein Stellvertreter
prüft die Wahl und hat den Gewählten, falls er zu seinem
Amte passend und tauglich ist (persona idonea) ohne weiteres
einzuführen.
Wird eine Klage gegen einen Chorherrn erhoben, oder
macht sich ein solcher eines Vergehens schuldig, so muß ihn
der Abt ermahnen, damit er ihm und den andern Kanonikern
Kanonikate eingerichtet und mit Héfen und Patronaten ausgestattet
worden sei, so beruht diese Ansicht nach allem Voranstehenden auf
einer völlig verfehlten Auffassung der Statuten von 1216.
1 Schoepflin Als. dipl. I, S. 348. Bez. Arch. Murbach Lade 95.
— 12 —
"Genugtuung gibt. Gehorcht der Beschuldigte nicht, so kann ihn
«der Abt als zuständiger Richter strafen und ihm die Früchte
der Präbende teilweise entziehen ; bessert er sich auch hierauf
nicht, dann versammelt der Abt das Kapitel und fordert ihn
auf öffentlich vor diesem Genugtuung zu leisten. Weigert er
sich, so ist der Abt berechtigt ihm die ganze Präbende zu ent-
ziehen, da jeder Chorherr ihm in die Hand und in die Stola
‘Gehorsam geschworen hat.
Wenn aber die Brüder zu St. Amarin den Schuldigen in
Schutz nehmen sollten, dann lädt ihn der Abt vor sich in das
Chor zu Murbach und bestraft ihn nach Beratung mit den an-
weserden Brüdern. Ebenso handelt der Abt, wenn das ganze
Kapitel zu St. Amarin sich widerspenstig zeigt, oder sich bei
ihm jemand über dasselbe beklagt. Das Kapitel muß einen De-
-chanten haben, welcher die Beichte der Kanoniker hört und
mit Zustimmung des. Kapitels die Chordisziplin handhabt. Der
Propst und Dechant haben dem Abt Treue und Gehorsam zu
schwören.
Will der Abt eine taugliche Person zum Pfleger des Spitals!
in St. Amarin ernennen, so hat er die Chorherren daselbst zu
Rate zu ziehen; die Ernennung des Almosenpflegers steht dein
Abte allein zu. Die Lieferung der 15 Fuder Rotwein und der
übrigen im Vergleich von 1216 vorgesehenen Lebensmittel ob-
liegt wie seither dem Abte für die Zukunft.
Alle diese Abmachungen getreu zu halten versprach sowohl
der Abt als das Stiftskapitel eidlich. Der Akt ist untersiegelt
von den Bevollmächtigten des hl. Stuhles sowie dem Abt und
dem Propst.
Gleich nach diesem Schiedsspruch entstanden neue Schwie-
rigkeiten zwischen der Abtei und dem Stifte wegen verschiedener
1 Das alte Spital soll unter dem Abt Simbert II. und zwar nach
den Aufzeichnungen des Pfarrers Gerran unter Papst Clemens IIT.
(1187—1191) erbaut worden sein. Wenn der Abt die Chorherrn bei
der Ernennung des Pflegers zu Rate ziehen muß, so geschieht dies
jedenfalls aus dem Grunde, weil diese zum Bau beigesteuert haben
werden. Daß das Spital hauptsächlich für nach dem heiligen Lande
zichende Pilger gebaut worden ist, wie Gatrio I, S. 252 annimmt,
halte ich für ausgeschlossen. in den Statuten von 1216 heißt es de
quibus decimis peregrini pauperes infirmi debiles ab hospitalicio
securantur. Bez. Arch. Murbach Lade 55, 1. Das neue Spital wurde
1343 von Andreas von Murnhard, des Abts Bruder gestiftet ; die
Giilten sollen nicht dem Abte und Kapitel gehóren.
—-—- 13 —
von der ersteren beanspruchten und. vom letzteren bestrittenen-
techte. So war z. B. die Frage streitig, ob das Patronatsrecht
der Kirche von Dornach, welches noch 1216 der Abtei Lützel
gehürte!, dem Abte oder dem Propste zustehe. Am 5. Januar
1945 entschieden Sachverständige, daß der vom Abte zum.
Pleban präsentierte Kanoniker Cuno Pfarrer bleiben, dagegen
der vom Kapitel St. Amarin dazu gewählte Kanoniker Heinrich.
von Stettenberg jährlich 20/4 Korn und ebensoviel Hafer von:
dem Einkommen dieser Kirche erhalten solle; dieselben verein-
barten noch, daß, wenn letzterer den ersteren überlebe, er ohne
Widerrede dem Pleban Cuno im Amte succediere?.
Am 10. September 1250 beauftragte Papst Innocenz IV.
durch eine Bulle den Dechanten und den Kanoniker Fulko von.
Mómpelgard mit der Untersuchung einer anderen Angelegenheit
und ermächtigte ihn. nach Gutdünken zu entscheiden, wenn
nótig, sollte gegen die Gegner des Abts mit kirchlichen Strafen
vorgegangen werden’, Der Abt habe den Beweis geliefert, daß.
ihm nicht bloß das Patronatsrecht an der Kirche zu St. Amarin
sondern auch das Recht der Investitur des Propstes und der
Prabenden an derselben Kirche zustehe, wenngleich der Propst
und einige Kanoniker dem Abt die Ergebenheit, welche sie:
ihm in die Hand gelobt. hätten (oboedientia manualis) verweigern.
Am 12. Oktober 1954 wurden diese Streitigkeiten durch fünf
Schiedsrichter unter Vorsitz des Dekans von Murbach friedlich
beigelegt. Nach deren Entscheid gehórt der kleine Zehnt im St.
Amarintal' dem Abt von Murbach, der allein das Patronatsrecht
über die Kirche St. Martin und die Marienkapel'e zu St. Ama-
rin, sowie über die Kirchen zu Eschenzweiler und Dornach
habe, hingegen müsse er dem Propst und Kapitel von St. Ama-
rin das Patronatsrecht der Kirche zu Oberaspach abtreten. Hin-
sichtlich des Patronats der Kirche St. Martin und der Marien-
kapelle und der Kirchen von Eschenzweiler und Dornach wurde
bestimmt, daß der Abt von Murbach die beiden ersteren Pfrün-
den stets einem Kanoniker zu St. Amarin, die beiden anderen
aber nach Gutdünken verleihen kónne. Der Abt seinerseits ver-
plichtele sich die Kirchen und Klostergebäude in St. Amarin
auf seine Kosten zu unterhalten und dem Kapitel die 15 Fuder
1 Schoepflin Als. ill. S. 39.
2 Bez. Arch. Lade 17.
3 Lünig S. 974. Bez. Arch. Murbach Lade 95, 4.
ss AL. um
Rotwein aus seinen Reben in Ufholz auf Martini zu liefern. Er
gibt den drei Offizialen nämlich dem Bannwart (grase vart),
dem Backer und dem Werkmeister der Taglóhner, wie seither,
ihre Besoldung und stellt das nótige Bauholz für die Mahlmühle
zu St. Amarin ; die Kanoniker dienen ihm dafür in Treue. Die
Prüfung der Wahl des Dechanten und der Kanoniker zu St.
Amarin obliegt dem Abte, und wenn er den Gewählten für
tauglich befindet, installiert er ihn gemeinschaftlich mit dem
Propste. Der Propst darf denjenigen nicht zurückweisen, welchen
der Abt für würdig hält.
Die Aufsicht über die Kanoniker steht in erster Linie dem
Propste zu, falls er hierin säumig ist, schreitet der Abt ein,
der nach Einvernehmen mit dem Kapitel zu St. Amarin gegen
den Schuldigen vorgeht. Wenn die Kanoniker und der Propst
zu St. Amarin einstimmig widerspenstig sind, so lädt sie der
Abt zu sich in das Golteshaus nach Murbach und richtet sie
mit seinem eigenen Kapitel. Jeder zu St. Amarin gewählte
Chorherr hat den Treueid dem Abt und der kirche zu Murbach
wie auch der Kirche zu St. Amarin zu leisten!.
Die Vereinbarung ist zu St. Amarin getroffen und*von den
Schiedsrichtern unterzeichnet. Unterschrieben sind unter anderen
der Propst Ulrich von Luzern, der Schultheiß Hevmon von St.
Amarin, und der Leutpriester Rüdiger von St. Martin im Ama-
rintale.
Wenn nun nach allem Voranstehenden die Pfründen des
Stifts zu jener Zeit nicht gerade schlecht gewesen zu sein
scheinen, waren die Chorherren mit ihrem Einkommen doch
nicht zufrieden. Sie wandten sich an den Bischof von Basel
mit der Bitte die Einkünfte der Ptarrkirche zu Altthann, deren
Kollatur dem Kapitel schon zustand?, ihnen zuzuweisen, sobald
eine Vakatur eintrete, (quod cum proxime rectorem ecclesiae de
Thanne communiter ad vestram collationem spectantis cedere con-
tigerit aut decedere) gegen die gewöhnliche Verpflichtung einen
. stàndigen Vikar zur Ausübung der Seelsorge daran zu bestellen.
1 Trouillat I, S. 612. Schoepflin I, S. 410. Bez. Arch. Lade 14
und Murbach Lade 95. 5.
2 Die Liebfrauenkirche zu Altthann erscheint nach der notitia
fundationis et restaurationis abbatiae Aeschoviensis gegen 1100 im
Besitz des Frauenklosters Eschau. Der Bischof gab in villa, quae
dicitur Danne manum unum curtem unam cum duobus mansibus.
as AD. se
Am 20. Januar 1255 gab Bischof Bertold II. aus dem Ge-
schlechte der Grafen von Pfirt die Erlaubnis diese Einkünfte
bei Erledigung des Pfarrsatzes mit der gewöhnlichen Mensa des
Kapitels unter der angegebenen Bedingung zu vereinigen. Als
Begründung der Inkorporation führt der Bischof an: «quod
propter ecclesiae vestrae peice parvitatem en
vestrae sint adeo tenues.»
Am 3. April 1255 konfirmierte der apostolische Legat Pe-
trus zu Konstanz, Kardinal ad velum aureum die Inkorporation!.
Die meisten Schriftsteller 2 nehmen an, daß durch die Inkorpo-
rierung die Pfarrei Thann betroffen worden sei. Diese Ansicht
entspricht in keiner Weise den Tatsachen, da um das Jahr
1250, wie wir weiter unten sehen werden, noch kein Altar in
der jetzigen Stadt Thann bestanden hat, und eine eigene Pfarrei
mit selbständigen Einkünften erst viel später geschaffen wurde?,
Daß der Bischof von Basel so leicht der Bitte der Chorherren
von St. Amarin Gehör schenkte, hat einmal seinen Grund dar-
in, dab er als Sohn des Grafen Friedrich II. von Pfirt und
Bruder Ulrichs II., welche uns bereits als Wohltäter des Stifts
begegnet sind, ebenfalls dem Kapitel seine Zuneigung bezeugen
wollte. Andererseits trachteten die Basler Bischöfe schon lange
darnach das Kloster und Kapitel zu St. Amarin‘ der Jurisdiktion
der Abtei Murbach zu entreißen und sich selbst zu unterwerfen.
Sie durften hoffen dieses Ziel um so leichter zu erreichen, je
mehr sie den Chorherren, ohne selbst ein finanzielles Opfer
bringen zu müssen, entgegen kamen.
Die Gerichtsbarkeit über das Stift wurde tatsächlich durch
ein Urteil von Schiedsrichtern unter dem Vorsitz des Propstes
Petrus von St. Martin zu Colmar in St. Amarin am 12. No-
vember 1318 sanktioniert, welche entschieden, daß das Ka-
pitel, der Propst und die Kirche in St. Amarin Untertanen des
Bischofs seien (arbitraliter definimus praedictos canonicos capi-
tulum et ecclesiam St. Amarini subesse debere in omnibus et
per omnia praedicto domino nostro episcopo prout ecclesia St.
Martini hactenus dignoscitur subfuisse)4. Als Gegenleistung
unierte und inkorporierte der Bischof die Früchte und das Ein-
a 2 Trouillat TI, S. 719. | |
2 Gatrio, Moßmann, Schickelé, Sifferlen,- Bacquol Ristelhuber.
3, Kapitel 5.. E
t Bez. Arch. Lade 14.
— 46 —
kommen der Pfarrkirche von Traubach, an welcher das Kapitel
das Patronatsrecht bereits hatte, nach dem Tode des bisherigen
Rektors der gewöhnlichen Mensa des Stifts. Nach einem spätern
Schiedsspruche zu St. Amarin vom 14, April 1321 sollte der
Abt verpflichtet sein dem Kapitel die 15 Fuder Rotwein von
Ufholz und das Salz zu liefern, dagegen sollte er an Stelle der
1216 zugesicherten Schulterblätter jährlich zu Epiphanie den
Kanonikern 36 Solidi gewöhnlicher Münze zahlen!. Der Abt
Konrad von Widergrün beruhigte sich bei dieser Entscheidung
nicht und legte Berufung an die weltlichen Gerichte ein, nach
deren Urteil der Propst Berthold seinem gnädigen Herrn Abt
versprechen mußte ihm und seinem Gotteshause für die Zukunft
weder Geld noch Gut zu entfremden, Tate er es dennoch, so
würde rechtlich gegen ihn vorgegangen werden?,
Schon am Sonntag nach Michelstag 1338 begegnen wir
einem neuen Schiedsspruch des Bischofs Berthold von Straßburg,
der vom Abt von Murbach und dem Bischof von Basel, einem
Neffen des Straßburger Oberhirten, in einem Streite der Abtei
mit dem Stift als Sachwalter ernannt war. Der Bischof ent-
schied, daß der Herr von Murbach und sein Kapitel und die
Thumherren von St. Amarin bezüglich der Rechte, Leute und
Güter im St. Amarintal alles in dem Zustande belassen sollen,
wie es an dem Tage war, an dem der Vorfahre des Abts Kun-
rad von Stauffenberg (1334) von dieser Welt abschied. Das
Gotteshaus von Murbach solle in seinen Rechten bleiben, die
es bis an des genannten Herrn Tod hatte, doch möge ein jedes
Gotteshaus das andere gerichtlich ansuchen um das was es jetzt
in Gewähr habe, und es diesem mit des Gerichts Spruch ab-
gewinnen, wenn es letzterem Recht sei. Die Entscheidung gelte
aber nur bis zur nächsten Fastnachts,
Am 4. Februar 1350 wurden neue Statuten 4 für das Kapitel
zu St. Amarin durch die gewählten Schiedsmänner nämlich den
stellvertretenden Propst Rudolf, den Kellermeister Peter von Butt-
weiler und den Kanonikus Johannes von Mollau festgestellt und am
gleichen Tage vom Bischof genehmigt. Durch diese Statuten wurde
1 Bez. Arch. Lade 14.
* Bez. Arch. Murbach Lade 51 und 19. Der Inhalt der Urkunde
ist unklar.
3 Bez. Arch. Register der bei Seite geschafften Urkunden.
* Abdruck in Anlage 1.
= cd uem
die Aufnahme der Kanoniker und die Anwartschaft auf die Pfründe
neugeregelt und anderweitig geordnet. Eine solche Neuregelung
war schon aus dem einen Grunde erforderlich, weil in jenem
Jahre bereits mehr Anwartschaflen verliehen waren, als jemals
Chorherrn Aussicht hatten im Stifte untergebracht zu werden
und durch die Laienpräsentationen ungeeignete Persönlichkeiten.
in das Kapitel hereingekommen waren. Zur Verhütung aller
dieser Mißstände wurde für die Zukunft bestimmt, daß der
Bischof von Basel als erster eine Person mit Anwartschaft auf
eine Prábende benennen kónne, sodann der Propst eine zweite
und der Abt von Murbach eine dritte, ohne daß die früher er-
teilten Exspektanzen dadurch beeinträchtigt werden dürften.
Von Interesse ist die Liste der vorgeschlagenen Personen.
Der Bischof präsentierte Hanmann, den Sohn des Edeln
Philipp Schrecken, der Propst Konrad, den Sohn des Reisigen
Berthold von Ostheim! und der. Abt Johann ?2, den Sohn des
Edeln Rudolf von Wattweiler. Von den Chorherren, deren Namen
bei dieser Gelegenheit aufgeführt werden, wurde vorgeschlagen
Hanmann, der Sohn des Reisigen Berthold 3, Johannes Schrecken,
Mathias von Butweiler, Berthold von Bulgen, Jetelinus von Thann,
Johannes von Warembach, Wilhelm von Ungersheim 4, Rudolf
von Morzweiler, Konrad von Sursee, Hanmann von Sursee,
Peter von Ungersheim 5, Friedrich von Butweiler und Heinrich,
der Sohn des Kapitelsprokurators, Nachweisbar von Adel sind
außer den vom Bischof, vom Propst und vom Abte präsentierten
Personen nur Johannes Schrecken und die beiden Ungersheim.
Ein rein adeliges Kapitel wie Murbach war Thann niemals ;
zur Versorgung solcher Herren waren die Pfründen zu wenig
einträglich und der Zudrang von dieser Seite gering. In späterer
1 Die Ostheim (Ostein), Ungersheim (Ongersheim) und Wattweiler
gehörten zu den nobiles milites der Abtei Murbach. Lunig catalogus
S. 949, Schoepflin Als. il. II, S. 674.
2 Wohl derselbe, der 1385 als Vertreter des Propstes Munck
a 2 Ursicin handelte und 1394 Propst daselbst war. Trouillat IV,
3 Vielleicht identisch mit Henmann von Hungerstein, welcher
1399 als Chorherr von St. Amarin vorkommt. Kindler S. 41.
* War 1353 Prior des Predigerhauses zu Gebweiler, Kindler
8. 64 und 1381 Verwalter der Propstei Luzern.
5 Z. Z. des Interregnums 1353 einer der vier Verwalter der
Abtei Murbach.
SCHOLLY,
to
— 48 —
Zeit sind adelige Chorherren im Stift Thann eine seltene Aus-
nahme!, Wer von den Vorgeschlagenen aufer vielleicht Hanmann
von Hungerstein tatsächlich eine Kanonikatspfründe zu St. Ama-
rin innegehabt hat, läßt sich nicht nachweisen; unter den Chor-
herren, welche 1365 den Schatzmeister Johannes Hacke zum
Propste wählten, ebenso in einem Protokoll von 1391, befand sich
keiner der Präsentierten.
Einen wichtigen Tausch schloß der Propst Konrad Schaler
(gsalary) am 49. Juli 4357 mit der Abtei Murbach. Das Kapitel
überließ durch diesen Vertrag der Abtei den Kirchensatz von
Weiler, dem es, was für Murbach die Hauptsache war, am
48. Juli 1357 den Dinghof zu Odern (das gut ze Adern) samt
allen Rechten, Gütern, Waldungen, Weiden, Leuten und der
Gerichtsbarkeit im Amarintale nebst zwei Pfund zehn Schilling
Rente zu Urbis uniert hatte und allen Rechten in Felleringen,
Odern und Grüth, wogegen Murba:h dem Stifte den Kirchen-
satz der reichen Kirche zu Eglingen, welchen die Abtei im
nämlichen Jahre von den edeln Brüdern Petermann Kuntz und
Hemann Schultheiß von Balschweiler erhalten hatte, und wo
Schaler seit 1333 Pfarrer gewesen war, abtrat2. Die Abtei ver-
pflichtete sich überdies dem Propst, Kapitel und den Kaplänen
das Holz zu den Häusern und Keltern des Stifts sowie das
nötige Brennholz aus ihren Waldungen im St. Amarintal zu
liefern.
Als im 18. Jahrhundert die Abtei ihre Verpflichtungen aus
diesem Tausch nicht mehr anerkennen wollte, wurde sie auf
erhobene Klage des Thanner Kapitels durch ein Urteil des con-
seil souverain zu Colmar vom 6. Juni 1755 zur Lieferung des
Holzes verurteilt, wenn sie nicht vorziehen sollte, den Tausch
aufzuheben, Die Abtei wählte das erstere und verpflichtete sich
1 Wir finden folgende: von Stürzel, Heinrich von Ungersheim,
von Ruost, von Hohenstein, von Kesselring, von Reinach, Klötzlin
von Altenach, de Valoreille, du Lys, von Nipein, von Klinglin, von
Clebsattel, Poumier de Gapillon.
2 Bez. Arch. Murbach Lade 95 Nr. 18 ff. mit dem schön er-
haltenen Siegel des Stifts St. Amarin in Nr. 21. 1321 hatte der
Bischof Eberhard an Heinrich Waldener Pfarrer zu Eglingen alle
bischöflichen Rechte um 8 Mark Silber rein verkauft und sollte
dieser Betrag an Wernher Schaler zur Tilgung einer Schuld des
Bischofs bezahlt werden. Möglich, daß Konrad Schaler, wohl ein
Verwandter des Wernher, aus diesem Grunde Pfarrer in Eglingen
wurde.
ess “AO. om
durch ein Abkommen vom 14. August 1756 einem jeden resi-
dierenden Chorherrn für die letzten Jahre je 30 livres und
jedem Kaplan 45 livres an Stelle des vorenthaltenen Brennholzes
zu zahlen. Die Genehmigung des Bischofs zu der Abmachung
erfolgte am 28. September 17561. Durch einen neuen Vertrag
vom 26. Mai 1778 wurde die Geldentschädigung an die Kapi-
tulare und Kapläne auf das doppelte festgesetzt. Das weitere
Begehren des Kapitels auf Lieferung der 15 Fuder Rotwein aus
den Reben von Ufholz und der übrigen Reichnisse nach dem
Vertrag von 1916 wurde durch einen Entscheid des nàmlichen
Gerichtshofes vom 6. September 1780 zurückgewiesen.
Die Aufführung der Chorherren scheint nicht zu allen Zei-
ten eine ganz einwandfreie gewesen zu sein, hauptsächlich die
Jagden hielten dieselben häufig von ihren kirchlichen Obliegen-
heiten ab. So sah sich Herzog Friedrich von Oesterreich in
einem zu Innsbruck am 25. Januar 1429 erlassenen Schreiben
genötigt, scharf gegen solche Unregelmäßigkeiten einzuschreiten?,
Bezeichnend sind folgende Sätze des Schriftstiickes: Uns ist
fürkommen, wie der Gottesdienst zu Thann unordentlich ge-
halten werde, anders denn billig und von altem Herkommen
sei, dies dünkt uns unbillig; und wenn wir als Landesfürst
und Vogt der Stift- und Gottesháuser in unsern Landen be-
fehlen, daß solcher Gottesdienst zu unser Vorfahren Gedächtnis
und anderer Christgläubigen in denselben unseren Landen und
Gebieten nicht von UnfleiBigkeit wegen abnehme und verringert
werde, so empfehlen wir euch und begehren mit Ernst, daß ihr
mit dem Leutpriester und den Kaplànen zu Thann, die unter
euch sind, schaffet und ordnet, daB der Gottesdienst daselbst
gehalten werde und vor sich gehe, als nach altem Herkommen
und guter Gewohnheit dazu gehört ; also seid nicht säumig
darin, dann tut ihr nach unser Meinung und Gefallen 3.
Auch der fromme Abt Dietrich von Murbach, den strenge
1 Bez. Arch. Lade 11.
2 Daselbst Carton 64.
3 Sifferlen la vallée de St. Amarin S. 37 zieht aus diesem Re-
skript für die Verlegung des Stifts einen nicht zutreffenden Schluß.
Wenn Rektor Hans daselbst die Schuld für die nicht erquicklichen
Zustände den Laien, denen verschiedenen Pfründen noch zu jener Zeit
reserviert gewesen sein sollen, zuschiebt, so bleibt er den Beweis
hierfür schuldig.
— 90 —
Ordenszucht und gewissenhafte Haltung der Kirchengesetze
unter allen seinen Zeitgenossen rühmlichst auszeichnen, mußte
den St. Amariner Stiftsherren wegen ihrer unbändigen Jagd-
belustigung eine nur zu wohl verdiente Rüge erteilen 1, Mit
Bitterkeit und Haß erwiderten sie die wohlgemeinten Ermah-
nungen ihres Fürsten und als er bald nachher seinen jüngeren
Bruder in das Kapitel aufgenommen zu sehen wünschte, wurde
er einstimmig mit seinem Begehren abgewiesen, Da der Abt
mit gróDerer Strenge hierauf gegen die widerspenstigen Kano-
niker vorzugehen versuchte, wandten sich diese an die zu Basel
tagende Kirchenversammlung. Jede, selbst die äußerste MaDregel
fand bei der dort bestehenden Majorität Beifall, wenn sie nur
gegen den Papst gerichtet war, jede Gelegenheit war den Kon-
zilsfanatikern willkommen, den noch immer im Exil weilenden
Papst ihre Macht und ihren herrischen Trotz empfinden zu
lassen Während der Abt zu dem in seinen Augen recht-
mäßigen Papst Eugen IV. seine Zuflucht nahm, regelte das
Konzil, welches bereitwilligst alle die in Schutz nahm, welche
gegen die Obrigkeit appellierten, die ganze Frage ohne den
Papst und beschlob die Verlegung des Stifts nach Thann. Aus
einer Notiz, wonach die Verlegung mit großen Opfern und
Ausgaben verbunden gewesen sei, dürfte der naheliegende
Schluß gezogen werden, daß maßgebende Kreise im Konzil für
die Sache des Kapitels durch Geldgeschenke, welche bei solchen
Verlegungen eine Hauptrolle spiellen, gewonnen wurden ; der
einfache Umzug von St. Amarin nach dem nahe gelegenen Thann
kann solch große Aufwendungen sicherlich nicht erfordert
haben,
Nach der Thanner Chronik, deren Richtigkeit man vielleicht
für diese Angabe nicht zu bezweifeln braucht, hätten sich die
Chorherren bereits 1427 an den Kaiser gewendet, um durch ihn
die Uebersiedelung in die noch nicht ganz vollendete Theobaldus-
kirche zu erlangen. Der Erfolg blieb aus, wahrscheinlich, weil
der damalige Papst Martin V., welcher 1430 die Rechte des
Stifts St. Amarin geschützt hatte, 4 und bei dem der Abt von
1 Axinger Uebersetzung aus Lünig im Gebweiler Kreisblatt.
vom 29. März 1888.
2 Pastor Geschichte der Päpste I, S. 251.
3 St. Arch. Bern Stift Thann 81 zu 1567.
4 Basilea sacra S. 98.
=s OY 4
Murbach in hohem Ansehen stand, dem Projekt seine Zustim-
mung versagte. Die Erzherzoge von Oasterreich dagegen hatten
allen Grund eine solche Verlegung in ihre Stadt Thann zu
unterstützen. Nach dem Tod des Grafen Ulrich von Pfirt am
15. März 1324 war Thann an den Herzog Albert gefallen, der
Johanna dessen Tochter geheiratet hatte. Schoepflin sagt nicht
mit Unrecht, daß das, was die Grafen von Pürt als Landes-
herren der aufstrebenden Stadt Thann geholfen haben, die
Herzöge von Oesterreich nach dem Uebergang in ihre Gewalt
fortsetzten. Am 3. März 1344 hatte zu Altkirch Johanna die
letztgeborene von Pfirt die Dörfer Altthann, Erbenheim, Ober-
und Niederaspach und 1361 am Sonntag vor Judika zu Aargau
ihr Sohn Rudolf noch Rodern, Rammersmatt, Leimbach und
Ölzenweiler dem Gericht zu Thann unterworfen, 1360 wurde
die Stadt mit Mauern und starken Türmen umgeben. Am 1.
November 1379 sprach sie Kaiser Wenzel von der Gerichtsbar-
keit des Hofgerichts sowie von der des Landgerichts zu Rottweil
frei und verlieh ihr den berühmten Freihof, in welchem selbst
vom Kaiser geächtete Personen Zuflucht fanden. 1413 erhielt
die Stadt das Münzrecht, 1425 wurde sie durch Maximilian I.
Legestadt, 1432 verlieh ihr der Landesherr die Befugnis einen
Salzkasten zu errichten und das Salz zum eigenen Gewinne zu
verkaufen. 1442 wurden die Märkte eingeführt. Thann war der
Lieblingsaufenthalt der Herzöge von Oesterreich, so finden wir
1400 Katharina von Burgund und ihren Schwager Friedrich I.
von Oesterreich einige Zeit daselbst residieren!. Dazu erhob
sich über dem Städtchen die herrliche Theobalduskirche, deren
Chor 1422 vollendet und durch den Erzbischof Theobald von
Besancon eingeweiht war. Die Bürgerschaft von Thann als Bau-
herr des Münsters, hatte bei Anlage des Chores bereits den
Wünschen des Kapitels Rechnung getragen, wie dies aus der
unverhältnismäßigen Tiefe, welche zur geringen Länge des
Schiffs in keinem Verhältnis steht, deutlich hervorgeht, während
seinerseits das Kapitel den Bau finanziell gefördert hat 2.
Alle diese Vorzüge mußten für eine Verlegung des Stifts
nach Thann sprechen, um so mehr, als das Kloster, welches
ee —ÀMMM—
1 Statthaltereiarchiv Innsbruck.
3 Lempfried S. 78.
9) a
außerhalb der Stadtbefestigung von St. Amarin in der Vogelbach
lag 1, durch die Engländer völlig verwüstet und nach deren Ab-
zug nur notdürftig repariert worden war,
1 Stadtplan von St. Amarin vom 26. Mai 1772 auf dem Bürger-
meisteramt daselbst. Anders mit Unrecht Schoepflin Als. il. II, S. 97.
ecclesia parochialis St, Martino dicata extra oppidi muros in colle
sita est intra muros vero ecclesia collegiata.
KAPITEL II.
Das Stift wird nach Thann verlegt. Gründe des Landesherrn. Die
Gründe des Konzils von Basel in der Bulle sacrosancta gene-
ralis synodus. Der Abt von Murbach wahrt seine Rechte.
Vereinbarung vom 29. November 1456. Die Reliquien des hl.
Amarinus. Verträge zwischen der Stadt und den Chorherren.
Die Streitigkeiten wegen der Opfergaben. Verpflichtung der
Stadt Thann zur Unterhaltung der Theobalduskirche.
Am 19. August 1441 erteilte Kaiser Friedrich durch ein zu
Gretzerlassenes Schreibens seine landesherrliche Genehmigung zur
Verlegung des Stifts nach Thann!. Als Grund für die Erlaubnis
wird darin angegeben, daß infolge der Verwüstungen durch die
Engländer den Herren von St. Amarin neben der Kirche nur noch
ein kleines Häuschen geblieben sei ; das Städtchen St. Amarin biete
ihnen keine genügende Sicherheit und nicht die nötigen Woh-
nungen, desgleichen seien die Kirchengeräte in Gefahr. Dagegen
in der Stadt Thann und der St. Theobalduskirche hoffen Propst
und Chorherren sicher wohnen und Gott beruhlicher dienen zu
können, Sintdemalen aber die benannte Stadt Thann uns und
unserm Hause Oesterreich erblich zugehört und auch des vor-
genannten Stifts zu St. Amarin Renten, Nutzen und Gülten
gemeiniglich in unsern Landen und Herrschaften gelegen sind,
so haben uns die genannten Propst und Chorherren demitiglich
angerufen und gebeten, daß wir zu solcher Ueberlegung unser
Gunst und Willen gnädiglich geruhten zu geben. Zu Gunsten
der alten Stiftskirche zu St. Amarin bestimmt der Brief ferner:
Doch vermeinen wir, daß dieselbe Kirche zu St. Amarin durch
ee —M———
1 Schoepflin II, S. 366. Staats: Arch. Nr. 1 zu 1338.
— 94 —
die vorberührte Ueberlegung an dem heiligen Gottesdienst nicht
ganz versäumet noch verlassen, sondern zum Gedächtnis ihrer
früheren Würdigkeit und gebührlichen Gottesdienst von dem ob-
genannten Propst und Chorherren und ihren Nachkommen für-
gesehen und gehalten werde. Der Kaiser behielt sich alle seine
Rechte über die Theobalduskirche zu Thann, sowie die Oberauf-
sicht und die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem Ka-
pitel und dem Stadtmagistrat Thann vor; «Wir wollen auch, daf
uns und unsern lieben Fürsten des Hauses Oesterreich die Vogtei
und Herrlichkeit der ehegenannten St. Thieboldskirchen nach der
Ueberlegung bliebe und vorbehalten sei, und ob von derselben
Ueberlegung wegen jetzt oder in zukünftigen Zeiten zwischen
den vorgenannten Propst und Chorherren und ihren Nachkommen
und der ehegenannten Stadt Thann MiDhelung oder Zwietracht
entstünde, so behalten wir uns und unsern lieben Fürsten des
Hauses Oesterreich auch die Macht dieselben zu entscheiden.
Am 28. November 1441 entsprach das Konzil den Wünschen
der Chorherren durch die Bulle: sacrosancta generalis synodus
Basiliensis in Spiritu sancto legitime congregata universalem
ecclesiam repraesentans!, -Die Gründe für die Verlegung des
Stifts sind in dieser Bulle niedergelegt und noch schärfer aus-
gedrückt als in dem Briefe des Kaisers, ohne daß man sie ge-
rade als. stichhaltig anzusehen genótigt ist. Es heibt darin
unter anderem : «Die Kanoniker wären in dem kleinen Städt-
chen St. Amarin nicht gesichert, da dieses nicht befestigt sei ?
und deshalb den Gefahren der fortwährenden Kriege viel mehr
als in Thann ausgesetzt. Die Wohnungen der Chorherren seien
zerstört, die meisten Stiftsherren beschränkten sich überhaupt
bloß auf ihre gesetzliche Residenzpflicht von 20 Wochen, den
Winter über seien nur wenige anwesend, so daß der kirchliche
Dienst für die übrigen sehr anstrengend sei, hierdurch leide
der Gottesdienst Not. Das Kloster stehe zwischen wilden und
kahlen Bergen in einer Einóde?. In der stark befestigten Stadt
1 Schoepflin II, S. 367. Bez. Arch. Straßburg, Stift Thann.
2 Bereits 1276 wurde St. Amarin mit Mauern umgeben, doch
waren die Befestigungen nur schwach.
3 Die Murbacher Mönche scheinen die von ihnen für die Ver-
legung der Abtei nach Gebweiler geltend gemachten Gründe den in
obiger Bulle ausgesprochenen nachgebildet zu haben, wenn es im
Breve des Papstes Clemens vom 12. Januar 1759 heißt, Murbach
wat JOR m
Thann könnten die heiligen Gefäße und sonstigen Gegenstände
besser verwahrt werden, und die Kanoniker ihren Gottesdienst
gebührender versehen. Die Verwaltung: ihrer Güter, Renten
ond sonstigen Einkünfte, welche größtenteils in der Herrschaft
Thann gelegen seien und anerfallen, werde erleichtert. Das
Konzil trug dem Kardinal Johannes St. Martini in montibus
am 28. November 1441 die Ausführung seines Beschlusses aut
und erteilte ihm den Befehl: Erhebe die St. Theobalduskirche
zu Thann zu einer Kollegiatkirche und verkündige, daß sie für
ewige Zeiten Kollegiatkirche heißen und bleiben soll, Hingegen
unferdrücke gänzlich Name und Titel eines Kollegiatstifts in
der Kirche zu St. Amarin und erkläre ihn für erloschen. Seinem
Auftrag kam der Kardinal getreu nach und publizierte am 12.
Juni 1442 zu Basel in domibus nostrae solitae residentiae die
Verlegung des Stifts nach Thann mit samt allen Rechten und
Einkünften. Er verfügte, daß es hinreichend sei, wenn ein von
den Chorherren zu besoldender Kaplan täglich eine Messe in
der verlassenen Stiftskirche lese, die früher in dieser Kirche
gestifteten Messen könnten im Münster zu Thann gehalten
werden. Gleichzeitig wurde der Abt von Murbach und sein
Kapitel, die vorgeladen aber nicht erschienen waren, von dem
Kardinal zu den Kosten des Verfahrens verurteilt!. Der Abt
nahm die Verlegung des Stifts und die dadurch bedingte Ver-
minderung seiner Rechte über dasselbe nicht ruhig hin, sondern
entzog dem Kapitel den Rotwein aus Uffholz und ernannte in
der ausgesprochenen Absicht das Stift zu St. Amarin weiter
neben dem Stift zu Thann bestehen zu lassen den Murbacher
Kantor Nikolaus von Sulz? zum Propst in St. Amarin mit dem
Auftrage alle Einkünfte daselbst festzuhalten und zu beziehen.
Die Thanner Chorherren wandten sich wiederum an das Konzil
zu Basel und dieses ließ durch den von ihm an Ort und Stelle
entsandten Kardinal Isaak Othmar den Abt von Murbach sowie
den neuen Stiftspropst am 2. Mai 1445 exkommunizieren. Des-
gleichen wurde die Exkommunikation im folgenden Jahre gegen
verschiedene namentlich bezeichnete Einwohner von St, Amarin,
sei ein enges Tal, von allem menschlichen Verkehr entfernt, eine
schreckliche Einöde, von wilden Bergen umgeben, die keinen Sonnen-
strahl hinein lassen.
1 Bez. Arch. Lade 12.
3 Bez. Arch. Serie G.
ex 296 a
Odern und Mollau, denen schon vorher der Offizial von Basel am
17. September 1445 verboten hatte!, den Zehnten an den Propst
Nikolaus zu entrichten, ausgesprochen, weil sie sich weigerten
den Zehnt dem Thanner Kapitel zu zahlen. Die Verlegung des
Stifts nach Thann fand in feierlicher Weise stait?. Am letzten
Juni 1442 kam der Propst mit dem ganzen Kapitel in Prozes-
sion nach Thann, wo er am Eingang der Stadt vom Pfarrer
mit elf Kaplänen in Begleitung des Vogtes, des Einnehmers
und des Magistrats abgeholt wurde, worauf er Besitz von der
Theobalduskirche nahm und den ersten Gottesdienst darin ab-
hielt.
Schließlich mußte die Abtei Murbach die tatsächlich voll-
zogene Verlegung des Stifts anerkennen, und wurden die ge-
ringen derselben noch verbleibenden Reclite durch einen Schieds-
spruch des Bischofs Arnold von Basel vom 29. November 1456,
der sowohl vom Abt von Murbach, als Blutsverwandter, als auch
vom Kapitel zu Thann, das seither nur Gutes von Basel em-
pfangen hatte, zu diesem Amte vorgeschlagen war, festgestellt.
Ueber folgende Punkte wurden Vereinbarungen getroffen 3 :
1. Sobald das Kapitel der Theobalduskirche eine geeignete
und fähige Person zum Propst gewählt hat, steht dem Abte
von Murhach das ihm seit alter Zeit gebührende Recht der Be-
stätigung des Gewählten zu und dieses Recht soll ihm auch
fernerhin verbleiben. Der neugewählte Propst hat seinerseits
und ohne Mitwirkung des Kapitels seine Bestätigung nachzu-
suchen, die der Abt nicht verweigern kann, oder der Papst
müßte sich die Besetzung der Propstei vorbehalten haben; letz-
terer Fall ist niemals eingetreten.
2. Jeder neugewählte Abt des Klosters Murbach hat nach
seiner Bestätigung durch den apostolischen Stuhl das gleichfalls
ihm von Alters her zustehende Recht der ersten Bitte (porrigere
primarias preces praeposito et capitulo ad canonicatum et prae-
bendam vacaturum in dicta ecclésia) d. h. auf die erste nach
seinem Regierungsantritt sich erledigende Kanonikatspfründe
eine Anwartschaft zu verleihen; sollte aber der Bischof von
Basel zufälligerweise sich in derselben Lage befinden, so ginge
1 Daselbst Lade 14.
2 Bez. Arch. Straßburg, Stift Thann.
3 Schoepfliu II, Als. S. 391. Staats-Arch. 153 zu 1714 und 1442 ff.
Visitationsprotokoll von 1759. Bez. Arch. Murbach Lade 95, 8.
ek 209" ade
er als Inhaber der Jurisdiktion dem Abt vor und hatte dieser
dann das Recht der Anwartschaft auf die nächst freiwerdende
Pfrande.
3. Die Altäre des hl. Johannes und des hl. Nikolaus in der
Stifiskirche zu St. Amarin und die Kapelle des hl. Markus im
St. Amarintal 1, werden wegen ihrer Mittellosigkeit in eine Pfründe
umgewandelt, deren Kollatur dem Kapitel von Thann unter Wah-
rung der bischöflichen Rechte an einen geeigneten Priester zu-
steht. Er muß an der Präjektuskirche residieren, darf aber an
dem Hochaltar, welcher dem Propst und Kapitel vorbehalten bleibt,
keine Messen lesen, da letzteren in der Transaktionsurkunde von
1441 dieses Recht zugesichert ist. Dahingegen hat er wóchentlich
eine Messe am Nikolausaltar und zwei am Johannisaltar zu ze-
lebrieren, widrigenfalls er seiner Einkünfte verlustig wird. Ab
und zu besonders aber am Patronstag ist er verpflichtet in der
Markuskapelle eine Messe zu lesen. Dem Priester der Stiftskirche
wird ein Koadjutor beigegeben, welcher die Marienkapelle ? zu
bedienen und in dieser an den vier Marienfesten als Weihnachten,
Mariä Verkündigung, Lichtmeß und Himmelfahrt die ersten
Vespern und an den Festtagen selbst das Hochamt zu singen
hat. Hierfür und wegen seiner Hilfe in der Seelsorge erhält er
von Kapitel zwei Pfund Basler Währung; dem Priester gibt
das Kapitel 5/4 Frucht.
4, Die Reliquien der hl. Präjektus und Amarinus, welche vor
der Verlegung des Stifts nach Thann in der Präjektuskirche zu
St. Amarin verwahrt und von den Chorherren nach St. Theo-
—
1 Die Kapelle lag Malmerspach gegenüber und ist im 30 jährigen
Krieg verschwunden. Bez. Arch. Murbach Lade 55, 2, 1342 fand die
donatio und confirmatio dieser Kapelle sita in valle et prope oppi-
dum St. Amarini loco dicto am Hauwenstein durch den Sänger Ni-
kolaus in seinem Testament vor dem Offizial von Basel statt. Nach
den Aufzeichnungen des Pfarrers Stippich mitgeteilt durch Herrn
Kantonalspfarrer Huntziger zu St. Amarin fand Ende des 17. Jahr-
hunderts am Fest des hl. Markus eine Prozession zur Wolfgangskapelle
statt; vor dem Kriege wurde die Prozession zur Markuskapelle ge-
führt. Die Wolfgangskapelle, welche vom Verfasser der Abhandlung
ım Reichsland Elsal-Lothringen über St. Amarin irrtümlicherweise
auf den heutigen Friedhof verlegt wird, lag in der Nahe des jetzigen
Bahnhofs und wurde in der Revolution zerstört.
2 Die Kapelle von der Stiftskirche durch den Bach getrennt
erhielt von Heinrich Hacke, Prokurator des Tales 1338 eine größere
Zuwendung. Bez. Arch. Lade 1.
— 98 ae
baldi überführt wurden, sind zum nächsten Markusfest nach
St. Amarin zurückzubringen und verbleiben dort; sie werden
als Ornamente behandelt. Wenn der Propst zur Zeit der Bitt-
prozession, wie dies herkömmlich ist, die Reliquien nach Thann
trägt, so muß er dieselben wieder selbst nach St. Amarin zu-
rückbringen oder durch eine dritte Person dahin zurückbringen
lassen 1. Die früheren Abmachungefi über das Bauholz für die
Präjektuskirche blieben aufrecht erhalten ; der Propst und das
Kapitel von Thann sollten das Recht haben das Holz in den
Waldungen der Abtei zu fällen, selbst wenn es dem Kloster
unangenehm wäre. Von dem Brennholz und dem Rotwein zu
Uffholz ist dagegen in dem Vertrag keine Rede mehr. Daneben
wurde dem Stift das Recht verliehen seinen Wein in der Stadt
St. Amarin ohne Abgabe verkaufen zu dürfen. Seinerseits ver-
sprach der Abt Bartholomäus und der Konvent des Klosters
sowie der Propst Johannes Mäller und sein Kapitel alle diese
Punkte zu halten und bekräftigten beide Teile ihre Versprechen
durch, Beifügung ihrer Siegel. Die Abmachung ist getroffen im
bischöflichen Palast zu Basel. Nach Gatrio? lage der Grund,
daß der Schiedsspruch das Brennholz und den Rotwein nicht
mehr erwähnt darin, daß die Verträge von 1216, 1222 und
4254, welche die Lieferung festsetzten, als Gegenleistung dafür
die Bedingung enthielten, dab die Kanoniker dem Abt und
dem Kloster von Murbach treu ihren Gelöbnissen gemäß dienen
sollten. Dadurch aber, daß sich die Chorherren nach Thann in
den Dienst der Habsburger versetzen ließen, sei die Verpflich-
tung der Abtei hinweggefallen. Diese Annalime scheint nicht
stichhaltig, da wenigstens hinsichtlich des Rotweins die ober-
wähnte päpstliche Bulle von 1491, welche zuerst dem Stifte die
Rechte auf die 15 Fuder zu Uffholz bestätigte, dies ohne jede
Einschränkung und Bedingung tat und auch aus dem Vertrag
von 1216 die von Gatrio gezogene Fol;serung keineswegs her-
vorgeht. Wenn das Kapitel seit seiner Verlegung.nach Thann
weder die Lieferung erhalten noch begehrt hatte, so scheint
mir der Grund eher darin zu liegen, daß das Kapitel mit der
erreichten Verlegung sehr zufrieden war, zumal ihm in Thann
andere Vorteile, welche nicht zu verachten waren, winkten,
1 Bez. Arch. Lade 12.
2 Band I, S. 590.
ss DOO mm
oder daß es selbst, was noch viel näher liegt, keine Ahnung
von der Papstbulle hatte. Als nämlich Ende des 18. Jahrhun-
derts zur Zeit des streitbaren Propstes Gobel das Kapitel die
Frage neu aufrollte und das Kloster auf Lieferung verklagte,
wurde dieses Begehren durch Urteil des conseil souverain zu
Kolmar vom 6. September 1780 abgewiesen. In den sehr um-
fangreichen Prozeßakten findet sich auffallenderweise nirgends
eine Erwähnung der so wichtigen Papstbulle.
Wenn Pfarrer Stippich in seinen Aufzeichnungen schreibt,
daß vor Zeiten die gnädigste Herrschaft Murbach einem jeden
Pfarrherrn auf eingegebene Supplikation ein halb Füderlein
Wein gegeben, wie solches in den alten Rechnungen der Vog-
tei Wattweiler zu sehen, er habe aber nur etliche Ohm ein
paar Male erhalten, so dürfie diese Zuwendung vielleicht auf
die Verträge zurückzuführen sein.
Der Schiedsspruch von 1456 behandelt die wichtige Frage,
was mit den Reliquien des hl. Präjektus und Amarinus zu ge-
schehen habe!. Aus der Abmachung folgt, daß zu jener Zeit ein.
Teil derselben in Thann aufbewahrt wurde, wohin sie von den
Chorherren verbracht worden waren. Zahlreich können die
Thanner Reliquien wohl nicht gewesen sein, da sie bequem.
von St. Amarin nach Thann vermutlich in einem Silbergefäß
getragen werden konnten. Da nichtsdestoweniger die Abtei dar-
an festhielt, daß dieselben an ihren früheren Aufbewahrungs-
ort zurückgebracht wurden, so wird sie dies wohl aus prinzi-
pellen Gründen getan haben. Wenn Ravenez meint?, daß die
Gebeine der hl. Präjektus und Amarinus erst nach Murbach
gekommen seien, als die Chorherren von St. Amarin nach
Thann übersiedelten, so ist diese Ansicht nach Vorstehendem
in keiner Weise hallbar. Der Schriftsteller scheint ohne jede
1 Schickel& le doyenné du Sundgau, S. 22. Visit. Prot. 1632 à
un quart de lieue du village Aspach le haut il y une chapelle de
St. Project et Marin avec autel consacré, messe et pelerinage.
Thanner Chr. III, S. 462. Am 22. März 1762 wird die Kapelle auf
dem Ochsenfeld nächst dem Schäferhof mit obrigkeitlicher Bewilli-
gung völlig abgebrochen und werden die Materialien den beiden
Dörfern Ober- und Niederaspach zuerkannt. Ersteres hat sie beim
Kirchbau nötig. Woher die Kapelle die Reliquien erhalten hatte ist-
nicht festzustellen wohl vom Kapitel St. Amarin, dem schon 1191
die Kirche Oberaspach zugehörte.
? Gatrio I, S. 119.
— 30 —
Kritik ja sogar ohne genaue Kenntnis der Sachlage seine Notiz
einem Bericht des Thanner Stifiskapitels an den Bischof von
Basel vom 47. Juli 1623 entnommen zu haben, worin dasselbe
schreibt, daß es sich eingehend erkundigt aber nicht habe fin-
den können, wann die Reliquien nach Murbach gekommen seien.
Der Propst halte daran, daß dies 1444 geschehen sei, weil zwi-
schen den Murbachern und den Thannern damals residierenden
Chorherren solche Differenzen und Unfrieden entstanden, daß
eine Zeitlang sogar zwei Pröpste gewesen, davon einer sich
Propst zu St. Amarin, der andere Propst zu Thann genannt und
geschrieben habe und daß die Murbacher die fürnehmsten und
sichersten Reliquien mit sich geführt haben werden, gleichwie
die Thanner eine capsula seu cista mit Reliquien nach Thann
gebracht, die doch hernach wiederum hineingeliefert und noch
da ist. l
Wenn also 1456 die wenigen nach Thann verbrachten Re-
liquien des hl. Amarinus an ihren ursprünglichen Aufbewah-
rungsort zurückgebracht wurden, was nach vorstehendem ab-
solut sicher ist und sich zur Zeit des Berichts im Jahre 1623
noch da befanden, wie läßt sich aus dieser Tatsache erklären,
daß 1671 der Vogt Ruppert von Ichtratzheim, Herr von Hoch-
felden, und der Pfarrer Stippich von St. Amarin von dem Kloster
Murbach, «wo die Leiber St. Praeject und Amarin von unvor-
- denklichen Zeiten her ruhten, während nicht die geringsten
Partikel in der Stiftskirche vorhanden seien 1», einige Teile für
das St. Amarintal erbaten und am 29. September 1671 auch
erhielten. Es muß also in der Zwischenzeit nach dem Bericht
des Propstes Wagner von 1623 und der Translation der Reli-
quien von Murbach nach St. Amarin im Jahre 1671 die capsula
mit ihrem Inhalt an Partikeln verschwunden sein. Es liegt
nahe, daß das Thanner Kapitel, dem die Stiftskirche unterstellt
war, im Laufe des 30jàhrigen Krieges die Reliquien zur grös-
seren Sicherheit in die Theobalduskirche verbracht und deren
Rückgabe nach Eintritt ruhigerer Zeiten vielleicht absichtlich
unterlassen hat. Daß die Reliquien tatsächlich im Thanner
1 Bez. Arch. Murbach Lade 5592. Die Kosten der Translation
der Reliquien betrugen 75 Pfund 16 Schilling daselbst Nr. 24. In-
gold, Mabillon en Alsace S. 40. Les péres à Morbach ont dit qu'ils
avaient les reliques de St. Project et Amarin mais qu'ils ne savent
pas ni quand ni comment ils les ont eues.
= Bi
Münster verwahıt wurden, geht aus einer am 8. November
1768 vorgenommenen Revision des alten Schatzgewölbes der
Kirche hervor ; in dem Protokoll heißt es, daß der seit langem
geschlossene übersilberte Sarg, der darinnen stand, geöffnet und
in demselben Reliquien von Amarinus und Präjektus gefunden
worden seien, wie dies das angeheftete Verzeichnis beweise. Der
Sarg wurde wieder geschlossen und an seinen Verwahrungsort
zurückg ebracht !.
Die Verlegung des Stifts nach Thann hatte zur Folge, dab
zwischen dem Kapitel und der Bürgerschatt als dem Bauherrn
des Münsters Verträge verbrieft wurden, welche teilweise bis
zur Aufhebung des Stifts in Geltung geblieben sind. Daneben
erließ der Landesherr kraft des vorbehaltenen Oberaufsichtsrechts
Verordnungen, die die Stellung und das Einkommen der Kano-
niker zu regeln bestimmt waren. Bereits am 26. September
1442 tut Herzog Friedrich von Oesterreich kund, daß er das
Kapitel von St. Amarin auf sein demütiges Bitten in seine
Stadt Thann nach St. Theobalduskirchen daselbst zu verlegen
gegzunnt habe und damit das Kapitel und die Bürgerschaft seiner
Stadt in Einhelligkeit bliebe, habe er wohlbedechtiglich von
redlicher Ursach wegen in nachbeschriebenem Maß zwischen
beeden Partheien etliche Gesetz und Ordnungen kundgemacht :
1. Einem Chorherrn, der nicht zu Thann seßhaft ist, sei
man von seiner Pfründe nichts zu reichen schuldig, es ware
denn, daß er zur Schule gehe oder an anderen Enden wire,
so daß er von gemeinen Rechten oder besonderer Gnade geist-
licher Gewalt die Nutzungen der Pfründe haben solle. Diese
Bestimmung schaffte kein neues Recht, da die in dem Reskript
niedergelegte Folgerung aus der Residenzpflicht einem schon
vom Papst Martin am 23. Mai 1434 dem Papst Eugen und dem
Konzil von Basel am 1. Màrz 1437 genehmigten Statut des Ka-
pitels einfach entnommen war.
2. Ein jeder Chorherr darf zwei Monate oder 62 Tage in
einem Jahr seiner Notdurft wegen von Thann abwesend sein ;
es kann ihm deshalb von seiner Pfründe nichts genommen
werden, außer der Präsenz, die man durch tägliche Anwesen-
heit in der Kirche verdienen soll, von dieser darf ein Abwesender
nichts haben. Wer aber über die angegebene Zeit hinaus ab-
1 Stadt Arch. G. G. I.
wesend ist, dem soll man abziehen, soviel als sich gebührt und
dessen Teil gehört denjenigen, die anwesend waren und dem
Stift.
3. Die Chorherren sind verpflichtet täglich um 7 Uhr die
Messe zu singen und zu lesen, sie sollen sich mit den Thanner
Kaplänen gütlich einigen, daß sie ihnen helfen singen und lesen ;
das soll denen von Thann lieb sein und sollen sie nicht hindern
sondern mehr fördern, wenn aber die Chorherren eine Kaplanei
verleihen werden, dabei hat es sein Bewenden.
4. Der Dieboltsstock soll bleiben und regiert werden, so
wie dies von altem Herkommen ist und bisher war, doch was
notdürfiig würde zum Gottesdienste es seien bücher, Kelche,
Meßsewänder und ander Gezierde, Lichter zum Singen, Lesen
und Meßhalten, das alles soll durch die, welche vorher zu dem
Stock daselbst beschieden waren, versehen werden und als bis-
her die von Thann den Kirchenschatz das ist Bücher, Kelche,
und ander Ornat dem Propst und den Chorherren zu allen
Zeiten so sie es gebrauchen sollen und wollen nach Gewohnheit
anderer Stifter antworten und reichen obne Verziehen und ohne
Widerrede und diese sollen es nach Gebrauch zurückgeben.
9. Es soll ein Kilchwart dem Kapitel zur Verfügung stehen
zum Meblàuten, demselben ist sein Lohn aus dem Opferstock
zu reichen.
6. Das kapitel kann seimen Zehnt- und Bannwein in der
Stadt verkaufen und damit Handel treiben, so wie es ebenfalls
die andern Bürger tun, doch darf es den Wein nicht ohne
Wissen des hats der Stadt zu Ostern Öffentlich verzapfen und
ausschenken 1.
7. Es soll das Kapitel keine Zinsen und Häuser in der
Stadt und die anliegenden Gärten und Güter kaufen und
Pfandrechte auf solche erwerben 2.
1 Das Stift trieb auch mit seinen sonstigen Zehntfrüchten in
Thann Handel, und als der Magistrat es hindern wollte seinen Hafer
zu verkaufen wurde das Verbot durch die Regierung zu Ensisheim
am 28. Mai 1552 aufgehoben. Stadt Arch. G. G. II, 4. Ueber einen
Vertrag zwischen Kapitel und der Stadt wegen des Zehnts der Lot-
schenreben und des Rotweines Bez. Arch. Lade 24.
2 Der Magistrat erlieD 1630 ein Statut, daß die Bürger von
Thann bei Vermeidung hoher Strafe und Pein sich nicht unterstehen
dürften liegende Güter außer der Steuer oder in gefreite Hand zu
verwandeln und wurde ein Einwohner zu vier Tagen Gefängnis und
>
— 3 —
8. Das Kapitel darf kein Vieh auf die Stadtweide treiben
ohne Genehmigung des Magistrats.
9. Und ob Propst und Kapitel wegen solcher Opfer, welche
außerhalb des Amis und der Messe auf die Altäre zu dem Hei-
ligtum gelegt werden und von des Stocks wegen und noch in
zemlich Dingen überein würden, das ist uns gefallig, doch be-
halten wir uns und unsern Erben vor bei Mißhellung zwischen
Kapitel und Bürgerschaft diese zu entscheiden. Am Donnerstag
nach Katharinentag 1461 wurde der Vertrag zwischen Stift und
Stadt durch den Bischof konfirmiert und sind die Hauptpunkte
des Kompromisses folgende :
Das Kapitel soll sich mit Einwilligung des Bischofs aller
und jeglicher Opfer und Gottesgaben zu St. Thieboldkirchen auf
dem Frohnaltar oder anderen anfallend ohne jede Ausnahme so
von Anfang her ein Leutpriester bei Zeiten und darnach bis-
hero demselben Propst und Kapitel zugehórend gefallen sind,
aler Forderungen Anspruch und Gerechtigkeit so sie oder ihre
Nachkoinmen vermeinen noch zu haben an alle Opfer und
Gottesgaben so in St. Thieboltsstock und anderer Baue inwendig
und auswendig der Kirche gegeben werden nun fürhin zu ewigen
Zeiten daran keine Gerechtigkeit, Forderung noch Anspruch
meinen zu haben noch unterstehen zu gewinnen und zu über-
kommen und denselben Propst und Kapitel alle gewóhnlichen
Opfer, so ihnen dieweil sie am Altar stehend und Meß habend
auf die Altáre gelegt und von einer einzigen Person nicht über
einen Plappert betragen, vorbehalten, was aber von einer Person
über einen Plappert auf die Altáre gelegt würde, soll dem Ka-
pitel nicht bleiben, sondern St. Thiebold gehóren ohne Wider-
rede und für solch vorgemelte Gerechtigkeit soll unser gnádiger
Herr Erzherzog Albrecht als regierender Landesfürst und der
Vogt dem Kapitel Verschreibung tun von 72 Pfund Stabler
jährlich Zinsen aus dem Stock zu reichen und sollen alle Frohn-
fasten 18 Pfund gegeben werden, die in die Quotidianen oder
täglichen Distributionen kommen und denen zufallen, die in
St. Thieboldskirchen singen und lesen. Der Propst und das
Kapitel haben über den Empfang Quittung zu erteilen.
nn
zehn Pfund Geldstrafe verurteilt, weil er einem Chorherrn ein Stück
eben verkauft hatte, um seine Familie nicht Hungers sterben zu
lassen. St. Arch. Nr. 2 zu 1442.
SCHOLLY. 3
— 34 —
Das Kapitel hat sich ferner verpflichtet für sich und seine
Rechtsnachfolger den Frohnaltar in der gedachten Kirche durch
einen der Chorherren zu besingen. Desgleichen übernimmt es
die Verpflichtung den mittleren Altar durch den Leutpriester
und die Mutterkirche zu Altthann durch einen Helfer versehen
zu lassen. Mehr ist beredet worden, daß Propst und Kapitel
hinfür St. Theobalduskirchen und dem Rat getreu sollen sein
ihren Nutzen zu fördern, das nämliche soll der Leutpriester und
sein Helfer versprechen mit Gelübde dem Stock getreulich zu
warlen, dab die Kirche und der Stock nicht versäumet werde,
und das Kapitel soll geloben gegen den säumigen Pfarrer und
Helfer vorzugehen. Das Kapitel mußte sich ferner verpflichten
keine der bestehenden oder noch zu stiftenden Kaplaneien in
der Kirche zu Thann und der Mutterkirche zu Altthann an
sich zu bringen und zu inkorporieren, doch sollen ihm alle
Rechte hinsichtlich der Verleihung dieser Kaplaneien, wie dies
von Alters her üblich war, vorbehalten bleiben. Zum Schluß
ist ausbedungen, daß Vogt, Schaffner und Rat zu Thann, als
die Pfleger der Kirche daselbst dieselbe mit Ornamenten, Got-
tesgezierde und allen notdürfligen Dingen versehen sollen. Nach
der Genehmigung des Herzogs Albrecht gegeben zu Innsbruck
am Montag nach Laetare 1465 müssen die, welche den Theo-
baldusopferstock regieren und bewahren die Kirche in gutem
Stand unterhalten, ohne daB die Chorherren wegen ihrer Sitze,
Plätze, noch in sonst etwas beschwert werden könnten!; wie
auch alles, was nótig würde, um zum Gottesdienst zu dienen
es seien Bücher, Kelche, Meßzewänder, Getüch oder audere
Gezierde, Lichter zum Singen, Lesen und Meßhalten liefern.
Dem Uebertrag schloß sich das Kapitel durch Verschreibung
der Chorherren nach Besag des vorgedachten Uebertrages am
Freitag nach Nikolaustag 1461 an?. In der Einleitung versuchte
es zwar nochmals seinen alten Standpunkt aufrecht zu halten
und geltend zu machen, daß alle und jegliche Opfer- und Got-
tesgaben zu St. Dieboltsheiligtum seit alten Zeiten sowohl die
1 Als 1663 die Kanoniker die aus Frankreich vertriebenen Ora-
tonier oder Bartholomiten, welche in Thann ein Seminar für Geist-
liche gegründet hatten nicht bei sich in den Chorsiühlen dulden
wollten, schloß der Magistiat das Chor ab und gab erst auf Ver-
fügung des Bischofs die Schlüssel wieder heraus.
2 St. Arch. G. G. I, 10.
— 3 —
am Frohnaltar als an anderen Enden gefallenen ihm gebührten -
und sie hätten dabei gemeint, daß nach Ausweis des Rechts
dieselben ihm tatsächlich zugehörten ; weil aber Vogt und Herr-
schaft gemeint haben, daß dem Stifte nichts verbleiben solle, so
erkläre sich das Kapitel mit der Zahlung der 72 Pfund Stäbler
zufrieden zu geben und auf alle seine wirklichen oder vermeint-
lichen Rechte zu verzichten. Es versprach ferner sich keine
Kaplanei zu inkorporieren, den Frohnaltar durch einen Chor-
herrn besingen und den Mittelaltar, den es zu seinen Händen
. gebracht hat, durch einen Leutpriester versehen zu lassen nach
aller Notdurft und Löblichkeit.
Trotz der Vereinbarungen hörten die Streitigkeiten zwischen
Kapitel und Magistrat nicht anf, und sah sich deshalb die Re-
gierung zu Ensisheim gezwungen die Rechte des Stifts durch
die transactio seu amicabilis compositio vom 7. April 1538, ge-
nannt der große Uebertrag, festzustellen. Die wesentlichen
Punkte des Vergleichs sind folgende ! :
1. Die Stadt Thann, welche schon durch das Konzil von
Basel wegen Hinterziehung des Weinzehnten und Betrug zum
Nachteil des Stifts verwarnt worden war 2, ist verpflichtet den
Zehnten richtig in gebührendem Maße d. h. in Roßbüttichen
zu entrichten.
2. Schaffner und Rat zu Thaun sollen dem Kapitel 400
Pfund Stábler bar bezahlen für eine gróDere Summe, welche
im Bauernkrieg die Regierung vom Kapitel nebst 10 Fuder
und 18/2 Ohm Weißwein entliehen hatte.
3. Das Statut, welches der Magistrat im Einverständnis
mit dem Onervogt, Graf Sigismund von Lupfen, für die Opfer
bei den Totenmessen erlassen hat, wird aufgehoben. Dieses
Statut hatte verordnet, daß am Leibfall, dem 7. und 30., nicht
mehr als 6 Personen jedes Gescblechtes am Altare des Leut-
priesters und nachher am Hochaltar zum Opfer gehen und jede
Person nicht weniger als 1 Schilling auf diesen Altären nieder-
lege. An Stelle der Verordnung wurde bestimmt, daß Schaffner
und Rat mit gutem Beispiel den andern Bürgern vorangehe
! Ueber die Vorverhandlungen daselbst G. G. 8.
? St. Arch. zu 1442ff. rescriptum a concilio Basiliensi contra
Thannenses, qui vel non solvent decimas vel in solutione fraudem
committunt item a Martino papa monitorium papale contra injustos
decimorum detentores. St. Arch. 2 zu 1600.
u ge e
und an den gedachten Tagen jede opferbare Person ihre vier
Opfer gebe und bezahle, wie sich dies gebühre.
4. Diejenigen Dienstboten der Chorherren, welche in deren
Häusern wohnen und nebenbei kein anderes Gewerbe betreiben,
bleiben von Steuern und jedem Wachtdienst in der Stadt befreit.
5. Die Kapläne, welche eine Pfründe an der Stiftskirche
innehaben und in dieser begraben zu werden wünschen, brau-
chen für den Kirchenbruch, den der Magistrat vor Jahren er-
worben halte !, nur 3 Pfund Stäbler zu zahlen, während jede
andere Person, die ein solches Begräbnis begehrt 10 Gulden
zu diesem Zwecke zu entrichten hat.
6. Das Inventar über die Verlassenschaft eines Priesters zu
Thann darf der Stadtschreiber nur im Beisein von zwei Räten
und zwei Chorherren aufnehmen, desgleichen die Siegelanlagen
und Abnahmen.
Letzterer Satz galt bis zur französischen Herrschaft. Als
nach dem Tode des Propstes Willemann im Jahre 1676 die
Regierung zu Colmar die Errichtung des Erbverzeichnisses über
seinen Nachlaß ohne diese Personen vornehmen lassen wollte 2,
schrieb der Bischof von Basel, daß diese Neuerung dern west-
fälischen Frieden, den Statuten, der Observanz und der geist-
lichen Immunitát nicht entspreche und wies den Propst Henner
an in optima forma dagegen zu kontradizieren und zu protestieren,
7. Die Kreuzgänge und Prozessionen dürfen nicht. einseitig
vom Schaffner und Rat angesetzt werden, sondern letztere haben
sich mit dem Kapitel über Tag und Stunde der Abhaltung von
solchen zu einigen.
Seinen nach vorstehenden Verträgen übernommenen Ver-
pflichtungen kam der Magistrat nur lässig nach, und mußte
fast in jedem Revisionsprotokolle das Kapitel erinnert werden,
auf der strikten Einhaltung der Lieferung von Ornamenten usw.
zu bestehen. Während Monstranzen zur Genüge und sogar 17
Meßkelche aus alter Zeit vorhanden waren, ließ das Leinenzeug
und die Paramente viel zu wünschen tibrig3. Ein Reglement
1 Wo dieser Sandsteinbruch lag, ist nicht gesagt, es dürfte dies
wohl der nämliche sein, den die Stadt Thann am 29. Januar 1509
in der Gemarkung Rufach gepachtet hatte. Walter Urkundenbuch
der Stadt Rufach. S. 106.
2 St. Arch. 28 zu 1562.
3 Staats-Arch. Visitationsprotokoll 1742. Es waren nur zwei
Graduale vorhanden, während vier nötig waren. Die schönen alten
CE m
des Bischofs von 1759 verfügte daher, daß jährlich die Rech-
nungen über die Einnahmen und Ausgaben der Kirchenfabrik
vor dem Kustos und einem Chorherrn in Gegenwart des Pfar-
rers abzelegt werden sollen und diese darauf hinzuwirken ha-
ben, daß alle Geräte und Ornamente richtig angeschafft und
erneuert werden.
Als in späterer Zeit, hauptsächlich im 18. Jahrhundert die
Einkünfte der Kirchenfabrik und vornehmlich die Opfereinnahmen
sehr spärlich flossen, empfand es die Stadt Thann recht miß-
lich, daß ihr außer der Stellung von Kirchengerätschaften auch
noch die Kosten der Instandhaltung des Münsterchores und des
ganzen Münsters überhaupt zur Last fielen, und das um so mehr,
als in andern Kirchen, in welchen eine geistliche Genossenschaft
das Chor besaß, diese auch unterhaltspflichtig hierfür war. Daß
aber die Stadt bis zur Aufhebung des Stifts rechtlich verpflichtet
blieb in und an dem Chor alle nötigen Reparaturen auf ihre
Kosten vorzunehmen, geht nicht allein aus dem Konzept einer
Eingabe des Stadtrates an den Bischof von Basel deutlich her-
vor, sondern der Magistrat wurde durch Urteil des souveränen
Gerichishofes in Colmar vom 24. Januar 1744 ausdrücklich
hierzu verurteilt!, Im Dezember 1743 hatte der Sturm eine
Fensterfüllung auf seiten des Hochaltars umgerissen und vielen
Schaden an den Fenstern des Chores ;verursacht. Das Kapitel
ersuchte den Magistrat die Fenster wieder in den früheren
Stand zu setzen, da es wegen des eindringenden Regens und
Schnees gefährlich sei Gottesdienst zu halten. Der Rat lehnte
die angeforderten Reparaturen mit der Motivierung ab, daß ein
Urteil des Staatsrats vom 20. August 1686 den Zehntherr zur
Unterhaltung des Schiffes und Chores verpflichtet habe und
durch eine Entscheidung des conseil souverain zu Colmar vom
3. Oktober 1694 das Kapitel von Belfort im nämlichen Falle
zu derartigen Reparaturen verurleilt worden sei. Auf erhobenen
Rekurs des Kapitels entschied der höchste Gerichtshof, ohne
auf die Sache selbst einzugehen, daß der Magistrat binnen acht
Tagen das Chor herzurichten habe. Zu einem anderen Prozeß
kam es zwischen dem Magistrat und dem Kapitel aus folgendem
Anlasse, In der Nacht vom 8. auf 9. Dezember 1754 stahlen,
in Pergament gebundenen Chorbücher wurden nach einer Notiz früher
um 300 Pfund von den Fabrikratsmitgliedern verkauft.
| St. Arch. G. G. 8.
—9—. ao
indem sie durch die Fenster in das alte Schatzgewölbe einstiegen,
Diebe, die kunstreiche und kostbare Monsiranz mil zwei nicht
viel weniger wertvollen Ciborien, pliinderten den Opferstock
St. Nikolaus und versuchten ohne Erfolg die Sakristei und den
Opferstock St. Theobald zu erbrechen. Der Wert der gestohlenen
Gegenstände wurde auf 8000 Pfund geschätzt, der Kunstwert
war nicht mehr zu ersetzen!, Der Magistrat strengte gegen das
Kapitel einen Prozeß an, weil es die Monstranz und Ciborien nicht
besser verwahrt hätte, wogegen die Chorherren einwandten, daß
der Diebstahl nur dadurch möglich geworden sei, weil der Ma-
gistrat ein defektes Fenster nicht habe reparieren lassen und
dieses 6 Wochen lang offen gestanden sei?. Der Gerichtshof
wies am 18. Juni 1756 die gegen das Kapitel erhobene Klage
unter Anerkennung der vom Kapitel erhobenen Einwände ab 8.
Der Magistrat ließ eine neue silberübergoldete Monstranz genau
nach dem Muster der alten vom Chorherrn Reiset gezeichnet,
wozu die Bruderschaft St. Sebastianus bei den Franziskanern
1600 Pfund beisteuerte4, beim Goldschmied Pitt in Straßburg
anfertigen ; dieselbe kostete 3200 Pfund und wurde zum ersten-
male bei der Prozession vom 2. Februar 1763 benutzt 5.
1 Thanner Chronik III, unedierter Band im Besitze des Klosters
St. Gallus zu Bregenz S. 216.
? Bez. Arch. Lade 6.
3 Thanner Chr. III, S. 291.
4 Daselbst S. 450.
5 Daselbst S. 473.
KAPITEL IIl.
Das Patronatsrecht zu den Kanonikaten. Zahl der Pfründen. Erfor-
dernisse zur Aufnahme in das Stiftskapitel Einführung und
Eid der Kanoniker. Pflichten derselben.
Nach altem Recht, welches im ersten Teil der Statuten vom
9. Juli 1642 unter der Ueberschrift modus assumendi canonicos,
eorum numerus qualitates et obligationes neu redigiert ist, wech-
sell das Patronat zu den Kanonikaten und steht in den geraden
Monaten dem Kapitel und in den ungeraden (menses papales)
dem Erzhause Oesterreich bzw. dem jeweiligen Landesherrn zu !.
Durchbrochen wird dieser Fundamentalsatz durch die Bestim-
mung, daß zufolge des jus primariarum precum dem Besitzer
der Herrschaft Thann, dem Bischof von Basel und dem Abte
von Murbach ein Präsentationsrecht eingeräumt ist; dera er-
steren kraft der alten Markgenossenschaft 2, dem Bischof als
Inhaber der Jurisdiktion über das Stift und dem Abte nach
der Abmachung von 1456. Dem Abte ist sein Recht selbst nach
der Säkularisation des Klosters durch eine päpstliche Bulle vom
11. August 1764 vorbehalten worden. Es können daher diese
Würdenträger kraft des gedachten Rechts nach ihrem Regie-
rungsantritt, der Bischof und der Abt aber erst nach ihrer Be-
statigung durch den apostolischen Stuhl, sobald in den dem
Kapitel vorbehaltenen Monaten eine Vakatur eingetreten ist,
I Falsch ist der Bericht der burgundischen Kommission an
Karl den Kühnen von 1473 rapp. Contault fol. 23 im Archiv zu
Dijon, worin es heißt im Kapitel zu Thann befinden sich 1 Propst
und 12 Kanoniker, qui sont & la collacion de mon Seigneur.
? Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins XIX, S. 107.
— 490 —
eine geeignete Person, zu dem erledigten Kanonikat präsen-
tieren!,
Wird das Präsentationsrecht durch die Berechtigten nicht
binnen drei Monaten nach der Erledigung der Pfründe ausgeübt,
so hat der Bischof kraft des jus devolutionis die Befugnis eine
ihm tauglich erscheinende Person zum Kanoniker zu ernennen.
Dieses Devolutionsrecht, welches in der Praxis stets geübt
wurde, wollte die souveräne Kammer des Königs von Frank-
reich für Ober- und Nieder-ElsaB, den Sundgau und den
Breisgau im Jahre 1656 in dem Falle nicht anerkennen, als
die Regierung von Colmar die dreimonatliche Frist hatte ver-
streichen lassen, aber gleichwohl verlangte, daß ihr Kandidat
du Lys aus der Diözese Toul zum Kanoniker ernannt würde.
Der Bischof von Basel verweigerte entschieden sich in seinen
Rechten beeinträchtigen zu lassen und lehnte den Regierungs-
kandidaten bestimmt ab, trotzdem der Intendant von Breisach
den Thannern befahl, den vom Bischof ernannten Chorherrn
nicht in die Stadt hereinzulassen und ihn, wenn er doch her-
einkäme, wieder hinauszujagen. In diesem Streite, bei dem der
Bischof sein gutes Recht zur Seite hatte, ist es ein Genuß die
bischöflichen Rechtfertigungen für das Verhalten gegenüber der
Anmaßung der französischen Regierung zu lesen und setzte der
Bischof auch tatsächlich seinen Willen durch 2, was jedoch nicht
hinderte, dab geraume Zeit später der Schützling du Lys in das
Kapitel aufgenommen wurde, nachdem seine Präsentation durch
die Regierung fristgerecht erfolgt war.
Die Präsentation des Kapitels war zwar frei, jedoch schlug
es häufig Geistliche vor, für die der Bischof ein gutes Wort
einlegte; es gab aber Fälle, in denen das Kapitel an seinem
Kandidaten festhielt, wie wir weiter unten sehen werden.
Das Kapitel schlug in der Weise vor, besonders im 18. Jahr-
hundert, daß jeder Chorherr per turnum in seinem Monate
auf die vakante Stelle präsentierte.
Verzichtet ein Chorherr auf sein Kanonikat, in welchem
Monat dies auch sei, dann steht nach den neuen Statuten von
ı Formular bei Lunig I, 536, primarias preces nostras pro de-
voto nobis dilecto N. N. ad vos porreximus. dedimus, concessimus et
decrevimus, ac per praesentes pornisimus, damus. concedimus ac de-
cernimus. "Anlage 2;
2 St. Arch. 121 zu 1535.
er 4l mm
1642, welche hierin den Beschlüssen des tridentinischen Kon-
zils nachgebildet sind, dem Kapitel, welchem der Verzicht
abzugeben ist, stets das Patronatsrecht für die freiwerdende
Pfründe zu. Gibt der Kanoniker den Verzicht nicht gegenüber
dem Kapitel ab, so soll derselbe als nichtig angesehen und
der Resignierende bestraft werden, weil der Verzicht als un-
bedingte Resignation in die Hände des Kapitels zu gelten hat.
Dieser Satz ist in seiner ganzen Schärfe erst in den Statuten
von 1642 ausgesprochen. Nach den Statuten von 4610 konnte
ein Kanoniker nur mit Zustimmung des Kapitels resignieren,
aber nicht ohne den Willen desjenigen, welchem im be-
treffenden Monate das Patronatsrecht zugestanden hätte (cano-
nicatum vel sacellaniam suam nullus in alium vel permuta-
tione vel resignatione absque Ordinarii consensu et appro-
batione transferre potest. Capituli vero vel alterius, cui tempore
resignationis vel permutationis jus praesentandi competit im-
petrante praesentatione transferri attendit secus faciens sciat vel
permutationern vel resignationem nullitati subjacere ac in-
validas esse). Der einseitige Verzicht in die Hànde des Kapitels
wurde vom Landesherrn teilweise ignoriert ; so präsenlierte,
um nur ein Beispiel anzuführen, am 2. Juli 1614 Maximilian
einfach ad canonicatum sancti Theobaldi in oppido Thann ad
praesens per liberam resignationem vacans, cujusque patronatus
seu praesentandi ad nos archiducem Austriae pleno jure di-
mnoscitur. Auch die französische Regierung hat den dem
Kapitel gegenüber abgegebenen Verzicht nicht anerkannt. Als
nach der Resignation des Chorherrn von Clebsattel, 1748 die
Herzogin von Duras, seinen Vetter den Pfarrer Neff, einen
Solin des Obervogts zu Altkirch, an Stelle von Clebsattel prä-
sentierte, nahm der Bischof ohne weiteres diese Präsentation !
an, und antwortete auf die Vorstellungen und Einwendungen des
Kapitels mit den lakonischen Worten sciendum est resignationem
prout juris est factam non aliter admissam esse quam sub
clausulo salvo cujuscunque jure. .Das tridentinische Konzil und
diesem nachgebildet die Thanner Statuten hatten aus ge-
wichtigen und naheliegenden Gründen den freien Verzicht der
Kanoniker zu Gunsten des Kapitels verlangt, denn wenn ein
Chorherr ohne weiteres in den geraden Monaten resignierte
Ba un nn
1 Anlage 3.
— 49. —
und dem Kapitel kein Einspruch hiergegen gegeben war,
dann konnte sich leicht ein Protektionssystem entwickeln, in-
dem genau wie dies bei der Resignation von Clebsattel der
Fall war, ein Chorherr zu Gunsten eines ihm Verwandten
oder Bekannten verzichtete, der denn auch, wenn er oder seine
Familie bei der Regierung wohl angesehen war, die Stelle erhielt.
Seit dem Tridentinum sind, wie dies in den Statuten aus-
gesprochen ist, alle gratiae, quae exspectativae dicuntur nämlich
die Anwarischaften auf eine sich in Zukunft erledigende
Pfründe verboten 1, da denn solcher Gratien halber pfleglich
den Gemeinden untüchtige unbekannte Kirchendiener für-
gestellt, daß auch die Hoffnung, so durch die Gratien gegeben
zu Niessung der Gefäll der geistlichen Aemter so aller erst mit
der Zeit verledigt werden Ursach gebete des Besitzers Tod zu
begehren, welches der Seelen Heil höchlich verhindere 2.
Die Zahl der Präbenden und Kanonikate des Stifts
betrug seit den ältesten Zeiten 12. Nach der Ansicht des
bischóflichen Kommissars, welche in dem Visitationsprotokoll
vom 30. Juni 17063 ausgesprochen ist, sollen nach Gründ-
ung des Klosters 18 Chorherren und einige Sacellanen vor-
handen gewesen sein. Die Meinung des Visitators ist durch
keine einzige Urkunde belegt und schon aus dem Grunde
nicht stichhaltig, weil die Einkünfte des Klosters kaum
für 12 Pfründen ausreichten. Wie schlecht diese von Basel
geschickten Herren die Geschichte des Stifts kannten geht
z. B. daraus hervor, daß einer im Visitationsprotokoll das
Wort St. Amarin mit Rosmarin in Verbindung brachte, weil
angeblich in dem Tal derartige Sträucher in Mengen wüchsen!
Die älteste bekannte Urkunde von 1214 erwähnt nur 12 ein-
vepfründete Kanoniker.
Infolge der Verheerungen der Bauernkriege wurde nach
erfolgter Vorstellung des Kapitels 1549 eine Präbende kassiert
und der Masse uniert 4. Im Jahre 1621 richtete das Kapitel an
Erzherzog Leopold die Bitte wegen obhabender Beschwerden
und Schulden halber und wegen geringen Einkommens eine
Stelle unbesetzt zu lassen. Der Erzherzog teilte am 23. April
1 sessio 24 caput IX.
2 Lunig, S. 286.
3 St. Arch. 146 zu 1744
4 Bez. Arch. Serie G.
— 43 —
das Ansinnen dem Bischof mit und bemerkte, daß er nichts
dagegen einzuwenden habe, wenn die nächst frei werdende
Pfründe unbesetzt bleibe und das Erträgnis dem corpus zu-
geführt werde; der Bischof möge gleichfalls seine Einwillig-
ung dazu erteilen. Dieser fand die Sache nicht sehr dringend
und schickte erst am 17. März 1622 seinen Generalvikar
Gallus Soldat de Messala zur Untersuchung der Angelegenheit
nach Thann, der nach genauer Prüfung der Einnahmen und
Ausgaben seit Jahren konstatieren mußte, daß letztere die
ersteren überstiegen. Die Chorherren hätten sogar aus den Quo-
tidianen Zuschüsse leisten müssen, aber auch dieses Verfahren
hätte nicht genügt, da das Kapitel allein für Kriegsschatzung
0882 Pfund zu verzinsen und noch zur Zahlung des letzten
Termines 687 Pfund aufgenommen habe. Es solle deshalb ein
Kanonikat, deren Zahl jetzt 11 betrage unterdrückt werden ;
man habe dem Kapitel dieses Zugeständnis schon seit den
Statuten von 1610 gemacht, aber bis jetzt noch nicht gehalten.
Am 9. April 1622 setzte Bischof Wilhelm die Zahl der
Chorherrn endgültig auf 10 fest mit der Maßgabe, daß die
nächst frei werdende Präbende eingehen, und der Ertrag zur
Deckung der nachgewiesenen Schulden des Stifts der ge-
wöhnlichen Masse zugewendet werde. Diese Pfründe scheint
Ende des Jahres 1628 oder anfangs 1629 frei geworden zu
sein, denn Columban Tschudi verlangte als Interimsadministra-
tor des Klosters Murbach am 29. Januar 1629, daß ihm die
Präsentation eines Chorherrn an Stelle eines verstorbenen
gemäß der primae preces zustehe. Das Kapitel wendete da- -
gegen ein, dab es nach den Statuten von 1610 und dem
bischöflichen Indult vom 9. April 1622 nicht gezwungen
werden könne mehr als 10 Chorherrn anzunehmen und soviel
residierten tatsächlich jetzt.
Die Gründung der Universität Basel hätte beinahe dem
Kapitel eine Pfründe gekostet. In seinem Gutachten über die
Deckung der Bedürfnisse der Hochschule schlug 1459 Heinrich
von Beinheim vor, daß der Papst außer verschiedenen anderen
Kanonikaten ein solches zu Thann unterdrücken möge f. In
dem Verzeichnis der Pfründen, welches der Gesandte von
Flachslanden dem hl. Stuhl üherbrachte, und in welchen: die
—————
! Basler Chroniken V, S. 468.
— 44 —
`
Suppression empfohlen wurde, ist das Esträgnis einer Thanner
Präbende mit 59 fl. veranschlagt (in ecclesia sancti Theobaldi
in Tannis una praebenda valet L fl. Rh). Der Papst ging auf
den Vorschlag der Stadt Basel ein Kanonihat des Stifts Thann
zu unterdrücken nicht ein!.
Die Zahl der Präbenden blieb selbst nach der Unterdrückung
der zwei Kanonikate stets unverändert. Die Einkünfte des Ka-
pitels wurden in 12 gleiche Teile geteilt, wovon die Masse zwei
Portionen, von denen weiter unten die Rede sein wird, zur
Bestreitung der Pflichtausgaben vorwegnahm, während die
zehn übrig bleibenden Portionen unter den Chorherren zur
Verteilung gelangten. Da diese beiden Pribenden sehr häufig
besonders aber in Kriegszeiten nicht zur Deckung aller Be-
dürfnisse der Masse zureichten, wendete das Kapitel die ver-
schiedenartigsten Mittel und Wege zur Bilanzierung der Aus-
gaben mit den Einnahmen an. So stellte es 1623 beim Erz-
herzog Leopold den Antrag ein Kanonikat auf zwölf Jahre zu
supprimieren ; dieser lehnte das Ansinnen mit der Begründung
ab, daß er zwar als Landesherr dem Antrag sympathisch gegen-
überstehe, aber als Administrator des Klosters Murbach, in
dem er das Recht der ersten Bitte hane, auf dieses Vorrecht
nicht verzichten dürfe.
1628 bat das Kapitel nochmals den Bischof ein Kanonikat
zu unterdrücken ; nach dem Gutachten einer von ihm an Ort
und Stelle gesandten Kommission konnte sich der Bischof zur
Suppression nicht entschließen, dagegen hatte die Vorstellung
des Kapitels insofern Erfolg, als die Karenzzeit für das nächst
freiwerdende Kanonikat von 4 auf 5 Jahre erhöht wurde. Zu
der Erhöhung gab am 23. August 1628 der Landesherr die er-
forderliche Genehmigung. Eine gewisse Zeit hindurch muß auch
das zehnte Kanonikat unterdrückt gewesen sein, denn in einem
Visitationsprotokoll ohne Datum aus der Periode des Propstes
Willemann (1662— 1676) findet sich eine Bemerkung desselben,
dab es früher elf Kanonikate gegeben habe, von denen nun
zwei unterdrückt seien 2. Möglicherweise datiert dieses Protokoll
aus dem Jahr 1671 oder doch nicht viel später, da der bischöf-
liche Kommissar 1671 berichtete, es seien 10 Kanonikate vor-
1 Vischer. Geschichte der Universität Basel, S. 29.
2 St. Arch. 32 zu 1442.
== A, ee
handen, der Einkommen kaum 100 Pfund betrage und ist nicht
ausgeschlossen, daß der Bischof auf diesen Bericht hin eine Stelle
vorübergehend unterdrückt hat.
Die Zahl der residenzpflichtigen Chorherren war nicht stets.
gleich. So verfügte Bischof Albert durch ein Neskript vom 11.
November 1650 auf Bitte des Kapitels, daB nach dessen Gut-
dünken nur sechs Chorherren zu residieren brauchten ; das Ka-
pitel sei nicht verpflichtet mehr als sechs an den Ertrágnissen
teilnehmen zu lassen, da die Einkünfte des Stifts durch Kon-
tributionen und Kriegsverheerungen völlig unzulänglich seien,
und das Stift an alle Chorherren Geld schulde. Zufolge einer
Entscheidung des Bischofs vom 5. September 1665 wurde die
Zahl der Residenzpflichtigen wieder auf zehn erhóht, da nach
Ansicht des Oberhirten, welche allerdings mit derjenigen der
Kanoniker nicht übereinstimmte, die Zeiten besser geworden
seien, trotzdem das frühere bischófliche Indult von 1650 erst
init dem Jahre 1696 sein Ende erreichen sollte. Das Kapitel
machte dem Bischof gegenüber geltend, daß die Verhältnisse
des Stifts keineswegs sich gebessert hätten, im Gegenteil wäre
durch die dem Präsidenten Colbert zur Prüfung eingereichten
Rechnungsbelege einwandfrei festgestellt worden, daß die Fi-
nanzen außerordentlich schlecht stünden. -Der Bischof wurde
gleichzeitig gebeten sein Reskript aufzuheben, jedoch ohne Erfolg.
1712 erlaubte der Bischof dem Kapitel, daß nur 1!/5 Portion
zur Masse gezogen und die andere halbe Portion zur Verbes-
serung der Präbenden verwendet würde!. 1716 berichtet das Visi-
lationsprotokoll, daß vor 8 Jahren eine ganze Portion zur Masse
verwendet und die andere unter den Kanonikern verteilt wurde.
Aus der fortwährenden Notlage des Stifts geht zur Genüge
hervor, daß die Verlegung nach Thann von eminenter Bedeutung
für das Kapitel war, denn wie hätte dasselbe unter solchen Um-
Standen seine Kirche in gutem Stand unterhalten und die nö-
tigen Gerätschaften und Paramente beschaffen können !
Die Statuten von 1642 schreiben für die Aufnahme eines.
Kanonikers folgende Erfordernisse vor. Der Aufzunehmende
mußte, wie jeder andere Kleriker von ehelicher Geburt sein 2,
1 St. Arch. 38 zu 1442.
2 Nach Artikel 4 der Statuten von 1509 war der Beweis zu führen
per instrumentum publicum seu litteras patentes a consulatu seu di-
vecesano loci nativi, sigillatas et extractas ex legitimo thoro natum
— 46 —
er durfte keinen Makel der Infamie aufweisen und kein Men-
schenblut vergossen haben. Für die Aufnahme war mindestens
die Weihe als Subdiakon verlangt und ein Alter, daß er nach
Ablauf der vier Karenzjahre zum Presbyter geweiht werden
konnte. Da nach den Bestimmungen des tridentinischen Konzils
diese Weihe regelmäßig mit dem vollendeten 24. Lebensjahre
stattfindet !,,so war nach den neuen Statuten ein durchschnitt-
liches Alter von 20 Jahren zur Aufnahme erforderlich, während
nach den alten Statuten der Präsentierte nur 14 Jahre alt zu
sein brauchte. Der Kandidat mußte einer geistlichen Pfründe
fähig (capax) und nicht bloß fähig zu den geistlichen Würden,
sondern noch speziell zur Würde eines Chorherrn sein. Eine
Hauptbedingung war, daß der Aufzunehmende den Chorgesang
verstand oder eine andere gute Eigenschaft besaß, welche diesen
etwaigen Mangel auszugleichen geeignet war. Feblt bei einem
Kandidaten ein solches Erfordernis, dann ist er unfähig in das
Kapitel aufgenommen zu werden, selbst wenn ihn der Kaiser
präsentiert hätte.
Nach erfolgter Aufnahme hat der Kanoniker vom Bischof
seine Admission und Investitur zu begehren, die ihm gegen
Entrichtung der auf 10 Pfund festgesetzten Gebühr erteilt wird.
Mit der Investitur erlangt der Zugelassene den ruhigen Besitz
des Kanonikats mit allen dazu gehörigen Einkünften und Sitz
und Stimme im Kapitel?. Die vollzogene Investitur muß der
Kanoniker dem Kollegium anzeigen und von diesem die kano-
nische Besitzeinweisung in seine Prübende fordern. Das Kapitel
ist nicht berechtigt einen Kanontker zu-Posseß zuzulassen, ehe
der Bischof ihm die Investitur erteilt hat, im Falle der Zu-
widerhandlung drohen demselben Ordnungsstrafen.
Zur Aufnahme in das Kapitel war auDerdem ein gewisses
Vermógen erforderlich. Der Kanoniker hatte nàmlich bei Em-
pfang der PosseB in Geld, Grundbesitz oder durch einen soliden
Bürgen 100 Mark reinen Silbers nachzuweisen, wovon er eine
esse auch muDte der Kanoniker schwóren se nunquam pro spurio,
bastarto aut alias pro illegitimo habitum esse non obstante privi-
legio vel quaeunque dispensatione super legitimationem. Das Erfor-
dernis der Legitimität war durch zwei bischótliche Edikte bestätigt.
Bez. Arch. Lade 1.
! cap. IV ses. 12 trid. conc.
2 Anlage 4.
eu A.
Reihe von Ausgaben machen mußte. Nach den Statuten von
4509 hatte er 27 fl. gleich 108 livres tournose für die Quotidianen
und 8 fl. zur Verteilung unter den Chorherren an das Kapitel
zu zahlen 1; die nämlichen Verpflichtungen sind in den Statuten
von 1523 wiederholt mit der Maßgabe, daß die 8 fl. innerhalb
eines Monats nach der erlangten Besitzeinweisung zu zahlen
sind, während für die Entrichtung der 27 fl. ein Bürge gestellt
werden kann. In späterer Zeit hatte der neu aufgenommene
Kanoniker für die Kapitulare 90 Pfund, für die Bruderschaft
corpus Christi, welcher die Abhaltung der Seelenmessen für
die verstorbenen Chorherren oblag, 6 Pfund, dem Propst für
die Installation 12 Pfund?, dem Aktuar für die Expedition 6
Pfund, den beiden Sacellanen als Zeugen 8 Pfund, dem Kaplan
einen gleichen Betrag, dem Kapitelseinnehmer 6 Pfund und an
die Masse des Kapitels 50 Pfund zu zahlen. Durch die Statuten
von 1642 wurden diese Ausgaben auf 27 fl. für die Rechnung
der Masse, 8 fl. für die Fraternei und 1 fl. für den Helfer
festgesetzt. Nach dem Visitationsprotokoll von 1706 beliefen
sich die Verbindlichkeiten auf 178 Pfund, während sie 1759
nur 148 Pfund 13 sols betrugen, wovon 109 Pfund unter die
Chorherrn verteilt wurden, während der Rest dem Aktuar und
den Zeugen gebührte, mit Ausnahme von 13 Pfund 10 sols, die
für die Fraternei zu verwenden waren. Die Einkünfte derselben
wurden jàhrlich unter den Chorherren und den Sacellanen
gleichmaBig geteilt.
Der neue Kanoniker war ferner verpflichtet am Tage
der empfangenen Posse den Chorherrn, dem Kirchwart,
seinen Bürgen und Zeugen einen Imbiß zu reichen $.
Vor seiner Einführung in das Kapitel hatte er dem Bischof
oder seinem Generalvikar entweder selbst oder durch einen
Bevollmächtigten 4 den Glaubenseid, (orthodoxz fidei professio)
ebenso den Treu- und Gehorsamseid zu leisten und mußte
1 Bez. Arch. Straßburg.
2 Die Installationsgebühr des Propstes war bestritten; häufig
erhielt er an Stelle der 12 Pfund ein diesen Betrag im Wert über-
Steigendes Geschenk, so gab z. B. der Vater des Kanonikers Gobel
bei Aufnahme seines Sohnes in das Kapitel dem Propst Klinglin ein
Jagdgewehr St. Arch. 5 zu 1714.
3 St. Arch. 1 zu 1442.
4 Daselbst 75 zu 1535.
eidlich versichern, daß er nicht durch Simonie in das Kapitel
gekommen sei.
Nach Erfüllung aller dieser Formalitäten erfolgt die Amts-
einführung des Chorherrn in die Stiftskirche mit großem
Gepränge. Vom Stiftshofe zieht das versammelte Kapitel in
Prozession zum Münster, der neu Aufgenommene zwischen
den Dignitäten mit seinen Bürgen und Eideshelfern, die ihn
bis an den Hochaltar begleiten. Hier schwört er folgenden
Eid: Ich Mitglied des ehemaligen Stifls zu St. Amarin, welches
sich jetzt zu Thann befindet, schwóre demselben Treue und
Gehorsam und verpflichte mich dessen Nutzen zu fórdern und
Schaden und Nachteil von demselben abzuhalten, von den
Gütern, Einnahmen und Einkünften selbst nichts zu ver-
untreuen oder durch andere Personen veruntreuen zu lassen;
ich will bestrebt sein, was veruntreut ist, mit allen erlaubten
Mitteln zurückzuerlangen. Dem Propste und seinem Stell-
vertreter oder allen sonstigen Vorgesetzten schwöre ich zu
gehorchen, dieselben zu ehren, meine Pflichten als Kanoniker
getreu und gewissenhaft zu erfüllen, den Statuten unter den
angedrohten und festgesetzten Strafen Folge zu leisten und
den Beschlüssen des Kapitels zur Schlichtung von etwaigen
Streitigkeiten nachzukommen. Dies alles gelobe und verspreche
ich, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium 1.
Nach Ableistung des Eids begrüßt der Propst, der am
Hochaltar steht oder sitzt, den Chorherrn mit folgenden
erhebenden Worten: Ehrwürdiger Kollege, es bleibt mir nun
noch übrig, Sie in dieser herrlichen Kirche feierlich zu in-
stallieren, damit Sie in Gottes Heiligtum Ihre Obliegenheiten
verrichten und Ihre Vorrechte? als Kanoniker genießen können
I Anlage 5.
2 Ueber die Privilegien St. Arch. Thann G. G. II. St. Arch.
1442 ff., wo ein Brief serenissimi ducis ohne Datum erwähnt wird,
ne quis molestet canonicum sub poena omissionis omnium bonorum
1394. 1337 gebietet Erzherzog Albrecht dem obersten Landvogt
in Schwaben und Elsaß Johann von Hallwyl, daß er den ehrbaren
Chorherru von St. Amarin den Zehnt vom Weinwachse in Thann
gebe.
1388 den 18. September zu Altkirch tut Johanna, Herzogin
zu Oestreich kund, daß sie durch Bitte willen ihres lieben Freundes
des Bischofs Johann von Basel die ehrbaren bescheidenen Leute die
Tumbherren gemeinlich zu Haymerine durch ihre Bitt und auch durch
ihr Bürgerrecht willen so sie haben in ihrer Stadt zu Thann zu Bür-
un “AQ” m
und Ihnen die kanonischen Insignien anzulegen, weshalb Sie
nach den Beschlüssen des tridentinischen Konzils und unseres
Kapitels Gepflogenheit noch den öffentlichen Profeß- und
Glaubenseid abzulegen und der Kirche Ergebenheit zu geloben
haben. Dann steigt der Propst vom Hochaltar herab, verneigt
sich vor dem neuen Kanoniker und alle singen den Hymnus
veni creator spiritus. Nach Beendigung des Lieds erhebt sich
der Propst mit entblößtem Haupt und empfängt von dem Chor-
herrn, der vor ihm kniet den Eid; hierauf bedeckt er sich
nimmt seinen Platz ein und spricht: «Ich proklamiere dich
nun als geeigneler Diener dieser schönen Kirche, als würdigen
Kanoniker, und gestatte dir die kanonischen Insignien inner-
halb und außerhalb der Kirche zu tragen». Er überreicht ihm
das Collare und legt es ihm um mit den Worten «ziehe dieses
Kleid an und sei eingedenk, daß du mit deinen schwachen
Schultern zur Ehre und zum Ruhm Gottes und des hiesigen
Munsters deine Dienste unverdrossen versiehst», er gibt ihm
das Almutium und spricht: «nimm hin den weißen Schild
und erhalte ihn rein und unversehrt durch dein ganzes Leben.»
Dann setzt er ihm das Birett auf unter den Worten: «Du bist
nun äußerlich ein Kanoniker, bestrebe dich auch innerlich
ein soleher zu sein.» Er führt ihn zu seinem Platz in dem
schönen spálgolischen Chorgestühl, welches seit dem Ende des
15. Jahrhunderts eine Zierde der Kirche bildet, und spricht: «Be-
halte diesen Platz, bis du voll Verdienst einst gewürdigt wirst in
das Reich Gottes einzugehen.» Mit dieser ermalinenden und warnen-
den Anrede installiert der Propst den Kanoniker zu seinem Amte.
gern in dieser Stadt empfangen habe und verspricht mit diesem
Briefe, daß sie dieselben mit ihrem Leib und Gut in besondere
Gnad und Schirm genommen und gesetzt hat auch in allen
Rechten, Freiheiten, Gewohnheiten und anderen Sachen sie die-
selben beschirmen und behüten wolle vor aller Gewalt und vor Unrecht,
ohne daß sie deswegen einen Teil der bürgerlichen Lasten zu tragen
gehabt hätten. 1375 bestätigt Erzherzog Leopold zu Rheinfelden
und 1394 Leopold der Sohn desselben zu Ensisheim die Privilegien.
1410 Katharina von Burgund konfirmiert zu Wien die Rechte
und gebietet dem Landvogt den Zehnten von den Reben in Thann
in Roßbüttichen zu entrichten. 1440 und 1442 bestätigt Friedrich II.,
zu Basel das Bürgerrecht.
1487 bestätigt Sigismund das Patronatsrecht zu Traubach.
1510 den 17. Aprıl zu Augsburg und 1605 den 19. Januar
zu Innsbruck werden die Privilegien bestätigt, ebenso 1535 durch
Papst Paul.
SCHOLLY. 4
Wie schon das tridentinische Konzil vorschreibt, soll das
Endziel des Kapitels auf das Lob Gottes gerichtet sein cin allem
suche es in Gott das Heil». Deshalb müssen alle Kanoniker
ihres hohen und heiligen Berufs, zu dem sie durch besondere
Gnade Gottes berufen sind, eingedenk sein. Sie haben demnach
zu streben ihren Sinn von allen weltlichen Dingen abzulenken
und sich gewissermaßen in eine höhere Sphäre versetzt zu
fühlen. In ihrer Haltunz, Kleidung !, in Gang und Reden sollen
sie sich als wahre kanoniker zeigen. Weil das Thanner Münster
nicht aus rohen Steinmassen sondern gleichsam aus lebendigen
Perlen erbaut ist, müssen sich die Chorherren in Frömmigkeit
zu vervollkommnen suchen, damit sie als Perlen von Menschen
in dieses schöne Gotteshaus eintreten. Nie dürfen sie außer Acht
lassen die Demut, die Keuschheit, die evangelische Armut, den
Gehorsam, die christliche Einfalt, die Geduld, die Mäßickeit und
die Verachtung der Welt; nie sollen sie vergessen die Liebe zur
Tugend, den Haß des Lasters, und die Sehnsucht nach Fort-
schritten im geistlichen Leben, man soll nicht von ihnen sagen
können, qui delectabuntur croceis amplexati sunt stercora. Der
Verkehr mit Frauenzinımern, welchen Alters, Standes und
Ranges sie seien, ist zu meiden. Morgens beim ersten Glocken-
zeichen haben die Kanoniker im Talar in das Chor zu eilen
und in ihren Allmutien und Superpellizien dem Hochaltar die
gebührende Ehre zu erweisen. Auf ihren Plätzen sollen sie zum
Lobe Gottes und im Angesicht der Engel psallieren und singen.
An den vorgeschriebenen Stunden müssen sie das Brevier beten,
nicht zu langsam und nicht zu schnell, sie dürfen von den Ge-
beten nichts auslassen, um Zeit zu gewinnen, sondern müssen
mit Geist und Verstand singen, da sie nur Gott zu dienen be-
stimmt sind. Im Chor sollen sie nicht müfig dasitzen, sondern
ihren Dienst mit Gebet und Gesang verrichten, denn es wäre
schimpflich, wenn man von ihnen behaupten könnte «was steht
ihr müßig da den ganzen Tag». In allen ihren Bewegungen und
in ihrer ganzen Haltung haben sie sich würdig zu benehmen
eingedenk des Psalmes David in populo gravi laudabo te.
Bei den Jahrgedächtnissen für ihre verstorbenen Mitbrüder
1 Et si vero habitus et tonsura non faciunt monachum oportet
tamen eos vestes statui convenientes deterre, maxime- ubi foras pro-
deunt. ut per decentiam habitus externi morum honestatem internam
ostendant. pars I. cap. IV. sessio XIV. cap. 6 trid. cone. _ .
— 5 —
dürfen sie bei Strafe nicht fehlen und haben fleißig dabei zu
opfern.
Zur Ehre des Kapitels mag hier konstatiert werden, daß
schärfere geistliche Strafen wegen grober Vertehlungen gegen
Kanoniker des Stifts Thann nur selten angewandt zu werden
brauchten. Im 16. und 17, Jahrhundert finden wir jeweils bloß
einen Chorherrn vor dem geistlichen Gericht. Erst im 18. Jahr-
hundert, als die Zucht im Kapitel bedenklich gelockert war,
mußte der Bischof gegen verschiedene Mitglieder des Kollegs
einschreiten, so setzte er 1716 einen gewissen Heisch, ob dis-
solutam et scandalosam suam vitam damnosam inveteratumque
carnis vitium perversosque mores incurabilis!, ebenso später
den Chorherrn Harnist, der es noch toller getrieben zu haben
scheint, ab. Im Visitationsprotokolle von 1742 werden vom
Kantor und anderen Chorherren schwere Vorwürfe gegen den
Propst Gobel und den Kanoniker Valoreille erhoben, während
der Propst dem Kantor darin vorwirfl, daß er durch allzu
starken Weingenuß öffentliches Aergernis erregt habe. Der
Wein scheint, wie aus verschiedenen Visitationsprotokollen und
sonstigen Andeutungen zu entnehmen ist, bei manchem Chor-
herrn eine große Rolle gespielt zu haben, was eigentlich nicht
zu wundern ist, wenn man bedenkt, daß durch den Zehnten
ein jeder eine ansehnliche Quantität erhielt und der Rebbau
damals bedeutender war als jetzt.
In der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins? wird
nach einem Bericht des Tyroler Kammerrates Rochius Castner
vom 15. August 1570 ein äußerst ungünstiges Urteil über die
Klöster und Stifter in den österreichischen Besitzungen des El-
sasses gefällt. Hiernach sind die Gotteshäuser in den Händen
der einzelnen Prälaten oder Pröpste, denen ein weltlicher Schafl-
ner zur Seite steht. Diese führen weder in geistlichen noch ın
weltlichen Sachen eine gute Haushaltung, hängen ihren Freun-
den und Verwandten Klostergüter an, halten keine Konvente,
ziehen keine Novizen heran, entfremden die Einkünfte, vernach-
lässigen die Kleinodien und Kirchenzier und heben nicht ein-
mal die brieflichen Gerechtigkeiten ordentlich auf. Den Haupt-
grund für diese abscheulichen Zustände führt der Kammerrat
1 St. Arch. 169 zu 1706.
2 Neue Folge Bd. X, S. 487.
nicht an; nach der Meinung des Einsenders lage er in der be-
vorrechtigten Stellung des Adels. Ganz abgesehen davon, dab
Castner keine Aufzeichnung darüber hinterließ, ob er auch
das Thanner Stift revidiert hat, und daher für dieses seine ab-
fälligen Bemerkungen nicht ohne weiteres als maßgebend an-
zusehen sind, genügt der Hinweis darauf, daß im Stift Thann
der Adel niemals eine Rolle gespielt hat.
Weil das Kapitel eine zu Gottes Lob und Ehre gestiftete
Gesellschaft ist, soll stets Friede unter seinen Mitgliedern herr-
schen. Streitigkeiten und wörtliche Beleidigungen der Kanoniker
werden vom Kapitel selbst in freundschaftlicher Weise unter
Ausschluß der weltlichen Gerichte erledigt und über den Schul-
digen im Sühnetermin Geldbußen in der Regel von 5 Pfund
verhängt. Ein Rekurs an die öffentlichen Gerichte wäre nur in
dem Falle erlaubt, wenn das Kapitel einen ganzen Monat ver-
streichen ließe, ohne selbst zur Beilegung des Streits etwas ge-
tan zu haben. Ein Cliorherr, welcher sich abgesehen von diesem
Falle, der wohl selten vorgekommen sein wird, untersteht, seine
Angelegenheit vor das Forum des weltlichen Gerichts zu bringen!,
wird mit 10 Pfund bestraft, bei weiterer Renitenz kann er so-
gar exkommuniziert werden.
Der Kanoniker hatte dem Propst und den übrigen Digni-
täten den gebührenden Gehorsam, zu welchem er durch seinen
Eid verpflichtet war, zu leisten; bei Zuwiderhandlung traten
Geld- und in schweren Fällen Kirchenstrafen ein. Jede Ver-
letzung des Berufsgeheimnisses zog’ eine Geldbuße von 20 Pfund
nach sich.
1 Dagegen konnte der Bischof mit der Sache befaßt werden.
Tagebuch der Guardiane S. 79. Am 25. Februar 1742 kam auf An-
ordnung des Bischofs der Offizial Leo nach Thann und hielt ad St.
Theobaldum Visitation ab, bei welcher. wegen unterschiedlicher Un-
einigkeiten so zwischen den Chorherren entstanden sind, er mit jedem
ein scrutinium vorgenommen hat.
KAPITEL IV.
Die Dignitäten des Stifts: Propst, Kantor, Kustos. Größenverhältnisse
und Stil der alten Stiftskirche zu St. Amarin. Neubau der
Pfarrkirche. Der Senior des Kapitels.
Das Haupt des Kapitels ist der Propst (praepositus), der
seit alter Zeit aus den Mitgliedern des Kollegiums gewählt wird!.
Eine Ausnahme von dieser Regel wurde gemacht bei der Wahl
des Propstes Henner im Jahre 1676, der vorher Pfarrherr zu
Bernweiler war und nicht zu Thann seine Residenzpflicht erfüllt
batte2, Er darf keine Vorstrafen erlitten haben, muß von ehr-
baren Eltern abstammen, sittenrein und reiferen Alters sein, so-
wie durch Gelehrsamkeit und Weisheit sich auszeichnen (uno
verbo talis qualem apostolus describit irreprehensibilis). Unter
der franzósischen Herrschaft wurde noch ein weiteres Erfordernis
eingeführt, nàmlich nach dem kgl. Edikt von 1681, und durch ein
Mandat vom 18. September 1721 neu eingescharft muBten alle
Vorsteher und Prälaten der Stifte im Elsaß geborene Franzosen
oder Elsässer und königliche Untertanen sein. Gewählt werden
kann selbst ein Chorherr, der nicht zu Thann residiert, wenn
er nur seine Karenz- und Residenzpflicht erfüllt hat.
Ist ein Propst verstorben oder durch Urteil seines Amtes
enisetzt, ein Fall, der sich während des Bestehens des Stifts
nicht nachweisen läßt, so hat das Kapitel durch einen Dele-
gierten aus seiner Mitte dem Bischof den Tod zu melden und
ihn zu bitten zur Neuwahl einen Vertreter zu senden. Ist das
1 Wahlprotokoll von 1365 «electio et nominatio spectat ad ca-
pitulum>.
? Schickelé doyenné du Sundgau S. 30 führt Henner noch. 1672
als Kämmerer des Dekanats zu Bernweiler an.
Kapitel in der Anberaumung des Termins säumig, dann kann
der Bischof den Wahltag aus eigener Gewalt anberaumen und
seinen Stellvertreter zur Wall schicken (ne vero dicta ecclesia
collegiata per diuturniorem vacationem damnum aliquod in tem-
poralibus aut spiritualibus. patiatur, vobis commiltimus ef man-
damus, ut convocatis ad electionem novi praeposili)..
Ain Morgen des Wahltages wird das Hochamt de spiritu
sacro gefeiert, wobei alle anwesenden Kanoniker kommuni-
zieren. Nach Beendigung des Amts begeben sie sich in den
Kapitelssaal, und präsidiert der Delezat dem nun folgenden
Waihlakte. Zuerst bestimmen die Chorherren durch Zuruf einen
Stimmzähler (serutator) und zwei Zeugen, welche geistlichen
Standes sind; in der Regel üben die beiden Sacellanen dieses
Amt aus. Der Stimmzähler und die Zeugen leisten dem
bischöflichen Gesandlen den Treucid und geloben über die
Wahlhandlung Stillschweigen zu bewahren ; sie verpflichten
sich ihre Pflichten nach alten Brauch und überlieferter Ge-
wohnheit zu versehen. Sodann ermahut der Kantor die Kano-
niker jede persönliche Rücksicht bei der Wahl bei Seite zu
lassen und nur Gottes Ehre und das Wohl des Kapitels im
Auge Zu haben. Jeder Chorherr leistet einen diesbezüglichen
Eid *.
Als erster legt der Kantor seinen Stimmzelttel in die
auf dem Tische stehende Urne, nach ihm folgt der Kustos
und die übrigen Kanoniker nach dem Zeilpunkt ihrer In-
vestitur. Wenn einer der zu Thann residierenden Chorherrn
durch Krankheit verhindert ist dem Wahlakte beizuwohnen,
so begiebt sich der Stimmzähler mit den Zeugen in dessen
Wohnung, um den Wahlzeltel in Empfang zu nehmen. Dieser
Modus. ist in den Statuten. nicht vorgeschrieben und wäre
regelmäßig nicht nötig, da das Kapitel zur Wahl schreiten
kann, selbst wenn nur drei Chorherren anwesend sind, er
wird aber aus Gewohnheit eingehalten. Haben alle abgestimmt,
dann nimmt der Skrulator die Zettel der Reihe nach aus der
Urne, prüft sie genau und notiert die darauf stehende Stimme.
Hat ein Kandidat die absolute Mehrheit erlangt, so erklärt ihn
der Vorsilzende für gewählt und proklamiert ihn zum Propst.
Die sämtlichen Wahlzettel werden sodann, um das Wahl-
I Anlage 6.
geheimnis zu wahren, verbrannt!, und über die ganze Hande
lung ein Protokoll errichtet, das die Anwesenden unterschrei-
ben 2. Nach erfolgter Gratulation seitens der Kanoniker an den
Propst, begeben sich alle zum Gottesdienst, wobei das le deum
intoniert wird.
Können sich die Chorherren über die Person des zu
Wählenden nicht einigen, indem kein Kandidat in drei Wahi-
vingen die absolute Mehrheit erlangt, dann steht dem Bischof
kraft des jus devolutionis das Recht zu einen ihin tauglich
erscheinenden Kanoniker des Kapitels zu ernennen. Dieser
Fall trat ein, als Bischof Johann Konrad den Chorherrn Gobel
als Propst den 16. Januar 1733 einselzte,
Haben die Kapitulare eine geeignete Person durch die
Wahl zu ihrem Propst erkoren, so können sie die Bestátizung
derselben vom Bischof verlangen, da ihnen allein das Wahl-
recht zusteht. ftezelimális solurt 3 nach der Wahl steilt das
Kapitel an den Bischof den Antrag auf Konfirmation 4 und
pflegte diese nach Kntrichtung der festgesetzten Tuxe von
40 Mark 5 an die bischöfliche Kanzlei ebenso schnell zu er-
folgen 6. Nach eingetrollener Bestätigung leistet der Propst dein
Bischof den vorgeschriebenen Treueid 7. |
Die Statuten von 1642 sehen nur die Bestätigung durch
den Bischof vor, trotzlem auch dem Abt von Murbach nach
der Abmachung von 1456 das Recht der Konfirmation zusteht.
Dab das Vorrecht des Abts nicht erwähnt ist, dürfle daraus zu
erklären sein, dab das Kapitel in einem am 3. August 1609
dem Bischof eingereichten Memoriale gebeten hatte, der Bischof
möge zur Vermeidung von Weitläuligkeiten und Streitigkeiten
in den neuen Statuten die Bestätigung durch den Abt nicht
aufnehmen8, Letzterer war über das Begehren der Chorherren
I sessio 25 cap. IV. trid. conc.
2 St. Arch. 6 zu 1567, Anlage 7.
3 Anlage 8.
Der Propst Cabelius beschwerte sich am 6. Februar 1634 beim
Bischof, daß die Kanoniker eine schlechte Affektion gegen ihn
hätten, da er seit seiner am 3. Januar erfolgten Wahl noch nicht
präsentiert wäre. St. Arch. 7 zu 1567.
5 Diese loco primorum fructuum zu zahlenden Gebühr betrug
später 20 fl. St. Arch. 83 zu 1567.
6 Anlage 9.
1 Anlage 10.
8 St. Arch. 6 zu 1442.
3
— 6 —
äußerst ungehalien aber tatsächlich außer Stande gegen das
Kapitel vorzugehen!. Trotzdem das Recht der Abtei Murbach
verbrieft und über jeden Zweifel erhaben war, schien dasselbe
im Stift nicht allgemein anerkannt gewesen zu sein, da z. B.
ein Kanoniker zu dem Passus der Statuten, quod praepositus
debet ab ipso abbate recipere suam confirmationem am Rande
die Notiz machte, hoc falsum est ?. In. Wirklichkeit aber
haben alle Pröpste seit der gedachten Abmachung von 1456
in ihrem eigenen Namen, nicht wie hei der Bestätigung durch
den Bischof das Kapitel als solches, die Konfirmation des
Abtes eingeholt, als letzter noch Poumier am 17. September
1787, welchem diese auch am 28. September erteilt wurde.
Sobald die bischöfliche Bestätigung eingetroffen ist, er-
folgt die Promulgation des Propstes im Kapitel; hierauf
schwört er die Rechte des Kapitels hoch zu halten, ihrerseits
schwören ihm die Kanoniker zu gehorsam zu sein. Nach
Leistung des Eides wird er zu seinem Ehrenplatz im Chor ge-
führt und tritt hierdurch in den voilen Genuß aller ihm zu-
stehenden Privilegien; von nun an ist er befugt das ihm
anvertraute Kapitel in geistlicher und weltlicher Richtung hin
zu regieren.
Der Landesherr hat kein Recht bei der Wahl des Prop-
stes durch einen Kommissar vertreten zu sein, so wenig wie
ihm ein Anspruch auf eine Bestätigung des Gewählten zusteht.
Erst der allerchristlichsten französischen Regierung, welche in su-
veräner MiBachtung aller Gesetze, Gewohnheiten und altüberliefer-
ter Rechte die verbrieften Freiheiten der Kirche mit Füßen trat, blieb
es vorbehalten in dieser Richtung die Statuten, welche bis dahin
auch für die weltliche Obrigkeit als bindende Norm gegolten
hatte, zu verletzen. Dieselbe verlangte 1686 vom Kloster Mur-
bach, auf die freie Abtswahl zu verzichten und einen ihr ge-
nehmen Kandidaten zu wählen, wobei das kgl. Dekret vom
26. April desselben Jahres verfügt: «Indem wir verlangen
die Abteien und andere Ehrenämter unseres Reiches mit der-
gleichen Personen zu versehen, deren Frómmigkeit, Leben
und Wandel uns bekannt und derenhalb wohl wissen, daß
wir keinen tauglicheren erwählen können, so ersuchen wir
1 Daselbst 11 zu 1442.
? Daselbst 1 zu 14429.
m. MS
euch, gebieten und befehler, den Grafen von Löwenstein für
euern Abt anzuerkennen». In diesem befehlenden Ton schreibt
der Kónig den Mónchen der Reichsabtei Murbach, indem er
in seinem Bestreben dem Kloster eines seiner getreuen Sub-
jekte als Vorgesetzten hinzustellen die geheimen Absichten
mit dem Mantel der Frömmigkeit umgiebt; daß die unter-
geordnete Regierung zu Colmar dem kleinen Stift Thann
gegenüber diese Rücksicht nicht zu nehmen für nötig fand,
geht aus ihrem Schreiben nach der Wahl des Propstes Henner
1676 zur Genüge hervor ; sie verlangt nümlich nichts weniger,
als daß diese Wahl für nichtig erklärt werde, da nur Personen,
welche dureh ihre Geburt und Anhänglichkeit sich für den
königlichen Dienst qualifizieren, gewählt werden dürfen !.
Die Beschwerde des Staatsanwalts an. den kgl. Gerichts-
hof ist so interessant, daß dieselbe verdient im Wortlaute hier
angeführt zu werden: Vous remonstre le procureur du roy
disant que est un ordre observé par tout principalement
dans les provinces qui sont frontiéres que les dignités ecclesias-
tiques encore qu'elles soient electieuses ne doivent point estre
remplies que les officiers royaux n'en soient advertis affin de
conserver les droits qui peuvent appartenir à sa Majesté et
empescher que les places ne soient occupées par des per-
sonnes incapables de les posséder et est pourquoy aprés leur
élection ceux qui sont eslu sont obligés de presenter leur
requeste et ensuitte des informations de leur fidelité au service
du roi on leur permet de prendre possession et par cette voye
les elections sont conservées et les droits pareillernent. Cependant
il est arrivé que le prevost du chapitre de Thann estant décédé
le 25 du mois du janvier dernier le chapitre qui n'est presen-
tement que de quatre ou cinq personnes la plus part de
naissance et affection estrangeres aurait par l'artifice et per-
suasion de M. Henner dissimulé la mort dudit deffunt et sans
en advertir le conseil provincial se serait faist élire prevost
de la dite église de la dite dignité, il se serait mis aussi en
possession de son authorité privée et comme une telle pro-
cedure extraordinaire precipitée et contraire aux regles qui
regardent l'interest de sa Majesté ne doit point èstre tolerée
d'aulant plus que la dite pretendue election n'a pas este faite
————
1 St. Arch. 35 zu 1567.
dans les formes requis ni par les statuts dudit. chapitre qui
estant du fondation royale. Les officiers de sa Majesté semblent
èstre obligés de tenir la iain à ce qu'il n'y soit. point contre-
venu. Considére Messieurs. il vous plaise recevoir le remon-
strant opposant a la dite prise de possession et lut. permettre
de faire assigner le M. Henner pour voir. declarer avec lui
election. faite də sa personne nulle et de nul effct et ordonner
quil sera procedé à une nouvelle election. dans les. formes
ordinaires avec deffense aux chanoines de la dite eglise de
meltre aucunes personnes en possession des dignites du chapitre
qu'il n'ait esté informé par le. conseil. de leur naissance et de
leur fidelilé au service du Roy et vous ferez bien sez. de
Lallouette. Diesem Verlangen des Anwalts den Propst Henner
einfach seines Amtes zu entsetzen kam der Provinzialgerich!s-
hof nicht nach, und Henner blieb in seiner Würde bis zu
seinem Tod.
Die nämliche Regierung führte für die Kanoniker ferner
einen früher unbekannten Treueid (serment de fidelité) ein,
gegen dessen Ableistung der gedachte Propst Henner 1676 sich
wehrte mit der Motivierung: ein solcher Eid sei bisher noch
nicht geleistet worden, er weigere sich nicht denselben zu leisten,
wenn darunter nur die dem Laudesherra gebührende Treue (ids
litas) gemeint seit. Ob und wann Henner den Eid geleistet hat,
läßt sich nicht nachweisen.
Bei der nächstlolgenden Propstwahl vom 7. September 1601
versuchte die Regierung einen anderen Wer. Ehe man zur
Wahl schritt, verlas der bischöfliehe Delegierte einen Empfeh-
lungsbrief des Intendanten für den Kanoniker Klinglin und be-
merkte, daß durch die Empfehlung den Rechten des Kapitels in
keiner We aise Eintrag geschehe. Das Resultat der Einmischung
war, daß der Chorherr Clebsattel an Stelle von Klinglin ein-
stimmig zum Propst erwählt wurde. Diese Niederlage vergaß
die Regierung dem Kapitel nicht und verbet nach dem Tod
von Clebsattel eine Neuwahl solange vorzunehmen, als nicht
der Intendant zu Colmar von dem Termin informiert sei und
einen Kommissar zur Sitzung geschickt habe2. Der nach Thann
entsandle Rat Dietermann verlangte direkt, daß die Chorherren
1 St. Arch. 54 zu 1567.
2 Daselbst 44 zu 1567.
diesmal Klinglin wählten: vous ne devez choisir d’autre prevost
que M. Klinglin qui docte sage et vertueux comme il est et
estant d'une aussi illustre famille mérite cet honneur prefera-
blement à tous autres. Das Kapitel war über die Zumutung
aufs hóchste bestürzt und versprach aus Angst den Regierungs-
kandidaten Klinglin zu wählen, während als Gegenleistung der
einflußreiche kgl. Prätor Klinglin von Straßburg, ein Bruder
des Kanonikers, es durchsetzte, daB ein Wahikommissar von
der Regierung zum Termin nicht geschickt wurde. Bei der
Wahl von 1732 erlaubte der Marschall Eleonor von Bourg, Gu-
bernator zu Straßburg, den Wahlakt ohne einen Vertreter der
Regierung vorzunehmen, en observant de donner vos suffrages
sans trizues ni cabale à un homme de mérile né sujet du roi.
Das Kapitel, welches einen solchen Zwang als unzulässig ansah,
vereitelte das Resultat, indem es in drei Wahlgängen keine ab-
solute Majorität herbeiführte und überließ es dein Bischof den
Kanoniker Gobel zum Propst zu ernennen.
Einige Tage nach dieser mißglückten Wahl fühlte sich der
Intendant des Herzogs von Mylleraye angeblich im Auftrage
seines Herrn verpflichtet der Wahl Opposilion zu machen, in-
dem er die Statuten, welche er anscheinend niemals zu Gesicht
bekommen hatte, dahin auslegte, daß die Propstei wie jedes
andere Kanonikat zu behandeln sei, und die Besetzung der Stelle
demnach nach geraden bzw. unzeraden Monaten zu erfolgen habe.
Der Propsi ist nicht unbeschränkter Herr des Kapitels, er
hat lediglich die Stellung eines primus inter pares. Als Präsi-
denten des Kollegiums gebührt ihm der Vorsitz im Kapitel und
Chor, dagegen hat er die mit Stimmenmehrheit gelaßten Be-
schlüsse des Kapitels auszuführen, ein Velo steht ihm nicht zu;
bei Siimmengleichheit gibt er den Ausschlag. Vor der Abstim-
mung hat er die Chorherren der Reihe nach um ihre Meinung
zu befragen; die Abstimmung selbst erfolgt mit einfacher Mehr-
heit. Der Propst darf hierbei niemand zu beeinflussen oder zu
verwirren suchen. In wichtigen Angelegenheiten. muß er das
Kapitel, so oft dies nölig ist, zu außerordentlichen Silzuugen
berufen. Weil hierbei die abwesenden Chorherren mit ihrer
Ansicht gehört werden sollen, sind sie zur Sitzung einzuladen
und müssen auf ihre Kosten erscheinen oder bei allzugroßer
Entfernung einen ortsanwesenden Kanoniker mit der Abgabe
ihres schriftlichen Gutachtens beauftragen.
— 60 —
Die gewöhnlichen Sitzungen werden jeden Monat regelmäßig
an einem Freitage und die Versammlungen an den Quatembern
an einem Mittwoch oder Freitag im Stiftssaale! (conclave), der
sich im alten Stiflshofe befand, abgehalten. In diesem Saale
wurde auch die Bibliothek und das Archiv? verwahrt. Jeder
Chorherr hat an den Sitzungen im Talar teilzunehmen. Ver-
siumnis zieht eine Strafe von 5 sols für die gewöhnlichen und
von 90 sols für die Quatembersitzungen nach sich3. Die Geld-
bußen fielen in die Präsenzen ; in der Mitte des 18. Jahrhun-
derts erhielten die Chorherren für ihre Anwesenheit jährlich
16 Pfund Gehalt.
In den ordentlichen Sitzungen berichtet der Propst über
den Stand des Kapitels, dessen Einnahmen und Ausgaben. Zur
Aufnahme von Gelddarlehen, zur Veräußerung gemeinschaft-
licher Einnahmen, zu außerordentlichen Ausgaben, zur Statuten-
änderung, sowie zur Prozeßführung war außer einem Kapitels-
beschluß die Genehmigung des Bischofs erforderlich. Die Er-
laubnis zur Einlassung auf gerichtliche Klagen wurde vom Bi-
schof nur dann erteilt, wenn der mit der Prüfung der Akten
beauftragte Advokat sein Gutachten dahin abgegeben hatte, dab
ein Prozeß Aussicht auf Erfolg habe; strengte das Kapitel ohne
Genehmigung des Ordinarius eine Klage an, so durften, wenn
der Prozeß verloren ging, die Kosten nicht der Masse entnom-
men werden, sondern jeder Chorherr mußte aus eigener Tasche
seinen verhältnismäßigen Anteil daran bezahlen.
Bei Besuchen des Landesherrn in der Stadt Thann erscheint
der Propst als Vertreter des Kapitels, in dessen Namen er
seine Aufwartung zu machen hat. An den kirchlichen Synoden
des Bistums nimmt er einen der ersten Plätze, seinem hohen
Rang entsprechend, ein4, Er allein verhandelt mit der Regie-
1 Dereits in der Transaktion von 1457 heißt es, geschehen in
unserm Kapitelshause. J,cmptried S. 96 verlegt den Kapitelssaal mit
Unrecht in den alten Turm der Stiftskirche. Das neue Kapitelshaus
soll 1579 gebaut worden sein und wurde 1865 abgerissen, um als
Hof der Mädchenschule zu dienen.
2 Die Stelle eines Archivars wurde durch Bischof Johann Wil-
helm geschaffen. Der Propst hatte darüber zu wachen. daß die Do-
kumente im Archiv sorgfältig verwahrt waren. Die drei Schlüssel
befanden sich in den Händen des Propstes, des Kantors und des
Seniors.
3 St. Arch. 78 zu 1714.
4 Schickelé état de l'église d'Alsace avant la révolution S. 15
a |
rung namens des Kapitels; wir finden ihn in der Osterwoche
1610 einige Tage zu Ensisheim consultationibus bellicis!, wor-
unter jedenfalls nur eine Erörterung über Geldfragen und
Kontributionen zu verstehen ist. Der Propst gehört zum Prä-
latenstand und nimmt als solcher am vorderösterreichischen
Land- und Ausschußtage teil 2.
Als Hauptpflicht obliegt dem Propst die Aufsicht über die
ihm unterstellten Kanoniker ; er hat sie durch Ermahnungen
von Unerlaubten abzuhalten und kann selbst mit scharfen
Strafen gegen sie vorgehen. Er soll diese nie in Uebereilung
anwenden sondern nur nach sorgfältiger Prüfung und Unter-
suchung ; sie bestehen in den gewöhnlichen Disziplinarstrafen
wie Rüge, Entfernung. vom Chor 3, Geldbußen und Abbitte vor
versammeltem Kapitel, sowie in der Entziehung des Stimmrechts..
Ursprünglich nach der Verlegung des Stifts nach Thann scheint
zufolge einer Andeutung auch eine Strafzelle vorhanden gewesen-
zu sein. Wenn alle angewandten Mittel erfolglos bleiben, dann
muß der Propst dein Bischof berichten, dem die schwersten-
Strafen zustehen.
Die ganze Tätigkeit des Propstes hat darauf hinauszugehen.
den Geist der Chorherren zu bilden und Herz und Willen zu
veredeln; er bedenke stets, daß er über die Führung seines.
Amtes Gott strenge Rechenschaft schuldig ist. DassHeil der
ihm anvertrauten Seelen liege ihm ständig am Herzen, mit
allen Kräften arbeite er aus seinen Chorherren echte Kanoniker
zu erziehen. Im Fall der Treue winkt ihm ewiger Lohn, im.
Fall der Nachlässigkeit ewige Strafe.
An den höchsten Festen der Kirche wie Weihnachten, Ostern,.
Pfingsten, Christi Himmelfahrt, Maria Hirnmelfahrt, Allerheiligen,
Fronleichnam, Kirchweih und Patronstag hält er das Hochamt und:
nach der ordo servatus ex ordinatione Ordinarii 17 kal. febr. 1577
für die Synode zu Delemont gebührte dem Propst unter 23 Anwe-
senden der dritte Platz gleich nach dem Propst von St. Martin zu.
Colmar und dem von Rheinfelden.
1 St. Arch. 9 zu 1610.
2 Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins neue Folge X,
S. 485, Verzeichnis der Mitglieder des Prälatenstandes und XIX, S.
99, sämtliche Mitglieder des Prälatenstandes waren österreichische:
ntertanen und bildeten den laudständigen Prälateustand des habs-
urgischen Territorialstaates.
3 St. Arch. 138 zu 1535.
= G
assistieren ihm hierbei nach altem Brauch und den Vorschriften
der Statuten die beiden jüngsten Kanoniker. Sind letztere ab-
wesend oder verhindert, so kann der Propst andere Chorherren
zur Assistenz auffordern, welche in diesem Fall ihren Beistand
nicht verweigern dürfen.
Für seine verantwortungsvolle Tätigkeit stehen dem Propst
außer seiner Präbende verschiedene andere Bezüge zu, die im
Laufe der Zeiten manchen Wechsel erfahren haben. So wurde
ihm 1277 eine doppelte Präbende nebst einigen Einkünften zu
Eglinzen durch Beschluß des Kapitels zugewiesen, derselbe ist
durch Bischof Heinrich von Basel und Papst Martin bestätigt!.
Später fiel die zweite Pfründe hinweg und erhielt der Propst
hierfür 40 fl. rheinisch ; die Abmachung ist genehmigt durch
das Konzil von Basel 1442. Im Jahre 1479 betrug nach einer
Verordnung des Bischofs das Salarium 40 Mark Silber 2, nach
den Statuten von 1610 40 fl. Münze nebst den Laudemien der
Pfarrhöfe. In den Statuten von 1642 sind die Nebenbezüze auf
50 Pfund basler Währung, 4/% Frucht und 10 Ohm Wein fest-
gesetzt, nachdem die 1641 vorn Propst Niepein an den Bischof
gerichtete Bitte ihm eine zweile Präbende wiederum zuzuweisen,
wie dies in anderen Stiften z. B. in Belfort und Waldkirch der
Fall sei, nicht durchgedrungen war. Das in den neuesten Sta-
tuten bestimmte Salarium wurde im 18. Jahrhundert nochmals
geändert, wie aus dem Visitationsprotokoll von 1742 hervorgeht,
nach welchem die Nebenbezüge 100 Pfund Stabler 4j4 Weizen
10 Ohm Wein und 100 Garben Stroh betrugen. Außerdem hatte
der Propst noch 4 Schatz Reben (24 Ar) zum Genuß, die nach
Abzug der Kosten wenig einbrachten. Wenn ein Kanonikat va-
kant ist, erhält der Propst nach dem Visitationsprotokoll von
1739 noch 50 Pfund Stübler 4/4 Getreide und 10 MaB Wein zu
seinem Salarium 3. Alle diese Einkünfte bezieht er nach den.
Statuten von 1610 angeblich aus dem Grunde, damit er desto
fleißiger seinen Verpflichtungen nachkomme. In Wirklichkeit
will der Ausdruck nur soviel sagen, daß ihm dieselben für
seine verantwortungsvolle Tätigkeit zustehen. Er hat dafür alle
Reisen, welche im Interesse des Stifts nölig werden auf eigene
1 St. Arch. 84 zu 1714.
2 Bez. Arch. Serie G.
3 St. Arch. 153 zu 1714 und 191 zu 1703. PE
zu 59. cu
Kosten zu machen und muß, falls er selbst verhindert ist einen
von ihm bezahlten Vertreter damit beauftragen. Nur die baren
Auslagen für Pferd und Wagen nebst Knecht werden ihm aus
der Fabrikkasse ersetzt.
Die zweite Würde im Kapitel ist die des Kantors. Der-
selbe soll dieselben Eizenschaften, wie der Propst, besitzen,
dessen Stellvertreter. er im Kapitel. und beim Gottesdienst ist
und den er mit Rat und Tat zu unterstülzen hat. Er wird aus
den Mitgliedern des Kollesiums in geheimer Abstimmung ge-
wählt. Das Kapitel kann aber wie dies z. B. 1724 geschah,
beschließen, daß öffentlich abgestimmt werden solle. Erhält in
drei Gängen kein Kandidat die erforderliche Majorität, so fällt
das Recht der Ernennung kraft des jus devolutionis, wie bei
der Propstei, an den Bischof als Ordinarius. So wurde durch
Bischof Johanu Konrad der Kustos Voile am 3. August 1723
zum Kantor eingeselzt. Der Kantor ist zur steten Residenz
verpflichtet und hat seine Stelle niederzulezen, wenn er längere
Zeit abwesend sein will.
Wie schon sein Name andeutet, muß der Kantor Meister
des Chorgesanges sein, daher die gewöhnliche Bezeichnung
als Sänger. Er intoniert bei den Frühmessen, den Vespern
und übrigen Gottesdiensten die Psalmen und Responsorien
und gibt Obacht, daß alle Gesänge dem Ritual entsprechend,
nicht zu schnell aber auch nicht zu langsam gesungen und
die Pausen strickt innegehalten werden. Ihm obliegt die
Haltung der Ordnung im Chor unter den Kanonikern und hat
er deshalb eifriger als alle anderen an den geistlichen Uebungen
teilzunehmen. Bemerkt er ein ungeziemendes Benehmen im
Chor oder in der Kleidung der Kanoniker, so hat er entweder
selbst die Mängel abzustellen oder dem Propst darüber zu be-
richten, Die beiden Chorknaben unterstehen gleichfalls seiner
Aufsicht. Man könnte füglich eine Kontrolle der Chorherren
in der Kirche für überflüssig halten und doch scheint eine
solche zuweilen am Platze gewesen zu sein, schreibt doch
1671 der Propst wörtlich, es wäre zu wünschen, daß im Chor
bei verschiedenen Kanonikern mehr Aufmerksamkeit und Be-
scheidenheit herrschte, einige unterhalten sich während der
Predigt, lassen ihre Augen in der Kirche herum spazieren,
und lachen, statt Psalmen zu singen, schlafen sie, statt zu
knien, sitzen sie; einige verstehen überhaupt keinen Chor-.
u; Gi es
gesang und singen so schlecht, daß sie das Publikum zum
Lachen reizen, was häufis genug vorkommt. Bei der In-
spektion von 1714 konstatierte der bischöfliche Kommissar,
daß einige Chorherren mit der Tabaksdose von einem Sitz zum
andern gehen und zum Schnupten einladen.
Der Propst Gobel berichtet 1716, man habe Mühe einzelne
Kanoniker in der Kirche als Geistliche zu erkennen wegen.
ihrer Unehrerbietigkeit und ihres geringen Eifers beim Gottes-
dienst. In dem Entwurfe der neuen Statuten von 1745 wollte
der Bischof folgenden Zusatz gemacht wissen, im Chor dürfen
besonders während des kanonischen Dienstes keine Unter-
hallungen geführt werden; Lachen, Scherzen, Streiten, Schla-
fen und Wechseln des Platzes ist verboten, wenn nicht speziell
in der Liturgie ein solcher Wechsel vorgesehen sein mag, es
sollen keine Briefe, Nachrichten oder sonst Unziemendes ge-
lesen und darf kein Schnupftabak angeboten werden.
Der Kantor hält das feierliche Amt beiallea Festen zweiten Ran-
ges. Er bezieht außer seiner Präbende die Hälfte des kleinen Zehnts
zu Oberaspach, des Schweine- und Làmmerzehnis zu Erben-
heim !, dazu 4/4 Korn und 2/4 Weizen aus der Scheune des
Kapitels und hat 2 Schatz Reben im Genuß, die er auf eigene
Kosten bebauen lassen muß.
Die dritte und letzte Dignität im Kapitel ist der Kustos?,
der ebenso wie der Propst und der Kantor aus der Zahl der
Mitglieder des Kapitels entnommen und gewählt wird und die
nàmlichen Eigenschaften, wie diese, besitzen soll. Seine Verpflich -
tungen ergeben sich aus seinem Namen. Er hat für die Unter-
haltung und Neuanschaffung der Paramente und sonstigen Gerat-
1 1455 wurde dieses Dorf von den Armagnacken vollig zerstórt,
einzelne Gehófte scheinen später, wie aus der Erwähnung des Zehnts
zu schlieDen ist, wieder errichtet worden zu sein. Nach dem Tage-
buch der Guardiane, Beilage zur Thanner Chronik, soll am 23.
September 1734 der herzogliche Schäferhof daselbst, samt etwa
8000 Garben Winterfrucht verbrannt sein. Charles Hoffmann lAl-
sace au 18. siecle Bd. III, S. 506. Le seigneur de Thann avait le
droit de troupeau à part sur l'Ochsenfeld et les villages voisins pour
les 1000 à 1900 brébis de sa bergerie d'Ebersheim, (Erbenheim).
1798 wurde der Bann den benachbarten Gemeinden Ober- und
Niederaspach zur gemeinsamen NutznieDung überlassen.
2 Die Würde des Kustos ist alt, schon 1216 wird dieselbe ur-
kundlich nachgewiesen; in den Statuten von 1430 dagegen werden
nur der Propst und der Kantor als Dignitáten aufgeführt.
zc 65. ee
schaften der Kirche zu sorgen, das Oeffnen und Schließen der
Kirche durch den Diener zu überwachen, das Reinigen und Glocken-
geläute sowie aas Anzünden und Auslöschen der Kerzen und Lampen
zu beaufsichtigen. Er hat Obacht zu geben, daß alle Altäre von den
Sacellanen gehörig geschmückt und die kanonischen Messen
nach dem römischen Ritual genau gesungen werden, gegen
Nachlässigkeiten muß er einschreiten. Wegen der Beschaffung
und Wiederersetzung von Kirchengerätschaften hat er sich mit
dem Stadtmagistrat ms Benehmen zu setzen und alles erforder-
liche hierfür zu tun.
Er allein durfte an den hohen Festen die Reliquien! zu
Beginn des Gottesdienstes feierlich auf dem Hochaltar aus-
stellen und nach Beendigung wieder zur Aufbewahrung in die
Schatzkammer zurückbringen. Zu seiner Stellvertretung war
für derartige Zeremonien ein für allemal der Pfarrer bestellt.
Daneben hatte der Kustos die Aufsicht über die Schulen, er
war der geistliche Inspektor derselben 2.
seine Hauptpflicht bestand in der Beaufsichtigung der
verlassenen altehrwürdigen Stiftskirche zu St. Amarin. Wie
erwähnt, hatte Kaiser Friedrich und das Kapitel zu Basel an
die Verlegung des Stifts die Bedingung geknüpft, daß ein vom
Kapitel zu besoldender Kaplan die Messe darin lese, nach dem
Vergleich von 1456 war sogar eine eigene Pfründe geschaffen
worden, deren Kollatur dem Thanner Stift zustand 3. Erst durch
die Uebersiedelung des Kapitels wurde der Leutepriester von
St. Amarin, der an der nahen Pfarrkirche (ecclesia superior)
residierte, völlig selbständig, bis dahin besaß letztere weder
Beichtstuhl noch Taufstein oder Tabernakel, da diese das Stift
' Die berühmteste Reliquie der Stiftskirche ist ein Stück Haut
vom Finger des hl. Theobald (Ubald). die in einer großen silber-
vergoldeten Monstranz eingeschlossen, dem Publikum zur Devotion
an allen Hauptfesten nach alter Gewohnheit auf dem Hochaltar
ausgestellt und an den beiden Theobaldustesten während der feier-
lichen Prozession vom Propste getragen wurde. Die große Thanner
Chronik II, S. 163 schreibt, es sei der rechte Daumenfinger des hl.
Theobald, so nun eine solch lange Zeit zu Thann in einem Chry-
stall und verguldeten Monstranzen gebührlich aufbehalten und fast
alle hohe Festen und Prozessionen herumgetragen wird.
? St. Arch. 153 zu 1714.
3 1611 befinden sich zwei Kapläne in St. Amarin, der eine
benefiziert mit St. Johannes und St. Markus, der andere dem Pfarrer
In der Seelsorge behilflich. Bez. Arch. Lade 22.
SCHOLLY. 5
ss. "60. ==
als eigentlicher Pfarrherr festhielt. Das Einkommen der Mar-
tinskirche verwaltete der Magistrat zu St. Amarin, dasjenige
der Stiftskirche das Kapitel von Thann. Eine Aenderung dieser
Zustände trat erst mit dem Augenblick ein, als nach lang-
wierigen Verhandlungen die Abtei Murbach an das Stift im
Jahre 1657 den Pfarrsatz Eschenzweiler tauschweise abtrat.
Bereits am 20. November 1615 hatte das Kapitel an den
Bischof berichtet, daß in der Präjektuskirche außer dem Hoch-
altar im Chor, auf welchem vermóge dés Buchstabens der
Translation täglich zelebriert werden solle, im Schiffe der
Kirche noch 3 Altäre ohne die dazu gehörigen Altartische vor-
handen seien, an denen aber die Bilder fehlten. Man wisse
von den Patronis und titulis nichts, noch habe man seit
Menschengedenken davon gehört, auch im libro marcarum sei
nichts zu finden, weil diese Altäre nullius usus und bloße
mensae nudae seien, solle man dem Kapitel erlauben dieselben zu
unterdrücken und nach den Vorschriften der Kirche zu beseitigen,
da die schmucklosen Altäre bei den Gläubigen des Tales, die
wegen.des regelmäßigen täglichen Gottesdienstes und der da-
selbst stattfindenden Taufen und Sakramentsspendungen die
Stiftskirche stärker als ihre Pfarrkirche besuchen, Anstoß zu
erregen geeignet seien !.
Bis zum Jahre 1632 kam das Kapitel seinen vertrags-
mäßig übernommenen Verpflichtungen nach; in diesem Jahr
aber mußte der Sacellan Peter Gerran, welcher 1648 Kanoni-
kus des Stifts wurde? und am 4. Marz 1659 als Kustos starb,
infolge des Krieges flüchten ; das Kaplaneihaus wurde von den
Schweden verbrannt und später nicht mehr aufgebaut3, Die
Stelle des Kaplans blieb bis 1652 unbesetzt; in der Zwischen-
zeit ließ das Kapitel, so gut es eben ging, die Pfarrei durch
einen Kaplan aus Thann und die Barfüßer daselbst versehen.
Im Jahre 1652 war die Stiftskirche, welche mangels jeglicher
Mittel nicht einmal notdürftig unterhalten werden konnte, bau-
fällıg, und zeigte das Kapitel mittels Schreibens vom 7. De-
zember an, dab dieselbe dem Einsturz nahe sei4. Das Stift
1 Staats Arch. 1 zu 1615.
2 Daselbst 19, 106 zu 1535.
3 Daselbst 8 zu 1567.
4 Daselbst 2 und 21 zu 1640.
— er P
Thann erhielt keine Gefálle mehr aus dem Tate, da der mur-
bachische Amtmann zu St. Amarin gegen die säumigen Unter-
tanen nicht einschreiten wollte oder konnte (um jene Zeit soll
das ganze St. Amarintal nur noch 100 Bürger gezählt haben)!.
Das Kapitel schlug daher dem Amtmann vor die Gefille selbst
einzunehmen und zum Unterhalt der Kirche zu verwenden,
indem es die bis dahin verfallenen Zinsen und Renten der
Amariner Stiftskirche auf 9000 Pfund Stabler berechnete. Aus
der Tatsache, daß der murbachische Beamte die so bedeutende
Summe nicht eintreiben konnte, läßt sich ein sicherer SchluB
auf die Verwüstungen des Tales durch den 30jàhrigen Krieg
ziehen.
Unter solchen Umständen wäre daher das Kapitel gerne
die ihm obliegende Baulast an der Präjektuskirche losgeworden
und bot dem Kloster Murbach 1000 Pfund Hauptgut, damit
dieses wiederum dort einen Kaplan mit dessen Einkünften und.
anderen Erträgnissen einsetzte; es wollte ihm gleichzeitig das
Patronatsrecht an der Kirche einräumen, verlangte aber als
Gegenleistung das Patronatsrecht der Kirche von Eschenzweiler,
wo das Stift schon früher den halben Zehnt von der Gemeinde
eingetauscht hatte. Das an sie gestellte Ansinnen lehnte die
Abtei mit der Motivierung ab, dab sie sich keine neuen Lasten
aufbürden wolle.
SchlieBlich nahm nach langen Verhandlungen Murbach den
Vorschlag des Stifts an und übertrug am 28. Februar 1657 an
dasselbe den Pfarrsatz zu Eschenzweiler gegen die gut dotierte
Kaplanei St. Amarin mit deren Einkünften und gegen die
Stiftskirche daselbst. Am 27. April 1657 genehmigte der Bischof
den Tausch 2, in dem ein Vorbehalt zu Gunsten der Chor-
herren von Thann für den Fall einer Vertreibung aus dieser
Stadt aufgenommen worden war. Erzherzog Leopold als Ad-
ministrator von Murbach und Luders trat am 12. November
1657 dem Tausche bei. An dem späteren Schicksal der altehr-
würdigen Stiftkirche änderte die Zession nichts. Wenn auch
1668 nochmals ein eigener Kaplan an der Kirche angestellt
wurde, konnte der gelehrte Benediktiner Dom Ruinart, der
1 Aufzeichnungen des Pfarrers Stippich im Pfarrarchiv St.
Amarin.
2 Bez. Arch. Lade 22.
EXE e
1696 das St. Amarintal bereiste über den Zustand nur folgen-
des ungünstige Resultat berichten, à peu de distance de St.
Amarin se trouvent deux églises, dont l'une est la paroissiale
et dont l'autre était la collégiale des chanoines avant leur
départ. Cette derniere tombe en ruines mais ces ruines attes-
tent son ancienne grandeur. Les saints sacrements ne s'y con-
servent pas dans l'autel mais dans une colonne placée tout
auprés!, Aus dieser Mitteilung geht hervor, daß die Repara-
turen, welche 1693 die Abtei nochmals an der Kirche vor-
genommen hatte, nicht hinreichend waren den Verfall aufzu-
halten. Man darf sich aber darüber nicht wundern, wenn man
weiß, daß mit 1000 Talern das Amtshaus zu St. Amarin fast
ganz neu gebaut, die Gebäude auf Wildenstein, die Melkereien
zu St. Amarin und auf dem RoBberg und die Kirche zu Gold-
bach hergestellt, Chor, Kirche’und Pfarrhof zu Odern, sowie
‘die Stiftskirche repariert wurden. Dem Kloster kann wohl ein
Vorwurf deshalb nicht gemacht werden, daß es die Präjektus-
kirche nicht besser unterhielt ; die Abtei befand sich damals
in sehr schlechten finanziellen Verhältnissen und die Bürger-
schaft von St. Amarin, welche den Verlust "ihres Stifts noch
immer nicht verschmerzt hatte, zeigte kein Interesse für das
Fortbestehen der Stiftskirche neben ihrer eigentlichen Pfarr-
kirche. |
Im übrigen sind die Angaben des Dom Ruinart nicht all-
zu wortlich zu nehmen, er, der auf seiner Reise eine ganze
Reihe herrlicher Kirchen gesehen hatte, wollte nur so viel
sagen, dab die Pràjektuskirche dringend einer Reparatur be-
durfte. Die Kirche fiel damals noch nicht in Trümmer, da ja
fast hundert Jahre später noch der regelmäßige Pfarrgottes -
dienst darin gehalten werden konnte. Durch den Tausch von
1657 wurde die Stiftskirche, in der seither der Taufstein und
der Altar sich befanden und in welcher die Sakramente ge-
spendet wurden?, wieder zur eigentlichen Pfarrkirche erhoben,
wie aus nachstehenden Aufzeichnungen des Pfarrers Stippich
hervorgeht.
I Kraus l. c. S. 15.
2 Visitationsprotokoll von 1632 le baptistère et le sacrarium
se trouvent dans la collégiale, on y administre les sacrements.
Sifferlen, S. 44.
— 69 —
Einleitend berichtet dieser gelehrte Geistliche, daB am
6. August 1674 der schönste Kirchenschmuck, den man in-
folge der Kriegszeiten nach Mülhausen in das Haus des
katholischen Herrn von zu Rhein verbracht hatte, infolge eines
großen Brandes völlig der Vernichtung anheim fiel. Nach dem
30jährigen Kriege habe infolge des Priestermangels zu
St. Amarin nur ein Pfarrer ohne den statutsmäßigen Kaplan
residiert. Da der Pfarrer ohnehin überlastet war, habe er die
täglichen Messen in der Stiftskirche nur unregelmäßig lesen
können und sei deshalb in einer, ain 9. September 1667 zu
Sulz bei den Kapuzinern abgehaltenen Konferenz, an welcher
Delegierte des Bischofs von Basel und des Abts von Murbach
anwesend waren, beschlossen worden, daB die Kollegialkirche zu
St. Amarin wieder einen eigenen Kaplan erhalte, der nach altem
Brauche täglich darin die Messe zu halten habe!. An jedem
Sonn- und Festtage muBte nach Stippich der Pfarrer das Amt
in der Stiftskirehe halten mit Ausnahme einiger weniger be-
stimmter Feste. In der Marlinskirche fanden für gewöhnlich
die Leichenfeierlichkeiten der Bürger statt und zwar vermut-
lich aus dem Grunde, weil seit 1478 der Friedhof um diese
herum an Stelle des früheren bei der Stiftskirche angelegt
war, Der sonstige übliche Gottesdienst sowie die Feste St. Mar-
tin und St. Valentin wurden in der Pfarrkirche gefeiert, nach
der Fronleichnamsprozession sang man hier das Amt, alle
anderen Zeremonien vollzogen sich in der Stiftskirche, Die
Anniversarien und Hochzeiten konnte der Pfarrer nach seinem
Belieben und seiner Bequemlichkeit entweder in der Pfarr-
oder in der Stiftskirche abhalten. Zu Allerheiligen hielt man
in letzterer die beiden Vespern, besuchte die Graber? und zog
dann in Prozession zur obern Kirche, wie dies gebräuchlich
war. Am Feste der hl. Präjektus und Amarinus wurde das
Amt stets in deren Kirche gehalten und zwar immer auf
Pauli Bekehrung den 25. Januar. Jeden Samstag sang der
Pfarrer das Salve in der Stiftskirche und erhielt hierfür vom
Vogt 5 Pfund Basler Währung. Stippich bemerkt noch, daß
in der Stiftskirche niemals ein ewiges Licht bei den venerablen
1 Schickelé le doyenné de Masevaux S. 137.
d. h. den alten Friedhof um die Stiftskirche, von dem 1733
der Kirchwart einen Platz zur Anlage eines Gartens erhielt.
— 7 —
Sakramentén gewesen sei, sondern nur wihrend des Gottes-
dienstes gebrannt habe; da solches aber befohlen, wo anderst
die Mittel vorhanden und in allen Bistümern observiert worden,
sei von ihm im Einverständnis mit dem Dekan Anselm von
Hirzbach aus Murbach die Anordnung getroffen worden, daß
allzeit bei Tag und Nacht aus Mitteln der Kirchenfabrik
St. Martin eine Ampel brenne.
Nach Kraus fehlt jede Angabe über das Alter und den
Stil der von Dom Ruinart und von Schoepflin angeblich noch
gesehenen Stiftskirche1, Sicher ist, daß ersterer an Ort und
Stelle seine Aufzeichnungen gemacht hat, ebenso sicher aber
auch, daß letzterer niemals in St. Amarin gewesen ist, da er
sonst nicht die Prajektuskirche innerhalb der Stadtbefestigung
verlegen würde?, Mit dem ersten Teil seiner Behauptung hat
Kraus entschieden Recht, da nur soviel bekannt ist, daß 1236
die Abtei durchgreifende Reparaturen wegen der Baufälligkeit
an der Kirche vorgenommen hatte, diese also damals schon auf
ein ehrwürdiges Alter zurückschauen konnte. Dagegen lassen
sich für den Stil ganz bestimmte Anhaltspunkte nachweisen.
Der Benediktiner Dom Hyacinth Alliot, welcher im Auf-
trage des Gelehrten Dom Mabillon über verschiedene elsássische
Klóster Nachforschungen anstellte, hatte den Prior der Abtei
Münster mit den erforderlichen Schritten befaßt und konnte
am 13. Juli 1695 von Moyenmoutier aus die vom Prior zu St.
Amarin aufgenommenen Notizen seinem Auftraggeber mitteilen 3.
Dom Mabillon fand bei seiner Reise nach dem Elsaß, in deren
Verlauf er selbst St. Amarin besuchte, diese Angaben als
richtig aprés avoir constaté l'exactitude des renseignements que
D. Alliot avait, fourni4. Der Prior hatte berichtet, daß er die
sehr alte Stiflskirche, welche dem hl. Amarinus geweiht war
noch gesehen habe und diese die nàmliche Facon wie diejenige
des alten Münsters zu St. Mihiel aufweise. Der Archäologe de
Maidy zu Nancy, gebürtig aus St. Mihiel, teilt uns auf Anfrage
mit l'église abbatiale de St. Mihiel a été presque totalement
transformée au XVIII. siécle, mais elle a conservé sa touc et
1 Kunst und Altertum S. 15.
2 cfr. oben S. 22.
3 Ingold, Mabillon en Alsace S. 37 ff.
4 Daselbst S. 52.
|
quelques parties romanes. On a fait remonter Ja construction
romane au XI. siècle, cette église avait été consacré en 1064!,
Aus dem Vergleich dieses Münsters mit der St. Präjektus-
kirche kann demnach der Schluß gezogen werden, daß die St.
Amariner Stiftskirche romanisch war und daß sie, wie wir weiter
unten sehen werden, ein größeres Mittelschiff und zwei kleinere
Seitenschiffe besaß. m
Dom Alliot gibt noch einige interessante Aufschlüsse über
das alte Kloster und die Kirche, denen wir nachstehende
Notizen entnehmen. Die Stiftskirche, zu welcher Wallfahrten
gemacht wurden, wies schwache Reste von einer ehemaligen
Umfriedigungsmauer auf, die wohl den um die Kirche vor
alter Zeit herum angelegten Friedhof einst abgeschlossen hatte.
Unweit der Kirche bemerkte Dom Alliot einen alten Kreuzgang
und Ueberreste eines Gebäudes von dem ehemaligen Kloster
herrührend. Daß dieses Gebäude das alte Kloster früher war,
sagt Dom Alliot nicht ausdrücklich, doch wird die Annahme
durch einen neueren Brief desselben vom 1. Januar 1704 be-
stätigt, worin es heißt?, de là ils allèrent à St. Amarin dans
le val de Tanne, ot ils ont pris le plan de l'ancienne église
et les restes du cloitre et du monastère. Am Portal der Kir-
che sah Dom Alliot noch alte Gemálde auf der einen Seite
Mónche auf der anderen einen Bischof mit seinen Pontifikal-
gewändern bekleidet, der einem Mönche die Benediktion er-
teilt, Zwischen den beiden Bildern stand die Inschrift: «Beati
martyres orate pro me» und die Tradition berichtet, daß die
Gemälde die Heiligen Prajektus und Amarinus vorstellten. In
der Kirche zeigte der Kirchendiener dem Prior ein Grabmal
angeblich dasjenige des hl. Amarinus.
Ueber die GróBe der Stiftskirche, von der Dom Ruinart
1696 berichtet, que les ruines attestent son ancienne grandeur,
geben verschiedene Urkunden Aufschluß, und zwar datieren die-
selben aus der Zeit, als die Abtei Murbach die jetzige Pfarr-
kirche neu bauen ließ3. Auf Befehl des Fürstabts mußten der
Maurermeister Kurzmann aus Ranspach und der Zimmermann
_
! Ferner Dumont histoire de St. Mihiel tom. IV, p. 2 Dom Cal-
met notice de la Lorraine zu St. Mihiel.
? Ingold, S. 32.
3 Bez. Arch. Murbach, Lade 55, 41—44.
= o ce
Humbrecht aus St. Amarin die Stiftskirche genau untersuchen
und ein Gutachten darüber abfassen, ob dieselbe noch repariert
werden könnte, oder ob sie die Abtei ganz neu bauen müßte.
Am 20. Dezember 1756 gaben beide vor dem Amtmann von
St. Amarin zu Protokoll, daß die Mauer ım Chor an drei Orten von
unten bis oben und die Mauer hinter dem Frauenaltar ebenfalls an
zwei Orten gespalten sei. Das Kreuzgewölbe oben an dem Kreuzaltar
gegen die Sakristei zu befinde sich in einem gänzlichen Ruine und
Abgang und seien etliche Löcher eingefallen. Die ganze Mauer
des Schiffs von dem Frauenaltar bis gegen den Turm habe
sich wohl einen halben Schuh hinausgesenkt und das Eck von
dem Turm in diesem Alignement sei von unten bis oben ge-
spalten, auch sonst zeige der Turm noch zwei andere Spalten
und habe sich wohl ein Schuh vom Schiff nach außen gesenkt.
Ferner hätten sie gefunden, daß die andern Nebenmauern
des Schiffs gegen den Kirchhof zu an zwei Stellen gespalten
und sich hinaus neigen, daB auch die beiden Nebendächer
völlig abgängig und faul und wohl die Balken in dem obern
Dachstuhl ebenfalls faul seien, so daß ihres Erachtens keine
Reparatur, sondern eine gänzliche Erneuerung der Kirche in
Frage kommen könne. Am J4, Januar 1757 gaben sie vor dem
Vogt nochmals diese Erklärung ab. Hieraufhin entschloß sich
die Abtei zum Neubau der Stiftskirche und: erhielten die ge-
nannten Kurzemann und Humbrecht, sowie der Maurermeister
Konrad Eberlin aus Benfeld den Auftrag die Maße der Kirche
zu nehmen, welchem Befehl dieselben am 15. Februar 1757
nachkommen. Sie fanden, daß das Chor 43 französische Fuß
lang, 21 Fuß breit und 34 Fuß hoch, das Schiff 42 Fuß lang,
21 Fuß breit und 351/g Fuß hoch und die Seitengänge jeder
431/ Fuß breit 17 Fuß hoch und 9511, Fuß lang waren. Die
letzteren gingen demgemäb wohl um die ganze Kirche herum
(43 + 42 + 94 : 2).
Da die Pfarrkirche zu St. Martin kaum ein Drittel der
Gläubigen faBtet und kein Chor besaß, weil der Turm direkt
an das Schiff angebaut war, hatte sich die Abtei durch eine
1 Die Pfarrkirche wurde aus dem Grunde aufgegeben, weil sie
zu klein war und dazu noch ungünstig lang. Sie verschwand erst
in der Revolution, auf dem Plan der Stadt St. Amarin vom 26.
Mai 1772 ist sie noch deutlich eingezeichnet.
— 7 —
Konvention vom 20, Dezember 1756, homologiert am 28. De-
zember folgend und genehmigt durch den Intendanten am 13.
Januar 1757 verpflichtet, ihren Untertanen des Kirchgangs St.
Amarin das Chor, die Sakristei und den Turm an der Stifts-
kirche! neu zu bauen, während die Bürger der Pfarrei dafür,
daß die Abtei auch das Schiff zu bauen und die ganze Unter-
haltung der Kirche für die Zukunft zu übernehmen versprach,
sich ihrerseits verpflichteten 5000 livres in drei Jahresterminen
zu zahlen und die nötigen Materialien mit ihren Wagen bei-
zufübren.
Mittels Schreibens vom 13. Januar 1755 baten die Ge-
meinden der Pfarrei St. Amarin die Regierung die für sie
günstige Vereinbarung zu genehmigen. Aus der Abmachung
sind folgende Einzelheiten hervorzuheben. Der Fürst Leodegar
von Rathsamhausen zediert und überläßt mit seinem Kapitel die
diesem gehörige Stiftskirche in der Vogelbach gelegen, welche
sie vom Propst und dem Kapitel von Thann vermöge Zession
vom 28. Februar 1657 an sich gebracht als eine Pfarrkirche
an ihre Untertanen des Kirchspiels von St. Amarin und ver-
pflicktet sich dieselbe zu: demolieren und neu aufzubauen, auch
von nun an auf ewige Zeiten zu unterhalten, mit Beding der
Zuführung der Materialien durch die Untertanen des Kirch-
gangs. Nachdem in der gemeldeten Zession der Propst und
das Kapitel von Thann ausdrücklich sich vorbehalten, daß,
wenn etwa über kurz oder lang die Stadt einen anderen Glau-
ben annehmen sollte, was der allmächtige Gott verhindern und
abwenden wolle. oder von anderen Ursachen wegen ein Landes-
fürst oder Herr die Kanoniker aus der Herrschaft oder der
Stadt Thann vertreiben sollte, daß ohne Gegenrede dieselhen
wieder zu St. Amarin ihre Residenz nehmen und ihren Gottes-
dienst im Chor verrichten dürften. Aus der Möglichkeit einer
Verlegung des Kapitels von Thann nach St. Amarin erklärt
sich die auffallende Größe des Chores der Pfarrkirche, das
nicht weniger als 15 Meter lang ist und bequem zum Kapitels-
gottesdienst eingerichtet werden konnte. Wie der Magistrat
von Thann beim Bau des Münsters schon das Chor für die
Aufnahme der Chorherren einrichtete, als dieselben noch ihren
I Irrtümlicherweise nimmt Gatrio II, S. 631 an, daß die Re-
paraturen an der Martinskirche ausgeführt worden sind.
puc. UE. ese
Sitz in St. Amarin hatten, so traf jetzt die Abtei Vorkehr-
ungen für die Wiederaufnahme der einst Ausgezogenen, Die
ehemalige Stifts- und nunmehrige Pfarrkirche St. Martin wurde
am 11. November 1758, als an ihrem Patronstage, vom Abt
Leodegar mit Erlaubnis des Bischofs benediziert ! und durch
Sigismund von Roggenbach, Fürstbischof von Basel, am 25.
April 1780 feierlich geweiht. Die Größenverhältnisse der jetzigen
Kirche sind folgende: Das Chor ist 15,90 Meter lang und
11,20 Meter breit, das Schiff 32,50 Meter lang und 16,30
Meter breit; die Höhe des Schiffs beträgt ungefähr 12 Meter.
Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß unter Beibehaltung der ur-
sprünglichen Höhe im Innern, Chor und Schiff der alten
Kirche zusammen mit einem kleinen Anbau gegen das Chor
zu, das heutige Schiff bilden und auf den Fundamenten der
früheren äußeren Umfassungsmauern die jetzigen Seitenwände
ruhen. Die alten Materialien wurden soweit möglich verwendet
und behielt man soyar die romanischen Bogen an den Fen-
stern bei.
Die innere Einrichtung der Kirche als Kanzel, Altäre,
Bänke, Lichtstécke und Bilder ließ 1762 die Abtei auf eigene
Kosten machen, betonte aber dabei, daß dies nur aus purer
Gutmütigkeit geschehe, weil sie zu diesen Leistungen nicht
verpflichtet sei.
Bis zur Abtretung der Stiftskirche an die Abtei Murbach
hatte der Kustos die Lichter und Kerzen in derselben auf eigene
Kosten zu stellen, angeblich weil seine Einnahmen bedeutend
seien, und die Opfer ihm hinreichend einbrächten?. Daneben mußte
er die Häuser des Sacellanen und des Helfers nebst der Kapelle
St. Markus auf Kosten des Kapitels in Stand erhalten. An Sonn-
und Festtagen hatte er selbst oder durch einen Stellvertreter
das Aınt zu St. Amarin zu halten und den Kaplan in der Seel-
sorge zu beaufsichtigens,
Einige eigentümliche Verpflichtungen und Rechte hatte der
Kustos ohne nähere Angabe eines Grundes. So mußte er am
Feste Mariä Reinigung dem Propst 1 Pfund, jedem residieren-
den Chorherrn !|; Pfund und dem Sacellan zu St. Amarin !jı
1 Thanner Chr, IIT, S. 331.
2 St. Arch. 22 zu 1641.
3 Daselbst Vis. Prot. 1621.
M ee
Pfund Wachs von althergebrachtem Wert und bekannter Gite
zum Geschenk machen. Dagegen durfte er am Patronstage der
Stiftskirche zu Pauli Bekehrung und nach den Statuten von
1610 sogar noch zur Kirchweihe, welche am Sonntag nach der
Oktav Peter und Paul gefeiert wurde!, die bürgerlichen Ma-
gistratsráte, die Laienprokuratoren und Sacellanen, den Präfekten
und Amtsschreiber, sowie den Prokurator der St. Martinskirche
und sonstige gute Freunde, welche dem Stift wohl gesinnt waren,
auf Kosten des Kapitels nach der Kirche zu einem gewöhnlichen
Frühstück in St. Amarin einladen, zu dem der Wein vom Ka-
pitelskeller geliefert wurde. Dieses alte Herkommen behielt man
nach dem Tausch der Stiftskirche bei und verlegte es auf den
Fronleichnamstag. Pfarrer Stippich schreibt: es ist ein sehr
alter Brauch, daß die, welche der Prozession zu Fronleichnam
anwohnen, an dieser Festlichkeit teilnehmen. Am Ehrentische
saß der adelige Vogt, auf beiden Seiten von ihm, der Pfarrer und
der Kaplan, falls letzterer der Prozession angewohnt hatte, der
Stadtschreiber und der Beigeordnete nebst den Stadträten, deren
Bedienung dem Gemeindeweibel oblag. Am gewöhnlichen Tisch
fiahmen Platz die Prokuratoren der Martinskirche und der Filiale
Mollau, die Kirchendiener dieser beiden Kirchen, und alle die-
jenigen, welche bei der Prozession als Schützen oder Träger
irgend eine Tätigkeit entfaltet hatten. In die Kosten für das
Mahl teilten sich zur Hälfte die beiden Kirchen St. Martin und
Mollau, sowje die Stadt®St. Amarin und das Tal; dieselben be-
trugen in den Jahren 1670, 1671 und 1673: 15 Pf., 17 Pf.
20 Pf. 13 B.
Außer seiner Präbende bezog der Kustos noch 13 Ohm
Wein, 2 Pfund Wachs, 4 Maß Oel, 4/4 Korn, 19 Hühner und
9 Pfund Stabler, ferner einige Reichnisse an Erbsen und Bohnen.
Nach einem Visitationsprotokoll stand ihm ein Grundstück im
St, Amarintal zu, das jährlich 15 Pfund eintrug?.
Zu diesen drei Dignitàten wollte 1752 das Kapitel eine neue
Würde mit gewissen Nebeneinnahmen schaffen, nämlich die
des Scholastikers, und sollte seine Tátigkeit in der Aufsicht über
die Schule gemeinsam mit dem Kantor und dem Pfarrer be-
1 Bez. Arch., Serie G. 1360 verlegte der Bischof das Kirch-
weihfest auf diesen Tag.
2 St. Arch. 153 zu 1714.
— "760 —
stehen (juxta etymologiam hujus nominis veram curam habere
voleat scholarum cum cantore et plebano)!. Der Bischof schlug
das Ansinnen ab, da ein solcher Liturger unnötig sei, und das
Kapitel sich keine neue Ausgaben aufladen dürfe.
In dem Range nach den Dignitäten folgte der Senior, d. h.
derjenige Kanoniker, welcher aın längsten investiert und instal-
liert war; ob der Pfarrer diesen Ehrentitel zu beanspruchen
habe, da er nicht, wie die übrigen Chorherrn investiert und
nicht unabhängig sei, war lange Zeit bestritten, schließlich ent-
schied der Bischof, daß ihm derselbe nicht zukomme*. Die
Dignität selbst konnte niemals Senior sein.
1 Die Würde des Scholastikers wird schon 1216 erwähnt, wann
dieselbe aufgehoben wurde ist unbekannt.
2 Decreta zum Vis. Prot. 1716.
KAPITEL V.
Die Entwicklung der Pfarrei Thann. Der Pfarrer ist Mitglied des
Kapitels. Seine Bezüge. Verträge des Stifts mit dem Magistrat
wegen der Opfergelder. Die Wahl des Pfarrers steht dem
Kapitel zu. Streitigkeiten zwischen Kapitel und dem Pfarrer
wegen der Ausübung der Seelsorge in Altthann. Der Sekretär
und der Punktator.
An einleitender Stelle ist der Entwicklung der Pfarrei
Thann mit einigen Worten zu gedenken, da diese für die Zu-
gehörigkeit des Pfarrers zum Kapitel und die späteren Rang-
streitigkeiten zwischen beiden von Bedeutung sein wird.
Bereits am 19. Februar 1377 erging ein Revers des Prop-
sles und Kapitels zu St. Amarin vonwegen der Pfarrei zu Thann
und wie jederzeit daselbst ein Pfarrer zu ordnen, in dem ans-
geführt ist: «Wir Johann Hacke Propst und das Kapitel der
Stift St. Amarin Basler Bistums bekennen mit diesem Briefe
alle die Stück die hiernach geschrieben sind zum ersten, daß
Herr Niklaus von. Baltersheim, Tumbherr zu St. Amarin und
Leutpriester jetzt zu Thatin die Leutpriesterei hat, und wir sie
ihm verliehen haben von Bittwegen des durchlauchtig hochge-
borenen Fürsten Leopold unseres gnädigen lieben Herrn auch
soll von Baltersheim und ein anderer Leutpriester mit der Leut-
priesterei daselbst ohne die Herrschaft von Oesterreich oder ihres
Landvogts Willen keinen Wechsel tun und soll dieser oder
ein anderer fraglicher Leutpriester bei allen Rechten und Ge-
wohnheiten bleiben in aller Maß, als sein Vorfahr da gewesen
ist, und soll dieser oder ein anderer Leutpriester den Bürgern
von Thann keine Neuerung oder Irrung tun und sie bleiben
lassen bei allen Rechten und Gewohnheiten als der Vorfahre
— 78 =
getan hat ohne alle Gefährte.»! Nach dem Revers durtte, wenn
die Leutpriesterei ledig wurde, nur ein frommer Biedermann,
für den der Herzog oder seine Nachkommen oder der Landvogt
in dessen Namen Fiirbitte einlegte, Priester daselbst werden.
Die große Thanner Chronik? verlegt die Verleihung der
Leutpriesterei von Baltersheim in das Jahr 1372 und aus dieser
Quelle scheint der Verfasser des Aufsatzes in der revue catho-
tique d'Alsace3 geschópft zu haben, der die nàmliche Jahres-
zahl angibt. Dem klaren Wortlaut des Reverses gegenüber
erscheint die Notiz der Chronik nicht stichhaltig. Durch die
Anstellung eines Leutpriesters an der Theobalduskirche er-
hielt die Stadt Thann keine eigene Pfarrkirche, wenngleich
durch dieselbe der erste Schritt zur Selbständigkeit getan war;
bald darauf im Jahre 1389 erlaubte Bischof Johann denen von
Thann in der Stadt in St. Thieboltskirchen eigene Tauf zu
haben und den Kirchhof zu engen oder zu weiten nach ihrer
Notdurft.
Der Leutpriester gehórte damals nicht zum Kapitel, seine
Zugehórigkeit wurde erst 1455 ausgesprochen. Am 13. Februar
4453 war eine Bulle des Papsts Nikolaus erschienen®, aus der
hervorgeht, daß öfters Streit zwischen dem Kapitel und dem
Pleban herrschte, welcher durch die Bulle beseitigt werden
sollte (evitandis dissensionibus, quae hactenus saepius inter vos
et ejusdem ecclesiae plebanum et capellanos pro tempore exis-
tentes). Die Bulle fihrt dann fort: «Ihr habt vorsichtig und
1 Stadtarchiv Thann, G. G. II. 6. Staats-Archiv zu 1442 ff.
271312 findet sich allhier Leutpriester oder Pfarrherr Nikolaus
Baltersheim ein Chorherr von St. Amarin unter dem dasigen hoch-
würdigsten Propst Johannes Hag. Nach diesem waren von diesen
Chorherrn allhier noch 6—'( Leutpriester bis sie endlich sämtlich
anher versetzt wurden. Unter diesen Leutpriestern befanden sich zu
Neu- und Altthann 7 Kapläne von verschiedenen Kapellen, welche
mit der Zeit (auDer der Nikolauskapelle) alle dem hiesigen Münster ein-
verleibt wurden. Der III. Band der Thanner Chronik S. 130 dagegen
gibt richtig zu 1311 an: Nicolaus Baltersheim canonicus ad St. Ama-
rinum et plebanus Thannis.
3 Jahrgang 1890, S. 90.
4 Anlage 11.
5 Schon das Konzil zu Basel hatte am 8. April 1435 einen Streit
zwischen dem Kapitel und dem Pfarrer Hussmann zu Ungunsten
dieses letzteren entschieden, indem es ihn unter Auferlegung der
Kosten verurteilte dem Kapitel den Treueid zu leisten. St. Arch. varia,
und 71 zu 1114.
klug gehandelt, wenn Ihr beschlossen habt, daß für die Zu-
kunft der derzeitige Pleban ein Kanoniker des Stifts sei und
die nächste frei werdende Pfründe und ein Kanonikat desselben
zum Genuß haben solle.» Das päpstliche Schreiben bestimmt
ferner, daß alle Opfergelder, welche in den Messen oder zu
anderer Zeit und Gelegenheit außer den Hauptfesten Weih-
nachten, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und Christi Himmel-
fahrt am Hochaltar oder zu den Reliquien des hl, Theobaldus
gegeben werden, dem Kapitel — wohl als Gegenleistung für
die dem Pfarrer verliehene Pfründe — anerfallen ; diejenigen
dagegen, welche an den gedachten Festen eingehen, gehören
zur Hälfte dem Kapitel, die andere Hälfte erhält der Pfarrer
allein. Um dem Pfarrer die standesgemäße Congrua geben zu
können, ersuchte das Kapitel den Papst zu genehmigen, dab
das nächste sich erledigende einfache Beneficium der Pfarrei
inkorporiert werde. Der hl. Stuhl beauftragte mit der Unter-
suchung der Angelegenheit den Kustos Wilhelm von Hensberg
zu Basel und bestätigte 1455 die Inkorporation. Die Bulle
konnte nur hinsichtlich der Aufnahme des Pfarrers in das Ka-
pitel rechtliche Wirkung erlangen, nicht jedoch soweit sie über
die Opfergaben disponiert, wie aus Nachstehendem ersichtlich
ist,
Seit alter Zeit gebührten die in den Opferstock «der da
steht in der Stadt zu Thann in St. Thieboltskirchen» fallenden
Opfergaben dem Landesherrn: dieser pflegte in der Regel dar-
auf zu verzichten und überließ sie der Bürgerschaft als Bei-
steuer zu dem kostspieligen Bau des Münsters. Bereits am
6. Mai 1358 verlangte Herzog Rudolf von Oesterreich das alleinige
Verfügungsrecht über die in den Stock gelegten Opfer unter
Abweisung der von dem Stift St. Amarin erhobenen Gegenan-
sprüche und verwandte sie zum Kirchenbau?. Am 19. Mai 1394
nahm Herzog Leopold, wie sein Vetier Rudolf, den Stock, der
da steht in St. Thieboltskirchen zu seinen Händen, wie dies
von den Vorfahren geschehen ist3. Das nämliche tat Kaiser
Friedrich den 8. August 1442, der die Opfer für den Bau ver-
wandte4 und Herzog Sigismund im Jahre 1458,
1 St. Arch 2 zu 1377.
2 St. Arch. Aj.
3 Daselbst G. G. I, 8.
4 Daselbst G. G. I. 9.
— 80 —
Daß durch die päpstliche Bulle von 1453 die Streitigkeiten
wegen der Opfer nicht beseitigt wurden, trotzdem der Papst
am Schlusse derselben jedem, der gegen seine Konfirmation zu
handeln sieh erlaube, mit dem Zorn der Apostelfürsten Petrus
und Paulus gedroht hatte, geht aus dem nicht viel später am
15. Juli 1457 zwischen dem Magistrat und dem Kapitel wegen
der Opfer und anderer Pfarreinkünfte getroffenen Kompromiß her-
vor, welches auf Betreiben des Pfarrers Nikolaus Wolfach, eines
Sohnes des Thanner Ratsherrn Johann Wolfach, zustande gekom-
men war. Wolfach, der 1443 nach dem Tode von Johann Zittel-
bast durch den Bischof zum Pfarrer investiert wurde, am 1. Juli
von der Kirche zu Altthann und am 2. Juli zu Thann feierlich
Besitz genommen hatte! und durch eine Bulle des Papstes Cal-
litus am 1. September 1457 zum Kanoniker ernannt war, hatte
sich mehrere Male beklagt, daß wegen der Opfer und Emolu-
mente, welche sowohl bei den Reliquien des hl. Theobald als
auch im Opferstock von Einheimischen und Fremden gegeben
wurden zwischen seinen Vorgángern und ihm einerseits und
dem Magistrat andererseits Streit ausgebrochen sei, der sich
täglich verschlimmere, weshalb er inständig bitte, ihn mit
dem bekannt zu machen, was ihm an Reichnissen zustehe und
soweit es an dem Kapitel liege diesen Streit zu schlichten?. Zu
diesen Vorstellungen schrieb das Kapitel :3 Wir Johannes Müller,
Propst und das Kapitel, welchem die Verleihung des Plebanats
an der Thanner Kirche oder das Präsentationsrecht einer ge-
eigneten Person zu demselben zusteht, haben alles Interesse dar-
an, daß der Pfarrer wegen des Friedens, des Ansehens und
des Nutzens dieser Kirche weiß, was ihm zukommt und die
Angelezenheit für die Zukunft geregelt ist, und beschlieBen:
Weil der Pleban Nikolaus Wolfach ein Kanonikat und eine
Pfründe der Stiftskirche inne hat, welche mit allen Rechten,
Pflichten, Lasten und Einkünften ausgestattet sind, so wird das
Kapitel zu den Erträgnissen seiner kanonischen Prabende von
seinen eigenen Einnahmen dem Pfarrer alljährlich 20 Pfund
1 Bez. Arch., Serie G und Lade 16, und Register der wegge-
schafften Urkunden, daß Wolfach der erste Pfarrer und Kanoniker
zugleich gewesen sei.
? Staats-Arch. 24 zu 1114.
3 Daselbst 1 zu 1457. Anlage 12.
— 8 —
Stäbler Basler Währung zum Unterhalt seines Koadjutors, den
er wegen der Seelsorge haben muß, solange zulegen, bis ihm
soviel von einem andern Beneficium zukommt, als ihm gesetz-
lich gebührt. Dafür werden aber alle Opfer, wo und bei wel-
cher Gelegenheit sie anerfallen, sei es am Hochaltar oder einem
anderen Altar, wo zu den Reliquien des hl. Theobaldus ge-
opfert wird, selbst jene, welche auf Dekreten beruhen, sowie
die Stolgebühren der Totenmessen nämlich der ersten, siebten
und dreißigsten, der Anniversarien und Bruderschaften, der
Trauungen und aller anderen kirchlichen Funktionen, welche
bisher dem Pfarrer allein gehörten, für die Zukunft zu einer
Masse vereinigt und diese zwischen den residierenden Chorherren,
zu welchen der Pfarrer hinzugezählt wird, gleichheitlich geteilt.
Die Opfergelder dagegen, welche an den vier höchsten Festen
der Kirche als Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Allerheiligen
von den Pfarrangehörigen beiderlei Geschlechts, sei es von Rechts-
wegen oder aus altüberlieferter Gewohnheit gegeben werden,
sollen zur Hälfte zwischen den Kanonikern, zu welchen der
Pleban gleichfalls zählt, geteilt werden, die andere Hälfte ge-
hört dem Pfarrer allein. Daß der Pfarrer, welcher eine eigene
Hälfte von diesen vier Festtagen erhielt, gleichwohl noch mit
den anderen Kanonikern ins Teil stand, trotzdem hier der Passus
fehlt inter canonicos residentes inter quorum numerum plebanus
pro tempore residens computatur, woraus man das Gegenteil
schließen könnte, geht aus den Statuten von 1610 und 1642
hervor. Erstere erwähnen im Titel de oblationibus zwar nicht
ausdrücklich die Berechtigung des Pfarrers, sondern sagen nur,
daß die Chorherren an den höchsten Festen zu opfern haben,
die Verleilung dieser Opfer aber wie seit Alters stattfindet. Die
letzteren sprechen diese Teilnahme des Pfarrers in Teil I, cap. III,
$ 10 klar aus, wenn es heißt in anniversariis et in summis
festis ad altare canonici offerent, oblatoruni autem distributio
erit ut antiquitus observatum est. Sed in quatuor summis festis
parocho dimidia parocedat, altera vero in tot partes distribuatur,
quod aderunt canonici, inter quos iterum partem suam habebit
parochus. Die sámtlichen Einkünfte und Opfer des Theobaldus-
fests, welche am Hochaltar anerfallen, gebühren dem Pfarrer
allein, da er dafür die fremden Geistlichen, welche ihm bei
diesem Feste assistieren, oder welche zu seinem Besuche kom-
men, gastlich zu bewirten hat. Damit der Pfarrer besser in
SCHOLLY. 6
— 2 _
der Seelsorge tätig sein kann!, verpflichten sich Propst, Kantor,
Kustos und das ganze Kapitel den Hochaltar zu bedienen. Gleich-
zeitig wurde die Stellung des Pfarrers genau in folgendem Satze
präzisiert: plebanus vero in omnibus et singulis negotiis in qui-
bus ad eurn parochianos cujuscunque status vel dignitatis fue-
rint contingit habere recursum qua divinum cultum decorem et
statum ecclesiae concernunt absque concilio et consensu prae-
positi et capituli nihil attentabit. Auf Grund dieser Bestimmung
wurde, wie wir unten sehen werden, das bischöfliche Edikt
über das Vorrecht des Pfarrers bei Prozessionen durch den
höchsten Gerichtshof zu Colmar aufgehoben.
Auch das Kompromiß von 1457 ist nicht lange in Geltung
geblieben, da es durch einen neuen Vergleich von 1461 aufge-
hoben wurde. Die Chorherren erkannten durch diese oberwähnte
Abmachung das Recht der Obrigkeit auf Erhebung der Opfer-
gelder zur Verwendung beim Münsterbau ausdrücklich an, nur
diejenigen Opfer, welche während der Messe auf die Altäre
gelegt wurden und von einer einzigen Person nicht über einen
Plappert betrugen, sollten der Geistlichkeit gehören, wogegen
ihr die Obrigkeit von den übrigen Opfereinnahmen jährlich die
72 Pfund Stabler ablieB 2.
Als mit der Reformation die Wallfahrten nach Thana auf-
hörten, wurde das Erträgnis der Opfer ein recht geringes. In
einer Rechnung der Verwalter des Münsters von 1558 findet
sich eine Aufzeichnung 3, daß die drei Opferstócke der Kirche 4,
welche seit dem 18. Dezember 1585 nicht mehr geleert worden
waren, am 29. Dezember 1588 geöffnet wurden, wobei sich
im großen Stock am Theobaldusaltar 109 Pfund 13 sols, im
Stock beim Heiligtum 7 Pfund 19 sols, und im Stock beim
I St. Arch. 1 zu 1457.
2 St. Arch. G. I. 10.
3 Daselbst G. 7
4 Kraus, Kunst und Altertum S. 654 schreibt «in der Halle des
älteren Turmes steht ein alter Geldstock, ein noch älterer und sehr
stark mit Eisenbändern und Nägeln beschlagener Stock mit dem ur-
sprünglichen Schloß (14. Jahrhundert?) am Eingang der Kirche.
Rechts vom Eingang zu der Turmhalle ein Tabernakel in der Nähe
ein prächtiger Opferstock mit schönem Eisenbeschlag». Der von
Kraus erwähnte Stock am Eingang der Kirche ist nicht mehr vor-
handen und können sich auch die ältesten Leute men erinnern,
daß dort ein solcher gestanden hat.
— 83 —
Fronaltar 1 Pfund 6 sols vorfanden. Es geht hieraus hervor,
daß die Bürgerschaft tatsächlich weniger an Opfern erhielt, als
sie dem Kapitel zu zahlen hatte, und fehlte es daher nicht an
Schritten des Magistrats diese lästige Verpflichtung los zu
werden und eine andere gerechtere Verteilung zu erreichen.
Bereits 1538 beschwerte sich die Behörde bei der Regierung
zu Ensisheim, daß die Opfer nicht so viel einbrächten, als sie
dem Kapitel zahlen müsse, und dennoch verlange dasselbe
jährlich seine 72 Pfund!. Die Vorstellung des Magistrats, welche
anscheinend vor der Transaktion vom 7. April 1538 gemacht
war und durch diese eine anderweitige Regelung erreichen
wollte, wurde von der Regierung nicht angenommen. Wann
die Verteilung nach zwei Hälften erfolgt ist, läßt sich nicht
genau bestimmen. In dem Visitationsprotokolle von 1742 wird
die Ansicht ausgesprochen, daß dieselbe 1538 geschehen sei,
wahrscheinlich unter falscher Auslegung der Beschwerde des
Magistrats vom gleichen Jahr, der nicht Folge gegeben wurde,
(cum autem successu temporis compertum fuerit tanlam summam
nämlich die 72 Pfund Stäbler ex trunco haberi non posse per
aliam transactionem de anno 1538 fuerit constitutum oblata ex
trunco St. Theobaldi pro medietate ad capitulum spectat, reliqua
medietate ad fabricam pertinente, quod fuit huc usque observatum).
Die Meinung des Kapitels, welches seine eigene Geschichte
schlecht kannte, ist unbegründet, wie sich aus nachstehenden
Ausführungen ergibt. Aus den Rechnungen der Verwalter des
Münsters geht hervor, daß 1573, 1586 und noch 1629 dem
' Kapitel die 72 Pfund Stábler bezahlt wurden, es kann also vor
letzterem Jahre der frühere Zustand unmöglich geändert worden
sein. 1631 wurden die drei Stöcke geleert und der Inhalt mit
616 Pfund für den Bau verwendet. Der erste urkundliche Nach-
weis, daß die Opfer des großen Stocks zwischen Kapitel und
Magistrat zur Hälfte geteilt wurden, findet sich in einer Rech-
nung des Münsterbaumeisters von 1689 und betrugen die ge-
samten Opfer nur 56 Pfund?. In einem Inventar vom 15. Sep-
tember 1682 beschwert sich das Kapitel darüber, daß die Opfer-
gaben spärlich fließen, weil der Magistrat die Bürger angestiftet
habe, überhaupt nicht mehr zum Opfer zu gehen. Der Rat
1 St. Arch. G. 8. 8.
2 St. Arch. Thann.
= 7^, EP
seinerseits machte geltend, daß das Ertrignis des Stocks nur
60 hóchstens 70 Pfund ergab, und er daher genótigt sei, aus
stádtischen Mitteln die 72 Pfund zu ergánzen!. Nach einer Notiz
wáre am 15. Oktober 1683 ein Arrét ergangen qui ordonne
que les offerantes du tronc de St. Thiebaut soient partagées
par moitié entre le chapitre de Thann et la fabrique und
dürfte nach Vorstehendem dieses Datum wohl richtig sein 2.
Der Pfarrer wird stets vom Kapitel gewählt3 und ist
durch seine Investitur von Rechtswegen ein Mitglied des Kol-
legiums. Er hat aktives dagegen kein passives Wahlrecht4, so-
lange er Pfarrer ist. Seine Wahl zu einer Dignitét und die
Postulation hierzu ist nichtig, wenn nicht der Bischof als
Ordinarius Dispens erteilt5. Resigniert er oder wird er ab-
gesetzt, so verliert er sein Kanonikat, nebst den damit ver-
bundenen Bezügen. |
Da dem Kapitel das Wahlrecht -zusteht¢, muß es eine
solche Person zum Pfarrer aussuchen und präsentieren, welche
der Kirche zur Ehre und zum Nutzen gereicht. Die Wahl
selbst erfolgt mit einfacher Majorität ; der Bischof, welchem
der Gewählte zur Ernennung vorzuschlagen ist 7, hat dieselbe
zu vollziehen, falls nichts nachteiliges gegen den Kandidaten
vorliegt. In den Statuten von 1610 heißt es: parochus assu-
mendus ante omnia ordinario pro admissione impetranda prae-
sentetur, deinde si probatus in canonicum accipiatur et capitulo
sonsuetum praestet juramentum. Die Statuten von 1642 drücken
sich so aus: jus patronatus cum ad capitulum spectare dignos-
catur studendum est talem providere qui huic ecclesiae honori
et utilitati esse possit; ab ordinario admissus capitulo jura-
| Bez. Arch. Lade 6.
2 Daselbst Register der weggeschafften Urkunden.
3 Anlage 13.
4 Am 5. Marz 1757 wurde durch ein Dekret des Bischofs und
auf erfolgte Berufung des Kapitels durch den Metropoliten zu Be-
sancon dem Pfarrer das passive Wahlrecht verliehen.
5 St. Arch. 202 zu 1703. Statuten von 1642.
6 Das Wahlrecht scheint nicht zu allen Zeiten unbestritten gc-
wesen zu sein, da eine apostolische Konfirmation zu einer nicht
bekannten Zeit erging, daß die Provision des Pfarrers zur Kom-
petenz des Kapitels und nicht des Propstes gehóre (quod provisio
plebanorum spectat ad capitalum et non ad praepositum) St. Arch.
1 zu 1442.
7 Anlage 14.
NE ras
mentum praestabit, ex tunc capitularis numerabitur, quamdiu
parochus erit. Laut dem oberwähnten Revers vom 19. Februar
4377 soll nur derjenige fromme Biedermann Priester zu Thann
werden können, für den der Herzog oder sein Landvogt Für-
bitte einlegt.
In späterer Zeit wohl nach der päpstlichen Bulle von 1453,
durch die der Pleban ein Mitglied des Kapitels wurde, ver-
zichtete der Landesherr auf diese Fürsprache, weil der Pfarrer
von da ab eine viel geringere Selbständigkeit hatte als früher.
Das Kapitel zeigte dem Oberamtmann, dem Bürgermeister und
den Ratsherren lediglich noch an, daß es gesonnen sei, den
Priester X. zum Pfarrer zu ernennen und hoffe, daß diese
keine Bedenken gegen seine Person haben werden, daher
ihnen gefallen lasse ihn anzunehmen und deın Bischof zu prä-
sentieren!. Es kam auch vor, daß der Kandidat vom Kapitel
und dem Abgeordneten des Magistrats als Vertreter der vorder-
österreichischen Regierung gemeinschaftlich präsentiert wurde,
oder daß das Kapitel denselben dem Obervogt, Amtmann und
Statthalter vorschlug und wie gebräuchlich der Regierung prä-
sentierte. Vor seinem Amtsantritt hat der Pfarrer dem Kapitel
den gewöhnlichen Eid der Kanoniker nach den Statuten von
1642 zu leisten; vorher war für ihn ein eigener Eid vor-
gesehen, des Inhalts?, daß er dem Propst und Kapitel getreu
sein und jeden Schaden von demselben abwenden wolle, in der
Pfarrkirche, zu der er durch Präsentation des Kapitels inve-
stiert sei durch Predigt, Beichthören und Spendung der Sakra-
mente, wie dies üblich, seine Dienste verrichten auch mit den
Einkünften, die der Pfarrer seither gehabt, zufrieden sein,
persönlich residieren und einen Verzicht nur in die Hände des
Kapitels. abgeben werde. |
‘Da dem Pfarrer ausschließlich die Seelsorge in der Ge-
meinde obliegt, darf er in dieser durch die Kapitelssitzungen
nicht behindert werden ; der Propst hat dieselben daher auf
eine solche Stunde zu legen, daß eine Kollision ausgeschlossen
ist. Der Pfarrer hat eine doppelte Stellung, aus der die fort-
währenden Streitigkeiten sich ergaben, nämlich als Chorherr
1 St. Arch. G. G. II. 9. Präsentation des Dr. Martin Krell, vom
2. Juni 1665. —
2 Bez. Arch. Straßburg. Bez. Arch. Serie G. Eid von 1436.
— 86 —
und als Seelsorger. In ersterer Eigenschaft untersteht er der
Aufsicht des Propstes und in letzterer der Jurisdiktion des Bi-
schofs, welche durch das tribunale ecclesiasticum | ausgeübt
wird!. Der Propst soll ihn des ófteren erinnern, dab er durch
Predigten und Erbauungsandachten einen heilsamen Einfluß
auf seine Pfarrkinder ausübt und nicht durch schlechtes Bei-
spiel und Aufführung die ihm anvertraute Herde in den Ab-
grund stürzt. An Sonn- und Feiertagen hat er «nach seinen
und seiner Zuhörer Fähigkeiten», d. h. durch eine kurze, leicht
verständliche Predigt auf die Parochianen einzuwirken und
deren Fehler zu rügen?. Er muß sorgfältig wachen, daß die
Hostien stets gut verwahrt und alle 14 Tage erneuert werden.
Es obliest ihm die Abhaltung der Christenlehre, die Vornahme
der Tauten, Hochzeiten und Beerdigungen. Da er die Seelsorge
nicht allein bewältigen kann, ist ihin ein Helfer (coadjutor)
beigegeben, und haben ihn die Sacellanen, falls nótig, zu
unterstützen 3.
Eine Hauptrolle spielte der Pfarrer bei den großen Wall-
fahrten zu den Reliquien des hl. Theobaldus. Diese Wallfahr-
ten, welche einst in Deutschland zu den bedeutendsten zählten,
und vielleicht mit denjenigen von Maria Einsiedeln heutigen
Tages den Vergleich aushalten konnten, nahmen mit der Ent-
deckung Amerikas und des neuen Seewegs nach Indien zu
Ende des 15. Jahrhunderts und der dadurch bedingten Ver-
anderung der ganzen Handels- und Verkehrsrichtung natur-
1 Dieses wurde 1529 von Basel nach Altkirch verlegt. Basilea
sacra S. 368.
? Zur Zeit der Reformation verlangte der Magistrat vom Bischof
die Errichtung einer eigenen Prüdikatur aber ohne Erfolg. St. Arch.
5 zu 1377. Daß das Predigen in Thann mit Gefahren verbunden war,
mußte der Pfarrer Langhaus von Kestenholz damals erfahren, der
wegen einer angeblich "ketzerischen Predigt vom Magistrat ins Ge-
fangnis geworfen und 8 Wochen zu Ensisheim inhaftiert wurde,
bis auf Betreiben seines Bischofs, der ihm das beste Zeugnis aus-
stellte. seine Freilassung erfolgte.
3 Bestellte Messen durfte der Pfarrer oder sein Helfer ohne
Genehmigung des Kapitels als des rechten Kirchherrn nicht an-
nehmen und halten. Der Helfer, welcher von einem Pilger hierfür
| Gulden bekommen hatte, wurde durch den Bischof am 4. Mai
1518 verurteilt denselben wieder herauszugeben, nur 3 Plappert
sollte er behalten dürfen und war dies wohl der Satz für die Messe
zu jener Zeit.
— 87 os
gemäß ab und erlitten durch die Reformation den Todesstoß.
Es sah sich daher das Kapitel und der Magistrat von Thann
genötigt auf gemeinsame Kosten ein kleines Büchlein heraus-
zugeben, um die Pilger wieder dem Vogesenstädtchen zuzuführen.
Der langatmige Titel des Werkes lautet: St. Theobaldus, das
ist summarischer Bericht des Lebens der Translation des Hoch-
heiligtums und etlicher Wunderwerken des hl. Himmelsfürsten
Ubaldi sonsten gemeiniglich Theobaldi genannt der löblichen
Stadt und Herrschaft Thann in dem obern Elsaß hochehren-
den Patrons, dessen Fest seines in Gott Scheidens den 16.
Mai, der Translation aber den 1. Juli hochfeierlich gehalten
wird. Mit angehenkter Translation der hl, Häupter S. Candidae,
S. Mariae, S. Aemilianae und mehrerer anderer hl. Reliquien.
Verfertigt durch einen des hl. Theobaldus Liebhaber. Gedruckt
im Verlag der Stadt Thann 1628.
Dieses Büchlein gesteht offen ein, daß die Wallfahrten für
die Stadt ohne jede Bedeutung sind, und schiebt die Schuld
der verminderten Frömmigkeit und dem geringen Glaubens-
eifer zu; es spricht aber gleichzeitig die Hoffnung aus, daß
alles wieder besser werden könne mit den Worten «doch lebt
noch der alte Gott und der hl. Theobaldus ist immer noch
unser Patron». Im Jahre 1777 versuchte ein anderer unge-
nannter Autor, wahrscheinlich ein Thanner Franziskaner, mit
seinen Wundern des hl. Theobaldus, den nämlichen Zweck,
wie der summarische Bericht, dem er größtenteils entnommen
ist, zu erreichen, aber ebenso vergebens wie dieser; der ehe-
dem so berühmte Wallfahrtsort Thann hatte seinen alten Glanz
völlig eingebüßt. Noch kurz vor der Revolution kamen aus
dem benachbarten Lothringen über die Steige von Bussang zu
den beiden Theobaldusfesten zahlreiche Pilser, die späler
ausblieben.
Ueber einen alten Brauch anläßlich der Wallfahrten
schreibt Johann Ulrich Surgant, Pfarrer und Archivar zu St.
Theoder, sowie Lehrer an der Universität Basel, im Manuale
sacerdotum, nach seinem 1503 erfolgten Tode zu Basel 1506
gedruckt, Dieser Bericht verdient um so mehr Glauben, als
der Verfasser ein Bruder des gelehrten Thanner Stadtschrei-
bers Dr. Gabriel Surgant des Aelteren war und daher seine
Erfahrungen entweder an Ort und Stelle gesanımelt oder doch
aus absolut sicherer Quelle erhalten hat. Surgant schreibt : In
— 88 —
der Stadt Thann drangen sich groBe Scharen von Pilgern zum
Heiligtum St. Theobald, um die Reliquie des Heiligen zu
sehen und sich dieselbe auf den Kopf legen zu lassen oder
wenigstens die Monstranz oder das Reliquienkästchen, worin
dieselbe verwahrt ist!.
Der Pfarrer halt die Reliquie auf dem Hauptaltar, und
wendet sich dann gegen das Volk und spricht: Andechtige
Kinder Christi, oder auch so, ir andechtigen Bruder und
Schwestern; dis ist das wirdig loblich heiligtum des hoch-
wirdigen Himmelsfürsten und nothelfers sant Thiebolt der
umb got den almechtigen verdinett hat, das alle die menschen,
die ihn anruffent in iren nóten es sey in wasser oder fewer
zu husz oder zu feld, die wil got der almechtig erhóren umb
seines verdienens willen. Hierumb so gehnd her zu mit an-
dacht und lassent euch mit dem heiligtumb bestreichen umb
daß der lib heilig ewer gutter fursprech oder furmünder gegen
got sey euch frid und gnad zu erlangen und alles daß darumb
ir dy wallfahrt oder bilgerschafft furgenummen haben von got
zu erwerben und also gesund und frólich wieder zu ewren
heymet keren mógent Amen.
Hierauf nähert sich der Pfarrer den Wallfahrern und
legt auf den Kopf jedes einzelnen die Reliquie oder die Mon-
stranz, welche sie einschließt. Nach Beendigung der Zeremonie
trägt er sodann begleitet von zwei Kerzentragern in MeBgewand
und Chorrock die Reliquie in die Sakristei zurück und wacht
darüber, daß fortwährend Kerzen um dieselbe brennen.
Die Pfarrstelle zu Thann war ziemlich begehrt, trotzdem
die Einkünfte wie die der übrigen Chorherren verhältnismäßig
gering waren. Nach dem Tod des Pfarrers Thrumbeer legte Bischof
Wilhelm durch Schreiben vom 12. April 1611 dem Kapitel
nahe einen Vetter des Stadtschreibers von Rheinfelden, welchen
dieser ihm warm empfohlen hatte, zu wählen und fast gleich-
zeilig schlug der Stadtpfarrer Pistor von Freiburg dem Kapitel
seinen Koadjutor Zander vor. Einem alten Brauche zufolge
! Der Bischof Heinrich von Cambrai, Notar des apostolischen
Stuhles, erklärt in seinem Ablaßbrief, daß ihn am Sonntag, den 2.
September 1499. die Chorherren von Thann die Reliquie sehen
ließen, welche in einem kostbareu Ciborium oder silbern über-
goldeten Gefäl verwahrt sei.
— $89 —
mußten die Bewerber um die Pfarrei drei Probepredigten! vor
dem Kapitel und dem Magistrat halten. Nach Ansicht des letz-
teren war von den vier Kandidaten um die erledigte Pfarrei
Zander der beste Prediger; das Kapitel ùbertrug ihm die Stelle
und setzte den Bischof am 30. Juni 1611 von der Posseßer-
greifung in Kenntnis, indem es bemerkte, daß Zander außer
seiner Eigenschaft als Prediger de vita, moribus honestate doc-
trina et erudictione venerabilis et veraciter instructus gefunden
worden sei, auch das Hochstift ihm die besten Zeugnisse aus-
gestellt habe, weshalb es befugt sei ihn zu ernennen, weil es
ihn für geeignet und würdig halte in der Basler Diözese als
Priester zu amtieren (quatenus ipsum nostro judicio idoneum
et dignum in hac etiam Basiliensi dioecesi ad pastoralem curam
admittere). Der Bischof forderte das Kapitel auf seinen Kandi-
daten Higelin zu wählen, wogegen sich dieses unter Berufung
auf sein gutes Recht energisch wehrte und hierbei vom Ober-
vogt als Vertreter der österreichischen Regierung, dem Amtmann
und Magistrat unterstützt wurde. Der Magistrat verwandte sich
beim Bischof für Zander in einem Schreiben, dessen Inhalt
und Ton keineswegs herausfordernd war. Der Bischof nahm es
aber sehr ungnädig auf und schickte es der Regierung zu Ensis-
heim mit der Beschwerde, daß Amtmann und Rat zu Thann
ohne befugte Ursach ihm ein solch scharf hitzig bedrohlich
Schreiben unterm 24. Juli 1614 zugefertigt habe, indem sie
sich neben der Kollegiat zu Thann eines Priesters mit Namen
Johann Zander angenommen denselben zu einem Pfarrer allda
hestellt und einige Zeit ohne Wissen des Bischofs die Sakra-
mente administrieren lassen, da dieser aber in examine dahier
übel bestanden und als untauglich erkannt worden, sei darauf
erfolgt, daß sie erklärt der Fürstbischof hätte ihnen keinen, den
sie einmal angenommen für sich approbiert und genugsam be-
funden ferner zu reprobieren oder abzuweisen und weil denn
bei bischötlicher Regierung von keinem Fremden auch von
keinem Unkatholischen ein dergleichen Schreiben eingelaufen,
da sich Höhere ja Fürsten und Potentaten hierher auf solche
Art zu schreiben scheuen würden und man es deswegen bei
—
1 Solche Probepredigten waren auch sonst gebräuchlich z. B.
X "ipis Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Neue Folge
508.
— 00 —
der Canzley aufzuhalten für unwürdig machte, so kommuniziere
man denn ihrer Regierung dieses Schreiben, um damit solche
Frevel und Fehler ernstlich verwiesen werden móchten!.
Da der Bischof die Investitur nicht erteilte, mußte Zander
seine Stelle aufgeben, das Kapitel nahm seinerseits den Schützling
des Bischofs nicht auf, sondern wáhlte einen gewissen Lauther
als Pfarrer, dem dann die Zulassung erteilt wurde, Man findet
auch sonst, daß das Kapitel kein gefügiges Werkzeug in der
Hand des Bischofs bei den Pfarrwahlen war, denn als 1764
dieser dem Kolleg den Vikar Massias aus Colmar, der sich gut
zum Pfarrer eignen würde, vorschlug, wählte dasselbe im
Gegensatz dazu den. Pfarrer Hug.
Außer seiner kanonischen Präbende standen dem Pfarrer
10 Schatz Reben am Stauffen, das beste Stück im ganzen Bann,
und 4 Schatz im Silberacker frei von jedem Zehnten in Nutz-
nießung zu. Die Unterhaltung dieser Weinberge vollzog sich
mit den nämlichen Schwierigkeiten, wie bei den Dignitäten,
und schrieb deshalb 1629 der Pfarrer Brombach an den Bi-
schof, daß seine ‘Vorgänger im Amt die Reben völlig vernach-
lässigt hätten, und er daher nicht in der Lage wäre, dieselben
auf eigene Kosten richtig herzustellen. Bei Ausbruch der Re-
volution hatte der Pfarrer ferner im Genuß A!js Tagwerk
Wiese, eine der einträglichsten in der Gemarkung Thann er-
worben durch den Pfarrer Nikolaus Goetzmann, und 11!j3 Tag-
werk Acker hinter dem Schächer an der Straße von Mülhau-
sen, dazu eine Rente von einigen Sack Getreide in Schweig-
hausen, eine Weinrente in Thann und Altthann, eine Rente
in Wachs und Oel und den Zehnt eines Hanffeldes in Thann.
Die Kasualien waren mäßig, da der Pfarrer für Taufen und
Begrabnisse nach allem Herkommen nichts erhielt. Eine Aen-
derung dieser Lage trat erst mit dem Reglement des Bischofs
vom 28. Oktober 1760 ein, welches die Erhebung von Kasua-
lien allgemein einführte, da einer solchen gesetzlich nichts im
Wege stünde. In dem Einkommen der Pfarrei waren die Er-
trägnisse der Oswaldkaplanei inbegriffen, welche ersterer
uniert wurde, Daneben besaß der Pfarrer sein eigenes Haus,
welches vom Kapitel 1751 auf erhobene Klage des Pfarrers
1 St. Arch. 1611 ff.
— 9 —
Goetzmann neu, aber so schlecht hergerichtet war!, daß kurz
vor der Aufhebung des Stifts in der Revolution der damalige
Pfarrherr dem Bischof berichten konnte, der Regen dringe in
die Wohnung ein und die Akten auf dem Speicher gingen,
wegen des Schnees, der sich hereinsetze, zugrunde.
Von seinen Bezügen mußte sich der Pfarrer auf seine
Kosten einen Koadjutor oder Helfer? zur Ausübung der Seel-
sorge für Thann und Altthann halten, dem er ursprünglich 20
und spiter 30 Pfund zahlte. Mit der Zunahme der Bevólker-
ung in Thann versuchten die Pfarrer zu wiederholten Malen
vom Kapitel noch. weitere Helfer zu bekommen, welches Be-
gehren von diesem stets abgelehnt wurde. Man wird wohl
dem Kapitel nicht so ganz Unrecht geben können, wenn es
sich weigerte, auf eine solche. Forderung einzugehen, da für
die damalige geringe Bevölkerung ein Pfarrer mit eineın Hel-
fer und den zwei Sacellanen hinreichend war, um so mehr
als die Franziskaner und Kapuziner in der Spendung der
Sakramente mithalfen. Wenn z. B. 1629 der Pfarrer Brom-
bach schreibt, daß er bei einer Seelenzahl von 3200 Ein-
wohnern dieser großen Anzahl halber vier Korporatoren hoch
benötige, wie dies sogar in geringeren Städten, die nicht so
viel Kommunikanten haben, gebräuchlich sei, dann wird man.
von der Tätigkeit der Priester zu jener Zeit keinen allzu guten
Begriff sich machen dürfen, wenn man sieht, daß heute der
Stadipfarrer von Thann mit drei Kaplänen über 7000 Katholiken
zu pastorieren hat.
Die Abhaltung des Gottesdienstes und die Seelsorge zu
Altthann führten zu häufigen Streitigkeiten zwischen Kapitel
und Pfarrer®. Nach den Bauernkriegen konnte der Pleban
1 Bez. Arch, Lade 5.
2 Der Helfer war niemals weder: in Thann noch in Altthann
beneficiert. Staats Arch. 24 zu 1714.
3 Schon zur Zeit der Gründung der Katharinenkaplanei zu
Altthann im Dezember 1412 durch die Rebleutezunft und die Ge-
meinde daselbst scheint die Seelsorge nicht einwandfrei gewesen
zu sein, da es heißt: et quamvis vicarius perpetuus teneatur tam
in oppido quam in villa Thann administrare sacramenta et curam
poterit tamen sacellanus in dicta villa in absentia ejus et in neces-
sitate ea administrare ne tamen dictus vicarius sit exoneratus
Bez. Arch. Lade 4.
— 9 —
keinen Priester finden, der nach Wunsch der Vereinbarung
von 1461 die Pastoration daselbst übernommen hätte; er er-
suchte daher das Kapitel ihm einen der beiden Sacellanen vor-
übergehend zur Verfügung zu stellen, bis er einen andern
Priester finden würde. Das Kapitel gab der Bitte in Anbetracht
der Notlage, aber nur für bestimmte Zeit und unter der aus-
drücklichen Bedingung nach, daß die Konvention von 1461
durch diese Abmachung nicht aufgehoben werde. Als im
Laute des dreißigjährigen Krieges der Priestermangel so groß
wurde, daß selbst das Kapitel seine Mitglieder von auswärts
kommen, lassen mußte, verlangte der Pfarrer, da er keinen
Helfer erhalten konnte, daß ihm das Kapitel von Rechtswegen
einen Koadjutor stellen sollte. Zur Vermeidung von Prozessen be-
stimmten die Statuten von 1642, daß der Pfarrer zur Ausübung
der Seelsorge in Altthann sich einen Helfer halten müsse.
Der Pfarrer verweigerte die Bedienung der Gemeinde und so
kam es bereits 1680 zum Prozeß zwischen dem Pfarrer Textor
und dem Kapitel, der aber wegen des 1714 erfolgten Todes
des ersteren nicht zur Entscheidung kam. 1718 wurde der
Prozeß mit dein neuen Pfarrer Goetzmann wieder aufzenom-
men und bestellte das Kapitel bis zur Erledigung der Sache,
einen Stellvertreter des Pfarrers für Altthann auf Kosten der
Partei, die den Prozeß verlieren würde. 1723 schlug das Ka-
pitel dem Bischof vor eine Kaplanei für die Seelsorge zu Alt-
thann zu unieren, doch verweigerte der Weihbischof Haus
hierzu die nötige Genehmigung. Am 16. Juni 1724 traf das
Kapitel mit den Franziskanern eine Abmachung, wonach diese
alle Sonn- und Feiertage die Messe in Altihann lesen, alle 14
Tage predigen und einmal Kinderlehre halten sollten; wenn
die Gemeinde etwas weiteres verlange, möge sie das Kloster
hierfür entschädigen. Das Kapitel zahlte dem Konvent jährlich
25 Taler!. Auch mit dem Pfarrer Goetzmann kam der Prozeß
nicht zur Entscheidung, da diesmal der bischöfiche Offizial
vorher starb. 1742 entzog des Kapitel den Franziskanern die
Seelsorge, angeblich weil es auf Befehl des Bischofs einen zu
Altthann residierenden Priester einsetzen müßte?2, in Wirklich-
1 Thanner Chr. III, S. 87.
2 Daselbst S. 215. Am 23. Mai erschien Jakob Hartmann Ka-
pitelsschaffner und bedaukte sich im Namen des Kapitels wegen
tleißiger und emsiger Administration der Pfarrei zu Altthann sagend
== QS. cae
keit aber weil es billigere aber schlechtere Kräfte gefunden
hatte!, Daß das Vorbringen des Kapitels nicht den tatsächlichen
Umständen entsprach geht am besten daraus hervor, daß der
Bürgermeister und ein Geschworener von Altthann, welche
sich am 26. Februar 1742 bei dem Offizial Dortor zu Arles-
heim, der im Auftrag des Bischofs zur Visitation des Thanner
Kapitels gekommen war, mit der Bitte um einen -eigenen
Pfarrherrn vorgestellt hatten, von diesem abgewiesen wurden 2.
Als nun die Bewohner von Altthann sich beschwerten, daß
ihre Seelsorge nicht mehr so gut wie früher versehen werde,
verurteilte der Offizial von Basel am 7. Januar 1756 den Pfarrer
Goetzmann, einen Vetter des früheren, auf seine Kosten sich
einen Kaplan zu halten, der nicht benefiziert sei, um Altthann
zu versehen ; gleichzeitig wurde dem Pfarrer verboten die Kap-
läne des Stifts außer im Fall der Not zur Seelsorge zu verwen-
den. Bereits am 5, März 1757 erging ein neues bischöfliches
Edikt, welches im Gegensatze zur Entscheidung des Offizials
dem Pfarrer für die Besorgunz von Altthann eine ansehnliche
Vergütung auf Kosten des Kapitels zusprach, und wurde dieses
Edikt auf erhobene Berufung durch Sentenz des Metropoliten
bestätigt. Hiermit hörten die Streitigkeiten zwischen dem Pfarrer
und dem Kapitel nicht auf, sondern zogen sich bis zur Revolution
hin. Erst 1803 erhielt die Gemeinde bei Neuregelung des Kul-
tus wieder ihren eigenen Pfarrer in der Person des Priesters
Anton Goepfert, nachdem sie fast 550 Jahre ohne einen solchen
gewesen war.
Im Kapitel treffen wir noch zwei wichtige Faktoren, nàm-
es sei Befehl des Bischofs, daB ein eigener zu Altthann residieren-
der Priester bestellt werde und ist uns aufgekündigt worden. Wir
haben die Pfarrei seit 1724 ohne jede Klage sondern mit aller Sa-
üsfaktion versehen.
! Tagebuch der Guardianen zu 1742. Jedoch ist gemelte Pfarrei
nicht uns aus Fehler oder Nachlässigkeit genommen worden. son-
dern die Anzahl der weltlichen Priester war groß, mithin die Re-
ligiosen überall den Kürzeren haben ziehen müssen.
* Thanner Chr. III, S. 213.
3 Tagebuch der Guardianen zu 1750. Die Franziskaner werden
vermöge formlicher Signifikation von einem Stadthuissier nach
Bruntrut zitiert wegen liederlicher Versehung der Pfarrei Altenthann,
mit noch anderen. die es angeht, Red und Antwort zu geben, weil
die Gemeinde allda aus noch anderen Ursachen einen eigenen im
Dorfe wohnenden Pfarrherrn prätendiert und verlangt.
zc OK du
lich den Sekretàr oder Aktuar und den Punktator. Er-
sterer hatte alle Protokolle der Sitzungen genau abzufassen und
in der náchsten Versammlung dem Kapitel zur Genehmigung
vorzulesen. Die Unterschrift wurde vom Propst oder seinem
Stellvertreter gemeinschaftlich mit dem Sekretär vollzogen.
Neben dem Protokollbuch mußte er ein Register führen, in
welchem die Wahlen der Chorherren, Tag und Datum der In-
vestitur und der kanonischen Besitzeinweisung, sowie Verzichte
und Todestage der Chorherren aufgezeichnet werden. Der Sekre-
tir verfaßt alle Eingaben und Schriftstücke, welche vom Kapitel
an Behörden und Privatpersonen gerichtet und verschickt werden,
and versieht sie mit dem Kapitelssiegel. Dieses Siegel trug vor
der Verlegung des Stifts nach Thann das Bild des hl. Amari-
nus, der mit Abtsstab und Siegespalme verklärt dastehend dar-
auf eingegraben war!, nach der Translation trat zu diesem Bilde
noch das des Bischofs Theobald mit einem zu seinen Füben
knieenden Pilger?. Die Umschrift nach 1442 lautete capitulum
ecclesiae St. Theobaldi in Thannis oder auch sigillum capli eccle-
siae sancti Theobaldi in Thannis, später einfach sigillum collegii
St. Theobaldi in Thann. Schon in einem Schriftstück von
45223 fehlt der Pilger und das letzte Siegel des Kapitels ent-
hält nur noch das Bild des Bischofs Theobald sitzend und von
Engeln umgeben ohne Umschrift.
Der Aktuar bezieht 1/4 Weizen und 1/4 Korn nebst bestimm-
ien Taxen für Abschriften aus dem Protokollbuch; daneben hat er
1/2 Tagwerk Ackerland im Genuß. Das Amt des Punktators soll
1442 eingeführt worden sein4 und wird die Einrichtung aus der
Bestimmung des Edikts des Kaisers Friedrich abgeleitet, wo-
nach dem Cnorherrn, der über zwei Monate von Thann weg
ist, von seiner Präbende soviel abgezogen werden soll als sich
gebührt. Die Statuten von 1642 drücken diese Bestimmung so
aus: Vom Bestande der Prábende wird jedes Jahr ein bestimmter
Teil abgezogen und für die einzelnen Stunden gibt es gewisse
Distributionen, welche nur die erhalten, die ihren Dienst richtig
versehen und anwesend sind. Die Distributionen aber, welche
| Bez. Arch., Lade 22.
2 Sehr schón ist das Siegel erhalten St, Arch. Thann, G. G. I. 10.
3 Daselbst G. G. 2. 3.
4 St. Arch. 75 zu 1114.
us. cee
jemand durch Abwesenheit versäumt, wachsen den Anwesenden
zu. Hiernach teilt sich der kanonische Dienst in kleine Stun-
den, und zwar zählt die große Messe und die Vesper je drei
Stunden, die laudes, die Prime, Terz, Sexte und None je eine
Stunde, die Nocturnen der Matutinen drei Stunden und der Nach-
mittagsgottesdienst eine Stunde, der ganze Tag also in 15 Stun-
den nach einem Satze von 15 sols und läßt sich daraus die
Zahl der verdienten und verlorenen Stunden und die Präsenz
genau bestimmen. Der Punktator hat darauf zu achten, daß
ale Kanoniker ihre Pflicht erfüllen und den Gottesdienst be-
suchen, er muß jeden, der fehlt oder zu spät kommt, ohne
Hinterlist in sein Buch mit der Anzahl der versäumten Stunden
eintragen. In den ordentlichen Sitzungen berichtet er über
seine Tätigkeit und zieht die Geldstrafen von denjenigen ein,
welche wegen öfterer Versäumnis des Gottesdienstes hierzu ver-
urteilt sind.
Nach dem Entwurf der Statuten von 1745, die niemals ein-
geführt wurden, sollte der Punktator einen Eid dahin ablegen,
daß er nicht allein jede Nachlässigkeit der Kanoniker und Kap-
laine, sondern auch der Dignitäten getreulich notieren werde !.
Für seine nicht gerade angenehme Tätigkeit erhält der
Punktator, welcher den jüngsten Kanonikern entnommen zu
werden pflegte, eine jährliche Vergütung von 6 fl. und 3/4 Frucht.
Nach den Statuten konnte der neu aufgenommene Chorherr,
wenn er vom Kapitel nach dem ersten Residenzjahr als tauglich
zu der Stellung des Punktators angesehen und bestimmt wurde,
nicht ablehnen. Das Kapitel durfte nach einem Reglement des
Bischofs Josef Wilhelm die Sacellanen per turnum heranziehen 2.
Zur Aufsicht über die richtige Erhebung des Zehnten über
die Keller und Kornspeicher des Stifts, die Verwaltung der Ka-
pitelsgüter wird jeweils der jüngste Chorberr, falls er sich eignet,
bestellt. Man wollte hierdurch bewirken, daß allmählich jeder
Kanoniker des Stifts in diesen Dienst, welcher von größter
Wichtigkeit war, eingeweiht würde. Der hierzu bestellte Chor-
herr (procurator, oeconomus, Kasten- und Kellerverwalter oder
Schaffner)3 hatte vor versammeltem Kapitel auf den Tag Jo-
1 Visitationsprotokoll 1742 und Nr. 9 zu 1714.
? St. Arch. 18 zu 1714.
3 Bez. Arch. Lade 10.
= y0 =
hann der Täufer über seine Geschäftsführung Bericht zu er-
statten. Damit er sich aber nicht in einer die geistliche Warde
verletzenden Weise in rein weltliche Angelegenheiten einmischen
mußte, war ihm ein verlässiger Laie, der Kapitelsmeyer, bei-
gegeben, welcher die Geld-, Wein- und Getreidezehnten des
Stifts in dessen Namen einforderte und im Nichtzahlungsfalle
mit Zwangsmittein gegen die Schuldner vorging. Für seine
Mühe bezog der Prokurator in Geld 10 Pfund und einige Mab
Getreide.
KAPITEL VI.
Die Geschichte der Altäre in Altthann und Thann. Präsentation zu
den Kaplaneien. Einkünfte und Pflichten der Kapläne.
In der Mutterkirche zu Altthann und der Tochterkirche
zu Thann waren im Laufe der Zeiten nicht weniger als 17
Altäre gestiftet worden, von denen verschiedene durch Begab-
ungen allmählich in selbständige Kaplaneien umgewandelt werden
konnten. Die Zahl der Kapläne in beiden Gemeinden läßt sich
nicht genau feststellen. Wenn die ungedruckte Thanner Chronik
sagl, «gewiß ist daß zu verschiedenen Zeilen 4, 6 bis 8 Kap-
line allhier zu Thann residiert, deren Pfründen nun inkor-
poriert worden, 1» so dürfte die letzte Zahl für das Jahr 1442
richtig sein, da der Pfarrer mit 11 Kaplänen, worunter wahr-
scheinlich die drei von Altthann, das von St. Amarin verlegte
Stiftskapitel am Eingang der Stadt abholte,
In Altihann finden wir die Kaplanei S. Maria, an deren
Altar schon 1282 eine Schenkung erwähnt wird. Durch den
Pfeiferkönig Hermann, Trompeter des Herzogs Leopold von Oester-
reich und die Pfeiferbruderschaft2 erhielt der Altar eine Neu-
1 Bd. ITI, S. 131.
_ ? Die Musikanten und Spielleute des Oberelsasses hielten noch
im 18. Jahrhundert ihre Zusammenkünfte zu Altthann, wie aus
folgender Notiz des Tagebuchs der Guardiane S. 71 hervorgeht. Am
14. September 1749 haben zu Altenthann die Herren Landmusikanten
und Spielleute mit noch zwei von den unsrigen ihr Amt musika-
liter gehalten und anstatt des bisherigen uns gegebenen Mittagmahles
mit ihnen in dem Wirtshaus habe ich sie ersucht pro meliore jure
et convenientia uns etwas ins Kloster zu schicken, welches auch sat
Sratiose geschehen ist, quod et in posterum practicari conveniret.
SCHOLLY. 7
en 8. e
begabung, und wurde am 26. Oktober 1399 durch Bischof Georg
von Dimitri, des Predigerordens, geweiht, nachdem schon vorher
der Generalvikar am 17. Oktober 1399 allen denen, welche durch
Mehrung der Einkünfte dieses Altars oder seiner Kirchenzier bei-
getragen hatten, einen 40 tägigen AblaB verliehen hatte!. Die
Kaplanei St. Nikolaus ist 1294 durch den Grafen Theobald
von Pfirt gegründet? (fundatio unius caratae seu eines Fuders
Wein singulis annis ac certis civibus ibidem nominatis ac speci-
ficalis idque in salutem tam suae quam parentum defunctorum
animarum). Der Altar St. Michael ist gestiflet von demselben
Grafen und den Bürgern zu Altthann und Thann im Jahre
13043; beide Altäre wurden 1346 durch Erzbischof Heinrich
Albert, Statthalter des Bischofs Johann von Basel, gleichzeitig
mit den fünf Thanner Altären geweiht. Zur Gründung des
Altars Allerheiligen gab 1848 die Herzogin Johanna von
Oesterreich und 1355 deren Sohn Rudolf verschiedene Zehnten 4.
Die Thanner Rebleutezuntt und die Biirgerschaft von Altthann
stifleten 1412 die Kaplanei St. Katharina und der Stifts-
propst Nikolaus Wolfach aus Thann 1474 den Altar St. Annas.
Aus diesen urkundlich feststehenden Gründungsdaten der
Altäre zu Altthann läßt sich auf die Zuverlässigkeit der An-
gaben der großen Thanner Chronik ein sicherer Schluß ziehen,
die zum Jahre 1901 bemerkt «die Wallfahrt in Thann nimmt
sehr zu, daher werden zu Altthann noch etliche Kaplaneien ge-
stiftet, so dem Pfarrherrn an die Hand gehen sollen.
In Thann treffen wir folgende Altáre, die am 18. Februar
1346 durch den Erzbischof Heinrich Albert von Cambrai feier-
lich geweiht wurden, nämlich der Fron- oder Theobaldus-
altar zu Ehren Michaels, Bartholomäus, Stefans, der 11,000
Màgde und Theobaldus, welcher seinen ursprünglichen Stand-
1 Straub l'église de Vieux-Thann S. 77.
2 Der Altar ist 1771 infolge von Reparaturen im Innern der
Kirche abgebrochen worden, Thanner Chr. III, S. 532.
3 Das Ertrügnis der Pfründe wird 1577 angegeben auf 7 Pfund
in Geld, 32 MaD Oel, 16 Ohm Wein, 13/, Sack Getreide und 39
Ptund Wachs.
* Für diese Kaplanei wurden später jährlich 10 livr. tournose
aus den Einnahmen der Herrschaft Thann bezahlt. Berlinger, les
revenues du duc de Bourgogne, S. 14.
> Straub S. 4 erwáhnt noch einen Peter-Paulsaltar, für dessen
Existenz keine Quellen zu finden sind.
— 00 —
ort im alten Chorgewólbe hatte; den Peter- und Pauls- oder
Apostelaltar zu Ehren des Tàufers Johannes, Petrus, Lauren-
iius, Nikolaus und Maria Magdalena zur linken Seite am ersten
Pfeiler, St. Oswald- oder Dreikónigsaltar zu Ehren der drei
Könige, Oswalds, Erhards und Agathas, in der Mitte des
Schiffs vor dem. ChorabschluB, den Liebfrauenaltar zu Ehren
unserer lieben Frauen, des Evangelisten Johannes, der 10,000
Mirtyrer, des Bischofs Martin und Katharinas zur rechten Hand
und den Kreuzaltar zu Ehren des Kreuzes, Jakobs des Aelteren,
Georgs, Josts und Margarethas, ebenfalls auf der rechten Seite.
Ueber die Stiftung des Theobaldusaltares, wohl des älte-
sten der Kirche, und des Liebfrauenaltares, existieren keinerlei
Aufzeichnungen. Der Peter- und Paulsaltar ist nach dem
extractus fundationis omnium capellaniarum tam in ecclesia
St. Theobaldi in Thannis, quam in veteri Thann, in castro,
in hospitali et in ossorio des: Stiftsaktuars Reiset!, desgleichen
nach dem numerus ac status tam antiquus quam modernus
sacellaniarum in civitate Thannensi et in veteri Thann erectar-
um ohne Datum? von der Stadt und der Bürgerschaft Thann
1440 mit der Verpflichtung gestiftet, wöchentlich mindestens
vier Messen darauf zu lesen oder durch einen Priester lesen
zu lassen, ohne daß andere Lasten genannt sind. Die Konfir-
mation durch den Bischof sei im folgenden Jahre erfolgt. Da
der Altar schon 1346 geweiht wurde, kann. seine Gründung
nicht erst 1440 geschehen sein, und wird man die Stiftung
gegen das Jahr 1340 verlegen dürfen. Es frägt sich nun, wie
die beiden Aufzeichnungen übereinstimmend zu der Zahl 1440
gelangen. Die Stiftung des Altars ist ungefähr hundert Jahre
früher anzusetzen, doch waren die Einkünfte im Anfang zu -
gering, um einen eigenen Kaplan daraus unterhalten zu können,
und mußten zu einer selbständigen Kaplanei weitere Begab-
ungen gemacht werden. Zum Jahre 1388 findet sich eine ur-
kundliche Zinsverschreibung für den Altar, 1420 schenkte dem-
selben der Bürger und Schaffner Hans Diebolt Agstein ein
Haus an der Spitalkirche, welches er im gleichen Jahre von
Kuntz Tschengelin erkauft hatte3; 1430 zinste laut Urteil die
l Staats Arch. 159 zu 1671.
? Daselbst 137 zu 1671.
3 St. Arch. G G 3. 6. Bez. Arch. Lade 23 und Register der
aufbewahrten Urkunden.
— 100 —
Gastwirtschaft zu den zwei Schlüsseln 4 Pfund, 1431 machten
die Edeln Heinrich und Hans Ulrich von Masminster Zu-
wendungen. Nachdem 1441 dem Altar noch Zinsen von Reben
zu Thann und Altthann verschrieben worden waren, konnte
der Magistrat am 26. Juni 1441 an den Bischof die Bitte rich-
ten die Pfründe zu bestätigen, da die Einkünfte in gemeinen
Jahren 23 Pfund Stäbler außer andern Gefällen ertrügen. Der
Altar wäre gemacht in St. Theobald und für St. Peter und
Paul geweiht. Im gleichen Jahre konfirmierte der Bischof das
Benefizium als ein einfaches, weil der Kaplan bequem aus den
Ertrignissen leben und die ihm übertragenen Verpflichtungen
erfüllen könne t. Durch weitere Begabungen war die Kaplanet
schon 1488 in der Lage vom Kaplan des Valentinusaltares ein
Haus am Kornmarkt, an den Freihof stoßend, um 100 Gulden
rheinisch zu kaufen 2.
Der Oswaldaltar ist nach dem extractus eine Stiftung
des Thanner Ratschreibers Wilhelm Keller genannt Zandenat 3
und dessen Ehefrau aus dem Jahre 1333, ohne daß etwas
Näheres über die Art und den Umfang der Schenkung bekannt
ist; am 91. Oktober 1461 wurde die Kaplanei der Pfarrei
Thann inkorporiert 4. Der Pfarrer Wolfach hatte nach dein
Tod des Kaplans Kübler an Stelle der ihm zugesicherten 20
Pfund Stäbler diese Union auf Grund der päpstlichen Bulle
von 1453 verlangt, worin bestimmt war, daß die Kaplanei dem
Plebanat uniert werde, da der Pfarrer sich einen Helfer halten :
müsse und noch andere Lasten habe, weiche er nicht ohne
weileres auf sich nebmen kónne, weshalb dem Bischof erlaubt
würde diese Kaplanei zu unieren zu inkorporieren und zu
annektieren 5, Der Kreuzaltar soll nach dem numerus durch
Graf Ulrich von Pfirt 1314 gestiftet worden sein und steht ur-
kundlich feit, daß bereits am 8. Februar 1307 demselben die
Witwe Elisabeth. Gast aus St. Amarin, deren Sohn Kaplan an
dem Altar war, ein Haus in Thann, zwei Hauser in St. Amarin
und verschiedene Zinsen in Geld, Wein uud Früchten ver-
schenkt hat. Später ist der Name Kreuzaltar verloren gegangen,
1 St. Arch. G. G. 3. 8.
? Daselbst G. G. 3. 9.
3 Thanner Chr. III, S. 184.
4 St. Arch. 153 zu 1671. Bez. Arch. Lade 4.
5 Bez. Arch. E. E. 2 I.
— 104 —
und wurde die gewóhnliche Bezeichnung hierfür Margarethen-
altar.
Außer diesen 1346 geweihten Altàren treffen wir noch fol-
gende: | l
Den Nikolausaltar, eine Stiftung des regierenden
Grafen Theobald von Pfirt aus dem Monat Mai 1293 mit jähr-
lich 10/4 Roggen und 20 Ohm Weinzins auf verschiedene Güter
Thanner und Schweighauser Bannes unter der Bedingung für
ihn und seine Vorfahren täglich eine Messe auf demselben zu
lesen. Nach einer Aufzeichnung wäre der Altar von dem näm-
lichen Grafen 1274 mit Weinzinsen von Reben im Blosen zu
Thann und Fruchtzehnten im Banne von Schweighausen ge-
stiflet!. Da der regierende Graf Ulrich erst 1275 gestorben ist,
kann die Begabung nicht 1274 durch seinen Sohn Theobald
gemacht sein, es liegt wahrscheinlich einer jener Lesefehler vor,
die zahlreich in dem Register der beiseite geschafften Urkunden
zu finden sind. Statt 1274 wird es wohl 1294 geheiBen haben
und dürfte in dem letzteren Jahr die Bestätigungsurkunde des
Bischofs für den Nikolausaltar erlassen worden sein.
Ob sich die Stiftung des Grafen Theobald auf den Altar
zu Altthann oder zu Thann bezieht, ist nicht unbestritten, ein
Irrtum wäre wegen der übereinstimmenden Benennung der
beiden Altäre nicht ausgeschlossen. Ich nehme an, daß es
sich um den Altar zu Thann handelt, nachdem sowohl der ex-
. tractus als der numerus die Stiftung dieses Altars nach Neu-
thann verlegen?. Die Kaplanei war nur mäßig dotiert, im Mai
1480 machte ihr Johann Erhard von Reinach eine Zuwendung
von 21 Maß Wein aus seinen Reben im alten Feld, 1526 über-
ließ ihr der Kaplan Heinrich Dots in seinem Testament ein Haus
an der Metzig und 1589 war dieselbe mit der Kaplanei Aller-
1 Daselbst Register der weggeschafften Urkunden.
2 Lempfrid, Legende S. 90, verlegt die Stiftung von 1293 an
die Kirche zu Altthann, nachdem er früher in seiner Schrift Kaiser
Heinrich II. am Münster zu Thann eine andere Meinung vertreten
hatte. Wenn Lempfrid seine ursprüngliche Ansicht auf eine von
dem kundigen Stiftsarchivar Reiset (nicht Reisert) unter dessen fun-
datio capellaniarum geschriebene Bemerkung hin, wonach die Stif-
tung für Altthann geschehen sei, ändert, so kann ich nur bemerken,
daß in der von Reisets Hand geschriebenen mir vorliegenden fun-
datio die Stiftung an das Thanner Münster verlegt ist, und der Ar-
chivar sich demnach selbst im Unklaren war.
heiligen zu Altthann in einer Hand vereinigt, wahrscheinlich»
wegen deren beiderseitigen Mittellosigkeit.
Der Altar St. Catharina in castro auf der Engels-
burg ist eine Stiftung des Grafen. Theobald von Pfirt, dessen
Sohn Ulrich nicht lange nach seines Vaters Tode am 7. Februar
1311 eine Kaplaneipfründe dazu gab, in der offenbaren Absicht,
den Bewohnern der Vorstadt Kaltenbach und der Besatzung des
Schlosses eine geregelte Seelsorge zu verschaffen !, nachdem schon
1304 bei Stiftung des Michaelsaltars zu Altthann Graf Theobald
bestimmt hatte, daß der von ihm hierauf ernannte Priester Ni-
kolaus von Luxeuil wóchentlich vier Messen auf dem Schlosse zu
lesen habe. 1329 schenkte Graf Ulrich Mittel zur Unterhaltung
des ewigen Lichts, das Patronatsrecht übertrug er dem Stift
St. Amarin für ewige Zeiten. Nach dem extractus und dem
Bericht über die Katharinenkaplanei? wäre die Stiftung ge-
schehen zur Ehre Gottes und der hl. Katharina, zum Heile der
Seele des Stiflers und dessen Vaters (intendentes saluti anima-
rum nostrae et felicis recordationis Theobaldi nostri patris salu-
briter providere). Der Kaplan sollte seine Wohnung und den
Tisch bei jedem auf dem Schlosse residierenden Herren und von
der Mühle zu Altthann wöchentlich 3 Sester Mühlkorn, samt
etlichen kleinen Geldzinsen haben; wieviel Messen er zu halten
hatte, ist nichi gesagt. Nachdem der Stiftungsbrief vom 7. Fe-
bruar 1911 von einer Verpflichtung des Schloßherrn zur Stel-
lung von Wohnung und Tisch für den Kaplan nichts bestimmt,
will der Bericht mit seiner Bemerkung wahrscheinlich nur so-
viel sagen, daß es tatsächlich so auf dem Schlosse gehalten
wurde. 1365 gab der Burggraf von Thann und Ensisheim,
Johannes von Walbach, der Kaplanei einen Vletz Reben (drei
Schatz) im Silberacker zu Thann, als Beisteuer und zur Auf-
besserung der Pfründe3. Auf diese Kaplanei präsentierte 1419.
der Propst Burkhard von St. Amarin und sein Kapitel den
Priester Reinhard Hublat, der vom bischöflichen Vikar Ludolf
Greckler von Bulach in seine Pfründe investiert wurde. 1493
präsentierte der Kantor Nikolaus Walter und das Kapitel zu
Thann. den Presbyter Lukas Schütz, «welcher vom Kaiser Maxi-
1 Bez. Arch. Lade 23.
2 Staats-Arch. 1 und 3 zu 1617.
3 Bez. Arch. Register der aufbewahrten Urkunden.
— 408 —
milian 1490 eine Exspektanz seu primarias preces gehabt, die
aber beim Kapitel nichts gegolten habe.» Schütz wurde vom
bischöflichen Vikar Hieronymus von Weiblingen investiert. Kurz
vor der Verpfándung der Herrschaft Thann an Karl den Kühnen
hatte Herzog Sigismund die Engelsburg nebst der Kapelle wieder
herrichten lassen und war der vom Kapitel vorgeschlagene Ma-
thias Karmer am Montag nach Sonntag esto mihi 1468 zum
Kaplan ernannt worden. Herzog Sigismund bestimmte, daß
der Kaplan seine Wohnung im Sehlosse und den Tisch bei dem
damaligen Vogt Heinrich von Rothenstein und dessen Nachtol-
vern haben und alles gebrauchen solle, was andere Kapläne
bisher gebraucht hatten!. Während der nur kurzen Pfandschaft
(1469—1473) wohnte der Schloßkaplan wohl nicht auf der
ingelsburg, da der Vogt Peter von Hagenbach bei seiner An-
wesenheit in Thann stets in seinem väterlichen Hause Absteige-
quartier nahm, und die Zahl der Bewaffneten auf der Burg mehr
als unbedeutend war; nach dem Bericht der burgundischen
Kommission an Karl den Kühnen soll die ganze Besatzung in
Friedenszeiten sich auf sechs Mann belaufen haben. Die Ka-
pelle war 1468 gründlich hergerichtet worden und konstatiert
der Bericht der Kommission, daß sie une belle petite chapelle
garnie d'ornemens d'autels nécessaires et fondée d'une messe
pour chascun jour qu'est de la collacion de mondit Seigneur
sei?, Nach 1502 befand sich die Kapelle in gutem Zustand, als
der Obervogt, Graf Sigismund von Lupfen, Besitz vom Schlosse
nahm. Nach dieser Zeit gab das Haus Habsburg die Engels-
burg als befestigten Platz auf, und da ein Vogt nicht mehr da-
selbst residierte, wurde auch kein Kaplan ernannt4. Das Ka-
I Auch daß wollen wir, daß derselb unser Kaplan nach Her-
kommen und Gewohnheit derselben Kaplaney Gebrauch solcher
Maß, daß er und nach ihm die so dergleichen fürgesehen werden
ihre Wohnung in unserm Schloß Thann haben und mit einem jeden
Vogt gegenwärtigen und künftigen seinen Tisch mit redlicher erbar
und ziemlicher Fürsehung als Priestern zugehórt haben und sonst
alles das gebrauchen solle, das die Capläne von rechtswegen vorher
haben gebraucht, wie dann, daf) von unsern Vordern gestift und
fürgenommen ist.
? Bericht des Mougin Contault, Arch. Dijon, fol. 22
3 Etat du chateau de Thann par Berlinger, S. 4, Inventar der
Kapelle, S. 15.
5 Thanner Chr. III, S. 131. Als letzter Kaplan wird zu 1503
Theobald Burgmann angegeben.
— 104 —
pitel ließ durch den Helfer, welcher Altthann zu versehen hatte,
mit Genehmigung des Bischofs und des Erzhauses Oesterreich
ab und zu noch Gottesdienst in der Kapelle halten! «aber nicht
aus besonderer Disposition und Anordnung oder in der Meinung,
daß unser Stift sich schuldig erkenne,» wie es in dem Schreiben
an den Bischof heißt. Die Einkünfte der Kaplanei aber zog
das Kapitel an sich, «damit dieselben nicht distrahiert oder etwa
zu Privatzwecken verwendet würden!» Die Pastoration hätte
überhaupt nur solange gedauert, als die Schloßvögte dem Kaplan
den Tisch und die Wohnung stellten, als diese ihre Verpflich-
tung nicht ınehr einhielten, hätte der Gottesdienst auf der Bury
von selbst aufgehört.
Wohl mit Rücksicht auf den drohenden Krieg ließen die
Oesterreicher 1617 die Engelsburg wieder neu herrichten; die
Kapelle, welche völlig verschwunden war, wurde gleichfalls in
Stand gesetzt. Der Altar darin fehlte, wohin derselbe gekommen
ist, ist nicht nachzuweisen. Der fromme Schloßvogt Philipp Truch-
seß von Rheinfelden, welcher 1617 mit seiner Familie auf der
Burg Wohnung genommen hatte, verlangte vom Kapitel, daß
dieses wöchentlich einmal und hauptsächlich an Sonn- und Feier-
tagen in der Kapelle durch einen Priester die Messe lesen lasse.
Er schrieb am 2. Oktober 1617, daß er. bis zur Aufrich-
tung und Weihung eines Altars mit einem gewöhnlichen
Gottesdienst auf einem Betstein zufrieden sei; es wären noch
-. verschiedene Ornamente darunter ein Meßkelch nebst Patene,
die er habe vergolden lassen, auf der Burg vorhanden. Das
Kapitel verwahrte sıch gegen die Abhaltung der verlangten
Messen, da weder von dem Pfarrherrn noch von den Kaplänen
viel weniger aber von den Stiftsherren, welche zur Zeit der
Gründung der Kaplanei noch nicht in Thann gewesen, jemals
eine solche verlangt worden wäre, sondern der Kaplan habe
seine Wohnung auf dem Schlosse gehabt und die Gefälle be-
zogen, dafür aber die Messen gehalten. Am 26. Februar 1618
i Das Kapitel bemerkt, daß die Kapelle, welche ganz und gar
zugrunde gegangen sei, ohne Zweifel vom regierenden Bischof aus
rechtmäßigen und genugsam erheblichen Gründen auch mit Willen
aller Interessenten transferiert und dem hiesigen Helfer mit allen
Einkünften und Lasten, ohne daß ein Altar St. Catharina vorhanden
en der ganz schlechten Kaplanei Peter und Paul übertragen
wurde.
— i05 —
bat der Schloßvogt den Bischof um die Erlaubnis in einem hier-
zu passenden im oberen Stockwerke des Schlosses der Stadt
Thann zu gegen Sonnenaufgang gelegenen Gemach, welches vom
Vikar des Bischofs eingesehen und für gut befunden war, einen
tragbaren Altar errichten zu dürfent. Nachdem der Altar ge-
weiht war, kam durch Vermittlung des Bischofs am 5. Novem-
ber 1619 zwischen dem Kapitel einerseits, dem Obervogt und
seinen Mitbeamten, dem Amtmann Reinhard Klötzlin von Altenach
und dem Ratsschreiber Martin Meyer zu Thann nachstehender
Vergleich zu Stande: Das Kapitel verpflichtete sich als Kollator’
der Pfründe alle Sonn- und Feiertage, welch letztere zu Thann
üblich waren, selbst wenn sie im Bistum Basel nicht gefeiert
würden, sowie an Freitayen zwischen 7 und 9 Uhr durch einen
Priester auf der Bury die Messe zelebrieren zu lassen; sollte
dieser durch plötzliche Krankheit oder allzu ungünstige Wit-
terung einmal verhindert sein die Messe zu lesen, dann muß
der Gottesdienst sobald als möglich nachgehalten werden. Da-
gegen versprach der Schloßvogt die nötigen Paramente mit den
fünf Kirchenfarben und das in der Basler Diözese gebräuchliche
Meßbuch anzuschaffen und dem Priester einen Chorknaben zu
stellen; von einer Verpflichtung zur Stellung des Tisches und der
Wohnung War keine Rede. Dieser Vergleich wurde durch den
Bischof und die Regierung zu Ensisheim genehmigt, wobei letztere
zur Vermeidung von späteren Mißverständnissen mittels Brief
vom 16. Juni 1621 beifügte, daß derselbe nur solange Geltung
beanspruchen sollte, als ein Obervogt seine Wohnung auf dem
Schlosse habe. Als die Engelsburg 1674 durch die Franzosen ge-
sprengt war, wurde die Kaplanei St. Katharina mit den Einkünf-
len der Pfarrei Oberaspach am 16. August 1728 inkorporiert.
Der Altar St. Erhard in hospitali wäre nach dem
extractus im Jahr 1320 vom Grafen Theobald von Pfirt, der
auch den Altar gleichen Namens im Spital zu Masmünster ge-
stiftet haben soll, mit wöchentlich 2 Sester Mühlkorn in dem
allen Spital in der Kattenbach, welches von dem Gerbergäßchen
und der Marsillygasse begrenzt war?, gegründet worden unter
I Staats-Arch. 16 zu 1617.
2 1428 verkaufte das neue Spital zunächst dem Niedertor in der
Hallengasse das Chor der alten Spitalkirche gegen 5 Schilling Rente
3 den Gerber Bockstecher auch Bocksperg genannt. St. Arch. Thann
.G. 13, 3.
— 106 —
der Auflage in der Woche zwei Messen zu lesen und den Ge-
wohnheiten des Stifts untertan zu sein. In scharfsinniger Kri-
tik zeigt Lempfrid, daß der Altar erst nach 1304 aber nicht
nach 1310 gestiftet sein kann!. Die einzigen geschichtlichen
Aufzeichnungen über den Altar finden sich in dem état et eclair-
sissement vom 2. März 1769, worin bemerkt ist?, daß ein Per-
gamentbrief von 1417 über die Weihe der Kapelle in dem neuen
Spital am Niedertor 1404 berichtet und daß einige Jalıre später
das Spital mit der Kapelle und sämtlichen Urkunden verbrannt
seid. Die Kaplanei hatte 1413 verschiedene Zehnten in Wein
zu Thann, Altthann und Leimbach vom Predigerorden zu Basel
gekauft, welche in den Kriegen sämtlich verloren gegangen sind,
so daß die Einkünfte nur gering waren. 1669 war die Kap-
lanei mit St. Valentin in der Person des Sacellanen Theobald
Werner, der Oberaspach versah, verbunden.
.Am 15. Januar 1793 wurde die Kapelle als Nationalgut an
die Bürger Sick und Streicher verkauft und später bis auf eine
heute noch sichtbare Mauer abgerissen. Der silber übergoldete
Kelch nebst Patene kam in den Besitz der Theobalduskirche.
wie aus einer Schrift vom 3 nivóse des Jahres IV hervorgeht.
Der Georgsaltar ist nach derselben Quelle von Wilhelm
von Masmünster, einen Bruder des Amariner Stiftspropst Burk-
hard4, gestiflet. Der Altar soll durch einen Sacellanen ver-
sehen werden, der zu gewissen Zeiten auf demselben Messen
zu halten hat.
Der Trinitasaltar ist eine Stiftung von Johann
Volmar, Kannengießer (cantrifusarius®), des zehnten Pflegers
des Franziskanerklosters zu Thann, aus dem Jahr 1474 mit
der Bedingung, dab ein vom Propst und dem Kapitel zu bestellender
Kaplan drei Messen wöchentlich darauf zu lesen habe. Diese
Angaben des estractus sind dahin zu berichtigen, daß der
Altar bereits bestanden hatte, als Volmar 1474 eine Rente von
8 fl. unter der Verpflichtung schenkte, jeden Montag nach
1 Legende S. 55.
2 St. Arch. G. G. 13.
3 Die kleine Thanner Chronik schreibt zum Jahr 1351 «zu dieser
Zeit wird das Gewölb in der Spitalkirche ausgemacht, die Kanzel
gefaßt und vergoldet».
4 Basler Chroniken V, S. 93.
5 Bez. Arch. Lade 6 2a. Thann. Chr. III, S. 134.
— nn
— 107 —
der Frühmesse durch einen Priester eine Messe lesen zu
lassen. Am 24. April 1481 konfirmierte der Bischof die am
15. Oktober 1474 erfolgte Gründung der Kaplanei und bestimmte,
daß der Titular drei Messen wöchentlich auf dem Altar zu halten
habe. 1475 kaufte Volmar das Haus zum Rebstöckel in Thann
und vermachte es der Trinitaskaplanei mit Besitzantritt von
seinem Todestage!. Im Jahre 1536 betrug das Einkommen der
Kaplanei nur 2 Mark reinen Silbers.
Das Kapitel, welches um jene Zeit eine neue Orgel hatte
bauen lassen, wie dies in andern Kollegiatkirchen üblich war,
(quod praepositus et capitulum decori ac venustati dictae ecclesiae
consulere cupientes in eadem organam construi facere?), wandte
sich an den Papst Paul mit der Bitte die Kaplanei zu säkulari-
sieren und die Pfründe einem im Orgelspiel erfahrenen Laien
zu verleiben. Der Papst entsprach am 31. Marz 1536 dem
Ansuchen und verlieh das Patronatsrecht der Pfründe, welches
bisher dem Kapitel allein zugestanden war, in den geraden
Monaten diesem und in den ungeraden Monaten dem Magistrat,
wie beide Teile unter sich abgemacht hatten. Das Ertrágnis
sollte dafür durch den Magistrat auf den dritten Teil erhöht
werden, und durfte die Stelle nur demjenigen verliehen werden,
der persönlich seinen Dienst versehe. Die Verleihung des
Patronatsrechte an den Magistrat in den ungeraden Monaten
war aus dem Grunde erfolgt, weil er versprochen hatte, die
Einkünfte des Benefiziums auf die erforderliche Höhe zu bringen‘,
da er aber zur Hebung der Kaplanei nichts tat, wurde ihm
das verliehene Präsentationsrecht wieder entzogen. Bis zur
Aufhebung des Stifts hatte fast regelmäßig der Schullehrer den
Genuß der Pfründe, doch treffen wir auch Geistliche in der
Versehung der Kaplane. Am 9. Mai 1072 vermachie der
Organist Johann Jakob Schott in seinem Testament nach dem
Tode seiner Frau, die den Genuß hatte, der Kaplanei zwei
Schatz Reben im Renschel mit der ausdrücklichen Verpflichtung
zwei Messen jährlich für sein Seelenheil zu lesen. Wenn ein
1 Daselbst Register der aufbewahrten Urkunden.
2 Nach der großen Thanner Chronik II, S. 160 ist die große
neue Orgel in St. Theobaldimünster 1561 aufgericht, gesetzt und
ausgemacht worden.
3 St. Arch. 1 zu 1536, Bez. Arch. KKK. 13.
4 cap. XII, sessio 16. Trident. conc.
— 18 —
Laie die Pfründe erhielt, mußte er die geslifleten Messen auf
seine Kosten durch einen Priester halten lassen. Nach einer
Aufzeichnung des Lehrers Cron, der 1759 die Pfründe inne-
hatte, betrugen die Einkünfte zu damaliger Zeil 45 Pfund
in Geld, 7/4 und 4!f{, Sester Roggen, und 7/4 und !!9 Sester
Hafer, daneben gehörten dazu die Erträgnisse von 3!/3 Schatz
Reben. Als der letzte Propst Poumier die Einkünfte des Stifts
dem Direktorium zu Belfort anzeigen mußte, beliefen sich die-
selben nach seiner Aufstellung voin 27, Dezember 1790 auf je
2/4 Korn und Hafer, 62 fr. 12 sous in Geld, wovon 9 fr.
43 sous illiquid; die Kaplanei hatte drei Schatz Reben im
Rangen in Genuß. |
Die Kapelle St. Michael in ossorio wurde 1406 auf
dem südlichen Teile des Friedhofs gebaut und 144% durch den
Bischof Hermann geweiht; der Altar war der Jungfrau Maria
and dem hl. Michael gewidmet!. Eine eigene Kaplanei zu dem
Altar stiftete am 4. September 1482 der Kaplan zu St. Nikolaus
Konrad Müller aus Steinbach?, dessen Mutter in der Nähe des
Gärners (canarium) begraben war, vorher halten schon Hein-
rich Neer und der Leutpriester Johann Hergott aus Uffholz
11/2 Ohm Weißwein und 10 Schillinge Geldzins zu diesem
Zwecke beigesteuert. Müller verlieh das Patronatsrecht dem
Propst und Kapitel von Thann, und durfte der Kaplan nur
diesem seine Resignation geben. Er hatte wöchentlich drei
Messen selbst zu halten oder durch einen Priester halten zu
lassen, davon eine gesungen für das Seelenheil der Gründer
(presbyter singulis septimanis tres missas querum una pro
defunctis per se vel per alium ceiebrare teneatur, sub
poena suspensionis ad tempus et si opus fuerit etiam pri-
vatione censuum et reddituum per dictos dominos praepo-
situm et capitulum facienda). Die eingehenden Opfer sollten
geteilt werden, wie dies sonst im Stift gebräuchlich war.
Die Stiftung wurde im gleichen Jahre durch den Bischof
bestätigt3. Ob die adelige Familie der Waldner von Freund-
| St. Arch. in Thann G. G. I, 2. Der Garner wurde 1440 geweiht.
2 Derselbe dem u un Sennheim Geld schuldig war. Ingold,
Archives de Cernay S
3 Bacquol- “Ristelhuber, Dictionnaire S. 59 schreibt his Grund
die Stiftung dem Grafen Theobald von Pfirt und der Bürgerschaft
von Thann fiir das Jahr 1304 zu.
— 109 —
stein, welche in der Kapelle ein Erbbegrabnis besaB, derselben
Besabungen gemacht hat, wie der Numerus anzunehmen
scheint, läßt sich nicht beweisen. Im Bauernkriege ging die
Weinernte der Kaplanei verloren und wird wohl seit dieser
Zeit eine Verminderung der Lasten eingetreten sein, indem
später nur noch ‚alle Quatember eine Messe aın Altar gelesen
wurde ; seit dem Jahre 1716 wurde überhaupt bloß eine ge-
sungene Messe auf den Michaelstag darauf gehalten.
Ueber die übrigen Allére St. Valentin, welcher von
einem gewissen Valentin Hermann gestiftet aber erst im
45. Jahrhundert nach diesem seinen Namen erhalten haben
soll und Katharina ist nichts genaues bekannt: letzterer
soll von den Edeln von Rust fundiert worden sein (?).
Alle diese Kaplaneien gehörten zur Präsentation des Stifts,
welches durch ein Dekret ohne Datum dieselbe den einzelnen
Kanonikern per turnum überlassen hatte!. In seinen Visilations-
protokoll von 1759 schreibt der Rat Garnier, daß das Kapitel
die Nomination unter den Kanonikern per turnum ausübt, jeder
Chorherr hat einen Monat und ernennt darin zu allen Benelizien,
welche vakant werden und der Nomination des Kapitels unter-
stehen ; die Investitur erteilt der Bischof. Wann die einzelnen.
Kaplaneien untereinander uniert wurden, läßt sich nicht fest-
stellen, doch scheinen die meisten nach den Bauernkriegen
inkorporiert worden zu sein; der Bischof konnte ohne weiteres.
mit Zustimmung des Kapitels, die jederzeit bereitwilligst erteilt
wurde, eine solche Union vornehmen, wenn die Präbenden zum
standessgemäßen Unterhalt der Priester unzureichend waren?.
Eine Reihe von Gütern der Kaplaneien wurden 1614 mit
bischöflicher Zustimmung verkauft, da dieselben nach Angabe
des Kapitels sehr schwer zu bebauen waren und eine Rente
nicht abwarfen. Ob diese Gründe ganz den Tatsachen ent-
sprachen, ist fraglich, nachdem selbst der Propst Wagner,
der sonst gut zu rechnen verstand, es nicht verschmähte, einige
von den unrentablen Weinbergen für sich zu erwerben. Die
Kapläne beschwerten sich dann auch später, daß trotz der ein-
1 Die Kaplaneien, welche vorher zum Kapitel des Sundgaues
gehörten, wurden durch Dekret des Generalvikars vom 19. August
1(28 dem Thanner Kapitel einverleibt.
2 Sessio 21 cap. 5 Trid. conc.
— 110 —
geholten Gutachten von Sachverstándigen die Güter zu billig
verkauft, und der Erlós entgegen den kanonischen Vorschriften
nicht wieder in Grundstücken angelegt worden ware. Von der
Kaplanei Peter und Paul gelangten zum Verkauf drei Schatz
Reben im Silberacker um 231 Pfund, von St. Kreuz ein Kraut-
und Rebgarten an der Ziegelscheuer um 80 Pfund, von St.
Georg zehn Schatz Reben im Lehweg um 650 Pfund, von St.
Valentin zwei Schatz im Hasenacker um 78 Pfund, und von St.
Erhard ein Kraut- und Rebengarten im StauffengiBle um 100
Pfund. Am 17. Marz 1759 verkaufte der Chorherr Reiset im
Auftrage des Stifts mil Genehmigung des Bischofs ein der Ka-
planei St, Kreuz und Katharina gehóriges Haus mit Garten
in der Weihergasse um 850 livres!, Das Kapitel hatte an dem
Fortbestehen der zahlreichen Kaplaneien, deren Einkünfte im
Laufe der Zeiten entweder ganz verloren gegangen oder doch
sehr vermindert waren, kein Interesse, im Gegenteil mußte es
mit Rücksicht auf seine eigene schlechte finanzielle Lage dar-
nach trachten, die Zahl der Kapläne herabzusetzen, um die
hierdurch freiwerdenden Erträgnisse zur Deckung von Kapitels-
schulden und zur Unierung mit schwach dotierten Pfründen
verwenden zu kónnen. So z. B. wurden die Einkünfte von St.
Valentinus und St. Katharina der Pfarrei Oberaspach, wie er-
wähnt, inkorporiert. Das Kapitel hatte seit alten Zeiten den
Pfarrsatz der Gemeinde Oberaspach und lief die Seelsorge
bis zum dreibigjáhrigen Kriege daselbst durch einen Kaplan
besorgen, indem es zu seinem Vorteil die Erträgnisse der
Píründe verwendete. Wie in Aitthann lieb die Versehung der
Seelsorge auch in Oberaspach viel zu wünschen übrig, und be-
schwerten sich 1671 die Bewohner beim Bischof, worauf die
Sache etwas besser wurde. Später zog das Kapitel sogar beide
Sacellanen des Stifts zur Seelsorge daselbst heran, doch ver-
Jungten die Einwohner einen selbständigen zu Oberaspach
wohnhaften Pfarrer, und kam der Bischof diesem Ansinnen
nach, da die Pfarrkompetenz in gemischter Frucht (Malkorn)
26/4 uud 3/6, Korn 3j4 und 4/6, Hafer 1/4 und 4/6) nebst
den Erträgnissen in Geld mit 25 Pfund Basler Währung in
13 Ohm Zehntwein zu Altthann, wozu noch vier Schatz Reben in
letzterer Gemeinde, der ‘halbe Zehnt der Erbsen, Bohnen,
1 Staats-Arch. 21 zu 1442.
/
— 111 —
Schweine und Làmmer, sowie der ganze Zehntwein von Ober-
aspach, ferner vom Kapitelsspeicher 4/5 Getreide und ebenso-
viel Hafer kamen, als Kongrua hinreichend sei und bestätigte
mit Schreiben vom 7. September 1728 die neue Pfarrei.
Zur Zeit der Einführung der neuen Statuten von 1642
waren im Kapitel nur zwei festangestellte Kapläne (sacellani)
vorhanden, von denen der erste auf die Kaplaneien Georg,
Anna, Katharina in castro, Michael in ossorio, Allerheiligen,
Nikolaus und St. Kreuz, der zweite zu den Kaplaneien Maria,
Peter und Paul, Erhard in hospitali mit Valentinus, Michael in
Altthann und Katharina, zugelassen war. Wenn die Statuten
von 1610 und 1642 nicht bestimmt hätten, daß das Kapitel für
die Anstellung von Sacellanen sorgen müsse, damit die Zahl
des Kollegs vollstándig sei (ut integrum sit corpus collegii hu-
jus ecclesiae necessarie semper ipsis de sacellanis providendum
erit), wären wohl diese beiden Sacellaneien ebenfalls unter-
drückt worden. Die Sacellanen muBten von erprobter Lebens-
führung und gute Sänger sein, sonst wurden sie vom Bischof
nicht zugelassen. Nach ihrer Investitur hatten sie dem Kapitel
den Glaubens- und Treueid zu leisten, sodann vor versammel-
tem Kolleg den gewóhnlichen Eid der Kanoniker abzulegen,
daß sie dem Propst und den übrigen Dignitäten den gebühren-
den Gehorsam erweisen. Vor Einführung der Statuten von
1642 hatten sie noch einen eigenen Eid des Inhalts zu leisten,
daß sie die ihnen anvertrauten Altäre in gutem Zustand er-
halten würden!.
Sie müssen ferner schwören, daß sie dem Pfarrer gegen-
über gehorsam seien, dem sie in der Seelsorge aushelfen sollen.
Zu dieser werden sie nur mit Genehmigung des Bischofs und
nur im Fall der Not zugelassen, doch dürfen sie niemals ihren
Verpflichtungen im Chor durch die Seelsorge entzogen werden 2.
Da es zuweilen vorkam, daß der Pfarrer die Sacellanen mehr
als gebührend zur Seelsorze heranzog, wurde diese Verwend-
ung durch bischófliche Entscheidung vom 27. Januar 1756 aus-
drücklich verboten, faisons deffense au dit curé hors cas de neces-
sité d'employer les chaplains du chapitre dans la desserte de
sa paroisse si non de l’agrement du chapitre et pour autant
—
1 Bez. Arch. Straßburg.
2 Staats-Arch. 24 zu 1714.
— 112 —
que ceux chaplains ne sont seront distraints par telle desserte
du service de la collegiale. Andererseits durfte aber das Ka-
pitel die Sacellanen nicht gänzlich der Seelsorge entziehen, und
entschied am 15, Mai 1752 der Offizial Reich von Reichen-
stein auf die Beschwerde des Pfarrers Goetzrnann gegen den
Sacellanen Kirchmever, dab derselbe öfters nicht aushelfe, weil
er häufig in Zehentgeschäften im Sundgau abwesend sei, daß
eine solche Tätigkeit dem geistlichen Stande zur Unehre ge-
reiche und bei Strafe der Absetzung für die Zukunft zu unter-
bleiben habe.
Die Sacellanen waren gehalten den Dignitäten und Chor-
herren ihre Dienste als Diakon und Subdiakon zu leihen, falls
dieselben beansprucht wurden. An den bestimmungsmäßigen
Sitzungen des Kapitels hatten sie hei Strafe von 5 Sols teilzu-
nehmen und durften die Stadt ohne Genehmigung des Prop-
stes oder seines Stellvertreters nicht verlassen. Sie mußten die
zu ihrer Pfründe gehörenden Altäre in gutem Stande erhalten
und ausschmücken, sowie die daran vorgeschriebenen Zere-
monien erfüllen. Die Liegenschaften der Kaplaneien durften
sie nur mit Zustimmung des Kapitels verpachten und über die
Erträgnisse ihrer Pfründe hatten sie jährlich dem Kapitel eine
genaue Aufstellung einzureichen bei Strafe einer halben Mark
Silber, die in die Fabrikkasse fiel.
Die Einkünfte der Sacellanen waren schwanhend und ge-
nügten Ende des 17. und Anfang des 18, Jahrhunderts kaum
zum einfachsten Lebensunterhalt der Ptründeinhaber. Nach dem
Visitationsprolokoll von 1671 behauptete der Sacellan Heysch
sogar, daß er aus seinem Privatverinögen 300 Pfund Stabler
zugesetzt habe; ein neueres Visitationsprotokoll von 1706 sagt
wörtlich : «Die Einkünfte der Kapläne sind so unbedeutend,
daß «dieselben kaum davon leben können.» Nach einer Auf-
zeichnung von 1716 bezog der Kaplan Roman Hillenweck in
Geld 90 Pfund, ın Korn 35 Pfund, und an Wein 23 Ohmen,
dazu hatte er einige Reben, die nichts einbrachten. Der andere
Kaplan, Franz Ihler, stellte sich etwas besser, er erhielt in
Geld 195 Pfund, in Korn und Wachs 37 Pfund, und in Wein
30 Ohme, ferner besaß er eine Wiese zum Niebbrauch. 1746
schreibt das Kapitel, dab die beiden Kaplaneien je 600 Pfund
mindestens ertragen und dieses Einkommen völlig hinreiche,
um anständig (honéteinent) zu leben. Dixselbe wollte sogar aus
— 13 —
den zwei Kaplaneien drei machen, und die dritte Stelle einem
der französischen Sprache kundigen Sacellan verleihen, damit
die zahlreichen, hauptsächlich aus pensionierten Beamten und
Offizieren bestehenden, aus Frankreich zugezogenen Familien,
welche mit ihren Dienstboten gegen 200 Köpfe zählten, eine
Seelsorge in ihrer Sprache hätten.
Neben den festangestellten Sacellanen finden wir im Ka-
pitel gegen das 18. Jahrhundert trotz der schlechten finanziellen
Lage der Kaplaneien einen nicht angestellten Kaplan (accesso-
rius oder supernumerarius), angeblich zur größeren Zierde der
Kirche. Im Jahre 1716 waren deren zwei vorhanden. Der
erstere bezog außer dem Einkommen der Kaplanei St. Catharina
in castro, vom Kapitel 60 Pfund in Geld und 6 Ohm Wein,
mit der Verpflichtung das Chor zu besuchen und in Altthann
Gottesdienst zu halten, das Einkommen des zweiten war fast
Null; er erhielt in Wein 6 Ohm und etwas Mischfrucht unter
der alleinigen Bedingung das Chor zu frequentieren.
Die fest angestellten Kapläne besaßen seit alter Zeit ihre
eigenen Häuser, sie mußten nach einer Transaktion von 1485
hei ihrer Aufnahme 20 Pfund in die Kapitelskasse zahlen, welche
dann ihrerseits die Unterhaltung dieser Häuser übernahm!. Da
der Beitrag zu gering war und nicht ausreichte, wurde eine
neue Vereinbarung dahin getroffen, daß die Kaplàne die Hälfte
der Einnahmen des ersten Jahres zur Deckung der Lasten ihrer
Sacellaneien in die Kasse beizusteuern hätten; diese Abmachung
wurde durch Bischof Christoph vom 11. Juni 1523 und durch
Papst Paul genehmigt?. Später hielt sich das Kapitel an diese
Vereinbarung nicht mehr und ließ häufig die erledigten Kap-
lanelen sechs Monate lang vakant, indem es die Einnahmen
wahrend dieser Zeit der Kapitelskasse überwies; am 7. August
1758 verlangte es sogar, daß eine Kaplanei drei Jahre lang un-
besetzt bleibe$. Dabei unterhielt das Stift die Hauser der Kap-
1 Nach den Statuten von 1509 betrug die Aufnahmegebühr
10 Pfund, zahlbar innerhalb Jahresfrist nach der Zulassung. Bez.
Arch. Straßburg. 1759 fiel diese Gebühr mit 13 livr. 10 sols nicht
in die Kapitelskasse, sondern 4 livr. bekam der Aktuar und den Rest
die Bruderschaft.
? Bez. Arch. Lade 15.
3 Staate-Arch. 26 zu 1159.
SCHOLLY. 8
— 14 —
laneien so schlecht!, daß es 1753 auf Klage der Kapläne ver-
urteilt werden mußte, dieselben in einen bewohnbaren Zustand
zu versetzen.
Die Kapläne scheinen manchmal in der Erfüllung ihrer
Pflichten nachlässig gewesen zu sein, da der Pfarrer im Visi-
tationsprotokoll vom 19. Juni 1716 von ihnen behauptet, daß sie
faul und meistenteils in ihren Funktionen unzuverlässig, dazu
aber noch unfolgsanı sind.
I Bez. Arch. Lade 5.
KAPITEL VII.
Einnahmen des Stifts aus Zehnten, Renten und Dinghöfen. Die
Thanner Pfründen waren gering dotiert. Residenzpflicht der
Chorherren. Verwendung der Karenzen. Die Spezialien und
täglichen Distributionen. Ausgaben des Kapitels.
Die Präbende bestand aus dem gemeinschaftlichen Ertrag
der Zehnten, Renten und Emphyteusen, an denen jeder Chor-
herr seinen verhältnismäßigen Anteil zu besprechen hatte,
Welcher Art diese Einkünfte waren, geht am besten aus einem
zwischen dem Kapitel und dem Einnehmer der Herrschaft
Thann, dem Bürgermeister Job, am 23. September 1745 abge-
schlossenen Pachtvertrage hervor. Durch diesen Akt trat das
Stift seine sämtlichen Einnahmen auf die Dauer von neun Jahren
um einen jährlichen Zins von 11000 fr. pachtweise ab!. Der
Bischof wollte anfänglich mittels Schreiben vom 25. Oktober
1745 den Vertrag nicht anerkennen, da eine Verpachtung auf
solch lange Zeit hinaus einer Veräußerung von Rechten gleich-
komme?, welche zu seiner Kompetenz gehöre, genehmigte dann
aber doch die getroffene Vereinbarung. Als gemeinsame Ein-
nahmen sind in dem Vertrage aufgeführt:
4. Der Zehnt von Korn und Wein in den Gemarkungen
von Thann und Altthann und zwar von allen vier Getreidearten
nach St. Amariner Maß, sowie von Kartoffeln, Bohnen, Raps
1 St. Arch. 6 zu 1714.
2 Die Zehnten pflegten sonst jährlich in den pflichtigen Gemein-
den in den Gemeindehäusern, zu Thann und Altthann im Kapitels-
- hause verpachtet zu werden. Bez. Arch. Lade 9.
— 116 —
und anderen Lebensmitteln, gesät oder gepflanzt und dem Stroh.
Der Zehnt ist belastet mit einer Abgabe von je 4 MaB Weizen
und Roggen für die Propstei, von 2 Maß Weizen und 5 Maß
Roggen für die Kantorei, von 4 Maß Roggen für die Kustodie,
ferner von je 1 Maß Weizen und Roggen für den Aktuar. Der
Weinzehnt ist belastet für die Herrschaft mit 120 Maß Weiß-
wein und für die Propstei mit 20 Maß, wovon aber 10 Maß
nicht entrichtet werden, wenn eine Präbende vakant ist. Der
Pfarrer von Niederaspach hat für seine Kompetenz 30 Maß und
von einer Rente 2 Maß Wein zu besprechen!.
2. Eine Rente in Wein zu Thann und Altthann von un-
gefähr 14 Maß, von welcher der Herrschaft jährlich 3 Maß, der
Bürgerschaft 2 Maß zu Fronleichnam zukommen,
3. Der Kornzehnt von Erbenheim nach St. Amariner Maß,
desgleichen der Zehnt von Früchten und Lebensmitteln.
4. Der Getreidezehnt von Oberaspach von allen vier Arten
nach gleichem Maß mit Ausnahme der Erbsen, welche nach
den Statuten dem Kantor und dem Pfarrer daselbst gehören.
Der Zehnt ist belastet mit 5 Maß Weizen und 5 Maß Hafer für
den Pfarrer, dem auch der Weinzehnt gebührt.
9, Dreiviertel des nàmlichen Getreidezehnts zu Niederaspach,
wovon das letzte Viertel dem Kloster Arlesheim gehórt, nach
Thanner Maß, sowie der Früchte und anderen Lebensmittel?,
6. Der Getreidezehnt von Eglingen der nämlichen Frucht-
sorten nach Altkircher Maß, belastet für den Pfarrer mit je
26 Mab Spelt, Roggen und Hafer und für die Propstei mit
100 Garben Stroh.
7. Der Wein- und Getreidezehnt zu Dornach3 und Eschenz-
weiler ; dem Kapitelsmeier des letzteren Dorfes gebührt die Hälfte
! Der Zehnt von Thann und Altthann stand dem Kapitel nicht
kraft Verleihung dureh das Haus Habsburg, sondern als Rektor der
Pfarrei zu.
? Im Jahre 1603 bezog das Kapitel noch den ganzen Zehnt vi-
sites ecclésiastiques Le doyenné du Sundgau von Schickelé, S. 21.
3 Bez. Arch. Lade 17. Am 19. April 1610 zedierte das Kapitel
dem Herrn von zu Rhein und «seinen männlichen Nachkommen die
Hälfte des groDen Zehnts in Wein und Getreide unter der Auflage,
die Hálfte des Chors nebst Zubehór in gutem Stand zu erhalten und
jahrlich dem Einnehmer der Abtei Lützel zu Mülhausen je 8|4 Korn
und Hafer zu liefern». Die letzten gróDeren Reparaturen an der
Kirche zu Dornach wurden 1779 vorgenommen.
—
— 17 —
des Zehnts von Raps, Hanf und Heu fir die Haltung des Zucht-
stieres und des Ebers. :
8. Der Zehnt der Pfarrei Traubach und zwar die Hälfte
des Kornzehnts zu Obertraubach, des vierten Teiles in Nieder-
traubach und Gevenatten, und der Hälfte von Brugeaumont.
Den gleichen Zehnt hat das Kapitel vom Raps, den Kartoffeln
und anderen Feldfrüchten, ebenso vom Hanf, von welchem es
dem Pfarrer 32 Pfund abgibt. Der Zehnt ist belastet zugunsten
des Pfarrers mit je 12 Maß Roggen, Hafer und Spelt.
Mitzehntherren in dieser Pfarrei waren die adelige Damen-
abtei Masmünster, das Damenstift Schónensteinbach, das Stift
St. Morand, das Hochstift Basel und die Herren von Reinach !,
Mit letzteren schloß das Kapitel am 10. November 1700 zur Bei-
legung eines gegen dieselben angestrengten Prozesses einen Ver-
gleich, durch den sich diese Edeln verpflichteten alljährlich 10/4
Frucht in den Kapitelskasten zu Thann zu liefern. Der Zehnt
des Kapitels wurde vom Hochstift Basel bestritten, aber durch
eine Abmachung vom 31. März 1512 anerkannt.
9. Eine jährliche Rente von der Mühle zu Brünighofen mit
8 Maß 3 Scheffel Weizen und ebensoviel Roggen, welche der:
Müller auf seine Kosten jährlich zwischen Martini und Weih-
nachten nach Thann zu liefern hatte, sein einziger Lohn be-
stand in 2 kleinen Broten und 2 Töpfen Wein.
Diese Mühle wurde 1429 nebst Dependenzen als Erblehen
an die Edeln von Brünighofen gegen 17/4 und 1/2 Korn und
Roggen sowie 6 Schilling Geldzins abgetreten, und am 18.
November 1660 als Emphyteuse an den Junker gleichen Namens
verkauft. Ende des 16. oder anfangs des 17. Jahrhunderts ver-
fiel die Mühle, worauf man sie dem Müller Heinrich Kiene
von Enschingen gab, von dem sie wieder in das Eigentum des
Edeln Ludwig von Brünighofen kam. Dieser trat dieselbe als
Erblehen dem Bürger Hofscheurer von Dammerkirch ab unter
der Auflage sie in gutem Stand zu unterhalten und zurückzu-
geben mit dem Beding auf seine Kosten eine Oelmühle daran
1 Vergleich zwischen St. Morand und dem Kapitel, St. Arch. 1
zu 1512. Vertrag zwischen der Herrin von Lümbschweiler, einer
v. Reinach und dem Stift, St. Arch. 1 zu 1442. Vereinbarung des
Kapitels von Blotzheim mit dem Stift St. Amarin 1404. Bez. Arch.
Register der weggeschafften Urkunden und Serie G.
— 118 —
zu bauen. Der Rechtsnachfolger des Hofscheurer ein gewisser
Anton Lindauer von Brünighofen zahlte seine Rente nicht, und
mußte 1736 das Anwesen an den Bürger Haßler von Bettendorf
verkauft werden. 1750 starb der letzte des Geschlechts derer
von Brünighofen und vermachte die Mühle testamentarisch dem
Herrn v. Berckheim, der sie unter Wahrung der emphyteusischen
Rechte weiter veräußerte. Der letzte Besitzer bei Ausbruch der
Revolution war der Baron Gohr aus Wattweiler!.
10. Eine Art Grundrente zu Eschenzweiler, herrührend
vom sog. Seelgut, welches 1430 der Schaffner der Stadt Thann
Hans Theobald Agstein dem Stift geschenkt hatte, mit einem
Ertrage von 12 Maß Roggen und ebensoviel Hafer Mülhauser
Maß, wovon der im Dorfe ansässige Kapitelsmeier für Unter-
haltung der Zuchtstiere und des Ebers je 2 Maß Roggen und
Hafer anzusprechen hat und den Rest nach Thann liefern muß,
11. Die jährliche Abgabe des Lehens von 81 Juchert ge-
nannt Widumgut von Dornach, welche die Familie von zu
Rhein als Rechtsnachfolgerin der ausgestorbenen Edeln von
Dornach mit je 12 Maß Roggen und Hafer in den Kapitel-
speicher zu liefern hat, wogegen das Kapitel dem Fuhrmann
Wein und Brot verabreicht 2.
19. Eine Kornrente zu Niederspechbach von ungefähr 12
Maß, welche der Kollektor gegen einen Lohn von 3 fr. und
. 2 Pot Wein nach Thann zu bringen hat.
13. Eine andere kleine Getreiderente von je2 Maß Roggen
und Hafer zu Oberburnhaupt, wovon dem Pfarrer von Thann
1 Maß und dem Einsammler 20 sols oder ein Mittagessen für
die Lieferung nach Thann gebührt.
14. Eine Abgabe des Zehnts zu Balschweiler mit je 8 Maß
Roggen, Hafer und Spelt. Der Fuhrmann erhält eine einfache
Beköstigung für das Verbringen in den Kapitelsspeicher?.
15. Die Abgaben der Dinghöfe von Oberaspach, Brünighofen
und Reiningen. Wie andere Grundbesitzer hatte auch das
1 Bez. Arch. Lade 15.
2 Lehensverträge Staats-Arch. 1 zu 1593; Bez. Arch. Register
der aufbewahrten Urkunden.
3 Der Zehnt ist durch Vertrag zwischen der Aebtissin Verena
Gräfin von Fürstenberg und dem Kapitel vom 28. Juli 1467 aner-
kannt. Staats-Arch. zu 1467. Durch Urteil des conseil souverain zu
Breisach von 1679 wurde die Abtei verurteilt den Zehnt zu ent-
richten, als sie sich geweigert hatte.
— 119 —
Stift seit uralten Zeiten seine in diesen Gemarkungen gelegenen
Aecker, Wiesen in größeren Teilen zu Zinslehen verpachtet,
unter der Bedingung die Güter in gutem Stand zu unterhalten
und gegebenenfalls wieder an den Eigentümer zurückzugeben.
Der Zins bestand teils in Geld teils in Produkten. Zu jedem
Zinslehen gehörte ein Hof, in welchem ein Gericht an-
geordnet war, das über alle die verschiedenen Zinstehen be-
treffenden Angelegenheiten Recht zu sprechen hatte. Ein sol-
cher Hof war der Dinghof und die Rechte und Gewohnheiten,
nach denen das Urteil gesprochen wurde, hießen die Dingrodel.
Die Dinghofrodel von Oberaspach aus dem Jahre 1588
sind wenig ausführlich und enthalten eigentlich nur den Eid des
Dinghofmeyers, ohne sonst über die Verpflichtungen der Huber
etwas zu bestimmen!. Nach dem Pachtvertrag mit dem Ein-
nehmer Job ertrug die Erbpacht 33 Maß Roggen und 31 Maß
Hafer, wovon für den Kapitelsmeyer jährlich 12 fr. in Geld
und je 2 Maß Roggen und Hafer für die Haltung des Stieres
und des Ebers zu enfrichten sind. |
Die Rodel von Deckweiler aus dem Jahre 1497 gehören
zu den ausführlichsten des Elsasses, indem sie nicht allein
über die Pflichten des Meyers, sondern auch über die Ein-
nahmen des Stifts, über die Rechte des Propstes und die
Sitzungen sowie die Verpflichtungen der Huber und des Stifts,
ersteren gegenüber bei Ablieferung der Pacht handeln?. Wie
schon oben erwähnt wurde Deckweiler zerstört, und gehört
heute sein Bann zu Reiningen. Die Huber hatten zur Zeit ‘des
Pachtvertrages noch 13 Maß Roggen und 16 Maß Hafer auf
Martini- in den Kapitelsspeicher nach Thann zu liefera und
gibt das Kapitel den Einsammlern ein Mittagessen und dem
Meyer ein Maß Wein, Wird der Pachtzins nicht rechtzeitig
auf einfache Mahnung abgeliefert, dann erhält der Meyer nichts,
die Fuhrleute bekommen an Stelle eines Mittagsmahls nur einen
Topf Wein und ein kleines Brot. Die Rodel von Brünighofen
angeblich von 1510 in Wirklichkeit aber aus der Zeit vor
1441, wie schon aus dem Anfang hervorgeht, «Diss sindt die
recht, die die Herren von sant Amarin handt» stammen, bieten
! Bez. Arch. G. 15. Anlage 15, Abdruck aus den Weistümern
des Elsasses von Stoffel S. 110.
? Daselbst E. 15, Anlage 16, Abdruck aus Stoffel S. 100.
— 120 —
einige Eigentümlichkeiten !, Die Erbpacht daselbst bringt dem
Kapitel 31 Maß Roggen früher auch Dinkel ein; der Meyer
hat die Zinsen nach Thann zu bringen und erhält für seine
Mühe 5/4 Hafer. Der Fuhrmann bekommt 4 Pot Wein und
4 sol für Brot.
Außer den Zehnten und sonstigen Renten wurden die
Einnahmen der Kirchenfabrik aus Kapitalien, welche von ver-
schiedenen Personen ausgeliehen waren, mitverpachtet. Von
den Geldzinsen kamen in Abzug, das Gehalt des Propstes mit
133 fr. 6 sols, des Punktators mit 10 fr., der Sacellanen mit
48 fr. 9 sols und des Kustos mit 20 fr. Das Kapitel hatte
noch Einkünfte in Geldzinsen, herrührend aus der Fraternei,
von über 550 fr., welche es ebenfalls dem Pächter abtrat unter
der Bedingung, zu Weihnachten oder Neujahr 500 fr. an die
Kanoniker und Sacellanen zu zahlen, welche daran Anteil
hatten ; diese 500 Pf. durften am Pachtschilling in Abzug
kommen.
Zahlbar waren die Termine stipuliert der erste mit 3375 Pf.
vierzehn Tage nach Unterzeichnung des Pachtvertrags, der
zweite, genannt derjenige der Spezialien, zu Mariä LichtmeB
mit 2919 Pf., der dritte zu Pfingsten mit 2910 Pf. und der
vierte, welcher der Fabrik gehörte, mit 1300 Pf., sowie der
Zwischentermin, an dem die Sacellanen Anteil hatten, zu
Weihnachten oder Neujahr mit 500 Pf.
Der Pächter hat'im Falle von Hagel, Unwetter und Kriegs-
verheerungen nur dann Anspruch auf Herabsetzung des Pacht-
zinses, wenn im Laufe eines Jahres der Schaden in sämtlichen
Gernarkungen mehr als 24 Maß Getreide und mehr als 24 Maß
Wein beträgt und’ zwar auf folgender Grundlage. Das Mab
Weizen wird mit 10 Pf., das Korn mit 7 Pf., die Gerste mit
6 Pf. und der Hafer mit 3 Pf. berechnet, für alle Gemarkungen
gilt dies gleichmäßig. Der Wein von Thann und Altthann
wird mit Rücksicht auf die Güte des Rangen zu 6 Pf. und
derjenige von Dornach ‘und Eschenzweiler zu 3 Pf. für die
ganze Pachtdauer ohne Rücksicht auf die Qualität veranschlagt.
Das Kapitel muß dem Pächter das Kapitelhaus zu Thann mit
den Kellern, Speichern, Keltern, Fässern, Bottichen und allen
sonstigen zur Weinlese nötigen Gerätschaften und die in den
1 Anlage 17, Abdruck S. 41.
-
— 11 —
Scheunen zu Thann und Eschenzweiler befindlichen Utensilien
zum ordnungsmäßigen Betrieb überlassen, dagegen verpflichtet
sich der Pächter dieselben am Schlusse der Pachtzeit wohl-
erhalten zurückzugeben.
Aus diesem Pachtvertrage sowie einer Notiz über die Ein-
künfte des Jahres 1777, worin dieselben mit 10590 Pfund an-
gegeben sind !, geht klar hervor, daß der Ertrag der Pfründen
zu damaliger Zeit ein geringer war, und eine Präbende nicht
ganz 1000 Pfund einbrachte. Das Stift Thann gehörte eben
nicht zu den reichen? und muß es daher auffallen, daß die
Stellen so begehrt waren; diese Tatsache läßt sich wohl nur
daraus erklären, daß es noch schlechtere Kanonikate im Elsaß
gab. Ein gewisser Titus bot sogar für seine Aufnahme in das
Stiftskapitel 1000 Taler, verlangte aber von der Residenzpflicht
in Thann entbunden zu werden, wozu er die erforderliche
Erlaubnis der geistlichen Obern nicht erhielt3, Noch einige
Angaben über das Einkommen der Pfründen finden sich,
welche deutlich zeigen, daß Thann schwach dotierte Kanonikate
hatte4 Im Jahre 1470 soll nach dem Bericht der burgund-
ischen Kommission eine Präbende 30 Pfund Basler Währung
eingetragen haben (et peult avoir chascune prebende 30 livres
balois chascun an5), 1687 wird der Ertrag auf 304 Pfund 6
und nach dem Visitationsprotokoll von 1706 auf 80/4 Frucht,
60 Ohm Wein, sowie 30 Pfund in Geld aus den Anniversarien
angegeben. 1759 mußte der Propst Gobel, sogar vorschlagen,
daß man zur Erhöhung der Präbenden, wie dies sonst in
Deutschland seit der Reformation üblich und auch bereits
1 Schickelé état de l'église d'Alsace II partie S. 15.
? Andrer Meinung mit Unrecht Ingold miscellana Alsatica
S. 110.
3 St. Arch. 182 zu 1703.
4 Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, neue Folge X,
S. 507. «Thann hatte sehr dürftig dotierte Kanonikate, manche
davon dienten zur Ausstattung von fremden, nicht residierenden
Geistlichen, so hatte der spätere Basler Weihbischof Franz Beer
schon in jungen Jahren ein Thanner Kanonikat». An anderer Stelle
XVIII, S. 89 Franz Baer, Weihbischof von 1590—1611 hatte schon
mit zwanzig Jahren ein Kanonikat erhalten, das aber nicht viel
einbrachte.
5 Rapport Contault fol. 23.
6 St. Arch. 35 zu 1442.
— 122 —
in den Statuten von 1610 vorgesehen gewesen sei, das Alter
des Aufzunehmenden auf das 14, Jahr herunter und die Karenz-
zeit auf 8 Jahre hinaufsetzen solle. Vor der Revolution ertrug
ein Kanonikat nur noch 600 fr.
Vor den Bauern- und Türkenkriegen war der finanzielle
Stand des Stifts ein verhältnismäßig günstiger, und konnte
das Kapitel den, österreichischen Erzherzösen größere Summen
gegen hypothekarische Verpfändung zinstragend vorschießen.
Nach einer Aufstellung des Propstes Poumier vom 29. Dezember
1790 an das Direktorium zu Belfort sollen diese Darlehen und
Bürgschaften sich auf 47890 fl. gleich 120000 fr. belaufen
haben!; ob diese Angaben den Tatsachen entsprachen, mag
dahin gestellt bleiben. Die Zinsen zu fünf Prozent seien an-
geblich von den Herzögen bis zum westfälischen Frieden jähr-
lich bezahlt worden. Nach dieser Zeit hätte sich der König
von Frankreich nicht mehr für verpflichtet gehalten, dieselben
zu entrichten, und schlug das Kapitel der Regierung zu Colmar,
als der Jesuitenorden durch kgl. Dekret von 1764 aufgehoben,
und die Angehörigen aus Frankreich vertrieben worden waren,
vor, ihm das verlassene Kloster Oelenberg als kleine Deckung
für die obige Darlehnssumme zu inkorporieren. Die Motivierung
dieser Bitte ist eigenartig. Es heißt darin, daß als 1538 nach
den Bauernkriegen die Mönche von Oelenberg sich in die
Städte Basel und Mülhausen zurückgezogen hätten, sei der
Propst ein alter Greis in sein Wohnhaus nach Thann gezogen,
habe dort viel mit den Chorherren verkehrt und seinen Sitz
bei ihnen irn Münster gehabt. Dieser habe 1540 den Vorschlag
gemacht die Einkünfte des Oelenberg dem Stift zu unieren,
wem dies Projekt der Inkorporation gemacht wurde, sagt
der Bericht vorsichtigerweise nicht. Gegen den Vorschlag
hätten die Jesuiten bei Kaiser Ferdinand unter dem Vorwand
Einspruch erhoben, daß ihre 1450 gegründete Universität
Freiburg nicht hinreichend dotiert sei, um die Professoren zu
bezahlen, und sieh ätten tatsächlich erreicht, daß die Einkünfte
von Oelenberg 1558 ihrem neugegründeten Kolleg zugewiesen
wurden. Die Regierung solle, wie in der Bittschrift weiter
ausgeführt wird, das Geld nicht außer Landes gehen lassen ;
Thann läge dem Kloster sehr nahe und sei es deshalb ange-
1 Bez. Arch. Band 26 u. 13.
— 123 —
bracht, die Propstei ganz oder teilweise dem Stiftskapitel zu
unieren. In Colmar ging man auf das Begehren des Kapitels
nicht weiter ein, da die in der Schrift geltend gemachten
Gründe mit den geschichtlichen Tatsachen nicht in Einklang
standen,
Aus der Fabrikkasse mußte das Stift die nachbezeichneten
Ausgaben bestreiten nämlich die Unterhaltung des Pfarrhauses
und des Stiftshofes zu Thann, des Chores und der Sakristei
zu Altthann, des Chores, des Turms und der Sakristei zu Ober-
aspach und des Pfarrhofes daselbst, die nämlichen Baulasten
zu Niederaspach, Eglingen und Eschenzweiler, sowie des Chores,
der Sakristei, des Turmes und des Pfarrhauses zu Traubach
zu einem Drittel. Die Unterhaltung dieser Gebäude vollzog das
Kapitel nur äußerst nachlässig und mußte in jedem einzelnen
Falle durch den Bischof oder die weltlichen Gerichte dazu ge-
zwungen werden.
In Obertraubach war der Pfarrhof 1749 so schlecht, daß
Diebe ohne Schwierigkeit durch die Backstube eindringen und
in der Küche stehlen konnten, im Jahre 1752 war das Pfarr-
haus nicht mehr zu bewohnen. Erst 1782 wurde die Kirche,
der Turm, die Sakristei und der Pfarrhof mit einem Kosten-
aufwand von 15,000 Pfund in Stand gesetzt!. In Eglingen
nahm das Kapitel 1747 größere Reparaturen an dem Pfarr-
hause vor, wozu es mangels Mitteln eine Hypothek an seinen
Liegenschaften bestellen mußte; 1777 wurde das Chor daselbst
hergestellt2. Für Eschenzweiler ordnete am 1. April 1757 der Bi-
schof an, daß die Kirche vergrößert würde. Um in Nieder-
aspach ein neues Pfarrhaus bauen zu können, verkaufte das
Stift mit bischöflieher Genehmigung einen ihm gehörigen da-
selbst gelegenen großen Wald an die Gemeinde unter der
Bedingung, das Pfarrhaus, dessen Baukosten auf 5000 Pfund
veranschlagt waren, dafür herzustellen und dem Kapitel
1000 Pfund zu zahlen 3. In Oberaspach mußte das Stift auf den
1 Bez. Arch. Lade 21.
2 Schickelé, Doyenne du Sundgau S. 51. Visitation der Kirche
von Eglingen 1603, in der Kirche und der Sakristei läßt alles zu
wünschen übrig‘.
3 Daselbst S. 21. Die Kirche und die Sakristei zu Niederaspach
befindet sich in einem traurigen Zustand.
Das Patronatsrecht der Kirche von Niederaspach gibt Abt An-
— 194 —
Bericht des mit der Untersuchung beauftragten Pfarrers Hell
aus Hirsingen hin 1765 das Chor reparieren und vergróDern,
sowie eine Monstranz und die nötigen Paramente anschaffen;
4774 ordnete der Bischof, da der alte Turm einzustürzen
drohte, an, daß derselbe bis zum Fundament abgerissen und
neu gebaut würde, um so mehr, als das Chor viel zu klein sei.
= Zu diesen Ausgaben an Pfarrhäusern und Kirchen, an
welch letzteren das Kapitel das Patronatsrecht mit Ausnahme
von Eglingen, wo der Propst präsentationsberechtigt war},
hatte, und welches Recht binnen Monatsfrist ausgeübt werden
mußte, widrigenfalls es an den Bischof als Ordinarius fiel,
kamen die Aufwendangen für den Wein der Osterkommunion,
die Lichter für die Anniversarien nach altem Brauche, während
die Lieferung des Meßweines und die übrige Beleuchtung des
Münsters der Kirchenfabrik oblag. Außer diesen Pflichtaus-
gaben hatte das Stift gewisse freiwillige Ausgaben übernommen
und zahlte z. B. ähnlich wie die Stifte Colmar und Rheinfelden
für das gegen 1600 vom Weihbischof Franz Beer zu Bruntrut
gestiftete Jesuitenseminar den für seine Verhältnisse hohen Be-
. trag von 30 fl. jährlich 2, daneben leistete es an arme Stu-
dierende kleinere Stipendien,
Im dreißigjährigen Krieg finden wir das Kapitel mit be-
deutenden Summen zu den Kontributionen herangezogen. So
verlangt es für die von zwei Landtagen in Ensisheim be-
willigten Kosten, an denen es 1000 fl. beizutragen hatte, die
bischófliche Genehmigung zur Aufnahme des Kapitals. Aus
dem das Gesuch befürwortenden Schreiben des Fiskals zu Alt-
kirch geht hervor, dab dem Stift 1620 ein Betrag von 2550 fl.
in vier Terminen zahlbar, nebst der ordentlichen Schatzung
von 300 fl. auferlegt wurde, und daß der Landtag zu Ensis-
heim 1621 durch seine drei Stände einen neuen Zuschuß gut-
ton von Lützel 1477 dem Kapitel gegen 6 fl. rheinisch auf Peter
und Paul. 1478 genehmigte der Bischof die Abmachung gegen
2 fl. jährlich auf Martini. Bez. Arch. Register der weggeschafften
Urkunden.
1 Vertrag von 1322. Bez. Arch. Serie G.
2 Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XVIII, S. 94.
Nach einer Notiz waren es 1607 nur 30 Pfund. Bez. Arch. Lade 10.
Der Vater Franz Beer war 1550 Schaffner zu Thann. 1515 ein
Michael Beer Stadtschreiber daselbst. Thanner Chr. III, S. 133, 134.
— 195 —
hieB, wovon das Stift in vier Terminen wiederum 2200 fl.
aufzubringen hatte.
Ueber die späteren Beiträge des Kapitels im Verlauf die-
ses Krieges haben wir keine weiteren Aufzeichnungen und
Nachweise finden kónnen, doch ist sicher, daB nachdem
für den Anfang dasselbe schon mit solchen Summen veranlagt
war in der Folge dieselben sich noch erhóht haben werden.
Als die franzósische Regierung zur Deckung der riesigen
Staatsschulden durch ein kónigliches Dekret von 1749 das soge-
nannte Zwanzigstel einführte, entfiel auf die Geistlichkeit des
Oberelsasses ein Betrag von 100 000 fr., wovon in der Sitzung
vom 28. Juni 1756 dem Stift 1573 fr. 10 sols, zahlbar in zehn
Jahresterminen, auferlegt wurden. Zum Jahr 1777 wird das
freiwillige Geschenk an den Kónig don gratuit auf 1192 Pfund
10 B 5 sols angegeben !.
Die gemeinschaftlichen Früchte des Stifts mit Ausnahme
der Spezialien und Chorpräsenzen wurden in zwölf gleiche Teile
geteilt, von denen die Masse zwei Teile vorwegnahm, und jeder
Chorherr, falls keine Karenzen vorhanden waren, seinen Teil er-
hielt (plures nunquam suscipi possunt, quam decem canonici
antiqua tamen consueta duodecim portionum divisione reservata).
An der Präbende hat nur der -Kanoniker teil, welcher seine
Karenzzeit erfüllt hat und in Thann residiert. Für die Karenzen
gelten folgende Vorschriften : Innerhalb der Zeit von vier Jahren
braucht der neu aufgenommene Chorherr nicht zu residieren,
hat aber dafür keinen Anteil am Erträgnisse der Früchte (S 8
pars prima statutorum 1642. Decernuntur quattuor anni caren-
tiae quibus nec residere nec fructuum participes erunt. Vor
den Statuten von 1642 hatte der neue Kanoniker in den ersten
zwei Jahren die Hälfte des corpus nebst den täglichen Distri-
butionen zu besprechen, daher der Ausdruck, «es heißen diese
Jahre nicht. Karenzjahre darum, weil der Chorherr nichts
empfanget, sondern, weil er nur den halben Teil des corpus
genießet2.» Durch ein bischöfliches Dekret vom 5. März 1757,
welches auf erhobene Beschwerde des Kapitels vom Metropoliten
bestätigt wurde, sollten die Vorschriften über die Karenzen auf
den Pfarrer nicht anwendbar sein. Die Statuten von 1430 hatten
1 Schickelé, Etat de l'église d'Alsace, S. 15.
2 St. Arch. 4 zu 1706.
— 126 —
nur zwei Karenzjahre vorgesehen (item quod quilibet recipien-
dus et admittendus in canonicum et confratrem carebit duobus
annis integris a die, quo pacificam adeptus fuerit possessionem
omnibus fructibus grossis puta corpore praebendae)!. Die Ka-
renzzeit begann mit dem Tage der erlangten Investitur und nicht
schon mit der Ernennung zum Kanoniker?. Die Ersparnisse,
welche das Stift infolge der Karenzen erzielte, fanden im Laufe
der Zeiten die verschiedenartigste Verwendung. Während ur-
sprünglich die ganze Karenz der Kapitelsmasse zufiel, wurde
1716 nur die Hälfte an letztere abgeführt3, und die andere Hälfte
zwischen den residierenden Chorherren zur Verbesserung ihres
Einkommens geteilt mit der Motivierung, daß die Kanoniker zu
Thann nicht wie in anderen Kollegiatstiften eigene Wohnhäuser
besäßen und alle häuslichen Bedürfnisse, selbst das Helz, auf
eigene Kosten sich beschaffen müßten. Spater4 gehörte der
dritte Teil der Karenzen der Kapitelsrnasse und diente zur
Deckung außerordentlicher Ausgaben und Schulden des Kapitels;
nach den Aufzeichnungen des Propstes Gobel sollen in den
Jahren 1733—1741 auf diese Weise der Masse 5599 livres zu-
geflossen sein. Schließlich bestimmte ein Reglement des Bischofs
Josef Wilhelm 17595, daß die Karenzen wieder völlig der Masse
zufallen müßten, da das Stift sehr viele Schulden zu decken
hatte; nur 52 livres sollte jeder Chorherr zu seiner Kompetenz
erhalten. Da trotzdem die ganze der Masse zugewiesene Karenz
zur Tilgung der Schulden des Stifts, welche 1759 10 000 livres
betrugen, nicht ausreichte, ermächtigte der Bischof gleichzeitig
das Kapitel, während sechs Jahren die zwei sich erledigenden
Pfründen frei zu lassen mit der Maßgabe, daß alle Einkünfte
derselben der Masse uniert würden.
Der Genuß der Präbende war an die Einhaltung der Resi-
denz gebunden. Für die Residenzpflicht galten folgende Vor-
schriften: Der erste Tag der Residenz ist Allerheiligen 6, und
muß an diesem Tage der neu aufgenommene Chorherr, der
1 Bez. Arch. Straßburg.
2 St. Arch. 5 zu 1726.
"8 St. Arch. 4 zu 1706.
4 Visitationsprotokoll 1759.
5 St. Arch. 78 zu 1714.
6 Auch das Jahr des Pfarrers beginnt mit dem nämlichen Tage
nach Kapitelsbeschluß, St. Arch. 50 zu 1377.
— 197 —
seine Residenz beginnen will, zu den ersten Vespern auf seinem
Platz im Chor anwesend sein. Zur gewöhnlichen Residenz ist
nur der Presbyter qualifiziert; ist der Residierende aber schon
Subdiakon, und wird er im Laufe seines Jahres zum Priester
geweiht, dann kann er vom Pfründegenuß nicht ausgeschlossen
werden. Der Kanoniker, welcher zum angegebenen Zeitpunkt
seine Residenz angetreten hat, muß im Laufe des Jahres neun
Monate zu Thann weilen!; es ist nicht gerade erforderlich, daß
er ununterbrochen neun volle Monate residiert, sondern es ge-
nügt, wenn er 270 Tage anwesend ist und während dieser Zeit
dem täglichen Gottesdienst, den Matutionen und allen Horen,
sowie dem Hochamte beiwohnt2, Damit nicht gleichzeitig zu
viele Kanoniker in Urlaub gehen und der Gottesdienst hierdurch
Störung erleidet, muß dem Propste von der Abwesenheit Bericht
erstattet werden. Wenn die Residenz durch Verschulden des
Kanonikers unterbrochen wird, so ist dieselbe im nämlichen
Jahre nachzuholen. Ist der Chorherr aber durch Krankheit
oder sonstige legitime Ursache verhindert, so hat er vom Propst
Dispens zu begehren. Wird dieser nicht erteilt, weil nach An-
sicht des Propstes die geltend gemachten Gründe nicht hin-
reichen, dann muß der Kanoniker im folgenden Jahre soviele
Tage zufügen, als er im vergangenen Jahr weniger als 270 Tage
residiert hat.
Außer der Präbende gab es noch gewisse Einkünfte, die
sogenannten Spezialien, an welchen diejenigen Kanoniker teil-
nahmen, die persönlich ihren Dienst verrichteten und volle neun
Monate residierten (praeter praebendam quae ex commnibus fruc-
tibus singulis contingit, habebunt soli interessentes et plene
parlicipantes etiam quaedam specialia). Zu diesen gehörten das
Getreide von der Mühle zu Brinighoffen, der Rangenwein, der
Rotwein vom Zehnten in Thann, der Weizen in den beiden
Aspach, die jährlichen Einkünfte zu Eschenzweiler (vom soge-
nannten Seelgut), das Gemüse zu Traubach und einige Hühner
und Kleien. In den Statuten von 14303 war nur der Hotwein,
das Getreide von Brinighoffen und die Abgabe von der Mühle
1 Statuten von 1642 und sessio 24 cap. 12, Trid. conc.
3 Durch das bischófliche Reglement vom 29. Oktober 1760 wurde
die Residenzpflicht auf 46 Wochen erhöht.
3 Bez. Arch. Straßburg.
— 128 —
zu St. Amarin, die Einkünfte von Eschenzweiler, Gerste, Hühner
und Kleien unter die Spezialien gerechnet. Ausgeschlossen von
dem Genusse dieser Spezialien waren diejenigen Chorherrn,
welche zur Zeit der Verteilung! nicht mehr am Leben waren,
sowie diejenigen, welche verschuldet oder unverschuldet noch
nicht zum Priester geweiht waren. Wurde der Kanoniker im
Laufe des Jahres vor der Verteilung geweiht, so waren ihm
nach verschiedenen bischöflichen Entscheidungen diese Einkünfte
voll und ganz zuzuweisen 2,
Die Erträgnisse der Spezialien waren recht geringe nach
dem Visitationsprotokoll von 1716 ergaben sie insgesamt 24/4
Weizen und 5/4 Korn, 2/4 Hafer, 9 Ohm gewöhnlicher Wein,
18 Ohm Rangenwein und 6 Ohm Rotwein ; die Hühner und
Kleien waren weggefallen.
Vom Bestand der Präbenden wurde jedes Jahr nach Vor-
schrift des tridentinischen Konzils der dritte Teil abgezogen
und zu den täglichen Verteilungen in der Weise verwendet,
daß an diesen nur die Chorherren teilnehmen konnten, welche
persönlich dem Gottesdienst anwohnten und ihre Funktionen
richtig erfüllten. Wer die Distributionen gewinnen wollte, mußte
vor Ende des ersten Psalmes in allen Horen und vor Ende
des Kyrie eleison bei dem feierlichen Gottesdienst auf seinem
Platze sein und bis zum Ende daselbst verweilen. Wenn ein
Chorherr öfters ohne genügende Entschuldigung fehlte, so
konnte das Kapitel außer mit Geldstrafen auch mit Kirchen-
strafen gegen denselben vorgehen. Die Distributionen, welche
jemand durch Abwesenheit oder zu spätes Kommen verlor,
wuchsen den Anwesenden zu, daher der Name Präsenzen ;
‚dieselben sollten dazu dienen den Eifer der Chorherren zu er-
höhen. Bemerkenswert ist, daß im Thanner Stift schon vor dem
Tridentinum nämlich seit 1433 + jährlich 7 Plaustren zu je 20
Ohm Wein und 30/4 Weizen zu den täglichen Distributionen
verwendet wurden5, ein Gebrauch, den das Konzil lobte und
allgemein durchführte. Während früher aus den Präsenzen
1 Die Verteilung der Frucht erfolgte zu Martini, die des Weines
gegen Weihnachten.
2 St. Arch. 1 zu 1726.
3 sessio 22 cap. 3 und sessio 21 cap. 3 Trid. conc.
4 Bez. Arch. Serie G.
9 Staats-Arch. 1 zu 1442.
— 129 —
Kapitalien auf Zinsen ausgeliehen werden konnten, so z. B. 1566
an Herzog Ferdinand 1000 fl. Hauptgut unter Verpfändung
der Salzpfannen Hall in Tyrol und 1570 an denselben 800 fl.
Hauptgut gegen Verpfändung aller Grafschaften Tyrols, warfen
sie später hin wenig ab und betrugen 1609 für einen fleißigen
Chorherrn nur 100 Pfund. An den Einkünften der Spe-
zialien und Distributionen nahmen selbst die Chorherren teil,
welche wirklich krank waren und bei achttägiger Abwesenheit
ein ärztliches Zeugnis beibrachten, diejenigen, welche zur
Wiederherstellung ihrer Gesundheit auf Anraten des Arztes
ein Bad besuchten, ferner die, welche in Kapitelsgeschäften
abwesend waren, Der Satz, daß ein kranker Chorherr an den.
Spezialien Anteil habe, ist in den Statuten nicht ausgesprochen,
und war vom Kapitel stets bestritten, doch entschied der Bi-
schof nach längerem Schriftwechsel in einer Sentenz ohne Da-
tum wahrscheinlich aus dem Jahre 1744, daß ein solcher vom
Genuß nicht ausgeschlossen werden dürfe.
Der Chorherr, welcher abwesend sein will, ob für kürzere
oder längere Zeit, hat stets vom Propste Dispens zu begehren.
Als genügend entschuldigt galten nur die wirklich Kranken,
nicht die, welche ein Unwohlsein verschützten. Zu letzteren
gehörten alle die, welche notorische Trinker sind und daher
an Kopf- und Magenweh leiden, eine solche Entschuldigung
wäre frivol ; dann die, welche beim Spiel zusammensitzen, und
die Nacht zum Tag machen, und infolgedessen am nächsten
Morgen zu schwach sind, ebenso die, welche dem Jagdver-
gnügen huldigen oder sonst umherstreifen und davon ermüdet
sind (qui notorie vino dedicti sunt, qui capite et stomacho
saepius laborare se dicunt, haec excusatio frivola est, qui con-
viventes ludentes aut qui noctes pertrabunt et postera die lassi
et trepidi se excusare praetendunt, similiter qui venantes aut
alio modo circum vagantes defatigati et imbeciles se pro aegrotis
habent).
—
1 Die Statuten von 1642 drücken sich aus «qui praesentes non
sunt distributionibus privabuntur exceptis legitime impeditis ut sunt
aegroti (non ficti nec ex crapula) in negotiis capituli occupati
venas sibi seccare curantes vel purgationes sumentes biduum tan-
tam admissionem vel investituram petentes ordines sumentes alias
que ob causas justas ut peregrinationes necessaria balnea a capitulo
approbandas et punctatori indicandas».
SCH SILLY. , 9
— 130 —
Als genügend entschuldigt gallen die Kanoniker, wel-
che in Kapitelsgeschaften abwesend waren, und diejenigen,
welche an Hochschulen studierten oder Vorlesuugen. hielten ;
für die neugegründete Universitàt Basel z. B. hatte Papst Pius
II. eine generelie Bulle hinsichtlich der Vorlesungen erlassen.
Damit das Kapitel durch Dienstreisen der Chorherren, wo-
für dieselben auBer den baren Auslagen noch ein Honorar von
19 sols für den Tag erhielten! nicht allzu sehr beschwert
würde, hatte der Propst über die Notwendigkeit von solchen
zu entscheiden. Derselbe setzte auch die Reisekosten fest und
stand dem Kanoniker, wenn sie ihm zu gering dünkten, Be-
schwerde an den Bischof zu. Zur Entschuldigung eines. Chor-
herrn genügte es nicht sich einfach beim Punktator als ab-
wesend zu melden, sondern der, welcher abwesend sein wollte,
muBte dies dem Punktator anzeigen, der dann in der nàchsten
Sitzung die Sache vorzubringen hatte, worauf dem Kapitel die
Entscheidung der Frage zustand, ob die Verhinderung legal
war.
Nach einem Reglement des Bischofs Joseph Wilhelm wur-.
den die täglichen Distributionen eines residierenden Chorherrn
auf 249 livres jährlich festgesetzt? nach einem täglichen Satze
von 129 sols und waren die Matutinen, die große Messe, und
die Vespern auf je 2, die laudes, terz, sexte, none, das Gebet
und der Nachmittagsgottesdienst auf Je ein sol berechnet.
Verstarb ein Kanoniker nach Erfülung der Residenz mit
270 Tagen, so hatten seine Erben Anspruch auf den ganzen
Ertrag der Präbende, starb er mitten im Jahr, so stand ihnen
das Erträgnis nach Verhältnis der Zeit zu, dafür hatten sie
für die vom Pfarrer zu. haltenden Anniversarien 25 Pfund?
und die Rechte des Kapitels pro almutio 7 Pfund 10 sols zu-
rückzulassen. Außerdern fiel das superpellicium. eines jeden
*
1 Kurz vor der Revolution wurde kein Honorar mehr vergütet.
Ingold, Miscellana Alsat. S. 90.
2 St. Arch. 18 zu 1114.
8 Nach einem Dekret des Bischofs Komad: von 1716 wdi das
Kapitel ermächtigt keine-Anniversarien mehr zum Satze. von 25
Pfund anzunehmen, da dieser gänzlich unzureichend war; als Be-
trag für jedes Jahreedachtnis wurden 90 Pfund festgesetzt. Gleich-
zeitig wurde die Zahl der alten Anniversarien bedeutend | ver-
mindert, o "uU T
— 131 —
wahrend der Residenz verstorbenen Chorherrn und Sacellanen
der Bruderschaft corpus Christi zu, welche dem Protektorat
des Bischofs unterstand. Nach einem alten Brauch mußten die
Erben eines zu Thann verstorbenen Kanonikers den anwesen-
den Chorherren und Sacellanen eine ehrliche Mahlzeit reichen
oder dieselben mit 12 Batzen abfinden!.
Ein annus gratiae gab es nach den Statuten im Thanner
Stift nicht.
Sehr häufig errichteten die Chorherren eigenhändige
Testamente zur Regelung ihres Nachlasses ; für die Konfirmation
derselben erhielt der Bischof eine feste Abgabe von 12 Pfund
und an Sterbfallsgebühren 40 Pfund, die durch die Erben zu
zahlen waren.
Damit die Zahl der abwesenden Kanoniker nicht zu groß
würde, und dadurch eine Störung in den geistlichen Uebungen
eintreten könnte, bestimmten die Statuten, daß in einem
solchen Falle soviele zur Residenz gezwungen werden könnten,
als nötig wäre. Bei einer Weigerung sollte das Kapitel be-.
rechtigt sein, an der Stelle der renitenten Chorherren andere
Kanoniker zu ernennen. |
Ueber die Einnahmen und Ausgaben der Kapitelsfabrikkasse
entnehmen wir einer Aufstellung von 1759 folgende bemerkens-
werte Zahlen 2. Unter den Einnahmen sind aufgeführt die
beiden Präbenden, die statutengemäß in die Masse zu fallen
haben, .mit 1600 Pfund, der dritte Teil von zwei Karenzen
mit 533 Pfund und der Ertrag der Kapitalzinsen mit 228 Pfund,
so daß sich für die Kasse eine Gesamteinnahme von 2361 er-
gibt. Unter den Ausgaben figurieren unter anderm die
Zahlungen an den Propst mit 133 Pfund, den Prokurator mit
13 Pfund, den Einnehmer mit 100 Pfund, die Choralisten mit
40 Pfund und an zwei Kapläne mit 18 Pfund. Sehr bedeutend
sind die Herbstausgaben ?, über deren Höhe häufig Klagen
mn ——————— —
1 Testament des Propstes Willemann 1675 St. Arch. 24 zu 1562.
2 St. Arch. 163 zu 1714.
3 Ueber die Erhebung des Weinzehnts und die damit verbundenen
Kosten geben die Akten über die Zehendsachen bei der Kollegiat
zu Thann (Staats-Arch. 16C0) Aufschlüsse. Das Stift hatte hier-
nach wahrend der Dauer des Herbstes 20 bis 30 und noch mehr
Feld- oder Zehntknechte bestellt, welche den Zehnten von den Reb-
besitzern erheben und in die an bestimmten Punkten stehenden Ka-
— 132 —
geführt werden, dieselben belaufen sich mit einigen Geldzinsen
auf 325 Pfund, so daß ein Reinüberschuß von nicht gauz
500 Pfund übrig bleibt.
pitelsbüttiche bringen mußten. Zu deren Abführung waren in guten
Jahren 5 bis 6, gewöhnlich aber 3 Fuhrleute beauftragt, um den
Zehnten auf die Stiftskeltern zu bringen. Das Kapitel hatte noch 2
Männer, welche den Bann genau kannten, die man Stäbler nannte,
weil sie in der Gemarkung herumgehen die Büttiche betrachten und
deren Inhalt mit einem Stab abmessen mußten. Die Zehntknechte
und Stabler hatten bei ihrer Anstellung einen Eid zu leisten, daß
sie den Stiftsherren treue Dienste tun, ihren und des Kapitels Nutzen
fördern und Schaden sowie Nachteil abwenden wollen. Bez. Arch.
WWW 4 zu 1579. Ferner hatte das Stift noch 4 Trottknechte
und 4 Weinträger in Dienst, welch letztere nur geringen Lohn er-
hielten, aber während des Herbstes mit Speise und Trank reichlich
traktiert wurden. |
Ursprünglich mußte das Stift für jeden Tag, an welchem es seinen
Wein kelterte, der Herrschaft 8 Maß Wein entrichten; durch eine Ver-
einbarung vom 12. September 1603 wurde diese Abgabe geändert und
gab das Kapitel in Zukunft jährlich als Pauschale 3 Ohm Wein. Bez.
Arch. Lade 8.
Beim Herbste beteiligten sich die Chorherrn selbst; so schreibt
1786 der Propst dem Bischof, daß nur noch 3 Kanoniker im Chore
sind, nachdem 2 im gemeinsamen Interesse an die Kelter komman-
diert und 2 andere krank sind und bittet um Dispens vom gewöhn-
lichen Chordienst. Der Suffraganbischof erwiderte, die Genehmigung
eines solchen Ansinnens wäre eine Öffentliche Blamage und für das
Kapitel sei es sehr traurig, wenn es unter solchem Vorwand den
Gottesdienst vernachlässigen wollte. Staats-Arch. 8) zu 1457.
KAPITEL VIII.
Der kanonische Gottesdienst. Bauliche Aenderungen der Stiftskirche.
Streitigkeiten des Kapitels mit dem Pfarrer und dem Magistrat.
Die geistlichen Uebungen der Chorherren begannen morgens
um 6 Uhr mit den Matutinen in der Zeit von Michaeli bis
Georgi und um 5!|; Uhr von Georgi bis Michaeli!, während
welcher ein Kaplan, selbst an Sonn- und Feiertagen, am
Theobaldusaltar eine Stillmesse für die Pfarrei zelebrierte. Die
Matutinen wurden mit den sich daran anschließenden laudes
rezitiert und nur in der Vigil vor Fronleichnam, des Pa-
trons- und Theobaldusfestes sowie Weihnachten gesungen.
Dann folgte die Prime und gegen 9 Uhr die Terz und die
Sexte und um 9 Uhr täglich die kanonische Messe, die
sogenannte Mittelmesse, welche von einem der Kapläne wochen-
weise nach der Stiftung und alter Gewohnheit gehalten wurde,
An Sonn- und Feiertagen wurde die Singmesse um 7!|s Uhr
durch den Pfarrer, und wenn er verhindert war, weil er die
kanonische Messe zelebrieren mußte, was jährlich 7—8 mal der
Fall sein konnte, durch einen Kaplan gehalten ; diese Messe
wurde für die Pfarrkinder bestimmt. Die Mittelmesse wurde
an diesen Tagen gewöhnlich nach den Primen gefeiert, wobei mit
der deutschen? Predigt um 8 Uhr begonnen wurde, die mit
der Verkündigung nach dem Evangelium spätestens um 3/49
1 St. Arch. 78 zu 1714.
. 2 An Sonn- und Festtagen durfte selbst zur Zeit der franzó-
sischen Herrschaft die Predigt nur deutsch gehalten werden, Be-
schluß des Bischofs Joseph Wilhelm vom 29. Oktober 1760.
— 134 —
Uhr zu Ende sein muBte. Der Magistrat hielt strenge darauf,
daB die Predigt nicht zu lange dauerte, wie man aus einer
Beschwerde desselben gegen den Stadtpfarrer Fautsch 1615
ersieht, worin bei dem Bischof Klage erhoben wurde, daß der
Pleban nicht von der Kanzel herunterkomme. Nach der Pre-
digt wurde die Terz und Sext gesungen, an die sich die Aus-
teilung des Weihwassers anschloß, hierauf folgte die große
Messe für die Pfarrei, durch den Kanoniker gehalten, der die
Woche hatte!, für die Gründer und Wohltäter der Kirche, an
welcher das Kapitel sich beteiligte. Die kanonische Messe
wurde an Sonn- und Festtagen an dem Theobaldusaltar gelesen,
der im Schiff in der Mitte des Abschlußgitters stand und zwar
während der Matutine.
Damit keinerlei Störung in der Abhaltung des Gottesdienstes
eintreten konnte, war bestimmt, daß ein Chorherr der länger
als acht Wochen krank war, auf seine Kosten für eine Ver-
tretung zu sorgen hatte, da er die Distributionen und grosst
fructus bezog, bei einer kürzeren Krankheit mußte das Kapitel,
wenn zufällig die Verhinderung in die Woche des Kanonikers
fiel, für dessen Vertretung sorgen und hatte in diesem Fall
dann der Chorherr, wenn er wieder gesund war, seine Woche
für denjenigen nachzuholen, der ihn vertreten hatte.
Die Vespern begannen regelmäßig um 3 Uhr mit Ausnahme
der vierzigtägigen Fasten, an denen dieselben vor dem Essen
gehalten zu werden pflegten. An gewissen Tagen wurden
während der Vespern in der Marienkapelle das Salve Regina
und der Rosenkranz gebetet, wobei ein Sacellan abwechselnd
anwohnte. In der Zeit vom 20. Oktober bis 1. März konnte
das Kapitel die Vespern bereits um 2 Uhr anfangen. Die
Anniversarien wurden vor der kanonischen Messe gehalten
und entweder ganz oder nur zur Hälfte gesungen, je nach
dem Inhalt der Stiftungsurkunde. Die Matutinen und Lau-
des waren mit Ausnahme von verschiedenen Tagen, an
welchen man sie sang, psalmodiert, der Rest des Gottes-
dienstes ebenso das Tedeum nach den Matutinen pflegte man
zu Singen.
1 Nach den Statuten hatte jeder Kanoniker eine Woche lang
den Gottesdienst zu halten und während dienei Zeit früher als sonst
in der Kirche anwesend zu sein.
~ 135 —
Wie schon in den Statuten klar und deutlich. ausgesprochen
ist, hatte der Pfarrer als Mitglied des Kapitels den Dignitäten
Gehorsam zu erweisen, den er eidlich, wie jeder andere: Kanoa-
niker, geloben mußte. Trotzdem begannen hereits:sehr frühe
Streitigkeiten zwischen dem Pleban und dem Kapitel, die sich
bis zur Aufhebung des Stifts hinzogen und sogar. den hl. Stuhl
beschäftigten. Kapitel und Pfarrer verklagten ‘sich gegenseitig
beim Bischof, und schob jeder Teil dem anderen die Schuld an
diesen bedauernswerten den Frieden der Gemeinde stórenden
Vorgängen zu. Der Magistrat hielt meistenteils zum Pfarrer,
da das Kapitel ihm den Einfluß nicht zugestehen wollte, den
er für sich in Anspruch nehmen zu dürfen glaubte, Welch’
— kleinliche. Fragen erörtert und im Beschwerdewege zum Aus-
trag gebracht wurden, beweist unter anderen außer den noch
zu erwähnenden Urteilen der Entscheid des Kardinalskollegiums
der Riten zu Rom vom 18. Februar 1776, welcher ausführte,
daß nachdem die Kirche zu Thann Kollegiat- und zugleich Pfarr-
kirche sei, bei dem Kapitel die Seelsorge zu verbleiben habe,
die durch einen vom Kapitel ernannten Chorherrn ausgeübt
werde. Dieser zum Pfarrer ernannte Kanoniker sei aber nur
der Stellvertreter des Kapitels, und müssen deshalb bei allen
geistlichen Funktionen, an denen sich das Kapitel beteilige, so-
wie bei Beerdigungen und Prozessionen, an denen das Kolleg
telnehme, die Dignitäten den Vorrang im Zuge haben. Der
Ptarrer habe bei diesen Anlässen an der Stelle zu gehen, die
er im Chor innehabe und zwar ohne Stola, da diese nur der
ersten Dignität und in deren Verhinderung der zweiten oder
dritten zustehe. |
Der Schluß dieser Entscheidung ist bezeichnend und lautet:
«Wir bitten Euch in Zukunft jeden Streit und Skandal zu unter-
lassen, "^ Vorstehendes ist unsere persönliche Ansicht, abgefaßt
nach den Bestimmungen anderer ähnlicher Kongregationen und
wir hoffen, daß diese den Frieden und di» Ruhe in Eurem
Kapitel. zurückführen, wird.» en
Weit gefehlt, daß diese wohlmeinenden Ratschläge des
Kardinals ‚eine Aenderung dieser geradezu unwürdigen Zustände
herbeigeführt hätten. Die Streitigkeiten gingen nun erst recht
los, Zwei, königliche Edikte von 1726 und 1731 hatten die
Rechtsverhältnisse und die Stellung der Pfarrer und Vikare
geregelt, doch bezogen sich dieselben nicht auf die Kathedral-,
— 16 —
und Kollegiatkirchen, denen diese Geistlichen uniert waren, und
bei denen die geistlichen Funktionen durch einen Angehörigen
des Kapitels versehen wurden. Der Bischof von Basel erließ am
42. Juji 1783 für seine Diözese ein Ritual, welches mit den
königlichen Verordnungen sonst im Einklang stand, aber an-
scheinend übersah, daß dasselbe im Widerspruch mit den Ge-
= bräuchen und Gewohnheiten dieser privilegierten Kirchen stand.
Es verfügte nämlich, daß wenn der Pfarrer mit Chorrock oder
selbst bloß mit Stola bekleidet einer Prozession, einem Leichen-
begängnis oder sonstigen Funktionen anwohne und dieselben
halte, er den ersten Platz einzunehmen habe.
Gegen das Ritual wandte sich das in seinen Rechten ver-
letzte Kapitel an den souveränen Rat zu Colmar mit einer
Klage wegen Abusus des Bischofs, der nur zwei Chorherrn
sich nicht anschlossen. Der höchste Gerichtshof hob durch Ur-
teil vom 13. Mai 1785 das Ritual auf und erkannte das Vor-
recht der Dignitäten ausdrücklich an. Die Entscheidung ist
eingehend motiviert und wird in den Gründen ausgeführt, «die
Statuten des Kapitels seien maßgebend für die Beurteilung der
streitigen Frage, sie bilden das Gesetz und der Usus regele
den Rang, die Vorrechte der Dignitäten und Kanoniker. Alle
haben die Statuten zu befolgen, der Pfarrer wie jeder andere
Chorherr. Nach der Transaktion von 1457, die den Pfarrer
unter die Zahl der Kanoniker versetze, habe sich das Kapitel
mehrere Ehrenrechte vorbehalten, die ohne dieses Reservat
dem Pfarrer von Rechtswegen zustehen müßten. Die ganze
Jurisdiktion des Pfarrers sei aber auf die Seelsorge beschränkt,
und er habe sich verpflichtet nichts zu unternehmen, was den
äußeren Kultus betreffe ohne den Konsens des Propstes und des
Kapitels. Der Eid, welchen der Pfarrer nach den Statuten von
1642 dem Kapitel zu leisten hat, beweise, daß die Kollegiatkirche
zu Thann mehr spezielle Ehrenrechte besitze, als eine gewöhn-
liche Kirche. Der Usus aber sei nun, daß der Pfarrer mit der
Stola nach seinem Range, den er durch die Aufnahme in das Ka-
pitel habe, sich bei Prozessionen und Leichenbegängnissen betei-
ligen müsse. Das Edikt des Bischofs schaffe dieses Gewohnheits-
recht nicht deshalb ab, weil es gegen ein Kirchengesetz verstoße,
sondern weil es dem Ritual seiner Diözese nicht entspreche. Die
Statuten des Kapitels haben Gesetzeskraft und die geistlichen
Obern können sie nicht abändern, ohne einen Abusus zu begehen».
— 137 —
Ein neuer Streit entstand 1784 zwischen dem gelehrten
aber streitbaren Pfarrer Delerse, gebürtig aus Sennheim, und
dem Kapitel wegen der öffentlichen Gebete. Nach altem Brauch
führte der Pfarrer die Markus- und Bittprozessionen an; wenn
sich das Kapitel ebenfalls beteiligte, nahm der Pfarrer nur den Platz
ein, der ihm im Chor zukam. Delerse seinerseits beanspruchte
selbst für diesen Fall den ersten Rang. Der Bischof, dem die Sache
vorgelegt wurde, ließ von seinem Advokaten Chauflour in Colmar
ein Rechtsgutachten über die neue Streitfrage abfassen; dieser
schlug dem Bischof zur Vermeidung weiterer Prozesse vor die
Statuten abzuändern. Der Sturm der Revolution fegte das Stift
hinweg, zu einer Statutenänderung kam es nicht mehr.
Das Kapitel lag nicht allein mit dem Pfarrer sondern auch
mit dem Magistrat in Streit; die Ursachen des letzteren waren
nur geringfügiger Natur. Seit Jahrhunderten bewegte sich
nämlich die Fronleichnamsprozession nach dem Hochamt im
Münster durch die Ochsengasse zum ‘Franziskanerkloster, dem
heutigen Spital, in dessen Kirche dann eine zweite Messe ge-
lesen wurde. 1775 beschloß der Magistrat diese Prozession ein-
gehen zu lassen, weil die größere Zahl der Teilnehmer während
der Messe sich in den benachbarten Wirtschaften gütlich tat, und
stellenweise sogar betrunkene Personen strafbaren Unfug verüb-
ten. Der Bischof, an den sich das Kapitel wandte, fand die Neu-
erung zwar bedenklich, beließ es aber wahrscheinlich mit Rück-
sicht auf die vorgebrachten Tatsachen bei dem Deschlusse .
des Rats.
Zu einem großen Prozeß kam es zwischen dem. Kapitel
und dem Magistrat aus Anlaß der vom Rat Garnier aus Colmar
im Auftrage des Bischofs am 5. 6. und 41. Oktober 1759 vor-
genommenen Visitation des Münsters. Garnier hatte in seinem
Bericht verschiedene Vorschläge in Bezug auf bauliche Verän-
derungen der Stiftskirche im Innern und Aeußern gemacht.
Unter anderm sollten die kleinen Altäre St. Joseph und St.
Nikolaus, welche sich in sehr schlechtem Zustande befanden,
abgebrochen werden. Diese Altäre standen zu beiden Seiten des
Theobaldusaltars in der Mitte des eisernen Gitters, welches
das Chor vom Schiffe abschloß, und zwar in letzterem selbst ;
der Theobaldusaltar versperrte die Aussicht auf den Hochaltar,
‘ wie der Bericht des weiteren ausführte. Wann dieser Altar aus
dem alten Gewölbe in das Schiff versetzt wurde, läßt sich nicht
— 138 —
nachweisen, die Verlegung dürfte aber bald nach der. Ueber-
siedelung des Stifts nach Thann erfolgt sein, weil die Chorherrn
regelmaBig dem Volk einen eigenen Altar errichteten, der vor
dem Lettner allen sichtbar. blieb, -während sie sich zum Psalmen-
gebet hinter die Chorschranken, wo sie ungestört bleiben
konnten, zurückzogen. Der schöne kunstreiche von Remigius
Fäsch im Jahre 1520 erbaute steinerne Lettner! wurde 1726
samt dem Altar des hl. Theobaldus abgebrochen, um die Kirche
und das Chor größer und heiterer zu machen?. Anstatt durch
den Lettner wurde das Chor mit einem eisernen Gitter vom
Schiff getrennt und ein Teil des alten Theobaldusaltars an das
Gitter herangerückt. Nach den Ausführungen Garniers standen
auf beiden Seiten des Schiffes noch zwei alte Altäre, ebenso
an den zwei ersten Pfeilern vom Ghor. aus gerechnet je ein
solcher, ein anderer in der Mitte-links ohne an die Mauer ge-
stützt zu sein. Nach Ansicht des Rates Garnier war es an-
gebracht diesen Altar hinwegzunehmen, um Platz zu schaffen,
da das Münster kaum den dritten Teil der Pfarrangehörigen
fassen könne. Die auf der rechten Seite vom Eingang aus.an-
gebaute Marienkapelle fand Garnier hübsch geschmückt; die
Unterhaltung derselben hatten die beiden Bruderschaften cor-
pus Christi3 und Rosenkranz, die hier ihre Andachten ver-
richteten, übernommen. Nach der :großen Thanner Chronik
wäre diese Kapelle am 15. August 1608 dediziert worden 4,
trotzdem der Schlußstein das Ende des Baues erst auf das
—
1 Kleine Thanner Chronik S. 35.
2 Daselbst S. 58. Tagebuch der Guardianen S. 36 do 13. Mai
1726 haben die Herren der Stadt den Lettner in dem Münster hin-
weggetan und den Altar St. Theobaldi besser fürgerückt, willens
ein neues Gitter und hohen Altar zu machen, damit die Kirche desto
herrlicher und majestátischer erscheine.»
3 Diese Bruderschaft ist 1466 gestiftet. Bez. Areh: Register ii
weggeschafften Urkunden.
- 4 Seite 319. Den 15. August 1608 ist die Kapelle B. V. Mariae,
welche Fraw Magdalena von Ruost, gebohrene von Sickhingen und
Junkhers Wilhelm von Ruost, eheliche Hausfrau an das Münster
hat bauwen lassen unserer lieben Fraw dediziert worden und. weil
sie ohne das. schon auf dem Geweyten erbawen, hat die Kapeli
keine Konsekration von nothen gehabt; allein ist.der Altar ge-
weiht worden von dem hochwürdigen Herrn Bernardo ab Angeloh
Episcopo Tripolitano. - i og y of Erde me
x HE
Jahr 1634 verlegt!. An der ganzen Notiz der Chronik ist allein
die Jahreszahl 1608 richtig; aber diese Zahl gibt nicht den Termin
der Einweihung an, sondern den Beginn des Baues überhaupt 2,
| Die Kapelle wurde den 15. August 1632 durch den Bischof
won a. Tripolis feierlich eingeweihts.
Die durch den Rat Garnier vorgeschlagenen Mandarin
schätzte ‘der Münsterbaumeister Thirion auf 40000 fr. und
rechhete dazu noch 10000 fr. für die innere Einrichtung der
Altàre, der Bänke und des Pflasters. Da der Kirchenfabrik,
wie Thirion schreibt, zu den erforderlichen Reparaturen die
nötigen Mittel fehlten, war das Münster im Begriff einzustürzen
('édifice est dans le cas de périr faute de fond)*. Der Magistrat
konnte aus den geringen städtischen Mitteln für seine Kirche
nur wenig tun5, da die Stadt und die Einwohner zu damaliger
! Der in der Revolution ganz verstümmelte Stein, auf dem sich
links das Wappen derer von Ruost, drei silberne Löwenköpfe gold-
gekrónt mit goldener Zunge, und rechts das der Edeln von Sick-
ingen in schwarz fünf silberne Kugeln befand, enthält die schwer
zu entziffernde Inschrift :
D. 0. M.
Ejusque genetrici Mariae in honorem:
Rosarii aedem hanc Maria Magdalena
Vidua Ruost ex stirpe Sickhingen
Senatui urbis nostrae
1631
fieri fecit
2 Stadtarchiv G. G. 3. 1.
3 St. Arch. 38 zu 1377, worin der Bischof am 10. August 1632
schreibt, wir sind ersucht worden die zu Thann an der Pfarrkirche
neu erbaute Kapelle samt dem Altar zu konsekrieren.
4 Die letzten größeren Arbeiten waren 1628 vorgenommen
und beschränkten sich hauptsächlich auf die innere Ausschmückung.
Große Thanner Chronik II, S. 423, 430, 431.
5 Der Magistrat überließ der Kirchenfabrik die Einkünfte aus
dem Sterbegeläut, geschätzt zu 200 livres, und die Früchte der
Nußbäume in der städtischen Ebene, dem heutigen Bungert, wovon
2 Maß Oel für den Gebrauch der Kirche verwendet wurden, und
ein MaÜ um 24 fr. verkauft werden konnte, er genehmigte auf
Widerruf einige kleine Verkaufsbuden in den Nischen des Münsters,
welche einen geringen Zins abwarfen.
In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden einige größere
Reparaturen an der Kirche vorgenommen. Die Hauptarbeiten fallen
in die Zeit nach 1871 und sind bis heute aus Staatsmitteln gegen
270000 M. aufgewendet worden, nicht gerechnet die Tausende für
die Verschönerung des Münsters im Innern und die Beiträge der
Stadt für Arbeiten am Aeußern. |
— 140 —
Zeit nicht mit Glücksgütern gesegnet waren!. Er verlangte
deshalb zu den Arbeiten vom Bischof das Vermégen der Kapelle
zu Niederburnhaupt und der Bruderschaft St. Sebastianus bei
den Franziskanern zu Thann, und unterstützte Garnier das
Begehren. Die Einwohner von Niederburnhaupt aber weigerten
sich entschieden die verlangten Mittel für die Reparaturen der
Thanner Kirche zu geben, während der Vorstand der Bruder-
schaft, bestehend aus einigen Magistratsmitgliedern, bereitwillig
das Vermógen der letzteren zur Verfügung stellte.
Das Chor befand sich nach Garnier in gutem Zustand und
hatte Reparaturen nicht nótig.
Auf Grund der Visitation erging am 29. Oktober 1760 ein
bischófliches Edikt, das dem Magistrat folgende Aenderungen
zu machen befahl:
1. Der Theobaldusaltar soll von allen ihn umgebenden
Anhängseln frei gemacht werden, um den Gläubigen eine
bessere Aussicht auf den Hochaltar zu gewähren,
2. Die beiden kleinen Altäre St. Joseph und St. Nikolaus
sollen als undezent entfernt werden; die Bilder der Patrone
sind zu erneuern und auf andere Allaire zu bringen ; hierzu
können die 133 livres, welche zur Reparatur des letzteren Altars
gestiftet sind, verwendet werden.
3. Die andern kleineren Altäre, welche an den beiden
ersten Pfeilern angebracht sind, ebenso der dritte, der sich in
der Mitte der linken Seite befindet und der hl. Dreieinigkeit
geweiht ist, sind um Platz im Schiffe zu schaffen, gleichfalls
abzubrechen.
4. Der Taufstein unter dem Altar St. Nikolaus muß auf
die linke Seite gestellt werden.
9. Das Schiff der Kirche ist herzurichten von denjenigen
die hierzu verpflichtet sind; in Ermanglung von Mitteln der
Kirchenfabrik dürfen hierzu die Einkünfte der Kapelle St. Wen-
delin von Niederburnhaupt und der Bruderschaft St. Sebastian
verwendet werden, doch ist hierzu die Einwilligung des Pfarrers
—— MÀ M —
! Charles Hoffmann l'Alsace au 18 siécle Bd. I, S. 48 «les ha-
bitants de la ville de Thann et de la vallée sont les plus pauvres
gens de la province». Le mémoire fait par la ville de Thann en
1190 en vue d'obtention d'un tribunal disait: «Les habitants n'ont
jamais eu d'aisance et, de notoriété publique la moitié de la ville
ne contient que de trés pauvres gens».
— 144 —
und der Einwohner von Niederburnhaypt, sowie der Vorsteher
der Fraternei einzuholen. Da die Fabrik der Kollegiatkirche
nur mittelmäßig mit Einkünften versehen ist und ohne Beihilfe
nicht alle Arbeiten ausführen kann, erlaubte der Bischof die
Kirchenbänke gegen Entgelt zu vermieten und den Erlös zum Vor-
teil der Fabrik zu verwenden. Infolge der Streitigkeiten, welche
das Reglement des Bischofs herbeiführte, machte der Magistrat
von der Erlaubnis die Kirchenplätze zu verpachten erst 1785
Gebrauch. Der Rat beschloß am 27. Juni, daß, nachdem allein
die neuen Kirchenbänke 1500 livres gekostet hatten, welche
die gemachten geringen Ersparnisse und das Legat des Herrn
von Massilly mit 1200 livres aufgezehrt, und für die Dekorationen,
die noch zu machen wären, nur das Erträgnis der Kirchen-
plätze übrig bliebe, dieselben zu verpachten seien. Damit aber
die Gläubigen, welche die Plätze damals innehatten, gegen eine
solche Versteigerung keinen Einwand erheben konnten, wurde.
gleichzeitig beschlossen die Genehmigung des höchsten Gerichts-
hofes einzuholen und unverzüglich die Bänke aufzustellen.
Die Verpachtung fand kurze Zeit später statt, das Er-
trägnis für die Fabrikkasse war wegen des Widerstandes der
Bevölkerung gegen die angeordnete Neuerung ein ziemlich
geringes.
Das Reglement verfügte nebenbei, daß während der Pre-
digt und der kanonischen Messe an Sonn- und Feiertagen
kein Obst vor der Kirche verkauft, und von keinem Wirt in
der Stadt Essen oder Trinken verabreicht werden dürfte.
Bereits zwei Jahre später änderte der Bischof wohl infolge
von Vorstellungen des Kapitels sein Reglement und erließ am
2. August 1762 ein Supplement, worin er anordnete, daß der
Josephs- und Nikolausaltar nicht supprimiert werden sollte,
sondern repariert werden müßte. Die an die beiden ersten
Pfeiler vom Chor aus gerechnet angelehnten Altäre St. Valen-
tin und Apostel seien, da die Pfarrkirche ohnehin kaum Raum
für die Gläubigen biete, abzubrechen, der Altar zur Dreieinig-
keit in der Mitte der linken Seite solle ganz an die Mauer
herangerückt werden, so daß er dem Altar unserer lieben Frau
gegenüber stehe.
Der Magistrat antwortete auf das Supplement ungefähr
folgendes: Der Tabernakel, sowie die Sitze der Offizianten im
Chor von gotischer Form und Ausführung seien zu groß und
— 142 —
hinderten den Gottesdienst, es wäre am einfachsten sie abzu-
brechen. Der Hochaltar stände zu weit vorn, man müßte ihn
mehr in den Hintergrund des Chores schieben, angeblich
um Platz für den Thron des Bischofs zu schaffen ; der auf der
linken Seite vom Chor aus gerechnet aufgestellte Altar St. Mar-
gareta -hindere den Eingang in die Muttergotteskapelle und
stóre die Prozessionen, welche herkómmlicherweise in der Kir-
che stattfinden. Der Altar zur hl. Dreieinigkeit auf der rechten
Seite wirke stórend, wenn man ihn wieder herstelle, man
kónne ihn ebenso wie den Kreuz- und Katharinenaltar unter
Beobachtung der vorgeschriebenen kirchlichen Zeremonien ab-
brechen, und sei dies um so eher móglich, weil noch fünf an-
dere Altäre im Schiff und Chor, und ein sechster in der Marien-
kapelle vorhanden seien!. Das alte Kreuz, welches an einem
Querbalken über dem Abschluß des Chores 18 Meter hoch
hange, versperre den Einblick in das Chor und drohe herunter
zu fallen, es müsse deshalb, um Schaden zu verhüten, herunter
genommen werden.
Vorsichtigerweise fügte der Magistrat bei, es sei leicht
Platz für die Pfarrangehórigen dadurch zu schaffen, daß er
seine Banke aus dem Schiff ins Chor stellen dürfe; der Auf-
enthalt im Chor entspreche seinem Stand am besten und er
kónne von hier aus dem Gottesdienst bequemer anwohnen
(c'est bien qui convient le mieux à son état et il s'y trouvent
des staux en suffisance à la suite de ceux, occupées par le
corps du chapitre). Gegen die Versetzung der Bänke wehrte
sich das Kapitel mit der Motivierung, es zieme sich nicht, dab
Laien mit Klerikern im gleichen Chore sitzen, und wies der
Bischof das Begehren des Magistrats zurück.
. Aus dem Bericht des Rats Garnier, dem Rückschreiben
des. Magistrats, den Mitteilungen der groben Thanner Chronik
über die im Jahr 1629 erfolgten Verschönerungen der Altäre
in der Stiftskirche und den unten zu erwähnenden Zulassungen
der beiden Kapläne auf die dort genannten Kaplaneien lassen
sich mit einiger Sicherheit folgende Schlüsse über den Stand-
ort der einzelnen Altäre ziehen. Im Jahre 1346 befand sich
der Theobaldusaltar in dem alten Gewölbe, der Oswaldaltar in
der Mitte des Abschlufgitters ; am ersten Pfeiler links der
1 St. Arch. 91 zu 1457.
— 143 —-
Peter und Pauls oder Apostelaltar, in der Ecke zur rechten
Seite ungefähr am heutigen Eingang in das Gewölbe der Lieb-
frauen-, und nicht weit davon, der Kreuzaltar, der später unter
dem Namen Margaretenaltar bekannt war, da er zu Ehren der
hl. Margareta mitgeweiht war. Dieser letztere Altar hinderte
den Eingang in. die Marienkapelle und sollte daher abge-
brochen werden. Wohl bald naclı der Verlegung des Stifts
von St. Amarin wurde der Theobaldusaltar von seinem Stand-
ort im Gewölbe in die Mitte der Kirche versetzt, wo er bis
1726 blieb, um dann an das neue Abschlußgitter herangerückt
zu werden. Nach den Bauarbeiten soll der Altar an die Ost-
wand, da wo heute der geschmacklose Holzaltar steht, gestellt
und im Jahre 1850 wieder an seinen ursprünglichen Standort
im alten Gewölbe zurückverbracht worden sein. Der Apostel-.
oder Peter und Paulsaltar hat seinen Platz niemals gewechselt
ebenso nicht der Margarelenaltar, Der Liebfrauenallar, der zu Ehren
Katharinas mitgeweiht worden war, scheint seinen Namen
später in Katharinenaltar verwandelt zu haben und wurde dann
dorthin gestellt, wo sich der Josephsaltar heute befindet!, denn.
am ersten. Schlußstein des Nordschiffs befindet sich. die hl.
Katharina mit der Jahreszahl 1492. Móglicherweise datiert die
Namensänderung seit der Gründung des Marienaltars in der
neuen Kapelle zur Vermeidung von Verwechselungen. Der Va-
lentinusaltar stand am ersten Pfeiler der rechten Seite, der
Trinitasaltar dem Altar der Marienkapelle gegenüber auf der
linken Seite. Der von dem Edeln Wilhelm von Masmünster ge-
stiftete Georgsaltar. hatte seinen Standort vermutlich in der
Nähe des zweiten Fensters rechts vom Chor aus gerechnet, da.
in diesem das Wappen? der Familie angebracht ist, und der.
Nikolausaltar. auf der rechten Seite am Ende des Abschluß-
gitters. Garnier erwähnt noch einen Josephsaltar auf der linken
Seite des Gitters, den man abbrechen solle, da er wenig schón
sei. Vielleicht ist dieser Altar mit dem alten Altar St. Oswald .
identisch, den man von seinem Platze in der Mitte hinweg- .
gerückt hat, als der Theobaldusaltar aus dem alten Gewölbe
| 1 Große Thanner Chronik I, 57b. Kleine S. 30 zu 1446. Die.
Gewölbe der Kirche sind admirabel hoch absonderlich das linke’
&egen St. Katharinenaltar. X SRE g
2 in rot zwei silberne übereinander schreitende Leoparden.
— 14 —
in das Schiff heraus versetzt wurde. Ich habe den Josephsaltar
sonst nirgends erwähnt gefunden.
Einen großen Prozeß zwischen dem Kapitel und dem Ma-
gistrat führten die bischöflichen Edikte wegen der Unterhalt-
ungspflicht des alten Friedhofes herbei. Der älteste Friedhof
lag seit Gründung der Gemeinde um die Kirche, und hatte
1389 der Bischof Johann den Thannern erlaubt den Kirchhof
zu engen oder zu weitern nach Notdurft. Bereits 1440 wurden
zur Vergrößerung außer dem Gärner einige daran stoßende
Stücke Land vom Bischof nach römischer Sitte geweiht. Im
Jahr 1550 veranlaßte die Regierung zu Ensisheim den Magist-
. rat aus Gründen der Hygiene den Friedhof um das Münster
zu schließen und einen neuen außerhalb der Stadt anzulegen.
Da passendes Terrain nicht zu finden war, befahl die Regier-
ung, welche sich durch eine Kommission von der Notwendig-
keit der Verlegung überzeugt hatte, mittels Schreibens vom 14.
April 1550 den Franziskanern ihren Friedhof durch die Stadt
Thann mitbenützen zu lassen. Nachdem der Magistrat ver-
schiedene bauliche Veränderungen an dem letzteren vorgenom-
men, insbesondere denselben auf seine Kosten mit einer hohen
Mauer umgeben und die Unterhaltungspflicht für die Zukunft
übernommen hatte, gaben die Barfüßer dem Drängen der Re-
gierung nach und behielten sich nur die Jurisdiktion ausdrück -
lich vor, Im nämlichen Jahre genehmigte der Bischof, daß trotz
des Widerstandes der Chorherren ein Stück von dem ver-
lassenen Friedhof um die Pfarrkirche bei dem piederen Tor,
wo heute das Rathaus steht, hinweggeschlossen würde. Am
10. Dezember 1552 profanierte der Suffraganbischof, welcher
zu diesem Zwecke nach Thann gekommen war, den Teil. Der
neue Friedhof, zu dessen Vergrößerung 1743 die Stadt ein ihr
gehöriges Terrain von 116 Fuß Länge und 31 .Fuß Breite ge-
geben hatte, welches 4760 durch den bischöflichen Delegierten
eingeweiht wurde 1, blieb im Mitgebrauch zwischen den Fran-
ziskanern und der Stadt bis Anfang des 19. Jahrhunderts.
Während des Prozesses des Magistrats mit dem Kapitel wegen
der Unterhaltungspflicht des alten Gottesackers um das Münster
strengte die Stadt eine Klage gegen das Kloster an, indem sie
Eigentumsrechte an dem Franziskanerfriedhof für sich in An-
—
1 Die Stadt zahlte fiir die Benediktion 40 fr. 18 sols.
— 1445 —
spruch nahm, zog aber im März 1779 den aussichtslosen Pro-
zeB wieder zurück !. l
Ueber den Zustand des Friedhofs um die Münsterkirche,
auf dem noch 1637 anläßlich großer Krankheiten in der Stadt
wegen Unzulänglichkeit des neuen gegen 30 Menschen be-
graben worden sein sollen, wie das Kapitel in seinem Streite
mit dem Magistrat beweisen wollte, finden sich in dem Be-
richte des Rats Garnier einige erwähnenswerte Aufzeich-
nungen. Garnier schreibt unter anderm : Der Friedhof, auf der
rechten Seite der Kirche gelegen, wird seit vielen Jahren nicht
mehr benützt; er ist von einer Mauer umgeben, durch welche
teilweise verfallene Eingangstüren führen. Der Kirchhof dient
als öffentlicher Durchgang ? und treibt sich sogar Vieh, welches
seine Nahrung sucht, auf demselben umher. In der Mitte steht
ein steinernes Kreuz gegenüber eine Pyramide, an der eine
stets brennende Lampe hängt. Auf der rechten Seite befindet
sich der Gärner (ossorium) aus Backsteinen erbaut, 80 Fuß
lang und 36 Fuß breit und mit Ziegelsteinen gedeckt ; daneben
liegt die Sommerschule 3. Der Gärner hat ein Stockwerk über
dem eigentlichen Beinhaus, in welch letzterem die Gebeine der
Verstorbenen, welche bei Neuanlage von Gräbern früher ge-
funden wurden, aufgeschichtet und aufbewahrt werden. Das
Beinhaus, welches sich unter der Erdoberfläche befindet, besitzt
einen Altar und Grabmäler der edeln Familie der Waldner
und anderer Rittergeschlechter der Provinz. Auf diesem Altare
sind Messen gestiftet, welche alle vier Jahreszeiten gelesen
werden 4. Ueber dem Beinhaus liegt die Kapelle St. Michael
mit einem schönen Gewölbe; die Fenster sind zerschlagen und
ausgebrochen, Am Patronstage wird in dieser Kapelle zelebriert.
1 Thanner Chr. III, S. 574.
2 Bereits 1680 hatte der Vogt Clebsattel die alte Mauer durch-
brechen lassen, um einen bequemeren und kürzeren Weg zur Kirche
za haben. St. Arch. Thann G. G. II, 10 bis.
3 Kleine Thanner Chr. S. 24, auch hat man allhier um diese
Zeit (1406) das Beinhaus oder Gärner samt der St. Michelskapelle,
wie die sogenannte Sommerschule auf St. Theobalds-Kirchhof an-
gefangen zu bauen.
i4. Nach einer Urkunde ohne Datum St. Arch. Thann G. G. II, 13 gab
der Schaffner Freidank zu Thann und dessen Frau Agnes der Stadt
120 fl. rheinisch unter der Verpflichtung den Meßwein in der Kirche
und der Kapelle im Garner zu stellen.
SCHOLLY. 10
— 146 —
- .Dieses ganze Gebäude gehört, obgleich es räumlich von
der Kirche getrennt ıst, mit seinen zwei schönen Glocken von
Rechtswegen zur Kirche. Auf dem Friedhof befinden sich noch,
außer einem Magazin zur Aufbewahrung von Baumaterialien
für die Kirche und von Gerätschaften für Reparaturen an der-
selben, die gesamten Feuerlöschapparate.
Das Reglement des Bischofs vom 29. Oktober 1760 ver-
ordnete, daß der Kirchhof wieder herzustellen sei, wie er von
Alters her war; die Mauern seien zu reparieren und zu schlie-
Ben, damit die Personen, welche dies wünschten, darauf be-
graben werden könnten. Der Gärner sei ebenfalls zu schließen,
und die Türen der untern Kapelle müssen hergerichtet werden,
ebenso die Fenster der Kapelle St. Michael. In seinem Supple-
ment von 1762 verfügte der Bischof gleichzeitig, daß das Bein-
haus und die Kapelle St. Michael interdiziert seien, und kein
Priester bis zur durchgeführten Restaurierung eine Messe darin
halten dürfe.
Gegen diese beiden Bescheide legte der Magistrat zum
souveränen Gerichtshof in Colmar Beschwerde ein, da er ein-
mal die ihm aneesonnene Daulast nicht anerkennen wollte,
anderseits aber auch keine Mittel zur Wiederherstellung zu be-
sitzen vorgab. Der Gerichtshof verurteilte jedoch die Stadt
durch zwei Urteile vom 20. Juni und, vom 28. Juni 1764
kostenfällig zu den durch den Bischof angeordneten Repara-
turen. Auf Berufung des Magistrats wegen abusus wurden die
beiden Entscheidungen durch Urteil vom 31. März 1770 auf-
gehoben und dem Kapitel die sämtlichen. sehr beträchtlichen
Kosten mit 1800 livres auferlegt 1,
Da der Magistrat nicht zur Unterhaltung dieser Gebäude
zu bewegen war, und das Kapitel die nötigen Mittel hierzu
nicht hatte, mußten dieselben natürlicher Weise noch mehr
verfallen. Das Kapitel berichtete in der Folge dem Bischof,
daß es bei der ganzen Frage sich lediglich um. eine Chikane
von zwei einflußreichen Magistratsräten handele, deren: Häuser
in der Nähe des Friedhofs gelegen seien, und a
a^
1 Thanner Chr. III. S. 525. Nach Osee 177i rd der. ato
Kirchhof bei St. Theobald zu einem Marktplatz gebraucht, aber die
St. Michaelskapelle, der Garner und die Sommerschule . bleiben
stehen bis auf fernere Prozebordnung ‚zwischen Chorherren: und
Magistrat. A Eg , A DE.
4
t$ o
— 147 —
die erforderliche Aussicht verschaffen wollten.. Noch vor 15
Jahren seien alle Gebäude auf dem Friedhof in bestem Stand
gewesen, aber man habe seit dieser Zeit absichtlich dieselben
verfallen lassen, um ihre Demolierung durch den Verfall zu
begründen. Der Magistrat stellte nun an den Bischof das Be-
gehren den Gärner nebst der Kapelle St. Michael, sowie die
Mauer des Friedhofs abbrechen zu dürfen. Am 14. Mai 1778
erschien zur genaueren Untersuchung der Angelegenheit der
hischöfliche Generalvikar Tardy zufolge Dekrets des Fürst-
- bischofs vom 29. April 1778 in Begleitung des Protonotars
Didner, und wurde in Gegenwart des Vogts von Klebsattel,
des Bürgermeisters Tourné und von vier Magistratsräten ein
Protokoll errichtet, das allen Beteiligten bekannt gegeben wurde.
Es handelte sich bei dieser Besichtigung nur noch um die Frage,
wie die Altäre weggenommen, und die Stiftungen von diesen
auf den Theobaldusaltar übertragen bezw. dort gefeiert und
die im Gärner aufbewahrten Knochenreste beerdigt werden
könnten, nachdem der Magistrat beschlossen hatte die Kapelle
samt dem Gärner niederzureißen, die Materialien derselben
öffentlich an den Meistbietenden zu veräußern und den Erlös
für die dringenden Reparaturen an der Stiftskirche zu ver-
wenden.
Das aufgenommene Protokoll ergänzt die etwas allgemein
gehaltenen Ausführungen des Rats Garnier, und sollen deshalb
zur besseren Uebersicht des damaligen Standes des Friedhofs
die Grundzüge des Protokolls hier wiedergegeben werden.
Tardy durchschritt mit Didner zum. Besuche der Kapelle nebst:
den Vertretern der Stadt den Kirchhof auf seiner breiten Seite,
worauf sie zur untern Kapelle gelangten, wo sich der Garner
befand und stiegen eine schlecht erhaltene Treppe von 10—142
Steinstufen hinab. Dort trafen sie vor einem hölzernen Gitter,
welches eine ansehnliche Menge Knochen enthielt,‘ einen sehr
kleinen aber geweihten Seitenaltar mit einem Holzbild,. die.
heilige Familie darstellend, einige schlechte Bänke, . mehrere:
Grabsteine,‘ deren Inschriften. unleserlich waren, und an der,
Seitenmauer des Altars zwei Epitaphien. Die eine trug die
Jahreszahl 1513 sehr gut erhalten,. in den vier. Ecken waren |
die Wappen der Waldner, Reinach,. Andlau und "Eptingen | an-;
gebracht, die.andere, deren Zeichen verwischt. . Waren, ' enthielt
ein Wappen -der Waldner und Hallwyl und, zweier; anderer.
— 148 —
Familien. Diese beiden Epitaphien versprach der Magistrat an
der innern Mauer der Stiftskirche anzubringen, falls der Bischof
dies genehmigen würde.
Der Kommissar traf das Gewólbe der Kapelle in gutem
Zustand, nur die Fenster waren Zertriimmert, und die Türen
weggenommen. Von hier begab sich die Deputation hinauf in
die Kapelle St. Michael, über der untern gelegen, auf einer
Treppe, in der einzelne Stufen fehlten. Diese Kapelle war
ziemlich erhalten ; der Altar war geweiht und mit einem alten
Gemälde des hl. Michael geschmückt.
An die beiden Kapellen fand sich ein anderes ausgedehntes
auf dem Kirchhof gleichfalls gelegenes Haus angebaut, welches
als Schulhaus gedient haben mochte, und der Kornspeicher der
Stadt. Auch diese Gebäulichkeiten waren zum Abbruch be-
stimmt und wurden kurze Zeit später eingerissen.
Die auf Grund der bischöflichen Edikte von 1760 und 1762
angeordneten Reparaturen der Stiftskirche nahm der Magistrat
wegen des Friedhofsprozesses erst im Anfang der 80er Jahre
des 18. Jahrhunderts vor. Es stellte sich bei dieser Gelegenheit
heraus, daß, um die Kirche zu verschönern, regelmäßiger zu
gestalten, und noch mehr Platz zu gewinnen folgende Aender-
ungen des ursprünglichen Bauprojekts zu betätigen waren. Am
26. April 1785 wurde der Bürgermeister Tourne mit dem
neuen Plane nach Pruntrut zur Einholung der bischöflichen
Genehmigung geschickt. Der Bürgermeister trug im Namen
des Magistrats vor, daß der Vogt und Rat der Stadt Thann
durch das Legat des Herrn von Marsilly und verschiedene Er-
sparnisse, welche die Fabrik gemacht habe, in der Lage sei
gewisse Reparaturen vorzunehinen; man sei aber gleich nach
Beginn der Neuarbeiten auf einige Punkte gestoBen, welche
dem Kommissar Garnier anscheinend entgangen und geeignet
seien, die richtige Ausführung des Projektes zu vereiteln. So
müßte der Hochaltar in den Hintergrund des Chores gegen die
Votiviafeln zu gerückt werden, um Platz für den Thron des
Bischofs zu gewinnen. Die Altäre St. Trinitas, St. Kreuz und
St. Katharina sollten abgebrochen werden, damit das Schiff
vergrößert würde; die alte Forderung des Magistrats seine
Bänke in das Chor zu stellen, gegen welche sich das Kapitel
einige Jahre zuvor ablehnend verhalten hatte, wurde neu er-
hoben und fand diesmal keinen Widerstand bei den Chorherren
— 140 —
mehr. Der Bischof entsprach dem Begehren des Magistrats hin-
sichtlich der neuen Pláne vollstándig, und führte der Rat die-
selben, wie projektiert, aus. Bei diesen Verschóuerungen im
Innern der Kirche wurden leider die zahlreichen teilweise künst-
lerisch ausgeführten Grabdenkmäler, welche die Wände und
den Boden des Münsters bedeckten, entfernt, angeblich um
mehr Platz zu schaffen. Wohin dieselben gekommen sind, ist
heute nicht mehr festzustellen, wahrscheinlich teilten sie das
Schicksal so vieler anderer historischen Grabsteine, die verkauft
oder gar verschenkt worden sind. Nach dem im Stadtarchiv zu
Thann verwahrten Register der Monumente in der Stiftskirche
begonnen den 14. Januar 1785 «so sich allhier in der Stifts- -
und Pfarrkirche befunden und zur Neubelegung derselben auf-
gehoben auch wie sich dieselben dato befinden neu gezeichnet
wurden»! geht hervor, daß diese Denkmäler als Platten Ver-
wendung bei dem neuen Bodenpflaster gefunden haben. Nach
dem kgl. Edikt vom 10. März 1776 war es nämlich verboten
in den Kirchen zu begraben, wenn die eingesargten Leichname
bloß an den Boden in die Gruft hingestellt wurden, es mußten
nach dem Edikt vielmehr ringsum lauter besondere Gewólbe
je für einen Leichnam geschaffen und jede Gewölbeöffnung
nach erfolgter Beisetzung eines Verstorbenen alsbald zugemauert
werden?. In Verfolg dieses Edikts schloß der Magistrat die
allen Grabgewólbe und brachte an deren Stelle im Chor und
Schiff Steinpflaster an, um die dem Boden entsteigende Feuch-
tigkeit und den schlechten. Geruch der Gewólbe zu verhüten.
Letzterer war so stark, daß das Kapitel sich genötigt sah,
während der Reparaturen seinen regelmäßigen Gottesdienst in
der Franziskanerkirche abzuhalten. Als der Bischof den Chor-
herren deswegen Vorwürfe machte, weil es ohne seine Geneh-
migung die Stiftskirche verlassen habe, schrieb das Kapitel
1 St. Arch.:G. G. I, 15.
? Das letzte Begräbnis in der Stiftskirche fand 1776 statt.
Thanner Chr. III, S. 564. Die Magistratsherren wurden unentgeltlich
in der Kirche begraben, die Angehörigen hatten lediglich die Kosten
des Kirchenbruchs zu zahlen. Andere Personen zahlten für ein Be-
gräbnis 40 livres. Häufig wurden Grabsteine von Verstorbenen im
Münster aufgestellt, ohne daß ein Begräbnis daselbst stattgefunden
Ee in diesem Falle mufiten die Erben 18 livres als Almosen ent-
richten.
— 150 —
zurück, daß der Geruch unerträglich sei und mehrere Menschen
daran krank geworden seien; der Arzt habe daher aus Ge-
sundheitsrücksichten verboten den kanonischen Gottesdienst im
Münster zu halten,
| Zu dem Neubelag der Stiftskirche wurden die alten Grab-
steine, von denen 55 Stück in Zeichnung erhalten sind, benützt
und sollen die letzten erst in dem Momente verschleudert worden
sein, als man anfing die Kirche mit dem jetzigen geschmack-
losen Mosaikpflaster zu belegen. Heute existiert nur noch der
im Innern an der nördlichen Außenwand der Theobalduskapelle
rechts angebrachte Grabstein des Ritters Gyat von Plantschier!.
1 Lehensbrief des Grafen Ulrich von Pfirt 1322 an Gyat von
Plantschier und der Herzogin Johanna von 1342 an dessen Sohn.
Statthalterei-Archiv zu Innsbruck. <
KAPITEL IX.
Die Aufhebung des Stifts. Veräußerung der Stiftsgüter. Verhalten
. der Chorherren. Der Gottesdienst wahrend& der Revolution zu
Thann!.
Schon lange vor dem Ausbruch der Revolution machte
sich im St. Armarintal ein gewisser aufrührerischer Geist bemerk-
bar, der hauptsáchlich im Verweigern des Zehnten zum Aus-
druck gelangte. Die Erhebung des Zehnten führte zu steten
Schwierigkeiten, und kam es bereits Mitte des 18. Jahrhunderts
zwischen dem Kapitel und den Eigentümern zu einer Reihe
von Prozessen wegen Verweigerung des Zehnten infolge der
veránderten Natur der Grundstücke, die simtlich durch Urteile
des conseil souverain zu Colmar zu Gunsten des Stifis ent-
schieden wurden?. Die Erregung des Volkes wurde durch der-
artige Entscheidungen nicht gemindert, unter der Asche glimmte
der Funke und kam sogar zum offenen Ausbruch, indem einige
Bauern den Chorherrn Reiset, als er zu Eschenzweiler 1754
in Zehntgescháften anwesend war, tätlich miBhandelten, wofür
sie harte Geld- und Freiheitsstrafen trafen. Bei Ausbruch
der Revolution im St. Armarintal war denn auch der Boden
für die Unruhen in Thann :und der Umgegend vorbereitet.
Am 95. Juli 1789 fand der Kirchendiener Saal vor dem Stifts-
hofe Briefe mit aufreizendem Inhalte; am 27. Juli brachen die
Unruhen los; die Menge sperrte den Forstmeister Adel ein
—
1 Protokollbücher der Stadt Thann. Protokollbuch der Gesell-
schaft der-Volksfreunde. Bez. Arch. Colmar, Revolutionsakten.
. .2 Bez. Arch. Lade 9.
— 159 —
und beinahe hätte dasselbe Schicksal die übrigen Magistrats-
beamten erreicht. Am 29. Juli 1789 entschloß sich das Ka-
pitel mit Rücksicht auf die revolutionäre Stimmung, die sich
in öffentlichen Aufzügen kund gab auf die Erhebung des Kar-
toffelzehnts in Thann und Altthann zu verzichten. Der Verzicht
wurde vom Magistrat angenommen und óffentlich bekannt ge-
macht, die Wirkung war eine günstige. Mehr aber als dieser
. Verzicht hielt das energische Vorgehen des Marschalls Michael
Vittinghoff gegen die Rebellen im Tal und die Festigkeit der
Behórden von Thann, denen der Marschall schriftlich seine An-
erkennung aussprach, den Póbel im Zaun. Da man die Beweg-
ung nicht unterschátzte, bat der Magistrat um ein Detachement
Jager, die dann von Colmar nach Thann verlegt und in den
Sälen des ehemaligen Freihofs und des Freiburger Kollegs
einquartiert wurden. Die Kosten sollten nach einer Entscheid-
ung des Kriegskommissars Marechal zu Colmar vom 1. Oktober
1789 nicht von der Stadt Thann, sondern von der Provinz
getragen werden.
In der Nacht vom 4. August 1789 hatte die National-
versammlung mit dem Lehenswesen alle Herrschaftsrechte der
Landesherren abgeschafft ; am 2. November dekretierie dieselbe,
daß alle katholischen Kircaengüler eingezogen und zur Verfüg-
ung der Nation gestellt würden, Der eigentliche Verkauf des
sequestrierten Besitzes wurde erst am 17. März 1790 zur
Tilgung der Staatsschulden angeordnet. Alle Protestationen der
betroffenen Gesellschaften blieben erfolglos, desgleichen eine
Petition des Magistrats um Erhaltung des Franziskaner- und
Kapuzinerkonvents und der beiden Klosterkirchen wegen Un-
zulänglichkeit der Stiftskirche. Die Konstitution, welche keine
klösterlichen Gelübde mehr anerkannte, hob alle Orden und
Kongregationen auf,
Am 14. Dezember 1790 nahm eine Kommission unter dem
Vorsitz des Stadtschreibers Rey, der vom Direktorium in Bel-
fort hierzu ernannt war, und wegen allzu großer Arbeitslast
seine Stelle als Tabellion niederlegen mußte, ein Inventar über
die in Thann gelegenen geistlichen Güter auf, welches vier-
„zehn Tage später zu Ende geführt war.
Den Dekreten der Nationalversammlung, welche über die
Kirchengüter verfügten und die Klöster aufhoben, folgte am
12. Juli dasjenige, welches der katholischen Geistlichkeit in
— 153 —
Frankreich eine neue Einrichtung gab und dieselbe dem Staate
völlig unterordnete. Dieses Dekret, welches soviel Aufsehen er-
regte, ist unter dem Namen der Zivilkonstitution des Klerus
bekannt. Die Wahl der Bischöfe und der Pfarrer sollte hier-
nach den Wahlmännern des Departements überlassen bleiben ;
kein Geistlicher durfte der Gewalt eines [remden Bischofs
unterstehen, jedes der beiden elsässischen Departemente er-
hielt seinen eigenen Bischof. Jeder Bischof, Pfarrer und Vikar
mußte vor Ausübung seines Amts einen Eid dahin leisten, daß
er sein Amt getreu versehen, der Nation und dem König treu
sein und die Staatsverfassung aufrecht erhalten wolle. Die Be-
soldung der Geistlichen war genau vorgeschrieben ; die ehe-
maligen Klostergeistlichen sollten ein angemessenes Jahres-
gehalt erhalten.
Dieses Dekret, welches der König erst nach langem Zögern
am 24. August genehmigte, erregte den lebhaftesten Wider-
spruch der Geistlichkeit; im Anfang gingen die Departements-
behörden schonend mit der Ausführung desselben vor. Die
Nationalversammlung erließ am 27. November 1790 ein schär-
feres Dekret unter dem Einfluß des fanatischen Teiles des
Pariser Pöbels, nach dem die Bischöfe und Pfarrer, welche den
ihnen angesonnenen Eid nicht binnen bestimmter Frist geleistet
hätten, ihr Amt verlieren, und an ihre Stelle andere verfassungs-
treue Priester treten sollten. Dieses Edikt wurde gleichfalls im
Anfange ziemlich milde angewandt, man gewährte sogar den
eidverweigernden Priestern die Erlaubnis in Privathäusern
Gottesdienst zu halten und setzte ihnen ein Jahresgehalt aus.
Nach Einsetzung der geschworenen Bischöfe wurde die Situ-
alion eine wesentlich andere, da diese darauf drangen überall
die ungeschworenen Pfarrer durch geschworene zu ersetzen.
Am 6. März fand in Colmar die Wahl des neuen Bischots statt,
bei der Gobel, der Weihbischof von Lydda mit großer
Majorität gewählt wurde. Da Gobel für Paris optierte, ging bei
der am 30. März folgenden Wahl der Bischof Arbogast Martin
aus der Wahlurne hervor. Der Bischof von Basel dagegen
‚richtete an alle treugebliebenen Priester und die Gläubigen des
Oberelsasses einen Aufruf, worin er den Pfarrern verbot, den
neuen Bischof anzuerkennen und denselben keinerlei bischöfliche
Handlungen vornehmen zu lassen, den Gläubigen untersagte
er, von den gewählten Priestern die Sakramente zu empfangen
— 154 —
bei Strafe der Exkommunikation. Wie im übrigen Eisaß war
man zu Thann in der Vaterstadt Gobels, dessen Verhalten einen
so ungünstigen Einfluß auf die oberelsässische Geistlichkeit aus-
geübt hat, in der Meinung geteilt, welche Stellung man der
neuen Lage gegenüber einnehmen sollte, und ist es beinahe
auffallend, daß in Thann nicht mehr Priester abtrünnig wurden,
Im Kapitel waren unter dem Propst Poumier folgende Chorherren :
der Kantor Reiset, der Kustos Lefebure, Neff, der jüngere
Bruder Poumier, Ihler, Fritz, Desjardin, Jolly, der Pfarrer De-
lerse, und die Stiftskapläne Harnist und Hürth !. Den meisten
Mut von diesen zeigte der Pfarrer, früher Professor der Philo-
sophie am Kolleg zu Colmar, der am 6. Februar 1791 in ein-
gehender Begründung seine ablehnende Haltung dem Konstitu-
tionseide gegenüber begründete und die Eintragung seiner Recht-
fertigungsschrift im Munizipalprotokoll verlangte. Kurze Zeit
darauf verließ Delerse mit dem Propst Poumier Thann, um sich
einige Tage in Meltingen, Kanton Solothurn, zu verbergen, doch
bald kehrte er wieder in seine Pfarrei zurück, in der er am 9,
Juni 1791 die letzte Taufe hielt, worauf er für immer aus Thann
verschwand. Sein Name findet sich auf der zu Colmar am 27.
August 1793 veröffentlichten Liste der Emigrierten. Später soll
Delerse wieder nach Thann zurückgekehrt und daselbst 1825
gestorben sein?, Diese Angaben sind unrichtig, da weder in
den namentlichen Verzeichnissen der Volkszählungen noch ın
den Sterberegistern der Stadt Sich der geringste -Anhaltspunkt
für dieselben findet. Standhaft in der Verweigerung des Konsti-
tutionseides blieben außer dem Propst Theophil Poumier dessen
Bruder Lorenz Claudius Poumter, welche beide auf die Emi-
griertenliste gesetzt wurden, und deren Güter am 17 germinal
If als Nationalgut zum Verkauf gelangten. Das Wohnhaus des
Propstes in der großen Gasse erzielte 25 000 livres und das
seines. Bruders in der Schlachthausgasse 31 000 livres. Der
Propst besaß ferner Reben im Staufen, Silberacker und Hub-
acker, für welche 14 371 livres erlöst wurden, während die Gü-
ter des Chorherrn Poumier nur 810 livres einbrachten. Der
jüngere Poumier kehrte nach Eintritt ruhigerer Zeiten nach
Thann zurück, wo er bereits bei der Volkszählung im Jahre
1 Frayhier, Histoire du clergé S. 40.
2 Daselbst S. 219.
1804 angetroffen wird und daselbst am 8. März 1816 im Alter
von 80 Jahren! starb. Der Chorherr Franz Anton Neff, ein
Sohn des Vogts von Altkirch, befand sich bei Eintritt der Re-
volution bereits in vorgerückten Jahren ; nach einer Bescheinig-
ung des Magistrats Thann war er wegen Krankheit und hohen
Alters nicht mehrin der Lage geistliche Funktionen auszyüben,
wovon sich die Behörden durch persönlichen Besuch bei dem-
selben und ein ärztliches Zeugnis überzeugen konnten, und
entschied deshalb der Generalprokurator am 2, August 1792,
daß derselbe in Thann bleiben dürfe, aber unter Polizeiauf-
sicht zu stellen sei, damit man gegen ihn vorgehen könne,
wenn sich die Verhältnisse geändert hätten. Am 10. August
4793 wohnte Neff dem großen Freiheitsfest zur Erinnerung
an den verhängnisvollen Tag des Jahres 1791 auf dem Bungert an,
wofür ihm der Magistrat ein Wohlverhaltungszeugnis ausstellte,
Vorübergehend war Neff wegen seiner Eidesverweigerung in
Colmar interniert, wohnte aber sonst ziemlich unbehelligt in
Thann, wo er am 3. Januar 1806 ebenfalls 80 jährig verstor-
ben ist. Fest blieb der Stiftsarchivar Ludwig Reiset, der am
13, Juli 1792 die Minimalpension als Doyen des Kapitels von
1000 fr. verlangte, aber durch Bescheid des Distriktsdirekto-
riums vom 6. August folgend mit seinem Begehren abgewiesen
wurde, weil er sich weigere den Gesetzen des Staats zu ge-
horchen und daher an den Wohltaten derselben keinen Anteil
haben könne. Von Thann .zog sich Reiset nach Rosheim zu-
riick, wo ihm am 4 thermidor II die Munizipalverwaltung das
Zeugnis ausstellte, dab er seit 18 Monaten daselbst wohne, sich
ruhig verhalte, als wahrer Republikaner sich den Gesetzen ge-
fügt und keine kirchlichen Funktionen ausgeübt habe. Aus
dieser Bescheinigung ist keineswegs zu folgern, daB Reiset den
Konstitutionseid geleistet hat und zwar um so mehr, weil die
Verwaltung von Rosheim bekanntermaBen wegen ihrer Opposi-
tion gegen die Revolution abgesetzt werden mußte. Möglicher-
weise entging Reiset durch dieses Zeugnis der Emigriertenliste?,
1 Naeh Frayhier ist der Chorherr am 8. Mira 1736 zu Grignan
in der Provence geboren. Nach meinen Erkundigungen beim Stan-
desamt daselbst und bei demjenigen von Grignon (Seine und Oise)
ist diese Angabe unbegründet.
2 Frayhier S. 247. liste supplementaire des prêtres non asser-
mentés du Haute-Rhin dont les noms ne figurent pas au registre
officiel des emigrés.
— 4560 —
Auf der Liste der Emigrierten finden wir von den Chor-
herren noch Joseph Theobald Andreas Fritz, aus einer Taanner
Familie, der spiter als Pfarrer von Leimbach amtierte, und
Johann Franz Postuland Desjardin, einen Pariser, der zurück-
gezogen in Thann am 29. Oktober 1830 pensioniert verstorben
ist. Von den Kaplänen hat Sebastian Hürth, den Konstitutions-
eid nicht geleistet. Neben diesen leuchtenden Beispielen von
Mut und Pflichttreue finden sich auch einige wenige Abtrünnige.
Der Chorherr Lefebure, welcher bereits am 17. Juli 1791 mit
der Bürgerschaft auf den Bungert gezogen und auf einem im
Freien am Kapuzinerkloster errichteten Altar die Messe gelesen
hatte, nach deren Beendigung alle Teilnehmer mit den Magist-
ratsbeamten den Bürgereid schworen, leistete den Eid auf die
Konstitution sogar zweimal; das erstemal zu Colmar im Spital
am 14. August 1792 und nochmals am 3. Dezember 1799,
nachdem er von Thann nach Lauterburg verzogen war, wes-
wegen man ihn verfolgte und sogar irrtümlicherweise an
seiner Stelle in Thann den Chorherrn Ihler gefänglich ein-
zor. Der Chorherr Joly hat ebenfalls den Eid geleistet. Die
traurigste Rolle von allen spielte der Chorherr Theobald
Armand Ihler, ein geborener Thanner, ein Verwandter des
ehemaligen Metzer Kanonikus Johann Ihler von St. Ludwig,
der den Eid zu Thann am 4. November 1791 leistete und
vorübergehend sogar Kommandant der Nationalgarde daselbst
war. Ihler verzichtete am 23. September 1793 auf die Aus-
übung der geistlichen Funktionen, «er will für die Zukunft nur
den Titel eines franzósischen Bürgers führen sein Wunsch ist,
die Prinzipien der Gleichheit und Freiheit zu unterstützen, in-
dem er jede Art des Fanatismus verabscheut»; zugleich legte
er seine Bestallung als Priester aus dem Jahre 1776 auf den
Tisch des Stadtrats nieder!, Gegen diesen Chorherrn wandte
sich die Wut der Bürgerschaft von Thann, und muBle er am
29. Oktober 1792 zu seinem persónlichen Schutz unter poli-
1 Séance publique. Armand Ihler natif de Thann cidevant prétre
residant audit Thann est admis à la séauce et déclare renoncer à
exercer aucunes fonctions quelconques ecclesiastiques pour prendre
à l'avenir que le seul titre de citoyen francais que son désir est de
propager les principes de la liberté et de l'égalité detestant toute
espece de fanatisme et a déposé sur le bureau du sécrétaire ses
lettres de prétrise du 16 janvier 1776.
— 157 —
zeiliche Aufsicht gestellt werden. Nach Neuregelung des Kultus
wurde Ihler Pfarrer zu Sondersdorf, wo er 1809 verstorben ist.
Der Kaplan Harnist hat den Eid gleichfalls geleistet, was bei
seiner sonstigen schlechten Aufführung in der Stadt nicht ge-
rade Wunder nehmen kann.
An Stelle des Stadtpfarrers Delerse trat der aus Thann
stammende Priester Johann Baptist Goetzmann vorher Pfarrherr
von Staffelfelden, dessen Verwandte viele Jahre hindurch in
Ehren das Pfarramt hier versehen hatten. Am 19. März 1791
war Goelzmann durch die Wahlmänner des Distrikts. Belfort
gewählt und am 21. darauf investiert worden. Sein Amt konnte
er aber erst geraume Zeit später antreten, da ihn die thanner
Bürgerschaft nicht in ihren Mauern aufnehmen wollte. Bereits
am 30. März 1791 schrieb die Munizipalität an den Marschall
Vittinghoff nach Colmar, daß es in Thann übelgesinnte Leute
gäbe, welche von dem neuen Pfarrherrn nichts wissen wollten ;
die Zahl der Fanatiker, welche dem alten System anhänge, nehme
täglich zu, weshalb er auf des Königs Kosten 100 Mann Sol-
daten zur Aufrechterhaltung der Ruhe schicken solle, solange
dies nötig sei. Am 14. April 1791 befand sich noch kein ge-
schworener Priester zu Thann, und beschloß deshalb die Gesell-
schaft der Volksfreunde am gleichen Tage einem Traueramte für
Mirabeau zu Sennheim anzuwohnen, welches der erste konsti-
tutionelle Pfarrer des Elsasses d’Aigrefeuille am 19. April ab-
halten wollte, für den Fall, daß sich an diesem Tage zu Thann
kein Priester finden würde, der den Eid geleistet hätte. Am
10. Mai 1791 berichtete der Magistrat, daß ein Aufruhr gegen
Goetzmann, der in der Zwischenzeit seinen Wohnsitz in Thann
genommen hatte, bevorstehe und forderte neuerdings 100 Mann
Soldaten zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Am 24. Juli 1791
legte der neue Pfarrer in der Stiftskirche vor dem Hochamt
in Gegenwart der Beamten, des Volkes und des Klerus den
durch die Dekrete begehrten Eid, welchen er schon am 12.
Oktober 1790 geleistet hatte nochmals ab und nahm Besitz von
dem Münster, Am 4. September 1791 ernannte er zu seinen
Kaplänen Stephan Tschierret und Franz Joseph Schwilgue, beide
von Thann, «welch beide ihre Officia von ihrem Pfarrherrn
akzeptiert haben 1». Ersterer ging 1793 als Pfarrer nach Weiler
1 Protokoll der pfarrlichen Besitzergreifungen der Pfarrei Thann
ab anno 1791. St. Arch. daselbst.
— 158 —
und starb 1805 als Pfarrer zu Niedermorschweiler, letzterer
starb den 31. Mai 1836 als Pfarrer von St. Amarin. Nachfolger
des Kaplans Tschierret wurde am 14. Januar 1793 Franz Xaver
Voisard aus Pruntrut, welcher eine vielseitige Rolle in Thann
spielte. Er war Präsident der Konstitutionsgesellschaft, Leiter
eines Unterrichtsinstituts, in dem bezüglich der Religion, von
welcher «sonst kein Wort in öffentlichen Lehrstunden die Rede
sei dieselbe demjenigen in der Nebenstunde erteilt werde,
welcher sie verlange», und Gemeindesekretár und wurde an
Goetzmanns Stelle, der seine Demission gab, Stadtpfarrer zu
Thann.
Die Aufnahme, welche Goetzmann ın seiner Pfarrei fand,
war eine mehr als unfreundliche. Gleich nach seinem Einzug
in das Pfarrhaus wurden ihm sämtliche Fenster eingeworfen,
man schoß auf ihn als er von einem Spaziergang nach Altthann
zurückkehrte aus einem mit Zuckerbohnen geladenen Gewehr,
wodurch er beinahe verletzt wurde, das von ihm geweihte
Wasser wurde mit Farbe beschmiert. Vor dem Hause des
konstitutionellen Vikars fanden Aufläufe statt, man bedrohte
ihn von der Straße aus, falls er herunterkommen würde. Als
der Vikar in der Spitalkapelle gleichzeitig mit einem unge-
schworenen Priester zufällig die Messe las, drehte das anwesende
Publikum, als ersterer bei der Wandlung angelangt war, dem
Altare den Rücken zu. Wenn sich auch die ungeschworenen
Priester nicht öffentlich auf der Straße zeigen durften, so lieb
sie die Munizipalitàt doch ruhig in Privathäusern ihren Auf-
enthalt nehmen. Die Bürgerschaft 'l'hanns, welche ihren kon-
servativen Charakter durch Widersetzlichkeit gegen eine neue
Obrigkeit so z. B. 1470 gegen Karl den Kühnen und nach dem
westfälischen Frieden gegen Frankreich ausgedrückt hatte,
konnte sich mit den revolutionären Bestrebungen nicht be-
freunden, und selbst die Behórden taten alles nur gezwungen,
so dab manche Maßregeln des. Direktoriums entweder nicht oder
nicht genau vollzogen wurden. Am 20. November 1791 konnte
daher jemand schreiben «drei Viertel der Chorherren sind noch zu
Thann alle ehemaligen Franziskaner und Kapuziner sind: da und
regen das Volk auf. Keiner von diesen setzt einen Fuß in. die
Pfarrkirche sondern sie verrichten ihren Gottesdienst in andern
Kirchen. Viel hängt von der Munizipalbehórde ab, die arislo-,
kratisch gesinnt ist und die Ungeschworenen unterstützt». _
— 159 —
Goetzmann brachte es in seiner Geburtsstadt zu keinerlei
Ansehen. Von seiner Hand findet sich im Taufregister zum 2.
Oktober 1791 folgender Eintrag ad perpetuam rei et patriotorum
memoriam. Am Sonntag den 2. Oktober fand, wie in den
andern Gemeinden, ein großes Freudenfest und zwar auf dem
Ochsenfeld statt, weil Ludwig XVI. am 15. September die von
der Nationalversammlung beendigte neue Staatsverfassung ohne
Einschränkung ‘genehmigt und dieselbe am andern Tag in
feierlicher Sitzung unter großem Jubel der Anwesenden be-
schworen hatte. Ueber 3000 Mann Nationalgarden wohnten unter
dem Befehl des Generals Wimpfen der Feierlichkeit auf dem
Ochsenteld hei. Auf demselben war ein Altar errichtet, und
hielt der Bischof Arbogast Martin darauf unter Assistenz des
Klerus ein feierliches Hochamt, dem eine Gratulationscour folgte,
wobei D’Aigrefeuille eine patriotische Rede in französischer und
deutscher Sprache über den besiegten Despotismus und die
neu errungene Freiheit hielt. Der Bischof stimmte sodann das
Tedeum an, wobei die Stadtmusik die Begleitung übernahm
und erteilte nach Beendigung des Liedes der Versammlung
seinen Segen. Er nahm dann noch eine Taufe und eine Hoch-
zeit des Munizipalbeamten Glodner vor, wobei der Maire Bischof
und der Müller Korb als Zeugen assistierten. Es fand hernach
ein großes Essen und Trinken statt, die ganze Nacht war die
Stadt illuminiert, nur die Aristokraten versteckten sich.
Goetzmann war von den neuen Ideen ergriffen und ein
eifriger Republikaner, als solcher ließ er sich in die société des
amis de la constitution, welche am 27. März 1791 ihre erste
Sitzung abhielt, an der der Stadtpfarrer D’Aigrefeuille von
Sennheim und der Chorherr Johann Ihler teilnahmen, auf-
nehmen. Von Colmar schreibt er am 14. messidor II an die
Gesellschaft folgenden Brief, aus dem seine Freude bezeichnend
ist «Ihr habt mich als ein Mitglied eurer Gesellschaft aufge-
nommen das erstemal durch öffentliches Aufrufen, das andere
mal einstimmig durch die Wahlkugel, beides mal hat das Hände-
klätsehen der Brüder den Saal durchströmt dessen erinnere ich
mich allzeit mit Freuden, meine Feinde haben mir schon lange
gedroht,:aber als wahrer Patriot habe ich ihre heimlichen.
Ranke .und: Anschläge nicht geforchten». Im übrigen muß man
zugeben, daB Goetzmann seine Pflichten als Priester erfüllt hat,
er:wägte es’sogar:in der Schreckenszeit eine Prozession nach
— 160 —
Altthann zu veranstallen, wegen der er verschiedene Anfein-
dungen auszuhalten hatte. Später verzichtete er auf seine Pfarrei
und starb 1810 als Pfarrer zu Markolsheim.
Wie aus vorstehendem ersichtlich fand die Revolution in
Thann kein dankbares Feld. Diese Tatsache war nicht nach
dem Geschmack der sociele des amis, welche ursprünglich
angeblich zu dem Zwecke gegründet war, den Fortschritt
unter den Mitbürgern zu verbreiten. Wie man sich aber in
der Praxis die Tätigkeit derselben dachte, zeigte am besten dre
Eröffnungsrede des Präsidenten Faverolle in der konstituierenden
Versammlung. Er hielt es nicht für nötig die Ziele der Gesell-
schaft zu verschweigen, sondern erklärte der Munizipalver-
waltung offen den Krieg, weil sie in der Ausführung der De-
krete zu säumig wäre. Auf seinen Antrag wurde beschlossen,
daß der Präsident mit seinem Sekretär sich zum Maire be-
geben sollte, um die Verlesung des Dekrets über die zivile Or-
ganisation der Geistlichkeit in dem Münster durch den Pfarrer
oder seinen Kaplan zu verlangen, ein Ansinnen, welches der
Pfarrer rundweg abschlug. Die Rolle, welche diese Gesellschaft,
in der einige ultraradikale Franzosen und mehrere Fabrikanten
die Hauptführer waren, spielte, war keine rühmliche. Zu den
ersteren gehörte der von der Munizipalverwaltung abgesetzte
Rentmeister Bruant und der spätere Prokurator Fourcade, der
bei der Versteigerung des vom TruchseB von Rheinfelden 1620
erbauten Marsillyschen Schlößchens in der Kattenbach als National-
cut am 25. Februar 1793 sich durch Kunstgriffe dasselbe um
den billigen Preis von 9500 fr. hatte zuschlagen lassen; zu
den letzteren zählten einige Baumwollfabrikanten, und der
Fabrikdirektor Joseph Laurent aus Weiler, mit dem die Abtei
Murbach wegen des von ihm betriebenen Raubbaues in ihren
Bergwerken im St. Amarintal 1789 keinen neuen Pachtvertrag
mehr einging. Dem unheilvollen Einfluß der Gesellschaft be-
gegnet man im Laufe der weiteren Geschichte auf Schritt
und Tritt.
Die Versteigerung der Stiftsgüter fand erst im Jahre 1791
in Thann statt. Am 29. Dezember 1790 hatte der Propst
Poumier dem Direktorium zu Belfort ein Verzeichnis des ganzen
Mobiliar- und Immobiliarvermógens des Kapitels eingereicht, aus
dem hervorgeht, daß im Stiftshof nur wenige wertlose Gegen-
stände vorhanden waren, darunter ein Tisch, zwölf Strohstühle,
— 161 —
ein Fauteuil, ein altes Büffet, im Keller lagen 880 Ohm Zehnt-
wein. Am 13. Juli 1791 kam der baufällise Kapitelshof mit
Scheune, Stallung, Remise, Kellern und Keltern nebst gemein-
schafllichem Hof mit dem Pfarrhause, welches gegenüber lag,
zum Ausgebot ; den Zuschlag erhielt für 3400 fr. der Bürger
Joseph Seitz. Das Haus der einen Kaplanei in der Pfarrgasse
erzielle 2450 fr. und das der anderen neben der Münsterkirche
3500 fr. Da der Bloc vorbehalten worden war, wurden die drei
Hauser nochmals ausgeboten und dem Bürger Theobald Tschir-
ret um 11,900 fr. definitiv zugeschlagen. Schon vorher waren
die Aecker, Reben und Wiesen des Stifts am 413. Mai 1794
als Nationalgut verkauft worden, ergaben aber nur mäßige
Preise, da die Thanner Bevólkerung sich schwach beteiligte.
Die Reben der Pfarrei im Stauffen, das beste Stück im ganzen
Bann mit 9 Schatz, ersteigerte der Bürger Rieth von Rammers-
matt für 2450 fr. Das Mitglied des Direktoriums Bàumlin ver-
schmahte nicht einige Liegenschaften billig zu erwerben. In den
Verkaufsbedingungen hatte daß Direktorium bestimmt, daß je-
der Ansteigerer von Reben, weiche der Propstei oder Pfarrei
gehörten als Baulohn 5 fr. 4 s. für den Schatz an den ge-
wesenen Propst und den Pfarrer zu zahlen hätten. Das Pfarr-
haus fast ganz neu, heute die Wirtschaft Leguthke, hatte ur-
sprünglich der Handelsmann Paul Levy submissionsweise
erworben, nachdem er zwei Termine bezahlt halte, konnte er
den Rest nicht mehr aufbringen, weshalb es am 13. Mai 1791
zum Anschlagspreise von 5994 fr. ausgeboten aber nicht zu-
geschlagen wurde, da die Kommission der Meinung war, daß
die Stadt das Gebäude als Primärschule dringend benötigte und
andere zu diesem Zweck geeignete Anwesen nicht vorhanden
seien. Das Direktorium schlug die Vorstellungen der Munizipal-
behörde der Stadt das Gebäude zu überlassen ab, und teilte
das Pfarrhaus das Schicksal der übrigen Stiftsgüter. Viel spä-
ter erst durfte der Stadtrat, welcher jährlich und noch im
Jahre 1807 einstimmig beschlossen hatte, das Anwesen von
seinem Besitzer, dem Enregistrementseinnehmer Rey, der es
der Stadt um den billigen Preis von 7200 fr. angeboten hatte,
während der Wert von Sachverständigen auf 11 000 fr. geschätzt
wurde, als Pfarrhaus mit Genehmigung des Präfekten kaufen.
Die Regierung glaubte ihre Zustimmung zu dem Erwerb ver-
sagen zu müssen, weil die Stadt durch Ausgaben für Schul-
SCHOLLY. 11
— 162 —
zwecke allzusehr belastet sei | 1840 wurde durch die Gemeinde
das jetzige Pfarrhaus tauschweise gegen das frühere erworben.
Nachdem das Direktorium die Kirchen geschlossen hatte,
wurden auf Verordnung der Volksrepräsentanten die silbernen
und vergoldeten Kirchengefäße, Kruzifixe und andere kostbaren
Ornate in Beschlag genommen und den obern Verwaltungs-
behörden überbracht, welche sie dem Konvente einhändigen
sollten. Für die Aufnahme des Inventars zu Thann wurde als
Kommissar des Distrikts der Bürger Antonini von Belfort er-
nannt, tind das Verzeichnis am 10. September 1793 im Beisein
der Munizipalitätsbeamten und des Goldschmieds Jaeger von
Thann, als Sachverständigen, errichtet. Es mußten darin alle
Mobilien, Effekten und Utensilien in Gold und Silber, welche
sich in der Pfarrkirche befanden, angegeben, jedes Stück nach
seiner Natur bezeichnet und das Gewicht festgestellt werden.
Im alten Schatzgewölbe wurden von den Beamten Heriset,
Risler und Spigre aufgenommen: eine große Monstranz in Form
eines Turmes der Stadt Thann silbervergoldet und in einem
Lederfuteral verwahrt, ein Ciborium, acht silbervergoldete Kel-
che mit zehn Patenen ; in der Sakristei: vier Kelche, drei kleine
Gefäße und ein Kreuzchen. Der Wert wurde mit 62 Mark
1 Unze angegeben, ferner fanden sich vor sechs Meßgewänder
mit Stolen und Armbinden, ein Meßgewand mit Silber verziert,
eine Garnitur und ein Kreuzchen, der Wert dieser Gegen-
stände ist auf zwei Mark taxiert. Am 21. November 1793 zeigte
der Pfarrer Goetzmann alle diese Gegenstände einer besonderen
Kommission vor, hierauf wurden sie nach Belfort gebracht und
dort am 12 ventose III vor dem Spital öffentlich mit anderen
Kostbarkeiten versteigert. Wenn die kleine Thanner Chronik
schreibt, während der großen Revolution ist unsere hübsche
Münsterkirche ganz ausgeplündert worden, sonst würde sie
einen der schönsten Kirchenschätze von ganz Deutschland ha-
ben 5; auch soll unser Münster noch ein drittes Bild des hl.
Theobaldus besessen haben aber 1793 mit den schónen Glocken
verschwunden sein, so ergibt sich aus dem aufgenommenen
Inventar, daf dem Kirchenraub nicht allzu viele Schátze zum
Opfer gefallen sind. Dieselbe Chronik fügt bei?, daß an beson-
1 Seite 192.
2 Seite 123.
— 163 —
deren Kirchenschätzen das Münster ein Türmchen mit den Re-
liquien des hl. Theohaldus aus dem 14. Jahrhundert und ein
kleines Theobaldusbild von Silber aus dem 15. Jahrhundert
besitzt. Diese Angaben sind ohne jeden Wert und entsprechen
nicht den Tatsachen ; denn einmal war das Theobaldusbild zur
Zeit des Inventars nicht mehr vorhanden, und dann ist das
Türmchen mit den Reliquien eine ganz moderne Arbeit. Die
Munizipalverwaltung hatte nämlich, um wenigstens für das Mün-
ster etwas zu retlen den Versuch gemacht vom Direktorium
zu Belfort das Türmchen zu erhalten. Darauf schrieb am 30.
Oktober 1793 die Behörde, sie könne keine Ausnahme vom Ge-
setz zulassen, welches vorschreibt, daß alle Gold- und Silber-
sachen einzuschicken seien. Die angeblich künstlerische Ar-
beit sei wohl nur als Objekt einer Ostentation anzusehen, und
das Anerbieten, welches die Petenten um Erhaltung des Türm-
chens der Gemeinde gemacht haben, lediglich dazu geeignet
den Geist des Gesetzes zu vereiteln, was nicht zugelassen wer-
den dürfe. Dies hindere aber nicht den Petenten die Möglich-
keit zu gewähren ihrer Devotion an St. Theobaldus Ausdruck
zu geben; sie sollen ein neues Reliquienkäsichen an Stelle des
alten durch den Goldschmied von Thann machen lassen und
die Reliquien des Heiligen in demselben unterbringen. Das Di-
rektorium erwarte, daß die Sendung der inventierten Gegen-
stände sofort erfolge, solle sich Widerstand in der Stadt er-
heben, so werde diesen der Patriotismus der Munizipalverwalt-
ung zu beseitigen wissen. Daß das Reliquienkästchen dem
Schicksal der anderen Goldsachen nicht entging geht aus einer
Aufstellung des Bruderschaftsrechners Willig von 3793 hervor,
worin es heißt, daß man in verwichenen Jahren das St. Theo-
baldusheiligtum, so von Silber gewesen, der Nation verabfolgen
ließ, weshalb man genötigt war ein anderes von Kupfer bei
dem Goldschmied Sebastian Jaeger für 300 fr. zu bestellen !.
Die Verzögerung in der Ausführung dieses Edikts zog dem
Pfarrer Goetzmann und der Munizipalverwallung eine anonyme
Denunziation beim Kommissar Antonini zu, in der behauptet
wurde, daß eine goldene Monstranz verheimlicht worden sei,
welche Behauptung sich als völlig grundlos herausstellte.
— —
1 St. Arch. Thann G. 3, 15. »
— 164 —
Nachdem die Gold- und Silbersachen, sowie Ornamente
eingeliefert waren, kamen die Glocken an die Reihe. Bereits
am 20. Oktober 4791 wurde im Stadtrat ein Brief des De-
partementsdirektors verlesen, der unter anderem den Passus
enthielt, daß die Glocken der unterdrückten Kirchen zur Münze
verbracht werden sollten. Man beschloß daher den Sekretär
Bruant am nächsten Tag zum Bischof nach Colmar und zum
Direkterium zu schicken und den Versuch zu machen, wenig-
stens die Glocken des Münsters für die Stadt zu erhalten, in-
dem:man geltend machte, daß wegen der Größe der Pfarrei
es nölig sei, eine Hiltspfarrei in der Franziskanerkirche zu er-
richten, wozu man die Glocken dringend benötige. Für den
Fall, daß dieser Vorschlag nicht berücksichtigt werden könnte,
sollte der Regierung anderes Glockenmaterial, welches die
Stadt besaß, tauschweise angeboten werden. Wie nicht anders
zu erwarten war, verwarf das Direktorium die Anträge der
Munizipalverwaltung der Stadt. Da nun lelztere es mit der
Einlieferung der Glocken gar nicht eilig halte, schickte man
am 9. Oktober 1/93 zwei Kommissäre des Comités der öffent-
lichen Wohlfahrt nach Thann, die verlangten, daß das Ver-
zeichnis der vorhandenen Glocken und derjenigen, welche über-
flüssig seien, binnen 24 Stunden eingeschickt würde. Die Kom-
missare ernannten hierzu drei Beamte der städtischen Verwaltung,
welche versprechen mußten, binnen drei Tagen genau alle
Anweisungen für die Abnahme und den Transport der Glocken
zu befslgen, vorbehaltlich der an die Gemeinde zu zahlenden
Entschädigung für Arbeitslóhne für die Abnahme der Glocken.
Nach dem am 14. Oktober 1793 aufgestellten Verzeichnis
waren in Thann acht Glocken vorhanden, davon zwei in der.
Franziskanerkirche, eine bei den Kapuzinern und fünf in dem
Münster. Von diesen wurden sieben als disponibel. erklärt, von
den Gerüsten herabgenommen und nach Illhäusern bei Colmar,
transporliert, von wo sie Kommissare nach StraBburg in die
Münze brachten. Die kleine Thanner Chronik meint naiv, dab
die große Theobaldusglocke,. welche 100 Zentner wiegt und
1467 in Basel gegossen ist, nicht mitgenommen werden konnte!,
Nicht ihrer Größe verdankt diese Glocke ihre Erhaltung, . son-
dern einzig und allein ihrer Unentbehrlichkeit, wie ja auch in
1 Seite 123. : !
— 165 —
Lad
StraBburg die groBe Domglocke erhalten blieb. Nachdem die
Münsterkirche fast keinen Schmuck oder Sachen ‘von einigem
Werte mehr aufzuweisen hatte, schrieb der Enregistrements--
einnehmer an die Administration einen Brief, und frug "darin
an, ob er nicht auch das eiserne Gitter, welches das Chor vom
Schiffe trenne und nur des Luxus wegen da sei einschicken’
solle! Der Antrag wurde jedoch abgelehnt,
Unterdessen hatte der Konvent am 22. September 4792,
mit welchem Tage das zweite Jahr der Republik begann, die
neue Zeitrechnung eingeführt und deren Gebrauch strengstens
anbefohlen. Die Sonntage wurden nur noch als Kirchenfeste
aber nicht mehr als Ruhetsge bis zur Zeit der bald darauf
folgenden Schließung der Kirchen und der Einstellung jedes óffent-
lichen Gotlesdienstes beibehalten. An ihrer Stelle wurden die
Decadi als gesetzliche Feiertage eingeführt. In Thann konnten
sich die Bürger nicht an die neuen Feiertage gewóhnen und
liellen nach wie vor die Sonntage ein. Die Munizipalitat, lief
unter dem Druck der Konstitutionsgesellschaft öffentlich be-
kannt machen, daß sie mit Erstaunen gesehen habe, wie am
5 ventose fast alle Bürger nichts gearbeitet haben und sonntäg-
lieh gekleidet gewesen seien, in Zukunft dürften nur die gesetz-
lieh vorgeschriebenen Ruhetage gehalten werden, und alle die-
jenigen, welche an Sonntagen nichts arbeiteten, würden als
verdächtig angezeigt. Zu diesem schärfern Vorgehen wurde die
Verwaltung durch die gedachte Gesellschaft, die sich täglich
mehr ‘SinfluB zu verschaffen wußte, gleichsam gezwungen. Noch
kurz vorher hatte der Bürger Tschann unter lebhaftem Beifall
der Anwesenden in der Sitzung der Volksfreunde erklart, daB
er alle Sonn- und die übrigen Festtage halten wolle, selbst
wenn es ihm den Kopf kosten sollte, und. er zähle darauf, daß
ale braven Bürger es ebenso wie er ‚halten würden. Auf Be-
treiben des Präsidenten wurde Tschann, soeben erst applaudiert,
für die nächsten drei Sitzungen ausgeschlossen, und eine Buße
von 5 fr. für diejenigen festgesetzt, welche wiederum in einer
Versammlung ein Wort von Religion sprechen würden. Diese
Sirafe hinderte jedoch den Hauptsprecher Probst nicht in der
Sitzung vom 10 ventose II, darüber zu klagen, daB die Dekrete
über die Sonntagsfeier nicht befolgt würden, man solle keinen
Sann- oder sonstigen Feiertag mehr halten, da diese Tage nur
aus MiBachtung für das neue Regime mit soviel Pomp gefeiert
— 16 —
werden, man möge deshalb eine Deputation an die Munizipali-
tät schicken, damit die Arbeit an Sonntagen allgemein an-
geordnet und jeder als verdächtig angesehen würde, der nichts
arbeite. Die von der Munizipalität erlassene und öffentlich be-
kannt gernachte Verordnung nützte nicht im geringsten, was
der Präsident der Gesellschaft lebhaft beklagte. In der Sitzung
vom 13 ventose rühmte sich dieser, daß er am letzten Sonntag
in seinen Reben gearbeitet hatte und er hoffe, daß die Bürger,
welche ihm sonst ein so großes Zutrauen schenkten, seinem
guten Beispiel folgen würden. Ein anderer Genosse versicherte
er sei tief betribt, daß der Fanatismus d. h. die Sonntags-
heiligung in Thann noch regiere.
In der altehrwürdigen Münsterkirche, deren Inneres ein
profanes Aussehen hatte, fand am 20. November 1793 auf An-
stehen der Konstitutionsgesellschaft das Fest der Vernunft statt,
Die Beteiligung der Bürgerschaft war eine schwache, nur die
` untersten Volksschichten vom Schwindel der Freiheit und
Gleichheit angesteckt, nahmen die angeordnete Feier mit Bei-
- fall auf, die mittleren Klassen wagten nicht zu widersprechen
und ließen das Fest ruhig über sich ergehen. Morgens
Y Uhr setzte sich der Zug vom Rathaus, dem Beratungs-
lokal der Volksfreunde, der Kirche zu in Bewegung. Hinter
der Musik, welche der Festlichkeit entsprechende Stücke vor-
trug, zogen 24 junge Mädchen mit Trikolorebändern ge-
schmückt in weißen Gewändern unter dem Gesange von Frei-
heitshymnen, vier andere Mädchen trugen Körbe mit Blumen,
deren Inhalt sie mit Grazie in die Höhe warfen ; alle Bürger
und Bürgerinnen sollten dem Zuge anwohnen und Eichen -
zweige in den Händen halten. Das Innere des Münsters hatte
eine gänzliche Umgestaltung erlitten. Längs der Säulen des
Schiffes waren übereinander ragende Sitze angebracht, so dab
das Ganze den Eindruck ‘eines Amphitheaters bot. Der Hoch-
altar war verhüllt, und die beiden Altäre am Eingang des
Chores auf die Seite geschoben ; vor dem Hochaltar erhob sich
einem Berge ähnlich ein Breltergerüst. Auf diesem saßen 12
Veteranen auf der ersten Stufe, die Festjungfrauen auf der
zweiten, und die Munizipalität auf dem reservierten Platze,
die Mitglieder des Ueberwachungskomites, der Volksfreunde
und die Redner auf dem Amphitheater. Der Bruder Sabatier
hielt in französischer Sprache, die von den wenigsten Teil-
— 167 —
nehmern verstanden wurde, eine überschwängliche Rede auf
die Verherrlichung der Natur. Nach beendigter Zeremonie,
wobei es zu einer kleinen Rauferei kam, in welcher der Ge-
nosse Fourcade von einem Dienstknechte aus Rodern georfeist
wurde, fand im Freien eine große Festlichkeit statt, an der,
um die Prinzipien der Gleichheit besser auszudrücken, einige
Sladtarme teilnehmen durften. l
Mit Einführung des Vernunftkultus wurden alle übrigen Re-
- ligionshandlungen eingestellt.. Oeffentliche Taufen, EheschlieB-
ungen vor dem Geistlichen, selbst die religiösen Gebräuche bei
Beerdigungen waren verboten, nachdem man kurz vorher die
Führung der Standesregister den Geistlichen entzogen und den
Beamten der Munizipalität übertragen hatte. Am 12. November:
1792 schloB der Maire Heriset das Heirats- und Sterberegister
und am 11. Januar 1793 das Taufregister auf Grund des Ge-
selzes vom 20. September 1792. Die erste Ziviltrauung fand
am 4. Dezember 1794 statt, bei welcher der konstitutionelle
Vikar Schwilgué als Mairiesekretir amtierte, aber nicht mehr
auf dem Rathaus sondern im Tempel der Vernunft an den De- -
kadis. An diesen Ruhetagen sollten die Bürger im Tempel,
wie sonst in der Kirche, sich versammeln und an den öffent-
lichen Vortragen, welche die Mitglieder der Konstitutionsgesell-
schaft hielten, sich erbauen. Auch mußten vorschriftsgemäß die
Beamten der Munizipalverwaltung in der entheiligten Kirche
die Rechte der Menschen erläutern, und die von der Armee
seit dem letzten Dekadi eingelaufenen Berichte verlesen.
= Der ultraradikale Geist jener Zeit verlangte neben der
Kirchenschändung die Vernichtung aller Zeichen, Bilder und
Namen, welche an das vor der Revolution Bestandene erinnern
konnten. Ein Dekret des Departementsdirektoriums verordnete,
daß alle Zeichen des Lehenswesens, des Königtums und des
Aberglaubens an den öffentlichen Gebäuden und den Privat-
häusern zu verschwinden hätten. Die durch den Volksrepräsen-
tanten Foussedoire vom 4 floreal If im Tempel der Vernunft
vorgenommene Epuration der Munizipalverwaltung hatte einige
Demokraten der äußersten Linken hauptsächlich Franzosen in
diesen Körper gebracht, und dennoch traute sich die Verwal-
tung längere Zeit nicht das Dekret rücksichtslos durchzuführen
wegen der Gährung, die in der Stadt herrschte. Am 23 fri-
maire II beanstandete der -Regierungskemmissar,” daß der
— 168 —
Bürgermeister und die Beamten der Stadt in der Ausführung
des Ediktes der Volksrepräsentanten bei der Rheinarmee lässig
seien und das Edikt nur teilweise vollzogen haben, er hatte
mit Freuden gesehen, daß man sich anschickte das Fest der
Vernunft feierlich zu begehen, aber diese Freude sei getrübt
worden, da er gehört habe, daß man in der Stadt über die
Wegnahme der Statuen an den Bänken {und an der Pfarr-
kirche ungehalten sei, als ob diese Stücke von Holz und Stein
die Adoration eines freien Volkes verdienten. Er verlangte, daß
alle Zeichen des Fanatismus, welche noch existierten, sowohl
außen an der Stiftskirche, wie alle Kreuze, welche sich an den
Häusern befinden und den Blicken des Volkes ausgesetzt seien,
als unnütze Ueberbleibsel des alten Aberglaubens sofort ver-
schwinden müßten ; die Stadt solle Arheiter anstellen, welche
sie herunterholen und vernichten. Das Christusbild im Stadt-
ratsaale sei wegzunehmen oder in die Kirche zu verbringen,
vorher müßten die daran angebrachten Wappenzeichen entfernt
werden. Die Munizipalitat wurde von dem Kommissar per-
. sönlich für die Ausführung des Befehls verantwortlich gemacht,
und zwar aus dem Grunde, weil eine Anzeige beim Direkto-
rium gegen dieselbe eingelaufen war, daß sie allzu nachlässig
in der Befolgung der Dekrete sei. Die Verwüstungen nahmen
dank des Widerstands der Bürgerschaft nur geringe Dimen-
sionen an. Am äußeren Portale des Münsters wurden einige
Statuen zerschlagen, viele waren schon vorher von den Ein-
wohnern herabgeholt, und nach der Revolution wieder auf
ihren Platz gestellt worden, die Wappen der Edeln von Ruost
und von Sickingen, welche sich über dem früheren Eingang
in die Marienkapelle befanden, wurden herausgemeiDelt, Vom
alten Niedertore holte man den Tod und den Jüngling herab,
die der Stadtrat am 6 germinal VIII auf Veranlassung der
Bürgerschaft wieder reparieren und aufstellen ließ, auf dem
ehemaligen Friedhof um das Münster wurde das alte Stein-
kreuz zerschlagen. Im [Innern der Kirche wurden einige Fi-
guren demoliert und die auf den Chorstühlen angebrachten
Heiligenfiguren herabgeschlagen. Die in der Stadt Thann spä-
terhin und heute noch geglaubte Version, als ob ein Pfarrer
die Phialen dieser Stühle hätte absägen lassen, um das Chor
durch auf denselben aufgesteckte Lichter heiterer zu machen,
gehört in das Reich der Sage. Am 15 vendemiaire III konnte
— 169 —
die Munizipalitätsverwaltung berichten, daß alle Ornamente
und Zeichen des alten Kultus entfernt und zerstört seien,
das nämliche müsse nun an der Synagoge geschehen.
Ueber die Abhaltung des Gottesdienstes während der Re-
volution finden sich einige interessante Aufzeichnungen in den :
Protokollbüchern der Stadt Thann aus jener Zeit.
Am 6 floreal JI hatte der Volksrepräsentant anläßlich der
im St. Amarintal besonders in Odern vorgekommenen Unruhen
verboten, daB mit Glocken zu religiösen Versammlungen oder
zu solchen, welche mit der Ausübung eines Kultus zusammen-
hängen, geläutet würde. Weder morgens noch abends durfte
ein Glockenzeichen gegeben werden; erst seit dem 17 nivose
Il wurde wiederum, da keine öffentliche Uhr vorhanden war,
das Geläute morgens, mittags und abends gestattet ; zur Messe
dagegen waren nur drei Glockenschläge zugelassen. Am 28.
nivose wurde das alte Verbot ohne AnlaB in seinem ganzen
Umfang erneuert.
Mit dem Momente, in welchen; der konstitutionelle Pfarrer
Goetzmann Besitz von der Münsterkirche ergriffen hatte, ver-
ließen die treu gebliebenen Katholiken diese Kirche und hielten
fortan ihren Gottesdienst in der ehemaligen Franziskanerkirche,
welche in den Schreckenstagen des Jahres 1793 geschlossen
wurde, Das Dekret vom 18. März 1793, welches Todesstrafe
für jeden Priester, der deportiert wäre oder deportiert werden
sollte, androhte im Falle er nach acht Tagen noch auf fran-
zösischem Boden angetroffen werden würde, machte eine freie
Ausübung des Kultus unmöglich ; die Spendung der Sakra-
mente erfolgte durch Priester, welche heimlicherweise in die
Stadt hereinkamen und sich eben so wieder hinausbegeben
mußten. Da die katholische elsässische Bevölkerung trotz aller
Verfolgungen treu an ihrem Glauben hing, mußten selbst die
geschworenen Priester die Wut der Fanatiker fühlen und
wurden verschiedene konstitutionelle Pfarrer, darunter der Nach-
folger Goetzmanns, Voisard zu Besancon interniert. Die Er-
eignisse auf dem Kriegsschauplatze der Vendée zwangen die
Regierung zu Paris den Gottesdienst durch die Gesetze vom
21. Februar und 30. März 1795 wieder frei zu geben jedoch
mit Auslegung zu Gunsten der geschworenen Priester. Da von
den verbannten Priestern in den Gesetzen keine Rede ist, und
die eingesperrten frei gelassen wurden, und nicht der Kon-
— 170 —
stitulionseid sondern der bloße Eid der Anschließung an die
Republik verlangt ist, leisteten denselben verschiedene Geist-
liche zu Thann, und wurde der Gottesdienst in der Franzis-
kanerkirche von refraktären Priestern wieder am 2. August 1795
abgehalten, wie aus dem Taufbuch hervorgeht (noms des enfants,
qui depuis le rétablissement du culte et l'ouverture de l'église
de Thann à l'époque du 2 aoüt 1795 ont été baptisés), nach-
dem dieselben vorher in Privatwohnungen Gottesdienst ge-
halten hatten. Die Franziskanerkirche genügte den Katholiken
nieht, und baten deshalb am 20 floreal II verschtedene Bürger
die Munizipalität um zwei Stunden im Tage, an denen sie in .
der ehemaligen Münsterkirche, in der eine gewisse Anzahl
Bürger auf eine andere Weise ihren Gottesdienst ausübte, sich
“versammeln dürften. Der Bürgeragent Bischoff geslattete ihnen
die Mitbenützung des Münsters von 8—9 und 1—2 Uhr täglich,
ohne daß dadurch die Konstitutionellen gestört würden. Durch
die Umtriebe des Pfarrers Voisard wurde nach kurzer Zeit
dieser Beschluß wieder aufgehoben. Voisard war am 16 plu-
viose VI von den Bürgern, welche sich in der Kirche versam-
melt hatten, nach der Pfarrmesse zum Pfarrer gewählt worden,
«da er seit Wiederherstellune des freien Gottesdienstes auf Be-
gehren der Patrioten den katholischen Gottesdienst wieder ein-
geführt, und als Verwalter der Pfarrei seither mit aller Zufrie-
denheit vorgestanden ungeachtet der vielfältigen ihm von Seiten
der Anhänger der Königspriester angelanen Schmach standhaft
und getreu auf seinem Posten verblieben ist, so haben ihn die
Patrioten einhellig gewählt und begehren, daß der Beschluß
im Protokoll der Agentsverwaltung eingeschrieben werde».
Als Napoleon die Zügel der Regierung ergriffen hatte,
glaubten die Katholiken die Zeit gekommen, wo sie Besitz von
dem Münster ergreifen dürften. Am 9 vendemiaire IX er-
suchten sie den Bürgermeister die Abhaltung des Gottesdiensts
in der Stiftskirche zu gestatten, gleichzeitig stellten sie den
Antrag auf Rückgabe der von ihnen früher auf eigene Kosten
angeschafften Ornamente und sonstigen Gegenstände, | welche
sie bei ihrem Auszug aus der Kirche darin zurückgelassen
hatten. Der Maire beschloß im Einverständnis mit seinem Bei-
geordneten den zweiten Teil der Petition zu erfüllen, dagegen
könne in der Stiftskirche erst dann eine Versammlung von
Gläubigen stattfinden, wenn die Priester, welche die Kultus-
— 171 —
handlungen ausüben wollten, sich dein Gesetze unterworfen
hätten. Die in Thann weilenden Pfarrer leisteten hierauf den
neuen Verfassungseid, der nichts enthielt, was sie mit ihrem
Gewissen in Konflikt bringen konnte, und erließ der Maire
am 7 brumaire IX folgendes Dekret :
1. Die Kirche, welche bisher durch Voisard und seine
Anhänger allein benützt wurde, ist für die Zukunft auch den
übrigen Priestern des katholischen Kultus freizugeben, welche
ihre Ergebenheit an die Konstitution des Jahres VIII durch
ein Zeugnis nachweisen.
2. Kein Geistlicher darf in dieser Kirche oder einem
andern Ort eine Kultushandlung vornehmen, solange er nicht
vor dem Maire eine diesbezügliche Erklärung abgegeben hat.
3. Der Pfarrer Voisard ist berechtigt in dem Münster
seinen Gottesdienst an den von ihrn seither gewohnten Stunden
weiter zu halten. Die Stunden werden genau festgesetzt und.
für beide Teile geregeit.
_ 4 Vermittels dieses Reglements können die Priester ohne
Unterschied die drei Altäre der Kirche gebrauchen und zwar soll,
wenn sie sich einigen können, der Hochaltar dem Pfarrer
Voisard und seinen Anhängern allein, dagegen die beiden
Seitenaltäre den übrigen Priestern zur Verfügung stehen, indem
bestimmt wird, daß sie nur allein den ausschließlichen Gebrauch
des Altars rechter Hand am Eingang zum Chor haben und
derjenige zur linken Seite gemeinschaftlich bleibt, so dab
jeder an den ihm festgesetzten Stunden darauf seine Messe
lesen kann.
5. Die Priestergewänder, Leinwandsachen und die übrigen
Ornamente sind, soweit sie nicht den Katholiken allein gehören,
für deren Aufbewahrung sie einen getrennten Raum erhalten,
Eigentum der Gemeinde und können aus dem Grunde nicht
geteilt werden, weil so wenig vorhanden ist, daß bei einer
Teilung jeder Kultus darunter leiden müßte.
6. Da die Ausübung des katholischen Kultus in gewissen
Fällen nicht. auf voraus bestimmte Stunden verlegt werden
kann, wie z. B. die Spendung der Sakramente, so haben die
Priester jeder Zeit das Recht in die Kirche zu kommen, um
diese Handlungen vorzunehmen, ohne daran irgendwie gehindert
werden zu können.
7,. Gegenwartiges Dekret soll an der Kirchentür ange-
— 1722 —
schlagen und eine Ausfertigung dem Präfekten des Departements
eingereicht werden, damit niemand Gesetzesunkenntnis vor-
schützen kann.
Mit diesem Dekret waren selbstverständlich beide Teile
nicht zufrieden, da die Anhänger Voisards die unbeschränkte
Herrschaft in der Kirche nicht ohne weiteres aufgeben wollten,
und die Katholiken mit den wenigen ihnen eingeräumten
Rechten sich nicht begnügen konnten. Die ersteren richteten
an den Maire am 3 nivose ein Schreiben, worın sie ausführten,
daß sie sich durch die von ihm gemachten Zugeständnisse und
die ihnen zugewiesenen Stunden beunruhigt fühlten, und be-
nützte dieser eine sich kurz darauf bietende Gelegenheit seinen
Beschluß wieder aufzuheben. Es wurde ihm angeblich be-
richtet, daß die früheren refraktiren Priester, welche zur
Fidesleistung auf die neue Verfassung durch Dekret des Konsuls
vom 7.nivose zugelassen waren, versucht hatten, Zwietracht
in der Gemeinde zu verbreiten, indem sie vorgaben, sie hatten
.nur einen Eid geleistet, während die geschworenen Priester
zwei geleistet hätten. Am 18 brumaire hahe einer dieser
Priester namens Bernhard Meyer, vorher Benediktiner der Abtei
Ebersmünster, der deportiert gewesen sei, in öffentlicher Pre-
digt versucht, die Katholiken aufzuhetzen ; er der Maire, der
davon erfahren habe, hätte der Predigt in Amtstracht ange-
wohnt und sich überzeugt, daß dieselbe aufreizenden Inhalts
gewesen sei. Der Präfekt Harmand untersagte Meyer die Aus-
übung von geistlichen Funktionen und gab dem Maire Auftrag
die angeblichen Anschläge der Feinde der öffentlichen Ruhe
und Ordnung zurückzuweisen.
Der Maire erließ einen neuen Beschluß, welcher die
Stunden der beiden Gesellschaften genau regelte und entschieden
den Anhàngern Voisards mehr als günstig war, trotz der ge-
ringen Anzahl der Konstitutionellen. Am 2 germinal IX schrieb
er an Meyer, daß er auf Betreiben mehrerer Patrioten, welche
nicht bei Voisard beichlen könnten, wenn katholische Priester
in der Kirche anwesend seien, er diesen ermächtigt habe, ohne
an die vorgeschriebenen Stunden gebunden zu sein, jederzeit
das Münster zu betreten, er solle sich lediglich in der Sakristei
aufhalten, wenn die andern Priester Gottesdienst halten.
Der Maire ging noch weiter, er schrieb an den Präfekten,
daß seit 1791 die Konstitutionellen das Münster, die andern
—A—— St —
— 13 —
Katholiken die Franziskanerkirche, welche man den deportierten
Priestern eingeräumt habe, benülzten; vier von den letzteren
hätten mit den Konstitutionellen den gemeinschaftlichen Ge-
brauch des Münsters; aus dieser Mitbenülzung entstünden fort-
während Uneinigkeiten, weshalb es nötig sei, den Konstitutio-
nellen das Münster ausschlieBlich einzuriumen.
Der Präfekt willfahrte sofort dem Antrag und erließ folgendes
charakteristische Dekret: «In Erwägung, daß zwei Kirchen in
Thann sind, haben die Konstitutionellen den ausschließlichen
Gebrauch des Münsters, alle andern Priester, welche sich neu-
lich unterworfen haben, halten ihren Gottesdienst in der Franzis-
kanerkirche. Mit der Ausführung dieses Beschlusses wird der
Maire Fourcade beauftragt. Sollte sich ein Priester unterstehen
durch Predigt oder sonstwie Unruhe unter der Bürgerschalt
zu erregen, so ist dem Prälekten hierüber zu berichten.» Die
Katholiken, welche selbstredehd dieses Dekret als eine Ver-
letzung ihrer Rechte ansehen mußten, beruhiglen sich nicht
ohne weiteres bei dem Dekret des Prüfeklen, sondern wandten
sich in einer Eingabe an denselben, in der sie die Handlungs-
weise des Maire einer vernichtenden Kritik unterzogen. Ob
alles, was in der Vorstellung behauptet wird, den Tatsachen
entspricht, läßt sich wohl nicht beweisen, es scheint aber daß.
Fourcade, welcher schon in dem Falle mit dem Schlößchen
Marsilly eine nicht gerade rühmliche Rolle gespielt hatte, auch
hier seine und seiner Freunde Interesse zu wahren nicht ver-
gessen hat. Die Katholiken führten nämlich aus, dab ein ge-
wisser Marandet, welcher das ehemalige Franziskanerkloster
nebst der alten reparaturbedirftigen Kirche als Nationalgut er-
kauft hatte, diese den zurückgekehrten Priestern zum Gebrauche
angeboten hätte. Die Mehrzahl der Priester wollten ihren
Gottesdienst in der Franziskanerkirche halten, weil sie mit dem
Pfarrer Voisard, im Nebenamt Sekretär des Maire, der seinen
Kultus im Münster ausübte, nichts zu tun haben möchten ;
durch die großen Reparaturen, welehe in der ersteren Kirche
vorzunehmen waren, scien sie aber bestimmt worden, von dem
Gebrauch dieser Kirche Abstand zu nehmen, und durch die
Minderheit bewogen, hälte man sich geeinist den Gottesdienst
im Münster zu halten. Der Maire ziehe nun die Franziskaner-
kirche vor, weil einer seiner Verwandten in deren Nähe ein
Geschäft betreibe, sowie um den dort wohnhaften zahlreichen
— 174 — s
Bäckern und Wirten gefällig zu sein. Die Beschuldigung,
welche Fourcade gegen den Priester Meyer erhebe, sei völlig
grundlos, da der Maire von der Predigt desselben, die in
deutscher Sprache gehalten worden sei, nicht das geringste
verstanden habe, zudem sei der Maire unendlich eingebildet und
fühle sich durch die Kritik seiner Handlungsweise seitens der
Petenten beleidigt. Alle diese Ausführungen ánderten an dem
Dekret des Prafekten nichts, er entschied, daB der Maire ein
Ehrenmann sei und es bei seinen Entschließungen zu ver-
bleiben habe,
So behaupteten die Konstitutionellen den Besitz der Stifls-
kirche, wenngleich ihre Mitgliederzahl im Vergleich zu der-
jenigen der Katholiken verschwindend gering war. Im Jahre
1795 lieBen sich von Voisard 5, 1796 3, 1797 4 und 1800
6 Brautleute trauen, während Pfarrer Weiß allein vom 18. No-
vember 1800 bis zum Schluß tes Jahres 6 Eheschließungen
vornahm. Dasselbe Mißverhältnis zeigte sich in den Taufen.
Erst am 1. Mai 1803 durften die Katholiken ihr altes
Gotteshaus wieder beziehen, und installierte an diesem Tage
Voisard! nunmehr Pfarrer zu Brumath, gemäß Auftrags des
Bischofs von Straßburg den Priester Johann Heinrich Weiß im
Münster als Stadtpfarrer, nachdem die letzte katholische Trau-
ung kurz zuvor in der Franziskanerkirche ad St. Jacobum vor-
genommen worden war?. Weiß war einer von den wenigen
Geistlichen, welche sich weigerten, den Konstitutionseid zu-
rückzunehmen und wurde deshalb nach dem Tode des konsti-
tutionellen Bischofs Saurine von Straßburg von den Kapitels-
vikaren abgesetzt. Seine Verteidigung ist enthalten in seiner
Rechtfertigungsschrift les inconséquences et les conséquences,
erschienen in Belfort 1819. In seinem Geburtsort Kirchberg
starb Weiß 1847 versöhnt mit der katholischen Kirche.
1 Voisard starb Wjährig als Pfarrer zu Selz 1848, wohin er
von Brumath versetzt worden war. 1815 widerrief er den Konsti-
tutionseid liste des prétres assermentés qui ont publiquement rétracté
le serment de la constitution civile du cherge.
? Pfarrarchiv Thann. Mitteilung. des Herrn Abbé Florance.
KAPITEL X.
Pröpste des Stifts Thann.
Aus der Zeit vor der Verlegung des Stifts von St. Amarin
nach Thann sind folgende Pröpste bekannt: 1194 Cun o!,
wahrscheinlich der nämliche, der 1901 als Zeuge die Verein-
barung des Bischofs Lutold von Basel und des Abts von Mur-
bach über das Zehntviertel zu Wattweiler unterschrieb? und
bei dem Uebereinkommen zwischen Rüdiger von Ufholz und
der Abtei Murbach wegen Hartmannsweiler im Jahre 1200
zugegen war. Nach Gatrio3 wire vielleicht dieser Cuno iden- -
tisch mit Conrad Schwarz, der 1216 als Propst des Stifts
amtierte. Diese Annahme ist nicht begründet, da auf Cuno
in der Reihe der Pröpste Amarinus von Stoer4 folgte, der
1914 als Propst erscheint. 1216 unterzeichnete der genannte
Conrad Schwarz, dictus Niger, aus edlem Geschlecht von
Basel, als Zeuge die Statuten des Abts Arnold von Murbach.
1222 schloß W ern her von Rottweil aus adeligem schwäbischen
Geschlecht das Abkommen mit dem Kloster Murbach wegen
der Wahlen zu den Kanonikaten in St. Amarin5. Dieser
Propst ist 1239 gestorben, wie aus dem Register der Monumente
in der Stifts- und Pfarrkirche zu Thann von 1785 deutlich
ersichtlich ist. Die Grabsteine der ehemaligen Pröpste zu
1 Trouillat Bd. J, S. 431. Schoepflin Als. dipl. Bd. I, S. 301.
2 Mone Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines Bd. IV,
220
3 Abtei Murbach Bd. I, S. 589.
4 Bez. Arch. Straßburg.
5 Schoepflin Bd. I, S. 348. Bez. Arch. Murbach Lade 1.
— 176 —
St. Amarin wurden jedenfalls 1441 mit nach Thann überführt
und in dem Münster aufgestellt ; der Münsterbaumeister Thirion
las, wie so vieles andere auch, den Namen falsch und schrie)
hier Weriadher ein.
Ich vermute, daß der Probst Wernher ein naher Verwandter
des Franziskaners JohannWagner aus der Familie derer von Rolt-
weil gewesen ist, der nach der Thanner Chronik 1279 nach Thann
gekommen und das Kloster daselbst gegründet hat und dürfte
daher der auf dem Grabdenkmal stehende Name WGLISS mit
Wagner in Verbindung gebracht werden.
Zu 1245 wird ein Propst Vol mar erwähnt, der wegen
Dornach eine Vereinbarung getroffen hat!, 1254 schloß Hein-
rich? ein Abkommen mit Murbach wegen des Zehnten im
St. Amarintal. 1262 nahm Rüdiger die Schenkung des
Dinghofes zu Altthann durch den Grafen Ulrich von Pfirt
an’ und vergabte 1269 gemeinschaftlich mit seinem Bruder
Hartmann an die Kirche von Goldbach einen im Gebweilertal
am Lauchufer gelegenen Mühlengrund. Derselbe erließ 1277
ein Dekret4, welches der Bischof 1279 genehmigte, wonach der
Propst eine doppelle Präbende haben sollte und half im Streit
des Abts von Murbach mit den Edeln von St. Amarin einen
Waffenstillstand schließen5. 4299 traf L. von Rötenleyn
(Lutold von Röteln), wohl der nämliche, der 1309 als Dom-
propst auf den Bischofsstuhl von Basel gewählt, aber vom
Papst zum Verzicht auf denselben gezwungen wurde, die Ab-
inachung wegen des Guts zu Odern mit der Abtei Murbach.
Zu 1302 wird ein Propst Johannes erwähnt, dessen Bruder
Heinrich Kustos war 5. 1318 machte Bertold, Kanonikus
1 Bez. Arch. Lade 17 und HH 18.
2 Nach Trouillat Bd. V, S. 763 heißt der Propst Ulrich und
verwechselt dieser Schriftsteller den St. Amariner Propst mit dem
von Luzern. Bez. Arch. Lade 15.
3 Bez. Arch. Lade 2.
4 St. Arch. &4 zu 1714.
5 Dieser Propst stammte wahrscheinlich aus dem Geschlecht
der Schultheiß von Gebweiler, Kindler v. Knobloch der alte Adel
im Oberclsal) S. 84. Auf ihn bezieht sich wohl die Notiz der Chron.
dominic. von Colmar zum Jahr 1275, über deren Richtigkeit man
geteilter Meinung sein kann (concubina praepositi St. Amarini se
suspendit, quae tamen multis annis a lecto praepositi separata fuit .
6 Sifferlen S. 59.
— i77 —
zu Basel, das für die Abtei Murbach so ungürslige Zugestiind-
nis an den Bischof von Basel, das er 1323 widerrufen mußte
und wurde 1338 in der von ihm erbauten Kapelle des Evange-
listen Johannes in der Stiftskirche zu St. Amarin begraben!.
Im Jahr 1340 war Hermann von Widowe gleichzeitig
Propst von Solothurn und von St. Amarin und hatte in letzterem
Stift als Stellvertreter Johannes von Regenheim, Kanoni-
kus von Lautenbach?. Derselbe ließ 1350 durch seinen Stell-
vertreter Rudolf die Statuten über die Wahlen zu den
Kanonikaten in St. Amarin aufstellen. (Rudolfus vice domini
praepositus.)3 1357 schloß Konrad Schaler aus dem alten
Patriziergeschlecht der Scalarii# zu Basel den Tausch der
Kirche Weiler und verzichtete 1365 freiwillig auf die Propstei.
Von 1365—1386 treffen wir Johannes Hacke aus der
pfirtischen Ministerialenfamilie der Hacke5, welcher vorher
Schatzmeister des Stifts gewesen an der Spitze des Kapitels.
Hacke war nicht in geheimer Wahl als Propst hervorge-
gangen, sondern quasi per inspirationem gewählt, und präsentierte
ihn das Kapitel dem Abt von Murbach zur Bestätigung 6. Ihm
folgte von 1386 —1420 Burkhard von Masmünster aus der
berühmten Familie der Edeln gleichen Namens ?, dessen Grab-
mal in dem Register der Monumente eingezeichnet ist8. Burk-
hard war vor seiner Wahl Kustos des Stifts gewesen und bat
in eigenem Namen den auf dem Schlosse Hugstein weilenden
Abt Wilhelm Stoer um seine Konfirmation. Der Prokurator
Frunder gab dem Abt den Rat die Wahl nicht gutzuheißen,
da die Wahl ungültig sei, indem die Chorherrn Schismatiker und
durch Papst Urban VI. exkommuniziert seien. Der Abt hörte die
Parteien mit ihren Erklärungen an und bestätigte am 16. De-
! Trouillat III, S. 783.
? Bez. Arch. Lade 1.
3 Anlage 1.
4 Lunig catalogus der nobiles milites der Abtei Murbach S. 949.
Berlers Chronik S. 27. Moné S. 357. 369. Die heutige Familie Scholer
leitet ihr Geschlecht von den Schalern ab.
? Die Hacke wurden später geadelt. Schoepflin Als. dipl. 1, .
S. 44, 646.
6 Bez. Arch. Murbach Lade 55, 1.
7 Kindler von Knobloch S. 53. Schoepflin S. 657, Züricher
Weppeurolie Pusican die Helden von Sempach S 60.
SCHOLLY. 12
— 178 —
zember 1386 den Propst in seiner Würde!. Der Grund für dieses
Entgegenkommen dirfte darin zu suchen sein, daß der Abt selbst
Anhänger Clemens VII. war. Walter Perdicis starb den
14. August 1428* und folgte ihm Andreas von Dalon, der
mit dem Kapitel 1433 eine freundschaftliche Vereinbarung des .
Inhalts traf, dab ihm dieses 40 fl. rheinisch und 1 Fuder Wein
für die Rechte der Propstei zu geben habe, wáhrend er einen
Stellvertreter zu St. Amarin bestellen müsse, welcher mit Ge-
nehmigung des Kapitels gewählt werden solle’. Dieser Propst
scheint demnach nicht in St. Amarin residiert zu haben.
Unter seiner Verwaltung wurden die neuen Statuten 1430
abgefabDt 4.
Der letzte Propst zu St. Amarin war Johannes Müller,
der nach dem 1434 erfolgten Tode von Andreas gewählt, und
durch das Konzil zu Basel vom Kardinal Julian bestätigt
wurde5. Er starb den 13. März 1471, nachdem 1470 der Papst
Paul die von ihm beantragte Resignation wegen erreichten 70.
Lebensjahres genehmigt und gleichzeitig die Wahl seines Nach-
folgers Wolfach bestätigt hatte6. Als Pension erhielt Müller
vom Kapitel den dritten Teil seines seitherigen Einkommens.
Seit der Verlegung des Stifts nach Thann sollen, wie
Gatrio annimmt 7, die Namen der sämtlichen Própste über-
liefert sein angeblich, weil die Aebte von Murbach wegen der
Trennung nur noch fester an ihrem Bestätigungsrechle fest-
hielten. Dieser Grund ist keineswegs stichhaltig ; wenn seit
1441 die Própste genau bekannt sind, so liegt dies nur daran,
daß die Geschichte des Stifts von diesem Zeitpunkte ab der
Neuzeit angehórt und besser erhalten ist. Uebrigens hat Gatrio
vergessen den Propst Riecher, der wohl um seine Bestätigung
nicht nachgesucht hat, zu erwähnen ; die von ihm angegebenen
Daten, sind sehr häufig nicht richtig, da er sie ohne weitere
Prüfung der Thanner Chronik entnommen hat’. Nikolaus
Bez. Arch. Murbach Lade 55, 1.
Trouillat V, S. 763.
Bez. Arch. Lade 1.
Bez. Arch. Straßburg.
5 Bez. Arch. Lade 1.
5 Daselbst C C 7.
7 Abtei Murbach I, S. 589.
8 Unedierter III. Bd. 127.
m C € =m
— 179 —
Wolfach, Veranstalter des tomus miraculorum! starb den
19. Marz 14882, Dr. Gallus Glett den 29. Oktober 1517 5.
Im Jahre 1523 war Jakob Riecher Propst, der zu Thann
nicht residierte und weder Subdiakon noch Kapitular war. In
seiner Abwesenheit wurden einige neue Punkte den Statuten
hinzugefiigt4. 1536 soll sich ein gewisser Theobald M o li-
tor widerrechtlich in die Propstei eingedrängt haben, und
wurde der Bischof von Basel vom Papst mit der Untersuchung
der Angelegenheit beauftragt5. Dr. Johannes Soder starb
den 27. Oktober 15406. Johann Sebastian Bruckfelder,
zugleich Pfarrer von Thann, starb den 5. März 15677. Am
28. September 1563 errichtete er sein Testament, er will be-
graben sein im Chor vor dem Fronaltar neben Nikolaus
Wolfach, und soll jeder Chorherr und Sacellan, der Schullehrer
und die Schulverweser je 1 Schilling und jeder Schüler 1
Pfennig auch der Priester, der ihn zu Grabe geleitet noch
einen Plappert dazu erhalten. Der Grabstein soll nach dem
Muster desjenigen von Wolfach sein mit einem Priesterbild
und zu den Füßen sein Schildzeichen oder unter dem Schild
zwei kleine Schüler in Chorhemden mit offenen Gesangbiich-
lein und mit der Inschrift obiit Sebastianus Bruckfelder prae-
positus et canonicus hujus ecclesiae fundator et quattuor cora-
lium 3. Im Register der Monumente ist sowohl das Sterbejahr
als der Name falsch angegeben®. Ihm folgte Johann Stein-
hauser, der Rechte Doktor!?, der am 15. Mai 1576 starb.
Auffallend bei diesem Propste erscheint, daß er nur einmal
erwähnt wird, und in dem so sorgfältig geführten Register der
Anniverarien von 1449 —1690 der Name nicht zu finden ist,
während für alle übrigen in dieser Zeit gestorbenen Pröpste
Jahrgedächtnisse aufgezeichnet sind. Georg Wa gnerwurde am
1 Pfarrarch. in Thann.
2 Verzeichnis der Grabdenkmáler S. 21 «anno Domini 1488»
unvollständig.
. S St. Arch. GG 8.
4 Bez. Arch. Straßburg.
5 Bez. Arch. Serie G.
6 Daselbst Lade 7. Verzeichnis der Anniversarien Stadt Thann.
7 St. Arch. 6 zu 1377. Staats-Arch, Basel.
8 St. Arch. Thann FF 11.
9 Seite 27.
19 Bez. Arch. Lade 17. und Serie G.
— 180 —
3. Oktober 1576 gewählt!, er war früher Kanoniker zu St. Leo-
degar in Masmünster, nebenbei Rektor zu Sentheim und feierte
1628 sein goldenes Priesterjubiläum. In seinem Testamente
vermachte er dem Kapitel zur Neuanschaffung und Unter-
haltung von Paramenten einen größeren Betrag. Nach Gatrio ?
wire Wagner am 7. Juni 1628 gestorben ; diese Angabe ist
irrig, da er erst im April 1651 wegen hohen Alters unter be-
stimmten Vorbehalten auf die Propstei verzichtete, er will den
Titel Propst behalten, alles, was im Kapitel verhandelt wird,
soll ihm mitgeteilt werden, und er behàlt sich vor sein Votum
darüber abzugeben, ein Salarium reklamiert er nicht 3, Am
16. Juli 1632 errichtete Wagner sein Testament und starb am
45. April 16334. Im Testamente bestimmte er, daß sein Leich-
nam in St. Theobaldus Münster mit gewöhnlicher Prozession
der Stiftsherren, Kaplane und Schüler samt vier Frauen mit
vier Kerzen im Chor beigesetzt werde. Die Pfarrer, welche die
Leiche tragen, erhalten 4 Schilling, der Schulmeister und die
Provisoren 2 Schilling und jeder Schüler einen Rappenpfennig.
Er wünschte sich einen simplen Grabstein mit Priesterbild und
Meßgewand unten das Petschaftswappen in Form von Wol-
fachs Grabstein mit der Inschrift: anno domini .. obiit
Georgius Wagner ab anno 1576 hujus collegiatae ecclesiae
canonicus et praepositus et ab anno 1584 rector in Senten,
cujusque anima deo vivat.5 Sein Nachfolger war Johann Caspar
Cabelius oder Kabelius, von Gatrio fälschlich als Labelius
bezeichnet; er war am 13. Dezember 1604 von Maximilian als
Kanoniker präsentiert worden, 1615 wurde er Kustos und
fand seine Wahl im Kapitel, am 3. Januar 1634 statt. Die
Wahl konnte erst in diesem Jahre wegen der Kriegsgefahren
stattfinden, und hatte der Bischof Johann Heinrich ein Indult
deswegen erteilt.
Noch vor seiner Bestátigung durch den Bischof, welche
am 22, Juli 16345 erfolgte, bat Cabelius denselben das ihm
1 Daselbst Lade 7 (Stiftsprotokolle).
2 Band I, S. 589.
3 Staats-Arch. 2 zu 1567.
4 Daselbst 5, 6 zu 1562, 2 zu 1567.
5 Sein Grabmal S. 81 des Verzeichnisses mit der falschen
Jahreszahl 1576.
6 Staats-Arch. 6 zu 1535 4 zu 1567. Bez. Arch. Lade 7. Ver-
zeichnis der Anniversarien. .
— 181 —
anvertraute Amt wieder abzunehmen, da er sich nicht hierzu
gewachsen fühle. Der Bischof ließ nach einer zu Thann durch
seinen Delegierten super qualitate, vita et moribus des Propstes
gehaltenen Information die Bedenken nicht gelten. Nur kurze
Zeit bekleidete Cabelius die Propstei und starb am 13. Juni
16371. Ihm folgte Johann Nipein, der ebenso wie Cabelius
aus Tyrol stammte und von Maximilian, dessen Hofkaplan er
. war, am 2. Juli 1614 zum Chorherrn präsentiert wurde. 1635
war er Kantor und fand seine Konfirmation durch den Bischof
zum Propst am 26. November 1637 statt?. Er starb am 30.
August 16553. Am 10. Oktober 1615 wurde Nipein mit seinen
beiden Brüdern Ulrich. und Bartholomaeus, von denen der erstere
ebenfalls dem geistlichen Stande angehórte, von Maximilian II.
zu Innsbruck in den Adelsstand erhoben. Als Wappen wurde
ihm verliehen ein gelb oder goltfarbener Schild in welchem
erscheint ein gantz schwarz fürwertz sehender Adler mit auf-
gethanen Fliegten, welcher im Schnabel in mitten ein weiß pein
haltet, auf dem Schild ein Stechhelm zu beederseits mit gelb
oder goltfarben und schwarzen Helmdecken samt einer künig-
lichen Cron geziert, aus welcher abermals ein dem im Schild
gleichfórmiger Adler im Schnabel haltend ein pein erscheint 4.
Gallus Hegelin, ein Mitglied der Thanner Rebleut-
zunft, aus einer Thanner Familie starb am 14. April 1664 5,
nachdem er wegen Krankheit auf die Propstei am 18. Dezem-
ber 1662 freiwillig verzichtet hatte. Johann Sebastian Wille-
mann, ein Sohn des Thanner Statthalters, aus einer von
Türkheim eingewanderten hochangesehenen Familie, war am
14. April 1634 erst 18 jährig, nachdem er sich vor dem
Feinde rühmlich ausgezeichnet hatte, zum Kanoniker präsen-
tiert worden und fand seine Wahl zum Propst am 20. Dezem-
ber 1662 statt; er starb den 25. Januar 16/65. Ursus Hen-
ner, vorher Pfarrer zu Bernweiler, erhielt bei der kurz
1 Bez. Arch. Serie G. liber defunetorum. St. Arch. Thann.
2 Daselbst Register der weggeschafften Urkunden.
3 Staats-Arch. 120 zu 1535 40 und 42 zu 1535. Bez. Arch.
Lade 7. Auf seinem Grabstein S. 15 des Verzeichnisses stehen nur
die Worte Johanes Niebein, alles andere war vermutlich unleserlich.
4 St. Arch. Sennheim.
5 Liber defunetorum.
6 Grabmal S. 43 des Registers und liber defunct.
— 182 —
darauf folgenden Wahl sämtliche Stimmen, allerdings waren
nur vier Chorherren dabei anwesend. Henner scheint im Ge-
gensatz zu den Vorschriften der Statuten, wonach der Propst
aus den Mitgliedern des Kapitels zu wählen war, dem Kolleg
nicht angehört zu haben, denn der bei der Wahl als Delegierte
des Bischofs anwesende Generalvikar Tardy berichtete am 31.
Januar 1676, daß alle Voten auf die Person des Herrn Ursi
Henner, gewesten Pfarrherrn zu Bernweiler ausgefallen seien.
Vielleicht läßt sich dies mit dem großen Priestermangel der
damaligen Zeit erklären. Henner führte mit dem Kloster Lützel
einen Prozeß, in dem der conseil souverain am 13. März
1684 entschied, daß die Abtei jährlich 30 Ohm und 8
Pots Wein sogenannten (Lambevi) zu entrichten habe 1.
Henner starb den 1. September 16912 und wurde ausnahms-
weise, aus welchem Grunde ist unbekannt, nicht im Chor der
Stiftskirche sondern auf dem Friedhofe begraben. Johann Se-
bastian von Klebsattel3, ein Thanner Kind, wurde am
7.. September 1791 gewählt und am 10. September vom Bischof
Johann Konrad bestatigt, er starb den 5. Februar 17124. Seine
Präsentation zum Kapitel hatte der Herzog von Mazarin am
29. Juli 1672 vorgenommen. Franz von Klinglin?, Sohn
des früheren Rats zu Ensisheim und spateren ersten Prasidenten
zu Colmar, wurde an Stelle seines Bruders Roman Klinglin, .
der auf seine Thanner Pfründe resigniert hatte, am 24. Marz
1681 zum Kanoniker präsentiert und am 7. April 1712 durch
den Bischof als Propst bestätigt; er starb, nachdem er über
50 Jahre dem Kapitel angehórt hatte am 25, Dezember 17326.
Johann Anton Gobel aus einer alten angesehenen Thanner
Familie 7, wurde 1715 vom Herzog von Mazarin präsentiert, und
am 17. Januar 1733 vom Bischof kraft des Devolutionsrechts
1 Bez. Arch. Lade 14.
? Daselbst Lade 7. Staats-Arch. 175 zu 1535. Aunivers. Thann.
3 Ueber den Adel der Clebsattel. Schoepflin S. 725.
4 Staats-Arch. 146 zu 1714, 185 zu 1103, Grabmal S. 53.
5 Ueber den Adel der Klinglin Schoepflin S. 729.
6 Nach dem Tagebuch der Guardiane, welches nicht genau ge-
führt ist, wäre Klinglin am 25. Januar 1733 gestorben, was unbedingt
falsch ist. Grabmal S. 51 des Registers mit dem Datum 25 Oktober 1732.
7 Der Vater Gobels starb 1728 als Fiskalprokurator des Herzogs
von Mazarin und der Großvater Sigismund 1707 als Bürgermeister
der Stadt Thann; sein Bruder Franz Gobel war 1733 Rat am
conseil souverain zu Colmar.
— 183 —
zum Propst ernannt, da die am 14. Januar stattgehabte Wahl
erfolglos geblieben war. Seine Ernennung hatte Gobel der
Verwendung des Suffraganbischofs Haus, eines nahen Ver-
wandten, welcher dem Wahlakte präsidiert hatte, zu verdanken,
der sofort am Tage der vereitelten Wahl dem Fürstbischof seinen
Vetter sehr warm empfahl, trotzdem die Gobel feindlich ge-
sinnten Chorherrn grave Verfehlungen von demselben berichtet
hatten, welche allerdings in der darauf angestellten Untersuchung.
nicht bewiesen werden konnten. Gobel war ein streitbarer
Propst, beim Kapitel äußerst unbeliebt und, wenn man seinen
Gegnern Glauben schenken dürfte, ein wenig musterhafter
Kanoniker !. In der langen Zeit während er Propst war,
herrschte fortwährend Streit und Zwietracht im Kapitel, er
schreibt selbst einmal: «Ich bedaure, daß die Uneinigkeit des
Kapitels gerade in meine Propstei fällt; es ist notorisch, daß
die herrschende Fraktion im Kapitel meine guten Absichten
und guten Willen bekämpft und stets das Gegenteil will,
wie ich.» 1745 verzichtete Gobel, des Streits müde auf die
Propstei, um ein Kanonikat bei St. Marlin in Colmar, wo er
Titularkanoniker war, anzunehmen, doch zog er bald diese Re-
signation zurück, da der hl. Stuhl angeblich gegen dieselbe,
war?, Er starb, nachdem er über 50 Jahre lang der Propstei
vorgestanden hatte3, ein in der Geschichte des Kapitels nie
dagewesener Fall den 18. November 1785, und folgte ihm als
letzter in der Reihe der Pröpste Theophil Poumier de
Gapillon angeblich aus der Provence, der zum Kapitel durch
die Herzogin von Duras am 27. September 1748 präsentiert und
vorher Priester der Diözese St. Die gewesen war. Poumier, ge-
wöhnlich Poumeyer geschrieben, wurde gewählt arm 10. Januar
1786; dem Wahlakte prasidierte Johann Baptist Josef Gobel, ein
naher Verwandter des verstorbenen Propstes, als Bischof von
Lydda, dessen tragisches Ende als Bischof von Paris bekannt
ist. Am 22. Januar erfolgte die Bestätigung Poumiers durch den
Bischof und am 28. September durch den Abt von Murbach 4.
1 Visitationsprotokoll 1742, St.-Arch. 67 zu 1714.
2 Staats-Arch. 88 zu 1714.
3 Das Jubiläum wurde unter großartiger Beteiligung der Bürger-
schaft von Thann gefeiert. Thanner Chr Ill, S. 588.
4 Bez. Arch. Murbach 9, 31.
— ——— m
Anlage 1.
Statuten vom 4. Februar 1350.
In nomine Domini Amen. Nos Rudolfus vice Domini pra-
positus, Petrus de Butwiler cellerarius, et Johannes dictus de Mu
luowe canonicus ecclesiae collegiatae Sancti Amarini Basiliensis
dioecesis arbitri arbitratores et amicabiles compositores electi et
concorditer assumpti ab omnibus et singulis praefatae ecclesiae
St. Amarini canonicis et capitulum pro tunc facientibus super or-
dinatione facienda infra scripta praebendarum in canonicos nostros
et nostrae ecclesiae suprascripte ad nominationem seu petitionem
singulorum canonicorum praebendatorum in eadem nostra ecclesia
nec non ipsam ordinationem tangentibus quomodo libet et sine
quibus ipsa non posset commode expediri etiamsi qua ex eis ex-
pressionem requirerent specialem prout haec ecclesia in forma dicti
compromissi pienius continentur, universis et singulis quorum
interest et interesse poterit in futurum notificari cupimus per
praesentes quod nos assumptos seu susceptos in nos compromisso
hujus modi attendentes quod licet nonnullae personae receptae
jum dudum auctoritate capitulari in canonicos praefatae ecclesiae
St. Amarini sub exspectatione praebendarum dietas praebendas ad-
huc exspectent quam plures tamen instant ut sub exspectatione prae-
bendarum recipiantur in eadem nostra ecclesia in canonicos et con-
fratres deliberatione matura super his non solum nobiscum sed cum
dominis de capitulo supra dictis aliisque prudentibus ac peritis
diligentius atque saepe accupientes cum omni studio quo possumus
praefatae nostrae ecclesiae futura damna et pericula praecavere
et ne per importunas instantias petentium plures inhabiles et minus
idoneae personae ipsique ecclesiae minime expedientes praesertim
per laicorum potentiam intrudantur. Desiderantes quoque ipsi ec-
clesiae de personis eidem ecclesiae expedientibus provideri et ut inter
nos omnesque de capitulo et in ipso capitulo pacis tranquillitas vigeat,
concordiae unitas invalescat. animarum identitas perseveret, et discen-
sionum et discordiarum materia quantum est possibile amputetur; esti-
mantes etiam utile et proficuum quod discussio deffinitio et decisio hujus
modi non amplius differatur vigore compromissi et potestate arbi-
traria nobis pro eodem tradita et concessa Dei nomine invocato
laudamus ordinamus arbitramus pronunciamus dicimus ac etiam
deffinimus ut ad petitionem Reverend. in Christo patris ac Domini
— 15 —
nostri Johannis Dei gratia episcopi Basiliensis primo recipiatur
una persone in cadem ecclesia St. Amarini sub exspectatione prae-
bendae salvo jure receptorum in canonicum et confratrem. Item
ad primarias preces nostri praepositi ante dicti similiter una. Itein
contemplatione venerabilis patris domini Heinrici eadem gratia
abbatis Murbacensis similiter una. Si idem dominus abbas erga
dictam ecclesiam St. Amarini se talem exhibuerit quod nobis arbi-
tris ante dictis concorditer videatur. quod unus ob ejus reverentiam
ad dictum canonicatum merito admittendus. ltem quod singulae
personae ad petitionem ct nominatiouen singulorum ipsius ecclesiae
canonicorum praebendatorum et ad praebendas vacantes jam re-
ceptorum recipiantur in ejusdem ecclesiae canonicos et confratres.
Hoc expresse adjecto quod omnes et singuli recipiendi ex ista or-
dinatione in canonicos prius ecclesiae usque ad feriam quintam
post festum Purificationis Beatae Mariae Virginis gloriosae inclu-
sive nobis arbitris ante dictis nominentur per illos ad quorum peti-
tionem seu nominationem recipiendi sunt et quod ad audiendum et
publieandum dictas nominationes quas interim volumus et prae-
diximus verbaliter et oretenus vel patentibus litteris quibus fides
possit credula adhiberi per nos arbitros antedictos capitulum judi-
catur diusque ita ad dictam feriam quintam aliquis canonicorum
eum quem recipi desiderat ad suam petitionem in canonicum dictae
nostrae ecclesiae cessante impedimento legitimo neglexerit nomi-
nare pro tune nominare aliquem volens nullatenus audiatur vel
etiam admittatur sed habeatur penitus pro excluso. Item quod nos
arbitri antedicti insolidum ad nominationem singulorum recipere
debeamus singnlos in nostros et dietae ecclesiae nostrae canonicos et
confratres secundum ordinem superius annotatum et inferius subjun-
gendum. Item quod ipsi recipiendi tempore suae receptionis per'se
vel per alios ad hoc legitime constitutos nohis arbitris supra dictis
in solidis dicti nostri capituli nomine juramentum de observandis
Statutis et consuetudinibus dictae nostrae ecclesiae praestent solitum
et consuetum, item quod iidem recipiendi dictae suae receptionis
tempore per se vel alios sicut supra de observandis omnibus et
Singulis supra scriptis ad huc vigore dicti compromissi per nos si
Opus fuerit dicendis ac etiam declarandis quantum eos et quem
libet coram tangunt ac concernunt et quantum in cis est praestent
corporale etiam juramentum. Item quod recipiendi in canonicos in
Ista ordinatione non debeant habere voces in dicto nostro capitulo
nisi prius praebendas in dicta nostra ecclesia consequantur. Nihi-
lominus tamen in aliis puto processionibus oblationibus exequiis
ceterisque ipsis honor debitus impendatur ac etiam debeatur juxta
consuetudinem circa canonicos receptos auctoritate capitularis sub
exspectatione praebendaram in eadem nostra ecclesia hactenus obser-
vatam. Item quod nullus recipiendorum in acceptatione vel assecu-
Uone praebendae tunc vacantis alium cui talis pracbenda tune ut
promittitur vacaus est debita juxta ordinem suae receptionis seu
eXspectationis possit vel debeat praevenire sed quod inter ipsos
Ordo debitus observetur nisi forte is cui ut praemittitur hujus modi
P'aebenda vacaus debetur, ipsam nollet acceptare vel in prosecu-
None sui juris esset nerlieens et remissus. Ita quod ipsum usque
ad tertiam sententiam diflinitivam sibi contrariam non curaret pro-
— 186 —
sequi sive nollet, tunc sequenti illum immediate et juxta dicte
receptionis ordinem exspectanti volenti et diligenter prosequenti
jus suum ut premittitur si necesse fuerit et adversarium habuerit
super ipsa jus competat ad eandem. Item quod nullus eorumdem
recipiendorum quem super praebenda vacante sibi juxta suae
receptionis et exspectationis ordinem debita forte litigare continget
cum suo adversario super dicta praebenda compositionem inire sine
consensu capituli debeat sive prosit et si secus fecerit ad nullam
aliam praebendam sibi jus competat inibi postmodum vacaturam.
Item quod si aliquem eorumdem recipiendorum super aliqua prae-
benda vacante juxta suae receptionis et exspectationis ordinem
debita tam diu litigare contingeret quod contra se tres deffini-
tivas sententias reportaret ac interim tempore pendentiae dictae litis
unam pluresve praebendas vacare contingeret in nostra ecclesia-
supradicta tunc non ad illam vel aliquam ipsarum quae ut premitti
tur interim vacaverint nec in illa vel aliqua earumdem sibi jus
competat sed ad aliam sibi proximi vacaturam aliis adhuc post
illam exspectantibus in suo ordine permansuris nisi forte nullus
esset in possessione praebendae tunc vacantis nec ad eam aliquis
electus sit per capitulum seu receptus tunc enim illam petere poterit
et ad eam debebit recipi admitti contradictione post eum receptor-
um vel exspectantium seu alterius eorumdem quomodolibet non ob-
stante. Item quod nullus recipiendorum alium in assecutione prae-
bendae sibi debite juxta suae receptionis et exspectationis ordinem
possit vel debeat impedire vel secum contendere super ipsam occa-
sionem cujuscunque facti nunc seu tempore suae receptionis
existentis vel inposterum emergentis quaesito quovis ingenio vel
colore et quod recipiendi omnes et singuli adhoc se astringant per
juramentum a se vel aliis suo nomine et pro ipsis praestandum
corporaliter prout hoc meliori et securiori modo poterit praecaveri.
Item quod quilibet recipiendorum postquam receptus fuerit et ad
praebendam vacantem sibi debitam juxta suae receptionis et exspecta-
tionis ordinem admissus et antequam grossos fructus praebendae perci-
piat decem florenos auri pro una cappa ad ornatum dictae ecclesiae nos-
traesolvere debeat. [tem quod omnes et singulos recipiendos in hac
nostra ordinatione si quem vel quos pro praebendis juxta ordinem
suae receptionis et exspectationis sibi debitis continget litigare
omnes et singuli de capitulo nostro ipsumque capitulum manu-
tenere debeant et sibi iu sua lite fideliter assistere. ac etiam ad-
herere usque ad tertiam sententiam seu finalem. Item quod anti-
quiores in canonicatibus et praebendis junioribus in nominando
debeant preferri et nominandi per eosdem praeferri debent in asse-
cutione praebendarum nominandis a junioribus in canonicatibus et
praebendis. Item quod si contingeret aliquem recipiendorum sibi
nolle assumere litem super assecutione praebendae sibi debitae juxta
suae receptionis et exspectationis ordinem propter adversarii poten-
tiam vel suorum vel ob aliam causam legitimam tunc sequens
eundem qui voluerit ipsam litem poterit assumere, et praebendam
hujusmodi assequi si poterit litigando priore litigare nolente prae-
bendam deinde proxime vacaturam interim exspectante. Item quod
omnes et singuli recipiendi suos canonicatus et loca sibi deputata
pro suarum praebendarum assecutione cum aliis canonicis jam in
— 187 —
eadem ecclesia ` receptis vel recipiendis quibus voluerint sine con-
sensu tamen capituli valeant permutare sed hoc ipsis cum personis
alterius collegii pro aliis canonicatibus et locis nisi consensus totius
capituli accesserit facere non licebit. Item quod canonici in dicta
nostra ecclesia praebendati cum exspectantibus in eadem de con-
sensu dicti nostri capituli vel majoris partis suas praebendas pro
suis locis et exspectantiis valeant permature. Item quod sigillum
nostri capituli sepedicti appendi debeat litteris receptionis recepti-
cum similibus hoc petentis et hoc idem sigillum tenentibus manda-.
mus et precipimus in his scriptis.
Item volumus quod omnibus receptis et nominatis detur copia
ordinationis praedicte si petierint suis tamen sumptibus et expensis.
Et ne aliquis error circa prioritatem et posteritatem nominandorum
et recipiendorum obrepat in posterum pronunciamus, arbitramus
deffinimus dicimus et laudamus inter nominandos quoad assecutionem
praebendarum vacaturarum in nostra ecclesia sepedicta servandum
et tenendum ordinem infra scriptum: videlicet quod Hanmaunus
natus Philippi Schocken armigeri ob reverentiam praefati domini
nostri episcopi primam praebendam in dicta ecclesia nostra vaca-
turam; nominatus per nos praepositum antedictum videlicet Cun-
radus natus quundam Bertholdi de Ostheim armigeri secundam.
Nominatus per dominum abbatem Murbacensem videlicet Johannes,
natus quundam domini Rudolfi de Watwilr militis tertiam. Nomina-
tur per Cunonem dictum Schrecken videlicet Hanmannus natus
Bertholdi armigeri quartam: nominatus per dominum Petrum
de Bebeluch ! videlicet Johannes dictus Schrecken de Colum-
baria quintam: nominatus per Petrum de Butwilr videlicet
Mathias de Butwilr sextam: nominatur per magistrum Hen:
ricum de Aröwa 2 videlicet Bertholdus de Bulgen septimam-
nominatus per Dietricum Bracken videlicet Jetelinus de Tanne
octavam : nominatus per Rudolfum vice domini Anmamus vice do-
mini nonam : nominatus per Burkhardum de Warembach videlicet
Johannes de Warembach decimam: nominatus per Johannem de
Muluowe videlicet Wihelmus de Ongersheim jondecimam: nomina-
tus per. Johannem de Morswilr videlicet Rudolfus de Morswilr duo-
decimam : nominatus per Johannem de Wentzwilr videlicet Cun-
radus natus Cunradi de Sursee tertiam decimam: nominatur per
magistrum Henricum de Sursee ? videlicet Anmamus natus Cunradi
de Sursee quartam decimam: nominatus per Rudolfum dictum
Zeme Mulbóme videlicet Petrus de Ongersheim quintam decimam :
Item Fridericus de Butwilr penultimam videlicet sextam decimam.
ltem et Henricus natus Waltheri procuratoris dicti capituli ultimam
et septimam decimam assequantur.
Et hoc premissa omnia et singula nos Rudolfus praepositus
antedictus de mandato et auctoritate nobis a prelibatis videlicet
1 Wohl identisch mit Peter von Beblenheim, da Mitte des 14.
Jahrhunderts dieser Name im adeligen Geschlecht gleichen Namens
oft vorkam. Kraus, S. 262. Kindler, S 10.
2 Heinrich von Arau starb 1355. Thanner Chr. III, S. 128.
5 Heinrich von Sursee war später Offizial der Kurie Basel
"Trouillat III, S. 651.
— 188 —
Petro de Butwilr cellerario et Johanne de Muluowe nostris coar-
bitratoribus et amicabiliter compositoribus traditis et concessis nostro
et ipsorum nomine legimus promulgavimus et publicavimus in pleno
capitulo nostrae ccclesiae sepedictae suplicantes una cum dicto
nostro capitulo humiliter et devote reverend. in Christo Patri ac
Domino nostro Domino Johanni Dei gratia Episcopo Basiliensi
quatenus supra Scriptam ordinationem auctoritate ordinaria con-
firmare dignetur ratificare auctorisare ac etiam approbare. Et nos
Johannes Dei Gratie Episcopus antedietus omnia et singula supra-
scripta auctoritate ordinaria ad supplicationem arbitrorum et. capi-
tuli predictorum omnia singula suprascripta ratificamus auctorisamus
approbamus et in nomine Domini confirmamus. In quorum omnium
et singulorum testimonium nos Episcopus et arbitri prelibati sigilla
nostra praesenti appendi fecimus instrumento.
Datum et actum in Sancto Amarino in loco capitulari sub anno
Domini milesimo trecentesimo quinquagesimo feria quinta post
festum Purificationis Beatae Mariae Originis gloriosae.
Vorstehende Kopie ist von einer vidimierten Originalkopie auf
Pergament, an der nur noch zwei Siegel hingen wortgetreu ent-
nommen durch die bischöfliche Kanzlei am 10. März 1751.
St. Arch. zu 1350.
Anlage 2.
Präsentation eines Kanonikers auf Grund der
prima preces.
Nominatio seu praesentatio utpote in mensi pari ad capitulum
spectat ad quam autem vi trausactionis facta 1456 et per antiqua
in illo titulo memorata possessionis prima preces ad vacaturam
primam in nostra ecclesia praebendam vobis reverendissimo epis-
copo neo electo et conscerato semel contingere notorie dignoscitur
N. N. filium legitimum presbyterum in nostra urbe natum virtute
primarum precum a Celsitudine vestra nobis debito modo et tem-
pore exhibitarum et a capitulo reverentia acceptarum Celsitudini
praesentams. í
Prout eum investimus in Dei nomine per praesentes.
St. Arch. 1748. 20. Februar.
Anlage 3.
Ernennung cines Kanonikers nach derResignation
des Vorgängers.
Nos Josephus Wilhelmus ete.
Ad canonicatum et praebendam in pracfata ecclesia collegiata
per puram et simplicem resignationem Antonii de Clebsattel ultimi
ejusdem canonicatus possessoris de die tertia ultimi mensis januarii
ad nostras seu ordinarii manus factam atque a nobis admissam die
nona cjusdem mensis vacantem nobis Franciscum Josephum Neff-
— 189 —
clericum nobis per illustrissimam Ducissam de Duras, ad quam
canonicatus ct praebendae collatio seu jus praesentandi canonicum
dum vacant in mensa impari pleno jure dignoscitur legitime prac-
sentatum auctoritate nostra ordinaria instituendum et investendum
duximus prout eum investimus in Dei nomine per praesentes.
St. Arch. 1748, 20. Februar.
Anlage 4.
Investitur der Kanoniker.
Albertus, dei gratia episcopus Basiliensis venerabilibus, honora-
bilibus et devotis in Christo dilectis praeposito cantori, custodi et
capitulo collegiatae ecclesiae St. Theobaldi in oppido Thann caeteris-
que presbyteris, clericis et tabellionibus ad quos praesentes litterae
nostrae pervenerint salutem in domino.
Ad canonicatum et praebendam reverendum dominum Biegeisen
a praefatis praeposito, cantore, custode et capitulo Theobaldi vigore
primariaram precum ad augustissimum imperatorem Ferdinandum
Spectantium et consentiente serenissima domu Austriaca per dictum
Biegeisen plena ut asseritur obtentarum in scriptis praesentatum
cum omnibus et singulis suis juribus redditibus emolumentis et ob-
venientibus quibuscunque instituendum et investiendum duximus,
prout auctoritate ordinaria instituimus et investimus in dei nomine
per praesentes vobis omnibus et singulis supradictis in virtute
oboedientia districte praecipiendo mandantes quatenus praefatum
Biegeisen sic per nos in dicto canonicatu et praebenda nunc insti-
tutum et investitum in einsdem corporalem, realem et actualem
jurumque et pertinentiarum omnium liberam pacificam et quietam
vel quasi possessionem admittatis ponatis et inducatis. Assignantes
ei stallum in choro et locum in capitulo ejusdem ecclesiae cum
plenitudine juris canonici, lucrantesque ipsi de fructibus redditibus
proventibus juribus emolumentis et obventionibus quibuscunque
canonico debitis ab debitoribus universis loco et tempore congruis
et opportunis integre satisfieri et cum effectu responderi adhibitis
in his et circa ea solemnitatibus et cautelis debitis et consuetis.
5. August 164% St. Arch.
Anlage 5.
Eid der Kanoniker und Sacellanen.
Ego ecclesiae St. Amarini et Praejecti nunc in templum St.
Theobaldi Thannas translatae fidelitatem, oboedientiam ejusque commo-
dum et utilitatem promovere damnum et detrimentum praecavere
atque avertere; de bonis praediis, redditibus, proventibus nihil
alienare vel ut distrahatur consentire, alienata vero licitis modis
vindicare et recuperare laborareque studebo. Praeposito atque aliis
quibus nomine vel ex officio mihi legitime imperantibus obedire
eosque revereri et honorare, munera mea incumbentia integre et
— 190. —
sincere praestare adimplere, statutis sub poenis definitis vel arbitrio
capituli jure modo transgressionis infligendis obtemperare obedire
et satisfacere dolo et fraude remotis juro spondeo voveo promitto
sic me Deus adjuvet et sancta evangelia.
Statuten 1642.
Anlage 6.
Eid der Kanoniker vor der Wahl des Propstes,
der nach der Dignität und der Reihenfolge der
Ernennung aufdasEvangeliumzuleistenist.
Ego juro et promitto omnipotenti Deo Mariae Beatae Virgini,
St. Theobaldi hujus ecclesiae patrono, quod illum eligere et postu-
lare velim in praepositum quem verisimiliter credo in spiritualibus
et temporalibus utiliorem nec illi vocem dabo, quem verisimiliter
scivero promissione vel donatione alicujus rei temporalis per se vel
per interpositam personam aut alias qualitercunque directe vel in-
directe pro se electionem procurasse nullamque rationem habebo
cognationis vel affinitatatis aut familiae. Sic me deus adjuvet.
Wahlprotokoll vom 14. Januar 1733.
St. Arch. 55 zu 1567.
Anlage 7.
Wahldes Propstes.
Die constituta scilicet tertia Januarii currentis anni 1634 meri-
die circa horam septimam capitulares ecclesiae collegiatae St. Theo-
baldi in Thann omnes videlicet Joannes Nipein, cantor, Joannes
Casparus Cabelius, custos, Joannes Udalricus Hinderus, Adamus
Gautsch, Joannes Udalricus Brombach uno excepto domino Petro
Weingart quem letalis infirmitas domi detinyit in loco capitulari
electuri praepositum convenerunt et cum tutior modus nullus occur-
reret quam scrutinium statim capitulares Joannem Udalricum Brom-
bach constituerunt unanimi consensu scrutatorem cui pro majore
securitate adjuncti sunt duo testes Stephanus Tscheiler et Gallus
Hegelin ejusdem ecclesiae sacellani seniores. Qui omnes juramento
fidelitatis ac silentii solemniter praestito promiserunt se cuncta
de jure aut consuetudine facienda candide observaturos et quoties-
cunque requisiti fuerint de iisdem testimonium veritatis perhibituros
tradita sunt deinde cuique electorum nomina caeterorum eligibilium
schedulis sigillatim inscripta omisso proprio.
Hisce ita praemissis cantor concapitulares serio admonuit
quilibet sui juramenti quo utilitatem capituli promovere damna
autem cavere obstrietum est memor; deposito omni humano affectu
solum dei honorem atque praefati capituli salutem quaerentes
illum caeteris proponere atque exoptare curaret quem pro aliis
magis idoneum dignum atque profuturum esse judicaret.
— 191 —
Dehinc ipse cantor primus nomen eligendi schedulae involutum
vasculo super mensam existenti imposuit quem secutus est custos
et reliqui omnes, qui erant praesto similiter faciendo.
Petrum vero Weingart ob causam superius alligatam absentem
accessit scrutator ejusque ab ipso votum requisivit, praesente.
Stephano teste ac chartae inscriptum clausum secum tulit.
Tandem praenominatus scrutator schedulas continentes electo-
rum nomina assistentibus sibi praedictis testibus a vasculo accepit
diligenter inspexit et in quem majora et saniora suffragia conveni-
rent notàvit tandemque videns Joannem Casparum Cabelium reli-
quos superare votis cum nulla votorum manifestatione facta electum
esse publice et clara voce protestatus est et praepositum procla-
mavit. Cui omnes et singuli fausta praecantes, simul se ad cultum
divinum in templum contulerunt.
Wahl des Propstes Cabelius vom 3. Januar 1634.
St. Arch. No. 6 zu 1567.
Anlage 8.
Vorschlag des Propstes durch das Kapitel
zur Konfirmatio n.
Pro viduata ecclesia nostra sponsum pro membris caput pro
ad modum reverendo domino Joanne Nippein, praeposito defuncto
successorem eligendi a reverendissima et illustrissima celsitudine
vestra supplices licentiam petivimus et impetravimus hac gratia
implorata divini spiritus gubernamine statutorum nostrorum tenbre
plurimum reverendo doctore Floriano Rieden vicario celsitudinis
vestrae in spiritualibus generali praeside per potiora et saniora
vota canonice et solenniter admodum reverendum dominum Gallum
Hegelin 5 idus septembris elegimus qui cum sit uno verbo talis
qualem statuta requirunt irreprehensibilis et omnibus bono exemplo
praeluceat speramus eum ecclesiae collegiatae sanctissimi patroni
nostri Theobaldi magno fore commodo, unde illustrissimum et re-
verendissimum principem dominum et ordinarium nostrum clemen-
tissimum debita "humilitate supplices rogamus ut authoritate sua
ordinaria recens electum dominum praepositum nostrum in officio
suo confirmare dignetur, pro hac aliisque gratiis et beneficiis ac
pro felicissimo celsitudinis vestrae regimine calicem salutaris ac-
cipientes nomen domini invocabimus Thannis 3 idus septembris
anno 1655.
St. Arch. No. 19 zu 1561.
Anlage 9.
Konfirmation des Propstesdurch den Bischof.
-Nos Joannes Franciscus dei et apostolicae sedis gratia episcopus
Basiliensis romani imperii princeps
Omnibus praesentium inspectoribus subscriptorum notitiam et
— 192 —
salutem in domino sempiternam. Noveritis venerabiles et devotos
nobis in Christo delectos cantorem. custodem et capitulum ecclesiae
nostrae collegiatae St. Theobaldi in Thann dioecesis nostrae Ba-
siliensis nobis ordinario jure immediate subjectos per litteras nobis
humiliter significasse praepositum praefatae ecclesiae per obitum
domini et ultimi ac novissimi praepositi vacasse. Ne igitur dicta
ecclesia diutius suo capite careret, damna hinc orirentur atque
exinde de juribus et privilegiis periclitarentur : omnibus et singulis
juxta tenorem statutorum et dictae praepositurae consuetudinem
sollemnitatibus rite observatis et adhibitis ad novi praepositi electi-
onem accedentes venerandum et doctum virum X. canonicum in
praepositum praefatae ecclesiae canonice elegisse ; denuisse a nobis
tanquam ejusdem ecclesiae indubitato ordinario et immediato superiore
petentes quatenus eandem electionem authoritate nostra ordinaria
confirmare et approbare, electo de praepositurae juribus et pertinentiis
providere atque de iisdem instituere et investire dignaremur. Nos
itaque auctoritate nostra ordinaria qua funeimur, non solum hane
electionem scripto et oretenus a dicto nostro vicario nobis perlatam
verum etiam personam electam ad memoratam praeposituram fa-
vorabiliter admitteutes approbavimus et confirmavimus et prae-
libatum dominum X. electum in et ad dictam praeposituram prae-
fatae ecclesiae cum omnibus suis et singulis juribus et pertinentiis
oneribus et honoribus ipsi competentibus in dei nomine per prae-
sentes admittimus, confirmamus et investimus omues defectus et
alia si quae forsan indebite vel minus ordinate in hoc electionis
negotio gesta fuissent — supplentes administrationem ejusdem prae-
positurae eidem X. electo per nos corfirmato et investito plenarie
committentes. |
Quare vobis omnibus cantori custodi canonicis et capellanis
dictae ecclesiae caeterisque presbvteris, clericis notariis et tabel-
lionibus publicis quibuscunque per civitates et loca dioecesis
nostrae Basiliensis ad quos praesentes nostrae litterae pervenerint
sub excommunicationis poena mandamus in quantum vos et quivis
vestrum sive conjunctim sive divisim fueritis requisiti ipsum X.
sicut praemittitur electum et confirmatum praepositum Thannensem
sine ipsius ad hune finem constitutum procuratorem in praemen-
tionata praepositum juriumque et pertinentiarum ejus vice atque
auctoritate nostra ducatis et mittatis in corporalem realem et actu-
alem vel quasi pacificam et quietam possessionem. In quorum om-
nium et singulorum fidem et robur sigillum nostrum pontificale
appendi fecimus.
Data in arce nostra Bruntrutana 1662, 30. decembr.
Bestätigung für Propst Willemann.
St. Arch. 28 zu 1567.
Anlage 10.
Treueid des Propstes.
Ego electus praepositus ecclesiae colleriatae St. Theobaldi
Thannis in antea oboediens et fidelis ero reverendissimo et cel-
— 193 —
sissimo principi episcopo Basiliensi tanquam ordinario ejusdem
successoribus nociva ejus cavendo et utilia promovendo. Jura et.
proventus meae praepositurae omni diligentia conservabo nec patiar
ullo modo ut illlis aliquid detrahatur. Statuta etiam capituli mei
diligenter observabo et etiam ut alii canonici capituli mei ea
exacte observent invigilabo, ita me observaturum juro et voveo.
Sic me deus adjuvet et sancta evangelia.
Unterschrieben : Johannes Sebastianus Klebsattel praepositus.
Anlage 11.
Päpstliche Bulle über die Pfarrei Thann
13. Februar 1453.
Nicolaus episcopus servus servorum dei dilectis filiis praeposito
cantori et capitulo ecclesiae sancti Theobaldi oppidi de’ Thannis
Basiliensis dioecesis salutem et apostolicam benedictionem. Cum a
nobis petitur quod justum est et honestum tam vigore aequitateque
quam ordo exigit rationis, ut id per sollicitudinem officii nostri ad
debitum perducatur effectum. Exhibita siquidem nobis pro parte
vestra continebat, quod dudum vos pro conferendis inter vos et
posteros vestros ac plebanum et capellanos ecclesiae vestrae pro
tempore existentes mutuis charitate et concordia et evitandis in
posterum. dissensionum dispendiis, quae hactenus saepius inter
vos et ejusdem ecclesiae plebanum et capellanos pro tempore
existentes exortae fuerunt, provide statuistis et ordinastis quod de
caetero plebanus pro tempore existens praedictus dictae ecclesiae
canonicus esse, et sibi de canonicatu et praebenda primovacaturis
de quibus cessantibus reservationibus et mandatis apostolicis vos
disponere potueritis cum plenitudine juris canonici ac omnibus juri-
bus et pertinentiis suis provideri debeat ipseque plebanus ple-
banatum cum canonicatu et praebenda postquam sibi collati fuerint
in simul retinere nec non una vobiscum actibus capitularibus inter-
esse ac omnibus juribus honoribus et emolumentis canonicorum
dictae ecclesiae vestrae sicut unus ex illis gaudere possit: quodque
omnes oblationes quas tam intra officium missae quam alio quocum-
que tempore praeterquam in Nativitate et Ressurrectionis domini
nostri Jesu Christi et in celebritate omnium sanctorum ac Pente-
coste festivitatibus ad altare majus ipsius ecclesiae ac etiam ad
reliquias Sancti Theobaldi in dicta ecclesia reconditas offerri conti-
gerit vobis capitulo ad usus canonicorum vestrarum integraliter,
illae vero oblationes que in festivitatibus et celebritate hujusmodi
ad altare vel reliquias hujusmodi erogantur pro uno vobis capitulo
et alia medietatibus dicto plebano aequaliter cedant, in his omnibus
intervenientibus auctoritate venerabilis patris nostri episcopi Ba-
siliensis ac moderni dictae ecclesiae plebani voluntate et consensu
prout in litteris authenticis inde confectis plenius dicitur contineri.
Quae omnia a nobis petiistis omnimine roborari. Nos igitur vestris
in hac parte supplicantibus inclinati statutum et ordinationem prae-
dicta prout provide et rite facta sunt et in alicuius praejudicium
non redundant auctoritate apostolica confirmamus et praesentis
SCHOLLY. 13
— 19% —
scripti patrocinio communimus. Nulli ergo omnino hominum liceat
hanc paginam nostrae confirmationis et communitionis infringere
vel ei ausu temerario contraire. Siquis autem hoc attentare prae-
sumpserit indignationem omnipotentis Dei et Beatorum Petri et
Pauli apostolorum ejus se noverit incursurum. Datae Romae apud
sanctum Petrum anno incarnationis dominica 1453 idibus februariis
Pontificatus nostri anno septimo.
‘Concordat cum originali quod ipse descripsi
Joannes Reyer parochus 1661.
Staats-Arch. zu 1377.
Anlage 12.
Copia transactionis de anno 1457.
Nos Joannes Müller, praepositus, totumque capitulum ecclesiae
St. Theobaldi oppidi Thannis Basiliensis dioecesis ad omnium et
singulorum quorum interest notitiam deducimus per praesentes,
quod honorabilis dominus Nicolaus Volfach plebanus dictae eccle-
siae nobis pluries exposuerit cum querela quatenus inter dominos
plebanos ejusdem ecclesiae antecessores suos pro tempore existentes
ac ipsum modernum plebanum ex una et consulatum oppidi Thann
predicti occasione perceptionis oblationum obventionum et emolu-
mentorum quae ad venerabiles reliquias St. Theobaldi et etiam ad
truncum per christi fideles et peregrinos offeruntur ex altera par-
tibus invidiae, dissentiones et discordiae hactenus exortae fuerint
et augmententur in dies, quas cum puritate conscientiae suae diu-
tius tollerare non posset quare nobis tanquam collatoribus suis in-
stanter supplicavit quatenus sibi in premissis consulere et quantum
in nobis esset de remedio providere dignaremur opportuno: nos
igitur ad quos collatio plebanatus dictae ecclesiae seu praesentatio
personae idoneae ad cundem dum vacat pertinet tanquam interesse
habentes ipsum dominum plebanum ab hujusmodi invidiis dissen-
tionibus et discordiis relevare cupientes pro bono pacis decore et
utilitate dictae ecclesiae matura desuper deliberatione prachabita
cum praefato domino Nicolao plebano sui et ipsias plebanatus
nomine quamdam ordinationem inter. nos et plebanum pro tempore
existentem perpetius futuris temporibus servandam fecimus in hunc
modum videlicet, quod dominus Nicolaus modernus plebanus dictae
ecclesiae ex nunc de «caetero habebit canonicatum et praebendam
ejusdem ecclesiae postquam sibi canonice collati fuerint quos qui-
dem canonicatum et praebendam quilibet plebanus ejusdem ecclesiae
pro tempore existens cum omnibus juribus obventionibus honoribus
oneribus et emolumentis suis sicut alius ecclesiae ipsius canonicus
una eum dicto plebanatu inseparabiliter retinere potest et debet:
atque ultra redditus praebendae canonicalis hujus modi capitulum
dabit eidem plebano de fructibus ipsius capituli singulis annis
viginti libras denariorum Basiliensium in subsidium et relevamen
expensarum coadjutoris sui quem ratione curae animarum habere
tenetur donec sibi de aliquo beneficio ecclesiastico tanti valoris
fuerit canonice provisum unius etiam beneficii postquam illud
canonice assecutus fuerit incumbentia onera supportabit. Insuper
e
— 195 —
omnes et singulae oblationes ubicunque qualitercunque et in quibus-
cunque rebus consistant sive in summo sive in alio altari aut alio
loco quocunque ad reliquias St. Theobaldi pervenientes nec non
illae quae decretales nuncupantur atque similiter illae quae ad
stolam in missis pro defunctis aut aliis quibuscunque ratione obitus
primi septimi vel tricesimi aut anniversariorum et confraternitatum
quorumcunque sive ratione nuptiarum sive alio quovis modo offer-
antur quae hactenus ad plebanum dictae ecclesiae pro tempore
existentem in solidum pertinere consueverunt ex nunc in antea
in unum recolligentur atque inter dominos canonicos residentes
duntaxat, inter quorum numerum plebanus pro tempore residens
computabitur aequaliter dividantur, offertoriis in quatuor festivi-
tatibus summis scilicet et nativitatis domini nostri Jesu Christi,
paschae, pentecostes, omnium sanctorum provenientibus ad quae
subditi parochiani ejusdem ecclesiae utriusque sexus ex jure vel
consuetudine tenentur duntaxat exceptis quae quidem offertoria
quatuor festivitatum hujus modi pro una inter praepositum et cano-
nicos residentes et pro alia medietatibus inter plebanum pro tem-
pore aequaliter dividantur: oblationes vero et offertoria quae in
festo St. Theobaldi in summo altari proveniunt propter prandium
per plebanum pro tempore sacerdotibus ministrandum eidem in
solidum cedant et cedere debent caeterum ut plebanus pro tempore
circa curam animarum sibi commissam diligentior esse valeat, prae-
positus, cantor custos atque plebanus et singuli canonici residentes
summum altare inofficiare tenentur taliter videlicet quod quilibet
ipsorum per se vel alium canonicum quem ad hoc rogare tenetur
et si inter residentes pro eo celebrantem non repererit ex tunc
petita a praeposito licentia primo tamen obtenta per capellanum
ejusdem ecclesiae summam missam dictam decantabit per septi-
manam sibi contingentem : Plebanus vero in omnibus et singulis
negotiis in quibus ad eum parochianos cujuscunque status vel
dignitatis fuerint contingit habere recursum qui divinum cultum
decorem et statum ecclesiae concernunt absque consilio et consensu
praeposito et capituli nihil attentabit; quoad curam animarum et
ostensionis reliquiarum omnium que 'aliorum prout consuetum est
per se vel coadjutorum suum exercere tenetur; obventionibus aliis
a premissis in his sibi suffragantibus. In quorum omnium et singu-
lorum evidens testimonium et robur praesentes litteras fieri et
sigilli nostri capituli fecimus appensione muniri : acta sunt haec
Thannis in domo nostro capitulari nobis Joanne praeposito, Joanne
Schuldheis cantore, Joanne Kubler custode. Henrico Neer, Petro
Hartmann, Nicolao Brender et Joanne David canonicis dictae ec-
clesiae propter praemissa capitulariter congregatis; die veneris
quindecima mensis Julii sub anno domini millesimo quadringentesimo
quinquagesimo septimo.
Et ego Niclaus Volfach plebanus dictae ecclesiae St. Theobaldi
pro me et successoribus meis plebanis omnia et singula rata et
grata habens ea cum appensione sigilli mei roboravi meque hic
manu propria subscripsi actum ut supra.
Ferner haben unterschrieben die canonici und plebani Siglin
und Lichtenstein.
Staats-Arch. 1457.
— 196 —
Anlage 13.
Wahl des Pfarrers.
extrait du protocol du chapitre de Thann.
in capitulo habito die 7 decembris ad nominationem seu electionem
neo parochi in Thann capitulares comparentes omnes unanimiter
concluserunt vota sua viva voce proferre
et quidem dominus praepositus nominavit Hug Dom in
Eglingen et subscripsit
dominus Schaub cantor nominavit Massias
dominus Reiset nominavit simpliciter Hug et subscripsit usw.
hine pluralitatem votorum obtinuit Hug’ quippe qui sibi vota
quinque acquisivit. Signati in protocollo Gobel praepositus et Reiset
actuarius.
St. Arch. 55 zu 1759. Wahl vom 7. Dezember 1761.
Anlage 14.
Vorschlag des gewühlten Pfarrers durch das
Kapitel zur Bestátigung.
Cum illustrissima celsitudo vestra non ita pridem virum Lau-
terium venerandem et doctissimum novissimum hic in Thann paro-
chum certis et urgentibus de causis in collegiatae ecclesiae St.
Martini in Colmar decanum ordinaria authoritate ordinaverit et
constituerit indeque parochia nostra cujus collatio provisio et jus
patronatus ad nos nostrumque capitulum veros et legitimos colla-
tores de jure pertinere dignoscitur proprio possesore privata fuerit
in ipsius vero locum peraeque reverendum virum N. N. ibidem per
aliquot annos ecclesiasticum et vicedecanum de cujus jam antea ad
curam animarum examinati et admissi vita pietate doctrina et
eruditione nobis probe constitit substituendum paterne consuluerit.
Nos de ipso in domino multum confisi et ad illustrissimae
celsitudinis vestrae debitam oboedientiam in primis parati eidem
domino N. N, ad supplicem ejus petitionem praedictam parochiam
cum adjuncto canonicatu ct omnibus suis proventibus et pertinentiis
debitis et consuetis conferre capitulariter conclusimus. Idcirco illus-
trissimae celsitudini praefatum dominum N. N. praesentamus non
dubii quin quem celsitudo vestra ad dictam nostram parochiam pro-
movere dignata est eandem possidendi facultatem clementer datura sit.
Praesentation des Pfarrers Gautsch. St. Arch. 1612 20 Juli...
Anlage 15.
Dinghofzu Ober Aspach.
1588.
Juramentum unnd aydts pflichten eines Dinckhoff meyers zue
Ober-Aspach.
— 197 —
Erstlichen schwört unnd spricht ein jeder dinckhof meyer. dasz
er soll unnd wolle herren probsten unnd gemeinen capitul s. Theo-
baldi stifft zue Thann trew unnd holdt sein, ihren und deszen zue
Ober-Aspach habenden dinckhofs nutzens unnd wohlfarth jederzeit
so uill ihme miglichen in billichen sachen fürderea, schaden unnd
nochtheil durch sich unnd die seinigen verhüeten unnd abwenden,
deren unnd desselbigen recht, gerechtigkheiten helffen handthaben,
unnd nichts derwider fürgenomen werden gestatten, auch die durch-
tódtlichem ableiben oder sonsten verenderte lehe unnd hucben bey
rechter zeit uf baldist widerumben verleihen unnd besetzen, unnd
dann menniglichen, so was schaden an seinen dinckhoff güetteren
gelitten oder sonsten wider jemanden ansprach hette unnd desz-
wegen umb dinckhoffrecht anrueffen würde, keines wegs abschlagen,
sonder dem selbige gelegene zeit unnd tag ansetzen unnd mit hilff
unnd heystandt darzue gebottenen zehen, elff unnd zwelf andere
hueben, lauth inhalts des dinckhoffsrodels durch ordentlich recht
zue seiner billigen ansprach verholffen sein; wann auch jemand[en]
dinckhoff güetter für andere gericht oder recht ziehen oder erster
jnstaus anzübringen sich anmaszen unnd understehen würde, nit
zuesehen noch gestatten sonder unuerzogenlich solche persohn unnd
sach herren probst oder vor capitulo vorbringen unnd darauf en-
pfangenen beschaidt trewlich unnd fleisziz nach khomen.
Zue [m] dem unnd für das andere gelobt unndt schwórct ein
jeder dinckhoff meyer, dasz er soll unnd wolle uf gemelt capitul
unnd dinckhoffs feldt unnd weldt selbe zue gebührenden zeiten durch
gehen unnd besichtigen, auch fleiszig auf sehen, guete sorg unnd
acht tragen, die niemandte, so deren oder andern diuckhoff güettern
schaden zue füegen wurde. verschonen, sondern den selben rüchen
vor ordentlichem dinckhoff recht, so begangener freuel oder schaden
deszen mag erwarten, beclagen oder alsz baldt herr probst unnd
dem capitul mag hierinnen fürzue nemen, fürbringen unnd helffen
beräthschlagen.
Ferners schwördt unnd gelobt jeziger dinckhoff meyer N. N.
burger zuc Ober-Aspach auch, das, unangesehen seine vorfahrende
meyer jeder zeit macht unnd gewalt gehabt sich unnd ihr hausz-
haltung mit brennholtz ausz gedacht. capituls wälden zue versehen,
er doch diesz mahl unnd fürhin von wegen des grosen mangels
unnd abrangs an brenholtz, deren sich soll unnd welle eüszern,
ruebig stehen unnd nichts wider selbsten noch durch sein volg darin
abhawen. fällen oder ohne vorwüsten unnd erlaubnus herren prob-
sten unnd capituls zuc seinem nutz darausz heimbfiihren, für welche
alte gewohnheit herr probst unnd capitul jhme jährlich zue geben
versprachen in geltt, dorin die drey pfundt stebler (für einen rockh)
gerechnet sein sollen, sechs zehendt stebler unnd zwey fieritel
gersten.
Es gclobt unnd verspricht auch jeder dinckhhoff meyer, das er
solle unnd wólle in seinem costen unnd schaden, darzue er etliche
stückh matten wie von altem her zue nieszen, stüehr unnd eber,
deren die burgere zuefriden unnd nichts darab zue clagen haben,
erhalten unnd daran keinen mangel erscheinen lassen; were aber
das er an solchem saumbig, das dorf mit solchem nit genegsamb
versorgte, also das der gemein schaden darausz erfolgte, die stroff
*
— 198 —
unnd beszerung (laut dinckhof rodels) uf ihme selbsten haben. Wasz
dann dasz dinckhoff gericht undt was darzue gehörig betrifft, alsz
zue einem ordentlich die fröhn zue umschlagen, zue seiner unnd
rechten zeit dorein zue laüthen, oder zue einem priuat gericht der
darzue gehörigen hueberen unnd beclagenden persohnen dorein
zue gebüeten, unnd was anderst mehr nach inhalt mehr gemelten
dinckhoffsrodels sein ambt auszweiszt, demselbigen verspricht aueh
jeder meyer mit fleisz unnd ernst nach zuesetzen unnd ordentlich
helffen zueuerrichten.
Lestlichen schwördt jeder dinckhoff meyer, das er soll unnd
""wólle in verleühung des gehen Ober-Aspach gerenden (d. i. gehören-
den) zehendens darbey sein, denselbigen jederzeit wie vor altem
her, nachdem es die capituls h. befehlen werden, ausz rueffen unnd
so hoch es miglich helffen verkhauffen unnd ausbringen; auch so
sich heimliche pratiquen, conspirationes unnd zuesammenverbindt-
» nussen des ausbüethens halber under den burgeren zuetragen wur-
den, die selbe, alsz bald sie ihme bewuszt unnd gespührt werden,
abschaffen, den zehendtheren eróffnen, unnd das kein betrug darin
. gebraucht, sonder von jederman aufrichtig, frey unnd ledigen willens
darauff gebotten werde, nach seinem vermógen verholffen sein, von
disem zehenden ein füertel mahlkorn, zehen schilling geltts unnd
zwey hundert schaub zue enpfangen ; unnd soll kein dinckhoff meyer
uf disen zehenden büethen ohn verwilligung h. probsts unnd der
zehendtherren, aber mag er hernach theil daruon nemen unnd zue
denen andern einstehen.
Darauff soll ein jeder dinckhoffmeyer angctopen unnd einen
offentlichen aidt thuen.
forma juramendi.
Allem dem jenigen, so mir vorgelesen worden, dem will ich
getrewlich unnd fleiszig nach khomen, da schwér ich zue Gott
unnd allen heilligen, das mir Gott helff unnd seine heilige evangelien.
Anlage 16.
Dinghof zu Deckwiller.
1497.
Diss seindt die recht der herren von sanct Diebold zue Thann,
die sie handt zue Deckhweiler.
Dess ersten so handt sy feünfzechen fiertel unnd feünf sester
rockhen; das sindt zor (l. vor) zeiten zweintzig fiertel gewesen;
und sibentzechen fiertel unnd zwen sester habern, unnd zwey pfundt
geltz, da wirdt von dem gelt nit meer dann ein pfundt dreyezechen
chilling unnd sechs pfenig, vonn acht habermentagen unnd einem
halben, mit etwas giieter die da zue finden seindt unnd sibenthalben
rockhenmentag. Und sindt die rockhenmentag freye, aber die haber-
mentag sindt völlig (d. i. vällig) unnd erscheczig.
Item die herren sollen einen wüssenthafften meiger do haben;
ob es were das der hueber (keiner) keinen gebresten an jren hüeb-
güeteren hettend, desz sonndt sy vor einem meiger ein yegklich
— 199 —
seins selb dritt von hueber ubenragey zue seczende unnd zue enndt-
seczende.
Item der meiger soll vierzehen tag nach sanct Johannstag
umbgeen unnd soll alle hueber warnen, das sy jren zinns richtendt
am nechsten sontag; darnoch so soll der selb meiger pfandt und
pfeninge umb nemen, ob er sy finden mag.
Daszelb sprechent sy auch zue wyhenachten.
Item die hueber sprechent auch, das der meiger soll nach sannct
Gallen tag vierczechen tag umbgchen unnd die hueber warnen, das
(l. das's) jren korn und haber zinsz richtendt, und den sont sy ge-
richt pau zue sannct Martins tag, ob sy sich vor besserung hüetten
wöllendt.
Auch sprechendt die hueber, wenne sy mit dem mayer berait
seindt jre zinsz inn dem herbst zu bringend so soll man denn essen
unnd trinckhen geben, zweyerley brot unnd zweyerley wein, rot
und wisz, gebrotten und gesottens, alsz sollichen leütten zuegehört,
unnd das sy ire zinsze auch samhafft gancz bringen und abczalendt.
Item were das die hueber geirrett würdent inn kein weg, das
jre zinsz niemandt von jnen näme, unnd gesumet würdent, so sont
sy ann einen württ ziehen und was sy dazue jrer notturfft ver-
czeeren, sollen die herren unnd jr schafner abtragen und beczalen.
Item die hueber sprechent das die hern dem meiger entbieten
sollent, das er den huebern gebieten solle die herrberg uf sontag
vor sannct Martins tag acht tage vor oder acht tage darnach unnd
denn so memet sy (so) die herberg zwüschen fasznacht unnd sannct
Martins tag, wann sie wöllen.
Item sprechent die hueber, das ein probst unnd zwen thuemb-
herren, obe er komen mag; were das nit, so mögendt drey anndere
thuembherren oder jr schafner mit jren zweyen, ein koch unnd ein
lauffender knecht ; unnd soll man den zue essen unnd zue trinckhen
geben, zweyerley prot unnd zweyerley wein, gebrotens unnd ge-
sottens ; krachende pött und leinlacken (d. i. frisch überzogen mit
wohlgetrockneten Leintiichern), unnd yedem pfärdt einen sester
habern unnd straw genueg alsz darzue gehört, zweymal, eins am
sontag nacht unnd eins am montag früe.
Item käme inen unnder wegen von geschicht ein edelman oder
ein priester, den mögent sy laden unnd für den sollent die hueber
geltten unnd beczalen. Were auch das die herren jrs lybs oder jrs
guets inn keinen weg inn sorgen werendt. so soll der maiger den
huebern gepietten das sy der herren huettendt und warttendt, das
sy wol gefliiechen mögendt unnd dannen khommendt.
Sy sprechendt auch das ann dem mentag früe die herren oder
jr gehaisz zue gericht siczen sollen nach dem ymbisz und jre recht
hören sprechen.
Denn soll der meiger eime, der denn ze gerichte siczet von der
herren wegen, ein steblin geben, unnd soll der meiger auch eins jnn
seiner handt tragen, unnd sollent den gebresten hören von der güeter
wegen und den ebnen unndt richten nach der hueber urteil und
niemandt anderst.
Wer aber das yemandt, ritter, knecht, priester oder leye den
dingkhoff inn keinem weg jrren ttette mit gewalt, ist er ein sollich
man das man in mit dem dinckhofrechten zwingen mag, das soll
man thuen; were es aber ein sollich man, das inn die hueber nit
zwingen möchtendt, so sondt inn der probst unnd das capittel von
Thann mit jren geistlichen rechten zwingen, das dem dinckhof sein
gerecht und freyheit nit enntgange.
Item ob der hueber keiner seins rechten in dem dinckhof nit
bekomen mechte oder sonnst umb kein guet stöszig würdendt, so
sonnt unnd mögent sy die urtheil umb das guet mit dreyen huebern
jn den dinckhof gen Ober Aspach ziehen.
Were auch das keiner der huebern seine zinsz versäsze, das er
sy nit richtete uf die zyl alsz vorgeschrieben stedt, so soll man
der zinsz unnd der besserung uf die güeter kommen, unnd mag
man die güeter vonn der herren wegen von Thann ziechen zue
ihren hannden unnd inn jren gewalt.
Ist aber der, der seine zinsze versiczet und seine güeter also
verloren hett, im landt, so seindt seine güeter den genannten herren
ane gnad verfallen.
Were aber das er in dem lande nit were käme der überzechen
jar, dem soll man seine güeter wider leichen, doch mit ergangenem
zinsze und costen, der denne auf das guet gegangen ist.
ltem were das disz alles inn einer jars frist nit ergangen ist,
also das die güeter unempfangen sindt, so soll man zinsz unnd
besserung oder costen uf die güeter schlachen, uff der vorgenanten
hern gnade, so daruf gangen were, unnd also empfachen.
Auch sprechendt die hueber, were das keiner hueber uf den
vorgenannten tag umb seine güeter nit gerichtet mecht werden, so
soll der herren einer widerkommen am andern tag uünd unczt an
den dritten tag, unnd vonn dem anndern tag au soll der da vonn
der herren wegen la lit, usser der besserung sein zerung unnd
costen haben; am dritten Tag, wer sein denne bedarf, der soll jm
denn den costen geben.
ltem hetten wir einen stosz unnd (l. umb) ein holcz, jst gelegen
obwendig desz mülinwegs, das soll gehören zue güctern der hern
von Thaun.
Die hueber sprechent auch, das der meyger, wenue einer oder
eine stürbet, der da habergüeter hat, hat er ein haupt das under
fünf pfundt "wert were unnd ob feünf schilling, das soll er nemmen
unnd vor der bare usz füeren gen Thann unnd wenne er den fall
bringet, soll man dem botten geben einen schilling und dem meiger
feünf schilling. Hat er nit anderst, so soll der meyer nemen feünf
schilling oder was er inn dem hausz findet mit vier zipflen.
Die hueber sprechent auch, das ein mettlin, h. Knelling, ge-
legen, das soll ein yeder der herren meyer haben unnd soil eime
probst oder ein (l. eim) anndern thuembherren, ob er von Baszel
oder annderstwoher dar käme also spote, alder anndersz do ruwen
wolte, hàwe unnd straw geben vonn desz mettlins wegen. Und ist
das mettlin nu ein hurst holcz, ist genant der Herrenhurst, und ligt
neben der Eczmatt, zücht uf Jacob Bisancz ecz mettlin, das soll,
wer ye zuczeiten unnser meyer ist jnnen haben wie obstatt.
Sy sprechent auch das ein meyer gebietten soll allen huebern,
wenne es jr keine (l. keime) notturfftig were, vonn der güeter wegen,
inn den dinckhoff. 7
Und wann einer der hueber nit käme zue gericht, der soll es
— 9001 —
den herren bessern und dem meyer zwen schilling, jn jrte den lybs
oder herren not. |
Sy sprechent auch das man der mentag keinen theilen solle
me denn inn drey theil oder hennde, unnd welcher danne in dem
mentag der elteste ist, den mag ein meyger zwingen von der herren
wegen, das er das guet empfache.
Man soll auch nieman recht sprechen, wenn uf dem sedelhof
der darczue gehört, es sey dann der beder wille.
Sy sprechent auch, wenn die herren: von Thann jre herberg
empfachen und nemmen wöllendt, so mag der meyer inn das holcz
faren obwendig des miilinwegs one menigklichs erloben, unnd einen
karrich geladen holez heim füeren, das er den herren koche.
Were auch das der, der uff dem sedelhoffe siczet, wer der
were, wolte der uf dem hoff buwen, so soll man ime usser dem
holez obwendig des mülinwegs so vil holez geben als cr not-
türfftig ist, fürbasser denn uf ander mentag hofritten.
Sy sprechendt auch zue recht, wer disen brief unnd die vor-
geschribne recht liset uf dem getingetage, dem soll die erste besser-
ung werden, sie scige grosz oder kleine.
Wüssent sye, das uf, dinnstag nach sanct Dorotheen tag inn
dem ein unnd sibencziesten jare (1471) nachdem die hueber ge-
meinlich vonn Deckhweiler alle jar jerlich sehuldig sint rockhen
unnd haberzinsz vonn den dinckhofviietern wie obsteet, jn dem
herbst gen Thann bey dem grosen sester vonn sanct Amarin
zewerende. unnd man jnen dagegen schuldig ist essen und trinckhen
zegebende, alsz im dinckhofrodel beschriben stet, unnd sy aber
ernstlich und fleiszigklich die hern den probst unnd das capittel
von Thann angerüeffü unnd gebetten haudt, umb künftig jrrung
unnd beschwärung zuuermeiden, das sy den huebern jerlichs gon-
nen das sy für denselben groszen sester der zinsze bey Thann
messz von jnen nemen wöllendt; so wöllendt sy sich mit dem
essen sonnst auch schlechtlich beniiegen und dest williger unnd
fürderlicher alle jar zinsz im herbst antwortten.
Also anzesechen, das die obgemelten korn unnd haberzinsz alle
jar zue dem herbstcosten den knechten unnd pfarden, so man im
herbst hatt, dienent und verbrucht sindt, unnd auch ein alt her-
kommen, gewonhait unnd ein sondere gebruchte herlicheit ist,
das man die bey dem groszen sester unnd alle jar jm herbst dabey
wären soll, unnd auch das die armen leüte dest williger seyent
inn künfitigen zeiten zuc zinszende: so hannd meine herren probst
unnd die thumherren gemeinlich wolbedáchtlich inn gesambten
capittel, so sy desshalb gehept hanndt, von sonndern gnaden, liebe
und freündtschaff, den huebern und allen jren nachkommen
von Deckhweiler zucgescit, verwilligt unnd geronnet, dobh allen
jren rechten unnd herkommen an dem, groszen Amerin sester un-
vergriffen und one schaden, also das alle die hueber von Deekhweiler,
die nun hinfür jren zinsz in dem herbst in den capitelhof zue
Thann antwortendt, dieweile man noch daselbst kochet und herbst-
kosten habet, das man von denen jrem zinsz bey Thann mesz für
jeden sester von sanct Amerin nemmen und man ungevorlich essen
unnd trinckhen geben, sonnder gucetlich thuen solle alsz sollichen
leütten zuegehórt; doch also das der sollicher gnaden geniessen wolle(r),
— 909 —
seinen ganczen jarzinsz zum minsten unnder zworent mit einander
bringen), nit allemal einen sester oder zwen oder drei allein
bringe, unnd da essen solle alsz inn vergangnen zeitten beschechen
ist. Welcher aber seinen zinsz bringet nach dem zeit, alsz der
herbstkosten inn der zechentrotten für kommbt, vonn dem soll man
fürer nit meer schuldig sein mit dem Thanner mesz zu empfachen,
sonnder soll er seinen zinsz bey dem alten sannct Amerin sester
beczalen, unnd soll man june nit schuldig sein essen unnd trinckhen
zegeben in keine wise. Das alles hanndt auch alle hueber danckh-
barlich und guetwilligklich ufgenommen und mit grosenn danckh-
sagen den obgenannten herren zuegeseit unnd guet benüegen
unnd wolgefallen daran gehapt. |
Unnd dessen alles zue wahrem urkhundt jst disz berainbuch
uff gerichtliche erkandtnusz unnd pitt vornen benancz meigers unnd
der gerichtsleütten mit des erenuesten herrn Francz Beren, fürst-
licher durchleüchtigkeit erczherezogs Ferdinanden zue Oesterreich
etc., unnsers gnedigisten herren unnd laneztürsten raths schafners
unnd jnnemers der stadt unnd herrschaft Thann anhangendem jn-
sigel (doch ime unnd seinen erben inn allwegen ane chaden)
bewahrt.
So zuegangen unnd beschehen ist den zechenden monatztag
octobris nach Cristi Jesu unnsers geliebsten herren unnd salig-
machers geburt geczalt feünffezehenhundert sibenczig und siben
jare.
Anlage 17.
Dinghof zu Brinighofen.
1510.
Diss sindt die recht. die die herren vonn sant Amarin handt
in dem dinghoffe zu Brinighoffen, die die huber sprechendt.
Do sprechen sy, das die herren vonn sant Amarin do handt
VI kornmentage; do gilt jedor mentag VII vierteil rokken unnd ein
vierteil dingkel. Do sind Morandstein abgelassen VI vierteil alle jor
an dem jerlichen zinse abe sinen guttern; und hórt der der dinckel
den meyger und II vierteil rocken. Und soll dieselben zinsze ein
meyger gebietten acht tag vor unser frouwen tag der jungern;
darnach in acht tagen soll man sye nut strengen; wer es aber,
das darnach die karrich kemen und nut die zinsze funden, so soll
sy der meyger wisen vonn einem zu dem andern, vntze das sye
geladendt. Farent sye fer dannen, so sollen sy zu sant Amarin
furen und sóllend die herren denn pferden und den lutten essen und
trincken geben, so sy komen geu St. Amarin mit den zinszen. Und
gendt die vorige VI mentage keinenn zehendenn wo sy ligendt.
Item darnach VI habermentage die sint fellig und erschetzig,
und wurt der erschatzt einemm meyger, und ist halb also vil, als
des zinszs. Und die selbenn gutter die eim tragend wenig oder ful,
nach toter hand, so gibt er den herren einen fal und ein houpt das
beste. Wer auch, das die selben, die die guttertragendt, das einer
— 203 —
an sin todbette kem, so mag er den herren nut entragen jrs fales.
Und soll auch des selben guts niemant me tragenn den einen men-
tag, zwo jucharten me, an alle geferde. Wer auch, das die selben
guter ein jor absetze legenn, so sollen sy die herren zu jren han-
den ziehen an widerreden. Und gendt die mentage X vierteil habern
und IIII £ und VIII B. Das gibt der mentag von Pfirt XV 3 und
IIII 5 und keinen habern, und ist das der VI mentage eine. Wer
auch das einer von libes not von dem land muste, so sollendt die
herren die vorigen guter in X joren nut enweren in oder sinen
erben; und sollendt die gutter zu jrenn handen zichenn, wie sy
ligendt. Und gebendt die vorgen. VI mentage habernzehenden, wo
sy ligendt, und gehort der zehende zu der mulen zu Brunighoffen,
die den herren zinset und durch (auch ?) recht da sollendt han und
niemant anders.
Item umb den habern und pfennig zinsze, die fallendt zu sant
Martins tag achttag davor oder darnach, ann geferde ; geben sy das
nit so mag ein schaffner oder cin meyger pfenden und die pfand
furen zu Sant Amarin an forcht.
Primo soll man den hubern ruffen, darnaeh jr recht lesen.
Item wenn die herren wóllendt die herberg nemmen von des
dinghoffs wegen zu Brunikoffen, die sóllendt sy nemmen an dem
nechsten Suntag vor sant Martins tag, und soll das der meyger acht
tag den hubern vorhin kundt thun. Wer auch, das sy das tags nit
kemen, 80 weren sy den herren des jors nit gebunden zu sprechen
noch kein herberg ze geben.
Item wenn die vorgen. herren wellen die herberg nemenn, so
sóllend sy jren koch her senden.
Item es soll ein probst sin selbdritt komenn oder einer an
siner stat. Wer auch, das dem probst ein biderman bekeme, den
mag er mit jm bringen in die herberge, an geferde.
Item soll. ein probst mit im bringen einen habich unnd II
winde unnd einen vogelhundt, und was er fachet inderwegen, das
soll er mit den hubern die nacht teilen an alle geferdoc.
Item wenn der probst kümpt in die herberg, so soll man jm
geben fliegendes und fliessendes und gesottens und gebrottens, und
zu nacht III sester habern und an dem morgen auch III sester habern
den pferden zu futter: an der nacht ein jmbis und an dem morgen
auch ein jmbis. Wer aber, das man jm nut gehorsam were, so sollenn
Sy an einen nehsten würt gan; das sóllen die huber usztragen
und auch krachende bett und wiszstrouw und zweyer hand win,
nuwen und furnen.
Item wan der meyger einen lebenden fal bringet, so soll man
V B gebenn. |
Item wen der probst gisset, so sollenn die huber in den hoff
gan und soll der probst zu gericht sitzen oder einer an siner statt,
und sollendt die huber die recht sprechen, der herren und auch jre
‚rechter. Und soll uff dem gut ein husz stan, da der probst und
huber sicher jnne syen für geschelle, ob sy jemant wolle überfallen,
und soll einer uff dem husz sitzen und den probst und huber war-
nenn, diewil das gedinge weret, untze das man in zu hilff kumpt
usz dem nechsten dorff.
Item wer auch, das ein huber gebreste, darum soll das gedinge
— 204 —
nit hindersich gan; bresten aber zwei, so sind sy auch nit gebun-
den ze prechend, an gefer.
Item were auch, das die herren nit kemen uff dem jmbis, der
jnen den zi mal bereittet ist, so soll der meyger II oder III huber
an geferde nemenn, die sin gezüge sin das er das mal bereittet
hette. '
Item wen der probst oder einer an siner statt zu gerichte
sitzet in dem dinghoffe, weller huber da fallosz wurt, der bessert
jedem huber III 6 und dem meyger III B.
Item hört die selbe herberge ab den kornmentagen und sindt
weder fellig noch erschetzig.
Item wer die hoffstatt und die gutter jnn hat die dar zu ge-
hörent, der soll ein husz da han.
Alles, das die vorgeschriben statt an dieser rodel, do sprechen
wir huber alle gemeinlichen, das wir nu zu mal nit anderst wissen
by unsern eyden. Item wer auch, das wir huber hienach ütz funden
der herren und unser recht, das soll uns nit an unsern eyden
schaden sin. |
Item wer auch, das die herren die alte rodel funden und die
me rechtes sprechen dan hie vorgeschriben statt, das soll den
hubern nit schade sin an jren eyden.
Verras von J, H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL).
Streifziige und Rastorte im Reichslande und
in den angrenzenden Gebieten.
1. ‘Der Kaiserstuhl, von C. Mündel. Zweite Auflage von: Die Strassen-
bahn Strassburg-Markolsheim nebst Ausflügen in den Kaiserstuhl. 1 50
2. Wasgaubad Niederbronn und seine Umgebung. Von W.Kir-
stein. Mit 11 Illustrationen und Karte. 2. Aufl. d —
8. Wanderungen im Breuschtale. Von G. Kruhiffer. Mit zahl-
reichen Illustrationen. 1 —
4 Rappoltsweiler, das Carolabad und Umgebung. Von M. Kube.
Mit einem cinlcitenden Gedicht von W. Jensen. Mit 16 Illustrationen
und einer Karte. 3. vermehrte Aufl. 1 —
5. Das Münstertal. Ein Führer für Touristen, hcrausgegeben von der
Sektion Münstcr des Vogcsenklubs. Mit Bildern und 4 Karten. 2. Aufl. 1 —
6 Zabern und Umgebung. Ein Führer für Fremde und Einheimische
v. Dr. Hans Luthmer. Il. Auflage. Herausgegeben von der Sektion
Zabern des Vogesenklubs. Bearbeitet von Dr. Friedrich Windisch.
Mit 14 Illustrationen. 1 20
7. Der Donon und seine Altertümer von Dr. O. Bechstein. Mit
Illustrationen. Et
8. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Münster- und
Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von
Dr. Franz. I. Teil. Drei-Achren, Umgebung und die Scite des Mün-
stertales. Mit Karte und einer Illustration. 1 50
9. Ein Gang über das Schlachtfeld von Wörth von Dr. Wilh.
Matthäi. Mit einer Karte 1:25,000, enthaltend sämtliche Denkmäler. 1 —
10. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Münster- und
Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von
Staatsanwalt Dr. Franz in Colmar i. Els. II. Teil. Seite des Kayser-
berger Tals, Mit Karte und 2 Illustrationen. 1 50
l. Führer für Reichenweier und Umgebung. Herausgegeben
von der Vogesenklub-Sektiou Reichenweier. Mit 16 Illustrationen und
3 Karten. 1 50
12. Führer für Barr und Umgebung. I. Teil. Nähere Umgebung Von
M. Herbig. 1 20
13. Führer fiir Barr und Umgebung. II. Teil. Odilienberg, Hohwald
und weitere Umgebung. Von M. Herbig. Mit einer Kartenskizze. 1 20
Weitere Hefte sind in Vorbereitung.
— —Ó—MMÓ—M
Karte der Vogesen (1 : 50.000).
Herausgegeben von dem Centralausschuss des Vogesen-Clubs. Preis des ein-
fachen Blattes aufgezogen und gefalzt je M. 2.—, für Mitglieder des V.-C.
je M. 1.60; des Doppelblattes je M. 3.—, für Mitglieder des V.-C. je M. 2 40.
Es erschien: Bl. IV Weissenburg; Bl. V Lützelstein; Bi. VI-V1I Nieder-
bronn-Wörth ; Bl. VIII Zabern; Bl. IX Alberschweiler-Dagsburg; Bl. X
Molsheim; Bl. X1 Oberes Breuschtal; Bl. XII Odilienberg; Bl. XIII
Markirch; Bl. XIV Schlettstadt-Rappoltsweiler; Bl. XV Schlucht-
Gérardmer; Bl. XVI Kaysersberg-Münster; BI. XVII Wildenstein;
Bl. XVIII Gebweiler; Bl. XIX/XX Masmünster-Thann.
Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL).
Stadte und Burgen in Elsass-Lothringen.
1. Herbig, M., Schloss asia iU und Geschichte. Mit
3 Abbildungen . . . ` . . . — 50
2. Herbig, M., Die Ottraltez" Schlösser, Ruine Kopf, Ruine PEE
Mit Abbildungen . . . . . . . — 80
3. Herbig, M., Schloss Andlaq. Ben and Geschichte, Mit 3 Ab-
bildungen und einem Grundriss. . — 80
4. Herbig, M., Schloss Spessburg. Beschreibung und Geschichte. Mit Anhang:
Crax und Berkheim. 40 S. mit 3 Abbildungen und einem Grundriss — 60
5. von Borries, Geschichte der Stadt Strassburg . . . . . . . . —- 95
6. Wolfram, Geschichte der Stadt Metz . . x . 2 2 . 2 . . .. —50
7. Waldner, Geschichte der Stadt Colmar . . . .. . ..... — 50
8. Post, Geschichte der Stadt Mülhausen . . . . . . 2 2 . ... —25
9, Becker, Geschichte der Stadt Hagenau . . . . . .. .. .. —25
10. Gény, Geschichte der Stadt Schlettstadt . . . . 0. —25
11. Herbig, M., Die Dreisteinschlósser, Ruine Birkenfels and Kagenfels — 80
12. Herbig, M., Bernstcin und Dambach. Beschreibung und Geschichte 1 20
Das
REICHSLAND ELSASS-LOTHRINGEN
Landes- und Ortsbeschreibung
herausgegeben
vom Statistischen Bireau des Ministeriums fiir Elsass-Lothringen
Mit 21 Kreiskarten.
Preis des gebundenen Werkes in Ganzleinen in 3 Bänden M. 20.—
> > > Halbfranz > > M. 24.—
Diese nach cinheitlichem Plane gearbeitete Landes- und Ortsbeschreibung
ist für jeden, der sich mit der Geschichte und den Verhältnissen P
Lothringens beschäftigt, unentbehrlich. Der ungemein billige Preis von M. 20
oder M. 24 für ein Werk von drei starken Bänden, XVIII u. 1768 S. mit 21
Karten umfassend, erleichtert die Anschaffung. Prospekte mit genauer Inhalts-
angabe und Probeseite aus dem Ortschaftsverzeichnis stehen auf Verlangen
zu Diensten.
Panoramen aus dem Elsass.
Näher, J., Panorama des Odilienbergs . . . . . 2 2 2 . ...
des Donon. . . :
von der Plattform des Strasshurees Münsters
von der Wegelsburg im Wasgau s
von dem Hoheneck in den Südvogesen . . . . . . . . .
|
181228
zx ecl
e oe 9% ọọ
Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL).
Kine Abbildung der
HOHKONIGSBURG
aus der ersten Hilfte des XVI. Jahrhunderts
gefunden und beschrieben
von Paul Heitz
Mit 2 Tafeln Preis M. 2.50
Das Bild der Burg ist aus der Zeit von 1525—1557. Die älteste
bisher bekannte Abbildung ist von 1633 und nach der Zerstörung
der Burg gestochen worden.
OSCAR SCHÖNEMANN.
DAS ELSASS UND DIE ELSÄSSER
von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 610 n. Chr.
brosch. M. 3.50 geb. M. 4.50
Inhalt: I. Allgemeines von Gegenwart, Geschichte und
Vorgeschichte des Oberrheintals. (Das Land, die Entwickelung des
Lebens, die Völker bei Beginn der Geschichte, Vorgeschichte.) II. Völker-
stämme von unbestimmter Stellung. (lberer, Ligurer, am Ligurischen
Meer. Im Elsaß. Hauptniederlassungen. Letzte Schicksale.) III. Kelten.
IV. Germanische Anfänge. (Cäsar und Ariovist. Die Entscheidungs-
schlacht.) V. Römerherrschaft. (Kultur und Landesverwaltung. Argen-
torate. Die germanische Gefahr. Argentovaria. Das Ende. Romanische
Volksreste.) VI. Alemannisch-fränkische, Zeit. (Alemannische Be-
siedelung des Oberrheintals. Franken. Name des Elsaß und der Elsässer.)
DIE SAGEN DES ELSASSES.
Neue Ausgabe besorgt von Curt Mündel.
I. Teil: Die Sagen des Ober-Elsasses brosch. M. 2.50
Il. Teil: Die Sagen des Unter-Elsasses >» M. 7.—
Beide Teile in-einem Bande gebunden M. 10.50
_Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL).
Dr. JOS. KNEPPER.
DAS SCHUL- UND UNTERRICHTSWESEN
IM ELSASS
von den Anfängen bis gegen das Jahr 1530.
Mit 12 Abbildungen. M. 12.—
Inhalt: I. Die Klosterschulen. II. Die Stiftsschulen. III. Die Stadtschulen
und verwandte Anstalten. IV. Die Disziplin. Leben und Treiben der Schüler.
V. Der Unterricht im allgemeinen. VI. Der elsiissische Humanismus. VII. Bilder
aus dem elsässischen Schulleben. VIII. Der Lehrer, sein Amt und seine Stellung.
IX. Sorge für arme Schüler, der Kirchendienst der Schule. X. Feiern und Feste.
DIE HELLTÖNENDEN WÖRTLEIN UNSERES ALTVATERS
GEILER VON RAYSERSBERG.
Was wir, seine Landsleute, von ihm wissen sollten
aus Heimatsstolz.
Mit 2 Abbildungen von Peter Lang.
brosch. M. 1.— gebd. M. 1.50.
MANDEL-GRÜNEWALD.
DIE VERFASSUNG UND VERWALTUNG
VON ELSASS-LOTHRINGEN.
brosch. M. 2.50 gebd. M. 3.—
DIE KONGREGATION UNSERER LIEBEN FRAU VON TRIER
WELSCHNONNENRLOSTER
Eine kirchenrechtliche Studie zur Entwicklung des
Instituts der religiösen Genossenschaften unter dem
franzósischen Konsulat und ersten Kaiserreich
von
Justizrat Dr. jur. MUTH.
Preis M. 6.—
we
22. Die Annexion des Elsass durch Fı..ukie ch
auf die Verwaltung des Landes vess We ooo uns
Ryswicker Frieden 1643-1097) von jd Sd RU t €i.
lenheim u. von Rechberg. 74 - ;
23. Die politisehen Verhältnisso id: Bowegu m
barg di im Elsass im Jahre 1711» ver (5. siar
u
24. Die Beziehungen des Königs Rudotf von.
Elsass von C. Góssgen. 4S. i
25. Das Bergbaugebiet von Markir ah ver Efi.
Karte. 48 S.
Band VJ.
26. Matthias Erb. Ein elsässischer Glaub: o ia m o
Auf Grund archivalischer Dokumente > |. t
27. Strassburg als Garnisonstadt unts > 4em ac.
Oberlehrer Karl Engel. VI u. 146 S. M ee
28. Die Fahnen der Strassburger Bin CRTC RSE lies
vonJosephGény. VIII u. 48S. Mit}? foi. a> Zu:
29. Der Oberelsässische Winterfeldzu, .€ nS OY ee dé teeter, GODS
bei Tdrkheim. Nach archivalischen a "wx e ot
Kortzfleisch. Mit 2 Kartenbeilagen. AE it
30. Der Pfarrer Georg Jakob Eissen. Sei a e Fax
genossen. Ein Strassburger Zeitbild aus dem fr : BEC CE Be
urkundlichen Materials zusammengesteldis von D. :. ^' >. : BEN nach
einer Silhouette.
Band VII. ,
31. Die Horrsehaft Rappoltstein. Ihre Entsteh..: : «3 b uis
wicklung. Von Rudolf Brieger. 73 S. - >
32. Die Sesen leimer Lieder. Eine kritische Studie von Dr. Tirs va.
33. Die Geschichte und Verfassung des Chorkerrenstifts
Scholls nach archivalischen Urkunden bearbeitet von Dr. jur. Karl
cholly. 8 —
Weitere Hefte sind in Vorbesitins,
ine:
Elsässische Volksschriften.
1. Wie Schloss Lichtenberg zur Ruine wurde. Kriegserlebnisse v.
Ed. Spach, mit zwei Ansichten von Lichtenberg. 40 S. 4. Aufl. — ed
2. Berg auf und Berg ab, von Maria Rebe. 43 S.
3. Zwei Stephanstage. Eine Dorfgeschichte v. A. Schaller. 80S. — — à
4. Aus den Papieren einer alten Jungfer, von L. Schaller-
Fischer. 108 S. 1 —
5. Wer der Sünde den Sonntag giebt, dem nimmt sie ms
Woche, von Maria Rebe. 54 S. d .
6. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 56 S. » — Es
7. Mirchen aus Lothringen. Dem Volke nacherzählt von Fr. Peters.
8. Um Freiheit u. Recht. Erzählung v.Joh. Westenhoeffer.72S. — 70
9. An fremdem Herd. Erzählung v.L.Schaller-Fischer.60 S. — ov
10. Wem der liebe Gott nicht bei der Erziehung hilft, dem
hilft ein anderer, von Maria Rebe. 44 S. — 50
11. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Neue Folge. 52 S. — 60`.
12. Elisabeth’s Kleine. Eine Erzählung “on A. Schaller. 60S, — 60
13. Es werde Licht! Altes und Neues von Ed. Spach. 36 S. — 40
14. Aus dem Bauernkriege. Tagebuch eines Reichenweierer Bürgers
1525. Mit einer Einleitung von E. Ensfelder. 32 S. 30
15. Tröpflein im Meer, von L. Schaller-Fischer. 80S. — 80
16. Wer den lieben Gott nieht zur Hochzeit ladet, bekommt
einen bösen Gast, von Maria Rebe. 44 S. — 60
17. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Dritte Folge. 52 S. — 60
18. Der Pfingstmontag. Lustspiel in Strassburger Mundart von J. G.
D. Arnold. Mit Arnolds Leben und Schriften von Ernst Martin. 182
‘ und XXI S. — 80
19. Elsässische Pfarrhäuser. Erinnerungen aus meinem Vikarleben
von Ed. Spach. 62 S.
20. Des Lohnkutschers erste Fahrt, von A. Schaller. 40 S. — 40
21. Daheim, von L. Schaller-Fischer. 68 S. — 60
22. Vere Neb aber nicht verlassen, von L. Schaller- F isc h: er.
23. Elsässische Pfarrhäuser. Neue Folge. Erinnerungen aus meinem
Kinderleben, von Ed. Spach. 92 S. — 80
24. Menschenpfade und Gotteswege. Drei Erzählungen von D. C.
Nehlig. 54 S. — 60
N
\
Pfarrhäuser. Dritte Folge. Bei meinen Grosseltern,
Dich, IV und 48 S. — 50
el. Fünf Erzählungen von A. Schaller. 78 S. — 60
ege von L. Schaller-Fischer. 76S. — 60
chülerleben, von Ed. Spach. 56 S. — 50
die christliche Bäuerin. 80 S. — 80
nerungen einer Elsässerin. Von E. Avari. 88S. 14 -—
i br Komedie. (1. Serie). Von D. G- Ad. Horsch. 64 S. — 60
= L Studentenleben, von Ed. Spach. 52 S. — 50
; n0, o du selige gnadenbringonnie Weihnachts-
», ssrzahlungen von D Nehlig
‚ad 1 Wittenborg: Reiseerinnerungen eines Elsässers. Von
om Leben, Von Ed. Spach. 4. Folge. 48 S. — 60
'Pfarrhiuser. 4. Folge. Aus eisen Vikarleben. Von
$ Zweiter Teil. 46 S.
‚„aütterchens Kinderjahren. Von L. Schal le is
ug eS "die Ferne. Vier Erzählungen vonD. C. Nehlig.50 S. — 50
< 39. E E d rerne vi Geschichte. v. C. Wickersheimer. 20S. — 80
* 40. ner aus dem Leben. Von Ed. Spach. 5. Folge. 44 S. — 50
41. W nachtsklänge. Drei Erzählungen von D. C. ehlig. 56 S. — 60
42. Erz hlunge in Strossburjer Mundart. Von Mathilde Weiss.
Mit einem S Bild. 50 S. — 60
«ð. —Siden und Freuden der Weinbauern im Ober-Elsass nach
a. n Berichten früherer Jahrhunderte und den Aufzeich-
mtigen in der Bannwarthütte zu Thann im Ober- Elsass.
Von Bruno Stehle.- Mit 2 Abbildungen. 48 S. — 00
44, Drei G’schichtlen üs de sechziger Johr. Unseri Schwowevetter.
Unseri Pariser. 's End vom Stilllewe von Marie Hart. 32 S. — 40
45. Kättele's Weihnachtsbaum. Die Champagnerfiasche. Zwei
Erzáhlu «en von L. Schweitzer. 24 S. — 30
46. Fallend’ aub. Von Maria Rebe. 190 S. Mit einem Lichtdruck. 2 —
47. Bieje — wer nit breche! Charakterstück in eim Uffzug vun
"Jean Riff. 32 S. — 40
48. Telegraphic ohni Droht, Original-Schwank in eim Uffzug von E
111. —
49. 2 Strossburjer Komödie (2. Serie). Von D. GG Ad. Horsch. 32 S. —
50. Herr Heinrich von Müllenheim (1233). In Angst und Not
(1333). Von Anna Lau. 32 S. — 60
51. Im Frühlicht der Reformation. Aus Strassburgs Chronik 1529 —1553.
Von Anna Lau. 48 S. — 80
52. D'r Pfetter vum Land od’r e Kindtauf mit Hindernisse.
Original-Komödie in eim Uffzug. Von Jean Riff. 32 S. — 60
53. Vogesengrün. Erzählungen aus dem Elsass. Von Maria Rebe. 95 S.
it 4 Abbildungen. 1 —
54. Aus der Bippernanzgasse. Cordula. Zwei Erzühlungen von
Anna Lau. 44S. — 80
55. Aus Birasaburgs Vergangenheit. Vier kurze Erzühlungen von
Elsa Jordan. 32 S.. — 40
56. Strassburger ro aus Barbarossas Zeit. 1184-1189. "Von
Anna Lau. 36 S — 40
57. Und es war Nacht. (1661—1684.) Von Anna Lau. 63
58. Der junge FPP Jakob Spener in Strassburg 1650-180).
Von Anna Lau. 56 S.
59. „Strossburjer Ditech in vier Jahrhunderten 1687-1 1908.
Mit elf Illustrationen. 112 S. — 80
60. Unterm Weihnachtsstern. Weihnachtsaufführung für junge Mäd-
chen von A. Schaller. 20 S. — 2
61. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 40 S. — 5
62. me helltönenden Wörtlein unseres Altvaters Geiler von
Bare ersberg. Was wir, seine Landsleute, von ihm wissen sollten
aus Heimatstolz. Zusammengestellt von Peter Lan g. Mit 2 Abbildungen.
VIII und 106 S. 1 —
Die Sammlung wird fortgesetzt.
Spesialkataloge unseres Verlags werden auf Wunsch zugesandt.
Es sind erschienen: X. Kunst und Kunstgeschichte; II.
Schriften über Elsass-Lothringen; III. Theologie, Philo-
sophie; IV. Geschichte, Biographie, Kulturgeschichte,
Geographie; V. Bibliographie, Jurisprudenz, Mathematik
und Naturwissenschaft, Erzählungen, Reiseskizzen, Ge-
dichte, Theater.
Digitized by Google
(x
z
l a
o oB i — ~~ 5
= FAR — =
~ an = 25 J "
a & => j On
Zo» {x} - 4 m = =
ge 7 Z = z m 2r
o Ne. iro ud s - pi E
an PS a » m— E a =
< ETA a
di R
BEITR/EGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE
1.
2.
. Die deutsch-franz
von Elsass-Lothringen.
Band I.
Die deutsch-französische Sprachgrenze in Lothringen von
Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1 :300.000). (Vergriffen.) 150
Ein andechtig geistliche Badenfahrt des hochgelehrten
Herren Thomas Murner. 66 S. Neudruck mit Erläutergn., insbe-
sondere über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit 6
Zinkätzungen nach dem Original. 2 —
. Die Alamannenschlacht vor Strassburg 357 n. Chr. von
Lane Dr. W. Wiegand. 46S. mit einer Karte und einer Weg-
skizze
. Lenz, Goethe und Cleophe Fibich von Strassburg. Ein arian.
licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Porträt
Aramintas in farbigem Lichtdruck und ihrem Faksimile aus dem Lenz-
Stammbuch von Dr. 255 Froitzheim. 96 S. 2 50
ische Sprachgrenze im Elsass von Dr.
Const. This. 48 S. mit Tabelle, Karte und acht Zinkätzungen. 1 50
Band II.
ee m französischen Kriege 1882 von Dr. A. H or
laender
7. Zu Strassburgs Sturm- und Drangperiode i770 bis bas
16.
17.
18.
19.
2.
Er.
Von Dr. Joh. Froitzheim. 8S.
. Geschichte des heiligen Forsten bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. I. Teil
von 1065—1648. 114 S. 2
. Rechts- und Wirtschafts-Verfassung des Abtei ebietes
Maursmünster während des Mittelalters von r. Aug.
Hertzog. 114 S. 2 —
. Goethe und Heinrich Leopold Wagner. Ein Wort der Kalk
an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 68S
Band III.
Die Armagnaken im Elsass. Von Dr. H. Witte. 158 S. 2 50
. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. li. Teil
von 1648—1791. 158 S. 2 50
. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Kon
bayr. Hauptmann. 48 S.
.Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth-
ringe n zum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1842 von
iegfried Fitte. Mit Karte. 103 S. . 2 50
. Deutsche und Keltoromanen in Eutr ngon nach der VOl-
kerwanderung. Dic Entstehung des Deutsc
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte.
Band IV.
Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen
und Sittengeschichte des Elsasses und er Schweiz im 15. Jahrhundert
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Puller von Dr. H. W itte.
IV u. 143 S.
Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen
itn ul zu Frankrcich im 16. Jahrhundert von Dr. A. Holsencer
Der lateinische Dichter Johannes Fabricius Montanus (aus
Bergheim im Elsass) 1527—1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul-
pinus. 30 S. — 86
Forstgeschichtliche Skizzen aus den Staats- und Gemeindewald-
ungen von Rappoltswciler und Reichenweier aus der Zeit vom Aus-
gange des Mittelalters bis zu Anfang des XIX. en von Dr.
Aug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Uebersichtskarte. IV u. 78S. 2 —
n Sprachgebietes von
E ` 2 50
. Die Festung Bitsoh von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage
mit einem Anhange enthaltend die Umgebung von Bitsch. Mit 2 Ansichten
und Plan von Bitsch, nebst Karte der Umgegend. 52 S. 1 50
Band V.
Ritter Friedrich Kappler. Ein elsässischer Feldhauptmann aus
dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus. VIII u. 112 S. 3-
. Die Annexion des Elsass durch Frankreich und Rückblicke
auf die Verwaltung des Landes vom westphälischen Frieden bis zum
Ryswicker Frieden (1648—1697) von Hermann Freiherr von Mül-
,lenheim u. von Rechberg. 74 S. 2 50
A
= TA Fr rt = r - +
BEMERKENSWERTE
MITTELALTERLICHE | SCHENKUNGEN
IM ELSASS
BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE IN ELSASS-LOTHRINGEN, XXXIV.
BEMERKENSWERTE
MITTELALTERLICHE SCHENKUNGEN.
IM ELSASS
E. HERR
STRASSBURG
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL)
1908
Digitized by Google
INHALTSVERZEICHNIS.
Vorwort
1.
2.
3.
4,
Qt
Die Schenkung des "WeiBenburger Mündats m. Saec. 3)
Das Waldgebiet des nn Bistums im nördlichen
Breuschtal (7. saec.) j TE
Die Schenkung Karls des Großen an Leberau a 774)
Die Schenkung Ludwigs des Frommen an das Kloster Münster
im Gregoriental (a. 823) . . ,
. Die Schenkung eines Jagdgebietes am oberen ‘Rhein an den
Bischof von Straßburg (a. 1017) de de ci
Die Begabung des Klosters St. Johann bei Zabern (& 1126)
Digitized by Google
VORWORT.
———
Zu denjenigen urkundlichen Berichten, welche immer
aufs neue den Blick auf sich ziehen und das Interesse
des Historikers anregen, gehóren die Schenkungen, welche
vom frühesten bis zum späteren Mittelalter von fränki-
schen Königen und deutschen Kaisern oder von bemer-
kenswerten Edeln an hervorragende Klóster und geistliche
Herrschaflen gemacht worden sind. Es liegt ein eigener
heiz darin, das Anwachsen eines reichen Giiterstandes
allmählich zu verfolgen und dessen Ursprung nachzu-
gehen. Sind nun die Urkunden, welche über diese Ur-
sprünge berichten, ihrer Entstehung nach in Dunkel ge-
hüllt oder macht die örtliche Bestimmung der Schenkung
ungeahnle Schwierigkeiten, welche sich mit der fort-
schreilenden Untersuchung steigern, so ist der Reiz, so-
viel als möglich davon historisch sicher zu stellen und
topographisch festzulegen, um so größer. In der folgen-
den Arbeit habe ich nun eine Reihe der bemerkenswer-
testen dieser Urkunden, welche sich auf das Elsaß be-
ziehen, in den Kreis einer Untersuchung gezogen, welche
bei Inangriffnahme derselben keine besonderen Schwierig-
keiten zu machen schien, aber mehr und mehr ernsthafte
Probleme enthiillte, welche — ich will nicht entscheiden,
ob mit oder ohne Glück — von mir zu lösen versucht
worden sind. Manche der Urkunden sind schon öfters
behandelt worden, aber es blieb doch noch vieles zu unter-
suchen und festzustellen, was bisher nicht berücksichtigt
— VN —
worden oder unbekannt geblieben war. Aber auch kleinere
Urkunden, welche die historische Wissenschaft bisher nur
gestreift halle, erwiesen sich einer näheren Untersuchung
würdig, um so mehr natürlich solche, welche in neueren
Zeiten noch gar keinen Bearbeiter gefunden halten. Der
Zweck der Arbeit ist erreicht, wenn ich zur Prüfung
meiner Resultate und weiteren Forschung anrege.
1. DIE SCHENKUNG DES WEISSENBURGER MUNDATS.
— m
Das Kloster Weißenburg, welchem die im unteren Elsaß
an der Lauter gelegene Stadt Weißenburg ihren Ursprung
verdankt, hat trotz seiner großen Vergangenheit, trotz seines
Einflusses, welchen es im frühen Mittelalter durch seinen
ausgedehnten Güterbesitz auf die Kultur weiter Strecken des
Elsasses, Lothringens und verschiedener Gebiete am Mittel-
rhein ausgeübt hat, wenige gefunden, welche sich mit einge-
hender Erforschung seiner Geschichte beschäftigt haben. Es
ist eigentlich nur L. Spach! und J. Rheinwald? zu nennen,
welche eine zusammenhängende Geschichte des Klosters ver-
sucht haben. Aber auch diese geben uns nichts über die könig-
liche Schenkung, welche den Güterreichtum des Klosters be-
gründete, über die ursprüngliche Begrenzung des in weitem
Kreise das Kloster umfassenden, von jeglichen Lasten und jeder
Einmischung eines fremden Gerichtes durch königliche Auto-
rität befreiten Gebietes, welches unter dem Namen «Mundat» 3
in der Geschichte erscheint, später aber zum größten Teil
dem Kloster wieder verloren gins. Auf diesen engeren Besitz
des Weißenburger Klosters wollen wir unsere Blicke lenken.
Um aber feststellen zu können, wann diese Schenkung erfolgte,
wie sie lautete und welches ihre Grenzen waren, müssen
wir uns vorher mit den darüber vorhandenen Quellen näher
beschäftigen.
1 L. Spach, l'abbaye de Wissembourg, im Bulletin de la société
pour la conservation des monuments historiques d’Alsace, Bd. I
(1856/57), p. 149 ff.
2 J. Rheinwald, l'abbaye et la ville de Wissembourg, 1863.
3 Genauer unteres Mundat genannt, im Gegensatz zu dem
bischöflichen oberen Mundat im Oberelsaf). |
HERR. 1
a) eee
I. Kritik der Quellen.
Es kommen hauptsichlich folgende Diplome in Betracht,
nämlich die angeblich von Dagobert herrührende Schenkungs-
urkunde, eine Bestätigung Ottos II. von. 967, Bestátigungen
Konrads II. von 1030, Heinrichs III. von 1040 und Heinrichs IV.
von 1067, und eine Bestätigung Albrechts I. von 1303.
Die angeblich von Dagobert stammende Schenkungsurkunde
ist, abgesehen von früheren Editionen, seit den Tagen Schöpflins!
und Grandidiers 2 zuletzt in den Monumenta Boica,? bei Pardessus4
und Pertz5 gedruckt. Urkundlich wird sie’zuerst als Transsumpt
in der oben genannten Bestätigung Albrechts aufgeführt. Dieses
Diplom ist eine Fälschung, welche von der historischen For-
schung stets als solche anerkannt worden ist, Zunächst stimmen
die chronologischen Angaben nicht. Es soll gegeben sein mense
maio die XV. anno regni nostri XXIII., und der Aus-
steller nennt sich Dagobertus diuina fauente cle-
mencia Francorum rex. Nun hat aber keiner der drei
Könige dieses Namens 23 Jahre regiert, sondern die höchste
Regierungszeit hat Dagobert I. mit 16 Jahren (622—638). Unter
ihm kónnte die Schenkung erfolgt und, wie die Urkunde be-
richtet, die Klosterkirche gestiftet worden sein, wenn, wie man
annimmt, sich im Jahre 693, nach anderen 633, zuerst Mónche
in Kloster Weißenburg niederließen.% Aber dann stimmt nicht
die Regierungszahl 23. Man hat das Diplom wohl auch Dago-
bert II. zuweisen wollen, aber dies ist ebenfalls nicht angàngig,
weil derselbe nur fünf Jahre regierte (674—679). Aus demsel-
ben Grunde paßt es auch nicht auf Dagobert III. (711—715).
Sehr auffallend ist der Eingang des Diploms, denn kein echtes
merowingisches Diplom hat den Ausdruck «divina favente cle-
mentia». Entscheidend für die Fälschung dürfte wohl sein, dab
| Schöpflin, Alsatia diplomatica I, p. 22 (Nr. XX).
2 Grandidier, hist. de la province d'Alsace I, pieces justifica-
tives Nr. 4.
3 Bd. 31, p. 1.
* Pardessus, Diplomata, Chartae ete., Bd. II (1849), Nr. 262
(p. 25).
. 5 Monum. Germ. hist, Diplom. I (1872), p. 149 (dipl. spuria
Nr. 31).
6 So nimmt Grandidier, a. a. O., Dagobert I. als fundator und
Schenkgeber an.
DET ae
die Bestätigungen Ottos JI. von 967 und Heinrichs IV. von
1067 als Schenkgeber nicht den König Dagobert,
sondern den Pippin nennen. Das Diplom ist also nicht
haltbar. Zur Zeit Schöpflins und Grandidiers scheint die Fäl-
schung noch vorhanden gewesen zu sein, denn beide geben den
Text nach einer alten Pergamenturkunde des Stiftes Weißenburg.
Auf historischen Boden treten wir zuerst in der Bestätigung,
welche Otto II. dem Kloster im Jahre 907 gab. Diese Urkunde
ist bei Schöpflin! und Grandidier? aus einem Weißenburger
Chartular veröffentlicht. Zeuß 3 gibt sie aus einem 1491 zu-
samınengeschriebenen liber privilegiorum, und die Monumenta
Germaniae 4. geben sie nach einem ebensolchen liber privile-
giorum von 1580. Die Bestätigung erstreckt sich circa re-
giam donationem et circaipsam marcam, quam
Pippinus quondam imperator ...subemunitatis
firmatione contradidit. Auffallen muß nun, daß Pippinus
als imperator erscheint, was doch für ihn nicht gelten kann.
Ein lrrium des Notars oder seines Schreibers, wie Schópflin
meint, ist, wenn die Urkunde nicht direkt gefälscht ist, ausge-
schlossen. Auch ist nicht anzunehmen, daß der Mönch, welcher
die Urkunde ins Cbartular eintrug, gedankenlos «imperator» ge-
schrieben habe, wie es ehenfalls Schöpflin als möglich hinstellt,
da noch mehrere andere Urkunden, deren Originale Schöpflin
vorlagen, also keine Abschrifien, denselben Fehler zeigen, wel-
chen sie offenbar aus der Urkunde Ottos II. übernommen ha-
ben. Man muß wohl annehmen, daß «imperator» allgemein als
«Herrscher» zu verstehen ist. Die Frage ıst nicht leicht zu ent-
scheiden ; auch Zeuß spricht sich nicht deutlich aus.» Auffallend
ist ferner, daß in der Urkunde der Name des Abtes Geilo
sich findet, welcher doch schon 96!) verstorben war, während
seit 966 der Abt Adalbert dem Kloster vorstand. Die Mon.
Germ. 6 nehmen eine Ueberarbeitung an, bei welcher Gelegen-
——— `y
1 Als. dipl. I, p. 121 (Nr. 148).
2 a. a. O., Nr. 278. Er weist die Urkunde merkwürdiger Weise
Otto I. zu und ins Jahr 959.
3 Zeuß, traditiones possessionesque Wizenburgenses, Appendix
. 317.
d 4 Diplomata Bd. II, 1. Teil, p. 22 (Nr. 15).
5 a. a. O., p. AIL f.
6 a. a. O.
om
heit der Name Geilo anstatt Adalbert eingesetzt wurde, konsta-
tieren aber, daß die Grundlage der Urkunde echt ist. Wir.
haben deshalb keine Veranlassung, die Urkunde auszuscheiden,
vielmehr wird sie für unsere Untersuchung einer echten Ur-
kunde gleichstehen.
Weiter haben wir die Bestätigungen Konrads II. von 1030,
Heinrichs HI. von 1040 und Heinrichs IV. von 1067. Schöpflin !
- und Grandidier? geben alle drei, Zeuß3 nur die letzte, und
zwar haben Schópflin und Grandidier die damals im Stift
Weißenburg befindlichen Originale vor sich gehabt, Zeuß aber
gibt seinen Text nach dem codex privilegiorum. In allen drei
Urkunden kommt Pippinus als quondam imperator
vor. Daraus ergibt sich, daß jedesmal der Schreiber einer Be-
státigung die frühere vor sich hatte und den Wortlaut einfach
herübernahm. Auf diese Weise ist auch das «imperator» hin-
eingekommen. Da die Originale vorlagen, ist an der Echtheit
dieser Urkunden nicht zu zweifeln.
Das Diplom Albrechts endlich führe ich an, weil es zuerst
die Urkunde Dagoberts als Transsumpt enthält. Denn ähnliche
Bestátigungsurkunden gibt es noch mehrere aus späterer Zeit.
Diese Urkunde ist von König Albrecht I. im Jahr 1303 ausge-
stellt auf Bitten des Abtes Egidius, welcher um Bestátigung der
Privilegien Dagoberts und zweier anderer, Heinrichs V. und
Friedrich Barbarossas, bat. Zeuß veröffentlicht sie aus dem
oben genannten codex privilegiorum.
Wenn nun die wahrscheinlich echten Bestätigungen von
Otto II. bis zu Heinrich IV. die Dotation des Klosters auf König
Pippin zurückführen, so wird mit gutem Recht anzunehmen
sein, daß die Schenkung des Mundatstatsächlich
erst unter Pippin erfolgt ist. Daß die Schenkung in
den Fälschungen auf Dagobert zurückgeführt wird, legt es da-
gegen nahe, die Gründung des Klosters unter einem
der drei Könige Dagobert anzusetzen.5 Ob sie frei-
a. a. O.. I, Nr. 197 (p. 157), Nr. 200 (p. 159), Nr. 219 (p. 173).
a. a. O., pieces justif. Nr. 385, 396, 468.
a. a. O., Appendix, p. 319.
Ibid. p. 325 ff.
Sickel, Regesten der Urkunden der ersten Karolinger, II (1867),
p. 386, verlegt auch die Gründung unter Pippin. Es ist
aber nieht nótig, dab Gründung und Schenkung zusammenfallen.
^ ow (> =
or
uu E u
lich schon unter Dagobert I. stattfand, ist direkt nicht zu ent-
scheiden, wenn es auch als wahrscheinlich angesehen werden
muß. Vgl. den Exkurs. Uns beschäftigt vor allem die Frage,
zu welcher Zeit die Fälschung der Dagobert-Urkunde entstanden
sein kann.
Sickel! vermutet, daß die ältesten Urkunden des Weißen-
burger. Klosters wahrscheinlich sehr früh verloren gingen und
durch ziemlich ungeschickte Falschungen ersetzt wurden. Man
könnte daraus schließen, daß eine echte Dagobert-Urkunde einst
vorhanden war und die Fälschung derselben sich nur auf die
Form, nicht auf den Inhalt der Urkunde erstrecke. Dagegen
behaupte ich, daß wir hier eine derjenigen Fälschungen vor
<` uns haben, welche aus dem Bestreben entstanden sind, den
Besitzstand eines Klosters in eine àltere Zeit zu verlegen, und
welche einen 'einmal eingetretenen Verlust des Klosterarchivs
benuizten, um eine niemals vorhanden gewesene Urkunde frei
zu erfinden. Ein deutlicher Beweis hierfür liegt darin, daß die
Bestätigung Ottos II. von 967 von Dagobert nichts weiß, sondern
die Schenkung auf Pippin zurückführt. Auch die anderen Be-
statigungen wissen es nicht hesser. Ferner: in einer Urkunde
Heinrichs IV. von 1102 für Weißenburg? wird Dagebertus rex
als fundator des Klosters genannt, welcher demselben seine
leges und iura gegeben habe. Von einer Schenkung durch Da-
gobert ist direkt nicht die Rede. Da es sich in dieser Urkunde
um Abgrenzung der Rechte des Klosters, des Vogtes und der
Eigenleute des Klosters handelt, vnd dabei ganz dieselben Be-
stimmungen hinsichtlich der drei Jahrdinge erwähnt werden,
welche in der angeblichen Dagobert-Urkunde stehen, so könnte
man vielleicht daraus schließen, daß das Dagobert-Diplom den
Klosterleuten bekannt war, da sie es sonst nicht seineın Inhalt
nach dem Kaiser hätten anführen können ; da ferner die Zitie-
rung in der Urkunde Heinrichs eine wörtliche ist, so könnte
die Dagobert-Urkunde oder jedenfalls eine wörtliche Abschrift
des betreffenden Passus aus derselben dem Kaiser vorgelegen
haben. Allein bei näherer Prüfung der Fälschung stellt sich
das Verhiltnis ganz anders dar. Wir entdecken nämlich auch
wörtliche Uebereinstimmung gewisser Abschnitte mit Urkunden,
12.2.0.
2 Als. dipl. Nr. 232 (p. 181); Zeuß, a. a. O., p. 320.
uch, 3 uum
in welchen von Dagobert als fundator gar nicht die Rede ist,
wo also eine Dagobert-Urkunde gar nicht vorgelegen haben
kann. So findet sich der ganze Satz : «ut nullus iudex publicus
elc.» fast wörtlich in der Bestätigung Ottos II. am Schlusse
wieder. Das Auffallendste ist aber, daß die Dagobert-Urkunde
das Recht der Abtswahl erteilt, während eine Urkunde Ottos II.
von 9741 deutlich sagt, daß der Vater Ottos IL, also Otto I.
(«genitor noster»), dieses Recht erteilt habe.? Dies zeigt uns mit
Sicherheit, wie die Dagobert- Urkunde entstanden ist: sie ist
eine Kompilation aus einer Anzahl vorhan-
dener Urkunden, und zwar kónnen wir die Benutzung
von Urkunden Ottos II. deutlich nachweisen. Deshalb ist aber
auch die oben berührte Urkunde Heinrichs IV. benutzt und
ausgeschrieben, und es verhält sich damit grade umgekehrt als
man auf den ersten Blick vermutet, Auch das Recht, Münzen
zu schlagen und die Exemption von Zóllen wird auf echte Ur-
kunden zurückgehen, welche wir nur heute nicht mehr be-
sitzen. Damit ist uns aber die Zeit der Entstehung der Falschung
gegeben: sie ist im 12. Jahrhundert entstanden,
und zwar um die Mitte dieses Jahrhunderts, da die Urkunde
Friedrich Barbarossas von 11873 auf Bestimmungen der Dago-
bert-Urkunde bereits zurückgreift.4 Da jedoch schen in der
Urkunde Heinrichs IV. von 1102 Dagobert als «fundator» des
Klosters erscheint, ist anzunehmen, daß man bereits Ende des
11. und Anfang des 12. saec. die Schenkung des Mundats
diesem König zuzuschreiben anfing und daß sich diese Fabel
immer mehr verdichtete, bis endlich auch das falsche Dokument
da war, Wir können auch wohl noch erwähnen, daß die Schreib-
1 Zeuß, a. a. O., p. 318; Als. dipl. I, Nr. 152 (p. 123).
2 Wir haben auch eine Urkunde Karls des Dicken von 882
(Als. dipl. I, Nr. 115, p. 91), welche auf Bitten des Abtes Liutberd
den Mönchen das Recht gibt, nach dessen Tod einen Abt frei zu
wählen. Die Urkunde Ottos II., welche auf eine solche Ottos I. ver-
weist, verallgemeinert dieses Recht. Jedenfalls wären solche
Bestimmungen nicht nötig gewesen, wenn es schon von Dagobert so
angeordnet gewesen wäre.
3 Transsumpt in der bereits erwähnten,. die Dagobert-Urkunde
zuerst bringenden Bestätigung Albrechts I. Zeuß. a. a. O., p. 326 f.
4 Grandidier (Notiz a. a O. zur Dagobert-Urkunde) läßt die
Fälschung im 12. oder 13. saec. veranstaltet sein. Obige Abhandlung
zeigt, in welcher Weise diese Annahme modifiziert werden ınuß.
ML. e
art Wissenburg, wie sie die Dagobert-Urkunde bietet, ins
19. saec. weist ; im 7. saec. ist die Schreibart Uuizunburg.
Es ist also festzustellen, daß die Urkunde, auf welche wir
unsere Untersuchung stützen können, nicht die Dagobert-Urkunde
ist, sondern vielmehr die Bestätigungsurkunden Ottos II. und
seiner Nachfolger.
II. Die Feststellung des Textes und seine Geschichte.
Es wird sich darum handeln, festzustellen, woher die ge-
fälschte Dagobert-Urkunde den Text der Schenkung entnommen
hat, und weiter, ob sich, wenn derselbe auf uns bekannte Ur-
kunden zurückgeht, eine Quelle .ermitteln läßt, aus welcher
diese ihrerseits geschöpft haben. Für die erstere Untersuchung
ist es zunächst nötig, den Wortlaut der Schenkung in der Da-
gobert-Urkunde zu fixieren, und zu diesem Zwecke stehen uns
die Lesarten bei Schöpflin (A), Grandidier (B), Monumenta Boica
(C), ZeuB (D), Pardessus (E) und Pertz (F) zur Verfügung.
Von diesen haben nur die beiden ersten aus der Pergament-
urkunde selbst geschöpft; die Monum. Boica geben den Text
eines Transsumptes von 1582, ebenso wie auch der Text bei
Zeuß ein Transsumpt ist, allerdings von 1303 ; Pardessus gibt
seine Quelle nicht an, scheint aber die früheren Drucke benutzt
zu haben; Pertz schlieBt sich an den Text bei Pardessus an,
doch so, daB er offenbare Fehler desselben verbessert. Die
schlechteste Edition bieten die Monum. Boica, der Text bei
Pardessus und Pertz ist auch nicht einwandfrei, und so kónnen
wir nur Schöpflin, Grandidier und Zeuß zur Feststellung des
Textes heranziehen. Nach Schópflin hat die Schenkung im an-
geblichen Original gelautet :
Versus orientalem plagam extenditur marcha, quam
tradidimus, usque ad Morchinhouen et ad Altenherde, et
inde ad Geboldeswege, et inde subter vadum Lutre, et
inde ad Buozdingeshurst, et inde ad limitem, qui stat in
summitate vallis Iuvenesdal, et inde ducit ad meridianam
! Vgl. hierüber p. 2, Anm. 1-5. Bei ZeuD findet sich der
Text in der schon mehrfach erwahnten Urkunde Albrechts als Trans-
sumpt. Er entnimmt es aus dem bereits genannten codex privile-
giorum, einer 1401 verfertigten und notariell beglaubigten Abschriften-
sammlung, worüber Zeuf, a. a. O., p. VIII zu vgl.
X et
plagam super Warsbach, et inde ad Dodemelosen stamphe,
et inde ad Sebach, et inde ad Kichdale, et inde ad In-
goldeshahe, et inde ad silvosos montes usque ad Bedebur ;
ad occidentalem vero plagam usque ad Lutenbach et Beren-
bach, et inde ad Erlebach, et inde ad Grunenbrunnen, et
inde ad’ Oterichessceit ; ad septentrionalem plagam usque
ad Eicheneberc.
Grandidier hat ganz unbedeutende Abweichungen (Morchin-
hoven, Oterischessceit ; bei ersterem ist nur das konsonantische
u der Urkunde als v geschrieben, und letzteres ist wohl nur
schlecht gelesen). Zeuß hat, indem ich nur die Namen der
Oertlichkeiten anführe: Morchenhofen — Iuuenesdal — Warns-
pach — Bodemelosestamphe — Kirchdale — Lutembach —
Grunenburnen — Otterichscheit — Eicheneberg. Davon sind
Morchenhofen, Otterichscheit und Eicheneberg vom Urkunden-
schreiber in die Form des 14. saec. modernisiert, die übrigen
aber weisen eine ältere Form auf als bei Schöpflin und Gran-
didier, und vermutlich ist das Transsumpt auch getreuer abge-
schrieben. Nach alledem dürften wohl die Namen folgender-
maßen in den Text Schöpflins einzusetzen sein, um den wahr-
scheinlich treuesten Wortlaut zu erhalten :
Morchinhouen a — Altenherdeb — Geboldeswegee —
Lutred — Buozdingeshurste — Iuuenesdalf — Wares-
pachs — Bodemelosestamphe! — Sebachi — Kirch-
dalek — Inzoldeshahe! — Bedebur™ — Lutembach®
— Berenbach® — Erlebach P — Grunenburnen 4 — Ote-
richessceit" — Eichenehere 5.
a) bei A. B = Morchinhoven. C = Morchenhevenum. D = Mor-
chenhofen. E = Marchenhoten. F = Marchenhoven. b) A, B, D.
C, E, F = Aldenherden. c; bei A. B, C, D, E, F. d) bei A, B,
D. C = Lutere. E, F = Lutrae. ei bei A, B, D. C = Buezdingers-
hurst. E, F = Buozdingeshorste. f) bei D. A, B= Iuvenesdal.
C = Invensdal. E, F = Invenesdal. g) A, B = Warsbach. C, E.
F =Warspach. D = Warnspach. h) bei D. A. B = Bodemelosen-
stamphe. C = Bodemelosemstamph. E, F = Bodemlosestompha.
i) bei allen. k) bei D, E, F. A, B= Kichdale. C = Kirchendale.
l) bei A, B, D. C = Inguldeshoche. E, F = Ingoldeshare. m) bei
allen. n! bei D. A, B, C = Lutenbach. E, F = Lautenbach. o)
bei A, B, C. D. F. E = Bernbach. p: bei A, B, D. F. C = Erli-
bach. E = Belebach. q) bei D. A, B. F = Grunenbrunnen. C =
Grünenbrunnen. E = Gruneburnen. r) bei A, B= Oterischessceit.
C = Otterichschritt. D = Otterichscheit. E. F = Otterichescheyt.
s) bei A. B. C — Eychenbere. D — Eicheneberg. E, F — Eichen-
berg.
uu. 20, mn
Stellen wir nun auch den Text der Schenkung in den De-
statigungen fest.
Hinsichtlich der Bestátigung Ottos II. von 967 lautet der
in den Monum. Germ. rezipierte Text folgendermaßen :
. . ad orientalem plagam monasterii usque ad Mori-
chenovena? et ad Altenherde, et inde ad Geboldeswege,
et inde subter vadum Lutre, et inde ad Buosingeshurst »,
et inde ad limitem, qui stat im summitate vallis Iuuenes-
dal* nominate, et inde ducitur; ad meridianam vero pla-
gam pertinentia super Warahesbach 4, et inde ad Bodeme-
losenstamphe, et inde ad Sebach, et inde ad Kirkendale,
et inde ad Ingoldeshaha, et inde ad silvosos montes usque
in locum qui dicitur Bedebur. Ad occidentalem vero pla-
sam usque ad Lutenbach et Berenbach, et inde ad Erlin-
bach, et inde ad Grunenbrunnen €, et inde ad Oderiches-
seit f. Ad septentrionalein plagam usque ad Eichineberg,
et inde ad Utdoluesdale 8, et inde ad summitatem fluvii,
qui dicitur Otterbach .
Zum Vergleich kommen: die Lesarten Schópflins (A), Gran-
didiers (B) und Zeuß’ (C) in Betracht: !
a) C= Morchenhofena. b) C = Buozingeshurst. c: B = Iuve-
nesdal. d) B= Warabesbach, Druckfehler. e) A = Grünenbrunen.
€ = Grunenburnen. f) C = Oderichescheit. gy) A = Uldoluesdale.
B = Uldolversdale
Eine merkwürdige Fassung hat der Text der Monum. bei
den Werten: et inde ducitur; ad meridianam vero
plagam pertinentia super etc. Die anderen Les-
arten haben: et inde ducitur ad meridianam vero
plagam super etc. was einfacher und verständlicher ist.
. Was den Text der Schenkung in den Bestätigungen Kon-
rads II. von 1030, Heinrichs III. von 1040 und Heinrichs IV.
von 1067 angeht, so unterscheidet sich derselbe von demjenigen
der Urkunde Ottos II. im wesentlichen nur in der Form der
Ortsnamen. Ich gebe diese der Einfachheit halber nach dem
Text der Bestätigung Konrads lI. von 1030 bei Schöpflin (A),
und dann die Abweichungen bei Grandidier (B) und Zeuß (C). ?
Die Namen lauten :
Morechenouuena® — Aldenherde > — Geboldesuuege ¢
— Hlutraed — Buozdingeshurst® — Iuuenesdalf —
Vuaraheshah € — Bodomelosenstamphe" — Sebahi —
a. 96: Se
Kirkendale — Ingoldesahak — Bedebur — Ludenbah 1
— Berenbah™ — Erlinbah® — Gruonenhrunnene —
OderichessceitP — Eichineberg — Utdoluesdalea —
Otterbah r.
a) B = Morichenovena (1030 u. 1040), Morechenovena (1067).
A = Morechenouena (1040 u. 1067}, ebenso C (1067). b) B=
Altenherde (1030 u. 1040). c) B = Geboldeswege (1030, 1040
u. 1067). d) B = Lutre (1030, 1040 u. 1067). A = Hluthrae
(1040. e) B = Buosingeshurst 11030 u. 1040. A, B u. C=
Buotzdingeshurst (106(). f) B = Iuvenesdal (1030, 1040, 1067).
A. C = Iuvenesdal (1067). g) B = Warabesbach (1030, 1040),
Warahesbach (1067). A=Uuarahesbach (1040, 1067). ebenso C
(1067). h! B= Bodemelosenstamphe (1030, 1040). i) Sebach, bei
allen. k) B= Ingoldeshaha (1030, 1040). 1) B = Lutenbach ut
1040:. A = Lutenbac (1040, 1067), ebenso B (1067), C (1067). m
B = Berenbach (1030, 1040). Berenbac sonst und bei B (1067.
n) B=Erlinbach (1030. 1040:, Erlinbac sonst und bei B (1067),
o) B= E EUM (1030, 1040). p) B = Oderichesseit (1030,
1040). q) B=Utdolversdale (1030, 1010', Utdolvesdale (1067).
r) B= nn (1030, 1040) ebenso A (1040, sonst Otterbac).
Vergleichen wir nun den von uns festgestellten Text des
Dagobert- -Diploms mit den beiden zuletzt angegebenen Texten,
so ‘finden wir’ folgendes.
Der Text der Dagobert-Urkunde (1) ist, von unbedeutenden
Einzelheiten abgesehen, demjenigen der Bestätigung Ottos II. (2)
gleich, aber die Namen in der Bestätigung haben zum Teil eine
deutlich ältere Form. Man vergleiche nur Morchinhouen (1)
und Morichenovena (2), Warespach (1) und Wa-
rahesbach (2), Kirchdale (4) und Kirkendale (2),
Erlebach (1) und Erlinbach (2). Daraus könnte gefolgert
werden, daß die Bestätigungsurkunde Ottos II., ebenso wie sie
für andere Teile der Dagobert-Urkunde .zum Muster gedient
hat, dem Fälscher zwar auch den Text der Mundatsbegrenzung
geliefert habe, daß aber, weil zwischen der Abfassung beider
über hundert Jahre liesen, die Namen der Oertlichkeiten in
der Fälschung die jüngere Form angenommen haben, entspre-
chend der Sprechweise des 12. saec. Für alle Namen trifft dies
aber nicht zu. Aber sehr auffallend ist dabei, daß der Text
der Fälschung kürzer ist als derjenige der Bestäligung und
die Grenzlinie gar nicht zu Ende führt. Damit setzt sich die
Fälschung in einen offenkundigen Gegensatz zur Bestätigung,
und es ist deshalb nicht anzunehmen, daß letztere zur Be-
schreibung der Mundatsgrenzen benutzt worden ist.
"— A.
Wir finden ferner, dab die Schreibart der Mundatsnamen
in den drei späteren Bestátigungen (a) noch älter ist als die-
jenige der Bestätigung Ottos 1I. (b). Man vergleiche Hlutrae
(a)undLutre (b, Ludenbah (aJundLutenbach (b),
Gruonenbrunnen (a) und Grunenbrunnen (b). Wir
müssen aber bedenken, daß wir bei diesen Urkunden auf das
Original zurückgehen, welches Schöpflin und Grandidier vor
sich hatten, während wir bei der Urkunde Ottos I., welche
wir nur in Abschriften aus Chartularen kennen, mutmaßen
dürfen, daß die früheren Abschreiber derselben nicht genau
gearbeitet und willkürliche Aenderungen in der Schreibart vor-
genommen haben. Selbst ein notariell beglaubigtes Chartular,
wie es Zeuß für seinen Text in dem oben mehrfach erwähnten
codex privilegiorum vor sich hatte, bietet keine genügende Ge-
währ für Richtigkeit der Namensformen. Wir werden deshalb
annehmen müssen, daß auch das Original der Urkunde Ottos II.
altere Namensformen aufwies, als wir sie jetzt aus den Ab-
schriften kennen. Ja, da die späteren Bestätigungen fast wört-
liche Wiederholungen der Urkunde Ottos II. sind, so wird auch
der Text der Schenkung aus der letzteren wörtlich übernommen
worden sein, und daher können wir annehmen, daß die Namen-
formen der Mundatsorte, wie sie sich in den Bestätigungen
Konrads II., Heinrichs III. und Heinrichs IV. finden, in der
Bestätigung Ottos JI. ebenso gelautet haben.
Zwischen dem Text der Schenkung in der Dagobert-Urkunde
und dem Text in den Bestätigungen besteht nun, wie wir be-
reits gesehen haben, eine trotz aller Aehnlichkeit auffallende
Differenz. Woher kann dieselbe rühren ? Hat der Fälscher der
Dagobert-Urkunde eine andere Textform vor sich gehabt als
der königliche Notar, welcher die Bestätigung Ottos II. aus-
fertigte? Fragen wir zunächst, woher diese Bestätigung der
Wortlaut hat.
Da die Urkunde Ottos II. ausdrücklich sagt, daß, nachdem
Pippin die Schenkung an das Kloster gemacht hatte, Ludwig
und andere Könige dies bestätigt hätten, so liegt es auf der
Hand, daß der Wortlaut der Schenkung aus den früheren
Bestätigungen herrührt. Welcher König Ludwig gemeint
ist, geht aus der Urkunde nicht hervor. Auf dessen Bestäli-
gungsurkunde weist zunächst der Wortlaut der Schenkung zu-
rück. Da nun dieser Ludwig die Schenkung Pippins bestätigte,
so muB ihm die Urkunde Pippins vorgelegen haben, aus wel-
cher er den Wortlaut übernommen hat. Und auf diese Weise
wird es sich ergeben müssen, daß der uns heute vorliegende
erste authentische Text der Schenkung auf die Schen-
kungsurkunde Pippins zurückgeht. Dabei lassen
wir es als höchst wahrscheinlich gelten, daß die Ortsnamen in
der Schenkung Pippins eine noch ältere Form gehabt haben,
als wir sie aus den Bestätigungen feststellen können, denn
jedes Jahrhundert hat den Namen sein besonderes Gepräge ge-
geben. Inhaltlich hat jedenfails die Schenkung ebenso gelautet
wie die Bestätigungen, welche wir kennen. Auch sonst enthält
die Bestätirungsurkunde noch manche Wendung, welche an
Diplome der Karolinger anklingt. Deshalb hat Sickel! schon
mit Recht vermutet, daß sich eine im 8. saec. entstandene
Fassung bis in das Diplom Ottos II. fortgepflanzt hat, und auch
die Mon. Germ.? lassen einen Teil der Urkunde Ottos II. auf
ein Diplom der ersten Karolinger zurückgehen.
Wenn wir behauptet haben, der Inhalt der Schenkung sel
in der Urkunde Pippins derselbe gewesen, wie wir ihn jetzt
in der Bestätigung Ottos II. finden, so bedarf diese Behauptung
doch einer Einschränkung hinsichtlich der Einzelheiten der
darin gemachten örtlichen Angaben. Wenn nämlich die getälschte
Dagobert-Urkunde den Wortlaut der Schenkung nicht aus den
Bestätigungsurkunden entnommen haben kann, weil sie die
Grenze am Schluß nicht so vollständig gibt wie diese, wenn
andererseits die Bestätigungsurkunden notwendig auf die
Schenkungsurkunde Pippins zurückweisen, so hat entweder
der Fälscher der Dagobert-Urkunde aus einer besonderen
Quelle geschöpft, oder in der Urkunde Pippins hat der Schlub
der Grenzbeschreibung ebenfalls gefehlt. Wenn eine besondere
Quelle vorliegt, könnte dies höchstens eine Abschrift gewesen
sein, in welcher aus Versehen der Schluß der Grenzbeschreibunz
ausgelassen war. Aber dann hälte der Fälscher doch ebensogut
auch die Bestätigungsurkunden benützen können. Diese waren
ihm doch bekannt, weil er sie in seiner Fälschung verwertet.
Warum benützte er dann nicht ihren Text, da ihm derselbe
doch eine genauere Begrenzung gab, als er dieselbe gibt?
l a. a. O.
2 cf. Anm. 4, p. 3.
= dd s
Warum gibt er einen mangelhaften Text, während es doch sonst
das Bestreben der Fülscher ist, móglichst viel zum Original hin-
zuzusetzen ? Auf diese Fragen kann nur die eine Antwort ge-
veben werden, daß der Falscher nicht vorhatte, etwas materiell
Unwahres zu berichten, sondern daB er die authentische Schen-
kung nur in eine frühere Zeit zu verlegen beabsichtigte, dab
er wirklieh den Wortlaut der Schenkung Pippins gab und nur
eins vortáuschte, daB sie nämlich von Dagobert herrühre. Dann
ist es aber klar, daß die Urkunde Pippins den ver-
kürzten Schluß derSchenkung ebenfalls hatte,
daB also die Grenzbeschreibung mit «Eichen e-
berc» schloß. Warum aber haben die Bestätigungsurkunden
da eine Veranderung eintreten lassen? Jedenfalls aus dem
Grunde, weil die Grenze der Schenkung, welehe für die Zeiten
Pippins klar genug war und keinen Irrtum hervorrufen konnte,
später doch der genaueren Bestimmung bedurfte. Eine der
früheren, uns nicht mehr erhaltenen Bestätigungen hat dies
dann nachgeholt. Damit ist die ursprüngliche Grenze nicht ge-
ändert, sondern nur genauer festyelegt worden.
Wir stellen demnach fest, daß die Fälschung der Dagobert-
Urkunde wahrscheinlich auf den ursprünglichen Wortlaut der
Schenkung Pippins hinsichtlich der Mundatsgrenzen zurückgeht.
Der Fälscher hat aber leider die alten Namensformen der Oert-
lichkeiten nicht beibehalten, sondern hat ihnen die Form seiner
Zeit gegeben, und deshalb sind diese uns jetzt von der Dago-
bert-Urkunde gebotenen Namensformen selbst jünger als die
in der Bestätigung Ottos II. bezw. seiner Nachfolger. Die
Schenkung selbst aber fiel nicht unter Dago-
bert, sondern unter Pippin, womit die Gründung des
Klosters unter Dagobert nicht ausgeschlossen ist.
III. Die Festlegung der Mundatsgrenzen.
> m . M
Eine Vorbemerkung darüber, daß mit den Grenzangaben,
wie sie uns vorliegen, nicht etwa der Güterbestand einer spä-
teren Zeit dargestellt ist,! sondern die Zustände der Zeit
1 Grandidier z. B. ‘a. a. O., zur Dagobert-Urkunde) nimmt an,
daß die Dagobert-Urkunde den Stand des Mundatbesitzes im 12. oder
13. saec. angebe, weil er die Fälschung derselben in diese Zeiten
verlegt.
— 14 —
Pippins geschildert sind, braucht nach dem bisher Betrachteten
nicht mehr gemacht zu werden.
Wir haben nun angenommen, daß der Wortlaut der
Schenkung, wie er sich jetzt in den Bestätigungen Konrads II. von
4030, Heinrichs Ill. von 1040 und Heinrichs IV. von 1067 findet,
hinsichtlich der Ortsnamen reiner auf uns gekommen ist als
derjenige der Bestätigung Oltos Il. von 967, daß aber der
Text der letzteren im Original, welches wir nicht mehr hahen,
wahrscheinlich dieselben älteren Namensformen wie die erst-
genannten Bestitigunyen gehabt hat. Da es uns darauf an-
kommt, zugleich auch die ältesten Formen der Ortsnamen
festzustellen, so werden wir zu diesem Zwecke und zu unserer
weiteren Untersuchung unbedenklich die Urkunde der Bestä-
tigung Konrads lI. zugrunde legen können. Sie gibt uns die
ältesten Namensformen, wie sie vermutlich auch in der Ur-
kunde Ottos II. gelautet haben — die siebenzig Jahre, welche
von 967 bis 1030 verflessen sind, haben nicht viel in Aus-
sprache und Sehreibart der Namen geändert.. Die Fälschung
der Dagobert-Urkunde kommt für uns nur insofern in Betracht,
als wir daraus geschlossen haben, daß die Schenkung in der
Originalurkunde Pippins, auf welche alles zurückweist, mit
«Eichineberg» schloß, was wir bei unserer Grenzbeschreibung
berücksichtigen wollen. Der Wortlaut der Urkunde Pippins
ist uns, obwohl der Fälscher der Dagobert-Urkunde auf diese
zurückgreift, wenigstens hinsichtlich der Form der Ortsnamen
nicht erhalten, da die Dagobert-Urkunde die Namenformen des
12. saec. bietet.
Ich führe also nochmals den Wortlaut der Grenzbeschrei-
bung des Muudats, mit den vermutlich ältesten! uns erhaltenen
Namenformen, aus der Bestätigung Konrads II. in extenso an,
und zwar in der Fassung Schöpflins als der zuverlässigsten:
. . pertinent (sc. limites) ad orientalem plagam mo-
nasterii usque ad Morechenouuena etad Alden-
herde et inde ad Geboldesuuege et inde subter -
1 Nur zwei der Namen kommen anderswo vor, nàmlich in-
goldesaha und uuarehesbahe in Nr. 214 der trad. Wiz.
Diese Urkunde ist aber ein Nachtrag aus dem 11. saec.; die Urkunde
selbst trigt kein Datum. Da die Namen mit den in der Grenzbe-
schreibung erscheinenden Ingoldesaha und Uuarahesbah
gleichlautend sind, werden sie auch gleichzeitig sein.
— m
vadum Hlutrae et inde ad Buozdinzxeshurst et
inde ad limitem, qui stat in summitate vallis Iuuenes-
dal, et inde ducitur ad meridianam plagam super
Uuarahesbah etindead Bodomelosenstamphe
et inde ad Sebah et inde ad Kirkendale et inde ad
Ingoldesaha et inde ad silvosos montes usque ad
locum, qui dicitur Bede bur. ad occidentalem vero pla-
vam usque Ludenbah et Berenbah et inde ad
Erlinbah et inde ad Gruonenbrunnen et inde
ad Oderiches sceit. ad septentrionalem plagam usque
ad Eichineberg||! et inde ad Utdoluesdale et
inde ad summitatem fluvii, qui dicitur Otterbah usw.
Die Deutung der einzelnen Oertlichkeiten ist nicht ein-
fach, da eine Anzahl derselben heute andere Namen tragen
oder auch abgegangen sind. Besonders älteren Forschern sind
dabei eine ganze Anzahl grober Irrtümer mit unterlaufen,
welche wir einzeln an den betreffenden SteNen zurückweisen
werden. Aber auch in neuerer Zeit hat sich die Sache noch
nicht endgültig geklärt. Ich werde versuchen, die Lösung der
Schwierigkeiten so weit als möglich zu fördern.
Man darf vor allem nicht, wie es z. B. Grandidier bei ge-
wissen Namen tut, planlos raten, sondern muß sich klar-
machen, welche geographische Lage die einzelnen Orte einge-
nommen haben müssen. Der Verfasser der Grenzbeschreibung
denkt sich das gesamte Gebiet des Mundats ungefähr wie ein
großes, etwas unregelmäßiges Viereck mit einer östlichen, süd-
lichen, westlichen und nördlichen Seile. Als Ausgangspunkt
der Grenzbeschreibung ist die nordöstliche Ecke des Vierecks
gedacht, und von da aus wird die Grenze nach Süden geführt,
was die orientalis plaga ergibt; dann geht es nach Westen,
womit die meridiana plaga gegeben wird; dann kommt die
occidentalis plaga in ihrer Richtung nach Norden und endlich
geht die septentrionalis plaga nach Osten zu zum Ausgangs-
punkt zurück. Es liegen also auf der östlichen Seitenlinie,
von Norden nach Süden gezählt: Morechenouuena,
Aldenherde, Geboldesuuege, vadum Hlutrae,
Buozdingeshurst, Iuuenesdal. Da vadum Hlu-
trae den Uebergang der Grenze über die Lauter andeutet, ist
—
1 Hier endigt die Beschreibung in der Pippin-Urkunde.
s SG sit
es klar, da Morechenouuena, Aldenherde und
Geboldesuuege in der heutigen Pfalz liegen müssen. Der
Drehpunkt nach Westen, also die südöstliche Ecke, wird gebildet
durch Uuarahesbah, weil über diesen Ort die Grenze
nach Westen geht. Auf der südlichen Linie liegen dann
Bodomelosenstamphe, Sebah, Kirkendale,
Ingoldesaha. Die südwestliche Ecke ist Bedebur. Auf
der westlichen Linie liegen Ludenbah, Berenbah,
Erlinbah, Gruonenbrunnen, Oderichessceit,
letzteres als nordwestliche Ecke gedacht. Die nördliche Linie
wird gebildet durch Eichineberg, Utdoluesdale,
fluvius Otterbah. Da von Bedebur aus die Grenze auf
der westlichen Linie wieder nach Norden geht, so ist ersichtlich,
daß wenigstens von Berenbah ab, welches wir in der Pfalz
finden werden, alle Orte wieder in der Pfalz liegen müssen.
Um nuu die einzelnen Grenzorte festleren zu können,
gehen wir am einfachsten von dem Punkte aus, an welchem
die östliche Mundatgrenze die Lauter überschreitet. Der Ort
der Grenzlinie, von welchem man vom linken (pfälzischen)
Ufer der Lauter dahin gelangt, heißt Geboldesuuege,
dessen Deutung wir zunächst noch beiseite lassen. Es heißt dann:
et inde subter vadum Hlutrae et indead Buoz-
dingeshurst et inde ad limitem, qui statin
summitate vallis Iuuenesdal. Wir haben nun hier
zwei Anhaltspunkte für den Lauf der Grenze, einerseits das in
der Grenzbeschreibung nachher angeführte Sebah, welches nur
mit Oberseebach, Kt. Weißenburg, identifiziert werden kann,
weil das dicht dabei liegende Niederseebach niemals als Besitz
des Mundats oder als Ort des Staffel- d. h. des Mundatgerichtes
erscheint ; andererseits Schleithal, welches sicher zum Mundat
gehörte, da bis zum Jahr 1277 der Abt von Weißenburg Geld-
und Haferziuse dort zu Lehen gegeben hatte an Heinrich von
Fleckenstein. ? An diesen beiden Orten d. h. an deren Bann-
vrenze muß die Grenze hinlaufen, also werden wir für das
Tal luuenesdal auf einen Geländeeinschnitt östlich von Schlei-
thal hingewiesen, Dieser findet sich tatsächlich an der
Banngrenze von Schleithal und fällt auffallender Weise mit der
1 Zeul, trad. possessionesque Wizenb., lib. possess. Nr. 326,
(p. 313).
ze jT eue
Kantonsgrenze zusammen, ein deutlicher Beweis, daß hier ein
alter Grenzzug vorliegt. Dieses Tal, welches in einen Bach,
der in die Lauter fließt, ausmiindet, zieht sich an der Ge-
markung Schleithal entlang bis auf die Höhe des Frauenberges
südlich von Schleithal. Hier steht ein trigonometrisches Signal.
Es ist also eine Höhe, welche ein ziemliches Gebiet beherrscht,
wie geschaffen für eine alte Grenzmarke. Wir können dem-
nach annehmen, daB das der Kantonsgrenze von der Lauter an
folgende Tal das Iuuenesdal ist, und der limes, von welchem
die Rede ist, d. h. die Grenzmarke, die Grenzsäule, welche
in summitate, am obersten Punkt dieses Tales stand,
wird auf dem Frauenberg gestanden haben. Unter diesem
limes haben wir uns möglicherweise ein prähistorisches Stein-
denkmal vorzustellen, eine rohe Grenzsáule, welche aus uralter
Zeit stammend als Grenzmarke in Ansehen geblieben war;
vielleicht auch war es ein alter römischer Grenzstein. Jeden-
falls wäre es wünschenswert, wenn man demselben näher
nachforschen könnte. Sicher ist damit keiner der später von
der Abtei gesetzten Grenzsteine gemeint, denn dieser limes
muß doch als bekannte Grenzmarke bereits vor der Schenkung
des Mundats bestanden haben, da er sonst nicht in die Grenz-
beschreibung aufgenommen worden wäre. — Dieses Stück des
Grenzzuges geht also aus vom vadum Hlutrae. Damit
ist eine seichte Stelle der Lauter gemeint, welche mit Karren
durchquert werden konnte. Da es heift: subter vadum
Hlutrae, so muf diese Furt die Lauter aufwirts etwas ober-
halb des genannten Tales gelegen haben. Vielleicht sollle damit
nur bezeichnet werden, dal) die Furt noch zum Mundat gehören
solle; dann hat sie jedenfalls dicht bei jenem Tale gelegen.
Möglicherweise ist subter auch soviel wie super und soll þe-
zeichnen, dab die Grenze über die Furt läuft. — Von diesem
vadum geht es zunächst nach Buozdingeshurst, anschei-
nend einem Wald, welcher sich die Hóhen südlich der Lauter
hinaufzog, dessen Name heute nicht mehr erhalten ist. Von |
da zog dann die Grenze in dem an Schleithal vorbeiziehenden
Tälchen bis auf die Höhe des Frauenberges. Daß Iuuenesdal
nun nicht Bobenthal in der Pfalz nordwestlich von Weiben-
burg sein kann, wie Grandidier! meint, ist wohl klar,
——
1 Hist. d'Als. I, piéces justif. Nr. 4, Anm.
HERR. 2
= 3 ap
Von dem «limes, qui stat in summitate vallis Iuuenesdal»
dreht sich die Grenze nun nach Westen, um die meridiana
plaga zu bilden, und zwar geht sie super Uuarahesbah
et inde ad Bodomelosenstamphe et inde ad
Sebah. Uuarahesbah legen Schópflin! und Grandidier?
übereinstimmend aus als einen Hof Warsbach oder Warspach.
Schöpflin sagt, er liege zwei Stunden etwa von Weißenburg entfernt
diesseits der Lauter, und Grandidier nennt ihn ein «olim vicus»,
Zu ihren Zeiten muß er noch den Namen Warsbach geführt
haben; heute findet man ihn im Frohnackerhof, nordóstlich
von Oberseebach, wieder. 3 Nun ist es durchaus als richtig
anzunehmen, daß dieser Hof den Namen Warsbach geführt
hat, da er nicht weit vom Ursprung des Baches gleichen
Namens liegt. Immerhin ist es wahrscheinlich, daB unser
Uuarahesbah nicht mit ihm identisch ist, da wir dieses nach
der Beschreibung südlicher suchen müssen. Wenn nämlich
die Grenze nach Oberseebach laufen und diesen Ort einschlieBen
soll, dann mub sie südlich an demselben vorbeiziehen, wo die
Banngrenze läuft (Niederseebach ist, wie bereits angeführt,
nicht gemeint). Soll ferner die Grenze vom limes auf dem
Frauenberge super Uuarahesbah sich nach der meridiana
plaga drehen, so kann dies für die Situation Uuarahesbah —
Frohnackerhof nicht stimmen, denn sie müßte ja, obwohl sie
erst nach Westen geht, doch wieder südlich gehen, um dann
endlich unterhalb von Oberseebach nach Westen weiterzuziehen.
Wo soll dann ferner Bodomelosenstamphe liegen, welches wir
doch, wie wir sehen werden, in einem Tale suchen müssen?
Die Bezeichnung: etinde ducitur ad meridianam plagam
super Uuarahesbah etc. ad Sebah würde also nicht
zutreffen, weil man darnach erwartet, daß Uuarahesbah viel-
mehr in östlicher Richtung von Oberseebach aus liegt. Erst
von Uuarahesbah aus liegt nämlich alles, bis Bedebur, nach
Westen zu. Damit ist aber ausgeschlossen, daß die Grenze
schon vom limes am Juuenesdal aus nach Westen geht. Sie
muB im Gegenteil erst noch ein Stück südlich ziehen, denn nicht
der limes soll der südöstliche Eckpunkt sein, sondern Uuarahesbah.
1 Als. ill. I, p. 650 f.
22.2.0.
3 Harster, Der Güterbesitz des Klosters Weißenburg im Elsaß,
II (1894), p. 89. Reichsland ElsaD-Lothringen III, p. 318.
— 19 —
Dies ist in der Beschreibung nicht ganz klar ausgedrückt.
Offenbar will dieselbe die Ostgrenze nur bis zum Punkte vor
dem Eckpunkte geben und mit dem Eckpunkte die südliche
Grenze beginnen lassen. Deshalb ist der limes scheinbar wohl
der letzte Grenzpunkt auf der östlichen Seite, in Wirklichkeit
aber doch nicht, denn es geht erst noch nach Uuaralıesbah
und von dort an, super U., geht es erst nach Westen. Auf
die richtige Deutung des «super» kommt alles an, und ich
glaube, daß man es nur so verstehen kann, daß Uuarahesbah
der Drehpunkt sein soll, über welchen die östliche Grenze in
die südliche übergeht. Wo ist aber dieses Uuarahesbah zu
suchen? Dazu muß uns der folgende Ort Bodomelosenstamphe
verhelfen. Dieses Bodomelosenstamphe bezeichnet
wahrscheinlich einen bodenlosen Sumpf. Einen solchen kann
man natürlich nur an einem Wasserlauf vermuten. Dieser
Sumpf ist also, da der nächste Wasserlauf im Osten von
Oberseebach der Warsbach ist, im Tale des Warsbach zu
suchen, vielleicht gerade da, wo die Grenze des Kantons
Lauterburg sich an die Weißenburger Kantonsgrenze anschließt.
Dann bleibt aber für Uuarahesbah nur noch der Seiten-
bach des Warsbaches, der westlich von Siegen einmündende
Werbergraben, übrig. Dieser hälte dann, weil Uuarahesbah
sich nach dem Bache nennt, an dem es lag, ursprünglich
ebenfalls Warsbach geheiben, ebenso wie der Hauptlauf, jeden-
falls keinen besonderen Namen gehabt. An diesem Bach
würde dann die Grenze vom Frauenberg an herabziehen bis
etwa an den Punkt, wo die jetzige Lauterburger Kantonsgrenze
den Bach trifft. Auf diese Weise stellt sich uns folgender
Lauf der Grenze dar: Vom Frauenberg weiter nach Süden
bis an den Werbergraben (Uuarahesbah), dann der Lauter-
burger Kantonsgrenze nach an den Warsbach (Bodomelosen-
stamphe), dann weiter der Kantonsgrenze nach, bis dieselbe
die südliche Gemarkungsgrenze von Oberseebach trifft. Aller-
dings haben wir dabei die Schwierigkeit in Rechnung zu
ziehen, daß der Frohnackerhof ehedem «Warsbach» hieß und daß
man den Ort Uuarahesbah zunächst an dem Bache suchen
wird, welcher heute noch den Namen Warsbach führt, daß
andererseits aber unsere abweichende Deutung sich meist nur
auf Vermutungen stützen kann. Allein nach dem Wortlaut
der Grenzbeschreibung kann ich den Frohnackerhof nicht als
— 0 —
Uuarahesbah ansprechen, muß diesen Ort vielmehr östlich von
Oberseebach suchen. Dann hat aber unsere Grenzdeutung
ebenfalls ihre Berechtigung. Nicht unerwähnt darf bleiben,
dab die Grenze alsdann meist auf den Kantons- und Bann-
grenzen làuft, und diese haben sich ja selten im Laufe der
Jahrhunderte geindert. Es ist überhaupt von vornherein zu
vermuten, dab der heutige Kanton Weißenburg zu einem
großen Teile von allen Mundatsgrenzen eingeschlossen sei. —
Wie man aber auch Uuarahesbah legen will, jedenfalls ist
nach den vorstehenden Ausführungen klar, daß Aschbach süd-
lich von Niederseebach, wie es Rheinwald! annimmt, nicht
damit gemeint sein kann.
Von Oberseebach aus làuft die Grenze nun ad Kirken-
dale etinde ad Ingoldesaha etindead silvosos
montes usque ad locum, qui dicitur Bedebur.
Von diesen Orten liegt nur Ingoldesaha fest. Denn dieses
ist offenbar Ingolsheim westlich von Oberseebach. Ingolsheim
ist eine spätere Form. Ursprünglich hat der Ort, wie uns die
Endung «-aha» anzeigt, seinen Namen von dem Wasserlauf
getragen, an welchem er liegt, denn aha ist == Wasser. Der
alte Name würde heute «Ingolzach» lauten. Wir ersehen aus
dem Namen aber auch, dal der Schemperbach oder Alten-
graben, an welchem Ingolsheim liegt, offeubar früher Ingoldes-
aha hieß. Der Name könnte nun vielleicht auf die Vermutung
bringen, daß nicht der spätere Ort Ingolsheim, sondern der
Bach Ingoldesaha an unserer Stelle gemeint sei und dab es
sich mit den bisher betrachteten Orten Uuarahesbah und Sebah
ebenso verhalte. Allein, wenn die Bäche und nicht die Orte
gemeint wären, dann mübte die Grenze ganz anders laufen,
nämlich auf der Wasserscheide der Lauter und der Selz, wobei
aber eine Anzahl Ortschaften, welche zum Mundat gehört
haben, außerhalb fallen würden. Denn nur auf der Wasser-
scheide könnte man ohne nähere Bestimmung des Weges von
einem Bache an den andern gelangen. Diese Vermutung ist
also nicht berechtigt, und wie in Uuarahesbah und Sebah, so
müssen wir auch in Ingoldesaha die Ortschaft erblicken.
Ingoldesaha ist also Inzolsheim,.und dessen Bann, welcher
heute zum Kanton Sulz u. W. gezogen ist, fällt ins Mundat,
1 a. a. O., p. 21, Anm.
— 9] —_
d. h. die Grenze mub südlich davon auf der Bannscheide hin-
ziehen. — Wo hat nun aber Kirkendale gelegen? Damit
ist entweder ein Tal gemeint, oder ein Ort gleichen Namens.
Das einzige Tal aber, welches zwischen Oberseebach und
Ingolsheim in Betracht kommen kann, ist das Tal des Hausan-
baches. Die Kantonsgrenze làuft ein Stück dieses Tal entlang.
Ist mit Kirkendale eine Ortschaft gemeint, dann dürfte sie
wohl an dieser Stelle des Tales gelegen haben. Jenseits des
Tales zieht die Kantonsgrenze dem Schemperbach entlang. Die
Banngrenze von Ingolsheim zweigt davon gleich nach Westen
ab. Demnach läßt sich von Oberseebach aus die Mundatsgrenze
folgendermaßen festsetzen: Der südlichen Banngrenze von
Oberseebach folgend, welche nachher wieder in die Kantonsgrenze
übergeht, gelangen wir ins Tal des Hausanbaches, überschreiten
denselben auf der Kantonsgrenze, gehen ein Stück den Schem-
perbach entlang und überschreiten denselben dann, um auf
der östlichen und südlichen Barngrenze von Ingolsheim diesen
Ort zu umschließen und kurz vor dem Dorfe Bremmelbach
die Kantonsgrenze wieder zu treffen. — Von hier aus soll es
dann bis an einen im Gebirge liegenden Ort Bedebur gehen.
Dieses Bedebur bezeichnet wohl ein Bethaus, eine Kapelle,
vom ahd. bura = Haus.! Der Gebirgszug, auf welchen wir
hingewiesen werden, heißt heute noch M undatwald. Die Kan-
tonsgrenze führt hinter Ingolsheim an dem Schemperbach weiter
bis zu dessen Ursprung, geht dann dem Hóhenzug nach Süd-
westen nach und in der Senkung, welche den Mundatwald
von dem südlich sich anschließenden Hochwald trennt, durchquert
sie das Gebirge, um dann nach Südwesten weiter ins Tal des
Sauerbaches zu ziehen. In der genannten Senkung trifft man
auf eine Waldblöße und Straßenkreuzung, welche den auf-
fallenden Namen «Pfaffenschlick» führt. Daß derselbe in irgend
einer Weise auf das Kloster Bezug hat, ist wahrscheinlich.
Möglicherweise hat Bedebur an dieser Stelle gelegen. Die
Kantonsgrenze, welcher wir gefolgt sind, hat uns dabei sicher
den Weg der alten Mundatsgrenze geführt, denn wir hätten
auch ohne sie von Ingolsheim aus notwendigerweise dem Dach-
laufe folgen und in die Senkung Pfaffenschlick gelangen müssen.
1 Schöpflin, Als. ill. I, 650 f£, sagt: nomen forte fuit villae. Erat
sane familia hujus nominis.
— 2 —
Von hier an wird die Grenze gänzlich unsicher. Es
heißt: ad occidentalem vero plagam usque Lu-
denbah et Berenbah et inde ad Erlinbah et
inde ad Gruonenbrunnen et indead Oderiches-
sceit. Das erste ad hat hier die nur noch zweimal, bei Be-
ginn der Beschreibung der östlichen und nördlichen Seite,
vorkommende Bedeutung «in der Richtung», d. h. in der
Richtung der mit Bedebur beginnenden westlichen Grenzlinie
gelangt man zuerst nach Ludenbah et Berenbah, dann nach
Erlinbah usw. Wir müssen uns auch hier zunächst an die
festliegenden Namen halten: Berenbah und Erlinbah.
Ersteres wird mit Bruchweiler-Bärenbach, nordwestlich von
Weißenburg an der Lauter gelegen, identifiziert, letzleres mit
Erlenbach, östlich davon an einem Nebenflüßchen der Lauter. !
Wir nehmen dies als richtig an, da sich andere Orte dieser
Namen nicht nachweisen lassen. Zwar macht die Grenze bei
Bruchweiler-Bärenbach eine scharfe Ecke, so daß man von da
an die nördliche Grenze beginnen lassen könnte, aber immer-
hin kann man sie auch von da an bis Oderichessceit noch als
westliche Grenze betrachten, weil der nördlichste Punkt tatsächlich
noch nicht erreicht ist. Welchen Weg nimmt sie aber, bis
sie nach Berenbah kommt, und wo liegt Ludenbah ? Auf die
erste Frage können wir ebensowenig eine sichere Antwort
geben wie auf die. zweite. Wir können nur vermuten, dab
die Grenze nicht ins Gebiet des Sauerbachs eintrat, sondern
den Höhenzug des Mundatwaldes umgehend auf der Wasser-
scheide zwischen Sauer und Lauter nach Norden ging, etwa
der Straße nach Klimbach und dem in gerader Fortsetzung
derselben verlaufenden Pfade folgend, bis zur Landesgrenze.
Hier kann sie direkt ins Tal der Lauter hinabgestiegen sein, welche
sie in der Gegend von Bobenthal erreichte, um dann dieselbe
aufwärts bis Bruchweiler-Bärenbach zu ziehen. Lassen wir
sie nämlich auf der Wasserscheide, welche ziemlich mit der
Landesgrenze zusammenfällt, weiterziehen, um erst später ins
Lautertal hinabzusteigen, so schließen wir den pfälzischen. Ort
Nothweiler ein, welcher nicht zum Mundat gehörte. Der Ort L u-
denbah scheint nun, weil es heißt: usque Ludenbah et Beren-
bah, und das «et inde ad» fehlt, ziemlich nahe bei Bärenbach
I Schöpflin, Grandidier, Harster.
— 99 —
gelegen zu haben, doch können wir nichts Bestimmtes sagen.
Daß es natürlich nicht Ober- oder Niederlauterbach, Kt. Selz
und Lauterburg, sein kann, ist klar. — Von Bärenbach geht
es nach Erlinbah, dem heutigen Erlenbach, welches öst-
lich liegt. Die Grenze macht damit einen rechten Winkel
nach Osten und bewegt sich auch, wie wir sehen werden,
nur noch wenig nach Norden. Läge Bärenbach nicht ziemlich
sicher fest, so würde ich, damit die Grenze bis Oderichessceit
auch wirklich in ihrer ganzen Länge nördlich verlaufen könne,
Berenbah südlich von Erlinbah annehmen. Jedenfalls ist der
rechte Winkel auffallend ; der Verfasser der Grenzbeschreibung
hätte richtiger die plaga septentrionalis mit Berenbah anfangen
lassen. Doch lassen wir es gelten — Berenbah ist ja tatsäch-
lich nicht der nördlichste Punkt. Wollen wir noch feststellen,
auf welchem Wege die Grenze von Bärenbach nach Erlenbach
gelangt sein kann, so bleibt nur die Annahme übrig, daß sie
am linken Ufer der Lauter ansteigend den Drachenfels südlich
umging und von da direkt nach Erlenbach hinabstieg. — Von
Erlinbah geht es nach Gruonenbrunnen. Schöpflin und
Grandidier 2 erblicken darin eine Quelle, deren Wasser in
einen See bei Erlenbach fließt. Dieser See liegt nun aber
südlich von Erlenbach, jenseits des Berwartsteins. Da nicht
anzunehmen ist, dad die Grenze, welche doch immer noch nach
Norden ziehen soll, hier wieder nach Süden abweiche, so kann
ich dem nicht ohne weiteres zustimmen. Sehen wir zunächst
einmal zu, wo der folgende Punkt, Oderichessceit, zu
suchen ist. Schöpflin erklärt es als «Otterscheid, separatio
Otterae, . . . . tractus, ubi Otter rivus in partes scinditur»,
d. h. die die Gabelung des Otterbaches hervorrufende Land-
spitze, welche aber offenbar mit unserer Stelle nichts zu tun
haben kann, weil diese Ottergabelung weit weg von hier
nach Osten liegt. Vielleicht, meint er, kónne auch das an
der Otter liegende Dorf Schaidt gemeint sein, was aber aus
demselben Grunde unmóglich ist. Grandidier stimmt Schópflin
bei. Nun wird vermutlich in dem Worte sceit unser
heutiges Wort Scheid vorliegen (scheiden = trennen), und
dieses kann man hier nach der ganzen Situation nur auf eine
1 Z. B. Grandidier, a. a. O.
2 Beide a. a. U.
— 304 —
zwei Flußsysteme trennende Höhe, eine Wasserscheide, beziehen.
Wenn wir nun von Erlinbah aus, wie es die Grenzbeschreibung
erfordert, weiter nördlich zu gehen haben, so kann nur der-
jenige Punkt der Wasserscheide zwischen Lauter, Queich und
Rhein in Betracht kommen, welcher nördlich über Lauter-
schwann liegt, wo der Erlenbach, der Klingenmünsterer und
der Bergzaberner Bach die Wasserscheide auf eine schmale
Stelle zusammendrängen. Dieser Punkt könnte mit Oderiches-
sceit bezeichnet worden sein, Mit dem rivus Ottera hat der
Name nämlich nichts zu tun; vermutlich steckt ein Personen-
name Oderich oder Otterick dahinter. Dieses wäre dann der
nördlichste Punkt der Grenzlinie. Ist dies richtig, dann kann
Gruonenbrunnen nur der Name des westlich an Lauter-
Schwann vorbeifließenden Baches sein. Die Grenze würde als-
dann von Erlenbach aus der Straße nach Lauterschwann
folgen, bis sie diesen Bach schneidet, und dann die jenseitige
Höhe hinaufziehen. Die Bezirksamtsgrenze läuft ganz den-
selben Weg.
Von hier an beginnt die nördliche Mundatgrenze. Da wir
auf der Wasserscheide angelangt sind, wird es als wahrschein-
lich gelten dürfen, daß die Grenze derselben südöstlich nach-
geht. Es geht dies aber als ganz sicher daraus hervor, dab
die nördliche Grenze bis ad summitatem fluvii, qui
dicitur Otterbah, weitergeführt wird, also bis dahin,
wo der Otterbach entspringt. Dahin kann man nur auf dem
Wege der Wasserscheide gelangen. Auf dieser Wasserscheide
haben wit also den Ort Eichineberg und das Utdoluesdale zu
suchen. Eichineberg ist wahrscheinlich nur Bergname,
kein bewohnter Ort, und dann kann es sich nur um die Höhe
nördlich über Reisdorf handeln. Die Bezirksamtsgrenze geht
bis dahin denselben Weg, was auch nicht außer Acht zu
lassen ıst. Da sich zwischen dieser Höhe und der Quelle
des Otterbachs nur eine einzige Talsenkung findet, nämlich
zwischen Reisdorf und Böllenborn, so werden wir in dieser
Senkung wohl das Tal Utdoluesdale erblicken müssen,
Von hier aus ist dann wieder die südliche Höhe zu erklimmen,
um an den Ursprung des Otterbachs zu gelangen.
Die Grenzbeschreibung ist damit zu Ende. Wir haben
aber den Anfang derselben noch nicht festgelegt, sondern sind
von der Furt über die Lauter ausgegangen. Es bleibt urs
ui OR is
also noch zu bestimmen, wie die östliche Grenze nördlich der
Lauter lief. Sie erstreckt sich nach dem Wortlaut der Be-
schreibung ad orientalem plagam monasterii d. h.
auf oder in der Richtung der östlich vom Kloster liegenden
Seite usque ad Morechenouuena et ad Aldenherde
et inde ad Geboldesuuege et inde subter va-
dum Hlutrae, von wo wir ausgegangen sind. Moreche-
nouuena ist also der erste Punkt der östlichen Grenze,
offenbar der nordöstliche Eckpunkt. Es fehlen uns direkte An-
gaben über seine Lage. Wir kónnen aber aus dem Zusammen-
hang schließen, daß er am Otterbach und zwar auf dessen
rechten Ufer gelegen haben mufb.! Denn nur in diesem Falle
waren nähere Angaben unnötig, und weil es stillschweigend
vorausgesetzt war, dab man vom Endpunkt der Grenze an der
Quelle des Otterbaches nur diesem Bachlaufe entlang zu gehen
brauchte, um an den Ausgangspunkt der Grenze zu gelangen,
ja weil sich ein anderer Weg gar nicht denken ließ, so ist
dies in der Beschreibung ausgelassen. Wir haben ferner die
Beobachtung gemacht, daß in der ursprünglichen Schenkungs-
urkunde Pippins die Grenzbeschreibung wahrscheinlich mit
Eichineberg aufhörte, wie dies auch die gefälschte Dagobert-
Urkunde hat. Wenn nun Morechenouuena nicht am Otter-
bach gelegen hätte, dann konnte die Grenzbeschreibung nie-
mals mit Eichineberg schließen, weil man dann beliebige
Grenzläufe hätte annehmen können, auf welchen man nach
Morechenouuena gelangen kounte. Weil aber seine Lage am
Otterbach war, so konnte man von Eichineberg aus nur auf
dem Wege des Olterbachs dorthin gelangen und von Fichine-
1 Da der Otterbach die Nordgrenze ist, kann naturgemäß nur
das rechte Ufer für Morechenouuena in Betracht kommen. Obwohl
man aus dem Schlusse der Grenzbeschreibung auf den ersten Augen-
schein hin vermuten könnte, daD Oberotterbach, welches jetzt auf
das rechte Ufer übergreift, aber sicher ursprünglich auf dem linken
Ufer angelegt worden ist, ebenfalls zum Mundat gehórt habe, weil
am Ende der Grenzbeschreibung noch die Worte folgen «una cum
villa» (usque ad summitatem fluvii, qui dicitur Otterbah, una cum
villa), so beruht dies auf Täuschung, weil das «una eum villa» sich
nicht auf den fluvius Otterbah, sondern auf das gesamte Gebiet des
Mundats bezieht und die villa WeiDenburg damit gemeint ist, Es
ist überhaupt fraglich, ob Oberotterbach zur Zeit der Schenkung be-
reits bestanden hat.
— 26 —
berg bis dahin gab es schließlich auch nur einen Weg, näm-
lich auf der Höhe der Wasserscheide weiterzugehen. Für jene
Zeiten des beginnenden achten Jahrhunderts genügten die An-
gaben der Grenzbeschreibung. Später scheinen trotzdem Ver-
wicklungen entstanden zu sein, welche die nähere Bestimmung
der Grenze nötig machten, und deshalb erscheint in den Be-
stätigungsurkunden eine erweiterte Grenzbestimmung. Aber
auch dann hörte man mit dem Ursprung des Otterbachs aut,
weil von da an gar kein Zweifel mehr möglich war. — Mo-
rechenouuena hat also auf dem rechten Ufer des Otterbachs :
gelegen, und da sich die Grenze von da an gegen das vaduın
Hlutrae herabziehen muß, so kann der Ort im wesentlichen
nur nördlich des Punktes gelegen haben, welcher von uns für das |
vadum Hlutrae in Anspruch genommen worden ist, d. h. in
der Verlängerung der Grenze des elsässischen Kantons Weißen-
burg. Auffallenderweise verläuft in dieser Richtung die Grenze
des pfälzischen Bezirksamts Bergzabern, so daß wir dadurch in
der Richtigkeit unserer Annahme bestärkt werden. Auf diese
Weise wird auch das südwestliche Stück des Bienwaldes nörd-
lich der Lauter, welches den Namen «Mundat» heute noch
führt, mit eingeschlossen. Vielleicht hat Morechenouuena da
gelegen, wo diese Bezirksamtsgrenze den Otterbach schneidet.
Nach Schópflin! und Grandidier? wäre es = Münchhof oder
Münchhofen. Offenbar ist damit der ehemals bei Ingolsheim
gelegene, jetzt verschwundene Hof dieses Namens gemeint,
denn auf der bei Schöpflin 3 sich findenden Karte des Ducatus
Alsatiae ist westlich von Ingolsheim der Ort «Morchinhofen» .
verzeichnet. Dies ist aber eine ganz falsche Annahme, da die
Grenzbeschreibung damit niemals stimmen kann. — Was die
beiden andern Oertlichkeiten angeht, Alden herde und
Geboldesuuege, so sind dies vermutlich nur Namen von
Walddistrikten gewesen, letzteres wohl eine WaldstraBe; ihre
` genauere Lage ist gänzlich unbekannt.
Nachdem wir so die ehemalige Mundatsgrenze bis zu einer
gewissen Wahrscheinlichkeit festgelegt haben, wobei ich her-
vorhebe, daß damit die überaus schwierige Frage durchaus
J Als. dipl. I, p. 121, Anm. zu Nr. 148.
2a. a. O.
3 Als. ill. I, p. 619.
o MM
Bu. HT uu
nicht gelóst sein, vielmehr nur zu genauerer Nachforschung in
der bezeichneten Richtung angeregt! werden soll, damit etwaige
Irrtümer berichtigt und Lücken ergänzt werden können, dürfte
es sich empfehlen, mit den gefundenen Grenzen die Verzeich-
nisse der Mundatsorte, oder vielmehr derjenigen Orte, welche
dem Mundatgerichte unterstanden, soweit sie uns aus späteren
Zeiten erhalten sind, zu vergleichen, um zu ersehen, ob die-
selben innerhalb der von uns gefundenen Grenzen eingegliedert
werden können. Es dient dies in gewissem Sinne zur Kon-
trolle unseres Resultales, da wir annehmen können, daß bis
auf kleine Abweichungen der Umfang des alten Mundatbezirkes
auch in späteren Jahrhunderten nicht gänzlich verwischt worden
ist. Verband doch, trotzdem das Mundatgebiet zum Teil an
fremde Besitzer gekommen war, ein gemeinsames Recht und
Gericht die Gemeinden desselben bis zur französischen Revo-
lution. Auf die Frage, ob die später als Mundatsorte er-
scheinenden Dörfer zur Zeit der Schenkung des Mundats, wo-
von unsere Untersuchung handelt, bereits bestanden oder nicht,
werden wir hier natürlich nicht eingehen können.
Mone! gibt eine Aufzählung derjenigen Ortschaften, welche
im Jahr 1722 dem Staffelgericht? d. h. dem Gericht über das
Mundat unterstellt waren. Es sind, außer Weißenburg : Stein-
feld, Kapsweier, Schweighofen, Altenstadt, Schleithal, Ober-
seebach, Riedselz, Steinselz, Kleeburg, Rott, Schweigen,
Rechtenbach, Weiler, Bobenthal, Schlettenbach, Erlenbach,
Lautersch wann, Reisdorf, Birkenhördt und Bóllenborn. Schöpflin3
gibt als Orte des Mundats, abgesehen von den kleinen Weilern,
folgende an, wie sie also Mitte des 18. saec. dazugerechnet
wurden: Altenstadt, Schweighofen, Schleithal, Oberseebach, .
Bobenthal, Schlettenbach, Finsternheim,4 Bärenbach, Steinfeld,
Kapsweier, Warsbach,5 Schweigen, Weiler, St. German, ®
1 Mone. Zeitschr. f. d. Gesch. des Oberrheins, II (1851), p. 54 f.
2 So genannt, weil es ursprünglich an den steinernen Stufen
gehalten wurde, welche rechts von der steinernen Brücke, die zum
Kloster führte, hinab zur Lauter gingen. cf. Papelier, dissert. de
mundato Weissenb. (1771), p. 55 f.
3 Als. ill. II, p. 429.
4 Es lag im Tal der Lauter, vermutlich zwischen Niederschlet-
tenbach und Bruchweiler-Bárenbach.
5 Zu Schópflins Zeiten nur noch ein Weiler.
6 Heute St. Germanshof, westlich von Weißenburg.
su OR cus
Kleeburg, Rott, Steinselz, Oberhofen, Rechtenbach, Reisdorf,
Böllenborn, Riedselz, Bundenthal, Erlenbach, Lauterschwann.
An einer anderen Stelle! gibt Schöpflin eine abweichende Auf- |
zählung, welche außer Weißenburg nur zwanzig Ortschaften
umfaßt. Er läßt Erlenbach, Lauterschwann, Bundenthal,
Finsternheim, Warsbach, St. German aus, führt aber dafür
Ingolsheim an. Mit Hoffen meint er wohl Oberhofen. Papelier ?
führt als Dörfer des Mundats bezw. des Mundatgerichtes an
(1771): Reisdorf, Böllenborn, Rott, Steinselz, Oerhofen, Rechten-
bach, Kleeburg, Riedselz, Schleithal, Seebach, 3 Altenstadt,
Schweighofen, Warsbach, Schlettenbach, Bobenthal, Bärenbach,
Finsternheim, Steinfeld, Kleinsteinfeld, Kapsweier, Schweigen,
Weiler, St. German, Weitelbrunnen und Vierthurnen, 4 Bunden-
thal, Erlenbach, Lauterschwann. Rheinwald5 gibt den Stand
von 1789 an: Schweigen, Weiler, Riedselz, Rott, Steinselz,
Oberhofen, Kleeburg, Ingolsheim, Altenstadt, Schweighofen,
Schleithal, Oberseebach, Bobenthal, Niederschlettenbach, Fin-
sternheim, Baerenbach, Saint-Remy, 6 Kapsweier, Steinfeld,
Kleinsteinfeld, Aschbach, Reisdorf, Bóllenborn, Bundenthal,
Erlenbach, Lauterschwann.
Diese Verzeichnisse weichen zum Teil erheblich vonein-
ander ab. Mone läßt gerade solche Ortschaften aus, welche
sicher zum ehemaligen Mundat gehört haben, denn Warsbach
und Bärenbach werden in der Grenzbeschreibung direkt ge-
nannt; Bundenthal fällt, weil der äußerste Punkt der Grenze
im Lautertal erst mit Bärenbach-Bruchweiler *erreicht wird und
es südlich davon liegt, ebenfalls ins Mundat ; St. German und
Oberhofen liegen nicht weit von Weißenburg, haben also auch
im Mundat gelesen; was Finsternheim betrifft, so finden wir
es auf Karten nicht mehr verzeichnet, es hat aber nach der
Angabe Papeliers zusammen mit Schlettenbach, Bobenthal und
Bärenbach «in valle Schlettenbach» d. h. im Lautertal gelegen,
und wir haben naclı allem Grund zur Annahme, daß es eben-
1 Als. ill. I, p. 653.
2 a. a. O., p. 11 ff.
3 Oberseebach.
4 Sind jetzt D WeiDenburg verschmolzen.
5 a. a. O.,
6 Ehemals ein p Schloß der WeiDenburger Abtei, östlich
von Weibenburg bei ‚Altenstadt. Heute nur noch eine Mühle dieses
Namens.
— 99 —
falls südlich von Bärenbach gelegen und zum Mundat gehört
hat. Diese alla fehlen bei Mone. Was Birkenhördt betrifft,
“welches Mone abweichend von den andern Verzeichnissen an-
führt, so werden wir darauf noch zurückkommen. Die
meiste Aehnlichkeit mit diesem Verzeichnis hat das zweite
(kürzere) Verzeichnis Schöpflins. Dieses führt noch Ingolsheim
an, welches sicher zum Mundat gehört hat, läßt aber mehrere
andere aus, welche ebenfalls dazu gehört haben müssen. Ist
mit Hofen nicht Oberhofen gemeint, sondern Hofen bei Sulz
u. W., dann fällt dasselbe natürlich außerhalb der Mundats-
grenze. Zwischen den drei anderen Verzeichnissen sind weniger
Differenzen. Auffallend ist, daß Ingolsheim nur von Rheinwald
aufgeführt wird, da es doch nach der Grenzbeschreibung
ein Ort des Mundats war. Bei Rheinwald fehlt auch
Rechtenbach, während er an Stelle des fehlenden Warsbach
das Dorf Aschbach nennt, welches er unter Warsbach vermutet,
welches nach der Grenzbeschreibung aber nie ein Mundatort
gewesen sein kann. Weniger wichtig ist, daß Papelier und
Rheinwald außer Steinfeld auch Kleinsteinfeld anführen, welche
kaum voneinander getrennt werden können, und daß Papelier
noch Weitelbrunnen und Vierthurnen, Rheinwald noch St. Remy
nennt, welche teils mit Weißenburg zusammengeschmolzen
sind, teils dicht dabei lagen, also sicher in die Mundatsgrenze
fallen. In allen Verzeichnissen kommt Böllenborn vor; wir
werden uns damit gegebenen Orts näher beschäftigen.
Bisher ist nun ein Verzeichnis nicht erwähnt worden,
welches seinem Alter nach an erster Stelle stehen sollte, welches
aber so bedeutend von den andern abweicht, daß ich es Jetzt
erst anführe. Es findet sich im Chronicon Alsatiae des Bern-
hart Hertzog, 1 gibt also den Stand des Jahres 1592 an. Als
Orte, welche «von Alters her ihren Zug und Appellation» zum
Staffelgericht gehabt haben, führt er an : Niedermodern, West-
hofen, Pfaffenhofen, Kurzenhausen, Klingen (Klingenmünster),
Schleithal, Steinselz, Kleeburg, Rott, Altenstadt, Odissheim
(Edesheim bei Landau?), Schweighofen, Weiler, St. German,
Rechtenbach, Bobenthal, Hagenbach (nördlich von Lauterburg),
Oberkurzenhausen (Oberkutzenhausen), Oberseebach, Schweigen,
1 Bernh. Hertzog, Chronicon Alsatiae (Edelsasser Chronik), 1592,
Bch. X, p. 118.
— 30 —
Vierthurnen, Schlettenbach, St. Paul (bei Weißenburg), GeiBlers-
hofen (Geitershof nördlich von Oberseebach ?), Steinfeld, Birlen-
bach, Oberhofen, Kapsweier, Si. Reming, Riedselz, Warsbach.
Von diesen Orten haben Niedermodern, Westhofen, Pfaffenhofen,
Kurzenhausen, Klingen, Edesheim, Hagenbach, Oberkutzen-
hausen, Birlenbach sicher nicht zum ehemaligen Mundat gehört,
Berücksichtigen wir von diesen Aufzählungen zunächst
nur die Grenzorte, so finden wir als am weitesten nach den
vier Himmelsrichtungen vorgeschobene Orte bei Mone folgende:
Steinfeld — Schleithal — Oberseebach — Kleeburg — Bobenthal —
Schlettenbach — Erlenbach — Lauterschwann — Birkenhördt —
Böllenborn. Es fehlen Bundenthal, Bärenbach und Ingols-
heim, so daß die ganze Nordwestecke des von uns gefun-
denen Mundatgebietes und ein Stück im Süden wegfällt.
Nach Schópflin und Papelier sind die Grenzorte folgende:
Steinfeld bezw. Kleinsteinfeld — Schleithal — Warsbach — Ober-
seebach — Kleeburg — Bobenthal — Schlettenbach —Bundenthal—
Bärenbach—Erlenbach—Lauterschwann—Böllenborn. Hier fehlt
noch immer Ingolsheim. Nach dem kürzeren Verzeichnis Schöpflins
sind die Grenzorte: Steinfeld—Schleithal—Oberseebach—Ingols-
heim—Kleeburg—Bobenthal—Schlettenbach—Bärenbach (Bruch-
weiler), Es fehlen Warsbach, Bundenthal, Erlenbach, Lauter-
schwann, Reisdorf. Dagegen ist Ingolsheim vertreten. Nach
Rheinwald sind die Grenzorte dieselben wie im längeren Ver-
zeichnis Schöptlins und wie bei Papelier, mit dem Unterschiede,
daß ebenfalls Ingolsheim vorhanden und Aschbach, irrtüm-
lich anstatt Warsbach, hinzugekommen ist. Das Verzeichnis
Bernhart Hertzogs endlich gibt, wenn wir diejenigen, welche
sicher nicht zum ursprünglichen Mundat gehört haben, gleich
von vornherein ausscheiden, als Grenzorte: Steinfeld —Schlei-
thal —Warsbach —Oberseebach — Kleeburg —Bobenthal —Schlet-
tenbach —Rechtenbach, so daß im Süden Ingolsheim und im
Nordwesten ein groBes Stück fehlt.
Wenn, wie sich so herausstellt, in den Verzeichnissen
solche Orte fehlen, welche sicher zum Mundat gehórt haben, so
daß die Grenzlinie Lücken aufweist, welche nicht vorhanden sein
dürften, da die erforderlichen Ortschaften meist zur Zeit der Auf-
stellung der Verzeichnisse vorhanden waren, so ist dies nur so
zu erklären, dab dieselben nicht nur lokal, sondern auch hin-
sichtlich der Jurisdiktion dem Mundat entfremdet waren, daß der
—.91 —
jeweilige Besitzer das Mundatgericht nicht anerkannte und des-
halb die Orte an demselben nicht teilnahmen. Das gemeinsame
Gericht war der Rest der früheren Mundatsherrschaft, und es
scheint, daß sich dieser Rest nicht einmal mehr immer gegen
den Willen der Ortsherren behaupten ließ. Wenn nun spätere
Verzeichnisse diese Orte z. T. wieder aufführen, so ist dies ein
Zeichen, daß sich die Verhältnisse wieder geändert hatten.
Vergleichen wir nun mit den Grenzorten des späteren
Mundatgebietes unsere gefundene Grenzlinie, so ergibt sich,
daß, abgesehen von dem Verzeichnisse des Bernhart Hertzog,
außer Birkenhördt, Böllenborn und Aschbach kein einziger Ort
erscheint, welcher über unsere Grenzlinie hinausgeht. Haben
wir nun, weil die drei Orte darüber hinausreichen, dennoch
eine falsche Grenzlinie gefunden ? Hinsichtlich Aschbach jeden-
falls nicht, denn Aschbach fällt nach der Grenzbeschreibung
der Urkunden sicher außerhalb des ursprünglichen Mundats,
und Rheinwald führt es nur an, weil er es für das Uuarahes-
bah der Grenzbeschreibung halt. Aber auch binsichtlich
Birkenbördt und Böllenborn ist unsere nach den Urkunden
gefundene Grenzlinie festzuhalten, welche diese beiden Orte
ausscheidet. Denn für ihre Ausscheidung spricht ihre Lage
jenseits der Wasserscheide. Gerade weil die Grenze nord-
östlich von Erlenbach der Wasserscheide zustrebt, weil dort
der auffallende Name «Oderichessceit» vorkommt und weil man
bis an die «summitas fluvii, qui dicitur Otterbah», gelangen
muß, ist gar nichts anderes möglich, als daß die Grenze der
Wasserscheide nachlief, und dann muß Birkenhördt und Böllen-
born wegfallen. Damit ist natürlich nicht bestritten, dab im
18. saec. diese beiden Orte zum Mundatgericht gehört haben,
ebenso auch Aschbach. Aber ursprünglich waren es keine Mun-
datorte. Ebenso wie das Kloster Weißenburg eine Anzahl
der ihm schon früh, wahrscheinlich durch die eigenen kaiser-
lichen Vögte, entfremdeten Teile des Mundats wieder erwarb, !
1 Wenn Papelier uns bei Aufzählung seiner Mundatsorte be-
richtet, daß einige derselben erst im 14. saec. zur Propstei WeiDen-
burg gekommen seien, besonders solche, die ursprünglich Mundats-
orte gewesen sein müssen, und daß dieselben früher kaiserliche
Lehen waren, so ist dies ein Beweis dafür, dal) die Kaiser selbst
den Besitzstand des Klosters geschmälert hatten und gerade im
14. saec. das Kloster einige Güter wieder in seine Hand zurück-
brachte.
ae 0 2
so hat es vielleicht auch hin und wieder einen ans Mundat
angrenzenden Ort gelegentlich erstanden und seinem Mundat-
gericht unterstellt, und dies könnte bei Birkenhördt, Bóllen-
born und Aschbach für mehr oder weniger lange Dauer der
Fall gewesen sein.
Mit den im Verzeichnis des Bernhart Hertzog angeführten
Orten, welche nach der urkundlichen Grenzbeschreibung nicht
zum Mundat gehört haben können, liegt die Sache etwas
anders. Die meisten derselben sind solche, an welchen sich
für eine frühere Zeit teils nach den traditiones teils nach dem
liber possessionum WeiBenburger Besitz nachweisen läßt. Es
mag deshalb so zusammenhängen, daß ein Teil der ehemals
mit Weißenburg in Verbindung gewesenen Orte, wenigstens
so weit sie nicht allzu entfernt lagen, auch unter fremder
Herrschaft, und vielleicht gerade mit Zustimmung der letzte-
ren, ihr altes ehemals zuständiges Gericht als Berufungs-
instanz gegen ihr Ortsgericht in späteren Zeiten noch aner-
kannten. Sagt ja Hertzog selbst, dab er Orte anführe, welche
von Alters her ihren Zug und Appellation zum Staffel-
vericht gehabt haben. Diese Annahme wird dann auch für
diejenigen Orte des Verzeichnisses gelten, für welche wir einen
urkundlich belegten Besitztitel Weibenburgs nicht kennen ; sie
haben früher wohl auch mit ihm in Verbindung gestanden
und deshalb das Staffelgericht auch weiter als ihr Obergericht
betrachtet.
Die genannten Verzeichnisse haben für uns fast nur eine
relative Beweiskraft. Sie wollen und können uns nicht das
Gebiet des alten Mundats beschreiben, sondern nur den
Mundatgerichtsbezirk, wie er zu ihrer Zeit war. Sie
selbst verwechsellen denselben mit dem Territorium des
Mundats. Der Begriff «Mundat» war aber zu ihren Zeiten
keine territoriale Einheit mehr, weil das Kloster oder viel-
mehr die an dessen Stelle getretene Propstei Weißenburg nur
noch einen kleinen Teil davon besaß; es war eben nach den
Tagen des Glanzes und der Macht ein trauriger Verfall einge-
treten, welcher das Schicksal fast aller großen Klöster des
Mittelalters war. Das Mundatgericht aber hatte allen Wechsel
der Herrschaften überdauert. Dieses war der die einzelnen
Stücke des Territoriums «Mundat» noch zusammenhaltende
und als ursprünglich zusammengehörig bezeichnende Rahmen.
.-
——————————Má €! cm ete
er ee
— nm
Ja das Gefühl der Zusammengehórigkeit mit ihrer ehemaligen
Herrschaft war auch bei solchen Ortschaften, welche nie zum
eigentlichen Mundat gehört hatten, so mächtig geblieben, daß
sie sich diesen Mundatgerichte unterstellten, nachdem sie
làngst anderen Herren dienten. Will man nun aus diesen den
Gerichtsbezirk des Mundats umfassenden Verzeichnissen eine
Angabe über den ursprünglichen territorialen Umfang
des Mundates herauslesen, dann muß man also, wie wir es
getan haben, alle diejenigen Ortschaften eliminieren, welche
nicht zum Mundatgebiet, wie uns dasselbe in der Schenkung
Pippins entgegentritt, gehört haben können. Dazu gibt uns
ja die urkundliche Grenzbeschreibung Anhaltspunkte genug.
Der verbleibende Rest wird seinerseits die durch die Grenz-
beschreibung gefundene Grenzlinie des ehemaligen Mundatbe-
zirkes genauer zu bestimmen vermögen, wo diese Grenzbeschrei-
bung uns jetzt im Stich läßt oder uns nur zu Vermutungen
führt. Beides, die alte Grenzbeschreibung und die jüngeren
Mundats- bezw. Mundatgerichtsverzeichnisse, stehen also in
einer gewissen Wechselbeziehung und ergänzen sich gegenseitig.
Auf diese Weise konnte es sich schließlich, weil wir bei
den meisten Orten ohne weiteres nachweisen konnten, welche
sicher zum alten Mundat gehört hatten und welche nicht, nur
um Birkenhördt und Böllenborn handeln, weil gerade in jener
Gegend die Grenzbeschreibung «unsicher ist. Die Erwägung
aber, daß gerade dort die Grenze der Wasserscheide gefolgt
sein muß, mangels anderer Angaben, hat auch diese beiden
Orte ausgeschieden. Alle übrigen noch bleibenden Grenzorte
des aus den Mundatgerichtsverzeichnissen herausgeschälten
Mundatgebietes liegen innerhalb der von uns urkundlich fest-
gelegten Grenzlinie, womit diese letztere tatsächlich eine ge-
wisse Bestätigung erhält, andererseits aber auch bewiesen wird,
daß das eigentliche Mundatgebiet sich im wesentlichen nur
hinsichtlich seines Gerichtsbezirkes geändert hat.
Hiernach werden wir also an der urkundlich festgestellten
Grenze der alten Schenkung des Mundats Weißenburg vor-
läufig festhalten. Was noch mangelt, möge die Lokalforschung
beibringen. Hoffentlich aber bietet die Untersuchung einen
willkommenen Beitrag zur Sache selbst.
HERR. 3
— 34 —
Exkurs: Die Gründung der Abtei Weißenburg.
Mit der Frage, wann das Kloster Weißenburg gegründet
worden sei und auf wen die Gründung zurückgeführt werden
könne, haben sich außer mehreren kirchengeschichtlichen
Werken besonders Zeuß* und Harster? eingehend beschäftigt;
auch Rheinwald3 ist hier zu nennen. Gelegentliche Notizen
darüber finden sich in allen größeren Urkundenwerken. Eine
direkte Lösung der Frage haben sie nicht gegeben, und wenn
sich nicht noch verborgenes Urkundenmaterial findet, welches
Licht über das Dunkel verbreitet, wird die Frage wohl nie
ganz geiöst werden. Auch ich will die Lösung nicht in Aus-
sicht stellen; ich möchte nur festlegen, welche der verschie-
denen Ansichten die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Es handelt sich hauptsächlich um drei Fragen : 1) Ist der
König Dagobert I. der Gründer, 2) ist der Bischof Dragobod
der Gründer, 3) ist Dagobert II. oder Dagobert III. als solcher
anzusehen ? |
1) König Dagobert I. (622—638) gilt als Gründer zunächst
nach der Klostertradition. Einen Ausdruck dieser Tradition finden
wir z. D. in der Einleitung des liber possessionum des Abtes
Edelinus (13. saec.),4 wo es heißt: ... possessiones,
que a reuerende memorie primo et inclito Da-
goberto rege Francogum, nostri monasterii
fundatore, et a suissuccessoribus etc. nostro
monasterio suntcollate. Zu dieser Tradition dürfen
wir auch die Inschrift rechnen, welche sich früher an einem
der Gebáude der Abtei befand,5 wonach Do minus Dago-
bertus Rex Francorum das Kloster im Jahre 623 ge-
gründet hat. Als einen Ausfluß dieser Tradition bezeichne ich
auch die gefälschte Dagobert-Urkunde, welche, nur weil Dago-
bert als Gründer galt, nun auch von ihm die Hauptschenkung
des Klosters herrühren lift. Umgekehrt stützen sich diejenigen,
1 ZeuD, traditiones possessionesque Wizenburgenses (1842), p.
XI ff.
2 Harster, Der Güterbesitz des Klosters Weißenburg i. Elsaß,
I (1893), p. 5 ff.
3 Rheinwald, l'abbaye et la ville de Wissembourg (1863), p. 5ff.
4 ZeuD, a. a. O., p. 269.
? Rheinwald, a. a. O., p. 12.
welche Dagobert I. als Gründer gelten lassen, gerade auf diese
unter dessen Namen gehende Fälschung.
Dagobert I. wird ferner als Gründer des Klosters in einer
Reihe Urkunden genannt. Zuerst in einer Urkunde Heinrichs IV,
von 1102,1 wo von decreta, que eadem ecclesia
accepit a fundatore suo Dageberto rege, ge-
sprochen wird, und derselbe Wortlaut findet sich in einer fast
gleichlautenden Urkunde Heinrichs V. von 1111.? Ferner ist
in der Bulle Alexanders III.,? welche die Güter Weißenburgs
bestätigt, die Rede von Dagoberto videlicet supra-
dicti loci fundatore, und ebenso in späteren Bullen
Coelestins III. von 1193 und Innocenz III. von 1215. Auch
in einer Urkunde Friedrich Barbarossas von 411874 findet sich
die Wendung: a felicissime recordacionis Dago-
bertorege eiusdem ecclesie fundatore. In diesen
Diplomen spiegelt sich ebenfalls die Klostertradition wieder,
denn dieselben sind auf Bitten des Klosters ausgestellt und
haben dem Ausdruck gegeben, was die Petenten nachdrucksvoll
betonten. Diese Klostertradition ist auch in andere schriftliche
Quellen übergegangen, z. B. in den Weißenburger Aebtekatalog,
welcher die Klostergründung ins Jahr 623 verlegt.
2) Auf Dragobodus, den nachmaligen Bischof von
Speier, hat zuerst ZeuD 5 hingewiesen, und seitdem ist dieser
als Gründer des Klosters vielfach angesehen worden. In der
traditio Nr. 903 der trad. Wiz., welche im Jahre 700 ausge-
stellt und welche an den dominus et pater Drago-
bodus episcopus gerichtet ist, schenkt ein gewisser Bone-
facius Erbschaftsgüter «ad monasterio domno Petro Uuizenburgo,
queipse pontifex contruxsit». Mit dem pontifex ist
nach Zeuß kein anderer als Dragobodus episcopus gemeint.
Dieser Dragobodus episcopus soll der Bischof von Speier ge-
wesen sein, welcher den Bischofssitz von 660—688 innehatte,
und es läßt sich in der Tat für jene Jahre um 700 kein anderer
Dragobodus ep. ermitteln. Zeuß erklärt nun, Dragobodus
1 Zeuß, a. a. O., p. 320.
2 ZeuD, p. 325 ff. (Transsumpt der Urk. von 1303). Sehópflin,
Als. dipl. I, p. 183 (Nr. 240). ,
3 ZeuD, p. 321 f.
4 ZeuD, p. 326 f. (Transsumpt der Urk. von 1303).
5 Ibid. p. XIU f.
u: B6. uu
müsse sich für die letzten Jahre seines Lebens ins Kloster
Weißenburg zurückgezogen haben, welches er vor einer Reihe
von Jahren gegründet hatte (quod nuper ipse aedificaverat).
Daraus, daß die Urkunden des Klosters in den trad. Wiz. mit
etwa 695 anfangen, schließt nun Zeuß, daß das Kloster um
diese Zeit schon ein paar Jahre bestanden habe, und setzt die
Gründung durch Dragobodus in die Zeit von 685 bis 690.
3) Dagobert II. (674—679) ware nach Schópflin! der
Gründer, Letzterer wird zu dieser Annahme bewogen durch
die falsche Chronologie in der Dagobert-Urkunde, dann aber
auch durch die von ihm angeführte Grabschrift der Tochter
Dagoberts, Irmina,? welche im Kloster beigesetzt war. Dieselbe
soll gelautet haben: Hie reconditum est integrum corpus beatae
Irminae virginis, filiae Dagoberti regis Franco-
rum, fundatoris huius monasterii. In dem Re-
liquienverzeichnis des Abtes Edelin 3 ist dieser corpus erwähnt,
aber nichts hinzugefügt, daß Dagobert der fundator sei. Diese
Annahme Schöpflins steht auf ziemlich schwachen Füßen. Um
Dagobert II. mit dem Kloster in nähere Beziehung zu bringen,
deutet Schöpflin und nach ihm Grandidier die Urkunde Dago-
berts, welche auf Bitten des Abtes Ratfridus dem Kloster die
Bader in Baden schenkt,4 auf Dagobert II. fürs Jahr 675,
während sie notwendigerweise auf Dagobert III. fürs Jahr 719
gedeutet werden muß. Der Abt Ratfridus nämlich erscheint
in den trad. Wiz. von 695 etwa bis 724, und es ist schwerlich
anzunehmen, dab er bereits 675 Abt war. — Was Dago-
bert III. (711—715) betrifft, so verweist Spach 5 auf ihn als
den wahrscheinlichen Schenkgeber des Mundats, weil er in der
ebengenannten Urkunde von 712 auch als Schenkgeber der
Bäder in Baden erscheint, und augenscheinlich ist ihm derselbe
auch der Gründer.
Wie stellen wir uns zu diesen verschiedenen Ansichten ?
Zunächst scheidet Dagobert III. von selbst aus, da die
! Als. dipl. I, p. 22. Anm. zur Dagobert-Urkunde. Vgl. Als.
ill. I, p. 136.
2 Rheinwald, a. a. O., p. 8f.
3 ZeuD, a. a. O., Appendix Nr. XII, p. 337.
4 Zeuß, a. a. O., Nr. 218 (p. 266); Schöpflin, Als. dipl. I, p. 4
(Nr. 3); Grandidier, hist. d’Als., pieces justific. Nr. 12.
9 Spach, l'abbaye de Wissembourg (Bull. de la soc. pour la
conserv. ete. III (1857), p. 151).
ZT ee
älteste sicher datierbare Urkunde der trad. Wiz. schon aus
dem Jahr 695 stammt,! Dagobert III. aber erst 711 zur Re-
gierung kam. Dies schließt natürlich die später erfolgte
Schenkung der Bäder in Baden an das Kloster nicht aus.
Auch Dagobert II. muß ausscheiden, weil das, was Schöpflin
für denselben anführt, nicht die geringste Beweiskraft hat.
Stammt die Urkunde Nr. 38 der trad. Wiz., welche Zeuß
ins Jahr 693 versetzt, wirklich aus dieser Zeit, dann könnte
man, da der Aussteller berichtet, daß er und seine Geschwister
in ihrer Jugend im Kloster aufgenommen worden waren,
schließen, daß dasselbe vielleicht im Anfang der siebziger Jahre
entstanden sein werde. Doch diese Urkunde gerade ist nicht
sicher zu datieren, und schon Zeuß änderte, um die Urkunde
mit der Regierungszeit Chlodwichs III. in Uebereinstimmung
zu bringen, die Zahl XII der Regierungsjahre in III. Wir
lassen diese Urkunde ain besten unberücksichtigt.
So würde es sich also nur noch um den Bischof Dragobod
und um Dagobert I. handeln. l
Was uns die oben erwähnte Urkunde Nr. 203 der trad.
Wiz. von Dragobodus berichtet, ist wenig genug. Ihm wird die
Schenkung übergeben. Hieraus kann man zweierlei schließen:
entweder ist dieser Dragobodus episcopus damals Abt des Klosters
gewesen, oder es war eine Sedisvakanz eingetreten und der
Bischof war gleichsam Vertreter des Klosters für Rechtsgeschäfte,
Ersteres ist nichts Unwahrscheinliches ; der Bischof wollte seine
letzten Lebensjahre im Kloster verleben und mußte da noch
das Amt des Abtes übernehmen. Letzteres würde zu der An-
sicht passen, daß dieser Dragobodus der Bischof von Speier
war, denn Kloster Weißenburg gehörte zur Diözese Speier.
Entgegen der Meinung Zeuß’, daß der Bischof sich im Kloster
zur Ruhe gesetzt habe, hält Harster? die Annahme für be-
rechtigt, daß derselbe zur Zeit der Schenkung, also im Jahre’
7100, noch im Amte war. Die Möglichkeit, daß er von 688 ab
— er soll von 660 bis 688 Bischof gewesen sein — ins Kloster
ging und dann dort noch Abt wurde, ist aber auch nicht ganz
abzuweisen, und um so mehr wäre dies zu begreifen, wenn das
1 Zeuß, a. a. O.. Nr. 46. — Nr. 38 ist vielleicht noch etwas
älter, aber hier ist die Datierung unsicher.
2 à. 8. O., p. 6.
— eA
Kloster von ihm gegründet war, wie es ja ZeuD aus der Ur-
kunde beweisen will. Bezieht sich aber der Ausdruck «que ipse
pontifex contruxsit» wirklich auf Dragobodus episcopus? Auch
Harster ! mißt demselben keine direkte Beweiskraft bei. Ist er
aber wirklich damit gemeint und als Erbauer des Klosters be-
zeichnet, dann entsteht die Frage, ob er dasselbe während der
ersten Hälfte seines Episkopats (660—688 [vielleicht 700 und
lànger]) erbaut habe oder vor demselben, also vor 660, und ob
er dann vielleicht auch Abt des Klosters war, his er auf den
Bischofsstuhl von Speier berufen wurde, wie dies Rheinwald ?
annimmt. Letzteres wäre für ihn ebenfalls ein Anlaß gewesen,
sich zuletzt nochmals in dieses Kloster zu begeben. Nun han-
delt es sich aber auch darum, ob das «contruxsit» der Urkunde
wirklich von einer Neugründung zu verstehen ist, oder ob
damit nur eine Erweiterung oder Erneuerung einer früheren
Gründung gemeint ist.3 Meiner Ansicht nach kann mit dem
Ausdruck der Urkunde sehr gut daran gedacht werden, dab
der genannte pontifex das monasterium in seiner damaligen
Gestalt erbaut hat, da der ursprüngliche Bau vielleicht verbrannt
war. Also so viel Unklarheiten und Móglichkeiten als Worte in
der Urkunde. Darauf läßt sich unmöglich der Beweis gründen,
daß der Bischof Dragobod von Speier das Kloster gegründet
habe. Entscheidend dürfte sein, daß die ganze Klostertradition
von einem Gründer Dragobod nichts weiß. Immerhin gibt es
noch Geschichtsschreiber, welche Dragobod als Gründer angeben.
Unter diesen Umständen wird sich unser Blick notwendiger-
weise wieder auf Dagobert I. richten müssen. Nachdem sich
die Schwäche sämtlicher Hypothesen gezeigt hat, erscheint mir
die Klostertradition in einem günstigeren Lichte. Man gibt
gewöhnlich auf solche Klostertradition nicht viel, während ich
nicht anstehe, in derselben einen Kern Wahrheit zu finden, -
welcher allerdings mit einer dicken Schale Irrtum und zum
Teil auch Geschichtsfälschung umgeben ist. Wir können ruhig
feststellen: es ist nicht unmöglich, daß Dago-
bert I. der fundator des Klosters ist. Wie dürfen
eben nicht in den Fehler verfallen, welcher fast regelmäßig
! ibid. p. 9.
2 a. a. O., p. 10.
3 Vel. Remling. Gesch. der Bischófe zu Speier I, 171 ff.; Rhein-
wald, a. a. O., p. 10.
— 39 —
gemacht wird, den fundator auch für den Urheber des Kloster-
reichtums zu halten, d. h. diesem Dagobert etwas zuzuschreiben,
was urkundlich auf Pippin zurückgeht.! Die Mönche Weißen-
burgs haben dies absichtlich in ihrer gefälschten Dagobert-
Urkunde getar, um auf diesen beliebten König alles zu kumu-
lieren, aber auch um ihrem Besitz ein um so höheres Alter zu
vindizieren. Die Sache wird sich vielmehr so verhalten, daß
zu der Zeit Dagoberts I., wahrscheinlich aber erst nach 628,
weil er vorher nicht König in Austrasien war, ein frommer
Einsiedler das Kloster stiftete und Dagobert I. ihm Grund und
Boden dafür mit der allernächsten Umgebung, vielleicht das
Stadtgebiet des heutigen Weißenburg, schenkte. Damit können
wir, nach dem mittelalterlichen Sprachgebrauch, Dagobert
als fundator bezeichnen, weil von seiner königlichen
Erlaubnis und ersten Schenkung das Bestehen des Klosters
abhing. Den Hauptaufschwung nahm dasselbe aber erst seit
Pippin, welcher ihm das Mundat schenkte.
Wenn Harster? erwähnt, daß das Kloster schon um die Wende
des siebenten Jahrhunderts einen offenbar großen EinfluB besaß
und bereits zu hoher Blüte gelangt war, daß es aber ohne eine
ausgiebige Unterstützung eines Herrschers niemals so schnell
hätte aufblühen können, wobei er den König Dagobert I. im
Hintergrunde als fundator und donator sieht und die Dagobert-
Urkunde dem Inhalt nach für echt hält, so ist dem entgegen-
zuhalten, daß ja ganz gut Dagobert I. dem Kloster sein be-
sonderes Wohlwollen geschenkt haben kann, daß dies aber
nicht in Form einer großen Länderschenkung zu geschehen
brauchte, daß ferner die 38 bezw. 43 bis zum Jahr 724 zu
Gunsten des Klosters ausgestellten Urkunden auch ohne be-
sonders einwirkende Momente, im besonderen ohne Rücksicht
auf königliche Gunst, zustande gekommen sein können, weil
in jenen Zeiten die Großen und Kleinen im Reiche eine
materielle Beihilfe an ein Kloster für ein außerordentlich ver-
dienstvolles Werk ansahen.
Ueber das Jahr, in welchem die Gründung des Klosters
erfolgte, fehlen uns natürlich alle Quellen.
1 Vgl. z. B. nur die Urkunde Ottos II. von 967, Als. dipl. I,
Nr. 148 (p. 121), Mon. Germ. Dipl. 1I. 1. Nr. 18. |
? a, a. O., p. 8—10.
2. DAS WALDGEBIET DES STRASSBURGER BISTUMS
IM NÖRDLICHEN BREUSCHTAL.
Das Bistum Straßburg besaß aus den Zeiten der ersten
fränkischen Könige, worüber uns indessen eine sichere Ueber-
lieferung fehlt, auf dem linken Ufer der Breusch ein ausge-
dehntes Gebiet, welches, eingeschlossen östlich vom Stillbach
und westlich vom Netzebach, sich vom Breuschufer bis zur
Wasserscheide, welche das Breuschtal von den Tälern der
Mossig, der Zorn und der Saar trennt, erstreckte. Später er-
warb das Bistum auch noch ein großes Stück Gebiet auf dem
rechten Breuschufer,! doch ist hier nur das erstere, eins der
ältesten Stücke des späteren bischöflichen Distrikts Molsheim,
in den Kreis der Betrachtung zu ziehen.
I. Kritik der Quellen.
Es sind uns zwei Urkunden überliefert worden, welche
sich mit diesem Waldgebiete beschäftigen, nämlich 1) eine
Bestätigung Karls des Großen an Bischof Eddo vom Jahre 773,
7. März, 2) eine Bestätigung Ludwigs des Frommen an Bischof
Adaloch vom Jahre 816, 28. August. Grandidier? gibt beide, die
erste angeblich nach einer Abschrift, die zweite nach dem Origi-
nal, beide damals im bischöflichen Archiv zu Zabern. Schöpflin 3
dagegen kannte nur die letztere und veröffentlichte dieselbe in
seiner Alsatia diplomatica, zugleich mit einem, wie die Ver-
ı Vgl Joh Fritz, Das Territorium des Bistums Straßburg um
die Mitte des 14. Jahrh. und seine Geschichte (1885), p. 34 ff.
2 Grandidier, hist. de l'église etc. de Strasbourg, tome II (1778),
pieces justific. Nr. 63 und 91.
3 Schöpflin, Alsatia diplomatica I (1772), p. 65 (Nr. 81).
Cu. duh Xm o
ei AL Se
gleichung mit dem Original ergibt, sehr guten Faksimile. Als
Regest ist die erstere erwähnt im Urkundenbuch der Stadt
StraBburg,! die Regesten beider hat Bohmer.?
Die zweite Urkunde ist unzweifelhaft echt, denn wir be-
sitzen noch das Original derselben, im Bezirksarchiv zu StraB-
burg G. 4. Dieses ist gut erhalten, nur ist das auf der
Vorderseite aufgedruckt gewesene mittelgroße Siegel, welches
schon früher, um es zu halten, mit noch sichtbaren Bindfüden
übernäht war, abgefallen. Betreffs der ersten Urkunde, der
Bestätigung Karls des Großen, war man früher auch nicht im
Zweifel, indem man sich ohne weiteres auf Grandidier, welcher
sie zuerst gebracht hatte, verließ. Auch Böhmer-Mühlbacher
sieht sie im Text seiner Regesten als echt an, im Nachtrag
dazu legt er sie aber als Fälschung fest, im Anschluß an eine
Veröffentlichung H. Blochs,3 welche sich mit den Urkunden-
fälschungen Grandidiers beschäftigt. Bloch hat mit Ueberzeugung
nachgewiesen, daß Grandidier eine ganze Anzahl Urkunden,
welche sich näher oder ferner auf die Geschichte des Strab-
burger Bistums beziehen und welche er aus Abschriften ent-
nommen haben will, selbst hergestellt hat, zumeist unter Be-
nützung vorhandener echter Urkunden. Grandidier stellt sich
damit auf den gleichen Standpunkt wie die Mönche des Mittel-
alters, welche Besitztitel neu herstellten, wenn die alten ver-
loren gegangen waren, nur mit dem Unterschiede, daß Gran-
didiers Fälschungen wirklich den Ton und die Form der Zeit
treffen, aus welcher sie stammen wollen, während die jener
Mönche sich an allerhand technischen und historischen Fehlern
leicht als Fälschungen erkennen lassen, wie es Grandidier selbst.
des öfteren nachweist. So ist denn auch die Bestätigung
Karls des Großen von 773 eine äußerst feine
Fälschung Grandidiers. In der echten Bestätigung
Ludwigs des Frommen von 816 ist nämlich auf eine Urkunde
Karls verwiesen, welche das fragliche Waldgebiet ebenfalls
schon dem Bistum bestätigt hatte. Da Grandidier diese Ur-
1 Bd. I, p. 6 (Nr. 11).
2 J. F. Böhmer, Regesta Imperii Il, nene Ausgabe von Mühl-
bacher, 2. Aufl. 1899 ff., Reg. Nr. 153 und 627.
3 In der Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, Neue Folge,
Bd. 12 (1897), p. 481 ff, wozu auch Bd. 13 (1898), p. 543 ff. zu vel.
i — 42 —
kunde nicht mehr finden konnte, stellte er sie selbst zusammen
und zwar unter Benützung eines Teiles des Wortlautes der
echten Bestätigung von 816. Die Grenzbeschreibung des Wald-
gebietes hat Grandidier in seiner Fälschung wörtlich aus dieser
herübergenommen.
Somit scheidet also die Bestätigung Karls des Großen von
773, 7. März, ohne weiteres aus, und zur näheren Untersuchung
können wir uns nur auf die Bestätigung Ludwigs des Frommen
von 816, 28. August, stützen.
II. Das Historische der Schenkung.
Im Jahre 816 hat also Ludwig der Fromme dem Bistum
Straßburg einen Besitz bestätigt, welchen bereits sein Vater
Karl vorgefunden und bestätigt hatte. Der Bischof Adeloch
hatte ihm vorgelegt! «quandam aucloritatem domni et genetoris
nostri Karoli...... , in qua continebatur insertum, qualiter
quondam locellum nuncupantem Stilla,? quod a longo tempore
per confirmationes regum predicta possidet ecclesia, Rectores
ipsius ecclesie cum judicibus regalibus habuerant intentionem
et predictum locum per loca denominata, id est (folgt die
Grenzbeschreibung), ad partem praedicte ecclesie adquesierunt,
et domnus et genitor noster per eandem auctoritatem ad ipsam
sedem perenniter ad habendum confirmaret etc.» Hieraus geht
hervor, daß auch bereits mehrere Könige vor Karl den Besitz
dieser Oertlichkeiten dem Bistum bestätigt hatten, daß also der
Erwerb derselben in ziemlich frühe Zeiten fallen muß. Ferner
erhellt daraus, daß diese Oertlichkeiten durch königliche
Schenkung an das Bistum gekommen sein müssen. Wann
aber kann diese Schenkung stattgefunden haben? Bietet uns
vielleicht die Form der Abgrenzung des Gebietes einen Hinweis
auf die Zeit derselben ? Offenbar ist sie immer aus einer Be-
slätigung wörtlich in die folgende übergegangen, so daß mit
gutem Grunde anzunehmen ist, daß sie ebenso schon in der
Schenkungsurkunde gelautet habe. ' Jedenfalls weist ihre Form
auf alte Zeit zurück, Nach dem Original hat sie in der Be-
stätigung Ludwigs des Frommen folgenden Wortlaut :
| Ich gebe den Text genau nach dem Original.
2 Böhmer-Mühlbacher liest fälschlich Stella.
Serer tire, ae, *
HUE DASENESLACE E RU Pte meia aree ER ee
— 43 —
‘. s . praedictum locum (se. Stilla) per loca denomi-
nata, id est per regia strata, que pergit super riuolum,
qui dicitur Stilla, super casa Rumminaldi, deinde ubi dicitur
Paphinisnaida, inde totum montem, qui vocatur Arlegis-
bergo', usque ubi riuolus surgit, qui dicitur Hasla, deinde
ubi Uuichia surgit usque quo in Brusca ingreditur,,
inde iterum per longa Brusca, usque dum Stilla intus
ingreditur . . . .2 |
Fritz nimmt an, daß diese Grenzbestimmung aus einer
merowingischen Urkunde herübergenommen
sei und verweist deshalb die Erwerbung des fraglichen Gebietes
in die Tage der Merowinger. Mit Recht erwähnt er, daß sich
ähnliche Absrenzungen häufiger in Merowingerurkunden finden,
in demselben barbarischen Latein. Wir schließen uns dieser An-
sicht durchaus an. Nehmen wir hierzu noch die Angabe der Be-
státigungsurkunde, daß die ecclesia argentinensis das Gebiet
a longo tempore per confirmationes regum be-
saß, so werden wir wohl nicht irre gehen, wenn wir die
Schenkung in die zweite Halfte des 7. saec. setzen,
in eine Zeit, welche überhaupt eine große Anzahl königlicher
Schenkungen gezeitigt zu haben scheint, was sich indirekt aus
dem Bestreben folyern läßt, die Entstehung klösterlichen und
kirchlichen Besitzes mit Vorliebe in späteren Fälschungen ge-
rade diesen Zeiten des 7. saec. zuzuweisen.4
III. Die Begrenzung des Schenkungsgebietes.
Von der Deutung der einzelnen in der Begrenzung ge-
nannten Oertlichkeiten durch frühere Forscher will ich nur
1 Fritz, a. a. O., p. 32, Anm. will Aslegisbergo lesen.
Allein das Original hat klar und deutlich Arlegisbergo.
2 Der Text bei Schöpflin stimmt völlig, der bei Grandidier bis
auf manchmal abweichende Schreibung mit dem Original überein.
* a. a. O.
4 Wie oft wird in solchen Fälschungen der Name des Königs
Dagobert genannt! So führt eine gefálschte Urkunde den Ursprung
des bischöflichen Gebietes im Breuschtal auf eine Schenkung Dago-
berts an den heil. Florentius zurück, wobei wahrscheinlich noch an
Dagobert I. gedacht ist. Dies kann natürlich nie bewiesen werden.
Immerhin kann etwas Wahres darin liegen und wenn auch nicht
grade Dagobert I., so doch Dagobert II. (674—679) ein solch frei-
gebiger Verehrer der Kirchen und Klöster gewesen sein.
we BA. im
anführen, daß man bis in die neuere Zeit nach dem Vorgang
Schépflins und Grandidiers die casa Rummaldi auf Urmatt,
Paphinisnaida auf Lützelhausen oder Nideck, Arlegisbergo auf
Heiligenberg bezogen hat. Ein Blick auf. die Karte zeigt sofort,
daß diese Auslegung, verglichen mit den übrigen Angaben der
‚Grenzbeschreibung, unsinnig ist. Kramer! hat denn auch in
einer eingehenden Untersuchung der Grenzen dieser Schenkung
diese Irrtümer zurückgewiesen. Trotzdem wird in dem Werke
«Das Reichsland Elsaß-Lothringen» in den Artikeln «Heiligen-
berg» und «Urmatt» dieser Unsinn noch angeboten. Kramer
bringt auch genügende Beweise dafür, daß diese Dörfer in jenen
frühen Zeiten, in welche die Schenkung hinaufreicht, und auch
zur Zeit der uns erhaltenen Bestätigung noch gar nicht vor-
handen gewesen sind. Ich kann im allgemeinen auf die ein-
gehende Arbeit Kramers verweisen, welche durch zwei gute
Kartenbilder erläutert wird. Nur im Anfang der Grenz-
beschreibung ist ein Fehler geblieben, welcher aus älterer Zeit
mitgeschleppt worden ist und sogar in Böhmer-Mühlbachers
Regesten nachhallt. Ich muß kurz auf denselben hinweisen.
Man hat immer angenommen, daß unter der regia
strata, que pergit super riuolum, qui dicitur
Stilla, die Breuschtalstraße gemeint sei, welche hinter Dins-
heim den Stillbach überschreitet und auf dem linken Breusch-
ufer weiter ins Tal läuft. per regia strata nimmt nun Kramer
als «quer hinüber über die Straße», läßt also die am Schlusse
der Grenzbeschreibung lings der Breusch ankommende Grenz-
linie diese Breuschtalstraße überschreiten und längs des Still-
baches weitergehen, um von da nach der casa Rummaldi,
welche wahrscheinlich mit dem heutigen Gehöft Münchhof
nordwestlich von Still identisch ist, zu gelangen. Nun ist aber
in der Beschreibung kein Wort davon gesagt, daß der Anfang
der Grenze längs des Stillbaches zieht. Und außerdem ist
die Uebersetzung von «per regia strata» falsch. Denn dies
kann nach dem Sprachgebrauch merowingischer Urkunden
nur heißen «längs der königlichen Strabe»,. so wie auch am
1 Rectification des erreurs topographiques sur quelques endroits
de la vallée de la Bruche. in dem Bulletin de la société pour la
conserv, des monum. historiques d'Alsace, II* Série, tome I (1865),
Mémoires p. 8 ff.
-——
Schlusse per longa Brusca nichts anderes heißt als «längs
der Breusch». Wir müßten also, nach dem Wortlaut der Ur-
kunde, auf dieser Breuschtalstrabe vom Stillbach aus weiter-
gehen. So haben es die älteren Ausleger verstanden und
kamen so dahin, die casa Rummaldi nach Urmatt, und Paphi-
nisnaida nach Lützelhausen oder Nideck zu verlegen. Auf
diese Weise kann man aber niemals dahin kommen, «ubi
riuolus surgit, qui dicitur Hasla», von wo ab die Grenze klar
ist. Also kann die Grenze auch nicht lings der Breuschtal-
straße verlaufen sein. Wir werden deshalb zu der Vermutung
gedrängt, dab mit der regia strata eine ganz andere
Straße gemeint sein muß.
Das ganze Gebiet der Schenkung liegt nórdlich der Breusch.
Da nun der SchluBpunkt der Grenzlinie die Einmündung des
Stillbaches in die Breusch ist, der Antangspunkt aber der
Schnittpunkt einer Straße mit diesem Stillbach, da ferner der
locellus Stilla selbst zu dem Gebiet gehört, welches nachher
per loca denominata beschrieben ist, so ergibt sich : 1) die regia
strata, welche den Stillbach überschreitet, muß nördlich von
Still zu suchen sein, 2) der Stillbach selbst ist, obwohl nicht
besonders erwähnt, die Grenze nach Osten, da an demselben
der Ort Still liegt, 3) die Breuschtalstraße kommt überhaupt
nicht in Betracht. Die Grenze geht also vom Stillbach aus,
nördlich von Still, und führt zum Stillbach zurück, südlich
von Still, bei seiner Mündung in die Breusch. Damit fällt
auch sofort die Angabe bei Bóhmer-Mühlbacher,! welche von
einer «Kónigsstrabe längs des Flüßchens Still» spricht. Doch
welches ist diese regia strata ?
Ins Breuschtal führten zwei Wege. Der eine ist die jetzige
BreuschtalstraDe, der andere kam aus dem Mossigtal und
führte über Balbronn ins Haseltal. Dieser letztere muß die
regia strata sein, und sie hat ihren Namen davon gehabt,
dab sie von dem alten Merowingersitze Kirch-
heim herkam und vermutlich von den die Königspfalz
dortselbst ehedem bewohnenden Königen zur direkten
Verbindung mitdem Breuschtal angelest worden
war. Zur Zeit, als diese Straße schon bestand, war die heutige
Breuschtalstrabe jedenfalls nur ein alter, ausgefahrener Kelten-
12.2. Q.
ze A ee
weg. Diese vermutliche Merowingerstraße, welche wahrschein-
lich auf vorrémischer Grundlage ruhte, zweigt von der heutigen
FahrstraBe Balbronn—Oberhaslach hinter Balbronn als Vizinal-
weg links ab, geht dann als Karrenweg weiter, überschreitet
den Stillbach und die an demselben heraufführende Straße und
zieht direkt auf das Gehöft Münchhof, von wo sie unter dem
Namen «Mittelweg» in derselben Richtung weiterzieht und
wieder in die Straße Balbronn-Oberhaslach einmündet. Da
wir im Münchhof, dessen Name schon auffallend ist, allen An-
zeichen nach die casa Rummaldi vor uns haben, da diese
zum mindesten in dieser Gegend gelegen haben muß, da aber
insbesondere der Münchhof an dieser ebengenannten Straße
liegt, so werden wir in der Tat mit gutem Rechte in diesem
StraBenzuge die regia strata der Urkunde erblicken können.
Dann hat auch die Grenzbeschreibung ihren Sinn: per
(längs) regia strata, que pergit super riuolum,
qui dicitur Stilla, super casa huminaldi. Dann
brauchte am Schlusse der Grenzbeschreibung, wo es heißt «usque
dum Still intus (sc. in Brusca) ingreditur» nicht mehr be-
sonders hinzugefügt zu werden, dal die Grenze nun dem Still-
bach nachgehe bis zum Ausgangspunkt ; dieser FluBlauf war
selbstverständlich, und selbstverständliche Teile der Begrenzung
fehlen in diesen alten Urkunden immer.
Was die Deutung der übrigen Oertlichkeiten der Urkunde
anlangt, so hat Kramer offenbar das Richtige getroffen ; ich
verweise deshalb auf seine Untersuchung. Nur einiger Be-
merkungen bedürfte es noch.
1. Paphinisnaida ist, wie es Kramer gedeutet hat,
mit größter Wahrscheinlichkeit der Pfaffenlappenfels nordöstlich
von Oberhaslach. Der Bach, an welchem der Münchhof liegt,
weist mit seinem Ursprung direkt auf diesen Felsen hin, und
deshalb ist möglicherweise dieser Bach die Fortsetzung der
Grenze gewesen. Paphinisnaida selbst nun nimmt Kramer für
eine Latinisierung von «Pfaffen-Schneide» und erklärt es, in
Anlehnung an eine ihm bereits vorliegende Erklärung, als eine
im Besitze der Pfaffen, einer adeligen Familie, welche dort
große Güter hatte, befindliche «Waldblöße (Holzschlag)». Diese
Erklärung ist doch sehr gewagt, allein schon wegen der darin
liegenden Anachronismen. Sollte es wirklich im 7. saec. schon
eine Adelsfamilie gegeben haben, welcbe den Beinamen «die
ux. i-um
Pfaffen» führte, zu einer Zeit, in welcher es nur Vornamen
gab und die Adeligen sich noch nicht einmal nach ihrem
Wohnsitz nannten? Meiner Ansicht nach hat der Ort seinen
Namen, falls derselbe überhaupt auf das Wort «Pfaffe» zurück-
zuführen ist, von Einsiedlern getragen, welche, wie der Name
casa Rummaldi verrät, in dieser Gegend gesessen hatten, noch
bevor der heilige Florentius dorthin kam. snaida ist nicht
latinisiert, sondern rein germanisch und bezeichnet viel rich-
tiger einen inscharfem Winkel ins Talschneiden-
den Bergesvorsprung oder eine solche Felsenmasse. In
diesem Sinne kann der Name dem heutigen Pfaffenlappenfelsen
gegeben worden sein. Diese letztere Benennung hat mit
Paphinisnaida nicht das Geringste gemeinsam, sondern sie ist
auf die Familie der Pfaffenlapp von Still zurückzuführen, in
deren Besitz der Felsen sich befunden haben mag, und stammt
erst aus dem späteren Mittelalter.
2. Arlegisbergo, welches fälschlich mit Heiligenberg
identifiziert wird, ist nach Kramer der Ringelsberg, welcher
vom Pfaffenlappenfels westlich liegt und durch ein Tal von ıhm
getrennt ist, mitsamt den von da aus nach Westen ziehenden
Höhen bis zur Haselquelle. Er nimmt ferner an, daß «Arle-
gisbergo» und «Ringelsberg» durch einen Abschreiber ver-
schrieben sei. Was letztere Annahme betrifft, so bestreitet
Fritz? diese Möglichkeit, hält es vielmehr für denkbar, daß
«Aslegisbergo» zu lesen sei und daß man an einen Zusammen-
hang mit Haslach denken könne. Die Beziehung auf Haslach
wäre etymologisch trotzdem sehr gewagt. Ich habe früher
ebenfalls an ein Verschreiben aus «ralegisbergo» oder «rilegis-
bergo» geglaubt, was, da die Bestätigung von 816 ja einfach
die Grenzbeschreibung aus einer früheren Bestätigung abge-
schrieben hat, denkbar ist; damit könnte dann der Ringels-
berg gemeint sein. Allein nach der ganzen Sachlage kommt
der einzelne Hóhenzug, welcher heute Ringelsberg heißt, bei
der Grenzbeschreibung gar nicht in Frage, sondern vielmehr
die dahinterliegenden Höhen insgesamt. Der Ringelsberg fällt
wohl in die Schenkung, aber in die Grenzlinie fällt er nicht.
Man könnte höchstens annehmen, daß er, wenn auf ihn der
Name «Arlegisbergo» zutreffen sollte, diesen Namen auf das
l a. a. O., p. 32, Anm. 2.
Wt
ganze hinter ihm liegende Bergmassiv übertragen habe. Jeden-
falls aber scheidet der Ringelsberg als solcher aus der Grenz-
linie aus. Daß mit Arlegisbergo die Höhen dahinter mit ge-
meint sind, nimmt auch Kramer an. Einen Fehler macht er
aber, indem er den Pfaffenlappenfelsen auferhalb der Grenz-
linie liegen und diese durch das Ringelstal, zwischen Ringels-
berg und obigem Felsen, durchziehen läßt. Der Felsen
Paphinisnaida ist vielmehr selbst schon ein Teil des Hóhen-
zuges Arlegisbergo, er ist der äußerste östliche Punkt desselben ;
von ihm aus geht die Grenze direkt auf der Hóhe über den
Pandurenplatz nach dem Urstein (947 m), entsprechend dem
Lauf der heutigen Kantonsgrenze, so daß sämtliche linksseitige
Nebenflüsse der Hasel inbegriffen sind. Sie verläuft also auf
der Wasserscheide zwischen Mossig und Hasel. Vom Urstein
braucht man alsdann nur der Bezirksgrenze zu folgen, welche
auf dem Kamm zur Haselquelle führt. Dieser ganze
Höhenzug, vom Pfaffenlappenfelsen an (diesen einschlieBend)
über die Kantons- und Bezirksgrenze ziehend, bis zur
Haselquelle heißt in der Grenzbeschreibung
Arlegisbergo.! Von da an führt die Grenze auf dem
Kamm weiter bis zur Quelle der Wichia, des Netzebaches,
und von da an ist dann kein Irrtum in der Grenzbestimmung
mehr möglich.
Fügen wir diese Zusätze und Erklärungen zu den Fest-
stellungen Kramers hinzu, so ist das Gebiet der Schenkung
wohl endgültig festgelegt.
| Fritz, a. a. O., sieht in Arlegisbergo fálschlich den Bergwald
zwischen Still und Haslach. |
m
e.g, ee =
3. DIE SCHENKUNG KARLS DES GROSSEN AN KLOSTER
LEBERAU.
Diese am 14. September 774 erfolgte Schenkung ist erst
kürzlich von Wiegand! zum Gegenstand einer eingehenden
Untersuchung gemacht worden, so daß hinsichtlich der Kritik
der Quellen nichts mehr, hinsichtlich der Abgrenzung der
Schenkung nur wenig zu sagen übrig bleibt. Da ich nun in
einem wesentlichen Punkte eine andere Deutung der Grenz-
linie für möglich halte, sei es mir gestattet, diese Möglichkeit
in Kürze zu berühren und dabei noch einige wenige ergänzende
Bemerkungen zu machen. Auch nehme ich die Gelegenheit
wahr, auf Grund zweier urkundlicher Notizen, welche mir ge-
legentlich zu Gesicht gekommen sind, die bei dieser Schenkung
in Frage kommende sog. Marca Quuningishaim einer kurzen
Betrachtung zu würdigen.
Der Schwerpunkt der Feststellung Wiegands liegt darin,
daß der Höhenzug, auf welchem die Kaiserveste Hohkönigsburg
sich jetzt zu neuer Pracht erhebt, der Stophanberch
der Urkunde, in das Gebiet der Schenkung fäilt. Die
Grenze soll ostwärts um denselben herumziehen und sich
bis an den nach Orschweier zu fließenden Bach erstrecken,
welcher mit dem Stagnbach der Urkunde gemeint sein
soll. Von da an gibt es keine deutliche Fortsetzung der
Grenze, sondern man muß versuchen, auf irgend einem un-
bekannten Weve in die Nähe einiger auf dem südlichen Ufer
der Leber liegenden Marken und dann längs derselben zu dem
an diesem Südufer anzunehmenden Punkte Deophanpol
1 Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, N. F., Bd. 20 (1905),
p. 525 ff.
HERR. 4
i BO, m
zurückzugelangen. Wiegand meint, daB die Grenzbeschreibung
hier im Stich lasse. Doch warum sollte dieselbe auf einmal
versagen, da sie doch sonst so klar gewesen ist? Dies legt
mir die Vermutung nahe, daß wir auf falscher Fährte be-
griffen sein kónnten. In der Tat kommt man auf diese Weise
niemals korrekt nach Deophanpol, wo doch die Grenze endigen
muß, zurück. Man müßte denn annehmen, daß die in der
Beschreibung genannten Marken Riuadmarca, Garma-
ringa und Otelinga (Odeldinga) sich vom Südufer der
Leber über die vorgelagerten Gebirgsrücken hinaus bis in die
Illebene erstreckt haben; dann allein könnte längs derselben
die Grenze zurücklaufen. Allein diese Annahme ist meines
Erachtens ebenso unrichtig wie die Annahme Degermanns, 1
welcher diese Marken samt Deophanpol an die Ill in die Nähe
von Gemar und Orschweiler verweist, was auch Wiegand als
falsch erklärt. Die Aehnlichkeit der Namen Garmaringa
und Gemar, Odeldinga und Audaldovillare 2
Riuadmarca und Ried3 ist auffallend, aber doch nicht
Veranlassung genug, sie für identisch zu erklären. Denn eine
Identität könnte man höchstens für Odeldinga und Audaldovillare
feststellen, was aber auch noch nicht beweist, daß beides das-
selbe ist, denn der erste Eigentümer des Herrenhofes Audal-
dovillare kann ganz gut denselben Namen wie der Ahnherr
der Sippe der Odeldinger geführt haben, ohne identisch sein
zu müssen. Wir müssen auch daran denken, daß sich die äl-
testen Marken und Gaue — und nur um solche älteste Marken
kann es sich handeln — stets an einen Wasserlauf (Haupt-
oder Nebenlauf) anklammern und ihre natürliche Grenze in
den das Tal des Wasserlaufes umsäumenden Höhen (Wasser-
scheiden) finden. Liegen die Marken am Ufer der Leber, wie
wenigstens für die beiden ersten nach der Grenzbeschreibung
durchaus feststeht, dann waren die ziemlich bedeutenden
Hóhenzüge südlich des Lebertales ihre Grenze. Da es sich
ferner, wie die auf «-ingen» endigenden Namen der beiden
erstgenannten Marken angeben, urn Besitz einzelner Edlen und
1 Mitteilungen der Gesellsch. f. Erhaltung der gesch. Denkm.
im Elsaß, 2. Folge, XV (1802), p. 310.
2 St. Pilt, jedenfalls auch etymologisch nicht = Orschweiler.
3 Die Riedgegend an der Ill bei Gemar, auch Gemeinmark ge-
nannt, welche jetzt unter die anstoDenden Gemeinden aufgeteilt ist.
cust EU ens
ihrer Sippe handelt, und solche Sippenniederlassungen nie über
den Umfang eines großen Dorfbannes hinausgegangen sind, so
kónnen wir auch deshalb einer Ausdehnung über das Gebirge
hinaus nicht das Wort reden. Und wahrscheinlich ist auch
in Riuad-marca ein Eigenname enthalten — wir kennen
trotz Foerstemann noch viele alte Eigennamen nicht —, so
daß von dieser Mark dasselbe gelten wird. Aus diesen Grün-
den scheint es mir sicher zu sein, daß diese Marken nördlich
des Hóhenzuges Stophanberch gelegen haben; jedenfalls ist das
Gegenteil nicht bewiesen. Ist dies aber der Fall, dann kann
die Grenze des dem Kloster geschenkten Gebietes nicht östlich
um den Stophanberch herumgegangen sein. Oder es müßte, weil
die Grenze alsdann wieder über das Gebirge zurück muß, in
der Grenzbeschreibung unbedingt ein dies andeutender Passus
vorkommen, welcher in der Sprache jener alten Karolingerur-
kunde etwa lauten würde: «inde (sc. de Stagnbach) ad monte
de alio latere Stophanberch, et inde per Riuadmarca etc. usque -
in Deophanpol». Davon ist aber kein Wort gesagt.
Lassen wir auf diese Weise das Klostergebiet nördlich des
Stophanberch endigen, dann wird es vielleicht auch erklàrlich,
weshalb das ursprünglich für St. Pilt ausgestellte Diplom 1
nachher Leherau zugute kam. St. Pilt konnte mit dem ziem-
‚lich entfernt liegenden umfangreichen Gebiet nichts anfangen,
weil es nicht an sein Gebiet angrenzte, und deshalb schuf
Fulrad inmitten des weiten ihm geschenkten Lebertales sein
neues Kloster Leberau.
Ist nun aber unsere Annahme richtig, dann kann auch
der Ausdruck sub integritate ipsius monte nicht =
cum omni integritate montis sein. Letztere Deutung
hat Mühlbacher gegeben,? nennt aber den Ausdruck einen für
diese Zeit ganz ungewóhnlichen. Also ist damit eine andere
Deutung nieht ausgeschlossen. Ich móchte nun auf folgende
Móglichkeit hinweisen, namlich das su b lokal zu fassen =
unten an, und integritas in dem diesen Urkunden
eigentümlichen Sinne von Gesamtheit, Ganzes. Dann
würde sub integritate ipsius monte bedeuten:
unten am Massiv desgenannten Berges. Damit
1 Vel. den Nachweis bei Wiegand, a. a. O., p. 524 ff.
2 ibid. p. 547, Anm. 2.
— 52 —
würde dann das Wort radices korrespondieren ; die Grenze
geht nur usque radices Stophanberch, berührt also.
den eigentlichen Berg nicht. Setzt man nun noch hinter
Stophanberch ein Komma, so daß dadurch deutlich wird, daß
mit «per valle» eine neue Etappe der Grenzlinie beginnt,
welche von den radices Stophanberch bis Stagnbach geht, dann
liegt, da sich die Grenzlinie nach Deophanpol zurückdreht,.
nichts näher, als von diesem Punkte, von den radices
Stophanberg an dieselbe zurücklaufen zu
lassen. Dies wäre nicht gegen den Wortlaut der Grenz-
beschreibung. Die Grenze würde also im Tale des Audenbach.
(heute Saarbach)t ankommen und bis an den Fuß des Hoh-
königsberges laufen, dann aber in einem Winkel sich zurück-
drehen, um per valle, d.h. der Tallinie nach, his
Stagnbach zu ziehen. Unter der Tallinie kann natürlich nur
die der Leber verstanden werden, weil die Grenze doch nicht
im Tal des Audenbach sofort wieder zurücklaufen kann. Doch.
wo wäre dann Stagnbach zu suchen ? Ein Blick auf das
Meßtischblatt zeigt, daß vom Fuße des Hohkönigsberges eine
in fast gleichbleibender Höhe am Bergeshang hinziehende
Straße das Lebertal aufwärts geht bis an einen Walddistrikt
«Thimbach», von wo aus sich das Thimbachtal nach der Leber
hin öffnet und östlich von St. Kreuz mündet. Da nun nach ©
Wiegand der Ort Deophanpol in der Nähe von St. Kreuz zu
suchen ist, so ist es sehr wahrscheinlich, daß mit dem Stagn-
bach, von wo aus es nach Deophanpol zurückgeht, der Thim-
bach gemeint sei. Die Verwandlung des «Stagnbach» in
«Thimbach» wäre unter einer germanisch und romanisch-
keltisch gemischten Bevölkerung, wie solche das Lebertal hatte
und noch hat, nichts Unmögliches. Vielleicht ist aber auch
mit diesem «Stagnbach» kein Bach, sondern ein Ort gemeint.
gewesen, welcher dann etwa am obersten Lauf des Thimbachs,
in dem obengenannlen gleichnamigen Walddistrikt, gelegen
haben könnte. Fassen wir es als einen Bachnamen, dann:
hätte es, wenigstens im 15. saec.,? bei Orschweiler einen Bach
desselben Namens gegeben, weswegen man ja diesen in unserem
Stagnbach sehen will ; doch warum sollte es nicht zwei Bäche
1 ibid. p. 546, und in dieser Abhandlung p. 54 f.
2 ibid. p. 546, und daselbst Anm. 3.
gleichen Namens in nicht zu großer Entfernung voneinander
gegeben haben, da doch gerade dieser Name für viele Gebirgs-
bäche am Platze ist, zumal auch beide ganz verschiedenen Fluß-
systemen angehören (Leber und Ill)? — Zieht man die Grenze
auf diese Weise, dann gelangt man auf ganz natürlichem Wege
wieder in die Nähe der Marken, an welchen auf dem Hinweg
nach Deophanpol das Lebertal herab die Grenze entlang ging.
Neu hinzu kommt die Riuadmarca, welche, während die beiden
andern, Garmaringa und Otelinga (Odeldinga), die Laimaha
berührten, im Rücken derselben am Bergeshang gelegen haben
wird. Die Grenze bewegt sich also von Stagnbach, sei dies
nun der Thimbach an seiner Quelle oder ein dort liegender
Ort, an der Grenze dieser drei hintereinander liegenden Marken
entlang (per) nach Deophanpol. Wir würden uns so nur nörd-
lich des in Frage kommenden Höhenzuges bewegen, aber die
Grenze wäre klar und verständlich. — Diese Möglichkeit
glaubte ich wenigstens andeuten zu müssen, auch wenn man
sich nicht für dieselbe entscheiden wollte. Jedenfalls
würde von hier aus auf die sowohl von Degermann! als von
Wiegand betreffs des sog. Gefürste angeführten Quellen und
auf die «daraus sich ergebenden Besitzrechte, welche z. TI.
heute noch in Frage kommen, ein ganz besonderes Licht fallen,
so daß es sich doch wohl lohnen dürfte, obige Möglichkeit in
Erwägung zu ziehen.? Ich halte es endlich auch für sehr fraglich,
ob ein König jemals einen solchen strategisch wichtigen Punkt,
wie den Berg der Hohkönigsburg, welcher allem Anschein
nach schon den Vorgängern der Franken der Befestigung wert
geschienen hatte und welcher zum Schutz des königlichen
Fiskus so günstig gelegen war, aus seinen Händen gegeben
haben würde. Andererseits war es aber natürlich, daß die
Klosterherren von Leberau diesen Berg gern besessen hätten, weil
er den Eingang in ihr Tal beherrschte, und daß sie deshalb bei
Streitigkeiten die Schenkungsurkunde in ihrem Sinne deuleten.
l a. a. O. |
2 Die Notiz des Odo de Deogilo betreffs des «castrum Estufin»
lasse ich vorlüufig beiseite, da sie sehr unklar und noch nicht end-
gültig erklärt ist. Ist wirklich mit Estufin dasselbe gemeint wie
mit Stophanberch, dann würde die Stelle, entsprechend unserer
Annahme, einen anderen Sinn haben, als man ihr jetzt gibt und auch
auf sie ein Licht fallen. Vgl. Wiegand, a. a. O., p. 534 f.
Zur Ergänzung der Arbeit Wiegands habe ich noch Fol-
gendes hervor zuheben :
1. Daß Bobolinocella nicht mit dem heutigen Wanzel
identifiziert werden kann, ist trotz der etymologischen Aehnlich-
keit beider Namen klar, da diese cella nach dem ausdrück-
lichen Zeugnis der Grenzbeschreibung de una parte Lai-
maha, also am Ufer des Baches lag. Wiegand gibt als
Grenzpunkte, zwischen welchen der Ort dieser cella zu suchen
sein werde, Leberau und den Bahnhof Wanzel an. Ich glaube,
daß man genauer sagen kann : Bobolinocella hat da gelegen,
wo gegenüber auf dem rechten Ufer das Leberauer Gebiet
endigte, also da, wo gegenüber der Audenbach in die Laimaha
floB. Zur Begründung diene Folgendes. Nur durch zwei
gegentiberliegende Punkte des Wasserlaufes der Lai-
maha konnte das dem Abt von Leberau durch die Schenkung
offenbar gewäbrte Wasser-, Mühlen- und Fischereirecht in der
Leber genau abgegrenzt werden; erstreckte sich aber an dem
einen Ufer die Grenze über die des anderen Ufers hinaus, dann
war diese Abgrenzung schwierig, zum Teil unmöglich, und
eine Quelle fortwährenden Streites mit den angrenzenden Be-
rechtigten. Daß aber die Schenkung dem Kloster das Wasser-
recht, und was damit in Zusammenhang steht, in dem ganzen
Lauf der Leber bis zu einem gewissen Punkte, nämlich bis
zum Audenbach, sichern wollte, geht daraus deutlich hervor,
daß die Grenze da, wo sie vom First des Gebirges nördlich
der Laimaha ins Tal geht, ausdrücklich de ambas ripas
Jauft, also die ganze Breite des Wasserlaufes bis ans südliche
Ufer einschließt, auch da, wo auf diesem südlichen Ufer gar
kein Land geschenkt wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat
also Bobolinocella mit dem Audenbach korrespondieren müssen,
und wenn wir den Audenbach festlegen können, dann ist da-
mit der Anhaltspunkt für die Lage von Bobolinocella gewonnen.
Das «Reichsland Elsaß-Lothringen»! sieht ihn in dem Vautembach.
Da dieser aber westlich von Leberau mündet und ınan auf dem-
selben niemals ad radices Stophanberch gelangen kann,
wie es doch der Text erfordert, so ist diese Annahme falsch.
Nach einem von Wiegand angezogenen Aktenstück von 1435?
1 Ortsbeschreibung P. 063 (sub «Leber»).
? Vgl. Aum 1, pag.
ist damit vielmehr der Saarbach gemeint, welcher dort
Saherbach genannt wird. Dieser entspringt auch an dem
die Hohkönigsburg tragenden Rücken. Demnach werden wir
Bobolinocello der Mündung des Saarbaches
gegenüber ans linke Ufer der Leber verlegen.
2. Nach Wiegand sind mit den verschiedenen Rumbach
nur die Flußtäler gemeint, nicht die heute noch so be-
nannten Ortschaften. Wäre dies aber der Fall, dann hätte
die Grenze von Nannenstol, welches auf der Berghöhe östlich
von Deutsch-Rumbach zu suchen sein wird, direkt nach dem
First der Vogesen, der heutigen Landesgrenze, ziehen müssen,
um wirklich die Täler in sich zu begreifen. Allein erst nach
dem dritten Rumbach geht es über Achinisragni nach dem
First (in fersta) des Gebirges. Außerdem wäre dann nicht
nötig gewesen zu erwähnen, daß die Grenze von Nannenstol
den Berg herab (de monte), von dem ersten Rumbach wieder
hinauf gehe und so fort. Die Erklärung wird nur dann der
Grenzbeschreibung gerecht, wenn man in den drei Rumbach
die drei Ortschaften dieses Namens sieht, denn
um zu diesen zu gelangen mußte man allerdings jedesmal den
zwischenliegenden Höhenzug überwinden. Noch heute sind
diese Orte durch Wege (teils Straßen), welche direkt über den
Berg ziehen, miteinander verbunden, und es hat keinen An-
stand, in diesen Verbindungswegen die Grenzlinie zu erblicken ;
in vielen alten Grenzbeschreibungen sind selbstverständliche
Wege nicht besonders erwähnt, wenn die Grenze denseiben
entlang lief.
Noch ein Wort über die marca Quuningishaim.
Man deutet es allgemein auf Kinzheim bei Schlettstadt. Wir
kennen nun aber eine Urkunde vom 18. Marz 877, in welcher
die Aebtissin Berchta an das Kloster St. Felix und Regula in
Zürich ihre von Lothar II. erhaltenen Besitzungen im Elsaß
tradiert, in villis nuncupantibus ad Sletestat, et Cones-
heim, ac Chuningesheim, Altheim et Charoltespach.!
1 Grandidier, hist. de d’égl. de Strasb., piéces justific. Nr. 142,
angeblich nach dem Original. Neuester Druck im «Urkundenbuch
der Stadt und Landschaft Zürich», Bd. I (1888), Nr. 131, welches
zwei Kopien benutzt hat; eine ist eine gleichzeitige auf Pergament,
in welcher man nach dem Urkundenbuch das Original vermuten könnte,
Schon aus der Stellung der Namen läßt sich vermuten, daß
Conesheim mit Kinzheim bei Schlettstadt, dagegen
Chuningesheim mit Kienzheim bei Kaysersberg
identisch sei, während Grandidier und, auf diesen sich stützend,
das Züricher Urkundenbuch grade das Umgekehrte annehmen.
‘Auf der Rückseite der hier benutzten aus dem 12. saec.
stammenden Kopie dieser Urkunde (das Original ist nicht vor-
handen) findet sich die vermutlich im 12, saec. hinzugefügte
Notiz, daß die homines infeodati de praedio super
Ekkenbach locum habente in kirchlicher Hinsicht von
dem plebanus der villa Chonshaim versehen werden
sollen, wofür sie die Zehnten dorthin geben. Durch diese
Notiz wird klar und deutlich erwiesen, daß Conesheim,
Chonshaim=Kinzheim bei Schlettstadt, also Chunin-
gesheim = Kienzheim bei Kaysersberg ist. Die Be-
stätigung dieser Schenkung durch Karl den Dicken vom
24. März 8781 hat dieselbe Reihenfolge der Namen. Die Be-
stätigung derselben Urkunde durch Otto den Großen von 9523
hat zwar die Reihenfolge Slezzistat — Cuningesheim (Cuninges-
stat ist Abschreibefehler) — Alteim— Coneshein, aber dies be-
weist nichts gegen obige Deutung, weil doch nur dieselben
Orte gemeint sind. Eine weitere bemerkenswerte Urkunde
bietet sich uns in der Urkunde von 14105,3 in welcher Herzog
Friedrich II. von Schwaben eine Schenkung seiner Familie
an St. Fides in Schlettstadt bestätigt. In derselben kommt der
Passus vor: Preterca apud villam, que Kunesheim
nuncupatur, dederunt homines etc., tali modo, quod om-
nes, quiinterritorio Regisvillae manerent,..
medietas illorum Slettstat servire (sc. debent),
welche aber sicher Kopie ist, weil sie Abschreibefehler hat; die an-
dere ist eine Kopie aus dem 12. saec. und stimmt mit dem Text bei
Grandidier überein. Grandidiers Gewährsmann hat letztere für das
Original angesehen.
1 Grandidier, a. a. O., Nr. 143. Züricher Urkundenbuch I, Nr.
135 nach dem Original. Die Datierung ist nach «Bóhmer-Mühlbacher,
Regesta imperii 1 (1889)» Nr. 1543 (p. 612); Grandidier verlegt die
Urkunde ins Jahr 877.
2 Grandidier, hist. d'Alsace, pieces justifie. Nr. 268 = Würdt-
wein, nova subsidia diplom. III, Nr. 89. Züricher Urkundenbuch I,
Nr. 201. Mon. Germ. Dipl. I, Nr. 146 nach dem Original.
3 Grandidier, a. a. O., Nr. 546.
— 57 —
alteraque Regisvillae. Hier ist offenbar Kunesheim
und Regisvilla dasselbe, und beides geht auf Kinzheim bei
Schlettstadt.! Wir besitzen nun eine Reihe von Urkunden, in
welchen, wie man es gewöhnlich deutet, Chunigesheim auf
Kinzheim gehen könnte, und andererseits solche aus späterer
Zeit, in welchen Koensheim, Consheim, welches wir für Kinz-
heim in Anspruch nehmen, sicher auf "Kienzheim hinweist.?
Wir kennen auch Urkunden, bei welchen man in der Deutung
schwanken kann.3 Wenn nun wirklich der Name Chuniges-
heim in gewissen Urkunden auf Kinzheim bei Schlettstadt zu
beziehen ist, andererseits aber dieser Ort in den zuerst ge- '
nannten Urkunden mit Chonsheim, Conesheim und Kunesheim
‚bezeichnet wird, welches man später nur auf Kienzheim be-
zieht, so geht zum mindesten daraus hervor, daß die Bezeich-
nungen zu gewissen Zeiten schwankten und man allmählich
nicht mehr scharf zwischen Chonesheim und
Chunigesheim unterschied, was mir auch daraus
hervorzugehen scheint, daß in der Urkunde von 1105 Kunes-
heim mit Regisvilla übersetzt ist, als ob es von «kunig»
= rex) käme und mit Chunigesheim zusammenhinge. Mir
scheint nach allem. mit Chunigesheim (Quuningis-
haim) ursprünglich nicht Kinzheim bei Schlettstadt, sondern
Kienzheim bei Kaysersberg gemeint zu sein, um so
mehr sieh dieser Ort gerade deshalb als kónigliches Fiskalgut
betrachten läßt, weil später in seiner Nähe die kaiserliche Burg
Kavsersberg errichtet wurde. Ferner hat Kinzheim bei Schlett-
stadt meines Erachtens mit «kunig» gar nichts zu tun, sondern
leitet seinen Namen Conesheim, Chonshaim, Kunesheim von
dem Eigennamen Chono, Chuono ab. Weil es nachher
1 Grandidier deutet es hier auch auf Kinzheim, ist also nicht
konsequent.
2 Als. dipl. I, Nr. 111 = Grandidier, hist. de l'égl. II, Nr. 145;
Grandidier, hist. d'Als.. Nr. 271 = Wiirdtwein, nova subs. dipl. HI,
Nr. 90 = Mon. Germ. Dipl. I, Nr. 157; Als. dipl. I. Nr. 138 = Gran-
didier, ibid. Nr. 273 = Würdtwein III, Nr. 92 = Mon. Germ. Dipl.
I. Nr. 163; Als. dipl. 1, Nr. 157 = Grandidier, ibid. Nr. 359; Gran-
didier, ibid. Nr. 3*6; Als. dipl. I. Nr. 263, 350. Ferner: Als. dipl. II,
Nr. 808, 892, 989, 1574, 1375, 1498.
3 Z. B. Schannat, corpus trad. Fuld. Nr. 75 u. 76 = Als. dipl.
I, Nr. 117 = Grandidier, hist. d'Als. Nr. 89 u 90; Grandidier, ibid.
Nr. 436; Als. dipl. I, Nr. 99 = Grandidier, hist. de l'égl. II, Nr. 117;
Als. dipl. Il, Nr. 685; II, Nr. 778.
— p8 -c
ebenfalls im königlichen Besitz erscheint, legte man den Namen,
dessen Abstammung man vergessen hatte, dann so aus, als
wenn er aus «Chunigsheim» verkürzt wäre, woraus dann die
lateinische Uebersetzung «Regis villa» resultierte. Andererseits
wäre Chunigesheim infolge schlechter Aussprache mit der Zeit
zu Koensheim, Cónsheim, Kunsen (in Urkunden des 13.— 15.
saec.) geworden. Aus den zuerst angeführten Urkunden er-
gäbe sich aber das Richtige und Ursprüngliche, daß nämlich
die marca des fiscus QuuningishaimaufkKienz-
heim zu beziehen wire, dab diese kónigliche Mark
- also nicht nur das Tal der Weiß, sondern auch das der Leber und
damit auch alles zwischen diesen beiden Tälern nach der Ill-
ebene zu liegende Gebirgsland umfaßte, und daß endlich Kinz-
heim bei Schlettstadt vielleicht gar nicht ursprünglich zu dieser
Kónigsmark gehórt hat. Ich wage jedoch nicht, ein endgültiges
Urteil zu fallen, sondern möchte hiermit nur eine nähere Unter-
suchung angeregt haben.
4. DIE SCHENKUNG LUDWIGS DES FROMMEN AN DAS
KLOSTER MUNSTER IM GREGORIENTAL, VOM JAHR 823.
Im Jahre 823 schenkte Ludwig der Fromme dem Kloster
Münster, welches in jener Zeit als «monasterium S. Gregorii,
quod alio nomine Confluens vocatur»! erscheint und damals
vielleicht 150 Jahre bestand, ein dem Kloster benachbartes Ge-
biet auf dem südlichen Ufer der Fecht, welches ausreichend
war, die Bedürfnisse an Bau- und Brennholz, Streu und
Eckericht zu decken.
Die Urkunde ist bei Schöpflin 2 und Grandidier 3 gedruckt,
ebenso finden wir sie in dem Werke Dom Calmets, welches
erst neuerdings im Druck veröffentlicht worden ist,4 und in
dem Werke von Ohl. Die drei erstgenannten haben das
Original, damals im Archiv des Klosters, vor sich gehabt; ob
auch Ohl, ist zweifelhaft. Die Texte haben nur geringe Ab-
weichungen untereinander. Unzuverlässig ist der in Lünigs
Teutschem Reichsarchiv, Bd. XVIII, p. 364 und Bd. XIX,
p. 1097, veröffentlichte Wortlaut, und besonders der an
zweiier Stelle wiedergegebene Text scheint aus einer späteren
und sehr schlechten Abschrift herzustammen, da er auch ein
Stück ausläßt. Ich gebe den Text, indem ich die Rezension
—
1 So in unserer Urkunde. S. Gregorius ist der Papst Gregor d.
Gr., dessen Schüler das Kloster gegründet bezw. sich zuerst in dorti-
ger Gegend angesiedelt haben sollen. Confluens heißt es, weil
es am Zusammenfluß der Fecht mit dem Hauptnebenfluf) lag; es ist
das Koblenz des Münstertales.
? Als. dipl. I, p. 69 (Nr. 85).
3 Grandidier, hist. d'Alsace I, pieces justif. Nr. 144.
* Histoire de l'abbaye de Munster, textes inédits de Dom Cal-
met, par F. Dinago (1882), p. 51 f.
5 L. Ohl, Gesch. der Stadt Miinster und ihrer Abtei im Grego-
rental (1897), p. 41, Anm.
==, 260: eke
Calmets, welche mir die gelreueste scheint, zu Grunde lege.
Die hier in Betracht kommenden Worte der Schenkung lauten :
. partem quandam de foreste . . . . que ad fiscum
nostrum nomine Columbarium aspicere vel pertinere
videtur . . . . id est per locum, ubi Breidembach? rivolus
jn Fachinam confluit, sursum usque ad locum, ubi ipse
rivolus surgere incipit, deinde per semitam, quae nomi-
natur Isneida,P usque ad montem, qui appellatur Suuar-
zumberg,* deinde per eundem medium montem usque ad
lapidem magnum, qui jacet ad radicem montis, et inde
usque in Fachinam.
a) Sch. u. Grand.: Breydembach. Bei letzterem fehlt auch
rivolus. Lünig, Bd. XVIII: Bredembach. Bd. XIX: Breiten-
bach. b? Lünig, Bd. XIX: isneiuda. c) Sch : Suuartzimberg,
Grand.: Schwartzimberg, Calmet: Swarzumberg, Ohl: Schwar-
zumberg. Lünig, Bd. XVIII: Suuartzimberg, Bd. XIX: War-
temberg.
Die Grenzlinien dieses Gebietes stehen im allgemeinen fest,
auch haben die Historiographen Münsters sich gelegentlich der
Erwähnung der Schenkung mit dem Gebiet derselben beschäf-
tigt, aber doch sind noch immer kleine Nebenfragen unerledigt,
und zu deren möglichst enue Beantwortung soll Gegen-
wirtiges beitragen.
Die Grenze beginnt an der Fachina, der Fecht, und zwar zieht
sieper locum, übiBreidembacisdvolusin Fachi-
nam confluit, sursum usque ad locum,ubi ipse
rivolus surgere incipit, d. h. von dem Orte, wo der
heute noch Breitenbach genannte Bach sich mit der Fecht
vereinigt, geht sie entlang (per), nämlich des Breitenbachs,
und geht demselben aufwärts nach (sursum) bis zu dessen
Quelle, welche sich am Nordhang des Kahlen Wasen befindet.
Von da beginnt ein Pfad (semita), welcher den merkwürdigen
Namen Isneida führt. Dieses Isneida, dessen ersten Teil «I-»
ich nicht zu erklären wage, hängt in seinem zweiten Teil
«-sneida» offenbar mit dem hochdeutschen «schneiden» zusammen
(mhd. sniden) ; sneida wäre etwa mit «Schnei Be» zusammen-
zustellen, womit man einen, meist behufs Markierung einer
Grenze, abgeholzten fortlaufenden Streifen im Walde bezeich-
net, und demnach könnte es als «Einschnitt in den Wald» er-
klärt werden. Der Name als Bezeichnung eines Pfades legt
es nahe, daß wir hier einen uralten Grenzzug vor uns haben,
— 61 —
auf welchem seit undenklichen Zeiten zugleich auch ein Weg
lief. Solche Grenzwege verschwinden selten, und in der Tat
verzeichnet das MeBtischblatt eine in der Nähe der Quelle des
Breitenbachs anfangende und sich in allmählicher Senkung um
die Bergausläufer herumwindende WaldstraBe, welche direkt
auf den mons, qui appellatur Suuartzumberg,
zieht. Letzteres ist die Münster südöstlich gegenüberliegende
Berghóhe, auf welcher im 13. saec. das Schloß Schwarzenburg
erbaut wurde. Diese Straße wird die semita Isneida sein.
Vom Schwarzenberg aus geht nun die Grenze per eundem
medium montem, d. h. dem Wege nach (per) ınitlen über
den Berg. Und in der Tat setzt sich die oben genannte Wald-
straße in einem Pfade quer über die rückwärts (südlich) der -
Schwarzenburgruine liegenden Höhen fort. Dieser Waldkomplex
führt auf der Karte den Namen «Schloßwald». Da wo dieser
Pfad auf der andern Seite ins Tal kommt und sich nördlich
dreht, muß der lapis magnus gelegen haben. Schöpflin
macht hier die Anmerkung : «Lapis hic etiamnum visitur ad
pedem montis, cui imposita arx Schwartzenburg». Die bei Dom
Calmet und Ohl sich findenden kurzen Beschreibungen des
Schenkungsgebietes wissen von einem solchen Stein nichts.
Wahrscheinlich, weil die Isneida, welche sich bis hierhin fort-
setzt, ein uralter Grenzzug ist, haben wir in diesem lapis
magnus einen alten vorrömischen Grenzstein zu sehen, welcher
im Lauf der Zeit umgestürzt war und heute vielleicht gar nicht `
mehr vorhanden oder bekannt ıst. Von bier aus geht der
über den Berg kommende Weg im Tal weiter am Fuß des
Schwarzenberg entlang gegen die Fecht, womit die Grenze an
deren Ufer aufhört.
Eine Frage, welche sich uns aufdrängt, ist nun, wie
denn die Grenze an der Fecht entlang ging, ob auf dem linken
oder dem rechten Ufer. Läuft sie auf dem linken, dann wäre
damit das gesamte Wasser, Mühlen- und Fischereirecht
zwischen Breitenbach und Langenbach (bei Griesbach) dem
Kloster übertragen worden. In dem von Abt Marquart a. 1339
mit der Gemeinde Münster abgeschlossenen Vertrag wird dem
Kloster ein Fischereirecht in der Fecht zugestanden und be-
merkt, dab das Bannwasser des Abtes bei Breitenbach anfange.!
1 cf. Ohl, a. a. O., p. 122.
Jas, e
Ob dem Kloster dieses Recht gleich nach seiner Gründung
von seinen königlichen Schutzherren gegeben wurde, können
wir mangels urkundlicher Nachrichten jetzt nicht mehr
nachweisen. In unserer Urkunde von 823 wird ihm dieses
Recht jedenfalls nicht gegeben. Die Schenkung erstreckt
sich nur auf die Waldung, Wasserrecht will sie gar nicht
geben, auch nicht im Breitenbach, denn alsdann müßte die
Fassung etwa lauten: de loco, ubi Breidembach in Fachi-
nam confluit, per ipsum Breidembach rivolum usque etc., und
ebenso müßte bei der Fecht am Schlusse der Grenzbeschrei-
bung erwähnt sein, dab die Grenze mit Einschluß der
Fecht zum Ausgangspunkt zurückgehe, etwa: et per ipsum
Fachinam rivum usque in Breidembach. Da aber nur das
Waldgebiet in Frage kommt, so hört dasselbe ja am Ufer des
.Breitenbaches und der Fecht von selbst auf, und weil dies
selbstverständlich war, ist darüber in der Urkunde nichts er-
wähnt.
Eine weitere Frage ist die, ob das Gebiet, weil in der
. Schenkung keine Ortsnamen erscheinen, überhaupt bewohnt
war oder nicht. Wir können mit großer Wahrscheinlichkeit
annehmen, dabzusammenhàngende Ansiedlungen (Dörfer)
kaum vorhanden waren und daß die heute innerhalb der -fest-
gestellten Grenzlinie gelegenen Ortschaften später entstanden
sind, weil, wenn sie schon bestanden hätten, die Grenzbe-
schreibung die eine oder andere hätte nennen müssen
(z. B. Breitenbach). Ein einziger Name weist auf eine alte
Ansiedlung hin, nämlich der Name der im Zuge der Isneida
liegenden Häusergruppe Erschlitt. Dort werden wir eine
vorrömische Ansiedelung zu suchen haben, welche jetzt aller-
dings weit über ihre Blütezeit hinaus ist.
x
m "o o -——— ma
5. DIE SCHENKUNG EINES JAGDGEBIETES AM OBEREN
RHEIN AN DEN BISCHOF VON STRASSBURG, A. 1017.
Kaiser Heinrich II. schenkte im Jahre 1017 dem Bischof
von Straßburg ein Jagdgebiet von außerordentlicher Ausdeh-
nung, welches sich in einem fast gleichmäßig breiten Streifen
zwischen Vogesen und Rhein von der Gegend um Schlettstadt
bis gegen Hagenau erstreckte. Soviel ich sehen kann, ist
diese Schenkung bis jetzt ein einziges Mal von einem Histo-
riker näher betrachtet worden, von Fritz,! welcher daraus den
Nachweis führt, dab forestu m gelegentlich nicht das Wald-
gebiet, sondern nur das Wald- und Jagdrecht bezeichne.
Eine genaue Umgrenzung des Gebietes ist meines Wissens bis:
jetzt noch nicht versucht worden. Die Namen der Oertlich-
keiten liegen ja allerdings meist fest. Wie aber zwischen
den einzelnen Ortschaften die Grenze zieht, ist trotz der
Uebersichtlichkeit des Ganzen nicht so leicht erledigt.
Das Original der Urkunde, welche vom 9, Mai obigen
Jahres datiert ist, befindet sich im Bezirksarchiv zu Straßburg
sub G. 10. Gedruckt ist dieselbe bei Schópflin,? Grandi-
dier, Wiirdtweint und in den Monumenta Germaniae histo-
rica.5 Schópflin und Grandidier haben das Original, damals
im bischöflichen Archiv zu Zabern, vor sich gehabt, und
weichen sehr wenig ab; Würdtwein stimmt mit Grandidier,
da ja letzterer die elsássischen Urkunden an ersteren geliefert
—
ı J. Fritz, Das Territorium des Bistums Straßburg etc. und
seine Geschichte (1885), p. 35.
2 Als. dipl. I, p. 150.
3 Grandidier, hist. d'Als., pieces justif. Nr. 371.
4 Nova subsidia diplomatica, Bd. VI, p. 176.
5 Diplomata, Bd. III, p. 469.
— 64 —
hat; der Text der Monumenta stimmt genau mit dem Original.
Ich gebe den Wortlaut der Schenkung nach diesem Original ;
er lautet:
. . e forestem sic determinando proprietauimus. De
litore Reni contra Wizuuilare2 ad uadum Hugonis, et
de uado Hugonis ad Scerauuilare,P et de Scerauuilare b
ad Dabechenstein, et de. Dabechenstein ultra Pruscam
usque ad Roraham riuum. De Roraha ultra Sornam
fluuium, deinde usque ad Matram fluuium ad illum
locum, qui dicitur Phaffenhouen,¢ deinceps per Matram
deorsum usque ubi Matra intrat Renum, et deinde sur-
sum per totum limitem Reni cum insuhs omnibus adia-
centibus usque Wizenuuilare.d ius forestense igitur ei
suisque successoribus etc. . . . firmauimus etc. . . .
a) Grand. u. Würdtw.: Wizwilare. b) Grand. u. Würdtw.:
Scerawilare. c) Grand. u. Würdtw.: Phaffenhoven, Schöpfl.:
Ptaffenhoven. d) Grand. u. Würdtw.: Wicenwilare.
In dieser Urkunde handelt es sich also um ein ius
forestense, um eine Berechtigung, die Waldungen dieses
weitläufigen Gebietes benutzen zu dürfen, hauptsächlich zur
Jagd. Dem scheint nun allerdings der zuerst zilierte Satz zu
widersprechen: forestem sic determinandoproprietauimus
(sc. episcopo), welches bedeuten würde, daß der Kaiser dem
Bischof das Forstgebiet zu Eigentum gegeben habe. Allein der
Schlußsatz nach der Grenzbeschreibung erläutert dies: ius
forestense igitur etc. firmauimus. Es wäre auch in der
Tat etwas ganz Ungewóhnliches gewesen, wenn der Kaiser
dem Bischof das Gebiet selbst mit allen Ländereien und be-
wohnten Orten geschenkt hatte, ein Gebiet, welches fast die
Hälfte der elsdssischen Rheinebene ausmacht. Das Recht,
dieses Gebiet nulzen zu dürfen, war schon ein sehr be-
deutendes. |
Die Situation der Schenkung ist ziemlich klar. Wiz-
uuilare ist Weisweil in Baden, Artolsheim | gegenüber ;
Scerauuilare = Scherweiler bei Schlettstadt; Dabeche n-
stein = Dachstein bei Molsheim; P haffen houen = Pfaffen-
hofen, zwischen Hagenau und Buchsweiler. Prusca ist die
Breusch; Roraharıuus==der Rohrbach, welcher bei Hoch-
felden in die Zorn mündel; Sorna = die Zorn; Matra =
die Moder. Nur die Oertlichkeit uadum Hugonis macht
——— - n—
Schwierigkeiten; ich werde in der Erklärung des Grenzzuges
darauf eingehen.
Die Hauptfrage ist, auf welchem Wege man von dem
einen Orte jedes Mal zu dem folgenden kommt, da diese An-
gaben vólig fehlen. Ich glaube aber, daß diese Angaben des-
halb ausgelassen worden sind, weil für jene Zeiten es nur eine
mögliche Verbindungslinie gab, und zwar sind dies die da-
maligen wichtigsten Straßenzüge gewesen. Mit Hilfe
dieser Erkenntnis werden wir die Grenze fast ganz sicher be-
stimmen können.
Das Gebiet beginnt also am Ufer des Rheins und zwar
auf der elsässischen Seite, dem badischen Orte Weisweil
gegenüber (contra Wiznuilare). Der Rhein war damals
nicht reguliert, sondern flutete, wie wir es jetzt noch auf der
Karte an den vielen Seitenarmen sehen können, ungefähr bis
halben Weges nach Richtolsheim ins Land hinein, eine Un-
menge sumpfiger Inseln bildend, welche Scharen von Wasser-
wild bargen. Der nächste bekannte Ort von hier aus ist
Scerauuilare, wohin man über vadum Hugonis
gelangt. Nun führt aber von Richtolsheim aus in schnur-
gerader Richtung eine Straße über Baldenheim auf das ge-
nannte Scerauuilare (Scherweiler) zu, welche bei Nieder-Rath-
samhausen die Ill trifft. Jenseits der Ill geht sie zunächst
nicht weiter, aber genau in derselben Richtung setzt sich ein
Karrenweg jenseits der Straße Erstein—Schlettstadt (an der
Einmündung der Straße Barr—Schlettstadt) bis nach Scher-
weiler fort. Ich nehme diesen Straßenzug für einen uralten,
bereits vorrömischen Weg vom Rheinufer ins Weilertal an
(das Rheinufer müssen wir uns aber, wie bereits gesagt, be-
- deutend landeinwärts denken, wahrscheinlich da, wo die von
Richtolsheim kommende StraBe die Biegung nach Schónau zu
macht) Was das vadum Hugonis betrifft, so muß dies dem
ganzen Zusammenhang nach eine seichte Stelle der Ill sein,
durch welche man mit Karren fahren konnte. Es hat in der
Richtung der vorgenannten Straße gelegen und demnach aller
Wahrscheinlichkeit nach bei Nieder-Ratsamhausen.
Von Scerauuilare geht es nach Dabechenstein.
Dieses Dabechenstein ist ohne allen Zweifel Dachstein an der
Breusch bei Molsheim. Dahin führt ebenfalls ein alter Weg
über Dambach, Blienschweiler, Eichhofen, Barr, Ottrott, Bórsch,
HERR. 5
2G s
Rosheim, Dorlisheim, Molsheim. Dies ist der alte Keltenweg,
welcher der ganzen Länge der Vogesenkette entlang zu ver-
folgen ist, welcher von Molsheim nach Wasselnheim weiter-
seht und in Molsheim einen Zweig über Dachstein nach Bru-
math entsendet. Er ist auch der Hauptverkehrsweg geblieben,
bis in neueren Zeiten die Hauptstraße Schlettstadt—Molsheim
erbaut wurde. Wir können uns gar nicht denken, daß die
Grenzlinie unseres Gebietes anders als dieser Straße nach lief,
und weil es die einzig mögliche Straße war, ist sie auch nicht
besonders in der Grenzbeschreibung erwähnt.
Bei Dachstein geht es nun über die Breusch, und von da
bis zum Roraha riuus, welcher kein anderer sein. kann
als der heutige Rohrbach, an welchem der alte Ort Roraha
(Rohr) liest, welcher seinen Namen von dem Dach entlehnt
hat. Der Bach entspringt im Südwesten von Rohr bei West-
hausen im Kreis Zabern und nimmt eine óstliche Richtung an,
dreht sich aber vor Rohr nach Norden, so dab er genau in
die uns zur Fortsetzung der Grenze nötige Linie fällt. Doch
wie gelangen wir an diesen Bach, und an welchem Punkte
desselben schließt die Grenzlinie an? Da bietet sich uns
wieder ein alter Straßenzug, welcher von dem von Molsheim aus
über Dachstein nach Brumath fülirenden Keltenwege bei Quatzen-
heim, einem Kreuzungspunkt mehrerer alten. Wege, darunter
auch der Zaberner Rémerstrafe, abbiegt und gegen Hochfelden
zieht, jedenfalls auch eine alte Keltenstraße. Dieser Weg
làuft von Dachstein. über Ergersheim, Fürdenheim, Quatzen-
heim, Dossenheim, Kleinfrankenheim, Dürningen (lauter ur-
alte Orte), und erreicht nördlich von Rohr den Rohrbach.
Wenn die Grenzbeschreibuug nun weiter sagt, daB es von hier
ultra Sornam gehe, ohne daß gesagt wird, auf welchem
Wege man an die Zorn kommt, so ist es selbstverständlich,
daß wir dem Lauf des Rohrbachs von da an zu folgen haben.
Wir erreichen dann bei Hochfelden die Zorn, der Ort Hoch-
felden selbst aber ist nicht genannt, weil der Rohrbach öst-
lich davon mündet ; auch führte damals der Weg nicht in den
Ort Hochfelden hinein, sondern ging dem Bache nach. Heute
sind die dort laufenden Straben e'le nach Hochfelden kon-
zentriert.
Von hier aus geht es also ultra Sornam, und dann
an den Matra fluuius, welcher bei dem Ort Phaffen-
= Nes
houen erreicht wird. Auch diese Strecke vom Rohrbach nach
Pfaffenhofen ist durch einen alten Straßenzug dargestellt,
welcher aber vermutlich erst auf nachrómische Zeit zurück-
geht. Der vom Rohrbach herkommende Weg, welcher über
Hochfelden nach Buchsweiler weiter geht, findet nämlich seine
direkte Fortsetzung nach Norden in dem über Alteckendorf,
Ettendorf, Ringeldorf nach Pfaffenhofen führenden Wege. Der-
selbe geht jetzt von Hochfelden aus, es ist aber zu vermuten,
daß er, da Hochfelden und seine allernächste nördliche Um-
gebung ziemliche Terrainschwierigkeiten bietet, sich ursprünglich
mehr im Tale hielt und vom Rohrbach aus in ziemlich direkter
Richtung nach Alteckendorf hinzog.
Nehmen wir diese bisher: festgestellten Grenzen an, so
haben wir von Scherweiler bis Pfaffenhofen eine fast gerade
verlaufende Linie, und zwar immer längs alter Straßen, welche
in damaliger Zeit die Hauptstraßen waren. Die Grenze konnte
zwischen den einzelnen Orten nicht anders laufen, weil es
keine anderen kürzeren Verbindungswege gab, und deshalb
hat die Urkunde es nicht für nótig gefunden, dieselben be-
sonders anzugeben.
Von jetzt ab ist die Grenze wieder sehr klar: Es geht
jetzt längs der Moder (per Matram) abwärts bis zur Mündung
derselben in den Rhein, und von da den Rhein aufwärts bis
zum Ausgangspunkte.
Eine Frage aber wirft sich zuletzt noch auf, nämlich ob
der Rheinstrom selbstin das Nutzungsgebiet
fällt, und ich bejahe diese Frage ohne weiteres. Dazu be-
stimmen mich dreierlei Ausdrücke der Urkunde. Zunächst:
pertotum limitem Rent; dies kann nichts anderes
bedeuten, als daß der Rhein der limes, die Grenze ist und
zwar in seiner ganzen Breite (totum). In seiner ganzen Aus-
dehnung entlang (per) lief die Grenze. Ferner: cum insulis
omnibus adiacentibus. Dies kann man nicht nur
auf die Sumpfinseln des elsässischen Ufers beziehen, weil dies
sonst ausdrücklich hätte erwähnt werden müssen. Endlich :
usque Wizenuuilare; geht die Grenze nur am elsissi-
schen Ufer entlang, dann gelangt man niemals nach Wizenuui-
lare, welches jenseits liegt. Gehörte aber der ganze Strom
bis zum jenseitiven Ufer zum Jagdvebiete, dann gelangte man
dorthin, denn Weisweil lag, wie uns die weitverzweigten Alt-
— 08 —
wasser des Rheins auf der Karte zeigen, damals am Rheinufer.
Die Grenze geht also vom elsässischen Ufer gegenüber Weis-
weil aus und endigt auf dem jetzt badischen Ufer bei diesem
Orte. Auf diese Weise hatte das Bistum nicht nur eine aus-
gedehnte Feld- und Waldjagd, neben sonstiger Nutzung, sondern
auch eine ausgezeichnete und ebenfalls weit ausgedehnte
Wasserjagd.
6, DIE BEGABUNG DES KLOSTERS ST. JOHANN
BEI ZABERN, A. 1126.
—
Das Frauenkloster Benediktiner Ordens, welches einst in St,
- Johann bei Zabern blühte, verdankte seine Gründung und seinen
ehemals reichen Besitz der Freigebigkeit des Grafen Peter von
Lützelburg aus dem Hause Bar-Mümpelgard, welcher sich
nach der im Zorntal hinter Zabern liegenden ehemaligen Burg
Lützelburg nannte,! dessen Geschlecht aber schon mit seinem
Sohne Reginald um 41143 ausstarb. Die Vergabung erfolgte
1196 an das Kloster St. Georgen im Schwarzwald, ging dann
aber auf das von dort aus gegründete Kloster St. Johann über,
wie im folgenden näher ausgeführt werden wird.
I. Die Art der Quelle und ihre historischen Angaben.
Die Gründung und Begabung des Klosters wird uns in
einer Urkunde berichtet, welche Schópflin ? nach seiner Angabe
im Archiv des Klosters gefunden hat, Grandidier? aber aus
einer notariellen Abschrift von 1377 im Archiv des Klosters
St. Georgen im Schwarzwald veröffentlicht. Von Grandidier hat
1 Die Burg ist sicher anfänglich Besitz der Abtei Maursmünster
gewesen. Nach Dokumenten dieses Klosters hätte Graf Peter sich
gewaltsam der Burg bemächtigt. Nach erfolgter Sühne hat sein Sohn
Reginald dieselbe vom Kloster zu Lehen erhalten. Nach dessen Tod
aber legte der Bischof von Metz, Stephan, der Vetter des Grafen
Peter, seine Hand auf die Burg, wozu er als Lehensherr der Mark
Maursmünster befugt war, und zog sie für seine Kirche ein, um sie
von dort aus zu Lehen zu geben.
2 Als. dipl. I, p. 204.
3 Hist. d’Als., pieces justif. Nr. 608 (Bd. II).
sw Dre
Wirdtweint den Text übernommen. Allein auch Schöpflin
hat kein Original vor sich gehabt, denn der Text, welchen er
bietet, tragt in Bezug auf die Ortsnamen nicht den Charakter
des 12. saec., so daß er ebenfalls nur eine Abschrift vor sich
gehabt haben kann. Das Schriftstück selbst können wir nicht
als eine rite ausgestellte Schenkungs- oder Stiftungsurkunde
betrachten. Es ist eher eine vermögensrechtliche Aufzeichnung,
welche vom Kloster selbst veranlaßt worden war, und zwar
offenbar aus keinem andern Grunde, als um seine Rechte und
seinen Besitz festzustellen. Dies wird aus Folgenden klar
werden.
Zuerst kommt in der Urkunde ein Bericht über die Schen-
kung, welche der «comes scilicet Petrus de Luzel-
burg», der «unus ex nobilioribus Francorum et
Salicorum proceribus» genannt wird, zu seinem und
seiner Angehórigen Seelenheil dem Kloster St. Georgen im
Jahre 1196 machte. Er wollte ein gutes Werk tun und hatte dazu
sein «praedium Meyenhemswilre vocatum, in
episcopatu Argentinensi, in provincia et comi-
tatu Alsatiensi, juxta saltum, qui dicitur
Vogesus» bestimmt. Er berief den Abt von St. Georgen,
Wernherus, und schenkte im Einverständnis mit seiner Gattin
Itha und seinem Sohne Regenaldus dieses praedium dem «beato
Georgio martyri» mit allen Rechten und Zubehórden, wie er
selbst es ererbt hatte, zu dauerndem Besitz.
Dieser Bericht ist in die Form einer Urkunde gekleidet ;
er beginnt mit der bekannten Urkundenformel: notum sit
omnibus etc. qualiter, und schliebt ebenfalls ganz
urkundenmiBig mit: Facta autem haec sunt in ipsa
villa Meyenhemswilre anno ab incarnatione
Domini M. CXXVI etc. Von dem Stifter wird aber nur
in der drilten Person gehandelt, und ferner wird die Ent-
stehung der Schenkung so weitliufig berichtet, daß wir be-
haupten können, so habe die Urkunde niemals gelautet. Es
ist dies entschieden eine spätere Aufzeichnung, welche zugleich
einiges, welches in der Schenkung berührt war, weiter aus-
führte und der Nachwelt die genaue Entstehungsgeschichte
der Begabung geben wollte. Da der Anfang und Schluß, auch
1 Würdtwein, nova subs. dipl. VII, p. 58 ff.
E. Die
der größte Teil der Einleitung deutlich an Urkundenformen an-
klingt, so hat der Verfasser wahrscheinlich das Original der
Schenkung vor sich gehabt. Verfabt isi das uns jetzt vorliegende
Schriftstück aber jedentalls später als 1126.
Hierauf folgt nun ein Bericht über die Neuerrichtung und
Neuweihung der in Meyenhemswilre gelegenen Kirche. Sie
war «ibidem sitaabantiquistemporibu s».
Sie war zerfallen, aber «eo temporein melius re-
parata». Da im Strabburzer Bistum Unfriede herrschte, in-
dem der vom Kapitel gewählte Bischof Bruno einen Gegenbischof
Eberhard hatte und zugleich auch der vom Kaiser abgesetzte
Bischof Cuno noch seine Bischofsrechte geltend machte, wurde
Bischof Stephan von Metz mit Erlaubnis der zuständigen Strab-
burger Bischöfe mit der Neuweihe der Kirche betraut, welche
er im Jahre 1127 vornahm. Sie wurde dem Johannes Baptista
geweiht und der Bischof bestimmte, daß der Ort von nun an
cellasanctiJoannis heißen solle. Bei dieser Gelegen-
heit wiederholte und bestátigte Peter von Lützelburg seine vor-
genannte Schenkung.
Dieser zweite Bericht macht in seinem Anfang den Ein-
druck einer geschichtlichen Darstellung, nicht einer Urkunde.
Da jedoch am Ende desselben eine Anzahl testes aufgeführt
werden, wie dies sonst nur bei wirklichen Urkunden der Fall
ist, so werden wir auch hier eine urkundliche Vorlage an-
nehmen müssen, nämlich die Einweihungsurkunde der Kirche
mit der Bestätigung der Schenkung. Deshalb ist aber auch
dieser Bericht erst nach 1127 niedergeschrieben worden.
An diese beiden historischen Berichte schließt sich dann
eine Beschreibung und Aufzählung des Eigentums und der
Nechte des Klosters, der «cella sancti Joannis». Hier finden
wir gleich zu Anfang die Beschreibung und Begrenzung des
dem Kloster zu alleinigem Eigentum geschenkten Gebietes,
welches wir in dieser Abhandlung näher bestimmen wollen.
Darauf folgt dann die Angabe der abseits liegenden Stücke des
Klostereigentums, welche zum Teil mit andern Eigentümern
gemeinsam genutzt werden. Ob dieselben ebenfalls aus der
Schenkung des Peter von Lützelburg herrührten, geht aus der
Aufzählung nicht hervor. In diesem Berichte von den Gütern
entdecken wir gleich zu Anfang einen Ausdruck, welcher uns
auf die Entstehung dieser ganzen urkundlichen Darstellung
us 79 Zu
hinweist. Da heißt es nämlich als Einleitung zur Grenzbe-
schreibung der engeren Schenkung: Est autem hujus praedii
pars quaedam determinata et ex toto nostri juris etc.
Ich meine, daß diese zwei Worte deutlich machen, daß die
ganze Darstellung den Hauptzweck hatte, die jura des
Klosters schriftlich zu fixieren, und ferner, daß diese Auf-
zeichnung entweder im Kloster St. Johann oder im Kloster
St. Georgen gemacht worden ist, da das nostri juris
nur von seiten der Klosterinsassen gelten kann oder von seiten
derer, welchen das Kloster St. Johann unterstand, nàmlich
des Abtes und Konventes von St. Georgen. Auch ein am
Schlusse des Verzeichnisses der Güter und Rechte erscheinen-
des «Nota» bezeugt, daß die Aufzeichnung für diejenigen
hauptsachlich bestimmt war, welche die Güter zu verwalten
hatten.
Wir haben also, wie wir bereits eingangs erwihnt haben,
gar keine direkte Urkundenquelle für die Schenkung des
Grafen Peter. Die Aufzeichnung, aus welcher wir unsere
Kunde entnehmen, ist eine mit Benutzung zweier
Originalurkunden, der Schenkungsurkunde und
der Einweihungsurkunde der Kirche, hergestellte
Nachweisung über die Entstehung und
die Ausdehnung des Klosterbesitzes mit
den zugehörigen Rechten. Diese ist nach 1127 verfaßt, wahr-
scheinlich aber auch nicht allzulange hernach.
Diese Urkunde besitzen wir nun auch nicht in der Ur-
schrift, sondern am zuverlässigsten in einer nolariell beglau-
bigten Abschrift vom Jahre 1377, aus welcher Grandidier ab-
geschrieben hat; dieselbe fand sich damals im Kloster St.
Georgen. Daher kommt es, dab die Ortsnamen der Schenkung
nicht mehr ihre ursprüngliche Form des 12. saec. haben,
sondern nach der Sprechweise des 14. saec. umgeändert sind,
wie sich schon auf den ersten Blick zeigt.
Was die zu behandelnde Schenkung des Grafen Peter be-
trifft, so müssen wir festhalten, dab sie nicht dem Kloster
St. Johann gemacht wurde, sondern dem Kloster St. Georgen
und daß, wie sich aus der Notiz unserer Quelle über die Ein-
weihung der Kirche ergibt, wonach bei dieser Gelegenheit Graf
Peter die Schenkung «notificavit, iteravit et confirmavil», die-
selbe erst damals dem inzwischen entstandenen Kloster, der cella
=, 73 =
sancta Joannis, übertragen wurde,! womit sie trotzdem rechtlich
bei St. Georgen blieb, welchem St. Johann stets unterstellt war.
Ob die Abgrenzung des Gebietes, welches dem Kloster
St. Georgen geschenkt worden war und nachher zu dem neu-
gegründeten Kloster St. Johann gehörte, in der Schenkungs-
urkunde von 1126 bereits genau angegeben war, ist eine
weniger wichtige Frage. Möglich, daß in derselben gar nichts
Náheres stand, weil in dem Bericht über diese Schenkung,
welcher sich doch auf die Urkunde stützt, nichts weiter er-
wähnt ist, als daß Graf Peter sein praedium in Meyenhems-
wilre vergabte. Möglich auch, daß die Grenzangaben darin
gemacht waren, daß sie aber vom Verfasser unserer Quelle
absichtlich ausgelassen wurden, weil er das Gebiet erst bei Auf-
zählung der Güter näher zu beschreiben gedachte. Die
Abschriften, auf welche wir jetzt angewiesen sind, haben aber
diese Grenzbeschreibung wahrscheinlich nicht korrekt überliefert.
II. Die Abgrenzung des Gebietes.
Das dem Kloster St. Johann zu ausschließlichem Eigen-
tum überlassene Gebiet, welches an das Kloster angrenzte,
1 Der Zusammenhang zwischen Schenkung und Klostergründung
zu St. Johann ist meist falsch verstanden worden. Dag. Fischer
(l’abbaye de Saint-Jean-des-Choux, im Bull. de la société pour la con-
servation des mon. hist. d’Alsace, 2° serie, tome V (1868), Mémoires
. 1-28, sagt z. B.. daß Graf Peter den Entschluß faßte, die
baufallige Kirche wiederherzustellen und zugleich dem Kloster St.
Georgen das Dorf Meyenheimsweiler zu schenken, sowie daf} er auch
den Bau eines Klosters hier begann. Die Kirche und das Kloster
lief} er einweihen, noch bevor sie ganz fertiggestellt waren (a. a. O.,
p. 1 u. 4). Dies können wir aber aus unseren Quellen nicht ent-
nehmen. Das Historische ist folgendermaßen anzunehmen. Zunächst
schenkte Graf Peter dem Kloster St. Georgen sein praedium, zu
welchem also auch die banfällige und zerstörte Kirche gehörte. Wir
können dabei annehmen, daß er die Absicht hatte, ein Kloster dort
errichten zu lassen. Das Kloster St. Georgen ließ nun sowohl die
Kirche wiederherstellen, als auch ein kleines Kloster dort erbauen,
und zwar innerhalb Jahresfrist. Davon, daß Graf Peter dies getan,
steht kein Wort in unserer Vorlage; vielmehr war es ganz natür-
lich. daß das St. Georgerkloster als nunmehriger Besitzer alles aus-
führen ließ. Als die Kirche 1127 eingeweiht wurde, war sie vollen-
det, wie wir ausdrücklich lesen (fuerat in melius reparata). Die
cella war bei der Einweihung der Kirche wohl auch schon fertig.
Denn wenn das Kloster noch nicht bezogen werden konnte, hatte
die Einweihung der Klosterkirche keinen Zweck.
wird in unserer Urkunde zu Anfang der Güteraufzählung
folgendermaßen beschrieben. Den Text gebe ich nach Gran-
didier, weil ich dessen Vorlage für die ältere halte, mit An-
merkung der anderen Lesarten:
Est autem hujus praedii pars quaedam determinata
et ex tolo nostri juris, non admittens ditionem vel
communionem alterius ecclesiae sive saecularis personae,
quae his terminis designatur. [Incipiunt ab orientali,
marginalibus lapidibus determinantibus ipsum praedium,
a praedio sancti Petri Neovillae, quod adjacet
terminis villae Steinbirche, et procedunt inde
ad torrentem, qui dicitur Wildeguttenbach ‚ et
tendentes sursum ad locum, qui dicitur Rahenstein,
extendunt se usque in flumen Sornam, perguntque
ad locum, qui dicitur Ertmura, et pervenientes ad
petram, quae vocatur Hertenstein , ipsam ex tolo
complectentes, sicque ad terminos villae Egolckers-
weiler® perducuntur.
a) Schópfl.: Steinwircke. b) Schópfl: Wildegurttenbach.
c) Schópfl.: Volckerswiller. Würdtw.: Ottkerswiller.
Die Grenze dieses Gebietes ist, so genau auch die Be-
schreibung zu sein scheint, ungemein schwierig festzustellen,
weil, wie mir scheint, der Text eine Korruption durch die Ab-
schreiber erfahren hat, welche wir nicht mehr in Ordnung
bringen können. Versuchen wir, wenigstens einigermaßen uns
zurechtzulinden.
Die Beschreibung fängt im Osten an und zwar am
praedium sancti Petri Neovillae, also am Kloster-
gut von Neuweiler, welches (nach Süden) an das Gebiet von
Steinbirche angrenzte. Dieses Steinbirche — Schöpflin
schreibt «Steinwircke», meiner Ansicht nach eine bedeutend
spätere Form, weil sie sich der heutigen mundartlichen Aus-
sprache «Steiweri» nähert — ist sicher Steinburg, östlich von
St. Johann an der Zorn, und gehörte damals, wie wir an
einem andern Ort unserer Urkunde erfahren, dem Kloster
Andlau. Ob die Worte marginalibus lapidibus
determinantibus ipsum praedium anzeigen
wollen, dab Neuweiler sein Gebiet mit Grenzsteinen eingefabt
hatte oder dab das nun zu beschreibende Gebiet des Klosters
St. Johann mit Steinen abgegrenzt war, geht aus dem Text
= 75 a
nicht deutlich hervor; wahrscheinlich sind aber damit die
Grenzsteine St. Johanns gemeint, weil «ipsum praedium» nicht
auf das Neuweilerer Gebiet bezogen werden kann.
Von hier aus geht es an den Wildeguttenbach,
einen, wie sein Name besagt, wilden Wasserlauf (torrens),
welcher eigentlich nur Guttenbach hieß. Nach der ganzen
Situation muß es ein Nebenlauf der Zinzel sein. Wo ist er
aber zu suchen? Zu dem Zwecke ist nötig, die Besitzverhält-
nisse dortiger Gegend näher ins Auge zu fassen. Der Ort
Ernolsheim, welcher an einer andern Stelle der Urkunde un-
zweifelhaft als Herolzheim erscheint, gehört nach Aus-
sage dieser Stelle zu Neuweiler [dictioni sancti Petri Neovillae
subjacenlis (sc. villae]. Steinburg (Steinbirche) ist
Gebiet des Klosters Andlau [ad proprietatem sancti Petri et
Richardis in Andelach pertinentis (sc. villae). In Monsweiler
(Monholzwiler. Schópflin: Monolzwiler) hat St. Johann
wohl sex curtilia, aber mehr nicht; also liegt dieser Ort auBer-
halb des Sondergebietes des Klosters. Eckartsweiler, welches
unzweifelhaft in unserer Urkunde mit Eggoltzwiler
(Schópflin : Egolzweiller) gemeint ist, gehört nur zum Teil
dem Kloster (tres mansi absque uno quartario, et duodecim
curtilia et plus quam tertia pars sylvae), fällt also ebenfalls
außerhalb des zu begrenzenden praedium. DerOrt Egole k ers-
weiler, welcher am Ende der Grenzbeschreibung erscheint,
bis an dessen fines die Grenze von Norden her làuft, gehort
ebenfalls nicht mehr zu dem praedium, sondern er wird gleich
nachher aufgeführt, als welchen das Kloster zum vierten Teil
besitzt (hujus etiam villae quarta pars memorato praedio
adscribitur). Dieser Ort hat, wie wir nachher sehen werden,
zwischen der Berghóhe über St. Johann und dem Dorf Ernols-
heim gelegen, wahrscheinlich. ebenfalls am Hang, da in einem
andern Teil der Urkunde ein Fubweg genannt wird, welcher
Ernolsheim mit ihm verbindet und wir in diesem den jetzt
von Ernolsheim nach St. Johann führenden Weg vermuten
dürfen. Bei Schöpflin erscheint er als Volckerswiller,
bei Würdtwein als Ottkerswiller,! gemeint ist aber
offenbar derselbe Ort. Nun ist. zwar nórdlich von St. Johann
1 Dies ist auffallend, da doch Grandidier die Urkunden für
Würdtwein geliefert hat.
— "76 —
ein Flurname «Volkersweiler» erhalten.t Darnach könnte man
die Lesart Schópflins für richtiger annehmen. Allein «Egolckers-
weiler» und «Volckerswiller» lassen sich doch nicht gut ver-
einigen, denn wenn letzteres die richtige Lesart ware, so
hätte daraus gerade die Schreibart «Egolckersweiler» schwer-
lich entstehen kónnen. Mir macht es den Eindruck, als ob
Schópflin den ihm unbekannten Ort gesucht und, weil er ihn
nicht fand, dafür aber von dem Flurnamen «Volkersweiler»
erfuhr, den Ortsnamen einfach in «Volckerswiller» umgeändert
hatte, indem er ein Verschreiben des Kopisten annahm. Dann
wäre Egolckersweiler doch die richtige Lesart. Der
Ort hat aber dann jedenfalls nicht weit von dem ebenfalls
verschwundenen Ort Volkersweiler gelegen; ein an
ihn erinnernder Flurname hat sich aber nicht erhalten.
Ziehen wir diese eben angeführten Umstände in Er-
wägung, so werden wir zugeben müssen, daß, weil der Weg
anderwärts verlegt ist, die Grenze nur folgenden "Verlauf ge-
nommen haben kann. Sie schlieDt sich óstlich an das Gebiet
des Klosters. Neuweiler an, d. h. sie geht an der westlichen
Banngrenze von Ernolsheim und des verschwundenen Egolckers-
weiler — denn dieser Ort wird, weil bei Ernolsheim gelegen
und weil die Grenze des zu beschreibenden Gebietes nur bis
an denselben ging, auch zu Neuweiler gehört haben — von
Norden kommend herab, umfaßt dann den Bann von
Meyenheimsweiler (= St. Johann), wobei sie Eckartsweiler
südlich liegen läßt, und trifft nordwestlich weitergehend wieder
auf die Höhe oberhalb St. Johann. Diese Höhe bildet die
Wasserscheide zwischen Zinzel und Zorn. Da nun nichts
weiter berichtet wird, als daß die Grenze bis zu dem Wilde-
guttenbach zieht, so müssen wir annehmen, daß sie auf dieser
Wasserscheide westlich zieht, bis sie auf den Ursprung dieses
Baches trifft. In Wildeguttenbach nun erblicke
ich den Gutenbrunnen, den auf der Bezirksgrenze hinfließenden
Nebenlauf des bei Oberhof in die Zinzel mündenden Nessel-
bachs, welcher ja schon in seinem Namen an den wilden
Guttenbach erinnert. Dort in der Nähe findet sich auch der
Ramstein, wie die nördlich der Zinzel, auf dem zwischen
dieser und dem Rehbächel sich erhebenden Plateau, oberhalb
1 Vel. Reichsland Elsaß-Lothringen IIT, p. 1163.
von Graufthal vorspringenden Felsen heiBen. Diese wiren
dann der Rahenstein der Urkunde. Wenn es nun heißt:
tendentes sursum ad locum, qui dicitur
Rahenstein, so ware dies nicht anders zu deuten, als
daß die Grenze zunächst dem Lauf des Wildeguttenbachs, also
nach unserer Aunahme dem Gutenbrunnen und nachher dem
Hauptlauf Nesselbach, folgt bis zur Einmündung in die Zinzel,
dann diese aufwirts geht bis dahin, wo der Ramstein sich am
rechten Ufer erhebt (bei Graufthal), und endlich diese Hóhe des
Ramstein selbst erklimmt.
Allein: hier schiebt sich eine weitere Bestimmung in die
Grenzbeschreibung ein, welche die bisher angenommene
Grenzlinie in Frage stellt, denn es heißt dann: extendunt
se usque in flumen Sornam. Dies ist offenbar
von da aus, wohin, wir gelangt sind, nicht móglich. Auch muB
die Grenze unbedingt im Norden weitergehen, da sie nach
dem Hertenstein bei Neuweiler führen soll. Es wire
nur möglich, daß wir einen falschen Weg eingeschlagen
hátten und die Grenze von der Wasserscheide zwischen Zorn
und Zinzel aus nach der Zorn führen, wir uns also, der
Wasserscheide von St. Johann aus folgend, anstatt rechts zum
Tal des Gutenbrunnen nach links wenden müßten, wo das
Ramstal zur Zorn hinführt. Früher kónnen wir uns nicht
links wenden, da ja das Stadtgebiet von Zabern nicht in
das Gebiet von St. Johann fallen kann. Gehen wir nun auf
den Hóhen zwischen Ramstal und Stutzbachtal südlich — von
der Hóhe der Zaberner Steige führt eine Waldstrafe bis ans
Forsthaus Schweizerhof —, so kónnen wir auf den Rappen-
felsen gelangen, dessen Name vielleicht aus «Rabenfelsen»
(Rahenstein, Rabenstein) verderbt gelten könnte, und von da
hinunter an die Zorn. Dies könnte möglich sein (Wildegut-
tenbach = Ramstalbach, und Rahenstein = Rappenfelsen) ; aber
— auf welche Weise kommen wir dann wieder nach Norden
nach dem Hertenstein? Nach Osten im Zorntal kann die
Grenze nicht weiterziehen, weil sie dort nur fremdes Gebiet
treffen würde. Höchstens könnte man im Zorntal aufwärts
gehen und den Stutzbach aufwärts, um der Bezirksgrenze
nach wieder in die Nähe der Zinzel zu gelangen. Davon steht
aber kein Wort in der Grenzbeschreibung. Ich schließe daraus,
weil das «extendunt se usque in flumen Sornam» die Be-
zx MEL
schreibung gänzlich unklar macht, dab dieser Satz entweder
nicht in der ursprünglichen Grenzbestimmung gestanden hat
oder daf der Abschreiber sich versehen und den betreffenden
Passus an die falsche Stelle gesetzt hat. Im letzteren Falle
wire der Wortlaut vielleicht gewesen: et procedunt inde ad
torrentem, qui dicitur Wildeguttenbach, extendunt se usque
in flumen Sornam, et tendentes sursum ad locum, qui dicitur
Rahenstein etc. ; dann mtiBte man Wildeguttenbach als Rams-
talbach .annehmen, die Grenze denselben entlanz mach der
Zorn führen und die Bezirksgrenze entlang gehen bis im Norden
an den Ramstein bei Graufthal, aber auch dann hat die
Grenzbeschreibung noch eine groBe Lücke. Deshalb scheint
mir eher wahrscheinlich, daß die Richtung, welche wir der
Grenze von Anfang an gegeben haben, die richtige, weil natür-
liche ist, und daf der Passus «extendunt se usque in flumen
Sornam» gar nicht hierher gehört. Es ist ja möglich, daß die
Abschriften der Urkunde, welche unsern Text enthalten, nicht
vom Origiual, sondern von einer schon früher angefertigten
Abschrifi entnommen sind, daß in dieser früheren Abschrift
der fragliche Passus als eine auf falschem Verständnis be-
ruhende Glosse an den Rand geselzt war und auf diese Weise
bei den jüngeren Abschriflen in den Text geriet.
Wir nehmen also an, daß die Grenze dem Lauf des
Gutenbrunnen und des Nesselbaches folgt, dann die Zinzel auf-
wärts geht und bei Graufthal den Ramstein erklimmt. Wie
geht sie nun aber weiter? In der Beschreibung heißt es:
perguntquead locum, qui dicitur Ert-
mura et pervenientes ad petram, quae
vocatur Hertensein. Der Felsen Hertenstein
ist ohne Zweifel der Herrenstein bei Neuweiler, und zwar nicht
nur das Stück, auf welchen die Ruine Herrenstein liegt,
sondern der ganze Rücken, welcher südlich in dem Fastnachts-
felsen endigt, welcher mit dem «petra» Hertenstein wohl in
erster Linie gemeint ist. Es läge nun nahe, vom Ramstein
aus dem Höhenrücken entlang dem Rehbächel zu folgen bis
zur Wasserscheide in der Gegend des Dorfes Petersbach, dieser
Wasserscheide zwischen Zinzel und Moder nach Osten nach-
zusehen und von Norden her oberhalb Neuweiler den Hóhen-
zug des Herrenstein zu erreichen, worauf inan ostwärts an
demselben herab nach Süden ziehen müßte, um die Bedingung
te MM o
= M. dc
der Grenzbeschreibung zu erfüllen: ipsa m (sc. petram
Hertenstein)ex toto complectente s. Da wir
nun aber aus den nüheren Angaben unserer Urkunde wissen,
daß der «forestum Braitenshoh», worunter wir den Distrikt
Breitschloß zwischen Fischbach und Niederbach zu verstehen
haben, nicht direkt in das Gebiet von St. Johann einbegriffen
war, weshalb er auch besonders aufgeführt wird ; da ferner
die Hüneburg, welche innerhalb dieser Grenzen fallen würde,
richt dem Grafen Peter von Lützelburg, sondern dem Volmar
von Hüneburg gehórte, und mit ihr also auch der Hóhen-
rücken, auf welchem dieselbe liegt, aus dem Gebiet auszu-
scheiden ist, so können wir nur annehmen, daß die Grenze
vom Ramstein aus quer über die Nebentäler der Zinzel und
quer über die südlichen Höhen der diese Täler scheidenden
Gebirgszüge hinzog, um erst jenseits des Maibàchels nach
Norden zu gehen, den Herrensteinberg zu umschließen und
östlich an demselben herab wieder nach Süden zu ziehen. Sie
berührte also wahrscheinlich die Höhe über dem Dorf Esch-
burg, die Gegend des Forsthauses Potaschplatz und zog über
den Holderkopf. Auf diesem Wege müßte nun der Ort
l'rtmura gelegen haben. Der Name weist auf Erdmauern
oder Wälle hin, und möglicherweise sind damit Reste prähi-
storischer Werke gemeint gewesen, wie wir solche auf vielen
Vogesenhöhen antreffen. Der Ort Ertmura würde damit auf
einer Höhe zu suchen sein, etwa südlich des Breitschloßberges
am Potaschplatz oder am Holderkopf.
Nachdem die Grenzlinie den Herrenstein umschlossen hat,
ziehtsieöstlichandemselben herab,sieque ad terminos
villae Egolckersweiler. Da keine näheren An-
gaben gemacht sind, ist nichts anderes anzunehmen, als daf
die Grenze auf diesem ganzen Wege sich an das Gebiet des
Klosters Neuweiler anlehnte, wie dies im Anfang der Grenz-
beschreibung vorausgesetzt ist, d. h. sie lieb das Gebiet von
Neuweiler, Dossenheim und Ernolsheim östlich liegen und traf
zwischen Ernolsheim und St. Johann auf die westliche Banngrenze
des vermutlich auch zu Neuweiler gehörenden abgegangenen
Ortes Egolckersweiler, von welchem wir bereits gesprochen
haben. An diesem Ort vorbeiziehend schloß sich die Grenze
dann ganz naturgemäb an die Banngrenze von Meienheimsweiler
an. Damit sind wir also an den Ausgangspunkt zurückgelangt.
Se (BO) ee
Es dürfte dies wohl der erste Versuch sein, das engere
Gebiet des Klosters St. Johann zu umgrenzen; es sollte mich
aber freuen, wenn ich Nachahmer fände, welche aus genauerer
Ortskenntnis meine Angaben berichtigen oder ergänzen würden.
In dieses eben beschriebene Gebiet fällt zum größten Teil
auch ein Stück Wald hinein, an welchem außer Kloster St.
Johann noch die Orte Steinburg und Ernolsheim Teil hatten.
«Praeterea adscribuntur ipsi praedio vastitates quaedam circum-
quaque sibi adjacentium saltuum, in quibus tamen admiscentur
communitates duorum praediorum, hoc est villae Steinbirche,
ad proprietatem sancti Petri et Richardis in Andelach pertinen-
tis, necnon villae Herolzheim, dictioni sancti Petri Neovillae
subjacentis. Solis colonis horum trium praediorum licet usus
et potestatem habere in his saltibus.» Die Grenzen dieses Wald-
gebietes werden folgendermaßen beschrieben :
Horum termini incipientes a praedio proprietatis
sancti Petri Neovillae, quod dicitur Sch we-
ga, ascendunt per alveum fluminis Zinzilae usque
in torrentem Falbach, indeque tendentes usque in
rivum,? qui dicitur Stampfehalda, moxque ad
locum vocatum Wasserquelle,® inde perveniunt
usque Egolckersweiler,* perguntque inde Herolz-
heim per semitam, quae inter duas villas frequentatur,
ea, quae huie semitae superiora sunt, assumentes, sicque
per eandem semitam ex superiori parte ecclesiae, quae
est Herolzheim, ad locum, qui dicitur Steig a,
reducuntur.
a) Schöpfl.: clivum. b) Schöpfl.: Wassergevelle. c) Schöpfl.:
Volckerswiler, Würdtw.: Ottkerswiler.
Der Ort Schwega an der Zinzel, bei welchem die
Grenze beginnt, ist nicht mehr vorhanden. Der Name ist aber
erhalten in der Schweyermühle, welche bei Dossenheim an der
Zinzel liegt. Nun geht es längs (per) des Bettes der Zinzel,
also auf deren rechten Ufer, aufwärts bis zur Einmündung
des Falbach, heute Fallbächel, welches nördlich des Höhe-
punktes der Zaberner Steige entspringt. Diesem Fallbächel
entlang geht die Grenze aufwärts, welche uns so wieder auf
die Wasserscheide zwischen Zorn und Zinzel führt. Dieser
Wasserscheide gehen wir nach Osten nach bis an den rivus,
qui dieitur Stampfehalda. Schöpflin liest «clivus»,
Rs Bl ee
was zu Stampfehalda, unter welcher man sich eine morastige,
sumpfige Anhöhe zu denken hat, gut passen würde. Es ist
aber nicht ausgeschlossen, daß der aus dieser wassergesättigten
Halde abfließende Bach denselben Namen getragen hat. Das
Resultat ist für unsere Untersuchung dasselbe, denn es kann
nur der Ort gemeint sein, wo das Nebenbächlein des Fall-
bächels, der Langentalbach, entspringt. Immer auf der Höhe
der Wasserscheide nach Osten gelangt man dann an einen
Ort, von welchem es heißt: moxque ad locum vocatum
Wasserquelle. Meiner Ansicht nach kann damit nur die
Quelle gemeint sein, welche sich auf dem Plateau nördlich
über St. Johann innerhalb der sog. Heidenstadt, einer alten
prähistorischen Ansiedelung, findet. Von da geht die Grenze
nach Egolckersweiler. Wir haben von diesem Ort
bereits gesprochen. Da die Grenze nach Ernolsheim (Herolz-
heim) weiterlàuft, muß dieses Egolckersweiler zwischen dem
erwahnten Plateau der Heidenstadt und Ernolsheim gelegen
haben. Da es weiter heibt: perguntque inde Herolz-
heim per semitam, quae interduas villas
frequentatur, so halte ich es für wahrscheinlich, daß
Egolckersweiler an dem St. Johann und Ernolsheim verbinden-
den Weg gelegen hat.! Alles was oberhalb dieses Pfades liegt,
also nórdlich davon, gehórt nach der Beschreibung zu dem
Waldgebiet. Von hier aus geht die Grenze oberhalb von
Ernolsheim weiter (ex superiori parte ecclesiae,?
quae est Herolzheim) und führt zurück nach Steiga.
Es liegt auf der Hand, daß nach der ganzen Situation Steiga
nur verschrieben sein kann für «Schweiga», womit die Grenze
wirklich zum Ausgangspunkt zurückführt (reducuntur). Die
Grenze läuft also von Ernolsheim aus noch ein Stück in
gleicher Höhe und senkt sich dann ins Zinzeltal zur Schweyer-
mühle.
Dieses Waldgebiet hatte also St. Johann mit den Orten
Ernolsheim und Steinburg gemeinsam. Dafür hatte es ein
anderes Waldgebiet zu ausschlieBlichem Eigentum. Dasselbe
wird folgendermaßen beschrieben :
: Schöpflin liest auch hier wieder «Volckerswiler». Vgl. dazu
p. (of.
2 Ecclesia im Sinne von «Pfarrdorf».
HERR. 6
— 82 —
Ad praedictum etiam jus pertinet aliud forestum,
nomine Braitenshoh* vocatum, incipiens a torrente
Vispach,b et pertingit usque Linderspach,¢
et ascendens a septentrionali parte usque ad locum, qui
dicitur Sibenbuch, habensque ibi quaquaversum
designatas arborum marginales provincialibus satis notas.
a) Schópfl. u. Würdtw.: Braitensnoh. b) Schópfl.: Vischbach
Schópfl.: Liderspach.
Dieser Walddistrikt kann, der Beschreibung nach, kein
anderer sein, als der jetzt «Breitschloß» genannte, im nördlichen
Tal der Zinzel von Lützelstein aus herunterziehende, östlich
vom Fischbach (Vispach), westlich vom Niederbach be-
grenzt, Dieser Niederbach muß mit Linderspach ge-
meint sein; auf dem Meßtischblatt heißt er Litterbach. Iın
Norden soll sich der Wald bis an einen Ort Sibenbuch
erstrecken. Nach Schópflin ware es der Name eines zerstórten
Dorfes. Allein nach der ganzen Darstellung ist damit eine `
Gruppe von sieben Buchenbäumen gemeint, welche als hervor-
ragende Grenzmarke gepflegt wurde. Außer dieser Baumgruppe
sind auch noch andere Baume dort, nach Westen wie nach
Osten hin, als Grenzmarken bezeichnet gewesen, jedenfalls
durch Einschnitt gewisser: Zeichen (Kreuz, Abtsstab oder der-
gleichen). Diese durch Sibenbuch hezeichnete nórdliche Grenze
haben wir, entsprechend der heutigen Ausdehnung des Breit-
schloBdistriktes, wohl óstlich von Lützelstein auf der Hóhe,
elwa bei Forsthaus Loostal zu suchen. Nach Süden ist keine
Grenze angegeben, deshalb dürfen wir vermuten, daB sich der
Distrik hier an die Nordgrenze des Klostergebietes anschloß,
welche wir etwa nach Forsthaus Pottaschplatz verlegen
können. — — |
Das Kloster St. Johann war also ziemlich reich dotiert.
Allein es verlor mit der Zeit diesen Besitz zum größten Teil.
Ja, dieser Verlust muß schon früh angefangen haben, weil
Teile des beschriebenen Gebietes, wie Herrenstein und Breit-
schloß-Wald, schon bald als Besitz Neuweilers erscheinen,
so daB man sogar vermutet hat, diese Teile hätten stets zu
Neuweiler gehört. Unsere Urkunde gibt da doch interessante
Aufschlüsse.
Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL).
PERLEN DER SANDSTEIN-VOGESEN.
Streifziige und Plaudereien
von
Max Ebell
Mit Buchschmuck und Einband von W. Richter-Rheinsberg.
2. Auflage. brosch. M. 5.— eleg. geb. M. 6.—
STRASSBURGER GEDENKBLATTER.
Dichterische Blicke auf altes und neues im schónen
Elsaß und auf sonstiges.
von
Fritz Ehrenberg
M. 1.50.
Der Verfasser zeigt da gleichsam durch die Tat, daf er als
Journalist in der aufreibenden Beschaftigung mit der Tagesgeschichte
dem Gemütsleben nahe geblieben.
Eine Abbildung der
HOHRONIGSBURG
aus der ersten Hülfte des XVI. Jahrhunderts
gefunden und beschrieben
von Paul Heitz
Mit 2 Tafeln. Preis M. 2.50
. Daf) die eine Burg die alte Hohkónigsburg vorstellt, ist für
jeden unbefangenen Beobachter ganz zweifellos.»
Frankfurter Zeitung, 19. Dez. 07.
«Die Aehnlichkeit ist so überraschend, daß ich nicht begreife,
wie man auf die Idee kommt, hier làge ein Idealbild vor oder das
einer anderen Burg.» Prof. Statsmann, Strassburger Post, 14. Okt. 07.
<... somit hätten wir also, wonach man so lange vergeblich ge-
sucht hat: eine bei einfachen mitteln und beschränkter absicht doch im
ganzen zuverlässige darstellung der burg in dem noch fast unge-
störten zustande des neubaus von 1479 ff.» .
Zeitschrift für Deutsches Altertum 49. Band.
Karte der Vogesen (1 : 50.000).
Herausgegeben von dem Centralausschuss des Vogesen- -Clubs. Preis des ein-
fachen Blattes aufgezogen und gefalzt je M. 2.-, für Mitglieder des V.-C.
je M. 1.60; des Doppelblattes je M. 3.-, fiir Mitglieder des V.-C. je M. 2 40.
Es erschien: BI. IV Weissenburg ; BI. V Lützelstein; Bl. VI-VII Nieder-
bronn-Worth; Bl. VIII Zabern; BI. IX Alberschweiler-Dagsburg ; BI. X
Molsheim; Bi. XI Oberes Breuschtal; Bl. XII Odilienberg; Bl. XIII
Markirch; Bl. XIV Schlettstadt-Rappoltsweiler; Bl. XV Schlucht-
Gerardmer: Bl. XVI Kavsersberg-Münster; Bl. XVII Wildenstein;
Bl. XVIII Gebweiler; Bl. XIX/XX Masmiinster-Thann.
Vrnrac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL).
Streifzüge und Rastorte im Reichslande und
in den angrenzenden Gebieten.
1. Der Kaiserstuhl, von C. Mündel. Zweite Auflage von: Die Strassen-
bahn Strassburg-Markolsheim nebst Ausflügen in den Kaiserstuhl. 1 50
. Wasgaubad Niederbronn und seine Umgebung. Von W.Kir-
stein. Mit 11 Illustrationen und Karte. 2. Aufl.
3. Wanderungen im Breuschtale. Von G. Kruhöffer. Mit zahl-
reichen Illustrationen. 1—
4. Rappoltsweiler, das Carolabad und Umgebung. Von M.Kube.
it einem einleitenden Gedicht von W. Jensen. Mit 16 Illustrationen
und einer Karte. 3. vermehrte Aufl.
5. Das Münstertal. Ein Führer für Touristen, herausgegeben von der
Sektion Münster des Vogesenklubs. Mit Bildern und 4 Karten. 2. Aufl. 1 —
6. Zabern und Umgebung. Ein Führer für Fremde und Einheimische
v. Dr. Hans Luthmer. Il. Auflage. Herausgegeben von der Sektion
Zabern des Vogesenklubs. Bearbeitet von Dr. Friedrich W ündisch
ND
-
Mit 14 Illustrationen. 1 20
7. Der Donon und seine Altertümer von Dr. O. Bechstein. Mit
Illustrationen. 1 —
8. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Münster- und
Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von
Dr. Franz. I. Teil. Drei-Aehren, Umgebung und die Seite des Mün-
stertales. Mit Karte und einer Illustration. 1 50
9, Ein Gang über das Schlachtfeld von Wörth von Dr. Wilh.
Matthäi. Mit einer Karte 1:25,000, enthaltend sämtliche Denkmäler. 1 —
10. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Miinster- und
Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von
Staatsanwalt Dr. Franz in Colmar i. Els. II. Teil. Seite des Kayser-
* berger Tals. Mit Karte und 2 Illustrationen. 1 50
ll. Führer für Reichenweier und Umgebung. Herausgegeben
von der Vogesenklub-Sektion Reichenweier. Mit 16 Illustrationen und
3 Karten. 1 50
12, unser für Barr und Umgebung. I. Teil, Nähere Umgebung Von
erbig.
13. Führer fiir Barr und Umgebung. II. Teil. Odilienberg, Hohwald
und weitere Umgebung. Von M. Herbig. Mit einer Kartenskizze. 1 20
Städte und Burgen in Elsass-Lothringen.
1. Herbig, M., Schloss an Dale Beschreibung und Geschichte. Mit
3 Abbildungen . . — 50
. Herbig, M., Die Ottrotter Schlösser, Ruine Köpfel, Ruine "Waldsburg.
— 80
Mit Abbildungen
to
. Gény, Geschichte der Stadt Schlettstadt — 25
. Herbig, M., Die Dreisteinschlósser, Ruine Birkenfels und Kagenfels — 80
. Herbig, M., Bernstcin und Dambach. Beschreioung und Geschichte 1 20
3. Herbig, M., Schloss Andlau. "Beschreibung und Geschichte. Mit 3 Ab-
bildungen und einem Grundriss. .
4. Herbig, M., Schloss Spessburg. Beschreibung und Geschichte. Mit Anhang:
Crax und Berkheim. 40 S. mit 3 Abbildungen und einem Grundriss — 60
5. von Borries, Geschichte der Stadt Strassburg à — 50
6. Wolfram, Geschichte der Stadt Metz ye x.
7. Waldner, Geschichte der Stadt Colmar . . Ds uma m eos il l
8. Post, Geschichte der Stadt Mülhausen . . . . . . . 2 2 2 .. —25
o Becker, Geschichte der Stadt Hagenau . . . . . 2 2 .... —25
1
11
12
Panoramen aus dem Elsass.
Nüher, J., Panorama des Odilienbergs —. 60
des Donon . . aua cerca cd —. €0
von der Plattform des Strassburger Munsters "UP 1. —
von der Wegelsburg im Wasgau . . . . 2 2 2 2 a —. 80
von dem Hoheneck in den Südvogesen . . . . . . . . l. —
23. Die politischen Verhältnisse und Bewegungen in Strasse
barg im Elsass im Jahre 1789 von Dr. Manfred Eimer. IH
u. . ^ -=
24. Die Beziehungen des Königs Rudolf von Habsburg zum
Elsass von C. Gissgen. 48 S. 1 50
25. Das Beranungeblet von Markirch von E. Hausser. Mit einer
Karte. 48
Band VI. ;
26. Matthias Erb. Ein elsässischer Glaubenszeuge aus der Reformationszeit.
Auf Grund archivalischer Dokumente v. Dr. H. Rocholl. 36 S. 1 20
27. Strassburg als Garnisonstadt unter dem ancien régime von
Oberlehrer Karl Engel. VI u. 146 S. Mit 6 Kartenshizzen. 4 50
28. Die Fahnen der Strassburger Bürgerwehr im 17. Jahrhundert
.vonJosephGe&ny. VIII u. 48 S. Mit 12 farbigen Fahnenabbildungen. 4 —
29. Der Oberelsässische Winterfeldzug 1674 75 und das Treffen
bei Türkheim. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von v.
Kortzfleisch. Mit 2 Kartenbeilagen. 3 50
30. Der Pfarrer Georg Jakob Eissen. Seine Freunde und seine Zeit-
genossen. Ein Strassburger Zeitbild aus dem 18. Jahrhundert. Auf Grund
urkundlichen Materials zusammengestellt von Dr. E. Hoepffner. Mit
einer Silhouette. —
Band VII.
31. Die Herrsehaft Rappoltstein. Ihre Entstehung und Ent-
wieklung. Von Rudolf Brieger. 78 S. 2 —
32. Die Sesenheimer Lieder. Eine kritischeStudie von Dr. Th. Maurer. 2—
33. Die Geschichte und Verfassung des Chorherrenstifts
Thann, nach archivalischen Urkunden bearbeitet von Dr. jur. Karl
Scholly. 8 —
31. Bemerkenswerte mittelalterliche Schenkungen im Elsass
von E. Herr. 3—
Weitere Hefte sind in Vorbereitung.
Elsássische Volksschriften. -
1. Wie Schloss Lichtenberg zur Ruine wurde. Kricgserlebnisse v.
Ed. Spach, mit zwei Ansichten von Lichtenberg. 40 S. 4. Aufl. — 60
2, Berg auf und Berg ab, von Maria Rebe. 48 S. — 50
3. Zwei Stephanstage. Eine Dorfgeschichte v. A. Schaller. 80 S. — 80
4. Aus den Papieren einer alten Jungfer, von L. Schaller-
Fischer. 108 S. ] —
5. Wer der Sünde den Sonntag giebt, dem nimmt sie di
Woche, von Maria Rebe. 54 S. — 50
6. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 56 S. — 50
7. Marenen aus Lothringen. Dem Volke nacherzählt von Fr. Peter ES
8. Um Freiheit u. Recht. Erzählung v. Joh. Westenhoeffer.72S. — 70
9. An fremdem Herd. Erzáhlung v. L. Schaller-Fischer.60 S. — 60
10. Wem der liebe Gott nicht bei der Erziehung hilft, dem
hilft ein anderer, von Maria Rebe. 44 S. l — 50
11. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Neue Folge. 52 S. — 60
12. Elisabeths Kleine. Eine Erzählung von A. Schaller. 60 S. — 00
13. Es werde Licht! Altes und Neues von Ed. Spach. 36 S. — 40
14. Aus dem Bauernkriege. Tagcbuch eines Reichenweierer Bürgers
1525. Mit einer Einleitung von E. Ensfelder. 32 S. — 30
15. Tröpflein im Meer, von L. Schaller-Fischer. 80S. — 80
16. Wer den lieben Gott nicht zur Hochzeit ladet, bekommt
einen bösen Gast, von Maria Rebe 44 S. — 60
17. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Dritte Folge. 52 S. — 60
18. Der Pfingstmontag. Lustspiel in Strassburger Mundart von J. G.
D. Arnold. Mit Arnolds Leben und Schriften von Ernst Martin. 18
und XXI S. — 80
19. Elsässische Pfarrhiuser. Erinnerungen aus meinem Vikarleben
von Ed. Spach. 62 S. - — 50
20. Des Lohnkutschers erste Fahrt, von A. Schaller. 40 S. — 40
21. Daheim, von L. Schaller-Fischer. 68 S. — 60
22. ee aber nicht verlassen, von L. Schaller-Fisch os
72 S. 5 —
23. Elsässische Pfarrhäuser. Neue Folge. Erinnerungen aus meinem
Kinderleben, von Ed. Spach. 92 S. — 80
24. Menschenpfade und Gotteswege. Drei Erzählungen von D. C.
Nehlig. 54S — 60
25. Elsässische Pfarrhäuser. Dritte Folge. Bei meinen Grosseltern,
von Ed. Spach. IV und 48 S. — 50
. Osterprimel. Fünf Erzählungen von A. Schaller. 78 S. _
. Zweierlei ws. vonL.Schaller-Fischer. 76 S. _
"Aus meinem Sch cua
. Salome oder die christliche Bäuerin. 80 S. . =
. Aus den Erinnerungen einer Elsisserin. Von E. Avari. 88S. 1
. 4Strossburjer Komedie. (1. Serie). Von D.G. Ad. Horsch. 64S. —
. Aus meinem Studentenieben, von Ed. Spach. 52 S. — 50
. O du fröhliche, o du selige, gaadenbringenge Weihnaehte-
ülerleben, von Ed. Spach. 56 S.
zeit! Drei Erzählungen von D. C. Nehlig.
: Wartburg und Wittenberg. Reiseerinnerungen eines Elsässers. Von
Ed. Spach. 40 S. i — 50
5. Bilder aus dem Leben. Von Ed. Spach. 4. Folge. 48 S. — 60
. Elsässische Pfarrhäuser. 4. Folge. Aus meinem Vikarleben. Von
Ed. Spach. Zweiter Teil. 46 S. — 60
. Aus Grossmütterchens Kinderjahren. Von L. Schaller-
Fischer. 32 S. — 40
. Hinaus indie Ferne. Vier Erzählungen von D. C. Nehlig.50 S. —
. Hänsel juchz’. Eine wahre Geschichte. v. C Wickersheimer.20S. — 30
. Bilder aus dem Leben. Von Ed. Spach. 5. Folge. 44 S. — 50
. Weihnachtsklänge. Drei Erzählungen von D. C. Nehlig. 56 S. — 60
. Erzählunge in Strossburjer Mundart. Von Mathilde Weis ET
Mit einem Bild. 50 S
. Leiden und Freuden der Weinbauern im Ober- Elsass naeh
den Berichten früherer Jahrhunderte und den Aufzeich-
nungen in der Bannwarthütte zu Thann im Ober- Elsass.
Von Bruno Stehle. Mit 2 Abbildungen. 48 S. — 60
. Drei G’schichtlen tis de sechziger Johr. Unseri SUN.
Unseri Pariser. 's End vom Stilllewe von Marie Hart. 32 S. -—f4
. Kättele’s Weihnachtsbaum. Die Champagnerflasche. Zwei
Erzählungen von L. Schweitzer. 24 S. — 30
Fallend' Laub. Von Maria Rebe. 190 S. Mit einem Lichtdruck. 2 —
. Bieje — awer nit breche! Charakterstück in eim Uffzug vun
Jean Riff.32S. . — 40
. Telegraphie ohni Droht, Original-Schwank in eim Uffzug von jean
Riff. 31S
49. 2 Strossburjer Komödie (2. Serie). Von D. G. Ad. Horsch. 32 S. — 60
. Herr Heinrich von Müllenheim (1233). In Angst und Not
(1333). Von Anna Lau. 32 S.
60
. Im Frühlicht der Reformation. Aus Strassburgs Chronik 1529—1553.
Von Anna Lau. 4s S. — 80
. D'r Pfetier vum Land od'r e Kindtauf mit Hindernisse.
Original-Komódie in eim Uftzug. Von Jean Riff. 32 S. — 60
. Vogesengrün. Erzählungen aus dem Elsass. Von Maria Rebe. 95 S.
Mit 4 Abbildungen. i=
. Aus der Bippernanzgasse. Cordula. Zwei Erzählungen ron
44S. .
Anna Lau.
. Aus Strassburgs Vergangenheit. Vier kurze Erzählungen Mo
Elsa Jordan. 32 S.
. Strassburger Mire aus Barbarossas Zeit. 1184-1189. Von
Anna Lau. 36 S. — 40
. Und es war Nacht. (1681—1684.) Von Anna Lau. 63 S. — 80
. Der junge Philipp Jakob Spener in Strassburg Bona
Von Anna Lau. 50S
-
Mit elf lilustrationen. 112 S.
. »Strossburjer Ditsch“ in vier Jahrhunderten 1687-1905.
. Unterm Weihnachtsstern. Wcihnachtsaufführung für junge Miid-
— 20
chen von A. Schaller. 20 S.
. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 40 S. — 50
. Die helltönenden Wörtlein unseres Altvaters Geiler von
Kaysersberg. Was wir, scine Landsleute, von ihm wissen sollten
aus Heimatstolz. Zusammengestellt von Peter Lang. Mit 2 Abbildungen.
VHI und 106 S. 1.
Die Sammlung wird fortgesetzt.
Spezialkataloge unseres Verlags werden auf Wunsch zugesandt.
Es sind erschienen: I. Kunst und Kunstgeschichte; II.
Schriften über Elsass-Lothringen; III. Theologie, Philo-
sophie; IV. Geschichte, Biographie, Kulturgeschichte,
Geographie; V. Bibliographie, Jurisprudenz, Mathematik
und Naturwissenschaft, Erzählungen, Reiseskizzen, G9-
dichte, Theater. 2
Digitized by Google
Digitized by Google
P Digitized by Google