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Full text of "Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen Hefte 33-34"

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ES- UND. VOLKESKUND 


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XXXII. HEFT 


E GESCHICHTE UND VERFASSUNG DES: e 


BEARBEITET 


von — DEC 1 5: 1965 


UNIVERSITY .OF CALIFORNIA 


R o% wr. KARL SCHOLL pui. 


STRASSBURG 
Ep. Herz (Heitz & MüNpEL) | 
1907. e 


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bo 


BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE 


von Elsass-Lothringen. 
Band I. 


. Die deutsch-französische Sprachgrenze in Lothringen von 
50 


Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1:3)0.0W)). (Vergriffen.) 


1 
. Ein andechtig geistliche Badenfahrt des hochgelehrten 


Herren Thomas Murner. 65 S. Neudruck mit Erläutergn., insbe- 
sondere über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit $ 
' Zinkätzungen nach dem Original. 


. Die Alamannenschlacht vor Strassburg 357 n. Chr. von 


Archivdirektor Dr. W. Wiegand. 46 S. mit einer Karte und einer Wen 
skizze. 


. Lenz, Goethe und Cleophe Fibich von Strassburg. Ein en 


licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Porträt 
Araminta’s in farbigem Lichtdruck und ihrem Facsimile aus dem Lenz- 


Stammbuch von Dr. Joh. Froitzheim. % S. 2 50 

. Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsass von Dr. 

Const. This. 43 S. mit Tabelle, Karte und acht Zinkätzungen. 1 50 
Band II. 


‚Strassburg im französischen Kriege 1552 von Dr. A. d^ 
1 50 


laender. 68 S 


7. Zu Strassburgs Sturm- und Drangperiode 1770 bis 20 


Von Dr. Joh. Froitzheim. 88S. 


. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass. 


Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. "E. eil 
von 1065—1648. 114 S. 


. Rechts- und Wirtschafts-Verfassung des Abtei bieten 


Maursmünster während des Mittelalters von r. MR 
Hertzog. 114 S. 


. Goethe und Heinrieh Leopold Wagner. Ein Wort der Kritik 

an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 68S. . 150 
Band III. l Por 

. Die P ENEE P im Elsass. Von Dr. H. Witte. 158 S. 2 50 


16. 


17. 


18 


19. 


21. 


. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass. 


Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. Il. Teil 
von 1648—1791. 158 S. 2 50 


. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Aae 
1 


bayr. Hauptmann. 48 S. 


. Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth- 


ringen zum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1542 yon 
Dr. Siegfried Fitte. Mit Karte. 103 S. 2 50 


. Deutsche und Keltoromanen in Lothringen nach der Völ- 


kerwanderung. Die Entstehung des Deutschen a yon 
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte. 250 


Band IV. 


Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen 
und Sittengeschichte des Elsasses und der Schweiz im 15. Jahrhundert 
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Puller von Dr. H. Witte, 
IV u. 148 S. 2 50 

Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen 
ca du zu Frankreich im 16. Jahrhundert von Dr. A. Hollaender. 

Der lateinische Dichter Johannes Fabricius Montanus (aus 
Bergheim im Elsass) 1527—1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen 
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul- 
pinus. 30 S. — 80 

Forstgeschichtliche Skizzen: aus den Staats- und Gemeindewald- 
ungen von Rappoltsweiler und Reichenweier aus der Zeit vom Aus- 
ga nge des Mittelalters bis zu Anfang des XIX. Jahrhunderts von Dr. 

ug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Uebersichtskarte. IVu.78S. 2 — 


. Die Festung Bitseh von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage 


mit einem Anhange enthaltend die Umgebung von Bitsch. Mit 2 Ansichten 
und Plan von Bitsch, nebst Karte der Umgegend. 52.5. 1 50 


Band V. 


Ritter Friedrich Kappler. Ein elsässischer Feldhauptmann aus 
dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus, VIII u. 112 S. 3- 


DIE GESCHICHTE UND VERFASSUNG 
DES CHORHERRENSTIFTS THANN 


BEITRÄGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE IN ELSASS-LOTHRINGEN. XXXIII. 


DIE GESCHICHTE UND VERFASSUNG 


DES 


CHORHERRENSTIFTS THANN 


NACH ARCHIVALISCHEN URKUNDEN 
BEARBEITET 


VON 


Dr. sur. KARL SCHOLLY 


KAIS. NOTAR ZU THANN (ELSASS) 


STRASSBURG 
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL) 
1907 


DD gs) 
A 32 BY 


he II IL 
INHALTSVERZEICHNIS. 
Seite 
Kapitell. 
Gründung des Klosters St. Amarin am Doroangus . . .. ] 
Besitz desselben . . . P uk ces AP ub, iade ex 6 


Streitigkeiten mit der Abtei Murbach dS. tas ee Lco Ee Ro 3 11 
Inkorporation der Kirche zu Altthann . -. . dise 14 
Tausch des Kirchensatzes Eglingen gegen Weiler ‘ 18 
Bestrebungen des Kapitels, nach Thann verlegt zu w ‚erden à 20 


Kapitel IL 


Das Stift wird nach Thann verlegt. Gründe des Landesherrn 23 
Die Gründe des Konzils von Basel in der Bulle sacrosancta 


generalis . . (ov 1 owe do 24 
Der Abt von Murbach wahrt seine | Rechte s. s 25 
Vereinbarung, durch welche die Rechte des Abts festgelegt 

Werden. . . . Be ee a Ole dee Ris sp, A 26 
Die Reliquien des hl. Akrinis: op oe by aoe ids i 28 
Verträge zwischen der Stadt und den Chorherren . "M . di 
Die Streitigkeiten wegen der Opfergaben werden vermittelt. . 34 
Verpflichtung der Stadt zur Unterhaltung der Theobaldus- 

jo MO MVC". 


e 


Kapitel III. 


Patronatsrecht zu den Kanonikaten . . . . . . . . .. ~~ 39 
Zahl der Pfründen . . . a lee cer dee Hd 42 
Erfordernisse der Ana TO: in E Stiftskapitel JG" 45 
Einführung und Eid der neuen Kanoniker S 4 mo feces Us 41 
Pflichten derselben . . . . . nn. — DO 


075 


z= : = 
Kapitel IV. 


Die Dignitáten des Stifts: 
a) Der Propst : 
Wahl und Bestitiguag 
Rechtliche Stellung 
Nebenbezüge . 
b) Der Kantor 
c) Der Kustos ; : 
Dessen Sorge für die alte Stiftskirche. zu St. deris : 
Das Kapitel tauscht den Pfarrsatz von Eschenzweiler gegen 
die Kaplanei St. Amarin ; 
Größenverhältnisse und Stil der Stiftskirche St. Amann: 
Neubau der Pfarrkirche daselbst . 
Der Senior des Kapitels 


Kapitel V. 


Entwicklung der Pfarrei Thann 

Der Pfarrer gehört zum Stiftskapitel 

Neuregelung des Anfalls der Opfergelder . 

Die Wahl des Pfarrers obliegt dem Kapitel . 

Alter Brauch bei den großen Wallfahrten . 

Das Kapitel hält an seinem Wahlrecht fest . 

Bezüge ; 

Streitigkeiten zwischen Pfarrer und Kapitel wegen der Seel- 
sorge zu Altthann . 

Der Sekretár und der Punktator ; 


Kapitel VI. 


Geschichte der Altüre zu Altthann und Thann 
Die Kapläne präsentiert das Kapitel selbständig 
Einkünfte der festangestellten Kapläne 


Kapitel VI. 


Einnahmen des Stifts: 
Zehntenzu Thann, Altthann. Erbenheim, Oberaspach, Nieder- 
aspach, Eglingen. Dornach, Eschenzweiler, Traubach 


Erträgnisse der Dinghöfe von iua QU. Brünighofen, 


Reiningen i 
Die Thanner Pfründen sen gering Aa 
Ausgaben des Stifts für Kirchen und Pfarrhäuser 


Seite 


115 


119 
121 
123 


— vil — 


Die Residenzpflicht der Chorherren . , 
Die Spezialien und täglichen Distributionen 
Der kanonische Gottesdienst 


. Kapitel VIII. 


Streit zwischen Pfarrer und Kapitel wegen des Vorrangs bei 
Prozessionen . : 

Bauliche Veriuderangen di in der Stiftskirche : 

Prozeß zwischen Magistrat und Kapitel wegen Instandhaltung 
des alten Friedhofs um das Münster . 

Bauwerke auf dem Friedhofe 

Die alten Grabdenkmäler werden aus der Stiftskirche entfernt 


Kapitel IX. 


Der Beginn der Revolution in Thann 

Dekret über die Zivilkonstitution der Geistlichkeit 

Die Chorherren leisten bezw. verweigern den Eid 

Einführung des konstitutionellen Pfarrers Goetzmann 

Tätigkeit der Gesellschaft der Volksfreunde . 

Verkauf der Stiftsgüter 

Beschlagnahme der Gold- und Silbersachen sowie dër Glocken 
des Miinsters ‘ 

Feier des Festes der Vernunft . 

Verwüstungen an der Stiftskirche. "E 

Die Abhaltung: des Gottesdienstes in der Franziskanerkirehe 
und dem Münster . 

Rückgabe der Kirche an die Katholiken 


Kapitel X. 


Die Própste des Stifts Thann 


Anlagen. 


Die Statuten von 1350 SE : 
Prüsentation eines Chorherrn auf Grund der ersten Bitte : 
Ernennung eines Kanonikers nach Resignation des Vorgüngers 
Investitur der Kanoniker . : 

Kid der Kanoniker und Sacellanen 

Eid der Chorherren vor der Wahl des Propstes 

Wahl des Propstes 

Vorschlag des Propstes durch das Kapitel zur Beonehmizune 
Konfirmation desselben durch den Bischof 


— vill — 


Seite 

Treueid des Propstes . . . P Xo Re uo uel ue ce 
Päpstliche Bulle für die Pfarrei Thann ie Ho CV ode oy Re DEUS 
Transaktion von 1400 . . . . . . . . . . . . . . . 194 
Wahl des Pfarrers . . . .. . 196 
Vorschlag des Kapitels zur Bestütigung des Pfarrers » » . 196 
Rodel des Dinghofs Oberaspach . . . . . . . . . . . 196 
» » » Deckweiler . . . 2 & o ce 35 ee s 198 


> > > Brinighofen . . . . . . . . . .. £202 


KAPITEL I. 


Gründung des Kiosters St. Amarin am Doroangus. Der Besitz und 
die Patronatsrechte desselben. Streitigkeiten mit der Abtei 
Murbach. Unierung der Kirche zu Altthann. Tausch des Kir- 
chensatzes Eglingen. Bestrebungen des Kapitels nach Thann 
verlegt zu werden. 


Das ehemalige Benediktinerklösterlein und nachmalige Chor- 
herrenstift St. Amarin führt seine Gründung auf den hl. Ama- 
rnus, auch Marinus, Emerinus und Emeri genannt, einen 
Schüler des hl. Columban zurück, der in dem später nach ihm 
genannten Tale von dem ihn besuchenden Bischof Praejectus 
von Clermont krank angetroffen und wunderbarer Weise geheilt 
wurde!, Der Sage nach fielen die beiden Heiligen miteinander 
unter den Dolchen der Anhànger Ebroins im Jahre 670 oder 
673. Der Leichnam des hl. Amarinus wurde in das Kloster zu- 
rückgebracht, wo er als Patron hoch verehrt war; später, zu 
einer unbekannten Zeit erfolgte die Translation der hauptsäch- 
lichsten Reliquien nach der Abtei Murbach. 

Wann das Kloster gegründet wurde, läßt sich mit Sicher- 
heit nicht feststellen, denn während einzelne Schriftsteller die 
Gründung bereits in die zweite Halfte des 7. Jahrhunderts ver- 
'egen 2, geben andere als Zeitpunkt der Errichtung das 8. Jahr- 
hundert an3. Ueber die Lage des Klosters ist nur soviel be- 


! Kraus, Kunst und Altertum im Oberelsaß, S. 15. 

2 Gatrio, Abtei Murbach I, S. 117. 

3 Basilea sacra von 1648. S. 98. Quamvis de origine pervetustae 
et celebris ecclesiae St. Projecti et Marini (vulgus Amarinum vocat) 
ejusque fundatore nihil ad nos transmiserit obliviosa antiquitas pro- 
babile tamen est eam cum illustri Murbacensi monasterio coepisse 
circa annum 727, | 


SCHOLLY. 1 


EL M 


kannt, dab es vom hl. Amarinus mit Erlaubnis des Taleigen- 
tümers Warnacher nicht weit von der Stelle erbaut war, der 
im Volksmunde der Doroangus hieß (ad locum, quem Doroangus 
gentili lingua barbari vocitant, ubi haud procul cellulam beatae 
recordationis et venerandus vir construxerat)!. 

Ueber die Erklärung des Ausdrucks Doroangus sind die 
verschiedensten Ansichten und. Vermutungen aufgestellt worden, 
von denen keine das Richtige trifft. Ravenez schreibt in seinem 
Werke über den Doroangus?: C'était une localité de la Vosge 
alsatique dont le biographe de St. Praejectus évéque d'Arvernes 
a parlé en ces termes. «Vers le méme temps il arriva que 
l'hmme de Dieu se rendit à la cour du.roi Hildéric pour la 
fondation d'une église. Il se mit donc en route, et comme il 
suivalt cette vaste solitude qu'on appelle la Vosge il arriva en- 
fin à grand'peine et par des sentiers difficiles à travers mon- 
tagnes et les vallées jusqu'à un endroit, que les barbares dans 
leur langage paien appellent Doroangus. C'était à peu de distance 
de là que le vénérable Amarin, de bien heureuse mémoire, avait 
avec la permission du prince Warnéchaire élevé aprés un tra- 
vail immense un petit oratoire.» Au lieu de Doroangus, Savaron 
lit Cloroangus; dans une autre vie recueillie par du Chesne, on 
trouve Claroangus in Vosaco ; dans les Bollandistes, Doroangus 
in Vosago, dans Wion Claroangus in Morago. Sous ce nom se 
cache, selon toute apparence, la ville de St. Amarin, qui recut 
de son nouvel habitant, célébre par sa piété une appellation 
nouvelle qui s'étendit peu à peu à toute la vallée. A l'entrée 
de cette vallée prés de la ville de Thann est un coteau fertile 
en vins ; on l'appelle encore aujourd'hui Rangen. 

Auch Grandidier 3 und Gatrio4 bringen den Rangen in Ver- 
bindung mit dem Doroangus. Unzweifelliaft ist diese Lesart die 
beste; die mit cl anfangenden Schreibarten sind offensichtlich 
aus dem Anfangsbuchstaben d verlesen, wobei der Gedanke an 
clarus und angulus bei den lateinisch gebildeten Abschreibern 


1 Grandidier hist. d'Als. II, S. 54. ILI 

2 l'Alsace illustrée III. S. 468. | l 

3 Pièces justificatives de l'histoire d'Alsace II, S. 54. Antiquum 
St. Amarini monasterium situm fuerit ad Thuram amnem in vicina 
montis qui adhuc dicitur Rangen. Moné Zeitschrift für die Geschichte 
des Oberrheines VII, S. 231. 

4 Abtei Murbach I, S. 117 «eine Stelle, wo die Thur am Rangen 
vorbeiflieDt». i 


a pem 


vielleicht unabsichtlich mitwirkte. In Doro steckt der Name 
Thur !, schon früher und heute noch im Volksmund als Dur 
gesprochen 2 und in angus ein altes Wort für Au, Wiese oder 
Feld, das unter anderm in Furtwangen, Ellwangen und Wangen- 
burg fortlebt 3. Hätte St. Amarinus nicht den alten Namen ver- 
drängt 4, so hieße heute wahrscheinlich das Städtchen St. Ama- . 
rin Thurwangen oder Thurau5. Mit Rangen hat der zweite Teil 
des Wortes nichts zu tun, denn einmal liegt kein sehr abschüs- 
siger und steiler Berg, wie es der Thanner Rangen ist®, in der 
Nähe des alten Klösterleins, welches neben der heutigen Pfarr- 
kirche von St. Amarin stand, dann aber fließt, was allen diesen 
Geschichtsschreibern entgangen ist, die Thur ziemlich weit ent- 
fernt von dem Kloster und zwar südlich längs des Seitenkamines 
des Tales. Eine Veränderung des Flußbettes der Thur seit der 
Gründung des Klosters ist nach der ganzen geologischen For- 
mation völlig ausgeschlossen. 

Die Vogesen galten zu jener Zeit als eine öde Wildnis, 
welche jeder Reisende gerne vermied 7, Sankt Columbanus war 
der erste Eremit, welcher in diesen Bergen ein Asyl suchte und 
am Ende des 6. Jahrhunderts das Kloster Luxeuil gründete, 
dessen Mönche durch ihr heiligmäßiges Leben in jener Gegend 
bekannt und wohl gelitten waren. Ein Schüler Columbans soll 
nach der Ueberlieferung Amarinus gewesen sein; dieser über- 
schritt, wohl, um das Evangelium in dem bisher von Glaubens- 
boten noch nicht betretenen Gebiete der Vogesen zu verbreiten, 
unter großen Mühen den Kamm des Gebirges nach Urbis zu 
und gelangte dem Laufe der Thur folgend an das Tal, dessen 
Wiesen und Felder sich bis zu dem Fluß herab zogen, dem 


1 Das Wort Thur oder Dur ist nach Schoepflin und Laguille 
keltisch und bedeutet soviel als Bach oder Wasser. Alle Ortschaften 
mit der lateinischen Endung durum liegen nach Schoepflin an einem 
Wasserlaufe. 

2 Ingold, Mabillon en Alsace «les Allemands disent Dhour et 
non pas Thur». = 

3 Nach Strobel vaterl. Geschichte I, S. 28 hätten die Nemeter 
und Vangionen um das Jahr 80 oder 100 v. Chr. das Elsaß zum 
ersten Male besetzt. 

4 Der Name St. Amarin erscheint nach Kraus S. 15 nicht vor 
1135 urkundlich nachgewiesen. 

5 Mitteilung des Herrn Gymnasialdirektors Dr. Seelisch zu Alt- 
kirch früher in Thann. | 

6 Gebrüder Grimm, Deutsches Wörterbuch VIII, S. 9. 

1 Ravenez I, S. 32, 50. 


sa ium 


Doroangus, einem Ort, der im Gegensatz zu dem sonst überalb 
die Gegend bedeckenden Urwald von den wenigen Ansiedlern 
urbar gemacht worden war. Seitwärts in dem Tale errichtete 
Amarinus ein Klósterlein, in welchem seine Schüler einfach und 
arm lebten ; sie genossen nur Brot und Wasser und verdienten 
sich durch Arbeit ihren notdürftigen Unterhalt selbst}. Durch 
ihr frommes Leben und ihren Eifer zogen sie sich die Achtung 
und das Wohlwollen aller Bewohner des Tales, ebenso wie ihre 
Brüder von Luxeuil, zu. 

Gatrio verinutet, daß das Kloster durch die Herren von 
Murbach wahrscheinlich zuerst materiell gehoben 2 und später 
an einem unbekannten Datum in ein Kollegiatstift umgewandelt 
worden sei?. Diese Ansicht dürfte, soweit es sich um die finan- 
zielle Unterstützung durch Murbach handelt, eine bloße Ver- 
mutung aber keine Tatsache sein. 1m Gegenteil ist anzunehmen, 
daß die Abtei nur sehr wenig für das Kloster getan hat, da 
nicht eine einzige Urkunde hierfür einen positiven Beweis lie- 
fert. Wenn auch diejenige über das Gut zu Odern vom 9. Fe- 
bruar 1299 von den vielfachen Wohltaten der Herren von Mur- 
bach gegenüber dem Stift spricht, (propter multiplices favores 
retro abbatem et conventum monasterii Morbacensis erga nos 
favorabiliter exhibitis) so beweist dieser unbestimmte Ausdruck 
um so weniger, als die Familie derer von Rötteln, welcher der 
damalige Propst Lutold angehórte, Lehensleute des Klosters 
Murbach waren, wie aus einem Revers vom 27. April 1259 
hervorgeht. Der Ansicht von Gatrio widerspricht der Besitzstand 
des Stifls innerhalb und außerhalb des St. Amarintales. Durch 
die Schenkung Karls des Großen, des pastor Murbacensis, kam 
das Tal, so wie er es besaß, an die Abtei als Almosent. Das 
Original der Urkunde ging verloren, hat aber den Schiedsrich- 
tern im Streite der Grafen von Pfirt mit der Abtei Murbach 


1 Bez. Arch. Colmar Lade 14. 

* Bd. I, S. 117. f 

3 Wann das Kloster säkularisiert wurde, läßt sich nicht fest- 
stellen, nach einer Mitteilung Bez. Arch. Lade 1 und 14 wäre dies 
zur Zeit des Königs Childerich geschehen (?) Wenn Schickelé, le 
doyenné de Masevaux S. 130 schreibt, au XIII. siècle le monastère 
devint un collège de chanoines, so ist dem entgegen zu halten, daß 
die Papstbulle von 1191 bereits von Chorherren spricht. 

4 Schoepflin, Als. il. II, S. 99. Als. dipl. I, S. 297. Die alten 
Territorien des Elsasses S. 56. Bacquol Ristelhuber Dict. S. 22. 


MED Me 


zur Zeit des Kaisers Friedrich II. noch vorgelegen. Gegenstand 
der Schenkung war nicht das Gut von Odern, welches dem 
Kloster viel früher, vielleicht von dem Talherr Warnacher ge- 
geben war. Dieser rechtliche Besitz daz gut ze Adern lag mitten 
im Murbacher Gebiet und hatte die Abtei zur Arrondierung ihres 
Besitztums schon langst ein Auge darauf geworfen. Bereits in 
der Mitte des 13. Jahrhunderts erwarb Murbach durch An- und 
Rückkäufe von den Grafen zu Horburg die vielleicht von ihr 
infolge Geldnot an diese verpfändeten Gebiete im obern Amarin- 
tai wieder, und fehlte nur noch das Gut zu Odern zum Allein- 
besitz. Erst unter dem Propst von Röteln gelang es der Abtei 
sich durch eine Art Vorkaufsrecht das Gut zu sichern, indem 
abgemacht wurde, daß weder das derzeitige Kapitel noch dessen 
Rechtsnachfolger jemals aasselbe verkaufen dürfte. Ein förm- 
liches Kaufversprechen an-Murbach ist zwar nicht in die Ver- 
einbarung aufgenommen, aber aus dem Schlußsatze, daß die 
von St. Amarin auch sonst nichts zum Schaden der Abtei vor- 
nehmen werden, folgt das Vorrecht des Klosters. Im gleichen 
Jahre bestätigte der Bischof die Abmachung. Im inneren Ama- 
rintale ist von den Wohltaten der Abtei an das Stift nichts zu 
finden, was es hier halte, hesaß es kraft eigenen Rechts. Wie 
steht es nun mit den Besitzungen des Kapitels außerhalb des 
Tales? Die älteste uns bekannte Urkunde, welche die Eigen- 
tumsrechte und die Besitzverhältnisse des Stifts St. Amarin er- 
wähnt, ist eine Bulle des Papstes Coelestinus vom 3. März 1191, 
sofort nach seinem Regierungsantritte erlassen (anno primo pon- 
tificatus) !. Die Bulle war wohl gleichzeitig mit denjenigen für 
die Abtei Murbach und das Kloster Goldbach vom Papst unter- 
zeichnet und scheint mir die Amariner Bulle die Echtheit der 
von Jaffé als unecht angesehenen Murbacher Bulle zu beweisen. 
Wenn Gatrio meint?, dab der Gegenstand sowohl der Murbacher 
als der Goldbacher Papstbulle so vollkommen mit den Ereignissen 
und der Sachlage jener Zeit stimmt, daB deren Inhalt auf histo- 
rischem Boden fußt, so hat er mit seiner Ansicht sicher Recht; 
wenn ihm die vidimierte Abschrift der St, Amariner Bulle be- 
kannt gewesen wäre, so würde er seine Vermutung gewiß als 
positive Tatsache aufgestellt haben. Der Papst bestatigte seinen 
gelieblen Sóhnen dem Propst, welchen er nicht mit Namen 


1 Bez, Arch. Lad. 14. 
3 Abtei Murbach I, S. 255. 


uuo IGP aS 


nennt, und den Kanonikern der Kirche zu St. Amarin auf 
deren Ansuchen die Kirche und den Dinghof mit allem Zu- 
beliör zu Oberaspach, die Kirche zu Dornach! und den Ding- 
hof daselbst, die Kirche zu Eschenzweiler 2 und den Dinghof, 
den Dinghof zu Brünighofen3 mit seinen Einkünften; alles 
was sie besitzen zu Deckenweiler4, die Mühle, Reben und 
Häuser zu Sennheim5, die Reben zu Ufholtz und die 15 Fuder 
Wein daselbst, alles was sie besitzen zu Wattweiler, den Hof 
und die Reben zu Sulz, die Häuser und Reben zu Merxheim & 
und Bergholtz sowie zu Odern? und Urbis8® und alle Rechte 
und Gerechtigkeiten innerhalb und außerhalb des Amarintales, 
so wie das Stift dies alles in ruhigem und richtigem Besitz 
habe. Gegeben ist die Bulle im Lateran 1191 quinto nonas 
Marti anno primo pontificatus. | 

Die Bulle gibt genau den gesamten damaligen Besitz des 
Stifts an, die verschiedenen Rechte in Sennheim, Wattweiler, 
Sulz und Bergholz werden später nicht mehr erwähnt und sind 
wohl verkauft oder umgetauscht worden. Der Hauptbesitz lag 
im Herzen des Stammlandes der Grafen von Pfirt, von diesem 
frommen Geschlecht sind dem Kloster St. Amarin nachgewie- 
senermaßen Begabungen gemacht worden, nicht die Abtei Mur- 
bach war die Wohltäterin des Stifls, sondern das gräfliche Haus 
Pfirt. Die Ansicht, daß Murbach das Stift unterstützt habe, 
wurde von den Amariner Chorherren stets zurückgewiesen, 
allerdings mit der nicht zutreffenden Motivierung, daß ihr Stift 
älter als das Kloster Murbach sei. 

Ueber Zuwendungen der Grafen von Pfirt geben folgende 
Tatsachen Aufschluß. | 

Im Jahre 1262 schenkte Graf Ulrich I. dem Stift den Ding- 
hof zu Altthann, den dieses später mit Genehmigung des Bischofs 
an das Frauenkloster daselbst abtrat «zur Erinnerung an seinen 
Vater Friedrich und seine Mutter Heilewige und seine Brüder, 


1 ecclesia Thurnechensis. 

2 Eschelswillre. 

3 curtem Brunicovensem. 

4 Tecwillre ein zerstörtes Dorf, dessen Bann heute mit Reiningen 
vereinigt ist. Schoepflin Als. il. S. 44. 

5 Sennen. 

6 Merckensheim. 

7 Aderen. 

8 Urbeitz. 


—95À mnn 


auf daß das Anniversarium feierlicher gehalten werde»: die 
Früchte sollten in die Präsenz fallen, mit der ausdrücklichen 
Bestimmung, daß ein durch Krankheit oder sonst entschuldbare 
Abwesenheit verhinderter Chorherr daran partizipiere!. 

4318 verlieh Graf Ulrich II. aus demselben Dvnastenge- 
schlecht dem Kapitel das Patronatsrecht der Kirche von Traubach 
(Trogebach)? «propter deum et in nostrae et progenitorum 
nostrorum animarum remedium et salutem». Die Kongrua der 
Pfründe betrug, wie der Offizial des Bischofs, welcher das 
Patronat genehmigte, bestimmte 17/4 Korn, 17/4 Spelz und 
Hafer und die Opfergelder ; ein Pleban sei sofort zu ernennen 
und binnen Monatsfrist dem Bischof zu prasentieren. Die Ueber- 
schüsse der Pfarrei seien ganz für die Kirche zu St. Amarin zu 
verwenden in subsidium et augmentum praebendarum vestrarum. 
1358 bestätigte Rudolf das Patronat. 

Wann die ältesten Statuten des Stifts erlassen worden sind, 
entzieht sich unserer Kenntnis ; 1214 fügte denselben der Propst 
Amarinus von Stoer Zusátze bei, aus denen nachstehende Punkte 
besondere Erwähnung verdienen?. 

4. Der Hochaltar darf nur von Kanonikern bedient werden. 
2. Die Anniversarien sind abwechselnd vom Pleban, den Sacel- 
lanen und Kaplänen zu halten und haben die Abwesenden keinen 
Anteil an der Präsenz. 3. Der Kanoniker, welcher die Distri- 
butionen genießen will, muß anwesend sein und psallieren; ist 
er über drei Monate abwesend, so hat er nur Anspruch auf die 
fructus grossi. Der Chorherr, welcher zwei Jahre lang seine 
‘esidenzpflicht nicht erfüllt, geht seiner Pfründe verlustig. Der 
Propst allein ist zur Residenz nicht verpflichtet. Außer der 
freien Prábende des Propstes bleiben in Zukunft 12 Pfründen 
für die Chorherren, daneben bestehen sechs Sacellane und vier 
Kaplane, welch letztere die Seelsorge ausüben. Dieser Nachtrag 
zu den Statuten enthält den Nachweis, daß schon damals das 
Stift für 19 Kanoniker eingerichtet war und gibt zugleich einen 
kleinen Fingerzeig, wie der Gottesdienst im St. Amarintal ge- 
halten wurde. Wohl seit der Zeit des hl. Amarinus ist die 
Seelsorge von den Mönchen des Klosters und später von ihren 
Rechtsnachfolgern den Chorherrn im ganzen innern Tal ver- 


1 Bez. Arch. Lade 25. 
? Daselbst Lade 21 und 1. 
3 Bez. Arch. Straßburg. 


PNE NEC 


nennt, und den Kanonikern der Kirche zu St. Amarin auf 
deren Ansuchen die Kirche und den Dinghof mit allem Zu- 
behór zu Oberaspach, die Kirche zu Dornach! und den Ding- 
hof daselbst, die Kirche zu Eschenzweiler? und den Dinghof, 
den Dinghof zu Brünighofen? mit seinen Einkünften; alles 
was sie besitzen zu Deckenweiler4, die Mühle, Reben und 
Häuser zu Sennheim5, die Reben zu Ufholtz und die 15 Fuder 
Wein daselbst, alles was sie besitzen zu Wattweiler, den Hof 
und die Reben zu Sulz, die Häuser und Reben zu Merxheim 6 
und Bergholtz sowie zu Odern? und Urbis8 und alle Rechte 
und Gerechtigkeiten innerhalb und außerhalb des Amarintales, 
so wie das Stift dies alles in ruhigem und richtigem Besitz 
habe. Gegehen ist die Bulle im Lateran 1191 quinto nonas 
Marti anno primo pontificatus. 

Die Bulle gibt genau den gesamten damaligen Besitz des 
Stifts an, die verschiedenen Rechte in Sennheim, Wattweiler, 
Sulz und Bergholz werden später nicht mehr erwähnt und sind 
wohl verkauft oder umgetauscht worden. Der Hauptbesitz lag 
im Herzen des Stammlandes der Grafen von Pfirt, von diesem 
frommen Geschlecht sind dem Kloster St. Amarin nachgewie- 
senermaBen Begabungen gemacht worden, nicht die Abtei Mur- 
bach war die Wohltäterin des Stifls, sondern das gräfliche Haus 
Pfirt. Die Ansicht, daß Murbach das Stift unterstützt habe, 
wurde von den Amariner Chorherren stets zurückgewiesen, 
allerdings mit der nicht zutreffenden Motivierung, daß ihr Stift 
älter als das Kloster Murbach sei. 

Ueber Zuwendungen der Grafen von Pfirt geben folgende 
Tatsachen Aufschluß. | 

Im Jahre 1262 schenkte Graf Ulrich I. dem Stift den Ding- 
hof zu Altthann, den dieses später mit Genehmigung des Bischofs 
an das Frauenkloster daselbst abtrat «zur Erinnerung an Seinen 
Vater Friedrich und seine Mutter Heilewige und seine Brüder, 


1 ecclesia Thurnechensis. 

2 Eschelswillre. 

3 curtem Brunicovensem. 

4 Tecwillre ein zerstórtes Dorf, dessen Bann heute mit Reiningen 
vereinigt ist. Schoepflin Als. il. S. 44. 

5 Sennen. 

6 Merckensheim. 

7 Aderen. 

8 Urbeitz. 


= a 


auf daß das Anniversarium feierlicher gehalten werde»: die 
Früchte sollten in die Präsenz fallen, mit der ausdrücklichen 
Bestimmung, daß ein durch Krankheit oder sonst entschuldbare 
Abwesenheit verhinderter Chorherr daran partizipiere!. | 

4318 verlieh Graf Ulrich Il. aus demselben Dynastenge- 
schlecht dem Kapitel das Patronatsrecht der Kirche von Traubach 
(Trogebach)? «propter deum et in nostrae et progenitorum 
nostrorum animarum remedium et salutem». Die Kongrua der 
Pfründe betrug, wie der Offizial des Bischofs, welcher das 
Patronat genehmigte, bestimmte 17/4 Korn, 17/4 Spelz und 
Hafer und die Opfergelder; ein Pleban sei sofort zu ernennen 
und binnen Monatsfrist dem Bischof zu präsentieren. Die Ueber- 
schüsse der Pfarrei seien ganz für die Kirche zu St. Amarin zu 
verwenden in subsidium et augmentum praebendarum vestrarum. 
1358 bestátigte Rudolf das Patronat. 

Wann die ältesten Statuten des Stifts erlassen worden sind, 
entzieht sich unserer Kenntnis ; 1214 fügte denselben der Propst 
Amarinus von Stoer Zusätze bei, aus denen nachstehende Punkte 
besondere Erwähnung verdienen?. 

4. Der Hochaltar darf nur von Kanonikern bedient werden. 
2. Die Anniversarien sind abwechselnd vom Pleban, den Sacel- 
lanen und Kaplänen zu halten und haben die Abwesenden keinen 
Anteil an der Präsenz. 3. Der Kanoniker, welcher die Distri- 
butionen genießen will, muß anwesend sein und psallieren; ist 
er über drei Monate abwesend, so hat er nur Anspruch auf die 
fructus grossi. Der Chorherr, welcher zwei Jahre lang seine 

vesidenzpflicht nicht erfüllt, geht seiner Pfründe verlustig. Der 
Propst allein ist zur Residenz nicht verpflichtet. Aufer der 
freien Prábende des Propstes bleiben in Zukunft 12 Pfründen 
für die Chorherren, daneben bestehen sechs Sacellane und vier 
Kaplàne, welch letztere die Seelsorge ausüben. Dieser Nachtrag 
zu den Statuten enthält den Nachweis, dab schon damals das 
Stift für 12 Kanoniker eingerichtet war und gibt zugleich einen 
kleinen Fingerzeig, wie der Gottesdienst im St. Amarintal ge- 
halten wurde. Wohl seit der Zeit des hl. Amarinus ist die 
Seelsorge von den Mönchen des Klosters und später von ihren 
Rechtsnachfolgern den Chorherrn im ganzen innern Tal ver- 


1 Bez. Arch. Lade 25. 
2 Daselbst Lade 21 und 1. 
3 Bez. Arch. Straßbure. 


— B 


sehen worden. Der eigentliche Pfarrherr war das Stift, welches 
an seinen Rechten zäh festhielt ; aus diesem Grunde erklärt 
sich auch der Umstand, daß die Pfarrkirche St. Martin in 
Amarin, über deren Gründung keinerlei Andeutung zu finden 
ist, noch 1441 weder Taufstein noch Tabernakel oder Beicht- 
stuhl besaB, da diese das Stift in der Prajektuskirche festhielt, 
in welcher der eigentliche Pfarrgottesdienst stattfand. Der Ple- 
ban scheint schon 1214 ein Mitglied des Kapitels gewesen zu 
sein und eine Präbende gehabt zu habent. 

Im Jahre 1916 gab Abt Arnold von Murbach, Graf von 
Froburg der ihm unterstellten Kirche zu St. Amarin neue Sta- 
tuten?.  Dieselben beziehen sich, wie man aus dem Ausdruck 
«statuta» schließen könnte, nicht so sehr auf die Regelung ge- 
wisser kirchlicher Angelegenheiten, sondern sie sind in ihrem 
ersten Teile mehr eine Aufzählung der dem Abt als Inhaber 
der weltlichen Gewalt über das Kloster zustehenden oberherr- 
lichen Rechte. Die Chorherren von St. Amarin fühlten sich 
stets durch diese Statuten in ihren alten Rechten geschmilert 
und beeinträchtigt. Vergleicht man dieselben mit dem Inhalt 
der Papstbulle von 1191, so drängt sich unwillkürlich die Ver- 
mutung auf, dab in der Zwischenzeit zwischen der Abtei und 
dem Kapitel Tauschverträge stattgefunden haben müssen, über 
welche wir keine Urkunden mehr besitzen, oder, was wohl we- 
niger anzunehmen ist, daß die Vertragsschließenden von 1216 
die Rechte des Stifts gróblich verletzt haben’. In den Statuten 
heißt es, daß von Alters her der Abt der Kirche von St. Ama- 
rin am Abend vor dem Feste der Erscheinung des Herrn mit 
13 Pferden besucht4, wobei er an diesem Abend und dem 
folgenden Tage die zwólf Kanoniker daselbst zu Tisch hat. Der 
Klostervogt (praepositus) muß dem Abt und seinen Leuten so- 
wie den Chorherrn auf eine geziemende und vollständige Weise 


1 1216 unterschreibt Albero Pfarrer und Kanonikus zu St. Ama- 
rin die Statuten. 

2 Schoepflin Als. dipl. I, S. 331. Bez. Arch. Lade 12. 

3 Sitfferlen. la vallée de Saint-Amarin S. 32 «en 1216 disaient 
les chanoines l'abbé Arnold abusa de son autorité civile sur les cha- 
noines; en 1222 l'abbé Hugo abusa contre eux de son autorité spi- 
rituelle». 

4 Ein ühnlicher Brauch findet sich für die Propstei Colmar zum 
Jahr 1237, wonach der Abt von Münster mit zwölf Pferden feierlich 
in dieselbe einreitet. Strobel vaterl. Geschichte des Elsasses I, S. 523. 


a 0 = 


seine Dienste leisten und zwölf neue Teller nebst zwölf neuen 
Trinkbechern vorsetzen, letztere stehen zu je sechs auf beiden 
Seiten des Abts, ein dreizehntér wird vor ihn gestellt. Der 
Kustos der Kwche gibt für die Beleuchtung am Abend zwölf 
Kerzen, jede einen Pfennig wert; der Propst sorgt für das 
Frühstück, der Klostervogt für das Nachtessen. Am Morgen 
des Festes Epiphanie hält der Abt den feierlichen Gottesdienst 
mit dem entsprechenden Zeremoniell des hohen Festtages. Ehe 
er zum Altar tritt, haben die Vorsteher und Beamten (officiales 
sive dispensatores) der Klosterhöfe außerhalb und innerhalb des 
Tales zwölf Fuchspelze unter seine Füße zu legen. Diese Höfe 
sind Oberaspach, Dechunwilre, Brunighoffen, Eschenzweiler und 
Dornach. Die Beamten sind der Klostervogt (praepositus), der 
Kellermeister (cellerarius), der Schaffner (causidicus) und der 
Fórster (forestarius) des Abts. Die Dispensatoren sind der 
Heimgisel von Mollau und der Heimgisel von Weiler, die 
beiden Dinghofvógte. 

Als unzweifelhaften Grund für die Unterlegung der Fuchs- 
felle gibt Lunig! die um jene Zeit herrschende Kälte an; ob 
derselbe stichhaltig ist, mag dahin gestellt bleiben, es liegt viel 
nàher und erklart sich auch aus der Anwesenheit des Fórsters, 
daß der Abt bei Gelegenheit seiner Anwesenheit im St. Ama- 
rintal sich überzeugen wollte, ob das Raubwild in den be- 
rühmten Jagdgründen der Abtei vertilgt würde. Man wird 
wohl nicht fehl gehen in der Annahme, dab alljáhrlich neue 
. Felle unterlegt wurden. 

Nach diesen die Rechte des Abts festsetzenden einleitenden 
Bemerkungen, folgt die Aufzáhlung der Rechte des Kapitels. 
Der Abt gibt den Chorherren jedes Jahr aus seinen Reben zu 
Uffholz 15 Fuder (carratae 2) Rotwein, welchen er durch seine 
Untertanen aus dem St. Amarintal in das Stift führen läßt. 
Jeder zu dem Fuhrdienst verpflichtete Talbewohner hat zwei 
Zugochsen zu stellen außer den Edeln und ihren Dienstleuten, 
die frei sind. Der Abt sorgt dafür, daß der Wein zu Martini im 
Stifiskeller liegt. Vom Hofe zu Uffholz erhält jeder Chorherr zu 
Charsamstag 30 Hühner und 190 Eier, und muß der Propst von 
den Höfen zu Aspach, Deckenweiler, Dornach und Brünighofen 


——————— 
_ 1 Spicilegium ecclesiasticum cont. I, S. 942 «eo fine citra du- 
bium, ut frigus arcerent». 

? Nach Berlers Chronik bedeutet carrata ein Fuder. 


— 10 — 


(der obgedachte Dinghof von Eschenzweiler blieb, aus welchem 
Grunde wird nicht gesagt, frei), 80/4 Korn und 7/4 Dinkel in das 
Kornhaus des Kapitels zu St. Amarin überführen lassen, damit 
jeder Kanoniker seine Frucht zugeteilt erhallen kann. Zu St. 
Thomastag soll er jedem Chorherrn ein Schwein besorgen und 
zu drei König dem Kapitel einen Ochsen liefern, aus dessen 
Haut zwölf Paar Sohlen für die Dienstboten herausgeschnitten 
werden können. Am Feste der Apostel gibt er den Kanonikern 
zwölf kleinere Gegenstände zum Geschenk, wie sie sich für 
Geistliche ziemen und zahlt ihnen zum Fest St. Amarinus aus 
den Einkünften von Aspach, Dornach und Eschenzweiler 5 So- 
lidi. Von des Abts Fleischkammer (carnistrinum) erhalten die 
Chorherren zwölf Schulterblätter (scapulae Schüfeln). Am Tag 
Johannes des Täufers liefert der Kellermeister des Abts vier 
Maß kleines Salz und ebensoviel zu Weihnachten aus dem 
Lager der Höfe zu Mollau und Storkensohn. In. der Kreuzwoche 
bekommt jeder Chorherr von den Höfen im Tal 30 Eier und 
an bestimmten Tagen von Urbis fünf Schafe. Zwei Juchert 
Acker liefern der Kirche den Raps zum Oel für die Beleuch- 
tung. Das Stift hat den Zehnten vom Vieh, von den Gemüsen, 
vom Hanf und anderen Gegenständen, ferner von den Mutter- 
schweinen. 24 Arbeiter aus dem Tal machen jede Woche die 
Runde in den Stiftsgebäuden, uın alles, was nötig Ist, auszu- 
bessern, dafür gibt ihnen der Abt 24/4 Korn. Am Gründon- 
nerstag erhält jeder Chorherr zwölf Pfennige, um seine Fische 
für die Festtage zu kaufen. Die Kanoniker haben das Recht 
ihre Pferde auf der dem Abte gehörigen heiligen oder großen 
Wiese vor dem Städtchen (pratum spirituale), dem heutigen 
Breuil!, weiden zu lassen, sobald das Heu abgeerntet ist. Es 
steht ihnen der freie Genuß des Waldes d. h. das unbeschränkte 
Jagdrecht im Tale zu, und nur sie oder ihre Angehörigen dürfen 
mit den Leuten des Abts und der Edeln in den Gewässern 
fischen. Auf der Klostermühle haben die Bäcker der Kanoniker 
das Recht alle Erzeugnisse, welche letztere für sich brauchen, 
unentgeltlich zu mahlen?. Als Zeugen des Abkommens unter- 


1 1399 tritt das Kapitel an Murbach einen Acker im Brühel 
oder Brühell vor der Stadt um zwei Pfund jährlichen Zins ab. Bez. 
Arch. Murbach Lade 55. | 

? Wenn der Verfasser des Artikels über das Stift St. Amarin 
im Reichsland Elsaß-Lothringen schreibt, daß dieses 1216 auf zwölf 


aa ne 

L] 
schrieben auBer anderen der Propst Konrad Schwarz, genannt 
Niger, und der Kanonikus und Pfarrer Albero von St. Amarin. 

Ein langjahriger Streit zwischen dem Kloster Murbach und 
dem Stift St. Amarin wurde am 22, Oktober 1222 zu Bühl wegen 
der Wahlen zum Kapitel geschlichtet '. Abt war Hugo von Ro- 
thenburg ; Propst des Stifts Wernher. Vom apostolischen Stuhl 
waren als Schiedsrichter in dem Zwiste die Aebte von Faverney 
und Bithaine in Burgund sowie der Kanonikus Johannes zu 
Rhein aus Lautenbach ernannt worden, nachdem die früher be- 
zeichneten Schiedsrichter Abt Wetzelo von Pairis und Dechant 
Hesso von Lautenbach, welche einen Vergleich zwar angebahnt 
aber nicht vollendet hatten, in der Zwischenzeit gestorben waren. 
Das von den letztern aufgestellte Kompromiß wurde in den we- 
sentlichen Punkten unverändert angenommen und entscheidet 
die Abmachung: - 

Wenn die Propstei, das Dekanat, eine Kanonikatspfründe, 
oder sonstige Stelle zu St. Amarin erledigt ist, die eine Neu- 
wahl erfordert, so ist der Abt von Murbach durch einen oder 
mehrere Chorherren hiervon zu benachrichtigen, Der Abt soll 
sich mit ibnen, und sie sich mit ihm über den Tag, an dem 
die Wahl stattfindet, einigen, damit alle Beteiligten dabei an- 
wesend sein kónnen. Die Wahl selbst findet zu St. Amarin 
statt und wohnt derselben der Abt oder sein Stellvertreter an. 
Ein aktives Wahlrecht steht ihm und seinem Bevollmächtigten 
nicht zu, er darf keinen Druck! auf die Abstimmenden aus- 
zuüben versuchen, wenn er aber um seine Meinung befragt 
wird, kann er sich für einen Kandidaten verwenden. Zuerst 
stimmt der Propst ab, in welcher Weise die Wahl geschieht, 
wird nicht gesagt, hierauf folgen die übrigen Chorherren nach 
der Reihe ihrer Ernennung. Der Abt oder sein Stellvertreter 
prüft die Wahl und hat den Gewählten, falls er zu seinem 
Amte passend und tauglich ist (persona idonea) ohne weiteres 
einzuführen. 

Wird eine Klage gegen einen Chorherrn erhoben, oder 
macht sich ein solcher eines Vergehens schuldig, so muß ihn 
der Abt ermahnen, damit er ihm und den andern Kanonikern 


Kanonikate eingerichtet und mit Héfen und Patronaten ausgestattet 
worden sei, so beruht diese Ansicht nach allem Voranstehenden auf 
einer völlig verfehlten Auffassung der Statuten von 1216. 

1 Schoepflin Als. dipl. I, S. 348. Bez. Arch. Murbach Lade 95. 


— 12 — 


"Genugtuung gibt. Gehorcht der Beschuldigte nicht, so kann ihn 
«der Abt als zuständiger Richter strafen und ihm die Früchte 
der Präbende teilweise entziehen ; bessert er sich auch hierauf 
nicht, dann versammelt der Abt das Kapitel und fordert ihn 
auf öffentlich vor diesem Genugtuung zu leisten. Weigert er 
sich, so ist der Abt berechtigt ihm die ganze Präbende zu ent- 
ziehen, da jeder Chorherr ihm in die Hand und in die Stola 
‘Gehorsam geschworen hat. 

Wenn aber die Brüder zu St. Amarin den Schuldigen in 
Schutz nehmen sollten, dann lädt ihn der Abt vor sich in das 
Chor zu Murbach und bestraft ihn nach Beratung mit den an- 
weserden Brüdern. Ebenso handelt der Abt, wenn das ganze 
Kapitel zu St. Amarin sich widerspenstig zeigt, oder sich bei 
ihm jemand über dasselbe beklagt. Das Kapitel muß einen De- 
-chanten haben, welcher die Beichte der Kanoniker hört und 
mit Zustimmung des. Kapitels die Chordisziplin handhabt. Der 
Propst und Dechant haben dem Abt Treue und Gehorsam zu 
schwören. 

Will der Abt eine taugliche Person zum Pfleger des Spitals! 
in St. Amarin ernennen, so hat er die Chorherren daselbst zu 
Rate zu ziehen; die Ernennung des Almosenpflegers steht dein 
Abte allein zu. Die Lieferung der 15 Fuder Rotwein und der 
übrigen im Vergleich von 1216 vorgesehenen Lebensmittel ob- 
liegt wie seither dem Abte für die Zukunft. 

Alle diese Abmachungen getreu zu halten versprach sowohl 
der Abt als das Stiftskapitel eidlich. Der Akt ist untersiegelt 
von den Bevollmächtigten des hl. Stuhles sowie dem Abt und 
dem Propst. 

Gleich nach diesem Schiedsspruch entstanden neue Schwie- 
rigkeiten zwischen der Abtei und dem Stifte wegen verschiedener 


1 Das alte Spital soll unter dem Abt Simbert II. und zwar nach 
den Aufzeichnungen des Pfarrers Gerran unter Papst Clemens IIT. 
(1187—1191) erbaut worden sein. Wenn der Abt die Chorherrn bei 
der Ernennung des Pflegers zu Rate ziehen muß, so geschieht dies 
jedenfalls aus dem Grunde, weil diese zum Bau beigesteuert haben 
werden. Daß das Spital hauptsächlich für nach dem heiligen Lande 
zichende Pilger gebaut worden ist, wie Gatrio I, S. 252 annimmt, 
halte ich für ausgeschlossen. in den Statuten von 1216 heißt es de 
quibus decimis peregrini pauperes infirmi debiles ab hospitalicio 
securantur. Bez. Arch. Murbach Lade 55, 1. Das neue Spital wurde 
1343 von Andreas von Murnhard, des Abts Bruder gestiftet ; die 
Giilten sollen nicht dem Abte und Kapitel gehóren. 


—-—- 13 — 


von der ersteren beanspruchten und. vom letzteren bestrittenen- 
techte. So war z. B. die Frage streitig, ob das Patronatsrecht 
der Kirche von Dornach, welches noch 1216 der Abtei Lützel 
gehürte!, dem Abte oder dem Propste zustehe. Am 5. Januar 
1945 entschieden Sachverständige, daß der vom Abte zum. 
Pleban präsentierte Kanoniker Cuno Pfarrer bleiben, dagegen 
der vom Kapitel St. Amarin dazu gewählte Kanoniker Heinrich. 
von Stettenberg jährlich 20/4 Korn und ebensoviel Hafer von: 
dem Einkommen dieser Kirche erhalten solle; dieselben verein- 
barten noch, daß, wenn letzterer den ersteren überlebe, er ohne 
Widerrede dem Pleban Cuno im Amte succediere?. 

Am 10. September 1250 beauftragte Papst Innocenz IV. 
durch eine Bulle den Dechanten und den Kanoniker Fulko von. 
Mómpelgard mit der Untersuchung einer anderen Angelegenheit 
und ermächtigte ihn. nach Gutdünken zu entscheiden, wenn 
nótig, sollte gegen die Gegner des Abts mit kirchlichen Strafen 
vorgegangen werden’, Der Abt habe den Beweis geliefert, daß. 
ihm nicht bloß das Patronatsrecht an der Kirche zu St. Amarin 
sondern auch das Recht der Investitur des Propstes und der 
Prabenden an derselben Kirche zustehe, wenngleich der Propst 
und einige Kanoniker dem Abt die Ergebenheit, welche sie: 
ihm in die Hand gelobt. hätten (oboedientia manualis) verweigern. 
Am 12. Oktober 1954 wurden diese Streitigkeiten durch fünf 
Schiedsrichter unter Vorsitz des Dekans von Murbach friedlich 
beigelegt. Nach deren Entscheid gehórt der kleine Zehnt im St. 
Amarintal' dem Abt von Murbach, der allein das Patronatsrecht 
über die Kirche St. Martin und die Marienkapel'e zu St. Ama- 
rin, sowie über die Kirchen zu Eschenzweiler und Dornach 
habe, hingegen müsse er dem Propst und Kapitel von St. Ama- 
rin das Patronatsrecht der Kirche zu Oberaspach abtreten. Hin- 
sichtlich des Patronats der Kirche St. Martin und der Marien- 
kapelle und der Kirchen von Eschenzweiler und Dornach wurde 
bestimmt, daß der Abt von Murbach die beiden ersteren Pfrün- 
den stets einem Kanoniker zu St. Amarin, die beiden anderen 
aber nach Gutdünken verleihen kónne. Der Abt seinerseits ver- 
plichtele sich die Kirchen und Klostergebäude in St. Amarin 
auf seine Kosten zu unterhalten und dem Kapitel die 15 Fuder 


1 Schoepflin Als. ill. S. 39. 
2 Bez. Arch. Lade 17. 
3 Lünig S. 974. Bez. Arch. Murbach Lade 95, 4. 


ss AL. um 


Rotwein aus seinen Reben in Ufholz auf Martini zu liefern. Er 
gibt den drei Offizialen nämlich dem Bannwart (grase vart), 
dem Backer und dem Werkmeister der Taglóhner, wie seither, 
ihre Besoldung und stellt das nótige Bauholz für die Mahlmühle 
zu St. Amarin ; die Kanoniker dienen ihm dafür in Treue. Die 
Prüfung der Wahl des Dechanten und der Kanoniker zu St. 
Amarin obliegt dem Abte, und wenn er den Gewählten für 
tauglich befindet, installiert er ihn gemeinschaftlich mit dem 
Propste. Der Propst darf denjenigen nicht zurückweisen, welchen 
der Abt für würdig hält. 

Die Aufsicht über die Kanoniker steht in erster Linie dem 
Propste zu, falls er hierin säumig ist, schreitet der Abt ein, 
der nach Einvernehmen mit dem Kapitel zu St. Amarin gegen 
den Schuldigen vorgeht. Wenn die Kanoniker und der Propst 
zu St. Amarin einstimmig widerspenstig sind, so lädt sie der 
Abt zu sich in das Golteshaus nach Murbach und richtet sie 
mit seinem eigenen Kapitel. Jeder zu St. Amarin gewählte 
Chorherr hat den Treueid dem Abt und der kirche zu Murbach 
wie auch der Kirche zu St. Amarin zu leisten!. 

Die Vereinbarung ist zu St. Amarin getroffen und*von den 
Schiedsrichtern unterzeichnet. Unterschrieben sind unter anderen 
der Propst Ulrich von Luzern, der Schultheiß Hevmon von St. 
Amarin, und der Leutpriester Rüdiger von St. Martin im Ama- 
rintale. 

Wenn nun nach allem Voranstehenden die Pfründen des 
Stifts zu jener Zeit nicht gerade schlecht gewesen zu sein 
scheinen, waren die Chorherren mit ihrem Einkommen doch 
nicht zufrieden. Sie wandten sich an den Bischof von Basel 
mit der Bitte die Einkünfte der Ptarrkirche zu Altthann, deren 
Kollatur dem Kapitel schon zustand?, ihnen zuzuweisen, sobald 
eine Vakatur eintrete, (quod cum proxime rectorem ecclesiae de 
Thanne communiter ad vestram collationem spectantis cedere con- 
tigerit aut decedere) gegen die gewöhnliche Verpflichtung einen 
. stàndigen Vikar zur Ausübung der Seelsorge daran zu bestellen. 


1 Trouillat I, S. 612. Schoepflin I, S. 410. Bez. Arch. Lade 14 
und Murbach Lade 95. 5. 

2 Die Liebfrauenkirche zu Altthann erscheint nach der notitia 
fundationis et restaurationis abbatiae Aeschoviensis gegen 1100 im 
Besitz des Frauenklosters Eschau. Der Bischof gab in villa, quae 
dicitur Danne manum unum curtem unam cum duobus mansibus. 


as AD. se 


Am 20. Januar 1255 gab Bischof Bertold II. aus dem Ge- 
schlechte der Grafen von Pfirt die Erlaubnis diese Einkünfte 
bei Erledigung des Pfarrsatzes mit der gewöhnlichen Mensa des 
Kapitels unter der angegebenen Bedingung zu vereinigen. Als 
Begründung der Inkorporation führt der Bischof an: «quod 
propter ecclesiae vestrae peice parvitatem en 
vestrae sint adeo tenues.» 

Am 3. April 1255 konfirmierte der apostolische Legat Pe- 
trus zu Konstanz, Kardinal ad velum aureum die Inkorporation!. 
Die meisten Schriftsteller 2 nehmen an, daß durch die Inkorpo- 
rierung die Pfarrei Thann betroffen worden sei. Diese Ansicht 
entspricht in keiner Weise den Tatsachen, da um das Jahr 
1250, wie wir weiter unten sehen werden, noch kein Altar in 
der jetzigen Stadt Thann bestanden hat, und eine eigene Pfarrei 
mit selbständigen Einkünften erst viel später geschaffen wurde?, 

Daß der Bischof von Basel so leicht der Bitte der Chorherren 
von St. Amarin Gehör schenkte, hat einmal seinen Grund dar- 
in, dab er als Sohn des Grafen Friedrich II. von Pfirt und 
Bruder Ulrichs II., welche uns bereits als Wohltäter des Stifts 
begegnet sind, ebenfalls dem Kapitel seine Zuneigung bezeugen 
wollte. Andererseits trachteten die Basler Bischöfe schon lange 
darnach das Kloster und Kapitel zu St. Amarin‘ der Jurisdiktion 
der Abtei Murbach zu entreißen und sich selbst zu unterwerfen. 
Sie durften hoffen dieses Ziel um so leichter zu erreichen, je 
mehr sie den Chorherren, ohne selbst ein finanzielles Opfer 
bringen zu müssen, entgegen kamen. 

Die Gerichtsbarkeit über das Stift wurde tatsächlich durch 
ein Urteil von Schiedsrichtern unter dem Vorsitz des Propstes 
Petrus von St. Martin zu Colmar in St. Amarin am 12. No- 
vember 1318 sanktioniert, welche entschieden, daß das Ka- 
pitel, der Propst und die Kirche in St. Amarin Untertanen des 
Bischofs seien (arbitraliter definimus praedictos canonicos capi- 
tulum et ecclesiam St. Amarini subesse debere in omnibus et 
per omnia praedicto domino nostro episcopo prout ecclesia St. 
Martini hactenus dignoscitur subfuisse)4. Als Gegenleistung 
unierte und inkorporierte der Bischof die Früchte und das Ein- 


a 2 Trouillat TI, S. 719. | | 
2 Gatrio, Moßmann, Schickelé, Sifferlen,- Bacquol Ristelhuber. 
3, Kapitel 5.. E 
t Bez. Arch. Lade 14. 


— 46 — 


kommen der Pfarrkirche von Traubach, an welcher das Kapitel 
das Patronatsrecht bereits hatte, nach dem Tode des bisherigen 
Rektors der gewöhnlichen Mensa des Stifts. Nach einem spätern 
Schiedsspruche zu St. Amarin vom 14, April 1321 sollte der 
Abt verpflichtet sein dem Kapitel die 15 Fuder Rotwein von 
Ufholz und das Salz zu liefern, dagegen sollte er an Stelle der 
1216 zugesicherten Schulterblätter jährlich zu Epiphanie den 
Kanonikern 36 Solidi gewöhnlicher Münze zahlen!. Der Abt 
Konrad von Widergrün beruhigte sich bei dieser Entscheidung 
nicht und legte Berufung an die weltlichen Gerichte ein, nach 
deren Urteil der Propst Berthold seinem gnädigen Herrn Abt 
versprechen mußte ihm und seinem Gotteshause für die Zukunft 
weder Geld noch Gut zu entfremden, Tate er es dennoch, so 
würde rechtlich gegen ihn vorgegangen werden?, 

Schon am Sonntag nach Michelstag 1338 begegnen wir 
einem neuen Schiedsspruch des Bischofs Berthold von Straßburg, 
der vom Abt von Murbach und dem Bischof von Basel, einem 
Neffen des Straßburger Oberhirten, in einem Streite der Abtei 
mit dem Stift als Sachwalter ernannt war. Der Bischof ent- 
schied, daß der Herr von Murbach und sein Kapitel und die 
Thumherren von St. Amarin bezüglich der Rechte, Leute und 
Güter im St. Amarintal alles in dem Zustande belassen sollen, 
wie es an dem Tage war, an dem der Vorfahre des Abts Kun- 
rad von Stauffenberg (1334) von dieser Welt abschied. Das 
Gotteshaus von Murbach solle in seinen Rechten bleiben, die 
es bis an des genannten Herrn Tod hatte, doch möge ein jedes 
Gotteshaus das andere gerichtlich ansuchen um das was es jetzt 
in Gewähr habe, und es diesem mit des Gerichts Spruch ab- 
gewinnen, wenn es letzterem Recht sei. Die Entscheidung gelte 
aber nur bis zur nächsten Fastnachts, 

Am 4. Februar 1350 wurden neue Statuten 4 für das Kapitel 
zu St. Amarin durch die gewählten Schiedsmänner nämlich den 
stellvertretenden Propst Rudolf, den Kellermeister Peter von Butt- 
weiler und den Kanonikus Johannes von Mollau festgestellt und am 
gleichen Tage vom Bischof genehmigt. Durch diese Statuten wurde 


1 Bez. Arch. Lade 14. 

* Bez. Arch. Murbach Lade 51 und 19. Der Inhalt der Urkunde 
ist unklar. 

3 Bez. Arch. Register der bei Seite geschafften Urkunden. 

* Abdruck in Anlage 1. 


= cd uem 


die Aufnahme der Kanoniker und die Anwartschaft auf die Pfründe 
neugeregelt und anderweitig geordnet. Eine solche Neuregelung 
war schon aus dem einen Grunde erforderlich, weil in jenem 
Jahre bereits mehr Anwartschaflen verliehen waren, als jemals 
Chorherrn Aussicht hatten im Stifte untergebracht zu werden 
und durch die Laienpräsentationen ungeeignete Persönlichkeiten. 
in das Kapitel hereingekommen waren. Zur Verhütung aller 
dieser Mißstände wurde für die Zukunft bestimmt, daß der 
Bischof von Basel als erster eine Person mit Anwartschaft auf 
eine Prábende benennen kónne, sodann der Propst eine zweite 
und der Abt von Murbach eine dritte, ohne daß die früher er- 
teilten Exspektanzen dadurch beeinträchtigt werden dürften. 
Von Interesse ist die Liste der vorgeschlagenen Personen. 

Der Bischof präsentierte Hanmann, den Sohn des Edeln 
Philipp Schrecken, der Propst Konrad, den Sohn des Reisigen 
Berthold von Ostheim! und der. Abt Johann ?2, den Sohn des 
Edeln Rudolf von Wattweiler. Von den Chorherren, deren Namen 
bei dieser Gelegenheit aufgeführt werden, wurde vorgeschlagen 
Hanmann, der Sohn des Reisigen Berthold 3, Johannes Schrecken, 
Mathias von Butweiler, Berthold von Bulgen, Jetelinus von Thann, 
Johannes von Warembach, Wilhelm von Ungersheim 4, Rudolf 
von Morzweiler, Konrad von Sursee, Hanmann von Sursee, 
Peter von Ungersheim 5, Friedrich von Butweiler und Heinrich, 
der Sohn des Kapitelsprokurators, Nachweisbar von Adel sind 
außer den vom Bischof, vom Propst und vom Abte präsentierten 
Personen nur Johannes Schrecken und die beiden Ungersheim. 
Ein rein adeliges Kapitel wie Murbach war Thann niemals ; 
zur Versorgung solcher Herren waren die Pfründen zu wenig 
einträglich und der Zudrang von dieser Seite gering. In späterer 


1 Die Ostheim (Ostein), Ungersheim (Ongersheim) und Wattweiler 
gehörten zu den nobiles milites der Abtei Murbach. Lunig catalogus 
S. 949, Schoepflin Als. il. II, S. 674. 

2 Wohl derselbe, der 1385 als Vertreter des Propstes Munck 
a 2 Ursicin handelte und 1394 Propst daselbst war. Trouillat IV, 


3 Vielleicht identisch mit Henmann von Hungerstein, welcher 
1399 als Chorherr von St. Amarin vorkommt. Kindler S. 41. 

* War 1353 Prior des Predigerhauses zu Gebweiler, Kindler 
8. 64 und 1381 Verwalter der Propstei Luzern. 

5 Z. Z. des Interregnums 1353 einer der vier Verwalter der 
Abtei Murbach. 


SCHOLLY, 


to 


— 48 — 


Zeit sind adelige Chorherren im Stift Thann eine seltene Aus- 
nahme!, Wer von den Vorgeschlagenen aufer vielleicht Hanmann 
von Hungerstein tatsächlich eine Kanonikatspfründe zu St. Ama- 
rin innegehabt hat, läßt sich nicht nachweisen; unter den Chor- 
herren, welche 1365 den Schatzmeister Johannes Hacke zum 
Propste wählten, ebenso in einem Protokoll von 1391, befand sich 
keiner der Präsentierten. 

Einen wichtigen Tausch schloß der Propst Konrad Schaler 
(gsalary) am 49. Juli 4357 mit der Abtei Murbach. Das Kapitel 
überließ durch diesen Vertrag der Abtei den Kirchensatz von 
Weiler, dem es, was für Murbach die Hauptsache war, am 
48. Juli 1357 den Dinghof zu Odern (das gut ze Adern) samt 
allen Rechten, Gütern, Waldungen, Weiden, Leuten und der 
Gerichtsbarkeit im Amarintale nebst zwei Pfund zehn Schilling 
Rente zu Urbis uniert hatte und allen Rechten in Felleringen, 
Odern und Grüth, wogegen Murba:h dem Stifte den Kirchen- 
satz der reichen Kirche zu Eglingen, welchen die Abtei im 
nämlichen Jahre von den edeln Brüdern Petermann Kuntz und 
Hemann Schultheiß von Balschweiler erhalten hatte, und wo 
Schaler seit 1333 Pfarrer gewesen war, abtrat2. Die Abtei ver- 
pflichtete sich überdies dem Propst, Kapitel und den Kaplänen 
das Holz zu den Häusern und Keltern des Stifts sowie das 
nötige Brennholz aus ihren Waldungen im St. Amarintal zu 
liefern. 

Als im 18. Jahrhundert die Abtei ihre Verpflichtungen aus 
diesem Tausch nicht mehr anerkennen wollte, wurde sie auf 
erhobene Klage des Thanner Kapitels durch ein Urteil des con- 
seil souverain zu Colmar vom 6. Juni 1755 zur Lieferung des 
Holzes verurteilt, wenn sie nicht vorziehen sollte, den Tausch 
aufzuheben, Die Abtei wählte das erstere und verpflichtete sich 


1 Wir finden folgende: von Stürzel, Heinrich von Ungersheim, 
von Ruost, von Hohenstein, von Kesselring, von Reinach, Klötzlin 
von Altenach, de Valoreille, du Lys, von Nipein, von Klinglin, von 
Clebsattel, Poumier de Gapillon. 

2 Bez. Arch. Murbach Lade 95 Nr. 18 ff. mit dem schön er- 
haltenen Siegel des Stifts St. Amarin in Nr. 21. 1321 hatte der 
Bischof Eberhard an Heinrich Waldener Pfarrer zu Eglingen alle 
bischöflichen Rechte um 8 Mark Silber rein verkauft und sollte 
dieser Betrag an Wernher Schaler zur Tilgung einer Schuld des 
Bischofs bezahlt werden. Möglich, daß Konrad Schaler, wohl ein 
Verwandter des Wernher, aus diesem Grunde Pfarrer in Eglingen 
wurde. 


ess “AO. om 


durch ein Abkommen vom 14. August 1756 einem jeden resi- 
dierenden Chorherrn für die letzten Jahre je 30 livres und 
jedem Kaplan 45 livres an Stelle des vorenthaltenen Brennholzes 
zu zahlen. Die Genehmigung des Bischofs zu der Abmachung 
erfolgte am 28. September 17561. Durch einen neuen Vertrag 
vom 26. Mai 1778 wurde die Geldentschädigung an die Kapi- 
tulare und Kapläne auf das doppelte festgesetzt. Das weitere 
Begehren des Kapitels auf Lieferung der 15 Fuder Rotwein aus 
den Reben von Ufholz und der übrigen Reichnisse nach dem 
Vertrag von 1916 wurde durch einen Entscheid des nàmlichen 
Gerichtshofes vom 6. September 1780 zurückgewiesen. 

Die Aufführung der Chorherren scheint nicht zu allen Zei- 
ten eine ganz einwandfreie gewesen zu sein, hauptsächlich die 
Jagden hielten dieselben häufig von ihren kirchlichen Obliegen- 
heiten ab. So sah sich Herzog Friedrich von Oesterreich in 
einem zu Innsbruck am 25. Januar 1429 erlassenen Schreiben 
genötigt, scharf gegen solche Unregelmäßigkeiten einzuschreiten?, 
Bezeichnend sind folgende Sätze des Schriftstiickes: Uns ist 
fürkommen, wie der Gottesdienst zu Thann unordentlich ge- 
halten werde, anders denn billig und von altem Herkommen 
sei, dies dünkt uns unbillig; und wenn wir als Landesfürst 
und Vogt der Stift- und Gottesháuser in unsern Landen be- 
fehlen, daß solcher Gottesdienst zu unser Vorfahren Gedächtnis 
und anderer Christgläubigen in denselben unseren Landen und 
Gebieten nicht von UnfleiBigkeit wegen abnehme und verringert 
werde, so empfehlen wir euch und begehren mit Ernst, daß ihr 
mit dem Leutpriester und den Kaplànen zu Thann, die unter 
euch sind, schaffet und ordnet, daB der Gottesdienst daselbst 
gehalten werde und vor sich gehe, als nach altem Herkommen 
und guter Gewohnheit dazu gehört ; also seid nicht säumig 
darin, dann tut ihr nach unser Meinung und Gefallen 3. 

Auch der fromme Abt Dietrich von Murbach, den strenge 


1 Bez. Arch. Lade 11. 

2 Daselbst Carton 64. 

3 Sifferlen la vallée de St. Amarin S. 37 zieht aus diesem Re- 
skript für die Verlegung des Stifts einen nicht zutreffenden Schluß. 
Wenn Rektor Hans daselbst die Schuld für die nicht erquicklichen 
Zustände den Laien, denen verschiedenen Pfründen noch zu jener Zeit 
reserviert gewesen sein sollen, zuschiebt, so bleibt er den Beweis 
hierfür schuldig. 


— 90 — 


Ordenszucht und gewissenhafte Haltung der Kirchengesetze 
unter allen seinen Zeitgenossen rühmlichst auszeichnen, mußte 
den St. Amariner Stiftsherren wegen ihrer unbändigen Jagd- 
belustigung eine nur zu wohl verdiente Rüge erteilen 1, Mit 
Bitterkeit und Haß erwiderten sie die wohlgemeinten Ermah- 
nungen ihres Fürsten und als er bald nachher seinen jüngeren 
Bruder in das Kapitel aufgenommen zu sehen wünschte, wurde 
er einstimmig mit seinem Begehren abgewiesen, Da der Abt 
mit gróDerer Strenge hierauf gegen die widerspenstigen Kano- 
niker vorzugehen versuchte, wandten sich diese an die zu Basel 
tagende Kirchenversammlung. Jede, selbst die äußerste MaDregel 
fand bei der dort bestehenden Majorität Beifall, wenn sie nur 
gegen den Papst gerichtet war, jede Gelegenheit war den Kon- 
zilsfanatikern willkommen, den noch immer im Exil weilenden 
Papst ihre Macht und ihren herrischen Trotz empfinden zu 
lassen Während der Abt zu dem in seinen Augen recht- 
mäßigen Papst Eugen IV. seine Zuflucht nahm, regelte das 
Konzil, welches bereitwilligst alle die in Schutz nahm, welche 
gegen die Obrigkeit appellierten, die ganze Frage ohne den 
Papst und beschlob die Verlegung des Stifts nach Thann. Aus 
einer Notiz, wonach die Verlegung mit großen Opfern und 
Ausgaben verbunden gewesen sei, dürfte der naheliegende 
Schluß gezogen werden, daß maßgebende Kreise im Konzil für 
die Sache des Kapitels durch Geldgeschenke, welche bei solchen 
Verlegungen eine Hauptrolle spiellen, gewonnen wurden ; der 
einfache Umzug von St. Amarin nach dem nahe gelegenen Thann 
kann solch große Aufwendungen sicherlich nicht erfordert 
haben, 

Nach der Thanner Chronik, deren Richtigkeit man vielleicht 
für diese Angabe nicht zu bezweifeln braucht, hätten sich die 
Chorherren bereits 1427 an den Kaiser gewendet, um durch ihn 
die Uebersiedelung in die noch nicht ganz vollendete Theobaldus- 
kirche zu erlangen. Der Erfolg blieb aus, wahrscheinlich, weil 
der damalige Papst Martin V., welcher 1430 die Rechte des 
Stifts St. Amarin geschützt hatte, 4 und bei dem der Abt von 


1 Axinger Uebersetzung aus Lünig im Gebweiler Kreisblatt. 
vom 29. März 1888. 

2 Pastor Geschichte der Päpste I, S. 251. 

3 St. Arch. Bern Stift Thann 81 zu 1567. 

4 Basilea sacra S. 98. 


=s OY 4 


Murbach in hohem Ansehen stand, dem Projekt seine Zustim- 
mung versagte. Die Erzherzoge von Oasterreich dagegen hatten 
allen Grund eine solche Verlegung in ihre Stadt Thann zu 
unterstützen. Nach dem Tod des Grafen Ulrich von Pfirt am 
15. März 1324 war Thann an den Herzog Albert gefallen, der 
Johanna dessen Tochter geheiratet hatte. Schoepflin sagt nicht 
mit Unrecht, daß das, was die Grafen von Pürt als Landes- 
herren der aufstrebenden Stadt Thann geholfen haben, die 
Herzöge von Oesterreich nach dem Uebergang in ihre Gewalt 
fortsetzten. Am 3. März 1344 hatte zu Altkirch Johanna die 
letztgeborene von Pfirt die Dörfer Altthann, Erbenheim, Ober- 
und Niederaspach und 1361 am Sonntag vor Judika zu Aargau 
ihr Sohn Rudolf noch Rodern, Rammersmatt, Leimbach und 
Ölzenweiler dem Gericht zu Thann unterworfen, 1360 wurde 
die Stadt mit Mauern und starken Türmen umgeben. Am 1. 
November 1379 sprach sie Kaiser Wenzel von der Gerichtsbar- 
keit des Hofgerichts sowie von der des Landgerichts zu Rottweil 
frei und verlieh ihr den berühmten Freihof, in welchem selbst 
vom Kaiser geächtete Personen Zuflucht fanden. 1413 erhielt 
die Stadt das Münzrecht, 1425 wurde sie durch Maximilian I. 
Legestadt, 1432 verlieh ihr der Landesherr die Befugnis einen 
Salzkasten zu errichten und das Salz zum eigenen Gewinne zu 
verkaufen. 1442 wurden die Märkte eingeführt. Thann war der 
Lieblingsaufenthalt der Herzöge von Oesterreich, so finden wir 
1400 Katharina von Burgund und ihren Schwager Friedrich I. 
von Oesterreich einige Zeit daselbst residieren!. Dazu erhob 
sich über dem Städtchen die herrliche Theobalduskirche, deren 
Chor 1422 vollendet und durch den Erzbischof Theobald von 
Besancon eingeweiht war. Die Bürgerschaft von Thann als Bau- 
herr des Münsters, hatte bei Anlage des Chores bereits den 
Wünschen des Kapitels Rechnung getragen, wie dies aus der 
unverhältnismäßigen Tiefe, welche zur geringen Länge des 
Schiffs in keinem Verhältnis steht, deutlich hervorgeht, während 
seinerseits das Kapitel den Bau finanziell gefördert hat 2. 

Alle diese Vorzüge mußten für eine Verlegung des Stifts 
nach Thann sprechen, um so mehr, als das Kloster, welches 


ee —ÀMMM— 


1 Statthaltereiarchiv Innsbruck. 
3 Lempfried S. 78. 


9) a 


außerhalb der Stadtbefestigung von St. Amarin in der Vogelbach 
lag 1, durch die Engländer völlig verwüstet und nach deren Ab- 
zug nur notdürftig repariert worden war, 


1 Stadtplan von St. Amarin vom 26. Mai 1772 auf dem Bürger- 
meisteramt daselbst. Anders mit Unrecht Schoepflin Als. il. II, S. 97. 
ecclesia parochialis St, Martino dicata extra oppidi muros in colle 
sita est intra muros vero ecclesia collegiata. 


KAPITEL II. 


Das Stift wird nach Thann verlegt. Gründe des Landesherrn. Die 
Gründe des Konzils von Basel in der Bulle sacrosancta gene- 
ralis synodus. Der Abt von Murbach wahrt seine Rechte. 
Vereinbarung vom 29. November 1456. Die Reliquien des hl. 
Amarinus. Verträge zwischen der Stadt und den Chorherren. 
Die Streitigkeiten wegen der Opfergaben. Verpflichtung der 
Stadt Thann zur Unterhaltung der Theobalduskirche. 


Am 19. August 1441 erteilte Kaiser Friedrich durch ein zu 
Gretzerlassenes Schreibens seine landesherrliche Genehmigung zur 
Verlegung des Stifts nach Thann!. Als Grund für die Erlaubnis 
wird darin angegeben, daß infolge der Verwüstungen durch die 
Engländer den Herren von St. Amarin neben der Kirche nur noch 
ein kleines Häuschen geblieben sei ; das Städtchen St. Amarin biete 
ihnen keine genügende Sicherheit und nicht die nötigen Woh- 
nungen, desgleichen seien die Kirchengeräte in Gefahr. Dagegen 
in der Stadt Thann und der St. Theobalduskirche hoffen Propst 
und Chorherren sicher wohnen und Gott beruhlicher dienen zu 
können, Sintdemalen aber die benannte Stadt Thann uns und 
unserm Hause Oesterreich erblich zugehört und auch des vor- 
genannten Stifts zu St. Amarin Renten, Nutzen und Gülten 
gemeiniglich in unsern Landen und Herrschaften gelegen sind, 
so haben uns die genannten Propst und Chorherren demitiglich 
angerufen und gebeten, daß wir zu solcher Ueberlegung unser 
Gunst und Willen gnädiglich geruhten zu geben. Zu Gunsten 
der alten Stiftskirche zu St. Amarin bestimmt der Brief ferner: 
Doch vermeinen wir, daß dieselbe Kirche zu St. Amarin durch 


ee —M——— 


1 Schoepflin II, S. 366. Staats: Arch. Nr. 1 zu 1338. 


— 94 — 


die vorberührte Ueberlegung an dem heiligen Gottesdienst nicht 
ganz versäumet noch verlassen, sondern zum Gedächtnis ihrer 
früheren Würdigkeit und gebührlichen Gottesdienst von dem ob- 
genannten Propst und Chorherren und ihren Nachkommen für- 
gesehen und gehalten werde. Der Kaiser behielt sich alle seine 
Rechte über die Theobalduskirche zu Thann, sowie die Oberauf- 
sicht und die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem Ka- 
pitel und dem Stadtmagistrat Thann vor; «Wir wollen auch, daf 
uns und unsern lieben Fürsten des Hauses Oesterreich die Vogtei 
und Herrlichkeit der ehegenannten St. Thieboldskirchen nach der 
Ueberlegung bliebe und vorbehalten sei, und ob von derselben 
Ueberlegung wegen jetzt oder in zukünftigen Zeiten zwischen 
den vorgenannten Propst und Chorherren und ihren Nachkommen 
und der ehegenannten Stadt Thann MiDhelung oder Zwietracht 
entstünde, so behalten wir uns und unsern lieben Fürsten des 
Hauses Oesterreich auch die Macht dieselben zu entscheiden. 

Am 28. November 1441 entsprach das Konzil den Wünschen 
der Chorherren durch die Bulle: sacrosancta generalis synodus 
Basiliensis in Spiritu sancto legitime congregata universalem 
ecclesiam repraesentans!, -Die Gründe für die Verlegung des 
Stifts sind in dieser Bulle niedergelegt und noch schärfer aus- 
gedrückt als in dem Briefe des Kaisers, ohne daß man sie ge- 
rade als. stichhaltig anzusehen genótigt ist. Es heibt darin 
unter anderem : «Die Kanoniker wären in dem kleinen Städt- 
chen St. Amarin nicht gesichert, da dieses nicht befestigt sei ? 
und deshalb den Gefahren der fortwährenden Kriege viel mehr 
als in Thann ausgesetzt. Die Wohnungen der Chorherren seien 
zerstört, die meisten Stiftsherren beschränkten sich überhaupt 
bloß auf ihre gesetzliche Residenzpflicht von 20 Wochen, den 
Winter über seien nur wenige anwesend, so daß der kirchliche 
Dienst für die übrigen sehr anstrengend sei, hierdurch leide 
der Gottesdienst Not. Das Kloster stehe zwischen wilden und 
kahlen Bergen in einer Einóde?. In der stark befestigten Stadt 


1 Schoepflin II, S. 367. Bez. Arch. Straßburg, Stift Thann. 

2 Bereits 1276 wurde St. Amarin mit Mauern umgeben, doch 
waren die Befestigungen nur schwach. 

3 Die Murbacher Mönche scheinen die von ihnen für die Ver- 
legung der Abtei nach Gebweiler geltend gemachten Gründe den in 
obiger Bulle ausgesprochenen nachgebildet zu haben, wenn es im 
Breve des Papstes Clemens vom 12. Januar 1759 heißt, Murbach 


wat JOR m 


Thann könnten die heiligen Gefäße und sonstigen Gegenstände 
besser verwahrt werden, und die Kanoniker ihren Gottesdienst 
gebührender versehen. Die Verwaltung: ihrer Güter, Renten 
ond sonstigen Einkünfte, welche größtenteils in der Herrschaft 
Thann gelegen seien und anerfallen, werde erleichtert. Das 
Konzil trug dem Kardinal Johannes St. Martini in montibus 
am 28. November 1441 die Ausführung seines Beschlusses aut 
und erteilte ihm den Befehl: Erhebe die St. Theobalduskirche 
zu Thann zu einer Kollegiatkirche und verkündige, daß sie für 
ewige Zeiten Kollegiatkirche heißen und bleiben soll, Hingegen 
unferdrücke gänzlich Name und Titel eines Kollegiatstifts in 
der Kirche zu St. Amarin und erkläre ihn für erloschen. Seinem 
Auftrag kam der Kardinal getreu nach und publizierte am 12. 
Juni 1442 zu Basel in domibus nostrae solitae residentiae die 
Verlegung des Stifts nach Thann mit samt allen Rechten und 
Einkünften. Er verfügte, daß es hinreichend sei, wenn ein von 
den Chorherren zu besoldender Kaplan täglich eine Messe in 
der verlassenen Stiftskirche lese, die früher in dieser Kirche 
gestifteten Messen könnten im Münster zu Thann gehalten 
werden. Gleichzeitig wurde der Abt von Murbach und sein 
Kapitel, die vorgeladen aber nicht erschienen waren, von dem 
Kardinal zu den Kosten des Verfahrens verurteilt!. Der Abt 
nahm die Verlegung des Stifts und die dadurch bedingte Ver- 
minderung seiner Rechte über dasselbe nicht ruhig hin, sondern 
entzog dem Kapitel den Rotwein aus Uffholz und ernannte in 
der ausgesprochenen Absicht das Stift zu St. Amarin weiter 
neben dem Stift zu Thann bestehen zu lassen den Murbacher 
Kantor Nikolaus von Sulz? zum Propst in St. Amarin mit dem 
Auftrage alle Einkünfte daselbst festzuhalten und zu beziehen. 
Die Thanner Chorherren wandten sich wiederum an das Konzil 
zu Basel und dieses ließ durch den von ihm an Ort und Stelle 
entsandten Kardinal Isaak Othmar den Abt von Murbach sowie 
den neuen Stiftspropst am 2. Mai 1445 exkommunizieren. Des- 
gleichen wurde die Exkommunikation im folgenden Jahre gegen 
verschiedene namentlich bezeichnete Einwohner von St, Amarin, 


sei ein enges Tal, von allem menschlichen Verkehr entfernt, eine 
schreckliche Einöde, von wilden Bergen umgeben, die keinen Sonnen- 
strahl hinein lassen. 

1 Bez. Arch. Lade 12. 

3 Bez. Arch. Serie G. 


ex 296 a 


Odern und Mollau, denen schon vorher der Offizial von Basel am 
17. September 1445 verboten hatte!, den Zehnten an den Propst 
Nikolaus zu entrichten, ausgesprochen, weil sie sich weigerten 
den Zehnt dem Thanner Kapitel zu zahlen. Die Verlegung des 
Stifts nach Thann fand in feierlicher Weise stait?. Am letzten 
Juni 1442 kam der Propst mit dem ganzen Kapitel in Prozes- 
sion nach Thann, wo er am Eingang der Stadt vom Pfarrer 
mit elf Kaplänen in Begleitung des Vogtes, des Einnehmers 
und des Magistrats abgeholt wurde, worauf er Besitz von der 
Theobalduskirche nahm und den ersten Gottesdienst darin ab- 
hielt. 

Schließlich mußte die Abtei Murbach die tatsächlich voll- 
zogene Verlegung des Stifts anerkennen, und wurden die ge- 
ringen derselben noch verbleibenden Reclite durch einen Schieds- 
spruch des Bischofs Arnold von Basel vom 29. November 1456, 
der sowohl vom Abt von Murbach, als Blutsverwandter, als auch 
vom Kapitel zu Thann, das seither nur Gutes von Basel em- 
pfangen hatte, zu diesem Amte vorgeschlagen war, festgestellt. 
Ueber folgende Punkte wurden Vereinbarungen getroffen 3 : 

1. Sobald das Kapitel der Theobalduskirche eine geeignete 
und fähige Person zum Propst gewählt hat, steht dem Abte 
von Murhach das ihm seit alter Zeit gebührende Recht der Be- 
stätigung des Gewählten zu und dieses Recht soll ihm auch 
fernerhin verbleiben. Der neugewählte Propst hat seinerseits 
und ohne Mitwirkung des Kapitels seine Bestätigung nachzu- 
suchen, die der Abt nicht verweigern kann, oder der Papst 
müßte sich die Besetzung der Propstei vorbehalten haben; letz- 
terer Fall ist niemals eingetreten. 

2. Jeder neugewählte Abt des Klosters Murbach hat nach 
seiner Bestätigung durch den apostolischen Stuhl das gleichfalls 
ihm von Alters her zustehende Recht der ersten Bitte (porrigere 
primarias preces praeposito et capitulo ad canonicatum et prae- 
bendam vacaturum in dicta ecclésia) d. h. auf die erste nach 
seinem Regierungsantritt sich erledigende Kanonikatspfründe 
eine Anwartschaft zu verleihen; sollte aber der Bischof von 
Basel zufälligerweise sich in derselben Lage befinden, so ginge 


1 Daselbst Lade 14. 

2 Bez. Arch. Straßburg, Stift Thann. 

3 Schoepfliu II, Als. S. 391. Staats-Arch. 153 zu 1714 und 1442 ff. 
Visitationsprotokoll von 1759. Bez. Arch. Murbach Lade 95, 8. 


ek 209" ade 


er als Inhaber der Jurisdiktion dem Abt vor und hatte dieser 
dann das Recht der Anwartschaft auf die nächst freiwerdende 
Pfrande. 

3. Die Altäre des hl. Johannes und des hl. Nikolaus in der 
Stifiskirche zu St. Amarin und die Kapelle des hl. Markus im 
St. Amarintal 1, werden wegen ihrer Mittellosigkeit in eine Pfründe 
umgewandelt, deren Kollatur dem Kapitel von Thann unter Wah- 
rung der bischöflichen Rechte an einen geeigneten Priester zu- 
steht. Er muß an der Präjektuskirche residieren, darf aber an 
dem Hochaltar, welcher dem Propst und Kapitel vorbehalten bleibt, 
keine Messen lesen, da letzteren in der Transaktionsurkunde von 
1441 dieses Recht zugesichert ist. Dahingegen hat er wóchentlich 
eine Messe am Nikolausaltar und zwei am Johannisaltar zu ze- 
lebrieren, widrigenfalls er seiner Einkünfte verlustig wird. Ab 
und zu besonders aber am Patronstag ist er verpflichtet in der 
Markuskapelle eine Messe zu lesen. Dem Priester der Stiftskirche 
wird ein Koadjutor beigegeben, welcher die Marienkapelle ? zu 
bedienen und in dieser an den vier Marienfesten als Weihnachten, 
Mariä Verkündigung, Lichtmeß und Himmelfahrt die ersten 
Vespern und an den Festtagen selbst das Hochamt zu singen 
hat. Hierfür und wegen seiner Hilfe in der Seelsorge erhält er 
von Kapitel zwei Pfund Basler Währung; dem Priester gibt 
das Kapitel 5/4 Frucht. 

4, Die Reliquien der hl. Präjektus und Amarinus, welche vor 
der Verlegung des Stifts nach Thann in der Präjektuskirche zu 
St. Amarin verwahrt und von den Chorherren nach St. Theo- 


— 


1 Die Kapelle lag Malmerspach gegenüber und ist im 30 jährigen 
Krieg verschwunden. Bez. Arch. Murbach Lade 55, 2, 1342 fand die 
donatio und confirmatio dieser Kapelle sita in valle et prope oppi- 
dum St. Amarini loco dicto am Hauwenstein durch den Sänger Ni- 
kolaus in seinem Testament vor dem Offizial von Basel statt. Nach 
den Aufzeichnungen des Pfarrers Stippich mitgeteilt durch Herrn 
Kantonalspfarrer Huntziger zu St. Amarin fand Ende des 17. Jahr- 
hunderts am Fest des hl. Markus eine Prozession zur Wolfgangskapelle 
statt; vor dem Kriege wurde die Prozession zur Markuskapelle ge- 
führt. Die Wolfgangskapelle, welche vom Verfasser der Abhandlung 
ım Reichsland Elsal-Lothringen über St. Amarin irrtümlicherweise 
auf den heutigen Friedhof verlegt wird, lag in der Nahe des jetzigen 
Bahnhofs und wurde in der Revolution zerstört. 

2 Die Kapelle von der Stiftskirche durch den Bach getrennt 
erhielt von Heinrich Hacke, Prokurator des Tales 1338 eine größere 
Zuwendung. Bez. Arch. Lade 1. 


— 98 ae 


baldi überführt wurden, sind zum nächsten Markusfest nach 
St. Amarin zurückzubringen und verbleiben dort; sie werden 
als Ornamente behandelt. Wenn der Propst zur Zeit der Bitt- 
prozession, wie dies herkömmlich ist, die Reliquien nach Thann 
trägt, so muß er dieselben wieder selbst nach St. Amarin zu- 
rückbringen oder durch eine dritte Person dahin zurückbringen 
lassen 1. Die früheren Abmachungefi über das Bauholz für die 
Präjektuskirche blieben aufrecht erhalten ; der Propst und das 
Kapitel von Thann sollten das Recht haben das Holz in den 
Waldungen der Abtei zu fällen, selbst wenn es dem Kloster 
unangenehm wäre. Von dem Brennholz und dem Rotwein zu 
Uffholz ist dagegen in dem Vertrag keine Rede mehr. Daneben 
wurde dem Stift das Recht verliehen seinen Wein in der Stadt 
St. Amarin ohne Abgabe verkaufen zu dürfen. Seinerseits ver- 
sprach der Abt Bartholomäus und der Konvent des Klosters 
sowie der Propst Johannes Mäller und sein Kapitel alle diese 
Punkte zu halten und bekräftigten beide Teile ihre Versprechen 
durch, Beifügung ihrer Siegel. Die Abmachung ist getroffen im 
bischöflichen Palast zu Basel. Nach Gatrio? lage der Grund, 
daß der Schiedsspruch das Brennholz und den Rotwein nicht 
mehr erwähnt darin, daß die Verträge von 1216, 1222 und 
4254, welche die Lieferung festsetzten, als Gegenleistung dafür 
die Bedingung enthielten, dab die Kanoniker dem Abt und 
dem Kloster von Murbach treu ihren Gelöbnissen gemäß dienen 
sollten. Dadurch aber, daß sich die Chorherren nach Thann in 
den Dienst der Habsburger versetzen ließen, sei die Verpflich- 
tung der Abtei hinweggefallen. Diese Annalime scheint nicht 
stichhaltig, da wenigstens hinsichtlich des Rotweins die ober- 
wähnte päpstliche Bulle von 1491, welche zuerst dem Stifte die 
Rechte auf die 15 Fuder zu Uffholz bestätigte, dies ohne jede 
Einschränkung und Bedingung tat und auch aus dem Vertrag 
von 1216 die von Gatrio gezogene Fol;serung keineswegs her- 
vorgeht. Wenn das Kapitel seit seiner Verlegung.nach Thann 
weder die Lieferung erhalten noch begehrt hatte, so scheint 
mir der Grund eher darin zu liegen, daß das Kapitel mit der 
erreichten Verlegung sehr zufrieden war, zumal ihm in Thann 
andere Vorteile, welche nicht zu verachten waren, winkten, 


1 Bez. Arch. Lade 12. 
2 Band I, S. 590. 


ss DOO mm 


oder daß es selbst, was noch viel näher liegt, keine Ahnung 
von der Papstbulle hatte. Als nämlich Ende des 18. Jahrhun- 
derts zur Zeit des streitbaren Propstes Gobel das Kapitel die 
Frage neu aufrollte und das Kloster auf Lieferung verklagte, 
wurde dieses Begehren durch Urteil des conseil souverain zu 
Kolmar vom 6. September 1780 abgewiesen. In den sehr um- 
fangreichen Prozeßakten findet sich auffallenderweise nirgends 
eine Erwähnung der so wichtigen Papstbulle. 

Wenn Pfarrer Stippich in seinen Aufzeichnungen schreibt, 
daß vor Zeiten die gnädigste Herrschaft Murbach einem jeden 
Pfarrherrn auf eingegebene Supplikation ein halb Füderlein 
Wein gegeben, wie solches in den alten Rechnungen der Vog- 
tei Wattweiler zu sehen, er habe aber nur etliche Ohm ein 
paar Male erhalten, so dürfie diese Zuwendung vielleicht auf 
die Verträge zurückzuführen sein. 

Der Schiedsspruch von 1456 behandelt die wichtige Frage, 
was mit den Reliquien des hl. Präjektus und Amarinus zu ge- 
schehen habe!. Aus der Abmachung folgt, daß zu jener Zeit ein. 
Teil derselben in Thann aufbewahrt wurde, wohin sie von den 
Chorherren verbracht worden waren. Zahlreich können die 
Thanner Reliquien wohl nicht gewesen sein, da sie bequem. 
von St. Amarin nach Thann vermutlich in einem Silbergefäß 
getragen werden konnten. Da nichtsdestoweniger die Abtei dar- 
an festhielt, daß dieselben an ihren früheren Aufbewahrungs- 
ort zurückgebracht wurden, so wird sie dies wohl aus prinzi- 
pellen Gründen getan haben. Wenn Ravenez meint?, daß die 
Gebeine der hl. Präjektus und Amarinus erst nach Murbach 
gekommen seien, als die Chorherren von St. Amarin nach 
Thann übersiedelten, so ist diese Ansicht nach Vorstehendem 
in keiner Weise hallbar. Der Schriftsteller scheint ohne jede 


1 Schickel& le doyenné du Sundgau, S. 22. Visit. Prot. 1632 à 
un quart de lieue du village Aspach le haut il y une chapelle de 
St. Project et Marin avec autel consacré, messe et pelerinage. 
Thanner Chr. III, S. 462. Am 22. März 1762 wird die Kapelle auf 
dem Ochsenfeld nächst dem Schäferhof mit obrigkeitlicher Bewilli- 
gung völlig abgebrochen und werden die Materialien den beiden 
Dörfern Ober- und Niederaspach zuerkannt. Ersteres hat sie beim 
Kirchbau nötig. Woher die Kapelle die Reliquien erhalten hatte ist- 
nicht festzustellen wohl vom Kapitel St. Amarin, dem schon 1191 
die Kirche Oberaspach zugehörte. 

? Gatrio I, S. 119. 


— 30 — 


Kritik ja sogar ohne genaue Kenntnis der Sachlage seine Notiz 
einem Bericht des Thanner Stifiskapitels an den Bischof von 
Basel vom 47. Juli 1623 entnommen zu haben, worin dasselbe 
schreibt, daß es sich eingehend erkundigt aber nicht habe fin- 
den können, wann die Reliquien nach Murbach gekommen seien. 
Der Propst halte daran, daß dies 1444 geschehen sei, weil zwi- 
schen den Murbachern und den Thannern damals residierenden 
Chorherren solche Differenzen und Unfrieden entstanden, daß 
eine Zeitlang sogar zwei Pröpste gewesen, davon einer sich 
Propst zu St. Amarin, der andere Propst zu Thann genannt und 
geschrieben habe und daß die Murbacher die fürnehmsten und 
sichersten Reliquien mit sich geführt haben werden, gleichwie 
die Thanner eine capsula seu cista mit Reliquien nach Thann 
gebracht, die doch hernach wiederum hineingeliefert und noch 
da ist. l 

Wenn also 1456 die wenigen nach Thann verbrachten Re- 
liquien des hl. Amarinus an ihren ursprünglichen Aufbewah- 
rungsort zurückgebracht wurden, was nach vorstehendem ab- 
solut sicher ist und sich zur Zeit des Berichts im Jahre 1623 
noch da befanden, wie läßt sich aus dieser Tatsache erklären, 
daß 1671 der Vogt Ruppert von Ichtratzheim, Herr von Hoch- 
felden, und der Pfarrer Stippich von St. Amarin von dem Kloster 
Murbach, «wo die Leiber St. Praeject und Amarin von unvor- 
- denklichen Zeiten her ruhten, während nicht die geringsten 
Partikel in der Stiftskirche vorhanden seien 1», einige Teile für 
das St. Amarintal erbaten und am 29. September 1671 auch 
erhielten. Es muß also in der Zwischenzeit nach dem Bericht 
des Propstes Wagner von 1623 und der Translation der Reli- 
quien von Murbach nach St. Amarin im Jahre 1671 die capsula 
mit ihrem Inhalt an Partikeln verschwunden sein. Es liegt 
nahe, daß das Thanner Kapitel, dem die Stiftskirche unterstellt 
war, im Laufe des 30jàhrigen Krieges die Reliquien zur grös- 
seren Sicherheit in die Theobalduskirche verbracht und deren 
Rückgabe nach Eintritt ruhigerer Zeiten vielleicht absichtlich 
unterlassen hat. Daß die Reliquien tatsächlich im Thanner 


1 Bez. Arch. Murbach Lade 5592. Die Kosten der Translation 
der Reliquien betrugen 75 Pfund 16 Schilling daselbst Nr. 24. In- 
gold, Mabillon en Alsace S. 40. Les péres à Morbach ont dit qu'ils 
avaient les reliques de St. Project et Amarin mais qu'ils ne savent 
pas ni quand ni comment ils les ont eues. 


= Bi 


Münster verwahıt wurden, geht aus einer am 8. November 
1768 vorgenommenen Revision des alten Schatzgewölbes der 
Kirche hervor ; in dem Protokoll heißt es, daß der seit langem 
geschlossene übersilberte Sarg, der darinnen stand, geöffnet und 
in demselben Reliquien von Amarinus und Präjektus gefunden 
worden seien, wie dies das angeheftete Verzeichnis beweise. Der 
Sarg wurde wieder geschlossen und an seinen Verwahrungsort 
zurückg ebracht !. 

Die Verlegung des Stifts nach Thann hatte zur Folge, dab 
zwischen dem Kapitel und der Bürgerschatt als dem Bauherrn 
des Münsters Verträge verbrieft wurden, welche teilweise bis 
zur Aufhebung des Stifts in Geltung geblieben sind. Daneben 
erließ der Landesherr kraft des vorbehaltenen Oberaufsichtsrechts 
Verordnungen, die die Stellung und das Einkommen der Kano- 
niker zu regeln bestimmt waren. Bereits am 26. September 
1442 tut Herzog Friedrich von Oesterreich kund, daß er das 
Kapitel von St. Amarin auf sein demütiges Bitten in seine 
Stadt Thann nach St. Theobalduskirchen daselbst zu verlegen 
gegzunnt habe und damit das Kapitel und die Bürgerschaft seiner 
Stadt in Einhelligkeit bliebe, habe er wohlbedechtiglich von 
redlicher Ursach wegen in nachbeschriebenem Maß zwischen 
beeden Partheien etliche Gesetz und Ordnungen kundgemacht : 

1. Einem Chorherrn, der nicht zu Thann seßhaft ist, sei 
man von seiner Pfründe nichts zu reichen schuldig, es ware 
denn, daß er zur Schule gehe oder an anderen Enden wire, 
so daß er von gemeinen Rechten oder besonderer Gnade geist- 
licher Gewalt die Nutzungen der Pfründe haben solle. Diese 
Bestimmung schaffte kein neues Recht, da die in dem Reskript 
niedergelegte Folgerung aus der Residenzpflicht einem schon 
vom Papst Martin am 23. Mai 1434 dem Papst Eugen und dem 
Konzil von Basel am 1. Màrz 1437 genehmigten Statut des Ka- 
pitels einfach entnommen war. 

2. Ein jeder Chorherr darf zwei Monate oder 62 Tage in 
einem Jahr seiner Notdurft wegen von Thann abwesend sein ; 
es kann ihm deshalb von seiner Pfründe nichts genommen 
werden, außer der Präsenz, die man durch tägliche Anwesen- 
heit in der Kirche verdienen soll, von dieser darf ein Abwesender 
nichts haben. Wer aber über die angegebene Zeit hinaus ab- 


1 Stadt Arch. G. G. I. 


wesend ist, dem soll man abziehen, soviel als sich gebührt und 
dessen Teil gehört denjenigen, die anwesend waren und dem 
Stift. 

3. Die Chorherren sind verpflichtet täglich um 7 Uhr die 
Messe zu singen und zu lesen, sie sollen sich mit den Thanner 
Kaplänen gütlich einigen, daß sie ihnen helfen singen und lesen ; 
das soll denen von Thann lieb sein und sollen sie nicht hindern 
sondern mehr fördern, wenn aber die Chorherren eine Kaplanei 
verleihen werden, dabei hat es sein Bewenden. 

4. Der Dieboltsstock soll bleiben und regiert werden, so 
wie dies von altem Herkommen ist und bisher war, doch was 
notdürfiig würde zum Gottesdienste es seien bücher, Kelche, 
Meßsewänder und ander Gezierde, Lichter zum Singen, Lesen 
und Meßhalten, das alles soll durch die, welche vorher zu dem 
Stock daselbst beschieden waren, versehen werden und als bis- 
her die von Thann den Kirchenschatz das ist Bücher, Kelche, 
und ander Ornat dem Propst und den Chorherren zu allen 
Zeiten so sie es gebrauchen sollen und wollen nach Gewohnheit 
anderer Stifter antworten und reichen obne Verziehen und ohne 
Widerrede und diese sollen es nach Gebrauch zurückgeben. 

9. Es soll ein Kilchwart dem Kapitel zur Verfügung stehen 
zum Meblàuten, demselben ist sein Lohn aus dem Opferstock 
zu reichen. 

6. Das kapitel kann seimen Zehnt- und Bannwein in der 
Stadt verkaufen und damit Handel treiben, so wie es ebenfalls 
die andern Bürger tun, doch darf es den Wein nicht ohne 
Wissen des hats der Stadt zu Ostern Öffentlich verzapfen und 
ausschenken 1. 

7. Es soll das Kapitel keine Zinsen und Häuser in der 
Stadt und die anliegenden Gärten und Güter kaufen und 
Pfandrechte auf solche erwerben 2. 


1 Das Stift trieb auch mit seinen sonstigen Zehntfrüchten in 
Thann Handel, und als der Magistrat es hindern wollte seinen Hafer 
zu verkaufen wurde das Verbot durch die Regierung zu Ensisheim 
am 28. Mai 1552 aufgehoben. Stadt Arch. G. G. II, 4. Ueber einen 
Vertrag zwischen Kapitel und der Stadt wegen des Zehnts der Lot- 
schenreben und des Rotweines Bez. Arch. Lade 24. 

2 Der Magistrat erlieD 1630 ein Statut, daß die Bürger von 
Thann bei Vermeidung hoher Strafe und Pein sich nicht unterstehen 
dürften liegende Güter außer der Steuer oder in gefreite Hand zu 
verwandeln und wurde ein Einwohner zu vier Tagen Gefängnis und 


> 


— 3 — 


8. Das Kapitel darf kein Vieh auf die Stadtweide treiben 
ohne Genehmigung des Magistrats. 

9. Und ob Propst und Kapitel wegen solcher Opfer, welche 
außerhalb des Amis und der Messe auf die Altäre zu dem Hei- 
ligtum gelegt werden und von des Stocks wegen und noch in 
zemlich Dingen überein würden, das ist uns gefallig, doch be- 
halten wir uns und unsern Erben vor bei Mißhellung zwischen 
Kapitel und Bürgerschaft diese zu entscheiden. Am Donnerstag 
nach Katharinentag 1461 wurde der Vertrag zwischen Stift und 
Stadt durch den Bischof konfirmiert und sind die Hauptpunkte 
des Kompromisses folgende : 

Das Kapitel soll sich mit Einwilligung des Bischofs aller 
und jeglicher Opfer und Gottesgaben zu St. Thieboldkirchen auf 
dem Frohnaltar oder anderen anfallend ohne jede Ausnahme so 
von Anfang her ein Leutpriester bei Zeiten und darnach bis- 
hero demselben Propst und Kapitel zugehórend gefallen sind, 
aler Forderungen Anspruch und Gerechtigkeit so sie oder ihre 
Nachkoinmen vermeinen noch zu haben an alle Opfer und 
Gottesgaben so in St. Thieboltsstock und anderer Baue inwendig 
und auswendig der Kirche gegeben werden nun fürhin zu ewigen 
Zeiten daran keine Gerechtigkeit, Forderung noch Anspruch 
meinen zu haben noch unterstehen zu gewinnen und zu über- 
kommen und denselben Propst und Kapitel alle gewóhnlichen 
Opfer, so ihnen dieweil sie am Altar stehend und Meß habend 
auf die Altáre gelegt und von einer einzigen Person nicht über 
einen Plappert betragen, vorbehalten, was aber von einer Person 
über einen Plappert auf die Altáre gelegt würde, soll dem Ka- 
pitel nicht bleiben, sondern St. Thiebold gehóren ohne Wider- 
rede und für solch vorgemelte Gerechtigkeit soll unser gnádiger 
Herr Erzherzog Albrecht als regierender Landesfürst und der 
Vogt dem Kapitel Verschreibung tun von 72 Pfund Stabler 
jährlich Zinsen aus dem Stock zu reichen und sollen alle Frohn- 
fasten 18 Pfund gegeben werden, die in die Quotidianen oder 
täglichen Distributionen kommen und denen zufallen, die in 
St. Thieboldskirchen singen und lesen. Der Propst und das 
Kapitel haben über den Empfang Quittung zu erteilen. 


nn 


zehn Pfund Geldstrafe verurteilt, weil er einem Chorherrn ein Stück 
eben verkauft hatte, um seine Familie nicht Hungers sterben zu 
lassen. St. Arch. Nr. 2 zu 1442. 


SCHOLLY. 3 


— 34 — 


Das Kapitel hat sich ferner verpflichtet für sich und seine 
Rechtsnachfolger den Frohnaltar in der gedachten Kirche durch 
einen der Chorherren zu besingen. Desgleichen übernimmt es 
die Verpflichtung den mittleren Altar durch den Leutpriester 
und die Mutterkirche zu Altthann durch einen Helfer versehen 
zu lassen. Mehr ist beredet worden, daß Propst und Kapitel 
hinfür St. Theobalduskirchen und dem Rat getreu sollen sein 
ihren Nutzen zu fördern, das nämliche soll der Leutpriester und 
sein Helfer versprechen mit Gelübde dem Stock getreulich zu 
warlen, dab die Kirche und der Stock nicht versäumet werde, 
und das Kapitel soll geloben gegen den säumigen Pfarrer und 
Helfer vorzugehen. Das Kapitel mußte sich ferner verpflichten 
keine der bestehenden oder noch zu stiftenden Kaplaneien in 
der Kirche zu Thann und der Mutterkirche zu Altthann an 
sich zu bringen und zu inkorporieren, doch sollen ihm alle 
Rechte hinsichtlich der Verleihung dieser Kaplaneien, wie dies 
von Alters her üblich war, vorbehalten bleiben. Zum Schluß 
ist ausbedungen, daß Vogt, Schaffner und Rat zu Thann, als 
die Pfleger der Kirche daselbst dieselbe mit Ornamenten, Got- 
tesgezierde und allen notdürfligen Dingen versehen sollen. Nach 
der Genehmigung des Herzogs Albrecht gegeben zu Innsbruck 
am Montag nach Laetare 1465 müssen die, welche den Theo- 
baldusopferstock regieren und bewahren die Kirche in gutem 
Stand unterhalten, ohne daB die Chorherren wegen ihrer Sitze, 
Plätze, noch in sonst etwas beschwert werden könnten!; wie 
auch alles, was nótig würde, um zum Gottesdienst zu dienen 
es seien Bücher, Kelche, Meßzewänder, Getüch oder audere 
Gezierde, Lichter zum Singen, Lesen und Meßhalten liefern. 
Dem Uebertrag schloß sich das Kapitel durch Verschreibung 
der Chorherren nach Besag des vorgedachten Uebertrages am 
Freitag nach Nikolaustag 1461 an?. In der Einleitung versuchte 
es zwar nochmals seinen alten Standpunkt aufrecht zu halten 
und geltend zu machen, daß alle und jegliche Opfer- und Got- 
tesgaben zu St. Dieboltsheiligtum seit alten Zeiten sowohl die 


1 Als 1663 die Kanoniker die aus Frankreich vertriebenen Ora- 
tonier oder Bartholomiten, welche in Thann ein Seminar für Geist- 
liche gegründet hatten nicht bei sich in den Chorsiühlen dulden 
wollten, schloß der Magistiat das Chor ab und gab erst auf Ver- 
fügung des Bischofs die Schlüssel wieder heraus. 

2 St. Arch. G. G. I, 10. 


— 3 — 


am Frohnaltar als an anderen Enden gefallenen ihm gebührten - 
und sie hätten dabei gemeint, daß nach Ausweis des Rechts 
dieselben ihm tatsächlich zugehörten ; weil aber Vogt und Herr- 
schaft gemeint haben, daß dem Stifte nichts verbleiben solle, so 
erkläre sich das Kapitel mit der Zahlung der 72 Pfund Stäbler 
zufrieden zu geben und auf alle seine wirklichen oder vermeint- 
lichen Rechte zu verzichten. Es versprach ferner sich keine 
Kaplanei zu inkorporieren, den Frohnaltar durch einen Chor- 
herrn besingen und den Mittelaltar, den es zu seinen Händen 
. gebracht hat, durch einen Leutpriester versehen zu lassen nach 
aller Notdurft und Löblichkeit. 

Trotz der Vereinbarungen hörten die Streitigkeiten zwischen 
Kapitel und Magistrat nicht anf, und sah sich deshalb die Re- 
gierung zu Ensisheim gezwungen die Rechte des Stifts durch 
die transactio seu amicabilis compositio vom 7. April 1538, ge- 
nannt der große Uebertrag, festzustellen. Die wesentlichen 
Punkte des Vergleichs sind folgende ! : 

1. Die Stadt Thann, welche schon durch das Konzil von 
Basel wegen Hinterziehung des Weinzehnten und Betrug zum 
Nachteil des Stifts verwarnt worden war 2, ist verpflichtet den 
Zehnten richtig in gebührendem Maße d. h. in Roßbüttichen 
zu entrichten. 

2. Schaffner und Rat zu Thaun sollen dem Kapitel 400 
Pfund Stábler bar bezahlen für eine gróDere Summe, welche 
im Bauernkrieg die Regierung vom Kapitel nebst 10 Fuder 
und 18/2 Ohm Weißwein entliehen hatte. 

3. Das Statut, welches der Magistrat im Einverständnis 
mit dem Onervogt, Graf Sigismund von Lupfen, für die Opfer 
bei den Totenmessen erlassen hat, wird aufgehoben. Dieses 
Statut hatte verordnet, daß am Leibfall, dem 7. und 30., nicht 
mehr als 6 Personen jedes Gescblechtes am Altare des Leut- 
priesters und nachher am Hochaltar zum Opfer gehen und jede 
Person nicht weniger als 1 Schilling auf diesen Altären nieder- 
lege. An Stelle der Verordnung wurde bestimmt, daß Schaffner 
und Rat mit gutem Beispiel den andern Bürgern vorangehe 


! Ueber die Vorverhandlungen daselbst G. G. 8. 

? St. Arch. zu 1442ff. rescriptum a concilio Basiliensi contra 
Thannenses, qui vel non solvent decimas vel in solutione fraudem 
committunt item a Martino papa monitorium papale contra injustos 
decimorum detentores. St. Arch. 2 zu 1600. 


u ge e 


und an den gedachten Tagen jede opferbare Person ihre vier 
Opfer gebe und bezahle, wie sich dies gebühre. 

4. Diejenigen Dienstboten der Chorherren, welche in deren 
Häusern wohnen und nebenbei kein anderes Gewerbe betreiben, 
bleiben von Steuern und jedem Wachtdienst in der Stadt befreit. 

5. Die Kapläne, welche eine Pfründe an der Stiftskirche 
innehaben und in dieser begraben zu werden wünschen, brau- 
chen für den Kirchenbruch, den der Magistrat vor Jahren er- 
worben halte !, nur 3 Pfund Stäbler zu zahlen, während jede 
andere Person, die ein solches Begräbnis begehrt 10 Gulden 
zu diesem Zwecke zu entrichten hat. 

6. Das Inventar über die Verlassenschaft eines Priesters zu 
Thann darf der Stadtschreiber nur im Beisein von zwei Räten 
und zwei Chorherren aufnehmen, desgleichen die Siegelanlagen 
und Abnahmen. 

Letzterer Satz galt bis zur französischen Herrschaft. Als 
nach dem Tode des Propstes Willemann im Jahre 1676 die 
Regierung zu Colmar die Errichtung des Erbverzeichnisses über 
seinen Nachlaß ohne diese Personen vornehmen lassen wollte 2, 
schrieb der Bischof von Basel, daß diese Neuerung dern west- 
fälischen Frieden, den Statuten, der Observanz und der geist- 
lichen Immunitát nicht entspreche und wies den Propst Henner 
an in optima forma dagegen zu kontradizieren und zu protestieren, 

7. Die Kreuzgänge und Prozessionen dürfen nicht. einseitig 
vom Schaffner und Rat angesetzt werden, sondern letztere haben 
sich mit dem Kapitel über Tag und Stunde der Abhaltung von 
solchen zu einigen. 

Seinen nach vorstehenden Verträgen übernommenen Ver- 
pflichtungen kam der Magistrat nur lässig nach, und mußte 
fast in jedem Revisionsprotokolle das Kapitel erinnert werden, 
auf der strikten Einhaltung der Lieferung von Ornamenten usw. 
zu bestehen. Während Monstranzen zur Genüge und sogar 17 
Meßkelche aus alter Zeit vorhanden waren, ließ das Leinenzeug 
und die Paramente viel zu wünschen tibrig3. Ein Reglement 


1 Wo dieser Sandsteinbruch lag, ist nicht gesagt, es dürfte dies 
wohl der nämliche sein, den die Stadt Thann am 29. Januar 1509 
in der Gemarkung Rufach gepachtet hatte. Walter Urkundenbuch 
der Stadt Rufach. S. 106. 

2 St. Arch. 28 zu 1562. 

3 Staats-Arch. Visitationsprotokoll 1742. Es waren nur zwei 
Graduale vorhanden, während vier nötig waren. Die schönen alten 


CE m 


des Bischofs von 1759 verfügte daher, daß jährlich die Rech- 
nungen über die Einnahmen und Ausgaben der Kirchenfabrik 
vor dem Kustos und einem Chorherrn in Gegenwart des Pfar- 
rers abzelegt werden sollen und diese darauf hinzuwirken ha- 
ben, daß alle Geräte und Ornamente richtig angeschafft und 
erneuert werden. 

Als in späterer Zeit, hauptsächlich im 18. Jahrhundert die 
Einkünfte der Kirchenfabrik und vornehmlich die Opfereinnahmen 
sehr spärlich flossen, empfand es die Stadt Thann recht miß- 
lich, daß ihr außer der Stellung von Kirchengerätschaften auch 
noch die Kosten der Instandhaltung des Münsterchores und des 
ganzen Münsters überhaupt zur Last fielen, und das um so mehr, 
als in andern Kirchen, in welchen eine geistliche Genossenschaft 
das Chor besaß, diese auch unterhaltspflichtig hierfür war. Daß 
aber die Stadt bis zur Aufhebung des Stifts rechtlich verpflichtet 
blieb in und an dem Chor alle nötigen Reparaturen auf ihre 
Kosten vorzunehmen, geht nicht allein aus dem Konzept einer 
Eingabe des Stadtrates an den Bischof von Basel deutlich her- 
vor, sondern der Magistrat wurde durch Urteil des souveränen 
Gerichishofes in Colmar vom 24. Januar 1744 ausdrücklich 
hierzu verurteilt!, Im Dezember 1743 hatte der Sturm eine 
Fensterfüllung auf seiten des Hochaltars umgerissen und vielen 
Schaden an den Fenstern des Chores ;verursacht. Das Kapitel 
ersuchte den Magistrat die Fenster wieder in den früheren 
Stand zu setzen, da es wegen des eindringenden Regens und 
Schnees gefährlich sei Gottesdienst zu halten. Der Rat lehnte 
die angeforderten Reparaturen mit der Motivierung ab, daß ein 
Urteil des Staatsrats vom 20. August 1686 den Zehntherr zur 
Unterhaltung des Schiffes und Chores verpflichtet habe und 
durch eine Entscheidung des conseil souverain zu Colmar vom 
3. Oktober 1694 das Kapitel von Belfort im nämlichen Falle 
zu derartigen Reparaturen verurleilt worden sei. Auf erhobenen 
Rekurs des Kapitels entschied der höchste Gerichtshof, ohne 
auf die Sache selbst einzugehen, daß der Magistrat binnen acht 
Tagen das Chor herzurichten habe. Zu einem anderen Prozeß 
kam es zwischen dem Magistrat und dem Kapitel aus folgendem 
Anlasse, In der Nacht vom 8. auf 9. Dezember 1754 stahlen, 


in Pergament gebundenen Chorbücher wurden nach einer Notiz früher 
um 300 Pfund von den Fabrikratsmitgliedern verkauft. 
| St. Arch. G. G. 8. 


—9—. ao 


indem sie durch die Fenster in das alte Schatzgewölbe einstiegen, 
Diebe, die kunstreiche und kostbare Monsiranz mil zwei nicht 
viel weniger wertvollen Ciborien, pliinderten den Opferstock 
St. Nikolaus und versuchten ohne Erfolg die Sakristei und den 
Opferstock St. Theobald zu erbrechen. Der Wert der gestohlenen 
Gegenstände wurde auf 8000 Pfund geschätzt, der Kunstwert 
war nicht mehr zu ersetzen!, Der Magistrat strengte gegen das 
Kapitel einen Prozeß an, weil es die Monstranz und Ciborien nicht 
besser verwahrt hätte, wogegen die Chorherren einwandten, daß 
der Diebstahl nur dadurch möglich geworden sei, weil der Ma- 
gistrat ein defektes Fenster nicht habe reparieren lassen und 
dieses 6 Wochen lang offen gestanden sei?. Der Gerichtshof 
wies am 18. Juni 1756 die gegen das Kapitel erhobene Klage 
unter Anerkennung der vom Kapitel erhobenen Einwände ab 8. 
Der Magistrat ließ eine neue silberübergoldete Monstranz genau 
nach dem Muster der alten vom Chorherrn Reiset gezeichnet, 
wozu die Bruderschaft St. Sebastianus bei den Franziskanern 
1600 Pfund beisteuerte4, beim Goldschmied Pitt in Straßburg 
anfertigen ; dieselbe kostete 3200 Pfund und wurde zum ersten- 
male bei der Prozession vom 2. Februar 1763 benutzt 5. 


1 Thanner Chronik III, unedierter Band im Besitze des Klosters 
St. Gallus zu Bregenz S. 216. 

? Bez. Arch. Lade 6. 

3 Thanner Chr. III, S. 291. 

4 Daselbst S. 450. 

5 Daselbst S. 473. 


KAPITEL IIl. 


Das Patronatsrecht zu den Kanonikaten. Zahl der Pfründen. Erfor- 
dernisse zur Aufnahme in das Stiftskapitel Einführung und 
Eid der Kanoniker. Pflichten derselben. 


Nach altem Recht, welches im ersten Teil der Statuten vom 
9. Juli 1642 unter der Ueberschrift modus assumendi canonicos, 
eorum numerus qualitates et obligationes neu redigiert ist, wech- 
sell das Patronat zu den Kanonikaten und steht in den geraden 
Monaten dem Kapitel und in den ungeraden (menses papales) 
dem Erzhause Oesterreich bzw. dem jeweiligen Landesherrn zu !. 
Durchbrochen wird dieser Fundamentalsatz durch die Bestim- 
mung, daß zufolge des jus primariarum precum dem Besitzer 
der Herrschaft Thann, dem Bischof von Basel und dem Abte 
von Murbach ein Präsentationsrecht eingeräumt ist; dera er- 
steren kraft der alten Markgenossenschaft 2, dem Bischof als 
Inhaber der Jurisdiktion über das Stift und dem Abte nach 
der Abmachung von 1456. Dem Abte ist sein Recht selbst nach 
der Säkularisation des Klosters durch eine päpstliche Bulle vom 
11. August 1764 vorbehalten worden. Es können daher diese 
Würdenträger kraft des gedachten Rechts nach ihrem Regie- 
rungsantritt, der Bischof und der Abt aber erst nach ihrer Be- 
statigung durch den apostolischen Stuhl, sobald in den dem 
Kapitel vorbehaltenen Monaten eine Vakatur eingetreten ist, 


I Falsch ist der Bericht der burgundischen Kommission an 
Karl den Kühnen von 1473 rapp. Contault fol. 23 im Archiv zu 
Dijon, worin es heißt im Kapitel zu Thann befinden sich 1 Propst 
und 12 Kanoniker, qui sont & la collacion de mon Seigneur. 

? Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins XIX, S. 107. 


— 490 — 


eine geeignete Person, zu dem erledigten Kanonikat präsen- 
tieren!, 

Wird das Präsentationsrecht durch die Berechtigten nicht 
binnen drei Monaten nach der Erledigung der Pfründe ausgeübt, 
so hat der Bischof kraft des jus devolutionis die Befugnis eine 
ihm tauglich erscheinende Person zum Kanoniker zu ernennen. 
Dieses Devolutionsrecht, welches in der Praxis stets geübt 
wurde, wollte die souveräne Kammer des Königs von Frank- 
reich für Ober- und Nieder-ElsaB, den Sundgau und den 
Breisgau im Jahre 1656 in dem Falle nicht anerkennen, als 
die Regierung von Colmar die dreimonatliche Frist hatte ver- 
streichen lassen, aber gleichwohl verlangte, daß ihr Kandidat 
du Lys aus der Diözese Toul zum Kanoniker ernannt würde. 
Der Bischof von Basel verweigerte entschieden sich in seinen 
Rechten beeinträchtigen zu lassen und lehnte den Regierungs- 
kandidaten bestimmt ab, trotzdem der Intendant von Breisach 
den Thannern befahl, den vom Bischof ernannten Chorherrn 
nicht in die Stadt hereinzulassen und ihn, wenn er doch her- 
einkäme, wieder hinauszujagen. In diesem Streite, bei dem der 
Bischof sein gutes Recht zur Seite hatte, ist es ein Genuß die 
bischöflichen Rechtfertigungen für das Verhalten gegenüber der 
Anmaßung der französischen Regierung zu lesen und setzte der 
Bischof auch tatsächlich seinen Willen durch 2, was jedoch nicht 
hinderte, dab geraume Zeit später der Schützling du Lys in das 
Kapitel aufgenommen wurde, nachdem seine Präsentation durch 
die Regierung fristgerecht erfolgt war. 

Die Präsentation des Kapitels war zwar frei, jedoch schlug 
es häufig Geistliche vor, für die der Bischof ein gutes Wort 
einlegte; es gab aber Fälle, in denen das Kapitel an seinem 
Kandidaten festhielt, wie wir weiter unten sehen werden. 
Das Kapitel schlug in der Weise vor, besonders im 18. Jahr- 
hundert, daß jeder Chorherr per turnum in seinem Monate 
auf die vakante Stelle präsentierte. 

Verzichtet ein Chorherr auf sein Kanonikat, in welchem 
Monat dies auch sei, dann steht nach den neuen Statuten von 


ı Formular bei Lunig I, 536, primarias preces nostras pro de- 
voto nobis dilecto N. N. ad vos porreximus. dedimus, concessimus et 
decrevimus, ac per praesentes pornisimus, damus. concedimus ac de- 
cernimus. "Anlage 2; 

2 St. Arch. 121 zu 1535. 


er 4l mm 


1642, welche hierin den Beschlüssen des tridentinischen Kon- 
zils nachgebildet sind, dem Kapitel, welchem der Verzicht 
abzugeben ist, stets das Patronatsrecht für die freiwerdende 
Pfründe zu. Gibt der Kanoniker den Verzicht nicht gegenüber 
dem Kapitel ab, so soll derselbe als nichtig angesehen und 
der Resignierende bestraft werden, weil der Verzicht als un- 
bedingte Resignation in die Hände des Kapitels zu gelten hat. 
Dieser Satz ist in seiner ganzen Schärfe erst in den Statuten 
von 1642 ausgesprochen. Nach den Statuten von 4610 konnte 
ein Kanoniker nur mit Zustimmung des Kapitels resignieren, 
aber nicht ohne den Willen desjenigen, welchem im be- 
treffenden Monate das Patronatsrecht zugestanden hätte (cano- 
nicatum vel sacellaniam suam nullus in alium vel permuta- 
tione vel resignatione absque Ordinarii consensu et appro- 
batione transferre potest. Capituli vero vel alterius, cui tempore 
resignationis vel permutationis jus praesentandi competit im- 
petrante praesentatione transferri attendit secus faciens sciat vel 
permutationern vel resignationem nullitati subjacere ac in- 
validas esse). Der einseitige Verzicht in die Hànde des Kapitels 
wurde vom Landesherrn teilweise ignoriert ; so präsenlierte, 
um nur ein Beispiel anzuführen, am 2. Juli 1614 Maximilian 
einfach ad canonicatum sancti Theobaldi in oppido Thann ad 
praesens per liberam resignationem vacans, cujusque patronatus 
seu praesentandi ad nos archiducem Austriae pleno jure di- 
mnoscitur. Auch die französische Regierung hat den dem 
Kapitel gegenüber abgegebenen Verzicht nicht anerkannt. Als 
nach der Resignation des Chorherrn von Clebsattel, 1748 die 
Herzogin von Duras, seinen Vetter den Pfarrer Neff, einen 
Solin des Obervogts zu Altkirch, an Stelle von Clebsattel prä- 
sentierte, nahm der Bischof ohne weiteres diese Präsentation ! 
an, und antwortete auf die Vorstellungen und Einwendungen des 
Kapitels mit den lakonischen Worten sciendum est resignationem 
prout juris est factam non aliter admissam esse quam sub 
clausulo salvo cujuscunque jure. .Das tridentinische Konzil und 
diesem nachgebildet die Thanner Statuten hatten aus ge- 
wichtigen und naheliegenden Gründen den freien Verzicht der 
Kanoniker zu Gunsten des Kapitels verlangt, denn wenn ein 
Chorherr ohne weiteres in den geraden Monaten resignierte 


Ba un nn 


1 Anlage 3. 


— 49. — 


und dem Kapitel kein Einspruch hiergegen gegeben war, 
dann konnte sich leicht ein Protektionssystem entwickeln, in- 
dem genau wie dies bei der Resignation von Clebsattel der 
Fall war, ein Chorherr zu Gunsten eines ihm Verwandten 
oder Bekannten verzichtete, der denn auch, wenn er oder seine 
Familie bei der Regierung wohl angesehen war, die Stelle erhielt. 

Seit dem Tridentinum sind, wie dies in den Statuten aus- 
gesprochen ist, alle gratiae, quae exspectativae dicuntur nämlich 
die Anwarischaften auf eine sich in Zukunft erledigende 
Pfründe verboten 1, da denn solcher Gratien halber pfleglich 
den Gemeinden untüchtige unbekannte Kirchendiener für- 
gestellt, daß auch die Hoffnung, so durch die Gratien gegeben 
zu Niessung der Gefäll der geistlichen Aemter so aller erst mit 
der Zeit verledigt werden Ursach gebete des Besitzers Tod zu 
begehren, welches der Seelen Heil höchlich verhindere 2. 

Die Zahl der Präbenden und Kanonikate des Stifts 
betrug seit den ältesten Zeiten 12. Nach der Ansicht des 
bischóflichen Kommissars, welche in dem Visitationsprotokoll 
vom 30. Juni 17063 ausgesprochen ist, sollen nach Gründ- 
ung des Klosters 18 Chorherren und einige Sacellanen vor- 
handen gewesen sein. Die Meinung des Visitators ist durch 
keine einzige Urkunde belegt und schon aus dem Grunde 
nicht stichhaltig, weil die Einkünfte des Klosters kaum 
für 12 Pfründen ausreichten. Wie schlecht diese von Basel 
geschickten Herren die Geschichte des Stifts kannten geht 
z. B. daraus hervor, daß einer im Visitationsprotokoll das 
Wort St. Amarin mit Rosmarin in Verbindung brachte, weil 
angeblich in dem Tal derartige Sträucher in Mengen wüchsen! 
Die älteste bekannte Urkunde von 1214 erwähnt nur 12 ein- 
vepfründete Kanoniker. 

Infolge der Verheerungen der Bauernkriege wurde nach 
erfolgter Vorstellung des Kapitels 1549 eine Präbende kassiert 
und der Masse uniert 4. Im Jahre 1621 richtete das Kapitel an 
Erzherzog Leopold die Bitte wegen obhabender Beschwerden 
und Schulden halber und wegen geringen Einkommens eine 
Stelle unbesetzt zu lassen. Der Erzherzog teilte am 23. April 


1 sessio 24 caput IX. 
2 Lunig, S. 286. 

3 St. Arch. 146 zu 1744 
4 Bez. Arch. Serie G. 


— 43 — 


das Ansinnen dem Bischof mit und bemerkte, daß er nichts 
dagegen einzuwenden habe, wenn die nächst frei werdende 
Pfründe unbesetzt bleibe und das Erträgnis dem corpus zu- 
geführt werde; der Bischof möge gleichfalls seine Einwillig- 
ung dazu erteilen. Dieser fand die Sache nicht sehr dringend 
und schickte erst am 17. März 1622 seinen Generalvikar 
Gallus Soldat de Messala zur Untersuchung der Angelegenheit 
nach Thann, der nach genauer Prüfung der Einnahmen und 
Ausgaben seit Jahren konstatieren mußte, daß letztere die 
ersteren überstiegen. Die Chorherren hätten sogar aus den Quo- 
tidianen Zuschüsse leisten müssen, aber auch dieses Verfahren 
hätte nicht genügt, da das Kapitel allein für Kriegsschatzung 
0882 Pfund zu verzinsen und noch zur Zahlung des letzten 
Termines 687 Pfund aufgenommen habe. Es solle deshalb ein 
Kanonikat, deren Zahl jetzt 11 betrage unterdrückt werden ; 
man habe dem Kapitel dieses Zugeständnis schon seit den 
Statuten von 1610 gemacht, aber bis jetzt noch nicht gehalten. 

Am 9. April 1622 setzte Bischof Wilhelm die Zahl der 
Chorherrn endgültig auf 10 fest mit der Maßgabe, daß die 
nächst frei werdende Präbende eingehen, und der Ertrag zur 
Deckung der nachgewiesenen Schulden des Stifts der ge- 
wöhnlichen Masse zugewendet werde. Diese Pfründe scheint 
Ende des Jahres 1628 oder anfangs 1629 frei geworden zu 
sein, denn Columban Tschudi verlangte als Interimsadministra- 
tor des Klosters Murbach am 29. Januar 1629, daß ihm die 
Präsentation eines Chorherrn an Stelle eines verstorbenen 
gemäß der primae preces zustehe. Das Kapitel wendete da- - 
gegen ein, dab es nach den Statuten von 1610 und dem 
bischöflichen Indult vom 9. April 1622 nicht gezwungen 
werden könne mehr als 10 Chorherrn anzunehmen und soviel 
residierten tatsächlich jetzt. 

Die Gründung der Universität Basel hätte beinahe dem 
Kapitel eine Pfründe gekostet. In seinem Gutachten über die 
Deckung der Bedürfnisse der Hochschule schlug 1459 Heinrich 
von Beinheim vor, daß der Papst außer verschiedenen anderen 
Kanonikaten ein solches zu Thann unterdrücken möge f. In 
dem Verzeichnis der Pfründen, welches der Gesandte von 
Flachslanden dem hl. Stuhl üherbrachte, und in welchen: die 


————— 


! Basler Chroniken V, S. 468. 


— 44 — 


` 


Suppression empfohlen wurde, ist das Esträgnis einer Thanner 
Präbende mit 59 fl. veranschlagt (in ecclesia sancti Theobaldi 
in Tannis una praebenda valet L fl. Rh). Der Papst ging auf 
den Vorschlag der Stadt Basel ein Kanonihat des Stifts Thann 
zu unterdrücken nicht ein!. 

Die Zahl der Präbenden blieb selbst nach der Unterdrückung 
der zwei Kanonikate stets unverändert. Die Einkünfte des Ka- 
pitels wurden in 12 gleiche Teile geteilt, wovon die Masse zwei 
Portionen, von denen weiter unten die Rede sein wird, zur 
Bestreitung der Pflichtausgaben vorwegnahm, während die 
zehn übrig bleibenden Portionen unter den Chorherren zur 
Verteilung gelangten. Da diese beiden Pribenden sehr häufig 
besonders aber in Kriegszeiten nicht zur Deckung aller Be- 
dürfnisse der Masse zureichten, wendete das Kapitel die ver- 
schiedenartigsten Mittel und Wege zur Bilanzierung der Aus- 
gaben mit den Einnahmen an. So stellte es 1623 beim Erz- 
herzog Leopold den Antrag ein Kanonikat auf zwölf Jahre zu 
supprimieren ; dieser lehnte das Ansinnen mit der Begründung 
ab, daß er zwar als Landesherr dem Antrag sympathisch gegen- 
überstehe, aber als Administrator des Klosters Murbach, in 
dem er das Recht der ersten Bitte hane, auf dieses Vorrecht 
nicht verzichten dürfe. 

1628 bat das Kapitel nochmals den Bischof ein Kanonikat 
zu unterdrücken ; nach dem Gutachten einer von ihm an Ort 
und Stelle gesandten Kommission konnte sich der Bischof zur 
Suppression nicht entschließen, dagegen hatte die Vorstellung 
des Kapitels insofern Erfolg, als die Karenzzeit für das nächst 
freiwerdende Kanonikat von 4 auf 5 Jahre erhöht wurde. Zu 
der Erhöhung gab am 23. August 1628 der Landesherr die er- 
forderliche Genehmigung. Eine gewisse Zeit hindurch muß auch 
das zehnte Kanonikat unterdrückt gewesen sein, denn in einem 
Visitationsprotokoll ohne Datum aus der Periode des Propstes 
Willemann (1662— 1676) findet sich eine Bemerkung desselben, 
dab es früher elf Kanonikate gegeben habe, von denen nun 
zwei unterdrückt seien 2. Möglicherweise datiert dieses Protokoll 
aus dem Jahr 1671 oder doch nicht viel später, da der bischöf- 
liche Kommissar 1671 berichtete, es seien 10 Kanonikate vor- 


1 Vischer. Geschichte der Universität Basel, S. 29. 
2 St. Arch. 32 zu 1442. 


== A, ee 


handen, der Einkommen kaum 100 Pfund betrage und ist nicht 
ausgeschlossen, daß der Bischof auf diesen Bericht hin eine Stelle 
vorübergehend unterdrückt hat. 
Die Zahl der residenzpflichtigen Chorherren war nicht stets. 
gleich. So verfügte Bischof Albert durch ein Neskript vom 11. 
November 1650 auf Bitte des Kapitels, daB nach dessen Gut- 
dünken nur sechs Chorherren zu residieren brauchten ; das Ka- 
pitel sei nicht verpflichtet mehr als sechs an den Ertrágnissen 
teilnehmen zu lassen, da die Einkünfte des Stifts durch Kon- 
tributionen und Kriegsverheerungen völlig unzulänglich seien, 
und das Stift an alle Chorherren Geld schulde. Zufolge einer 
Entscheidung des Bischofs vom 5. September 1665 wurde die 
Zahl der Residenzpflichtigen wieder auf zehn erhóht, da nach 
Ansicht des Oberhirten, welche allerdings mit derjenigen der 
Kanoniker nicht übereinstimmte, die Zeiten besser geworden 
seien, trotzdem das frühere bischófliche Indult von 1650 erst 
init dem Jahre 1696 sein Ende erreichen sollte. Das Kapitel 
machte dem Bischof gegenüber geltend, daß die Verhältnisse 
des Stifts keineswegs sich gebessert hätten, im Gegenteil wäre 
durch die dem Präsidenten Colbert zur Prüfung eingereichten 
Rechnungsbelege einwandfrei festgestellt worden, daß die Fi- 
nanzen außerordentlich schlecht stünden. -Der Bischof wurde 
gleichzeitig gebeten sein Reskript aufzuheben, jedoch ohne Erfolg. 
1712 erlaubte der Bischof dem Kapitel, daß nur 1!/5 Portion 
zur Masse gezogen und die andere halbe Portion zur Verbes- 
serung der Präbenden verwendet würde!. 1716 berichtet das Visi- 
lationsprotokoll, daß vor 8 Jahren eine ganze Portion zur Masse 
verwendet und die andere unter den Kanonikern verteilt wurde. 
Aus der fortwährenden Notlage des Stifts geht zur Genüge 
hervor, daß die Verlegung nach Thann von eminenter Bedeutung 
für das Kapitel war, denn wie hätte dasselbe unter solchen Um- 
Standen seine Kirche in gutem Stand unterhalten und die nö- 
tigen Gerätschaften und Paramente beschaffen können ! 
Die Statuten von 1642 schreiben für die Aufnahme eines. 
Kanonikers folgende Erfordernisse vor. Der Aufzunehmende 
mußte, wie jeder andere Kleriker von ehelicher Geburt sein 2, 


1 St. Arch. 38 zu 1442. 

2 Nach Artikel 4 der Statuten von 1509 war der Beweis zu führen 
per instrumentum publicum seu litteras patentes a consulatu seu di- 
vecesano loci nativi, sigillatas et extractas ex legitimo thoro natum 


— 46 — 


er durfte keinen Makel der Infamie aufweisen und kein Men- 
schenblut vergossen haben. Für die Aufnahme war mindestens 
die Weihe als Subdiakon verlangt und ein Alter, daß er nach 
Ablauf der vier Karenzjahre zum Presbyter geweiht werden 
konnte. Da nach den Bestimmungen des tridentinischen Konzils 
diese Weihe regelmäßig mit dem vollendeten 24. Lebensjahre 
stattfindet !,,so war nach den neuen Statuten ein durchschnitt- 
liches Alter von 20 Jahren zur Aufnahme erforderlich, während 
nach den alten Statuten der Präsentierte nur 14 Jahre alt zu 
sein brauchte. Der Kandidat mußte einer geistlichen Pfründe 
fähig (capax) und nicht bloß fähig zu den geistlichen Würden, 
sondern noch speziell zur Würde eines Chorherrn sein. Eine 
Hauptbedingung war, daß der Aufzunehmende den Chorgesang 
verstand oder eine andere gute Eigenschaft besaß, welche diesen 
etwaigen Mangel auszugleichen geeignet war. Feblt bei einem 
Kandidaten ein solches Erfordernis, dann ist er unfähig in das 
Kapitel aufgenommen zu werden, selbst wenn ihn der Kaiser 
präsentiert hätte. 

Nach erfolgter Aufnahme hat der Kanoniker vom Bischof 
seine Admission und Investitur zu begehren, die ihm gegen 
Entrichtung der auf 10 Pfund festgesetzten Gebühr erteilt wird. 
Mit der Investitur erlangt der Zugelassene den ruhigen Besitz 
des Kanonikats mit allen dazu gehörigen Einkünften und Sitz 
und Stimme im Kapitel?. Die vollzogene Investitur muß der 
Kanoniker dem Kollegium anzeigen und von diesem die kano- 
nische Besitzeinweisung in seine Prübende fordern. Das Kapitel 
ist nicht berechtigt einen Kanontker zu-Posseß zuzulassen, ehe 
der Bischof ihm die Investitur erteilt hat, im Falle der Zu- 
widerhandlung drohen demselben Ordnungsstrafen. 

Zur Aufnahme in das Kapitel war auDerdem ein gewisses 
Vermógen erforderlich. Der Kanoniker hatte nàmlich bei Em- 
pfang der PosseB in Geld, Grundbesitz oder durch einen soliden 
Bürgen 100 Mark reinen Silbers nachzuweisen, wovon er eine 


esse auch muDte der Kanoniker schwóren se nunquam pro spurio, 
bastarto aut alias pro illegitimo habitum esse non obstante privi- 
legio vel quaeunque dispensatione super legitimationem. Das Erfor- 
dernis der Legitimität war durch zwei bischótliche Edikte bestätigt. 
Bez. Arch. Lade 1. 

! cap. IV ses. 12 trid. conc. 

2 Anlage 4. 


eu A. 


Reihe von Ausgaben machen mußte. Nach den Statuten von 
4509 hatte er 27 fl. gleich 108 livres tournose für die Quotidianen 
und 8 fl. zur Verteilung unter den Chorherren an das Kapitel 
zu zahlen 1; die nämlichen Verpflichtungen sind in den Statuten 
von 1523 wiederholt mit der Maßgabe, daß die 8 fl. innerhalb 
eines Monats nach der erlangten Besitzeinweisung zu zahlen 
sind, während für die Entrichtung der 27 fl. ein Bürge gestellt 
werden kann. In späterer Zeit hatte der neu aufgenommene 
Kanoniker für die Kapitulare 90 Pfund, für die Bruderschaft 
corpus Christi, welcher die Abhaltung der Seelenmessen für 
die verstorbenen Chorherren oblag, 6 Pfund, dem Propst für 
die Installation 12 Pfund?, dem Aktuar für die Expedition 6 
Pfund, den beiden Sacellanen als Zeugen 8 Pfund, dem Kaplan 
einen gleichen Betrag, dem Kapitelseinnehmer 6 Pfund und an 
die Masse des Kapitels 50 Pfund zu zahlen. Durch die Statuten 
von 1642 wurden diese Ausgaben auf 27 fl. für die Rechnung 
der Masse, 8 fl. für die Fraternei und 1 fl. für den Helfer 
festgesetzt. Nach dem Visitationsprotokoll von 1706 beliefen 
sich die Verbindlichkeiten auf 178 Pfund, während sie 1759 
nur 148 Pfund 13 sols betrugen, wovon 109 Pfund unter die 
Chorherrn verteilt wurden, während der Rest dem Aktuar und 
den Zeugen gebührte, mit Ausnahme von 13 Pfund 10 sols, die 
für die Fraternei zu verwenden waren. Die Einkünfte derselben 
wurden jàhrlich unter den Chorherren und den Sacellanen 
gleichmaBig geteilt. 

Der neue Kanoniker war ferner verpflichtet am Tage 
der empfangenen Posse den Chorherrn, dem Kirchwart, 
seinen Bürgen und Zeugen einen Imbiß zu reichen $. 

Vor seiner Einführung in das Kapitel hatte er dem Bischof 
oder seinem Generalvikar entweder selbst oder durch einen 
Bevollmächtigten 4 den Glaubenseid, (orthodoxz fidei professio) 
ebenso den Treu- und Gehorsamseid zu leisten und mußte 


1 Bez. Arch. Straßburg. 

2 Die Installationsgebühr des Propstes war bestritten; häufig 
erhielt er an Stelle der 12 Pfund ein diesen Betrag im Wert über- 
Steigendes Geschenk, so gab z. B. der Vater des Kanonikers Gobel 
bei Aufnahme seines Sohnes in das Kapitel dem Propst Klinglin ein 
Jagdgewehr St. Arch. 5 zu 1714. 

3 St. Arch. 1 zu 1442. 

4 Daselbst 75 zu 1535. 


eidlich versichern, daß er nicht durch Simonie in das Kapitel 
gekommen sei. 

Nach Erfüllung aller dieser Formalitäten erfolgt die Amts- 
einführung des Chorherrn in die Stiftskirche mit großem 
Gepränge. Vom Stiftshofe zieht das versammelte Kapitel in 
Prozession zum Münster, der neu Aufgenommene zwischen 
den Dignitäten mit seinen Bürgen und Eideshelfern, die ihn 
bis an den Hochaltar begleiten. Hier schwört er folgenden 
Eid: Ich Mitglied des ehemaligen Stifls zu St. Amarin, welches 
sich jetzt zu Thann befindet, schwóre demselben Treue und 
Gehorsam und verpflichte mich dessen Nutzen zu fórdern und 
Schaden und Nachteil von demselben abzuhalten, von den 
Gütern, Einnahmen und Einkünften selbst nichts zu ver- 
untreuen oder durch andere Personen veruntreuen zu lassen; 
ich will bestrebt sein, was veruntreut ist, mit allen erlaubten 
Mitteln zurückzuerlangen. Dem Propste und seinem Stell- 
vertreter oder allen sonstigen Vorgesetzten schwöre ich zu 
gehorchen, dieselben zu ehren, meine Pflichten als Kanoniker 
getreu und gewissenhaft zu erfüllen, den Statuten unter den 
angedrohten und festgesetzten Strafen Folge zu leisten und 
den Beschlüssen des Kapitels zur Schlichtung von etwaigen 
Streitigkeiten nachzukommen. Dies alles gelobe und verspreche 
ich, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium 1. 

Nach Ableistung des Eids begrüßt der Propst, der am 
Hochaltar steht oder sitzt, den Chorherrn mit folgenden 
erhebenden Worten: Ehrwürdiger Kollege, es bleibt mir nun 
noch übrig, Sie in dieser herrlichen Kirche feierlich zu in- 
stallieren, damit Sie in Gottes Heiligtum Ihre Obliegenheiten 
verrichten und Ihre Vorrechte? als Kanoniker genießen können 


I Anlage 5. 

2 Ueber die Privilegien St. Arch. Thann G. G. II. St. Arch. 
1442 ff., wo ein Brief serenissimi ducis ohne Datum erwähnt wird, 
ne quis molestet canonicum sub poena omissionis omnium bonorum 
1394. 1337 gebietet Erzherzog Albrecht dem obersten Landvogt 
in Schwaben und Elsaß Johann von Hallwyl, daß er den ehrbaren 
Chorherru von St. Amarin den Zehnt vom Weinwachse in Thann 
gebe. 

1388 den 18. September zu Altkirch tut Johanna, Herzogin 
zu Oestreich kund, daß sie durch Bitte willen ihres lieben Freundes 
des Bischofs Johann von Basel die ehrbaren bescheidenen Leute die 
Tumbherren gemeinlich zu Haymerine durch ihre Bitt und auch durch 
ihr Bürgerrecht willen so sie haben in ihrer Stadt zu Thann zu Bür- 


un “AQ” m 


und Ihnen die kanonischen Insignien anzulegen, weshalb Sie 
nach den Beschlüssen des tridentinischen Konzils und unseres 
Kapitels Gepflogenheit noch den öffentlichen Profeß- und 
Glaubenseid abzulegen und der Kirche Ergebenheit zu geloben 
haben. Dann steigt der Propst vom Hochaltar herab, verneigt 
sich vor dem neuen Kanoniker und alle singen den Hymnus 
veni creator spiritus. Nach Beendigung des Lieds erhebt sich 
der Propst mit entblößtem Haupt und empfängt von dem Chor- 
herrn, der vor ihm kniet den Eid; hierauf bedeckt er sich 
nimmt seinen Platz ein und spricht: «Ich proklamiere dich 
nun als geeigneler Diener dieser schönen Kirche, als würdigen 
Kanoniker, und gestatte dir die kanonischen Insignien inner- 
halb und außerhalb der Kirche zu tragen». Er überreicht ihm 
das Collare und legt es ihm um mit den Worten «ziehe dieses 
Kleid an und sei eingedenk, daß du mit deinen schwachen 
Schultern zur Ehre und zum Ruhm Gottes und des hiesigen 
Munsters deine Dienste unverdrossen versiehst», er gibt ihm 
das Almutium und spricht: «nimm hin den weißen Schild 
und erhalte ihn rein und unversehrt durch dein ganzes Leben.» 
Dann setzt er ihm das Birett auf unter den Worten: «Du bist 
nun äußerlich ein Kanoniker,  bestrebe dich auch innerlich 
ein soleher zu sein.» Er führt ihn zu seinem Platz in dem 
schönen spálgolischen Chorgestühl, welches seit dem Ende des 
15. Jahrhunderts eine Zierde der Kirche bildet, und spricht: «Be- 
halte diesen Platz, bis du voll Verdienst einst gewürdigt wirst in 
das Reich Gottes einzugehen.» Mit dieser ermalinenden und warnen- 
den Anrede installiert der Propst den Kanoniker zu seinem Amte. 


gern in dieser Stadt empfangen habe und verspricht mit diesem 
Briefe, daß sie dieselben mit ihrem Leib und Gut in besondere 
Gnad und Schirm genommen und gesetzt hat auch in allen 
Rechten, Freiheiten, Gewohnheiten und anderen Sachen sie die- 
selben beschirmen und behüten wolle vor aller Gewalt und vor Unrecht, 
ohne daß sie deswegen einen Teil der bürgerlichen Lasten zu tragen 
gehabt hätten. 1375 bestätigt Erzherzog Leopold zu Rheinfelden 
und 1394 Leopold der Sohn desselben zu Ensisheim die Privilegien. 

1410 Katharina von Burgund konfirmiert zu Wien die Rechte 
und gebietet dem Landvogt den Zehnten von den Reben in Thann 
in Roßbüttichen zu entrichten. 1440 und 1442 bestätigt Friedrich II., 
zu Basel das Bürgerrecht. 

1487 bestätigt Sigismund das Patronatsrecht zu Traubach. 

1510 den 17. Aprıl zu Augsburg und 1605 den 19. Januar 
zu Innsbruck werden die Privilegien bestätigt, ebenso 1535 durch 
Papst Paul. 


SCHOLLY. 4 


Wie schon das tridentinische Konzil vorschreibt, soll das 
Endziel des Kapitels auf das Lob Gottes gerichtet sein cin allem 
suche es in Gott das Heil». Deshalb müssen alle Kanoniker 
ihres hohen und heiligen Berufs, zu dem sie durch besondere 
Gnade Gottes berufen sind, eingedenk sein. Sie haben demnach 
zu streben ihren Sinn von allen weltlichen Dingen abzulenken 
und sich gewissermaßen in eine höhere Sphäre versetzt zu 
fühlen. In ihrer Haltunz, Kleidung !, in Gang und Reden sollen 
sie sich als wahre kanoniker zeigen. Weil das Thanner Münster 
nicht aus rohen Steinmassen sondern gleichsam aus lebendigen 
Perlen erbaut ist, müssen sich die Chorherren in Frömmigkeit 
zu vervollkommnen suchen, damit sie als Perlen von Menschen 
in dieses schöne Gotteshaus eintreten. Nie dürfen sie außer Acht 
lassen die Demut, die Keuschheit, die evangelische Armut, den 
Gehorsam, die christliche Einfalt, die Geduld, die Mäßickeit und 
die Verachtung der Welt; nie sollen sie vergessen die Liebe zur 
Tugend, den Haß des Lasters, und die Sehnsucht nach Fort- 
schritten im geistlichen Leben, man soll nicht von ihnen sagen 
können, qui delectabuntur croceis amplexati sunt stercora. Der 
Verkehr mit Frauenzinımern, welchen Alters, Standes und 
Ranges sie seien, ist zu meiden. Morgens beim ersten Glocken- 
zeichen haben die Kanoniker im Talar in das Chor zu eilen 
und in ihren Allmutien und Superpellizien dem Hochaltar die 
gebührende Ehre zu erweisen. Auf ihren Plätzen sollen sie zum 
Lobe Gottes und im Angesicht der Engel psallieren und singen. 
An den vorgeschriebenen Stunden müssen sie das Brevier beten, 
nicht zu langsam und nicht zu schnell, sie dürfen von den Ge- 
beten nichts auslassen, um Zeit zu gewinnen, sondern müssen 
mit Geist und Verstand singen, da sie nur Gott zu dienen be- 
stimmt sind. Im Chor sollen sie nicht müfig dasitzen, sondern 
ihren Dienst mit Gebet und Gesang verrichten, denn es wäre 
schimpflich, wenn man von ihnen behaupten könnte «was steht 
ihr müßig da den ganzen Tag». In allen ihren Bewegungen und 
in ihrer ganzen Haltung haben sie sich würdig zu benehmen 
eingedenk des Psalmes David in populo gravi laudabo te. 
Bei den Jahrgedächtnissen für ihre verstorbenen Mitbrüder 


1 Et si vero habitus et tonsura non faciunt monachum oportet 
tamen eos vestes statui convenientes deterre, maxime- ubi foras pro- 
deunt. ut per decentiam habitus externi morum honestatem internam 
ostendant. pars I. cap. IV. sessio XIV. cap. 6 trid. cone. _ . 


— 5 — 


dürfen sie bei Strafe nicht fehlen und haben fleißig dabei zu 
opfern. 

Zur Ehre des Kapitels mag hier konstatiert werden, daß 
schärfere geistliche Strafen wegen grober Vertehlungen gegen 
Kanoniker des Stifts Thann nur selten angewandt zu werden 
brauchten. Im 16. und 17, Jahrhundert finden wir jeweils bloß 
einen Chorherrn vor dem geistlichen Gericht. Erst im 18. Jahr- 
hundert, als die Zucht im Kapitel bedenklich gelockert war, 
mußte der Bischof gegen verschiedene Mitglieder des Kollegs 
einschreiten, so setzte er 1716 einen gewissen Heisch, ob dis- 
solutam et scandalosam suam vitam damnosam inveteratumque 
carnis vitium perversosque mores incurabilis!, ebenso später 
den Chorherrn Harnist, der es noch toller getrieben zu haben 
scheint, ab. Im  Visitationsprotokolle von 1742 werden vom 
Kantor und anderen Chorherren schwere Vorwürfe gegen den 
Propst Gobel und den Kanoniker Valoreille erhoben, während 
der Propst dem Kantor darin vorwirfl, daß er durch allzu 
starken Weingenuß öffentliches Aergernis erregt habe. Der 
Wein scheint, wie aus verschiedenen Visitationsprotokollen und 
sonstigen Andeutungen zu entnehmen ist, bei manchem Chor- 
herrn eine große Rolle gespielt zu haben, was eigentlich nicht 
zu wundern ist, wenn man bedenkt, daß durch den Zehnten 
ein jeder eine ansehnliche Quantität erhielt und der Rebbau 
damals bedeutender war als jetzt. 

In der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins? wird 
nach einem Bericht des Tyroler Kammerrates Rochius Castner 
vom 15. August 1570 ein äußerst ungünstiges Urteil über die 
Klöster und Stifter in den österreichischen Besitzungen des El- 
sasses gefällt. Hiernach sind die Gotteshäuser in den Händen 
der einzelnen Prälaten oder Pröpste, denen ein weltlicher Schafl- 
ner zur Seite steht. Diese führen weder in geistlichen noch ın 
weltlichen Sachen eine gute Haushaltung, hängen ihren Freun- 
den und Verwandten Klostergüter an, halten keine Konvente, 
ziehen keine Novizen heran, entfremden die Einkünfte, vernach- 
lässigen die Kleinodien und Kirchenzier und heben nicht ein- 
mal die brieflichen Gerechtigkeiten ordentlich auf. Den Haupt- 
grund für diese abscheulichen Zustände führt der Kammerrat 


1 St. Arch. 169 zu 1706. 
2 Neue Folge Bd. X, S. 487. 


nicht an; nach der Meinung des Einsenders lage er in der be- 
vorrechtigten Stellung des Adels. Ganz abgesehen davon, dab 
Castner keine Aufzeichnung darüber hinterließ, ob er auch 
das Thanner Stift revidiert hat, und daher für dieses seine ab- 
fälligen Bemerkungen nicht ohne weiteres als maßgebend an- 
zusehen sind, genügt der Hinweis darauf, daß im Stift Thann 
der Adel niemals eine Rolle gespielt hat. 

Weil das Kapitel eine zu Gottes Lob und Ehre gestiftete 
Gesellschaft ist, soll stets Friede unter seinen Mitgliedern herr- 
schen. Streitigkeiten und wörtliche Beleidigungen der Kanoniker 
werden vom Kapitel selbst in freundschaftlicher Weise unter 
Ausschluß der weltlichen Gerichte erledigt und über den Schul- 
digen im Sühnetermin Geldbußen in der Regel von 5 Pfund 
verhängt. Ein Rekurs an die öffentlichen Gerichte wäre nur in 
dem Falle erlaubt, wenn das Kapitel einen ganzen Monat ver- 
streichen ließe, ohne selbst zur Beilegung des Streits etwas ge- 
tan zu haben. Ein Cliorherr, welcher sich abgesehen von diesem 
Falle, der wohl selten vorgekommen sein wird, untersteht, seine 
Angelegenheit vor das Forum des weltlichen Gerichts zu bringen!, 
wird mit 10 Pfund bestraft, bei weiterer Renitenz kann er so- 
gar exkommuniziert werden. 

Der Kanoniker hatte dem Propst und den übrigen Digni- 
täten den gebührenden Gehorsam, zu welchem er durch seinen 
Eid verpflichtet war, zu leisten; bei Zuwiderhandlung traten 
Geld- und in schweren Fällen Kirchenstrafen ein. Jede Ver- 
letzung des Berufsgeheimnisses zog’ eine Geldbuße von 20 Pfund 
nach sich. 


1 Dagegen konnte der Bischof mit der Sache befaßt werden. 
Tagebuch der Guardiane S. 79. Am 25. Februar 1742 kam auf An- 
ordnung des Bischofs der Offizial Leo nach Thann und hielt ad St. 
Theobaldum Visitation ab, bei welcher. wegen unterschiedlicher Un- 
einigkeiten so zwischen den Chorherren entstanden sind, er mit jedem 
ein scrutinium vorgenommen hat. 


KAPITEL IV. 


Die Dignitäten des Stifts: Propst, Kantor, Kustos. Größenverhältnisse 
und Stil der alten Stiftskirche zu St. Amarin. Neubau der 
Pfarrkirche. Der Senior des Kapitels. 


Das Haupt des Kapitels ist der Propst (praepositus), der 
seit alter Zeit aus den Mitgliedern des Kollegiums gewählt wird!. 
Eine Ausnahme von dieser Regel wurde gemacht bei der Wahl 
des Propstes Henner im Jahre 1676, der vorher Pfarrherr zu 
Bernweiler war und nicht zu Thann seine Residenzpflicht erfüllt 
batte2, Er darf keine Vorstrafen erlitten haben, muß von ehr- 
baren Eltern abstammen, sittenrein und reiferen Alters sein, so- 
wie durch Gelehrsamkeit und Weisheit sich auszeichnen (uno 
verbo talis qualem apostolus describit irreprehensibilis). Unter 
der franzósischen Herrschaft wurde noch ein weiteres Erfordernis 
eingeführt, nàmlich nach dem kgl. Edikt von 1681, und durch ein 
Mandat vom 18. September 1721 neu eingescharft muBten alle 
Vorsteher und Prälaten der Stifte im Elsaß geborene Franzosen 
oder Elsässer und königliche Untertanen sein. Gewählt werden 
kann selbst ein Chorherr, der nicht zu Thann residiert, wenn 
er nur seine Karenz- und Residenzpflicht erfüllt hat. 

Ist ein Propst verstorben oder durch Urteil seines Amtes 
enisetzt, ein Fall, der sich während des Bestehens des Stifts 
nicht nachweisen läßt, so hat das Kapitel durch einen Dele- 
gierten aus seiner Mitte dem Bischof den Tod zu melden und 
ihn zu bitten zur Neuwahl einen Vertreter zu senden. Ist das 


1 Wahlprotokoll von 1365 «electio et nominatio spectat ad ca- 
pitulum>. 

? Schickelé doyenné du Sundgau S. 30 führt Henner noch. 1672 
als Kämmerer des Dekanats zu Bernweiler an. 


Kapitel in der Anberaumung des Termins säumig, dann kann 
der Bischof den Wahltag aus eigener Gewalt anberaumen und 
seinen Stellvertreter zur Wall schicken (ne vero dicta ecclesia 
collegiata per diuturniorem vacationem damnum aliquod in tem- 
poralibus aut spiritualibus. patiatur, vobis commiltimus ef man- 
damus, ut convocatis ad electionem novi praeposili).. 

Ain Morgen des Wahltages wird das Hochamt de spiritu 
sacro gefeiert, wobei alle anwesenden Kanoniker kommuni- 
zieren. Nach Beendigung des Amts begeben sie sich in den 
Kapitelssaal, und präsidiert der Delezat dem nun folgenden 
Waihlakte. Zuerst bestimmen die Chorherren durch Zuruf einen 
Stimmzähler (serutator) und zwei Zeugen, welche geistlichen 
Standes sind; in der Regel üben die beiden Sacellanen dieses 
Amt aus. Der Stimmzähler und die Zeugen leisten dem 
bischöflichen Gesandlen den Treucid und geloben über die 
Wahlhandlung Stillschweigen zu bewahren ; sie verpflichten 
sich ihre Pflichten nach alten Brauch und überlieferter Ge- 
wohnheit zu versehen. Sodann ermahut der Kantor die Kano- 
niker jede persönliche Rücksicht bei der Wahl bei Seite zu 
lassen und nur Gottes Ehre und das Wohl des Kapitels im 
Auge Zu haben. Jeder Chorherr leistet einen diesbezüglichen 
Eid *. 

Als erster legt der Kantor seinen Stimmzelttel in die 
auf dem Tische stehende Urne, nach ihm folgt der Kustos 
und die übrigen Kanoniker nach dem Zeilpunkt ihrer In- 
vestitur. Wenn einer der zu Thann residierenden Chorherrn 
durch Krankheit verhindert ist dem Wahlakte beizuwohnen, 
so begiebt sich der Stimmzähler mit den Zeugen in dessen 
Wohnung, um den Wahlzeltel in Empfang zu nehmen. Dieser 
Modus. ist in den Statuten. nicht vorgeschrieben und wäre 
regelmäßig nicht nötig, da das Kapitel zur Wahl schreiten 
kann, selbst wenn nur drei Chorherren anwesend sind, er 
wird aber aus Gewohnheit eingehalten. Haben alle abgestimmt, 
dann nimmt der Skrulator die Zettel der Reihe nach aus der 
Urne, prüft sie genau und notiert die darauf stehende Stimme. 
Hat ein Kandidat die absolute Mehrheit erlangt, so erklärt ihn 
der Vorsilzende für gewählt und proklamiert ihn zum Propst. 
Die sämtlichen Wahlzettel werden sodann, um das Wahl- 


I Anlage 6. 


geheimnis zu wahren, verbrannt!, und über die ganze Hande 
lung ein Protokoll errichtet, das die Anwesenden unterschrei- 
ben 2. Nach erfolgter Gratulation seitens der Kanoniker an den 
Propst, begeben sich alle zum Gottesdienst, wobei das le deum 
intoniert wird. 

Können sich die Chorherren über die Person des zu 
Wählenden nicht einigen, indem kein Kandidat in drei Wahi- 
vingen die absolute Mehrheit erlangt, dann steht dem Bischof 
kraft des jus devolutionis das Recht zu einen ihin tauglich 
erscheinenden Kanoniker des Kapitels zu ernennen. Dieser 
Fall trat ein, als Bischof Johann Konrad den Chorherrn Gobel 
als Propst den 16. Januar 1733 einselzte, 

Haben die Kapitulare eine geeignete Person durch die 
Wahl zu ihrem Propst erkoren, so können sie die Bestátizung 
derselben vom Bischof verlangen, da ihnen allein das Wahl- 
recht zusteht. ftezelimális solurt 3 nach der Wahl steilt das 
Kapitel an den Bischof den Antrag auf Konfirmation 4 und 
pflegte diese nach Kntrichtung der festgesetzten Tuxe von 
40 Mark 5 an die bischöfliche Kanzlei ebenso schnell zu er- 
folgen 6. Nach eingetrollener Bestätigung leistet der Propst dein 
Bischof den vorgeschriebenen Treueid 7. | 

Die Statuten von 1642 sehen nur die Bestätigung durch 
den Bischof vor, trotzlem auch dem Abt von Murbach nach 
der Abmachung von 1456 das Recht der Konfirmation zusteht. 
Dab das Vorrecht des Abts nicht erwähnt ist, dürfle daraus zu 
erklären sein, dab das Kapitel in einem am 3. August 1609 
dem Bischof eingereichten Memoriale gebeten hatte, der Bischof 
möge zur Vermeidung von Weitläuligkeiten und Streitigkeiten 
in den neuen Statuten die Bestätigung durch den Abt nicht 
aufnehmen8, Letzterer war über das Begehren der Chorherren 


I sessio 25 cap. IV. trid. conc. 

2 St. Arch. 6 zu 1567, Anlage 7. 

3 Anlage 8. 
Der Propst Cabelius beschwerte sich am 6. Februar 1634 beim 
Bischof, daß die Kanoniker eine schlechte Affektion gegen ihn 
hätten, da er seit seiner am 3. Januar erfolgten Wahl noch nicht 
präsentiert wäre. St. Arch. 7 zu 1567. 

5 Diese loco primorum fructuum zu zahlenden Gebühr betrug 
später 20 fl. St. Arch. 83 zu 1567. 

6 Anlage 9. 

1 Anlage 10. 

8 St. Arch. 6 zu 1442. 


3 


— 6 — 


äußerst ungehalien aber tatsächlich außer Stande gegen das 
Kapitel vorzugehen!. Trotzdem das Recht der Abtei Murbach 
verbrieft und über jeden Zweifel erhaben war, schien dasselbe 
im Stift nicht allgemein anerkannt gewesen zu sein, da z. B. 
ein Kanoniker zu dem Passus der Statuten, quod praepositus 
debet ab ipso abbate recipere suam confirmationem am Rande 
die Notiz machte, hoc falsum est ?. In. Wirklichkeit aber 
haben alle Pröpste seit der gedachten Abmachung von 1456 
in ihrem eigenen Namen, nicht wie hei der Bestätigung durch 
den Bischof das Kapitel als solches, die Konfirmation des 
Abtes eingeholt, als letzter noch Poumier am 17. September 
1787, welchem diese auch am 28. September erteilt wurde. 

Sobald die bischöfliche Bestätigung eingetroffen ist, er- 
folgt die Promulgation des Propstes im Kapitel; hierauf 
schwört er die Rechte des Kapitels hoch zu halten, ihrerseits 
schwören ihm die Kanoniker zu gehorsam zu sein. Nach 
Leistung des Eides wird er zu seinem Ehrenplatz im Chor ge- 
führt und tritt hierdurch in den voilen Genuß aller ihm zu- 
stehenden Privilegien; von nun an ist er befugt das ihm 
anvertraute Kapitel in geistlicher und weltlicher Richtung hin 
zu regieren. 

Der Landesherr hat kein Recht bei der Wahl des Prop- 
stes durch einen Kommissar vertreten zu sein, so wenig wie 
ihm ein Anspruch auf eine Bestätigung des Gewählten zusteht. 
Erst der allerchristlichsten französischen Regierung, welche in su- 
veräner MiBachtung aller Gesetze, Gewohnheiten und altüberliefer- 
ter Rechte die verbrieften Freiheiten der Kirche mit Füßen trat, blieb 
es vorbehalten in dieser Richtung die Statuten, welche bis dahin 
auch für die weltliche Obrigkeit als bindende Norm gegolten 
hatte, zu verletzen. Dieselbe verlangte 1686 vom Kloster Mur- 
bach, auf die freie Abtswahl zu verzichten und einen ihr ge- 
nehmen Kandidaten zu wählen, wobei das kgl. Dekret vom 
26. April desselben Jahres verfügt: «Indem wir verlangen 
die Abteien und andere Ehrenämter unseres Reiches mit der- 
gleichen Personen zu versehen, deren Frómmigkeit, Leben 
und Wandel uns bekannt und derenhalb wohl wissen, daß 
wir keinen tauglicheren erwählen können, so ersuchen wir 


1 Daselbst 11 zu 1442. 
? Daselbst 1 zu 14429. 


m. MS 


euch, gebieten und befehler, den Grafen von Löwenstein für 
euern Abt anzuerkennen». In diesem befehlenden Ton schreibt 
der Kónig den Mónchen der Reichsabtei Murbach, indem er 
in seinem Bestreben dem Kloster eines seiner getreuen Sub- 
jekte als Vorgesetzten hinzustellen die geheimen Absichten 
mit dem Mantel der Frömmigkeit umgiebt; daß die unter- 
geordnete Regierung zu Colmar dem kleinen Stift Thann 
gegenüber diese Rücksicht nicht zu nehmen für nötig fand, 
geht aus ihrem Schreiben nach der Wahl des Propstes Henner 
1676 zur Genüge hervor ; sie verlangt nümlich nichts weniger, 
als daß diese Wahl für nichtig erklärt werde, da nur Personen, 
welche dureh ihre Geburt und Anhänglichkeit sich für den 
königlichen Dienst qualifizieren, gewählt werden dürfen !. 

Die Beschwerde des Staatsanwalts an. den kgl. Gerichts- 
hof ist so interessant, daß dieselbe verdient im Wortlaute hier 
angeführt zu werden: Vous remonstre le procureur du roy 
disant que est un ordre observé par tout principalement 
dans les provinces qui sont frontiéres que les dignités ecclesias- 
tiques encore qu'elles soient electieuses ne doivent point estre 
remplies que les officiers royaux n'en soient advertis affin de 
conserver les droits qui peuvent appartenir à sa Majesté et 
empescher que les places ne soient occupées par des per- 
sonnes incapables de les posséder et est pourquoy aprés leur 
élection ceux qui sont eslu sont obligés de presenter leur 
requeste et ensuitte des informations de leur fidelité au service 
du roi on leur permet de prendre possession et par cette voye 
les elections sont conservées et les droits pareillernent. Cependant 
il est arrivé que le prevost du chapitre de Thann estant décédé 
le 25 du mois du janvier dernier le chapitre qui n'est presen- 
tement que de quatre ou cinq personnes la plus part de 
naissance et affection estrangeres aurait par l'artifice et per- 
suasion de M. Henner dissimulé la mort dudit deffunt et sans 
en advertir le conseil provincial se serait faist élire prevost 
de la dite église de la dite dignité, il se serait mis aussi en 
possession de son authorité privée et comme une telle pro- 
cedure extraordinaire precipitée et contraire aux regles qui 
regardent l'interest de sa Majesté ne doit point èstre tolerée 
d'aulant plus que la dite pretendue election n'a pas este faite 


———— 


1 St. Arch. 35 zu 1567. 


dans les formes requis ni par les statuts dudit. chapitre qui 
estant du fondation royale. Les officiers de sa Majesté semblent 
èstre obligés de tenir la iain à ce qu'il n'y soit. point contre- 
venu. Considére Messieurs. il vous plaise recevoir le remon- 
strant opposant a la dite prise de possession et lut. permettre 
de faire assigner le M. Henner pour voir. declarer avec lui 
election. faite də sa personne nulle et de nul effct et ordonner 
quil sera procedé à une nouvelle election. dans les. formes 
ordinaires avec deffense aux chanoines de la dite eglise de 
meltre aucunes personnes en possession des dignites du chapitre 
qu'il n'ait esté informé par le. conseil. de leur naissance et de 
leur fidelilé au service du Roy et vous ferez bien sez. de 
Lallouette. Diesem Verlangen des Anwalts den Propst Henner 
einfach seines Amtes zu entsetzen kam der Provinzialgerich!s- 
hof nicht nach, und Henner blieb in seiner Würde bis zu 
seinem Tod. 

Die nämliche Regierung führte für die Kanoniker ferner 
einen früher unbekannten Treueid (serment de fidelité) ein, 
gegen dessen Ableistung der gedachte Propst Henner 1676 sich 
wehrte mit der Motivierung: ein solcher Eid sei bisher noch 
nicht geleistet worden, er weigere sich nicht denselben zu leisten, 
wenn darunter nur die dem Laudesherra gebührende Treue (ids 
litas) gemeint seit. Ob und wann Henner den Eid geleistet hat, 
läßt sich nicht nachweisen. 

Bei der nächstlolgenden Propstwahl vom 7. September 1601 
versuchte die Regierung einen anderen Wer. Ehe man zur 
Wahl schritt, verlas der bischöfliehe Delegierte einen Empfeh- 
lungsbrief des Intendanten für den Kanoniker Klinglin und be- 
merkte, daß durch die Empfehlung den Rechten des Kapitels in 
keiner We aise Eintrag geschehe. Das Resultat der Einmischung 
war, daß der Chorherr Clebsattel an Stelle von Klinglin ein- 
stimmig zum Propst erwählt wurde. Diese Niederlage vergaß 
die Regierung dem Kapitel nicht und verbet nach dem Tod 
von Clebsattel eine Neuwahl solange vorzunehmen, als nicht 
der Intendant zu Colmar von dem Termin informiert sei und 
einen Kommissar zur Sitzung geschickt habe2. Der nach Thann 
entsandle Rat Dietermann verlangte direkt, daß die Chorherren 


1 St. Arch. 54 zu 1567. 
2 Daselbst 44 zu 1567. 


diesmal Klinglin wählten: vous ne devez choisir d’autre prevost 
que M. Klinglin qui docte sage et vertueux comme il est et 
estant d'une aussi illustre famille mérite cet honneur prefera- 
blement à tous autres. Das Kapitel war über die Zumutung 
aufs hóchste bestürzt und versprach aus Angst den Regierungs- 
kandidaten Klinglin zu wählen, während als Gegenleistung der 
einflußreiche kgl. Prätor Klinglin von Straßburg, ein Bruder 
des Kanonikers, es durchsetzte, daB ein Wahikommissar von 
der Regierung zum Termin nicht geschickt wurde. Bei der 
Wahl von 1732 erlaubte der Marschall Eleonor von Bourg, Gu- 
bernator zu Straßburg, den Wahlakt ohne einen Vertreter der 
Regierung vorzunehmen, en observant de donner vos suffrages 
sans trizues ni cabale à un homme de mérile né sujet du roi. 
Das Kapitel, welches einen solchen Zwang als unzulässig ansah, 
vereitelte das Resultat, indem es in drei Wahlgängen keine ab- 
solute Majorität herbeiführte und überließ es dein Bischof den 
Kanoniker Gobel zum Propst zu ernennen. 

Einige Tage nach dieser mißglückten Wahl fühlte sich der 
Intendant des Herzogs von Mylleraye angeblich im Auftrage 
seines Herrn verpflichtet der Wahl Opposilion zu machen, in- 
dem er die Statuten, welche er anscheinend niemals zu Gesicht 
bekommen hatte, dahin auslegte, daß die Propstei wie jedes 
andere Kanonikat zu behandeln sei, und die Besetzung der Stelle 
demnach nach geraden bzw. unzeraden Monaten zu erfolgen habe. 

Der Propsi ist nicht unbeschränkter Herr des Kapitels, er 
hat lediglich die Stellung eines primus inter pares. Als Präsi- 
denten des Kollegiums gebührt ihm der Vorsitz im Kapitel und 
Chor, dagegen hat er die mit Stimmenmehrheit gelaßten Be- 
schlüsse des Kapitels auszuführen, ein Velo steht ihm nicht zu; 
bei Siimmengleichheit gibt er den Ausschlag. Vor der Abstim- 
mung hat er die Chorherren der Reihe nach um ihre Meinung 
zu befragen; die Abstimmung selbst erfolgt mit einfacher Mehr- 
heit. Der Propst darf hierbei niemand zu beeinflussen oder zu 
verwirren suchen. In wichtigen Angelegenheiten. muß er das 
Kapitel, so oft dies nölig ist, zu außerordentlichen Silzuugen 
berufen. Weil hierbei die abwesenden Chorherren mit ihrer 
Ansicht gehört werden sollen, sind sie zur Sitzung einzuladen 
und müssen auf ihre Kosten erscheinen oder bei allzugroßer 
Entfernung einen ortsanwesenden Kanoniker mit der Abgabe 
ihres schriftlichen Gutachtens beauftragen. 


— 60 — 


Die gewöhnlichen Sitzungen werden jeden Monat regelmäßig 
an einem Freitage und die Versammlungen an den Quatembern 
an einem Mittwoch oder Freitag im Stiftssaale! (conclave), der 
sich im alten Stiflshofe befand, abgehalten. In diesem Saale 
wurde auch die Bibliothek und das Archiv? verwahrt. Jeder 
Chorherr hat an den Sitzungen im Talar teilzunehmen.  Ver- 
siumnis zieht eine Strafe von 5 sols für die gewöhnlichen und 
von 90 sols für die Quatembersitzungen nach sich3. Die Geld- 
bußen fielen in die Präsenzen ; in der Mitte des 18. Jahrhun- 
derts erhielten die Chorherren für ihre Anwesenheit jährlich 
16 Pfund Gehalt. 

In den ordentlichen Sitzungen berichtet der Propst über 
den Stand des Kapitels, dessen Einnahmen und Ausgaben. Zur 
Aufnahme von Gelddarlehen, zur Veräußerung gemeinschaft- 
licher Einnahmen, zu außerordentlichen Ausgaben, zur Statuten- 
änderung, sowie zur Prozeßführung war außer einem Kapitels- 
beschluß die Genehmigung des Bischofs erforderlich. Die Er- 
laubnis zur Einlassung auf gerichtliche Klagen wurde vom Bi- 
schof nur dann erteilt, wenn der mit der Prüfung der Akten 
beauftragte Advokat sein Gutachten dahin abgegeben hatte, dab 
ein Prozeß Aussicht auf Erfolg habe; strengte das Kapitel ohne 
Genehmigung des Ordinarius eine Klage an, so durften, wenn 
der Prozeß verloren ging, die Kosten nicht der Masse entnom- 
men werden, sondern jeder Chorherr mußte aus eigener Tasche 
seinen verhältnismäßigen Anteil daran bezahlen. 

Bei Besuchen des Landesherrn in der Stadt Thann erscheint 
der Propst als Vertreter des Kapitels, in dessen Namen er 
seine Aufwartung zu machen hat. An den kirchlichen Synoden 
des Bistums nimmt er einen der ersten Plätze, seinem hohen 
Rang entsprechend, ein4, Er allein verhandelt mit der Regie- 


1 Dereits in der Transaktion von 1457 heißt es, geschehen in 
unserm Kapitelshause. J,cmptried S. 96 verlegt den Kapitelssaal mit 
Unrecht in den alten Turm der Stiftskirche. Das neue Kapitelshaus 
soll 1579 gebaut worden sein und wurde 1865 abgerissen, um als 
Hof der Mädchenschule zu dienen. 

2 Die Stelle eines Archivars wurde durch Bischof Johann Wil- 
helm geschaffen. Der Propst hatte darüber zu wachen. daß die Do- 
kumente im Archiv sorgfältig verwahrt waren. Die drei Schlüssel 
befanden sich in den Händen des Propstes, des Kantors und des 
Seniors. 

3 St. Arch. 78 zu 1714. 

4 Schickelé état de l'église d'Alsace avant la révolution S. 15 


a | 


rung namens des Kapitels; wir finden ihn in der Osterwoche 
1610 einige Tage zu Ensisheim consultationibus bellicis!, wor- 
unter jedenfalls nur eine Erörterung über Geldfragen und 
Kontributionen zu verstehen ist. Der Propst gehört zum Prä- 
latenstand und nimmt als solcher am vorderösterreichischen 
Land- und Ausschußtage teil 2. 

Als Hauptpflicht obliegt dem Propst die Aufsicht über die 
ihm unterstellten Kanoniker ; er hat sie durch Ermahnungen 
von Unerlaubten abzuhalten und kann selbst mit scharfen 
Strafen gegen sie vorgehen. Er soll diese nie in Uebereilung 
anwenden sondern nur nach sorgfältiger Prüfung und Unter- 
suchung ; sie bestehen in den gewöhnlichen Disziplinarstrafen 
wie Rüge, Entfernung. vom Chor 3, Geldbußen und Abbitte vor 
versammeltem Kapitel, sowie in der Entziehung des Stimmrechts.. 
Ursprünglich nach der Verlegung des Stifts nach Thann scheint 
zufolge einer Andeutung auch eine Strafzelle vorhanden gewesen- 
zu sein. Wenn alle angewandten Mittel erfolglos bleiben, dann 
muß der Propst dein Bischof berichten, dem die schwersten- 
Strafen zustehen. 

Die ganze Tätigkeit des Propstes hat darauf hinauszugehen. 
den Geist der Chorherren zu bilden und Herz und Willen zu 
veredeln; er bedenke stets, daß er über die Führung seines. 
Amtes Gott strenge Rechenschaft schuldig ist. DassHeil der 
ihm anvertrauten Seelen liege ihm ständig am Herzen, mit 
allen Kräften arbeite er aus seinen Chorherren echte Kanoniker 
zu erziehen. Im Fall der Treue winkt ihm ewiger Lohn, im. 
Fall der Nachlässigkeit ewige Strafe. 

An den höchsten Festen der Kirche wie Weihnachten, Ostern,. 
Pfingsten, Christi Himmelfahrt, Maria Hirnmelfahrt, Allerheiligen, 
Fronleichnam, Kirchweih und Patronstag hält er das Hochamt und: 


nach der ordo servatus ex ordinatione Ordinarii 17 kal. febr. 1577 
für die Synode zu Delemont gebührte dem Propst unter 23 Anwe- 
senden der dritte Platz gleich nach dem Propst von St. Martin zu. 
Colmar und dem von Rheinfelden. 

1 St. Arch. 9 zu 1610. 

2 Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins neue Folge X, 
S. 485, Verzeichnis der Mitglieder des Prälatenstandes und XIX, S. 
99, sämtliche Mitglieder des Prälatenstandes waren österreichische: 
ntertanen und bildeten den laudständigen Prälateustand des habs- 
urgischen Territorialstaates. 

3 St. Arch. 138 zu 1535. 


= G 


assistieren ihm hierbei nach altem Brauch und den Vorschriften 
der Statuten die beiden jüngsten Kanoniker. Sind letztere ab- 
wesend oder verhindert, so kann der Propst andere Chorherren 
zur Assistenz auffordern, welche in diesem Fall ihren Beistand 
nicht verweigern dürfen. 

Für seine verantwortungsvolle Tätigkeit stehen dem Propst 
außer seiner Präbende verschiedene andere Bezüge zu, die im 
Laufe der Zeiten manchen Wechsel erfahren haben. So wurde 
ihm 1277 eine doppelte Präbende nebst einigen Einkünften zu 
Eglinzen durch Beschluß des Kapitels zugewiesen, derselbe ist 
durch Bischof Heinrich von Basel und Papst Martin bestätigt!. 
Später fiel die zweite Pfründe hinweg und erhielt der Propst 
hierfür 40 fl. rheinisch ; die Abmachung ist genehmigt durch 
das Konzil von Basel 1442. Im Jahre 1479 betrug nach einer 
Verordnung des Bischofs das Salarium 40 Mark Silber 2, nach 
den Statuten von 1610 40 fl. Münze nebst den Laudemien der 
Pfarrhöfe. In den Statuten von 1642 sind die Nebenbezüze auf 
50 Pfund basler Währung, 4/% Frucht und 10 Ohm Wein fest- 
gesetzt, nachdem die 1641 vorn Propst Niepein an den Bischof 
gerichtete Bitte ihm eine zweile Präbende wiederum zuzuweisen, 
wie dies in anderen Stiften z. B. in Belfort und Waldkirch der 
Fall sei, nicht durchgedrungen war. Das in den neuesten Sta- 
tuten bestimmte Salarium wurde im 18. Jahrhundert nochmals 
geändert, wie aus dem Visitationsprotokoll von 1742 hervorgeht, 
nach welchem die Nebenbezüge 100 Pfund Stabler 4j4 Weizen 
10 Ohm Wein und 100 Garben Stroh betrugen. Außerdem hatte 
der Propst noch 4 Schatz Reben (24 Ar) zum Genuß, die nach 
Abzug der Kosten wenig einbrachten. Wenn ein Kanonikat va- 
kant ist, erhält der Propst nach dem Visitationsprotokoll von 
1739 noch 50 Pfund Stübler 4/4 Getreide und 10 MaB Wein zu 
seinem Salarium 3. Alle diese Einkünfte bezieht er nach den. 
Statuten von 1610 angeblich aus dem Grunde, damit er desto 
fleißiger seinen Verpflichtungen nachkomme. In Wirklichkeit 
will der Ausdruck nur soviel sagen, daß ihm dieselben für 
seine verantwortungsvolle Tätigkeit zustehen. Er hat dafür alle 
Reisen, welche im Interesse des Stifts nölig werden auf eigene 


1 St. Arch. 84 zu 1714. 
2 Bez. Arch. Serie G. 
3 St. Arch. 153 zu 1714 und 191 zu 1703. PE 


zu 59. cu 


Kosten zu machen und muß, falls er selbst verhindert ist einen 
von ihm bezahlten Vertreter damit beauftragen. Nur die baren 
Auslagen für Pferd und Wagen nebst Knecht werden ihm aus 
der Fabrikkasse ersetzt. 

Die zweite Würde im Kapitel ist die des Kantors. Der- 
selbe soll dieselben Eizenschaften, wie der Propst, besitzen, 
dessen Stellvertreter. er im Kapitel. und beim Gottesdienst ist 
und den er mit Rat und Tat zu unterstülzen hat. Er wird aus 
den Mitgliedern des Kollesiums in geheimer Abstimmung ge- 
wählt. Das Kapitel kann aber wie dies z. B. 1724 geschah, 
beschließen, daß öffentlich abgestimmt werden solle. Erhält in 
drei Gängen kein Kandidat die erforderliche Majorität, so fällt 
das Recht der Ernennung kraft des jus devolutionis, wie bei 
der Propstei, an den Bischof als Ordinarius. So wurde durch 
Bischof Johanu Konrad der Kustos Voile am 3. August 1723 
zum Kantor eingeselzt. Der Kantor ist zur steten Residenz 
verpflichtet und hat seine Stelle niederzulezen, wenn er längere 
Zeit abwesend sein will. 

Wie schon sein Name andeutet, muß der Kantor Meister 
des Chorgesanges sein, daher die gewöhnliche Bezeichnung 
als Sänger. Er intoniert bei den Frühmessen, den Vespern 
und übrigen Gottesdiensten die Psalmen und Responsorien 
und gibt Obacht, daß alle Gesänge dem Ritual entsprechend, 
nicht zu schnell aber auch nicht zu langsam gesungen und 
die Pausen strickt innegehalten werden. Ihm obliegt die 
Haltung der Ordnung im Chor unter den Kanonikern und hat 
er deshalb eifriger als alle anderen an den geistlichen Uebungen 
teilzunehmen. Bemerkt er ein ungeziemendes Benehmen im 
Chor oder in der Kleidung der Kanoniker, so hat er entweder 
selbst die Mängel abzustellen oder dem Propst darüber zu be- 
richten, Die beiden Chorknaben unterstehen gleichfalls seiner 
Aufsicht. Man könnte füglich eine Kontrolle der Chorherren 
in der Kirche für überflüssig halten und doch scheint eine 
solche zuweilen am Platze gewesen zu sein, schreibt doch 
1671 der Propst wörtlich, es wäre zu wünschen, daß im Chor 
bei verschiedenen Kanonikern mehr Aufmerksamkeit und Be- 
scheidenheit herrschte, einige unterhalten sich während der 
Predigt, lassen ihre Augen in der Kirche herum spazieren, 
und lachen, statt Psalmen zu singen, schlafen sie, statt zu 
knien, sitzen sie; einige verstehen überhaupt keinen Chor-. 


u; Gi es 


gesang und singen so schlecht, daß sie das Publikum zum 
Lachen reizen, was häufis genug vorkommt. Bei der In- 
spektion von 1714 konstatierte der bischöfliche Kommissar, 
daß einige Chorherren mit der Tabaksdose von einem Sitz zum 
andern gehen und zum Schnupten einladen. 

Der Propst Gobel berichtet 1716, man habe Mühe einzelne 
Kanoniker in der Kirche als Geistliche zu erkennen wegen. 
ihrer Unehrerbietigkeit und ihres geringen Eifers beim Gottes- 
dienst. In dem Entwurfe der neuen Statuten von 1745 wollte 
der Bischof folgenden Zusatz gemacht wissen, im Chor dürfen 
besonders während des kanonischen Dienstes keine Unter- 
hallungen geführt werden; Lachen, Scherzen, Streiten, Schla- 
fen und Wechseln des Platzes ist verboten, wenn nicht speziell 
in der Liturgie ein solcher Wechsel vorgesehen sein mag, es 
sollen keine Briefe, Nachrichten oder sonst Unziemendes ge- 
lesen und darf kein Schnupftabak angeboten werden. 

Der Kantor hält das feierliche Amt beiallea Festen zweiten Ran- 
ges. Er bezieht außer seiner Präbende die Hälfte des kleinen Zehnts 
zu Oberaspach, des Schweine- und Làmmerzehnis zu Erben- 
heim !, dazu 4/4 Korn und 2/4 Weizen aus der Scheune des 
Kapitels und hat 2 Schatz Reben im Genuß, die er auf eigene 
Kosten bebauen lassen muß. 

Die dritte und letzte Dignität im Kapitel ist der Kustos?, 
der ebenso wie der Propst und der Kantor aus der Zahl der 
Mitglieder des Kapitels entnommen und gewählt wird und die 
nàmlichen Eigenschaften, wie diese, besitzen soll. Seine Verpflich - 
tungen ergeben sich aus seinem Namen. Er hat für die Unter- 
haltung und Neuanschaffung der Paramente und sonstigen Gerat- 


1 1455 wurde dieses Dorf von den Armagnacken vollig zerstórt, 
einzelne Gehófte scheinen später, wie aus der Erwähnung des Zehnts 
zu schlieDen ist, wieder errichtet worden zu sein. Nach dem Tage- 
buch der Guardiane, Beilage zur Thanner Chronik, soll am 23. 
September 1734 der herzogliche Schäferhof daselbst, samt etwa 
8000 Garben Winterfrucht verbrannt sein. Charles Hoffmann lAl- 
sace au 18. siecle Bd. III, S. 506. Le seigneur de Thann avait le 
droit de troupeau à part sur l'Ochsenfeld et les villages voisins pour 
les 1000 à 1900 brébis de sa bergerie d'Ebersheim, (Erbenheim). 
1798 wurde der Bann den benachbarten Gemeinden Ober- und 
Niederaspach zur gemeinsamen NutznieDung überlassen. 

2 Die Würde des Kustos ist alt, schon 1216 wird dieselbe ur- 
kundlich nachgewiesen; in den Statuten von 1430 dagegen werden 
nur der Propst und der Kantor als Dignitáten aufgeführt. 


zc 65. ee 


schaften der Kirche zu sorgen, das Oeffnen und Schließen der 
Kirche durch den Diener zu überwachen, das Reinigen und Glocken- 
geläute sowie aas Anzünden und Auslöschen der Kerzen und Lampen 
zu beaufsichtigen. Er hat Obacht zu geben, daß alle Altäre von den 
Sacellanen gehörig geschmückt und die kanonischen Messen 
nach dem römischen Ritual genau gesungen werden, gegen 
Nachlässigkeiten muß er einschreiten. Wegen der Beschaffung 
und Wiederersetzung von Kirchengerätschaften hat er sich mit 
dem Stadtmagistrat ms Benehmen zu setzen und alles erforder- 
liche hierfür zu tun. 

Er allein durfte an den hohen Festen die Reliquien! zu 
Beginn des Gottesdienstes feierlich auf dem Hochaltar aus- 
stellen und nach Beendigung wieder zur Aufbewahrung in die 
Schatzkammer zurückbringen. Zu seiner Stellvertretung war 
für derartige Zeremonien ein für allemal der Pfarrer bestellt. 
Daneben hatte der Kustos die Aufsicht über die Schulen, er 
war der geistliche Inspektor derselben 2. 

seine Hauptpflicht bestand in der Beaufsichtigung der 
verlassenen altehrwürdigen Stiftskirche zu St. Amarin. Wie 
erwähnt, hatte Kaiser Friedrich und das Kapitel zu Basel an 
die Verlegung des Stifts die Bedingung geknüpft, daß ein vom 
Kapitel zu besoldender Kaplan die Messe darin lese, nach dem 
Vergleich von 1456 war sogar eine eigene Pfründe geschaffen 
worden, deren Kollatur dem Thanner Stift zustand 3. Erst durch 
die Uebersiedelung des Kapitels wurde der Leutepriester von 
St. Amarin, der an der nahen Pfarrkirche (ecclesia superior) 
residierte, völlig selbständig, bis dahin besaß letztere weder 
Beichtstuhl noch Taufstein oder Tabernakel, da diese das Stift 


' Die berühmteste Reliquie der Stiftskirche ist ein Stück Haut 
vom Finger des hl. Theobald (Ubald). die in einer großen silber- 
vergoldeten Monstranz eingeschlossen, dem Publikum zur Devotion 
an allen Hauptfesten nach alter Gewohnheit auf dem Hochaltar 
ausgestellt und an den beiden Theobaldustesten während der feier- 
lichen Prozession vom Propste getragen wurde. Die große Thanner 
Chronik II, S. 163 schreibt, es sei der rechte Daumenfinger des hl. 
Theobald, so nun eine solch lange Zeit zu Thann in einem Chry- 
stall und verguldeten Monstranzen gebührlich aufbehalten und fast 
alle hohe Festen und Prozessionen herumgetragen wird. 

? St. Arch. 153 zu 1714. 

3 1611 befinden sich zwei Kapläne in St. Amarin, der eine 
benefiziert mit St. Johannes und St. Markus, der andere dem Pfarrer 
In der Seelsorge behilflich. Bez. Arch. Lade 22. 


SCHOLLY. 5 


ss. "60. == 


als eigentlicher Pfarrherr festhielt. Das Einkommen der Mar- 
tinskirche verwaltete der Magistrat zu St. Amarin, dasjenige 
der Stiftskirche das Kapitel von Thann. Eine Aenderung dieser 
Zustände trat erst mit dem Augenblick ein, als nach lang- 
wierigen Verhandlungen die Abtei Murbach an das Stift im 
Jahre 1657 den Pfarrsatz Eschenzweiler tauschweise abtrat. 

Bereits am 20. November 1615 hatte das Kapitel an den 
Bischof berichtet, daß in der Präjektuskirche außer dem Hoch- 
altar im Chor, auf welchem vermóge dés Buchstabens der 
Translation täglich zelebriert werden solle, im Schiffe der 
Kirche noch 3 Altäre ohne die dazu gehörigen Altartische vor- 
handen seien, an denen aber die Bilder fehlten. Man wisse 
von den Patronis und titulis nichts, noch habe man seit 
Menschengedenken davon gehört, auch im libro marcarum sei 
nichts zu finden, weil diese Altäre nullius usus und bloße 
mensae nudae seien, solle man dem Kapitel erlauben dieselben zu 
unterdrücken und nach den Vorschriften der Kirche zu beseitigen, 
da die schmucklosen Altäre bei den Gläubigen des Tales, die 
wegen.des regelmäßigen täglichen Gottesdienstes und der da- 
selbst stattfindenden Taufen und Sakramentsspendungen die 
Stiftskirche stärker als ihre Pfarrkirche besuchen, Anstoß zu 
erregen geeignet seien !. 

Bis zum Jahre 1632 kam das Kapitel seinen vertrags- 
mäßig übernommenen Verpflichtungen nach; in diesem Jahr 
aber mußte der Sacellan Peter Gerran, welcher 1648 Kanoni- 
kus des Stifts wurde? und am 4. Marz 1659 als Kustos starb, 
infolge des Krieges flüchten ; das Kaplaneihaus wurde von den 
Schweden verbrannt und später nicht mehr aufgebaut3, Die 
Stelle des Kaplans blieb bis 1652 unbesetzt; in der Zwischen- 
zeit ließ das Kapitel, so gut es eben ging, die Pfarrei durch 
einen Kaplan aus Thann und die Barfüßer daselbst versehen. 
Im Jahre 1652 war die Stiftskirche, welche mangels jeglicher 
Mittel nicht einmal notdürftig unterhalten werden konnte, bau- 
fällıg, und zeigte das Kapitel mittels Schreibens vom 7. De- 
zember an, dab dieselbe dem Einsturz nahe sei4. Das Stift 


1 Staats Arch. 1 zu 1615. 

2 Daselbst 19, 106 zu 1535. 
3 Daselbst 8 zu 1567. 

4 Daselbst 2 und 21 zu 1640. 


— er P 


Thann erhielt keine Gefálle mehr aus dem Tate, da der mur- 
bachische Amtmann zu St. Amarin gegen die säumigen Unter- 
tanen nicht einschreiten wollte oder konnte (um jene Zeit soll 
das ganze St. Amarintal nur noch 100 Bürger gezählt haben)!. 
Das Kapitel schlug daher dem Amtmann vor die Gefille selbst 
einzunehmen und zum Unterhalt der Kirche zu verwenden, 
indem es die bis dahin verfallenen Zinsen und Renten der 
Amariner Stiftskirche auf 9000 Pfund Stabler berechnete. Aus 
der Tatsache, daß der murbachische Beamte die so bedeutende 
Summe nicht eintreiben konnte, läßt sich ein sicherer SchluB 
auf die Verwüstungen des Tales durch den 30jàhrigen Krieg 
ziehen. 

Unter solchen Umständen wäre daher das Kapitel gerne 
die ihm obliegende Baulast an der Präjektuskirche losgeworden 
und bot dem Kloster Murbach 1000 Pfund Hauptgut, damit 
dieses wiederum dort einen Kaplan mit dessen Einkünften und. 
anderen Erträgnissen einsetzte; es wollte ihm gleichzeitig das 
Patronatsrecht an der Kirche einräumen, verlangte aber als 
Gegenleistung das Patronatsrecht der Kirche von Eschenzweiler, 
wo das Stift schon früher den halben Zehnt von der Gemeinde 
eingetauscht hatte. Das an sie gestellte Ansinnen lehnte die 
Abtei mit der Motivierung ab, dab sie sich keine neuen Lasten 
aufbürden wolle. 

SchlieBlich nahm nach langen Verhandlungen Murbach den 
Vorschlag des Stifts an und übertrug am 28. Februar 1657 an 
dasselbe den Pfarrsatz zu Eschenzweiler gegen die gut dotierte 
Kaplanei St. Amarin mit deren Einkünften und gegen die 
Stiftskirche daselbst. Am 27. April 1657 genehmigte der Bischof 
den Tausch 2, in dem ein Vorbehalt zu Gunsten der Chor- 
herren von Thann für den Fall einer Vertreibung aus dieser 
Stadt aufgenommen worden war. Erzherzog Leopold als Ad- 
ministrator von Murbach und Luders trat am 12. November 
1657 dem Tausche bei. An dem späteren Schicksal der altehr- 
würdigen Stiftkirche änderte die Zession nichts. Wenn auch 
1668 nochmals ein eigener Kaplan an der Kirche angestellt 
wurde, konnte der gelehrte Benediktiner Dom Ruinart, der 


1 Aufzeichnungen des Pfarrers Stippich im Pfarrarchiv St. 
Amarin. 
2 Bez. Arch. Lade 22. 


EXE e 


1696 das St. Amarintal bereiste über den Zustand nur folgen- 
des ungünstige Resultat berichten, à peu de distance de St. 
Amarin se trouvent deux églises, dont l'une est la paroissiale 
et dont l'autre était la collégiale des chanoines avant leur 
départ. Cette derniere tombe en ruines mais ces ruines attes- 
tent son ancienne grandeur. Les saints sacrements ne s'y con- 
servent pas dans l'autel mais dans une colonne placée tout 
auprés!, Aus dieser Mitteilung geht hervor, daß die Repara- 
turen, welche 1693 die Abtei nochmals an der Kirche vor- 
genommen hatte, nicht hinreichend waren den Verfall aufzu- 
halten. Man darf sich aber darüber nicht wundern, wenn man 
weiß, daß mit 1000 Talern das Amtshaus zu St. Amarin fast 
ganz neu gebaut, die Gebäude auf Wildenstein, die Melkereien 
zu St. Amarin und auf dem RoBberg und die Kirche zu Gold- 
bach hergestellt, Chor, Kirche’und Pfarrhof zu Odern, sowie 
‘die Stiftskirche repariert wurden. Dem Kloster kann wohl ein 
Vorwurf deshalb nicht gemacht werden, daß es die Präjektus- 
kirche nicht besser unterhielt ; die Abtei befand sich damals 
in sehr schlechten finanziellen Verhältnissen und die Bürger- 
schaft von St. Amarin, welche den Verlust "ihres Stifts noch 
immer nicht verschmerzt hatte, zeigte kein Interesse für das 
Fortbestehen der Stiftskirche neben ihrer eigentlichen Pfarr- 
kirche. | 

Im übrigen sind die Angaben des Dom  Ruinart nicht all- 
zu wortlich zu nehmen, er, der auf seiner Reise eine ganze 
Reihe herrlicher Kirchen gesehen hatte, wollte nur so viel 
sagen, dab die Pràjektuskirche dringend einer Reparatur be- 
durfte. Die Kirche fiel damals noch nicht in Trümmer, da ja 
fast hundert Jahre später noch der regelmäßige Pfarrgottes - 
dienst darin gehalten werden konnte. Durch den Tausch von 
1657 wurde die Stiftskirche, in der seither der Taufstein und 
der Altar sich befanden und in welcher die Sakramente ge- 
spendet wurden?, wieder zur eigentlichen Pfarrkirche erhoben, 
wie aus nachstehenden Aufzeichnungen des Pfarrers Stippich 
hervorgeht. 


I Kraus l. c. S. 15. 

2 Visitationsprotokoll von 1632 le baptistère et le sacrarium 
se trouvent dans la collégiale, on y administre les sacrements. 
Sifferlen, S. 44. 


— 69 — 


Einleitend berichtet dieser gelehrte Geistliche, daB am 
6. August 1674 der schönste Kirchenschmuck, den man in- 
folge der Kriegszeiten nach Mülhausen in das Haus des 
katholischen Herrn von zu Rhein verbracht hatte, infolge eines 
großen Brandes völlig der Vernichtung anheim fiel. Nach dem 
30jährigen Kriege habe infolge des Priestermangels zu 
St. Amarin nur ein Pfarrer ohne den statutsmäßigen Kaplan 
residiert. Da der Pfarrer ohnehin überlastet war, habe er die 
täglichen Messen in der Stiftskirche nur unregelmäßig lesen 
können und sei deshalb in einer, ain 9. September 1667 zu 
Sulz bei den Kapuzinern abgehaltenen Konferenz, an welcher 
Delegierte des Bischofs von Basel und des Abts von Murbach 
anwesend waren, beschlossen worden, daB die Kollegialkirche zu 
St. Amarin wieder einen eigenen Kaplan erhalte, der nach altem 
Brauche täglich darin die Messe zu halten habe!. An jedem 
Sonn- und Festtage muBte nach Stippich der Pfarrer das Amt 
in der Stiftskirehe halten mit Ausnahme einiger weniger be- 
stimmter Feste. In der Marlinskirche fanden für gewöhnlich 
die Leichenfeierlichkeiten der Bürger statt und zwar vermut- 
lich aus dem Grunde, weil seit 1478 der Friedhof um diese 
herum an Stelle des früheren bei der Stiftskirche angelegt 
war, Der sonstige übliche Gottesdienst sowie die Feste St. Mar- 
tin und St. Valentin wurden in der Pfarrkirche gefeiert, nach 
der Fronleichnamsprozession sang man hier das Amt, alle 
anderen Zeremonien vollzogen sich in der Stiftskirche, Die 
Anniversarien und Hochzeiten konnte der Pfarrer nach seinem 
Belieben und seiner Bequemlichkeit entweder in der Pfarr- 
oder in der Stiftskirche abhalten. Zu Allerheiligen hielt man 
in letzterer die beiden Vespern, besuchte die Graber? und zog 
dann in Prozession zur obern Kirche, wie dies gebräuchlich 
war. Am Feste der hl. Präjektus und Amarinus wurde das 
Amt stets in deren Kirche gehalten und zwar immer auf 
Pauli Bekehrung den 25. Januar. Jeden Samstag sang der 
Pfarrer das Salve in der Stiftskirche und erhielt hierfür vom 
Vogt 5 Pfund Basler Währung. Stippich bemerkt noch, daß 
in der Stiftskirche niemals ein ewiges Licht bei den venerablen 


1 Schickelé le doyenné de Masevaux S. 137. 
d. h. den alten Friedhof um die Stiftskirche, von dem 1733 
der Kirchwart einen Platz zur Anlage eines Gartens erhielt. 


— 7 — 


Sakramentén gewesen sei, sondern nur wihrend des Gottes- 
dienstes gebrannt habe; da solches aber befohlen, wo anderst 
die Mittel vorhanden und in allen Bistümern observiert worden, 
sei von ihm im Einverständnis mit dem Dekan Anselm von 
Hirzbach aus Murbach die Anordnung getroffen worden, daß 
allzeit bei Tag und Nacht aus Mitteln der Kirchenfabrik 
St. Martin eine Ampel brenne. 

Nach Kraus fehlt jede Angabe über das Alter und den 
Stil der von Dom Ruinart und von Schoepflin angeblich noch 
gesehenen Stiftskirche1, Sicher ist, daß ersterer an Ort und 
Stelle seine Aufzeichnungen gemacht hat, ebenso sicher aber 
auch, daß letzterer niemals in St. Amarin gewesen ist, da er 
sonst nicht die Prajektuskirche innerhalb der Stadtbefestigung 
verlegen würde?, Mit dem ersten Teil seiner Behauptung hat 
Kraus entschieden Recht, da nur soviel bekannt ist, daß 1236 
die Abtei durchgreifende Reparaturen wegen der Baufälligkeit 
an der Kirche vorgenommen hatte, diese also damals schon auf 
ein ehrwürdiges Alter zurückschauen konnte. Dagegen lassen 
sich für den Stil ganz bestimmte Anhaltspunkte nachweisen. 

Der Benediktiner Dom Hyacinth Alliot, welcher im Auf- 
trage des Gelehrten Dom Mabillon über verschiedene elsássische 
Klóster Nachforschungen anstellte, hatte den Prior der Abtei 
Münster mit den erforderlichen Schritten befaßt und konnte 
am 13. Juli 1695 von Moyenmoutier aus die vom Prior zu St. 
Amarin aufgenommenen Notizen seinem Auftraggeber mitteilen 3. 
Dom Mabillon fand bei seiner Reise nach dem Elsaß, in deren 
Verlauf er selbst St. Amarin besuchte, diese Angaben als 
richtig aprés avoir constaté l'exactitude des renseignements que 
D. Alliot avait, fourni4. Der Prior hatte berichtet, daß er die 
sehr alte Stiflskirche, welche dem hl. Amarinus geweiht war 
noch gesehen habe und diese die nàmliche Facon wie diejenige 
des alten Münsters zu St. Mihiel aufweise. Der Archäologe de 
Maidy zu Nancy, gebürtig aus St. Mihiel, teilt uns auf Anfrage 
mit l'église abbatiale de St. Mihiel a été presque totalement 
transformée au XVIII. siécle, mais elle a conservé sa touc et 


1 Kunst und Altertum S. 15. 

2 cfr. oben S. 22. 

3 Ingold, Mabillon en Alsace S. 37 ff. 
4 Daselbst S. 52. 


| 


quelques parties romanes. On a fait remonter Ja construction 
romane au XI. siècle, cette église avait été consacré en 1064!, 
Aus dem Vergleich dieses Münsters mit der St. Präjektus- 
kirche kann demnach der Schluß gezogen werden, daß die St. 
Amariner Stiftskirche romanisch war und daß sie, wie wir weiter 
unten sehen werden, ein größeres Mittelschiff und zwei kleinere 
Seitenschiffe besaß. m 

Dom Alliot gibt noch einige interessante Aufschlüsse über 
das alte Kloster und die Kirche, denen wir nachstehende 
Notizen entnehmen. Die Stiftskirche, zu welcher Wallfahrten 
gemacht wurden, wies schwache Reste von einer ehemaligen 
Umfriedigungsmauer auf, die wohl den um die Kirche vor 
alter Zeit herum angelegten Friedhof einst abgeschlossen hatte. 
Unweit der Kirche bemerkte Dom Alliot einen alten Kreuzgang 
und Ueberreste eines Gebäudes von dem ehemaligen Kloster 
herrührend. Daß dieses Gebäude das alte Kloster früher war, 
sagt Dom Alliot nicht ausdrücklich, doch wird die Annahme 
durch einen neueren Brief desselben vom 1. Januar 1704 be- 
stätigt, worin es heißt?, de là ils allèrent à St. Amarin dans 
le val de Tanne, ot ils ont pris le plan de l'ancienne église 
et les restes du cloitre et du monastère. Am Portal der Kir- 
che sah Dom Alliot noch alte Gemálde auf der einen Seite 
Mónche auf der anderen einen Bischof mit seinen Pontifikal- 
gewändern bekleidet, der einem Mönche die Benediktion er- 
teilt, Zwischen den beiden Bildern stand die Inschrift: «Beati 
martyres orate pro me» und die Tradition berichtet, daß die 
Gemälde die Heiligen Prajektus und Amarinus vorstellten. In 
der Kirche zeigte der Kirchendiener dem Prior ein Grabmal 
angeblich dasjenige des hl. Amarinus. 

Ueber die GróBe der Stiftskirche, von der Dom Ruinart 
1696 berichtet, que les ruines attestent son ancienne grandeur, 
geben verschiedene Urkunden Aufschluß, und zwar datieren die- 
selben aus der Zeit, als die Abtei Murbach die jetzige Pfarr- 
kirche neu bauen ließ3. Auf Befehl des Fürstabts mußten der 
Maurermeister Kurzmann aus Ranspach und der Zimmermann 


_ 


! Ferner Dumont histoire de St. Mihiel tom. IV, p. 2 Dom Cal- 
met notice de la Lorraine zu St. Mihiel. 

? Ingold, S. 32. 

3 Bez. Arch. Murbach, Lade 55, 41—44. 


= o ce 


Humbrecht aus St. Amarin die Stiftskirche genau untersuchen 
und ein Gutachten darüber abfassen, ob dieselbe noch repariert 
werden könnte, oder ob sie die Abtei ganz neu bauen müßte. 
Am 20. Dezember 1756 gaben beide vor dem Amtmann von 
St. Amarin zu Protokoll, daß die Mauer ım Chor an drei Orten von 
unten bis oben und die Mauer hinter dem Frauenaltar ebenfalls an 
zwei Orten gespalten sei. Das Kreuzgewölbe oben an dem Kreuzaltar 
gegen die Sakristei zu befinde sich in einem gänzlichen Ruine und 
Abgang und seien etliche Löcher eingefallen. Die ganze Mauer 
des Schiffs von dem Frauenaltar bis gegen den Turm habe 
sich wohl einen halben Schuh hinausgesenkt und das Eck von 
dem Turm in diesem Alignement sei von unten bis oben ge- 
spalten, auch sonst zeige der Turm noch zwei andere Spalten 
und habe sich wohl ein Schuh vom Schiff nach außen gesenkt. 
Ferner hätten sie gefunden, daß die andern Nebenmauern 
des Schiffs gegen den Kirchhof zu an zwei Stellen gespalten 
und sich hinaus neigen, daB auch die beiden Nebendächer 
völlig abgängig und faul und wohl die Balken in dem obern 
Dachstuhl ebenfalls faul seien, so daß ihres Erachtens keine 
Reparatur, sondern eine gänzliche Erneuerung der Kirche in 
Frage kommen könne. Am J4, Januar 1757 gaben sie vor dem 
Vogt nochmals diese Erklärung ab. Hieraufhin entschloß sich 
die Abtei zum Neubau der Stiftskirche und: erhielten die ge- 
nannten Kurzemann und Humbrecht, sowie der Maurermeister 
Konrad Eberlin aus Benfeld den Auftrag die Maße der Kirche 
zu nehmen, welchem Befehl dieselben am 15. Februar 1757 
nachkommen. Sie fanden, daß das Chor 43 französische Fuß 
lang, 21 Fuß breit und 34 Fuß hoch, das Schiff 42 Fuß lang, 
21 Fuß breit und 351/g Fuß hoch und die Seitengänge jeder 
431/ Fuß breit 17 Fuß hoch und 9511, Fuß lang waren. Die 
letzteren gingen demgemäb wohl um die ganze Kirche herum 
(43 + 42 + 94 : 2). 

Da die Pfarrkirche zu St. Martin kaum ein Drittel der 
Gläubigen faBtet und kein Chor besaß, weil der Turm direkt 
an das Schiff angebaut war, hatte sich die Abtei durch eine 


1 Die Pfarrkirche wurde aus dem Grunde aufgegeben, weil sie 
zu klein war und dazu noch ungünstig lang. Sie verschwand erst 
in der Revolution, auf dem Plan der Stadt St. Amarin vom 26. 
Mai 1772 ist sie noch deutlich eingezeichnet. 


— 7 — 


Konvention vom 20, Dezember 1756, homologiert am 28. De- 
zember folgend und genehmigt durch den Intendanten am 13. 
Januar 1757 verpflichtet, ihren Untertanen des Kirchgangs St. 
Amarin das Chor, die Sakristei und den Turm an der Stifts- 
kirche! neu zu bauen, während die Bürger der Pfarrei dafür, 
daß die Abtei auch das Schiff zu bauen und die ganze Unter- 
haltung der Kirche für die Zukunft zu übernehmen versprach, 
sich ihrerseits verpflichteten 5000 livres in drei Jahresterminen 
zu zahlen und die nötigen Materialien mit ihren Wagen bei- 
zufübren. 

Mittels Schreibens vom 13. Januar 1755 baten die Ge- 
meinden der Pfarrei St. Amarin die Regierung die für sie 
günstige Vereinbarung zu genehmigen. Aus der Abmachung 
sind folgende Einzelheiten hervorzuheben. Der Fürst Leodegar 
von Rathsamhausen zediert und überläßt mit seinem Kapitel die 
diesem gehörige Stiftskirche in der Vogelbach gelegen, welche 
sie vom Propst und dem Kapitel von Thann vermöge Zession 
vom 28. Februar 1657 an sich gebracht als eine Pfarrkirche 
an ihre Untertanen des Kirchspiels von St. Amarin und ver- 
pflicktet sich dieselbe zu: demolieren und neu aufzubauen, auch 
von nun an auf ewige Zeiten zu unterhalten, mit Beding der 
Zuführung der Materialien durch die Untertanen des Kirch- 
gangs. Nachdem in der gemeldeten Zession der Propst und 
das Kapitel von Thann ausdrücklich sich vorbehalten, daß, 
wenn etwa über kurz oder lang die Stadt einen anderen Glau- 
ben annehmen sollte, was der allmächtige Gott verhindern und 
abwenden wolle. oder von anderen Ursachen wegen ein Landes- 
fürst oder Herr die Kanoniker aus der Herrschaft oder der 
Stadt Thann vertreiben sollte, daß ohne Gegenrede dieselhen 
wieder zu St. Amarin ihre Residenz nehmen und ihren Gottes- 
dienst im Chor verrichten dürften. Aus der Möglichkeit einer 
Verlegung des Kapitels von Thann nach St. Amarin erklärt 
sich die auffallende Größe des Chores der Pfarrkirche, das 
nicht weniger als 15 Meter lang ist und bequem zum Kapitels- 
gottesdienst eingerichtet werden konnte. Wie der Magistrat 
von Thann beim Bau des Münsters schon das Chor für die 
Aufnahme der Chorherren einrichtete, als dieselben noch ihren 


I Irrtümlicherweise nimmt Gatrio II, S. 631 an, daß die Re- 
paraturen an der Martinskirche ausgeführt worden sind. 


puc. UE. ese 


Sitz in St. Amarin hatten, so traf jetzt die Abtei Vorkehr- 
ungen für die Wiederaufnahme der einst Ausgezogenen, Die 
ehemalige Stifts- und nunmehrige Pfarrkirche St. Martin wurde 
am 11. November 1758, als an ihrem Patronstage, vom Abt 
Leodegar mit Erlaubnis des Bischofs benediziert ! und durch 
Sigismund von Roggenbach, Fürstbischof von Basel, am 25. 
April 1780 feierlich geweiht. Die Größenverhältnisse der jetzigen 
Kirche sind folgende: Das Chor ist 15,90 Meter lang und 
11,20 Meter breit, das Schiff 32,50 Meter lang und 16,30 
Meter breit; die Höhe des Schiffs beträgt ungefähr 12 Meter. 
Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß unter Beibehaltung der ur- 
sprünglichen Höhe im Innern, Chor und Schiff der alten 
Kirche zusammen mit einem kleinen Anbau gegen das Chor 
zu, das heutige Schiff bilden und auf den Fundamenten der 
früheren äußeren Umfassungsmauern die jetzigen Seitenwände 
ruhen. Die alten Materialien wurden soweit möglich verwendet 
und behielt man soyar die romanischen Bogen an den Fen- 
stern bei. 

Die innere Einrichtung der Kirche als Kanzel, Altäre, 
Bänke, Lichtstécke und Bilder ließ 1762 die Abtei auf eigene 
Kosten machen, betonte aber dabei, daß dies nur aus purer 
Gutmütigkeit geschehe, weil sie zu diesen Leistungen nicht 
verpflichtet sei. 

Bis zur Abtretung der Stiftskirche an die Abtei Murbach 
hatte der Kustos die Lichter und Kerzen in derselben auf eigene 
Kosten zu stellen, angeblich weil seine Einnahmen bedeutend 
seien, und die Opfer ihm hinreichend einbrächten?. Daneben mußte 
er die Häuser des Sacellanen und des Helfers nebst der Kapelle 
St. Markus auf Kosten des Kapitels in Stand erhalten. An Sonn- 
und Festtagen hatte er selbst oder durch einen Stellvertreter 
das Aınt zu St. Amarin zu halten und den Kaplan in der Seel- 
sorge zu beaufsichtigens, 

Einige eigentümliche Verpflichtungen und Rechte hatte der 
Kustos ohne nähere Angabe eines Grundes. So mußte er am 
Feste Mariä Reinigung dem Propst 1 Pfund, jedem residieren- 
den Chorherrn !|; Pfund und dem Sacellan zu St. Amarin !jı 


1 Thanner Chr, IIT, S. 331. 
2 St. Arch. 22 zu 1641. 
3 Daselbst Vis. Prot. 1621. 


M ee 


Pfund Wachs von althergebrachtem Wert und bekannter Gite 
zum Geschenk machen. Dagegen durfte er am Patronstage der 
Stiftskirche zu Pauli Bekehrung und nach den Statuten von 
1610 sogar noch zur Kirchweihe, welche am Sonntag nach der 
Oktav Peter und Paul gefeiert wurde!, die bürgerlichen Ma- 
gistratsráte, die Laienprokuratoren und Sacellanen, den Präfekten 
und Amtsschreiber, sowie den Prokurator der St. Martinskirche 
und sonstige gute Freunde, welche dem Stift wohl gesinnt waren, 
auf Kosten des Kapitels nach der Kirche zu einem gewöhnlichen 
Frühstück in St. Amarin einladen, zu dem der Wein vom Ka- 
pitelskeller geliefert wurde. Dieses alte Herkommen behielt man 
nach dem Tausch der Stiftskirche bei und verlegte es auf den 
Fronleichnamstag. Pfarrer Stippich schreibt: es ist ein sehr 
alter Brauch, daß die, welche der Prozession zu Fronleichnam 
anwohnen, an dieser Festlichkeit teilnehmen. Am Ehrentische 
saß der adelige Vogt, auf beiden Seiten von ihm, der Pfarrer und 
der Kaplan, falls letzterer der Prozession angewohnt hatte, der 
Stadtschreiber und der Beigeordnete nebst den Stadträten, deren 
Bedienung dem Gemeindeweibel oblag. Am gewöhnlichen Tisch 
fiahmen Platz die Prokuratoren der Martinskirche und der Filiale 
Mollau, die Kirchendiener dieser beiden Kirchen, und alle die- 
jenigen, welche bei der Prozession als Schützen oder Träger 
irgend eine Tätigkeit entfaltet hatten. In die Kosten für das 
Mahl teilten sich zur Hälfte die beiden Kirchen St. Martin und 
Mollau, sowje die Stadt®St. Amarin und das Tal; dieselben be- 
trugen in den Jahren 1670, 1671 und 1673: 15 Pf., 17 Pf. 
20 Pf. 13 B. 

Außer seiner Präbende bezog der Kustos noch 13 Ohm 
Wein, 2 Pfund Wachs, 4 Maß Oel, 4/4 Korn, 19 Hühner und 
9 Pfund Stabler, ferner einige Reichnisse an Erbsen und Bohnen. 
Nach einem Visitationsprotokoll stand ihm ein Grundstück im 
St, Amarintal zu, das jährlich 15 Pfund eintrug?. 

Zu diesen drei Dignitàten wollte 1752 das Kapitel eine neue 
Würde mit gewissen Nebeneinnahmen schaffen, nämlich die 
des Scholastikers, und sollte seine Tátigkeit in der Aufsicht über 
die Schule gemeinsam mit dem Kantor und dem Pfarrer be- 


1 Bez. Arch., Serie G. 1360 verlegte der Bischof das Kirch- 
weihfest auf diesen Tag. 
2 St. Arch. 153 zu 1714. 


— "760 — 


stehen (juxta etymologiam hujus nominis veram curam habere 
voleat scholarum cum cantore et plebano)!. Der Bischof schlug 
das Ansinnen ab, da ein solcher Liturger unnötig sei, und das 
Kapitel sich keine neue Ausgaben aufladen dürfe. 

In dem Range nach den Dignitäten folgte der Senior, d. h. 
derjenige Kanoniker, welcher aın längsten investiert und instal- 
liert war; ob der Pfarrer diesen Ehrentitel zu beanspruchen 
habe, da er nicht, wie die übrigen Chorherrn investiert und 
nicht unabhängig sei, war lange Zeit bestritten, schließlich ent- 
schied der Bischof, daß ihm derselbe nicht zukomme*. Die 
Dignität selbst konnte niemals Senior sein. 


1 Die Würde des Scholastikers wird schon 1216 erwähnt, wann 
dieselbe aufgehoben wurde ist unbekannt. 
2 Decreta zum Vis. Prot. 1716. 


KAPITEL V. 


Die Entwicklung der Pfarrei Thann. Der Pfarrer ist Mitglied des 
Kapitels. Seine Bezüge. Verträge des Stifts mit dem Magistrat 
wegen der Opfergelder. Die Wahl des Pfarrers steht dem 
Kapitel zu. Streitigkeiten zwischen Kapitel und dem Pfarrer 
wegen der Ausübung der Seelsorge in Altthann. Der Sekretär 
und der Punktator. 


An einleitender Stelle ist der Entwicklung der Pfarrei 
Thann mit einigen Worten zu gedenken, da diese für die Zu- 
gehörigkeit des Pfarrers zum Kapitel und die späteren Rang- 
streitigkeiten zwischen beiden von Bedeutung sein wird. 

Bereits am 19. Februar 1377 erging ein Revers des Prop- 
sles und Kapitels zu St. Amarin vonwegen der Pfarrei zu Thann 
und wie jederzeit daselbst ein Pfarrer zu ordnen, in dem ans- 
geführt ist: «Wir Johann Hacke Propst und das Kapitel der 
Stift St. Amarin Basler Bistums bekennen mit diesem Briefe 
alle die Stück die hiernach geschrieben sind zum ersten, daß 
Herr Niklaus von. Baltersheim, Tumbherr zu St. Amarin und 
Leutpriester jetzt zu Thatin die Leutpriesterei hat, und wir sie 
ihm verliehen haben von Bittwegen des durchlauchtig hochge- 
borenen Fürsten Leopold unseres gnädigen lieben Herrn auch 
soll von Baltersheim und ein anderer Leutpriester mit der Leut- 
priesterei daselbst ohne die Herrschaft von Oesterreich oder ihres 
Landvogts Willen keinen Wechsel tun und soll dieser oder 
ein anderer fraglicher Leutpriester bei allen Rechten und Ge- 
wohnheiten bleiben in aller Maß, als sein Vorfahr da gewesen 
ist, und soll dieser oder ein anderer Leutpriester den Bürgern 
von Thann keine Neuerung oder Irrung tun und sie bleiben 
lassen bei allen Rechten und Gewohnheiten als der Vorfahre 


— 78 = 
getan hat ohne alle Gefährte.»! Nach dem Revers durtte, wenn 
die Leutpriesterei ledig wurde, nur ein frommer Biedermann, 
für den der Herzog oder seine Nachkommen oder der Landvogt 
in dessen Namen Fiirbitte einlegte, Priester daselbst werden. 

Die große Thanner Chronik? verlegt die Verleihung der 
Leutpriesterei von Baltersheim in das Jahr 1372 und aus dieser 
Quelle scheint der Verfasser des Aufsatzes in der revue catho- 
tique d'Alsace3 geschópft zu haben, der die nàmliche Jahres- 
zahl angibt. Dem klaren Wortlaut des Reverses gegenüber 
erscheint die Notiz der Chronik nicht stichhaltig. Durch die 
Anstellung eines Leutpriesters an der Theobalduskirche er- 
hielt die Stadt Thann keine eigene Pfarrkirche, wenngleich 
durch dieselbe der erste Schritt zur Selbständigkeit getan war; 
bald darauf im Jahre 1389 erlaubte Bischof Johann denen von 
Thann in der Stadt in St. Thieboltskirchen eigene Tauf zu 
haben und den Kirchhof zu engen oder zu weiten nach ihrer 
Notdurft. 

Der Leutpriester gehórte damals nicht zum Kapitel, seine 
Zugehórigkeit wurde erst 1455 ausgesprochen. Am 13. Februar 
4453 war eine Bulle des Papsts Nikolaus erschienen®, aus der 
hervorgeht, daß öfters Streit zwischen dem Kapitel und dem 
Pleban herrschte, welcher durch die Bulle beseitigt werden 
sollte (evitandis dissensionibus, quae hactenus saepius inter vos 
et ejusdem ecclesiae plebanum et capellanos pro tempore exis- 
tentes). Die Bulle fihrt dann fort: «Ihr habt vorsichtig und 


1 Stadtarchiv Thann, G. G. II. 6. Staats-Archiv zu 1442 ff. 

271312 findet sich allhier Leutpriester oder Pfarrherr Nikolaus 
Baltersheim ein Chorherr von St. Amarin unter dem dasigen hoch- 
würdigsten Propst Johannes Hag. Nach diesem waren von diesen 
Chorherrn allhier noch 6—'( Leutpriester bis sie endlich sämtlich 
anher versetzt wurden. Unter diesen Leutpriestern befanden sich zu 
Neu- und Altthann 7 Kapläne von verschiedenen Kapellen, welche 
mit der Zeit (auDer der Nikolauskapelle) alle dem hiesigen Münster ein- 
verleibt wurden. Der III. Band der Thanner Chronik S. 130 dagegen 
gibt richtig zu 1311 an: Nicolaus Baltersheim canonicus ad St. Ama- 
rinum et plebanus Thannis. 

3 Jahrgang 1890, S. 90. 

4 Anlage 11. 

5 Schon das Konzil zu Basel hatte am 8. April 1435 einen Streit 
zwischen dem Kapitel und dem Pfarrer Hussmann zu Ungunsten 
dieses letzteren entschieden, indem es ihn unter Auferlegung der 
Kosten verurteilte dem Kapitel den Treueid zu leisten. St. Arch. varia, 
und 71 zu 1114. 


klug gehandelt, wenn Ihr beschlossen habt, daß für die Zu- 
kunft der derzeitige Pleban ein Kanoniker des Stifts sei und 
die nächste frei werdende Pfründe und ein Kanonikat desselben 
zum Genuß haben solle.» Das päpstliche Schreiben bestimmt 
ferner, daß alle Opfergelder, welche in den Messen oder zu 
anderer Zeit und Gelegenheit außer den Hauptfesten Weih- 
nachten, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und Christi Himmel- 
fahrt am Hochaltar oder zu den Reliquien des hl, Theobaldus 


gegeben werden, dem Kapitel — wohl als Gegenleistung für 
die dem Pfarrer verliehene Pfründe — anerfallen ; diejenigen 


dagegen, welche an den gedachten Festen eingehen, gehören 
zur Hälfte dem Kapitel, die andere Hälfte erhält der Pfarrer 
allein. Um dem Pfarrer die standesgemäße Congrua geben zu 
können, ersuchte das Kapitel den Papst zu genehmigen, dab 
das nächste sich erledigende einfache Beneficium der Pfarrei 
inkorporiert werde. Der hl. Stuhl beauftragte mit der Unter- 
suchung der Angelegenheit den Kustos Wilhelm von Hensberg 
zu Basel und bestätigte 1455 die Inkorporation. Die Bulle 
konnte nur hinsichtlich der Aufnahme des Pfarrers in das Ka- 
pitel rechtliche Wirkung erlangen, nicht jedoch soweit sie über 
die Opfergaben disponiert, wie aus Nachstehendem ersichtlich 
ist, 

Seit alter Zeit gebührten die in den Opferstock «der da 
steht in der Stadt zu Thann in St. Thieboltskirchen» fallenden 
Opfergaben dem Landesherrn: dieser pflegte in der Regel dar- 
auf zu verzichten und überließ sie der Bürgerschaft als Bei- 
steuer zu dem kostspieligen Bau des Münsters. Bereits am 
6. Mai 1358 verlangte Herzog Rudolf von Oesterreich das alleinige 
Verfügungsrecht über die in den Stock gelegten Opfer unter 
Abweisung der von dem Stift St. Amarin erhobenen Gegenan- 
sprüche und verwandte sie zum Kirchenbau?. Am 19. Mai 1394 
nahm Herzog Leopold, wie sein Vetier Rudolf, den Stock, der 
da steht in St. Thieboltskirchen zu seinen Händen, wie dies 
von den Vorfahren geschehen ist3. Das nämliche tat Kaiser 
Friedrich den 8. August 1442, der die Opfer für den Bau ver- 
wandte4 und Herzog Sigismund im Jahre 1458, 


1 St. Arch 2 zu 1377. 
2 St. Arch. Aj. 

3 Daselbst G. G. I, 8. 
4 Daselbst G. G. I. 9. 


— 80 — 


Daß durch die päpstliche Bulle von 1453 die Streitigkeiten 
wegen der Opfer nicht beseitigt wurden, trotzdem der Papst 
am Schlusse derselben jedem, der gegen seine Konfirmation zu 
handeln sieh erlaube, mit dem Zorn der Apostelfürsten Petrus 
und Paulus gedroht hatte, geht aus dem nicht viel später am 
15. Juli 1457 zwischen dem Magistrat und dem Kapitel wegen 
der Opfer und anderer Pfarreinkünfte getroffenen Kompromiß her- 
vor, welches auf Betreiben des Pfarrers Nikolaus Wolfach, eines 
Sohnes des Thanner Ratsherrn Johann Wolfach, zustande gekom- 
men war. Wolfach, der 1443 nach dem Tode von Johann Zittel- 
bast durch den Bischof zum Pfarrer investiert wurde, am 1. Juli 
von der Kirche zu Altthann und am 2. Juli zu Thann feierlich 
Besitz genommen hatte! und durch eine Bulle des Papstes Cal- 
litus am 1. September 1457 zum Kanoniker ernannt war, hatte 
sich mehrere Male beklagt, daß wegen der Opfer und Emolu- 
mente, welche sowohl bei den Reliquien des hl. Theobald als 
auch im Opferstock von Einheimischen und Fremden gegeben 
wurden zwischen seinen Vorgángern und ihm einerseits und 
dem Magistrat andererseits Streit ausgebrochen sei, der sich 
täglich verschlimmere, weshalb er inständig bitte, ihn mit 
dem bekannt zu machen, was ihm an Reichnissen zustehe und 
soweit es an dem Kapitel liege diesen Streit zu schlichten?. Zu 
diesen Vorstellungen schrieb das Kapitel :3 Wir Johannes Müller, 
Propst und das Kapitel, welchem die Verleihung des Plebanats 
an der Thanner Kirche oder das Präsentationsrecht einer ge- 
eigneten Person zu demselben zusteht, haben alles Interesse dar- 
an, daß der Pfarrer wegen des Friedens, des Ansehens und 
des Nutzens dieser Kirche weiß, was ihm zukommt und die 
Angelezenheit für die Zukunft geregelt ist, und beschlieBen: 
Weil der Pleban Nikolaus Wolfach ein Kanonikat und eine 
Pfründe der Stiftskirche inne hat, welche mit allen Rechten, 
Pflichten, Lasten und Einkünften ausgestattet sind, so wird das 
Kapitel zu den Erträgnissen seiner kanonischen Prabende von 
seinen eigenen Einnahmen dem Pfarrer alljährlich 20 Pfund 


1 Bez. Arch., Serie G und Lade 16, und Register der wegge- 
schafften Urkunden, daß Wolfach der erste Pfarrer und Kanoniker 
zugleich gewesen sei. 

? Staats-Arch. 24 zu 1114. 

3 Daselbst 1 zu 1457. Anlage 12. 


— 8 — 


Stäbler Basler Währung zum Unterhalt seines Koadjutors, den 
er wegen der Seelsorge haben muß, solange zulegen, bis ihm 
soviel von einem andern Beneficium zukommt, als ihm gesetz- 
lich gebührt. Dafür werden aber alle Opfer, wo und bei wel- 
cher Gelegenheit sie anerfallen, sei es am Hochaltar oder einem 
anderen Altar, wo zu den Reliquien des hl. Theobaldus ge- 
opfert wird, selbst jene, welche auf Dekreten beruhen, sowie 
die Stolgebühren der Totenmessen nämlich der ersten, siebten 
und dreißigsten, der Anniversarien und Bruderschaften, der 
Trauungen und aller anderen kirchlichen Funktionen, welche 
bisher dem Pfarrer allein gehörten, für die Zukunft zu einer 
Masse vereinigt und diese zwischen den residierenden Chorherren, 
zu welchen der Pfarrer hinzugezählt wird, gleichheitlich geteilt. 
Die Opfergelder dagegen, welche an den vier höchsten Festen 
der Kirche als Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Allerheiligen 
von den Pfarrangehörigen beiderlei Geschlechts, sei es von Rechts- 
wegen oder aus altüberlieferter Gewohnheit gegeben werden, 
sollen zur Hälfte zwischen den Kanonikern, zu welchen der 
Pleban gleichfalls zählt, geteilt werden, die andere Hälfte ge- 
hört dem Pfarrer allein. Daß der Pfarrer, welcher eine eigene 
Hälfte von diesen vier Festtagen erhielt, gleichwohl noch mit 
den anderen Kanonikern ins Teil stand, trotzdem hier der Passus 
fehlt inter canonicos residentes inter quorum numerum plebanus 
pro tempore residens computatur, woraus man das Gegenteil 
schließen könnte, geht aus den Statuten von 1610 und 1642 
hervor. Erstere erwähnen im Titel de oblationibus zwar nicht 
ausdrücklich die Berechtigung des Pfarrers, sondern sagen nur, 
daß die Chorherren an den höchsten Festen zu opfern haben, 
die Verleilung dieser Opfer aber wie seit Alters stattfindet. Die 
letzteren sprechen diese Teilnahme des Pfarrers in Teil I, cap. III, 
$ 10 klar aus, wenn es heißt in anniversariis et in summis 
festis ad altare canonici offerent, oblatoruni autem distributio 
erit ut antiquitus observatum est. Sed in quatuor summis festis 
parocho dimidia parocedat, altera vero in tot partes distribuatur, 
quod aderunt canonici, inter quos iterum partem suam habebit 
parochus. Die sámtlichen Einkünfte und Opfer des Theobaldus- 
fests, welche am Hochaltar anerfallen, gebühren dem Pfarrer 
allein, da er dafür die fremden Geistlichen, welche ihm bei 
diesem Feste assistieren, oder welche zu seinem Besuche kom- 
men, gastlich zu bewirten hat. Damit der Pfarrer besser in 
SCHOLLY. 6 


— 2 _ 


der Seelsorge tätig sein kann!, verpflichten sich Propst, Kantor, 
Kustos und das ganze Kapitel den Hochaltar zu bedienen. Gleich- 
zeitig wurde die Stellung des Pfarrers genau in folgendem Satze 
präzisiert: plebanus vero in omnibus et singulis negotiis in qui- 
bus ad eurn parochianos cujuscunque status vel dignitatis fue- 
rint contingit habere recursum qua divinum cultum decorem et 
statum ecclesiae concernunt absque concilio et consensu prae- 
positi et capituli nihil attentabit. Auf Grund dieser Bestimmung 
wurde, wie wir unten sehen werden, das bischöfliche Edikt 
über das Vorrecht des Pfarrers bei Prozessionen durch den 
höchsten Gerichtshof zu Colmar aufgehoben. 

Auch das Kompromiß von 1457 ist nicht lange in Geltung 
geblieben, da es durch einen neuen Vergleich von 1461 aufge- 
hoben wurde. Die Chorherren erkannten durch diese oberwähnte 
Abmachung das Recht der Obrigkeit auf Erhebung der Opfer- 
gelder zur Verwendung beim Münsterbau ausdrücklich an, nur 
diejenigen Opfer, welche während der Messe auf die Altäre 
gelegt wurden und von einer einzigen Person nicht über einen 
Plappert betrugen, sollten der Geistlichkeit gehören, wogegen 
ihr die Obrigkeit von den übrigen Opfereinnahmen jährlich die 
72 Pfund Stabler ablieB 2. 

Als mit der Reformation die Wallfahrten nach Thana auf- 
hörten, wurde das Erträgnis der Opfer ein recht geringes. In 
einer Rechnung der Verwalter des Münsters von 1558 findet 
sich eine Aufzeichnung 3, daß die drei Opferstócke der Kirche 4, 
welche seit dem 18. Dezember 1585 nicht mehr geleert worden 
waren, am 29. Dezember 1588 geöffnet wurden, wobei sich 
im großen Stock am Theobaldusaltar 109 Pfund 13 sols, im 
Stock beim Heiligtum 7 Pfund 19 sols, und im Stock beim 


I St. Arch. 1 zu 1457. 

2 St. Arch. G. I. 10. 

3 Daselbst G. 7 

4 Kraus, Kunst und Altertum S. 654 schreibt «in der Halle des 
älteren Turmes steht ein alter Geldstock, ein noch älterer und sehr 
stark mit Eisenbändern und Nägeln beschlagener Stock mit dem ur- 
sprünglichen Schloß (14. Jahrhundert?) am Eingang der Kirche. 
Rechts vom Eingang zu der Turmhalle ein Tabernakel in der Nähe 
ein prächtiger Opferstock mit schönem Eisenbeschlag». Der von 
Kraus erwähnte Stock am Eingang der Kirche ist nicht mehr vor- 
handen und können sich auch die ältesten Leute men erinnern, 
daß dort ein solcher gestanden hat. 


— 83 — 


Fronaltar 1 Pfund 6 sols vorfanden. Es geht hieraus hervor, 
daß die Bürgerschaft tatsächlich weniger an Opfern erhielt, als 
sie dem Kapitel zu zahlen hatte, und fehlte es daher nicht an 
Schritten des Magistrats diese lästige Verpflichtung los zu 
werden und eine andere gerechtere Verteilung zu erreichen. 
Bereits 1538 beschwerte sich die Behörde bei der Regierung 
zu Ensisheim, daß die Opfer nicht so viel einbrächten, als sie 
dem Kapitel zahlen müsse, und dennoch verlange dasselbe 
jährlich seine 72 Pfund!. Die Vorstellung des Magistrats, welche 
anscheinend vor der Transaktion vom 7. April 1538 gemacht 
war und durch diese eine anderweitige Regelung erreichen 
wollte, wurde von der Regierung nicht angenommen. Wann 
die Verteilung nach zwei Hälften erfolgt ist, läßt sich nicht 
genau bestimmen. In dem Visitationsprotokolle von 1742 wird 
die Ansicht ausgesprochen, daß dieselbe 1538 geschehen sei, 
wahrscheinlich unter falscher Auslegung der Beschwerde des 
Magistrats vom gleichen Jahr, der nicht Folge gegeben wurde, 
(cum autem successu temporis compertum fuerit tanlam summam 
nämlich die 72 Pfund Stäbler ex trunco haberi non posse per 
aliam transactionem de anno 1538 fuerit constitutum oblata ex 
trunco St. Theobaldi pro medietate ad capitulum spectat, reliqua 
medietate ad fabricam pertinente, quod fuit huc usque observatum). 
Die Meinung des Kapitels, welches seine eigene Geschichte 
schlecht kannte, ist unbegründet, wie sich aus nachstehenden 
Ausführungen ergibt. Aus den Rechnungen der Verwalter des 
Münsters geht hervor, daß 1573, 1586 und noch 1629 dem 
' Kapitel die 72 Pfund Stábler bezahlt wurden, es kann also vor 
letzterem Jahre der frühere Zustand unmöglich geändert worden 
sein. 1631 wurden die drei Stöcke geleert und der Inhalt mit 
616 Pfund für den Bau verwendet. Der erste urkundliche Nach- 
weis, daß die Opfer des großen Stocks zwischen Kapitel und 
Magistrat zur Hälfte geteilt wurden, findet sich in einer Rech- 
nung des Münsterbaumeisters von 1689 und betrugen die ge- 
samten Opfer nur 56 Pfund?. In einem Inventar vom 15. Sep- 
tember 1682 beschwert sich das Kapitel darüber, daß die Opfer- 
gaben spärlich fließen, weil der Magistrat die Bürger angestiftet 
habe, überhaupt nicht mehr zum Opfer zu gehen. Der Rat 


1 St. Arch. G. 8. 8. 
2 St. Arch. Thann. 


= 7^, EP 


seinerseits machte geltend, daß das Ertrignis des Stocks nur 
60 hóchstens 70 Pfund ergab, und er daher genótigt sei, aus 
stádtischen Mitteln die 72 Pfund zu ergánzen!. Nach einer Notiz 
wáre am 15. Oktober 1683 ein Arrét ergangen qui ordonne 
que les offerantes du tronc de St. Thiebaut soient partagées 
par moitié entre le chapitre de Thann et la fabrique und 
dürfte nach Vorstehendem dieses Datum wohl richtig sein 2. 

Der Pfarrer wird stets vom Kapitel gewählt3 und ist 
durch seine Investitur von Rechtswegen ein Mitglied des Kol- 
legiums. Er hat aktives dagegen kein passives Wahlrecht4, so- 
lange er Pfarrer ist. Seine Wahl zu einer Dignitét und die 
Postulation hierzu ist nichtig, wenn nicht der Bischof als 
Ordinarius Dispens erteilt5. Resigniert er oder wird er ab- 
gesetzt, so verliert er sein Kanonikat, nebst den damit ver- 
bundenen Bezügen. | 

Da dem Kapitel das Wahlrecht -zusteht¢, muß es eine 
solche Person zum Pfarrer aussuchen und präsentieren, welche 
der Kirche zur Ehre und zum Nutzen gereicht. Die Wahl 
selbst erfolgt mit einfacher Majorität ; der Bischof, welchem 
der Gewählte zur Ernennung vorzuschlagen ist 7, hat dieselbe 
zu vollziehen, falls nichts nachteiliges gegen den Kandidaten 
vorliegt. In den Statuten von 1610 heißt es: parochus assu- 
mendus ante omnia ordinario pro admissione impetranda prae- 
sentetur, deinde si probatus in canonicum accipiatur et capitulo 
sonsuetum praestet juramentum. Die Statuten von 1642 drücken 
sich so aus: jus patronatus cum ad capitulum spectare dignos- 
catur studendum est talem providere qui huic ecclesiae honori 
et utilitati esse possit; ab ordinario admissus capitulo jura- 


| Bez. Arch. Lade 6. 

2 Daselbst Register der weggeschafften Urkunden. 

3 Anlage 13. 

4 Am 5. Marz 1757 wurde durch ein Dekret des Bischofs und 
auf erfolgte Berufung des Kapitels durch den Metropoliten zu Be- 
sancon dem Pfarrer das passive Wahlrecht verliehen. 

5 St. Arch. 202 zu 1703. Statuten von 1642. 

6 Das Wahlrecht scheint nicht zu allen Zeiten unbestritten gc- 
wesen zu sein, da eine apostolische Konfirmation zu einer nicht 
bekannten Zeit erging, daß die Provision des Pfarrers zur Kom- 
petenz des Kapitels und nicht des Propstes gehóre (quod provisio 
plebanorum spectat ad capitalum et non ad praepositum) St. Arch. 
1 zu 1442. 

7 Anlage 14. 


NE ras 
mentum praestabit, ex tunc capitularis numerabitur, quamdiu 
parochus erit. Laut dem oberwähnten Revers vom 19. Februar 
4377 soll nur derjenige fromme Biedermann Priester zu Thann 
werden können, für den der Herzog oder sein Landvogt Für- 
bitte einlegt. 

In späterer Zeit wohl nach der päpstlichen Bulle von 1453, 
durch die der Pleban ein Mitglied des Kapitels wurde, ver- 
zichtete der Landesherr auf diese Fürsprache, weil der Pfarrer 
von da ab eine viel geringere Selbständigkeit hatte als früher. 
Das Kapitel zeigte dem Oberamtmann, dem Bürgermeister und 
den Ratsherren lediglich noch an, daß es gesonnen sei, den 
Priester X. zum Pfarrer zu ernennen und hoffe, daß diese 
keine Bedenken gegen seine Person haben werden, daher 
ihnen gefallen lasse ihn anzunehmen und deın Bischof zu prä- 
sentieren!. Es kam auch vor, daß der Kandidat vom Kapitel 
und dem Abgeordneten des Magistrats als Vertreter der vorder- 
österreichischen Regierung gemeinschaftlich präsentiert wurde, 
oder daß das Kapitel denselben dem Obervogt, Amtmann und 
Statthalter vorschlug und wie gebräuchlich der Regierung prä- 
sentierte. Vor seinem Amtsantritt hat der Pfarrer dem Kapitel 
den gewöhnlichen Eid der Kanoniker nach den Statuten von 
1642 zu leisten; vorher war für ihn ein eigener Eid vor- 
gesehen, des Inhalts?, daß er dem Propst und Kapitel getreu 
sein und jeden Schaden von demselben abwenden wolle, in der 
Pfarrkirche, zu der er durch Präsentation des Kapitels inve- 
stiert sei durch Predigt, Beichthören und Spendung der Sakra- 
mente, wie dies üblich, seine Dienste verrichten auch mit den 
Einkünften, die der Pfarrer seither gehabt, zufrieden sein, 
persönlich residieren und einen Verzicht nur in die Hände des 
Kapitels. abgeben werde. | 

‘Da dem Pfarrer ausschließlich die Seelsorge in der Ge- 
meinde obliegt, darf er in dieser durch die Kapitelssitzungen 
nicht behindert werden ; der Propst hat dieselben daher auf 
eine solche Stunde zu legen, daß eine Kollision ausgeschlossen 
ist. Der Pfarrer hat eine doppelte Stellung, aus der die fort- 
währenden Streitigkeiten sich ergaben, nämlich als Chorherr 


1 St. Arch. G. G. II. 9. Präsentation des Dr. Martin Krell, vom 
2. Juni 1665. — 
2 Bez. Arch. Straßburg. Bez. Arch. Serie G. Eid von 1436. 


— 86 — 


und als Seelsorger. In ersterer Eigenschaft untersteht er der 
Aufsicht des Propstes und in letzterer der Jurisdiktion des Bi- 
schofs, welche durch das tribunale ecclesiasticum | ausgeübt 
wird!. Der Propst soll ihn des ófteren erinnern, dab er durch 
Predigten und Erbauungsandachten einen heilsamen Einfluß 
auf seine Pfarrkinder ausübt und nicht durch schlechtes Bei- 
spiel und Aufführung die ihm anvertraute Herde in den Ab- 
grund stürzt. An Sonn- und Feiertagen hat er «nach seinen 
und seiner Zuhörer Fähigkeiten», d. h. durch eine kurze, leicht 
verständliche Predigt auf die Parochianen einzuwirken und 
deren Fehler zu rügen?. Er muß sorgfältig wachen, daß die 
Hostien stets gut verwahrt und alle 14 Tage erneuert werden. 
Es obliest ihm die Abhaltung der Christenlehre, die Vornahme 
der Tauten, Hochzeiten und Beerdigungen. Da er die Seelsorge 
nicht allein bewältigen kann, ist ihin ein Helfer (coadjutor) 
beigegeben, und haben ihn die Sacellanen, falls nótig, zu 
unterstützen 3. 

Eine Hauptrolle spielte der Pfarrer bei den großen Wall- 
fahrten zu den Reliquien des hl. Theobaldus. Diese Wallfahr- 
ten, welche einst in Deutschland zu den bedeutendsten zählten, 
und vielleicht mit denjenigen von Maria Einsiedeln heutigen 
Tages den Vergleich aushalten konnten, nahmen mit der Ent- 
deckung Amerikas und des neuen Seewegs nach Indien zu 
Ende des 15. Jahrhunderts und der dadurch bedingten Ver- 
anderung der ganzen Handels- und Verkehrsrichtung natur- 


1 Dieses wurde 1529 von Basel nach Altkirch verlegt. Basilea 
sacra S. 368. 

? Zur Zeit der Reformation verlangte der Magistrat vom Bischof 
die Errichtung einer eigenen Prüdikatur aber ohne Erfolg. St. Arch. 
5 zu 1377. Daß das Predigen in Thann mit Gefahren verbunden war, 
mußte der Pfarrer Langhaus von Kestenholz damals erfahren, der 
wegen einer angeblich "ketzerischen Predigt vom Magistrat ins Ge- 
fangnis geworfen und 8 Wochen zu Ensisheim inhaftiert wurde, 
bis auf Betreiben seines Bischofs, der ihm das beste Zeugnis aus- 
stellte. seine Freilassung erfolgte. 

3 Bestellte Messen durfte der Pfarrer oder sein Helfer ohne 
Genehmigung des Kapitels als des rechten Kirchherrn nicht an- 
nehmen und halten. Der Helfer, welcher von einem Pilger hierfür 
| Gulden bekommen hatte, wurde durch den Bischof am 4. Mai 
1518 verurteilt denselben wieder herauszugeben, nur 3 Plappert 
sollte er behalten dürfen und war dies wohl der Satz für die Messe 
zu jener Zeit. 


— 87 os 


gemäß ab und erlitten durch die Reformation den Todesstoß. 
Es sah sich daher das Kapitel und der Magistrat von Thann 
genötigt auf gemeinsame Kosten ein kleines Büchlein heraus- 
zugeben, um die Pilger wieder dem Vogesenstädtchen zuzuführen. 
Der langatmige Titel des Werkes lautet: St. Theobaldus, das 
ist summarischer Bericht des Lebens der Translation des Hoch- 
heiligtums und etlicher Wunderwerken des hl. Himmelsfürsten 
Ubaldi sonsten gemeiniglich Theobaldi genannt der löblichen 
Stadt und Herrschaft Thann in dem obern Elsaß hochehren- 
den Patrons, dessen Fest seines in Gott Scheidens den 16. 
Mai, der Translation aber den 1. Juli hochfeierlich gehalten 
wird. Mit angehenkter Translation der hl, Häupter S. Candidae, 
S. Mariae, S. Aemilianae und mehrerer anderer hl. Reliquien. 
Verfertigt durch einen des hl. Theobaldus Liebhaber. Gedruckt 
im Verlag der Stadt Thann 1628. 

Dieses Büchlein gesteht offen ein, daß die Wallfahrten für 
die Stadt ohne jede Bedeutung sind, und schiebt die Schuld 
der verminderten Frömmigkeit und dem geringen Glaubens- 
eifer zu; es spricht aber gleichzeitig die Hoffnung aus, daß 
alles wieder besser werden könne mit den Worten «doch lebt 
noch der alte Gott und der hl. Theobaldus ist immer noch 
unser Patron». Im Jahre 1777 versuchte ein anderer unge- 
nannter Autor, wahrscheinlich ein Thanner Franziskaner, mit 
seinen Wundern des hl. Theobaldus, den nämlichen Zweck, 
wie der summarische Bericht, dem er größtenteils entnommen 
ist, zu erreichen, aber ebenso vergebens wie dieser; der ehe- 
dem so berühmte Wallfahrtsort Thann hatte seinen alten Glanz 
völlig eingebüßt. Noch kurz vor der Revolution kamen aus 
dem benachbarten Lothringen über die Steige von Bussang zu 
den beiden Theobaldusfesten zahlreiche Pilser, die späler 
ausblieben. 

Ueber einen alten Brauch anläßlich der Wallfahrten 
schreibt Johann Ulrich Surgant, Pfarrer und Archivar zu St. 
Theoder, sowie Lehrer an der Universität Basel, im Manuale 
sacerdotum, nach seinem 1503 erfolgten Tode zu Basel 1506 
gedruckt, Dieser Bericht verdient um so mehr Glauben, als 
der Verfasser ein Bruder des gelehrten Thanner Stadtschrei- 
bers Dr. Gabriel Surgant des Aelteren war und daher seine 
Erfahrungen entweder an Ort und Stelle gesanımelt oder doch 
aus absolut sicherer Quelle erhalten hat. Surgant schreibt : In 


— 88 — 


der Stadt Thann drangen sich groBe Scharen von Pilgern zum 
Heiligtum St. Theobald, um die Reliquie des Heiligen zu 
sehen und sich dieselbe auf den Kopf legen zu lassen oder 
wenigstens die Monstranz oder das Reliquienkästchen, worin 
dieselbe verwahrt ist!. 

Der Pfarrer halt die Reliquie auf dem Hauptaltar, und 
wendet sich dann gegen das Volk und spricht: Andechtige 
Kinder Christi, oder auch so, ir andechtigen Bruder und 
Schwestern; dis ist das wirdig loblich heiligtum des hoch- 
wirdigen Himmelsfürsten und nothelfers sant Thiebolt der 
umb got den almechtigen verdinett hat, das alle die menschen, 
die ihn anruffent in iren nóten es sey in wasser oder fewer 
zu husz oder zu feld, die wil got der almechtig erhóren umb 
seines verdienens willen. Hierumb so gehnd her zu mit an- 
dacht und lassent euch mit dem heiligtumb bestreichen umb 
daß der lib heilig ewer gutter fursprech oder furmünder gegen 
got sey euch frid und gnad zu erlangen und alles daß darumb 
ir dy wallfahrt oder bilgerschafft furgenummen haben von got 
zu erwerben und also gesund und frólich wieder zu ewren 
heymet keren mógent Amen. 

Hierauf nähert sich der Pfarrer den Wallfahrern und 
legt auf den Kopf jedes einzelnen die Reliquie oder die Mon- 
stranz, welche sie einschließt. Nach Beendigung der Zeremonie 
trägt er sodann begleitet von zwei Kerzentragern in MeBgewand 
und Chorrock die Reliquie in die Sakristei zurück und wacht 
darüber, daß fortwährend Kerzen um dieselbe brennen. 

Die Pfarrstelle zu Thann war ziemlich begehrt, trotzdem 
die Einkünfte wie die der übrigen Chorherren verhältnismäßig 
gering waren. Nach dem Tod des Pfarrers Thrumbeer legte Bischof 
Wilhelm durch Schreiben vom 12. April 1611 dem Kapitel 
nahe einen Vetter des Stadtschreibers von Rheinfelden, welchen 
dieser ihm warm empfohlen hatte, zu wählen und fast gleich- 
zeilig schlug der Stadtpfarrer Pistor von Freiburg dem Kapitel 
seinen Koadjutor Zander vor. Einem alten Brauche zufolge 


! Der Bischof Heinrich von Cambrai, Notar des apostolischen 
Stuhles, erklärt in seinem Ablaßbrief, daß ihn am Sonntag, den 2. 
September 1499. die Chorherren von Thann die Reliquie sehen 
ließen, welche in einem kostbareu Ciborium oder silbern über- 
goldeten Gefäl verwahrt sei. 


— $89 — 


mußten die Bewerber um die Pfarrei drei Probepredigten! vor 
dem Kapitel und dem Magistrat halten. Nach Ansicht des letz- 
teren war von den vier Kandidaten um die erledigte Pfarrei 
Zander der beste Prediger; das Kapitel ùbertrug ihm die Stelle 
und setzte den Bischof am 30. Juni 1611 von der Posseßer- 
greifung in Kenntnis, indem es bemerkte, daß Zander außer 
seiner Eigenschaft als Prediger de vita, moribus honestate doc- 
trina et erudictione venerabilis et veraciter instructus gefunden 
worden sei, auch das Hochstift ihm die besten Zeugnisse aus- 
gestellt habe, weshalb es befugt sei ihn zu ernennen, weil es 
ihn für geeignet und würdig halte in der Basler Diözese als 
Priester zu amtieren (quatenus ipsum nostro judicio idoneum 
et dignum in hac etiam Basiliensi dioecesi ad pastoralem curam 
admittere). Der Bischof forderte das Kapitel auf seinen Kandi- 
daten Higelin zu wählen, wogegen sich dieses unter Berufung 
auf sein gutes Recht energisch wehrte und hierbei vom Ober- 
vogt als Vertreter der österreichischen Regierung, dem Amtmann 
und Magistrat unterstützt wurde. Der Magistrat verwandte sich 
beim Bischof für Zander in einem Schreiben, dessen Inhalt 
und Ton keineswegs herausfordernd war. Der Bischof nahm es 
aber sehr ungnädig auf und schickte es der Regierung zu Ensis- 
heim mit der Beschwerde, daß Amtmann und Rat zu Thann 
ohne befugte Ursach ihm ein solch scharf hitzig bedrohlich 
Schreiben unterm 24. Juli 1614 zugefertigt habe, indem sie 
sich neben der Kollegiat zu Thann eines Priesters mit Namen 
Johann Zander angenommen denselben zu einem Pfarrer allda 
hestellt und einige Zeit ohne Wissen des Bischofs die Sakra- 
mente administrieren lassen, da dieser aber in examine dahier 
übel bestanden und als untauglich erkannt worden, sei darauf 
erfolgt, daß sie erklärt der Fürstbischof hätte ihnen keinen, den 
sie einmal angenommen für sich approbiert und genugsam be- 
funden ferner zu reprobieren oder abzuweisen und weil denn 
bei bischötlicher Regierung von keinem Fremden auch von 
keinem Unkatholischen ein dergleichen Schreiben eingelaufen, 
da sich Höhere ja Fürsten und Potentaten hierher auf solche 
Art zu schreiben scheuen würden und man es deswegen bei 


— 


1 Solche Probepredigten waren auch sonst gebräuchlich z. B. 
X "ipis Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Neue Folge 
508. 


— 00 — 


der Canzley aufzuhalten für unwürdig machte, so kommuniziere 
man denn ihrer Regierung dieses Schreiben, um damit solche 
Frevel und Fehler ernstlich verwiesen werden móchten!. 

Da der Bischof die Investitur nicht erteilte, mußte Zander 
seine Stelle aufgeben, das Kapitel nahm seinerseits den Schützling 
des Bischofs nicht auf, sondern wáhlte einen gewissen Lauther 
als Pfarrer, dem dann die Zulassung erteilt wurde, Man findet 
auch sonst, daß das Kapitel kein gefügiges Werkzeug in der 
Hand des Bischofs bei den Pfarrwahlen war, denn als 1764 
dieser dem Kolleg den Vikar Massias aus Colmar, der sich gut 
zum Pfarrer eignen würde, vorschlug, wählte dasselbe im 
Gegensatz dazu den. Pfarrer Hug. 

Außer seiner kanonischen Präbende standen dem Pfarrer 
10 Schatz Reben am Stauffen, das beste Stück im ganzen Bann, 
und 4 Schatz im Silberacker frei von jedem Zehnten in Nutz- 
nießung zu. Die Unterhaltung dieser Weinberge vollzog sich 
mit den nämlichen Schwierigkeiten, wie bei den Dignitäten, 
und schrieb deshalb 1629 der Pfarrer Brombach an den Bi- 
schof, daß seine ‘Vorgänger im Amt die Reben völlig vernach- 
lässigt hätten, und er daher nicht in der Lage wäre, dieselben 
auf eigene Kosten richtig herzustellen. Bei Ausbruch der Re- 
volution hatte der Pfarrer ferner im Genuß A!js Tagwerk 
Wiese, eine der einträglichsten in der Gemarkung Thann er- 
worben durch den Pfarrer Nikolaus Goetzmann, und 11!j3 Tag- 
werk Acker hinter dem Schächer an der Straße von Mülhau- 
sen, dazu eine Rente von einigen Sack Getreide in Schweig- 
hausen, eine Weinrente in Thann und Altthann, eine Rente 
in Wachs und Oel und den Zehnt eines Hanffeldes in Thann. 
Die Kasualien waren mäßig, da der Pfarrer für Taufen und 
Begrabnisse nach allem Herkommen nichts erhielt. Eine Aen- 
derung dieser Lage trat erst mit dem Reglement des Bischofs 
vom 28. Oktober 1760 ein, welches die Erhebung von Kasua- 
lien allgemein einführte, da einer solchen gesetzlich nichts im 
Wege stünde. In dem Einkommen der Pfarrei waren die Er- 
trägnisse der Oswaldkaplanei inbegriffen, welche ersterer 
uniert wurde, Daneben besaß der Pfarrer sein eigenes Haus, 
welches vom Kapitel 1751 auf erhobene Klage des Pfarrers 


1 St. Arch. 1611 ff. 


— 9 — 


Goetzmann neu, aber so schlecht hergerichtet war!, daß kurz 
vor der Aufhebung des Stifts in der Revolution der damalige 
Pfarrherr dem Bischof berichten konnte, der Regen dringe in 
die Wohnung ein und die Akten auf dem Speicher gingen, 
wegen des Schnees, der sich hereinsetze, zugrunde. 

Von seinen Bezügen mußte sich der Pfarrer auf seine 
Kosten einen Koadjutor oder Helfer? zur Ausübung der Seel- 
sorge für Thann und Altthann halten, dem er ursprünglich 20 
und spiter 30 Pfund zahlte. Mit der Zunahme der Bevólker- 
ung in Thann versuchten die Pfarrer zu wiederholten Malen 
vom Kapitel noch. weitere Helfer zu bekommen, welches Be- 
gehren von diesem stets abgelehnt wurde. Man wird wohl 
dem Kapitel nicht so ganz Unrecht geben können, wenn es 
sich weigerte, auf eine solche. Forderung einzugehen, da für 
die damalige geringe Bevölkerung ein Pfarrer mit eineın Hel- 
fer und den zwei Sacellanen hinreichend war, um so mehr 
als die Franziskaner und Kapuziner in der Spendung der 
Sakramente mithalfen. Wenn z. B. 1629 der Pfarrer Brom- 
bach schreibt, daß er bei einer Seelenzahl von 3200 Ein- 
wohnern dieser großen Anzahl halber vier Korporatoren hoch 
benötige, wie dies sogar in geringeren Städten, die nicht so 
viel Kommunikanten haben, gebräuchlich sei, dann wird man. 
von der Tätigkeit der Priester zu jener Zeit keinen allzu guten 
Begriff sich machen dürfen, wenn man sieht, daß heute der 
Stadipfarrer von Thann mit drei Kaplänen über 7000 Katholiken 
zu pastorieren hat. 

Die Abhaltung des Gottesdienstes und die Seelsorge zu 
Altthann führten zu häufigen Streitigkeiten zwischen Kapitel 
und Pfarrer®. Nach den Bauernkriegen konnte der Pleban 


1 Bez. Arch, Lade 5. 

2 Der Helfer war niemals weder: in Thann noch in Altthann 
beneficiert. Staats Arch. 24 zu 1714. 

3 Schon zur Zeit der Gründung der Katharinenkaplanei zu 
Altthann im Dezember 1412 durch die Rebleutezunft und die Ge- 
meinde daselbst scheint die Seelsorge nicht einwandfrei gewesen 
zu sein, da es heißt: et quamvis vicarius perpetuus teneatur tam 
in oppido quam in villa Thann administrare sacramenta et curam 
poterit tamen sacellanus in dicta villa in absentia ejus et in neces- 
sitate ea administrare ne tamen dictus vicarius sit exoneratus 
Bez. Arch. Lade 4. 


— 9 — 


keinen Priester finden, der nach Wunsch der Vereinbarung 
von 1461 die Pastoration daselbst übernommen hätte; er er- 
suchte daher das Kapitel ihm einen der beiden Sacellanen vor- 
übergehend zur Verfügung zu stellen, bis er einen andern 
Priester finden würde. Das Kapitel gab der Bitte in Anbetracht 
der Notlage, aber nur für bestimmte Zeit und unter der aus- 
drücklichen Bedingung nach, daß die Konvention von 1461 
durch diese Abmachung nicht aufgehoben werde. Als im 
Laute des dreißigjährigen Krieges der Priestermangel so groß 
wurde, daß selbst das Kapitel seine Mitglieder von auswärts 
kommen, lassen mußte, verlangte der Pfarrer, da er keinen 
Helfer erhalten konnte, daß ihm das Kapitel von Rechtswegen 
einen Koadjutor stellen sollte. Zur Vermeidung von Prozessen be- 
stimmten die Statuten von 1642, daß der Pfarrer zur Ausübung 
der Seelsorge in Altthann sich einen Helfer halten müsse. 
Der Pfarrer verweigerte die Bedienung der Gemeinde und so 
kam es bereits 1680 zum Prozeß zwischen dem Pfarrer Textor 
und dem Kapitel, der aber wegen des 1714 erfolgten Todes 
des ersteren nicht zur Entscheidung kam. 1718 wurde der 
Prozeß mit dein neuen Pfarrer Goetzmann wieder aufzenom- 
men und bestellte das Kapitel bis zur Erledigung der Sache, 
einen Stellvertreter des Pfarrers für Altthann auf Kosten der 
Partei, die den Prozeß verlieren würde. 1723 schlug das Ka- 
pitel dem Bischof vor eine Kaplanei für die Seelsorge zu Alt- 
thann zu unieren, doch verweigerte der Weihbischof Haus 
hierzu die nötige Genehmigung. Am 16. Juni 1724 traf das 
Kapitel mit den Franziskanern eine Abmachung, wonach diese 
alle Sonn- und Feiertage die Messe in Altihann lesen, alle 14 
Tage predigen und einmal Kinderlehre halten sollten; wenn 
die Gemeinde etwas weiteres verlange, möge sie das Kloster 
hierfür entschädigen. Das Kapitel zahlte dem Konvent jährlich 
25 Taler!. Auch mit dem Pfarrer Goetzmann kam der Prozeß 
nicht zur Entscheidung, da diesmal der bischöfiche Offizial 
vorher starb. 1742 entzog des Kapitel den Franziskanern die 
Seelsorge, angeblich weil es auf Befehl des Bischofs einen zu 
Altthann residierenden Priester einsetzen müßte?2, in Wirklich- 


1 Thanner Chr. III, S. 87. 

2 Daselbst S. 215. Am 23. Mai erschien Jakob Hartmann Ka- 
pitelsschaffner und bedaukte sich im Namen des Kapitels wegen 
tleißiger und emsiger Administration der Pfarrei zu Altthann sagend 


== QS. cae 


keit aber weil es billigere aber schlechtere Kräfte gefunden 
hatte!, Daß das Vorbringen des Kapitels nicht den tatsächlichen 
Umständen entsprach geht am besten daraus hervor, daß der 
Bürgermeister und ein Geschworener von Altthann, welche 
sich am 26. Februar 1742 bei dem Offizial Dortor zu Arles- 
heim, der im Auftrag des Bischofs zur Visitation des Thanner 
Kapitels gekommen war, mit der Bitte um einen -eigenen 
Pfarrherrn vorgestellt hatten, von diesem abgewiesen wurden 2. 

Als nun die Bewohner von Altthann sich beschwerten, daß 
ihre Seelsorge nicht mehr so gut wie früher versehen werde, 
verurteilte der Offizial von Basel am 7. Januar 1756 den Pfarrer 
Goetzmann, einen Vetter des früheren, auf seine Kosten sich 
einen Kaplan zu halten, der nicht benefiziert sei, um Altthann 
zu versehen ; gleichzeitig wurde dem Pfarrer verboten die Kap- 
läne des Stifts außer im Fall der Not zur Seelsorge zu verwen- 
den. Bereits am 5, März 1757 erging ein neues bischöfliches 
Edikt, welches im Gegensatze zur Entscheidung des Offizials 
dem Pfarrer für die Besorgunz von Altthann eine ansehnliche 
Vergütung auf Kosten des Kapitels zusprach, und wurde dieses 
Edikt auf erhobene Berufung durch Sentenz des Metropoliten 
bestätigt. Hiermit hörten die Streitigkeiten zwischen dem Pfarrer 
und dem Kapitel nicht auf, sondern zogen sich bis zur Revolution 
hin. Erst 1803 erhielt die Gemeinde bei Neuregelung des Kul- 
tus wieder ihren eigenen Pfarrer in der Person des Priesters 
Anton Goepfert, nachdem sie fast 550 Jahre ohne einen solchen 
gewesen war. 

Im Kapitel treffen wir noch zwei wichtige Faktoren, nàm- 


es sei Befehl des Bischofs, daB ein eigener zu Altthann residieren- 
der Priester bestellt werde und ist uns aufgekündigt worden. Wir 
haben die Pfarrei seit 1724 ohne jede Klage sondern mit aller Sa- 
üsfaktion versehen. 

! Tagebuch der Guardianen zu 1742. Jedoch ist gemelte Pfarrei 
nicht uns aus Fehler oder Nachlässigkeit genommen worden. son- 
dern die Anzahl der weltlichen Priester war groß, mithin die Re- 
ligiosen überall den Kürzeren haben ziehen müssen. 

* Thanner Chr. III, S. 213. 

3 Tagebuch der Guardianen zu 1750. Die Franziskaner werden 
vermöge formlicher Signifikation von einem Stadthuissier nach 
Bruntrut zitiert wegen liederlicher Versehung der Pfarrei Altenthann, 
mit noch anderen. die es angeht, Red und Antwort zu geben, weil 
die Gemeinde allda aus noch anderen Ursachen einen eigenen im 
Dorfe wohnenden Pfarrherrn prätendiert und verlangt. 


zc OK du 


lich den Sekretàr oder Aktuar und den Punktator. Er- 
sterer hatte alle Protokolle der Sitzungen genau abzufassen und 
in der náchsten Versammlung dem Kapitel zur Genehmigung 
vorzulesen. Die Unterschrift wurde vom Propst oder seinem 
Stellvertreter gemeinschaftlich mit dem Sekretär vollzogen. 
Neben dem Protokollbuch mußte er ein Register führen, in 
welchem die Wahlen der Chorherren, Tag und Datum der In- 
vestitur und der kanonischen Besitzeinweisung, sowie Verzichte 
und Todestage der Chorherren aufgezeichnet werden. Der Sekre- 
tir verfaßt alle Eingaben und Schriftstücke, welche vom Kapitel 
an Behörden und Privatpersonen gerichtet und verschickt werden, 
and versieht sie mit dem Kapitelssiegel. Dieses Siegel trug vor 
der Verlegung des Stifts nach Thann das Bild des hl. Amari- 
nus, der mit Abtsstab und Siegespalme verklärt dastehend dar- 
auf eingegraben war!, nach der Translation trat zu diesem Bilde 
noch das des Bischofs Theobald mit einem zu seinen Füben 
knieenden Pilger?. Die Umschrift nach 1442 lautete capitulum 
ecclesiae St. Theobaldi in Thannis oder auch sigillum capli eccle- 
siae sancti Theobaldi in Thannis, später einfach sigillum collegii 
St. Theobaldi in Thann. Schon in einem Schriftstück von 
45223 fehlt der Pilger und das letzte Siegel des Kapitels ent- 
hält nur noch das Bild des Bischofs Theobald sitzend und von 
Engeln umgeben ohne Umschrift. 

Der Aktuar bezieht 1/4 Weizen und 1/4 Korn nebst bestimm- 
ien Taxen für Abschriften aus dem Protokollbuch; daneben hat er 
1/2 Tagwerk Ackerland im Genuß. Das Amt des Punktators soll 
1442 eingeführt worden sein4 und wird die Einrichtung aus der 
Bestimmung des Edikts des Kaisers Friedrich abgeleitet, wo- 
nach dem Cnorherrn, der über zwei Monate von Thann weg 
ist, von seiner Präbende soviel abgezogen werden soll als sich 
gebührt. Die Statuten von 1642 drücken diese Bestimmung so 
aus: Vom Bestande der Prábende wird jedes Jahr ein bestimmter 
Teil abgezogen und für die einzelnen Stunden gibt es gewisse 
Distributionen, welche nur die erhalten, die ihren Dienst richtig 
versehen und anwesend sind. Die Distributionen aber, welche 


| Bez. Arch., Lade 22. 

2 Sehr schón ist das Siegel erhalten St, Arch. Thann, G. G. I. 10. 
3 Daselbst G. G. 2. 3. 

4 St. Arch. 75 zu 1114. 


us. cee 


jemand durch Abwesenheit versäumt, wachsen den Anwesenden 
zu. Hiernach teilt sich der kanonische Dienst in kleine Stun- 
den, und zwar zählt die große Messe und die Vesper je drei 
Stunden, die laudes, die Prime, Terz, Sexte und None je eine 
Stunde, die Nocturnen der Matutinen drei Stunden und der Nach- 
mittagsgottesdienst eine Stunde, der ganze Tag also in 15 Stun- 
den nach einem Satze von 15 sols und läßt sich daraus die 
Zahl der verdienten und verlorenen Stunden und die Präsenz 
genau bestimmen. Der Punktator hat darauf zu achten, daß 
ale Kanoniker ihre Pflicht erfüllen und den Gottesdienst be- 
suchen, er muß jeden, der fehlt oder zu spät kommt, ohne 
Hinterlist in sein Buch mit der Anzahl der versäumten Stunden 
eintragen. In den ordentlichen Sitzungen berichtet er über 
seine Tätigkeit und zieht die Geldstrafen von denjenigen ein, 
welche wegen öfterer Versäumnis des Gottesdienstes hierzu ver- 
urteilt sind. 

Nach dem Entwurf der Statuten von 1745, die niemals ein- 
geführt wurden, sollte der Punktator einen Eid dahin ablegen, 
daß er nicht allein jede Nachlässigkeit der Kanoniker und Kap- 
laine, sondern auch der Dignitäten getreulich notieren werde !. 

Für seine nicht gerade angenehme Tätigkeit erhält der 
Punktator, welcher den jüngsten Kanonikern entnommen zu 
werden pflegte, eine jährliche Vergütung von 6 fl. und 3/4 Frucht. 
Nach den Statuten konnte der neu aufgenommene Chorherr, 
wenn er vom Kapitel nach dem ersten Residenzjahr als tauglich 
zu der Stellung des Punktators angesehen und bestimmt wurde, 
nicht ablehnen. Das Kapitel durfte nach einem Reglement des 
Bischofs Josef Wilhelm die Sacellanen per turnum heranziehen 2. 

Zur Aufsicht über die richtige Erhebung des Zehnten über 
die Keller und Kornspeicher des Stifts, die Verwaltung der Ka- 
pitelsgüter wird jeweils der jüngste Chorberr, falls er sich eignet, 
bestellt. Man wollte hierdurch bewirken, daß allmählich jeder 
Kanoniker des Stifts in diesen Dienst, welcher von größter 
Wichtigkeit war, eingeweiht würde. Der hierzu bestellte Chor- 
herr (procurator, oeconomus, Kasten- und Kellerverwalter oder 
Schaffner)3 hatte vor versammeltem Kapitel auf den Tag Jo- 


1 Visitationsprotokoll 1742 und Nr. 9 zu 1714. 
? St. Arch. 18 zu 1714. 
3 Bez. Arch. Lade 10. 


= y0 = 


hann der Täufer über seine Geschäftsführung Bericht zu er- 
statten. Damit er sich aber nicht in einer die geistliche Warde 
verletzenden Weise in rein weltliche Angelegenheiten einmischen 
mußte, war ihm ein verlässiger Laie, der Kapitelsmeyer, bei- 
gegeben, welcher die Geld-, Wein- und Getreidezehnten des 
Stifts in dessen Namen einforderte und im Nichtzahlungsfalle 
mit Zwangsmittein gegen die Schuldner vorging. Für seine 
Mühe bezog der Prokurator in Geld 10 Pfund und einige Mab 
Getreide. 


KAPITEL VI. 


Die Geschichte der Altäre in Altthann und Thann. Präsentation zu 
den Kaplaneien. Einkünfte und Pflichten der Kapläne. 


In der Mutterkirche zu Altthann und der Tochterkirche 
zu Thann waren im Laufe der Zeiten nicht weniger als 17 
Altäre gestiftet worden, von denen verschiedene durch Begab- 
ungen allmählich in selbständige Kaplaneien umgewandelt werden 
konnten. Die Zahl der Kapläne in beiden Gemeinden läßt sich 
nicht genau feststellen. Wenn die ungedruckte Thanner Chronik 
sagl, «gewiß ist daß zu verschiedenen Zeilen 4, 6 bis 8 Kap- 
line allhier zu Thann residiert, deren Pfründen nun inkor- 
poriert worden, 1» so dürfte die letzte Zahl für das Jahr 1442 
richtig sein, da der Pfarrer mit 11 Kaplänen, worunter wahr- 
scheinlich die drei von Altthann, das von St. Amarin verlegte 
Stiftskapitel am Eingang der Stadt abholte, 

In Altihann finden wir die Kaplanei S. Maria, an deren 
Altar schon 1282 eine Schenkung erwähnt wird. Durch den 
Pfeiferkönig Hermann, Trompeter des Herzogs Leopold von Oester- 
reich und die Pfeiferbruderschaft2 erhielt der Altar eine Neu- 


1 Bd. ITI, S. 131. 
_ ? Die Musikanten und Spielleute des Oberelsasses hielten noch 
im 18. Jahrhundert ihre Zusammenkünfte zu Altthann, wie aus 
folgender Notiz des Tagebuchs der Guardiane S. 71 hervorgeht. Am 
14. September 1749 haben zu Altenthann die Herren Landmusikanten 
und Spielleute mit noch zwei von den unsrigen ihr Amt musika- 
liter gehalten und anstatt des bisherigen uns gegebenen Mittagmahles 
mit ihnen in dem Wirtshaus habe ich sie ersucht pro meliore jure 
et convenientia uns etwas ins Kloster zu schicken, welches auch sat 
Sratiose geschehen ist, quod et in posterum practicari conveniret. 


SCHOLLY. 7 


en 8. e 


begabung, und wurde am 26. Oktober 1399 durch Bischof Georg 
von Dimitri, des Predigerordens, geweiht, nachdem schon vorher 
der Generalvikar am 17. Oktober 1399 allen denen, welche durch 
Mehrung der Einkünfte dieses Altars oder seiner Kirchenzier bei- 
getragen hatten, einen 40 tägigen AblaB verliehen hatte!. Die 
Kaplanei St. Nikolaus ist 1294 durch den Grafen Theobald 
von Pfirt gegründet? (fundatio unius caratae seu eines Fuders 
Wein singulis annis ac certis civibus ibidem nominatis ac speci- 
ficalis idque in salutem tam suae quam parentum defunctorum 
animarum). Der Altar St. Michael ist gestiflet von demselben 
Grafen und den Bürgern zu Altthann und Thann im Jahre 
13043; beide Altäre wurden 1346 durch Erzbischof Heinrich 
Albert, Statthalter des Bischofs Johann von Basel, gleichzeitig 
mit den fünf Thanner Altären geweiht. Zur Gründung des 
Altars Allerheiligen gab 1848 die Herzogin Johanna von 
Oesterreich und 1355 deren Sohn Rudolf verschiedene Zehnten 4. 
Die Thanner Rebleutezuntt und die Biirgerschaft von Altthann 
stifleten 1412 die Kaplanei St. Katharina und der Stifts- 
propst Nikolaus Wolfach aus Thann 1474 den Altar St. Annas. 

Aus diesen urkundlich feststehenden Gründungsdaten der 
Altäre zu Altthann läßt sich auf die Zuverlässigkeit der An- 
gaben der großen Thanner Chronik ein sicherer Schluß ziehen, 
die zum Jahre 1901 bemerkt «die Wallfahrt in Thann nimmt 
sehr zu, daher werden zu Altthann noch etliche Kaplaneien ge- 
stiftet, so dem Pfarrherrn an die Hand gehen sollen. 

In Thann treffen wir folgende Altáre, die am 18. Februar 
1346 durch den Erzbischof Heinrich Albert von Cambrai feier- 
lich geweiht wurden, nämlich der Fron- oder Theobaldus- 
altar zu Ehren Michaels, Bartholomäus, Stefans, der 11,000 
Màgde und Theobaldus, welcher seinen ursprünglichen Stand- 


1 Straub l'église de Vieux-Thann S. 77. 

2 Der Altar ist 1771 infolge von Reparaturen im Innern der 
Kirche abgebrochen worden, Thanner Chr. III, S. 532. 

3 Das Ertrügnis der Pfründe wird 1577 angegeben auf 7 Pfund 
in Geld, 32 MaD Oel, 16 Ohm Wein, 13/, Sack Getreide und 39 
Ptund Wachs. 

* Für diese Kaplanei wurden später jährlich 10 livr. tournose 
aus den Einnahmen der Herrschaft Thann bezahlt. Berlinger, les 
revenues du duc de Bourgogne, S. 14. 

> Straub S. 4 erwáhnt noch einen Peter-Paulsaltar, für dessen 
Existenz keine Quellen zu finden sind. 


— 00 — 


ort im alten Chorgewólbe hatte; den Peter- und Pauls- oder 
Apostelaltar zu Ehren des Tàufers Johannes, Petrus, Lauren- 
iius, Nikolaus und Maria Magdalena zur linken Seite am ersten 
Pfeiler, St. Oswald- oder Dreikónigsaltar zu Ehren der drei 
Könige, Oswalds, Erhards und Agathas, in der Mitte des 
Schiffs vor dem. ChorabschluB, den Liebfrauenaltar zu Ehren 
unserer lieben Frauen, des Evangelisten Johannes, der 10,000 
Mirtyrer, des Bischofs Martin und Katharinas zur rechten Hand 
und den Kreuzaltar zu Ehren des Kreuzes, Jakobs des Aelteren, 
Georgs, Josts und Margarethas, ebenfalls auf der rechten Seite. 

Ueber die Stiftung des Theobaldusaltares, wohl des älte- 
sten der Kirche, und des Liebfrauenaltares, existieren keinerlei 
Aufzeichnungen. Der Peter- und Paulsaltar ist nach dem 
extractus fundationis omnium capellaniarum tam in ecclesia 
St. Theobaldi in Thannis, quam in veteri Thann, in castro, 
in hospitali et in ossorio des: Stiftsaktuars Reiset!, desgleichen 
nach dem numerus ac status tam antiquus quam modernus 
sacellaniarum in civitate Thannensi et in veteri Thann erectar- 
um ohne Datum? von der Stadt und der Bürgerschaft Thann 
1440 mit der Verpflichtung gestiftet, wöchentlich mindestens 
vier Messen darauf zu lesen oder durch einen Priester lesen 
zu lassen, ohne daß andere Lasten genannt sind. Die Konfir- 
mation durch den Bischof sei im folgenden Jahre erfolgt. Da 
der Altar schon 1346 geweiht wurde, kann. seine Gründung 
nicht erst 1440 geschehen sein, und wird man die Stiftung 
gegen das Jahr 1340 verlegen dürfen. Es frägt sich nun, wie 
die beiden Aufzeichnungen übereinstimmend zu der Zahl 1440 
gelangen. Die Stiftung des Altars ist ungefähr hundert Jahre 
früher anzusetzen, doch waren die Einkünfte im Anfang zu - 
gering, um einen eigenen Kaplan daraus unterhalten zu können, 
und mußten zu einer selbständigen Kaplanei weitere Begab- 
ungen gemacht werden. Zum Jahre 1388 findet sich eine ur- 
kundliche Zinsverschreibung für den Altar, 1420 schenkte dem- 
selben der Bürger und Schaffner Hans Diebolt Agstein ein 
Haus an der Spitalkirche, welches er im gleichen Jahre von 
Kuntz Tschengelin erkauft hatte3; 1430 zinste laut Urteil die 


l Staats Arch. 159 zu 1671. 

? Daselbst 137 zu 1671. 

3 St. Arch. G G 3. 6. Bez. Arch. Lade 23 und Register der 
aufbewahrten Urkunden. 


— 100 — 


Gastwirtschaft zu den zwei Schlüsseln 4 Pfund, 1431 machten 
die Edeln Heinrich und Hans Ulrich von Masminster Zu- 
wendungen. Nachdem 1441 dem Altar noch Zinsen von Reben 
zu Thann und Altthann verschrieben worden waren, konnte 
der Magistrat am 26. Juni 1441 an den Bischof die Bitte rich- 
ten die Pfründe zu bestätigen, da die Einkünfte in gemeinen 
Jahren 23 Pfund Stäbler außer andern Gefällen ertrügen. Der 
Altar wäre gemacht in St. Theobald und für St. Peter und 
Paul geweiht. Im gleichen Jahre konfirmierte der Bischof das 
Benefizium als ein einfaches, weil der Kaplan bequem aus den 
Ertrignissen leben und die ihm übertragenen Verpflichtungen 
erfüllen könne t. Durch weitere Begabungen war die Kaplanet 
schon 1488 in der Lage vom Kaplan des Valentinusaltares ein 
Haus am Kornmarkt, an den Freihof stoßend, um 100 Gulden 
rheinisch zu kaufen 2. 

Der Oswaldaltar ist nach dem extractus eine Stiftung 
des Thanner Ratschreibers Wilhelm Keller genannt Zandenat 3 
und dessen Ehefrau aus dem Jahre 1333, ohne daß etwas 
Näheres über die Art und den Umfang der Schenkung bekannt 
ist; am 91. Oktober 1461 wurde die Kaplanei der Pfarrei 
Thann inkorporiert 4. Der Pfarrer Wolfach hatte nach dein 
Tod des Kaplans Kübler an Stelle der ihm zugesicherten 20 
Pfund Stäbler diese Union auf Grund der päpstlichen Bulle 
von 1453 verlangt, worin bestimmt war, daß die Kaplanei dem 
Plebanat uniert werde, da der Pfarrer sich einen Helfer halten : 
müsse und noch andere Lasten habe, weiche er nicht ohne 
weileres auf sich nebmen kónne, weshalb dem Bischof erlaubt 
würde diese Kaplanei zu unieren zu inkorporieren und zu 
annektieren 5, Der Kreuzaltar soll nach dem numerus durch 
Graf Ulrich von Pfirt 1314 gestiftet worden sein und steht ur- 
kundlich feit, daß bereits am 8. Februar 1307 demselben die 
Witwe Elisabeth. Gast aus St. Amarin, deren Sohn Kaplan an 
dem Altar war, ein Haus in Thann, zwei Hauser in St. Amarin 
und verschiedene Zinsen in Geld, Wein uud Früchten ver- 
schenkt hat. Später ist der Name Kreuzaltar verloren gegangen, 


1 St. Arch. G. G. 3. 8. 

? Daselbst G. G. 3. 9. 

3 Thanner Chr. III, S. 184. 

4 St. Arch. 153 zu 1671. Bez. Arch. Lade 4. 
5 Bez. Arch. E. E. 2 I. 


— 104 — 


und wurde die gewóhnliche Bezeichnung hierfür Margarethen- 
altar. 

Außer diesen 1346 geweihten Altàren treffen wir noch fol- 
gende: | l 

Den Nikolausaltar, eine Stiftung des regierenden 
Grafen Theobald von Pfirt aus dem Monat Mai 1293 mit jähr- 
lich 10/4 Roggen und 20 Ohm Weinzins auf verschiedene Güter 
Thanner und Schweighauser Bannes unter der Bedingung für 
ihn und seine Vorfahren täglich eine Messe auf demselben zu 
lesen. Nach einer Aufzeichnung wäre der Altar von dem näm- 
lichen Grafen 1274 mit Weinzinsen von Reben im Blosen zu 
Thann und Fruchtzehnten im Banne von Schweighausen ge- 
stiflet!. Da der regierende Graf Ulrich erst 1275 gestorben ist, 
kann die Begabung nicht 1274 durch seinen Sohn Theobald 
gemacht sein, es liegt wahrscheinlich einer jener Lesefehler vor, 
die zahlreich in dem Register der beiseite geschafften Urkunden 
zu finden sind. Statt 1274 wird es wohl 1294 geheiBen haben 
und dürfte in dem letzteren Jahr die Bestätigungsurkunde des 
Bischofs für den Nikolausaltar erlassen worden sein. 

Ob sich die Stiftung des Grafen Theobald auf den Altar 
zu Altthann oder zu Thann bezieht, ist nicht unbestritten, ein 
Irrtum wäre wegen der übereinstimmenden Benennung der 
beiden Altäre nicht ausgeschlossen. Ich nehme an, daß es 
sich um den Altar zu Thann handelt, nachdem sowohl der ex- 
. tractus als der numerus die Stiftung dieses Altars nach Neu- 
thann verlegen?. Die Kaplanei war nur mäßig dotiert, im Mai 
1480 machte ihr Johann Erhard von Reinach eine Zuwendung 
von 21 Maß Wein aus seinen Reben im alten Feld, 1526 über- 
ließ ihr der Kaplan Heinrich Dots in seinem Testament ein Haus 
an der Metzig und 1589 war dieselbe mit der Kaplanei Aller- 


1 Daselbst Register der weggeschafften Urkunden. 

2 Lempfrid, Legende S. 90, verlegt die Stiftung von 1293 an 
die Kirche zu Altthann, nachdem er früher in seiner Schrift Kaiser 
Heinrich II. am Münster zu Thann eine andere Meinung vertreten 
hatte. Wenn Lempfrid seine ursprüngliche Ansicht auf eine von 
dem kundigen Stiftsarchivar Reiset (nicht Reisert) unter dessen fun- 
datio capellaniarum geschriebene Bemerkung hin, wonach die Stif- 
tung für Altthann geschehen sei, ändert, so kann ich nur bemerken, 
daß in der von Reisets Hand geschriebenen mir vorliegenden fun- 
datio die Stiftung an das Thanner Münster verlegt ist, und der Ar- 
chivar sich demnach selbst im Unklaren war. 


heiligen zu Altthann in einer Hand vereinigt, wahrscheinlich» 
wegen deren beiderseitigen Mittellosigkeit. 

Der Altar St. Catharina in castro auf der Engels- 
burg ist eine Stiftung des Grafen. Theobald von Pfirt, dessen 
Sohn Ulrich nicht lange nach seines Vaters Tode am 7. Februar 
1311 eine Kaplaneipfründe dazu gab, in der offenbaren Absicht, 
den Bewohnern der Vorstadt Kaltenbach und der Besatzung des 
Schlosses eine geregelte Seelsorge zu verschaffen !, nachdem schon 
1304 bei Stiftung des Michaelsaltars zu Altthann Graf Theobald 
bestimmt hatte, daß der von ihm hierauf ernannte Priester Ni- 
kolaus von Luxeuil wóchentlich vier Messen auf dem Schlosse zu 
lesen habe. 1329 schenkte Graf Ulrich Mittel zur Unterhaltung 
des ewigen Lichts, das Patronatsrecht übertrug er dem Stift 
St. Amarin für ewige Zeiten. Nach dem extractus und dem 
Bericht über die Katharinenkaplanei? wäre die Stiftung ge- 
schehen zur Ehre Gottes und der hl. Katharina, zum Heile der 
Seele des Stiflers und dessen Vaters (intendentes saluti anima- 
rum nostrae et felicis recordationis Theobaldi nostri patris salu- 
briter providere). Der Kaplan sollte seine Wohnung und den 
Tisch bei jedem auf dem Schlosse residierenden Herren und von 
der Mühle zu Altthann wöchentlich 3 Sester Mühlkorn, samt 
etlichen kleinen Geldzinsen haben; wieviel Messen er zu halten 
hatte, ist nichi gesagt. Nachdem der Stiftungsbrief vom 7. Fe- 
bruar 1911 von einer Verpflichtung des Schloßherrn zur Stel- 
lung von Wohnung und Tisch für den Kaplan nichts bestimmt, 
will der Bericht mit seiner Bemerkung wahrscheinlich nur so- 
viel sagen, daß es tatsächlich so auf dem Schlosse gehalten 
wurde. 1365 gab der Burggraf von Thann und Ensisheim, 
Johannes von Walbach, der Kaplanei einen Vletz Reben (drei 
Schatz) im Silberacker zu Thann, als Beisteuer und zur Auf- 
besserung der Pfründe3. Auf diese Kaplanei präsentierte 1419. 
der Propst Burkhard von St. Amarin und sein Kapitel den 
Priester Reinhard Hublat, der vom bischöflichen Vikar Ludolf 
Greckler von Bulach in seine Pfründe investiert wurde. 1493 
präsentierte der Kantor Nikolaus Walter und das Kapitel zu 
Thann. den Presbyter Lukas Schütz, «welcher vom Kaiser Maxi- 


1 Bez. Arch. Lade 23. 
2 Staats-Arch. 1 und 3 zu 1617. 
3 Bez. Arch. Register der aufbewahrten Urkunden. 


— 408 — 


milian 1490 eine Exspektanz seu primarias preces gehabt, die 
aber beim Kapitel nichts gegolten habe.» Schütz wurde vom 
bischöflichen Vikar Hieronymus von Weiblingen investiert. Kurz 
vor der Verpfándung der Herrschaft Thann an Karl den Kühnen 
hatte Herzog Sigismund die Engelsburg nebst der Kapelle wieder 
herrichten lassen und war der vom Kapitel vorgeschlagene Ma- 
thias Karmer am Montag nach Sonntag esto mihi 1468 zum 
Kaplan ernannt worden. Herzog Sigismund bestimmte, daß 
der Kaplan seine Wohnung im Sehlosse und den Tisch bei dem 
damaligen Vogt Heinrich von Rothenstein und dessen Nachtol- 
vern haben und alles gebrauchen solle, was andere Kapläne 
bisher gebraucht hatten!. Während der nur kurzen Pfandschaft 
(1469—1473) wohnte der Schloßkaplan wohl nicht auf der 
ingelsburg, da der Vogt Peter von Hagenbach bei seiner An- 
wesenheit in Thann stets in seinem väterlichen Hause Absteige- 
quartier nahm, und die Zahl der Bewaffneten auf der Burg mehr 
als unbedeutend war; nach dem Bericht der burgundischen 
Kommission an Karl den Kühnen soll die ganze Besatzung in 
Friedenszeiten sich auf sechs Mann belaufen haben. Die Ka- 
pelle war 1468 gründlich hergerichtet worden und konstatiert 
der Bericht der Kommission, daß sie une belle petite chapelle 
garnie d'ornemens d'autels nécessaires et fondée d'une messe 
pour chascun jour qu'est de la collacion de mondit Seigneur 
sei?, Nach 1502 befand sich die Kapelle in gutem Zustand, als 
der Obervogt, Graf Sigismund von Lupfen, Besitz vom Schlosse 
nahm. Nach dieser Zeit gab das Haus Habsburg die Engels- 
burg als befestigten Platz auf, und da ein Vogt nicht mehr da- 
selbst residierte, wurde auch kein Kaplan ernannt4. Das Ka- 


I Auch daß wollen wir, daß derselb unser Kaplan nach Her- 
kommen und Gewohnheit derselben Kaplaney Gebrauch solcher 
Maß, daß er und nach ihm die so dergleichen fürgesehen werden 
ihre Wohnung in unserm Schloß Thann haben und mit einem jeden 
Vogt gegenwärtigen und künftigen seinen Tisch mit redlicher erbar 
und ziemlicher Fürsehung als Priestern zugehórt haben und sonst 
alles das gebrauchen solle, das die Capläne von rechtswegen vorher 
haben gebraucht, wie dann, daf) von unsern Vordern gestift und 
fürgenommen ist. 

? Bericht des Mougin Contault, Arch. Dijon, fol. 22 

3 Etat du chateau de Thann par Berlinger, S. 4, Inventar der 
Kapelle, S. 15. 

5 Thanner Chr. III, S. 131. Als letzter Kaplan wird zu 1503 
Theobald Burgmann angegeben. 


— 104 — 


pitel ließ durch den Helfer, welcher Altthann zu versehen hatte, 
mit Genehmigung des Bischofs und des Erzhauses Oesterreich 
ab und zu noch Gottesdienst in der Kapelle halten! «aber nicht 
aus besonderer Disposition und Anordnung oder in der Meinung, 
daß unser Stift sich schuldig erkenne,» wie es in dem Schreiben 
an den Bischof heißt. Die Einkünfte der Kaplanei aber zog 
das Kapitel an sich, «damit dieselben nicht distrahiert oder etwa 
zu Privatzwecken verwendet würden!» Die Pastoration hätte 
überhaupt nur solange gedauert, als die Schloßvögte dem Kaplan 
den Tisch und die Wohnung stellten, als diese ihre Verpflich- 
tung nicht ınehr einhielten, hätte der Gottesdienst auf der Bury 
von selbst aufgehört. 

Wohl mit Rücksicht auf den drohenden Krieg ließen die 
Oesterreicher 1617 die Engelsburg wieder neu herrichten; die 
Kapelle, welche völlig verschwunden war, wurde gleichfalls in 
Stand gesetzt. Der Altar darin fehlte, wohin derselbe gekommen 
ist, ist nicht nachzuweisen. Der fromme Schloßvogt Philipp Truch- 
seß von Rheinfelden, welcher 1617 mit seiner Familie auf der 
Burg Wohnung genommen hatte, verlangte vom Kapitel, daß 
dieses wöchentlich einmal und hauptsächlich an Sonn- und Feier- 
tagen in der Kapelle durch einen Priester die Messe lesen lasse. 

Er schrieb am 2. Oktober 1617, daß er. bis zur Aufrich- 
tung und Weihung eines Altars mit einem gewöhnlichen 
Gottesdienst auf einem Betstein zufrieden sei; es wären noch 
-. verschiedene Ornamente darunter ein Meßkelch nebst Patene, 
die er habe vergolden lassen, auf der Burg vorhanden. Das 
Kapitel verwahrte sıch gegen die Abhaltung der verlangten 
Messen, da weder von dem Pfarrherrn noch von den Kaplänen 
viel weniger aber von den Stiftsherren, welche zur Zeit der 
Gründung der Kaplanei noch nicht in Thann gewesen, jemals 
eine solche verlangt worden wäre, sondern der Kaplan habe 
seine Wohnung auf dem Schlosse gehabt und die Gefälle be- 
zogen, dafür aber die Messen gehalten. Am 26. Februar 1618 


i Das Kapitel bemerkt, daß die Kapelle, welche ganz und gar 
zugrunde gegangen sei, ohne Zweifel vom regierenden Bischof aus 
rechtmäßigen und genugsam erheblichen Gründen auch mit Willen 
aller Interessenten transferiert und dem hiesigen Helfer mit allen 
Einkünften und Lasten, ohne daß ein Altar St. Catharina vorhanden 
en der ganz schlechten Kaplanei Peter und Paul übertragen 
wurde. 


— i05 — 


bat der Schloßvogt den Bischof um die Erlaubnis in einem hier- 
zu passenden im oberen Stockwerke des Schlosses der Stadt 
Thann zu gegen Sonnenaufgang gelegenen Gemach, welches vom 
Vikar des Bischofs eingesehen und für gut befunden war, einen 
tragbaren Altar errichten zu dürfent. Nachdem der Altar ge- 
weiht war, kam durch Vermittlung des Bischofs am 5. Novem- 
ber 1619 zwischen dem Kapitel einerseits, dem Obervogt und 
seinen Mitbeamten, dem Amtmann Reinhard Klötzlin von Altenach 
und dem Ratsschreiber Martin Meyer zu Thann nachstehender 
Vergleich zu Stande: Das Kapitel verpflichtete sich als Kollator’ 
der Pfründe alle Sonn- und Feiertage, welch letztere zu Thann 
üblich waren, selbst wenn sie im Bistum Basel nicht gefeiert 
würden, sowie an Freitayen zwischen 7 und 9 Uhr durch einen 
Priester auf der Bury die Messe zelebrieren zu lassen; sollte 
dieser durch plötzliche Krankheit oder allzu ungünstige Wit- 
terung einmal verhindert sein die Messe zu lesen, dann muß 
der Gottesdienst sobald als möglich nachgehalten werden. Da- 
gegen versprach der Schloßvogt die nötigen Paramente mit den 
fünf Kirchenfarben und das in der Basler Diözese gebräuchliche 
Meßbuch anzuschaffen und dem Priester einen Chorknaben zu 
stellen; von einer Verpflichtung zur Stellung des Tisches und der 
Wohnung War keine Rede. Dieser Vergleich wurde durch den 
Bischof und die Regierung zu Ensisheim genehmigt, wobei letztere 
zur Vermeidung von späteren Mißverständnissen mittels Brief 
vom 16. Juni 1621 beifügte, daß derselbe nur solange Geltung 
beanspruchen sollte, als ein Obervogt seine Wohnung auf dem 
Schlosse habe. Als die Engelsburg 1674 durch die Franzosen ge- 
sprengt war, wurde die Kaplanei St. Katharina mit den Einkünf- 
len der Pfarrei Oberaspach am 16. August 1728 inkorporiert. 

Der Altar St. Erhard in hospitali wäre nach dem 
extractus im Jahr 1320 vom Grafen Theobald von Pfirt, der 
auch den Altar gleichen Namens im Spital zu Masmünster ge- 
stiftet haben soll, mit wöchentlich 2 Sester Mühlkorn in dem 
allen Spital in der Kattenbach, welches von dem Gerbergäßchen 
und der Marsillygasse begrenzt war?, gegründet worden unter 


I Staats-Arch. 16 zu 1617. 

2 1428 verkaufte das neue Spital zunächst dem Niedertor in der 
Hallengasse das Chor der alten Spitalkirche gegen 5 Schilling Rente 
3 den Gerber Bockstecher auch Bocksperg genannt. St. Arch. Thann 

.G. 13, 3. 


— 106 — 


der Auflage in der Woche zwei Messen zu lesen und den Ge- 
wohnheiten des Stifts untertan zu sein. In scharfsinniger Kri- 
tik zeigt Lempfrid, daß der Altar erst nach 1304 aber nicht 
nach 1310 gestiftet sein kann!. Die einzigen geschichtlichen 
Aufzeichnungen über den Altar finden sich in dem état et eclair- 
sissement vom 2. März 1769, worin bemerkt ist?, daß ein Per- 
gamentbrief von 1417 über die Weihe der Kapelle in dem neuen 
Spital am Niedertor 1404 berichtet und daß einige Jalıre später 
das Spital mit der Kapelle und sämtlichen Urkunden verbrannt 
seid. Die Kaplanei hatte 1413 verschiedene Zehnten in Wein 
zu Thann, Altthann und Leimbach vom Predigerorden zu Basel 
gekauft, welche in den Kriegen sämtlich verloren gegangen sind, 
so daß die Einkünfte nur gering waren. 1669 war die Kap- 
lanei mit St. Valentin in der Person des Sacellanen Theobald 
Werner, der Oberaspach versah, verbunden. 

.Am 15. Januar 1793 wurde die Kapelle als Nationalgut an 
die Bürger Sick und Streicher verkauft und später bis auf eine 
heute noch sichtbare Mauer abgerissen. Der silber übergoldete 
Kelch nebst Patene kam in den Besitz der Theobalduskirche. 
wie aus einer Schrift vom 3 nivóse des Jahres IV hervorgeht. 

Der Georgsaltar ist nach derselben Quelle von Wilhelm 
von Masmünster, einen Bruder des Amariner Stiftspropst Burk- 
hard4, gestiflet. Der Altar soll durch einen Sacellanen ver- 
sehen werden, der zu gewissen Zeiten auf demselben Messen 
zu halten hat. 

Der Trinitasaltar ist eine Stiftung von Johann 
Volmar, Kannengießer (cantrifusarius®), des zehnten Pflegers 
des Franziskanerklosters zu Thann, aus dem Jahr 1474 mit 
der Bedingung, dab ein vom Propst und dem Kapitel zu bestellender 
Kaplan drei Messen wöchentlich darauf zu lesen habe. Diese 
Angaben des estractus sind dahin zu berichtigen, daß der 
Altar bereits bestanden hatte, als Volmar 1474 eine Rente von 
8 fl. unter der Verpflichtung schenkte, jeden Montag nach 


1 Legende S. 55. 

2 St. Arch. G. G. 13. 

3 Die kleine Thanner Chronik schreibt zum Jahr 1351 «zu dieser 
Zeit wird das Gewölb in der Spitalkirche ausgemacht, die Kanzel 
gefaßt und vergoldet». 

4 Basler Chroniken V, S. 93. 

5 Bez. Arch. Lade 6 2a. Thann. Chr. III, S. 134. 


— nn 


— 107 — 


der Frühmesse durch einen Priester eine Messe lesen zu 
lassen. Am 24. April 1481 konfirmierte der Bischof die am 
15. Oktober 1474 erfolgte Gründung der Kaplanei und bestimmte, 
daß der Titular drei Messen wöchentlich auf dem Altar zu halten 
habe. 1475 kaufte Volmar das Haus zum Rebstöckel in Thann 
und vermachte es der Trinitaskaplanei mit Besitzantritt von 
seinem Todestage!. Im Jahre 1536 betrug das Einkommen der 
Kaplanei nur 2 Mark reinen Silbers. 

Das Kapitel, welches um jene Zeit eine neue Orgel hatte 
bauen lassen, wie dies in andern Kollegiatkirchen üblich war, 
(quod praepositus et capitulum decori ac venustati dictae ecclesiae 
consulere cupientes in eadem organam construi facere?), wandte 
sich an den Papst Paul mit der Bitte die Kaplanei zu säkulari- 
sieren und die Pfründe einem im Orgelspiel erfahrenen Laien 
zu verleiben. Der Papst entsprach am 31. Marz 1536 dem 
Ansuchen und verlieh das Patronatsrecht der Pfründe, welches 
bisher dem Kapitel allein zugestanden war, in den geraden 
Monaten diesem und in den ungeraden Monaten dem Magistrat, 
wie beide Teile unter sich abgemacht hatten. Das Ertrágnis 
sollte dafür durch den Magistrat auf den dritten Teil erhöht 
werden, und durfte die Stelle nur demjenigen verliehen werden, 
der persönlich seinen Dienst versehe. Die Verleihung des 
Patronatsrechte an den Magistrat in den ungeraden Monaten 
war aus dem Grunde erfolgt, weil er versprochen hatte, die 
Einkünfte des Benefiziums auf die erforderliche Höhe zu bringen‘, 
da er aber zur Hebung der Kaplanei nichts tat, wurde ihm 
das verliehene Präsentationsrecht wieder entzogen. Bis zur 
Aufhebung des Stifts hatte fast regelmäßig der Schullehrer den 
Genuß der Pfründe, doch treffen wir auch Geistliche in der 
Versehung der Kaplane. Am 9. Mai 1072 vermachie der 
Organist Johann Jakob Schott in seinem Testament nach dem 
Tode seiner Frau, die den Genuß hatte, der Kaplanei zwei 
Schatz Reben im Renschel mit der ausdrücklichen Verpflichtung 
zwei Messen jährlich für sein Seelenheil zu lesen. Wenn ein 


1 Daselbst Register der aufbewahrten Urkunden. 

2 Nach der großen Thanner Chronik II, S. 160 ist die große 
neue Orgel in St. Theobaldimünster 1561 aufgericht, gesetzt und 
ausgemacht worden. 

3 St. Arch. 1 zu 1536, Bez. Arch. KKK. 13. 

4 cap. XII, sessio 16. Trident. conc. 


— 18 — 


Laie die Pfründe erhielt, mußte er die geslifleten Messen auf 
seine Kosten durch einen Priester halten lassen. Nach einer 
Aufzeichnung des Lehrers Cron, der 1759 die Pfründe inne- 
hatte, betrugen die Einkünfte zu damaliger Zeil 45 Pfund 
in Geld, 7/4 und 4!f{, Sester Roggen, und 7/4 und !!9 Sester 
Hafer, daneben gehörten dazu die Erträgnisse von 3!/3 Schatz 
Reben. Als der letzte Propst Poumier die Einkünfte des Stifts 
dem Direktorium zu Belfort anzeigen mußte, beliefen sich die- 
selben nach seiner Aufstellung voin 27, Dezember 1790 auf je 
2/4 Korn und Hafer, 62 fr. 12 sous in Geld, wovon 9 fr. 
43 sous illiquid; die Kaplanei hatte drei Schatz Reben im 
Rangen in Genuß. | 

Die Kapelle St. Michael in ossorio wurde 1406 auf 
dem südlichen Teile des Friedhofs gebaut und 144% durch den 
Bischof Hermann geweiht; der Altar war der Jungfrau Maria 
and dem hl. Michael gewidmet!. Eine eigene Kaplanei zu dem 
Altar stiftete am 4. September 1482 der Kaplan zu St. Nikolaus 
Konrad Müller aus Steinbach?, dessen Mutter in der Nähe des 
Gärners (canarium) begraben war, vorher halten schon Hein- 
rich Neer und der Leutpriester Johann Hergott aus Uffholz 
11/2 Ohm Weißwein und 10 Schillinge Geldzins zu diesem 
Zwecke beigesteuert. Müller verlieh das Patronatsrecht dem 
Propst und Kapitel von Thann, und durfte der Kaplan nur 
diesem seine Resignation geben. Er hatte wöchentlich drei 
Messen selbst zu halten oder durch einen Priester halten zu 
lassen, davon eine gesungen für das Seelenheil der Gründer 
(presbyter singulis septimanis tres missas querum una pro 
defunctis per se vel per alium ceiebrare teneatur, sub 
poena suspensionis ad tempus et si opus fuerit etiam pri- 
vatione censuum et reddituum per dictos dominos praepo- 
situm et capitulum facienda). Die eingehenden Opfer sollten 
geteilt werden, wie dies sonst im Stift gebräuchlich war. 
Die Stiftung wurde im gleichen Jahre durch den Bischof 
bestätigt3. Ob die adelige Familie der Waldner von Freund- 


| St. Arch. in Thann G. G. I, 2. Der Garner wurde 1440 geweiht. 

2 Derselbe dem u un Sennheim Geld schuldig war. Ingold, 
Archives de Cernay S 

3 Bacquol- “Ristelhuber, Dictionnaire S. 59 schreibt his Grund 
die Stiftung dem Grafen Theobald von Pfirt und der Bürgerschaft 
von Thann fiir das Jahr 1304 zu. 


— 109 — 


stein, welche in der Kapelle ein Erbbegrabnis besaB, derselben 
Besabungen gemacht hat, wie der Numerus anzunehmen 
scheint, läßt sich nicht beweisen. Im Bauernkriege ging die 
Weinernte der Kaplanei verloren und wird wohl seit dieser 
Zeit eine Verminderung der Lasten eingetreten sein, indem 
später nur noch ‚alle Quatember eine Messe aın Altar gelesen 
wurde ; seit dem Jahre 1716 wurde überhaupt bloß eine ge- 
sungene Messe auf den Michaelstag darauf gehalten. 

Ueber die übrigen Allére St. Valentin, welcher von 
einem gewissen Valentin Hermann gestiftet aber erst im 
45. Jahrhundert nach diesem seinen Namen erhalten haben 
soll und Katharina ist nichts genaues bekannt: letzterer 
soll von den Edeln von Rust fundiert worden sein (?). 

Alle diese Kaplaneien gehörten zur Präsentation des Stifts, 
welches durch ein Dekret ohne Datum dieselbe den einzelnen 
Kanonikern per turnum überlassen hatte!. In seinen Visilations- 
protokoll von 1759 schreibt der Rat Garnier, daß das Kapitel 
die Nomination unter den Kanonikern per turnum ausübt, jeder 
Chorherr hat einen Monat und ernennt darin zu allen Benelizien, 
welche vakant werden und der Nomination des Kapitels unter- 
stehen ; die Investitur erteilt der Bischof. Wann die einzelnen. 
Kaplaneien untereinander uniert wurden, läßt sich nicht fest- 
stellen, doch scheinen die meisten nach den Bauernkriegen 
inkorporiert worden zu sein; der Bischof konnte ohne weiteres. 
mit Zustimmung des Kapitels, die jederzeit bereitwilligst erteilt 
wurde, eine solche Union vornehmen, wenn die Präbenden zum 
standessgemäßen Unterhalt der Priester unzureichend waren?. 

Eine Reihe von Gütern der Kaplaneien wurden 1614 mit 
bischöflicher Zustimmung verkauft, da dieselben nach Angabe 
des Kapitels sehr schwer zu bebauen waren und eine Rente 
nicht abwarfen. Ob diese Gründe ganz den Tatsachen ent- 
sprachen, ist fraglich, nachdem selbst der Propst Wagner, 
der sonst gut zu rechnen verstand, es nicht verschmähte, einige 
von den unrentablen Weinbergen für sich zu erwerben. Die 
Kapläne beschwerten sich dann auch später, daß trotz der ein- 


1 Die Kaplaneien, welche vorher zum Kapitel des Sundgaues 
gehörten, wurden durch Dekret des Generalvikars vom 19. August 
1(28 dem Thanner Kapitel einverleibt. 

2 Sessio 21 cap. 5 Trid. conc. 


— 110 — 


geholten Gutachten von Sachverstándigen die Güter zu billig 
verkauft, und der Erlós entgegen den kanonischen Vorschriften 
nicht wieder in Grundstücken angelegt worden ware. Von der 
Kaplanei Peter und Paul gelangten zum Verkauf drei Schatz 
Reben im Silberacker um 231 Pfund, von St. Kreuz ein Kraut- 
und Rebgarten an der Ziegelscheuer um 80 Pfund, von St. 
Georg zehn Schatz Reben im Lehweg um 650 Pfund, von St. 
Valentin zwei Schatz im Hasenacker um 78 Pfund, und von St. 
Erhard ein Kraut- und Rebengarten im StauffengiBle um 100 
Pfund. Am 17. Marz 1759 verkaufte der Chorherr Reiset im 
Auftrage des Stifts mil Genehmigung des Bischofs ein der Ka- 
planei St, Kreuz und Katharina gehóriges Haus mit Garten 
in der Weihergasse um 850 livres!, Das Kapitel hatte an dem 
Fortbestehen der zahlreichen Kaplaneien, deren Einkünfte im 
Laufe der Zeiten entweder ganz verloren gegangen oder doch 
sehr vermindert waren, kein Interesse, im Gegenteil mußte es 
mit Rücksicht auf seine eigene schlechte finanzielle Lage dar- 
nach trachten, die Zahl der Kapläne herabzusetzen, um die 
hierdurch freiwerdenden Erträgnisse zur Deckung von Kapitels- 
schulden und zur Unierung mit schwach dotierten Pfründen 
verwenden zu kónnen. So z. B. wurden die Einkünfte von St. 
Valentinus und St. Katharina der Pfarrei Oberaspach, wie er- 
wähnt, inkorporiert. Das Kapitel hatte seit alten Zeiten den 
Pfarrsatz der Gemeinde Oberaspach und lief die Seelsorge 
bis zum dreibigjáhrigen Kriege daselbst durch einen Kaplan 
besorgen, indem es zu seinem Vorteil die Erträgnisse der 
Píründe verwendete. Wie in Aitthann lieb die Versehung der 
Seelsorge auch in Oberaspach viel zu wünschen übrig, und be- 
schwerten sich 1671 die Bewohner beim Bischof, worauf die 
Sache etwas besser wurde. Später zog das Kapitel sogar beide 
Sacellanen des Stifts zur Seelsorge daselbst heran, doch ver- 
Jungten die Einwohner einen selbständigen zu Oberaspach 
wohnhaften Pfarrer, und kam der Bischof diesem Ansinnen 
nach, da die Pfarrkompetenz in gemischter Frucht (Malkorn) 
26/4 uud 3/6, Korn 3j4 und 4/6, Hafer 1/4 und 4/6) nebst 
den Erträgnissen in Geld mit 25 Pfund Basler Währung in 
13 Ohm Zehntwein zu Altthann, wozu noch vier Schatz Reben in 
letzterer Gemeinde, der ‘halbe Zehnt der Erbsen, Bohnen, 


1 Staats-Arch. 21 zu 1442. 


/ 


— 111 — 


Schweine und Làmmer, sowie der ganze Zehntwein von Ober- 
aspach, ferner vom Kapitelsspeicher 4/5 Getreide und ebenso- 
viel Hafer kamen, als Kongrua hinreichend sei und bestätigte 
mit Schreiben vom 7. September 1728 die neue Pfarrei. 

Zur Zeit der Einführung der neuen Statuten von 1642 
waren im Kapitel nur zwei festangestellte Kapläne (sacellani) 
vorhanden, von denen der erste auf die Kaplaneien Georg, 
Anna, Katharina in castro, Michael in ossorio, Allerheiligen, 
Nikolaus und St. Kreuz, der zweite zu den Kaplaneien Maria, 
Peter und Paul, Erhard in hospitali mit Valentinus, Michael in 
Altthann und Katharina, zugelassen war. Wenn die Statuten 
von 1610 und 1642 nicht bestimmt hätten, daß das Kapitel für 
die Anstellung von Sacellanen sorgen müsse, damit die Zahl 
des Kollegs vollstándig sei (ut integrum sit corpus collegii hu- 
jus ecclesiae necessarie semper ipsis de sacellanis providendum 
erit), wären wohl diese beiden Sacellaneien ebenfalls unter- 
drückt worden. Die Sacellanen muBten von erprobter Lebens- 
führung und gute Sänger sein, sonst wurden sie vom Bischof 
nicht zugelassen. Nach ihrer Investitur hatten sie dem Kapitel 
den Glaubens- und Treueid zu leisten, sodann vor versammel- 
tem Kolleg den gewóhnlichen Eid der Kanoniker abzulegen, 
daß sie dem Propst und den übrigen Dignitäten den gebühren- 
den Gehorsam erweisen. Vor Einführung der Statuten von 
1642 hatten sie noch einen eigenen Eid des Inhalts zu leisten, 
daß sie die ihnen anvertrauten Altäre in gutem Zustand er- 
halten würden!. 

Sie müssen ferner schwören, daß sie dem Pfarrer gegen- 
über gehorsam seien, dem sie in der Seelsorge aushelfen sollen. 
Zu dieser werden sie nur mit Genehmigung des Bischofs und 
nur im Fall der Not zugelassen, doch dürfen sie niemals ihren 
Verpflichtungen im Chor durch die Seelsorge entzogen werden 2. 
Da es zuweilen vorkam, daß der Pfarrer die Sacellanen mehr 
als gebührend zur Seelsorze heranzog, wurde diese Verwend- 
ung durch bischófliche Entscheidung vom 27. Januar 1756 aus- 
drücklich verboten, faisons deffense au dit curé hors cas de neces- 
sité d'employer les chaplains du chapitre dans la desserte de 
sa paroisse si non de l’agrement du chapitre et pour autant 


— 


1 Bez. Arch. Straßburg. 
2 Staats-Arch. 24 zu 1714. 


— 112 — 


que ceux chaplains ne sont seront distraints par telle desserte 
du service de la collegiale. Andererseits durfte aber das Ka- 
pitel die Sacellanen nicht gänzlich der Seelsorge entziehen, und 
entschied am 15, Mai 1752 der Offizial Reich von Reichen- 
stein auf die Beschwerde des Pfarrers Goetzrnann gegen den 
Sacellanen Kirchmever, dab derselbe öfters nicht aushelfe, weil 
er häufig in Zehentgeschäften im Sundgau abwesend sei, daß 
eine solche Tätigkeit dem geistlichen Stande zur Unehre ge- 
reiche und bei Strafe der Absetzung für die Zukunft zu unter- 
bleiben habe. 

Die Sacellanen waren gehalten den Dignitäten und Chor- 
herren ihre Dienste als Diakon und Subdiakon zu leihen, falls 
dieselben beansprucht wurden. An den bestimmungsmäßigen 
Sitzungen des Kapitels hatten sie hei Strafe von 5 Sols teilzu- 
nehmen und durften die Stadt ohne Genehmigung des Prop- 
stes oder seines Stellvertreters nicht verlassen. Sie mußten die 
zu ihrer Pfründe gehörenden Altäre in gutem Stande erhalten 
und ausschmücken, sowie die daran vorgeschriebenen Zere- 
monien erfüllen. Die Liegenschaften der Kaplaneien durften 
sie nur mit Zustimmung des Kapitels verpachten und über die 
Erträgnisse ihrer Pfründe hatten sie jährlich dem Kapitel eine 
genaue Aufstellung einzureichen bei Strafe einer halben Mark 
Silber, die in die Fabrikkasse fiel. 

Die Einkünfte der Sacellanen waren schwanhend und ge- 
nügten Ende des 17. und Anfang des 18, Jahrhunderts kaum 
zum einfachsten Lebensunterhalt der Ptründeinhaber. Nach dem 
Visitationsprolokoll von 1671 behauptete der Sacellan Heysch 
sogar, daß er aus seinem Privatverinögen 300 Pfund Stabler 
zugesetzt habe; ein neueres Visitationsprotokoll von 1706 sagt 
wörtlich : «Die Einkünfte der Kapläne sind so unbedeutend, 
daß «dieselben kaum davon leben können.» Nach einer Auf- 
zeichnung von 1716 bezog der Kaplan Roman Hillenweck in 
Geld 90 Pfund, ın Korn 35 Pfund, und an Wein 23 Ohmen, 
dazu hatte er einige Reben, die nichts einbrachten. Der andere 
Kaplan, Franz Ihler, stellte sich etwas besser, er erhielt in 
Geld 195 Pfund, in Korn und Wachs 37 Pfund, und in Wein 
30 Ohme, ferner besaß er eine Wiese zum Niebbrauch. 1746 
schreibt das Kapitel, dab die beiden Kaplaneien je 600 Pfund 
mindestens ertragen und dieses Einkommen völlig hinreiche, 
um anständig (honéteinent) zu leben. Dixselbe wollte sogar aus 


— 13 — 


den zwei Kaplaneien drei machen, und die dritte Stelle einem 
der französischen Sprache kundigen Sacellan verleihen, damit 
die zahlreichen, hauptsächlich aus pensionierten Beamten und 
Offizieren bestehenden, aus Frankreich zugezogenen Familien, 
welche mit ihren Dienstboten gegen 200 Köpfe zählten, eine 
Seelsorge in ihrer Sprache hätten. 

Neben den festangestellten Sacellanen finden wir im Ka- 
pitel gegen das 18. Jahrhundert trotz der schlechten finanziellen 
Lage der Kaplaneien einen nicht angestellten Kaplan (accesso- 
rius oder supernumerarius), angeblich zur größeren Zierde der 
Kirche. Im Jahre 1716 waren deren zwei vorhanden. Der 
erstere bezog außer dem Einkommen der Kaplanei St. Catharina 
in castro, vom Kapitel 60 Pfund in Geld und 6 Ohm Wein, 
mit der Verpflichtung das Chor zu besuchen und in Altthann 
Gottesdienst zu halten, das Einkommen des zweiten war fast 
Null; er erhielt in Wein 6 Ohm und etwas Mischfrucht unter 
der alleinigen Bedingung das Chor zu frequentieren. 


Die fest angestellten Kapläne besaßen seit alter Zeit ihre 
eigenen Häuser, sie mußten nach einer Transaktion von 1485 
hei ihrer Aufnahme 20 Pfund in die Kapitelskasse zahlen, welche 
dann ihrerseits die Unterhaltung dieser Häuser übernahm!. Da 
der Beitrag zu gering war und nicht ausreichte, wurde eine 
neue Vereinbarung dahin getroffen, daß die Kaplàne die Hälfte 
der Einnahmen des ersten Jahres zur Deckung der Lasten ihrer 
Sacellaneien in die Kasse beizusteuern hätten; diese Abmachung 
wurde durch Bischof Christoph vom 11. Juni 1523 und durch 
Papst Paul genehmigt?. Später hielt sich das Kapitel an diese 
Vereinbarung nicht mehr und ließ häufig die erledigten Kap- 
lanelen sechs Monate lang vakant, indem es die Einnahmen 
wahrend dieser Zeit der Kapitelskasse überwies; am 7. August 
1758 verlangte es sogar, daß eine Kaplanei drei Jahre lang un- 
besetzt bleibe$. Dabei unterhielt das Stift die Hauser der Kap- 


1 Nach den Statuten von 1509 betrug die Aufnahmegebühr 
10 Pfund, zahlbar innerhalb Jahresfrist nach der Zulassung. Bez. 
Arch. Straßburg. 1759 fiel diese Gebühr mit 13 livr. 10 sols nicht 
in die Kapitelskasse, sondern 4 livr. bekam der Aktuar und den Rest 
die Bruderschaft. 

? Bez. Arch. Lade 15. 

3 Staate-Arch. 26 zu 1159. 


SCHOLLY. 8 


— 14 — 


laneien so schlecht!, daß es 1753 auf Klage der Kapläne ver- 
urteilt werden mußte, dieselben in einen bewohnbaren Zustand 
zu versetzen. 

Die Kapläne scheinen manchmal in der Erfüllung ihrer 
Pflichten nachlässig gewesen zu sein, da der Pfarrer im Visi- 
tationsprotokoll vom 19. Juni 1716 von ihnen behauptet, daß sie 
faul und meistenteils in ihren Funktionen unzuverlässig, dazu 
aber noch unfolgsanı sind. 


I Bez. Arch. Lade 5. 


KAPITEL VII. 


Einnahmen des Stifts aus Zehnten, Renten und Dinghöfen. Die 
Thanner Pfründen waren gering dotiert. Residenzpflicht der 
Chorherren. Verwendung der Karenzen. Die Spezialien und 
täglichen Distributionen. Ausgaben des Kapitels. 


Die Präbende bestand aus dem gemeinschaftlichen Ertrag 
der Zehnten, Renten und Emphyteusen, an denen jeder Chor- 
herr seinen verhältnismäßigen Anteil zu besprechen hatte, 
Welcher Art diese Einkünfte waren, geht am besten aus einem 
zwischen dem Kapitel und dem Einnehmer der Herrschaft 
Thann, dem Bürgermeister Job, am 23. September 1745 abge- 
schlossenen Pachtvertrage hervor. Durch diesen Akt trat das 
Stift seine sämtlichen Einnahmen auf die Dauer von neun Jahren 
um einen jährlichen Zins von 11000 fr. pachtweise ab!. Der 
Bischof wollte anfänglich mittels Schreiben vom 25. Oktober 
1745 den Vertrag nicht anerkennen, da eine Verpachtung auf 
solch lange Zeit hinaus einer Veräußerung von Rechten gleich- 
komme?, welche zu seiner Kompetenz gehöre, genehmigte dann 
aber doch die getroffene Vereinbarung. Als gemeinsame Ein- 
nahmen sind in dem Vertrage aufgeführt: 

4. Der Zehnt von Korn und Wein in den Gemarkungen 
von Thann und Altthann und zwar von allen vier Getreidearten 
nach St. Amariner Maß, sowie von Kartoffeln, Bohnen, Raps 


1 St. Arch. 6 zu 1714. 
2 Die Zehnten pflegten sonst jährlich in den pflichtigen Gemein- 
den in den Gemeindehäusern, zu Thann und Altthann im Kapitels- 
- hause verpachtet zu werden. Bez. Arch. Lade 9. 


— 116 — 


und anderen Lebensmitteln, gesät oder gepflanzt und dem Stroh. 
Der Zehnt ist belastet mit einer Abgabe von je 4 MaB Weizen 
und Roggen für die Propstei, von 2 Maß Weizen und 5 Maß 
Roggen für die Kantorei, von 4 Maß Roggen für die Kustodie, 
ferner von je 1 Maß Weizen und Roggen für den Aktuar. Der 
Weinzehnt ist belastet für die Herrschaft mit 120 Maß Weiß- 
wein und für die Propstei mit 20 Maß, wovon aber 10 Maß 
nicht entrichtet werden, wenn eine Präbende vakant ist. Der 
Pfarrer von Niederaspach hat für seine Kompetenz 30 Maß und 
von einer Rente 2 Maß Wein zu besprechen!. 

2. Eine Rente in Wein zu Thann und Altthann von un- 
gefähr 14 Maß, von welcher der Herrschaft jährlich 3 Maß, der 
Bürgerschaft 2 Maß zu Fronleichnam zukommen, 

3. Der Kornzehnt von Erbenheim nach St. Amariner Maß, 
desgleichen der Zehnt von Früchten und Lebensmitteln. 

4. Der Getreidezehnt von Oberaspach von allen vier Arten 
nach gleichem Maß mit Ausnahme der Erbsen, welche nach 
den Statuten dem Kantor und dem Pfarrer daselbst gehören. 
Der Zehnt ist belastet mit 5 Maß Weizen und 5 Maß Hafer für 
den Pfarrer, dem auch der Weinzehnt gebührt. 

9, Dreiviertel des nàmlichen Getreidezehnts zu Niederaspach, 
wovon das letzte Viertel dem Kloster Arlesheim gehórt, nach 
Thanner Maß, sowie der Früchte und anderen Lebensmittel?, 

6. Der Getreidezehnt von Eglingen der nämlichen Frucht- 
sorten nach Altkircher Maß, belastet für den Pfarrer mit je 
26 Mab Spelt, Roggen und Hafer und für die Propstei mit 
100 Garben Stroh. 

7. Der Wein- und Getreidezehnt zu Dornach3 und Eschenz- 
weiler ; dem Kapitelsmeier des letzteren Dorfes gebührt die Hälfte 


! Der Zehnt von Thann und Altthann stand dem Kapitel nicht 
kraft Verleihung dureh das Haus Habsburg, sondern als Rektor der 
Pfarrei zu. 

? Im Jahre 1603 bezog das Kapitel noch den ganzen Zehnt vi- 
sites ecclésiastiques Le doyenné du Sundgau von Schickelé, S. 21. 

3 Bez. Arch. Lade 17. Am 19. April 1610 zedierte das Kapitel 
dem Herrn von zu Rhein und «seinen männlichen Nachkommen die 
Hälfte des groDen Zehnts in Wein und Getreide unter der Auflage, 
die Hálfte des Chors nebst Zubehór in gutem Stand zu erhalten und 
jahrlich dem Einnehmer der Abtei Lützel zu Mülhausen je 8|4 Korn 
und Hafer zu liefern». Die letzten gróDeren Reparaturen an der 
Kirche zu Dornach wurden 1779 vorgenommen. 


— 


— 17 — 


des Zehnts von Raps, Hanf und Heu fir die Haltung des Zucht- 
stieres und des Ebers. : 

8. Der Zehnt der Pfarrei Traubach und zwar die Hälfte 
des Kornzehnts zu Obertraubach, des vierten Teiles in Nieder- 
traubach und Gevenatten, und der Hälfte von Brugeaumont. 
Den gleichen Zehnt hat das Kapitel vom Raps, den Kartoffeln 
und anderen Feldfrüchten, ebenso vom Hanf, von welchem es 
dem Pfarrer 32 Pfund abgibt. Der Zehnt ist belastet zugunsten 
des Pfarrers mit je 12 Maß Roggen, Hafer und Spelt. 

Mitzehntherren in dieser Pfarrei waren die adelige Damen- 
abtei Masmünster, das Damenstift Schónensteinbach, das Stift 
St. Morand, das Hochstift Basel und die Herren von Reinach !, 
Mit letzteren schloß das Kapitel am 10. November 1700 zur Bei- 
legung eines gegen dieselben angestrengten Prozesses einen Ver- 
gleich, durch den sich diese Edeln verpflichteten alljährlich 10/4 
Frucht in den Kapitelskasten zu Thann zu liefern. Der Zehnt 
des Kapitels wurde vom Hochstift Basel bestritten, aber durch 
eine Abmachung vom 31. März 1512 anerkannt. 

9. Eine jährliche Rente von der Mühle zu Brünighofen mit 
8 Maß 3 Scheffel Weizen und ebensoviel Roggen, welche der: 
Müller auf seine Kosten jährlich zwischen Martini und Weih- 
nachten nach Thann zu liefern hatte, sein einziger Lohn be- 
stand in 2 kleinen Broten und 2 Töpfen Wein. 

Diese Mühle wurde 1429 nebst Dependenzen als Erblehen 
an die Edeln von Brünighofen gegen 17/4 und 1/2 Korn und 
Roggen sowie 6 Schilling Geldzins abgetreten, und am 18. 
November 1660 als Emphyteuse an den Junker gleichen Namens 
verkauft. Ende des 16. oder anfangs des 17. Jahrhunderts ver- 
fiel die Mühle, worauf man sie dem Müller Heinrich Kiene 
von Enschingen gab, von dem sie wieder in das Eigentum des 
Edeln Ludwig von Brünighofen kam. Dieser trat dieselbe als 
Erblehen dem Bürger Hofscheurer von Dammerkirch ab unter 
der Auflage sie in gutem Stand zu unterhalten und zurückzu- 
geben mit dem Beding auf seine Kosten eine Oelmühle daran 


1 Vergleich zwischen St. Morand und dem Kapitel, St. Arch. 1 
zu 1512. Vertrag zwischen der Herrin von Lümbschweiler, einer 
v. Reinach und dem Stift, St. Arch. 1 zu 1442. Vereinbarung des 
Kapitels von Blotzheim mit dem Stift St. Amarin 1404. Bez. Arch. 
Register der weggeschafften Urkunden und Serie G. 


— 118 — 


zu bauen. Der Rechtsnachfolger des Hofscheurer ein gewisser 
Anton Lindauer von Brünighofen zahlte seine Rente nicht, und 
mußte 1736 das Anwesen an den Bürger Haßler von Bettendorf 
verkauft werden. 1750 starb der letzte des Geschlechts derer 
von Brünighofen und vermachte die Mühle testamentarisch dem 
Herrn v. Berckheim, der sie unter Wahrung der emphyteusischen 
Rechte weiter veräußerte. Der letzte Besitzer bei Ausbruch der 
Revolution war der Baron Gohr aus Wattweiler!. 

10. Eine Art Grundrente zu Eschenzweiler, herrührend 
vom sog. Seelgut, welches 1430 der Schaffner der Stadt Thann 
Hans Theobald Agstein dem Stift geschenkt hatte, mit einem 
Ertrage von 12 Maß Roggen und ebensoviel Hafer Mülhauser 
Maß, wovon der im Dorfe ansässige Kapitelsmeier für Unter- 
haltung der Zuchtstiere und des Ebers je 2 Maß Roggen und 
Hafer anzusprechen hat und den Rest nach Thann liefern muß, 

11. Die jährliche Abgabe des Lehens von 81 Juchert ge- 
nannt Widumgut von Dornach, welche die Familie von zu 
Rhein als Rechtsnachfolgerin der ausgestorbenen Edeln von 
Dornach mit je 12 Maß Roggen und Hafer in den Kapitel- 
speicher zu liefern hat, wogegen das Kapitel dem Fuhrmann 
Wein und Brot verabreicht 2. 

19. Eine Kornrente zu Niederspechbach von ungefähr 12 
Maß, welche der Kollektor gegen einen Lohn von 3 fr. und 
. 2 Pot Wein nach Thann zu bringen hat. 

13. Eine andere kleine Getreiderente von je2 Maß Roggen 
und Hafer zu Oberburnhaupt, wovon dem Pfarrer von Thann 
1 Maß und dem Einsammler 20 sols oder ein Mittagessen für 
die Lieferung nach Thann gebührt. 

14. Eine Abgabe des Zehnts zu Balschweiler mit je 8 Maß 
Roggen, Hafer und Spelt. Der Fuhrmann erhält eine einfache 
Beköstigung für das Verbringen in den Kapitelsspeicher?. 

15. Die Abgaben der Dinghöfe von Oberaspach, Brünighofen 
und Reiningen. Wie andere Grundbesitzer hatte auch das 


1 Bez. Arch. Lade 15. 

2 Lehensverträge Staats-Arch. 1 zu 1593; Bez. Arch. Register 
der aufbewahrten Urkunden. 

3 Der Zehnt ist durch Vertrag zwischen der Aebtissin Verena 
Gräfin von Fürstenberg und dem Kapitel vom 28. Juli 1467 aner- 
kannt. Staats-Arch. zu 1467. Durch Urteil des conseil souverain zu 
Breisach von 1679 wurde die Abtei verurteilt den Zehnt zu ent- 
richten, als sie sich geweigert hatte. 


— 119 — 


Stift seit uralten Zeiten seine in diesen Gemarkungen gelegenen 
Aecker, Wiesen in größeren Teilen zu Zinslehen verpachtet, 
unter der Bedingung die Güter in gutem Stand zu unterhalten 
und gegebenenfalls wieder an den Eigentümer zurückzugeben. 
Der Zins bestand teils in Geld teils in Produkten. Zu jedem 
Zinslehen gehörte ein Hof, in welchem ein Gericht an- 
geordnet war, das über alle die verschiedenen Zinstehen be- 
treffenden Angelegenheiten Recht zu sprechen hatte. Ein sol- 
cher Hof war der Dinghof und die Rechte und Gewohnheiten, 
nach denen das Urteil gesprochen wurde, hießen die Dingrodel. 

Die Dinghofrodel von Oberaspach aus dem Jahre 1588 
sind wenig ausführlich und enthalten eigentlich nur den Eid des 
Dinghofmeyers, ohne sonst über die Verpflichtungen der Huber 
etwas zu bestimmen!. Nach dem Pachtvertrag mit dem Ein- 
nehmer Job ertrug die Erbpacht 33 Maß Roggen und 31 Maß 
Hafer, wovon für den Kapitelsmeyer jährlich 12 fr. in Geld 
und je 2 Maß Roggen und Hafer für die Haltung des Stieres 
und des Ebers zu enfrichten sind. | 

Die Rodel von Deckweiler aus dem Jahre 1497 gehören 
zu den ausführlichsten des Elsasses, indem sie nicht allein 
über die Pflichten des Meyers, sondern auch über die Ein- 
nahmen des Stifts, über die Rechte des Propstes und die 
Sitzungen sowie die Verpflichtungen der Huber und des Stifts, 
ersteren gegenüber bei Ablieferung der Pacht handeln?. Wie 
schon oben erwähnt wurde Deckweiler zerstört, und gehört 
heute sein Bann zu Reiningen. Die Huber hatten zur Zeit ‘des 
Pachtvertrages noch 13 Maß Roggen und 16 Maß Hafer auf 
Martini- in den Kapitelsspeicher nach Thann zu liefera und 
gibt das Kapitel den Einsammlern ein Mittagessen und dem 
Meyer ein Maß Wein, Wird der Pachtzins nicht rechtzeitig 
auf einfache Mahnung abgeliefert, dann erhält der Meyer nichts, 
die Fuhrleute bekommen an Stelle eines Mittagsmahls nur einen 
Topf Wein und ein kleines Brot. Die Rodel von Brünighofen 
angeblich von 1510 in Wirklichkeit aber aus der Zeit vor 
1441, wie schon aus dem Anfang hervorgeht, «Diss sindt die 
recht, die die Herren von sant Amarin handt» stammen, bieten 


! Bez. Arch. G. 15. Anlage 15, Abdruck aus den Weistümern 
des Elsasses von Stoffel S. 110. 
? Daselbst E. 15, Anlage 16, Abdruck aus Stoffel S. 100. 


— 120 — 


einige Eigentümlichkeiten !, Die Erbpacht daselbst bringt dem 
Kapitel 31 Maß Roggen früher auch Dinkel ein; der Meyer 
hat die Zinsen nach Thann zu bringen und erhält für seine 
Mühe 5/4 Hafer. Der Fuhrmann bekommt 4 Pot Wein und 
4 sol für Brot. 

Außer den Zehnten und sonstigen Renten wurden die 
Einnahmen der Kirchenfabrik aus Kapitalien, welche von ver- 
schiedenen Personen ausgeliehen waren, mitverpachtet. Von 
den Geldzinsen kamen in Abzug, das Gehalt des Propstes mit 
133 fr. 6 sols, des Punktators mit 10 fr., der Sacellanen mit 
48 fr. 9 sols und des Kustos mit 20 fr. Das Kapitel hatte 
noch Einkünfte in Geldzinsen, herrührend aus der Fraternei, 
von über 550 fr., welche es ebenfalls dem Pächter abtrat unter 
der Bedingung, zu Weihnachten oder Neujahr 500 fr. an die 
Kanoniker und Sacellanen zu zahlen, welche daran Anteil 
hatten ; diese 500 Pf. durften am Pachtschilling in Abzug 
kommen. 

Zahlbar waren die Termine stipuliert der erste mit 3375 Pf. 
vierzehn Tage nach Unterzeichnung des Pachtvertrags, der 
zweite, genannt derjenige der Spezialien, zu Mariä LichtmeB 
mit 2919 Pf., der dritte zu Pfingsten mit 2910 Pf. und der 
vierte, welcher der Fabrik gehörte, mit 1300 Pf., sowie der 
Zwischentermin, an dem die Sacellanen Anteil hatten, zu 
Weihnachten oder Neujahr mit 500 Pf. 

Der Pächter hat'im Falle von Hagel, Unwetter und Kriegs- 
verheerungen nur dann Anspruch auf Herabsetzung des Pacht- 
zinses, wenn im Laufe eines Jahres der Schaden in sämtlichen 
Gernarkungen mehr als 24 Maß Getreide und mehr als 24 Maß 
Wein beträgt und’ zwar auf folgender Grundlage. Das Mab 
Weizen wird mit 10 Pf., das Korn mit 7 Pf., die Gerste mit 
6 Pf. und der Hafer mit 3 Pf. berechnet, für alle Gemarkungen 
gilt dies gleichmäßig. Der Wein von Thann und Altthann 
wird mit Rücksicht auf die Güte des Rangen zu 6 Pf. und 
derjenige von Dornach ‘und Eschenzweiler zu 3 Pf. für die 
ganze Pachtdauer ohne Rücksicht auf die Qualität veranschlagt. 
Das Kapitel muß dem Pächter das Kapitelhaus zu Thann mit 
den Kellern, Speichern, Keltern, Fässern, Bottichen und allen 
sonstigen zur Weinlese nötigen Gerätschaften und die in den 


1 Anlage 17, Abdruck S. 41. 


- 


— 11 — 


Scheunen zu Thann und Eschenzweiler befindlichen Utensilien 
zum ordnungsmäßigen Betrieb überlassen, dagegen verpflichtet 
sich der Pächter dieselben am Schlusse der Pachtzeit wohl- 
erhalten zurückzugeben. 

Aus diesem Pachtvertrage sowie einer Notiz über die Ein- 
künfte des Jahres 1777, worin dieselben mit 10590 Pfund an- 
gegeben sind !, geht klar hervor, daß der Ertrag der Pfründen 
zu damaliger Zeit ein geringer war, und eine Präbende nicht 
ganz 1000 Pfund einbrachte. Das Stift Thann gehörte eben 
nicht zu den reichen? und muß es daher auffallen, daß die 
Stellen so begehrt waren; diese Tatsache läßt sich wohl nur 
daraus erklären, daß es noch schlechtere Kanonikate im Elsaß 
gab. Ein gewisser Titus bot sogar für seine Aufnahme in das 
Stiftskapitel 1000 Taler, verlangte aber von der Residenzpflicht 
in Thann entbunden zu werden, wozu er die erforderliche 
Erlaubnis der geistlichen Obern nicht erhielt3, Noch einige 
Angaben über das Einkommen der Pfründen finden sich, 
welche deutlich zeigen, daß Thann schwach dotierte Kanonikate 
hatte4 Im Jahre 1470 soll nach dem Bericht der burgund- 
ischen Kommission eine Präbende 30 Pfund Basler Währung 
eingetragen haben (et peult avoir chascune prebende 30 livres 
balois chascun an5), 1687 wird der Ertrag auf 304 Pfund 6 
und nach dem Visitationsprotokoll von 1706 auf 80/4 Frucht, 
60 Ohm Wein, sowie 30 Pfund in Geld aus den Anniversarien 
angegeben. 1759 mußte der Propst Gobel, sogar vorschlagen, 
daß man zur Erhöhung der Präbenden, wie dies sonst in 
Deutschland seit der Reformation üblich und auch bereits 


1 Schickelé état de l'église d'Alsace II partie S. 15. 

? Andrer Meinung mit Unrecht Ingold miscellana Alsatica 
S. 110. 

3 St. Arch. 182 zu 1703. 

4 Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, neue Folge X, 
S. 507. «Thann hatte sehr dürftig dotierte Kanonikate, manche 
davon dienten zur Ausstattung von fremden, nicht residierenden 
Geistlichen, so hatte der spätere Basler Weihbischof Franz Beer 
schon in jungen Jahren ein Thanner Kanonikat». An anderer Stelle 
XVIII, S. 89 Franz Baer, Weihbischof von 1590—1611 hatte schon 
mit zwanzig Jahren ein Kanonikat erhalten, das aber nicht viel 
einbrachte. 

5 Rapport Contault fol. 23. 

6 St. Arch. 35 zu 1442. 


— 122 — 


in den Statuten von 1610 vorgesehen gewesen sei, das Alter 
des Aufzunehmenden auf das 14, Jahr herunter und die Karenz- 
zeit auf 8 Jahre hinaufsetzen solle. Vor der Revolution ertrug 
ein Kanonikat nur noch 600 fr. 

Vor den Bauern- und Türkenkriegen war der finanzielle 
Stand des Stifts ein verhältnismäßig günstiger, und konnte 
das Kapitel den, österreichischen Erzherzösen größere Summen 
gegen hypothekarische Verpfändung zinstragend vorschießen. 
Nach einer Aufstellung des Propstes Poumier vom 29. Dezember 
1790 an das Direktorium zu Belfort sollen diese Darlehen und 
Bürgschaften sich auf 47890 fl. gleich 120000 fr. belaufen 
haben!; ob diese Angaben den Tatsachen entsprachen, mag 
dahin gestellt bleiben. Die Zinsen zu fünf Prozent seien an- 
geblich von den Herzögen bis zum westfälischen Frieden jähr- 
lich bezahlt worden. Nach dieser Zeit hätte sich der König 
von Frankreich nicht mehr für verpflichtet gehalten, dieselben 
zu entrichten, und schlug das Kapitel der Regierung zu Colmar, 
als der Jesuitenorden durch kgl. Dekret von 1764 aufgehoben, 
und die Angehörigen aus Frankreich vertrieben worden waren, 
vor, ihm das verlassene Kloster Oelenberg als kleine Deckung 
für die obige Darlehnssumme zu inkorporieren. Die Motivierung 
dieser Bitte ist eigenartig. Es heißt darin, daß als 1538 nach 
den Bauernkriegen die Mönche von Oelenberg sich in die 
Städte Basel und Mülhausen zurückgezogen hätten, sei der 
Propst ein alter Greis in sein Wohnhaus nach Thann gezogen, 
habe dort viel mit den Chorherren verkehrt und seinen Sitz 
bei ihnen irn Münster gehabt. Dieser habe 1540 den Vorschlag 
gemacht die Einkünfte des Oelenberg dem Stift zu unieren, 
wem dies Projekt der Inkorporation gemacht wurde, sagt 
der Bericht vorsichtigerweise nicht. Gegen den Vorschlag 
hätten die Jesuiten bei Kaiser Ferdinand unter dem Vorwand 
Einspruch erhoben, daß ihre 1450 gegründete Universität 
Freiburg nicht hinreichend dotiert sei, um die Professoren zu 
bezahlen, und sieh ätten tatsächlich erreicht, daß die Einkünfte 
von Oelenberg 1558 ihrem neugegründeten Kolleg zugewiesen 
wurden. Die Regierung solle, wie in der Bittschrift weiter 
ausgeführt wird, das Geld nicht außer Landes gehen lassen ; 
Thann läge dem Kloster sehr nahe und sei es deshalb ange- 


1 Bez. Arch. Band 26 u. 13. 


— 123 — 


bracht, die Propstei ganz oder teilweise dem Stiftskapitel zu 
unieren. In Colmar ging man auf das Begehren des Kapitels 
nicht weiter ein, da die in der Schrift geltend gemachten 
Gründe mit den geschichtlichen Tatsachen nicht in Einklang 
standen, 

Aus der Fabrikkasse mußte das Stift die nachbezeichneten 
Ausgaben bestreiten nämlich die Unterhaltung des Pfarrhauses 
und des Stiftshofes zu Thann, des Chores und der Sakristei 
zu Altthann, des Chores, des Turms und der Sakristei zu Ober- 
aspach und des Pfarrhofes daselbst, die nämlichen Baulasten 
zu Niederaspach, Eglingen und Eschenzweiler, sowie des Chores, 
der Sakristei, des Turmes und des Pfarrhauses zu Traubach 
zu einem Drittel. Die Unterhaltung dieser Gebäude vollzog das 
Kapitel nur äußerst nachlässig und mußte in jedem einzelnen 
Falle durch den Bischof oder die weltlichen Gerichte dazu ge- 
zwungen werden. 

In Obertraubach war der Pfarrhof 1749 so schlecht, daß 
Diebe ohne Schwierigkeit durch die Backstube eindringen und 
in der Küche stehlen konnten, im Jahre 1752 war das Pfarr- 
haus nicht mehr zu bewohnen. Erst 1782 wurde die Kirche, 
der Turm, die Sakristei und der Pfarrhof mit einem Kosten- 
aufwand von 15,000 Pfund in Stand gesetzt!. In Eglingen 
nahm das Kapitel 1747 größere Reparaturen an dem Pfarr- 
hause vor, wozu es mangels Mitteln eine Hypothek an seinen 
Liegenschaften bestellen mußte; 1777 wurde das Chor daselbst 
hergestellt2. Für Eschenzweiler ordnete am 1. April 1757 der Bi- 
schof an, daß die Kirche vergrößert würde. Um in Nieder- 
aspach ein neues Pfarrhaus bauen zu können, verkaufte das 
Stift mit bischöflieher Genehmigung einen ihm gehörigen da- 
selbst gelegenen großen Wald an die Gemeinde unter der 
Bedingung, das Pfarrhaus, dessen Baukosten auf 5000 Pfund 
veranschlagt waren, dafür herzustellen und dem Kapitel 
1000 Pfund zu zahlen 3. In Oberaspach mußte das Stift auf den 


1 Bez. Arch. Lade 21. 

2 Schickelé, Doyenne du Sundgau S. 51. Visitation der Kirche 
von Eglingen 1603, in der Kirche und der Sakristei läßt alles zu 
wünschen übrig‘. 

3 Daselbst S. 21. Die Kirche und die Sakristei zu Niederaspach 
befindet sich in einem traurigen Zustand. 

Das Patronatsrecht der Kirche von Niederaspach gibt Abt An- 


— 194 — 


Bericht des mit der Untersuchung beauftragten Pfarrers Hell 
aus Hirsingen hin 1765 das Chor reparieren und vergróDern, 
sowie eine Monstranz und die nötigen Paramente anschaffen; 
4774 ordnete der Bischof, da der alte Turm einzustürzen 
drohte, an, daß derselbe bis zum Fundament abgerissen und 
neu gebaut würde, um so mehr, als das Chor viel zu klein sei. 
= Zu diesen Ausgaben an Pfarrhäusern und Kirchen, an 
welch letzteren das Kapitel das Patronatsrecht mit Ausnahme 
von Eglingen, wo der Propst präsentationsberechtigt war}, 
hatte, und welches Recht binnen Monatsfrist ausgeübt werden 
mußte, widrigenfalls es an den Bischof als Ordinarius fiel, 
kamen die Aufwendangen für den Wein der Osterkommunion, 
die Lichter für die Anniversarien nach altem Brauche, während 
die Lieferung des Meßweines und die übrige Beleuchtung des 
Münsters der Kirchenfabrik oblag. Außer diesen Pflichtaus- 
gaben hatte das Stift gewisse freiwillige Ausgaben übernommen 
und zahlte z. B. ähnlich wie die Stifte Colmar und Rheinfelden 
für das gegen 1600 vom Weihbischof Franz Beer zu Bruntrut 
gestiftete Jesuitenseminar den für seine Verhältnisse hohen Be- 
. trag von 30 fl. jährlich 2, daneben leistete es an arme Stu- 
dierende kleinere Stipendien, 

Im dreißigjährigen Krieg finden wir das Kapitel mit be- 
deutenden Summen zu den Kontributionen herangezogen. So 
verlangt es für die von zwei Landtagen in Ensisheim be- 
willigten Kosten, an denen es 1000 fl. beizutragen hatte, die 
bischófliche Genehmigung zur Aufnahme des Kapitals. Aus 
dem das Gesuch befürwortenden Schreiben des Fiskals zu Alt- 
kirch geht hervor, dab dem Stift 1620 ein Betrag von 2550 fl. 
in vier Terminen zahlbar, nebst der ordentlichen Schatzung 
von 300 fl. auferlegt wurde, und daß der Landtag zu Ensis- 
heim 1621 durch seine drei Stände einen neuen Zuschuß gut- 


ton von Lützel 1477 dem Kapitel gegen 6 fl. rheinisch auf Peter 
und Paul. 1478 genehmigte der Bischof die Abmachung gegen 
2 fl. jährlich auf Martini. Bez. Arch. Register der weggeschafften 
Urkunden. 

1 Vertrag von 1322. Bez. Arch. Serie G. 

2 Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XVIII, S. 94. 
Nach einer Notiz waren es 1607 nur 30 Pfund. Bez. Arch. Lade 10. 
Der Vater Franz Beer war 1550 Schaffner zu Thann. 1515 ein 
Michael Beer Stadtschreiber daselbst. Thanner Chr. III, S. 133, 134. 


— 195 — 


hieB, wovon das Stift in vier Terminen wiederum 2200 fl. 
aufzubringen hatte. 

Ueber die späteren Beiträge des Kapitels im Verlauf die- 
ses Krieges haben wir keine weiteren Aufzeichnungen und 
Nachweise finden kónnen, doch ist sicher, daB nachdem 
für den Anfang dasselbe schon mit solchen Summen veranlagt 
war in der Folge dieselben sich noch erhóht haben werden. 

Als die franzósische Regierung zur Deckung der riesigen 
Staatsschulden durch ein kónigliches Dekret von 1749 das soge- 
nannte Zwanzigstel einführte, entfiel auf die Geistlichkeit des 
Oberelsasses ein Betrag von 100 000 fr., wovon in der Sitzung 
vom 28. Juni 1756 dem Stift 1573 fr. 10 sols, zahlbar in zehn 
Jahresterminen, auferlegt wurden. Zum Jahr 1777 wird das 
freiwillige Geschenk an den Kónig don gratuit auf 1192 Pfund 
10 B 5 sols angegeben !. 

Die gemeinschaftlichen Früchte des Stifts mit Ausnahme 
der Spezialien und Chorpräsenzen wurden in zwölf gleiche Teile 
geteilt, von denen die Masse zwei Teile vorwegnahm, und jeder 
Chorherr, falls keine Karenzen vorhanden waren, seinen Teil er- 
hielt (plures nunquam suscipi possunt, quam decem canonici 
antiqua tamen consueta duodecim portionum divisione reservata). 
An der Präbende hat nur der -Kanoniker teil, welcher seine 
Karenzzeit erfüllt hat und in Thann residiert. Für die Karenzen 
gelten folgende Vorschriften : Innerhalb der Zeit von vier Jahren 
braucht der neu aufgenommene Chorherr nicht zu residieren, 
hat aber dafür keinen Anteil am Erträgnisse der Früchte (S 8 
pars prima statutorum 1642. Decernuntur quattuor anni caren- 
tiae quibus nec residere nec fructuum participes erunt. Vor 
den Statuten von 1642 hatte der neue Kanoniker in den ersten 
zwei Jahren die Hälfte des corpus nebst den täglichen Distri- 
butionen zu besprechen, daher der Ausdruck, «es heißen diese 
Jahre nicht. Karenzjahre darum, weil der Chorherr nichts 
empfanget, sondern, weil er nur den halben Teil des corpus 
genießet2.» Durch ein bischöfliches Dekret vom 5. März 1757, 
welches auf erhobene Beschwerde des Kapitels vom Metropoliten 
bestätigt wurde, sollten die Vorschriften über die Karenzen auf 
den Pfarrer nicht anwendbar sein. Die Statuten von 1430 hatten 


1 Schickelé, Etat de l'église d'Alsace, S. 15. 
2 St. Arch. 4 zu 1706. 


— 126 — 


nur zwei Karenzjahre vorgesehen (item quod quilibet recipien- 
dus et admittendus in canonicum et confratrem carebit duobus 
annis integris a die, quo pacificam adeptus fuerit possessionem 
omnibus fructibus grossis puta corpore praebendae)!. Die Ka- 
renzzeit begann mit dem Tage der erlangten Investitur und nicht 
schon mit der Ernennung zum Kanoniker?. Die Ersparnisse, 
welche das Stift infolge der Karenzen erzielte, fanden im Laufe 
der Zeiten die verschiedenartigste Verwendung. Während ur- 
sprünglich die ganze Karenz der Kapitelsmasse zufiel, wurde 
1716 nur die Hälfte an letztere abgeführt3, und die andere Hälfte 
zwischen den residierenden Chorherren zur Verbesserung ihres 
Einkommens geteilt mit der Motivierung, daß die Kanoniker zu 
Thann nicht wie in anderen Kollegiatstiften eigene Wohnhäuser 
besäßen und alle häuslichen Bedürfnisse, selbst das Helz, auf 
eigene Kosten sich beschaffen müßten. Spater4 gehörte der 
dritte Teil der Karenzen der Kapitelsrnasse und diente zur 
Deckung außerordentlicher Ausgaben und Schulden des Kapitels; 
nach den Aufzeichnungen des Propstes Gobel sollen in den 
Jahren 1733—1741 auf diese Weise der Masse 5599 livres zu- 
geflossen sein. Schließlich bestimmte ein Reglement des Bischofs 
Josef Wilhelm 17595, daß die Karenzen wieder völlig der Masse 
zufallen müßten, da das Stift sehr viele Schulden zu decken 
hatte; nur 52 livres sollte jeder Chorherr zu seiner Kompetenz 
erhalten. Da trotzdem die ganze der Masse zugewiesene Karenz 
zur Tilgung der Schulden des Stifts, welche 1759 10 000 livres 
betrugen, nicht ausreichte, ermächtigte der Bischof gleichzeitig 
das Kapitel, während sechs Jahren die zwei sich erledigenden 
Pfründen frei zu lassen mit der Maßgabe, daß alle Einkünfte 
derselben der Masse uniert würden. 

Der Genuß der Präbende war an die Einhaltung der Resi- 
denz gebunden. Für die Residenzpflicht galten folgende Vor- 
schriften: Der erste Tag der Residenz ist Allerheiligen 6, und 
muß an diesem Tage der neu aufgenommene Chorherr, der 


1 Bez. Arch. Straßburg. 
2 St. Arch. 5 zu 1726. 
"8 St. Arch. 4 zu 1706. 
4 Visitationsprotokoll 1759. 
5 St. Arch. 78 zu 1714. 
6 Auch das Jahr des Pfarrers beginnt mit dem nämlichen Tage 
nach Kapitelsbeschluß, St. Arch. 50 zu 1377. 


— 197 — 


seine Residenz beginnen will, zu den ersten Vespern auf seinem 
Platz im Chor anwesend sein. Zur gewöhnlichen Residenz ist 
nur der Presbyter qualifiziert; ist der Residierende aber schon 
Subdiakon, und wird er im Laufe seines Jahres zum Priester 
geweiht, dann kann er vom Pfründegenuß nicht ausgeschlossen 
werden. Der Kanoniker, welcher zum angegebenen Zeitpunkt 
seine Residenz angetreten hat, muß im Laufe des Jahres neun 
Monate zu Thann weilen!; es ist nicht gerade erforderlich, daß 
er ununterbrochen neun volle Monate residiert, sondern es ge- 
nügt, wenn er 270 Tage anwesend ist und während dieser Zeit 
dem täglichen Gottesdienst, den Matutionen und allen Horen, 
sowie dem Hochamte beiwohnt2, Damit nicht gleichzeitig zu 
viele Kanoniker in Urlaub gehen und der Gottesdienst hierdurch 
Störung erleidet, muß dem Propste von der Abwesenheit Bericht 
erstattet werden. Wenn die Residenz durch Verschulden des 
Kanonikers unterbrochen wird, so ist dieselbe im nämlichen 
Jahre nachzuholen. Ist der Chorherr aber durch Krankheit 
oder sonstige legitime Ursache verhindert, so hat er vom Propst 
Dispens zu begehren. Wird dieser nicht erteilt, weil nach An- 
sicht des Propstes die geltend gemachten Gründe nicht hin- 
reichen, dann muß der Kanoniker im folgenden Jahre soviele 
Tage zufügen, als er im vergangenen Jahr weniger als 270 Tage 
residiert hat. 

Außer der Präbende gab es noch gewisse Einkünfte, die 
sogenannten Spezialien, an welchen diejenigen Kanoniker teil- 
nahmen, die persönlich ihren Dienst verrichteten und volle neun 
Monate residierten (praeter praebendam quae ex commnibus fruc- 
tibus singulis contingit, habebunt soli interessentes et plene 
parlicipantes etiam quaedam specialia). Zu diesen gehörten das 
Getreide von der Mühle zu Brinighoffen, der Rangenwein, der 
Rotwein vom Zehnten in Thann, der Weizen in den beiden 
Aspach, die jährlichen Einkünfte zu Eschenzweiler (vom soge- 
nannten Seelgut), das Gemüse zu Traubach und einige Hühner 
und Kleien. In den Statuten von 14303 war nur der Hotwein, 
das Getreide von Brinighoffen und die Abgabe von der Mühle 


1 Statuten von 1642 und sessio 24 cap. 12, Trid. conc. 

3 Durch das bischófliche Reglement vom 29. Oktober 1760 wurde 
die Residenzpflicht auf 46 Wochen erhöht. 

3 Bez. Arch. Straßburg. 


— 128 — 


zu St. Amarin, die Einkünfte von Eschenzweiler, Gerste, Hühner 
und Kleien unter die Spezialien gerechnet. Ausgeschlossen von 
dem Genusse dieser Spezialien waren diejenigen Chorherrn, 
welche zur Zeit der Verteilung! nicht mehr am Leben waren, 
sowie diejenigen, welche verschuldet oder unverschuldet noch 
nicht zum Priester geweiht waren. Wurde der Kanoniker im 
Laufe des Jahres vor der Verteilung geweiht, so waren ihm 
nach verschiedenen bischöflichen Entscheidungen diese Einkünfte 
voll und ganz zuzuweisen 2, 

Die Erträgnisse der Spezialien waren recht geringe nach 
dem Visitationsprotokoll von 1716 ergaben sie insgesamt 24/4 
Weizen und 5/4 Korn, 2/4 Hafer, 9 Ohm gewöhnlicher Wein, 
18 Ohm Rangenwein und 6 Ohm Rotwein ; die Hühner und 
Kleien waren weggefallen. 

Vom Bestand der Präbenden wurde jedes Jahr nach Vor- 
schrift des tridentinischen Konzils der dritte Teil abgezogen 
und zu den täglichen Verteilungen in der Weise verwendet, 
daß an diesen nur die Chorherren teilnehmen konnten, welche 
persönlich dem Gottesdienst anwohnten und ihre Funktionen 
richtig erfüllten. Wer die Distributionen gewinnen wollte, mußte 
vor Ende des ersten Psalmes in allen Horen und vor Ende 
des Kyrie eleison bei dem feierlichen Gottesdienst auf seinem 
Platze sein und bis zum Ende daselbst verweilen. Wenn ein 
Chorherr öfters ohne genügende Entschuldigung fehlte, so 
konnte das Kapitel außer mit Geldstrafen auch mit Kirchen- 
strafen gegen denselben vorgehen. Die Distributionen, welche 
jemand durch Abwesenheit oder zu spätes Kommen verlor, 
wuchsen den Anwesenden zu, daher der Name Präsenzen ; 
‚dieselben sollten dazu dienen den Eifer der Chorherren zu er- 
höhen. Bemerkenswert ist, daß im Thanner Stift schon vor dem 
Tridentinum nämlich seit 1433 + jährlich 7 Plaustren zu je 20 
Ohm Wein und 30/4 Weizen zu den täglichen Distributionen 
verwendet wurden5, ein Gebrauch, den das Konzil lobte und 
allgemein durchführte. Während früher aus den Präsenzen 


1 Die Verteilung der Frucht erfolgte zu Martini, die des Weines 
gegen Weihnachten. 

2 St. Arch. 1 zu 1726. 

3 sessio 22 cap. 3 und sessio 21 cap. 3 Trid. conc. 

4 Bez. Arch. Serie G. 

9 Staats-Arch. 1 zu 1442. 


— 129 — 


Kapitalien auf Zinsen ausgeliehen werden konnten, so z. B. 1566 
an Herzog Ferdinand 1000 fl. Hauptgut unter Verpfändung 
der Salzpfannen Hall in Tyrol und 1570 an denselben 800 fl. 
Hauptgut gegen Verpfändung aller Grafschaften Tyrols, warfen 
sie später hin wenig ab und betrugen 1609 für einen fleißigen 
Chorherrn nur 100 Pfund. An den Einkünften der Spe- 
zialien und Distributionen nahmen selbst die Chorherren teil, 
welche wirklich krank waren und bei achttägiger Abwesenheit 
ein ärztliches Zeugnis beibrachten, diejenigen, welche zur 
Wiederherstellung ihrer Gesundheit auf Anraten des Arztes 
ein Bad besuchten, ferner die, welche in Kapitelsgeschäften 
abwesend waren, Der Satz, daß ein kranker Chorherr an den. 
Spezialien Anteil habe, ist in den Statuten nicht ausgesprochen, 
und war vom Kapitel stets bestritten, doch entschied der Bi- 
schof nach längerem Schriftwechsel in einer Sentenz ohne Da- 
tum wahrscheinlich aus dem Jahre 1744, daß ein solcher vom 
Genuß nicht ausgeschlossen werden dürfe. 

Der Chorherr, welcher abwesend sein will, ob für kürzere 
oder längere Zeit, hat stets vom Propste Dispens zu begehren. 
Als genügend entschuldigt galten nur die wirklich Kranken, 
nicht die, welche ein Unwohlsein verschützten. Zu letzteren 
gehörten alle die, welche notorische Trinker sind und daher 
an Kopf- und Magenweh leiden, eine solche Entschuldigung 
wäre frivol ; dann die, welche beim Spiel zusammensitzen, und 
die Nacht zum Tag machen, und infolgedessen am nächsten 
Morgen zu schwach sind, ebenso die, welche dem Jagdver- 
gnügen huldigen oder sonst umherstreifen und davon ermüdet 
sind (qui notorie vino dedicti sunt, qui capite et stomacho 
saepius laborare se dicunt, haec excusatio frivola est, qui con- 
viventes ludentes aut qui noctes pertrabunt et postera die lassi 
et trepidi se excusare praetendunt, similiter qui venantes aut 
alio modo circum vagantes defatigati et imbeciles se pro aegrotis 
habent). 


— 


1 Die Statuten von 1642 drücken sich aus «qui praesentes non 
sunt distributionibus privabuntur exceptis legitime impeditis ut sunt 
aegroti (non ficti nec ex crapula) in negotiis capituli occupati 
venas sibi seccare curantes vel purgationes sumentes biduum tan- 
tam admissionem vel investituram petentes ordines sumentes alias 
que ob causas justas ut peregrinationes necessaria balnea a capitulo 
approbandas et punctatori indicandas». 


SCH SILLY. , 9 


— 130 — 


Als genügend entschuldigt gallen die Kanoniker, wel- 
che in Kapitelsgeschaften abwesend waren, und diejenigen, 
welche an Hochschulen studierten oder Vorlesuugen. hielten ; 
für die neugegründete Universitàt Basel z. B. hatte Papst Pius 
II. eine generelie Bulle hinsichtlich der Vorlesungen erlassen. 

Damit das Kapitel durch Dienstreisen der Chorherren, wo- 
für dieselben auBer den baren Auslagen noch ein Honorar von 
19 sols für den Tag erhielten! nicht allzu sehr  beschwert 
würde, hatte der Propst über die Notwendigkeit von solchen 
zu entscheiden. Derselbe setzte auch die Reisekosten fest und 
stand dem Kanoniker, wenn sie ihm zu gering dünkten, Be- 
schwerde an den Bischof zu. Zur Entschuldigung eines. Chor- 
herrn genügte es nicht sich einfach beim Punktator als ab- 
wesend zu melden, sondern der, welcher abwesend sein wollte, 
muBte dies dem Punktator anzeigen, der dann in der nàchsten 
Sitzung die Sache vorzubringen hatte, worauf dem Kapitel die 
Entscheidung der Frage zustand, ob die Verhinderung legal 
war. 

Nach einem Reglement des Bischofs Joseph Wilhelm wur-. 
den die täglichen Distributionen eines residierenden Chorherrn 
auf 249 livres jährlich festgesetzt? nach einem täglichen Satze 
von 129 sols und waren die Matutinen, die große Messe, und 
die Vespern auf je 2, die laudes, terz, sexte, none, das Gebet 
und der Nachmittagsgottesdienst auf Je ein sol berechnet. 

Verstarb ein Kanoniker nach Erfülung der Residenz mit 
270 Tagen, so hatten seine Erben Anspruch auf den ganzen 
Ertrag der Präbende, starb er mitten im Jahr, so stand ihnen 
das Erträgnis nach Verhältnis der Zeit zu, dafür hatten sie 
für die vom Pfarrer zu. haltenden Anniversarien 25 Pfund? 
und die Rechte des Kapitels pro almutio 7 Pfund 10 sols zu- 
rückzulassen. Außerdern fiel das superpellicium. eines jeden 


* 


1 Kurz vor der Revolution wurde kein Honorar mehr vergütet. 
Ingold, Miscellana Alsat. S. 90. 

2 St. Arch. 18 zu 1114. 

8 Nach einem Dekret des Bischofs Komad: von 1716 wdi das 
Kapitel ermächtigt keine-Anniversarien mehr zum Satze. von 25 
Pfund anzunehmen, da dieser gänzlich unzureichend war; als Be- 
trag für jedes Jahreedachtnis wurden 90 Pfund festgesetzt. Gleich- 
zeitig wurde die Zahl der alten Anniversarien bedeutend | ver- 


mindert, o "uU T 


— 131 — 


wahrend der Residenz verstorbenen Chorherrn und Sacellanen 
der Bruderschaft corpus Christi zu, welche dem  Protektorat 
des Bischofs unterstand. Nach einem alten Brauch mußten die 
Erben eines zu Thann verstorbenen Kanonikers den anwesen- 
den Chorherren und Sacellanen eine ehrliche Mahlzeit reichen 
oder dieselben mit 12 Batzen abfinden!. 

Ein annus gratiae gab es nach den Statuten im Thanner 
Stift nicht. 

Sehr häufig errichteten die Chorherren eigenhändige 
Testamente zur Regelung ihres Nachlasses ; für die Konfirmation 
derselben erhielt der Bischof eine feste Abgabe von 12 Pfund 
und an Sterbfallsgebühren 40 Pfund, die durch die Erben zu 
zahlen waren. 

Damit die Zahl der abwesenden Kanoniker nicht zu groß 
würde, und dadurch eine Störung in den geistlichen Uebungen 
eintreten könnte, bestimmten die Statuten, daß in einem 
solchen Falle soviele zur Residenz gezwungen werden könnten, 
als nötig wäre. Bei einer Weigerung sollte das Kapitel be-. 
rechtigt sein, an der Stelle der renitenten Chorherren andere 
Kanoniker zu ernennen. | 

Ueber die Einnahmen und Ausgaben der Kapitelsfabrikkasse 
entnehmen wir einer Aufstellung von 1759 folgende bemerkens- 
werte Zahlen 2. Unter den Einnahmen sind aufgeführt die 
beiden Präbenden, die statutengemäß in die Masse zu fallen 
haben, .mit 1600 Pfund, der dritte Teil von zwei Karenzen 
mit 533 Pfund und der Ertrag der Kapitalzinsen mit 228 Pfund, 
so daß sich für die Kasse eine Gesamteinnahme von 2361 er- 
gibt. Unter den Ausgaben figurieren unter anderm die 
Zahlungen an den Propst mit 133 Pfund, den Prokurator mit 
13 Pfund, den Einnehmer mit 100 Pfund, die Choralisten mit 
40 Pfund und an zwei Kapläne mit 18 Pfund. Sehr bedeutend 
sind die Herbstausgaben ?, über deren Höhe häufig Klagen 


mn ——————— — 


1 Testament des Propstes Willemann 1675 St. Arch. 24 zu 1562. 

2 St. Arch. 163 zu 1714. 

3 Ueber die Erhebung des Weinzehnts und die damit verbundenen 
Kosten geben die Akten über die Zehendsachen bei der Kollegiat 
zu Thann (Staats-Arch. 16C0) Aufschlüsse. Das Stift hatte hier- 
nach wahrend der Dauer des Herbstes 20 bis 30 und noch mehr 
Feld- oder Zehntknechte bestellt, welche den Zehnten von den Reb- 
besitzern erheben und in die an bestimmten Punkten stehenden Ka- 


— 132 — 


geführt werden, dieselben belaufen sich mit einigen Geldzinsen 
auf 325 Pfund, so daß ein Reinüberschuß von nicht gauz 
500 Pfund übrig bleibt. 


pitelsbüttiche bringen mußten. Zu deren Abführung waren in guten 
Jahren 5 bis 6, gewöhnlich aber 3 Fuhrleute beauftragt, um den 
Zehnten auf die Stiftskeltern zu bringen. Das Kapitel hatte noch 2 
Männer, welche den Bann genau kannten, die man Stäbler nannte, 
weil sie in der Gemarkung herumgehen die Büttiche betrachten und 
deren Inhalt mit einem Stab abmessen mußten. Die Zehntknechte 
und Stabler hatten bei ihrer Anstellung einen Eid zu leisten, daß 
sie den Stiftsherren treue Dienste tun, ihren und des Kapitels Nutzen 
fördern und Schaden sowie Nachteil abwenden wollen. Bez. Arch. 
WWW 4 zu 1579. Ferner hatte das Stift noch 4 Trottknechte 
und 4 Weinträger in Dienst, welch letztere nur geringen Lohn er- 
hielten, aber während des Herbstes mit Speise und Trank reichlich 
traktiert wurden. | 

Ursprünglich mußte das Stift für jeden Tag, an welchem es seinen 
Wein kelterte, der Herrschaft 8 Maß Wein entrichten; durch eine Ver- 
einbarung vom 12. September 1603 wurde diese Abgabe geändert und 
gab das Kapitel in Zukunft jährlich als Pauschale 3 Ohm Wein. Bez. 
Arch. Lade 8. 

Beim Herbste beteiligten sich die Chorherrn selbst; so schreibt 
1786 der Propst dem Bischof, daß nur noch 3 Kanoniker im Chore 
sind, nachdem 2 im gemeinsamen Interesse an die Kelter komman- 
diert und 2 andere krank sind und bittet um Dispens vom gewöhn- 
lichen Chordienst. Der Suffraganbischof erwiderte, die Genehmigung 
eines solchen Ansinnens wäre eine Öffentliche Blamage und für das 
Kapitel sei es sehr traurig, wenn es unter solchem Vorwand den 
Gottesdienst vernachlässigen wollte. Staats-Arch. 8) zu 1457. 


KAPITEL VIII. 


Der kanonische Gottesdienst. Bauliche Aenderungen der Stiftskirche. 
Streitigkeiten des Kapitels mit dem Pfarrer und dem Magistrat. 


Die geistlichen Uebungen der Chorherren begannen morgens 
um 6 Uhr mit den Matutinen in der Zeit von Michaeli bis 
Georgi und um 5!|; Uhr von Georgi bis Michaeli!, während 
welcher ein Kaplan, selbst an Sonn- und Feiertagen, am 
Theobaldusaltar eine Stillmesse für die Pfarrei zelebrierte. Die 
Matutinen wurden mit den sich daran anschließenden laudes 
rezitiert und nur in der Vigil vor Fronleichnam, des Pa- 
trons- und  Theobaldusfestes sowie Weihnachten gesungen. 
Dann folgte die Prime und gegen 9 Uhr die Terz und die 
Sexte und um 9 Uhr täglich die kanonische Messe, die 
sogenannte Mittelmesse, welche von einem der Kapläne wochen- 
weise nach der Stiftung und alter Gewohnheit gehalten wurde, 
An Sonn- und Feiertagen wurde die Singmesse um 7!|s Uhr 
durch den Pfarrer, und wenn er verhindert war, weil er die 
kanonische Messe zelebrieren mußte, was jährlich 7—8 mal der 
Fall sein konnte, durch einen Kaplan gehalten ; diese Messe 
wurde für die Pfarrkinder bestimmt. Die Mittelmesse wurde 
an diesen Tagen gewöhnlich nach den Primen gefeiert, wobei mit 
der deutschen? Predigt um 8 Uhr begonnen wurde, die mit 
der Verkündigung nach dem Evangelium spätestens um 3/49 


1 St. Arch. 78 zu 1714. 
. 2 An Sonn- und Festtagen durfte selbst zur Zeit der franzó- 
sischen Herrschaft die Predigt nur deutsch gehalten werden, Be- 
schluß des Bischofs Joseph Wilhelm vom 29. Oktober 1760. 


— 134 — 


Uhr zu Ende sein muBte. Der Magistrat hielt strenge darauf, 
daB die Predigt nicht zu lange dauerte, wie man aus einer 
Beschwerde desselben gegen den Stadtpfarrer Fautsch 1615 
ersieht, worin bei dem Bischof Klage erhoben wurde, daß der 
Pleban nicht von der Kanzel herunterkomme. Nach der Pre- 
digt wurde die Terz und Sext gesungen, an die sich die Aus- 
teilung des Weihwassers anschloß, hierauf folgte die große 
Messe für die Pfarrei, durch den Kanoniker gehalten, der die 
Woche hatte!, für die Gründer und Wohltäter der Kirche, an 
welcher das Kapitel sich beteiligte. Die kanonische Messe 
wurde an Sonn- und Festtagen an dem Theobaldusaltar gelesen, 
der im Schiff in der Mitte des Abschlußgitters stand und zwar 
während der Matutine. 

Damit keinerlei Störung in der Abhaltung des Gottesdienstes 
eintreten konnte, war bestimmt, daß ein Chorherr der länger 
als acht Wochen krank war, auf seine Kosten für eine Ver- 
tretung zu sorgen hatte, da er die Distributionen und grosst 
fructus bezog, bei einer kürzeren Krankheit mußte das Kapitel, 
wenn zufällig die Verhinderung in die Woche des Kanonikers 
fiel, für dessen Vertretung sorgen und hatte in diesem Fall 
dann der Chorherr, wenn er wieder gesund war, seine Woche 
für denjenigen nachzuholen, der ihn vertreten hatte. 

Die Vespern begannen regelmäßig um 3 Uhr mit Ausnahme 
der vierzigtägigen Fasten, an denen dieselben vor dem Essen 
gehalten zu werden pflegten. An gewissen Tagen wurden 
während der Vespern in der Marienkapelle das Salve Regina 
und der Rosenkranz gebetet, wobei ein Sacellan abwechselnd 
anwohnte. In der Zeit vom 20. Oktober bis 1. März konnte 
das Kapitel die Vespern bereits um 2 Uhr anfangen. Die 
Anniversarien wurden vor der kanonischen Messe gehalten 
und entweder ganz oder nur zur Hälfte gesungen, je nach 
dem Inhalt der Stiftungsurkunde. Die Matutinen und Lau- 
des waren mit Ausnahme von verschiedenen Tagen, an 
welchen man sie sang, psalmodiert, der Rest des Gottes- 
dienstes ebenso das Tedeum nach den Matutinen pflegte man 
zu Singen. 


1 Nach den Statuten hatte jeder Kanoniker eine Woche lang 
den Gottesdienst zu halten und während dienei Zeit früher als sonst 
in der Kirche anwesend zu sein. 


~ 135 — 


Wie schon in den Statuten klar und deutlich. ausgesprochen 
ist, hatte der Pfarrer als Mitglied des Kapitels den Dignitäten 
Gehorsam zu erweisen, den er eidlich, wie jeder andere: Kanoa- 
niker, geloben mußte. Trotzdem begannen hereits:sehr frühe 
Streitigkeiten zwischen dem Pleban und dem Kapitel, die sich 
bis zur Aufhebung des Stifts hinzogen und sogar. den hl. Stuhl 
beschäftigten. Kapitel und Pfarrer verklagten ‘sich gegenseitig 
beim Bischof, und schob jeder Teil dem anderen die Schuld an 
diesen bedauernswerten den Frieden der Gemeinde stórenden 
Vorgängen zu. Der Magistrat hielt meistenteils zum Pfarrer, 
da das Kapitel ihm den Einfluß nicht zugestehen wollte, den 

er für sich in Anspruch nehmen zu dürfen glaubte, Welch’ 
— kleinliche. Fragen erörtert und im Beschwerdewege zum Aus- 
trag gebracht wurden, beweist unter anderen außer den noch 
zu erwähnenden Urteilen der Entscheid des Kardinalskollegiums 
der Riten zu Rom vom 18. Februar 1776, welcher ausführte, 
daß nachdem die Kirche zu Thann Kollegiat- und zugleich Pfarr- 
kirche sei, bei dem Kapitel die Seelsorge zu verbleiben habe, 
die durch einen vom Kapitel ernannten Chorherrn ausgeübt 
werde. Dieser zum Pfarrer ernannte Kanoniker sei aber nur 
der Stellvertreter des Kapitels, und müssen deshalb bei allen 
geistlichen Funktionen, an denen sich das Kapitel beteilige, so- 
wie bei Beerdigungen und Prozessionen, an denen das Kolleg 
telnehme, die Dignitäten den Vorrang im Zuge haben. Der 
Ptarrer habe bei diesen Anlässen an der Stelle zu gehen, die 
er im Chor innehabe und zwar ohne Stola, da diese nur der 
ersten Dignität und in deren Verhinderung der zweiten oder 
dritten zustehe. | 

Der Schluß dieser Entscheidung ist bezeichnend und lautet: 
«Wir bitten Euch in Zukunft jeden Streit und Skandal zu unter- 
lassen, "^ Vorstehendes ist unsere persönliche Ansicht, abgefaßt 
nach den Bestimmungen anderer ähnlicher Kongregationen und 
wir hoffen, daß diese den Frieden und di» Ruhe in Eurem 
Kapitel. zurückführen, wird.» en 

Weit gefehlt, daß diese wohlmeinenden Ratschläge des 
Kardinals ‚eine Aenderung dieser geradezu unwürdigen Zustände 
herbeigeführt hätten. Die Streitigkeiten gingen nun erst recht 
los, Zwei, königliche Edikte von 1726 und 1731 hatten die 
Rechtsverhältnisse und die Stellung der Pfarrer und Vikare 
geregelt, doch bezogen sich dieselben nicht auf die Kathedral-, 


— 16 — 


und Kollegiatkirchen, denen diese Geistlichen uniert waren, und 
bei denen die geistlichen Funktionen durch einen Angehörigen 
des Kapitels versehen wurden. Der Bischof von Basel erließ am 
42. Juji 1783 für seine Diözese ein Ritual, welches mit den 
königlichen Verordnungen sonst im Einklang stand, aber an- 
scheinend übersah, daß dasselbe im Widerspruch mit den Ge- 
= bräuchen und Gewohnheiten dieser privilegierten Kirchen stand. 
Es verfügte nämlich, daß wenn der Pfarrer mit Chorrock oder 
selbst bloß mit Stola bekleidet einer Prozession, einem Leichen- 
begängnis oder sonstigen Funktionen anwohne und dieselben 
halte, er den ersten Platz einzunehmen habe. 

Gegen das Ritual wandte sich das in seinen Rechten ver- 
letzte Kapitel an den souveränen Rat zu Colmar mit einer 
Klage wegen Abusus des Bischofs, der nur zwei Chorherrn 
sich nicht anschlossen. Der höchste Gerichtshof hob durch Ur- 
teil vom 13. Mai 1785 das Ritual auf und erkannte das Vor- 
recht der Dignitäten ausdrücklich an. Die Entscheidung ist 
eingehend motiviert und wird in den Gründen ausgeführt, «die 
Statuten des Kapitels seien maßgebend für die Beurteilung der 
streitigen Frage, sie bilden das Gesetz und der Usus regele 
den Rang, die Vorrechte der Dignitäten und Kanoniker. Alle 
haben die Statuten zu befolgen, der Pfarrer wie jeder andere 
Chorherr. Nach der Transaktion von 1457, die den Pfarrer 
unter die Zahl der Kanoniker versetze, habe sich das Kapitel 
mehrere Ehrenrechte vorbehalten, die ohne dieses Reservat 
dem Pfarrer von Rechtswegen zustehen müßten. Die ganze 
Jurisdiktion des Pfarrers sei aber auf die Seelsorge beschränkt, 
und er habe sich verpflichtet nichts zu unternehmen, was den 
äußeren Kultus betreffe ohne den Konsens des Propstes und des 
Kapitels. Der Eid, welchen der Pfarrer nach den Statuten von 
1642 dem Kapitel zu leisten hat, beweise, daß die Kollegiatkirche 
zu Thann mehr spezielle Ehrenrechte besitze, als eine gewöhn- 
liche Kirche. Der Usus aber sei nun, daß der Pfarrer mit der 
Stola nach seinem Range, den er durch die Aufnahme in das Ka- 
pitel habe, sich bei Prozessionen und Leichenbegängnissen betei- 
ligen müsse. Das Edikt des Bischofs schaffe dieses Gewohnheits- 
recht nicht deshalb ab, weil es gegen ein Kirchengesetz verstoße, 
sondern weil es dem Ritual seiner Diözese nicht entspreche. Die 
Statuten des Kapitels haben Gesetzeskraft und die geistlichen 
Obern können sie nicht abändern, ohne einen Abusus zu begehen». 


— 137 — 


Ein neuer Streit entstand 1784 zwischen dem gelehrten 
aber streitbaren Pfarrer Delerse, gebürtig aus Sennheim, und 
dem Kapitel wegen der öffentlichen Gebete. Nach altem Brauch 
führte der Pfarrer die Markus- und Bittprozessionen an; wenn 
sich das Kapitel ebenfalls beteiligte, nahm der Pfarrer nur den Platz 
ein, der ihm im Chor zukam. Delerse seinerseits beanspruchte 
selbst für diesen Fall den ersten Rang. Der Bischof, dem die Sache 
vorgelegt wurde, ließ von seinem Advokaten Chauflour in Colmar 
ein Rechtsgutachten über die neue Streitfrage abfassen; dieser 
schlug dem Bischof zur Vermeidung weiterer Prozesse vor die 
Statuten abzuändern. Der Sturm der Revolution fegte das Stift 
hinweg, zu einer Statutenänderung kam es nicht mehr. 

Das Kapitel lag nicht allein mit dem Pfarrer sondern auch 
mit dem Magistrat in Streit; die Ursachen des letzteren waren 
nur geringfügiger Natur. Seit Jahrhunderten bewegte sich 
nämlich die Fronleichnamsprozession nach dem Hochamt im 
Münster durch die Ochsengasse zum ‘Franziskanerkloster, dem 
heutigen Spital, in dessen Kirche dann eine zweite Messe ge- 
lesen wurde. 1775 beschloß der Magistrat diese Prozession ein- 
gehen zu lassen, weil die größere Zahl der Teilnehmer während 
der Messe sich in den benachbarten Wirtschaften gütlich tat, und 
stellenweise sogar betrunkene Personen strafbaren Unfug verüb- 
ten. Der Bischof, an den sich das Kapitel wandte, fand die Neu- 
erung zwar bedenklich, beließ es aber wahrscheinlich mit Rück- 
sicht auf die vorgebrachten Tatsachen bei dem  Deschlusse . 
des Rats. 

Zu einem großen Prozeß kam es zwischen dem. Kapitel 
und dem Magistrat aus Anlaß der vom Rat Garnier aus Colmar 
im Auftrage des Bischofs am 5. 6. und 41. Oktober 1759 vor- 
genommenen Visitation des Münsters. Garnier hatte in seinem 
Bericht verschiedene Vorschläge in Bezug auf bauliche Verän- 
derungen der Stiftskirche im Innern und Aeußern gemacht. 
Unter anderm sollten die kleinen Altäre St. Joseph und St. 
Nikolaus, welche sich in sehr schlechtem Zustande befanden, 
abgebrochen werden. Diese Altäre standen zu beiden Seiten des 
Theobaldusaltars in der Mitte des eisernen Gitters, welches 
das Chor vom Schiffe abschloß, und zwar in letzterem selbst ; 
der Theobaldusaltar versperrte die Aussicht auf den Hochaltar, 
‘ wie der Bericht des weiteren ausführte. Wann dieser Altar aus 
dem alten Gewölbe in das Schiff versetzt wurde, läßt sich nicht 


— 138 — 


nachweisen, die Verlegung dürfte aber bald nach der. Ueber- 
siedelung des Stifts nach Thann erfolgt sein, weil die Chorherrn 
regelmaBig dem Volk einen eigenen Altar errichteten, der vor 
dem Lettner allen sichtbar. blieb, -während sie sich zum Psalmen- 
gebet hinter die Chorschranken, wo sie ungestört bleiben 
konnten, zurückzogen. Der schöne kunstreiche von Remigius 
Fäsch im Jahre 1520 erbaute steinerne Lettner! wurde 1726 
samt dem Altar des hl. Theobaldus abgebrochen, um die Kirche 
und das Chor größer und heiterer zu machen?. Anstatt durch 
den Lettner wurde das Chor mit einem eisernen Gitter vom 
Schiff getrennt und ein Teil des alten Theobaldusaltars an das 
Gitter herangerückt. Nach den Ausführungen Garniers standen 
auf beiden Seiten des Schiffes noch zwei alte Altäre, ebenso 
an den zwei ersten Pfeilern vom Ghor. aus gerechnet je ein 
solcher, ein anderer in der Mitte-links ohne an die Mauer ge- 
stützt zu sein. Nach Ansicht des Rates Garnier war es an- 
gebracht diesen Altar hinwegzunehmen, um Platz zu schaffen, 
da das Münster kaum den dritten Teil der Pfarrangehörigen 
fassen könne. Die auf der rechten Seite vom Eingang aus.an- 
gebaute Marienkapelle fand Garnier hübsch geschmückt; die 
Unterhaltung derselben hatten die beiden Bruderschaften cor- 
pus Christi3 und Rosenkranz, die hier ihre Andachten ver- 
richteten, übernommen. Nach der :großen Thanner Chronik 
wäre diese Kapelle am 15. August 1608 dediziert worden 4, 
trotzdem der Schlußstein das Ende des Baues erst auf das 


— 


1 Kleine Thanner Chronik S. 35. 

2 Daselbst S. 58. Tagebuch der Guardianen S. 36 do 13. Mai 
1726 haben die Herren der Stadt den Lettner in dem Münster hin- 
weggetan und den Altar St. Theobaldi besser fürgerückt, willens 
ein neues Gitter und hohen Altar zu machen, damit die Kirche desto 
herrlicher und majestátischer erscheine.» 

3 Diese Bruderschaft ist 1466 gestiftet. Bez. Areh: Register ii 
weggeschafften Urkunden. 

- 4 Seite 319. Den 15. August 1608 ist die Kapelle B. V. Mariae, 
welche Fraw Magdalena von Ruost, gebohrene von Sickhingen und 
Junkhers Wilhelm von Ruost, eheliche Hausfrau an das Münster 
hat bauwen lassen unserer lieben Fraw dediziert worden und. weil 
sie ohne das. schon auf dem Geweyten erbawen, hat die Kapeli 
keine Konsekration von nothen gehabt; allein ist.der Altar ge- 
weiht worden von dem hochwürdigen Herrn Bernardo ab Angeloh 
Episcopo Tripolitano.  - i og y of Erde me 


x HE 


Jahr 1634 verlegt!. An der ganzen Notiz der Chronik ist allein 
die Jahreszahl 1608 richtig; aber diese Zahl gibt nicht den Termin 
der Einweihung an, sondern den Beginn des Baues überhaupt 2, 
| Die Kapelle wurde den 15. August 1632 durch den Bischof 
won a. Tripolis feierlich eingeweihts. 

Die durch den Rat Garnier vorgeschlagenen Mandarin 
schätzte ‘der Münsterbaumeister Thirion auf 40000 fr. und 
rechhete dazu noch 10000 fr. für die innere Einrichtung der 
Altàre, der Bänke und des Pflasters. Da der Kirchenfabrik, 
wie Thirion schreibt, zu den erforderlichen Reparaturen die 
nötigen Mittel fehlten, war das Münster im Begriff einzustürzen 
('édifice est dans le cas de périr faute de fond)*. Der Magistrat 
konnte aus den geringen städtischen Mitteln für seine Kirche 
nur wenig tun5, da die Stadt und die Einwohner zu damaliger 


! Der in der Revolution ganz verstümmelte Stein, auf dem sich 
links das Wappen derer von Ruost, drei silberne Löwenköpfe gold- 
gekrónt mit goldener Zunge, und rechts das der Edeln von Sick- 
ingen in schwarz fünf silberne Kugeln befand, enthält die schwer 
zu entziffernde Inschrift : 

D. 0. M. 


Ejusque genetrici Mariae in honorem: 
Rosarii aedem hanc Maria Magdalena 
Vidua Ruost ex stirpe Sickhingen 
Senatui urbis nostrae 
1631 
fieri fecit 

2 Stadtarchiv G. G. 3. 1. 

3 St. Arch. 38 zu 1377, worin der Bischof am 10. August 1632 
schreibt, wir sind ersucht worden die zu Thann an der Pfarrkirche 
neu erbaute Kapelle samt dem Altar zu konsekrieren. 

4 Die letzten größeren Arbeiten waren 1628 vorgenommen 
und beschränkten sich hauptsächlich auf die innere Ausschmückung. 
Große Thanner Chronik II, S. 423, 430, 431. 

5 Der Magistrat überließ der Kirchenfabrik die Einkünfte aus 
dem Sterbegeläut, geschätzt zu 200 livres, und die Früchte der 
Nußbäume in der städtischen Ebene, dem heutigen Bungert, wovon 
2 Maß Oel für den Gebrauch der Kirche verwendet wurden, und 
ein MaÜ um 24 fr. verkauft werden konnte, er genehmigte auf 
Widerruf einige kleine Verkaufsbuden in den Nischen des Münsters, 
welche einen geringen Zins abwarfen. 

In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden einige größere 
Reparaturen an der Kirche vorgenommen. Die Hauptarbeiten fallen 
in die Zeit nach 1871 und sind bis heute aus Staatsmitteln gegen 
270000 M. aufgewendet worden, nicht gerechnet die Tausende für 
die Verschönerung des Münsters im Innern und die Beiträge der 
Stadt für Arbeiten am Aeußern. | 


— 140 — 


Zeit nicht mit Glücksgütern gesegnet waren!. Er verlangte 
deshalb zu den Arbeiten vom Bischof das Vermégen der Kapelle 
zu Niederburnhaupt und der Bruderschaft St. Sebastianus bei 
den Franziskanern zu Thann, und unterstützte Garnier das 
Begehren. Die Einwohner von Niederburnhaupt aber weigerten 
sich entschieden die verlangten Mittel für die Reparaturen der 
Thanner Kirche zu geben, während der Vorstand der Bruder- 
schaft, bestehend aus einigen Magistratsmitgliedern, bereitwillig 
das Vermógen der letzteren zur Verfügung stellte. 

Das Chor befand sich nach Garnier in gutem Zustand und 
hatte Reparaturen nicht nótig. 

Auf Grund der Visitation erging am 29. Oktober 1760 ein 
bischófliches Edikt, das dem Magistrat folgende Aenderungen 
zu machen befahl: 

1. Der Theobaldusaltar soll von allen ihn umgebenden 
Anhängseln frei gemacht werden, um den Gläubigen eine 
bessere Aussicht auf den Hochaltar zu gewähren, 

2. Die beiden kleinen Altäre St. Joseph und St. Nikolaus 
sollen als undezent entfernt werden; die Bilder der Patrone 
sind zu erneuern und auf andere Allaire zu bringen ; hierzu 
können die 133 livres, welche zur Reparatur des letzteren Altars 
gestiftet sind, verwendet werden. 

3. Die andern kleineren Altäre, welche an den beiden 
ersten Pfeilern angebracht sind, ebenso der dritte, der sich in 
der Mitte der linken Seite befindet und der hl. Dreieinigkeit 
geweiht ist, sind um Platz im Schiffe zu schaffen, gleichfalls 
abzubrechen. 

4. Der Taufstein unter dem Altar St. Nikolaus muß auf 
die linke Seite gestellt werden. 

9. Das Schiff der Kirche ist herzurichten von denjenigen 
die hierzu verpflichtet sind; in Ermanglung von Mitteln der 
Kirchenfabrik dürfen hierzu die Einkünfte der Kapelle St. Wen- 
delin von Niederburnhaupt und der Bruderschaft St. Sebastian 
verwendet werden, doch ist hierzu die Einwilligung des Pfarrers 


—— MÀ M — 


! Charles Hoffmann l'Alsace au 18 siécle Bd. I, S. 48 «les ha- 
bitants de la ville de Thann et de la vallée sont les plus pauvres 
gens de la province». Le mémoire fait par la ville de Thann en 
1190 en vue d'obtention d'un tribunal disait: «Les habitants n'ont 
jamais eu d'aisance et, de notoriété publique la moitié de la ville 
ne contient que de trés pauvres gens». 


— 144 — 


und der Einwohner von Niederburnhaypt, sowie der Vorsteher 
der Fraternei einzuholen. Da die Fabrik der Kollegiatkirche 
nur mittelmäßig mit Einkünften versehen ist und ohne Beihilfe 
nicht alle Arbeiten ausführen kann, erlaubte der Bischof die 
Kirchenbänke gegen Entgelt zu vermieten und den Erlös zum Vor- 
teil der Fabrik zu verwenden. Infolge der Streitigkeiten, welche 
das Reglement des Bischofs herbeiführte, machte der Magistrat 
von der Erlaubnis die Kirchenplätze zu verpachten erst 1785 
Gebrauch. Der Rat beschloß am 27. Juni, daß, nachdem allein 
die neuen Kirchenbänke 1500 livres gekostet hatten, welche 
die gemachten geringen Ersparnisse und das Legat des Herrn 
von Massilly mit 1200 livres aufgezehrt, und für die Dekorationen, 
die noch zu machen wären, nur das Erträgnis der Kirchen- 
plätze übrig bliebe, dieselben zu verpachten seien. Damit aber 
die Gläubigen, welche die Plätze damals innehatten, gegen eine 
solche Versteigerung keinen Einwand erheben konnten, wurde. 
gleichzeitig beschlossen die Genehmigung des höchsten Gerichts- 
hofes einzuholen und unverzüglich die Bänke aufzustellen. 

Die Verpachtung fand kurze Zeit später statt, das Er- 
trägnis für die Fabrikkasse war wegen des Widerstandes der 
Bevölkerung gegen die angeordnete Neuerung ein ziemlich 
geringes. 

Das Reglement verfügte nebenbei, daß während der Pre- 
digt und der kanonischen Messe an Sonn- und Feiertagen 
kein Obst vor der Kirche verkauft, und von keinem Wirt in 
der Stadt Essen oder Trinken verabreicht werden dürfte. 

Bereits zwei Jahre später änderte der Bischof wohl infolge 
von Vorstellungen des Kapitels sein Reglement und erließ am 
2. August 1762 ein Supplement, worin er anordnete, daß der 
Josephs- und Nikolausaltar nicht supprimiert werden sollte, 
sondern repariert werden müßte. Die an die beiden ersten 
Pfeiler vom Chor aus gerechnet angelehnten Altäre St. Valen- 
tin und Apostel seien, da die Pfarrkirche ohnehin kaum Raum 
für die Gläubigen biete, abzubrechen, der Altar zur Dreieinig- 
keit in der Mitte der linken Seite solle ganz an die Mauer 
herangerückt werden, so daß er dem Altar unserer lieben Frau 
gegenüber stehe. 

Der Magistrat antwortete auf das Supplement ungefähr 
folgendes: Der Tabernakel, sowie die Sitze der Offizianten im 
Chor von gotischer Form und Ausführung seien zu groß und 


— 142 — 


hinderten den Gottesdienst, es wäre am einfachsten sie abzu- 
brechen. Der Hochaltar stände zu weit vorn, man müßte ihn 
mehr in den Hintergrund des Chores schieben, angeblich 
um Platz für den Thron des Bischofs zu schaffen ; der auf der 
linken Seite vom Chor aus gerechnet aufgestellte Altar St. Mar- 
gareta -hindere den Eingang in die Muttergotteskapelle und 
stóre die Prozessionen, welche herkómmlicherweise in der Kir- 
che stattfinden. Der Altar zur hl. Dreieinigkeit auf der rechten 
Seite wirke stórend, wenn man ihn wieder herstelle, man 
kónne ihn ebenso wie den Kreuz- und Katharinenaltar unter 
Beobachtung der vorgeschriebenen kirchlichen Zeremonien ab- 
brechen, und sei dies um so eher móglich, weil noch fünf an- 
dere Altäre im Schiff und Chor, und ein sechster in der Marien- 
kapelle vorhanden seien!. Das alte Kreuz, welches an einem 
Querbalken über dem Abschluß des Chores 18 Meter hoch 
hange, versperre den Einblick in das Chor und drohe herunter 
zu fallen, es müsse deshalb, um Schaden zu verhüten, herunter 
genommen werden. 

Vorsichtigerweise fügte der Magistrat bei, es sei leicht 
Platz für die Pfarrangehórigen dadurch zu schaffen, daß er 
seine Banke aus dem Schiff ins Chor stellen dürfe; der Auf- 
enthalt im Chor entspreche seinem Stand am besten und er 
kónne von hier aus dem Gottesdienst bequemer anwohnen 
(c'est bien qui convient le mieux à son état et il s'y trouvent 
des staux en suffisance à la suite de ceux, occupées par le 
corps du chapitre). Gegen die Versetzung der Bänke wehrte 
sich das Kapitel mit der Motivierung, es zieme sich nicht, dab 
Laien mit Klerikern im gleichen Chore sitzen, und wies der 
Bischof das Begehren des Magistrats zurück. 

. Aus dem Bericht des Rats Garnier, dem Rückschreiben 
des. Magistrats, den Mitteilungen der groben Thanner Chronik 
über die im Jahr 1629 erfolgten Verschönerungen der Altäre 
in der Stiftskirche und den unten zu erwähnenden Zulassungen 
der beiden Kapläne auf die dort genannten Kaplaneien lassen 
sich mit einiger Sicherheit folgende Schlüsse über den Stand- 
ort der einzelnen Altäre ziehen. Im Jahre 1346 befand sich 
der Theobaldusaltar in dem alten Gewölbe, der Oswaldaltar in 
der Mitte des Abschlufgitters ; am ersten Pfeiler links der 


1 St. Arch. 91 zu 1457. 


— 143 —- 


Peter und Pauls oder Apostelaltar, in der Ecke zur rechten 
Seite ungefähr am heutigen Eingang in das Gewölbe der Lieb- 
frauen-, und nicht weit davon, der Kreuzaltar, der später unter 
dem Namen Margaretenaltar bekannt war, da er zu Ehren der 
hl. Margareta mitgeweiht war. Dieser letztere Altar hinderte 
den Eingang in. die Marienkapelle und sollte daher abge- 
brochen werden. Wohl bald naclı der Verlegung des Stifts 
von St. Amarin wurde der Theobaldusaltar von seinem Stand- 
ort im Gewölbe in die Mitte der Kirche versetzt, wo er bis 
1726 blieb, um dann an das neue Abschlußgitter herangerückt 
zu werden. Nach den Bauarbeiten soll der Altar an die Ost- 
wand, da wo heute der geschmacklose Holzaltar steht, gestellt 
und im Jahre 1850 wieder an seinen ursprünglichen Standort 
im alten Gewölbe zurückverbracht worden sein. Der Apostel-. 
oder Peter und Paulsaltar hat seinen Platz niemals gewechselt 
ebenso nicht der Margarelenaltar, Der Liebfrauenallar, der zu Ehren 
Katharinas mitgeweiht worden war, scheint seinen Namen 
später in Katharinenaltar verwandelt zu haben und wurde dann 
dorthin gestellt, wo sich der Josephsaltar heute befindet!, denn. 
am ersten. Schlußstein des Nordschiffs befindet sich. die hl. 
Katharina mit der Jahreszahl 1492. Móglicherweise datiert die 
Namensänderung seit der Gründung des Marienaltars in der 
neuen Kapelle zur Vermeidung von Verwechselungen. Der Va- 
lentinusaltar stand am ersten Pfeiler der rechten Seite, der 
Trinitasaltar dem Altar der Marienkapelle gegenüber auf der 
linken Seite. Der von dem Edeln Wilhelm von Masmünster ge- 
stiftete Georgsaltar. hatte seinen Standort vermutlich in der 
Nähe des zweiten Fensters rechts vom Chor aus gerechnet, da. 
in diesem das Wappen? der Familie angebracht ist, und der. 
Nikolausaltar. auf der rechten Seite am Ende des Abschluß- 
gitters. Garnier erwähnt noch einen Josephsaltar auf der linken 
Seite des Gitters, den man abbrechen solle, da er wenig schón 
sei. Vielleicht ist dieser Altar mit dem alten Altar St. Oswald . 
identisch, den man von seinem Platze in der Mitte hinweg- . 
gerückt hat, als der Theobaldusaltar aus dem alten Gewölbe 


| 1 Große Thanner Chronik I, 57b. Kleine S. 30 zu 1446. Die. 
Gewölbe der Kirche sind admirabel hoch absonderlich das linke’ 
&egen St. Katharinenaltar. X SRE g 
2 in rot zwei silberne übereinander schreitende Leoparden. 


— 14 — 


in das Schiff heraus versetzt wurde. Ich habe den Josephsaltar 
sonst nirgends erwähnt gefunden. 

Einen großen Prozeß zwischen dem Kapitel und dem Ma- 
gistrat führten die bischöflichen Edikte wegen der Unterhalt- 
ungspflicht des alten Friedhofes herbei. Der älteste Friedhof 
lag seit Gründung der Gemeinde um die Kirche, und hatte 
1389 der Bischof Johann den Thannern erlaubt den Kirchhof 
zu engen oder zu weitern nach Notdurft. Bereits 1440 wurden 
zur Vergrößerung außer dem Gärner einige daran stoßende 
Stücke Land vom Bischof nach römischer Sitte geweiht. Im 
Jahr 1550 veranlaßte die Regierung zu Ensisheim den Magist- 
. rat aus Gründen der Hygiene den Friedhof um das Münster 
zu schließen und einen neuen außerhalb der Stadt anzulegen. 
Da passendes Terrain nicht zu finden war, befahl die Regier- 
ung, welche sich durch eine Kommission von der Notwendig- 
keit der Verlegung überzeugt hatte, mittels Schreibens vom 14. 
April 1550 den Franziskanern ihren Friedhof durch die Stadt 
Thann mitbenützen zu lassen. Nachdem der Magistrat ver- 
schiedene bauliche Veränderungen an dem letzteren vorgenom- 
men, insbesondere denselben auf seine Kosten mit einer hohen 
Mauer umgeben und die Unterhaltungspflicht für die Zukunft 
übernommen hatte, gaben die Barfüßer dem Drängen der Re- 
gierung nach und behielten sich nur die Jurisdiktion ausdrück - 
lich vor, Im nämlichen Jahre genehmigte der Bischof, daß trotz 
des Widerstandes der Chorherren ein Stück von dem ver- 
lassenen Friedhof um die Pfarrkirche bei dem piederen Tor, 
wo heute das Rathaus steht, hinweggeschlossen würde. Am 
10. Dezember 1552 profanierte der Suffraganbischof, welcher 
zu diesem Zwecke nach Thann gekommen war, den Teil. Der 
neue Friedhof, zu dessen Vergrößerung 1743 die Stadt ein ihr 
gehöriges Terrain von 116 Fuß Länge und 31 .Fuß Breite ge- 
geben hatte, welches 4760 durch den bischöflichen Delegierten 


eingeweiht wurde 1, blieb im Mitgebrauch zwischen den Fran- 


ziskanern und der Stadt bis Anfang des 19. Jahrhunderts. 
Während des Prozesses des Magistrats mit dem Kapitel wegen 
der Unterhaltungspflicht des alten Gottesackers um das Münster 
strengte die Stadt eine Klage gegen das Kloster an, indem sie 
Eigentumsrechte an dem Franziskanerfriedhof für sich in An- 


— 


1 Die Stadt zahlte fiir die Benediktion 40 fr. 18 sols. 


— 1445 — 


spruch nahm, zog aber im März 1779 den aussichtslosen Pro- 
zeB wieder zurück !. l 

Ueber den Zustand des Friedhofs um die Münsterkirche, 
auf dem noch 1637 anläßlich großer Krankheiten in der Stadt 
wegen Unzulänglichkeit des neuen gegen 30 Menschen be- 
graben worden sein sollen, wie das Kapitel in seinem Streite 
mit dem Magistrat beweisen wollte, finden sich in dem Be- 
richte des Rats Garnier einige erwähnenswerte Aufzeich- 
nungen. Garnier schreibt unter anderm : Der Friedhof, auf der 
rechten Seite der Kirche gelegen, wird seit vielen Jahren nicht 
mehr benützt; er ist von einer Mauer umgeben, durch welche 
teilweise verfallene Eingangstüren führen. Der Kirchhof dient 
als öffentlicher Durchgang ? und treibt sich sogar Vieh, welches 
seine Nahrung sucht, auf demselben umher. In der Mitte steht 
ein steinernes Kreuz gegenüber eine Pyramide, an der eine 
stets brennende Lampe hängt. Auf der rechten Seite befindet 
sich der Gärner (ossorium) aus Backsteinen erbaut, 80 Fuß 
lang und 36 Fuß breit und mit Ziegelsteinen gedeckt ; daneben 
liegt die Sommerschule 3. Der Gärner hat ein Stockwerk über 
dem eigentlichen Beinhaus, in welch letzterem die Gebeine der 
Verstorbenen, welche bei Neuanlage von Gräbern früher ge- 
funden wurden, aufgeschichtet und aufbewahrt werden. Das 
Beinhaus, welches sich unter der Erdoberfläche befindet, besitzt 
einen Altar und Grabmäler der edeln Familie der Waldner 
und anderer Rittergeschlechter der Provinz. Auf diesem Altare 
sind Messen gestiftet, welche alle vier Jahreszeiten gelesen 
werden 4. Ueber dem Beinhaus liegt die Kapelle St. Michael 
mit einem schönen Gewölbe; die Fenster sind zerschlagen und 
ausgebrochen, Am Patronstage wird in dieser Kapelle zelebriert. 


1 Thanner Chr. III, S. 574. 

2 Bereits 1680 hatte der Vogt Clebsattel die alte Mauer durch- 
brechen lassen, um einen bequemeren und kürzeren Weg zur Kirche 
za haben. St. Arch. Thann G. G. II, 10 bis. 

3 Kleine Thanner Chr. S. 24, auch hat man allhier um diese 
Zeit (1406) das Beinhaus oder Gärner samt der St. Michelskapelle, 
wie die sogenannte Sommerschule auf St. Theobalds-Kirchhof an- 
gefangen zu bauen. 

i4. Nach einer Urkunde ohne Datum St. Arch. Thann G. G. II, 13 gab 
der Schaffner Freidank zu Thann und dessen Frau Agnes der Stadt 
120 fl. rheinisch unter der Verpflichtung den Meßwein in der Kirche 
und der Kapelle im Garner zu stellen. 


SCHOLLY. 10 


— 146 — 


- .Dieses ganze Gebäude gehört, obgleich es räumlich von 
der Kirche getrennt ıst, mit seinen zwei schönen Glocken von 
Rechtswegen zur Kirche. Auf dem Friedhof befinden sich noch, 
außer einem Magazin zur Aufbewahrung von Baumaterialien 
für die Kirche und von Gerätschaften für Reparaturen an der- 
selben, die gesamten Feuerlöschapparate. 

Das Reglement des Bischofs vom 29. Oktober 1760 ver- 
ordnete, daß der Kirchhof wieder herzustellen sei, wie er von 
Alters her war; die Mauern seien zu reparieren und zu schlie- 
Ben, damit die Personen, welche dies wünschten, darauf be- 
graben werden könnten. Der Gärner sei ebenfalls zu schließen, 
und die Türen der untern Kapelle müssen hergerichtet werden, 
ebenso die Fenster der Kapelle St. Michael. In seinem Supple- 
ment von 1762 verfügte der Bischof gleichzeitig, daß das Bein- 
haus und die Kapelle St. Michael interdiziert seien, und kein 
Priester bis zur durchgeführten Restaurierung eine Messe darin 
halten dürfe. 

Gegen diese beiden Bescheide legte der Magistrat zum 
souveränen Gerichtshof in Colmar Beschwerde ein, da er ein- 
mal die ihm  aneesonnene Daulast nicht anerkennen wollte, 
anderseits aber auch keine Mittel zur Wiederherstellung zu be- 
sitzen vorgab. Der Gerichtshof verurteilte jedoch die Stadt 
durch zwei Urteile vom 20. Juni und, vom 28. Juni 1764 
kostenfällig zu den durch den Bischof angeordneten Repara- 
turen. Auf Berufung des Magistrats wegen abusus wurden die 
beiden Entscheidungen durch Urteil vom 31. März 1770 auf- 
gehoben und dem Kapitel die sämtlichen. sehr beträchtlichen 
Kosten mit 1800 livres auferlegt 1, 

Da der Magistrat nicht zur Unterhaltung dieser Gebäude 
zu bewegen war, und das Kapitel die nötigen Mittel hierzu 
nicht hatte, mußten dieselben natürlicher Weise noch mehr 
verfallen. Das Kapitel berichtete in der Folge dem Bischof, 
daß es bei der ganzen Frage sich lediglich um. eine Chikane 
von zwei einflußreichen Magistratsräten handele, deren: Häuser 
in der Nähe des Friedhofs gelegen seien, und a 


a^ 


1 Thanner Chr. III. S. 525. Nach Osee 177i rd der. ato 
Kirchhof bei St. Theobald zu einem Marktplatz gebraucht, aber die 
St. Michaelskapelle, der Garner und die Sommerschule . bleiben 
stehen bis auf fernere Prozebordnung ‚zwischen Chorherren: und 
Magistrat. A Eg , A DE. 


4 


t$ o 


— 147 — 


die erforderliche Aussicht verschaffen wollten.. Noch vor 15 
Jahren seien alle Gebäude auf dem Friedhof in bestem Stand 
gewesen, aber man habe seit dieser Zeit absichtlich dieselben 
verfallen lassen, um ihre Demolierung durch den Verfall zu 
begründen. Der Magistrat stellte nun an den Bischof das Be- 
gehren den Gärner nebst der Kapelle St. Michael, sowie die 
Mauer des Friedhofs abbrechen zu dürfen. Am 14. Mai 1778 
erschien zur genaueren Untersuchung der Angelegenheit der 
hischöfliche Generalvikar Tardy zufolge Dekrets des Fürst- 
- bischofs vom 29. April 1778 in Begleitung des Protonotars 
Didner, und wurde in Gegenwart des Vogts von Klebsattel, 
des Bürgermeisters Tourné und von vier Magistratsräten ein 
Protokoll errichtet, das allen Beteiligten bekannt gegeben wurde. 
Es handelte sich bei dieser Besichtigung nur noch um die Frage, 
wie die Altäre weggenommen, und die Stiftungen von diesen 
auf den Theobaldusaltar übertragen bezw. dort gefeiert und 
die im Gärner aufbewahrten Knochenreste beerdigt werden 
könnten, nachdem der Magistrat beschlossen hatte die Kapelle 
samt dem Gärner niederzureißen, die Materialien derselben 
öffentlich an den Meistbietenden zu veräußern und den Erlös 
für die dringenden Reparaturen an der Stiftskirche zu ver- 
wenden. 

Das aufgenommene Protokoll ergänzt die etwas allgemein 
gehaltenen Ausführungen des Rats Garnier, und sollen deshalb 
zur besseren Uebersicht des damaligen Standes des Friedhofs 
die Grundzüge des Protokolls hier wiedergegeben werden. 
Tardy durchschritt mit Didner zum. Besuche der Kapelle nebst: 
den Vertretern der Stadt den Kirchhof auf seiner breiten Seite, 
worauf sie zur untern Kapelle gelangten, wo sich der Garner 
befand und stiegen eine schlecht erhaltene Treppe von 10—142 
Steinstufen hinab. Dort trafen sie vor einem hölzernen Gitter, 
welches eine ansehnliche Menge Knochen enthielt,‘ einen sehr 
kleinen aber geweihten Seitenaltar mit einem Holzbild,. die. 
heilige Familie darstellend, einige schlechte Bänke, . mehrere: 
Grabsteine,‘ deren Inschriften. unleserlich waren, und an der, 
Seitenmauer des Altars zwei Epitaphien. Die eine trug die 
Jahreszahl 1513 sehr gut erhalten,. in den vier. Ecken waren | 
die Wappen der Waldner, Reinach,. Andlau und "Eptingen | an-; 
gebracht, die.andere, deren Zeichen verwischt. . Waren, ' enthielt 
ein Wappen -der Waldner und Hallwyl und, zweier; anderer. 


— 148 — 


Familien. Diese beiden Epitaphien versprach der Magistrat an 
der innern Mauer der Stiftskirche anzubringen, falls der Bischof 
dies genehmigen würde. 

Der Kommissar traf das Gewólbe der Kapelle in gutem 
Zustand, nur die Fenster waren Zertriimmert, und die Türen 
weggenommen. Von hier begab sich die Deputation hinauf in 
die Kapelle St. Michael, über der untern gelegen, auf einer 
Treppe, in der einzelne Stufen fehlten. Diese Kapelle war 
ziemlich erhalten ; der Altar war geweiht und mit einem alten 
Gemälde des hl. Michael geschmückt. 

An die beiden Kapellen fand sich ein anderes ausgedehntes 
auf dem Kirchhof gleichfalls gelegenes Haus angebaut, welches 
als Schulhaus gedient haben mochte, und der Kornspeicher der 
Stadt. Auch diese Gebäulichkeiten waren zum Abbruch be- 
stimmt und wurden kurze Zeit später eingerissen. 

Die auf Grund der bischöflichen Edikte von 1760 und 1762 
angeordneten Reparaturen der Stiftskirche nahm der Magistrat 
wegen des Friedhofsprozesses erst im Anfang der 80er Jahre 
des 18. Jahrhunderts vor. Es stellte sich bei dieser Gelegenheit 
heraus, daß, um die Kirche zu verschönern, regelmäßiger zu 
gestalten, und noch mehr Platz zu gewinnen folgende Aender- 
ungen des ursprünglichen Bauprojekts zu betätigen waren. Am 
26. April 1785 wurde der Bürgermeister Tourne mit dem 
neuen Plane nach Pruntrut zur Einholung der bischöflichen 
Genehmigung geschickt. Der Bürgermeister trug im Namen 
des Magistrats vor, daß der Vogt und Rat der Stadt Thann 
durch das Legat des Herrn von Marsilly und verschiedene Er- 
sparnisse, welche die Fabrik gemacht habe, in der Lage sei 
gewisse Reparaturen vorzunehinen; man sei aber gleich nach 
Beginn der Neuarbeiten auf einige Punkte gestoBen, welche 
dem Kommissar Garnier anscheinend entgangen und geeignet 
seien, die richtige Ausführung des Projektes zu vereiteln. So 
müßte der Hochaltar in den Hintergrund des Chores gegen die 
Votiviafeln zu gerückt werden, um Platz für den Thron des 
Bischofs zu gewinnen. Die Altäre St. Trinitas, St. Kreuz und 
St. Katharina sollten abgebrochen werden, damit das Schiff 
vergrößert würde; die alte Forderung des Magistrats seine 
Bänke in das Chor zu stellen, gegen welche sich das Kapitel 
einige Jahre zuvor ablehnend verhalten hatte, wurde neu er- 
hoben und fand diesmal keinen Widerstand bei den Chorherren 


— 140 — 


mehr. Der Bischof entsprach dem Begehren des Magistrats hin- 
sichtlich der neuen Pláne vollstándig, und führte der Rat die- 
selben, wie projektiert, aus. Bei diesen Verschóuerungen im 
Innern der Kirche wurden leider die zahlreichen teilweise künst- 
lerisch ausgeführten Grabdenkmäler, welche die Wände und 
den Boden des Münsters bedeckten, entfernt, angeblich um 
mehr Platz zu schaffen. Wohin dieselben gekommen sind, ist 
heute nicht mehr festzustellen, wahrscheinlich teilten sie das 
Schicksal so vieler anderer historischen Grabsteine, die verkauft 
oder gar verschenkt worden sind. Nach dem im Stadtarchiv zu 
Thann verwahrten Register der Monumente in der Stiftskirche 
begonnen den 14. Januar 1785 «so sich allhier in der Stifts- - 
und Pfarrkirche befunden und zur Neubelegung derselben auf- 
gehoben auch wie sich dieselben dato befinden neu gezeichnet 
wurden»! geht hervor, daß diese Denkmäler als Platten Ver- 
wendung bei dem neuen Bodenpflaster gefunden haben. Nach 
dem kgl. Edikt vom 10. März 1776 war es nämlich verboten 
in den Kirchen zu begraben, wenn die eingesargten Leichname 
bloß an den Boden in die Gruft hingestellt wurden, es mußten 
nach dem Edikt vielmehr ringsum lauter besondere Gewólbe 
je für einen Leichnam geschaffen und jede Gewölbeöffnung 
nach erfolgter Beisetzung eines Verstorbenen alsbald zugemauert 
werden?. In Verfolg dieses Edikts schloß der Magistrat die 
allen Grabgewólbe und brachte an deren Stelle im Chor und 
Schiff Steinpflaster an, um die dem Boden entsteigende Feuch- 
tigkeit und den schlechten. Geruch der Gewólbe zu verhüten. 
Letzterer war so stark, daß das Kapitel sich genötigt sah, 
während der Reparaturen seinen regelmäßigen Gottesdienst in 
der Franziskanerkirche abzuhalten. Als der Bischof den Chor- 
herren deswegen Vorwürfe machte, weil es ohne seine Geneh- 
migung die Stiftskirche verlassen habe, schrieb das Kapitel 


1 St. Arch.:G. G. I, 15. 

? Das letzte Begräbnis in der Stiftskirche fand 1776 statt. 
Thanner Chr. III, S. 564. Die Magistratsherren wurden unentgeltlich 
in der Kirche begraben, die Angehörigen hatten lediglich die Kosten 
des Kirchenbruchs zu zahlen. Andere Personen zahlten für ein Be- 
gräbnis 40 livres. Häufig wurden Grabsteine von Verstorbenen im 
Münster aufgestellt, ohne daß ein Begräbnis daselbst stattgefunden 
Ee in diesem Falle mufiten die Erben 18 livres als Almosen ent- 
richten. 


— 150 — 


zurück, daß der Geruch unerträglich sei und mehrere Menschen 
daran krank geworden seien; der Arzt habe daher aus Ge- 
sundheitsrücksichten verboten den kanonischen Gottesdienst im 
Münster zu halten, 

| Zu dem Neubelag der Stiftskirche wurden die alten Grab- 
steine, von denen 55 Stück in Zeichnung erhalten sind, benützt 
und sollen die letzten erst in dem Momente verschleudert worden 
sein, als man anfing die Kirche mit dem jetzigen geschmack- 
losen Mosaikpflaster zu belegen. Heute existiert nur noch der 
im Innern an der nördlichen Außenwand der Theobalduskapelle 
rechts angebrachte Grabstein des Ritters Gyat von Plantschier!. 


1 Lehensbrief des Grafen Ulrich von Pfirt 1322 an Gyat von 
Plantschier und der Herzogin Johanna von 1342 an dessen Sohn. 


Statthalterei-Archiv zu Innsbruck. < 


KAPITEL IX. 


Die Aufhebung des Stifts. Veräußerung der Stiftsgüter. Verhalten 
. der Chorherren. Der Gottesdienst wahrend& der Revolution zu 
Thann!. 


Schon lange vor dem Ausbruch der Revolution machte 
sich im St. Armarintal ein gewisser aufrührerischer Geist bemerk- 
bar, der hauptsáchlich im Verweigern des Zehnten zum Aus- 
druck gelangte. Die Erhebung des Zehnten führte zu steten 
Schwierigkeiten, und kam es bereits Mitte des 18. Jahrhunderts 
zwischen dem Kapitel und den Eigentümern zu einer Reihe 
von Prozessen wegen Verweigerung des Zehnten infolge der 
veránderten Natur der Grundstücke, die simtlich durch Urteile 
des conseil souverain zu Colmar zu Gunsten des Stifis ent- 
schieden wurden?. Die Erregung des Volkes wurde durch der- 
artige Entscheidungen nicht gemindert, unter der Asche glimmte 
der Funke und kam sogar zum offenen Ausbruch, indem einige 
Bauern den Chorherrn Reiset, als er zu Eschenzweiler 1754 
in Zehntgescháften anwesend war, tätlich miBhandelten, wofür 
sie harte Geld- und Freiheitsstrafen trafen. Bei Ausbruch 
der Revolution im St. Armarintal war denn auch der Boden 
für die Unruhen in Thann :und der Umgegend vorbereitet. 
Am 95. Juli 1789 fand der Kirchendiener Saal vor dem Stifts- 
hofe Briefe mit aufreizendem Inhalte; am 27. Juli brachen die 
Unruhen los; die Menge sperrte den Forstmeister Adel ein 


— 


1 Protokollbücher der Stadt Thann. Protokollbuch der Gesell- 
schaft der-Volksfreunde. Bez. Arch. Colmar, Revolutionsakten. 
. .2 Bez. Arch. Lade 9. 


— 159 — 


und beinahe hätte dasselbe Schicksal die übrigen Magistrats- 
beamten erreicht. Am 29. Juli 1789 entschloß sich das Ka- 
pitel mit Rücksicht auf die revolutionäre Stimmung, die sich 
in öffentlichen Aufzügen kund gab auf die Erhebung des Kar- 
toffelzehnts in Thann und Altthann zu verzichten. Der Verzicht 
wurde vom Magistrat angenommen und óffentlich bekannt ge- 
macht, die Wirkung war eine günstige. Mehr aber als dieser 
. Verzicht hielt das energische Vorgehen des Marschalls Michael 
Vittinghoff gegen die Rebellen im Tal und die Festigkeit der 
Behórden von Thann, denen der Marschall schriftlich seine An- 
erkennung aussprach, den Póbel im Zaun. Da man die Beweg- 
ung nicht unterschátzte, bat der Magistrat um ein Detachement 
Jager, die dann von Colmar nach Thann verlegt und in den 
Sälen des ehemaligen Freihofs und des Freiburger Kollegs 
einquartiert wurden. Die Kosten sollten nach einer Entscheid- 
ung des Kriegskommissars Marechal zu Colmar vom 1. Oktober 
1789 nicht von der Stadt Thann, sondern von der Provinz 
getragen werden. 

In der Nacht vom 4. August 1789 hatte die National- 
versammlung mit dem Lehenswesen alle Herrschaftsrechte der 
Landesherren abgeschafft ; am 2. November dekretierie dieselbe, 
daß alle katholischen Kircaengüler eingezogen und zur Verfüg- 
ung der Nation gestellt würden, Der eigentliche Verkauf des 
sequestrierten Besitzes wurde erst am 17. März 1790 zur 
Tilgung der Staatsschulden angeordnet. Alle Protestationen der 
betroffenen Gesellschaften blieben erfolglos, desgleichen eine 
Petition des Magistrats um Erhaltung des Franziskaner- und 
Kapuzinerkonvents und der beiden Klosterkirchen wegen Un- 
zulänglichkeit der Stiftskirche. Die Konstitution, welche keine 
klösterlichen Gelübde mehr anerkannte, hob alle Orden und 
Kongregationen auf, 

Am 14. Dezember 1790 nahm eine Kommission unter dem 
Vorsitz des Stadtschreibers Rey, der vom Direktorium in Bel- 
fort hierzu ernannt war, und wegen allzu großer Arbeitslast 
seine Stelle als Tabellion niederlegen mußte, ein Inventar über 
die in Thann gelegenen geistlichen Güter auf, welches vier- 

„zehn Tage später zu Ende geführt war. 

Den Dekreten der Nationalversammlung, welche über die 
Kirchengüter verfügten und die Klöster aufhoben, folgte am 
12. Juli dasjenige, welches der katholischen Geistlichkeit in 


— 153 — 


Frankreich eine neue Einrichtung gab und dieselbe dem Staate 
völlig unterordnete. Dieses Dekret, welches soviel Aufsehen er- 
regte, ist unter dem Namen der Zivilkonstitution des Klerus 
bekannt. Die Wahl der Bischöfe und der Pfarrer sollte hier- 
nach den Wahlmännern des Departements überlassen bleiben ; 
kein Geistlicher durfte der Gewalt eines [remden Bischofs 
unterstehen, jedes der beiden elsässischen Departemente er- 
hielt seinen eigenen Bischof. Jeder Bischof, Pfarrer und Vikar 
mußte vor Ausübung seines Amts einen Eid dahin leisten, daß 
er sein Amt getreu versehen, der Nation und dem König treu 
sein und die Staatsverfassung aufrecht erhalten wolle. Die Be- 
soldung der Geistlichen war genau vorgeschrieben ; die ehe- 
maligen Klostergeistlichen sollten ein angemessenes Jahres- 
gehalt erhalten. 
Dieses Dekret, welches der König erst nach langem Zögern 
am 24. August genehmigte, erregte den lebhaftesten Wider- 
spruch der Geistlichkeit; im Anfang gingen die Departements- 
behörden schonend mit der Ausführung desselben vor. Die 
Nationalversammlung erließ am 27. November 1790 ein schär- 
feres Dekret unter dem Einfluß des fanatischen Teiles des 
Pariser Pöbels, nach dem die Bischöfe und Pfarrer, welche den 
ihnen angesonnenen Eid nicht binnen bestimmter Frist geleistet 
hätten, ihr Amt verlieren, und an ihre Stelle andere verfassungs- 
treue Priester treten sollten. Dieses Edikt wurde gleichfalls im 
Anfange ziemlich milde angewandt, man gewährte sogar den 
eidverweigernden Priestern die Erlaubnis in Privathäusern 
Gottesdienst zu halten und setzte ihnen ein Jahresgehalt aus. 
Nach Einsetzung der geschworenen Bischöfe wurde die Situ- 
alion eine wesentlich andere, da diese darauf drangen überall 
die ungeschworenen Pfarrer durch geschworene zu ersetzen. 
Am 6. März fand in Colmar die Wahl des neuen Bischots statt, 
bei der Gobel, der Weihbischof von Lydda mit großer 
Majorität gewählt wurde. Da Gobel für Paris optierte, ging bei 
der am 30. März folgenden Wahl der Bischof Arbogast Martin 
aus der Wahlurne hervor. Der Bischof von Basel dagegen 
‚richtete an alle treugebliebenen Priester und die Gläubigen des 
Oberelsasses einen Aufruf, worin er den Pfarrern verbot, den 
neuen Bischof anzuerkennen und denselben keinerlei bischöfliche 
Handlungen vornehmen zu lassen, den Gläubigen untersagte 
er, von den gewählten Priestern die Sakramente zu empfangen 


— 154 — 


bei Strafe der Exkommunikation. Wie im übrigen Eisaß war 
man zu Thann in der Vaterstadt Gobels, dessen Verhalten einen 
so ungünstigen Einfluß auf die oberelsässische Geistlichkeit aus- 
geübt hat, in der Meinung geteilt, welche Stellung man der 
neuen Lage gegenüber einnehmen sollte, und ist es beinahe 
auffallend, daß in Thann nicht mehr Priester abtrünnig wurden, 
Im Kapitel waren unter dem Propst Poumier folgende Chorherren : 
der Kantor Reiset, der Kustos Lefebure, Neff, der jüngere 
Bruder Poumier, Ihler, Fritz, Desjardin, Jolly, der Pfarrer De- 
lerse, und die Stiftskapläne Harnist und Hürth !. Den meisten 
Mut von diesen zeigte der Pfarrer, früher Professor der Philo- 
sophie am Kolleg zu Colmar, der am 6. Februar 1791 in ein- 
gehender Begründung seine ablehnende Haltung dem Konstitu- 
tionseide gegenüber begründete und die Eintragung seiner Recht- 
fertigungsschrift im Munizipalprotokoll verlangte. Kurze Zeit 
darauf verließ Delerse mit dem Propst Poumier Thann, um sich 
einige Tage in Meltingen, Kanton Solothurn, zu verbergen, doch 
bald kehrte er wieder in seine Pfarrei zurück, in der er am 9, 
Juni 1791 die letzte Taufe hielt, worauf er für immer aus Thann 
verschwand. Sein Name findet sich auf der zu Colmar am 27. 
August 1793 veröffentlichten Liste der Emigrierten. Später soll 
Delerse wieder nach Thann zurückgekehrt und daselbst 1825 
gestorben sein?, Diese Angaben sind unrichtig, da weder in 
den namentlichen Verzeichnissen der Volkszählungen noch ın 
den Sterberegistern der Stadt Sich der geringste -Anhaltspunkt 
für dieselben findet. Standhaft in der Verweigerung des Konsti- 
tutionseides blieben außer dem Propst Theophil Poumier dessen 
Bruder Lorenz Claudius Poumter, welche beide auf die Emi- 
griertenliste gesetzt wurden, und deren Güter am 17 germinal 
If als Nationalgut zum Verkauf gelangten. Das Wohnhaus des 
Propstes in der großen Gasse erzielte 25 000 livres und das 
seines. Bruders in der Schlachthausgasse 31 000 livres. Der 
Propst besaß ferner Reben im Staufen, Silberacker und Hub- 
acker, für welche 14 371 livres erlöst wurden, während die Gü- 
ter des Chorherrn Poumier nur 810 livres einbrachten. Der 
jüngere Poumier kehrte nach Eintritt ruhigerer Zeiten nach 
Thann zurück, wo er bereits bei der Volkszählung im Jahre 


1 Frayhier, Histoire du clergé S. 40. 
2 Daselbst S. 219. 


1804 angetroffen wird und daselbst am 8. März 1816 im Alter 
von 80 Jahren! starb. Der Chorherr Franz Anton Neff, ein 
Sohn des Vogts von Altkirch, befand sich bei Eintritt der Re- 
volution bereits in vorgerückten Jahren ; nach einer Bescheinig- 
ung des Magistrats Thann war er wegen Krankheit und hohen 
Alters nicht mehrin der Lage geistliche Funktionen auszyüben, 
wovon sich die Behörden durch persönlichen Besuch bei dem- 
selben und ein ärztliches Zeugnis überzeugen konnten, und 
entschied deshalb der Generalprokurator am 2, August 1792, 
daß derselbe in Thann bleiben dürfe, aber unter Polizeiauf- 
sicht zu stellen sei, damit man gegen ihn vorgehen könne, 
wenn sich die Verhältnisse geändert hätten. Am 10. August 
4793 wohnte Neff dem großen Freiheitsfest zur Erinnerung 
an den verhängnisvollen Tag des Jahres 1791 auf dem Bungert an, 
wofür ihm der Magistrat ein Wohlverhaltungszeugnis ausstellte, 
Vorübergehend war Neff wegen seiner Eidesverweigerung in 
Colmar interniert, wohnte aber sonst ziemlich unbehelligt in 
Thann, wo er am 3. Januar 1806 ebenfalls 80 jährig verstor- 
ben ist. Fest blieb der Stiftsarchivar Ludwig Reiset, der am 
13, Juli 1792 die Minimalpension als Doyen des Kapitels von 
1000 fr. verlangte, aber durch Bescheid des Distriktsdirekto- 
riums vom 6. August folgend mit seinem Begehren abgewiesen 
wurde, weil er sich weigere den Gesetzen des Staats zu ge- 
horchen und daher an den Wohltaten derselben keinen Anteil 
haben könne. Von Thann .zog sich Reiset nach Rosheim zu- 
riick, wo ihm am 4 thermidor II die Munizipalverwaltung das 
Zeugnis ausstellte, dab er seit 18 Monaten daselbst wohne, sich 

ruhig verhalte, als wahrer Republikaner sich den Gesetzen ge- 
fügt und keine kirchlichen Funktionen ausgeübt habe. Aus 
dieser Bescheinigung ist keineswegs zu folgern, daB Reiset den 
Konstitutionseid geleistet hat und zwar um so mehr, weil die 
Verwaltung von Rosheim bekanntermaBen wegen ihrer Opposi- 
tion gegen die Revolution abgesetzt werden mußte. Möglicher- 
weise entging Reiset durch dieses Zeugnis der Emigriertenliste?, 


1 Naeh Frayhier ist der Chorherr am 8. Mira 1736 zu Grignan 
in der Provence geboren. Nach meinen Erkundigungen beim Stan- 
desamt daselbst und bei demjenigen von Grignon (Seine und Oise) 
ist diese Angabe unbegründet. 

2 Frayhier S. 247. liste supplementaire des prêtres non asser- 
mentés du Haute-Rhin dont les noms ne figurent pas au registre 
officiel des emigrés. 


— 4560 — 


Auf der Liste der Emigrierten finden wir von den Chor- 
herren noch Joseph Theobald Andreas Fritz, aus einer Taanner 
Familie, der spiter als Pfarrer von Leimbach amtierte, und 
Johann Franz Postuland Desjardin, einen Pariser, der zurück- 
gezogen in Thann am 29. Oktober 1830 pensioniert verstorben 
ist. Von den Kaplänen hat Sebastian Hürth, den Konstitutions- 
eid nicht geleistet. Neben diesen leuchtenden Beispielen von 
Mut und Pflichttreue finden sich auch einige wenige Abtrünnige. 
Der Chorherr Lefebure, welcher bereits am 17. Juli 1791 mit 
der Bürgerschaft auf den Bungert gezogen und auf einem im 
Freien am Kapuzinerkloster errichteten Altar die Messe gelesen 
hatte, nach deren Beendigung alle Teilnehmer mit den Magist- 
ratsbeamten den Bürgereid schworen, leistete den Eid auf die 
Konstitution sogar zweimal; das erstemal zu Colmar im Spital 
am 14. August 1792 und nochmals am 3. Dezember 1799, 
nachdem er von Thann nach Lauterburg verzogen war, wes- 
wegen man ihn verfolgte und sogar irrtümlicherweise an 
seiner Stelle in Thann den Chorherrn Ihler gefänglich ein- 
zor. Der Chorherr Joly hat ebenfalls den Eid geleistet. Die 
traurigste Rolle von allen spielte der Chorherr Theobald 
Armand Ihler, ein geborener Thanner, ein Verwandter des 
ehemaligen Metzer Kanonikus Johann Ihler von St. Ludwig, 
der den Eid zu Thann am 4. November 1791 leistete und 
vorübergehend sogar Kommandant der Nationalgarde daselbst 
war. Ihler verzichtete am 23. September 1793 auf die Aus- 
übung der geistlichen Funktionen, «er will für die Zukunft nur 
den Titel eines franzósischen Bürgers führen sein Wunsch ist, 
die Prinzipien der Gleichheit und Freiheit zu unterstützen, in- 
dem er jede Art des Fanatismus verabscheut»; zugleich legte 
er seine Bestallung als Priester aus dem Jahre 1776 auf den 
Tisch des Stadtrats nieder!, Gegen diesen Chorherrn wandte 
sich die Wut der Bürgerschaft von Thann, und muBle er am 
29. Oktober 1792 zu seinem persónlichen Schutz unter poli- 


1 Séance publique. Armand Ihler natif de Thann cidevant prétre 
residant audit Thann est admis à la séauce et déclare renoncer à 
exercer aucunes fonctions quelconques ecclesiastiques pour prendre 
à l'avenir que le seul titre de citoyen francais que son désir est de 
propager les principes de la liberté et de l'égalité detestant toute 
espece de fanatisme et a déposé sur le bureau du sécrétaire ses 
lettres de prétrise du 16 janvier 1776. 


— 157 — 


zeiliche Aufsicht gestellt werden. Nach Neuregelung des Kultus 
wurde Ihler Pfarrer zu Sondersdorf, wo er 1809 verstorben ist. 
Der Kaplan Harnist hat den Eid gleichfalls geleistet, was bei 
seiner sonstigen schlechten Aufführung in der Stadt nicht ge- 
rade Wunder nehmen kann. 

An Stelle des Stadtpfarrers Delerse trat der aus Thann 
stammende Priester Johann Baptist Goetzmann vorher Pfarrherr 
von Staffelfelden, dessen Verwandte viele Jahre hindurch in 
Ehren das Pfarramt hier versehen hatten. Am 19. März 1791 
war Goelzmann durch die Wahlmänner des Distrikts. Belfort 
gewählt und am 21. darauf investiert worden. Sein Amt konnte 
er aber erst geraume Zeit später antreten, da ihn die thanner 
Bürgerschaft nicht in ihren Mauern aufnehmen wollte. Bereits 
am 30. März 1791 schrieb die Munizipalität an den Marschall 
Vittinghoff nach Colmar, daß es in Thann übelgesinnte Leute 
gäbe, welche von dem neuen Pfarrherrn nichts wissen wollten ; 
die Zahl der Fanatiker, welche dem alten System anhänge, nehme 
täglich zu, weshalb er auf des Königs Kosten 100 Mann Sol- 
daten zur Aufrechterhaltung der Ruhe schicken solle, solange 
dies nötig sei. Am 14. April 1791 befand sich noch kein ge- 
schworener Priester zu Thann, und beschloß deshalb die Gesell- 
schaft der Volksfreunde am gleichen Tage einem Traueramte für 
Mirabeau zu Sennheim anzuwohnen, welches der erste konsti- 
tutionelle Pfarrer des Elsasses d’Aigrefeuille am 19. April ab- 
halten wollte, für den Fall, daß sich an diesem Tage zu Thann 
kein Priester finden würde, der den Eid geleistet hätte. Am 
10. Mai 1791 berichtete der Magistrat, daß ein Aufruhr gegen 
Goetzmann, der in der Zwischenzeit seinen Wohnsitz in Thann 
genommen hatte, bevorstehe und forderte neuerdings 100 Mann 
Soldaten zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Am 24. Juli 1791 
legte der neue Pfarrer in der Stiftskirche vor dem Hochamt 
in Gegenwart der Beamten, des Volkes und des Klerus den 
durch die Dekrete begehrten Eid, welchen er schon am 12. 
Oktober 1790 geleistet hatte nochmals ab und nahm Besitz von 
dem Münster, Am 4. September 1791 ernannte er zu seinen 
Kaplänen Stephan Tschierret und Franz Joseph Schwilgue, beide 
von Thann, «welch beide ihre Officia von ihrem Pfarrherrn 
akzeptiert haben 1». Ersterer ging 1793 als Pfarrer nach Weiler 


1 Protokoll der pfarrlichen Besitzergreifungen der Pfarrei Thann 
ab anno 1791. St. Arch. daselbst. 


— 158 — 


und starb 1805 als Pfarrer zu Niedermorschweiler, letzterer 
starb den 31. Mai 1836 als Pfarrer von St. Amarin. Nachfolger 
des Kaplans Tschierret wurde am 14. Januar 1793 Franz Xaver 
Voisard aus Pruntrut, welcher eine vielseitige Rolle in Thann 
spielte. Er war Präsident der Konstitutionsgesellschaft, Leiter 
eines Unterrichtsinstituts, in dem bezüglich der Religion, von 
welcher «sonst kein Wort in öffentlichen Lehrstunden die Rede 
sei dieselbe demjenigen in der Nebenstunde erteilt werde, 
welcher sie verlange», und Gemeindesekretár und wurde an 
Goetzmanns Stelle, der seine Demission gab, Stadtpfarrer zu 
Thann. 

Die Aufnahme, welche Goetzmann ın seiner Pfarrei fand, 
war eine mehr als unfreundliche. Gleich nach seinem Einzug 
in das Pfarrhaus wurden ihm sämtliche Fenster eingeworfen, 
man schoß auf ihn als er von einem Spaziergang nach Altthann 
zurückkehrte aus einem mit Zuckerbohnen geladenen Gewehr, 
wodurch er beinahe verletzt wurde, das von ihm geweihte 
Wasser wurde mit Farbe beschmiert. Vor dem Hause des 
konstitutionellen Vikars fanden Aufläufe statt, man bedrohte 
ihn von der Straße aus, falls er herunterkommen würde. Als 
der Vikar in der Spitalkapelle gleichzeitig mit einem unge- 
schworenen Priester zufällig die Messe las, drehte das anwesende 
Publikum, als ersterer bei der Wandlung angelangt war, dem 
Altare den Rücken zu. Wenn sich auch die ungeschworenen 
Priester nicht öffentlich auf der Straße zeigen durften, so lieb 
sie die Munizipalitàt doch ruhig in Privathäusern ihren Auf- 
enthalt nehmen. Die Bürgerschaft 'l'hanns, welche ihren kon- 
servativen Charakter durch Widersetzlichkeit gegen eine neue 
Obrigkeit so z. B. 1470 gegen Karl den Kühnen und nach dem 
westfälischen Frieden gegen Frankreich ausgedrückt hatte, 
konnte sich mit den revolutionären Bestrebungen nicht be- 
freunden, und selbst die Behórden taten alles nur gezwungen, 
so dab manche Maßregeln des. Direktoriums entweder nicht oder 
nicht genau vollzogen wurden. Am 20. November 1791 konnte 
daher jemand schreiben «drei Viertel der Chorherren sind noch zu 
Thann alle ehemaligen Franziskaner und Kapuziner sind: da und 
regen das Volk auf. Keiner von diesen setzt einen Fuß in. die 
Pfarrkirche sondern sie verrichten ihren Gottesdienst in andern 
Kirchen. Viel hängt von der Munizipalbehórde ab, die arislo-, 
kratisch gesinnt ist und die Ungeschworenen unterstützt». _ 


— 159 — 


Goetzmann brachte es in seiner Geburtsstadt zu keinerlei 
Ansehen. Von seiner Hand findet sich im Taufregister zum 2. 
Oktober 1791 folgender Eintrag ad perpetuam rei et patriotorum 
memoriam. Am Sonntag den 2. Oktober fand, wie in den 
andern Gemeinden, ein großes Freudenfest und zwar auf dem 
Ochsenfeld statt, weil Ludwig XVI. am 15. September die von 
der Nationalversammlung beendigte neue Staatsverfassung ohne 
Einschränkung ‘genehmigt und dieselbe am andern Tag in 
feierlicher Sitzung unter großem Jubel der Anwesenden be- 
schworen hatte. Ueber 3000 Mann Nationalgarden wohnten unter 
dem Befehl des Generals Wimpfen der Feierlichkeit auf dem 
Ochsenteld hei. Auf demselben war ein Altar errichtet, und 
hielt der Bischof Arbogast Martin darauf unter Assistenz des 
Klerus ein feierliches Hochamt, dem eine Gratulationscour folgte, 
wobei D’Aigrefeuille eine patriotische Rede in französischer und 
deutscher Sprache über den besiegten Despotismus und die 
neu errungene Freiheit hielt. Der Bischof stimmte sodann das 
Tedeum an, wobei die Stadtmusik die Begleitung übernahm 
und erteilte nach Beendigung des Liedes der Versammlung 
seinen Segen. Er nahm dann noch eine Taufe und eine Hoch- 
zeit des Munizipalbeamten Glodner vor, wobei der Maire Bischof 
und der Müller Korb als Zeugen assistierten. Es fand hernach 
ein großes Essen und Trinken statt, die ganze Nacht war die 
Stadt illuminiert, nur die Aristokraten versteckten sich. 

Goetzmann war von den neuen Ideen ergriffen und ein 
eifriger Republikaner, als solcher ließ er sich in die société des 
amis de la constitution, welche am 27. März 1791 ihre erste 
Sitzung abhielt, an der der Stadtpfarrer D’Aigrefeuille von 
Sennheim und der Chorherr Johann Ihler teilnahmen, auf- 
nehmen. Von Colmar schreibt er am 14. messidor II an die 
Gesellschaft folgenden Brief, aus dem seine Freude bezeichnend 
ist «Ihr habt mich als ein Mitglied eurer Gesellschaft aufge- 
nommen das erstemal durch öffentliches Aufrufen, das andere 
mal einstimmig durch die Wahlkugel, beides mal hat das Hände- 
klätsehen der Brüder den Saal durchströmt dessen erinnere ich 
mich allzeit mit Freuden, meine Feinde haben mir schon lange 
gedroht,:aber als wahrer Patriot habe ich ihre heimlichen. 
Ranke .und: Anschläge nicht geforchten». Im übrigen muß man 
zugeben, daB Goetzmann seine Pflichten als Priester erfüllt hat, 
er:wägte es’sogar:in der Schreckenszeit eine Prozession nach 


— 160 — 


Altthann zu veranstallen, wegen der er verschiedene Anfein- 
dungen auszuhalten hatte. Später verzichtete er auf seine Pfarrei 
und starb 1810 als Pfarrer zu Markolsheim. 

Wie aus vorstehendem ersichtlich fand die Revolution in 
Thann kein dankbares Feld. Diese Tatsache war nicht nach 
dem Geschmack der sociele des amis, welche ursprünglich 
angeblich zu dem Zwecke gegründet war, den Fortschritt 
unter den Mitbürgern zu verbreiten. Wie man sich aber in 
der Praxis die Tätigkeit derselben dachte, zeigte am besten dre 
Eröffnungsrede des Präsidenten Faverolle in der konstituierenden 
Versammlung. Er hielt es nicht für nötig die Ziele der Gesell- 
schaft zu verschweigen, sondern erklärte der Munizipalver- 
waltung offen den Krieg, weil sie in der Ausführung der De- 
krete zu säumig wäre. Auf seinen Antrag wurde beschlossen, 
daß der Präsident mit seinem Sekretär sich zum Maire be- 
geben sollte, um die Verlesung des Dekrets über die zivile Or- 
ganisation der Geistlichkeit in dem Münster durch den Pfarrer 
oder seinen Kaplan zu verlangen, ein Ansinnen, welches der 
Pfarrer rundweg abschlug. Die Rolle, welche diese Gesellschaft, 
in der einige ultraradikale Franzosen und mehrere Fabrikanten 
die Hauptführer waren, spielte, war keine rühmliche. Zu den 
ersteren gehörte der von der Munizipalverwaltung abgesetzte 
Rentmeister Bruant und der spätere Prokurator Fourcade, der 
bei der Versteigerung des vom TruchseB von Rheinfelden 1620 
erbauten Marsillyschen Schlößchens in der Kattenbach als National- 
cut am 25. Februar 1793 sich durch Kunstgriffe dasselbe um 
den billigen Preis von 9500 fr. hatte zuschlagen lassen; zu 
den letzteren zählten einige Baumwollfabrikanten, und der 
Fabrikdirektor Joseph Laurent aus Weiler, mit dem die Abtei 
Murbach wegen des von ihm betriebenen Raubbaues in ihren 
Bergwerken im St. Amarintal 1789 keinen neuen Pachtvertrag 
mehr einging. Dem unheilvollen Einfluß der Gesellschaft be- 
gegnet man im Laufe der weiteren Geschichte auf Schritt 
und Tritt. 

Die Versteigerung der Stiftsgüter fand erst im Jahre 1791 
in Thann statt. Am 29. Dezember 1790 hatte der Propst 
Poumier dem Direktorium zu Belfort ein Verzeichnis des ganzen 
Mobiliar- und Immobiliarvermógens des Kapitels eingereicht, aus 
dem hervorgeht, daß im Stiftshof nur wenige wertlose Gegen- 
stände vorhanden waren, darunter ein Tisch, zwölf Strohstühle, 


— 161 — 


ein Fauteuil, ein altes Büffet, im Keller lagen 880 Ohm Zehnt- 
wein. Am 13. Juli 1791 kam der baufällise Kapitelshof mit 
Scheune, Stallung, Remise, Kellern und Keltern nebst gemein- 
schafllichem Hof mit dem Pfarrhause, welches gegenüber lag, 
zum Ausgebot ; den Zuschlag erhielt für 3400 fr. der Bürger 
Joseph Seitz. Das Haus der einen Kaplanei in der Pfarrgasse 
erzielle 2450 fr. und das der anderen neben der Münsterkirche 
3500 fr. Da der Bloc vorbehalten worden war, wurden die drei 
Hauser nochmals ausgeboten und dem Bürger Theobald Tschir- 
ret um 11,900 fr. definitiv zugeschlagen. Schon vorher waren 
die Aecker, Reben und Wiesen des Stifts am 413. Mai 1794 
als Nationalgut verkauft worden, ergaben aber nur mäßige 
Preise, da die Thanner Bevólkerung sich schwach beteiligte. 
Die Reben der Pfarrei im Stauffen, das beste Stück im ganzen 
Bann mit 9 Schatz, ersteigerte der Bürger Rieth von Rammers- 
matt für 2450 fr. Das Mitglied des Direktoriums Bàumlin ver- 
schmahte nicht einige Liegenschaften billig zu erwerben. In den 
Verkaufsbedingungen hatte daß Direktorium bestimmt, daß je- 
der Ansteigerer von Reben, weiche der Propstei oder Pfarrei 
gehörten als Baulohn 5 fr. 4 s. für den Schatz an den ge- 
wesenen Propst und den Pfarrer zu zahlen hätten. Das Pfarr- 
haus fast ganz neu, heute die Wirtschaft Leguthke, hatte ur- 
sprünglich der Handelsmann Paul Levy submissionsweise 
erworben, nachdem er zwei Termine bezahlt halte, konnte er 
den Rest nicht mehr aufbringen, weshalb es am 13. Mai 1791 
zum Anschlagspreise von 5994 fr. ausgeboten aber nicht zu- 
geschlagen wurde, da die Kommission der Meinung war, daß 
die Stadt das Gebäude als Primärschule dringend benötigte und 
andere zu diesem Zweck geeignete Anwesen nicht vorhanden 
seien. Das Direktorium schlug die Vorstellungen der Munizipal- 
behörde der Stadt das Gebäude zu überlassen ab, und teilte 
das Pfarrhaus das Schicksal der übrigen Stiftsgüter. Viel spä- 
ter erst durfte der Stadtrat, welcher jährlich und noch im 
Jahre 1807 einstimmig beschlossen hatte, das Anwesen von 
seinem Besitzer, dem Enregistrementseinnehmer Rey, der es 
der Stadt um den billigen Preis von 7200 fr. angeboten hatte, 
während der Wert von Sachverständigen auf 11 000 fr. geschätzt 
wurde, als Pfarrhaus mit Genehmigung des Präfekten kaufen. 
Die Regierung glaubte ihre Zustimmung zu dem Erwerb ver- 
sagen zu müssen, weil die Stadt durch Ausgaben für Schul- 


SCHOLLY. 11 


— 162 — 


zwecke allzusehr belastet sei | 1840 wurde durch die Gemeinde 
das jetzige Pfarrhaus tauschweise gegen das frühere erworben. 

Nachdem das Direktorium die Kirchen geschlossen hatte, 
wurden auf Verordnung der Volksrepräsentanten die silbernen 
und vergoldeten Kirchengefäße, Kruzifixe und andere kostbaren 
Ornate in Beschlag genommen und den obern Verwaltungs- 
behörden überbracht, welche sie dem Konvente einhändigen 
sollten. Für die Aufnahme des Inventars zu Thann wurde als 
Kommissar des Distrikts der Bürger Antonini von Belfort er- 
nannt, tind das Verzeichnis am 10. September 1793 im Beisein 
der Munizipalitätsbeamten und des Goldschmieds Jaeger von 
Thann, als Sachverständigen, errichtet. Es mußten darin alle 
Mobilien, Effekten und Utensilien in Gold und Silber, welche 
sich in der Pfarrkirche befanden, angegeben, jedes Stück nach 
seiner Natur bezeichnet und das Gewicht festgestellt werden. 
Im alten Schatzgewölbe wurden von den Beamten Heriset, 
Risler und Spigre aufgenommen: eine große Monstranz in Form 
eines Turmes der Stadt Thann silbervergoldet und in einem 
Lederfuteral verwahrt, ein Ciborium, acht silbervergoldete Kel- 
che mit zehn Patenen ; in der Sakristei: vier Kelche, drei kleine 
Gefäße und ein Kreuzchen. Der Wert wurde mit 62 Mark 
1 Unze angegeben, ferner fanden sich vor sechs Meßgewänder 
mit Stolen und Armbinden, ein Meßgewand mit Silber verziert, 
eine Garnitur und ein Kreuzchen, der Wert dieser Gegen- 
stände ist auf zwei Mark taxiert. Am 21. November 1793 zeigte 
der Pfarrer Goetzmann alle diese Gegenstände einer besonderen 
Kommission vor, hierauf wurden sie nach Belfort gebracht und 
dort am 12 ventose III vor dem Spital öffentlich mit anderen 
Kostbarkeiten versteigert. Wenn die kleine Thanner Chronik 
schreibt, während der großen Revolution ist unsere hübsche 
Münsterkirche ganz ausgeplündert worden, sonst würde sie 
einen der schönsten Kirchenschätze von ganz Deutschland ha- 
ben 5; auch soll unser Münster noch ein drittes Bild des hl. 
Theobaldus besessen haben aber 1793 mit den schónen Glocken 
verschwunden sein, so ergibt sich aus dem aufgenommenen 
Inventar, daf dem Kirchenraub nicht allzu viele Schátze zum 
Opfer gefallen sind. Dieselbe Chronik fügt bei?, daß an beson- 


1 Seite 192. 
2 Seite 123. 


— 163 — 


deren Kirchenschätzen das Münster ein Türmchen mit den Re- 
liquien des hl. Theohaldus aus dem 14. Jahrhundert und ein 
kleines Theobaldusbild von Silber aus dem 15. Jahrhundert 
besitzt. Diese Angaben sind ohne jeden Wert und entsprechen 
nicht den Tatsachen ; denn einmal war das Theobaldusbild zur 
Zeit des Inventars nicht mehr vorhanden, und dann ist das 
Türmchen mit den Reliquien eine ganz moderne Arbeit. Die 
Munizipalverwaltung hatte nämlich, um wenigstens für das Mün- 
ster etwas zu retlen den Versuch gemacht vom Direktorium 
zu Belfort das Türmchen zu erhalten. Darauf schrieb am 30. 
Oktober 1793 die Behörde, sie könne keine Ausnahme vom Ge- 
setz zulassen, welches vorschreibt, daß alle Gold- und Silber- 
sachen einzuschicken seien. Die angeblich künstlerische Ar- 
beit sei wohl nur als Objekt einer Ostentation anzusehen, und 
das Anerbieten, welches die Petenten um Erhaltung des Türm- 
chens der Gemeinde gemacht haben, lediglich dazu geeignet 
den Geist des Gesetzes zu vereiteln, was nicht zugelassen wer- 
den dürfe. Dies hindere aber nicht den Petenten die Möglich- 
keit zu gewähren ihrer Devotion an St. Theobaldus Ausdruck 
zu geben; sie sollen ein neues Reliquienkäsichen an Stelle des 
alten durch den Goldschmied von Thann machen lassen und 
die Reliquien des Heiligen in demselben unterbringen. Das Di- 
rektorium erwarte, daß die Sendung der inventierten Gegen- 
stände sofort erfolge, solle sich Widerstand in der Stadt er- 
heben, so werde diesen der Patriotismus der Munizipalverwalt- 
ung zu beseitigen wissen. Daß das Reliquienkästchen dem 
Schicksal der anderen Goldsachen nicht entging geht aus einer 
Aufstellung des Bruderschaftsrechners Willig von 3793 hervor, 
worin es heißt, daß man in verwichenen Jahren das St. Theo- 
baldusheiligtum, so von Silber gewesen, der Nation verabfolgen 
ließ, weshalb man genötigt war ein anderes von Kupfer bei 
dem Goldschmied Sebastian Jaeger für 300 fr. zu bestellen !. 
Die Verzögerung in der Ausführung dieses Edikts zog dem 
Pfarrer Goetzmann und der Munizipalverwallung eine anonyme 
Denunziation beim Kommissar Antonini zu, in der behauptet 
wurde, daß eine goldene Monstranz verheimlicht worden sei, 
welche Behauptung sich als völlig grundlos herausstellte. 


— — 


1 St. Arch. Thann G. 3, 15. » 


— 164 — 


Nachdem die Gold- und Silbersachen, sowie Ornamente 
eingeliefert waren, kamen die Glocken an die Reihe. Bereits 
am 20. Oktober 4791 wurde im Stadtrat ein Brief des De- 
partementsdirektors verlesen, der unter anderem den Passus 
enthielt, daß die Glocken der unterdrückten Kirchen zur Münze 
verbracht werden sollten. Man beschloß daher den Sekretär 
Bruant am nächsten Tag zum Bischof nach Colmar und zum 
Direkterium zu schicken und den Versuch zu machen, wenig- 
stens die Glocken des Münsters für die Stadt zu erhalten, in- 
dem:man geltend machte, daß wegen der Größe der Pfarrei 
es nölig sei, eine Hiltspfarrei in der Franziskanerkirche zu er- 
richten, wozu man die Glocken dringend benötige. Für den 
Fall, daß dieser Vorschlag nicht berücksichtigt werden könnte, 
sollte der Regierung anderes Glockenmaterial, welches die 
Stadt besaß, tauschweise angeboten werden. Wie nicht anders 
zu erwarten war, verwarf das Direktorium die Anträge der 
Munizipalverwaltung der Stadt. Da nun lelztere es mit der 
Einlieferung der Glocken gar nicht eilig halte, schickte man 
am 9. Oktober 1/93 zwei Kommissäre des Comités der öffent- 
lichen Wohlfahrt nach Thann, die verlangten, daß das Ver- 
zeichnis der vorhandenen Glocken und derjenigen, welche über- 
flüssig seien, binnen 24 Stunden eingeschickt würde. Die Kom- 
missare ernannten hierzu drei Beamte der städtischen Verwaltung, 
welche versprechen mußten, binnen drei Tagen genau alle 
Anweisungen für die Abnahme und den Transport der Glocken 
zu befslgen, vorbehaltlich der an die Gemeinde zu zahlenden 
Entschädigung für Arbeitslóhne für die Abnahme der Glocken. 
Nach dem am 14. Oktober 1793 aufgestellten Verzeichnis 
waren in Thann acht Glocken vorhanden, davon zwei in der. 
Franziskanerkirche, eine bei den Kapuzinern und fünf in dem 
Münster. Von diesen wurden sieben als disponibel. erklärt, von 
den Gerüsten herabgenommen und nach Illhäusern bei Colmar, 
transporliert, von wo sie Kommissare nach StraBburg in die 
Münze brachten. Die kleine Thanner Chronik meint naiv, dab 
die große Theobaldusglocke,. welche 100 Zentner wiegt und 
1467 in Basel gegossen ist, nicht mitgenommen werden konnte!, 
Nicht ihrer Größe verdankt diese Glocke ihre Erhaltung, . son- 
dern einzig und allein ihrer Unentbehrlichkeit, wie ja auch in 


1 Seite 123. : ! 


— 165 — 


Lad 


StraBburg die groBe Domglocke erhalten blieb. Nachdem die 
Münsterkirche fast keinen Schmuck oder Sachen ‘von einigem 
Werte mehr aufzuweisen hatte, schrieb der Enregistrements-- 
einnehmer an die Administration einen Brief, und frug "darin 
an, ob er nicht auch das eiserne Gitter, welches das Chor vom 
Schiffe trenne und nur des Luxus wegen da sei einschicken’ 
solle! Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, 
Unterdessen hatte der Konvent am 22. September 4792, 
mit welchem Tage das zweite Jahr der Republik begann, die 
neue Zeitrechnung eingeführt und deren Gebrauch strengstens 
anbefohlen. Die Sonntage wurden nur noch als Kirchenfeste 
aber nicht mehr als Ruhetsge bis zur Zeit der bald darauf 
folgenden Schließung der Kirchen und der Einstellung jedes óffent- 
lichen Gotlesdienstes beibehalten. An ihrer Stelle wurden die 
Decadi als gesetzliche Feiertage eingeführt. In Thann konnten 
sich die Bürger nicht an die neuen Feiertage gewóhnen und 
liellen nach wie vor die Sonntage ein. Die Munizipalitat, lief 
unter dem Druck der Konstitutionsgesellschaft öffentlich be- 
kannt machen, daß sie mit Erstaunen gesehen habe, wie am 
5 ventose fast alle Bürger nichts gearbeitet haben und sonntäg- 
lieh gekleidet gewesen seien, in Zukunft dürften nur die gesetz- 
lieh vorgeschriebenen Ruhetage gehalten werden, und alle die- 
jenigen, welche an Sonntagen nichts arbeiteten, würden als 
verdächtig angezeigt. Zu diesem schärfern Vorgehen wurde die 
Verwaltung durch die gedachte Gesellschaft, die sich täglich 
mehr ‘SinfluB zu verschaffen wußte, gleichsam gezwungen. Noch 
kurz vorher hatte der Bürger Tschann unter lebhaftem Beifall 
der Anwesenden in der Sitzung der Volksfreunde erklart, daB 
er alle Sonn- und die übrigen Festtage halten wolle, selbst 
wenn es ihm den Kopf kosten sollte, und. er zähle darauf, daß 
ale braven Bürger es ebenso wie er ‚halten würden. Auf Be- 
treiben des Präsidenten wurde Tschann, soeben erst applaudiert, 
für die nächsten drei Sitzungen ausgeschlossen, und eine Buße 
von 5 fr. für diejenigen festgesetzt, welche wiederum in einer 
Versammlung ein Wort von Religion sprechen würden. Diese 
Sirafe hinderte jedoch den Hauptsprecher Probst nicht in der 
Sitzung vom 10 ventose II, darüber zu klagen, daB die Dekrete 
über die Sonntagsfeier nicht befolgt würden, man solle keinen 
Sann- oder sonstigen Feiertag mehr halten, da diese Tage nur 
aus MiBachtung für das neue Regime mit soviel Pomp gefeiert 


— 16 — 


werden, man möge deshalb eine Deputation an die Munizipali- 
tät schicken, damit die Arbeit an Sonntagen allgemein an- 
geordnet und jeder als verdächtig angesehen würde, der nichts 
arbeite. Die von der Munizipalität erlassene und öffentlich be- 
kannt gernachte Verordnung nützte nicht im geringsten, was 
der Präsident der Gesellschaft lebhaft beklagte. In der Sitzung 
vom 13 ventose rühmte sich dieser, daß er am letzten Sonntag 
in seinen Reben gearbeitet hatte und er hoffe, daß die Bürger, 
welche ihm sonst ein so großes Zutrauen schenkten, seinem 
guten Beispiel folgen würden. Ein anderer Genosse versicherte 
er sei tief betribt, daß der Fanatismus d. h. die Sonntags- 
heiligung in Thann noch regiere. 

In der altehrwürdigen Münsterkirche, deren Inneres ein 
profanes Aussehen hatte, fand am 20. November 1793 auf An- 
stehen der Konstitutionsgesellschaft das Fest der Vernunft statt, 
Die Beteiligung der Bürgerschaft war eine schwache, nur die 
` untersten  Volksschichten vom Schwindel der Freiheit und 
Gleichheit angesteckt, nahmen die angeordnete Feier mit Bei- 
- fall auf, die mittleren Klassen wagten nicht zu widersprechen 
und ließen das Fest ruhig über sich ergehen. Morgens 
Y Uhr setzte sich der Zug vom Rathaus, dem Beratungs- 
lokal der Volksfreunde, der Kirche zu in Bewegung. Hinter 
der Musik, welche der Festlichkeit entsprechende Stücke vor- 
trug, zogen 24 junge Mädchen mit Trikolorebändern ge- 
schmückt in weißen Gewändern unter dem Gesange von Frei- 
heitshymnen, vier andere Mädchen trugen Körbe mit Blumen, 
deren Inhalt sie mit Grazie in die Höhe warfen ; alle Bürger 
und Bürgerinnen sollten dem Zuge anwohnen und Eichen - 
zweige in den Händen halten. Das Innere des Münsters hatte 
eine gänzliche Umgestaltung erlitten. Längs der Säulen des 
Schiffes waren übereinander ragende Sitze angebracht, so dab 
das Ganze den Eindruck ‘eines Amphitheaters bot. Der Hoch- 
altar war verhüllt, und die beiden Altäre am Eingang des 
Chores auf die Seite geschoben ; vor dem Hochaltar erhob sich 
einem Berge ähnlich ein Breltergerüst. Auf diesem saßen 12 
Veteranen auf der ersten Stufe, die Festjungfrauen auf der 
zweiten, und die Munizipalität auf dem reservierten Platze, 
die Mitglieder des Ueberwachungskomites, der Volksfreunde 
und die Redner auf dem Amphitheater. Der Bruder Sabatier 
hielt in französischer Sprache, die von den wenigsten Teil- 


— 167 — 


nehmern verstanden wurde, eine überschwängliche Rede auf 
die Verherrlichung der Natur. Nach beendigter Zeremonie, 
wobei es zu einer kleinen Rauferei kam, in welcher der Ge- 
nosse Fourcade von einem Dienstknechte aus Rodern georfeist 
wurde, fand im Freien eine große Festlichkeit statt, an der, 
um die Prinzipien der Gleichheit besser auszudrücken, einige 
Sladtarme teilnehmen durften. l 

Mit Einführung des Vernunftkultus wurden alle übrigen Re- 
- ligionshandlungen eingestellt.. Oeffentliche Taufen, EheschlieB- 
ungen vor dem Geistlichen, selbst die religiösen Gebräuche bei 
Beerdigungen waren verboten, nachdem man kurz vorher die 
Führung der Standesregister den Geistlichen entzogen und den 
Beamten der Munizipalität übertragen hatte. Am 12. November: 
1792 schloB der Maire Heriset das Heirats- und Sterberegister 
und am 11. Januar 1793 das Taufregister auf Grund des Ge- 
selzes vom 20. September 1792. Die erste Ziviltrauung fand 
am 4. Dezember 1794 statt, bei welcher der konstitutionelle 
Vikar Schwilgué als Mairiesekretir amtierte, aber nicht mehr 
auf dem Rathaus sondern im Tempel der Vernunft an den De- - 
kadis. An diesen Ruhetagen sollten die Bürger im Tempel, 
wie sonst in der Kirche, sich versammeln und an den öffent- 
lichen Vortragen, welche die Mitglieder der Konstitutionsgesell- 
schaft hielten, sich erbauen. Auch mußten vorschriftsgemäß die 
Beamten der Munizipalverwaltung in der entheiligten Kirche 
die Rechte der Menschen erläutern, und die von der Armee 
seit dem letzten Dekadi eingelaufenen Berichte verlesen. 
= Der ultraradikale Geist jener Zeit verlangte neben der 
Kirchenschändung die Vernichtung aller Zeichen, Bilder und 
Namen, welche an das vor der Revolution Bestandene erinnern 
konnten. Ein Dekret des Departementsdirektoriums verordnete, 
daß alle Zeichen des Lehenswesens, des Königtums und des 
Aberglaubens an den öffentlichen Gebäuden und den Privat- 
häusern zu verschwinden hätten. Die durch den Volksrepräsen- 
tanten Foussedoire vom 4 floreal If im Tempel der Vernunft 
vorgenommene Epuration der Munizipalverwaltung hatte einige 
Demokraten der äußersten Linken hauptsächlich Franzosen in 
diesen Körper gebracht, und dennoch traute sich die Verwal- 
tung längere Zeit nicht das Dekret rücksichtslos durchzuführen 
wegen der Gährung, die in der Stadt herrschte. Am 23 fri- 
maire II beanstandete der -Regierungskemmissar,” daß der 


— 168 — 


Bürgermeister und die Beamten der Stadt in der Ausführung 
des Ediktes der Volksrepräsentanten bei der Rheinarmee lässig 
seien und das Edikt nur teilweise vollzogen haben, er hatte 
mit Freuden gesehen, daß man sich anschickte das Fest der 
Vernunft feierlich zu begehen, aber diese Freude sei getrübt 
worden, da er gehört habe, daß man in der Stadt über die 
Wegnahme der Statuen an den Bänken {und an der Pfarr- 
kirche ungehalten sei, als ob diese Stücke von Holz und Stein 
die Adoration eines freien Volkes verdienten. Er verlangte, daß 
alle Zeichen des Fanatismus, welche noch existierten, sowohl 
außen an der Stiftskirche, wie alle Kreuze, welche sich an den 
Häusern befinden und den Blicken des Volkes ausgesetzt seien, 
als unnütze Ueberbleibsel des alten Aberglaubens sofort ver- 
schwinden müßten ; die Stadt solle Arheiter anstellen, welche 
sie herunterholen und vernichten. Das Christusbild im Stadt- 
ratsaale sei wegzunehmen oder in die Kirche zu verbringen, 
vorher müßten die daran angebrachten Wappenzeichen entfernt 
werden. Die Munizipalitat wurde von dem Kommissar per- 
. sönlich für die Ausführung des Befehls verantwortlich gemacht, 
und zwar aus dem Grunde, weil eine Anzeige beim Direkto- 
rium gegen dieselbe eingelaufen war, daß sie allzu nachlässig 
in der Befolgung der Dekrete sei. Die Verwüstungen nahmen 
dank des Widerstands der Bürgerschaft nur geringe Dimen- 
sionen an. Am äußeren Portale des Münsters wurden einige 
Statuen zerschlagen, viele waren schon vorher von den Ein- 
wohnern herabgeholt, und nach der Revolution wieder auf 
ihren Platz gestellt worden, die Wappen der Edeln von Ruost 
und von Sickingen, welche sich über dem früheren Eingang 
in die Marienkapelle befanden, wurden herausgemeiDelt, Vom 
alten Niedertore holte man den Tod und den Jüngling herab, 
die der Stadtrat am 6 germinal VIII auf Veranlassung der 
Bürgerschaft wieder reparieren und aufstellen ließ, auf dem 
ehemaligen Friedhof um das Münster wurde das alte Stein- 
kreuz zerschlagen. Im [Innern der Kirche wurden einige Fi- 
guren demoliert und die auf den Chorstühlen angebrachten 
Heiligenfiguren herabgeschlagen. Die in der Stadt Thann spä- 
terhin und heute noch geglaubte Version, als ob ein Pfarrer 
die Phialen dieser Stühle hätte absägen lassen, um das Chor 
durch auf denselben aufgesteckte Lichter heiterer zu machen, 
gehört in das Reich der Sage. Am 15 vendemiaire III konnte 


— 169 — 


die Munizipalitätsverwaltung berichten, daß alle Ornamente 
und Zeichen des alten Kultus entfernt und zerstört seien, 
das nämliche müsse nun an der Synagoge geschehen. 

Ueber die Abhaltung des Gottesdienstes während der Re- 
volution finden sich einige interessante Aufzeichnungen in den : 
Protokollbüchern der Stadt Thann aus jener Zeit. 

Am 6 floreal JI hatte der Volksrepräsentant anläßlich der 
im St. Amarintal besonders in Odern vorgekommenen Unruhen 
verboten, daB mit Glocken zu religiösen Versammlungen oder 
zu solchen, welche mit der Ausübung eines Kultus zusammen- 
hängen, geläutet würde. Weder morgens noch abends durfte 
ein Glockenzeichen gegeben werden; erst seit dem 17 nivose 
Il wurde wiederum, da keine öffentliche Uhr vorhanden war, 
das Geläute morgens, mittags und abends gestattet ; zur Messe 
dagegen waren nur drei Glockenschläge zugelassen. Am 28. 
nivose wurde das alte Verbot ohne AnlaB in seinem ganzen 
Umfang erneuert. 

Mit dem Momente, in welchen; der konstitutionelle Pfarrer 
Goetzmann Besitz von der Münsterkirche ergriffen hatte, ver- 
ließen die treu gebliebenen Katholiken diese Kirche und hielten 
fortan ihren Gottesdienst in der ehemaligen Franziskanerkirche, 
welche in den Schreckenstagen des Jahres 1793 geschlossen 
wurde, Das Dekret vom 18. März 1793, welches Todesstrafe 
für jeden Priester, der deportiert wäre oder deportiert werden 
sollte, androhte im Falle er nach acht Tagen noch auf fran- 
zösischem Boden angetroffen werden würde, machte eine freie 
Ausübung des Kultus unmöglich ; die Spendung der Sakra- 
mente erfolgte durch Priester, welche heimlicherweise in die 
Stadt hereinkamen und sich eben so wieder hinausbegeben 
mußten. Da die katholische elsässische Bevölkerung trotz aller 
Verfolgungen treu an ihrem Glauben hing, mußten selbst die 
geschworenen Priester die Wut der Fanatiker fühlen und 
wurden verschiedene konstitutionelle Pfarrer, darunter der Nach- 
folger Goetzmanns, Voisard zu Besancon interniert. Die Er- 
eignisse auf dem Kriegsschauplatze der Vendée zwangen die 
Regierung zu Paris den Gottesdienst durch die Gesetze vom 
21. Februar und 30. März 1795 wieder frei zu geben jedoch 
mit Auslegung zu Gunsten der geschworenen Priester. Da von 
den verbannten Priestern in den Gesetzen keine Rede ist, und 
die eingesperrten frei gelassen wurden, und nicht der Kon- 


— 170 — 


stitulionseid sondern der bloße Eid der Anschließung an die 
Republik verlangt ist, leisteten denselben verschiedene Geist- 
liche zu Thann, und wurde der Gottesdienst in der Franzis- 
kanerkirche von refraktären Priestern wieder am 2. August 1795 
abgehalten, wie aus dem Taufbuch hervorgeht (noms des enfants, 
qui depuis le rétablissement du culte et l'ouverture de l'église 
de Thann à l'époque du 2 aoüt 1795 ont été baptisés), nach- 
dem dieselben vorher in  Privatwohnungen Gottesdienst ge- 
halten hatten. Die Franziskanerkirche genügte den Katholiken 
nieht, und baten deshalb am 20 floreal II verschtedene Bürger 


die Munizipalität um zwei Stunden im Tage, an denen sie in . 


der ehemaligen Münsterkirche, in der eine gewisse Anzahl 
Bürger auf eine andere Weise ihren Gottesdienst ausübte, sich 
“versammeln dürften. Der Bürgeragent Bischoff geslattete ihnen 
die Mitbenützung des Münsters von 8—9 und 1—2 Uhr täglich, 
ohne daß dadurch die Konstitutionellen gestört würden. Durch 
die Umtriebe des Pfarrers Voisard wurde nach kurzer Zeit 
dieser Beschluß wieder aufgehoben. Voisard war am 16 plu- 
viose VI von den Bürgern, welche sich in der Kirche versam- 
melt hatten, nach der Pfarrmesse zum Pfarrer gewählt worden, 
«da er seit Wiederherstellune des freien Gottesdienstes auf Be- 
gehren der Patrioten den katholischen Gottesdienst wieder ein- 
geführt, und als Verwalter der Pfarrei seither mit aller Zufrie- 
denheit vorgestanden ungeachtet der vielfältigen ihm von Seiten 
der Anhänger der Königspriester angelanen Schmach standhaft 
und getreu auf seinem Posten verblieben ist, so haben ihn die 
Patrioten einhellig gewählt und begehren, daß der Beschluß 
im Protokoll der Agentsverwaltung eingeschrieben werde». 

Als Napoleon die Zügel der Regierung ergriffen hatte, 
glaubten die Katholiken die Zeit gekommen, wo sie Besitz von 
dem Münster ergreifen dürften. Am 9 vendemiaire IX er- 
suchten sie den Bürgermeister die Abhaltung des Gottesdiensts 
in der Stiftskirche zu gestatten, gleichzeitig stellten sie den 
Antrag auf Rückgabe der von ihnen früher auf eigene Kosten 
angeschafften Ornamente und sonstigen Gegenstände, | welche 
sie bei ihrem Auszug aus der Kirche darin zurückgelassen 
hatten. Der Maire beschloß im Einverständnis mit seinem Bei- 
geordneten den zweiten Teil der Petition zu erfüllen, dagegen 
könne in der Stiftskirche erst dann eine Versammlung von 
Gläubigen stattfinden, wenn die Priester, welche die Kultus- 


— 171 — 


handlungen ausüben wollten, sich dein Gesetze unterworfen 
hätten. Die in Thann weilenden Pfarrer leisteten hierauf den 
neuen Verfassungseid, der nichts enthielt, was sie mit ihrem 
Gewissen in Konflikt bringen konnte, und erließ der Maire 
am 7 brumaire IX folgendes Dekret : 

1. Die Kirche, welche bisher durch Voisard und seine 
Anhänger allein benützt wurde, ist für die Zukunft auch den 
übrigen Priestern des katholischen Kultus freizugeben, welche 
ihre Ergebenheit an die Konstitution des Jahres VIII durch 
ein Zeugnis nachweisen. 

2. Kein Geistlicher darf in dieser Kirche oder einem 
andern Ort eine Kultushandlung vornehmen, solange er nicht 
vor dem Maire eine diesbezügliche Erklärung abgegeben hat. 

3. Der Pfarrer Voisard ist berechtigt in dem Münster 
seinen Gottesdienst an den von ihrn seither gewohnten Stunden 
weiter zu halten. Die Stunden werden genau festgesetzt und. 
für beide Teile geregeit. 

_ 4 Vermittels dieses Reglements können die Priester ohne 
Unterschied die drei Altäre der Kirche gebrauchen und zwar soll, 
wenn sie sich einigen können, der Hochaltar dem Pfarrer 
Voisard und seinen Anhängern allein, dagegen die beiden 
Seitenaltäre den übrigen Priestern zur Verfügung stehen, indem 
bestimmt wird, daß sie nur allein den ausschließlichen Gebrauch 
des Altars rechter Hand am Eingang zum Chor haben und 
derjenige zur linken Seite gemeinschaftlich bleibt, so dab 
jeder an den ihm festgesetzten Stunden darauf seine Messe 
lesen kann. 

5. Die Priestergewänder, Leinwandsachen und die übrigen 
Ornamente sind, soweit sie nicht den Katholiken allein gehören, 
für deren Aufbewahrung sie einen getrennten Raum erhalten, 
Eigentum der Gemeinde und können aus dem Grunde nicht 
geteilt werden, weil so wenig vorhanden ist, daß bei einer 
Teilung jeder Kultus darunter leiden müßte. 

6. Da die Ausübung des katholischen Kultus in gewissen 
Fällen nicht. auf voraus bestimmte Stunden verlegt werden 
kann, wie z. B. die Spendung der Sakramente, so haben die 
Priester jeder Zeit das Recht in die Kirche zu kommen, um 
diese Handlungen vorzunehmen, ohne daran irgendwie gehindert 
werden zu können. 

7,. Gegenwartiges Dekret soll an der Kirchentür ange- 


— 1722 — 


schlagen und eine Ausfertigung dem Präfekten des Departements 
eingereicht werden, damit niemand Gesetzesunkenntnis vor- 
schützen kann. 

Mit diesem Dekret waren selbstverständlich beide Teile 
nicht zufrieden, da die Anhänger Voisards die unbeschränkte 
Herrschaft in der Kirche nicht ohne weiteres aufgeben wollten, 
und die Katholiken mit den wenigen ihnen eingeräumten 
Rechten sich nicht begnügen konnten. Die ersteren richteten 
an den Maire am 3 nivose ein Schreiben, worın sie ausführten, 
daß sie sich durch die von ihm gemachten Zugeständnisse und 
die ihnen zugewiesenen Stunden beunruhigt fühlten, und be- 
nützte dieser eine sich kurz darauf bietende Gelegenheit seinen 
Beschluß wieder aufzuheben. Es wurde ihm angeblich be- 
richtet, daß die früheren refraktiren Priester, welche zur 
Fidesleistung auf die neue Verfassung durch Dekret des Konsuls 
vom 7.nivose zugelassen waren, versucht hatten, Zwietracht 
in der Gemeinde zu verbreiten, indem sie vorgaben, sie hatten 
.nur einen Eid geleistet, während die geschworenen Priester 
zwei geleistet hätten. Am 18 brumaire hahe einer dieser 
Priester namens Bernhard Meyer, vorher Benediktiner der Abtei 
Ebersmünster, der deportiert gewesen sei, in öffentlicher Pre- 
digt versucht, die Katholiken aufzuhetzen ; er der Maire, der 
davon erfahren habe, hätte der Predigt in Amtstracht ange- 
wohnt und sich überzeugt, daß dieselbe aufreizenden Inhalts 
gewesen sei. Der Präfekt Harmand untersagte Meyer die Aus- 
übung von geistlichen Funktionen und gab dem Maire Auftrag 
die angeblichen Anschläge der Feinde der öffentlichen Ruhe 
und Ordnung zurückzuweisen. 

Der Maire erließ einen neuen Beschluß, welcher die 
Stunden der beiden Gesellschaften genau regelte und entschieden 
den Anhàngern Voisards mehr als günstig war, trotz der ge- 
ringen Anzahl der Konstitutionellen. Am 2 germinal IX schrieb 
er an Meyer, daß er auf Betreiben mehrerer Patrioten, welche 
nicht bei Voisard beichlen könnten, wenn katholische Priester 
in der Kirche anwesend seien, er diesen ermächtigt habe, ohne 
an die vorgeschriebenen Stunden gebunden zu sein, jederzeit 
das Münster zu betreten, er solle sich lediglich in der Sakristei 
aufhalten, wenn die andern Priester Gottesdienst halten. 

Der Maire ging noch weiter, er schrieb an den Präfekten, 
daß seit 1791 die Konstitutionellen das Münster, die andern 


—A—— St — 


— 13 — 


Katholiken die Franziskanerkirche, welche man den deportierten 
Priestern eingeräumt habe, benülzten; vier von den letzteren 
hätten mit den Konstitutionellen den gemeinschaftlichen Ge- 
brauch des Münsters; aus dieser Mitbenülzung entstünden fort- 
während Uneinigkeiten, weshalb es nötig sei, den Konstitutio- 
nellen das Münster ausschlieBlich einzuriumen. 

Der Präfekt willfahrte sofort dem Antrag und erließ folgendes 
charakteristische Dekret: «In Erwägung, daß zwei Kirchen in 
Thann sind, haben die Konstitutionellen den ausschließlichen 
Gebrauch des Münsters, alle andern Priester, welche sich neu- 
lich unterworfen haben, halten ihren Gottesdienst in der Franzis- 
kanerkirche. Mit der Ausführung dieses Beschlusses wird der 
Maire Fourcade beauftragt. Sollte sich ein Priester unterstehen 
durch Predigt oder sonstwie Unruhe unter der Bürgerschalt 
zu erregen, so ist dem Prälekten hierüber zu berichten.» Die 
Katholiken, welche selbstredehd dieses Dekret als eine Ver- 
letzung ihrer Rechte ansehen mußten, beruhiglen sich nicht 
ohne weiteres bei dem Dekret des Prüfeklen, sondern wandten 
sich in einer Eingabe an denselben, in der sie die Handlungs- 
weise des Maire einer vernichtenden Kritik unterzogen. Ob 
alles, was in der Vorstellung behauptet wird, den Tatsachen 
entspricht, läßt sich wohl nicht beweisen, es scheint aber daß. 
Fourcade, welcher schon in dem Falle mit dem Schlößchen 
Marsilly eine nicht gerade rühmliche Rolle gespielt hatte, auch 
hier seine und seiner Freunde Interesse zu wahren nicht ver- 
gessen hat. Die Katholiken führten nämlich aus, dab ein ge- 
wisser Marandet, welcher das ehemalige Franziskanerkloster 
nebst der alten reparaturbedirftigen Kirche als Nationalgut er- 
kauft hatte, diese den zurückgekehrten Priestern zum Gebrauche 
angeboten hätte. Die Mehrzahl der Priester wollten ihren 
Gottesdienst in der Franziskanerkirche halten, weil sie mit dem 
Pfarrer Voisard, im Nebenamt Sekretär des Maire, der seinen 
Kultus im Münster ausübte, nichts zu tun haben möchten ; 
durch die großen Reparaturen, welehe in der ersteren Kirche 
vorzunehmen waren, scien sie aber bestimmt worden, von dem 
Gebrauch dieser Kirche Abstand zu nehmen, und durch die 
Minderheit bewogen, hälte man sich geeinist den Gottesdienst 
im Münster zu halten. Der Maire ziehe nun die Franziskaner- 
kirche vor, weil einer seiner Verwandten in deren Nähe ein 
Geschäft betreibe, sowie um den dort wohnhaften zahlreichen 


— 174 — s 


Bäckern und Wirten gefällig zu sein. Die Beschuldigung, 
welche Fourcade gegen den Priester Meyer erhebe, sei völlig 
grundlos, da der Maire von der Predigt desselben, die in 
deutscher Sprache gehalten worden sei, nicht das geringste 
verstanden habe, zudem sei der Maire unendlich eingebildet und 
fühle sich durch die Kritik seiner Handlungsweise seitens der 
Petenten beleidigt. Alle diese Ausführungen ánderten an dem 
Dekret des Prafekten nichts, er entschied, daB der Maire ein 
Ehrenmann sei und es bei seinen Entschließungen zu ver- 
bleiben habe, 

So behaupteten die Konstitutionellen den Besitz der Stifls- 
kirche, wenngleich ihre Mitgliederzahl im Vergleich zu der- 
jenigen der Katholiken verschwindend gering war. Im Jahre 
1795 lieBen sich von Voisard 5, 1796 3, 1797 4 und 1800 
6 Brautleute trauen, während Pfarrer Weiß allein vom 18. No- 
vember 1800 bis zum Schluß tes Jahres 6 Eheschließungen 
vornahm. Dasselbe Mißverhältnis zeigte sich in den Taufen. 

Erst am 1. Mai 1803 durften die Katholiken ihr altes 
Gotteshaus wieder beziehen, und installierte an diesem Tage 
Voisard! nunmehr Pfarrer zu Brumath, gemäß Auftrags des 
Bischofs von Straßburg den Priester Johann Heinrich Weiß im 
Münster als Stadtpfarrer, nachdem die letzte katholische Trau- 
ung kurz zuvor in der Franziskanerkirche ad St. Jacobum vor- 
genommen worden war?. Weiß war einer von den wenigen 
Geistlichen, welche sich weigerten, den Konstitutionseid zu- 
rückzunehmen und wurde deshalb nach dem Tode des konsti- 
tutionellen Bischofs Saurine von Straßburg von den Kapitels- 
vikaren abgesetzt. Seine Verteidigung ist enthalten in seiner 
Rechtfertigungsschrift les inconséquences et les conséquences, 
erschienen in Belfort 1819. In seinem Geburtsort Kirchberg 
starb Weiß 1847 versöhnt mit der katholischen Kirche. 


1 Voisard starb Wjährig als Pfarrer zu Selz 1848, wohin er 
von Brumath versetzt worden war. 1815 widerrief er den Konsti- 
tutionseid liste des prétres assermentés qui ont publiquement rétracté 
le serment de la constitution civile du cherge. 

? Pfarrarchiv Thann. Mitteilung. des Herrn Abbé Florance. 


KAPITEL X. 


Pröpste des Stifts Thann. 


Aus der Zeit vor der Verlegung des Stifts von St. Amarin 
nach Thann sind folgende Pröpste bekannt: 1194 Cun o!, 
wahrscheinlich der nämliche, der 1901 als Zeuge die Verein- 
barung des Bischofs Lutold von Basel und des Abts von Mur- 
bach über das Zehntviertel zu Wattweiler unterschrieb? und 
bei dem Uebereinkommen zwischen Rüdiger von Ufholz und 
der Abtei Murbach wegen Hartmannsweiler im Jahre 1200 
zugegen war. Nach Gatrio3 wire vielleicht dieser Cuno iden- - 
tisch mit Conrad Schwarz, der 1216 als Propst des Stifts 
amtierte. Diese Annahme ist nicht begründet, da auf Cuno 
in der Reihe der Pröpste Amarinus von Stoer4 folgte, der 
1914 als Propst erscheint. 1216 unterzeichnete der genannte 
Conrad Schwarz, dictus Niger, aus edlem Geschlecht von 
Basel, als Zeuge die Statuten des Abts Arnold von Murbach. 
1222 schloß W ern her von Rottweil aus adeligem schwäbischen 
Geschlecht das Abkommen mit dem Kloster Murbach wegen 
der Wahlen zu den Kanonikaten in St. Amarin5. Dieser 
Propst ist 1239 gestorben, wie aus dem Register der Monumente 
in der Stifts- und Pfarrkirche zu Thann von 1785 deutlich 
ersichtlich ist. Die Grabsteine der ehemaligen Pröpste zu 


1 Trouillat Bd. J, S. 431. Schoepflin Als. dipl. Bd. I, S. 301. 
2 Mone Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines Bd. IV, 
220 


3 Abtei Murbach Bd. I, S. 589. 
4 Bez. Arch. Straßburg. 
5 Schoepflin Bd. I, S. 348. Bez. Arch. Murbach Lade 1. 


— 176 — 


St. Amarin wurden jedenfalls 1441 mit nach Thann überführt 
und in dem Münster aufgestellt ; der Münsterbaumeister Thirion 
las, wie so vieles andere auch, den Namen falsch und schrie) 
hier Weriadher ein. 

Ich vermute, daß der Probst Wernher ein naher Verwandter 
des Franziskaners JohannWagner aus der Familie derer von Rolt- 
weil gewesen ist, der nach der Thanner Chronik 1279 nach Thann 
gekommen und das Kloster daselbst gegründet hat und dürfte 
daher der auf dem Grabdenkmal stehende Name WGLISS mit 
Wagner in Verbindung gebracht werden. 

Zu 1245 wird ein Propst Vol mar erwähnt, der wegen 
Dornach eine Vereinbarung getroffen hat!, 1254 schloß Hein- 
rich? ein Abkommen mit Murbach wegen des Zehnten im 
St. Amarintal. 1262 nahm Rüdiger die Schenkung des 
Dinghofes zu Altthann durch den Grafen Ulrich von Pfirt 
an’ und vergabte 1269 gemeinschaftlich mit seinem Bruder 
Hartmann an die Kirche von Goldbach einen im Gebweilertal 
am Lauchufer gelegenen Mühlengrund. Derselbe erließ 1277 
ein Dekret4, welches der Bischof 1279 genehmigte, wonach der 
Propst eine doppelle Präbende haben sollte und half im Streit 
des Abts von Murbach mit den Edeln von St. Amarin einen 
Waffenstillstand schließen5. 4299 traf L. von Rötenleyn 
(Lutold von Röteln), wohl der nämliche, der 1309 als Dom- 
propst auf den Bischofsstuhl von Basel gewählt, aber vom 
Papst zum Verzicht auf denselben gezwungen wurde, die Ab- 
inachung wegen des Guts zu Odern mit der Abtei Murbach. 
Zu 1302 wird ein Propst Johannes erwähnt, dessen Bruder 
Heinrich Kustos war 5. 1318 machte Bertold, Kanonikus 


1 Bez. Arch. Lade 17 und HH 18. 

2 Nach Trouillat Bd. V, S. 763 heißt der Propst Ulrich und 
verwechselt dieser Schriftsteller den St. Amariner Propst mit dem 
von Luzern. Bez. Arch. Lade 15. 

3 Bez. Arch. Lade 2. 

4 St. Arch. &4 zu 1714. 

5 Dieser Propst stammte wahrscheinlich aus dem Geschlecht 
der Schultheiß von Gebweiler, Kindler v. Knobloch der alte Adel 
im Oberclsal) S. 84. Auf ihn bezieht sich wohl die Notiz der Chron. 
dominic. von Colmar zum Jahr 1275, über deren Richtigkeit man 
geteilter Meinung sein kann (concubina praepositi St. Amarini se 
suspendit, quae tamen multis annis a lecto praepositi separata fuit . 

6 Sifferlen S. 59. 


— i77 — 


zu Basel, das für die Abtei Murbach so ungürslige Zugestiind- 
nis an den Bischof von Basel, das er 1323 widerrufen mußte 
und wurde 1338 in der von ihm erbauten Kapelle des Evange- 
listen Johannes in der Stiftskirche zu St. Amarin begraben!. 
Im Jahr 1340 war Hermann von Widowe gleichzeitig 
Propst von Solothurn und von St. Amarin und hatte in letzterem 
Stift als Stellvertreter Johannes von Regenheim, Kanoni- 
kus von Lautenbach?. Derselbe ließ 1350 durch seinen Stell- 
vertreter Rudolf die Statuten über die Wahlen zu den 
Kanonikaten in St. Amarin aufstellen. (Rudolfus vice domini 
praepositus.)3 1357 schloß Konrad Schaler aus dem alten 
Patriziergeschlecht der Scalarii# zu Basel den Tausch der 
Kirche Weiler und verzichtete 1365 freiwillig auf die Propstei. 
Von 1365—1386 treffen wir Johannes Hacke aus der 
pfirtischen Ministerialenfamilie der Hacke5, welcher vorher 
Schatzmeister des Stifts gewesen an der Spitze des Kapitels. 
Hacke war nicht in geheimer Wahl als Propst hervorge- 
gangen, sondern quasi per inspirationem gewählt, und präsentierte 
ihn das Kapitel dem Abt von Murbach zur Bestätigung 6. Ihm 
folgte von 1386 —1420 Burkhard von Masmünster aus der 
berühmten Familie der Edeln gleichen Namens ?, dessen Grab- 
mal in dem Register der Monumente eingezeichnet ist8. Burk- 
hard war vor seiner Wahl Kustos des Stifts gewesen und bat 
in eigenem Namen den auf dem Schlosse Hugstein weilenden 
Abt Wilhelm Stoer um seine Konfirmation. Der Prokurator 
Frunder gab dem Abt den Rat die Wahl nicht gutzuheißen, 
da die Wahl ungültig sei, indem die Chorherrn Schismatiker und 
durch Papst Urban VI. exkommuniziert seien. Der Abt hörte die 
Parteien mit ihren Erklärungen an und bestätigte am 16. De- 


! Trouillat III, S. 783. 

? Bez. Arch. Lade 1. 

3 Anlage 1. 

4 Lunig catalogus der nobiles milites der Abtei Murbach S. 949. 
Berlers Chronik S. 27. Moné S. 357. 369. Die heutige Familie Scholer 
leitet ihr Geschlecht von den Schalern ab. 

? Die Hacke wurden später geadelt. Schoepflin Als. dipl. 1, . 
S. 44, 646. 

6 Bez. Arch. Murbach Lade 55, 1. 

7 Kindler von Knobloch S. 53. Schoepflin S. 657, Züricher 
Weppeurolie Pusican die Helden von Sempach S 60. 


SCHOLLY. 12 


— 178 — 


zember 1386 den Propst in seiner Würde!. Der Grund für dieses 
Entgegenkommen dirfte darin zu suchen sein, daß der Abt selbst 
Anhänger Clemens VII. war. Walter Perdicis starb den 
14. August 1428* und folgte ihm Andreas von Dalon, der 
mit dem Kapitel 1433 eine freundschaftliche Vereinbarung des . 
Inhalts traf, dab ihm dieses 40 fl. rheinisch und 1 Fuder Wein 
für die Rechte der Propstei zu geben habe, wáhrend er einen 
Stellvertreter zu St. Amarin bestellen müsse, welcher mit Ge- 
nehmigung des Kapitels gewählt werden solle’. Dieser Propst 
scheint demnach nicht in St. Amarin residiert zu haben. 
Unter seiner Verwaltung wurden die neuen Statuten 1430 
abgefabDt 4. 

Der letzte Propst zu St. Amarin war Johannes Müller, 
der nach dem 1434 erfolgten Tode von Andreas gewählt, und 
durch das Konzil zu Basel vom Kardinal Julian bestätigt 
wurde5. Er starb den 13. März 1471, nachdem 1470 der Papst 
Paul die von ihm beantragte Resignation wegen erreichten 70. 
Lebensjahres genehmigt und gleichzeitig die Wahl seines Nach- 
folgers Wolfach bestätigt hatte6. Als Pension erhielt Müller 
vom Kapitel den dritten Teil seines seitherigen Einkommens. 

Seit der Verlegung des Stifts nach Thann sollen, wie 
Gatrio annimmt 7, die Namen der sämtlichen Própste über- 
liefert sein angeblich, weil die Aebte von Murbach wegen der 
Trennung nur noch fester an ihrem Bestätigungsrechle fest- 
hielten. Dieser Grund ist keineswegs stichhaltig ; wenn seit 
1441 die Própste genau bekannt sind, so liegt dies nur daran, 
daß die Geschichte des Stifts von diesem Zeitpunkte ab der 
Neuzeit angehórt und besser erhalten ist. Uebrigens hat Gatrio 
vergessen den Propst Riecher, der wohl um seine Bestätigung 
nicht nachgesucht hat, zu erwähnen ; die von ihm angegebenen 
Daten, sind sehr häufig nicht richtig, da er sie ohne weitere 
Prüfung der Thanner Chronik entnommen hat’. Nikolaus 


Bez. Arch. Murbach Lade 55, 1. 
Trouillat V, S. 763. 

Bez. Arch. Lade 1. 

Bez. Arch. Straßburg. 

5 Bez. Arch. Lade 1. 

5 Daselbst C C 7. 

7 Abtei Murbach I, S. 589. 

8 Unedierter III. Bd. 127. 


m C € =m 


— 179 — 


Wolfach, Veranstalter des tomus miraculorum! starb den 
19. Marz 14882, Dr. Gallus Glett den 29. Oktober 1517 5. 
Im Jahre 1523 war Jakob Riecher Propst, der zu Thann 
nicht residierte und weder Subdiakon noch Kapitular war. In 
seiner Abwesenheit wurden einige neue Punkte den Statuten 
hinzugefiigt4. 1536 soll sich ein gewisser Theobald M o li- 
tor widerrechtlich in die Propstei eingedrängt haben, und 
wurde der Bischof von Basel vom Papst mit der Untersuchung 
der Angelegenheit beauftragt5. Dr. Johannes Soder starb 
den 27. Oktober 15406. Johann Sebastian Bruckfelder, 
zugleich Pfarrer von Thann, starb den 5. März 15677. Am 
28. September 1563 errichtete er sein Testament, er will be- 
graben sein im Chor vor dem Fronaltar neben Nikolaus 
Wolfach, und soll jeder Chorherr und Sacellan, der Schullehrer 
und die Schulverweser je 1 Schilling und jeder Schüler 1 
Pfennig auch der Priester, der ihn zu Grabe geleitet noch 
einen Plappert dazu erhalten. Der Grabstein soll nach dem 
Muster desjenigen von Wolfach sein mit einem Priesterbild 
und zu den Füßen sein Schildzeichen oder unter dem Schild 
zwei kleine Schüler in Chorhemden mit offenen Gesangbiich- 
lein und mit der Inschrift obiit Sebastianus Bruckfelder prae- 
positus et canonicus hujus ecclesiae fundator et quattuor cora- 
lium 3. Im Register der Monumente ist sowohl das Sterbejahr 
als der Name falsch angegeben®. Ihm folgte Johann Stein- 
hauser, der Rechte Doktor!?, der am 15. Mai 1576 starb. 
Auffallend bei diesem Propste erscheint, daß er nur einmal 
erwähnt wird, und in dem so sorgfältig geführten Register der 
Anniverarien von 1449 —1690 der Name nicht zu finden ist, 
während für alle übrigen in dieser Zeit gestorbenen Pröpste 
Jahrgedächtnisse aufgezeichnet sind. Georg Wa gnerwurde am 


1 Pfarrarch. in Thann. 
2 Verzeichnis der Grabdenkmáler S. 21 «anno Domini 1488» 
unvollständig. 

. S St. Arch. GG 8. 

4 Bez. Arch. Straßburg. 

5 Bez. Arch. Serie G. 

6 Daselbst Lade 7. Verzeichnis der Anniversarien Stadt Thann. 
7 St. Arch. 6 zu 1377. Staats-Arch, Basel. 

8 St. Arch. Thann FF 11. 

9 Seite 27. 

19 Bez. Arch. Lade 17. und Serie G. 


— 180 — 


3. Oktober 1576 gewählt!, er war früher Kanoniker zu St. Leo- 
degar in Masmünster, nebenbei Rektor zu Sentheim und feierte 
1628 sein goldenes Priesterjubiläum. In seinem Testamente 
vermachte er dem Kapitel zur Neuanschaffung und Unter- 
haltung von Paramenten einen größeren Betrag. Nach Gatrio ? 
wire Wagner am 7. Juni 1628 gestorben ; diese Angabe ist 
irrig, da er erst im April 1651 wegen hohen Alters unter be- 
stimmten Vorbehalten auf die Propstei verzichtete, er will den 
Titel Propst behalten, alles, was im Kapitel verhandelt wird, 
soll ihm mitgeteilt werden, und er behàlt sich vor sein Votum 
darüber abzugeben, ein Salarium reklamiert er nicht 3, Am 
16. Juli 1632 errichtete Wagner sein Testament und starb am 
45. April 16334. Im Testamente bestimmte er, daß sein Leich- 
nam in St. Theobaldus Münster mit gewöhnlicher Prozession 
der Stiftsherren, Kaplane und Schüler samt vier Frauen mit 
vier Kerzen im Chor beigesetzt werde. Die Pfarrer, welche die 
Leiche tragen, erhalten 4 Schilling, der Schulmeister und die 
Provisoren 2 Schilling und jeder Schüler einen Rappenpfennig. 
Er wünschte sich einen simplen Grabstein mit Priesterbild und 
Meßgewand unten das Petschaftswappen in Form von Wol- 
fachs Grabstein mit der Inschrift: anno domini .. obiit 
Georgius Wagner ab anno 1576 hujus collegiatae ecclesiae 
canonicus et praepositus et ab anno 1584 rector in Senten, 
cujusque anima deo vivat.5 Sein Nachfolger war Johann Caspar 
Cabelius oder Kabelius, von Gatrio fälschlich als Labelius 
bezeichnet; er war am 13. Dezember 1604 von Maximilian als 
Kanoniker präsentiert worden, 1615 wurde er Kustos und 
fand seine Wahl im Kapitel, am 3. Januar 1634 statt. Die 
Wahl konnte erst in diesem Jahre wegen der Kriegsgefahren 
stattfinden, und hatte der Bischof Johann Heinrich ein Indult 
deswegen erteilt. 

Noch vor seiner Bestátigung durch den Bischof, welche 
am 22, Juli 16345 erfolgte, bat Cabelius denselben das ihm 


1 Daselbst Lade 7 (Stiftsprotokolle). 

2 Band I, S. 589. 

3 Staats-Arch. 2 zu 1567. 

4 Daselbst 5, 6 zu 1562, 2 zu 1567. 

5 Sein Grabmal S. 81 des Verzeichnisses mit der falschen 
Jahreszahl 1576. 

6 Staats-Arch. 6 zu 1535 4 zu 1567. Bez. Arch. Lade 7. Ver- 
zeichnis der Anniversarien. . 


— 181 — 


anvertraute Amt wieder abzunehmen, da er sich nicht hierzu 
gewachsen fühle. Der Bischof ließ nach einer zu Thann durch 
seinen Delegierten super qualitate, vita et moribus des Propstes 
gehaltenen Information die Bedenken nicht gelten. Nur kurze 
Zeit bekleidete Cabelius die Propstei und starb am 13. Juni 
16371. Ihm folgte Johann Nipein, der ebenso wie Cabelius 
aus Tyrol stammte und von Maximilian, dessen Hofkaplan er 
. war, am 2. Juli 1614 zum Chorherrn präsentiert wurde. 1635 
war er Kantor und fand seine Konfirmation durch den Bischof 
zum Propst am 26. November 1637 statt?. Er starb am 30. 
August 16553. Am 10. Oktober 1615 wurde Nipein mit seinen 
beiden Brüdern Ulrich. und Bartholomaeus, von denen der erstere 
ebenfalls dem geistlichen Stande angehórte, von Maximilian II. 
zu Innsbruck in den Adelsstand erhoben. Als Wappen wurde 
ihm verliehen ein gelb oder goltfarbener Schild in welchem 
erscheint ein gantz schwarz fürwertz sehender Adler mit auf- 
gethanen Fliegten, welcher im Schnabel in mitten ein weiß pein 
haltet, auf dem Schild ein Stechhelm zu beederseits mit gelb 
oder goltfarben und schwarzen Helmdecken samt einer künig- 
lichen Cron geziert, aus welcher abermals ein dem im Schild 
gleichfórmiger Adler im Schnabel haltend ein pein erscheint 4. 

Gallus Hegelin, ein Mitglied der Thanner Rebleut- 
zunft, aus einer Thanner Familie starb am 14. April 1664 5, 
nachdem er wegen Krankheit auf die Propstei am 18. Dezem- 
ber 1662 freiwillig verzichtet hatte. Johann Sebastian Wille- 
mann, ein Sohn des Thanner Statthalters, aus einer von 
Türkheim eingewanderten hochangesehenen Familie, war am 
14. April 1634 erst 18 jährig, nachdem er sich vor dem 
Feinde rühmlich ausgezeichnet hatte, zum Kanoniker präsen- 
tiert worden und fand seine Wahl zum Propst am 20. Dezem- 
ber 1662 statt; er starb den 25. Januar 16/65. Ursus Hen- 
ner, vorher Pfarrer zu Bernweiler, erhielt bei der kurz 


1 Bez. Arch. Serie G. liber defunetorum. St. Arch. Thann. 

2 Daselbst Register der weggeschafften Urkunden. 

3 Staats-Arch. 120 zu 1535 40 und 42 zu 1535. Bez. Arch. 
Lade 7. Auf seinem Grabstein S. 15 des Verzeichnisses stehen nur 
die Worte Johanes Niebein, alles andere war vermutlich unleserlich. 

4 St. Arch. Sennheim. 

5 Liber defunetorum. 

6 Grabmal S. 43 des Registers und liber defunct. 


— 182 — 


darauf folgenden Wahl sämtliche Stimmen, allerdings waren 
nur vier Chorherren dabei anwesend. Henner scheint im Ge- 
gensatz zu den Vorschriften der Statuten, wonach der Propst 
aus den Mitgliedern des Kapitels zu wählen war, dem Kolleg 
nicht angehört zu haben, denn der bei der Wahl als Delegierte 
des Bischofs anwesende Generalvikar Tardy berichtete am 31. 
Januar 1676, daß alle Voten auf die Person des Herrn Ursi 
Henner, gewesten Pfarrherrn zu Bernweiler ausgefallen seien. 
Vielleicht läßt sich dies mit dem großen Priestermangel der 
damaligen Zeit erklären. Henner führte mit dem Kloster Lützel 
einen Prozeß, in dem der conseil souverain am 13. März 
1684 entschied, daß die Abtei jährlich 30 Ohm und 8 
Pots Wein sogenannten (Lambevi) zu entrichten habe 1. 
Henner starb den 1. September 16912 und wurde ausnahms- 
weise, aus welchem Grunde ist unbekannt, nicht im Chor der 
Stiftskirche sondern auf dem Friedhofe begraben. Johann Se- 
bastian von Klebsattel3, ein Thanner Kind, wurde am 
7.. September 1791 gewählt und am 10. September vom Bischof 
Johann Konrad bestatigt, er starb den 5. Februar 17124. Seine 
Präsentation zum Kapitel hatte der Herzog von Mazarin am 
29. Juli 1672 vorgenommen. Franz von Klinglin?, Sohn 
des früheren Rats zu Ensisheim und spateren ersten Prasidenten 
zu Colmar, wurde an Stelle seines Bruders Roman Klinglin, . 
der auf seine Thanner Pfründe resigniert hatte, am 24. Marz 
1681 zum Kanoniker präsentiert und am 7. April 1712 durch 
den Bischof als Propst bestätigt; er starb, nachdem er über 
50 Jahre dem Kapitel angehórt hatte am 25, Dezember 17326. 
Johann Anton Gobel aus einer alten angesehenen Thanner 
Familie 7, wurde 1715 vom Herzog von Mazarin präsentiert, und 
am 17. Januar 1733 vom Bischof kraft des Devolutionsrechts 


1 Bez. Arch. Lade 14. 

? Daselbst Lade 7. Staats-Arch. 175 zu 1535. Aunivers. Thann. 

3 Ueber den Adel der Clebsattel. Schoepflin S. 725. 

4 Staats-Arch. 146 zu 1714, 185 zu 1103, Grabmal S. 53. 

5 Ueber den Adel der Klinglin Schoepflin S. 729. 

6 Nach dem Tagebuch der Guardiane, welches nicht genau ge- 
führt ist, wäre Klinglin am 25. Januar 1733 gestorben, was unbedingt 
falsch ist. Grabmal S. 51 des Registers mit dem Datum 25 Oktober 1732. 

7 Der Vater Gobels starb 1728 als Fiskalprokurator des Herzogs 
von Mazarin und der Großvater Sigismund 1707 als Bürgermeister 
der Stadt Thann; sein Bruder Franz Gobel war 1733 Rat am 
conseil souverain zu Colmar. 


— 183 — 


zum Propst ernannt, da die am 14. Januar stattgehabte Wahl 
erfolglos geblieben war. Seine Ernennung hatte Gobel der 
Verwendung des Suffraganbischofs Haus, eines nahen Ver- 
wandten, welcher dem Wahlakte präsidiert hatte, zu verdanken, 
der sofort am Tage der vereitelten Wahl dem Fürstbischof seinen 
Vetter sehr warm empfahl, trotzdem die Gobel feindlich ge- 
sinnten Chorherrn grave Verfehlungen von demselben berichtet 
hatten, welche allerdings in der darauf angestellten Untersuchung. 
nicht bewiesen werden konnten. Gobel war ein streitbarer 
Propst, beim Kapitel äußerst unbeliebt und, wenn man seinen 
Gegnern Glauben schenken dürfte, ein wenig musterhafter 
Kanoniker !. In der langen Zeit während er Propst war, 
herrschte fortwährend Streit und Zwietracht im Kapitel, er 
schreibt selbst einmal: «Ich bedaure, daß die Uneinigkeit des 
Kapitels gerade in meine Propstei fällt; es ist notorisch, daß 
die herrschende Fraktion im Kapitel meine guten Absichten 
und guten Willen bekämpft und stets das Gegenteil will, 
wie ich.» 1745 verzichtete Gobel, des Streits müde auf die 
Propstei, um ein Kanonikat bei St. Marlin in Colmar, wo er 
Titularkanoniker war, anzunehmen, doch zog er bald diese Re- 
signation zurück, da der hl. Stuhl angeblich gegen dieselbe, 
war?, Er starb, nachdem er über 50 Jahre lang der Propstei 
vorgestanden hatte3, ein in der Geschichte des Kapitels nie 
dagewesener Fall den 18. November 1785, und folgte ihm als 
letzter in der Reihe der Pröpste Theophil Poumier de 
Gapillon angeblich aus der Provence, der zum Kapitel durch 
die Herzogin von Duras am 27. September 1748 präsentiert und 
vorher Priester der Diözese St. Die gewesen war. Poumier, ge- 
wöhnlich Poumeyer geschrieben, wurde gewählt arm 10. Januar 
1786; dem Wahlakte prasidierte Johann Baptist Josef Gobel, ein 
naher Verwandter des verstorbenen Propstes, als Bischof von 
Lydda, dessen tragisches Ende als Bischof von Paris bekannt 
ist. Am 22. Januar erfolgte die Bestätigung Poumiers durch den 
Bischof und am 28. September durch den Abt von Murbach 4. 


1 Visitationsprotokoll 1742, St.-Arch. 67 zu 1714. 

2 Staats-Arch. 88 zu 1714. 

3 Das Jubiläum wurde unter großartiger Beteiligung der Bürger- 
schaft von Thann gefeiert. Thanner Chr Ill, S. 588. 

4 Bez. Arch. Murbach 9, 31. 


—  ——— m 


Anlage 1. 
Statuten vom 4. Februar 1350. 


In nomine Domini Amen. Nos Rudolfus vice Domini pra- 
positus, Petrus de Butwiler cellerarius, et Johannes dictus de Mu 
luowe canonicus ecclesiae collegiatae Sancti Amarini Basiliensis 
dioecesis arbitri arbitratores et amicabiles compositores electi et 
concorditer assumpti ab omnibus et singulis praefatae ecclesiae 
St. Amarini canonicis et capitulum pro tunc facientibus super or- 
dinatione facienda infra scripta praebendarum in canonicos nostros 
et nostrae ecclesiae suprascripte ad nominationem seu petitionem 
singulorum canonicorum praebendatorum in eadem nostra ecclesia 
nec non ipsam ordinationem tangentibus quomodo libet et sine 
quibus ipsa non posset commode expediri etiamsi qua ex eis ex- 
pressionem requirerent specialem prout haec ecclesia in forma dicti 
compromissi pienius continentur, universis et singulis quorum 
interest et interesse poterit in futurum notificari cupimus per 
praesentes quod nos assumptos seu susceptos in nos compromisso 
hujus modi attendentes quod licet nonnullae personae receptae 
jum dudum auctoritate capitulari in canonicos praefatae ecclesiae 
St. Amarini sub exspectatione praebendarum dietas praebendas ad- 
huc exspectent quam plures tamen instant ut sub exspectatione prae- 
bendarum recipiantur in eadem nostra ecclesia in canonicos et con- 
fratres deliberatione matura super his non solum nobiscum sed cum 
dominis de capitulo supra dictis aliisque prudentibus ac peritis 
diligentius atque saepe accupientes cum omni studio quo possumus 
praefatae nostrae ecclesiae futura damna et pericula praecavere 
et ne per importunas instantias petentium plures inhabiles et minus 
idoneae personae ipsique ecclesiae minime expedientes praesertim 
per laicorum potentiam intrudantur. Desiderantes quoque ipsi ec- 
clesiae de personis eidem ecclesiae expedientibus provideri et ut inter 
nos omnesque de capitulo et in ipso capitulo pacis tranquillitas vigeat, 
concordiae unitas invalescat. animarum identitas perseveret, et discen- 
sionum et discordiarum materia quantum est possibile amputetur; esti- 
mantes etiam utile et proficuum quod discussio deffinitio et decisio hujus 
modi non amplius differatur vigore compromissi et potestate arbi- 
traria nobis pro eodem tradita et concessa Dei nomine invocato 
laudamus ordinamus arbitramus pronunciamus dicimus ac etiam 
deffinimus ut ad petitionem Reverend. in Christo patris ac Domini 


— 15 — 


nostri Johannis Dei gratia episcopi Basiliensis primo recipiatur 
una persone in cadem ecclesia St. Amarini sub exspectatione prae- 
bendae salvo jure receptorum in canonicum et confratrem. Item 
ad primarias preces nostri praepositi ante dicti similiter una. Itein 
contemplatione venerabilis patris domini Heinrici eadem gratia 
abbatis Murbacensis similiter una. Si idem dominus abbas erga 
dictam ecclesiam St. Amarini se talem exhibuerit quod nobis arbi- 
tris ante dictis concorditer videatur. quod unus ob ejus reverentiam 
ad dictum canonicatum merito admittendus. ltem quod singulae 
personae ad petitionem ct nominatiouen singulorum ipsius ecclesiae 
canonicorum  praebendatorum et ad praebendas vacantes jam re- 
ceptorum recipiantur in ejusdem ecclesiae canonicos et confratres. 
Hoc expresse adjecto quod omnes et singuli recipiendi ex ista or- 
dinatione in canonicos prius ecclesiae usque ad feriam quintam 
post festum Purificationis Beatae Mariae Virginis gloriosae inclu- 
sive nobis arbitris ante dictis nominentur per illos ad quorum peti- 
tionem seu nominationem recipiendi sunt et quod ad audiendum et 
publieandum dictas nominationes quas interim volumus et prae- 
diximus verbaliter et oretenus vel patentibus litteris quibus fides 
possit credula adhiberi per nos arbitros antedictos capitulum judi- 
catur diusque ita ad dictam feriam quintam aliquis canonicorum 
eum quem recipi desiderat ad suam petitionem in canonicum dictae 
nostrae ecclesiae cessante impedimento legitimo neglexerit nomi- 
nare pro tune nominare aliquem volens nullatenus audiatur vel 
etiam admittatur sed habeatur penitus pro excluso. Item quod nos 
arbitri antedicti insolidum ad nominationem singulorum recipere 
debeamus singnlos in nostros et dietae ecclesiae nostrae canonicos et 
confratres secundum ordinem superius annotatum et inferius subjun- 
gendum. Item quod ipsi recipiendi tempore suae receptionis per'se 
vel per alios ad hoc legitime constitutos nohis arbitris supra dictis 
in solidis dicti nostri capituli nomine juramentum de observandis 
Statutis et consuetudinibus dictae nostrae ecclesiae praestent solitum 
et consuetum, item quod iidem recipiendi dictae suae receptionis 
tempore per se vel alios sicut supra de observandis omnibus et 
Singulis supra scriptis ad huc vigore dicti compromissi per nos si 
Opus fuerit dicendis ac etiam declarandis quantum eos et quem 
libet coram tangunt ac concernunt et quantum in cis est praestent 
corporale etiam juramentum. Item quod recipiendi in canonicos in 
Ista ordinatione non debeant habere voces in dicto nostro capitulo 
nisi prius praebendas in dicta nostra ecclesia consequantur. Nihi- 
lominus tamen in aliis puto processionibus oblationibus exequiis 
ceterisque ipsis honor debitus impendatur ac etiam debeatur juxta 
consuetudinem circa canonicos receptos auctoritate capitularis sub 
exspectatione praebendaram in eadem nostra ecclesia hactenus obser- 
vatam. Item quod nullus recipiendorum in acceptatione vel assecu- 
Uone praebendae tunc vacantis alium cui talis pracbenda tune ut 
promittitur vacaus est debita juxta ordinem suae receptionis seu 
eXspectationis possit vel debeat praevenire sed quod inter ipsos 
Ordo debitus observetur nisi forte is cui ut praemittitur hujus modi 
P'aebenda vacaus debetur, ipsam nollet acceptare vel in prosecu- 
None sui juris esset nerlieens et remissus. Ita quod ipsum usque 
ad tertiam sententiam diflinitivam sibi contrariam non curaret pro- 


— 186 — 


sequi sive nollet, tunc sequenti illum immediate et juxta dicte 
receptionis ordinem exspectanti volenti et diligenter prosequenti 
jus suum ut premittitur si necesse fuerit et adversarium habuerit 
super ipsa jus competat ad eandem. Item quod nullus eorumdem 
recipiendorum quem super praebenda vacante sibi juxta suae 
receptionis et exspectationis ordinem debita forte litigare continget 
cum suo adversario super dicta praebenda compositionem inire sine 
consensu capituli debeat sive prosit et si secus fecerit ad nullam 
aliam praebendam sibi jus competat inibi postmodum vacaturam. 
Item quod si aliquem eorumdem recipiendorum super aliqua prae- 
benda vacante juxta suae receptionis et exspectationis ordinem 
debita tam diu litigare contingeret quod contra se tres deffini- 
tivas sententias reportaret ac interim tempore pendentiae dictae litis 
unam pluresve praebendas vacare contingeret in nostra ecclesia- 
supradicta tunc non ad illam vel aliquam ipsarum quae ut premitti 
tur interim vacaverint nec in illa vel aliqua earumdem sibi jus 
competat sed ad aliam sibi proximi vacaturam aliis adhuc post 
illam exspectantibus in suo ordine permansuris nisi forte nullus 
esset in possessione praebendae tunc vacantis nec ad eam aliquis 
electus sit per capitulum seu receptus tunc enim illam petere poterit 
et ad eam debebit recipi admitti contradictione post eum receptor- 
um vel exspectantium seu alterius eorumdem quomodolibet non ob- 
stante. Item quod nullus recipiendorum alium in assecutione prae- 
bendae sibi debite juxta suae receptionis et exspectationis ordinem 
possit vel debeat impedire vel secum contendere super ipsam occa- 
sionem cujuscunque facti nunc seu tempore suae receptionis 
existentis vel inposterum emergentis quaesito quovis ingenio vel 
colore et quod recipiendi omnes et singuli adhoc se astringant per 
juramentum a se vel aliis suo nomine et pro ipsis praestandum 
corporaliter prout hoc meliori et securiori modo poterit praecaveri. 
Item quod quilibet recipiendorum postquam receptus fuerit et ad 
praebendam vacantem sibi debitam juxta suae receptionis et exspecta- 
tionis ordinem admissus et antequam grossos fructus praebendae perci- 
piat decem florenos auri pro una cappa ad ornatum dictae ecclesiae nos- 
traesolvere debeat. [tem quod omnes et singulos recipiendos in hac 
nostra ordinatione si quem vel quos pro praebendis juxta ordinem 
suae receptionis et exspectationis sibi debitis continget litigare 
omnes et singuli de capitulo nostro ipsumque capitulum manu- 
tenere debeant et sibi iu sua lite fideliter assistere. ac etiam ad- 
herere usque ad tertiam sententiam seu finalem. Item quod anti- 
quiores in canonicatibus et praebendis junioribus in nominando 
debeant preferri et nominandi per eosdem praeferri debent in asse- 
cutione praebendarum nominandis a junioribus in canonicatibus et 
praebendis. Item quod si contingeret aliquem recipiendorum sibi 
nolle assumere litem super assecutione praebendae sibi debitae juxta 
suae receptionis et exspectationis ordinem propter adversarii poten- 
tiam vel suorum vel ob aliam causam legitimam tunc sequens 
eundem qui voluerit ipsam litem poterit assumere, et praebendam 
hujusmodi assequi si poterit litigando priore litigare nolente prae- 
bendam deinde proxime vacaturam interim exspectante. Item quod 
omnes et singuli recipiendi suos canonicatus et loca sibi deputata 
pro suarum praebendarum assecutione cum aliis canonicis jam in 


— 187 — 


eadem ecclesia ` receptis vel recipiendis quibus voluerint sine con- 
sensu tamen capituli valeant permutare sed hoc ipsis cum personis 
alterius collegii pro aliis canonicatibus et locis nisi consensus totius 
capituli accesserit facere non licebit. Item quod canonici in dicta 
nostra ecclesia praebendati cum exspectantibus in eadem de con- 
sensu dicti nostri capituli vel majoris partis suas praebendas pro 
suis locis et exspectantiis valeant permature. Item quod sigillum 
nostri capituli sepedicti appendi debeat litteris receptionis recepti- 
cum similibus hoc petentis et hoc idem sigillum tenentibus manda-. 
mus et precipimus in his scriptis. 

Item volumus quod omnibus receptis et nominatis detur copia 
ordinationis praedicte si petierint suis tamen sumptibus et expensis. 
Et ne aliquis error circa prioritatem et posteritatem nominandorum 
et recipiendorum obrepat in posterum pronunciamus, arbitramus 
deffinimus dicimus et laudamus inter nominandos quoad assecutionem 
praebendarum vacaturarum in nostra ecclesia sepedicta servandum 
et tenendum ordinem infra scriptum: videlicet quod Hanmaunus 
natus Philippi Schocken armigeri ob reverentiam praefati domini 
nostri episcopi primam praebendam in dicta ecclesia nostra vaca- 
turam; nominatus per nos praepositum antedictum videlicet Cun- 
radus natus quundam Bertholdi de Ostheim armigeri secundam. 
Nominatus per dominum abbatem Murbacensem videlicet Johannes, 
natus quundam domini Rudolfi de Watwilr militis tertiam. Nomina- 
tur per Cunonem dictum Schrecken videlicet Hanmannus natus 
Bertholdi armigeri quartam: nominatus per dominum Petrum 
de Bebeluch ! videlicet Johannes dictus Schrecken de Colum- 
baria quintam: nominatus per Petrum de  Butwilr videlicet 
Mathias de Butwilr sextam: nominatur per magistrum Hen: 
ricum de Aröwa 2 videlicet Bertholdus de Bulgen septimam- 
nominatus per Dietricum Bracken videlicet Jetelinus de Tanne 
octavam : nominatus per Rudolfum vice domini Anmamus vice do- 
mini nonam : nominatus per Burkhardum de Warembach videlicet 
Johannes de Warembach decimam: nominatus per Johannem de 
Muluowe videlicet Wihelmus de Ongersheim jondecimam: nomina- 
tus per. Johannem de Morswilr videlicet Rudolfus de Morswilr duo- 
decimam : nominatus per Johannem de Wentzwilr videlicet Cun- 
radus natus Cunradi de Sursee tertiam decimam: nominatur per 
magistrum Henricum de Sursee ? videlicet Anmamus natus Cunradi 
de Sursee quartam decimam: nominatus per Rudolfum dictum 
Zeme Mulbóme videlicet Petrus de Ongersheim quintam decimam : 
Item Fridericus de Butwilr penultimam videlicet sextam decimam. 
ltem et Henricus natus Waltheri procuratoris dicti capituli ultimam 
et septimam decimam assequantur. 

Et hoc premissa omnia et singula nos Rudolfus praepositus 
antedictus de mandato et auctoritate nobis a prelibatis videlicet 
1 Wohl identisch mit Peter von Beblenheim, da Mitte des 14. 
Jahrhunderts dieser Name im adeligen Geschlecht gleichen Namens 
oft vorkam. Kraus, S. 262. Kindler, S 10. 

2 Heinrich von Arau starb 1355. Thanner Chr. III, S. 128. 

5 Heinrich von Sursee war später Offizial der Kurie Basel 
"Trouillat III, S. 651. 


— 188 — 


Petro de Butwilr cellerario et Johanne de Muluowe nostris coar- 
bitratoribus et amicabiliter compositoribus traditis et concessis nostro 
et ipsorum nomine legimus promulgavimus et publicavimus in pleno 
capitulo nostrae ccclesiae sepedictae suplicantes una cum dicto 
nostro capitulo humiliter et devote reverend. in Christo Patri ac 
Domino nostro Domino Johanni Dei gratia Episcopo Basiliensi 
quatenus supra Scriptam ordinationem auctoritate ordinaria con- 
firmare dignetur ratificare auctorisare ac etiam approbare. Et nos 
Johannes Dei Gratie Episcopus antedietus omnia et singula supra- 
scripta auctoritate ordinaria ad supplicationem arbitrorum et. capi- 
tuli predictorum omnia singula suprascripta ratificamus auctorisamus 
approbamus et in nomine Domini confirmamus. In quorum omnium 
et singulorum testimonium nos Episcopus et arbitri prelibati sigilla 
nostra praesenti appendi fecimus instrumento. 

Datum et actum in Sancto Amarino in loco capitulari sub anno 
Domini milesimo trecentesimo quinquagesimo feria quinta post 
festum Purificationis Beatae Mariae Originis gloriosae. 

Vorstehende Kopie ist von einer vidimierten Originalkopie auf 
Pergament, an der nur noch zwei Siegel hingen wortgetreu ent- 
nommen durch die bischöfliche Kanzlei am 10. März 1751. 

St. Arch. zu 1350. 


Anlage 2. 


Präsentation eines Kanonikers auf Grund der 
prima preces. 


Nominatio seu praesentatio utpote in mensi pari ad capitulum 
spectat ad quam autem vi trausactionis facta 1456 et per antiqua 
in illo titulo memorata possessionis prima preces ad vacaturam 
primam in nostra ecclesia praebendam vobis reverendissimo epis- 
copo neo electo et conscerato semel contingere notorie dignoscitur 
N. N. filium legitimum presbyterum in nostra urbe natum virtute 
primarum precum a Celsitudine vestra nobis debito modo et tem- 
pore exhibitarum et a capitulo reverentia acceptarum Celsitudini 
praesentams. í 

Prout eum investimus in Dei nomine per praesentes. 

St. Arch. 1748. 20. Februar. 


Anlage 3. 


Ernennung cines Kanonikers nach derResignation 
des Vorgängers. 


Nos Josephus Wilhelmus ete. 

Ad canonicatum et praebendam in pracfata ecclesia collegiata 
per puram et simplicem resignationem Antonii de Clebsattel ultimi 
ejusdem canonicatus possessoris de die tertia ultimi mensis januarii 
ad nostras seu ordinarii manus factam atque a nobis admissam die 
nona cjusdem mensis vacantem nobis Franciscum Josephum Neff- 


— 189 — 


clericum nobis per illustrissimam Ducissam de Duras, ad quam 
canonicatus ct praebendae collatio seu jus praesentandi canonicum 
dum vacant in mensa impari pleno jure dignoscitur legitime prac- 
sentatum auctoritate nostra ordinaria instituendum et investendum 
duximus prout eum investimus in Dei nomine per praesentes. 

St. Arch. 1748, 20. Februar. 


Anlage 4. 
Investitur der Kanoniker. 


Albertus, dei gratia episcopus Basiliensis venerabilibus, honora- 
bilibus et devotis in Christo dilectis praeposito cantori, custodi et 
capitulo collegiatae ecclesiae St. Theobaldi in oppido Thann caeteris- 
que presbyteris, clericis et tabellionibus ad quos praesentes litterae 
nostrae pervenerint salutem in domino. 

Ad canonicatum et praebendam reverendum dominum Biegeisen 
a praefatis praeposito, cantore, custode et capitulo Theobaldi vigore 
primariaram precum ad augustissimum imperatorem Ferdinandum 
Spectantium et consentiente serenissima domu Austriaca per dictum 
Biegeisen plena ut asseritur obtentarum in scriptis praesentatum 
cum omnibus et singulis suis juribus redditibus emolumentis et ob- 
venientibus quibuscunque instituendum et investiendum duximus, 
prout auctoritate ordinaria instituimus et investimus in dei nomine 
per praesentes vobis omnibus et singulis supradictis in virtute 
oboedientia districte praecipiendo mandantes quatenus praefatum 
Biegeisen sic per nos in dicto canonicatu et praebenda nunc insti- 
tutum et investitum in einsdem corporalem, realem et actualem 
jurumque et pertinentiarum omnium liberam pacificam et quietam 
vel quasi possessionem admittatis ponatis et inducatis. Assignantes 
ei stallum in choro et locum in capitulo ejusdem ecclesiae cum 
plenitudine juris canonici, lucrantesque ipsi de fructibus redditibus 
proventibus juribus emolumentis et obventionibus quibuscunque 
canonico debitis ab debitoribus universis loco et tempore congruis 
et opportunis integre satisfieri et cum effectu responderi adhibitis 
in his et circa ea solemnitatibus et cautelis debitis et consuetis. 

5. August 164% St. Arch. 


Anlage 5. 
Eid der Kanoniker und Sacellanen. 


Ego ecclesiae St. Amarini et Praejecti nunc in templum St. 
Theobaldi Thannas translatae fidelitatem, oboedientiam ejusque commo- 
dum et utilitatem promovere damnum et detrimentum  praecavere 
atque avertere; de bonis praediis, redditibus, proventibus nihil 
alienare vel ut distrahatur consentire, alienata vero licitis modis 
vindicare et recuperare laborareque studebo. Praeposito atque aliis 
quibus nomine vel ex officio mihi legitime imperantibus obedire 
eosque revereri et honorare, munera mea incumbentia integre et 


— 190. — 


sincere praestare adimplere, statutis sub poenis definitis vel arbitrio 
capituli jure modo transgressionis infligendis obtemperare obedire 
et satisfacere dolo et fraude remotis juro spondeo voveo promitto 
sic me Deus adjuvet et sancta evangelia. 

Statuten 1642. 


Anlage 6. 


Eid der Kanoniker vor der Wahl des Propstes, 
der nach der Dignität und der Reihenfolge der 
Ernennung aufdasEvangeliumzuleistenist. 


Ego juro et promitto omnipotenti Deo Mariae Beatae Virgini, 
St. Theobaldi hujus ecclesiae patrono, quod illum eligere et postu- 
lare velim in praepositum quem verisimiliter credo in spiritualibus 
et temporalibus utiliorem nec illi vocem dabo, quem verisimiliter 
scivero promissione vel donatione alicujus rei temporalis per se vel 
per interpositam personam aut alias qualitercunque directe vel in- 
directe pro se electionem procurasse nullamque rationem habebo 
cognationis vel affinitatatis aut familiae. Sic me deus adjuvet. 

Wahlprotokoll vom 14. Januar 1733. 

St. Arch. 55 zu 1567. 


Anlage 7. 
Wahldes Propstes. 


Die constituta scilicet tertia Januarii currentis anni 1634 meri- 
die circa horam septimam capitulares ecclesiae collegiatae St. Theo- 
baldi in Thann omnes videlicet Joannes Nipein, cantor, Joannes 
Casparus Cabelius, custos, Joannes Udalricus Hinderus, Adamus 
Gautsch, Joannes Udalricus Brombach uno excepto domino Petro 
Weingart quem letalis infirmitas domi detinyit in loco capitulari 
electuri praepositum convenerunt et cum tutior modus nullus occur- 
reret quam scrutinium statim capitulares Joannem Udalricum Brom- 
bach constituerunt unanimi consensu scrutatorem cui pro majore 
securitate adjuncti sunt duo testes Stephanus Tscheiler et Gallus 
Hegelin ejusdem ecclesiae sacellani seniores. Qui omnes juramento 
fidelitatis ac silentii solemniter praestito promiserunt se cuncta 
de jure aut consuetudine facienda candide observaturos et quoties- 
cunque requisiti fuerint de iisdem testimonium veritatis perhibituros 
tradita sunt deinde cuique electorum nomina caeterorum eligibilium 
schedulis sigillatim inscripta omisso proprio. 

Hisce ita praemissis cantor concapitulares serio admonuit 
quilibet sui juramenti quo utilitatem capituli promovere damna 
autem cavere obstrietum est memor; deposito omni humano affectu 
solum dei honorem atque praefati capituli salutem quaerentes 
illum caeteris proponere atque exoptare curaret quem pro aliis 
magis idoneum dignum atque profuturum esse judicaret. 


— 191 — 


Dehinc ipse cantor primus nomen eligendi schedulae involutum 
vasculo super mensam existenti imposuit quem secutus est custos 
et reliqui omnes, qui erant praesto similiter faciendo. 

Petrum vero Weingart ob causam superius alligatam absentem 
accessit scrutator ejusque ab ipso votum requisivit, praesente. 
Stephano teste ac chartae inscriptum clausum secum tulit. 

Tandem praenominatus scrutator schedulas continentes electo- 
rum nomina assistentibus sibi praedictis testibus a vasculo accepit 
diligenter inspexit et in quem majora et saniora suffragia conveni- 
rent notàvit tandemque videns Joannem Casparum Cabelium reli- 
quos superare votis cum nulla votorum manifestatione facta electum 
esse publice et clara voce protestatus est et praepositum procla- 
mavit. Cui omnes et singuli fausta praecantes, simul se ad cultum 
divinum in templum contulerunt. 

Wahl des Propstes Cabelius vom 3. Januar 1634. 

St. Arch. No. 6 zu 1567. 


Anlage 8. 


Vorschlag des Propstes durch das Kapitel 
zur Konfirmatio n. 


Pro viduata ecclesia nostra sponsum pro membris caput pro 
ad modum reverendo domino Joanne Nippein, praeposito defuncto 
successorem eligendi a reverendissima et illustrissima celsitudine 
vestra supplices licentiam petivimus et impetravimus hac gratia 
implorata divini spiritus gubernamine statutorum nostrorum tenbre 
plurimum reverendo doctore Floriano Rieden vicario celsitudinis 
vestrae in spiritualibus generali praeside per potiora et saniora 
vota canonice et solenniter admodum reverendum dominum Gallum 
Hegelin 5 idus septembris elegimus qui cum sit uno verbo talis 
qualem statuta requirunt irreprehensibilis et omnibus bono exemplo 
praeluceat speramus eum ecclesiae collegiatae sanctissimi patroni 
nostri Theobaldi magno fore commodo, unde illustrissimum et re- 
verendissimum principem dominum et ordinarium nostrum clemen- 
tissimum debita "humilitate supplices rogamus ut authoritate sua 
ordinaria recens electum dominum praepositum nostrum in officio 
suo confirmare dignetur, pro hac aliisque gratiis et beneficiis ac 
pro felicissimo celsitudinis vestrae regimine calicem salutaris ac- 
cipientes nomen domini invocabimus Thannis 3 idus septembris 
anno 1655. 

St. Arch. No. 19 zu 1561. 


Anlage 9. 
Konfirmation des Propstesdurch den Bischof. 
-Nos Joannes Franciscus dei et apostolicae sedis gratia episcopus 


Basiliensis romani imperii princeps 
Omnibus praesentium inspectoribus subscriptorum notitiam et 


— 192 — 


salutem in domino sempiternam. Noveritis venerabiles et devotos 
nobis in Christo delectos cantorem. custodem et capitulum ecclesiae 
nostrae collegiatae St. Theobaldi in Thann dioecesis nostrae Ba- 
siliensis nobis ordinario jure immediate subjectos per litteras nobis 
humiliter significasse praepositum praefatae ecclesiae per obitum 
domini et ultimi ac novissimi praepositi vacasse. Ne igitur dicta 
ecclesia diutius suo capite careret, damna hinc orirentur atque 
exinde de juribus et privilegiis periclitarentur : omnibus et singulis 
juxta tenorem statutorum et dictae praepositurae consuetudinem 
sollemnitatibus rite observatis et adhibitis ad novi praepositi electi- 
onem accedentes venerandum et doctum virum X. canonicum in 
praepositum praefatae ecclesiae canonice elegisse ; denuisse a nobis 
tanquam ejusdem ecclesiae indubitato ordinario et immediato superiore 
petentes quatenus eandem electionem authoritate nostra ordinaria 
confirmare et approbare, electo de praepositurae juribus et pertinentiis 
providere atque de iisdem instituere et investire dignaremur. Nos 
itaque auctoritate nostra ordinaria qua funeimur, non solum hane 
electionem scripto et oretenus a dicto nostro vicario nobis perlatam 
verum etiam personam electam ad memoratam praeposituram fa- 
vorabiliter admitteutes approbavimus et confirmavimus et prae- 
libatum dominum X. electum in et ad dictam praeposituram  prae- 
fatae ecclesiae cum omnibus suis et singulis juribus et pertinentiis 
oneribus et honoribus ipsi competentibus in dei nomine per prae- 
sentes admittimus, confirmamus et investimus omues defectus et 
alia si quae forsan indebite vel minus ordinate in hoc electionis 
negotio gesta fuissent — supplentes administrationem ejusdem prae- 
positurae eidem X. electo per nos corfirmato et investito plenarie 
committentes. | 

Quare vobis omnibus cantori custodi canonicis et capellanis 
dictae ecclesiae caeterisque presbvteris, clericis notariis et tabel- 
lionibus publicis quibuscunque per civitates et loca dioecesis 
nostrae Basiliensis ad quos praesentes nostrae litterae pervenerint 
sub excommunicationis poena mandamus in quantum vos et quivis 
vestrum sive conjunctim sive divisim fueritis requisiti ipsum X. 
sicut praemittitur electum et confirmatum praepositum Thannensem 
sine ipsius ad hune finem constitutum procuratorem in praemen- 
tionata praepositum juriumque et pertinentiarum ejus vice atque 
auctoritate nostra ducatis et mittatis in corporalem realem et actu- 
alem vel quasi pacificam et quietam possessionem. In quorum om- 
nium et singulorum fidem et robur sigillum nostrum pontificale 
appendi fecimus. 

Data in arce nostra Bruntrutana 1662, 30. decembr. 

Bestätigung für Propst Willemann. 

St. Arch. 28 zu 1567. 


Anlage 10. 
Treueid des Propstes. 


Ego electus praepositus ecclesiae colleriatae St. Theobaldi 
Thannis in antea oboediens et fidelis ero reverendissimo et cel- 


— 193 — 


sissimo principi episcopo Basiliensi tanquam ordinario ejusdem 
successoribus nociva ejus cavendo et utilia promovendo. Jura et. 
proventus meae praepositurae omni diligentia conservabo nec patiar 
ullo modo ut illlis aliquid detrahatur. Statuta etiam capituli mei 
diligenter observabo et etiam ut alii canonici capituli mei ea 
exacte observent invigilabo, ita me observaturum juro et voveo. 
Sic me deus adjuvet et sancta evangelia. 
Unterschrieben : Johannes Sebastianus Klebsattel praepositus. 


Anlage 11. 


Päpstliche Bulle über die Pfarrei Thann 
13. Februar 1453. 


Nicolaus episcopus servus servorum dei dilectis filiis praeposito 
cantori et capitulo ecclesiae sancti Theobaldi oppidi de’ Thannis 
Basiliensis dioecesis salutem et apostolicam benedictionem. Cum a 
nobis petitur quod justum est et honestum tam vigore aequitateque 
quam ordo exigit rationis, ut id per sollicitudinem officii nostri ad 
debitum perducatur effectum. Exhibita siquidem nobis pro parte 
vestra continebat, quod dudum vos pro conferendis inter vos et 
posteros vestros ac plebanum et capellanos ecclesiae vestrae pro 
tempore existentes mutuis charitate et concordia et evitandis in 
posterum. dissensionum  dispendiis, quae hactenus saepius inter 
vos et ejusdem ecclesiae plebanum et capellanos pro tempore 
existentes exortae fuerunt, provide statuistis et ordinastis quod de 
caetero plebanus pro tempore existens praedictus dictae ecclesiae 
canonicus esse, et sibi de canonicatu et praebenda primovacaturis 
de quibus cessantibus reservationibus et mandatis apostolicis vos 
disponere potueritis cum plenitudine juris canonici ac omnibus juri- 
bus et pertinentiis suis provideri debeat ipseque plebanus ple- 
banatum cum canonicatu et praebenda postquam sibi collati fuerint 
in simul retinere nec non una vobiscum actibus capitularibus inter- 
esse ac omnibus juribus honoribus et emolumentis canonicorum 
dictae ecclesiae vestrae sicut unus ex illis gaudere possit: quodque 
omnes oblationes quas tam intra officium missae quam alio quocum- 
que tempore praeterquam in Nativitate et Ressurrectionis domini 
nostri Jesu Christi et in celebritate omnium sanctorum ac Pente- 
coste festivitatibus ad altare majus ipsius ecclesiae ac etiam ad 
reliquias Sancti Theobaldi in dicta ecclesia reconditas offerri conti- 
gerit vobis capitulo ad usus canonicorum vestrarum integraliter, 
illae vero oblationes que in festivitatibus et celebritate hujusmodi 
ad altare vel reliquias hujusmodi erogantur pro uno vobis capitulo 
et alia medietatibus dicto plebano aequaliter cedant, in his omnibus 
intervenientibus auctoritate venerabilis patris nostri episcopi Ba- 
siliensis ac moderni dictae ecclesiae plebani voluntate et consensu 
prout in litteris authenticis inde confectis plenius dicitur contineri. 
Quae omnia a nobis petiistis omnimine roborari. Nos igitur vestris 
in hac parte supplicantibus inclinati statutum et ordinationem prae- 
dicta prout provide et rite facta sunt et in alicuius praejudicium 
non redundant auctoritate apostolica confirmamus et praesentis 


SCHOLLY. 13 


— 19% — 


scripti patrocinio communimus. Nulli ergo omnino hominum liceat 
hanc paginam nostrae confirmationis et communitionis infringere 
vel ei ausu temerario contraire. Siquis autem hoc attentare prae- 
sumpserit indignationem omnipotentis Dei et Beatorum Petri et 
Pauli apostolorum ejus se noverit incursurum. Datae Romae apud 
sanctum Petrum anno incarnationis dominica 1453 idibus februariis 
Pontificatus nostri anno septimo. 
‘Concordat cum originali quod ipse descripsi 
Joannes Reyer parochus 1661. 
Staats-Arch. zu 1377. 


Anlage 12. 
Copia transactionis de anno 1457. 


Nos Joannes Müller, praepositus, totumque capitulum ecclesiae 
St. Theobaldi oppidi Thannis Basiliensis dioecesis ad omnium et 
singulorum quorum interest notitiam deducimus per praesentes, 
quod honorabilis dominus Nicolaus Volfach plebanus dictae eccle- 
siae nobis pluries exposuerit cum querela quatenus inter dominos 
plebanos ejusdem ecclesiae antecessores suos pro tempore existentes 
ac ipsum modernum plebanum ex una et consulatum oppidi Thann 
predicti occasione perceptionis oblationum obventionum et emolu- 
mentorum quae ad venerabiles reliquias St. Theobaldi et etiam ad 
truncum per christi fideles et peregrinos offeruntur ex altera par- 
tibus invidiae, dissentiones et discordiae hactenus exortae fuerint 
et augmententur in dies, quas cum puritate conscientiae suae diu- 
tius tollerare non posset quare nobis tanquam collatoribus suis in- 
stanter supplicavit quatenus sibi in premissis consulere et quantum 
in nobis esset de remedio providere dignaremur opportuno: nos 
igitur ad quos collatio plebanatus dictae ecclesiae seu praesentatio 
personae idoneae ad cundem dum vacat pertinet tanquam interesse 
habentes ipsum dominum plebanum ab hujusmodi invidiis dissen- 
tionibus et discordiis relevare cupientes pro bono pacis decore et 
utilitate dictae ecclesiae matura desuper deliberatione prachabita 
cum praefato domino Nicolao plebano sui et ipsias plebanatus 
nomine quamdam ordinationem inter. nos et plebanum pro tempore 
existentem perpetius futuris temporibus servandam fecimus in hunc 
modum videlicet, quod dominus Nicolaus modernus plebanus dictae 
ecclesiae ex nunc de «caetero habebit canonicatum et praebendam 
ejusdem ecclesiae postquam sibi canonice collati fuerint quos qui- 
dem canonicatum et praebendam quilibet plebanus ejusdem ecclesiae 
pro tempore existens cum omnibus juribus obventionibus honoribus 
oneribus et emolumentis suis sicut alius ecclesiae ipsius canonicus 
una eum dicto plebanatu inseparabiliter retinere potest et debet: 
atque ultra redditus praebendae canonicalis hujus modi capitulum 
dabit eidem plebano de fructibus ipsius capituli singulis annis 
viginti libras denariorum Basiliensium in subsidium et relevamen 
expensarum coadjutoris sui quem ratione curae animarum habere 
tenetur donec sibi de aliquo beneficio ecclesiastico tanti valoris 
fuerit canonice provisum unius etiam beneficii postquam illud 
canonice assecutus fuerit incumbentia onera supportabit. Insuper 

e 


— 195 — 


omnes et singulae oblationes ubicunque qualitercunque et in quibus- 
cunque rebus consistant sive in summo sive in alio altari aut alio 
loco quocunque ad reliquias St. Theobaldi pervenientes nec non 
illae quae decretales nuncupantur atque similiter illae quae ad 
stolam in missis pro defunctis aut aliis quibuscunque ratione obitus 
primi septimi vel tricesimi aut anniversariorum et confraternitatum 
quorumcunque sive ratione nuptiarum sive alio quovis modo offer- 
antur quae hactenus ad plebanum dictae ecclesiae pro tempore 
existentem in solidum pertinere consueverunt ex nunc in antea 
in unum recolligentur atque inter dominos canonicos residentes 
duntaxat, inter quorum numerum plebanus pro tempore residens 
computabitur aequaliter dividantur, offertoriis in quatuor festivi- 
tatibus summis scilicet et nativitatis domini nostri Jesu Christi, 
paschae, pentecostes, omnium sanctorum provenientibus ad quae 
subditi parochiani ejusdem ecclesiae utriusque sexus ex jure vel 
consuetudine tenentur duntaxat exceptis quae quidem offertoria 
quatuor festivitatum hujus modi pro una inter praepositum et cano- 
nicos residentes et pro alia medietatibus inter plebanum pro tem- 
pore aequaliter dividantur: oblationes vero et offertoria quae in 
festo St. Theobaldi in summo altari proveniunt propter prandium 
per plebanum pro tempore sacerdotibus ministrandum eidem in 
solidum cedant et cedere debent caeterum ut plebanus pro tempore 
circa curam animarum sibi commissam diligentior esse valeat, prae- 
positus, cantor custos atque plebanus et singuli canonici residentes 
summum altare inofficiare tenentur taliter videlicet quod quilibet 
ipsorum per se vel alium canonicum quem ad hoc rogare tenetur 
et si inter residentes pro eo celebrantem non repererit ex tunc 
petita a praeposito licentia primo tamen obtenta per capellanum 
ejusdem ecclesiae summam missam dictam decantabit per septi- 
manam sibi contingentem : Plebanus vero in omnibus et singulis 
negotiis in quibus ad eum parochianos cujuscunque status vel 
dignitatis fuerint contingit habere recursum qui divinum cultum 
decorem et statum ecclesiae concernunt absque consilio et consensu 
praeposito et capituli nihil attentabit; quoad curam animarum et 
ostensionis reliquiarum omnium que 'aliorum prout consuetum est 
per se vel coadjutorum suum exercere tenetur; obventionibus aliis 
a premissis in his sibi suffragantibus. In quorum omnium et singu- 
lorum evidens testimonium et robur praesentes litteras fieri et 
sigilli nostri capituli fecimus appensione muniri : acta sunt haec 
Thannis in domo nostro capitulari nobis Joanne praeposito, Joanne 
Schuldheis cantore, Joanne Kubler custode. Henrico Neer, Petro 
Hartmann, Nicolao Brender et Joanne David canonicis dictae ec- 
clesiae propter praemissa capitulariter congregatis; die veneris 
quindecima mensis Julii sub anno domini millesimo quadringentesimo 
quinquagesimo septimo. 

Et ego Niclaus Volfach plebanus dictae ecclesiae St. Theobaldi 
pro me et successoribus meis plebanis omnia et singula rata et 
grata habens ea cum appensione sigilli mei roboravi meque hic 
manu propria subscripsi actum ut supra. 

Ferner haben unterschrieben die canonici und plebani Siglin 

und Lichtenstein. 

Staats-Arch. 1457. 


— 196 — 


Anlage 13. 


Wahl des Pfarrers. 
extrait du protocol du chapitre de Thann. 


in capitulo habito die 7 decembris ad nominationem seu electionem 
neo parochi in Thann capitulares comparentes omnes unanimiter 
concluserunt vota sua viva voce proferre 

et quidem dominus praepositus nominavit Hug Dom in 
Eglingen et subscripsit 

dominus Schaub cantor nominavit Massias 

dominus Reiset nominavit simpliciter Hug et subscripsit usw. 

hine pluralitatem votorum obtinuit Hug’ quippe qui sibi vota 
quinque acquisivit. Signati in protocollo Gobel praepositus et Reiset 
actuarius. 

St. Arch. 55 zu 1759. Wahl vom 7. Dezember 1761. 


Anlage 14. 


Vorschlag des gewühlten Pfarrers durch das 
Kapitel zur Bestátigung. 


Cum illustrissima celsitudo vestra non ita pridem virum Lau- 
terium venerandem et doctissimum novissimum hic in Thann paro- 
chum certis et urgentibus de causis in collegiatae ecclesiae St. 
Martini in Colmar decanum ordinaria authoritate ordinaverit et 
constituerit indeque parochia nostra cujus collatio provisio et jus 
patronatus ad nos nostrumque capitulum veros et legitimos colla- 
tores de jure pertinere dignoscitur proprio possesore privata fuerit 
in ipsius vero locum peraeque reverendum virum N. N. ibidem per 
aliquot annos ecclesiasticum et vicedecanum de cujus jam antea ad 
curam animarum examinati et admissi vita pietate doctrina et 
eruditione nobis probe constitit substituendum paterne consuluerit. 

Nos de ipso in domino multum confisi et ad illustrissimae 
celsitudinis vestrae debitam oboedientiam in primis parati eidem 
domino N. N, ad supplicem ejus petitionem praedictam parochiam 
cum adjuncto canonicatu ct omnibus suis proventibus et pertinentiis 
debitis et consuetis conferre capitulariter conclusimus. Idcirco illus- 
trissimae celsitudini praefatum dominum N. N. praesentamus non 
dubii quin quem celsitudo vestra ad dictam nostram parochiam pro- 
movere dignata est eandem possidendi facultatem clementer datura sit. 

Praesentation des Pfarrers Gautsch. St. Arch. 1612 20 Juli... 


Anlage 15. 
Dinghofzu Ober Aspach. 


1588. 


Juramentum unnd aydts pflichten eines Dinckhoff meyers zue 
Ober-Aspach. 


— 197 — 


Erstlichen schwört unnd spricht ein jeder dinckhof meyer. dasz 
er soll unnd wolle herren probsten unnd gemeinen capitul s. Theo- 
baldi stifft zue Thann trew unnd holdt sein, ihren und deszen zue 
Ober-Aspach habenden dinckhofs nutzens unnd wohlfarth jederzeit 
so uill ihme miglichen in billichen sachen fürderea, schaden unnd 
nochtheil durch sich unnd die seinigen verhüeten unnd abwenden, 
deren unnd desselbigen recht, gerechtigkheiten helffen handthaben, 
unnd nichts derwider fürgenomen werden gestatten, auch die durch- 
tódtlichem ableiben oder sonsten verenderte lehe unnd hucben bey 
rechter zeit uf baldist widerumben verleihen unnd besetzen, unnd 
dann menniglichen, so was schaden an seinen dinckhoff güetteren 
gelitten oder sonsten wider jemanden ansprach hette unnd desz- 
wegen umb dinckhoffrecht anrueffen würde, keines wegs abschlagen, 
sonder dem selbige gelegene zeit unnd tag ansetzen unnd mit hilff 
unnd heystandt darzue gebottenen zehen, elff unnd zwelf andere 
hueben, lauth inhalts des dinckhoffsrodels durch ordentlich recht 
zue seiner billigen ansprach verholffen sein; wann auch jemand[en] 
dinckhoff güetter für andere gericht oder recht ziehen oder erster 
jnstaus anzübringen sich anmaszen unnd understehen würde, nit 
zuesehen noch gestatten sonder unuerzogenlich solche persohn unnd 
sach herren probst oder vor capitulo vorbringen unnd darauf en- 
pfangenen beschaidt trewlich unnd fleisziz nach khomen. 

Zue [m] dem unnd für das andere gelobt unndt schwórct ein 
jeder dinckhoff meyer, dasz er soll unnd wolle uf gemelt capitul 
unnd dinckhoffs feldt unnd weldt selbe zue gebührenden zeiten durch 
gehen unnd besichtigen, auch fleiszig auf sehen, guete sorg unnd 
acht tragen, die niemandte, so deren oder andern diuckhoff güettern 
schaden zue füegen wurde. verschonen, sondern den selben rüchen 
vor ordentlichem dinckhoff recht, so begangener freuel oder schaden 
deszen mag erwarten, beclagen oder alsz baldt herr probst unnd 
dem capitul mag hierinnen fürzue nemen, fürbringen unnd helffen 
beräthschlagen. 

Ferners schwördt unnd gelobt jeziger dinckhoff meyer N. N. 
burger zuc Ober-Aspach auch, das, unangesehen seine vorfahrende 
meyer jeder zeit macht unnd gewalt gehabt sich unnd ihr hausz- 
haltung mit brennholtz ausz gedacht. capituls wälden zue versehen, 
er doch diesz mahl unnd fürhin von wegen des grosen mangels 
unnd abrangs an brenholtz, deren sich soll unnd welle eüszern, 
ruebig stehen unnd nichts wider selbsten noch durch sein volg darin 
abhawen. fällen oder ohne vorwüsten unnd erlaubnus herren prob- 
sten unnd capituls zuc seinem nutz darausz heimbfiihren, für welche 
alte gewohnheit herr probst unnd capitul jhme jährlich zue geben 
versprachen in geltt, dorin die drey pfundt stebler (für einen rockh) 


gerechnet sein sollen, sechs zehendt stebler unnd zwey fieritel 


gersten. 

Es gclobt unnd verspricht auch jeder dinckhhoff meyer, das er 
solle unnd wólle in seinem costen unnd schaden, darzue er etliche 
stückh matten wie von altem her zue nieszen, stüehr unnd eber, 
deren die burgere zuefriden unnd nichts darab zue clagen haben, 
erhalten unnd daran keinen mangel erscheinen lassen; were aber 
das er an solchem saumbig, das dorf mit solchem nit genegsamb 
versorgte, also das der gemein schaden darausz erfolgte, die stroff 


* 


— 198 — 


unnd beszerung (laut dinckhof rodels) uf ihme selbsten haben. Wasz 
dann dasz dinckhoff gericht undt was darzue gehörig betrifft, alsz 
zue einem ordentlich die fröhn zue umschlagen, zue seiner unnd 
rechten zeit dorein zue laüthen, oder zue einem priuat gericht der 
darzue gehörigen hueberen unnd beclagenden persohnen dorein 
zue gebüeten, unnd was anderst mehr nach inhalt mehr gemelten 
dinckhoffsrodels sein ambt auszweiszt, demselbigen verspricht aueh 
jeder meyer mit fleisz unnd ernst nach zuesetzen unnd ordentlich 
helffen zueuerrichten. 

Lestlichen schwördt jeder dinckhoff meyer, das er soll unnd 
""wólle in verleühung des gehen Ober-Aspach gerenden (d. i. gehören- 
den) zehendens darbey sein, denselbigen jederzeit wie vor altem 
her, nachdem es die capituls h. befehlen werden, ausz rueffen unnd 
so hoch es miglich helffen verkhauffen unnd ausbringen; auch so 
sich heimliche pratiquen, conspirationes unnd zuesammenverbindt- 
» nussen des ausbüethens halber under den burgeren zuetragen wur- 
den, die selbe, alsz bald sie ihme bewuszt unnd gespührt werden, 
abschaffen, den zehendtheren eróffnen, unnd das kein betrug darin 
. gebraucht, sonder von jederman aufrichtig, frey unnd ledigen willens 
darauff gebotten werde, nach seinem vermógen verholffen sein, von 
disem zehenden ein füertel mahlkorn, zehen schilling geltts unnd 
zwey hundert schaub zue enpfangen ; unnd soll kein dinckhoff meyer 
uf disen zehenden büethen ohn verwilligung h. probsts unnd der 
zehendtherren, aber mag er hernach theil daruon nemen unnd zue 
denen andern einstehen. 

Darauff soll ein jeder dinckhoffmeyer angctopen unnd einen 
offentlichen aidt thuen. 

forma juramendi. 

Allem dem jenigen, so mir vorgelesen worden, dem will ich 
getrewlich unnd fleiszig nach khomen, da schwér ich zue Gott 
unnd allen heilligen, das mir Gott helff unnd seine heilige evangelien. 


Anlage 16. 
Dinghof zu Deckwiller. 
1497. 


Diss seindt die recht der herren von sanct Diebold zue Thann, 
die sie handt zue Deckhweiler. 

Dess ersten so handt sy feünfzechen fiertel unnd feünf sester 
rockhen; das sindt zor (l. vor) zeiten zweintzig fiertel gewesen; 
und sibentzechen fiertel unnd zwen sester habern, unnd zwey pfundt 
geltz, da wirdt von dem gelt nit meer dann ein pfundt dreyezechen 
chilling unnd sechs pfenig, vonn acht habermentagen unnd einem 
halben, mit etwas giieter die da zue finden seindt unnd sibenthalben 
rockhenmentag. Und sindt die rockhenmentag freye, aber die haber- 
mentag sindt völlig (d. i. vällig) unnd erscheczig. 

Item die herren sollen einen wüssenthafften meiger do haben; 
ob es were das der hueber (keiner) keinen gebresten an jren hüeb- 
güeteren hettend, desz sonndt sy vor einem meiger ein yegklich 


— 199 — 


seins selb dritt von hueber ubenragey zue seczende unnd zue enndt- 
seczende. 

Item der meiger soll vierzehen tag nach sanct Johannstag 
umbgeen unnd soll alle hueber warnen, das sy jren zinns richtendt 
am nechsten sontag; darnoch so soll der selb meiger pfandt und 
pfeninge umb nemen, ob er sy finden mag. 

Daszelb sprechent sy auch zue wyhenachten. 

Item die hueber sprechent auch, das der meiger soll nach sannct 
Gallen tag vierczechen tag umbgchen unnd die hueber warnen, das 
(l. das's) jren korn und haber zinsz richtendt, und den sont sy ge- 
richt pau zue sannct Martins tag, ob sy sich vor besserung hüetten 
wöllendt. 

Auch sprechendt die hueber, wenne sy mit dem mayer berait 
seindt jre zinsz inn dem herbst zu bringend so soll man denn essen 
unnd trinckhen geben, zweyerley brot unnd zweyerley wein, rot 
und wisz, gebrotten und gesottens, alsz sollichen leütten zuegehört, 
unnd das sy ire zinsze auch samhafft gancz bringen und abczalendt. 

Item were das die hueber geirrett würdent inn kein weg, das 
jre zinsz niemandt von jnen näme, unnd gesumet würdent, so sont 
sy ann einen württ ziehen und was sy dazue jrer notturfft ver- 
czeeren, sollen die herren unnd jr schafner abtragen und beczalen. 

Item die hueber sprechent das die hern dem meiger entbieten 
sollent, das er den huebern gebieten solle die herrberg uf sontag 
vor sannct Martins tag acht tage vor oder acht tage darnach unnd 
denn so memet sy (so) die herberg zwüschen fasznacht unnd sannct 
Martins tag, wann sie wöllen. 

Item sprechent die hueber, das ein probst unnd zwen thuemb- 
herren, obe er komen mag; were das nit, so mögendt drey anndere 
thuembherren oder jr schafner mit jren zweyen, ein koch unnd ein 
lauffender knecht ; unnd soll man den zue essen unnd zue trinckhen 
geben, zweyerley prot unnd zweyerley wein, gebrotens unnd ge- 
sottens ; krachende pött und leinlacken (d. i. frisch überzogen mit 
wohlgetrockneten Leintiichern), unnd yedem pfärdt einen sester 
habern unnd straw genueg alsz darzue gehört, zweymal, eins am 
sontag nacht unnd eins am montag früe. 

Item käme inen unnder wegen von geschicht ein edelman oder 
ein priester, den mögent sy laden unnd für den sollent die hueber 
geltten unnd beczalen. Were auch das die herren jrs lybs oder jrs 
guets inn keinen weg inn sorgen werendt. so soll der maiger den 
huebern gepietten das sy der herren huettendt und warttendt, das 
sy wol gefliiechen mögendt unnd dannen khommendt. 

Sy sprechendt auch das ann dem mentag früe die herren oder 
jr gehaisz zue gericht siczen sollen nach dem ymbisz und jre recht 
hören sprechen. 

Denn soll der meiger eime, der denn ze gerichte siczet von der 
herren wegen, ein steblin geben, unnd soll der meiger auch eins jnn 
seiner handt tragen, unnd sollent den gebresten hören von der güeter 
wegen und den ebnen unndt richten nach der hueber urteil und 
niemandt anderst. 

Wer aber das yemandt, ritter, knecht, priester oder leye den 
 dingkhoff inn keinem weg jrren ttette mit gewalt, ist er ein sollich 
man das man in mit dem dinckhofrechten zwingen mag, das soll 


man thuen; were es aber ein sollich man, das inn die hueber nit 
zwingen möchtendt, so sondt inn der probst unnd das capittel von 
Thann mit jren geistlichen rechten zwingen, das dem dinckhof sein 
gerecht und freyheit nit enntgange. 

Item ob der hueber keiner seins rechten in dem dinckhof nit 
bekomen mechte oder sonnst umb kein guet stöszig würdendt, so 
sonnt unnd mögent sy die urtheil umb das guet mit dreyen huebern 
jn den dinckhof gen Ober Aspach ziehen. 

Were auch das keiner der huebern seine zinsz versäsze, das er 
sy nit richtete uf die zyl alsz vorgeschrieben stedt, so soll man 
der zinsz unnd der besserung uf die güeter kommen, unnd mag 
man die güeter vonn der herren wegen von Thann ziechen zue 
ihren hannden unnd inn jren gewalt. 

Ist aber der, der seine zinsze versiczet und seine güeter also 
verloren hett, im landt, so seindt seine güeter den genannten herren 
ane gnad verfallen. 

Were aber das er in dem lande nit were käme der überzechen 
jar, dem soll man seine güeter wider leichen, doch mit ergangenem 
zinsze und costen, der denne auf das guet gegangen ist. 

ltem were das disz alles inn einer jars frist nit ergangen ist, 
also das die güeter unempfangen sindt, so soll man zinsz unnd 
besserung oder costen uf die güeter schlachen, uff der vorgenanten 
hern gnade, so daruf gangen were, unnd also empfachen. 

Auch sprechendt die hueber, were das keiner hueber uf den 
vorgenannten tag umb seine güeter nit gerichtet mecht werden, so 
soll der herren einer widerkommen am andern tag uünd unczt an 
den dritten tag, unnd vonn dem anndern tag au soll der da vonn 
der herren wegen la lit, usser der besserung sein zerung unnd 
costen haben; am dritten Tag, wer sein denne bedarf, der soll jm 
denn den costen geben. 

ltem hetten wir einen stosz unnd (l. umb) ein holcz, jst gelegen 
obwendig desz mülinwegs, das soll gehören zue güctern der hern 
von Thaun. 

Die hueber sprechent auch, das der meyger, wenue einer oder 
eine stürbet, der da habergüeter hat, hat er ein haupt das under 
fünf pfundt "wert were unnd ob feünf schilling, das soll er nemmen 
unnd vor der bare usz füeren gen Thann unnd wenne er den fall 
bringet, soll man dem botten geben einen schilling und dem meiger 
feünf schilling. Hat er nit anderst, so soll der meyer nemen feünf 
schilling oder was er inn dem hausz findet mit vier zipflen. 

Die hueber sprechent auch, das ein mettlin, h. Knelling, ge- 
legen, das soll ein yeder der herren meyer haben unnd soil eime 
probst oder ein (l. eim) anndern thuembherren, ob er von Baszel 
oder annderstwoher dar käme also spote, alder anndersz do ruwen 
wolte, hàwe unnd straw geben vonn desz mettlins wegen. Und ist 
das mettlin nu ein hurst holcz, ist genant der Herrenhurst, und ligt 
neben der Eczmatt, zücht uf Jacob Bisancz ecz mettlin, das soll, 
wer ye zuczeiten unnser meyer ist jnnen haben wie obstatt. 

Sy sprechent auch das ein meyer gebietten soll allen huebern, 
wenne es jr keine (l. keime) notturfftig were, vonn der güeter wegen, 
inn den dinckhoff. 7 

Und wann einer der hueber nit käme zue gericht, der soll es 


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den herren bessern und dem meyer zwen schilling, jn jrte den lybs 
oder herren not. | 

Sy sprechent auch das man der mentag keinen theilen solle 
me denn inn drey theil oder hennde, unnd welcher danne in dem 
mentag der elteste ist, den mag ein meyger zwingen von der herren 
wegen, das er das guet empfache. 

Man soll auch nieman recht sprechen, wenn uf dem sedelhof 
der darczue gehört, es sey dann der beder wille. 

Sy sprechent auch, wenn die herren: von Thann jre herberg 
empfachen und nemmen wöllendt, so mag der meyer inn das holcz 
faren obwendig des miilinwegs one menigklichs erloben, unnd einen 
karrich geladen holez heim füeren, das er den herren koche. 

Were auch das der, der uff dem sedelhoffe siczet, wer der 
were, wolte der uf dem hoff buwen, so soll man ime usser dem 
holez obwendig des mülinwegs so vil holez geben als cr not- 
türfftig ist, fürbasser denn uf ander mentag hofritten. 

Sy sprechendt auch zue recht, wer disen brief unnd die vor- 
geschribne recht liset uf dem getingetage, dem soll die erste besser- 
ung werden, sie scige grosz oder kleine. 

Wüssent sye, das uf, dinnstag nach sanct Dorotheen tag inn 
dem ein unnd sibencziesten jare (1471) nachdem die hueber ge- 
meinlich vonn Deckhweiler alle jar jerlich sehuldig sint rockhen 
unnd haberzinsz vonn den dinckhofviietern wie obsteet, jn dem 
herbst gen Thann bey dem grosen sester vonn sanct Amarin 
zewerende. unnd man jnen dagegen schuldig ist essen und trinckhen 
zegebende, alsz im dinckhofrodel beschriben stet, unnd sy aber 
ernstlich und fleiszigklich die hern den probst unnd das capittel 
von Thann angerüeffü unnd gebetten haudt, umb künftig jrrung 
unnd beschwärung zuuermeiden, das sy den huebern jerlichs gon- 
nen das sy für denselben groszen sester der zinsze bey Thann 
messz von jnen nemen wöllendt; so wöllendt sy sich mit dem 
essen sonnst auch schlechtlich beniiegen und dest williger unnd 
fürderlicher alle jar zinsz im herbst antwortten. 

Also anzesechen, das die obgemelten korn unnd haberzinsz alle 
jar zue dem herbstcosten den knechten unnd pfarden, so man im 
herbst hatt, dienent und verbrucht sindt, unnd auch ein alt her- 
kommen, gewonhait unnd ein sondere gebruchte herlicheit ist, 
das man die bey dem groszen sester unnd alle jar jm herbst dabey 
wären soll, unnd auch das die armen leüte dest williger seyent 
inn künfitigen zeiten zuc zinszende: so hannd meine herren probst 
unnd die thumherren gemeinlich  wolbedáchtlich inn gesambten 
capittel, so sy desshalb gehept hanndt, von sonndern gnaden, liebe 
und freündtschaff, den huebern und allen jren nachkommen 
von Deckhweiler zucgescit, verwilligt unnd geronnet, dobh allen 
jren rechten unnd herkommen an dem, groszen Amerin sester un- 
vergriffen und one schaden, also das alle die hueber von Deekhweiler, 
die nun hinfür jren zinsz in dem herbst in den capitelhof zue 
Thann antwortendt, dieweile man noch daselbst kochet und herbst- 
kosten habet, das man von denen jrem zinsz bey Thann mesz für 
jeden sester von sanct Amerin nemmen und man ungevorlich essen 
unnd trinckhen geben, sonnder gucetlich thuen solle alsz sollichen 
leütten zuegehórt; doch also das der sollicher gnaden geniessen wolle(r), 


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seinen ganczen jarzinsz zum minsten unnder zworent mit einander 
bringen), nit allemal einen sester oder zwen oder drei allein 
bringe, unnd da essen solle alsz inn vergangnen zeitten beschechen 
ist. Welcher aber seinen zinsz bringet nach dem zeit, alsz der 
herbstkosten inn der zechentrotten für kommbt, vonn dem soll man 
fürer nit meer schuldig sein mit dem Thanner mesz zu empfachen, 
sonnder soll er seinen zinsz bey dem alten sannct Amerin sester 
beczalen, unnd soll man june nit schuldig sein essen unnd trinckhen 
zegeben in keine wise. Das alles hanndt auch alle hueber danckh- 
barlich und guetwilligklich ufgenommen und mit grosenn danckh- 
sagen den obgenannten herren zuegeseit unnd guet benüegen 
unnd wolgefallen daran gehapt. | 

Unnd dessen alles zue wahrem urkhundt jst disz berainbuch 
uff gerichtliche erkandtnusz unnd pitt vornen benancz meigers unnd 
der gerichtsleütten mit des erenuesten herrn Francz Beren, fürst- 
licher durchleüchtigkeit erczherezogs Ferdinanden zue Oesterreich 
etc., unnsers gnedigisten herren unnd laneztürsten raths schafners 
unnd jnnemers der stadt unnd herrschaft Thann anhangendem jn- 
sigel (doch ime unnd seinen erben inn allwegen ane chaden) 
bewahrt. 

So zuegangen unnd beschehen ist den zechenden monatztag 
octobris nach Cristi Jesu unnsers geliebsten herren unnd salig- 
machers geburt geczalt feünffezehenhundert sibenczig und siben 
jare. 


Anlage 17. 
Dinghof zu Brinighofen. 
1510. 


Diss sindt die recht. die die herren vonn sant Amarin handt 
in dem dinghoffe zu Brinighoffen, die die huber sprechendt. 

Do sprechen sy, das die herren vonn sant Amarin do handt 
VI kornmentage; do gilt jedor mentag VII vierteil rokken unnd ein 
vierteil dingkel. Do sind Morandstein abgelassen VI vierteil alle jor 
an dem jerlichen zinse abe sinen guttern; und hórt der der dinckel 
den meyger und II vierteil rocken. Und soll dieselben zinsze ein 
meyger gebietten acht tag vor unser frouwen tag der jungern; 
darnach in acht tagen soll man sye nut strengen; wer es aber, 
das darnach die karrich kemen und nut die zinsze funden, so soll 
sy der meyger wisen vonn einem zu dem andern, vntze das sye 
geladendt. Farent sye fer dannen, so sollen sy zu sant Amarin 
furen und sóllend die herren denn pferden und den lutten essen und 
trincken geben, so sy komen geu St. Amarin mit den zinszen. Und 
gendt die vorige VI mentage keinenn zehendenn wo sy ligendt. 

Item darnach VI habermentage die sint fellig und erschetzig, 
und wurt der erschatzt einemm meyger, und ist halb also vil, als 
des zinszs. Und die selbenn gutter die eim tragend wenig oder ful, 
nach toter hand, so gibt er den herren einen fal und ein houpt das 
beste. Wer auch, das die selben, die die guttertragendt, das einer 


— 203 — 


an sin todbette kem, so mag er den herren nut entragen jrs fales. 
Und soll auch des selben guts niemant me tragenn den einen men- 
tag, zwo jucharten me, an alle geferde. Wer auch, das die selben 
guter ein jor absetze legenn, so sollen sy die herren zu jren han- 
den ziehen an widerreden. Und gendt die mentage X vierteil habern 
und IIII £ und VIII B. Das gibt der mentag von Pfirt XV 3 und 
IIII 5 und keinen habern, und ist das der VI mentage eine. Wer 
auch das einer von libes not von dem land muste, so sollendt die 
herren die vorigen guter in X joren nut enweren in oder sinen 
erben; und sollendt die gutter zu jrenn handen zichenn, wie sy 
ligendt. Und gebendt die vorgen. VI mentage habernzehenden, wo 
sy ligendt, und gehort der zehende zu der mulen zu Brunighoffen, 
die den herren zinset und durch (auch ?) recht da sollendt han und 
niemant anders. 

Item umb den habern und pfennig zinsze, die fallendt zu sant 
Martins tag achttag davor oder darnach, ann geferde ; geben sy das 
nit so mag ein schaffner oder cin meyger pfenden und die pfand 
furen zu Sant Amarin an forcht. 

Primo soll man den hubern ruffen, darnaeh jr recht lesen. 

Item wenn die herren wóllendt die herberg nemmen von des 
dinghoffs wegen zu Brunikoffen, die sóllendt sy nemmen an dem 
nechsten Suntag vor sant Martins tag, und soll das der meyger acht 
tag den hubern vorhin kundt thun. Wer auch, das sy das tags nit 
kemen, 80 weren sy den herren des jors nit gebunden zu sprechen 
noch kein herberg ze geben. 

Item wenn die vorgen. herren wellen die herberg nemenn, so 
sóllend sy jren koch her senden. 

Item es soll ein probst sin selbdritt komenn oder einer an 
siner stat. Wer auch, das dem probst ein biderman bekeme, den 
mag er mit jm bringen in die herberge, an geferde. 

Item soll. ein probst mit im bringen einen habich unnd II 
winde unnd einen vogelhundt, und was er fachet inderwegen, das 
soll er mit den hubern die nacht teilen an alle geferdoc. 

Item wenn der probst kümpt in die herberg, so soll man jm 
geben fliegendes und fliessendes und gesottens und gebrottens, und 
zu nacht III sester habern und an dem morgen auch III sester habern 
den pferden zu futter: an der nacht ein jmbis und an dem morgen 
auch ein jmbis. Wer aber, das man jm nut gehorsam were, so sollenn 
Sy an einen nehsten würt gan; das sóllen die huber usztragen 
und auch krachende bett und wiszstrouw und zweyer hand win, 
nuwen und furnen. 

Item wan der meyger einen lebenden fal bringet, so soll man 
V B gebenn. | 

Item wen der probst gisset, so sollenn die huber in den hoff 
gan und soll der probst zu gericht sitzen oder einer an siner statt, 
und sollendt die huber die recht sprechen, der herren und auch jre 
‚rechter. Und soll uff dem gut ein husz stan, da der probst und 
huber sicher jnne syen für geschelle, ob sy jemant wolle überfallen, 
und soll einer uff dem husz sitzen und den probst und huber war- 
nenn, diewil das gedinge weret, untze das man in zu hilff kumpt 
usz dem nechsten dorff. 

Item wer auch, das ein huber gebreste, darum soll das gedinge 


— 204 — 


nit hindersich gan; bresten aber zwei, so sind sy auch nit gebun- 
den ze prechend, an gefer. 

Item were auch, das die herren nit kemen uff dem jmbis, der 
jnen den zi mal bereittet ist, so soll der meyger II oder III huber 
an geferde nemenn, die sin gezüge sin das er das mal bereittet 
hette. ' 

Item wen der probst oder einer an siner statt zu gerichte 
sitzet in dem dinghoffe, weller huber da fallosz wurt, der bessert 
jedem huber III 6 und dem meyger III B. 

Item hört die selbe herberge ab den kornmentagen und sindt 
weder fellig noch erschetzig. 

Item wer die hoffstatt und die gutter jnn hat die dar zu ge- 
hörent, der soll ein husz da han. 

Alles, das die vorgeschriben statt an dieser rodel, do sprechen 
wir huber alle gemeinlichen, das wir nu zu mal nit anderst wissen 
by unsern eyden. Item wer auch, das wir huber hienach ütz funden 
der herren und unser recht, das soll uns nit an unsern eyden 
schaden sin. | 

Item wer auch, das die herren die alte rodel funden und die 
me rechtes sprechen dan hie vorgeschriben statt, das soll den 
hubern nit schade sin an jren eyden. 


Verras von J, H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL). 


Streifziige und Rastorte im Reichslande und 
in den angrenzenden Gebieten. 


1. ‘Der Kaiserstuhl, von C. Mündel. Zweite Auflage von: Die Strassen- 
bahn Strassburg-Markolsheim nebst Ausflügen in den Kaiserstuhl. 1 50 


2. Wasgaubad Niederbronn und seine Umgebung. Von W.Kir- 


stein. Mit 11 Illustrationen und Karte. 2. Aufl. d — 
8. Wanderungen im Breuschtale. Von G. Kruhiffer. Mit zahl- 
reichen Illustrationen. 1 — 


4 Rappoltsweiler, das Carolabad und Umgebung. Von M. Kube. 
Mit einem cinlcitenden Gedicht von W. Jensen. Mit 16 Illustrationen 
und einer Karte. 3. vermehrte Aufl. 1 — 

5. Das Münstertal. Ein Führer für Touristen, hcrausgegeben von der 
Sektion Münstcr des Vogcsenklubs. Mit Bildern und 4 Karten. 2. Aufl. 1 — 

6 Zabern und Umgebung. Ein Führer für Fremde und Einheimische 
v. Dr. Hans Luthmer. Il. Auflage. Herausgegeben von der Sektion 
Zabern des Vogesenklubs. Bearbeitet von Dr. Friedrich Windisch. 


Mit 14 Illustrationen. 1 20 
7. Der Donon und seine Altertümer von Dr. O. Bechstein. Mit 
Illustrationen. Et 


8. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Münster- und 
Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von 
Dr. Franz. I. Teil. Drei-Achren, Umgebung und die Scite des Mün- 
stertales. Mit Karte und einer Illustration. 1 50 

9. Ein Gang über das Schlachtfeld von Wörth von Dr. Wilh. 
Matthäi. Mit einer Karte 1:25,000, enthaltend sämtliche Denkmäler. 1 — 

10. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Münster- und 
Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von 
Staatsanwalt Dr. Franz in Colmar i. Els. II. Teil. Seite des Kayser- 
berger Tals, Mit Karte und 2 Illustrationen. 1 50 

l. Führer für Reichenweier und Umgebung. Herausgegeben 
von der Vogesenklub-Sektiou Reichenweier. Mit 16 Illustrationen und 


3 Karten. 1 50 
12. Führer für Barr und Umgebung. I. Teil. Nähere Umgebung Von 
M. Herbig. 1 20 


13. Führer fiir Barr und Umgebung. II. Teil. Odilienberg, Hohwald 
und weitere Umgebung. Von M. Herbig. Mit einer Kartenskizze. 1 20 


Weitere Hefte sind in Vorbereitung. 


— —Ó—MMÓ—M 


Karte der Vogesen (1 : 50.000). 


Herausgegeben von dem Centralausschuss des Vogesen-Clubs. Preis des ein- 
fachen Blattes aufgezogen und gefalzt je M. 2.—, für Mitglieder des V.-C. 
je M. 1.60; des Doppelblattes je M. 3.—, für Mitglieder des V.-C. je M. 2 40. 
Es erschien: Bl. IV Weissenburg; Bl. V Lützelstein; Bi. VI-V1I Nieder- 
bronn-Wörth ; Bl. VIII Zabern; Bl. IX Alberschweiler-Dagsburg; Bl. X 
Molsheim; Bl. X1 Oberes Breuschtal; Bl. XII Odilienberg; Bl. XIII 
Markirch; Bl. XIV Schlettstadt-Rappoltsweiler; Bl. XV Schlucht- 
Gérardmer; Bl. XVI Kaysersberg-Münster; BI. XVII Wildenstein; 
Bl. XVIII Gebweiler; Bl. XIX/XX Masmünster-Thann. 


Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL). 


Stadte und Burgen in Elsass-Lothringen. 


1. Herbig, M., Schloss asia iU und Geschichte. Mit 


3 Abbildungen . . . ` . . . — 50 
2. Herbig, M., Die Ottraltez" Schlösser, Ruine Kopf, Ruine PEE 
Mit Abbildungen . . . . . . . — 80 
3. Herbig, M., Schloss Andlaq. Ben and Geschichte, Mit 3 Ab- 
bildungen und einem Grundriss. . — 80 


4. Herbig, M., Schloss Spessburg. Beschreibung und Geschichte. Mit Anhang: 
Crax und Berkheim. 40 S. mit 3 Abbildungen und einem Grundriss — 60 


5. von Borries, Geschichte der Stadt Strassburg . . . . . . . . —- 95 
6. Wolfram, Geschichte der Stadt Metz . . x . 2 2 . 2 . . .. —50 
7. Waldner, Geschichte der Stadt Colmar . . . .. . ..... — 50 
8. Post, Geschichte der Stadt Mülhausen . . . . . . 2 2 . ... —25 
9, Becker, Geschichte der Stadt Hagenau . . . . . .. .. .. —25 
10. Gény, Geschichte der Stadt Schlettstadt . . . . 0. —25 


11. Herbig, M., Die Dreisteinschlósser, Ruine Birkenfels and Kagenfels — 80 
12. Herbig, M., Bernstcin und Dambach. Beschreibung und Geschichte 1 20 


Das 
REICHSLAND ELSASS-LOTHRINGEN 
Landes- und Ortsbeschreibung 


herausgegeben 
vom Statistischen Bireau des Ministeriums fiir Elsass-Lothringen 
Mit 21 Kreiskarten. 


Preis des gebundenen Werkes in Ganzleinen in 3 Bänden M. 20.— 
> > > Halbfranz > > M. 24.— 


Diese nach cinheitlichem Plane gearbeitete Landes- und Ortsbeschreibung 
ist für jeden, der sich mit der Geschichte und den Verhältnissen P 
Lothringens beschäftigt, unentbehrlich. Der ungemein billige Preis von M. 20 
oder M. 24 für ein Werk von drei starken Bänden, XVIII u. 1768 S. mit 21 
Karten umfassend, erleichtert die Anschaffung. Prospekte mit genauer Inhalts- 
angabe und Probeseite aus dem Ortschaftsverzeichnis stehen auf Verlangen 
zu Diensten. 


Panoramen aus dem Elsass. 


Näher, J., Panorama des Odilienbergs . . . . . 2 2 2 . ... 
des Donon. . . : 
von der Plattform des Strasshurees Münsters 
von der Wegelsburg im Wasgau s 
von dem Hoheneck in den Südvogesen . . . . . . . . . 


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Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL). 


Kine Abbildung der 


HOHKONIGSBURG 
aus der ersten Hilfte des XVI. Jahrhunderts 
gefunden und beschrieben 
von Paul Heitz 
Mit 2 Tafeln Preis M. 2.50 


Das Bild der Burg ist aus der Zeit von 1525—1557. Die älteste 
bisher bekannte Abbildung ist von 1633 und nach der Zerstörung 
der Burg gestochen worden. 


OSCAR SCHÖNEMANN. 


DAS ELSASS UND DIE ELSÄSSER 


von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 610 n. Chr. 
brosch. M. 3.50 geb. M. 4.50 

Inhalt: I. Allgemeines von Gegenwart, Geschichte und 
Vorgeschichte des Oberrheintals. (Das Land, die Entwickelung des 
Lebens, die Völker bei Beginn der Geschichte, Vorgeschichte.) II. Völker- 
stämme von unbestimmter Stellung. (lberer, Ligurer, am Ligurischen 
Meer. Im Elsaß. Hauptniederlassungen. Letzte Schicksale.) III. Kelten. 
IV. Germanische Anfänge. (Cäsar und Ariovist. Die Entscheidungs- 
schlacht.) V. Römerherrschaft. (Kultur und Landesverwaltung. Argen- 
torate. Die germanische Gefahr. Argentovaria. Das Ende. Romanische 


Volksreste.) VI. Alemannisch-fränkische, Zeit. (Alemannische Be- 
siedelung des Oberrheintals. Franken. Name des Elsaß und der Elsässer.) 


DIE SAGEN DES ELSASSES. 
Neue Ausgabe besorgt von Curt Mündel. 


I. Teil: Die Sagen des Ober-Elsasses brosch. M. 2.50 
Il. Teil: Die Sagen des Unter-Elsasses >» M. 7.— 


Beide Teile in-einem Bande gebunden M. 10.50 


_Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL). 


Dr. JOS. KNEPPER. 


DAS SCHUL- UND UNTERRICHTSWESEN 
IM ELSASS 


von den Anfängen bis gegen das Jahr 1530. 
Mit 12 Abbildungen. M. 12.— 
Inhalt: I. Die Klosterschulen. II. Die Stiftsschulen. III. Die Stadtschulen 
und verwandte Anstalten. IV. Die Disziplin. Leben und Treiben der Schüler. 
V. Der Unterricht im allgemeinen. VI. Der elsiissische Humanismus. VII. Bilder 


aus dem elsässischen Schulleben. VIII. Der Lehrer, sein Amt und seine Stellung. 
IX. Sorge für arme Schüler, der Kirchendienst der Schule. X. Feiern und Feste. 


DIE HELLTÖNENDEN WÖRTLEIN UNSERES ALTVATERS 
GEILER VON RAYSERSBERG. 
Was wir, seine Landsleute, von ihm wissen sollten 


aus Heimatsstolz. 


Mit 2 Abbildungen von Peter Lang. 
brosch. M. 1.—  gebd. M. 1.50. 


MANDEL-GRÜNEWALD. 
DIE VERFASSUNG UND VERWALTUNG 
VON ELSASS-LOTHRINGEN. 
brosch. M. 2.50 gebd. M. 3.— 


DIE KONGREGATION UNSERER LIEBEN FRAU VON TRIER 
WELSCHNONNENRLOSTER 


Eine kirchenrechtliche Studie zur Entwicklung des 
Instituts der religiösen Genossenschaften unter dem 
franzósischen Konsulat und ersten Kaiserreich 
von 
Justizrat Dr. jur. MUTH. 

Preis M. 6.— 


we 


22. Die Annexion des Elsass durch Fı..ukie ch 
auf die Verwaltung des Landes vess We ooo uns 
Ryswicker Frieden 1643-1097) von jd Sd RU t €i. 
lenheim u. von Rechberg. 74 - ; 

23. Die politisehen Verhältnisso id: Bowegu m 
barg di im Elsass im Jahre 1711» ver (5. siar 
u 

24. Die Beziehungen des Königs Rudotf von. 
Elsass von C. Góssgen. 4S. i 

25. Das Bergbaugebiet von Markir ah ver Efi. 


Karte. 48 S. 
Band VJ. 


26. Matthias Erb. Ein elsässischer Glaub: o ia m o 
Auf Grund archivalischer Dokumente > |. t 

27. Strassburg als Garnisonstadt unts > 4em ac. 
Oberlehrer Karl Engel. VI u. 146 S. M ee 

28. Die Fahnen der Strassburger Bin CRTC RSE lies 
vonJosephGény. VIII u. 48S. Mit}? foi. a> Zu: 

29. Der Oberelsässische Winterfeldzu, .€ nS OY ee dé teeter, GODS 
bei Tdrkheim. Nach archivalischen a "wx e ot 
Kortzfleisch. Mit 2 Kartenbeilagen. AE it 

30. Der Pfarrer Georg Jakob Eissen. Sei a e Fax 
genossen. Ein Strassburger Zeitbild aus dem fr : BEC CE Be 
urkundlichen Materials zusammengesteldis von D. :. ^' >. : BEN nach 


einer Silhouette. 
Band VII. , 


31. Die Horrsehaft Rappoltstein. Ihre Entsteh..: : «3 b uis 
wicklung. Von Rudolf Brieger. 73 S. - > 
32. Die Sesen leimer Lieder. Eine kritische Studie von Dr. Tirs va. 


33. Die Geschichte und Verfassung des Chorkerrenstifts 
Scholls nach archivalischen Urkunden bearbeitet von Dr. jur. Karl 
cholly. 8 — 


Weitere Hefte sind in Vorbesitins, 
ine: 


Elsässische Volksschriften. 


1. Wie Schloss Lichtenberg zur Ruine wurde. Kriegserlebnisse v. 
Ed. Spach, mit zwei Ansichten von Lichtenberg. 40 S. 4. Aufl. — ed 
2. Berg auf und Berg ab, von Maria Rebe. 43 S. 
3. Zwei Stephanstage. Eine Dorfgeschichte v. A. Schaller. 80S. — — à 
4. Aus den Papieren einer alten Jungfer, von L. Schaller- 
Fischer. 108 S. 1 — 
5. Wer der Sünde den Sonntag giebt, dem nimmt sie ms 
Woche, von Maria Rebe. 54 S. d . 
6. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 56 S. » — Es 
7. Mirchen aus Lothringen. Dem Volke nacherzählt von Fr. Peters. 
8. Um Freiheit u. Recht. Erzählung v.Joh. Westenhoeffer.72S. — 70 
9. An fremdem Herd. Erzählung v.L.Schaller-Fischer.60 S. — ov 
10. Wem der liebe Gott nicht bei der Erziehung hilft, dem 
hilft ein anderer, von Maria Rebe. 44 S. — 50 
11. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Neue Folge. 52 S. — 60`. 
12. Elisabeth’s Kleine. Eine Erzählung “on A. Schaller. 60S, — 60 
13. Es werde Licht! Altes und Neues von Ed. Spach. 36 S. — 40 


14. Aus dem Bauernkriege. Tagebuch eines Reichenweierer Bürgers 

1525. Mit einer Einleitung von E. Ensfelder. 32 S. 30 

15. Tröpflein im Meer, von L. Schaller-Fischer. 80S. — 80 

16. Wer den lieben Gott nieht zur Hochzeit ladet, bekommt 

einen bösen Gast, von Maria Rebe. 44 S. — 60 

17. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Dritte Folge. 52 S. — 60 

18. Der Pfingstmontag. Lustspiel in Strassburger Mundart von J. G. 

D. Arnold. Mit Arnolds Leben und Schriften von Ernst Martin. 182 

‘ und XXI S. — 80 

19. Elsässische Pfarrhäuser. Erinnerungen aus meinem Vikarleben 
von Ed. Spach. 62 S. 

20. Des Lohnkutschers erste Fahrt, von A. Schaller. 40 S. — 40 

21. Daheim, von L. Schaller-Fischer. 68 S. — 60 

22. Vere Neb aber nicht verlassen, von L. Schaller- F isc h: er. 

23. Elsässische Pfarrhäuser. Neue Folge. Erinnerungen aus meinem 

Kinderleben, von Ed. Spach. 92 S. — 80 

24. Menschenpfade und Gotteswege. Drei Erzählungen von D. C. 

Nehlig. 54 S. — 60 


N 


\ 
Pfarrhäuser. Dritte Folge. Bei meinen Grosseltern, 
Dich, IV und 48 S. — 50 


el. Fünf Erzählungen von A. Schaller. 78 S. — 60 
ege von L. Schaller-Fischer. 76S. — 60 
chülerleben, von Ed. Spach. 56 S. — 50 

die christliche Bäuerin. 80 S. — 80 
nerungen einer Elsässerin. Von E. Avari. 88S. 14 -— 


i br Komedie. (1. Serie). Von D. G- Ad. Horsch. 64 S. — 60 
= L Studentenleben, von Ed. Spach. 52 S. — 50 
; n0, o du selige gnadenbringonnie Weihnachts- 

», ssrzahlungen von D Nehlig 
‚ad 1 Wittenborg: Reiseerinnerungen eines Elsässers. Von 


om Leben, Von Ed. Spach. 4. Folge. 48 S. — 60 
'Pfarrhiuser. 4. Folge. Aus eisen Vikarleben. Von 

$ Zweiter Teil. 46 S. 
‚„aütterchens Kinderjahren. Von L. Schal le is 
ug eS "die Ferne. Vier Erzählungen vonD. C. Nehlig.50 S. — 50 
< 39. E E d rerne vi Geschichte. v. C. Wickersheimer. 20S. — 80 


* 40. ner aus dem Leben. Von Ed. Spach. 5. Folge. 44 S. — 50 
41. W nachtsklänge. Drei Erzählungen von D. C. ehlig. 56 S. — 60 
42. Erz hlunge in Strossburjer Mundart. Von Mathilde Weiss. 

Mit einem S Bild. 50 S. — 60 


«ð. —Siden und Freuden der Weinbauern im Ober-Elsass nach 
a. n Berichten früherer Jahrhunderte und den Aufzeich- 
mtigen in der Bannwarthütte zu Thann im Ober- Elsass. 
Von Bruno Stehle.- Mit 2 Abbildungen. 48 S. — 00 

44, Drei G’schichtlen üs de sechziger Johr. Unseri Schwowevetter. 
Unseri Pariser. 's End vom Stilllewe von Marie Hart. 32 S. — 40 

45. Kättele's Weihnachtsbaum. Die Champagnerfiasche. Zwei 
Erzáhlu «en von L. Schweitzer. 24 S. — 30 

46. Fallend’ aub. Von Maria Rebe. 190 S. Mit einem Lichtdruck. 2 — 

47. Bieje — wer nit breche! Charakterstück in eim Uffzug vun 

"Jean Riff. 32 S. — 40 

48. Telegraphic ohni Droht, Original-Schwank in eim Uffzug von E 

111. — 


49. 2 Strossburjer Komödie (2. Serie). Von D. GG Ad. Horsch. 32 S. — 
50. Herr Heinrich von Müllenheim (1233). In Angst und Not 
(1333). Von Anna Lau. 32 S. — 60 
51. Im Frühlicht der Reformation. Aus Strassburgs Chronik 1529 —1553. 
Von Anna Lau. 48 S. — 80 
52. D'r Pfetter vum Land od’r e Kindtauf mit Hindernisse. 
Original-Komödie in eim Uffzug. Von Jean Riff. 32 S. — 60 
53. Vogesengrün. Erzählungen aus dem Elsass. Von Maria Rebe. 95 S. 
it 4 Abbildungen. 1 — 
54. Aus der Bippernanzgasse. Cordula. Zwei Erzühlungen von 
Anna Lau. 44S. — 80 
55. Aus Birasaburgs Vergangenheit. Vier kurze Erzühlungen von 
Elsa Jordan. 32 S.. — 40 
56. Strassburger ro aus Barbarossas Zeit. 1184-1189. "Von 
Anna Lau. 36 S — 40 
57. Und es war Nacht. (1661—1684.) Von Anna Lau. 63 
58. Der junge FPP Jakob Spener in Strassburg 1650-180). 
Von Anna Lau. 56 S. 
59. „Strossburjer Ditech in vier Jahrhunderten 1687-1 1908. 
Mit elf Illustrationen. 112 S. — 80 
60. Unterm Weihnachtsstern. Weihnachtsaufführung für junge Mäd- 
chen von A. Schaller. 20 S. — 2 
61. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 40 S. — 5 
62. me helltönenden Wörtlein unseres Altvaters Geiler von 
Bare ersberg. Was wir, seine Landsleute, von ihm wissen sollten 
aus Heimatstolz. Zusammengestellt von Peter Lan g. Mit 2 Abbildungen. 
VIII und 106 S. 1 — 


Die Sammlung wird fortgesetzt. 


Spesialkataloge unseres Verlags werden auf Wunsch zugesandt. 


Es sind erschienen: X. Kunst und Kunstgeschichte; II. 
Schriften über Elsass-Lothringen; III. Theologie, Philo- 
sophie; IV. Geschichte, Biographie, Kulturgeschichte, 
Geographie; V. Bibliographie, Jurisprudenz, Mathematik 
und Naturwissenschaft, Erzählungen, Reiseskizzen, Ge- 
dichte, Theater. 


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BEITR/EGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE 


1. 


2. 


. Die deutsch-franz 


von Elsass-Lothringen. 
Band I. 


Die deutsch-französische Sprachgrenze in Lothringen von 
Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1 :300.000). (Vergriffen.) 150 

Ein andechtig geistliche Badenfahrt des hochgelehrten 
Herren Thomas Murner. 66 S. Neudruck mit Erläutergn., insbe- 
sondere über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit 6 
Zinkätzungen nach dem Original. 2 — 


. Die Alamannenschlacht vor Strassburg 357 n. Chr. von 


Lane Dr. W. Wiegand. 46S. mit einer Karte und einer Weg- 
skizze 


. Lenz, Goethe und Cleophe Fibich von Strassburg. Ein arian. 


licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Porträt 
Aramintas in farbigem Lichtdruck und ihrem Faksimile aus dem Lenz- 
Stammbuch von Dr. 255 Froitzheim. 96 S. 2 50 

ische Sprachgrenze im Elsass von Dr. 
Const. This. 48 S. mit Tabelle, Karte und acht Zinkätzungen. 1 50 


Band II. 


ee m französischen Kriege 1882 von Dr. A. H or 


laender 


7. Zu Strassburgs Sturm- und Drangperiode i770 bis bas 


16. 


17. 


18. 


19. 


2. 


Er. 


Von Dr. Joh. Froitzheim. 8S. 


. Geschichte des heiligen Forsten bei Hagenau im Elsass. 


Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. I. Teil 
von 1065—1648. 114 S. 2 


. Rechts- und Wirtschafts-Verfassung des Abtei ebietes 


Maursmünster während des Mittelalters von r. Aug. 
Hertzog. 114 S. 2 — 


. Goethe und Heinrich Leopold Wagner. Ein Wort der Kalk 


an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 68S 


Band III. 
Die Armagnaken im Elsass. Von Dr. H. Witte. 158 S. 2 50 


. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass. 


Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. li. Teil 
von 1648—1791. 158 S. 2 50 


. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Kon 


bayr. Hauptmann. 48 S. 


.Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth- 


ringe n zum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1842 von 
iegfried Fitte. Mit Karte. 103 S. . 2 50 


. Deutsche und Keltoromanen in Eutr ngon nach der VOl- 


kerwanderung. Dic Entstehung des Deutsc 
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte. 


Band IV. 


Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen 
und Sittengeschichte des Elsasses und er Schweiz im 15. Jahrhundert 
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Puller von Dr. H. W itte. 
IV u. 143 S. 

Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen 
itn ul zu Frankrcich im 16. Jahrhundert von Dr. A. Holsencer 

Der lateinische Dichter Johannes Fabricius Montanus (aus 
Bergheim im Elsass) 1527—1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen 
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul- 
pinus. 30 S. — 86 

Forstgeschichtliche Skizzen aus den Staats- und Gemeindewald- 
ungen von Rappoltswciler und Reichenweier aus der Zeit vom Aus- 
gange des Mittelalters bis zu Anfang des XIX. en von Dr. 
Aug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Uebersichtskarte. IV u. 78S. 2 — 


n Sprachgebietes von 
E ` 2 50 


. Die Festung Bitsoh von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage 


mit einem Anhange enthaltend die Umgebung von Bitsch. Mit 2 Ansichten 
und Plan von Bitsch, nebst Karte der Umgegend. 52 S. 1 50 


Band V. 
Ritter Friedrich Kappler. Ein elsässischer Feldhauptmann aus 
dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus. VIII u. 112 S. 3- 


. Die Annexion des Elsass durch Frankreich und Rückblicke 


auf die Verwaltung des Landes vom westphälischen Frieden bis zum 
Ryswicker Frieden (1648—1697) von Hermann Freiherr von Mül- 
,lenheim u. von Rechberg. 74 S. 2 50 


A 


= TA Fr rt = r - + 


BEMERKENSWERTE 


MITTELALTERLICHE | SCHENKUNGEN 


IM ELSASS 


BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE IN ELSASS-LOTHRINGEN, XXXIV. 


BEMERKENSWERTE 
MITTELALTERLICHE SCHENKUNGEN. 


IM ELSASS 


E. HERR 


STRASSBURG 
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MUNDEL) 
1908 


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INHALTSVERZEICHNIS. 


Vorwort 


1. 
2. 


3. 
4, 


Qt 


Die Schenkung des "WeiBenburger Mündats m. Saec. 3) 

Das Waldgebiet des nn Bistums im nördlichen 
Breuschtal (7. saec.) j TE 

Die Schenkung Karls des Großen an Leberau a 774) 

Die Schenkung Ludwigs des Frommen an das Kloster Münster 
im Gregoriental (a. 823) . . , 


. Die Schenkung eines Jagdgebietes am oberen ‘Rhein an den 


Bischof von Straßburg (a. 1017) de de ci 
Die Begabung des Klosters St. Johann bei Zabern (& 1126) 


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VORWORT. 


——— 


Zu denjenigen urkundlichen Berichten, welche immer 
aufs neue den Blick auf sich ziehen und das Interesse 
des Historikers anregen, gehóren die Schenkungen, welche 
vom frühesten bis zum späteren Mittelalter von fränki- 
schen Königen und deutschen Kaisern oder von bemer- 
kenswerten Edeln an hervorragende Klóster und geistliche 
Herrschaflen gemacht worden sind. Es liegt ein eigener 
heiz darin, das Anwachsen eines reichen Giiterstandes 
allmählich zu verfolgen und dessen Ursprung nachzu- 
gehen. Sind nun die Urkunden, welche über diese Ur- 
sprünge berichten, ihrer Entstehung nach in Dunkel ge- 
hüllt oder macht die örtliche Bestimmung der Schenkung 
ungeahnle Schwierigkeiten, welche sich mit der fort- 
schreilenden Untersuchung steigern, so ist der Reiz, so- 
viel als möglich davon historisch sicher zu stellen und 
topographisch festzulegen, um so größer. In der folgen- 
den Arbeit habe ich nun eine Reihe der bemerkenswer- 
testen dieser Urkunden, welche sich auf das Elsaß be- 
ziehen, in den Kreis einer Untersuchung gezogen, welche 
bei Inangriffnahme derselben keine besonderen Schwierig- 
keiten zu machen schien, aber mehr und mehr ernsthafte 
Probleme enthiillte, welche — ich will nicht entscheiden, 
ob mit oder ohne Glück — von mir zu lösen versucht 
worden sind. Manche der Urkunden sind schon öfters 
behandelt worden, aber es blieb doch noch vieles zu unter- 
suchen und festzustellen, was bisher nicht berücksichtigt 


— VN — 


worden oder unbekannt geblieben war. Aber auch kleinere 
Urkunden, welche die historische Wissenschaft bisher nur 
gestreift halle, erwiesen sich einer näheren Untersuchung 
würdig, um so mehr natürlich solche, welche in neueren 
Zeiten noch gar keinen Bearbeiter gefunden halten. Der 
Zweck der Arbeit ist erreicht, wenn ich zur Prüfung 
meiner Resultate und weiteren Forschung anrege. 


1. DIE SCHENKUNG DES WEISSENBURGER MUNDATS. 


— m 


Das Kloster Weißenburg, welchem die im unteren Elsaß 
an der Lauter gelegene Stadt Weißenburg ihren Ursprung 
verdankt, hat trotz seiner großen Vergangenheit, trotz seines 
Einflusses, welchen es im frühen Mittelalter durch seinen 
ausgedehnten Güterbesitz auf die Kultur weiter Strecken des 
Elsasses, Lothringens und verschiedener Gebiete am Mittel- 
rhein ausgeübt hat, wenige gefunden, welche sich mit einge- 
hender Erforschung seiner Geschichte beschäftigt haben. Es 
ist eigentlich nur L. Spach! und J. Rheinwald? zu nennen, 
welche eine zusammenhängende Geschichte des Klosters ver- 
sucht haben. Aber auch diese geben uns nichts über die könig- 
liche Schenkung, welche den Güterreichtum des Klosters be- 
gründete, über die ursprüngliche Begrenzung des in weitem 
Kreise das Kloster umfassenden, von jeglichen Lasten und jeder 
Einmischung eines fremden Gerichtes durch königliche Auto- 
rität befreiten Gebietes, welches unter dem Namen «Mundat» 3 
in der Geschichte erscheint, später aber zum größten Teil 
dem Kloster wieder verloren gins. Auf diesen engeren Besitz 
des Weißenburger Klosters wollen wir unsere Blicke lenken. 
Um aber feststellen zu können, wann diese Schenkung erfolgte, 
wie sie lautete und welches ihre Grenzen waren, müssen 
wir uns vorher mit den darüber vorhandenen Quellen näher 
beschäftigen. 


1 L. Spach, l'abbaye de Wissembourg, im Bulletin de la société 
pour la conservation des monuments historiques d’Alsace, Bd. I 
(1856/57), p. 149 ff. 

2 J. Rheinwald, l'abbaye et la ville de Wissembourg, 1863. 

3 Genauer unteres Mundat genannt, im Gegensatz zu dem 
bischöflichen oberen Mundat im Oberelsaf). | 


HERR. 1 


a) eee 


I. Kritik der Quellen. 


Es kommen hauptsichlich folgende Diplome in Betracht, 
nämlich die angeblich von Dagobert herrührende Schenkungs- 
urkunde, eine Bestätigung Ottos II. von. 967, Bestátigungen 
Konrads II. von 1030, Heinrichs III. von 1040 und Heinrichs IV. 
von 1067, und eine Bestätigung Albrechts I. von 1303. 

Die angeblich von Dagobert stammende Schenkungsurkunde 
ist, abgesehen von früheren Editionen, seit den Tagen Schöpflins! 
und Grandidiers 2 zuletzt in den Monumenta Boica,? bei Pardessus4 
und Pertz5 gedruckt. Urkundlich wird sie’zuerst als Transsumpt 
in der oben genannten Bestätigung Albrechts aufgeführt. Dieses 
Diplom ist eine Fälschung, welche von der historischen For- 
schung stets als solche anerkannt worden ist, Zunächst stimmen 
die chronologischen Angaben nicht. Es soll gegeben sein mense 
maio die XV. anno regni nostri XXIII., und der Aus- 
steller nennt sich Dagobertus diuina fauente cle- 
mencia Francorum rex. Nun hat aber keiner der drei 
Könige dieses Namens 23 Jahre regiert, sondern die höchste 
Regierungszeit hat Dagobert I. mit 16 Jahren (622—638). Unter 
ihm kónnte die Schenkung erfolgt und, wie die Urkunde be- 
richtet, die Klosterkirche gestiftet worden sein, wenn, wie man 
annimmt, sich im Jahre 693, nach anderen 633, zuerst Mónche 
in Kloster Weißenburg niederließen.% Aber dann stimmt nicht 
die Regierungszahl 23. Man hat das Diplom wohl auch Dago- 
bert II. zuweisen wollen, aber dies ist ebenfalls nicht angàngig, 
weil derselbe nur fünf Jahre regierte (674—679). Aus demsel- 
ben Grunde paßt es auch nicht auf Dagobert III. (711—715). 
Sehr auffallend ist der Eingang des Diploms, denn kein echtes 
merowingisches Diplom hat den Ausdruck «divina favente cle- 
mentia». Entscheidend für die Fälschung dürfte wohl sein, dab 


| Schöpflin, Alsatia diplomatica I, p. 22 (Nr. XX). 

2 Grandidier, hist. de la province d'Alsace I, pieces justifica- 
tives Nr. 4. 

3 Bd. 31, p. 1. 

* Pardessus, Diplomata, Chartae ete., Bd. II (1849), Nr. 262 
(p. 25). 

. 5 Monum. Germ. hist, Diplom. I (1872), p. 149 (dipl. spuria 

Nr. 31). 

6 So nimmt Grandidier, a. a. O., Dagobert I. als fundator und 
Schenkgeber an. 


DET ae 


die Bestätigungen Ottos JI. von 967 und Heinrichs IV. von 
1067 als Schenkgeber nicht den König Dagobert, 
sondern den Pippin nennen. Das Diplom ist also nicht 
haltbar. Zur Zeit Schöpflins und Grandidiers scheint die Fäl- 
schung noch vorhanden gewesen zu sein, denn beide geben den 
Text nach einer alten Pergamenturkunde des Stiftes Weißenburg. 

Auf historischen Boden treten wir zuerst in der Bestätigung, 
welche Otto II. dem Kloster im Jahre 907 gab. Diese Urkunde 
ist bei Schöpflin! und Grandidier? aus einem Weißenburger 
Chartular veröffentlicht. Zeuß 3 gibt sie aus einem 1491 zu- 
samınengeschriebenen liber privilegiorum, und die Monumenta 
Germaniae 4. geben sie nach einem ebensolchen liber privile- 
giorum von 1580. Die Bestätigung erstreckt sich circa re- 
giam donationem et circaipsam marcam, quam 
Pippinus quondam imperator ...subemunitatis 
firmatione contradidit. Auffallen muß nun, daß Pippinus 
als imperator erscheint, was doch für ihn nicht gelten kann. 
Ein lrrium des Notars oder seines Schreibers, wie Schópflin 
meint, ist, wenn die Urkunde nicht direkt gefälscht ist, ausge- 
schlossen. Auch ist nicht anzunehmen, daß der Mönch, welcher 
die Urkunde ins Cbartular eintrug, gedankenlos «imperator» ge- 
schrieben habe, wie es ehenfalls Schöpflin als möglich hinstellt, 
da noch mehrere andere Urkunden, deren Originale Schöpflin 
vorlagen, also keine Abschrifien, denselben Fehler zeigen, wel- 
chen sie offenbar aus der Urkunde Ottos II. übernommen ha- 
ben. Man muß wohl annehmen, daß «imperator» allgemein als 
«Herrscher» zu verstehen ist. Die Frage ıst nicht leicht zu ent- 
scheiden ; auch Zeuß spricht sich nicht deutlich aus.» Auffallend 
ist ferner, daß in der Urkunde der Name des Abtes Geilo 
sich findet, welcher doch schon 96!) verstorben war, während 
seit 966 der Abt Adalbert dem Kloster vorstand. Die Mon. 
Germ. 6 nehmen eine Ueberarbeitung an, bei welcher Gelegen- 


——— `y 


1 Als. dipl. I, p. 121 (Nr. 148). 

2 a. a. O., Nr. 278. Er weist die Urkunde merkwürdiger Weise 
Otto I. zu und ins Jahr 959. 

3 Zeuß, traditiones possessionesque Wizenburgenses, Appendix 

. 317. 

d 4 Diplomata Bd. II, 1. Teil, p. 22 (Nr. 15). 

5 a. a. O., p. AIL f. 

6 a. a. O. 


om 


heit der Name Geilo anstatt Adalbert eingesetzt wurde, konsta- 


tieren aber, daß die Grundlage der Urkunde echt ist. Wir. 


haben deshalb keine Veranlassung, die Urkunde auszuscheiden, 
vielmehr wird sie für unsere Untersuchung einer echten Ur- 
kunde gleichstehen. 

Weiter haben wir die Bestätigungen Konrads II. von 1030, 
Heinrichs HI. von 1040 und Heinrichs IV. von 1067. Schöpflin ! 
- und Grandidier? geben alle drei, Zeuß3 nur die letzte, und 
zwar haben Schópflin und Grandidier die damals im Stift 
Weißenburg befindlichen Originale vor sich gehabt, Zeuß aber 
gibt seinen Text nach dem codex privilegiorum. In allen drei 
Urkunden kommt Pippinus als quondam imperator 
vor. Daraus ergibt sich, daß jedesmal der Schreiber einer Be- 
státigung die frühere vor sich hatte und den Wortlaut einfach 
herübernahm. Auf diese Weise ist auch das «imperator» hin- 
eingekommen. Da die Originale vorlagen, ist an der Echtheit 
dieser Urkunden nicht zu zweifeln. 

Das Diplom Albrechts endlich führe ich an, weil es zuerst 
die Urkunde Dagoberts als Transsumpt enthält. Denn ähnliche 
Bestátigungsurkunden gibt es noch mehrere aus späterer Zeit. 
Diese Urkunde ist von König Albrecht I. im Jahr 1303 ausge- 
stellt auf Bitten des Abtes Egidius, welcher um Bestátigung der 
Privilegien Dagoberts und zweier anderer, Heinrichs V. und 
Friedrich Barbarossas, bat. Zeuß veröffentlicht sie aus dem 
oben genannten codex privilegiorum. 

Wenn nun die wahrscheinlich echten Bestätigungen von 
Otto II. bis zu Heinrich IV. die Dotation des Klosters auf König 
Pippin zurückführen, so wird mit gutem Recht anzunehmen 
sein, daß die Schenkung des Mundatstatsächlich 
erst unter Pippin erfolgt ist. Daß die Schenkung in 
den Fälschungen auf Dagobert zurückgeführt wird, legt es da- 
gegen nahe, die Gründung des Klosters unter einem 
der drei Könige Dagobert anzusetzen.5 Ob sie frei- 


a. a. O.. I, Nr. 197 (p. 157), Nr. 200 (p. 159), Nr. 219 (p. 173). 
a. a. O., pieces justif. Nr. 385, 396, 468. 

a. a. O., Appendix, p. 319. 

Ibid. p. 325 ff. 

Sickel, Regesten der Urkunden der ersten Karolinger, II (1867), 
p. 386, verlegt auch die Gründung unter Pippin. Es ist 
aber nieht nótig, dab Gründung und Schenkung zusammenfallen. 


^ ow (> = 


or 


uu E u 


lich schon unter Dagobert I. stattfand, ist direkt nicht zu ent- 
scheiden, wenn es auch als wahrscheinlich angesehen werden 
muß. Vgl. den Exkurs. Uns beschäftigt vor allem die Frage, 
zu welcher Zeit die Fälschung der Dagobert-Urkunde entstanden 
sein kann. 

Sickel! vermutet, daß die ältesten Urkunden des Weißen- 
burger. Klosters wahrscheinlich sehr früh verloren gingen und 
durch ziemlich ungeschickte Falschungen ersetzt wurden. Man 
könnte daraus schließen, daß eine echte Dagobert-Urkunde einst 
vorhanden war und die Fälschung derselben sich nur auf die 
Form, nicht auf den Inhalt der Urkunde erstrecke. Dagegen 
behaupte ich, daß wir hier eine derjenigen Fälschungen vor 
<` uns haben, welche aus dem Bestreben entstanden sind, den 
Besitzstand eines Klosters in eine àltere Zeit zu verlegen, und 
welche einen 'einmal eingetretenen Verlust des Klosterarchivs 
benuizten, um eine niemals vorhanden gewesene Urkunde frei 
zu erfinden. Ein deutlicher Beweis hierfür liegt darin, daß die 
Bestätigung Ottos II. von 967 von Dagobert nichts weiß, sondern 
die Schenkung auf Pippin zurückführt. Auch die anderen Be- 
statigungen wissen es nicht hesser. Ferner: in einer Urkunde 
Heinrichs IV. von 1102 für Weißenburg? wird Dagebertus rex 
als fundator des Klosters genannt, welcher demselben seine 
leges und iura gegeben habe. Von einer Schenkung durch Da- 
gobert ist direkt nicht die Rede. Da es sich in dieser Urkunde 
um Abgrenzung der Rechte des Klosters, des Vogtes und der 
Eigenleute des Klosters handelt, vnd dabei ganz dieselben Be- 
stimmungen hinsichtlich der drei Jahrdinge erwähnt werden, 
welche in der angeblichen Dagobert-Urkunde stehen, so könnte 
man vielleicht daraus schließen, daß das Dagobert-Diplom den 
Klosterleuten bekannt war, da sie es sonst nicht seineın Inhalt 
nach dem Kaiser hätten anführen können ; da ferner die Zitie- 
rung in der Urkunde Heinrichs eine wörtliche ist, so könnte 
die Dagobert-Urkunde oder jedenfalls eine wörtliche Abschrift 
des betreffenden Passus aus derselben dem Kaiser vorgelegen 
haben. Allein bei näherer Prüfung der Fälschung stellt sich 
das Verhiltnis ganz anders dar. Wir entdecken nämlich auch 
wörtliche Uebereinstimmung gewisser Abschnitte mit Urkunden, 


12.2.0. 
2 Als. dipl. Nr. 232 (p. 181); Zeuß, a. a. O., p. 320. 


uch, 3 uum 


in welchen von Dagobert als fundator gar nicht die Rede ist, 
wo also eine Dagobert-Urkunde gar nicht vorgelegen haben 
kann. So findet sich der ganze Satz : «ut nullus iudex publicus 
elc.» fast wörtlich in der Bestätigung Ottos II. am Schlusse 
wieder. Das Auffallendste ist aber, daß die Dagobert-Urkunde 
das Recht der Abtswahl erteilt, während eine Urkunde Ottos II. 
von 9741 deutlich sagt, daß der Vater Ottos IL, also Otto I. 
(«genitor noster»), dieses Recht erteilt habe.? Dies zeigt uns mit 
Sicherheit, wie die Dagobert- Urkunde entstanden ist: sie ist 
eine Kompilation aus einer Anzahl vorhan- 
dener Urkunden, und zwar kónnen wir die Benutzung 
von Urkunden Ottos II. deutlich nachweisen. Deshalb ist aber 
auch die oben berührte Urkunde Heinrichs IV. benutzt und 
ausgeschrieben, und es verhält sich damit grade umgekehrt als 
man auf den ersten Blick vermutet, Auch das Recht, Münzen 
zu schlagen und die Exemption von Zóllen wird auf echte Ur- 
kunden zurückgehen, welche wir nur heute nicht mehr be- 
sitzen. Damit ist uns aber die Zeit der Entstehung der Falschung 
gegeben: sie ist im 12. Jahrhundert entstanden, 
und zwar um die Mitte dieses Jahrhunderts, da die Urkunde 
Friedrich Barbarossas von 11873 auf Bestimmungen der Dago- 
bert-Urkunde bereits zurückgreift.4 Da jedoch schen in der 
Urkunde Heinrichs IV. von 1102 Dagobert als «fundator» des 
Klosters erscheint, ist anzunehmen, daß man bereits Ende des 
11. und Anfang des 12. saec. die Schenkung des Mundats 
diesem König zuzuschreiben anfing und daß sich diese Fabel 
immer mehr verdichtete, bis endlich auch das falsche Dokument 
da war, Wir können auch wohl noch erwähnen, daß die Schreib- 


1 Zeuß, a. a. O., p. 318; Als. dipl. I, Nr. 152 (p. 123). 

2 Wir haben auch eine Urkunde Karls des Dicken von 882 
(Als. dipl. I, Nr. 115, p. 91), welche auf Bitten des Abtes Liutberd 
den Mönchen das Recht gibt, nach dessen Tod einen Abt frei zu 
wählen. Die Urkunde Ottos II., welche auf eine solche Ottos I. ver- 
weist, verallgemeinert dieses Recht. Jedenfalls wären solche 
Bestimmungen nicht nötig gewesen, wenn es schon von Dagobert so 
angeordnet gewesen wäre. 

3 Transsumpt in der bereits erwähnten,. die Dagobert-Urkunde 
zuerst bringenden Bestätigung Albrechts I. Zeuß. a. a. O., p. 326 f. 

4 Grandidier (Notiz a. a O. zur Dagobert-Urkunde) läßt die 
Fälschung im 12. oder 13. saec. veranstaltet sein. Obige Abhandlung 
zeigt, in welcher Weise diese Annahme modifiziert werden ınuß. 


ML. e 


art Wissenburg, wie sie die Dagobert-Urkunde bietet, ins 
19. saec. weist ; im 7. saec. ist die Schreibart Uuizunburg. 

Es ist also festzustellen, daß die Urkunde, auf welche wir 
unsere Untersuchung stützen können, nicht die Dagobert-Urkunde 
ist, sondern vielmehr die Bestätigungsurkunden Ottos II. und 
seiner Nachfolger. 


II. Die Feststellung des Textes und seine Geschichte. 


Es wird sich darum handeln, festzustellen, woher die ge- 
fälschte Dagobert-Urkunde den Text der Schenkung entnommen 
hat, und weiter, ob sich, wenn derselbe auf uns bekannte Ur- 
kunden zurückgeht, eine Quelle .ermitteln läßt, aus welcher 
diese ihrerseits geschöpft haben. Für die erstere Untersuchung 
ist es zunächst nötig, den Wortlaut der Schenkung in der Da- 
gobert-Urkunde zu fixieren, und zu diesem Zwecke stehen uns 
die Lesarten bei Schöpflin (A), Grandidier (B), Monumenta Boica 
(C), ZeuB (D), Pardessus (E) und Pertz (F) zur Verfügung. 
Von diesen haben nur die beiden ersten aus der Pergament- 
urkunde selbst geschöpft; die Monum. Boica geben den Text 
eines Transsumptes von 1582, ebenso wie auch der Text bei 
Zeuß ein Transsumpt ist, allerdings von 1303 ; Pardessus gibt 
seine Quelle nicht an, scheint aber die früheren Drucke benutzt 
zu haben; Pertz schlieBt sich an den Text bei Pardessus an, 
doch so, daB er offenbare Fehler desselben verbessert. Die 
schlechteste Edition bieten die Monum. Boica, der Text bei 
Pardessus und Pertz ist auch nicht einwandfrei, und so kónnen 
wir nur Schöpflin, Grandidier und Zeuß zur Feststellung des 
Textes heranziehen. Nach Schópflin hat die Schenkung im an- 
geblichen Original gelautet : 

Versus orientalem plagam extenditur marcha, quam 
tradidimus, usque ad Morchinhouen et ad Altenherde, et 
inde ad Geboldeswege, et inde subter vadum Lutre, et 
inde ad Buozdingeshurst, et inde ad limitem, qui stat in 
summitate vallis Iuvenesdal, et inde ducit ad meridianam 


! Vgl. hierüber p. 2, Anm. 1-5. Bei ZeuD findet sich der 
Text in der schon mehrfach erwahnten Urkunde Albrechts als Trans- 
sumpt. Er entnimmt es aus dem bereits genannten codex privile- 
giorum, einer 1401 verfertigten und notariell beglaubigten Abschriften- 
sammlung, worüber Zeuf, a. a. O., p. VIII zu vgl. 


X et 


plagam super Warsbach, et inde ad Dodemelosen stamphe, 
et inde ad Sebach, et inde ad Kichdale, et inde ad In- 
goldeshahe, et inde ad silvosos montes usque ad Bedebur ; 
ad occidentalem vero plagam usque ad Lutenbach et Beren- 
bach, et inde ad Erlebach, et inde ad Grunenbrunnen, et 
inde ad’ Oterichessceit ; ad septentrionalem plagam usque 
ad Eicheneberc. 

Grandidier hat ganz unbedeutende Abweichungen (Morchin- 
hoven, Oterischessceit ; bei ersterem ist nur das konsonantische 
u der Urkunde als v geschrieben, und letzteres ist wohl nur 
schlecht gelesen). Zeuß hat, indem ich nur die Namen der 


Oertlichkeiten anführe: Morchenhofen — Iuuenesdal — Warns- 
pach — Bodemelosestamphe — Kirchdale — Lutembach — 
Grunenburnen — Otterichscheit — Eicheneberg. Davon sind 


Morchenhofen, Otterichscheit und Eicheneberg vom Urkunden- 
schreiber in die Form des 14. saec. modernisiert, die übrigen 
aber weisen eine ältere Form auf als bei Schöpflin und Gran- 
didier, und vermutlich ist das Transsumpt auch getreuer abge- 
schrieben. Nach alledem dürften wohl die Namen folgender- 
maßen in den Text Schöpflins einzusetzen sein, um den wahr- 
scheinlich treuesten Wortlaut zu erhalten : 


Morchinhouen a — Altenherdeb — Geboldeswegee — 
Lutred — Buozdingeshurste — Iuuenesdalf — Wares- 
pachs — Bodemelosestamphe! — Sebachi — Kirch- 
dalek — Inzoldeshahe! — Bedebur™ — Lutembach® 
— Berenbach® — Erlebach P — Grunenburnen 4 — Ote- 
richessceit" — Eichenehere 5. 


a) bei A. B = Morchinhoven. C = Morchenhevenum. D = Mor- 
chenhofen. E = Marchenhoten. F = Marchenhoven. b) A, B, D. 
C, E, F = Aldenherden. c; bei A. B, C, D, E, F. d) bei A, B, 
D. C = Lutere. E, F = Lutrae. ei bei A, B, D. C = Buezdingers- 
hurst. E, F = Buozdingeshorste. f) bei D. A, B= Iuvenesdal. 
C = Invensdal. E, F = Invenesdal. g) A, B = Warsbach. C, E. 
F =Warspach. D = Warnspach. h) bei D. A. B = Bodemelosen- 
stamphe. C = Bodemelosemstamph. E, F = Bodemlosestompha. 
i) bei allen. k) bei D, E, F. A, B= Kichdale. C = Kirchendale. 
l) bei A, B, D. C = Inguldeshoche. E, F = Ingoldeshare. m) bei 
allen. n! bei D. A, B, C = Lutenbach. E, F = Lautenbach. o) 
bei A, B, C. D. F. E = Bernbach. p: bei A, B, D. F. C = Erli- 
bach. E = Belebach. q) bei D. A, B. F = Grunenbrunnen. C = 
Grünenbrunnen. E = Gruneburnen. r) bei A, B= Oterischessceit. 
C = Otterichschritt. D = Otterichscheit. E. F = Otterichescheyt. 
s) bei A. B. C — Eychenbere. D — Eicheneberg. E, F — Eichen- 
berg. 


uu. 20, mn 


Stellen wir nun auch den Text der Schenkung in den De- 
statigungen fest. 

Hinsichtlich der Bestátigung Ottos II. von 967 lautet der 
in den Monum. Germ. rezipierte Text folgendermaßen : 

. . ad orientalem plagam monasterii usque ad Mori- 
chenovena? et ad Altenherde, et inde ad Geboldeswege, 
et inde subter vadum Lutre, et inde ad Buosingeshurst », 
et inde ad limitem, qui stat im summitate vallis Iuuenes- 
dal* nominate, et inde ducitur; ad meridianam vero pla- 
gam pertinentia super Warahesbach 4, et inde ad Bodeme- 
losenstamphe, et inde ad Sebach, et inde ad Kirkendale, 
et inde ad Ingoldeshaha, et inde ad silvosos montes usque 
in locum qui dicitur Bedebur. Ad occidentalem vero pla- 
sam usque ad Lutenbach et Berenbach, et inde ad Erlin- 
bach, et inde ad Grunenbrunnen €, et inde ad Oderiches- 
seit f. Ad septentrionalein plagam usque ad Eichineberg, 
et inde ad Utdoluesdale 8, et inde ad summitatem fluvii, 
qui dicitur Otterbach . 

Zum Vergleich kommen: die Lesarten Schópflins (A), Gran- 
didiers (B) und Zeuß’ (C) in Betracht: ! 

a) C= Morchenhofena. b) C = Buozingeshurst. c: B = Iuve- 
nesdal. d) B= Warabesbach, Druckfehler. e) A = Grünenbrunen. 
€ = Grunenburnen. f) C = Oderichescheit. gy) A = Uldoluesdale. 
B = Uldolversdale 

Eine merkwürdige Fassung hat der Text der Monum. bei 
den Werten: et inde ducitur; ad meridianam vero 
plagam pertinentia super etc. Die anderen Les- 
arten haben: et inde ducitur ad meridianam vero 
plagam super etc. was einfacher und verständlicher ist. 

. Was den Text der Schenkung in den Bestätigungen Kon- 
rads II. von 1030, Heinrichs III. von 1040 und Heinrichs IV. 
von 1067 angeht, so unterscheidet sich derselbe von demjenigen 
der Urkunde Ottos II. im wesentlichen nur in der Form der 
Ortsnamen. Ich gebe diese der Einfachheit halber nach dem 
Text der Bestätigung Konrads lI. von 1030 bei Schöpflin (A), 
und dann die Abweichungen bei Grandidier (B) und Zeuß (C). ? 


Die Namen lauten : 


Morechenouuena® — Aldenherde > — Geboldesuuege ¢ 
— Hlutraed — Buozdingeshurst® —  Iuuenesdalf — 
Vuaraheshah € — Bodomelosenstamphe" — Sebahi — 


a. 96: Se 


Kirkendale — Ingoldesahak — Bedebur — Ludenbah 1 


— Berenbah™ — Erlinbah® — Gruonenhrunnene — 
OderichessceitP — Eichineberg — Utdoluesdalea — 
Otterbah r. 


a) B = Morichenovena (1030 u. 1040), Morechenovena (1067). 
A = Morechenouena (1040 u. 1067}, ebenso C (1067). b) B= 
Altenherde (1030 u. 1040). c) B = Geboldeswege (1030, 1040 
u. 1067). d) B = Lutre (1030, 1040 u. 1067). A = Hluthrae 
(1040. e) B = Buosingeshurst 11030 u. 1040. A, B u. C= 
Buotzdingeshurst (106(). f) B = Iuvenesdal (1030, 1040, 1067). 
A. C = Iuvenesdal (1067). g) B = Warabesbach (1030, 1040), 
Warahesbach (1067). A=Uuarahesbach (1040, 1067). ebenso C 
(1067). h! B= Bodemelosenstamphe (1030, 1040). i) Sebach, bei 
allen. k) B= Ingoldeshaha (1030, 1040). 1) B = Lutenbach ut 
1040:. A = Lutenbac (1040, 1067), ebenso B (1067), C (1067). m 
B = Berenbach (1030, 1040). Berenbac sonst und bei B (1067. 
n) B=Erlinbach (1030. 1040:, Erlinbac sonst und bei B (1067), 
o) B= E EUM (1030, 1040). p) B = Oderichesseit (1030, 
1040). q) B=Utdolversdale (1030, 1010', Utdolvesdale (1067). 
r) B= nn (1030, 1040) ebenso A (1040, sonst Otterbac). 
Vergleichen wir nun den von uns festgestellten Text des 
Dagobert- -Diploms mit den beiden zuletzt angegebenen Texten, 


so ‘finden wir’ folgendes. 

Der Text der Dagobert-Urkunde (1) ist, von unbedeutenden 
Einzelheiten abgesehen, demjenigen der Bestätigung Ottos II. (2) 
gleich, aber die Namen in der Bestätigung haben zum Teil eine 
deutlich ältere Form. Man vergleiche nur Morchinhouen (1) 
und Morichenovena (2), Warespach (1) und Wa- 
rahesbach (2), Kirchdale (4) und Kirkendale (2), 
Erlebach (1) und Erlinbach (2). Daraus könnte gefolgert 
werden, daß die Bestätigungsurkunde Ottos II., ebenso wie sie 
für andere Teile der Dagobert-Urkunde .zum Muster gedient 
hat, dem Fälscher zwar auch den Text der Mundatsbegrenzung 
geliefert habe, daß aber, weil zwischen der Abfassung beider 
über hundert Jahre liesen, die Namen der Oertlichkeiten in 
der Fälschung die jüngere Form angenommen haben, entspre- 
chend der Sprechweise des 12. saec. Für alle Namen trifft dies 
aber nicht zu. Aber sehr auffallend ist dabei, daß der Text 
der Fälschung kürzer ist als derjenige der Bestäligung und 
die Grenzlinie gar nicht zu Ende führt. Damit setzt sich die 
Fälschung in einen offenkundigen Gegensatz zur Bestätigung, 
und es ist deshalb nicht anzunehmen, daß letztere zur Be- 
schreibung der Mundatsgrenzen benutzt worden ist. 


"— A. 


Wir finden ferner, dab die Schreibart der Mundatsnamen 
in den drei späteren Bestátigungen (a) noch älter ist als die- 
jenige der Bestätigung Ottos 1I. (b). Man vergleiche Hlutrae 
(a)undLutre (b, Ludenbah (aJundLutenbach (b), 
Gruonenbrunnen (a) und Grunenbrunnen (b). Wir 
müssen aber bedenken, daß wir bei diesen Urkunden auf das 
Original zurückgehen, welches Schöpflin und Grandidier vor 
sich hatten, während wir bei der Urkunde Ottos I., welche 
wir nur in Abschriften aus Chartularen kennen, mutmaßen 
dürfen, daß die früheren Abschreiber derselben nicht genau 
gearbeitet und willkürliche Aenderungen in der Schreibart vor- 
genommen haben. Selbst ein notariell beglaubigtes Chartular, 
wie es Zeuß für seinen Text in dem oben mehrfach erwähnten 
codex privilegiorum vor sich hatte, bietet keine genügende Ge- 
währ für Richtigkeit der Namensformen. Wir werden deshalb 
annehmen müssen, daß auch das Original der Urkunde Ottos II. 
altere Namensformen aufwies, als wir sie jetzt aus den Ab- 
schriften kennen. Ja, da die späteren Bestätigungen fast wört- 
liche Wiederholungen der Urkunde Ottos II. sind, so wird auch 
der Text der Schenkung aus der letzteren wörtlich übernommen 
worden sein, und daher können wir annehmen, daß die Namen- 
formen der Mundatsorte, wie sie sich in den Bestätigungen 
Konrads II., Heinrichs III. und Heinrichs IV. finden, in der 
Bestätigung Ottos JI. ebenso gelautet haben. 

Zwischen dem Text der Schenkung in der Dagobert-Urkunde 
und dem Text in den Bestätigungen besteht nun, wie wir be- 
reits gesehen haben, eine trotz aller Aehnlichkeit auffallende 
Differenz. Woher kann dieselbe rühren ? Hat der Fälscher der 
Dagobert-Urkunde eine andere Textform vor sich gehabt als 
der königliche Notar, welcher die Bestätigung Ottos II. aus- 
fertigte? Fragen wir zunächst, woher diese Bestätigung der 
Wortlaut hat. 

Da die Urkunde Ottos II. ausdrücklich sagt, daß, nachdem 
Pippin die Schenkung an das Kloster gemacht hatte, Ludwig 
und andere Könige dies bestätigt hätten, so liegt es auf der 
Hand, daß der Wortlaut der Schenkung aus den früheren 
Bestätigungen herrührt. Welcher König Ludwig gemeint 
ist, geht aus der Urkunde nicht hervor. Auf dessen Bestäli- 
gungsurkunde weist zunächst der Wortlaut der Schenkung zu- 
rück. Da nun dieser Ludwig die Schenkung Pippins bestätigte, 


so muB ihm die Urkunde Pippins vorgelegen haben, aus wel- 

cher er den Wortlaut übernommen hat. Und auf diese Weise 
wird es sich ergeben müssen, daß der uns heute vorliegende 
erste authentische Text der Schenkung auf die Schen- 
kungsurkunde Pippins zurückgeht. Dabei lassen 
wir es als höchst wahrscheinlich gelten, daß die Ortsnamen in 
der Schenkung Pippins eine noch ältere Form gehabt haben, 
als wir sie aus den Bestätigungen feststellen können, denn 
jedes Jahrhundert hat den Namen sein besonderes Gepräge ge- 
geben. Inhaltlich hat jedenfails die Schenkung ebenso gelautet 
wie die Bestätigungen, welche wir kennen. Auch sonst enthält 
die Bestätirungsurkunde noch manche Wendung, welche an 
Diplome der Karolinger anklingt. Deshalb hat Sickel! schon 
mit Recht vermutet, daß sich eine im 8. saec. entstandene 
Fassung bis in das Diplom Ottos II. fortgepflanzt hat, und auch 
die Mon. Germ.? lassen einen Teil der Urkunde Ottos II. auf 
ein Diplom der ersten Karolinger zurückgehen. 

Wenn wir behauptet haben, der Inhalt der Schenkung sel 
in der Urkunde Pippins derselbe gewesen, wie wir ihn jetzt 
in der Bestätigung Ottos II. finden, so bedarf diese Behauptung 
doch einer Einschränkung hinsichtlich der Einzelheiten der 
darin gemachten örtlichen Angaben. Wenn nämlich die getälschte 
Dagobert-Urkunde den Wortlaut der Schenkung nicht aus den 
Bestätigungsurkunden entnommen haben kann, weil sie die 
Grenze am Schluß nicht so vollständig gibt wie diese, wenn 
andererseits die Bestätigungsurkunden notwendig auf die 
Schenkungsurkunde Pippins zurückweisen, so hat entweder 
der Fälscher der Dagobert-Urkunde aus einer besonderen 
Quelle geschöpft, oder in der Urkunde Pippins hat der Schlub 
der Grenzbeschreibung ebenfalls gefehlt. Wenn eine besondere 
Quelle vorliegt, könnte dies höchstens eine Abschrift gewesen 
sein, in welcher aus Versehen der Schluß der Grenzbeschreibunz 
ausgelassen war. Aber dann hälte der Fälscher doch ebensogut 
auch die Bestätigungsurkunden benützen können. Diese waren 
ihm doch bekannt, weil er sie in seiner Fälschung verwertet. 
Warum benützte er dann nicht ihren Text, da ihm derselbe 
doch eine genauere Begrenzung gab, als er dieselbe gibt? 


l a. a. O. 
2 cf. Anm. 4, p. 3. 


= dd s 


Warum gibt er einen mangelhaften Text, während es doch sonst 
das Bestreben der Fülscher ist, móglichst viel zum Original hin- 
zuzusetzen ? Auf diese Fragen kann nur die eine Antwort ge- 
veben werden, daß der Falscher nicht vorhatte, etwas materiell 
Unwahres zu berichten, sondern daB er die authentische Schen- 
kung nur in eine frühere Zeit zu verlegen beabsichtigte, dab 
er wirklieh den Wortlaut der Schenkung Pippins gab und nur 
eins vortáuschte, daB sie nämlich von Dagobert herrühre. Dann 
ist es aber klar, daß die Urkunde Pippins den ver- 
kürzten Schluß derSchenkung ebenfalls hatte, 
daB also die Grenzbeschreibung mit «Eichen e- 
berc» schloß. Warum aber haben die Bestätigungsurkunden 
da eine Veranderung eintreten lassen? Jedenfalls aus dem 
Grunde, weil die Grenze der Schenkung, welehe für die Zeiten 
Pippins klar genug war und keinen Irrtum hervorrufen konnte, 
später doch der genaueren Bestimmung bedurfte. Eine der 
früheren, uns nicht mehr erhaltenen Bestätigungen hat dies 
dann nachgeholt. Damit ist die ursprüngliche Grenze nicht ge- 
ändert, sondern nur genauer festyelegt worden. 

Wir stellen demnach fest, daß die Fälschung der Dagobert- 
Urkunde wahrscheinlich auf den ursprünglichen Wortlaut der 
Schenkung Pippins hinsichtlich der Mundatsgrenzen zurückgeht. 
Der Fälscher hat aber leider die alten Namensformen der Oert- 
lichkeiten nicht beibehalten, sondern hat ihnen die Form seiner 
Zeit gegeben, und deshalb sind diese uns jetzt von der Dago- 
bert-Urkunde gebotenen Namensformen selbst jünger als die 
in der Bestätigung Ottos II. bezw. seiner Nachfolger. Die 
Schenkung selbst aber fiel nicht unter Dago- 
bert, sondern unter Pippin, womit die Gründung des 
Klosters unter Dagobert nicht ausgeschlossen ist. 


III. Die Festlegung der Mundatsgrenzen. 


> m . M 
Eine Vorbemerkung darüber, daß mit den Grenzangaben, 
wie sie uns vorliegen, nicht etwa der Güterbestand einer spä- 
teren Zeit dargestellt ist,! sondern die Zustände der Zeit 


1 Grandidier z. B. ‘a. a. O., zur Dagobert-Urkunde) nimmt an, 
daß die Dagobert-Urkunde den Stand des Mundatbesitzes im 12. oder 
13. saec. angebe, weil er die Fälschung derselben in diese Zeiten 
verlegt. 


— 14 — 


Pippins geschildert sind, braucht nach dem bisher Betrachteten 
nicht mehr gemacht zu werden. 

Wir haben nun angenommen, daß der Wortlaut der 
Schenkung, wie er sich jetzt in den Bestätigungen Konrads II. von 
4030, Heinrichs Ill. von 1040 und Heinrichs IV. von 1067 findet, 
hinsichtlich der Ortsnamen reiner auf uns gekommen ist als 
derjenige der Bestätigung Oltos Il. von 967, daß aber der 
Text der letzteren im Original, welches wir nicht mehr hahen, 
wahrscheinlich dieselben älteren Namensformen wie die erst- 
genannten Bestitigunyen gehabt hat. Da es uns darauf an- 
kommt, zugleich auch die ältesten Formen der Ortsnamen 
festzustellen, so werden wir zu diesem Zwecke und zu unserer 
weiteren Untersuchung unbedenklich die Urkunde der Bestä- 
tigung Konrads lI. zugrunde legen können. Sie gibt uns die 
ältesten Namensformen, wie sie vermutlich auch in der Ur- 
kunde Ottos II. gelautet haben — die siebenzig Jahre, welche 
von 967 bis 1030 verflessen sind, haben nicht viel in Aus- 
sprache und Sehreibart der Namen geändert.. Die Fälschung 
der Dagobert-Urkunde kommt für uns nur insofern in Betracht, 
als wir daraus geschlossen haben, daß die Schenkung in der 
Originalurkunde Pippins, auf welche alles zurückweist, mit 
«Eichineberg» schloß, was wir bei unserer Grenzbeschreibung 
berücksichtigen wollen. Der Wortlaut der Urkunde Pippins 
ist uns, obwohl der Fälscher der Dagobert-Urkunde auf diese 
zurückgreift, wenigstens hinsichtlich der Form der Ortsnamen 
nicht erhalten, da die Dagobert-Urkunde die Namenformen des 
12. saec. bietet. 

Ich führe also nochmals den Wortlaut der Grenzbeschrei- 
bung des Muudats, mit den vermutlich ältesten! uns erhaltenen 
Namenformen, aus der Bestätigung Konrads II. in extenso an, 
und zwar in der Fassung Schöpflins als der zuverlässigsten: 

. . pertinent (sc. limites) ad orientalem plagam mo- 
nasterii usque ad Morechenouuena etad Alden- 
herde et inde ad Geboldesuuege et inde subter - 


1 Nur zwei der Namen kommen anderswo vor, nàmlich in- 
goldesaha und uuarehesbahe in Nr. 214 der trad. Wiz. 
Diese Urkunde ist aber ein Nachtrag aus dem 11. saec.; die Urkunde 
selbst trigt kein Datum. Da die Namen mit den in der Grenzbe- 
schreibung erscheinenden Ingoldesaha und Uuarahesbah 
gleichlautend sind, werden sie auch gleichzeitig sein. 


— m 


vadum Hlutrae et inde ad Buozdinzxeshurst et 
inde ad limitem, qui stat in summitate vallis Iuuenes- 
dal, et inde ducitur ad meridianam plagam super 
Uuarahesbah etindead Bodomelosenstamphe 
et inde ad Sebah et inde ad Kirkendale et inde ad 
Ingoldesaha et inde ad silvosos montes usque ad 
locum, qui dicitur Bede bur. ad occidentalem vero pla- 
vam usque Ludenbah et Berenbah et inde ad 
Erlinbah et inde ad Gruonenbrunnen et inde 
ad Oderiches sceit. ad septentrionalem plagam usque 
ad Eichineberg||! et inde ad Utdoluesdale et 
inde ad summitatem fluvii, qui dicitur Otterbah usw. 

Die Deutung der einzelnen Oertlichkeiten ist nicht ein- 
fach, da eine Anzahl derselben heute andere Namen tragen 
oder auch abgegangen sind. Besonders älteren Forschern sind 
dabei eine ganze Anzahl grober Irrtümer mit unterlaufen, 
welche wir einzeln an den betreffenden SteNen zurückweisen 
werden. Aber auch in neuerer Zeit hat sich die Sache noch 
nicht endgültig geklärt. Ich werde versuchen, die Lösung der 
Schwierigkeiten so weit als möglich zu fördern. 

Man darf vor allem nicht, wie es z. B. Grandidier bei ge- 
wissen Namen tut, planlos raten, sondern muß sich klar- 
machen, welche geographische Lage die einzelnen Orte einge- 
nommen haben müssen. Der Verfasser der Grenzbeschreibung 
denkt sich das gesamte Gebiet des Mundats ungefähr wie ein 
großes, etwas unregelmäßiges Viereck mit einer östlichen, süd- 
lichen, westlichen und nördlichen Seile. Als Ausgangspunkt 
der Grenzbeschreibung ist die nordöstliche Ecke des Vierecks 
gedacht, und von da aus wird die Grenze nach Süden geführt, 
was die orientalis plaga ergibt; dann geht es nach Westen, 
womit die meridiana plaga gegeben wird; dann kommt die 
occidentalis plaga in ihrer Richtung nach Norden und endlich 
geht die septentrionalis plaga nach Osten zu zum Ausgangs- 
punkt zurück. Es liegen also auf der östlichen Seitenlinie, 
von Norden nach Süden gezählt: Morechenouuena, 
Aldenherde, Geboldesuuege, vadum Hlutrae, 
Buozdingeshurst, Iuuenesdal. Da vadum Hlu- 
trae den Uebergang der Grenze über die Lauter andeutet, ist 


— 


1 Hier endigt die Beschreibung in der Pippin-Urkunde. 


s SG sit 


es klar, da Morechenouuena, Aldenherde und 
Geboldesuuege in der heutigen Pfalz liegen müssen. Der 
Drehpunkt nach Westen, also die südöstliche Ecke, wird gebildet 
durch Uuarahesbah, weil über diesen Ort die Grenze 
nach Westen geht. Auf der südlichen Linie liegen dann 
Bodomelosenstamphe, Sebah, Kirkendale, 
Ingoldesaha. Die südwestliche Ecke ist Bedebur. Auf 
der westlichen Linie liegen Ludenbah, Berenbah, 
Erlinbah, Gruonenbrunnen, Oderichessceit, 
letzteres als nordwestliche Ecke gedacht. Die nördliche Linie 
wird gebildet durch Eichineberg, Utdoluesdale, 
fluvius Otterbah. Da von Bedebur aus die Grenze auf 
der westlichen Linie wieder nach Norden geht, so ist ersichtlich, 
daß wenigstens von Berenbah ab, welches wir in der Pfalz 
finden werden, alle Orte wieder in der Pfalz liegen müssen. 
Um nuu die einzelnen Grenzorte festleren zu können, 
gehen wir am einfachsten von dem Punkte aus, an welchem 
die östliche Mundatgrenze die Lauter überschreitet. Der Ort 
der Grenzlinie, von welchem man vom linken (pfälzischen) 
Ufer der Lauter dahin gelangt, heißt Geboldesuuege, 
dessen Deutung wir zunächst noch beiseite lassen. Es heißt dann: 
et inde subter vadum Hlutrae et indead Buoz- 
dingeshurst et inde ad limitem, qui statin 
summitate vallis Iuuenesdal. Wir haben nun hier 
zwei Anhaltspunkte für den Lauf der Grenze, einerseits das in 
der Grenzbeschreibung nachher angeführte Sebah, welches nur 
mit Oberseebach, Kt. Weißenburg, identifiziert werden kann, 
weil das dicht dabei liegende Niederseebach niemals als Besitz 
des Mundats oder als Ort des Staffel- d. h. des Mundatgerichtes 
erscheint ; andererseits Schleithal, welches sicher zum Mundat 
gehörte, da bis zum Jahr 1277 der Abt von Weißenburg Geld- 
und Haferziuse dort zu Lehen gegeben hatte an Heinrich von 
Fleckenstein. ? An diesen beiden Orten d. h. an deren Bann- 
vrenze muß die Grenze hinlaufen, also werden wir für das 
Tal luuenesdal auf einen Geländeeinschnitt östlich von Schlei- 
thal hingewiesen, Dieser findet sich tatsächlich an der 
Banngrenze von Schleithal und fällt auffallender Weise mit der 


1 Zeul, trad. possessionesque Wizenb., lib. possess. Nr. 326, 
(p. 313). 


ze jT eue 


Kantonsgrenze zusammen, ein deutlicher Beweis, daß hier ein 
alter Grenzzug vorliegt. Dieses Tal, welches in einen Bach, 
der in die Lauter fließt, ausmiindet, zieht sich an der Ge- 
markung Schleithal entlang bis auf die Höhe des Frauenberges 
südlich von Schleithal. Hier steht ein trigonometrisches Signal. 
Es ist also eine Höhe, welche ein ziemliches Gebiet beherrscht, 
wie geschaffen für eine alte Grenzmarke. Wir können dem- 
nach annehmen, daB das der Kantonsgrenze von der Lauter an 
folgende Tal das Iuuenesdal ist, und der limes, von welchem 
die Rede ist, d. h. die Grenzmarke, die Grenzsäule, welche 
in summitate, am obersten Punkt dieses Tales stand, 
wird auf dem Frauenberg gestanden haben. Unter diesem 
limes haben wir uns möglicherweise ein prähistorisches Stein- 
denkmal vorzustellen, eine rohe Grenzsáule, welche aus uralter 
Zeit stammend als Grenzmarke in Ansehen geblieben war; 
vielleicht auch war es ein alter römischer Grenzstein. Jeden- 
falls wäre es wünschenswert, wenn man demselben näher 
nachforschen könnte. Sicher ist damit keiner der später von 
der Abtei gesetzten Grenzsteine gemeint, denn dieser limes 
muß doch als bekannte Grenzmarke bereits vor der Schenkung 
des Mundats bestanden haben, da er sonst nicht in die Grenz- 
beschreibung aufgenommen worden wäre. — Dieses Stück des 
Grenzzuges geht also aus vom vadum Hlutrae. Damit 
ist eine seichte Stelle der Lauter gemeint, welche mit Karren 
durchquert werden konnte. Da es heift: subter vadum 
Hlutrae, so muf diese Furt die Lauter aufwirts etwas ober- 
halb des genannten Tales gelegen haben. Vielleicht sollle damit 
nur bezeichnet werden, dal) die Furt noch zum Mundat gehören 
solle; dann hat sie jedenfalls dicht bei jenem Tale gelegen. 
Möglicherweise ist subter auch soviel wie super und soll þe- 
zeichnen, dab die Grenze über die Furt läuft. — Von diesem 
vadum geht es zunächst nach Buozdingeshurst, anschei- 
nend einem Wald, welcher sich die Hóhen südlich der Lauter 
hinaufzog, dessen Name heute nicht mehr erhalten ist. Von | 
da zog dann die Grenze in dem an Schleithal vorbeiziehenden 
Tälchen bis auf die Höhe des Frauenberges. Daß Iuuenesdal 
nun nicht Bobenthal in der Pfalz nordwestlich von Weiben- 
burg sein kann, wie Grandidier! meint, ist wohl klar, 


—— 


1 Hist. d'Als. I, piéces justif. Nr. 4, Anm. 
HERR. 2 


= 3 ap 


Von dem «limes, qui stat in summitate vallis Iuuenesdal» 
dreht sich die Grenze nun nach Westen, um die meridiana 
plaga zu bilden, und zwar geht sie super Uuarahesbah 
et inde ad Bodomelosenstamphe et inde ad 
Sebah. Uuarahesbah legen Schópflin! und Grandidier? 
übereinstimmend aus als einen Hof Warsbach oder Warspach. 
Schöpflin sagt, er liege zwei Stunden etwa von Weißenburg entfernt 
diesseits der Lauter, und Grandidier nennt ihn ein «olim vicus», 
Zu ihren Zeiten muß er noch den Namen Warsbach geführt 
haben; heute findet man ihn im Frohnackerhof, nordóstlich 
von Oberseebach, wieder. 3 Nun ist es durchaus als richtig 
anzunehmen, daß dieser Hof den Namen Warsbach geführt 
hat, da er nicht weit vom Ursprung des Baches gleichen 
Namens liegt. Immerhin ist es wahrscheinlich, daB unser 
Uuarahesbah nicht mit ihm identisch ist, da wir dieses nach 
der Beschreibung südlicher suchen müssen. Wenn nämlich 
die Grenze nach Oberseebach laufen und diesen Ort einschlieBen 
soll, dann mub sie südlich an demselben vorbeiziehen, wo die 
Banngrenze läuft (Niederseebach ist, wie bereits angeführt, 
nicht gemeint). Soll ferner die Grenze vom limes auf dem 
Frauenberge super Uuarahesbah sich nach der meridiana 
plaga drehen, so kann dies für die Situation Uuarahesbah — 
Frohnackerhof nicht stimmen, denn sie müßte ja, obwohl sie 
erst nach Westen geht, doch wieder südlich gehen, um dann 
endlich unterhalb von Oberseebach nach Westen weiterzuziehen. 
Wo soll dann ferner Bodomelosenstamphe liegen, welches wir 
doch, wie wir sehen werden, in einem Tale suchen müssen? 
Die Bezeichnung: etinde ducitur ad meridianam plagam 
super Uuarahesbah etc. ad Sebah würde also nicht 
zutreffen, weil man darnach erwartet, daß Uuarahesbah viel- 
mehr in östlicher Richtung von Oberseebach aus liegt. Erst 
von Uuarahesbah aus liegt nämlich alles, bis Bedebur, nach 
Westen zu. Damit ist aber ausgeschlossen, daß die Grenze 
schon vom limes am Juuenesdal aus nach Westen geht. Sie 
muB im Gegenteil erst noch ein Stück südlich ziehen, denn nicht 
der limes soll der südöstliche Eckpunkt sein, sondern Uuarahesbah. 


1 Als. ill. I, p. 650 f. 

22.2.0. 

3 Harster, Der Güterbesitz des Klosters Weißenburg im Elsaß, 
II (1894), p. 89. Reichsland ElsaD-Lothringen III, p. 318. 


— 19 — 


Dies ist in der Beschreibung nicht ganz klar ausgedrückt. 
Offenbar will dieselbe die Ostgrenze nur bis zum Punkte vor 
dem Eckpunkte geben und mit dem Eckpunkte die südliche 
Grenze beginnen lassen. Deshalb ist der limes scheinbar wohl 
der letzte Grenzpunkt auf der östlichen Seite, in Wirklichkeit 
aber doch nicht, denn es geht erst noch nach Uuaralıesbah 
und von dort an, super U., geht es erst nach Westen. Auf 
die richtige Deutung des «super» kommt alles an, und ich 
glaube, daß man es nur so verstehen kann, daß Uuarahesbah 
der Drehpunkt sein soll, über welchen die östliche Grenze in 
die südliche übergeht. Wo ist aber dieses Uuarahesbah zu 
suchen? Dazu muß uns der folgende Ort Bodomelosenstamphe 
verhelfen. Dieses Bodomelosenstamphe bezeichnet 
wahrscheinlich einen bodenlosen Sumpf. Einen solchen kann 
man natürlich nur an einem Wasserlauf vermuten. Dieser 
Sumpf ist also, da der nächste Wasserlauf im Osten von 
Oberseebach der Warsbach ist, im Tale des Warsbach zu 
suchen, vielleicht gerade da, wo die Grenze des Kantons 
Lauterburg sich an die Weißenburger Kantonsgrenze anschließt. 
Dann bleibt aber für Uuarahesbah nur noch der Seiten- 
bach des Warsbaches, der westlich von Siegen einmündende 
Werbergraben, übrig. Dieser hälte dann, weil Uuarahesbah 
sich nach dem Bache nennt, an dem es lag, ursprünglich 
ebenfalls Warsbach geheiben, ebenso wie der Hauptlauf, jeden- 
falls keinen besonderen Namen gehabt. An diesem Bach 
würde dann die Grenze vom Frauenberg an herabziehen bis 
etwa an den Punkt, wo die jetzige Lauterburger Kantonsgrenze 
den Bach trifft. Auf diese Weise stellt sich uns folgender 
Lauf der Grenze dar: Vom Frauenberg weiter nach Süden 
bis an den Werbergraben (Uuarahesbah), dann der Lauter- 
burger Kantonsgrenze nach an den Warsbach (Bodomelosen- 
stamphe), dann weiter der Kantonsgrenze nach, bis dieselbe 
die südliche Gemarkungsgrenze von Oberseebach trifft. Aller- 
dings haben wir dabei die Schwierigkeit in Rechnung zu 
ziehen, daß der Frohnackerhof ehedem «Warsbach» hieß und daß 
man den Ort Uuarahesbah zunächst an dem Bache suchen 
wird, welcher heute noch den Namen Warsbach führt, daß 
andererseits aber unsere abweichende Deutung sich meist nur 
auf Vermutungen stützen kann. Allein nach dem Wortlaut 
der Grenzbeschreibung kann ich den Frohnackerhof nicht als 


— 0 — 


Uuarahesbah ansprechen, muß diesen Ort vielmehr östlich von 
Oberseebach suchen. Dann hat aber unsere Grenzdeutung 
ebenfalls ihre Berechtigung. Nicht unerwähnt darf bleiben, 
dab die Grenze alsdann meist auf den Kantons- und Bann- 
grenzen làuft, und diese haben sich ja selten im Laufe der 
Jahrhunderte geindert. Es ist überhaupt von vornherein zu 
vermuten, dab der heutige Kanton Weißenburg zu einem 
großen Teile von allen Mundatsgrenzen eingeschlossen sei. — 
Wie man aber auch Uuarahesbah legen will, jedenfalls ist 
nach den vorstehenden Ausführungen klar, daß Aschbach süd- 
lich von Niederseebach, wie es Rheinwald! annimmt, nicht 
damit gemeint sein kann. 

Von Oberseebach aus làuft die Grenze nun ad Kirken- 
dale etinde ad Ingoldesaha etindead silvosos 
montes usque ad locum, qui dicitur Bedebur. 
Von diesen Orten liegt nur Ingoldesaha fest. Denn dieses 
ist offenbar Ingolsheim westlich von Oberseebach. Ingolsheim 
ist eine spätere Form. Ursprünglich hat der Ort, wie uns die 
Endung «-aha» anzeigt, seinen Namen von dem Wasserlauf 
getragen, an welchem er liegt, denn aha ist == Wasser. Der 
alte Name würde heute «Ingolzach» lauten. Wir ersehen aus 
dem Namen aber auch, dal der Schemperbach oder Alten- 
graben, an welchem Ingolsheim liegt, offeubar früher Ingoldes- 
aha hieß. Der Name könnte nun vielleicht auf die Vermutung 
bringen, daß nicht der spätere Ort Ingolsheim, sondern der 
Bach Ingoldesaha an unserer Stelle gemeint sei und dab es 
sich mit den bisher betrachteten Orten Uuarahesbah und Sebah 
ebenso verhalte. Allein, wenn die Bäche und nicht die Orte 
gemeint wären, dann mübte die Grenze ganz anders laufen, 
nämlich auf der Wasserscheide der Lauter und der Selz, wobei 
aber eine Anzahl Ortschaften, welche zum Mundat gehört 
haben, außerhalb fallen würden. Denn nur auf der Wasser- 
scheide könnte man ohne nähere Bestimmung des Weges von 
einem Bache an den andern gelangen. Diese Vermutung ist 
also nicht berechtigt, und wie in Uuarahesbah und Sebah, so 
müssen wir auch in Ingoldesaha die Ortschaft erblicken. 
Ingoldesaha ist also Inzolsheim,.und dessen Bann, welcher 
heute zum Kanton Sulz u. W. gezogen ist, fällt ins Mundat, 


1 a. a. O., p. 21, Anm. 


— 9] —_ 


d. h. die Grenze mub südlich davon auf der Bannscheide hin- 
ziehen. — Wo hat nun aber Kirkendale gelegen? Damit 
ist entweder ein Tal gemeint, oder ein Ort gleichen Namens. 
Das einzige Tal aber, welches zwischen Oberseebach und 
Ingolsheim in Betracht kommen kann, ist das Tal des Hausan- 
baches. Die Kantonsgrenze làuft ein Stück dieses Tal entlang. 
Ist mit Kirkendale eine Ortschaft gemeint, dann dürfte sie 
wohl an dieser Stelle des Tales gelegen haben. Jenseits des 
Tales zieht die Kantonsgrenze dem Schemperbach entlang. Die 
Banngrenze von Ingolsheim zweigt davon gleich nach Westen 
ab. Demnach läßt sich von Oberseebach aus die Mundatsgrenze 
folgendermaßen festsetzen: Der südlichen Banngrenze von 
Oberseebach folgend, welche nachher wieder in die Kantonsgrenze 
übergeht, gelangen wir ins Tal des Hausanbaches, überschreiten 
denselben auf der Kantonsgrenze, gehen ein Stück den Schem- 
perbach entlang und überschreiten denselben dann, um auf 
der östlichen und südlichen Barngrenze von Ingolsheim diesen 
Ort zu umschließen und kurz vor dem Dorfe Bremmelbach 
die Kantonsgrenze wieder zu treffen. — Von hier aus soll es 
dann bis an einen im Gebirge liegenden Ort Bedebur gehen. 
Dieses Bedebur bezeichnet wohl ein Bethaus, eine Kapelle, 
vom ahd. bura = Haus.! Der Gebirgszug, auf welchen wir 
hingewiesen werden, heißt heute noch M undatwald. Die Kan- 
tonsgrenze führt hinter Ingolsheim an dem Schemperbach weiter 
bis zu dessen Ursprung, geht dann dem Hóhenzug nach Süd- 
westen nach und in der Senkung, welche den Mundatwald 
von dem südlich sich anschließenden Hochwald trennt, durchquert 
sie das Gebirge, um dann nach Südwesten weiter ins Tal des 
Sauerbaches zu ziehen. In der genannten Senkung trifft man 
auf eine Waldblöße und Straßenkreuzung, welche den auf- 
fallenden Namen «Pfaffenschlick» führt. Daß derselbe in irgend 
einer Weise auf das Kloster Bezug hat, ist wahrscheinlich. 
Möglicherweise hat Bedebur an dieser Stelle gelegen. Die 
Kantonsgrenze, welcher wir gefolgt sind, hat uns dabei sicher 
den Weg der alten Mundatsgrenze geführt, denn wir hätten 
auch ohne sie von Ingolsheim aus notwendigerweise dem Dach- 
laufe folgen und in die Senkung Pfaffenschlick gelangen müssen. 


1 Schöpflin, Als. ill. I, 650 f£, sagt: nomen forte fuit villae. Erat 
sane familia hujus nominis. 


— 2 — 


Von hier an wird die Grenze gänzlich unsicher. Es 
heißt: ad occidentalem vero plagam usque Lu- 
denbah et Berenbah et inde ad Erlinbah et 
inde ad Gruonenbrunnen et indead Oderiches- 
sceit. Das erste ad hat hier die nur noch zweimal, bei Be- 
ginn der Beschreibung der östlichen und nördlichen Seite, 
vorkommende Bedeutung «in der Richtung», d. h. in der 
Richtung der mit Bedebur beginnenden westlichen Grenzlinie 
gelangt man zuerst nach Ludenbah et Berenbah, dann nach 
Erlinbah usw. Wir müssen uns auch hier zunächst an die 
festliegenden Namen halten: Berenbah und Erlinbah. 
Ersteres wird mit Bruchweiler-Bärenbach, nordwestlich von 
Weißenburg an der Lauter gelegen, identifiziert, letzleres mit 
Erlenbach, östlich davon an einem Nebenflüßchen der Lauter. ! 
Wir nehmen dies als richtig an, da sich andere Orte dieser 
Namen nicht nachweisen lassen. Zwar macht die Grenze bei 
Bruchweiler-Bärenbach eine scharfe Ecke, so daß man von da 
an die nördliche Grenze beginnen lassen könnte, aber immer- 
hin kann man sie auch von da an bis Oderichessceit noch als 
westliche Grenze betrachten, weil der nördlichste Punkt tatsächlich 
noch nicht erreicht ist. Welchen Weg nimmt sie aber, bis 
sie nach Berenbah kommt, und wo liegt Ludenbah ? Auf die 
erste Frage können wir ebensowenig eine sichere Antwort 
geben wie auf die. zweite. Wir können nur vermuten, dab 
die Grenze nicht ins Gebiet des Sauerbachs eintrat, sondern 
den Höhenzug des Mundatwaldes umgehend auf der Wasser- 
scheide zwischen Sauer und Lauter nach Norden ging, etwa 
der Straße nach Klimbach und dem in gerader Fortsetzung 
derselben verlaufenden Pfade folgend, bis zur Landesgrenze. 
Hier kann sie direkt ins Tal der Lauter hinabgestiegen sein, welche 
sie in der Gegend von Bobenthal erreichte, um dann dieselbe 
aufwärts bis Bruchweiler-Bärenbach zu ziehen. Lassen wir 
sie nämlich auf der Wasserscheide, welche ziemlich mit der 
Landesgrenze zusammenfällt, weiterziehen, um erst später ins 
Lautertal hinabzusteigen, so schließen wir den pfälzischen. Ort 
Nothweiler ein, welcher nicht zum Mundat gehörte. Der Ort L u- 
denbah scheint nun, weil es heißt: usque Ludenbah et Beren- 
bah, und das «et inde ad» fehlt, ziemlich nahe bei Bärenbach 


I Schöpflin, Grandidier, Harster. 


— 99 — 


gelegen zu haben, doch können wir nichts Bestimmtes sagen. 
Daß es natürlich nicht Ober- oder Niederlauterbach, Kt. Selz 
und Lauterburg, sein kann, ist klar.  — Von Bärenbach geht 
es nach Erlinbah, dem heutigen Erlenbach, welches öst- 
lich liegt. Die Grenze macht damit einen rechten Winkel 
nach Osten und bewegt sich auch, wie wir sehen werden, 
nur noch wenig nach Norden. Läge Bärenbach nicht ziemlich 
sicher fest, so würde ich, damit die Grenze bis Oderichessceit 
auch wirklich in ihrer ganzen Länge nördlich verlaufen könne, 
Berenbah südlich von Erlinbah annehmen. Jedenfalls ist der 
rechte Winkel auffallend ; der Verfasser der Grenzbeschreibung 
hätte richtiger die plaga septentrionalis mit Berenbah anfangen 
lassen. Doch lassen wir es gelten — Berenbah ist ja tatsäch- 
lich nicht der nördlichste Punkt. Wollen wir noch feststellen, 
auf welchem Wege die Grenze von Bärenbach nach Erlenbach 
gelangt sein kann, so bleibt nur die Annahme übrig, daß sie 
am linken Ufer der Lauter ansteigend den Drachenfels südlich 
umging und von da direkt nach Erlenbach hinabstieg. — Von 
Erlinbah geht es nach Gruonenbrunnen. Schöpflin und 
Grandidier 2 erblicken darin eine Quelle, deren Wasser in 
einen See bei Erlenbach fließt. Dieser See liegt nun aber 
südlich von Erlenbach, jenseits des Berwartsteins. Da nicht 
anzunehmen ist, dad die Grenze, welche doch immer noch nach 
Norden ziehen soll, hier wieder nach Süden abweiche, so kann 
ich dem nicht ohne weiteres zustimmen. Sehen wir zunächst 
einmal zu, wo der folgende Punkt, Oderichessceit, zu 
suchen ist. Schöpflin erklärt es als «Otterscheid, separatio 
Otterae, . . . . tractus, ubi Otter rivus in partes scinditur», 
d. h. die die Gabelung des Otterbaches hervorrufende Land- 
spitze, welche aber offenbar mit unserer Stelle nichts zu tun 
haben kann, weil diese Ottergabelung weit weg von hier 
nach Osten liegt. Vielleicht, meint er, kónne auch das an 
der Otter liegende Dorf Schaidt gemeint sein, was aber aus 
demselben Grunde unmóglich ist. Grandidier stimmt Schópflin 
bei. Nun wird vermutlich in dem Worte sceit unser 
heutiges Wort Scheid vorliegen (scheiden = trennen), und 
dieses kann man hier nach der ganzen Situation nur auf eine 


1 Z. B. Grandidier, a. a. O. 
2 Beide a. a. U. 


— 304 — 


zwei Flußsysteme trennende Höhe, eine Wasserscheide, beziehen. 
Wenn wir nun von Erlinbah aus, wie es die Grenzbeschreibung 
erfordert, weiter nördlich zu gehen haben, so kann nur der- 
jenige Punkt der Wasserscheide zwischen Lauter, Queich und 
Rhein in Betracht kommen, welcher nördlich über Lauter- 
schwann liegt, wo der Erlenbach, der Klingenmünsterer und 
der Bergzaberner Bach die Wasserscheide auf eine schmale 
Stelle zusammendrängen. Dieser Punkt könnte mit Oderiches- 
sceit bezeichnet worden sein, Mit dem rivus Ottera hat der 
Name nämlich nichts zu tun; vermutlich steckt ein Personen- 
name Oderich oder Otterick dahinter. Dieses wäre dann der 
nördlichste Punkt der Grenzlinie. Ist dies richtig, dann kann 
Gruonenbrunnen nur der Name des westlich an Lauter- 
 Schwann vorbeifließenden Baches sein. Die Grenze würde als- 
dann von Erlenbach aus der Straße nach Lauterschwann 
folgen, bis sie diesen Bach schneidet, und dann die jenseitige 
Höhe hinaufziehen. Die Bezirksamtsgrenze läuft ganz den- 
selben Weg. 

Von hier an beginnt die nördliche Mundatgrenze. Da wir 
auf der Wasserscheide angelangt sind, wird es als wahrschein- 
lich gelten dürfen, daß die Grenze derselben südöstlich nach- 
geht. Es geht dies aber als ganz sicher daraus hervor, dab 
die nördliche Grenze bis ad summitatem fluvii, qui 
dicitur Otterbah, weitergeführt wird, also bis dahin, 
wo der Otterbach entspringt. Dahin kann man nur auf dem 
Wege der Wasserscheide gelangen. Auf dieser Wasserscheide 
haben wit also den Ort Eichineberg und das Utdoluesdale zu 
suchen. Eichineberg ist wahrscheinlich nur Bergname, 
kein bewohnter Ort, und dann kann es sich nur um die Höhe 
nördlich über Reisdorf handeln. Die Bezirksamtsgrenze geht 
bis dahin denselben Weg, was auch nicht außer Acht zu 
lassen ıst. Da sich zwischen dieser Höhe und der Quelle 
des Otterbachs nur eine einzige Talsenkung findet, nämlich 
zwischen Reisdorf und Böllenborn, so werden wir in dieser 
Senkung wohl das Tal Utdoluesdale erblicken müssen, 
Von hier aus ist dann wieder die südliche Höhe zu erklimmen, 
um an den Ursprung des Otterbachs zu gelangen. 

Die Grenzbeschreibung ist damit zu Ende. Wir haben 
aber den Anfang derselben noch nicht festgelegt, sondern sind 
von der Furt über die Lauter ausgegangen. Es bleibt urs 


ui OR is 


also noch zu bestimmen, wie die östliche Grenze nördlich der 
Lauter lief. Sie erstreckt sich nach dem Wortlaut der Be- 
schreibung ad orientalem plagam monasterii d. h. 
auf oder in der Richtung der östlich vom Kloster liegenden 
Seite usque ad Morechenouuena et ad Aldenherde 
et inde ad Geboldesuuege et inde subter va- 
dum Hlutrae, von wo wir ausgegangen sind. Moreche- 
nouuena ist also der erste Punkt der östlichen Grenze, 
offenbar der nordöstliche Eckpunkt. Es fehlen uns direkte An- 
gaben über seine Lage. Wir kónnen aber aus dem Zusammen- 
hang schließen, daß er am Otterbach und zwar auf dessen 
rechten Ufer gelegen haben mufb.! Denn nur in diesem Falle 
waren nähere Angaben unnötig, und weil es stillschweigend 
vorausgesetzt war, dab man vom Endpunkt der Grenze an der 
Quelle des Otterbaches nur diesem Bachlaufe entlang zu gehen 
brauchte, um an den Ausgangspunkt der Grenze zu gelangen, 
ja weil sich ein anderer Weg gar nicht denken ließ, so ist 
dies in der Beschreibung ausgelassen. Wir haben ferner die 
Beobachtung gemacht, daß in der ursprünglichen Schenkungs- 
urkunde Pippins die Grenzbeschreibung wahrscheinlich mit 
Eichineberg aufhörte, wie dies auch die gefälschte Dagobert- 
Urkunde hat. Wenn nun Morechenouuena nicht am Otter- 
bach gelegen hätte, dann konnte die Grenzbeschreibung nie- 
mals mit Eichineberg schließen, weil man dann beliebige 
Grenzläufe hätte annehmen können, auf welchen man nach 
Morechenouuena gelangen kounte. Weil aber seine Lage am 
Otterbach war, so konnte man von Eichineberg aus nur auf 
dem Wege des Olterbachs dorthin gelangen und von Fichine- 


1 Da der Otterbach die Nordgrenze ist, kann naturgemäß nur 
das rechte Ufer für Morechenouuena in Betracht kommen. Obwohl 
man aus dem Schlusse der Grenzbeschreibung auf den ersten Augen- 
schein hin vermuten könnte, daD Oberotterbach, welches jetzt auf 
das rechte Ufer übergreift, aber sicher ursprünglich auf dem linken 
Ufer angelegt worden ist, ebenfalls zum Mundat gehórt habe, weil 
am Ende der Grenzbeschreibung noch die Worte folgen «una cum 
villa» (usque ad summitatem fluvii, qui dicitur Otterbah, una cum 
villa), so beruht dies auf Täuschung, weil das «una eum villa» sich 
nicht auf den fluvius Otterbah, sondern auf das gesamte Gebiet des 
Mundats bezieht und die villa WeiDenburg damit gemeint ist, Es 
ist überhaupt fraglich, ob Oberotterbach zur Zeit der Schenkung be- 
reits bestanden hat. 


— 26 — 


berg bis dahin gab es schließlich auch nur einen Weg, näm- 


lich auf der Höhe der Wasserscheide weiterzugehen. Für jene 
Zeiten des beginnenden achten Jahrhunderts genügten die An- 
gaben der Grenzbeschreibung. Später scheinen trotzdem Ver- 
wicklungen entstanden zu sein, welche die nähere Bestimmung 
der Grenze nötig machten, und deshalb erscheint in den Be- 
stätigungsurkunden eine erweiterte Grenzbestimmung. Aber 
auch dann hörte man mit dem Ursprung des Otterbachs aut, 
weil von da an gar kein Zweifel mehr möglich war. — Mo- 


rechenouuena hat also auf dem rechten Ufer des Otterbachs : 


gelegen, und da sich die Grenze von da an gegen das vaduın 
Hlutrae herabziehen muß, so kann der Ort im wesentlichen 


nur nördlich des Punktes gelegen haben, welcher von uns für das | 


vadum Hlutrae in Anspruch genommen worden ist, d. h. in 
der Verlängerung der Grenze des elsässischen Kantons Weißen- 
burg. Auffallenderweise verläuft in dieser Richtung die Grenze 
des pfälzischen Bezirksamts Bergzabern, so daß wir dadurch in 
der Richtigkeit unserer Annahme bestärkt werden. Auf diese 
Weise wird auch das südwestliche Stück des Bienwaldes nörd- 
lich der Lauter, welches den Namen «Mundat» heute noch 
führt, mit eingeschlossen. Vielleicht hat Morechenouuena da 
gelegen, wo diese Bezirksamtsgrenze den Otterbach schneidet. 
Nach Schópflin! und Grandidier? wäre es = Münchhof oder 
Münchhofen. Offenbar ist damit der ehemals bei Ingolsheim 
gelegene, jetzt verschwundene Hof dieses Namens gemeint, 
denn auf der bei Schöpflin 3 sich findenden Karte des Ducatus 


Alsatiae ist westlich von Ingolsheim der Ort «Morchinhofen» . 


verzeichnet. Dies ist aber eine ganz falsche Annahme, da die 
Grenzbeschreibung damit niemals stimmen kann. — Was die 
beiden andern Oertlichkeiten angeht, Alden herde und 
Geboldesuuege, so sind dies vermutlich nur Namen von 
Walddistrikten gewesen, letzteres wohl eine WaldstraBe; ihre 
` genauere Lage ist gänzlich unbekannt. 

Nachdem wir so die ehemalige Mundatsgrenze bis zu einer 
gewissen Wahrscheinlichkeit festgelegt haben, wobei ich her- 
vorhebe, daß damit die überaus schwierige Frage durchaus 


J Als. dipl. I, p. 121, Anm. zu Nr. 148. 
2a. a. O. 
3 Als. ill. I, p. 619. 


o MM 


Bu. HT uu 


nicht gelóst sein, vielmehr nur zu genauerer Nachforschung in 
der bezeichneten Richtung angeregt! werden soll, damit etwaige 
Irrtümer berichtigt und Lücken ergänzt werden können, dürfte 
es sich empfehlen, mit den gefundenen Grenzen die Verzeich- 
nisse der Mundatsorte, oder vielmehr derjenigen Orte, welche 
dem Mundatgerichte unterstanden, soweit sie uns aus späteren 
Zeiten erhalten sind, zu vergleichen, um zu ersehen, ob die- 
selben innerhalb der von uns gefundenen Grenzen eingegliedert 
werden können. Es dient dies in gewissem Sinne zur Kon- 
trolle unseres Resultales, da wir annehmen können, daß bis 
auf kleine Abweichungen der Umfang des alten Mundatbezirkes 
auch in späteren Jahrhunderten nicht gänzlich verwischt worden 
ist. Verband doch, trotzdem das Mundatgebiet zum Teil an 
fremde Besitzer gekommen war, ein gemeinsames Recht und 
Gericht die Gemeinden desselben bis zur französischen Revo- 
lution. Auf die Frage, ob die später als Mundatsorte er- 
scheinenden Dörfer zur Zeit der Schenkung des Mundats, wo- 
von unsere Untersuchung handelt, bereits bestanden oder nicht, 
werden wir hier natürlich nicht eingehen können. 

Mone! gibt eine Aufzählung derjenigen Ortschaften, welche 
im Jahr 1722 dem Staffelgericht? d. h. dem Gericht über das 
Mundat unterstellt waren. Es sind, außer Weißenburg : Stein- 
feld, Kapsweier, Schweighofen, Altenstadt, Schleithal, Ober- 
seebach, Riedselz, Steinselz, Kleeburg, Rott, Schweigen, 
Rechtenbach, Weiler, Bobenthal, Schlettenbach, Erlenbach, 
Lautersch wann, Reisdorf, Birkenhördt und Bóllenborn. Schöpflin3 
gibt als Orte des Mundats, abgesehen von den kleinen Weilern, 
folgende an, wie sie also Mitte des 18. saec. dazugerechnet 
wurden: Altenstadt, Schweighofen, Schleithal, Oberseebach, . 
Bobenthal, Schlettenbach, Finsternheim,4 Bärenbach, Steinfeld, 
Kapsweier, Warsbach,5 Schweigen, Weiler, St. German, ® 


1 Mone. Zeitschr. f. d. Gesch. des Oberrheins, II (1851), p. 54 f. 

2 So genannt, weil es ursprünglich an den steinernen Stufen 
gehalten wurde, welche rechts von der steinernen Brücke, die zum 
Kloster führte, hinab zur Lauter gingen. cf. Papelier, dissert. de 
mundato Weissenb. (1771), p. 55 f. 

3 Als. ill. II, p. 429. 

4 Es lag im Tal der Lauter, vermutlich zwischen Niederschlet- 
tenbach und Bruchweiler-Bárenbach. 

5 Zu Schópflins Zeiten nur noch ein Weiler. 

6 Heute St. Germanshof, westlich von Weißenburg. 


su OR cus 


Kleeburg, Rott, Steinselz, Oberhofen, Rechtenbach, Reisdorf, 
Böllenborn, Riedselz, Bundenthal, Erlenbach, Lauterschwann. 
An einer anderen Stelle! gibt Schöpflin eine abweichende Auf- | 
zählung, welche außer Weißenburg nur zwanzig Ortschaften 
umfaßt. Er läßt Erlenbach, Lauterschwann, Bundenthal, 
Finsternheim, Warsbach, St. German aus, führt aber dafür 
Ingolsheim an. Mit Hoffen meint er wohl Oberhofen. Papelier ? 
führt als Dörfer des Mundats bezw. des Mundatgerichtes an 
(1771): Reisdorf, Böllenborn, Rott, Steinselz, Oerhofen, Rechten- 
bach, Kleeburg, Riedselz, Schleithal, Seebach, 3 Altenstadt, 
Schweighofen, Warsbach, Schlettenbach, Bobenthal, Bärenbach, 
Finsternheim, Steinfeld, Kleinsteinfeld, Kapsweier, Schweigen, 
Weiler, St. German, Weitelbrunnen und Vierthurnen, 4 Bunden- 
thal, Erlenbach, Lauterschwann. Rheinwald5 gibt den Stand 
von 1789 an: Schweigen, Weiler, Riedselz, Rott, Steinselz, 
Oberhofen, Kleeburg, Ingolsheim, Altenstadt, Schweighofen, 
Schleithal, Oberseebach, Bobenthal, Niederschlettenbach, Fin- 
sternheim, Baerenbach, Saint-Remy, 6 Kapsweier, Steinfeld, 
Kleinsteinfeld, Aschbach, Reisdorf, Bóllenborn, Bundenthal, 
Erlenbach, Lauterschwann. 

Diese Verzeichnisse weichen zum Teil erheblich vonein- 
ander ab. Mone läßt gerade solche Ortschaften aus, welche 
sicher zum ehemaligen Mundat gehört haben, denn Warsbach 
und Bärenbach werden in der Grenzbeschreibung direkt ge- 
nannt; Bundenthal fällt, weil der äußerste Punkt der Grenze 
im Lautertal erst mit Bärenbach-Bruchweiler *erreicht wird und 
es südlich davon liegt, ebenfalls ins Mundat ; St. German und 
Oberhofen liegen nicht weit von Weißenburg, haben also auch 
im Mundat gelesen; was Finsternheim betrifft, so finden wir 
es auf Karten nicht mehr verzeichnet, es hat aber nach der 
Angabe Papeliers zusammen mit Schlettenbach, Bobenthal und 
Bärenbach «in valle Schlettenbach» d. h. im Lautertal gelegen, 
und wir haben naclı allem Grund zur Annahme, daß es eben- 


1 Als. ill. I, p. 653. 

2 a. a. O., p. 11 ff. 

3 Oberseebach. 

4 Sind jetzt D WeiDenburg verschmolzen. 

5 a. a. O., 

6 Ehemals ein p Schloß der WeiDenburger Abtei, östlich 


von Weibenburg bei ‚Altenstadt. Heute nur noch eine Mühle dieses 
Namens. 


— 99 — 


falls südlich von Bärenbach gelegen und zum Mundat gehört 
hat. Diese alla fehlen bei Mone. Was Birkenhördt betrifft, 
“welches Mone abweichend von den andern Verzeichnissen an- 
führt, so werden wir darauf noch zurückkommen. Die 
meiste Aehnlichkeit mit diesem Verzeichnis hat das zweite 
(kürzere) Verzeichnis Schöpflins. Dieses führt noch Ingolsheim 
an, welches sicher zum Mundat gehört hat, läßt aber mehrere 
andere aus, welche ebenfalls dazu gehört haben müssen. Ist 
mit Hofen nicht Oberhofen gemeint, sondern Hofen bei Sulz 
u. W., dann fällt dasselbe natürlich außerhalb der Mundats- 
grenze. Zwischen den drei anderen Verzeichnissen sind weniger 
Differenzen. Auffallend ist, daß Ingolsheim nur von Rheinwald 
aufgeführt wird, da es doch nach der Grenzbeschreibung 
ein Ort des Mundats war. Bei Rheinwald fehlt auch 
Rechtenbach, während er an Stelle des fehlenden Warsbach 
das Dorf Aschbach nennt, welches er unter Warsbach vermutet, 
welches nach der Grenzbeschreibung aber nie ein Mundatort 
gewesen sein kann. Weniger wichtig ist, daß Papelier und 
Rheinwald außer Steinfeld auch Kleinsteinfeld anführen, welche 
kaum voneinander getrennt werden können, und daß Papelier 
noch Weitelbrunnen und Vierthurnen, Rheinwald noch St. Remy 
nennt, welche teils mit Weißenburg zusammengeschmolzen 
sind, teils dicht dabei lagen, also sicher in die Mundatsgrenze 
fallen. In allen Verzeichnissen kommt Böllenborn vor; wir 
werden uns damit gegebenen Orts näher beschäftigen. 

Bisher ist nun ein Verzeichnis nicht erwähnt worden, 
welches seinem Alter nach an erster Stelle stehen sollte, welches 
aber so bedeutend von den andern abweicht, daß ich es Jetzt 
erst anführe. Es findet sich im Chronicon Alsatiae des Bern- 
hart Hertzog, 1 gibt also den Stand des Jahres 1592 an. Als 
Orte, welche «von Alters her ihren Zug und Appellation» zum 
Staffelgericht gehabt haben, führt er an : Niedermodern, West- 
hofen, Pfaffenhofen, Kurzenhausen, Klingen (Klingenmünster), 
Schleithal, Steinselz, Kleeburg, Rott, Altenstadt, Odissheim 
(Edesheim bei Landau?), Schweighofen, Weiler, St. German, 
Rechtenbach, Bobenthal, Hagenbach (nördlich von Lauterburg), 
Oberkurzenhausen (Oberkutzenhausen), Oberseebach, Schweigen, 


1 Bernh. Hertzog, Chronicon Alsatiae (Edelsasser Chronik), 1592, 
Bch. X, p. 118. 


— 30 — 


Vierthurnen, Schlettenbach, St. Paul (bei Weißenburg), GeiBlers- 
hofen (Geitershof nördlich von Oberseebach ?), Steinfeld, Birlen- 
bach, Oberhofen, Kapsweier, Si. Reming, Riedselz, Warsbach. 
Von diesen Orten haben Niedermodern, Westhofen, Pfaffenhofen, 
Kurzenhausen, Klingen, Edesheim, Hagenbach,  Oberkutzen- 
hausen, Birlenbach sicher nicht zum ehemaligen Mundat gehört, 

Berücksichtigen wir von diesen Aufzählungen zunächst 
nur die Grenzorte, so finden wir als am weitesten nach den 
vier Himmelsrichtungen vorgeschobene Orte bei Mone folgende: 
Steinfeld — Schleithal — Oberseebach — Kleeburg — Bobenthal — 
Schlettenbach — Erlenbach — Lauterschwann — Birkenhördt — 
Böllenborn. Es fehlen Bundenthal, Bärenbach und Ingols- 
heim, so daß die ganze Nordwestecke des von uns gefun- 
denen Mundatgebietes und ein Stück im Süden wegfällt. 
Nach Schópflin und Papelier sind die Grenzorte folgende: 
Steinfeld bezw. Kleinsteinfeld — Schleithal — Warsbach — Ober- 
seebach — Kleeburg — Bobenthal — Schlettenbach —Bundenthal— 
Bärenbach—Erlenbach—Lauterschwann—Böllenborn. Hier fehlt 
noch immer Ingolsheim. Nach dem kürzeren Verzeichnis Schöpflins 
sind die Grenzorte: Steinfeld—Schleithal—Oberseebach—Ingols- 
heim—Kleeburg—Bobenthal—Schlettenbach—Bärenbach (Bruch- 
weiler), Es fehlen Warsbach, Bundenthal, Erlenbach, Lauter- 
schwann, Reisdorf. Dagegen ist Ingolsheim vertreten. Nach 
Rheinwald sind die Grenzorte dieselben wie im längeren Ver- 
zeichnis Schöptlins und wie bei Papelier, mit dem Unterschiede, 
daß ebenfalls Ingolsheim vorhanden und Aschbach, irrtüm- 
lich anstatt Warsbach, hinzugekommen ist. Das Verzeichnis 
Bernhart Hertzogs endlich gibt, wenn wir diejenigen, welche 
sicher nicht zum ursprünglichen Mundat gehört haben, gleich 
von vornherein ausscheiden, als Grenzorte: Steinfeld —Schlei- 
thal —Warsbach —Oberseebach — Kleeburg —Bobenthal —Schlet- 
tenbach —Rechtenbach, so daß im Süden Ingolsheim und im 
Nordwesten ein groBes Stück fehlt. 

Wenn, wie sich so herausstellt, in den Verzeichnissen 
solche Orte fehlen, welche sicher zum Mundat gehórt haben, so 
daß die Grenzlinie Lücken aufweist, welche nicht vorhanden sein 
dürften, da die erforderlichen Ortschaften meist zur Zeit der Auf- 
stellung der Verzeichnisse vorhanden waren, so ist dies nur so 
zu erklären, dab dieselben nicht nur lokal, sondern auch hin- 
sichtlich der Jurisdiktion dem Mundat entfremdet waren, daß der 


—.91 — 


jeweilige Besitzer das Mundatgericht nicht anerkannte und des- 
halb die Orte an demselben nicht teilnahmen. Das gemeinsame 
Gericht war der Rest der früheren Mundatsherrschaft, und es 
scheint, daß sich dieser Rest nicht einmal mehr immer gegen 
den Willen der Ortsherren behaupten ließ. Wenn nun spätere 
Verzeichnisse diese Orte z. T. wieder aufführen, so ist dies ein 
Zeichen, daß sich die Verhältnisse wieder geändert hatten. 
Vergleichen wir nun mit den Grenzorten des späteren 
Mundatgebietes unsere gefundene Grenzlinie, so ergibt sich, 
daß, abgesehen von dem Verzeichnisse des Bernhart Hertzog, 
außer Birkenhördt, Böllenborn und Aschbach kein einziger Ort 
erscheint, welcher über unsere Grenzlinie hinausgeht. Haben 
wir nun, weil die drei Orte darüber hinausreichen, dennoch 
eine falsche Grenzlinie gefunden ? Hinsichtlich Aschbach jeden- 
falls nicht, denn Aschbach fällt nach der Grenzbeschreibung 
der Urkunden sicher außerhalb des ursprünglichen Mundats, 
und Rheinwald führt es nur an, weil er es für das Uuarahes- 
bah der Grenzbeschreibung halt. Aber auch binsichtlich 
Birkenbördt und Böllenborn ist unsere nach den Urkunden 
gefundene Grenzlinie festzuhalten, welche diese beiden Orte 
ausscheidet. Denn für ihre Ausscheidung spricht ihre Lage 
jenseits der Wasserscheide. Gerade weil die Grenze nord- 
östlich von Erlenbach der Wasserscheide zustrebt, weil dort 
der auffallende Name «Oderichessceit» vorkommt und weil man 
bis an die «summitas fluvii, qui dicitur Otterbah», gelangen 
muß, ist gar nichts anderes möglich, als daß die Grenze der 
Wasserscheide nachlief, und dann muß Birkenhördt und Böllen- 
born wegfallen. Damit ist natürlich nicht bestritten, dab im 
18. saec. diese beiden Orte zum Mundatgericht gehört haben, 
ebenso auch Aschbach. Aber ursprünglich waren es keine Mun- 
datorte. Ebenso wie das Kloster Weißenburg eine Anzahl 
der ihm schon früh, wahrscheinlich durch die eigenen kaiser- 
lichen Vögte, entfremdeten Teile des Mundats wieder erwarb, ! 


1 Wenn Papelier uns bei Aufzählung seiner Mundatsorte be- 
richtet, daß einige derselben erst im 14. saec. zur Propstei WeiDen- 
burg gekommen seien, besonders solche, die ursprünglich Mundats- 
orte gewesen sein müssen, und daß dieselben früher kaiserliche 
Lehen waren, so ist dies ein Beweis dafür, dal) die Kaiser selbst 
den Besitzstand des Klosters geschmälert hatten und gerade im 
14. saec. das Kloster einige Güter wieder in seine Hand zurück- 
brachte. 


ae 0 2 


so hat es vielleicht auch hin und wieder einen ans Mundat 
angrenzenden Ort gelegentlich erstanden und seinem Mundat- 
gericht unterstellt, und dies könnte bei Birkenhördt, Bóllen- 
born und Aschbach für mehr oder weniger lange Dauer der 
Fall gewesen sein. 

Mit den im Verzeichnis des Bernhart Hertzog angeführten 
Orten, welche nach der urkundlichen Grenzbeschreibung nicht 
zum Mundat gehört haben können, liegt die Sache etwas 
anders. Die meisten derselben sind solche, an welchen sich 
für eine frühere Zeit teils nach den traditiones teils nach dem 
liber possessionum WeiBenburger Besitz nachweisen läßt. Es 
mag deshalb so zusammenhängen, daß ein Teil der ehemals 
mit Weißenburg in Verbindung gewesenen Orte, wenigstens 
so weit sie nicht allzu entfernt lagen, auch unter fremder 
Herrschaft, und vielleicht gerade mit Zustimmung der letzte- 
ren, ihr altes ehemals zuständiges Gericht als Berufungs- 
instanz gegen ihr Ortsgericht in späteren Zeiten noch aner- 
kannten. Sagt ja Hertzog selbst, dab er Orte anführe, welche 
von Alters her ihren Zug und Appellation zum Staffel- 
vericht gehabt haben. Diese Annahme wird dann auch für 
diejenigen Orte des Verzeichnisses gelten, für welche wir einen 
urkundlich belegten Besitztitel Weibenburgs nicht kennen ; sie 
haben früher wohl auch mit ihm in Verbindung gestanden 
und deshalb das Staffelgericht auch weiter als ihr Obergericht 
betrachtet. 

Die genannten Verzeichnisse haben für uns fast nur eine 
relative Beweiskraft. Sie wollen und können uns nicht das 
Gebiet des alten Mundats beschreiben, sondern nur den 
Mundatgerichtsbezirk, wie er zu ihrer Zeit war. Sie 
selbst verwechsellen denselben mit dem Territorium des 
Mundats. Der Begriff «Mundat» war aber zu ihren Zeiten 
keine territoriale Einheit mehr, weil das Kloster oder viel- 
mehr die an dessen Stelle getretene Propstei Weißenburg nur 
noch einen kleinen Teil davon besaß; es war eben nach den 
Tagen des Glanzes und der Macht ein trauriger Verfall einge- 
treten, welcher das Schicksal fast aller großen Klöster des 
Mittelalters war. Das Mundatgericht aber hatte allen Wechsel 
der Herrschaften überdauert. Dieses war der die einzelnen 
Stücke des Territoriums «Mundat» noch zusammenhaltende 
und als ursprünglich zusammengehörig bezeichnende Rahmen. 


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Ja das Gefühl der Zusammengehórigkeit mit ihrer ehemaligen 
Herrschaft war auch bei solchen Ortschaften, welche nie zum 
eigentlichen Mundat gehört hatten, so mächtig geblieben, daß 
sie sich diesen  Mundatgerichte unterstellten, nachdem sie 
làngst anderen Herren dienten. Will man nun aus diesen den 
Gerichtsbezirk des Mundats umfassenden Verzeichnissen eine 
Angabe über den ursprünglichen territorialen Umfang 
des Mundates herauslesen, dann muß man also, wie wir es 
getan haben, alle diejenigen Ortschaften eliminieren, welche 
nicht zum Mundatgebiet, wie uns dasselbe in der Schenkung 
Pippins entgegentritt, gehört haben können. Dazu gibt uns 
ja die urkundliche Grenzbeschreibung Anhaltspunkte genug. 
Der verbleibende Rest wird seinerseits die durch die Grenz- 
beschreibung gefundene Grenzlinie des ehemaligen Mundatbe- 
zirkes genauer zu bestimmen vermögen, wo diese Grenzbeschrei- 
bung uns jetzt im Stich läßt oder uns nur zu Vermutungen 
führt. Beides, die alte Grenzbeschreibung und die jüngeren 
Mundats- bezw. Mundatgerichtsverzeichnisse, stehen also in 
einer gewissen Wechselbeziehung und ergänzen sich gegenseitig. 

Auf diese Weise konnte es sich schließlich, weil wir bei 
den meisten Orten ohne weiteres nachweisen konnten, welche 
sicher zum alten Mundat gehört hatten und welche nicht, nur 
um Birkenhördt und Böllenborn handeln, weil gerade in jener 
Gegend die Grenzbeschreibung «unsicher ist. Die Erwägung 
aber, daß gerade dort die Grenze der Wasserscheide gefolgt 
sein muß, mangels anderer Angaben, hat auch diese beiden 
Orte ausgeschieden. Alle übrigen noch bleibenden Grenzorte 
des aus den Mundatgerichtsverzeichnissen herausgeschälten 
Mundatgebietes liegen innerhalb der von uns urkundlich fest- 
gelegten Grenzlinie, womit diese letztere tatsächlich eine ge- 
wisse Bestätigung erhält, andererseits aber auch bewiesen wird, 
daß das eigentliche Mundatgebiet sich im wesentlichen nur 
hinsichtlich seines Gerichtsbezirkes geändert hat. 

Hiernach werden wir also an der urkundlich festgestellten 
Grenze der alten Schenkung des Mundats Weißenburg vor- 
läufig festhalten. Was noch mangelt, möge die Lokalforschung 
beibringen. Hoffentlich aber bietet die Untersuchung einen 
willkommenen Beitrag zur Sache selbst. 


HERR. 3 


— 34 — 


Exkurs: Die Gründung der Abtei Weißenburg. 


Mit der Frage, wann das Kloster Weißenburg gegründet 
worden sei und auf wen die Gründung zurückgeführt werden 
könne, haben sich außer mehreren kirchengeschichtlichen 
Werken besonders Zeuß* und Harster? eingehend beschäftigt; 
auch Rheinwald3 ist hier zu nennen. Gelegentliche Notizen 
darüber finden sich in allen größeren Urkundenwerken. Eine 
direkte Lösung der Frage haben sie nicht gegeben, und wenn 
sich nicht noch verborgenes Urkundenmaterial findet, welches 
Licht über das Dunkel verbreitet, wird die Frage wohl nie 
ganz geiöst werden. Auch ich will die Lösung nicht in Aus- 
sicht stellen; ich möchte nur festlegen, welche der verschie- 
denen Ansichten die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. 

Es handelt sich hauptsächlich um drei Fragen : 1) Ist der 
König Dagobert I. der Gründer, 2) ist der Bischof Dragobod 
der Gründer, 3) ist Dagobert II. oder Dagobert III. als solcher 
anzusehen ? | 

1) König Dagobert I. (622—638) gilt als Gründer zunächst 
nach der Klostertradition. Einen Ausdruck dieser Tradition finden 
wir z. D. in der Einleitung des liber possessionum des Abtes 
Edelinus (13. saec.),4 wo es heißt: ... possessiones, 
que a reuerende memorie primo et inclito Da- 
goberto rege Francogum, nostri monasterii 
fundatore, et a suissuccessoribus etc. nostro 
monasterio suntcollate. Zu dieser Tradition dürfen 
wir auch die Inschrift rechnen, welche sich früher an einem 
der Gebáude der Abtei befand,5 wonach Do minus Dago- 
bertus Rex Francorum das Kloster im Jahre 623 ge- 
gründet hat. Als einen Ausfluß dieser Tradition bezeichne ich 
auch die gefälschte Dagobert-Urkunde, welche, nur weil Dago- 
bert als Gründer galt, nun auch von ihm die Hauptschenkung 
des Klosters herrühren lift. Umgekehrt stützen sich diejenigen, 


1 ZeuD, traditiones possessionesque Wizenburgenses (1842), p. 
XI ff. 

2 Harster, Der Güterbesitz des Klosters Weißenburg i. Elsaß, 
I (1893), p. 5 ff. 

3 Rheinwald, l'abbaye et la ville de Wissembourg (1863), p. 5ff. 

4 ZeuD, a. a. O., p. 269. 

? Rheinwald, a. a. O., p. 12. 


welche Dagobert I. als Gründer gelten lassen, gerade auf diese 
unter dessen Namen gehende Fälschung. 

Dagobert I. wird ferner als Gründer des Klosters in einer 
Reihe Urkunden genannt. Zuerst in einer Urkunde Heinrichs IV, 
von 1102,1 wo von decreta, que eadem ecclesia 
accepit a fundatore suo Dageberto rege, ge- 
sprochen wird, und derselbe Wortlaut findet sich in einer fast 
gleichlautenden Urkunde Heinrichs V. von 1111.? Ferner ist 
in der Bulle Alexanders III.,? welche die Güter Weißenburgs 
bestätigt, die Rede von Dagoberto videlicet supra- 
dicti loci fundatore, und ebenso in späteren Bullen 
Coelestins III. von 1193 und Innocenz III. von 1215. Auch 
in einer Urkunde Friedrich Barbarossas von 411874 findet sich 
die Wendung: a felicissime recordacionis Dago- 
bertorege eiusdem ecclesie fundatore. In diesen 
Diplomen spiegelt sich ebenfalls die Klostertradition wieder, 
denn dieselben sind auf Bitten des Klosters ausgestellt und 
haben dem Ausdruck gegeben, was die Petenten nachdrucksvoll 
betonten. Diese Klostertradition ist auch in andere schriftliche 
Quellen übergegangen, z. B. in den Weißenburger Aebtekatalog, 
welcher die Klostergründung ins Jahr 623 verlegt. 

2) Auf Dragobodus, den nachmaligen Bischof von 
Speier, hat zuerst ZeuD 5 hingewiesen, und seitdem ist dieser 
als Gründer des Klosters vielfach angesehen worden. In der 
traditio Nr. 903 der trad. Wiz., welche im Jahre 700 ausge- 
stellt und welche an den dominus et pater Drago- 
bodus episcopus gerichtet ist, schenkt ein gewisser Bone- 
facius Erbschaftsgüter «ad monasterio domno Petro Uuizenburgo, 
queipse pontifex contruxsit». Mit dem pontifex ist 
nach Zeuß kein anderer als Dragobodus episcopus gemeint. 
Dieser Dragobodus episcopus soll der Bischof von Speier ge- 
wesen sein, welcher den Bischofssitz von 660—688 innehatte, 
und es läßt sich in der Tat für jene Jahre um 700 kein anderer 
Dragobodus ep. ermitteln. Zeuß erklärt nun, Dragobodus 


1 Zeuß, a. a. O., p. 320. 

2 ZeuD, p. 325 ff. (Transsumpt der Urk. von 1303). Sehópflin, 
Als. dipl. I, p. 183 (Nr. 240). , 

3 ZeuD, p. 321 f. 

4 ZeuD, p. 326 f. (Transsumpt der Urk. von 1303). 

5 Ibid. p. XIU f. 


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müsse sich für die letzten Jahre seines Lebens ins Kloster 
Weißenburg zurückgezogen haben, welches er vor einer Reihe 
von Jahren gegründet hatte (quod nuper ipse aedificaverat). 
Daraus, daß die Urkunden des Klosters in den trad. Wiz. mit 
etwa 695 anfangen, schließt nun Zeuß, daß das Kloster um 
diese Zeit schon ein paar Jahre bestanden habe, und setzt die 
Gründung durch Dragobodus in die Zeit von 685 bis 690. 

3) Dagobert II. (674—679) ware nach Schópflin! der 
Gründer, Letzterer wird zu dieser Annahme bewogen durch 
die falsche Chronologie in der Dagobert-Urkunde, dann aber 
auch durch die von ihm angeführte Grabschrift der Tochter 
Dagoberts, Irmina,? welche im Kloster beigesetzt war. Dieselbe 
soll gelautet haben: Hie reconditum est integrum corpus beatae 
Irminae virginis, filiae Dagoberti regis Franco- 
rum, fundatoris huius monasterii. In dem Re- 
liquienverzeichnis des Abtes Edelin 3 ist dieser corpus erwähnt, 
aber nichts hinzugefügt, daß Dagobert der fundator sei. Diese 
Annahme Schöpflins steht auf ziemlich schwachen Füßen. Um 
Dagobert II. mit dem Kloster in nähere Beziehung zu bringen, 
deutet Schöpflin und nach ihm Grandidier die Urkunde Dago- 
berts, welche auf Bitten des Abtes Ratfridus dem Kloster die 
Bader in Baden schenkt,4 auf Dagobert II. fürs Jahr 675, 
während sie notwendigerweise auf Dagobert III. fürs Jahr 719 
gedeutet werden muß. Der Abt Ratfridus nämlich erscheint 
in den trad. Wiz. von 695 etwa bis 724, und es ist schwerlich 
anzunehmen, dab er bereits 675 Abt war. — Was Dago- 
bert III. (711—715) betrifft, so verweist Spach 5 auf ihn als 
den wahrscheinlichen Schenkgeber des Mundats, weil er in der 
ebengenannten Urkunde von 712 auch als Schenkgeber der 
Bäder in Baden erscheint, und augenscheinlich ist ihm derselbe 
auch der Gründer. 

Wie stellen wir uns zu diesen verschiedenen Ansichten ? 

Zunächst scheidet Dagobert III. von selbst aus, da die 


! Als. dipl. I, p. 22. Anm. zur Dagobert-Urkunde. Vgl. Als. 
ill. I, p. 136. 

2 Rheinwald, a. a. O., p. 8f. 

3 ZeuD, a. a. O., Appendix Nr. XII, p. 337. 

4 Zeuß, a. a. O., Nr. 218 (p. 266); Schöpflin, Als. dipl. I, p. 4 
(Nr. 3); Grandidier, hist. d’Als., pieces justific. Nr. 12. 

9 Spach, l'abbaye de Wissembourg (Bull. de la soc. pour la 
conserv. ete. III (1857), p. 151). 


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älteste sicher datierbare Urkunde der trad. Wiz. schon aus 
dem Jahr 695 stammt,! Dagobert III. aber erst 711 zur Re- 
gierung kam. Dies schließt natürlich die später erfolgte 
Schenkung der Bäder in Baden an das Kloster nicht aus. 

Auch Dagobert II. muß ausscheiden, weil das, was Schöpflin 
für denselben anführt, nicht die geringste Beweiskraft hat. 
Stammt die Urkunde Nr. 38 der trad. Wiz., welche Zeuß 
ins Jahr 693 versetzt, wirklich aus dieser Zeit, dann könnte 
man, da der Aussteller berichtet, daß er und seine Geschwister 
in ihrer Jugend im Kloster aufgenommen worden waren, 
schließen, daß dasselbe vielleicht im Anfang der siebziger Jahre 
entstanden sein werde. Doch diese Urkunde gerade ist nicht 
sicher zu datieren, und schon Zeuß änderte, um die Urkunde 
mit der Regierungszeit Chlodwichs III. in Uebereinstimmung 
zu bringen, die Zahl XII der Regierungsjahre in III. Wir 
lassen diese Urkunde ain besten unberücksichtigt. 

So würde es sich also nur noch um den Bischof Dragobod 
und um Dagobert I. handeln. l 

Was uns die oben erwähnte Urkunde Nr. 203 der trad. 
Wiz. von Dragobodus berichtet, ist wenig genug. Ihm wird die 
Schenkung übergeben. Hieraus kann man zweierlei schließen: 
entweder ist dieser Dragobodus episcopus damals Abt des Klosters 
gewesen, oder es war eine Sedisvakanz eingetreten und der 
Bischof war gleichsam Vertreter des Klosters für Rechtsgeschäfte, 
Ersteres ist nichts Unwahrscheinliches ; der Bischof wollte seine 
letzten Lebensjahre im Kloster verleben und mußte da noch 
das Amt des Abtes übernehmen. Letzteres würde zu der An- 
sicht passen, daß dieser Dragobodus der Bischof von Speier 
war, denn Kloster Weißenburg gehörte zur Diözese Speier. 
Entgegen der Meinung Zeuß’, daß der Bischof sich im Kloster 
zur Ruhe gesetzt habe, hält Harster? die Annahme für be- 
rechtigt, daß derselbe zur Zeit der Schenkung, also im Jahre’ 
7100, noch im Amte war. Die Möglichkeit, daß er von 688 ab 
— er soll von 660 bis 688 Bischof gewesen sein — ins Kloster 
ging und dann dort noch Abt wurde, ist aber auch nicht ganz 
abzuweisen, und um so mehr wäre dies zu begreifen, wenn das 


1 Zeuß, a. a. O.. Nr. 46. — Nr. 38 ist vielleicht noch etwas 
älter, aber hier ist die Datierung unsicher. 
2 à. 8. O., p. 6. 


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Kloster von ihm gegründet war, wie es ja ZeuD aus der Ur- 
kunde beweisen will. Bezieht sich aber der Ausdruck «que ipse 
pontifex contruxsit» wirklich auf Dragobodus episcopus? Auch 
Harster ! mißt demselben keine direkte Beweiskraft bei. Ist er 
aber wirklich damit gemeint und als Erbauer des Klosters be- 
zeichnet, dann entsteht die Frage, ob er dasselbe während der 
ersten Hälfte seines Episkopats (660—688 [vielleicht 700 und 
lànger]) erbaut habe oder vor demselben, also vor 660, und ob 
er dann vielleicht auch Abt des Klosters war, his er auf den 
Bischofsstuhl von Speier berufen wurde, wie dies Rheinwald ? 
annimmt. Letzteres wäre für ihn ebenfalls ein Anlaß gewesen, 
sich zuletzt nochmals in dieses Kloster zu begeben. Nun han- 
delt es sich aber auch darum, ob das «contruxsit» der Urkunde 
wirklich von einer Neugründung zu verstehen ist, oder ob 
damit nur eine Erweiterung oder Erneuerung einer früheren 
Gründung gemeint ist.3 Meiner Ansicht nach kann mit dem 
Ausdruck der Urkunde sehr gut daran gedacht werden, dab 
der genannte pontifex das monasterium in seiner damaligen 
Gestalt erbaut hat, da der ursprüngliche Bau vielleicht verbrannt 
war. Also so viel Unklarheiten und Móglichkeiten als Worte in 
der Urkunde. Darauf läßt sich unmöglich der Beweis gründen, 
daß der Bischof Dragobod von Speier das Kloster gegründet 
habe. Entscheidend dürfte sein, daß die ganze Klostertradition 
von einem Gründer Dragobod nichts weiß. Immerhin gibt es 
noch Geschichtsschreiber, welche Dragobod als Gründer angeben. 

Unter diesen Umständen wird sich unser Blick notwendiger- 
weise wieder auf Dagobert I. richten müssen. Nachdem sich 
die Schwäche sämtlicher Hypothesen gezeigt hat, erscheint mir 
die Klostertradition in einem günstigeren Lichte. Man gibt 
gewöhnlich auf solche Klostertradition nicht viel, während ich 


nicht anstehe, in derselben einen Kern Wahrheit zu finden, - 


welcher allerdings mit einer dicken Schale Irrtum und zum 
Teil auch Geschichtsfälschung umgeben ist. Wir können ruhig 
feststellen: es ist nicht unmöglich, daß Dago- 
bert I. der fundator des Klosters ist. Wie dürfen 
eben nicht in den Fehler verfallen, welcher fast regelmäßig 


! ibid. p. 9. 
2 a. a. O., p. 10. 
3 Vel. Remling. Gesch. der Bischófe zu Speier I, 171 ff.; Rhein- 


wald, a. a. O., p. 10. 


— 39 — 


gemacht wird, den fundator auch für den Urheber des Kloster- 
reichtums zu halten, d. h. diesem Dagobert etwas zuzuschreiben, 
was urkundlich auf Pippin zurückgeht.! Die Mönche Weißen- 
burgs haben dies absichtlich in ihrer gefälschten Dagobert- 
Urkunde getar, um auf diesen beliebten König alles zu kumu- 
lieren, aber auch um ihrem Besitz ein um so höheres Alter zu 
vindizieren. Die Sache wird sich vielmehr so verhalten, daß 
zu der Zeit Dagoberts I., wahrscheinlich aber erst nach 628, 
weil er vorher nicht König in Austrasien war, ein frommer 
Einsiedler das Kloster stiftete und Dagobert I. ihm Grund und 
Boden dafür mit der allernächsten Umgebung, vielleicht das 
Stadtgebiet des heutigen Weißenburg, schenkte. Damit können 
wir, nach dem mittelalterlichen Sprachgebrauch, Dagobert 
als fundator bezeichnen, weil von seiner königlichen 
Erlaubnis und ersten Schenkung das Bestehen des Klosters 
abhing. Den Hauptaufschwung nahm dasselbe aber erst seit 
Pippin, welcher ihm das Mundat schenkte. 
Wenn Harster? erwähnt, daß das Kloster schon um die Wende 
des siebenten Jahrhunderts einen offenbar großen EinfluB besaß 
und bereits zu hoher Blüte gelangt war, daß es aber ohne eine 
ausgiebige Unterstützung eines Herrschers niemals so schnell 
hätte aufblühen können, wobei er den König Dagobert I. im 
Hintergrunde als fundator und donator sieht und die Dagobert- 
Urkunde dem Inhalt nach für echt hält, so ist dem entgegen- 
zuhalten, daß ja ganz gut Dagobert I. dem Kloster sein be- 
sonderes Wohlwollen geschenkt haben kann, daß dies aber 
nicht in Form einer großen Länderschenkung zu geschehen 
brauchte, daß ferner die 38 bezw. 43 bis zum Jahr 724 zu 
Gunsten des Klosters ausgestellten Urkunden auch ohne be- 
sonders einwirkende Momente, im besonderen ohne Rücksicht 
auf königliche Gunst, zustande gekommen sein können, weil 
in jenen Zeiten die Großen und Kleinen im Reiche eine 
materielle Beihilfe an ein Kloster für ein außerordentlich ver- 
dienstvolles Werk ansahen. 

Ueber das Jahr, in welchem die Gründung des Klosters 
erfolgte, fehlen uns natürlich alle Quellen. 


1 Vgl. z. B. nur die Urkunde Ottos II. von 967, Als. dipl. I, 
Nr. 148 (p. 121), Mon. Germ. Dipl. 1I. 1. Nr. 18. | 
? a, a. O., p. 8—10. 


2. DAS WALDGEBIET DES STRASSBURGER BISTUMS 
IM NÖRDLICHEN BREUSCHTAL. 


Das Bistum Straßburg besaß aus den Zeiten der ersten 
fränkischen Könige, worüber uns indessen eine sichere Ueber- 
lieferung fehlt, auf dem linken Ufer der Breusch ein ausge- 
dehntes Gebiet, welches, eingeschlossen östlich vom Stillbach 
und westlich vom Netzebach, sich vom Breuschufer bis zur 
Wasserscheide, welche das Breuschtal von den Tälern der 
Mossig, der Zorn und der Saar trennt, erstreckte. Später er- 
warb das Bistum auch noch ein großes Stück Gebiet auf dem 
rechten Breuschufer,! doch ist hier nur das erstere, eins der 
ältesten Stücke des späteren bischöflichen Distrikts Molsheim, 
in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. 


I. Kritik der Quellen. 


Es sind uns zwei Urkunden überliefert worden, welche 
sich mit diesem Waldgebiete beschäftigen, nämlich 1) eine 
Bestätigung Karls des Großen an Bischof Eddo vom Jahre 773, 
7. März, 2) eine Bestätigung Ludwigs des Frommen an Bischof 
Adaloch vom Jahre 816, 28. August. Grandidier? gibt beide, die 
erste angeblich nach einer Abschrift, die zweite nach dem Origi- 
nal, beide damals im bischöflichen Archiv zu Zabern. Schöpflin 3 
dagegen kannte nur die letztere und veröffentlichte dieselbe in 
seiner Alsatia diplomatica, zugleich mit einem, wie die Ver- 


ı Vgl Joh Fritz, Das Territorium des Bistums Straßburg um 
die Mitte des 14. Jahrh. und seine Geschichte (1885), p. 34 ff. 

2 Grandidier, hist. de l'église etc. de Strasbourg, tome II (1778), 
pieces justific. Nr. 63 und 91. 

3 Schöpflin, Alsatia diplomatica I (1772), p. 65 (Nr. 81). 


Cu. duh Xm o 


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gleichung mit dem Original ergibt, sehr guten Faksimile. Als 
Regest ist die erstere erwähnt im Urkundenbuch der Stadt 
StraBburg,! die Regesten beider hat Bohmer.? 

Die zweite Urkunde ist unzweifelhaft echt, denn wir be- 
sitzen noch das Original derselben, im Bezirksarchiv zu StraB- 
burg G. 4. Dieses ist gut erhalten, nur ist das auf der 
Vorderseite aufgedruckt gewesene mittelgroße Siegel, welches 
schon früher, um es zu halten, mit noch sichtbaren Bindfüden 
übernäht war, abgefallen. Betreffs der ersten Urkunde, der 
Bestätigung Karls des Großen, war man früher auch nicht im 
Zweifel, indem man sich ohne weiteres auf Grandidier, welcher 
sie zuerst gebracht hatte, verließ. Auch Böhmer-Mühlbacher 
sieht sie im Text seiner Regesten als echt an, im Nachtrag 
dazu legt er sie aber als Fälschung fest, im Anschluß an eine 
Veröffentlichung H. Blochs,3 welche sich mit den Urkunden- 
fälschungen Grandidiers beschäftigt. Bloch hat mit Ueberzeugung 
nachgewiesen, daß Grandidier eine ganze Anzahl Urkunden, 
welche sich näher oder ferner auf die Geschichte des Strab- 
burger Bistums beziehen und welche er aus Abschriften ent- 
nommen haben will, selbst hergestellt hat, zumeist unter Be- 
nützung vorhandener echter Urkunden. Grandidier stellt sich 
damit auf den gleichen Standpunkt wie die Mönche des Mittel- 
alters, welche Besitztitel neu herstellten, wenn die alten ver- 
loren gegangen waren, nur mit dem Unterschiede, daß Gran- 
didiers Fälschungen wirklich den Ton und die Form der Zeit 
treffen, aus welcher sie stammen wollen, während die jener 
Mönche sich an allerhand technischen und historischen Fehlern 
leicht als Fälschungen erkennen lassen, wie es Grandidier selbst. 
des öfteren nachweist. So ist denn auch die Bestätigung 
Karls des Großen von 773 eine äußerst feine 
Fälschung Grandidiers. In der echten Bestätigung 
Ludwigs des Frommen von 816 ist nämlich auf eine Urkunde 
Karls verwiesen, welche das fragliche Waldgebiet ebenfalls 
schon dem Bistum bestätigt hatte. Da Grandidier diese Ur- 


1 Bd. I, p. 6 (Nr. 11). 

2 J. F. Böhmer, Regesta Imperii Il, nene Ausgabe von Mühl- 
bacher, 2. Aufl. 1899 ff., Reg. Nr. 153 und 627. 

3 In der Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, Neue Folge, 
Bd. 12 (1897), p. 481 ff, wozu auch Bd. 13 (1898), p. 543 ff. zu vel. 


i — 42 — 


kunde nicht mehr finden konnte, stellte er sie selbst zusammen 
und zwar unter Benützung eines Teiles des Wortlautes der 
echten Bestätigung von 816. Die Grenzbeschreibung des Wald- 
gebietes hat Grandidier in seiner Fälschung wörtlich aus dieser 
herübergenommen. 

Somit scheidet also die Bestätigung Karls des Großen von 
773, 7. März, ohne weiteres aus, und zur näheren Untersuchung 
können wir uns nur auf die Bestätigung Ludwigs des Frommen 
von 816, 28. August, stützen. 


II. Das Historische der Schenkung. 


Im Jahre 816 hat also Ludwig der Fromme dem Bistum 
Straßburg einen Besitz bestätigt, welchen bereits sein Vater 
Karl vorgefunden und bestätigt hatte. Der Bischof Adeloch 
hatte ihm vorgelegt! «quandam aucloritatem domni et genetoris 
nostri Karoli...... , in qua continebatur insertum, qualiter 
quondam locellum nuncupantem Stilla,? quod a longo tempore 
per confirmationes regum predicta possidet ecclesia, Rectores 
ipsius ecclesie cum judicibus regalibus habuerant intentionem 
et predictum locum per loca denominata, id est (folgt die 
Grenzbeschreibung), ad partem praedicte ecclesie adquesierunt, 
et domnus et genitor noster per eandem auctoritatem ad ipsam 
sedem perenniter ad habendum confirmaret etc.» Hieraus geht 
hervor, daß auch bereits mehrere Könige vor Karl den Besitz 
dieser Oertlichkeiten dem Bistum bestätigt hatten, daß also der 
Erwerb derselben in ziemlich frühe Zeiten fallen muß. Ferner 
erhellt daraus, daß diese Oertlichkeiten durch königliche 
Schenkung an das Bistum gekommen sein müssen. Wann 
aber kann diese Schenkung stattgefunden haben? Bietet uns 
vielleicht die Form der Abgrenzung des Gebietes einen Hinweis 
auf die Zeit derselben ? Offenbar ist sie immer aus einer Be- 
slätigung wörtlich in die folgende übergegangen, so daß mit 
gutem Grunde anzunehmen ist, daß sie ebenso schon in der 
Schenkungsurkunde gelautet habe. ' Jedenfalls weist ihre Form 
auf alte Zeit zurück, Nach dem Original hat sie in der Be- 
stätigung Ludwigs des Frommen folgenden Wortlaut : 


| Ich gebe den Text genau nach dem Original. 
2 Böhmer-Mühlbacher liest fälschlich Stella. 


Serer tire, ae, * 
HUE DASENESLACE E RU Pte meia aree ER ee 


— 43 — 


‘. s . praedictum locum (se. Stilla) per loca denomi- 
nata, id est per regia strata, que pergit super riuolum, 
qui dicitur Stilla, super casa Rumminaldi, deinde ubi dicitur 
Paphinisnaida, inde totum montem, qui vocatur Arlegis- 
bergo', usque ubi riuolus surgit, qui dicitur Hasla, deinde 
ubi Uuichia surgit usque quo in Brusca ingreditur,, 
inde iterum per longa Brusca, usque dum Stilla intus 
ingreditur . . . .2 | 

Fritz nimmt an, daß diese Grenzbestimmung aus einer 
merowingischen Urkunde herübergenommen 
sei und verweist deshalb die Erwerbung des fraglichen Gebietes 
in die Tage der Merowinger. Mit Recht erwähnt er, daß sich 
ähnliche Absrenzungen häufiger in Merowingerurkunden finden, 
in demselben barbarischen Latein. Wir schließen uns dieser An- 
sicht durchaus an. Nehmen wir hierzu noch die Angabe der Be- 
státigungsurkunde, daß die ecclesia argentinensis das Gebiet 
a longo tempore per confirmationes regum be- 
saß, so werden wir wohl nicht irre gehen, wenn wir die 
Schenkung in die zweite Halfte des 7. saec. setzen, 
in eine Zeit, welche überhaupt eine große Anzahl königlicher 
Schenkungen gezeitigt zu haben scheint, was sich indirekt aus 
dem Bestreben folyern läßt, die Entstehung klösterlichen und 
kirchlichen Besitzes mit Vorliebe in späteren Fälschungen ge- 
rade diesen Zeiten des 7. saec. zuzuweisen.4 


III. Die Begrenzung des Schenkungsgebietes. 


Von der Deutung der einzelnen in der Begrenzung ge- 
nannten Oertlichkeiten durch frühere Forscher will ich nur 


1 Fritz, a. a. O., p. 32, Anm. will Aslegisbergo lesen. 
Allein das Original hat klar und deutlich Arlegisbergo. 

2 Der Text bei Schöpflin stimmt völlig, der bei Grandidier bis 
auf manchmal abweichende Schreibung mit dem Original überein. 

* a. a. O. 

4 Wie oft wird in solchen Fälschungen der Name des Königs 
Dagobert genannt! So führt eine gefálschte Urkunde den Ursprung 
des bischöflichen Gebietes im Breuschtal auf eine Schenkung Dago- 
berts an den heil. Florentius zurück, wobei wahrscheinlich noch an 
Dagobert I. gedacht ist. Dies kann natürlich nie bewiesen werden. 
Immerhin kann etwas Wahres darin liegen und wenn auch nicht 
grade Dagobert I., so doch Dagobert II. (674—679) ein solch frei- 
gebiger Verehrer der Kirchen und Klöster gewesen sein. 


we BA. im 


anführen, daß man bis in die neuere Zeit nach dem Vorgang 
Schépflins und Grandidiers die casa Rummaldi auf Urmatt, 
Paphinisnaida auf Lützelhausen oder Nideck, Arlegisbergo auf 
Heiligenberg bezogen hat. Ein Blick auf. die Karte zeigt sofort, 
daß diese Auslegung, verglichen mit den übrigen Angaben der 
‚Grenzbeschreibung, unsinnig ist. Kramer! hat denn auch in 
einer eingehenden Untersuchung der Grenzen dieser Schenkung 
diese Irrtümer zurückgewiesen. Trotzdem wird in dem Werke 
«Das Reichsland Elsaß-Lothringen» in den Artikeln «Heiligen- 
berg» und «Urmatt» dieser Unsinn noch angeboten. Kramer 
bringt auch genügende Beweise dafür, daß diese Dörfer in jenen 
frühen Zeiten, in welche die Schenkung hinaufreicht, und auch 
zur Zeit der uns erhaltenen Bestätigung noch gar nicht vor- 
handen gewesen sind. Ich kann im allgemeinen auf die ein- 
gehende Arbeit Kramers verweisen, welche durch zwei gute 
Kartenbilder erläutert wird. Nur im Anfang der Grenz- 
beschreibung ist ein Fehler geblieben, welcher aus älterer Zeit 
mitgeschleppt worden ist und sogar in Böhmer-Mühlbachers 
Regesten nachhallt. Ich muß kurz auf denselben hinweisen. 

Man hat immer angenommen, daß unter der regia 
strata, que pergit super riuolum, qui dicitur 
Stilla, die Breuschtalstraße gemeint sei, welche hinter Dins- 
heim den Stillbach überschreitet und auf dem linken Breusch- 
ufer weiter ins Tal läuft. per regia strata nimmt nun Kramer 
als «quer hinüber über die Straße», läßt also die am Schlusse 
der Grenzbeschreibung lings der Breusch ankommende Grenz- 
linie diese Breuschtalstraße überschreiten und längs des Still- 
baches weitergehen, um von da nach der casa Rummaldi, 
welche wahrscheinlich mit dem heutigen Gehöft Münchhof 
nordwestlich von Still identisch ist, zu gelangen. Nun ist aber 
in der Beschreibung kein Wort davon gesagt, daß der Anfang 
der Grenze längs des Stillbaches zieht. Und außerdem ist 
die Uebersetzung von «per regia strata» falsch. Denn dies 
kann nach dem Sprachgebrauch merowingischer Urkunden 
nur heißen «längs der königlichen Strabe»,. so wie auch am 


1 Rectification des erreurs topographiques sur quelques endroits 
de la vallée de la Bruche. in dem Bulletin de la société pour la 
conserv, des monum. historiques d'Alsace, II* Série, tome I (1865), 
Mémoires p. 8 ff. 


-—— 


Schlusse per longa Brusca nichts anderes heißt als «längs 
der Breusch». Wir müßten also, nach dem Wortlaut der Ur- 
kunde, auf dieser Breuschtalstrabe vom Stillbach aus weiter- 
gehen. So haben es die älteren Ausleger verstanden und 
kamen so dahin, die casa Rummaldi nach Urmatt, und Paphi- 
nisnaida nach Lützelhausen oder Nideck zu verlegen. Auf 
diese Weise kann man aber niemals dahin kommen, «ubi 
riuolus surgit, qui dicitur Hasla», von wo ab die Grenze klar 
ist. Also kann die Grenze auch nicht lings der Breuschtal- 
straße verlaufen sein. Wir werden deshalb zu der Vermutung 
gedrängt, dab mit der regia strata eine ganz andere 
Straße gemeint sein muß. 

Das ganze Gebiet der Schenkung liegt nórdlich der Breusch. 
Da nun der SchluBpunkt der Grenzlinie die Einmündung des 
Stillbaches in die Breusch ist, der Antangspunkt aber der 
Schnittpunkt einer Straße mit diesem Stillbach, da ferner der 
locellus Stilla selbst zu dem Gebiet gehört, welches nachher 
per loca denominata beschrieben ist, so ergibt sich : 1) die regia 
strata, welche den Stillbach überschreitet, muß nördlich von 
Still zu suchen sein, 2) der Stillbach selbst ist, obwohl nicht 
besonders erwähnt, die Grenze nach Osten, da an demselben 
der Ort Still liegt, 3) die Breuschtalstraße kommt überhaupt 
nicht in Betracht. Die Grenze geht also vom Stillbach aus, 
nördlich von Still, und führt zum Stillbach zurück, südlich 
von Still, bei seiner Mündung in die Breusch. Damit fällt 
auch sofort die Angabe bei Bóhmer-Mühlbacher,! welche von 
einer «Kónigsstrabe längs des Flüßchens Still» spricht. Doch 
welches ist diese regia strata ? 

Ins Breuschtal führten zwei Wege. Der eine ist die jetzige 
BreuschtalstraDe, der andere kam aus dem  Mossigtal und 
führte über Balbronn ins Haseltal. Dieser letztere muß die 
regia strata sein, und sie hat ihren Namen davon gehabt, 
dab sie von dem alten Merowingersitze Kirch- 
heim herkam und vermutlich von den die Königspfalz 
dortselbst ehedem bewohnenden Königen zur direkten 
Verbindung mitdem Breuschtal angelest worden 
war. Zur Zeit, als diese Straße schon bestand, war die heutige 
Breuschtalstrabe jedenfalls nur ein alter, ausgefahrener Kelten- 


12.2. Q. 


ze A ee 


weg. Diese vermutliche Merowingerstraße, welche wahrschein- 
lich auf vorrémischer Grundlage ruhte, zweigt von der heutigen 
FahrstraBe Balbronn—Oberhaslach hinter Balbronn als Vizinal- 
weg links ab, geht dann als Karrenweg weiter, überschreitet 
den Stillbach und die an demselben heraufführende Straße und 
zieht direkt auf das Gehöft Münchhof, von wo sie unter dem 
Namen «Mittelweg» in derselben Richtung weiterzieht und 
wieder in die Straße Balbronn-Oberhaslach einmündet. Da 
wir im Münchhof, dessen Name schon auffallend ist, allen An- 
zeichen nach die casa Rummaldi vor uns haben, da diese 
zum mindesten in dieser Gegend gelegen haben muß, da aber 
insbesondere der Münchhof an dieser ebengenannten Straße 
liegt, so werden wir in der Tat mit gutem Rechte in diesem 
StraBenzuge die regia strata der Urkunde erblicken können. 
Dann hat auch die Grenzbeschreibung ihren Sinn: per 
(längs) regia strata, que pergit super riuolum, 
qui dicitur Stilla, super casa huminaldi. Dann 
brauchte am Schlusse der Grenzbeschreibung, wo es heißt «usque 
dum Still intus (sc. in Brusca) ingreditur» nicht mehr be- 
sonders hinzugefügt zu werden, dal die Grenze nun dem Still- 
bach nachgehe bis zum Ausgangspunkt ; dieser FluBlauf war 
selbstverständlich, und selbstverständliche Teile der Begrenzung 
fehlen in diesen alten Urkunden immer. 

Was die Deutung der übrigen Oertlichkeiten der Urkunde 
anlangt, so hat Kramer offenbar das Richtige getroffen ; ich 
verweise deshalb auf seine Untersuchung. Nur einiger Be- 
merkungen bedürfte es noch. 

1. Paphinisnaida ist, wie es Kramer gedeutet hat, 
mit größter Wahrscheinlichkeit der Pfaffenlappenfels nordöstlich 
von Oberhaslach. Der Bach, an welchem der Münchhof liegt, 
weist mit seinem Ursprung direkt auf diesen Felsen hin, und 
deshalb ist möglicherweise dieser Bach die Fortsetzung der 
Grenze gewesen. Paphinisnaida selbst nun nimmt Kramer für 
eine Latinisierung von «Pfaffen-Schneide» und erklärt es, in 
Anlehnung an eine ihm bereits vorliegende Erklärung, als eine 
im Besitze der Pfaffen, einer adeligen Familie, welche dort 
große Güter hatte, befindliche «Waldblöße (Holzschlag)». Diese 
Erklärung ist doch sehr gewagt, allein schon wegen der darin 
liegenden Anachronismen. Sollte es wirklich im 7. saec. schon 
eine Adelsfamilie gegeben haben, welcbe den Beinamen «die 


ux. i-um 


Pfaffen» führte, zu einer Zeit, in welcher es nur Vornamen 
gab und die Adeligen sich noch nicht einmal nach ihrem 
Wohnsitz nannten? Meiner Ansicht nach hat der Ort seinen 
Namen, falls derselbe überhaupt auf das Wort «Pfaffe» zurück- 
zuführen ist, von Einsiedlern getragen, welche, wie der Name 
casa Rummaldi verrät, in dieser Gegend gesessen hatten, noch 
bevor der heilige Florentius dorthin kam. snaida ist nicht 
latinisiert, sondern rein germanisch und bezeichnet viel rich- 
tiger einen inscharfem Winkel ins Talschneiden- 
den Bergesvorsprung oder eine solche Felsenmasse. In 
diesem Sinne kann der Name dem heutigen Pfaffenlappenfelsen 
gegeben worden sein. Diese letztere Benennung hat mit 
Paphinisnaida nicht das Geringste gemeinsam, sondern sie ist 
auf die Familie der Pfaffenlapp von Still zurückzuführen, in 
deren Besitz der Felsen sich befunden haben mag, und stammt 
erst aus dem späteren Mittelalter. 

2. Arlegisbergo, welches fälschlich mit Heiligenberg 
identifiziert wird, ist nach Kramer der Ringelsberg, welcher 
vom Pfaffenlappenfels westlich liegt und durch ein Tal von ıhm 
getrennt ist, mitsamt den von da aus nach Westen ziehenden 
Höhen bis zur Haselquelle. Er nimmt ferner an, daß «Arle- 
gisbergo» und «Ringelsberg» durch einen Abschreiber ver- 
schrieben sei. Was letztere Annahme betrifft, so bestreitet 
Fritz? diese Möglichkeit, hält es vielmehr für denkbar, daß 
«Aslegisbergo» zu lesen sei und daß man an einen Zusammen- 
hang mit Haslach denken könne. Die Beziehung auf Haslach 
wäre etymologisch trotzdem sehr gewagt. Ich habe früher 
ebenfalls an ein Verschreiben aus «ralegisbergo» oder «rilegis- 
bergo» geglaubt, was, da die Bestätigung von 816 ja einfach 
die Grenzbeschreibung aus einer früheren Bestätigung abge- 
schrieben hat, denkbar ist; damit könnte dann der Ringels- 
berg gemeint sein. Allein nach der ganzen Sachlage kommt 
der einzelne Hóhenzug, welcher heute Ringelsberg heißt, bei 
der Grenzbeschreibung gar nicht in Frage, sondern vielmehr 
die dahinterliegenden Höhen insgesamt. Der Ringelsberg fällt 
wohl in die Schenkung, aber in die Grenzlinie fällt er nicht. 
Man könnte höchstens annehmen, daß er, wenn auf ihn der 
Name «Arlegisbergo» zutreffen sollte, diesen Namen auf das 


l a. a. O., p. 32, Anm. 2. 


Wt 


ganze hinter ihm liegende Bergmassiv übertragen habe. Jeden- 
falls aber scheidet der Ringelsberg als solcher aus der Grenz- 
linie aus. Daß mit Arlegisbergo die Höhen dahinter mit ge- 
meint sind, nimmt auch Kramer an. Einen Fehler macht er 
aber, indem er den Pfaffenlappenfelsen auferhalb der Grenz- 
linie liegen und diese durch das Ringelstal, zwischen Ringels- 
berg und obigem Felsen, durchziehen läßt. Der Felsen 
Paphinisnaida ist vielmehr selbst schon ein Teil des Hóhen- 
zuges Arlegisbergo, er ist der äußerste östliche Punkt desselben ; 
von ihm aus geht die Grenze direkt auf der Hóhe über den 
Pandurenplatz nach dem Urstein (947 m), entsprechend dem 
Lauf der heutigen Kantonsgrenze, so daß sämtliche linksseitige 
Nebenflüsse der Hasel inbegriffen sind. Sie verläuft also auf 
der Wasserscheide zwischen Mossig und Hasel. Vom Urstein 
braucht man alsdann nur der Bezirksgrenze zu folgen, welche 
auf dem Kamm zur Haselquelle führt. Dieser ganze 
Höhenzug, vom Pfaffenlappenfelsen an (diesen einschlieBend) 
über die Kantons- und Bezirksgrenze ziehend, bis zur 
Haselquelle heißt in der Grenzbeschreibung 
Arlegisbergo.! Von da an führt die Grenze auf dem 
Kamm weiter bis zur Quelle der Wichia, des Netzebaches, 
und von da an ist dann kein Irrtum in der Grenzbestimmung 
mehr möglich. 

Fügen wir diese Zusätze und Erklärungen zu den Fest- 
stellungen Kramers hinzu, so ist das Gebiet der Schenkung 
wohl endgültig festgelegt. 


| Fritz, a. a. O., sieht in Arlegisbergo fálschlich den Bergwald 
zwischen Still und Haslach. | 


m 


e.g, ee = 


3. DIE SCHENKUNG KARLS DES GROSSEN AN KLOSTER 
LEBERAU. 


Diese am 14. September 774 erfolgte Schenkung ist erst 
kürzlich von Wiegand! zum Gegenstand einer eingehenden 
Untersuchung gemacht worden, so daß hinsichtlich der Kritik 
der Quellen nichts mehr, hinsichtlich der Abgrenzung der 
Schenkung nur wenig zu sagen übrig bleibt. Da ich nun in 
einem wesentlichen Punkte eine andere Deutung der Grenz- 
linie für möglich halte, sei es mir gestattet, diese Möglichkeit 
in Kürze zu berühren und dabei noch einige wenige ergänzende 
Bemerkungen zu machen. Auch nehme ich die Gelegenheit 
wahr, auf Grund zweier urkundlicher Notizen, welche mir ge- 
legentlich zu Gesicht gekommen sind, die bei dieser Schenkung 
in Frage kommende sog. Marca Quuningishaim einer kurzen 
Betrachtung zu würdigen. 

Der Schwerpunkt der Feststellung Wiegands liegt darin, 
daß der Höhenzug, auf welchem die Kaiserveste Hohkönigsburg 
sich jetzt zu neuer Pracht erhebt, der Stophanberch 
der Urkunde, in das Gebiet der Schenkung fäilt. Die 
Grenze soll ostwärts um denselben herumziehen und sich 
bis an den nach Orschweier zu fließenden Bach erstrecken, 
welcher mit dem Stagnbach der Urkunde gemeint sein 
soll. Von da an gibt es keine deutliche Fortsetzung der 
Grenze, sondern man muß versuchen, auf irgend einem un- 
bekannten Weve in die Nähe einiger auf dem südlichen Ufer 
der Leber liegenden Marken und dann längs derselben zu dem 
an diesem Südufer anzunehmenden Punkte Deophanpol 


1 Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, N. F., Bd. 20 (1905), 
p. 525 ff. 
HERR. 4 


i BO, m 


zurückzugelangen. Wiegand meint, daB die Grenzbeschreibung 
hier im Stich lasse. Doch warum sollte dieselbe auf einmal 
versagen, da sie doch sonst so klar gewesen ist? Dies legt 
mir die Vermutung nahe, daß wir auf falscher Fährte be- 
griffen sein kónnten. In der Tat kommt man auf diese Weise 
niemals korrekt nach Deophanpol, wo doch die Grenze endigen 
muß, zurück. Man müßte denn annehmen, daß die in der 
Beschreibung genannten Marken Riuadmarca, Garma- 
ringa und Otelinga (Odeldinga) sich vom Südufer der 
Leber über die vorgelagerten Gebirgsrücken hinaus bis in die 
Illebene erstreckt haben; dann allein könnte längs derselben 
die Grenze zurücklaufen. Allein diese Annahme ist meines 
Erachtens ebenso unrichtig wie die Annahme Degermanns, 1 
welcher diese Marken samt Deophanpol an die Ill in die Nähe 
von Gemar und Orschweiler verweist, was auch Wiegand als 
falsch erklärt. Die Aehnlichkeit der Namen Garmaringa 
und Gemar, Odeldinga und Audaldovillare 2 
Riuadmarca und Ried3 ist auffallend, aber doch nicht 
Veranlassung genug, sie für identisch zu erklären. Denn eine 
Identität könnte man höchstens für Odeldinga und Audaldovillare 
feststellen, was aber auch noch nicht beweist, daß beides das- 
selbe ist, denn der erste Eigentümer des Herrenhofes Audal- 
dovillare kann ganz gut denselben Namen wie der Ahnherr 
der Sippe der Odeldinger geführt haben, ohne identisch sein 
zu müssen. Wir müssen auch daran denken, daß sich die äl- 
testen Marken und Gaue — und nur um solche älteste Marken 
kann es sich handeln — stets an einen Wasserlauf (Haupt- 
oder Nebenlauf) anklammern und ihre natürliche Grenze in 
den das Tal des Wasserlaufes umsäumenden Höhen (Wasser- 
scheiden) finden. Liegen die Marken am Ufer der Leber, wie 
wenigstens für die beiden ersten nach der Grenzbeschreibung 
durchaus feststeht, dann waren die ziemlich bedeutenden 
Hóhenzüge südlich des Lebertales ihre Grenze. Da es sich 
ferner, wie die auf «-ingen» endigenden Namen der beiden 
erstgenannten Marken angeben, urn Besitz einzelner Edlen und 


1 Mitteilungen der Gesellsch. f. Erhaltung der gesch. Denkm. 
im Elsaß, 2. Folge, XV (1802), p. 310. 

2 St. Pilt, jedenfalls auch etymologisch nicht = Orschweiler. 

3 Die Riedgegend an der Ill bei Gemar, auch Gemeinmark ge- 
nannt, welche jetzt unter die anstoDenden Gemeinden aufgeteilt ist. 


cust EU ens 


ihrer Sippe handelt, und solche Sippenniederlassungen nie über 
den Umfang eines großen Dorfbannes hinausgegangen sind, so 
kónnen wir auch deshalb einer Ausdehnung über das Gebirge 
hinaus nicht das Wort reden. Und wahrscheinlich ist auch 
in Riuad-marca ein Eigenname enthalten — wir kennen 
trotz Foerstemann noch viele alte Eigennamen nicht —, so 
daß von dieser Mark dasselbe gelten wird. Aus diesen Grün- 
den scheint es mir sicher zu sein, daß diese Marken nördlich 
des Hóhenzuges Stophanberch gelegen haben; jedenfalls ist das 
Gegenteil nicht bewiesen. Ist dies aber der Fall, dann kann 
die Grenze des dem Kloster geschenkten Gebietes nicht östlich 
um den Stophanberch herumgegangen sein. Oder es müßte, weil 
die Grenze alsdann wieder über das Gebirge zurück muß, in 
der Grenzbeschreibung unbedingt ein dies andeutender Passus 
vorkommen, welcher in der Sprache jener alten Karolingerur- 
kunde etwa lauten würde: «inde (sc. de Stagnbach) ad monte 
de alio latere Stophanberch, et inde per Riuadmarca etc. usque - 
in Deophanpol». Davon ist aber kein Wort gesagt. 

Lassen wir auf diese Weise das Klostergebiet nördlich des 
Stophanberch endigen, dann wird es vielleicht auch erklàrlich, 
weshalb das ursprünglich für St. Pilt ausgestellte Diplom 1 
nachher Leherau zugute kam. St. Pilt konnte mit dem ziem- 
‚lich entfernt liegenden umfangreichen Gebiet nichts anfangen, 
weil es nicht an sein Gebiet angrenzte, und deshalb schuf 
Fulrad inmitten des weiten ihm geschenkten Lebertales sein 
neues Kloster Leberau. 

Ist nun aber unsere Annahme richtig, dann kann auch 
der Ausdruck sub integritate ipsius monte nicht = 
cum omni integritate montis sein. Letztere Deutung 
hat Mühlbacher gegeben,? nennt aber den Ausdruck einen für 
diese Zeit ganz ungewóhnlichen. Also ist damit eine andere 
Deutung nieht ausgeschlossen. Ich móchte nun auf folgende 
Móglichkeit hinweisen, namlich das su b lokal zu fassen = 
unten an, und integritas in dem diesen Urkunden 
eigentümlichen Sinne von Gesamtheit, Ganzes. Dann 
würde sub integritate ipsius monte bedeuten: 
unten am Massiv desgenannten Berges. Damit 


1 Vel. den Nachweis bei Wiegand, a. a. O., p. 524 ff. 
2 ibid. p. 547, Anm. 2. 


— 52 — 


würde dann das Wort radices korrespondieren ; die Grenze 
geht nur usque radices Stophanberch, berührt also. 
den eigentlichen Berg nicht. Setzt man nun noch hinter 
Stophanberch ein Komma, so daß dadurch deutlich wird, daß 
mit «per valle» eine neue Etappe der Grenzlinie beginnt, 
welche von den radices Stophanberch bis Stagnbach geht, dann 
liegt, da sich die Grenzlinie nach Deophanpol zurückdreht,. 
nichts näher, als von diesem Punkte, von den radices 
Stophanberg an dieselbe zurücklaufen zu 
lassen. Dies wäre nicht gegen den Wortlaut der Grenz- 
beschreibung. Die Grenze würde also im Tale des Audenbach. 
(heute Saarbach)t ankommen und bis an den Fuß des Hoh- 
königsberges laufen, dann aber in einem Winkel sich zurück- 
drehen, um per valle, d.h. der Tallinie nach, his 
Stagnbach zu ziehen. Unter der Tallinie kann natürlich nur 
die der Leber verstanden werden, weil die Grenze doch nicht 
im Tal des Audenbach sofort wieder zurücklaufen kann. Doch. 
wo wäre dann Stagnbach zu suchen ? Ein Blick auf das 
Meßtischblatt zeigt, daß vom Fuße des Hohkönigsberges eine 
in fast gleichbleibender Höhe am Bergeshang hinziehende 
Straße das Lebertal aufwärts geht bis an einen Walddistrikt 
«Thimbach», von wo aus sich das Thimbachtal nach der Leber 
hin öffnet und östlich von St. Kreuz mündet. Da nun nach © 
Wiegand der Ort Deophanpol in der Nähe von St. Kreuz zu 
suchen ist, so ist es sehr wahrscheinlich, daß mit dem Stagn- 
bach, von wo aus es nach Deophanpol zurückgeht, der Thim- 
bach gemeint sei. Die Verwandlung des «Stagnbach» in 
«Thimbach» wäre unter einer germanisch und romanisch- 
keltisch gemischten Bevölkerung, wie solche das Lebertal hatte 
und noch hat, nichts Unmögliches. Vielleicht ist aber auch 
mit diesem «Stagnbach» kein Bach, sondern ein Ort gemeint. 
gewesen, welcher dann etwa am obersten Lauf des Thimbachs, 
in dem obengenannlen gleichnamigen Walddistrikt, gelegen 
haben könnte. Fassen wir es als einen Bachnamen, dann: 
hätte es, wenigstens im 15. saec.,? bei Orschweiler einen Bach 
desselben Namens gegeben, weswegen man ja diesen in unserem 
Stagnbach sehen will ; doch warum sollte es nicht zwei Bäche 


1 ibid. p. 546, und in dieser Abhandlung p. 54 f. 
2 ibid. p. 546, und daselbst Anm. 3. 


gleichen Namens in nicht zu großer Entfernung voneinander 
gegeben haben, da doch gerade dieser Name für viele Gebirgs- 
bäche am Platze ist, zumal auch beide ganz verschiedenen Fluß- 
systemen angehören (Leber und Ill)? — Zieht man die Grenze 
auf diese Weise, dann gelangt man auf ganz natürlichem Wege 
wieder in die Nähe der Marken, an welchen auf dem Hinweg 
nach Deophanpol das Lebertal herab die Grenze entlang ging. 
Neu hinzu kommt die Riuadmarca, welche, während die beiden 
andern, Garmaringa und Otelinga (Odeldinga), die Laimaha 
berührten, im Rücken derselben am Bergeshang gelegen haben 
wird. Die Grenze bewegt sich also von Stagnbach, sei dies 
nun der Thimbach an seiner Quelle oder ein dort liegender 
Ort, an der Grenze dieser drei hintereinander liegenden Marken 
entlang (per) nach Deophanpol. Wir würden uns so nur nörd- 
lich des in Frage kommenden Höhenzuges bewegen, aber die 
Grenze wäre klar und verständlich. — Diese Möglichkeit 
glaubte ich wenigstens andeuten zu müssen, auch wenn man 
sich nicht für dieselbe entscheiden wollte. Jedenfalls 
würde von hier aus auf die sowohl von Degermann! als von 
Wiegand betreffs des sog. Gefürste angeführten Quellen und 
auf die «daraus sich ergebenden Besitzrechte, welche z. TI. 
heute noch in Frage kommen, ein ganz besonderes Licht fallen, 
so daß es sich doch wohl lohnen dürfte, obige Möglichkeit in 
Erwägung zu ziehen.? Ich halte es endlich auch für sehr fraglich, 
ob ein König jemals einen solchen strategisch wichtigen Punkt, 
wie den Berg der Hohkönigsburg, welcher allem Anschein 
nach schon den Vorgängern der Franken der Befestigung wert 
geschienen hatte und welcher zum Schutz des königlichen 
Fiskus so günstig gelegen war, aus seinen Händen gegeben 
haben würde. Andererseits war es aber natürlich, daß die 
Klosterherren von Leberau diesen Berg gern besessen hätten, weil 
er den Eingang in ihr Tal beherrschte, und daß sie deshalb bei 
Streitigkeiten die Schenkungsurkunde in ihrem Sinne deuleten. 


l a. a. O. | 
2 Die Notiz des Odo de Deogilo betreffs des «castrum Estufin» 
lasse ich vorlüufig beiseite, da sie sehr unklar und noch nicht end- 
gültig erklärt ist. Ist wirklich mit Estufin dasselbe gemeint wie 
mit Stophanberch, dann würde die Stelle, entsprechend unserer 
Annahme, einen anderen Sinn haben, als man ihr jetzt gibt und auch 


auf sie ein Licht fallen. Vgl. Wiegand, a. a. O., p. 534 f. 


Zur Ergänzung der Arbeit Wiegands habe ich noch Fol- 
gendes hervor zuheben : 

1. Daß Bobolinocella nicht mit dem heutigen Wanzel 
identifiziert werden kann, ist trotz der etymologischen Aehnlich- 
keit beider Namen klar, da diese cella nach dem ausdrück- 
lichen Zeugnis der Grenzbeschreibung de una parte Lai- 
maha, also am Ufer des Baches lag. Wiegand gibt als 
Grenzpunkte, zwischen welchen der Ort dieser cella zu suchen 
sein werde, Leberau und den Bahnhof Wanzel an. Ich glaube, 
daß man genauer sagen kann : Bobolinocella hat da gelegen, 
wo gegenüber auf dem rechten Ufer das Leberauer Gebiet 
endigte, also da, wo gegenüber der Audenbach in die Laimaha 
floB. Zur Begründung diene Folgendes. Nur durch zwei 
gegentiberliegende Punkte des Wasserlaufes der Lai- 
maha konnte das dem Abt von Leberau durch die Schenkung 
offenbar gewäbrte Wasser-, Mühlen- und Fischereirecht in der 
Leber genau abgegrenzt werden; erstreckte sich aber an dem 
einen Ufer die Grenze über die des anderen Ufers hinaus, dann 
war diese Abgrenzung schwierig, zum Teil unmöglich, und 
eine Quelle fortwährenden Streites mit den angrenzenden Be- 
rechtigten. Daß aber die Schenkung dem Kloster das Wasser- 
recht, und was damit in Zusammenhang steht, in dem ganzen 
Lauf der Leber bis zu einem gewissen Punkte, nämlich bis 
zum Audenbach, sichern wollte, geht daraus deutlich hervor, 
daß die Grenze da, wo sie vom First des Gebirges nördlich 
der Laimaha ins Tal geht, ausdrücklich de ambas ripas 
Jauft, also die ganze Breite des Wasserlaufes bis ans südliche 
Ufer einschließt, auch da, wo auf diesem südlichen Ufer gar 
kein Land geschenkt wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat 
also Bobolinocella mit dem Audenbach korrespondieren müssen, 
und wenn wir den Audenbach festlegen können, dann ist da- 
mit der Anhaltspunkt für die Lage von Bobolinocella gewonnen. 
Das «Reichsland Elsaß-Lothringen»! sieht ihn in dem Vautembach. 
Da dieser aber westlich von Leberau mündet und ınan auf dem- 
selben niemals ad radices Stophanberch gelangen kann, 
wie es doch der Text erfordert, so ist diese Annahme falsch. 
Nach einem von Wiegand angezogenen Aktenstück von 1435? 


1 Ortsbeschreibung P. 063 (sub «Leber»). 
? Vgl. Aum 1, pag. 


ist damit vielmehr der Saarbach gemeint, welcher dort 
Saherbach genannt wird. Dieser entspringt auch an dem 
die Hohkönigsburg tragenden Rücken. Demnach werden wir 
Bobolinocello der Mündung des Saarbaches 
gegenüber ans linke Ufer der Leber verlegen. 

2. Nach Wiegand sind mit den verschiedenen Rumbach 
nur die Flußtäler gemeint, nicht die heute noch so be- 
nannten Ortschaften. Wäre dies aber der Fall, dann hätte 
die Grenze von Nannenstol, welches auf der Berghöhe östlich 
von Deutsch-Rumbach zu suchen sein wird, direkt nach dem 
First der Vogesen, der heutigen Landesgrenze, ziehen müssen, 
um wirklich die Täler in sich zu begreifen. Allein erst nach 
dem dritten Rumbach geht es über Achinisragni nach dem 
First (in fersta) des Gebirges. Außerdem wäre dann nicht 
nötig gewesen zu erwähnen, daß die Grenze von Nannenstol 
den Berg herab (de monte), von dem ersten Rumbach wieder 
hinauf gehe und so fort. Die Erklärung wird nur dann der 
Grenzbeschreibung gerecht, wenn man in den drei Rumbach 
die drei Ortschaften dieses Namens sieht, denn 
um zu diesen zu gelangen mußte man allerdings jedesmal den 
zwischenliegenden Höhenzug überwinden. Noch heute sind 
diese Orte durch Wege (teils Straßen), welche direkt über den 
Berg ziehen, miteinander verbunden, und es hat keinen An- 
stand, in diesen Verbindungswegen die Grenzlinie zu erblicken ; 
in vielen alten Grenzbeschreibungen sind selbstverständliche 
Wege nicht besonders erwähnt, wenn die Grenze denseiben 
entlang lief. 

Noch ein Wort über die marca Quuningishaim. 
Man deutet es allgemein auf Kinzheim bei Schlettstadt. Wir 
kennen nun aber eine Urkunde vom 18. Marz 877, in welcher 
die Aebtissin Berchta an das Kloster St. Felix und Regula in 
Zürich ihre von Lothar II. erhaltenen Besitzungen im Elsaß 
tradiert, in villis nuncupantibus ad Sletestat, et Cones- 
heim, ac Chuningesheim, Altheim et Charoltespach.! 


1 Grandidier, hist. de d’égl. de Strasb., piéces justific. Nr. 142, 
angeblich nach dem Original. Neuester Druck im «Urkundenbuch 
der Stadt und Landschaft Zürich», Bd. I (1888), Nr. 131, welches 
zwei Kopien benutzt hat; eine ist eine gleichzeitige auf Pergament, 
in welcher man nach dem Urkundenbuch das Original vermuten könnte, 


Schon aus der Stellung der Namen läßt sich vermuten, daß 
Conesheim mit Kinzheim bei Schlettstadt, dagegen 
Chuningesheim mit Kienzheim bei Kaysersberg 
identisch sei, während Grandidier und, auf diesen sich stützend, 
das Züricher Urkundenbuch grade das Umgekehrte annehmen. 
‘Auf der Rückseite der hier benutzten aus dem 12. saec. 
stammenden Kopie dieser Urkunde (das Original ist nicht vor- 
handen) findet sich die vermutlich im 12, saec. hinzugefügte 
Notiz, daß die homines infeodati de praedio super 
Ekkenbach locum habente in kirchlicher Hinsicht von 
dem plebanus der villa Chonshaim versehen werden 
sollen, wofür sie die Zehnten dorthin geben. Durch diese 
Notiz wird klar und deutlich erwiesen, daß Conesheim, 
Chonshaim=Kinzheim bei Schlettstadt, also Chunin- 
gesheim = Kienzheim bei Kaysersberg ist. Die Be- 
stätigung dieser Schenkung durch Karl den Dicken vom 
24. März 8781 hat dieselbe Reihenfolge der Namen. Die Be- 
stätigung derselben Urkunde durch Otto den Großen von 9523 
hat zwar die Reihenfolge Slezzistat — Cuningesheim (Cuninges- 
stat ist Abschreibefehler) — Alteim— Coneshein, aber dies be- 
weist nichts gegen obige Deutung, weil doch nur dieselben 
Orte gemeint sind. Eine weitere bemerkenswerte Urkunde 
bietet sich uns in der Urkunde von 14105,3 in welcher Herzog 
Friedrich II. von Schwaben eine Schenkung seiner Familie 
an St. Fides in Schlettstadt bestätigt. In derselben kommt der 
Passus vor: Preterca apud villam, que Kunesheim 
nuncupatur, dederunt homines etc., tali modo, quod om- 
nes, quiinterritorio Regisvillae manerent,.. 
medietas illorum Slettstat servire (sc. debent), 


welche aber sicher Kopie ist, weil sie Abschreibefehler hat; die an- 
dere ist eine Kopie aus dem 12. saec. und stimmt mit dem Text bei 
Grandidier überein. Grandidiers Gewährsmann hat letztere für das 
Original angesehen. 

1 Grandidier, a. a. O., Nr. 143. Züricher Urkundenbuch I, Nr. 
135 nach dem Original. Die Datierung ist nach «Bóhmer-Mühlbacher, 
Regesta imperii 1 (1889)» Nr. 1543 (p. 612); Grandidier verlegt die 
Urkunde ins Jahr 877. 

2 Grandidier, hist. d'Alsace, pieces justifie. Nr. 268 = Würdt- 
wein, nova subsidia diplom. III, Nr. 89. Züricher Urkundenbuch I, 
Nr. 201. Mon. Germ. Dipl. I, Nr. 146 nach dem Original. 

3 Grandidier, a. a. O., Nr. 546. 


— 57 — 


alteraque Regisvillae. Hier ist offenbar Kunesheim 
und Regisvilla dasselbe, und beides geht auf Kinzheim bei 
Schlettstadt.! Wir besitzen nun eine Reihe von Urkunden, in 
welchen, wie man es gewöhnlich deutet, Chunigesheim auf 
Kinzheim gehen könnte, und andererseits solche aus späterer 
Zeit, in welchen Koensheim, Consheim, welches wir für Kinz- 
heim in Anspruch nehmen, sicher auf "Kienzheim hinweist.? 
Wir kennen auch Urkunden, bei welchen man in der Deutung 
schwanken kann.3 Wenn nun wirklich der Name Chuniges- 
heim in gewissen Urkunden auf Kinzheim bei Schlettstadt zu 
beziehen ist, andererseits aber dieser Ort in den zuerst ge- ' 
nannten Urkunden mit Chonsheim, Conesheim und Kunesheim 
‚bezeichnet wird, welches man später nur auf Kienzheim be- 
zieht, so geht zum mindesten daraus hervor, daß die Bezeich- 
nungen zu gewissen Zeiten schwankten und man allmählich 
nicht mehr scharf zwischen Chonesheim und 
Chunigesheim unterschied, was mir auch daraus 
hervorzugehen scheint, daß in der Urkunde von 1105 Kunes- 
heim mit Regisvilla übersetzt ist, als ob es von «kunig» 
= rex) käme und mit Chunigesheim zusammenhinge. Mir 
scheint nach allem. mit Chunigesheim (Quuningis- 
haim) ursprünglich nicht Kinzheim bei Schlettstadt, sondern 
Kienzheim bei Kaysersberg gemeint zu sein, um so 
mehr sieh dieser Ort gerade deshalb als kónigliches Fiskalgut 
betrachten läßt, weil später in seiner Nähe die kaiserliche Burg 
Kavsersberg errichtet wurde. Ferner hat Kinzheim bei Schlett- 
stadt meines Erachtens mit «kunig» gar nichts zu tun, sondern 
leitet seinen Namen Conesheim, Chonshaim, Kunesheim von 
dem Eigennamen Chono, Chuono ab. Weil es nachher 


1 Grandidier deutet es hier auch auf Kinzheim, ist also nicht 
konsequent. 

2 Als. dipl. I, Nr. 111 = Grandidier, hist. de l'égl. II, Nr. 145; 
Grandidier, hist. d'Als.. Nr. 271 = Wiirdtwein, nova subs. dipl. HI, 
Nr. 90 = Mon. Germ. Dipl. I, Nr. 157; Als. dipl. I. Nr. 138 = Gran- 
didier, ibid. Nr. 273 = Würdtwein III, Nr. 92 = Mon. Germ. Dipl. 
I. Nr. 163; Als. dipl. 1, Nr. 157 = Grandidier, ibid. Nr. 359; Gran- 
didier, ibid. Nr. 3*6; Als. dipl. I. Nr. 263, 350. Ferner: Als. dipl. II, 
Nr. 808, 892, 989, 1574, 1375, 1498. 

3 Z. B. Schannat, corpus trad. Fuld. Nr. 75 u. 76 = Als. dipl. 
I, Nr. 117 = Grandidier, hist. d'Als. Nr. 89 u 90; Grandidier, ibid. 
Nr. 436; Als. dipl. I, Nr. 99 = Grandidier, hist. de l'égl. II, Nr. 117; 
Als. dipl. Il, Nr. 685; II, Nr. 778. 


— p8 -c 


ebenfalls im königlichen Besitz erscheint, legte man den Namen, 
dessen Abstammung man vergessen hatte, dann so aus, als 
wenn er aus «Chunigsheim» verkürzt wäre, woraus dann die 
lateinische Uebersetzung «Regis villa» resultierte. Andererseits 
wäre Chunigesheim infolge schlechter Aussprache mit der Zeit 
zu Koensheim, Cónsheim, Kunsen (in Urkunden des 13.— 15. 
saec.) geworden. Aus den zuerst angeführten Urkunden er- 
gäbe sich aber das Richtige und Ursprüngliche, daß nämlich 
die marca des fiscus QuuningishaimaufkKienz- 
heim zu beziehen wire, dab diese kónigliche Mark 
- also nicht nur das Tal der Weiß, sondern auch das der Leber und 
damit auch alles zwischen diesen beiden Tälern nach der Ill- 
ebene zu liegende Gebirgsland umfaßte, und daß endlich Kinz- 
heim bei Schlettstadt vielleicht gar nicht ursprünglich zu dieser 
Kónigsmark gehórt hat. Ich wage jedoch nicht, ein endgültiges 
Urteil zu fallen, sondern möchte hiermit nur eine nähere Unter- 
suchung angeregt haben. 


4. DIE SCHENKUNG LUDWIGS DES FROMMEN AN DAS 
KLOSTER MUNSTER IM GREGORIENTAL, VOM JAHR 823. 


Im Jahre 823 schenkte Ludwig der Fromme dem Kloster 
Münster, welches in jener Zeit als «monasterium S. Gregorii, 
quod alio nomine Confluens vocatur»! erscheint und damals 
vielleicht 150 Jahre bestand, ein dem Kloster benachbartes Ge- 
biet auf dem südlichen Ufer der Fecht, welches ausreichend 
war, die Bedürfnisse an Bau- und Brennholz, Streu und 
Eckericht zu decken. 

Die Urkunde ist bei Schöpflin 2 und Grandidier 3 gedruckt, 
ebenso finden wir sie in dem Werke Dom Calmets, welches 
erst neuerdings im Druck veröffentlicht worden ist,4 und in 
dem Werke von Ohl. Die drei erstgenannten haben das 
Original, damals im Archiv des Klosters, vor sich gehabt; ob 
auch Ohl, ist zweifelhaft. Die Texte haben nur geringe Ab- 
weichungen untereinander. Unzuverlässig ist der in Lünigs 
Teutschem Reichsarchiv, Bd. XVIII, p. 364 und Bd. XIX, 
p. 1097, veröffentlichte Wortlaut, und besonders der an 
zweiier Stelle wiedergegebene Text scheint aus einer späteren 
und sehr schlechten Abschrift herzustammen, da er auch ein 
Stück ausläßt. Ich gebe den Text, indem ich die Rezension 


— 


1 So in unserer Urkunde. S. Gregorius ist der Papst Gregor d. 
Gr., dessen Schüler das Kloster gegründet bezw. sich zuerst in dorti- 
ger Gegend angesiedelt haben sollen. Confluens heißt es, weil 
es am Zusammenfluß der Fecht mit dem Hauptnebenfluf) lag; es ist 
das Koblenz des Münstertales. 

? Als. dipl. I, p. 69 (Nr. 85). 

3 Grandidier, hist. d'Alsace I, pieces justif. Nr. 144. 

* Histoire de l'abbaye de Munster, textes inédits de Dom Cal- 
met, par F. Dinago (1882), p. 51 f. 

5 L. Ohl, Gesch. der Stadt Miinster und ihrer Abtei im Grego- 
rental (1897), p. 41, Anm. 


==, 260: eke 


Calmets, welche mir die gelreueste scheint, zu Grunde lege. 
Die hier in Betracht kommenden Worte der Schenkung lauten : 


. partem quandam de foreste . . . . que ad fiscum 
nostrum nomine Columbarium aspicere vel pertinere 
videtur . . . . id est per locum, ubi Breidembach? rivolus 
jn Fachinam confluit, sursum usque ad locum, ubi ipse 
rivolus surgere incipit, deinde per semitam, quae nomi- 
natur Isneida,P usque ad montem, qui appellatur Suuar- 
zumberg,* deinde per eundem medium montem usque ad 
lapidem magnum, qui jacet ad radicem montis, et inde 
usque in Fachinam. 


a) Sch. u. Grand.: Breydembach. Bei letzterem fehlt auch 
rivolus. Lünig, Bd. XVIII: Bredembach. Bd. XIX: Breiten- 
bach. b? Lünig, Bd. XIX: isneiuda. c) Sch : Suuartzimberg, 
Grand.: Schwartzimberg, Calmet: Swarzumberg, Ohl: Schwar- 
zumberg. Lünig, Bd. XVIII: Suuartzimberg, Bd. XIX: War- 
temberg. 


Die Grenzlinien dieses Gebietes stehen im allgemeinen fest, 
auch haben die Historiographen Münsters sich gelegentlich der 
Erwähnung der Schenkung mit dem Gebiet derselben beschäf- 
tigt, aber doch sind noch immer kleine Nebenfragen unerledigt, 
und zu deren möglichst enue Beantwortung soll Gegen- 
wirtiges beitragen. 

Die Grenze beginnt an der Fachina, der Fecht, und zwar zieht 
sieper locum, übiBreidembacisdvolusin Fachi- 
nam confluit, sursum usque ad locum,ubi ipse 
rivolus surgere incipit, d. h. von dem Orte, wo der 
heute noch Breitenbach genannte Bach sich mit der Fecht 
vereinigt, geht sie entlang (per), nämlich des Breitenbachs, 
und geht demselben aufwärts nach (sursum) bis zu dessen 
Quelle, welche sich am Nordhang des Kahlen Wasen befindet. 
Von da beginnt ein Pfad (semita), welcher den merkwürdigen 
Namen Isneida führt. Dieses Isneida, dessen ersten Teil «I-» 
ich nicht zu erklären wage, hängt in seinem zweiten Teil 
«-sneida» offenbar mit dem hochdeutschen «schneiden» zusammen 
(mhd. sniden) ; sneida wäre etwa mit «Schnei Be» zusammen- 
zustellen, womit man einen, meist behufs Markierung einer 
Grenze, abgeholzten fortlaufenden Streifen im Walde bezeich- 
net, und demnach könnte es als «Einschnitt in den Wald» er- 
klärt werden. Der Name als Bezeichnung eines Pfades legt 
es nahe, daß wir hier einen uralten Grenzzug vor uns haben, 


— 61 — 


auf welchem seit undenklichen Zeiten zugleich auch ein Weg 
lief. Solche Grenzwege verschwinden selten, und in der Tat 
verzeichnet das MeBtischblatt eine in der Nähe der Quelle des 
Breitenbachs anfangende und sich in allmählicher Senkung um 
die Bergausläufer herumwindende WaldstraBe, welche direkt 
auf den mons, qui appellatur Suuartzumberg, 
zieht. Letzteres ist die Münster südöstlich gegenüberliegende 
Berghóhe, auf welcher im 13. saec. das Schloß Schwarzenburg 
erbaut wurde. Diese Straße wird die semita Isneida sein. 
Vom Schwarzenberg aus geht nun die Grenze per eundem 
medium montem, d. h. dem Wege nach (per) ınitlen über 
den Berg. Und in der Tat setzt sich die oben genannte Wald- 
straße in einem Pfade quer über die rückwärts (südlich) der - 
Schwarzenburgruine liegenden Höhen fort. Dieser Waldkomplex 
führt auf der Karte den Namen «Schloßwald». Da wo dieser 
Pfad auf der andern Seite ins Tal kommt und sich nördlich 
dreht, muß der lapis magnus gelegen haben. Schöpflin 
macht hier die Anmerkung : «Lapis hic etiamnum visitur ad 
pedem montis, cui imposita arx Schwartzenburg». Die bei Dom 
Calmet und Ohl sich findenden kurzen Beschreibungen des 
Schenkungsgebietes wissen von einem solchen Stein nichts. 
Wahrscheinlich, weil die Isneida, welche sich bis hierhin fort- 
setzt, ein uralter Grenzzug ist, haben wir in diesem lapis 
magnus einen alten vorrömischen Grenzstein zu sehen, welcher 
im Lauf der Zeit umgestürzt war und heute vielleicht gar nicht ` 
mehr vorhanden oder bekannt ıst. Von bier aus geht der 
über den Berg kommende Weg im Tal weiter am Fuß des 
Schwarzenberg entlang gegen die Fecht, womit die Grenze an 
deren Ufer aufhört. 

Eine Frage, welche sich uns aufdrängt, ist nun, wie 
denn die Grenze an der Fecht entlang ging, ob auf dem linken 
oder dem rechten Ufer. Läuft sie auf dem linken, dann wäre 
damit das gesamte Wasser, Mühlen- und Fischereirecht 
zwischen Breitenbach und Langenbach (bei Griesbach) dem 
Kloster übertragen worden. In dem von Abt Marquart a. 1339 
mit der Gemeinde Münster abgeschlossenen Vertrag wird dem 
Kloster ein Fischereirecht in der Fecht zugestanden und be- 
merkt, dab das Bannwasser des Abtes bei Breitenbach anfange.! 


1 cf. Ohl, a. a. O., p. 122. 


Jas, e 


Ob dem Kloster dieses Recht gleich nach seiner Gründung 
von seinen königlichen Schutzherren gegeben wurde, können 
wir mangels urkundlicher Nachrichten jetzt nicht mehr 
nachweisen. In unserer Urkunde von 823 wird ihm dieses 
Recht jedenfalls nicht gegeben. Die Schenkung erstreckt 
sich nur auf die Waldung, Wasserrecht will sie gar nicht 
geben, auch nicht im Breitenbach, denn alsdann müßte die 
Fassung etwa lauten: de loco, ubi Breidembach in Fachi- 
nam confluit, per ipsum Breidembach rivolum usque etc., und 
ebenso müßte bei der Fecht am Schlusse der Grenzbeschrei- 
bung erwähnt sein, dab die Grenze mit Einschluß der 
Fecht zum Ausgangspunkt zurückgehe, etwa: et per ipsum 
Fachinam rivum usque in Breidembach. Da aber nur das 
Waldgebiet in Frage kommt, so hört dasselbe ja am Ufer des 
.Breitenbaches und der Fecht von selbst auf, und weil dies 
selbstverständlich war, ist darüber in der Urkunde nichts er- 
wähnt. 

Eine weitere Frage ist die, ob das Gebiet, weil in der 
. Schenkung keine Ortsnamen erscheinen, überhaupt bewohnt 
war oder nicht. Wir können mit großer Wahrscheinlichkeit 
annehmen, dabzusammenhàngende Ansiedlungen (Dörfer) 
kaum vorhanden waren und daß die heute innerhalb der -fest- 
gestellten Grenzlinie gelegenen Ortschaften später entstanden 
sind, weil, wenn sie schon bestanden hätten, die Grenzbe- 
schreibung die eine oder andere hätte nennen müssen 
(z. B. Breitenbach). Ein einziger Name weist auf eine alte 
Ansiedlung hin, nämlich der Name der im Zuge der Isneida 
liegenden Häusergruppe Erschlitt. Dort werden wir eine 
vorrömische Ansiedelung zu suchen haben, welche jetzt aller- 
dings weit über ihre Blütezeit hinaus ist. 


x 


m "o o -——— ma 


5. DIE SCHENKUNG EINES JAGDGEBIETES AM OBEREN 
RHEIN AN DEN BISCHOF VON STRASSBURG, A. 1017. 


Kaiser Heinrich II. schenkte im Jahre 1017 dem Bischof 
von Straßburg ein Jagdgebiet von außerordentlicher Ausdeh- 
nung, welches sich in einem fast gleichmäßig breiten Streifen 
zwischen Vogesen und Rhein von der Gegend um Schlettstadt 
bis gegen Hagenau erstreckte. Soviel ich sehen kann, ist 
diese Schenkung bis jetzt ein einziges Mal von einem Histo- 
riker näher betrachtet worden, von Fritz,! welcher daraus den 
Nachweis führt, dab forestu m gelegentlich nicht das Wald- 
gebiet, sondern nur das Wald- und Jagdrecht bezeichne. 
Eine genaue Umgrenzung des Gebietes ist meines Wissens bis: 
jetzt noch nicht versucht worden. Die Namen der Oertlich- 
keiten liegen ja allerdings meist fest. Wie aber zwischen 
den einzelnen Ortschaften die Grenze zieht, ist trotz der 
Uebersichtlichkeit des Ganzen nicht so leicht erledigt. 

Das Original der Urkunde, welche vom 9, Mai obigen 
Jahres datiert ist, befindet sich im Bezirksarchiv zu Straßburg 
sub G. 10. Gedruckt ist dieselbe bei Schópflin,? Grandi- 
dier, Wiirdtweint und in den Monumenta Germaniae histo- 
rica.5 Schópflin und Grandidier haben das Original, damals 
im bischöflichen Archiv zu Zabern, vor sich gehabt, und 
weichen sehr wenig ab; Würdtwein stimmt mit Grandidier, 
da ja letzterer die elsássischen Urkunden an ersteren geliefert 


— 


ı J. Fritz, Das Territorium des Bistums Straßburg etc. und 
seine Geschichte (1885), p. 35. 

2 Als. dipl. I, p. 150. 

3 Grandidier, hist. d'Als., pieces justif. Nr. 371. 

4 Nova subsidia diplomatica, Bd. VI, p. 176. 

5 Diplomata, Bd. III, p. 469. 


— 64 — 


hat; der Text der Monumenta stimmt genau mit dem Original. 
Ich gebe den Wortlaut der Schenkung nach diesem Original ; 
er lautet: 


. . e forestem sic determinando proprietauimus. De 
litore Reni contra Wizuuilare2 ad uadum Hugonis, et 
de uado Hugonis ad Scerauuilare,P et de Scerauuilare b 
ad Dabechenstein, et de. Dabechenstein ultra Pruscam 
usque ad Roraham riuum. De Roraha ultra Sornam 
fluuium, deinde usque ad Matram fluuium ad illum 
locum, qui dicitur Phaffenhouen,¢ deinceps per Matram 
deorsum usque ubi Matra intrat Renum, et deinde sur- 
sum per totum limitem Reni cum insuhs omnibus adia- 
centibus usque Wizenuuilare.d ius forestense igitur ei 
suisque successoribus etc. . . . firmauimus etc. . . . 

a) Grand. u. Würdtw.: Wizwilare. b) Grand. u. Würdtw.: 
Scerawilare. c) Grand. u. Würdtw.: Phaffenhoven, Schöpfl.: 
Ptaffenhoven. d) Grand. u. Würdtw.: Wicenwilare. 

In dieser Urkunde handelt es sich also um ein ius 
forestense, um eine Berechtigung, die Waldungen dieses 
weitläufigen Gebietes benutzen zu dürfen, hauptsächlich zur 
Jagd. Dem scheint nun allerdings der zuerst zilierte Satz zu 
widersprechen: forestem sic determinandoproprietauimus 
(sc. episcopo), welches bedeuten würde, daß der Kaiser dem 
Bischof das Forstgebiet zu Eigentum gegeben habe. Allein der 
Schlußsatz nach der Grenzbeschreibung erläutert dies: ius 
forestense igitur etc. firmauimus. Es wäre auch in der 
Tat etwas ganz Ungewóhnliches gewesen, wenn der Kaiser 
dem Bischof das Gebiet selbst mit allen Ländereien und be- 
wohnten Orten geschenkt hatte, ein Gebiet, welches fast die 
Hälfte der elsdssischen Rheinebene ausmacht. Das Recht, 
dieses Gebiet nulzen zu dürfen, war schon ein sehr be- 
deutendes. | 

Die Situation der Schenkung ist ziemlich klar. Wiz- 
uuilare ist Weisweil in Baden, Artolsheim | gegenüber ; 
Scerauuilare = Scherweiler bei Schlettstadt; Dabeche n- 
stein = Dachstein bei Molsheim; P haffen houen = Pfaffen- 
hofen, zwischen Hagenau und Buchsweiler. Prusca ist die 
Breusch; Roraharıuus==der Rohrbach, welcher bei Hoch- 
felden in die Zorn mündel; Sorna = die Zorn; Matra = 
die Moder. Nur die Oertlichkeit uadum Hugonis macht 


——— - n— 


Schwierigkeiten; ich werde in der Erklärung des Grenzzuges 
darauf eingehen. 

Die Hauptfrage ist, auf welchem Wege man von dem 
einen Orte jedes Mal zu dem folgenden kommt, da diese An- 
gaben vólig fehlen. Ich glaube aber, daß diese Angaben des- 
halb ausgelassen worden sind, weil für jene Zeiten es nur eine 
mögliche Verbindungslinie gab, und zwar sind dies die da- 
maligen wichtigsten Straßenzüge gewesen. Mit Hilfe 
dieser Erkenntnis werden wir die Grenze fast ganz sicher be- 
stimmen können. 

Das Gebiet beginnt also am Ufer des Rheins und zwar 
auf der elsässischen Seite, dem badischen Orte Weisweil 
gegenüber (contra Wiznuilare). Der Rhein war damals 
nicht reguliert, sondern flutete, wie wir es jetzt noch auf der 
Karte an den vielen Seitenarmen sehen können, ungefähr bis 
halben Weges nach Richtolsheim ins Land hinein, eine Un- 
menge sumpfiger Inseln bildend, welche Scharen von Wasser- 
wild bargen. Der nächste bekannte Ort von hier aus ist 
Scerauuilare, wohin man über vadum Hugonis 
gelangt. Nun führt aber von Richtolsheim aus in schnur- 
gerader Richtung eine Straße über Baldenheim auf das ge- 
nannte Scerauuilare (Scherweiler) zu, welche bei Nieder-Rath- 
samhausen die Ill trifft. Jenseits der Ill geht sie zunächst 
nicht weiter, aber genau in derselben Richtung setzt sich ein 
Karrenweg jenseits der Straße Erstein—Schlettstadt (an der 
Einmündung der Straße Barr—Schlettstadt) bis nach Scher- 
weiler fort. Ich nehme diesen Straßenzug für einen uralten, 
bereits vorrömischen Weg vom Rheinufer ins Weilertal an 
(das Rheinufer müssen wir uns aber, wie bereits gesagt, be- 
- deutend landeinwärts denken, wahrscheinlich da, wo die von 
Richtolsheim kommende StraBe die Biegung nach Schónau zu 
macht) Was das vadum Hugonis betrifft, so muß dies dem 
ganzen Zusammenhang nach eine seichte Stelle der Ill sein, 
durch welche man mit Karren fahren konnte. Es hat in der 
Richtung der vorgenannten Straße gelegen und demnach aller 
Wahrscheinlichkeit nach bei Nieder-Ratsamhausen. 

Von Scerauuilare geht es nach Dabechenstein. 
Dieses Dabechenstein ist ohne allen Zweifel Dachstein an der 
Breusch bei Molsheim. Dahin führt ebenfalls ein alter Weg 
über Dambach, Blienschweiler, Eichhofen, Barr, Ottrott, Bórsch, 


HERR. 5 


2G s 


Rosheim, Dorlisheim, Molsheim. Dies ist der alte Keltenweg, 
welcher der ganzen Länge der Vogesenkette entlang zu ver- 
folgen ist, welcher von Molsheim nach Wasselnheim weiter- 
seht und in Molsheim einen Zweig über Dachstein nach Bru- 
math entsendet. Er ist auch der Hauptverkehrsweg geblieben, 
bis in neueren Zeiten die Hauptstraße Schlettstadt—Molsheim 
erbaut wurde. Wir können uns gar nicht denken, daß die 
Grenzlinie unseres Gebietes anders als dieser Straße nach lief, 
und weil es die einzig mögliche Straße war, ist sie auch nicht 
besonders in der Grenzbeschreibung erwähnt. 

Bei Dachstein geht es nun über die Breusch, und von da 
bis zum Roraha riuus, welcher kein anderer sein. kann 
als der heutige Rohrbach, an welchem der alte Ort Roraha 
(Rohr) liest, welcher seinen Namen von dem Dach entlehnt 
hat. Der Bach entspringt im Südwesten von Rohr bei West- 
hausen im Kreis Zabern und nimmt eine óstliche Richtung an, 
dreht sich aber vor Rohr nach Norden, so dab er genau in 
die uns zur Fortsetzung der Grenze nötige Linie fällt. Doch 
wie gelangen wir an diesen Bach, und an welchem Punkte 
desselben schließt die Grenzlinie an? Da bietet sich uns 
wieder ein alter Straßenzug, welcher von dem von Molsheim aus 
über Dachstein nach Brumath fülirenden Keltenwege bei Quatzen- 
heim, einem Kreuzungspunkt mehrerer alten. Wege, darunter 
auch der Zaberner Rémerstrafe, abbiegt und gegen Hochfelden 
zieht, jedenfalls auch eine alte Keltenstraße. Dieser Weg 
làuft von Dachstein. über Ergersheim, Fürdenheim, Quatzen- 
heim, Dossenheim, Kleinfrankenheim, Dürningen (lauter ur- 
alte Orte), und erreicht nördlich von Rohr den Rohrbach. 
Wenn die Grenzbeschreibuug nun weiter sagt, daB es von hier 
ultra Sornam gehe, ohne daß gesagt wird, auf welchem 
Wege man an die Zorn kommt, so ist es selbstverständlich, 
daß wir dem Lauf des Rohrbachs von da an zu folgen haben. 
Wir erreichen dann bei Hochfelden die Zorn, der Ort Hoch- 
felden selbst aber ist nicht genannt, weil der Rohrbach öst- 
lich davon mündet ; auch führte damals der Weg nicht in den 
Ort Hochfelden hinein, sondern ging dem Bache nach. Heute 
sind die dort laufenden Straben e'le nach Hochfelden kon- 
zentriert. 

Von hier aus geht es also ultra Sornam, und dann 
an den Matra fluuius, welcher bei dem Ort Phaffen- 


= Nes 


houen erreicht wird. Auch diese Strecke vom Rohrbach nach 
Pfaffenhofen ist durch einen alten Straßenzug dargestellt, 
welcher aber vermutlich erst auf nachrómische Zeit zurück- 
geht. Der vom Rohrbach herkommende Weg, welcher über 
Hochfelden nach Buchsweiler weiter geht, findet nämlich seine 
direkte Fortsetzung nach Norden in dem über Alteckendorf, 
Ettendorf, Ringeldorf nach Pfaffenhofen führenden Wege. Der- 
selbe geht jetzt von Hochfelden aus, es ist aber zu vermuten, 
daß er, da Hochfelden und seine allernächste nördliche Um- 
gebung ziemliche Terrainschwierigkeiten bietet, sich ursprünglich 
mehr im Tale hielt und vom Rohrbach aus in ziemlich direkter 
Richtung nach Alteckendorf hinzog. 

Nehmen wir diese bisher: festgestellten Grenzen an, so 
haben wir von Scherweiler bis Pfaffenhofen eine fast gerade 
verlaufende Linie, und zwar immer längs alter Straßen, welche 
in damaliger Zeit die Hauptstraßen waren. Die Grenze konnte 
zwischen den einzelnen Orten nicht anders laufen, weil es 
keine anderen kürzeren Verbindungswege gab, und deshalb 
hat die Urkunde es nicht für nótig gefunden, dieselben be- 
sonders anzugeben. 

Von jetzt ab ist die Grenze wieder sehr klar: Es geht 
jetzt längs der Moder (per Matram) abwärts bis zur Mündung 
derselben in den Rhein, und von da den Rhein aufwärts bis 
zum Ausgangspunkte. 

Eine Frage aber wirft sich zuletzt noch auf, nämlich ob 
der Rheinstrom selbstin das Nutzungsgebiet 
fällt, und ich bejahe diese Frage ohne weiteres. Dazu be- 
stimmen mich dreierlei Ausdrücke der Urkunde. Zunächst: 
pertotum limitem Rent; dies kann nichts anderes 
bedeuten, als daß der Rhein der limes, die Grenze ist und 
zwar in seiner ganzen Breite (totum). In seiner ganzen Aus- 
dehnung entlang (per) lief die Grenze. Ferner: cum insulis 
omnibus adiacentibus. Dies kann man nicht nur 
auf die Sumpfinseln des elsässischen Ufers beziehen, weil dies 
sonst ausdrücklich hätte erwähnt werden müssen. Endlich : 
usque Wizenuuilare; geht die Grenze nur am elsissi- 
schen Ufer entlang, dann gelangt man niemals nach Wizenuui- 
lare, welches jenseits liegt. Gehörte aber der ganze Strom 
bis zum jenseitiven Ufer zum Jagdvebiete, dann gelangte man 
dorthin, denn Weisweil lag, wie uns die weitverzweigten Alt- 


— 08 — 


wasser des Rheins auf der Karte zeigen, damals am Rheinufer. 
Die Grenze geht also vom elsässischen Ufer gegenüber Weis- 
weil aus und endigt auf dem jetzt badischen Ufer bei diesem 
Orte. Auf diese Weise hatte das Bistum nicht nur eine aus- 
gedehnte Feld- und Waldjagd, neben sonstiger Nutzung, sondern 
auch eine ausgezeichnete und ebenfalls weit ausgedehnte 
Wasserjagd. 


6, DIE BEGABUNG DES KLOSTERS ST. JOHANN 
BEI ZABERN, A. 1126. 


— 


Das Frauenkloster Benediktiner Ordens, welches einst in St, 
- Johann bei Zabern blühte, verdankte seine Gründung und seinen 
ehemals reichen Besitz der Freigebigkeit des Grafen Peter von 
Lützelburg aus dem Hause Bar-Mümpelgard, welcher sich 
nach der im Zorntal hinter Zabern liegenden ehemaligen Burg 
Lützelburg nannte,! dessen Geschlecht aber schon mit seinem 
Sohne Reginald um 41143 ausstarb. Die Vergabung erfolgte 
1196 an das Kloster St. Georgen im Schwarzwald, ging dann 
aber auf das von dort aus gegründete Kloster St. Johann über, 
wie im folgenden näher ausgeführt werden wird. 


I. Die Art der Quelle und ihre historischen Angaben. 


Die Gründung und Begabung des Klosters wird uns in 
einer Urkunde berichtet, welche Schópflin ? nach seiner Angabe 
im Archiv des Klosters gefunden hat, Grandidier? aber aus 
einer notariellen Abschrift von 1377 im Archiv des Klosters 
St. Georgen im Schwarzwald veröffentlicht. Von Grandidier hat 


1 Die Burg ist sicher anfänglich Besitz der Abtei Maursmünster 
gewesen. Nach Dokumenten dieses Klosters hätte Graf Peter sich 
gewaltsam der Burg bemächtigt. Nach erfolgter Sühne hat sein Sohn 
Reginald dieselbe vom Kloster zu Lehen erhalten. Nach dessen Tod 
aber legte der Bischof von Metz, Stephan, der Vetter des Grafen 
Peter, seine Hand auf die Burg, wozu er als Lehensherr der Mark 
Maursmünster befugt war, und zog sie für seine Kirche ein, um sie 
von dort aus zu Lehen zu geben. 

2 Als. dipl. I, p. 204. 

3 Hist. d’Als., pieces justif. Nr. 608 (Bd. II). 


sw Dre 


Wirdtweint den Text übernommen. Allein auch Schöpflin 
hat kein Original vor sich gehabt, denn der Text, welchen er 
bietet, tragt in Bezug auf die Ortsnamen nicht den Charakter 
des 12. saec., so daß er ebenfalls nur eine Abschrift vor sich 
gehabt haben kann. Das Schriftstück selbst können wir nicht 
als eine rite ausgestellte Schenkungs- oder Stiftungsurkunde 
betrachten. Es ist eher eine vermögensrechtliche Aufzeichnung, 
welche vom Kloster selbst veranlaßt worden war, und zwar 
offenbar aus keinem andern Grunde, als um seine Rechte und 
seinen Besitz festzustellen. Dies wird aus Folgenden klar 
werden. 

Zuerst kommt in der Urkunde ein Bericht über die Schen- 
kung, welche der «comes scilicet Petrus de Luzel- 
burg», der «unus ex nobilioribus Francorum et 
Salicorum proceribus» genannt wird, zu seinem und 
seiner Angehórigen Seelenheil dem Kloster St. Georgen im 
Jahre 1196 machte. Er wollte ein gutes Werk tun und hatte dazu 
sein «praedium Meyenhemswilre vocatum, in 
episcopatu Argentinensi, in provincia et comi- 
tatu Alsatiensi, juxta saltum, qui dicitur 
Vogesus» bestimmt. Er berief den Abt von St. Georgen, 
Wernherus, und schenkte im Einverständnis mit seiner Gattin 
Itha und seinem Sohne Regenaldus dieses praedium dem «beato 
Georgio martyri» mit allen Rechten und Zubehórden, wie er 
selbst es ererbt hatte, zu dauerndem Besitz. 

Dieser Bericht ist in die Form einer Urkunde gekleidet ; 
er beginnt mit der bekannten Urkundenformel: notum sit 
omnibus etc. qualiter, und schliebt ebenfalls ganz 
urkundenmiBig mit: Facta autem haec sunt in ipsa 
villa Meyenhemswilre anno ab incarnatione 
Domini M. CXXVI etc. Von dem Stifter wird aber nur 
in der drilten Person gehandelt, und ferner wird die Ent- 
stehung der Schenkung so weitliufig berichtet, daß wir be- 
haupten können, so habe die Urkunde niemals gelautet. Es 
ist dies entschieden eine spätere Aufzeichnung, welche zugleich 
einiges, welches in der Schenkung berührt war, weiter aus- 
führte und der Nachwelt die genaue Entstehungsgeschichte 
der Begabung geben wollte. Da der Anfang und Schluß, auch 


1 Würdtwein, nova subs. dipl. VII, p. 58 ff. 


E. Die 


der größte Teil der Einleitung deutlich an Urkundenformen an- 
klingt, so hat der Verfasser wahrscheinlich das Original der 
Schenkung vor sich gehabt. Verfabt isi das uns jetzt vorliegende 
Schriftstück aber jedentalls später als 1126. 

Hierauf folgt nun ein Bericht über die Neuerrichtung und 
Neuweihung der in Meyenhemswilre gelegenen Kirche. Sie 
war «ibidem sitaabantiquistemporibu s». 
Sie war zerfallen, aber «eo temporein melius re- 
parata». Da im Strabburzer Bistum Unfriede herrschte, in- 
dem der vom Kapitel gewählte Bischof Bruno einen Gegenbischof 
Eberhard hatte und zugleich auch der vom Kaiser abgesetzte 
Bischof Cuno noch seine Bischofsrechte geltend machte, wurde 
Bischof Stephan von Metz mit Erlaubnis der zuständigen Strab- 
burger Bischöfe mit der Neuweihe der Kirche betraut, welche 
er im Jahre 1127 vornahm. Sie wurde dem Johannes Baptista 
geweiht und der Bischof bestimmte, daß der Ort von nun an 
cellasanctiJoannis heißen solle. Bei dieser Gelegen- 
heit wiederholte und bestátigte Peter von Lützelburg seine vor- 
genannte Schenkung. 

Dieser zweite Bericht macht in seinem Anfang den Ein- 
druck einer geschichtlichen Darstellung, nicht einer Urkunde. 
Da jedoch am Ende desselben eine Anzahl testes aufgeführt 
werden, wie dies sonst nur bei wirklichen Urkunden der Fall 
ist, so werden wir auch hier eine urkundliche Vorlage an- 
nehmen müssen, nämlich die Einweihungsurkunde der Kirche 
mit der Bestätigung der Schenkung. Deshalb ist aber auch 
dieser Bericht erst nach 1127 niedergeschrieben worden. 

An diese beiden historischen Berichte schließt sich dann 
eine Beschreibung und Aufzählung des Eigentums und der 
Nechte des Klosters, der «cella sancti Joannis». Hier finden 
wir gleich zu Anfang die Beschreibung und Begrenzung des 
dem Kloster zu alleinigem Eigentum geschenkten Gebietes, 
welches wir in dieser Abhandlung näher bestimmen wollen. 
Darauf folgt dann die Angabe der abseits liegenden Stücke des 
Klostereigentums, welche zum Teil mit andern Eigentümern 
gemeinsam genutzt werden. Ob dieselben ebenfalls aus der 
Schenkung des Peter von Lützelburg herrührten, geht aus der 
Aufzählung nicht hervor. In diesem Berichte von den Gütern 
entdecken wir gleich zu Anfang einen Ausdruck, welcher uns 
auf die Entstehung dieser ganzen urkundlichen Darstellung 


us 79 Zu 


hinweist. Da heißt es nämlich als Einleitung zur Grenzbe- 
schreibung der engeren Schenkung: Est autem hujus praedii 
pars quaedam determinata et ex toto nostri juris etc. 
Ich meine, daß diese zwei Worte deutlich machen, daß die 
ganze Darstellung den Hauptzweck hatte, die jura des 
Klosters schriftlich zu fixieren, und ferner, daß diese Auf- 
zeichnung entweder im Kloster St. Johann oder im Kloster 
St. Georgen gemacht worden ist, da das nostri juris 
nur von seiten der Klosterinsassen gelten kann oder von seiten 
derer, welchen das Kloster St. Johann unterstand, nàmlich 
des Abtes und Konventes von St. Georgen. Auch ein am 
Schlusse des Verzeichnisses der Güter und Rechte erscheinen- 
des «Nota» bezeugt, daß die Aufzeichnung für diejenigen 
hauptsachlich bestimmt war, welche die Güter zu verwalten 
hatten. 

Wir haben also, wie wir bereits eingangs erwihnt haben, 
gar keine direkte Urkundenquelle für die Schenkung des 
Grafen Peter. Die Aufzeichnung, aus welcher wir unsere 
Kunde entnehmen, ist eine mit Benutzung zweier 
Originalurkunden, der Schenkungsurkunde und 
der Einweihungsurkunde der Kirche, hergestellte 
Nachweisung über die Entstehung und 
die Ausdehnung des Klosterbesitzes mit 
den zugehörigen Rechten. Diese ist nach 1127 verfaßt, wahr- 
scheinlich aber auch nicht allzulange hernach. 

Diese Urkunde besitzen wir nun auch nicht in der Ur- 
schrift, sondern am zuverlässigsten in einer nolariell beglau- 
bigten Abschrift vom Jahre 1377, aus welcher Grandidier ab- 
geschrieben hat; dieselbe fand sich damals im Kloster St. 
Georgen. Daher kommt es, dab die Ortsnamen der Schenkung 
nicht mehr ihre ursprüngliche Form des 12. saec. haben, 
sondern nach der Sprechweise des 14. saec. umgeändert sind, 
wie sich schon auf den ersten Blick zeigt. 

Was die zu behandelnde Schenkung des Grafen Peter be- 
trifft, so müssen wir festhalten, dab sie nicht dem Kloster 
St. Johann gemacht wurde, sondern dem Kloster St. Georgen 
und daß, wie sich aus der Notiz unserer Quelle über die Ein- 
weihung der Kirche ergibt, wonach bei dieser Gelegenheit Graf 
Peter die Schenkung «notificavit, iteravit et confirmavil», die- 
selbe erst damals dem inzwischen entstandenen Kloster, der cella 


=, 73 = 


sancta Joannis, übertragen wurde,! womit sie trotzdem rechtlich 
bei St. Georgen blieb, welchem St. Johann stets unterstellt war. 

Ob die Abgrenzung des Gebietes, welches dem Kloster 
St. Georgen geschenkt worden war und nachher zu dem neu- 
gegründeten Kloster St. Johann gehörte, in der Schenkungs- 
urkunde von 1126 bereits genau angegeben war, ist eine 
weniger wichtige Frage. Möglich, daß in derselben gar nichts 
Náheres stand, weil in dem Bericht über diese Schenkung, 
welcher sich doch auf die Urkunde stützt, nichts weiter er- 
wähnt ist, als daß Graf Peter sein praedium in Meyenhems- 
wilre vergabte. Möglich auch, daß die Grenzangaben darin 
gemacht waren, daß sie aber vom Verfasser unserer Quelle 
absichtlich ausgelassen wurden, weil er das Gebiet erst bei Auf- 
zählung der Güter näher zu beschreiben gedachte. Die 
Abschriften, auf welche wir jetzt angewiesen sind, haben aber 
diese Grenzbeschreibung wahrscheinlich nicht korrekt überliefert. 


II. Die Abgrenzung des Gebietes. 


Das dem Kloster St. Johann zu ausschließlichem Eigen- 
tum  überlassene Gebiet, welches an das Kloster angrenzte, 


1 Der Zusammenhang zwischen Schenkung und Klostergründung 
zu St. Johann ist meist falsch verstanden worden. Dag. Fischer 
(l’abbaye de Saint-Jean-des-Choux, im Bull. de la société pour la con- 
servation des mon. hist. d’Alsace, 2° serie, tome V (1868), Mémoires 
. 1-28, sagt z. B.. daß Graf Peter den Entschluß faßte, die 
baufallige Kirche wiederherzustellen und zugleich dem Kloster St. 
Georgen das Dorf Meyenheimsweiler zu schenken, sowie daf} er auch 
den Bau eines Klosters hier begann. Die Kirche und das Kloster 
lief} er einweihen, noch bevor sie ganz fertiggestellt waren (a. a. O., 
p. 1 u. 4). Dies können wir aber aus unseren Quellen nicht ent- 
nehmen. Das Historische ist folgendermaßen anzunehmen. Zunächst 
schenkte Graf Peter dem Kloster St. Georgen sein praedium, zu 
welchem also auch die banfällige und zerstörte Kirche gehörte. Wir 
können dabei annehmen, daß er die Absicht hatte, ein Kloster dort 
errichten zu lassen. Das Kloster St. Georgen ließ nun sowohl die 
Kirche wiederherstellen, als auch ein kleines Kloster dort erbauen, 
und zwar innerhalb Jahresfrist. Davon, daß Graf Peter dies getan, 
steht kein Wort in unserer Vorlage; vielmehr war es ganz natür- 
lich. daß das St. Georgerkloster als nunmehriger Besitzer alles aus- 
führen ließ. Als die Kirche 1127 eingeweiht wurde, war sie vollen- 
det, wie wir ausdrücklich lesen (fuerat in melius reparata). Die 
cella war bei der Einweihung der Kirche wohl auch schon fertig. 
Denn wenn das Kloster noch nicht bezogen werden konnte, hatte 
die Einweihung der Klosterkirche keinen Zweck. 


wird in unserer Urkunde zu Anfang der Güteraufzählung 
folgendermaßen beschrieben. Den Text gebe ich nach Gran- 
didier, weil ich dessen Vorlage für die ältere halte, mit An- 
merkung der anderen Lesarten: 

Est autem hujus praedii pars quaedam determinata 
et ex tolo nostri juris, non admittens ditionem vel 
communionem alterius ecclesiae sive saecularis personae, 
quae his terminis designatur. [Incipiunt ab orientali, 
marginalibus lapidibus determinantibus ipsum praedium, 
a praedio sancti Petri Neovillae, quod adjacet 
terminis villae Steinbirche, et procedunt inde 
ad torrentem, qui dicitur Wildeguttenbach ‚ et 
tendentes sursum ad locum, qui dicitur Rahenstein, 
extendunt se usque in flumen Sornam, perguntque 
ad locum, qui dicitur Ertmura, et pervenientes ad 
petram, quae vocatur Hertenstein , ipsam ex tolo 
complectentes, sicque ad terminos villae Egolckers- 
weiler® perducuntur. 

a) Schópfl.: Steinwircke. b) Schópfl: Wildegurttenbach. 
c) Schópfl.: Volckerswiller. Würdtw.: Ottkerswiller. 

Die Grenze dieses Gebietes ist, so genau auch die Be- 
schreibung zu sein scheint, ungemein schwierig festzustellen, 
weil, wie mir scheint, der Text eine Korruption durch die Ab- 
schreiber erfahren hat, welche wir nicht mehr in Ordnung 
bringen können. Versuchen wir, wenigstens einigermaßen uns 
zurechtzulinden. 

Die Beschreibung fängt im Osten an und zwar am 
praedium sancti Petri Neovillae, also am Kloster- 
gut von Neuweiler, welches (nach Süden) an das Gebiet von 
Steinbirche angrenzte. Dieses Steinbirche — Schöpflin 
schreibt «Steinwircke», meiner Ansicht nach eine bedeutend 
spätere Form, weil sie sich der heutigen mundartlichen Aus- 
sprache «Steiweri» nähert — ist sicher Steinburg, östlich von 
St. Johann an der Zorn, und gehörte damals, wie wir an 
einem andern Ort unserer Urkunde erfahren, dem Kloster 
Andlau. Ob die Worte marginalibus lapidibus 
determinantibus ipsum praedium anzeigen 
wollen, dab Neuweiler sein Gebiet mit Grenzsteinen eingefabt 
hatte oder dab das nun zu beschreibende Gebiet des Klosters 
St. Johann mit Steinen abgegrenzt war, geht aus dem Text 


= 75 a 


nicht deutlich hervor; wahrscheinlich sind aber damit die 
Grenzsteine St. Johanns gemeint, weil «ipsum praedium» nicht 
auf das Neuweilerer Gebiet bezogen werden kann. 

Von hier aus geht es an den Wildeguttenbach, 
einen, wie sein Name besagt, wilden Wasserlauf (torrens), 
welcher eigentlich nur Guttenbach hieß. Nach der ganzen 
Situation muß es ein Nebenlauf der Zinzel sein. Wo ist er 
aber zu suchen? Zu dem Zwecke ist nötig, die Besitzverhält- 
nisse dortiger Gegend näher ins Auge zu fassen. Der Ort 
Ernolsheim, welcher an einer andern Stelle der Urkunde un- 
zweifelhaft als Herolzheim erscheint, gehört nach Aus- 
sage dieser Stelle zu Neuweiler [dictioni sancti Petri Neovillae 
subjacenlis (sc. villae]. Steinburg (Steinbirche) ist 
Gebiet des Klosters Andlau [ad proprietatem sancti Petri et 
Richardis in Andelach pertinentis (sc. villae). In Monsweiler 
(Monholzwiler. Schópflin: Monolzwiler) hat St. Johann 
wohl sex curtilia, aber mehr nicht; also liegt dieser Ort auBer- 
halb des Sondergebietes des Klosters. Eckartsweiler, welches 
unzweifelhaft in unserer Urkunde mit Eggoltzwiler 
(Schópflin : Egolzweiller) gemeint ist, gehört nur zum Teil 
dem Kloster (tres mansi absque uno quartario, et duodecim 
curtilia et plus quam tertia pars sylvae), fällt also ebenfalls 
außerhalb des zu begrenzenden praedium. DerOrt Egole k ers- 
weiler, welcher am Ende der Grenzbeschreibung erscheint, 
bis an dessen fines die Grenze von Norden her làuft, gehort 
ebenfalls nicht mehr zu dem praedium, sondern er wird gleich 
nachher aufgeführt, als welchen das Kloster zum vierten Teil 
besitzt (hujus etiam villae quarta pars memorato praedio 
adscribitur). Dieser Ort hat, wie wir nachher sehen werden, 
zwischen der Berghóhe über St. Johann und dem Dorf Ernols- 
heim gelegen, wahrscheinlich. ebenfalls am Hang, da in einem 
andern Teil der Urkunde ein Fubweg genannt wird, welcher 
Ernolsheim mit ihm verbindet und wir in diesem den jetzt 
von Ernolsheim nach St. Johann führenden Weg vermuten 
dürfen. Bei Schöpflin erscheint er als Volckerswiller, 
bei Würdtwein als Ottkerswiller,! gemeint ist aber 
offenbar derselbe Ort. Nun ist. zwar nórdlich von St. Johann 


1 Dies ist auffallend, da doch Grandidier die Urkunden für 
Würdtwein geliefert hat. 


— "76 — 


ein Flurname «Volkersweiler» erhalten.t Darnach könnte man 
die Lesart Schópflins für richtiger annehmen. Allein «Egolckers- 
weiler» und «Volckerswiller» lassen sich doch nicht gut ver- 
einigen, denn wenn letzteres die richtige Lesart ware, so 
hätte daraus gerade die Schreibart «Egolckersweiler» schwer- 
lich entstehen kónnen. Mir macht es den Eindruck, als ob 
Schópflin den ihm unbekannten Ort gesucht und, weil er ihn 
nicht fand, dafür aber von dem Flurnamen «Volkersweiler» 
erfuhr, den Ortsnamen einfach in «Volckerswiller» umgeändert 
hatte, indem er ein Verschreiben des Kopisten annahm. Dann 
wäre Egolckersweiler doch die richtige Lesart. Der 
Ort hat aber dann jedenfalls nicht weit von dem ebenfalls 
verschwundenen Ort Volkersweiler gelegen; ein an 
ihn erinnernder Flurname hat sich aber nicht erhalten. 

Ziehen wir diese eben angeführten Umstände in Er- 
wägung, so werden wir zugeben müssen, daß, weil der Weg 
anderwärts verlegt ist, die Grenze nur folgenden "Verlauf ge- 
nommen haben kann. Sie schlieDt sich óstlich an das Gebiet 
des Klosters. Neuweiler an, d. h. sie geht an der westlichen 
Banngrenze von Ernolsheim und des verschwundenen Egolckers- 
weiler — denn dieser Ort wird, weil bei Ernolsheim gelegen 
und weil die Grenze des zu beschreibenden Gebietes nur bis 
an denselben ging, auch zu Neuweiler gehört haben — von 
Norden kommend herab, umfaßt dann den Bann von 
Meyenheimsweiler (= St. Johann), wobei sie Eckartsweiler 
südlich liegen läßt, und trifft nordwestlich weitergehend wieder 
auf die Höhe oberhalb St. Johann. Diese Höhe bildet die 
Wasserscheide zwischen Zinzel und Zorn. Da nun nichts 
weiter berichtet wird, als daß die Grenze bis zu dem Wilde- 
guttenbach zieht, so müssen wir annehmen, daß sie auf dieser 
Wasserscheide westlich zieht, bis sie auf den Ursprung dieses 
Baches trifft. In Wildeguttenbach nun erblicke 
ich den Gutenbrunnen, den auf der Bezirksgrenze hinfließenden 
Nebenlauf des bei Oberhof in die Zinzel mündenden  Nessel- 
bachs, welcher ja schon in seinem Namen an den wilden 
Guttenbach erinnert. Dort in der Nähe findet sich auch der 
Ramstein, wie die nördlich der Zinzel, auf dem zwischen 
dieser und dem Rehbächel sich erhebenden Plateau, oberhalb 


1 Vel. Reichsland Elsaß-Lothringen IIT, p. 1163. 


von Graufthal vorspringenden Felsen heiBen. Diese wiren 
dann der Rahenstein der Urkunde. Wenn es nun heißt: 
tendentes sursum ad locum, qui dicitur 
Rahenstein, so ware dies nicht anders zu deuten, als 
daß die Grenze zunächst dem Lauf des Wildeguttenbachs, also 
nach unserer Aunahme dem Gutenbrunnen und nachher dem 
Hauptlauf Nesselbach, folgt bis zur Einmündung in die Zinzel, 
dann diese aufwirts geht bis dahin, wo der Ramstein sich am 
rechten Ufer erhebt (bei Graufthal), und endlich diese Hóhe des 
Ramstein selbst erklimmt. 

Allein: hier schiebt sich eine weitere Bestimmung in die 
Grenzbeschreibung ein, welche die bisher angenommene 
Grenzlinie in Frage stellt, denn es heißt dann: extendunt 
se usque in flumen Sornam. Dies ist offenbar 
von da aus, wohin, wir gelangt sind, nicht móglich. Auch muB 
die Grenze unbedingt im Norden weitergehen, da sie nach 
dem Hertenstein bei Neuweiler führen soll. Es wire 
nur möglich, daß wir einen falschen Weg eingeschlagen 
hátten und die Grenze von der Wasserscheide zwischen Zorn 
und Zinzel aus nach der Zorn führen, wir uns also, der 
Wasserscheide von St. Johann aus folgend, anstatt rechts zum 
Tal des Gutenbrunnen nach links wenden müßten, wo das 
Ramstal zur Zorn hinführt. Früher kónnen wir uns nicht 
links wenden, da ja das Stadtgebiet von Zabern nicht in 
das Gebiet von St. Johann fallen kann. Gehen wir nun auf 
den Hóhen zwischen Ramstal und Stutzbachtal südlich — von 
der Hóhe der Zaberner Steige führt eine Waldstrafe bis ans 
Forsthaus Schweizerhof —, so kónnen wir auf den Rappen- 
felsen gelangen, dessen Name vielleicht aus «Rabenfelsen» 
(Rahenstein, Rabenstein) verderbt gelten könnte, und von da 
hinunter an die Zorn. Dies könnte möglich sein (Wildegut- 
tenbach = Ramstalbach, und Rahenstein = Rappenfelsen) ; aber 
— auf welche Weise kommen wir dann wieder nach Norden 
nach dem Hertenstein? Nach Osten im Zorntal kann die 
Grenze nicht weiterziehen, weil sie dort nur fremdes Gebiet 
treffen würde. Höchstens könnte man im Zorntal aufwärts 
gehen und den Stutzbach aufwärts, um der Bezirksgrenze 
nach wieder in die Nähe der Zinzel zu gelangen. Davon steht 
aber kein Wort in der Grenzbeschreibung. Ich schließe daraus, 
weil das «extendunt se usque in flumen Sornam» die Be- 


zx MEL 


schreibung gänzlich unklar macht, dab dieser Satz entweder 
nicht in der ursprünglichen Grenzbestimmung gestanden hat 
oder daf der Abschreiber sich versehen und den betreffenden 
Passus an die falsche Stelle gesetzt hat. Im letzteren Falle 
wire der Wortlaut vielleicht gewesen: et procedunt inde ad 
torrentem, qui dicitur Wildeguttenbach, extendunt se usque 
in flumen Sornam, et tendentes sursum ad locum, qui dicitur 
Rahenstein etc. ; dann mtiBte man Wildeguttenbach als Rams- 
talbach .annehmen, die Grenze denselben entlanz mach der 
Zorn führen und die Bezirksgrenze entlang gehen bis im Norden 
an den Ramstein bei Graufthal, aber auch dann hat die 
Grenzbeschreibung noch eine groBe Lücke. Deshalb scheint 
mir eher wahrscheinlich, daß die Richtung, welche wir der 
Grenze von Anfang an gegeben haben, die richtige, weil natür- 
liche ist, und daf der Passus «extendunt se usque in flumen 
Sornam» gar nicht hierher gehört. Es ist ja möglich, daß die 
Abschriften der Urkunde, welche unsern Text enthalten, nicht 
vom Origiual, sondern von einer schon früher angefertigten 
Abschrifi entnommen sind, daß in dieser früheren Abschrift 
der fragliche Passus als eine auf falschem Verständnis be- 
ruhende Glosse an den Rand geselzt war und auf diese Weise 
bei den jüngeren Abschriflen in den Text geriet. 

Wir nehmen also an, daß die Grenze dem Lauf des 
Gutenbrunnen und des Nesselbaches folgt, dann die Zinzel auf- 
wärts geht und bei Graufthal den Ramstein erklimmt. Wie 
geht sie nun aber weiter? In der Beschreibung heißt es: 
perguntquead locum, qui dicitur Ert- 
mura et pervenientes ad petram, quae 
vocatur Hertensein. Der Felsen Hertenstein 
ist ohne Zweifel der Herrenstein bei Neuweiler, und zwar nicht 
nur das Stück, auf welchen die Ruine Herrenstein liegt, 
sondern der ganze Rücken, welcher südlich in dem Fastnachts- 
felsen endigt, welcher mit dem «petra» Hertenstein wohl in 
erster Linie gemeint ist. Es läge nun nahe, vom Ramstein 
aus dem Höhenrücken entlang dem Rehbächel zu folgen bis 
zur Wasserscheide in der Gegend des Dorfes Petersbach, dieser 
Wasserscheide zwischen Zinzel und Moder nach Osten nach- 
zusehen und von Norden her oberhalb Neuweiler den Hóhen- 
zug des Herrenstein zu erreichen, worauf inan ostwärts an 
demselben herab nach Süden ziehen müßte, um die Bedingung 


te MM o 


= M. dc 


der Grenzbeschreibung zu erfüllen: ipsa m (sc. petram 
Hertenstein)ex toto complectente s. Da wir 
nun aber aus den nüheren Angaben unserer Urkunde wissen, 
daß der «forestum  Braitenshoh», worunter wir den Distrikt 
Breitschloß zwischen Fischbach und Niederbach zu verstehen 
haben, nicht direkt in das Gebiet von St. Johann einbegriffen 
war, weshalb er auch besonders aufgeführt wird ; da ferner 
die Hüneburg, welche innerhalb dieser Grenzen fallen würde, 
richt dem Grafen Peter von Lützelburg, sondern dem Volmar 
von Hüneburg gehórte, und mit ihr also auch der Hóhen- 
rücken, auf welchem dieselbe liegt, aus dem Gebiet auszu- 
scheiden ist, so können wir nur annehmen, daß die Grenze 
vom Ramstein aus quer über die Nebentäler der Zinzel und 
quer über die südlichen Höhen der diese Täler scheidenden 
Gebirgszüge hinzog, um erst jenseits des Maibàchels nach 
Norden zu gehen, den Herrensteinberg zu umschließen und 
östlich an demselben herab wieder nach Süden zu ziehen. Sie 
berührte also wahrscheinlich die Höhe über dem Dorf Esch- 
burg, die Gegend des Forsthauses Potaschplatz und zog über 
den Holderkopf. Auf diesem Wege müßte nun der Ort 
l'rtmura gelegen haben. Der Name weist auf Erdmauern 
oder Wälle hin, und möglicherweise sind damit Reste prähi- 
storischer Werke gemeint gewesen, wie wir solche auf vielen 
Vogesenhöhen antreffen. Der Ort Ertmura würde damit auf 
einer Höhe zu suchen sein, etwa südlich des Breitschloßberges 
am Potaschplatz oder am Holderkopf. 

Nachdem die Grenzlinie den Herrenstein umschlossen hat, 
ziehtsieöstlichandemselben herab,sieque ad terminos 
villae Egolckersweiler. Da keine näheren An- 
gaben gemacht sind, ist nichts anderes anzunehmen, als daf 
die Grenze auf diesem ganzen Wege sich an das Gebiet des 
Klosters Neuweiler anlehnte, wie dies im Anfang der Grenz- 
beschreibung vorausgesetzt ist, d. h. sie lieb das Gebiet von 
Neuweiler, Dossenheim und Ernolsheim östlich liegen und traf 
zwischen Ernolsheim und St. Johann auf die westliche Banngrenze 
des vermutlich auch zu Neuweiler gehörenden abgegangenen 
Ortes Egolckersweiler, von welchem wir bereits gesprochen 
haben. An diesem Ort vorbeiziehend schloß sich die Grenze 
dann ganz naturgemäb an die Banngrenze von Meienheimsweiler 
an. Damit sind wir also an den Ausgangspunkt zurückgelangt. 


Se (BO) ee 


Es dürfte dies wohl der erste Versuch sein, das engere 
Gebiet des Klosters St. Johann zu umgrenzen; es sollte mich 
aber freuen, wenn ich Nachahmer fände, welche aus genauerer 
Ortskenntnis meine Angaben berichtigen oder ergänzen würden. 

In dieses eben beschriebene Gebiet fällt zum größten Teil 
auch ein Stück Wald hinein, an welchem außer Kloster St. 
Johann noch die Orte Steinburg und Ernolsheim Teil hatten. 
«Praeterea adscribuntur ipsi praedio vastitates quaedam circum- 
quaque sibi adjacentium saltuum, in quibus tamen admiscentur 
communitates duorum praediorum, hoc est villae Steinbirche, 
ad proprietatem sancti Petri et Richardis in Andelach pertinen- 
tis, necnon villae Herolzheim, dictioni sancti Petri Neovillae 
subjacentis. Solis colonis horum trium praediorum licet usus 
et potestatem habere in his saltibus.» Die Grenzen dieses Wald- 
gebietes werden folgendermaßen beschrieben : 

Horum termini incipientes a praedio proprietatis 
sancti Petri Neovillae, quod dicitur Sch we- 
ga, ascendunt per alveum fluminis Zinzilae usque 
in torrentem Falbach, indeque tendentes usque in 
rivum,? qui dicitur Stampfehalda, moxque ad 
locum vocatum Wasserquelle,® inde perveniunt 

usque Egolckersweiler,* perguntque inde Herolz- 

heim per semitam, quae inter duas villas frequentatur, 
ea, quae huie semitae superiora sunt, assumentes, sicque 
per eandem semitam ex superiori parte ecclesiae, quae 
est Herolzheim, ad locum, qui dicitur Steig a, 
reducuntur. 


a) Schöpfl.: clivum. b) Schöpfl.: Wassergevelle. c) Schöpfl.: 
Volckerswiler, Würdtw.: Ottkerswiler. 


Der Ort Schwega an der Zinzel, bei welchem die 
Grenze beginnt, ist nicht mehr vorhanden. Der Name ist aber 
erhalten in der Schweyermühle, welche bei Dossenheim an der 
Zinzel liegt. Nun geht es längs (per) des Bettes der Zinzel, 
also auf deren rechten Ufer, aufwärts bis zur Einmündung 
des Falbach, heute Fallbächel, welches nördlich des Höhe- 
punktes der Zaberner Steige entspringt. Diesem Fallbächel 
entlang geht die Grenze aufwärts, welche uns so wieder auf 
die Wasserscheide zwischen Zorn und Zinzel führt. Dieser 
Wasserscheide gehen wir nach Osten nach bis an den rivus, 


qui dieitur Stampfehalda. Schöpflin liest «clivus», 


Rs Bl ee 


was zu Stampfehalda, unter welcher man sich eine morastige, 
sumpfige Anhöhe zu denken hat, gut passen würde. Es ist 
aber nicht ausgeschlossen, daß der aus dieser wassergesättigten 
Halde abfließende Bach denselben Namen getragen hat. Das 
Resultat ist für unsere Untersuchung dasselbe, denn es kann 
nur der Ort gemeint sein, wo das Nebenbächlein des Fall- 
bächels, der Langentalbach, entspringt. Immer auf der Höhe 
der Wasserscheide nach Osten gelangt man dann an einen 
Ort, von welchem es heißt: moxque ad locum vocatum 
Wasserquelle. Meiner Ansicht nach kann damit nur die 
Quelle gemeint sein, welche sich auf dem Plateau nördlich 
über St. Johann innerhalb der sog. Heidenstadt, einer alten 
prähistorischen Ansiedelung, findet. Von da geht die Grenze 
nach Egolckersweiler. Wir haben von diesem Ort 
bereits gesprochen. Da die Grenze nach Ernolsheim (Herolz- 
heim) weiterlàuft, muß dieses Egolckersweiler zwischen dem 
erwahnten Plateau der Heidenstadt und Ernolsheim gelegen 
haben. Da es weiter heibt: perguntque inde Herolz- 
heim per semitam, quae interduas villas 
frequentatur, so halte ich es für wahrscheinlich, daß 
Egolckersweiler an dem St. Johann und Ernolsheim verbinden- 
den Weg gelegen hat.! Alles was oberhalb dieses Pfades liegt, 
also nórdlich davon, gehórt nach der Beschreibung zu dem 
Waldgebiet. Von hier aus geht die Grenze oberhalb von 
Ernolsheim weiter (ex superiori parte ecclesiae,? 
quae est Herolzheim) und führt zurück nach Steiga. 
Es liegt auf der Hand, daß nach der ganzen Situation Steiga 
nur verschrieben sein kann für «Schweiga», womit die Grenze 
wirklich zum Ausgangspunkt zurückführt (reducuntur). Die 
Grenze läuft also von Ernolsheim aus noch ein Stück in 
gleicher Höhe und senkt sich dann ins Zinzeltal zur Schweyer- 
mühle. 

Dieses Waldgebiet hatte also St. Johann mit den Orten 
Ernolsheim und Steinburg gemeinsam. Dafür hatte es ein 
anderes Waldgebiet zu ausschlieBlichem Eigentum. Dasselbe 
wird folgendermaßen beschrieben : 


: Schöpflin liest auch hier wieder «Volckerswiler». Vgl. dazu 
p. (of. 
2 Ecclesia im Sinne von «Pfarrdorf». 

HERR. 6 


— 82 — 


Ad praedictum etiam jus pertinet aliud forestum, 
nomine Braitenshoh* vocatum, incipiens a torrente 
Vispach,b et pertingit usque Linderspach,¢ 
et ascendens a septentrionali parte usque ad locum, qui 
dicitur Sibenbuch, habensque ibi quaquaversum 
designatas arborum marginales provincialibus satis notas. 


a) Schópfl. u. Würdtw.: Braitensnoh. b) Schópfl.: Vischbach 
Schópfl.: Liderspach. 


Dieser Walddistrikt kann, der Beschreibung nach, kein 
anderer sein, als der jetzt «Breitschloß» genannte, im nördlichen 
Tal der Zinzel von Lützelstein aus herunterziehende, östlich 
vom Fischbach (Vispach), westlich vom Niederbach be- 
grenzt, Dieser Niederbach muß mit Linderspach ge- 
meint sein; auf dem Meßtischblatt heißt er Litterbach. Iın 
Norden soll sich der Wald bis an einen Ort Sibenbuch 
erstrecken. Nach Schópflin ware es der Name eines zerstórten 
Dorfes. Allein nach der ganzen Darstellung ist damit eine ` 
Gruppe von sieben Buchenbäumen gemeint, welche als hervor- 
ragende Grenzmarke gepflegt wurde. Außer dieser Baumgruppe 
sind auch noch andere Baume dort, nach Westen wie nach 
Osten hin, als Grenzmarken bezeichnet gewesen, jedenfalls 
durch Einschnitt gewisser: Zeichen (Kreuz, Abtsstab oder der- 
gleichen). Diese durch Sibenbuch hezeichnete nórdliche Grenze 
haben wir, entsprechend der heutigen Ausdehnung des Breit- 
schloBdistriktes, wohl óstlich von Lützelstein auf der Hóhe, 
elwa bei Forsthaus Loostal zu suchen. Nach Süden ist keine 
Grenze angegeben, deshalb dürfen wir vermuten, daB sich der 
Distrik hier an die Nordgrenze des Klostergebietes anschloß, 
welche wir etwa nach Forsthaus Pottaschplatz verlegen 
können. — — | 

Das Kloster St. Johann war also ziemlich reich dotiert. 
Allein es verlor mit der Zeit diesen Besitz zum größten Teil. 
Ja, dieser Verlust muß schon früh angefangen haben, weil 
Teile des beschriebenen Gebietes, wie Herrenstein und Breit- 
schloß-Wald, schon bald als Besitz Neuweilers erscheinen, 
so daB man sogar vermutet hat, diese Teile hätten stets zu 
Neuweiler gehört. Unsere Urkunde gibt da doch interessante 
Aufschlüsse. 


Vertac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL). 


PERLEN DER SANDSTEIN-VOGESEN. 


Streifziige und Plaudereien 
von 


Max Ebell 


Mit Buchschmuck und Einband von W. Richter-Rheinsberg. 
2. Auflage. brosch. M. 5.— eleg. geb. M. 6.— 


STRASSBURGER GEDENKBLATTER. 
Dichterische Blicke auf altes und neues im schónen 
Elsaß und auf sonstiges. 
von 


Fritz Ehrenberg 
M. 1.50. 


Der Verfasser zeigt da gleichsam durch die Tat, daf er als 
Journalist in der aufreibenden Beschaftigung mit der Tagesgeschichte 
dem Gemütsleben nahe geblieben. 


Eine Abbildung der 


HOHRONIGSBURG 
aus der ersten Hülfte des XVI. Jahrhunderts 
gefunden und beschrieben 


von Paul Heitz 
Mit 2 Tafeln. Preis M. 2.50 


. Daf) die eine Burg die alte Hohkónigsburg vorstellt, ist für 

jeden unbefangenen Beobachter ganz zweifellos.» 
Frankfurter Zeitung, 19. Dez. 07. 
«Die Aehnlichkeit ist so überraschend, daß ich nicht begreife, 
wie man auf die Idee kommt, hier làge ein Idealbild vor oder das 
einer anderen Burg.» Prof. Statsmann, Strassburger Post, 14. Okt. 07. 
<... somit hätten wir also, wonach man so lange vergeblich ge- 
sucht hat: eine bei einfachen mitteln und beschränkter absicht doch im 
ganzen zuverlässige darstellung der burg in dem noch fast unge- 

störten zustande des neubaus von 1479 ff.» . 

Zeitschrift für Deutsches Altertum 49. Band. 


Karte der Vogesen (1 : 50.000). 


Herausgegeben von dem Centralausschuss des Vogesen- -Clubs. Preis des ein- 
fachen Blattes aufgezogen und gefalzt je M. 2.-, für Mitglieder des V.-C. 
je M. 1.60; des Doppelblattes je M. 3.-, fiir Mitglieder des V.-C. je M. 2 40. 
Es erschien: BI. IV Weissenburg ; BI. V Lützelstein; Bl. VI-VII Nieder- 
bronn-Worth; Bl. VIII Zabern; BI. IX Alberschweiler-Dagsburg ; BI. X 
Molsheim; Bi. XI Oberes Breuschtal; Bl. XII Odilienberg; Bl. XIII 
Markirch; Bl. XIV Schlettstadt-Rappoltsweiler; Bl. XV Schlucht- 
Gerardmer: Bl. XVI Kavsersberg-Münster; Bl. XVII Wildenstein; 
Bl. XVIII Gebweiler; Bl. XIX/XX Masmiinster-Thann. 


 Vrnrac von J. H. ED. HEITZ (HEITZ &  MÜNDEL). 


Streifzüge und Rastorte im Reichslande und 
in den angrenzenden Gebieten. 


1. Der Kaiserstuhl, von C. Mündel. Zweite Auflage von: Die Strassen- 

bahn Strassburg-Markolsheim nebst Ausflügen in den Kaiserstuhl. 1 50 

. Wasgaubad Niederbronn und seine Umgebung. Von W.Kir- 
stein. Mit 11 Illustrationen und Karte. 2. Aufl. 

3. Wanderungen im Breuschtale. Von G. Kruhöffer. Mit zahl- 

reichen Illustrationen. 1— 

4. Rappoltsweiler, das Carolabad und Umgebung. Von M.Kube. 

it einem einleitenden Gedicht von W. Jensen. Mit 16 Illustrationen 

und einer Karte. 3. vermehrte Aufl. 

5. Das Münstertal. Ein Führer für Touristen, herausgegeben von der 

Sektion Münster des Vogesenklubs. Mit Bildern und 4 Karten. 2. Aufl. 1 — 

6. Zabern und Umgebung. Ein Führer für Fremde und Einheimische 

v. Dr. Hans Luthmer. Il. Auflage. Herausgegeben von der Sektion 

Zabern des Vogesenklubs. Bearbeitet von Dr. Friedrich W ündisch 


ND 


- 


Mit 14 Illustrationen. 1 20 
7. Der Donon und seine Altertümer von Dr. O. Bechstein. Mit 
Illustrationen. 1 — 


8. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Münster- und 

Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von 

Dr. Franz. I. Teil. Drei-Aehren, Umgebung und die Seite des Mün- 

stertales. Mit Karte und einer Illustration. 1 50 

9, Ein Gang über das Schlachtfeld von Wörth von Dr. Wilh. 

Matthäi. Mit einer Karte 1:25,000, enthaltend sämtliche Denkmäler. 1 — 

10. Drei Aehren und die Vogesen zwischen Miinster- und 

Kaysersberger-Tal bis zur Strasse Sulzern-Urbeis von 

Staatsanwalt Dr. Franz in Colmar i. Els. II. Teil. Seite des Kayser- 

* berger Tals. Mit Karte und 2 Illustrationen. 1 50 

ll. Führer für Reichenweier und Umgebung. Herausgegeben 

von der Vogesenklub-Sektion Reichenweier. Mit 16 Illustrationen und 

3 Karten. 1 50 

12, unser für Barr und Umgebung. I. Teil, Nähere Umgebung Von 
erbig. 

13. Führer fiir Barr und Umgebung. II. Teil. Odilienberg, Hohwald 

und weitere Umgebung. Von M. Herbig. Mit einer Kartenskizze. 1 20 


Städte und Burgen in Elsass-Lothringen. 
1. Herbig, M., Schloss an Dale Beschreibung und Geschichte. Mit 


3 Abbildungen . . — 50 
. Herbig, M., Die Ottrotter Schlösser, Ruine Köpfel, Ruine "Waldsburg. 
— 80 


Mit Abbildungen 


to 


. Gény, Geschichte der Stadt Schlettstadt — 25 
. Herbig, M., Die Dreisteinschlósser, Ruine Birkenfels und Kagenfels — 80 
. Herbig, M., Bernstcin und Dambach. Beschreioung und Geschichte 1 20 


3. Herbig, M., Schloss Andlau. "Beschreibung und Geschichte. Mit 3 Ab- 
bildungen und einem Grundriss. . 

4. Herbig, M., Schloss Spessburg. Beschreibung und Geschichte. Mit Anhang: 
Crax und Berkheim. 40 S. mit 3 Abbildungen und einem Grundriss — 60 

5. von Borries, Geschichte der Stadt Strassburg à — 50 

6. Wolfram, Geschichte der Stadt Metz ye x. 

7. Waldner, Geschichte der Stadt Colmar . . Ds uma m eos il l 

8. Post, Geschichte der Stadt Mülhausen . . . . . . . 2 2 2 .. —25 

o Becker, Geschichte der Stadt Hagenau . . . . . 2 2 .... —25 

1 

11 

12 


Panoramen aus dem Elsass. 


Nüher, J., Panorama des Odilienbergs —. 60 
des Donon . . aua cerca cd —. €0 
von der Plattform des Strassburger Munsters "UP 1. — 
von der Wegelsburg im Wasgau . . . . 2 2 2 2 a —. 80 
von dem Hoheneck in den Südvogesen . . . . . . . . l. — 


23. Die politischen Verhältnisse und Bewegungen in Strasse 
barg im Elsass im Jahre 1789 von Dr. Manfred Eimer. IH 
u. . ^ -= 
24. Die Beziehungen des Königs Rudolf von Habsburg zum 
Elsass von C. Gissgen. 48 S. 1 50 
25. Das Beranungeblet von Markirch von E. Hausser. Mit einer 


Karte. 48 
Band VI. ; 


26. Matthias Erb. Ein elsässischer Glaubenszeuge aus der Reformationszeit. 
Auf Grund archivalischer Dokumente v. Dr. H. Rocholl. 36 S. 1 20 

27. Strassburg als Garnisonstadt unter dem ancien régime von 
Oberlehrer Karl Engel. VI u. 146 S. Mit 6 Kartenshizzen. 4 50 

28. Die Fahnen der Strassburger Bürgerwehr im 17. Jahrhundert 
.vonJosephGe&ny. VIII u. 48 S. Mit 12 farbigen Fahnenabbildungen. 4 — 

29. Der Oberelsässische Winterfeldzug 1674 75 und das Treffen 
bei Türkheim. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von v. 
Kortzfleisch. Mit 2 Kartenbeilagen. 3 50 

30. Der Pfarrer Georg Jakob Eissen. Seine Freunde und seine Zeit- 
genossen. Ein Strassburger Zeitbild aus dem 18. Jahrhundert. Auf Grund 
urkundlichen Materials zusammengestellt von Dr. E. Hoepffner. Mit 
einer Silhouette. — 


Band VII. 
31. Die Herrsehaft Rappoltstein. Ihre Entstehung und Ent- 
wieklung. Von Rudolf Brieger. 78 S. 2 — 


32. Die Sesenheimer Lieder. Eine kritischeStudie von Dr. Th. Maurer. 2— 
33. Die Geschichte und Verfassung des Chorherrenstifts 
Thann, nach archivalischen Urkunden bearbeitet von Dr. jur. Karl 


Scholly. 8 — 
31. Bemerkenswerte mittelalterliche Schenkungen im Elsass 
von E. Herr. 3— 


Weitere Hefte sind in Vorbereitung. 


Elsássische Volksschriften. - 


1. Wie Schloss Lichtenberg zur Ruine wurde. Kricgserlebnisse v. 
Ed. Spach, mit zwei Ansichten von Lichtenberg. 40 S. 4. Aufl. — 60 
2, Berg auf und Berg ab, von Maria Rebe. 48 S. — 50 
3. Zwei Stephanstage. Eine Dorfgeschichte v. A. Schaller. 80 S. — 80 
4. Aus den Papieren einer alten Jungfer, von L. Schaller- 
Fischer. 108 S. ] — 
5. Wer der Sünde den Sonntag giebt, dem nimmt sie di 
Woche, von Maria Rebe. 54 S. — 50 
6. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 56 S. — 50 
7. Marenen aus Lothringen. Dem Volke nacherzählt von Fr. Peter ES 
8. Um Freiheit u. Recht. Erzählung v. Joh. Westenhoeffer.72S. — 70 
9. An fremdem Herd. Erzáhlung v. L. Schaller-Fischer.60 S. — 60 
10. Wem der liebe Gott nicht bei der Erziehung hilft, dem 
hilft ein anderer, von Maria Rebe. 44 S. l — 50 
11. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Neue Folge. 52 S. — 60 
12. Elisabeths Kleine. Eine Erzählung von A. Schaller. 60 S. — 00 
13. Es werde Licht! Altes und Neues von Ed. Spach. 36 S. — 40 
14. Aus dem Bauernkriege. Tagcbuch eines Reichenweierer Bürgers 
1525. Mit einer Einleitung von E. Ensfelder. 32 S. — 30 
15. Tröpflein im Meer, von L. Schaller-Fischer. 80S. — 80 
16. Wer den lieben Gott nicht zur Hochzeit ladet, bekommt 
einen bösen Gast, von Maria Rebe 44 S. — 60 


17. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Dritte Folge. 52 S. — 60 
18. Der Pfingstmontag. Lustspiel in Strassburger Mundart von J. G. 
D. Arnold. Mit Arnolds Leben und Schriften von Ernst Martin. 18 


und XXI S. — 80 
19. Elsässische Pfarrhiuser. Erinnerungen aus meinem Vikarleben 
von Ed. Spach. 62 S. - — 50 
20. Des Lohnkutschers erste Fahrt, von A. Schaller. 40 S. — 40 
21. Daheim, von L. Schaller-Fischer. 68 S. — 60 
22. ee aber nicht verlassen, von L. Schaller-Fisch os 
72 S. 5 — 
23. Elsässische Pfarrhäuser. Neue Folge. Erinnerungen aus meinem 
Kinderleben, von Ed. Spach. 92 S. — 80 
24. Menschenpfade und Gotteswege. Drei Erzählungen von D. C. 
Nehlig. 54S — 60 


25. Elsässische Pfarrhäuser. Dritte Folge. Bei meinen Grosseltern, 
von Ed. Spach. IV und 48 S. — 50 


. Osterprimel. Fünf Erzählungen von A. Schaller. 78 S. _ 
. Zweierlei ws. vonL.Schaller-Fischer. 76 S. _ 
"Aus meinem Sch cua 
. Salome oder die christliche Bäuerin. 80 S. . = 
. Aus den Erinnerungen einer Elsisserin. Von E. Avari. 88S. 1 
. 4Strossburjer Komedie. (1. Serie). Von D.G. Ad. Horsch. 64S. — 
. Aus meinem Studentenieben, von Ed. Spach. 52 S. — 50 
. O du fröhliche, o du selige, gaadenbringenge Weihnaehte- 


ülerleben, von Ed. Spach. 56 S. 


zeit! Drei Erzählungen von D. C. Nehlig. 


: Wartburg und Wittenberg. Reiseerinnerungen eines Elsässers. Von 
Ed. Spach. 40 S. i — 50 
5. Bilder aus dem Leben. Von Ed. Spach. 4. Folge. 48 S. — 60 


. Elsässische Pfarrhäuser. 4. Folge. Aus meinem Vikarleben. Von 


Ed. Spach. Zweiter Teil. 46 S. — 60 


. Aus Grossmütterchens Kinderjahren. Von L. Schaller- 


Fischer. 32 S. — 40 


. Hinaus indie Ferne. Vier Erzählungen von D. C. Nehlig.50 S. — 

. Hänsel juchz’. Eine wahre Geschichte. v. C Wickersheimer.20S. — 30 
. Bilder aus dem Leben. Von Ed. Spach. 5. Folge. 44 S. — 50 
. Weihnachtsklänge. Drei Erzählungen von D. C. Nehlig. 56 S. — 60 
. Erzählunge in Strossburjer Mundart. Von Mathilde Weis ET 


Mit einem Bild. 50 S 


. Leiden und Freuden der Weinbauern im Ober- Elsass naeh 


den Berichten früherer Jahrhunderte und den Aufzeich- 
nungen in der Bannwarthütte zu Thann im Ober- Elsass. 
Von Bruno Stehle. Mit 2 Abbildungen. 48 S. — 60 


. Drei G’schichtlen tis de sechziger Johr. Unseri SUN. 


Unseri Pariser. 's End vom Stilllewe von Marie Hart. 32 S. -—f4 


. Kättele’s Weihnachtsbaum. Die Champagnerflasche. Zwei 
Erzählungen von L. Schweitzer. 24 S. — 30 
Fallend' Laub. Von Maria Rebe. 190 S. Mit einem Lichtdruck. 2 — 
. Bieje — awer nit breche! Charakterstück in eim Uffzug vun 
Jean Riff.32S. . — 40 


. Telegraphie ohni Droht, Original-Schwank in eim Uffzug von jean 


Riff. 31S 


49. 2 Strossburjer Komödie (2. Serie). Von D. G. Ad. Horsch. 32 S. — 60 
. Herr Heinrich von Müllenheim (1233). In Angst und Not 


(1333). Von Anna Lau. 32 S. 


60 
. Im Frühlicht der Reformation. Aus Strassburgs Chronik 1529—1553. 


Von Anna Lau. 4s S. — 80 


. D'r Pfetier vum Land od'r e Kindtauf mit Hindernisse. 


Original-Komódie in eim Uftzug. Von Jean Riff. 32 S. — 60 


. Vogesengrün. Erzählungen aus dem Elsass. Von Maria Rebe. 95 S. 


Mit 4 Abbildungen. i= 


. Aus der Bippernanzgasse. Cordula. Zwei Erzählungen ron 
44S. . 


Anna Lau. 


. Aus Strassburgs Vergangenheit. Vier kurze Erzählungen Mo 


Elsa Jordan. 32 S. 


. Strassburger Mire aus Barbarossas Zeit. 1184-1189. Von 
Anna Lau. 36 S. — 40 
. Und es war Nacht. (1681—1684.) Von Anna Lau. 63 S. — 80 


. Der junge Philipp Jakob Spener in Strassburg Bona 


Von Anna Lau. 50S 


- 


Mit elf lilustrationen. 112 S. 


. »Strossburjer Ditsch“ in vier Jahrhunderten 1687-1905. 


. Unterm Weihnachtsstern. Wcihnachtsaufführung für junge Miid- 
— 20 


chen von A. Schaller. 20 S. 


. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 40 S. — 50 
. Die helltönenden Wörtlein unseres Altvaters Geiler von 


Kaysersberg. Was wir, scine Landsleute, von ihm wissen sollten 
aus Heimatstolz. Zusammengestellt von Peter Lang. Mit 2 Abbildungen. 
VHI und 106 S. 1. 


Die Sammlung wird fortgesetzt. 


Spezialkataloge unseres Verlags werden auf Wunsch zugesandt. 


Es sind erschienen: I. Kunst und Kunstgeschichte; II. 
Schriften über Elsass-Lothringen; III. Theologie, Philo- 
sophie; IV. Geschichte, Biographie, Kulturgeschichte, 
Geographie; V. Bibliographie, Jurisprudenz, Mathematik 


und Naturwissenschaft, Erzählungen, Reiseskizzen, G9- 
dichte, Theater. 2 


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