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Full text of "Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen 35.1908"

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St II 


| | BEITRÄGE 


°” ZUR 


VON 


ELSASS-LOTHRINGEN 


XXXV. HEFT 


VON 


WILHELM BEEMELMANS 


j 3 STRASSBURG 
J. Н. Ер. Heırz (Heitz & MünDEL) 
1908, 


16. 


17. 


18. 


19. 


23. 


. Die deutsch-franz 


BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE 


von Elsass-Lothringen. 
Band I. 


. Die deutsch-franzisische Sprachgrenze in Lothringen von 
59 


Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1:300.000). (Vergriften.) 


. Ein andechtig geistliche Badenfahrt des hochgelehrten 


Herren Thomas Murner. 06 S. Neudruck mit Erläutergn., insbe- 
sondere über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit 6 
Zinkätzungen nach dem Original. — 


. Die Alamannenschlacht vor Strassburg 357 n. Chr. von 


Archivdirektor Dr. W. Wiegand. 465. mit einer Karte und einer Ne 
skizze. 


. Lenz, Goethe und Cleophe Fibich von Strassburg. Ein р 


licher Kommentar zu Gocthes Dichtung und Wahrheit mit einem Porträt 
Aramintas in farbigem Lichtdruck und ihrem Faksimile aus dem Lenz- 
Stammbuch von Dr. a Froitzheim. 90 5. 950 

ische ee eg im Elsass von Dr. 
Const. This. 43 S. mit Tabelle, Karte und acht Zinkätzungen. о 


Band II. 


. Strassburg an französischen Kriege 1552 von Dr. A. Hol- 


laender. 


. Zu Strassburgs Sturm- und Drangperiode 1770 bis 76. 


Von Dr. J oh. roitzheim. 85 S. 


. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im isase. 


Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. I. Teil 
von 1065—1648. 114 S. 2 


. Rechts- und Wirtschafts-Verfassung des Abtei ebietes 


Maursmünster während des Mittelalters von Dr. Aug. 
Hertzog. 115 S. 


. Goethe und Heinrich Leopold Wagner. Fin Wort der Kritik 

an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 63 5. 1 50 
Band III. 

. Die Armagnaken im Elsass. Von Dr. H. Witte. 158 S. 2 50 


. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass. 


Nach den Quellen bearbeitet von С. E. Ney, Kais. Oberförster. 11. Teil 
von 1648--1791. 158 5. 2 50 


. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Königl. 


bayr. Hauptmann. 48 S. 1 20 


. Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth- 


rin еп zum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1542 yon 
Dr. Siegfried Fitte. Mit 1 karte. 103 5. 


. Deutsche und Keltoromanen іп Lothringen nach der vöi- 


Dr. Hans N. Witte. Mit 1 Karte. 100 S. 
Band IV. 


Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen 
und Sittengeschichte des Elsasses und der Schweiz im 15. Jahrhundert, 
sowie zur Gencalogie des Geschlechts der Piller von Dr. H. Witte. 
IV u. 143 S. 2 50 

Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen 
a ооз zu Frankreich im 16. Jahrhundert von Dr. A. Hollaender. 

1- 

Der lateinische Dichter Johannes Fabricius Montanus (aus 
Bergheim im Elsass) 1527—1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen 
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul- 
pinus. 29 5. -- 80 

Forstgeschichtliche Skizzen aus den Staats- und Gemeindewald- 
ungen von Rappoltsweiler und Reichenweier. Aus der Zeit vom Aus- 
gange des Mittelalters bis zu Anfang des XIX. Jahrhunderts von Dr. 
Aug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Vebersichtskarte. IV u.77S. 2 — 


kerwanderung. Die Entstehung des deutschen Sprachgebietes yon 
250 


. Die Festung Bitsch von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage 


mit einem Anhange enthaltend die Umgebung von Bitsch. Mit 2 Ansichten 
und Plan von Bitsch, nebst Karte der Umgegend. 52 S. 1 50 


Band V. 


. Ritter Friedrich Kappler. Ein elsässischer Feldhauptmann au 
22. 


dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus. 111 S. 

Die Annexion des Elsass durch Frankreich und Rückblicke 
auf die Verwaltung des Landes vom westphälischen Frieden bis zum 
Ryswicker Frieden (1643—1697) von Hermann Freiherr von Mül- 
lenheim u. von Rechberg. 73 5. 2. Aufl. 250 

Die politischen Verhältnisse und Bewegungen in Strass- 
burg m Elsass im Jahre 1789 von Dr. Manfred Eimer. Den 
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oe AGE ZUR LANDES- UND VOL KESKUNDE М ON ELSASS-LOTHRINGEN. XXXV. 
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DIE VERFASSUNG UND VERWALTUNG 


DER 


STADT ENSISHEIM 


IM SECHZEHNTEN JAHRHUNDERT 


VON 


WILHELM BEEMELMANS 


STRASSBURG 
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL) 
1908 


VORWORT. 


Die vorliegende Arbeit ist gedacht als Ergänzung 
meines Aufsatzes über: ,,Die Organisation der vorder- 
österreichischen Behörden in Ensisheim im sechzehnten 
Jahrhundert’: (Z. G. О. XXT und AXIID. Da die Stadt 
als Sitz der vorländischen Regierung und Kammer eine 
bevorzugte Stellung einnahm, erschien mir eine Darstellung 
ihrer Verfassung und Verwaltung als nicht zwecklos. 

Meine Schilderung baut sich im wesentlichen auf dem 
Inhalt des Ratsprotokolles aus den Jahren 1580—1589 
auf. Es ist das einzige, das aus der österreichischen Zeit 
erhalten geblieben ist. Um die Uebersichtlichkeit nicht zu 
stören, habe ich es unterlassen, in der Arbeit die einzelnen 
Sitzungstage bei jeder Seite zu vermerken. 

Es besteht schon seit 1840 eine ,,Histoire de la ville 
А“ Ensisheim‘‘ von Merklen. In dieses Buch ist aber auch 
die Geschichte des Regiments, der Landgrafen, der Kirche, 
der Bischöfe von Basel usw. hineingezogen worden. Das 
Bild, welches wir hier von der Stadt erhalten, wird durch 
das fortgesetzte Bestreben des Verfassers, Ensisheim zur 
freien Reichsstadt zu machen, verzerrt und gelrübt. Dazu 
kommt, daß Merklen keine andere Quelle angibt als ,,nos 
archives‘. Es ist stellenweise unmöglich gewesen, her- 
auszufinden, wo er die Belege zu seinen Behauplungen 
gesehen haben könnte. 


121 


aes: “ге 


Seine Hyrzellenz der Herr Kaiserliche Statthalter, 
Graf von Wedel, hat durch die Zuwendung eines Zu- 
schusses zu den Druckkosten eine weitere Verbreitung der 
Arbeit ermöglicht. Hierfür sei auch an dieser Stelle der 
ehrerbieligste Dank des Verfassers und des Verlegers aus- 
gesprochen 

Herrn Archivdirektor Dr. Hauriller in Colmar 
danke ich für manchen schätzbaren Wink und seine gültige 
Unterstützung. Besonderen Dank schulde ich aber Herrn 
Stadtsekrelär A. Haas in Ensisheim, der mir bei dieser 
und anderen Arbeiten stets mit der größten Liebenswür- 
digkeit Auskunft und Hilfe gewährt hat. 


Zabern, im Januar 1908. 


Der Verfasser. 


Es läßt sich nicht feststellen, wann der Ort Ensisheim 
gegründet und wann er zur Stadt erhoben wurde. In der 
Chronik von Thann des Franziskaners Malachias Tschamser! 
heißt es beim Jahre 1224: «Ensißheim, Mülhaußen und Blodels- 
heim seint umb diße Zeit mit Gräben und Mauren umfasst und 
zu Stätten gemachet worden». Es ist nicht unsere Aufgabe, 
die Richtigkeit dieser Angabe nachzuprüfen. Soviel ist jeden- 
falls sicher, daß Ensisheim uralter Besitz der Habsburger war 
und schon vor König Rudolf I. einen ihrer Vögte beherbergie.? 

Die Quellen über die ältere Geschichte der Stadt fließen 
äußerst spärlich. Daran sind die schweren Stürme schuld, 
welche das Städtlein zu bestehen hatte. Die Plünderung durch 
die Armagnaken (1444), die burgundische Zeit (1469—1474) 
und der dreißigjährige Krieg haben gar manche wichtige Ur- 
kunde vernichtet. 

Schon am St. Luzientag 1445 erneuerte Herzog Albrecht VI.3 
in Konstanz der Stadt wichtige Privilegien mit der Begründung: 
«seindt Ihnen ethlich Brieff vonn dem Frantzosischen Volckh, 
allß das zu Ennsißhaim gelegen ist, hingefiirth vnnd verloren 
wordenn». 

Doch selbst wenn wir die Urkunden aus der ältesten 
Zeit noch hätten, wäre es eine wenig lohnende Aufgabe, die 
Geschichte der Stadt, ihre Schicksale bis auf den heutigen Tag 
zu erforschen und zu schildern, denn als Gemeinwesen für 
sich betrachtet hat Ensisheim stets nur eine untergeordnete 
Bedeutung gehabt. Wichtig war die Stadt nur als Sitz der 


1 Chronique de Thann, Colmar 1864, Tome I, p. 79. 

28. Z. G. О. XXII, 8. 53 «Ulricus miles, quondam advocatus 
de Ensichzheim> erwähnt 1256. 

3 Bezirksarchiv Colmar С 674 nach einer Kopie vom 13. IX. 
1567. Herzog Albrecht der Verschwender handelte als Vormund 
Sigismunds des Münzreichen. 


= 


aa, ee 


vorderösterreichischen Behörden und deshalb ist die Verfassung 
und Verwaltung der Stadt im sechzehnten Jahrhundert wohl 
einer Darstellung wert. Gerade im sechzehnten Jahrhundert 
standen Regierung und Kammer in ihrer schönsten Blüte. 

Merklen# hat den Versuch gemacht, seinem geliebten 
Ensisheim dadurch einen besonderen Nimbus zu verleihen, daß 
ег es zur freien Reichsstadt stempelte. Wenn auch heute 
noch hie und даз die Stadt in Veröffentlichungen als Reichs- 
stadt bezeichnet wird, so glaube ich doch nicht verpflichtet zu sein, 
die Gründe Merklens zu widerlegen, die er für seine Behauptung 
anführt. Ensisheim ist niemals in die Matrikel der Reichsstädte 
eingetragen gewesen und damit allein ist in genügender Weise 
dargetan, daß es keine Reichsstadt war.6 Wir haben es mit 
einer einfachen Landstadt zu tun. Wenn die Stadt auch weitge- 
hende Privilegien besaß, so ist sie doch nie der landesherrlichen 
Vogtei entwachsen.” Ohne Sonderrechte konnte ein Ort gar 
nicht zur Stadt werden. «Das Wesen der mittelalterlichen 
Stadt liegt in ihrer Privilegierung.»8 Dadurch, dab die Landes- 
herrn den Städten eine weitgehende Selbständigkeit gewährten, 
ermöglichten sie ihnen, ihre inneren Angelegenheiten zu ordnen 
und ein, bis ins Kleinste gehendes Verwaltungsrecht auszubilden. 
Damals konnten oder wollten sich die Landesherren um diese 
Aufgaben noch nicht kümrnern. Später, als sie sich berufen 
fühlten, auch die Wohlfahrtspflege ihres Landes in die Hand 
zu nehmen, hat die städtische Verwaltung der landesherrlichen 
als Muster gedient.9 

Wir wollen nicht die einzelnen Stufen der Entwicklung 
der Stadt Ensisheim im folgenden erforschen, sondern lediglich 
den Zustand der Stadt im sechzehnten Jahrhundert betrachten, 


— 


4 М. Merklen: «Ensisheim jadis ville libre impérial etc. ou 
Histoire de la ville d’Ensisheim», Tome І, р. 239 ff. 

5 z. В. in Nr. 14 des Vogesenblattes von 1906. 

6 v. Below: «Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum>, 
Bielefeld und Leipzig 1905, S. 73 IH. 

7 Heusler: «Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung», Wei- 
mar 1872, 5. 239. 

8 у, Below. a. a. 0., 5. 5 und «Die städtische Verwaltung des 
Mittelalters als Vorbild der späteren Territorialverfassung», Histor. 
Zeitschr. 75, S. 409. 

9 W. Varges: «Die Wohlfahrtspflege in den deutschen Städten 
des М. А.», Preußische Jahrbücher 81. S. 251. 


re ee ee 


— 3— 


wie wir es an anderer Stelle mit den vorderösterreichischen Be- 
hörden getan haben.!? Ehe wir aber die rechtliche Lage der 
Stadt und ihre innere Einrichtung besprechen, müssen wir 
darauf hinweisen, daß sich ihr Gebiet seit den habsburgischen 
Tagen kaum verändert hat. Noch heute wird die Banngrenze 
meist durch Steine aus dem ХҮІ, Jahrh. bezeichnet. Sie tragen 
den österreichischen Bindenschild, der bis auf den heutigen 
Tag auch das Stadtwappen geblieben ist.!! 

In einem undatierten und nicht unterschriebenen Berichts- 
entwurfe aus dem XVI. Jahrh.12 wird von Ensisheim gesagt: 

«Dieße Statt EnsiBheim, darinnen von etlich hundert . 
Jaren her (außerhalb der Zeit, da dem Hertzog von Burgundt 
diße lanndt verpfanndt gewest) der yeweils Regierennden Fürsten 
von Oesterrych etc. Vorderösterrvchische Landtuogt vnd Rath 
Ire Residentz gehabt, ist im Obern Elsas gelegen vnd gräuitzt 
mit [Irem Zwing vnd Bann ап nachbenante Bänn vnd Be- 
nachparten : 

erstlichen gegen Aufyang der Sohnen an Müetersheim 13 
vnnd Battenheim Bann, volgendts gangs herumb an Nachtoltz- 
heim,!4 Ruelisheim, Bulfersheim, Vngersheim vnnd Regis- 
heim Bann. l 

Diße Statt ist von dem hochloblichen Hauß Oesterrych mit 
villen Ansehnlichen statlichen gnaden vnd Freyheiten dotiert 
vnd begabt vnd hat yetzmalen aber mehr nicht als vngeuor 
einhundert vnd sechtzig Bürger. Alle übrig Einwohner seyen 
eintweder der F. Dt. zu Oesterrych etc., meins gnedigsten Hrn., 
Regenten vnd Räth oder vom Adel oder Uebersaßen, Freye 
Personen vnnd Hofverwandten» usw. 

Hiernach haben wir vier Gruppen von Einwohnern zu 
unterscheiden: 1. die Bürger, 2. die Hintersassen, З. die 
Knechte, 4. die Hofsverwandten. Merklen !5 schätzt die Ge- 


— 


10 W. Beemelmans: «Die Organisation der vorderösterreichischen 
Behörden in Ensisheim im 16. Jahrh.», Z. б. О. Band XXII, S. 52 ff. 

11 Ebenda 5. 78 п. 1. 

12 Bezirksarchiv Colmar C 674. 

13 Muetersheim oder Muttersheim abgegangener Ort zwischen 
Ensisheim und Münchhausen. 

14 Machtolzheim abgegangener Ort bei Ensisheim, von dem nur 
noch der Hof St. Johann übrig ist. 

15 Merklen, a. а. О., 1, 8. 316. 


=: И 


samtzahl der Einwohner auf viertausend. Von diesen waren 
also nach dem Berichtsentwurf nur etwa 460 Vollbirger. Aus 
einem Gesuche, das die Stadt Ensisheim im Jahre 1545 an 
den römischen König Ferdinand I, richtete,!6 geht hervor, daß 
die Zahl der Bürger schon vor dem dreibigjährigen Krieg stark 
abgenommen hat. Fs heißt da: «Dann wir befinden in unsern 
Stadtbüchern, daß vor Jahren mehr dann 300 Bürger allhie 
seBhaft gewesen .. . aber jetzunder der Unsern nit mehr, 
dann auf 900... also nehme die Stadt täglich ab». 

Ап der Hand des einzigen noch erhaltenen Ratsprotokolles!? 
in Ensisheim, welches die. Jahre 1580—1589 umfaßt und aus 
dem wir vornehmlich unseren Stoff für die vorliegende Arbeit 
schöpfen müssen, können wir die Hauptbedingungen für den 
Erwerb und Verlust des Bürgerrechts ermitteln. | 

Das erste Erfordernis war persönliche Freiheit. Niemand 
konnte aufgenommen werden, auf den ein fremder Herr irgend 
welche Ansprüche zu machen hatte. Wer das Bürgerrecht 
erwerben wollte, mußte frei von Leibeigenschaft sein, sein 
Mannrecht, manumissio, den Laßbrief, vorweisen und von 
seiner früheren Herrschaft ein Leumundszeugnis und einen 
Abschied beibringen. War aber ein fremder Untertan Bürger 
in Ensisheim geworden und es ohne daß sein Herr Anspruch 
auf ihn erhob, Jahr und Tag geblieben, so sollte er fürderhin 
keinem anderen Herrn verbunden sein als dem der Stadt.!9 
Diese Bestimmung folgt aus dem alten Grundsatze:' «Stadtluft 
“macht frei!» 

Ein weiteres Erfordernis war katholisches Bekenntnis. Diese 
Forderung beruht auf dem System, das die Habsburger während 
der Gegenreformation in allen ihren Gebieten mit eiserner Strenge 
durchführten. In Zweifelsfällen hatte sogar der Pfarrer zu 
prüfen, ob der Aufzunehmende wirklich der alten Religion 
zugetan war. 

Auch nationale Gründe konnten zur Verweigerung des 
Bürgerrechts führen. Es erhellt aus unserem Ratsprotokoll, 


16 Merklen, S. 315, Anm. — ohne Angabe der Quelle. 

17 Stadtarchiv zu Ensisheim В. В. 1. 

18 Selchow. Elementa Juris Germanici Privati Hodierni, Göttingen 
1779, 8. 811. 

19 Bezirksarchiv Colmar С 674, «Register der von Enssisheim Ir 
Freihaitbrief von 1369 020 1426». 


er ЛІ = 


daß ein борһауег, ein Savoyarde, oder ein Mann aus Ottendorf, 
(Courtavon) Herrschaft Mörsberg (Morimont) abgewiesen wurden, 
weil sie Welsche waren. Wollten Ensisheimer Bürger oder 
Bürgerstöchter sich mit Welschen (Franzosen) verheiraten, so 
mußten diese zuvor Untertanen des Hauses Oesterreich werden, 
sonst verloren die Ensisheimer für immer ihr Bürgerrecht und 
wurden aus der Stadt verwiesen .20 

Hie und da wurde auch aus wirtschaftlichen Ursachen das 
Bürgerrecht nicht erteilt. So beschloB man z. В. im Jahre 1583 
bei der Ratsbesatzung nur solche Leute als Bürger anzunehmen, 
die mindestens 50 Gulden Vermögen besäben. Oder man wies einen 
Schlosser ab, weil es schon genug Schlosser in der Stadt gübe. 

Frühere Bürger, die verzogen waren, mußten aufs neue 
um das Bürgerrecht einkommen. Wenn sie sich früher nicht 
gut geführt hatten, konnten sie zurückgewiesen oder einer 
Probezeit unlerworfen werden. 

Die neuanziehenden Bürger halten für ihren Hausrat den 
gewöhnlichen Zoll zu entrichten, eine Waflenrüstung (Harnisch, 
Sturmhaube und Hakenbüchse) zu besitzen und das Bürgergeld 
(sewöhnlich zwei Gulden) zu entrichten. Alsdann hatten sie 
an den Stab zu geloben : «Der Stadt Nutz und Frommen zu 
schaffen und Schaden zu wenden.» 

Alleinstehende Frauen konnten auch Bürgerinnen werden, 
Sie mußten geloben: «Den kranken Leuten, die ihrer begehren, 
Gutes zu tun !» 

Das Bürgerrecht erlosch durch den Tod, durch Wegzug 
oder Stadtverweisung. : 

Wer die Stadt verlassen wollte, mußte um Abschied ein- 
kommen und von seiner führenden Habe eine Abgabe ent- 
richten, die vom Rat festgesetzt wurde. Es kam auch vor, daß 
das gesamte bewegliche Vermögen zurückbehalten und ganz 
oder teilweise unter Spital, Gutleuthaus, Schule und Kirche 
verteilt wurde. (Abzug, Abschoß, gabella emigrationis.) 

Mit den Abschieden wurde es sehr genau genommen. Einer 
Frau wurde nur bescheinigt, dab sie nicht im Halseisen ge- 
standen habe, Sonst aber erhielt sie keinen Abschied, weil sie 
wegen schlechter Führung aus der Stadt geschafft worden war. 
Einem anderen wurde der Abschied gegeben, wie er ıhn ver- 


20 Merklen II, S. 154, Art. 29 der ePollicey Ordtnung» von 1590, 


ar ӘБ 2 


dient hatte — nämlich, daß ег übel geschworen und deswegen 
etliche Tage im Käfig gelegen habe, daß er ein fauler Mann 
sei und sein Mannrecht versetzt habe. 

Es kam auch vor, daß einem Manne das Bürgerrecht auf- 
gekündigt wurde, weil er oder seine Angehörigen sich schlecht 
aufgeführt hätten. Ein Bürger mußte die Stadt verlassen, weil 
seine Frau in ein bös Geschrei aHexenwerks halben» gekommen 
sei. Eine Bürgersfrau, die «ins Bubenleben» gezogen war, 
wurde nicht wieder in die Stadt gelassen. 

Oft wurde auch ein Frevler, der um Verzeihung bat und 
Besserung versprach, wieder in Gnaden aufgenommen. 

Wem das Bürgerrecht verweigert wurde, der mußte die 
Stadt verlassen, wenn ihm nicht das Bleiben besonders gestattet 
wurde. Auch der Aufenthalt in der Stadt war von einer aus- 
drücklichen Erlaubnis abhängig, gleichviel, ob er von kürzerer 
oder längerer Dauer war. So wurde einem Bürger gestattet, 
seine in dem nahen Meienheim wohnende Tochter bei sich auf- 
zunehmen, weil sie ihr Kindbett bei ihm abhalten wollte. Nach- 
her mußte sie wieder von dannen ziehen. Der Stadtschreiber 
von Wattweiler erhielt Aufenthaltserlaubnis für ein bis zwei 
Monate. Wer für unbestimmte Zeit bleiben wollte, bekam Er- 
laubnis für ein Jahr und mußte ein «Satzgeld» (zwei Gulden) 
entrichten. Alljährlich mußte diese Erlaubnis erneuert werden. 
Derartige Einwohner ohne Bürgerrecht nannte man Hinter- 
sassen. Sie genossen den Schutz der Stadt, unterstanden 
ihrer Gerichtsbarkeit, hatten aber kein Recht auf das Vermögen 
der Bürgerschaft und keinen Anteil an der Stadtverwaltung. 

Aus den Hintersassen konnten aber mit der Zeit auch Bür- 
ger werden. Ein Mann aus Schampey bei Mümpelgard (Cham- 
pey bei Montbeliard), der dreißig Jahre Hintersasse in Rülis- 
heim gewesen war, wurde unter den gewöhnlichen Bedingungen 
als Bürger in Ensisheim aufgenommen. 

Die dritte Gruppe von Einwohnern bildeten die Knechte 
und Hand werksgesellen. Sie hatten keinerlei bürger- 
lichen Rechte und unterstanden der Aufsicht der Stadt. All- 
jährlich mußten sie sich mustern lassen und den Diensteid 
leisten. Ihre Stellung war durch Ordnungen geregelt. Wir 
werden uns später noch näher mit ihnen zu befassen haben. 

Eine Sonderstellung nahmen die Hofsverwandten 
ein. Hierunter sind alle diejenigen Einwohner zu verstehen, 


Жа, те 


welche mit der Regierung und seit 1570 auch mit der Kammer 
іп Zusammenhang standen, mithin der Landvogt, die Regenten 
und Räte, die zahlreichen Subalternbeamten, die Angehörigen 
und das Gesinde aller dieser Beamten : «so ihrer F. Dt. und 
deren Nachkommen, auch der vorderösterreichischen Regierung 
und Kammer mit oder ohne Besoldung eidspflichtig, verwandt 
und zugelan.»2! Nur wenn es sich um die öffentliche Ordnung 
und Sicherheit handelte, waren die Hofsverwandten dem Rat 
der Stadt unterstellt. In gewöhnlichen Zeiten unterstanden sie 
lediglich der Gerichtsbarkeit ihrer eigenen Behörde. Es konnte 
aber von Fall zu Fall ein Hofsverwandter der Stadt zur Abur- 
teilung übergeben werden.22 Die fürstlichen Räte und deren 
Diener genossen Zollfreiheit, die übrigen Hofsverwandten, wie 
Sekretäre, Kanzlisten, Generaleinnehmer, Hofprokuratoren, Mar- 
schälke, Einspännige u. dgl. aber nicht. Auch das sogenannte 
Gewerf, das wir noch näher kennen lernen werden, hatten die 
Hofsverwandten zu entrichten. | 

Lange Jahre herrschte ein hartnäckiger Streit über die 
Frage, welcher Jurisdiktion die Kinder verstorbener Hofsver- 
wandten unterworfen seien. Endlich einigte man sich dahin, 
daß die Waisen der Hofsverwandten am Tage der Großjährig- 
Кей 23 unter die Gewalt der Stadt zu treten hätten. Selbstver- 
ständlich erlosch die Jurisdiktion der Stadt wieder, sobald die 
Kinder durch Ernennung oder Heirat selbst Hofsverwandte 
wurden. 

Starben Hofsverwandte ohne Leibeserben, so wurde ihr 
Nachlaß von der Regierung verwaltet und den gesetzlichen Erben 
ausgeantwortet. 

Wenn die Erben im Auslande wohnten, so hatte der Lan- 
desherr und nicht die Stadt den Erbgulden, die gabella here- 
ditaria, zu beanspruchen.24 

Die Adelsgeschlechter, die in Ensisheim wohnten, 
ohne der Regierung und Kammer verwandt zu sein, genossen 
Freiheit von der Gewalt der Stadt. 


—_ 


2! Bezirksarchiv Colmar C. 681, Vertrag vom 13. Februar 1581. 

2? W. Beemelmans: «Der Hexenprozeß gegen die Großmutter 
des Dichters Jakob Balde», Z. G. О. N. Е. ХХ, S. 877. 

23 d. h. die Söhne mit 25 und die Töchter mit 18 Jahren. 
Merklen, a. a. O., I, S. 318, Anmerkung. 

34 Merklen, a. а. O., I, S. 316 Anmerkung. 


а» 22 


Wie überall lebten auch in Ensisheim die Weltg eist- 
lichen und die Ordensleute unter der Herrschaft des 
kanonischen Rechts. Ueber sie hatte der Bischof von Basel 
die geistliche Gerichtsbarkeit, dessen Gewalt bis zum Ecken+ 
bach reichte. 

Die Zusammensetzung der Einwohnerschaft aus so ver- 
schiedenartigen Bestandteilen stellte nicht geringe Anforderungen 
an die Klugheit und den Takt der städtischen Behörden. Bei 
ihrer Bildung und Zusammensetzung war auf die Schwierigkeit 
der Verhältnisse Rücksicht genommen worden, Die Interessen 
des Landesherrn vertrat der Stadtvogt, die der Bürgerschaft der 
Schultheiß und der Rat. Der Stadtvogt war ein adeliger 
Rat der Regierung. Er behielt sein Amt ım Schoße des Re- 
giments auch nach der Ernennung zum Stadtvogt bei. Sein 
Gehalt betrug 80 Gulden, auberdem erhielt er 30 Sack Frucht 
von der Stadtmühle und den nötigen Hafer von der Bürger- 
schaft. Dafür war er verpflichtet, zwei Pferde zu halten. An 
den Konfiskationen und Gerichtszebihren hatte er Anteil. Sein 
Amt war jederzeit frei widerrullich, Seine Aufgabe war, die 
waffenfahige Mannschaft der Stadt anzuführen, die hohe Ge- 
richtsbarkeit auszuüben und darob zu wachen, dab die landes- 
herrlichen Rechte gewahrt blieben, vor allen Dingen in finan- 
zieller Hinsicht. In wiehtigen Fällen hatte er den Vorsitz bei 
Gericht und Rat zu führen. 

Nachdem der Stadtvogt vom Landesherrn ernannt worden 
war, wurde er von abgeordneten Räten «beider Wesen», der 
Regierung und Kammer, vereidigt25 und in sein Amt ein- 
geführt. Die Bürger hatten auf dem Hegimentshause zu er- 
scheinen, dort wurde ihnen der neue Stadtvogt vorgestellt und 
der Befehl des Landesherrn vorgelesen. Nachdem sie zum Ge- 
horsam gegen den neuen Oberamtmann und Stadtvogt ermahnt 
worden waren, leisteten alle Bürger den Bürgereid und zogen 
sich darauf zurück. 

Auch der Schultheiß wurde vom Landesherrn ernannt. 
Er wurde aus der Mitte des Rats auf Vorschlag der Kammer 


25 Da Merklen die meisten Eidesformeln in seinem Buche wieder- 
gibt, sehe ich davon ab, sie hier in dieser Arbeit aufzuführen, zn- 
mal ihr wesentlicher Inhalt jeweils in den Text aufgenommen wor- 
den ist. | 


= WO. ашы 


genommen und von der Regiernng vereidigt. Ein Kammerrat 
führte ihn beim Rate ein. Der neue Schultheiß bat um Gehor- 
sam und Unterstützung im Amte, da er ein Neuling sei. 

Dem Schultheißen lag die Vertretung des Rates und der 
Bürgerschaft gegentiber der Regierung ob. Er führte den Vor- 
sitz beim Stadtzericht und im Rate. Die Beschlüsse des Rates 
hatte er zu vollziehen.26 Wie wir aus der Bestallung für Georg 
Streitfelder 2” ersehen, mußte der Schultheiß vor allen Dingen 
darob wachen, daß die alte Religion erhalten blieb, daß die 
Pfarrer die katholische Lehre richtig verkiindeten und den 
Gottesdienst vorschriftsmäßig abhielten. Dem Eingange der 
neuen Lehre mußte er mit allen Kräften wehren und keinen 
Bürger oder Hintersassen annehmen, der sich nicht zur katho- 
lischen Religion bekannte. Ferner hatte er die Ehre des Lan- 
desherrn und der Stadt zu verteidigen und die Freiheiten und 
Rechte der Stadt aufrechtzuerhalten. Dem Stadtvogt mußte er 
in seinem Amte behüflich sein. Bei Leitung des Gerichts 
mußte er gleiches Recht für alle gehen, dem Reichen wie dem 
Armen, dem Einheimischen wie dem Fremden. Große Kosten 
sollte er verhüten und möglichst auf Vergleiche zwischen den 
Parteien hinwirken. Auf Befolgung der Gesetze und Verord- 
nungen, auf Zucht und Sitte hatte er zu schen. Besonders 
wurde ihm aufgetragen die Unterorgane, die Zoller und Tür- 
hüter, zu überwachen, daß sie jede Sonntagsschändung meldeten 
und im Notfalle mußte er selbst dem Vogte Anzeige machen. 
Die Finanzen der Stadt mußte er in Ordnung halten und all- 
jährlich mit dem Kastenverwalter (Stadtrechner), im Beisein 
des Stadtvogts, dem Rat über Einnahmen und Ausgaben Rechen- 
schaft ablegen. Auch war er verpflichtet, dafür zu sorgen, daß 
der Rat nicht zu viele Gastereien abhielt. Wenn ein Festessen 
stattfinde, sollten die Ratsherren kein böses Beispiel geben, 
nicht die ganze Nacht hindurch sitzen und sich beizeiten nach 
Hause verfügen. 

Endlich hatte der Schultheiß alljährlich die Rechnungen 
der Vormünder über die Verwaltung der Mündelvermögen zu 
prüfen und allzeit ein Beschützer der Witwen und Waisen 
zu sein. 


-——. 


26 W. Varges, a. а. О, S. 224; 
2‘ Merklen, a. a. 0., S. 261. 


=> YO = 


Seit den Zeiten Katharinas von Burgund setzte sich der 
Rat aus vier adeligen und zwölf bürgerlichen Ratsherren zu- 
sammen: «von Hertzog Luppolt vnd siner gemahel frow Ка- 
therinen gegonnet, den Rat zu Enssisheim zu besetzn mit vier 
Edln vnd XII Burgern 1409».28 Seit 1465 fand die Erneuerung 
des Rates? in folgender Weise statt. Jedes Jahr, gewöhnlich 
im Mai oder Juni, am Dienstag nach Corpus Christi, hielt der 
Stadtvogt, vormittags zwischen 8 und 9 Uhr eine feierliche 
Sitzung, die Ratsbesatzung, ab. Er nahm den Ehren- 
platz еіп.50 Als Zeichen seiner Würde hatte er den «Stab» 
und das «Stadtbuch» vor sich liegen. Zu seiner Rechten saßen 
die adeligen Räte, zu seiner Linken der Schultheiß und 
der Stadtschreiber, daran schlossen sich die bürgerlichen 
Räte. Da stets ein Drittel der bürgerlichen Räte auszuscheiden 
hatte, bat der Stadtvogt bei Eröffnung der Sitzung zuerst die 
edelen Räte um einen Vorschlag für vier neue bürgerliche 
Räte. Wenn sie ablehnten, hatte der Schultheiß das Vorschlags- 
recht. Waren die neuen Ratsherren von der Versammlung 
erwählt, so ließ der Stadtvogt sie kommen und nahm ihnen 
nach gehöriger Ermahnung деп Ratseid ab. Darauf traten die 
alten Räte ab und die vier neuen Räte wählten mit den Edelen 
acht alte Räte für ein weiteres Jahr. Die acht bestätigten Räte 
wurden wieder hereingerufen und aufs neue vereidigt. Nach 
altem Herkommen wies nun der Schultheiß jedem der bürger- 
lichen Räte nach dem Stand seinen Platz : «Sin Seßyon» an. 
Die vier übrig bleibenden, nicht wiedergewählten, alten Räte 
zogen ins Gericht und wurden von dem Schultheißen zu Ge- 
richtsleuten ernannt. Der Gerichtseid war aber erst zu 
leisten, wenn die Gerichtsleute «zu Rat beschickt» wurden. 

An die Ratsbesatzung schloß sich die Wahl der üb- 
rigen acht Gerichtsleute, von vier Fürsprechern, 
sieben Weiß- und Scheidleuten, je zwei Brot-, 
Fisch-und Fleischbeschauern und der Erlauber an. 
Die übrigen Aemter (Umgelter, Baumeister, Wirte, Weinleder, 
Torwächter, Torschließer, Werkmeister, Teichmeister, Schar- 


28 Vel. oben Anmerkung 19. 

29 Merklen, a. a. O., S. 280. 

30 Den Hergang bei der Ratsbesatzung vom 10. Juni 1572 
schildert ein Bericht des Stadtvogts Hans Christoph von Hagenbach 
an die Regierung sehr anschaulich. Bezirksarchiv Colmar C 674. 


a | -аш 


wächter, Stadtkarrer, Hausbäcker und Hirten) wurden erst zu 
Weihnachten besetzt. 

Die zwölf Gerichtsleute konnten nie gleichzeitig Mitglieder 
des Rates sein. 

Die adeligen Ratsherren wurden nach Herkommen aus 
den «Adels Persohnen des Landts oder Säßherrn der Stadt zu 
mehrer erhaltung nutzens vnnd wolfahrt» 31 genommen. Der 
Rat wählte den Adeligen und fragte ihn dann, ob er die Stelle 
annehmen wolle. Auf seine Zusage wurde ег деп Landvogt, 
der Regierung und Kammer präsentiert. Diese sandten dann 
einen Kommissarius zu seiner Beeidigung und Einführung 
ab.382 Die Stellen der edelen Räte wurden offenbar nur nach 
Bedarf besetzt. Die Ansicht Merklens,33 es sei jährlich ein 
adeliger Rat durch das Alter oder durch das Los ausgeschieden, 
dürfte nicht haltbar sein. 

Die vier edelen Räte nahmen an den Sitzungen, die nur 
die Bürger betrafen, und an den Gerichtsverhandlungen nicht 
teil, auch bekleideten sie keine städtischen Aemter. 

Alle Mitglieder des Rats waren zu lebenslänglicher Amts- 
verschwiegenheit verbunden, Sie scheinen dies Gebot aber öfters 
übertreten zu haben. Wir hören, wie ihnen der Stadtvogt Vor- 
würfe darüber macht, daß sie zu Hause von ihren Geschäften 
sprächen. Ihre Weiber unterhielten sich ja von Ratssachen 
auf der Straße! 

Zur Beschlußfähigkeit des Rates war nicht die An- 
wesenheit aller Mitglieder erforderlich: «vnd die гей der 4 
edlen vnd 12 burgern zu Enssisheim, wann do 2 oder 4 ge- 
bresten, sol nit schaden bringen vnd die andren alle macht 
haben, alß ob die ganze zal do were» 1410.34 . 

Zu den Sitzungen mußten die Ratsherren in den ihrem 
Stand geziemenden Kleidern urd bewaffnet kommen. Die 
ordentlichen Sitzungen fanden in der Regel am Mittwoch statt 
und begannen im Sommer um 6 und im Winter um 7 Uhr 
morgens. Durch ein Glockenzeichen wurde ihr Beginn ange- 


31 Bezirksarchiv Colmar С 674. Supplikation der Stadt an das 
Regiment vom 13. Mai 1613. 

82 Bezirksarchiv Colmar С 674. Schreiben von Vogt, Schultheil} 
und Rat. 

33 Merklen, a. a. O., I, S. 280. 

34 S. о. Anm. 19. 


zeigt. Außerordentliche Sitzungen konnten jederzeit berufen 
werden. 

Wer nicht erschien, hatte eine Strafe zu bezahlen, ebenso 
wer sich zu früh entfernte. Für gewöhnlich bestand die Strafe 
in Geld, es werden auch Strafen in Wein (einmal 12 Mab) 
erwähnt. Für das Zuspätkommen gab es sogar eine feste Taxe. 
Wer nach der ersten Frage kam, zog sich die Strafe zu und 
mußte sie vor dem Niedersitzen entrichten. Der SchultheiB 
und der Stadtschreiber mußten vier Schilling und die übrigen 
Aatsfreunde zwei Schilling bezahlen. 

Bei der Beratung durften die Katsherren nur reden, wenn 
sie das Wort hatten und mußten bescheiden bleiben. So 
wurde einem Ratsherren bedeutet, er solle sich nicht für 
witziger halten wie seine Ratsfreunde. 

Sogar in ihrem Privatleben wurden die Ratsherren über- 
wacht. Sie sollten mäßig sein und sich des: «Ueberweynens» 
enthalten. Selbst bei Hochzeiten und, wenn sie sonst zu 
«Conviviis vociert» wurden, mußten sie sich stets des Standes 
würdig zeigen. Für UnmaBize wurde gar mit Amtsentselzung 
gedroht und zu bedenken gegeben, wie ihnen das anstünde, 
wenn ihnen solches widerführe ! 

Diesen vielen Lasten und Pflichten standen auch gewisse 
Freuden und Vorrechte gegenüber. Als Ratsherren genossen 
sie ein großes Ansehen im Städtchen, hatten einen höheren 
Rang bei öffentlichen Festen usw. Jeder Ratsherr durfte als 
besondere Vergünstigung 2. В. sich zwei Schweine in der 
Hardt zur Eichelmast halten und erhielt Holzwellen zu seinem 
Hausgebrauch. Wer aber seine Ratswellen verkaufte, erhielt 
zur Strafe im laufenden Jahre kein Holz. 

Zur Erinnerung an die Ratsbesatzung wurde jedem Teil- 
nehmer Jahr für Jahr ein silberner Becher geschenkt. \Ver 
acht Wochen vor Jahresschluß starb oder aus der Stadt fortzog, 
verlor den Anspruch auf den Ratsbecher.35 Dieser Brauch 
wurde sogar einem früheren Stadtvogt geventiber befolst und 
ihm, weil er früher fortgezogen war, der Becher verweigert. 

Auber der feierlichen Besetzung des Rates und der städtischen 


35 Auch in anderen elsässischen Orten wurden silberne Rats- 
becher verteilt, z. B. in Hagenau. In der Sammlung des Altbürger- 
meisters X. Nessel sind noch mehrere derartige Becher. Von dem 
Ensisheimer Ratssilber ist nichts mehr vorhanden. 


— 13 — 


Aemter gab es verschiedene festliche Veranstaltungen, die sich 
Jahr für Jahr zu bestimmten Zeiten wiederholten und die als 
ausdrückliche Betonung der städtischen Hoheitsrechte anzusehen 
sind. Ebenso wie jeder Rat stets nur für ein Jahr seinen Eid 
leistete, mußte auch jeder städtische Beamte seinen Diensteid 
wiederholen. Doch damit nicht genug! Es wurde überdies 
ein allgemeiner Schwörtag für die Bürger angesetzt, an dem 
der Stadtvogt den Bürgereid abnahm und die alten und neuen - 
Polizeiverordnungen verkündete und einschärfte. 

An den religiösen Prozessionen und Bitteängen beteiligten 
sich die Einwohner aller Stände. Vornehmlich bot die Fron- 
leichnamsprozession Anlaß zur Entfaltung von Pracht und 
Pomp und gab Gelegenheit zu Rangstreitigkeiten. Die Obrig- 
keit sah sich schließlich veranlaßt einzuschreiten, und be- 
fahl, es solle bei den Prozessionen nicht: «so gar vnzichtig, 
vnordenlich vnd rottenweiB durcheinander gangen vnd geloffen, » 
sondern diese Reihenfolge eingehalten werden: 1. die Herren 
von der Regierung und Kammer samt den Herren vom Adel 
und die Prokuratoren, 2. der Ehrsame Rat und die Gerichts- 
personen, 3. die Hofverwandten- und Prokuratorendiener, die 
Schreiber u. a. m., 4. die gemeine Bürgerschaft. Die Teil- 
nehmer mußten «zwen vnd zwen» gehn. | 

In der zweiten Hälfte des Monats April wurde die Bann- 
bereitung vorgenommen. Eine halb geistliche, halb welt- 
liche Prozession zog in feierlicher Amtstracht von Grenzstein 
zu Grenzstein. Sie setzte sich aus dem SchultheiBen, dem Pfarrer, 
vier Räten, dem Schulmeister und einigen Schülern zusammen. 
Die Hauptpersonen, einschließlich des Pfarrherrn, waren be- 
ritten, Fahnen-, Laternen- und Kerzenträger schritten dem 
Zuze voran. Es war dies im Hinblick auf die weite Ausdehnung 
des Bannes eine anstrengende Leistung für die Beteiligten. 
Offenbar hatte sie den Zweck, nach außen hin die gemeindliche 
Herrlichkeit in Flur- und Gerichtsgrenzen hervorzuheben und 
sie vor unberufenen Eingriffen und Anfechtungen zu schützen.36 


36 Vgl. Merklen, а. a. О., II, 5. 48, Anm. 1. Zeitschrift für Kultur- 
geschichte 1858: «Die Berainungsritte der Vorzeit» von Dr. Ign. 
Bidermann und Luschin von Eberngreuth, «Allgemeine Münzkunde>» 
München und Berlin 1904, S. 27, G. Solche Berainungsritte haben 
sich bis ins 18. Jahrh. auch an anderen österreichischen Orten er- 
halten, so z. B. in Marburg an der Drau und in Klagenfurt. 


=. JE Нн 


Das Leben innerhalb dieser sorgsam behüteten Grenzsteine 
tritt uns in fast allen Einzelheiten auf den Blättern unseres 
Ratsprotokolles entgegen. Hatte sich doch der Rat nicht nur 
mit allen Verwaltungs- und Polizeiangelegenheiten zu befassen, 
er war nebenbei auch Gerichtsbehörde für die streitige und die 
freiwillige Gerichtsbarkeit in seinem Bereiche, 

Bei dem Wochenrat, dessen Dauer auf vier Stunden 
festgesetzt war, wurde folgende Tagesordnung eingehalten : 

1. Den Vorrang vor allen andern Sachen hatten die Ange- 
legenheiten, welche das Verhältnis zum Regiment betrafen 
und die vom Stadtvogt und seinem Stellvertreter vorgebracht 
wurden. 

2. Alsdann kamen die Dinge an die Reihe, welche die 
Stadt, ihre Verwaltung und Polizei angingen. Diese wurden vom 
Stadtvogt oder dem Stadtschreiber vorgetragen. 

3. An dritter Stelle wurden die Anträge behandelt, die 
der Baumeister, der Umgelter, der Stadtschreiber, der Kirchen- 
meyer, der Spital- und Gutleutpfleger, die Salz- und Mühlen- 
meister vortrugen. Daran schlossen sich die Sachen, welche 
die Wirte, Bäcker, Müller, Metzger und die übrigen Gewerbe- 
treibenden betrafen. Dann wurden die Anzeigen der Unter- 
beamten, der Weibel, Torwächter, Hirten usw. durchgesprochen. 

4. Alsdann rief der Gerichtsschreiber (der Stadtschreiber) 
die Prokuratoren auf, die für Privatparteien Sachen vorzutragen 
hatten, und zwar in der Reihenfolge ihres Eintrags in eine 
Sitzungsrolle. Im Rate wurden Erbstreitigkeiten geschlichtet, 
Nachlässe auseinandergesetzt, Testamente, Ehe- und Erbverträge 
errichtet u. dergl. m. Waren Vormünder zu bestellen oder 
hatten Vormünder für ihre Mündel Anliegen vorzubringen, so 
mußten die Prokuratoren zurücktreten, 

5. Hierauf wurden die Einwohner von Rülisheim und 
Ungersheim gehört, über deren Verhältnis zur Stadt unten be- 
sonders gesprochen werden muß. 

6. Rechtsstreitigkeiten und Berufungssachen kamen nach. 
diesen Fällen zur Verhandlung und wurden entweder durch 
Vergleich oder Urteil erledigt.37 Als Berufungsgericht war der 


31 Ueber das Prozefiverfahren vor dem Wochengericht habe ich 
keine Bestimmungen gefunden. Es wird aber demjenigen vor dem 
Wochengericht zu Ptirt sehr ähnlich gewesen sein. Vgl. Ed. Bon- 


= “ТЫС ше 


Rat zuständig für Urteile der Dorfgerichte von Rülisheim und 
Ungersheim. Es kam aber auch vor, daß Rechtssuchende aus 
anderen Nachbardörfern, z. B. aus ТІН das Stadtgericht 
in Ensisheim als zweite Instanz anriefen. 

Vor den Dorfgerichten erschienen die Parteien auf einfache Be- 
nachrichtigung und vertraten sich selbst. Alle Sachen wurden dort 
summarisch und ohne Beobachtung von Prozeßvorschriften erledigt. 

Von Zeit zu Zeit wurde auf Antrag des Stadtvogts Appella- 
tionsrat gehalten. Der Termin wurde durch die Weibel be- 
kannt gemacht. Entweder wurde die Berufung angenommen, 
das erste Urteil aufgehoben und zur Sache selbst entschieden, 
oder es hieß, in erster Instanz sei wohl gesprochen worden, 
der Appellant habe übel appelliert und die Kosten zu tragen. 

Die Urteile des Stadtgerichts .unterlagen ihrerseits wieder 
der Berufung an die vorderösterreichische Regierung. 

Auch Rechtsgutachten hatte der Rat abzugeben. Z. В. trug 
der Schultheiß von Regisheim dem Rat in Ensisheim einen 
Fall vor, den er zu entscheiden hatte, und bat um ein Gut- 
achten. Der Rat gab ihm in der nächsten Sitzung die ge- 
wünschte Rechtsbelehrung. 

7. Zum Schlusse wurden die Bittgesuche der Bürger be- 
schieden. Diese betrafen das Bürgerrecht, den Abschied aus 
der Stadt, Empfehlungsbriefe, Leumundszeugnisse, Geburts- 
briefe u. a. m. Diese Gesuche waren vorher zwei besonderen 
Ratsherren : «den Erlaubern» zur Prüfung übergeben worden. 


Die gewöhnliche Sitzung, der Wochenrat oder das Wochen- 
gericht, wurde mit drei Glockenzeichen eingeliutet. Das 
erste wurde in der Frühe bei der Betglocke gegeben, das 
zweite unter der Frühmesse und das letzte um 7 Uhr. Zum 
drittenmal mußte solange geläutet werden, als jeder Beteiligte 
— Gerichtsmann, Fürsprech oder Partei — brauchte, um von 
seiner Wohnung nach der Ratsstube zu gehen. Wer erschien, 
nachdem der Richter, d. h. der Schultheiß, sich gesetzt hatte, 
mußte zwei Schilling Strafe bezahlen. 


valot, Coutumes de la Haute-Alsace dites de Ferette, Colmar und 
Paris 1870, p. 140 ff. Vgl. auch Merklen, a. a. O., I, S. 286, An- 
merkung. 

38 Véron-Réville: «Essai sur les anciennes juridictions d'Alsace», 
Colmar 1857, S. 124. 


> AB == 


.In jeder Sache waren drei Termine vorgeschrieben. Wenn 
der Beklagte den ersten Termin versiumte, zahlte er einen 
Schilling und beim zweiten zwei Schilling Strafe. Beim dritten 
Termine konnte die Klage im Versäumniswege zugesprochen 
werden. 

Auswärtige mußten zu den zwei ersten Terminen brieflich 
und zum dritten Termin durch einen geschworenen Boten ge- 
laden werden. Der Schultheiß (Richter) hatte nur die Leitung 
der Verhandlung, aber keine beratende Stimme. Urteilssprecher 
waren die Gerichtsleute, die sich aus den Rachinburgen, scabini, 
entwickelt hatten. 

Wer mutwillig zur Klage Anlaß gab, hatte dem Kläger 
drei Schilling zu verbessern. Gleicherweise hatte der unter- 
liegende mutwillige Kläger dem Beklagten neben den Gerichts- 
kosten drei Schilling zu bezahlen (Sukkumbenzstrafen). Wenn 
das Gericht gebannt war, durfte niemand reden ohne seinen 
Fürsprech. Wer es aber doch tat, zahlte drei Schilling dem 
Gericht (Unrecht 39). Die Fürsprecher brauchten keine Rechts- 
gelehrien zu sein. Jeder ehrenwerte und befihigte Mann 
konnte mit diesem Amte betraut werden.40 

Keiner, der Gerichtsgeld oder «Unrecht» zu bezahlen hatte, 
durfte die Stube verlassen, ehe er es erlegt hatte, bei Ver- 
meidung der sofortigen Pfändung durch die Gerichtsboten. 


Bei Fremden war ein abgekürztes Verfahren, das soge- 
nannte «Gastgericht» möglich. Der Schultheiß setzte auf 
Begehren des Fremden die Termine fest. Das erste Gericht 
war morgens, das zweite zur Vesperstunde und das dritte und 
endgültige arm anderen Morgen. Bei allen drei Sitzungen 
mußten dieselben Gerichtsleute zugegen sein. Die Richter im 
Gastgericht brauchten aber nicht den Gerichtsleuten anzuge- 
hören, Jeder beliebige Bürger konnte zum Richter bestellt 


werden. Es geschah sogar — zwar nicht in Ensisheim — ааб 
sich der ordentliche Richter im Gastgericht durch den Büttel 
vertreten ließ | i 


Diese Gerichte sind aus dem Gastrecht herausgewachsen. 
Sie waren nötig, um den Fremden, den reisenden Kaufleuten 


39 Bonvalot, a. a. O., р. 39. Das «Unrecht» ist eine dem Gericht 
geschuldete Buße, um den Verstoß gegen das Recht zu sühnen. 
40 Bonvalot, a. a. O., p. 271. 


ur 9 


namentlich, schnell zu einem Richterspruche gegen einen 
Bürger, oder dem Bürger zu einem Urteile gegen einen 
Gast zu verhelfen. Sie fanden nur statt, wenn sich дег 
Streit um Schuld oder Fahrhabe drehte. Die streitenden 
Parteien vor dem Gastgerichte waren entweder Gast gegen 
Gast, oder Gast gegen Bürger, oder Bürger gegen Gast. 
Wenn zwei Fremde untereinander stritten, konnten sie vor 
ihren gesetzlichen Richter verwiesen werden — es sei denn, 
daß der klagende Gast anderswo nicht zu seinem Rechte 
kommen konnte. In dem Verfahren vor dem Gastgericht 
wurden nur liquide Beweismittel zugelassen. Die Säumnis des 
Beklagten ermöglichte eine schnelle Hilfsvollstreckung.4! 


Die Strafsachen gehörten zur Zuständigkeit der Frevel- 
gerichte oder der Malefizgerichte. 

Das Frevelgericht setzte sich aus den zwölf Schöffen unter 
dem Vorsitz des Schultheißen zusamınen. Der Stadtschreiber 
wirkte als Protokollführer mit. Alle Uebertretungen der Gesetze 
und Verordnungen, die mit Geldstrafe gesühnt werden konnten, 
kamen vor ihm zur Aburteilung. Dabei genoß die Stadt das 
ausdrückliche Privileg,#? daß die Geldstrafe für ihre Bürger 
nie den Betrag von 10 g Basler Stäbier 43 überschreiten durfte. 
Die Urteile des Frevelyerichts waren wie alle Strafurteile der 
Lokalgerichte jener Zeit unanfechtbar.+ 

Als 1589 ein Verurteilter gleichwohl viva voce appellierte, 
wurde ihm die Appellation abgeschlagen «weil solches alhie 
niemahlen gebraucht und geslattet worden». 

Die Vergehen und Verbrechen, bei denen eine Strafe an 
Leib oder Leben angedroht war, wurden von dem Malefiz- 


41 Eduard Osenbriiggen: «Studien zur deutschen und schweize- 
rischen Rechtsgeschichte», Schaffhausen 1565, Seite 19--63, die Gast- 
gerichte. Bonvalot, а. a. O., S. 40, lalit die Gastgerichte auch zu- 
ständig sein für Beleidigungsklagen. 

42 Vgl. oben Anmerkung 19: «Den von Enssisheim geben die 
fryheit, das man deheinen burger, der an gnade erkant wirt, höcher 
bessern soll. dann für X lib. stebler, des datum stott ХПП vnd X 
jar» (frow Katherine Hertzogen zu Oesterrichy, 

43 Nach Hanauer, Etudes économiques sur l'Alsace ancienne et 
moderne, Tome premier, les monnaies, Paris-Strasbourg 1876, рас. 
500 galt im Jahre 1583 das Pfund Stäbler 3,67 fr., der Schilling 
0,18 fr., der Pfennig 0,015 fr. — Ein Pfund Stäbler (gZ) hatte 20 
Schilling (3), der Schilling 12 Pfennig (.)). 

44 Veron-Reville, a. a. O., р. 95. 


as I ыы 


gericht abgeurteilt, über dessen Zusammensetzung und Ver- 
fahren ich an anderer Stelle eingehend berichtet habe.4# 

Freiheitsstrafen kannte das damalige Recht noch nicht.45 
Nur für die Uebertretung der Polizeiverordnungen und der Ge- 
bote des Rates wurde Gefängnis oder «Кейеһ» als Ungehorsams- 
strafe verhängt. Der Turm, das Gefängnis, diente sonst nur 
zur Vollstreckung der Untersuchungshaft an schweren Ver- 
brechern. 

Gerade auf diesem Gebiete genossen die Bürger von Ensis- 
heim ganz außerordentliche Freiheiten. 

Kein Bürger durfte ins Gefängnis gelegt werden, sofern 
es nicht an den Leib ging, wenn er «Sicherheit zu geben, zum 
Rechten Tröstung zu tun hat». 

Keinem Bürger durfte sein Gut abgenommen werden, «un- 
ervolgt des rechten» d. h. ohne Richterspruch. Das Vermögen 
eines zu Tode Verurteilten durfte seinen Kindern und Erben 
nicht genommen werden.4® 

Wer einen Anspruch an einen Bürger von Ensisheim zu 
haben glaubte, mußte ihn in seiner Vaterstadt verklagen. Nie- 
‘mand durfte ihn vor ein auswärtiges Gericht laden.?? 

Die Stadt selbst hatte ein, gerade in den Vorlanden ganz 
seltenes, hochwichtiges Privilez.48 Das Haus Oesterreich hatte 
ihr zugesagt, daß sie nie verpfändet werden dürfe. Dieses Ver- 
sprechen hat es auch immer gehalten. Die Stadt hat stets die 
Geschicke der ganzen Vorlande im ОБегеіѕаВ geteilt. Dieses 
Privileg ist schon daraus zu erklären, daß Ensisheim die Landes- 
hauptstadt war.49 

Trotz dieser Vorrechte hatte aber die Stadt nicht das B e- 


— 


44a Vol. oben Anmerkung 22. 

45 v. Liszt: «Lehrbuch des deutschen Strafrechts», 4. Aufl., Berlin 
1891, S. 264. | 

46 vgl. oben Anm. 19. Diese Privilegien wurden 1411 verliehen 
und am St. Alexistae 1465 von Erzherzog Sigismund a. d. Inns- 
bruck ausdrücklich bestätigt. Vgl. С. 679 Bezirksarchiv Colmar Ab- 
schrift und Uebersetzung der Urkunde. 

47 s. Anm. 19. Dies Vorrecht wurde 1442 erteilt. 

48 Laut dem in Anm. 19 erwähnten Register wurde dies Pri- 
viles im Jahre 1445 erteilt. 

"49 Dadurch, daß Erzherzog Sigismund mit den ganzen oberel- 
sässischen Vorlanden auch deren Hauptstadt Ensisheim im Vertrage 
von St. Omer am 9. Mai 1469 an Karl den Kühnen verpfändete, hat 
er das Privileg nicht verletzt. 


enadigungsrecht. Wenn ein von ihren Gerichten ver- 
urteilter Missetäter um Gnade bat, mußte sie ihn an den re- 
gierenden Landesfürsten verweisen.50 

In Ensisheim bestand wie in vielen andern Orten auch ein 
sogenannter Freihof, in dem die Verurteilten und Geächteten 
ein Asylrecht fanden.50a 

Um das Bild der Gerichtsorganisation zu vervollständigen, 
müssen wir noch zwei Körperschaften erwähnen, die Siebener 
und das Weisungs- und Berainungsgericht. Die Siebener 
hatten in Malefizprozessen bei der Tortur mitzuwirken. Sie 
wurden zur feierlichen Beurkundung des Geständnisses zuge- 
zogen.>l 

Die Weisleute hatten Streitigkeiten bei überbauten 
Grundstücken zu schlichten bezüglich der Dienstbarkeiten, Aus- 
sichtsrechte, Wege- und Dachtraufgerechtigkeiten usw. Meist 
werden sie die Streitenden an Ort und Stelle leicht zur Einigung 
gebracht haben, 

Die Berainungsleute hatten, wie unsere heutigen 
Feldgeschworenen, auf die Innehaltung der Grenzen zwischen 
den Grundstücken zu achten und waren ferner berufen, die 
Grenzregelung vorzunehmen und Steine zu setzen.5? 


Es empfiehlt sich an dieser Stelle auch noch einen Blick 
auf die übrigen Beamten der Stadt zu werfen. 

Die beiden wichtigsten städtischen Beamten waren der Ba u- 
meister und der Umgelter. Beiden lag die Sorge für 
die öffentlichen Gebäude, die Festungswerke, die Tore und 
Brücken, die Mühlen und das Schloß ob. Sie hatten an diesen 
Bauten Holz- und Mauerwerk zu unterhalten. Den Amtseid 
leisteten sie gemeinsam, wie sie auch immer sich gegenseitig 
in die Hand arbeiten mußten. Da die Strafselder zum Teil in 


50 Көше Ferdinand I. Resolution v. 18. I. 1556 in dem Malefiz- 
protokoll von Ensisheim Fol. 409. Bezirksarchiv Colmar, Notariats- 
akten Ensisheim. 

50 а Veron-Reville, а. a. O., р. 58. Merklen, a. a. O., р. 213. 
Der Schwarzenkergerhof war der Freihot. 

51 Z. G. 0. XXII, S. 369. 

52 Bonvalot, a. a. O., S. 93. Merklen, a. a. O.. I, S. 289 und 
293. In Rappoltsweiler hießen die Siebener «die hubner> ; vel. Ber- 
nard Bernhard: «Recherches sur l'histoire de la ville de Ribauville>, 
Colmar 1888, p. 299. 


а СӘ) sa 


die Stadtkasse flossen, hatten sie auch in den geeigneten Fällen 
als öffentliche Ankläger aufzutreten. і 

Der Umgelter hatte das Zoll- und indirekte Steuerwesen 
der Stadt unter sich, während ein besonderer Beamter, der 
Gewerfer, die direkten Steuern, das Gewerf, einzutreiben 
hatte. 

Die einzelnen Anstalten in der Stadt führten ihre Ver- 
mögensverwaltung durch besondere, dem Rat verantwortliche 
und von ihm eingesetzte Rechner. Der Kirchenmeyer verwaltete 
das Vermögen der Kirchenfabrik, der Spitalmeister dasjenige 
des Spitals und der Gutleutpfleger das des Gutleuthauses. 

Den Salzspeicher halte der Salzmeister, die Mühlen der 
Mühlenmeister, die Ziegelei der Ziegelmeister und die Rechte 
an der Hardt der Holzmeisier zu überwachen. 

Gehülfen des Umgelters bei der Erhebung des bösen Pfen- 
nigs und der damit verbundenen Kellerkontrolle waren die 
Weinleder. Bei der Verzollung unterstützten ihn die Zoller 
und Torhüter. 

Der «Keuffel» oder Marktvogt hatte die Märkte und 
Messen zu beaufsichtigen und als Gantmeister, als öffentlicher 
Versteigerungsbeamter, tätig zu sein. | 

Die Nahrungsmittel wurden nach Preis und Güte von 
Brot-, Fleisch- und Fischschauern geprüft. 

Der Kornmesser setzte den Preis der Frucht fest und regelte 
den Verkehr mit Getreide, um Teuerung und Kornwucher zu 
verhindern. 

Die Stadt hatte das Recht, für ihre eigene Wache zu sorgen. 
Dementsprechend gab es einen Wachtmeister, Torwächter, Tor- 
hüter, Schlüßler, Turmwächter, Turmbläser, äußere Torwächter 
und Schloßwächter. An unteren Beamten gab es noch die 
Polizeidiener, Weibel, und die Stadtboten, den Spitalknecht, 
den Sakristan oder Kirchenwart, die Zehent- und Trottknechte, 
den Stadtwerkmeister, den Stadtkarrer u. a. m. 

Jeder Bürger mußte sich bei Leistung des Bürgereides ver- 
pflichten, das Amt des Bannwarts oder Scharwächters wenigstens 
zwei Jahre lang zu versehen.53 

Der Stubenknecht war nicht, wie Merklen meint, ein Po- 


53 Merklen, а. a. O., I, 5. 252, Anmerkung. 


=. 9 = 


lizeidiener, appariteur,5t sondern der Führer der Stube, des 
Ratskellers. Ueber ihn werden wir noch manches erfahren. 


Nachdem wir bis hierher die Verfassung und Einrichtung der 
Stadt Ensisheim in Umrissen dargestellt haben, wollen wir dazu 
übergehen, im einzelnen dieVerwaltung derselben kennen zu lernen. 

Es empfiehlt sich aber vorher einen Blick auf die allge- 
meine Lage der oberelsässischen Vorlande zu werfen, um besser 
die Schilderung aus ihrer Zeit heraus verstehen zu können. 

Die beiden Herrscher, welche fast durch das ganze sech- 
zehnte Jahrhundert die Vorlande regierten, waren Ferdinand I. 
und sein Sohn Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, der durch 
seine Ehe mit der schönen Philippine Welser am meisten be- 
kannt geworden ist, 

Ferdinand I, hatte die Regierung іп stürmischer, schwerer 
Zeit übernommen! Die gewaltige Bewegung der Reformation 
hatte gerade eingesetzt, als ihm — in den Brüsseler Verträgen 
vom 30. Januar und 7. Februar 1522 — die deutschen Be- 
sitzungen des Hauses Habsburg zufielen. Der Bauernkrieg 
durchtobte bald darauf die Lande längs des Rheins und ver- 
schlimmerte die ohnehin so schlechte wirtschaftliche Lage der 
Vorlande in erschreckender Weise. Schon unter Maximilian I, 
waren die Finanzen des Landes durch die ewige Kriegsnot so 
zerrüttel wie möglich gewesen. Die Kämpfe, welche Ferdinand I. 
fortgesetzt mit den Türken um seine junge ungarische Krone 
führen mußte, verschlangen wiederum alljährlich große Summen 
auch aus den vorländischen Einnahmen. Durch diese Geldnot 
wurde die freie Entwickelung der großen Ferdinandeischen Ver- 
waltungsorganisationen gehemmt und gar mancher wohlgemeinte 
Plan kam deshalb nicht zur Ausführung. Die Steuerschraube 
wurde immer fester angezogen und die landesherrlichen Regale 
so stark ausgebeutet wie irgend angängig, so daß sich auf dem 
Lande kein Wohlstand einstellen konnte. 

Unter Erzherzog Ferdinand II. hatten die Vorlande durch 
die französisch-spanischen Kriegswirren zu leiden. Die Er- 
schütterungen Frankreichs durch die Hugenottenkriege wurden 
auch hier fühlbar. Stets lebte man in der Stadt Ensisheim in 
der Furcht, die Religionskriege könnten ins Elsaß hinüberspielen, 


54 Merklen, a. a. O., I, S. 277. ° 


— 29 — 


und vereinzelte Truppendurchmärsche waren nicht zu verhindern 
gewesen, z, B. der Durchzug des Pfalzgrafen Wolfgang von 
Zweibrücken zum Hugenottenheere 1569. Jahrelang beunruhigte 
Dr. Peter Beutterich, der doctor equester, von Mömpelgard aus 
als Rat des Pfalzgrafen Johann Kasimir die Bewohner der Stadt 
Ensisheim. Im Jahre 1587, im Kriege der drei Heinriche, 
(Heinrich ІП., Heinrich v. Navarra und Heinrich v. Guise) 
fanden so viele Durchmärsche stalt, daß die erzherzogliche 
Kammer ihre Auslagen für Schadenersatz und Wachen in 
diesem Unglücksjahr auf 87000 Gulden herechnet.55 

Als von Frankreich keine Gefahr mehr drahte, begann der 
Straßburger Bischofsstreit, (1592—1593) іп dem Erzherzog Fer- 
dinand zum kaiserlichen Kommissar bestellt war. Auch dies- 
mal bestand die Befürchtung, daß die Kriegsfackel in den ober- 
elsässischen Vorlanden auflodern könne. 

Das Land kam nie zu einer völlig friedlichen Entwickelung, 
bis der dreißigjährige Krieg die österreichische Herrschaft hin- 
wegfegte und dem Städtchen Ensisheim alle Bedeutung nahm. 

Wiederholt hatten sich die elsässischen Stände zusammen- 
getan und Landsrettungen abgeschlossen, um in Zukunft 
den Einfällen fremder Kriegsvölker vorzubeugen.56 Zur Zeit 
Erzherzog Ferdinands II. wurden am 24. September 1572, am 
Mittwoch nach Matthai,57 und am 8. Februar 1580 solche Lands- 
vereine, Defensivbündnisse gegen die Franzosen, geschlossen. 
Der erste Verein wurde auf fünf und der zweite nur auf drei 
Jahre geschlossen. Im Jahre 1580 wurden fast alle Bestim- 
mungen des Vertrages von 1572 wiederholt. In unserem Rats- 
protokoll können wir die Wirkungen verfolgen, welche die 
Landsrettung von 1580 auf die Stadt Ensisheim hatte. 
| Erzherzog Ferdinand war verpflichtet worden, für seine 
oberösterreichischen Lande im Elsaß 3000 Mann zu Fuß und 
100 zu Pferd zu stellen, zwei Falkauren,53 zwei Falkonette und 


55 Josef: Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Band II, Inns- 
bruck 1888, в. das Kapitel die Vorlande und ihre Bedrängnis, S. 153 ff. 

56 F. W. Müller, Die elsässischen Landstände, Straßburg i. E. 
1907, 8 1 Die Landsrettungen, S. 82 ff. 

57 Karl Tschamber, Verein zur Landsrettung, Jahrbuch des 
Vogesenklubs (Histor.-lit. Zweigverein) ХХІ, S. 59 ff. 
58 Falkaunen oder Falken schossen Vollkugeln von 2—4 kg. 
Falkonette und Halbfalkonette entsprechend kleineres Kaliber. 


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zwei Halbfalkonette, Büchsen- oder Zeugmeister und anderes 
Zubehör zu liefern. Endlich hatte er Pulver für Hakenbüchsen | 
gegen billige Bezahlung abzugeben. 

Die Untertanen der Vereinsgenossen mußten überall dahin 
gehalten werden: daß sie Mauern und Wehren ihrer Städte 
und Flecken bessern und zurüsten sollen.59 

Schon im Bauernkrieg war ап den Befestigungswerken von 
Ensisheim gearbeitet worden.6%° Offenbar waren sie seitdem 
wieder stark in Verfall geraten und boten nicht mehr genü- 
gende Sicherheit gegenüber den Feuerwaffen. Der Erzherzog 
trat deshalb in Unterhandlungen mit dem Straßburger Archi- 
tekten Daniel Specklin,® дег am 1. Februar 1581 mit 
дет Ausbau der Befestigungen betraut wurde.62 

Die Regierung verlangte vom Rat, er solle angeben, in 
welcher Weise er zur Ausbesserung der Mauern und Wille 
beitragen wolle. Der Rat beschloß: 1. Das rückständige und 
das in den nächsten drei Jahren fällig werdende Gewerf der 
Hofsverwandtén dazu zu geben. 2. Drei Jahre lang je 50 & 
in verschiedenen Jahresterminen aus der Stadtkasse zu be- 
zahlen. 3. Allmonatlich die halbe Bürgerschaft einen ganzen 
Tag an den Befestigungswerken fronen zu lassen. 

Diesen Beschluß legte die Stadtverwaltung einem durch 
mehrere Bürger verstärkten Rat zur Genehmigung vor, der ihn 
guthieß. Augenscheinlich hatte die Regierung eine weitergehende 
Hilfe der Stadt zum «Stadibau» erwartet, denn sie suchte den 
Rat zu größeren Zugeständnissen zu bewegen. Allein dieser 
blieb zäh und bewilligte nichts weiter (1582). Waren doch auch 
nicht geringe Opfer nebenbei von der Stadt zu tragen! Das 
Schützenhaus mußte wegen der Festungsbauten abgerissen | 
werden und alle Fenster, die aus den Nachbarhäusern auf den 


— 


59 Tschamber, a. a. O., 8. 72. 

6 Das ІШог hatte folgende Inschrift: «In dem jar nach der 
geburt Christi MVCXXV des monats May under Keyser Karolo und 
Ferdinando gubernatoren gebrüdern Ertzhertzogen zu OUesterrich in 
der Paurischen ufruehr des Hoellenhauffen wart dise port +7 bauwen.> 
Schoepflin-Ravenéz, L’Alsace illustrée, IV, p. 165 n. 2. 

61 Daniel Specklin, geb. 1536 zu Straßburg, gest. dort 1589, 
scheint auch sonst in Beziehungen zum Erzherzog gestanden zu 
haben, denn er wird unter seinen «Rüstmeistern» genannt. Hirn, a. 
а. O., П, S. 448. Anm. 3. 

62 Merklen, a. a. O., II, p. 74ff. Anm. 


Wall gingen, waren zuzumauern. Ein Bürger mußte sogar ein 
Loch schließen lassen, das aus seinem Hause in den Wall- 
graben ging. Ein Steg über den Mühlbach wurde abgebrochen, 
damit die Fremden nicht auf die Befestigungsbauten sehen 
könnten. 

Während der Bauzeit fühlten sich die Bürger nachts nicht 
sicher in ihren Betten. Regierung und Stadt stellten deshalb 
je einen Wächter an den Bau bis zu dessen Vollendung. Auch 
die Brücke hinter dem Schloß wurde «bei den gefährlichen 
Leuffen» gemeinsam von Regierung und Stadt bewacht. 

Die vier städtischen Wächter zogen je zwei und zwei auf. 
Als Lohn erhielten sie monatlich vier Gulden. 

Durch Hochwasser und starken Frost stürzte im Winter 
des Jahres 1582 ein Teil der Stadtmauer wieder ein. Die Re- 
gierung rief Specklin zu Hilfe und befahl der Stadt, den Scha- 
den auszubessern und Streben zu errichten. Anfänglich war 
die Stadt nicht gewillt, dem Befehl zu gehorchen. Sie verlangte, 
daß die Regierung auf die 50 @ und die Егопеп verzichte 
und die von der Mauer fallenden Steine der Stadt überlasse. 
Durch die Vermittelung der adeligen Räte kam eine Einigung 
dahin zustande, daß die Fronen verrichtet werden sollten, wenn 
die Regierung sie nach der Ernte begehre. Später beanspruchte 
die Stadt weiter, daß die Regierung Steine und Kalk liefern _ 
solle, es habe sich herausgestellt, daß дег Bau viel umfang- 
reicher sei, als man erwartet habe. 

Im Jahre 1589 fiel wiederum ein Stück Stadtmauer ein. 
Die Stadt hatte aber weder Geld noch Materialien. Die um- 
liegenden Dörfer mußten fronweise die Steine herbeischaffen, 

Mit besonderer Sorgfalt mußten in der Bauzeit die «Frie- 
5663 und anderen seltsamen Vögel» beobachtet werden, damit 
sie nicht mit den Franzosen paktierten. Auch die welschen 
Krämer waren zu größerer Sicherheit aus der Stadt zu weisen. 
Außerdem hieß es, es seien welsche Drescher bei den Bürgern 


‘63 Friesen verb. Die Gräben auf einem Felde zur Wässerung 
öffnen. Frieser = fossor, der Gräber von Beruf. Nach Anton Bir- 
linger, Alemannia 1873, Bd. I, S. 147ff. sind die Frieser oder Friesen 
«Hollander gewesen, die an süddeutschen Festungen arbeiteten, 
welche die Wasserbauten machten, die Weiher gruben>. Vgl. den 
Friesenmeistereid bei Gény, Schlettstadter Stadtrechte II, 1902, S. 
571 und Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte 1858, S. 155, «Die 
Friesen in Erfurt», von Langethal. 


— 25 — 


eingestellt worden, die man vorher bei dem französischen Kriegs- 
volk gesehen habe. Hier müsse besonders nachgeforscht werden. 


Außer den Arbeiten beim «Stadtbau» verlangte der Erz- 
herzog von der Stadt auch noch eine Kanone: «das Käther- 
lin von Enssen»,* um daraus Feldgeschütze, Falkaunen 
und Falkonette gießen zu lassen, die er bei dem Straßburger 
Schirmverein im Falle der Not gebrauchen könne. Die Stadt 
trat ihre Kanone unter der Bedingung ab, daß der Erzherzog 
die Kosten des Umgießens selbst trage, auf den neuen Stücken 
ihre Herkunft vom Kätherlin vermerken lasse und nach Ge- 
brauch die Geschütze der Stadt wieder zu Eigentum gebe. 

Neben dieser großen Kanone hatte die Stadt noch kleine 
Stadtbüchsen. Ihren ganzen Geschützpark mußte ein Büchsen- 
schmied sauber halten. Dafür war er von Fronen frei und 
bekam vier Gulden jährlich. 

Die Verteidigung der Stadt war Sache der Bürger. Grund- 
sätzlich waren alle wehrpflichtig und mußten sich selbst be- 
.waffnen. Die Stadt verkaufte von Straßburg eingeführte Hoggen | 
(Haken) und Sturmhauben für 3 Gulden. Von Zeit zu Zeit 
wurden Musterungen der Leute und ihrer Waffen abgehalten. 
Jeder Birger empfing an Musterungstagen eine MaB Wein. 

In gefährlichen Zeiten mußten die Bürger Tag und Nacht 
wachen. Auf den Stadttürmen wurden je zwei Wächter auf- 
gestellt. 

Während der Dauer des Schirmvereins von 1580 lag ein 
Teil des vom Erzherzog zu stellenden Söldnerheeres in Ensis- 
heim, der andere in Breisach. Da die Soldaten unter die 
Einwohner verteilt wurden, empfanden diese die Einquartierungs- 
last sehr drückend. Die verheirateten Soldaten verlangten sogar 
«ordentliche, beschlossene Losamenter». Die Stadt bat, man möge 
sie doch von dieser Last befreien, oder ihr wenigstens nur 
ledige Soldaten zuteilen. Vor den Soldatenweibern war nichts 
sicher. Es seien zwei, drei und gar vier unverheiratete Sol- 
daten besser zu erhalten, als ein einziger Verheirateter ! 


64 Nach Merklen, a. а. O., I, S, 241 ist ein anderes «Kätherle 
von Ensisheim» im Schwabenkriege 1499 von den Bernern erbeutet 
worden und soll dort im Zeughaushofe als Trophäe aufbewahrt 
werden. Zufolge amtlicher Auskunft der Museumsveryaltung in 
Bern ist es dort nicht mehr bekannt. 


2 “ӘБ == 


Aus diesen Mitteilungen können wir uns einen Begriff 
davon machen, wie schwer die Folgen der «Landsrettung» auf 
der Bürgerschaft gelastet haben. Gewiß hatte deswegen die 
Stadtobrigkeit manchen Strauß mit der Regierung zu bestehen! 
Aber auch in ruhigeren Zeiten gab es manche Streitpunkte, 
bei denen es zu Reibungen zwischen der Stadt und dem Land- 
vogt, zwischen dem Rat und der Regierung kam! 

Obwohl grundsätzlich die Kammer im Schloß, ‚der Residenz 
des Landvogts, alle neuen Anlagen einzurichten und die Stadt 
nur die Wiederherstellungsarbeiten zu besorgen hatte, verging 
kaum ein Jahr, ohne daß der Landvogt versucht hätte, auf Kosten 
der Stadt seine Wohnung zu verbessern oder zu verschönern. 
Jedesmal gab es Streitigkeiten mit der Karnmer, die von beiden 
Seiten mit gleicher Zähigkeit geführt wurden. Die Stadt rächte 
sich dadurch, daß sie alle Begehren des Landvogts abschlug, 
wenn sie es eben konnte! So bat ег z. В., man möge sein 
Vieh auf einem Stück des Stadtwalles weiden lassen, oder man 
solle ihm einen Garten hinter dem Schloß einrichten. Beide 
Gesuche wurden rundweg abgelehnt. Als für den Landvugt 
ein neuer Backofen und die Ausbesserung der baufälligen 
Waschküche, «des Bauchhauses», beantragt wurde, beschränkte 
sich der Rat darauf, den alten Waschkessel neu aufzustellen 
und mit Dielen überdecken zu lassen. | 

Auch sonst hatte der Landvogt mancherlei seltsame 
Schmerzen. Für seine Hofhaltung verlangte er wöchentlich 
an Fleisch: | 

150 g Rindfleisch, 
10 g Bruststück, | | 
5 g Maul- oder Schlauchbraten. 
50 g Kalbfleisch, oder Kastraun, oder Bratfleisch, 
3 Zungen 
«und das extraordinari wolle er Ime ehren halben und wie es 
an Ime selbs recht und billig jederzeith vor andern vorbehalten 
haben». Ueber dieses wohl sehr unbescheidene Verlangen 
wurde beraten, ohne daß wir den Bescheid kennen, den er 
empfing. | 

Auch von den Fischern forderte er die besten Fische und 
beschwerte sich, wenn sie nicht nach Wunsch geliefert hatten. 
Die Fischer erklärten, sie hätten dem Landvogt stets die besten 
Fische gebracht. Dem Rat. erschien die Antwort nicht als 


-- 97 = 


ausreichend. Er sperrte die Fischer für 24 Stunden in den 
Käfig. Alsdann wurde dem Landvogt die Aussage der Fischer 
gemeldet ! 

Ein anderes Mal wünschte er, daß die Stadt ihm 30 Wagen 
Klafterholz aus der Hardt fronweise heimfähren lasse. Die 
Stadt lehnte den Wunsch ab und gab ihm anheim, sich mit 
seinem Anliegen an die einzelnen Bürger selbst zu wenden. 

Höchst eigentümlich berührt es uns, wenn wir lesen, daß 
er von der Stadt ein Geschenk von 25 Vierteln Hafer heischte, 
weil er ihr dazu verholfen habe, daß der Streit mit den Hofs- 
verwandten wegen des Gewerfs geschlichtet worden sei! Der 
Rat gab ihm «diese Verehrung, damit man einmal seines 
Heischens abkomme !» Wenn der höchste Beamte Geschenke 
verlangt für seine dienstliche Tätigkeit, so sehen wir die Ver- 
waltung des ganzen Landes in einem trüben Lichte! Andrer- 
seits zeugt aber der Beschluß des Rates von der geringen 
Achtung, die er deshalb vor dem Landvogt hatte! 

Wie der Landvogt in der Stadt auftrat, zeigt folgender 
Fall. Die Handwerker — Schmiede, Schlosser, Goldschmiede, 
Sattler, Fischer — erschienen vor dem Rat und erklärten, der 
Landvogt ziehe ihnen soviel vom Lohne ab, daß sie dabei nicht 
bestehen könnten. Erst dann würden sie für ihn weiter 
arbeiten, wenn er sie ebenso halte, wie es die übrigen Adeligen 
täten. Der Schmied meldete sogar, der Landvogt habe ihm 
mit Gefängnis gedroht, wenn er nicht für ihn weiterschaffe. 
Um diesen Streik beizulegen, wurde eine Abordnung, bestehend 
aus dem Schultheiß, dem Baumeister und dem Umgelter, in 
das Schloß geschickt. Welchen Bescheid sie zurückbrachten, 
verrät das Ratsprotokoll nicht! 

Derselbe Landvogt (Georg, Graf zu Thurn zu Valle-Sässina), 
дег der Stadt alle diese Sorgen bereitete, war bei seinem Ein- 
zug mit Jubel begrüßt worden. Zur Feier der glücklichen 
Ankunft erhielt er 20 Viertel Hafer in eigens dazu angefertigten 
Säcken mit dem Stadtwappen. 

Nach Thurns Entlassung wurde der Kardinal Andreas von 
Oesterreich, des Landesherrn Sohn, zum Landvogt ernannt 
(1589). Schon früher war er Gubernator aller ober- und 
vorderösterreichischen Lande geworden.6 Als er seinen Einzug 


65 5, Hirn, a. а. O., II, 8. 403 ff. 


— 98 — 


als Landvogt hielt, bekam er außer den 20 Vierteln Hafer noch 
zehn Ohm Wein und wurde vom Stadtadvokaten 66 namens der 
Stadt und vom Rektor namens der Schule und Klerisei feier- 
lich begrüßt. Er schenkte den Stadtdienern, die ihm die 
Gaben zugeführt hatten, zehn neue Guldenstücke. Die Ensis- 
heimer hatten bald Grund mit ihm noch weniger zufrieden zu 
sein, als mit seinem Vorgänger. Er war ein rücksichtsloser, 
hochfahrender und verschwenderischer Herr. Ueberall erregte 
sein Benehmen Verbitterung.6” Das Ratsprotokoll vermeldet 
nur einen kleinen, aber bezeichnenden Zug von ihm. Wenn 
er in der Hardt jagte, mußten zuvor alle Eichelschweine ent- 
fernt werden. 

Wie es aber erst zuging, wenn der Landesherr selbst zur 
Jagd oder zum Landtag nach Ensisheim kam, erhellt aus den 
noch erhaltenen Losaments- und Furierzetteln.6 Die Stadt hätte 
von diesen Einquartierungslasten zugrunde gerichtet werden 
müssen, wenn nicht die Kammer schon bei Ankündigung des 
Besuches die Weisung erhalten hätte, für den Hof und sein 
ungeheueres Gefolge Nahrungs- und Futtermittel zu besorgen.69 

Von dem Verhältnis der Stadt und ihrer Bürger zu den 
übrigen Hofsverwandten ist und wird an den geeigneten Stellen 
geredet werden. Soviel ist sicher, daß auch sie stets darauf 
bedacht waren, ihre Stellung sich so angenehm wie möglich 
zu gestalten und deshalb der маны ы ыз gegenüber nicht 
allzu bescheiden auftraten, 


Schultheiß und Rat von Ensisheim, die so oft die Bitternis 
des Untertanenverhältnisses auszukosten hatten, konnten darin 
eine Genugtuung finden, daß sie sich in engen Grenzen auch 
als Herren fühlen durften. Gehörte doch zu ihrem Macht- 
bereich nicht nur -die Stadt selbst, sondern «pfandtweis und 
auf ewige Undterlassung»?70 auch das Dorf Rülisheim und 


66 Stadtadvokat ist wohl nur eine andere Bezeichnung für den 
Stadtvogt. 

67 Hirn, a. а. O., H, S. 406. 

68 Merklen, a. a. О., П, 8. 86 bis 94 und W. Beemelmans: «Ein 
Bild aus den letzten habsburgischen Jahren im Oberelsaß>», Straß- 
burger Post, Nr. 1108 von 1906. 

69 Vgl. Anm. 10 und Z. G. O. XXII, S. 636. 

19 Bezirksarchiv Colmar С 674. Urkunde d. 4. Innsbruck, 
8. Mai 1576. 


— 29 — 


ein Drittel von Ungersheim — die anderen zwei Drittel ge- 
hörten den Herren von Bollweiler. Die Besitzanteile waren 
aber in Ungersheim nicht räumlich geschieden. Die Herrschaft 
über das Dorf wechselte alljährlich ab und die Einkünfte wurden 
verhältnismäßig geteilt. Deshalb mußten auch die Gewerflisten 
im Beisein beider Obrigkeiten aufgestellt werden und nahmen 
beide die Dorfrechnung gemeinsam ab. Die Fronen waren 
für beide Herren gleich. ‘An Schatzung erhielt Ensisheim fünf 
Gulden und der Herr von Bollweiler zehn Gulden. Die Orts- 
behörde von Ungersheirm bildeten ein Schultheiß und die Ge- 
schworenen. 

Die Ensisheimer hielten viel auf gute Beziehungen zu 
Ungersheim. Als z. B. die Ensisheimer Schäfer im Bach von 
Ungersheim fischten, erhielten sie dort zwei g Strafe. Der 
Rat von Ensisheim gab ihnen dieselbe Strafe noch einmal «zur 
Erhaltung guter Nachbarschaft !» 

In den achiziger Jahren des XVI. Jahrh. entstand ein 
Streit zwischen beiden Orten wegen der Berechtigung, Holz 
aus dem Turmwalde zu holen, da die Grenze beider Bänne 
nicht feststand. Im Herbst des Jahres 1584 wurden von beiden 
Herren des Dorfes unter Mitwirkung eines Unparteiischen die 
Steine gesetzt, welche heute noch im Walde stehen. 

In Rülisheim wurde der städtische Amtmann oder Meyer 
vom Rat ernannt. Er ist nicht als Spitze der Selbstverwaltung, 
sondern als Mittelsmann zwischen der Stadt und den Bürgern 
von Rülisheim anzusehen. Die dortigen Geschworenen und die 
Bürger mußten ihm gehorchen, wie er immer die Befehle der 
Stadt zu befolgen hatte. Er durfte kein Dorfgericht abhalten, 
ohne daß der Stadtschreiber oder sein Stellvertreter dabei war. 
Kerfzettel 72 oder andere Urkunden durfte er zu Rülisheim nicht 
„anfertigen, weil er dadurch in die Domäne des Stadtschreibers 
übergegriffen hätte. 


71 Bis 1563 gehörte Ungersheim zu 1| den Herren von Maßmünster 
und zu 2); den Herren von Reinach. Damals verkauften die Reinach 
ihren Anteil an die Herren von Bollweiler. Als die Maljmünster 
1572 ausstarben, trat die Stadt Ensisheim an ihre Stelle. Im XVIII. 
Jahrh. gehörte ganz Ungersheim der Stadt. Schöpflin-Ravenez, 
а. а. 0., 8. 167. 

12 Ueber die Bedeutung дег Kerbzettel vgl. Schröder, Lehrbuch 
der deutschen Rechtsgeschichte, Leipzig 1902, S. 699 und Véron- 
Reville, a. a. 0., S. 191. 


азы 89) «ces 


Das Dorf hatte viele Pflichten und wenig Rechte. Nicht 
einmal durften seine Einwohner ihre Schweine ohne Erlaubnis 
des Rates in den Dorfwald zur Eichelmast laufen lassen. Als 
der Rat die Erlaubnis einmal unter der Voraussetzung erteilt 
hatte, es sei nur wenig «Ackherit» (Eicheln) vorhanden und 
sich nachher herausstellte, daß doch mehr Eicheln im Walde 
vorhanden waren, als man angenommen hatte, mußten die Ein- 
wohner nachträglich noch 50 & entrichten. 

Ein Rülisheimer hatte verbotenerweise im Machtolzheimer 
Bann 73 Holz gefällt. Es wurde ihm gedroht, er werde «den 
Herren» angezeigt werden. Darauf gab er die stolze Antwort 
«was ег Inen nachfrage, sy zu Ruolißheim seyen selbs Herren! 

Das Fischen in der Ill mit dem Garn war den Rülisheimern 
verboten. Einige Buben, die unter der Brücke doch gefischt hatten, 
wurden eingesperrt. Als herauskam, daß sie es auf Geheiß von 
vier Ratsherren getan hatten, wurden diese mit je 3 & Geldstrafe 
bedacht. Darob ärgerte sich der Meyer und stieß einige 
«stützige» Worte aus. Jetzt mußte auch er З 8 Strafe zahlen ! 

Die Kirchweih durfte in Rülisheim nur gehalten werden, 
wenn die Gestrengen von Ensisheim einverstanden waren. Die 
Junggesellen des Ortes baten durch ihren Meyer, das Spiel, den 
Tanz, abhalten zu dürfen, und luden den Rat dazu ein. Meist 
wurde ilinen gestattet, züchtig, eingezogen und ohne Lärm das 
Fest zu begehen. Im Jahre 1586 durften sie nur zu Hause bei 
Frau und Kind die Kilbe feiern. Der Tanz war verboten und 
Fremde sollten nicht zum Feste kommen. Diese Strenge hing 
offenbar mit der Kriegsgefahr zusammen. 

Zu den Kosten des Straßburger Schirmvereins hatte Rilis- 
heim jährlich 20 Gulden beizusteuern. 

Beim navarrischen Durchzuge (1587) hatten die Bäcker von 
Ensisheim den Rülisheimern Brot zur Verpflegung der Truppen 
geliefert. Der Rat wies im folgenden Jahre den Meyer an, das 
Brot aus dem Dorfsäckel zu bezahlen und dann den Kaufpreis 
‘von den Einzelnen, die Brot gehabt hatten, wieder einzuziehen. 

Mit den Nachbardörfern hatte Rülisheim allerlei Streitig- 
keiten zu bestehen. Die Unterhaltung der Illbrücke z. B. gab 
Anlaß zu Kämpfen mit Battenheim und Baldersheim. Beide 
Orte weigerten sich, fortan «Flecklinge» für die Brücke zu 


73 Zwischen Ensisheim und Rülisheim. 


as BE шы 


liefern. Der Meyer wurde angewiesen, in diesem Falle einen 
Brückenzoll von den Bürgern beider Orte zu erheben. 

Einen eigenartigen Uebergriff erlaubte sich 1585 der Land- 
weibel von Baldersheim gegenüber einem Manne von Rülisheim, 
Dieser hatte vor dreißig Jahren durch den Landweibel einen 
Acker berainen und beschreiben lassen. Damals forderte der 
Landweibel keinen Lohn. Der Bauer war mittlerweile achtzig 
Jahre alt geworden. Plötzlich verlangte der Landweibel 8 g 11 В 
Lohn für die so lange zurückliegende Arbeit. Da der Mann 
nicht gleich zahlte, ließ ihn der Landweibel auf «freier Kaiser- 
licher Straße» bei Baldersheim durch zwei Bürger dieses Ortes 
festnehmen und ins Dorf führen. Der alte Mann wurde hinter 
einen Tisch gesetzt, auf jede seiner Hände setzte sich Einer 
und ein Dritter bewachte ihn, als habe er geraubt und ge- 
stohlen. Da Baldersheim zur Herrschaft Landser gehörte und 
daher auch der Regierung in Ensisheim unterstand, beschwerte 
sich der Rat über diesen Eingriff in seine Rechte. Die Regie- 
rung entschied, der Landweibel müsse seine Freiheitsverbrechung 
verbessern und den Schuldner vor dem Gericht der Stadt ver- 
klagen, ohne ihm Gewalt anzutun. 


Die Stadt selbst hatte oft allerlei Schwierigkeiten mit ihrem 
Nachbar, dem Herrn von Rappoltstein, zu überwinden. Das 
Dorf Pulversheim gehörte zu Rappoltstein und unterstand 
einem Vogt, der zuzeiten ein recht streitharer Herr war. Wirkliche 
oder vermeintliche Holz- und Weidefrevel von Ensisheimern 
im Pulversheimer Bann boten meistens den Anlab zum Hader. 

Einen Mann traf der Vogt angeblich zum zweitenmal im 
Pulversbeimer Wald, wie er Rechenstiele schnitt. Er teilte dem 
Rate mit, daß er ihn in den Stock gesetzt habe. Der Rat war 
sehr empört über «solche Unnachbarkeit und Hochmut» und 
verlangte die sofortige Herausgabe des Mannes. Der Vogt könne 
ihn ja — wie von jeher «beschehen» — in Ensisheim ver- 
klagen. Diese Aufforderung wurde mit den kecken Worten 
erwidert, er frage weder nach Rat noch nach Regierung und gebe 
den Mann nur auf Befehl des Herrn von Rappoltstein heraus. 

Der Streit wurde durch Vermittelung der Regierung zu 
Gunsten der Stadt entschieden. _ 

Кіп andermal pfändete der Vogt einem Birger, auf dessen 
eigener Matte im Pulversheimer Bann, zwei Pferde und erklärte, 


— 32 — 


er gäbe sie nur heraus, wenn der Bürger ihm 10 В für die 
«Aynung»% bezahle. Der Rat ging diesmal tatkräftig vor. Er 
nahm dem Vogt, als er nach Ensisheim kam, kurzerhand das 
Pferd auch fort und eröffnete ihm, wenn er 10 В hinterlege, 
bis der Streit erledigt sei, bekäme er sein Roß wieder. 


Doch verlassen wir jetzt die «auswärtigen Angelegenheiten», 
um das Gebiet des Kultus zu betreten. 

Während die Neuzeit darauf ausgeht, die Rechtssphären von 
Kirche und Staat möglichst scharf gegeneinander abzu- 
grenzen und beiderseits schon der Versuch eines Uebergriffs in 
das Bereich des Anderen mit Empfindlichkeit und Schärfe zu- 
rückgewiesen wird, sehen wir, dal im sechzehnten Jahrhundert 
Staat und Kirche nahezu eins sind. Die Geistlichkeit unter- 
steht zwar nicht der weltlichen Gewalt und lebt und richtet 
nach kanonischem Recht, sie kann aber andrerseits in rein 
kirchlichen Dingen der Hilfe von Staat oder Stadt nicht ent- 
ralen. Diese Erscheinung ist nur aus den religiösen Kämpfen 
jener Zeit zu verstehen. Die katholische Kirche konnte mit 
ihren Machtmitteln den Kampf gegen die Sturmflut der Refor- 
mation nicht führen. Sie war sich ihrer Hilflosigkeit bewußt 
und rief den Schutz des weltlichen Armes an. Dieser Not- 
schrei kam den katholischen Fürsten sehr gelegen. Ihre reli- 
giöse Ueberzeugung leitete sie bei den Maßnahmen zur Ab- 
stellung von Mißbräuchen und bei der zwangsweisen Zurück- 
bringung abgefallener Untertanen zur alten Kirche. Sie konnten 
aber auch auf diesem Wege ihre politische Macht auf Gebiete 
ausdehnen, über die bisher die Kirche die Alleinherrschaft be- 
hauptet hatte.75 Ше Duldung Andersdenkender, die Gleichheit 
aller vor dem Staatsgesetz, war in jenen Zeiten noch ein un- 
verständlicher Grundsatz. «Der Geist einer exklusiven Recht- 
gläubigkeit herrschte nun einmal in der Welt vor.» Des- 
halb ergingen alle die Ketzerverbote und die Polizeiverordnungen, 
deren Inhalt wir kennen lernen werden. Ferdinand I. verbot 
durch seine Edikte77 den Abfall von der katholischen Kirche 


74 Aynung = Einung, hier soviel wie Buße, Strafe. 

15 Vgl. Hirn, a. a. O. Bd. I, S. 158 ff. 

76 Leopold v. Ranke, "zitiert bei Hirn, Bd. I, S. 160. 

п Das Edikt Ferdinands I. gegen die Ketzer d. d. Ofen 20. 8. 
1527 wurde im Dezember 1527 in Ensisheim verlesen. Alsatia 1875, 
S. 281. «Aus der Ensisheimer Chronik.» 


= 53 = 


bei Todesstrafe. Seine und seines Sohnes Strenge bewirkten, 
daß die neue Lehre in ihren Besitzungen im Oberelsaß nirgend- 
wo Fuß fassen konnte .?3 

Wie der Staat mußten natürlich auch die Lokalbehörden 
handeln. In der Stadt Ensisheim erstreckte sich die Fürsorge 
des Rates für die Angelegenheiten der Kirche bis іп die klein- 
sten Einzelheiten. | 

Er vergab die Pfründen für die Geistlichkeit, er setzte den 
Kirchenmeyer (Rechner) ein und ließ sich von ihm Rechen- 
schaft geben, er ernannte den Sakristan und inventarisierte die 
Kirchzier, er ließ die Altartücher waschen und belohnte die 
Lichterzieher, er schalt den Balgetreter, wenn er schlecht 
arbeitete, ließ die Orgel stimmen und stellte den Organi- 
sten ап, 

Die baulichen Veränderungen an der Kirche 79 selbst, z. В. 
auch deren Täfelung, wurden im Rate beschlossen. Der 
Pfarrer bat um die Erlaubnis, die Glocken aufzuhängen, und 
wünschte, daß der Kirchturm umgebaut würde, damit er ein 
anderes Aussehen erhalte. 

Johann Ra sser ‚® der berühmteste Pfarrherr von Ensis- 
heim, schenkte der Stadt drei Kruzifixe vor dem Mühltor und 
erbot sich, auf eigene Kosten noch ein Chor an das andere zu 
seizen, damit der Rat darin stehen könnte. Der Rat «war 
dessen wohl zufrieden und wünschte ihm, daß es fortgehe, 
Glück». Im Jahre 1588 aber weigerte sich Rasser, die Kosten 
des Chors mit 76 g 18 B 8 f zu bezahlen. 

Der Rat sah darauf, daß althergebrachte Sitten vom Pfarrer 
eingehalten wurden. Er beschwerte sich, wenn bei Beerdigungen 
gottergeben Verstorbener nicht geläutet und bei Versehgängen 
nicht geklingelt wurde. 

Da dem Pfarrer außer den Pfründen, die der Rat zu ver- 
teilen hatte, auch noch bestimmte Zehnten zukamen, wachte 


78 Vgl. Bonvalot, a. a. O., S. XII£. 

19 Die Kirche, welche Merklen, a. a. 0., S. 35 ff. mit so vieler 
Freude beschrieben hat, stürzte іп der Nacht vom 5. auf den 6. No- | 
vember 1854 ein. 

80 Vgl. E. Martin in der Allgem. deutsch. Biographie, Band 27, 
S. 332f. Der Geburts- und Todestag ven Johann Rasser sind un- 
bekannt. Wahrscheinlich starb er vor dem 13. XI. 1597. Er nennt 
sich selbst F. Dt. Erzh. Ferdinandi Rat und Probst zu Enschingen. 


3 


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die städtische Obrigkeit darüber, daß richtig gezehntet wurde 
und bestrafte die Bürger, die nicht ehrlich dabei verfuhren. 

Der gestrenge Herr Stadtvogt wurde sogar dem Rate an- 
gezeigt, weil er kein Beutelgeld mehr geben wolle. Es wurde 
allen Ernstes entschieden, daB er verpflichtet sei in den Klingel- 
beutel zu opfern, wenn er es früher getan habe. | 

Eine wichtige Einnahmequelle für die Kirche bildeten die 
sogenannten Kirch- oder Todfälle, jus mortuarium. 
Wenn ein Bürger starb, verfiel sein bestes Kleid der Kirche.8t 
Es wurde durch den Keuffel zu ihren Gunsten öffentlich ver- 
steigert, nachdem es von dem Kirchenmeyer und einem sach- 
verständigen Schneider abgeschätzt worden war. Den Erben 
blieb es freigestellt, das Kleid mit 5 Schilling Preisaufschlag 
zurückzukaufen. | 

Diese Kirchfälle hatten auch die Erben der Hofverwandten, 
soweit sie nicht Räte gewesen waren, zu entrichten. 

Fanden sich in einem Nachlasse keine Kleider vor, so 
setzte der Rat eine entsprechende Abgabe in Geld fest. Armen 
Witwen wurde auch die Abgabe «aus Barmherzigkeit nachge- 
lassen und um Gottes willen geschenkt !» 

Doch nicht allein um die Einrichtung des Gottesdienstes, 
um Zehnten, Pfründen und dergl. kümmerten sich Regierung 
und Rat. Viel einschneidender waren ihre Versuche zur 
Stärkung des innerkirchlichen Lebens. Die Gefahr war nicht 
gering, daß das Volk sich von der alten Kirche abwenden 
würde. Ueberall fing man an, die Zeremonien zu verachten 
und nach der Predigt aus der Kirche zu laufen.® Deswegen 
ergingen zahllose Vorschriften, die bis in alle Einzelheiten das 
religiöse Leben der Bürger regeln sollten. 

Alle diese Mandate knüpften an die Reichspolizeiordnungen 
an, in denen Gotteslästerung, Ehebruch, Zutrinken, Wucher 
usw. bekämpft wurden.83 Später kamen noch die Fasten- 
ordnungen hinzu. 


81 Derselbe Rechtszustand bestand in Colmar, vgl. Véron-Réville, 
а. а. O., р. 59 n. 3: evestis optima S. Martino cedit». 
82 Vgl. Dr. A. Eiermann, Lazarus v. Schwendi, Freiburg 1904, 
S. 94. ` 
83 W. Roscher, Geschichte der Nationalökonomie, München 
1874, S. 99. 


же. 96. 


Das kaiserliche Mandat von 1544 hatte bestimmt: «das 
sich ein yeglicher man vnd frawenperson in was würden oder 
wesens sie seyen, jung vnd alt, arm vnd reich, nyemandts 
ausgenomen, vor allen gotslesterungen, fluchen vnd schweren, 
darmit der namen Gottes, sein crafft, macht, weißheit, sterkh 
oder gnad, oder die martr, das leiden, pluet oder angst Christi 
oder seine heilige sacrament entehrt oder sonst eyttel vnd 
leichtfertiglich angeregt werden, dergleichen ander lesterwort, 
die zu der Gothait oder menschhait Christi oder seiner lieben 
muetter, der junkfrauen Maria, schimpf vnd schmach reichen, 
gentzlich enthalten vnd vermeiden ; 

das sich auch nyemandts keins zutrinkhens, geneesnen- 
bringens noch gevartens, weder mit worten noch zaigen, auch 
keine füllerei gebrauche ; | 

nyemandts sein еһе breche oder andere, vnehr zu sitzen, 
noch sein ehefrow mit gebürlicher beywonung zuuerlassen 
vnderstee ; 

noch wucher noch vnzimlichen gewinn oder fuerkauf treibe 
oder die armen damit trückhe.» 

Dieses Mandat wurde öffentlich verlesen und an die Kirch- 
türen angeschlagen. Es zeitigte aber so geringe Erfolge, dab 
die Regierung und Stadt sich genötigt fühlten, in einer 
besonderen Polizeiverordnung am 10. Oktober 1550 allen Ein- 
wohnern aufs neue ihre religiösen Pflichten vorzuhalten. 

Die Eingangsformel dieser Ordnung lautete: 84 

«Wir der Römischen auch zu Hungern vnd Beheim Kün. 
Mt. etc. vnsers allergnedigsten Herrn, Landvogt, Regennten 
vnd Räthe in obern Elsaß, auch Vogt, Schultheiß vnnd Rat 
der Stat alhie zu Ensißheim, thuen kundt allen denen, so vns 
zu allen Thailen zustendig, versprüchig, angehörig vnd zuge- 
wandt vom Adel, Hoffgesindt, deren Diener oder anderer, auch 
Вигсгегвсһа еп, deren Sönen, Handwerkh- vnd Dienstknechten, 
Hoch- oder Niderstandts, nyemandts ausgenonimen vnd fuegen 
Euch zuuernennen.» 

Hierdurch ist deutlich genug zum Ausdruck gebracht, dal 
auch die Hofsverwandten der Ordnung folgen sollten. Es 


84 Die Reichspolizeiordnung von 1544 und die Ortspolizeiordnung 
von 1500 befinden sich in Abschrift im Bezirksarchiv in Colmar С 
674. 


22 2862 = 


scheint aber, daß die Regierung ihren Angehörigen vieles 
durchgehen ließ, denn die Stadt beklagte sich oft, daß diese 
milde Handhabung der Ordnung ihr die Aufgabe gegenüber 
den Bürgern sehr erschwere. Es würde zu weit führen, wenn 
wir die ganze Polizeiordnung hier besprechen wollten. Da ihre 
wesentlichen Vorschriften immer und immer wiederholt wurden, 
können wir uns darauf beschränken, dem Ratsprotokoll zu 
folzen.85 Die dort berichteten Vorschriften und die Erörterungen 
vor dem Rat, liefern uns ein ziemlich anschauliches Bild von 
dem religiösen Leben jener Zeit. 

Am 16. Oktober 1583 verlas der Stadtvogt dem Rate zwei 
Rezierungsmandate, von denen eines den neuen reformierten 
Kalender betraf, (d. h. den gregorianischen Kalender, welcher 
1583 in den österreichischen Ländern eingeführt wurdess) und 
das andere den neuen Katechismus des Petrus Canisius 87 em- 
pfahl. Besonders wurde bei dieser Gelegenheit der Bürgerschaft 
vorgehalten, sie solle von dem üblen Fluchen und Schwören 
abstehen und sich eines ordentlichen Kirchganges befleiBigen. 

Die Messe mußte bis zu Ende angehört werden, Wer an 
Sonn- und Feiertagen während des Amtes auf dem Markte 
oder sonstigen öffentlichen Plätzen stehen blieb, in den Wirts- 
häusern, beim Pastetenbäcker oder in der Barbierstube herum- 
saß, mußte der Kirche für jede Uebertretung 1 & Kerzen liefern 
oder sollte mit 2 B oder Käfig bestraft werden. 

Noch weiter ging eine Verordnung, die der Stadtvogt 1585 
bei der Musterung den Bürgern verkündete: 

1. In den Wirtschaften darf ein Verachten der hl. wahren 
katholischen Religion nicht geduldet werden. Die lästernden 
Gäste, ob vom Adel oder nicht, sind anzuzeigen. 

2. Fluchen und Gotteslastern ist den Bürgern, ihren 

Weibern und Hausgesind verboten und muß angezeigt. werden. 
| 3. Die Bürger müssen an Sonn- und Feiertagen und an 
Freitagen «so man Litanei hält» fleißig in die Kirche gehen, und 


8 Vgl. noch die Ordnung von 1590 bei Merklen, a a. O., II, 
ff 


86 J. Bach: «Die Osterfest-Berechnung>, Straßburg 1907, S. 19. 
87 Petrus Canisius oder de Hondt schrieb zwei Katechismen: 
1. Summa doctrinae christianae sive catechismus major 1554. 


2. Institutiones christianae sive parvus catechismus catholicorum 
1561. 


4. An Fast- und Samstagen sich des Fleisch- und 
Kuttelessens enthalten, nicht Ueberweinen und nicht Füllerei 
treiben. 

Am Schwörtag des folgenden Jahres wurde eine neue 
Polizeiverordpung verlesen, wonach: 

4. Alle Freitag eine opferbare 88 Person aus jeder Familie 
in die Bitt- oder Türkenmesse geschickt werden mußte bei 
5 3 Strafe. Die Weibel hatten darauf besonders zu achten. 

2. Sonntags die Kinder in den Katechismus zu schicken 
waren: «Betten zu lernen». 

3. Besonders: diejenigen, welche die Zeichen trugen 89 und 
die Spenden empfingen, die religiösen Vorschriften zu beobachten 
hatten. Den Unfolgsamen wurde die Spende «abgestricki». 

Ferner wurde damals das Tanzen verboten und dem Spiel- 
mann das Aufspielen untersagt, weil beim Tanzen des Jungen 
Volkes allerlei Unreinigkeiten und Gotteslästerungen vorge- 
kommen seien. 

Die Bittmesse am Freitag wurde schon im ersten Jahre 
nach dem Gebot sehr schlecht besucht und die Kinder kamen 
nicht in den Katechismus. Auf die Beschwerde des Pfarrherrn 
wies der Rat den Weibel an, von Haus zu Haus zu gehen 
und den Bürgern anzudrohen, für jede Zuwiderhandlung müßten 
sie ein Pfund Wachs entrichten. 

Diese Drohung scheint wenig gefruchtet zu haben, denn 
drei Jahre später stellte der Bischof von Basel bei einer Visita- 
tionsreise fest, dab die Kinder den Katechismus nicht besuchten. 
Der Stadtvogt mußte deshalb die Polizeiverordnung aufs neue 
den Bürgern einschärfen, 

Als der Junker Stadtvogt im Rat vorbrachte, ein Ehepaar 
habe etliche Jahre nicht gebeichtet und sei nicht zum hl. Sa- 
krament gegangen, ersuchte ihn der Rat, die Eheleute ın 
seinem Hause zu examinieren. Der Stadtvogt mischte sich 
also sogar in die Seelsorge selbst ! 

Wieweit die Beobachtung des Privatlebens damals ging, 
zeigt die Notiz, dab ein Bürger in der Fastenzeit ein Viertel- 


88 Opferbar sind solche Personen, die alt genug sind, zum 
kirchlichen Opfer zu gehen (von 12 Jahren an). 

8 Die Zeichen sind Bettlerzeichen, die zur Legitimation dienten. 
Vgl. Luschin, a. а. O., 5. 28, J. 


— 38 — 


pfund Kalbfleisch in seinem Hause gegessen habe und dafür, 
auf die Anzeige des Pfarrers «ns Kefich» gesetzt worden sei. 

Wer in den vierzigtāgigen Fasten an Frei- oder Samstagen 
oder an anderen gebotenen Fasttagen Fleisch aß, mußte für 
jeden Tag, an dem er das Abstinenzgebot verletzt hatte, einen 
Tag im Gefängnis bei Wasser und Brot büben.% 

Damit bei diesem unerfreulichen Bilde der versöhnende 
Humor nicht fehle, sei verraten, dab die Bürger mit Neid auf 
ihre jüdischen Mitbewohner schauten und der Regierung vor- 
stellten : «Gleichfals essen Sie die ganntze fasten vleisch, solte 
billig vnsers erachtens auch nicht gelitten werden».2 

Fluchen und Gotteslästern wurde sehr streng geahndet. An 
Flüchen wurden 2. В, angezeigt und bestraft — einer schwört 
vieltausend Sakrament, ein anderer wünscht sich den Teufel in 
die Trotte. Ein Bürger wurde wegen Gotteslästerns in den Käfig 
gelegt und dann angewiesen, nach Bezahlung seiner Schulden 
innerhalb 14 Tagen die Stadt zu räumen. Ein Knecht sagte zum 
Stubenknecht, in Ensisheim säße der Herrgott in der Kirche 
in einem Häuslein, er solle hingehen und ihn anbeten. Dafür 
kam er drei Tage in den Käfig und wurde aus der Stadt ver- 
wiesen. In diesem Falle ist offenbar die Strafe so streng aus- 
gefallen, weil man in der Aeußerung ein Leugnen des Dogmas 
von der Transsubstantiation fand. 

Noch schärfer wurde mit einem Knaben aus Brackenheim 
«nit weyt von Helbrun aus dem Hertzogthumb Wirtemberg, des 
Violenziehers Jung» verfahren. Dieser hatte in der Kirche be- 
obachtet, wie die jungen Leute zum Sakrament gingen und sich 
darüber lustig gemacht: «Es müsse Einer viel Nägel haben, 
wenn er die Löcher all’ verstopfen wolle!» Zu einem Mäd- 
chen sagte er, sie solle sich nicht so hoffärtig machen, dab 
sie Herrgott gefressen habe, er wolle bald auch fressen! Zum 
Vater des Mägdleins meinte er, wenn er nit Herrgott fressen 
wolle so solle er «mit ehren zu melden» Saukot fressen ! 

Für diese Reden muBte.er vom 26. April bis zum 5. Mai 
im Käfig sitzen. Dann wurde er «seiner Jugend halben» wieder 
herausgelassen und angewiesen, mil zwei kreuzweis gehaltenen 


90 Топ. Chauffour in der Alsatia v. 1875, S. 297, ХПІ. 
| 91 Bezirksarchiv Colmar, Art. 13 des Berichtes der Stadt zu der 
Polizeiordnung vom 10. X. 1520, С 614. 


га. = 


brennenden Fackeln während des ganzen Hochamtes vor dem 
Altar zu knieen «darzu auch, das er dem Jesuitter seine Sünd 
beichten und nachgeends das heilig hochwirdig Sacrament 
empfahen und sich hinfürtter von solichen sünden huetten und 
enthalten wölle.» 

Wieder anders verfuhr man mit zwei gotteslästernden 
Weibern. Sie wurden für einen ganzen Montag in das Gatter 
oder Narrenhaus neben der Kirche gesetzt ! 

Mit dieser Strenge der weltlichen Gewalt gegen jeden, 
auch den kleinsten Verstoß gegen die Kirchengebote ging eine 
weitgehende Fürsorge für die Geistlichkeit Hand in Hand. 

Wenn ein Bürgerssohn seine erste Messe las, gab es stets 
ein großes Fest, der Rat ward dazu eingeladen und gab ein 
Geschenk. Auch nach der Abtei Lützel wurden zu solchen 
Feiern Ratsherren entsandt. Der Neupriester erhielt vier Gul- 
den und ein andermal drei Ensisheimer Taler. 

Da die Voraussetzung des Empfangs der höheren Weihen 
der titulus beneficii, d. h. der ruhige Besitz eines den nötigen 
Unterhalt gewährenden beneficium 161,92 sorgte der Rat für die 
nötige Ausstattung des Stadtkindes mit einer Р fr ü р де (bene- 
ficium). Bei der Erteilung wurden oft seltsame Schiebungen 
vorgenommen. Die Stadt hatte z. B. die Fridolinspfründe zu 
vergeben. Der Pfarrer erbat sie für einen jungen Mann, der 
einen Revers ausstellen sollte, daß er nie Ansprüche an die 
Pfründe erheben wolle, der Rat könne nach wie vor deren 
Einkünfte in die Stadtkasse fließen lassen. Natürlich erteilte 
die Stadt die Pfründe gegen einen für sie so vorteilhaften 
Revers, | 

Der Pfarrer Rasser schlug 1586 vor, alle Einnahmen aus 
den Pfründen zusammenfließen und durch einen Schaffner ver- 
walten zu lassen. Aus diesen Geldern sollten vier beständige 
Priester und vier Chorales (Chorknaben), die alle Bürgerskinder 
sein müßten, unterhalten werden. Durch diese Neuregelung 
sollten alle Kollationsrechte unberührt bleiben. Die Universität 
Freiburg,9 welche die meisten Pfründen in Ensisheim zu ver- 


99 Ad. Frantz, Lehrbuch des Kirchenrechts, Göttingen 1887, S. 97. 
93 Die Universität Freiburg war bei ihrer Gründung (1460) sehr 
arm. Deshalb verliehen ihr die Landesherren verschiedene Pfründen. 
So kam sie auch zur Pfarrpfründe in Ensisheim. Sie hatte das Ein- 


= ДО det 


leihen habe, sei mit dem Vorschlage einverstanden. Die Stadt, 
die Universität, die Waldner von Freundstein und die beiden 
Bruderschaften (Drei Königs- und St. Sebastiansbruderschaft) 
sollten berechtigt bleiben, je einen Priester anzustellen. 

Der Rat beschloß diesen Vorschlag anzunehmen, wenn der 
Pfarrer einen Revers ausstelle, wonach die Stadt in ihrer Kol- 
latur und in ihrem alten Besitz nicht geschmälert werden und 
die vier Chorknaben nur Bürgerskinder, keine Fremden sein 
sollten, 


Mit dem Schulwesen sah es in Ensisheim lange sehr 
traurig aus. Volksschulen gab es nicht und gelehrte Schulen 
noch weniger. Durch das schnelle Umsichgreifen der neuen 
Lehre kam es den Regierenden zum Bewußtsein, wie gefähr- 
lich es war, die Jugend unwissend aufwachsen zu lassen. Auch 
erschien es wünschenswert, daß die vielen Beamten und Ade- 
ligen іп Ensisheim ihre Kinder am Orte selbst unterrichten 
lassen könnten und nicht gezwungen wären, sie in zartem Alter 
in die Fremde zu schicken. Zu dem kam, daß es nicht leicht 
war, die Erlaubnis za erhalten, die Kinder aus der Stadt zu 
tun. Es wurde sogar einem Vormund untersagt, sein Mündel 
in Freiburg studieren zu lassen, der Junge könne beim deut- 
schen Schulmeister in Ensisheim schreiben und rechnen lernen. 
Ein anderer Knabe erhielt nur für anderthalb Jahre die Erlaub- 
nis zu einem Freiburger Rechenmeister zu gehen. Ein Rats- 
herr wollte seine Tochter nach Mömpelgard zu seinem Schwager 
schicken und dafür dessen Sohn zu sich nehmen. Das Mädchen 
sollte französisch lernen und der Knabe in Ensisheim die Schule 
besuchen. Der Knabe durfte kommen, das Mädchen aber nicht 
fortgehn, weil der Erzherzog verboten habe, die Kinder in 
«sektische Orte» zu tun. 

Im Jahre 1551 wurde in Ensisheim eine öffentliche Schule 
als Seminar eingerichtet, in der die Wissenschaften und die 
Religion Lehrgegenstände waren.94 Hierbei handelte es sich aber 
ausschließlich um Knabenschulen. 

Anfänglich wurde die Schule auf Kosten des Regiments 


kommen aus dieser Pfründe und das Kollationsrecht, mußte aber 
das Chor der Kirche und das Pfarrhaus unterhalten. Dieser Zu- 
stand dauerte bis 1789. Vgl. Merklen, а. a. O., П, S. 46 ff. 

94 Vgl. oben Anmerkung 80. 


ыы A ыы 


unterhalten. Später trug auch die Stadt zu den Kosten bei 
und räumte ihr Spital nebst der St. Erhardskapelle der Schule 
ein. Eine siebenköpfige Schulkommission, bestehend aus zwei 
Mitgliedern der Regierung und Kammer, zwei Doktores, zwei 
Ratsherrn und dem Pfarrer, hatte die Angelegenheiten der 
Schule zu besorgen und in schwierigen Fällen dem Regiment 
zu berichten. Ап der Spitze der Schule stand ein Scholarch, · 
ein von der weltlichen Obrigkeit bestellter Aufsichtsbeamter,% 
mit mehreren praeceptores oder Schulmeistern. Mit der Schule 
wurde später ein Internat verbunden. Schon im Jahre 1594 
hatte die Stadt angeregt, die Schule in ein Jesuitenkollegium 
umzugestalten. Die Regierung und Kammer lehnten den An- 
trag ab und erst 1614 kamen die Jesuiten nach Ensisheim. 

Ueber den Unterricht selbst wissen wir wenig. Der ge- 
lehrte Pfarrer Johann Rasser widmete der Schule ein lebhaftes 
Interesse und dichtete sogar für sie zwei Theaterstücke, von 
denen das erste: «Ein christlich Spiel von der Kinderzucht» 
im Jahre 1573 von 97 Schülern und das zweite: «Comoedia 
vom König, der seinem Sohn Hochzeit machte» (aus Matth. XXI. 
XXII Cap.) 1574 gar von 162 Schülern aufgeführt wurde. Die 
Aufführung dauerte drei Tage. 

Zu Rassers Zeit kam die Schule in Ensisheim zu neuer 
Blüte. Der katholische Adel am Oherrhein sandte ihr mit Vor- 
liebe seine Kinder zu. 

Aus dem Ratsprotokoll erfahren wir nicht viel über die Schule. 
Der Rat stiftete 1583 einen Freitisch für zwei Bürgerssöhne, die 
auf der Schule studieren und hernach Priester werden wollten. 

Wir hören ferner, daß der Pfarrer anregte, die armen 
Schüler sollten aus dem Spital eine Suppe erhalten, wogegen 
die Schule dem Spital jährlich etliche Viertel Frucht oder Geld 
zu geben hätte. 

Zur Heizung der vier Schulstuben mußten von 4588 ab 
die Stadtkinder 3 B und die Fremden 6 ß geben. 

Rührend liest sich der Ratsbeschluß vom 17. Juni 4587! 
Dem Pastetenbäcker wurde verboten, den Schulerbuben Gastereien 
zu halten, da sie entweder ihren Eltern das Ihrige vertun, oder 
sonst ihren Meistern und Tischherrn Geld entwehren und um 
Pastet geben ! 


95 Hirn, a. a. O., I, S. 331. 


еш, 49. 2 


Für das geistige Wohl des Menschen wurde, wie wir so- 
eben gesehen haben, nach den Begriffen damaliger Zeit sehr 
väterlich gesorgt. Wie sah es aber mit dem leiblichen Wohl 
aus? Fangen wir zunächst mit dem Medizinalwesen an ! 

Studierte Aerzte waren damals sehr selten. Es kam 
aber vor, daß sich in Ensisheim bei der Regierung ein staat- 
lich besoldeter Physikus aufhielt. Der Archiater Georgius Pic- 
torius oder Jörg Maler aus Villingen war der berühmteste 
dieser Aerzte. Von Stadt wegen konnte ein besonderer Arzt 
nicht besoldet werden, weil die Finanzen es nicht gestatteten. 
Aus diesem Grunde wurde auch das Begehren des Physikus 
Dr. Joh. Stadler um ein Dienstgeld abgeschlagen, obwohl er 
sich erbot, die arme Bürgerschaft, so sie seiner Hilfe begehre 
und notdürftig sei, ebenfalls zu bedenken, 

Eine Apotheke gab es ebensowenig. Im Jahre 1585 
wollte ein Apotheker aus dem Spital in Straßburg nach Ensis- 
heim ziehen. Die Stadt hatte kein Haus frei für eine Apotheke. 
Da sie auch nicht wußte, welches Bekenntnis der Apotheker 
hatte, wurde das Gesuch der Regierung und Kammer vorgelegt. 

Die meisten ärztlichen Kuren machten derScherer, der 
Bader und auch der Pulvermüller. Die Bader waren damals 
allein die praktischen Chirurgen. Auf dem Lande behandelten 
sie den größten Teil der inneren Krankheiten, obwohl sie nur 
Salben, Pflaster und Balsame verschreiben durften. Diese Arzuei- 
mittel stellten sie selbst her.” | 

Am häufigsten erscheint im Ratsprotokoll : «Der Erbgrindt» 
als Krankheit. (Eine ansteckende Hautkrankheit.) Nach der 
Heilung dieses Leidens entstanden noch Streitigkeiten wegen 
des Waschens des Kranken und der Kosten des Verfahrens. 
Eine Kur beim Pulvermacher kostete für einen Minderjährigen, 
der einen Stiefvater hatte, 4 Gulden. Der Rat entschied, der 
Vormund und der Stiefvater sollten je 2 Gulden und der Stief- 
vater die ferneren Waschungen allein bezahlen. 

Der Scherer besorgte die wundärztlichen Eingriffe. Es 
wurde ihm gestattet in schwereren Fällen, wie beim Abstoßen 
eines Beines, zwei fremde Meister zuzuziehen. 


96 Ernst Georg Kürz, Freiburg 1895, Georgius Pictorius von 
Villingen. 

91 С. Steinmetz 1899 Sonderdruck, Das Medizinalwesen der 
Herrschaft Rappoltstein, S. 5. 


AG: — 


. Einem Fallsüchtigen, der «weder vor Wasser noch Feuer» 
sicher war, wurde eine Fürschrift an die Stadt Straßburg mitge- 
geben, damit er sich dort von vier Meistern helfen lassen könne. 

Die städtische Hebamme bezog %00 Wellen Holz, zwei 
Gulden und jedes Jahr den Hauszins. Außerdem berechnete 
sie ein bestimmtes Wartegeld (einen Gulden). Holte jemand 
eine ungeschworene Hebamme zu einer Geburt, so hatte die 
städtische Hebamme trotzdem Anspruch auf das übliche Warte- 
geld. 

Besonders eingehende Vorschriften wurden vom Rat oder 
der Regierung erlassen, wenn in der Nähe schwere ansteckende 
Krankheiten, «sterbende Läufe», ausgebrochen waren. 

4. Die Bürger sollten die Orte meiden : «das es stirbt». 

2. Wer an einem solchen Orte war, durfte vier Wochen 
lang nicht mehr in die Stadt zurückkehren. 

8. Die Bürger mußten Samstags die Gassen säubern und 
den «Wust» hinwegtragen, | 

4. Іп den Häusern allenthalben Reckholderdämpfe 98 machen, 

5. Sich des Branntweins und des überflüssigen Zechens 
enthalten,99 

6. Nicht auf die Kirchweih gehen, wo die sterbenden 
Laufe eingerissen waren. 

7, Die Wirte durften nach 9 Uhr keinen Wein mehr 
verschenken. 

Kam aber die Sucht (es scheint sich um die Pocken ge- 
handelt zu haben) in die Stadt selbst, so wurden noch strengere 
Befehle gegeben. Die Gastereien wurden ganz verboten. Soyar 
das übliche Essen bei der Festsetzung des Gewerfes fiel aus. 
Jeder Ratsherr erhielt aber 4 B und jeder Weibel 2 B Ent- 
schädigung. Auch die Badestube wurde geschlossen. Als der 
Bader selbst krank gewesen war, wurde ihm befohlen, noch 
44 Tage nach seiner Genesung mit dem Wärmen des Bades 
zu warten, da er die Spuren der Krankheit noch an sich trage 
und sonst die Leute vor ihm erschrecken könnten. Ebenso 


98 Pictorius empfahl die Verbesserung der Luft durch Riech- 
und Streumittel, vgl. Kürz, a. a. O., S. 47. Reckholder- oder Wach- 
holderdämpfe gelten heute noch als desinfizieyend. 

99 Pictorius hatte bereits den Wert der Diät und Prophylaxe 
erkannt. Kürz, 5. 46. 


a At au 


wurde einem Hofboten befohlen, auf die «Schau» zu ziehen, 
а. h. sich ärztlich untersuchen zu lassen und unterdessen nicht 
in der Kirche und Badstube, in den Wirtshäusern und Portner- 
stüblein unter das Volk zu gehen.100 

In sehr verstandiger Weise wurde die Krankenpflege 
geregelt. Da es an Pflegerinnen fehlte, wurde den alten 
Weibern befohlen, diesen Dienst zu versehen. Doch nicht un- 
entgeltlich! Für Tag- und Nachtpflege hatten sie 4 B und für 
Tagpflege ohne Wachen 2 B zu beanspruchen. Der Kranke 
mußte die Pflegerin nach seiner Genesung noch 14 Tage im 
Hause behalten, wenn sie nicht anderwärts wieder begehrt wurde. 

Der mehrerwähnte Bader hatte die öffentliche Badestube 
zu verwalten. Damals war das kalte Baden im offenen Fluß 
so gut wie unbekannt. Pictorius verwarf es sogar unbedingt 
für die Jugend. Es verschlösse die Poren, treibe die natürliche 
Wärme ab und verhindere das Wachstum.!% Dagegen hielt 
man sehr viel auf warme Bäder. Waren doch die Badestuben 
gleichzeitig eine Art Vergnügungsorte. Man traf sich da mit 
Bekannten, aß, trank und spielte miteinander. Daher über- 
wachte der Rat den Bader und seine Familie streng. Er 
regelte die Preise durch eine Taxe 102 und sorgte dafür, daß 
durch die Badestube keine ansteckenden Krankheiten einge- 
schleppt wurden. 

In unserem Ratsprotokoll finden wir wiederholt, wie sich 
der Rat mit der «Franzosenkrankheit»!°3 der Frau eines nenen 
Baders beschäftigte. Dieser durfte das Geschäft erst betreiben, 
nachdem die Frau durch die geschworenen Schaumeister in 
Freiburg, die «Malereischätzer», für rein befunden worden war, 
«denn sie habe zuvor in der Schmiere und Веле 10+ gelegen». 


100 Vgl. Kürz, а. a. O., 5. 85. 

10! Ebenda 8. 69. 

102 Hanauer, a. a. O., Band II. Denrées et salaires, S. 594 gibt 
die Taxen an für Bergheim O.-E. und Strafhurg. Die Kinder zahlten 
weniger wie die Erwachsenen. Der Bader schröpfte auch gegen 
eine festgesetzte Vergütung. 

103 Franzosenkrankheit, morbus gallicus, Lustseuche, lues, vgl. 
Moscherosch, Gesichte Philanders von Sittewald, Ausgabe von 
Bobertag, S. 18, Zeile 3. 

104 Beitze mit Franzosenholz. Pictorius nennt es lignum indicum, 
а. а. O., S. 88. Das Franzosenholz, Guajacum officinale, kommt aus 
Westindien. 


2= As. ee 


Der Gebrauch der Badestuben ging nach dem dreißig- 
jährigen Kriege in ganz Deutschland ein. Daran war aber die 
Verbreitung der ansteckenden Krankheiten wohl ebensoviel 
schuld als der Krieg. 

Unser Städtchen hatte auch, wie fast alle einigermaßen 
bedeutenden Orte des Elsaß, ein Spital und ein Gutleuthaus. 

Das Spital diente, wie überall, als Heil- und Pflege- 
anstalt für erkrankte Bürger. Ueberdies lag ihm auch die 
Armenpflege ob. Seine Einkünfte bestanden teils aus dem Er- 
trage der Stiftungen, teils aus den Pflegegeldern, welche die 
bemittelteren Kranken entrichteten, teils aus freiwilligen Gaben 
und Legaten. Damals kam es auch schon vor, daß jemand 
sein Bett dem Spital vermachte, oder daß einer ins Spital auf- 
genommen wurde gegen Abtretung seines ganzen, gegenwärtigen 
und zukünftigen Vermögens. | 

Die Verwaltung führte ein Ratsherr mit der Amtsbezeich- 
nung Spittelmeister. Dem Rat hatte er Rechnung zu legen 
und mußte in allen wichtigen Fragen dessen Entscheidung 
anrufen. 
Sein Hilfsorgan war der Spittelknecht. Dieser wohnte 
im Spital und hatte verschiedene Aufgaben, die nicht immer 
mit Kranken- und Armenwesen in Verbindung gebracht werden 
können. 

Den Hausrat des Spitals — über den der Rat ein genaues 
Verzeichnis führte — mußte er in guter Ordnung halter. Die 
Insassen des Spitals und die Armen in der Stadt hatte er fleißig 
zu beobachten. Allabends sollte er arme dirftige Personen 
von den Stadttoren holen und für eine Nacht im Spital beher- 
bergen. Kräftige Menschen hatte er abzuweisen, gleichviel ob 
sie «teutsch oder welsch» waren. 

Die armen Spitalinsassen durfte er nicht unwirsch be- 
handeln, sie nicht ohne Ursache werfen, stoßen und schlagen, 
auch keinen Aufruhr anfangen, sondern vielmehr sie «tugend- 
lich stillen und zur Ruhe weisen». Streng war ihm verboten, in 
die Armen zu dringen, damit sie ihm Wein oder Brot kauften 
oder mit ihm zechten. Um 9 Uhr abends durfte er kein Licht 
mehr dulden und selbst auch keins mehr gebrauchen. 

Diese Regeln scheinen wenig befolgt worden zu sein. Im 
Jahre 1582 wurde der Spitlelknecht ermahnt, «des täglichen 
Fressens und Saufens ruhig zu stehn!» 


a, Ab wu 


Alle Tage mußte er zwei- oder dreimal die Runde durch die 
Stadt machen und die Bettler, die welschen und anderen Tag- 
löhner, die nicht arbeiten wollten, sowie die gemeinen Metzen 
sofort aus der Stadt weisen. Die Ungehorsamen waren дег 
Obrigkeit anzuzeigen. 

Die Güter des Spitals behaute ein Spitalmeyer. Er hatte 
mit den Pferden des Spitals verschiedene Fronen zu leisten. 
Zur Ziegelei brachte er das nötige Material, in die Stadtmühle 
fuhr er zweimal Frucht wöchentlich, die Kranken aus den 
umliegenden Ortschaften führte er nach Hause und die Toten 
geleitele er auf den Kirchhof zu St. Martin zur ewigen Ruhe. 
Dafür war er von allen Abgaben befreit und erhielt 50 8 Lohn. 

Der Totengräber nutzte das Gras auf dem Friedhof und 
den dazugehörigen Garten. Die besonders vornehmen Personen 
wurden in der Kirche beigesetzt. Nach dem Ratsprotokoll er- 
hielt der Steinmetz für das Aufheben der Gruftplatte in der 
Kirche 6 В, der Totengräber aber 1 g, 

Bei Lebzeiten tot und verschollen waren die Aussälzigen 
oder Leprosen. Euphemistisch wurden sie die «guten Leute» 
genannt. Sie fristeten in einem einsamen Spital ein trauriges 
Dasein. Ihre Kapelle war der schmerzhaften Mutter Gottes 
geweiht. Das aGutleuthaus» war ebenfalls mit Stiftungen 
bedacht, welche ein Gutleutpfleger verwaltete. Auswärtige 
Kranke schlossen mit der Stadt einen Aufnahmevertrag. Sie 
hatten meist ein aufbereitetes Bett und eine bestimmte Geld- 
summe — durchschnittlich 35 g — zu bezahlen. Durch Ver- 
heiratung des Leprosen konnte der Vertrag aufgelöst werden. 

Die Leprosen waren erbunfähig. Ihr gegenwärtiges Ver- 
mögen behielten sie. Diejenigen Verwandten, die statt ihrer 
Erbe wurden, mußten für sie sorgen. Um die Ansteckungs- 
vefahr zu verringern, mußten die Aussätzigen eine besondere, 
auffallende Tracht tragen und durch Zeichen ihr Herannahen 
ankündigen.105 

Die Armenpflege beruhte auf dem Almosen. Das Al- 
mosengeben folgte aus der religiösen Verpflichtung zu guten 
Werken.!06 Іп Ensisheim bestand eine Stiftung von Johann 


105 Varges, a. a. O.. S. 279. 
106 Aug. Herzog, Mittelalterliche Armenpflege, Jahrbuch des 
Vogesenklubs, XXIII. Jahrg. 1907, S. 9 ff. 


s5 AR 


Truchsäß, die jährlich 25 g abwarf. Diese Summe hatte der 
Spittelmeister mit zwei anderen Ratsherren am Allerheiligenabend 
und am Allerseelenabend nach einer besonderen Liste unter 
die Stadtarmen zu verteilen. | ; 

Doch da dieser Betrag längst nicht ausreichte, ging der 
Bettelvogt am Sonntag, Mittwoch und Freitag mit der Armen- 
leutsammelbüchse in die Stadt, um Geld und Naturalien bei 
der Einwohnerschaft zu sammeln. Der Spendmeister und der 
Spittelmeister teilten das Ergebnis dieser Sammlung unter die 
Armen ohne Unterschied aus. l 

Aitersschwache Arme und Kranke erhielten auf ihre Bitte 
wöchentlich zwei Laib Brot aus dem Spital. 

Der Rat konnte überdies noch Bettelbriefe ausstellen und 
Kindern gestatten für die Eltern zu betteln.to7 

Damals hatte man schon erkannt, daß planlose Mildtätig- 
keit vom Uebel sei. 

Eine alte Frau bat um einen Bettelbrief, da sie ihr Brot 
nicht verdienen könne. Er ward ihr verweigert, da sie noch 
ihren Mann und kein Gebresten habe. 

Die Eltern, welche ihre Kinder zum Betteln anhielten, ohne 
daß sie berechtigt waren, ein Abzeichen zu tragen, wurden 
mit 5 В bestraft. 

Die Bürger, welche nicht arbeiteten, sondern in den Wirts- 
häusern saßen, das Ihrige vertaten und Weib und Kind darben 
ließen, dabei aber sich nicht scheuten, Spenden und Almosen 
zu empfangen, sollten bestraft werden und des Bürgerrechts 
verlustig gehen. 

Wie wir oben schon angedeutet haben, hatte der Spittel- 
knecht manches zu tun, was niemand aus seinem Amtsnamen 
gefolgert hätte. Ganz ebenso verhielt es sich auch mit dem 
Bettelvogt. | 

Der Spittelknecht mußte bei seinen Gängen durch die Stadt 
den Stadtbach sauber halten, den Platz vor dem Hause der 
Regierung und Kammer fegen und deın Stadtkarrer den zu- 
sammengefegten Wust und den Unrat aus dem Bach auf den 
Kehrichtwagen aufladen helfen. 

Der Betielvogt hatte die Hunde aus der Kirche zu jagen, 
den Quatelhach zu beaufsichtigen und rein zu halten, die Ein- 


107 5, oben Anmerkung 89, 


— 48 — 


wohner anzuzeigen, die Unrat auf die Straße warfen und fremde 
Bettler und Landstreicher aus der Stadt zu treiben. 

Nur die Märkte und öffentlichen Plätze ließ der Rat reinigen. 
Die Straßen mußten durch die Anwohner gesäubert werden.!08 

Wer Unrat auf die Straße warf, das Pflaster nicht rein 
hielt, den Stadtbach verunreinigte oder Schmutz durchs Fen- 
ster schüttete, zahlte für jeden Ға! 5 B. Vor den Häusern und 
іп den Straßen durfte man bei Strafe von 2 & keinen Wagen 
oder Karren stehen lassen und kein Holz in Wellen oder 
Scheiten lagern. Dies war lediglich auf dem sogenannten Ziegel- 
wasen erlaubt.!09 

Die Fegete und die Abfälle mußten vor das Tor auf be- 
sondere Schuttabladestellen geführt werden. Der Dünger durfte 
nicht vor den Gärten und auf der Straße bei 10 В Strafe liegen 
bleiben. 

Trotzdem beschwerte sich der Stadtvogt beim Rat, daß so 
viel «Mischt» vor den Gärten am Regisheimertor läge, daß die 
Straße zu eng und nicht zu gebrauchen sei. 

Um die Polizeivorschriften in Erinnerung zu bringen, mußte 
der Weibel von Haus zu Haus gebieten, an Sonn- und Feier- 
tagen Wust und Feget ab der Gassen zu tragen und an den 
Vorabenden keinen Mist mehr auszuführen, ferner in den Stadt- 
bach keine Lauge oder Waschwasser zu schütten, keine Kübel 
oder unsauberen Lumpen darin zu reinigen. 

Bei Regenwelter, wenn die Bürger nichts für die Verun- 
reinigung der Straßen könnten, sollten die Weibel nicht gleich 
strafend vorgehn, sondern sich erst Anweisung beim Schultheiß, 
Baumeister oder Umgelter holen. 

Viel Kopfzerbrechen machten die heimlichen Gemächer 
oder «Prophetlin»!!o den Stadtvätern. Oft mußten Bürger 
bestellt werden, damit sie ihr heimlich Gemach eingrüben und 
von unten herauf mit Dielen verschlügen oder den Schlupf, in 
dem es sich befand, zumauern ließen. Diese Frage veranlaßte 
auch den Rat, die Regierung zu bitten: «daß sie den Ein- 


108 Varges, a. a. O., S. 262. 

109 Vel. die Ortspolizeiordnung vom 10. X. 1550 und oben An- 
merkung 89. 

110 Prophetlin. das Profei, das privet kommt von privata camera. 
Im Flämischen heißt es het privaat heute noch. Vgl. auch Freytag, 
Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Bd. II, Abt. I, S. 121. 


spännigen 11 und andere Hofsverwandte, so dergleichen heim- 
liche gemach haben, dahin halten, daß sie ihre Prophetlin dahin 
richten wollen, damit des gestanks halben kein Klag erscheine 
und wo das von Ihrer Gnaden nil fürkomme und Inen uferlegt, 
damit gleichheit gehalten, werde man die Bürger nit dahin 
halten können.» 

Die Fürsorge des Rates auch in diesen Angelegenheiten 
ging so weit, daß er seinen Bürgern verbot, den Dünger und 
die Besserung durch Unrat zu verderben. Dies beruhte mehr 
auf der Sorge für die Landwirtschaft als auf der Gesundheits- 
polizei. Auf dies Gebiet gehört ‘das Gebot, kranke und unheil- 
bare Tiere, tolle und gefährliche Hunde dem Wasenmeister zur 
Tötung zu übergeben und besonders in den Hundstagen hierin 
vorsichtig zu sein. 

Die Sanitätspolizei erstreckte sich auch auf dieBrunnen. 
Damals gab es nur Ziehbrunnen und zwar neun Stück. Für 
je drei Brunnen war ein Brunnenmeister bestellt. Die 
Brunnensteine durften nicht verunreinigt werden. Kraut und 
Aehnliches durfte nicht in oder hart bei ihnen gewaschen 
werden. 

Die Brunnen hatten aber nicht nur das Trinkwasser für 
Menschen und Tiere zu spenden, sie gaben auch das Wasser bei 
Feuersbrünsten. Bei der leichten Bauart der meisten Häuser 
und den vielen brennbaren Stoffen, die der Ackerbau lieferte, 
war die Feuersgefahr sehr groß.112 Deshalb wurde den Schrei- 
nern verboten, in der Werkstatt Feuer anzuzünden, um den 
Leim zu kochen. Auch andere Handwerker durften nicht in 
der Nähe von Wohngebäuden mit Feuer arbeiten. 

Wie іп anderen Städten so zeigen sich auch in Ensisheim 
Ansätze zur Bildung einer Feuerwehr. Die Spritzen waren 
damals noch nicht erfunden.!!3 Man suchte das Feuer mit 
Eimern!!& zu löschen und rif Illäuser, die nicht zu retten 
waren, mit Feuerhaken ein. 


111 Einspännige sind Boten der Regierung, die mit einem ein- 
spännigen Fuhrwerk ausgesandt wurden im Gegensatz zu Fuljboten 
und reitenden Boten. 

112 у, Below, а. а. O., S. 691, 

113 Varges, а. а. O., S. 269. 

114 Wie іп mehreren anderen Orten hatte in Pfirt jeder Bürger 
bei der Aufnahme einen ledernen Eimer zu liefern, Bonvalot, a. a. 
О., р. 53. 

4 


— 50 — 


Im Jahre 1581 schaffte die Stadt sich einen Wagen mit 
vier Leitern und vier Haken an. 

Eine Abordnung des Rates hatte alljährlich die Kamine, 
die Feuerstätten und die Backöfen zu untersuchen und auf Ab- 
hilfe der Mängel zu drängen. 

Die Neubauten gaben vielmals der Baupolizei, dem 
Baumeister, Anlaß zum Einschreiten. Vor allem war zu ver- 
hindern, daß sie auf das Allmend, auf den Gemeindeboden, 
vorrückten, auch wurden Erker, die 6 oder 61); Schuh auf 
die Gasse herauskommen sollten, verboten. Manchmal sind 
auch andere Rücksichten maßgebend gewesen. Ein Einspänniger 
mußte einen neuerbauten Schweinestall wieder abreißen, weil 
er auf Gemeindeboden stand und — weil er einem Herrn von 
Schönau zu stark roch! 

Wie der Stadtrat seine Bauten vergab, zeigt ein Beispiel 
in unserm Ratsprotokoll. 

Es sollte eine neue Herberge in den Zollhäusern, einem 
Teile der Stadt vor den Mauern, gebaut werden. 

Einem Steinhauer wurde alles, «was Kell’ und Hammer 
belangt» für 100 g und 4 Viertel Roggen verdungen. Dafür 
hatte er alle Riegelwände zu mauern und zu bestechen, die 
Bühnen und Böden zu besetzen, die Kamine aufzuführen, das 
Kaminschoß einzumauern, das Dachwerk einzudecken, das Tag- 
fenster über der Haustüre einzusetzen, die Mauern im Keller 
abzubrechen und wieder aufzubauen und endlich die Gänge 
mit Platten 'zu belegen. 

Später sollte er noch eine Scheune neben der Herberge 
hauen. Die Riegelwände hatte er aber aus Leymen (Lehm) 
und nicht aus Steinen herzustellen. 

Diese Scheune muß ihm aber völlig mißlungen sein, denn 
es wurde ihm bedeutet «ein Ehrsamer Rat habe ein Schimpf 
und Spott hören müssen !» Der Künstler bat um Verzeihung 
und versprach den Mängeln abzuhelfen. 

Für ihre eigenen Bauten hatte die Stadt ein Lager von 
Baumaterialien auf dem Werkhof und eine große Anzahl von 
Werkzeug und Geschirr z. B. «Hauen, Schaufeln, Pickel, 
Hubkärrlin u. a. m.» Ueber diese Dinge führte der Baumeister 
ein Verzeichnis. Beim Amtswechsel fand eine Uebergabe statt, 

Aus dem städtischen Werkhofe verkaufte die Stadt den 
Bürgern : das Hundert Mauersteine zu 16 В, Kamin-, Riegel-, 


ж ВЕ = 


Ziegelsteine zu 10 В, Besetzsteine zu 8 В, den Zentner Kalk 
zu 6 В. 

Damit alle Arbeiten. in der Stadt pünktlich ausgeführt 
werden konnten, mußte der Kirchenmeyer den Sakristan dazu 
anhalten, beide Stadtuhren genau nach der Mittagstunde 
zu richten und so zu regeln, daß sie gleichzeitig schlügen. 
Nachts hatten die vier Scharwächter und der Turmbläser die 
Stunden zu melden. Jedem von ihnen wurde für jede Stunde, 
die er nicht meldete oder verschlief, ein Vierer abgezogen. 

Die Arbeiter zerfielen in Taglöhner und Gesinde, d. h. 
solche Arbeiter, die vom Arbeitgeber in häusliche Gemeinschaft 
aufgenommen worden waren — Knechte, Mägde, Handwerks- 
gesellen und -lehrlinge. — Für beide Klassen von Arbeitern 
gab es eingehende Ordnungen.!!5 

Aus der Taglöhnerordnung!!6 sei nur so viel mit- 
geteilt, daß die Löhne im Sommer und Winter, nach Alter 
und Geschlecht, mit oder ohne Kost verschieden berechnet wur- 
den. Das Jahr der Maurer zerfiel in zwei Hälften von St. Peter 
bis St. Gallen und umgekehrt. 

Meist wurden die häuslichen Dienstboten auf ein Jahr 
gemietet. In Süddeutschland war fast überall zu Mariä Licht- 
теб Ziehtag.!17 | 

Alle Gesellen, Lehrlinge und Dienstknechte wurden 14 Tage 
nach Johanni und 14 Tage nach Weihnachten vereidigt. Sie 
verpflichteten sich zur Treue gegen den Landesherrn und die 
Stadt und mußten ihren Meistern und der Obrigkeit alle Pläne 
und Anschläge gegen die Interessen der Stadt ritteilen, von 
denen sıe Kenntnis erhielten. 

War die Sicherheit der Stadt gefährdet und drohte ein 
feindlicher Angriff, so mußten die ledigen Burschen sich be- 
waflnen und vor dem Schlachthaus sich versammeln. Sie blieben 
solange unter den Wallen, bis sie ausdrücklich entlassen wurden. 


115 Hier können nur einige Züge hervorgehoben werden. Im 
übrigen wird auf die Darstellung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse 
bei Hanauer, denrées et salaires und E. Gothem, Wirtschaftsge- 
schichte des Oberrheins verwiesen. Auch die Schilderung von Handel 
und Gewerbe in beiden Werken palit auf die Verhältnisse in En- 
sisheim. ' 

116 Bezirksarchiv Colmar. Taglöhnerordnung vom 17. Februar 
1576 in C 178 und Merklen, a. a. O., H, S. 158. 

117 Varges, а. a. 0., 5. 312. 


u. BI с> 


Die Protestanten unter den Knechten hatten sich nach den 
Vorschriften und der Lehre der katholischen Kirche zu richten. 
Sie mußten sich hülen, diese Religion anzugreifen und durften 
weder von ihren Meistern noch von Wirten an Abstinenztagen 
Fleischkost verlangen. 

Der Meister war auch dafür verantwortlich, daß sein Ge- 
sinde die Ostern hielt. Es kam vor, daß Bürger ihre Knechte 
drei Wochen vor Ostern entließen und drei Wochen nach Ostern 
wieder annahmen, damit sie nicht zu beichten brauchten. Diese 
Umgehung der Bestimmungen wurde streng verboten. 

Die Meister mußten den Arbeitern die Waffen abnehmen 
und sie gut aufheben. Die Leute waren nachts wohl zu ver- 
wahren. Das Feuer war besonders zu beachlen. Brenner und 
argwönnische Leute durften unter den Arbeitern nicht geduldet 
werden. Im Notfall war sofort dem Stadtvogt, dem Schult- 
heiß oder dem Rat Meldung zu machen. 

Wenn ein Bürger einen Knecht annahm, so mußle dieser 
vor dem Rat erscheinen, seinen Namen angeben und sich beim 
Wegzuge wieder melden. 

Eigenmächtiges Einstellen der Arbeit seitens der Gesellen 
wurde nicht geduldet. Ein Malergeselle ging von seinem Meister 
aus der. Arbeit fort und malte für einen anderen. Der Weibel 
erhielt Befehl, ihn, wo'er ihn auf der Gasse anträfe, in den 
Käfig abzuführen. 

Im folgenden wollen wir uns der Betrachtung von Hand el 
und Gewerbe zuwenden. Ein besonderes Schmerzenskind 
des Rates scheinen die Wirte gewesen zu sein. Unser Rats- 
protokoll spricht auffallend viel von ihnen! 

Alle Wirte hatten vor Beginn des Betriebes einen Eid 
zu leisten und waren einer ganzen Reihe vop Polizeivorschriften 
unterworfen. 

Auf der Trunkenheit stand Strafe. Wer sich betrank oder 
fremde Trunkenheit verschuldete, erhielt für den ersten Fall 
drei Tage Käfig bei Wasser und Brot, für den zweiten acht 
Tage und im dritten Falle wurde er an Leib und Vermögen 
bestraft. 

Die Wirte verfielen derselben Strafe, wenn sie die Gäste 
zum Trinken aufforderten, oder ihnen über das rechte Mab 
Wein verabreichten. Wenn aber die Trunkenbolde auf dem 
Verlangen nach Wein bestanden und die Wirte zwingen woll- 


Е ТӨНЕ == 


ten, ihnen im UebermaB zu geben, so mußten die Wirte sofort 
die Sache der Stadtobrigkeit melden. 

Nachdem die Feuerglocke geläutet war, also um 9 Uhr 
abends, wurden die Tore geschlossen. Niemand außer dem 
Landvogt wurde mehr eingelassen.118 Auf der Straße mußte 
alles ruhig sein. Niemand durfte sich ohne wichtigen Grund 
draußen treffen lassen. Ruhestörender Lärm und grober Unfug 
waren bei 40 & Strafe verboten, sofern nicht eine strengere 
Strafe verwirkt wurde. Wer aus irgend einer Ursache auf die 
Straße gehen mußte, hatte eine Laterne zu tragen. Die Straßen 
wurden nämlich von Stadt wegen nicht beleuchtet. Nnr bei 
Aufruhr, Feuerlärm und Kriegsgefahr wurden Feuerpfannen 
oder Körbe angezündet. Die Bürger hatten dann vor ihren 
Häusern eine Laterne anzubringen.!!9 

Punkt 9 Uhr mußten die Wirtshäuser geleert werden. Nur 
die Fremden und Reisenden durften «wein vnd anders der- 
gleichen bis zu zymlicher vnd gebürlicher zeit» bekommen. Ein 
Wirt, der über die Polizeistunde wirtete, zahlte 2 g Strafe. 

Alles Spiel war nach neun Uhr in den Wirtschaften, ın 
den Scheunen, bei den Stadttoren und sonst überall verboten. 
(Bei den Toren spielte man gerne Kegel.) Die Spieler und die, 
welche das Spiel duldeten, zahllen zwei Pfund. 

Würfel- und Kartenspiele (Listins-Hasardspiele) waren bei 
schwerer Strafe unbedingt, also bei Tag und Nacht, verboten. 

Die Wirte hatten die Pflicht, arm wie reich aufzunehmen 
und durften «Fremde, so arm sind, Knechte, Drescher und 
dergl.» nicht abweisen, 

Alle fremden Gäste, die sie beherbergten, mußten die W irte 
alsbald verzeichnen und das Verzeichnis dem Landvogt ins 
Schloß schicken. Darüber beschwerten sie sich beim Rat: 
«dieweil offtermalen alle ire gest Janndvolck uf den nechsten 
dörfern, pauern und dergl. personen, wo man die anzeigen 
sollte, müßte ein jeder würth steht ein schreiber haben, der 
vast alle stund in das schloß lauffen müßte; wenn keine Аһ- 
hülfe geschähe müßten etliche bitten, sie der würtschaft zu er- 
lassen !» 

Der Rat verwies die Beschwerdeführer vor den Landvogt. 


-------------“ ------------ 


118 Vgl. oben Anm. 84. 
119 Varges, а. а. О., 5. 203. 


ee. ИБ = 


Offenbar lag ein Mißverständnis vor, denn nur die Gäste, 
welche über Nacht blieben, waren anzuzeigen. Auch die übrigen 
Bürger, welche «hausleut, die nit eheleut oder bürger weren . . . 
dergleichen auch betler, kremer, spengler, schleiffer oder andere 
dergleichen vharende vnd wandelbare leut, es sey mann- oder 
weibsperson vber nacht behausen oder beherbergen» unterlagen 
der Meldepflicht bei 2 8 Strafe. Die Stadt beschwerte sich bei 
der Regierung, daß Leute, die bei Bürgern nicht wohnen dürf- 
ten, bisweilen von etlichen Hofsverwandten «als einspennigen vnd 
andern klein- vnd großhanßen auflgehalten, ja gedingt» würden. 

Die Wirte hatten das Privileg der Bewirtung und Bekösti- 
gung der Fremden. Einem Sattler wurde vom Rat verboten, 
fremden Leuten zu essen und zu trinken zu geben, er solle sie 
ins Wirtshaus weisen. 

Auch das Benehmen der Wirte gegenüber den Gästen 
wurde beaufsichtigt. Der Wirt zur Glocke wurde z. B. wegen 
seines unbescheidenen Betragens gegen das Gesinde und den 
Postboten des Kardinals Andreas in den Käfig gesetzt. 

Die wichtigste Kontrolle erheischte aber der böse Pfennig 
oder Maßpfennig. Dies war ein Erbstück aus der Zeit des bur- 
gundischen Landvogts, Peter von Hagenbach. Der «böse Pfennig», 
das Umgeld, war eine Abgabe von einem Pfennig von jeder 
verkauften oder verschänkten Maß Wein.!20 

Sobald Wein (oder Bier) 121 in den Keller des Wirtes kam, 

ließ дег Weinlader den Baumeister und den Umgelter durch 
seine Küfer rufen. In Gegenwart dieser beiden Beamten fand 
eine förmliche Bestandaufnahme statt, damit der Maßpfennig 
genau berechnet werden konnte. Die Fässer wurden angekerbt 
und versiegelt. Ein unversiegeltes Faß durfte nicht angezapft 
werden. 
Da die Abgabe von den Landständen und der Ritterschaft 
bewilligt wurde, war der Rat nicht berechtigt, die Steuer zu 
erlassen. Deshalb mußte sogar ein Wirt den Wein versteuern, 
den man bei seiner eigenen Hochzeit trank. 

Dic ` ‘*erziehung des bösen Pfennigs wurde von dem 
Malefizgericht abgeurteilt. 


120 Vgl. meine Ausführungen in Z. G. 0. XXII. S. 79. 
121 Bezirksarchiv Colmar C 93, Ordnung der Wirte usw. ohne 


Datum. 


шей HR ve 


Auch die Preise für Essen und Trinken waren bestimmt. 
Die Zehrzettel wurden vom Rat nachgeprüft. 

Eine Morgensuppe durfte nicht mehr als 6 Kreuzer, Nach- 
und Schlaftrünke sollten gar nichts kosten.122 

Der Wirt zur Glocke hatte ein Maß Muskateller für 6 Kreuzer 
verkauft. Weil es nicht mehr wie 2 ß kosten durfte, erlitt er 
dafür die gewöhnliche und gebräuchliche Strafe. 


Die Wirte sollten den Herren der Regierung und Kammer 
ein Mahl für 3 B geben. Sie konnten dabei nicht bestehen 
und ersuchten den Пай um seine Fürbitte. 

Wie wir früher schon gesehen haben, hatie der Rat draußen 
in den Zollhäusern eine Wirtschaft «zur hohen Straßen» er- 
bauen lassen .123 

Es sind im Ratsprotokoll die Verhandlungen de» Rats mit 
den ersten Wirten erhalten, aus denen wir ersehen, wie die 
бізді bestrebt war, dem Wirt im Zollhaus eine Reihe von 
Nebenämtchen aufzuladen. 

Für die ersten drei Jahre zahlte er an Pacht zwanzigGulden 
Jährlich. Beide Teile hatten ein halbjährliches Kündigungsrecht. 
Nach den drei Jahren galt der Vertrag fünfzehn Jahre und der 
Mietzins betrug 24 Gulden. 

Der Wirt hatte wie jeder andere Bürger Gewerf, Torhut 
und Wachtgeld zu entrichten. Weil es aber draußen viel ge- 
fährlicher zu wohnen sei, brauchte er nur sechsmal mit Wagen 
oder Karren zu fronen. Holz aus der Hardt sollte er erhalten 
wie die anderen Bürger und mit dem Wein behandelt werden 
wie die Wirte in der Stadt. 

Der Rat verpflichtete sich dagegen, die Wege und Straßen 
um das Zollhaus, wenn möglich, zu verbessern und im näch- 
sten Frühjahr ihm Ställe, Hühnerhaus und ein heimlich Ge- 
mach zu bauen. 

Sein Vieh habe er von St. Georg bis St. Michael mit dem 
Stadthirten und von St. Michael bis St. Georg mit einem eigenen 
Hirten gehen zu lassen. 

Der Rat war bereit, ihm hundert Gulden zur Beschaffung 


-------------- ----------- 


122 Bezirksarchiv Colmar С 93, Schreiben vom 5. Sept. 1614. 
123 Bezirksarchiv Colmar С 86, Bestallungen und Revers fol. 
1 und 2. 


Бб ше 


von Betten gegen den landläufigen Zins zu leihen, wenn ег 
einen Bürgen stellte. | 

An öffentlichrechtlichen Pflichten wurden ihm aufgegeben : 

1. bei Tag und Nacht auf die Fuhrleute zu achten, damit 
sie den Zoll entrichteten und, wenn die Bannwarte nicht da 
wären, den Zoll selbst zu erheben. Den Zoll sollte er den Bann- 
warten abliefern und in die Zollbüchse stoßen helfen. 

2. argwöhnische Leute dem Schultheißen oder dessen Statt- 
halter anzuzeigen. 

3. auf das Feuer gut achtzugeben. 

Diese Wirtschaft wechselte oft den Inhaber, es gab allerlei 
Beschwerden und schnell war der Rat zu der Kündigung bereit. 

Einem Wirten da draußen hielt er ein ganzes Sündenre- 
gister vor: 

1. er bringe die Wirtschaft nicht in Aufgang, wie er ver- 
sprochen habe, 

2. er entrichte Sonntags nicht den bösen Pfennig, 

3. er wolle fremden Leuten keinen Wein um Geld geben, 

4. er halte keine Vorräte, so daß er die Gäste nicht, wie 
es sich gebühre, bewirten könne, 

5. er beschreie Ше Herberge zum höchsten, 

6. seine Kinder seien so böse Buben, daß vor ihnen nichts 
in der Herberge und auf dem Felde sicher sei. 

Die Wirtschaft «zur hohen Straßen» hat sich offenbar nicht 
halten können und ist bald wieder eingegangen. 

Den Wirten in der Stadt bereitete das schlechte Geld vielen 
Kummer. Sie baten den Rat um Verbot oder Festsetzung des 
Kurswertes der umlaufenden schlechten Münzen. Sie müßten 
den Wein auch mit vollwichtigem Gelde kaufen. 

Wie in allen Städten jener Zeit gab es auch in Ensisheim 
eine Stube, einen Ratskeller. Darunter darf man aber nicht 
wie heute eine öffentliche Wirtschaft verstehen. Es war ein 
Festsaal für den Rat, in dem er vornehme Gäste empfing und 
bewirtete, die Bankette bei feierlichen Gelegenheiten abhielt, 
Hochzeitsfeste seiner Mitglieder und Fastnachtsfeiern begehen 
ließ. 

Die Verwaltung der Stube fübrten ein Stubenknecht 
und seine Frau, die alljährlich mit den übrigen Stadtknechten 
vereidigt wurden. Sie hatten Küche und Keller für den Rat zu 
besorgen. 


Die Einrichtung der Stube gehörte der Stadt. Es bestand 
sogar eigenes Ratssilber. 

Für Hochzeiten der Ratsherren und ihrer Kinder wurde die 
Stube ohne weiteres hergegeben. Andere Bürger und die Hofs- 
verwandten mußten darum nachsuchen und hatten eine Gebühr 
von einem Gulden zu entrichten, auch das Brennholz zur Hei- 
zung und für die Küche zu liefern. Einem Bürger wurde auf- 
gegeben obendrein seinen Leinrat, das Zinn- und Silbergeschirr 
sowie die Gläser zu stellen. 

Ein Schulmeister wollte auf der Stube seine Hochzeit halten 
und dazu eigenen Wein geben. Der Umgelter fragte an, ob er 
von diesem Wein den Maßpfennig erheben dürfe. Der Rat ent- 
schied, der Schulineister solle den Wein «verumgelten und 
verbösenpfennigen wie ein ander würt 1» | 

Den Herren von der Regierung und Kammer wurde die 
Ratsstube abgegeben, um dort Fastnacht zu feiern. 

Die Stubenknechte scheinen öfters versucht zu haben, sich 
Nebenerwerb auf mehr oder minder zweifelhafte Art zu ver- 
schaffen. Es mußte einem z. B. verboten werden, viele Gäste 
und gar bis Mitternacht auf der Stube zu dulden «da es ein 
Bürgerstuben und kein Wirtshaus» sei. Ein anderer Stuben- 
knecht ließ ein liederliches Frauenzimmer, das krumme Dorle, 
nächtlicherweile auf der Stube sein Bubenwerk treiben. Er 
wurde angewiesen, sie zu entfernen. Bei einer Hochzeit buk 
ein Stubenknecht «2 Grappen (Krähen) und ein Tuben in ein 
Bastet» und setzte dieses Gericht den Gästen vor. QObendrein 
gab ег der Bürgerschaft an einem Sonntag böse unnütze Worte, 
Für dieses ungebührliche Verhalten wurde ihm gekündigt. 

Die Büchsen- und Armbrustschützen erhielten 
zu ihrem alljährlichen Vereinsfeste, dem «Endschießen» die 
Stube mit dem Geschirr, um darin «mit ihren Weibern zu er- 
scheinen und ein Imbiß einzunehmen». 

Hier läßt sich vielleicht am passendsten das Vereinsleben 
in Ensisheim besprechen, 

Zünfte und Gilden gab es in unserm Städtchen nicht, dazu 
war es zu klein. Пав ehrsame Handwerk und die Kramer waren 
nicht korporativ vereinigt. Nirgendwo traten Zunftorgane oder 
-vertreter in unserm Ratsbuche auf. 

Auch sonst scheint es Vereine außer den religiösen Bruder- 
schaflen und den Schützengesellschaften nicht gegeben zu haben, 


шы 158: == 


Die Bruderschaften haben wir oben bereits als Collatores 
von Pfründen kennen gelernt. 

Die Schitzengesellschaften 12+ verfolgten neben dem geselli- 
gen hauptsächlich den Zweck, die Bürgerschaft ständig im Waf- 
fenhandwerk zu üben. Die Armbrustschützen schossen mit Bol- 
zen auf Armbrüsten mit Stahlbogen. Bei den Freischieben galt 
die Armbrust bis zum dreißigjährigen Kriege als die vorneh- 
mere Waffe. 

Die Büchsenschützen schossen mit Feuerrohr und Kugel. 
Patronen waren verboten. Die Flinte durfte nicht einmal auf 
der Schulter aufliegen. Erstspäter kam das Schießen mit Haken- 
büchsen dazu. Beide Schützengilden erhielten von der Stadt 
einen QOberschiitzenmeister, einen Schießplatz mit gedecktem 
und gedieltem Schützenstand und gewisse regelmäßige Gaben. 
Auch die Ungersheimer Schützen bekamen Gaben. 

Die Gilden mußten die Gaben alljährlich aufs neue erbitten. 
Dies gab dem Rat willkommene Gelegenheit, den Schützen die 
Sünden der Vergangenheit vorzuhalten und für die Zukunft seine 
Wünsche auszusprechen. 

Die Armbrustschützen erhielten Borchot (Barchent, gekö- 
pertes Baumwollyewebe) zu einem Wams und die Büchsen- 
schützen lündisch Tuch (Tuch aus London) zu Hosen. 

Da der Gewinner des Tuches, der Schützenkönig, immer 
die anderen Schützen, alle oder einzelne zu Gaste lud, verbot 
der Rat diese Unordnung. Der Gewinner durfte nicht einmal 
dem Zeiger Essen, sondern nur einen Plappert geben. 

Es kam auch vor, daß ein Freund der Schützen einen 
Hammel ausschießen ließ. 

Den Büchsenschützen wurden die Haken aus dem Zeughause 
geliehen. Sie mußten sie aber selbst reinigen und zurückbringen, 

Im Jahre 1586 fand ein großes Bürgerschießen in Ensis- 
heim statt. Die Büchsenschützen erhielten die Gaben unter der 
Bedingung, daß sie sich wie die umliegenden Städte «öster- 
reichisch verhalten und schieben». 

Trommler und Pfeifer mußten sie sich von der Regierung 
zu dem Feste erbitten. 

Der Rat bestimmte den Fahnenträger, damit kein Streit 
entstand. 


124 Vgl. Freytag, a. а. О., Band II, Abt. II, S. 288 ff. 


= 9 шеш 


Wie der Rat den Wettstreit der Bürger im Waffenspiele 
beaufsichtigte und regelle, so wachte er auch darüber, daß Treu 
und Glauben in Handel und Gewerbe herrschten und daß jeder 
streng das Recht der Stadt und des Nächsten achtete. 

Hierher gehören die Bestimmungen über die Messen und 
Märkte, den Handel der Krämer und die Ordnung der ein- 
zelnen Handwerke. 

Kraft besonderen Privilegs des ево Sigismunds des 
Münzreichen vom Jahre 1466 125 fanden jährlich zwei große 
Messen statt. Die eine war die Bartholomäusmesse und die 
andere die Katharinenmesse. 126 Beide dauerten 13 Tage. Sie 
fingen sechs Tage vor dem Feste an und hörten sechs Tage 
nachher auf. 

Auf diesen Messen durften Ensisheimer und Fremde kaufen 
und verkaufen, nur Feinde, Uebeltäter und Schuldenmacher 
waren ausgeschlossen. Die Zölle und das Umgeld wurden für 
die Meßzeit erheblich herabgesetzt. 

Der Beginn und der Schluß der Messe wurden durch ein 
Glockenzeichen angekündigt. 

Während für diese Messen ein Sonderrecht galt, das den 
Verkekr tunlichst erleichtern sollte, standen die gewöhnlichen 
Märkte unter der ganzen Strenge des gemeinen Rechts. Kam 
es doch auch hier besonders darauf an, die einheimischen Ver- 
käufer gegen fremden Wettbewerb und die Bürger gegen Ueber- 
vorteilung zu schützen. Seit 1550 gab es einen Wochenmarkt, 
der regelmäßig am Donnerstag statthatte. 

Gesindel, Bettler und Landstreicher durften nicht auf dem 
Wochenmarkt als Bandel- und Kratzentrager, als Zahnbrecher, 
Salbenkrämer oder Schreier erscheinen. Ihnen war der Ein- 
tritt in die Stadt verboten.127 

Der Markt wurde auf dem Platze beim Rathause abge- 
halten. Der Verkauf in den Straßen und bei den Toren war 
bei 5 B Strafe untersagt. Der mehrgenannte Käuffel hatte das 
Amt des Marktvogts. Er mußte das Standgeld und den Pfund- 


125 Vgl. Merklen, a. a. O., I, S. 232. 

196 Bartholomäustag ist am 24. August und Katharinentag am 
25. November. Heutzutage findet noch ein Katharinenmarkt in En- 
sisheim statt. 

127 Bezirksarchiv Colmar C 178, Ordnung von 1602. 


zoll 128 erheben und besonders darauf achten, daß die städtischen 
Maße und Gewichte gebraucht wurden. 

Alljährlich hatte ein Ausschuß, bestehend aus dem Bau- 
meister, dem Umgelter und den beiden geschworenen Küfern, 
alle Küpfle,!29 Becher, Maße und Gewichte, sie seien fremde 
oder heimische, auf dem Markte zu prüfen, ob sie just und 
gerecht wären. 

Auf dem Markte verkaufte der Käuffel neben den Kirch- 
fällen auch die verfallenen Pfänder als öffentlicher Versteigerungs- 
beamter. 

Es gab teils seßhafte, teils herumziehende Krämer. Die 
Kramläden gehörten entweder der Stadt selbst, oder sie wurden 
von den Bürgern vermietet. 

Infolge der Klage der einheimischen Krämer wurde im 
Jahre 1586 im Rate beschlossen, fortan nur solche Krämer in 
die Stadt zu lassen, die im Lande verbürgert wären. Es wurde 
als unrichtig angesehen, «daß fahrende Krämer und Land- 
streicher ihre faulen Waren in der Stadt absetzten und das 
Geld außer Lands führten», so daß den Einheimischen das Brot 
genommen würde. Den Krämern in der Stadt wurde aber 
ans Herz gelegt, sie sollten solche Waren führen, daß man 
lieber von ihnen als von Fremden kaufe. 

Von einem Krämer wurde «ет Rat berichtet, er «über- 
teuere» seine Waren. Man ließ ihn kommen und empfahl ıhm, 
Fisch, Anken,!30 Lichter, Gewürz und andere Krämerwaren 
etwas «leidenlicher» zu geben. Gesottenen Anken solle er zu 
6 Kreuzer das Pfund verkaufen. 

Die Stadt Freiburg fühlte sich in ihrem Handel ebenfalls 
durch die «welschen Krämer»!3il gestört und ersuchte 
den Rat, er solle sie doch aus dem Lande schaffen und nicht 
passieren lassen. Der Rat versprach zu tun, was an ihm 
läge. Freiburg solle aber sein Anliegen bei der Regierung und 
Kammer vorbringen. 

Um der Stadt und den Bürgern weitere Einnahmequellen 


123 S, unten Seite 76. 

129 Ein Küpfle enthielt 5 Liter. 

130 Anken soviel wie Butter. 

131 Die welschen Krämer waren italienische Hausierer oder 
Savoyarden, die allerlei Modewaren und Luxusartikel feil hielten. 
Gothein, a. a. O., 5. 482. 


s> Git шы 


zu eröffnen, hatte die Stadt die landesherrliche Behörde wieder- 
holt um einen Eisenkauf, einen Viehmarkt und einen Kornmarkt 
gebeten. 

Im Jahre 1564 stellten sie dem Kaiser vor, der Eisenschmied 
zu welschen Stauffenen іп der Herrschaft Rosenfels 132 wolle 
Eisen nach Ensisheim liefern, wenn der Eisenkauf dort 
eingerichtet würde.133 Diese Bitte hatte den Erfolg, daß der 
Eisenhandel, soweit der Ertrag vorländischer Bergwerke in 
Frage stand, nach Ensisheim verlegt wurde, 

Auch die erbetenen Vieh- und Kornmärkte wurden ein- 
geführt.13t 

Da das Brotkorn das wichtigste und unentbehrlichste 
Nahrungsmittel damals wie heute lieferte, widmeten die Re- 
gierenden ihm ihre ängstliche Fürsorge. Durch Verbot des 
Kornwuchers oder Fürkaufs, durch Festsetzung des Preises, 
durch Errichtung von Kornspeichern und Einrichtung von 
Märkten suchten sie aller Teuerung vorzubeugen. Wenn die 
Frucht rar war, wurde sogar die Ausfuhr aus der Stadt ver- 
boten und die Kornkästen der Bürger wurden untersucht. Um 
den Markt in Ensisheim lebensfähig zu erhalten, wurden die 
Bauern der österreichischen Nachbardörfer gezwungen, ihre 
Frucht dorthin zu führen. 

Der Kornmarkt unterstand nicht dem Käuffel, sondern 
den Kornmessern. Diese mußten die Frucht zu деп festge- 
setzten Preisen an jedermann verkaufen und durften nicht auf 
eigene Rechnung mit dem Getreide Handel treiben. Nur auf 
dem Markte konnten sie selbst Frucht kaufen und nur während 
der Marktstunden das Korn messen. Außer ihnen durfte nie- 
mand Korn messen. Wer in ihr Amt eingriff, wurde ange- 
zeigt und zur Ordnung gewiesen, 

Durch die Kornmesser suchte man den Zwischenhandel 
mit Getreide und damit den Kornwucher zu unterbinden. 

Die Kornmesser waren nebenbei die Abschätzer des Ge- 
treidezehnten und des von Schuldnern an Zahlungsstatt gege- 
benen Getreides. Ihre Sorge für das Getreide erstreckte sich 
auf das Läuten der Glocken beim Herannahen eines Gewitters! 


132 Etueffont-Haut bei Rosemont, Arrondissement de Belfort, 
canton de Giromagny. 

133 Bezirksarchiv Colmar C 674. 

134 Merklen, a. a. O., I, 5. 233. 


er. WI: ода 


Natürlich konnte es nichts nützen, wenn nur das Brot- 
korn von Stadt und Staat vor Teuerung behütet wurde. Auch 
die Müller und Bäcker bedurften sowohl einer scharfen Kon- 
trolle als eines wirksamen Schutzes. Diese doppelte Tätigkeit 
übten die Mühlmeister und Brotschauer aus. 

Die Mühle in Ensisheim gehörte der Stadt, sie betrieb sie 
in eigener Regie. Der Müller und sein Knecht wurden von 
der Stadt besoldet und durften keinen Kunden der Mühle zu 
einem Trinkgeld nötigen. 

Der Müller durfte aus dem Mühl- oder Quatelbach nur so- 
viel fangen, als er zu seinem eigenem Mahle brauchte. Den 
Zoll von den Bäckern und das Beutelgeld 1355 mußte er in be- 
sonderen Büchsen für die Stadt aufheben. Auch «Krist, 
Kleyhen und Fuoßmehl» 136 verfielen der Stadt. Der Mühlen- 
meister bezahlte die Betriebskosten und lieferte den Ueberschuß 
ап den Kastenverwalter аһ. 

Selbstverständlich lag der Stadt dafür auch die Pflicht ob, 
die Mühle stets in gutem Zustande zu erhalten. Aus dem 
Ratsprotokoll erfahren wir, daß die Stadt im Jahre 1583 zwölf- 
hundert & in der Mühle verbaut hatte. Der Herr von Rappolt- 
stein war in Ensisheim beutelgeldfrei und wurde daher gebeten, 
zur Wiederherstellung der Mühle Holz zu stiften. Die Folge 
von diesen Kosten war, daß die Stadt von ihren Bürgern ver- 
langle, sie sollten nur in Ensisheim mahlen lassen, und ihnen 
deshalb ganz ausdrücklich die Benutzung der Mühle in Batten- 
heim untersagte. Dieses Verbot erregte nicht nur das Miß- 
fallen der Bürger, sondern vor allem das des Landesherrn 
selbst. Dem Erzherzog gehörte nämlich die Battenheimer 
Mühle seit einiger Zeit und er fürchtete die Einbuße in seinem 
Einkommen. Der Rat wies darauf hin, daß er seine Mühle іп 
Ensisheim länger habe wie der Erzherzog die seinige in Batten- 
heim. Die Ausbesserungs- und Betriebskosten der Mühle 
müßten wieder eingebracht werden und außerdem würde durch 


—— mac 


135 Unter Beutelgeld versteht man heutzutage das Trinkgeld, das 
der Müllerknecht von den Kunden der Mühle bekommt. 

136 Krüst, Grüsch soviel wie-Kleie, Fulimehl, das beim mahlen 
der Frucht zuletzt lanfende Mehl, das nur als Futtermehl verwendet 
werden kann. 


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das neuerrichtete Münzwerk 137 die Mühle oft zum Stilistehn 
gezwungen. Die Stadt hielt ihr Verbot aufrecht und setzte 
sogar eine Strafe von 5 & darauf, wenn ein Bürger außerhalb 
mahlen ließ. 

Die Bürger wachten nun auch ihrerseits peinlich darüber, 
daß auf der Mühle recht gemahlen würde und ihnen gegeben 
werde, was ihnen gebühre. Auf eine Beschwerde wurde auch 
von der Stadt dem Müller anempfohlen selbst in der Müble zu 
bleiben und zu mahlen und nicht seinen Lehrbuben allein 
mahlen zu lassen. 

Der Rat ließ hie und da amtliche Proben in der Mühle 
anstellen, um zu wissen, wie viel Mehl und wie viel Kleie 
die einzelnen Fruchtarten beim Mahlen ergäben. 

In ähnlicher Weise wurden auch bei den Bäckern Back- 
proben erhoben. Es bestand eine besondere Bäckerordnung, 
die von jedem Bäcker beschworen werden mußte. 

Diese Bäckerordnung galt nur für die Feilbäcker, 
nicht aber auch für die sogenannten «Husfürer» oder Haus- 
bäcker. Darunter sind Leute zu verstehen, die für die 
Bürger deren eigenes Mehl verbuken. Sie hatten nur An- 
spruch auf den Arbeitslohn und die Ofenmiete.133 Es war 
ihnen іп Ensisheim streng verboten, Brot zu verkaufen oder 
Kostgänger zu halten, damit die Feilbäcker nicht geschädigt 
würden. 

Nach der Bäckerordnung durften die Feilbäcker vom Sester 
zu verbacken nur 3 ß nehmen. 

Ein Bäcker beschwerte sich über diesen Tarif, das Holz 
sei so teuer, er könne nicht dabei bestehen und müsse daher 
4 B nehmen. Der Rat antwertete ihm, er solle bei 3 ß bleiben 
und wenn er dabei nicht bestehen könne, so möge er mit dem 
Backen aufbören. _ 

Auch geschah es, daß die Bäcker gar kein Brot hatten. 
Sie wurden dafür mit 2 g bestraft. Es mußte öfters gebacken 
werden. Altbackenes Brot durfte nicht länger als zwei Tage 
verkauft werden.!39 


137 W., Beemelmans: «Zur Geschichte der vorderösterreichischen 
Münzstätte Ensisheim im Oberelsal>», Forschungen und Mitteilungen 
zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs, 2. und 3. Jahre. 

138 Gothein, а. а. O., S. 206. Gény, а. a. О., 8. 455. 

139 Gothein, а. а. O., S. 506. 


= GE u 


Die beiden städtischen Brotschauer mußten genau den 
Tagespreis der verschiedenen Fruchtsorten kennen und danach 
die Brotpreise festsetzen. Sie hatten die Bäcker zu beaufsich- 
tigen und dafür zu sorgen, daß das Brot richtiges Gewicht und 
Größe hatte und ordentlich gebacken war. 

Alle Verstöße hatten sie anzuzeigen und erhielten die Hälfte 
der verhāngten Geldstrafen als Lohn. 

Die Bäcker durften aber auch verlangen, daß Dritte sie 
nicht in ihrem Gewerbe schädigten. Der Pastetenbäcker, der 
ohne Erlaubnis Schwarzbrol, das Laib zu 2 B verkaufte, wurde 
mit 2 g in Strafe genommen. Аш dem Wochenmarkte und 
sonst in der Woche durften die fremden Bäcker nur Brot aus 
ungegrossenem Mehl 14 feil halten. Auch beschwerten sich die 
Bäcker darüber, daß sich der Adlerwirt seinen Wochenvorrat bei 
fremden Bäckern kaufe und sie, wenn sie nicht täglich frisches 
Brot’hätten, gestraft würden. Der Rat versprach ihnen Abhilfe. 

Für die Metzger gab es gleichfalls eine Menge von Vor- 
schriften. Erst im Jahre 1580, so erzählt uns das Ratsprotokoll, 
kam es zu einer Metzgerordnung. Der Entwurf wurde der 
Regierung und Kammer zur Bestätigung und Aenderung vor- 
gelegt und dort unter Zuziehung des Stadtschreibers, des Um- 
gelters und eines Ratsherrn beraten. Im Protokoll ist die 
Metzgerordnung nicht wiedergegeben. Es enthält aber so viele 
Einzelvorschriften, daß man sich ungefähr ein Bild von dem 
Betriebe machen kann. Die Metzger hatten zu verkaufen : 

Mastrinderfleisch um 10 4 das g 
Kalbfleisch » 8» » » 
Rindfleisch » 4» » » 


Kleinfleisch d. h. «Кі іп und Säuglin» wurden nicht ge- 
wogen, sondern nach dem Augenmaße abgegeben. Die Kalbs- 
köpfe waren nach dem Gewicht zu verkaufen. Sie durften 
aber nur ganz hergegeben und nicht verhauen werden. Die 
Kalbsfüße waren nur gebriht aus der Metzig abzugeben. Wenn 
aber ein Wirt oder sonst jemand ihrer eilig bedurfte, konnten 
sie auch ungebrüht verkauft werden. 

Die Metzger durften kein Fleisch bei Licht zerteilen und 
mußten die Vorder- und die Hinterviertel miteinander aus- 
hauen. 


110 Ungegrossenes Mehl, soviel wie ungebeuteltes Mehl. 


Der Verkauf von ungewogenem Kalbfleisch, von unge- 
schmolzenem Unschlitt sowie von Därmen war verboten. Das 
Unschlitt.konnte nur in den Häusern der u aber nicht 
ın der Metzig gesäubert werden. 

Sonntags war der Verkauf von Fleisch an Bürger und 
Hofsverwandte streng unlersagt. Auch Plalzer und Kutteln 
durften Sonntags nicht abgegeben werden. Vorübergehend 
wurde aber erlaubt, diese Waren Sonntags nach der Mittel- 
messe feil zu halten ; wenn aber das erste Glockenzeichen für 
das Amt gegeben wurde, mußte der Verkauf aufhören. 

Sorgfältig wurde darauf geachtet, daß die Metzger dem 
Armen wie dem Reichen das Fleisch, der Metzgerordnung ge- 
mäß, nach dem Gewicht gaben. Ueberschreitungen der. Taxe 
wurden mit Geldstrafen belegt. Wiederholt verwiesen die 
Metzger auf die Preise in den Nachbarstädten, Sulz, Thann 
und Rufach, so daß schließlich die Stadt den Erlaß einer ge- 
meinen Fleischerordnung für cas ganze Land in Anregung 
БгасМе.,141 

Die Stadt sorgte dafür, daß nicht zu viel Metzger in der 
Stadt schlachteten und sich gegenseitig schadeten. Anderer- 
seits aber wollte sie auch nicht dulden, daß nur ein Metzger 
allein die Fleischversorgung in der Stadt übernähme. Ein 
solches Anerbieten wurde abgeschlagen, weil der Mann sich zu 
viel zutraue. 

Hie und da zankten sich die Metzger mit den Wirten, 
weil sie ihnen nicht genug Fleisch abnähmen. Ein Metzger 
wurde verwarnt, weil er mit der Wirtin zum Lamm, die ihm 
nicht viel Kalbfleisch abgenommen hatte, ein Zankens und 
Balgens gehabt habe, wie wenn sie eine schlechte Dienstmagd 
wäre. 

Auf die Ensisheimer Weiden durften die Metzger nur solches 
Vieh treiben, das sie in der Stadt schlachten wollten. Dieses 
Vieh durfte aber nicht mit der andern Herde gehn, sondern 
mußte besonders geweidet werden. 

Fleischschauer hatten in ähnlicher Weise wie die Brot- 
schauer auf die Beobachtung der Metzgerordnung zu achten. 

Ein Fischschauer beaufsichtigte den Fischfang und 
den Fischhandel nach Maßgabe der Fischereiordnung. Nur 


мі F, W. Müller, a. а, O., S. 133. 


шы; po. еш 


dreimal іп der Woche war der Fischfang erlaubt und zwar 
jeweils nuc einem Mitglied einer Haushaltung am Mittwoch, 
Freitag und Samstag, vorausgeselzt, dab auf diese Tage kein 
Feiertag fiel. Man durfte nur alleın fischen, nicht zu mehreren, 
nicht mit Brettern und Bündeln, nicht mit Angeln von mehr 
als sieben Fuß Länge usw. In den Stadtgräben war die 
Fischerei den Bürgern untersagt und im Quatelbach sehr be- 
schränkt. Der Fischfang mit Kalk, Gift und anderen schäd- 
lichen Stoffen war streng verpönt. 

Fische durften nur auf dem städtischen Fischmarkt ver- 
kauft werden, der drei Stunden dauerte und im Sommer um 
sechs und im Winter um sieben Uhr begann. Wer Fische іп 
den Wirtshäusern und bei Privaten teil hielt oder kaufte, er- 
hielt 2 & Strafe. Ausgenommen waren der Landvogt, die Mit- 
glieder der Regierung und Kammer und die Stadtobrigkeit. 
Diesen durfte der Fisch ins Haus gebracht werden. 

Den Gesamtfischbestand eines Marktes konnte man nur 
dann kaufen, wenn er wenigstens einen halben Tag auf dem 
Markte ausgelegen hatte. Die Bestimmungen über den Fisch- 
fang hatten mit Rücksicht auf die vielen Fasttage jener Zeit 
eine erhöhte Bedeutung. Wir bemerken auch in unserem Pro- 
tokoll, daß die Fischereiberechtigten jeden Eingriff in ibre 
Rechte zur Anzeige brachten und völlige Genugtuung erhielten. 
Wir erfahren aber auch, daß die Bürger in Ansehung der 
teueren Zeit den Rat baten, sie auch an Nichtfasttagen Fische 
fangen zu lassen. 

Fremden wurde verboten, gewässerte Heringe, Stockfische 
und «Blatvibliny (Schollen) in Ensisheim zum Verkaufe zu 
bringen. 

Diese Salzwasserfische erinnern daran, daß die Stadt einen 
Salzkasten besaß, d. h. durch Erzherzog Albrecht VI. war 
ihr 142 im Jahre 1454 ein Salzmonupol verliehen worden. Inner- 
halb eines bestimmten Bezirkes durfte sie allein Salz kaufen 
und verkaufen. \Ver sonst Salz verkaufte, verlor seine Ware, 
wurde gefangen gesetzt und erlitt eine hohe Geldstrafe. 

Ein Salzmeister verwaltete den Salzkasten und gab Montags, 


142 Außer Ensisheim besaßen noch Salzkästen: Thann, Ма)- 
münster, Altkirch, Pfirt und Landser (Bezirksarchiv Colmar C. 614, 
undatierte Beschwerde). Statt Landser werden auch Dammerkirch 
und Habsheim genannt. 


г Ра 


Donnerstags und Samstags Salz .ар. Er hatte das Salz zu 
Pfingsten oder Johanni dort 43 zu kaufen, wo es am billigsten 
war. An demselben Zeitpunkte hatte er seine Jahresrechnung 
zu legen und den Ueberschuß abzuliefern. Ohne Wissen der- 
städtischen Behörden durfte er weder Salz einlagern noch fort- 
schaffen. Ueber seinen gesamten Geschäftsbetrieb mußte er 
genau Buch führen. Etwaige Eingriffe in das Salzprivileg hatte 
er sofort anzuzeigen. 

An Salz in übertragenem Sinne, an geistiger Nahrung, 
wurde dem Bürger außer dem, was erin der Predigt zu hören 
bekam, gar wenig geboten. Kam einmal ein eBuchführer» 
— oder wie man jetzt gut deutsch sagt: «ein Kolporteury — 
nach Ensisheim, so durfte er seine Bücher nicht eher auslegen, 
bis er einem Ratsfreund gelobt hatte, es seien keine sektischen 
oder argwöhnischen Bücher darunter. Trotz des Gelöbnisses 
waren aber alle Bücher durch und durchzusehen und nicht 
сепеһте Werke fortzunehmen. Der Pfarrherr erbot sich die 
Bücher entweder selbst zu prüfen oder sie durch einen anderen 
Priester oder den Schulmeister besichtigen zu lassen. Bei dieser 
Praxis sind gewiß nicht viele Streitschriften nach Ensisheim 
vorgedrungen ! i 

Im Städtchen selbst konnten keine Bücher gedruckt werden. 
Nach der Reichspolizeiordnung von 1577 waren Buchdruckereien 
nur in fürstlichen Residenzen, in Universitäts- und ansehnlichen 
Reichsstädten erlaubt. Aber auch dort mußten die Drucker 
von der Obrigkeit zugelassen und beeidigt werden.144 

Dafür, daß es dem Leser nicht an der nötigen Beleuchtung 
fehle, sorgten die Lichtermacher, Es handelte sich hier- 
bei nur um Talgkerzen. Die Wachskerzen dienten ausschließ- 
lich kirchlichen Zwecken und unterlagen keiner Tarifierung.!45 

In den meisten Städten bestand ein Talgmonopol. Die 
Metzger mußten den Talg (oder das Unschlitt) in städtische 
Magazine abliefern, von wo aus ilın die Stadt an Lichterzieher 
u. a. verkaufte.146 

In Ensisheim durften die Metzger das gereinigte Unschlitt 
nicht aus der Stadt verkaufen. Sie durften es aber auch nicht 


143 Vol. Z. G. О. XXII, S. 639. 
144 W. Roscher, a. a. O., S. 99. 
145 Hanauer, a. a. 0., 6. 362. 
116 Varges, a. a. O., S. 364. 


а, 168) ae 


an «Schandelmacher» abgeben oder gar selbst Lichter ziehen. 
Alle Quatember hatten sie den Talg, nachdem er dreimal aus- 
gerufen worden war, in der Metzig feilzuhalten. Dann konnte 
auch der Schandelmacher bei ihnen kaufen.!47 In der Zwischen- 
zeit mußte er den Talg von auswärts beziehen, um die Zoll- 
einnahmen der Stadt zu steigern. 

Auf ein Pfund mußten acht Viererschandel und sechzehn 
Rappenschandel gehen. Eine Frau, die sechsundzwanzig Rappen- 
schandel aufs Pfund machte, wurde mit 2 & gestraft. 

Die Lichter werden sicher mehr in der Spinnstube als 
‘im Studierzimmer zu Ensisheim geleuchtet haben. Die Bürger 
zogen ihren Hanf und ihre Wolle selbst. Der Hanf wurde von 
einem Ausschuß von vier Ratsherren besichtigt. Die бсһа егдеп 
haben keinesfalls so viel Wolle geliefert, als die Bürger zu ihrer 
Kleidung brauchten. Die feineren Stoffe für die Staatskleider, 
Samt, Seide, Brokat und dergl. wurden eingeführt. 

Die Gespinste der Bürgerfrauen wurden in der Stadt selbst 
gewoben. Für die Weber galt bei 40 2 Strafe folgende 
Weberordnung: 

1. sie durften kein Tuch mehr von dem Geschirr schnei- 
den, ohne daß dessen Eigentümer dabei oder damit zufrieden 
war, 

2. die Eigentümer durften Zettel und Einschlag und dann 
wieder das fertige Tuch, nachdem es gewogen war, wiegen, 

3. diese Regeln galten auf den Dörfern nur, wenn дег Вз- 
steller es ausdrücklich begehrte. 

Bei Streitigkeiten wurde der Zettel auf die «Stube» gebracht 
und dort von einem Ungerheimer Weber gemessen und gewo- 
gen im Beisein des Baumeisters und eines Rats. 

Einem Weber wurde zur besseren Vollführung seines Ge- 
werbes gestattet, ein Fenster, einen Schuh hoch und einen 
Schuh breit, in die Stadtmauer zu brechen, doch mußte er es 
vergattern. 

Vierzehn Schneider waren in Ensisheim bereit, die 
Stoffe zu Kleidern zu verarbeiten, daneben gab es besondere 
Hosenmacher. Diesen Schneidern war versprochen worden, 
es werde kein neuer Schneider mehr aufgenommen werden, 
weil sie sich sonst nicht ernähren könnten. Deshalb wurde auch 


147 Bezirksarchiv Colmar C. 179, undatierte Metzgerordnung. 


ss b0 = 


das Gesuch des Landvogts um Aufnahme seines Hofschneiders 
als Bürger abgelehnt. 

Mit Rücksicht auf die Teuerung verlangten die Schneider, 
wenn sie im Hause des Kunden arbeiteten für den Meister sechs 
Kreuzer, für den Meisterknecht zwei Schilling und für den Jun- 
gen acht Rappen. Der Rat wollte erst in den Nachbarstädten 
die dortigen Taxen kennen lernen, ehe er Bescheid gab. 

Von einem Schuhmacher erfahren wir aus dem Protokoll 
nichts, wohl aber tritt ein Weißgerber mit der Bitte um eine 
Walkhütte vor. Ferner begegnen wir Sporern, Sattlern, Kanne- 
gießern, Scherern, Zieglern u. а. m. Es würde zu weit führen, 
wenn wir alle die kleinen Anliegen beim Rat durchsprechen wollten. 

Das Ergebnis der Betrachtung des Handwerks ist folgendes : 

In einer so kleinen Stadt bestanden im ХҮІ. Jahrh. viel 
mehr Gewerbe als heutzutage. Die engen Zollschranken zwi- 
schen den einzelnen Gebieten und die schwierigen Verkehrs- 
verhältnisse brachten es mit sich, daß für alle Lebensbedürfnisse 
möglichst im Weichbilde der Stadt gesorgt werden mußte. Das 
Prinzip der Arbeitsteilung schuf sehr viele Berufsarten und gab 
jedem Handwerker für sein Gebiet ein Monopol. Es ist daher 
nicht zu verwundern, daß die verschiedensten Gewerbe auf 
kleinem Raume gedeihen konnten. Dadurch, daß der Rat das 
einzelne Handwerk durch Zölle gegen die Konkurrenz von auBen 
und durch Polizeivorschriften gegen die Uebergriffe der einhei- 
mischen Gewerbetreibenden schützie, konnte er auch unbedenk- 
lich die Güte, die Menge und den Preis der Waren festsetzen 
und durch Strafen sichern. 

Selbstverständlich lebte der Handwerker nicht ausschließlich 
von seinem Gewerbebetriebe. Es muß angenommen werden, daß 
jeder Bürger, soweit es angängig war, aus dem Garten- und 
Ackerbau, aus Vieh- und Geflügelzucht sich ertragsreiche Ein- 
nahmequellen zu verschaffen wußte, 

Bei der Wichtigkeit der Ernährungsfrage für eine Stadt, 
die eine Menge von nicht produzierenden Einwohnern beher- 
bergte und nur sehr schwer Zufuhr von außen erhalten konnte, 
ist es begreiflich, daß auch für Feld- und Gartenbau 
eine Reihe von Vorschriften bestanden. 

Vor Beginn der Feldarbeiten mußten die пӛйсеп Vermes- 
sungen und Grenzabmarkungen vorgenommen werden. Die 
Feldwege und die Hecken waren in guten Zustand zu ver- 


2 Gy ake 


setzen. Das Holz, welches beim Schneiden der Hecken abfiel, 
gehörte den Armen. Sie konnten sich daraus Wellen machen. 
= Das Vieh durfte angesäte Aecker nicht betreten. Die Bann- 
warte hatten überall nach dem Rechten zu sehen. 

Vor Beginn der Ernte wurden die Zehnten berechnet und 
die Zehntknechte beeidigt. Auch mußten schon die Bänder zum 
Binden der Garben vorbereitet werden. Es war aber untersagt, 
sie nachts und an verbotenen Tagen zu schneiden. 

Einige Ratsherren setzten in einer Besprechung mit den 
Bauern den Beginn der Ernie und den Lohn der Schnitter und 
Mäher fest. Ohne besondere Erlaubnis durfte niemand früher 
ernten, ohne sich einer Bestrafung auszusetzen. Dies war an- 
geordnet worden, um ein Einheimsen der Frucht vor der völli- 
gen Reife zu vermeiden. Die Regelung des Lohnes erfolgte, da- 
mit nicht die Reichen den Erntearbeitern so hohe Löhne gäben, 
daß die kleinen Bauern neben ihnen nicht bestehen könnten. 

Das Mähen über die Grenzen und das Fahren über be- 
stellte Aecker war zu vermeiden und mit Strafe bedroht. 

Die Nachlese durfte auch nur mit ausdrücklicher Erlaubnis 
von den Pfeifern ausgeübt werden. Den Bannwarten war streng 
anbefohlen, kein Korn von den Feldern zu nehmen. Ihre Be- 
zahlung geschah nicht auf dem Felde, sondern in den Scheunen 
nach Maßgabe dessen, was der einzelne Bauer gepflanzt hatte.148 
Dieser mußte bei seinem Eide genau angeben, wie viel er ge- 
baut hatte. 

In der Erntezeit durften die Torwächter keinen Bannwart 
und keinen Pfeifer (Pfiffer) mit Korn in die Stadt lassen, wenn 
er nicht eine besondere Erlaubnis nachwies. 

Wenn in der Erntezeit die Torwächter nicht ausreichten, 
wurden allnächtlich vier Handwerker als Beiwächter bestellt. 
Zwei Ratsherren mußten dann dem Schließen und Oeffnen der 
Tore’ beiwohnen. 

Jeder Eigentümer hatte wegen der erhöhten Feuersgelahr 
sorgfältig das Feuer zu bewahren und mußte einen Wasser- 
vorrat bereit halten. 

Im August blieb der Weidgang noch auf der Stoppel ver- 
boten. 


148 Bannwartordnung vom Samstag vor Matthäi 1551 in der 
Stat Ratzbuch, Stadtarchiv Ensisheim F. F. 1. 


и саны 


Von dieser Zeit an mußten die Gärten wegen der Reife 
des Оһвіев bewacht werden. Die Bannwarte wurden durch im 
Wachtdienst erprobte Leute verstärkt. Diese wurden von den 
Garteninhabern, also auch von den Hofsverwandten bezahlt. 

Die Aepfel und wilden Birnen konnten nur von einem be- 
stimmten Tage ab in die Stadt eingeführt werden. Zuwider- 
handelnde wurden bestraft. | 

Am schwierigsten waren die «Träubel» zu hüten. Es trat 
deshalb die Verschärfung des Wachtdienstes bei der Reife der 
Trauben wie in der Erntezeit ein. Oefters hören wir, daß ein 
Frevler gefaßt und ins Häuslein gesperrt wurde. 

Die Keltern wurden instand gesetzt und im Oktober hub 
das Herbsten an. 

Im Spätherbst fand der Weidgang für das Rindvieh statt 
auf den Pulversheimer Matten und den Allmendwiesen. 

Für die Pulversheimer Matten war ein Mattengeld zu ent- 
richten. Der Bannwart von Pulversheim ging mit dem Weibel 
von Ensisheim von Haus zu Haus, um es einzusammeln. 
= Der Vogt von Pulversheim machte sich auch hier unlieb- 
sam bemerklich. Er drohte den Kuhhirten, wenn er sie noch- 
mals auf den Matten träfe, wolle er sie in den Stock legen. 
Der Rat gebot den Hirten, weiter auf die Matten zu fahren wie 
von alterher und gab ihnen einige Bürger zum Schutze mit. 
Wenn der Vogt nach den Hirten fahnden und sie nach Pulvers- 
heim führen wolle, sollten sie ihm die Hirten wieder abnehmen. 

Die Stadt Ensisheim hatte unter allen Hardtgenossen allein 
das Recht, Kühe in der Hardt weiden zu lassen.149 Die 
Hardt gehörte dem Landesherrn. Das Recht wird heutzütage 
noch aufrechterhalten und von Zeit zu Zeit ausgeübt, um die 
Verjährung zu unterbrechen, 150 

Die Stadt durfte ferner, wenn es genug Eicheln gab, ihre 
Schweine in die Hardt zur Eichelmast treiben lassen. Vor- 
her waren die Schweine zu zeichnen und aufzuschreiben. Hier- 
für wurde ein Plappart Zeichengeld erhoben. Dann wurde für 
die Schweine in der Nähe des Waldes ein Pferch errichtet. 
Zu dieser Arbeit beorderte die Stadt 19 Bürger zu Fuß und 
20 Pferde. 


— 


149 Vgl. Anm. 19. Verleihung von 1442. 
150 Das Recht wurde zuletzt im Jahre 1883 ausgeübt. 


, 


Jeder Ratsfreund konnte zwei Schweine frei laufen lassen, 
sonst waren für jedes Schwein zehn Plappart «Ackheritgeld» 
(Eichelgeld) zu entrichten. 

Wenn in der Hardt nicht genug Eicheln gewachsen waren, 
mußte eine andere Gegend für die Eichelmast ausgesucht wer- 
den. Im Notfalle wurden die Schweine sogar bis ins Welsch- 
land getrieben. Der Treiber erhielt 2 ß täglich. 

Die Schweine, welche ohne Hirten aus der Stadt liefen, 
richteten in den Gärten großen Schaden an. Ше Portner er- 
hielten Befehl, keine Schweine ohne Aufsicht herauszulassen 
und deren Eisentümer dem Baumeister namhaft zu machen, 
‘ damit sie mit 5 В gestraft werden könnten. Die Hälfte des 
Strafgeldes floß in die Tasche der Portner. 

Einem Stadtschreiber muß es sehr schwer gefallen sein, 
das Borstenvieh in seine schamhafte Feder zu nehmen, denn 
am 13. September 1589 steht im Protokoll geschrieben zu 
lesen: «Schwein cum venia». 

Die Stadt hielt sich einen eigenen Schafer,!5! dem 
grundsätzlich alle Schafe zu übergeben waren, Ein Bürger 
wollte 260 Schafe halten und zwar 200 bei seinem Hause und 
60 mit einem besonderen Schäfer. Die Stadt gab ihm die Er- 
laubnis, doch solle er seine Schafe weiden, daß auch die städti- 
schen Schafe noch genug zu fressen hätten. 

Das Halten von Ziegen war den Bürgern bei 2 g Strafe 
verboten. Nur bei Krankheit wurde eine Ausnahme gemacht. 
Wir erfahren, daß z. B. dem Kanzler Dr. Holzapfel «seiner 
Leibsgesund wegen» gestattet wurde, «eine Gais unter den 
. Hirten treiben zu lassen». 

Zwei Wälder besaß die Stadt, «die Allmend» und 
die «Stadigrüner».152 ‘Dort konnte sie frei schalten. Das Jagd- 
recht stand ihr zu und sie konnte holzen nach Belieben. 

Die Allmend gehörte früher dem Abte von Murbach. Dieser 
schenkte sie im XIV. oder XV. Jahrhundert der Stadt mit fol- 


151 Alle Schäfer im Oberelsaß bildeten eine Bruderschaft. Die 
jährliche Bruderschaftsversammlung fand am St. Bartholomäustag in 
Hirzfelden statt. Ohne Entschuldigung durfte kein Schäfer fehlen. 
Bezirksarchiv Colmar C. 178. 

152 Grüen(er) Waldungen im Rheingebiete, welche schlagweise 
alljährlich zur Grasnutzung versteigert werden. Grien sandiger Plan. 
Martin u. Lienhardt, Wörterbuch der els. Mundarten. 


- 13 -- 


gender Auflage: Wenn ein Missetäter im Gebiet der Abtei ver- 
urteilt wurde, raußte die Hinrichtung zu Ensisheim durch den 
dortigen Henker erfolgen. Die Verurteilten wurden auf dem 
sogenannten Diebsweg nach Ensisheim gebracht. Dieser Brauch 
erhielt sich bis zur Revolution.153 

Die Holznutzung wurde in der Weise vorgenommen, daß 
man in der Allmend faule Eichen beim Herannahen des Winters 
in Klafter schnitt und unter die Bürger verteilte. In den 
Stadtgrünern wurden Wellen für die Bürger gebunden. 

An einem Sonntage — eine auffallende Ausnahme von dem 
strengen Verbot der Sonntagsarbeit — durfien die Bürger dürres 
Holz lesen, aber nur soviel als aus jedem Haushalt eine Per- 
son heimtragen konnte. 

Die dürren Bäume in der Allmend wurden abgehauen, in 
Klafter geselzt und verkauft. Zudem hatte die Stadt das Pri- 
vileg: «das sy in der hart buwholtz, irr brenholtz noch ir not- 
durfft nemen, bruchen vnd haben sollen one irrung».154 

Das Jagdrecht in der Allmend und in den Grünern 
stand nur den Bürgern zu. Den Junkern wurde es ausdrück- 
lich untersagt. | 

Die Weide-, Eichel-, Holz- und Jagdrechte genossen die 
Bürger nicht immer ungestört, Es fehlte nicht an Versuchen 
des Landesherren oder einzelner Beamten, diese Rechte zu 
nehmen oder zu schmälern. Die Stadt wußte aber ihre alten 
Freiheiten zu behaupten. 

Der Forstmeister vom .Landser verlangte 1533 z. B., daß 
die Stadt zwei Räte mit einer Aufsteliung über die Zahl der 
Schweine, welche in die Hardt getrieben werden sollten, zu 
ihm sende. 

Die Stadt lehnte die Entsendung ab, weil sie gegen 
Brauch und Herkommen verstoße. Der Forstmeister beschwerte 
sich bei der Regierung und Kammer. Diese erklärte der Stadt, 
sıe erkenne an, daß Ensisheim nicht verpflichtet sei, das Ver- 
zeichnis zu liefern, sie wolle auch alle Freiheiten achten, die 
Stadt möge nur deshalb das Verzeichnis senden, damit die 
Behörde Gleichheit unter den Hardtgenossen halten könne. 

Im Jahre 1582 kam die Stadt aus Mangel an Holz auf den 


153 Merklen, а. а. O., I, S. 217. 
154 Vgl. oben Anm. 144. 


Ба A а 


Gedanken, eine Sägemühle zu bauen, «um Holz zu sparen». 
Jedenfalls hoffte sie, auf diesem Were wirtschaftlicher mit 
ihren Beständen verfahren zu können. Sie ließ sich aus 
Breisach einen Zimmermeister kommen, der den Bau leiten sollte. 

Die Sägemühle wurde von der Stadt selber betrieben. Für 
den Schuh und Schnitt war bei Benützung der Sägemühle ein 
Rappen zu Händen des Werkmeisters zu zahlen. 

Bei Hochwasser mußte die Stadt die Ildämme durch 
einen Friesen 155 wieder stellen lassen. Die natürlichen Wasser- 
läufe bereiteten ihr aber nicht so viele Schwierigkeiten wie 
der Mühl- oder Quatelbach. 

Dieser Kanal beginnt bei Modenheim und endete, ehe der 
Vaubankanal gegraben wurde, unterhalb Ensisheims in die II. 
Die Stadt brauchte sein Wasser, um ihre Mühle zu treiben 156 
und hatte deshalb einen Anspruch darauf, daß es ungeschmälert 
zu ihr kam. Dafür mußte sie die Dämme unterhalten und das 
Bachbett reinigen. Das Holz für die Dämme oder «Tentsche» 
konnte sie auf beiden Seiten des Baches abhauen lassen und 
zwar auf einem Streifen, der vier nebeneinander geführten, zu- 
sammengekoppelten Pferden Platz zum Gehen bot. 

Alljährlich pflog die Stadt mit Mülhausen Verhandlungen 
über den Zeitpunkt, an dem der Mühlbach abgeschlagen werden 
sollie. Meist geschah dies im Juni, «wenn das Gras ab den 
Matten war». 

Bei Dammrissen arbeiteten Stadt und Regierung gemein- 
sam an der Ausbesserung des Schadens. Dies war schon des- 
halb notwendig, weil der Quatelbach den Stadtgraben speiste. 

Die Regierung lieferte die Pfähle und Gerten und ließ sie 
durch die Friesen zu Faschinen flechten. Der Rat ließ die 
Pfähle spitzen und mit den Friesen fronweise holen. 

In großer Gefahr mußten alle Bürger, ohne Ausnahme, 
ınit Schaufeln, Wagen oder Karren fronen. 

Die Regierung stellte einen Sachverständigen, der die Ar- 
beiten leiten und heaufsichtigen sollte. Es war Vorsicht ge- 
boten beim Ablenken des Hochwassers in die inneren Gräben, 
weil leicht Häuser einstürzen konnten. 


155 Vel. oben Anm. 63. 
156 Seit 1584 trieb er auch das vorderösterreichische Münzwerk. 
Vgl. oben Anm. 182. 


. == 095. dass 


Wie wir an manchen Stellen schon vernommen haben, 
hatten die Bürger außer den Fronen, noch Gewerf, Umgeld, 
Bürgergeld und dergl. zu leisten. Im folgenden soll versucht: 
werden, eine Uebersicht über die Lasten der Bürger und Ein- 
wohner von Ensisheim zu geben. 

Den «bösen Pfennig» oder das Umgeld haben wir 
bei Besprechung der Wirte schon kennen gelernt. Er wurde 
zwar von einem städtischen Beamten erhoben, sein Erträgnis 
floß aber in die Hände des ständischen Generalsteuereinnehmers 
und hatte daher keine Einwirkung aufdas Finanzwesen der Stadt.157 

Für die Stadt wurde der Zoll erhoben. Die bei Merklen!5s 
in Uebersetzung angeführte Zolltafel will ich hier nicht wieder- 
geben. Sie enthält durchaus nicht alle zollpflichtigen Gegen- 
stände. Vielmehr war es den Zollern anbefohlen, von den 
Waren, die nicht im Tarif standen, einen vernünftigen und 
verhältnismäßigen Zoll zu erheben. 

Die Zölle sind hauptsächlich als Finanzzölle anzusehen. Sie 
zerfallen in Einfuhr-, Durchgangs- und Ausfuhrzölle. Der 
Zollsatz ist in der Tafel meist nach Karrenladungen, sonst nach 
dem Zentner bemessen. 

Zwei Tarifpositionen verdienen Beachtung! 

4. Ein Wagen mit einem Bett zahlte für einen Juden 
doppelt soviel Zoll wie für einen Christen. 

2. Für die Ausfuhr eines Sackes Getreide waren vier 
Pfennig zu entrichten. 

Hier handelt es sich wohl um Prohibitivzölle. Im ersten 
Falle sollte die Einwanderung von Juden und im zweiten Ver- 
ringerung des Brotkorns erschwert werden. 

Der Zoller warf das Geld in eine Zollbüchse. Er hatte 
nur einige Scheidemünzen zum Wechseln zur Verfügung. Аш 
Tore wurde teils bar, teils mit Wortzeichen 159 bezahlt. Diese 
Wortzeichen dienten als Quittung der Zolleinnehmer und wurden, 
sofern eine Rückvergütung des Zelles vorkam, an Geldesstatt 
angenommen.?t 


157 Vel. oben Seite 54. 

158 Merklen, a. a. O., І, 8. 225 ff. 

159 Vgl. Thoman Saper, buwmeisters, vnd Zacharias Engelharthn, 
des ungelters register anno ete. 25. Urkunde Nr. 963 in der Univer- 
sitäts- und Landesbibliothek in Straßburg. 

160 Luschin, a. а. O., 5.92 C. 


196. 2 


Der Zoller und seine Frau mußten stets auf dem Posten 
sein und alle etwaigen Vergehn sofort anzeigen. 

Die Hofsverwandten, welche den Rang von Räten hatten, 
und deren Witwen genossen, wie wir gesehen haben, Zoll- 
freiheit, ebenso gewisse adelige Familien. Die v. Andlau in 
Ensisheim brauchten keinen Zoll zu entrichten, wohl aber die 
in Wittenheim wohnende Familie. 

Die Hardtbauern, welche Brennholz ins Regimentshaus 
fuhren, wurden zur Zollzahlung angehalten. Wer in die Stadt 
einzog, hatte seinen Hausrat zu verzollen. Von dem Hausrat 
eines Abziehenden wurde ebenfalls Zoll genommen. 7, В. er- 
hielt die Stadt von dem fortgeführten Hausrat eines verstorbenen 
Juden 40 g Zoll. 

Ein Seidenkrämer beklagte sich darüber, daß er von dem 
Seidensamt, den er aus Frankreich und Italien bringe, Zoll an 
den Landesherrn und an die Stadt entrichten müsse. Der Rat 
entschied, wenn er Urkunden von den Zollern bringe, daß er 
den Zoll schon einmal entrichtet habe, brauche er seine Ware 
nicht nochmals zu verzollen. 

Des weiteren hatte die Stadt das Recht, den Brücken- 
zoll zu erheben. Dieser kann sich nur auf die ШЬгӣске be- 
zosen haben. Ihm unterlagen: Wagen, Karren, Ochsen, Kälber, 
Pferde, Schweine, Schafe usw. Die Einwohner von Ensisheim 
und diejenigen gewisser Nachbargemeinden waren laut alten 
Vereinbarungen von diesen Abgaben befreit. 

Nach dem Protokoll setzte der Rat das Brückengeld für 
Wagen und Karren aus Rufach auf denselben Betrag herab, 
den die Rufacher von den Ensisheimern erhoben. 

Der Pfundzoll!61 war eine Abgabe, die auf den Waren lastete, 
welche auf dem Wochenmarkt zum Verkauf ausgelegt wurden. 
Vom Gulden des Schätzungswertes wurde ein Kreuzer bezahlt. 

Die Juden hatten jährlich zehn Gulden für das Wohn- 
recht zu entrichten. Diese Steuer brachte sehr wenig ein, weil 
es nur wenig jüdische Einwohner gab. Am 25. Januar 1574 
hatte die Regierung die Vertreibung aller Juden aus dem Ober- 
elsaß befohlen.!62 Dieses Gebot ist offenbar nicht durchgeführt 
worden, denn nach dem Ratsprotokoll hatte sich der Rat öfters 
mit den in der Stadt wohnenden Juden zu beschäftigen. 


161 5, о. S. 60. 
162 Bonvalot, а. а. O., p. 184 f. 


= 90 == 


Wie wir bei Besprechung des Erwerbs des Bürgerrechts 
erwähnt haben, wurde von jedem Neubürger eine Abgabe, 
das Bürgergeld, verlangt. Gewöhnlich betrug sie sechs 
Gulden. 

. An Satzgeld bezahlten die Hintersassen jährlich 6 & und 
die Knechte 6 B 4 3. 

Das Gewerf ist die direkte Steuer, welche nach dem 
Vermögen des Einwohners und dem Bedürfnis der Stadtfinanzen 
Jahr für Jahr festgesetzt wurde. Ihm unterlagen auch die 
Hofsverwandten und die Adeligen.163 Doch hatte jeder Rat der 
Regierung und Kammer Anrecht auf ein abgabenfreies Haus 
nebst Lustgarten. | 

Alle Einwohner hatten das Wac higeld und die Tor- 
hut zu bezahlen. Die Bedeutung dieser Abgaben erhellt ohne 
weiteres aus ihrer Bezeichnung. 

Der Müller und der Schweinehirt waren allein von diesen 
drei Steuern befreit. 

Alljährlich traten zwei Ausschüsse zusammen, um die 
Steuerveranlagung vorzunehmen. 

Für die Bürger besorgte dies der Rat, der durch zwölf 
andere Bürger verstärkt wurde. 7 

Far die Hofsverwandten trat eine gemischte Kommission 
von fünf Köpfen, einem Adeligen, zwei Hofsverwandten und 
zwei Ratsmitgliedern, in Tätigkeit. 

Das Gewerf der Ausländer ’ wurde ihren Lehnsleuten auferlegt. 

Ein bestimmter Beamter, der Gewerfer, hatte die Steuern 
zu empfangen. 

Gewerf, Torhut und Wachtgeld wurden vierteljährlich dem 
auf der Bürgerstube sitzenden Gewerfer bezahlt und zwar einen 
Sonntag vor und zwei Sonntage nach Fronfasten (Quatember). 
Die Gewerfregister waren dem Rat vorzulegen. 

Wer seine Abgaben ein Vierteljahr nicht bezahlte, verlor 
sein Bürgerrecht. Wer auf Fürbitten als Bürger wieder аш- 
genommen wurde, mußte aber das ganze Bürgergeld nochmals 
geben. 

Ein säumiger Steuerzahler, aa vor den Rat beschieden 
wurde, erklärte, er habe mit dem Lumpen- und Narrenvolk 
nichts zu tun. Dafür wurde er sofort in den Käfig abgeführt. 


163 Vgl. Anm. 19: «1363 das man die hofflute stiuren sol». 


un, 65 


Der Zoller und seine Frau mußten stets auf dem Posten 
sein und alle etwaigen Vergehn sofort anzeigen. 

Die Hofsverwandten, welche den Rang von Räten hatten, 
und deren Witwen genossen, wie wir gesehen haben, Zoll- 
freiheit, ebenso gewisse adelige Familien. Die v. Andlau in 
Ensisheim brauchten keinen Zoll zu entrichten, wohl aber die 
in Wittenheim wohnende Familie. 

Die Hardtbauern, welche Brennholz ins Regimentshaus 
fuhren, wurden zur Zollzahlung angehalten. Wer in die Stadt 
einzog, hatte seinen Hausrat zu verzollen. Von dem Hausrat 
eines Abziehenden wurde ebenfalls Zoll genommen. 2, В. er- 
hielt die Stadt von dem fortgeführten Hausrat eines verstorbenen 
Juden 40 g Zoll. 

Ein Seidenkrämer beklagte sich darüber, daß er von dem 
Seidensamt, den er aus Frankreich und Italien bringe, Zoll an 
den Landesherrn und an die Stadt entrichten müsse. Der Rat 
entschied, wenn er Urkunden von den Zollern bringe, daß er 
den Zoll schon einmal entrichtet habe, brauche er seine Ware 
nicht nochmals zu verzollen. 

Des weiteren hatte die Stadt das Recht, den Brücken- 
zoll zu erheben. Dieser kann sich nur auf die ШЬгӣске be- 
zogen haben. Ihm unterlagen: Wagen, Karren, Ochsen, Kälber, 
Pferde, Schweine, Schafe usw. Die Einwohner von Ensisheim 
und diejenigen gewisser Nachbargemeinden waren laut alten 
Vereinbarungen von diesen Abgaben befreit. 

Nach dem Protokoll setzte der Rat das Brückengeld für 
Wagen und Karren aus Rufach auf denselben Betrag herab, 
den die Rufacher von den Ensisheimern erhoben. 

Der Pfundzoll!6t war eine Abgabe, die auf den Waren lastete, 
welche auf dem Wochenmarkt zum Verkauf ausgelegt wurden. 
Vom Gulden des Schätzungswertes wurde ein Kreuzer bezahlt. 

Die Juden hatten jährlich zehn Gulden für das Wohn- 
recht zu entrichten. Diese Steuer brachte sehr wenig ein, weil 
es nur wenig jüdische Einwohner gab. Am 25. Januar 1574 
hatte die Regierung die Vertreibung aller Juden aus dem Оһег- 
elsaß befohlen.!62 Dieses Gebot ist offenbar nicht durchgeführt 
worden, denn nach dem Ratsprotokoll hatte sich der Rat öfters 
mit den in der Stadt wohnenden Juden zu beschäftigen. 


161 5, о. S. 60. 
162 Bonvalot, a. a. O., p. 184 f. 


= IT (ы 


Wie wir bei Besprechung des Erwerbs des Bürgerrechts 
erwähnt haben, wurde von jedem Neubürger eine Abgabe, 
das Bürgergeld, verlangt. Gewöhnlich betrug sie sechs 
Gulden. 

Ап Satzgeld bezahlten die Hintersassen jährlich 6 g und 
die Knechte 6 В 4 4. 

Das Gewerf ist die direkte Steuer, welche nach dem 
Vermögen des Einwohners und dem Bedürfnis der Stadtfinanzen 
Jahr für Jahr festgesetzt wurde. Ihm unterlagen auch die 
Hofsverwandten und die Adeligsen.163 Doch hatte jeder Rat der 
Regierung und Kammer Anrecht auf ein abgabenfreies Haus 
nebst Lustgarten. | 

Alle Einwohner hatten das Wac Reed und die Tor- 
hut zu bezahlen. Die Bedeutung dieser Abgaben erhellt ohne 
weiteres aus ihrer Bezeichnung. 

Der Müller und der Schweinehirt waren allein von diesen 
drei Steuern befreit. 

Alljährlich traten zwei Ausschüsse zusammen, um die 
Steuerveranlagung vorzunehmen. 

Für die Bürger besorgte dies der Rat, der durch zwölf 
andere Bürger verstärkt wurde. 

Für die Hofsverwandten trat eine gemischte Kommission 
von fünf Köpfen, einem Adeligen, zwei Hofsverwandten und 
zwei Ratsmitgliedern, in Tätigkeit. 

Das Gewerf der Ausländer "wurde ihren Lehnsleuten auferlegt. 

Ein bestimrnter u der Gewerfer, hatte die Steuern 
zu empfangen. 

Gewerf, Torhut und Wachtgeld wurden vierteljährlich dem 
auf der Bürgerstube sitzenden Gewerfer bezahlt und zwar einen 
Sonntag vor und zwei Sonntage nach Fronfasten (Quatember). 
Die Gewerfregister waren dem Rat vorzulegen. 

Wer seine Abgaben ein Vierteljahr nicht bezahlte, verlor 
sein Bürgerrecht. Wer auf Fürbitten als Bürger wieder auf- 
genommen wurde, mußte aber das ganze Bürgergeld nochmals 
geben. 

Ein säumiger Steuerzahler, dër vor den Rat beschieden 
wurde, erklärte, er habe mit dem Lumpen- und Narrenvolk 
nichts zu tun. Dafür wurde er sofort in den Käfig abgeführt. 


163 Vgl. Anm. 19: «1363 das man die hofflute stiuren sol». 


u. ТӘУ ы 


Selbstredend konnten gezen die Hofsverwandten keine 
' Zwangsmaßregeln angewandt werden. Dem Rat stand nur 
der Beschwerdeweg an Regierung und Kammer oder an den 
Landesherrn offen, 

Ein Teil der Geldstrafen kam an die Stadt, der andere 
an den Stadtvogt. Aus diesem Verhältnis entstanden oft Mißver- 
ständnisse, die im Jahre 1585 durch Vergleich beizelegt wurden. 164 

Die Einzelheiten des Vergleichs sind ohne Bedeutung. Grund- 
sätzlich wurden alle Geldstrafen unter 2 g geteilt, Die Geld- 
strafen über 2 & verfielen dem Stadtvogt allein, als dem Ver- 
treter des Landesherrn. Hiernach hatte die Stadt ein finanzielles 
Interesse an milden Strafen. 

Die Wagen, Gewichte und Maße Ale nur von der Stadt 
zu bestimmten Sätzen bezogen werden. Ihr Verkauf bildete 
eine regelmäbige Einnahmequelle der Stadt. 

Außerdem hatte die Stadt bedeutende Einkünfte aus ihrem 
Gewerbebetriebe, aus dem Salzkasten, der Ziegelei, der Mühle 
und der Sägemühle, aus der Verpachtung ihrer Häuser und 
Grundstücke, aus dem Ertrage ihrer Wälder, Gärten, Wiesen 
0. s. f. Hierzu kamen die Bezüge, welche die Stadt aus den 
Dörfern Rülisheim und Ungersheim empfing. 

Beide Orte hatten das Umgeld ebenfalls aufzubringen. Das 
Gewerf mußten sie in Geld und Früchten leisten. Rülisheim 
hatte Hafer und Ungersheim Roggen zu liefern. 

Jeder Bürger dieser Dörfer gab der Stadt Fastnacht ein 
Huhn oder drei Batzen. 

An Bürgergeld zahlte jeder Rülisheimer jährlich einen 
festen Betrag und jeder Ungersheimer bei seiner Aufnahme 
eine einmalige Abgabe von einem Gulden. Die Hintersassen 
bezahlten entsprechend weniger. 

Obendrein hatte die Stadt die Einnahmen aus dem Saiz- 
verkauf, dem Eichelrecht, den Geldstrafen, Fronen u. s. f. 

Ungersheim warf natürlich einen geringen Ertrag für die 
Stadt ab, da es іһг |а nur zu einem Drittel gehörte. 


Zum Schlusse unserer Arbeit wollen wir es wagen, das 


Rechtsleben in Ensisheim in den Grundzügen klarzulegen. 


Der Versuch ist um so schwieriger, als uns nur wenig quellen- 
mäßige Hilfsmittel zu Gebote stehen. 


164 Merklen, a. а. O., S. 161 ff. 


ашау Өз 


Іле Gerichtsverfassung haben wir bereits bei Besprechung 
der Behörden in der Stadt erörtert. Hier wollen wir das ma- 
terielle Recht, einzelne Entscheidungen und ihre Aufnahme im 
Volke uns vor Augen führen, | 

Am einfachsten liegen die Verhältnisse im Gebiete des 
Strafrechts. Dort haben wir in «Kayser Carls des Fünff- 
ten und des heiligen Römischen Reichs Peinlicher Gerichts- 
ordnung», in der «Constitutio Criminalis Carolina» von 1539 
ein geschriebenes Recht. Sie сай für alle die Fälle, in denen 
im Gewohnheitsrecht ein Rechtssatz fehlte. Aus ihr wissen wir, 
welche menschlichen Handlungen mit Strafe bedroht ‚waren 
und in welchen Formen die Strafe verhängt und vollstreckt 
wurde. Daneben enthielten die Polizeiordnungen des Reiches, 
des Landes!6 und der Stadt eine Reihe von strafrechtlichen 
Bestimmungen. Das Wesen dieser kleineren Vergehen und 
Uebertretungen und die dafür ausgesprochenen Strafen haben 
wir im Vorhergehenden in zahlreichen einzelnen Fällen kennen 
gelernt. 

Von schwereren Verbrechen kamen hauptsächlich Mord, 
Totschlag und Hexenwesen vor dem Malefizgericht zur Abur- 
teilung. Diese Prozesse sind uns im Malefizprotokoll 166 über- 
liefert worden. Sie bieten genau dasselbe Bild wie allerwärts. 
Bezüglich der Hexenprozesse hätte ich meine frühere 
Abhandlung 167 durch einige Notizen aus unserem Protokoll zu 
ergänzen. 

Des Schulmeisters Frau war gerichtet worden. Ein Ehe- 
paar aus Rülisheim traf einen der Malefizrichter vor der Stadt 
und «trieb viel böse Reden». Es meinte, der Rat in Ensisheim 
verbrenne die armen Hexen und stoße die Reichen in die 
Tasche. Die Reichen kauften die jungen Hühner auf dem 
Markie auf, der Teufel solle ihnen das gesegnen. .Donner und 
Hagel sollten in die Stadt schlagen. Die 9% Malefizrichter, die 
des Schulmeisters Frau gerichtet, hätten ein falsches Urteil ge- 
geben. Auch er sei ein Lumpenmann, weil er an dem Urteil 


geholfen habe. | 
Der Gescholtene zeigte die Sache in Ensisheim an. Der 


165 Е, W. Müller, a. a. O., S. 119 ff. 
166 Vol. oben Anm. 20. 
167 Vgl. oben Anm. 22. 


— 80 — 


Rat setzte die Frau ins Eisen und den Mann іп der Käfig. 
Dann mußte die Frau vor den betreffenden 24 Malefizrichtern 
erscheinen und vor sitzendem Rat widerrufen. Doch damit 
nicht genug, am Donnerstag darauf, also am nächsten Markt- 
tage wurde sie zwei Stunden lang in das Narren- oder Klapper- 
häuslein gesetzl. Zum Schlusse mußte sie den Klapperstein 
auf dem Markt und außerhalb des Kirchhofs um die Kirche 
«anderen Weibern zum Exempel» herumtragen. Alsdann sollte 
sie abgebüßt haben und zu Gnaden wieder aufgenommen werden. 

Dieses Beispiel zeigt uns, daß im Volke die Hexenprozesse 
als eine Schmach empfunden wurden, es läßt aber auch er- 
kennen, mit welcher Brutalität eine Kritik des Verfahrens 
unterdrückt wurde. 

Eine andere Notiz ist auch nicht unwesentlich. Am 25. Juni 
1586 reichte Dr. Joh. Ulrich Wittenbach gegen einen Bürger 
eine Klage ein, weil er gesagt habe, die Frau Wittenbach sei 
von den Hexen ebenfalls angegeben worden. Diese Frau Witten- 
bach war niemand anders, als die Großmutter des Dichters 
Jakob Balde, welche mehr als 27 Jahre. später als Hexe auf 
dem Scheiterhaufen endete. 

So unverständig die Gebietenden jener Tage sich in Hexen- 
angelegenheiten zeigten, so vernünftig sind ihre Urteile in Be- 
leidigungssachen. | 

Es wurde nicht nur zur Sache selbst erkannt, über Strafe 
und Kosten entschieden, sondern auch noch ausdrücklich aus- 
gesprochen, daß die beiderseitigen Handlungen und Scheltworte 
— hinc inde — keinem Teil an Ehren nachteilig oder schäd- 
lich und von der Obrigkeit, aus richterlichem Amt, aufgehoben 
sein sollten. 

Durch diesen Ausspruch fühlten sicherlich die Parteien 
eine weitergehende Genugtuung als durch die Verurteilung des 
Gegners allein, 

Vielleicht kommt es von dieser Praxis her, daß die Parteien 
in ländlichen Prozessen sich noch һеше gern vor dem Richter 
Ehre und guten Namen wiedergeben lassen, wenn es sich gar 
nicht um Beleidigungen, sondern um zivilrechtliche Streitig- 
keiten handelt. 

Sprachlich sehr eigentümlich ist die Urteilsformel gefaßt : 
«N. N. soll sein Unrecht mit 31/2 8 baumeistern und um- 
geltern, büßen und verbessern». 


s= Bi: е 


Als der alte und der neue Statthalter des Schultheißen sich 
‚gegenseitig beschimpft hatten, erfolgte ebenso ihre Bestrafung 

und Wiedereinsetzung in ihre ungeschmälerte Ehre. Es wurde 
ihnen aber gesagt: «sie sollten selbst erwägen, was Schimpf-, 
Spott- und Nachred, Verkleinerung und Verachtung solche 
Wein- und Nachreden bei Hoch- und Niederstandspersonen, 
bevorab bei gemeiner Bürgerschaft, welcher sie vorgesetzt, ge- 
bären möge, sonderlich, wann sich solche Händel, in den man 
den gemeinen Nutz seiner Sache befürdern soll, tun verlaufen 
von den Aeltesten des Rats. 

Hie und da blieb aber auch das versöhnliche Wirken des 
Rats unfruchtbar. Ein Mann, der wegen übler Nachrede ver- 
klagt war, erwiderte auf den Zuspruch des Richters: «wenn 
man allen denen, die dem Beleidigten dasselbe nachgesagt 
hätten, das Maul stopfen wollte, müßte man viel Tuch haben!» 

Das Ensisheimer Gericht scheint gerade in Beleidigungs- 
sachen mit der Ruhe eines erfahrenen, praktischen Menschen 
gehandelt zu haben. 

Ein letztes Beispiel hierfür ist das Verhalten gegenüber 
einern Steinhauer, der den Vogt von Pulversheim in Ensisheim 
verklagt hatte. Der Vogt starb vor Erledigung der Sache und 
der Kläger fühlte sich trotzdem in seiner Ehre nicht wieder 
hergestellt. Es wurde ihm ein Schein ausgestellt, daß ihm die 
Sache an Ehren und gutem Leumund nicht schädlich sein solle. 

Sehr seltsam mulet es uns aber an, wenn wir sehen, daß 
auch noch gegen einen Verstorbenen, einen Selbstmörder, 
eingeschritten wurde. 

Ein Mann aus Ungersheim, «der Lumpenstecherschultheiß», 
wurde wegen Diebstahls verfolgt. Man brachte ihn nach Ensis- 
heim, damit er dort peinlich befragt und gestreckt werden 
könne. Er erhängte sich aber im Gefängnis. Der Rat ließ 
den Leichnam in ein Faß schlagen und befahl den Ungers- 
heimern, ihn auf ihre Kosten mit etlichen Geleitsmannen in den 
Rhein führen zu lassen. Ensisheim liegt mehr als 16 km vom 
Rheine entfernt! 

Merklen,}68 der den Unglücklichen Lumpenstecherschul- 
christ nennt, gibt für dieses auffällige Verfahren folgende Erklä- 
rung: «il faut se rappeler, que dans les anciens temps la peine la 


168 Merklen, a. a. O., П, 8. 231. 


plus infamante était la privation de sépulture. Cette punition 
avait donc pour but, non pas la punition du pendu, mais plu- 
tot de donner un averlissement salutaire aux vivants, et leur 
inspirer de l'horreur contre le suicide.» 

Diese Ansicht macht aber nicht verständlich, warum man 
die weite und kostspielige Reise mit dem Faß unternommen hat. 

Schon im Altertum pflegte man besonders schwere Ver- 
һгесһег in Flüsse mit starker Strömung zu werfen. 169 

Die Bestattung in einem Strome entstand aus der Furcht, 
der Leichnam könne in der Erde noch Schaden anrichten. Des- 
halb schlug man die Selbstmörder in ein Faß 170 und ließ sie 
vom Strome weit vom Lande weg ins unendliche Meer treiben. 


Auf dem Gebiete des Zivilrechtes können wir nicht 
auf ein kodifiziertes Recht zurückgreifen, um die verschiedenen 
Rechtsfalle in unserem Protokoll zu verstehen. 

Eine Landesordnung ist für die Vorlande wiederholt geplant 
worden, Sie wurde aber auf Bitten der Landstände nie erlassen, 
weil sie der Regierung nicht trauten und immer neue Steuern 
und Abgaben fürchteten. 

Wo nicht das römische oder kanonische Recht maßgebend 
war, galt das Herkommen, das deutsche Gewohnheitsrecht. Dies 
war sicherlich innerhalb der Zuständigkeit der städtischen Ge- 
richtsbarkeit allein der Fall. Das römische Recht wurde nur 
an Kollegialgerichten und von rechtsgelehrien Richtern ange- 
wandt. 

Im Oberelsaß hatte man allgemein das Gewohnheitsrecht 
von Pfirt angenommen. 

Dieses Recht zeichnet sich aus durch seinen germanischen 
Geist und die nahe Verwandtschaft mit der Rechtsentwickelung 
der benachbarten Gebiete. Wir können in einzelnen der Ent- 
scheidungen, die uns das Ratsprotokoll überliefert hat, noch 
genau den Einfluß des Pfirter Rechtes nachweisen. In sehr 
vielen Fällen schweigt aber auch das Pfirter Recht ganz. Wir 


169 Cicero 11 cap. § 30 Oratio pro Sex. Roscio Amerino : «utrum 
malit cervices P. Roscio dare an insutus in culleum per summum 
dedecus vitam amittere». In Rom nähte man die Vatermorder in 
einen Sack und warf sie in den Tiberstrom. 

110 Die Fässer trugen vielfach eine bezeichnende Inschrift wie: 


от 


«Laß rinnen, laß rinnen». Osenbriiggen, a. а. 0., S. 337 ff. 


ші» ӘЗ ge 


müssen uns dann an Ше Entscheidung des Stadtgerichts selbst 
halten und wenigstens für einige Rechtsgebiete Normen zu 
finden suchen. 

Es darf auch nicht übersehen werden, daß gar vieles von 
dem, was in dem «Landrecht und Gewohnheit des Landes» von 
Pfirt enthalten ist, entweder nur auf die vielfach anders ge- 
stalteten Zustände der Stadt und Herrschaft paßt oder deshalb 
auch in Pfirt galt, weil es allgemeines Recht im Elsaß war. 

In Ensisheim war im XVI. Jahrhundert das Sachen- 
recht noch rein germanisch. Ап der fahrenden Habe wurde 
das Eigentum nach dem Grundsatze: «Hand muß Hand wahren» 
bestimmt. Beim Grundstückserwerb unter Lebenden war eine 
gerichtliche Auflassung nötig. | 

Der Käufer beantragte beim Rat, ihm z. B. ein gewisses 
Haus zu kaufen zu geben. Dazu wurden der Schultheiß und 
drei Ratsfreunde verordnet. Diese bildeten das Kaufgericht 
und ließen drei Donnerstage hintereinander das Haus öffentlich 
aufrufen. Im dritten Termin wurde der Zuschlag erteilt und 
auf einen Kaufbrief erkannt. Derartige Beschlüsse wurden 
meist im Wochengericht verlesen. In dem Kaufbrief 171 war 
das Grundstück mit den Nebenliegern und dern Flächeninhalt 
іп «Jeuchert»!72 zu bezeichnen und anzugeben, ob es belastet 
oder frei, ledig oder eigen sei, Auch wurde angegeben, wie 
der Kaufpreis bezahlt werden solle; z. B. ein Grundstück 
wurde zu 700 g verkauft. Der Käufer bezahlte 200 g an und 
übernahm eine Hypothek mit 100 6; den Rest zahlte er in 
jährlichen Raten von 50 g jeweils zu Fastnacht. 

Die Dienstbarkeiten wurden genau im Kaufbrief angegeben. 
Wir finden Bestimmungen über den Lauf des Dachkänels, 
über die Taglöcher und Fenster, ein Verbot des Ausschüttens 
von Wasser, Unrat u. a. m. 

Durch dieses Verfahren wurden die Rechte des Käufers 
gegen Anfechtungen durch Dritte sichergestellt.173 Das drei- 
malige Aufgebot gab den Anwesenden Gelegenheit, ihre An- 


171 Stadtarchiv Ensisheim. F. F. Nr. 6. Das Ferttigungsbuch 
von 1569—1615 enthält viele Kaufbriefe. 

172 Jeuchert = Jüchart. In den Hardtgemeinden des Kantons 
Ensisheim = 45 Ar. 

173 Schroeder, а. а. O., 8. 719. Eichhorn: «Deutsche Staats- und 
Rechtsgeschichte», Band IV, S. 428. 


— 84 — 


sprüche geltend zu machen und Einspruch zu erheben. Der 
Zuschlag hatte die Wirkung eines Ausschlußurteils. 

Im Protokoll kommt vor, даб ein Mann ein. Mehrgebot 
nach dem Zuschlag machte. Der Eigentümer beantragte, daß 
diesem und nicht dein Käufer zugeschlagen werden solle. Der 
Antrag wurde zurückgewiesen. 

Ein Grundbuch im heutigen Sinne gab es nicht. Aus den 
Gerichts- und Fertigungsbüchern konnte jederzeit das Eigentum 
an einem Grundstück ermittelt werden. 

Auch Ше Verpfändung von Grundstücken oder von 
ganzen Vermögen wurde vor dem Wochengericht erklärt. Die 
Vereinbarung zwischen Pfandgläubiger und -schuldner wurde 
eingetragen. Dadurch entstanden die Wirkungen des dinglichen 
Arrestes. Der Schuldner verlor sein Verfügungsrecht über die 
Pfandsache. 

Ein Schuldner setzte vor Rat zu Pfand: «sein Hab 
und Gut, liegendes und fahrendes, Roß, Schiff, Geschirr und 
seinen Samen auf dem Felde». Konnte der Schuldner inner- 
halb einer Frist nicht zahlen, so stellte der Gläubiger beim 
Wochengericht den Antrag, ihm die Pfandsache verganten 
zu lassen. 

Erschien beim Zwangsverkauf einer Pfandsache kein 
Käufer oder erfolgte kein Gebot, so konnte der Pfandgläubiger 
das Gut an sich ziehen gegen Herauszahlung des Mehrwertes 
über die Pfandsumme, War das Gut aber weniger wert als 
die Pfandsumme, so konnte der Pfandyläubiger für den Ausfall 
weiter pfänden. Wir haben sogar einen Fall, in dem der 
Schuldner neben dem Pfand noch Bürgen gestellt hatte. Der 
Gläubiger durfte, wenn der Erlös aus dem Pfandverkauf nicht 
ausreichte, den Bürgen angreifen. 

Die Stadt hielt von Obrigkeit wegen die Bürger zur 
Zahlung ihrer. Schulden an. Wir lesen, daß sie die Schuld- 
ner bestellte und zur Zahlung auflorderte oder daß sie einen 
Birger wegen der Schulden in den Käfig setzte und ihm das 
Bürgerrecht aufkündigte. 

Der Rat nahm auch die Schuldentilgung selbst in die 
Hand. Zuerst führle er die Früchte, die Nutzungen des Ver- 
mögens eines Schuldners an seine Gläubiger ab, dann verkaufte 
er ihm einen Acker, um die Gläubiger zu befriedigen, oder 
lieB sein ganzes Vermögen verzeichnen, verkaufen oder ver- 


a СӘ: ыш 


teilen. Zu diesem Zwecke beauftragte ег einen Bürger (oder 
auch zwei Ratsherren und den Stadtschreiber) mit der Ver- 
waltung oder Versilberung des Vermögens und wies ihn an, 
alles Geld, das er einnahm, hinter den Stab zu legen, d. h. 
beim Gericht zu hinterlegen, damit die Gläubiger ordentlich 
daraus bezahlt werden könnten. Die Bezahlung der Gläubiger 
erfolgte ratenweise nach dem Range ihrer Forderungen .174 

Wir haben es hier mit einem Ansatz zur Entwickelung 
des Konkursverfahrens zu tun. 

Doch hielt auch der Rat oft seine schützende Hand. über 
einen Schuldner. Er gewährte von Amtswegen Ausstand, 2. В. 
bis nach der Ernte, und half gegen unbillige Gläubiger. 

Ein Bürger von Basel hatte auf den «Plunder» eines 
Bürgers von Ensisheim Arrest gelegt. Der Ensisheimer 
bat den Rat, den Arrest zu «relaxieren» oder dem Baseler zu 
schreiben, er solle mit ihm in Ensisheim rechnen, Der Rat 
schrieb dem Baseler, er solle binnen acht Tagen mit dem 
Ensisheimer rechnen, sonst wolle man den Arrest auftun und 
den Plunder verabfolgen. Der Arrest wurde aufgehoben, weil 
der Baseler nur in Basel rechnen wollte. Außerdem wurde 
die Hilfe der Regierung angerufen, «weil der Baseler sich 
unterstanden hatte, den Plunder zum Teil im Hof im Regen, 
zum Teil in einer verdumpfenen Kammer verderben und ver- 
faulen zu lassen». 

Ein Fall einer Art von Entmündigung wegen Ver- 
schwendung wird uns auch überliefert. Ein Bürger hatte be- 
соппеп, seine liegenden Güter verschwenderisch zu verkaufen. 
Es wurde ihm verboten, ohne Genehmigung seines Bruders und 
des Rates fernerhin Grundstücke zu veräußern. 

Alle Schenkungen mit der Auflage, daß der Schenker 
mit Essen und Trinken, kalt und warm, unten und oben ег- 
halten werden solle, unterlagen der Genehmigung des Rats. 
Ebenso Verträge, wonach Eltern ihren Kindern bei Lebzeiten 
das ganze Vermögen schenkten oder billig verkauften gegen 
die Verpflichtung: 

4. Die Schulden zu bezahlen. 


114 Oertel, Entwickelung und Bedeutung des Grundsatzes an- 
teiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutschen Recht, 1901, 
S. 41. 


et OR а 


2. Den Vater lebenslinglich mit Essen und Trinken zu 
erhalten, wie ein Sohn seinem Vater kraft göttlichen Rechts 
zu tun schuldig. (Diese Auflage hatte nach dem früheren Tode 
des Sohnes seine Hausfrau in gleicher Weise zu erfüllen.) 

Wurden die Bedingungen nicht eingehalten, so konnte das 
Rechtsgeschäft widerrufen werden. 

Bezüglich der Verpachtungen hatte der Rat bestimmt, 
daß nicht Häuser und Ländereien gesondert verpachtet werden 
dürften. Man mußte beides beieinander lassen, um die wirt- 
schaftliche Einheit nicht zu zerstören. 

Es kam auch vor, daß der Rat die Einrichtung von Ställen 
auf Allmendboden precario gestattete. Der Erbauer mußte in 
einer Urkunde anerkennen, daß dies nur «eine Vergünnung, 
keine Gerechtigkeit oder Eigentum» sei. 

Außer Kauf, Tausch, Schenkung, Darlehn, Dienstvertrag 
kommen an einzelnen Schuldverhältnissen im Ratsprotokoll 
noch unerlaubte Handlungen undeine Hinterlegung vor. 

Ein Handwerksgeselle war von einem andern gestochen 
worden. Er verklagte ihn auf Ersatz der Unkosten, Scherer- 
lohn und entgangenen Gewinn. Nach dem Urteil hatte der 
Beklagte die Unkosten und den Liedlohn des Scherers zu be- 
zahlen. Seine Schmerzen und die Versäumnis hatte der Kläger 
selbst zu tragen. 

Der Hinterlegungsfall zeigt, wie das Wochengericht 
auch in schwierigen Fragen zu einem gesunden Urteil kam. 

Ein Metzger hatte drei Schweine in einer Wirtschaft abge- 
Jaden in der Meinung, sie gehörten dem Wirt. Nachtraglich 
zeigte sich, daß es fremde Schweine waren. Da sich niemand um 
die Tiere kümmerte und die Futterkosten immer größer wurden, 
rief der Wirt die Entscheidung des Gerichts an. Der Rat gab 
die Schweine dem Sohne des Wirts für 40 Z und hob das 
Geld für den Eigentümer auf. Ein Jahr danach meldete sich 
ein Metzger aus Freiburg als Eigentümer und verlangte die 
10 8, Der Rat gab ihm auf, sein Eigentum nachzuweisen. 
Er konnte dies nicht tun und starb vor der Erledigung der 
Sache. Nach drei weiteren Jahren wurden die 10 & seiner 
Witwe ausgehändigt, weil sich sonst niemand gemeldet hatte. 

Konnten sich Parteien über den Vollzug oder die Aus- 
legung eines Urteils nicht einigen, so erschienen sie vor dem 
Rat, der ihnen Bescheid gab. 


SER FR wis 


Das Familieurecht beruhte im wesentlichen auf 
religiösen Anschauungen und Vorschriften. Die Standestatsachen, 
Geburt, Heirat und Tod wurden vom Ortsgeistlichen in seinen 
Registern beurkundet. Die Ehe wurde allein vor dem Priester 
geschlossen. Die staats- und familienrechtlichen Wirkungen 
der Ehe richteten sich nach bürgerlichem Recht. 

Mangels eines Ehevertrags galt im Gebiet des Pfirter Rechts 
der alte Grundsatz: «Mann und Weib haben bei Lebzeiten kein 
gezweiet Gut.»!5 Die Güter der Ehegatten wurden zu einer 
Masse vereinigt. Bei der Auflösung der Ehe zerfiel-die Masse 
und zwar in verschiedener Weise, je nachdem Kinder aus der 
Ehe entsprungen waren oder nicht. Im ersten Falle erhielt 
der Mann 2/3 und die Frau з der ganzen Masse, ohne daß 
die Herkunft ihrer Bestandteile einen Einfluß hatte. War die 
Ehe kinderlos, so fielen die eingebrachten liegenden Güter an 
die Familie zurück, von der sie stammten. Die gesamte Fahr- 
habe und die, während der Ehe irgendwie erworbenen Liegen- 
schaften wurden zu 2/3 und zu !|3 unter die Ehegatten geteilt. 
Die vermögende Ehefrau wurde dadurch schwer gegenüber dem 
Manne benachteiligt und auch die allgemein übliche Morgen- 
gabe brachte keinen genügenden Ausgleich.!176 Bei unbeerbter 
Ehe fiel die Morgengabe an die rechten und nächsten Erben 
der Frau.!77 

Wenn dieses Giiterrecht auch nach Bonvalot іп Ensis- 
heim nachweisbar ist, so scheint es doch nicht ohne Einschrän- 
kung dort gegolten zu haben. Das Ratsprotokoll überliefert 
uns einige Sonderbestimmungen. 

Die überlebende Witwe erhielt als Voraus ein aufvertistetes 
Bett, drei Stück über das Feuer (Kochgeschirre) und drei Stück 
Hausrat. | 

Die Töchter hatten die Kleider und Kleinode der Mutter 
zu beanspruchen. 

Waren keine Kinder aus der Ehe entsprossen, so kamen 
die Kleider und der Hausrat, den die Frau vor der Ehe gehabt 
hatte, nach Landesbrauch an deren Mutter. 

Wenn sich die Ehegatten dem gesetzlichen Güterrecht nicht 


175 Gerber, System des deutschen Privatrechts, Jena 1890, $ 226. 
176 Bonvalot, a. а. O., S. 159 ff., 237 ff. 
117 Osenbriiggen, a. a. O., 5. 82. 


22: gg 22 


unterwerfen wollten, konnten sie vor und während der Ehe 
den Güterstand nach ihren Bedürfnissen und Wünschen regeln. 

In Ensisheim wurden auch die Eheberedungen vor 
dem Rat geschlossen. 

Ein Schwiegervater begehrte die Auflösung eines Ehever- 
trags, weil der Schwiegersohn seine Schulden verschwiegen 
habe. Er wurde abgewiesen, weil der Vertrag vor dem Rat 
abgeschlossen und für gut befunden worden sei. 

Alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Wesen der 
Ehe als Sakrament ergaben, waren vor dem geistlichen Gericht 
allein auszutragen. Das eheliche Zusammenleben іп sittlicher 
und vermögensrechtlicher Beziehung überwachte aber der Rat. 

In einem Einzelfalle verwies er die Streitenden an das 
geistliche Gericht. 

Ein Vater hatte seine Tochter wieder zu sich genommen, 
weil sie es bei ihrem Manne nicht mehr aushalten konnte. Er 
verlangte von dem Ehemann 60 Gulden Morgengabe und die 
Kleider der Tochter zurück. Wegen der Morgengabe mußte er 
vor dem gewöhnlichen Gerichte, wegen der Kleider aber vor 
dem geistlichen Gerichte Klage erheben. 

Der Rat sah darauf, daß ordentlich Haus gehalien wurde 
und setzte verschwenderische Gatten in den Käfig. 

Oefters versuchte sich der Rat in der Rolle des Friedens- 
stifters. 

Einem Ehepaar drohte er, er werde es mit den Kindern 
zum Tor hinaus schicken, wenn «sie nicht hinfürter haushielten 
und einander lieb und wert hielten, wie es Eheleuten gebührt 
und zusteht !» 

Ein besonders zänkisches Ehepaar wurde über Nacht in 
den Käfig zusammen gesperrt. Es erhiell nur einen Löffel 
«damit zu essen !» 

Anderen Eheleuten wurde aufgegeben, häuslicher zu sein 

und ihr Maul zu zähmen. 
Ein Mann wünschte wieder als Bürger aufgenommen zu 
werden, er beabsichtige nochmals zu heiraten. Seine Bitte 
wurde ihm gewährt, doch sollte er sich mit seiner zukünftigen 
Hausfrau besser verhalten, als mit seinen zwei Vorigen — 
man werde es ihm ferner nicht gestatten. (Hier scheint der 
Rat mit der Möglichkeit einer vierten Heirat gerechnet zu haben.) 

Einem Ehemann wurde befohlen, die Schwester seiner 


— 89 — 


Frau aus dem Hause zu schaffen, weil man wahrscheinlich an 
unerlaubte Beziehungen dachte. 

Im Ratsprotokoll begegnen wir dem Fall, daß eine Ehe 
vom weltlichen Gericht infolge der Vorschriften über den Ehe- 
bruch getrennt wurde. Dies ging so zu. Zwei Ehepaare 
wohnten in einem Hause. Der Mann A und Frau B ver- 
liebten sich ineinander und mißhandelten Frau A. Alle Ver- 
suche des Rates, den Frieden herzustellen schlugen fehl. Frau 
B erklärte sogar, sie wolle lieber ihren Mann am Galgen sehen, 
als von dem A lassen. Für dieses Benehmen wurde ihr eine 
schriftliche Urfehde zugestellt und sie aus den vorderöster- 
reichischen Landen verwiesen. Damit waren die Eheleute B 
durch die Staatsgewalt «von Tisch und Bett» getrennt. 

Als der Mann B nach fünf Monaten bat, seine Frau zu 
begnadigen, sie bereue ihren Fehltritt, wurde ihm bedeutet, er 
solle seine Frau abweisen, sonst ginge es beiden schlecht, es 
bleibe bei der Verweisung ! 
| Der Ehebruch wurde sehr gelinde bestraft und vom 
weltlichen. Gericht abgeurteilt. Im ersten Falle gab es acht 
Tage Käfig mit Wasser und Brot, im zweiten Falle vierzehn 
Tage und im wiederholten Rückfalle trat Landesverweisung ein. 
Meistens erfolgte die Strafverfolgung nur auf Antrag. 

Das «zur Unehe sitzen» d. h. das Konkubinat, das 
Verlassen oder Vernachlässigen der Ehefrau wurde mit sechs- 
monatiger, im Rückfalle mit einjähriger Verbannung bestraft. 

Für die unehelichen Kinder wurde in ähnlicher 
Weise gesorgt wie im heutigen Recht. Unser Ratsprotokoll 
weist einige Vaterschafisklagen auf. 

Ein Mädchen klagte im Beistand ihres Stiefvaters gegen 
einen jungen Mann, weil er ihr ein Kind «aufgerichtet» habe. 
«Auf eingebrachte Klage, Antwort, Rede, Widerrede, verlesene 
Kundschaft und darauf erfolgten Beschluß» wurde zu Recht 
erkannt, wenn die Klägerin einen leiblichen Eid zu Gott und 
den Heiligen schwüre, daß der Beklagte der Vater ihres Kindes 
sel, so würde ein weiteres Urteil ergehn. 

Nachdem die Klägerin den Eid geleistet hatte, wurde der 
Beklagte auf ihren Antrag verurteilt: 1. Das mit der Klägerin 
aufgerichtete und erzielte Kind zu sich zu nehmen, es zu er- 
nähren und zu erziehen, 2. Der Klägerin alle Kindbettkosten 
nach ehrbarer Leute Erkenntnis zu erstatten, 3. Wie gebrauch- 


lich das Kranzgeld!178 zu geben, 4. Die Kosten des Verfahrens 
zu bezahlen. 

Außerdem aber wurden beide wegen des verwirkten Fre- 
vels bestraft. Er mußte 10 8 entrichten und, bis die Summe 
beigebracht war, im Käfig sitzen. Sie kam mit З & Strafe 
davon 179 

Wir sehen aus diesem Urteil, daß das bürgerliche Gesetz- 
buch im Oberelsaß bezüglich der unehelichen Kinder ungefähr den 
Rechtszustand wiederhergestellt hat, der vor der Einführung 
des französischen Zivilrechts bestand. 

Ein sehr entwickeltes Vormundschaftsrecht hat 
im XVI. Jahrhundert in Ensisheim gegolten. 

Der Rat nahm die Stellung eines Obervogtes ein. Hier 
scheint er ganz besonders sorgfältig und gewissenhaft seines 
Amtes gewaltet zu haben. Er ging von der Ansicht aus, es 
gäbe kein gottgefälligeres Werk als für Witwen und Waisen 
zu sorgen, sie zu schützen und zu verteidigen. 

Als Obervogt übte der Rat die Befugnisse aus, welche 
heute dem Vormundschaftsgerichte zustehen. Er ernannte die 
Vögte, beaufsichtigte ihre Amtsführung und nahm die Schluß- 
rechnung ab. Er erteilte Anweisungen über Verwaltung, Tei- 
lung, Anlegung des Mündelvermögens und leitete die Erziehung 
der Mündel. 

An jedem Schwörtage wurden die Vormünder feierlich an 
ihre Pflichten erinnert. 

Der Unterschied zwischen Pfleger und Vormund war dem 
damaligen Rechte noch unbekannt. Es wurde nur die Be- 
zeichnung Vogt gebraucht. 

Vogt ist jeder, der kraft obrigkeitlichen Auftrags über einen 
anderen, der seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, die 
Gewalt ausübt. 

Die Gewalt des Ehemanns und Vaters tritt von Rechts 
wegen ein und ist daher keine Vogtei. 

Wir können in Ensisheim Vögte unterscheiden für Frauen, 
für volljährige Männer und für Waisen. 


178 Das Kranzgeld war eine Entschädigung für den Verlust der 
Virginität, analog der Morgengabe. 

119 Diese Mortationsstrafen beruhen auf dem Gedanken; daß 
beide sich eines Deliktes schuldig gemacht haben. (Vgl. übrigens 
«Kabale und Liebe», erster Akt, fünfte Szene.) 


-- 01 — 


Die Frauen brauchten für gewisse Rechtsgeschäfte wegen 
der Schwäche ihres Geschlechtes, propter sexus imbe- 
cillitatem, einen Vogt, Dies war namentlich nötig bei der 
Verfügung unter Lebenden über unbewegliches Vermögen und 
beim Auftreten vor Gericht. Ein derartiger Vogt entspricht 
dem heutigen Beistand. Er war nur ein Schutz für die Frau, 
sie bedurfte seines Schutzes, gab aber selbständig ihre Willens- 
erklärungen ab. Da die Ehefrauen unter der Gewalt ihres 
Mannes standen, kam die Geschlechtsvormundschaft nur bei 
gewaltfreien Mädchen oder Witwen vor. 

Wir haben bereits gelegentlich erwähnt, daß ein Ver- 
sch wender einen Beistand, einen Vogt, erhielt. An einer 
anderen Stelle des Ratsprotokolls vernehmen wir, daß der Vogt 
eines Vertuers nach Beendigung seines Amtes vor dem Rat 
Raytung, Schlußrechnung, legen mußte. 

Nach der Gedächtnisfeier für den Verstorbenen, dem soge- 
nannten Dreißigsten, also 30 Tage nach den Tode des Familien- 
vaters, hatten die Witwe und die minderjährigen Waisen 
vor dem Rate zu erscheinen, um Vormünder zu erhalten. 

In der Regel erhielten die Witwen und die unmündigen 
Waisen je einen Vogt. Es geschah aber auch, daß für die 
älteren und die jüngeren Kinder besondere Vögte bestellt 
wurden. Wahrscheinlich bestanden da zwischen den Kindern 
widerstreitende Interessen. 

Wenn eine Witwe beim Tode des Mannes guter Hoffnung 
war, wurde ein curator ventris, ein Vogt für die Leibes- 
frucht, bestellt. | 

Ein Witwer, der sich wieder verheiraten wollte, mußte sich 
mit den erstehelichen Kindern auseinandersetzen. Die Kinder 
bekamen einen Морі und es wurde ein Inventar über das 
Vermögen, über die Schulden und Gegenschulden aufgenommen. 
Der Vater hatte an den Stab zu geloben, nichts aus der Erb- 
schaft zu verrücken oder zu verkaufen. | l 

Schritt eine Witwe zur zweiten Ehe, so erhielten ihre 
Kinder aus der ersten Ehe einen Vormund und dem Stiefvater 
wurde gleich bei Eingehung der Ehe befohlen, wie er sich 
gegenüber den Kindern seiner Frau zu verhalten habe. Es 
wurde genau die Größe des väterlichen Erbteils für jedes Kind 
festgesetzt. Meistens wurde bestimmt, daß die Mädchen ein 
aufbereitetes Bett bekommen sollten. Der Stiefvater mußte auf 


seine Kosten die Kinder bis sie zu ihren Tagen kamen und ihr 
Brot selbst verdienten: 

4. in aller Zucht, Ehrbarkeit und Gottesfurcht erziehen, 

2. ihnen Essen, Trinken und Kleidung geben, 

3. die Buben zur Schule schicken und sie ein Handwerk 
lehren oder lernen lassen, 

4. die Mädchen zur ‘Naherin geben, damit sie nähen 
lernten.180 

Niemals durfte er das väterliche Vermögen angreifen. Wenn 
er die Mutter überlebte, mußte er mit den Kindern das mütter- 
liche ЕгМе! und sein Errungenes und Erworbenes teilen. 

Auch die Witwen wurden angehalten, ihre Söhne nicht 
müßig gehn zu lassen und sie dahin zu erziehen, daß sie ihr 
Brot selbst verdienen könnten. 

Bei Vollwaisen vermittelte der Rat die Unterbringung bei 
einem Bürger «gegen einen gebührlichen Pfennig und Tisch- 
geld». Nur solange bis die Kinder selbst ihr Brot erwerben 
konnten, durfte Kostgeld entrichtet werden, 

Peinliche Sorgfalt wurde auf die Verwaltung des Mündel- 
vermögens verwandt und seine genaue Feststellung von Amts- 
wegen veranlaßt. Nicht leicht wurde einer Witwe gestattet 
von dem Gelde ihres Kindes zu verbrauchen, um es besser zu 
pflegen. Was einmal angelegt war, sollte angelegt bleiben ! 

Wenn die Unterhaltung eines Hauses des Mündels zuviel 
kostete, gestattete der Rat dem Vogt das Haus zu verkaufen 
und den Erlös anderweit anzulegen. 

Mündelgeld konnte als Darlehn gegen Zins nur dann ge- 
geben werden, wenn der Entleiher ein sicheres Unterpfand 
stellte, 

Weitgehende Hilfe gewährte der Rat den Vormündern, 
wenn es galt, Forderungen für die Mündel einzutreiben. Er 
lieh ihnen nicht nur dazu seinen Arm innerhalb seines eigenen 
‚Machtbereiches, sondern er bat auch auswärtige Behörden 
(z. B. in Altkirch oder in Vaduz) um ihre Unterstützung. 

Wenn Mündelgut ohne Wissen des Vogts von anderen 
Verwandten verkauft worden war und die älteren Kinder den 
Verkauf nicht billigten, mußte es den Kindern, ohne Kosten 
für sie, zurückgegeben werden. 


180 Vel. Hirn, a. а. O., І, 8. 494, 


225 193" е 


Die Vormünder wurden bei Uebernahme des Amtes "durch 
Gelöbnis an den Stab verpflichtet. Sie führten grundsätzlich 
ihr Amt unentgeltlich. Ausnahmsweise wurde auch einmal ein 
Vogtlohn zugebilligt. 

Der Rat fand nicht immer Verständnis für seine guten 
Absichten. 

Ein Bürger war gestorben. Sein Bruder erschien zur 
Beerdigung. Der Rat fragte den Bruder, ob er nicht «aus ge- 
habter brüderlicher Liebe gewillt und bedacht wäre, eins oder 
zwei von den Kindern seines Bruders mit ihm hinaus in das 
Schwabenland zu nehmen». Der Bruder aber erklärte «trutzig 
und rund», er wolle kein Kind mit hinausnehmen, er wolle 
mit ihnen nichts zu tun haben und «seine Oberkeit und Herr 
werde es nicht gegen ihn gutheiBen. Wenn man aber der 
Großmutter tausend Kinder zuschicken wölle, möge man es 
durch einen eigenen Boten und nicht durch ihn tun». Ob 
dieser Antwort entstand ein allgemeines Schütteln des Kopfes 
und unser Ratsbuch berichtet: «diese seine ungebührliche Er- 
klärung hat ein Rat mit Verwunderung angehört und vermeldet, 
sie wollten seine ungebührliche Anerbietung gelegentlich den 
Herren aus Württenberg referieren und er möge wohl fort- 
ziehen.» 


Die Erbfolge richtete sich nach Landesbrauch. Wie 
aber eine Erbschaft zu verteilen war, wenn der Erblasser ohne 
Testament starb, läßt sich aus unserem Material nicht fest- 
stellen. Soviel erscheint als gewiß, daß ein Erbe nur dann in 
den Besitz seines Anteils am Nachlasse kam, wenn er vom 
Rat förmlich zum Erben eingesetzt worden war. 

Es scheint, als ob grundsätzlich alle Kinder zu gleichen 
Teilen zur Erbschaft berufen gewesen wären. In einer Entschei- 
dung des Rats wird nämlich gesagt, es sei weder Brauch noch 
Recht: «ein Junges Kind, so nichts verschuldet, der Erbschaft 
zu entrauben». Damals wurde einer kranken Mutter — аш 
ihre Anfrage — eröffnet, sie solle ihren drei Kindern das 
Gleiche geben. 

Bezüglich der Liegenschaften bestand aber in Ensisheim 
das Minorat oder die Vorsitzgerechtigkeit. Wir finden im 
Ratsprotokoll den Satz, es sei bräuchlich, daß den jüngsten 
Söhnen der Sitz oder das Haus gebühre. 


= Оше 


Bei mehreren Häusern wählte zuerst der Jüngste und dann 
der Zweitjüngste sich ein Haus aus und so fort. Waren aber 
mehr Häuser als Söhne vorhanden, so übte die jüngste Tochter 
das Wahlrecht aus. Waren aber weniger Häuser als Söhne 
da, so bekamen die übrisen andere Grundstücke. Wer das 
Haus bekam, mußte die Miterben entschädigen. Erst wenn 
dies geschehen war, wurde die Versitzgerechtigkeit übertragbar. 
Die Eltern konnten durch ihre Eheverträge an diesem Rechts- 
satze nichts ändern.!8t 


Die Testamente wurden von den Erblassern vor dem 
Rat errichtet mit dem Antrage, sie für kräftig zu erklären, zu 
bestätigen und in das Stadtbuch aufzunehmen. 

Die Testierfähigkeit trat bei Mädchen mit Vollendung des 
fünfzehnten, bei Knaben mit Ablauf des siebzehnten Lebens - 
jahres е1п.152 

In Rülisheim konnten die Testamente vor dem Dorfvericht 
erklärt werden. Sie wurden aber nötigenfalls vom Rat in 
Ensisheim bestätigt. 

Die Testamente hatten meist die folgende oder eine ähn- 
liche Eingangsformel : 

.«N. N. gleichwohl etwas schwachs leibs, doch gueter ver- 
ständtlicher vernunfft und sinnes erklärt, daß er bedacht und 
willens wäre, im fall, daß er von diesem zeitlichen jammertal 
zu Gott dem Allmächtigen berufen würde, so woll er mit gutem 
zeitlichem rat . . .»183 

Auch eine Art von Seetestament finden wir in dem 
Ratsbuche. l 

Ein Bürger mußte in Nachlaßsachen nach Köln und Am- 
sterdam reisen. Weil er Gefahren zu Land und Wasser zu 
besorgen hatte und «dieweil vulgariter gesagt wird, Einer wisse 
wohl seines Hinziehens, seines Wiederkommens aber nicht», 
gab er seinem Sohne Vollmacht, an seiner Statt zu handeln mit 
Vaterssiegel und Stadtsiegel und setzte verschiedene Legate aus. 

Einige Monate später kam er gesund wieder und widerrief 
einen Teil der Vermächtnisse. | 


181 Bonvalot, а. a. O., р. 235. 

182 Bonvalot, a. a. О., p. 279. 

183 Stadtarchiv Ensisheim, Ferttigungsbuch F. F. Nr. 6, Codizill 
vom 27. April 1619. 


ыы “OR ыш 


Der Rat ließ den Erben auf Antrag Abschriften der Те- 
stamente geben und handelte vielfach als Testamentsvollstrecker. 
Er bestimmte z. B., aus welchen ausstehenden Forderungen 
Vermächtnisse bezahlt werden sollten, wann der Erbe in den 
Genuß der Erbschaft zu:.treten habe, u. s. w. 

Ein jeder fremde Erbe, der sich in Ensisheim als Erbe 
angab und einsetzen ließ, zahlte 2 Gulden, 2 Schilling und 
4 Rappen. | 

In Freiburg mußte jeder Ensisheimer Bürger, der dort 
erbte, den «zehnten Pfennig» bezahlen d. h. von 100 Gulden 
10 Gulden geben. Der Stadtvogt beantragte іп Ensisheim 
dieselbe Abgabe zu erheben. Dem Stadtschreiber wurde be- 
fohlen, in den alten Urkunden nachzusehen. 

Der Stadtschreiber mußte der beste Kenner der 
Rechte und Freiheiten der Stadt sein. Ihm lag die Führung 
der Bücher ob. Daneben hatte er — wie der Gebührentarif 
ergibt 18t — die Stellung eines öffentlichen Notars. Er hatte 
allein das Recht und die Pflicht, Eheverträge, Testamente, 
Kauf-, Zins- und Schuldbriefe u. s. w. zu verlassen. 

Die Stadischreiber hatten gegenüber der Stadt dieselbe 
Stellung wie der Kanzler gegenüber der Regierung. Sie waren 
gelehrte Herren, der Rechte und des Lateinischen mächtig. 
Mit schöner Schrift und eisernem Fleiß schrieben sie alles auf, 
was im Rate verhandelt wurde. Weise Sprüchlein, die von 
ihrem guten Humor oder ihrer Gelehrsainkeit Zeugnis ablegen, 
trugen sie zum Beginn oder Ende ihrer Folianten ein.!85 Ihnen 
ist es,in erster Linie zu danken, daß wir es versuchen konnten, 
eine längst entschwundene Zeil, die großen und kleinen Sorgen 
eines Städtleins im sechzehnten Jahrhundert, wieder aufleben 
zu lassen ! ` 


184 Merklen, a. a. O., I, 8. 2654. 
185 7, B. «Glück mit Gnaden», Vive virtutum memor! im Ge- 
richtsurtelbuch F. F. З, oder im obenerwähnten Ferttigungsbuch: 
Anno 1598 110 99 
Es ist ein Kraut, daß haißt mulier 
Daruor huet Du Dich semper 


Adambs Ripp und Rebensaft 
Ist alzeit mein Buelschaftt 


Es ist ein Kraut, daß haißt mulier 
Daruor huet Du Dich prudenter 


— 96 — 


Es ist ein Kraut, daß haißt mulier 
Daruor huet Du Dich sapientia 


1609 
Es ist ein Kraut haißt mulier 
Daruor hiete Dich semper 
Klopfe sie, buffe sie 
Nimm sie bey dem fliegel 
Schlag sie mit dem prigel 
Das wüeste Hellrigel 


Fleres si scisses unum tua tempora mensem 
Rides cum non sit forsitan una dies. 
1618 
Dieser Vers ist im Vogesenblatt Nr. 19 von 1906 mit einigen 
Fehlern schon einmal gebracht worden. 


gr gg 


24 


Die Bezienungen König Rudolfs von Habsburg zum Elsass 
von С. Gissgen. 48 5 1 50 


. Das Bergbaugebiet von Markirch von ‚E. Hausser. Mit еше 


Karte. 48 5. 2. verm. Aufl. 


Band VI. 


. Matthias Erb. Ein elsässischer Glaubenszeuge aus der Reformationszeit. 


Auf Grund archivalischer Dokumente v. Dr. H. Rocholl. 36 S. 1 20 


. Strassburg als Garnisonstadt unter dem ancien regime von 


Oberlehrer Karl Engel. VII u. 146 5. Mit 6 Kartenskizzen. 4 50 


. Die Fahnen der Strassburger Bürgerwehr im 17. Jahrhundert 


уоп Joseph Gén y. VIH u. 47 5. Mit 12 farbigen Fahnenabbildungen. 4 — 


, Der oberelsässische Winterfeldzug 1674 75 und das Treffen 


bei Türkheim. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von v. 
-Kortzfleisch. Mit 2 Kartenbeilagen. VIII u. 178 5. З 50 


. Der Pfarrer Georg Jakob Eissen. Seine Freunde und seine Zeit- 


genossen. Ein Strassburger Zeitbild aus dem 18. Jahrhundert. Auf Grund 
urkundlichen Materials Zusammengestellt von Dr. E. Hoepffner. Mit 
einer Silhouette. VI u. 127 = 


Band VII. 


. Die Herrschaft Rappoltstein. Ihre Entstehung und Ent- 


wieklung von Rudolf Brieger. 78 S. 


. Die овен eimer Lieder. Eine kritischeStudie von Dr. Th. Mau rer. 


38 5 


. Die Geschichte und Verfassung des Chorherrenstifts 


Thann, nach archivalischen Urkunden bearbeitet von Dr. jur. Karl 
Scholly. VIII u. 204 S. 8 — 


. Bemerkenswerte mittelalterliche Schenkungen im Elsass 


von E. Herr. VIII u. 59 S. 


. Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Ensisheim im 


sechzehnten Jahrh.von Wilhelm Beemelmans. IV u. 96S. 2 50 
Weitere Hefte sind in Vorbereitung. 


Elsässische Volksschriften. 


Wie Schloss Lichtenberg zur Ruine ru v. 
Ed. Spach, mit zwei Ansichten von Lichtenberg. 64 S. 5. Auf. — 60 


. Berg auf und Berg ab, von Maria Rebe. 44 5. — 50 
. Zwei Stephanstage. Eine Dorfgeschichte v. А. Schaller. 80 5. — 80 


Aus den Papieren einer aiten Jungfer, von L. Schaller- 


Fischer. 108 S. 1 — 
Wer der Sünde den Sonntag gibt, dem nimmt sie die 
Woche, von Maria Rebe. 47 5. — 50 

. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. 55 S. — 50 


. мелекет aus Lothringen. Dem Volke nacherzählt von Fr. Peters. 


— 50 


. Um Freiheit u. Recht. Erzählung v.Joh. Westenhocffer.72S. — 70 
. An fremdem Herd. Erzählung v.L.Schaller-Fischer.60 5. — ov 
. Wem der liebe Gott nicht bei der Erziehung hilft, en 


hilft ein anderer, von Maria Rebe. 43 5. 


. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Neue Folge. 52 S. — 60 
. Elisabeths Kleine. Eine Erzählung von A. Schaller. 605. — 00 
. Es werde Licht! Altes und Neues von Ed. Spach. 35 S. — 40 
. Aus dem Bauernkriege. Tagebuch eines Reichenweierer Bürgers 

1525. Mit einer Einleitung von E. Ensfelder. 32 5. — 30 
. Tröpflein im Meer, von L. Schaller-Fischer. 805. — 80 


. Wer den lieben Gott nicht zur Hochzeit ladet, bekommt 


einen bösen Gast, von Maria Rebe. 44 5. — 60 


. Bilder aus dem Leben, von Ed. Spach. Dritte Fuige. 52 S. — 60 
. Der Pfingstmontag. Lustspiel in Strassburger Mundart von J. С. 


D. Arnold. Mit Arnolds Leben und Schriften von Ernst Martin. ХХІ 


u. 182 S. -- 80 

. Elsissische Pfarrhäuser. Erinnerungen aus meinem Vikarleben 
von Ed. Spach. 62 5. — 5 

. Des Lohnkutschers erste Fahrt, von A. Schaller. 39 5. — 40 
. Daheim, von L. Schaller-Fischer. 68S. — 60 
2 KOWE aber nicht verlassen, von L. Schaller-Fische р 
— 6 

Elsässische Pfarrhäuser. Ncue Folge. Erinnerungen aus meinem 
Kinderleben, von Ed. Spach. 91 5. — 50 

. Menschenpfade und Gotteswege. Drei Erzählungen von D.C. 
- Nehlig. 54 5. — 60 
. Elsissische Pfarrhäuser. Dritte Folge. Bei meinen Grossceltern, 
von Ed. Spach. IV und 45 5. — 50 

; Osterprimel. Fünf Erzählungen von A. Schaller. 78 5. — 00 
.Zweierlei Wege, von L. Schaller-Fischer. 76 5. -- 60 


. Aus meinem Schülerleben іп Buchsweiler, von Ed. Spach. 


54 S. | - 50 


14 DAY USE 


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LOAN DEPT. 


This book is due on the last date stamped below, or 


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Syracuse, М. Y. 
Stockton, Calif. 


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