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——
a —
an 2
Bonaventuras
möftifche Mächte.
Natura nos ad utrumque_genuwt,
et contemplationi rerum et actioni.
Seneca de otio Sap. cXXXL
SIR Sepler. ——
F
bey Fiedrich Maurer.
1807.
P LIBRARY
v x
IRVARD unNER®
er, #27
——
Buhbaltsangeige,
Erſtes Bud. S. 1. — 2%
Donavtntura als üngling. Sein Oheim,
Garlo di Irnano, beſtimmt die Richtung, in wel:
cher Abbate Bonella feine Bildung fortfegen ſoll.
©. 1. — Gimesart feines Baters, Gerafino di
Drnano. Bonaventurars Trennung von dem
Sefuiten Petaldi, feinem 'erften Lehrer. Myſti⸗
ſche Nacht. S. 7. — Peraldi’s Sendſchreiben an
Bonaventura. S. 25. — Eine Reiſe. Bonaven⸗
tura in Bologna. Seine Kunſt-Studien daſelbſt.
Bonadentura in der Cettoſa. Der Carthäuſer Gi,
rolamd Eolonna ©. 38. — Bonella’s Miß-
griffe in der Behandlung feines Zoͤglings. Der alte
Freund Renato wird wieder gefunden. Bonas
*
— 1Y —
ventura's Platoniſche Studien ia der Bibliothek
des Olivetaner⸗-Kloſters. Abt Bernardo Spi⸗
nelli. S. 66. — Bonaventura in Ferrara vor
Ariofto’s Grabftätte und in Taffo’s Gefängniffe,
©. 77. — Bonaventura in Padua. Maeftro
Tartini. Das Zeft der Empfängnig Marid. Das
Grab des heiligen Antonius Wunder. Sg. —
Bonaventura in Arquado vor Petrarha’s
Grabmahl. Myſtiſche Nacht. ©. 103, — Bona:
ventura in Benedig, Gute Geſellſchaft. Bona-
ventura% freymäthige Erflärung yegen Gonel-
la. Don Paruta, ©. 114. — Bonaventurä
auf der Infel San Giorgio Maggivre Der Pla-
tonismus ‚und das Kirchenthum. ©. 128. — Die
Tonnen gu Venedig. Das Carnaval. Die Kunft.
Titian. Tintoretto. Paolo Beronefe Ihre
Schüler und Nachahmer. Venedig als Republif.
Paolo Garpi ©. 140. — Bonanentura in
Milano, Don Elemente Sarinato, Staat und
Hierardie, ©. 15% — Elelie Borromea. Car:
lo Borromeo. Leonardo da Binci. Gaeta—⸗
na Agnefi. ©. 163. — Reife durch die nördlichen
Länder und Rückkehr nad) alien, Deutſchlands
Trennung. Das noͤrdliche und füdliche Europa, Al⸗
m VY
legei da Torreggio. ©. 176. — Bonaventw
za in Florenz, in Vallombroſa, in Camaldoli; hier
findet und erkennet er in dem Pater änfelmo (eb
nen Dater. ©. 190.
Zweytes Bud. ©. 204. — 432.
Anfelmo offenbaret feinem Gohne die Derhälmif«
fe feines Lebens. "©. 207. — Die Geſchichte feiner
Berirrungen und feiner Belehrung. G.221. — Bo⸗
nabentara erfährt die Geſchichte ſeiner erſten Er⸗
ziehung. ©. 235. — Anfelmo’s Beweggründe zu
feiner Zurückztehung nad Bamaldoli. ©. 258, —
Er bekämpft und beſiegt Bonaventura’s Weis
gung zum Klofterleben. ©. 261. — Bonapventus
za auf dem Titaniſchen Berge in der Republik San
Marino. Fra Giacomo. Myſtiſche Nacht. ©.
278. — Bonaventura in Rom, feine Geſelſchaft
daſelbſt. Der Dichter Zanolini. Der religiöfe Phy⸗
ſiker, Abbate Currado.“ Der fromme Aſtronom,
Ugolino Gaddi. Bonaventura's Wallfahrt
nach dem Nonnenkloſter zu San Giuſeppe. Ber⸗
nini's heilige Thereſia. Bon aventura vor dem
Zeichname feiner Mutter in der Kloftergruft zu San
\
Biufeppe, Myſtiſche Nacht. Er empfängt einen Ring.
©.. 297.. — Die Geſellſchaft der Frati Drattici,
Bonanentura verläßt Rom. Geine Reife nad),
Pozzuolo. zu, dem. Corfilden Grafen Salicet⸗
ti. Seine Bıebe, Sein, Aufenthalt auf dem. Berge.
Eamandoli, in, dem. Kloſter Scala, Eäli, Moftifde
Nacht. Don Leonello. ©. 514. — Der Eapuci«
net» Öyardian Cazaconi, und Bonapenture,
por. der. Grotte, des. Paufilippo. ©.1336.. — Bong
ventura, und Pasquale Paoli in, des, Einfie
deley, des. Panfifippo.. Corſica's Zuſtand. Honaz
. nentura in Neapel, Ex tritt in, koͤnigl. Dienſte
Seine. Anſichten von. dem, Kriege. Gein, Rechältniß
zu. Paoli, Frati Prattici, zu Neapel, S. 360. —
Bonapentura findet feine Geliebee in, der, Kirche.
Santa, Ehiara, ©, 369, — Graf, Salicetti, Rite
ter. Shadmell, Qlympia. Bonanentura’s.
Ankunft zu. Pozzuolo. Platon. und, Epriftus,
Der. Cheriſtus der Welt und, der Ehriftug. der-
Kirche ©, 377, — Rinalität, zwiſchen Ritter
Shadwell ynd Bonazentura. Galicesti’s.
Hausandacht. Sein, fonderbarer Auftrag, on. Dos
naventura, ©. 38g, — Olym pia?s Kiebe. Ihr
Geburtstag. Geſchenke. Ein Zweykampf. Dlym
® >
— VE —
pie’s. Ecklarung ap. ihren Boten S. 404. — Ga
Licetti bey Bonaventura. in Neapel, Nachrich⸗
ten aus Eorfica, S. A8 — Bonaventura zu
. Pozzunle. Eamilla's. Gedaͤchtnißtag. Entſchei⸗
Bung. ©. 493. — Anfelma!g legter Segen. Das,
Sacxament. ©, 499. |
Dritkes Bud). ©. 432. — 568.
Bonaventura und Paoli in Eorfica. Zuſtand
Der. Inſel. Bonan.entura’s Rathſchlage. ©. 435.
— DaoLli’s. politifhe Einritungen. Matın's.
Aufftand wider ihn., Paoli’s Mißgefhid. Ga: _
licetti’s Ted. Bonaventura’s Baterfreuden.,
Moftifche Naht. ©. 448. — Bonapentura in,
- Sovarella. Gein gemeinnüsiges. Wirken, dafelbit.
Belehrung eines. Serviten zur Religion, ©. 471.7
Bonaventura’s. Anfehen und Einfluß in der
ganzen Gegend. ©. 504. — Conſulta zu Corte,
Bonaventura wird zum Gtaatsrathe und Sins
dicatore ermählt, Geine Amtsvermaltung, Gefins
nung, und Handlungsweife, ©. 510, — Bananen-
€£ura’s. leitende. Keen bey, der Erziehung feines.
Sohnes. Conſulta. Paol i's Fehlgriffe Bona: |
PR
— viu —
wentures Urtheil darüber. ©. 525. — Renato’s
. Iegte Scöffnungen an feinen Freund, fein Tod. ©.
333. — Bonapentura’s Ruf an Peraldi. Un⸗
fergang des Jeſuiter · Ordens, Der Spaniſche Je⸗
ſuit Alonfo de Caſtilla by Bonaventura.
S. 541. Bewaffnung der Corſicaner wider die Fran⸗
zoͤſiſchen Truppen. Bonapentura bewirbt ſich um
das Bürgerrecht auf San Marine. Wechſelndes
Olü der Eorficaner, ihre Niederlage, Panli’s
Unglůck, Abfahrt von der Inſel. ©. 550. — Bor
napentnsa’s Ende auf San Marino. ©. 563.
I
\ Bonma⸗
Bonaventura’s myftifche Nächte.
Erſtes Bud.
Dicam primum, ut possit aliquis, vel a prima aetate,
co ntemplatio ni veritatis totım se tradere, Tatio«
nem vivendi quaerere, atque exercere secreto.
SENECA' de otio Sap. XXX.
.t
N
.
| „Sorf ica ift nur ein Meiner Theil der Welt,
„für die der Menſch geboren’ wird; und Patrio⸗
„tismus ift bloß das Element, aus dem er fidy
„zum Weltbürgerfinne erheben ſoll,“ — fo
fprad) Carlo di Drnano zu Abbate Gos
nella, als er diefem feinen Tteffen Bonapens
fura zur böhern Bildung übergab. — „Schon
„vor hundert fieben und fiebzig Jahren ift Cor:
„ſica mit unferm großen Öfammpater Sam:
„piero di Drnano gefallen, in dem jungen
„Sorfen übernehmen Gie einen Sprößling die⸗
„ſes edeln Stammes; und ich glaube, daß noch
„etwas Beſſers aus ihm werden fönne, als ein
„Monch oder ein Heiliger, wozu ihn fein Vater
„und der Jeſuit Deraldi in ihrer patriotifchen
„Derzmweiflung erziehen wollten. Zu feinem
„Glücke ſchloß mein Bruder in Certaldo zu
„rechter Zeit noch feine Rechnung mit der Zelt
Yo
-
„und ſetzte mich zum Bormunde des Sünglings
„ein; durch Ihre Hülfe foll er der menfchlichen
„Geſellſchaft erhalten werden, und ich erwarte
„nichts Öeringers von Ihnen, als daß Sie ihn
„auf der Bahn unferer edeln Väter, deren ehr⸗
„mwürdige Reihe nod) Fein Schwärmer oder Mlüs
„Biggänger entehref hat, leiten und darauf er= _
„balten werden. Die lehrreichfte Schule für‘den .
„Menſchen ift die Welt; in die mannigfaltigen
„and verwickelten Kreife derfelben follen Sie ihn
„einführen, und durch Ihre praktifche Klugheit
„dahin bringen, daß er feines Himmels vergeſ⸗
„fe, in welchem die Erde und das Sefühl feiner
„Menſchlichkeit ihm viel zu zeitig verſchwunden
„find. Sie werden zu thun haben und die ganz
‚ze Macht Ihrer Philoſophie aufbiethen müffen,
„um die Keime des Verderbens zu zerflören,
„welche der Schwaͤrmer Peraldi, der Eorfica, .
„eben fo‘ wenig als mein Bruder, retten konnte,
„durch eine Reihe von Jahren zu Pifa in ihm
„entwickelt und befruchtef hat. Gchulmäßig
„braucht der Jüngling nichf8 mehr zu lernen;
„et weiß c genug, um jeßf unter der Anleitung
„eines weifen Sührers die Welt und dei Men:
\
„(en ſtudieren, und aaduch in allen. Decpälte
„uiffen ‚einen angemeffenen Wirkungskreis für
„fich: finden ‚und feinen wahren Vortheil ſchnell
„erſchauen zu können. Das Lateinifche, Spani⸗
„sche. und Granzöfi ifche: ſpricht er fertig, in der
„Länderkunde und in der Geſchichte iſt er hin⸗
„läͤnglich bewandert; mas er jetzt noch treibt iſt
„unnütz. Sampi ero's Enkel iſt zu etwas 55:
„bern beſtimmt, als Öriechifche Bücher zu leſen,
„Madonnen-Bilder zu mahlen und halbe Ttächte
„durch. die Sterne zu betrachten. Ben feiner vers
„ſchloſſenen Gemüthsart iſt hier, unter den ein:
„formigen Berbältniffen des häuslichen Lebens,
„eeine Ginnesänderung von ihm zu hoffen; um
„Ihnen daher Ihr wichtiges Geſchäft zu ‚erleichs
„tern, ſchlage ich eine mehrjährige Reife mit ihm
„durch die Schweiz, durch Deutſchland, Hol:
„Jand, England, Spanien, Frankreich und das.
„ſüdliche Italien por: die Hauptſtädte diefer
* „Bänder find rei an Mitteln zur Bildung eis
„nes jungen Menſchen, der an der freuen Hand
„‚eines Eugen Mentors wandelt. Ich wünſche,
„Daß Sie in jeder derfelben mehrere —
„verleben und keine Koſten ſchonen, ‚ am ihn
- 6 —
„überall die Reize der Wirklichkeit, die Vorfhei«
„le einer wohlgeordneten Gfaatsverfaffung und
„den. Werth einer meltbürgerliyen Gefinnung
- „erkennen zu Iaffen, In allem, was Sie ihm
„zeigen, fol ibn die Wahrheit anfprechen, daß
„nicht ein idealiſches Scheinleben, nicht eine
| „frömmeln de Trägbeif, fondern gemeinnüßige
‚ „Zbätigkeit die Beftimmung des Menſchen fey.
„Billigen Sie meinen Vorſchlag, fo follen die
„Anftalten zu Ihrer Abreifebald getroffen feyn.
„Bir müffen eilen; glüdlid) ift der Jüngling
„vor einigen Tagen dem Tode enfronnen, die
„Reife wird aud) die Genefung feines Geiſtes bes
- „fördern, und ich merde Gie als den Wohlthä⸗
„ter unferes Gefchlechtes fegnen, wenn Gie ihn,
„von feinen Thorbeiten geheilt, gleichgültig ges
„gen Corfica, aber voll des gerechten Haſſes
„gegen Genua, in meine Arme zurüd bringen:
„dann foll er fi ch denjenigen Staat zum Vaters
„lande wählen, in deffen Dienft er die nädfte .
„Gelegenheit findet, Sampiero’s meuchelmörs
„deriſchen Tod an Genna zu rädyen.”
Annibale Bonella hatte bereits in meh⸗
rern auſehnlichen Haͤuſern Tofcana’s feine Kunſt,
Ä — 9 —
Enaben und Junglinge von gewöhnlichen
Anlagen zu erziehen bewaͤhrt, ale ihn Carlo
di Ornano nad Drbitello zur Sübrung
Bonaventura’s berief. Des Abbate fiteiyei
Wandel, feine gelehrten Kenntniſſe, feine ausge
breitefen Erfahrungen und Einjichten redhtfertig:
ten zwar @arlo’s au ihm getroffene Wahl; als
lein dieß alles machte ihn noch nicht fähig, Im
der Seele feines Zöglings das Außerordent
liche in feiner vollen Bedeutung zu begreifen,
richtig zu wärdigen und geſchickt gu behandeln.
Ganz anders, als Carlo, dachte Gera: |
‘ fino di Drnano über Vaterland und Welt,
über Patfriotismus und Weltbürgerfinn; feft
fand in ihm die Ueberzeugung, daß dies
fer ohne jenen feinen Yugenblid beſte—
ben, und die heilige Slamme der Bar
terlandsliebe nur: von einem religiös
fen Semüthbeempfangen und genähret
werden könne. Eine Welt ohne Baferland
war ihm wie eine Kirche ohne Gegenftand der
A
Verehrung; und ein Beltbürgerfinn ohne Bis
qlandoliebe gleich einex Goitſeligkeit ohne Gott.
Mit dieſer Geſinnung konnte er feinen Sohn nur
fuͤr Gonſca erziehen; ynd.damit dieſer mit.gafıs
gap Beofe Gorfiſcher Welchaͤrger würde, mußte
sr vor allem- fein Gemith, und in diefem die. Ans
hage;zur-Religiofitäf auf das vollftändigfie ent:
wideln, Auch-ia der Erziehung, glaubte er,
müßte vor allem das Reich Gottes ges
fuiht werden; aus feinem Lichte und
feiner Kraft würde dann Pie, wahr.
Brauchbarkeitdes Menſchenfür die An—
gelegenheiten den Gelt von ſelbſt ers
folgen. Alles, was er daher durch zehn Jahre
an den, Umgebungen, Des. Knaben⸗gethan hatte,
war aus dem Reidye der Kunft entlehnt, und bes
diglich dahin gerichtet, ihm Mittel darzubietheir,
Die ibn aufforderten und drängten, ſich ſelbſt zu
pernebmen und .verftehen zu lernen. Die Bars
monie zwifchen der Thätigkeit feiner Vernunft,
der Pebhaftigkeit feiner, Phanfafie und der Reiz
barkeit feines Gefühle war ſchon ſicher vocbezen
tet „ der Sinn für das Wahre, Gute, Schöne
und Heilige mar kraͤftig in ihm erwacht, ‚als; ihn
Gerafinn.der beſondern Geiſtespflege feines,
mit ihm geichdenkenden und:bewührten, Freum⸗
des Peraldi. zu Pifa’anvertpaute ; dieſer ſetzto
in demfelben Geifte, durch Dikofophbie und
My ſticia mus fort, woer Gurafino durch
Kunſt und Soöttfeligkeit gläcklich begonnen
hatte. Roth Ein Mahl beſuchte der freie Vater;
nach. feiner; legten Rũckkehr: aus: Corſic/ und
‚tur; vor. feinem Verſchwinden aus Der Belt!
den Sohn und den Freünd, und bemimderta
die raſchen Fortſchritte des Erftern in den Ele⸗
menten der Zunft, der Religiofitäf und der Ge;
lehrſamkeit, welche ihn feine künftige Vollen⸗
dung mit Zuverſicht hoffen ließen. Bekannt mit
der Macht des Geiſtes, deſſey Leben und. Wim |
ten i Bonapenturga;fich offenbarte, fürchte⸗
te er michts · mehr von den Hinderniſſen, welche
die ſelbſtſüchtige Welttlugbait alltäglicher Men⸗
ſchen dem Emporſtreben des Joͤnslings entgegen
ſetzen dürfte. Getroſt kehrte er nach Certoldo
zurüd, mochte uber fein Bermögen die nöthigen
Verfügungey,/ ſetzte Carla zum Bormunde. fein
n28 Sohnes? feinen alfen Freund und Vertraus
fen feiner Leiden, den Einſiedler Renato, zum
\.
— —
— 10 —
Wächter über Carlo, und folgte dem Drange,
welchem er unmöglidy länger widerftehen konnte:
wohin diefer ihn getrieben hatte, blieb. ſelbſt ſei⸗
nem Bruder ein.undurchdringliches Geheimniß.
@ario glaubte. an Bonapenturas Ba
6er fihon lange eine ungewöhnliche Shwermufh
bemerft zu haben. Uufähig, die Leiden zu fafs
fen oder mit zu fühlen, welche Serafino’s res
ligios: pafriotifche Seele vor dem Bilde des fine
tenden Baterlandes fo oft empfunden hatte,
muthmaßte er, fein Bruder babe in einem Ans
folle des Wahnfinnes, nady Eato’s Weife, ſei⸗
nem Leben ein Ende gemadyf ; um fo mehr woll⸗
te er nun an dem verwaifelen Juͤnglinge, nicht
nur als Bormund, fondern aud) als Bater hans
dein. Ungeachtet Serafino’s ausdrücklicher
- Willenserklärung, daß Bonaventura, mes
nigſtens bis in fein neunzehntes Jahr, der Ob⸗
hut und Leitung Peraldi’s überlaffen bleiben .
follte, rief er ihn viligft nad) Drbitello zurück,
weil er, nad) der Weife einfeitiger Beobachter,
alles mit allgemeinen Schlüſſen abmadyte und
geradehin behauptete, daß jeder einzelne Jeſuit
eben fo wenig, als der ganze. Drden, taugte,
folglich Feiner fähig fey, einen Enkel Sampie
r0’8 zum Weltbürger gu erziehen.
Die Treimung von Peraldi war Bonas
Bentura’g erfter Schmerz , die Eindrücke deſ⸗
felben blieben unauglöfchlic in feinem Herzen.
Stets hatte er den weiſen Priefter für ſich ale
Stellvertreter der Dottheit betrachtet, in ihm
bafte er feinen Bater;; fein Baterland und das
ganze menſchliche Befchlecht geliebt und verehrt.
. Zum Dentmiahl feiner. Sreundfchaft gab ihm
Peraldi ein Käftchen mit, bey deffen Eroͤff⸗
nung er diejenigen Bücher fand, welche er waͤh⸗
rend feines Aufenthalts zu Pifa mit dem Pater
.. am liebften gelefen hatte. Sie waren fämmtlidy
„in niedlichen Duodez : Husgaben, in ſchwarzen
Saffian gebunden, zu einer Reife-Bibliofhek ges
srdnet, und ſchon die Wahl derfelben würde eis
neh weniger befangenen Mann, als Carlo,
überzeugt haben, daß Bonapentura, nad
feiner Eigenthümlichkeit, fich nirgends beffer, als -
unter Deraldi’s Aufficht, würde entwickelt ha⸗
ben. Das Käftcyen enthielt das Neue Tefta«
ment, die Belenntniffe des heiligen Augus
flinus, die geheimen Wege der göftlichen Liebe,
m 12 —
von Eon ffantimBarbaänfon®), Epicketz
Handbuch, Seneca’s Schriften, des Marfi«
lius Sictinus Briefe, dest uis deLeon pas
miſche DDen, Pefrarya’s und Girolame
Benivieni’s Gometten und Canzoneh. Bo⸗
naventura's Geſchmack hatte ſich ſchon unter
der Leitung feines Vaters für den Inhalt dieſer
und ähnlidyer Sehriften, vorzüglich aber für die
genannten drey Dichter, entfchieden; Peraldi
bezkichnete durch fein Geſchenk nur die Richtung,
in melcher er bey den Aufflügen feines Gemüt
thes Die Abgründe des Fan atismus vermeis
den könnte. *®)
*) Unter allen ascetif hen Moftikern der Der vünf-
tigfte.
* ©o ſollten die Verirrungen des Geiſtes Jenannt
werden, welche die' Weiſen und Klugen der-Welt
Myſtik nennen. "Den Kindern Gottes. it die
’‚Mopfti die eigentlidje und mefentlidye Formj ale
ler ſichtbaren und unſichtbaren Dinge, und der
Myfticismus, nach dem fie ftreben, nichts ge-
ringers, ale Die Sertigkeit, in allen Erſcheinun⸗
gen der ſinnlichen und überſinnlichen Welt die
Einheit des Denkens und des Seyns, das Unber
dingte, Ewige und Böttlihe anzuſchauen.
— 13 —
it tiefer Wehmuth im Herzen, befrat er
das Haus feines Dheims. Dorf erfuhr er, dag
fein Bater, an Eorfica’g Reftung völlig verzwei⸗
felnd, unfichtbar geworden ſey, und niemand
feinen Aufenthalt oder fein’ Ende entdecken Föns
ne. Diefe Nachricht erſchütterte ihn fo gewaltig,
daß er in ein beftiges Sieber verfiel, und Die
Aerzte [yon nad) einigen Tagen die Unzuläng«
lichkeit ihrer Kunft befennen mußfen. Auf wel⸗
che Weife er, als ihn alle ſchon verloren gaben,
plötzlich wieder hergeftellet morden war, erzähl:
te er feinem Per aldi felbft in folgendem Briefe:
„Es ift wahrlich nicht meine Schuld, ehr.
„würdiger Vater, daß Sie nach meiner Trennung
„von Ihnen ſo ſpät die erfle Nachricht von mir
„erhalten; ich war krank und dem Tode nahe.
„Seit ſechs Tagen ward es ſtündlich beſſer mit
„mir, aber erſt dieſen Augenblick erlaubte mir
„der Arzt den Gebrauch der Feder wieder, weil
„er die Kraft, durch welche ich genas, wohl
„ſchwerlich kennen dürfte.“
„Sie wiſſen, mit welchem Schmerz ich den
„letzten Abſchiedskuß von Ihnen empfing; in
„Orbitello harrten meiner neue Leiden. Mein
’
- 14 —
„beim hatte zu ‚meinem Empfange ein Yäusli:
‚des Feſt angeordnet; allein id) fragte nur nach
„meinem geliebten Bater, und ſtatt der Antwort
„erblidte ich überall nur Geſichter, die ihre
„Verlegenheit vor mir nicht verbergen Eonnten.
„Ran kündigte mir an, daß idy in Zukunft in
‚ „meines Dheims Haufe bleiben, und zu dem
„Dienfte des Großherzogs von Tofcana gebil-
„det werden follte; doch mir lag Eorfica und
„mein Bater mehr, als die ganze Belt, am Her«
„zen, und alles, was ich feft halten konnte, ber
„ſtürmte idy mit $ragen nad) ihm. Auf anhal⸗
„tendes Bitten und Flehen erhielt ic, endlich von
„meiner Zante die ſchreckliche Kunde: „„er fey
„nichtmehr; und wie man aus feinem lange
„„genährten Zrübfinne vermuthete, m oͤchte
ꝓ„er ſich wohl ſelbſt —““ Ich kann die Lü«
-“ „flerung nicht niederſchreiben. Trübſinn ‚nennt
„Diez müßige Volk den ernften Ginn, dns ber
„deutende Schweigen, die nur durch Befrey:
„ung des Baterlandes oder durch die Flucht aus
„der Welt zu befriedigende Ilnruhe des patrio⸗
„tiſchen Weifen. Mein Geift war zu ſchwach,
„die gewaltfanie Losreifung von Ihnen und
u 13 u
„ven Berlaft meines Vaters auf Ein Mahl zu er⸗
„tragen; id) mußte der Macht der Gefühle, die
„mein Innerſtes enpörten, unterliegen. Bon
„einem -gewaltigen Sieber in der Nacht ergrifs
„fen, verlor id fdyon am folgenden Tage mein
„DBemwußtfeyn, und nad, fünf Tagen erflärten
„mich die Aerzte für ein Dpfer des Todes.”
“ „Als alles ſchon verzweifelt ſchien, Fam ich
„plöglicy wieder zu mir felber, da ſah id, meis
„nen Dheim und die Tante vor meinem Lager
„woeinen, und meine erfte Srage war: mo ift
„mein Bater? Niemand antıworfefe mir, als
„der gute Fabio, der mid, hoffen hieß. Ich
„bat die Weinenden, mid) mit ihm allein zu lafs
„fen, und man mar fo menfchlidy, mir diefen
„Troſt zu gönnen. Da mußte er mir von Ih⸗
„nen fprechen, und von den feligen Tagen, die
„ich bey Ihnen in Pifa verlebt hatte, erzählen.
„Als er nichts mehr wußte, erfuchte ich ihn, mie
„einige, von Ihrer Hand bezeichnete, Canzonen
„des göftlidhen Benivieni®) vorzulefen: fein
*) Birolamo Benipieni lebte in dem vertrau⸗
ten Zirkel des Lorenzo di Medicis, und ward
— 40 —
„Vortrag war mir himriliſche IR, IE hatte
„ihn ja von Ihnen gelernt. Ich fühlte die zurück⸗
„eehrende Lebensfraft, und er unterſtützte fie
„durch fein: vorfreffliches Spiel auf der Harfe,
„womit'er den herrlichen Gefang' der Ode, de
‚Aa Vida del Ciele , von’ dem erhabnen Luis
„de Leon?), begleitete. Unter der ſechſten Gtro;
„pbe befiel mich ein fanfter Schlaf, und ein
„merkwürdiger Traum vollendete in mir, was
„Die
von Marfiglio Sirino und Pico von Mi—
randola vorzüglid geliebt. Geine poetiſchen
Schöpfungen atmen durchaus Platons erhabe:
nen Geiſt, und die Ideen— «Belt diefes Weiſen er:
feinet in ihnen mit allen Reigen } der Kunft auf⸗
geſchloſſen.
* Luis Ponce de Leon (geb. zu Granada 1597.
+ zu Galamanca 1591.) ift an clafjifiher Vollen⸗
dung der Diction und an Erhabenheit poetifcher
Ideen noch von feinem Spanifhen Dichter über-
troffen worden. Geine Niufe offenbart fi durch
die reinften Öefinnungen und Gefühle der Reli-
gion; und ob er gleich, von feinem fechzehnten
‚+ Sahre an, Auguftiner: Mönch war, fo bewahrte
er do fein Gemüth und feine Kunft vor allen
N
„die Geyer ihres Andenten, was Porfie und
„Muſik angefangen hat
„Es war, als häfte ih das Haus meines
„Dbeims heimlich verlaffen, um zu Ihnen mid
„zu. flüchten. Glücklich erreichte id, Pifa, doch
„vergeblich klopfte ich an die Kloſterpforte, denn
„es mar ſchon Nacht, und die ganze Stadt lag
„in tiefen Schlaf verfunten. Lieblich Ienchtete
„der volle Mond am Himmel, in-feinem Schims
„mer ging ich sı den Gampo Ganto®), wo
. Einwirkungen einer düftern und abergläubigen
.Möndsfhiwärmerey. Mit dem Genius der Alten
vertraut, hat er mit dem Römifhen Odenfänger
alle Borzüge gemein, und übertrifft ihn an dem
Einen, mas dem Römer fehle, an tiefer Eme
pfindfamkeit und an Stärke der poetifhen Kraft. .
) So heißt der berühmte Kirchhof zu Pifa, ein gro⸗
Ber, mit Mauern eingefaßter Pas, rings herum
mie einem Gäulengange von weißem Marmor
umgeben. Die Wände find in große Felder ger
theilt und von den genannten älteften Künftlern
Italiens mit allerley Sresco : Gemählden geziert.
Das Grabmahl des Philofophen und Arztes IM at:
teo Eurzio ift von Artoldo >» Lorenzi, ei
nem Schüler des Michelangelo.
B
on
— 18 —
Sie mir öfters an Cimabue's, Gtotto’s
„und Orgagna's Werken die Geſchichte der
Zwieder aüfleben den Kunſt erzählten. Unter den
„Säulengängen wandelnd, wollte ich den An⸗
„bruch des Tages erwarten; allein von dem
„Wiederhalle meiner eigenen Tritte mehrmahls
„erfchredt, feßte ich mich an das Grabmahl des
„Matfeo Eutzio, dachfe an meinen Vater
„und weinte. Vom Bangenden Thurme erſcholl
;;das Zeichen der zweyten Stunde, und ploͤtzlich
„ward es wunderbar licht um mich herum. Ein
aſchoner, freundlicher Yüngling, dem Scheine
„nach mir gleich an Alter, an Geftalf der mir
„unvergeßlichen Camilla fprechend ähnlich,
„ftand zu meiner Geite. Er winkte mir mit hol⸗
„der Miene, und die Worte: um folge deinem
„„Benius jest und immerdar!““ erklangen
„durch mein Innerſtes. Er führte mich zur Ca⸗
„pelle der heiligen Jungfrau; doch ſtatt ders
„felben ftand ein’ höher majeftätifcher Zempel,
‚ganz im Griechiſchen Styl, bor mir da. "Eine
„leiſe Berührung von ſeiner Hand öffnete die
„Thore, und er führte mich durch vier Vorhöfe
„in das Heiligthum. Bleich in dem erften Bor:
„‚bofe, erblidfe id, den vertranteften Sreund mei.
‚nes Vaters, den räthſelhaften Einfiedler Res
„uato, jest ſtattlich gedleidet, dem Jünglinge
“ „und mir verfraulicd) die Hand biethend. Beyde
„boben mid) ven der Erde und trugen mid, auf
„Abren Händen ‚durch die übrigen drey Dunkeln
„Dorböfe, poll verworrener Geftalten, in das
„bellbeleuchtete Heiligthum. Der Jüngling zeigs
„fe mir auf einen Spiegel bin, deflen Höhe und
„Breite mein Blick, zu meflen, nicht vermoch⸗
„te. Sn ihm flellte fi) mic eine bergige, milde,
„ſchauderhafte Gegend dar. Im Hintergrunde
„derſelben erhob ſich ein hoher Berg, bepflanzt
„mit Feigen, Cypreſſen und Deblbäumen, uns
„ter deren Schatten eine zahlreiche Schar von
„Aännern, alle weiß gekleidet, mit dem erha«
„benften Ausdrude der Religion und den Züs
„gen einer himmliſchen Ruhe iin Angefichte, bald
„ſchweigend Iuffmandelten, bald den froben, heis
„tern Blid. gen Himmel gewandt, in ftiller Ans
„dacht weilten. In ihrer Mitte erfannte ich meis
„nen Bater; fein liebvoller Blick begegnete dem
„meinigen, er fchien zu fpredhen, doch mas er
„ſagte, vernahm ich in, nidt außer mir.
323
— 00 —
„„Süß ft die Rabe im Hafen,“ſo lautete fein
„Wort in meiner Seele, „„doch nur, wer mus
„Ahig im Stürme getämpft hat, ift ihrer Wons
‚me empfängtid, ımd würdig. Erſt jegt lebe ich
„„wahrhaft: du hüthe dich, den Führungen Got⸗
tes, durch voreilige Willkühr zu widerſtreben;
„„denn nach mancherley Stürmen werden fie
„„auch dich in einen ſichern Hafen geleiten.““
„Die Erſcheinung verſchwand, Renato
„war mir unſichtbar geworden, das Heiligthum
„deckte tiefe Racht, und nur in dem Lichte, wel⸗
ches von dem Sünglinge ausfloß, fand ich den
„Weg ‘aus dem Tempel. un Bag iſt die Ruhe
y,jim Hafen und das wahre geben anders, als
‚mdie Heimkehr des Geiſtes durch den Tod;
„fo dacht' ich, ängftlich zweifelnd, „„und worin
„„beſteht die voreiige Willkühr, durch welche ich
„„die mie angewieſene Laufbahn nicht verlaſſen
„„ſoll? O, wenn mein Vater von der ſeinigen
„„willkührlich gewichen wäre, weil er mich vor
„„dieſem Frevel fo bedeutend warntel“— Der
„üngling gewahrte meine Angſt, er lächelte,
qund in meinen Geifte ſtand die Gewißheit, daß
„ver Theure noch auf Erden lebt und ich ihn
„wieder fehen werde. Aufgeheitert durch diefe
„Zuverſicht, bath ic, den Yüngling, wer er ſey,
„mit, zu ſagen und unzertrennlich bey mir zu
„bleiben. „„Erkenne,““ ſprach er, „„und liebe
„„Ireu in mir das Weſen, welches die Weiſen
„„der Vorwelt in ihren wachenden Träumen
„„den guten Genius, die frommen Gläubi—
„„gen den Schutzengel des Menſchen nann⸗
„„ten. Ich bin dein eigentliches unbegraͤnztes Ich,
„„dem, ewig in der Gottheit lebend, ftefg ges
ꝓ„„genwoͤrtig iſt, was deiner beſchränkten Sinn⸗
„ichkeit vergangen oder zukünftig ſcheint. un
„Die lieblidye Beftalt verſchwand, und ich ers
„wachte gefund zu einem neuen Leben.’
Get diefem wunderbaren Schlafe dämpff
„die bloge Erinmerung an dag, mag ich im
„Zraume gefehen und gehörf habe, jede auf:
„roallende Unrube meines Herzens. Ihre Weis⸗
„beit, ehrwürdige Vater, wird mir den Sinn
„deſſelben, den ich. größten Theils nur noch ahn⸗
‚pen kann, vollftändig auffchliegen. Ich fühle
„es, daß meine Wege biernieden nichf die ges
„‚wöhnlicdyen feyn werden, und nur mit Mübe
„erwehre ich mid) der geheimen Furcht, daß end⸗
— GB m
„ich nicht auch ich, wie viele Gottſeligen, der
„Zaubermadht der Phantafie ein Dpfer werde,
„und in dem Wahne finnlider Bifionen, Erta«
„fen und DÖffenbarungen untergehe. Darum
„bleiben Sie mir Bater meines Geiftes, indem
„Sie meinem Blicke auch nicht den feinften Punct
„entgehen laffen, welchen Gie, geübter Geber,
„auf der Öränzlinie zwiſchen der Wiffenfchaft des
„Böttlidyen und dem Fanatismus entdeden.”
„Jtod) gönnet man mir nur wenig Zeit zum
„Mahlen, doch in einer Madonna mit dem Kins
„de, an der id feif meiner Geneſung arbeite,
„wird die himmliſche Geftalt der Camilla as
„licetti und ihrer Heinen Diympia lieblicher,
„als in allen meinen frühern ®emählden, vers
„klärt erſcheinen. Während ich mahle, ſpieit
„Fabio auf der Harfe und befördert durch feis
„nen Befang den Aufſchwung meines Beiftes.
„eine übrige Zeit ift zwifchen den zwey Stoi⸗
„tern und den drey Dichtern getheilt; doch die
„Weiheſtunden meines innern Pebene feyere ich
„größten Theilsmit Marfigliogicino. Flieht
„mich des Nachts der Schlaf, fo zeichnet mir
„Ss abio das Bild verfloffener Tage, idy bin bey
„nen, und oft ift mir, als, fände-ic, die hö⸗
„bere Bedeutung Ihrer Lehren in den Sternen. u
„Borgeftern hat mir mein Oheim in Abba:
„te Bonella meinen’ künftigen Mentor vorge:
„ſtellt und zugleich angefündiget, daß ich einige
„Jahre mit: ihm reiſen werde. Ich ſoll nicht
„mehr Griechiſche Bücher Iefen , foll den Tände:
„leyen mit der Poefie und Mahlerey ein Ende
„machen, den Tacifus und Madiapelli'
„ftudieren, Corfica feinem Schickſale, meine
„übrigen Schwärmereyen Mönchen und Ein:
„fiedlern überlaffen, durdy Klugheit, Weltkennt:
„niß und Gelehrfamleit mir ein: neues Baters
„land. erwerben, und durch flaafsbürgerlidye
„DBerdienfte den Nahmen der Drnano’s auch
„außer Corſica berühmt machen: fo will es
„Earlo, dem thätige Theilnahme an öffentlis
„Shen Angelegenheiten und Sfaafsämtern die
„würdigſte Beflimmung, des. Menfchen und die
„unerläßlichſte Bedingung feiner Selbſtachtung
‚zu feyn ſcheint. Er machte fogleidy Miene, mei
„ne mablerifchen Studien zu zerreißen , mein
„Sarbenkäftchen zu zertrümmern, und meiner
„Reife:Bibliothet, des mir fo £heuern Denkmahls
\
-
AIhrer Liebe, mich zu berauben. Dieſem allen
„widerſetzte ſich der Abbate mit der Andeutung,
„daß er das Haus meines Oheims ſogleich wie⸗
„over räumen müßte, wenn man mid) ihm nicht
„mit unbedingtem Vertrauen überlaffen könnte.
„Aber Fabio ſoll nad) Pifa zurück, darauf be⸗
„steht der harte Mann, und ich fürchte, Go⸗
„nella wird mir ihn mit dem beſten Willen:
„nicht erhalten fünnen. Kein Funke der Liebe
„und Dankbarkeit wird für Don Earlo in
„meinem Hergen auflodern, wenn er felbft alle
„Fäden, die mid Bermwaiften an das Menſchen⸗
„geſchlecht heften, gewaltfam zerreißf, und ich
„nur im Gefühle meiner Wunden feiner gedene
„ten kann. Beherzt ftellte der Abbate in meiner
„Gegenwart unbeſchränkte Sreyheit unter der
„Leitung der Klugheit, als die weſentliche Be⸗
„dingung einer liberalen Menfchenbildung auf,
„mein Oheim fehüttelte daben bedenklid, den
„Kopf; mir aber flößfen feine Behauptungen
„zieniliches Bertrauen zu ihm ein, und ich wür⸗
„de mid) ihm fogleidy mit Liebe hingegeben has
„ben, wenn ich nicht feine auffallende Leidens
„Ichaftslofigkeit noch ſcheuete. Das Einzige,
„wofür ich big jetzt ein Iebhafteres Intereſſe In
„ihm entdeden konnte, fiıd Pflanzen und Gteie
‚nme. Rath neun Lagen foll die Reife vor ſich
„gehen, und, wie ic) höre, werden wir ſchon
„den nächſten Winfer an den Freuden. und Ger
„nüſſen Benedigs Theil nehmen. Möchten
„Sie doch, bevor ich diefe Gegend verlaffe, mid)
„mit einigen Worten der Weisheit und Freund⸗
„schaft erfreuen !“
8
Nach einigen Tagen erhielt Bonaventu—⸗
za von Peraldi folgende Antwort: „Deffne
„vein Gemüth, mein Sobn, den Einwirkungen
„ver ewigen Welt mit tindlicher Ergebung; du
„haft nichts zu fürchten, und auf der Bahn, auf
„welcher du fo gemeſſen und ficyer einher ſchrei⸗
„ten gelernet haft, wirſt du die Gränzlinie zwi⸗
„ſchen der Wiſſenſchaft des Böttlichen und dem
„ganatismus nicht leicht überfteigen. Kaum be«
„varfit du nach deinem Traume, das ift,
- „nad) einer folchen Erfahrung des innigs
„ſten Lebens deiner Seele imWeberfinn-
wm
— [| 26 \ ums
lichen, noch einer Beruhigung von mir. Wo
„felbft bey völliger Gebundenheit des äußern
„Sinnes;, der innere ſich fo richfig äußert, und
„bey überwiegender Ihätigfeit der Phantafie
„die Bernunft dennod, ihre Herrſchaft behaup⸗
„tet, dort if das Gemüth nad) der Harmonie
‚ „des göftlihen AU geordnet, dorf find finnlie
„che Viſionen, wahrnehmbare Ertafen und ver⸗
„nehmliche Offenbarungen, lauter Paroxysmen
„eines zerrütteten Gemüthes, nicht mehr mög;
„lich. Alles Wunderbare in deinem Traume,
„Die einladende Stimme, dem Jünglinge zu fols
„gen, die Worte deines Vaters, die in dir ers
„wachende Gewißheit von feinem Daſeyn, Die
„Defonders merkwürdigen Auffchlüffe des Ge⸗
„nius, waren nicht nur eigenthünliche Wirkun⸗
„gen des freyen Seyns deiner Seele, was die
„bedeutenden Träume bey. allen Menſchen find;
„jondern fie kündigten ſich auch, ala ſolche, in
„deinem Bewußtſeyn an, was nur wenigen Er:
„denföhnen begegnet. Ueber die Duelle der Dfs
„fenbarungen, die.dir geworden find, kannſt du
„nicht mehr im Zweifel feyn, feit dem: du bes
„griffen Baft, dag in dem menſchlichen Geiſte
— 27 —
„unendlich mehr vorhanden ſey, als was die
„Analyſe unſerer ſcharfſinnigſten Logiker und
„Pſyochologen von ihm zeiget. Der Maßſtab
„der Begriffe iſt für ihn viel zu Mein, und feine
„Tiefen find jedem andern, als dem religiöfen
„Auge, verfchloffen. Die Kunde, welche deine
„Pbantafie ‚ihrer Natur gemaͤß, in Worte und
„Geſtalten kleiden mußte, war nichts anders,
„als eine Anſchauung deines eigentlichen, mahe
„ten, reinen Ich von den Begebenheiten feines
„ſymboliſchen Dafeyns. Den Beweis. gibt dir
„der Schluß deines Traumes, die Befläfigung
„wirſt du in der Erfüllung finden.“
„Die Warnung deines Vafers, oder vie
„mebr deines reinen Selbſt folk dir vorzüglich
„wichtig feyn und bleiben; und id, rmünfche,
„daß du den Sinn derfelben nicht nur volfftän«
„dig faffeft, fondern ihn auch als Richtſchnur
„veines Wandels bereitwillig anerkenneſt. Du
„haſt mehr Neigung zur Ruhe und Gpeeulas
„ton, als zur Thätigkeit außer dir; auch diefe
„Neigung mußf du der Vernunft unbedingt uns
„ferordnen: e8 wird dir leichf werden, wenn dus
„die Einheit des Ydealen und Wirklichen in der
-
8 —
„Idee, und Die Lleberzeugung, daß die gewalt⸗
„ame Entzweyung diefer Einheit durch den Bes
„griff, die Duelle alles Irrthumes aller Süne
„de, aller Unzufriedenheit und alles Llebels ſey,
„deiner Aufmerkſamkeit nie entſchwinden Läffeft.
„Es ift nicht wahr, mein Sohn, daß derjenige
„im Reiche der Ideen einheimifdy werden könne,
„der im Gebiethe ihrer ſymboliſchen Erfcyeinuns
„gen ein müßiger $remdling geblieben ift. Wie
„mollteft du auch unter einem Haufen gleich ges
„kleideter Menſchen Benedic£ den XIV. oh-
„me fremde Beyhülfe heraus finden, wenn du
„mie ihn felbft, oder ein freues Bild von ihm, ges
„fehen; oder mie fönnteft du Raphaels Geiſt
„und Charakter beflimmen, wenn du nnterlaf:
„fen hätteft, irgend eines feiner und feiner Mei⸗
„ſter Werke zu ſtudieren? Moſes läßt Gott
„ſelbſt durch ſechs Tage an dem Weltgebäude
„arbeiten, und erſt den ſiebenten die Güte, das
‚ft Das Idealiſche alles deffen, was er gemacht
„bet, in heiliger Ruhe und mit Wohlgefallen
5 „beſchauen.“
„Alſo erſt handeln und wirken, mein Gobn,
„und dann ruhen. Das Leben im Unendliden
— 29 —
„iſt ein fortdauerndes Entſinnlichen, Verklaͤren,
„Vergoͤttlichen; dazu aber muß der Geiſt den
„‚Stoff durch die Thaͤtigkeit im Endlichen fame
„mein. Es iſt ein ungeheurer Unterſchied zwi⸗
„ſchen dem Untetgehen im Sinnlichen, Zufällis
„gen, Zeitlichen, und der Fertigkeit, das Sinn⸗
„liche in feiner geiſtigen Bedeutung, das Fufäls
‚ilige in feinetunbedtngten Nothwendigkeit und
„das Yeitliche In: feiner Richtiarg nach dem
„Ewigen zu begreifen; gegen das Erktere bift du
„sehon ducd) den reger Drang deines: Weſens
„gefichert, das Ceptere iſt das el}. va dem
„ou fireben folft.# « rer
„Darum folge il jeder Aufforderung zur
„Thätigkeit, und bewähre dich zu jedem gemeine
„müßigen Geſchäfte brauchbar; es kvmmt nie
„darauf an, was, ſondern in welchem Geis
„ſte du es thuſt, oder mit welcher Gewandtheit
„du die unſelige Trennung, zwiſchen dem Idea⸗
„Ten und Wirklichen der Dinge vermittelſt. Nur
„der bat die Weihe des echten Lebens empfan⸗
„gen, weldyer, bey. gleidyer Bildüng und Ges
„ſchicklichkeit zu Allem, ohne Störung der Ruhe
„und Klarheit feiner innern Welt, zu jeder Zeit
|
— 30 —
„ſich aufgelegt fühlt, entweder den Rechtshan⸗
„Del einer ſtreitenden Partey vor Gerichte zu
„nerfechten, oder in fliller Zurückgezogenheit
„fein angeerbtes Geld zu bauen; als Krieger
„für fein Baterland zu impfen, oder als Lünfte
er das Ideal der Schönheit in neuen Schö⸗
„pfungen darzuftellen ; als Sofmann den ſchwa⸗
„en Fürſten, zum Beflen feines Volkes, ber
„guter Laune zu erhalten, vder ale Priefter der
„Kicche jhren gläubigen Kindern das Evange⸗
_ „Kium gu perfändigen. Univerfalität, nicht Ein«
„feitigteit des Geiſtes iſt Die Bedingung, unier
„welcher fidy dem Mleufchen die höhern Myſte⸗
„cien des Lebens auffchliegen “
„So lange du zu jener dich noch nicht er=
„boben haft, wird es dir oft ſcheinen, als thuͤ⸗
„teft du befier, dich vor den Aufforderungen
„und Berftresungen der. Welt in. eine einfame
„Kiofterzelle zu verbergen; dann aber bedenke,
„daß die Duelle der Zerficeuungen, weiche du
„vermeiden möchteft, nicht in den äußern Beis .
„bältniffen , fondern in der Gemüthlofigkeit und
‚innern Leerheit der Menſchen lieg. Vergiß
„auch des Belennfniffes nicht, das du bismeis
— 310 —
„len von mir gehöret haſt; mit innigſter Zufrie⸗ |
„denheit wiederhohle ich's dir: erſt nach den
„‚männigfaltigen Verwickelungen eines thäfigen
„Weltlebens, und durch die Erfahrungen, wo⸗
„mit mid) mein Lehramt zu Paris, meine Kries
„gesdienſte in Holland und Deutſchland, meine
„Geſandtſchaften in Spanien und England, und
„meine Procurafüren in anferm gemeinfchaftlis
„ben Baterlande bereichert hatten, konnte ſich
„derjenige Zuftand des Gemüthes und der
„Geiſt der Wiffenfehaft in mir bilden, welcher
„dem echten Ordensmanne unentbehrlich), ift.
„Datum mürde ich auch jeßt noch Beinen Augen»
„blick anftehen , meine Zelle zu derlaſſen, fobald
„Sorfica’s Bäter für guf fänden, mich zu rufen,
„und meiner Kraft einen neuen Wirkungakreis
„anzumeifen. Hur felten ift der Beruf des Fünge
„lings zur Plöfterlihen Einfamteit von Gott;
„und wo er's iſt, dort muß er ſich durch außer⸗
„ordentliche Merkmahle ankündigen. Der Klo⸗
„ſterſtand würde nicht ſo raſch ſeinem Unter-
„gange zueilen, verſchlöſſe er feine Hallen in der
„Regel jedem, den nicht vorher die Welt aus
„ihrer Lehre und ihrem Dienfte entlaffen oder
SB —
. „verftoßen-hätte; und ich feufge über jeden, der
„mir vor feinem vierzigften Jahre im Drdenss
‚Heide begegnef: er hat füch zu feinem Verder⸗
„ben der Meiſterſchaft bemächtigt, bevor er
„Lehrling war.“
„Auch Id) glaube „mein Sohn, Bag Deine:
„Wege biernieden nicht die gewöhnlichen feyn
„werden ; allein auf welche du auch geführet
„werden mögeft, auf jedem wirſt du ſicher wan⸗
„deln und ſo wirken, wie Menſchen wirken ſol⸗
„Ien, fo lange das dreyeinige Licht der Philoſo⸗
„pbie, der Kunſt und der Religion ungetrennt
„deine Schritte leitet und beleuchte. Nur da⸗
„mit du diefes Licht in feiner Einheif ohne Un⸗
„terlaß beſchaueſt, und nach jeder Verdunke⸗
„lung deffelben durch die Anmagungen des Bere
„ftandes oder der Sinnlichkeit es ſchneller wie:
„der findeft, Habe ic) dir den Seneca und den
„Merfiglio $icino, den Luis de Leon
„und den Benivieni, den Auguſtinus und
„den Barbanfon zu Gefährten auf deiner Les
„bensreife mitgegeben: doch wenn du fie zu Ras
„the zieheft, fo halte dich nicht lediglid, an den
„Körper ihrer Worte, in welchen fie die Unend⸗
„lich⸗
— 3 —
„lichkeit ihres Geiſtes und ihrer Ideen zuſam⸗
„men draͤngen und begraͤnzen mußten. Gie zei⸗
„gen dir nur in der Einheit der Linie, was ſich |
„in deinem Gemüthe, fo, mie es in dem ihrigen
„Dar, zu einer unermeßlichen Släche ausdehnen
„ſoll; und du mürdeft deinen Irrthum oft bes
„treuen müffen, wenn du den Haufen der Mas
„terialien, den fie, ohne Rüdfiht auf die Un⸗
„gleichartigkeit derſelben, zuſammen trugen, als
„ein vollendetes Gebäude beziehen mollteft. u
„Es iftmir lieb, daß ſich das Bild der ſchönen
„Gamilla mit ihrem Kinde nicht nur ſeit deinem
„zehnten Jahre lebhaft in deiner Seele erhälten
„hat, ſondern auch in deinen Kunſtverſuchen ſich
„immer idealiſcher verklärf: ich betrachte dieß
„als eine gufe Borbedeufung ; der höhere Kunfts
„ſinn ſchließt fi) dem Gemüthe nur unferderims
„mermährenden Contemplafion des deals der
„Schönheit auf, und die Annäherung an dafs
„felbe wird befrächtlidy erleichtert, wenn es in
„einer beſtimmten Geſtalt verſinnlicht erfcheint,
„und in der Seele ſich bleibend abbildet.“
„Ich tadle deinen Dheim nicht, daß er ei⸗
„men einſichtsvollen, gewandten und thätigen
4m
„Beltmann aus dir. machen will, Aenn ich woll⸗
‚fe ja eben daffelbe. Freylich war die Ark, wie
net dabey verfahren zu müſſen glaubte, die un⸗
„richtigſte, die er wählen konnte; dieß ſoll dir
„aber die Güte ſeiner Abſicht nicht verdächtig
„machen, es beweiſet bloß, daß er Das Nothwen⸗
„dige nur noch dunkel ahndet, welches ich dir
| „oben in ziemlicher Klarheit dargeftellt habe.
„Auch mag er ſchwerlich miffen, daß man erft
‚ „dann in der Erfheinungsmelt recht
„zuderfihtli und frudtbar wirken
-„Eönne, wenn fi das Chaos der ideas
„liſchen Welt durch Philofoppie, Kunft
„und Religionim Gemüthe völlig ge—
„ordnetund aufgehellethat.“
„Laß es dir gefallen, mit Gonella nicht
„nur den Tacitus, ſondern alle Alten, beſon⸗
„bers die Griechen, und unter dieſen borzüglich
„den Platon, wenn Rein Nientor der Griechis
„hen Sprache kundig iſt, zu leſen. Es kann
„dir gar nicht ſchwer werden, Don Carlo zu
„überreden, daß du. feinen Wünfdyen und Er: .
„warfungen durch das Studium der Griechen
„gepoiffer und gründligher, als durch das Lefen
— 5 —
„Der Römer und der Neuern entſprechen wür⸗
„deſt. Du beleidigeſt damit die Wahrheit nicht,
„denn die Werke der Erſtern hat der lebendigfte
„Runftfinn und das kräftigſte Gefühl des Les
„bens, die Nachahmungen der Leßtern nur Die
„kalte und erfünftelte Reflexion hetvor gebracht.
„Je tiefer du in Die Runde der alten Welt ein⸗
„dringen wirft, defto fchneller wird deiner ins.
„nern das Kleine, Dürftige und Unmürdige deis
„ses Feitalters perſchwinden. Dein Geift wird,
„über die befchränkenden Linigebungen der Bes
genwart erhaben, den unabfehbaren Kreis eis
„ner großen Vergangenheit überſchauen, und
„in ihr den Maßſtab wahrer Größe finden:
„überall werden ſich dir geoße Charaktere, Die
„Herrſchaft hoher Gefinnungen, das allgemeine
„Streben nad) dem linvergänglichen, und die
„Kunſt, dem Allgemeinen das Einzelne unterzu⸗
„ordnen, in ftarken Zügen daritellen.: Die ges
„fegmäßige Form in den poetifchen, plaſtiſchen
„und philoſophiſchen Kunſtwerken der Griechen
„war der reinfte Abdrud der ewigen “dee von -
„der Urſchoͤnheit; und felbft die ehrwürdigen
„Refte von ihnen, die wir heufe nur bemundern,
C2
— 5 —
„icht erreichen können, find größten Theils freye
„Ergießungen eines Gemüthes, welches von der
„Anſchauung einer vergöfflichten Menſchheit er⸗
„griffen war. Sie ſind nirgends größer und
„vortrefflicher, als wo fie alle Erſcheinungen nur
„nach ihrer Beziehung auf die ewi eſtim⸗
„mung des Menſchen beurtheilen, oder die gaͤnz⸗
„liche Vernichtung aller Eigenthuͤmlichkeit unter
„der Majeſtät des AU hervor ſcheinen -Taffen;
„und gerade dieß iſt das untrügliche Merkmahl,
„daß fie ;ih der Beſchauung der ewigen Gcyön«
„heit verloren, nur den Goff, der fie erfüllte,
„aus ſich reden und fchaffen ließen. Aber merke |
„es wohl, mein Sohn, nicht derjenige widmete
„ſich dem Studium ihrer Werke würdiglich, der
„daffelbe zum Mittel, den Trieb der Nachah⸗
„mung zu befdjäftigen, herab mürdiget; auch
„dei nicht, welcher es als Duelle, den’ Reiche
„thum feiner glänzenden Bielmifferey zu vers
„wehren, benußen will, fordern nur der Aus
„erwählte, welcher fähig ift, ihre göttliche Sin⸗
„nes ärt in feine reine Geele aufzunehmen; und
„überall in dem Zufälligen nur das Nothwendi—
„ge, in dem Bedingten lediglidy das Unbeding-
- 1°- |
Ae, und in dem @ingelnen bloß das Allgemeine
„mit Andacht und Ehrfurcht zu befradyten.“
„Unter den Griechen empfahl ich dir vor
„allen das Studium des Platon, weil id
„wichts Eenne, was bey der Richtung deines
„‚Beifles dir zuträglicher wäre; darum gab.ich
„dir auch [don letztens Marſiglio Ficino's
„Briefe mit. Wäreſt du noch länger bey mir
„geblieben, ſo würde ich dich eheſtens in die er⸗
„habne Welt des göttlidyen Weiſen eingeführet
„und ihre Höhen und Tiefen dir gezeiget haben;
‚jest muß ich allen Beyſtund, den ich dir auf
„deiner Wallfahrt in diefelbe leiften kann, auf
„folgende Weiſung befhränten: Da Platon
„von dem Unermeglichen, das feinen Geiſt über;
„Strablet hatte, nur das Wenfyſte in Begriffe
‚Aleiden und in Worten ausfprechen konnte, fo
ſchaͤrfe deine Aufmerkſamkeit mehr auf das,
„was unter dem Vernehmen ſeiner Offenbarun⸗
„gen in deinem Gemüthe von ſelbſt ſich aufklä⸗
„ret, als auf das, was er, in die Schranken des
„Schrifiſtellers eingezwãngt, behauptet. Werde
„Platons freyer, ſelbſtthaͤtiger Geiſtesgenoß,
„nicht nachlallender Platoniker.“
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— 30 —
.: „Refe glädlidht Thus allenthalben, was
„du ſollſt, fieh alles, was dir pargeführt wird,
„fanmle dir Stoß, fo piel du kannſt; dabey -
„apache über die Andüchkeit deines Herzens und
„über: Die Keufräheit deines Ginnes; überall
„aber gedenke der Winke deines treuen Cocſen⸗
. 2orenzo Pera.
nn msn
N
. Sonapenfura frat mit Gonella, in Bes
leitung eines alten. Bedienten des Drnanifcyen
Baufes, feine Reife an, Fabi o mußte, ungeach⸗
tet der Thränen des Imglings und der Vor⸗
fiellangen des Abhate, nach Pifa zurück kehren.
Earlo liebte die Muſik nidyt, und Tonnte die
Genialitäf nirgends, am mwenigfter aber an eis
nem Menfchen ertragen, den er für nichts Bef
. feres, als für einen Bedieuten hielt, Leber dieß
fürchtefe er, der junge Paduaner, unterftügf
durch die lange Gewohnheit und die Vertrau⸗
lichkeit des SYünglings, mödyte die Vorliebe defs
felben für die, nad, feiner Würdigung müßi-
gen Künfte, im welchen Fabio fich vorzüglich
\
+
.
— 9 —
auszeichnete, Troß aller Borfiht Gonella’s,
immer mehr nähren und verflärken. Zum Gtü-
cke für den Gekränkten war der Abbate felbft
Berehrer der Kunfl, Kenner der Muſik umd
Freund der Griechiſchen Literatur; von ihm hat:
te Bonapenfura Feine Sinderniffe zu fürch⸗
ferı, aber aud) Feine Beförderung im diefen Dins
gen zu hoffen; denn der meltfluge, bloß ver⸗
fländige ımd gelehrte Mann, war überall in
dem Stoffe perfunfen, und um die Kraft ges
tommen, fi} zur Form und zum Geifte empor
zu ſchwingen. Auch begann er fein Amt bey dem
Jünglinge in dem enffchiedenften Srrthume. Oh⸗
ne ihn aufmerkſam beobachtet und ganz erforſcht
zu haben, nahm er als ausgemacht an, was er
ſeyn müßfe, Er war völlig überzeugt, daß er
einen durch Schmärmeren und Aberglauben ver»
wahrloſeten Zögling eines gemeinen Jeſuiten vor
ſich hätte, und in diefem Wahne wollte er durch
allerley kuͤnſtliche Maßregeln und Mißgriffe
aus ihm machen, was er entweder nad) feiner
Eigenthümlichkeit nicht werden konnte, oder mas
fi) aus derfelben, ganz don felbft und ohne
äußere Mitwirkung, hätte entwickeln müffen.
— 0 —
Der erſte Ruhepunct der Reiſenden war Bo⸗
logna; ohne Bedenklichkeit erhielt Bonaven⸗
tura von feinem Begleiter, daß der IBeg das.
bin über Certaldo genommen wurde, Dorf
hoffte er, den Eremiten Renato zu freffen, und
wenn nirgend anderswo, doch wenigſtens von
dieſem würdigen Manne Auffchlüffe über feinen
Bater zu erhalten. In Gerafino’s Billa fand
er niemanden, als einen Berwalter, den fein
Dheim bingefest hatte, und der non allem, was
der Jüngling fragte, nichts mußfe, Um fo bes
gieriger eilte diefer in das tiefere Thal zur Eins
fiedeley hinab ; aber auch der Bewohner derſel⸗
ben tar fort, und fein alter Diener konnte keine
andere Nachricht von ihm geben, als daß der
\ fonderbare Mann auf mehrere Jahre Abfdyied
genommen, und, im Salle er nicht mehr zurück
kehrte, ihn zum Erben der anmuthigen Klaufe ein=
gefest hätte. Geines Traumes eingedent, ward
der junge orfe über diefe Kunde nicht im gering«
ften entrüſtet; heller, als fein verfehltes Ziel, ſtand
‚in feiner Seele die Hoffnung, in kurzer Zeit Res
nato und durdy ihn aud) feinen Bater zu finden.
. Swifchen Monzone und Bologna brachte
er, nad mancherley ſchmeichelhaften Aeußerun⸗
gen gegen Gonella, die Verhältniſſe in Vor⸗
fehlag, welche während der ganzen Reife unfer
ihnen beyden obwalten follten. Die Beftimmung,
. der Reiſe-Route, der Art zu reifen und des Auf,
enthaltes an einem Drte, ‚fiellte er dem Abbate
ausfchließend anheim, und verſprach ihm in al:
Iem die firengfte Folgſamkeit; nur wenn fie in
einer Stadt vermeilten, follte er den Morgen
und den ganzen Vormittag, ohne weitere Gor:
ge, ihn völlig ſich felbft-überlaffen. Dagegen
wollte er den Nachmittag und. Abend’ nur mit
ihm und ganz nad) feinem Wohlgefallen verle⸗
ben. Die von feinem Oheim angeordnete Per:
türe follte, theils unter IBeges, in der Mittags»
und Nachtherberge, £heils in den länger Wine
ferabenden gefrieben werden, wobey er es jes
doc) als ein befonderes Zeichen der Liebe und
- Sreundfchaft anfehen würde, wenn Gonella
diefe Beſchäftigung nicht mit dem Tacitus,
fondern mit Platons Büchern non derRepubs
lik und den Gefeßen anfangen, mit ſeinen übrie ,
gen Schriften fortfahren, darauf den Poly⸗
bios und Plutarchos folgen laſſen, und erſt
dann zu den Römern übergehen wollte. Der
Abbate gab zu allem feine Einwilligung, und
bereitete feinen irrigen Verfahrungoplan nur
mit dem Antrage vor, daß Bon aventara in
feiner Geſellſchaft fleißig dem Gottes dienſte bey⸗
wohnen, und, außer ˖ den Griechen und Römern,
aud) gofffelige und andere Iehrreiche Bücher mit
ibm lefen müßte, weil die Furcht des Herrn der
Aufang aller Weisheit fer.
Beyde'hielfen einander redlich, mag fie fi fi 5
Berfprochen haften. Für den Aufenthalt zu Bos
logna waren zwölf Tage beſtimmt, und der
Jüngling blieb alle Bormittage Herr feiner Zeit.
' Mit Camilla’s herrlicher Geftalt in’ feiner Sees
le, fuchfe er vor allen die Madomren : Bilder
des Lippo Dalmafrund Guido Reni auf.
Durch die Zeinheit feines Sinnes ward er bald
mit dem hinreißenden Charakter von Unfchuld,
Andacht und Heiligkeit, welcher Dalmafi’s
Werke auszeichnet, in allen feinen Ituanzen und
Abſtufungen vertraut; doch inniger fühlte er
ſich von dem unerflärbaren , idenlifchen Leben,
bon der verklärten Jartheit, Schönheit und Ma⸗
jeftät aus Guido’ 8 Madonnen angefprochen,
Bon einigen Werken diefer beyden Künftler ent»
warf er fi) Studien, durch deren Hülfe er das
heilige Gefühl, das ihn unter der Beſchauung
ergriffen hatte, in feinen einfamen Weiheſtunden
der Kunft in fich erneuern konnte. Er geigte fie
feinem ehönrahligen Zeichenmeifter, Giovanni
Sorbi, den.er unerwartef in der &lementin«
wiedergefehen bafte, und dieſer bemunderte die
richtige Beobachtung und Auffaffung des Eis
senthimlichen und Wefentlichen der Formen, in
weichen der rhabııe Ausdrud der genannten
Künftier lag. Freudig both ih ihm nun ®o rb#
zum Wegweifer in Bologna an, und gab iym den
Rath, um Bie Kunft in ihrer höchſten Kraft and |
Würbe kennen zu fernen, den Charakter der
religiöfenBegeifternng ganzporzüglich zu
ſtudieren. „Dieſen,“ meinte er, hätten die Käift«
„ler rein aus ihrem edlern Selb ſchöpfen müfe
„fen, weil in dem ganzen Gebiethe des Antiken
„keine Muſter davon vorhanden wären.“
Vor allen führte er ihn in die Kirche Gan
Giovanni in Monte zur heil. Eäcilia von Ra⸗
pbael, und fieß ihn in den Geſichtszügen der
gottſeligen Zontünfllerinn den unübertrefflichen
—8
- 4.—
——
Ausdruck der Erhebung über alles Irdiſche und
des leben digſten Verlangens nad) dem. Ewigen
und Göttlichen betrachten. Bon bier aus mußte
er ihm in die Kirche der Dominicaner : onnen
folgen, auf deren Hochaltare der Martertod der
heiligen Agnes von Dominiehino dargeftell€
ift. Dorf. machte.er ihn auf den groß und frafs
tig berrfchenden Charakter des religiöfen Hero⸗
ismus aufmerkfam, von welchem die Blutzeu⸗
ginn des Chriſtenthumes entflammt, im dem Au⸗
genblide, als ihr Körper den ſchrecklichſten Mar⸗
fern unterliegt, durd, die Macht des Berfrauens
und der Liebe zu Gott die Giegespalme der Un⸗
ſterblichkeit erringt. Das weinende ‚Kind im
Bordergrunde des Bildes und die ſchͤne Grup⸗
pe der frommen drey Frauen, melche über Die
unbezwingliche Macht der Wahrheit mis einan⸗
der zu fprechen ſcheinen, verftärkte in Bonas
ventura den Eindrud des hier fo herrlich
gefeyerten Triumphes der Religion. Mit den,
Worten: „er wolle bier nich£ mahlen, fondern
„gottſelig empfinden lernen;“ bath er feinen -
Führer, zu ſchweigen, als ihm diefer, nady ge«
wöhnlicher Künftlerfitte, nun aud) dag Fehler⸗
1
on — 8 —
hafte des Gemähldes, das zu greife Eolorit in
der bimmlifchen Glorie, den verfehlten Ton in '
der angebrachten Architectur, die Duplicität der
Handlung und dergleichen enthüllen wollte.
„Ich werde dir alfo nichts Mangelhaftes mehr
zeigen!” fprad) Sorbi, und führte ihn nach
San Martino vor das Bemählde des Podonie
ro Earracci, auf welchem der heilige Hiero—
npmus, nad) bimmlifcher Weisheit ſich fehnend,
in der Betrachtung des goͤttlichen Wortes Licht
und Erkenntniß von oben hetab erflehet. Der
Süngling konnte ſich nicht enthalten, die fpres
chendſten Züge der Sehnſucht und des Gefühls
der innern Erleuchtung auf der Stelle in feine
Studien einzufragen, und fie drucken fid, auch
in feinem Gemüthe fo lebhaft ab, daß außer
dem weinenden Petrus von Guido Reni im
Pallaſte Zampieris, alles, mas ihm Sorbi in
den übrigen Palläften Bologna’s von Ealas
brefe, Öuercino, Pafinelli und andern
Meiftern der Lombardifchen Schule an diefem
Tage noch vorführfe, nur kalte Bewunderung
und ruhiges Wohlgefallen in ihm erwecken konn:
te. Sor bi bemerkte es und ſprach empfindlich:
— 6 ——
Vollendung in der Kunſt wirſt dar auf dei: |
„ner Reiſe nie erreishen. Sie iſt der Himmel,
„nicht die Schule der Gottſeligkeit. Die Seele
„des echten Künftlers mug fi), unabhängig
„pon einfeitigen Zwecken, erweitern und auss
„dehnen Bönnen, um das Unendliche in feiner“
„ganzen Gülle mit heiliger Liebe in ſich aufzu: |
„nehmen. Ihn rührt und begeiftert überall nur
„das Scyöne.an fi), unbekümmert, in welchen
„Beftalten es ihm erfdheinet. Die Schönheit ift
„ibm alles, mie dem Philofophen die Wahrheit;
„nur fie befchauen® und anbethend,, beißt er je:
„des Intereſſe des Derftandes, oder des Ge⸗
„fühle in ſich ſchweigen. Dich madyen die Reize
„des Befondern unempfänglicy für die Einmwirs
‚ „tungen des. Allgemeinen; nach der zufälligen
„Richtung: deines Geiftes, oder dem Bedürfniffe
„deines Herzens, fafjeft du in eingelnen Kunſt⸗
„werten nur das glücklich Ausgeſprochene der
„Gegenwart, und überhöreft in allen die leifen
Nachklange der fernen Berborgenheif. Ich er-
„ſchrak über deine Gleichgältigkeit vor der Im
„nis des Barrapaggio und der badenden
„Diana des Agoſtigo Carracci; der, dir
Tg —— —
%
— N —
„mißfällige, Stoff verblendete did) gegen - die
„bertliche Sorm, kaum weilte dein Blick auf die:
„jen meifterhaften Schöpfungen, wie auf ges
„wöbnlichen Bildern, weil du fie mit deinen
„goftjeligen Empfindungen in keine Beziehung
„zu bringen wußteſt. Go menig ahndeft du
„nod), Daß aud) fie eine Dffenbarung der ewi⸗
„gen Schönheit find, daß die Bildende Kraft
„überhaupt alle Elemente an ſich zieht, ihr Uns
„gleichartiges in ein Öleicharfiges verwandelt,
„und fie an den gemeinfdyaftlidyen Mittelpunct
„des AU, an die Gottheit, bindet. Du haft nur
- „den Ginn, nicht die Freyheit, die Reizbarkeit,
„nicht die Schmungfraft, die Klarheit, nicht
„audy Die Tiefe des höhern Kunſtgeweihten.“
„Sie fprechen wahr, Meiſter,“ verfegte der .
Süngling , „und mein Gemüth foll Ihre weiſen
„Worte in treuem Andenken bewahren, damit
yich mir nich? nur für dieBefchauung des Schi»
„nen, fondern auch für das Leben in ihm erwer:
„be, was mir noch mangelt. Nur das Eine,
„pas ein weiſer Mann mie unauslöſchlich in
„das Herz gefchrieben hat, erlauben Gie mir,
„in kindlichen Bertrauen Ihnen mitzutheilen.”
[4
on
„„Ueber dem Schönen,“ fagte er oft, „‚fiche
” „„moch etwas Höheres, das Heilige und Göfte
„„liche.““— ft das wahr, fo möchte ic) glau—
„ben, daß die Kant in ihren Schöpfungen nur
„dieß Heilige und Göttliche durch die idealiſchen
„Formen des Schönen verfündigen dürffe; dies
„fe Sormen aber zu empfangen, möchte mobl
‚ „Nicht jeder Stoff geeignet feyn. Döder ſollte ich
„audy in Carravaggio's falfchen Spielern
„und mahrfagenden Zigeunern die himmliſchen
„Reize der Urſchönheit bervundern ‘und unter
„ihrer Hülle das Göttliche entdeden müſſen,
„weil es ihm gefallen haf, fie an einem niedri:
„gen Stoffe zu entheiligen? Die Indith lieg
„mich Kalt, weil mir der Ausdrud ihres Ab-
„ſcheues vor der That dem Bewußtſeyn einer
„göttlichen @ingebung gu miderftreiten, und enf-
„weder ein böfes Gemiffen,, oder ein Widerffre:
„ber des menfchlidhen gegen den hoͤhern Willen
„zu verrathen ſchien. Ben der badenden Diana
„mochte idy nich£ weilen, meil ich das Antike
„nur in den Werken der Alten, nicht in den
„Nachbildungen der Neuern ſehen will. Vers
„zeihen Gie diefe Einfeifigkeit dem Corſen, der
„in
nn Br 7: ENG
„in dem großen Reicdye der Kanſt immer nur ein
„‚befcheidener, mit Dank und Siebe genießender
„Saft bleiben, und nie es wagen wird, in die
„ehrwürdigen Reihen feiner Bürger und Ges
„weibeten ſich einzuſchleichen. Finden Gie mid)
„mit diefer Gefinnung Ihrer Gafifteundfchaft
Anoch ferner würdig, fo, bitte id) Gie, mehr mei:
„me gegenmwärfigen Bedürfniffe, als meine fünf;
„Age Bollendung dabey in Anfchlag zubringen #
Gorbi verfprad) ihm, die erftern am fol .
genden Tage in vollem Maße zu befriedigen. Er
bath fid) feine Gefellfhaft von Gonella für
den ganzen Tag aus, und beflellte ihn mit dem
früheften Niorgen: vor das Thor di San Ma:
molo wo fie fidy einander freffen würden. Gie
gingen zuerff in die Capuciner-⸗Kirche, um Gui⸗
do Reni’s vorzüglichftes Werk in Bologna zu
befchauen. €s ift ein hohes Altarblatt, Ehriftus
am Kreuge und darunter feine Mister, den Jo⸗
annes und die Magdalena vorftellend. Bo⸗
napentura überfah die Richtigkeit der Zeich⸗
nung, die Harmonie. der Anordnung, die Kraft
des Pinfels, ‚die Stärke des Colorits und das
Bollendete in der Ausführung; er fah und fühls
D
— 50 —
te nur den, vom Künſtler ergriffenen, Moment
der Darſtellung, und glaubte wirklich die Wors
te: „Weib ſieh das ift dein Sohn;“ aus dem
Munde des Keilandes zu vernehmen. Lange
bing fein ſinnender Blick an.der Mutter, an dem
Sfünger, an der Freundinn; und in tiefer An:
dacht betrachtete er an ihnen die allmählicdye
Berfchhmelzung des Glaubens an den Meffias
mit derLiebe, mit der Wehmuth und Sehnſucht,
mit der Hoffnung, den Geliebten in feiner Ber:
klaͤrung wieder zu ſehen.
Mit den hier empfangenen @indrüden im
Innern beſchaͤftiget, folgte er ſchweigend ſeinem
Führer auf den Berg ©. Michelein Bosco.
Bor der Pforte des Dlivetaner » Kiofters wollte
der Mahler, daß er fi) an der prächtigen Aus⸗
ſicht in Gottes ſchoͤne Welt ergehen und an ih»
rer munderbaren Beleuchtung erheitern follte;'
allein, .gleichwie fich in feinem Gemüthe alles
Yusgedehnte und Klare mehr zufammen drängte
und in eine moftifche Dunfelheit verbüllte, fo
ward er auch in der Natur, meniger von dem
Ganften und Seitern, als von dem Großen, Düs
flern und Schauderhaften angefprochen. Im
— 51 —
‚Rreuzgange des Klofters fand er fich wieder in
feiner Welt. Dort verlor fid) fein Geift in der
Beſchauung der koſtbaren Refte von den fieben
und dreyßig Sresco : Öemählden aus dem Les‘
ben des heil. Benedickus und der heil. Eäcilia,
an melden Lodoviro Earracci feine hohe
Kunſtweihe, Brigio den Reichthum feiner Er⸗
findungen, Garbieri die Schwärmerey feiner
Gefühle, Guido Reni die Ydealität feines
Ausdrucdes, Eavedone die Wehmuth feines
Herzens, Leonello Spada und Tiarini die
Munterkeit ihres Sinnes wetteifernd veremwiget
hatten. In der Kirche erhob er ſich in das Reid
der Liebe vor Guercino’s Bernardo Zolo«
mei, dem die göffliche Mutter die Drödensregel
überreicht, und an der büßenden Magdalena
von Guido, die im innigften Befühl ihrer Liebe
die Gemwißheit der Verzeihung und ihrer Yusers
mählung findet.
Bis jeßt hatte Bonap enfura, außer in
den Städten, noch feine Mönche gefehen, am
allerıwenigften aber Fannte er foldye, deren ganz
zes Leben der Contemplation gemidmel mar.
Der mit Sichten, Eichen und Cypreſſen dicht bes
D 2
13
— 52 —
pflunzte Berg und die Dlivefaner in weißer Klei⸗
dung führten ihm dgs Bild feines Traummeg ers
j neugrt vor. Ungern frennte er fich nach einem
gaftfreundlichen Nlable von ihnen; denn in jes
dem glaubte er, wenn auch nicht feingn Vater,
doch einen Heiligen zu erbliden. ‚In der Cer⸗
tofa,” fagte Sorbi, „werde id, dir Heilige
„zeigen!“ und hieß ihn folgen.
Dort führte er ihn durch verſchiedene Kreuz⸗
gänge gerade zur Zelle des Paters Girolamo
KColonna, eines Cprfen, an den fie bon dem
Abte der Dlivefaner angemwiefen waren. In der
Gapelle diefes ehrmürdigen Mönches wurde das
begeifternde Gemählde von Lodovico Gar:
racci, Sjoannes in der Wüfte predigend, aufs
bewahret. Der Carfhäufer, ein beiterer, bejahrs
ta Mann und felbft Künftler, lenkte die Aufs
merkſamkeit Bender auf die ſeltnen Borgüge des
Bildes, ohne ihrem Blidde und Gefühle borzus
greifen. In keinem feiner gahlreichen Werke hate
fe Lodovico feinen hohen Ginn, fein innigftes
Leben im Schönen und Göttlicdyen mit folcher
Kraft und Sülle dargeftellt, mie in diefem. Die
‘ Würde, Erhabenbeif und Heiligkeit, welche aus
dem Ganzen fpricht, flößte dem Jünglinge eine
Ehrfurcht ein, mie er fie noch nie empfunden
hatte. Sorbi bewunderte die Vortrefflichkeit
des Entwurfes, die Annehmlichkeit in der Stel:
lung, den Anfland und die Einfachheit in. der
Bewegung, das [höne Verhältniß zwiſchen der
Gtätfe und „Sanftheit im der Sarbengebang:
überall glaubte er das Ydealifche des Buido,
das Eolorif des Litian, das Seuer des Tins
Yoretfo, die Sarmonie des Beronefe und
die Srazie des Correggio überfroffen zu fe
hen. Bon dem allen gewahrte Bonavenfura
eben fo wenig, als’er von Gorbi’s rhetoriſchen
Künſtlerformeln vernahm; ihn durchdrang das
Höhere: er hatte das Edelſte und Schönſte der
Menſchheit in dem Vorläufer Jeſu erſchauet.
Die unerſchütterlichſte Geefengröße und die zare
£efte Demuth, die allergrundende Weisheit und
Die gelaffenfte Gelbftverläugnung, das innnig:
ſte Bewußtſeyn einer göttlichen Gendung und
‚Die beftimmtefte Ueberzeugung, daß der Ruhm
der Taten nur dem Gender, nicht dem Gefand«
fen, gebühre, erſchienen ihm hier in den erhaben⸗
ſten Zügen vereinigt. Auch er mußte feine Bes
geifterung in Worte ausbrechen laffen: „Wie
„Mac und rein,“ rief er,aus, „mußte fi die
„dee der göttlichen Menſchheit in der Seele des
„Rünftlers gefpiegelt haben, der die unmiftelba«
„re Einwirkung der Gottheit auf den Menſchen
„fo groß und vollendet außer ſich binftellen
„konnte! Hier erkenne ich im Bilde die Wahr:
beit, welche idy in den Worten meines Perals
„di nicht faffen Fonnte:“ ‚alles Schaffen,
„„ſelbſt dag göftliche, ift nichts anders, als eine
„„Selbſtbeſchauung und Darftellung der Als
beit oder der Eigenthümlichkeit des Schöpfers
„„außer ſich.““ — ,„Sirolamo errieth den
„Beift, der in dem Sünglinge ſich ankündigte;
„mit berzlichem Wohlgefallen zog er ihn. in feine
„Arme, und begrüßte in ihm den fünftigen Bürs
„ger einer höhern Belt,‘
- Bon allen Schaͤtzen der Kunſt womit die
Carthauſe ausgeſtattet war, hegehrte Bonas
ventuüura nichts weiter mehr zu ſehen; als ihm
aber der Carthäuſer die von ihm ſelbſt in Kup⸗
fer geätzt Communion des heiligen Hie—
ronymus zeigfe und ihm eröffnete, daß das
Driginal:Öemäblde, das berühmtefte von Ag o-
— 55 —
ſtino Carracci, in der großen Kloſterkirche
ſich befinde, bath er den beredten Sorbi, bey
dem Pater zu verweilen, bis er von feiner Walls
fahrt zurüd kehrte. |
ı . Hafte er vor dem Joannes des Podopico
die im Menſchen lebende und wirkende Gott:
beit begriffen „fo entzüdte ihn bier por dem fter«
benden Hieronymus des Agoflino der herrs.
fchende Ausdruck eines goftfeligen Greifes, der, |
durch den Glauben erleudytet, durch die Hoffs
nung geftärft, durdy die Liebe entflammt, und
durch das Borgefühl feiner Geligfeit erheitert,
nur einen Augenblid noch durch die Sohnſucht,
in der Gottheit unterzugehen, lebte. Dort war
er in dem Angeſichte des Heiligen über die hahre
Madf und Majeftät des göftlichen Reidyes,
welches noch kommen follfe, erjtaunt; bier bes
trachtete er in, füßer Wehmuth das Hinſcheiden
eines Auserwählten, deſſen ganzes Weſen die
Herrlichkeit und Glorie diefes Reithes bereite
verkläret hat. Der Künftler Hatte den Moment
gewählt, in welchem der Eterbende, feine Aufs
löfung erwartend, das Abendmahl empfangen
will. Einige Mönche feines Klofters erhalten
‘
- - 6 -
ibn aufrecht, andere find an dem Altare befchäfe
figt, an den Meiften ift der Borfas, fo zu leben,
wie ihr Meifter, an allen der Wunſch, einft fo
wie er zu ſterben, fichtbar. — Eben diefer Vor⸗
ſatz und Wunſch flieg unter der anhaltenden Bes
ſchauung des Bildes in der@eele des Jünglings
Präftiger als jemahls auf; und er glaubfe die
Beftätigung dejfen, mas der innere Einn zu
ihm fprad), ars den Abgrunde der Ewigkeit gu
vernehmen, da plößlich in dem Chor eine Ans
zahl gewaltiger Bagftimmen, von ungemöhnlits
eher Tiefe, mit dem feyerlichen, Deus in adjuto-
rium re. ıc., in aushaltender Schwebung der
Sylben, die Befper begann.
Unterdeffen hatte Gi rolamo feine eigenen
Studien und Berfuche in der Mablerey aufges
flellt. Bonaventura kam aus der Kirche zu⸗
rũck und erſtaunte über die Entdeckung eines
fotchen Meiſters in dern, der Welt abgeftorbe=
nen, Einfiedfer. Noch aufmerffamer ward er auf
ihn, als ihm diefer eine. mit Einſicht und Ges
fhmad georönefe, Sammlung von erhaben
und fief gefchnittenen Gemmen vorlegte, und
endlich durch mancherley Kunſtſtücke von feiner
Erfindung auch feine Kenntniſſe in der Dpfit und
Derfpective bewährte. „Wozu, fragte‘ er, „dieß
„alles dem Manne, deffen Geift, der Erde ver«
„geſſen, nur im Himmliſchen kebt ımd in der
„Beſchauung des Göoͤttlichen ruht
„Mein Simmel und mein Gott.“ erwiederte
®irolamo; „ft überall und in Allem. Du ir⸗
„teft, Sohn meines Vaterlandes, wenn du
„glaubft, das Himmlifche fey von dem Irdi⸗
„schen , fo wie diefe Jelle' von der benachbarten,
„oder wie Eorfica von Sardinien, getrennt. Der
„Menſch macht die Scheidung, der Geift fol in
„Sich wieder einigen, was jener, nur gefäufchf,
„entzweyet hat. ft dir der Htmmels:Sphären
„voppelter Umſchwung unbekannt; und weißt
„du nicht, daß nur durch ihn ihr Licht erzeuget
„und ihre Harmonie erhalten wird ? Auf gleiche
„Weiſe, muß die Sphäre des Gemilthes, in und _
„um ſich felbft harmoniſch thätig, und zugleid) ..
„um ihren Mittelpunct in ruhiger Ergebung
„ich bewegen, wenn das Licht der Gottheit von
„ihr ausfließen, und die Harmonie di de AH durch
„fie erklingen foll. u
„Dann errathe ich nicht, warum Sie Cors
%
— 5 —
„fica berlaffen, und ſich in Diefe Einſamkeit ver⸗
F chloſſen haben.“
„Bernimm dann die Löfung des Stätbfels; ;
„es wird meinem Herzen wohl thun, die bunte
„Kadrte meiner Pilgerfhaft vor einem Gorfen
„noch ein Mahl aufzurollen. Ich lebe jegf vier
„und fechzig jahre, wovon die leßtern gehn,
„roie die Stunden eineg frohen Tages, in diefer
„Jelle mir verfchwunden find, Bon den frühern
„wurden achtzehn auf meine Bildung zur Sitt⸗
„lichkeit, Kunſt und Wiſſenſchaft, fo gut es in
„Eorfica möglidy war, angewendet. Eines Ders
aſchwendete ich als Noviz des Gervifen Dr»
„dens ; ich fraf aus, weil fo mohl mein Inner⸗
„ftes, als audy meine Umgebungen, lauf und
„noch zu rechter Zeit, mir perfündigten, Sturm
„und Drang der Welt, nicht die Rube des Klo⸗
„ters, fey für den Yüngling. Sechs Jahre wid⸗
„mete id) fpdann zu Neapel, Rom und Paris
„den ernftern Wiſſenſchaften „unter welchen die
„Geſchichte, die Mathematik und Metaphyſik ei⸗
„nen vorzüglichen Reiz für mich hatten. Die
„Lodungen des gelehrten Rubmes verleitefen
„mid, zu Zurin den Lehrftuhl der Philofophie
„anzunehmen. Der mir zu Theil gemordene
„Beyfall erregte die Wachſamkeit des Neides,
. „man durdhfchauefe die Hülle, unter welche ich
„meine Lehre von der Emigkeit der Welt verſtek.
‚ten wollte; und nur eine ſchnelle Flucht veftete
„mich aus den Klauen meiner Verfolger. Ich
„ging nad) Neapel und fpielte dort durch fieben
AJahre, bisweilen glücklich, öfters unglücklich,
„mit dem Fantom der Ehre im Dienſte des Hos
„fes und des Königs. Im Gefühle meiner Kraft
„und meiner Unabhängigkeit ließ ich meiner
‚„Dtiginalität allenthalben freyen Lauf; aber
‚fie ward felten geduldet, noch feltener verftans
„ven. Die Gehnfucht nad) meinen vaferländis
‚sen Zelfen trieb mic, nad) Eorfica zurüd, wo
„ich in meinem vier und dreyßigſten Jahre zum
„eben der Liebe erwachte. Jetzt fing ich erft an,
„eine geheime und höhere Bedeutung der Welt,
„der Kunft und der Wiffenfhaft zu ahnden; ich
„ward goftfelig, da idy bis dahin im Herzen
„Freydenker und außerlich nur einer kirchlichen
„Säeinfrömmigteif ergeben mar. Die Unver:
„ſöhnlichkeit des Vaters meiner Geliebten, der
„alle Colonna’s haßte, weil ihn Einer belei-
— 0 —
„digt hatte, widerſetzte ſich durch zwey Jahre
wder Bollendung meines Olückes. Gein Tod ens
„digte meine Leiden, feine Tochter Coſtanza
„Biuliani feyerte mit mir feinen UÜebergang
„iu das Land des. Sriedens durch die heiligſte
„Berbindung. In der anmutbigften Gegen»
„um Gollacaro bezog id) mit ihr ein einfaa
„mes Landhaus, um unfere Öeligkeit in ungen
„Nörter Rube zu genießen. Bald ward fie uns
„durch die Geburf meiner Camilla erhöht; in
„der Baterfreude empfand id, die höchſte Wons
„ne der Menfchlichkeit, aber ihr höchfter Schmerz
„stand mir nody bevor. Auch feine bitfere Scha⸗
Ae mußf ich feeren, als ich nach fünf Jahren
„die Hülle meiner verewigten Coſtanza in die
„Exde ſenkte. Camilla’s Erziehung mar jeßf
„mein einziges Öefchäft, ich übernahm es ohne
„fremde Hülfe, melche ich in Corfica ohnehin
„vergeblich würde geſucht haben. Sie war
„zwölf Jahr alt, als die Väter unferes Volkes
„einen neuen Berfuch wagten, das ſchimpfliche
„Joch der Genuefer abzufchütteln, und die all«
„gemeine Angelegenheit mich nöfbigfe, die väs
| „terliche Sorgfalt der Pflicht gegen das Vaters
— 6 —
„fand unferzuordnen. Ich trat unter die Fah⸗
„men des Lodobico Öiafferri; allein unfes
„re Tapferkeit mußte der Uebermad)t der fheuer
„erkauften Genuefifchen Hülfs-Zruppen unterlies
„gen, wir Tonnen uns der Freyheit nur würdig
„zeigen, fienicht erfämpfen. Unter der Bürgſchaft
„des Kaifers ward ein gezwungener Sriede mit
„unfern Unferdrüdern gefchloffen, und wir gas
„ben alle Hoffnung eines beffein Schickſals auf,
„als wir unſere Helden und Päter, Ci ac cale
„di, Siafferri, Ratfalli und Aitelli,
„treulos verrathen und als Verbrecher gefan—
„gen, nad) Genua abführen ſahen. Der würdi⸗
„ge Priefter Rattalli, auf. des Papftes Bers
„wendung in Sreyheit gefeßt, ging nad) Rom;
„er'war mein Freund, und ohne ihn ward mir
„Dee Aufenthalt in.© olla earo mit jedem Tas
„ge unerfräglicyer.. Ich manderfe daher. mit
„meiner Tochter: und meinem Vermögen aus,
„und kaufte mic bey Capua ein leines Lands
„auf, wo ich alle.meine Sorgen und meine Freu⸗
„den auf die Bildung meiner Tochter beſchränk⸗
„te. Ich glaube fie glücklich vollendet zu haben;
„penn in dem Kinde lebte der äußerſt zarte Sinn
— 62 —
„der Mutter, in mir der Geiſt der Geliebten.
„In ihrem achtzehnten Jahre führte fie die Vor⸗
„ſehung an dgr Hand eines würdigen Mannes
„ia das Heiligthum der Ehe ein, und mid) der
„Drang, hinfort nur mir zu leben, in diefe Fels
„te. Ich hatte gefammelt und gearbeitet, ges
„kämpft und gelitten, genoffen und entbehrt;
‚A& hielt midy für beredyfigt, die Ruhe zu fu:
„Sen. Neues konnte mir nichf mehr begegnen,
„und das Alte unter bloß vermechfelten Geftalz.
„fen mich nicht mehr befchäffigen. Zwar wer».
„den die edeln Eorfen ihre Zeffeln noch oft fpren=
- „gen, und mandyer mürdige Sohn meines Bas,
„terlandes wird Gelegenheit finden, durdy feis
„nen Heldenmuth zu zeigen, wie weit er über die
„entnerofen und frägen Haufen anderer Bölker
„erhaben fey; aber Eorfica wird nie mehr frey
„und unabhängig twerden: gefchähe dieß je:
„mabls, fo würde es mit der Unterjochung des
„erichlafften SStaliens anfangen, und vielleicht.
„mit der Herrfchaft über Europa endigen. Noch
„find der &olonna’s genug dafelbft; Sie mer»
„ven ohne mid) £hun‘, was fie vermögen; der
„Mann, der mit Zug und Recht ſich nad) feiner
„Seimofh fehnt, mütde auf dem auswärtigen
„sampfplaße nur fchlecht beftehen. Wenn idy
„aber dody irgendwo ‚auf Erden meinen Ruf
„dahin erwarten follte, warum nicht gerade
„dort, wo meine Neigung mich hinzog, und wo
„ich meinen einzigen Sreunden biernieden, dem
„Genits der Kunft und dem Geifte der Wiffens
„shaft, mid ganz hingeben konnte. — Hier ift
„mein Eorfica!”
Anden er diefes ſprach, zog er von dem Al
tare feiner Zelle einen Vorhang weg, der einen
Todtenkopf und zwey Bılder bedeckt hatte; dann
fuhr er fort: „dieß mar Eoftanza Giulia—
„mi; dieß ift mir auf Erden von ihr übrig, und
„dieß ift meine Tochter; nun gönne meinem Here
zizen diefe Ruheſtätte!“
„Ha! Camilla di Salicetfi mit ihrem
„Engel Diympia! und Gie ihr Vater!“ rief
Bonaventura innigſt bewegt, warf ſich in
Sirolam os Arme, wand ſich wieder los und
heftete ſein Auge auf die anmuthsvolle Geſtalt,
die ſeit dem erſten Anblicke ſich mausloͤſchlich In
ſeiner Seele abgedruckt hatte. Drey Mahl wie⸗
derhohlte der betroffene Vater ſeine Frage: ob
— 64 —
und woher er feineZ ochter kenne, ehe der Yünge
ling, in Betrachtung des Bildes verfenkt, ihn
hörte und ihm antworten Eonnte; endlich ere
zahlte er. ihm: „daß Salicetti mit Camilla
„und ihrem Kinde vor fieben Jahren auf ibrer
„Slucht aus Eorfica nad) Neapel feinen Vater
„Serafino in Certaldo beſucht, und durd) eis
„ne Unpäßlichkeit nothgedrungen, ſich dafelbft
„drey Wochen lang aufgehalten habe. In dies
„fer Zeit hätte er ſich nie ohne Leiden im Herzen
„von ihr frennen fönnen; und um, dieß ſeltner
„zu müſſen, wäre die kleine DIympia aus ſei⸗
„nen Armen nur an die Bruſt der Mutter und
„von dieſer wieder in ſeine Arme gekommen.
„Auch wußte er ſehr beſtimmt, daß er in dieſen
„drey Wochen mehr, als in den vorhergegan«
„genen drey Jahren, gelernet hätte, weil Ca—
„milla feinen meiften Lehrſtunden beymohnte.
„Erft durch ihre Anleitung wäre ihm der Unter⸗
„echt der Siopanna Sratfellini in der Pa-
„stell: Mablereg erleichtert worden, und ihren
„einfadyen Grundregeln müßte er feine Einſicht
„in die Theorie des Helldunkeln verdanken.” Er
(log mit der Bitte: „air lamo möchte ihn
„mit
„mit einem Bilde von ihr, oder weniaflens mif
„‚einer Zeichnung von ihrer Hand, beglüden, da;
„mit’er fi) bey dem Anblide derfelben den Ges
„muß der feligften Stunden feines Knabenalters
„echt oft erneuern koönnte.“
Girolamo beſaß noch ein kleines, ſpre⸗
chend ähnliches, Portrait, welches fie ſelbſt von
fi) in ihrem fiebzehnten Jahre in Geftalt der
heiligen Thereſia gemahlet hatte, als fie ibm
damit den Wunfch, Carmeliter: Tonne zu wer
den, entdecken wollte; dieß ſchenkte er ihm mit
einem Abdrucke von dem ſterbenden Hieronymus
und mit einer Handſchrift von den vier Büchern
des Petri Cyrnaei de rebus Corsicis zum Uns
denken an diefen Tag, an Camilla’ und an
ihr gemeinfchaftlicyes Vaterland. |
An ſüßer Rübrung, wie der fromme all
fahrter die ‚heilige Stätte, an der fidy ihm die
£röftende Ausficht in eine beffere Zukunft aufges
ſchloſſen hatte, verließ Bonavenfura mit
Sorbi die Earthaufe. Im äußerften Hofe ders
felben zog ihn ein Laienbruder auf die-Geite,
fragte ihn nach feinem Rahmen, und ũberreich⸗
fe ihm einen Zettel, mit der Aufſchrift: Tibi'soli:
E
t
Der Juͤngling öffnete ihn ſogleich und las fol
gendes: -
„Seit drey Tagen bin ich dir überall auf
„dem Fuße gefolgt, und habe erfannf, daß
„deine Wege noch .diefelben find, auf welche
. „©. erafino und Peraldi deine Gchriffe
‚ „leiteten. Du wirft Bologna nicht ohne mich
„und moch einen dir lieben Menſchen ver
„laſſen. Mache, daß. der Abbate dich am
„nächſten Sonntage in das Draforio bey
„den Philippinern führe; für ihn lerneft du
„mich dorf erft kennen. — Stage mich um
„nichts; ich werde einleifen, was geſchehen
‚joU, und was der Einzige, der did) liebt,
au deinem Heile will.“ - . 2
Abbe Bonnevall, fonft Renato.
—
SGBo nella hielt die finnende Stille und die
zarfe Empfaͤnglichkeit feines Zöglings für. alles
Schöne und Religiöfe, feine Borliebe für. Kunſt⸗
werke, welche Gegenftände des Firchlichen Eule
tus darſtellan, und feig enthuſtaſtiſches Wohlge⸗
)
/ — 7 — ”
foln an Leons und Beniviens heiligen
Poeſien für nichts Gewiſſers, als für Folgen feis ’
ner jefuitifchen Erziehung zur Bigotterie und Ans
dächteley. Um ihn von diefem irrig voraus ger
festen Uebel zu heilen, wollte er die Seele des
Sünglings mit Aberglauben und Schwaͤrmerey
in ſolcher Fülle fütfigen, daß endlich, mie er
hoffte, das Llebermag derfelben eine gewaltige
Revolution in ihm erregen, und ibn auf Ein
Mahl von allem Stoffe des Verderbens, von
dem alten und tiefliegenden , wie von dem neu«
en, befteyen müßte. Bologna mar reid) an Ges
legenheiten zu Berfuchen diefer Eur; den ganzen
Tag bis zum fpäten Abend lud das Geläute von
den Thürmen die Gläubigen zu allerleg Uebun⸗
gen der Andacht in die hundert adytzig Kirchen
ein. Die Stadt verehrte unter ihren eigenen vers
erpigfen Bürgern ſechs heilige Maͤtterer, ſieben
und zwanzig ſelige Bekenner, ſieben heilige Jung⸗
frauen; und von den Meiſten verivahrte fie die
Reliquien auf prächtigen Altären oder in koſt⸗
bar ausgeſchmückten Gopellen. Bonapenfura
mußte alle Tadymittage in Bonella’s Begleis
tung dieß alles nicht nur fehen, fondern auf def:
E2
-
\ — 68 —
ſen Veranlaſſung ſich überall auch eine Menge
Legenden und Wundermährchen von den Heili⸗
gen erzählen laffen. Ye unverſchämter die Mön⸗
«he vor dem Grabmable des heiligen Dominie
cu8, vor dem, von Öct. Lucas gemahlten, wun⸗
derthätigen, Marien:Bilde, oder vor dem, feit
zwey hundert Jahren unverweſten, Leichname der
heiligen GathbarinaBigri logen, je aufmerk⸗
famerdonapvenfara, der dem Poetifdyen und
- Romantifchen gerade in den kirchlichen Mythen
am liebſten fi bingab, den Erzählungen zu:
börte, defto inniger gefiel fich der Abbate in feiner
Klugheit, und defto näher glaubte er fich zu fei-
nem Zwecke; darum führte er ihn audy ohne Weis
gerung in das Dratorio bey den Philippinern.
Diefe Draforien wurden alljährlid, von Alz
lerheiligen⸗Tage bis Dftern, jeden Gonntag des
Abends gegeben und beftanden aus einem mu=
fitalifchen Drama in zwey Theilen, bey. deffen
Aufführung einheimifche und fremde Tonkünft-
ler fie) hören liegen. Der Anhalt mar gemöhn>
lid) aus der bibliſchen Geſchichte oder aus der
Legende eines Heiligen, dieß Mahl aus dem Les
ben des. heiligen © regorius Thaumaturgus,
— 69. —
deffen Feſt an Aemfelben Tage begangen wur⸗
de, entlehnt. In den Partien des Euſtachius,
eines Schülers des Öregorius, erfannfe Bos
napentura die lieblide Tenor-Stimme feines.
Sabio. ‚Ecco la Fabio!“ rief Gonella voll
Berwimderung. — Mein treuer Gefährfe auf
„meinen botaniſchen Reifen; ſprach ein Mann,
der hinter ibm ſtand; es war Bonnepall,
jonft der Einfiedler Renafo. Willlommen war
dem Abbafe ein Mann, mit dem er fidy über
feine Liebhaberen unterhalten Eonnte; er vergaß
des heiligen Gregorius ynd der. Muſit, um
Bonnevalls abgebrodene Nachrichten von
den außerordentlichen Schätzen in den verfdie:
denen Gärten und Mufeen Bologna's anzuhös _
ten; felbfl die Freudenthränen ſah er. nicht, die
aus Bonaventura’s Auge über das Wieders
finden feines väterlichen Greundes und feines
Fabio flofien. Fr äußerte das Berlangen, jes
ne Schaͤtze in Bonnevalls Gefellfehaft zu be-
ſehen, diefer fagte ihm feine Dienfte zu, es murs
den auf der Stelle acht Tage dazu beitimmt,
und es ward ausgemacht, daß unterdeſſen Fa⸗
bio ſeine muſikaliſchen Kunſtberwandten in der
\
— 70 u
Stadt befuchen nd Bonaventura ungehin«
dert dem Zuge feiner Kunftandacht folgen Fönnte.
Bon &abio erfuhr fodann der Yüngling,
daß er bey feiner Ankunft in Pifa den ihm ganz
unbefannten Mann bey dein. Pater Peraldi
fon getroffen, daß fich derfelbe nah Somel⸗
Ia’s Eigenthümlichkeiten genau bey ihm erkun⸗
diget, daß er ihm von dem Geſchmacke des Ab:
bate an der Botanik Kenntnif gegeben, und
Bonnevalls Einladung zu einer weiten bofar
nischen Reife, mit Peratldi’g völliger Billigung,
angenommen häffe, worauf fie gleich amt fol«
senden Tage nad) Bologna abgereift: wären.
_ Bonapventura fah bierin deutliche Spuren
eines geheimen Pianes, deffen Ridyfung und
Zweck er jedoch nicht enträthfeln konnte; einge⸗
den? feines Traumes, freuete er fidy.jegt nur der
Sewißheit, am Ende doch durch Renato feis
nen Bater wieder zu finden. ⁊
Das Glück, über acht Tage frey verfügen
gu koönnen, war ihm theuer, und er benutzte es
für fein ganzes Leben, Die Bibliothek des ODli⸗
vefaner:Kloftera auf. dem Berge Gt. Michele
in Bofco war in Bologna die reichfte, der Abt
-
[4
f x
unter den Gelehrten diefer Stadt, als Grieche
arid als Philofopb, fehr berühmt, nur bey den
Ariftofelitern, mit: welchen die Lehrftühle der
Univerfifät befeßt waren, als Neu⸗Platoniker
verrufen, und der Heterodorie verdächtig. Bon
ihm erbath fih Bonavenfura für die Tage
ſeiner Muße gaftfreundfchaftliche Aufnahme in
dern Klofter und eine Anmweifung zum gründls.
chen Studium Platon’s, wozu Peraldi’s
Empfehlung und Kicino’s Briefe das drin»
gendſte Veriangen in ihm erweckt hatten. Mit
edler Liberalität begünſtigte Don Bernardo
Spinelli, ein vertriebener Genuefer und theils
nehmender Freund aller patriotiſchen Corfen,,
das Beftreben des Sfünglings; denn ſchon bey
dem erfien Befuche mit Sorbi hatte ihn der
geiftestundige Mann liebgewonnen. Er wies
ihm eine Zelle an, gab ihm Platon’s Schrif⸗
ten aus der Bibliothek, und fas ihm vorläufig
felbft des Alcinous‘ Abriß der Platonifchen
Lehre, und desProtlos&ommmtar über Plas
ton’s Theologie vor, mehr, um ihm gu zeigen,
worin und warum Alcinous und Proklos
den erhabnen Weiſen nicht verftanden hätten,
— 72 —
als um ihm vorzuſagen, was derſebbe wirklich
gedacht und durch ſeine Behauptungen ange⸗
deutet habe. „Dieß meinte er, ließe ſich weder
„durch die Hülfe feiner unberufenen Ausleger,
„noch durch ſchulmäßige Erläuterungen, nicht
„einmahl durch unabläffiges Leſen feiner Schrif⸗
„fen erreichen, fondern müßte lediglich aus den
tiefen des religiöfen Gemüthes, aus welchen
„aHein Dlaton’a Weigheit gefloffen wäre, us
„ter des Anleitung feiner Winke ergründet wer⸗
„den ; denn nur Winke, nicht Lehrfäge, hätte er
_„miederfchreiben wollen und können.” Auf An⸗
rathen des Abtes wählte Bonaventura jeßt
or allem den Phädros, den größern Hipr
pias und das Gaſtmahl zum Gegenflande
feiner einfamen Gonfemplationen, und zeichnete
“ forgfältig auf, was fidy darunter in feinem Beis
fie nufgefshloffen und zur anfchauenden Erkennt
niß des innern ©innes gebildet hatte. Am letz⸗
ten Zage legte er das Erzeugniß feiner freyen
Thätigkeit der Prüfung Bernard o’s vor, und
diefer bewunderte darin die hellen Spuren feis
ner religiöfen Erleuchtung, die eindringenden
Blicke und hoͤhern Ahndungen ſeines frommen
- 3 —
- Bemüthes. Freudig machte er. ihm mit dem Erem⸗
plar.des Platpn’s ein Öefchenf, und legte ihm
dann bey dem Abfchiede unter andern auch fol⸗
gendes an das Herz:
„So weit ich bis jetzt den Menſchen in fei-
„nem Werden beobachten Eonnte, bemerkte ich,
„daß, in der Regel, nur der Spieltrieb unter
„mannigfaltigen Öeftalten den fnaben und den °
‚jüngling in Thaͤtigkeit feßt und erhält, big
' „Derfelbe allmählich unter dem edlern Bildunges
. „„eriebe verſchwindet. Bey dir, mein Sohn, ift
„es anders. ch babe Männer gefehen, welche
„oiefes Verſchwinden nie erlebten, fondern mif
„dem Wichtigſten, Edelften, Ehrwürdigſten und
„Deiligften der Menfchheit, unter den Nahmen
„Biffenfhaft, Regierung, Gerechtig—
„Leit, oder Religion, bis an ihr Grob nur
‚dpielten,: Die angemeffanen. Urtheile, welche du
„iestens über die Kunſtwerke diefes Klofterg bes
„[heiden geäußert, die Wahl deiner Studien
„und der Geift, mit welchem du in diefen Tagen
„aus der Quelle derfelben geſchoͤpft haft, über:
- " „zeugen mich zu meiner $teude, daß das Thun
‚ „und das Ende jener Männer nicht das deinige
— 74 —
„werden Fönne. — Du haſt früh aufgehörf zu
- „ipiefen, und ‚der Trieb dazu ift in dir bey Feis
„ten unter der Maucht des Kunftfinnes erflorben.
„Ber es auch war, der ihn durdy die frühefte
„Entwickelung deiner Anfchauungstraft fo les
„„bendig in dir zu erwecken mußte, ich verehre
in ihm einen Weifen ; durch feinen erften glück⸗
„lichen Griff kann dein ganzes Leben zum wohl⸗
"„gerathenen Kunſtwerke der Schönheit und
„Weisheit werden: ſchon deine Liebe für Pin«
„ton’s bobe, poetifche Philofopbie ift nichts An⸗
„deres, als eine Wirkung deiner Anfepanumgs-
„eraft und. deines Kunftſinnes.“ — .
„Yu mwandelft eine eigene Bahn und wirft
fie nie verlaffen, denn die gewöhnlichen Wege
„der Menſchen durchkreuzen fie nirgends; nur
„zwey Gefaährten wünſche idy dir, die deiner Gis
„cherheit unentbehrlich find. Der eine iſt männe
„liche Beſonnenheit; der andere Findlie
„He &mpfänglidyfeit für alles, was in deis
„nem Laufe dir begegnef: jene wird umter ab
„ten Einmwirfungen von außen das klare Ber
„wußtſeyn deines Gelbft dir erhalten, Diefe dei⸗
„me menſchliche Eigenthümlichkeit in das Him⸗
—
„melreich einer heiligen Allgemeinheif erheben,
„das erflere nennen unfere Asceten: in ftäter
„Begenmwart Gottes wandeln, das leg.
„tere: Dem Herrn in Einfalt des Herzens
„dienen. Durd, eine gemiffe Praris, welche
„in unferer Spradhe innerlihes Geböth
„beißt, wirft du beydes mit beſtem Erfolge ver⸗
„einigen.“
„Lege dich nie zur Ruhe, ohne daß du vor)
„ber im Heiligthume deines Geiſtes eine poefiz
„Ihe, philoſophiſche, oder religiöfe Idee ergrif:
„fen, und in ihrem Lichte alle Erfcheinungen und,
„Begebenheiten des Tages Befchauet haft, das:
„felbe thise des Morgens, fobald du erwacheſt.
„Die, in diefem wichtigen Augenblide aufgefaßfe
„Idee bleibe das Licht deines Tages, an fie hefte
„dein ganzes GSelbft, und nur ihre Geftaft er: ‘
„ſpähe in allem, was deinem dußern Ginne
„zur Anſchauung fidy darbiefbef. Erfpähen,
„fage ich, nicht in die Segenſtände hinein tragen,
„ſollſt du fie; denn dieß hieße das Allgemeine
„vereinzelnen, das Vereinigte ſcheiden: ſchon
„aus dem, was du in diefen Tagen aus Pla-
„ton erkannt haft, wirft du mwiffen, daß alle
%
t
— 76 —
aſichtbare und unſichtbare Dinge nur Geſtalten
avöttlicher Ideen find”
Micht wahr, mein Sohn, dieſe Praxis ſchei⸗
„net dir eben fo leicht als einfach, und doch iſt
„sie Vielen ein Geheimniß, Unzähligen Thocheit,
„nur den Weiſen Heiligung der Welt und ihrer
„jelbfl. Du nimm die Mittheilung derfelben als
0 yaln Merkmahl meiner Liebe an, und benuße fie
“auf deiner Reife zu dem Ziele, das ich dir auf:
geiterkt erkenne. -
Hiermit enkließ. er ihn, verfehen mit zwey
Schreiben, deren eines ihn an den Lertor der
Theologie, Don Foscarini, zu Venedig, das
andere an den Prior der Dlivetaner zu Milano
angelegentlichft empfahl. Bon Bernard.o’s
Belehrungen Durchdrungen, eilte Bonap.en:
tura, mitP laton’s Werken unter dem Arme, in
die Stadt, mo ihn die Nachricht, daß der Abbas
te fi) von Bonnenall nicht mehr trennen, und
diefer mit fenem Gefährten Sabio.die ganze
Reife mitmachen wollte, höchſt erfreulich über:
‚ rafchte. Gonella war.bis dahin nur fpielens
der Pflanzenfammler gemwefen, Bonnepvall
' aber hatte ſich in feiner: Einſiedeley bey Certal:
— 7 —
30 mehr mit dem Veredeln, als mit dem Sam⸗
meln der Pflanzen befchäffiget, und jeßt die Rols
le des Botanikers bloß in der-Abficht, den Abe
Bate zu getvinnen und ihn nad) feinen Zwecken
zu lenten, angenommen. Es ward ihm leicht,
fie gleichförmig fortzufpielen, nadydem es ihm
in diefen acht Tagen gelungen war, der Gpiele—
rey des Gon ella eine beſſere Richtung zu geben.
\
Auf der Reife nah Padua wollte der Abs
bafe in Ferrara nidyt vermeilen, denn da mar
nichts, was ihn, aber fehr viel, mas feinen 359» -
ling reizen fonnte. „Zwar ift es ausgemadhf
„unfer uns,” fprad) diefer bittend, „daß Gie
„allein den fürzern oder längern Aufenthalt an
„einem Drte beftimmen follen, doch wird bis.
„weilen ein Wunſch von mir Ihr Recht nicht
„tränten, und Gie werden meinen gegenmätrfis
„gen erfüllen, wenn Gie mich lieben, und wenn
„Sie mir glauben, daß ich in Ferrara für Arios
„ſto's Grabftätte und Taſſo's Befängniß dies
. „selbe Andacht hege, weiche Gie in Bologna
.
— 5 —
„vor der Mumie der heiligen Catharina Bie
„gei, und. in der Zelle, wo Sct Dominicus
„ſtarb, an mir wahrgenommen haben.“ Go—⸗
nella bemilligfe einen Tag, da ihm Bonne
vall verſprach, in den Sümpfen bey der Stadt
ihu zu Pflanzen zu führen, aus deren Samen
er die prädyfigften Blumen gezogen hätte. Wäh-
rend jeuer mif dem Sammeln und Trocknen der:
felben ſich befchäftigte, wallfahrtefeßBonavens
tura mif den Freunde feines Vaters zur Bene:
dicfiner: Abfey, um ehrfurchtsvoll des großen
Dichters heilige Manen zu begrüßen. Das be:
‚fcheidene Grabmahl war dem Unſterblichen,
nicht etwa von der Nation, von den Bürgern
der Stadt, oder von dem Fürften des Landes,
fondern achtzig “jahre nad) feinem Tode von fei:
nem Großneffen errichtet worden, und gwar
bloß: „damit feine kindliche Treue nicht erman-
„Belte, den Ruhm des feltenen Mannes zu ver:
„berrlichen.‘’ Unter der Betradykung der Grab:
ſhrift erinnerte fh Bonapenturn des niedri«
gen Scherzes: „Messer Lodovico,.dove diavo-
„9 havete pigliato tante ooglionerie ;” womit
der Bardinal Hippolyt von Eſte den ihm
4
zugeriguefen Drlando Auriofo aufgenommen '
baffe. „So wenig,” ſprach er, — „achten Zeits
„‚genoffen und Nachkommen das Berdienft,
„wenn der Verewigte nicht nady feinem Tode
„noch durch wahre oder erdichtete Wunder ih⸗
„em Eigennutze fröhnet! D, ich möchte in Weh⸗
„muth vergehen, wenn id) faft aus jeder heilis
„gen Mpthe, faft.aus jedem Kunſtwerke das’
„Hervorſchielen des Eigennußes, der jene er«
„kunden, diefes gefchaffen bat, gewahre, und
„dann des Gedankens midy. nicht erwehren kann,
„daß wir, ohne die Gefinnung und den Antrieb
„der Gelbfifucht, vielleicht, weder eine Poefie,
„noch eine Kunft beſäßen.“ U
„Weniger grell,“ verfegfe Bonnevall,
„iehe ich die Dinge. Das Gefühl des Unglückes
„und. die Sehnſucht nach dem Beffern und Hös
„beru haben heilige Rythen, haben Poeſie und
„Kunſt erzeugt. Laß den Eigennutz der Men⸗
Aſchen ſteigen, fo hoch du willſt, erſtickeſt du in.
„ihrer Seele die Ahndung bon dem Daſeyn be—⸗
„freundeter. Weſen in einer unſichtbaren Welt,
„und den Wunſch, an ihrem Schutze oder an
‚ihrer Geligkeit ſchon biernieden Theil zu neh⸗
- 0 —
„men, fo verſchwinden aus dem Simmel alle
„Heligen, und aus dem Gemüthe der Menſchen
„alle Begeifterung zur Poefie und Kunſt.“
„Und jene Ahbndungen, jener Wunſch, was
„find fie anders, als’ Regungen eines verfeinere
„ten oder fief verſteckten Eigennutzes 9
„So kann es mir nicht ſcheinen; denn Ei⸗
„gennutz mag ich die Kraft nicht nennen, durch
„welche der Stein von einer Höhe fallend, mit
‚‚ftets verdoppelter Schnelligkeit vom Mittels
„puncte der Erde angezogen, die Erde, nach
5 Bereinigung ftrebend, doch immer nur Licht
„und Wärme erhaltend, um die Sonne gefrier
„ben wird.’ |
„Der Stein und die Erde folgen dem: Ges
„fee der Nothwendigkeit; der Menſch ift frey.“
„Das Göttliche in feiner Natur ift und wirkt
„an fi) nicht minder nothwendig; nur denke es
„rein und frenne es ſcharf von den mannigfaltis
„gen Sormen, in weldyen es nad) freyer Wahl,
„sein Seyn und Wirken ofienbart. Mir ift es
„leicht, felbft hinter den gröbften Heuferungen
„ver Eigenliebe und des Eigennutzes das edlere
„Berlangen nad) dem allein Liebensiwürdigen
„und
w
;
— 8 m
„und Unvergänglithen zu errathen. Kein Menſch
„liebt ſich ausſchließend um ſeiner ſelbſt willen,
„oder, wie die meiſten Weltklugen irrig glaus
„ben, nur fidy im Gegenftande ſeines Benufs
„ſes; fondern er lieb£ den. Gegenftand in feinem
„Selbft, oder als Mittel, das ihm angeborne,
„tief in ihm liegende Gefühl feines wahren ewi⸗
„gen Seyns, fid) menigftens ſymboliſch in das
„Bewußtſeyn zu bringen. Es ift daher audy nur
„die reigende Ahndung oder Anfchauung des
„Ueberſinulichen, mas aus dem reinen Ich des
„Menſchen unter der Hülle finnlicher Segenftän-
„Bde, entweder die gröbere Begierde des Befir:
„zes und Genuffes, oder die edlere poetifche Be⸗
„geifterung in ibm erwedt und die Bildungs:
„kraft zur Ihätigkeit auffordert. Würden wohl
„die fpielfüchtigen Guido Reni und Schedo⸗
„ni, der ausfchweifende Barbarelli, der
„zanktifdye Caravaggio, der neidifche Zi:
„tan, der zaghafte Dominidhino und der
„geizige Pietro Perugino fo herrliche Werke
„der Runft geſchaffen haben, wären die verſchie⸗
„Denen Yeußerungen ihrer felbftfüchtigen Ge-.
„müthsart etwas Anderes geweſen, als bloße
\ 5
— 2 —
„Geftalten, durch melde fid, die Ahndungen und
„Die Sehnſucht ihres edlern Gelbft in den For⸗
„men ihrer Eigenthümlichkeit antündigten 9.
„In Ihrer Anficht von den Dingen könnten
‚bald audy alle Lafter und Berbrechen den Eha:
„rakter der Bosheit verlieren, und felbfi die Zus
„gend dürfte zu einer bloßen Form der menſch⸗
„lichen Eigenthümlichkeit hinab ſinken.“
„Ich jehe nur den Teufel nicht jo ſchwarz,
„wie viele ihn gern mahlen; mir bleibt er in ſei⸗
„nem Weſen ein Engel, obgleich ein gefallener,
„und die von ihm erzeugte Sünde, — Einfei«
„tigteif und Eigenthämlichkeit, — kann
„in dem Menſchen das Göttlidye nur verdunkeln
„oder verkehren nicht verwandeln, nich£ ver⸗
„nichten. Willſt du Diefe felbftverfcdyuldete Ver⸗
„kehrung oder Verdunkelung Bosheit nennen, -
„fo werde ich nicht dawider ftreiten;, bifk du. dir
„aber felbft, entweder der er, oder der Geſin⸗
„nung eines reinen Willens bemußt, fo wirft du
„auch miffen, daß fie nicht aus deiner zufälligen
„Eigenthümlichkeit, fondern aus der Allgemein⸗
heit deines Weſens, aus deinem wahren, ganz
„zen, unbeöingten Ich entfproffen fey. zc. zc. “
x
— 83. —
Sir feßfen dieſes Befpräd auf dem Wege
zu dem Hofpital der heiligen Anna for. Man
führte fie dafelbft in das Zimmer, in welchem
„Taſſo, auf Befebl des ‚Herzogs Alfonfo IL,
unter dem Bormande des Wahnfinnes durch
fechs Jahre eingefchloffen war. Innigſt bewegt
ftand der “Yüngling da, weihte den Andenken
des Maärterers der Liebe und Poefie Thranen
der Rührung, und hörte, in fich zurüd gegogen,
nichts von den Erzählungen, Muthmaßungen
und Bemerkungen überT affo’s Schickſale, mo.
mit der Verwalter des Haufes Reifende zu un⸗
terbalten pflegte. „Wahnſinnig waren die Kals |
„ten und Klugen,“ fagte endlih Bonaventus
ra zu Bonnev all, „welche die zarte Empfind-
„ſamkeit feines Herzens verfannten.” —
„Und unfähig waren,” feßfe diefer Hinzu,
„seinen Eindlichen Sinn zu verftehen. . Ihm mar
„Das Wuhre, das Gute und das Schöne, in der
„dee des Goͤttlichen, Eins: darum mußfe er
„auch Stemdling fegn und bleiben unter Men«
„ſchen, welche in ihrer Verblendung dieſe Ein:
„beit, nichf nur in der Benennung, fondern.
„auch im Streben trennten. Der Kaufe unferer
82
„Beitgenpffen ift um nichts weiſer; fie verehren
„das Gute nur, wenn es Andere fid) zum Ziele
„iegen,, das Wahre würdigen fie Bloß nady fei-
„ner Nugbarkeit für fie, und von dem Schönen
„wiſſen fie nur eiteln Glanz und ſinnliche Ge⸗
„müffe fi) zu erbetteln.“
-- „Hier, oRenato, wird mir in feinem gan:
„zen Umfange anfchaulid), mas ich vor einigen
„zagen auf dem Berge ©. Michele aus Pla:
„ton, den höhern Sinn nur ahndend, mir aufs
„gezeichnet habe — Vortrefflicher iſt der goͤtt⸗
„liche Wahnſinn als die bloß menſchliche Beſon⸗
„nenheit; aber indem er nur eine zarte, heilig
"„berwahrte, Seele begeiftert, fliehet er die Unge:
„weihten, die nichts glauben, als was fie recht
„füblbar mit Händen greifen können, und nichts
„bören mögen von dem Geyn und Wirken des
„Unſichtbaren. — Bon ſolchen verftocdten, wi:
„derfpenftigen, von den Muſen ganz und gar
„berlaffenen Menfchen hätte Taffo mit Ders
„achtung ſich zurüd ziehen follen.”
„Das vermodjte der liebende Schwärmer
„nicht, den durchaus nur dag Gefühl, nicht die
„Einſicht bebersfchte und ihm den Umgang mit -
„u 5 —
„Menſchen unentbehrli, machte. Bom Orange
„diefes Bedürfniffes fortgetrieben und an der
„Erde angezogen , fonnte er zu dem vornehmen
„Menfchenpöbel nur hinauf fehen, nicht ihn, von
„ver Höhe der Allgemeinheit des Beiftes herab,
„über und durchfcyauen. Und gerade hierin fol
„ten fid) die Auserrmählten gang vorzüglich üben,
„Deren Herz die Natur mit einer fo leicht übere
„fließenden Fülle der Empfindfamteit bereichert
„bat; dann könnten fie mit den, an Geift und
‚Herz Berwahrlofeten ohne Nachtheil fpielen,
„und würden ſich nie genöfbiget fehen, fie zu
„Riehen.* >
„Sehr wohl verftehe ich Ihre Winke, Re⸗
„nato, doch ſchwer iſt es dem Fühlenden, ſie
zu verfolgen.“
„Ganz leicht dem’ Fühlenden und zugleich
Weiſen, der in der wildeſten Wüſteney das Gro⸗
„ße, Schöne und Würdige der Menſchheit um
„fi ber zu verfammeln;, und miften in der lärs
" „mendften Geſellſchaft das Licht der ermigen Welt
„nit feinem Blicke feft zu halten, und ihre Har⸗
„monien ungeflörf zu vernehmen weiß.“
„Bo iftdie Schule, die folche Weifen bildet?
⸗
— 6 — j
„In feinem Innerſten kann jeder-Öferblicye
Afie fin den, und ohne Unterlaß erſchallen in und
„außer ihm ihre Offenbarungen. Was fie ihn
„bier in Zeichen, Sinnbildern und Räthſeln Ich«
„wet, dag ftellt fie Hort -in feiner vollen Klarheit.
„dar. mern ihn der Wahn, der das Zeichen für
„die Sache felbft und den bloßen Schein für
" „die Wirklichkeit halt, nicht blendet.“
„Und das Mittel dieſem Wahnezu entgehen?‘
„Kein anderes, alg das Herausfreten
„aus der Eigenthümlichkeit zur Allges
„meinbeitindem Würdigen der Dinge,
„und Bereinigung der zwey Lebenspole, Bes
„geifterung und Befonnenbeif.’ ⁊c. xc.
Bonnevallhatte ihm verfprochen, zu Mike
tage in. der Carthauſe bey Kerrara gaftfreund:
ſchaftlich einzuſprechen ; jetzt gingen fie hin, und
in ihrer freuberzigen Aufnahme erhielt Bonae
ventura einen flarfen Beweis für feinen Glau—
ben, daß nur Einfamkeit und Contemplation
das echte Medium fey, in welchem ſich das Schö⸗
ne und Anmutbige der Humanität erzeugef. Biel
Freude hatte Geratino’s Sreund über das an:
dächtige Wohlgefallen, momit der Jüngling die
— 87 —
dort aufhewahrten Werke der Kunſt betrachte⸗
te; ſeine ſichern und treffenden Urtheile darüber
gaben ihm neue Gelegenheit, die Feinheit ſeiner
Empfindungen und die eindringende Kraft ſei⸗
nes Geiſtes zu bewundern. Als fie nach einges
nommenem Mahle die Carthauſe verlaſſen hats
ten, ſprach Bonaventura: „in einem ähnlichen
„Paradieſe, und in eben dieſem Kleide der Uns
„ſchuld und Heiligkeit werde ic, einft gewiß meis
‚men Bater fehen”
„Woher kommt dir diefe Zuverfichte frag:
te Bonnevall.
„Und Gie, Renato, Sie felbft werden
„mich zu ihm führen; dieß, und nicht der Pflan⸗
„zen Kenntnig oder Beredlung ift der Zweck Ih⸗
„rer Reife mif uns; wie haͤtten Sie fonft Jhre
„frey gerwählte und geliebte Einſamkeit im Thale
„bey Certaldo verlaffen fönnen ?’’
„Ich ſah dich ſchon oft den Seneca leſen;
„entging dit dag Geſetz, dag er dem Einfiedler
„der Weisheit verfündiget?” „„Er flüchte ſich
ſo aus der Welt “' fo lautet es, Daß, wos
bin er auch mit feiner Muße fich verbirgt, der
sun Bälle, dem Einzelnen wie dem Ganzen, durd)
»
Eh: — —— kann jeder Sterblidhe |
— —* a und ohne Unterlaß erſchallen in und
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waußer ihm ihre Dffenbarungen. Was fie ihn
„bier in Zeichen, Sinnbildern und Räthfeln leh⸗
„ret, dag ftellt fie dort in feiner vollen Klarheit.
„dar, wenn ihn der Wahn, der das Zeichen für
„die Sache felbft und.den bloßen Schein für
" „die Wirklichkeit halt, nicht blendet.“
„Und das Mittel diefem Wahnezu entgehen?‘
„Kein anderes, als das Herausfreten
„aus der Eigenthüm lichkeit zur Allges
„meinheitindem Bürdigen der Dinge,
' „und Bereinigung der zwey Lebenspole, Bes
„geifterung und Befonnenbeif.’ 1er. ⁊c.
Bonnevallhatte ihm verfprodyen, zu Mike
tage in. der Carthauſe bey Kerrara gaftfreund:
ſchaftlich einzuſprechen ; jetzt gingen fie bin, und
in ihrer freuberzigen Aufnahme erhielt Bona«
ventura einen ſtarken Beweis für feinen Ölaus
ben, daß nur Einfamkeit und Contemplation
das echte Medium fey, in welchem ſich das Schö⸗
ne und Anmutbige der Humanität erzeuget. Biel
Sreude hatte Gerafino’s Sreund über das an:
düchtige Wohlgefallen, momit der Jüngling die
— 87 —
dort aufhewahrten Werke der Kunſt betrachte⸗
te; feine ſichern und treffenden Urtheile darüber
gaben ihm neue Gelegenheit, die Feinheit feiner
Empfindungen und die eindringende Kraft feis
nes Geiftes zu bewundern, Als fie nad, einges
nommenem Mable die Carthaufe verlafjen hats
ten, fprach Bonaventura: „in einem ähnlidyen
„Paradiefe, und in eben diefem Kleide der Uns
„ſchuld und Heiligkeit werde ich einft gewiß meis
‚men Bater fehen.”
„Woher kommt dir dieſe Zuverficht⸗⸗ frag:
fe Bonnevall,.
„Und Sie, Renato, Sie felbft werden
„mid, zu ihm führen; dieß, und nicht der Pflans
„zen Kenntnig oder Beredlung ift der Zweck Ih⸗
‚„cer Reife mif uns; wie bäften.Öie fonft Ihre
„frey gewählte und geliebte Einfamteit im Thale
„bey Gertaldo verlaffen können?“
„Ich ſah dich ſchon oft den Seneca lefen;
„entging dit das Geſetz, dag er dem Einfiedler
„der Weisheit verkündiget?“ „„Er flüchte ſich
„ſo aus der Welt ‚"' fo lautet eg, „„daß, wo⸗
„„hin er auch mit feiner Muße fi) verbirgf, der
„„„Wille, dem Einzelnen wie dem Ganzen, durch
— 3 —
„„Einſichten, durch Ermahnungen und durch
„„Rathſchläge zu nützen, ihn begleite.“⸗
„Alſo glauben fol id), daß nur dieß Geſetz
„und diefer Wille Gie an uns Bindet Ft
„Und der Wunfd) , in meinem Beyfpiele dir
„zu zeigen wie alles Himmliſche und Göttliche,
„mithin auch der Geiſt des Menſchen, nur durch
„ſtätige Bewegung, Wirkſamkeit und Verwand⸗
„lung ſich erhält, und in der Anſchauung feines
„immer gleichen Gelbft unfer dem ewigen Wech⸗
„fel feiner Sormen ſich ergeßt. |
- Sol dieß vielleicht das Bild des Lebens
ufeyn, das jetzt mein Vater führt?’
| „Geführet bat. — Doch forfehe nicht, und
„ehre den Schleyer, der deine Zukunft deckt.“
„Mein Geift bat ihn bereits durchſchauet:
„gönnen Sie mir den Genuß, onen zu erzähe
„fen, auf weldye Weiſe.“
Hierauf erzähfte er ihm feinen Traum; und
Bonnevalfs Urtheil darkber ftimmte mit Lo⸗
renzo Peraldi überein: denn auch er kannte
bon dem unermeßlichen Vermögen der Geele
mehr, als alle pſychologiſche Compendien der
— 8 — = |
Schule bis dahin von ihr enthüllet haften, Nur
jede Sorderung einer beftimmtern Deufung wies
er mit Ernſt zurück, und mit der WBeifung:: „Wen
„Einmahl der Seiſt des AU feiner unmittelba⸗
„een Einwirkungen gewärdigef häfte, der müßte
‚ferner auch ſich ihm in frommer Demuth und
„‚Rindlicher Ergebung überlaffen.«
Paduamar Zabio’s Vaterſtadt; dorf
hatten ibn Sacciolati in derfateinifchen und
Griechifchen Sprache, Gtellini in der Logik,
Metaphyſik und Ethik, Tarkini in der Ton«
kanſt, als ihren beiten Schüler, geliebt, als er
auf die Empfehlung des Lestern von Peraldi
nad) Pifa zu Bon avenfura’g Geſellſchafter
berufen wurde. Seine Mutter, die Wittwe eines
Architekten, lebte noch in Yadua, bey ihr lag
ein Brief an Bonapenfura di Draano,
worin Peraldi ſich beflagfe, daß ihm derfelbe
von feinen Erfahrungen und ermeiterten Anfiche
. ten bis dahin noch Feine Nachricht ertheilet häfs
te Er fäumte nicht, den väterlichen Freund und
⸗ ⁊
⸗ I
1
| U
| |
De 90 —
fein eigenes Herz fogleid zu befriedigen und ihm
getreu zu fehildern, wie alles, mas er bis jetzt
gefeben , auf ihn gewirkt, was dadurd) in ihm
anders oder Neues geworden wäre, was fid)
ihm in feinem Weſen mit Klarheit zeigte, wie das
Meifte nody vor feinem Blide in dichtes Dunkel
ſich verhüllte, und wie ihm ahndete, daß erſt ein
Kampf in feinem Innern fidy erheben müßte, be-
vor alles, was von außen ſich ihm darböthe
oder aufdrängfe, zu den Accorden feiner Geele
barmonifch ſtimmen könnte. Die Aufforderung
des Weifen, ihm öfters Rechenfchaft von feinem
Zuftande abzulegen, erkannte er für eine Wohle
that, und er ſchloß mit dem Verſprechen, ihr
bon Zeit zu Zeit zu folgen, |
Der Reichtbum des botaniſchen Gartens zu
Padua gab dem Abbate fo viele Unterhaltung,
daß er fir) wenig um feinen Yögling befümmers
te; diefer verlor dadurdy nichts, als Ren ato’s
Sefellfcyaft, der ihn immer dahin begleiten muß.
te. Sabio war von Zartini, dem Maöstro
delleNazioni, unzertrennlich Bonapenfura,
ſich ſelbſt überlaffen, theilte fein Dafeyn ımfer
den limgang mit eben diefem großen Tönkünſt⸗
-
— 97 —
fer, mif dem Schußheiligen der Stadt und
mit Pefrarcha’s Manen zu Arquado.
„Je weiter mir Tartini,“ — fchrieb er an
feinen Peraldi, — „die Myſterien der göttlis‘
„chen Kunft entſchleyert, deſto mehr Urfarhe fin:
„De ic), meine mechaniſche Ungeſchicklichkeit in
der Ausübung derfelben zu bedauern. Die
„Macht ibres Öeiftes, deffen reges Lehen ich in
„mir wahrnehme, fcheint die Bermeglichkeit mei«
„mer. äußern Drgane für das Gpiel zu lähmen;
„ich verliere dadurd) in der Ausdehnung, was
„ich an der Innigkeit "des Genuſſes gewinne.
„Wahrſcheinlich ſoll ſie in meinem Gemũthe der.
„reine Nachklang der ewigen Harmonie bleiben,
„und mir nie Mittel werden, etwa ein unheili⸗
„ges Bolt damit zur ergeßen, oder mir felbft die
„zeit zu kürzen, Tartini ſchenkte mir feine Ab;
„handlung über die Grundfäße und Regelu des
„einen Gaßes; mit edler Bereitwilligkeit hielt er
„mix felbft darüber einige Borlefungen, unter -
„welchen ic) das Weſen der Kunſt, deutlicher und
„beſtimmter, als durch Ram eau’a Syſtem der
„Harmonie und durdy alle Lehren meiner Mei⸗
„ſter erkannte. Mit Entzüdten hörte id) ihn aud)
- 9 -
„pas höchſte Meiſierftück feines innern Ginnes, —
„er nennef eg, die Sonafedes Teufels, auf
„den Biolon fpielen. Seine Erzählung von dem
„wunderbaren Urfprunge diefer Kunſtſchöpfung
„bat feit der Zeit ſchon mehrmahls meinen Geift
„beſchäftigt. Sie war ihm von dem Höllengeis
„fte, mit dem er ſich verbündet ſchien, im Trau⸗
„me borgefpielet worden, und nie hatte er mas
„Send etwas fo Erhabenes und Bollendetes ver:
„nommen. Im Llebermaße feines Wonnegefühls,
„unvermögend zu athmen, marer erwacht. Ber:
. „geblich hatte er ſich fogleich bemühet, das Gan⸗
„ze, deilen Nachhall ihm unvergänglidy in der
„Seele forttönte, auf feinem Inſtrumente zu wies
„berhohlen; allein auch nur das Wenige, das
„ihm davon gegentärfig geblieben war, ſchweb⸗
„ee, als das deal des Höchften, feinem Geifte
„vor, fo off er in der Kolge dad. Heiligthum der
„Kunft betreten und ihre Herrlichkeit durch feine
„Gäße verfündigen wollte. Mir würde in feiner
„Lage, fo glaube ich, eine foldhe Dffenbarung
„des Unendlichen in meinem Weſen durch die ed«
‚ „here Geſtalt des Quis de Leon, des Platon,
„der göftlichen Mutter, oder der ſchoͤnen Ca⸗
— 95 —
„milla, nicht des Beelzebub, zu Theil gewor⸗
„den ſeyn; denn ſchwerlich koͤnnte meine Phan⸗
„taſie, das Leben meines reinen Ich im Trau⸗
„ne verfinnlichend, die Geftalt von einem poes
„tiſchen Gefchöpfe entlehnen, von welchem keis
‚me Anfchauung in meinem Gemüthe, für weis
„ches Beine Liebe und kein Haß in meinem Herr
„zen vorhanden if, wenn id) auch kurz vor dem
„Einfcylafen, wie Zartini, durd Dante’g
„furchtbar ſchoͤne Hölle gemandert wäre,” |
Die erhabenfte Wirkung jenes Traumgeſich⸗
tes beiwunderfe Bonavenfura am Feſte der
unbefledten Empfängniß Mariä im der Kirche
des heiligen Antonius, me Tartini’s, bald
nad) jener Nacht componirte Mefje vortrefflich
aufgeführt wurde. Unter ihrer himmliſchen Eus
phonie erfihien feinem Geifte die heilige Junge
frau als deal der reinen Menjchheif, melde
durch Liebe die Gottheit in fi) aufnehmen und
ewig nur Göftliches gebären fol. Klar: ward
ihm dadurdy die höhere Bedeutung des Seftes,
und der tiefere Ginn der Lehre, daß die Mutter
Jeſu ohne Makel der Erbfünde empfangen wor⸗
den fey. Ermachte Renato zum Bertrauten ſei⸗
/
— 94 —
ner Erleuchtung: dieſer aber äͤußerte lächelnd
den Zweifel: ob auch wohl Joannes Duns
Scotus, der Erfinder jener Lehre, ſich zu die—
fer Idee erhoben hätte; doch ſchwieg er bald,
als ihm der Jüngling fchilderfe, wie felig er im
Blauben fey, daß der Geift der ewigen Welt
durch Scotus Lehre, mit oder ohne. Bewußt⸗
ſeyn des Organs, unter unendlichen Ideen auch
Die feinige ausgeſprochen habe, weil fie ſonſt un:
möglic) feinem Gemüthe fich hätte darftellen kön:
nen. Nach Peraldrs Vorſchrift, ſollte er, mit
Platon und Seneca verfraulid) lebend, ſich
nicht bloß an den Körper ihrer Worte halten, in
welchen fie die Unendlichkeit ihres Geiſtes und
ihrer Ideen zufammen drängen und begrängen
mußten, indem fie ihm nur in Ser Einheit der
| Linie zeigen konnten, was fidy in feinem Gei⸗
- fte, fo mie es in. dem ihrigen war, zu einer un:
ermeßlichen Släche ausdehnen müßfe: er glaub:
fe nichf zu ircen, wenn er die Lehre feines Freun⸗
des auf alles Geiflige, das von Menſchen
kommt, anmendefe, diefe nur als Drgane oder
Werkzeuge des ewigen Weltgeiſtes betrachtete,
und fich weniger in die Elügelnde Prüfung ihres’
— 95 —
Gebildes, als in die Befhauung der Ideen def:
felben verſenkte.
Bey aller Schoͤnheit und Feyerlichkeit, wo⸗
mit dieſes Feſt von der Religion am Hochaltare,
von der Kunſt auf dem Chore begangen wurde,
bemerkte doc) der andächtige Jüngling mit Wis
derwillen, daß den meiften Menſchen die Kirche
nur zum Durchgange diente, um zur Capelle des
großen WBunderthäters Antonius zu gelangeng,
So wohl durd) dieß, als auch durch eine Menge
fonderbarer Dinge, die man ihm allenthalben zu
Padua von diefem Manne er;äblet hatte, ward er
bewogen, der Quelle ſeines Heiligenſcheines und
ſeiner Wunder mit großem Fleiße nachzuſpüren.
„Eine ſichere Kunde ſagte mir,“ — ſo ſchrieb
er an Peraldi, — „ſein wohlgetroffenes Bild,
„von Margaritone aus Arezzo, nach dem
„Leben in naſſen Kalt gemahlt, ſey auf dem Chor
„des Klofters zu ſehen; ich ging hin, um zu ers
„fahren, auf welche Weife feine Geftalt zu meis
‚mem Geifte fprechen würde. Ich fah das Bild«
„niß eines jungen Mannes, in deſſen Geſichte die
„Majeſtät des männlichen Ernjfes, die Stärke
„eines vollendeten Charakters, der ſprechende
|
— di —
Yusdrik eines fiefen Gemüthes und die allver:
„klaärende Begeifterung der Religion in lieblicher
„Anmuth und hoher Würde vereinigt erfchienen.
„Auch ohne die Unterfchrift hätte ich den Him:
„melsbürger in ihm errathen, und märe er mir
‚nm Leben fo begegnet, idy würde zuverſichtlich
„ibn als Heiligen begrüßt und feinen Gegen mir
„erflebet haben. Am Altare las ein Moͤnch die
„Neffe; die Salbung, womit er die ehrwürdige
„Handlung beging. ließ mid) in ihm einen belle
„jebenden, mit göftlidyen Dingen wohlbekann⸗
„ten, Priefter errathen. Nach vollbradytem Op⸗
„fer folgte ich ihm auf feine Zelle, und bath ihn,
„mich in meiner Abficht mit einer glaubmwürdigen
„Legende vom heiligen Antonius zu unterftüt-
„zen.“ ‚vergleichen giebt es viele,’ fo erwie⸗
derte er meine Bitte, „,,‚für die Wenigen, die das
„„Leſen verftehen und wohl wiſſen, daß der ge-
„„meine Ruhm der Heiligen größten Theils aus
„feiner andern Duelle, als aus dem Wige und
„nder Beredfamleit ihrer Biographen gefloffen
„„ſey. Dos glaubmwürdigfte von i Santo fin:
„„deſt du in unſerm Brevier auf den dreyzehn⸗
„„ten und die folgenden fieben Zage des Junius.
| un die
— 07 u
imDdie Symnen und Legenden, die du da Iefen
„wirſt, hat ſelbſt ein Heiliger gemacht, und
„„Gregorius IX. für die ganze Kirche, als
„„fromme Wahrheit, beftätiget. Nimm das
„„Buch, das Rühmlichſte feines Wan dels wirſt
„„du darin auch ohne meinen Wink entdecken,
„wenn deiner Jugend nicht die Wege Gottes
mr „noch völlig fremd ſind.“
„Nichts fand ich da von allen Dunderge⸗
„ſchichten, woran die Paduaner ſich lieber, als
„en den Benfpielen feines Glaubens und feiner
„Liebe zu erbauen pflegten. So wußten auch die
„Alten von den Zauberegen und Verwandlun⸗
„gen ihrer Heroen mehr, als von den Helden:
„thaten, wodurch fie ihren Pla im Kreiſe der
„Bötter errungen hatten: der Beift des Heiden
„thumes wird wohl nimmermehr aus der Welt
„verſchwinden. Nicht Wunder, fondern eine heie
„lige Gefinnung und fromme Thaten, beſonders
„einen unũberwindlichen Eifer für Wahrheit und
„Recht, preifet das Brevier an dem heiligen. Ans»
„ton ius.“ „„Alle die ihn kannten,““ — heißt
„es, - — ſahen die Kraft undMajeſtät der Wahre
„„heit ganz befonders in ihm verklaͤret, und er:
- G
- 98 —
Aannten ihren Vorzug vor der Gabe, Wun⸗
| yyder zu wirken, die nur zu oft im Leben. durd)
„„Taäuſchung und Betrug irre leitef.'®) „So
„oft ich nun fein Bildniß wieder befrachfete, em⸗
„pfand ic) in feinen Zügen die Wahrheif diefes
„Lobes und in mir die Aufforderung, auch ihn,
„als eine befondere Erſcheinung des Göttlichen
„in der Menfchbeif, zu verehren.‘
| „So näberte id) mich endlich in der ihm ge:
„widmeten Capelle feinem Grabe. Die Gebeis
„ne des Heiligen ruhen in einem marmornen
„Sarge, deffen Deckel den Altartifdy ausmacht.
„Ex fteht, von allen Geiten frey, durdy fünf Stu⸗
„fen von Erz erhöhet und von fechs und dreyßig
„Lampen beleuchtet. An der. hinterm Geite des
„Altars find in dem Steine mehrere Risen ficht:
„bar, durch welche die ehrwürdigen Reliquien
„fehon. feit mehrern Jahrhunderten einen liebli:
„Sen Wohlgerud) ausduften. Befchuldigen Sie
„mid, nicht der Leichtgläubigkeit bey Diefer Nach⸗
*) Haec siquidem virtus in ipsoclaruit in oculis om«
nium, quae quidem miraculis potior est, quia
illa plerumgqne fallaciter in vita decipi-
une — Breviar, Frauciscan, XIX, Junii. Lectio IV.
— 9 —
„richt denn ich überzeugte mic, von der Wahr⸗
„heit der Sache durch wiederhohlte Wahrneh⸗
„mungen meines Ginnes: auch nicht des Aber:
„glaubens, indem ich diefe Erfdyeinung als et:
„was Uebernatürlicyes für midy befrachke; denn
„alles Natürliche an fi, deffen Möglichkeit
„vwir nicht begreifen und deffen Urſache wir nicht.
„ergrümden können, wird eben dadurdy für uns
ein Uebernafürlicyes. Ein Engländer, der zu
„gleicher Zeit mit mir vor deim Örabe ſtand und
„den, der Slorenfiner Lilienwurzel ähnlichen, Ges
„ruch einathmete, betheuerfe mir, er müßte, daß
„die. Mönche jeden Morgen vor Eröffnung der
„Gapelle die Rißen des Steines mit mohlrjechen:
„ven Salben beftrichen ; aber er verſchonte mich
„mit feiner Weisheit, als ich ihn fragte, ob er
„für das Unerklärbare feinen. beffern Schlüffel,;
„als den erbärmlidy abgenußten, Befrug und
„Täuſchung, kennte. „„Was wir Syſtem oder
„„Drönung, der Natur und Gleichförmigkeit in
„„ihren Wirkungen nennen,’ fo dacht id), „„iſt
„„nichts weiter, als das‘ Kunſtgebilde unferes
un Berftandes ; in der Natur felbjt ift nichts Dr= .
„„dentliches , nichts Außerordentlidyes, fondern
'- 2
— 100 —
1
‚müberall nur Unbegränztes und Unendliches.
m Benn 88 demmnady dem ewig forfwirfenden
„„Weltgeiſte mögliy war, die Unendlichkeit feir
„mer fdeen, im ‚Kleinen, mie im Großen, in
„„dem füßen Dufte der Blumen, wie im unver:
„„gänglichen Lichte der Geſtirne, mit gleicher
„„Kraft, Fülle und Mamigfaltigkeit außer ſich
„„darzuſtellen, mas hätte ihn hindern können,
‚mfein Leben und fein Wirken auch an der Hülle ei:
„„nes Heiligen durch einen bleibenden Wohlge⸗
„„ruch zu verfinnlichen? Das Eime ift fo wun—
„„derbar, wie daB Andere; und alles, mas die
„„Phyſik über jenes zu fügen weiß, ift doch nur
meine fheinbare Erklärung deffen, was die Din⸗
Ange ſcheinen, wicht mas fie find. Freylich wird
„„der Roſenſtock immer nur Roſen bringen, und
„„dieſe werden nie wie Nelken riechen; doch wür⸗
„„de ich verzweifeln, ſollte ich die Unmoͤglichkeit
ndes Gegentheils beweiſen müffen, und fähe ich
„„einmahl auf einem Rofenftode Nelken, oder
„„Roſen, die wie diefe röchen, fo würde ich, bey
„völliger Richtigkeit der Sache, lieber die, von
„„Menſchen gefchaffene, Kette von Arten, Sats
„tungen, Geſchlechtern und Claſſen um’einen
u JO —
„Ring erweitern, als auf Betrug, Kunſt, oder
„„Naturſpiel rathen.“«
„Mit dieſen Gedanken ſtellte ich mich in ei⸗
„nen Winkel des Heiligthumes, um die herzuſtrö⸗
„menden Scharen der Andächtigen aus allen
„ändern Europa’s zu beobachten. Da zeigten
„ſich mic Glaube und Zweifel, Vertrauen und
„Æleinmuth, Hoffnung und Ungewißheit, Zu⸗
„verſicht und Verzweiflung in allen möglichen
„Webergängen und Abftufungen. ch glaube,
„vaß ich jedem, bloß nad) dem Ausdrucke in ſei⸗
„nen Geftcytszügen, hätte vorher fagen fönnen,
„ob er erhöret oder unerhöref von dannen giehen |
„würde. Die meiften Kranken und Brefthaften
„gingen twieder hinaus, wie fieberein gelommen
„waren ; nur einen fiecyen Spanier, der von feir
„men Wärtern auf den Händen war hinein gefras
„gen: worden, fab ich plöglich gefund und ſtärk
„die. heilige Stätte verlaffen, und eim, vom
„Schlagfluffe an der Zunge, gelähmter Piemon-
„tefer hatte kaum eine Biertelftunde vor dem
'„Srabe gelegen, als er die Sprache wieder er;
„hielt und lauf die Herrlichkeit Gottes in feinen
„Deiligen verkündigte: aber and) noch nie mar
— 103 —
‚mic, in irgend einem Bilde, oder in einem Sterb⸗
„lichen, derhohe Augdrud des lebendigften Glau⸗
„bens, des kindlichſten Vertrauens und der zus
„perfichtlichften Hoffnung fo beftimmt und ſpre⸗
„hend, wie an diefen zwey Menſchen, erfchie-
„men, Ein Genfer, der mir zur Seite ftand, war
. „Zeuge der an ihnen gefchehenen Wunder, und
„rief, vergeffend feiner Bibel, mit goftlofem
„Sinne: „„Betrug!““ Mir war, als drange .
„aus dem Grabe eine Stimme durd, mein In⸗
„merftes, und deutlid glaubfe ich die Worte
„zu vernehmen :/* „„das ift die Macht des Geis
nuftes über den Körper; das ift der@laube, al:
„„ler Wunder Duelle, deren kräftige Ergiegung
„„das Gefühl des Lebens gu erneuern und fogar
„„Berge zu verfeßen vermag !4
„Seit diefem Xugenblide liegt für mich das
„ZBunderbare nicht in dem, was außer dem Ges
‚„Dietbe ertennbarer Naturkräfte gefchieht,, fon»
„dern in dem Mittel, wodurch der Geift über
„den Körper berrfcht und die, nur ihm befanns
„te, Kraft der Natur feinem Willen unterthänig
„macht: id) werde auch dieß ergründen, fobald
„ſich mic die räthfelhafte Abkunft aller endlichen
N .n
— 10) — j
„Dinge aus der Idee, oder die Dffenbarung der
„göttlichen Wirklichkeit durch eine ſcheinbare Eine
„nenwelt, befriedigend wird enfhüllet haben.” ıc.
Sn Arquado mard ihm fchon eine dunkle
Abndung von diefem Geheimniffe zu Theil. Daf-
felbe Gefühl der Andacht, deffen fein Herz in der
Gapelle des heiligen Antonius voll war, beglai:
tete ihn auch in das Haus, in welchem der lieb:
Jiche-GSänger der Laura und freundliche Lob»
zeöner der Einfamteit feine legten Tage verlebt
hatte; aber ein ihm inerklãrbares Treiben und
Drängen in feiner Seele ließ ihn nicht lauge das
felbft verweilen, Er eilte zur Pfarrkirche und er⸗
hielt durch einige klingende Beweggründe von
dem Küfter, dag er ihn in der Kapelle der heiligen
Jungfrau, einem Dentmahle der Srömmigkeif
Petrarcha's, allein lieg und ihm ein Gfünds
hen Rube ben der Örabftäfte des Dichters gönn⸗
te. Die Einfachheit derfelben tänfchtr feine Er»
wartung; er find nichts ads einen Garg, von
vier marmornen Säulen gefragen, über ihm das
\
Bruftbild des Verewigten in Bronze, unfen die
Grabſchrift, mie er fie felbft verprdnet hatte:
f
Frigida Francisci tegit hio lapis ossa Petraroae.
Suscipe, virgo parens, animam: Sate virgine parce,
Fessaquo jam terris coeli requiescat in arce, *)
„Dieß if alfo alles,” dachte er, „für das Ans
„denken des Mannes, den feine Zeitgenoffen ale
„den Liebling der Mufen, als den Geweihfen der
„Pbilofopbie, der Wohlredenheit und der Kunſt
„verehrten und fiebten
Bon den beſchwerlichen Wegen aus Padu⸗
a’s Ebenen über die Euganeiſchen Berge ermüs
def, nahm er Plaß in einen Stuhle und vertiefte
ſich in die Betrachtung des unruhigen und un:
ftäten Lebens, in welchem Petrarcha ſich im⸗
mer nach der Einſamkeit geſehnet hatte, und doch
unfähig war, in ihrer geheimnißvollen Stille
lange auszuhalten. Unwillkührlich fing er an,
— — — — — — — —
*) „Dieſer Stein deckt Franz Petrarcha's kalte Ge⸗
„beine. Jungfräuliche Mutter, nimm feine Seele
„auf: Sohn der Yungfrau erbarme dich ihrer,
„und laß fie, auf Erden ermüder, im Himmel
„ruhen. .
%
= 105 —
die ein und zmanzigfle Canzone des Dichters,
morin er feinen wechjelnden Kampf gegen Liebe
„nd Ruhmbegierde ſchilderte, zu recitiren; und
fie verleitefe ihn zn einer Pergleichung zwiſchen
feingr und BenipienisDithkerkraft, feinem und
Sicino’s philofophifihen Sinn, feiner und Le:
on’s Religiofität. Unter diefer Anftrengung vers
fiel er in eine außerordentlicdye Mattigkeit, aus
welcher er in einen fiefeu Schlaf verfant. Was
ex während deffelben im Geifte gefehen und wie
es auf ihn gewirkt hatte, theilte er feinem Lo⸗
renzo Peraldi in folgendem Schreiben mit.
‚rc. Derlängft Bollendete,mit feinen Schrif⸗
„ten unter demArme, lag por demAltare der gött⸗
„lichen Mutter auf ſeinen Knien und bethete.
Durch die Gewalt eines Blitzſtrahles ſtürzte dag
„Gewölbe der Gapelle ein. Den Bethenden und
„mich haften zwey weibliche Seftalten mit ihren
„Schildern gegen die herabfallenden Lrümmer
„geſchützt; aber das Bild der heiligen Jungfrau
„war verſchwunden, und mir wurden bende zu
„einem unabfehbaren Lichtmeere erhoben. Die
„zwey weiblichen-WBefen ftanden fogleicy mieder
zu Petrarcha’s Geite. Beyde waren von
— 105 —
„gleiher Jugend und gleicher Schönheit, an den
„Zügen und dem Ausdrude ihres Antliges ein»
„ander völlig ähnlich, die Eine weiß, die Andere
„bimmelblau geBleidet, die Erftere mit einer Sters
„nenkrone, Die Leßfere ıyit einem Blumenkremze
‚ „auf dem Haupte ; jene führte eine, in reinſter
„Flamme brennende, Fackel, diefe einen golde—
„nen, mi£ Barbunteln, Smaragden und Gas
„pbieren befesten,, Becher in der Hand.”
„„Erhoͤret,““ fo ſprach die Göttlidhe zır dem
Dichter, und die Muſik ihrer Rede fdyien ans
meinem Innerſten wie von ihren Lippen zu er:
fallen; „„erhöret ift dag Gebeth, in welchem
„„deine unterdrüdte Seele während ihrer Wan⸗
underfchaft ſich oft, dir unbewußt, ergoß. Nicht
„„fern mehr ift der Augenblick deiner Auflöfung,
„„Wiedergeburt und Verklärung. Dein reines
un ich ermadhe, dein wahres Leben beginne noch
„„vorher, und klar erfcheine dir, wie dag Stre⸗
„„ben und der Ruhm deines verirrfen Geijtes in
„„leeren Dunft zerfließt. Werde würdig, durch
„ang, mit unſerer älteften Schweſter und durd)
unfie mit uns dich auf ewig zu vermählen.«
„Jetzt berührte fie mil der Slamme feinen
-
\ — 107 —
„Scheitel, und. ſogleich drangen dichte Nebel—
„roolten in mannigfaltigen Öeftalten aus feinem
„„Hanpte hervor, und verloren fidy fchnell in dem
„Lichtmeere, worin wir ſchwebten. Himmliſche
„Strahlen umgaben ihu nun, doch unerreichbar
„meinem Blide war der Purict, aus dem ſie flofe -
„fen. Er unterlag der überſchwänklichen Wonne
„ſeiner Erleuchtung, und ſank entfinnlicht zu dem
„Küßen der Göttinn hin, Da reichte ihm die Ans
„dere ideen Becher, er trank und richtete ſich vers
„geiftigt-wieder auf. Seine Schriften -entfanten
„ſeinem Arme und fielen in die düſtere Tiefe. Eis
„ne Krufte von Eis, wie Bergkryſtall in allen
„Sarben fpielend, bedeckte ihn einige Augenblik:
„te ganz und löfte fi von ihm allmählich wies
„Der los. Aus feiner Bruft ſtieg dann eine -liebs
„liche Flamme empor, deren wohlthätige Wäre
„me fich bis zu mir verbreitefe, und unter einer
„entzudenden Harmonie von unfichfbaren und
„mic unbefannfen Inſtrumenten erſchien die drit⸗ |
nee weibliche Geſtalt, auf einem Tbrone von Ga⸗
„phier, in feinften Goldſchleyer gekleidet, das
Haupt mit einer Glorie umgeben, in ihrer Hand
„ein diamantenes Kreuz, mit Cypreſſen, Myr⸗
— TO —
„on, ‚Lilien. und Rofen ummwunden, zu ihrer
„Linken Pnthbagoras und Platon, zu ihrer
„Rechten Joannes und Yefus, mie ich fie,
„von Garracei und Guido gebildet, öfters
„nefeben babe. Glänzender wurden jeßt Die
„Stablen über Petrarch a’s Haupf und ho:
„ber Ioderte aus feiner Bruft die heilige Flamme
„auf. Die Ernfle mit der Sternenkrone und die
„Anmutbspolle mit dem Blumenkranze feßten
„ſich zur Erhabenen auf den Thron, und plößs
„lich verfchwand an ihnen alles Unterſcheidende;
„ich. glaubte in drey völlig gleichen Geſtalten nur
„ein einziges Weſen zu .erbliden. Die Mittlere
. „ſtreckte ihre Arme gegen den Dichter aus; von
„ihr ergriffen, ging er mi£ Allem, was ich big:
„ber geſehen hatte, im Lichtmeere unter, und ich
„befand mich wieder vor dem Altar der Capelle.“
„Auf der Stufe deffelben lagen die Schrif⸗
„ten des Berklärten zerftreuet, begierig fammels
„te ich fie und mollte leſen; da ftand die Ehr⸗
„würdige im weißen Öewande por mir und hieß
„mich diefe Kinder des Verftandes und der Sinn⸗
„lichkeit, im Schaffen der Nacht und des Todes
„erzeugt, wieder hinlegen.“ „Das Spiel mit
— — — — — — — — — — _ — — —
- — 109 —
‚„Abnen,”# ſprach fie, ,,,‚wwürde dich, nicht mine
„„der als ihren Vater, mit einem eiteln Scheine
„„des Lebens taͤuſchen. Das Beyſpiel feines zer⸗
„„ſtreuten Wandels und zerriſſenen Seyns auf
„„Erden diene dir zur Warnung, und was du
nett gefehen haft, das bleibe deines Strebens
„„unverrücktes Ziel. Charakterlos, ſich ſelbſt ein“
„„Räthſel, im ewigen Widerftreife mit feinem
„„Ich, verſchwand er aus der Sinnenmelt. hm
„„fehlte ftets der Sinn des Kindes und die Kraft
„„des Mannes, um dieWeihe und Begeifterung
„„der ewigen Ideen zu empfangen; der Begriff
„„war ihm das’ Hödhfte, und die Reflerion der
„„einzige Weg zum Heiligthume der Wiſſenſchaft,
„„deren Daſeyn ihm ahndete. Durum konnte
„nfich auch nimmermehr ſein Dichterflug zur Poe⸗
„„ſie, feine Welterkenntniß zur Philoſophie, feis
„„ne kirchliche Froͤmmigkeit zur Religion und
„„ſeine einſeitige Eigenthümlichkeit zu dem all⸗
„„’‚gemeinen Charakter‘ der Menfchheit hinauf
„ſchwingen. Nicht er, ſondern der hochgeweih⸗
„„te Prieſter der Ideen⸗ «Welt, den er nur wenig
„kannte, und den du liebſt, der göttliche Pla⸗
„Aton, ſey und bleibe dein Gefährte zu meinem
\
Sn
\
— 110 —
„„und meiner Gchweſtern ewigen Reiche, in wel.
„chem wir vereinigt herrſchen und unfern Treu-
„„„en Licht, Kraft und Wonne ſpenden. Folgeſt
„„du, auf ihn berfrauend, doch freyen Ginnes,
„„ſeinen Winken, fo wird fein Geift mit deiner
„„Seele ſich vermäblen, damit du das Princip
„„aller göftlihen Wiſſenſchaft, Poefie und Re:
„„ligion aus dir ſelbſt ergeugeft. und Die ewige
„„Wahrheit, daß nur die Idee der Lirfprung,
„„das Wefen, die Sorm und das eben aller
ynDinge fen , aud) deine Wahrheit-werde. Du
„„wirſt did) ihrer ganz bemächfigen, wenn du,
ya dent Auftande einer heiligen Trunkenheit
nund weiſen Befonnenheif, did) immerforf bes
„„hauptend, alle Erfdyeinungen der ſichtbaren
un Belt nur als myftifche Andeutungen des Un⸗
„endlichen betrachteſt, und unter der Erfor⸗
„„ſchung, Bildung oder Benutzung des Einzels
„men dein Gemüth in forfdauernder Befdyaus
| „„ung des Banzen erhältft,
„Die Geſtalt zerfloß in Licht, das felbft noch
„beym Erwachen meiner Ginne in feinen Wir:
„Lungen mid) zu.umfchmeben ſchien. Mein Ges
„fühl der Ermaftyng war verſchwunden, mein
-
— 11 —
„Geiſt war ungemöhnlid) heiter, m mein Herz zum
„ruhigſten Srobfinte und zur reinften Freude ges
„ſtimmt. Allein je öfter ic) erwaͤge, was ich ges
„ſehen und gehoͤrt, je beſtimmter die Bedeutung
„deſſelben ſich mir aufſchließt, deſto ſchmerzlicher
„empfinde ich auch dag Drückende der äußern
„Lage, worin ich durch den Willen derer, Die
„wit gebietben, feft gehalten werde, ch weiß,
„Daß das Traumgeſicht und alles, mas durd)
„daſſelbe fich mir ‚offenbarte, nur eine, im Bes
„wußtſeyn reflectirte „Lebensäußerung meines
„reinen, freyen Selbſt war; was würde id)
„ſehen und vernehmen, koͤnnte ich, meinen zer—
„ſtreuenden Umgebungen entwunden, das poll:
„ſtändige Denken und Geyn meiner Seele in
„dieſem Spiegel überfchauen? Bey ſchwächerm
„Selbſtbewußtſeyn und bey minderer Staͤrke
„meines innern Öinneg hätte vielleicht dieſer Le⸗
„bensact meines feſſelloſen Geiſtes ſi ſich trüglich
„ia Petrarcha's Krönung auf dem Capitol
„und. in einigen Ermahnungen zum Studieren
„für mid) abgebildet; welche Myſterien würden
„‚fid) mir enffiegelt. haben, rwäre meine Empfäng»
„lichkeit für die Einmirkungen des Ueberſinnli⸗
— 112 —
„Sen noch mehr entwickelt, und der Spiegel, in
„dem es fich für mid) geftalten muß, vom Dun:
„ſte der Sinnlichkeit weniger getrübt?“ , Ich
„„muß in ein Kloſter,““ fo rufe ich off ver—
„zweifelnd aus und weine; denn felbft die War-
„nungen Ihrer Weisheit verlieren ihre Kraft
„unter dem Drange meiner Sehnſucht. Vor ei—
‚„migen Tagen nöthigte mir Renato das Ge
„ftändniß derfelben ab; ftatf alles Troftes ſchlug
„er mir im Geneca folgende Stelle auf:
„Das höchfte Gut des Menſchen, weldyes
„über alle Gewalt erhaben, weder gegeben
„nod) genominen werden ann, ift das Welt:
„al, das Erhabenfte, das Prädhfigfte, was
„die Natur gefchaffen bat, und diefer Beift,
„per Beſchauer und Bewunderer deſſelben,
„fein herrlichſter Theil, uns eigenthümlich
„und unmandelbar, fo lange mit ung dau:
„ecnd, als wir ſelbſt dauern werden. — Wenn
„ich alfo nur in die Geſellſchaft himmliſcher
„Weſen, fo weit es dem Sterblichen vergön:
„net iſt, mich miſchen und meinen Geiſt, nach
„der Anſchauung ihm verwandter Dinge fire:
„bend, auf feiner Höhe unverrüdt erhaften
| „ann,
-
— 13 —
„kann, was liegt daran, auf welchem Fleck
„der Erde ich wohne oder malle!“®)
„Wohl fühle ich den gediegenen Gehalt diefer
„Worte; fie follen mir auch oft zum Thema
„meiner einfamen Selbſtgeſpräche dienen, aber
„ſchwerlich werden fie, gleich einer Zauberfor«
„mel, die Unruhe meines Herzens ftillen und
„mein Berlangen nad) dem Paradiefe der Weis
„fen und Heiligen auf Erden erſticken.“
„WUebermorgen reifen wir nady Benedig,
„in deſſen nafürlichen und fünftlidyen Nebeln wir
„ein halbes Jahr arbeiten, ruhen und genießen
„sollen. Ich erde dorf forffeßen, mas idy in
„Bologna angefangeır babe; ich werde verſu—⸗
„Sen, wie meit es mir gelingen wird, nad) dem
„Muſter jener Stadt, alle Inſeln meiner innern
„Belt zu einem Ganzen zu verbinden; denn bis
‚jest fteht vieles nod) getrennt und einzeln in
„mit da.” ⁊c. ıc.
— — — — — — — —
*) Consol. ad Helv. C. XXx.
\ — 14 —
Bonapentura gab ſich zu Benedig auf
Deral di’s nachdrücklich wiederhohite Ermah⸗
nungen den Umſtänden bereitwilliger bin und
verfehlte dabey feinen Vortheil ſeltener, weil er
allmählich in dem Einzelnen das Allgemeine fin:
den, umd die Dinge nad) einer mehr umfaffen:
den Anſi cht würdigen lernte.
Auf Don Carlo's Anweiſung bezog Go⸗
nella mit feinem Zöglinge das Haus des Avo-⸗
gadore Stolardo. Renato begab ſich auf
die Carthäuſer-Inſel und genoß daſelbſt das
Recht der Gaſtfreundſchaft, welches ihm von fei:
nem Bruder, dem Prorurator des Ordens, in
allen Carthauſen eingeräpmt worden var. Bo:
napentura fand in dem Haufe des Avogado—
ce alles beffer, als er es von einem Sreunde feis
nes Dheims erwartet baffe. Zwar fchien ihm
Gtolardo’s Ealte, finftere Miene bey dem Em:
pfange wenig Gutes zu verfprechen; allein er
mar fo eben aus dem Rathe der Pregadi ges
tommen, und fo oft dieß der Gall war, brauchte
er einige Zeit, um den Beift der verderbten Re:
gierung, der er diente, aus feinem Weſen zu ver.
bannen und den edlern Menſchen in fic) wieder
S ı
4
aufleben zu. faffen. Das Erwunſchteſte war dem
Jünglinge der. kleine Kteis gelehrter Männer,
der ſich wöchentlidy zmey Mahl des Abends bey
Stolardo verſammelte. Der Bruder der Avo⸗
gadorim, Don Foſcarini, Lector der Theo«
logie in der Benedickiner- Abtey San Giorgio
Niaggiore, der .Theolag der Republit, Pater
Girello, ein, dem Rufe nad), fehr aufgeflärs
ter Servit, der.Rector der Somafıhen Don Pas
rufa, als tieffinniger Metaphyſiker berühmt,
der Euftos der Sei. Marcus: Bibliothek, Za⸗
netfi und fein Bruder ®Birolamo, ein gelehr«
fer Künftler, der Rechtsgelehrte Coſtantini
und der Öegretario der Pregadi Gi odanel li;
dieß waren die Männer, weldye Bo napentus
ra dafelbft kennen lernte. Der. Mahler Biu:
feppe Nogari und der Tonkünſtler Rinaldi
ſchloſſen den Kreis, von welchem Chiara, die
Tochter des Haufes, ein Mädchen voll $euer,
Geift und. Schwaͤrmerey, Die Geele war.
Dem würdigen p eraldi hatte es der junge
Corſe zu verdanken, daß er vor den Söhnen
Der Venetianiſchen Nobili zu feinem. Bortheile
fich auszeichnete; dieß erwarb ihm die Aufmerk:
22 >
x
— 16 —'
fanifeit, und fehr bald auch die Achtung und
Liebe der verdienflvollen Männer, in deren Ge⸗
fellfchaft er verfeßt war. Inniger, als den Ue⸗
brigen, ſchloß er ſich dem hellfehenden Fofrar
rini, dem ihn Abt Bernardo zu Bologna
ganz befonders empfohlen hatte, dem fcharffin«
nigen Antonio Zanetti, und dem fiefdenfens
den Parufa an, wofür er auch feine ſchönſten
Stunden zu Benedig mif ihnen verlebte. Nach
dem Willen feines Oheims und der Wahl des
Stolardo, follte ibn Coſtantini in allem
unferrichfen, imas nad) dem Öefege der Natur
und den Beflimmungen der Römer unter Men—
ſchen, Völkern ımd Staaten für Recht gehalten
wird; Giovanelliihn lehren, dafjelbe im bür⸗
gerlichen Leben mit Klugheit anzumenden. Dies .
fer Anordnung gemäß ging er täglich zu dem Ere
flern, um unter feiner Anleitung ſich mit den
Grundſatzen und Feinheiten der Rechtsgelehrſam⸗
keit bekannt zu machen, und zwey Mahl in der
Woche zu dem Letztern, um dort mit mehrern
jungen Nobili Berathſchlagungen über allges
meine politiſche Gegenftände anzuſtellen, ver-
fhiedene, vom Segretariv vorgelegte Fälle nad)
— 117 —
den Regeln des Rechts und der Staatskunſt zu
entfcheiden und im öffentlichen Sprechen ſich zu
üben. Dieß war zu Benedig feine Arbeit; ſeinen
Genuß fand er bald in der Sek. Marcus:Biblioe
thek, wo ihm -Zanefti in Sopbofles und
Euripides das fräftige Leben und die gehei⸗
. aıen Reize des Helleniſchen Geiftes entſchleyerte,
bald in den, für Wiffenfchaft und Kunft gewinn«
reihen Befuhhen by Don Paruta und No⸗
gari, oder zu Haufe in mufitalifchen Studien
mit der liebenden Chiara und: dem tieffinnigen.
Rinaldi. DieGonnabende und Sonntage wei⸗
hete er den heiligen Myſterien der Einſamkeit im
Kloſter auf der Inſel S. Giorgio Maggiore, mo:
ihm durch Foſcarinmi's Vermittelung eine
freundliche Zelle angewleſen, zu allen gottes⸗
dienfilichen Handlungen der Mönche freyer Zus
£rift geftaffef und der unbefchränkte Gebrauch
der Bibliothek bewilliget worden war.
So wenig Gonella, Trotz allen Bemühun⸗
gen Ren ato’s, das organifche Leben der Pflan⸗
zen und feine Bedeutung jemabls begreifen konn⸗
te, eben fo wenig vermochte er, mit dem jungen
Corſen ſich über Platons Buchſtaben zu dem
2 ⁊ —
—— — — — — —
— 18 — |
Geifte des IBeifen empor zu ſchwingen: darum
Betrachfefe Bonnp enfura das tägliche Lefen
deffelben mit dem Abbate in den Morgenftuns
-den ala bloße Gprachübung, und ſchwerlich
würden fie jemahls in ihren Linterredungen da⸗
bey die Grängen der Grammatik überſchritten
haben, hätte der leßtere nicht bey jeder Gelegen⸗
heit beweifen wollen, der Jüngling müßte feine
alten Sreunde, Benipieni und Leon, fo wie
feine neum, Sophokles und Euripides, in
dag euer werfen, weil Plafon, feiner Mei⸗
nung nad), die Dichter aus der Xepublik verban⸗
net mwiffen wollte, Vergeblich furhte ihm Bonas
ventura begreiflich zu machen, felbft der ganze
Inhalt der Schriften Platon’s fen nichts ans
ders, ala die erhabenfte Poeſie der Ideen; Go⸗
nella erklärte dieſe Behauptung geradezu für den
Einfall eines Wahnſinnigen.
Koch immer bielt er den Schüler Peral⸗
dies für einen Frömmler, und nur die Weiſe, ihn
zu dem, was er Vernunft nannte, zu bekehren,
fand er für gut, in Venedig zu verändern. Bis
dahin wollte er die ihm angedichtete Neigung
zur moͤnchiſchen Andachtuley durch Ueberſpan⸗
— 119 —
nung und Ermüdung in’ ihm £ödfen; darum
mußfe er täglich des Morgens und Abends ein
langes Gebeth mit ihm verrichten, eine Menge
Legenden von den Heiligen und die ſchrecklichſten
Beſchreibungen von den vier letzten Dingen des
Menſchen leſen, vor jedem Bilde des Gekreuzig⸗
ten oder ſeiner Mutter ſich ſegnen und ein Re⸗
ſponſorium mit ihm recitiren, die erbärmlichften
Predigten anhören und allen möglichen Meffen,
Befpern und Proceffionen beymohnen. Bonas
venfura (hat alles ohne Widermwillen, meil er
überall einen höhern Sinn zu finden, oder bins
ein zu fragen ‚ mwußfe, und erlangte dadurd),
daß der Abbate ſelbſt ermüdete und dieſer Art
ihn zu behandeln, überdrüſſig wurde.
Aus der Verehrung des Jünglings gegen
Platon nahm Gonella nun Veranlaſſung
ibm anzükündigen, wie e8 fich geziemfe, daß er
bey feinen pbilofophif chen Studien feine Schwaͤr⸗
mereyen, Ueberbleibſel der kloͤſterlichen Erzie⸗
bung, fahren ließe und der reinen Vernunft-Re⸗
Iigion, der alle Aufgeflärfen und Weifen anhin⸗
gen, beyträte. Auch hierin wollte er ihm ſeinen
Beyſtand treulich leiſten, die Mittel dazu hatte
— 120 —
er in Stolardo's Bibliothek gefunden. Er be⸗
gann ſein Werk mit Des Landes Betrachtun⸗
gen über die großen Männer, welche ſcherzend
geſtorben find. ®) Die Benfpiele, welche der
Berfaffer aufftellte, follten beweifen, daß man
ohne Religion beiter und ruhig fterben könne.
Nachdem ſie das ziemlich unterhaltende Buch
durchgeleſen hatten, wollte der Abbate wiſſen,
wie weit es nun Bonabentura in der Erkennt⸗
niß der Bernunff«Religion gebracht hätte; aber
die Antwort, er habe in dem Iuftigen Buche non
der Bernunft oder non der “dee der Religion
aud) nicyf eine dunkle Spur entdecken fönuen,
feste ihn in einige Berlegenbeit. Deffen ungeachs
fet ließ er den Muth nicht ſinken, der Jüngling
mußtenorhdieReligion des Pilofoph.en"®)
‚ und fo nad) und nad) Bayles Betrachtungen
über die Kometen, endlich Ch u bb s Schriften**®)
mit ihm durchgeben; allein dieß alles konnte ihm
*) Reflexions sur les grandshummes, qui sont morts em
plaisantant. à Amsterdam. 1712 in ı2.'par Mr. D.
“) La Religiou d’un Philosophe. a Londres. 1708.
%®) Nouveaux Essais sur la Bonte de Dieu, la Liber-
te etc. etc. wwad, de V’Angl. de Mr, Chubb, à Am-
stexd. 1732.
/
— 121 —
den Sinn für eine natürliche Religion nicht öffnen.
Nicht länger wollte er den Abbafe an einem vers
geblichen ‚Beftreben Kraft und Zeig verſchwen⸗
den laffen; als diefer hernach in feiner Berzweifs
lung fogar das berüchtigte Buch de tribus Im-
postoribus herbey brachte, gab ihm der freymüs
thige Eorfe in einer ernfihaften Linferredung
mancherley zu erwägen ‚wobon. Folgendes Das
Weſentliche mar.
„Sie haben es,“ ſprach er, „in der Geiſtes⸗
„kunde nicht weit gebrady£, wenn Gie glauben,
„daß man Deift oder Naturaliſt aus Büchern
„werden könne; wo dieſe wirken, dort iſt die
„edelſte Empfänglichkeit des Gemüthes für die
„Dffenbarungen der Einen, unwandelbaren und,
„ewigen Religion enfweder noch nicht entwik⸗
‚„Aelt, oder bereits erſtickt. Ob das Eine oder das
„Andere bey mir der Gall ſey, darüber mußfen
„Sie Sich vorher in’s Klare fegen, bevor Gie in
„mir zerftören oder aufbauen wollten. Mein Ba:
„ter ift Ihnen unbekannt, Sie wiffen nicht, wie
„wohlberechnet er durch die erften zehn Jahre
„meines. Dafeyns.den Auſchauuugsſinn für das
„göttliche Leben in der ganzen Nufur in mir er:
— 104 —
„ſus and Mahomed dem menſchlichen Ge⸗
„ſchlechte angekündiget hat; alfo keine andere
„ale eine geoffenbarte, es ſey durch die Erſchei⸗
„uung der göttlichen Ideen im. Weltall; oder
„durch die Lehre auserwählter, von ihr: begeis
Aſterter Menfchen. Sie fehen, Gignor Abbate,
„ich ſchreite weiter, :als ihre Wünſche ſich viel«
„leicht erftreden; denn in meinem Zempel der
„Bottfeligfeit vereinigen ſich ©riechen und Rö-
„mer, Heiden und, Ehriften, Juden und Türken,
„Rechtgläubige und Keger zu einer heiligen Ge⸗
„meinde religiöfer Seifter; und.ich erhebe mich
„zum Priefter unter ihnen, indem id) ihre ver»
„ſchiedenen Anfichten von dem göftlicyen AN in
„eine einzige gro ße zufammen faffe, und die
„mancherley Sormen, in welche jeder die feinige
„kleidet, zu einem hiftorifchen Gemählde der Got⸗
„tes vollen Menſchheit harmoniſch ordne. Dar⸗
„um iſt mir auch das, mas Sie, poſitipe Res
„ligion nennen, nie Gegenfaß, fondern
„Hülle, Zeichen oder Schein der geoffenbarten,
„aufgeftellt, um zu dem Heiligthume der Einzi⸗
„gen und Ewigen hinzuweiſen, noch immer ach⸗
„tungswürdig ſelbſt dem Glücklichen, der, in
%
Ann 105 FE Een
„ven Simmel der leßfern ruhend und genießend,
„jener Beifung nicht ferner mehr bedarf.”
„Run werden Gie wohl leicht errathen,
„warum ‘ich früher Ihre Heiligen - Legenden mit
„innigſtem Wohlgefallen, und jegt die Schriften
„Shrer ſtarken Geifter mit kalter Gleichgültig«
„keit, höchſtens mit drüdlendem Mitleiden; las: in
„jenen tonnte mir die kindliche Dichfung und die
„Spradhe der Einfalt den idealiſchen Aufſchwung
„des menſchlichen Geiſtes zu dem Unendlichen
„nicht verhuͤllen; in dieſen zeigte ſich mir nichts,
„als ein verwegenes Grübeln des Verſtandes in
„einem Gebiethe, in dem er ewig blinder Bettler
„bleiben wird. Dort bewunderte ich das menſch⸗
„liche Geſchlecht in den mannigfaltigen Weiſen
„ſeiner Erhebung; hier erblickte ich mit Weh⸗
„muth den Menſchen in ſeiner vorſchlichen Er⸗
„niedrigung. “
„Dod) mit dem allen: will ich Gie eben fo
„twenig befehren als Gie auf andere Mittel zu
„meiner Befehrung bedacht madyen. Der Wille
„meines Dheims hat Gie nun einmahl’zu meis
„nem Führet beftimmf;'allein das Feſte und Une
„beränderliche, mas von dem Geifte meines Va⸗
u sch — N
4
„ters und Per.aldi’s meine Schritte leitet, ent;
„bindet Sie der läftigen Rode und Pflicht eines
„Wegweiſers. Es liegt in Ihrer Macht, in der
„leichtern eines angenehmen Gefährten mir zur
„Seite zu gehen und meine Liebe zu gewinnen.
„Bleiben Sie mir immerhin das Organ der Bes
„feble und Wünfche meines Bormundes; fo weit
„diefelben auf mein Aeußeres fid) beziehen, wer⸗
„ven Sie nie vergeblich zu mir fprechen : nur zums
„DBormunde über das höhere Bermögen meines
„innen Denkens und Geyns laffen Sie Sich nicht
„weiter brauchen; da fühle idy mid) mündig und
„in der Beripaltung deffelben nicht geneigt, ir⸗
«gend eine, mir fremdartige, Einmiſchung zu dul⸗
„Den. Auch mein Lehrer folen Gie nad). Don
„Carlo’s Berfügung feyn; und Gie werden in
„der Mathematil, in den Sprachen' der, alten
„Belt, in der Geſchichte der Völker, in den fal=
„ſchen Künften, mit weldyen fie beherrſcht wor⸗
„den find, und in den wahrhaften Srundfägen,
„nad, welchen fie regiert werden follten, den fleis
„Bigen Schüler in mir nie vermiffen. In allem
„aber, was nicht gelehret werden kann, über-
„laſſen Sie mich frey der Unterweiſung meines
u 27 —
„innern Lehrers und feiner Zucht, die mir ſtets
„Achtung für Sie gebiethen wird.“
Dieſe freye Erklaͤrung verfehlte bey Go:
n ella ihre erwünſchte Wirkung nicht, er fing an,
den Süngling, ungeachtet feiner fonderbaren
Meinungen zu achten, und von diefer Zeit an
mar bon Öchtvärmerey , von Poeſie und Reli⸗
gion, von Ideen und goͤttlichen Dingen nicht
‚mehr die Rede unter ihnen. Er gab ihm täglich
feine Lehrſtunden, und ließ denfelben die ihm
ganz fremde Wiſſenſchaft des, Höchften und Un⸗
bedingten ungehindert fuchen, wo. und mie er fie
zu finden glaubte.
Sie glaubte Bo navenfura, außer in Pe⸗
taldi, noch i in feinem Menſchen fo hell und alls
umfaffend, wie in Don Paruta, entdeckt zu has
ben. Dab Kloſter der Somaſchen lag dem Haus
ſeStolardo's gegen über, und dieß begünſtig—
te fein Verlangen , fein Herz recht oft den Eins
wirkungen des erleuchfefen Rectors hinzugeben.
Nur wenige Tage vergingen, an welchen er
nicht einige Stunden bey ihm der Weisheit. hei—
ligte. „Vermöchte ich noch, im Menſchen,“ —
fo ſchrieb er einft von diefem IManne an Peral:
— IB —
di, „den Geiſt in der Form einer eigenthämlichen
„Perfönlicykeit zu denken, fo würde ich glauben,
‚ibn babe fi Platon’s Geift, wie Gie der
„Beift des Pythagoras, zu feiner Wohnung
„auserkoren. Nie ergießt ſich feine Rede in er«
„müdende Abhandlungen; und wenn id, über
| „irgend etwas nur feine Meinung vernehmen
„will, fo führt er mich im Labyrinthe der Ber
„griffe fö fange herum, bis mein eigener Sinn
„den Ausgang findef und mir den Standpunct
„zeigt, aus welchem idy das Ding von allen
„Seiten in der Berflärung des Idealen und fei«
„ner Berbindung mit dem Ganzen überſchauen
„kann.“ ic. ıc.
Wus auf diefe Weife das Erzeugniß der ei-
genen fraft des jungen Corfen gemorden war,
das nahm er in feiner Zelle zu San Giorgio noch
Ein Mahl vor, um es mit den Erfcyeinungen des
Lebens zu vergleichen, und nach allen feinen Rich:
fungen zum wahren Seyn’ zu würdigen. Gein
Auf⸗
Aufenthalt dafelbft mar ganz der Beſchauung
der Ideen⸗Welt in Plato n's Geſellſchaft gewid⸗
met. Was dem Jünglinge nur ruhiges Verneh⸗
men ſeines Weſens war, das ſchien dem Foſca⸗
rini anſtrengende Arbeit, und nicht zu erklaäͤren
wußte er’s ſich, wie derſelbe, mit der Philoſo⸗
phie eines Heiden in feiner Geele ſtets beſchaͤf⸗
tigt, dennoch mit ſo andächfiger Theilnahme im
Ehor dem Pfalmgefange der Monde oder dem
Hochamte beymohnen, und auch feine Kunſt-GStu⸗
dien nur don Madonnensund SHeiligenbildern
entlehnen könnte. Db wirklich ‚reiner, innerer '
Trieb zur Wiſſenſchaft, in fo fern fie Eins ift mit
dem Leben und dem Wirken, oder ob nur Eitel-
keit und Hang zum Gonderbaren ihn zu einer fo
felteien Anftrengung begeiftere, darüber wollte
Sofcarini befriedigende Yuffchlüffe fi) ver:
ſchaffen, um ihn entweder in feinem Streben zu
beſtärken, oder auf beffere Wege zu leiten. Als
num einmahl Bonavenftura, die Inſel wieder
‚ verlaffend, von ihm Abfchied nahm, gab ihm
der Lector eine Abhandlung in Lateiniſcher Spra⸗
che über die Unruhen, durch welche die
Platoniter die Kirche Chriſti erfchüfs
c*
a)
en \
fertbaben ®), mit, und forderte von ihm, fe
mehrmahls durdhzulefen, ihren wichtigen Inhalt
gewiſſenhaft zu erwägen, und am nächſten Gonn:
abende ihm frey und ‚wahrhaft feine Meinung
darüber zu eröffnen: „wahrſcheinlich,“ ſprach er,
„wirft auch du das ſo oft verunglückte, mithin
„vergebliche, Beftreben, den Platon mit Chri—
„ſtus zu vereinigen, für immer fahren laſſen.“
Bonaventura thaf pünctlich, was Foſ—
carini verlanget hatte; drey Mahl las er die
Abhandlung durch. Um feine Unbefangenheit
nichf zu ftören, hatte der Lector den Nahmen
des evangeliſchen Aufors und des Druckortes bis
zur Unfenntlichkeit ausgeftrichen. Anfänglich be:
munderfe der Jüngling eben fo ſehr die ausge:
breitete Gelehrſamkeit des Berfaffers, als er her:
nad) , ben bellerer Einficht in fein Tünfilidyes. Ges
webe, über feine Berwirrung der Begriffe und
feine Impotenz, die Platonifcyen Ideen in ihrer
Reinheit aufzufaffen, erftaunte. Tag und Nacht
beunrubigten ihn. die Behauptungen deffelben,
er fühlte ihre Unrichtigkeit; aber.den Grund des
*) Moshemii de turbata per recentiores Platonicos ec-
clesia Commentatio. Helmstadii 17352.
x
Irrigſcheinenden wußte er ſich nicht aufzudecken:
da ließ er ſich auf die Carthäuſer-Inſel hinüber
fahren, um mit Renato das Ganze noch Ein
Mahl durchzugehen.
Rendto war in der Stadt; um ibn z zu er:
warfen; ging et in die Kirche, mo fo eben das
Beichen zur © erf gegeben wurde, Bey den Wor-
fen der frommen Öänger:: „Herr dein Wort bleis
„bet ewiglich fo weit der Himmel iſt; deine Wahr:
„beit währet für und für; ꝰ)“ erfüllte fein Herz
die wehmüfhigfte Gebnfucht nach diefem Worte
und nad) diefer Wahrheit: ſogleich ftand aud)
eine Gtelle de8 Thbemiftios aus der Abhands
lung in ihtet vollen Bedeutung vor feinem Gei-
fie. Unwillkührlich wiederhohlte er fich diefelbe.
lant,®®) und heftete fein Auge auf das Gemähle
*) Pfalm 119. v. 8g.
**) „Allen Menfchen, felbft den roheften und uns -
„twiffendften ift die Idee der Gottheit anerſchaf⸗
„fen und daß Gefühl der Kcömmigkeit eingeflöße.
„Keinelleberredung und kein Zwang kann in ih»
„ter Seele jene auslöfcdyen, diefes erftiden; nur
„die Geitalten, in welden die erftere ſich ſinn⸗
„lid darftellen, und die Sormeln, durch melde
J 2
— 132 —
de am Hochaltare von Marco Baſaiti, wek
ches Jeſum, die Söhne des Zebedäus berufen?,
vorftellfe. Ye tiefer feine Geele ſich in die Befrad):
tung des Bildes verfenkte, defto Elärer ward ihm
auch, dag der Berfaffer der Abhandlung weder
„ſich das letztere ergießen möge, find jedes Em
„ſicht umd freyer Wahl überlaffen. — Die Ber
„ſchiedenheit veligiöfer Anfihten und Meinungen
„bat den Sinn für Religion genährt, verftärkt,
„und wird ihn aud bis an das Ende der Zeiten
„unter Menſchen erhalten; dagegen ben völlig
„gleihförmigen Lehrbegriffen und Gebräuden
„kaum ein Schatten von Religion auf Erden mehr
„vorhanden wäre. — Nur unweiſe Menſchen föns
„men eine gänzliche Uebereinftinmung der Mei—⸗
„nungen über göttliche Dinge bewirken wollen; al
„lein die Gottheit felbft ſcheint ihr thoörichtes De:
„streben zu vereiteln.—Die fihtbare Natur will
„nad Herallitus Lehre unergründlich bleiben, wie
„vielmehr der unfichtbare Schöpfer und Herr des
„AR, Undurdpdringlich dem Verftande, und über
„alle menfgliche Erkenntniß erhaben, liege ihm
„weniger daran, daß alle ihn auf gleiche Art ver:
„ehren, als daß jeder frey, nad) feiner eigenen,
„nicht nach fremder, Einficht von ihm denke.“
Orat. VII ad Jovian. et Orat, XII, ad Valenten.
4
— 133 —
den Zweck der Sendung Jeſu, noch den Beruf
ſeiner Vertrauten zum Reiche Gottes begriffen
habe; und das Irrige ſeiner Schrift auf den
nicht erkannten Unterſchied zwiſchen Philoſophie
des Geiſtes und ſchulmäßiger Welterkenntniß des
Verſtandes, zwiſchen Chriſtenthum und Theolo⸗
gie, zwiſchen allvereinigender Religion und tren⸗
nender Kirche gegründet fey, Diefer, ſchon von
Themiſtios angedeutete,linterfchied ftellte fich
ihm jetzt fo beſtimmt und einleuchtend dar, daß
er den Muth faßfe, in einer eigenen Schrift die
Behaupfungen des ihm unbekannten Theologen
durch die Begründung der Gegenfäge zu wider⸗
legen, und damit dem einſichtsvollen Foſcari⸗
ni das verlangte Urtheil ſchriftlich zu überbrins
gen. Go eilte er nad) Haufe, um augenblicklich
Sand an das Werk zu legen.
Er begann es mit der Ausmittelung und Abs
leitung der Idee von Religion aus der dee des
Unendlichen und aus dem Wefen des menſchli⸗
een Gemũthes, woben er.den Berftand firenge
auf den ihm angemeffenen Dienft, das Ideale
in Begriffe zu Beiden, befchränkte. Hieraus fols
gerte er die EinheitderKReligion und Phis
= = 14 —
Iofopbie, des Glaubens und des Wiffens
inder dee, und ihre ſcheinbare Verſchie—
denbeiti indem Be griffe. Aus jener Einhei:
bildete er die “dee des Ehriftenthumes, aus dies
‚ fer Berfchiedenheif entwickelte er den Begriff eis
ner Theologie und Kirche. Die Idee der Relis
'gion und ‚Philofophie unfer dem Symbol des
göftlichen Reiches zu offenbaren, nicht eine Theo⸗
fogie zu begründen und eine Kirche zu fliften,
ftellte er als den Zweck der Sendung Jeſu auf.
Nach diefer Einleitung zeigte er den Urfprung
der chriftlich genannten Kirche aus der Synago:
ge, deren Geiſt jene bis auf den heutigen Tag
befeelte, und von bier an zerfiel feine Abhand:
lung in zwey Haupttheile.
Im erften bewies er, daß die Platonifer die
Kirche in ihrem Streben, durch eine eigene Theo⸗
logie zu einigen und zu frennen, wirklich erſchüt—
tert haben; meil fie die Gründe, womit diefe den
beidnifchen Eultus, feinen Sinn nicht faſſend,
befämpfen wollte, durch ibre Lehre aufboben ;
weil fie den Wunderthaten, morauf die Kirche
ihre göftliche Einf eßung, die Wahrheit ihrer Dogs
men, und die Heiligkeit ihrer Sitten flüßfe, die
- 13 -
Wunder, welche Epimenides, Pythago⸗
zas, Empedokles gefhan, die göfflichen Er⸗
fafen, welhe Plotinos, Jamblihos, Pros
Elos erfahren, und die-nicht minder vortrefflie
che GSittentehre, die Pypthagoras, Zenon
und. Plafo.n gelehret hatten, enfgegen fegten ;
und meil fie endlich dadurch betvirkten, daß Die:
le, wie Kaifer Julian, aus der Kirdye wieder
austrafen, oder mie Themiftios, Chalki—
diog und Summadhus, aus dem Chriſten⸗
fhume und dem Platonismus einen eigenen re⸗
ligiöfen Lehrbegriff ſich bildeten, Dabey laͤugne⸗
te er doch nicht, daß eben dieſer Platonismus
die heiligen Väter verleitet habe, von der Frey⸗
beit des Menfihen, von dem Urfprunge, dem
Weſen und der Sortdauer der Seele, von der
Perſon Jeſu und der göfflichen Dreyeinigkeit
bisweilen anders zu lehren, als die Kirdye es bils
ligen oder dulden konnte; daß ihre erhabene phi⸗
loſophiſche Myſtik, von Unzähligen mißverſtan⸗
den, Vielen zum Elemente eines aſcetiſchen Fa⸗
natismus geworden ſey; daß ſie, an die allego⸗
riſche Auslegung der alten Mythen gewöhnt,
diefe Art zu deuten auch auf die heiligen Schrife
—
— 156 —
fen angewendet, und mit den Genien, Damos
nen und Manen des Heidenthumes verfrauf, die
Gegenftände und die Eeremonien des kirchlichen
Eultus betraͤchtlich vermehret haben,
Leicht war es ihm nun, im zweyten Theile
darzuthun, wie aus eben dieſer Erſchütterung
der Kirche und ihrer Theologie für die Wieder:
berftellung und Befeftigung der Religiofität ums
ter Menfchen die eutfchiedenften Vortheile erfok
gen mußten. Er führte folgende Säge aus,
Der eben fo fruchtbare als vortreffliche
Grundfag des Ammonios und Plotinos,
daß alle Weiſen der-alten Welt in der Ur⸗Idee von
dem Wahren, Guten, Schönen, Göttlicdyen und
Unendlichen überein flimmten, und nur in der
Bezeichnung derfelben durd) Begriffe von ein⸗
ander abwichen, ward bald, ſowohl in kirch⸗
lichen als philoſophiſchen Schulen, angenom«
men. —
Durch ihn gewann bey aufgeklärten Heiden
das Chriftentbum Verehrung, die Kirche Dul-
dung, die Philoſophie bey den Vätern und Kira
chenlehrern Achtung, und hiermit auch die Ein:
feitigkeit der Theologie in der wielfeitigen philo⸗
‘
- 17 —
fopbifchen Anficht von den Dingen ein Gleich⸗
gewicht, das ihr fo nöthig und heilfam war. —
Willig erkannten die Platoniter das Heilige
und Göttliche in Jeſu an, fie beſtritten nur die Kir⸗
che, durch welche die neubekehrten Juden die Idee
eines göttlichen Reiches in der Menfchheit verkör:
perfhatten; und jeder Sieq, den fieihr enfwanden,
mar ein Gewinn für die Herrſchaft der Religion. —
‚ Die Borliebe und Begeifterung der Bäter
für den Platonismus öffnefe ihr überall eine
fichere Zufluchtsflätte, mo das Streben der Kir⸗
che, dns Reich des Leberfinnlichen lieber zu be:
berrfchen alg zu verfinnbilden, fie verfolgte. Gie
. fand in dem Kleide ihrer ewigen Schweſter, der
2
Philoſophie, eine ehrenvolle Aufnahme, wo fie
in ihrer eigenen majeftäfifchen Geftalt nich£ mehr
erfcheinen durfte. — |
Gerade die höhern, den kirchlichen Dogmen
miderfireifenden, Lehren der plafonifirenden Bäs
ter erweckten in ihren empfänglichen Schülern
twieder dunkle Ahndungen von Religion, weldye
fih durch den trotzigſten Widerftand der Kirche
in den Ausermäblten bis zur Idee aufllärten
und kraͤftig in dag Leben übergingen. —
— 133 — —
Ihre Weiſe, die heiligen Schriften allego—
riſch und myſtiſch zu deuten, erhob die Oottſeli⸗
gen zur Anfchauung des darin wehenden Geis
ftes, und riß fie los von dem födtenden Buch⸗
ftaben, in welſchem Kirche und Theologie ihr
kümmerliches Leben erfchöpften. —
Ihre freu bewahrte Liebe für die Gemein:
ſchaft mit Genien und Dämonen gebar die find»
lichen Dichtungen von der Hierarchie der Engel,
von einem Himmel voll Heiligen; das ift, von ei-
nem Reiche der vergöttlichten Menſchheit. —
Dadurch ward aud) die drifte, lange ver-
banntgemefene, Schweſter der Religion, die Poe⸗
fie, in die Kirche wieder eingeführt, und fie bes
förderte die Wiedergeburt der Kunft, der jeder
edlere Menſch mit Andadyt buldigte, —
Es lag in der Natur der alten einfachen Ce⸗
remonien des Cultus, daß fie durch. die beſtän⸗
dige Wiederbohlung ihren Eindruck, und nad
und nad) fogar ihre urfprüngliche Bedeutung,
verlieren mußten. Vermehrte und erweiterte An⸗
ſichten von dem Göftlidyen forderten neue Ges
ftalten‘, in welchen fie fi) dem finnlicyen Mlene
fihen darftellen Eonnten ; das Gefühl der Gottſe⸗
«
Ä 1
ligkeit bedurfte zu ſeinem Aufſchwunge neuer dra:
matifcher oder lyriſcher Formen, meil es von den
alten wenig mehr gerühref murde, Die fchöne
Hellenik mar von der Erde auf ewig verſchwun⸗
den , der Judaismus der Kirche konnte aus feis
nem ftarren, düftern Wefen nur Zrauriges.und
Schreckliches erzeugen, Eein Heil war mehr zu
hoffen, wenn nicht die liebliche Romantik zu Hüls
fe eilte, Hätte fich nım der Platonismus der Ba:
ter. mit ihr vermählt, fo war die Schöpfung neuer
Gegenftände und Sormen des Cultus gerade fein
wohlthaͤtigſtes Berdienft nicht nur um die Relis
gion, fondern aud) um die Kirche felbft, die ihn
verfolgte. |
Dieß alles unterflügte und beleuchtete er mit
vollgültigen Gründen, Feisgniffa: und Beyſpie⸗
fen. Freudig übergab er. am nächſten Sonn⸗
abende die Schrift feinem Freunde, und er fühlfe
ſich reichlich, dafür belohnet in den Worten, mo«
mit derfelbe ihn am folgenden Mionfage von
fi, entließ. „Sabre fort mein Sohn,“ ſprach er,
. „deine. Wohnftätte in Platon’s heiliger Welt
zu bauen; nie wirft du feinen Ölanz, wie Vie:
‚se, dir nur erborgen. Frey und eigenthümlich
n
— 10 —
„wird in und aus dir ſich geſtalten, was er für
„ſich aus feinem Innern frey gebildet hat.“
Bas Bonaventura fonft nody in Benes
dig erfahren, geſehen, beobachtet, mit twelchen
Gefinnungen, Empfindungen und Ahndungen er
die prächtige Zagunen-Stadf verlaffen hat, mös
gen- einige Bruchflüde aus feinen Briefen am
Peraldifchildern. .
„rw. ıc. Eine holde Spenderinn fo mancher
„angenehmer Genüſſe,“ fchrieb er in dem einen,
„war mir au Ebiara. Das anmuthsvole
„te, geiſtreich ſchwärmende Mädchen wird am
„nächften Sefltage der Heiligen Eugel in der
„Abtey zu San.2orenzo den Schleyer nehmen,
„um ihren Eifadino Rinakdi ungehindert
„leben zu können, weil fie, als die Tochter eis
„mes Nobile, fich mit ihm nicht vermählen darf,
„und mif dem Manne, den Gtolardo für
„fie gewählt hatte, fich nicht vermählen will.
„Wahr ift es, Rinaldi’s Liebenswürdigkeit
„bat für weibliche Herzen ungemein viel Ar:
— 141 —
„giebendes, und ſchwerlich werde ich felbft den
„Abglanz der himmlifchen Tonkunſt aud) in dem
„Wefen und Befragen eines Menſchen je wieder
„fo würdig, fo ſchoͤn und fo harmoniſch, wie in
‚Abm, erblicken; deſſen ungeachtet erſchreckte mich
„Ebiara’s Geheimniß und Entſchluß. Lange
„würde ich ihrer nicht ohne Schmerz gedenken
„können, bäffe fie mir nicht ſelbſt ein freundli⸗
„cheres Bild von ihrer Zukunft mitgegeben.“
„Bald nach ihren vertraulichen Eröffnungen
„fübrfe fie mich in dag Sprachzimmer der Non⸗
„nen, deren frobfinnige Gemeinde fie durch ih⸗
„ren Beytritt naͤchſtens vermehren wird. Da fah
„ich, wie weif e8 diefe Dpfer einer ffaafsklugen
„Eonvenienz in der Kunft gebracht haben, den
„Simmel und die Erde zu dereinigen, und den
„Heiland in dem Manne ihres Herzens zu lies
„ben. Gündigen fie, fo läßt fid) die Sünde in:
„keiner reigendern Geftalt denken ; iſt ihre Liebe
„vor einem höhern Richterſtuhle ſchuldlos, ſo
„wünſchte ich, nur ſo zu lieben und nur ſo ge⸗
„liebt zu werden.“
„In der kurzen Friſt von Einer Stunde ka⸗
„men ſechzehn Tonnen in dns Zimmer, alle noch
— 142 —
„ia Der ſchoͤnſten Blüthe ihres Frühlings, Die
- „meiften mit dem binreißenden Ausdrude, in
„welchem ſich Kindlicykeit und Andacht mit der
„fügen Schwärmerey romantifcher Liebe ver:
„ſchmolzen zeigten. Bey ihrem Anblide dacht
„id: „„die Rinder der Menfchen fahen.nach den
„„Töchtern Gottes, wie fie ſchön waren;“ und
„da die erſtern immer nur bey dem bloßen Se—
„beu blieben, beunruhigte mich auch keine Furcht
„vor einer neuen Sündfluth. Ihre Art ſich zu
„kleiden bat etwas unbeſchreiblich Reizendes.
„Außer dem Chor tragen fie feinen Schleyer, ih:
„ce Haare find gefräufelf und nadyläffig bedeckt
„mit einem Zuche von gelber Gage, welches fie
„unter dem Kinnezubinden. Ein Tud) von Mouf:
„felin um den Hals verhüllet bloß ihre Schul-
„fern, und weder das ſchwarze, oben knapp an⸗
„liegende, unten im freyen Faltenwurf ſpielende
„Gewand, noch das Gcapulier, verwehret Den
„Anblick eines fehönen Bufens, der in einer zier-
„lid, gefalteten Einfaffung von Gpigen wallef.
„ihre Lebensart ift frey, und, die Claufur auss
„genommen, von Elöfterlichen Borfihriften we⸗
„nig ein geſchraͤnkt. Der Chorgefang und die mei:
a
18 —
„ſten Andachtsübungen find ganz ihrer Willtühr,
„ibrem Gefihmade, oder ihrem Bedürfniffe an«
„beim geftellt.“
„Die Befellfchaft der Laien in dem Sprach⸗
„zimmer beftand aus laufer jüngen Robili, durch
„Einen und denfelben Zweck zur innigften Ber:
„traulichkeit verbunden. Einige vun ihnen bes
„‚tbeuerten mir, daß ein zärtliches Verhältniß
„mit einer Benefianifchen Nonne alle erdenkliche
„Verbindungen an Seligkeit und Wonne über:
„träfe, und daß fie es für feinen Genuß in der
„Belt vertaufchen möchten. Rinaldi, obgleich
„pon Menfcyen unabhängig durch fein Glück,
„dient diefer Abtey als ChorsDireckor, um unfer
„dem Schutze feines Amtes auch in Zukunft nur
„feiner Chiara leben zu fönnen. Mit Beyden
„war ich/ bey mebrern kleinen Seften , welche die
„Nonnen ihren Verwandten oder Herzensfreun⸗
„den gaben, fröhlicher Gaft, und lernte dabey
‚ Die Liebe, mehr in den finnreicyen Erfindungen
„einer ſchönen Kunft, ala in den ſtürmiſchen Bes
„regungen einer heftigen Leidenfchaft, kennen.
„Nur Eamilla’s unauslöfdliches Bild rettete
„hier meine Freyheit, indem es die Schönheit die:
— 144 —
„ſer Srazien des heiligen Benedirtus, mifiwek
„hen id) in anſtändiger Unbefangenheit ſcherzte,
„in meiner Seele verdunkelte.“
„Stolardo's älferer Sohn verehret die
„Heilige feiner Liebe in der Abtey der Auguftiner-
„Nonnen zu SanMaria celeste; auch ihn beglei:
„te ich gern als Zeuge feiner frommen Zärtlidy
„keit und fehe dort diefelbe Macht Des himmli—
„chen Amors herrſchen; nur anlodender noch,
„als bey den Töchtern des heiligen Benedic—
„tus, fpielet feiiie unfchuldige Schalkheit unter
„ven Anzuge der bier verfdyloffenen Befkalin-
„nen. Ein weißes Kleid von zartem Stoffe um:
„fließt die Reize der ſchlanken Geftalt, ein ſchwar⸗
„zer Flor bezeichnef das geheime Heiligthum ver;
„liebter Geufzer, ein niedliches Häubchen von
„feinften Spigen, unter dem Sinne gierlidy befe-
„ſtigt, vedeckt die ſchwarzen, über Stirn und
„Nacken herabwallenden Locken, unter welchen
„der ſchmachtende Blick des ſehnſuchtsvollen Au⸗
„ges den Sturm der Begierde in dem Geliebten
„oämpft, und nur die Wonne einer zärtlichen
„Ergebung des Herzens verfpricht. Da von meh:
„tern Göhnen eines Haufes, in der Regel, nur
„Einer
— 115 —
„Finer fi) verehelidy£, fo dienen die Lebrigen
„bei sungen Srauen, als Cavalieri ferventj, oder
„ſie übertaffen ſich in den Armen ſchlauer Buh⸗
„lerinnen den ſchändlichſten Ausſchweifungen;
„nur die Beſſern, nach reinern Freuden verlan⸗
„gend, genießen fie, als vertraute Trüäſter der
„schönen Unglüdlichen, welche der Zwang des
„Familien-Gtolzes und ‚der Staatsklugheit in
„die Klöfter verwiefen hat.“ zc. ıc.
„re.rc. Un den lärmenden Freuden des Gars
„navals nehme ich in Chiara’s Geſellſchaft flei⸗
'„Big Theil; in ihnen, fo mie in der Opera, bes
„trachte ich) mit Wöhlgefallen die unaustilgbare
„Reigung und den lebhaften Aufſchwung zu
‚den SYdealen, unter welchem Menſchen und
„Voͤlker, ihre höhere Beſtimmung ahndend, das
„Leere, die Leiden und die Laſten der gemeinen
„Wirklichkeit fo gern vergeſſen. Unter den Yeu-
„ßerungen des zügellofeften Muthrillens ward
„ich Kräfte gemahr, auf welche ſich bey weifer
. „Zeitung die Wohlfahrt des Staates ficherer, als
„auf die künſtlich unferftügte Berderbtheit der
„Bürger, gründen ließe.‘ zc. ıc.
(TEE En
K
16
„iac, ic. Da in der Zeit des allgemeinen Tau⸗
„mels alle ernfthafte Gefchäfte ruhten und auch
„mein Unterricht bey Eoftantihi und Giova—
„nelli ausgefeßt murde, fo meiheteich den größ-
„ten Theil meiner Tage dem Studium md Ger
„nuffe der Kunft in ihrem eigenflidyen Heiligkhus
„me, in den Kirchen, die jet größfen Theils leer
„ftanden. Unzäblig find in Benedig die Sch:
„pfungen der Böttlichen. Togari und Giro:
„Iamo Zanetti begleiteten midy auf meinen
„Wallfahrten; der Eine leitete meinen Blid auf
„ben Körper der Gebilde, der Andere ließ ihre
„Seele zu meinem Gefühle ſprechen, ihren Geift
„konnte nur die Thätigkeit meines innern Sin:
„mes erfchauen. Es hatte jetzt ſchon großen Reig
„für mid), der i dealen Welt, fo wie fie dem
„KRunftgemeibten in mannigfaltigen Formen
„erfchienen war, in ihren Werken nadgufpüs
„wen; ich mar daher am liebften dort, wo id)
„eine größere Anzahl derfelben von ‚Einem Künft-
„ler in meiner Betrachtung und Birdiguyg zue
„fammen faffen konnte.”
„So fand ich den ganzen Titian in dem
„Pallaſte der Barbarigo's, wo ein heiliger Hiero⸗
— 147 —
„nymus, fein erſtes, ein heiliger Sebaſtian, fein
„letztes, und eine Venus, ſein beſtes Gemählde,
„nebſt vielen andern feines Pinſels aufbewah⸗
„ret werden. In allen fand ich den eben fo treu⸗
„en als ſcharfſichtigen Nachahmer der fichtba:
„wen Natur, die allein fidy, feiner Meinung
,mach, in der Kunft fpiegeln follte. Die vorfreff:
„liche Anordnung und die ihm eigenthümlidye
„Einfachheit in feinen Werken, die nainefte Un,
„ſchuld und anfpruchlofefte Wahrheit in.feinen
‚‚Stindergeftulten ließ mich in ihm den freyen, zus
„‚friedenen, mit fid) felbft einigen Mann und
„ein Gemüth voll Ruhe und kindlichen Frohſin⸗
„nes errafhen. Doch nirgends ſah ic) ihm über
„das, was ihm Die Wirklichkeit, als wahr
„und fehön, dargebothen hatte, mit tühnerm
„Gluge fich erheben, und fremd war ihm, fo
„glaube ich, der Gedanke, daß zwar die Kunſt
„das fheinbar Wahre in der Sinnenmelt bis
„zum 2ieblähen und Gefälligen erhöhen Tönne,
„aber wirklich fhon nur das Ideale, und
„eben fo nur dieß, aus feinem Wefen, für die
„KRunft das einzig Wahre fey. Gein Sinn
‚war, meiner Anficdyt und), weniger für das gei:
| 82
— -
‚„BigeLeben der Erfcheinungen , als für das Me
„dium derfelben, für das Licht, gefhärft; dns
„ber die unerreichbare Klarheit, Kraft und Ma:
„gie feines Eolorits, welches in feinen Gemähls
„den nur zu off die Stelle der geifligen Berkläs
‚zung etfegen mußte. Geine weiblichen Öeftal:
„gen, die my£hifdyen mie die heiligen, find voll
„menſchlich er Anmuth und Örazie; dod) über-
„au vermiffe ic) die idealifche Schönheit und
„Bürde des Böttlichen. Gelbft wenn er die
„böchfte Aufgabe der Kunft in der Darfiellung
„Ler.religiöfen Begeifterung löfen wollte, erreich:
„te fein Ausdrnd bloß das Wirflidye, nicht
„vas Erhbabene md Himmlifche. Eben dar⸗
„um iſt feine VBerfimdigung Mariä in der Kir⸗
„he San. Galvador, Troß. der Unterſchrift:
„Titianus fecit, fecit, nicht vollendet. Gei-
„me Krönung des Erlöfers mit Dornen tonnte in
. „meinem Urtheile von ihm nichts verändern ; dag
„Berzügliche derfelben, der glüdlicdy getroffene
„Webergang des 'ftunlihen Gchmeizgefühls in
„das Bemußtfeyn einer übermenfchlichen Hobeit
„und freymilligenelbfterniedrigung bewies mir
„nur, daß das idenlifch Schöne und göttlich
‘
'
„Große auch feinem Gemüthe befreundet war,
„aber im Kampfe mit feiner verſtaͤundigen Scheu,
„„die Öränzen der Wirklichkeit zu überfchreiten,
„böcht felten fiegte.“
"„Zintoretto’s unrubiger ‚ feuriger Geift
„erſchreckte mich mehrmahls in der Kirche dell’
„Drto; fein jüngftes Gericht und feine Anbethung
„des goldenen Kalbes überzeugten mid), daß er
„wohl Miche langelos großen Styl mit Tis
„ti an's magiſchem Colorit in feinen Kunſtbil⸗
„dungen meiſterhaft zu vereinigen, aber nie in
„ſich die Phantaſie mit der Vernunft und mit
„dem Gefühl in Harmonie zu bringen, und da⸗
„durch fein Gemüth für die Einwirkungen des
„Idealen und ewig Schönen empfänglid) zu ma:
„Sen wußte. In allen feinen Werken, deren Aus
„Bere Bollendung ich in der Scuola di San Rocs
„eo bewunderte, erkannte id) zugleich, mie ges
„recht ihm der Beynahme, il fulmine di pe-
‚„mello, gegeben ward, und melcher Berluft es
„ſey, wenn ein origimeller Geiſt, in Zwietracht
„mit ſich felbft, fich immer nur erweiternd, dag
„euer, das ibm vom Himmel dam, an äußern
„Umgebungen verſchwendet.“
— 150 —
„Unetmeßlich ausgedehnt yeigfe ſich mir im
„der Kirche zu San Gebaftiano Paola Bero:
„meſe's innere Welt; allein audy fie mar nur ein
„Spiegel, in dem ſich lediglich die äußere und
„hichtbare mit nie herfehlter Richtigkeit und Wahr⸗
„beit darftellte. Seine Engel fin? naive, liehliche
„Kinder „feine Madonnen mehr finnlidy reizend
„als idealiſch (chen, feinen Ehriftus- Bildern fehlt
„es an gätflicher Mürde und feinen Mlärterern
„an der höheren Begeifterung des religiöfen He
„roismus; doch ſtarke Ahndungen des letztern
„verrieth mir fein heiliger Geo rgins, dag vor⸗
„trefflichſte feiner Werke‘
„Eine Menge Kunftbildungen von Titi«
„an’s, LZintoretto’s und Veroneſe's Schü⸗
„lern. oder Nachahmern liegen mich injederRüd:
„ſicht unbefriedigf.. Gie fchienen mir, dag Eine,
„was ihren Meiftern Moth that, gefühlt zu bas
„ben; allein mit der bloßen Muthmeflung, daf
„nicht minder für den bildenden, als für den
„pbilefophierenden Künftler, über. den Wahrheit
„Der fihtbaren Natur, wahl nod) eitwos Höher
„res vorhanden feyn dürfte, konnten fie daffelbe
„nicht finden, nicht ergreifen. Gie verfielen in
— 151 —
„das Manierirfe, meil fie, eben fo wenig
„alg ihre Meifter, die Myſtik der Kunſt, das
‚zarte Andeufen des Idealen durch eine heilige
„Dämnierung, das Zufammenziehen der Unend⸗
„lichkeit in beſtimmte Formen pon dem Ideali⸗
„fieren wirBicher Gegenftände zu unterſcheiden
„roußten. Irre ich, ehriwürdiger Vater, menu
„ich das lebendigfte Gefühl, daß der Menſch
„obne regesLebenin Ideen überall nur
„etwas Zerriffenes und Hinfälliges
‚ey, und nirgends mit feiner ganzen
„Kraftfüllefhaffen oder wirken kön—
„ne, als den höchſten Gewinn meines Kunfts
„GStudiums betrachte ? ꝛtc. 1.”
c. ꝛc. Ich verlaſſe Benedig mit einem gu⸗
„ten Vorrathe von Kenntniſſen und mit einer
„Menge angenehmer Rüderinnerungen, zugleich
„aber auch mit derfraurigenlleberzeugung, daß
„dieſer, in ſeinem Innern ſchon längſt zerftörte
„Staat, auch feiner äußern Auflöfung entgegen
„eilend , kaum ſechzig Jahre mehr die Welt mit
„feinem Scheine republifanifher Weisheit und
„Größe betriegen werde. Der hohe Rath ift hier
„nicht der Bürger wegen, fondern Diefe find aba
„feinetwillen da; das Princip der Tremung und
„des Schreckens, nicht die Idee des ewigen Rech⸗
„tes iſt die Baſis, worauf er die allgemeine Wohl⸗
„fahrt, das iſt, ſein eigenes behagliches Daſeyn
„gegründet hat. Diefes in feinem geheimen Trei⸗
„ben erfpäben, ftören oder tadeln wollen, ift
„das höchſte und bey nahe das einzige Berbre-
„Sen, dag der ſchrecklichſten Rache nie entrin⸗
„net; denn nur rächend, nicht ftrafend, etſcheinet
„bier die Macht, an welcher der heilige Nahme,
„Gerechtigkeit, entmeihet wird. Um diefe Sicher:
„beit unangefochten zu erhalten, wird ıimfer den
„Laien wie unter dem Clerus die zügellvfefte Un⸗
„fittlichkeit, nicht nur geduldet, fondern fogar
„geflilfentfich begihiftiget; wird durch befländige
‚„Aufforderungen zu geheimer Angeberey Frey⸗
„müfbigkeit, Berfrauen und Redlicdykeit aus der
„Oeſellſchaft verbannet, Späbfucht, Kleinmuth
„und Mißtrauen zur berrfdenden Stimmung
„gemacht, jede edfere Befinnung, jedes menfchen«
„freundlichere Befühl in den Gemüthern erſtickt
„und der National: Charakter vergiftet.: Wels
„ches Bewußtſeyn verderblicher Abſichten, wel⸗
— 153 —
„she Gewiſſensbiſſe miögen eine Regierung in ih⸗
„tem Innern beunruhigen und zermalmen, wel⸗
„che i in der Einrichtung ihrer Gtaats⸗Inquiſition
„fi ic beftreben'mußte , felbft die Lift, die Ränke,
‚Den Ganatismus. und, die Wuth des Keßerges
„richtes zu Aberfreffen, welche unter ihren Sands
„werkern, Kaufleuten, Beamten und @deln eine
„beträchtliche Anzahl heimlich ſchleichender Rund:
ſchafter beſoldet, die unbeſoldeten reichlich bes
‚‚lobnet, an allen oͤſfentlichen Plätzen und Ges
„ichtöhöfen durch eingemauerte offene Löwen:
„rachen zum Verrath der Freundſchaft, des Ber«
„trauens und der Dffenherzigkeit einladet;: wel⸗ |
„che Öle Berrafhenen In finflern Kerkern ſchmach⸗
„ten läßt, ihnen eine Bertheidigung geftattet,
„fie zum Zode verurtheilt, und in dem Canal
„Drfano ganz im Stillen erfäufet? Nie ging
„ich vor jenen gefährlichen Schlünden und, dies
„fem Eanal der Waifen vorüber, ohne den leb-
„bafteften Abfcheu gegen diefen Spionen⸗Gtaat,
„ohne den innigſten Wunſch, daß ſein Richter
„und Zerſtörer bald erſcheinen möge in mir zu
„erneuern. Ich ward von der Gerechtigkeit des
„erſtern und von der gewiſſen Erfüllung des letz⸗
— 154 —
„tern durch die geheimen Regeln perfühherf,
„welche einft Pao lo Sarpi der Repablik zur
„Befeſtigung ihrer Macht gegeben hatte. Der
„biedere Servit Girello legte fie mir einſt in
„feiner Zelle por, und ich erkannte, daß Vene⸗
„digs Untergang durch nichts, als durch die,
„dort aufgeſteliten Maximen des Fra Paoloꝰ),
„welche fie feit hundert zwanzig Jahren pünct⸗
„ich befolget, gewiſſer und unausbleiblicyer vor⸗
„bereitet werden konnte. Ich ſchloß das Buch
„mit einem Fluche über Venedig, und auch über
„Genua, ven dem mein Vaterland nad) den»
„felben Marimen behandelt wird, und Girel-
„lo billigte. mein Bedauern, dag Sarpi’s
„großer Geift, unvermögend die verderblkhe
„Richtung feines Zeitalters zu durchſchauen,
„ven Beinen Geiſte feiner Zeitgenoffen unters
°)3,8. „Man laffe den Verbrecher aus der Claſ⸗
fe der Nobili fein Leben im Kerker endigeh, ‚oder
„wenn es die Nothwendigkeit fordert, ihn im Ber»
„borgenen hinrichten.“ —
„Laſſet den Giftbecher die Stelle des Scharf
„richters vertreten, die Wirkung für euch ift die
. „felbe, und der Haß bey dem Volke geringer.“ ꝛc.ꝛc.
u
„König, und der æ Miſhuldise ——
„ward. “⁊c. ꝛ⁊c.
ee ——
Yo Milano eilte Bo napenkurg, dem
Prior. der Olivetaner zu San Vittore das Schrei⸗
- ben zu überbringen , welches ihm. der Abt diefes.
* Drdens.zu Bolögua, Don Bernardp, mitger
geben hatte, Don Elem ente Fawminato, ein
Mann voll Anftand und Würde, empfing ibn
fo treuberzig und zutraulich, daß er während ſei⸗
aea Aufenthaltes daſelkſt, mehr. in dem Kiofter
deſſelben, als it feiner Bohnung zu Haufe war.
Elemente prüfte und billigfe fein Beſtreben, in
APlato n's göttlicher Ideen⸗ Welt.einheimifch zu
werden, er ſelhſt bafte ſich das Bürgerrecht in
ihre ſchon laͤngſt erworhen. Er erweiterte die
Auſichten des jungen Corſen non ihr ar der Er⸗
Märung auserleſener Stellen aus Plotinus
Enneaden, er zeigte ihm ihrggpoetifchgnt Geftalten
in den Dogmen und in dem Cultus der. Kirche,
er offenbarte fich ihm als philofophifchen Kunſt⸗
kenner in der Zergliwderung feiner, mahleriſchen
— 16 Bus
Studien, ſprach gern mit ihm über Geſetzgebung
und Regierungskunſt, in welcher er ſich ſelbſt
feiner zahlreichen Gemeinde als ſeltnen Meiſter
bewäbret hatte; allein dirß altes übertraf in o:
napentura’s Schätzung eine Unterhaltung, zu
welcher fie Bende eines Tages durd, den merk:
würdigften Gegenftand der Klofterlirdye waren
verleitet worden. Gie gab ihm den Schlüffel'zu
einem tiefer Hegenden Geheimindffe der Weltregies
- zung, und zu fo mandhem biftorifchen Problem
u fand er durch ihn die Auflöfung.
ie fanden por dem alten mefallenen Tho⸗
re, an welchem einit der heilige Ambrofius
dem Koifer den Gntritt in eben dieſe Kirche vera
mwebret, und ihn zur Berföhnung feiner Blut
ſchuld durch eine Öffentliche Buße ermahnet hat
te. Glemente pries die apoftolifche Freynuthig⸗
Bert des Biſchofs und die Ergebung des großen
Thbeodofins mit einem ESithuſiasmus, dem
Bonapenfura nichts entgegen zu fegen wuß⸗
fe, als Mpntesguien’s Bemerkung : „daß
„ein Fürſt, der Durch die Macht der religiöfen
Zu „Furcht und Hoffnung geleitet wird, einem Lö⸗
„wen gleiche, welcher fidh;der Hand ergibt, die
=
— 357 —
„ihm ſchmeichelt, und der Stimme folgt. die ihn
„beſänftigt.“) Der Prior lächelte, und rieth
dem SYinglinge, bey einem Gegenftande, weis .
cher bloß im Lichte. der Philofophie befkachtet
und erkannt werden. koͤnnte, fidy nie wieder auf
Montes quieu zu berufen. Er hieß ihn’ Kai⸗
fer, Könige und Senate, Päpfte, Biſchöfe, Pries
fter und -Eoncilien einen Augenblid .vergeffen,
und nur die reine l\dee des Staates umd der
Hierarchie in. feiner. Anſchauung feft halten,
um aus ihr das eingig Richfige, allgener Wah⸗
re und unbedingt&üktige für alle wirkliche Gtaats⸗
verfaſſungen abzuleiten. Es war nidyt gweifes
haft unter ihnen, daß das an fich Wahre und
das an ſich Schöne, das. an fir) Gerechte und
Das an ſich Gute; in der dee völlig Eins, und
nur im Begriffe, dutch die Endlichkeit verſchie⸗
den .beflimmte Gormen des. unendlich Heiligen
find. Gie wurden daher auch bald darüber:ei⸗
nig, daß der höchſte Endzweck des Staates mit
dem höchſten Endzwecke der Menſchheit noth⸗
wendig zufammen ſtimmen müſſe; and da die
. — ’ „ 0,0.
s
*) Esprit. d&. L. xXIV. ⸗. nal
RO
— 158 —
Hierarchie in keiner andern Richtung / als zu eben
dieſem Endzwecke, von der Vernunft erkannt
würde, da der Staat nur das ewig Gerechte und
Schöne, die Hierarchie lediglich das an ſich Bah⸗
re und unbedingt Gute, mithin Beyde zuſammen
bloß das unendlich Heilige, als das, höchſte Ziel
ihres Sams und Wirkens anerkennen könnten;
die Hierardhie, weder in ihrem Urſprunge, noch
in dem Weſen ihrer Macht, von dem Urſprunge
und der Macht des Staates, als verfchieden,
‚gedacht werden dürfe.
„Bas in der Idee Eins iſt,“ ſo ſprach dann
Elemente, „trennet der Begriff, obgleich nur
„ſcheinbar, für die Erkenntniß des Verſtandes;
„man gerätb aber immer in Verwirrimg umd
„Irrthum, fo oft mar das an.fid, Eine, blog
„für die perftändige Anficht Befonderfe, in-der
„Wirklichkeit, als ein Getrenntes oder Entgegen-
„gefetztes behandeln mi. Darıumbhören wir. auch
„dieß⸗ und jenfeits der Alpen fo viel Irriges, in
„Schalen, von einem politifchen Staate:und
„auch now einem etbifhen; im Kürftenrafhe
„von einem bürgerlidyen Redyfe und auch pon
„einem kirchlich en; in der Römifchen Curia von
— 159 —
„ante meltlien Gewalt und auch von einer
„geiſtlichen: und überall bemerken wir ein
„verderbliches Streben, das, nur im Begriffe
„Verſchiedene wirklich zu entzweyen und gegen
„einander: in Kampf zu feßen.”
Ram fuhr er fort. die unglüdlichen Folgen
dieſer Verwirrung in kreffenden Beyſpielen zu
fehildern und zu beweiſen, daß ſich nur durch
eine Verfaſſung, welcher die Einheit des Staa⸗
tes und der Hierarchie in der dee zum Grinde
läge, ein befferer, dem Ideal der ewigen Gerech—
tigkeit mehr fi) nähernder, Zuſtand der bürger⸗
lichen Sefellfchaft hoffen ließe, da hingegen je⸗
der Staatsverein, in welchem die Trennung jes
ner idealen Einheit gefliſſentlich unterhaften wuͤr⸗
de, unfehlbar endlich in fich ſelbſt zerfallen, odet
der ſicherern, durch hierarchiſchen Geiſt unter
ſtützten, Gewalt des benachbarten Staates uns.
ferliegen müßte. "
Den Heerfehenden mierftehend, wahnte
Bondventura, er wolle die Eine Macht des
Staates und der Hierarchie auch nur von Eis
mem, gleichviel ob meltlidhen oder geiſtlichen,
Beriöefer ausüben laffen ; und dawider erflärte
N “
J
— 160/—
er ſich mit der ganzen Gtärke feines hiſtoriſchen
und juriſtiſchen Wiſſens: allein ſein Wahn -ver-
ſchwand bey Clemen te's Verſicherung, daß
nach feiner Anſicht von den Dingen überall noch
gar feine Hierarchie da fey; daß er das Papflt-
thum nur als einen verunglücten Berfuch, die:
felbe in die menfchlidye Gefellfchaft einzuführen,
betrachtefe; daß fogar unter allen Päpften, au⸗
Ser Gregorius dem VIL, von der Idee der
Sierarchie nur wenigen: eine Ahndung, keinem
Eingigen eine Anfchauumg vorgeſchwebt babe;
jener aber, in deffen Geele fie fi) zur völligen -
Alarheit und Beftimmfheitanpgebildet hatte, bey
der fchredlichen Berderbtheif des Glerus und der
gänzliehen Yerrüttung des restlichen Zuſtandes
in der bürgerlichen Geſellſchaft, dieſelbe unmög⸗
lich anders, als durch eine mehr umfaffende Ein⸗
richtung des Papſtthumes darſtellen konnte.
„Dieß ſteht nun einmahl da,“ ſo ſprach er
weiter, „in den Anmoaßumgen, welche durch die
„ſittliche Unmũndigkeit jenes Zeitalters gerechte
„fertigt wurden, jetzt ziemlich beſchränkt, und der
„Idee der Hierarchie allmählid) näher fehreitend -
„Dieſe Annäherung mürde bald ſichtbarer wer⸗
„den,
— 161 —
„den, wenn Hierarchen und Fürſten, mehr die
„Wohlfahrt der Welt, als das kleinliche nz
„tereſſe ihrer Leidenſchaften in das Auge faſſen
„und ihrer unſeligen Entzweyung ein Ende mas
„chen wollten. Die Hierarchie kann den heiligen
„Bund des Friedens und der Eintracht mit dem
„Staate nicht trennen, ohne ſich ſelbſt ihrer dus
„Kern Stüße zu berauben; und jede Ötaatsvers
„bindung, welche in unverföhnlicher Feindſchaft
„von der Hierarchie fich ſcheidet, verlieret ihre.
„innere Stärke und beginnt ihre eigene Auf:
„Aöfung.“ ,
Er ſchloß die Unterredung mif einigen Be:
merkungen „über die Sürften und Gelehrten, wel⸗
„che das göttliche Werk des frommen Fra Mars
„tino im Schwindel der Leidenfchaft und des
„‚Gecten - Geiftes entheiliget, und irrig geglaubt
„hatten , fie dürften die Idee der Hierarchie vers
‚„‚läftern und. aus der Welt verbannen wollen,
„weil öfters nichtswürdige Menfchen den päpfts
„lichen Stuhl, von weldyem fie zuerft ausgegan:
„gen war, durch ihre Lafter und Verbrechen ges
„‚‚chändet haften ;“ wobey er aber aud, geftand,
„daß er eben fo wenig den eigenfüchfigen Profes
—
— ee —
„lyten⸗ Eifer der Roͤmiſchen Prieſter billigen konn⸗
„te, weil er glaubte, das gemaltfam Getrennte
„könnte, müßte und würde nicht durch einzelne
„Betehrungen, fondern durd) die Macht des ewig
‚„thätigen, in furchtbaren Erſchütterungen wir:
„kenden Geiftes, durch den Gchreden eines un
„aufbaltbaten Verdabens und durch den uni:
„berwindlidyen Drang des Bedürfniffes wieder .
„geeiniget werden.“ Noch öfters lenkte Bonn
ventura das trauliche Geſpräch mit Elemtn
"te auf diefen und ähnliche Gegenftände, und im-
mer ward er mif neuen Anſichten von den Welt:
erſcheinungen im Allgemeinen bereichert, in ſei—
"ner Eirchlichen Gefinnung mehr befeftiget, und
in die hellern Kreife religiöſer Ideen hinein ge;
führt, in welchen er jedoch der übrigen Merl:
mürdigkeiten Milano’s nicht vergaß. Er bewun⸗
dere und verehrfe dorf wieder die Macht des
religioͤſen Semüthes in einem Birchlichen Heiligen,
machte fi) mit£eonardo da Binci’g hehrem
Kunſtſinne verkrauf, und lernte Weisheit von
einem Mädchen.
N -
= 8-
Bald in den erſten Tagen nach feiner Ans
kunft in Milano bemerkfeer, ſo wohl an den geifts
Iichen als an den weltlichen Bewohnern der Stadt,
mehr Eingezogenheif und Sittſamkeit, bey jenen
eine ftrengere Zucht, Bey diefengeine freundlid)es
re Häuslichfeit, bey allen ‚ein regexes Streben
nach dem Anftändigen, Guten, &deln und Schö—⸗
nen, als in den übrigen Städten Italiens, wel⸗
che er bis dahin gefehen hatte. Seine meijten
Abende verlebte er in dem Zirkel ausgezeichneter
Menſchen, welche fid) fäglidy ben der vortrefflis
chenGräfinn@ IrliaBorromeaverfammelten;
ihr theilte er auch feine Bemerkung mit, und ers
wartete von ihr befriedigende Auffchlüffe über
diefe Erfcheinimg. Ihre Antwort war: „Der Ur⸗
„beber und Gründer unſerer Vorzüge liegt in
„dem Dome begraben; die Kunft, durdy weldye
„er feinen Beift unter ung im Leben erhalten hat,
„ann Ihnen nur die Kenntniß feiner Ihaten ent
„büllen.”. Ihre liebeusmwürdige Befdyeidenheit
verboth ihr,-den Nahmen ihres heiligen Ber:
wandten zu nennen, und Bonavenfu ra be-
durffe nichts weiter mehr, um fogleid) den gros
gen Erzbifchof und Eardinal, Carlo Borro—
g2
meo, gu errathen, zu Defjen Grabe er fodann
mehrmahls wallfahrtete. Die Verdienſte des
Mannes, deffen ganzes Leben der reinfte Spie⸗
gel der Religiofitäf, der Menfihenliebe und der
hierarchiſchen Moheit war, ſah er in der Gruft
durch die Kunſt in acht Bas reliefs ſchöner und
ſprechender abgebildet, als fie ihm der beredteſte
Biograph hätte erzählen können; doch mehr als
jene Schilderungen belehrte und erbauete ihn
das Gemaͤhlde, welches Carlo ſelbſt durch die
Acten feiner ſechs Provinzial-Synvb—
den zuMilano vonſich entworfen hatte. „Ich
„las,“ ſchrieb er an Peraldi, „dieß edle Denk⸗
„mahl feines apoftolifehen Eifers in fortdauern⸗
„der Begeifterung, und fegnefe oft dabey mit
„aufrihfigem Herzen Fra Martino's Refor:.
„mation, durch welche die Römifche Kirche mie
„diefem Heiligen verberrlichef wurde. Wahrlich,
„diefer Mann arbeitete und kämpfte eben fo, wie
„der goftfelige Marfino, nur. für die Sache
„Bottes; jedoch religiöfer: und meifer. als der une
„geftäme Auguſtiuer-Moönch,wußte arlo,daß
„bey allem Wirken das Aligemeine, zwar in der
„Idee feft gehalten werden müſſe, aber unmög-
_ 105 —
„lich anders, als durd) Bildung oder Verbeffe .
„rung des Einzelnen und Befondern zur Wire
„lichkeit gelangen Eönne. Go murden die letzten
„drey Reformationg-Decrete des Conciliums zu
„Trient und die Gynodal=Acten von Milano
„das Werk feiner unbefiegbaren Kraft; jene wer:
„ven, als bleibende Richtſchnur einer wohlge⸗
„ordneten Disciplin, der ganzen Kirche, diefe
„ats ein erhabenes Vorbild einer mweifen Refors
„motion, allen Bifchöfen Italiens, bald ermabs
„nend, bald firafend:, vorſchweben, ohne daß
„jemabls Gürften ihre eigennüßigen Abfichten him:
„ter das Werk Gottes verſtecken, und durch eine
„bewaffnete Bertheidigung deffelben fie erreichen
„könnten. Ich werde einfteinegute Anzahl Erem⸗
„plare von dieſen Ucten nach Eorfica mitneh⸗
„men und unter unſern vaterländiſchen Clerus
„vertheilen.“ ıc. ꝛc.
Nothwendig mußte in dem gemüchvollen und
religiöſen Carlo auch die göttliche Kunſt einen
liebenden Verehrer finden; nur war er als Bi⸗
ſchof zu arm, um ſeinen Pallaſt, die erſte und
ſicherſte Zufluchtsſtãtte der Dürftigen, mit ihren
Schaͤtzen zu ſchmücken. Bas er ſich im Gefühle
iS
— 10
feiner Pflicyf vermeigern mußte, gab ihm der Zur
fall. Durch den Tod feines ältern Bruders wur—
de er Erbe ſammtlicher Familien⸗Güter, unter wels
chen ihm eine EoftbareSammlung von Ötatüen
und Gemählden das Liebjte mar. Allein auch dier
fe verkaufte er nachmahls an feinen Better , den
Cardinal Federico Borromeö, einen eifri—
gen Beförderer der Künfte und Wiffenfchaften,
weil es feinem Herzen Bedürfniß war, auf einem
Tage hundert arme Mädchen auszufteuern, und
bey einer allgemeinen Hungersnoth täglich drey
faufend Menſchen zu ernähren, Mit diefen, zu
einem fo menfchenfreundlichen Zwrcke, veräußer—
ten Kunftfchägen legte Sederieo den Brund
zu den herrlichen Sammlungen. melde än dem
erzbifchöflichen Pallafte und in der Ambrofiani:
ſchen Bibliothet aufbewahret werden. Bona:
ventura fand an beyden Drten nichte Mittel
. mäßiges; für. ſeine Studien aber wählte er über:
all nur die Eoftbaren Reliquien, weldye von Le
onardo da Bi nei vorhanden waren. Außer
einer großen Menge feiner Handzeichnungen und
Eartons fand er in der Ambrogiana noch eine
Madonna von ihm, und bey-Gan Srancefco
I
| — 17 —
eine heilige Jungfrau mit zwey Engeln. Erſt
nachdem er an dieſen Werken ſeinen Blick geübt,
und durch das Leſen der Ööcyriffen? eonardo’s
feinen Geift zu dem Größern und Herrlichern vor⸗
bereitet hatte, ging er in den Gpeifefaal der Do⸗
minicaner zu ©. Maria delle Grazie, um das
berühmte, von der Religion und von der Kunft
in gleidy hohem Grade gebeiligte ‚ Abendmahl
zu ffudieren.
Leider ift diefes einzige Kunftgebilde ſchlecht
erhalten, und von einem finnlofen Mahler durch
Auffeifhung der Farben feines Lebens beraubt
worden; er konnte vs bloß an tmoblgelungenen
Copien in den Klöftern della Pace, Gan Bars
naba und Monafterio Maggiore beſchauen.
Gein Urtbeil darüber eröffnete er in folgenden
Yeußerungen an Peraldi: „te. ıc. Schon die
„Wahl des höchft mahlerifchen Momenfes ver.
„kũndigte mir die ſchoͤpferiſche Kraft feiner Phans
„taſie. Es war der Augenblid, in dem Jeſus
„sagte: Einer-aus euch wird mid, in diefer Nacht
„verrathen; und mit welcher unerreichbaren Kunſt
„iſt in den eilf Apoſteln der vermiſchte und in
„jedem Kopfe eigenthümlich gegebene Aus:
\
\
| — 168 —
„druck von Ueberraſchung, Schreck, Furcht, vom
„Bewußtſeyn der Unſchuld, von Liebe und En⸗
„tbuflasmus der treueften Anhänglichkeit, von
‚Begierde den Berräther zu erfahren und von
„Muth den geliebten Meifter zu verfheidigen,
„vdargeftellet und gehalten! In Ehriftus erfchien
„mir die Ööttlichkeit in menfchlicher Geſtalt fo er⸗
„haben und doch fo einfach, daß ich in dem Ur⸗
„tbeile berühmter, mehr verftändiger als religis
„ofer, Künftler: „„das Angeficht des Heilandes
„„ſey nicht vollendek, ““ gerade den höchſten
„triumph des Beiftes und der Kunft Zeonars
. „do’s anerkennen mußfe. Mir ift-diefer Chri⸗
„us: Kopf in der bildenden Zunft, fo weit fie das
„Erhabenſte darftellen fann, eben das, was in
„der redenden Il ofeg Worte: „„Gost fprady,
„„es werde Licht, und es ward Licht.““
„je öfter idy mich in die poetiſche Fülle dies
„ſes Gemähldes verſenke, deſto heller und aus⸗
Agedehnter zeiget ſich mir die allumfaſſende Kraft
„des Idealen in da Vinei's innerer Welt, und
„deſto inniger füile ich in meiner Geele die Ge
„wißheit, daß nicht durch Unterricht und
„Gelehrſamkeit, nicht durch Srundfäge
— 19 — J |
„and ®rfabrung, fondern einzig und
„allein durch daaLeben des Gemüthes
„in Jdeen, mie die Totalität des Künſtlers,
„eben ſo audy-der Eharakfter des Men»
„ſchen vollendet werde.“
Ein lebendiges Beyſpiel davon ſah und ver⸗
ehrte er in Maria Gaetang Agneſi. Die
ganze Stadt bewunderte dieß, in jeder Rückſicht
außerordentliche, Maͤdchen, weil fie, eben ſo fer⸗
fig als zierlich, Sranzöfifcy, Lateiniſch und Gries
chiſch ſprach, und auf das zudringlichfie Bitten
ihrer gelehrten Berehrer ihre tiefen Kenntaiffe in
der reinen Mathematik, Phyſik und Philofophie
einige Mabl in öffentlichen Difpufationen zum
allgemeinen Erftaunen an den Tag gelegt hatte.
Bonapvenfura machte bey der Gräfinn Eles
tia ihre Bekanntſchaft. Die Grazie ihrer Weib⸗
lichkeit, ihre natürliche Befcheidenheit und der
kalte, ruhige, gleichgültige Blick ihres fonft fo
fchönen, ſchwaͤrmeriſchen Auges bey dem Weih⸗
rauch, der ihr von allen Seiten verſchwenderiſch
geſtreuet murde. verriethen ihm den eigentlichen
Gehalt ihres Wiffens und ihres Charakters. Beys
des fand bey ihr im genaueften Berhältniffe; ihr
⸗
waren Kenntniffe kein Gut an ſich, noch weni⸗
ger ein Mittel zur Befriedigung einer eiteln
Nuhmbegierde; ſie ſtudierte bloß, um in ihrer
Gelbftbefhauung das zu ſeyn, mas fie andern
fehien, So dadhteBo naven£tura von ihr, und
einige feine Aeußerungen diefes Urtheils erwar⸗
ben ihm ihr ganzes Bertranen und fogar die Frey⸗
heit, fie in ihrer Einfamteit zu befuchen, fo oft es
ihm beliebte, welches bey nahe fäglich geſchah.
Ben feinem erften Eintritte fand er fie mit
Barbanfoygs geheimen Wegen der göttlichen
Liebe befchäftiget. So fehr ibn diefe Erfcheinung
überrafchfe, fo. mar fie doch die füglidyfte, um
Beyden ihre gegenfeitige Annäherung zu erleidys
fern, und das ihnen gemeinfchaftlich Befreundes
fe ohne Umwege zu entdeden. — „Wir festen,“
- fo ſchrieb er nachmahls an Peraldi, „dieſe Lece
„türe mit einander fort, der Abfchnitt handelte
„bon der Erhebung des Gemüthes zur Gott⸗
„„heit durch reine Anſchauung, ohne Bilder, Ge⸗
„falten und Begriffe; “0) und ich verehrte
*) Constantini de Barbanson amoris divini semitae.
Amstelod. ap. Wetsten. 1698 in 12. — Part. IL Cap.
IV. p. 171. segg. j
—,
— 171 _
‚in ihren Bemertungen den hoben religiöfen
'„Siun, momit fie den lichten Ydeen : Gang des
„Berfaffers. in dem Nebel feiner Worte aufzu«
„finden und zu bezeichnen wußte. Mit gleicyer
„Erbauung und Erleuchtung für mid) lafen wir
„in der Solge auch die. weit erhabenern Dffenbas
„zungen „„von der Ruhe und dem Frieden der
„„Seele, in welcher die Einwirkungen des Un:
„„endlichen alle Selbitthäfigkeit des Verſtan des
„„aufheben, — dureh alle fichtbare und unſicht⸗
„bare Dinge nur das Göttliche fich ihr verklärt
„„darſtellet, — und nur dieß, durch die Idee,
„„durch die Anſchauung und durch das Gefühl
“
„„auf das innigſte mit ihr vereinigt, in dem.
„Semüthe Iebt.““ *%) Was ic) über dieß no
„bon dem Reichthume ihres Geifles mir aneigs
„nen konnte, mogen Sie Selbſt aus der Erzäh⸗
„lung von dem befondern Gange ihrer Studien
„ſchließen.“ |
„br Lehrer in der Mathematit-und Phyſik
„war ibr Bafer, in den Gprachen und übrigen
| ‚„Kenntniffen Elemente Sarinato, bevor er
*)1. 6. Part. 1. C. VM, 1X, X.
-
— In —
„in den Drden der Dlivefaner eingefreten twar.
„Die-Bafis, worauf diefer das ganze Gebäude
„feines Unterrichtes gegründet hatte, war der
„Saß :' '
nes gäbe zwey Welten, eine wirkliche und
„eine fcheinbare,-jene der Gegenftand des
„vernünftigen Wiffens durdy die Anfchauuns -
„gen des innern Ginnes, diefe der Begenftand
“ „der verftändigen Erkenntniß durd) Begriffe 3
„und ſein vorzügliches Beſtreben dabey ging nur
„dahin, ihr dieſen Gaß, fo wie die Folgerung:“
„daß alle verftändige Erkenntniß nur ein
„Schein von dem Scheinbaren, und fo, wie
„die fihtbare Welt nur ein Bild von der uns
„ſichtbaren ift, audy jener Schein, fo heil und
„ausgedehnt er immer feyn möchte, bloß ein
„Symbol der Bernunftmwiffenfchaft ſey,“
„unter allen möglichen Geftalten, Bildern und
„Gleichniſſen anſchaulich zu madyen Doch eigene
„thümlich und deuflicher ward ihr dieß alles erft
„durch den Begriff von der Mathematik, den
„fie einft von ihrem Bater in den Worten erhielt:
fie fey die Myftit aller Welterkennts
mmiß, die idealifhe Wiffenfhaft der
— 193 —
„„reinen Anfhauungen des Berftans
md 68.‘ Hieraus fchloß fie felbft nun weiter
„auf das Dafeyn einer MyftitderBernunfts
„wiffenfhaft, auf ein wirkliches Wiffen
„der reinen Anfhauungen des innern
„Sinnes, — auf ein geifliges Bewußt—
„feynienfeitsder®rängen des Raums
„und derzeit, im Gegenſatze des ſinnlichen,
„OuchRaumundgeifbegrängten.— Fa—
„rinato zeigte ihr ſodann die erſte in der Idee
„der Religion, das andere in der Idee
„der Philoſophie, das letzte in'der, allen
„Menſchen eingebornen, Idee des Unendli—
„ben: als fie aber auch hierüber ausführliche⸗
„zen Unterricht von ihm verlangfe, wies er fie
„auf ihr Gemüth zurüd, mit der Berficherung:
„„im Idealiſch-Wirklichen wäre die Mathema-
„„tik das Einzige und zugleich das Aeußerfle, was
„„ein Menfdy den !andern lehren könnte, und.
„„auch dieß nur unter der Bedingung, daß der
„Sehrling fähig fey, zu dem ihm dargeftellten
„Begriffe die angemeffene Anfchauung felbfts
„„thätig hervor zu bringen.“ Bonnun an ward
„fie ſich ihre eigene Lehrerinn, und, die Grund:
!
— 11 —
„lage ihres frähern Unterrichts feſt haltend, fand
„fie, eben fo wie Platon, auf dem Wege der
„Mathematik und Phyſik, in der Ideen-Weit
„ihr böchfles Ziel und in dem Heiligthume der
„Religion ihren eigentbümlichen Ruhepunct.“
„Bey meinem Sinne für die Kunſt und mel:
‚men mathematifchen Borkenntniffen äußerte fie
„ihre Verwunderung, daß fie zur Betradytung.
„des ſichtbaren Univerfums, in welchen unfer
„Erdball mit allen feinen Herrlicdykeiten unter.
„oielen Myriaden Sonnen und Wantelfternen
„gleich einem Tropfen im Deean ſchwebte, fo we:
„nig Reigung in mir wahrgenommen häffe. Gie
„erbath ſich einige Mahl meine Geſellſchaft bey.
„ihren nächtlichen Befuchen auf der Sternwarte
„des Paters dela Örange; und nie gedenke
„ich der mit ihr dafelbft verlebten heiligen Stun⸗
„den, ohne mid) von einer Andacht, wie fie kein .
„Bert der Kunft, keine Dffenbarung eines Bu-
„bes, keine Harmonie der Mufit und Bein my⸗
„Stifches Dunkel des kirchlichen Cultus in mir er-
„weden kann, in meinem ganzen Weſen durch⸗
„drungen und begeiſtert zu fühlen. “hr verdan⸗
„ke ich jetzt ſo manche ſelige Stunde in der Nacht,
l
— 15 —
‚in der ieh wonnetrunken unendlich mehr ſchaue
„und empfinde, als was Cicero im Traume
„des Scipio beſchreiben, und Luis de Leon
„in feiner geiſtvollen Dde, Noche s erena, be
„ſingen konnte.“
„Gaetana Agneſi iſt jetzt in ihrem ſieben
„und zwanzigſten Jahre; vor drey Jahren ſtarb
„ihr Geliebter, ſeit dieſer Jeit hat ſie ſich von der
„Belt ganz zurück gezogen, und der. auserwähl⸗
„te Kreis der Milanefifchen Diotima ift die
„einzige Geſellſchaft, welche fie bisweilen noch
„beſucht.“) Mein Gefühl bey dem Abishiede von
„dieſer erhabenen Geele war feit meiner Txen«
„nung von Ihnen das ſchmerzlichſte; möchte mir
„doch derfelbe Geift, der fie zum fchönften Bilde
„der veredelten Menſchheit geftaltet hat, irgend
„einmahl in Camilla wieder erſcheinen!“ ⁊c. ꝛc.
®) Im Fahre 1748 gab Agnefi ihre Instirutioni ana- '
litiches Voll, in 4to heraus. - 1760 bewohnte fie,
unmeit der Borgo di porta romana, der Kirche
$. Maria del Pkradiso gegen über, ‚ein einfames
Haus, wo fie, Einheimifchen und Reifenden un⸗
zugänglich, fi) zur Ausführung ihres Entſchluſ⸗
fes, Tonne zu werden, vorbereitete.
«
— 1% —
Schneller, als es bisher geſchehen war, fe:
te nun Bonella mit feiner Gefellfhaft die Reis
fe durch die Schweiz und durch Deuffchland fort,
Bonavenfura zog fidy immer mehr in ſich
ſelbſt zurück, denn überall vermißte er Italiens
ſchoͤne Natur, feine göttliche Kunſt und die ehrs
würdigen Spuren feiner höhern Religioſitaäͤt. In
Wien erwartete fie ſchon Don Carlo's Befehl,
im nädhften Jahre das nördliche Europa fo weit
als möglidy zu bereifen , denn wenig Tröſtendes
für ibn enthielten die Nachrichten, welche er von
dem Abbate über Bon apventura’s Korffchrite
fe in der verfländigen und meltbürgerlichen Aufs
Härung empfangen hatte. Darum follte der Ber«
ſuch gemacht werden, in wie fern die Kälte des
Rordens es vermöchte, das euer feiner Schwär⸗
meren zu erfliden, und fein ganzes Weſen mif
ernfter Klugheit zu incruftieren. Den Winter foll-
fen fie in England zubringen, im folgenden Frũh⸗
Inge nad) Spanien hinüber fegeln, damit. der
junge Eorfe die gräulidhen Verirrungen- der
Schwaͤrmerey und des Aberglaubens recht an=
ſchaulich kennen lernte; und um den Sinn für
Belt und Lebensgenuß Eräftig in ihm anzuregen,
foll«
17T —
foll£en fie ein ganzes Jahr in-Paris verleben,
darın aber nach Italien zurück ehren und in Flo⸗
renz feine meitern Berfügungen erwarten. Wie
meit Don Carlo hierdurch ſeine Abſichten bey
Bonapventiüra erreicht habe, mit welchen Ans
fihten und Gefinnungen diefer nad) Stalien zus
rück gekommen fey, mag folgender Brief, den
er aus Modenu an Peraldi nad) langem
Schweigen gefchrieben haf, zeigen.
„Die Gtunde, ehrwürdiger Vater, in der
„ich Ihner meine Zurüdfunft in das freundliche
„Land der Kunſt und Öottfeligkeif melde und an
„Sie fehreibe, ift feit langer Zeit die erfte, bon
„welcher id) mit. Wahrheit fagen kann, fie fey
„für mein Herz gewonnen. Seit unferer Reife
„über die Rhätifchen Alpen ‚habe ich viele Län—
„der und die Gitfen vieler Völker gefehen; ich
„babe in ihrer klimatiſchen Drganifation die
‚Duelle ihrer ‚Leiden, in ihrer einfeitigen , hier in
„ven Berftande, dort in der Ppantafie über:
„ſpannten Enltur den Grund ihres Berderbens,
„und binter dem Scheine ihrer gegenwärtigen
„politiſchen Größe die Keime ihrer künftigen Aufs
„Löfung entdedt. Ein Volk, das fich zur Größe
. 1780 —
„einer Nation erhoben hätte, fand ich im Nors
„den nirgends. Ich war oft erbittert, bisweilen
„zur Wehmuth gerührt, felten begeiftert, nir—
„gends geblendet worden. Wir maren in all
„Hauptflädten- des nördlichen Europa, ich fah
daſelbſt manches Nutzliche, viel Gleißendes und
„Prächtiges, wenig Schönes, Edles und Wir:
„diges. Erhaben fand ih bloß die Natur in ih:
„ver Wildheit, groß nur das Elend bey den Sie
„drigen und die Berderbtheit bey den Worneh:
„men. Sad) Einem oder einigen Mlenfchenaltern
„wird man von jenen. Öegenden, in welchen das
„Leben des Öemüthes nur allmählich erwachen
“ „and die heilige Flamme des Enthufiasmus nicht
„anders alg langfam fich erheben kann, Meh:
„reres , vielleicht aud) Befferes, zu erzählen ha:
„ben , wenn fie ihren P rometheus, und dann
„zu rechter Zeit duch ihren Herkules und Dr:
„pbeus finden.” Ä
„Neues hat fid) nichf biel in mir entfalter;
„allein auch das Wenige will ich Ihnen miftbei:
„len. Dft war id) von dem auffallenden Unter
„ſchiede zmifchen den Deutfch redenden Bol:
„kern, die von dem nördlichen lifer des Mayns
Fan
= 19 —
„und der Donau, fo wie bon dem reihfen der
„Elbe an, fi) Deutfche nennen, und den Deut;
„Shen, welche diesfeits diefer Ströme wohnen,
„„uberrafchet worden. Regfames Gefühl, kindli⸗
„cher Srobfinn, jubelnde Sreude, uneigennüßis
„ge Sufmüthigkeit, romantiſche Andacht und
„ſchwaͤrmeriſche Liebe find bey diefen einheimifch,
„während jene durd) und durch verftändig, ernſt⸗
„baft, finfter, das Genialiſche haffend, in einem -
„armlichen Treiben und unter feinen Erfahrun«
„gen durch dag Leben fid) winden: und dennoch
„iſt weder bey den Einen noch bey den Andern
„unter fid) Einheit des Sinnes und der Kraft zu
„finden. Ridyt das Klima, nidyt die Regierung
„konnte mir diefe Erfdyeinung befriedigend erfläs
„ten; denn die Berfchiedenheit detfelben ift auf
„beyden Seiten zu geringe, als dag fie es vers
„mocht hätte, eine folde Treumung zu begrün«
„den und zu nähreni. ’
„Rur die Geſchichte des ganzen, von uns
„nod) immer für groß und mächtig geachteten
„Volkes gab mir darüber Licht. Von einzelnen
„Völkerſtämmen und zu verfchiedenen Zeiten war
„das weit ausgedehnte Land unterjocht wor⸗
M 2
— 150 —
„Den; aber weder ihre neuchriſtlichen Bekehrer,
„nod) irgend einer ihrer Beherrfcher haften die
„Einficht und die Kraft befeffen, aus ihnen Eine
„Nation und einen Staat zu bilden. Dagegen
„ſchufen fie unter dem Zaubernahmen eines heis
„Ligen Römiſchen Reiches ein Ungeheuer,
„womit die angrängenden Nationen durch meh—
„rere Jahrhunderte bald kämpften, bald ſpielten,
„während feine Haͤupter aus den Sachſen, Ga:
„liern und Hobenftaufen e8 nur Brauchfen, um
„der, damahls nod) unenfbehrlichen, Dbervor:
„mundfchaft des Papftthumes Troß zu biethen,
„und Italien, den Mittelpunct deſſelben, zu er—
„obern. Sie ſcheiterten und bezahlten das kühne
„Wageſtück mit dem Berlufte ihrer Kräfte. Hät—
„ten fie diefe angerwendef, um die unförmliche
Maſſe zu einem Körper zu geftalfen, und ibn
„durchEintracht, National-GSinn undGemeingeift
„zu beleben, fo ftände er jetzt da als eine gewal—
„tige Monarchie, und nie würden bloße Reiche:
„beamfen in dem Reiche felbft, feinem Dber:
„baupte widerſtrebend, ſouveräne Fürſten ge
„worden ſeyn. Was fie verſäumet haften, fonn:
„ten ihre Nachfolger nicht mehr bewirken; denn
— Er —
„von Rudolf dem Habsbarger bis zu Carl dem
V., ruhte das Reich im Ganzen, ohne daß ein
„auswaͤrtiger Feind die Theile deſſelben zur Ver⸗
„einigung ihrer Kraft geweckt, und zum gemeins
„ſchaftlichen Kampfe für ihre Sicherheit aufges
„fordert hätte. Ohne Erfchüfterung von außen
„erweiterte und befeftigte fich durch das, dem
„gottfeligen Fra Martino entwundene, Refor⸗
„mations⸗Werk die Trennung i im Innern; und
„als fie mit dem dreyßigjährigen Kriege in all:
„berheerende Slammen- ausgebrochen war, muß«
„te für den Giwen ein Stanzöfifcher Staatamann,
„für den Norden ein Schwediſcher Held dieSchan: .
„De und die Ohnmacht der Deutfchen Kraft ents
„scheiden. Während jenerTheildes Reiches durch
„Die Eintracht mit dem Papſithume auch für ei—
„ne ſpätere Jukunft noch immer mächtig blieb,
„‚käufchfe dieſen die völlige Losſagung von dem⸗
„ſelben und das Recht zu reformieren mit einem
fcheinbaren Glücke, das an ſich nur ein gläne
‚„zender Anfang feines Unglückes war. Der nie
„wieder beyzulegende Kampf zwifcyen der Liebe.
„des Güdens und den Haffe des Nordeng wird
„Das Unglüd ausdehnen und die alten Leiden
3
'
. — - 192. —
„mit neuen häufen; aber aud) der Druck derſel⸗
„ben wird die durch Haß und Spaltung ges
„läbmte Kraft nicht mehr aufreizen können. Ein
„Riefean Gemüth und an Berftand wird
„kommen; — fo ſah ich's auf Montferrato
„An der Nacht vor Mariä Himmelfahrts:Tage,
„wo ich mich in die Betrachtung des manniafal
„gen und wechfelnden Schickſals der Völker
„und Staaten vertieft hafte; — er wird das ſiech
„gewordene Reich, auflöfen, wird die Deutfchen
„Bölker zum erjten Mahle das Gefühl ihres Be:
„Dürfniffes und ihres Werthes lebhaft empfinde
„Laffen, wird fie zu einem feften Rational:Bunde
„vereinigen , und das Ganze durch das Schluß:
„‚glied einer weislich eingerichteten ———
„ſtärken. Dann werden endlich die einzelnen
„Stämme dieſes redlichen, beſonnenen und. flei—
ꝓßigen Volkes nie mehr geſondert in Feindſchaft
„oder Eiferſucht wider einander kaͤmpfen; ſon⸗
dern in treuer Liebe und rühmlicher Nacheife—
„rung verbunden, neben einander ftehen, und
| „zur dee einer ewigen Gerechtigkeit, auch, unfer
„Nationen, tie unter Menfchen, ſich erheben.“
„Ich habe dieß auch, mit allerley Bemer⸗
— 133 —
„gungen über England, Spanien und Frank—
„reich, an meinen Oheim geſchrieben, damit er
„ſehe, wie wenig mid) das Leben im Reiche der
„Kunſt und im Himmel der Ideen hindern Eonn:.
„te, auch dasjenige, was der Erde frommen
„möchte, zu beachten. Ich bin ausgeſöhnt mit
„ihm, denn ſein Einfall, mich in der weiten Welt
„berum zu jagen, war guf, beilfam und feuchte.
„bar für mich. Renato ift mit der Berficherung,
„daß wir uns bey Slorenz wieder fehen würden,
‚ia der Earfhaufe Colegno bey Turin zurück.
„geblieben; unfer geliebter Fabio hat ſich zu
„Tovalefe in den Benedickiner-Drden aufneh:
„men lafjfen, weil er das dringende Zureden des
„Abtes, der fein mufitalifches Talent zu würdi⸗
„genverftand, füt einen Ruf des Schickſals hielt;
„ich bin daher mit Gonella jetzt ganz allein,
„doch nicht einſam, verlaffen oder unzufrieden.
„Die Rüdblide auf das Gemählde meines Le:
„bens, zu Salamanca an dem Grabe des
„verewigten Luis de Leon, zu Efcorial in der. |
„Bibliofhet und vor den Kunſtwerken Leonar—
„do's da Vinci, zu Montferrato in der Einſie⸗
„deley des heiligen Hieronymus, und zu Paris
-_
I)
— 184 —⸗
„An der Gefellfihnft des leichtbluͤtigſten und froh—
„finnigften Volkes ; der Nachgenuß meiner felis
„gen Empfindungen zu Paraflet bey der Rus
„beftätte zweyer Liebenden aus einem frömmern
„und romantifchern Zeitalfer, zu Clairvaug, Eis
„fteaur und @lugny im Andenken an die Heis
„ligen, die ein fl dort maren, und in der
„Großen ECarthaufe bey Grenoble im Umgange
„mit den erleuchteten Gehern und Heiligen, die
„nmoch dort find, machen mir jede linterhaltung
„mit Menſchen entbehrlich und bieten mir reiche
„lichen Stoff zur Beſchäftigung in mir felbft
„dar. 2c. 2c.
„Die Bilder des nördlichen und deu ſüdli—
„Shen Europa, melches idy bey nahe ganz gefes
„ben habe, £refen oft in Eräftigen Umriffen vor
„meine Geele. Dorf erfchres®f mid) eine Natur,
„Sie nicht felten unter furcytbaren Mleteoren dros
„bend, immer huldlos, nur der Anftrengung des
„gekrümmten Selaven färglidy zumißt, mas ich
„fie hier, als eine holde Böttinn, in den liehlich-
„ten Geſtalten, fegnend und liebfofen?, ihren
„freudigen Sindern reichlich fpenden fehe, Dort
„erblicke ich ſchaudernd einen einfamen, in fich
— 108 —
„ſelbſt verſchloſſenen Gott, nur in der klaren,
„aber falten, Luft der Begriffe. erfcheinend, ohne
„Made für das Gemüth, ohne Anmufh für das
„Herz, unbetümmert, wie der Rordländer um
„feinen Nadybar, um dag Ölüd der Welten, die
„unter ihm binrollen; bier begeiftert mich eine |
„Bottheif mit einem Gemüthe poll heiliger Liebe
„und einem Kerzen voll väterlicher Zärtlichkeit,
„unzählige Geifter, die einft das Kleid der Sterb⸗
„lchkeit trugen, nody immer Sreunde der Men⸗
„Ichen, umgeben in der Ölorie der Ewigkeit fei:
„nen Thron, alles Wahre, Gute und Schöne er:
„gießt fi) aus ihm über Millionen Welten, de:
„ren Sarmonien feine Herrlichkeit preifen. Dorf
„eıftarre idy unter einem Öottesdienft, in wel:
„eher der träge Berftand Feine Aufinunferung,
„Der thäfigere feine Befriedigung , dag leidende
„Herz feine Tröftung, das vertrocknete feine
„Salbung findet; bier ergetze ic} mich an einem
„Cultus, den das Gemüth gefchaffen, die Liebe
„gepflegt, die Kunſt verherrlichet hat, der Die
„Kirche als das Bild des Himmels, dieſen .als
‚pen Wohnplap, der verklärfen und verewigten
„Menuſchheit darftellt, und den glücklichen, wie
— 188 —
un Tordtandern verpflanzen?““ Dieſe Frage ver⸗
„fest mich oft in angenehme Träume; und im⸗
„ner finde ich in den mir£und gewordenen Merk⸗
„mablen. von Spaniens und Frankreichs noch
„ſehr verborgener Kraft und Öeiftesfülle die über:
„zeugendften Bründe für das künftige Berdienft
„des Südens. Eine ausführliche Beantwortung
„der Scage habe idy audy an Don Carlo ges
„ſandt, und herzlich freue idy mich über die Zus
„ftiedenbeif, die er mir dafür bezeigt hat. Hofe
„fentlich wird er mich nun frey und ungehindert
„meine Wege wandeln laffen, da er fiebf, dag
„fie mid). der Welt nicht entführen. Zu Florenz
„werde ic) feine Befchlüffe über meine weitern
„Banderungen erfahren.” ıc. tc.
„Mein Studium der zeichnenden Kunſt glau⸗
„be ich zu Parma und hier vollendet zu haben;
„denn in den Gchöpfungen des Allegri da
„&orreggio hat ſich mir die höchfte Runftwelt
„aufgefchloffen, und ſchwerlich werde ich jemahls
„das Ööttliche und. emig Schöne in größern und
„‚anfprechendern Geſtalten, ſchwerlich je das
„Räthſelhafte, tief Verſchloſſene, Unerklärbare
„der ewigen Nothwendigkeit durch erhabnere
19 —
„Kunſtgebilde, als durch die feinigen‘, im End»
„lichen angedeutet ſehen. — Seine Rad t war,
„mir der lieblichfte und hellſte Tag, den je ein
„menfchliches Gemüth im Reidye des Unendlichen |
„erſchauet hafte. Alles Licht ließ der von Gott
‚erfüllte Meifter von dem fo eben gebornen Kin⸗
„de ausgehen, durch welches ſich die göttliche
„dee einer ewigen und heiligen Menſchheit dem
„Menſchen offenbaren wollte; und nur durd)
„das Licht diefer dee wird Joſeph, das Sym⸗
„bol des frommen Blaubens, wird Maria, der
„reinſte Spiegel der ſchönen Liebe, fidytbar: Als
„le übrige Umgebungen zeigen fich bloß im mafs _
„ten Schimmer des Mondes, dem Ginnbilde der
„Begriffe. — In Allem, was ich noch außer die«
„fen Wunderwerke der Kunft, von feiner hoben
„Kraft Sefchaffenes betrachtete, entzückte mid
- „Derfelbe Geift, diefelbe geheimnißvolle Dämmes
‚rung des SYdealifcyen, daffelbe magifche Zwie⸗
„licht, in welchem die formloſt Unendlichkeit in
„endliche Beftalten hinüber fließt, derfelbe fanfte
„Nachhall des Unausfpredylichen , das in dem
„verborgenen Bache der zärteſten Empfindung
„vorüũber rieſelt. In Allegri's Werken hätte
. 190 —
„ic ſodann den ganzen Reichthum und die hör.
„Ite Macht der religiöfen Romantik verklätt ge
„leben; wohlbedächtig habe id, mid) bisher al:
„ler Beſchauung derAntiken in einzelnen Denk.
„mäblern oder kleinern Sammlungen enthalten,
„damit ich nun in den Schaͤtzen zu Florenz und
„zu Rom auch die Einwirkungen der religiöfen
„Hellenit defto freyer und unbefangenet i in mic)
„aufnehmen möge. 1.1.0
Bonapventura follte, der Anordnung Don
‚Earlo’s gemäß, den Sommer. über in &lorenz.
bleiben, und jeßt der Aufficht G onella’s ents
bunden, unter der Anleitung des Genatore Ni.
cole£to ſich mit dem eigentlichen Gange der oͤf⸗
. fentlichen Staats : und Rechts: Angelegenheiten
bekannt machen, vor Anfang des Winters aber
ſich nach Rom begeben,. um in der Sapienza
dafelbft feine wiffenfrhaftliche Bildung zu.befchlie-
Gen. Pünctlich erfchien er an den beftimimten Tas
‚gen und Stunden bey dem Genatfoke; feine übrir
ge Zeit war zwiſchen dem vertrauten Urmgange
N
y x
mit dem Geifte der alten Kunfl in der Mlediceis
ſchen Oallerie, und den Weiheftunden der Relis
gion und Philofophie in Plafon’s verlaffenem
Heiligthume zu Eareggi gefbeilt. Dort weilte
er am liebften in derZribuna vor derBenus
Anadyomene und der Benuslirania, ii
jener das Seal der höchſten meiblichen Schön:
beit, in diefer die würdevollſte Erfcheinung der
vergoͤttlichten Weiblichkeit befrachtend; hier -bes
wohnte er daffelbe Landhaus, weldyes Cosmo
diMe dieis für die Platonifche Akademie, feine
Stiftung, angefangen und fein Enkel Lorenzo
vollendet hatte. Zur Wahl diefes Aufenthalts.bes.
ſtimmte ihn der Anblid® eines Sresco»Gemähldes
Bon Srancefco$urinoim Pallafte Pitti, mels
ches die Stiftung jener Akademie zu Careggi vor⸗
ſtellt. Dastoftbarfte Geräth,andemBonapens»
tur aſich dort ergetzte, hatte er aus dem Nachlaſſe
einesFlorentiniſchen Gelehrten kurz vorher erſtan⸗
den. Es war daſſelbe gedruckte Eremplar von
Platon’s und Plotinus Schriften, welches
einft Marfiglio Sieino zu Careggi befeffen
und eigenhäfdig mit Anmerkungen beſ chrieben
hatte. So heiligte ihm fein findlich frommes Ge⸗
*
müth eine MengeDerter und Gegenftände, welche
taufend Andere nicht der geringften Aufmerffam:
Feit werth fanden. »
; Eben Ddiefer andächtige Sinn frieb ihn öf—
ters in die Dominicaner : Kirhe San Marro zu
den Grabftätfen, des Märterers Supanaro:
la des geiftreihen Angelo Politiano und
der zartfühlenden Sreunde, Pico d4 Miran-
dola und Girolamo Benivieni. Beyde lie-
gen unter einem Steine: „damit nad) Dem Lode
„auch die Afche derjenigen nicht gefrennet wüt—
„de, deren Seelen die Liebe ſchon im Leben ver:
„einiget hatte.” Inniger als fonft ward er am
‚zehnten Yulins, dem Zodestage des Legtern, von
der Grabfchrift der beyden Platoniſchen Freun—
de angejprochen. Lebhaft ſtand vor ſeiner Seele
das Bild des wehmüthigen Greiſes, der die Hülle
feines geliebten Piro hierher hatte begleiten, und
_ Ibn noch um drey und vierzig Jahre überleben
müffen. Benivieni’s Leiden der Sehnſucht mif:
fühlend, verglidy er die glüdlichen Jahre feiner
eigenen frühern Jugend im Stchooße feines Ba:
fers, in den Armen Peraldf’s und in der frau:
lichen Anhänglidykeit an. Fabio mit feinem ge:
gen:
!
- \ .
19 -
genwärtigen ˖ Zuflande, in welchem er ſich von
Allen , die feinem Herzen theuer waren, gefrennt
und entfernt fah. Das dringende Bedürfniß, ſich
einem Weſen ſeines Geiſtes liebend hinzugeben,
weckte in ihm die Erinnerung an Renato's Ber:
fprechen, daß er. ihn bey Slorenz wieder finden
würde: „mabrfcheinlich,” — dachte er, — „iſt
„der würdige Mann, der einzige, an den du die
„Erinnerungen deiner feligften Stunden fnüpfen
„tannft, ſchon in diefer Gegend, und harret dei⸗
„ner in der Carthauſe vor der Stadt;“ — und
da es ihm ſonſt unmöglid) war, von San Mar⸗
co irgend anders wohin, als nad) Careggi zu
gehen, trieb es ihn jeßf unwiderſtehlich vor das
Römifhe Thor hinaus, um den Freund feines
Daters.aufzufuchen.
In der Carthauſe ſagte man ihm, Abbate
Bonnewvall ſey am erften Julius von dorf ab:
gegangen, um dag Feſt der Heimſuchung Ma⸗
rid mit einem Beſuche bey ſeinem Freunde An⸗
felmo zu Camaldoli zu feyern, wo er ſich
wohl noch einige Wochen aufhalten dürfte. Die⸗
ſer heilige Ort liegt vierzehn Stunden Weges von
Florenz entfernt. Bonapentura hatte noch
|
J.
— 194 — 7
nirgends eine Gamaldulenfer-Einfiedeley beſucht,
nie einen Genoſſen dieſes Ordens geſehen, mehr
als jemahls fühlte er ſich gedrungen, den Mann
aufzuſuchen, der ihn auf feinen Reifen, gleich ei:
nem fehügenden Genius, bis Turin begleittt, je
den feiner Wünfche erfüllt, ihn in allen feinen
Beftrebungen unterftügf, niemißverftandeis hat
te; mit dem allein er von feinem Vater, von
Peraldi, von Camilla und Gaetana, von
dem Göttlicdyen der Kunft und von dem Eigen
der Wahrheit fprechen, dem er fein Innerſtes zu |
jeder Zeit und über Alles vonſtandia una
Ben konnte.
Mit Tages Anbruch ging er von Caregh
‚weg, und erreichte des Abends die Abtey Val:
lombrofa, das Mittel zwiſchen Florenz und
Eamaldoli. Erbath um liebreiche Beherbergung,
und fie ward ihm um fo bereitwilliger gewähret,
als am folgenden Tage das Feſt des heiligen
Joannes Gualbertus, des Stifters diefes
Drdens und dieſer Abtey, begangen. wurde.
Nachdem der Prior den Zweck feiner Reife er:
fahren hatte, führte er ihn in das Kloſter, öffs
nefe eine Zelle und hieß ihn hinein treten. Der
. \
e
m...
Scemde, meldher.fie bewohnte, ward von ihm
erkannt, und freudig fan? er in feine Arme. &s
war Renato, der kurz vor ihm bon Camaldo⸗
li mit der Abſicht angekommen war, am folgen⸗
den Tage nach Florenz abzureiſen, und den viers
zehnten Yulius, Bonapenfura’s Nahmens⸗
feſt und zwey und zwanzigſten Geburtstag, ent⸗
weder in der Carthauſe, oder auf dem Berge der
Dlivefaner, oder wo er es ſonſt wünfchen würs
de, mit ihm der Religion zu weihen: jetzt ent⸗
ſchied Bonapentura für Camaldoli, fie
blieben daher den zwolften bey den Ballombros
fetn und feßten den drenzehnten ihre Reife dahin
fort, wo fie des Abends in dem Cönobiten-Klo⸗
fter Sontebuono ®) am Zuße des heiligen Bers
ges anlangten.
———— ——— — — —
) Die Monche des heiligen Romualdus, von
der Congregation Camaldoli, verbinden das cds 2
nobitifche Leben mit dem eremitifchen ; darum
bauen fie fi in der Regel nur auf Bergen an, ‘
und bey ihren Einfiedeleyen auf denfelben ift
übetall im Thale auch ein Klofter, mo diejenis
gen, welche zu einer gänzlichen Abgeſchiedenheit
Ne
Ei
— 106 —
Noch hatte kein Ort in der Welt ſo wunder⸗
bar rührend und erſchütternd auf ihn gewirkt,
wie dieſer begeiflernde Wohnplatz beſchauender
Weiſen, an welchem Natur, Kunſt und Religion
alles Große, Feyerliche und Erhabne vereiniget
und gehäuft zu haben ſchienen. Von ſeinem
zwölften Jahre an hatte er an feinem Geburts:
tage nie unterlaffen, einem frommen Priefker,
‚den er als den Gtellverfrefer feines Gerviffens
‚und des ewigen Weltgeiftes betrachtefe, in der
Beichte, von dem verlebten Jahre Rechenſchaft
abzulegen und in dem Genuſſe des heiligen Abend⸗
mahls den Uebergang des Menſchlichen in das
Goͤttliche, durch den Glauben und die Liebe zu
und zur anhaltenden Contemplation feinen be
"fondern Beruf fühlen, in Gemeinſchaft beyſam⸗
men wohnen, die Novizen unterrichten, ihre kran⸗
ken Ordensbrüder verpflegen und Reiſende be:
herbergen. Wer fi in eine Einfiedeley zurüd
ziehen will, muß es von dem Abte verlangen,
welcher diefe Abfonderung nur den Starken an
Geifte und den Bollendeten in des Gefinnung
geftattet.
— —
feyern. Nach dieſer Erneuerung ſeines innern
Lebens fehnte er ſich auch in Camaldoli; und da
ihm Renato unfer Weges feinen Freund Ane
felmo, als den würdigften Priefter, der ihm
bekannt wäre, alg den ſcharfſichtigſten Herzens⸗
kenner und gottſeligſten Weiſen geſchildert hat:
te, ſo mußte er ihm auch verſprechen, gu bemire
Ten, daß derfelbe feine‘ Beichte aunähme, und
unter der Meffe das geheiligte Symbol der vere
göttlichen Menfchbeit ihm darreidyte. Die fie
bente Stunde des folgenden Tages, gerade die
Stunde feiner Geburt, war zur Erfüllung feines
Wunſches beftimmt, |
Mit forgfältiger Sammlung des Gemäthes
bereitete fi Bonaventura des Abends dazu
wor. Ex las in den Befenntniffen des heiligen
Auguftinus, feinem gemöhnlidyen Gebethbu⸗
che, das ſechſte Buch; die Schilderung, welche
derſelbe gleid) anfangs von feiner frommen Mut⸗
ter macht, wirkte dieß Mahl fo nachdrücklich auf
fein Herz, daß ein Strom von Thränen aus ſei⸗
zen Augen ſich ·ergoß. Noch nie hatte er das tief
in feiner Seele gewurzelte Leiden über den Ber
\
108 —
luſt oder die geheimnigvolle Verborgenheit feis
nes Daters fo ſchmerzlich empfunden; er wollte
erfannt ſeyn von dem Manne, dem er fo viel zu
verdanken hatte; er fehnte fid) nad) feinem Zeuge
niffe, das ihm die Berficherungen feines Gelbfts
bewußtſeyns befläfigte; er fühlte ſich feines Bey⸗
falls , feiner Liebe und der Freude, dem gelieb-
- ten Vater Freude zu geben, würdig. Er verfan®
in düſtere Schwermuth. Luis de Leon’s erhas
benfte Dden follten feinem Geiſte wieder aufhel⸗
fen; allein jede Regung des, Öefühls der An⸗
dacht, der Liebe. und der Hoffnung erftarb. ſo⸗
glei, in der Sehnſucht nach Aufſchlüſſen über
das Schickſal feines Vaters, und fo Eräftig er
auch dagegen arbeitete, die Zlügel feines Geiftes
blieben gebunden, Er entdedte Renato feine
quälende Unruhe, er weinte, er bath um frös
fiende Kunde von feinem Geliebten, um Verſi⸗
cherung, daß er noch, lebe, um Anzeige, wann -
und wo er ihn finden würde; wodurch allein
Friede des Herzens-und Heiterkeit des, Beiftes in
ihm wieder. hergeftellt werden könnte. Doch
. unerbittlid) war Renato.
um 199 —
„Der unfterbliche Geift deines Vaters,” "
ſpraͤch er, „lebt in dir und heißt dich mit Erge⸗
„bung dulden und barren, damit du feiner wür⸗
„dig bleibeft. Hätte er aufgehört für dich zu ler
„ben, menn feine Geſtalt von derErde verſchwun⸗
„den mare ‚ oder bedarfft du der Kunde von ih⸗
„sem Dafeyn, um das Wirken feiner Kraft in
„Dir zu empfinden und zu verfiehen? Was wäre
„deine innere Welt, wenn fie die Sehnſucht nad)
„Seftalten fo jämmerlid, zerrüften ; mas dein
„Ideen⸗-Reich, wenn es in dem Mangel derfels
„ben dir als eine ſchreckliche Wüftenen erfcyeinen
„könnte? Der Geift des AU ift dein Vater und
„Die ewige Menſchheit deine Mutter; Eehre in
„Dich zurüd und einige dich mit ihnen, fo bes
„darfſt du der Bilder nicht, in welchen fie dir
„einst norgefchmebt haften.‘
Schlaflos durchwachte er die Nacht im des
. müthigenden Gefühle feiner Sinnlichkeit und im
mufbigen Kampfe wider fie. Gemaltig flürmte
dieſer in ihm noch fort, als er des Morgens an
der Seite des ernſthaft und feyerlich ſchweigen⸗
den Renato den heiligen Berg hinan flieg,
auf deffen Gipfel die Geweihten der himmliſchen
Weisheit in abgeſonderten Einſiedeleyen um die
Kirche herum wohnten. Dort ſaß Anſeim o be⸗
reits in dem Beichtſtuhle, nach der Vorſchrift
des Drdens, bier fowohf, als fonft bey dem
Eingange zum Altare, das Angeficht verhüllt.
Bonapventura näherte fic) dem Ehrwürdi⸗
gen, deflen erfte Segnung fihon alle Bolten des
Trübfinnes und der Schwermuth von dem Sims
mel feiner Seele verfeheuchre.
Die Stimme des Gemiffens war ftefs die
Regel feiner Sandlungen, er hatte daber auch
nur Menfthlichkeiten, feine Sünden zu befennen;
“ jene aber deckte er mit einer Offenheit, Beftimnte
heit und VBollftändigkeif auf, welcher nur ein fo
Befonnener und mit ffd) felbft befannter Menſch
fähig war. Es gehört bloß das Licht des echten
Prieſtergeiſtes und einiges Beichtvater-Talent
dazu, um gleich nach den erſten Aeußerungen
des Beichtenden die Tiefe ſeines Gemüthes, den
Gehalt feiner Religioſität und den ganzen Um—
fang feiner moralifchen Einfichten zu überfchaur
en: dem frommen Eamaldulenfer Anfelmo
— 2 —
ſchien jenes in reinfter Klarheit, und Diefes "bes
faß er in einen dorzüglidjen Grade; darum wat
‚er das Drafel der ganzen Gegend, durch wel⸗
ches alle Beffern, auf den Höhen. mie in den Thaͤ⸗
[ern des Apennin, die Stimme Gottes und Yes
Gewiſſens vernehmen und die. Juperficht ihrer
Berföhnung mit Beyden empfangen mwolltenj
darum fagfd auch Bengpentura, als er mil
einem beitern Engelsblide aus dem Beichfftuhl
Bam, zu Reyato: „ich habe off gotffeligen und
„reifen Mänsıern, heufe aber Gott felbft ger
„beichtetz fie vedefen zu meinem Herzen, was
„Darin merden follfe; er ſprach ea aus meinen
„Geinüthe und ſchuf es in meinem Herzen.”
est trat Anfelmo vor den Altar, um
das myftifche Opfer darzubringen. Die Würde,
die Galbung und Berflärung ; womit diefer
‚Mann die erhabenften Myſterien der Religion
durch die Meſſe darſtellte, war Bonaventu⸗—⸗
‚ra, in der Gülle feiner Begeiſterung und in ſei⸗
ner Entfernung von dem dunkeln Heiligthume,
umdermögend gu bemerken. Ben der Commus
nion des Priefters näherte er fih dem Altare
— 200 —
und kniete auf die oberſte Stufe bin. Anfelmo
mendete ſich mit der geheiligten Hoſtie zu dem
Jünglinge, der Ahglanz der Gottheit erhellte,
das Antlitz des Prieſters, die Zähre der Menſch⸗
lichkeit zittere in feinem Blicke. Bonavenfus
ra flürgfe zu den Süßen des Heiligen bin; er
batte in Anfelmo. — feinen Ba tex erkannt.
Die Macht des religiöfen Gefühle. befiegfe
. und beiligfe die gewaltig aufgeregfen Empfin«
dungen Eindlicher Zärtlichkeit; unter einem Stro⸗
me füßer Thränen ridyfefe er fid, bald wieder
empor und empfing aus den Händen feines Ge⸗
lebten das. ehrwürdigfte Symbol der ewigen
Liebe. ®)
—rr ſ — — — — — ne
e) Kür den verftändigen Katholiken, Luthera:
ner, Calviniften oder Rationaliften, der ſich in
‚ die dee des religiöfen Katholiken von dem
Abendmahle hinein zu denken nicht vermag, if
diefe Gituation Bonaventura’s, der fhöne .
Gieg der Religion über die Natur und das Uns
tergehen des kindlichen Gefühle in dem reli⸗
giöfen, nicht ſchlacht, fondern verloren.
\
— 203 —
Mut unbefchreiblicher Wonne erfüllt, kehrte
er auf feinen Platz zurück; die Vergangenheit
“war ihm in der entzüdenden Anfchauung der
Gegenwart verſchmunden, die ganze Außenwelt
in dem überfchroänklichen Gefühle der Andacht
und Geligkeit für ihn unfergegangen, ”
Erft bey dem Schluſſe der Meffe bemerkte
er, daß Renato nicht mehr in der. Kirche war,
an feiner Gtelle lag ein. Zettel mi£ den Worten:
an
„Mein Berk ift vollbradyf, Das Andenken.
„dieſer Stunde macht dir binfort meine Bes
„gleitung entbehrlich ; id) gehe in mein Thal
„bey Gertaldo. Dein Vater bewohnt die
„Einſiedeley di SanAgoftino an der öft:
„lichen Geite des Berges; Donatello’s
. „Sruppe, wie der. Heilige feiner fterbenden
„Mutter Monica beyſtehet, wird fie dir
„gennbar machen. Dort erwartet di) Ans
„ſelmo. Lebe und wirke, in Allem Begeiftes
„rung und Befonnenheit vereinigen? “
Bonapventura eilfe zur Einfiedeley. — Lange
lag er fpradjlos in An felm 0'8 Armen. — „D,
\
-
— 204 —
„Vater! Geliebter Bater! D, meine Mutter“⸗
Dieß waren die einzigen Laute, die er, von weha
müthiger Freude überfließend, ganz fühlender’
Menſch, ganz genießendes Kind, bisweilen von
fid) höͤren ließ. '.
Bonaventura's myſtiſche Mächte,
Ameytes Bud.
Lioet ejus aetas imperfeota sit, vita perfecta est.
“ ' Senzca Epif. XCIII.
Der ausgefrefene Strom der kindlichen Zaͤrtlich⸗
keit ward endlich von der Geiſteskraft des Man⸗
nes in feine Graͤnzen zurũck gedrängt, und fein
leidenfrhaftliches Raufcyen ging in das liebliche
Riefeln der fanftern Empfindung über. Da bes
gann Anfelmo:
„ „Bas mir des Sreundes Tachrichten von
„deinem Seyn und Werden big jeßt ergählet hats
„ten, das both ſich heute meinien Bliden in dein
„Innerſtes zur erfreulichen Anfchauung dar;
„Dank fen daher dem Ewigen, deffen Gnade
„das Gute fo herrlich wachſen und blühen ließ,
„wozu id) nut den Boden bereiten und die erften
„Keime entwickeln und befruchten konnte. Mei⸗
„ne Jugend war nicht wie die deinige, und erſt
„nach vielen Verirrungen lernte ich das Beſſere,
„nicht in, ſondern außer, mir kennen, ohne daß
„ich faͤhig war, es mir ſogleich auch anzueignen.
-
⸗
\
— 208 — —
„Mein guter BaterAlfonfo war ein rechtſchaf⸗
‚, fener Eorfe, fern bon jeder niedrigen Gefin-
„nung, freu in feiner Pflicht, fo weit er fie er
„kannte, duldfam und friedferfig unter dem Druk«
„ee unf erer Tyrannen, wohlthaͤtig gegen die Dürf⸗
„tigen, die ſeine Hülfe in S ovarella fuchten,
„gerecht gegen jedermann, fromm gegen Gott
„und gegen die Kirche; doch unfähig, über den
„Schein gottfeliger Werke und äußerer Andachts⸗
„übungen zu dem Geifte und Weſen der Gottſe⸗
„tigkeit fi zu erheben, Meine Mutter Clan:
„dia Corfini, eine Slorenfinerinn, die Nichte
„Clem ens des XI, ein zärtliches treues Weib,
„hatte von meines Bruders Geburt an durch
„neun Jahre gekränkelt, im zehnten trug fie mich
„unter ihrem Herzen. Von den Qualen der Mut⸗
„terwehen ganz entkraͤftet, gelobte ſie dem Aller⸗
„böchften in die Hände meines geängftigten Va⸗
„ters, daß ihre Leibesfrucht, im Galle fie glück⸗
„lich an das Tageslicht kommen, und im Leben
„bleiben würde, in dem Drden des heiligen Do⸗
„minicus ihm geopfert werden follfe. Mein
„Bater ſprach, Amen, dazu, und id) lag kurz
- „darauf gefund in ihren Armen“
„Zwölf
— 109 — nt
. . „Zwölf Jahre war ich alt, als idy in ihrer
„Zodesflunde ihr noch verfprady, den Wunſch
„und das Gelübde ihres fronimen Herzens in
„menen. yvanzigften Jahre zu erfüllen. Bald
„nach ihren Hinttitte nahm mein Bater einen
„Dpwinicaner: Mönch in das Haug, der mich
„unterrichten und für feinen Orden erziehen folls
„Re. In meinem fechzehnten Jahre ward Id) mit
„weta- Mönche nad) Giena geſchickt, um mir Die
„nöthigen Schulkenntniſſe zuerwerben ; dortlieg
„rein Erzieher nach und nad) feinen unhelligen
„Teigungen freyes Spiel, worin zu Sovarella
„Alfonfo’s firenge Gittlichkeit ihn gehindert
„beste: Segen ſich felbft ungemein nachſichtig,
„war ex gegen mich nieht ſtrenge; ererlaubte mir
‚mac meiner Neigung zu ſuchen, was er im
„reichlichen ‚Maße genoß, und meinte, im Klo⸗
„ſter künnte ich büßen, mas. ich im Rauſche der
„gend ſündigte. Ihm lächelte die Luft in den
„bunten Kreiſen der Laien, ich mählte den Ges
‚‚zenftand meiner Liebe unter den Töchtern des
„Himmels. Eine, ſchmärmeriſche Verbindung mit
„einer Nonne machte mir das Gelübde meiner
„Muitter zum Gehredengefpenft, und der Ab:
B D
-
W — ww —
Achtu, womit ich bisweilen daran dachte, ſchien
„mir gerecht nach meiner Entdeckung, daß Set.
„Dominicus der Stifter des Ketzergerichtes
„wur „das ich haßte. Er ward aus der Reihe
„meiner Heiligen ausgeſtrichen, und im nieiner
„Seele war e8 beſchloſſen; ‘mich lieber dem To⸗
„de, als feinem Drden, gu opfern.
:. „Unter dem Vorwande, mich 'einft unter den
„Drdensmännern meines Baterlandes durch ei:
„nen hoͤhern Grad von Gelehrſamkeit auszuzed:
„nen, blieb id, bis in mein vler und zwanzigſtes
„Jahr zu Giena und erfihlidy ſodann mod) von
„Alfonfo die Erlaubniß, Frankreich zu durch⸗
„reifen und in Paris zwey Jahre zu ſtudieren.
„Dort lernte ic, unter manchem Nũtzlichen auch
„die leichte Kunſt, den Gott der Schule gu fang:
„nen, und fcheiterteiin der ſchwerern, den Gott
des All im meinem Gewiſſen zu erſticken. Ich
„yenoß''alles, mas jener durch die Geſrize der
„Kirche mir verbot, ‘oder der Gtaat nicht be-
„ftrafte, und erhärtete umfer den Mattern, mo
„mitDiefer mich in den Auigen blirken meiner läd;
„ternheit züchtigte.‘
„So waren drey Yabre verfloffen, und mein
— al —
„Batet Wang hun’ ernſttich Auf die Ffũllung
„desjchige; 1045 meint Märttte‘ grtobet; er gut
sehen und ach feibſt der Gferbeiiben verfptos
„ber Hatte. Meine Acevbrt war, daß ich bey
„jest 'ertänttön beffern Citrfichten , mich nicht for
„balds dbzi eniſchlieten Eömite, dieſen Augen⸗
„Bit hide den greingzſten Beruf zu dem geiffüi
„bett Stande ſuhlie aber gern noch eine Reiſe
„nath dem feihimern Spanien unternehmen
mochte 6 berfeiBe dielleicht eher, als in Frunt⸗
„reich oder In Corſitä, erwachen dürfte. Auch
„die deiwilligte Al fonfbeumnd ſchickte mir· die
„DNitctel, weiche inich in din Stand festen, note
„Vorhaben anbzufuͤhren. Nirgende ſũndigte ich
‚Ani dreier Dark, als mefeuein Laude, 1 kokke
ziehen Die hothffiegende Schtvärmmerey deu ſchö⸗
‚net Drkentallomus mit dem romuntiſchen Rite
„ferſinne ſich vermählet hat. gZloey Jahre Hatte
„ich dort vertraͤumt, als mein Vater mir lie
„weſtere Unterftlisung hit: Gelbe. bermweigerte;
„Der Marge nothigte mich zar Rutkkehr; ich
„nahmni den wWeg über Grkenoble) wo ich bor
„funf Jahren in dem unfchuldigen Kuffe eines
„vierzehnjaͤhrigen Mädchens zum ‚seiten able
D2
— 210 —
ꝓdie Macht und, Seligkeit der, Ligbe arehnde
„und, in dem Lehrer ihres, Brupere, B Abbate
„Bomnnevpall, den erſten Menſchen gefunden
„hatte, der mir Achtung einflößte. Aa ich jegt
„hintam „ war der-Abbate nicht mehr. dort und
„godevica Elanefon ſchon feit zwey Jahren
Am Klofter zu Mogtfleurn. Um,ibrem Pen:
„der eine reichere Erbſchaft zu ſichexn, ‚inar fie
zpon ihren eltern gezmungen mprden, unter dem
AÆchleyer, den Greuden der Welt zu ‚entfagen.
AIch f ab, fie zu Montfleury in der lieblichen Blu⸗
nthe.der Weiblichkeit „durdy die Grazie der De:
„muth und Andacht verfhönert., Gig war be
„ireite durch abgedrungeng Gelühde dem Him⸗
„nel perlobf;, in ihrem Herzen. aker, +Fug und
wperebrte fie nur mein Bild, Wir ſprachen uns
„ft, wir liebten uns, und noch poll des Gpani⸗
sehen. Geiſtes, faßte ich den Erfihluß, fi fie zu
„entführen, mozu ihr feuriges, ‚Temperament
„mir die Wege und Mittel erleichterte. Gloͤcklich
„brachte ich meine ſchoͤne Beute an. Frankreichs
„Gränzen, mo, wir. einen Prieſter fanden, der
„unp, trauete ‚und- unfexe kirchliche Verwahluno
aſchriftlich berengte —
en — 219 — —
Vonb do vita erfuhr'ich Borinewalt
‚Abohne 'Arciner gänglicyen' Zuruckgezogenhen
„bey S üſa; ſie wünſchte ihn wieder zu fehen;
„und auch rich war es jetzt mehr als jemahls Bes
„dürfniß, mein Glück und mich ſelbſt in dem
„‚Spiegel'eines freun dfchaftlichen Berzens zu: bes
„hauen. Wir zogen bin’ und entdedten feinen
„Aufenthalt in einem anmuthigen Thale: zwi⸗
„ſchen Suſa und Novalkeſe. Er nahm uns herz⸗
„lich bey ſich auf, unſere Verbindung billigend
„und-fegnend. Du ſollſt hernuch erfahren, wie ſich
„dort mein religiöſer Sinn den Banden entriß,
„toomit ihn mein Hang zur Luſt und meine ges
„lehrte Unmiffenheif gefeffelt Hatten.“ 2
„Tach einiger Zeit gab ich meinem Vater
„Kunde bon meiner Berehelihung, mit dem für.
‚da. berubigenden Beyſatze, daß ein frommer
„Prieſter ntich von dem Gelübde meiner Mutter
„und meinem Berfprechen los gebunden habe;
„ein. Serz konnte nur die Ausföhnung mit ihm
„völlig Berußigen, und in meiner äußern Läge
„bedurfte ich feiner Hälfe um.fo mehr, als ich .
„von Bommev all mich nicht mehr rennen wolle -
„te. Alfonſo verzieh mir alles, in der Hoffnung,
m
- Nn4 —
„durch mich einen Enkel zu erhalten, Ao mein
‚uBender Earla-fchpm ſeit gehn Iabapn.in eine
„finderlofen Ehe Ichte; mir münfchte er, daß ich
win mein Baterland. zurück kehren ; dem Dienſte
adeſſelben mich midmer, und mit meinen Gelieb—
„en, mit der Gattinn und mit dem Kugugde; ihm
mden Abend feinen Lehens erheitern möge,”
„Nicht ſo glücklich war meine La denica;
„aud) fie hatte ihren Aeltern Nachricht von ihrer
„Verbindung mit mir ertheilt, und eine auch
„pyn mir unterzeichnete Verzichtleiſtung auf ii
„Erbtpeil, zu Gunſten ihres Prupera, beyge—
„legf: aber ein ſchrecklicher Fluch des Waters,
„eine grauſame Verwünſchung der Mutter und
sine Gentenz des Bannes von. dem Bifcpofe zu
„Brenoble waren die Dolchſtiche, die unkeilber
aihr Herz verwundeten. Beygefügt wqr nach die
„Drohung, daß hereits alle Anſtalten getroffen
„taären, ‚fig durch den Beyſtand der hürgerli:
„en Gemalt nach Monffleurp zurück zu füh⸗
„ren. Schon lehteſt dur unter ihrem. Herzen; ei⸗
„ligfb nahmen wir in Bonnenall’s Br
„gleitung die Flucht, win gingen. zu, ‚Rigza an
„Dort und fegelten mit glücklichen Winden nad)
„‚Sorfrea, wo du mir nad drey Monathen gu
„boxen murdeft.’
„gwey Jahre haften wir zu Sovarella mit
„unferm alten Vater haͤuslich froh gelebt, als
„Die fehändlichften Streiche und unmenſchlichſten
Bedrückungen von Sriten der Republik Genus
„die ganze Inſel empörten, und jeder biedere
„‚&orfe gegen die veriworfegen Wucherer, Meus
„helmörder und Giftmifcyer, die ſich unſere Ei
„nige nannten, zu den Waffen griff. Pompis
„Aiani, meines Baters innigfter Sreund, ward
„in der Boltsverfammlung zum oberſten Heer:
„führer gewählt; von ihm wurden einige patri
„otifche Scharen meinem Pater anverfrauf, ich
„und Carlo fochten für Vaterland und Frey⸗
„beit an feiner. Seite. Corficq fände jetzt ſchon
„als mächtiger Sreyftaat da, hätte das Bolt die
„nöthige Bildung gehabt, um durch Cintracht
„unter fi) und durch unbepingtes Berfragen in
„feine Anfübrer, feine Kraft zu unterflägen. Go
‚aber ward Pompiliani en die geſchlagenen
„Genuefer verrafhen und gefangen genpmmen,
„Alvaradino an feine Sfelle ernannf, und,
„wegen feiner zögernden Klugheit, bald wieder
— 26 —
„abgeſetzt; ſein Nachfolger Eiaftene fiel bey
„Algagliola, und mein Vater zu meiner Seite
„im Rampfe vor Ajarcio. Lo dopico Giaf⸗
„ferri machte mit unfern, ſchon fehr geſchwäch⸗
Aten, Tyrannen einen Waffenſtillſtand, diefen be⸗
„mußte Carlo, um mit feinem Erbtheile Corſica
„für immer zu verlaffen. &r zog nad) Drbitels
„to, ich aber moflte dem Baterlande und den
„Ranen meines Vaters nody einige Opfer brin⸗
„gen, mozu uns Spanien durd Beld, Grant:
„reich durch Waffen die Mittel in die Bände ges
ufpielf hatten.“
: „Die Öenuefer erhielten Sülfssenppen bon
„Deftteih und wir verloren fdynell hinter ein«
„ander, die bis dahin erfämpften Vortheile. Auf
„dem Gebirge von Befcovafo uns bloß verfheis
„digend, gelang es ums, ihren unvorfidhfigen
„Feldherrn Wachtendoncq mit feinen Scha⸗
„een fo zu umzingeln, daß er einen Vergleich,
„rote er ihm von Abbate Eaftinetto , unferm
„Anführer, war vorgelegt worden, zu feiner Be:
„Freyung unterzeichnen mußfe. Linterdeffen war
„Giafferri mit dem Gpanifchen Gelde und
nder-Scanzöfiichen Munition angelommen;. die _
- 27 =
„Boltöverfammlung ernannte ibn von nenen
„‚zum oberften Seerführer umd gefellte ihm den
„tapfern Ciactaldi bey. Raffalli und Des
„raldi, Priefter vom bewährter Rechtſchaffen⸗
„beit und Klugheit, follten die Berechtigkeit vers.
„roalten ımd den beyden Bätern des Volkes mis
„ihren 'weifen Ratbfchlägen beyftehen. Wir zo⸗
„gen uns in den füdlichen Theil der Inſel zurück,
„wo nach verfihiedenen Zreffen die Genueſer und
. „die Deftreicher in den fihredlichften Fiederla-
„‚gen der. Yhrigen die Tapferkeit der Corſen an.
„erkennen mußten. Der Kaifer ließ uns fodann
„eine Yusföhnung mit Genua, unfer ‘den vor«
„theilhafteften Bedingungen und unter feiner
„Bürgſchaft, anbiethen. Lieberzeugt, daß mir
„ohne ausmwärfige Hülfe, die uns jet ſchon ims
„net fparfamer geleiftef wurde, der verftärk;
„ten Nacht der Deftreicher unmöglid, widerſte⸗-
„hen tönnten, nahinen wir den Antrag an und
„die Unterhbandlungen wurden zu Corte zwi⸗
„ſchen ächt Deftreichifigen Seneralen, vier Se—
„matoren ®enua’s und ſechs Dberhäuptern der
„Corſen, mit auszeichnenden Merkmahlen der
„Achtung gegen die Leßtern, angefangen ‚fort:
— 218 —
„gelegt und geichloffen. Sobald der Vertrag
„unterzeichnet wpar, wurden Giafferri, @is
„arcaldi, Aitelli und Raffalli bon dm
„Benuefern, unter dem Vorwande einer frübern
„Berrätherey, perhaftet und gefangen nach Bes
„aua abgeführt, ohne daß die Generale der Deſt⸗
„zeicher fich diefer Treuloſigkeit widerfegten.”
„Dieſe ſchaͤndliche Ihat eines vermerfenen,
„verächtlichen Wuchervolkes, dem uns der Kai:
‚see unter dem Scheine der Ausföhnung von
„meuen unterwerfen wollte, zeigte mir, meinen
„Sreunden Pereldi und Bonnevall, und
„Auen, die im edeln Kampfe für Freyheit ſich
„beſonders ausgezeichnes haften, das Borfpiel
„aunferes gemiffen Untergangeg: wir befdyloffen,
„bis auf beffere Zeiten auszumandern. Zum
„Bläde hattefchon mein Vater unfer ganzes Vers
„mögen heimlid, in der Bank zu Bucca niederges
„iegf; mein Sous und meinen Garten zu Go»
‚„zarella räumte idy dem Abbate Ro ftini, der
„mit mir in Paris fludieret bafte, zfır Wohnung
„ein, Ein Englifdes Schiff brachte uns nach Sie
„porno, Peräldi ging in dag Jeſuiter-Colle⸗
„gim zu Pife, ich zog mit meinen Theuern nad)
⸗
— 219 —
„Biene, mo ich Pie wirkſamſten Mittel zur Auf⸗
„.beiterung meiner? oA npicg zu finden hoffte.“
Allein mit jedem. Lage, verfank die gute
„Grele in fiefere Schwermuth. Der gräuliche
vãluch ihrer Aeltern und ger Bann deg Bifhofs
„‚baffen fie mit ihrem Gewiſſen entzwepef: Sie
wurde pon den belldenfeinden Prieſtern Raf—⸗
„falli und Peraldi, mehrmahls non der Sün:
ude und von dem Banne los gefprochen; doch
„ner Gegen gemeiner Beichtpäfer und ihre Feb:
9, daß gramungene Qelũbde und Eide in ihrem
Meſen ungülfig und nichtig wären, konnte ſie
„nicht beruhigen. In der Hoffnung, den zerſtör⸗
„ten Sieden ihres Herzens wieder herzuftellen, .
uunternahm ich andlich eine Wallfahrt nah Rom
ar dem apoſtoliſchen Stuhle, auf welchem dar
„mahls up mein mütterlicher Dheim fag. Mit
„mäterliher Huld empfing uns der liberale Greis
„und mit menfchenliebender Theilnahme exwog
„er unfer Vergehen gegen die Kirchenſatzungen;
„alein auch yon ihm erlangten wir nichts wei-
„ter, ala die Losſprechung von dem Banrıe und
die Segifimasion Deiner Geburt, unter der Be:
„dingung, daß idy nad) dem Tode deiner Mut⸗
‘ »
-
— 220 —
„ter midy nicht wieder verehliche, täglich der Bes
„ttadhtung göftlicher Dinge eine Stunde widme
„und .bis an mein Ende das Brevier nach Roͤ⸗
„miſcher Ordnung bethe; Lo dovica aberineis
„nem Kloſter ſich durch ihre ganze Lebenszeit der
„Buße weihe, und weil dr Kind der mülterlis
„sen Pflege nicht mehr bedürfte, feinen Aus
„ſpruch zu ihrem Geelenheil ſogleich vollziehe.
„Nur die Wahl zwiſchen dem Orden der heiligen
„®lara und der heiligen Jungfrau vom Ber«
„ge&armel blieb ihr von ihm anheim geſtellt;
„die tief-gebeugte Mutter wählte dem letztern,
„und zwar m Rom felbft, wo fie fidy an der
„Pforte des Klofters di San Giufeppe mit
„blütendem $erzen meinen Armen entwand.
„Dich wollte fte nicht mehr fehen, damit fie nicht,
„unter der gewalffamften &mpörung ihres müte
„terlichen Gefühle unterliegend, unverföhnt mit
„Bott, in ihren Günden ftürbe. Daß fie dur
„die Liebe Feiner Stunde fchuldig, und nur durch
„den Willen des Allerböchften Mutter geworden
„wär, weiß fie jest gemiß ; denn vor freben Jah⸗
„ren beſchloß die fromme Büßerinn auf Erden
‚bre Leiden.’
an
— BI =
..Sier bemachtigte ſich auch. in An r elmo das
lange unterdrügtee Befühl Der Menſchlichkeit feis
ner Redte, und ergoß.fi in, Thränen, die erin
den ‚Bufen. ass betraffenen Anne meinte.
I 72 DR EEE . 2 Di
“u Le ee ton.
193 > 3. Srstan..
he find io, Allgemeinen, fo fuhr dam
* n ſeed m o fort, Pig Umeifle meines äußern
mtigibens; nun, mußt dunoch die Geſchichte nei
ra tunen Jodrs hören und erfghren, miecch
„Bonadiefem erwachte, und fähig ward, aud)
‚einem Geifte Bater zu werden. — Das Lies .
„Brsvesftänduiß wit der Ronne zu Gienn hatte
„mich npn gröbern: Ausfchrpeifungen zurück ges
„beitens,der Ehrgeiz meinen Fleiß in Wiſſen⸗
‚schaften geſpornt: durch lenes war die Entwik⸗
„felugg ‚meines Gemüthes beguͤnſtiget, durch
Adieſen / mein Verſtand in reger Thätigkeit erhals
„ten morden. Mit vorzüglichem Eifer. trieh.ich
daR Studium der Sprachen, der aͤltern Geſchich⸗
„ke. und-Römifchen, Literatur; ben allen öffentlis
„ben Redeübungen ward mir der Preis zuere
„panzt, und feiner meiner Mitfchüler war · ver⸗
„mögen; bie Erfikdren gen, den Biröitrddhehun
„und den Wohltlding meinert Gedichte! zit wrrei.
„chen: Dibſen Vorzuh hatke kch edigkah meinet
„Torte Gabrieke,“ die meine Vnthterkraft in
„beftändiger Uebung erhielt, zu verdanken. Lei:
„der war ic) nur zırjung amd unerfahren, um
„das Schöne, was durch fie in meiner Gere
„fich enifaltet hattb ER 9 renWeihet zu
sierbältehi. Git ſelbſt Hr) vine Große, dbihh ſeht
‚prbfite, Dichterweltufn hen Wergetr, denn
Bett ati ab Eanz onen dageifterten ſie mie
zal8 D’a di B'8 Pſalmen tind in den Veoſhe
„ſtunden des Antteklichen Bebethes vekrachtete
‚Sie lieber das füge Gehnen des Paftor'f%
‚Bo als die Peiden md das Srürben
‚Des Eriöfers. Taͤglich wenigftens Gih Sbn⸗
„wett: ari fie war dtis beſcheldene Opfeti neh
„net Liebe; in Ronanzen bon Pytumus ind
„Thisbe, von Amor ind Pſyche, von Dtpheus
‚and Eurydire brachie Id bisweilen Größere;
Avenn durch das Gptachgitter die White hrev
„Blickes oder Kuſſes mich inniger ergtiffen' hirke
‚te: Dabey lernte and'üubtenich aurh Neihige dus
„Bethen und das Glauben in Worten ; "Biene
— 13 — |
„gern den Brieflern am Aitare, ergehte mid in .
„ven Anblide Heiliger Bilder, liebte die himmli⸗
‚che Mutter: in meiner Nonne, fürchtete Dort
in meinen Zuchtmeiſtern und ſcheuete ihn in
„meinem Bettdater: hiermit war der Umfang
„und der&ehalt meiner Religiofität geſchloſſen.“
„Gabriele farb, und von ihrem Grabe
„reiſte ieh mitt feymerzerfüllter Seele nad) Frank⸗
„reich: Zu Brenioble glairite id das Wehen
„ihres Geiſtes in der unfchuldigen Lodovica
„wieder 'zu empfinden, aber bald vergaß ih
„dieſe ſowohl als jene zu Paris, wo id) eine '
„ganz andere Pfebe Bennen lernte. Diefe belohn⸗
„te meine Sonnetten, Madrigale und Balladen
„mit Genüffen anderer Art, und befregete wich
„für die Aufspferang meiner Unſchuld von dem
„Zwange, deffen Bande früher mid) doch mehr,
„als meitiejeige Freyheit, beglücdet hatten. Bors.
„mobls war Stobfinn und Ruhe im Innerſten
„meines Weſens, in der Borhalle deffelben nur
„ſchwaches Verlangen nach etwas Unbekann⸗
„tem, bloß-duntel geahn detem; nachmahls trat
„dieß verborgene Ziel in Immer reizen dern Ges
„falten aus feiner Dämmerung hervor, das ſeh⸗
I)
— 224 —
„mende Verlangen ward ſtürmiſche ‚Begierde,
„und jede Befriedigung derſelben nührte die ent
brannte Rriegesflamme, die weiter um ſich grei:
ufend, den Frieden meines Herzens bald gan;
„zettörte. Unter dem Raufche der Sinnenlufi
nperfchtruand der Yauber der Schwärmeren und
„mit ihm fo gar der matte Schein des Emigen,
„Der doch bisweilen in meinen äußern Andachts—
„übungen das Uyge meines@eiftesergeget hatte.“
„Je deuflidyer meine Gelbſtentzweynng im
nSemütbe fid, mir antündigte, deſto thäfiger ar:
‘ „beitetfe mein Verſtand , ſich über die Urſachen
„und Wirkungen derſelben hinweg zu klügeln.
„Das ſittliche Gefühl, das nie mif Kraft in mic
„etwachet mar, erloſch völlig, und die hinfalli-
„geu Schranken des Böfen, den. Worfglauben
„und die Höllenfurch£, zu durchbrechen, war der
„Lejdenſchaft ganz leichtes Spiel. Ich ſtrebte in
„meiner Selbftvernichtung nad) Gründlichkeit,
Ad Die Schriften der Engländer, Eollins,
„Roolfton und TZindal, täuſchten mid) mit
„einem Schimmer, in dem ich mir als philofo:
„pbifcher Freydenker vortrefflid, gefiel, Michte
„ſcheuete ich mehr, als in mid) ſelbſt hinein zu
j „bie:
⸗
— 225 —
„blicken; darum ſuchte ich meine Aufmerkſam⸗
keit, ohne Unterlaß, an äußere Gegenſtände zu
heften und meinen Geiſt in anſtrengender Bes
„ſchaͤftigung zu erhalten; fo ward ich in Gefells
aſchaften ein läftiger Beobachter, und ih der. Eins
„ſamkeit ein eifriger Belebrfer.. Ich glaubte die
2
„Menſchen zu Feanen;, weil ich im dunkeln Bes _
„reißffehin meiner eigeneh. Berderbtheit die Ser:
„tigteit.erlangef hatte, felbft ihren edelften Hands
‚Aungeri die Lriebfeder. des niedrigſten Eigennut⸗
„,5e8 unterzufehieben; ich wähnte in den Geift der
„Alten eingedrungen zu feyn, indem ich nur die
„Bedeutung ihrer Worte.verftand, und die vers
„borgenften Geheimniffe. der. Welterf cheinungen
„durchſchauet zu haben, weil ich wußte, was
„zu allen Zeiten geſchehen, oder erzählet wor⸗
„pen mar!’ 0.8 .
„In Spanien ging es anders. Ginnenge:
„muß. and Aberglaube waren dorf die Gränz⸗
„puntie, in welchen ſich die Lebenskraft derjeni-
„gen bewegte, in deren Kreiſe ich zuerft durch
„meine Wahl gerathen mar. An dem letztern
„kpnnte ich nicht mehr ruhen, den erſtern mad):
„ten mir endlich Saͤttigung, Ekel und Ueberdruß
| p
-
_ 06 —
„verhaßt. Aufgefchredit dadurch und auf mid)
„ſelbſt zurüd geführt, ſachte ich Zuflucht bey den
„Beſſern deren Anzahl midy überrafchte; allein
„bey diefen galt nur das. kindliche Gemüth, nicht
„eitler Weltſinn, ein warmes, zartfühlendes Herz,
„nieht grübelnder Berftand, Glaube, nicht Ger
„iebrf amkeit, redliche Gefinnungen , nicht arlige
‚Manieren, kurz, alles, was mir fehlte: in ih⸗
„nen fand ic) eine Menge Richter, ftatt des Ei:
- „nen, deffen Berdammung id, in meinem In⸗
„nern entfliehen wollte. Ihre Berachfung ver:
„wies mid) aus ihrem ande, und das bittere Ge:
„fühl, ffe verdient zu haben, erweckte in mir wie:
„der,das Andenken an Gabriele und an ihr
„boldes Ebenbild , Lodovica.”
- „ie diefe reine Geele die Meinige wur:
„de, haſt du bereits gehört, doch nicht fo Bald
„konnte auch ich der Ihrige werden, denn fie
„war fromm, id} gottlos; und Klugheit war «8
„Rue und Leidenfchaft, nicht Liebe, dag ich ihres
„andüchtigen Ginnes ſchonte, meine Nichtigkeit
„vor ihr verbergend, Weit ſchwerer ward mir
„dieß im Meaner: Thale vor Bonnepalls
„Scharfblick, und bey der Seinheit, womit er
— FO
„mir durchaus begegnete, gertech ich bald in Wer
„zweiflung an bei Moslichten, dor ihm mich zu
‚jverftellen. . -
‚Auf: oiwer Wandetung nach Nov äl efe
„entdeckte ic ihm aufrichtig meine innere Zer⸗
„rüftung, die ich damuhls noch fo gern für hö⸗
„heve Weiehoit gehalten hätte. Mit ruhiger Theile.
„nahme 'höorte er mid) an, und auf alles, was:
„ich als’. ausgemacht behaupten wollte, erwie
„‚derte er bloß: fo lange diefe Denkungsart, dieſe
„Geſinnung, diefe Wahrfcheinlichkeit mid berus
„bigte , geziemete es ihm nicht, dagegen zu firsis
„ten, aud ſchonend wollte er des Freundes Meir
„sung ehren, felbft wenn fie der feinigen entge⸗
„gen geſetzt wäre. Bisweilen bath id) ihn, vom
„Segentheile mich zu überzeugen, entweder weil
„ſich wirklich ein geheimer drang nad) dem Befe
‚fern in mit gereget haffe, oder weil ic) münfdy:
„te, durch den Widerfpruch gegen feine Gründe.
„mic auf meinem Standpuncte zu befeftigen;
„allein auch dieß verweigerte er, mit det Bemer⸗
„kung,; daß kein Menſch den andern von irgend.
‚‚einer Wahrheit, die außer dem Gebiethe der Er-
„fabrung läge, überzeugen könnte, und die Ges
pP2
| — 2
„senfberde, über die mir ſprächen, überhaupt
„sicht durch Begriffe ſich beleuchten, noch durch
„Schlüſſe ſich eroͤrtern liegen; ſondern ſich von
„ſelbſt mit Macht und; Kelarhait dem Geiſte of⸗
fenbaren müßten. Deſto geſchickter griff er mic)
„dort an, wo: ich am ſirherſten zu. kaſſen war,
„vbey meiner Luſt, das verſchiedene Thun und
„Treiben der Menſchen zu beobachten.“
.Mur Ein Mahl durfte er mich einladen, ihn
yanf feinen Wallfahrten nad) der Carthauſe zu
„Eolegno oder in die Thäler von Lu cerna,
„Per ouſe und Sanlartino, wo die Wal⸗
„denſer in Unſchuld und Einfalt ihres Herzens
„dem Ewigen dienen, zu begleiten; in der Folge
„both ich mich ihm jedes Mahl felbft: zum Ge
„fährten an. Alles, was id) dort ſah: und hörte,
„war mir neu und-überrafthend ; außerfe ich an⸗
„fänglidy einen leifen Spott über die befondere
„Lebensweiſe jener Berfraufen des Himmels, oder
„über die firenge Zucht der goftfeligen Thalbe⸗
„wobner,, fo befcdyämte er mich durch einen ern:
„ſten Blick und ein bedeutendes Schweigen, das
„feine Wirkung nie verfehlte, weil ich den lim:
„fang, und die Klarheit ‚ und die Tiefe feines
2
2 * —
„Geiſtes anerkennen mußte. Wollte ich meine ein⸗
„ſeitige Anſicht bon den Dingen vor ihm geltend
„machen, fo ſtellte er beſcheiden ſeine mehr um⸗
„faffende' Dagegen, und überfieg es mir, ob, wie
„und wann ic) ſie mir aneignen könnte.“
„Auf diefe Weiſe ward id) nad) und nad
„verleitet, die Exfi cheinungen mit mehr Aufin erk⸗
„ſamkeit, und endlich auch mit Wohlgefallen zu |
„betrachten. Ich entdeckte unter den Einfamen
„zu Colegno Kunſtgeweihte , deren Werke vor⸗
„her nie empfundene Ahndungen in mic etwelk⸗
„ten, und Gelehrte, wie ich ſie im Getůũmmel gro⸗
„Bei Städte nie gefunden bafte. Ich bemerkte
„unter den Gläubigen in den Thäfern eine Ein-
„tracht in ihren friedlichen Hirtten, eine Frey⸗
„müthigkeit und Wahrheit in ihrem Betragen,
„ine Reinigkeit und Einfalt'in den Sitten, eine
„Gleichmuth und Geelenrußein allen Lagen und
„Berhältniffen, woran ſich die anmutbigen Bils
„der des goldenen Feitalters‘, an "welchen id) in
„den Tagen meiner Unſchuld mid) fo oft erfreuet
„hatte, in meinem entzweyeten Gemüthe wieder
„erneuern Bonnten. An ihnen erhob ſich das
„ſchlummernde Gefühl der Liebe füͤr meine Lo⸗
Ei
„Bopica über dieleidenfchaft, und aus ihmer-
ugoſſen ſich neue Reize über die Öegenftände mei:
„Buck ging der Sinn mir auf für einen Blau
„ben, der im Gemüthe febte, nicht auf Gründe
„des Berffandes gebauet wäre; für eine Liebe,
„weldye, das Herz mit unausfprechlidyer Gelig:
„teit erfüllend, der äußern Formen nur zu ihrer
„Selbſtanſchauung bedürfte; für eine Gottſe—
„ligkeit, die, nice die Handlungsmeife der Men.
„hen beſtimmend, fondern fie nur leitend und
„len ganzes Weſen verklärend, felbft in den felts
„tamften Erfindungen des, Mönch- ynd Kirchen:
„tbumes dag. Heilige und Göttliche zu erfchauen
„wüßte. Ein fidyeres Mertmahl meines wie
mÖEr erwachenden beſſern Selbſt war mir die
„Sehnſucht nach meinem Vater und nad) dem
„Vaterlande. Alfonfg’s Wünfche famen mir
„entgegen, id, fah die Gonne mieder über Cor:
„fica’g Berge herauf fteigen , ich malte wieder
„unter den froben Erinnerungen meiner Kindheit
„an den Ufern der Prünella, ic) befand mic) zu
„Soparella wieder in einer Welt der Ruhe, der
„Kindlichkeit ud Slüdfeligkeit, und ward felbft
— 231 —
„mit jedem Tage in ihr Eindlicher, ruhiger und
„glüdliger“
„So. blieb es bis zu der angſt- und monnes
_ „vollen Öfunde, in welcher du das Tageslicht
„erblidteft; da ward auch ich beſeelt von einem
„neuen Geifte, der ernigen Belt geboren , un?
„im Hochgefühl meines. beffern Seyns ſchloß ich
„dich freudetrunken in meine Arme, fant unmills
„kührlich vpr Lodorica auf meine Knie hin
„und .cief, daß alle Welten eg vernehmen mody«
„ten: „Renato, es ift ein Bott! — „Dieß
„war da8 erfie wahre Geheth in meinem Leben,
„und das erhabenfte, das je aus meinem Herzen
in Worte üherging.“
Indem er nun ein Miniafur:Semäblde her⸗
vor zog und eg dem Sohne reichte, fprach er weis
fer: ‚So war’s wie du’s bier ſiehſt; der Anblid
‚ndiefes Bildes hat.oft das Andenken jener Stuns
„de in mir verſtärkt und mein Gemüth zu dem,
„ver ift, erhoben, wenn das. Geräuſch der. Welt
„oder die Macht der Leidenfchaft mich mir felbft
„entreißen wollte; du magft es als Urkunde meis
„net Erhebung zum echten Geiſtegadel binfort
„bewahren. —
.
— 232 3
„Jetzt erſt war auch der heilige Bund der
„Freundſchaft zwiſchen mir und Bonnevalt
„vollendet und für die Emigfeit befeftigt; wir
„waren eins im Glauben und in der Liebe, obs
„gleich der Gegenftand, den wir damit umfaß-
„ten , in meinem Geiſte anders als in dem feini-
ungen fidy abbildete. Ihm mar es gegeben, in
„hohem Fluge, licht und heil, in dag Linendficdhe
„hinein zu ſfchauen und in der “dee einer Weis⸗
„beit, die alles ergründet und erkennt, altes um⸗
Aſchließt und ordnet, das Geheimniß alles wirk⸗
„lichen Seyns und fiheinbaren Werdens zu ent:
„decken; ich konnte und wollte nur glaubend
„mich bemegen in den Geleifen, welche jene Weis⸗
„beit in der Stufenleiter des Sichtbaren und in
„den Ideen vom Unſichtbaren mit vorgezeich⸗
„met bat. Nur ein Fortſchreiten des Bergang»
„Shen zu dem Emigen, nur eine Kraft, die
„Belt an Welten bindet, und in ihrer höch⸗
„fen Perfönlichkeif zugleich der reinfte Berftand
„end Das heiligfte Gemüth, die Külte alles Lich⸗
„tes und aller Liebe ift, Eonnfe meinem Gei—
‚ste: die Duellen der himmliſchen Erkenntnig
„auffhließen und, die Sehnſucht meines lieben«
— 133 *
„den Hetzeis nach der Nähe des Bemgen Bi be⸗
„friedigen.“
„Die Gottheit, welche Bonnevallin che
„furcht anbethet, iſt ein efwiger, Beiliger Wiſſe,
„aus dem alles, was wir Bernunft oder Geſta⸗
„mung nennen, ausgegangen ’ift und das in ihm
„wieder untergehen muß. In ſeiner Idee iſt das
„Leben und Birken diefes allinädjtigen Willens
„das eigentliche wahre Leben des Sohnes der
„Unſterblichkeit, der, mit einer irdiſchen Hülle
„umgeben, in’ dem Lande des Glaubens für die
„Belt des Schäuens und Wiffens fich nur vor⸗
‚bereiten fol. Durdy die Sfimme des Gemiffens
„kündiget fid) ihm jener unendliche Wille in der
„Majeſtät des ewigen Gefeßes an, die nothwen⸗
„dige und unbedingfe Anerfennung derfelben ift
„Der Grund feiner Perföntichkeit, der weſentliche
„Beftandtheif feines reinen Geyns, die wahre
„Freyheit feines endlichen Willens, und die das
„durch erzeugte Liebe zum Guten, als unmittels
„barer Wirkung des göttlichen Willens, der hoch»
„ſte Aufichwung feiner Andacht und Religiofitäf.
„JReinem jugendlidy wieder auflebenden Ges
„müthe fehlte die Kraft, und fie fehlt ihm noch,
— 234 —
ſich zu dem klaren Ideen⸗ Himmel Bonnevalls
„empor zu ſchwingen; in feinem, mehr poeiiſchen
„als philoſophiſchen Auffluge erblickte es ein er⸗
Aſtes, in und für fid) beftehendes, über Nalur
„amd. Menſchheit unendlich erhabnes Weſen, eis
„nen perfönfichen, aus feiner eigenthümlichen Un.
„endlicjkeit dag Endliche frey ſchaffenden Geiſt,
„eine wefenhafte, mit Willen und Bernunft, mil
„Liebe und Erkennfniß begabte Einheit. In der
„gläubigen Erhebung zu diefem Botte entwideb
„te ſich meine VBernünftigfeit und. Freyheit; in
‚feiner andädhtigen Beſchauung und ehrfurchts—
„rollen Ansrfennung bemachtigte fidy die Al;
ymacht der Religion meines Herzens, erfüllte es
„mit der Galbung der Gnade und enfzündefe in
„ihm die heilige Flamme einer ewigen Liebe. In
„ibrem Lichte entdeckte ich die. Mittel, wodurch
„ic, meine Vaterpflicht an dir erfüllen, und dem
‚ „armen, bon feiner Mutter gefrengten, Kinde
„aucd) ihre Stelle erfegen konnte.“
‚ — 235 —
Bon Bonnevalls und Anſelmo's reli—
giöſem Standpuncfe ganz perfchied en, dod)
bende in fih aufnehmend und vereinis
gend, war der Gfandpunct, von welchem aus
Neraldi das Denken und dasGeyn, das Ide-
ale und das Wirkliche, das Unendlidye und das
Endliche, in der Idee der unbedingteſten Einheit,
bejchauefe, als dag vollendete Göttliche anbethe:
fe, und den Eindlichen Glauben zum männlichen
Wiſſen, vermittelſt des inneru Ginnes, in ſich er:
höhete. Eben dahin haffe er au) dem Geiſte Bo⸗
navenfura’s die erſte Richtung gegeben; und
deutlich ward der gelehrige Schüler ſich derſel⸗
ben jetzt bewußt: allein er war zu fromm, als
daß er ſich erkühnet hätte, zwiſchen Bonne:
vall und feinem Vater zu entſcheiden, und den -
ewigen Willen des Einen, fo wie den pers
ſönlichen Gott des Andern, nur els einzel:
ne Erſcheinungen feiner religiöſen Ideen-Melt
darzuſtellen. Ex ſchwieg in Demuth, und An-
ſelme feßte feine Erzählung, höchſt lehrreich für
ihn, fort. I ur .
„Alle Briefe, die du während deiner Reije
„an Peraldi gefhrieben haft, habe ic) gelefen,
„jeber war für mid) eine Duelle der Sreude und
‚des Zroftes; nur der eine, m welchem du, von
„det fonderbaren Bekehrungsweiſe des heiligen
| Auguſtinus beftoffen, deine Angſt ſchilder⸗
„teſt, und weil dur nicht fo, wie er, durch ein
‚Wunder der fliegenden Gnade in deinem gan«
‚zen Wefen umgefchaffen murdeft, dich gleich.
„ſam felbft vernichteteft, erfüllte mich mit bitte—
„ver Wehmuth. och fehlte dir die Kunde von
- „der Art und Weife, nach meldyer ich dich in Got—
„tes Garten zur gefunden Blume erzogen und
„por dem Reife des TBeltverderbens, fo mie vor
„Dem Brande emer innern Gelbſtentzweyung ges:
„ſichert babe; wie gut id, die Kraft des Samens
„tannte, den meine Pflege frühzeitig in dir kei⸗
„men faffen wollte, wohl wiffend, daß auf dem
„unverſehrten, in dem Boden reiner Unfdyuld
„aufgewachſenen, Sfamme die edeln Reifer des
Wahren, Quten und Schönen weit ficherer ges
„deihen, als auf einem Stoͤcke, welcher vor⸗
ber allen Stürmen und Verletzungen des La⸗
„ſters Preis gegeben war. Dieſe Kunde will
Zich dir jetzt erfheiten, "derin Bedürfniß iſt es
„dem Guten, in dem Bewußtſeyn deſſen, was
— 37.—
ner iſt, eur. beſchouen ‚mie er es gewor,
mden fm... - th ne
„Von dem Yugenblicke deiner Bebnrt an- fin,
„vierte ich nichts eifriger, als die Befihichte:maie
„ner eigenen Berkrungen, and ich fand.die ur⸗
„‚fprüstgliche Duelle derfelben in der Verwahrlo⸗
„jung.geines Gemũthes: in der Kindheit. Da
„Actern, Cehrer-und Schulen durd) die Brybrin⸗
nosag ihr egeigenthümlichen Vorſtellungen and
nBegrifie meine eigene Thätigkeit und den mie
menen Auſchauungstrieb erſtickt, und meine -
„Erkenytniß immer aus durch Das Einzelne Des
„graͤnzt hatten, fo mißte ich in mir zu einer völs
„gen Gemüthlofigfeit herab finten, und außer
„mir, in der Religion sur oberflärhlichen ‚Grey:
„denterey ‚in der Moral zur Eleinlichen Selbſt⸗
„ſucht, in dem geſellſchaftlichen Leben zur eigen⸗
„nũtzigen Klugheit hingetrieben werden. Dieſes
„Unglück wollte id, pon dir abwenden. In der
„aufmerkſamen Betrachtung meines Zuſtandes
„mac, meiner glͤcklichen. Wiedergeburt war mir
„das Streben meines Geiſtes, in der Auffaffung
„Ber Dinge feine miffenfchaftliche und mwealifche,
„zeligiöfe und moraliſche Ricytumg zu Rereinigen,
-
— 238 —
„dem-Erfanstten ſich auch hinzugebbn, feine An⸗
„ſchauung zur Begeiſterung und feine &rkermts
„mß zur Liebe zu 'erhöhen, klar geworden. Dar:
„aus ſchlöß ich anf eine uUrſprüngliche Einheit des
echt; wiſſenſchaftlichen und teligiöfen Sinnes,
„der Verſtandes- ind Gemüthsbilding. Zuver⸗
Jſichtlich ſetzte ich ſo dunn die Möglichkeit voraus,
‚daR ſich ſchon in der Geele · des Kindes Die Ems
Ipfrnglichkeit und die Tätigkeit für das Web:
„ee, Schöne, Heilige undBate bis auf emkir ge⸗
„wiſſen Brad entwickeln, bilden und verfiärfen
‚treße: Meine Vorausſetzung beftätigte ſich im
„der; an mir felbft bewährten Bemerkuiig!- daß
‚det richtige Berftand überall nut der Spiegel
„des Gemuͤthes fer, und jener blöß durch dieſes
„wahrhaft aufgeklaͤret, keinesweges abet das
„Gernüth erft durdy deri Verſtand gebildef wer⸗
i den Lörine. Ich ſuchte weiter in mir und fand,
„daß das ganze Gefhäft der Gemüthsentwicke
„lung ſich in die Ertegung des Anſchauimgsſin⸗
„nes, der Bildungskraft und des Gefühls der
„Siebr.auflöfe; die Bildung des Verſtandes hin⸗
„gegen, bloß in der Erweckung und Steigerung
„der Thätigkeit beftehe, mit welcher er aus dem
— 29 —
„Benüfhe den Wiederſchein ‚der ewigen 1 Sefche
„der Dinge und der unvergünglichen Ideen iv
‚fi aufnehmen, das Linermeßlicye deffelben
„selbftftändig. durch Begriffe begrängen, und in
„feiner freyen Welterkehntniß.nue das Unbeding⸗
„te und ewig Feſte darftellen fol. Und biermif
„‚batte:ich den Schlüffel zu dem Räthfel, welches
„mir mit meiner Pflicht an diranfgegeben war.“
„Die Annäherang zu der wirklichen Löfung
„deſſelben ward mir leicht, denn in allem unsers
„Küste mid Lodo vied mit unermüdefer Thäß
„tigkeit und gänzlicher Singebung, Gobald wir
„pie erften Spuren der Achtfamfeit an dir bes
„merkt hatten, kamſt du nicht mehr aus meiner ,
„oder ihrer ·Aufſicht; unfer Spirlen mit dir bes
„Stand lediglich darin, daß. wir deine Aufınert;
„samteit auf lauter gefällige, beſtimmte und in
„ſich vollendete Gegenftände Leifeten und fo lange
„es möglid; war, dabey erhielten. Dadurch era
„langten wir, daß in der Folge die Borzeigung
„eines Bildes, oder dag Spiel der Mutter auf
„dem Inſtrumente felbft dein Geſchrey über Eör-
„perliche Wehen augenblidlicz ftillte. Die Heinen
„Aienſte, Deren Leiftung: Lod opica ſich nur
„felfen nehmen ließ, belohnteſt du fehr bald mit
boldem Lächele; in ihm erfanniten wir Die er-
„en Regungin:ses liebenden Gefühle, und mit
„ongefttengfen Sorgfalt vermieden mir, durch
„Merkmahle des Unwillens oder der Ungeduld,
‚fie zu ſchwächen. Deine Bedürfniſſe und Wuün—⸗
Nähe fuchten wir zu errafhen und ihnen zupor
„gu fommen, damitdie Begehrlichkeitin dir früh:
„zeitig eingeſchrünkt würde: alles, was du ver:
„langteſt, ward Dir gereidyt; aber unerſchöpflich
„war:zugleid, die Kunſt der Mutter, dir zu ent:
„rũcken/ was durnicht begebren follteft, und mas
„Sie nur auf Koſten Des Gefühle der Liebe ver:
„weigert werden konute. Alles, woran . fie in dei⸗
„ner Gegenwärt arbeitete, behandelte fie mit den
„anfprechendften Beichen der Achtfamfeit und
„Sorgfalt, um deine Anlage zur Bildungskraft
„vor den Einwirkungen der Zerſtörungsſucht zu
4 „bewahren und den cdlern Fornmngetrieb in dir
„anzuregen. '
5Da wir ung fleißig i in Worten mit Bir unfer:
„bielten, und, zugleich die Bedeufung dYerfelben
„in unfern Mienen und Gebehrden die bezeidh:
„mefen, fo lernfefl du auch ſehr zeitig fprechen,
j „doch
— 241 —
„doch nicht dem Zufalle überließen mir die wei⸗
„tere Ausbildiing dieſes wirkſamen Mittels zu
„unſerm Zwecke; anhaltend übten wir dich in der
„Richtigkeit, fo wohl des Ausdruckes als der Aus⸗
„Sprache, und wo wir es vermochten, gaben wir
„auch deiner Borftellung durch Vorzeigung des
„Bildes oder des Gegenftandes Beftimmtheif,
„DeutlichKeit und Leben. Dein Spielgeräth war
„fo gewählt, daß es zuin Mittel diente, die Ans
„ſchauungen des Raumes und der Zeit in deiner
„Seele’aufzubellen und zugleich den Verwand⸗
„lungs: und Geftaltungstrieb ergegend zube
„ſchäftigen; nichts durfte dir gereicht werden,
„mas du verwüſten oder zerbrechen Ponnteft. Als
„te Hausgenoffen, die Kinder Bon Govarels
„Ta und die Bettler der ganzen Pieve mußten
„dir durch unſere geheime Vermittelung allerley
„Freuden machen ‚ und deine Fürbitte war wie⸗
„derhin die Bedingung alles Guten, das wir ih⸗
„nen erzeigten. Was wir als das dir Liebſte
„kannten, oder was du am eifrigſten begehrteſt,
„erlangteſt du nie ehe für dich, als bis du es
„vorher aus unſern Händen andern Kindern ges
„geben, oder mit ihnen gefheilet hafteft: das
Q
8
Pd
| — *—
„Allgemeine, das in dieſem Verfahren lag,
„fpradyen wir nie aus, wofür wir das Bergnüs
„gen ernfefen, daß du es felbftthäfig und als
„dein Eigenes fandeft: von uns erhielteft du nur
„Befehle, die Regel follte durchaus das Er—
„zeugniß deines Geiftes werden.’
„Es war ausgemadjt bey mir, daß das
„Wunderbare das eigenthümliche Element
„der Kindheit ſey; anftaft den Ginn für daffelbe
„Durch verftändige Redensatten in dir zu unters
„drücken, pflegten und nährten wir ihn vielmehr
„Dadurch, daß wir ung felbft zu Kindern mach⸗
„ten, und in deinen “Jubel über die Wunderdin—
„ge einflimmeen, twomit wir did) nicht felten über:
„rafchten. Auf dieje Weife warſt du fchon in
„deinem vierten Jahre bekannt und derfrauf mit
„einem unfichfbaren Bater und einer unfidhfbas
„ren Mutter, mit einer Menge unfidyfbarer Kins
„der, und befonders mit dem ſchönen, himmlis
„Shen Kinde Jeſus, welche ſämmtlich im Guns
„teln der Sterne dich anlächelten, im Gäufeln
„des Windes und im Riefeln des Baches dich an:
„sprachen, in meinen Bildern dir erfchienen, im
„Geſange der Vögel dein gutes Verhalten lob⸗
— 2113 — |
„ten, durch meinen optifchen und phyfißalifchen
_ „Apparat in mandherley Kunftftüden mit dir
‚spielten, von den Bäumen dir Srüchte und von
„ihren Blumen Kränze ſchenkten; die dich liebten
„wie wir, und deren Liebe du durch zarte Bes
„handlung der Dinge, welche ſi edirgaben, danks
„bar erwiederteft.”
‚est kam Biulia, &o dbvica’ s ver⸗
„waiſte Baſe in Sovarella bey uns an; ſie war
„mit deiner Mutter von gleichem Alter, durch
„ihre vorzüglicye Geiftesbildung und Herzens:
„unfchuld würdig, daß wir die Berivalfung uns
„ſeres beiligften Gefthäftes mit ihr theilten. Mit
„deinem fünften Jahre begann aid) dein förms
„licher Unterricht. Alles, mas du von weiblichen
„Weſen lernen konnteſt, ſollteſt du auch nur von
„ihnen lernen, weil fie, zärter äls der Mann ges
„bildet, die Dinge mehr init dem Bemüthe als
„mit dem Berftande ergreifen und behandeln.
„Nicht zum Gelehrten, nicht zum Künftler, fons
„dern zum gemüthvollen Menſchen wollte ich dich
„erziehen ; liebend alfo und durch Liebe follfeft
„du dir eigen machen, was andern Kindern in
„der Regel, nur durd) Ernft und Schärfe, durch
Q2
N
mal -
„Furcht und Anſtrengung, das ift, auf Koften
‚Des Gemüthes beygebrachf wird. Unter der
„fanften, immer freundlichen Anleitung deiner
„Mutter lernteft du Tefen, voon®inlia erhielteft
„du die erfte Anweiſung in der Muſik der Löne
„und den Zahlen; dje Luft zu dem Zeichnen kam
„dir in meinen Armen, in tveldyen du nie ange
„nehmer dich unterhalten fühlteft, als wenn ich
„dir die unfihtbaren Himmelskinder, die Span»
„der deiner Lebensfreuden, vorzeichnete. Deine
„erſten Berfuche beftimmfen mic), dir zu Giena
„von Giovanni Gorbi vrödentlichen Untere
„richt ertheilen zu laſſen.“
„So meif waren wir mif dir gefommen, uls
„der Ausfprud) des Eirchlichen Oberhauptes Lo⸗
„d opica von meiner Geite riß. Der Nnfenthalt
„in der Stadt ward mir mun unerträglich. Ich
„kaufte daher ein Grundftüd im Thale bey Gere
„taldo, welches ich nach meiner melarcholiſchen
„Gemüthsflimmung einrichten, und wo auch
„Bonnevall ſich eine Einfiedeley erbauen
„Konnte; dort beſchraͤnkte ic, mich lediglich auf
„meine Pflicht gegen dich. Das Zeichnen erleich-
„terte dir das Schreiben, und indern ich dich ans
| — 5 —
„fãnglich mu die buntgemahlten Buchſtaben aus
aalten Handſchriften nachbilden lieg, erwachte
„in Bir auch die Luft zum Mahlen, worin Gib⸗
„panna Srafellini deine Lehrerinn ward,
„jobald du Gorbi’g Unterweiſung entbehten
„konnteſt.“
„Dein ſiebentes Jahr verlebteſt du größten
„Lbeils in meiner Geſellſchaft und unfer meiner
„unmittelbaren Auſſicht; es war für meine Kunſt
„das wichtigſte, denn in deinen häufig wieder⸗
„hohlten Fragen über den Urſprung der Sonne
„und des Mondes, über den Geiſt, der fie bes
‚„tpegf, über die Befrhäftigung der Kinder und
„Senaben, die in den Sternen wohnen, über die-
„Bedeutung der großen Blicke und der gewalti⸗
„gen Sprache des unfichfbaren Vaters in den
„Blitzen und in dem Donner, über den Sinn des
„Leblichen Lifpelns der unfichtbaren Mutter im
„Sefäufel des. Abendwindes, gewahrte ich in dir
„den Uebergang vom Anſchauen zum Denken,
„vom Empfinden zum Fühlen, vom fpielenden
„Auffaffen zum freyen Bilden. Es ſchien mir bo:
„he Zeit, dich nun felbft aus einer zufammenhans
„genden Darftelung der auffallendften Natur⸗
„erſcheinungen den Stoff für deine Religiofität
„und deine Welterfenntniß fammehn zu laffen,
‚ „und dabey nur darüber zu ppachen, daß nir⸗
„gends dein Verſtand dem Gemüthe voreilete,
„und jener, mit Umkehrung der natürlichen Ord⸗
„nung, nichts durch Begriffe zuſammen ſetzte,
„was dieſem nicht vorher in der Idee borgelendye
‚tet hätte.'*
„An deinem. achten Geburtstage gab ich Dir
„die heilige Kunde: daß der unſichtbare Vater
„und Schöpfer aller fichtbaren und unſichtbaren
„Belten einft zu den Menſchen geſprochen ‚und,
„als diefe feine Worte theils vergeffen, theils nicht
„mebr verflanden haften, feinen geliebten Sohn
„Jeſu zu ihnen gefandfhabe, Diefer fen, als Beift
„Der Menſchheit and Ebenbild Bottes, in menfthe
„licher Geftalt auf Erden. erſchienen, und nach⸗
„den er. den Menfchen den Willen feines und ih⸗
„tes. Daters verkündiget hafte, von, den, Böfen
„getödtet, in dem Grabe wieder. erweckt, und im
„Angeſichte der. Outen, die. feiner. Lehre folgend
„an ibn glaubten, in. unnergänglicher Glorie zu
„feinem Bater- aufgenommen worden. Ben. aller
„Einfachheit meiner Erzählung konnte ich fie doch
-
— 247 —
„nicht oft genug dir wiederhohlen; ſie beſchaͤf⸗
„tigte dich Tag und Nacht, du verlangteſt, Bits
„‚tend und fleheng, bon, den Worten des unſicht⸗
„baren Vaters und feines Sohnes etwas zu ers
„fahren, und.geradedas mar es, was ich wünſch⸗
„te. Ich legte dir die Begebenheiten der Moſai⸗
„fen Urwelt, die Geſchichte und die vorzüglis
„Sen Mythen der Xegyptier, Hebräer, Griechen
„und Römer, und: die: ganze Lebensgefdyichte Je⸗
„fu in. Bildern vor; allein das konnte did) nur
„einige Wochen. unterhalten, nich befriedigen;
‚denn. es war Stoff, welchen. du fo-, wie er bes
„reits gebildet war; in. dich. aufnehmen muß»
„teft, ihn: nicht mehr felbftthätig. geftalfen konn:
„teit. Deine Neigung zu dem letztern bemerkend
„und achtend, fing id) an, das. erfte Buch. Mo⸗
„ſis mit dir zu lefen , darauf ließ. ich einige auss
„exlefene Abfchnitte aus Salomo’s Sprüchen und
„aus dem. Buche Jeſus Girach mit einigen Pfals
„men folgen, f&loß mit. dem Evangelium Jo—
„annis, und erfüllte dann. mit Steuden deinen
„Wunſch, der mich aufforderte, alles dieß noch
„Ein Mahl mit dir durchzugehen, und did) läns
„ger an der Wiege der Schöpfung, in dem Pas
.-
’
_— 24 —
„radiefe, in der Arche deg Heilg, im der Geſell—
„ſchaft der Altoäter, bey dern legten Abendmahle
„des göftlidhen Sohnes, und bey feinen Lieben
„unter dem Kreuze verweilen zu laffen.”
„Dabey ftellte ich jedes Mahl die Hauptbe
„gebenbeit in Kupferftichen von den vortrefflid:
„sten Kunſtwerken vor dir auf, und mit frohem
„Herzen unterhielt id) die Begeifterung, wovon
„sch. dich in der Betrachtung der ſchönen, großen
„und erhabenen Schöpfungen des Raphael,
„Michelangelo, Ban ni, Guercino, Cor:
„ceggig und. Dominidyine durdydrungen
„lab. Um deinerg Gemüthe audy hierbey die Herr:
„haft über den Berftand zu erweitern und zu
ufihern, nahm id) nod) die Dichtkunſt zu Hülfe
„und zeigte dir das, mas die Bibel nur einfad,,
kräftig und Eurz für das gläubige Herz aus:
„ſpricht, auch An den Geftalten, womit es die
„Gemweibten der Kunſt, Dante, Taffo, Mil
„ton und Zanfillo, für die Phantafie beklei⸗
„det hatten. Der Genuß, momit diefe Befdäfti-
Agung dich belohnte, reizte dein Berlangen nach
„neuen Quellen deſſelben; ich verſicherte ſie dir
„in der Lateiniſchen, ranzöfifchen, und am reich⸗
— 249 —
„lichſten, in der Spaniſchen Sprachez und dieß
„war genug, um dich zu dem trocknen Studium
„det Grammatik anzuloden. Ich behandelte daſ⸗
Aſelbe als eine Logik und Pſychologie, und er-
„bielt dabey deinen Verſtand in anhaltender
„Zbätigkeit, ohne in der Pflege deines Gemũthes
„irgend etwas zu verſäumen. u
„Sp lange du unfer meiner Leitung dich be:
„fandeft, verfchonte ich dic, mit moraliſchen For⸗
„meln und Katechismus-Lehren; durch Autori—
„tät und Beyſpiel, durch Gehorſam und eigene
„Erfahrungen gewoͤhnte ich did) zu dem Guten,
„208 du thun und erkennen fpllteft: deinen Sinn
„für Religiofität konnte und wollte ich nur wel,
„ten; ihn zur höhern Erleuchfung vorbereiten, |
„mußte das Geſchäft eines erfabrnern und wei—
„fern Lehrers bleiben. Ihm gezienife ea auch,
„nach feiner Kenntniß von dir, zu beflimmen, mas
„und wie viel von der Kirchenlehre, und in wel:
„hen Sormen es deinem Geiſte frommen dürfte,
„Ich that das Meinige, indem ich nicht dein
„Gedächtniß mit heiligen Lehren anfüllte, ſon⸗
‚dern dein Herz durch die Benfpiele der Heiligen
„rührte, und deiner Phantaſie Mythen und Sym⸗
Pu
- — 50 —
„bole vorhielt, in welchen ſich die Anſchauungen
„und Ideen deiner Vernunft ſpiegeln konnten.
„Der Lauf der Geſtirne, der Wechſel der Jah⸗
„reszeiten, das Sarbenfpiel und der Duft der
„Blumen, die Blüthen der Bäume, der Gefang
„der Bögel und das Raufchen de Baches, dieß
„waren die Prediger, zu welchen ich did, führte,
„damit fie dir. die Herrlichkeit Goftes und dein
vewiges Fortſchreiten verkũndigten. Ich ließ dich
„den Schöpfer und Vater der fihtbaren Natur
yin feiner ſchoͤnen Weltſchoͤpfung betrachten, bee
„fo fiherer den Gott der unfich£baren Welt im deis
„nem eigenen Befen finden und ertennen möchteſt.
„Ich unfermarf dich rührenden Herzenggebothen,
„damit du in Zukunft das drüdende Joch ſtren⸗
„ger Pflihfgefege und. Falter. Berftandesregeln
„weniger empfändeft. Go wurdeft du frommı,
„andächtig,goftfelig und guf, ohne je nad) Bors
aAſchriften und. Weifen gebefhet oder gefaftek zu
„baben; dein. ganzes. Leben war Ein unabläffis
„ges Gebeth und. die. Enthaltfamkeit von dem
„Böſen mar dir zur Natur geworden.”
„Bey unferer Auswanderung aus Eorfica
—
„batte mir Peraldi das Work gegeben, nach
„Deinem zehnten Jahre did, bey, ſich aufzunehs
„men und deinem Beifte das zu leiften, wozu ich
„mich aus Mangel an Zuverſicht und Selbſtver⸗
„teauen nicht permögend fühlte. Da hernach,
„bey dem Befuche des wadern Eorfen, S alis
„cetti, die Schönheit und die Güte feiner Cas
„milla fo tiefen Eindruck auf dic) gemacht hats
„te, daß du vor Sehnſucht nad) ihr fogar ers
„Prankteft, fing id) an von deiner Reizbarkeit
„noch Schlimmeres für die Zukunft zu befürch⸗
„ten; fobald Au alfo von deiner Krankheit genes
„fen warſt, mollte ich nicht länger fäumen, meir
„nem Freunde dich_zu übergeben. Was er an
„dir gethan, mit welcher Weisheit er deinen Ver⸗
„ſtand im Dienſte des, Gemüthes erhalten, und.
„aus den helldunfeln Hallen der Kirche deinen
„Geiſt der. Sonne der Religion enfgegen gefr
„gen, hat, das fteht (yön und unausloͤſchlich in
„peinem ganzen Weſen abgebildet, und ich habe
„es kurz vor meinem Abfchiede von der Welt mit.
AFrende und mit Dank gegen den Ewigen wahr⸗
„genommen. Ohne weitere Beſorgniß für dein
„Heil verließ ich zum letzten Mahle Piſa, um
— 252 —
„endlich auch für mic) die höchſte Weihe des Les
„bens in anhaltender Beſchauung des Göttlis
„hen zu ſuchen.
mem)
Bonapdenfura äußerte nun den Wunſch,
auch von den nähern Bermeggründen diefer Zus
rückziehung und ihrer Verheimlichung vor ihm,
Kenntniß zu erlangen, worauf Anfelmo Fol⸗
gen des erwiederte:
. „Mit die war alles, was die Leiden meines
„munden Herzens fo oft gelinderf baffe, aus
„meinem Krelfe gefchieden, die Welt fdyien mir
„ein Kirchhof, die Gefelfchaft eine Verſamm⸗
“lung der Todten, melde, aufgefchredtt aus ih⸗
„ren Sräbern, ihren alten Schlaf nicht mehr fine
„den und zu einem neuen Geyn noch lange nicht
„ertvadyen konnten.“
„Nachdem ich in Rom mit der Schöpferinn
„meiner ebengfreuden das Urtheil unferer Tren⸗
„nung empfangen baffe, war id, öfters in das
„Hoſpitium der Samalduleufer gegangen, um
„mich in dem Gebrauche des Römifchen Bre-
Br ——
„viers unterrichten zu laſſen. Dort ſah ich des
„Andrea Sachi heiligen Romualdo, wie er
„eine himmliſche Viſion, die ihm zu Theil gewor⸗
‚Den war, feinen Jüngern offenbarte. Die Klars
„‚beit und Erhabenheit der göftlihen Erleuchtung
„auf dem Antliße des Beiligen, die andächtige
„Rube, die liebende Achtſamkeit und der zuver⸗
„ſichtliche Glaube m den Mienen und Geberden
„der Schüler; die unerlärbare Nlagie und Mys
„ſtik des ganzen Gemähldes wirktefo eindringend
„und ergreifend guf mein Gemüth, daß in dem
„Augenblice alle Klügeleyen meiner Eigenliebe
„gegen den Ausſpruch des Papftes verſtummiten,
„und die Klagen meines empörten Herzens un»
„ter frommen Ahndungen und Wünſchen, die
„mut die heiligere Pflicht des Vaters nicht deut
„lich werden ließ, verhallten. Allein fobald du
„in Deraldi’s Händen warſt, erneuerte ſich je—
„mer mächtige Eindruck in meiner Geele; wo ich
„ging und fland, wachend und fraumend, ſah
„ich ur das begeiſternde Thal von Camal:
„do li vor mit eröffnet, den heiligen Stifter des
„Ordens mir winkend, an feiner Seite meine
„verewigte Mutter ihre Arme zu mic ausſtrek⸗
BE an RE
2 |
„tend und um die endliche Erfüllung ihres Ges
„lübdes mich bittend. Sch reifte in Giulia’s Be
„gleitung nad) Rom, im die ſchon längft dem
„Himmel geweihte Lodo vira noch Ein Mahl
„zu befuchen, und ihr meine drängende Unruhe
„zu eröffnen. Die Einzige, an welcher ich mit
„ganzer Geele hing, deren Ausſpruch, von dem
„erften Augenblid’e meiner Liebe an, mir Gottes
„Stimme wat, erfannte und verehrte in meinem
„Drange des Himmels Ruf. Zwey Männir, die
„ich noch in Eorfica als weife, von Bott erleuch⸗
„tete Priefter geachtet hatte, Raffalli und der
„Tapuciner Cazaconi träfen der Meinung der
„frommen Dulderiin bey; entjchlöffen, dem
„Rufe zu folgen, kehrte ich zurüd und beftelle
„te mein Haus, als, wollte idy ſterben.“
- „Die Sicherung deiner äußern Lage für die
„Zukunft machte es nothwendig, Peraldi und
„Bonnevall dabey zu Rathe zu ziehen. Bey:
„de toiderfegten fi, meinem Vorhaben mit als
„lem möglichen Nachdrucke iind berfündigten mir
„bie Pflicht, dir zum Begfpiele, dein Baterlan:
„de, dem fich eben damahls neue Ausfichten zu
nfeingt Befreyung eröffnet hatten, mit patriofi:
\
— 26 —
„ſcher Anſtrengung meiner#raft, Bepzuflehen. In
„meinem vier und vierzigſten Jahre, geſund und
„ſtark, konnte ich ihren Gründen nichts Gültiges
„entgegen ſetzen, ich ſchiffte mich zu Livorno ein
„und landete zu Bonifacio in dem Augenblicke,
„als der Befehl des Königs von Frankreich, eine
„Vergleichs-Acte mit den Genueſern unbedingt
„und ohne vorhergehende Prüfung anzunehmen,
„Die ganze Inſel zum Aufftande gereizt hatte.”
„Die, leider unter ſich felbft uneinigen, Ober⸗
„bäupfer des Volkes waren, Giaccinto Pas
„oli, mein Dheim, Luca di Drnand, und
„Siafferri, weldyen unfere Tyrannen mit Cia
„accaldi, Nitelli und Raffalli auf Befehl
„Des Kaifers ihres Verhaftes haften entlaffen
„müffen. $ch trat zu dem Heere Paoli’s, in
„welchem die. edeiften und eifrigften Verfechter
„unſerer gerechten Sache vereiniget waren. Der
„Heerführer der Franzoͤſiſchen Hülfs-Truppen,
„Graf Boifſeur, hatte die gemeſſenſten Befeh⸗
„le von ſeinem Hofe, die Corſen ihren unwürdi⸗
„gen Gebiethern zu unterwerfen; aber wir ſchlu⸗
„gen ihn und brachten feine Scharen in Unords
„nung, wo fie fi) zeigten. Zum Unglüde für
— 256 —
„uns, erlaubte ihm feine Kraͤnklichkeit nicht, eine
"„entfcdyeidende Schlacht Zu magen; er ſtarb zur
„Baftia und ward durch den Marquis Mail:
„lebois erfest, von deffen Klugheit and Ge-
„wandtheit im Unterhandeln wir mandye Vor—
„theile zu hoffen, aber von feinen militärifchen
„Erfahrungen und Einfichten auch alles Unheil
„zu befürchten hatten: an diefen, fo wie an den
„Mitteln, fie wirffam zu machen, war er allen
„unfern Führern überlegen. Bergeblid) troßfe
„uhfer Muth feiner Kunſt und feiner lebermacht;
„mit der blutigen Schlacht bey Lento, welche
„P aoli verlor, war Corſica's Schickſal für dieß
„Mahl wieder entſchieden, in Zeitvon einem Mo⸗
„nathe waren die meiſten Pieven verheeret und
„unterjocht, Luca di Ornano unterwarf ſich
„dem Sieger, von dem er ſchon früher gewon⸗
„nen war, Paoli mit feinem jüngern Sohne
„und Giafferri wurden von der Inſel verwie⸗
„fen und fraten in die Dienfte des Königs von
„Neapel; ich blieb noch ein ganzes Yahr in So—
„varella, um abzumarfen, welche Wendung ume
„ſer trauriges Berhängnig nehmen würde.’
„Nach einem neuen Bertrage zwiſchen Frank⸗
„reich
— 257 —
„seich und Genua ſollte die eine Hälfte der In;
„ſel von Franzoſen, die andere von Deftreidyern
„beſetzt werden. Maillebois wurde zurück be⸗
„rufen. Bor feinem Abzuge machte er Rahmens
„derRepublif Genua eine allgemeine Verzeihung
„befannt, ernannte zwey Corſen zu Biſchöfen
„auf der Inſel, verfprady bey dem Könige einen
„Vergleich zu vermitteln, der von Geiten der
„Genuefer allen Bedrückungen, von Seiten der
„Eingebornen allen Beſchwerden ein Ende ma.
„ben follte, und berbirkte, daß der gewefene Dos
„ge, Maichefe Spinola, ein rechtſchaffener,
„pon jeder Partey geachteter Mann, zum Gou:
„verneur der Inſel eingefet wurde. Bey dem
„allen aber war voraus zu fehen, daß unfere fo
„genannten Könige in Genua in ihrer Zreulofigs
„Eeit an Beine Berfräge ſich binden, in ihrer Bers
„derbtheit Spinola’s gerechte Verwaltung
„nicht lange dulden, in ihrer Ohnmacht dem wies
„der aufgereizfen Muthe der nfulaner nur ihre
„alten Künfte, Beftehung und Meuchelmord,
„entgegen fegen würden; folglid der Schein
„Des Sriedens und der Ruhe bald wieder ver:
„ſchwinden müßte Darum vereinigten fid) zu:
R
„einem heiligen Bunde die Guten, welche die Eh:
„re liebten, das Recht achteten, der Freyheit wuͤr⸗
„dig waren, und ſammelten im Verborgenen
„neue Kräfte. An ihrer Spitze ftanden der Leib:
„arzt Gafforio und der Abbate Benturini,
„jener ein wahrer Brutus, dieſer ein neue
„Thraſybulus.“ |
„Ein Schreiben von Giulia, melde in Rom
„zurück geblieben, und von Lodopica unge
„teennlich, in dem Klofter zu San Biufeppe Non:
„ne geworden war, machte mich unfähig, in
„Corſica noch laͤnger zu verweilen und der Öfun |
„de des wieder ausbrechenden Sturmes zu hat:
„ren. Giulia berichfefe mir die Heimteht Lo⸗
„Bopica’s in das Reid) der Seligen. Herzer:
. „ſchütternd war für mid) die Schilderung Ihre
„legten Augenblicke, mie fie liebreid) meiner und
„deiner gedachte, mie fie wehmuthsvoll wunſch⸗
„fe, daß ich auf meiner Pilgerſchaft den mir at:
„gemwiefenen Hafen der Rube und des Heils nicht
„verfehlte, wie ſie zu dem Ewigen um Eleuch⸗
„tung und Erkenntniß der Nichtigkeit alles Ye
„difchen für mid) flehefe. Meine Schuld an Cor:
_ „fica war abgefragen, meine Pflicht, fo mei
— 259 —
„meine Kräfte reichten, erfüllt, id nahm Abs
„ſchied von Sreun den und Dom Baterlande, bes
„ſuchte dich ‚nod) Ein Mahl in Pifa und ging
„hierher, um die noch übrigen Stunden meines
„untergehenden Lages der Befchauung und Ers
„kenutniß des Göttlichen ganz zu heiligen.“
„Immer hatte mein welttluger Bruder die
„Art und Weiſe, nad) der ich dich erzog, ale Thor⸗
„beit befpöttelt; meine Rückkehr nad) Corjica
„betrachtete er als eine zweckloſe Wirkung der
„Schwärmerey; er würde meine Flucht nach Ca⸗
„maldoli für völligen Wahnfinn erfläret has
„ben: fie mußte ihm daber ‚ein Geheimniß bleis
„ben, aber nidy£ vermeiden konnte ich, ihn zum
„Bormundeüber dich einzufegen. Den Fortgang
„deiner Bildung ficherte ich dadurd), daß ich
„über alles, was Carlo mit dir beginnen moͤch⸗
„te, unſern Renato zum Wächter beſtellte. Bon
„ibm erhielt ic, die Kunde, daB man dic von
„peraldi abberufen hatte; deine Beftürgung
„darüber und die Heftigkeit, womit du zu wiffen
„verlangteſt, was aus mir geworden fey, mad):
„ten es nothwendig und für dic) beilfjgm, daß
„meine Zurückziehung auch dir verhehlet würde.
R2
— 260 —
„Mein Beyſpiel würde dich vielleicht bey deiner
„Unerfahrenheit und bey deiner Neigung zu ei:
„nem ftilen, befchaulichen Leben voreilig zu
„Schritten verleitet haben ‚ welche dich dir felbft
„und dem Baterlande entführet Hätten; nur mit
„Anftrengung deiner ganzen Kraft ihm dienen?,
„wirft du deiner Bollendung dic) nähern. Auch
„ar es guf, in der Geele dcs Jünglings, den
„man aus den Schooße eines Weiſen plöglid
„in das befäubende Geräufdy der großen Welt
„binaus gefrieben hatte, das fehnende Andenken
„an einen geliebfen Bater zu erhalten, und daf
„selbe durch die Ungewißheit von feinem God
„‚fale bis zur elegifyen Schwärmerey zu verfldt:
„ten. Den Entſchluß meines Bruders, did) rei:
„fen zu laffen, erfuhr ich von Renuto, und
„kannte in demfelben ein wirffames Mittel, das
„dealifche deiner Bildung auch zur Bielfeilig:
„keit und Allgemeinheit in dem Wirklichen, mas
„mie immer als Ziel deiner Erziehung vorge
„ſchwebt hatte, zu entfalten. Auf mein Berlan:
„gen begleitete dich) der Freund, um zu verhindern
„oder zu vernidhfen, was etwa der Abbate nach
„ſeinen beſchränkten Weltanſichten oder nad
— 06 —
„Car lo's Planen in dic, hinein tragen möchte;
„es ift das Werk des erfahrnen Bildners Des
„raldi und die Kraft des Wahren, Guten und
„Schönen, daß in diefer Hinſicht der treue Wäch⸗
„ter nicht viel bey dir zu fhun hatte; daß ich
„nun, als glüdlicher Vater, in deinen Armen
„ruhen und in der herrlichen Ausfich£ auf deinen
„Rünftigen Wandel mich erfreuen könne.“
Die Wahl und Beftimmung diefes Pinffigen
Wandels war der Zweck, zur welchem ſich An⸗
fel mo gerade jeßt, und nicht früher, nicht fpä«
fer, feinem Sohne entdedet hatte; fie mar einer
der wichfigften Gegenftände ihrer Unferreduns .
gen, fooftBonavenfura feine Wallfahrt nach
Camaldoli wiederhohlte. Je näher der Zeitpunct
feiner Abreife nach Rom heran rückte, defto weh⸗
mũthiger verließ er jedes Mahl dieß begeifterns
de Heiligthum der Contemplafion, wo fo oft uns
fer den fraulichen Linterhaltungen mit feinem Bas
fer, unter der Tbeilnahme an den goftfeligen Lier
bungen der Möndye, unter feinen Platonifchen
%
— 262 —
Studien in der Kloſter: Bibliothek und unter den
myſtiſchen Erſcheinungen feines reinen Ith in
Träumen und Viſionen feine Ideen⸗Welt ſich im:
mer mebr ermeitert, die Erkenntniß ſeines innern
Sinnes ſich der Klarheit des Wiſſens immerfort
genäbert; zugleich aber auch das Ötreben feines
felbftfüchtigen Triebes, das Allgemeine ımd Un.
bedingte, nicht an ſich, fondern bloß durd) das
Befvndere und Gebundene zu faffen, ftets ver:
nehmlicher angekündigt hatte. Es war die Dir
tung des Letztern, daß er bisweilen mit der ent:
fchiedeinten Zuverfiht an Anfelmo erflärfe,
fein Eintritt in den Drden von Camaldoli ſey
die einzige Bedingung feiner Geelenrube; und
‚er müßte alle die Weifen und Klugen für verbim
dete Diener des profanen Zeifgeiftes halten, weh
che das lebendige Gefühl eineg göttlichen Beru
fes in ihm beitreiten, oder daffelbe mit den käu⸗
fihenden Borfpiegelungen von höhererOeiſtesenb
widelung durch Patriotismus . Bektbürgerfinn
und allgemeine Natzbarkeit ſchwaͤchen wollten.
Bonaventura lebte bis jetzt in dem menſch
lichen Geſchlechte, weniger die Geſammſchoſt
deſſelben, als ſeine Idee von einer goͤttlichen
ei —
Menſchheit; und in dem Vaterlande, mehr das
Ideal eines vollkommenen Staates, als die In⸗
fel-Gorfica, deren Berwirrungen ihm nit uns
bekannt waxen. Ben diefer Richtung feiner Lies
be mußten ibn freylich alle Lobeserhebungen eis
nes eingreifenden Pafriotismus und thafigen
WBeltbürgerfinnes kalt und ungerübrt laffen. Bey
der Lleberzeugung, daß wirkliche Staafen nur
durch wechfeln des Steigen undßallen ihres [cheins
baren Wohlftandes, nur durch die gemaltigften
Erfihätterungen und Ummälzungen in ihrer Bere
faffung, und in dem Geifte ihrer Bürger dem
Ideale eines durchaus redhtlihen Staates ſich
annäbesn können; was lag ihm daran,.ob Core
fica den Genuefern, den Franzoſen, oder einem
Eorfen gehorchte? Wem er in feinem Selbſtbe⸗
. wußtfeyn erfanutfe, daß alle Realität und Würs
de Der Ntenfchheit frey und felbfiftändig aus dem
Innerſten des Menſchen hervor dringen müffe,
und fi) immer nur in einzelnen Auserwählten
der religiöfen Anfhauung und Verehrung des
Weiſen darftellen fünne; marum follte er fic) mit
. dem Traume eines folgenreichen Einwirkens auf
Belt. umd Menfchengefchledht täuſchen, und um
— 264 —
die Freuden des ruhigen Selbſtgenuſſes ſich be⸗
triegen? Dieſe Geſinnung war in ihm die herr⸗
ſchende, fo: oft ihn der Wunſch, ſich in Camaldo⸗
li zu verſchließen, mächtiger drangie. -
Anfelmo batte fie ergründet und daraus
fehr richtig auf ein ſtarkes Mißverhältniß zwi
fihen den Anfchauungen der Vernunft und der
Thätigkeit der Phantafie in feinem Gemüche ge:
fibloffen ; zugteich aber aud) eingefehen, daß daf:
felbe nur in Zukunft durch die Macht des Ge⸗
fühls der Liebe ausgeglichen werden Eönne. Bis
diefes ben der Entdeckung feines. Gegenfandes
allergreifend und allverflärend in ihm erwachen
würde, begegnete er den Anfällen feiner Gchwaͤr⸗
merey mif iimmer glüdlichem Erfolge durch Plas
toniſche Sıhifderungen von der Seligkeit des fie
benden, der die,’ von feinem Weſen durd die
Sünde getrennte, Geliebte wieder findet; und
wenn er dadurch die Phantafie des Begeifterfen
auf das Höchfte gefpännt hatte, wenn erihn von
der Sehnſucht nach jenes Wonne, nad) jenem ins
nigen Zufammenfchmelzen mit einer ihm bon
Emigfeit her verwandten Seele gang durchdrum⸗
gen ſah, da pries er ihm das GlüdSalicettit
— æ665 —
auf feinem Landſitze bey Po zz uo lo in den Ars
men feinervortrefflidden Camilla; da fdhilderte
er ihm die Schoͤnheit und den englifchenGinn ihrer
Zodhterd In mpiq, und ſchloß mit dermannigfale
tig eingeBleideten Bemerkung: daß der gemüfhs
volle Mans der vollen Erleuchtung und Galbung
einer beiligen Einfamteit erft dann empfänglich
würde, nachdem er die Weihe des Lebens im
Hmimel der Liebe empfangen, und in den Armen
der Geliebten fid, ihm die Myſterien der Urſchoͤn⸗
beit und Unendlichkeit aufgefchloffen hätten.
Hiermit berührfe er in Bonapvenfura’g
Herzen diejenige Saite, unfer deren lieblichen
Schwingungen er oft alle Menſchen, Geifter und
Welten liebend umarmen zu koͤnnen, wänfeht;und
dieſe Augenblicke des Entzũckens benutzte Anſel⸗
me, um ihm den thätigen Patriotismus, als sh
ten Sohn des religiöfen Sinnes und der Liebe, in
treffenden Beyfpielen aus den fchönen Rifterzeiten
der Sranten und Spanier, darzuftellen. Gab er,
daß diefefein Wohlgefallen erweckten und zur Ach⸗
tung ihn.aufforderten, fo führte er ihm die Tha⸗
en edler Corſen aus äftern und neuern Zeiten por.
„Siehe dort zu Baſtia,“ ſprach er, „ven
266 "on
- ‚Phocrion unferes Baterlandes, Leonardo
„Balla Eafa Nova mit beiterer Seele in Ges
- „nuo’s Feſſein den Tod erwarten. Sein jüngſter
„Sohn Antonio, entfdyloffen für Eorflca’s Hel⸗
„ver fein Leben aufzuopfern, erfauft die Magd,
„der allein es deftattet war, den Gefangenen zu
„warten. Sin ihren Kleidern erfcheinet er in dem
„düſtern Kerker feines Baters, er bittet und bes
„ſchwöret ihn, feine Kleider mit ihm zu wechſeln,
„ſich gu reifen und an des Spiße einer zahlrej⸗
„ben, beimlidy gefammelten Schar fapferer
„Kämpfer das unterdrückte Vaterland zu be⸗
„fteyen. Der erſchütterte Vater kann dem Flehen
„des Gohnes nicht länger widerſtehen, er muß
„ihn die Ketten ſprengen, muß ſich von ihm den
„Bart abnehmen laffen und die weiblichen. Klei:
„ver anziehen. Leonard oentlommt, uneefannt
„und glücklich, in den Kreis feiner Sreunde, Ans
„tonio bleibf im Gefängniffe zurück, und fein
„Todesurtheil ift ihm zugleich eine freudige Kun
„de von dein erreichten Iwecke. ‚;,Sür Corfica
„„bin ich geboren worden, für Corſiea fterbe ich;
„„ich habe gelebt; dieß fprad) er und küßte
„den Strang, den der Oenuefifche Henker um fei: .
\
— 267 — —
„nen Nacken legte. — Siehe da wie der junge
„Krieger Sabiofiliugbieri, der did oft auf
„feinen. Armen getragen bat, freywillig und bes
„fonnen in die Sallftridde gebt, welche von Ges
„nug’s verächtlichem Genate unferm Führer
„pompiliani gelegt waren. Er läßt ſich ge
„fangen nehmen, die gedungenen Meuchelmör⸗
„der werden den Betrug gewahr, fie führen ihn
„vor Gericht, eine Berheißung, keine Tortur
„kann ihm iegend ein Geheimniß der patriotis
„ſchen Partey erpreffen. Mit ruhiger Saffung
„vernahm er den Ausſpruch des Todes, deſſen
„Dolziehung Pompiliani ſchrecklich räͤchte —
„Ehre mit mir dag Andenken des verdienſtvollen
„Breifes Paulo di Lavagna, der des Wuns
ſches und der Hoffnung, das fihimpfliche Joch
„der Genueſiſchen Tyranney gerbsochen zu fehen,
„angeklagt, von feinem Krankenlager zu dem
„®algen, geführe: wurde, und. die Mitleidigen,
„die bey diefem kegten Gange feinem ſchwachen
„Körper zur: Stüße dienen wollten, mit Gene
„ca’s Worten: „„ſtark madyt auch den. Greis
„„die nahe Freyheit ;'“ 2 arte ot Hoͤre die
*) Hippolyt. v. 138,
— 268 —
„Rede des ehrwürdigen Vaters Cazaconi,
„womit er an dem Pranger in dem Halseifen die
„ihn begaffenden Genuefer erſchreckte: „„Bers
„„nehmt es nody Ein Mahl,‘ rief er, „„ihr
„„Unterdrücker meines Baterlandes, der Krieg
„„wider euch ift gerecht. Dieß war mein Auss
„„ſpruch in der Spnode zu Orrezza, und Zroß
„„den Qualen, die man mid) dulden läßt, wies
„„derhohle ich es hier, der Krieg gegen euch
„„iſt gerecht! Gebiethet euern Sbirri Schwei⸗
Agen, fo ſollt ihr auch die Gründe hören.“ —
„Würden wohl dieſe und ähnliche Thoten, de⸗
„ren eine Menge Cyrnäus erzählt und id) ges
"sehen babe, in Gemählden von Raphael
„oder Garracci einen ſchwäͤchern Eindrud
„in deiner Seele zurüd laffen, und weniger, als
„der Mlärtertod der heiligen Agnes, die Pre-
„digt des heiligen “joannes in der Wüſte, oder
„die Communion des heiligen Hieronymus, ver⸗
„mögend ſeyn, über die gemeine Wirklichkeit dich
„zu erheben ? Iſt dir denn nur dag erhaben und
„göftlid, mas im Heiligthume deg Gemütlhes er»
„zeugt, nicin lebendigen Geftalten aus demfelben
„hervor fritf; und nicht auch das, wodurch die
— 269 —
„Menſchenkraft in der höchſten Würde der Gelbft:
„verläugnung und desHeroismus fid) offenbart?
„Oder hätteſt du big jeßf deinen Ginn und dein
„Gefühl nur zu derandächfigen Befchauung des
„Schönen und Heiligen in den Schöpfungen der .
„Kunft, und nicht eben fo zur würdigen Erfennts
„niß des Öroßen und Unendlidyen in den Fräftig«
„ſten Erfcheinungen des Lebens gebildet? Wäre
„dir bey deiner Freyheit und Redlichkeit Pla»
„tons unermeßliche Ideen⸗Welt dennod) nur ein
„Gegenftand der Speculation und ein Bleiner
„Ruhepuntt für did) geblieben, und nicht aud)
„zur reichlich ftrömenden Duelle der Erleuchtung
„und Begeifterung für deine Thätigkeit auf Ers
.. « „den geworden? Stände es wirklich fo mit dir,
„mein Gobn; mie weit häften wir, ich und Pe:
„r aldi in deiner Erziehung unfer Ziel verfehlt!“
Ste öfter fi) Anfelmo in diefem Geifte mit
ibm unterhielt, defto ſeltner und ſchwächer wur—
den die Aufmwallungen feines Enthufiasmus für
die klöſterliche Einfamkeit; nur bisweilen verſuch⸗
fe er eö noch, gegen feinen Beruf zur bürgerlis
chen Wirkfamkeit, den er für jetzt durchaus nicht
anders, als veiftändig anerkennen konnte, mit
- mu .
Sründen, aus der Verderbtheit des Volkes und
aus der Schlaffheit der Beffern hergeleifet, an:
zulämpfen. Allein nicht ſchwer ward es dem Ba:
ter, auch die Einſicht in ihm aufzuhellen, daß zu
„allen Seiten und in allen Staaten die Zahl der
„Kraftlofen ‚ Böfen und Nichtswürdigen größer
„war als die der Guten; daß eigentlid, nody gar
„Rein Staat in der Wirklichkeit vorhanden fen,
„und die verfchiedenen Bolker ſich der Würde
„deſſelben nur unter dem ewigen Kampfe der
„Guten gegen die Böſen nähern können; daß je
„der der Erftern, der diefem Kampfe ſich entzös
„ge, an ihnen zum Verraͤther würde, die Macht
„der Boͤſen verſtaͤrkte und die Fortſchritte ſeines
„Volkes gewaltſam aufhielte; dag fodann auch.
„die Rechtlichen, die Guten und die Weiſen nid
„ineinem Baterlande lebten, fondern ihre Verei⸗
„nigung zumfampfe in getviffen®rängen das Va⸗
. „terland ausmadhte, die Schlechten aber überall
„Fein Baterland haͤtten.“ Wollte deffen ungeach
tet Bonapentura dierohen, ſtets unter fih
uneinigen, Zunft » und lieblofen Eorfen den vet»
derbten Republifanern dies» und jenfeits der
pen, den irteligiöfen Menfchenhaufenin den noͤrd⸗
— 07 —
lichen und den ausgearteten Bölkern in den ſüͤde,
- Ticyen Monardien an die Geite ſtellen, und da⸗
mit die Unmoͤglichkeit beweiſen, itgendmwo eine
Verfaffung zu gründen, welche des edlern Man⸗
nes und rechtſchaffenen Bürgers würdig wäre;
ſo zeigte ihm Anſelmo die Quelle des Uebels
in der geringen Anzahl der Guten, die bereit müs
ren, mit bereinigfer Kraft dem berrfchenden
Berderben Troß zu biefhen und für das All
gemeine mit, großmüthiger Gelbfiverläugnung
fich aufjuopfern. Er verwies ihn auf die Repub⸗
it San Marino, welche nun ſchon feit dreys
zehn Jahrhunderten das Glück eines rechtlichen
und fiftlichen Bürgervereins genöffe, und als
Muſter einer wohlgeordneten Berfafjung daftäne
De, nicht weil fie auf einem faft unzugänglidyen
Berge, dem Himmel näher als der Erde, befes
fligef wäre, fondern weil ihre ſämmtlichen Bürs
ger nichts Schöners und Heiligers kennten, als
Die erhabne Pflicht, ſich gegenfeitig und der Welt
zu.zeigen, was unter Menſchen Religion und
Philoſophieim Gemüthe, was Tugend und Weis:
heit vermag. „Nimm deinen Weg nad) Rom,“
fprady er, „über S an Marino, von hier haft
— 272 —
„du nur vierzehn Stunden dahin; dort wird ſich
„dir die Einheit des Idealen und Wirklichen in
„der Idee, auch als Eines in der Erſcheinung dar⸗
„ſtellen; du wirſt die ruhige Contemplation mit
‚der thätigſten Arbeitſamkeit, ſehr eingeſchränk⸗
„te Vorſtellungen und Begriffe mit den edelſten
„Geſinnungen, einen richtigen Verſtand mit gro—
„ger Fülle des Gemüthes und unerſchöpflichem
„Reichthume an Ideen in inniger Verbindung
„aber ſchwerlich auch nur Einen SanMariner fin⸗
„den, welcher Platons Schriften gelefen, oder
| „feinen höchſt religiöfen Kı.nftweltfinn durdy die
„Befchauung der Werfe Raphbaels,Carrac:
„c’ 6 und CEorrreggio’s erlanget hätte.”
Unter diefen und ähnlichen Unterredungen
erzeugfe fi) in Bonapentura die ergebenfte
Bereitmwilligkeit, nach dem Wunfdye feines Bas
ters und nach Don E arlo’s Anordnung zu Rom
zwey Jahre nody auf das gründliche Studium
der Rechtswiſſenſchaft zu verwenden, und dann
durch einige Zeif in Neapel ſich auch mit der äl:
. fern und neuern Kriegeskunſt befannt zu mad)en.
Bey feinem legten Befuche in Camaldoli verfah
ihn Anſelmo mit Empfehlungsjchreiben an fei:
ne
.3-
ne Sceunde, den Capitano Go z auf San Mas
rino, an den Eorſiſchen Prieſter Raffalli ia
Rom und an den edeln Corſen Saliretti in
Pozzuolo., Den legten Abfchiedgkuß begleitete er
mit folgenden Worten: ‚„‚Einft hoͤrteſt du in dels
„nem Zraumevon mir die Barnung: „„du hüthe
„„dich, den Sübrungen Gottes. durch voreilige
„Willkühr zu widerftreben, denn nad) manchets
„„ley Stürmer: werden fie auch did) in einen
„sichern. Hafen geleiten.““ Daffelbe lege id
„nun hier dem Wachenden an das Herz. Laß es
fruchten side bin in Sieden.‘
Sobald Bonaventura den Titänifchen
Berg erfliegen and den kleinen Umfang der Res
publ# San Müärino überfchauet hafte, bes
fchäftigte feite Aufmerffamtkeit vor allem die eins
fache, fieben. hundert Fahr alte, Iuſchrift an der
Paupfliche der Stadt:
. DIVO. MARINO. 'PATRONO.
‚ET. LIBERTATIS. AUCTORL
D. Cꝛ S. P.
von welcher die Stürme der Feiten und das
,
bſcheuliche Sippſchaft üBermüfhiger Tyran⸗
„nen geſchildert. Trotz dieſen gefährlichen Be
„ſchuldigungen ertheilte ihm doch der Papſt kei—
‚me weitere Vollmacht, als daß er ſich an unfe
‚te Gränzen begeben ; und dorf diejenigen er:
„warten follte, welche, auf eigemen Anfrieb fir
„men Schuß verlangend, fich vor ihm ſtellen müry
„den. Nur wenn dieſe die Mehrheit ansmachten
„und zugleich als der würdigere Theil der Ge:
„meinde anerfanne wären, dürfte er eine Art
„auffeßen laffen, durch welche fie fich für unmit:
„telbadre Unterthanen des ſouveränen Papſtes
„und des heiligen Gtuhls erklärten. Statt ſich
„itt dieſen gerechten Schranken zu erhalten, er:
„ſchien der Gardinaf mit einer Schar bewaff:
„meter Männer und einigen Hentern. Die Gr
"„meinde wurde in der Saupffirche verfammelt,
| „um den erlogenen Ausſpruch zu vernehmen, daß
„die Republik di San Marino von nun an aufı
ı „gehoben, und ihre freye Bürgerſchaft unmittels
„bar dem Papfte unterworfen fey. Wir waren
„liſtig überfallen, unfere Waffen in Beſchlag ge
„nommen worden, die Kirche mar von Kriegern
„umringt, in den Sänden der. Ghirri klirrten die
fieln und: Bande für die Widerſtrebenden,
-„gervaltfamet Widerſtand war unmöglich. Wir
. „follten: den. Eid. der Unterwerfung leiſten and
-„unterzeihhnen. Die damabligen Capitani, Gi:
„angi und Daofri wurden unter den ſchreck⸗
„lichſten Drohungen aufgefordert, mit dem Bey
„spiele ihrer Ergebung dem Volke vorzugehen.
„Der erftere ſchwor mifzweydeutigem Sinne dem
„rechtmäßigen Fürften der Republick di San
„Marino Treue und Sehorfam, der letztere band
„ſich an dieſelhen Worte, und die Abgeordneten
„der Familien ſprachen ſie nach in Gijangi's
„Geiſte. Die Reihe traf mich; „Mein Vater,
„fagte ich, im Innerſten erfchüttert, zu dem Car⸗
„dinal, „„iſt's möglid), fo gebe diefer Kelch von
„„mir;“ und. rief dann lauf: .,„es lebe San
„amarino! Es.lebe die Sreygheit!‘«“ Mein Ruf
„ward von faufend Stimmen wiederhohlt, unter
„welchen Aberonisglüdhe und Berwünſchun⸗
„gen verhalten. Niemand ſchwor weiter, nies
„mand unterfchrieb die Arte, dieer der Berfamms
„lung vörgelegf hatte, aufjedes Andringen muß⸗
„te ex die Intwort: San Marino und die grey:
„beit lebe; hören. Er zog ab und hinterließ uns
7
| -_ 1 — Ä
„Dbrigkäiten ; die wir duldeten, Geſetze, deren
„wir nicht: bedurften, und eine Beſutzung, die
„ans den Weg zur @erechfigkeit nicht verfchlie
„Ben. konnte. Bon ung. und einigen Fürſten Ita⸗
liens erhielt der fieben und achtzigjãhrige Greis
„in Rom die Rundevon dem gewaltthätigen Bers
„fabren feines Legaten. Gtrenge ahndete er an.
„dem Hertſchſochtigen Diefe Befdimpfung, Des
„apoſtoliſchen Stuhls und feiner legten Lebens:
„ſtunden. Eiligft fandfe er den Pralaten En ri⸗
„quez mit dem Auftrage zu ums, alle Werfi«
„gungen Alberoni’g alg eigenmaͤchtigen Uns
‘„fug zu, vernichten, und der Republik die Unver⸗
'„leßlidyfeit'ihrer alten Freyheit und Berfaffung
„unter: dem päpftlichen Schutze zu verſichern.
„Dieß wurde ung:am efte der. heiligen Agatha
„verkündiget, und am folgenden Tage ſtarb
„Clemens mit der frohen Zuverſicht, den Lohn
‘„feiner getechten Gefinnung und That von dem
„Richter: der Menſchen zu empfangen. Mehr⸗
„mahls hatte es, ſeither Alberoni verfucht, die
„friedlichen Bewohner dieſes heiligen Berges. in
„dern. Genuffe. ihres Glückes anzufechten; aber
„ſeine Raͤnke machten nur die Schande ſeines
-.ı19-
„erften Wagniffes bekannter, und vermehrten
„die Verachtung, die fein Andenken im Herzen
„aller Rechtlichen ewig befleden mird. Einen
„neuen Sieg über ihn fenerten wir dor einigen
„Wöchen, als wir dieBulle erhielten, durch wels
„be Benedickus XIV. unfere völlige Unab⸗
„bängigfeit anerkennt und unfere bürgerlichen
„und ticchlichen Freyheiten für fic) fo wohl, als,
„feine künftigen Nachfolger beftätige. Go ges
„dachte der Herr an feine Gemeinde, die er vor
„Alters erworben und ſich gum Erbtheile erlöfet
„bat auf diefem Berge, worauf er wohnet.“
Gozi machte ihn fodann mit der Berfaffung
der Republik befannt und führte ihn ſowohl in
Die Berfammlung des ganzen Volkes, als audy
in den großen Rath, der Gedyziger ein; denn mes
der jene noch diefer haffe vor dem Fremden irs
gend etwas zu. ſcheuen oder zu verbergen. Hier,
wie dorf, bemerffe Bonapentura die Herr
fchaft deffelben religiöfen und fittlichen Geiftes,
derfelben echt republifanifchen Gefinnung; in der
einen tie in dem andern verehrfe er eine bedeus
tende Anzahl Männer, weldye mit dem Höhern,
das über die Geſetze ftehet, mit der hörhft ſelte⸗
‘
— —
nen Wiſſenſchaft der Befeggebung, ſich innigſt
vertraut zeigten. Da fand er die Weisheit und
die Macht unzertrennlich vereinigt, welche er in
alen, bis dahin ihm bekannt gewordenen, Län⸗
dern in verderblicher Entzweyung geſehen hatte;
nur · der erſtern ward auf San Marino die I
tere anpertrauef. Keine Spur von irgend einem
allerhödyften SYntereffe des Herrn oder des Cu
nafes, nad) weldyem das Gufe und das Boͤſe,
das Rechte und dag Unrechte beſtimmt würd,
feine Parteyen, die ihren entgegen gefchten br
fondern Zwecken mwiderftrebten, konnte er dafelbit
entdeden; aus Allen offenbarfe ſich ihm die rei:
ne dee des allgemeinen Beften, und durd ak
‚ bes fprad) fich ein vernünftiger, wahrhaft freyer |
Bemeinwille aus. Niemand hatte dort über das
Rechte und das Gute nur angeleenfe oder ange
nommene Meinungen, jeder verrieth davon ein
Bares beſtimmtes Wiffen im Gemüthe. Nur Re
genten und Bürger, nur Erhalter, Befhüger
und Ernährer begegneten ihm auf Gan Mari
no, da er fonft überall nur Herren und Diener,
zur Defpofen und Sclaven auszuweichen hatte.
Und ſo ward ihm erſt dort recht deutlich, 109
)
|
u.) Ba Ze
dem Beifte Platons mochte norgefhmeht ba:
ben, als er die Beſtandtheile des fittlichen Cha⸗
rakters, Weisheit, Bersihtigkeif, Sapferleit und
Mäßigkeit, von dem ganzen Staate firenger,
als von dem einzelnen Menfchen, forderte und
zugleic) behauptete: „fo fange nicht Weiſe regie⸗
vren, oder die Regenten Weiſe werden, fey für
„alle Gtaafen und für das gefammfe Menſchen⸗
goſchlecht, weder eine Berminderung noch ein
„Ende ihrer Plagen zu. hoffen.“ ;
EGieben Lage verlehte er auf dem Zicaniſchen
Berge in anhaltender Begeiſterung, denn dag
einfach erhabene, das fchönfte und alteſte Kunſt⸗
werk des menſchlichen Geiffes mar ihm an die
fem Freyſtaate erfdienen. Er wohnte in dem
Klofter der Einfiedler des heiligen Hieronymas,
an welchen gerade die Reihe war, die Fremden
zn beherbergen; und zum erften Mahle ſah er
bier Mönche, die, unbeſchadet der Richtung ih:
res Ordens zur-Befchaulichkeit, im. edelften Gins
ne des Wortes, auch fhäfige Bürger waren. Les
ber den halb zerſtörten Tummelplag gemeiner
_Seidenfchaften hoch erhaben, wallte er unter
den Edeln, auf jenem $elfen, auf dem allein der.
—
—
— 252 —
goͤttliche Baum der Freyheit und des Lebens noch
In voller Kraft, tief eingewurzelt, allen Stürmen
des Zeitgeiftes trogend und mit herrlichen Früch—
(en prangend, die Würdigen beſchattete und
nährfe. Reue Erfahrungen und Anſichten frieben
tar hehren Reiche der Ideen feine Seele in mädıı
figem Schwunge fort, und-durdy wunderbare
Erfcheinungen einer myftifhen Nacht ward
ibm fein Aufenthalt auf San Marino unve:
geßlich. Den Ginn derfelben nody immer erfor:
fehend, offenbarte er fie auch feinem Vater und
feinem Lehrer,
Waos ich,“ ſchrieb er an den Begtern aus
Affifio, „von den Weifen und Klugen diefer
„Belt unfehlbar erfahren und mit Gleichgültig—
„keit ertragen würde, habe ic) von Ihnen ehr⸗
„würdiger Peraldi nicht zu befürdhten koͤnnte
„ich Ihnen auch nimmermehr etwas Anderes
„von mir, ale Viſionen und Auffchlüffe meines
„reinen, fich felbft darftellenden, Seyns berichten.
„Ihre Weisheit entfeffelte in mir die Kraft, mit
„gleicher Aufmerkſamkeit die leifeften Regungen
„meines. innern Lebens zu beobadhfen, und in
„der Sinnenwelt zu wandeln; ihre Geiſteskunde
— 983 —
Achãärfte meine Befonnenheit Bis zu einem Bra;
„de, auf dem ich fähig. ward, jedes. hellere Wie⸗
„derſtrahlen des Unendlichen in meinem. Gemü⸗
„ehe durch das Bewußtſeyn aufzunehmen, und
„biermit mehr im Lichte meiner Ewigkeit, als in
dem Scheine des Jeitlichen zn meinem Ziele forte
uſchreiten· Aus meinem Briefe von Urbino
„wiſſen Sie fchon, wie diefe Kraft und Befon«
„nenheit auf dem Zitanifchen Berge durch fieben
‚Tage in mir wirkte; lefen Sie nun auch die Ge⸗
„ſchichte meiner Ießten Nacht daſelbſt.“
„Im Begriffe, mit Tages Anbruch abzurei⸗
„fen, nahm ich Abends vorher von Capitano
„So zi und. dem Prior. der Hieronymiten in meh:
„mütbiger Stimmung Abfchied. Ben, dem legten
„Haͤndedruck fagte ich mit gepreßtem Kerzen:
u Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gern,
„daß, ich auf diefem Berge bleiben möge mein
‚Leben lang, zu ſchauen hier das Schöne und
„„das Böttliche unter Menfchen, und feinen Tem⸗
„„pet zu befuchen :“ — worauf der Prior mir
„erwiederte: „Harre des Allerhoͤchſten getroſt
„„„und.underzagf, und glaube feſt, daß du einſt
„„ſehen werdeft das Bufe-des Herrn im Lande
ins 284 un
‚der Freyen und Lebendigen*®) Es’ gibt
;‚gerofffe: ſeiſtene Menſchen, im deren Rede, mit
„ihrer Geſinnung und ihrem ˖ Gefühle ſich immer
„zugleich: das volle Lehm des göttlichen Al
„ausfpridyt; ihre Worte ſind Weiffegungen, fie
„dringen in?das Innerſte. des Hörenden, und
„fcheinen, mit gleicher Kraft, aus ſeiner, wie aus
„ihrer, Geiſtesfülle hervor zu ſtrömen. Unter dies
„fe Auserbahlten gehörte auch der “Prior, Fra
„Siacomod, und eben fo ward mir bey feiner
„Rede; fie war ein Bis aus dem Heiligthume
„des ewigen Geyns, das in dem Augenblide
„fi uns beyden aufgetban hatte. Ich lebte
„ganz in ihrer Bedeutung; und war daher zu
„jeder -Reflerion über fie unfähig. Auch in der
„Zelle litt es mid) nicht lange, ich mußte hinuus,
„um in das Leben einer unermeßlichen Ratur
„um mid) herum das meinige zu verfenten.“
„Ich ging in den Kloftergarten hinauf zur
„Felſenhoͤhle, welche einft der heilige Marino
„bervohnet haffe. Bor dem Eingange derfelben
‚ „feste ich mich auf feinen bemooften Nuheſtein,
*) Pfalm 37, 4 1 14
— 485 —
„wo ihm oft m der Anſchanung des Unendlichen
„die Eadlichkeit des Begränzten verſchwunden
„war: Bor mir lag zu meiner Reiben Peſa—⸗ |
„co, zu meiner Linken das alte Rimint, im
„Biritergrunde die unabfehbare Wafferfläche des
„adriatifcyen Meeres, die Strahlen des freunds
„iich-herauffteigenden Mondes mit Liebe in ſich
„adfnehmend. Hinter mir die, mit Schnee be—
„deckten, Gipfel der Apenninen, nur dunkel noch
„im Flor der fanften Abendröthe fichtbar. Ueber
„mir im unendlidyen Raunte Millionen Sonnen -
„und Welten, gegen deren Größe der Erdball,
„tie ein Tropfen im Deean verſchwindet. Ues
„berall Sülle der Kraft, des Lichts und der. Lies
‚be, überall Wonne des regeften Lebens in-den
„lieblichſten Bildern det Ruhe, Ich dachte nicht,
" „Ach ſchaute nur in und außer mir, was fh uns
„zahlige Mahl gefehen babe, mit neuem Wohl:
„gefallen, und genoß mit erhöheter Luſt, was ich
„oft nut finnend zu erfpahen ſtrebte. Mein Bes
„wußtſeyn war in dem febendigften Gefühl des
„Einen Geyns verfunfen; ich weiß daher auch
„micht, mie lange ich ſo Ta ‚ bis id). anſchiam.
‚‚merte. “
| — 266 —
„Was ich von meinem Traume noch weiß,
„beginnt bey. meinem Eintritte in das Belvedere
„des Vaticans. Es dünkte, mich, als waͤre id,
„eben-aus dem Saale des Eliodoro von da
„Schule in Achen weggegangen. Ich fand vor
pen Apollo. Die befondere Ehrfurcht und An-
„dacht, welche in der Befhauıng deffelben mid,
„ergriff, war mir ein befanntes Gefühl, das
„mic glauben machte, ich fey ſchon mehrmahls
„da geweſen; nur das Licht, in welchem dief
„Mahl die State vom Leben der Goͤttlichkeit
„umfloffen fchien, war mir neu. Mit kindlicher
„Hingebung ließ ic) noch die Kraft, Anmut),
„Bobrit und Majeftät des antiken Beiftes auf
„mich wirken, als eine vermummte Geſtalt mic
„faßte, and. unter aͤngſtlichen Geberden, als
„wollte fie mid) einem Bedrängten zu Hülfe cu:
„fen, miß,fich fortriß. Gie führte mid) zum En⸗
„gelsthore hinaus in einen Pallaft, mo ung ein
„Saal geöffnet wurde, an meldyem alle Zauber:
„Rünfte der Sinnlichkeit und Woluft erfchöpft
„zu ſeyn fehienen. Der Bermummte war zurüd
„geblieben, ich befand mic) allein, bis unter dem
| „Dufte der herrlichſten Wohlgerüche und uafer
— 287 —
„den ſanfteſten Harmonien von Muſik und Ges
„ſang, die ſich aus verborgener Ferne hören lie⸗
„gen, im Hintergrunde ſich ein blauer, mit
„Sternen .gezierter, Vorhang aufrollte. Da er
„blickte ich in magifcher Beleuchtung ein weiblis
„es Weſen, voll jugendlichen Reizes, halb ent⸗
„blößt, halb eingehüllt in fein gewebten Flor,
„auf einem ſchwarz ſammtnen Ruhebette liegend
„und freundlich winkend, mich ihr zu nähern.
„Ich that's mit widerſtrebender Empfindung.
„Sie ergriff meine Hand, drückte ſie an ihren
„ũppig wallenden ˖Buſen und ſprach mit lüſter⸗
„ner Beredſamkeit von den Dyalen ihrer lan«
„gen Sehnſucht nady mir. Dann ſchilderte fie ih⸗
„ren ungeheuern Reichtbum an Schäaͤtzen des
„Slückes, ihre unerſchöpfliche Kunſt, die Begier-
„dr nach Luft auch in ihrem höchſten Fluge ohne
„Sättigung zu befriedigen, ihre ausgebreiteten
„Berbindungen,.durd) welche fie im Stande waͤ⸗
„ve „den Liebling ihres Herzens mit Ehre, Wür:
„den und Macht zu überhäufen, und für dieß
„alles foBte ich nur fie Heben, mid) ihr ganz über»
„laffen, und, außer der Auflöfung meines Gelbſt
„in uͤberſchwanklicher Wonne mit ihr, keinen
— DB —
„andern Zweck und Genuß des Lebens mehr fu:
„chen. Darum ſollt' id, ihr auch ſchwören, mei:
„nen Studien für immer ein Ende zu machen, der
„Eorfifchen Felſen und ihrer rohen Bewohner
„auf ewig zu vergeffen, den Vatican, dag Ca⸗
„Ritol, die Kirchen und Palläfte Roms mit kei⸗
„mem Quße weiter zu betreten, nur in ihrem Her:
„zen und an ihrem Bufen forthin meinen Him⸗
„mel, meine Kunftwelt und mein Baterland zu
„finden; das hieß, midy felbft zu vernichten. Les
„ber die Abfcheulichkeit diefes Antrages empört,
„würdigte ich fie keiner Antwort; mit ftolger Ber:
„achtung wendete idy mid) gegen die Thür, mo
„drey Banditen mif gezückten Doldyen mir dro⸗
„beten, wenn idy mid) ioligerte, das Glüd, das
„mir fo eben angebothen ward, erfenntlidy ans
„zunehmen.: Wehrlos ftand Ich da, vergeblich
„auf Sucht und Reftäng finnend, an Beyftand
„gegen eine überlegene Macht verziweifelnd. Da
„trat plöglich ein Yüngling herein, das Haupt
„mit Hyarinthen und Lorbern bekränzt, die Bruſt
„mit einer Sonne von Diamanten, Saphieren
„und Carbunkeln geſchmückt, einen Spiegel in
„der Rechten, eine brennende Fackel in der linken
„Hand:
ag -
„Band: jenen hielt er meinen Berfolgern vor, |
„und fie fielen zu Boden; diefe ſchwenkte ex drey
‚„‚ltahl gegen das Ruhebeff, und meine Berfus
„‚cherinn war vernichtet. Mir gab er den größten
‚Stein aus feinee Sonne zum Tulisman meiner
„Sicherheit, bieß mich fliehen und verſchwand.
„DerZauberpallaftftürzte hinter mir zufammen.“
„Schon ziemlid weit von Rom entfernt,
„ſank id, ermüdet am Fuße eines Berges nieder; |
„auf dem Hügel gegen über land, von Platanen
„und Eypreſſen überfchattef, ein beſcheidenrs
„Landhaus, das heimlich mid, einlud und einis
„ge Erquiddung hoffen ließ. Als ich hinkam, war
„es leer von Menfchen; aber alle Zimmer waren
„offen. In einem derfelben Aberrafdyten mid,
„zwey Bildniffe weiblicher Geflalten in Lebens»
„größe ;in der Altern erfannteich ſogleich Cam ils
„la Salicetti; die jüngere, von unbefchreibs
„licher Unſchuld, Seelengartheit und Schönheit,
„bielt idy für Ihre Tochter DInympia oder für _
„eine Pſyche. Zwiſchen beyden Bing eine himm⸗
„lfdye Slorie nady Correggio. Ich glaubte
„auf © alicetti’s Landfige zu feyn und wollte,
„durch die Befchauung diefer Gemäplde in füg
T
— 10 —
„Phantafien eingewiegt und mit meinein Talis.
„man in der Hand, die Ankunftirgend eines Meu:
„ſchen erwarten. Bald ward mein Entſchluß von
„Schreck und_Euffegen überwältigt, als ich auf
„Ein Mahl beyde, meinem Herzen höchſt erfreuli:
„che, Gemählde in Flammen aufgehen ſah. Schnell
„ergriff ich die Flucht aus dem Haufe und ge:
„worte es nur gu fpät, daß ich dabey auch mei»
„neu Diamanten verloren hatte.”
.„Unbekannt mit der Gegend, mußte id) we:
„der, wohin ic, follte, noch wohin ich kom
„men würde. Bon der einen Seite des Hügels
„führfe ein bequemer Weg den Berg binauj,
‚ich ſchlug ihn ein, und als ich den Gipfel
„erreicht hatte, befand ic) ınidy in einem fin:
‚Hero Hain por einem Gothifchen Teinpel, durd)
„deffen bunte Feuſterſcheiben der Abglanz ſei⸗
„aer Beleudtung im Innern auf dem Laube
„der nahen Bäume wunderbar fpielte und in
„mir das Verlangen merkte, an der Erbanung
„der Darin .verfammelten Scommen Theil zu neh:
„men. Der Zenipel par verfdyleffen, in ihm und
An ihn rings herum Herrſchte feyerliche Gtille.
„Da permißte ich einen Souneuſtein und gu:
Sn
‘ U
— og —
„gleich den Muth zur Rückkehr, um ibn zu jus
„chen. Mehr vermegen als beherzt, ftieß.ich die
„Pforten ein; niemand widsrfente ſich meinem
„SFrevel. Im fernen Heiligtiume erblickte ich eine
„Doppelte Reihe ehrwürdiger Greiſe in weißem
„Gewande; fihmeigend ind unbeweglich ſtan⸗
„den ſie, und alles Licht des Tempels ſtroͤmte
„bon ihnen aus. Kühn wagte ich es, mich ihnen
„zu nähern; uber mit dem erflen Schritte vor⸗
„wärts flürzte ich in einen Abgrund. . Da Fam
„es mir Bor, als läge ich in den Armen des Yüngs -
„lings mit dem byarinthenen Kranze und der
„diamantenen Gonne, und als bliefe er mir
„neues Leben ein. Auch den verlornen Wunder:
„fein gab er: mir wieder und hieß midy. ihn be:
„wahren uls, das Seiligfte, das ich anf Erden
„befigen fönnte. Auf meine Bitte, mir den Ges
„brauch deffelben zu offenbaren, ermiederfe er:
„„„Wandle, deinen Blick unabwendbar auf
„fein reines Licht und. helles Feuer geheftet, und
„du bedarfſt nichts weiter; gerade auf den vers
‚„sworrenften Pfaden deiner Pilgerfahrt wird
„„feine Kraft von ſelbſt ſich dir anfündigen.““
„Berähret von der Herzlichkeit, mit der ich ihm
T 2
— 292 —
„für meine zweymahlige Rektung. dankte, reichte
„er mir aus feiner Gonue noch einen Gaphier
„and einen Barbunftel mif den Worten:
imüberall, wo diefe dvey Gtene vor deinem Au⸗
„„ge ihr Licht und Feuer verbergen, dort eileft,
Du deinem geroiffen Untergangs enfgegen ; völs
„„lig ficher fchreifeft du aur da, wo fie dir alle
„„dreyineinfarbigemlanzeftrahlen. Ber«
„„liereſt du den Einen, den Diamanten, fo Eöns«
„„nen dic) die andern zwey nur irre leiten.
„Seiner Beifung gemäß, follte id) nım in
„den Brüften obne Angft und Grauen forfgehen
„und durch nichts von der geraden Bahn mich
„ablenken laffen. Rach einigen hundert Sprit:
„ten mürde id) an den. Tag Eommen, aber nicht
„ihm, fondern dem Wege, der in die nädhfte
„Höhle führet, ſollt' ich folgen, bis ein junger
„Mann mir begegnen würde, dem idy mit Ber
„trauen mich anfchließen Pönnte. Ich fhat, wie
„es der Yüngling mich geheißen hatte. An dem
‘ „Eingange in Die zweyte Höhle fam mir ein
„Mönch entgegen, ſein Haupt war von Alter
„gebeugt, fein Ausdruck im Geſichte vol Wahr:
„beit und Würde. Treüherzig fragte er midy,
= 205 —
„rwoher ich käme und wohin ich wollte; mein
Herz· war ihm offen, underhoblen erzählte ich
‚ihm meine Berirrung, meinen Sturz und meis
„ne Rettung. Erſchrocken gab er mir feinen kräf—
„ligſten Gegen, um aus der Gemalt des böfen
„‚Seiftes mich zu befreyen. — Dringend bath er
| „mich ‚zu dem Botbifchen Tempel in den’ Kreis
„der Heiligen zurück zu kehren, und both fich mir
„zum ficyern Führer dahin an. Schwer ward es
„mir, dem Ehrwürdigen zu widerſtehen, doch
„bevor ich ihm folgte, beſah ich meine Steine.
„Sie glänzten, fo lange ich ſtand, fie wurden
„gemeine Kieſel, wenn ich mit dem Alten einige
„Schritte rückwärts machte, ſie ſchimmerten in
einfarbigem Lichte, fo bald ich gegen die zwey⸗
„te Höhle vorwärts ſchritt. Da dankte id, dem
„Greiſe für fein wohlgemeintes Anbiethen, ließ
„den um mid, Beforgfen feine- Wege geben und
„wandelte die meinigen, im Vertrauen er den‘
„Jüngling und meine Steine.“
„Mitten in der Höhle fraf ich den-jungen
„Mann, der mir von meinem Retter mai: bezeich⸗
‚net worden. In tiefer Schwermuth finnend,
„ſaß er auf dem Befteine, er. war von meinem
— 4 —
„Alter, aber der höchſte Ernſt des Mannes ruh⸗
„te auf feiner Stirn und ein großes Peiden ſchien
„feine Bruſt zu beengen, Er machte mid, zum-
„Vertrauten defjelben; allein nichts meiß ich mehr
„Davon, und aud) dag Eine, auf melde Art
„und zu, welchem Zwecke wir den Bund. der
„Freundſchaft fehloffen,, habe ich vergeffen. An
„dern Yusgange der Höhle lag eine große Stadt;
„dort lebten wir ungertrennlid) mit einander, ihr
„Jlahme, aber und die Dauer meineg Aufent:
‚„balts dafelbft, audy wie wir in ein, fremdes
„Sand gefommen, find, ih dort Gerechtigkeit
„vermaltet, er. Schlachten gelieferf hat, was für
„ein Schickſal ung endlidy beyde trennte, umd
„mie ich wieder auf San Marino verſetzt mur:
. „De, dort ein Grab fand, an welchem ich mid)
„nur nad, meiner Auflöfung ſehnen konnte:
„dieß alles ift mir entfallen, oder ganz dunkel
„und germorren in mein Bewußtſeyn überge:
„gangen. Nur des Einzigen erinnere ich, mid
„uoch deutlich und beſtimmt, daß, meine Gon:
„menfteine mir nimmermehr anders, als. in Eis
„nem Senerglanze, und am bellften auf dem Ti—
vkanifchen Berge; leuchteten.“- .
—
— 205 —
Be: fehlen mir bis an den Gternenpol er: |
‚‚böht, feine ganze Form war veränderf, er mar
‚zu einem. diamantenen Felſen geworden, die
„Stadt, die Bürge und Die Dörfer waren nur
„Ein toloffalifher Tempel von Gapbier. Die
‚.‚Klöfter und Kirchen nur Ein großer Altar von
„G&arbunfel, um welchen die Einwohner in un⸗
„zähliger Menge, an Alter, Figur und Geſtalt
„alle ſich einander gleich, alle verklärt, in heili⸗
„ger Beſchauung des Unendlichen ruhten. Nichts
„Irdiſches ſah ich dort mehr, als das mir theure
‚Grab; ich legte die drey Steine darauf, ſie zo⸗
„gen ſich gegenſeitig an, durchdrangen ſich und
x
„wurden ein einziger diamantener Spiegel. Uns
„ter ihm verſchwand der Grabhügel und ein We—⸗
- „fen von bimmlifcher Abkunft, unveraänglicher
„Jugend, goͤttlicher Schönheit erhob ſich aus
„demſelben, zerfloß in meinen Armen, und ei:
„nigte fi) mit meiner Seele, Die fidy nach ihrer
„Auflöfurg nun nicht mehr fehr®e. Auch ftellten
„ſich die Dinge mir ganz anders dar als fonft,
„ſo oft ich durch den Wunderſpiegel fie befab;
„was ehemahls meinem bloßen Yugeunfen war,
„erſchien durch ihn mir oben, und. das Einzelne,
— 206 —
„Beſondere oder Getrennte vereinigte ſich in ſei⸗
„nem Mittelpunete zu einem Ganzen, Allgemei⸗
„nen und Einen. Keine Menſchen, Völker und
„Länder, Feine Sonnen, Sterne und Welten,
„kein einzeln Rechtes, Gutes und Öchönes ge
„wahrte mein Auge nur nach und nad) ; auf Ein
„Modi und allenthalben erfaßte mein Blid eine
‚„unermeßliche göttliche Ratur, überall begegne⸗
„ten ihm nur Licht, Leben und Liebe, in welchen
„ich mid, felbft, unansfprechlid, felig, bereite zer⸗
„ronnen ſah, als die Klofterglöde, die Mönche
„zur Mette rief und aud) wid aus meinem
„graume weckte.
„Zwey Dinge find mir in ihm Har umd ge
„wiß; das eine, daß erein freued Bild meiner
„tünftigen Schickſale war, fo wie fie meine See⸗
„te in ihrem reinen freyen Seyn alsgegenwärfig
„überfihauet; das andere, daß nur die Beden-
„tung der dren Steine mir das Räthſel der Welt
„und meines Lebens in ihr löſen könne, fie folg-
„ich der porzüglichfte Gegenftand meines Den-
„tens und Sorfchens feyn und bleiben müſſe.
„San Marino entſchwand auf den Höhen
„bey Maſter ata meinen Augen; aber der Ti⸗
J
— 297 —⸗
taniſche Berg in feinem myſtiſchen Nebel ſteht
„feſt gegründet in meinem Geiſte, und Fra Qi,
„acom g’gReiffagungen. werden in meineg See⸗
„le nie verhallen. ac. ıc. | W
Einem Gemüthe von Bonavenfura’s
Kindlichkeit und Geha mußte Rom eine heilige
Stadt und fen Wandel darin eine fortgeſetzte Hei-
ligung ſeines Weſens werden. Er mochte in den
Tempeln: des frommen Glaubens an den liebli⸗
chen Bildungen einer gottſeligen Romanfik ſich
ergetzun, oder auf dem Vatican und Capitol die .
religiöfen Myſterien des antiken Geiſtes verneh⸗
men, auf feinen einſamen· Wanderungen mit
Raffalli in der Billa. Borgheſe und unter den
Ruinen bey Livoli im mannigfaltigen Wechfel
der Dinge die Leiden Eorfica’s und des Men⸗
ſchengeſchlechtes erwägen, oder in der Sapienza
die hiſtoriſchen Heberlieferungen geiftlofer Rechtes
lehrer zu einer lebendigen Wiffenfchaft des Rech:
tes für ſich erheben: nirgends unterließ er, feine
Sreuden, Erleudhtungen , Erfahrungen und Ans
— 1.
ſichten a an dem e einfarbigen edle Ber den Gtei⸗
ne zu prüfen.
@s war ihm hoher Ernſt, in Rom die frucht
barern Gefilde des hiftorifdyen Wiſſens auch au:
fer der Gapienza bedachtſam, doch ohne Rüd«
ſicht auf fünffige Brauchbarkeif, zu durchzie
ber und in der freyen Bildung des gefammeltfen
Stoffes ſich des Beiftes der Wiffenfchaft im Gan⸗
gen und AHgemeinen zu' bemädfigen. Daß et
nur nad) diefem Ziele ftrebte, verriethen fhon
die Gefichfspuncte-, aus welchen ex ſich, nicht die
Lehrer, ſondern die Gefährten auf feinen Zügen
mäblfe, Die unerläßlichfte Bedingung dabey
var, ein höherer Grad von Religiofität und eis
ne geübtere Sertigfeit, die gefchehenen umd die
erfcheinenden Dinge in ihrer religiöfen Richtung,
das iſt in ihrer Einheit mit dem Ganzen, zu ers
fennen. Es wär ausgemadyt in feinem Geifte,
daß nur der Öottfelige im Reiche der Ideen eins
beimifch werden und Weales aus feinen ZBefen
gebären könne; mithin nur er deg reinen Bil«
[eng fähig fey, aurh den Mitgenoffen feines hei⸗
ligen Geſchlechtes in dire gemeinſcheftliche Hei⸗
math zu begleiten.
— 209 —
Nicht arm war Rom an Rännern, wie Bo⸗
n apdenfura fie wünſchte, nur’faßen fie nicht
auf den Stühlen der Schriftgeleßrten und Phas
rifäer, mo. er fie aber auch nie ſuchte. In der
Akademie der Ackadier hörte er den ruhmlofen
Dichter Zanolini feine Tragödie, Laofoon;
voll tragiſcher Kraft und bellenifchen Lebens, .
vorleſen. Gie gefiel den verfammelten Prieftern
der Mufen nicht, weil fie Maffei’s Merope
an Erhabenheit der Ideen und an Größe der
Sefinnungen übertraf, weil fie im Kampfe zwi⸗
fihen Freyheit und Nothwendigkeit keine der arts
dern unterliegen leß, fordern durch dte Erhö—
bung der Einen zur völligen Gleichheit mit der
Andern ihn aufhob; und man hielt fie des Druk
kes nicht werth, meil’fie zu Griechiſch war und
die Sehnſucht nach dem unfergegangenen Lao—
toon des Sophokles ſchwächen Könnte. Allein
fürBonapenfura war geradeZanolini der
Mann, mit dem er fid) an beftimmten Tagen
über das Ganze der Geſchichte, als fortſtrömen⸗
den Dffenbarung der ewigen Thäfigkeit des Welt
geiftes, und vor den Denkmahlen der alten Kunft
über die religiöfe Begeifterung- der Griechen, im
— 100 —
welcher ihnen das Tiatürliche göͤttlich, Das wirt |
lich Göttliche idealiſch ward, und über ihr Bes
fireben , dag Unendliche in die Endlichkeit einzu;
führen, am lehrreichften unterhielt. - .
Bey der Richtung feines Beiftes Tonnte er
weder das Sfudium der Theologie, noch das
der Naturwiſſenſchaft dem Denker für enfbehrr
lich halten. In den geheimen Kreife einiger From⸗
men mar ihm eine Darftellung der ewigen und
unaufhörlichen Menſchwerdung des Sohnes Got⸗
fes in der Natur und in dem Menſchen hand:
ſchriftlich mitgetheilt, und m dem Berfaffer der:
felben, Abbate Currado, einem religiöfen Phys
filter, entdedte er den Gemeihten, in deflen ver:
trautem Umgange er hernach die Töne aus der
ewigen Welt im Heiligthume der Natur und der
Kirche immer gleichlautend vernahm, in den
Dogmen der Theologie und in den Ariomen
der Phyſik, Die herrlichſten Mccorde der Hars
monie zwifchen dem Gichfbaren und Unſichtba⸗
, en finden lernte, und wie in dem Chriftenthu:
me das Göttliche nafürlicy, das wirklich Natür⸗
üche hingegen idealiſch ward, wie es ohne ln:
ferlaß ſtrebte, das Endliche zu dem Linendli:
— ZI —*
een zuruck zu führen, mit zinchmender Deut
lichkeit erfannte.
Der lichtvollen Nächte; wilde er zu Milar
no mit Bdefana Agnefi’aaf de la Gran:
g es Sternwarte gefeyerk hatte, eingedent, ſehn⸗
te er ſich auch in Rom nad) dieſem Genuſſe; aber
nicht in dem Collegio Nomano, mo-man die heh⸗
ren, in zahlloſen Lichtwelten ausftrömenden Ide⸗
en der Gottheit verkörperte, nur ihren Lauf gun
berechnen und das Verhältniß ihrer Dichtigkeie‘
zur Maffe auszumitteln verſtand, ſuchte er Bes
friedigung. Der fromme Corthaͤuſer Ugolino
Gad di, deranfidhrbaren Univerſo überall nichts
Anders, als ein allgemeines und. ewiges Gebaͤ⸗
ven lebendiger Ideen ſah und verehrte, war ihm
der Weiſe, mit welchem er dem AU und Einem
Hymnen’ det Anbethung und Liebe zur Muſik
der Sphären in andächtiger Begeſterung ſi ns,
gen wolle.
Dieß find die Umriſſe feines wiſenſchefuihen
Lebens in Xom, unter welchem ſich fein Herz auch
für das ganze Menſchengeſchlecht erweiterte und
fein Geiſt Die Fähigkeit erlangte, einft, o bg leich
in’begrängfen Kreifen, doch in der Idee
=. 393 — .
der Allgemeinheit, für Meuſchenwohl
zumirten. War es ihm Bedürfniß, ſeim reli—
giöfes Gefühl auch durch die Theilnahme an den
kirchlichen Minfterien ‚zu naäͤhren, ſo, befriedigte
ex--daffelbe, bald zu. San Romualdo, bald zu
San Biufeppe; feine kindliche Liebe hatte ihm
diefe beyden Kirchen nor allen ührigen geheiligt.
Yu der einen war in ſeinem Vater vor. © adyi's
goöttlichem Bemählde der Entſchluß erwächt, die
höchſte Lebensmweihe auf dem Berge Kamaldoli
zu ſuchen; in de Oruft der andern ruhete die
Hülle feiner veremigfen Mistter Lodopica.
Bonaventurg'd Gemüth war in Anfel:
mo’s Felle nicht gang berubiget worden N das
Lichte deſſelben erfannte zwar mit Andacht die
meifen Gührungen ‚des Ewigen, und das Edle
weilte mit Wohlgefalten por dem Bilde feines
alimählicyen Werdens; aber dns Zarie verlang:
fe noch eine Anſchauung von der Quelle, ans
der Es ausgefloffen war; diefe ward ihm inRom '
gewährt. Giulia lebte noch dafelbft und ftand
jege dem Kloſter, wo Lo do bira vor acht Jah—
ren im Rufe der Heiligkeit verſchieden war, als
Priorinn vor. Sie gab ihm dic vollftändigfte
ftunde-von dem bimmlifchen Wandel der Geli«
gen, bon ihrer Eintracht mit fich ſelbſt, von den
Dffenbazungen der Gnade durch ihre Öefinnuns
gen und Handlungen, ppn, ihrem Sortfchreiten
iu Der östlichen. Weisheit ducch Contemplation.
und,von,den.erhabnen Aeußerungen ihres hei⸗
tert, non. Bott erfüllten, Geiſtes in den legten
Augenbfien feiner Aufläfung. Daben batte fie
ihm verſichert, daß man im dritten Jahre nach
ihrem Tode. bey einer zufälligen Eröff nung des
Sarges ihren Leichgam böllig underf ehrt gefung
den ‚ihm feit, der Zeit.jäbrlich ‚an ihrem Sterbe⸗
tage befehen; ‚aber, bis zu dieſer Stunde hoch
Wi Spur der Bermefung an ihm entdeckt has
Lieblich lächelud ſey ſie in ihrem vier und
—— Jahre am Get. Andreas-⸗Tage binüs
bergegangen, und, mit eben diefem Augdrude
des Wonnegefühls ihrer Geligkeit verjünget und
verſchoͤnert, liege ſie noch in.dem Sarge, wo ſi ie
am künftigen Jahrstage ihrer Heimfahrt feyer⸗
lich beſichtiget werden ſolle, Die Erlaubniß, dies
fer Handlung beyzuwohnen, Eounte die Pripring
ihm nichf.ectheileu, doch ghue Anftand erhielt er
fie von dein General der Carmeliter, dem das
.
)
— % —
Kloſter zu‘ San Biufeppe unfergeprdnef war.
| Auf idelche Art fi Bonadentura zu diefem
Anblicke vorbereitet, was er gefehen und em⸗
pfunden halte, was dabey in ihm und- um
ibn vorgegangen war; mif der Schilderung von
dem allen begleifete er das koſtbare Kleinod,
welches er bald hernach an feinen Bäter ſandte.
„ie. te. Drey Tage vor jener Nacht,“ fo
ſchrieb er, „entzog ich mich der Gefellfehaft ges
| „mwöbnlidyer Menſchen gung, und ging in Die
„Carthauſe zu Santa Maria degl' -Angioli, wo
„ich. dey Tage nidyts anders las, als Plato sis
Phaͤdo, Geneca’s Abhandlung über die Kür⸗
„je des Lebens und in Get. Auguſtins Be:
„tenntniffen ſaͤmmtliche Abfchnitte, in weichen
„ſich feine kindliche Liebe gegen feine Mutter gärte
„licher ergießt. Den größten Theil der Nächte
„durchwachte idy mit meinem Freunde Gaddi
„auf feiner Warte, im Univerſo der Sonnen das
- „Bit und Leben der Beifter im AU der Gottheit
'„befchauend. Spät in der Sanrt Andreas: Radıt-
„begab ich midy in die Carmeliter-Kirche della
„Vittorla, um dort den Prior zu erwarten, und
„ihn nach der Mette in die Gruft‘ der Sonnen
X
’ — 305 — |
‚zu San ®iufeppe zu begleiten. Die Möndye
„fangen die Pfalmen auf dem Chor, ich war
„ganz allein in der Kirche auf dem mir angewie⸗
„ſenen Platze vor Bernin ’s Statũe der heilis
„gen Sherefia. Kein befferer konnte zur näd)s
„ſten Borbereitung auf meine Balfahrf gemähle
„werden, fein Kunfliverk, von Menſchenhaͤnden
‚gebildet, mürde diefen Augenblid, wie diefes,
„mein Gemüth mit einer fo füßen Wehmuth und
‚„beiligen Sehnſucht erfüllet Haben. Der Aus:
„druck der göttlichen Begeifterung und des völ⸗
„ligen Zerfließens in der Öoftheit, weldyen Bers
„mini bier dem Steine eingehaucht haf, ift das
„Böchfte, was je mein Auge fah. Die Heilige in
„Extafe unferliegf den gewaltigen Einwirkungen
„des Unendlichen,, ihr Blick des Entzückens vets
„kündiget die innigfte Berfchmelzung des Menſch⸗
„Lichen mit demÖöttlichen, ihr halb offener Mund
„ein gänzliches Berfinten und Bergehen in himm⸗
„liſcher Liebe, durd) jeden Zug ihres verklärten -
„Antliges will die überſchwänkliche Wonne ihrer
„Seele ſich ergießen. Mit fiegesfrohbem Wohlges
„fallen befrachte£ fie der Seraph, das ſchönſte
„Bild des göfklichen Amors, deffen Pfeil fie ge:
u
»
— 306 — 5
: „troffen hat. Das Gefühl ihrer Körperlichkeit
„feheint erſtorben, das fintende Haupt bezeid)
. „net das Hinfchmwinden ihrer Gelbſtheit. Ganz
. „fo dacht' idy mir aud) meine Mutter in ihrer
„Zelle, wenn fie, aller irdifchen Berhältniffe, ih:
„rer Sünde und ihrer Leiden vergeffend, nur in
„der liebenden Befchauung des Ervigen und Hei:
„tigen lebte. Dieß Bild von ihr mird nimmer:
„mehr in meiner Geele erlöfchen.”
- „Die Mefte mar geendigf, der Prior und
“ „der Beichtvafer der Nonnen riefen midy:don
. „diefer unübertrefflichen Schöpfung der religiö:
„fen Romantik weg. Schmweigend, heiter im Ger
„Ste, bedrängfim Herzen, mallte ich an ihrer&e:
„te nady San Giufeppe. Die Nonnen empfingen
„uns mit brennenden Sadeln, die Kirche ward
„hinter uns verfchloffen, der Prior ftimmte den
„ein und funfzigften Pfalm an, unter melden
„wir in die Gruft hinunter fliegen. Der Garg
. „ward geöffnef, das Leichentuch weggezogen;
„und Lo dovir a lag da, unverfehrt uud fhön,
„nit dem Ausdrude der fanfteften Ruhe, ab
„wäre fie fo eben nad) einem freudenceichen 30
„ge eingeſchlummert.“ Der lädyelnde Zug um ib»
v » —- m —
„een Mund war nafürlid, nicht krampfhaft,
„und verlor ſich Hieblich in den übrigen Zügen
„ibres holden Angefichts. Mir ſchien, als hätte
„der Geift noch in dem Augenblicke feines Ent.
„ſchwindens feine bildende Kraft an ihrem Köre
„per bewähren und die Wirkung derſelben blei⸗
„bend machen wollen.“
„Unter dem Pfalm: „Lobet den Herrn in
„feineri Heiligen ;“ te. ?c. befühlten, prüfend und
„forfchend ‚der Privr, der Beichtvater, Giulia
„und die vier-älteften Tonnen den Leichnam an
„perfchiedenen Gliedern; idy ftand noch immer
„unbeweglich, erſtaunt und in der Befradytung
„der Geftalf, aus deren Weſen fich einft in mir
„eine neue Erſcheinung des AU gebildet hatte,
„mir felbft entäußert. Jetzt hieß man auch mid)
„Die Wahrheit deffen, was idy fähe, durd) Bes "
„rührung zu erproben, um hernad) das Protos
„koll von dieſer Beſichtigung mit vollkommener
„Ueberzeugung unterſchreiben zu können; da fiel
„ich bin auf meine Knie, anbethend den Geift
„der Natur, der fidy hier in einer neuen Wirkung
„feiner Allmacht mir offenbarte. Dann küßte ich
„ehrfurchteroli die blaſſen Lippen, von welchen ich
U 2
— KT. |
„in meiner Kindheit die exften Andeutungen des
„ewig Wahren und göftlih Schönen vernom:
„men bafte; von Liebe und Dankbarkeit befeelt,
„drückte ich an mein Herz die Ealte Hand, das
„Werkzeug der müfterlichen Zärtlichkeit zur frü-
„beiten Pflege meines Lebens und meines Geis
„ftes. Als ich fie wieder fahren ließ, lag der di:
„amantene Ring, den Gie, — Dank fey’s dem
„frommen Glauben des Priors, — biermit er:
„balten, in meinen Händen, und weder ic), nod)
„jemand von den Anweſenden vermodhfe es, ihn
„irgend einem Ginger. des Leichnams wieder an:
„zuſtecken. Giulia fagte aus: Lodovica’s
„letzte Bitte an fie ſey gemefen, fie mit dieſem
„Trauringe in den Sarg zu legen und darüber
„zu wachen, daß er ihr bleibe, bis — mit dieſem
„Worte habe fie die Sprache verbbren. „„Bis
„„die Selige ſelbſt,““ ſprach der Prior, „„den
„„frommen Sohn damit an den Himmel ver:
„„mählen würde.“ — ,„Döer vielmehr feinen _
„„Vater, ihren Geliebten; ““ erwiederte id),
„und nur unfer der Bedingung, daß id) Gie da:
„mit in ihrer Einfamkeit erfreuen dürfe, nahm
„ich das Kleinod an, das die gottfelige Gemein:
— 309 — |
„de mich behalten hieß: empfangen Sie es, mein
„theurer Vater, mif meiner Bitte, daffelbe einft
„von Ihnen mid) erben zu laffen.
„Der Beichtvater hatte den Erfolg der Un⸗
„‚terfuchung aufgefegf, er las ihn vor, die An»
„‚mejenden unterzeichneten ihn, fo wie ich , mit
„‚eigenthümlichen Zufägen; deu meinige laufefe:
Der Geiſt herrfcht ewig über den Körper; der
„„Tod ift überall nur r Schein ‚ Zauſchung, — —
„„Nichts. .u
„Stun gab der Prior das Zeichen zum Gods
„tenamte; vorher follte der Sarg wieder zuge⸗
„ſchloſſen und verfiegelt werden, auf mein Exfus
„chen blieb er bis zur Beendigung der Bigilien
„offen. Diefe Stunde, Bater, ward mir zur
„hellſten Morgenwache vor dem Heiligthume
„des Lichtes. Am Sarge fniend, das Auge uns
„vperrüdt auf. Lodoviea geheftet, befhefe ich
„mit den Frommen in ſteigender &chebung des
„Gemüthes den erſten Notturno bis zu Siob⸗
„Worten:“
„„Haſt du denn auch ſfliſchliche Augen, oder
„„ſieheſt du wie der Menſch ſieht? Oder find
„„deine Tage wie die Tage des Menſchen,
— 310 —
„„oder deine Jahre wie die Zeiten der Sterb⸗
„„lichen; (Cap. 10, 4. 5.)
„dann aber wollte mein beſchauender Geiſt ſeine
„eigenthümliche Richtung im Unendlichen ver:
„folgen.“
„„Was ift Leben “4 — fo ordnete ſich das
Chaos meiner Ideen und Empfindungen zu Ge
danken, — „„was iſt Tod in der Gelbftanfchaus
„„ung Gottes? Jenes überall, in Den lichten
„„Sternenmelten wie in den düftern Grüften und
nn Abgründen der Erde, von ihm ausgegoffen,
Adieſer nirgends, — Doch nicht dag. Leben iſt in
„„den Dingen, fondern die Dinge find in dem
„„Leben, und alles, mas. fie find, und. foheinen,
„niſt weſentlich in ihm gegründet. — Nur die Art
„„ihres Seyns im Leben iſt zufällig und verſchie⸗
„„den; und auch das ſcheinbar Todte in ihnen
oft nicht todt in ihrem Weſen, iſt nur ihr un:
‚unbetannteg oder: unſichtbar gewordenes Seyn
„„im Leben, — Lodopica lebt, thaͤtig in der
un Belt der. Geiſter, ruhend in dem Reiche ſicht⸗
v»bärer Dinge, — Rube ift nicht Tod; und frey
„ſteht es der Natur, ihr alumfaffendes göftlis
es Leben, dorf durch immerwährende Gtö:
— 311 —
„zung und BWiederherffellung der Eintracht, hier
„„durch Beharrlichkeit des Bleichgemwichts der
„„Kräfte, dort durch mannigfaltige Thätigkeit,
a,bier durch flätige Ruhe zu offenbaren. — Geift
„„der Natur! füge meine Vernunft gegen den
AAverſtäãndigen Wahnfınn, der deine Gattinn nur
1,018 unterthänige Nagd der blinden Nothwen⸗
„„wendigkeit fieht! Laß die heilige Mutter aller
„Dinge mich fo erkennen, wie fie in ihrer une
wandelbaren Geſetzmäßigkeit frey, und zus
„„gleich in ihrer vollen Freyheit gefeßmüäßig,
„deine ewigen Ideen für uns in der Zeif ge:
Aubiert! - Lodonica lebt felbfi in diefem Körs
pu,per nod), denn nur der empfangende, nicht
„„der wirkende Grund des Lebens lag in ihr:
„„dieſediſt die Urfache ihres unbedingten , jener |
„„war bloß die Bedingung einer eigenthümli:
„„chen Art ihres Seyns. Der eine ift durch alle
„„Welten ausgebreitet, und durchſtrömet jedes
„einzelne Weſen, Tonnte folglid, auch in Dir,
„„Selige, nicht ftill ftehen, nicht verfiegen, durch
„pen andern bildete ſich das Geyn des AU
„„in dir zu einer.befondern Welt nad) dem Gra⸗
„„de deiner eigenthümlichen Empfänglichkeit.
„der empfangende Grund, fo weit er Bedin⸗
„gung deines Lebens in der Thätigkeit war,
„„iſt von dir gewidyen, aber deutlich kündigt er
„fein forfdauerndeg Dafeyn an, in fo fern er
„Bedingung deines Lebens in der Ruhe iſt.—
„„So biſt du freylidy wenig nur für meine Sin
„„ne, doch alles was du warſt, das biſt dunoch
mim Schooße der Natur und meinem Beifte —
„Mlar ſchaueſt du jetzt das große Geheimnif
n,De8 Genyns, das ich an deiner Ruheftätte, mein
„Weſen durdydringend, fühle, allein im Wiſſen
y, meines. innern Sinnes nur dunkel ahnde; und
„„auch dieß Gefühl und diefe Ahndung, mas
wind fie anders, als Einwirkungen deines Geyns
im Leben und erleuchtende Aeußerungen dei⸗
„„ner ewigen Mutterliebe 74
„Dieß, Vater, glaube ich feſt, denn nicht n
„war's in meiner Öeele zu Bologna vor der Mus
„mie der heiligen Catharina Bigri, nicht ſo
„in Padua vor dem Grabe des heiligen Antos
„nius, und aud) nich fo im Dome zu Milano
„Por dem nicht minder unverweſten Leichnam des
beiligen Carlo. Dieſer Glaube, von meine
„tindlichen Liebe erzeugt, heiliget mir diefe ein
— 313 —
zelnen Laufe, aus der Harmonie des AU-und
„auch das übrige, das ic) in Worten auszufpres
„chen nichevermag, zu leitenden DrafekÖprüchen
„auf meinen fünfügen Wanderungen im Reiche
„der Einen, lebendigen und ewigen Natur.“
‚ „Koch borchke ich in Andacht und Demuth
„den Eingebungen ihres Geiſtes, als die jüngfte
„Sonne, eineGngelsgeftalt, die legte Untiph o—⸗
„ne des Todtenamtes ®) fang, der Prior midy
„aufftehen hieß, den Sarg verfchlog und big zu
„einer künftigen Beſichtigung das Drdengfiegel
„varauf drüdte, Er ſtimmte das Te Deumte. ıc.
„an, aber in meiner Öeele ſchallten nur Die heis
„ligen Worte der Antiphbone, mie gemaltfige
„Zöne aus dem Abgrunde der Gottheit, fort.
„Schon oft hatte ich fie gelefen und gehört, doch
„jeßt ward ich zum erſten Mahle von ihrem Gek
„fie ergriffen, ‚die. Beſtätigung deſſen, was vor
„ven offenen Sarge fid) in mir aufgehellet hats
„ee, die Einheit des Böttlihen und Natürlichen,
*) „Ich bin die Auferftehung und das Leben. Wer
„an mid) glaubet, des wird leben, ob er gleich
„ftürbe; und wer da febet und glaubet an mid),
ador wird in Ewigkeit nicht flerben, Joh, 12, 25,26.
— 34 —-
„des Idealen und Wirklichen, der Linendlichkeit
„und Endiichkeif, der Religion und der Wiffen-
„fchaft lag in ihren Worten für mich ausgeſpro⸗
„hen, Die ewige Menfchwerdung Gottes im
„ZBeltali ging aud) in meinem Innern vor, und
„Der wiſſende Ölaube, daß Er durch feinen Sohn
„in der Menfchheit die Auferfiehung und das
„Leben aller Dinge ſey, ward mir zur hödhflen
„Geligkeit des Lebens.” ıc. ıc.
No
Fleißiger beſuchte nunmehr Bonapentu«-
za die geheimen Verſammlungen der Erleuchte⸗
ten, mweldye, von Abbate Eurrado. geftiftet,
von ihm aud) in dem reinen Beftreben, die kirch⸗
liche Theologie mit der Naturmiffenfchaft, und
beyde mit der Religion, in den klaren Tiefen des
Nyfticismus innigft für fich zu vereinigen, er:
halten wurde. Nicht groß war ihre Zahl, aber
in dem Himmel ihreg Geiftes ging die Öonne nie
unter, deren Strahlen die Welt ihres Herzens
immerfor£ in fruchtbarer Wärme erhielt. Gie
nannten fih Frati Prattici, und mit Erbaus
— 5153 —
ung entdedte Bonav enfura, in ihrem bür:
gerlichen Wirken, wie in ihrem Denken, die uns,
auflöglichfte Eintracht zwifchen der Einficht und
ihrer Anwendung auf die Wirklichleit. Obgleich
durch echte Sreundfchaft unter einander verbun⸗
den, kamen fie doch monathlich nur Ein Mahl
zufammen; dann aber trennten fie fich nie por
Anbruch desTages, Die Sefellfchaft.beftand aus
zwen Glaffen, der Seher und der Sucher,
diefe fihwiegen in der Berfammlung und harrten
in Demuth, bis uhter. den Dffenbarungen der
erftern die göttliche Flamme der Erkenntniß aus
ihrem eigenen Weſen bernor brechen, und auch fie
Zur Sehern weihen würde. In der letztern Claſſe
befand fih Bonanenfuranod), als er gegen
dag Ende feines ziwenten Jahres in Rom durd)
das ungünftigfte Ereigniß aus diefem lichtvollen
Kreife vertrieben mard.
As er am St. Martins: Tage in Zanoli⸗
ni's Begleitung yon einer antiquarifchen Kunft«
wanderung nad, Haufe fam „ übßrrafchte-ihn
Gonella's Ankunft mit einem Briefe von feis
nem Dheim, worin ihm diefer meldete: „er habe
„ihn vorläufig an ein reizendes Mädchen, die
U
— 316 —
„einzige Erbinn eines ungemein reichen und mäd.
„tigen Haufes zu Florenz verfprodyen; diefe Ber:
„bindung werde fein Glüd gründen, und ihm in
„Toſcana zu den höchſten Shrenftellen die Weg:
„bahnen. Am vierten Advents-Gonntage werde
„er felbft mit der Braut und ihren Xeltern, welche
„der Eröffnung des heiligen Thores und der br:
„ginuenden Geyer des Jubiläums beywohnen
„wollen, in Rom eintreffen, ihm eine der vor
„zůüglichſten Schönheiten Italiens vorftelen, das
„Feſt feiner Berlobung mit ihr begehen, und ihn
„fodann in fein ‚neues Baterland zurüdführen.
Dabey war eine Alnweifung auf eine anſehnliche
Summe ©eldes, damit es ihm nicht an Mäten
fehlte, zu dem bevorſtehenden Befuchemit anflänı
diger Pracht ſich vorzubereiten,
Bonaventura’s Entſchluß war ſchnell ge
faßt. Er erkannte die väferlicdye Sorgfalt feines
Oheims und dankte ihm dafür; befheuerte ihm
aber zugleich, „daß er die wichtigſte Verbindung
„des Lebens nie anders, als nad). eigener freyer
Wahl und mit Ausfchliegung alles fremden Ein
„fluffes fchließen werde. Jetzt fey er überhaupf
„noch zu jung dazu und feine Weltanſicht viel
| — 37 —
/
„zu einfeifig und beſchraͤnkt, als daß er ſich ſelbſt
„das Zeugniß feiner Reife zum würdigen Ehe⸗
„manne und beſonnenen Hausvater geben könn⸗
„te. Seine Lehrjahre auf der hohen Schule der
„Welt ſeyen noch lange nicht geſchloſſen, und
„von der Meiſterſchaft ſtehe er noch ſo weit ent⸗
„fernt, daß er fürchten müſſe, die Jugendblüthe
„der ſchönen Florentinerinn möchte verwelken,
„bepvor er mit gutem Gewiſſen ſich zum Gatten
„ihr anbiethen dürfte. Darum babe er aud) für
„gut und heilfam erachtet, ihren Befuch gar nicht
„abzumarten, fondern Rom fogleicy zu verlafr
„fen. Diefen Augenblick wiffe er noch nicht, wo»
„bin fein Schidfal ihn führen und wo er neue
„Bildungsanftalten für fich finden werde; fobald
„er indeffen irgendwo ſich wieder heimifch und be⸗
„baglidy fühlte, würde er nichtfäumen, ihm Nach⸗
„reicht davon mifzufheilen.” In einem andern .
Schreiben bath er den Abbate, mit Diefem Briefe
anfeinen Dheim.eiligftzurüd'zu kehren, ohnein die
Beweggründe zu feiner Flucht eindringen, oder
feinen geheimen Wegen nachſpürmm gü mollen.
Beyde Schreiben famen erft am dritten Tage nach
feiner Abreife von Rom in Gonella’s Hände.
| — 18 —
Abfchied zu nehmen, haffe er nur von Rafı
falli, Zanolini, Gaddi, Currado und der
Priorinn Giulia, den beiden Leßfern gab er
aud) von feinem Geheimniffe nähere Kunde: die
fe warnte ibn bor Berirrungen, die fie bloß in
dunfeln Ahndungen für ihn fürchtefe, jener ent
hieß ihn mit dem Wunſche, daß er das vollende:
te Bild der ewigen Bermäblung des Unendlichen
mit dem Endlichen bald in der Einigung feines
Geiſtes mit einer meiblidyen Geele durdy Liebe er:
ſchauen, und in der Geligfeit derfelben den end—
lichen Aufſchlüſſen über die Welt und über fein
Wefen fi) nähern möge.
Der Drang feines Herzens frieb ihn gera⸗
des Weges nad Pozzuolo, ohne daß ein bes
ſtimmtes Ziel in deutlichen Beftalten ihm vor.
Iſchwebte; nur®iulia’s vieldeutige Warnungen
und Gurrado’s weiffagender Wunſch befchäf:
tigten feinen Geiſt. Unter der Beherzigung des
letztern erfbachte in ihm die Erinnerung an die
gärtlichen Schwärmereyen der Nonnen zu Be:
nedig,, an feinen verfraufen Umgang mif der, eben
fo geiftreichen als anmuthigen, Gaetana gu Mi:
lano, und an.die Schilderungen feines Vaters
\ — 319 —
von Salicetfi’shäuslidyem Blüde und DIy m:
pias zunehmenden Borzügen. WunderbareLuft
und Wonne lächelte ihm aus den lieblichen Schöp⸗
fungen, welche die, Phantafie in bunten Reiben
feiner Seele vorführte; und alles, was er außer
ſich erblidtte, oder in feinem Innern empfand,
vereinigte fi) jeßf, um das fehnende Verlangen
nach einem unbefannten Etwas, das er längft
und oft gefühlt, doch nie verftanden hatfe, ihm
zu deuten. In liebender Sehnſucht ſchien ihm die
untergehende Sonne die ruhige Meeresfluth zu
tüffen und zu röthen, die wallenden Gebüſthe
von Rosmarin und Myrten fdyienen ihm in ih⸗
rem füßen Dufte nur Frenden der Liebe auszus
hauchen, der Bäche fanftes Murmeln und des
Zephyrs angenehmes Fliſtern das keuſche Bes
müth zu den Myſterien der Himmlifcyen einzu:
laden ‚die frauernden Cypreſſen tım die Ruinen
der alten Götterwelt herum die Entheiligung der
Liebe unter Menſchen zu beweinen, und das
Funkeln der Sterne zu den Wohnungen der Ge:
ligen, welche das heilige Leben der Liebe bereits
verewigt bat, ihn binzumeifen.
Salicetti’s Billa lag auf ei einem fruchtba-
— 30 —
ren Hügel in der Mitte zwiſchen Po zzu o Io und
dem Berge Camandoli. Als er fie pon fern
erblicte, war ihm, als fiele plötzlich ein dichter
Nebel von den Auge feines Geiftes; und was
feit dreyzehn Jahren, feiner Natur und feiner
Richtung nad), verhüllt in feiner Geele gelegen,
was feinem früh ermadhten Leben im Idenlen
den Eräftigften Schwung er£heilef, bald durch
den religiöfen Enthufiasmus für die Kunſt, bald
durch den melandyolifdyen Hang zur Blöfterlichen
Einſamkeit in ihm gewirkt und nur bisweilen
durch ein reizendes Helldunkel in feiner eigentlis
chen Geftalt ſich ihm gezeigt hatte, feine ſchwär⸗
meriſche Sehnſucht nad) Camilla, trat jetzt
klar und deutlich in ſeinem Bewußtſeyn hervor,
um in der Liebe gegen DIympia auf immer zu
verſchwinden. Was dem geängfligfen Geefahrer
nad) einer langen, ungerbiffen, ftürmifchen Fahrt
das Wiedererfcheinen feines leitenden Geflirnes,
das war dem jungen Corfen nun der Hügelund
die Billa, in weldyer er den Gegenftand feiner
werborgenften Wünfche und ſehnlichſten Erwar:
fungen zu finden hoffte. Allein nichts fand er das
felbft, als einen alten Verwalter in dem Kleinen
Kreife
Kreife feinge Samt, der ibn mit der ſchrecklichen
Nachricht, „daß pie Gräfinn Camilla feit zwey
Jahren in; der Dominicaner : Gruft gu Pozzuo⸗
„lo ruhe, das fromme Sräulein DIympia in
„Frankreich in einem Klofter fi) befinde, und
„der Graf, um feinen Schmerz zu mildern, auf
„Reifen ſey,“ zußodeh warf. ‚Alles Sragen und
Forſchen nady der Gegend, welche Salicetti
wählte, oder nad) der Provinz, in-welcher das -
Klofter läge; war vergeblich; der Verwalter
wußte nichts von allem, was den Beſtürzten wies
der aufrichten, aber ſehr vieles, was ihn bis zur
Verzweiflung treiben fonnfe.. a
Unerfhöpflich wat er in der Erzählung, ı wa⸗
die engliſche Mlympia alles wüßte, wie fie iq
der Paſtell. ahlerey mit den grͤßten Künſtlern
wetteifern koͤnnte, wie fie ſich in ihrem. Cabinet,
fe einen Altar bloß von ihren eigenen Gemähl;
den- errichtet hätte, wie meiſterhaft fie das Ela:
vier fpielfe, mie fie einem den Himmel in die See⸗
le zu fingen. verftände, aber durchaus nichts an-
ders als heilige Gefänge fingen wollte, und mif
welchen Entzüden ihr oft der, Sranzöfifche Bi:
ſchof mi: dem Sie und der, Öraf meggereifet
— 302 —
waͤren, zugehört habe. Hohite der geſpraͤchige
Verwalter einen Augenblick Albert ſo bemach⸗
tigte ſich fein tebfeliges Weib des Wortes, ımd
nun war keine Schönheit des Körpers Und des
Herzens im Himmel und auf Erden, welche das
Fraͤulein nicht im höchſten Grade beſäße. Ein
Strom von Thranen flog aus den Augen der als
ten Mutter, als fit verficherte, wie Bitterlich fie
einen müßte; wenn fie daran dächte, dag fo
eine herrliche Rofe aus Gottes ſchönein Mens
ſchengarten unter eiikm Roumenſchleher perwelk
Een ſollte. Die Tychter, ein reines Model für den
Künftler zu einer kinduchen Ergebiii nuf das
Stabmäßt einer Braut, der ihr Beliebter voran
ging, bemerkte‘; mehr um ſich ſelſt als um die
Mutter zu troͤſten, daß es nlır A Schooße des
Sie und fr dem Befise ungetöößnkicher Rei:
je berdienſtlich iodte, dem eiteln Blänze und dert
flüchtigen Steiideh der Welt zu entfagen. Wah⸗
rend des Strẽfteszidiſchen Mutter ind Tochter
hätee fi Bonddentüra gefamihekk, er zog
. Eamilla’d Bild, welches Ihm bon den Cars
fhäufer Gitöla mo zu Bologıra war geſchenkt
worden, hervor, und fragte, bB ed dem Srän«
— 23 —
Lein gliche. Die ganze Gamilie erkannte die auf-
fallendſte Äehnlichkeit, Aber auch nicht die ges
ringſte Spur don der Anmuth und Lieblichkeit,
womit Olh n pia alle Menſchen ati ſich anzoͤge.
Bonaventura's herzlichere Theilnahme
an allen dieſen Lobesethebungen, beſonders aber
der Beſitz eines Bildes, wie er glaubte, von dem
Fräulein, brachte den Verwälter auf die Ver—
muthung, daß der Fremde entweder ein Freund
oder ein Verwandter feiner Herrfihaft ſey; er
erboth ſich daher, ihm die Zimmer der Billd zu
zeigen, wo er vor dem fpredyend ähnlidyen Bild:
niffe von Diympia erfehen würde, ob feine
Samilie von dieſem Engel unfer Menfchen zu viel
geſprochen häffe. Es hing in dem Zimmer des.
- Grafen, dem Bilde der Camilla gegen über, beys
de von, Serenari in Leberisgröße, diefe als
mũtterliche Siebe nad) Albani, DIympia in der
Geſtälſt der Pſyche, mit dem himmliſchen Amor
fid) vermählend, nach Raphael; in der Mitte
hing eine Himinelfahrt Marid von Solimena.
nach Eorxreggio. Wie angefeſſelt ftand er lange
Bor den Bemählden ; mas er in der Beſchauung
öerfelbin 'gefehen, empfunden, geliffen hatte,
2 .
’
— 34 —
draͤngte er ſeufzend in das einzige Wort, ve r⸗
loren, zuſammen, und folgte dann dem Alten,
der mif DIympie’s Cabinette eine neue Duelle
des Schmerzes für ihn aufſchloß. Unter den Bil
dern mif ihrem Fecit zeichnefe fi) vorzüglid, ein’
heiliger Aloyfius.aus; und diefen Augenblid
‚ bemerkte der Berwalfer audy an dem Sremden
die freffendfte Yehnlichkeif mit dem Bilde. Freu:
Dig äußerte er feine Wahrnehmung, die Mutter
fo wohl als die Tochter ftimmten mit ihn über:
ein, und ſelbſt Bonaventura mußfe einige
feiner Züge daran erkennen. Er betrachtete eine
Weile diefe wunderbare, feinem Herzen fo be⸗
haglidye Erfcheinung ihres deals und ging dann
an das Zenfter, um feine Thränen zu verbergen.
Die Ausficyt führte auf den Berg Camandoli,
auf deffen.Sipfel zwey hohe Thürme empor rag»
ten. Er erkundigte fich nach dem Gebäude, und
erfuhr, es fen eine Einfiedeley der Camaldulens
fer, von welcher aus man die fchönfte Ausſicht
über die See und über das ganze Land genöffe.
„Das Klofter, fagfe der Alte, biege Scala
„eaeli; unddaman dort fo liebreidy beherbergt
„würde, fo önnte man aud) wirklich von diefer
— 325 —
„himmliſchen Hoͤhe, wie Gott vom Himmel, anf
„die Erde berab fehen.“ - - 1F
Plötzlich ward es heiterer i Bonaventu—
ra's Seele, feine Leiden verftummten unter dem
Entfchluffe, bey den Seligen auf dem Berge
einzufprechen, und er bath den Bermalter, ihm
zu jener Himmelsleiter den nächften Weg zu zeis
gen. :Öegen Abend kam er dorf'an, und herz.
lich, wie es nım Menſchen vermögen, die mehr
im Himmel als auf Erden wohnen, ward er aufs
genommen. Der Prior war vor einigen Jahren
von Samaldoli dahin verſetzt worden, Anfel:
m o war ihm befannt, und er dankte dem Ewi⸗
gen für Die Sreude, den Sohn eines fo würdi⸗
gen Drösensgenoffen bewirthen zu Fönnen. Die
Serftreuung und das bermußtlofe Sinnen des
jungen Mannes verriethben dem geübfen Seher
Die Qualen, die fein Innerſtes zerriffen. Dbie
ãhm fein Geheimniß zu entloden, fragfe er ihn
wohlwollend, ob er etwa auch einige Bücher auf
feine Zelle wünſchte, und weſſen Inhaltes fie feyn
follten. Bonanentura, der feine EleineBiblios
thek nebft feinen Studien und übrigen Geräth«
f&haften dem Abbate@urrado in Berwahrung
— 36 —
gegeben hatte, verlangte etwas über die Einſam⸗
teil, doch von Heiligen gefchrieben, und bezeigfe
ſich ſehr zufrieden mit der Wahl des Priors, der
ihm die Vitas Patrum und die Epifteln des heilis
gen Hieronymus brachte. Go bald. er fig
felbft überlaffen war, vertiefte er ſich in die Des
trachtung feines zerrütteten Zuſtandes, und mit
ſchrecklicher Klarheit ftellte fi) ihm darunter: die
Gewißheit dar, daß er bis jegf in Camilla le
diglidy das Ideal feiner. Liebe erſchauet und in
diefem nur DIympia geliebt habe, daß diefe
Siebe das. leitende Princip ſeines Lebens. in der
Zunft » und deen« Welt war und unauslöfd;
lich, obgleich nie beglückt Aurch Vereinigung mit
ihrem Gegenftande in der Wirklichkeit, in feiner
‚Geele berrfchen werde; daß die Göttliche hiers
nieden für ihn verloren fey, und er der Hoff
nung, den von feinem IBefen los geriftenen Geiſt
andersmo, als in dem Schooße der Gottheit zu
finden, entfagen müßte. Seine Ruhe ging allmäh-
lich in WBehmuth über, fein Schmerz verwandelte
ſich in Traurigkeit, die Leidenfchaft verbarg ſich
unfer feinen alten Hang zum beſchaulichen 2er
ben, die Umgebungen, unter welchen er fidh jegt
⸗
— 327. —
Olympia durch ihre eigene Frege Wahl vors
ftellte, rechtfertigten denfelben gegen P eraldi’s
und, Anſ elmo 8 Ermahrtungen zur Thaͤtigkeit
in der Welt, dieſe toͤnten ihm wie der ſchwinden—
de Nachball der fernen Fresndesſtim̃me, die den,
das Ziel bereits eebfidtenden, Wanderer bor Ab⸗
wegen warnen will.
Jetzt nahm er die Epifteln des Heiligen Hies
ronymus in die Hand und ſchlug zufällig das
Gendſchreihen an Helio dorus auf. Recht ins
niglich ergetzte er ſich an der. Beredſamkeit, dem
Witze und. der Wärme, womit derHeilige feinem
jüngern Sreunde | die Sreuden und Erleuchtungen
der Einſanikeit ſchildert, und ihn ermahnet, ſi ch
weder durch die Thränen ſeiner verwitweten
Schweſter, noch durch die ſchmeichelnden Ein⸗
ladungen ſeiner Aeltern von der baldigen Rück⸗
kehr in Die heilige Einöde bey Bethlehem abzies
ben zu laſſen. Bon Schreck und Freude zugleich |
erſchüttert, las er Yie Worte:
„Und wenn die flehende Mutter dir aud) die
„Brüfte, an welchen du einſt ſaugteſt „vor⸗
„hielte, menn auch der weinende Vater an
„dje Thurſhwelle ſich Hinlegte, fo faſſe du
— 3280 —
„Muth ſchreite über den fiegenden Vater
„weg, und fliege mit trocknem Yüge der Fah⸗
„me Chrifti zu: dieſe einzige Art von Grau⸗
„ſamkeit iſt echte Froömmigkeit.“ ꝛc. etc.
Beygeſchrieben am Rande war Folgendes:
„Heiliges per calcatum perge patrem! Auch
„mir warſt du vor zwanzig Jahren der Fit⸗
„tich zur Fahne Chriſti, die mich aus den
Qualen einer unglüuͤcklichen Liebe in dieſes
„Paradies zur Seligkeit der Kinder Gottes
„führte; auch mein Weg ging über den an
„der Schwelle liegenden Vater hin, um, ihn
„und alles, mas mir angehörte, verlaſſend,
„Der Ausermählung Jeſu mürdig zu werden.”
Gelaſio.
Unaufhoͤrlich ſchallte ihm dag gewaltige per eal-
catum perge patrem im Gemũthe, im nächtlichen
Gturme ſchien es ihm zu donnern, von den Ster⸗
nen herab ſchien es ihn zu überftrabfen, und erſt
in dem Vorſatze, ihm zu folgen, verhallten die
Stürme in und außer ihm, und die Sterne ſchim⸗
merten ihm wieder nur im Lichte der ewigen Liebe.
Aum folgenden Tage erfundigte er fi ich ange:
legentlichſt nad) dein Pater G etafio und erfuhr,
a 329 —
daß dieſer weiſe Mann jetzt in der Einſiedeley zu
Imcoro nafa das Amt eines Topiz: Meifters
bePleide. Dieß war ihm ein neuer. Antrieb, feineh
Borfag auszuführen, ihn dem Prior zu entdek⸗
fen und um die Aufnahme in den Drden anzu⸗
fuchen: Man madjfe ihm Hoffnung, nur follte
er zehn Tage noch in Scala eaeli bleiben, und
in der Theilnahme an allen Elöfterlichen Uebuns
gen die Echtheit feines Berufes prüfen. In fcheim
barer Heiterkeit des Geiſtes verfloffen ibm diefe
Tage, und nur die innere Anmaltıung, an Uns
felmo und Peraldi zu ſchreiben, flörte bis:
weilen feinen Frieden. Gie war die Stimme feis
nes warnenden Genius, aber er unferdrüdte fie
als die Eingebung feines wieder auflebenden Belt:
finnes, der ihn durch die mißbilligenden Urtheile
des Vaters und des Sreundes zu befiegen hoff:
te. Den ſchwerſten Kampf dagegen beftand er
am leßfen Tage, nadydem er den Dbedlenz-Brief
nach Incoronata von dem Prior ‚empfangen
hatte. immer düfteser ward es in feinem Öeifle
und ftürmifcher in feinem Herzen, eine fo erſchüt⸗
‚ternde &mpörung in feinem Innern hatte er nody
nie erfahren. les, was Peraldijeanihnge
— %0 —
ſchrieben/ Anfelmo auf Camaldoli zu ihm ges
ſprochen hatte, ſtand in großer Slammenfchrift
vor feiner Seele. Er las bis fpät in die Nacht in
den Vitia Patrum. Doch ungerührt liegen ihn
die Thaten der einfamen Väter und ihre weifen
Gprüde. An den kraftvollern Aeußerungen des
heiligen Hieronymus wollte er ſich erheben;
aber Schwulſt ſchien ihm jetzt, was er vor eini⸗
gen Tagen noch, als reinen Ausfluß der göttli⸗
chen Begeiſterung, bewundert hatte. In den Wor⸗
‘ten: „ſchreite Wer den liegenden Vater weg;“
glauhte erdie ufforderung zueigen Ber:
brechen zu vernehmen, und in dieſem Glauben
die Uebermacht feines lange unterdrückten
Hanges zur Belt und ihren Freuden zu empfin-
den: jo mit fich ſelbſt entzweyet warf er ſich auf
ſein Lager bin, denn dieMorgenröthe faͤrbte bes
reits den Oſten, und aud) in feinem Innern folls
te es wieder fagen,
Kaum hatte er die Augen geſchloſſen, fo war
ihm, als fäße er in einer tiefga Grube, deren ſenk⸗
rechte Wände ihn Beine Rettung durch eigene
Kraft hoffen ließen. Er ſah fid) mit dem Camals
dulenſer-Habit bekleidet, und in dem Buche, das
— Bi —
zu feiner Geite fag, war dns Sendſchreihen an
Heliodoruns qufgefhlagen ; doch zu nichts
weniger, al zum Sefen, war er jeßt aufgelegt.
Aengſtlich lquſchend. mwünfchfe er die Fußtritte eis
res mitleitigen Wanderers zu vernehmm, den
er um Hülfe anrufen Könnte. Ein furchtbares
Gewitter zog fid) in derLuftzuſammen, und bald
brach eg in einen heftigen Plagregen aus,: Sans
ze Bäche flürzten pon den Anhoͤhen in die Gru⸗
be hinab, und auch in.die Höhle, in welche er
fich durch eine enge Deffnimg geflüchtet hatte,
drang die Fluth gemalfig sin. Schon mar fie
ihm bie an den Hals gefliegen‘, als Schrefk und
Todesangft ihn wegen,
Das, angenehme Mefühl feiner Gicherheit
wiegte ihn bald wieder in fanften Schlummer ein.
Da ſah er fih in dem Orangen⸗Walde des Kloſters
Infimandeln, der Glanz der goldenen Früchte
zwiſchen dem dunkelgrünen Laube ergetzte fein Aus
se, und der liebliche Duff der Blüthen ummehete
ibn mit frifcher Lebenskraft. Er pfluͤckte die reife
ſten von den Früchten, um dankbar fid daran
in der nahen Grotte zu erquiden. Eine ungeheu⸗
re Schlange wand ſich vor Dem Eingange gegen
— 332 —
ihn empor. Er warf ihr ſeine Orangen hin, ſie
ziſchte, ihr grimmiger' Blick und ſein Entſetzen
hielten ihn wie eingewurzelt in den Boden. Schon
fühlte er das Gift ihres Athems in ſeinen Adern,
‚er ſank zur Erde, die Schlange ſtürzte auf ihn
los, und er erwachte unter ihrem Biffe.
In der völligen Abfpannung und Ermals
tung feiner Kräfte fchlief er nody Ein Mahl ein;
jest fam ihm vor, als flände er auf einem fteilen
fpigen Felſen, welcher mitten aus dem Meere
body) empor ragte. Unter ihm fobte die Che, das
gemaltfame Schlagen ihrer Wellen an den Ötein
ließ ihn die Linficyerheit feines ſchwankenden
GStandpunctes empfinden. Aus der Gerne glaubs
fe er das Krachen foheiternder Schiffe und das
Jammergeſchrey des untergehenden Boltes zu
hören. Es war Nacht, die Sterne ſchienen ihm
in ihrem zitfernden Lichte ſich fehneller fortzumäls
“ gen, die Betrachtung ihres raſchen Laufes und
das immerwährende Schwanken des Felfens
machte ihn fehmwindelig, die Furcht zu flürzen
übertmälfigfe ihn, kaum Eonnte er fidy mehr
halten, unwillkührlich ſchrie er um Hülfe zu den
. Sternen; da war es, als wollte fich der Mor⸗
- Br
genſtern zu ib perab fenfen, und als er, ibm naͤ⸗
ber fam, erblidfe er in feiner lichtvollen Sphäre
den Jüngling mit dem, Hyorinthen- Kranze auf.
dem Saupte, und der. Yiamanfenen Gonne auf
der Bruft, in feiner Rechten hielt er den großen
Funkelſtein, in feinem Schooße faß Diympia |
in Trauer gekleidet und feine Arme gegen ihn
ausſtreckend. Der Unglüdlidye glaubte ſich ges
rettet, als ihn die Donnerworte des Yünglings:
„fo viel haft dus in deiner Gelbftvernichfung vers
„Toren; nun iſt dein Loos Verzweiflung!“ aller
Befonnenbeit beraubfen. Der Stern verſchwand,
und er ftürzte ſich in die brauſende Fluth hinab.
Bey ſeinem Erwachen war es heller Tag,
und ſchon vor einigen Stunden follte er nach In⸗
corouafa aufgebroshen ſeyn. Ganz entkräftet
ſchlich er ſich mit dem Obedienz⸗Briefe zur Zelle
des Prior’s, offenherzig enfdeckte er ihm feinen |
bisherigen Lebenswandel, die Weifungen Pe:
raldis, die Ermahnungen und Wünfche feines
Baters,,. feinen geftrigen Kampf dagegen, feine
geheime Siebe für Dln mpia ı und. die Aualen
der vergangenen Nacht. Mit baterliche— Zart
lichkeit belohnte Dog geon ello Bonav en fu:
34 —
. Tas frrubeiziges Geftändniß; er erflärfe feinen
vorelligen Tutſchluß, fir Ken Drdeh zu kreken, fo
wie überhaupf feine Ketg ung zur klöſter—
lichen Einfamteif für die täuſchende
Frucht einer Liebe, die im Berborge:
nen, balb der Sehnfucht nach ihrem Ge—
genſtande müdeéiſt, bald an der Erkan—
gung feines Beſitzes verzweifelt. Eer—
öffnete iim, „wie er gleich anfangs an die Gökt:
„lichkeit feines Berufes nicht Yeglaubt,, ihm dar:
„ank zehn Tage Friſt Zur Selbſtpruͤfung gege⸗
„ben, und in deutlichkt Borberfehung , daß et das
| „Pröbejaht nicht aushalten würde, den Dbedi.
„eng: Brief ausgefertigt habe. Wohltreinend
„rieth er ihm fodann, nach Steapel zu gehen und
„nach dem Wunfcye feines Vaters fid, dork di:
„nen Wirkungskreis, der feinen Einfichten änge:
„nöffen wäre, zu ſuchen; Alminermebßr Aber ge:
„gen die Regungen feines zarten Berbiffens zu
„Kämpfen oder zu handeln, indem er verfichert
„ſeyn könnte, daß fie ihn ſtets ſicher leiten wür⸗
„den, und alles, was unverdorbene Gemü—
„ther-, deren eigenthümliches Element Rabe und
„ervigbi Stiede märe, erft durch Kaittpf gegen
— 35 —
iR, felbft erzielen wollten, vom Hebebundyvah.
„re Gänse wider den Beift Gottes ſey. Mit Sa⸗
„lieetti’s Berbältniffen genau befannt, gab
„te ſogar feirter Liebs fir DIiympia neuen
„Schwung durch die teöftende Runde, daß der
„Graf eine Reiſe nach England, und zwur nur für
„Eorfiea’s Wohlfahrt; unfernommen babe, und
‚feine Tochter ſeit dem Tode ihrer Mutter in dem
„Urſuliner-Kloſter zu Paris als Koſtfräulein fich
„befinde, um unter Anleitang det berkhämteften
„Meifter die Ahsblidung ihres KanfleGenies forts
„zufeßen. Wohl Löhrte man von dem ſchwermů⸗
„ihigen Salicetti erwarten, daß er im, Gefüh⸗
„le feiner inner# Yerden Oly mp ia im Nonnen-⸗
„ſchleyer dem Himmel opfern möchte, weil ihm
„ſeit Camiliag⸗a Uebergang Die Erde nur ein
„gtoger Kirchhoß ·ſchiene: doch mir wuͤrde er dieß
„Dpfer üußer Itnlien und gegen den Willen des
„Mädchens bringen; dieſen über, fo hoffe er;
‚dürfte der alimädytige Lenker der Herzen ſchwer⸗
‚Ädjin Ihr erwachen laſſen. „Was ſollte nuch aus
‚der. Welt werdenz“ fo fihlö Don Leonello
„weim ullenthalben das Schoöͤnfts und Edelfte
„ang der Geſellſchaßt ſich in Kidfter flöchtete, wo
F v*
— -
_ 15 —
„entweder nur die Buße einen Uebungsplatz,
„oder das verdienſtvolle Alter einen freundlichen
„Rubefig finden. fol? Wie Gottes reinſter Eagel
„walletDiymp i.a unter dar Töchtern der Mien:
„ſchen, in ihrer Geftalt und in ihren Gitfen die
„Heiligkeit des Eindlichen Ginnes, dem allein das
„Himmelreich vorbehalten iſt, ‚verfündigend;
„und wohl dem Glücklichen, der einft den Bor:
„ſchmack deſſelben aus der Fülle ihres Herzens
„empfaͤngt! Die Gnade dea Allerhöchſten mache
„Sie ihrer ganz würdig; dieß, junger Mann,
„iſt Der Gegen, womit ich Sie entlaſſe.
Durch die Kraft dieſes Segens zu einem
neuen Leben geſtärkt, doch immer noch ungewiß,
was er beginnen ſollte, nahm er ſeinen Weg nach
Neapel. Mit Der heiterſten Ruhe im Hetzen
überfchaute er nad) Ein NahE,.nvas ſeit feiner
Abreife von Camaldoli in und mit. ihm vorge:
gangen mar, in allem erkannte er den, hellſten
Wiederſchein der Bifion, durch welche feine Seele
in ihrem reinen, freyen Ceyn auf. Can Ntaris
1o
/
— 337 —
a o ſhrẽ Selbftaufcharung in feinem Bewußtſeyn
abgebildet hatte. Die Berblendung, in. welcher
er derſelben nach zwey Juhren auf Scala cagli
fo Janz vergaß, wur ihm unbegreifüch; doch
bald entdeckte er ihre Daelle in der verkehrten
Richtung feines Gemüthes, ſich unbefonnen. der
fiheinbaren Eigenthümlichkeit der Dinge hinzu⸗ |
geben, anftaft beſonnen fie zu faffen, frey fich
ihrer' 315 bemächfigen, und ihres Scheines entklei⸗
def, fie indem Charakter. der Allgemeinheit in,
fh aufzunehmen. Deitlich fah er ein, wie nös
tbig ihm noch dns Leßfere fey, um eine fefte, ims
mer: zuverſichtliche, Freyheit des Geiſtes ſich zu
erringen. Dieſe Fertigkeit der Vernunft, meinte
er, it. allem Einzelnen. ſogleich das Allgemeine,
und.aud) nur dieß, zu erſchauen, wäre ihm von
ſeinem reinen Ich in der Geſtalt des Jünglings,
unter dem Dianianten verſinnbildet worden; nur
im dem Befige diefes Öteines Könnte ihm auch
der. Saphier und der Carbunkel in einfärbigem
Glanze mit dem Diamanten leuchten, tönnfe die
| haffende „Kraft feiner :Phantafie und die em-
pfangende feines Öefühls in Harmonie mit der-
Vernunft wirken.
-
9
%
— Bo —
.. ‚Unter folchen Betrachtungen, deren Wirkung
zu zeigen er bald Gelegenheit fand, erreichte er
den Eingang in die neun hundert Schrift, lange
@rvite des Paufilippo,.wo ihm ein Capuci⸗
nen begegnete. Ziefes Gefühl, edlen Gina , hohe
Würde und Heiligkeit, verlärfen das Antik des
Greifes; Bonaventüurd fühlte ſich von feinem
ſcharfen, ſichern Blicke feft gehalten, er grüßte
ihn mit freundlicher Ehrfurcht, und der Prieſter
both ihm mit väferliher Huld die Sand. Bey⸗
den war, als müßten fie ſich ·kennen, obgleich fie
ſich einander nie. gefehen haften, "Bald: frenefe
fidy der Greis, in Boneventura dm Sohn
eines. Mannes, dem er liebte, uinaßfmen, und
dieſer in dam Mönch einen Möärteren. fürBaterz
land, Freyheit und Gerechtigkeit verehren zu kön
nett; es war der beherzte Corſe, Pater G za⸗
coni dei vor neunzehn Jahren die: Oeriefer zn
Bafid iin Halseiſen an den Pranger geſtellt *)
und erſt nach den dringendſten Gorderuhgeni' des
Pabſies ftey gelaffeır Hatte. Jage kam er aus
Neopelvon dem Provinzial: Kapitel, als. neu⸗
elle BEE. TOR? , net art ner
) Eich oben ©. 263.
| 39 —
ernannter Guardian des Kloſters zu Pozzuolo.
Sie lagerten ſich in dem ‚nabeh Waldchen D’Us
firone,, und Bonapenfura mußte ihm alles,
mas er non Anfelms, Girolamo und Pes
ral di, feinen alten Eorfifchen Sreunden „muß: -
te, erzählen. Sagaconi erwiederte ihm dieſen
Genuß mit der Geſchichte feiner eigenen Schick⸗
ſale und mit einer eben ſo treffenden als kraft.
vollen Schilderung der ältern und neuern Cor⸗
fen „aus welcher neben der Unxrechtmäßigkeit der
Gemuefifchen Herefchaft über die, Inſel zugleich
die Berderbtheit und die daraus. folgende nfä-
higkeit der.heutigen Infulaner zur Freyheit, wie
zur Knechtſchaft, einleuchtend hervor trat. Auf
dieſes niederſchlagende Bild hezog/er ſich hernach
und die grelleru Züge deſſelben Deuftärkte er noch,
als ipm Bonaventura feine Begebenheit auf
‚Gcala tab und, feine Abſicht, forkhin nur. für
‚Sorfica's Wohlfahrt zu wirken, eröffnet hatte.
Als das vorderblichſte Llebel ftellte gr ihm
vor, daß die Gorfen keinen großen Mann, der
unter thnen aufgewachfen ssäre,.etfragen könn⸗
"ten. Seine Behnuptung bewies er durch die Dar⸗
ſtellung ihter thörichten Anhänglichkeit un ‚den
92
N
_ 30 —
Abenteurer’ aus Weſiphalen, Theodor von
Neuhof, dem ſie als ihrem Könige huldigten,
und ihrer Treuloſigkeit, womit fie dem vorfrefi:
lichen ‚über feine Zeit und fein Bolk'weit erhab⸗
nen Gafforio begegneten. Er zeichnete ihm
dieſen Mann in der Belagerung von Corte, un:
ter welcher die Genueſer feinen einzigen einjäh:
‘tigen Sohn, deſſen fie ſich ben einem Aasfl
le bemächtiget haften, gerade über den Theil
der Mauer, gegen mweldyen das ſchwere Or
ſchütz der Corfen gerichtet war, in die Höhe
hielten, wie fid) bey diefem Anblicke und une
dem Jammergeſchrey der Mutter die Belage—
rer zurüd ziehen wollten, wie der Held herbey
eilfe, wie er befahl, mit dern Feuern fortzufah:
ren, wie er feldft, auf Bott und auf die geredte
Sache des Baterlandes verfranend, zur Arf—
munterung der Seinigen, der Erſte das Mor:
gefchüß, gegen die Mauer und das Kind ab:
brannte, mie er eben dadurd) Meifter der ge
"fung und zugleich von neuen Bater feines wun:
derbar gerettefen-GoBnes- ward; und dennoß
bald darauf Genna's Senat ſelbſt unter den Cor
fen Meuchelmoͤrder fand, die ſich für eipige Gr
⸗
—. —-
novinen Wereitwiſlig zeigten, den Helden zu. er:
morden „ ab fie gleich in dem entfcheidenden. Au⸗
genbliche den Muth verlagern, Air ſchaͤndliche T bat
zu vollgiehen« Er: gab ihm ferner mit Abfcheu. zu
erwaͤgen, wije Die Inſulaner, der Tugend und
der. Verdien ſte Gafforio's überdrüffig, den
Grafen Domenico Rivarola, .der fie mit
großen ‚Hoffnungen, auf auswärtige Hülfe zu
täuſchen wußte, zum oberften Feldherrn ernanns
ten und den bewährten Helden feinen. Befehlen
unferordueten, wie Gafforio’s Anſehen und
Anhang. immer ſchwaͤcher wurde; wie Luca di
Dfnaao;ihm auch diefen beneidend, wider ihn
und Rivarofa fi fi, eine zahlreiche Partey für
Genua ſammelte, und mit ihr bald die pafriofi:
ſchen Maßregeln des Exffern, bald die herrfch:
ſüchtigen Abſichten Des Letztern vereitelte. Aus
dieſen und mehrern Beyſpielen folgerte er fos
dann, daß Korſica gegenmwärfig nurin der Dienft:
barkeit unter einem Herren, der, Giftmifcheren und
Meuchelmord noch nicht unter die Regierungs
künſte aufgenommen haätte, fein Heil finden uns
fe. „Da nıya, rote der Roömiſche Stoiker fagt,’—
ſo ſchloß C agaconi,— enn Bießerrütfungdes
— Je —
„Staates alle Reitung unmoͤglich macht, wenn
„er zur aäußerften? Verderbtheit hinab geſunken
„iſt, der Weiſe fi nicht Fruchtlos anflrengen,
„noch dorf, wo er nicht mehr helfen kann, feis
‚ıten Beyſtand aıfdringen folF, ſo laß and} du,
„Sohn meines Greundes, die fodten Corſen ihre
„Lodten begraben, und Pehre auf Gcala. cäli
„zuiick, um das Re Goktes in ˖dir und andern
„zu erbauen. Du haft Beine Hand an dem Pfiog
‚gelegt und zuwuͤck geſchen.«
„Was ich dort wagte,“ verfege Bonapan-
turc, „war Frevel, war Empörung: gegen die
„Stimme Gottes, welche mich in dent Wunſche
„meines Vaters ind In den Regungen meines
„Gewiſſens zur Arbeit, nicht zur Ruhe berief 7
„Rach allem, was ich fo eBem von dir ges
„Hört habe, iſt dein Beruf zur Eontemplafion
„und Liebe des Ewigen entfehleden./’-
| „Bedarf ich, um ihm nachzuleben, einer Drs
„densregel' und eines Klofters? Iſt nicht die
Acainʒe Erde, des Herrn und: alle fe ZBelt feiner
AHerrlichkeit bo: u em
„So fpricht Helfichtige HIT Beit, der
„ſich die Myſterken des Htnimels ewig nicht ent⸗
!
— 38 —
„Ihlepein werden. Was iſt Ruhe, was iſt Ar⸗
beit in den fluchtigen Augenblicken unſerer Wan⸗
Adeuſchaft, deren langſte Dauer ſiebzig bis acht⸗
Aig Jahro find? und vergehen nicht auch dieſe
„is Gottes Amigdeit, wie der Hauch meines letz⸗
„ten Wortes ia dem unegmeßlichen Luftraume?
„Was iſt diefes Sandfkäubdhen, Erdball ger
„mann, gegenimen uugiheernLichetörper, dort,
„dor deſſes Otwrablen wir ung Hier verbergen ?
u es mehr als Ein vierzehn hundert tauſend⸗
„ſter Theil deſſelben; und wie viele Myriaden
„Lichtrnelten rollen ber unferm Haupte weg,
gegen deren Bröße ſelbſt {end brennende Sphaͤ⸗
„ce, wie ein ˖ Sandkorn gegen-den Erdball, ver
„ſchwindet! Und du könntoſt im Ernfte glauben,
„daß irgend. ein finnigever Menſch, der, Soft in
„feiner UnermeBlichkeit 'befdyawend und hebend,
„das ganze IBeltenall mit feinem Gemüthe zu‘
„umfaffen fähig ift, bey dem jaͤmmerlichen Spia⸗
‚ie der blinden Inſeeten, die auf diefem Sands
„ſtäubchen wimmeln, zum thätigen Mitipieler
„beſonders berufen fen? Was fonft, ale dieſe
„große Anficht von den göttlichen AH, bat vou
„ieber Die Weifeften unft:den Menſchen ka ein-
— 44 —
„ſame Wälder und dũſtere Felſenhoͤhlen, ja ſelbſt
„deinen Vater in voller Mannskraft vach Ga⸗
„maldoli getrieben 2 und wenn du Dich auf feine
„Wünſche berufeſt, welche Eitelkeit und Eigen⸗
„liebe läßt dich in ihnen lieber Gotktes Gtimme,
„als Anfelmo’s Dergmeiflung au deinen Kraft
Für jene Anficht Tefen 2’: Fu:
„Sie meinen es. gut und FERN ehriür:
„diger Baer, mit meinem Geelenheil; aud) wol;
„len Gie mich, wie ich. bemerke, für einen ſinni⸗
„gern Menſchen gelten laffen; um fo meniger
„werden Gie es. mir verargen, wenn ich. Ihnen
uften befenne, wie ich den Schein der Dinge fer
„be. Ich glaube daͤhmlich daß ein Guardiaun, der
„eine Gemeinde frommer Mönche mit Weisheit
„tegieret, und ein Seerführer, der unerſchrocken
„ſeinen Scharen auf den Schauplatz des Kampfes
„uud des Todes für Freyheit und Vaterland vor:
„an ziehet, ein. erleuchteter Carthäufer, der mit
„an daͤchtigem Gemüthe die Drdnung und Harmo⸗
„nieder ewigen Welt beſchauet, und ein tiefſinni⸗
| „ger Staatsmann; der, mit der heiligen Wiſſen⸗
„I&haft der Geſetzgebung vesfrauf, die bürgerliche
ASeoſellſchaft imer Ardnung und Harmonie nä-
| - uſñ —
„her zu fühsen ſich beſtrebet, der einſame Denker,
„woltcher, ir feiner Ahgtzogenheit yon der Welt,
„Die ihm klarx ‚gemordenen, Offenbaxungen Got⸗
„68 ı [eg es im emzm Guſteme pon Begriffen. und
„Schläßen , ‚nder m ‚einer Geſchichte der Kirche
„und,der Stacten, der, Nachwelt überliefert,
„and der unpeflechliche. Richter, welcher, mit uns
vermandtem Auge auf das einige Redht,hinfes
„bend,; in Der Defchägung der Unſchuldigen, Ret⸗
„tang der Unterdrückten ‚und Beſtrafung der
„Schuldigen die. Gerechtigkeit Gottes verwpaltet;
„daß dieſe Alle im Der. .Erkenntnig. und. Mijrdi⸗
Aung des Allerhoͤchſten völlig Eins ſind, mit⸗
„bin auch von dem reßgiöfen Sinne deg Men:
„hen, nicht in ihrer zufälligen Berfchisdegheit, _
„joadern, in · ihrer weſentlichen Einheit, beach⸗
‚det und. begriffen werden müffen. — Kurz iſt die
„Pilgerfihaft des Erdenfohneg, und, unfer tel:
„ber Zone er auch wandern mag, ſchneller als
Ar ſichs verſieht, kehrt er als Staub zur. Erde
„zurück; aber ſeine Pilgerſchaft iſt nicht fein Le⸗
ben; und er, iſt nach mehr, als Erdenſohn, er
„Alt ein nathwendiges Glied in der ugendlichen
„Kette göttlicher Wefen, er ift Mitgenoß einer
— 34458 —
„Ste in der Regel zugleich nach außen und nd)
„innen; findet fie dort unbezwinglichen Wider:
„and, fd veibt fie ſich nicht auf; ſondern drän⸗
„get ihre Wirkſamkeit in der. Richtung umidy.Br
„men nut mädjfiger zufammen und wird eben
„dadınth vreſtarkt. Ich will in Karfica wirken,
„nidyt um dieß oder jenes: zu erreichen, nicht da⸗
„mit es heiße: Dieß oder jenes hat Bona vpen⸗
‚Zuta-di-Denano gethan, fondern, damif
„das ununferbrodyene Leben und Schaffen. des
„Weltgelſtes, auch durch mein Wirken fich offen«
„bare, und ic, die Gefammtthätigkeit des'göttlis
en AU und Einen auch in meiner. eigenen bes
„jondern Thätigfeit beſchnuen moͤge: Bey diefer
„Abficht, was tlegt mir Daran, ob: Eorfica zu
„meiner, ‚oder ich zu Corſica's Erhebung diene—
„Noch: Eines, ehrwürdigger Baker, dami wir
„eben fo offen fcheiden als wir. uns autraulic)
„einander genäbett haben: mas balten Sie von
„ver Ehe 200 or
0.4 Ste it das Altefte und Beligfte Sacrament,
„immitteibar von Gott eingeſetzt, ein. ewiges,
ungeetrenubiches Buͤndniß zwiſchen Meiſtern, ein
„hoͤchſtẽ bedeutendes Sinnbild der Liebe Gottes
! _ 39 —
„gegen ſich ſelbſt und die Menfhpeit; allein un:
„ser handert ehelichen Berbindungen,erreidjt nicht
„end diefen erhabnen Rang.” . . |
„Doch halten Sie es:für moͤglich im za er
„ringen? 0... W—
„Darch innere « Mieigtet and. goifege
„Wahl. lem, \ \
„Die leßfere habe ich getroffen, * ich Bitte
„Sie, es mir.zu glauben; daß, weine Geele fie,
„noch unbefannt mit der Sünde, im Lichte der
„Gottſeligkeit und in der Salbung der Gnade
keaf ; ‚die erflere muß: ich i in Kampf und Arbeit,
„nicht in der Rabe auf Grala cäli, mir erwerben.“ _
„Dieß Einzige; mein Sohn, widerlegt alle
‚meine Gründe. + Der Segen des Allerhöchſten
„ũberſtrome ·dich und die Gute, die deine Seele,
„ſo wie dur ſagſt, gewählet hat”.
„Vielleicht iſt es Ihnen vorbehalten die.
„fen Exgen an. heiliger Stätte über ung, zu ers
„meuern.’
— 352. —
„Besülfe, ſo Fönnen fie mit Sicherheit auf den
„guten Willen dus Qaufenfpielers rechnen“. °
: " „Auch wenn det Gegenftand mehter. Liebe
„nicht etwa ein blühendes Mädchen, fondern
„hut meine alte Mutter wäre.”
Dann noch zuverſi ichelcherz iss Sie ung
, len! um
- Ber find Gie de⸗
„Der Freund eines zärtlihen, treuen Soh⸗
ameb- ‚7
Duo moͤgen, das ſollen Sie mir ſeyn; wer
„find Sie aber außer dieſer Höhle?"
.- „Min Eorfe und der Gohn des Gerafino
„Bi Drnano.”
„Sohn meine geliebten Mutter, meines
„theuern Baterlandes !” mit diefen Worten warf
ſichder Unbekannte in feine Arme, und als die
erften Aufwallungen der Sreude vorüber waren,
gab er ihm den offenen Brief zu leſen.
Er enthielt die umſtändlichſten Nachtichten
von allem Nützlichen und Guten, welches der
Stanzöfifhe Margnia von Eurfay feit feiner
Ankunft auf der SInfel zur empfindlichflen Be
ſchãamung der Geuneſer, nicht nur vhae Wider:
ſtand,
38 —
ftarld ;fondern fogar durch das Verfrauen der.
Eorferugsffeine Klugheit und Rechtlichkeit eina
geführtihutte ,.gugleich aber deckte er die.niedri«
gen Nänke und: Kunftgeiffe auf, wodurch Ges
nue’s. Senat diefen würdigen Mlantı bey feinem
Hofe anſchwärzte, um feine Abberufung aus
Eorfica zubewirten. „Borläufig märe der Mar⸗
„quis’Chauvelin, der Curſay's Verwaltung
„zu unterſuchen gefandt war, und, von den Gas
„nueſern beſtochen, feine heitffamen Einrichtungen |
„eaufheben.niolfte, mit Der Verachtung und dem.
„Abſchéu der' Inſulaner wieder abgezogen; es
„ſey indeſſen mit ziemlicher Gewißheit voraus
„zu ſehen, dag die fchündlichen Cabalen des ver.
„ſchmitzten Wuchervolkes endlich Doc) über Cur⸗
„ſayls Rechtſchaffenheit fiegen, und dann die
„Peteiotin unter Saffori o’s Anführung, deſ⸗
„sen Tugend über alle feine Nebenbuhler glück⸗
„lich geſiegt hätte, ſtrenger als jemahls über
„die Unterdrücker des Vaterlandes Gericht Pat
„fen werden.‘ oo.
Aus dem Gchluffe des Briefes errieth & o⸗
nadenfura.den Mann, den er vor ſich hatte;
er lautete: „Dieſer Zeitpunct, gellebter Bruder
— — — — — —
— 355 —
„Paſquale, iſt näher, als ihr zu Neopel giau⸗
„ben kõnnet. Ya ſtiller Zurückgezogenheit beob⸗
„achte und berechns id). feine dlmähliche Annuͤhe⸗
„rung, finne auf die zweckdienlichſten Maßre⸗
„geln, die dann ergriffen werdeir müffen, und
„bereite ihre Wirkſamkeit bey den Sreunden des
„Hauſes Paoli behutfam vor. Deine Ernen⸗
„nung zum Port’infegna bey dem Gorpo
„Reale wird mir erft dann Sreude machen, wenn
„ic erfahre, daß der ehrenvolle Dienft, weder
„deinen verfranten Umgang mit Polybius,
„Frontinus und Begetius unterbricht, nod)
„deine mathematiſchen und tactiſchen Meditatio⸗
„nen in der Einfiedlerhöhle des Pauſilippo ſelt⸗
„ner madjf. Es war in dem gehämnigvollen
„Dunkel einfamer Kelfengrotten, wo Numa,
„Singalund Mohammed ſich zu herrſchen⸗
„den Beiftern ihres. Volkes und Jeitalters. bilde:
„ten. Trage deine Sahne mit zufriedener Erge:
„bung und unbefümmerf, ob du: höher ſteigeſt;
„ſie erfeget dir an Zeif und Muße dasjenige reich⸗
„lich, um was fie did) Anderen, nielleicht weni:
„ger Würdigen, an Ehre und Gold zurũck ſtehen
„läßt. Was Könige nie fernen werden, die Rumnft,
— 25 —
„Den Mann nad) ſeiner Kraft zu würdigm; ver⸗
„ſteht ein begeiſtertes Volk vortrefflich: denke an
„den ehemahligen Leibarzt und jetzigen Protector
„Corſica's, Safferio; und fo wäreft wahrlich
„auch du nicht der Erfte, den‘ der Gemeinmille
„des Volkes vom Fähnrich eines. Königs zum
„oberfien Heerführer den Bateriandes befördern
„würde. Was Öottes Wille iſt, wird gefchehen;
„laß uns durch alles nur. ihm in Andacht und
„Demuth dienen. Grüße unfeon lieben ‚Bater
„Giarcinto und feinen Sreund Biafferri.”
: ‚Dein treuer Bruder El emente Paooli.“
Diefe Entderkung mar für Bon abentura
ein: höchſt erfreufiches Ereigniß, und ganz «er»
wünſcht fam ihm Pafquale’s Aufforderung,
fidy mit ihm fogleic, feinem Vater vorzuftellen.
Mit väterlicher Zärtlichkeit mard er von dem
Oberſten des Eöniglichen Eorps der Eorfen aufs
genommen, und feinem Herzen £hatesmohl,pera
fönlidy nun den Mann verebren zu fönnen, an
Deffen Seite einft fein Vater für Baterland und
Freyheit gefochten hatte. Die Erzählungen def
felben' von Serafino’s rühmlichen Thaten uns
fer ibm, und feinen frühern unfer. P ompilia
32
'
x
— 3566 —
ni Ciattene und Giafferri ſtellten ihm die
Würde des echten Patrioten in ihrem ſchönſten
Lichte dar; wogegen der alte Krieger bis zu Thrä⸗
xen gerührt wurde, wenn ihm Bonaventura
den gottſeligen Wundel ſchilderte, welchen eben
| dieſer Serafimsigegenwärtig unter dein Nabe.
men Anfelmo führte. Große Anlagen zur Relis
giofttät und lindli che Frömmigkeit veredelten den
. Charakter und den Patriotismus des Greiſes fo
wohl, als ſeiner GSoͤhne, und je deutlicher Bonas.
ventura dieß an ihnen erkannte, deſto feſter
ward auch fein Vertrauen zu Paſquale's
Sreundfchaftundzu®tarcinto’s Erfahrungen.
Da er nun das Studium der ältern und neuern
Kriegeskunft nach dem Wunfchefernes Vaters für
den Zweck feines Aufenthaltes in Neapel anges
geben hatte, und der Dberfte in diefer Abſicht
den wirklichen Dienft für ein unentbebrliches Mit⸗
tel hielt, fo ließ. er fi) auch, ohne Bedenken von
ihm dem Könige vorführen, der ihn auf Paos
. 4’s.und.Giafferrfs dringende Empfehlung
bey dem Corps der Corſen, und weil er durch:
aus feinen Gold nehmen wollte, fogleich als
Lus getenente anftellte.. Er füumte nicht, ſowohl
— 357 —
‘ feinem Vater, als audy feinem Oheim davon
Nachricht zu geben, und beyde bezeigten ihm
darüber ihre innigfte Zufriedenheit, diefer, weil
er glaubte, dag nunmehr in feinem Neffen der
Eorfe völlig erſtorben fey, und nichts Gewiſſers
erwartete, als daß Reapel in einem Bündniffe
mit Deftreich Genua nächſtens angreifen dürfte;
jener, weil er hiermit fenen Sohn auf dem We:
ge fah, dem Bedrängten Baterlande einft von
mehrern Geiten benftehen zu Eönnen.
Es lag in Bonapentu ras Weſen, daß er
alles, was er begann, mit ausdauerndem Fleiße
fortſetzte und es ſo feſt hielt, als waͤre es der ein⸗
zige Ziweck feines Dafeyns; aber er begann es
nit ehe, als: bis er es von feiner idealifchen
Seite gefaßt, oder vielmehr die Einheit des Ide⸗
alen und Wirklichen in ihm erfchauet hatte. Durd) |
die Form dieſer Einheit erſchien ihm auch die Krie⸗
geskunft-auf gleichem Range mit der Kunſt des
Shönen;; fie war ihm lebendige Poefie, Kunft
der Kraft, hohes Epos des Haffes, in welchem
die toͤdtende Eigenthümlichkeit im Leben: ımd in
der Liebe der Allgemeinheit untergeht.
„Für mich,” fagte er in dem Schreiben an
3
Abbate Currado, womit er die Ueberfendung
feiner Büdyer und Geräthfchaften verlangef, „hat
„sich die Weltordönung unter meinen gegemmärs
„tigen Geſchäften wieder um Ein Uebel vermin:
„‚vert; ich nerehre die TJdee des. Sriedens, und
„liebe den Krieg, Er ift mir der Lebena⸗ Prozeß
‚der Geſellſchaft, in, feinem Urfprunge und in
„feinen Wirkungen gleich dem Lebens⸗Prozeſſe in
„der Nafur; er ift das euer der Staafenmelt,
„dieſer eben fo. nothroendig zu, ihrem, Erzeugen,
„Verwandeln und Bilden, wie das Nuturfeuer
„im Schooße des Erdballs; lodert 28 auch nicht
„immer in, lichten Flammen auf, ſo brennet
„und arbeitet eg doc) beharrlich im Innern fort,
„und, mas unter dem, Scheine. einer jetzt erſt ent⸗
„ſtandenen Öeftalt hervor bricht, hat. feine, im
„Berborgenen zufammen gedrängfe, Kraft ſchon
„längſt gebildet. Ob unter dieſen Palingeneſien
„bier. Inſeln verſinken und andergwa neue her
„auffteigen, dorf ganze Öebirge zuſammen ſtür⸗
„zen und in andern Gegenden. neue Dulcane ih⸗
„re Schlünde. öffnen, maß. liegt. daran: das
ae
wBarzen wird dadurch nicht geftörf. Wer wür:
— 30 —
Ade ſich· auch um die ſchoͤnen Blaͤtter des Pla⸗
„tans bekümmern, wenn fein gefunder Stamm
„fallen muß, damit aus feinem Holze ein einlas |
„dendgs Brautbett, oder. ein Tiſch zum fröhlis
„ben Mahle gefertiget werde ıc. ıc.
„Ein ewiger Sriede, wollten wir ihn auch
‚An der Wirklicykeit als möglich gelten Taffen,
„ware ein ewiger Tod aller Voͤlker⸗ und Staa⸗
‘mfennereine; der Krieg. ift die Bedingung ihres
„Lebeus, und gerade Die Idee des ewigen Frie⸗
„des das Princip, das jenen verewiget. Das
„Geheimniß ihres Beſtehens, glaube id) in dem
‚‚Zufammenftoße entgegen gefeßter Beftrebuns.
„gen gefanden zu haben; die eine ſcheinet mir
„mit der FDee:des Kriedens gegen den Krieg oh⸗
„ne Unterlaß anzukämpfen, die andere den Krieg
„Immer neu anzufachen, damit im Leben der
„Böller, iwie.im Leben des Nigtur, das Gleich—
„gewicht bedingter Kräfte. fortwährend geflört
‚and: fortwährend wieder bergeftell€ werde. Gie
„erſehen hieraus, daficy.yon dem Glauben.an
‚ine eigentliche Eroberungsfudf. und Herrſch⸗
- „begierde in den großen Weltenſchütterern abe
‚Kzünsig.geinorden ſey; tin heiligqres Jeuer en$:
- m—-.
„flammte ihre Geele, als die erlöfihende Glnth
„dieſer kleinlichen Leidenfchuften ‚von deren letz⸗
„ten Fuuken ihre biftorifihen Richter, und:oft.fo-
„gar fie felbft,, über: die Richtung und die Wür⸗
„pe ihres Kampfes gefäufcht wurden. Das Be⸗
„tenntniß meines linglaubens kann mich iz dem
„Lichtkreiſe Ihrer Frommen meines Platzes nicht
mentfegen, denn irrs ich nicht, fo wiſſen fie alle
„mit mir, daß die ewige Menſchwerdung Bots
„tes. in der Natur üherall nur lebend, Tampfen)
„und wirkend ſich offenbart, und Gottes Sohn
„das Mittel zu dem’ Iwecke feiner Erfcheinnng
„in der Menſchheit, für alle Ewigkeit nicht an;
„vers ausgefprodyen hat, als, er .fey gekommen,
„den Krieg, wär den Zrieden in die Welt zu
„ſenden.“ 1e. 20... 0..."
Bon diefen —* und Anfichten gekeite,
Sonnten- Ihn weder die gewöhnlichen Dienftübun
‚gen mit der ihm untergeordneten Mannſchaft,
noch die Borlefungen des gelehrten Tactikers
Palmieri, welcho er anausgefstst hörte, ermü⸗
den oder feinen -Geift abfpanneri; jene: fomohl
‚als diefe lieferten ihm nur mannigfaltigen Stoff,
an welchem feine Kraft in der fiheinbaren Biel:
— Hr —
artigleit der Dinge die göttliche Form der unbes
dingten‘. Einheit anzufchauen fich üben -tonnte.
Selbſt die. Geſchichte der Voͤller und Gtagten
ftelkte+fich ihm unfer diefer Beichäffigung als eis
ne beiligere Kunde des Weltgeiſtes dar, ımd die
Erangelifien deſſelben, Thuky dides, Poly:
bius, Appianus und Lipius waren ihm
nicht mehr kũnſtliche Hiſtorien⸗Schreiber, fonderu
erleuchtete Seher, welche ihm in dem Spiegel
ihrer Schriften den Kampf zwiſchen der begraͤnz⸗
ten Frey heit und der allumfaſſenden Rothiven-
digkeit, durch eine höhere Weltorduung auch in
der Wirklichkeit vermittelt zeigten.
„Go weit id) auch,“ ſchrieb er an Peral—
di, „in die Geſchichte der ältern Seroen und
„neuern Helden eindringen mag, nirgends. fin⸗
„Deich ‚in ihrem Drange zu dem Schwerte
„das angſtliche Arbeiten der Eleinlichen Sucht zu
„erobern oder zu berrfchen, überall nur die Ealte
„Eutſchloſſenheit, das finnlidhe Daſeyn für die
„Abadang oder für den Genuß des Lebens in
„der Idee aufzuopfern, und den Schein deſſel⸗
„ben für feinen eigentlichen Werth, hinzugeben.
„Go viele Kriege auch in den Annalen der. Böl:
.
,
— .u—
„ter vor meiner Seele vorüber ziehen moͤgen, id
„ſehe fie alle urfprünglidy) von einer Idee entzun⸗
‚net, Dft waren ſich ihrer die Urheber des Lrie⸗
„ges bewußt; am öfterſten wirkte fie, von ihnen
„ſelbſt nicht erkannt und ganz im Verborgenen,
„nur durch die verſchiedenen Aeußerungen ihrer
„Eigenthümlichkeit. Nicht Sparta's Stolz, fon
„dern ſeine Idee vor der Erhabenheif einer firen
„gen: dürgertugend über die Cultur Der Zunft
„fachte die Slamme an, weldye endlich Attika’s
„Glück und Größe verheetet hat. Nicht der Ehr⸗
"ngeis'bea Philippus, fondern Me Ider, dof
„das. Schwächere dem Stärkern , das Estartete
Adem Unverdorbenen nad dem Rachſchluſſe des
„Schickſals gehorchen müffe, madyte dir Male
„donier den Briechen unüberwindlich. Nicht eine
„glüdliche Verwegenheit, weiche die GStelleder
„Tapferkeit erfeßfe, fondern die Idee eines als
„gemeinen Böltervereins unter dem Bande der
„Griechiſchen Eultur trieb Alerandern ſieg⸗
„reich vom Granikus bis an die Mün dungen
„des Indus. Ohne die Idee von einer ewigen
„Vorbeſtimmung gur Weltherrſchaft wäre die
„Stadt des Romulsa nicht die Gebietherinn
-
1
„aller Bölker, und ohne die idee von einem,
„une-durd, die .monardyifhe Sprm möglichen,
‚„Staatsglüde Cäſar nicht Harr der Römer |
geworden. Nur in dem lebendigen Gefühle eis
‚mes: göttlichen Berufes zum Dienfte des uns
„Nhtbar waltenden Verhängniffee ward der
große König der Hunnen eine Geißel der ver:
aseltenden Temefis über das öftlidhe und weſt⸗
„liche Reich; und nur die andächfige Anfchaus
‚ung eines eingigen , felbftftändigen, allerbarm=
‚berzigften Ecbarmers im Univerfo begeifter:
„te den Sohn Abdalla's zum Geber, zum
„Apoſtel der Einheit Gottes, zum Eroberer und
„Gefeßgeber von mehr als einer halben Welt.
„Mon nehme Carl dem Großen die kräftige
„Ahndung von der Bortrefflichkeif. des Ehriften«
„thumes, und Fein Berlangen, fein Reid) zu ers
„rveitern , keine Herrſchſucht, keine Ruhmbegier⸗
„de wird ihn. bewegen „ in den wüften Steppen
„des. Sachſenholkes Lorbern der Tapferkeit zu
„ſuchen. Man, überfehe den romantifc) = gofffe:
„Kgen Auffhmung des Zeitalters zu dem Idea⸗
„len, und die heiligen Kriege jm Drient bleiben
„ein durchaus unerklaͤrbares Raͤthſe el.’ ıc, ıc.
— 4 —
„Iſt nun lediglich die Idee, wie es mir ſchei⸗
„net, der Geiſt und das Leben des Krieges, fo
„kann durch ihn auch nur der Religiöfe zum fies
„genden Helden werden. Wo bey gleicdyen phy⸗
„ſiſchen Kräften ein größerer Reichthum und eis
„me tiefeve Klarheit der Ideen, mithin eine reich⸗
„lchere Fülle des religiöfen Stoffes vorhanden
iſt, dorthin wird audy der Gieg fid, unfehlbar
„neigen; darum Bann ich mich des Streitens
„Raum -enthdlten, wenn id) hören muß, wie ge:
„lehrte Tactiker ſcharfſimigen Berechnungen,
„künſtlichen Verbindungen und klũglich angeleg⸗
„ten Planen zuſchreiben, was immer nur die
„plöslihe Wirkung des religiöfen Genias ifl.
„Im Reiche der Ideen einheiinifch, frey und alle
„überfchauend, entfcheidet diefer ſchnell, wo faus -
„fend Andere, was zu than ſey, erſt forgfältig
„prüfen, mübfam berechnen und reiflich ermä«
„gen müffen. Ein irreligiöfer, an Sdeen armer
„Deerführer, der an das Kriegsſchwert greift,
„it mir fodann wie ein kühner Atheiſt, der Meſſe
„tefen, oder wie ein geübter Farbenreiber, der
„Michelangelo’s jüngftes Gericht eopieren till;
„er muß dem religiöfen Helden gegen über fal:
— 365 —
„len, doch follte.er fiegen,, fo. würe eg fein Bes
„xweis der ihn Bbelebenden Kunſt, fondern des:
„Vortheils, daß fein Gegner an Reigivfitätund
„an Ideen noch demer war, als er.ıc.ıc.
Bas Bonabentura in diefem Geiſte an-
Currado, anPeruldi oder arfemen Vater
bisweilen ſchrieb, war ‚größten Theils das Er»
zeugniß, welches fidy anter dem öffern Gedan⸗
kenwechſel mit fänem Sreunde Pafguale’durdh
den Widerſpruch des letztern in ihm entwickelt
hatte. Mehr verſtändig als gemürhlich, mehr"
fromm als religibs , und weniger finnig als ge«
lehrt, konnte ihm Pafquale nur felten, und mie
fehr weit, in die höhern Regionen folgen, in
welche er ihn fo:gern mit fich hinauf gezogen hät⸗
te: : Sein Widerftreben ſchwächte indeffen ihre
gegenfelfige Zuneigung jeßf nody nicht; es vers
flärkte in Bonavenfura nur die Kraft, wor.
mit er fich gegen, die ſtarken Verſuche deffelben,-
ihn zu fich herab zu ziehen, auf feiner’ Höhe Bes
haupten mußte. Jener liebte in dieſem den rein
nen deln Menfchen und gutmüthigen Vernunft
ſchwärmer, ohne: die Lleberlegenheit feines Geis
ſtes zu erfennen oder zu fühlen; und diefer adj«
\
— 366 — |
tete in Pafquale den befonnenen, rechtſchaffe⸗
nen und kenntnißpollen Mans, ohne an der
Möglichkeit feines Tünftigen Aufſchwunges zu
dem Höhern zu verzweifeln. Beyde trieben mir
einander, außer der Kriegeskunſt, noch mean:
cherley andere wiſſenſchaftliche Beidyäftigungen.
Gie lafen die Alten, nur mußte Bonaventura
feinen Freund mit dem Platon verfchonen; fie
befuchten fleißig den Pater de laTorre, um
ducch feine phyſikaliſchen Verſuche ihre Natur:
kenntniß zu erweitern; allein von einem ewigen,
göttlichen Leben der Natur durfte er nicht ſpre⸗
chen: fie nahmen Theil an Eyrillo’s Vorle-
fungen über die Rechtstunde, aber aud) hier, fo
wie in allem Uebrigen, blieben fie nur bis gur-
Ausmiftelung des Stoffes vereinigf. Der Eine:
war bloß gewohnt, alles nach feiner eigenthüms
lichen Tauglichkeit zu benugen, der Andere fühlte
fidy allenthalben geörungen, 86 zu vergeifligen ;.
dieß nannte Paſquale Metaphufit, gegen wel⸗
che fich in ihm ſchon auf der Akademie die ents
ſchiedenſte Abneigung begründef hatte. Gern. lei⸗
ftete ihm jener Geſellſchaft auf feinen Wanderun:
gen in. die ßafacomben, auf den Paufilippo, auf
1 — %7. —
den Beſuve und überall. hin, wo die Majeſtät der
Natur in ‚Eräftigern. Beftalten ſich untündigfe;
-denn da mar es, wo ſich Paſquale's andächti⸗
ger Sinn bis zur höchften Liebenswürdigkeit ent.
faltete, dagegen. begleitete diefer feinen Freund,
fo oft errs wünfchte, dpch mehr aus Befälligkeit
als aus Geſchmack in daß Heiligthum der Kunft,
in weldhen es aber Bonaventura nie vere
- modyte, ihn pon dem bloßen Wohlgefallen an
dem Schönen zur religiöfen Anficht feiner höhern
Bedeutung zu euheben.
Diefe Berfchloffenheit feines Gemuͤthes fire
alles, worin Bonaventura eigenflichlebte.nös
thigte endlich diefen, feinen eg größten Theile
allein zu wandeln, bis er von Currado an den:
Theatiner Don Antonello eine ihm fehr er«
wünfchte Anweiſung erhielt. Bon diefem ward _
er in eine Öefellfchaft eingeführt, weldye mit dem _
geheimen Kreiſe des Abbate in Rom den Tabs
men, die Verfüffung und die Ricyfung gemein
hate. Nur in der Wahl des Stoffes unterfihie:
den ſich die Frati Prattici zu Neapel von den
Römifchen, indem ihnen nicht, wie diefen, die
Myſtik der Naturwiſſenſchaft und Theologie,
— BB —
ſondern die Myſtik der Archäologie, der Muft
und der Kunft dag Element ihrer gegenfätigen
Erleuchtung and die Quelle ihrer gemeinfdaftl
chen Benüffe mar. Die Gefelffchaft beftand aus
Gelehrten, Künftlern und Dileffanten; allein we
der der Reſchthum an Kennfniffen, noch der Kuhn
der Meifterfchaff, ſondern nur unverkennbar
Merkmahle eines hoͤhern teligiöfer Ginnes öff⸗
neten zu ihr den Zutritt. Von dem, was der.ge
meinberühmte Cicerone, Muſiker, Mahler ode
Bildhauer Antike, Styl, Form, Gas, Linte,
Eolorit, Incarnat und dergleichen nennet, war
dort nie die Rede; auch Bon dem nicht, mas
bloß durch dns Scheinen oder durch das Rad:
ahmen flit ſchoͤn gehalten wird, ſondern köiglic
von dem' Unbedingten, Ewigen und Helge,
welches ſich auf den zwey Hemiſphaͤren des
Schörien, der ſinnvollen Hellenikund der liebli⸗
| chen Romantik, durch Die Kunft der. religiöfem
Anſchauung, darbiethet. Micht das Erforſchen
und Auffaſſen der Kunſt in ihren Wirkungen,
fondern ‘das Erkennen, das Wiffen des Höhern,
aus dem fie floß, das gleichfam neue Schaffen
der Schöpferinn war die verbindende Idee ihrer
Ber:
Vereinigung, in welcher B onapbenfura ſchon
nad) feinem dritten Beſuche in die Elaffe der S es
ber erhoben wurde, und wo er nun die beliften
und feligften Nächte feyerte, bis ihm der ſchöͤn⸗
fie und herrlichſte Tag feines Dafeyns erſchien.
Die erfte Ausftellung oder Aufdeckung eines
größern Werkes von einem vorzüglichen Künfkler '
war in Neapel immer ein Feſt, zu weldyem fidy
ſowohl Kunfiverehrer als Kunftfenner aus der
Gtadf und aus den enffernteften Gegenden haus
fenweife verfammielten. Die Einladung zu einem
ſolchen Feſte war jeßt von der Kirche Santa Chia⸗
ta ausgegangen, mo die don dem berühmten Se⸗
baftiano &oncavollendefen®emählde an dem
Gewölbe aufgededt werden follten. Bonavens
tura, der in der legten Berfammlung der Fra-
üi pratsici, ihrem Auftrage gemäß, aus Solimes
na’s vorzüglichfien Kunftwerken gu San Do—
menico maggiore, San Paolo, San Filippo
Neri und in der Earthaufe zu San Martino den
Umfang der Jdeen und den religiöfen Geift defe
Ua
— — — 2 —
⁊ — — — ——
- mw —-
ſelben zu allgemeiner Befriedigung dliögemittelt
hatte, ward von ihnen nun auch nat) Ganta
Chiara abgefandf, um das Verborgene, mas
Conca's Genius dorf angedeutet haben dürffe,
der Geſellſchaft nach ſeinen Anſichten zu enthüllen.
In derruhigſten, heiterſten Seelenſtimmung
ging er bin, in feinem Gemüthe war der Himmel
ſchon aufgefchloffen, deffen Bild in der Verkla⸗
tung der heiligen Chiara erft aufgedeckt werden
ſollte. Die praͤchtige Kirche mar mit Menſchen
aus allen Claffen, Ständen und Gegenden ans
gefüllt. Unter feyerlihem Trompeten: und Pau:
Penfchall ward der Vorhang von dem Germölbe
des Schiffes in die Höhe gezogen, nur die Kup⸗
pel des Sactariums ‘blieb noch bedeckt. Vor
demſelben war das Chor errichtet, ciuf welchem
jet die auserlefenften Tonkünſtler ein Draforium
von $omellt aus der Legende der heiligen
Chiara aufführten. Unter demſelben verfentte
fi) Bonaventura in die Betrachtung der vor:
trefflichen Bildungen; alein je größer, Fühner
und vollendeter ſich ihm die Erfindingen des
Künftlers antündigfen, defto feltfamer und drüß:
kender fühlte er fid) im Herzen beengf. Die An:
- m
firengunig feinet Aufmerkfawlelt, womit er die
Daiftellung des Wunders, wie die Heilige mit
dem Ciborium in der Hand einen Haufen raubs
fühtiger Saratenen pon dem Kloſter zurũck ſcheu⸗
chet, und weiter hin, die Aufnahme der Bundes;
lade in deu Sempel, Saloıno’s Einzug in denfels
ben und Die Huldigung der fhönen Königinn
pon Saba dor dem weifen Könige, prüfen woll⸗
te, madyte ihm nur dieß fonderbate, mehr weh:
müthige als mißbehagliche Gefühl deutlicher. Er
würde es ſich aus feinem Abſcheu vpr den Caſtra⸗
tens Stimmen; deren Dafepn, als die ſchaͤndlirhſte
Entheiligang der Kunft, ihm ſtets ein Gräuel
war, erfläref haben, wäre ihm nicht immer fo
zu Muthe gemefen, fo oft ihm etwas Außerors
dentliches bevor ſtand ; doc mas ihm hier be⸗
gegnen follte, konnte er auch nieht auf das Eut⸗
ferntefte ahnıden.
Endlich begann das Draterium den Yubels
gefang der Engel bey der Aufnahme der heiligen
Chiara in die ewige Ölorie, und der Vorhang
verſchwand auch von der Kuppel des Sacrari⸗
ums. Da erfhien, von der Kunft geftaltet, mas
das Chor hefang, und Aller Augen waren dahin
Ya a2 \
_ 372 —
gerichtet; uur Bonapvenfura’s Blick wurde
bon:einem andern Gegenſtande feſt gehalten.
Anf der oberften Stufe des Hochaltars ſtand der
Prior von Gcala cäli, den er ungeuchkef feiner
Entfernung beftimmet erkannte, neben ihm ein
etwas bejahrter Mann, edel, leidend und ehr
würdig von Anfehen; diefem zur Seite ein Mät:
chen, eirie Eleine, ſchlanke, holde Geftalt, von
einem weißen Schleyer mit eingeflicten Ste:
nen umfloſſen, das ?lare, feelenvolle Auge hin:
auf gegen die, im Schooße der Gottheit ru:
hende Seilige gerichtet, und in feinem großen
Blicke das Licht und die Seligkeit des Himmels
in ihrem Innern ausftrablend. Ale feineGefühle
perfündigtenihm: „das iſt ami ll a’sTodter;"
und durd) fein ganzes Weſen wiederhallte die ber
geifternde Kunde: „es ift deine DIympia!“
Er hatte feinen Standpunct auf der Gale
rie, freudetrunken eilte er jeßf in die Kirche hin:
unfer und drängfe fid) gegen das Garrarium
vor. Es dauerte Tange, bis erdem Hochaltar nã⸗
her kam, um fo mehr Zeit gewann er, ſich #
ſammeln, und die erſten Aufwallungen der Leis
denſchaft zu unferdrädten, Ganz befonnen trot
\
er den Priör an, der feinen Gruß mit ausgezeichs |
nefer Freun dlichkeit eriwiederte, und ihn fogleich
dem Grüfen Salicetti, als den biedern Sohn
des würdigen Gerafino di Drnano, und
dem Sränlein, als einen, eben fo befdyeidenen y
als geiftreirhen, Künftler vorftellte, Als der Graf
hörte, daß. Bonapentura von feinem Vater
ein Schreiben an ihn hätte, [ud er ibn auf den
folgenden Zag nad) Pozzuolo ein; ımd dieß er=
leichferte dem jungen Manne die Herrſchaft über
fih felbft, um nicht durch unbeſcheidene Blicke
das Zarfgefühl des Engels zu verlegen. Um fo
öfter wendete fie ihr Auge auf ihn, und bald ers
roͤthend bald erblaſſend, faßfe fie den ernflen,
hohen Ausdrud feiner Eraftigen Züge, wobey fie
nur der Prior bisweilen überrafchfe. Das Ge:
ſpräch ging zu &onca’s Gemählden über; und
wer hätte fie diefen Augenblick finnreicher wür⸗
digen fönnen, als Bonapenfura, dem fich
mit ihnen zugleich der ganze Himmel feiner glüde
lichen Zukunft enthüllet hatte. Yegt erſt ſah aud)
er die heilige Nonne in der Glorie der vergüffs
lichten Menfchbeit; in feiner Iprifchen Stimmung
gewahrte er nicht das, in der Anordnung auch
— 374 _
bier zu firenge gehaltene, Ehenmaß, das diefem,
fo mie allen Werken diefes Künftlers, eine widri⸗
ge Beymiſchung des Froftigen gab. Ergriffen
von dem göftlichen. Wefen , das ihm zur Geite
ſtand, ſprach er und machte auch den Grafen
und DIinmpia in Eonea’g Gebilde Dinge |e
ben, die nur er in’ feiner gegenmärtigen Begei
fterung darin erſchauen, oder hinein fragen konn
fe, Seine Rede erleuchtete den Geift und drang
in das Herz; fie gefiel dem Grafen und Diym
pig nahm fie in ihre Geele auf, twie die knoſpen
de Blume den erfriſchenden Morgenthav: als
jener hernach ben, dem Abfchiede feine Einladung
wiederhohlte „ſetzte er noch hinzu er möchte ſei⸗
ne Maßregeln fo nehmen, daß ihm nichts dröng—
te, Pozzuolo fo. bald wieder zu, verlaſſen, im
Salle ihm der ftille Aufentbalt daſelbſt behagte.
Don g eonello drädte ihm die Hund, umd
ſprach mit einem bedeutenden, hoffnungsvollen
Blicke: „Die Gnade des Allerhöchſten ="
Nicht in Catacomben und unter Ruinen,
auch. nicht im betäubenden Volksgetümmel a
dem Strande Chiaja, oder zwiſchen den ptaͤch
tigen Palläſten der Straße Toledo vermochte e
| — 35 —
jest, wie fonft, zu wallen; i in Die Carthauſe auf
dem Berge San Elmo, trieb es ihn hinauf; dort,
wo ‚die ganze. Stadt mif ihrer Pracht, mit ihrer
Geſchäftigkeit und mit ihrem Elende zu feinen
Füßen lag, mp fich ihm von der einen Geite dag .
Leben. des AU durch den raychenden Schlund
des Veſuv in. feiner Zerflörung Des Alten, bon
der andern, über die lachenden Hügel des glück⸗
lichen Campaniens, in ſeiner Kraft, immer Reues
zu ſchaffen, darſtellte; mo ihm abwechſelnd, auf
der weiten Ebene von Nola und auf der wogen⸗
den Flaͤche des Meeres, dag Bild eihrer ſcheinba⸗
ren Rube und einer emigen Bemmegurig begegne:
te; dort, im Schooße der freyen ‚ in jhrer Liebe,
wie in ihrem Kaffe, ſtets einigen, ſich immer glei.
den, überall ſchönen, graßen und erhabnen Na:
tur mollte er die überfließende Gülle feiner Luft
und Seligkeit ausftrömen laſſen. Wie der Hlig
die ſchwüle, düſtere Nacht erquickt und erhellt,
ſo hatte ihr Blick, der einzige, dem er den feini?
gen entgegen zu fenden magfe, das Epaos ſei⸗
ner Empfindungen mit Licht und Bonne durchs
‚drungen. Der mächtige Blitz ward in ſeiner Öse:
le zum bebarrlichen Sich ffrapl, in dem er allent⸗
‘
— 6 —
halben nur das reizende Auge ſah, woraus er
hervor gefchoffen war. Nimmermehr entſchwand
‚Ihm Olympiad's himmliſche Geſtalt, und in ih⸗
tem Abglanze ſchien ihm die ganze Welt, die ei⸗
ne ſowohl, die er in feinem Gemüthe trug, als
dle andere, melche er von außen liebend ımd
froblodend umfaßte, durch Liebe aufgelöft und
neu geboren.
"Unter den entzückenden Zauberbildern ſei⸗
ner Phantaſie und der füßen Schwärmerey feis
ner Gefühle fab er jegf die Sonne den fernen Flu⸗
then des Dreans zueilen ; aber die Sonne feines
innern Tages ftand in der vollen Pracht ihres
Aufganges. Die berannahende Abenddämmes
rung gemabnte ibn der Sfunde, zu melder feine
Steunde fid) gewoͤhnlich verfammelten, und der
Verbindlichkeit, die er gegen fie übernommen
hatte; er ging nach Haufe, bath feinen Dberften.
. am Urlaub, und begab fidy, jubelnd über die
vierzehn Tage, die ihm Giaccinto Bemilligef
Baffe in den ehrmürdigen Kreis der Brüder, um
die Begeifterung der Liebe durch feine Kunftof:
fenbarungen erklingen zu laffen, und in der Ans
befhung des ewig Schönen die Nacht mit ihnen
— hy) —
zu durchwachen. Seine Begleiter nad; Pozzuo⸗
lo waren Platon, Benivieni und Lu is de
Leon; feinevorzüglichften Geräthfdyaften, theils -
eigene, theils Peraldi’s muſikaliſche Gompoflr
tionen und mahleriſche Studien.
1.0
Graf Salicetti war mit Diympia erſt
Bor acht Tagen aus England und Frankreich mit
giernlichem Unmuthe zurück gekommen; ſchwerlich
hãtten die Corſen einen untauglichern Unterhaͤnd⸗
ler, als ihn, nach London ſenden können. Er
war zu rechtſchaffen, zu weiſe, zu groß, um dort
feinem Baterlande wirkſame Hülfe zu-erhandeln,
mo der gemeine Handelsgeift die Stelle einer
weit hinaus fehenden Staatsklugheit vertrat, umd
die Kunft, das Capital der National : Seraft fo
ſchnell, fo oft und zu fo hohen Zinſen als mögs
ii), in Einem Jahre umzufegen, unbefümmerk
um die fernern Solgen, für das höchfte Ziel und
Glück der öffentlichen‘Bermaltung galf. Geine
Darlegung der richtig berechneten Bortheile, wel⸗
de aus Eorfica’s Unabhängigkeit, und ‚der bes
N
— 18 —
denklichen Rachtheile, die aus feiner Unserdrül:
kung von Geiten Öenua’s, oder feiner wahrſchein
liyeru. :Eroberung von, Seiten Frankreichs, in
Zukunft für England unfehlbar erfolgen mif:
ten, fand dort feinen Eingang, wp man immer
nur Gtods und Agio’s, nie die mannigfaltig
Berbindung der Urfachen und Wirkungen zu
berechnen verftand. Er mußte den Schimpf er⸗
fragen, daß den Corſen, alg Rebellen, von
den Öffentlichen Staotsverweſern jeder Beyftand
obgefchlagen wurde, und alles, wag er erhielt,
waren beträchtlicdye Beldanweifungen auffivoom
pon edelmüthigen Privat: Perfonen, befonders |
Katholiken, welche in Salicetti wenigſtens die
Würdigkeit der Gorfen zur Freyheit anerkannten.
Unter dieſen hatte ſich Ritter Shadwell
ganz beſonders frepgebig ausgezeichnet. Erwar
Erbe eines ungeheuern Vermögens, welches ihn
von feinem Oheim vermacht worden war; nu
baftete des Verſterbenen geheimer Wunſch dar
aufs er möchte zu dem katholiſchen Bekenntnilt
zurüd? kehren, welches er felbft qus eigennutigen
Abfichten verlaffen häste. Diefen Wunſch erfiül
te der junge Mann ia Paris, ıpohin er den Cor:
\
— 30 —
ſiſchen Grafen begleitet hatte, Dort fah er die
Tochter defjelben; der Gedanfe, ohne fie, nad)
England zurüd zu reifen, ward ihm zur aner«
träglichen Dual, und nur der Entfchfuß, ihr als
Schatten, dem Grafen als Gefährte fo lange zu
folgen ; big er ſich felbft in Diy mp-i a’s-Befiße
den glücklichſten der Sterblichen nennen könnte,
gab den Belt in ſeinen Angen nach Reiz und feie
nem Dafeyn:Werfdı Der fromme Salicetti«
biebte in ihm, mehr den Neubekehrten, als den
Wohlthäfer der Egrfep; in jener Rückficht betrach»
tete er ihn, ala den Erſtgebornen feines Öeiftes,
indem er den, Uebertritt deſſelben größten Theilg
für eine Wirkung feines freundſchaftlichen Zure⸗
dens hielt; allein Die Möglichkeit, feine Tochter
an ibn zu vermählen, lau fo weit aus feinem Ges
fihtetreife entfernt, daß fienichteinmahl als dunk⸗
le Vorſtellung feinem Beifte vorſchweben Fonnte,
Es war vielmehr ben ihm beſchloſſen, gleich nady
feiner Ankunft in Pozzuolo durch alle mögliche
Mittel die Luft zum Kloſterleben ihr: einzuflößen,
damit fie zu Ganta Chiara Gott ihr Peben weis
hete, welches Camilla, zu feinem unbeilbaren _
- Schmerz; im Dienfle: des Fleiſches, — fie flarb
\ x
"ı
⁊
A
— 350: — |
im Bolhenbetie, — verloren Hatte: dann wollte
er fi) nach Corſica einfdsiffen und im Kampfe
für Baterland und Freyheit ſich ſelbſt in in die. Ar⸗
me des Todes ſtürzen. |
Die zarte Pflege der -Alterlichen Biebe;, der
Bildende Genius des Kanſtgeweihten Bellini
und der mweife Sinn des’ Pralaten Lancelot
batten:fo eben in Oly mp ta die herrlichſten Blů⸗
‘then des Schönen und des Guten hervor geftie
. ben, als die Todesfadel an dem Garge ihrer
Mutter and) in ihr den Keim der Verwelkung
befruchten wollte. Um fie den Umgebungen zu
entziehen, in melchen das ‚Gefühl ihres Ber:
Iuftes unaufhörlich erneuert wurde, brachte fie
. der Bater mit.dem Prälaten nad). Paris; dort
ward ſie Bald durch die Grazie ihrer Geftakt und
ihres Geiſtes der Gegenſtand der: allgemeinen
Bewunderung. Künſtler des erften. Ranges ent:
lehnten von ihre die reinffen Züge der Unſchuld,
Anmuth und Würde zu ihren jugendlichen Mas
donnen, und Platon’sfeltne Berfraute beſchau—
fen in ihr das geiſtvollſte Abbild der Urſchönheit
ih heiliger Andacht. Der Wandel der Nonnen
daſelbſt, der ſtrengern, ſo wie der freyern, ſtand
— Bi
tief unter. ihren Ideal yon einem Leben in Goͤte⸗
lichen, in den Dbfervangen der etſtern Dernußte
fie das Licht und ‚die höhere Galbung, in ven
Sitten der Ießtern die Gefinnung der Währheif
und. Regelmäßigkeit:.märt ihr auch Ner geheime
Wunſch ihres Vaters bekannt geweſen, nichts
hätte fie bewegen können, ihn dort/gu-erfülen.
Sie war jegf in ihrem. fitbzebnten Jahre, noch
fröhliches Kind an dem Bufen der holden Natur,
voll zarfer Weiblichkeit in dem Blumengarten
menfchliher Kenntniffe, ein überirdifches Weſen
in dem Heiligthume der Kunft, gut und gottſelig
in der unwandelbaten Klarheit und, Harmonie
ihres Gemüthes. Roc) hatte fie außer Ihren. Leh⸗
teen mit keinem mämnnlichen Weſen in. fo nahem
Verhaͤltniſſe geſtanden, wie jetzt mit dem Ritter
Shad well. Er war mit ihr und ihrem Baser
gereifef, er wohnte. ununterbrochen in Pozzuwlo,
er befand ſich in der. Blüthe des, männlichen Al⸗
' ters, er mar ernſthaft ohne Trübfirin, aufgee
weckt ohne Muthwillen, gefällig ohne Zudring⸗
lichkeit, mit kluger Sparſamkeit witzig, mit Ges
ſchmack gelehrt, aus Ueberzeugung gottesfürch⸗
tig: es fehlte ihm nur das Eine, daß er in nichts
N
— BD —
dem Weale'enffpraih;, nach deſſen Tenbud ihr
Herz ſich im Verborgenen ſehnte, amd deſſen Le
ben aus ihren liebſten Xunſtgebilden, einem hei
ligen Aloyſtus und einen Chriſtus⸗Kopfe, ſich an⸗
Tündigte. Um ſo unbefangener war ihr Umgang
mi ihm; und fie hatte es Lediglich feiner Klug
beit und Befcheidenheit zu verdanken, daß er
ſich dadurch nicht gu Vorausſetzungen berechtigt
glaubte, welche jeder Unerfahrnere nur zu vor:
eilig gewagt haben würde.
Gebr verändert in ihrem Innern, on ihre
ſelbſt fid) nod) ganz unbewußt, war fie aus der
Kirche Santa Chiara zu Haufe angekommen.
Unter Weges fprady der Prior von nichts ans
derm, als von Gerafino’s Sohne, und alles,
was er zu feinem Nuhme fagte, war fürfiebe
geifternder Text zur Muſik in ihrem Herzen. Auch
Salicesel hoͤrte ihm mit Wohlgefullen zu, nut
‚die Erzählung von feinem Boihaben, in bendr
den der Camaldulenſer einzutreten , und von ſe⸗
nen gluͤcklichen Ruͤckſchritten zu rechter Zeit unter
brach der, für feine geheimen Abſichten beforgft,
Bater auf Diympia wintend. Ihr vrſter Bid
bey dem Eintritte in ihr Cabinett fiel auf ihren
\
— 33 —
Aloyſius und den Ehriftus:Kopf, den fie in Paris
kurz vor ihrer Abreiſe gemahlet hatte. Am erſten
Erſtaunen über die unverkennbare Aehnlichkeit
beyder Gemählde mit einem jungen Manne, der
ihr völlig freind wat, eilte fie, dieſelben den Blik⸗
ten aller Menſchen zu verbergen. Nie wurden fie
wieder aufgehangen; aber ſelbſt nochin der kur⸗
zen Zeit bis zur Ankunft des angenehmen Gaſtes
unzählige Mahl, doch immer nur als die ihr wer⸗
theſten Kunſtverſuche Ihres Genius, befehen: Un⸗
abläſſig ſchwebte fein Bjld vor ihrer Seele, aber
nicht die leifeftellnruhe regte ſich in ihr, deun zu⸗
verſichtlich glaubte fie, ihr Innerftes ſey von
den Wohlgefallen ‘an den Heiligen, nicht an dem
Stemden, voll, Nichts defto meniger konnte fie
am folgenden Tage feine Ankunft kaum erwar⸗
ten, und alle Augenblide hatte fie in dem für
ihn Bereitefen Zimmer zu thun, um es, bald
mit dieſer, bald mit jener Bequemlichbeit, jetzt
mit dem einen, dann mit einem andeen gerath
ausz uputtzen.
Bonaventurag fan an, and GBaticet.
ti’ zweyte Sreude, nachdem er Anfelmo’s
Brief gelefen hatte, waren die deutlichen Anzei⸗
4
gen, daß der&ohn feines &reundes bey ihm bei:
miſch werden und das nahe Dfterfeft mit ihm
feyern wollte; daben fchüttelte er doch, bedenklich
den Kopf, als er ihn Dlaton’s Schriften aus-
packen ſah. Er konnte nicht begreifen: „wie je
„mand, det mit dem Chriſtenthume es redlich
„meinte, neben der hellen Sonne der Bibel noch
„nach dem dürftig leuchtenden Lämpchen eines
„Heiden greifen wolle;“ die Antwort ſeines Ga⸗
ſtes: „um aud) in Platon, wie in allem, was
„Menſchen jeWahres, Gutes, Schönes gedacht,
„gefchtieben und gebildet haben, Chriftum zu
- „finden und auf diefe Weife den ganzen Chri⸗
„ſtus in ſich aufzunehmen; brachte ihn zum
Schweigen; aber fie befriedigfe ihn nicht; daher
in ihm ein gewiſſes Mißtrauen, wodurd ihr ge-
genfeitiges berzlicyeres Aunahern durdy einige
Tage verzögert wurde, und. welches weder Bo-
napentura’s religiöfes Wohlgefallen an den
heiligen. Bildern, tmovon alle Zimmer der Villa
. boll waren, nody die Achfung, meldye er in Ga:
licetti’s Heiner Bibliothek für die Schriften des
Thomas von Kempen bezeigte, verſcheuchen
konnte: das eine wie das andere hielt der from⸗
me
\ ‘ J
— 35 —
me Mann nur für eine gefällige Zurückhaltung
ſeiner wahren Geſinnung.
Um fo zutraulicher begegnete ihm Olym⸗
pia; in eben dem Sternenkleide, in welchem fie
zu Santa Chiara erſchienen mar, ftand fie an
der Geite ihres Baters, als Bonapvenfura
jene Worfe fprach, Ihr reiner Kindesfinn hatte
fie nich£ ner in ihrer vollſtändigen Bedeufung
begriffen, fondern in ihnen auch das Licht zu eis
ner neuen Anfich€ von den Dingen in der Welt
gefumden; und den ganzen Tag harrte fie des
günftigen Xugenblides, der ihr die Sreude gömms
fe, über ihre Gedanken auch fein Urtheil verneh⸗
men zu koönnen. Gie faß des Abends in feiner und
ihres Vaters Geſellſchaft am Elavier, ploͤtzlich
tiefen diefen Gefchäfte ab, da ſprach fie mit der
bolöfeligen Zürhtigkeit der Unfchuld: „Sie has
„ben heute etwas für mich Großes ausgefpros
„hen; ann man auch in dem Sage des Künfts
„les und in den Tönen des nftrumentes Chris
„um finden 2u
„Barum nicht,“ erwiederfe Bonavenfu«r
ra, „warum irgend fonft noch mas, als ihn?
„Sind diefe nicht Nachklaͤnge aus einer Welt,
Bb
— 356 —
„deren Harmonie nur.der reihfte Ausflug feines
„Lebens und feiner Liebe ift; und ift jener et
„was anders, als ein mehr oder weniger glüd:
„liches Auffaffen, Begrängen und Verbinden des:
„jenigen, mas frey, unaufhörlich und unbegränjt
„aus jener Chriſtus-Welt auch durch die Gedle
„des Künftlers ftrömet?
„Dann dürfte ich mir Chriſtum wohl gar
„als die Duelle aller Schönheit in den Dingen
„denken ?“
„Und damit würden Gie zugleich den im
„der Worte Joannis: „„In ihm war das le
m,ben und das Leben war dag Licht der Men:
sen,“ erfhyöpfen, und den Chriſtus der |
„Belt von dem Ehriftus der Kirceunten
„ſcheiden.“
„Darf ich das, da in der Bibel fe es ſey |
„nur Ein Ehriftus
„In Ihrem Geifte, Fräulein, ſteht es gewiß
‚fo Mar wie in dem meinigen, daß das Unter:
„ſcheiden Eines Begenftandes im Gedanken, und
„das Entzweyen deffelben im’ Begriffe nicht &
„nes fey, auch wiſſen Gie fehr gut, daß mit und
„allen Menfdyen diefe fdyöne Gäcilia hier, nu
— 37 —
„als Abbild des Ideals, welches Solimena’s
„Gemüth von der im Himmel Verklärten geſchaf⸗
„fen hatte, nicht als fie ſelbſt, und noch ments
„ger als eine andere, für ſich beſiehende Heilige
„erjeinen dürfe
Nicht eben ſo leicht wird es mir, Ihre Un⸗
„terfceidung. i in dem Eisen Chriftus zu faffen.
„Nein Vater hat mir erzählf, daß Gie mid)
„nod) als Säugling in Eerfaldo oft auf Ihren
„Armen getragen haben; thun Sie dieg jeßf
„auch mit meinem Geifte in einem Gebiethe, in
„dern ich gern ſo klar als möglich fehen möchte.“
„Denken Sie Sich unfere heilige Kirche als
„bloßes Symbol einer einzigen, bier ſichtbar,
„dort unfichtbar, überall. zugleidy lebendigen
„Welt; in diefer unterfcheiden Gie in Ihrem Ges
„danken ein Ein und ein All, und dann denken
„Sie beydes wieder zufammen als eine Einheit.
„Das Ein mögen Gie Sich alsewige Menfchs
„beit, das All als unermeßliche Gottbeitund
„Die weſentliche Ein beit Beyder als unendliche
„Fülle der Göttlichkeit denken ; Bönnen Gie dieß 9
„Mir ſchwindelt, und doch ahnde ic) Licht
„und feften Boden.“ Ä
' ‚ Bba2
®.
— 388 —
„Vielleicht enthüllet ſich Ihnen beydes deut⸗
„licher in folgenden Gegenſätzen. Der Chriſtus
„der Welt iſt das Ein in dem All; der Chri—
„ſtus der Kirche ein Menſch, in dem die ewi-
„ge Menfchheit und die unermeßliche Gottheit,
„das Ein und dag AU vereinigt dem Menſchen⸗
„geſchlechte in der Zeit fich geoffenbaret baf. Der
„Ebriftus der Welt ift gleich ewig mit dem Bar
„tee oder mif dem AU, die Menſchheit gleich
„ewig mit der Goftheit, und bat fein gleiches
„Seyn und Weſen mit dem AU vor, über, und
„ohne Zeit; der Ehriftus der Kirche ward in
„ver Zeit von der heiligen Jungfrau, dem Ideal
„der ewigen Liebe, geboren, und mußte daher
„auch in der Zeit wieder untergehen. Dieſer war
„eine Perſon, im Zleifdye befunden, und uns in
„allem, die Sünde, die Selbſtentzweyung, aus |
„genommen, glei) gemadhf; der Ehriftus der
„Belt bat weder Geſtalt noch Perfönlickeit,
„fondern er ift; und alles Seyn und Leben if
„er ſelbſt.“
„Sie find ein wahrer Priefter, der fich und
„andern die ganze Welt zu heiligen verfteht.” —
Jetzt kam der Graf wieder zurück, und O Iy m:
— 899 —
pia ſetzte mif erhöhten Ausdrucke Allegri’s
Salve Regina fort, wo fie es abgebrochen hatte.
Auf den folgenden Tag war Ritter Gh ad»
well eingeladen, und Bonaventura's Ers
warfungen von ihm waren durch Salicetti's
Schilderungen von ſeiner Rechtſchaffenheit, Klug⸗
beit, Froͤmmigkeit und chriſt lichen Gelehrſam—
keit, beſonders aber durch die Kunde von ſeiner
Freygebigkeit gegen die Corſiſchen Patrioten, ſehr
gefpannt. Bey feiner Ankunft begegnete ihm dafs
felbe, mas er fchon öfters bey neuen Belannts
ſchaften in ſich erfahren hatte; ein dunkles Ge⸗
fühl ſchreckte ihn von dem Ritter zurück. In der
Muthmaßang, daß ihm etwa ein gefährlicher
Nival bey dem Fräulein ahndete, hielt er ſich ſo
lange von ihm entfernt, bis er deutlich erkannte,
daß ihm zwar die Schöne gar nicht gleichgültig;
in ihrer Seele aber nicht die leiſeſte Spur von
Zuneigung, fa nicht einmahl von Aufmerffams
keit für ihn vorhanden ſey. Nun that er auch
hier, was er in ſolchen Fällen gewöhnlich zu thun
— 390 —
pflegte, und was ihn jedes Mahl betrog, er klü—
gelte ſich Zutrauen und Freundſchaft für den Rits
fer an, und fo war er im Stande, auch in dem
Umgange mit ibm fidy felbft dem Grafen und feie
ner Tochter in immer vortheilhafterm Lichte dar:
zuftellen.
Schlimm war es nur, daß zwiſchen dem
Engländer und dem Corfen, außer der Politik
und Gelehrſamkeit, kein Berührungspunck vor:
banden war. Bon der erftern zu fprechen, ent:
hielt fi) Bonavenfura aus Schonung, meil
er die Staatsverfaſſung, welche jener für die
weiſeſte erflärte, gerade für die allerfchlechtefte
hielt, und in feinem Gegner nicht die geringfte
. Ernpfänglichkeif fand für die Bemeife, daß eine
Berfaffung,, in weldyer der Verftand das Ge:
mũth in einem forf unterdrücdte, mithin die Res
chenkunſt alles, die Wiſſenſchaft nichts gälte,
durchaus nicht anders, als ſchlecht ſeyn koͤnne.
Im Gebiethe der Gelehrſamkeit war Shad—
well nicht weiter gekommen, als jo. weit ihn eis
ne richtige Urthei lskraft geleitet hatte ; und ſo war
es ihm freylich ganz etwas Neues, in den Unter⸗
redungen mit dem Corſen über verſchiedene ge
— 391 —
lehrte Gegenftände zu ahnden oder wahrzuneh⸗
men, daß diefe wohl für ein nody höheres Ges
lenvermögen da ſeyn dürften, ale bloß für das
Gedaͤchtniß und die Urtheilstraft. Das Gefühl,
dag ihm Salicetti’s neuer Gaft, fomohl an
diefem Vermögen, als felbft an Kenntniffen meit
überlegen fen, war ihm nicht drüdend, weil Bo⸗
napenfura mehr als einen Beweggrund hats
te, ihn mit ausgezeichneter Zeinheit zu behans _
deln; allein ben aller Kunft, womit er den Rift:
fer und nebenbey auch den Grafen: für fi) eins
zunehmen mwußfe, ging jener dennoch jeßf zum
erften Mahle mißmütbig und trübfinnig aus der
Billa, denn er hatte bemerkt, wie wenig DIyms
pia auf ihn achtefe, und mit weldyer Theilnab:
me, Yufmerkfamteit und Luft fie jedes Wort von
den Lippen des Eorfen gleichfam wegſog.
Täglich mwiederhohlte er nun des Abendg,
zu welcher Zeit Salicefti Gefelifchaft liebte,
feine Befurche, und jedes Mahl trieb er feine Ans
firengung , der Einzigen durch Wis oder durch
Kenntnißfülle gu gefallen, auf dag Aeußerſte;
aber er blieb größfen Theile unbemerkt, und als
‚les Streben, ihre Achtſamkeit auf ſich zu ziehen,
dienfe nur, feinen Berdruß zu vermehren. Gie
borchte wie auf Goftes Stimme, wenn Bona
ventura fprad), und dachte feinen Worten wie
Drakel⸗Sprüchen nad, wenn ihn die Reihe traf,
das Wort zu führen. Der Graf hatte es gern,
wenn der Abend abwechſelnd mit Mufit, Ge
fang und Borlefungen zugebradht wurde; doch
mußfe alles, in feinem Ginne, religiöſen Inhal⸗
tes ſryn. Ohne felbft ein Inſtrument gu fpielen,
war der Ritter Kenner der Muſik, allein zu fer
nem lUinglüde nur gelebrfer Kenner. Bonn.
ventura durfte fidy ſelten von dem @lavier at:
fernen, Salicetti hörte ihn gern, und er fpiel
fe mit einem Ausdrude, den DIy mpia nur im
Geſange erreichen konnte, weßwegen auch fie in
der Regel ſich weigerte, ſeine Stelle einzuneh⸗
men. Ihr muſikaliſcher Vorrath beſtand aus den
Werken des Allegri, Pergoleſe, Conti,
Marcello und Corelliz; der feinige bloß aus
einigen Pfalmen, Kirchen: Symnen und Oden
feines Geiſtesverwandten Luis de Leon. Was
er auch, entweder ohne Rahmen von feinen oder
von Peraldi’s Sägen wählen, und das Fräu⸗
lein, den ihr fo nahen Kuͤnſtler ahndend, mit In:
— 93 —
nigſtem Gefühle fingen mochte, Ghadmell
fand alles zu einfad), zu kunſtlos, zu kalt, oder
zu fehwarmerifdy, und ward der Holden eben das
durch widermwärfig, wodurch er ihr Wohlgefal⸗
len an dem befcheidenen Eorfen ſchwächen moll«
te. 2eon’s begeifternde Noche serena, von dies
fem in der Italieniſchen Sprache nachgebildet und
in Muſik gefegt, weckte in dem Grafen und in
feiner Tochter das Berlangen, mit dem frommen
Didyter Spaniens verfraufer zu werden. Bos
napenfura erfüllte mit Sreuden ihre Wünſche,
und las einige Abende hinter einander vor, mas
er des Morgens überſetzt hatte Shadmell
hatte zu viel Welt, um in die Bewunderung und
den Beyfall, der dem Dichter und Ueherſetzer zu
Theil ward, nicht mit einzuſtimmen; aber ent⸗
halten Eonnfe.er ſich nicht, zu bemerken, daß er
in den Ideen, Bildern und Wendungen des Er:
ftern, bald Sroft, bald Schwulſt, jeßt eine gu
ſelaviſche, dann wieder eine verunglückte Nach⸗
abmung des Horaz wahrgenommen hätte, daß
Milton denn dod) ein größerer Dichter fen als
der Spanifche Mönch, und daß es. diefem fehr
heilfam gemefen märe, wenn er Pope’s Ab:
| — 34 —
handlung, über diefunftinder Poeſiezu
finen, zu feiner Zeit häfte lefen fönnen. Durch
dieß alles erreichte er nichts anders , als daß man
ihm als Gaft mit Rachfichfbegegnefe und D Ing ms
pia ihn in feiner Geiftesarmuth bemitleidete.
In einem hohen Grade befaß er die, bey ges
meinen Menſchen höchft gefährliche Gabe, als
les , was er wollte, auf die feinfte und auch beis
gendefte Art lächerlid, zu madyen; auch diefes
Stachels bediente er fich gegen Manches , wos
mit Bonavenfura ſich der Geſellſchaft gefäls
lig bezeigfe: allein der Englifdye Ritter befand
fi) nichf bey gemeinen Menfchen, wider feis
nen Stadhef hatte fein Gegner unfehlbar fiegen«
de Waffen, hohe Würde im Blide und ein ine
haltſchweres, niederfchmetferndes Wort aus der
Tiefe des Geiftes; und der verwundende Stich
fraf immer ihn felbft. DIgmpia nahm ein ho⸗
bes befremdendes Weſen gegen ihn an, bald fah
er in dem Eorfen nur den Ferftörer feines Gluͤk
kes, und er vermied unter mancherley Bormäne
den alle fernern Beſuche auf der Villa, ſo lange
jener daſelbſt hauſte und ihm den Himmel ſeiner
Hoffnupgen trübte.
+‘
— 395. —
Bonapenfura hatte durch einen Zufall
erfahren, daß alle Abende, bevor man ſich zur
Geſellſchaft verfantmelte, Salicetti in einer
abgelegenen @apelle des Gartens eine andädhfis
ge Stunde feyerte, wobey, außer feiner Tochter,
fänmtlicye Haußgenoffen erfcheinen müßten; als
ibm derfelbe bernady in Olympia's Begen«
mart verficherte, wie er allmählich anfange, ihn
als einen, feinem Haufe Angehörigen zu betradys
ten, widerfprad).er ihm mif der Erklärung, er
könnte dieß dem Manne nicht glauben , der ihn
von feiner Hausandacht ausfchlöffe und Beden⸗
ten früge, fidy feine Geſellſchaft auch durch ge:
melnfchaftliche Anbethung des Allerhöchſten zu
heiligen. „Sie beflagen ſich,“ erwiederte Gali-
cetfi, „über einen Beweis, daß ich die Pflichten
„der Saftfreundfchaft tenne und achfe. Gie find
„Pbilofoph, und zwar aus der Schule eines
„Heiden, Ich habe nichts dagegen, wenn Sie
„darin volle Befriedigung finden; aber das Ge:
„beth einfältiger Leute, die nur die Schule Jefu
„und feiner Apoftel kennen, ift nicht für Mäns
„ner Ihres Geiftes; wie häfte id, Sie dagu eins.
„laden fönnen %
- 26 —
Dinmpie entfärbte fich über das Unrecht,
welches ihr in der Rede ihres Vaters zu liegen
ſchien; doch mit jeden Worte, das ihm Bonas
venfura entgegenfeßfe, erhohlten ſich die No:
fen ihrer Wangen wieder. „Sie find ungerecht,”
fagfe er, „gegen mich und den fo genannten Heis
„den. Hören Gie das Bekenntniß meines Glau⸗
„bens, und dann laffen Gie dieß unfchuldige
„Kind, denn der Geift der Wahrheit offenbarf
„fidy am liebften durch Kinder, über ung Beyde
„richten. Die Kirche ift mir nicht das Chriſten⸗
„ebum; in jener febe ich nur ein Werk der Zeit,
„dieſes ift ewig wie Ehriftus in Gott, und es
/hatte lange vorher, als eine Kirche war, freie
Bekenner, erleuchtete Priefter und in Gott ver⸗
„ſenkte Seilige. Platon, obgleich im Heiden«
„tbume geboren, war eben fo wenig ein Heide,
„als Jeſus, von Jüdiſchen Xeltern erzeuget, und
„das Gefes feines Volkes erfüllend, ein Jude.
„In benden erkenne ich die gefalbten Gefands
„ken des ewigen Chriftus, Das Werk des Er:
„ern wor, das Chriſtenthum der männlichen
Wi ſſenſchaft zu enthüllen; das Werk des
„Letztern, es dem kindlichen Glauben vorzu⸗
J e-
‚„‚bälten. Darum ſoll der Auserwählte, der
„das ewige Ehriftenthum im Wiffen befißt, den
„Berufenen, der es nod) im Glauben ſucht
„oder ahndet, liebreidh pflegen, und dieferjenen
„tindlich lieben, bis auch fein Glaube fidy zur
„Wiſſenſchaft erheben könne. Db dag eine ein
„wahres Wiſſen, das andere eine dytes Glaus
„ben fey , muß die ungertrennliche Einheit in ih—
„rer Ridyfung zur Liebe zeigen. Meinem Geifte
„find Paulus und $oannes fo nahe ver—
„wandt, wie Sofrafes und Platon; und
„meinem Herzen iſt Ihr gläubiger Berwalter
„nicht meniger fieb, als Platon*s frömthfter
„Schüler Xenopbon: in allen erkenne umd
„liebe ich nur den ewigen Chriftus. Und hiermit
„fen es Ihnen' anheim geftellt, was Gie ferners
„hin in mir fehen mollen.” |
„Sie fprechen, fo wahr Goft lebt,“ verfeßfe
der Graf, „etwas Wahres, ob ich es gleidy nicht
„ganz begreifen kann; haft du’s gefaßf, meine
„Tochter, fo wage es, zu entſcheiden.“ — „Er
„ſoll,“ ſprach fie, ‚„„beute und — ewig mit uns
„betben, damit audy ung der ewige Ehriftus
nAdurch ihn fegne und erleuchte.“ Und nun drang
— 38 —
„fie bis zur Abendſtunde in ihren Vater, daß er
„ihm, der fo vortrefflich vorläfe, felbft die Ber:
„richtung der Andacht übertragen möchte.”
Galicetti’s häusliche Gottesverehrungen
begannen täglich mit der Vorleſung eines Copi—
tels aus dem neuen Teftamente, bisweilen von
kurzen Erläuferuugen des Grafen, fo guf er fie
geben fonnte, begleitet; dann folgte ein Gebet)
aus den Meditationen pder Soliloquien des hei:
ligen Auguftinus, die das gemeinſchaftliche
und einzige Gebethbud) des Haufes waren, den
Schluß madıte die Legende des Heiligen, melde
das Hausbud, für den Tag beftimmt hat:
te.*) Es war die Mittwoche in der Charwo⸗
dye, an der Bonapventura zum erften Mahle
in dieſe Eleine Gemeinde eintrat und den Auftrag
) Ein ähnlihes religiöfes Dausbudh zum
taäglichen Gebraude gottfeliger Fami—
lien aus der Blaffe der’ Gebildeten;
wird der Verfaffer diefes Werkes nädjftens er:
fheinen laſſen: denn die Zeit rückt heran, in wel:
der die Gerechten guf Erden auch die Mitge⸗
noffen ihrer Auserwählung in der Glorie 'der
eroigen Welt gern werden beſchauen wollen. .
— 39 —
des Örafen mit befcheidener Bereitwilligkeit übers
nahm. Er lag und erklärte das fiebzehnte Capi—
tel des Evangeliums Joannis mit religiöjer Gal:
bung, er ſprach das Gebeth mit eben der Begeis:
fterung, mit welcher Auguflinus es niederges
fchrieben hatte, und frug dieLegende des Tages,
dag Leben des heiligen Anfelmus, mit einer
fo ergreifenden Lebendigkeit vor, als vffenbarte
es der Heilige felbft vom Giße feiner Ölorie.
Schon unter der Erklärung des Capitels wurden
alle von .der Gewalt der Religion ergriffen, der
Reichthum und die Klaxheit feiner Ideen ergoß
fid) in feine Gefühle, und indem er nur diefe in
Worten ausftrömen ließ, konnte er die Ueber:
wältigung aller Herzen nicht verfehlen.
Bon nıın an mar alles Mißtrauen aug dem
Gemüthe des Grafen verſchwunden, fein Bers
ftauen und feine Achkung für Bonapentura
flieg höher, als ihm.diefer auch bey dem erhab—
nen Kirchendienfte der heiligen Woche zur Fackel
diente, in deren Lichte fich ihm der göttliche Beift
der Geremonien und Formeln im reinften Glanze |
zeigte. Bor dem Guardian CE agaconi und dem
Prior Leonello, weldye fie öfters mit einander
— 400 —
beſuchten, nannte er ihn ſeinen Biſchof, ſeinen
Papſt; und in der Nacht nor feiner Abreife führte
er ihn fogar in ein geheimes, allen übrigen Men
(chen verfchloffenes Gemach, mo er ihn zum Ber-
frauten feiner Leiden und feiner Abfichten machte.
Es war däs Zimmer, in welchem Camilla
ihre Zeitlichkeit vollendef haffe, ganz ſchwarz
ausgefihlagen,, erbellet von einer Lampe, deren
beftändige Unterbaltung er felbft beforgte. Das
Gterbebeft lag nody offen, auf dem Tiſche da:
neben der vier und achtzigſte Pfalm, ihr letztes
Gebeth , aufgefcdylagen, die Uhr bey der Minute
ihres Hinfcheidens unverrückt flillfiehend, zum
Rechten des Bettes die Communion des ſterben⸗
den Hieronymus, eine Copie nad) Carracci, zur
Linken das Bildniß ihres Vaters, der Carthäu⸗
fer@irolamo, in der Öeftalt des heiligen Bru⸗
no, fie, ihren Gatten und DIympia, als
Kind, fegnend. — Unwillkührlich fanten Galis
eetti und Bonapenfura einander in die Ar—
me, und ihre Thränen floffen zufammen. „Hier
„verſchwand,“ ſprach jener, nachdem er fid) er:
mannef bafte, ‚‚mit ihrem legten Hauche zugleich
„mein Glück auf Erden. Mit ihr dahin find alle
„meine
— DI —
„meine Freuden und jeder Reiz des Lebens. Gie
„gebar. mit einen. männlichen Erben, aber todt
„gab man ihn im meine Arme, und auch für mich
‚ „gebat fie den Tod, als ſie nach drey Tagen den
„Dienſt des Sleifches mit ihrem Leben bezahlte. —
„Freund, Sohn, Beine Rührung läßt mich von
„Deinem Herzen Liebe hoffen; ich wage es, dich
„um die Beförderung meines Zieles zu bitten. — _
„Meine Diy.mpia, dieſer reine, aus dem Göfts
„lichen meiner Geliebten hervorgegangene Licht:
„ſtrahl, fol dern Dienfte des Fleiſches entfagen,
„pamit fie ihr Leben in Gott erhalte. Gie ſoll in
„das Kloſter zu Santa Chiara, dann werde ich
„Das Einzige in Eorfica bald finden, wonach ich
„Tag und Nacht mich fehne, Zwingen werde ich
„ſie nicht, ſelbſt der Muth, ihr zuzureden, hat
_ „mich verlaſſen; aber mer den eigenen Antrieb
‚Dazu in ihr erwecken koͤnnte, ſey es Gott oder ein
' „Menfch, den würde ich noch in meiner Todes:
„ſtunde als meinen Erlöfer dankbar fegnen. Du,
„Sohn meines, Freundes und. Baterlandes, ver:
„magft biel ‚ permagft vielleicht alles über fie;
„komm, ſo off es dir moͤglich iſt, zu uns, benuße
‚Deine eindrin gende Kraft zu ihrem und meinem
Ge
x
-
— 402 —
„Glücke, ſprich ihr fo oft und fo vielvon der Si⸗
„cherheit, Schönheit und Heiligkeit des Moſter⸗
„lebens vor, bis’ das Fener des göttlichen Beru⸗
„fes, das unfehlbar ſchon in ihrer Seele verbor⸗
„gen glimnit, in Flammen aufſodert.“
„D, Vater, mas haben Gie gethan;“ er:
wiederte Bonaventura in feiner Beftürzung:
„Ich kann, ich werdo Ihr Haus nie wieder befre:
‚ fen, wenn Sie. auf Ihrer Forderung. beftehen.
„Bertoren ift die Seele, die ohne mahren Beruf
„indie Sallen der Heiligen ſich eindrängf, und
„den Simmel erflürmen wäll, deſſen fie ſich nur
„auf.den, ihr angewiejenen, Begen der Borfe:
„bung wärdig madhen foll.. Nehmen Gie an,
„daß durch mein Zureden umd meine Schilde:
„rungen in DIgmpia die Luſt zum Klofterle:
„ben erwachte, mo hätsen wir den Probierfkein,
„um zu pzüfen, eb ihr Entſchluß abfer Beruf
„oder nur Wirkung meines Gewichtes ben ihr
„ſey; und wäre eu das letztere, erſchienen wir
„deinn nicht vor Gottes Richterfiuhl, Gie als
“ „Uxheber, ich ale Werkzeug ihres Berderbens &
„ODft gebt die Luſt dem Berufe voraus, und
„Bott laͤßt diefen aus Befonderer Öriade folgen.”
U
|
„Es thut mir wehe, fie ſprechen zu hören,
awie einen Vater, der ſeine Tochter an einen,
„von ihr gehaßten Mann vermäblet, in der Hoff⸗
„nung, daß die Liebe ſich noch finden werde.”
Haßt denn Dlympia die Abgegogenheit
„ron der Welt, die innigere Gottſeligkeit und
„jungfräulidye,Reinigkeit %* |
. „Sie fcheinet fie wenigſtens nicht ausfchlies
„Bend unter dem Nonnenſchleyer einheimiſch zu
„glauben; und babe ich fie richtig beobachtet, fo
„bin ich beredhfigt zu behaupten , ihr Geift fehe
„ſchon zu bel, ihr Herz fey zu groß, als dag
„beyde in den Dunkeln und begrängten Umge—
„bungen der Elöfterlichen. “iafarıtei befrisdiget
„werden könnten.“
„Und ich glaube, ihr Geiſt und Herz ſey ſo
„gebildet, daß es ihr leicht werden müſſe, eben
„dieſe engen Schranken ſich zu sinem geräumi⸗
„gen Gefilde der mannigfaltigſten Freuden und
„Genüſſe zu erweitern. Wenn es indeſſen ſo mit
„ihr iſt, wie du ſagſt, fo werden auch deine Schilke
„derungen und dein Zureden ohne Wirkung bey
„ihr bleiben, mithin nidyfs ſchaden. GSicher kön⸗
„men wir daher den Verſuch unternehmen, da⸗
Eco
— 04 —
„mit wir erfahren, wer von uns beyden richtiger
„ſah. Dringend wiederhohle ich meine Bifte, und
„boffe zuverfichtlidy von dir Gewährung.”
" Bonaventura verfprad), zu han, was
er ohne Verlegung feines Gewiſſens vermõgen
würde, und verließ die Villa mit der befeligen:
den Leberzeugung, daß er in der Schönften md
Edelften unter den Töchtern der Menſchen die
ideale Hälfte feines Wefens Bee babe um?
von ihr geliebt werde.
DIympia liebte ihn, aber fie mußfe es
nicht, weil fie nuribn, weil fie fogar in ſich felbft
einzig and ‘allein ibn liebfe, oder vielmehr mit
ihrer ganzen Eigenthümlichkeit in ihn überge
gangen war. Diefe reine, uneigennüßige Liebe
und ihre tiefe Ehrfurcht vor der Größe feines Bei:
ftes ließ den Augenblick der Reflexion über den
Zuſtand ihres Herzens, in der Öegenwarf und
für die Zukunft, nie bey ihr einfrefen; . diefes
kanntekein anderes Wünfchen und Sehnen mehr,
als das einzige, nur für ihn and in ihm zu feyn.
— 45 —
Sie war es, intern fie ſich lediglich mit win be⸗
ſchaͤftigte. Jedes Wort, das in den vierzehn Tan
gen, den freheften ihres: Daſeyns, feinen Lippen
enffloffen wer, hatte fie fid) jeden Abend aufger
zeichnet; aus ihnen entlehnte fie nun das Thema
zu den, Harmonien ihres täglichen Lebens, und
was ſie unter der Leitung ihres Canons zu lieb:
lichen Bariationen felbftthätig zufammen gejeßt
batte, fchrieb fie bey. nächtlichen Stunden nieder,
um es feiner Prüfung, und Beridytigung borzas
legen. Allein geößfen Theils war es für ihn felbfi
neue, überrafchende Belehrung. Der unerklär«
bare magifdye Schein, der alle vollendete Kunſt⸗
ſchöpfungen umgibt, war auch der Heiligenfehein,
in welchem ſich ihr Geift und ihre Ideen vor ihm
verklärten. Was er mit Erfenntniß geäußert hafs
te, ſah er in dieſen treuen Gemäblöen ihres Seyns
mit graͤnzenloſer Liebe aufgefaßt, mit Zartheit
geſtaltet und in den ſüßeſten lyriſchen Schwin⸗
gungen zu einer ſchoͤnen weiblichen Welt verbun⸗
den. Die Unendlichkeit, die er in ſeinem Wiſſen
zu befißen glaubte, und in ihrer Gegenwart in
tieffinnigern Worten auszufprechen, ſich oft gen
ſcheuet hatte, fayd er in den ihm aufgededten
| — KG —
Ahndungen ihres liebenden Bemüthes durch ihr
Gefühl ergründet. Und fo enffchleyerte ſich ihm
auch die. Wahrheit, daß Die Beufche Seele des
Weibes, im goͤttlichen Gemüthe ausgeboren,
frey, ſicher und freudig himmelan ſchwebet, waͤh⸗
rend der männliche Geiſt, bloß der Sohn der
göfttichen Gelbftanfhauung, mühfam neben ihr
zum Simmel klimmet. |
Jede Stunde, die ihm feine Dienſtpflicht
äbrig ließ, alle Tage, die ihm Biaecinto*s
Gewogenheit beiilligte, waren dem Leben der
Liebe mit ihr geweihet, ohne daß das Wort durch
eigennügige Fragen und Geſtaͤndniſſe entheiliget,
jemahls über ihre Lippen kam. GSie waren Kins
der, die, bey der nie verlegten Unſchuld ihres
Herzens und völligen Befriedigung ihres Geis
fles, von einander nichts zu wünfchen, nichts zus
begehren hatten, felig in dem Genuſſe der Ges
genwart leb£en, und die Gorgen der Eigenliebe
für die Zukunft nicht empfanden. Sie luſtwan⸗
delten in der Befelifchaft des Orafen unter den
Ruinen der Römifchen Größe, fie zeichneten und
mablten die Pläße, wo fie einen neuen Jug der
‚Innern Schönheit an einander entdedithatten, fie
\
_— (01 —
feyerten an dem Glavier.begeifternde TBeiheftum '
Den der Kunſt des Unendlichen. Er gab ihr Line
kerricht in der Spanifchen Spradye, erzählte ihr,
nad dem Wunſche des Grafen, die anzgiehend-
ſten Kloſtergeſchichten, erfchöpfte bey nahe den
ganzen Sthatz der religiöfen Romantik; and dieg
alles flets in Anweſenheit ihres Vaters oder an⸗
derer Zeugen: denn forgfältig- vermied er jede
Gelegenheit, mit ihr aBein zu feyn, zu gewiß ſei⸗
nes timftigen Olũckes, als daß er irgend einen
Borgenuß deffelben auf Koften des Bertraueus
oder der Achtung SG alicetti’g m erkau⸗
fen ſollte.
Selbſt Ritter S 5 admell ward durch die⸗
ſe vorſichtige Beſcheidenheit an ihm irre, und ob
er ihn gleich bitter haßte, mar er doch fult fig:
lich wieder der Abendgeſellſchafter auf der Bil
ta; denn ernſtlich hatte er befdyloffen, feinem Zie⸗
le näher zu rücken und einige Lage nad) DIgms»
pia's nuͤchſtem Geburtstage begdem Grafen um
fie anzuhalten. Den Mach dazu flößte Ihm das
gefällige Betragen ein, womit fie ihm ſeit eini⸗
ger Zeit in Bonapentura’s Abweſenheit bes
gegnete; allein von ihver Seite war es nur Mit⸗
— 408 — u
' tel, von einem größern Leiden fich zu befreyen.
So oft fie des Abenda mit ihrem Bater allein
aß, mußte fie ihm einige Aoſtergeſchichten, die
Bonapentura erzählet hatte, wiederhohlen.
Die Bemerlungen und Anfpielungen, womit er
Diefelben begleitete, ließen fie über feine geheimen
Wünſche und Abfichten night lange im Zweifel;
bisweilen gab er fie ihr auf das deutlichſte zu
derſtehen, und jedes Mahl ging er ſchwermüthig
nad in fich verfchloßen in fein Schlafgemach,
‚wenn fie ihn bemerfen ließ, mie ihr ganzes We⸗
fen fi) dagegen empörte. Dieß ging ihr zu Her
gen, und nur Shadmells Gegenwart ſiheri
fie gegen dieſe Dual.
Ihr fiebzehnter Geburtstag erfchien, es war
zugleich Faſtnacht, und Galicetti hatte ein
haͤusliches Freudenfeſt, das erſte nach Camil⸗
Fa’s Tode, dazu angeordnet. Die Sreunde wett⸗
eiferten an Befchenten. Bonapentura’s Ba-
ben befianden in einee Madonna nad) Carlo
Dolci, in einer handſchriftlichen Ueberſetzung
der eigenen. Gedichte des Luis de Leon, in eis
ner muſikaliſchen Compoſition zu deſſen Ode,
De la vida del Cielo, und in einem Lehrgedichte
\
. Be
von der Nichtigkeit des Todes, alles von ihm
felbft: fo leicht hatte er es dem Ritter gemacht,
ihn, dem äußern. Scheine nad), zu übertzeffen,
Ein digmantenes; Diadem, ein Roſenkranz von
Rubinen und Smaragden, ſiebzehn Schnüre
Perlen ad ein Ring. mit einer erhaben.gefchnifs
fenen antiken Gemme waren Die Geſchenke, wo⸗
mit Shadwell die Gaben des Corſen verduns
keln und Olympia blenden wollte. Die Koſt⸗
harkeit derſelben mißſiel ihr, fie fragte ihren Bas
ter, was fie damit machen follte; lädyelnd antz
wortets diefer:. „Behalte fie, wenn du dich am
Tage deiner Geburt für den Himmel und deis
„mer erpigen Bermäblung. mis Gott damitſchmük—
„ten willſt.“ Gorgfälfig lauerte fie nun auf eine
Gelegenheit, mit Bona penfura.ginige Worte
allein fprechen, zu Fönnen, diefe ward ihr, und
siligft fagfe fie: „Sie baben mich heute zu mei»
„mer-größfen Freude mit lauter Gaben ihres Geis
„ſtes beſchenkt, jegt erbitte ich) mir auch eine von
„ihrem Herzen. Sprechen Sie nie wieder in Ge⸗
genwart meines Baters vom Kloſterweſen; da⸗
„mit nicht ein Wunſch in ihm genähret werde,
„den ich heute vor Einem Jahre noch mit Freu⸗
⸗
— ho =
„der erfüllt Hätte; aber fett der Mittwoche vor
„dern leten Dſterfeſte; ohne Yerflörang meiner
„felbft, nicht mehr erfüllen Fan.”
Der Ritter beobachtefe in der Gerne hre ge:
* Beim Unterredung, und feine Besbachlung ward
ibm bald zu einem Geſpenſte, das ihn bis zur
Berzweiflung folterte. Am andern Morgen ſand⸗
ke ihm Diympia das Diudem, den Rofenfranz
und die Perlen mif folgerideni Schreiben zurüd:
„Ran bat mir den Gebrauch ihrer Geſchen⸗
„ee unter einer Bedingung erlaubt, die ich ſchlech⸗
„terdings nicht eingeben kann, ich ſende fie Ih⸗
„men daher zu einer guedimäßigern Berwendung
„zurück und erlaube mir nur noch die Bemer⸗
„tung, daß meiner Berdienfilöfigteit kein Dias
„dem gebührt, und die Redlichkeit in mener Bruſt,
„eben fo wenig eines Perlenſchmuckes, als mei⸗
„ne Andacht eines Rofenkrunges von Sdelſteinen
„bedarf. Daß ich den Ring behalte, mag Ihnen
‚zum Merkmahle meiner Achtung dienen.“
D (y mpia.
Bald daranf erfuhr man in der Billa ‚daß
Shadwell plöglich und voll Unmuth von Pop
J
I en A — f
zuote abgereifet fen ; den Zweck feiner Reife Fins
digte er dem Glücklichen folgender Maßen an!
„Dhne Diympia”s Befik Hat das Leben
„Für mi) allen Werth verloren. Sie liedt aber
„Sie, Barum mußte ich von ihr befchinkpft wer⸗
„den, und was fie fhat, war das Werk eines
„‚Sorfen. Da ich Sie haffe, will ich nichtentfihen
„den, in wie fern Sie mürdig find, das vortreff
„liche Wefen zu Heben; nur das fey ung Benden
„gewiß, daß Einer von uns fterben muß. Zum
„Wurfe des Loofes fordere ich Gie morgen in
„der gehnten Stunde zu dem Gre Agnano, dort
„werden fie mid) und ulles, tots Ihnen dubey
„nöthig ſeyn dürfte, finden. Da mir dad‘ Land,
„in dem ich Gie ald den Zerſtörer meines’ Glük—
„tes kennen kernfe, allenthalben dienſtbate Wichte
„anböthe, die beteit wären, Sie für Eine Uncio
„d'oro auf die Seite zu ſchaffen, fo werden Sie
yinie ich, hoffe, in meiner Ausforderung die Eng:
„liſche Broßmufß, die’ den Meuchelmbrd noch
„ärger haft ala den iind, erferinen, nnd nenn
„Sie den Muth der Ehre befiken, fi ch unfthl⸗
„bar ſtellen.“
Den Brieffand Bonaventkura des Abends
\
— 42 —
auf feinem Tiſche, und ohne dag geringfle da:
von in der Billa verlaufen zu laſſen, reifte er am
folgenden Morgen ab, um diegorderung feines
Feindes zu.erfüllen. Ritter Shadwell war
ſchon auf dem Plage, Zwey Engländer und zwey
Eorfen ftanden da, von ihm für beyde zu Ges
eundanten gewählt. Bonapenfurd ſelbſt hät
fe nicht,beffer wählen können, denn der Eine der
Eorfen warfein Freund Pafquale. Zehn Schrit⸗
fe der Entfernung wurden abgemeffen, die Pi»
ftolen wurden geladen, dem Geforderten gebühr⸗
te der erfte Schug. Mit furdytbarer Kälte hieß
Bonapentura den Ritter zuerſt ſchießen. us
„bin gewiß,” fprad) er, „Daß meine Stundenody
„nicht gefihlagen bat; aber unfehlbar trifft Sie
„aus meiner Sand der Tod.”
Shadwell weigerte fi, und auch die@orfen
thaten Einfprudy. Bonaventura ftedte einen
Stab in die Erde, in die obere Spalte deſſelben
ſchob er einen Earlino sin, traf -feitwärts, gerade
Der Sonne gegen über, fünf und zwanzig Schrits
fe zurüd, ſchoß die Mütze weg, ohne den Stab.
zu verlegen, ftellte fid) mieder auf feinen Platz
und ſprach: „daß Gewißheit, nicht Bergweiflung
— ä13 —
„meinen Vortheil mic) hingeben heißt, das ſeht
„ihr Ale; meinetwegen kann jener Mann dort
„bis an den Tag des Weltgerichtes leben; will
„er, daß ich hier fterbe, fo Fat es ihn mit dem
„erſten Schuffe verſuchen, ob es auch Gottes
„Wille ſey.“ — Der Ritter, zielend auf das Herz
des Feindes, ſchoß; die Kugel ſtreifte aber nur
an feinen linken Arm bin und verwundete ihn
leicht. — Bonaventura ſchoß in die Erde mit
den Worten: „fo fterbe in mir das Andenten Ih⸗
„rer Beleidigung. Nehmen Sie entweder als
„Iran von Ehre meine Hand, wo nicht, meinen
„Rath, die wahre Ehre noch zu fuchen.” - Bes
ſchämt und gerührt umarmte ihn Shadwell,
fprechen konnte er nicht; allein. fein demüthiger
Blick ſagte mehr als Worte. Schweigend ſchied
auch Bonaventura von ihm und fuhr mit
feinen Sreunden nad) Neapel.
Der längete Aufenthalt in dieſen Gegenden
war dem Ritter unerträglich. Bey dem Abſchie⸗
de von Salicetti erzählte er diefem offenhers
zig und umſtändlich die Begebenheit an dem Gre
Agnano mif allen Urſachen, die fie veranlaßt
hatten, Der Graf bedauerfe den Verluſt ſeiner
— 46 —
„zweifein, und dann würde vielleicht :an die
„Stelle meines Glaubens ein Wille treten, vor
„dern mir ſchaudert. “
„Wenn dein Eintritt m das Kloſter die eine
„zige Bedingung der Ruhe und des Glüdes mei;
„mer alter Tage waͤre ?%
„Sie find als Monn zu groß und lieben
„mich zu zärtlich, als daß fie ihre Rube und ihr
„Glüd von dem Verderben des Einzigen, was
„Ihnen von Camilla noch übrig iſt, von der
„Aufopferung ihrer Tochter, abhängig machen
„koͤnnten.“
„Was willſt du in der Welt beginnen?"
„Beginnen nichts, nur fortfegen, worin ich
„bis jest fo felig war, Gie e pflegen bis an mein
„En de."
„Ich werde dir voran gehen.“ -
‚ „Dann wird Gott das freue Kind in einen
| „andern Wirkungskreis verfegen.‘
„Du liebft Bonaventura.“
„Vater, — wenn der ſehnlichſte Wunſch, nur ibn
„in der gangen Natur zu ſehen, alle Wunder Bot:
;„tednurin ibm zu betrachten, mır ihn unaufhör:
„lich fprechen, vorlefen und beten zuhören; wenn
„eine
— 417 —
„eine bis zum Entzücken ſteigende Bewunderung
„ſeiner Geiſtesgröße, eine ganz in Andacht über
„gehende Achtung und Ehrfurchf vor feiner Würs
„de, wenn ein völliges Bergeffen meiner felbft
„in feiner Gegenwart und eine bimmlifch füße
„Wehmuth in feiner Abweſen heit; wenn das hei⸗
„ßeſte Berlangen, taufend Leben zu bejigen, um
„fie alle für ihn hinzugeben und in der Göftlichs
„Leit feines Wefens völlig unferzugehen; wenn
„Sie dieß, und alles, was ich nicht auszufpres
„hen meiß, Liebe nennen, ja Bater, dann bes
„kenne ich frey vor Ihnen und vor Goff, dag
„ich ihn liebe und ewig lieben werde.”
„Du wünfdteft fein Weib zu werden, “
„Daran habe id) nie gedacht, und würde
„jederzeit die leifefte Regung diefes Gedankens
„als eine Enttveihung meines Alerheiligften vers
„abſcheuet haben.“
„Weiß Bonaventura von deinerSchwär—
„merey ?“
„Was Sie ſo nennen, guter Vater, was
„aber die Seele meines Lebens, den Geiſt mei—
„ner Seele und das lichte Weſen meines Geiſtes
D d
— 48 —
„ausmacht, iſt ſelbſt mir in dieſem Augenblicke
„erft völlig klar geworden.“
„ehe in dein Cabinett und bethe.
4
Des Abends durfte ihm Olympia nichts
anders vorſpielen und vorſingen, als was ſie
von Bonaventura beſaß; er nahm gerade
ihr gegen über Plaß, und las in der Freyheit,
womit fie fid) dem‘ Ergießen und Entzücken ihrer
heiligen Liebe im Innern bingab, fo wie in dem
ſchmelzenden Ausdrucke ihres Spiels und Ge:
- fanges die Gewißheit feiner gefcheiterten Entwũr⸗
fe, Am folgenden Tage ritt er nad) Neapel, im
den Verwundeten zu befuchen und ihn wieder in
die Billa einzuladen. Dort erhielt er die erſchüt—
ternde Nachricht, auf-meldye niedrige Art es dem
Genat von Genua endlich doch gelungen wäre,
den gerechten und biedern Marquis de Curſay
von der Inſel zu entfernen, und den großen
Gaff orio von reidhlidy befoldeten Verräthern
ermorden zu laffen. Elemente Paoli’s um:
ftändlicher Bericht von diefer Schandthat for:
-
— dig —
derte zugleich alle rechtſchaffene Corſen in Neas
pel auf: „ewig unverföhnlichen Haß einer Hert«
„Saft gu ſchwören, die fi) nicht anders mehr,
„als durch die Berbrechen der verworfen ſten Böx
ſawichter zu erhaltenmüßte ; ihr Patriotiſcher Eid
„würde bloß der Nachhall der einhälligen Stim⸗
„me ihres Vaterlandes feyn, welches fie bald zu
„Heldenthaten und Giegeslorbern, zu Prieftern
„des Todes und zu VBollziehern der Berichte Got⸗
„tes über die Genueſer berufen und Weihen mer:
„de. Dazu follten fie ſich jest mit verdoppelter
„Anftrengung durch Wenntniffe vorbereiten und
„durch einen goftfeligen Wandel heiligen.” ıc. ıc.
„Bas wirft du hun? fragte Galicetti
den Sohn feines Sreundes. „Was ich geſchwo⸗
„ren babe; antwortete diefer, „mich einfchife
„fen; fobald der Ruf des Vaterlandes erfehallt,
„mit voller Kraft wirken, mo man mich binftellt.“
„Urd mid mit meinem Kammer und Bote
„gen für DIympia allein laffen 9 ü
„Sieftönnen nichf zurück bleiben, denn wenn
„Die Stimme des Ewigen mich bloß durch feine
‚Weltordönung, in der mir alle zur Erfüllung
„feiner Abfichfen wirken follen, nad) Corſica hin⸗ "
Dd 2
— 120 —
„weiſet, fo ertdnef ſie hen unmittelbar durch
„den Ruf des Baterlandes; und vielleidyf kann
„ich Ihnen im Schlachtgetümmel mit befferm Er:
„folge als in Ihrem Haufe dienen.‘
„Dlympiafollvorher nach SantaChiara.“
„Bil fie‘
„Sie wird müffen.”
„O wie blutef mir das Herz bey dem An:
„blide eines Mannes, den idy verehrte, den id)
‚wie meinen Bater lieben könnte, der bey aller
„Klugheit, Rechfchaffenheit und Frömmigkeit
„dennoch mit einem ärgern Berbredyen, als die
„Genuefer an Öafforio begangen haben, mit
„einem ©eelenmorde, hören Gie es Mann, Da:
„ker, mit einem Geelenmorde ſich befleden will!
„Wo wäre das Kloſter oder vielmehr die ſchrek⸗
„kenvolle Selfenhöhle, mo das faufendjährige
„Leben von Qualen und Gelbfipeinigungen,
„mworin und wodurch Gie dieß Berbredyen ab:
„büßen könnten %
„Bir wollen ung darüberin Ruhe, Freund:
„haft und Gottesfurcht berathſchlagen, jet
„bin ich gelommen, um did, in unfern Kleinen
„Kreis abzuhohlen.“
„Ich Tann, ich darf Ihr Hars nicht mehr
„betreten
„Du ſollſt dort keine Kloſtergeſchichten mehr
„erzählen, dein Verſprechen an meine Tochter,
„oder vielmehr die Bitte der Eigenfi innigen an‘
„dich, ift mie befannt.“
- „Dann miffen Gie audy, daß unfer Verſuch
„für die Richtigkeit meiner Anfidyt von DIy ms
„pia ausgefchlagen fen. Was mollen Gie mei»
„ser don mir X -"
„Bereinigf mit dir will ich ihr noch Ein
„Mahl die Flüchtigkeit und die Nachwehen aller
„irdiſchen Freuden und Genüffe, die Zerftörung:
„des Geiftes im Dienfte des Sleifches und die
„Sicherheit des Heils im Paradiefe des Klofters
„vorzeichnen, und e8 darauf anfommen Laffen,
„ob fie der Allerhöchſte würdigen wird, feinen
„Willen in ihrem Herzen anzufändigen: dabey
„folft dur mir als Steund beyſtehen.“ |
„Richten Gie mein aufrichtiges Geftändnig
„gerecht: ich Bann des Mannes Freund nicht
,„feyn, der Samilla’s Gatte war, und doch in
„der Ehe nichts Höberes kennt, als den Dienft -
„des Sleifches, der,- nur die Froͤhne gemeiner,
.
-— a.
„ohne Religion: und ohne. Gnade gefchloffene
„Heirathen, der Ehe im beiligern Ginne des
Wortes durchaus fremd iſt; nicht der Freund
„des Mannes, der ſeine verderblichen, von über:
„ſpannter Empfindſamkeit erzxugten Wünfde
„für Gottes Willen hält: und Freumdſchaft zu
„beucdyeln, wäre idy’s auch fähig, verböthe mir
„die Achtung für Sie und für mich ſelbft.“
„So komm mit mir als. Anwalt Diyn-
„pia’s wider mid); vielleicht hat die Vorſehung
„Did dazu auserkoren.“
„Sie finden mid) gu allem entfihloffar und
„bereit, wodurch ich die himmliſche Geele retten
„kann.“ |
„Ich gebe dir. mein Wort; dagıidj ie zu
„nichts zwingen werde, und du Fanaft meinte
„Berfiherung trauen, daßtidy.nichts ande?
„will, ale mas der Emige über ſie beſchloſen
„bat. Uebermorgen wird in Pozzuolo das jahr
„lisheßedädytzig meiner Camilla zum fünfe
„Mahle begangen; dur kannſt dich nicht wege!
„an dieſer Feyer mit uns Theil zu nehmen: me.
„unter derfelben meinem Beifte ſich mit gedßrt?!
„Klarheit ankündigen wird, das. fol. geſchthen
*
or
„Trage Nachſicht mit meiner Beſchraͤnktheit; ich
‚habe nün einmahl keine andere Richtſchnur für
„mein Wollen und Handeln, als die Eingebuns
„gen der Andacht und mein Gewiſſen.
Was fi i in Dipmpia’ 8 Geele unter dem
Geſpräche mit ihrem Bater zum deutlic)en Be:
wußtſeyn erhoben hatte, verffärkte ſich in ihr Ä
während (diner Abweſenheit zur vollen Wirtfam⸗
keit der Liebe. Seine Frage, ob Bonaventu—
ra bon ihren Schwaͤrmereyen Kenotniß habe,
erfüllte ihr Herz mit dem heißeſten Wunſche, zu
erfahren, ob wohl ihr einziges eben in ihm ſei⸗
nem Scharfblicke entgangen ſeyn konnte: und
unvorſetzlich verwandelte ſie ſein Zimmer durch
Blumen und Bilder in einen lieblichen Wohn:
plag der Anmuth und Hoffnung. Alles, woran
er je einiges Wohlgefallen bezeiget hatte, mar"
jetzt daſelbſt geſammelt und zu einem ſi nnreichen
Belerintniffe ihrer Huldigung und Zärtlichkeit ges .
ordnet. Auch ihr Aloyſius und ihr Chriſtus⸗
Kopf wurden wieder hervor gezogen, aufgehan-
N
gen und mitBlumen befränzf. Gelbft die Schön:
beit ihrer Öeftalt glaubfe Bonaven£ura er:
neuerf und erhöht zu fehen, und aus ihrem guns
zen Weſen fühlte er ſich von dem Hauche ihrer
heiligen Liebe angemehet. Schüchterner zwar als
fonft ſchloß fid) der Himmel ihres Auges gegen
ihn auf; aber fprechender und ausdrudsvoller
rubte auf ihm ihr Bli, der Frohſinn war von
der Gehnfucht und die Ehrfurcht von hingeben.
dem Vertrauen in ihm gemildert.
Galicetti ließ Beyde den Abend und den
ganzen folgenden Tag größten Theils allein, er
bethete auf feinem Zimmer, und Bon apentus
ra vermied es nicht mehr, ohne Zeugen bey ihr
zu weilen. Aus feinen begeifternderf Worten ver⸗
nahm, in ſeinen ſchmelzenden Blicken las ſie die
Gewißheit ſeiner Vereinigung mit ihr. Sie führte
ihn in ihr Cabinett, da fand er den längſt vers
mißten Aloyſius wieder und den ihm nod
äbnlihern Chriſtus-Kopf, den er nody nie
gefehen hatte. Beyde Bildniffe erklärte fie für
göttliche Erfcheinungen in ihrer Seele unter den
zwey andädhtigften Stunden ihres Lebens ; die
‘eine, als fie in ihrem dreyzehnten Jahre zum
— 45 —
erſten Mahle das heilige Abendmahl, die ans
dere, als fie vor drey Jahren in der Firmung
den heiligen Geiftempfing. „Das eine Mahl, “
ſprach fi ie, „kam mir vpr, als wäre idy wieder
„Kind geworden ‚ und als läge ich verlaſſen,
„nach meiner Mutter Bruſt mich ſehnend. Da
„kam ein.Engel mit verſchleyertem Angeſichte, er
„nahm mich auf feine Arme und frug mid) zu ei⸗
„nem ſchönen Manne, welcher ausfah wie dies
„ſer Heilige; der ſagte zu mir: wonach du dich
| „febneft, ift nicht die Bruft deiner Miuffer, {ons
„dern bimmlifche Lebensfpeife; der Holde, der
„dich frägt, und bis an dein Ende fragen wird,
„will fie div geben, wenn du ihn entſchleyern
„kannſt. Ich liebkoſte den Engel, daß er. felbft
„vie Hülle möchte fallen laffen, der Schleyer
„verwandelte ſich in einen Lichtkreis und ſein
„Antlitz war gleich dem Angeſichte des ſchönen
„Mannes. Sein Licht umfloß auch mich, er
„drückte ſeine Lippen auf die meinigen, und mit
„der Süßigkeit ſeines Hauches ergriff mich ein
„neues, wonnevolles Geyn, dag gleich. mar dem
„Leben, dag ich jeßf in mir empfinde,. Die Ge
„ſtalt des Mannes und des Engels blieb unaus⸗
— 46 —
„löſchlich in meiner Geele, es drängte mich, fie
„zu wiahlen, und id) gab meinem Bilde die Ges
„ftalt des Beiligen Aldyfius, weil ich unfer den
„feligen Simmelsbürgern teinen reinern Jũng⸗
„ling, als ihn, kannte.“
Mit den Worten: „Er wird dich ewig in n fü ch
„fragen;‘ reichte ih Bonaventura'die Hand,
ſie drückte ſie zitternd an ihre Lippen, dann an
ihr Herz, und fuhr fort: „das’audere Mahl
„tar es, als fäße id) einfam in einem Enpreffens
„Haine, über meineinnere und äußere Berlaffens
! ‚heit bitterlich weinend. Ich mußte nicht, was ich
„wünſchen ſollte, noch überhaupt, wozu ich da
„wäte; es verlangte mich zu ſterben. Da flog eine
„weiße, wunderbar ſchoͤne Taube mir zu und ſo⸗
„gleich wieder von mir weg. Mein innerer Gram
„ließ mic) auffie nicht achten, fie kam wieder und
„flafterte fo’ lange um mid) herum, bis ich ihr
„folgte. Sie leitefe mid) in ihtem Fluge zu einem
„unermeßlich großenTempel, feine Grängen konn⸗
„te ich nicht abſehen und der Sternhimmel mar
„feine Dede. Menfchen aus allen Zeiten und Tas
„tlonen, melde maren und noch find, faßen da
„vetſammelt, alle ſahen fröhlich aus, und als
— 427 —
„Liebten: fie ſich einander. Sie ſangen einhaͤllig
„Pſalmen in einer Sprache, die auch ich verftand.
„Da ward mir wonniglich wohl und die Taube
„ſchwebte unabläſſig über Alle, bis ſich vom Hime
„uteleinGteriwherab ſenkte, in dem ſie verſchwand.
„Plötzlich verwandelte ſich der‘ Stern in eine
„menfchliche Beftalt, fie ſchien nur por mit zu fies
„ben, und döch war fie Allen eben fo nahe wie
„mir. Durch meine Seele etllang eine Stimme:
„das ift das Bild des unſichtbaren Gottes und‘
„der Erftgebötne aller erfchaffenen Dinge! ch“
„fiel auf meinte mie, um ihn anzubefhen, und er
„fagte: nicht Andethung, fonderrn Liebe! Zugleidy
floß eine köſtliche Salbepon fenen Bänden über‘
„mein Haupt und eine unausfprechliche Seligkeit
‚arberfüllte mein Herz. Da ging in meinem Geifte'
„aufein helles Wiſſen von dem, wonach ein lech«
„gendes Verlatrgen mid) verzehtte, und aud) von .
„Den, wozu ich wäre, naͤhmlich die Salbung der
„reinſten Liebe zu empfangen und forthin nur zu
„leben in dem Eöttlichen, der mir erſchienenwar,
‚Aid fo airsfah;, wie diefer Chriſtuͤs: Seit jener
„Stunde glaubeidy, daß ſchon der erfte Lebensau⸗
„geiblidldesKihides auch der erftefei nerLiebe ſey.“
4
Sie ſchwieg, und Bonapenfura war uns
fähig, das heilige Schweigen zu unterbrechen;
er ſchloß fie in feine Arme, und ihre Geelen ges
noffen die Wonne ihrer ewigen Bereinigung. |
Gamilla’s Gedächtnißtag war ganz der
frommen Trauer gewidmet, das Todtenamt in
der Dominicaner-Kirche hatte den Grafen zu eis
ner mehr religiöfen alg finnlien Wehmuth ges
ſtimmt, das that feinem Herzen wohl, und die
Liebenden mußten ihn den gangen Tag über
durch Muſik und Sefang in diefer Stimmung zu
erhalten. Bey der Abendandadyf follte Bonas
pen£ura wieder die Stelle des Hausvaters vers
frefen. Die Dorlefung traf gerade auf das funfs
zehnte Eapitel der erften Epiftel an die Eorins
ther. Bey den Worten: „der Tod ift verfdyluns
„gen in den Gieg. Ted, wo ift dein Gtachel?
„Hölle, mo ift dein Gieg ”" gerieth er in Begeis
fterung und fprad) fo feurig, foeindringend und
hinreißend von Dem unauflösticdyen Bande zwi⸗
fchen den Öterblithen und Bollendeten. von Der.
Ewigkeit der. Liebe und von dem innigen, obs
gleich der Sinnlichkeit nicht wahrnehmbaren Les
ben der Geliebten in ung, daß nach dem Schluſ⸗
— 429 —
ſe, und nachdem die kleine Gemeinde, voll der
Rührung und des Glaubens, weggegangen war,
Vater und Tochter ihm in die Arme fielen, und
ihn mit Küſſen und Freudenthränen der gottſe—
ligen Hoffnung überſtrömten.
Heitern, doch ernſten Sinnes, führte nun
Salicetti die Liebenden, nicht in das Geſell—
ſchaftszimmer, fondern in fein geheimes Heilig:
thum zu Eamilla’s Sterbebette. „Sie lebt,“ be:
gann erfeyerlich, „‚fielebt, die Himmlifche, in mir
„und mitten unter uns. Gie gebiefhet mir, dein
„2008, Diympia, zu enffcheiden, und wir wol⸗
„ten ihr mit liebender Ergebung gehordyen. —
„Olympia ift dein, mein Sohn, nimm fie hin,
„beilige fie fo, wie die Gnade des Allerhoͤchſten
„dich geheiliget hat, und laſſet mid) ent in eus
„ten Armen fterben !“
Bonapvenfura’s erſtes Geſchäft war jeßt,
feinen Bafer und feine entfernten Freunde mit
der Kunde von feiner Verbindung zu erfreuen.
Geinem Dheim war e8 nicht vergönnt, das Glück
— 40 —
des Neffen gu.erleben,, er hatke vor zwey Mo:
nathen die Zeitlichkeit geſegnet und ihn zum ein:
gigen Erben feines Vermögens eingefegt. Die
Antwort und der Gegen feines Vaters ward ihm
ganz unerwartet perfönlid) von dem alten Re
nato überbracht. Anfelmo's Brief, dem 2o:
dopica’s diamantener Ring beygefügt war, bes
fand nur aus wenigen Zeilen, von feiner halb
erftarrten Hand gefchrieben.
„Meine väterlichen Wünſche und meine Ban
„derſchaft ftehen am Ziele, dort fegne ic) did)
„und den Engel, in deflen reinem Geelenfpie:
„gel du Stets dein befferes Selbſt erbliden
„wirft. DIympia wird dir alles feyn, was
„mit Zodovica war; darum iſt fie auch
„würdig, das Kleinod zu empfangen, das
„ch einft der Sterblicyen gab und die Bes
„ewigfe dir nachmahls ſchenkte. Trauert nicht
„über meinen Tod, er ift meine Geburt zum
„Leben, in dem mein feffellofer Geiſt euch im:
„merdar umſchweben wird. Gedenket und
„freuet euch allenthalben, wo ihr in Gott
„bereinigt feyd, auch meiner freundlichen Be:
„genwart! Dieß ift auf Erden Der legte Wille
— 431 —
„deines, zum Lichte der Gottheit hineilenden,
„Vaters Anſelmo.“
Die herzlichen Worte des Verklärten wur—
den in der Villa mit Andacht vorgeleſen und mit
tiefer Rührung angehört, DIympia ward mit
dem heiligen Ringe geſchmückt, Renato fchils
derfe als Augenzeuge die legten Stunden der
Auflöfung Anfelm o’sals das ſchönſteTriumph—
feft des gofffeligen Blaubens, und Salicdetti
fühlte darunter nod) inniger das Ölüd feiner Bes
freyung von dem Wahne, in welchem er noch
vor kurzen den Tod der Frommen als eine Tren«
nung der ehrrvürdigften Bande befradyfef und
dadurd) fein Andenken an Camilla fo lange
enfheiliget hafte,
Eorfica’s Zuſtand war nad) Safforio’: 8.
Ermordung fäglicy bedenklicher geworden, Cle—
mente Paoli’s patriofifche Wachſamkeit hatte
nur Schlimmes, Zwietracht unfer den Partey:
häupfern der Eorfen, Niedrigkeit und Zeigheit
bon Seiten der Genuefer, zu berichten. Jeder Tag
führte den Augenblid näher berbey, in | welchem
der Bund der Treuern und Edlern fein Aſyl zu
Neapel verlaffen, und ir den Schooß des Va⸗
—76—- |
terlandes zur Arbeit und zum Kampfe zurück keh⸗
ten follfe. Bonapenfura mollte fich bereit
halten, dem Rufe ungefäumt folgen zu fönnen;
in der Nacht des Sct. Andreas:Tages führte er,
in Begleitung auserwählter Freunde, feine Ge
liebte in die Capuciner- Kirche zu Pozzuolo, wo er
in eben der Stunde, zu telcher ihm in der Öruft
zu San Öiufeppe der Ring Lodopica’s in der
Hand geblieben war, Oly mpia feyerlidy mit
ſich vermäblte und unter der kirchlichen Einfeg:
nung des frommen Cazaconi das ewige Ga:
crament des Univerſums an fid) und an ihr vol:
[endete.
"Bone:
\
t
Bonaventura’s myſtiſche Nächte.
Drittes Bud.
Longa est vita, si plena est; impletur antem, cum ani«
mus sibi bonum suum reddidit et ad se potestatem sui
transtulit. — Vidir veram lIucem, non fuit unus e mul- &
tis, et vivit, et vixit, et viguit,
j Senzca Epil. XCHL.
Noch vor dem Ende des Jahres erhielt Dass
quale Paoli von feinem Bruder die dringend«
ſte Aufforderung, mit dem Bleinen Kreife feiner
vertrauteſten Sreunde auf die Inſel zurüd zu keh⸗
ren, weil ſeine Plane zur Reife gediehen und ſei⸗
ne Abſichten jetzt ſelbſt von den Unterdrückern
des Vaterlandes begünſtiget würden.
Die Genueſer waren entweder zu fräge, oder
zu ſchwach, um aus der Beftürzung der Eorfen
über die Etmordung ihres Dberhaupfes Vors
theile zu ziehen; da hingegen die legferu ihr Un⸗
glück, die gemeinſchaftliche Gefahr und die Uns
thätigkeif ihrer Feinde taͤglich inniger an einan-
der ſchloß. Allein auch die Verwaltung, weihe
jie in dem. erften Augenblide der Bermirrung
eingeſetzt hatten, war zu. ohnmächtig, den, ghüdk
lichen Zeitpunct, in melcdyem die Srangöfifchen
Truppen bon Eorfi ica abgefegelt waren, und die
Ee 2
‚ — 436 —
Genueſer auf ihren feſten Seeplätzen keine Un:
ternehmungen wagten, mit einigem Erfolge zu
benutzen. Clemente Paoli, das anſehnlichſte
Mitglied dieſer Verwaltung, trat daher auf
mit dem längft vorbereiteten Vorſchlage, fie auf:
. zubeben, und an ihre Stelle einen General der
Inſel einzuſetzen, welcher, mit unbeſchraͤnkter Boll
macht verfeben, die ganze Staatsgewalt in fid)
Dereinigen,, und die Kräfte der Nation in fläter
Bewegung und unmandelbarer Richtung zu dem
Einen Ziele der Freyheit erhalten follfe. Cle—
mente war allgemein geadyfet, die Fülle feiner
Frömmigkeit gab feinen Worten fiegende Stär⸗
te, fein Antrag ward einhällig angenommen.
Unterdeſſen waren Paſquale, Bona—
ventura, Salicetti, Renato und noch eis
nige Freunde auf der Inſel gelandet. Bis zur
Verſammlung der, nach Caccia ausgeſchriebe—
nen, Wahl-⸗Conſulta hatte ſich der Erftere in den
volkreichſten Pieven diesfeitd der ®ebirge gezeigt,
"und durch feinen männlidyen Ernſt, würdevollen
Anſtand, Reichthum an Einſichten und beſchei—
denen Glanz ſeiner Talente alle Herzen für ſich
eingenommen. Deſſen ungeachtet zeigte ſich ber:
⸗
nach: die Confulfa geneigt, zur Sicherung der
National⸗ Freyheit, nicht Einen ‚ fondern zwey
Generale zu wählen, und alles baffe den An»
fchein, daß Mario Manuele Matra, wenn
ihm nicht vorgezogen, doch menigftens ihm bey»
geordnef werden dürfte. Sogleich leiftete Pao⸗
li feyerlich auf ſeine Wahl Verzicht, ſeine Freun⸗
de ſtellten der Verſammlung die Folgen, welche
aus der Uneinigteit eines zimeyföpfigen Ober:
hauptes im Denken und Handeln unausbleiblich
entſtehen müßten, in den grellften Sarben vor
Augen, und Bon avdenfura’s eindringende
Beredſamkeit bewirkte, daß die endliche und un:
abänderliche Entfcheidung der höchſt wichtigen
Angelegenheit einer künftigen zahlreichern Con⸗
ſulta vorbehalten wurde. Dieſe ward auf den
vierzehnten Julius zu San Antonio di Ca—
ſa⸗Bianca angeſetzt, und bis dahin blieb Bo⸗
nadenfura mif feiner Geliebten und, mit feis
nem $reunde Renato bey dem Grafen‘ in Sa-⸗
licetto. |
Gleich nach der Eröffnung der Conſulta ſpra⸗
hen Bonaventura für die Einheif und Ver:
einbarung der höchften Gewalt in Einen Mittels
— 15 —
punct, Abbate Benturini für Pafquale
Paoli’s Berdienfte, Würdigkfeit und Rechtſchaf⸗
fenbeit, fo gründlich und nachdrücklich, daß an
die Wahl zweyer Dberhäupfer gar nicht mehr
gedacht wurde. Paoli war auf feinem Land»
gufe Gtretta zurüd geblieben, aber bey der
Eröffnung des Scrutiniums wurde fein Nahme
fo oft genannt, daß nur eine fehr geringe Ans
zahl Stimmen Matra”’s Andenken erneuerfe.
- Eine zahlreiche Sefandtfhaft ging nad) Stretta,
am ibm die Wahl anzutändigen und ibn fogleich
in die Berfammlung zu begleiten. Da oli Eonnfe
fid) lange nicht entfchließen, der Stimme der Ras
tion zu gehorchen, aber die Geſandten hatten
den Auftrag, ihm unter Androhung des allge:
meinenlinwillens Gehorſam zu befehlen; er folg:
te ihnen in die Conſulta und ſchwor, das ihm
anvertraute Amt mit unerſchütterlicher Redlich⸗
keit bis an ſein Ende zu verwalten, wogegen ihm
als Oberhaupte des Königreiches von den Ge⸗
meinden der Eid der Treue und Unterthänigfeit
geleiftef wurde.
Der Wahlverordreng gemäß, bereiſte er
num das Jonere des Landes, in Begleitung eini-
— 49 — .
ger Deputierten der Provinzen und zweyer
Gtaatsräfhe, wozu er den Abbate Benturini
und Bonaventura ernannt haffe. Allenthals
ben erblicten fie die ſchrecklichen Wirkungen ei⸗
ner verabſcheuungswürdigen Dberberrfchaft und
einer dreyßigjährigen Empörung wider diefelbe.
Ueberall zeigte fich ihnen die gräulichfte Verwir⸗
rung und Gefeslofigfeit. Jede Provinz, bey nas
- be jede Pieve, hatte ihre eigene, von feiner hör
bern Behörde abhängige, niemand verantwort⸗
liche Verwaltung. Die Ermordung des Geg—
ners war die Eürzefte und ficherfte Art, fein Recht
zu behaupten, und ein Flintenſchuß enffchied Die
verwickelteſten Händel, ohne Gefahr für die Par:
fenen, durch drüdende Öerichfsfoften zu verare
men, oder aus Mangel an Rechtsformen die ger
rechtefte Sache zu verlieren. Die Samilien be:
fihränften fi) ganz auf ihr eigenes, von allen
übrigen gefrenntes Intereſſe, und bildeten kleine
unabhängige Staaten, die ftets bereit waren,
fich_gegenfeitig zu befehden, fobald Eigennuß,
Ehrgeiz oder Eiferfucht fie gegen einander aufs
reizte. Unfer den fäglidyen Opfern, welche dem
beftigften Haffe gebracht wurden, befeftigten ſich
%
\ — 40 —
die Bande des Blutes und der Freundſchaft, wel⸗
che auch die entfernteſten Grade der Verwandt⸗
ſchaft umfchlangen. Je ſinnreicher und verderb⸗
licher der Beleidigte oder Beſchimpfte ſich zu ra
chen mußte, deflo gewiſſer war er der öffentli:
chen Achtung und feiner künftigen Sicherheit.
Der an einer feindlichen Samiliebegangene Raub
oder Diebftahl fdyändefe den Thäter nichf, er:
mark ihm vielmehr den ehrenvollſten Beyfall fei«
nes Gefchlechtes, und belohnte ihn mit auszeich⸗
nenden Borzügen, menn die Häupter deffelben
befondere Bortheile dadurdy erreicht haften. Sn
den meiften Pieven waren die Priefter zugleich
Schiedsrichter, aber nur die weniger Berwilder:
ten nahmen zu ihnen ihre Zuflucht, und aud) diefe
unferparfen ſich ihreu Ausfprüchen nur dann,
wenn fie die Kunft befaßen , beyde Parteyen fu
befriedigen. Der größfe Theil des Adels, der Rei-
chen und. des Clerus war im Mangel an Eultur
dem Volke gleich, und überfraf es nur, wie an
Macht und Mitteln, fo an Willen und Kühn-
heit, Böfes zu thun. Go. verderbt und entwür—
digt fanden fie die Menſchen in einem Lande,
über welches die Natur ihre Schätze mit überflie:
\
x
=
Bender Sunſt und Liebe.ausgegoffen zu haben
ſchien, und in weldyem fie durchaus, bald an ein»
Iadenden Weinhügeln, bald unter duftenden Ges
büfcyen von Myrten, Lorbern und Thymian,
bald in Wäldern von immer grünenden Eichen,
von Mandeln=, Seigen«, Eifronen » und Drans
gen » Bäumen reifen mußten.
Gebr ernftlidy berathfchlagtefih Paoli bis:
meilen mif feinen zwey Freunden über die befte
Berfaffung , welche erden Eorfen geben fönnte:
Ben turini ſprach für eine vorläufige, aus
welcher ſich die Grundzüge der künftigen beſſern
allmählich won felbft entfaiteten; dafür war auch
Bonapentura, nur in einem ganz andern
Sinne,
„Zeigen Sie Sich,“ ſprach er, „mit Lykur⸗
„gus, Solon’s, Charondas und Tus
„ma’s Geifte in Ihrem Innern, aber mit der
„furdhtbaren, alles übermältigenden Kraft des
Herkules in’ Ihrem Aeußern, in Ihren Wir⸗
„kungen und Verfügungen. Die rüſtige Stärke
„muß der ſanftern Weisheit die Wege bereiten;
„der Hammer des Bergmanus muß die Gold«
nftufe erft zu Tage fördern, und das Seuer des
— 42 —
„Scheidekuünſtlers muß fie vorher zum gediege:
„ner Netalle ſchmelzen und läutern, bevor die
„höhere Kunft eine Krone für einen Heiligen,
„oder für einen König daraus formen Fann.
„Waͤre ich Ihr CEuryſtheus, fo würde ich Gie
„vor allen die zwölf Arbeiten des Alkides, be—
„fonders die ſechs erftern, in Corſica verrichren
„beißen, ehe id Sie an die Begrändung der
„Dberberrfchaft des Rechtes durch eine ordentli:
„She Berfaffung denken ließe. Doch ohne My:
„then fey Ihnen von mirgefagf, was der zu thun
„bat, der nach einem höhern Ziele firebet, als
„die Aufmerkfamkeit unferer Nachbarn mit ſich
„zu befchäffigen. Er denke nicht an die Erbanung
“ „eines Ötaafes, wo er noch feine Nation hat;
„und er träume nicht von diefer, wo nod) kein
„Bolt ift. Er bewaffne ſich mit Schrecken und
„perbreite Furcht, er erfchüttere und zerftöre, da«
„mit diegereinigfe, bewährte und geordnefeftraft
„dann freyer wirken möge. Er faffe Muth und
„wage es Fühn, das heute ganz und offen zu
„feyn, was er nach einigen SYahren zu merden
„vergeblich wollen dürfte. Er beginne als be
„berzter Despot, fo mwird er frirher als mweifer
„Monarch hervor frefen undals lebender Vater
„vollenden können. Bebauptet er ſich, und das
„wird et, fo lange fein Muth nicht ſinkt, fo iſt
„Gotfica gerettet; fallen kann er nur durdy feine
‚ eigenen Fehler und Mißgriffe.“
Auf feine Einwendungen von Unrecht, von
Vertrag, von einer bloß übertragenen, durch
den Rational: Willen beſchraͤnkten Gewalt, von
der Eiferfucht der Eorfen auf ihre Freyheit, von
der Menge der Parteyen und von dem Anfehen
ihrer Häupter, erwiederte Bonapentura:
„Wer ſich zu ſchwach fühlt, mit gänzlicher Gelbft«
„verlaͤugnung zu vollziehen, was geſchehen muß,
„der laſſe ſich auch von der Mothwendihkeitnicht
„zum Werkzeuge brauchen. Den Körper, der Sie
„um Retfung feines Lebens angerufen bat, fehen
„wir vom Krebfe ganz zerfreflen; da ift alles,
„was beilef, audy recht; da find nicht die köſtli⸗
„en Mirturen weiſer Geſetze, nicht' die leicht
„perdaulicyen Speifen einer ſchulgerechten Mo⸗
„cal, fondern das Meffer und die fefte, firhere
„Band, die es führet, das erfte und einzige Heile
„mittel; da haben Gie nur darauf zu achten, -
„was dem Körper frommel und was er zu ſei⸗
—
— 444 —
„ner Erhaltung wollen müffe, ‚nicht auf das,
„was er im unridyfigen Gefühl feines Zuftandes
„von Ihnen verlanget. Nicht den Genaf von
„Genua, fondern die Eorfen haben wir, wäh—⸗
„end unferer Reife, als die ärgften Feinde Cors
„fica’s kennen gelernt. Gind Sie der Stimme
„der Eorfen gefolgt, fo müffen Gie freylich für
„den Titel, General, und für einigen Schim⸗
„mer fhbun, mas ihre ungeflüme Zügelloſigkeit
„bon Ihnen fordert; haben Cie aber geglaubt,
„in ihrer. den Wählern .felbft ganz bewußtloſen,
„Wahl den Ruf des Baterlandes zu vernehmen,
„fo iſt es Ihr Recht, Ihr Vertrag und Ihre
„Pflicht, zum Heil des Baterlandes, vor allem
„die Corfen zu unterjochen. Gie fprechen von eis
„nerüberfragenen Gewalt; war es nicht das Va⸗
„terland, das ſie Ihnen übertrug, ſo haben Gie
„ũberall noch keine. Die blinde Willkühr bat bloß
„wilde Stärke; Gewalt bat nur der Wille: Wil⸗
„te aber iff nichts anders, als die Vernunft in
Thaͤtigkeit für eine Plar erfannte Idee; und in
„wie viel Corfen haben wir diefe bis jeßf gefuns
„den? Wie konnte alfo ein vernunfts und willen:
„lofer Haufe Ihnen überfragen, was er felbft
— 4 —
„nicht hat; und wie vermölhte er die Gewalt des
„Vaterlandes zu beſchränken durch einen Nativ⸗
‚„nakWillen, der noch gar nicht da iſt, den Ihre
| „Bermaltung erft noch ſchaffen fol? — Die Eis
„ferfucht der Eorfen auf ihre Sreyheit haben Gie
„ſchon darum nicht zu fürchten, meil fie unfer
„diefem ehrwürdigen Nahmen nur ungeftraffe
„‚Zügellofigkeif verſtehen; diefe aber ift überall
„zaghaft und feige, wo enffchloffener Ernft und
„unbemegliche Strenge ihr die Gpiße biethen.
„Laſſen Sie die Inſulaner, den einen wie die an«
„dern, gleidy anfänglic) mit Kraft und Nachdruck
„empfinden, fo haben Gie für immer überwun—
„den. Ein ftehendes Heer ift dem Vaterlande
„unentbehrlid) ; die Errichfung deffelben ſey Ihr
„erſtes Werk; fie wird Ihnen zugleich ein wirt:
„james Mittel werden, die Parteyen zu vereinis
„‚gen oder zu vernichten, ihre Häupfer durch Bes
„feblshaberftellen für Gich zu gewinnen, und die
„fouperäne Gewalt, ohne mweldye Eorfica verlos
„cen ift, in Yhren Händen zu befefligen. Wahr
„iſt e8, die Zührer werden Gie immer als ihres
„gleichen betrachten, und fich mit Ihnen zur
„Oberherrſchaft gleich berechtigt denken; auch
*
-
‘
a
„wisd Gie das Gefühl, Diefelbe Ihres gleichen
„berdanfen zu müfjen, empfindlid) drüden ; al:
„lein für beydes liegt in meinem Gedankenbilde
„von einem Corfifhen Gtaate und einem
„Corſiſchen Reiche fihere Hülfe. euer muß
„guf Die Inſel beſchränkt bleiben, diefes kann
„ſich unter günfligen Umſtänden immer weiter
„ausbreiten und Ihnen Mittel darbiefhen, nah
„und nad) die Trene der verdienftvollen Beförs
„derer und Diener Ihrer Macht mit fouveränen
„Befigungen zu belohnen. Es dünkt mid) eben
„Kein zu großes Wageflüd, das Gebieth der Res
„publit Genua nad) und nad) zu erobern, und
„es wäre nicht das erfte Mahl, dag ein armes,
„aber fapfereg, Volk ein reidyeres, doch ſchwa—
„ches, unterjodyet häffe, Frankreich ift mit Eng»
„and in Krieg verflochten, Deftreich wird von
„der neuen Monarchie im Norden bedrohet, von
„Spanien, Sardinien und Gicilien haben wir
„Reine Geindfeligkeiten zu befürchten. Genua ifl
„ganz feinen eigenen Kräften überlaffen, der Ge
„nat kann uns mit der höchſten Anftrengung
„nur dreyßig taufend Mann, aber faum drey
‚saufend Krieger entgegen ftellen. Die von Ge
— 447 —
„nua ſo grauſam bedrückten Einwohner von
„San Remo werden uns mit Frenden ihren
„Hafen öffnen und ſich mit uns wider den ges
„meinſchaftlichen Tyrannen vereinigen. Seit drey⸗ |
„Big Jahren führen die Corfen eigen unfruchtba⸗
„ren Empörungskrieg, und Eonnten doch mit al⸗
„lem Heldenmuthe noch nicht yinen feſten. See⸗
„platz ihren Feinden entreißen weil ihre Unter»
„tetnehmungen weder Zucht noch Regelmäßige
„keit leitete. Die Vorſtellung, nichtnur ein ſchimpf⸗
„liches, bierhundertjährigen Joch abzufchüftelg, |
„ſondern die-Linterdrüder endlic) einmahl aud)
‚‚zu zuͤchtigen und an ihnen. fi. zu entſchaͤdigen,
„wird die Corſen mehr, als dieihnen unverſtünd⸗
„lichen Nabmen, Ba terlan d und Grepheit,
„zur Eintracht und zur. Thaͤtigkeit begeiſtern.
„Statt daß Sie SichGSelbſt und der Welt auf eini⸗ |
. „ge Jahre, wie ich fürchte, ein altes oder neues
„Republiken-Spiel aufführen „Itellen SieAhnen
„dieſes Ziel, und ein ftehendes, ſtrenge geordne⸗
„tes wohlgeübtes Heer, als die einzige Bedin⸗
„gung, es zu erreichen, recht lebhaft vor Äugen;
„und haufenweiſe werden ſi e herbey eilen, um
„Ihnen, das iſt, dem fouveränen Willen des Ba:
'
— 448 — |
„terlandes zu buldigen. Sie werden fidy auf Ihr
„Geheiß zu regelmäßigen Scharen ordnen, freu:
„dig zur Sahne ihres Dberherrn ſchwören; und
„in der Ausfichf auf Sieg, auf Rache und auf
„Beute, fogar Schiffe zu Bauen ſich entſchließen.
„Was 'das Meine Athen vermodyte, kann dem
„größern Eorfitä nicht unmöglid) ſeyn, fobald
‚fein Oberhaupt von Themiſtokles Beifte be:
„feelet wird „und feinen Augenblid dabey vers
„gißt, daß es nicht Athenienfer regieren, fon:
„bern verwilderte Borfen beherrſchen ſoll.“
uulehiesechsusnununhiuunteinsuiinin
Der Bormurf Paolrs, dag Bonaven-
£ura’s Gefinnungen, Marimen und Anſchläge
dem abfcheulichfteri Despofismus das Work fpräs
chen, bewies deutlich, daß er fie lediglich in ans
wenddarer Beziehung auf geſittete Natio—
nen und rechtliche Staatsvereine befrächtef, mit:
hin ſchlechterdings nicht verſtanden habe. Po⸗
litik und Philoſophie ſtanden in feinem Geis
fte völlig verſchieden und gefrennt da, ohne zu
ahnden, was überhaupt den Regenten höchſt
ſel⸗
Mn
felten ahndet, daß die Saat der erflern, fproßte
‚fie in der einen Generation auch nod fo freudig
auf, in der künftigen doch jaͤmmerlich verfchyeis
nen müffe, wenn fie von der Kraft der letztern
nicht fchon in ihrem Keimen belebet wird. Man
rechnet hernach der Zeıf, dem Drange der Um⸗
ftände, oder wohl gar einem Nichts, Unglüd
genannt, an, wovon man den Grund lediglich
in feiner eigenen Berkehrtheit, die das Eine ftetg
entzweyet, fuchen follte. So mar au Paoli
bey feiner bloßen Berftändigkeit und Gelehrſam⸗
keit nur fähig, eine Schlußkette von Begriffen,
nicht aud) ein Ganzes und Eines im Idealen und
Wirklichen zu überſchauen. Die Wirklichkeit felbft
erfchien ihm nie anders, als in der Form der Ein«
zelnheit, weil ihm das Licht der Ideen fehlte, in
welchem allein das Einzelne ſich als ein Allge—
meines, und die Bergangenheif und Zukunft mit
der Gegenwart, als Ein Ganzes darftellen kann. |
Reihenmeife, mie die Bilder in einer Öallerie, fie
er bisweilen die Gefchichfe und die Berfaffungen
alter und neuer Republiten vor feiner Öeele vor»
überziehen, aber in der Anwendung ihres Guten
mußfe er durchaus fehl greifen, denn nie vers
Sf -
— 150 —
mochte er’s, zur allgemeinen Idee des Sitaafes,
ohne welche alle politifche Berfuche ſcheitern müf-
fen, ſich zu erheben. Den Leichnam, den er fo
zufammen gefegt, und fpäterhin wohl audy mit
Blumen und Kraͤnzen geſchmücket hat, fiellte er
nad) vollbradyter Bereifung des Landes in der
Confulta zu Corte zur öffentliden Schau und
Bermunderung aus,
Die dort von ihm verfündigfe Berfaffung
war eine reine Demofrafie, der zum Leben nichts
geringers, als die Geele, das iſt, Tugend und
Bürgerfinn, mangelte. Gie beftimmfe von dem
Podefta und den Bememdevätern jedes einzel:
nen Dorfes an bis zu dem hödjften Rathe einen
ſtufenweiſen Fortgang des YAntheils an der Ber:
mwaltung und der Machf, welche, ausgehend
von dem Volke, von diefem wieder genommen
und nad) Gefallen jährlich einem Andern verlies
ben merden fonnte. Bonaventura verließ die
Berfammlung mit der verfraulichen Bemerkung
gegen Benturini: „fo wären wir denn gelan:
„det, um. das Baterland zu begraben!“
‚ Bald zeigten fich die olgen von Paoli’s
zweckwidriger Gelbftbefchränfung feiner Gewalt.
— 451 — J
Matra war in der Erbitterung über feine Zu⸗
rückſetzung zur Partey der Genneſer übergegans
gen; jetzt faßte er Muth, emen Rival anzu⸗
greifen, der kleinherzig, dort in der Rolle eines
Ariſtides, wie er glaubte, nur blenden wollte,
wo alle Umſtände das volle Gewicht eines kraft⸗
vollen Piſ iſtratud forderten. Er wiegelte eis
nige öftliche Pieven wider den General auf, und
fah feinen Anhang bald fo anfehnlich verftärkt,
Daß er e8 ficher magen Eonnte, im offenen Felde
ſich ihm enfgegen zu ftellen. Drey fchnell zufams
men getriebene Scharen wurden wider ihn aus»
gefandt; die eine führte aliretti gegen Dre:
za, die andere Bonavenfura gegen Pie de
Corte, an der Spiße der mittlern eilte Clemens
te gegen Aleria, Paſquale blieb in Eaftellaro -
zurüc, die Bewegungen der Öeinigen. und des
Feindes beobadytend. Den Erſten ſchlug Ma—
fra gänzlich, und nahm ihn mit dem größten
Theile feines Volkes gefangen. Der Zweyte ver-
mied, ſich immer zurürfziehend, das Treffen, bis
er fich mit feinem Bruder vereinigef haffe; aber
felbft dann noch ward er in die Flucht gejagt,
und Pafquale gezwungen, mit dem Heinen Ref:
Sf
te feiner Horde ſich nad) Eorte zu reffen, wohin
ibm Bonapentura den Rüdzug deikte. Mas
tra verweigerte die Auslöfung der Gefangenen;
um ihn dazu gu zwingen, ließ Paoli die allges
mein vexehrte Wittwe des Bafforio, Ma—
tra’s Schweſter, in Verhaft nehmen; und als
derfelbe auf feiner Weigerung behartte, fie auch
mit Eifen und Banden belegen. jest gab der
Bruder zur Befreyung feiner Schwefter die Ges
fangenen zurüd, und nachdem fi Paoli mit
zahlreidyern Scharen verftärkt hatte, griff er ihn
in der Pieve di Caftello an, lieferte bey Lugo di
Nazza eine mörderifche Schlacht, in weicher Ma:
fra’s mädhtigfter Anhänger Sanfucci, toͤd⸗
lich verwundet, ſtarb, und er felbft nur mit vie:
ler Kunft dem verfolgenden Gieger enfrinnen
konnte. Die Partey des Slüchkigen löfte ſich auf,
feine Güter wurden eingezogen, und er ward zur
ewigen Berbannung aus der Inſel verurtheilet.
DaDao Li unterlaffen hatte, gleich anfängs
lich mit Furcht und Schreden ſich den Eorfen an:
zukündigen, und ihm ſchon der erfte Eriegerifcye
Verſuch mißlungen war, fo ſchrieben fie auch
den endlichen Gieg über Matra, weniger feiner
—8
— 13 —
Kunſt, als ſeinem Glücke zu. Ihre Zweifel an die
erſtere wurden beſtaͤrkt, als ihm alle folgende
Unternehmungen auf die feſten Pläße, welche die
Genuefer auf det Inſel noch befegt hielten, fehl
geſchlagen twaren, und er von Torre&an Pels
legrino mit einem höchſt empfindlichen Berlufs
fe zurück gefrieben wurde. Ihre Zweifel waren
ungerecht, denn ſeine Niederlagen waren nur
eine nothwendige Folge ihrer Wildheit und Jucht⸗
loſigkeit. Wohl fühlte er es jetzt ſelbſt, daß er
mit einem ſolchen Kriegsvolke gegen einen ge⸗
wandtern Feind und regelmäßige Heere nur von
dem Zufall oder von der Verzweiflung Lorbern
des Sieges und des Ruhmes erwarten dürfte,
ed lag aber nicht in feiner Kraft, durch eine rie⸗
fenmäßige Thätigkeit dem Uebel auf das ſchnell⸗
fte abzubelfen, und nad) der Einführung der Des
motratie fland es auch nicht mehr in feiner Macht.
Unter der langwierigen und unglüdlichen
Belagerung von San Pellegrino war Gas
licetti von einer Stückkugel getroffen worden.
Seine Bunde war tödlich, die gläubige Zuver⸗
fiht, feine Camilla im Schooße der Goftheif
wieder zu finden, und fie nun erft wahrhaft zu _
-
*
lieben, erleichferte. ihn den Todestampf, den er
inBonaventurads Armen beſchloß. Noch meh;
rere wadere Männer waren dort gefallen, bis
endlich Paoli, von den Leihen der Seinigen
umgeben, dem Ausbrude einer Empörung in
feinem Lager nicht anders mehr vorbeugen konn:
te, ala durdy den Entſchluß, ein Beftreben auf:
zugeben, bey welchem er feine Kräfte fo ſchlecht
berechnet hatte. Düftere Vorftellungen und ban:
ge Sorgen für das künftige Schickſal dee Va⸗
terlandes drängten fi in Bonapentura’s
pafriofifcher Gegle anf feiner Rüdreife in Oly m⸗
pia’s Arme, doch bald verſchwanden Vorſtel⸗
lungen und Sorgen, und die höchſte Begeifte:
rung der Religion und der Sreude trat an ihre
Stelle, als ihm die Hofde ben feiner Ankunft in
ungeftörter Gefundheit feinen Sohn enfgegen
hielt, den fie vor einigen Schuden geboren bat:
te. Es war der Tag, an welchem fein Water vor
zwey Jahren aus der Zeit in die Ewigkeit auf:
genommen worden war. Er nannte ihn Anfel:
mo Bitale; denn er felbft und alles um ihn
ber ſchien ihm in feinem feligen Entzüden neube:
ARE und verklärt, Mit zärtlicher Sorgfalt, Ans
N
— 45 —
dacht und Liebe wachte er am Bette der Mutter
‚bis fpäf in die Nacht, und erfl,da er, voh den
ausgefiandenen Mäbfeligteiten des Krieges und
von den Beſchwerlichkeiten der Reife angegriffen,
- nun unter der Uebermacht der DBaterfreude völ:
lig egguattet war., überließ er ſich durch ‚einige
Stuhden der. Ruhe.
. Da mar-ihm, als mürde er im Traume, zu
einem neuen Feldzuge gerüftef, von feinem Geb:
ne, der bereits zum Knaben heran gemacdhfen wur,
auf einen fehr hoben ‚Berg geführt. Bon dem
Gipfel deffelben überfah er in. einer Lleinen Ent:
fernung ‚einen Englifhen Park; welcher unge⸗
mein weit ansgedehut, eine natürlice Kasie von .
Europa vorflellfe. Den auffadlenden Geſchmack
des Eigenthümers bewundernd, befam' er Luft,
Das fonderhare Gefilde genauer kennen zu lers
nen. Je weiter er darin fortfehritt, deſto anges
nehmer ward feine Aufmerkſamkeit befdhäftiget.—
„Die Stelle der größern Ströme,” fo beſchrieb
erDeratld i die myflifche Bifion feines reinen
feffellofen Seyns und Lebeng, „vertraten Eleine _
„Bäche, in deren klarer Sluth die frähliche Fo⸗
„teile in munterem Spihgipe: dns bunte Öes
— 456 —
„ſtein hinſchlüpfte. Die Meere waren fiſchreiche
„Leiche, über welche der Luſtwandler, bald auf
„ſchwebenden Brüden, bald in eigen dazu eins
„gerichteten Fahrzeugen ſich felbft hinüber fets
„zen konnte. "jedes Land war durd) die ihm eis
„genthümlichen Bäume und Blumen ausgezeidy
„net, die Beete der. letztern fiellten die vorgüglid)
„ften Städte vor, der geiffige Zuſtand des Vol:
„tes war durd) einen Tempel, durch eine Gapeb
„le, oder durd) ein anderes Gebäude angeden:
„tet. Der Park hatte nur Einen Eingang, und
„zwar im Norden, von wo aus die Wegein man:
„nigfalfigen Wendungen , fheils nad Oſten,
„theils nad, Weſten führten. Ale Sapellen, auf
„welche ich in den nördlichen Ländern fließ, glis
„hen hoben Erdhägeln mit Schlehendorn und
„Brombeerſtauden beſetzt, alle hatten über dem
„Eingange die Auffchrift: |
Der 0
Klugheit und dem Nutzen
des Augenblickes
gewidmet.
„Von der Neugier in Eine hinein getrieben,
|
4
„fand ich fie im Innern mit unfchmelzbaren Eis.
„quadern aüsgefeßt und ‚gepflaftert, auf dem
„Altare ſah ich einen ſchlecht geſchnitzten Fuchs,
„auf einem Pfluge reiten, und fpielend, ein Joch
„mit Schlangen umtinden. Auf den Altarſtu⸗
„fen lagen als Dpfer erwürgfe Tauben und Ads
„ler, Bein zerfchnittene Bibeln , zerriſſene Blat⸗
„ter aus Platon, zerbrodyene Keldye, Kreuze
„und -Rauchfäffet, Trümmer von Sriechiſchen
„Statüen und Lappen von Gemählden des Bas
„roccio und Carlo Dolci, die nur Seiliges
„mablten. Bor Schreck und Froſt erſtarret wen⸗
„dete ich mich nad Weſten.“« |
„Dort Bam id) auf eine große Inſel, deren
„Tempel fyon von außen in Gold und Gilber
„glänzte; doc) feine Auffchrift:
RELIGIO. VIRTUS. ET. JUS.
IN. AURO. *)
„ließ mich nidy£ viel Gutes erwarten, und fofand
„ichs auch, als ich hinein fam. Auf dem Altare,
„der einen großen Geldkaſten vorſtellte, ſtand
„ein Götzenbild aus einem Granitblocke gehauen,
2) Religion, Tugend und Recht im Golde.
— A
„ganz nackend, dem Mercurius ähnlich, dus
„Haupt mit Bläftera nou NMisertetfig bekränzt,
„in der rechten Hand eine Goldwage, in Der Uns
„Een ein Zablbreft, an der Celle des Herzens
„das Allerbeiligfte, das Ein Mahl eins. Als Dp:
„fergaben flanden da, ganze Zäfier voll Papie
„re, Blut und Thränen, mit den Slaggen aller
„Handel treibenden Bölfer umfchlungen, und mit
„Fetzen von ihren. Giegeln zugedeckt. Der Fuß:
„boden war mit nerderrten Dliven: und Palnı:
„blättern-fo dicht beſtreuet, daß ich glaubte, al:
„le Palm und Dehlbäume der Welt. hätten an
„einem Lage ihre Lreibefraft erfhöpft und ihr
„ſchoönes Laub in diefen Tempel gefandf. Statt
„Der Bethſtühle fah ige nur Wechfelbänte and
„Krambuden, mit allerley JZuckerwerk und Waa⸗
„ren von Metall und Leder angefüllt. Was ich
„auch von dem, erftern in Die Sand nahm, vers
„wandelte ſich ſogleich in eine Meerrettigwurzel,
„und Iodte mir ganze Bäche von Thränen aus
„den Augen; was ich bon den letztern Berühr⸗
‚te, blieb als Blutegel an meinen Fingern han—
„gen und ſog mir dag Blut aus. ch eilte aus
„dem Tempel und. von der Inſel fort, amd
— 419 —
„ſchlug dm Weg ein, der wich nordoſiwatta
„führte.“
Mlich dort traf.idy wenig Freyes und An-
„müthiges, dagegen viele Bilder der Zwietracht
„und Berwirrung. Die Lempel führten alle die
Aufſchuft: u
. LIBERTATI.
RATIONIS. ET. CONSCIENTIAE.
SACRUM. °)
„aber fie. ie maren ‚größten Theils auf Slugfand
„errichtet, einige aus Glas zufammen gefeßt, an:
„dere in Zeltform von feinen Schleyertüchern
„aufgeſchlagen; darum konnte ich auch nichts
„weiter, als Licht, Luftzug und Staub darin fins
„den. Hier und da bemerkte ichi in einem Winkel
„ein Bild, weit über die Hälfte in Sand vergra⸗
„ben. Eins zog ich heraus, reinigte es von Lin»
„trath , und entdeckte daran mit Erftaunen des
„goftfeligen Fra Martino Luthero Ge—
Aſtalt.“
„Run kehrte ich füdlich nach Weſten zurück
„und kam zu der ſitzenden Jungfrau ſchönen
— — —
’) Der Freyheit des Verſtandes und des Gewiſſens
geheiliget.
— Abo —
„Buſen, mo ich alles nach den Bildern einer üp⸗
„pigen Pbantafie eingerichfef und zum ſchwel—
„genden Genufje einladend fand. Rur der T
„pel lag in Ruinen, und. feine Spur: der Goft
„heit, der er einft geweihet war, konnte ich ent:
„decken. Defto prächtiger war das Theater ver:
„ziert; dieBühne war in der Mitte getheilt, über
„dereinen Hälfte ſtand, L’AUJOURD’HUI ; über
„ver anderen L’AVENIR. Dort erſchreckte mid)
„vie Bildfäule eines Mannes, der im hämiſch—
„lächelnden Gefichte, mehr einem Faun oder Pa:
„vian, als einem Menſchen glidy, zu feinen üs
„gen faß ein Kaninchen und eine Eule, jedes eine
„Role baltend; auf jener las ih: LA PUCEL-
„LE; auf diefer, LA RAISON PAR ALPHA-
„BET. In der andern Abtheilung war von Fi⸗
„guren in 2ebensgröße eine Scene vorgeſtellt,
„über welcher ein Engel ſchwebte, aus deffen
„ZLrompete die Worfe: LE MEDICIN MALGRE
„LUI, hervor gingen. Nichts weniger als behag⸗
„lid, fühlte ich mid, auf diefem Schauplage; der
„Soden, auf dem id) ftand, ſchien mir in einem
„fort zu ſchwanken.“
„Nachdem ich einige blühende Hügel, ver
— 4 —
„muthlich die Porenden, überftiegen haffe, be⸗
„fand idy mich in den anmuthigen Garten der
„Heſperiden, mo goldene Aepfel zwifchen dem
„dunkeln Laube der Bäume glühten. Ein hoher
„Gotbifcher Dom erwedte ſchon aus der Kerne
„meine Aufmerkfamteit und Ehrfurcht; als ich
„bintam, ſah ic) ihn halb zerfallen. Die Aufs
„ſchrift fagte mir, daß er in beffern Zeiten „„der
„Einen Seuerquelle aller Größe, der Tugend,
„„oder des Lafters, des Berdienftes oder des
„„Verbrechens, je nachdem der Schöpfende ihre
„„Flamme benutzte;““ geheiligef war. Aud) das
„Bild der Nymphe war noch da, eine liebliche
„romantifche Geftalt, das Auge auf einen Stern
„gewandt, der über ihrem Haupte glänzfe, in
„ihrer Rechten eine brennende Fackel, in ihrer
„Linken ein Zauberfpiegel, beyde mif Hyacinu⸗
„then und Tulpen ummunden. Seitwärts, zwi⸗
„ſchen Beefen von Mohn Erocus und Asphodil:
„Ten, ftand eineneuerbaute Eapelle mit einerfons
„derbaren Thiergruppe; fieben Efel bewachten
„einen Eranten, gebundenen Löwen, und rings
„berum bewegte ſich kaum wahrnehmlich eine
„Anzahl Schildkröten und andereträge Thiere.“
— 462 —
„Am Ufer des Teiches ſtand ein Fahrzeug,
„welches nach dem Patrimonio di San Piedro
„hinüber führte, ich ſchiffte mich ein, um zu fe
‚hen , auf weldye Art und Weife der originale
„Eigenthümer Italien nady feinem Öarfen ver:
„jest habe. In einem Haine von Palmen , Ce:
„dern und Deblbäumen Fam ich zu einer Ro:
„tunda. Ihre einfache Aufichrift:
MENTI. AETERNAE.®) |
„erfüllte mich mit heiligem Schauder. Ihr Inne.
„ces war ein Blumengarten, der den lieblichften
„Duft aushauchte, auf dem Altare eine Ma—
„donna mit dem Kinde, ihre Kuppel der Simmel,
„und doch mar fie in ein geheimnißvolles Dun:
„tel eingehüllt, nur von einem ſchwachen Schim⸗
„mer aus der heiligen Kammer hinter dem Alta:
„ce nothdürftig erhellef. Ich wagte mid) in das
„Heiligtum; aber nichts erblidte ich dafelbft,
„als eine überaus große Kryſtallkugel, die
„aus allen ihren Puntten eine Eins im boben
„Feuerglanze hervor ftrablen ließ. So lange id)
„aud) diefe wunderbare Eins befradyfen mod):
[|
*) Dem ewigen Gemüthe,
N
-
— 43 —
‚te, imrherforf fliegen nene Seftaltenin ihr auf;
„und fo zeigte fie mir im ſchnellen Wechſel das
„Antlitz meines Batgrs, meiner Mutter, Ca:
„milla's und DIiympta’s, das Ihrige und
„ſelbſt das meinige, das Antliß jedes, an den id,
‚dachte, und endlich das Angeficht aller mir Lie:
„‚ben und Theuern zu Einer Geftalt in einander
„gefloſſen.“ |
„Jetzt erft vermißte ich meinen Knaben. und
‚„‚erinnerte mid) zugleich, daß er mir fchon bey
„‚meinem Eintritfe m die nördlichen Eis:Capellen
„entſchwunden war. Ich feßfe mich nad) Corſira
„über, wo ich ihn wieder zu, finden hoffte, wäh—
„nend, ich ſey in der wirklichen Welt, nicht in-eis
‚nem Zanbergarfen. Das meifte war mir auf
„dieſer Barteninfel neu, unbekannt, und fdyei:
„nend, als wollten plößlidy alle Berge verfinfen
„und die Inſel unter meinen Süßen bis über die
„Bolten fich erheben. Es ift mir unbegreiflidh,
„warum ich diefen Augenblick in und außer mie
„in den Eräftigiten Tönen nichts anders mehr
„börte, als Micha’s Worte: „„Und du Beth:
„„lehem Ephrafa, die du klein bift unfer den
„„Tauſenden in Juda, aus dir foll mir derjenis
+
3 —F
„„ge kommen, der in Iſrael Herr ſey. Der wird
„„auftreten und weiden in Kraft des Herrn und
„„im Siege des Nahmens feines Gottes.’
„Begen Südweſt hinfehend und mein freund:
‚„Aiches Govarella fudyend, bemerkte idy, wie hin⸗
„ker ihm ein Dorifcher Tempel empor ftieg. Ich
„eilte bin, und fonderbar ward mir zu Muthe
„bey feiner Auffchrift:
. HINC
REGENERATIO. PAX. ET. SALUS.
ORBI. *)
„Mit gefpannter Erwartung frat id) hinein und
„befand mid, in einer ſchrecklichen Finfterniß.
„Aus weiter gerne erfönfe Kriegsgefchrey und
„Baffengefümmel. Ich wollte hinaus, dod in
„meiner großen Angft und Noth Eonnte idy den
„Ausgang nidyt finden. Endlidy verwandelte fi)
„das Getöſe in Giegesgefänge, ganze Bienen:
„ſchwärme flogen fröblid) fumfend in dem Tem⸗
„pel herein, die Kinfterniß wich dem Tage, im
„lichten Heiligthume faßen mein Bater mit einer
„Iris
*) Bon bier aus die Wiedergeburt, der Friede und
das Heil der Welt.
„Iris aus Saphieren, meine Mutter mit einer
„Roſe aus Carbunteln, und der mir ſchon fo
„genau befannte Jüngling mit Zirkel und Winz '
„kelmaß, in der einen, mit einer Sonnenblume
„aus gelben Diamanten und Amethyſten in der
„andern Hand. Auf dem Altare lag ein großer
„Diamant in Form eines Wuͤrfels.“
‚„&orfica’s Schiefal iſt entſchieden,““ —
„ſprach der Yüngling, Anfelmo und 20d0s
„d:ica fprachen es mit, und ich felbft fchien mir
„es mitzuſprechen,“ — „„Corſica,“ — ‚fuhren
„wir alle im einftimmigen Chor fort,“ „„ſoll dem
„„Lande der Lilien unterthänig werden. Paoli
„„wird es nichf befreyen, nicht beglüden. Er bes
„„ſitzt bloß einen ſcharf gefchliffenen Bergtry:
„„ſtall, und er kennt über dem gemeinen Lafur _
„„und dem dunkeln Earneof feinen höhern Edel«
„„ſtein. Kein Diamant ift ihm geworden, dar:
„„um will ihn aud) ein Saphier und fein Ear:
„„bunkel ſchmücken, noch mit dem niedrigern
„„Bergkryſtall im einfärbigen Glanze ihm leuch⸗
„„ten, und ohne dieſes Licht wird nichts Gros
„„ßes, nichts Schönes, Edles und Dauerhaftes
„„in der Welt. In der Durchſichtigkeit ſeiner
Gg
mm
drey Steine wird er immer nut die Mittel fe:
„„hen und wählen, durd) welche, gegen feinen
„Zillen, der Plan des eigen Weltgeiſtes er:
„„füllet werden muß. Corſica ſoll dem Sande in
Weſten dienen, damit diefes gerettet, und durch
die Folgen feiner Rettung Die Erde nengeftal
„tet werde; fo ift es aus dem Ein durch das
m AU erſchollen.““ |
„„Schwer wiegen die Berdienfte diefes lan:
des in der Wagſchale des Weltgeiftes. Als al:
„„les Schöne, Kindliche und Fromme der alten
„„Welt von der Erde verſchwunden war, un?
der Sohn Bottes ihr ein neues Picht, eine neue
„„Kunſt und eine neue Liebe zeigte, faßte das
Land der Lilien zuerſt mil reinem Kindesfinne
—
vr.
—W
vo
—
„„ſeine Dffenbarungen auf und bewohrte fie
freu im gottfeligen Semüthe. Was es dann
„„uch ſchuf, es mochte ſich im Bilde eines Staa⸗
„„tes, einer Hierarchie, eines Paradieſes für
„Bott geweihte Weiſe, eines frommen Ritterwe⸗
ſens der Liebe, oder eines heiligen Krieges det
‚Andacht darftellen, alles war pon dem ein: |
„farbigen Schimmer des Diamanten, des
„„Saphiers und des Carbunkels, woran es rei⸗
+
| -m-
„„cher war als alle andere Länder, beleuchtet
„„und verſchönert. Alle Reiche fahen mit Ente
„„iücken auf feine Schöpfungen hin, verfnchten
„„es, fie nachzubilden, und der Weltgeift hatte
„„Wohlgefallen an dem Lande in Weften. So
„„blieb es, bis liſtige Juwelenhuͤndler, die nichts
„„Edleres, als Bergkryſtalle hatten, und
„„dieſe dort nicht [og werden konnten, unter dem
„„Vorwande einer höchſt wunderbaren Schleife
„„kunſt, das freundliche Land verleiketen, ihnen
‚feine Diamanten zu borgen. Gie warfen die
„„herrlichen Steine in die Gee, und gaben ſtatt
„„derſelben nur reine Bergkryſtalle zurück; und
„„nun verloren auch feine Saphiere und Car
„„bunkel ihren Glanz. Alles ging rüddwärts, übers
„„all ftellte fi Bermirrung ein, die Aufflä«
„„rung des Bergkryſtalls verblendese
„„Frankreich und alle Länder, die ſich daſſelbe
„„zum Vorbilde gefeßt hatten“
„„So mar es ſeit jener Zeit,““ fprady jetzt
der Jüngling allein, „„ſo ift es heute, fo wird -
„„es fortſchreiten, bis die äußerfte Zerrüttung
„„in dem Lande folgt, und alle Gräuel des Ber:
„„derbens in ihm berrfdyend werden. In der Bor:
G g 2
|
mn
in
„„herſehung derfelben hat feiner frühern Runft
„„und Liebe der Weltgeift gedacht, und Rettung
„„für daffelbe vorbereitel. Er bat die fakfchen
„„Juwelenhaäͤndler von diefer Injel abgehalten;
„„und bier fiehft du den Diamanten, den größ:
„„ten, der ſich jeßt auf Erden befindet, in deffen
„„Erſcheinung die Saphiere und Carbunkel ih:
„„ren ehemahligen Glang, wieder erhalten, and
„„im einfärbigen Lichte mit ihm, das geſunkene
„Land und alle Reiche der Welt überſtrahlen
„„ſollen. Damit es aber diefen koftbaren Stein
„finden und deflelben fid) bemächtigen möge,
„„muß es die Inſel erobern. Wenn alsdann Bas
„„blendung, Laſter und Verzweiflung dort alle
„„Bande der Ordnung aufgelöſt, umd alle Ref:
„„te feines ehemahligen Guten und Echoͤnen zer⸗
„„ſtoͤret haben werden, dann wird ihm dieſer
„„wundetthaͤtige Sonnenſtein entgegen leuchten,
„„es wird erkennen, daß ihm nur derſelbe zu feis
„nem Heil gefehlt habe, es wird ihn frohlok—
„„kend hinnehmen, um ihn mit feinem Gaphier
„und. Carbunkel ungertrennlich zu verbinden.
„„Ein neter Geift wird das Lilienland beleben, .
Andie drey Steine, fid) einander durchdringend,
. 3 u 1} v
— 469 —
‚ya: die. ‚Stirn ſeines Herrſchers ſchmuͤckend,
werden als Spie e gel dir Strahlen des Sons
„„nengeiftes auffaffen, und fie Wieder als dag .
„Ficht zu einer neuen Ordnung der Dinge über
‚ „die ganze Erde zurück werfen Bödfthfige, die
„„her dag Maſſer des Bergkri ſtalls nichte Vor⸗
unSefflhgres fennen ımd achten,. werden. dort
„on einemhᷣlinden Glaͤce des H er r ſch er s
„träumen, wo lediglich die Wimdetkraft. der
„„drey Steine wirken wird; aiber Völker von
ſ chärferem Sinne merden ihren Blick von dem
‚zufälligen Träger der Öfeine zu dem Spiegel
„„ſelbſt erheben, fie werden in ihm ihre Schwäs
„he und ihre Kraft, ihre Armuth und ihre Ent-
„„würdigung, ihr gegenmwärfiges Geyn und ihr
‚„„möglidyes Werden erfehen, und, den Taliss
„„man der dren Steine audy in ihrem Innern
„„ahndend, muthig ſich entſchließen, ihn aus feis
„mer tiefen Berborgenbeit zu ihrem Heil ber:
„„vor zu ziehen.“
„aß daher deinen Freund mit feinen Waf⸗
„„fen und fchlechten Steinen das Werk des
„unendlich mweifen Weltgeiftes vollführen, du
„„ſtecke das Kriegesſchwert in die Scheide, Bis
— 470 —
„„du nicht mehr vermeiden kannſt, eg zu ziehen.
„„Nimm aus unfern Händen die drey. Blumen,
„„verbin de fie für deinen Meinen Kreis zu einem
„„unverwelklichen Bufche, den Altar derReligion
A„damit zu zieren. Außer demfelben diene nur
„„mit diefem Winkelmoße und mit diefem Zirkel
„„Deinem Baterlande, Geſetz und Recht erhals
„„tend, bis an Borfica vollbracht iſt, was ge:
. „„ſchehen fol,“ . -
„Jun wollte idy aus mirfelbft fprechen ; aber
„der Park verfant unter mir, eine unfichfbare
„Macht frug mich in Lüften. fort und- lieg mid)
„auf dem Berge San Marino. nieder, mo
„Olympia, mein Knabe, der Hieronymiten
„Prior ra Giacomo. und ein Unbekannter,
„wich. in ihre Arme ſchloſſen und. mit ihrem Au:
„belgefchrey. aus. dem Schlafe erwediten. Des
„Morgens gab die Erzählung der Bifion mei
„mer Öeliebten mehr Kraft, als alle Erfindungen
„der unfichern Heilkunft; fie erhielt in. ihr die Ge:
„wißheit, daß ich. fie nun nicht mehr fo. off ver:
„laffen, und dag ſchwere Loos des Kampfes zwi⸗
„ſchen ihrer Liebe und ihrer patriotiſchen Refig:
„nation fie feltener treffen werde.“ ıc. ır.
_ .—
Sobald Oly mpia böllig genefen IDar, ver⸗
kaufte er Galicetto und zog fi) mit den Geiz
nigert lenſeits des Gebirges auf fein väterliches
Ecbgut zurüd. Pa dli hinderte ihn daran nich,
theils weil der Widerſtreit in ihrer. politifdyen
Denfungsart ihre gegenfeifige Zurreigung bloß
auf die‘ "Anerkennung und Achtung ihres Ber⸗
dienftes befchränft hatte, theils weil er in dem
Lande jenſeits des Gebirges noch nicht als Ober⸗
haupt det Inſel anerkannt war, und von dem
Einfluffe feines Freundes auf die Bewohner je⸗
ner Gegen den wichtige Vortheile erwarten konnte.
Nach dem Wunſche ſeiner Gattinn richtete Bo⸗
napenfura zu Sovarella ähnliche Hausan:
dachten ein, wie er fie zu Pozzuolo mit Er:
bauung gefehen hatte. Das Hausbuch dazu vers
ferfigfe er ſelbſt, nicht wie es ſein Geiſt für ihm
verwandte Geiſter hätte erfinden können, ſondern
wie es ſeyn mußte, um in der kleinen Gemeinde, |
für die es beſtimmt mar, die Anlage zur Religio:
fität zuentwideln und ihre Bedürfniffe behaglich
zu befriedigen. Sreunde, die ihn befuchten, wur:
den von. diefen goftfeligen Abendftunden, wenn
fie daran Theil nehmen mollten, nicht ausge:
— 472 —
ſchloſſen; nur übertrug er in ſolchen Fällen das
Vorleſen und Vorbethen dem alten Renato.
An Sonn = und Seyerfagen wurden aud) die
Bewohner von Sovarella und der benachbar—
ten Dörfer zugelafjen; menu man aber erwar⸗
| fefe, daß er an Diefen Tagen, aus dem Sells
dunkel der Phantafie berausfihreitend, und die
Slamme des Gefühle zurückdrängend, es vor⸗
züglich auf eine Auftlärung des Berfiandes, auf
Ermunferung des Fleißes, oder auf Berbeffe
rung der Gitten angelegt haben möchte, ſo mürs
de man hinter dem tiefern Blide feines religiös
fen Gemüthes ſehr weif zurück bleiben ; er mußte
zu beftimmt, daß alle Mittel, auf Menſchen fo
zu wirken, daß dag Gute ihr eigenes Erzeuguiß
merde, lediglich in dem Bebiethe der Phantafie
und des Gefühls liegen, und daß im Menſchen
die Richkigkeit feines Verſtandes, die Antriebe
zum Sleiße und die Reinigkeit der Sitten mif der
Reinigfeit und Stärke feines religiöfen Gefühle
in dem genaueften Berbältniffe ftehen; mithin
durch die Anregung, Läuferung und Berftärkung
deffelben, unfehlbar auch alle übrige Zwecke er:
reichef werden.
In diefen Berfammlungen fah er fich einige
Männer aus,-die ihm fähig und gutwillig genug
ſchienen, ſeine weitern Abſichten zu befördern,
Durch Leutfeligkeit und Wohlthaten zog er fie
allmählich an fid), erweckte in ihnen die Luft zu
einer gemeinnügigen Thaͤtigkeit, und überlieg fie
dann feinem Sreunde Renato, dem es eine, ſei⸗
ner ganz würdige, Beſchäftigung war, ſie zu
Schullehrern zu bilden. Die Schule zu Sovarel⸗
la ward mit beſonderer Feyerlichkeit eröffnet. Die
ganze Dorfgemeinde mit ihren Kindern wurde
in das Thal am Ufer der Prunella zu einem laͤnd⸗
lichen Sefte verfammelf, Bonanenfura,von
einer Schar, ſowohl Laien als Geiftlicyen be:
gleitef, führte den Lehrer: an, feinem Arme, ftellte
ihn der Gemeinde als künftigen Borfteher ſei⸗
ner Schule und als ſeinen ihm ſehr werthen
Freund vor, machte diejenigen Kinder nahment⸗
lid) bekannt, welche, zum Zeichen feiner Achtung
für Bas anfländige Betragen. und den chriſtlichen
Wandel ihrer Xeltern, in diefelbe aufgenommen
werden follten, und äußerfe den Wunfdy, daß
er bald auch. von den übrigen $amiliens Bätern
aufgefordert werden möchte ‚, fie durd) eben Die:
44 —
fes Merkmohl feines Wohlwollens und feiner
Werthfehägung auszuzeichnen. Die ernannten
Kinder wurden hervor geladen, von DIy mpia
vollftändig gekleidet, und von ihm zu ihren Ael
tern zurück geführet. Darauf folgte ein gemein
ſchaftliches Mahl, ländliche Spiele und Tänze
befchloffen den fhönen Tag, an welchem in fo
mantheln Gemüthe der Funke eines edlern Ehre
geizes und einer rühmlichern Nadheiferung er:
machte. Auf diefe Weife erreichte er feinen Zweck,
den er gebiethend zuverläſſig verfehlet hatte.
Richt Ein Bater oder Eine Mutter blieb mit ib:
ter Bitte zurück, daß unfer der, gewiß zu erfül:
[enden, Bedingung einer würdigen Aufführung,
auch ihre Kinder. in die Schule aufgenommen
werden mödhfen.
Die bis zum Ekel, und mit dem ganzen a:
nafismus einer einfeifigen Weltklugheit, als eins
de alles Guten verfchrienen Möndhe legten ihm
nirgends Hinderniffe in den Weg, fondern’ uns
terſtuͤtzten ihn vielmehr auf das thaͤtigſte; weil
et fie zu behandeln wußte, weil er ihnen bey ab
fe Heiligkeit ihrer Regel, eben fo ſchonend und
nachſichtig, wie den weltlichen Chriften, bey al:
\
— 475 —
ber Heiligkeit des Evangeliums, erlaubte, Men⸗
ſchen zu ſeyn, weil er in ihren Obſervanzen und
EGebraͤuchen, ſelbſt dort, mo: fe an Aberglaus
ben zu grängert f&hleiren‘,'die därımter verborges
ne Ridyfung zum Idealen, Emigen'und Göttkis
cher erfarmte und verehrte, teil er in ihnern das
Berdienft ihrer Stifter und Vorfahren, gerade
fo, wie fie in ihm das Berdienft feiner adeligen
Ahnen, ächtete; Zurz, meil er als ideafifiher
. Menfch. nicht einfeitig fehen, urtbeilen und han:
deln. konnte. Häufig befuchte er ihren ECuitus zů
Ornano, Naſpreto und Ajaccio, nicht zur Bes
gründung oder Erhaltung feines Anfehens den
Schein einer-Eirchlichen Gottſeligkeit erheuchehid)
nicht zum Leithammel des gemeinen Volkes fich
berabmürdigens, fondern.. um, gleich der hhn:
dungspollen Biene ; die ‘den. verſteckten Honig
felbft im der Diftelbläthe zu 'erfpähen. weiß, das
Licht und die Galbung der Religion. aus allen
möglishen Sormen und Erfcheinungen in ſich auf⸗
zunehmen. Allein er nahm nichtnur, ergab auch
von dem Seinigen Was in feinem, Beifte Wiſ⸗
fenfehaft, was volles. theologifches Leben mar,
das hielten die Mönche für Gelehrfamkeit, und
- 46.-
fühlten ſich durch feine porzäglichen Renamife
von ihrer eigenthümlichen ‚Sache oft beilfam bes
ſchaͤmt. Mit feiner Ueberlagespeit fie nie 3
kend, gewana er ibr ‚umbegkängtes Bertcane,
fie fiheueten fein Tüßfalen , fie geizten nad) fi:
nem. Benfall, und hatten bisweilen fogar Urſa⸗
che, feine Einwirktungen auf fie dankbar zu feg:
nen. Nur Eine derfelben ftehe hier, damit erhelk,
wie fidyer und mohlthätig der idealifdye Menſch
durch das Einzelne auf das Allgemeine wirke.
Gein Haus ward auf der Inſel allgemein
das Elyfium der Baftfreundfchaft genannt; dieß,
nody mehr aber der, im Elerus bekannte Ruf
pon feiner Öelehrfamkeit bewog den Lector der
Gerpifen, Fra Benizz io, ihn zu beſuchen; und
feine eigenen gelehrten Berdienfte, fo wie fein
mufitalifches Talent , liegen ibn eine ausgezeich:
nefe Aufnahme erwarten. Unter allem, was er
in Sovarella ſah, fiel ihm nichts überrafchender
auf, als Bonapventura'sLararium, in wel:
chem neben den Bildern Ehrifti, der zwölf Apofs
fel und der vier heiligen Kirchenlehrer, auch die
Bildniffe des Peter WBaldus, des Joannes
Sus, des Martin Luther, und mas ibn
“ völlig irre madyfe, des Juden Spinoza aufs
gehangen, und gleichfam zu Einem Altare gereis
bet waren. "
Bonapdentura bemerkte feine Bermundes
rung und fprach: „follten Sie, gelehrfer Mann,
„einen Augenblick pergeffen können, daß die Res
„ligion vereinigef, was die Kirche frennt? oder
„ſollte bey Ihnen die Heiligfpredyung von dem
„göttlichen Throne der Menſchheit von geringes
„rem Gewichte feyn, als die Canonifafion von
„dem apoftolifcyen Stuhle zu Rom?“
„Aber Keßer und Juden ; warum nicht noch
„Türken and Heiden ® verfegte SraBenizzio. .
„Auch diefe,” antwortete jener, „ſind Ch ri⸗
„ſten, ſobald ſie das, über alle Kirchen, Sy⸗
„nagogen, Moſcheen und Tempel erhabne, Licht
„der Religion erſchauen, und Heilige, ſobald
„fie mit ganzer Seele in ihm leben.”
Der Gerpit ſchwieg; nad) einigen Tagen
aber erhielt Bonavdenfura von ihm eine weit⸗
läufige Herzensergießung. „Er müßte,” meinte
Benizzio, „in feinem Herzen ein Lutheraner
„feyn, fonft könnte er unmöglid) fo frey und
„aufgellärt denken. Eben diefe Muthmaßung
„wäre der Grund feines Berfrauens, womit er
ähm, wie dem ewigen Richter, fein Innerſtes
„aufichlöße, und ihn um feinen Beyſtand bäthe.“
Er fdhilderte ihm dann den Gang feiner Studien,
feine Aufnahme in die gelehrte Akademie, welche
Marquis de Curſay zu Corte geſtiftet hatte,
feine Begierde, mir weldyer er die, von den Fran⸗
zofen auf der Inſel verbreiteten Schriften Hu:
me’s, Rouffeau’s und Bolfaire’s ver
ſchlungen, fid) aber dennody vor dem Deismus
verwahret babe, mie er anfänglidy mit feinem
Stande unzufrieden geworden, dann in feiner
tbeologifhen Denkart vom Brunde aus-erfchüt:
tert, und endlicdy zu dem Entſchluſſe gebracht
worden fey, feinen Drden und fein Vaterland
zu verlaffen, nach Deutjchland zu gehen und zur
Lutheriſchen Kirche über zu freten. In diefem Bor:
haben, der einzigen Bedingung feiner Beriffens:
rube und feiner Seelen Seligkeit, mödyte er ihn
durch einige Beldhülfe und durch Empfehlungen
an mwürdige Männer im Auslande menſchen⸗
freundlidy unferftügen, doch keinesweges glau:
ben, daß irgend eine niedrige oder finnlidye Ab»
\
- 49 —
ſicht o der Feſſeln des Calibates ſich zu ent:
Iedigen, in die Beweggründe feines Schrittes
einflöffe.2c.2c.. Hier find die merfwürdigern Gtels
len aus Bonadenfura’s Antwort.
„ic. xc, Ein leerer Schein hat mir Yhr Bere
„trauen erworben; Gie haben es.jedoch auf eis.
„une Art und jn einer. Sache geäußerf, die mid,
„wünſchen madyt, daß ich es durch die Wahrs
‚beit nicht wieder verlieren möge. Nehmen Gie
„‚alfo mit.gemigfem Herzen meine heiligfte Bers
„Sicherung bin. daß ic) in meinem äußern Wan«
„del unter Katholiken Katholik, in meinem ins
„mern Leben aber, weder Putheraner nod) Ka»
„tholit, nicht Waldenfer, nicht Huffit, und nichte
„von allem, was Secte heißt, fondern Religiofe
„ſey, und eben darum. überall und in allen kirch⸗
„lichen Gemeinden einer ungeftörten Gewiſſens⸗
„xube und meiner Seelen Seligkeit genieße.“ yr.
„Auch das, wonach Gie, als der einzigen
„Bedingung Ihrer Ausföhnung mit Sich Gelbft,
„ſtreben, ift nur Schein; denn eine Lutheriſche
„Kirche, oder möge fie aud) evangelifche heißen,
„iſt in der Wirklichkeit nirgends mehr vorhan⸗
„den. Ein bewährter Lector der Theologie und
— 460 — U
„ein fo gelehrter und zugleich redliche Mann,
„wie ich in Ihnen achte, bedarf oft nur einiger
„Freundeswinke, um den Zauber eines blenden:
„ven Irrlichtes zu zerftreuen und die ihm unver:
„merkt entſchwundene Wahrheit wieder zu fin;
„den; folche wohlgemeinte Winke will ich! Ihnen
„geben über. das, mas $ra Martino gemollt,
„was er gethan, und was nad) ihm die Welt
„daraus geftaltet hat.“
„Bas alle Auserwählten in Oſten, Güden
„und Weften durch funfzehn Jahrhunderte im
„frommen Gemüthe frugen, und was, Troß der
„profanen Euria, in dem Heiligthume der Rö⸗
„mifdyen Kirche in ſchöner Klarheit leuchtete,
„das war im Norden von Anbeginn an nur
„Dämmerung; und auch diefer ſchwache Bor:
„bothe des bimmlifchen Lichtes war unter dem
„unſtäten Treiben und Drängen rober Fürften
„und ihnen gleicher Biſchoͤfe, Priefter and Mön-
„che längft verfchtwunden. Sie maren Zöglinge
„pon Männern, die, felbft nody neubefehrte
„Chriften, in der Nacht ihrer Zeiten ſich nor an
„ven todfen Körper des Buchſtabens und der
„Gebräuche hielten; den lebendigen Geiſt der Leh⸗
„re
— 48r —
„re nie erblickten. Vergleichen Sie, frey würdi⸗
„gend, die großen Bäter Drigenes, Cypria⸗
„mus, Athanaſius, Hieronymus und Aus
„guftinug mit den neuern Apofteln, Colum⸗
„banus, WBinfridug,Willebrordus Pir«
„minius und, Ansgarius; fo wird ſich Ihnen
„das nördlich eChriſtenthum in einemganz
„eigenen Lichte zeigen.
„Bas die erftern falbungsvoll und Zar
„verkündiget, die legfern nur in dunkeln Anden
„tungen gezeigt und ſchlecht gegründet. haften,
„ward. bon ihren’ Nachfolgern, des Ariftot e⸗
„Les, nicht Chriſti Schülern, überall ganz vere
„vorben. Ein Gewebe unnüger Spigfündigkeiten
„verbüllfe und verdraͤngte die Einfalt des Evan⸗
„geliums, die Speculation erftirkte den ſchwachen |
„Glauben, ein werfhlofes Ceremonien-Spiel hieß
„Chriſtenthum und erſetzte den Mangel an Rei⸗
„nigkeit des Herzens und an Liebe. Da erweckte
„und entflammte der ewige Geiſt im Norden den
„ftommen $ra Martino. Stark durch Gofs
„tes Macht fraf er vor das Volk der Deuffchen
„Sürften, Bifchöfe, Mönche, Caien, und riß ih⸗
„men die Augen ſchmerzhaft auf, zu fchauen und
25
— 482 —,
‚za erſtarren vor der Nacht des Irrthumes, in
‚der fie faumelten, und vor dem Gräuel der
„Verwüſtung, womit fie das Reid, Gottes ent;
„weibet haften. Gie jammerten, fie wanden und
„krümmten fic) wie Armfelige, die den Tod des
„gleifches fürchten; aber in feinem Munde blieb
„das Wort des Herrn ein zweyſchneidiges
„Schwert, es traf, es ſchnitt, es prickelte das
„Herz, and mandye fingen an darnach zu leben.
„Bor allem fchredte er fie zur Buße auf,
„zur einzig wahren, die als die Donnerarf des
„Geiſtes beyde, die frechen Sünder, wie die fal:
„schen Seiligen, in Schrecken und Berzagen zu:
„ſammen treibt, fie verwundet, zermalmef und
„endlich durch die Salbung der Liebe eine ganz:
‚iche Berwandlung der Gefinnung und des Her:
„zens wirkt. Dann hielt er ihnen die Fackel des
„Glaubens fo nahe vor, daß fie erfennen möd)-
„ten, fein .Wefen und fein Leben beftände nicht
„in Worten oder Gäßen, fondern im Lichte, von
„Gott glei) wunderbar, wie Himmel und Bel:
„ten, im Menſchen geſchaffen. Sie follten aufho:
„zen, mit dem Scheine des verftändigen Wiffens
„ſich zu fäufchen, niederflürzen follte vor der
— 153 —
„Beiligkeit und Majeftät des Glaubens das Göt:
‚„‚zenbild des Berftandes, und verbannet werden
„aus dem Simmel der Religion in die Welt der
„Erkenntniß, wo es eigentlich hin gehoͤrt. Dar⸗
„um predigte er ohne Unterlaß: der Menſch, der
„nicht erleuchtet wãre non Gottes Geiſt, vexnähs
„me nichts aus natürlichem Verſtande von dem
„Willen des Allerhöchſten und von ewigen Din⸗
„gen; das Reich Gottes, und mas es umfaßt,
„bieße darum Geheimniß, weil es geiſtig und
„niyſtiſch wäre, und wohl verborgen bliebe,
„wo der Geiſt nicht ſelbſt es offenbarte. Treulich
„warnete er die Kleinen, Schwachen und Kran⸗
„ken vor der Verblendung falſcher Lehrer, die
„nach menſchlichen Erfindimgen fie bethen, hans
„deln und Chriſtum erkennen lehrten. Kühn ver⸗
„dammte er das Gebeth im Scheine, das nur der
„Mund verrichtef, und ermahnte fie zum Bes
„tben in der Wahrheit, das fi) durch Wehmuth,
„Verlangen und Gehnfucht nady dem Unendli⸗
„hen aus Herzensgrund ergöffe. Er zeigfe, wie -
„des Menfchen Wille ohne die Önade nur ein
„eigener, fein freyer fey, der folglich nimmer
„guf, nie Gutes wirken könne, fo lange ihn nicht
Hb2.
Lu
„die Allmacht derfelben von der Menfchlichkeit
„befreyefe und zu einem freyen Willen der ge:
"„beiligten Menſchheit erhöbe. Diefe ver
„kündigte er als den eigentlidyen wahren Chri⸗
„tus, den niemand durch Studieren, Hören,
„Sagen, oder Klügeln finden könnte, fondern
„den der Bater allein offenbaren mollte, und
„auch wirklich geoffenbaret habe in dem Evan-
„gelium , meldyes fo Elar wäre, daß es keines
„Auslegers bedürfte. “Jeden, der e8 mi£ dem Ge⸗
„müthe faßte, feinem Herzen Rube, feinem Ber
„ftande Schweigen geböthe, würde es erleuchten
„und erwärmen, gleichwie die Sonne in dem
„ruhigen WBafferfpiegel vorfrefflicd, ſich abbildet
„und räftig waͤrmet, im reißenden Strome hin⸗
„gegen nidyt alſo gefehen werden mag, und auch
„nicht alfo wärmen kann.”
„Dieß war das Wort der göftlidyen Wahr:
„beit durch Fra Martino’s Mund; und ohne
„Menſchenfurcht es fund zu madyen allen Böl:
„tern, war fein, fo bald, fo allgemein verkann⸗
„tes Werk. Hätte er es doch unfichfbar und ob:
„me Menfcyenbeyftand vollenden können, jetzt,
„oa faum mehr eine Spur davon erkennbar ift,
ud
| — 45 —
„Stände es feſt und unerſchütterlich! ft Ihnen
„die Erbauung und Befefligung diefes Wers
„kes Bedurfniß, fo ſuchen Gie es nicht in Deutſch⸗
„land, nicht in irgend einem Reiche der Welt,
„ſondern beginnen und vollenden Gie e8 einzig
„und allein dort, wo es feften, bleibenden Grund
. „finden kann, in Ihrem Herzen. Dort ftehe Ihre
„Zutberifche Kirche; dort bleibe fie aber audy
„verborgen und verfcyloffen jedem, dem es nody
„micht eingefallen ift, fie fo,. wie ich Ihnen ras
„tbe, in feinem eigenen Herzen zu erbauen; er
„würde Ihr Heiligthom nur entweihen, wie Fra |
„Mlartino’s Heiliges entweihet morden iſt.“
„Blödfinnige, gewohnt, im Ewigen nie mas
„anderes als ein Zeitliches, und in dem Noth⸗
„mwendiger immer nur ein Zufälliges zu erblik⸗
„ten, wähnten, Fra Martino hätte aus ſich
„felbft geſchaffen, mas nur ihre Unwiſſenheit
„überrafdyen, und auch nur fie mit dem Glanze
„der Neuheit blenden konnte. Was er zu ſchaf⸗
„sen fchien, mar lange vor ihm da; und was er:
‚ „fterben war, dem balf'er bloß zur. Wiederges
„burt. Andere glaubten, er hätte das Papfts
„thum flürgen mollen ; allein er riß es nur aus
— 466 - |
„feiner Unfhätigkeit, und brandmarkte nad) Ber:
„dienft die Lafterhaften, die eg ſchändeten: fo
„ward es durch ihn gereiniget, befeftigef und der
„Würde der ewigen Hierardyie näher geführt.
‚ „Der Primas der Kirche, das Schlußglied der
„Einigkeit mar erhaben über feine dreiften Schmä:
„bungen; fie trafen nur den Papft, der als der
„Mittelpunct, in dem der Welt Verderben ſich
‚zufammen drängte, vor feiner Seele ſtand;
„und der Haß, aug dem fie floſſen, lag weniger
„in feinem Herzen, als in dem Verderben der
„Zeit, das eine audere Drönung der Dinge uns
„vermeidlich machte. Bon diefem geleitet, fchaff:
„te er alte und neue Gebräuche ab, verwarf den
„Dilder » und Geremoniens:Tand, entvölkerte die
„Klöfter und löfte die Gelübde der Möndye und
„ver Nonnen auf; allein er that eg mit der Ges
„finnung des. weifen Arztes, der dem Franken
„auch. die nahrbaftefte Speife auf eine Zeit ent,
zieht, wenn diejer durch ihren. unmäßigen Ge:
„braud) alle Äbrigen Verrichtungen des. Lebens
„in. ſich gehemmet hat. Groß, aber nicht erfreu:
„lich ward dadurd, die Zahl feiner Anhänger.
‚„Sürften und Bölfer fammelten fid) zum Panier
—
| — #7 —
| „des erneuerfen Evangeliums; aber was aus
„feinem gläubigen Semüthe ausftrömtfe, drang
„nur bis zu ihrem klugen Verftande, und was
ꝓ„er geiftig verfündigte, faßten fie fleifhlih. Die «
„zabllofe evangelifche Gemeinde fland vor ihm |
„da als ein Körper obne Geift, uud preßfe ihm
„oft Thränen der bitterften Wehmuth aus, meil
alles nur bey dem Buchftaben der Lehre geblie:
„ben war, und man die Morgendämmerung
„für den Tag felbft, und den Morgenftern für
‚die Sonne gehalten hatte.’ |
„Als die Kirche durdy die neuern Beleh:
„tungen im ITorden. den Geift verloren hafte und
„alles von einander fallen wollte, da erhob man
„ven Römifchen Bifchof zum Papfte, damit. er
„mit erweiterter Macht wenigftens den Zufams
„menbang des Körpers erhielte. Als unter eben
„dieſem Berlufte der. & ler us geſunken war, ftif:
‚tete man Drden und bauete Klöfter, um in der
„Einfamteit und frommen Gemeinſchaft das
„Herz himmliſch zu erhalten. Als der verwahr⸗
j‚lofte, erkaltefe Laie fein Gemüth zu dem Ewi⸗
„gen nicht mehr empor richten konnte, wurden
„Bilder gemahlt und neue Geremonien erdacht,
'
— 468 —
„welche das Gefühl der Ändacht in Ihm wieder
„anregen und unterftüßen follten. Endlich er
„ſtarb aber audh in dem Papfte und in den Drs
„den der Geift, die Bilder und Ceremonien vers
„loren ihre Bedeutung und Kraft, da foHte die
„Reformation der allgemeinen Erfihlaffung
„ein Ende madyen; und nun rief alles: die Kire
„Se bedarf nur erkeuchteter Lehrer, Feines Pap⸗
ses, keiner Bifchöfe und Priefter mehr. Nieder
„wit den Klöftern, man fann auch in der Welt
„das Göttliche beſchauen, das Gute üben und
„das Herz pon Schuld und Verderben rein bes
„wahren! Sort mit Bildern und Ceremenien,
„die Gottheit will im Geiſte und in der Wahrbeit
„angebethet werden! Bis hierher Plang alles
„wobl, und es ward auch allenthatben, wo Bis
„del und Reformation die Lofung mar, mit
„Kürmender Gewalt ausgeführt ; aber reformie
| „tet war damit noch nichts. Der Geift kam nicht,
„um die evangelifchen Stürmer, flaff des Paps
ses, zu regieren, ſtatt der Bifchöfe fie zu mein
„ben, ſtatt der Priefter fie zu untermeifen, flatt
„der Drdensregeln fle gu leiten und ſtatt derBils -
„der fie im Innerſten zu durchdringen. Die Fürs
— 49 —
„ſten und Eden fuchten nur der Kirchengüker
„fic) zu bemächtigen, und unter dem Vorwande
„der Religions: Freyheit, ihrem Oberhaupte oder
„Lehnsherrn Trotz zu biethen. Prieſter und Möns
„Se, des Zwanges in ihren Lüften überdrüffig,
„firebten bloß nad, Yügellofigkeif; dag unter⸗
„drückte und verarmte Volk wollte wenigſiens
„der Beichtmarter und der Spendungen an Kir-
„chen und Klöſter entbunden feyn; mas führte
„leichter zum errwünfchten Siele, als die Bibel zu
„tefen, und. den Rahmen eines Proteflanten, den
„unter Taufenden kaum Einer verftand oder vera
„diente, anzunehmen. Da feufzfe die Heine Zahl
„der Erleuchteten, welche die Würde diefes Habs
„mens durd) Den Geift im Gemüthe fühlten, ges
„recht mit David: „Hilf, Herr, die Heiligen has
„ben abgenommen, und der Gläubigen findet
„man wenig!“ — @lauben Sie mir, gerade fo.
„jeufzen die Erleuchteten heute noch in Deutſch⸗
„land, wo Sie die Lutheriſche Kirche ſuchen
„wollen.“
„Der ®laube und die Diebe haben die Re⸗
„formation mit Sta Marino erzeugt, Regens
‚sen und Gelehrte Haben ſich der faum Bebor:
= -
„men hemächtigt, und fie zu ihren Zwecken, die
„Einen zur Bemahreriun ihrer politiichen Bor:
„tbeile, die Andern zur Mutter einer irveligiöfen
„Sculweisheit erzagen. So herabgewürdigt
„und entweihet, bat fie ſchon lange aufgehört
„Luthero's, oder des ®vangeliums Werk zu
„fern. Die Leiden, welche fie ſeit zwey Jahrhun⸗
„derten gebären mußte, maren notwendige Fol⸗
„gen ihrer Dienftbarkeit, welche ihre freye und
„beilere Richtung hinderte: aber auch dag wahr:
ubaft Gute, dag aus ihr. enffprungen ſcheinen
„möchte, lag nicht in ihrem Wefen; eg war die
„höhere Wirkung des. ewigen Geifles, dar zu ord⸗
„nen und zu einigen wußfe, mag der von ihm
„verlaſſene Sterbliche in feiner Berblendung ver:
„wirret und eufzmenet hat. Noch find der Jam⸗
„mergeburten. viele „ die nicht aug ihrer Natur,
„fondern aus dem Jmange, unter dem fie leidet,
„ſich entwickeln werden; die Almadt des Un⸗
„endlichen wird auch ſie in ſegnende Geſtalten
„für dag. Menſchengeſchlecht verwandeln.
„Durch die Erniedrigung der Reformation
„zur Knechtſchaft des Eigennutzes iſt die Spal⸗
„tung Deutſcher Kräfte in einem fort erweitert,
— 401 —
„iſt der Reichsberband in ſeinem Innern aufge⸗
‚‚Löft, iſt die redliche Vereinigung der Stände
„rider einen gemeinfcdyaftlicyen Seind ungemein
„erſchweret, und ein fortdauernder Bärgerkiieg,
‚ver bald heimlich, bald offenbar wüthet, ents
„zündet worden» Durdy den Berluft ihrer Uns
„ſchuld, Kindlichkeit und Reinheit im Dienfteder
„Schulweisheit ift aus dem Kirchenthume dag
„Bute mit dem Schlechten, das Schöne mif dem
„Untürdigen, das Rührende mit dem Täufihen«
„den verbannet worden. Das ehrmürdige Hell«
„dunkel, durch welches die emige Welt in beilis
„gen Abndungen dem Gemüthe fi) ankündigte,
„ward entfdhleyerf, die berrlihen Denkmahle
„des goftfeligen Alterthumes wurden niederge-
„riſſen, der Berftand , im Bunde mit der Herr⸗
„ſchermacht, feßte fich, nun freyelnd und ſpottend
„auf Die Trümmer, und fing fein eigentliches
„Geſchäft des Scheideng , Entgöfterns, Vernich⸗
„tens Damit an, daß er die Dogmen, deren fie:
„fern Sinn er nicht begriff, geſchichtlich und fo«
„phiſtiſch beleuchtete ; dann hieß er das Glauben
„dem Meinen, das Kühlen dem Klügeln weichen,
„uud endigfe mit dem Jubel, Gefpenfter entlarvt
— 402 —
„und verſcheuchet zu haben, welche nur ſeine Un⸗
„wiſſenheit geſchaffen hatte.
„Unter dem Schutze eines Fürſten, in deſſen
„Geſinnungen und Thaten ſich der zerſtörende
„Kampf des Begriffes gegen die Idee, wie er
„fjeit Jahrhunderten gefämpft wird, im grelijten
„Lichte fpiegelt; unter der Begünftigung eines
„Sürften, deffen Kraft zu dem Höhern, mas
„aber dem Berftande liegt, fid, empor zu ſchwin⸗
„gen, Witz und Klugheit gefeflelt halten, fährt
„der Berftand noch immer forf, mit gleicher Frey⸗
„beit und Thätigkeit, in dem Gebiethe der Er:
Aſcheinungen, wo er alles darf, zu forfchen, in
„ven Reiche des Lieberfinnlidyen und der “deren,
„im welchem er nothwendig erblinden muß, zu
„trafen, und in der Einbildung eines pollftändis
„gen ©ieges über Gemüt und Ölauben, zur
„feine Dhnmacht und Armufb zu verrathen. Und -
„Dort wollten Gie, gemüthlicher Menſch, finnis
„ger Gelehrter, gefühlvoller Tonkünftler , eine
„evangeliſche Kirche, meldye die Anfprüche Ih⸗
„rer Bernunft und die Bedürfnifie Ihres Herzens
„befriedigfe; fuchen ? Sie können nicht einmabl,
„wie ich bemerkt Habe, an einem wadeligen Ti⸗
— 43 —
„ſche mit Behaglichkeit ſitzen; und vor einem Al⸗
„tare, der immerfort zwiſchen dem Heiligen and
„Profanen ſchwanket, auf weldyem bald der ewi⸗
„gen Bernunft, bald dem frechen Berfiande,
„bald Gott, bald dem Belial geopfert wird,
„uber weldyem die Wollen des Begriffes den rei⸗
‚men Aether der dee zu trüben und zu verhüls -
„ten ımabläflig fleeben, dort glauben Sie einen
„zubigen, ſichern, feften. Standpunct für: Ihren
„Geiſt zu finden? Wie mögen Sie überhaupt
„von äußern Berhälfniffen Hinderniſſe fürchten,
„oder.erzeugende Krüffe erwarten in einer Sa⸗
„che, die in ihrem Wefen, Leben und Geyn von
„allen äußern Berhältniffen unabhängig iſt, und
„derfelben höchſtens bedarf, um in.der Erle
„nung fidy darzaftellen ıc. ꝛc.
„Das Chriftentb um, fagen Gie, iR Ih⸗
„nen heilig; doch wohl kein anderes, als dag
„ev.angelifche, welches Jefus, unter dem
„Spmbol eines göttlihen Reiches der Lies
„be, verkündiget hat? Diefes Bann Ihmen aber
„nirgends als in Ihrem Innern anfgehen, keine
„Kirche, wäre fie auch, als Kirdye, von Gott
„ſelbſt erbauet, kann es Ihnen fo geben oder
— 494 —
x „ouffchließen, daß es Ihr Chriſtenthum, Ihr
„Reich Gottes, das ift, das Grund Princig, die
„Seele und das Element Iheres geiftigen Le:
„bene werde. Sie müſſen es in jede Kirche mit
„Sidy bringen und indie äußern Sormen derfel:
„ben, diefe mögen nun Dogmen, Lehrjäge oder
„Seremonien beißen, hineintragen. Yede Kirche,
„an ſich betrachtet, iſt to dt und kann hur durd,
„das innere Chriſtenthum ihrer Blieder belebet
„werden. Wer mit dem Tode in feinem Herzen
„ihre Hallen betritt, der findet audy überall in
„iht nichts anders, als den Tod, wenn ſich
„gleich die Birlle des göttlichen Lebens in alles
„am ihn herum ergoffen häfte. Da Gie indeffen
„das Yhnen. heilige Ehriftenthum anderswo, als
„dort, wo Yefus feinen Wohnfig arigegeben bat,
„und zwar beſtimmt in einer Öefellfchaft, die Ih⸗
„nen Lutheriſche Kirche heißt, fuchen wollen, fo
„muß Ihr Chriftentbam ein anderes ſeyn, als
„das evangelifdye; alfo vermuthlidy ein vers
„fändiges, aus Begriffen zufammen geſetz—
„tes, in weldem man, zwar das Evangelium
‚noch als leitendes Bud) anerkennt und lieft,
„aber feinen Inhalt unbedingt den Einfichten
— 495 —
„des Berftandes unterordnet; diefem, nichf Mur
„über den natürlidyen Sinn der Worte; fondern
„auch über das, durdy fie affgedeufefe, ihm völ⸗
„lig fremde, Licht der. Ideen das entfcheidende
„Urtheil zuerfennet; wo man, um die idenle, re:
„‚ligiöfe, eigentlich chriftenthümliche Richtung des
„Evangeliums unbefümmert, oder fie gänzlich
„‚Idugnen?, bloß an die moraliſche fidy hält, und
„‚enit der biftorifchen Kenntniß des moraliſchen
„Budjftabens, zugleid, die Moral und die Rer
„ligion felbft erfaßt zu-haben glaubf; mo. man
„gerade nicht mehr und nicht weniger Chrift ift,
„als Banier ein Heide war, ob er gleich. das
„ganze Reich der Mythen, in weldyem ihm auch
„micht eine einzige Idee ahndete, enthüllt zu ha⸗
„ben wähnfe. Ein foldyes unchriftliches Chriſten⸗
„thum dürften Sie allerdings in dem evangeli⸗
„ſchen Deutfchlande finden; mas hindertSie aber,
„daſſelbe auch in.Corfica und i in Ihrer Zelle zu
„treiben % tc. rc.
„„Sie dürfen es nicht frei bekennen , nicht
öffentlich lehren 9" — ‚Belennen Gie für die
„Menfchen, oder für Gott und Ihr Gemiffen ?
„Was liegt denn Broßes, Wichtiges und Befrie:
— 496 —
„digendes darin, wenn man ungeſtraft erklären
„darf, dag man die Erhebung des Gemüthes
„zum Unbedingfen, Ewigen und Unendlichen
„als leeres Träumen, vder als myſtiſchen Lin:
„finn anfehe, das Unverftändlidye, dem Begriffe
„Unerreichbare, eben darum, weil es das ift,
„für nichts halte, und allen Ginn für das Leben
„der Heiligen in der Tfdee.verloren babe ? Iſt es
„micht fchon des Jammers genug, wenn man
„ſich dieß felbfilfagen muß? Anderen aber es noch
„Sffentlic, lehren wollen, würde ich ein feufelis
„ſches Beginnen nennen, wenn ich nicht zu bes
„ſtimmt wüßte, daß das Himmelreich dorf, mo
„es im Gemüthe da iſt, durch feine Lehre gerfiös
„ret werden, und wo es aus Mangel an Em:
„pfaͤnglichkeit nody nicht gekommen ift, die ſchnö⸗
„de Lehre nur dann Eingang finden könne, wenn
„ſchon alles verwahrloſet und verſtümmelt ifl.”ıc.
„„DerGedanke,““ſchreibenSie „„IhrenSchuͤ⸗
„„lern und dem Volke die Lehren der Kirche, mit
„„der gründlichften Llebergeugung pon ihrer Un:
„„wahrheit vortragen zu müffen, fey Ihnen un«
‚merträglich, ” — „und darin dulden Sie nur die
„wohlverdienfe Gtrafe ihres Srevels, womit Sie
ets
„etwas zum Öegenftande des Korfchens und der
„Ueberzeugung herab gezogen haben, was ſei⸗
„ner Natur nach nur Sinnbild der Idee ift, mifs
„bin nur mit teligiöfem Auge beſchauet und als
„zweckmäßig angeordnetes Feichen eines Hö⸗
„bein geachtet, nicht als etwas Wirkliches bes
„bandelt, zergliedert, zerſchnitten und zerhauen
„werden will.” |
„„Sie tönnen nicht mehr mit gutem Gewiſſen
„„Meſſe leſen, weilSie den®lauben an dieTrangs
„„ſubſtantiation verloren haben.’ — ‚Sollte
„Sie aber je die Allmacht der Religion ergreifen
„und durchdringen, fo wird in Ihrem Gemüthe
„der Glaube, vielleichf jo gar Das Wiſſen, von
„einer ewigen und göfflicyen Menſchheit, und
„von einem Llebergange des Menſchen in diefelz
„be durch allumfaffende und vermandelnde
„Siebe aufgeben, und dann wird es Ihnen aud)
„einleuchten, daß weder die Kirche, noch Sie
„Selbſt, die religioͤſe Anſchauung diefes Ueber: :
„ganges durd) ein fpredyenders und zmedmäßi-
„geres Sinnbild, als durch dieZransfubftantia:
„fon dem gofffeligen Sinne andeuten konnten.“
umOie verabſcheuen die Verehrung der Hei⸗
| Hi
»u
| — 46 —
„„ligen, die Dpfer für die Todten und den heid⸗
PT chen Bilderdienft 4" — ‚Doch gedenken Sie
„Des Sokrates mit Adyfung, erinnern Sidy oft
„mitLiebe und guten Wünſchen Ihrer veritorbe:
„men Aeltern, und würden Ihren Blick mit Bers
„guügen auf dem Bildniſſe Ihrer Geliebten, Ihres
„Freundes, Lehrers oder Wohlthäters weilen
„laſſen. „„Das find mir alles Feine Heilige; _
„Die Religion heiligt alles.” — „„Ich zufe fie
„„„nie an; — „Was find denn alle woͤrtliche
„Antufungs:Sormeln anders, als dunfle, undoll⸗
„Händige Aeußerungen der innern Anfchauung
„und Empfindung, um den größten Theil foenis
„ger, und oft aud) ganz mas anders Jagend,
„als was fie ausdruden follen ?“ — „„Ich ers:
„warte von den Einen keine Hülfe, und begeh⸗
„ce den Andern Eeine zu leijten.”” — ‚Daran
„tbunÖie Unredyt; gelangenGie einft in das Son⸗
„menteich der Religion, fo werden Gie glauben
„oder wiſſen, daß die ehern fdyeinende Mauer,
„welche der Begriff ziwifchen dem Himmel und
„der Erde, ziwifchen den Wohnungen der Lebens
„rigen und den Gräbern der Todten, zroifcyen
„der Welt der Heiligen und der Welt der Men:
„ſchen, zwiſchen dem Emwigen und Zeitlichen,
„Sinmlichen und Ueberfinnlichen, Endlichen und
„‚Unendlichen gefegt hat, dem befchanenden Ges
„mütbe als ein bloßes Gedantending, als ein
„leeres Nichts verſchwinder wohl möchte ich aber
„wiſſen, wie Sie dann die andächtige Anſchau⸗
„ung der innigſten Einheit des Göttlichen und
„Menſchlichen treffender, als die Kirche in ihrem
„Heiligenweſen, verſinnbilden könnten? — O,
„wie ganz anders werden Ihnen alle Dogmen
„und Ceremonien der Kirche erſcheinen, wenn
„Ihnen je ihr tiefer Sinn und die göttliche Schön⸗
„heit ihrer Richtung zu dem Höchſten von der
„Religion aufgedeckt werden ſolltel!“ |
„„Dann würde es noch immer die Frage
„„ſeyn, ob die Erfinder dieſer Dogmen und Ges
_ umbräudye auch diefen Ginn damit verknüpfen
„„wollten.“ — „Sie haben Recht, fo würde
„2er Verſtand fragen wollen; allein die religiös
„je Bernunft würde ihm Schweigen gebiethen,
„weil ſie weiß, was er unmöglid) begreifen kann,
„Daß es nicht darauf ankomme, was die Erfins
„der bey ihren Bildungen gefagf oder gedacht
“ „haben, fondern einzig und allein darauf, was
Ji2 )
— 500 —
„der ewi ge Geift durch fie ausfpreiben wollte;
„dieſer aber felbftdurd das Endlide
‚Shledterdingsnicdhts Öeringeres, als
„alles und Ein Unendlides, Heiliges
„und Göttliches ausfpredhen Eonnte
„„Wenn die alles fidy fo verhälf, fo will
„„ich uud) öffentlich lehren, daß die Dogmen
„„und Ceremonien der Kirche nur ſinnbildliche
„„Andeutungen feyen, und daß der ewige Geiſt
jmganz etwas anders, als was die Kirdye be:
„„hauptet, durch diefelben offenbare.’ — „Das
„werden Sie nicht, ein Mahl, weil Gie die Dffen:
„barungen des Beiftes ohne Religion nicht zu
„finden, nicht zu faffen vermögen; dann, meil
‚Der Berftand dem Berftande nicht lehren Fann,
„mas über feine Sphäre erhaben, nur von der
„Vernunft angefchauef wird; und endlich, weil
„wohl der einzelne Genoß, für fich, aber nie
„die Kirche ihr eigenthümliches Gebieth der Sym⸗
„bolik, in dem allein ſich Einigkeit ımd Eintracht
im Bekennen, wie im Streben, erzielen läßt,
„verlaſſen darf. Wer in ihr, nicht nur für ſich,
„ſondern für alle ihre Geweihten ſein Bezeich—
„netes an die Ötelle des Zeichens ſetzen will, mas
‘ \
— 1 —
„der Religiofe nie mollen kann, der greift ihr
„Gebieth feindlich an, fie muß ihn zu ihrer Gelbft-
„esbaltung hinaus ftoßen. ze. ⁊c.“
„Oft ift dem feidenden Menſchen ſchon ge:
„bolfen, wenn ein £heilnehmender Steund ihm
_ „aufdedt, woran es ibm eigentlich fehle. Diefen
„Liebes dienſt will ich Ihnen leiſten. Unverderbt,
„mitSichSelbſt unbekannt, mithin unſchuldig und
„kirchlich fromm, find Sie in Ihrer frühen Ju⸗
„gend in den Gerviten-Orden eingetreten; un⸗
„verderbt habenSieSich darin erhalten, und Ihre
„angelernte Frömmigkeit fortgetrieben: Sie was
„een hiermit der Religion empfänglich, aber noch
„nicht theilhaftig. Nichts haste ſich in den erftern
„Jahren Ihres Klofterlebens ereignet, was Sie,
„entweder mit Sich Selbſt, oder mitdem Drden,
„oder mit der Kirche in Widerftreit gefegt hätte,
„zufrieden mandelten Gie forf auf Ihrer Bahn,
„glaubend, fie ruheten im Heiligthume den Re:
„ligion, indem Sie nur.in den helldunkeln Hal:
„len des Kirchenthumes dienten. Ihr Verftand
„war mit der Erlernung gelehrfer Disciplinen
‚zu anhaltend befchäftigf, als daß er ohne ſtär⸗
„tere Antriebe von außen es gewagt hätte, eine
x
n — 502 O
„genauere Prüfung der kirchlichen Symbolik, in
„welcher bis dahin nur Ihre Phantafie und Ihr
„Gefühl gemaltet hatten, ſich anzumaßen. Die:
„fen Antrieb. aber erhielt er unter der Aufmerk:
„ſamkeit, womit Sie Hume's, Ro uffeau’s und
„Voltaire's Schriften laſen, und hiermit war
„der Streit in, Ihrem Innern und Ihre Selbſt—⸗
entzweyung angegangen. Mit weniger Phan-
„taſie und. Gefühl wären Gie ein Zweifter, wie
„B.ume, mit einer ſchwaͤchern Vernunft ein
„Deift, wie Rouffeau,, mit geringerer: Gelehr:
„jamfeit und einiger Berderktheif, wie Woltai«
„ie, ein feichter Klügler, ein leichffinniger Witz⸗
„ling,. oder ein frevelnder Gpöffer gemorden.
„Irem guten Gemüthe hingegen und: den Ahn⸗
„dungen des. Wahren, welche aus: der- Bernunff
„in Ihr Bemußtfeyn übergingen, verdanken Öie
„die Erhaltung, Ihrer Anhänglidykeit an, das,
„Chriſtenthum.
„Allein, da der Verſtand in Ihnen ſtärker
„war als. die vernünftige Beſonnenheit, fo war
„es ibm auch ein Leichtes, das, als.evangelifches
„Chriſtenthum nur dunkel Geahndete vor feinen
„Richterſtuhl zu ziehen, es. nad; Begriffen zu ge:
ei —
„ſtalten und Ihnen fein Gefchöpf, als’ echtes
‚wahres, Chriftenthum in unverföhnlichem mis
„ſte mit der Römifchen Kirche zu zeigen; und -
„bon dieſem Augenblicke an war auch der Wis.
„derſtreit gegen Ihren Orden und gegen das
„katholiſche Kirchenweſen entſchieden.“
„Unter dieſen Umſtänden läßt ſich IhrKampf
„nicht durch den Uebertritt zu irgend einer an⸗
„dern Kirche, ſondern lediglich durch Ihre Erhe⸗
„bung zur Religion beylegen. Und dieß iſt es,
„mein Freund, was Ihnen Noth thut, und wor:
„auf der Friede Ihres Herzens und Ihrer See—
„len Seligkeit beruhen dürfte. Die Spaltung
„muß vermittelt, nicht erweitert, der Knoten mit-
„Bedachtſamkeit gelöſet, nicht muthwillig zer:
„bauen werden. Mit unermüdeter Anſtrengung
„jolen Gie arbeiten, daß in Ihnen die Ber:
„nunft in harmoniſcher Eintracht mit der Phan⸗
„taſie und dem Gefühl zur Herrſchaft über den
„Verſtand gelange, und dieſer dienend nur das⸗
„jenige zu theologiſchen Begriffen und Lehrſaͤt⸗
„zen verbinde, was ihm aus der Ideen-Fülle
„Ihres Gemůthes zugefloſſen iſt.“
„Haben Sie ſodann männlich, aber vergeb⸗
54 —
„ld, gelämpft und gearbeitet, ift Ihnen auch
„dann nod), als müßten Gie aus der Gemein:
„Schaft der Römifchen Kirche ausfcheiden und. ei⸗
„ner andern beytreten, ſo iſt es ein Zeichen, daß
„Sie zu Ihrer endlichen Rettung und Verſoöh—⸗
„nung noch tiefer ſinken follen; und auch in
„dieſem Fulle halten Gie Sid). verſichert, daß ich
„Ihnen mit wohlwollendem Herzen alles geben
„werde, was Sie bedürfen, um zu fhuu , was
„Sie nit laffen können.“ ıc. ic.
Dieſes Schreiben veranlaßfe einen forfge:
festen Briefmechfel, deffen endliche Wirkung da;
bin ausfiel, daß Fra Benizzio nicht nur ſeinem
Baterlande, feinem Drden und feiner Kirche ge:
treu’blieb, ſondern auch mit der Weihe der ewi⸗
gen Religion beglücket ward. Im ſeligen Genuſſe
feines Lichtes und im füßen Gefühle feines innern
Sriedens war er unfähig, den Schatz, den er in
Bonapentura’s Briefen empfangen hatte, un:
genußt für Andere, zu vergraben; er ordnete
das Allgemeine derſelben zu einem Ganzen, und
_— 505 - |
teilte es menfchenfreundlich jedem mit, in mel:
ehem fi) ihm, entweder das Bedürfniß, oder
die Empfänglichkeit dafür anfündigte. Dadurch
ward Bonapdenftura’s Beift fo manchem gu:
fen aber zwiſchen Licht und Finſterniß ſchwanken⸗
den Prieſter ein Leitſtern zu jenen glücklichen Hö⸗
hen, auf welchen Wahrheit und Schoͤnheit, Ers
kenntniß und Liebe den Sterblichen in unum:
wölkter Klarheit leuchten.
Die vorzůgliche Aufmerkfamkeit und Bereh:
sung, mit welcher ſich die Geiſtlichkeit gegen os
»apenfura betrug, befeſtigte in der: ganzen.
Gegend feinen Einfluß und fein Gewicht. Das
Benfpiel feines häuslichen Lebens und feiner Thä-
tigkeit ward feinen Linfergebenen Geſetz, feinen
Nachbarn Mufter zur Nachahmung. Die Eins
fichten und der Fleiß, womit er die Cultur feiner
. Gärten und Felder betrieb, wirkten bey; ihnen
mehr, als es alle Gefege des höchſten Rathes
vermocht häffen. Er gränzte an die Griechiſche
Eolonie bey Ajaccio, welche die Eorfen, ſowohl
an Seinheit der Sitten, als an Ermerbfleiß übers
traf, und nicht felten von diefen aus Neid und
Eiferfucht in dem friedlichen Öenuffe der Früchte
N
— 6 —
ihrer Arbeitſamkeit geſtoͤret wurde; jetzt, da Bo⸗
napentura feiner nachbarlichen Freundſchaft
fie würdigte, und in allen Künſten der Land:
wirthſchaft mit ihr metteiferte, waren ihr aud
die Erzeugniffe ihrer Thätigkeit gegen jedefeinds
felige Verlegung gefichert. Gerieth fie unter ſich
in Streitigkeiten „ fo forderte fie ihn in den mei-
ften Sallen zum Schiedsrichter auf, und die Par:
feyen gingen von ihm weg, als hätten fie in fei:
nem Urtbeile den Ausfprud) der ewigen Öertd;:
tigkeit felbft vernommen. Was Sremde thaten,
hielten die Eingebornen auch für ſich anfländig
und heilſam; nicht nur die Richter der umliegen⸗
dern Gemein den hohlten in wichtigern Rechtshän⸗
dein fein Gutachten ein, ſondern die Parteyen,
aus. feinem Dorfe mie aus enfferntern Pieven,
kamen felbit herbey und beruhigfen ſich erft mit
der endlichen Entfcheidung deffen, den fie ſchlecht—
weg. den il Giufto. oder il Savio nannten.
So ward er in kurzer Zeit, bloß durch die Idea—
lität feines. Beiftes, der Priefter, der Lehrer, der
Rathgeber, Vater und Ridyter feiner. Gegend;
und er würde dafelbft Feinen Raub. oder. Mord
erlebt haben , wenn gleidy der hoͤchſte Rath. un:
—1— 0
ferlaffen hätte, die firengen Gefeße gegen die Pri⸗
vat⸗Rache in der Folge auch auf jene Gegenden
auszudehnen.
Unterdeſſen hatte Paoli’s Glüd mit Mar
tra’s Kraft und Kunftseinen neuen Kampf be:
ftanden. Bon Genua’s Genaf mit Geld und
Maunſchaft unterftüßt, war der Berbannte auf -
die Inſel zurück gelehrt, Paoli, ihn verachtend,
mit Benturini und einer kleinen Schar von
feiner Leibwache bis Boz zio ihm entgegen ge:
gangen, um ihn zu beobadhten. Bon Matra
ward. er in dasKlofter dafelbft zurüd gejagt und
eingefehloffen. Das Gerücht, der allgemein ver:
ehrte Abbate Venturini ſchwebe in Gefahr, |
gefangen zur merden, frieb zahlreiche Haufen zu
feiner Befreyung gegen Boz zio; mit ihnen vera
einigte fi Elemente an der Öpige der übri:
gen Leibwache. Schon ftand das Klofter in Slam:
mer, ale Mafra, im Rüden überfallen, durch
einen Flintenſchuß vermundet, durd) einen zwey⸗
fen. getödfet ward, und Paoli feine Reffung les
diglich. dem geachteten Berdienfte Venturinis,
zu, verdanken hatte.
Wunder des zufälligen Ölüdes Fönnen nur
—
— 58 —
entnervte Weichlinge blenden und im Zaume hal
fen; ein rüſtiges, beherztes, unruhiges BoH mill
an feinem Herrſcher Wunder der Kraft fehen;
diefe aber hatte Pa oli bis dahin den Corſen
noch nicht gegeigt, darum hatte er audy lange
nur mit Nebenbublern, die ihn dee Dberberr:
fhaft unwürdig achteten, zu kaͤmpfen. Bey der
Eonfulta, die ihn zum General der Inſel ernannt
hatte, war aus dem Lande jenfeits des Gebirges
nicht ein einziger Abgeordneter zugegen getvefen;
man (hielt fh daher dort für berechtigt, ihm nicht
nur die Anerfennung zıfperfagen, fondern, wenn
es die Umſtände nothwendig machten, fidy aud)
‘ ein eigenes Dberbaupf zu mählen und es mit eben
der Gewalt zu verfehen, mit welcher Paoli dag
Land diesfeits der Berge regierte. Diefe Wahl
wurde jeßf bon den meiften füdmeftlichen Pieven
“ unternommen, und fie fraf den eben fo gebilde:
ten als mächtigen Franceſco Colonna. Nur
die Pieven Cauro und Ornano, von Bonas
venfura geleitet, enthielten fich aller Theilnah⸗
me an diefem Borgange; aber fleißig übte er fie
in der Kunft, ſich regelmäßig zu verfheidigen ge:
gen jedermann, der fie zum Dienfte feiner Par:
— 809 —
tey zwingen, oder einen Angriff auf ihr Eigen:
thum undihren Herd wagen dürfte. Er geb aud)
dem General dieerfte Nachricht von der ihm dros
benden Gefahr; und indem er hiermit leiftete,
mas er dent Sreunde ſchuldig zu feyn glaubte,
erklärte er zugleid), daß er mif Ausnahme des |
Waffen dienſtes, dem er fich mider feine Mitbür⸗
ger nie unterziehen würde, jeden andern rechtli⸗
chen Beyftand von ihm erwarten koͤnnle.
Paoli’s Beftehungen braten Zwietracht
und Jerrüffung unter Colonna’s zahlreichen
Anhang; und der Ritterorden der heiligen Dis
pota, den er eiligft eingefeßt hatte, vermehrte
ſeine Leibwache mit einigen hundert Freywilligen,
an deren Spitze er über das Gebirge zog und nach
einigen glüdlidyen®efechten feinen®egner zwang,
ſich ihm zu unterwerfen. Dem Beyſpiele des Be⸗
ſiegten folgten die übrigen Pieven, das ganze
Land jenſeits des Gebirges huldigte Paoli's
Dberherrichaft, und unterwarf ſich der Regie:
rung, welche er zu Mezzana unter dem Bors
fiße Bonapentura’s angeorönef hatte.
Uinermüdet und oft durch die günftigften Ex:
folge belohnt, hatte dor Bonaventura durd
fecys Jahre an der Bildung und wahren Wohl:
fahrt des Volkes gearbeitet, als er mit einhälli
gen Stimmen zum Abgeordneten der Provin:
gial: Regierung bey der großen, nach orte
ausgefchriebenen ‚ Eonfulta gemäbflet wurde.
Paoli hatte jetzt unter mannigfaltigem Wech—
ſel von Fehlgriffen und gelungenen Wagniſſen
den höchſten Oipfel ſeines Slüdes und feines Ruh⸗
mes erreicht; die wider ihn aufgeſtan denen Par⸗
feyen waren zerfireuef, ihre Häupter theils ver-
bannet, theils in unzugänglichen Gefängniffen
der Bergeffenheit überliefert, die Genuejer in die
Mauern der fieben Geepläße, der einzigen, die
jie noch beſetzt hielten, eingefchloffen. Die Schrek⸗
ken der Anarchie unterbrachen ſeltener die gemeſ⸗
ſenen Fortſchritte der Ordnung, das Anſehen der
Geſetze ſiegte öfter über Willkühr und Gewaltthä⸗
tigkeit, ein apoftolifdyer Bicar, auf Verlangen
des Generals von Rom gefandf, vertrat die
Gtelle der geflüchteken Biſchöfe, die fidy an Ge:
nua verkauft hatfen, unfer feiner Aufſicht und
Thäfigfeit gewannen in den Klöftern und unfer
— 511 —
dem Clerus Zucht und Sachrſamtett GSitten und
Gottſeligkeit immer mehr Anhänger, weiſe Ber:
fügungen über den Aderbau, Kunftfleig und
Handel erwedten das Selbftgefühl des Volkes,
und gebaren einigen Wohlftand. Die Begeiftes
rung für⸗Freyheit und der Haß gegen jede aus⸗
wärtige Oberherrſchaft griffen weiter um jich, die
Eorfen bemunderten ihre ſchnelle Berwandlung,
fahen mit eitler Selbſtgefälligkeit auf ihren erſten
Mann bin, als hätten fie ihn zu allem, mas er
war, gemadt, und gehorchfen feinem Willen in
der ftolzen Zuverficht, daß fie nur ihren eigenen
vollgögeg, Allein dieß alles verrieth in der naͤch⸗
ften Confulta feine unhaltbare Grundlage und
begann zu ſchwunken.
Paoli eröffnete die Berfammlung mit eir-
ner Rede, die wohl dem ftrengften Republikaner
‚in Athens oder Sparta's fhönften Tagen gezie⸗
met bäffe, dem -General der Eorfen aber nicht
mehr Ernſt ſeyn konnte, nachdem er die Gebre⸗
hen und verderblichen Folgen feiner demokrati⸗
ſchen Einrichtungen bereits mehrmahls empfun:
den hatte. Gelbft Hier machte ihn die große Ans J
zahl der Verſammelten, fo wie ihr Enthuſias⸗
=
I
— 512 —
mus und ihr Gewicht, für ſeine Obergewalt und
feine künftigen Maßregeln beſorgt; und er muß:
te es mit vieler Geſchicklichkeit zu hintertreiben fu:
chen, daß Feine Gegenftände von befonderer Er.
beblichkeit in Berathſchlagung genommen pur:
. den. Ben dem Antrage, daß in Zukunft über die
Borfchläge des böchften Rathes durch Arclama:
tion enffchieden werden, hingegen die Beſchlüſſe
der Confulfa nicht anders, als durch zwey Drit⸗
tel der Stimmen Gültigkeit, und erſt nach der
Beftätigung des höchften Rathes völlige Rechts
kraft erhalten follten, erfuhr er einen Widerftand,
gegen welchen er fic) in dem Vertrauen der An:
weſenden nur durch Nachgiebigkeit zu behaup⸗
ten, und Dem höchften Rathe bloß ein begründe:
tes Veto zu retten vermochte.
Dbgleid) Bonaventura, — mehr für die
Zufammendrängung als Zertheilung der Staats»
gemalt eingenommen, und die geheime Ridyfung
der Borfchläge Paoli’s durchſchauend, — ſich
als den eiftigften Bertheidiger derfelben hervor
gethan hatte, fo ward er dennoch von der Eon: °
ſulta, nicht nur zum Mitgliede des höchften Ra:
fhes, fondern auch zum erften Gindicatore
er:
\
I
Es
- 53 — "
ermählt, und in Biefen wichtigen Aemtern durch
drey Jahre hinter einander beftätiget. Dieß nös
thigte ihn, feinen Wohnſitz in der Haupfftadt
aufzufchlagen; bereitwillig brachte er dem Das
terlande das Dpfer feiner häuslichen Muße, und
verließ mif feiner Samilie das anmufbige Sova⸗
rella, unfer deffen. friedlichen Schatten er fo viel
Bufes befördert, fo viel Licht verbreitet, fo viel
GSrhönes dargeſtellt und, felten nur von feinen
Lieben gefrennt, fo reine Freuden genoffen baftex
In der Verwaltung des letztern Amtes muß:
te er die verſchiedenen Provinzen der Inſel öfters
bereiſen, um das Landvolk mit der heilſamen
Strenge der Geſetze auszuſöhnen, feine Klagen
über die Local-Obrigkeiten anzuhören, jedem Uns
fuge ungeſäumt zu ſteuern, den Fleiß durch zuer⸗
kannte Belohnungen zu fpoenen und allentbals
ben, Drönung und Sittlichkeit zu. befefligen. So
ehrwürdig dieſer Wirkungskreis feinem Geiſte,
und fo angemeſſen ex feinen Einſichten war, fo
ſtand eg doch nur felten in feiner Gewalt, im
Kampfe für, das. ewig Rechte, die Hinderniffe
ganz’ zu befiagen, welche ihm durch die Ideen⸗
Armuth ſeiner übrigen Amtsgenoflen Bey dem
| Kk
°
— 514 —
Syndicate entgegen geſetzt wurden. Da indeſſen
dieß wandernde Gericht den General auf allen
‚feinen Reifen begleitete, und diefer den Vorſitz
daben gewöhnlich ihm übertrug, fo begnügte er
" fidy mit den Mitteln, wenigſtens alle Parteylich⸗
keit, die fi bald mit der moraliſchen Zurechnung
beicyäftigen, bald unter den Demantel der Hu:
smanifäf verſtecken wollte, von.der Bermaltung
der Gerechtigkeit auszufchließen. Wo er zur Ent
ſcheidung mitwirkte, dort mußte der Unterdrücker
fallen, dort war es den Verbrecher unmöglid,
der gefeglichen Strafe zu entrinnen. Sein gan:
zes Weſen empövte ſich gegen die erbärmliche
Menſchlichkeit, welche gegen Taufende unge:
recht, ja fogar graufam feyn mill, um gegen Eis
nen oder Eitige ſich gnädig zu bezeigen. Der
hoͤchſte Punce der Menſchenliebe war ihm dorf,
wo fie mit der höchften Gerechtigkeit in Eins zu:
fanmen fließt; und wie in feiner Anficht von den
Dingen, fo mußte audy in feine Behandlung
berfelben deis inzelne im Allgemeinen untergehen.
Paoli achtete in ibm diefe unerbittlicye, nur
den Schwädling erfchütternde, mir dem Böfe:
wichte furchebare Strenge, ohne die Duelle zu
-
— 515 —
kennen, aus der ſie floß; und:dieſe Achtung ent⸗
lockte ihm endlich in einer verfrtruten Unterre⸗
dung mit Bonapenfura füagar dns Geſtänd⸗
niß, duß er nunmehr ſelbſt an derifngemeffens
heit einer demofratifdyen Berfaffuug:fürdie Core
fen zeifelte: „Da nun, meinte er, ‚Die Orte
„pläse der Benuefervon den Franzöſiſchen Trups
„pen befegt wären, und ihr Befragen gegen Die
„Regierung: dar Inſel nichts. als: Freundſchaft
„verriethe, fo Tieße fh wohl auch auf ihre Un⸗
„terſtützung rerhnen, wenn unvermeidlich.e
„Berdnderungen in der Berfaffung einige Uns
„zufriedene ztı Meutereyen reizen follten.“ |
„Nur die Empörer ‚ erwiederte Bonas
venfura, „nicht die Regierung. dürfte dann
„auf den Beyſtand diefer Truppen rechnen ; dar;
„um bitte idy Sie um Ihrer Rohe millen, an
„nichts weiter.mehr zu denken, als an.eimeü eh;
„renvollen Rüdzug, oder an Ihre eigene Aufop-
„ferung.“
„Ihre Neigung, Die Boffmungen Iorer@reun
„oe nieder zu donnern, wenn fie Ihre Muthma⸗
„gungen überfliegenmollen, iſt mir bekannt; doch
„wünſche ich, daß Sie Sich deutlicher erklänen.“
| Kto
— 516. —
- „Deinffisunde gegrändete Muthmaßun:
jigen voresfhalten, wenn er fiezu hören begehrt,
„und ihei irſcinen Tãuſchung vorſetzlich beftärken,
‚heißt min Bertosb der Freundſchaft, heißt, den
Freund. gleich .eirjemi.Liumündigen behandeln.
;„‚&brfiea tar demtſfonige von Frankreich feif
‚Dem Tage unferthänig, an dem Marboeuf
„mit feine Mannſchaft vor Baflialandete. Lud⸗
„wigs Truppen werden die Inſel nimmermehr
„vierlaſſen, un den irde nicht nöthäg haben, {ie
j,gu vermehren; iwenn irgendo eine · Akãnderung
si der Staatsverfaſſung die Flamme des Bür⸗
„gerktieges unter ung entgündefe.“-
.n: „@s macht mir Freude, Gie ‚menigflens in
„Giner Gadye eines‘ Beffern überführen zu Föns
‚men. Genua fühlte es, daß es fein: Geepläge
paegen die Macht der Eorfen nishf lüuger mehr
„Dehmupten konnte; es wer natũnlich, Frankreich
„um Hülft anzufleben, dieß ift dem Genate eini:
„ge Millionen ſchuldig, es verfprady die Inſel
‚aaf.oier Fahre gır. befegen, weun er diefe Hülfe
ade Bezahlung. der Schuld annehmen wolle.
Der Sematiging:die Bedingung ein, die Trup⸗
,‚penrdthielten den gefchärfteften Befehl, ſich al:
— 517 —
„ler Geindfkligkeiten gegen die Patrioten zu ent-
“„balten, und mir fam die Berficherung zu, daß
„nad; Ablauf jener Zeit die Seeplätze uns über:
„geben werden ſollten, wenn bis dahin kein Vers
„gleich zroifchen mus und Genua vermittelt wũx⸗
„de. So, Freund, ſtehen die Dinge. | |
„Aber nicht fo merden fie endigen.*
„Eine Sortfegung Ihrer Geſchichte von
„Ihrem poetifcyen Genius. mird. midy nicht ers.
Aſchrecken.“
„An einem Vergleiche zwiſchen uns und
„Benua verzweifl eich; und Frankreich ſelbſt wird
„ibn heimlich hintertreiben. Bey feinem Verhält⸗
„niſſe zu England iſt die Herrſchaft auf dem mit-
„‚teländifchen Meere unerläßlihe Bedingung feis
. „ner Gelbfterhalfung, und Gotfica muß ihm i in
„dieſer Hinſicht wichtiger feyn, als einige Inſeln
„in America, bey welchen der Vortheil ungewiß
„und die Schwierigkeit, ſie zu behaupten, ent⸗
„ſchieden iſt. Genua wird ſchon aus Haß und
„Rachſucht lieber Frankreich als das unabhatıs
„gige Königreicy Corfica zum Nachbar haben
‚wollen. Frankreich wird diefe vier Jahre an⸗
„wenden, um ſich die Oberherrſchaft über die
— 5s18 —
hm fo wichtige Inſel bier vorzubereiten, dort
„za erhandeln. Der Genat wird ſich nicht lange
„weigern, eine Beſitzung fahren zu laſſen, von
„welcher er nur Leiden, Schande und Schaden,
„keine Bostheile zieht. An dem Tage, an wels
achem der gegenwärtige Berftag zwiſchen bey:
„den Staaten zu Ende gehf, wird man uns zur
„Unterwerfung undlinterthänigleitauffordern.”
„Dann haben wir unfere gerechte Sache.“
„Die nur im Himmel gelten mag, für
„die Erde glänzt fie zu wenig.“
„Bir haben Waffen und Männer.”
„Der König von Frankreich hat deren
„mebr.’
„Nicht die Zahl, fondern die Kraft und der
„Muth, entfcheidet.‘‘
„Auch die nicht; nur die Kunft und die
4Zucht.“
„Die erſtere haben auch wir gelernet, die letz⸗
„tere werden mir noch ſchaffen.“
„Das vermögen heut zu Tage nur Kör
„nige.“
„Iſt Ihnen denn ein König der Eorſen
n„etwas fo ganz Undenkbares ?”
519 —
„Wer nit im KRönigthume geboren,
„aber dazu berufen ift; kann es nur in einem eins
„‚zigen Momente feineg Lebens. werden; hat er
„dtefen verfäunt, fo wird er's nie.“
„Ein. alter TBeifer fagt: man müßte die Din:
„ge ſich, nicht ſich den Dingen unterweifen.“
„Das kaunn man lediglich mit Dem, mag
„Sie, Herr General, Metaphyſik nennen,
„mit dem Leben in Ideen; und indem man
„in dieſem alle Zeiten überſchauet, trifft man
„auch immer in der Wirklichkeit den rechten Zeit⸗
„puncet.“ |
„Sie geben alfo alle Hoffnung auf?"
„Sie bat mid) ſchon lange: pon felbft
„perlaffen. “
„Dann möchten mir lieber auf die Jagd zie⸗
„ben, eſſen und trinken, mit Weibern kändeln,
„Schach fpielen, ſchlafen und großherzig von
„Daterlandaliebe, von Tugend und bon Herois⸗
„mus traͤumen.“
„Hoffnung war nie die Geiebfeder m meis
‚mer Thäfigleit, nie der Stab, auf den ich mid)
„ſtützte; id) Tann alfo ohne Verzweiflung mein
„eigenes Lreiben fortſetzen.“
Sn
— 520 _—
- „Sie haben die Wahl / zum Staafsrathe und
„Sindicafere angenommen, haben ihr fchönes
„Soparella, ihre geliebte Gattinn, ihren muns
„tern Knaben und die Geſellſchaft ihrer Sreunde
„verlaffen; fie reifen mit mir im Sande herum,
„tagen die Luft des Tages und der Hiße, ge
„währen fich Beine Erhohlung, verfagen fidy je
„pen freudigen Lebensgenuß; und dieß alles,
„obne auf die Ölorie der Miltiade, Pb ocio⸗
„me und Cincinnate hinzublicken, ohne von
„dem herrlichen :
Vincit amor patriae laudıumque immensa oupido,
„fh durchöringen zu laſſen; altes ohne Hoff:
„nung, ohne 3weck X⸗
„Ohne irgend einen andern als mit dem
„des Lebens.“
„Und der iſt.“
„Damit durch mid) geſchehe und in der
„Beiterfdeine, mas in der Ewigkeit i ft.’
„Dafür möchte ich kein Blatt vom Baume
„pflücen ; denn in folehen Feiterfcheinungen ſehe
wich. eben fo wenig für mid, als für andere,
„Würde oder Nutzen.“ |
„Ich bingegen von Beyden ſehr viel für
—
— 521 —
„mich und für Alle. Schlecht Hi der Schauſpie⸗
‚ae, dem feine Role des Cäſar oder Cato
„Rein anderer Zweck beleuchtet, als daß er fein
‚tägliches Brot dadurch gewinne und zugleich
„den Beyfall eines gaffenden Haufens: erlange;
„ven nicht einzig und allein daran liegt, daß der
„&äfar von ihm gefpielf werde, und der in ihm,
„vie in den Zufchauern, verfchiedenarfig lebende
„Caͤſar durch fein Spiel in Einen vollendeten
„KunftCäfar für die ganze Welt zuſammen flies
„Ge. Schlecht ift auch der Mahler, der eine Ber:
„klärung Ehrifti nur darum mahlt, weil fie ihm
„gut bezahlef wird, oder weil fie einige frommie
„®eelen zur Erweckung ihrer. Andacht bedürfen,
„oder meil fie ein reicher Kunflfreund zu ihrer
„und Des Künftlers Verewigung in Moſaik fets
„ten laffen will; und nicht kediglich darum, da⸗
„mit fie in dee Kunſtwelt da fey, der in ihm ver⸗
„Härte Chriftus an das Licht trete, und fr darin
„feine eigene, und in diefer, die Verklärung der
„ganzen Menſchheit befyauen könne.“
„Zu dieſem Ziele gibt es weit bequemere We⸗
„ge. Was geſchehen muß, kann nicht ungeſche⸗
„hen bleiben, und ein Anderer wird unfehlbar
— 2 —
„vollführen, was ich zu (hun mich weigere; ich
„überlaffe ihm das mühſame Handeln und ge:
„nieße meiner Rube in der Befhauung deflen,
„was er gemacht hat.” —
Nicht fo iſt es, Herr Beneral; das Les
„ben des Weltgeiſtes bildet fich in unendlich man:
„nigfaltigen Ideen in die Natur hinein, und in
„eben fo unendlich mannigfaltigen Geſtalten will
„es für feine Selbſtanſchauung und Gelbitliebe
„dargeſtellt werden. Rube kann nirgends Gtaft
„baben als im Leben feibft und in feiner Darſtel⸗
„lung; idy muß alfo handeln. Was ich thur,
„Tann freylich auch ein anderer thun; aber au:
„ßer mir Bann es kein Sterblider mehr fo, wie
vidy, das ift, wie es gefchehben muß, und wie
„ich es vollführe. Gerade fo und nicht anders
„bat das Leben des Weltgeiftes feine Ideen in
„mie ausgeboren ; gerade in den Geſtalten, die
„ich ihren durch mein Handeln geben kann, wol⸗
„len und müffen fie erſcheinen, damit ſich das in
‚mir eingebildete Leben, und ich mic) in ibm,
„Mur fo und nicht andere felbft befdyauen und
lieben möge. |
| m. 523 —
| „re. Speculatisnen verleiten zu dem Fäls
‚teften, fiolzeften, furchtbarſten Egoismus.’
„Zur höchſten Refignafion, und zur eins
„sig wahren, immer, yuperfichklichen, alle Dinge
beherrſchenden, zeinmenfclichen Handlungs:
⸗/weiſe; denu der eufte Yugenblid meiner Öelbft:
„anſchauung und: Gelbſtliebe im Leben iſt zu.
„gleich der Untergang meines Ich in der Idee,
meiner Einzelnheit im Allgemeinen.“
„Mit Ihren Gefinnungen würde ich mid)
‚Beute noch in eine Carthauſe flüchten und Cor:
„ſicũ feinem Schidfale überlaffen.“ |
| „Und dadurch würden Gie zugleich an
„den Tag legen, daß 28 nur angenommene, nicht
„Ihre eigenen, unmiftelbar aus Ihrer ganzen
„Weſenheit entfproffenen Geſinnungen waren;
„mich halten gerade ſie, weil ſie meine eigenen
„find auf meinem Poſten und in Ihrem Gefol⸗
„98 feft, und alles, was Sie in meinem Thun
„und Wirken mit Yhrem Beyfall beehren, iſt das
„reine Erzeugniß derſelben.“
„Wohl möchte ich hören, wie Gie mit ae
„Gefinnungen auf meinem Poften gehandelt hät:
„ten und jegf handeln würden!"
— 524 —
rüber haͤtte ich mid) zum Dictator,
„dann zum Könige des, laugft fchon fo genann⸗
„ten, Königreichs Eorfica gemacht, und mir
„durch kühne, überrafchende Thaten die Aner⸗
„kennung von den größeen Mächten erzwungen.
„Jetzt würde ich Die Corſen von ihrem demokra⸗
„tifchen Schwindel heilen, ihnen über ihre wah⸗
„re Lage die Augen öffnen, fie almählidy zur tin:
„terwerfung und Unterthänigteit an Frankreich
„borbereifen, and wenn der entſcheidende Zeit⸗
„punet erſchiene, unter den vortheilhafteſten Be:
„dingungen für meine Mitbürger ‚ die Juſel
„Ludwig dem XV. überliefern.‘
„Vielleicht audy zur Belohnung Ihrer Dienſte
„pen Geldömarfchalls:Stab oder die Gouperneur:
„Börde in der Provinz annehmen, und vergef:
„fen, daß die höchſten Ehrenftellen unter einer
„Fremden Herrſchaft doch immer nichts anders
„feyen , als eine glänzende Dienflbarkeit. — Da
„mir nun Ihre Gefinnungen nieht eigen find, fo
„tceiben mid) die meinigen, von allem, was Sie
„fagten, das Gegentbeil zu thun.“
„Und eben dadurch ganz daffelbe, nur
„mit dem Unterſchiede, daß durch Sie und gegen
®.
Ä = —
AIhren Willen geſch eben wird, was, ich felbjt-
„bätig und mit. Wiſſenſchaft gethan hätte.“
— — —
8—7— ur Fe
. Die drey Jahre feiner Apfsvertagltung mas
rer verfloſſen, und in der beflimmten Vorher⸗
ſehung der-fünftigen Begebenheiten zog er ſich
mit den Geinigen wieder, nad) Sovarella zurüd, .
in, feigem kleinen Kreife für die Ewigkeit foxtwir⸗
kend. Den größfen Theil feiner Thätigkeit vers
fehlang jegt die Ausübung feiner. Baterkunft an
Dem: Stoffe, welchen er ſchon früher.zu einerh
höhern Grade von Bildfamteit erhyben hatte.
Entwickeln und Lehren, waren die zwey
Gränzpuncte, in welchen feine, Kutzaheſtrebun⸗
gen. um Anfelmp Bifale ſich fra, bewegten ;
in der Richtung ‚zu beyden leitete ihn die Eine
Face non dem Endzwecke aller Dinge, das ift,
von dem Seyn. „Alles iſt,“ — fo hatte er daſ⸗
felbe .in Der Anſchnuung gefaßt, „In Dem un:
„etennbaren usbedingten Einen, und dieß um
„krennbare unbedingte Eine ift in Allem; und
„eben dieſes, nicht gegenſeitige, ſondern Ein⸗ und
is —
„alfeifige neinanderfeyn ift der Dinge wahres
Weſen und zugleich ihr letzter Zweck.“ Die finn:
liche Erfcheinung des Menſchen Befrachtete er
als einen Abfall der dee von dem Göttlichen,
und fein ganzes Dafeyn in der Zeit nur als eine
Rückkehr odet fortdayernde Wiedergeburt zum
vollen Seyn und Leben des’ Geiſtes. Entwi:
Bein, fey es in dem Einzelne oder in der Gat⸗
tung, hieß ihm ſodam nichts anders, als die
Empfänglichteit für die Verföhnung jenes Abs
falles erwecken und erweitern, die Solgen der
Erbfinde vermitteln, und bey der geiftigen Bie
dergeburt gerade nur fo viel Hülfe leiften, als
die ſelbſtthaͤtige Moyſchenteeſt zu ihrem Dien
ft e forderte: j
| Bonmabentura konnte weder zu weit hin:
ter dieſer Öränzge zurück bleiben, noch durch ein
arimaßendes Machen und Abrirhten fie überſchrei⸗
fen. Er kannte zu genau das Leben, das gebe»
ren merden follfe, er hatte e8 in der Idee von der
Einheit des Göttlichen und Natürlichen im Bei:
fte, gefänden ‚und mit uıpdertüchten Auge hielt
er es feſt. Dem Lichte diefer "dee folgend, mu:
terfchied er im Menſchen das reine, weſent—
—
- 527 —
liche, unendliche Denken von dem, an feinen Stoff
gebundenen ! zufälligen und begränzfen Nach⸗
denken; in jenem erkannte er die lebendige und
un auslöſchliche Spur ſeines Göttlichen, in diefem
fand er alle heilſamen und verderblichen Richtun⸗
gen, welche die Folgen ſeines Abfalles zu dem
Natüurlichen nehmen konnten: und nun war ihm
Entwideln wieder nur die Geſchicklichkeit, das
Nachdenken fo zu leiten, daß. es ſich mit Zertig:
keit der Anfchauungen jenes reiten Dentens be
mädfigen, fie in das Bewußtſeyn herab ziehen,
durch die Formen der Moͤglichkelt, Wirklichkeit
und Nothwendigkeit begränzen und geſtalten,
und biermit- den Stoff, an den Be. gebunden
war, beleben moͤchte. .
In der Richtung zu dem zweyten Graͤnz⸗
puncte feiner. Vaterkunſt fihriteiur nicht minder -
fe und ſtchet fort; denn erwußtennt Beftimmt⸗
heit, zu weldem Zwecke, und m&äs Aufel-
mo lernen follte. Der Zweck alles Lehrens Und
Lernens Eonnfe diefem Manne kein anderer feyn,
als eben derfelbe- und Eine des Entwidelns,
und hierin lag audy fon der oberfte Grundfaß
feiner Lehrart. Er lehrte fo, daß der Lehrling die
— AB —
Fertigkeit erlangte, in den Gegenſtaͤnden durch
das Beſondere zu dem Allgemeinen ſelbſithätig
hindurch zu dringen, und dann die verborgene
Allgemeinheit als Idee darzuſtellen. Mit gerin:
ger Mũhe erwedite er ſodann in veligiöfer Hin:
ſicht auch die Luft in ihm, den Geiſt des AU, wie
er fidy im Befondern offenbaret, als Schönheit,
and wie er im Allgemeinen malte, als Wahı:
x heit, zu.befbauen. Der Juhalt feiner Lehre, oder
' das, was Anſelmo lernend fid) aneignen fol
te, war ein zweckmäßig und künſtlich verjüngter
Umfang feiner eigenen Kenntniſſe, an welchen
er ſowohl, als Renato, deu Knaben nur übte,
den Umfang felbft.zu finden, und das darin Be
griffene frey und felbftftändig zu entfalten. -
In dieſer, feinent Herzen ſo augenehmen und
gefegueten, Thaͤtigkeit mard er durch die Auffor⸗
derung, ben einam außerordentlichen Gtaatsra⸗
che gr. Corte firh einznſtellen, von neuem unter:
brochen. Die Haͤupter der mächtigften Familien,
die aufgeklärteſten Mitglieder des Klerus, Alle,
die bis dahin höhere Staatsämter bekleidet bat:
ten, waren dafelbft verfammelt. Niemand wuß—-
fe deu Öpgepftand vorher, worüber berathſchla⸗
get
— 59 —
get werden follte, ſelbſt die Bufammenbgrufung
einer ſolchen Berfammlung war etwas ganz
Neues. Die Sitzung wurde in.dem prächtig da:
zu eingerichteten Pallafte des Generals gehalten,
men Thronen flanden da, der größere von
carmefinsrothem Damaft, mit goldenen Treffen
und&ranfen befegt, umgeben mit neun Armflühe '
len von eben demfelben Stoffe und gleichmäßig
eingefaßt; daneben ein Bleinerer von rothem
Sammet, mit Gold geftidt, und mit dem: Wa⸗
pen der Inſel geziert; Paoli felbft erſchien mit
auffallender Pracht und nahm den leßtetn ein.
In dem Anblide der Thronen erloſch die Begeiftes
rung, zu deren Öteigerung die Rede, womiterdie
Gißung eröffnete, beflimme war, Gieverfündigfe
den Anweſenden die ſchnelle Eroberung der In⸗
fel Capraja, des Baterlandes der beften Mas
troſen im mittelländifchen Meere; fie fchilderte
die Bortheile, weldye für Borfica’s Handel und
Geewefen, zum größten Narhtheile der Benues
fer, aus diefer glüdlichen Befignehmung entfprin,
gen Fönnten, wenn die Regierung im zafrhen und
Eräftigen Handeln durch die demokratiſche Ber
faſſung meniger beſchraͤnkt waͤre. „Eben diefchäd:
eI
— 0",
alichen Spigen'derfelben, welche fidy immer Deuts
„her benierken ießen;, hätten ihn auch jegt ges
„nöthigt, eine der wichtigſten Angelegenheiten
„zu ihrer alleinigen Erkenntniß zu’ bringen und
„ihrer ausfchließenden Entſcheidung zu überlaf:
‚fen. Run eröffnete er ihnen den Borfchlag des
Sranzöfifchen Hofes zu einem endlichen Vergleiche
zwiſchen ihnen und der Republit Genua. Pad,
dem Inhalte deſſelben ſollte diefe den Litel Kö:
nig von Gorfica fortführen, die Corfen follten
zu beſtimmten Zeiten für die Anerkennung ihrer
Unabhängigkeit dem Senate, fo wie der König
beyder Gicilien wegen Neapel dem Römifdyen
Stuhl, als DbersLlehnsherrn huldigen, und die
Genusfer in dem rubigen Befise einiger See⸗
pläge auf der Inſel nicht weiter mehr angefody:
ten werden.
. Hiermif war der Gegenftand der Verhand⸗
Imgen aufgeftellt; aber niemand faßte ihn auf,
und ein tiefes Schweigen, welches fich bald in
ein dumpfes Mutren auflöfte, mar alles, mas
der General auf feinen Bortrag zur. Antworter:
hielt. Sein Gig auf dem Throne ſchien abſicht—
lich ſo eingerichtet, daß fein Rüden das Wapen:
— 531 —
ſchüd der Infel bedeckte und die darüber flehene
de, befonders reich geſtickte Königskrone, in der.
Ferne das Anſehen hatte, als ruhte ſie auf ſei⸗
nem Saupte. Die Urſache der allgemeinen Uns.
zufriedrnheit blieb ihm kein Geheinmiß; laut
fragte ihn vor der gangen Bifammlung Dr.
Murafi: „für wen der größere Thron dort
„beftiinmt ſey 9 — „Zür die Freyheit;“ antwor⸗
tete Paoli mit ſchneller Faſſung, worauf der
Dortor erwiederte: „die hat ihren Thron. in dem
„Herzen des Bürgers; außer diefem hat ſie wohl
„Thronen geftürgt, aber.nie einen erbauel..
Seine fchlagende Aeußerung unterdrückte
alle mweitern Ansbrüche des Unwillens. Schweſ⸗
gend verließ der General feinen Thron, um ihn
nie wießer zu befteigen,. und die Berfammiang _
ſchritt befriedigf gur Berachſchlagung über: den
ihr vorgelegten Antrag. Die zwey erften Puncte
deffelben wurden ohne Widerrede angenommen,
der dritte verrieth zu deutlich die Abſicht, in Der
Solge neue: Unternehmungen "gegen. die Srey:
heit der. Ynfulaner zu vetfuchen ; es ward daher
befchloffen., daß Genua’s Genat feine Würdeohs
ne Schaden für feine Bortheile.behaupten möge, .
212 |
— 52 —
zugleich aber auch die Sicherheit der Corſen au⸗
Ber Oefubr geſetzt werden müſſe.
| Ben dem Abfdyiede fagte Paoli zu Bon
pentura: „Heute haben Gie gefehen,, was früs
‚ber mein Loos gemefen wäre, da man mit nach
‚„wölfjährigen Arbeiten und Aufopferumgen fo
„begegnete.“
ue gern moͤchee ih,“ perſettte Dice,
„den Schluß von..der Gegenwart auf die Ver⸗
‚‚yangenheit gelten lafien; denn wäre diefe an:
„ders geweſen, fo hätte fich jene nicht fo ereige
„men Eönnen. Ich verehrte. Ihr Beſtreben, ſich
„nir durch Verdienſte geltend zu machen; aber
“ „bis an das Ende der Welt wird man dem bes
„ſcheidenen Verdienſte verweigern, was man
„dem Ehhn unternehmenden, erſchũtternden Geis
‚Ne in Angft and Entfegen von jeher gewährel
„bat. Jenes ift menſchlich, diefer göttlich; das
„erfiere.erhält feinen aͤußern Werth bloß durch
‚Die ‚Anerkennung: nady Begriffen, der Teßtere
„findet feine äußere Gtüge in dem Idealen, wel⸗
‚ches der höhere Menſch überall mit Ehrfurcht
„würdigt, und der roheſte, in ſich und Andern
„roenläftens d dunkel, abndef. °
— 533 —
„Es iſt viel, aber id) hoffe, noch nicht alles
„verloren; was dũnket Ihnen?“
„Verſäumt moͤchte wohl: fo manches
„ſeyn, verloren iſt gar nichts, denn auch das,
„was Sie etwa Verluſtnennen dürften, wird ſich
„endlich als reiner Gewinn für ung, für Corſira
„und für die Welt austveifen. Das Sprichwort
„fagt: „„wir lernen lebrend ;’“ man könnte es
„wohl weiter ausdehnen und fagen: „„indem
„„wir in Gottes großer. Belt ſchaffen und erzies
„„hen, werden wir ſelsbſt geſchaffen: und er⸗
PORT: 3: Bald on
.
" — — — —
..
tz 0
Ben feiner Ankunft in Sovarella fand er
den heitern Sreis Renato auf dem Krankenfa⸗
ger. Seine Lebenskraft mar abgefpantıt und fein
Geift fah freudig auf die ſchnelle Auflöfung feis
ner Bande bin. Im deutlicher Gefühle ſeines na⸗
ben Verſchwindens wollte er nody dem Gohne
feines Zreundes das Räthfelbafte feines frübern
Lebens entfchleyern, mas diefer ſchon oft von
ihm vergeblich gebefhen hatte.
3 [sh —
Bongaventirr d las ihm auf fein Verlan⸗
gen Platon’s Phado vor, die Tjdeen des So⸗
rates waren dem Örsife Stärkung und Auf:
heiterung des Geiftes, er hieß den Borleier ins
ne halten und ſprach: „Du baft oft die Entdek⸗
„ung eines Öeheimniffen von mir verlanget, das
„ich dir nun nicht länger porenthalten darf. Es
„iſteinfach, es verbarg dir bisher nur die Quelle
„meiner Sreundfchaft für deinen Bater und meis
„ner Siebe für dicy. Als ich in meinem zwölften
„Jahre hülflos vermaifet ward, nahm fi zu
„paris der ehrwürdige Malebrande, der
„Freund meines Bruders, der damahls fchon
„Carthäuſer mar, meiner an. Er ließ mid, flus
„dieren und verfchaffte mir durch feine Berbin:
„dongen den nöchigen Unterhalt; Rach Bollens
dung meiner Stwölen nahm er mich zu ſich, und
„Ag. diente ihm theils ala Borlefer, theils als
Schreiber, bis er ſtarb. Ich war drey und zwan⸗
sig Jahr alt, darch die fünfte Weihe bereits der
‚Kicche gewidmet, doch unentichieden, in welche
„Verhältniſſe id, eintrefen foRte, Mein Umgang
„mit-dem religiöfen Weſſen hatte in mir die lebhaf:
„tefte Neigung zum Studium der Philofophie
x
\
. —* 535 —
„erweckt; von ihr beherrſcht und getrieben, hat⸗
ate ich, weder zu dem beſchraͤnkten Kloſterleben,
„noth zu den zerſtreuen den Geſchäften des Seel
„ſorgerſtandes Luft. Bon dem-Bedürfniffe des
„täglichen Brofes gedrängt, ging ich zu meinem
„Bruder in die große Carthauſe, wo mir durch
„einige Jahre alles Noͤthige gereicht, und, mag
„mit Das liebite mar ‚ die ungeftörtefte Muße
"zum Studieren gewähret würde; nur um nicht
„‚ganz-umfonft und underdient dee Guten zu ges
‚nießen, mußte ich mid) zum Priefter meihen
„laſſen.“ —
„Dort bildete ſich Malebranch e’s Philo⸗
„ſophie in mir zur Erkenntaiß zweyer ganz ver⸗
„ſchiedener Welten, der zeitlichen, als der Welt
„des Glaubens, und der ewigen, als der des
„Schauens. Eine Macht, die kein Begriff mißt
„und kein Nahme ausſpricht, in deren Leben ich
„das meinige fand, deren Gtimme ich ohne Uns
„terlaß in meinem Gewiſſen vernahm, ward mir
„Bott, mein Biffen freyer Glaube des Gemüthes
„an ihn, und meine Religion Liebe der ewigen,
„durch feinen Willen gegründeten, Weltordnung.
u Jch weiß, daß du anders denkeſt; aber lag
z)
55 —
„mich mit meinem Slauben und mit: meiner ie-
„be beim kehren, fie find ja in ımd mil mir alt
„gervorden, and haben mir durch funfzig Jah⸗
„ze, in Sreuden wie in Leiden, getreulich bey»
„geftanden.” —
„Außer da Philofopbiebefihäfägte ich mid
„mit den alten Griechen und Römern, und in
„dem Garten meines Bruders mit der Zucht und
„Veredlung der Yeldblumen. Der Bifdyof von
„Srenobte, welcher die Earthaufe oft befudhte,
„würdigte midyfeines Wohlmollens und empfahl
„mid) dem Parlaments:Rathe Herrn von Elas
„vefon zum Erzieher feines Gohnes. Die mir
„angrbofhenen Bedingungen waren vortheil⸗
„beft, und ich zog in das Haus, wo die unüs
„berwindliche Gewalt der Liebe mit ihren ſchreck⸗
„ichſten Leiden ſich bald meines Herzens bemäch⸗
„tgte. Meine Geburt, und noch mehr mein
„Stand , verfchloffen mir jede Ausſicht auf eine
„glüdlidye Zutunft, oder auch nyr auf erfrenlis
„he Augenblide. Die Entdeckung meines Zus
„ftandes an die Geliebte würde den Simmel ih⸗
„ver Unſchuld ummöllt, den Srieden ihres Her
„zens vielleicht für immer vernichtet Haben; mir
_ 57 —
„ſchan derte vor dieſem Vorbrechtn und das heis
_ „ligfte Geſetz meine: Liebe: war, fie audy nicht
„durch das leiſeſte Merkmahl zu verrathen. Ver⸗
„geblich ſagte id) mit täglich und ſtündlich: eine
„Liebe; die ihr Ziet jenfeits der Brängen der Moͤg⸗
„liichkrit fieht, die eing ewige Feindſchaft mit der
„Hoffnaung unterhalten muß, die nimmermehr
„aus ihrer Verborgenheit hervor frefen darf, und
„doch nicht erflicbt, fey Thorheit oder Krank.
„beit; vergeblich faßte ich mehrmahls den Bors
„faß, meine Sreybeit und Genefung durch die
„Sucht mir zu erlaufen ; die ©tärke meines Ge.
„fübls fiegte über alle Einfichten des Berftans
„des, und meine Borſutze verſchwanden als hin⸗
„fällige Geburten des Augenblickes: ich mußte
„lieben, ſchweigen und leiden; denn der Gegen»
| „ſtand meiner Liebe und meines Öchmerzens war
„Lodovica. — Gie wird den Märtyrer heute
„nod) belohnen für dieDpfer, die ihn die Pflicht,
„and feine Liebe felbft, ihrer Linfchuld, ihrer Zus _
„gend und ihrem Glücke bringen hieß ; fie Behrte
„in den Schooß der Gottheit zurück, ohne daß
‚ihr je ein Blid oder ein Laut von mir.angedeus
„tet hätte, mas id) für fie empfand. —
ı
te den Gegenſtand vorher, worüber berathfchla:
gef
— 5328 —
Fertigkeit erlangte, in den Gegenſtaͤnden durch
das Beſondere zu dem Allgemeinen felbfichätig
hindurch zu dringen, und dann die verborgene
Allgemeinheit als Ider darzuſtellen. Mit gerin⸗
ger Mühe erweckte er ſodann in celigiöfer Hin:
ſſicht auch die Luft in ihm, den Geift des AU, wie
er fid im Befondern offenbaret, als Schönbeit,
und wie er im Allgemeinen malte, als Wahr—⸗
x heit, zu beſchauen. Der Jahalt feiner Lehre, oda
das, was Anfelmo lernend fid) aneignen foll
fe, war ein zweckmäßig und künſtlich verjüngter
Umfang feiner eigenen Kenntniffe, an welchem
er ſowohl, ale Renato, den Knaben nur übte,
den Umfang ſelbſt zu finden, und das darin Be
griffene frey und felbftftändig zu entfalten. -
In diefer, feinene Herzen fp angenehmen und
gefegueten, Thaͤtigkeit mard er durch die Auffor⸗
derung, ben einem außererdentlichen Staatsta
She zu Corte ſich einznſtellen, von neuem unter:
brochen. Die Haupter der mãchtigſten Gamilien,
die aufgellärteften Mitglieder des Clerus, Alle,
die bis dahin höhere Staatsämter beHeidet hat:
ten, waren dafelbft verfammelt. Riemand wuß—
— 529 —
get werden ſollte, ſelbſt die Zaſammenberufung
einer ſolchen Verſammlung war etwas ganz
Neues. Die Sitzung wurde in.dem prächtig da:
zu eingerichteten Pallafte des Generals gehalten.
men Thronen fianden da, der größere von
carmeſin⸗rothem Damaft, mit goldenen Treffen
und Sranfen befegt, umgeben mit neun Armftühe \
Im von eben demfelben Stoffe und gleichmäßig
au
eingefaßf; daneben ein Eleinerer von rothem
Gammet, mif Gold geftidt, und mit dem Was
pen der Inſel geziert,; Paoli felbft erfshien mit
auffallender Pracht und nahm den legtern ein.
Sin dem Anblicke der Thronen erlofd) die Begeifte,
rung, zu deren Steigerung die Rede, womit erdie
Gitzung eröffnete, beſtimmt war. Gieverfündigte
den Anmefenden die ſchnelle Ereberung der In⸗
fel Capraja, des Baterlandes der beften Ma⸗
troſen im miftelländifchen Meere; fie fehilderte
die Bortheile, welche für Eorfica’s Handel und
Geemwefen, zum größten Nachtheile der Genues
fer, aus diefer glüdlichen Befignehmung entfprins
gen könnten, wenn die Regierung im rafıhen un®
Eräftigen Handeln durch die demokratiſche Ber
faffung weniger beſchraͤnktwaͤre. „Eben dieſchaͤd⸗
LI
— 30 — '.
„kichen Solgen'derfelben, welche ſich immer Deut
„Ather benierken ließen, hätten ihn aud) jeßt ge:
‚mötbigf, eine der. wichtigſten Angelegenheiten
‚zu ihrer alleinigen Erkenntniß zu bringen und
„ihrer ausfchließenden Entſcheidung zu überlaf:
‚fen.” Nun eröffnete er ihnen den Borfchlag des
Stanzöfifcyen Hofes zu einem endlichen Bergleide
zroifchen ihnen und der Republit Genua. Rad
dem Inhalte Deffelben ſollte diefe den Titel Kö:
nig von Corfica fortführen, die Corfen follten
zu beſtimmten Zeiten für die Anertennung ihrer
Unabhängigkeit dem Genate, fo pie der König
beyder Sicilien wegen Neapel dem Roͤmiſchen
Stuhl, als Ober Lehnsherrn huldigen, und die
Senueſer in dem’ ruhigen Befige einiger See⸗
pläße auf der Inſel nicht weiter mehr angefoch⸗
ten werden.
Hiermit war der Begenftan? ver Verhand⸗
lungen aufgeftellt; aber niemand faßte ihn auf,
und ein tiefes Schweigen, welches fich bald in
ein dumpfes Murren auflöfte, war alles, was
der General auf feinen Bortrag zur. Antworter:
hielt. Sein Gig auf dem Throne ſchien abſicht⸗
lich ſo eingeridytet, daß fein Rüden das Wapen:
— : BB —
ſchud der Inſel bedeckte ımd die darüber ſtehen⸗
de, befonders reich geflidkte KRönigektone, in der:
Ferne das Anſehen hatte, als ruhte ſie auf ſei⸗
nem Haupte. Die Urſache der allgemeinen Un⸗
zufriedenheit blieb ihm Bein Geheinmiß; laut
fragte ihn vor der ganzen Bärfammlung Dr.
Murafi: „für wen der größere Thron dort
„beftiimme ſey 9 — „gür die Freyheit; antıpors
tete Paoli.mit ſchneller Saffung, worauf dar
Doctor’ erwiederte: „die hat ihren Thron. in dem
„Herzen des Bürgers; außer diefem Bat fie wohl
„Thronen geftürzf, aber nie einen erbauet.“
Seine ſchlagende Aeußerung unterdrückte
alle meiteen Ausbrüche des Unwillens. Schwei⸗
gend verließ der General feinen Thron, um ihn
nie wieder zu befleigen,. und die Bearfammiung _
ſchritt Befriedigt zur Berathſchlagung über: den
ihr vorgelegten Autrag. Die zwey erſten Puncte
deſſelben wurden ohne Widerrede angenommen,
der dritte verriech zu deutlich die Abſicht, in Der
Solge neue: Unternehmungen gegen die Frey⸗
heit der. Inſulaner gu vetfuchen, es ward daher
befchloffen, daß Genun’s Genat feine Würde oh⸗
ne Schaden für feine Bortheile. behaupten möge,
212
_ 532 —
zugleich aber auch die Sicherheit der Corſen au⸗
Ber Gefahr geſetzt werden müſſe.
Bey dem Abfdyiede fagte Paoli zu Bonas
ventura: „Heute haben Sie gefehen, was frü⸗
„her mein Loos gemefen wäre, da man mit nach
„nmwölfjährigen Arbeiten und Aufopferangen fo
„begegnete.
„Nicht gern möchte id,“ verfeßte Dice,
‚nen Schluß von der Gegenwart auf Die Ders
„gangenheit gelten lafien; denn wäre diefe an:
„ders geweſen, fo hätte fich jene nicht fo ereig⸗
„nen Bönnen. Ich verehre Ihr Beftreben, ſich
„nut durch Verdienſte geltend zu machen; aber
“ „bis an das Ende der Welt wird man dem be
„ſcheidenen Berdienfte verweigern, mas man
Adem kuͤhn unternehmenden, erfchüfternden Geis
‚te in Angſt and Entfegen von jeher gewährel
„bat. Jenes ift menſchlich, diefer göttlich, das
„erftere.erhält feinen äußern Werth bloß durch
‚Die ‚Anerkennung nad, Begriffen, der Ießfere
„findet feine äußere Stüge-in dem Ydealen, wel⸗
‚ches der höhere Menſch überall mit Ehrfurcht
„würdigt, und der roheſte, in ſich und Andern
„reifen dunkel, „ahndet.
— 533 —
„&s iſt viel, aber ich hoffe, noch nicht a alles
„verloren ; was dünket Ahnen?’ '
„Verſäumt möchte wohl fo manches
Afeyn, verloren iſt gar nichts, denn auch das,
„was Sie etwa Verluſtnennen dürften, wird ſich
„endlich als reiner Gewinn für uns, für Corſira
„and für die Welt ausweiſen. Das. Sprichwort
„ſagt: „„wir leunen Iehrend ; man Bönnte es
„wohl weiter ausdehnen und fagen: „„indem
„role in Gottes großer. Welt ſchaffen und erzies
„„hen, werden‘ wir ſelsbſt seſchaffn und er⸗
nzogen.!‘4 u
Ben feiner Ankunft in. Sovarella fand er
‚Yen heitern ®reis Renato auf dem Krantenlas
ger. Seine Lebenskraft war abgeſpanut und fein
Geiſt fah freudig auf die fehnelle Auftöfung feis
ner Bande hin. Im deutlicher Gefuͤhle ſeines na⸗
hen Verſchwindens wollte er noch dem Sohne
ſeines Freundes das Raͤthſelhafte ſeines frühern
Lebens entſchleyern, was dieſer ſchon oft von
ihm vergeblich gebethen hatte.
.” — 334 —
..Bonaventurd las ihm auf fein Verlan⸗
gen Platon’s Phädo vor, die Tjdeen des So⸗
rates waren dem Greiſe Stärkung und Auf:
heiterung des Geiftes, er hieß den Vorleſer in:
ne halten und ſprach: „Du haft oft die Entdek⸗
„ung eines Öeheimniffes von mir verlangef, das
„ich dir nun nicht länger porenthalten darf. Es
„ifteinfach, eg verbarg dir bisher nur die Quelle
„meiner Sreundfcyaft für deinen Bater und meis
„ner Siebe für dich. Als ich in meinem zwoͤlften
„Jahre hülfloa vermaifef ward, nahm fidy zu
„paris der ehrwürdige Malebrande, der
„Freund meines Bruder, der damahls fchon
„Eartbäufer mar, meiner an. Er ließ mich fiu«
„dieren und verfchaffte mir durch feine Berbin-
„dongen den noͤthigen Unterhalt; Nach Bollens
dung meiner Studien nahm er mich zu fich, und
„ich dientecihm theils ala Borlefer, theils als
„Örhreiber, bis er ftarb, Ich war drey und zwan⸗
zig Jahr alt, darch die fünfte Weihe bereits der
AKirche germidmet doch unentfchieden, in melde
‚Berbältniffe id; eintreten folte. Mein Umgang
„mit-dem religiöfen IBetfen hatte in mir die lebhaf—
„tefte Neigung zum Studium der Philofophie
J so
„erweckt; von. ibr beherrſcht und getrieben, hats |
„te ich, weder zu dem befchräntten Kiofterleben, -
„moch zu den zerftreuenden Mefthäften des Seel⸗
aſorgerſtandes Luft. Bon dem Bedürfniſſe des |
„täglichen Brotes gedrängt, ging ich zu meinem
„Bruder in die große Carthauſe, wo mir durch
eeinige Jahre alles Noͤthige gereicht, und, wag
„mir das liebfte mar, die ungeftörtefte Muße
zum Öfudieren gernäbret wurde; nur um nicht
„‚ganz-umfonft und underdient den Gurten gu ges
„nießen, mußte ich mich zum Prieſier weihen
„lauſſen.“ —
„Dort bildete ſich Malebrand e's Philo⸗
„ſophie in mir zur Erkenntniß zweyer ganz ver⸗
„ſchiedener Welten, der zeitlichen, als der Welt
„des Glaubens, und der ewigen, als der des
„Schauens. Eine Macht, die kein Begriff mißt
„und kein Nahme ausſpricht, i in deren Leben ich
„das meinige fand, deren Stimme ich ohne Uns
„Aterlaß in meinem Gemiffer veruahm, ward mir
„Goit, mein Biffen freyer Glaube desGemüthes
„an ihn, und meine Religion Liebe der ewigen,
„durch feinen Willen gegründeten, Weltordnung.
u Ic weiß, daß du anders denkeſt; aber laß
-
— 536 —
„mich mit meinem Glauben und mit meiner Lie⸗
„be heim kehren, fie find ja in und mif mir alt
„geworden, uud Haben mir durch funfsig Jah⸗
„ze, in Sceuden wie in Leiden, gefreulich bey:
„geltanden.” —
„Außer da Ppitofopbiebefepäftigte ich mid
„mit den alten Griechen und Römern, und in
„nem Garten meines Bruders mit der Zucht und
„Veredlung der Zeldblumen. Der Biſchof von
- „Grenoble, weicher die Earthaufe oft beſuchte,
„würdigte midyfeines Wohlmollena und empfahl
„mid dem Parlaments:Rathe Herrn von Elas
„vefon zum Erzieher feines Sohnes. Die mir
„angrbothenen Bedingungen waren vortheil⸗
„beft, und id, zog in das Haus, me die umüs
„berroindliche Gewalt der Liebe mit ihren ſchreck
„lichſten Leiden fi) bald meines Herzens bemädy
„tgte Meine Geburt, und noch mehr mein
„Stand , verfdyloffen mir jede Ausſicht auf eine
„glückliche Zutunft, oder aud) nyr auf srfreulis
„che Augenblide. Die Entdedung meines Fur
„ſtandes an die Geliebte würde den Simmel ib.
„ver Unfchuld ummöllt, den Frieden ihres Her.
„zens vielleicht für immer vernichtet haben; mir
-_ 517 —
„fehamderte vor dieſem Verbrechen und das heis
„ligſte? Gefeg meine: Liebe: war, fie auch niche
„durch das leiſeſte Merkmahl zu verrathen. Ver⸗
„geblich ſagte ich mir täglich und ftündlic) : eine
„Siebe, die ihr Ziet jenſeits der Brängen der Möge
‚„Aichkeit fieht, die eine ewige Geindfchaft mit der
„Hoffnung unterhoiten muß, die nimmermehr
„aus ihrer Berborgenbeithervor frefen darf, und
„doch nicht erflicbt, fen Thorheit oder Krank:
„beit; vergeblich faßte ich mehrmahls den Bor.
„faß, meine Freyheit und Genefung durch die
„Flucht mir zu erlaufen ; Öle Gtärke meines Ges
„fühls fiegte über alle Einfichten des Berftans
„des, und meine Borfäge verſchwanden als hin⸗
„fällige Geburten des Augenblides: ich mußte
„lieben ; ſchweigen und leiden; denn der Gegen⸗
| „ſtand meiner Liebe und meines Schmerzens war
„Zodovica. — Sie wird. den Märtyrer heute
„noch belohnen für dieDpfer, die ihn die Pflicht,
„and feine Siebe felbft, ihrer Unfchuld, ihrer Zus _
„gend und ihrem Glücke bringen bieß ; fie Behrte
„in den Schooß der Gottheit zurück, ohne daß
„ihr je ein Blick oder ein Lauf von mir. angedeus
„tet hätte, was ic) für fie empfand. —
— 5 —
„Want; fey.es deut verewigten Vafer meines
Geiltes, unter- deffen Leitung die fittlsche Gefin
„ung ſich anerſchütterlich N mit befeſtigt hatte!
Mhne dieſe wüͤrdeamich der Entſchluß der Ach
„teen, das holde Weſen, ii dem Kloſter zu Mont⸗
flenty auf ewig zu.verfchlänßen‘, zu den verwe⸗
„genften Unternehmungen verleitet haben.“
AIndem er nuu ein kleines Möniatur-Gemähl:
de hervorzog, fuhr:er fort: „Nimm dieſes Mas
Arien⸗Bild; fie trug.es pon ibrer Kindheit auf an
„ihrer Bruſt, es. war ans Einzige, wom ich mir
‚bey dem qualenpolten Abſchiede von ihr erbafh,
„und feit der Yeit hat es, weder das Auge ic:
„grad eines Menſchem noch fie felbft wieder bey
„mir gefehen. Die ode, die du Farin vecbor:
‚gen finden wirft, wußte ich mir von der Nonne,
„die ihr ben der Einkleidung die Haare abfchnitt,
durch mandyerley Künfte zu verſchaffen.“ —
„Mut Beſtürzung auf mein zerriffenes Das
nſeyn binblidend; verließ ich Claveſons Haus,
„ſobald Lodoviea geopfert war. Unterdeſſen
„var mein Oheim geſtorben, der mir fo viel ver⸗
‘ „madht hatte, daß ich von Menſchen unabhän⸗
„gig leben konnte; allein mein eigentliches Leben
— 539 —
„ußte ich erſt wieder ſuchen, Im Thale hey
„Suſa glaubte ic, feinen Schein zu erblicken, ‚und
‚Ach entſchloß mich, um eg: ‚wie wieder zu verlie⸗
„ven, in, der Carthauſe zu Golegnp um meine
—— in den Orden anzuhalten. Da, kam
„dein Vater mit feiner gerefteten Gattinn, und
„verlangte bey mir eing ſichere Ruheftätte, Sein
„Bedürfniß bob meinen Eatfchluß auf, fein Bers
‚wdienft. um Lodopica ‚Sffnete ihm. nicht, nur
wein friedlichen Dach, ſondern auch mein Herz,
„twin wurden bald Freunde im,beiligfien Sinne
ndes Wortes, und meine Liehe war in Ber, An⸗
Aſchauung ihrer VPortrefflichkeit und i in DenTheil. .
„nabme an feinem Glüde _v pollfommen, befriedis
„get. Mit Freuden begleifete ich die Lieben nach
„Sorfica und linderte duch ‚meins Freundſchaft
‚feinen Gram über die Schrermutb, in welche
Lodopica allmählichverfunten mar; diefp, zu j
„zerſtreuen waren wir alle nieht bermögend.U—
„Sobald fie in Rom den Schleyer gengm-
„men hatfe,.gebörte fie mir, nicht meniger, ‚ole
„Deinen Vater an. In meingr Einfiedeley ‚bey
„Gertaldo blühete mir in allen Blumen nur die
„Schönheit ihrer Seele, der Gefang der Bögel
verfändigte mi nur das Lob ihrer Worzüge,
und / in dem gebeiimmißvoflen Zehen des Abend»
„wohrdes vernahm ich nur Geufzer ihrer heiligen
'Zidbe zu dem Ewigen. Doch gern verließ ich
„aud) diefes Hetligthum meirier ſuüßen Schmär:
„mereyen und folgte dir auf deinen Reifen, ſo⸗
„bald Anfelmo'mir eröffnete, daß er nnd fie
„es wunſchte. ch Hiebte in dir den würdigen
„Sobn meiner Geliebten und meines, Sreundes,
'„und Deine Wohlfahrt‘ war meine eigene. Mein
„Beben feie jener Zeit iſt die bekannt, und in die:
fen fo rmenfg als in demi borbergegangenen ift
„ehr Jug, ‚'vor dem mein Bi in dieſer Stunde
Auricẽ ſchteckte.
"ch babe dir nichts mehr zu ſagen, und
auch mit mir geht es zu Ende. — Ueber ein Klei⸗
"„nes bin id) frey. — Ich bleibe bey dir, du gehſt
„mit mir, Denn Ih weiß, daß du’ an die ewige
"„Sorfdauer der Freundſchaft und Liebe glau⸗
„beſt, ja ſogar von ihr wiſſen willſt. — Bewah⸗
ie dir dieß Wiſſen, die Stunde wird fommen,
in welcher du nur in ihm Troſt und Stärke fins
„den wirft. — Wie das alles ſich por mir aufs
| „Pläret! — Fünf und fiebzig Jahre kaum Eine
_ , — 341 — oo.
„Schwingung ‚des Perpenditels an der großen,
„Uhr der Ewigkeit! — Wie fi alles erweitert!
n— Körtnfet ihr's fehen wie ich! Nirgends eis
‚ne Gränge, nirgends.ein Dunkel, überall Als,
„übevall Licht! — Kein Tod. Geburt -— Les
„ben — Abgrund der Ewigkeit — verſchwinden
min Bott: — „Die mar fein letzter Hauch. —
„Blür auf zur Freyheit!“ ſagte Bonaven tu⸗
ra und drückte ihm die Augen zu. 4°...
Der Lag feiner Beerdigung war in der Ge⸗
meinde- bon Sovarella ein Tag derTraugr; alle
liebten-fid in dem reife, dann er hatte allen Gu⸗
tes gethan: nur Bonaventura liebte ihn in
ſich; ihm warer ein Tag der mehmüthigen Freude.
oo. a E
En BR „wen
Was er duch Rannko’s. Hinſcheiden an
Genuſſe des Lebens und fein Sohn an feiner Bils
dung verkoren hatte, das follte heyden Perals
di wieder erfegen. Dringender wiederhohlte er
jegt feige Bitfe, der alte Weife möchte Pifa ver⸗
laſſen, nad) Corſica ziehen und feinen Ruf zur
Heimath in den Armen ſeines treuen Schülers
— 44 —
„ſcher⸗Dynaſtien ausrotten und gange Völker:
„ſchaften auflöfen mollte. Dieß alles aber fol
„frey und raſch gefchehen ; denn in dem Maße
„als die Belt unter ihrem Alter ermattef, muß
„ſich aud das Böfe unfer ihren Bewohnern
„bäufen.”
Aus der Aſche des Drdens werden Gefpen-
„ſter auffteigen, ſchrecklicher alsjemahls die Höl:
„lenfackel der Habſucht, der Zwietracht und des
„Haſſes über die Erde ſchwingend. Befreundete
„Völker werden ſich gegenfeitig verkaufen, ver«
„rathen, und felbft dem Galle nahe, der Befals
„Ienen fpoften. Die fromme Meinung wird den
„Arm ihrer Krieger nicyt mehr ftählen, und ihre
„Unterdrüdten werden vergeblich gegen die Ges
„walt vor den entweiheten Altären der Gerech⸗
„tigkeit Recht und in dem Gewiſſen ihrer Herr:
„fiher Schutz ſuchen. Verſchwendung wird das
„Mark der Staaten verzehren, und indem man
„glauben wird, in der ſchlechten Kunft, Die alles
„Blut aus dem Körper dem Haupte zuführt, Heil
„zu finden, wird das-überfüllte Haupt felbft mit
„dem erfchöpften Körper. ohnmaͤchtig hinfinken.“
„UnteglicheBorbothen von dem allen fehe
RL
N
" 1
| 58
„ich in der gleichmäßigen Ark, womit man gegen
„die unfchuldigen fo wiegegen die der Schuld ver:
„dächtigen Drdensglieder verfährt, wie man in
„beyden willkührlich über dem Nefuiten den Nlens
„chen, den zum Schutze der Geſetze berechtigten
„Bürger vergißt. Die Marime, die diefem Ber:
„fahren zum Grunde liegt, iſt zur völligen Auf:
„löſung des rechtlichen Zuftandes in der Gefell-
‚„‚Ichaft bin gerichtet. Es jammert mid) der Ver⸗
„‚blendung, mit welcher Cardinäle, Biſchoͤfe,
„Staatsmänner und gange Möndysorden Euern
„Derfolgern mit ihrem Anfeben dienen, oder über
„Euer Berderben frobloden, nicht ahndend, daß
„Euer gegenmwärtiges Schieffal nur ein Borbild
„ihres künftigen fey, und daß man fich in kur⸗
„zen auch über fie ein Bieles erlauben werde,
„nachdem man ungehindert, nicht nurgegen den
„Drden, fondern felbft gegen feine ſchuldloſen
„Blieder, Alles wagen konnte, Allein, noch Ein
„Mahl, es muß fo feyn, damit dag Bericht des
„Weltgeiſtes überall freffe, von der Geburf der
„neuen Zeit alles Alte verfcehlungen, und das
„ganze Menſchengeſchlecht durch den Schmerz
„feiner eigenen Wunden zu dem lebendigen Glau⸗
J | IM mi
—
— 546 —
„ben der Weiſen an eine ſtrenge und gerecht ver⸗
„geltende Nemeſis in der Melt vekehret werde.”
„So würdige ich denn auch das Schickſal
„Ares Ordens, ehrwürdiger Vater, und ſeiner
Glieder nur nach feiner Allgemeinheit und Toth:
„\vendigkeit, wie ©ie es mid) gelebret haben;
„ich finde es in dieſem Lichte gerecht und gut,
„und wuünſche nur, daß Sie dem umausbleibli:
„chen Streidye deffelben in Tofcana zuvor kom:
„ren, und, meine Bitte mir in Piebe gemäbren?,
„ſich eheſtens einſchiffen, um die wahre und un⸗
„auftösliche Geſellſchaft Jeſu in Sov arella mit
„ihrer Gegenwart zu erfernen! md zu vermeh⸗
„ren.“ rc. TE.
Bonaventura’s Vunſch Sieb unerfüllt,
dienn Peraldi, fehon reifeferfig und im Begriffe
an Bort zugehen, war ploͤtzlich in das Reich der
vollendeten Menſchheit abgerufen worden. est
_ aber landeten zwey faufend efujten, von den
Genuefern aufgenommen, in den Corſiſchen Hafen
zu Calvi, za Algatola und zu Ajaccio, Um die Un⸗
gluͤcklichen ausſteigen zu ſehen, war Bonaven
tur a in die letztere Stadt gereift, und erfannfe
amfer ihnen, zufeiner größten Sreude, Don Alon:
- 317 —.
ſo de Eaflilla, in deſſen Geſellſchaft er zu Ma⸗
drit manche lehrreiche und angenehme Stunde
genoſſen hatte. Caſtilla war damahls Profeſ⸗
ſor der Mathematik, in der Folge auch der Phy⸗
fit, dann Aſtronom, und war hexnach als Mifr
fiondr nad) Paraguay gefandt, nad zehnjäßris
ger Arbeit zurüd berufen, und kurz por der Vers
bannung des Drdens aus Spanien zum Rertor
in- Barcelona ernannf worden. Bonsventw
va both ihm Ruhe und Freundſchaft unter ſei⸗
nem feiedlichen Dache an, und bald fand er in
den Gefianungen, Einfichfen und Kenntniffen fei-
ses würdigen und angenehmen Gaſtes die trif⸗
tigften Beflimmungegründe, ihn nimmermehr
aus feinem häuslichen Kreife zu eutlaſſen.
Ein unerſchoͤpflicher Schatz von Erfahrun⸗
gen; mit philoſophiſchem Blicke geſammelt und
mit veligiöfem Sinne geordnet, machte Caſtil⸗
la?s Umgaug höchſt anziehend und fruchtbar -
für einen Main , der ſich au jedem, von außen
ihm dargebothenen, Stoffe zum Lichte und zum
Leben der goͤttlichen Idee empor zu ſchwingen
wußte. Das Eıfreulichfte war ihm über dieß
noch, dag er in dem Gpanier alles vereiniget (ab,
Mm 2
x
_ 58 —
was fein Sohn, bey entſchiedener Vorliebe für
die Mathematik und Naturkunde im ausgedehn:
teften Sinne, zu feiner Befriedigung bedurfte.
Des beften Erfolges gewiß, übernahm Eas
ftilla des Knaben meitere Öeiftespflege, zu mel:
cher ihm der idealifche Baker und der fcharffin:
nige Renato fo thätig vorgearbeitet hatten.
Den erften Beweis, wie angemeffen der Unter:
rich£ des Lehrers und die Gelbfithäfigfeit des
Lehrlinge zufammen trafen, erhielt Bonapven:
tura in einer Zandfarte von Italien, mit geos
grapbifcher Genauigkeit von Anfelmo Bitale
gezeichnet, und durch fprechende Andeutungen
pon den merkwürdigſten Begebenheiten, fo wie
pon den vorzüglichften Erzeugniffen der Natur
und des Kunftfleißes im jeder Provinz, zu einer
nafur : und ftaatshijtorifchen Studie eingerich
tet: doch mehr als dieß, ergeßfe den Bater, auf
feine Frage: „marum er auf den mannigfalfigen
„Volks-Charakter fo gar feine Rückſicht genom«
„men hätte,“ die Antwort: „teil man, um die-
„fen zu erfpüren , entweder felbft mit dem Volke
‚„geleb£, oder die Bücher, die davon fdhreiben,
„mit einem abgefdyloffenen Charakter gelefen ha⸗
— 59 —
„ben müßfe.” Nach einiger Zeit forderte ihn der
Knabe zu einem nächtlichen Spagiergange in
den Garten auf, er folgte ihm, und es erfaßte
ihn felbft ein. höheres Gefühl der Andacht, Yals
ihm diefer mit wahrer Begeifterung die Planeten
und Geſtirne am Simmelnahmentlich zeigfe, das
Verhältniß der erftern zur Erde und zur Some,
fomohl nad) ihrem Laufe und ihrer Entfernung,
als auch nad) ihrer Maffe und Schwere beftimmt
angab,. über die unzähligen Lidytwelten umd
Sonnen-Syſteme jenfeits des unfrigen dichferifch
ſchwärmie, den Zug feines liebenden Herzens zu
den vernünftigen Weſen, von welchen fie alle bes
wohnet feyn müßten, fehilderte, dann in der Bes
munderung der göftlidhen Größe, Weisheit und
Unendlichkeitverflummte, und nach einer langen
Paufe des Schauens und Schweigens endlich
fagte: „ſo lehret mich Caſtilla, in der uners
„meßlichen Kirche Gottes Bas Bethen, Glauben,
Wiſſen und Lieben vereinigen!“
— 550 —
Auch Pavli mußte von den neuen Ankõmm⸗
Imgen, unter welchen ſich eine große Anzahl
rechtſchaffener und gelshrter Männer befand,
für Eorfica Vortheile zu ziehen. Mehrere, Die bey
den Brnuefern nichts gu verlieren hatten , bega:
ben fich unter feinen Schuß, und dienten ihm
als Lehrer theils auf der von ihm errichteten
Univerfität zu Corte, theils bey. den. niederum
Schulen in Meinen Gtädten. Aber wichtiger als
diefe Dienfte war ihm die Gelegenheit zur ſchuel⸗
len Befeßung, einiger Seeplaͤtze auf der Itſel, aus
melchen die Franzoͤſiſche Befagung ausgezogen
tar, weil fi) der König durd) die Aufnahme
der verfriebenen Jeſuiten von den Genuefern für
beleidigt biell. Schon hatte er Algajola in Des
fl$ genommen, Galvi und. Ajactiv würden ihm
eben fo ſicher zugefallen feyn, hätte ihn nicht der
‚Herzog von Ehoifeut auf Befehl des Königs
erſucht, alle Feindſeligkeiten gegen dieſe Pläge
einzuftellen, und fie bis, nad). Verlauf deg vier:
jährigen Tractates zwiſchen Frankreich und Ge:
nua als Franzoͤſiſche Beſatzungsörter anzufehen.
Zugleich. ward. ihm die Verſicherung erneuert:
„daß dann Die Eöniglihen Truppen die Inſel
— 551 —
„gänzlich räumen würden, und im alle big da:
„bin Bein Bergleidy zwifchen ibe und dem Gen
„te geſchloſſen wäre, den Gorfen es pöllig frey
„ſtehen falle, ihre Rechte geltend zu machen.“
‚Keine Lift permuthend, ließ Pauli feine
Vortheile fahren. Unterdeſſen haften dir Genug
fer nicht nur durch die eiligfte Wegführung der
Jeſuiten aus ihren Geeplägen Pen König wieder
befänftiget, ſondern ihm auf die Dberherrishaft
über die Inſel formlich abgetreten. Sogleich ward
allenthalben in Corſica durch ein Manifeſt ers
klaͤrt: „daß Ludwig der XV. die Gouprränität
„über disfes Königreich um fo milliger angenanpe
„men babe, als er fie bloß zum Beften feiner
„nenen Unterthanen ausguüben hoffe; und Da
„er beſchloſſen babe, nicht nur für die Wohlfahrt,
„den Ruhm und die Gläͤckſeligkeit des Landes
„überbanpt, fondern auch jedes Binmohnerg
„ins befondere mit dan Geſinnungen rings vAr
„toerlichen Herzens zu forgen, fo wolle er nicht
„befürchten , diejenigen: als Rebplien behandeln
„zu müſſen, die or mit fo großen: Bergnügen uns
„ser Die Zahl feiner Unterthanen aufgenommen
„hätte.
N
— 32 —
Es mar nicht länger: mehr zweifelhaft, daß
der Genat von Genua eine Dberberrichaft, wel
dye er nie rechtmäßig befeffen , nie mit Gerechtig⸗
keit zu vermalten, nie mit Würde und Zapfers
Peit zu behaupten gewußt hatte, verhandelt,
und ein kraftvolles, beherztes, fiegreiches Bo,
gleich einer Waare, verfanft habe. Pao li ver:
fammelte zu Corte eine große Eonfulta; jeder,
den Gelbfigefühl und. Baterlandsliebe beſeelte,
mar aufgefordert, daben zu erſcheinen. Seine
feurige, gebaltvolle Rede, fo. mie die einfache
Darftellung der Genueſiſchen Niedrigkeit und der
Stanzöfifchen Lift, erzeugten den einhälligen Bes
fchluß , Eorfica’s Gelbfifländigkeit und Freyheit
bis auf den kegten Blutstropfen zu vertheidigen.
Eine allgemeine Bewaffnung des Volkes ward
angeordnet, von welcher fih Benapentura
weder ausfehliegen Fonnte, noch wollte, Mit Er⸗
gebung dem Rufe des Berhängniffes zur Mit:
wirkung folgend, forgte er por allem für die Si⸗
cherheit feiner Familie. Eiligft fihrieb. er an Fra
Giacomo, Prior der Hieronymiten auf San
Marino, mit dem er einen fortgehenden Brief:
wechſel unferhalten hatte, folgendes:
— 553 —
„Eorfica’s Schickſal nähert: ſich mit raſchen
„Schritten der Entſcheidung, das kleine Infel⸗
„volk haft wider das mächtige Frankreich den
„Krieg befdyloffen, und fein. Oberhaupt brennef
„vor: Begierde, der Welt zu zeigen, wie viel er
„unter günftigern Berhältniffen mürde:geleiftef
„haben, wenn er ſie zu ſchaffen verftanden hät
„te. Dem Anſcheine nad) Lürften wir anfänglid)
„zu unferer Warnung gefdylagen, und dann, zu
„unſerer Berblendung fiegend, befiegef werden;
„auf ale Fälle geht entweder mein Leben auf
„Erden, oder mein Leben auf Eorfica zu Ende.
„Soll das erftere. aufhören, fo bitte id) Sie, die
„beyliegende Beflimmung meines letzten Willens
„dern: großen Rathe der Republit von San Ma;
„rino zu überreichen, und fie bon ihm an meisen
„Erben vollziehen zu. laffen; fire den letztern Fall
„aber mir das Bürgerrecht in Ihrem erbab⸗
„ven Freyſtaate zu erwerben, oder wenigſtens
„eine ſichere Zufluchtsſtätte für mich und die
„Meinigen zu bewirken; wozu ich Sie hiermit
„unter allen Bedingungen bevollmächtige.“.
„Auf San Marino hat ſich die Bed
„tung meiner WBanderfchaft in dem Spiegel mei:
— 55 —
„ner Seele auf das beſtimmteſte abgebildet. dort
„wünfdye id) fie audy im Dienfte der Menſchheit
„zu Befchliegen. Ich verlange dad Bürgerrecht,
„teil ich in einem Alter von ein und vierzig Jah⸗
„con bie cegefte Kraft zue Thaͤtigkeit in ir füh:
„le, und den Beruf des Menſchen zur Arbeit,
„als das beiligfte, durch die gange Natur aus:
„gefprochene, Geſttz verehre. Klein Mi zwor an
„Nacht und an Bebieth der Staat, den id) für
„mich und meinen. Sohn zu unferm uewen Ba:
„terlande wähle; doch über alle Reiche Euro:
„pa’s echöbet und erweitert er fi, wen ihm
„vor Maßſtab der Weisheit angelegt mirb. Arey:
„lich wird der Sieger das: untetjochte Eorfica
. „nicht in das Illser verfenken, fondere, wie er
„bereite erfläret hat, nach feinen Begriffen und
„zu feinem Vortheile es blühend, ja fogar glůck⸗
„lich machen wollen ;: Ich kuan mich aber nicht
„entfchließen, dabry mitzuwirken, denn mas er
„will, darf Id nicht wollen; und dem, mas er
„müflen wird ſelbſtwillig vorzugreifen, iſt mir
„nit erlaubt. In den Hafen will idy midy flüch⸗
„ten, bevor der allverfchlingende Sturm der ra⸗
„ſenden Welctklugheit fid) ethebt; einen feften
x an 635 —
„Standpuact will id, mir ſuchen, ehe das lange
„Jahrhundert dev Jeriärung beginnt, deffen
- „Auflöfende Schrecken und Dualen meines Soh⸗
‚nes Kindeskinder wohl empfinden, Deifen Eu⸗
„de fie aber nicht erleben werden. Von deu
„aͤtheriſchen Höhen des Litanifchen Berges her⸗
„ab, welche niemand fürchten und nientanden
„furchtbar find, melde auf ‘die einzig: wahre
„und fichere Buſia des ewigen Rechtes gegtiinder
„und, won dem Biehte der Weisheit erhellet, die
- ‚Nebel und Irtlichter der Taͤuſchung gleichgül⸗
„tig, unfer ſich wegziehen laffen, dort mill Id)
„dem angebenden großen: Weorke des Allgeiftes
„zuſehen, dort mit Andacht ımd Ehrfurcht den
⸗
„trachten, wie er die kurzſichtige, immer nur den
„Angenblick bereihttende, Verſtaͤndigkeit im ver⸗
„wegenen Kampfe gegen das Bleibende und Un⸗
„vergaͤngliche, ſpwohl im Ihren blutigen Nieder:
„lagen, als in ihren ſcheinbaren Giegen und
„gleißenden Schöpfungen, zu Schanden ma:
„ber wird, um feiner eingebornen Sohne, der
„Idee, die Herrſchaft wduch auch über die Erde
„einzurdumen.“
„Diefe heilige Muße, meß himnmiſche Glack
„mie zu verſchaffen, fen die dringendfte Ange:
‚„kegenheit Ihres Herzens. Aud) ohne mein Erfu-
„hen wird Gie der ehrwürdige Greis Go zi das
„ben thätig unfexflügen; er mar meines Baters
„Freund, und ich glaube, daß ich mir felbft vor
„achtzehn Jahren ein Pliäschen in feinem Herzen
„erworben ‚habe, Sehnlichſt harte id; der Zu:
„rũdckunft meines Bothen mit der Entfcheidung
„des hoben Rathes, die idy im Gefühle meiner
„Würdigkeit durch Ihre und Gozi's Verwen⸗
„dung nidyf anders, alg meinen Wünſchen gün:
„fig erwarten kann.“ |
.. Das Buͤrgerrecht auf San Marino ward
ihm bewilligt, uud da daſſelbe Schiff, welches
‚feinen Bothen zu Bonifacio ausgeſetzt hatte, in
‚einigen Tagen bereit war, nach Livorno wieder
‚abzufegeln., brachte er feine Geliebte und feinen
Sohn, beyde der freundfihaftlihen Obhuth und
Rem Schuße En ftill.a’s empfehlend, an Bort.
Bon £iporno follten:fig fi) nad; Gan Marino
begeben, und dafelbft, im feften. Bertrauen auf
den Ewigen, feine glückliche Wiedervereinigung
mit, ihnen erwarten. Tief fühlte DIygmpia den
"Schmerz der Trennung; aber fein Lauf der fa:
_ 557 —-
- ge’ehtfloß ihren Lippen; fein Wille mar ihr nicht
nur das einzige Element, in welchem und durch
meldyes fie lebte, fondern in allen bedenklidyen
Sällen zugleich eing goͤttliche Buͤrgſchaft für den
güclichen Erfolg.
Da er mit Eorfica’s Unterjochung, die ihm
keinen Augenblick zweifelhaft ſcheinen konnte, ſei—
ne Verbindlichkeiten gegen daſſelbe für geſchloſ⸗
fen hielt, fo vollzog er noch vorher eine Schen⸗
kungsurkunde über feine Befigangen auf der In⸗
fel an das, nach Pifa gehörige, Haus der Gare
fbäufer, damit, wenigſtens fo weit fein Wille
reichte, geheiligef bliebe mas er geheiliget hat:
te. Wohl Eonnte feinem Blicke in die Zufanftnicht
entgehen, daß unter der gemüthloſen Herrſchaft
einer habfüchtigen Nuͤtzlichkeit die Weiſen des Him⸗
mels, als unnütze Müßiggänger das Loos der
Vertilgung und des Raubes vor allen übrigen
freffen nfüßte, doch hielt er es feiner nichf an:
würdig, den aufgehäuffen Brenn - und Gündens
ftöff der Welt auch mit feinem Scherflein zu ver:
mehren, in weiferer Serne die ſchmerzhafte Ge:
nugthuung und wiedergebärende. Berföhnung
erſchauend.
— 5458 —
Unterdeſſen waren die königlichen Heere auf
der Juſel gelandet, das Genueſiſche Wapen
wor überall abgenommen und an deſſen Stelle
Irontreichs welfende Lilien bingepflanzt worden.
Das Wehen der Sahnen von Baflia’s Mauern,
der Schall des fegerlichen Te Deum und der
Donner der Kanonen tief die Eorfen zur Un-
terthänigleit oder zum Rampfe,
Zu dem letztern gerüftet wurden fie durch die
Uebermacht mehrmahls zurück gedrängt, doch
verloren fie, durch zwanzig Tage ungusgeſetzt
fechtend, nur die Poſten zwiſchen Ronza. Erba-
longa und Biguglia. Jeder Schritt ward dem
Feinde ſtreitig gemacht und mit den Leichen der
Seinigen bezeichnet. Mit der Ankunft des Mare
quis von Chaubelin und der frifchen Hülfs⸗
£ruppen neigte ſich die Ehre des Sieges auf die
Seite der fapfern Eorfen. Durch zwey Mona:
the und bis die raubern Wintertage Stilftaus
gebothen, haften fie nur Chauvelin's Fehler
zu benugen,, und Marboeuf nur Niederlagen
und DBerlufte an Plägen und an Mannſchaft,
au Geld, Munition und Sepäd nad Paris zu
berichten. Bey Penfa, Nebbio und Borgo di
| — 559 —
Marina geſchahen unter Pasirs, Elemen: %
tes und Bonaventura’s Ausführung Helden;
fhaten ‚ vor welchen die erftaunfen Feinde an ale
Ien weiteren Fortſchritten verzmeifelten,, wenn fie
nicht mif neuen Herren unferftüst würden.
Dieb war der Augenblick, in welchem Pa os
If duch kluge Unterhbandlungen und gemäßigte
| Bedingungen fein Baferland von den Leiden und
Laften, die ein erobertes Barrd gewöhnlich fref-
fen , befregen Tonate. Die Weiſern rietben dazu,
aber er hatte für ihre Rathfthläge fein Gehör.
Was er verfäumte, benäßten die Feiade zu for
nem Verderben. Erkaufte Ulnterhändler fteliten
den Corfen vor, .mie fie bey allem Muthe, bey
Der edelften Freyheitsliebe, und ungeachtet des
Ghutes, den ihnen ein gebirgiges, unwegſa⸗
mes Land gewährte, dennoch am Ende unterlies
. gen mäßten,, wenn fie nicht von einer auswärfir
| gen Macht nachdrückliche Unterflägung echielr
ten, auf welche fie jedoch nicht mehr rechnen
Tönnten, da ihr mäbfelig durchfochtener Feldzug,
ihr ſtandhafter Kampf und ihre glänzenden Gie
ge von allen Geiten nur mit Gleichgitigkeit ber
trachtet würden, Die Reichern machten fie auf:
— 560 —
vmerkſam auf die ſchreckliche Verheerung ihrer
Güter und auf den empfindlichen Berluft ihrer
Einfünfte durch einen Krieg für eine hoffnungs⸗
loſe Sache. Den unzufriedenen oder wankenden
Anführern ſprachen fie vorm Ehrenſtellen, Reich⸗
thämern und allen Vortheilen vor, welche eine
allgemeine Gtaafsveränderung nach fich zieht,
und eine große Monarchie zu ertheilen vermag.
Nachdem auf diefe Weiſe ein großer Theil
der Corſen bereits im Herzen durch Corſen ſelbſt
geſchlagen war, begann der neue Feldzug, in
weichem Unglück auf Unglück folgte. Den em:
pfindlichften Schlagempfingen die Patriofen bey
Barbaggio und Drminio; dorf ward Eo-
lonna mit alen feinen Scharen gefcylagen und
gefangen genommen, bier eroberfe der Seind eis
nen beträchtlichen Theil ibrer Kriegs » Munition
und ihres Mundvorrathes, der nicht mehr erfeßt
merden konnte. Yegkerfchien der Graf von Baur
"mit funfzehn neuen Bafaillonen auf der Inſel.
An der Spiße derfelben rückte er in das Innere
des Landes immer weiter por. In einigen Ge:
fechten erfämpften fich die Corfen beträchtliche
Vortheile; in den meiften aber unterlagen fie,
fheils
theils der feindlichen Uebermacht, £heils der Bere
raͤtherey ihrer Mitbürger, die es gerathener fans
den, die Unabhängigkeit des Baterlandes zu
verkaufen, als für fie zur bluten oder zu ſterben.
Am achten Tage des Feldzuges wurde Paoli.
- ‚ben Ponte⸗-Novo völlig geſchlagen; und von
nun an mar der Krieg nidyfs meiter mehr als
ein fchrittmeifes Verfolgen des Unglücklichen und
feiner Treuen. Endlich, da deren nur nody fünf
hundert übrig, und aud) diefe von einer übers '
legenen feindlidyen Schar eingefchloffen waren,
trat er in ihre Mitte und fprady:
„Das Berhängniß, theure Waffenbrüder,
„hat uns bier auf einen Punck gefeßt, auf wels
„chem uns nur die frautige Wahl zwiſchen Tod
„und Sclaverey übrig bleibt. Was weder die
„Drangfale eines langwierigen Krieges, noch
„der unverföhnliche Haß. der Öenuefer, noch das
„Gewicht verfchiedener großer Mächte bewirken
„tonnte, das bat endlich die Gewalt des Goldes
„alein zu Stande gebracht. Unſere unglädlichen
„Mitbürger, durch ihre beftochenen Dberhäup:
‚ker befrogen und verführt, find den Feſſeln, die
„man für fie geſchmiedet hat, ſelbſt entgegen ge:
Ä In
\
2,
— 32 “en.
„eitet. Unſere Berfaffung ift aufgelöft, die Blü—
„then unferer Pflanzung find verwelkt, die meis
„ften unferer Sreunde find todt oder gefangen,
„und wir felbft find nur übrig geblieben, um
„den Untergang unjeres Baterlandes zu fehen
„und zu berveiuen. Zu meinem Trofte ift feiner
„unter uns fähig, für den kurzen Reft eines elen⸗
„den Lebens fid) zum Diener oder Werkzeuge der
„Ungerechtigkeit und Unterdrüdung herab zu
„würdigen. Mit edelm Stolze fpredye id) noch
„zu einem Kreife von Männern, weldye Bas Gold
„und die glänzenden Verheißungen Frankreichs,
„eben fo wenig als mich, zur Gchände verfüh—
„ren tonnfen; nur 098 eine Bewußtſeyn lebt Im.
| „uns allen, daß das, was wir gethan haben,
„uns felbft unfern Feinden ehrwürdig madyen
„müffe. Nach der Ehre des Gieges Eenne ich
„nichts größers, uls dem aügenſcheinlichen To⸗
„de ſentſchloſſen Troß zu biekhen; an diefem Zie-
„le, Brüder, flehen wir. Entweder müffen wir
„mit dem Degen in der. Gauft einen Weg durch
„die Seinde uns öffnen, um in einem andern
‚Lande und für glücklichere Zeiten dem Bater:
„lande Räder aufzubewahren, oder unfere rühm⸗
— 55 —
„liche Baufbahn durch einen eben ſo Hiper
„Tod befchliegen.“
Hierauf umarmtfe er. die cdeln Gefährten feis
nes. Schickſals auf dag zärtlichfte, und nadydem
fie.die beften Maßregeln zur Ausführung ihrer
Abſicht getroffen hatten, ſchlugen fie ſich noch ih
derfelben Nacht mitten zwifchen den feindlichen
Truppen, mit eben fo. viel Glück als Entfchloffene
heit durch. Paoli hielt fi, mit Bonav entu—
za. und einigen Freunden zwey Tage lang unter
den Ruinen eines Kloſters bey. Torre Benedetto
nerborgen, und von dorf ausgingen fie zu Pors
to Vechio an, Bort eines. Engliſchen Schiffes,
welches fie zu Livorno gluͤcklich an dag Land ſetzte.
Bonaventurd hatte nicht Luft, an den
humanen Auszeichnungen Theit zu nehmen, wo⸗
mit Pa o.Lt und: feine. Unglüdsgenoffen dort
überhäuft wurden; er eilte nad) San Maris
no, um nad).einer einjährigen Abweſenheit in
den Armen feiner Geliebten die Wonne eines neu
beginnenden Lebens zu genießen ‚und in ihrer
Nnm 2
— 54 —
indlichen Freude felbft wieder Kind zu werden.
In ganz Italien wurden die ausgewan derten
Corſen als Märterer der. Freyheit aufgenom⸗
men und verehrt; dieß geziemte keinem Staate
Raliens mit mehrerem Rechte, als der Repub⸗
it San Marino, die allein in ihrem Schooße
das Eoftbare Kleinod wirklich beſaß, mit deffen
Rahmen andere fo genannte Sreyflaaten prah⸗
lend ſich nur täufchten. Seine Ankunft dafekbft
war ein Zriumpbfeft der Tugend und Freyheit;
an dem Urbinatifcyen Thore wurde er von feis
ner $amilie, von feinen Sceunden und ven den
Abgeordneten des hoben Rathes empfangen, bes
gräßt, mit einem Krange von Epheu, Lorbern
und Eichenlaub geſchmückt, und fo in Degleis
tung einer großen Anzahl Bürger in die Kirche
des heiligen Marino geführf, wo er in der
Berfammlung des hoben Rathes und des Glerus
den Bürgereid leiftete.
Die Achfung und Liebe, die ihn unter gott⸗
feligen, tweifen und tugendhaften Männern nicht
ermangeln konnte, wies ibm auch bald einen
Wirkungskreis an; noch hatte er Fein ganzes
Jahr auf dem Berge nerlebt, als ſein Verdienſt
in der Wahl zum Podefta das Zenguiß der
allgemeinen Anerkennung und des ofencicher
Berttauens erhielt.
: Was ihm nım in feinem Seya die Berwals
fung; der Gerechtigkeit übrig ließ, das. war der
-Weisheit, der Liebe, -der Baterpflicht und der
Freundſchaft geheiligt. Aber feine Sreunde, G o⸗
35, Biacomo und ECaftilla bezahlten einer
nach dem andern der. Natur ihre Schuld. Nach
‚einigen Jahren trieb feinen Sohn die Begierde
nad) der Wiffenfchaft der Natur, bis zur Wiege
der neuern Menſchengattung, nad Ymdien. —
Unter gegenfeitigen Eröffnungen der innern und
ewigen Belt fan? endlich auch DI ympidinder
Roferlaube, vom euer des Himmels getroffen,
pollendet in feine Arme. — Nichts blieb ihm
übrig, als die Weisheit und die Liebe, beyde ihr
Licht und Leben nicht mehr in vergänglichen Era
ſcheinungen, fondern in den Ilnwandelbaren und
Ewigen der idealen Wirklichkeit. umfaffend, und
‘ihn erſt dadurd) ganz befeligend.
| Er warmnoch da, als im Weſten die große
Wiedergeburt der Dinge fo gemaltig begann,
daß die ganze Erde erbebte. Wus alle Menſchen,
.
| — 56 —
in Freude wie in Schreck, verwirrte, konnte ihn
#einen Augenblick blenden; in feinem Geiſte ſah
er das. Alte untergehen, das Neue aufſteigen,
und noch fihneller flürgen als das "Alte; denn
ſchon in feinem Werden zeigte es fidy ihm als un:
‚ baltbares, hinfälliges Berfiandeswerf, alsflüdy
&g. ergeßende Baufeley der TBeltklugheif, nur er:
fiheinend und vexfchwindend, um den mitfpielens
Den und gaffenden Haufen aus feiner Gemüths
loſigkeit aufzufchredden, und. fein Auge zu dem
Ydeen«Simmeh, aus. dem allein. ihm Licht und
Kraft und Heil herab fträmen kann, mit ſchmerz⸗
licher Gewalt, hinauf zu ziehen.
Er war noch da, als die Sünde der Welt
ihre Wurzeln. ſelbſt in die Felſen des Titani⸗
£dyen Berges einſchlagen und. feine Feſtigkeit
-untergraben wollte, Eine Geſandtſchaft erfchien
auf San Marino. und bofh den Bürgern eine
Bergrößerung ihres Gebiethes an; aber B,onas
venkura’s. Geiſt erleichterte dem Bemüthe über
den, Berftand, der Idee über den Begriff; den
'glorreichen Gieg. Es war nyr eine Stimme auf
San Marino; „Einfachheit der Sitten und
„reines Sregheitegefühl ift das theuerſte Erbe
u m 567. |
„bon unfern Bätern; und heilighaben wir es bea
„mwahret.im Ötreite ſobieler Jahrhunderte gegen
„den Ehrgeiz und den Haß der Mächtigen. Zus
„Frieden und-glüdlieh in unſerer Kleinheit, wagen
„wir es nicht in Hoffnungen einer ehrgeigigenx
„DBergrößerung einzugehen , welche mit Der Zeit
„unfere. Freyheit gefährden köunte.. Alles, wag
„wir der Großmuth unfeter Freunde und ihrem,
„nie befiegten Gührer Berdanken möchten, iſt die
„Berficherung unferer bisherigen. Unabhängig«
„keit, und einige Ausdehnung ünferes Handels.“
Ermwarnod da, als ſelbſt der Heine Kreis,
in dem er lebfe, von dem Begriffe Irre geleitet,
immer nur den furchtbaren Verweſer de
Ailgeiftes.in feinen Riefenfchritten anflaunte;
er leitete den Blic® der Srommen und Vertrauten
uuf die uniberwindliche Macht der Vernunft, dia
im Lichte der Idee durch ihmwidkte, und,nuf
Die Sünde der Welt, die in ihren Wurzeln aufgea
deckt werden follte: und fie beBucften des elen⸗
den Träume von einem berderblicd,en Zeifgeifte
oder mubegieiflidyen Glůcke nicht mehr, um die
Dffenbarungen der heiligen Nem efis zu verſte⸗
ben, und das Geheimmß der Dinge, die geſcha⸗
\
— 58. -
ben und in fernerZukunft noch geſch eb en
müßten, zu Durchfchäuen.
Endlich, nachdem alles in ihm verwandelt
umd'verfläret mar, nachdem die drey Steine ſei⸗
nes Weſens zu einerh einzigen diamanfenen Spig
gelvon unwandelbarer Klarheit zufammen ges
fiämolzen waren, nachdem fidy ihm alles, was
außer ihm einzeln, befonders oder gefrennt da
zu ſeyn ſchien, in dieſem Spiegel zu einem Gan⸗
zen, Allgemeinen und Einen vereiniget hatte, und
in der großen Welterſchütterung nichts mehr
Furcht oder Hoffnung, Bewunderung oder Er⸗
wartung, Schmerz oder Frende in ihm erregen
konnte; nachdem ſein Blick das Rechte, Gute und
Schoͤne nirgends mehr einzeln, oder nur nach und
nach gewahrte, ſondern auf Ein Mahl und al⸗
lenthalben eine unermeßliche Böttliche Natur er⸗
faßte, und überall Licht, Leben und Liebe ihm
begegusten;, dei verſchwand er felbft aus der
Zeit, denn der Zweck alles Daſeyns in ihr, —
Dffenbarung derMachtund Heiligkeit
des Idealen im Menſchen, — war auch in
feinem Dafeyn erreicht.
Drudı:
Drudfebler und Berbefferun gen.
Seitebi. Zeile 11.u.14. ftatt, Rattalli, les: Raffalli.
— 64. — 15. — — wußte, — wüßte.
— 244 = 6. — — den Zahlen — der Zahlen.
— 267. — 2. fl, Filiughieri l. Filinghieri.
—- 406. — 20. Anderen, — Andere,
— ⸗—
3 2044 052 932 464
— 54 —
kindlichen Frende ſelbſt wieder Kind zu werden.
In ganz Italien wurden die ausgewanderten
Corſen als Märterer der Freyheit aufgenom⸗
men und verehrt; dieß geziemte keinem Staate
Aaliens mit mehrerem Rechte, als der Repub⸗
lit San Marino, die allein in ihrem Schooße
das koſtbare Kleinod wirklich beſaß, mit deffen
Nahmen andere fo genannte Freyſtaaten prah⸗
lend fich nur fäufchten. Seine Ankunft dafetbft
war ein Triumpbfeft der Tugend und Freyheit;
an dem Urbinafifdyen Thore wurde er pou ſei⸗
ner Famille, von ſeinen Freunden und von den
Abgeordneten des hohen Rathes empfangen, bes
gräßt, mit emem Kranze von Epheu, Lorbern
und Eichenlaub gefymüdt, und fo in Begleis
fung einer großen Anzahl Bürger in die Kirche
des heiligen Marino geführt, wo er in der
Berfammkiung des hoben Rathes und des Elerus
den Bürgereid leiftefe.
Die Achfung und Liebe, die ihm unter gott⸗
feligen, weiſen und tugendhaften Männern nicht
ermangeln konnte, wies ihm auch bald einen
Birkungskreis an; noch hatte er Fein ganzes
Jahr auf dem Berge nerlebt, als fein Verdienſt
m -
in der Wahl zum Podefta das Zeugniß der
allgemeinen Anerfennung und des een
Vertrauens erhielt.
Was ihm nım in feinem Geye die Berwals
‘fung der Gerechtigkeit übrig ließ, dag: war der
‚Weisheit, der Liebe, der Baterpflicht und der
Sreundfchaft geheiligt. Aber feine Freunde, © os
35, Giacomo und Eaftilla bezahlten einer
nach dem andern der. Natur ihre Schuld. Nach
‚einigen jahren trieb feinen Sohn die Begierde
nach der Wiffenfchaft der Natur, bis zur Wiege
der neuern Menſchengattung, nach Indien. —
Unter gegenfeitigen Eröffuungen der innern und
ewigen Welt ſank endlich au DIiympiainder
Roſenlaube, vom Feuer des Himmels getroffen,
vollendet in ſeine Arme. — Richts blieb ihm
übrig, als die Weisheit und die Liebe, beyde ihr
Licht und Leben nicht mehr in vergänglichen Er⸗
ſcheinungen, ſondern in dem Unwandelbaren und
Ewigen der idealen Wirklichkeit umfaſſend, und
ihn erſt dadurch ganz beſeligend.
Er war noch da, als im Weſten die große
Wiedergeburt der Dinge fo gewaltig begann,
daß die ganze Erde erbebte. Was alle Menſchen,
4
)
| 5 —
in Steude wie in: Schreck, verwirrte, konnte ihn
#einen Augenblick blenden; in feinem @eifte fah
er das. Alte untergehen, das Neus auffleigen,
und noch fihneller ftürgen ‚als das "Alte; denn
ſchon in feinem Werden zeigte es fich ihm als un⸗
‚ baltbares, binfälliges Verſtandeswerk, als flüch⸗
" Sig. ergetzende Gaukeley der Weliklugheit, nur er:
fcyeinend und vexfchwindend, um den mitjpielens
den und gaffenden Haufen. aus feiner Gemüth»
loſigkeit aufzufchreden, und. fein Auge zu dem
Ideen «Simmel, aus. dem allein, ihm Licht und
. Kraft und Heil herab ſtrͤmen kann, mit [dymerz«
licher Gewalt, hinquf zu ziehen.
Erwarnoch da, als die Sünde der Welt
ihre Wurzeln. felbft- in die Selfen des Titania
£den Berges. einfhlagen und. feine Seftigkeit
:antergraben wolle, Eine Geſandtſchaft erfchien
auf San Marino. und both. den Bürgern. eine
Bergrößerung ihreg@ebiethes an; aber Bon as
Henkurn’s. Geift erleichterte. dem Gemüthe über
den, Verſtand, der Idee über den Begriff. den
glorceichen Sieg. Es war nur eine Stimme auf
Ban Marino: „Einfachheit der Sitten und
„reines Sreyheitsgefühl ift dag theuerfte Erbe
| m 47 — |
„bon unfern Vätern; und heilighaben wir es bea
„mwabhret.im Streite ſobieler Jahrhunderte, gegen
„Den Ehrgeiz und den Haß der Mächtigen. Zus
„frieden und-glüdlich in unſerex Kleinheit, wagen
„wir es night in Hoffnungen einer ehrgeizigen
„DBergrößerung einzugehen, welche mit der Zeit
„unſere Freyheit gefährden könnte. Alles, waß
„wir der Großmuth unſerer Fnreunde und ihrem,
„nie beſiegten Führer herdanken möchten, iſt die
„Verſicherung unſerer bisherigen Unabhängig«
„Reit, und einige Ausdehnung ünferes Handels.”
Ermwarnod da, algjelbftder Heine Krria,
in dem er lebte, von dem Begriffe fere geleitet,
immer nur den furchtbaren Bermwefer den
Yilgeiftes.in feinen Riefenfchritten anſtaunte;
er Ieitete den Blick der Frommen und Bertrauten,
auf die unuüͤberwindliche Macht der Vernunft, die
im Lichte der Idee durch ihmwirkte, und,nuf
. Die Sünde der Well, die in ihren Wurzeln aufgen
deckt röerden follfe: und fie beburften des elen⸗
den Träume von einem berderblichen Zeitgeiſte
oder uubegreiflichen Glücke nicht mehr, um die
Dffenbarungen der heiligen Nem eſis zu verſte⸗
ben, und das Geheiminf der Dinge, die geſcha⸗
\
— 568. -
hen'und in ferner Zukunft noch geſchehen
müßten, za durchſchäuen.
Endlid), nachdem alles in ihm verwandelt
umd'verfläret mar, nachdem die drey Steine ſei⸗
nes Weſens zu einem einzigen diamanfenen Spies
gel von unmwandelbater Klarheit zufammen ges
fihmolgen waren, nachdem ſich ihm alles, mas
außer ihm einzeln, befonders oder gefrennf da
zu fegn ſchien, in diefem Spiegel zu einem Gan⸗
zen, Algemeinen und Einen vereiniget haffe, und
in ver großen Welterfehütferung nichts mehr
Furcht oder Hoffnung, Bervunderung oder Er:
warfung, Schmerz oder Freude m Ihm erregen
konnte; nachdem ſein Blick das Rechte, Gute und
Schönenirgends mehr einzeln, oder nur nach und
nad) gewahrte, fondern auf Ein Mahl und als
lenthalben eine unermeßlicdye Göftliche Natur ers
faßte, und überall Lit, Leben und Liebe ihm
begegueten; da.verfchmand er ſeibſt aus der
Zeit, denn der Zweck alles Dafeyns in ihr, —
Dffenbarung derMadhtund Heiligkeit
des Idealen im Menſchen, — war a in
ſeinem Daſeyn erreicht.
Drud:
—
— — —
Drudfebler und Berbefferun gen.
Seitebi. Zeile 121.u. 14. ſtatt, Rattalli, lies: Raffalli.
— 64. — 15. — — wußte, — müßte
— 244. — 6. — — den Zahlen — der Zahlen.
— 267. — 2. fl Filiughieri l. Filinghieri.
-406. — 20. — Anderen, — Andere,
3 2044 052 932 464