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Full text of "Briefe zwischen a. V. Humboldt und Gauss: Zum hundertjährigen Geburtstage von Gauss am 30. April ..."

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HUMBOLDT UND GAUSS. 


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AM 30. APRIL 1877 


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Ar V. HUMBOLDT UND GAUSS. 



ZUM HUNDERTJÄHRIGEN GEBURTSTAGE VON GAUSS 



AM 30. APRIL 1877 



HERAUSGEGEBEN 



VON 



»« K. BBUHNS, 

PROFESSOK UND DIRECTOB DER STERNWARTE IN LElPZIä. 



LEIPZIG, 

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN, 

1877. 






' • • • 






Vorwort. 



Je höher die Stellung , welche ein Mann in der Wissen- 
schaft einnimmt, desto schwieriger ist die Aufgabe eine er- 
schöpfende Biographie zu schreiben und darin liegt haupt- 
sächlich die Ursache, warum uns Deutschen von einem Manne 
wie Gauss noch eine Lebensbeschreibung fehlt. Der bevor- 
stehende hundertjährige Geburtstag am 30. April dieses Jahres 
wird hoffentlich die Veranlassung zu einer Biographie werden, 
^ und da ich im Besitze einer Anzahl interessanter, besonders 
^von beiden Gebrüdem Humboldt an Gauss gerichteter und 
L anderer Briefe bin, die sich auf Berufungen von Gauss be- 
. ziehen, so glaube ich den bevorstehenden Jubeltag nicht besser 
^feiern zu können, als dadurch, dass ich diese Briefe publicire. 
\ Die Briefe A. v. Humboldt's an Gauss sind ein Auszug 
3 aus einer Sammlung von Briefen, die ich noch als Quellen zu: 
' »Alexander von Humboldt, eine wissenschaftliche Biographie, 
Leipzig 1872« dem Publikum schuldig bin und die noch in 
diesem Jahre erscheinen wird. Die Originale der Humboldt- 
schen Briefe befinden sich im Besitze der Eönigl. Societät 
der Wissenschaften in Göttingen, welche mir gütigst den 
Druck gestattet hat ; die übrigen Briefe verdanke ich den Herren 
Dr. FocKE in Bremen und der Eönigl. Sternwarte in Ber- 
lin, welche mir die HuMBOLDT'schen Manuscripte zur Ver- 
fügung gestellt hat ; endlich ist ein Theil durch Kauf in meinen 
Besitz gekommen. \v*' 



— rv — 

Am zahlreichsten sind die A. v. Humboldt' sehen Briefe an 
Gauss. Die geringe Anzahl der Briefe von Gauss an A. v. 
Humboldt hat darin ihren Grund, dass Humboldt alle Briefe 
an sich, die er nicht unmittelbar als Manuscript gebrauchte, 
vernichtete ; nur die letzten sind durch den ehemaligen Kammer- 
diener Seifert erhalten worden und in meinen Besitz ge- 
kommen. 

Die Briefe sind chronologisch geordnet und in einem Re- 
gister zum Schlüsse ist der Hauptinhalt angegeben. Die Hum- 
BOLDT^schen Briefe sind möglichst correct wiedergegeben, bei 
einigen unleserlichen Stellen sind Fragezeichen aufgeführt und 
wenige weggelassene persönliche Ausdrücke sind durch Punkte 
bezeichnet. Die Briefe von Müppling und Lindenau sind 
theils nur so weit gegeben als sie auf Gauss Bezug haben. 

Ich wage zu hoffen, dass diese Briefe einen kleinen Bei- 
trag zu der GAuss-Biographie liefern und als solcher freund- 
lich aufgenommen werden. 

Leipzig im März 1877. 

K. Bruhns. 



1. 

Fr. Perthes an Dr. Olbers in Bremen. 

Hamburg 1807 April 18, 

Wohlgeb. Hochzuehrender Herr Doctorl 

Vor einigen Wochen schrieb ich Ihnen abschläglich in Hinsicht 
Ihres gütigen Antrags des GAUSs'schen Werks.*) Zu dieser Zurück- 
weisung wurde ich besonders dadurch bewogen, dass ich auf Joh. 
Müller's Universalhistorie entrirt hatte, die das von mir für Ver- 
lagsuntemehmungen bestimmte Kapital beschäftigte. Die Zeit- 
umstände verschieben die Herausgabe dieses Werks auf ein paar 
Jahre und ich entrire nun geni auf das GAUSs'sche Werk. Wollen 
Sie die Güte haben mich näher mit dem Werk in Hinsicht des 
Drucks zu unterrichten (mir etwa ein Buch zu nennen, mit welchem 
es gleichförmig gedruckt werden soll) ; mir zu schreiben ob der Text 
lateinisch ist , was ich für gut halte und endlich wie die Bedingungen 
des Herrn Verfassers sind? 

Verzeihen Sie dass ich Ihnen eine doppelte Mühe gemacht habe. 

Mit der vollkommensten Hochachtung 

Ew. Wohlgeb. 

gehorsamster Diener 
Fr. Perthes. 

2. 
A. y. Humboldt an Gkuss. 

Herr La Place trägt mir auf Ihnen, verehrter Mann, die an- 
liegende Schrift als ein Zeichen seiner Bewunderung und innigsten 
Hochachtung zu überreichen. Ich bin oft Zeuge der Empfindungen 



*) Die Theoria motus corp. coel. 
Brahns, Briefe. 



— 2 — 

gewesen, mit denen dieser tiefsinnige Mann von Ihnen spricht. Sie 
sind der Stolz unseres deutschen Vaterlandes , und so wenig ich auch 
im Stande bin Ihre Grösse ganz zu fühlen, Sie in Ihrem ganzen 
Umfange zu fassen , so gebe ich doch gern dem Wunsche nach 
Ihnen Selbst die kleine Gabe meiner innigen und unbegrenzten Ver- 
ehrung darzubringen. In Augenblicken wo das Vaterland unter 
physischer Ki-affc erliegt ist es erhebend sich an dem Anblicke zu 
weiden, den Männer Ihrer Art gewähren. Möge das Schicksal 
Ihnen Ruhm und eine Lage verleihen , in der Sie ganz Sich Selbst, 
der Wissenschaft imd Ihrem Ruhme leben können. 

Berlin d. 14. Juli 1807. AI. Humboldt. 



3. 
A. y. Humboldt an Gauss. 

Wir haben es gewagt, mein Freund, Hr. Oltmans und ich, 
Ihren Namen, Verehrungswerther Herr Professor, einem astrono- 
mischen Werke vorzusetzen, das was es lehrreiches und gründliches 
enthält , meinem Freunde verdankt. Entfernt seit einer langen Reihe 
von Jahren von unserem deutschen, gemeinsamen Vaterlande, auf 
neue Reisen mich vorbereitend, bin ich deutschem Ruhme nicht 
genugsam entfremdet, um mich nicht Ihrer und Ihrer grossen Arbeiten 
zu erfreuen. Die erste und einzige Bitte die ich je an den König 
von Preussen habe gelangen lassen, wenige Wochen nach meiner 
Rückkunft nach Europa, betraf Sie. Es hat nicht von mir abge- 
hangen, dass Ihnen nicht eine glänzende Lage in meiner Vater- 
stadt bereitet wurde. Ich schätze mich glücklich eine Gelegenheit 
gefunden zu haben, Ihnen einen schwachen Beweis meiner tiefen 
Bewunderung und Verehrung geben zu können. Es ist ein Genuss 
den mein hiesiger Aufenthalt mir täglich gewährt, Ihren Namen so 
aussprechen zu hören, als es einem deutschen Gemüthe, unter dem 
Drucke äusserer Begebenheiten wohlthut. 

Ich bitte Sie theuerster HeiT Professor meinen Lehrern und 
Freunden, den vortrefflichen Heyne, Blümenbach, Reuss, Mayeb, 
ScHRADER und Hardikg mich innigst zu empfehlen. Ich kann nie 
ohne Rührung an den Ort zurückdenken, den Sie jetzt bewohnen 



— 3 — 

und in dem ich die frühesten Tage einer mit Hoffnungen erfüllten, 
noch ungetäuschten Jugend verlebte. 

Paris ä V Ohservatoire Imperial d. 28, Dec. 1809, 

Alexander Hiunboldt. 



4. 

W. y. Humboldt an Gauss. 

Ew. Wohlgeboren grosses und allgemein anerkanntes Verdienst 
um die mathematisch astronomischen Wissenschaften macht Ihren 
Besitz für die hiesigen höhern wissenschaftlichen Institute der Section 
des öffentlichen Unterrichts ganz vorzüglich wünschenswerth, und 
es ist ihr erfreulich, von des Königs Majestät zu Ihrer Berufung 
autorisirt zu sein. Entschliessen Sie Sich, hieher zu kommen, so 
werden Sie vorzüglich nur bei der Königl. Akademie der Wissen- 
schaften, aus deren anliegendem Schreiben Ew. Wohlgeboren den 
Wunsch derselben Sie als anwesendes ordentliches Mitglied zu be- 
sitzen ersehen werden, thätig sein und aus deren Fonds beinah das 
ganze Ihnen auszusetzende Jahrgehalt von 1500 Thlr. beziehen, zum 
Lesen von CoUegien auf keine Weise verbindlich gemacht, nur von 
der unterzeichneten Section ersucht werden, der hier zu stiftenden 
Universität Ihren Namen als ordentlicher Professor zu leihen und, 
so viel es Ihre Müsse und Gesundheit zulassen , von Zeit zu Zeit 
eine Vorlesung zu halten. Was sonst irgend zu Ihrer Zufriedenheit 
geschehen kann, wird die Section des öffentlichen Unterrichts ins 
Werk zu richten sich gewiss bemühen, und auf jede ihr mögliche 
Art Ihnen Beweise der grossen Achtimg geben, die sie gegen Sie, 
gegen Ihre Verdienste und Wissenschaft hegt. Einer baldigen Er- 
klärung auf ihren Antrag sieht sie erwartungsvoU entgegen und 
hofft, dass diese nicht ungünstig ausfallen werde. 

Berlin den 2ö, April 1810. 
Section im Ministerio des Innern für den öffentlichen Unterricht. 

Humboldt. 



— 4 — 

5. 
W. y. Humboldt an Gauss. 

Berlin i7. Apr. 1810, 

Ich kann nicht längnen verehrtester Herr Professor, dass ich 
mich seit langer Zeit in keiner gleich peinlichen Ungewissheit be- 
fanden habe, als indem ich die Inlage abgehen lasse. Seitdem ich 
mein jetziges Amt bekleide, war es mein sehnlicher Wunsch, Sie 
hier zu besitzen. Seitdem die Universität fest hier beschlossen war, 
dachte ich mit Eifer und Ernst darauf, jetzt endlich ist es mir 
gelungen, Ihnen bei der Akademie der Wissenschaften eine Lage 
anbieten zu können , die Ihrer Neigung, Sich ungestört Ihrem Studio 
hinzugeben, angemessen scheint, und nun schwebe ich in wirklich 
beunruhigenden Zweifeln , ob Sie meinen Ruf annehmen, oder Ihren 
jetzigen Aufenthalt vorziehen werden. Meinen Wunsch Sie für uns 
zu gewinnen , brauche ich nicht zu entschuldigen ; er ist zu gerecht 
in jeder Rücksicht. Meine Pflicht ist es Ihnen zu sagen, warum 
ich glaube, dass Sie vieUeicht der Bitte der Akademie und der 
meinigen Gehör geben könnten. Ich verkenne sicherlich die Vor- 
züge Ihres jetzigen Aufenthalts nicht. Aber ich glaube mit Sicher- 
heit behaupten zu können, dass Sie hier eine freiere und unge- 
störtere Müsse finden würden. Sie sind als Akademiker bloss zu 
freien und nur zu solchen Arbeiten berufen , die Ihnen selbst Freude 
machen; bei der Universität entbinde ich Sie, wie Sie es wünschen, 
jeder Verpflichtung, und es giebt daher nichts, was Sie auf dem 
Wege stiller, abgezogener und ruhiger Forschung aufhalten könnte. 
Die Akademie hat Sie mit einer Uebereinstimmung und einer Freude 
gewählt, die Ihnen die erfreulichste Aufnahme verspricht, die mathe- 
matische Klasse besonders wünscht auf das lebhafteste Sie in ihrer 
Mitte zu sehen, und ich werde gewiss mich unablässig beeifem, 
Ihnen Beweise der grossen und lebhaften Achtung zu geben, die 
ich für Sie hege , und Ihre Lage so angenehm , als immer möglich, 
zu machen. Wenn überhaupt, wie ich mit Wahrheit und Unpar- 
theilichkeit ansehen kann , Gelehrte hier von allen Seiten mit giosser 
Liberalität behandelt werden, so wird man sich besonders bemühen, 
einem Mann, wie Sie, wenn er einmal gekommen ist, auch Ver- 



— o 

anlassungen zu geben, gern unter uns zu bleiben. Dies musste ich 
Ihnen sagen und konnte es mit Wahrheit. Uebrigens bin ich weit 
entfernt, Sie überreden zu wollen. Ich fühle, wie viel Werth man 
auch mit Recht darauf legen wird, Sie dort festzuhalten, und mein 
Wunsch, Sie zu gewinnen, wird mich nie unbescheiden machen. 
Nur Ein Wort erlauben Sie mir noch hinzuzusetzen. Schlagen Sie 
meinen Ruf aus Gründen aus, die in Göttingen selbst, in Ihren 
dortigen Verhältnissen, in dem Wunsch Ihrer Regierung liegen, Sie 
nicht ausscheiden zu sehen, so muss ich bedauern, dass wir auf 
Sie Verzicht leisten müssen, kann aber nicht anders, als diese 
Gründe ehren. Sollte hingegen ihr Ablehnen aus Zweifeln ent- 
stehet!, die Sie in Rücksicht der äusseren Ihnen angebotenen Be- 
dingungen hätten , so bitte ich Sie wenigstens erst Sich noch einmal 
an mich zu wenden. Sie können sicher überzeugt sein, dass es 
nie und nimmer geschehen könnte, und nie geschehen würde. Doch 
genug von der Ungewissheit. Vielleicht machen Sie meinen Klein- 
muth zu Schanden, und erfreuen uns mit einer zusagenden Ant- 
wort. Gewiss würde ich dann den Tag, an dem ich dies erführe, 
als einen der glücklichsten für unsere neue Anstalt bezeichnen. — 
Verzeihen Sie verehrtester Herr Professor, die Wärme und die Frei- 
müthigkeit dieses Briefs. Aber mit einem Manne den ich so innig 
hochschätze, wäre es nie an sich unmöglich uneins zu werden, und 
ein anderer Entschuldigungsgrund fElr diese Freiheit mag die Ver- 
bindung sein, in welcher mein Bruder mit Ihnen steht, der mir so 
oft von Ihnen mit den Gefühlen geschrieben hat, die ich so ganz 
mit ihm theile. Erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort, und 
nehmen Sie noch einmal die Versicheimng meiner hochachtungsvollsten 
Ergebenheit an. 

Humboldt. 

Noch muss ich Ihnen mit einigen Worten sagen, dass zu gleicher 

* • 

Zeit mit Ihnen an die Universität und Akademie Illiger, Rudolphi 
und Gltmans berufen sind, die alle bereits zu kommen erklärt 
haben. Reit ist schon hier. Von Juristen kommt Savigny aus 
Landshut in einigen Wochen. 



— 6 — 

Frau Hofräthin Waldeck an Dr. Olbers in Bremen. 

Göttingen den 14. März 2i . 

Mein höchst verehrter HeiT Doktor! 

Seit 3 Wochen krank an einem bösen Schnupfenfieber — schreibe 
ich Ihnen im Bett mit schwacher Hand. Der Gegenstand liegt 
meinem Herzen zu nah als dass ich meine völlige Herstellung er- 
warten könnte — und ich glaube es ist keine Zeit zu verlieren. — 
Unser trefflicher Gauss ist in seinem hiesigen Verhältniss so un- 
glücklich wie möglich, — theils durch seine coUegialischen Verhält- 
nisse, mit dem der ihm so nahe ist, weil er nicht die kleinste 
Hülfe hat, und da Sie mein theurer Herr Doktor wissen — dass 
tiefes Denken und Rechnen sein Lieblings-Studium ist, so fühlt er 
sich schon dadurch nicht an seinem Platz; nun kommt das übrige 
dazu dass er Ihnen aufrichtig gesagt — wegen der Zukunft gerechte 
Sorge hat. Die Veranlassung meines Briefs ist, dass mir meine 
Tochter vor einigen Tagen versicherte sie sei so besorgt um seine 
Gesundheit — sein Mismuth sei so gross dass — wenn nicht bald 
Hülfe kommt so gehe es nicht gut. Es war recht betrübt dass er 
diesen Sommer den Fürst Hardenberg nicht sprach, da war er 
verreist und dem wollte er es sagen. Vor mehrem Jahren hatte 
er den schönen Ruf nach Berlin ehe er mein Sohn wurde. Dass 
ich mich darein mische, da wage ich, wenn es Gauss erführ, un- 
bedingt mein zeitliches Glück, und nicht ich allein, son- 
dern meine gute Tochter war lebenslang völlig unglück- 
lich durch mich, denn Sie kennen meinen guten Schwiegersohn 
vielleicht nicht von der Seite wie verschlossen er über seine Lage 
ist und wie er das Klagen meiner Tochter und mein Einmischen uns 
nie vergeben würde — und nur im engsten Vertrauen klagte mir 
dieses meine Tochter. Weiter sage ich Ihnen nichts und 
es ist gewiss genug, und dieser Brief wird von Ihrer 
gütigen Hand selbst verbrannt!!! 

Bringen Sie es mein bester Herr Doktor recht laut zur Kunde, 
dass er sich von hier weg wünscht und wirken Sie wo Sie können 
für sein Bestes; dass er, der wohl ein behagliches Leben forder» 



— 7 — 

könnte, sich Tag und Nacht ums liebe kärgliche Brod quälen muss, 
ist hart. — Es ist keine gute Arznei dass ich Sie mein lieber HeiT 
Doktor bitte, Gauss den ich wie meinen Sohn liebe, und meine 
liebe liebe Tochter, mit ihren herzlichen Bündern von hier zu hel- 
fen — so darf so kann es nicht bleiben ! Denn wie kann ich mich 
freuen sie unglücklich zu sehn — oft ist er ganz lebenssatt. Ant- 
worten Sie mir nicht mein theurer Herr Doktor — darum bitte ich 
Sie so sehr — ich trau auf Sie dass es gewiss alles zum besten 
geschieht und so leicht könnte meine Tochter etwas davon sehn ; 
ich nehme mir die Erlaubniss auf den Brief zu merken, dass Sie 
selbigen doch allein lesen möchten. Ihrem freundschaftlichen Wohl- 
wollen empfehle ich mich nebst meinen Kindern angelegentlich 

gehorsamst 
Ch. Waldeck geb. Wyneken. 



7. 
General von Müffling an Gauss. 

Berlin d, 14, April 1821, 

Ew. Wohlgeb. hier bei uns zu haben ist ein Wunsch, den ich 
lang genährt habe — nicht füi* die praktische Astronomie, denn 
noch lässt sich nicht übersehen, wann wir den Bau einer ordent- 
lichen Sternwarte beginnen können — aber für die Akademie und 
Universität. — Ob dies mit ihren Wünschen übereinstimmen würde, 
ist freilich eine andere Frage, indess wenn Ihre Gradmessung voll- 
endet ist, so würde sich doch hier ein grösserer Wirkungskreis für 
Sie öffnen. Wir sind freilich gerade jetzt in einer bedrängten Zeit, 
jedoch thut man was man kann. Wenn Ew. Wohlgeboren mir Ihr 
Vertrauen schenken wollten, so gebe ich Ihnen mein Wort, dass 
Sie wenigstens bei mir keinen Missbrauch zu fürchten haben und 
nicht compromittirt werden können. Hätten Sie eine Neigung zu 
uns zu kommen, jetzt oder später, so würde ich überlegen wie es 
zu machen sei, um mit Ihier Zustimmung mit dem Minister von 
Altenstein, mit dem Fürsten Staatskanzler und wenn es nöthig 
wäre mit dem König reden. Meine Stellung berechtigt mich dazu, 
und wenn ich aus dem Vergangenen auf die Zukunft schliesse , so 



— 8 - 

darf ich mir schmeicheln, dass meine Unterredungen nicht ohne Er- 
folg sein würden. Kein Mensch würde übrigens hiervon ein Wort 
erfahren, die Sache möge nun gelingen oder nicht. 



8. 

Müffling an Herrn v. Lindenau. 

Ew. Hochwohlgeb. Schreiben vom 7. April erhielt ich heut 
früh. Nachmittag hatte ich eine Unterredung mit Minister v. Al- 
tenstein und wir waren sofort darüber einig dass bei billigen Be- 
dingungen ein Mann wie G. hier eine ehrenvolle Anstellung bei 
der Akademie und der Universität finden soll. Heut Abend habe 
ich G. geschrieben, ihm meine Instruction gesendet und ihn gefragt 
ob er nicht Lust habe zu uns zu kommen? Ich habe ihn einge- 
laden mir mit Vertrauen zu schreiben, und ihm versprochen, dass 
er in keinem Fall compromittirt werde. Die Sache liegt also ganz 
in seinen Händen. Ob er mir aufrichtig schreiben wird ist die 
Frage und ich muss Ihnen überlassen zu beurtheilen ob es nöthig 
ist dass Sie ihm noch schreiben. Sie könnten ihm so als ob es von 
ohngefähr sei sagen dass ich' Ihnen mitgetheilt hätte wie schlecht 
es um die mathematische Klasse bei der Akademie stehe, wie Tralles 
sich durch sein starres Wesen und Züge welche von keinem guten 
Herzen zeigten allgemein als Mensch verhasst gemacht habe und 
als Akademiker nicht thue was er solle — dass ich den Wunsch 
hätte ihn — G. in Berlin zu sehen etc. 

Indess ich will nicht dafür bürgen dass das einen verschlosse- 
nen Mann wie G. doch einmal ist noch mistrauischer machen könnte. — 
Thun Sie was Sie gut finden. Hat G. Lust Göttingen zu verlas- 
sen so wäre es am besten er käme unter irgend einem Voi*wande 
nach B. um hier alles in Ordnung zu bringen. Dies auf den Fall 
dass er kein Vertrauen zu mir hat. — In der Anlage erfolgt ein 
Exemplar meiner Instruction die ich freundlich aufzunehmen bitte, 
und nicht zu vergessen für welche Zwecke ich sie schreiben musste. 
— Ich liebe es auch nicht wenn man es versuchen muss die Wis- 
senschaft zu einem Handwerk zu machen, aber es geht doch ein- 
mal nicht anders. 



— 9 — 

Von H. Zach habe ich auf meinen Brief noch nichts gehört. 
Ich fürchte er ist ungnädig, oder will erst abwarten wie es mit den 
Breiten-Bestimmungen vom Brocken und Seeberg wird. — In den 
Beispielen finden Sie die Rechnung zwischen Mannheim und See- 
berg, nach dem von Nicolai bestimmten Azimuth vom Feldberg. 

Meine Geschäfte haben sich seit meiner Ernennung zum Chef 
des Generalstabes der Armee, (da der ehemalige General-Quartier- 
Meister-Posten ganz damit verbunden ist) dergestalt vermehrt, dass ich 
alle Detail-Arbeiten bei den Messungen, welche mir so viel Vergntl- 
gen machten, ganz aufgeben muss. Ich werde diesen Sopimer bei 
einer meiner Reisen durch Thüringen kommen, und dadurch Gele- 
genheit finden meine hochachtungsvollen Gesinnungen Ihnen münd- 
lich aufs Neue an den Tag zu legen. 

Berlin 14. April 18SI1. Müffling. 



9. 

Lindeoau an Gauss. 

i82i Novbr. 2i. 

. . . Müffling schreibt mir hierüber folgendes (d.d. 15. Nov. 1821) 
»Der Minister von Altenstein hat mich benachrichtigt, die Ange- 
legenheit wegen Hofrath Gauss sei so weit gediehen, dass er zu 
wissen bedürfe, welche Forderungen Letzterer mache, um darüber 
dem König Vortrag machen zu können. Gauss wünscht nicht als 
ordentlicher Lehrer bei der Universität angestellt zu sein und Al- 
tenstein ist damit einverstanden, dass er nicht mit dem Alltäglichen 
geplagt werde, dass er jedoch sich nicht entzöge, vielversprechen- 
den jungen Männern die letzte Feile und Mittel zur Ausbildung zu 
geben. Altenstein bezweckt hauptsächlich, dass G. dahin wirke, 
den erlöschenden Ruhm einer sonst berühmten Akademie wieder auf- 
zufrischen, was Gauss am ersten zu erreichen vermag. Alten- 
stein wünscht dem König spätestens gegen Neujahr Vortrag darüber 
zu machen und die Sache wird keine Schwierigkeit finden, wenn 
Gauss nicht über 2000 Thlr. verlangt. » Letzterer könnte dann 
wohl seine hiesigen Verhältnisse gegen Ostern antreten.« 



— 10 — 

10. 
Lindenau an Gauss. 

1823 Jan, 6, 

. . . Dies führt mich auf die angefangenen Verhandlungen mit 
Berlin, da ich glaube, dass Sie gerade dort so ganz HeiT Ihrer Zeit 
sein würden, wie es das wahre Interesse der Wissenschaft erfor- 
dert; ich habe noch vor wenigen Wochen mit General Müffling 
über diese Angelegenheit gesprochen, der an der königlichen Ge- 
nehmigung Ihrer Bedingungen keinen Augenblick zweifelte und nur 
darüber eine baldige Auskunft von mir zu erhalten wünschte, ob 
die Versetzung nach Berlin noch in Ihrem Plane liege und wann 
Sie dahin kommen könnten. Durch Tralles Tod ist jede Schwie- 
rigkeit beseitigt, die sich dort Ihrem Eintritt hätte entgegensetzen 
können. 

II. 

Müffling an Lindenau. 

482ö April 1, 

. . . Gauss ist nun von der Akademie der Wissenschaften (nebst 
zwei andern Pfaff und Bessel) dem König an die Stelle von 
Tralles vorgeschlagen. Allein das Gehalt, nebst dem Secretariat, 
beträgt nur circa 1200 Thlr. Minister Altenstein (bei dem Alles 
etwas langsam geht) hat nun noch meine Unterstützung beim König 
verlangt, um das üebrige zu verlangen. Ganz kurz aber höchst 
dringend habe ich das Bedfirfniss dargestellt und bin dabei auf mein 
altes Project einer ^cole polytechnique zurückgekommen, für welches 
auch Alexander Humboldt hier geworben hat. Ich habe aber 
bei der Gelegenheit recht kennen lernen, dass unsere deutschen 
Philologen ebenso intolerant wie die Jesuiten sind, und dass eine 
wahre Verbrüderung Statt findet, die Mathematik nicht aufkommen 
zu lassen. Ich hoffe, dass die GAUSs'sche Angelegenheit nun end- 
lich zu Stande kommt und dass wenn er hier ist ich eine Stütze 
an ihm finde , damit wir die Mathematik in unserm Staate etwas in 



— 11 — 

die Höhe bringen. Ich habe dem König gesagt, dass der Staats- 
Unterricht in der Mathematik bei andern Nationen da anfängt, wo 
er bei uns schliesst, dass sich zwar immer Mathematiker bei uns 
finden werden, dass aber dadurch, dass sie sich durch Selbststudium 
bilden müssen, die Leute in der Regel so schroff und einseitig 
werden, dass der Staat dann am Ende keinen Nutzen von ihnen 
hat. Und so sehe ich es hier alle Tage. — Sobald ich etwas 
Näheres erfahre, erhalten Sie sogleich weitere Nachricht. 



12. 

Lindenau an Gauss. 

1825 April W. 

. . . Den anliegenden Brief von Müffling wollte ich Ihnen 
persönlich überbringen und mündlich das Weitere besprechen, was 
dann aber leider durch ausser mir liegende Umstände unmöglich ge- 
macht wurde. Dass Sie nicht allein sondern zugleich mit Bessel 
und Pfaff vorgeschlagen wurden, ist vorgeschriebene Form; allein 
dass man vorzugsweise Sie wählen wird und wahrscheinlich auch 
alle von Ihnen gemachte Bedingungen zugestehen wird, ist mit Zu- 
verlässigkeit zu vermuthen ohne jedoch jetzt ganz bestimmt darüber 
aussprechen zu können. Dass man anfangt davon im Publikum zu 
sprechen, ist nicht zu verwundern, da in Berlin aus dem dem König 
gemachten Antrag kein Geheimniss gemacht werden wird. Ich 
schreibe heute an Müffling, um eine definitive Entscheidung zu 
beschleunigen und geschieht dann ein officieller Antrag, so liegt es 
noch immer in Ihren Händen, diesen oder die verbesserten Be- 
dingungen aus Hannover anzunehmen. Ueber die Wahl selbst ist 
schwer zu rathen, da Individualität hiebei entscheidet und ich in 
den letzten Jahren mit Ihren häuslichen und persönlichen Verhält- 
nissen doch zu fremd geworden bin, um mit einiger Einsicht das 
Vorzüglichere Ihrer Existenz in Berlin oder Göttingen beurtheilen 
zu können. Für Ihr geistiges Wirken würde mir Berlin als der 
günstigere Aufenthalt erscheinen. 

Ist es möglich, so wäre es wohl gut, wenn Ihr Besuch in 
Hannover bis zum Eingang von Müffling's nächster Antwort ver- 



- 12 — 

schiebbar wäre, weil ausserdem Verlegenheiten doch leicht entstehen 
könnten. Müssten Sie aber die Reise nach Hannover früher an- 
treten, und würden Sie von dortigen Autoritäten darüber, ob Sie 
einen Ruf nach Berlin erhalten hätten befragt, so würde es nach 
meiner Ansicht ebensosehr mit Wahrheit als mit Klugheit vereinbar 
sein, eine solche Anfrage dahin zu beantworten: 

»Dass Sie allerdings durch Freunde von der Absicht des 
Königlich Preussischeri Gouvernements Ihnen einen Platz in 
der Akademie anzubieten unterrichtet worden wären, ohne 
dass jedoch ein Antrag selbst an Sie gelangt sei.« 
Bei dieser Gelegenheit werden Sie dann auch vielleicht erfahren, 
was man Hannöverscherseits zu Ihrer Verbesserung zu thun geneigt 
ist, und hiernach am besten entscheiden, welche Existenz die vor- 
züglichere ist. 

13. 
Lindenau an Gauss. 

1823 Juli 2. 

. . . Für den möglichen Fall, dass aus Berlin noch keine directe 
Nachricht an Sie, verehrter Freund, eingegangen sein sollte, will 
ich Ihnen wenigstens das mittheilen, was mir Müffling vor wenig 
Tagen mündlich erzählt hat. Alles ist zu Ihrer Bemfung einge- 
leitet, und Altenstein würde bereits den deshalb erforderlichen 
Vortrag beim König gemacht haben, brächte es nicht die herkömm- 
liche Form des Geschäfts mit sich, darüber noch vorher die Gut- 
achten einiger Behörden zu erfordern; Müffling war ausser sich 
über die lange Verzögerung einer Angelegenheit, die längst zum 
Abschluss hätte gebracht werden können, hoffte aber mit Zuver&icht, 
dass dies unfehlbar im Lauf der nächsten Wochen der Fall sein 
werde. 

U. 
Mäffling an Lindenau. 

i824 November 28, 

. . . Heute schreibe ich wegen unsers Gauss, und zwar weil 
nun endlich und endlich unser guter vortrefflicher aber höchst lang- 



— 13 - 

samer Minister Altenstein mit der Sache so weit vorgeschritten 
ist, dass es folgendermassen steht: 

Die Akademie der Wissenschaften, (von welcher p. Gauss be- 
reits auswärtiges Mitglied ist) hat sich erklärt, ihn als ordentliches 
Mitglied aufzunehmen und kann dazu 1700 Thlr. jährlich flüssig 
machen. Die mathematische Klasse wählt ihn in diesem Falle zum 
Secretär, wozu ein Gehalt von 300 Thlr. ausgesetzt ist. Dies wären 
2000 Thlr. und erforderte bestimmte Pflichten, welche p. Gauss 
kennen wird. 

Darüber, dass er bei der Universität nicht angestellt wird, 
waren wir bereits alle einig. Da nun aber der Minister zur Her- 
beischaflfung von der Summe, welche noch an seiner Stellung fehlt, 
einen Titel haben muss, so hat er den Antrag an den König ge- 
macht [den ich auch unterstützt habe] dass der H. Gauss ihn dem 
Minister in allem was das mathematische Studium betriflt, rathgebend 
oder leitend für öffentliche Angelegenheiten und Institute als Obser- 
vatorien, polytechnische Institute etc. beistehe und sich unterzöge. 
Dies ist auch genehmigt und der Minister hat dafür die Bewilligung 
auf 6 bis 700 Thlr. erhalten, so dass von dieser Seite nun nichts 
mehr entgegensteht. 

Ausserdem würde noch eine billige Reise- und Versetzungs- 
kosten-Vergütung zu erlangen sein. 

Was die Stellung betrifft, so glaube ich, dass neben der als 
Akademiker sich keine ehrenvollere finden lässt, und 
wenn der Hofrath Gauss sich mit dem Minister zu benehmen weiss, 
so bekommt er einen so grossen Einfluss auf das ganze mathema- 
tische ünterrichtswesen des Staats, wo er also ein grosses Feld hat 
und ausserordentlich nützlich wirken kann. Die Minister und die 
ersten Räthe werden ihm mit grossem Vertrauen entgegenkommen, 
alles übrige hängt von ihm selbst ab. Kommt es dazu, ein poly- 
technisches Institut zu bilden (wozu ich einen Plan entworfen habe) 
so würde er einen grossen Einfluss darauf üben, und dies ist zu- 
gleich eine Gelegenheit zu seiner Verbesserung. 

Was den Gehalt betrifft, so kann ich mich nicht mehr erinnern, 
was die Wünsche von H. Gauss waren. Ich dächte es wären 
2400 Thlr. und ein Quartier gewesen. 

Jetzt ist nun die Frage: ist H. Gauss noch gesonnen diese 
Stelle, und so wie ich es hier auseinander gesetzt habe, anzunehmen? 



— 14 — 

Haben Sie die Güte, mein verehiiier Freund, mir hieranf i 
antworten. 

Nimmt der Hofrath die Stelle an, wie ich vom Minister' 
autorisirt bin sie ihm anzubieten, so ist dessen Wnnseh, 
dass er bis Ostern 1825 eintritt. Es ist daher nicht viel Zeit n 
verlieren. In diesem Falle rathe ich, dass der Hofrath mir sofort 
bestimmt schreibt und sich gleich über die drei Punkte erklärt: 
1 Gehalt, 2) Entschädigung der Versetzung, 3; Zeit des Eintritts. 

Ein Naturalquartier ist nicht vorhanden, würde auch jedenfalls 
eine sehr genante Sache sein, da ein Familienvater besser selbst 
wählt, und bei Dienstwohnungen die Collisionen und der Verdmss 
unvermeidlich sind. 

Ich würde bitten, dass Hofrath Gauss mir dann einen confi- 
dentiellen Brief schriebe, den ich vorlegen kann. Erwartet er eine 
Antwort darauf, so soll sie aufs Schnellste erfolgen. — Ich bin mit 
den Formen nicht bekannt, welche zu seinem Abgang von Göttingen 
nothwendig sind, welche Schritte dazu bei dem hannoverschen Gou- 
vernement nöthig sind, auch ob eine officielle Berufung dazu 
nöthig ist. Das wird der Hofrath wissen und mir darüber schreiben. 

15. 

Lindenau an Gauss. 

i824 December 4, 

, . . Dass endlich in der Anlage ein bestimmter und, wie mir 
scheint, auf alle Weise ehrenvoller und günstiger Antrag geschieht, 
freut mich lebhaft, da ich überzeugt bin, dass bei einer Verlegung 
ihres Wohnsitzes nach Berlin, ebensosehr Ihr persönliches Wohlsein 
als Ihr geistiges Wirken gewinnen wird. Denn der Ihnen ange- 
botene Wirkungskreis ist ganz dazu geeignet, um Ihnen einerseits 
freien Spielraum für eigene Arbeit, andrerseits aber einen ent- 
schiedenen Einfluss auf die mathematische Bildung im Preussischen 
Staate überhaupt zu gewähren. Was die Form dieser Verhandlung 
anlangt, so glaube ich, dass solche, wenn Sie einmal den Abgang 
von Göttingen und unwiderruflich beschlossen haben, die sein 
müsste, dass Sie eine officielle Berufung von Berlin veranlassten, 



J 



— 15 — 

^ und darauf Ihre Entlassung in Hannover begehrten. Ob Sie nun 
unmittelbar oder femer durch mich mit General Müffling verhan- 
deln wollen, darüber sehe ich Ihren weitem Mittheilungen entgegen. 

16. 
Lindenau an G-auss. 

1820 Januar 4. 

Wenn ich erst heute Ihre letzte freundliche Zuschrift beant- 
worte, und dafür bestens danke, so geschah dies zunächst in Ver- 
anlassung des Wunsches, vorher eine Antwort aus Berlin zu erhalten. 
Diese ist vor wenig Stunden bei mir eingegangen und drückt, wie 
ich im Voraus erwartete, grosses Bedauern über Ihre abschlägige 
Antwort aus, da man mit Zuversicht hoffte, Sie für die preussische 
Monarchie gewonnen zu haben. General Müffling wünscht nun 
andere Vorschläge von mir zu hören, was mich denn aber in grosse 
Verlegenheit setzt, da Ersatz eine Unmöglichkeit ist. 

Mollweide und Buzengeigeb sind mir eingefallen und ich 
möchte mir wohl Ihr entscheidendes ürtheil erbitten, wer von beiden 
der vorzüglichste Mathematiker ist. . . . Mit herzlicher Freund- 
schaft und Achtung Ihr 

Lindenau. 

17. 

Dirksen an Olbers in Bremen. 

Berlin, den 6, Januar 182S. 

Wohlgeboraer, Insonders Hochzuverehrender Herr Doktor! 

Ew. Wohlgeb. habe ich noch meinen verbindlichsten Dank ab- 
zustatten für die erfreulichen Nachrichten, welche Sie mir hinsicht- 
lich der bewussten Sache, mittelst Ihres geehrten Schreibens vom 
15. November v. J., haben ertheilen wollen. Von dem Inhalte 
desselben einen besonders wichtigen Gebrauch zu machen, dazu fand 
ich um so weniger Veranlassung, indem ich sehr bald darauf in 
Erfahmng brachte, dass das Ministerium bereits jemanden beauf- 



- 1G*~ 

tragt hatte, H. Gauss den bekannten Antrag, und zwar nnter 
folgenden Bedingungen zu machen : Ganz allgemein sollte H. Gauss 
die Direction des mathematischen Unterrichts im preussischen Staate 
anvertraut, jede in dieser Beziehung zu treffende Massregel mit ihm 
besprochen, und die Besetzung der desfallsigen Lehrstellen nur 
nach seinem Gutachten vorgenommen werden. An keine Anstalt 
irgend einer Art sollte er, wider seine Wünsche, vorzugsweise näher 
gebunden sein ; nur mit Ausnahme der Akademie der Wissenschaf- 
ten allhier, deren ordentliches Mitglied er sein, und von welcher 
er mit dem Secretariat der mathematischen Klasse beauftragt wer- 
den sollte. Hierfür wäre von ihm an jährlichem Gehalte zu bezie- 
hen eine Summe von Zwei Tausend Reichsthaler aus der Kasse der 
Akademie, welche Summe das Ministerium noch um tausend Rthlr. 
aus seinen eignen Fonds zu erhöhen nicht ungeneigt sein dürfte. — 
Ew. Wohlgeb. werden es sehr verzeihlich finden, wenn unter sol- 
chen Umständen jeder Zweifel in Absicht auf den gewünschten Erfolg 
bei mir gehoben war, und wenn ich glaubte, mich mit den zahl- 
reichen hiesigen Verehrern von Herrn Gauss nunmehr ganz unbe- 
dingt der angenehmen Hoffnung hingeben zu können, den gefeierten 
Mann bald in unsere Mitte, und in einen Wirkungskreis versetzt 
zu sehen, welcher allein mir seinen ausgezeichneten Eigenschaften 
angemessen zu sein scheint. 

Allein heute Morgen wurde hier die unerwartete Nachricht 
kund, dass H. Gauss den an ihn erlassenen Antrag abgelehnt 
habe, und zwar, weil die Hannöv. Regierung 1., ihm selbst eine 
bedeutende Zulage und 2., seinem ältesten Sohne den Eintritt in 
das Artillerie- Corps bewilligt habe. — Ich kann Ew. Wohlgeb. 
den unangenehmen Eindruck nicht beschreiben, den diese Nachricht 
allhier gemacht hat und darf Ihnen nicht verhehlen, dass ich die 
begleitenden Argumente der GAUSs'schen Denkungsart, so wie ich 
dieselbe kennen gelernt habe, so unähnlich finde, dass ich in dem 
Ganzen irgend ein Missverständniss vermuthen muss. Denn erstlich 
kenne ich H. Gauss als einen Mann, dem es unter jedem Ver- 
hältnisse schwer werden würde, den einzigen, seiner vollkommen 
würdigen, Wirkungskreis käuflich zu stellen; zweitens ist es mir 
nicht wahrscheinlich, dass die erhaltene Zulage von der Art sei, 
dass sie ihm gegen das von hier aus gewordene Anerbieten, beson- 
dere pecuniäre Vortheile verschaffen könne; und wenn auch, so 



- 17 — 

hätte die hiesige Behörde in dieser Beziehung vielleicht noch nicht 
das letzte Wort gesagt; drittens hätte sein Sohn, und hätten alle 
seine Söhne, eine weit glänzendere Beförderung im Preussischen , 
als im Hannoverschen Dienste, unter andern schon dadurch zu er- 
warten, dass die Bedürfnisse von jenem verhältnissmässig weit grös- 
ser, als von diesem sind. Endlich viertens, was mir die Sache 
vollkommen unbegreiflich macht, ist der schon erwähnte Brief vom 
15. Novbr., mit welchem Sie mich zu beehren die Güte gehabt 
haben, der geradezu dasjenige verneint, was hier bejaht wird, und 
mir zu eben dieser Verneinung noch den bestimmtesten Auftrag, im 
engsten Vertrauen, ertheilt. — Es ist aus allen diesen Gründen, 
in Verein mit anderweitigen Verhältnissen, dass ich fast vermuthen 
möchte, dass der Antrag vielleicht nicht in seiner ursprünglichen 
und wahren Form an H. Gauss gelangt, sondern irgendwo Mo- 
dificationen unterworfen worden sei, die, wenn auch Privatzwecken 
sehr angemessen, dennoch von der höchsten Behörde nicht beab- 
sichtigt worden sind. Unter diesen Umständen werden Ew. Wohl- 
geb. mir hoffentlich erlauben, Ihr gütiges Zutrauen zu mir, die 
Gefühle der Hochachtung, welche Sie und ich gemeinschaftlich für 
den seltenen Mann hegen, und Ihre verdienstvolle und erfolgreiche 
Bemühungen zur Beförderung der Wissenschaft in Anspruch zu 
nehmen und mich mit der dringenden Bitte an Sie zu wenden, mir 
rücksichtlich der Bedingungen, welche H. Gauss in officieller 
Form gestellt worden sind, und anderweitiger, mit der Sache in 
Verbindung stehender Verhältnisse, einige, so viel wie möglich ge- 
naue Notizen (versteht sich, im engsten Vertrauen) zu ertheilen, 
damit ich in den Stand gesetzt werden möge, eines Theiles, dem Mann, 
an welchen ich einen so ansehnlichen Theil des wissenschaftlichen 
Ruhmes unseres deutschen Vaterlandes geknüpft achte, bei seinen 
zahlreichen Verehrern allhier, zu denen, ausser dem Prinzen August, 
Chef der Eönigl. Artillerie, die sämmtlichen Mitglieder des Mini- 
steriums, der Akademie der Wissenschaften und der Universität, 
unbedingt zu rechnen sind, die ihm gebührende Rechtfertigung zu 
verschaffen und andern Theils, ein in der Sache selbst etwa obwal- 
tendes Missverständniss gehörigen Ortes zur Sprache zu bringen. 
Es würde mir besonders wichtig sein, wenn Sie die Güte haben 
wollten, mir bereits mit umgehender Post dasjenige anzuvertrauen, 
was Ihnen von dieser Angelegenheit bekannt ist, und alsdann ferner 

Brnlins, Briefe. 2 



— IS — 

die Erkundigungen einzuziehen, die Sie zur völligen Aufklärung der 
Sache etwa nöthig erachten mögen. Mit der Wiederholung dieser 
dringenden Bitte , die ich mir nicht versagen kann, nehme ich mir 
die Freiheit, eine andere zu verbinden, welche darin besteht, dass 
Sie mir Ihre gütige Nachsicht angedeihen lassen mögen, falls ich 
Sie durch dieses Gesuch, was ich fast nicht zu bezweifeln wage, zu 
sehr belästigt haben sollte. In dem Augenblicke, wo man so viele 
der schönsten Hoffnungen auf einmal vernichtet sieht, erlaubt man sich 
wohl Schritte, die nur durch einen solchen Umstand selbst zu recht- 
fertigen sind. — Genehmigen Sie die unbedingten Gefühle der Ver- 
ehrung, mit denen ich bin Ew. Wohlgeb. 

gehorsamster Diener 
Dirksen. 



18. 

A. V. Humboldt an Gauss. 

Sie erlauben, mein Verehrungswerther Freund und College, 
dass ich den Brief des jungen Herrn Dirichlet meines hoffnungs- 
vollen Landsmannes, mit empfehlenden Zeilen begleite und diese 
Gelegenheit benutze mich freundlichst in Ihr Andenken zurück- 
zurufen. Ich darf mir wie Sie wissen kein ernstes ürtheil in den 
höheren Regionen der Mathematik anmassen , aber ich weiss durch 
die grossen Geometer welche Paris besitzt und besonders durch 
FoüRiEB und PoissoN die meine ältesten Freunde sind, dass Herr 
DmiCHLET von der Natur die glänzendsten Anlagen hat, dass er 
auf den besten EuLER'schen Wegen hinschreitet und dass Preussen 
einst an ihm (er ist kaum 21 Jahre altl] einen ausgezeichneten 
Professor und Akademiker haben wird. Schenken Sie meinem 
jungen Freunde für dessen Glück ich mich lebj^ft interessire, den 
Schutz Ihres grossen Namens und empfangen Sie zum voraus 
den Ausdruck meiner innigsten Dankbarkeit. 

Paris den 24. Mai 1826, 

Alex. Humboldt. 



— 19 — 

19. 
A. V. Humboldt an G-auss. 

Ihr freundschaflüehes Sdireiben vom 27. Januar^ mein Verehi*- 
testerl hat mir innige Freude gemacht. Es ist ein grosser Ent- 
schliss einen Theil meiner Freiheit nnd eine wissenschaftliche Lage 
anfztigeben in der ich hier seit 1 8 Jahren manchen schönen geistigen 
Genüfis gehabt. Aber ich bereue nicht, was ich gethan. Das in- 
telleetaelle Leben hat mich unendlich a&gesprochen bei meinem letzten 
Aufenthalte in Deutschland und die Idee in Ihrer Nähe, in der Nähe 
Derer zu leben, die meine Bewunderung für Ihr grosses vielseitiges 
Talent lebhaft thcMen, ist ein wichtiger Beweggrand meines E&t-* 
Schlusses gewesen. An gutem Willen nützlich zu sein soll es mir 
nidii fehlen und ich rechne stets auf Ihren Rath, ainf den Bath 
»des grossen Meisters in der Kunst« sagt Sabine, ein bescheidener 
freundlicher Engländer (und der freundlichen, mittheilenden giebt 
es nicht Ueberflussj war seit wenigen Tagen angekommen als Ihr 
Brief voll schöner Beobachtungen über die Strahlenbrechung, mich 
erfreute. Wenn man den grossen Namen Gauss nennt, ist jede 
Negociation leicht. Sie werden in der Anlage sehen, dass Sabine 
alles thut was Sie wünschen. Ich hoffe, dass der junge Dibichlet 
den, freilich bis jetzt ärmlichen Ruf nach Breslau angenommen hat. 
Innigsten Dank für die Nachrichten die Sie, Verehrungswerther 
Freund, mir von dem Privat- Docenten Herrn Jacobi geben. Es 
giebt der Menschen nicht viele die das heilige Feuer bewahren und 
ich werde Ihnen stets unendlich dankbar sein, wenn Sie fortfahren 
mich auf die jungen Talente aufinerksam zu machen, die Ihres 
Schutzes werth sind. Prof. Bessel's Freundschaft ist mir unend- 
lich viel werth. Besi^bl ist ein überaus liebenswürdiger Mann dessen 
Umgang mir Belehrung und Freude gewähren wird. Hier sind wir 
noch immer in Trauer : La Place's Gesundheit erregt uns viel Be- 
sorgniss. Es war ein bösartiges Nervenfieber. Sein Arzt Mag-endie 
glaubt ihn geheilt zu haben ; aber er ist unendlich schwach, verdaut 
schlecht, und redet nicht immer zusammenhängend. Mit ihm ver- 
schwindet eine grosse, ich darf nicht sagen die letzte mathematische 
Zierde von Frankreich , denn er vereinigte mit dem mathematischen 

Talente, das vielleicht Poisson, Foubier und Caüchy mit ihm 

2* 



— 20 — 

theilen, ein vielseitigeres Wissen nnd eine Bildung der Sprache , die 
weit erhabener als sein Character ist. 

Ihre Strahlenbr.-Beob. sind von der grössten Wichtigkeit. In 
den geringeren Anomalien zeigt sich die grössere Genauigkeit der 
Beobachtungen. Ihr Endresultat 0,07 ist auffallend gering aber 
herrlich flbereinstimmend mit den Vormittagsbeobachtungen. Die 
Wftrmeabnahme ist im allgemeinen weit schneller nahe an der Erde 
und (wie Pictet's Versuche lehren] gegen Abend so dass der Coef- 
ficient negativ werden muss. Wenn Sie wflnschen recht viel Beob- 
achtungen Aber Wftrmeabnahme bei verschiedenen Normal-Tempera- 
turen der Ebenen, in. der kalten, gemässigten und Tropen -Zone 
gesanmielt zu sehen, so werfen Sie gewogentiichst den Blick auf 
mein Memoire sur les refr. terrestres in meinen Rec. d'Obs. astr. 
T. I p. 127 — 147; auf meine Untersuchungen der mittleren Wärme 
der Luftschichten bei « Breite und 45 o Breite ;?) von 0—2000 Toisen 
Höhe in M^m. de la Soci^t^ d*Arceuil T. in. und meine Arbeit 
Aber mirage und Wärme der untersten Luftschichten Relat. bist. 
T. I p. 625 — 631. Mit innigster dankbarer Verehrung 

Ihr 

Paris den 16. Febr. ISn. AI. Humboldt. 

Wir erwarten mit Sehnsucht Ihre Theorie der krummen Flächen. 
Hier treibt man Physik und Pressfreiheit und Streit über die mytho- 
logischen Namen der Herzoge (der alte Bonapartische Olymp den 
Graf Appebz erschtittertj aber wenig beobachtende Astronomie. 

20. 

A. V. Humboldt an Gauss. 

Es nahet jetzt die Zeit, wo die Versammlung deutscher und 
nordischer Naturforscher, Physiker und Astronomen sich in Berlin 
eröffnen wird. Die gesetzlichen Tage sind 18 — 26. Sept., aber 
wen wir recht zu geniessen wünschen, laden wir ein, ja früher zu 
kommen und später zu bleiben. Mit dem Könige so eben von Teplitz 
zurückkehrend, bin ich nun gewiss, ruhig in Berlin bis October zu 
bleiben und den Monarchen nicht auf der bloss militärischen Reise in 






— 21 — 

Schlesien zu begleiten. Darf ich, Verehrungswerthester Freund (er- 
lauben Sie mir einen Ausdruck für den mir Ihre Nachsicht Ver- 
zeihung gewährt) darf ich den Wunsch erneuern, Sie nicht bloss 
zum Glanz dieser Versammlung hier zu besitzen, sondern Sie auch 
in meinem Hause zu bewirthen. Die hiesigen Gasthöfe sind schlecht 
und leicht gefüllt. Ich kann Ihnen freilich nur ein (doch sehr ge- 
räumiges) Zimmer mit der Aussicht auf einen schönen Garten an- 
bieten, aber Sie empfangen Besuche und leben in meinen daran 
stossenden Zimmern. Sie frühstücken und speisen Mittags und Abends 
mit mir oder ohne mich, zu den von Ihnen befohlenen Stunden. 
Bringen sie einen Bekannten mit, so logire ich ihn in einem nahen 
Hause. Sie haben einen Wagen jedesmal wenn Sie es anordnen. 
Alles das ist meine Sorge. Ein hiesiger Bekannter führt Sie umher, 
wenn ich, wegen des freilich lästig werdenden Andranges der Frem- 
den Sie nicht selbst begleiten kann. Sie werden in meinem Hause 
viel guten Willen, wenn auch [meiner innem häuslichen Einsamkeit 
wegen) wenig Geschick finden. Je länger Sie bleiben desto mehr wird 
es mich freuen und ehren. 

und es ist vortheilhaft, den Genius 
Bewirthen; giebst du ihm ein Gastgeschenk 
So lässt er dir ein schöneres zurük. 

Die Zeit der Ferien ist da; einige Zerstreuung wird Ihnen 
wohlthätig sein und Ihr grosser, allgemein gefeierter Name würde 
meiner Vaterstadt einen Glanz geben, den ich dauernd wünschte. 
Erfreuen Sie mich, wenn es irgend Ihre Lage und Ihre Arbeiten es 
erlauben, mit einer bejahenden Antwort und nennen Sie mir bald 
den festlichen Tag, an dem ich Sie erwarten kann. 

Mit der innigsten Vorehrung und Freundschaft, 

Sans-Soiici bei Potsdam Ihr gehorsamster 

den U. Aug. 1828. ^^ Humboldt. 

Ich bin auf einige Tage hier mit dem Kronprinzen. Wir hoffen 
hier allgemein den trefflichen Blümenbach zu sehen. 



Unter der Einladung zurNaturforscherversammlung in Berlin 1S28 
steht: Ich lebe noch der angenehmen Hoffnung, den ersten Mathe- 
matiker Europas, den tiefsinnigen Astronomen in meinem Hause 



— 22 — 

in Berlin zu empfangen, ihn zn beherbergen and (wie ich kann) zu 
pflegen. Diese Bitte behalte ich mir eigens bei Ihnen vor. 

Teplitz 48. Juli, A. Humboldt. 

21. 
A. V. Humboldt an &au88. 

Mit unendlicher Freude habe ich Ihr theures Versprechen ge- 
wiss bis zum 15. September uns nrit Ihrer Gegenwart zu beglücken 
empfangen. Ich fühle den ganzen Werth Ihrer Aufopferung! Ihren 
Wagen werden wir hier zu stellen wissen. Für Bedienung ist hier 
gesorgt. Schreiben Sie mir ja gütigst welchen Tag ich hoffen darf 
Sie zu umarmen. Möchte es vor dem 15. sein können, damit wir 
Sie etwas ruhiger geniessen. Babbage freut sich unendlich Ihrer 
Ankunft. Den 18. halte ich meine Eröffnungsrede und den 18. 
Abends 6 — 9 Uhr, müssen Sie einem kleinen Feste beiwohnen, 
welches ich 600 Freunden, im Concertsaal des Schauspielhauses 
geben werde! Der König und der Kronprinz haben mir verspro- 
chen dabei zu sein. Mit innigster Anhänglichkeit 

Berlin d, 8, Sept. 1828. Ihr gehorsamster 

AI. Humboldt. 

Ich wohne hier hinter dem neuen Packhofe Nr. 4 bei Hof- 
zimmermeister Glatz eine Treppe hoch. 



A. V. Humboldt an Gkiuss. 

Ich darf es nicht wagen, mich vor Ihnen zu rechtfertigen, 
mein theurer. Hochverehrter Freund. Meine Schuld ist gross und 
weder die zunehmenden rheumatischen Leiden meines rechten Arms, 
noch der Wunsch rechte Mufse zu finden, um Ihnen ausführlich zu 
schreibea und Sic Idlihaft fühlen zu lassen, welche Bewuoidemng in 



— 23 — 

mir die von Ihnen für den Magnetismns eröffnete Bahn in mir er- 
regt hat nnd wie diese Bewnndemng sich (weil Sie der Gegenstand 
derselben sind] an die fröhlichsten Erinnemngen der in Ihrer Nähe 
voUbraohten Tage anreiht, können mein langes Stillschweigen auf 
die Beweise Ihres Wohlwollens entschuldigen. Es bleibt mir also, 
nur übrig Ihre Grossmuth in Anspruch zu nehmen. Wer so hoch 
als Sie steht ist leicht zur Nachsicht in den schwach-m'bnschlichen 
Dingen geneigt. Um mich nun aber selbst in Ihren Augen wieder 
etwas zu heben, will ich zugleich aber auch von meinen Verdiensten 
reden, ja von Verdiensten die bei meiner lahmen Hand Sie anerkennen 
müssen. Ihre Anzeige der Entdeckung die Intensität auf ein be- 
stimmtes Mass zu reduciren, hat mich dergestalt ei'freut, dass ich 
(sobald ich gewiss war, von der Metiiiode recht durchdrungen zu 
sein] mich selbst an das Uebersetzen gemacht habe. Obgleich nn- 
sere deutschen Zeitungen uns periodisch mit der Idee schmeicheln, 
dass unsere vaterländische Sprache in dem grossen Babylon wuchere, 
so hat mich ein 20 jähriger Aufenthalt fast das Gegentheil gelehrt. 
Die Eoi*tschritte im Institut sind nicht die, welche man hie und da 
in dem elenden dramatischen Wüste bemerken kann. In dem In- 
stitute ist fast alles verloren, was man deutsch ohne Auszug und 
Erläuterung einsendet. Meine Uebersetzung ist mit Encke durch- 
disputirt worden, denn bei der edeln Concision Ihres Styls, ist es 
immer zuletzt leicht den anfangs aufstossenden Zweifel zu lösen. 
Dann habe ich (das ist mein Verdienst] das Ganze noch einmal ab- 
geschrieben und etwas leserlicher als diese Zeilen, und mit einem 
erläuternden Briefe über das Vielumfassende Ihres Unternehmens an 
Abago, dem Institute übersandt. Die Sendung ist (wie Ihnen un- 
ser Freund Ekcke wird schon gemeldet haben] etwa 10—12 Tage 
nach dem Empfang Ihrer Arbeit, von hier al^gangen. Wenn 
wir in den Zeitungen von Paris hier noch nichts darüber gehört, 
so liegt dies wohl in Abaoo's Abwesenheit, der Anfang Januars 
alle Jahre auf 2 bis 3 Wochen nach Metz geht zum Examen 
dex polytechnischen Schüler auf der Ecole d'applieation du G^nie 
et de r Artillerie. Die Ueberelnstimmung Ihrer Beobachtungen un- 
ter einander werden überall Bewunderung erregen und doch sind 
ßie wohl noch nicht von den Wirkungen der Wärme und der ver- 
änderten Inclina^ion* befreit. Da ich über die stündlif^hen Verän- 
derungen der Inclination und Intensität selbst in PoeofiNSiQQF vor 



— 24 — 

meiner Abreise nach Sibirien etwas bekannt gemacht , so ist es 
Ihncfn, Verehrtester, vielleicht angenehm^ wenn ich Ihnen aus einem 
alten Briefe von Arago an mich (Paris 13. Dec. 1827) etwas über 
die Pariser Epoche abschreibe : » en redoisant par une nonvelle 
methode les observations dinmes dlnclinaison, dont tu m'ayois yu 
occup^, j'ai trouv^, non pas seulement par des moyennes mais 
chaque jour^ une Variation r^guli^re. L'inclinaison est plus 
grande le matin k 9^ que le soir ä 6^. Tu sois que Tintensit^, 
mesurde avec une aiguille horizontale est au certain ä son 
minimum k la premi^re dpoque et qu'elle atteint son maximum entre 
6^ et 7^ du soir. La Variation totale ^tant tres petite, on pouvait 
supposer, qu'elle n'^toit due qu'au seul changement d'inclinaison et 
en effet la plus grande portion de la Variation apparente 
d'intensit^ depend de l'alt^ration diurne de la composente hori- 
zontale ; mais toute correction faite, il reste cependent une petite 
quantit^ connu indice d'une Variation reelle d'intensit^ (^ . Die Me- 
thode, welche Arago anwendet um die Verändeningen der Inclina- 
tion zu messen ist diese. An die untere Spitze der GAMBEY'schen 
Nadel wird ein dünner Glasfaden geklebt. Das Instrument überlässt 
man sich selbst und richtet ein kleines Femrohr zugleich auf Faden 
und Eintheilung, so dass man dann einzelne Minuten schätzen kann. 
Sie, mem edler Freund, haben alles zugleich mit neuen Mitteln 
ergriffen und der ganze Magnetismus verdankt Ihrem Geiste eine Re- 
volution. Auch über das Streichen sehe ich in D^em ersten so 
wohlwollenden von einer Schrift begleitendem Schreiben, die wie 
so vieles über meinem (deprimirten) Horizonte liegt, nur ganz neue 
Dinge. Die von Kupfer so verschiedentlich gegebenen Temperatur- 
Correctionen und die absolute Bestimmung der Inclination liegen 
ganz im Argen und harren Ihres wohlthätigen Lichtes. Der üe- 
bergang von hohen Temperaturen (50° — 60° R.] zu niedrigen 
+ 5° und — 8° R. befolgt engere Curven der Intensitätszunahme 
und bisher hat man wie mir es scheint sehr unglücklich geschlos- 
sen von Versuchen bei 60° auf die Temperaturen bei denen wir 
arbeiten 5° — 20° R. Bei der Inclin. beunruhigen mich die Er- 
fahrungen mit scheinbar ganz gleich vollkommen gearbeiteten Gam- 
BEY'schen Nadeln. Ich besass sonst welche bei denen es mir glückte 
nach Anwendung aller Correctionen durch 2 Nadeln Resultate zu 
erlangen die nicht um eine Bogenminute differirten. Jetzt habe ich 



— 25 — 
in Paris eben so schöne GAHBET'sche Nadeln gesehen deren 2 keine 

# 

Uebereinstimmung von 4 — 5—6 Minuten gab, ein Gräuel wenn man 
die so langsam mit den Jahren abnehmende Inclination untersuchen 
wiU. Sollte der Grund allein daran liegen dass bei Umkehrung der 
Pole man eine andere Kraft (Intensität) erhält? Ihr bereits mit 
so schönem Erfolge gekröntes Unternehmen befriedigt meine Eitel- 
keit auf eine sehr individuelle Weise. Ich träume dass meine Bit- 
ten, die Versuche die Sie in meinem Hause mit Auffindung der 
Inclin. durch 3 und 6 Extra -Meridian -Beobachtungen machten, 
mitgewirkt haben zu dem Entschlüsse diesen verworrenen Theil der 
Physik aufzuklären. Die von Ihnen bekannt gemachte jetzige In- 
clination zu Göttingen (an ganz freiem Orte?) scheint auch wieder 
die sonderbare Anomalie der bei Ihnen so langsamen Abnahme der 
Inclin. zu confirmiren (meine Relat. histor. 4. T. III. p. 625). 
Sie erinnern sich dass in Göttingen Incl. war Dec. 1805 — 69® 29' 
und Sept. 1826 —68° 29' 26" (eine Nadel 68° 30' 7" die andere 
68° 28' 45" mit Ihnen). In Paris war Abnahme von 1798—1810 
jährlich 5' aber nur 3', 3 von 1810 bis 1825. Doch ich ermüde 
Ihre Geduld. Clausens neuer Fund hat mich sehr erfreut. 
Weil eine Entdeckung immer eine andere herbeiführt, weil man 
besser sucht und weiss was man finden kann. So war es mit den 
Aerolithen, mit den kleinen (Taschen) Planeten, mit den Com^tes 
k courtes periodes. Aber das hemmende Fluidum scheint mir das 
grosse physikalische Räthsel und sein Dasein ist doch wohl noth- 
wendig anzunehmen. Sollte der vielleicht zwischen Venus und 
Mars schwebende Ring des Zodiakalscheins den wir durchkreuzen 
dasselbe Fluidum verdichtet und selbstleuchtend sein? Sollten Co- 
meten wenn sie diesen Ring um dessen Grenzen und Lage man 
sich so wenig kümmert, durchwandeln auch von ihm nicht gehemmt 
werden? Auch die begrenzte und unbegrenzte irdische Atmosphäre 
ist ein Uebel an dem unsere Physik erkrankt. Und doch beweiset 
denke ich, die so wunderbar erhöhte Intensität der Crepuscula 1831 
wo man von Irkutz bis Berlin bei Nacht lesen konnte, dass in den 
Schichten wo Barometer Druck 0^", 00001 ist, auch noch meteoro- 
logische Veränderungen vorgehen. Lichterscheinungen und Wider- 
stand sind ja die einzigen Zeichen die uns an das Dasein solcher 
Weltfluiden können glauben lassen I Ich habe mehrere Tage hier, 
unter den zeitraubendsten Zerstreuungen des Hoflebens, mit Ihrem 



— 26 — 

heitern und guten Herzog von Cambridge zugebracht und d» der 
Magnetismus bei mir eine seit 40 Jahren eingebürgerte Krank]teit 
ist, ihm einen Begriff von Ihren Entdeckungen gegeben. Ich habe 
mich gefreut zu erfahren wie er weiss was er von Ihnen, Theurei, 
besitzt. »Man schreit oft (sagt er in seiner lebendigen Art sich aus- 
zudrücken] gegen Göttingen, so lange wir die Bibliothek und Gauss 
besitzen, können wir schimpfen lassen.« Ich bin einverstanden aber 
meine Pflicht ist es Ew. kön. Hoheit zu bitten, die Rangordnung der 
Schätze umzukehren und den ersten Mathematiker unseres Zeitalters, 
den grossen Astronomen, den geistreichen Physiker zuerst zu nen- 
nen. Der Herzog bittet mich, seines Alters wegen zu verheimlichen, 
dass wir 1790 II zugleich in Göttingen studirt. Mit dankbarer Ver- 
ehrung und nochmaliger Bitte, dem Freunde nicht zu schmähen 

Berlin den 17, Febr. 1833. Ihr 

AI. Humboldt. 

Meine freundlichsten Grüsse Herrn Prof. Weber den ich um 
Ihre Nähe beneide. 



23. 

A. V. Humboldt an G-auss. 

Sie werden verzeihen, mein hochverehrter Freund, dass ich so 
spät erst Ihnen für Ihren höchst interessanten freundlichen Brief 
meinen innigen Dank darbringe. Eine ungewöhnliche Anhäufniig 
von Geschäften und Pflichten in der Umgebung des Königs hab^ 
mich allein davon abhalten können. Die Zeichnungen so vieler 
übereinstimmender Orte haben durch d^i Parallelismus in den klein- 
sten Krümmungen mich unendlich inter^ssirt. Solche Resultate i^ 
den kleinsten fast zu Längenbestimmungen reizbaren Zeiträumen sind 
freilich nur durch Ihre vortreffliche catoptrische Methode zu erreichen, 
^ie wissen dass seitdem mein magnetisches Häuschen in der Leipziger 
Strasse abgerissen ist (wegen Verkauf des Grundstückes] wir in der 
neuen Sternwarte nur Ihre Methode anwenden. Ich dringe darauf^ 
dass wir bald einen unter Ihrer Leitung gearbeiteten Apparat er- 
halten mögen. Es freut mich dass der Anstoss den ich durch 



— 27 — 

meinen magnetischen Brief an den Herzog von Sussex in Lon- 
don gegeben, die köngl. Societät endlich aus ihrem Winterschlafe 
und Somnambulismus erweckt hat. Der Antrag ist sehr freund- 
lich aufgenommen und der lange schon gedruckte Bericht von AniY 
an Chbistien den mir der englisch deutsche Herr König unter dem 
8. d. M. schickt, schlägt weit mehr Stationen in der Südsee, Ost- 
und West-Indien vor als ich zu erwarten wagte. Hier in Teplitz, 
wo ich mit dem Könige bis 11. Aug. sein werde erhalte ich zwei 
Briefe aus Island vom 30. Mai und 5. Juni. Der GAMBEY'sche 
Apparat um dessen Anfertigung ich den franz. Seeminister, Ad- 
miral Duperb^ vorigen Herbst bat ist nun in Reykiawik aufgestellt 
und der geübte Astronom Herr LomN bittet um correspondirende 
Beobachtungen stündlicher Abweichung zu Beobachtungen die er in 
Reykiawik (Island) wahre Zeit (. . . ?) des Orts von 15 zu 15 
Minuten von Mittwoch 10. August 7 Uhr Morgens his Donnerstag 
18. August 10 Uhr Morgens anstellen wird. Zugleich wird Lottin 
8. Aug. dort die Inclination, und den 9. Aug. zwischen 11^ und 
2^ die Intensität beobachten. 

Ich habe auf Lottin's und des Naturforscher Gaimakd'b Bitte 
eine Anzeige davon in den Zeitungen gemacht und ich hoffe dass 
Sie, hochverehi*ter Freund auch 1 oder 2 Tage in der festgesetzten 
Epoche (10. — 18. August) wieder die stündliche Abweichung be- 
obachten können. Es ist mir leider! nicht möglich gewesen, wegen 
Verspätung des Isländischen Briefes früher diese Bitte an Sie zu 
richten. Da Island ganz von unterirdischem Feuer nnterminirt ist, 
so bin ich neugierig auf die Pertnrbationen der Isländischen Ourve : 
immer sind zwei Phänomene zu unterscheiden, die Bewegung der 
Nadel die von der wahren Zeit des Orts, dem Abstand vom Mittag 
überall abhängt und gegen 8 und 2 Uhr ohngef^Oir maximum und 
minimum der Elongation erreicht. Diese Bewegung welche wir die 
gewöhnliche, regelmässige nennen, steht unbezweifelt mit dem Stande 
der Sonne in Verbindung. Die anderen Bewegungen (Perturbationen, 
....?) sind isochron wohl plötzliche Keactionen des Inneren des 
Planeten gegen die Oberfläche. Wo liegt das Band zwischen beiden? 
D^rEeport (11 Seiten lang vom 9. Juni) schlägt zunächst als leicht 
zu enneht^de Stationen vor: Neufandland, Halifax, Gibraltar, die 
Jonischen Inseln, St. Helena, Paramatta, Mauritius, Madras, Ceylon 
und Jamaica. Die Kön. Societät soll Geld vom Gouvernement 



— 28 — 

fordern und dem Gouvernement wird es vorläufig als grosse Schande 
vorgehalten wenn es taub bleibe. Zur Berathung über Wahl, An- 
fertigung und Vergleichung der Instrumente (man geht auf stünd- 
liche und absolute Abweichung. Inclination und Intensität auch anf 
meteorologische gleichzeitige Beobachtungen aus) soll ein eigenes 
Comittd ernannt werden. Pentland der zum General-Consul in 
Bolivia ernannt ist und den auf mein Gesuch Lord Palmebston mit 
Instrumenten reichlich versieht, soll Apparate aufstellen an der 
Stidseektiste und auf 9000 Fuss Höhe. Das klingt alles sehr schön. 
Es gährt: möge es mehr als Schaum geben. Ueber Ihre Apparate 
will man noch nicht sich erklären, da ich ihn doch so sehr em- 
pfohlen, the method adopted by Mr. Gauss being already before the 
Royal Society in a memoir which has been communicated by him 
it is unnecessary here to enter into the application given by Mr. 
DE Humboldt. Am Ende kommt (p. 10) wieder vor: We may 
however in the mean time (ehe das Comitt^ die Instrumente ge- 
wählt hat) offer a remark on the apparatus of Mr. Gauss. Da 
wird denn sonderbar albern behauptet dass so vortrefflich auch sehr 
schwere Magnete die regelmässige stündliche Bewegung angeben 
mögen, so würden sie doch nicht für plötzliche Perturbationen em- 
pfänglich genug sein. We apprehend that the great weight of the need- 
les would prevent their recording the sudden extraordinary changes 
in the direction of the magnetic force, which are probably due to 
atmospherical changes. Darauf eine andere very curious objection 
dass so wirksame und mächtige Magnelstäbe zu weit umher wirken 1 1 
und das Aufstellen anderer Apparate unmöglich machen. Hat man 
denn in London nicht gelesen was bereits vor Ihren Apparaten ge- 
leistet ist, wie gerade der Parallelismus der Curven sich auf die 
Perturbationen (sudden changes) bezieht. Verzeihen Sie theurer 
Freund die Flüchtigkeit dieser Zeilen und erhalten Sie Ihrem wäim- 
sten Verehrer die Gewogenheit auf die er so stolz ist. Es hat mich 
unendlich geschmerzt Ihrem recht kenntnissvollen, liebenswürdigen 
Verwandten bisher nicht haben nützlich sein zu können in seinen 
Eeiseplänen. 

Teplitz den 50. Mi 1856. 

AI. Humboldt. 



A. V. Humboldt an Gauss. 

Verehrungswerther Freund! Ich erhielt Ihre wichtige, langer- 
sehnte Schrift üher den tellurischen Magnetismus in den letzten 
Tagen meines Aufenthalts in Potsdam. Erst von hier aus, wohin 
ich den König, wie immer, begleitet habe, kann ich Ihnen meinen 
innigsten Dank für Ihren liebevollen Brief und für die vielfache 
Belehrung, welche mir jene Schrift gegeben, darbringen. Ihr grosser 
Name und die völlige Umgestaltung der Beobachtungen, welche Sie 
geschaffen und verbreitet haben, hat jetzt eine Association zu Stande 
gebracht, deren Früchte allmälig die Entzifferung »jener geheimniss- 
vollen Hieroglyphenachrift « sein wird. Auf mehr als zwanzig Punkten 
sind jetzt schon Ihre Instrumente aufgestellt und der Vorzug, in 
Zwischenräumen von so wenigen Minuten mit bewundernswürdiger 
Genauigkeit die Winkel messen zu können, ist ein Gewinn den nie- 
mand verkennen kann. Was bei mir bloss Wunsch und schwaches, 
unvollkommenes Beginnen war, ist durch Sie, hochverehrter Freund, 
jetzt in's Leben gerufen. Das Auge ruht mit einem besonderen 
Genüsse auf diesen Tafeln, denn, wie Sie so schön und beredt sagen 
»ein eigenthümlicher Zauber umgiebt das Erkennen von Mass und 
Harmonie im anscheinend Regellosen.« Von ganz besonderer Wich- 
tigkeit sind mir p. 90 — 103 gewesen, wo Sie manche Winke über 
den tiefen Zusammenhang gleichzeitig wirkender einzelner Kräfte 
geben. Die Beschreibung der Apparate und ihrer Behandlung ist 
klar und lichtvoll, wie alles was unserem Wilhelm Weber auf- 
getragen wird. Ich habe seit Monaten in Berlin einen Abdruck der 
theils von mir angestellten, theils seit meiner sibirischen Reise ge- 
sammelten unvollkommenen stündlichen Beobachtungen (in franzö- 
sischer Sprache) angefangen. Wenn ich ihn vollende, so habe ich 
nur eine Pflicht gegen damals mitarbeitende erfüllen wollen und die 
Jahreszahlen selbst können zur Entschuldigung dienen. Ich lebe 
der grossen Hoffnung bald über alle diese Gegenstände Ihre münd- 
liche Belehrung (Anfang September] einsammeln zu können. Es ist 
mir bisher sehr unwahrscheinlich dass ich zu jener Zeit nicht in 
Deutschland sein sollte, obgleich der Tod meines Buchhändlers Gide, 
grösseren Verwirrungen vorzubeugen, meine endliche Anwesenheit 



— 30 — 

in Paris wünschenswerth machen würde. Hier in Böhmen habe ich 
mit Graf Stebnbebo einen bitteren Kampf gefochten. Man hat es 
für ganz unmöglich gehalten, dass ich nicht die Versammlang der 
wandernden Naturseelen in Prag vorziehen sollte. Ich habe mich 
aber tapfer vertheidigt, als Zögling der grossen Göttinger Lehran- 
stalt und in Beziehung von Veraprechungen welche ich Ihrem Könige 
und dem Herzog von Cambridge vor vielen Jahren gegeben. Noch 
wichtigere Gründe (die wahren) durfte ich nicht anführen. Einige 
Stunden mit Ihnen, theurer Freund, sind mir lieber als alle See- 
tionen der sogenannten Naturforscher, die sich in solchen grossen 
Massen und so gastronomisch bewegeU; dass des wissenschaftliehen 
Verkehrs für mich nie genug gewesen ist. Ich habe mich am Ende 
immer gefragt wie der Mathematiker am Schluss der Oper »en dites- 
moi fi-anchement ce que cela prouvecc Es ist überaus unartig, dass 
man uns, trotz meiner wiederholten Erinnerung, immer nicht die 
Isländer Beobachtungen 10. — 18. Aug. 1836 gesandt hat. Wahr- 
scheinlich werden im hohen Norden, nach Ihrer scharfsinnigen Eni- 
Wickelung S. 99, die Perturbationen sehr stark gewesen sein. Ich 
habe von hier aus unmittelbar an Herrn Lottin geschrieben. Jene 
Menschen scheinen gar nicht einzusehen, wie Beobachtungen, ohae 
schnellen Wechselverkehr, von ihrer Wichtigkeit verlieren. Ver» 
zeihen Sie das Unleserliche dieser Zeilen. Mein kranker Arm ge- 
hört schon zu den vorweltlichen Resten. Erhalten Sie mir ein 
Wohlwollen das mein Stolz ist. Mit alter unverbrüchlicher Ver- 
ehrung und Liebe. 

Teplitz den ^7. Juli 1857, Ihr ganz gehorsamster 

AI. Humboldt. 

Ich werde mit meinem Könige gegen den 2. August in Berlin 
zurück sein. 

25. 

A. V. Humboldt an Gkass. 

Berlin den 50. Sept. 1857. 

Wenn auch nur in flüchtigen Zeilen, kann ich mir doch die 
Freude nicht versagen, Ihnen, theurer hochverehrter Freund, vor- 
läufig den Ausdruck meiner innigsten Dankgeftihle für die auf Ihrer 



— 31 — 

Sternwarte verlebten scjfönen Tage darzubringen. Sie sind mir nicht 
bloss, wie immer , geistig gross und alles was Sie kühn und tief 
angreifen beherrschend, erschienen : Sie waren auch voll Milde und 
Herzlichkeit und Wärme ^s Characters, Züge die Ihnen den so ge- 
lungenen, anmutiiigen, sinnigen Eingang Ihrer Societätsrede inspirirt 
haben. Es ist etwas Grosses im Leben, so dem Grossen seiner Zeit 
haben nahe tretet zu können. Ich war zwei Tage in Hannover, 
wo ich alle Minister, Hofleute und Gesandten besucht; mit beson- 
derer Freude aber die noch immer geistig muntere Miss Herschel, 
der mein Besuch viel Freude zu machen schien, weil ich von Ihnen 
kam. Sie hatte eben als ein Geschenk für den Neffen bei der Rück- 
kunft ein Tfüssiges Teleseop zusammensetzen lasden, zu dem ihr 
alle optischen Theile noch der grosse Bnider vermacht. Sie zeigte 
mir Briefe vom Cap mit Zeichnungen (Configurationen) des Saturn, 
da der Neffe zwei ganze Nächte hindurch 6 Trabanten gesehen. 
Zum 7. scheint er kein Vertrauen zu haben, wenigstens verstand 
mit einigem Aerger Miss Hsbschel so den Ausruf: the 7th I shall 
never seen. ßie leidet keine Ungewissheit. Bei ihrem astronomi- 
schen Interesse hat sie auch glücklicher Weise einige weibliche Ten- 
denzen: sie quält sich mit der Ungewissheit, ob der König sie im 
Winter zu einem Hofconcert einladen wird, wie der Vicekönig regel- 
mässig that! Der König Ebnst hat mich sehr wohlwollend em- 
pfangen und mir eine Audienz einer vollen Stunde gegeben. Er 
rühmt noch immer alles was er in Göttingen gesehen »artigere junge 
Leute wären ihm noch nicht vorgekommen«. Ich konnte nicht am Hofe 
essen, da wegen der Nachricht von dem Hinscheiden des Herzogs 
Cabl der König sich ganz zurückgezogen und mehrere Tage auf 
seinem Zimmer speiste. Die Königin war vor Schreck bettlägerig. 
Der Kronprinz ist in seinen physischen Kräften sehr gestärkt. Da 
er leidenschaftlich Musik liebt so war er sehr mit Webeb's schönen 
akustischen Versuchen, von denen er gehört, beschäftigt. Encke ist 
bei der Aufstellung seines endlich vollendeten Pistor'schen Merid.- 
Kreises. Ich habe mit seinem Rathe den Termin für die Stern- 
schnuppen (nach Ihrem Wunsche, theurer Freund) in der Staats- 
Zeitung angekündigt. Es konnte wenn man nur einmal 24 Stun- 
den ansetzt, einiger Zweifel wegen des Tages sein : wir haben nach 
reiflicher Vergleichung gewählt: 

vom 13. November Mittags bis 14. November Mittags. 



— 32 — 
Wer viel Masse hat, mag auch oft die Nadel ansehen in der 

# 

Nacht vom 12. zum 13. undjvom 14. zum 15. Denn entweder irückt 
der Knoten oder es ist eine breite Zone. Vielleicht interessiren Sie 
folgende sichere Daten aus meinen Papieren : 

Nacht 11 — 12 Nov. 1799 Cumana, Labrador, Brasilien (Hnmb. 

Rel. hist. I. 519. 4to). 
12—13 Nov. 1822 Potsdam. Poggend. B. II. p. 219. 
12—13 Nov. 1832 Europa, Arabien, Orenburg. Pogg. B. 29 

p. 447. 
12 — 13 Nov. 1833 Ganz America. Pogg. B. 33 p. 129 u. 

189—214. 
13 — 14 Nov. 1834 Ganz America wieder Prof. Olmstedt 

Pogg. B. 34. p. 129. 
13—14 Nov. 1835 Frankreich. 
14 — 15 Nov.? 1835 Herschel, Cap. 
13 — 14 Nov. 1836 Deutschland, aber in Frankreich glaubte 

man der stärkste Fall sei gewesen Nacht 

12 — 13. November. 

Darf ich Sie gehorsamst bitten dem theuren Webeb zu sagen, 
wie sehr ich von der Aufopferung gerührt war, mit der er mich in 
Göttingen gepflegt. Mit inniger Verehrung und Dankbarkeit 

Ihr 

AI. Humboldt. 

Ich muss heute schon mit dem König nach Potsdam. Viele, 
viele Grüsse an Herrn von Saktorius, Dr. Listing und Dr. Gold- 
schmidt. Dass ersterer ja seine uns theure Gesundheit schont! 

Meine innige Verehrung Ihren zwei liebenswürdigen Töchtern 
und an Herrn Prof. Ewald, der schon meinem Bruder so theuer war. 
Zu der philologischen wandernden Gesellschaft, deren Vorsitz ich 
soll, laut den Zeitungen, geführt haben, wird niemand kommen, als 
die zunächst um Nürnberg wohnenden. 

Der 2te grosse periodische Stemschnuppenfall ist in der ersten 
Hälfte des August 

14 — 15. August zwei Jahr hinter einander 1826 und 1827 beob- 

achtet zu Rom 
10—11. August 1837 Paris. 



— 33 — 

Aber ! leider wissen wir noch gar nicht was viel Sternschnuppen 
heisst? Wir wissen? nicht wie viele im Mittel mehrere Monate in 
einer nächtlichen Stunde am ganzen sichtbaren Himmelsgewölbe fallen ? 
Ueber Phaenomene wie die vom 11. — 12. Nov. 1799, 12. — 13. Nov. 
1833 und 13. — 14. Nov. 1834 die wie Feuerwerke ganze Populationen 
aufregen , kann allerdings kein Zweifel bleiben , aber so waren die 
anderen Fälle nicht. Sie sehen aus der Länge meines Briefes dass 
die Sternschnuppen mich Benzenbergisch langweilig machen. 

26. 

A. V. Humboldt an G-auss. 

Ich habe, Verehrungswerther Freund, gleich nach meiner An- 
kunft in Berlin , Ihnen den Ausdruck meiner innigen und tiefen 
Dankbarkeit für den Genuss dargebracht, den Sie mir in Geist und 
Gefühl während des Aufenthalts in Göttingen d. h. auf Ihrer 
Sternwarte, in Ihrem Hause geschenkt haben. Das sind Licht- 
punkte des Lebens die einen um so mehr erfreuen und anregen, 
als man dem fossil erstarrten Zustande näher kommt. Wenn ich 
seitdem Sie nicht aufs neue mit meiner mikroskopischen Schrift be- 
lästigte, so war es nur, weil ich den, von uns beiden besprochenen 
Termin der Taschen-Planeten (vulgo Asteroiden und Sternschnuppen) 
abwarten wollte. Sie sind nicht zahlreich gewesen, aber trotz des 
Mondscheins und des bezogenen Himmels wurden doch in der Nacht 
vom 13/14 in 2 Stunden in Turin 78 gezählt, in Bremen (34) und 
in Wien 'wovon LiTTROW einen breiten Bericht gegeben. Also hat 
der Zufall doch gewollt, dass der Termintag (13.) glücklicherweise 
der Asteroiden-Tag, aber unglücklicher Weise nicht der Tag der 
beiden Nordlichte war. Diese waren 12/13 u. 14/15. Ich schicke 
Ihnen, theurer Freund, meine eigenen Beobachtungen , die von H. 
Herter (Erman's Schwager, sonst für Encke rechnend) beide leider I 
Gambeyischl aber ohne Essig und Oel und ein Schreiben aus Breslau 
mit schlechten Notizen von mir verbrämt. Ich wartete mit der Ueber- 
sendung weil ich hoflFte von Boguslawski die Originalbeobachtungen 
umständlicher zu erhalten. Ich lege auch die Curve der Berliner 
Beob. bei, von Mädler gezeichnet, nach Encke's Beobachtung der 

Brahns, Briefe. 3 



— 34 — 

Sternwarte. Letztere haben Sie schon. Das ist wahrscheinlich mehr 
als Sie wünschen. Ich bitte, dass Sie keines dieser Papiere mir 
zurücksenden. — Ich würde nicht gewagt haben Sie mit meinen 
eigenen unvollkommenen Beob. zu behelligen, wenn nicht der Zufall 
gewollt hätte, dass in der Nordlicht-Zeit 12/13 ich aUein, und im 
Nordlicht vom 14./ 15 ich und Hebteb allein in Berlin beobachtet 
haben. Auf der Sternwarte war in den Nordlichtnächten nicht an 
Ihrem Instr. beobachtet worden, weil wir das Phänomen nicht ge- 
sehen, was ich bedaure, weil ich gern an Ihrem Apparate, die Ber- 
liner Beob. mit den Breslauem verglichen hätte. Ich selbst beob- 
achtete bei mir bloss zu eigenem Vergnügen und in der Hofihnng 
dass andere gleichzeitig an Spiegelapparaten besser beobachten wür- 
den. Sind die Nordlichte bloss zufällig mit den St. -Fällen zusam- 
mengetroffen, oder von jenen erregt worden? Bei dem denkwürdigen 
Fall in Nordamerika sahen einige Beobachter auch Nordlicht-Erschei- 
nungen. Kann ein solches cosmisches Phänomen ein terrestrisches 
(Nordlicht) erregen ; das alles ist sehr dunkel und wird uns H. 
Benzenbebg (!j dogmatisch erklären. Ich bin sehr neugierig von 
Ihnen, Verehrter Freund, zu hören, ob Ihre Nadel trotz aller Be- 
i-uhigungselemente in den Nächten 12. /13. u. 14./15. stark oscillirte? 
In der Nacht 13./ 14. war die Nadel (Gambey!) bei mir sehr ruhig; 
ungeheure Schwankungen von 40' bis 45' kamen während der Nord- 
lichte vor, aber so ungleich, dass die grössten Veränderungen der 
Abweichung bald während heftiger Oscillationen, bald so vorgingen, 
dass die Nadel ganz ruhig fortschritt, ja bisweilen sichtbar so wie 
eine Person die im Fortschreiten tactweise stille steht. Ich lege Ihnen 
auch eine Tabelle von Qüetelet bei, in der das häufige Wieder- 
kehren des St. -Falles am 10. Aug. sehr auffallend ist. Darf ich 
Sie bitten, theurer Freund, bei dem H. Prof. Weber, H. Gk)LD- 
SCHMIDT, Sabtoriüs, Listing uud Ihrem vortrefflichen Schwager 
mein liebevolles Andenken zurückzurufen. 

Verehrungsvoll, dankbar, und immer gleich unleserlich 
Berlin den 30, Nov, 1837. Ihr 

AI. Humboldt. 

Nach einem sehr neuen Briefe von Hebschel an Qüetelet 
wird jener vor dem Juli in Europa zurück sein. Er hat am Cap 
beobachtet: 654 n^buleuses, 475 steiles doubles. 



— 35 — 

27. 
A. V. Kimboldt «n (kuss. 

Ich melde Ilmes y innigst verehrtester Freund, bloss durch diese 
Zeilen, von denen ich hoffe dass sie in Ihre Hände kommen, mit 
wie tiefem Schmerze ich Ihren Brief vom 19. empfangen, wie wohl- 
thätig mir dieser Ausdruck Ihres Wohlwollens war und wie meine 
Gedanken seit einem Monate nach 6. gerichtet sind. In dTeser 
Richtung liegt beharrlich das Bestreben nützlich sein zu können, 
aber leider habe ich auch dazu noch keine tröstliche Aussicht. 
Selbst, was mir so einfach und klar scheint, das Anerkennen des 
Edeln in einer Handlungsweise, die , mit Ausschluss aller politischen 
Aufregung, jeglichen äusseren Vortheil der Stimme des Gewissens 
glaubt aufopfern zu dürfen, ist Vielen aus den sogenannten hohem 
Beigionen fremd. Nachbarliche Bedenklichkeiten verrücken auch den 
Gesichtspunkt. Die Zeit soll, denke ich, eine richtigere Ansicht 
herbeiführen. An mir zweifeln Sie, mein theurer Freund, und 
unser lobenswürdige geistreiche harmlose W. nicht. Wie schreck- 
lich wäre es, alles das gestört zu sehen, was ich (vor Monaten] in 
vollen fruchtbringenden Halmen aufsehiessen sah. Dazu schwebt 
meiner Phactasie das Bild Ihrer zarten, kranken schönen Tochter 
und des edeln E. vor. Ich bin schwach genug die Trennung 

nicht zu wünschen und an einen Dens ex machina zu glauben 

freilich ein mythischer Glaube. Das Herz steht mir nicht, Ihnen 
von anderen Meteoren zu schreiben. Die unpunctirte Linie ist aller- 
dings die wahre , aber es ist gar keine Linie ; denn ich hatte weder 
die miti^re Zeit genau, noch dachte ich daran mehr zu thun, als 
das Allgemeine die Perturbation zu meinem Vergnügen zu controliren. 
Ein Enkel des grossen Franklin, qui fulmen eripuit Coelo sceptrum- 
que tyrannis, der Prof. der Physik in Philadelphia Herr Dallas 
Bache, ein in magnetischen Dingen sehr unterrichteter angenehmer 
Mann, bringt Ihnen diese Zeilen. Schenken Sie ihm eine freund- 
liche Aufnahme. Er verdient sie in hohem Masse. Mit alter dank- 
barer Verehrung 

Potsdam den 2ö. Dec. 1837. 

Ihr gehorsamster 

AI. Humboldt. 

3* 



— 36 — 
28. 

A. y. Humboldt an Gauss. 

Wenn ich Ihnen, theurer hochverehrtester Freund , über die 
traurige Lage der Dinge einige Tage später schreibe, als ich es in 
meinem nach Hamburg an den lieben Weber gerichteten Brief an- 
kündigte, so liegt der Grund davon bloss darin, dass ich in den 
letzten Tagen der Anwesenheit des Monarchen, mich noch in dem 
Resultate meiner Forschungen bekräftigen wollte. Ich werde es 
über mich zu gewinnen wissen, dass auch in diesem heutigen Briefe 
der Ausdruck jedes anderen Gefühls, als der des Schmerzes unter- 
drückt werde. Die Betrtibniss, mit der wir uns in Göttingen ver- 
liessen, war wie mit bösen Ahnungen gemengt. Einige Hoffnung 
war mir zu Auswegen geblieben: Ihr herrliches letztes Schreiben, 
voll Weichheit des Gefühls, aber auch voll männlicher, edler Stärke 
des Charakters, forderte mich auf Schritte zu thun, um die Mög- 
lichkeit zu wissen. Das habe ich, mit Vorsicht, bloss in meinem 
Namen, als Landsmann und persönlicher Freund Wilhelm W.'s, 
als Zögling der berühmten Hochschule, als derjenige in Europa ge- 
than, den die plötzliche Störung der grossen Arbeit über den tel- 
lurischen Magnetismus, welche Sie vollenden und welche Ihren 
Methoden das Dasein verdankt, am tiefsten bewegen muss. So 
freundlich sich auch der König oft, während des Wirrwarrs des 
hiesigen Hoflebens, mir genähert, so war aus Gründen, die Sie 
kennen, auf freimüthige persönliche Erläuterung keineswegs zu 
rechnen. Ich konnte aber zwei überaus wohlwollende und von dem 
Monarchen sehr geachtete Personen anwenden, den General von 
C. . . (?) und den Gr. H-z. Beide haben all den Eifer in der Sache 
gezeigt, den man selbst von eigentlichen Gelehrten kaum hätte 
erwarten dürfen: sie haben beide auch; den Abstand gemessen, 
die Grenze bestimmt, welche zu überschreiten moralisch unmöglich 
ist. Es würde sich 'für diesen Brief, den ich unter vielen Störungen 
schreibe, nicht eignen, Ihnen, hochverehrter Freund, Nachricht von 
den einzelnen Schritten und von allen Aeusserungen jener zwei 
Personen zu geben. Ich beschränke mich auf das allgemeine Re- 
sultat. »Der König würde nach der Energie, die zu behaupten er 
glaubt, gezwungen gewesen zu sein, gern Milde zeigen: er würde 



— 37 — 

freundlich einen Antrag aufnehmen wenn mit dem Gesuch über das 
Wiedereinsetzen in die vorige Stelle Entsagung und zwar deutlich 
ausgesprochene, der früheren Protestation verbunden wäre. Die 
Einwendung, dass ein solches Gesuch um die nicht vergebene Stelle 
ja stillschweigend das Versprechen involvire, sich vor politischen 
Urtheilen und Einmischungen entfernt zu halten, hat nicht gefruchtet. 
Es muss eine Entsagung des für Irrig Gehaltenen ausgesprochen 
sein. Es würde nicht genügen, wenn man sage, die frühem Aeusse- 
rungen wären missverstanden, als zu feindlich interpretirt worden; 
€8 hätten sich dieselben mehr auf die inneren Regungen des Ge- 
wissens bezogen; Lehrvorträge der Physik wären ja ohnedies allen 
soliden Beziehungen auf die Gegenwart fremd; man wünsche (aus 
Leidenschaft für die Wissenschaft, um nicht eine Arbeit zu stören, 
an der das ganze gebildete Europa Theil nehme, das über Göttingen 
Glanz verbreite, der Schiffarth so heilsam werden könne) einen 
talentvollen Physiker, als mitwirkend in Ihrer Nähe zu erhalten. . . . 
Die Antwort ist immer gewesen, die Bedingung ausdrücklicher Ent- 
sagung sei unerlässlich, da der Köm'g bei den Zwecken die er durch- 
setze, nicht unconsequent sein dürfe, da er sonst anderen deutschen 
Fürsten (der König von Würtemberg war in Berlin) das Recht zu- 
gestehen würde, die Ausgeschiedenen anzustellen.« Ich schreibe 
dieses mit tiefem Schmerze, weil mir jetzt keine Annäherung mög- 
lich scheint. Gesetzt auch dass die Sprache Wendungen darböte, 
welche jene Ansprüche und das innere Geftthl gleichzeitig befrie- 
digten, so ist nur zu wahrscheinlich, dass nicht der Brief (das Ge- 
such) selbst in H. veröffentlicht würde, sondern dass die H. Zeitung 
bekannt mache, Sr. Maj. hätten geruht, die Stelle wiederzugeben, 
weil der Bittsteller sein voriges Unrecht eingesehen. Der Monarch 
wäre selbst vollkommen berechtigt dem Gesuche eine solche Deutung 
zu geben. So streitet also in dem Conflict, der jetzt mit einem 
Theil der Stände statt findet, das politische Interesse der executiven 
Gewalt oder vielmehr die Ansicht von diesem Interesse, mit den 
moralischen Pflichten und Gefühlen unseres Freundes, nicht dass ich 
in dem unglücklichen Feldzuge, einen Separatfrieden schlechterdings 
für unmoralisch halte, aber in dieser Sache sind auch andere Be- 
denken, welche aus der Lage eines öffentlichen Lehrers, aus der 
aufgeregten Stimmung des grösseren Theils der akademischen Jugend 
entspringen. Ich glaube, mein theurer Freund, in dieser mir und 



— 38 — 

den Wissenschaften so wichtigen Sache alles gethan zu haben was 
möglich war. Es sind nnmittelbare Entscheidungen erlangt werden. 
Es ist auch schon etwas gewonnen, den jetzigen Standpunkt be- 
stimmt bezeichnen zu können. Wäre ungeschehen was gesohdien 
ist so würde ich ^ilich meine Erinnerungen aus Frankreich anrufen» 
wo ich so vielem Wechseln der Regierung und Constitutionen bei- 
gewohnt habe. Glücklich ist es, wenn wissenschaftliche Institute 
den Einwirkungen jener politischen Wechsel fremd bleiben können, 
ich sage Institute, denn dass ich nicht das Gräuel begehe, zu wollen, 
dass der Gelehrte nicht Staatsbürger sei, dass er fremd bleibe dem, 
was durch die bürgerlichen Einrichtungen auf die Fortschritte der 
Intelligenz, auf die Veredlung der Menschheit, auf die freieste Com- 
munication der Ideen und Gefühle wohlthätig gewirkt wird, trauen 
Sie mir [bei den Meinungen die ich 40 Jahre lang öffentlich aus- 
spreche und in meinen Schriften verkündige] von selbst zu. Da 
wichtige, dem Monarchen sehr ergebene Personen in diesen Anfragen 
(die als bloss von mir ausgehend gemacht wurden] , mit der grössten 
Gutmüthigkeit gewirkt haben, so bitte ich Sie, theurer Freund, diesen 
Brief als für Sie allein geschrieben zu betrachten. Ich habe nicht 
Müsse, ja ich darf leider I sagen nicht Stimmung von unsem wissen- 
schaftlichen Lieblingsgegenständen mich mit Ihnen zu besprechen 
oder auf die Punkte zu antworten die Sie so geistreich in Ihrem 
Briefe berühren. Ich habe den schönen Bifilarbeobachtungen hier 
beigewohnt und die Schärfe bewundert, mit der jetzt die Intensität 
der Winkelmessung unterworfen werden kann. Auch der kleine 
Apparat mit dem W. hier die absolute Intensität nach Ihrer Methode 
bestimmte, hat mir viel Freude gemacht. Ich höre von dem viel- 
schreibenden H. Gaimabb dass er Sie gebeten habe, die franz. 
Commission von Astronomen und Physikern, die die lange Nacht 
am Nord-Cap zubringen sollen, bis zum Herbste mit Ihrem Spiegel- 
Apparat zur stündlichen Declination versehen zu lassen. Gaimabd, 
der leider! die böse Gewohnheit hat, alles drucken zu lassen, was 
man ihm schreibt, ersucht mich in einem letzten Briefe, Sie zu be- 
wegen, jenem Apparate auch die kleinen, zur absoluten Intensität 
beizufügen. H. Mobtin (?], der franz. Gesandte in Hannover, werde 
alles pecuniäre besorgen. Es wäre allerdings unglücklich wenn 
jene einzige Gelegenheit correspond. Beob. zu Ihren Terminen 
zu erhalten, unbenutzt bliebe. Ich habe Ihren ersten. Theil der 



— 39 — 

Beob. an Oaimard geschickt. Möge aus Upsala oder Stockholm 
Jemand dabei sein, der mit den Apparaten recht umzugehen wisse. 
Ich will bei Encke, da ich selbst in einigen Wochen [vor dem 
27. Juni) zur Teplitzer Reise mit meinem König Berlin verlasse, 
die so eben erhaltenen Observations magnetiques de Mr. Lottin in 
Island und Grönland 1835 — 1836 deponiren (ein Heft von 224 Seiten 
mit vielen graphischen Darstellungen gleichzeitiger Beob. von Paris 
und Island 10 — 28. Aug. 1836). Sollten Sie es noch nicht be- 
sitzen so wird es Ihnen Encke schicken sobald Sie es befehlen. 
Der unselige Streit zwischen diesem unseren Freunde und Bessel 
betrübt mich über alle Massen. Es ist ein heilloser Zustand, dass 
ein Königsberger Astronom nicht unsere Berliner Sternwarte glaubt 
besuchen zu dürfen — und jetzt haben Schumacher und ich nichts, 
nichts erlangen können. Auch hier muss die Zeit heilen. 

Von dem Treiben, das mich seit 3 Wochen fortgerissen, neben 
80 Briefen die ich in einer Woche empfangen, zugesandten Büchern, 
die ich allen Kaisern, Königen, Grossherzögen und Infasions-Prinzen 
übergeben soll — haben Sie keine Idee. Dazu 3 — 4 Correcturbogen 
meiner Geogr. des 1 5 . Jahrhunderts aus Paris, eine in der Akademie 
gehaltene Vorlesung und Schreien um Manuscript zur Fortsetzung des 
Druckes. ... Sie beklagen mich gewiss. Mit inniger Liebe und 
Verehrung. 

Berlin den 9. Juni 1838. Ihr 

AI. Humboldt. 

In den Briefen die ich unserem W. an den Herzog von Sachsen 
und Baily mitgegeben habe ich sehr auf Erleichterung und Ueber- 
nabme des Drucks der magnet. Beob. gedrungen. In dem Journal 
der Geogr. Soc. ist von mir ein Brief über die nothwendige Ver- 
breitung Ihrer Methoden abgedruckt. Herzliche Grüsse an H. Dr. 
Goldsohmidt. 

29. 

A^ V. Humboldt an Oaass. 

Berlin den i5. März 1839, 
Ich bin so unglücklich, von meinem Könige zu einer Stunde 
gestört, in der ich sonst immer frei bin, Ihnen, hochverehrter und 



— 40 — 

mir immer so gütiger Freund, heute nur wenige Zeilen schreiten 
zu können. Diese Zeilen enthalten die Bitte dem Ueberbriager^ 
H. Plantamoüb, einem jungen, sehr angenehmen und beschei- 
denen Menschen, eine freundliche Aufnahme zu schenken und ihm 
besonders die Erlaubniss zu geben, sich von Ihren herrlichen mag- 
netischen Apparaten zu unterrichten. Ich habe den jungen Mann, 
der zum Director der Sternwarte in Genf bestimmt ist, wenn der 
kranke Gauthieb sich zurückzieht; lange in Paris auf der dortigen 
Sternwarte gekannt. Er hat den guten Sinn gehabt auf 1 Y2 ^^^ 
zu Bessel nach Königsberg zu gehen, wo er erst die eigentliche 
Grundlage seiner astronomischen Ausbildung gelegt. Bessel ist sehr 
mit ihm zufrieden gewesen und lobt ihn als Beobachter. Ich war 
6 Monate lang in der grossen Babel (Paris) sehr^wohl und arbeit- 
sam da ich mir in den entresols der Bibliothek des Instituts einen 
einsamen Vormittag, von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr Abends, zu 
verschaffen weiss. Hier habe ich in den letzten 8 Tagen viel von 
Schnupfenfieber und störenden gesellschaftlicheft Pflichten gelitten. 
Machen Sie mir die Freude nun bald einmal ein Wort, nicht über Ihre 
Arbeit, sondern über Sich selbst und Ihre Stimmung und unsem ge- 
meinschaftlichen Freund Weber und über Ihre ^abwesende so lie- 
benswürdige Tochter zu schreiben. Sie wissen, dass meine dankbarste 
gemüthlichste Zuneigung zu Ihnen und den Ihrigen meiner Verehrung 
für Ihren Geist gleich steht. Kreils Resultate über Mondeinfluss 
bei*uhen bei aller Regelmässigkeit doch auf sehr kleinen Quantitäten. 
Ich bleibe unsicher. Der viel schreibende Sabine behauptet die 
Magnetica in England werden endlich erblühen, Dank sei es 
Ihrem Namen, Hebschel's Eifer und Lord Minto's neuem Verspre- 
chen; sonderbar genug dass immer durch Privatkräfte das bessere 
geschieht. 

Mit ewiger Anhänglichkeit und Liebe Ihr 

AI. Humboldt. 

30. 

A. V. Humboldt an G-auss. 

Paretz f im Havellande d. 18, Juni 1859. 
Ich muss fast besorgen, mein innigst verehrter Freund und 
College, in den bösen Verdacht der Undankbarkeit zu gerathen; 



% - 41 — 

wenn nicht eine, auch Ihnen unerfi'euliche Ursache mein auffallend 
langes Stillschweigen rechtfertigte. Meine Gesundheit gewöhnlich 
wunderbar fest bei einem so maunichfach angestreugten Körper, 
war sehr gewichen seit einem arbeitsamen und langen Aufenthalte 
in Paris. Ich habe besonders den halben April und ganzen Mai 
von anhaltendem Husten und Grippe (eine ziemlich sinnlose, syste- 
matische Bezeichnung der pathologischen etc.l) gelitten. Erst seit 
14 Tagen finde ich mich ganz wieder ermuthigt und ich befinde 
mich seit 4 Tagen mit meinem Könige in der ländlichen Ein- 
samkeit des Havellandes (in Paretz). Ich wollte Ihnen nicht eher 
meinen wärmsten Dank wie den Ausdruck meiner Bewunderung 
und Liebe darbringen, als bis ich recht frischen Geistes über das 
Gelingen einer Arbeit schreiben könnte, die zu den grossartigsteu 
und umfassendsten gehört, welche ich unter meinen Zeitgenossen er- 
lebt. Meine Freude über ein solches Gelingen entspricht der An- 
hänglichkeit die ich für den Entdecker der wahren Theorie des 
Erdmagnetismus (und eine Theorie die unabhängig von allen beson- 
dem Hypothesen über die Vertheilung der magnetischen Flüssigkeit 
in der Erdmasse ist] in meinem Busen bewahre. Was ich von dem 
tieferen algebraischen Zusammenhang nicht gleich verstand, hat mir 
Jacobi, mit dem ich selbst schriftlich darüber verhandelt und den 
ich stets bei meinem Aufenthalte in Potsdam besuche, zur Induction 
gebracht. Zuversicht und Glaube erleichtem die Einsicht und stär- 
ken das Fassungsvermögen. Die grossen Geister üben eine anzie- 
hende Kraft aus. Ihre »allgemeine Theorie« hat mich nun seit 
6 Wochen fast ununterbrochen beschäftigt. Das Büchlein ist mir 
Hberall gefolgt und ich lebe in der frohen Täuschung dass ich die 
Theorie besitze, ja vollkommen verstehe, wie in derselben die Mit- 
tel liegen eine Menge specieller physikalischer Nebenfragen auf das 
gründlichste beantworten zu können. Siebenzigjährig im nächsten 
September versteinere ich langsam und (wie es sich für einen 
alten Geognosten geziemt) von den Extremitäten beginnend. Das 
Herz ist noch nicht erhärtet und Schlägt mit erhöhter Wärme für 
den, der des Blitzes Helle in das geheimnissvolle Dunkel verwickel- 
ter Naturerscheinungen sendet. Wenn Lagrange über die ewige 
Vergleichung zwischen sich und dem Verfasser der M^canique Celeste 
in menschlicher Anwandlung mislaunisch wurde, so pflegte er mir 
zu sagen »Man sieht klar nur durch ein ganz geöffnetes Thor. Le 



— 42 — ♦ 

grand G^om^tre fait doDner un seul coup et la porte est onverte, 
Mr. Laplace donne snecessivement de petita coups, il en donne trois 
on quatre. La porte ne cMe qn^nn pen et Ton voit mal on rien 
par une porte ä moiti^ ouverte I « Der RieBeDSchlag ist nun vtm 
GöttiDgen ausgegangen. Die Forderung von Lagrakge ist erfdlit. 
leh habe seitdem ich angefangen mich, durch Bobda angetrie- 
ben, mit magnetischen Beobachtungen zu beschäftigen, zwei vage 
aber richtige Inspirationen gehabt: Hass gegen die Multiplication der 
magnetischen Erdpole und der Gabelung (Bifnrcation} isogonischer 
Linien, grosse Vorliebe fßr die Messung der Intensität. Ich er- 
kannte empirisch die Zunahme der totalen Intensität vom magne- 
tischen Aequator gegen die magnetischen Pole hin; es ist ganz un^ 
gerecht und undictorisch, dass Sabine dies Erkennen dem Admiral 
De Rössel zuschreibt, dieser hat früher als ich schwingen lassen 
unter sehr verschiedenen Breiten, ist aber erst durph mich veran- 
lasst worden als ich von meiner Reise zurückkam in seinen Ma- 
nuscripten nachzusehen. Er hatte nicht einmal seine Beobachtungen 
publicirt, geschweige das gesetzmässige darinnen gekannt. Die 
Aufstellung der kleinen Magnete, die von Biot aufgewärmte und 
modificirte Hypothese von Tobias Mayer, die schwerfälligen Ver- 
suche von Hansteen waren mir zuwider : ich wünschte die goldene 
Zeit heran, wo ein newtonianischer Geist uns von den Fesseln ge- 
häufter Epicykeln befreien und alle Elemente aus einem Princip 
herleiten würde. Dies Wunder haben Sie vollbracht, mein theurer, 
hochverehrter Freund: meine Augen haben es noch gesehen« Aus 
Ihrer Theorie habe ich nun erst einsehen gelernt, welchen Werth 
die horizontalen Schwingungen haben, wie unrecht ich hatte, sie 
ehemals nur in Verbindung mit Inclinationsbeobachtungen zu schätzenf 
»weil, wenn nach einem halben Jahrhundert die horizontale Kraft 
an einem Orte verändert gefunden würde, man nicht wisse, ob die 
Veränderung Folge der abnehmenden totalen Intensität oder Folge 
der veränderten Inclination oder beider physicalischen Elemente 
zugleich sei.« Aus Ihrem Buche ist mir nun klar geworden, wie 
wenn die Beob. zahlreich »und genau« genug wären, die Richtung 
der Horizontalnadel, aus der blossen Horizontalintensität abgeleitet 
werden könnte. Das ist in der That die Blüthe der Sache, da 
durch ein solches Unternehmen, die mathematische Verbindung, 
die zufolge des Attractionsgesetzes, zwischen den drei Componenteii 



- 43 - 

statt finden mass, klar nachzuweisen ist. Ans Ihrem Buche habe 
ieh erst* ein richtiges Verständniss ttber die sogenannte magnetische 
Axe erhalten, wie über die Bedeutung der Pole, und die von der 
vierfachen unzertrennlichen sechsfachen Zahll Die graphische Dar- 
stellung hat mich bei dem Empfang Ihrer vortrefflichen Schrift in 
grosse Verlegenheit gesetzt. Ich sah bald ein dass sie zwar von 
der grössten physikalischen Bedeutung sei, aber keine einfache 
Kraftüusserung darstellt. Wenn ein incompensibles Fluidum einen 
magnetischen Kern umgäbe und man das Fluidum in viele couches 
d€ niveau sich getheilt denkt so würde die Resultante aller Kräfte 
in jedem Punkte senkrecht auf der durch ihn hindurchgehenden 
couche stehen. Die ganze Erde wäre dann ein. Pol, überall wäre 
die Kraft vertical. Aber die wirkliche Erde durschneidet ein System 

V 

jener couches — ist das Bild der Schneidungscurven und zwei Pole 

bleiben nur als Berührungspunkte übrig. In den Zahlwerthen der 
24 Coefficienten § 26 und der schauderhaften Formel von 71 Glie- 
dern für die Sie Ihre sinnreichen Hülfstafeln construirt liegt demnach 
die ganze Frucht, ja auch der Saamen und Keim zu allem was die 

künftigen Jahrhunderte zur Verbesserung der numerischen Werthe 

V V 

von p liefern werden. Wäre der Ausdruck für -g nicht jetzt schon 

der Wahrheit so nahe, so würde für die ausgewählten 71 Punkte 
von so ungleicher Gültigkeit, die üebereinstimmung zwischen Rech- 
nung und Beobachtung nicht so bewundernswürdig zufriedenstellend 
sein. In dieser üebereinstimmung liegt der Lohn für eine so un- 
geheure numerische Arbeit. Ihre Betrachtungen, wie bei grösserer 
Vervollkommnung der Daten die Theorie selbst lehren wird, wel- 
cher Theil der Anziehung, welcher der Erde zugehört, hat meine 
grösste Neugierde erregt. Aber wenn im Innern des Erdkörpers 
eine Hitze herrscht, welche den Erdmagnetismus ausgleicht (vernichtet) 
wenn nur die obere Erdrinde magnetisch ist, so wird das wunder- 
same Resultat von einem Achtel Cubikmeter (§31) ja noch wunder- 
samer d. h. die Erde erscheint zwar noch anziehender, aber noch 
mehr im Verkehr mit atmosphärischen oder welträumlichen Einflüs- 
sen ? (§ 36 und 40) . Es wird mir eine grosse Beruhigung sein, wenn ich 
in den ferneren Entwickelungen Ihrer schönen Theorie künftig ein- 
mal etwas über Ihre Ansicht vom glühenden Erdkerne und dem 
ausschliesslichen (?) Sitze der Kraft in der dünnen Erdrinde finde. 



- 44 — 

Eine bedeutende Fraction des Ganzen kann ja dann wohl über der 
fingii-ten Fläche liegen. Was Bkewster von Kältepolen und über 
Zusammenhang der magnetischen Linien mit meinen Isothermen 
aufgestellt und Moser selbst numerisch zu entwickeln gewagt hat, 
scheint mir unreif und voreilig. Schon der Urvater Gilbebt (da 
er die Tugend hatte, keinen magnetischen Kern oder Hing im In- 
nern der Erde anzunehmen, sondern alle ihm bekannte Erscheinun- 
gen der Anziehung der Erde selbst zuzuschreiben) wollte die Richtung 
der Linien ohne Abweichung aus der Foim der Continental-Massen 
erklären. Bei Moser ist die Idee der Isogeothermen (deren nume- 
rische Evaluation trotz Kupfer sehr im argen liegt, da die sogenannte 
Quellen-Wärme sehr täuscht) dazugekommen. Aber vieler anderer 
Einwendungen nicht zu gedenken, steht diesen Ideen entgegen 1) die 
geringe dünne Bedeckung mit den Wasserschichten des Oceans, die 
verschieden gefoimten Continente sind ja nur Zapfen-Wulste, hervor- 
ragende Theile derselben Erdrinde; 2) die geringe Veränderlichkeit 
der mittlem Erd- und Lufttemperaturen, welche durch die Con- 
touren der Continente (Gestaltung des Starren) und ihr Oberflächen- 
Ansehen bestimmt wird, während die Null-Declinationslinie 1684 
durch Paris und London fortschritt. Macht man die Länge und 
das Fortschreiten der magnetischen Linien von der Vertheilung der 
Wärme allein abhängig, so muss man den periodischen Wechsel 
dieser Vertheilung erklären. Wenn aber die Wärme auch nicht das 
Hauptagens ist, so sehe ich doch mit Freuden aus Ihrer Theorie, 
mein verehrter Freund, dass vielerlei Modificationen der magnetischen 
Ladung von Aussen kommen können. Sommer und Winter, Tag 
und Nacht wirken periodisch und wie gering ist doch (wenn man 
einen Blick auf Qüetelets vollständigere Beobachtungen der innem 
Erdwärme zwischen 1 — 25 Fuss wirft) der Einfluss äusserer Tem- 
peratur-Veränderungen auf die obere Erdrinde, wie ungeheuer lang- 
sam die Mittheilung. Ohne Wärmeveränderung des Luftkreises haben 
mir inmier (ein Declinations-Instrument steht neben meinem Arbeits- 
zinmier) die hellen und bewölkten Tage den Totalwerth der 
täglichen Elongation zu vermehren und zu vermindern geschie- 
nen, während ich immer verwundert bin dass, trotz des unleugbaren 
Einflusses naher und ferner Nordlichter, Gewitter, Donnerschläge so 
wenig auffallende Veränderungen hervorbringen. Die Nordlichter 
oder magnetischen Gewitter, lichterzeugend wie die gemein elektri- 



— 45 — 

achen, sind also doch von diesen sehr verschieden.*) Sie sagen 
sehr schön (§ 41) dass jede Bewegung der Elektricität deshalb nicht 
ein galvanischer Strom ist, weil zu diesem ein in sich zurückkeh- 
render Kreislauf gehört. Die augenblicklichen Störungen die der 
Parallelismus Ihrer Curven als gleichzeitig und so allgemein ver- 
breitet offenbart, glaube ich wie Sie, als von aussen und oben herab 
erzeugt. Ist es ein meteorologischer Prozess der das Durchfahren 
eines Aerolithen erregt, fragt Admiral Wrangel? Wohl deshalb 
nicht, weil sonst unsere Nadel bei Tag und Nacht nie ruhig sein 
könnte! Wrangel sagt, eine Sternschnuppe (ein Aerolith) eigener 
Art. Das grenzt an das Gebiet der wilden Hypothesen.**) Da 

ich H. Fedorow für einen weit bedächtigeren Beobachter als A 

E. . . . halte, so haben mich Ihre Seite 40 und 41 wegen der Ue- 
bereinstimmung mit meinen eigenen Beobachtungen trotz der Jahres- 
unterschiede von 1829 und 1832 sehr gefreut. Dieser sibirische 
Reisende (jetzt im untergegangenen Kiew) hat sich, wie mit Recht, 
für Sie gezähmter erwiesen als für mich. Ich schreibe ihm seit 
3 Jahren um ihn für die neue Ausgabe meiner Fragmens asiatiques 
die als ein neues ganz umgeändertes Buch (Asie centrale) erscheint, 
anzuflehen mir gewisse Berghöhen des Ural die er gemessen, zu 
schicken, er hat mich aber nie einer Antwort gewrdigt. Die neue 
magnetische Expedition der Engländer und Stationen mit Ihren Re- 
flexionsinstrumenten dem magnet. Aequator nahe, werden Ihre gross- 



*) Der Admiral Wbangel, über Mexico aus Sitka zurückkehrend und 
früher auf einer Expedition nach den fernen Liachov-Inseln (Neu-Sibirien) war 
diesen Winter in Berlin. Er ist ein sehr unterrichteter, besonnener Mann. Er 
heharrt bei der Nachricht, die der langweilige alte Parbot schon bekannt ge- 
macht, dass während des anfangenden Nordlichts eine Sternschnuppe gewisse 
Regionen des Himmels entzündet. Diese Regionen leuchten erst und fahren 
fort zu leuchten erst wenn eine Sternschnuppe sie durchstrichen hat ! ! Aller- 
dings haben sich in Nordamerika bei den Sternschnuppen-Festen im November 
bisweilen auch farbige Nordlicht-Erscheinungen gezeigt. Von aussen kommende 
Taschen -Planeten können also durch Reibung und Entzündung magnet. Ge- 
witter erregen?? 

*♦) Ein Mann in Wien hat mir für die kön. Societät in London einen 
Beweis geschickt dass das Sonnenlicht darum nicht abnehme und so unökono- 
misch ausgetheilt werde, weil es von dem Selbstleuchten der sich ewig begatten- 
den und sich gregagirenden Infusfonsthiere entsteht. Ein Sonnenstrahl reizt 
unser Auge weil viele der kleinen Bestien herabkommen. 



— 46 - 

artige Theorie sehr fördern, besonders für die wichtige Frage § 41. 
Da Gleichzeitigkeit in der Bestimmung der Cnrven so wichtig ist, 
so wünschte ich freilich dass ein Schiff nördlich vom Aequator nnd 
eins südlich vom Aeqnator aber in beiden Meeren (im Atlantischen 
Ocean und in der Südsee) kreuzten I Verzeihen Sie innigst verehrter 
Gönner und Freund das rhapsodische dieser Zeilen. Ich habe nicht 
Zeit und Muth dieselben zu übermalen (de les retoucher) . Der vor- 
treffliche Weber oder unser geduldreicher Dr. Goldschmidt werden 
in der hieroglyphischen Entzifferung ja wohl beistehen. Nun noch 

gemischte Betrachtungen. Es quält mich, dass in Ihrer Karte -^ 

die Null-Linie dem magnetischen Aequator (der Incl.) so ähnlich 
ist und doch dieser Aequator nicht ist! Wie werden Ebman und 
Hansteek sich helfen mit ihren Sibirischen Schlangenlinien wenn 
Sie ihnen die 4 Pole entziehen? Was ist das Fortschreiten der 
Decl. Linien? Was wird aus den unmöglichen Bifurcationen und 
aus einem gewissen mich kränkenden in sich zurücklaufen der Decl. 
Linien in der Südsee? Mit dankbarer Verehrung Ihr 

AI. Humboldt. 

Meine freundlichsten Grüsse an Webeb und Goldschmidt und 
Ottfried Müller. Ich denke mit Wehmuth an unsere Göttinger 
auch meine alma mater! Ich hoffe dass Sie die besten Nachrich- 
ten von der liebenswürdigen Professorin Ewald und ihrem Gatten 
haben. 

Mit Encke lebe ich in alter Zärtlichkeit trauernd über den nor- 
dischen Krieg. Jacobi ist geistreich, lebendig und fett. Dirichlet 
ist mehr in sich gezogen, fein und liebenswürdiger. 

31. 

A. V. Humboldt an &ausfi. 

Erlauben Sie, hochverehrter Freund, dass ich Ihrer besonderen 
Aufmerksamkeit und Gewogenheit zwei sehr ausgezeichnete und an- 
genehme junge Reisende aus Spitzbergen und der langen Nacht im 
nördlichsten Scandinavien innigst empfehle, den französischen See- 
officier Herrn Bravais und den Botaniker Herrn Martins der ausser 



- 47 — 

der Geographie der Pflanzen sich auch auf das fleissigste mit meteo- 
rologischen Beobachtungen beschäftigt hat. Sie wissen dass Ihre 
herrlichen Apparate in der langen Nacht gebraucht worden sind, 
auch wurden Refractions-Beobachtungen angestellt in Verbindung mit 
Versuchen über die Wärmeabnahme durch Luftbälle und Thermo- 
metrographen. Meist war die obere Luftschicht im Winter auf den 
nahen Bergen wärmer, als in der Ebene. Da diese sehr beschei- 
denen und thätigen jungen Leute Hoffnung haben die lange Nacht 
Boch einmal zu Ihren magnetischen Terminen im hohen Norden zu 
durchleben, so wird das Glück der Annäherung an Sie, Verehrter 
Freund, von doppelter Wichtigkeit für die Wissenschaft sein. Meine 
freundlichsten Empfehlungen an Prof. W. und Dr. G. 
Dankbarst und verehrend, 
Berlin den 22. Dec. 1859, Ihr 

AI. Humboldt. 

Wie sehr hat es mich geschmerzt nicht Sabine und Lloyd 
haben begleiten zu dürfen. 

32. 
A. V. Humboldt an &au88. 

Berlin den 21. Febr. 1840, 

Ich benutze einmal wieder die angenehme Gelegenheit, welche 
sich mir darbietet, mein hochverehrter Freund und College, um mich 
in Ihr gewogentliches Andenken zurückzurufen, indem ich, durch 
diese wenigen Zeilen, Ihrem besonderen Interesse einen sehr wissen- 
schaftlich gebildeten Amerikaner H. Cogswell aus New -York zu 
empfehlen wage. Er hat mir Briefe von Lindenau gebracht und 
ist der Herausgeber eines sehr geachteten historisch-politischen Jour- 
nals. Was ihn mir wichtig gemacht hat ist, dass er Aufträge hat 
für den Ankauf einer ungeheuren Bücher-Masse, rein wissenschaft- 
licher, zu sorgen, weil ein reicher Privatmann (Astor) eine Summe 
von vielen hundert tausend Thalern zur Gründung einer öffentlichen 
Bibliothek geschenkt hat. Es wäre recht menschlich und edel von 
Ihnen , das heisst Ihres grossen Namens würdig, wenn Sie H. Cogs- 
well einigen Rath für dieses Unternehmen geben wollten. Am 



— 48 — 

wichtigsten schiene es mir, für einzelne abgesonderte Fächer (Mathe- 
matik, Jurisprudenz, Philologie) den Grund des Ganzen durch An- 
kauf ganzer Bibliotheken von Privatleuten zu legen. Der Brief von 
La Grange über Laplace's mögliche Versetzung nach Berlin unter 
Fbiedrich dem U. hat Sie gewiss interessirt. Es herrscht dazu ein 
liebenswürdiger Ton in dem Briefe. So möchte jetzt nicht eine 
Correspondenz zwischen Poisson, Cauchy und unserem incisiven 
Jacobi aussehen. Andere Zeiten, andere Racen, auch andere Di- 
mensionen! Dass der Ring der Sternschnuppen die Sonne perio- 
disch schwächt und Kälte erregt wie Erman so fabelt credat Judaeus 
Apella. Mit alter Bewunderung und Liebe 

Ihr 

AI. Humboldt. 

Meine zärtlichsten Grüsse an Weber und Dr. Goldschmidt. 
Der junge magnetische Seeofficier Bravais aus Lapland hat mir sehr 
gefallen. Er ist ein Franzose von der guten Art. 



33. 

A. V. Humboldt an Gauss. 

In dieser bewegten Zeit, wo mein Gemüth durch den Tod eines 
Monarchen, der mich eines langen Vertrauens würdigte und nie meine 
geistige Unabhängigkeit schmälerte, getrübt ist, finde ich, hochver- 
ehrter Freund, keine Worte, um Ihnen für Ihre letzte tiefsinnige 
Schrift zu danken. Sie wird von denen aufs höchste bewundert, 
die das Glück geniessen Sie in Ihrer ganzen Grösse bewundern zu 
können. Mir dem Unwissenderen und Schwächeren steht es zu, 
mich Ihrer Zuneigung (als einer der grössten Auszeichnungen 
meines Lebens) zu erfreuen, in Ihnen den Menschen zu lieben, mit 
Ihnen zu klagen über die nicht ganz freudigen Zeiten, in denen 
wir leben; Sie um die Fortsetzung Ihrer mir über alles theuren 
Freundschaft zu bitten, und Ihnen heute einen sehr ausgezeichneten 
mathematischen Physiker H. von Ettinghausen aus Wien, der 
fast in der häuslichen Umgebung des Fürsten Metteristich lebt, 
aber dabei seine ganze wissenschaftliche Thätigkeit gerettet hat. 



— 49 — 

dringend nnd inständigst zu empfehlen. Electro-Magnetismns, Optik 
nnd Dagnerotypen haben H. von Ettinghausen, der lebendig, ein- 
&eli nnd liebenswürdig ist, stufenweise beschäftigt. Mit alter Be- 
wunderung und Liebe 

Berlin den 24. Juni 1840. Ihr dankbarer 

AI. Humboldt. 

Die Zerwürfnisse im Schoosse des Pariser Instituts sind recht 
wild und unerfreulich. 



34. 

A. V. Humboldt an Oauss. 

Unter allen Gräueln des ümziehens in eine entfernte, aber sehr 
gesunde und heitere Wohnung, wage ich es, mein theurer, hoch- 
verehrter Freund und College, Ihnen einige Zeilen der Liebe, des 
Andenkens und unverbrüchlicher Ergebenheit zu senden. Entschul- 
digungen wegen langen Stillschweigens sind, bei meiner zerstreuten 
Lebensweise, nach 6monatlichem Aufenthalte in Paris, einer darauf 
folgenden IStägigen Reise nach Windsor, (in der ich Armer 1 nicht 
einmal die . Sternwarte oder meinen Buchhändler besuchen konnte], 
nach langer Umgebung des viel unternehmenden, geistreichen Mo- 
narchen in Berlin, Charlottenburg und Sanssouci, einem 73jährigen 
Manne erlassen. Ich wirke so viel ich kann, oft nur als eine At- 
mosphäre, bisweilen unmittelbar, spare die Nächte für meine littera- 
rischen Arbeiten und Correctur der Probebogen und mache thörichte 
Pläne zu künftigen Arbeiten, als hätte ich noch lange mich auf dem 
irdischen Boden zu tummeln. Der Russischen Reise (ich dachte 
einen Augenblick über Schweden zurückzugehen] bin ich entgangen. 
Man hat gefürchtet, dass ich dem Mächtigsten dort , politisch , nicht 
angenehm sei. (»Dies sehr im Vertrauen.«] Nach dem Rhein werde 
ich den König begleiten. Ein summender Bienenschwarm deutscher 
Fürsten wird dort hinziehen. Der König hat den edlen Gedanken 
gehabt den intellectuellen Ruhm seines Jahrhunderts und den der 
künftigen an den Ruhm des grossen Friedrich zu knüpfen. Er hat 
aus Liebe zu diesem, dem die Theologie eine Mythe war, die Theo- 

Bruhns, Briefe. 4 



— 50 — 

logie ausgeschlossen, was vielen auffallend sein kann. Dass Ihr 
grosser Nune, mein theurer Frennd, sich dem Monarchen zuerst 
und von selbst darbieten mnsste, bedarf keiner Versicherung. Ich 
kann aber »specialitera bezeugen, dass', als der König mir zum ersten 
Male von diesem Orden sprach (ich rieth davon ab, weil ich vorher 

sah, dass alle nicht Ernannten mit auftreten würden!) 

Er Ihren Namen schon mit Sanscrit-Buchstaben in die Liste ein- 
getragen hatte. Ich sage: mit Devanagari-Buchstaben , eine Ge- 
wohnheit des heiteren Fürsten damit man die offenen Blätter seines 
Tisches nicht leicht lese. Fürst Mett. ist eine launige Ernennung. 
Die bdsen Berliner sagen, es sei ein Gegenstück za Dagiierbe: 
aber Prof. Moseb in Königsberg macht jetzt Lichtbilder bei Nacht. 
Alle Körper, behauptet er, sind selbstleuchtend und bilden sich, 
genaht, auf einander ab. Dass ich fOr den »responsablen Minister« 
des Friedens-Ordens hier am meisten angegriffen werde, versteht 
sich von selbst, doch hatte ich nur Theil an den Discussionen vor 
dem König, zugleich mit drei Ministem, Eichhobk, Savigky und 
Teile. Ueber alle kleinlichen politischen und aristokratischen Neben- 
Ansichten erhaben, zeigte sich allein der König. Berühmte Namen 
sind auf den Listen verschwunden weil man in den letzten Tagen 
erst den leidigen Entschluss fasste, statt 46 (gleich der Zahl der 
Regierungsjahre Fb. II.) nur 30 zu ernennen. Viele Stühle wurden 
umgekippt. Hinc illae lacrymae. Aber ich schäme mich zu spät, 
Ihnen von diesen Elendigkeiten, unter denen ich leide, zu reden, 
statt Ihnen Glück zu wünschen über die riesenmässigen Fortschritte 
Ihrer magnetischen Schöpfungen. 

Darf ich Sie bitten, theurer College , dem Ueberbringer dieser 
Zeilen H. Dohbn einen liebenswürdigen vielgereisten und talent- 
vollen Mann wohlwollend aufzunehmen und ihm zur Benutzung der 
herrlichen Bibliothek zu verhelfen. Handelsgeschäfte (in Stettin) 
halten den jungen Mann nicht ab, sehr gelungene metrische Ueber- 
setzungen des alten spanischen Theaters zu machen. 

Mit alter dankbarer Verehrung 

Berlin, den 3. Juli 1842. Ihr getreuester 

AI. Humboldt. 



— 51 — 
35. 

Ai 7. Hamboldt an Gauss. 

« 

Wegen der flüchtigen Durchreise des Kaisers von Russland mit 
dem Hofe auf einige Stunden von Sanssouci hieher verschlagen, habe 
ich kaum einige Minuten Zeit, um einem trefflichen jungen Ana- 
lytiker H. Eisenstein, von sehr armen Eltern, durch sich selbst 
gebildet, jetzt endlich vom König etwas unterstüzt, diese wärmste 
aller Empfehlungen an Sie, mein hochverehrter Freund und College, 
zu geben. Den jungen Mann führt (was ich verstehe) Bewunderung 
Ihres Namens zu der Pilgerschaft. Er ist gemüthlich und brav. Schen- 
ken Sie ihm Kath und, da er sie gewiss verdient, auch Aufmunte- 
rung. Meine Gesundheit ist trotz des zurückgelegten 74. Jahres 
noch wunderbar fest. Ob mich gleich die zu grosse Nähe des Mo- 
narehen sehr beschäftigt, so habe ich doch die Unvorsicht den Druck 
des Kosmos begonnen zu haben. Ihnen soll der erste Theil zu 
Füssen gelegt werden, sobald er erscheint. Sie kennen meine un- 
verbrüchliche Liebe und Anhänglichkeit für Sie. Geistig und poli- 
tisch quält und betrübt mich vieles, weil man zur schwankenden 
Zeit noch schwankend gesinnt ist 1 Auch das Benehmen der Gebrüder 
Grimm habe ich sehr tadelnswerth gefunden gegen einen Mann den 
man verfolgt hat. Dankbarst 

Berlin 14. Juni 1844. Ihr 

AI. Humboldt. 

Geben Sie gütigst einen kleinen Schneeweissen Aufsatz von mir, 
den ich heute anonym habe erscheinen lassen, an jemand der sich 
in Göttingen für die phys. Geographie des Himalaya interessirt. 

Meine schönsten Grüsse an H. Goldschmidt. 

36. 
A. V. Humboldt an Gauss. 

Ich nähere mich Ihnen, hochverehrter Freund und College, mit 

altem Vertrauen ob ich gleich seit mehreren Jahren Ihnen nicht die 

4* 



— 52 — 

erneuerte Versicherung meiner dankbarsten ich sage gern ehrer- 
bietigsten Anhänglichkeit dargebracht habe. Mein Leben ist ein 
mühselig zerrissenes arbeitsames Leben in dem mir fast nur nächt- 
liche Stunden zu litterarischen Arbeiten übrig bleiben. Sie werden 
fragen, warum ich aber 76 Jahre alt, mir nicht eine andere Lage 
verschaffe? Das Problem des menschlichen Lebens ist ein ver- 
wickeltes Problem. Man wird durch Gemüthlichkeit, ältere Pflichten, 
thörichte Hoffnungen gehindert. Meine physischen Kräfte haben 
sich wunderbar erhalten , aber trübe Familienverhältnisse hätten diesen 
Winter meine Gesundheit erschüttern können. Mein Neffe B'. Bülow, 
ehemaliger Minister der auswärtigen Angelegenheiten, einer der frei- 
sinnigsten, ausgezeichnetsten Staatsmänner unserer Zeit, hat nnä 
8 — 9 Monate lang das schreckliche Schauspiel gestörter Intelligenz 
gegeben 1 1 Er ist endlich durch den Tod erlöst worden und die 
Angelegenheiten einer zahlreichen liebenswürdigen Familie erheischen 
jetzt meine ganze Sorgfalt. Diese wenigen, für Sie leider unin- 
teressanten Zeilen haben den doppelten Zweck, mich endlich einmal 
wieder in das Andenken eines Mannes zurückzurufen der durch 
Greisteskraft und Edelmuth des Charakters bei mir höher als irgend 
jemand unter den Zeitgenossen steht und diesen mir so wohlwollen- 
den Freund mit einer Bitte zu belästigen. Sie haben mir so überaus 
ehrenvoll über den jungen hochbegabten Dr. Eisenstein geschrieben, 
der, trotz meiner Bemühungen noch immer dürftig ist. Die hiesigen 
Mathematiker scheinen mir weniger freundlich für ihn zu sein, als 
ich es wünschte und er es gewiss verdient. Einige haben sogar 
Grenzstreitigkeiten angefangen, die wenn auch einiges Versehen von 
der Seite meines jungen Freundes Eisenstein vorgefallen wären, 
doch nicht herbe Rüge ihm zuziehen sollten. Ich darf hoffen, dass 
seit der Zeit, wo auf meine Bitte Sie Eisenstein so unendlich liebe- 
voll ganz wie es einem grossen Character wie dem Ihrigen natürlich 
ist, in Göttingen aufnahmen, Sie neue Arbeiten des jungen Mannes 
gesehen haben. Ich fordere jetzt von dem Minister Eichhorn, der 
gleich warm für Eisenstein geblieben ist, dass er meine Bitte beiio 
Könige um eine Besoldung als Privatdocent von 600 Thalem unter- 
stütze. Ein wohlwollendes Wort von Ihnen, hochverehrter Freund, 
eine Empfehlung für den jungen Mann, würde entscheidend sein - 
Wollen Sie das Wort nicht an Minister Eichhorn selbst richten, s^> 
bitte ich Sie inständigst mir einige freundschaftliche Zeilen zu schrei-^ 



— 53 — 

ben deren ich mich bedienen darf. Es wird mir eine der grössten 
Freuden sein, die ich Ihnen je hätte in meinem Leben verdanken 
können. Wie Sie mir einst ein so grosses Lob von dem herrlichen 
jungen Manne schrieben sagte ich mir im Inneren: so gut ist es 
mir in meiner Jugend nicht geworden von Friedrich Gauss! so 
ausgezeichnet zu werden. So ist denn der arme Bessel nun auch 
von seiner langen Qual erlöst worden. Es ist mit ihm eine sonder- 
bare Ueberzeugung in das Grab gegangen von der Sie, mein edler 
Freund, vielleicht nicht gewusst. Er schrieb mir am 1. Juni 1844 
-also vor seiner Krankheit: »ich schreibe Ihnen etwas, das noch 
unreif ist. Ich habe Verdacht gegen die Unveränderlichkeit der 
Polhöhe. Meine sehr schön unter einander stimmenden Beobach- 
tungen mit dem neuen Kreise verkleinem die Polhöhe fortwährend, 
vom Frühjahr 1842 bis jetzt zwar nur um 0'/3 aber selbst diese 
Kleinigkeit scheint mir nicht ein Beobachtungsfehler sein zu können, 
denn nach meiner jetzigen Beobachtungsart wird alles eliminirt was 
«OQStanten Einfluss auf die Mittel der einzelnen Sätze haben könnte. 
Ich denke dabei an innere Veränderungen des Erdkörpers welche 
Einflüsse auf die Richtung der Schwere erlangen.« Schon in Schü- 
HACHEBS Jahrbuch für 1840 S. 134 wird aus Zweifeln »über das 
Oleichbleiben der Schwere,« das Emporsteigen der Continente für 
bloss scheinbar als Folge der veränderten Krümmung der Meeres- 
fläche erklärt. Ich habe dies im Kosmos (I. S. 312) bestritten. 
Eine Veränderung von 0'/3 ist bei relativen Bestimmungen wie in 
Untersuchung der Parallaxen allerdings etwas beträchtliches, aber 
bei absoluten Bestimmungen darf man doch wohl nicht zu solch 
einer Dichtigkeitsveränderung seine Zuflucht nehmen. Im Quarterly 
Review bin ich gehörig über meine Kühnheit gezüchtigt worden im 
Kosmos I. S. 428 die Ursündhafligkeit der magnet. Sonntagsbe- 
obaehtungen vertheitigt zu haben. Der engl. Fanatismus hat uns 
um den wahren Fortschritt der Perturbation vom 25. September 
(der von Tobonto] gebracht. Ich bin stolz mit Ihnen gemeinschaft- 
lich zu leiden, denn ich denke Sie, mein theurer Freund, werden 
auch einmal wegen Ihrer Sonntagsbeobachtungen angegriffen. Bessel 
wird wohl durch Hansen ersetzt werden, so dass Abgelandebn 
Königsberg, Hansen (der freilich zum Beobachten minder geneigt 
aber weit mehr mathematisch unterrichtet ist) Bonn angeboten würde. 
Machen Sie mir bald die Freude nur gute, recht gute Nachricht 



— 54 — 

von Ihrem Befinden zn geben. Die Hälfte des 2. Bandes meines 
unvorsichtigen Kosmos ist gedmckt. Mit alter Verehning und freund- 
schaftlichstem Dankgefühl 

Berlin den 7, April 4846. Ihr 

AI. Humboldt. 

37. 

A. V. Humboldt an Oauss. 



Sie sind, mein edler, hochverehrter Freund, immer so nach- 
sichtsvoll und wohlwollend für mich, dass Sie mir gewiss gern die 
Lästigkeit dieser Zeilen verzeihen. Ich empfehle Ihrer freundlichen 
Aufnahme und Ihrem besonderen Schutze einen jungen Amerikaner,. 
Herrn Benjamin Apthorp Goüld der von einer sehr begüterten 
Familie abstammend, sich mit recht lobenswerthem Fleisse der prak- 
tischen Astronomie widmet. Hen* Gould hat zu Encke's ZuMeden- 
heit viele Monate an unserer Stemwarte gearbeitet und (ich muss 
es schon wagen das Wort auszusprechen) der achtungsweiiihe junge 
Mann hat den heissen Wunsch, sich in Göttingen aufhalten zu dürfen, 
um unter Ihren Befehlen vielleicht Beschäftigung auf Ihrer Stern- 
warte zu finden. Ich habe ihm nicht besondere Hoffnung gemacht; 
ihm vorhergesagt, dass das Gelingen eines solchen Wunsches von 
Localverhältnissen abhinge, die aus der Ferne gar nicht zu beur- 
theilen sind. Eine freundliche Aufnahme aber, Verehrungswerther 
Freund, wenn sein Aufenthalt in Göttingen auch nur kurz sein 
müsste, konnte ich ihm verheissen, da ich weiss, so selten ich 
Ihnen auch Lebenszeichen gebe, wie freundschaftlich Sie inuner noch 
für mich sind. Herr Gould hat den guten Verstand, sich als Ma- 
thematiker mehr ausbilden zu wollen, als es in der »Schule der 
Central-Sonne« und des hohen Nordens Sitte ist. Ich hatte ihn 
deshalb in Verbindung mit dem trefflichen leider I kränkelnden, mir 
immer gleich lieben, von den Berliner mathematischen Grossmächten 
wenig gepflegten Eisenstein gesetzt. Ich lausche in alter Bewun- 
derung Ihres Namens, in alter Liebe Ihres Sinnes, auf alles was mir 
Reisende von Ihrer Gesundheit, Ihren Augen, Ihren Anstrengungen 
sagen. Meine Gesundheit, 77 Jahre alt, erhält sich wundersam, 



— 55 — 

aber die grosse Nähe eines geistreichen, litterarischen und ai*tistischen 
Königs setzt mich in einen bedrückenden, zeitraubenden Geschäfts* 
kreis. Meine litterarische Arbeit ist fast nur eine nächtliche. Es 
fehlen nur noch einige Bogen zum 2. Bande des Kosmos, eine Art 
unmöglichen Unternehmens, und die Aufmerksamkeit nicht werth, 
die man dem Buche des gewagten Titels wegen geschenkt hat« 
Dass ich den hiesigen politischen inneren Verhältnissen glücklicher 
Weise ganz fremd stehe, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Un- 
befriedigte Aufregungen sind wenig erfreulich. Mit alter Liebe und 
Verehrung. 

Berlin, den 23, März 1847. Ihr getreuester 

AI. Hiunboldt. 

Ich müsste augenblicklich mit unserem Encke wegen seiner zu 
leidenschaftlichen Angriffe auf Raumeb unzufrieden sein. Ich hatte 
deutlichst in der Akademie noch vor der Absendung des so elend 
stylisirten Briefes erklärt, dass ich Raümeb's religiöse und politische 
Meinungen ganz theile, aber glaube, dass er an der Form gefehlt 
habe. Das Verhältniss zwischen Raumeb und Encke, wie auch 
das zwischen Encke und mir ist ganz hergestellt. Ich glaubte Ihnen 
nichts verschweigen zu dürfen. 



38. 

A. V. Humboldt an Oauss. 

Hochverehrter Freund und College. 

Es gehört zu den schmerzhaften Erfahrungen meines vielbe- 
wegten Lebens, an dem feierlichen Tage, für den diese Zeilen be- 
stimmt sind, unter vielen äusseren politischen Bedrängnissen, Ihnen 
nicht persönlich die Geftlhle meiner dankbaren Anhänglichkeit, meiner 
so lang genährten Bewunderung ausdrücken zu können. Als ich 
nach fÜnQähriger Abwesenheit wieder den europäischen Boden betrat, 
war mein erstes Bestreben, Sie, dessen Namen schon so hoch glänzte, 
ftlr mein Vaterland zu gewinnen. Ich hatte den Schmerz des Nicht 
Gelingens und der erste, der tiefsinnigste, alles umfassende Mathe- 



— 56 — 

matiker Emopas mofiste einem anderen Theile des, audi damals 
uneinigen Dentachlands angehören. Mir dem fast antedilnrianiscli^, 
achtzigjährigen Reisenden ist aber geworden, ich sage nicht der 
Ersatz, aber die nnaossprechliche Freude, in dem bewunderten Ifanoe 
den gemttthlichsten, naehsichtsTollsten, liebeToUsten Freund zu 
finden. In diesem Worte, das ich auszusprechen wage, li^ (Qi 
mich die Befriedigung eines Stolzes, den ich so gern und dffentlieh 
bekenne. 

Mit unverforfichlicher Verehrung 

Potsdam, den 42, Juli 4849, Ew. Hochwohlgeb. 

treuester und gehorsamster 

AI. Humboldt. 
39. 

A. y. Humboldt an Gkinss. 

Wenn ich nach so langer Unterbrechung einmal wieder Ihnen, 
Verehrter Freund und College, ein kleines Lebenszeichen gebe, so 
geschieht es in der festen Zuversicht, dass Sie noch immer mir die 
Vorliebe erhalten haben, deren ich so lange und zu meiner grossen 
Freude genossen. In einem Uralter von 81 Jahren, durch viele 
unlitterarische Störungen bedrängt, ist meine Gesundheit wundervoll 
doch so erhalten (kleine tiefeingewurzelte Magenübel abgerechnet) 
dass ich meine nächtliche Arbeit fortsetzen kann. Möge ich eben 
so freudige Nachricht von Omen empfangen, in einer Zeit, wo der 
politische Horizont so getrübt ist! JAConfs so unerwartetes Hin- 
scheiden an schwarzen Pocken und also nicht an der Krankheit 

(Diabetes) ? kannte, ist ein grosser Verlust ftlr die 

Wissenschafi;. So schmerzhaft mir auch, schon wegen seiner frü- 
heren Verhältnisse zu dem Könige, das ganz zwecklose und kin- 
dische Benehmen zu einer andern Zeit, so habe ich ausdauernd und 
mit Erfolg die Schritte gethan, die ihn Preussen erhalten konnten. 
Meinen inneren GefQhlen ist er nie nahe gewesen. Sein Tod regt 
mich nur an endlich einmal dem talentvollen Eisenstein eine ge-« 
ziemende Anerkennung zu verschaffen. Seine Lage ist unerhört 
dürftig und es ist mir nie geglückt ihm, statt 300 Thlr., die ihm 



— 57 — 

der Finanzminister gelassen, die 500 Thlr. wiederzuscliaffen, welche 
ihm der König gegeben. Politische Anfeindungen sind gar nicht 
<3mnd dieser Entziehung gewesen ; denn es war leicht von der Seite 
ihiL vollkommen zu rechtfertigen. Er hat als man hier am meisten 
bewegt war, am ruhigsten seine besten Arbeiten vollendet. Jacobi 
und DmiCHLET hatten ihn vor wenigen Wochen, mit vielem und 
gerechtem Lobe der Akademie zum Mitgliede vorgeschlagen. Er 
wurde wirklich mit zwei anderen (dem Physiker Dubois und dem 
Zoologen Petebs) in unserer Elassensitzung gewählt, könnte aber 
da die Gesammt-Akademie nur 2 neue Mitglieder ernennen wollte 
und die Wahl der beiden anderen stimmenreicher ausgefallen war, 
von der Gesammt-Akademie nicht ballotirt werden. 

Die grösste Autorität unter seinen Zeitgenossen sind Sie, mein 
edler Freund! 

Schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab. Ich flehe dass Sie 
in einem Privatbriefe mir jetzt wieder, wie Sie so oft und so 
kräftig gethan, einige recht freundliche Zeilen über die so vortheil- 
hafte Meinung, die Sie seit dem frühesten Erscheinen von den Geistes- 
gaben des jungen Mannes und seiner schönen ausdauernden Thätig- 
keit gehabt haben, geben. Wenige Zeilen von Ihrer Hand werden 
vom grössten Tröste seinl 

Sie haben. Verehrter Freund, gewiss ein ebenso lebhaftes In- 
teresse als ich an den merkwürdigen Behauptungen von Sabine die 
im Phil. Trans, for 1850 Part I in seinen Mem. on the means 
adopted in the Brit. Colonial Magnetic Observatories for determining 
the annual Variation of the terrestrial magnetic force, genommen. 
Von October bis Februar also in unserem nördlichen Winter (wenn 
die Erde der Sonne näher ist and moves with greatest velocity in 
her orbit, nähert sich in beiden Hemisphären in Toronto und Ho- 
barton die Nadel der Verticalität, und wird in beiden Hemisphären 
zugleich die totale Kraft grösser ob es gleich dann in Toronto am 
kältesten und in Hobarton am wärmsten ist. The North Inclination 
at Toronto is lowest and the South Incl. at Hobarton is highest in 
the respective summers of the two stations. From April to August 
the North Incl. at Toronto and the South Incl. at Hobarton are 
both diminished p. 215 und 216. Das ist mir neu und sonderbar 
und obgleich Dove gefunden, dass von Oct. bis Febr. wegen der 
ungleichen Vertheilung des Festen und Flüssigen in beiden Hemi- 



— 58 — 

Sphären die Mitteltemperatur der ganzen Erde geringer ist als di 
der entgegengesetzten Periode des Jahres, so kann ich im Ganz^^i? 
jene Thatsachen mir doch nicht wie Sabine will ans der Nähe d^r 
Sonne oder der Temperatnrverändemng deutlich machen. Nacli 
Faradats nenen Entdeckungen wird ein Bläschen Sauerstoffgai» 
ganz wie Eisen vom Magnet angezogen, Stickstoff ist ohne alle 
Wirkung nicht einmal diamagnetisch und Sauerstoffgas verliert von 
seiner magnetic power (ich schreibe nach) wenn man es verdünnt 
und seine Temperatur erhöht. Faeadat behauptet "*") alle magnet. 
Phänomene von Toronto und Hobarton zu erklären indem er sich 
den Sauerstoff der Atmosphäre wie eine eiserne Hülle um die Erde 
denkt die von ihrer magnet. Kraft auf der Seite verliert an der sie 
von der Sonne beschienen und erwärmt wird. Demnach wirkte die 
Sonne nicht eigentlich magnetisch, sondern magnetisirt die Erde 
durch Wärmevertheilung durch Erregung thermo-electrischer Ströme. 
Das ist nicht neu et bien vague. Aber die Entdeckung dass 
unter allen Gasen ein Bläschen Sauerstoff wie Eisen vom Magneten 
angezogen wird, ist eine grosse Entdeckung die gewiss auch Salu- 
brität der Atmosphäre wirkt. Was man vergebens in veränderlichen 
Quantitäten des Sauerstoffs gesucht, wird man bald bei unver- 
änderten Quantitäten in Zuständen suchen müssen. Verzeihen 
Sie ja, dass ich Sie mit meiner microscopisch unleserlichen Hand 
so lange quäle, aber Magnetismus ist Ihr Reich, Ihre Lichtschöpfung ; 
man widersteht nicht der Freude Ihnen seine Zweifel über die so- 
genannten ursachlichen Verhältnisse vorzutragen. Mit alter Ver- 
ehrung und innigster Freundschaft 

Berlin den 22. Febr. 48ö4. Ihr gehorsamster 

AI. Humboldt. 

Obwohl auf Ihrer reichen Bibliothek die auch meine alma mater 
gewesen und in der meine älteste nie erschienene Schrift »über die 
Webereien der Alten« zusammentrug zufällig besitzt was ich hier 
nicht auftreiben kann: Titiüs Uebersetzung von Bonnets Betrach- 
tungen über die Natur, Leipzig 1772, eine Uebersetzung aus der 
BODE sein albernes Gesetz der Planetenabstände will geschöpft haben. 



*) Fakadat (Proceedings of the Royal Society) in Philosopblcal Magazine 
January 1851. 



— 59 — 

l^b möchte gern eine Abschrift der Seite 7 haben in der Tinus 
^6 Weisheit niedergelegt hat. In Bonnet Contemplation de la 
4 Natnre finde ich nichts. Sagt wohl Titius, dass er es zugesetzt, 
ipse invenit? 

40. 

A. V. Humboldt an Oauss. 

Berlin, d, 26. Febr. 1851. 

In der Besorgniss, Ihre freundschaftliche Gewogenheit für ein 
Bedürfniss, das so eben befriedigt worden ist, in Ansprach genom- 
men zu haben, veranlasst diese Zeilen, Yerehrangswerther Freund I 
Prof. MoEBius in Leipzig hat mir soeben die Uebersetzung des Titius 
von Bonnets Cent, de la Nature 1772 geschickt, welche das Phan- 
tasiespiel des »BoDE'schen Gesetzes der Planeten-Abstände« enthält. 
— jACOBf s hinterlassene Papiere, viel über die Geschichte der griechi- 
schen Mathematiker enthaltend , sind von der Wittwe , einer Schwester 
des Hauptm. Schwinck (der, auf Bessel's Veranlassung, Sternkarten 
herausgegeben) in Dhuchlet's Hände gelegt worden. Der Hinge- 
schiedene hinterlässt in grosser Dürftigkeit 7 Kinder. Wir werden 
alle Mittel aufbieten zu helfen. Fate ist schon sehr mit der franz. 
Uebers. meines 3ten (ganz astronom.) Theiles des Kosmos beschäftigt. 
Die engl. Uebersetzung von Sabine ist bereits erschienen. Mit in- 
niger Verehrang und Freundschaft 

Ihr treuester 

AI. Humboldt. 

41. 

A. V. Humboldt an Oauss. 

Potsdam den 26. Oct. 48ö4 , 

Yerehrangswerther Freund und College ! Ein uralter, jetzt 82jäh- 
riger Mann, dem Ihre Freundschaft und Ihr Wohlwollen von der 
Zeit an wo Sie noch in Braunschweig Ihr erstes grosses Werk 
schrieben, immer ein Lichtpunkt im Leben war, wendet nach langem 





— 60 - 

Stillschweigen sich heute bittend an Sie. Der sehr arbeitsame va^ d 
hoffnungsvolle Sohn eines geistreichen Mannes des kön. Leibarzt^^s 
SoHöNLEiN ist von dem Wunsche beseelt durch gründliche natuBC*- 
historische und physikalische Studien sich zu einer wissenschaftliche ^ 
Reise ausserhalb Europa vorzubereiten. Der sehr wohlhabende Vate^cr, 
der zu den begabtesten Aerzten unseres Zeitalters gehört, unterstützet 
diese Neigung um so mehr als er selbst eine sehr grosse Vorliel^"»^ 
zur Experimentalphysik und chemischen Physiologie hat. Meine gai^^^ 
gehorsamste Bitte geht nun dahin, dass Sie theurer Freund, dei 
jungen Mann erlauben, sich in meinem Namen Ihnen vorzustellei 
Er ist auf mein Anrathen von Eisenstein unterrichtet worden un 
wegen der vorhabenden Reise wäre es sehr zu wünschen , dass 
praktisch eingeübt würde astronomische Ortsbestimmungen mittelst Sei 
tauten zu machen (Stunden winkel, correspon. Sonnenhöhen, Breitei 
bestimmungen durch oder Stemculminationen , allenfalls Mond 
distanzen — alles in dem bescheidenen Maasse als es von einei 
für andere Zwecke reisenden gefordert werden darf) . Meine lästig» 
Bitte ist also, ob für den jungen Schönlein , unter Ihrem Schutz» ^® 
jetzt jemand in Göttingen zu finden wäre dessen Müsse es ihm er-—^ -' 
laubte, einigen ganz praktischen Unterricht in Anwendung von Re^ — ^" 
flexions-Instrumenten zu geben, sich auch über Barometer-MeBSungei 
und magnetische Beobachtungen nachträglich zu unterhalten, 
weiss aus Erfahrung, dass Selbstübung und Möglichkeit des An- 
fragens zu Hebung der Schwierigkeit das beste Mittel ist zum Zwecl 
zu gelangen. Entschuldigen Sie ja die Beschwerde die ich errege. 
Sollte sich während des üniversitätslebens Gelegenheit zum Einübenr:^ 
finden, so würde ich dem Vater rathen von hier aus einen 4 — Szöl— 
ligen Spiegel- Sextanten und künstl. Horizont von Oebtling und, 
PiSTOR dem Sohne zu schicken. Es ist für Anfänger nützlich immer 
mit demselben Instrumente zu operiren. Der treffliche sich über- 
arbeitende Eisenstein, mit dem ich mich ununterbrochen und gern 
beschäftige ist in elendem Gesundheitszustande, eine Kaltwasserkur 
brauchend in Börlin selbst, zu der ich weniger Vertrauen als er 
hat. Eine Brustkrankheit bedroht ihn und die so lange betriebene 
Anstellung als Professor ist bei der Eiskälte und Unwissensehaft- 
lichkeit der jetzigen Oberbehörden in nicht theologischen Dingen (in 
solchen die das Unglück haben Finstemiss zu zerstreuen) auch immer 
im Werden. Meine Gesundheit erhält sich wundervoll durch Arbeit- 




— 61 -- 

suDkeit, die nSchtiielie^ denn die t&gliche ist durch den traurigen 
^fidrang den die NShe eines Königs veranlasst, über alle Maassen 
^trflbt. Ich habe Himmel und Erde nicht in einem dritten Theil 
zusammendrängen können nnd behalte demnach die Specialia, d. h. 
^e Ausführung der tellurischen Theile des Naturgemäldes des 
^ Bandes dem 4. Theile vor. Es ist allerdings anmassende Un- 
Vorsicht in meinem praeadamitischen unwahrscheinlichen Alter von 
einem neuen Bande zu reden, aber ich habe Freunde, welche, im 
^all des Ablebens, ausser dem Register, den 4. Theil mit kleinen 
^6ognostischen, meteorologischen und pflanzengeographischen Arbeiten 
^^en würden. Ich corrigire so eben die letzten Bogen der 2. Ab- 
teilung meines dritten ganz astronomischen Theils. Sie enthält: 
Ä^ebelflecke, die Theile des Sonnengebiets, Haupt- und Nebenpla- 
^eten, Cometen, Thierkreislicht und das Problematische der Meteor- 
steine. Ich habe grosse Sorgfalt auf die Gfenauigkeit des Numerischen 
gewandt und bloss in dieser Hinsicht hat Galle mein Manuscript 
g'esehen. Leider verlieren wir ihn, da er aus Liebe zu einer unab- 
hängigen Stellung BoGüSLAWSKi's Professur und Direction einer elend 

siTisgerfisteten Sternwarte annimmt 

allzugrosse 

-Abgeschlossenheit veranlasst. Der talentvolle Rosenhain, welchen 

man eines unbeliebten, jAConfschen, etwas erhöhten Chromatismus 

"beschuldigte, hat den Preuss. Dienst verlassen. Ich habe ihn sehr 

"warm, da ihn die ruhige Zeit entfärbt hat an den Graf Leo Thun, 

cLen sehr gläubigen aber politisch freigesinnten Oestr. Oultusminister 

«mpfohlen. Es sind ihm freundliche Versprechungen /gemacht. Ihre 

Nachsicht anflehend, werde ich Ihnen, verehrter Freund, so bald 

3neine 2. Abtheilung erscheint, beide Abtheilungen in einen Band 

gebunden, zusenden. 

Wie glücklich würde ich sein, wenn auch ich nur einige Aeusse- 
rungen, die mich leiteten von Ihnen lesen könnte, aber Fakaday's 
mich quälende Entdeckungen, seine theoretischen Ansichten, was 
er magnetic power of oxygen only a conduction polarity § 2933, 
2822, 2835 nennt, verwirrt mich. Wie denkt sich F. dass die 
calotte d'oxygene, Sauerstoff- Umhüllung nicht Pole annimmt durch 
Erdmagnetismus (power of magnetic force p. 77) und doch den 
magnetischen Erdströmungen ihre Richtung anweist? »Oxygen is a 
magnetic medium of no small power« § 2791 ja mit Eisen verglichen 



— 62 — 

(p. 47) von ungeheurem power. Ist das Endresultat des Ganzen 
etwa: dieses Oxygen wäre ein magnetisirbarer Körper dessen 
Magnetisirbarkeit durch Verdünnung (Dilatation) undTem- 
peratRr#rk6kung geschwächt wird. Diese Fähigkeit ungleicher 
Magnetisirbarkeit , diwe Ungleichheit und Einwirkung welche die 
Sonne in ihrem scheinbarem laaJk ausübt, soll Richtung und Kraft 
modificiren. Es herrscht in dem allen OMi unmathematische Dun- 
kelheit in den Ideen und dem Ausdruck. — Di» alte schon Tor 
Pabbt 1742 in Sibirien gemachte Beobachtung, die wk asf meiner 
nordasiatischen Expedition für den Russischen Kaiser überali he- 
stätigt gefunden haben, dass Magnetberge in der Natur ihres Ge- 
steins nur da Polarität zeigen, wo sie an der Oberfläche im Contact 
mit der Atmosphäre gewesen sind, hängt mit diesen Betrachtungen 
zusammen. In Basaltbrüchen sind die im Innern stehenden Basalt- 
säulen auch nicht polarisch. Möchten Sie doch einen Blick werfen 
können auf die sehr kleine Schrift : Dr. Zaddach Privatdocent in 
Königsberg über magnetische Polarität des Basalts (Bonn 1851) und 
einige Worte über Magnetica der Neu-Zeit für mich dictiren. 

Mit unwandelbarer Anhänglichkeit, Dankgefühl und Verehrung 

Ihr 

AI. Humboldt. 

Auch die Geschwindigkeit electr. Wirkung und Fortleitung ist 
besonders bei der Erdleitung mir ganz unklar geworden. Verzeihung 
für die Ungeduld die Ihnen die Unleserlichkeit meiner microscopi- 
schen Handschrift machen wird. 

42. 

A. v« Humboldt an Oauss. 

Wenn ich. Hochverehrter Freund und College, Ihnen diese 
wenigen Zeilen des Dankes für die wohlwollende Behandlung, die 
Sie dem Sohn eines überaus geistreichen Mannes, des kön. Leib- 
arztes Schönlein, auf meine Bitte, schenken, nicht durch diesen 
jungen Mann selbst schicke, so ist es, weil ich diesen vor seiner 
Abreise zu sehen versäumt habe. Leider muss ich, ein 82jähriger 
Urmensch, meinem Danke auch schaamvoU den Ausdruck eines Ge- 



— 63 — 

^ttndoisses meiner Scliiild lunzuftigen. Ich bin seit 8 Monaten nn- 
Slficklich über den Verlust eines inh^ltrairlMwr, MiJjiiwjh w ichCgwi 
-Briefes des vortrefflichwi^ mmea, iranken, arbeitsamen Dr. Eisen- 
TEIK, dem €te gdUmdenes Ihnen bestimmtes Exemplar seiner wich- 
Abhandlung über die positiven temären quadratischen Formen, 
^begleiten sollte. Bald habe ich ihn geglaubt einem unzuverlässigen 
Weisenden anvertraut zu haben, bald dass ihn meine Leute verloren 
Tifttten . . . Tage lang habe ich zugebracht nach dem Schatz zu 
suchen, ich der ich nie Manuscripte verloren, noch mit Bleifeder 
geschriebene Sonnenhöhen aus dem Jahre 1799 vom Gipfel des Pic 
von Teneriffa mich zu besitzen rühme. Seit 8 Tagen ist der Zauber 
gelöst. Da ich im August mit dem König auf dem »historischen 
Hügel« (Sanssouci) lebe und nur alle Woche einmal nach Berlin 
komme, so hatte ich in grosser Sorgfalt Brief und Abhandlung in 
eine Mappe mit Geldpapieren gelegt, auch den Anfang eines eigen- 
händigen Briefes an Sie, Hochverehrter Freund, hinzugefügt. Gerade 
in dieser Mappe hätte ich einen algebraischen Schatz nicht gesucht. 
Schenken Sie mir grossmüthig Verzeihung. Da Sie meine Lage und 
meine Thätigkeit für talentvolle junge Leute kennen, so schildert 
Ihnen nichts lebendiger die traurige Theilnahmlosigkeit unserer Zeit 
an allem was nicht theologischer Dogmatismus oder revolutionäre 
politische Bestrebung ist, als das Fehlschlagen an allem was ich für 
Eisenstein versucht , der immer noch nicht Professor ist , und bei 
einem kümmerlichen nicht einmal fixen, sondern von 3 zu 3 Jahren 
erneuertem Gehalte (400 Thalem) darbt. Wie durch Ihre grosse 
Autorität er Mitglied der Gott. Soc. geworden ist, so hat ihn denn 
jetzt auch die hiesige Akademie der Wissenschaften moniviter (?) 
aufgenommen, wobei in den nächsten Jahren aber noch nicht ein- 
mal Aussicht zu dem kleinen Gehalte (200 Thaler] ist. Erhalten 
Sie ihm Ihre wohlthuende mächtige Stütze und da ich sehr daran 
arbeite dass Eisenstein Corresp. de llnstitut wird, so flehe ich, 
dass Sie, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, auch einige schützende 
Worte nach jener westtürkischen Hauptstadt sagen lassen . Der 
junge Mann ist dazu leichenblass und in vollem Gange zur Lungen- 
sucht! Ich suche mich noch immer, bei Tage grenzenlos gestört, 
durch nächtliche Arbeit am letzten, und 4. Bande des Kosmos zu 
zerstreuen. Mein kleines Unwohlsein diesen Winter war bloss 
Schnupfen und ohne Bedeutung. Möchte ich doch auch recht erfreu- 



— 64 — 

liehe Nachricht von Ihrem uns so theuren Befinden vernehmen. Die 
immer zunehmende Complication des Planeten-Systems mit Verviel- 
Hütigung der Erscheinung von sich durchschneidenden Bahnen und 
bisher nur in einer und derselben Zone des Weltraums, die electro- 
magnetische Leitungsfähigkeit einer einzigen Gasart und einer so 
wichtigen, Licht nährenden des Sauerstoffs, die im Vergleich mit 
Wheatstone's Versuchen so sonderbar yerminderte Oeschwindigkeit 
der electrischen Ströhme in telegraphischen Leitungen . , . beschttf-^ 
tigen mich oft. Mit alter Bewunderung und Anhänglichkeit 

Berlin^ den2S. April 48S2, Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster 

AI. Humboldt. 



43. 

A. V. Humboldt an Oauss. 

Verzeihen Sie, Hochverehrter Freund, dass ich, wegen der 
Eile einer sehr baldigen Ersatzernennung unseres berühmten, geist- 
reichen Gfeognosten Leopold von Buch, Sie mit diesen flüchtigen 
und doch bittenden Zeilen belästige. Man wünscht hier den Dahin- 
geschiedenen in seinem Fache ersetzt zu sehen und damit nichts 
wie gewöhnlich, so viele Stimmen zwecklos vereinzelt bleiben, so 
wage ich es zum ersten Male frei und schaamlos zu werben und 
Ihnen vorzuschlagen Sich gewogentlichst uns auzuschliessen und 
mit Ihrer Stimme von zwei Personen eine, den für Krystallographie 
und Oryktognosie sehr verdienten Geh. Bergrath und Prof. WEisa 
allhier oder den vortrefflichen, vielseitig thätigen Geognosten, Berg- 
hauptmann VON Dechen in Bonn, des Hingeschiedenen theuerstea 
Freund, zu beehren. Der junge Schönlein hat uns erfreuliche 
Nachrichten von Ihrer Gesundheit und Ihrem schönen geistigen 
Leben mitgebracht. Welche liebenswürdige Milde und Zartheit dea 
Characters ist nicht wieder ausgesprochen in Ihrem herrlichen Briefe 
über Eisenstein's Tod, den mir der brave Vater gezeigt I Ich 
danke Ihnen, hochverehrter Mann, im Namen der Menschheit, dasa 
Sie uns das erhebende Schauspiel der grössten intellectuellen Mäch- 
tigkeit und Kraft gepaart mit unverlöschlicher , anregender Wärme 
der Gefühle darbieten. Diese Erinnerung, diese Vergegenwärtigung 



— 65 — 

von dem was man liebt nnd verehrt ist wie ein Trost zu einer Zeit 
die, nach der Färbnng meiner Meinungen nnd meinem Antheil an 
den Begebenheiten so niederschlagend anf mich wirkt. Dazu das 
arithmetische Geisterklopfen, die willkürlich hervorgerufene Begeisti- 
gung und Belebung von Fichtenholz- und Stein-Tischen, die wie 
»Hunde dressirt werden und des Menschen Organe werden« und aller 
Unsinn der Volksphysik, befinchtet durch das freche Halbwissen 
und den Magneticismus der sogenannten hohem Klassen. »Wenn 
Sie die Begeistigung der Tische läugnen, muss ich hören, so wer 
den Sie wohl gar auch läugnen, dass man Wärme fühlt, wenn man 
den Südpol eines Magnetstabes, Kälte wenn man den Nordpol be- 
rührt.« Unter diesen nicht erheiternden Eindrücken gewinne ich es 
doch über mich selbst, wenigstens nächtlichst (11^ — 3^ morgens) 
wenn die störenden Feinde schlafen, fleissig zu arbeiten. Ein mit 
dem Alter bei mir zunehmendes Uebel ist minder die Abnahme 
der Kräfte, als die Abnahme des Vertrauens auf die Kräfte die ei- 
nem bleiben: das verlangsamende der Arbeit. Die Magenschwäche 
an der ich von Jugend auf leide, nimmt sehr zu (Schwierigkeit der 
Verdauung). Ich denke dass noch in diesem Sommer der letzte 
Band des unvorsichtigen Kosmos und der erste Band der Physi- 
kal- und Geognostischen Erinnerungen, mit vielem Alten 
ganz umgearbeiteten vermengt, erscheinen soll. Nur über Erin- 
nerungen sind 25 Bogen gedruckt. Ich flehe, theurer Freund, 
dass Sie mir auf diesen Werbe- und Klage-Brief nicht antworten 
und erneuere den Ausdruck der innigsten Verehrung und Liebe, 
die ich unverbrüchlich Ihnen geweiht habe. 

Berlin ö, Mai 4853. AI. Humboldt. 

Meine freundlichsten GiUsse an Weber und H. von Walters- 
hausen. 

44. 

OauBS an A. v. Humboldt. 

Beigehend übersende ich Ihnen, mein hochverehrter Gönner und 
Freund, meinen Vorschlag zur Wiederbesetzung der durch v. Büch's 
Tod erledigten Stelle in der Reihe der Ritter des Ordens p. 1. m. 

Brnhns, Briefe. 5 




— 66 — 

Ich habe mit grösstem Vergnügen meine sonstige Absicht, die ohne- 
hin wahrscheinlich isolirt stehen würde, Ihrem Wunsche unterge-= 
ordnet. 

Wie ich stets bei den verschiedenen Gelegenheiten, wo Ihr-Ä=3hr 
Name in öffentlichen Blättern genannt wnrde, mit innigster Frend»> -Kie 
auf Ihr fortdauerndes Wohlbefinden geschlossen habe, so ist dies»^^^ 
mir durch Ihr freundliches Schreiben bestätigt und verdoppelt. Ea ^Ss 
ist mir eine Herzstärkung, Ihre Geistesfrische ganz wie früher darinx: -^n 
wiederzufinden, und zu erfahren, dass die niemand ganz verscho — -^i:»- 
nenden Beschwerden des vorrückenden Alters bei Ihnen nur leich — ^ 
terer Art sind. Auch ich selbst, seit kurzem in mein 77. Jahr 
treten, kenne solche schon seit längerer Zeit, obwohl sie mir sichÄl^h 
anders gestalten. In meinen jungem Jahren litt ich viel an Magen — -^- 
und Unterleibsbeschwerden, wovon ich jetzt fast ganz frei bin, was-^s 
freilich durch meine höchst einfache und gleichförmige Lebensweise^ -^ 
bedingt ist. Dagegen sind seit etwa 6 oder 7 Jahren andere Beschwer- 
den an jener Stelle getreten, von denen ich früher nichts wusste,. 
Yerschleimung in Brust und Schlund, Ausgehen des Athems bei 
Bewegungen zu Fuss, die mein gewöhnliches (kleines) Maass tiber- 
schreiten, Herzklopfen und Schlaflosigkeit, alles zusammen dahii 
wirkend, dass die zur Verarbeitung wissenschaftlicher Untersuchungen— 
geeigneten Stunden immer seltener werden. 

In der letzten Zeit habe ich mich mit der Ausführung eines- 
Apparats beschäftigt, um die FoucAtJLD'schen Versuche in anderer 
Gestalt auszuführen. Ich habe es bei diesen, so wie Foucauld 
selbst, Secchi u. a. sie ausgeführt haben, wie einen grossen Man- 
gel betrachtet, dass dazu ein Lokal erfordert wird, wie es an wenig' 
Orten zu Gebote steht, Secchi hatte wenn ich nicht irre eine Höhe 
von mehr als 100 Fuss, Foucauld eines von mehr als 200, Gabthe 
134 u. s. w. Höhe. Mein Apparat ist in jedem Local anwendbar, 
und zeigt schon jetzt die Einwirkung der Erdrotation nach kurzer Zeit 
auf das schlagendste, ich hoffe aber (da er jetzt noch unvollständig 
ist) die noch fehlenden Stücke, vielleicht successive, dahin zu bringen, 
dass alles in höchster Eleganz und Praecision erscheint. ^ 

Die jetzigen Tagsthorheiten habe ich ziemlich mit Gleichmuth 
betrachten, ja über einige Genrebilder wie die Versuche der Heidel- 
berger Juristenfacultät mit dem Tischdrücken herzlich lachen können. 
Ich bin seit langer Zeit gewöhnt, von der Gediegenheit der hohem 




— 67 — 

^^tiltur, welche die s. g. höhern Stände durch Lesen populärer Schrif- 
"^^^n oder Anwohnen populärer Vorlesungen erwerben zu können 
^^lauben, wenig zu halten. Ich bin vielmehr der Meinung, dass in 
^^nssenschaftlichen Gebieten probehaltige Einsicht nur durch Auf- 
"vrendung eines gewissen Maasses eigner Anstrengung und eigner 
"Verarbeitung des von andern dargebotenen erlangt werden kann. 

Der Aussicht auf die baldige Vollendung des 4. Theils Ihres 
«o Hberschwenglich inhaltreichen Kosmos freue ich mich um so mehr, 
^a ich dadurch zu einer gewissen Orientirung in einem mir bisher 
"wenig bekannten Felde zu gelangen hoffen kann. Ich hoffe zu 
-Oott, dass Er Ihnen noch recht viele Jahre zu Ihren in ihrer Art 
-einzigen Arbeiten schenken wird. Wie glücklich würde Welt und 
Fachwelt sein, wenn Sie nun auch noch den organischen Kosmos, 
^e Pflanzen-, Thier- und Menschenwelt in Ihren Kreis aufnehmen 
wollten, nachdem Sie den materiellen Träger desselben von al- 
len Seiten mit Ihrer Fackel durchleuchtet haben. 

Stets in innigster dankbarster Verehrung 

Göttingen den 40, Mai 18ö5, Ihr treuergebenster 

C. Gtauss. 

45. 

OauBS an A. v. Humboldt. 

Hochverehrter Freund. 

Wir Deutschen feiern gern, vielleicht mehr als irgend ein anderes 
Volk, gewisse Tage, die eine Zeitmaass-Beziehung haben auf uns 
theure Personen oder Begebenheiten, wie Geburtstage, Jubiläen und 
4ergl. Der Messkünstler, in dessen Augen Verschwommenheit und 
\Villkürlichkeit im Gegensatze zu Schärfe und Festigkeit, immer et- 
^as Abstossendes haben, findet einen kleinen Uebelstand darin, dass 
^er Grund, warum eben dieser Tag und nicht ein anderer zur Be- 
gehung der Feier bestimmt wird, mehr oder weniger von Willkür- 
lichkeiten abhängt, von der Einrichtung unsers Kalenders, der Ver- 
theilung der Schaltjahre, und, was Jubiläen betrifft, von dem Bestehen 
cles Decimalsystems, also, in letzter Instanz, von dem Umstände, 
dass wir eben fünf Finger an jeder Hand haben. 

5* 



r 



— 68 — 

Warum ich mit diesen trivialen Reflexionen Sie jetzt behellige ? 
Ich kann nicht unterlassen, übermorgen den 9. December in tiefer 
Rührung einen Tag zu feiern, dessen ergreifende Bedeutung von 
keiner solchen Willkühr berührt wird. Es ist dies der Tag, wo 
Sie, mein hochverehrter Freund, in ein Gebiet übergehen, in welches 
noch keiner der Koryphäen der exacten Wissenschaften eingedrun- 
gen ist, der Tag, wo Sie dasselbe Alter erreichen, in welchem 
Newton seine durch 30766 Tage gemessene irdische Laufbahn ge- 
schlossen hat. Und Newtons Kräfte waren in diesem Stadium 
gänzlich erschöpft: Sie stehen zur höchsten Freude der ganzen 
wissenschaftlichen Welt noch im Vollgenuss Ihrer bewundernswürdi- 
gen Kraft da. Mögen Sie in diesem Genuss noch viele Jahre 
bleiben. 

Der Doctor Wichmann, Assistent der Königsberger Sternwarte, 
ein junger Mann, auf dessen Talent« und Kenntnisse ich viel halte, 
ist, wie ich zu meiner Betrübniss von mehrern Seiten erfahre, in 
einem bedaurenswerthen Gesundheitszustande, der zum Theil eine 
Folge des Königsberger Klima sein soll. Man ist nicht ohne Be- 
sorgniss, dass er den Winter vielleicht nicht übersteht: indem ich 
jedoch noch nicht aufhören mag, das Beste zu hoffen, kann ich 
mich des Wunsches nicht erwehren, dass es ihm vergönnt und mög- 
lich gemacht werden möchte, eine angemessene Zeit in einem süd- 
lichen Klima zuzubringen, insofern gegen die milde Jahreszeit hin, 
seine Kräfte zu einer solchen Reise noch zureichen werden. 

Bewahren Sie Ihre freundschaftlichen Gesinnungen, die ich stets 
zu meinen köstlichsten Gütern gezählt habe, 

Götting^ den 7. December 1855. 

Ihrem herzlich ergebensten 

C. F. Gauss. 

46. 
A. V. Humboldt an Gauss. 

Wenn ich, mein theurer, innigst verehrter Freund, so lange 
Ihnen kein Zeichen des Lebens d. h. der Dankbarkeit gegeben habe, so 
hat der Grund davon in zwei sehr verschiedenen Ursachen gelegen : Zu- 



— Bo- 
hrst nenne ich das traurige Drama, das ich 2 volle Monate durch- 
gespielt und an dem die ganze Stadt Tlieil genommen. Eine Enkelin 
meines Bruders eine sehr glücklitjh verheirathete geistreiche Frau 
liat als Folge innerer Masern, die ganze Zeit mit dem Tode gerun- 
gen. Die Mutter, Wittwe des vorletzten Ministers der auswärtigen 
Angelegenheiten, die mit drei anderen Töchtern in Born war hat 
'^rotz der Winterkälte die Rückreise nach Berlin gewagt. Sie wollte die 
IKranke pflegen und fand sie todt in einem Sarge, den wir offen gelassen. 
IDie Mutter konnte noch der Beerdigung beiwohnen, in dem schönen 
IBegräbnissorte unseres Parks in Tegel, an der mit einer Statue (Spes) 
Ton Thorwaldsen geki-önten hohen Granitsäule, wo das gemein- 
-same Still-Leben der HuMBOLDT'schen Familie waltet. Die Dahin- 
geschiedene lässt 3 zarte schöne Kinder ihrem jungen Gatten, Baron 
LoEN, Flügeladjutanten des Königs. 

Der zweite Grund meines langen Stillschweigens ist heiterer 
Art. Der Ruhm Ihres Namens, Ihr Wohlwollen für den kranken 
Assistenten der Königsberger Sternwarte Dr. Wichmann, so lebhaft 
ausgedrückt, hat ihm und mir Glück gebracht. Ich konnte .dem 
König schreiben, wie warm Sie seine Rettung wünschten »wie viel 
Sie auf seine Talente und Kenntnisse hielten.« Sie sehen, hoch- 
verehrter Freund und College aus der Anlage, die ich Sie bitte mir 
nicht zurückzuschicken, wie sein Zustand sich verbessert, wie sehr 
er mit der kleinen Summe (1000 Thlr.) zufrieden ist, die ich ihm 
in diesen trüben, officiell neutralen Dardanellen (?) Zeiten losgeeist. 
Wichmann weiss durch mich, wie sehr ich auf Ihre Empfehlung 
fussen konnte. Könige kennen schon aus Bequemlichkeit in jeder 
Wissenschaft immer nur einen Namen, den Ersten 1 Ich lebe d. h. 
ich arbeite und da mein Haus eine Art Adress-Comptoir ist, ganz nächt- 
lichst, wo die störenden Potenzen, die Freunde, schlummern. Es 
äind erst 19 Bogen des letzten Bandes des Kosmos gedruckt. Das 
Einzwängen aller tellurischen Phaenomene in einen Band ist in meinem 
^o unvorsichtig begonnenen Kosmos schwieriger als bei Darstellung 
<ier Himmelskörper in der glücklicher Weise die Stoffverschieden- 
lieiten noch keine Rolle spielen, die mythischen Taschenplaneten 
(Aerolithen) etwa abgerechnet. Die ganze ABAGO'sche Familie, 
IdATHiEU Vater und Sohn, Laugieb sind jetzt aus den Räumen ver- 
jagt in denen ich mit der Familie so viele Jahre gelebt. In den 
Werken von Abago (12 hinterlassene Bände mehr optisch und phy- 



— 70 — 

sikaligch wie astronomisch) werden Sie eine Einleitung (Diseonra 
pr^liminaire) von mir finden. Halten Sie, thenrer Frennd, mir die 
scheinbare Anmaassnng zu gute. Die Arbeit die ich in vier Nach- 
ten niederschreiben mnsste (24. — 28. Decbr.) weil der erste Band 
anfangs den 14. Jan. erscheinen sollte, wnrde von der Familie nnd 
dem Buchhändler gefordert. Man hätte von mir Sonette fordern 
können, ich hätte auch nicht ausgeschlagen. Was ich am meisten 
fürchte ist Ruf der Feigheit. Das Observatorium wird jetzt von 
einem allerdings ausgezeichneten Manne dirigirt, der nie in ein Fem- 
rohr gesehen, von der Rectification der Instrumente und den prac- 

tischen Arbeiten gar nichts weiss 

Abgelandeb war hier um die 

Astr. N. nach Bonn zu ziehen falls Altena zerstört oder nach Copen- 
hagen übersiedelt wird Wenn das In- 
stitut sich nur erhält, das Schumacher mit so diplomatischer Vorsicht 
geleitet hatte. Die 27 kleinen Planeten, jetzt 29 da in derselben 
Nacht (Maerz 1 .) Marth in liondon und Luther zu Bilk (ce des- 
cendant du vilain Schismatique sagt der scheinheilige Abb^ Moigno 
im ZACH'schen Klatsch-Journal du Kosmos) zwei neue Fragmente 
entdeckt haben ! Die zunehmende Complication unseres Sonnen- 
systems, die spiralförmigen Gruppirungen der Nebelflecke interessiren 
mich keineswegs so anhaltend, als die Weltbegebenheit der Trennung^ 
des BiELA'schen Cometen (23. — 27.? Decbr. 1845.) Ich halte gern 
voreilig alle nordamerikanischen Phantasieen Uber die Genealogie 
der innem Cometen oder der geborstenen kleinen Planeten, aber 
jene Weltbegebenheit steht doch immer omineus da für die Möglich- 
keiten die man sich unabwendbar hervorruft. Dass das Ganze auf 
Täuschung beruhe wie Aroelander zu glauben scheint, auf zwei 
zufällig neben einander sichtbar gewordenen Cometen ist mir nicht 
wahrscheinlich. An den Ephorus rei religiosissime fidei in den 3 ge- 
koppelten chinesischen Planeten ist auch wohl nur mit Vorsicht zu 
glauben. Mein Kosmos den ich nicht mit dem des Abb^ zu ver- 
wechseln bitte ider zu Neptun - Leverrier übergehend, sagt qu'il 
fait abandonner les tr^s anciennes affections ni p. 570. 5831? D& 
ich mich gern selbst citire so melde ich Ihnen auch (es ist schon 
von Ekcke in unsem Berliner acad. Jahresberichten gedruckt und 
wird in wenigen Tagen in den interimistisch edirten A. N. weitläuftig 
erscheinen) dass das Stemschwanken bei Sternen unter 10" Höhe 



— 71 — 

und nur wihrend der Morgendimmerang (nicht vor derselben] auch 
Von YoosL in Mnrznck genan beobachtet worden ist (Kosmos IQ. p. 73 
und 641) zn meiner Verwnndemng horizontal 4 bis 5 Grad! Mit 
alter inniger Verehnmg nnd tausend Entschuldigungen ftr meine 
Geschwätzigkeit 

Berlin d. 6. März 18S4. Ihr gehorsamster 

AI. Humboldt. 

Wie wunderbar doch die Engländer zu allen Zeiten sind! Der 
^n der Geschichte der inductiven Wissenschaften ganz verständige 
H^of. Whewell Master of Trinity College Oxford, hielt es fftr ab- 
solut nothwendig, in einer eigenen Schrift »on the Plurality of Worlds« 
2u beweisen dass kein anderer Weltkörper als die Erde von intelli- 
genten Wesen bewohnt sein kann, da alle intelligente Wesen nach 
ihrer Natur sündhaft sind und die Erlösung (Kreuzigung) doch 
nicht auf so viel Million Rossischer Nebelflecken wiederholt werden 
könne. 

47. 

Gauss an A. v. Humboldt. 

Ich habe lange gezögert, mein theuerster verehrtester Freund 
Ihnen meinen innigsten Dank auszusprechen, für Ihre warme, und 
meine herzliche Freude, für Ihre erfolgreiche Verwendung für den 
jungen Wichmank. Zwei Umstände sind daran Schuld ; erstens die 
indirecte, obwohl wie sich jetzt nach empfangener directer Nach- 
richt ausweiset, sehr übertrieben gewesene Nachricht, dass es sich 
mit Wichmann's Befinden so verschlimmert habe, dass es zweifel- 
haft geworden sei ob er die Reise noch werde ausführen können. 
Zweitens mein eigner Gesundheitszustand, der sich besonders seit 
Anfang dieses Jahres allmählig immer mehr verschlechtert hat, so 
dass mir das Sitzen am Schreibtisch selbst nur während einer kurzen 
Zeit ungemein _aauer wird. Mein primitives Uebel, Verschleimung 
in den Luftwegen, und Schwierigkeit des Auswerfens, datirt freilich 
schon seit längerer Zeit, vieUeicht 6 — 10 Jahr; aber an Intensität 
hat es allmählig immer mehr zugenommen und es haben sich 
nach und nach immer mehr andere Uebel daran geknüpft; Schlaf- 
losigkeit, ungestümstes Herzklopfen bei der geringsten körperlichen 



— 72 — 

Anstrengung, z. B. Gehen nur auf ein Paar hundert Schritt, Steigen 
einer Treppe, etwas anhaltendes Sprechen, Sitzen am Schreibtisch 
etc. In der allerletzten Zeit sind auch geschwollene Beine dazn 
gekommen. — Doch ich will Sie mit Aufzählung meiner Klagen 
nicht weiter ermüden. 

Hr. Wichmann wird übrigens wie er mir schreibt seine Keise 
bald antreten und zunächst noch in diesem Monate über Berlin nach 
Dresden gehen ; bei der Ungewissheit wie auf andere Art Briefe ihn 
sicher treffen, nehme ich mir die Freiheit ein Paar Zeilen hier an 
ihn beizuschliessen. 

Sollten Sie es nicht unpassend finden, so möcht ich doch 
bitten, Direm liebenswürdigen König auszusprechen, wie tief ich von 
der ehrfurchtsvollsten Dankbarkeit durchdrungen bin für seine in 
dem Ass. Wichmann der Wissenschaft; selbst erwiesene königliche 
Wohlthat. 

Die von Ihnen in nahe Aussicht gestellte ausführliche Nach- 
richt von den Versuchen des H. Vogel, habe ich bisher in den 
A. N. immer vergeblich gesucht; ich kenne nur den Bericht der im 
Februar der Monatsberichte der Akademie von Encke gegeben ist, 
und bedaure nur, dass dieser vergessen hat, mitzutheilen, aus wel- 
chen Gründen H. Vogel gewiss ist, oder zu sein glaubt, dass 
die Erscheinung mehr als subjectiv ist. 

H. Whewell hat mir sein Werk auch geschickt; ich will nicht 
in Abrede stellen, dass, wer streng an die buchstäbliche Wahrheit 
der christlichen Dogmen glaubt, kaum umhin kann, auch die Whe- 
WELL'schen Schlüsse gelten zu lassen. Was ich aber nicht lobe, ist, 
dass H. Whewell seine Autoritäten, auf die er sich zu stützen zu- 
weilen für gut findet, nicht ehrlich citirt. So legt er z. B. S. 43 
Bessel in den Mund: that those who imagined inhabitants in the 
moon and planets supposed them in spite of all their protesta- 
tion, as like to men as one egg to another, und citirt Bessels po- 
puläre Vorlesungen p. 31. Allein hier steht nichts derart. Ich 
kann bloss die Stelle p. 81 finden, die einigermassen passt, wo aber 
kein Wort von Planeten steht sondern lediglich vom Mond gespro-' 
chen wird. Uebrigens kann ich auch abgesehen davon der Au- 
torität von Bessel an dieser Stelle gar kein Gewicht beilegen. 
Denn es handelt sich hier ja nicht von einer wissenschaftlichen Frage, 
sondern nur von einer factischen, und um darüber wie er gethan 



— 73 — 

absprechend zu urtheilen, hätte er erst eine allgemeine Umfrage 
Iten müssen. Bei mir wenigstens hat er nicht gefragt. Ich würde 
ch vielmehr so äussern: jeder der die Thatsache kennt wird 
>ndsbe wohner, falls es solche gibt, für gänzlich anders gebauet 
Iten müssen als die Erdbewohner, aber es wäre sehr voreilig, des- 
Ib den Mond mir nichts dir nichts alle Einwohner abzusprechen. 
e Natur hat mehr Mittel, als der arme Mensch ahnen kann. 
Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohlbefinden 
Göttingen ^1 , Mai 1854. Ihr treuster 

C. F. Gkiuss. 

48. 
Gauss an A. v. Humboldt. 

Hochverehrter Gönner und Freund. 

Die unter dem 23. November an mich erlassene Aufforderung 
t mich in einige Verlegenheit gesetzt. In der That ist meine 
ikanntschaft mit den Verdiensten der jetzt lebenden deutschen 
ihler so unvollkommen , dass ich kein, competentes Urtheil darüber 
be, welchem unter ihnen der Preis zuerkannt werden dürfe. Es 
3ibt mir sonach nur ein dreifacher Ausweg, nemlich 

entweder diesmahl mich alles Mitstimmens zu enthalten ; 

oder einen Stimmzettel in Blanco auszustellen, wie hieneben 
Schicht, und Sie ganz gehorsamst zu bitten, den würdigsten Namen 
neinzuschreiben, oder nach Ihrer Anweisung hineinschreiben zu 
•isen; 

oder drittens, wenn diese Form unzulässig ist, Sie gehorsamst 
. ersuchen, mir denjenigen, welchen Sie vorgezogen wünschen, 
Itigst zu bezeichnen, wo dann für das Weitere die erforderliche 
iit wohl noch übrig sein würde. 

Zu meiner grossen Freude, erhalte ich über Ihr Befinden, so 
t ich Gelegenheit habe, mich danach zu erkundigen, stets die 
freulichsten Nachrichten. Von mir kann ich nicht dasselbe rühmen, 
lle meine Beschwerden nehmen an Zahl, Intensität und Hartnäckig- 
)it beständig zu. '^ 

Göttingen 5. Dec. 18S4, Getreuest ergeben 

GaiLSS. 



— 74 — 
49. 

A. V. Humboldt an Gktass. 

So wenig ich es auch loben kann, daM man Astronomen durch 
Bildhaner nnd Maler dnrch Geologen wählen Hast nnd das eine »frei- 
sinnige Institution« nennt (ich habe keinen Einfluss auf eine solche 
Einrichtung ausüben können !) so hat der Unverstand mir doch eine 
grosse, grosse Freude gebracht 1 Ich habe, hochverehrter College 
freundliche Zeilen von Ihrer Hand gehabt. Ihr Wohlwollen, Ihre 
Freundschaft ist mir wie ein Lichtpunkt im Leben geblieben. Ich 
lebe arbeitsam, aber unfroh, vereinsamt in einer bewegten Oesell- 
Schaft, getäuscht in vielen meinen Hoffnungen über die politischen 
Zustände meines Vaterlandes. Wo Druck ausgeübt wird, ist mit 
Verlegung des Schwerpunkts wenig geholfen. Meine Gesundheit hat 
sich, nach allem was ich dem Körper geboten, wundersam erhalten, 
doch leide ich oft an der Verdauung. Ich versteinere langsam, aber 
der Prozess fängt nicht vom Herzen an. Ich werde, nach I];ü*er so 
liebreichen Erlaubniss , den Namen des alten , grossartigen, ernsten 
OvEBBECK (seit 25 Jahren in Bom) in den Stimmzettel selbst 
schreiben. Er nimmt mit Cobkeliüs die erste Stelle ein unter den 
deutschen Malern, er fehlte längst auf der Liste unseres Ordens- 
Ich bin tief betrübt zu hören, dass Ihre Beschwerden, Verehrter 
Gönner und Freund, »an Zahl und Intensität« zunehmen. Schonen 
Sie, ich beschwöre Sie im Namen Aller, die für deutschen Buhm 
empfänglich geblieben sind, was Ihnen von Kräften übrig ist. 
Linderung ist auch Heilung. Wer so Vieles und Grosses geistig 
geschaffen, wer der electrischen Sprache, die jetzt über Meer und 
Land geht, zuerst Sicherheit, Maass und Flügel verliehen hat, der 
sollte in dem erneuerten Andenken des Geleisteten auch einen Keim 
zur Linderung finden. 

Mit innigster und dankbarster Verehrung 

Berlin d. 4, Dec. 1854. Ihr getreuest ergebener 

AI. Humboldt. 

Ich strebe sehnlichst danach, dass Dibichlet, der immer reines 
Gold gegeben , doch endlich hier empfange, was jenseits des Bheins 
ihm früher gegeben worden ist. 



— 75 — 
50. 

Baum an A. v. Humboldt. 

Göttingen, 28. Mai 18öö, 

Ew. Excellenz 

wäre ich vor dem Tode unseres grossen Mathematikers wohl anf 
die Tranerbotschaft vorzubereiten verpflichtet gewesen , die jetzt je 
unerwarteter, um so schmerzlicher traf: aber ich war damals so 
ganz von der ärztlichen Pflege des verehrten Mannes, der in den 
letzten Monaten nur seine Tochter Thebese und mich um sich sah, 
in Anspruch genommen, neben meinen vielen Berufsgeschäften, dass 
ich deshalb um Nachsicht bitte. 

Indem wir bei Anwesenheit von Prof. Dimchlet , den wir 
jetzt mit freudigen Stolze den unsem nennen, viel über die letzten 
Gespräche mit Herrn Gauss sprachen, ermunterte er mich, es E. E. 
mitzutheilen , dass Gauss Ihrer in der letzten Zeit so oft und mit 
vieler Liebe gedachte. Ihr letzter Brief erfreute ihn besonders und 
er las ihn wiederholt und liess ihn sich von mir vorlesen. Als er 
einmal von der Besorgniss beschlichen wurde, das höhere Alter 
möge ihm vermehrte Beschwerden bringen, sagte er »dann tröstet 
mich der Gedanke an meinen Humboldt« — ein Epitheton, wel- 
ches ich ihn zu keinem andern Namen habe setzen hören. — Er 
glaubte in der Uebersetzung von Arago's Werken mit Freuden Ihre 
£and da zu erkennen, wo die Zahl derjenigen Männer besprochen 
"wird, denen über exacte Untersuchungen ein endgültiges Urtheil 
zustehe: die Zahl werde im Original auf etwa 10, in der Ueber- 
setzung auf etwa 8 angegeben : er meinte diese Beschränkung , die 
ihm ganz besonders zusagte, könne nur von E. E. ausgegangen sein. 
Die letzten Tage seines Lebens waren durch die steigenden 
IBeschwerden der Wassersucht, die sein sehr hypertrophisches Herz 
hervorbrachte, oft recht schmerzlich — aber er behielt doch immer 
dabei die Freiheit und Grösse seines Geistes, die zweifelloseste 
Ueberzeugung seiner persönlichen Fortdauer, die festeste Hoffnung 
anf dann noch tiefere Einsicht in die Zahlenverhältnisse, die Gott 
in die Materie gelegt habe und die er dann auch vielleicht in den 
intensiven Grössen werde erkennen können, denn o deo^ apiO^jiT]' 
T(Cei sagte er. 



— 76 — 

So eonsequent blieb er bis zum Ende j dass er noch in den 
letzten Wochen das Buch eritis sicut deus durchlas, nicht ohne 
Aerger, »denn die Leute sprächen darin tlber Dinge ^ welche zn 
beurtheilen ihnen alle Mittel abgingen « : aber er beendigte es den- 
noch , obwohl er einmal meinte , es habe ihm eine schlaflose Nacht 
gemacht. 

Nur in den letzten 18 Stunden verliess ihn das Bewusstsein, 
nur dann und wann leuchtete es auf kurze Zeit zu einer Aeusserung 
der Liebe oder einem Wunsche wieder auf — dann schlief er ganz 
still ein. 

Mögen E. E. diese wenigen Worte nicht unangenehm sein, die 
ich in ehrerbietigster und dankbarster Liebe schrieb, mit der ich, 
auch bis an mein Ende verharre 

E. E. ti-eu ergebenster 

Baum. 



Register. 



?tter. ^»*^"- 


Briefsteller. 


. 1807 April 18 


Perthes an Olhera 


. 1807 Juli 14 


A. V. Humboldt an Oauss 


. 1809 Decl)r.28 


» j> » » 


. 1810 April 25 


W. V. Humholdt an Oausa 


. 1810 » 27 


» » » » 


. 1821 März 14 


Frau Hofräthin Waldeck 




an Olbers 


. 1821 April 14 


Müffling an Oau88 


. 1821 April 14 


Müffling an t?. Lindenau 


• 1821 Novbr.21 


Lindenau an Oauss 


• 1823 Jan. 6 


» » )> 


• 1823 April 1 


Müffling an Lindenau 


1823 April 20 


Lindenau an Oauss 


1823 Juli 2 


» ji> » 


1824 Novbr.28 


Müffling an Lindenau 


1824 Decbr. 4 


Lindenau an Gauss 


1825 Jan. 4 


» » » 


1825 Jan. 6 


Dierksen an Olbers 


1826 Mai 21 


A. V. Humboldt an Gauss 


1827 Febr. 16 


» » u » 


1828 Aug. 14 


» » » » 


1828 Sept. 8 


» » » » 


1833 Febr. 17 


» » » » 


1836 Juli 30 


» » n » 


1837 Juli 27 


» » » » 



Kurzer Inhalt der Briefe. 

lieber den Druck der Theoria motus. 
Sendung einer Schrift von Laplace. 
Dedication des astron. Theiles der 
Reise von Humboldt undBonpland . 
Die erste Berufung nach Berlin. 

Ebenso. 
Gauss bedrängte Lage betreffend. 

Gauss zweite Berufung nach Berlin 
betreffend. 
Ebenso. 






» 



» 



Ueber Gauss abschlägige Antwort. 

Ueber Gauss Berufung. 

Empfehlung von Dlrichlet. 

Ueber Dirichlet, Jacob! , Bessel, La- 
place. Gauss Arbelt über die Strah- 
lenbrechung. 

Einladung zur Naturforscherver- 
sammlung in Berlin. 

Freude über Gauss Zusage. 

Ueber Gauss magnetische Arbeiten. 

Ueber magnetische Beobachtungen 
auf Island und in England. 

Ueber magnetische Beobachtungen. 



^'erIa$ v<\n AVillielni HilgMiiiiitiii in Leipzig', 

Abliaudliingcii 
Friedrich Wilhelm Bessel. 

lli'rninjifgebeii 

Rudolf Eii^eliiiauu, 

Drei Bände, gr. 1, l^TJ, TU, brosch. 5S Mark. 



Die (rrundlclireu 

.ler 

^Vstx'Oiioiiiie. 

>*ach iltrer geschiriitlichen Entwicklung tlargestellt 
Hugo Gylden, 

II entstehe, Tuni Verfasser besurgie niid erVi'eilerte Äii8ga1)e, 
Mit ;i;i HoUscliiiittyn. S. 137t, hrosoh. 7 M. 



Principicu 

einer 

elektrodyuamisoheu Theorie der Materie '( ^ 

Johann Carl Friedrich Zöllner, 

l'^ff's.ir der Aitroiiliysil ild Jur tniieioU« tstriiE. 

Ei-fstei- J)att<I. 

], Buch, 

^ AIiliaMlaiiieii zür aloinistiscliea Tiieorie der ElelttroUFnäiiilli 

Wilhelm Weber. 

iitr PhotoUthogpapMo und drei Tafeln, 
gr. i, ibl\}, Cftrtonnirt !S Mark.