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A. V.
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HUMBOLDT UND GAUSS.
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HUNDEirrjAllKIGl-S UEimCrsTAÜE VON UAUSS
AM 30. APRIL 1877
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Ar V. HUMBOLDT UND GAUSS.
ZUM HUNDERTJÄHRIGEN GEBURTSTAGE VON GAUSS
AM 30. APRIL 1877
HERAUSGEGEBEN
VON
»« K. BBUHNS,
PROFESSOK UND DIRECTOB DER STERNWARTE IN LElPZIä.
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN,
1877.
' • • •
Vorwort.
Je höher die Stellung , welche ein Mann in der Wissen-
schaft einnimmt, desto schwieriger ist die Aufgabe eine er-
schöpfende Biographie zu schreiben und darin liegt haupt-
sächlich die Ursache, warum uns Deutschen von einem Manne
wie Gauss noch eine Lebensbeschreibung fehlt. Der bevor-
stehende hundertjährige Geburtstag am 30. April dieses Jahres
wird hoffentlich die Veranlassung zu einer Biographie werden,
^ und da ich im Besitze einer Anzahl interessanter, besonders
^von beiden Gebrüdem Humboldt an Gauss gerichteter und
L anderer Briefe bin, die sich auf Berufungen von Gauss be-
. ziehen, so glaube ich den bevorstehenden Jubeltag nicht besser
^feiern zu können, als dadurch, dass ich diese Briefe publicire.
\ Die Briefe A. v. Humboldt's an Gauss sind ein Auszug
3 aus einer Sammlung von Briefen, die ich noch als Quellen zu:
' »Alexander von Humboldt, eine wissenschaftliche Biographie,
Leipzig 1872« dem Publikum schuldig bin und die noch in
diesem Jahre erscheinen wird. Die Originale der Humboldt-
schen Briefe befinden sich im Besitze der Eönigl. Societät
der Wissenschaften in Göttingen, welche mir gütigst den
Druck gestattet hat ; die übrigen Briefe verdanke ich den Herren
Dr. FocKE in Bremen und der Eönigl. Sternwarte in Ber-
lin, welche mir die HuMBOLDT'schen Manuscripte zur Ver-
fügung gestellt hat ; endlich ist ein Theil durch Kauf in meinen
Besitz gekommen. \v*'
— rv —
Am zahlreichsten sind die A. v. Humboldt' sehen Briefe an
Gauss. Die geringe Anzahl der Briefe von Gauss an A. v.
Humboldt hat darin ihren Grund, dass Humboldt alle Briefe
an sich, die er nicht unmittelbar als Manuscript gebrauchte,
vernichtete ; nur die letzten sind durch den ehemaligen Kammer-
diener Seifert erhalten worden und in meinen Besitz ge-
kommen.
Die Briefe sind chronologisch geordnet und in einem Re-
gister zum Schlüsse ist der Hauptinhalt angegeben. Die Hum-
BOLDT^schen Briefe sind möglichst correct wiedergegeben, bei
einigen unleserlichen Stellen sind Fragezeichen aufgeführt und
wenige weggelassene persönliche Ausdrücke sind durch Punkte
bezeichnet. Die Briefe von Müppling und Lindenau sind
theils nur so weit gegeben als sie auf Gauss Bezug haben.
Ich wage zu hoffen, dass diese Briefe einen kleinen Bei-
trag zu der GAuss-Biographie liefern und als solcher freund-
lich aufgenommen werden.
Leipzig im März 1877.
K. Bruhns.
1.
Fr. Perthes an Dr. Olbers in Bremen.
Hamburg 1807 April 18,
Wohlgeb. Hochzuehrender Herr Doctorl
Vor einigen Wochen schrieb ich Ihnen abschläglich in Hinsicht
Ihres gütigen Antrags des GAUSs'schen Werks.*) Zu dieser Zurück-
weisung wurde ich besonders dadurch bewogen, dass ich auf Joh.
Müller's Universalhistorie entrirt hatte, die das von mir für Ver-
lagsuntemehmungen bestimmte Kapital beschäftigte. Die Zeit-
umstände verschieben die Herausgabe dieses Werks auf ein paar
Jahre und ich entrire nun geni auf das GAUSs'sche Werk. Wollen
Sie die Güte haben mich näher mit dem Werk in Hinsicht des
Drucks zu unterrichten (mir etwa ein Buch zu nennen, mit welchem
es gleichförmig gedruckt werden soll) ; mir zu schreiben ob der Text
lateinisch ist , was ich für gut halte und endlich wie die Bedingungen
des Herrn Verfassers sind?
Verzeihen Sie dass ich Ihnen eine doppelte Mühe gemacht habe.
Mit der vollkommensten Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
gehorsamster Diener
Fr. Perthes.
2.
A. y. Humboldt an Gkuss.
Herr La Place trägt mir auf Ihnen, verehrter Mann, die an-
liegende Schrift als ein Zeichen seiner Bewunderung und innigsten
Hochachtung zu überreichen. Ich bin oft Zeuge der Empfindungen
*) Die Theoria motus corp. coel.
Brahns, Briefe.
— 2 —
gewesen, mit denen dieser tiefsinnige Mann von Ihnen spricht. Sie
sind der Stolz unseres deutschen Vaterlandes , und so wenig ich auch
im Stande bin Ihre Grösse ganz zu fühlen, Sie in Ihrem ganzen
Umfange zu fassen , so gebe ich doch gern dem Wunsche nach
Ihnen Selbst die kleine Gabe meiner innigen und unbegrenzten Ver-
ehrung darzubringen. In Augenblicken wo das Vaterland unter
physischer Ki-affc erliegt ist es erhebend sich an dem Anblicke zu
weiden, den Männer Ihrer Art gewähren. Möge das Schicksal
Ihnen Ruhm und eine Lage verleihen , in der Sie ganz Sich Selbst,
der Wissenschaft imd Ihrem Ruhme leben können.
Berlin d. 14. Juli 1807. AI. Humboldt.
3.
A. y. Humboldt an Gauss.
Wir haben es gewagt, mein Freund, Hr. Oltmans und ich,
Ihren Namen, Verehrungswerther Herr Professor, einem astrono-
mischen Werke vorzusetzen, das was es lehrreiches und gründliches
enthält , meinem Freunde verdankt. Entfernt seit einer langen Reihe
von Jahren von unserem deutschen, gemeinsamen Vaterlande, auf
neue Reisen mich vorbereitend, bin ich deutschem Ruhme nicht
genugsam entfremdet, um mich nicht Ihrer und Ihrer grossen Arbeiten
zu erfreuen. Die erste und einzige Bitte die ich je an den König
von Preussen habe gelangen lassen, wenige Wochen nach meiner
Rückkunft nach Europa, betraf Sie. Es hat nicht von mir abge-
hangen, dass Ihnen nicht eine glänzende Lage in meiner Vater-
stadt bereitet wurde. Ich schätze mich glücklich eine Gelegenheit
gefunden zu haben, Ihnen einen schwachen Beweis meiner tiefen
Bewunderung und Verehrung geben zu können. Es ist ein Genuss
den mein hiesiger Aufenthalt mir täglich gewährt, Ihren Namen so
aussprechen zu hören, als es einem deutschen Gemüthe, unter dem
Drucke äusserer Begebenheiten wohlthut.
Ich bitte Sie theuerster HeiT Professor meinen Lehrern und
Freunden, den vortrefflichen Heyne, Blümenbach, Reuss, Mayeb,
ScHRADER und Hardikg mich innigst zu empfehlen. Ich kann nie
ohne Rührung an den Ort zurückdenken, den Sie jetzt bewohnen
— 3 —
und in dem ich die frühesten Tage einer mit Hoffnungen erfüllten,
noch ungetäuschten Jugend verlebte.
Paris ä V Ohservatoire Imperial d. 28, Dec. 1809,
Alexander Hiunboldt.
4.
W. y. Humboldt an Gauss.
Ew. Wohlgeboren grosses und allgemein anerkanntes Verdienst
um die mathematisch astronomischen Wissenschaften macht Ihren
Besitz für die hiesigen höhern wissenschaftlichen Institute der Section
des öffentlichen Unterrichts ganz vorzüglich wünschenswerth, und
es ist ihr erfreulich, von des Königs Majestät zu Ihrer Berufung
autorisirt zu sein. Entschliessen Sie Sich, hieher zu kommen, so
werden Sie vorzüglich nur bei der Königl. Akademie der Wissen-
schaften, aus deren anliegendem Schreiben Ew. Wohlgeboren den
Wunsch derselben Sie als anwesendes ordentliches Mitglied zu be-
sitzen ersehen werden, thätig sein und aus deren Fonds beinah das
ganze Ihnen auszusetzende Jahrgehalt von 1500 Thlr. beziehen, zum
Lesen von CoUegien auf keine Weise verbindlich gemacht, nur von
der unterzeichneten Section ersucht werden, der hier zu stiftenden
Universität Ihren Namen als ordentlicher Professor zu leihen und,
so viel es Ihre Müsse und Gesundheit zulassen , von Zeit zu Zeit
eine Vorlesung zu halten. Was sonst irgend zu Ihrer Zufriedenheit
geschehen kann, wird die Section des öffentlichen Unterrichts ins
Werk zu richten sich gewiss bemühen, und auf jede ihr mögliche
Art Ihnen Beweise der grossen Achtimg geben, die sie gegen Sie,
gegen Ihre Verdienste und Wissenschaft hegt. Einer baldigen Er-
klärung auf ihren Antrag sieht sie erwartungsvoU entgegen und
hofft, dass diese nicht ungünstig ausfallen werde.
Berlin den 2ö, April 1810.
Section im Ministerio des Innern für den öffentlichen Unterricht.
Humboldt.
— 4 —
5.
W. y. Humboldt an Gauss.
Berlin i7. Apr. 1810,
Ich kann nicht längnen verehrtester Herr Professor, dass ich
mich seit langer Zeit in keiner gleich peinlichen Ungewissheit be-
fanden habe, als indem ich die Inlage abgehen lasse. Seitdem ich
mein jetziges Amt bekleide, war es mein sehnlicher Wunsch, Sie
hier zu besitzen. Seitdem die Universität fest hier beschlossen war,
dachte ich mit Eifer und Ernst darauf, jetzt endlich ist es mir
gelungen, Ihnen bei der Akademie der Wissenschaften eine Lage
anbieten zu können , die Ihrer Neigung, Sich ungestört Ihrem Studio
hinzugeben, angemessen scheint, und nun schwebe ich in wirklich
beunruhigenden Zweifeln , ob Sie meinen Ruf annehmen, oder Ihren
jetzigen Aufenthalt vorziehen werden. Meinen Wunsch Sie für uns
zu gewinnen , brauche ich nicht zu entschuldigen ; er ist zu gerecht
in jeder Rücksicht. Meine Pflicht ist es Ihnen zu sagen, warum
ich glaube, dass Sie vieUeicht der Bitte der Akademie und der
meinigen Gehör geben könnten. Ich verkenne sicherlich die Vor-
züge Ihres jetzigen Aufenthalts nicht. Aber ich glaube mit Sicher-
heit behaupten zu können, dass Sie hier eine freiere und unge-
störtere Müsse finden würden. Sie sind als Akademiker bloss zu
freien und nur zu solchen Arbeiten berufen , die Ihnen selbst Freude
machen; bei der Universität entbinde ich Sie, wie Sie es wünschen,
jeder Verpflichtung, und es giebt daher nichts, was Sie auf dem
Wege stiller, abgezogener und ruhiger Forschung aufhalten könnte.
Die Akademie hat Sie mit einer Uebereinstimmung und einer Freude
gewählt, die Ihnen die erfreulichste Aufnahme verspricht, die mathe-
matische Klasse besonders wünscht auf das lebhafteste Sie in ihrer
Mitte zu sehen, und ich werde gewiss mich unablässig beeifem,
Ihnen Beweise der grossen und lebhaften Achtung zu geben, die
ich für Sie hege , und Ihre Lage so angenehm , als immer möglich,
zu machen. Wenn überhaupt, wie ich mit Wahrheit und Unpar-
theilichkeit ansehen kann , Gelehrte hier von allen Seiten mit giosser
Liberalität behandelt werden, so wird man sich besonders bemühen,
einem Mann, wie Sie, wenn er einmal gekommen ist, auch Ver-
— o
anlassungen zu geben, gern unter uns zu bleiben. Dies musste ich
Ihnen sagen und konnte es mit Wahrheit. Uebrigens bin ich weit
entfernt, Sie überreden zu wollen. Ich fühle, wie viel Werth man
auch mit Recht darauf legen wird, Sie dort festzuhalten, und mein
Wunsch, Sie zu gewinnen, wird mich nie unbescheiden machen.
Nur Ein Wort erlauben Sie mir noch hinzuzusetzen. Schlagen Sie
meinen Ruf aus Gründen aus, die in Göttingen selbst, in Ihren
dortigen Verhältnissen, in dem Wunsch Ihrer Regierung liegen, Sie
nicht ausscheiden zu sehen, so muss ich bedauern, dass wir auf
Sie Verzicht leisten müssen, kann aber nicht anders, als diese
Gründe ehren. Sollte hingegen ihr Ablehnen aus Zweifeln ent-
stehet!, die Sie in Rücksicht der äusseren Ihnen angebotenen Be-
dingungen hätten , so bitte ich Sie wenigstens erst Sich noch einmal
an mich zu wenden. Sie können sicher überzeugt sein, dass es
nie und nimmer geschehen könnte, und nie geschehen würde. Doch
genug von der Ungewissheit. Vielleicht machen Sie meinen Klein-
muth zu Schanden, und erfreuen uns mit einer zusagenden Ant-
wort. Gewiss würde ich dann den Tag, an dem ich dies erführe,
als einen der glücklichsten für unsere neue Anstalt bezeichnen. —
Verzeihen Sie verehrtester Herr Professor, die Wärme und die Frei-
müthigkeit dieses Briefs. Aber mit einem Manne den ich so innig
hochschätze, wäre es nie an sich unmöglich uneins zu werden, und
ein anderer Entschuldigungsgrund fElr diese Freiheit mag die Ver-
bindung sein, in welcher mein Bruder mit Ihnen steht, der mir so
oft von Ihnen mit den Gefühlen geschrieben hat, die ich so ganz
mit ihm theile. Erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort, und
nehmen Sie noch einmal die Versicheimng meiner hochachtungsvollsten
Ergebenheit an.
Humboldt.
Noch muss ich Ihnen mit einigen Worten sagen, dass zu gleicher
* •
Zeit mit Ihnen an die Universität und Akademie Illiger, Rudolphi
und Gltmans berufen sind, die alle bereits zu kommen erklärt
haben. Reit ist schon hier. Von Juristen kommt Savigny aus
Landshut in einigen Wochen.
— 6 —
Frau Hofräthin Waldeck an Dr. Olbers in Bremen.
Göttingen den 14. März 2i .
Mein höchst verehrter HeiT Doktor!
Seit 3 Wochen krank an einem bösen Schnupfenfieber — schreibe
ich Ihnen im Bett mit schwacher Hand. Der Gegenstand liegt
meinem Herzen zu nah als dass ich meine völlige Herstellung er-
warten könnte — und ich glaube es ist keine Zeit zu verlieren. —
Unser trefflicher Gauss ist in seinem hiesigen Verhältniss so un-
glücklich wie möglich, — theils durch seine coUegialischen Verhält-
nisse, mit dem der ihm so nahe ist, weil er nicht die kleinste
Hülfe hat, und da Sie mein theurer Herr Doktor wissen — dass
tiefes Denken und Rechnen sein Lieblings-Studium ist, so fühlt er
sich schon dadurch nicht an seinem Platz; nun kommt das übrige
dazu dass er Ihnen aufrichtig gesagt — wegen der Zukunft gerechte
Sorge hat. Die Veranlassung meines Briefs ist, dass mir meine
Tochter vor einigen Tagen versicherte sie sei so besorgt um seine
Gesundheit — sein Mismuth sei so gross dass — wenn nicht bald
Hülfe kommt so gehe es nicht gut. Es war recht betrübt dass er
diesen Sommer den Fürst Hardenberg nicht sprach, da war er
verreist und dem wollte er es sagen. Vor mehrem Jahren hatte
er den schönen Ruf nach Berlin ehe er mein Sohn wurde. Dass
ich mich darein mische, da wage ich, wenn es Gauss erführ, un-
bedingt mein zeitliches Glück, und nicht ich allein, son-
dern meine gute Tochter war lebenslang völlig unglück-
lich durch mich, denn Sie kennen meinen guten Schwiegersohn
vielleicht nicht von der Seite wie verschlossen er über seine Lage
ist und wie er das Klagen meiner Tochter und mein Einmischen uns
nie vergeben würde — und nur im engsten Vertrauen klagte mir
dieses meine Tochter. Weiter sage ich Ihnen nichts und
es ist gewiss genug, und dieser Brief wird von Ihrer
gütigen Hand selbst verbrannt!!!
Bringen Sie es mein bester Herr Doktor recht laut zur Kunde,
dass er sich von hier weg wünscht und wirken Sie wo Sie können
für sein Bestes; dass er, der wohl ein behagliches Leben forder»
— 7 —
könnte, sich Tag und Nacht ums liebe kärgliche Brod quälen muss,
ist hart. — Es ist keine gute Arznei dass ich Sie mein lieber HeiT
Doktor bitte, Gauss den ich wie meinen Sohn liebe, und meine
liebe liebe Tochter, mit ihren herzlichen Bündern von hier zu hel-
fen — so darf so kann es nicht bleiben ! Denn wie kann ich mich
freuen sie unglücklich zu sehn — oft ist er ganz lebenssatt. Ant-
worten Sie mir nicht mein theurer Herr Doktor — darum bitte ich
Sie so sehr — ich trau auf Sie dass es gewiss alles zum besten
geschieht und so leicht könnte meine Tochter etwas davon sehn ;
ich nehme mir die Erlaubniss auf den Brief zu merken, dass Sie
selbigen doch allein lesen möchten. Ihrem freundschaftlichen Wohl-
wollen empfehle ich mich nebst meinen Kindern angelegentlich
gehorsamst
Ch. Waldeck geb. Wyneken.
7.
General von Müffling an Gauss.
Berlin d, 14, April 1821,
Ew. Wohlgeb. hier bei uns zu haben ist ein Wunsch, den ich
lang genährt habe — nicht füi* die praktische Astronomie, denn
noch lässt sich nicht übersehen, wann wir den Bau einer ordent-
lichen Sternwarte beginnen können — aber für die Akademie und
Universität. — Ob dies mit ihren Wünschen übereinstimmen würde,
ist freilich eine andere Frage, indess wenn Ihre Gradmessung voll-
endet ist, so würde sich doch hier ein grösserer Wirkungskreis für
Sie öffnen. Wir sind freilich gerade jetzt in einer bedrängten Zeit,
jedoch thut man was man kann. Wenn Ew. Wohlgeboren mir Ihr
Vertrauen schenken wollten, so gebe ich Ihnen mein Wort, dass
Sie wenigstens bei mir keinen Missbrauch zu fürchten haben und
nicht compromittirt werden können. Hätten Sie eine Neigung zu
uns zu kommen, jetzt oder später, so würde ich überlegen wie es
zu machen sei, um mit Ihier Zustimmung mit dem Minister von
Altenstein, mit dem Fürsten Staatskanzler und wenn es nöthig
wäre mit dem König reden. Meine Stellung berechtigt mich dazu,
und wenn ich aus dem Vergangenen auf die Zukunft schliesse , so
— 8 -
darf ich mir schmeicheln, dass meine Unterredungen nicht ohne Er-
folg sein würden. Kein Mensch würde übrigens hiervon ein Wort
erfahren, die Sache möge nun gelingen oder nicht.
8.
Müffling an Herrn v. Lindenau.
Ew. Hochwohlgeb. Schreiben vom 7. April erhielt ich heut
früh. Nachmittag hatte ich eine Unterredung mit Minister v. Al-
tenstein und wir waren sofort darüber einig dass bei billigen Be-
dingungen ein Mann wie G. hier eine ehrenvolle Anstellung bei
der Akademie und der Universität finden soll. Heut Abend habe
ich G. geschrieben, ihm meine Instruction gesendet und ihn gefragt
ob er nicht Lust habe zu uns zu kommen? Ich habe ihn einge-
laden mir mit Vertrauen zu schreiben, und ihm versprochen, dass
er in keinem Fall compromittirt werde. Die Sache liegt also ganz
in seinen Händen. Ob er mir aufrichtig schreiben wird ist die
Frage und ich muss Ihnen überlassen zu beurtheilen ob es nöthig
ist dass Sie ihm noch schreiben. Sie könnten ihm so als ob es von
ohngefähr sei sagen dass ich' Ihnen mitgetheilt hätte wie schlecht
es um die mathematische Klasse bei der Akademie stehe, wie Tralles
sich durch sein starres Wesen und Züge welche von keinem guten
Herzen zeigten allgemein als Mensch verhasst gemacht habe und
als Akademiker nicht thue was er solle — dass ich den Wunsch
hätte ihn — G. in Berlin zu sehen etc.
Indess ich will nicht dafür bürgen dass das einen verschlosse-
nen Mann wie G. doch einmal ist noch mistrauischer machen könnte. —
Thun Sie was Sie gut finden. Hat G. Lust Göttingen zu verlas-
sen so wäre es am besten er käme unter irgend einem Voi*wande
nach B. um hier alles in Ordnung zu bringen. Dies auf den Fall
dass er kein Vertrauen zu mir hat. — In der Anlage erfolgt ein
Exemplar meiner Instruction die ich freundlich aufzunehmen bitte,
und nicht zu vergessen für welche Zwecke ich sie schreiben musste.
— Ich liebe es auch nicht wenn man es versuchen muss die Wis-
senschaft zu einem Handwerk zu machen, aber es geht doch ein-
mal nicht anders.
— 9 —
Von H. Zach habe ich auf meinen Brief noch nichts gehört.
Ich fürchte er ist ungnädig, oder will erst abwarten wie es mit den
Breiten-Bestimmungen vom Brocken und Seeberg wird. — In den
Beispielen finden Sie die Rechnung zwischen Mannheim und See-
berg, nach dem von Nicolai bestimmten Azimuth vom Feldberg.
Meine Geschäfte haben sich seit meiner Ernennung zum Chef
des Generalstabes der Armee, (da der ehemalige General-Quartier-
Meister-Posten ganz damit verbunden ist) dergestalt vermehrt, dass ich
alle Detail-Arbeiten bei den Messungen, welche mir so viel Vergntl-
gen machten, ganz aufgeben muss. Ich werde diesen Sopimer bei
einer meiner Reisen durch Thüringen kommen, und dadurch Gele-
genheit finden meine hochachtungsvollen Gesinnungen Ihnen münd-
lich aufs Neue an den Tag zu legen.
Berlin 14. April 18SI1. Müffling.
9.
Lindeoau an Gauss.
i82i Novbr. 2i.
. . . Müffling schreibt mir hierüber folgendes (d.d. 15. Nov. 1821)
»Der Minister von Altenstein hat mich benachrichtigt, die Ange-
legenheit wegen Hofrath Gauss sei so weit gediehen, dass er zu
wissen bedürfe, welche Forderungen Letzterer mache, um darüber
dem König Vortrag machen zu können. Gauss wünscht nicht als
ordentlicher Lehrer bei der Universität angestellt zu sein und Al-
tenstein ist damit einverstanden, dass er nicht mit dem Alltäglichen
geplagt werde, dass er jedoch sich nicht entzöge, vielversprechen-
den jungen Männern die letzte Feile und Mittel zur Ausbildung zu
geben. Altenstein bezweckt hauptsächlich, dass G. dahin wirke,
den erlöschenden Ruhm einer sonst berühmten Akademie wieder auf-
zufrischen, was Gauss am ersten zu erreichen vermag. Alten-
stein wünscht dem König spätestens gegen Neujahr Vortrag darüber
zu machen und die Sache wird keine Schwierigkeit finden, wenn
Gauss nicht über 2000 Thlr. verlangt. » Letzterer könnte dann
wohl seine hiesigen Verhältnisse gegen Ostern antreten.«
— 10 —
10.
Lindenau an Gauss.
1823 Jan, 6,
. . . Dies führt mich auf die angefangenen Verhandlungen mit
Berlin, da ich glaube, dass Sie gerade dort so ganz HeiT Ihrer Zeit
sein würden, wie es das wahre Interesse der Wissenschaft erfor-
dert; ich habe noch vor wenigen Wochen mit General Müffling
über diese Angelegenheit gesprochen, der an der königlichen Ge-
nehmigung Ihrer Bedingungen keinen Augenblick zweifelte und nur
darüber eine baldige Auskunft von mir zu erhalten wünschte, ob
die Versetzung nach Berlin noch in Ihrem Plane liege und wann
Sie dahin kommen könnten. Durch Tralles Tod ist jede Schwie-
rigkeit beseitigt, die sich dort Ihrem Eintritt hätte entgegensetzen
können.
II.
Müffling an Lindenau.
482ö April 1,
. . . Gauss ist nun von der Akademie der Wissenschaften (nebst
zwei andern Pfaff und Bessel) dem König an die Stelle von
Tralles vorgeschlagen. Allein das Gehalt, nebst dem Secretariat,
beträgt nur circa 1200 Thlr. Minister Altenstein (bei dem Alles
etwas langsam geht) hat nun noch meine Unterstützung beim König
verlangt, um das üebrige zu verlangen. Ganz kurz aber höchst
dringend habe ich das Bedfirfniss dargestellt und bin dabei auf mein
altes Project einer ^cole polytechnique zurückgekommen, für welches
auch Alexander Humboldt hier geworben hat. Ich habe aber
bei der Gelegenheit recht kennen lernen, dass unsere deutschen
Philologen ebenso intolerant wie die Jesuiten sind, und dass eine
wahre Verbrüderung Statt findet, die Mathematik nicht aufkommen
zu lassen. Ich hoffe, dass die GAUSs'sche Angelegenheit nun end-
lich zu Stande kommt und dass wenn er hier ist ich eine Stütze
an ihm finde , damit wir die Mathematik in unserm Staate etwas in
— 11 —
die Höhe bringen. Ich habe dem König gesagt, dass der Staats-
Unterricht in der Mathematik bei andern Nationen da anfängt, wo
er bei uns schliesst, dass sich zwar immer Mathematiker bei uns
finden werden, dass aber dadurch, dass sie sich durch Selbststudium
bilden müssen, die Leute in der Regel so schroff und einseitig
werden, dass der Staat dann am Ende keinen Nutzen von ihnen
hat. Und so sehe ich es hier alle Tage. — Sobald ich etwas
Näheres erfahre, erhalten Sie sogleich weitere Nachricht.
12.
Lindenau an Gauss.
1825 April W.
. . . Den anliegenden Brief von Müffling wollte ich Ihnen
persönlich überbringen und mündlich das Weitere besprechen, was
dann aber leider durch ausser mir liegende Umstände unmöglich ge-
macht wurde. Dass Sie nicht allein sondern zugleich mit Bessel
und Pfaff vorgeschlagen wurden, ist vorgeschriebene Form; allein
dass man vorzugsweise Sie wählen wird und wahrscheinlich auch
alle von Ihnen gemachte Bedingungen zugestehen wird, ist mit Zu-
verlässigkeit zu vermuthen ohne jedoch jetzt ganz bestimmt darüber
aussprechen zu können. Dass man anfangt davon im Publikum zu
sprechen, ist nicht zu verwundern, da in Berlin aus dem dem König
gemachten Antrag kein Geheimniss gemacht werden wird. Ich
schreibe heute an Müffling, um eine definitive Entscheidung zu
beschleunigen und geschieht dann ein officieller Antrag, so liegt es
noch immer in Ihren Händen, diesen oder die verbesserten Be-
dingungen aus Hannover anzunehmen. Ueber die Wahl selbst ist
schwer zu rathen, da Individualität hiebei entscheidet und ich in
den letzten Jahren mit Ihren häuslichen und persönlichen Verhält-
nissen doch zu fremd geworden bin, um mit einiger Einsicht das
Vorzüglichere Ihrer Existenz in Berlin oder Göttingen beurtheilen
zu können. Für Ihr geistiges Wirken würde mir Berlin als der
günstigere Aufenthalt erscheinen.
Ist es möglich, so wäre es wohl gut, wenn Ihr Besuch in
Hannover bis zum Eingang von Müffling's nächster Antwort ver-
- 12 —
schiebbar wäre, weil ausserdem Verlegenheiten doch leicht entstehen
könnten. Müssten Sie aber die Reise nach Hannover früher an-
treten, und würden Sie von dortigen Autoritäten darüber, ob Sie
einen Ruf nach Berlin erhalten hätten befragt, so würde es nach
meiner Ansicht ebensosehr mit Wahrheit als mit Klugheit vereinbar
sein, eine solche Anfrage dahin zu beantworten:
»Dass Sie allerdings durch Freunde von der Absicht des
Königlich Preussischeri Gouvernements Ihnen einen Platz in
der Akademie anzubieten unterrichtet worden wären, ohne
dass jedoch ein Antrag selbst an Sie gelangt sei.«
Bei dieser Gelegenheit werden Sie dann auch vielleicht erfahren,
was man Hannöverscherseits zu Ihrer Verbesserung zu thun geneigt
ist, und hiernach am besten entscheiden, welche Existenz die vor-
züglichere ist.
13.
Lindenau an Gauss.
1823 Juli 2.
. . . Für den möglichen Fall, dass aus Berlin noch keine directe
Nachricht an Sie, verehrter Freund, eingegangen sein sollte, will
ich Ihnen wenigstens das mittheilen, was mir Müffling vor wenig
Tagen mündlich erzählt hat. Alles ist zu Ihrer Bemfung einge-
leitet, und Altenstein würde bereits den deshalb erforderlichen
Vortrag beim König gemacht haben, brächte es nicht die herkömm-
liche Form des Geschäfts mit sich, darüber noch vorher die Gut-
achten einiger Behörden zu erfordern; Müffling war ausser sich
über die lange Verzögerung einer Angelegenheit, die längst zum
Abschluss hätte gebracht werden können, hoffte aber mit Zuver&icht,
dass dies unfehlbar im Lauf der nächsten Wochen der Fall sein
werde.
U.
Mäffling an Lindenau.
i824 November 28,
. . . Heute schreibe ich wegen unsers Gauss, und zwar weil
nun endlich und endlich unser guter vortrefflicher aber höchst lang-
— 13 -
samer Minister Altenstein mit der Sache so weit vorgeschritten
ist, dass es folgendermassen steht:
Die Akademie der Wissenschaften, (von welcher p. Gauss be-
reits auswärtiges Mitglied ist) hat sich erklärt, ihn als ordentliches
Mitglied aufzunehmen und kann dazu 1700 Thlr. jährlich flüssig
machen. Die mathematische Klasse wählt ihn in diesem Falle zum
Secretär, wozu ein Gehalt von 300 Thlr. ausgesetzt ist. Dies wären
2000 Thlr. und erforderte bestimmte Pflichten, welche p. Gauss
kennen wird.
Darüber, dass er bei der Universität nicht angestellt wird,
waren wir bereits alle einig. Da nun aber der Minister zur Her-
beischaflfung von der Summe, welche noch an seiner Stellung fehlt,
einen Titel haben muss, so hat er den Antrag an den König ge-
macht [den ich auch unterstützt habe] dass der H. Gauss ihn dem
Minister in allem was das mathematische Studium betriflt, rathgebend
oder leitend für öffentliche Angelegenheiten und Institute als Obser-
vatorien, polytechnische Institute etc. beistehe und sich unterzöge.
Dies ist auch genehmigt und der Minister hat dafür die Bewilligung
auf 6 bis 700 Thlr. erhalten, so dass von dieser Seite nun nichts
mehr entgegensteht.
Ausserdem würde noch eine billige Reise- und Versetzungs-
kosten-Vergütung zu erlangen sein.
Was die Stellung betrifft, so glaube ich, dass neben der als
Akademiker sich keine ehrenvollere finden lässt, und
wenn der Hofrath Gauss sich mit dem Minister zu benehmen weiss,
so bekommt er einen so grossen Einfluss auf das ganze mathema-
tische ünterrichtswesen des Staats, wo er also ein grosses Feld hat
und ausserordentlich nützlich wirken kann. Die Minister und die
ersten Räthe werden ihm mit grossem Vertrauen entgegenkommen,
alles übrige hängt von ihm selbst ab. Kommt es dazu, ein poly-
technisches Institut zu bilden (wozu ich einen Plan entworfen habe)
so würde er einen grossen Einfluss darauf üben, und dies ist zu-
gleich eine Gelegenheit zu seiner Verbesserung.
Was den Gehalt betrifft, so kann ich mich nicht mehr erinnern,
was die Wünsche von H. Gauss waren. Ich dächte es wären
2400 Thlr. und ein Quartier gewesen.
Jetzt ist nun die Frage: ist H. Gauss noch gesonnen diese
Stelle, und so wie ich es hier auseinander gesetzt habe, anzunehmen?
— 14 —
Haben Sie die Güte, mein verehiiier Freund, mir hieranf i
antworten.
Nimmt der Hofrath die Stelle an, wie ich vom Minister'
autorisirt bin sie ihm anzubieten, so ist dessen Wnnseh,
dass er bis Ostern 1825 eintritt. Es ist daher nicht viel Zeit n
verlieren. In diesem Falle rathe ich, dass der Hofrath mir sofort
bestimmt schreibt und sich gleich über die drei Punkte erklärt:
1 Gehalt, 2) Entschädigung der Versetzung, 3; Zeit des Eintritts.
Ein Naturalquartier ist nicht vorhanden, würde auch jedenfalls
eine sehr genante Sache sein, da ein Familienvater besser selbst
wählt, und bei Dienstwohnungen die Collisionen und der Verdmss
unvermeidlich sind.
Ich würde bitten, dass Hofrath Gauss mir dann einen confi-
dentiellen Brief schriebe, den ich vorlegen kann. Erwartet er eine
Antwort darauf, so soll sie aufs Schnellste erfolgen. — Ich bin mit
den Formen nicht bekannt, welche zu seinem Abgang von Göttingen
nothwendig sind, welche Schritte dazu bei dem hannoverschen Gou-
vernement nöthig sind, auch ob eine officielle Berufung dazu
nöthig ist. Das wird der Hofrath wissen und mir darüber schreiben.
15.
Lindenau an Gauss.
i824 December 4,
, . . Dass endlich in der Anlage ein bestimmter und, wie mir
scheint, auf alle Weise ehrenvoller und günstiger Antrag geschieht,
freut mich lebhaft, da ich überzeugt bin, dass bei einer Verlegung
ihres Wohnsitzes nach Berlin, ebensosehr Ihr persönliches Wohlsein
als Ihr geistiges Wirken gewinnen wird. Denn der Ihnen ange-
botene Wirkungskreis ist ganz dazu geeignet, um Ihnen einerseits
freien Spielraum für eigene Arbeit, andrerseits aber einen ent-
schiedenen Einfluss auf die mathematische Bildung im Preussischen
Staate überhaupt zu gewähren. Was die Form dieser Verhandlung
anlangt, so glaube ich, dass solche, wenn Sie einmal den Abgang
von Göttingen und unwiderruflich beschlossen haben, die sein
müsste, dass Sie eine officielle Berufung von Berlin veranlassten,
J
— 15 —
^ und darauf Ihre Entlassung in Hannover begehrten. Ob Sie nun
unmittelbar oder femer durch mich mit General Müffling verhan-
deln wollen, darüber sehe ich Ihren weitem Mittheilungen entgegen.
16.
Lindenau an G-auss.
1820 Januar 4.
Wenn ich erst heute Ihre letzte freundliche Zuschrift beant-
worte, und dafür bestens danke, so geschah dies zunächst in Ver-
anlassung des Wunsches, vorher eine Antwort aus Berlin zu erhalten.
Diese ist vor wenig Stunden bei mir eingegangen und drückt, wie
ich im Voraus erwartete, grosses Bedauern über Ihre abschlägige
Antwort aus, da man mit Zuversicht hoffte, Sie für die preussische
Monarchie gewonnen zu haben. General Müffling wünscht nun
andere Vorschläge von mir zu hören, was mich denn aber in grosse
Verlegenheit setzt, da Ersatz eine Unmöglichkeit ist.
Mollweide und Buzengeigeb sind mir eingefallen und ich
möchte mir wohl Ihr entscheidendes ürtheil erbitten, wer von beiden
der vorzüglichste Mathematiker ist. . . . Mit herzlicher Freund-
schaft und Achtung Ihr
Lindenau.
17.
Dirksen an Olbers in Bremen.
Berlin, den 6, Januar 182S.
Wohlgeboraer, Insonders Hochzuverehrender Herr Doktor!
Ew. Wohlgeb. habe ich noch meinen verbindlichsten Dank ab-
zustatten für die erfreulichen Nachrichten, welche Sie mir hinsicht-
lich der bewussten Sache, mittelst Ihres geehrten Schreibens vom
15. November v. J., haben ertheilen wollen. Von dem Inhalte
desselben einen besonders wichtigen Gebrauch zu machen, dazu fand
ich um so weniger Veranlassung, indem ich sehr bald darauf in
Erfahmng brachte, dass das Ministerium bereits jemanden beauf-
- 1G*~
tragt hatte, H. Gauss den bekannten Antrag, und zwar nnter
folgenden Bedingungen zu machen : Ganz allgemein sollte H. Gauss
die Direction des mathematischen Unterrichts im preussischen Staate
anvertraut, jede in dieser Beziehung zu treffende Massregel mit ihm
besprochen, und die Besetzung der desfallsigen Lehrstellen nur
nach seinem Gutachten vorgenommen werden. An keine Anstalt
irgend einer Art sollte er, wider seine Wünsche, vorzugsweise näher
gebunden sein ; nur mit Ausnahme der Akademie der Wissenschaf-
ten allhier, deren ordentliches Mitglied er sein, und von welcher
er mit dem Secretariat der mathematischen Klasse beauftragt wer-
den sollte. Hierfür wäre von ihm an jährlichem Gehalte zu bezie-
hen eine Summe von Zwei Tausend Reichsthaler aus der Kasse der
Akademie, welche Summe das Ministerium noch um tausend Rthlr.
aus seinen eignen Fonds zu erhöhen nicht ungeneigt sein dürfte. —
Ew. Wohlgeb. werden es sehr verzeihlich finden, wenn unter sol-
chen Umständen jeder Zweifel in Absicht auf den gewünschten Erfolg
bei mir gehoben war, und wenn ich glaubte, mich mit den zahl-
reichen hiesigen Verehrern von Herrn Gauss nunmehr ganz unbe-
dingt der angenehmen Hoffnung hingeben zu können, den gefeierten
Mann bald in unsere Mitte, und in einen Wirkungskreis versetzt
zu sehen, welcher allein mir seinen ausgezeichneten Eigenschaften
angemessen zu sein scheint.
Allein heute Morgen wurde hier die unerwartete Nachricht
kund, dass H. Gauss den an ihn erlassenen Antrag abgelehnt
habe, und zwar, weil die Hannöv. Regierung 1., ihm selbst eine
bedeutende Zulage und 2., seinem ältesten Sohne den Eintritt in
das Artillerie- Corps bewilligt habe. — Ich kann Ew. Wohlgeb.
den unangenehmen Eindruck nicht beschreiben, den diese Nachricht
allhier gemacht hat und darf Ihnen nicht verhehlen, dass ich die
begleitenden Argumente der GAUSs'schen Denkungsart, so wie ich
dieselbe kennen gelernt habe, so unähnlich finde, dass ich in dem
Ganzen irgend ein Missverständniss vermuthen muss. Denn erstlich
kenne ich H. Gauss als einen Mann, dem es unter jedem Ver-
hältnisse schwer werden würde, den einzigen, seiner vollkommen
würdigen, Wirkungskreis käuflich zu stellen; zweitens ist es mir
nicht wahrscheinlich, dass die erhaltene Zulage von der Art sei,
dass sie ihm gegen das von hier aus gewordene Anerbieten, beson-
dere pecuniäre Vortheile verschaffen könne; und wenn auch, so
- 17 —
hätte die hiesige Behörde in dieser Beziehung vielleicht noch nicht
das letzte Wort gesagt; drittens hätte sein Sohn, und hätten alle
seine Söhne, eine weit glänzendere Beförderung im Preussischen ,
als im Hannoverschen Dienste, unter andern schon dadurch zu er-
warten, dass die Bedürfnisse von jenem verhältnissmässig weit grös-
ser, als von diesem sind. Endlich viertens, was mir die Sache
vollkommen unbegreiflich macht, ist der schon erwähnte Brief vom
15. Novbr., mit welchem Sie mich zu beehren die Güte gehabt
haben, der geradezu dasjenige verneint, was hier bejaht wird, und
mir zu eben dieser Verneinung noch den bestimmtesten Auftrag, im
engsten Vertrauen, ertheilt. — Es ist aus allen diesen Gründen,
in Verein mit anderweitigen Verhältnissen, dass ich fast vermuthen
möchte, dass der Antrag vielleicht nicht in seiner ursprünglichen
und wahren Form an H. Gauss gelangt, sondern irgendwo Mo-
dificationen unterworfen worden sei, die, wenn auch Privatzwecken
sehr angemessen, dennoch von der höchsten Behörde nicht beab-
sichtigt worden sind. Unter diesen Umständen werden Ew. Wohl-
geb. mir hoffentlich erlauben, Ihr gütiges Zutrauen zu mir, die
Gefühle der Hochachtung, welche Sie und ich gemeinschaftlich für
den seltenen Mann hegen, und Ihre verdienstvolle und erfolgreiche
Bemühungen zur Beförderung der Wissenschaft in Anspruch zu
nehmen und mich mit der dringenden Bitte an Sie zu wenden, mir
rücksichtlich der Bedingungen, welche H. Gauss in officieller
Form gestellt worden sind, und anderweitiger, mit der Sache in
Verbindung stehender Verhältnisse, einige, so viel wie möglich ge-
naue Notizen (versteht sich, im engsten Vertrauen) zu ertheilen,
damit ich in den Stand gesetzt werden möge, eines Theiles, dem Mann,
an welchen ich einen so ansehnlichen Theil des wissenschaftlichen
Ruhmes unseres deutschen Vaterlandes geknüpft achte, bei seinen
zahlreichen Verehrern allhier, zu denen, ausser dem Prinzen August,
Chef der Eönigl. Artillerie, die sämmtlichen Mitglieder des Mini-
steriums, der Akademie der Wissenschaften und der Universität,
unbedingt zu rechnen sind, die ihm gebührende Rechtfertigung zu
verschaffen und andern Theils, ein in der Sache selbst etwa obwal-
tendes Missverständniss gehörigen Ortes zur Sprache zu bringen.
Es würde mir besonders wichtig sein, wenn Sie die Güte haben
wollten, mir bereits mit umgehender Post dasjenige anzuvertrauen,
was Ihnen von dieser Angelegenheit bekannt ist, und alsdann ferner
Brnlins, Briefe. 2
— IS —
die Erkundigungen einzuziehen, die Sie zur völligen Aufklärung der
Sache etwa nöthig erachten mögen. Mit der Wiederholung dieser
dringenden Bitte , die ich mir nicht versagen kann, nehme ich mir
die Freiheit, eine andere zu verbinden, welche darin besteht, dass
Sie mir Ihre gütige Nachsicht angedeihen lassen mögen, falls ich
Sie durch dieses Gesuch, was ich fast nicht zu bezweifeln wage, zu
sehr belästigt haben sollte. In dem Augenblicke, wo man so viele
der schönsten Hoffnungen auf einmal vernichtet sieht, erlaubt man sich
wohl Schritte, die nur durch einen solchen Umstand selbst zu recht-
fertigen sind. — Genehmigen Sie die unbedingten Gefühle der Ver-
ehrung, mit denen ich bin Ew. Wohlgeb.
gehorsamster Diener
Dirksen.
18.
A. V. Humboldt an Gauss.
Sie erlauben, mein Verehrungswerther Freund und College,
dass ich den Brief des jungen Herrn Dirichlet meines hoffnungs-
vollen Landsmannes, mit empfehlenden Zeilen begleite und diese
Gelegenheit benutze mich freundlichst in Ihr Andenken zurück-
zurufen. Ich darf mir wie Sie wissen kein ernstes ürtheil in den
höheren Regionen der Mathematik anmassen , aber ich weiss durch
die grossen Geometer welche Paris besitzt und besonders durch
FoüRiEB und PoissoN die meine ältesten Freunde sind, dass Herr
DmiCHLET von der Natur die glänzendsten Anlagen hat, dass er
auf den besten EuLER'schen Wegen hinschreitet und dass Preussen
einst an ihm (er ist kaum 21 Jahre altl] einen ausgezeichneten
Professor und Akademiker haben wird. Schenken Sie meinem
jungen Freunde für dessen Glück ich mich lebj^ft interessire, den
Schutz Ihres grossen Namens und empfangen Sie zum voraus
den Ausdruck meiner innigsten Dankbarkeit.
Paris den 24. Mai 1826,
Alex. Humboldt.
— 19 —
19.
A. V. Humboldt an G-auss.
Ihr freundschaflüehes Sdireiben vom 27. Januar^ mein Verehi*-
testerl hat mir innige Freude gemacht. Es ist ein grosser Ent-
schliss einen Theil meiner Freiheit nnd eine wissenschaftliche Lage
anfztigeben in der ich hier seit 1 8 Jahren manchen schönen geistigen
Genüfis gehabt. Aber ich bereue nicht, was ich gethan. Das in-
telleetaelle Leben hat mich unendlich a&gesprochen bei meinem letzten
Aufenthalte in Deutschland und die Idee in Ihrer Nähe, in der Nähe
Derer zu leben, die meine Bewunderung für Ihr grosses vielseitiges
Talent lebhaft thcMen, ist ein wichtiger Beweggrand meines E&t-*
Schlusses gewesen. An gutem Willen nützlich zu sein soll es mir
nidii fehlen und ich rechne stets auf Ihren Rath, ainf den Bath
»des grossen Meisters in der Kunst« sagt Sabine, ein bescheidener
freundlicher Engländer (und der freundlichen, mittheilenden giebt
es nicht Ueberflussj war seit wenigen Tagen angekommen als Ihr
Brief voll schöner Beobachtungen über die Strahlenbrechung, mich
erfreute. Wenn man den grossen Namen Gauss nennt, ist jede
Negociation leicht. Sie werden in der Anlage sehen, dass Sabine
alles thut was Sie wünschen. Ich hoffe, dass der junge Dibichlet
den, freilich bis jetzt ärmlichen Ruf nach Breslau angenommen hat.
Innigsten Dank für die Nachrichten die Sie, Verehrungswerther
Freund, mir von dem Privat- Docenten Herrn Jacobi geben. Es
giebt der Menschen nicht viele die das heilige Feuer bewahren und
ich werde Ihnen stets unendlich dankbar sein, wenn Sie fortfahren
mich auf die jungen Talente aufinerksam zu machen, die Ihres
Schutzes werth sind. Prof. Bessel's Freundschaft ist mir unend-
lich viel werth. Besi^bl ist ein überaus liebenswürdiger Mann dessen
Umgang mir Belehrung und Freude gewähren wird. Hier sind wir
noch immer in Trauer : La Place's Gesundheit erregt uns viel Be-
sorgniss. Es war ein bösartiges Nervenfieber. Sein Arzt Mag-endie
glaubt ihn geheilt zu haben ; aber er ist unendlich schwach, verdaut
schlecht, und redet nicht immer zusammenhängend. Mit ihm ver-
schwindet eine grosse, ich darf nicht sagen die letzte mathematische
Zierde von Frankreich , denn er vereinigte mit dem mathematischen
Talente, das vielleicht Poisson, Foubier und Caüchy mit ihm
2*
— 20 —
theilen, ein vielseitigeres Wissen nnd eine Bildung der Sprache , die
weit erhabener als sein Character ist.
Ihre Strahlenbr.-Beob. sind von der grössten Wichtigkeit. In
den geringeren Anomalien zeigt sich die grössere Genauigkeit der
Beobachtungen. Ihr Endresultat 0,07 ist auffallend gering aber
herrlich flbereinstimmend mit den Vormittagsbeobachtungen. Die
Wftrmeabnahme ist im allgemeinen weit schneller nahe an der Erde
und (wie Pictet's Versuche lehren] gegen Abend so dass der Coef-
ficient negativ werden muss. Wenn Sie wflnschen recht viel Beob-
achtungen Aber Wftrmeabnahme bei verschiedenen Normal-Tempera-
turen der Ebenen, in. der kalten, gemässigten und Tropen -Zone
gesanmielt zu sehen, so werfen Sie gewogentiichst den Blick auf
mein Memoire sur les refr. terrestres in meinen Rec. d'Obs. astr.
T. I p. 127 — 147; auf meine Untersuchungen der mittleren Wärme
der Luftschichten bei « Breite und 45 o Breite ;?) von 0—2000 Toisen
Höhe in M^m. de la Soci^t^ d*Arceuil T. in. und meine Arbeit
Aber mirage und Wärme der untersten Luftschichten Relat. bist.
T. I p. 625 — 631. Mit innigster dankbarer Verehrung
Ihr
Paris den 16. Febr. ISn. AI. Humboldt.
Wir erwarten mit Sehnsucht Ihre Theorie der krummen Flächen.
Hier treibt man Physik und Pressfreiheit und Streit über die mytho-
logischen Namen der Herzoge (der alte Bonapartische Olymp den
Graf Appebz erschtittertj aber wenig beobachtende Astronomie.
20.
A. V. Humboldt an Gauss.
Es nahet jetzt die Zeit, wo die Versammlung deutscher und
nordischer Naturforscher, Physiker und Astronomen sich in Berlin
eröffnen wird. Die gesetzlichen Tage sind 18 — 26. Sept., aber
wen wir recht zu geniessen wünschen, laden wir ein, ja früher zu
kommen und später zu bleiben. Mit dem Könige so eben von Teplitz
zurückkehrend, bin ich nun gewiss, ruhig in Berlin bis October zu
bleiben und den Monarchen nicht auf der bloss militärischen Reise in
— 21 —
Schlesien zu begleiten. Darf ich, Verehrungswerthester Freund (er-
lauben Sie mir einen Ausdruck für den mir Ihre Nachsicht Ver-
zeihung gewährt) darf ich den Wunsch erneuern, Sie nicht bloss
zum Glanz dieser Versammlung hier zu besitzen, sondern Sie auch
in meinem Hause zu bewirthen. Die hiesigen Gasthöfe sind schlecht
und leicht gefüllt. Ich kann Ihnen freilich nur ein (doch sehr ge-
räumiges) Zimmer mit der Aussicht auf einen schönen Garten an-
bieten, aber Sie empfangen Besuche und leben in meinen daran
stossenden Zimmern. Sie frühstücken und speisen Mittags und Abends
mit mir oder ohne mich, zu den von Ihnen befohlenen Stunden.
Bringen sie einen Bekannten mit, so logire ich ihn in einem nahen
Hause. Sie haben einen Wagen jedesmal wenn Sie es anordnen.
Alles das ist meine Sorge. Ein hiesiger Bekannter führt Sie umher,
wenn ich, wegen des freilich lästig werdenden Andranges der Frem-
den Sie nicht selbst begleiten kann. Sie werden in meinem Hause
viel guten Willen, wenn auch [meiner innem häuslichen Einsamkeit
wegen) wenig Geschick finden. Je länger Sie bleiben desto mehr wird
es mich freuen und ehren.
und es ist vortheilhaft, den Genius
Bewirthen; giebst du ihm ein Gastgeschenk
So lässt er dir ein schöneres zurük.
Die Zeit der Ferien ist da; einige Zerstreuung wird Ihnen
wohlthätig sein und Ihr grosser, allgemein gefeierter Name würde
meiner Vaterstadt einen Glanz geben, den ich dauernd wünschte.
Erfreuen Sie mich, wenn es irgend Ihre Lage und Ihre Arbeiten es
erlauben, mit einer bejahenden Antwort und nennen Sie mir bald
den festlichen Tag, an dem ich Sie erwarten kann.
Mit der innigsten Vorehrung und Freundschaft,
Sans-Soiici bei Potsdam Ihr gehorsamster
den U. Aug. 1828. ^^ Humboldt.
Ich bin auf einige Tage hier mit dem Kronprinzen. Wir hoffen
hier allgemein den trefflichen Blümenbach zu sehen.
Unter der Einladung zurNaturforscherversammlung in Berlin 1S28
steht: Ich lebe noch der angenehmen Hoffnung, den ersten Mathe-
matiker Europas, den tiefsinnigen Astronomen in meinem Hause
— 22 —
in Berlin zu empfangen, ihn zn beherbergen and (wie ich kann) zu
pflegen. Diese Bitte behalte ich mir eigens bei Ihnen vor.
Teplitz 48. Juli, A. Humboldt.
21.
A. V. Humboldt an &au88.
Mit unendlicher Freude habe ich Ihr theures Versprechen ge-
wiss bis zum 15. September uns nrit Ihrer Gegenwart zu beglücken
empfangen. Ich fühle den ganzen Werth Ihrer Aufopferung! Ihren
Wagen werden wir hier zu stellen wissen. Für Bedienung ist hier
gesorgt. Schreiben Sie mir ja gütigst welchen Tag ich hoffen darf
Sie zu umarmen. Möchte es vor dem 15. sein können, damit wir
Sie etwas ruhiger geniessen. Babbage freut sich unendlich Ihrer
Ankunft. Den 18. halte ich meine Eröffnungsrede und den 18.
Abends 6 — 9 Uhr, müssen Sie einem kleinen Feste beiwohnen,
welches ich 600 Freunden, im Concertsaal des Schauspielhauses
geben werde! Der König und der Kronprinz haben mir verspro-
chen dabei zu sein. Mit innigster Anhänglichkeit
Berlin d, 8, Sept. 1828. Ihr gehorsamster
AI. Humboldt.
Ich wohne hier hinter dem neuen Packhofe Nr. 4 bei Hof-
zimmermeister Glatz eine Treppe hoch.
A. V. Humboldt an Gkiuss.
Ich darf es nicht wagen, mich vor Ihnen zu rechtfertigen,
mein theurer. Hochverehrter Freund. Meine Schuld ist gross und
weder die zunehmenden rheumatischen Leiden meines rechten Arms,
noch der Wunsch rechte Mufse zu finden, um Ihnen ausführlich zu
schreibea und Sic Idlihaft fühlen zu lassen, welche Bewuoidemng in
— 23 —
mir die von Ihnen für den Magnetismns eröffnete Bahn in mir er-
regt hat nnd wie diese Bewnndemng sich (weil Sie der Gegenstand
derselben sind] an die fröhlichsten Erinnemngen der in Ihrer Nähe
voUbraohten Tage anreiht, können mein langes Stillschweigen auf
die Beweise Ihres Wohlwollens entschuldigen. Es bleibt mir also,
nur übrig Ihre Grossmuth in Anspruch zu nehmen. Wer so hoch
als Sie steht ist leicht zur Nachsicht in den schwach-m'bnschlichen
Dingen geneigt. Um mich nun aber selbst in Ihren Augen wieder
etwas zu heben, will ich zugleich aber auch von meinen Verdiensten
reden, ja von Verdiensten die bei meiner lahmen Hand Sie anerkennen
müssen. Ihre Anzeige der Entdeckung die Intensität auf ein be-
stimmtes Mass zu reduciren, hat mich dergestalt ei'freut, dass ich
(sobald ich gewiss war, von der Metiiiode recht durchdrungen zu
sein] mich selbst an das Uebersetzen gemacht habe. Obgleich nn-
sere deutschen Zeitungen uns periodisch mit der Idee schmeicheln,
dass unsere vaterländische Sprache in dem grossen Babylon wuchere,
so hat mich ein 20 jähriger Aufenthalt fast das Gegentheil gelehrt.
Die Eoi*tschritte im Institut sind nicht die, welche man hie und da
in dem elenden dramatischen Wüste bemerken kann. In dem In-
stitute ist fast alles verloren, was man deutsch ohne Auszug und
Erläuterung einsendet. Meine Uebersetzung ist mit Encke durch-
disputirt worden, denn bei der edeln Concision Ihres Styls, ist es
immer zuletzt leicht den anfangs aufstossenden Zweifel zu lösen.
Dann habe ich (das ist mein Verdienst] das Ganze noch einmal ab-
geschrieben und etwas leserlicher als diese Zeilen, und mit einem
erläuternden Briefe über das Vielumfassende Ihres Unternehmens an
Abago, dem Institute übersandt. Die Sendung ist (wie Ihnen un-
ser Freund Ekcke wird schon gemeldet haben] etwa 10—12 Tage
nach dem Empfang Ihrer Arbeit, von hier al^gangen. Wenn
wir in den Zeitungen von Paris hier noch nichts darüber gehört,
so liegt dies wohl in Abaoo's Abwesenheit, der Anfang Januars
alle Jahre auf 2 bis 3 Wochen nach Metz geht zum Examen
dex polytechnischen Schüler auf der Ecole d'applieation du G^nie
et de r Artillerie. Die Ueberelnstimmung Ihrer Beobachtungen un-
ter einander werden überall Bewunderung erregen und doch sind
ßie wohl noch nicht von den Wirkungen der Wärme und der ver-
änderten Inclina^ion* befreit. Da ich über die stündlif^hen Verän-
derungen der Inclination und Intensität selbst in PoeofiNSiQQF vor
— 24 —
meiner Abreise nach Sibirien etwas bekannt gemacht , so ist es
Ihncfn, Verehrtester, vielleicht angenehm^ wenn ich Ihnen aus einem
alten Briefe von Arago an mich (Paris 13. Dec. 1827) etwas über
die Pariser Epoche abschreibe : » en redoisant par une nonvelle
methode les observations dinmes dlnclinaison, dont tu m'ayois yu
occup^, j'ai trouv^, non pas seulement par des moyennes mais
chaque jour^ une Variation r^guli^re. L'inclinaison est plus
grande le matin k 9^ que le soir ä 6^. Tu sois que Tintensit^,
mesurde avec une aiguille horizontale est au certain ä son
minimum k la premi^re dpoque et qu'elle atteint son maximum entre
6^ et 7^ du soir. La Variation totale ^tant tres petite, on pouvait
supposer, qu'elle n'^toit due qu'au seul changement d'inclinaison et
en effet la plus grande portion de la Variation apparente
d'intensit^ depend de l'alt^ration diurne de la composente hori-
zontale ; mais toute correction faite, il reste cependent une petite
quantit^ connu indice d'une Variation reelle d'intensit^ (^ . Die Me-
thode, welche Arago anwendet um die Verändeningen der Inclina-
tion zu messen ist diese. An die untere Spitze der GAMBEY'schen
Nadel wird ein dünner Glasfaden geklebt. Das Instrument überlässt
man sich selbst und richtet ein kleines Femrohr zugleich auf Faden
und Eintheilung, so dass man dann einzelne Minuten schätzen kann.
Sie, mem edler Freund, haben alles zugleich mit neuen Mitteln
ergriffen und der ganze Magnetismus verdankt Ihrem Geiste eine Re-
volution. Auch über das Streichen sehe ich in D^em ersten so
wohlwollenden von einer Schrift begleitendem Schreiben, die wie
so vieles über meinem (deprimirten) Horizonte liegt, nur ganz neue
Dinge. Die von Kupfer so verschiedentlich gegebenen Temperatur-
Correctionen und die absolute Bestimmung der Inclination liegen
ganz im Argen und harren Ihres wohlthätigen Lichtes. Der üe-
bergang von hohen Temperaturen (50° — 60° R.] zu niedrigen
+ 5° und — 8° R. befolgt engere Curven der Intensitätszunahme
und bisher hat man wie mir es scheint sehr unglücklich geschlos-
sen von Versuchen bei 60° auf die Temperaturen bei denen wir
arbeiten 5° — 20° R. Bei der Inclin. beunruhigen mich die Er-
fahrungen mit scheinbar ganz gleich vollkommen gearbeiteten Gam-
BEY'schen Nadeln. Ich besass sonst welche bei denen es mir glückte
nach Anwendung aller Correctionen durch 2 Nadeln Resultate zu
erlangen die nicht um eine Bogenminute differirten. Jetzt habe ich
— 25 —
in Paris eben so schöne GAHBET'sche Nadeln gesehen deren 2 keine
#
Uebereinstimmung von 4 — 5—6 Minuten gab, ein Gräuel wenn man
die so langsam mit den Jahren abnehmende Inclination untersuchen
wiU. Sollte der Grund allein daran liegen dass bei Umkehrung der
Pole man eine andere Kraft (Intensität) erhält? Ihr bereits mit
so schönem Erfolge gekröntes Unternehmen befriedigt meine Eitel-
keit auf eine sehr individuelle Weise. Ich träume dass meine Bit-
ten, die Versuche die Sie in meinem Hause mit Auffindung der
Inclin. durch 3 und 6 Extra -Meridian -Beobachtungen machten,
mitgewirkt haben zu dem Entschlüsse diesen verworrenen Theil der
Physik aufzuklären. Die von Ihnen bekannt gemachte jetzige In-
clination zu Göttingen (an ganz freiem Orte?) scheint auch wieder
die sonderbare Anomalie der bei Ihnen so langsamen Abnahme der
Inclin. zu confirmiren (meine Relat. histor. 4. T. III. p. 625).
Sie erinnern sich dass in Göttingen Incl. war Dec. 1805 — 69® 29'
und Sept. 1826 —68° 29' 26" (eine Nadel 68° 30' 7" die andere
68° 28' 45" mit Ihnen). In Paris war Abnahme von 1798—1810
jährlich 5' aber nur 3', 3 von 1810 bis 1825. Doch ich ermüde
Ihre Geduld. Clausens neuer Fund hat mich sehr erfreut.
Weil eine Entdeckung immer eine andere herbeiführt, weil man
besser sucht und weiss was man finden kann. So war es mit den
Aerolithen, mit den kleinen (Taschen) Planeten, mit den Com^tes
k courtes periodes. Aber das hemmende Fluidum scheint mir das
grosse physikalische Räthsel und sein Dasein ist doch wohl noth-
wendig anzunehmen. Sollte der vielleicht zwischen Venus und
Mars schwebende Ring des Zodiakalscheins den wir durchkreuzen
dasselbe Fluidum verdichtet und selbstleuchtend sein? Sollten Co-
meten wenn sie diesen Ring um dessen Grenzen und Lage man
sich so wenig kümmert, durchwandeln auch von ihm nicht gehemmt
werden? Auch die begrenzte und unbegrenzte irdische Atmosphäre
ist ein Uebel an dem unsere Physik erkrankt. Und doch beweiset
denke ich, die so wunderbar erhöhte Intensität der Crepuscula 1831
wo man von Irkutz bis Berlin bei Nacht lesen konnte, dass in den
Schichten wo Barometer Druck 0^", 00001 ist, auch noch meteoro-
logische Veränderungen vorgehen. Lichterscheinungen und Wider-
stand sind ja die einzigen Zeichen die uns an das Dasein solcher
Weltfluiden können glauben lassen I Ich habe mehrere Tage hier,
unter den zeitraubendsten Zerstreuungen des Hoflebens, mit Ihrem
— 26 —
heitern und guten Herzog von Cambridge zugebracht und d» der
Magnetismus bei mir eine seit 40 Jahren eingebürgerte Krank]teit
ist, ihm einen Begriff von Ihren Entdeckungen gegeben. Ich habe
mich gefreut zu erfahren wie er weiss was er von Ihnen, Theurei,
besitzt. »Man schreit oft (sagt er in seiner lebendigen Art sich aus-
zudrücken] gegen Göttingen, so lange wir die Bibliothek und Gauss
besitzen, können wir schimpfen lassen.« Ich bin einverstanden aber
meine Pflicht ist es Ew. kön. Hoheit zu bitten, die Rangordnung der
Schätze umzukehren und den ersten Mathematiker unseres Zeitalters,
den grossen Astronomen, den geistreichen Physiker zuerst zu nen-
nen. Der Herzog bittet mich, seines Alters wegen zu verheimlichen,
dass wir 1790 II zugleich in Göttingen studirt. Mit dankbarer Ver-
ehrung und nochmaliger Bitte, dem Freunde nicht zu schmähen
Berlin den 17, Febr. 1833. Ihr
AI. Humboldt.
Meine freundlichsten Grüsse Herrn Prof. Weber den ich um
Ihre Nähe beneide.
23.
A. V. Humboldt an G-auss.
Sie werden verzeihen, mein hochverehrter Freund, dass ich so
spät erst Ihnen für Ihren höchst interessanten freundlichen Brief
meinen innigen Dank darbringe. Eine ungewöhnliche Anhäufniig
von Geschäften und Pflichten in der Umgebung des Königs hab^
mich allein davon abhalten können. Die Zeichnungen so vieler
übereinstimmender Orte haben durch d^i Parallelismus in den klein-
sten Krümmungen mich unendlich inter^ssirt. Solche Resultate i^
den kleinsten fast zu Längenbestimmungen reizbaren Zeiträumen sind
freilich nur durch Ihre vortreffliche catoptrische Methode zu erreichen,
^ie wissen dass seitdem mein magnetisches Häuschen in der Leipziger
Strasse abgerissen ist (wegen Verkauf des Grundstückes] wir in der
neuen Sternwarte nur Ihre Methode anwenden. Ich dringe darauf^
dass wir bald einen unter Ihrer Leitung gearbeiteten Apparat er-
halten mögen. Es freut mich dass der Anstoss den ich durch
— 27 —
meinen magnetischen Brief an den Herzog von Sussex in Lon-
don gegeben, die köngl. Societät endlich aus ihrem Winterschlafe
und Somnambulismus erweckt hat. Der Antrag ist sehr freund-
lich aufgenommen und der lange schon gedruckte Bericht von AniY
an Chbistien den mir der englisch deutsche Herr König unter dem
8. d. M. schickt, schlägt weit mehr Stationen in der Südsee, Ost-
und West-Indien vor als ich zu erwarten wagte. Hier in Teplitz,
wo ich mit dem Könige bis 11. Aug. sein werde erhalte ich zwei
Briefe aus Island vom 30. Mai und 5. Juni. Der GAMBEY'sche
Apparat um dessen Anfertigung ich den franz. Seeminister, Ad-
miral Duperb^ vorigen Herbst bat ist nun in Reykiawik aufgestellt
und der geübte Astronom Herr LomN bittet um correspondirende
Beobachtungen stündlicher Abweichung zu Beobachtungen die er in
Reykiawik (Island) wahre Zeit (. . . ?) des Orts von 15 zu 15
Minuten von Mittwoch 10. August 7 Uhr Morgens his Donnerstag
18. August 10 Uhr Morgens anstellen wird. Zugleich wird Lottin
8. Aug. dort die Inclination, und den 9. Aug. zwischen 11^ und
2^ die Intensität beobachten.
Ich habe auf Lottin's und des Naturforscher Gaimakd'b Bitte
eine Anzeige davon in den Zeitungen gemacht und ich hoffe dass
Sie, hochverehi*ter Freund auch 1 oder 2 Tage in der festgesetzten
Epoche (10. — 18. August) wieder die stündliche Abweichung be-
obachten können. Es ist mir leider! nicht möglich gewesen, wegen
Verspätung des Isländischen Briefes früher diese Bitte an Sie zu
richten. Da Island ganz von unterirdischem Feuer nnterminirt ist,
so bin ich neugierig auf die Pertnrbationen der Isländischen Ourve :
immer sind zwei Phänomene zu unterscheiden, die Bewegung der
Nadel die von der wahren Zeit des Orts, dem Abstand vom Mittag
überall abhängt und gegen 8 und 2 Uhr ohngef^Oir maximum und
minimum der Elongation erreicht. Diese Bewegung welche wir die
gewöhnliche, regelmässige nennen, steht unbezweifelt mit dem Stande
der Sonne in Verbindung. Die anderen Bewegungen (Perturbationen,
....?) sind isochron wohl plötzliche Keactionen des Inneren des
Planeten gegen die Oberfläche. Wo liegt das Band zwischen beiden?
D^rEeport (11 Seiten lang vom 9. Juni) schlägt zunächst als leicht
zu enneht^de Stationen vor: Neufandland, Halifax, Gibraltar, die
Jonischen Inseln, St. Helena, Paramatta, Mauritius, Madras, Ceylon
und Jamaica. Die Kön. Societät soll Geld vom Gouvernement
— 28 —
fordern und dem Gouvernement wird es vorläufig als grosse Schande
vorgehalten wenn es taub bleibe. Zur Berathung über Wahl, An-
fertigung und Vergleichung der Instrumente (man geht auf stünd-
liche und absolute Abweichung. Inclination und Intensität auch anf
meteorologische gleichzeitige Beobachtungen aus) soll ein eigenes
Comittd ernannt werden. Pentland der zum General-Consul in
Bolivia ernannt ist und den auf mein Gesuch Lord Palmebston mit
Instrumenten reichlich versieht, soll Apparate aufstellen an der
Stidseektiste und auf 9000 Fuss Höhe. Das klingt alles sehr schön.
Es gährt: möge es mehr als Schaum geben. Ueber Ihre Apparate
will man noch nicht sich erklären, da ich ihn doch so sehr em-
pfohlen, the method adopted by Mr. Gauss being already before the
Royal Society in a memoir which has been communicated by him
it is unnecessary here to enter into the application given by Mr.
DE Humboldt. Am Ende kommt (p. 10) wieder vor: We may
however in the mean time (ehe das Comitt^ die Instrumente ge-
wählt hat) offer a remark on the apparatus of Mr. Gauss. Da
wird denn sonderbar albern behauptet dass so vortrefflich auch sehr
schwere Magnete die regelmässige stündliche Bewegung angeben
mögen, so würden sie doch nicht für plötzliche Perturbationen em-
pfänglich genug sein. We apprehend that the great weight of the need-
les would prevent their recording the sudden extraordinary changes
in the direction of the magnetic force, which are probably due to
atmospherical changes. Darauf eine andere very curious objection
dass so wirksame und mächtige Magnelstäbe zu weit umher wirken 1 1
und das Aufstellen anderer Apparate unmöglich machen. Hat man
denn in London nicht gelesen was bereits vor Ihren Apparaten ge-
leistet ist, wie gerade der Parallelismus der Curven sich auf die
Perturbationen (sudden changes) bezieht. Verzeihen Sie theurer
Freund die Flüchtigkeit dieser Zeilen und erhalten Sie Ihrem wäim-
sten Verehrer die Gewogenheit auf die er so stolz ist. Es hat mich
unendlich geschmerzt Ihrem recht kenntnissvollen, liebenswürdigen
Verwandten bisher nicht haben nützlich sein zu können in seinen
Eeiseplänen.
Teplitz den 50. Mi 1856.
AI. Humboldt.
A. V. Humboldt an Gauss.
Verehrungswerther Freund! Ich erhielt Ihre wichtige, langer-
sehnte Schrift üher den tellurischen Magnetismus in den letzten
Tagen meines Aufenthalts in Potsdam. Erst von hier aus, wohin
ich den König, wie immer, begleitet habe, kann ich Ihnen meinen
innigsten Dank für Ihren liebevollen Brief und für die vielfache
Belehrung, welche mir jene Schrift gegeben, darbringen. Ihr grosser
Name und die völlige Umgestaltung der Beobachtungen, welche Sie
geschaffen und verbreitet haben, hat jetzt eine Association zu Stande
gebracht, deren Früchte allmälig die Entzifferung »jener geheimniss-
vollen Hieroglyphenachrift « sein wird. Auf mehr als zwanzig Punkten
sind jetzt schon Ihre Instrumente aufgestellt und der Vorzug, in
Zwischenräumen von so wenigen Minuten mit bewundernswürdiger
Genauigkeit die Winkel messen zu können, ist ein Gewinn den nie-
mand verkennen kann. Was bei mir bloss Wunsch und schwaches,
unvollkommenes Beginnen war, ist durch Sie, hochverehrter Freund,
jetzt in's Leben gerufen. Das Auge ruht mit einem besonderen
Genüsse auf diesen Tafeln, denn, wie Sie so schön und beredt sagen
»ein eigenthümlicher Zauber umgiebt das Erkennen von Mass und
Harmonie im anscheinend Regellosen.« Von ganz besonderer Wich-
tigkeit sind mir p. 90 — 103 gewesen, wo Sie manche Winke über
den tiefen Zusammenhang gleichzeitig wirkender einzelner Kräfte
geben. Die Beschreibung der Apparate und ihrer Behandlung ist
klar und lichtvoll, wie alles was unserem Wilhelm Weber auf-
getragen wird. Ich habe seit Monaten in Berlin einen Abdruck der
theils von mir angestellten, theils seit meiner sibirischen Reise ge-
sammelten unvollkommenen stündlichen Beobachtungen (in franzö-
sischer Sprache) angefangen. Wenn ich ihn vollende, so habe ich
nur eine Pflicht gegen damals mitarbeitende erfüllen wollen und die
Jahreszahlen selbst können zur Entschuldigung dienen. Ich lebe
der grossen Hoffnung bald über alle diese Gegenstände Ihre münd-
liche Belehrung (Anfang September] einsammeln zu können. Es ist
mir bisher sehr unwahrscheinlich dass ich zu jener Zeit nicht in
Deutschland sein sollte, obgleich der Tod meines Buchhändlers Gide,
grösseren Verwirrungen vorzubeugen, meine endliche Anwesenheit
— 30 —
in Paris wünschenswerth machen würde. Hier in Böhmen habe ich
mit Graf Stebnbebo einen bitteren Kampf gefochten. Man hat es
für ganz unmöglich gehalten, dass ich nicht die Versammlang der
wandernden Naturseelen in Prag vorziehen sollte. Ich habe mich
aber tapfer vertheidigt, als Zögling der grossen Göttinger Lehran-
stalt und in Beziehung von Veraprechungen welche ich Ihrem Könige
und dem Herzog von Cambridge vor vielen Jahren gegeben. Noch
wichtigere Gründe (die wahren) durfte ich nicht anführen. Einige
Stunden mit Ihnen, theurer Freund, sind mir lieber als alle See-
tionen der sogenannten Naturforscher, die sich in solchen grossen
Massen und so gastronomisch bewegeU; dass des wissenschaftliehen
Verkehrs für mich nie genug gewesen ist. Ich habe mich am Ende
immer gefragt wie der Mathematiker am Schluss der Oper »en dites-
moi fi-anchement ce que cela prouvecc Es ist überaus unartig, dass
man uns, trotz meiner wiederholten Erinnerung, immer nicht die
Isländer Beobachtungen 10. — 18. Aug. 1836 gesandt hat. Wahr-
scheinlich werden im hohen Norden, nach Ihrer scharfsinnigen Eni-
Wickelung S. 99, die Perturbationen sehr stark gewesen sein. Ich
habe von hier aus unmittelbar an Herrn Lottin geschrieben. Jene
Menschen scheinen gar nicht einzusehen, wie Beobachtungen, ohae
schnellen Wechselverkehr, von ihrer Wichtigkeit verlieren. Ver»
zeihen Sie das Unleserliche dieser Zeilen. Mein kranker Arm ge-
hört schon zu den vorweltlichen Resten. Erhalten Sie mir ein
Wohlwollen das mein Stolz ist. Mit alter unverbrüchlicher Ver-
ehrung und Liebe.
Teplitz den ^7. Juli 1857, Ihr ganz gehorsamster
AI. Humboldt.
Ich werde mit meinem Könige gegen den 2. August in Berlin
zurück sein.
25.
A. V. Humboldt an Gkass.
Berlin den 50. Sept. 1857.
Wenn auch nur in flüchtigen Zeilen, kann ich mir doch die
Freude nicht versagen, Ihnen, theurer hochverehrter Freund, vor-
läufig den Ausdruck meiner innigsten Dankgeftihle für die auf Ihrer
— 31 —
Sternwarte verlebten scjfönen Tage darzubringen. Sie sind mir nicht
bloss, wie immer , geistig gross und alles was Sie kühn und tief
angreifen beherrschend, erschienen : Sie waren auch voll Milde und
Herzlichkeit und Wärme ^s Characters, Züge die Ihnen den so ge-
lungenen, anmutiiigen, sinnigen Eingang Ihrer Societätsrede inspirirt
haben. Es ist etwas Grosses im Leben, so dem Grossen seiner Zeit
haben nahe tretet zu können. Ich war zwei Tage in Hannover,
wo ich alle Minister, Hofleute und Gesandten besucht; mit beson-
derer Freude aber die noch immer geistig muntere Miss Herschel,
der mein Besuch viel Freude zu machen schien, weil ich von Ihnen
kam. Sie hatte eben als ein Geschenk für den Neffen bei der Rück-
kunft ein Tfüssiges Teleseop zusammensetzen lasden, zu dem ihr
alle optischen Theile noch der grosse Bnider vermacht. Sie zeigte
mir Briefe vom Cap mit Zeichnungen (Configurationen) des Saturn,
da der Neffe zwei ganze Nächte hindurch 6 Trabanten gesehen.
Zum 7. scheint er kein Vertrauen zu haben, wenigstens verstand
mit einigem Aerger Miss Hsbschel so den Ausruf: the 7th I shall
never seen. ßie leidet keine Ungewissheit. Bei ihrem astronomi-
schen Interesse hat sie auch glücklicher Weise einige weibliche Ten-
denzen: sie quält sich mit der Ungewissheit, ob der König sie im
Winter zu einem Hofconcert einladen wird, wie der Vicekönig regel-
mässig that! Der König Ebnst hat mich sehr wohlwollend em-
pfangen und mir eine Audienz einer vollen Stunde gegeben. Er
rühmt noch immer alles was er in Göttingen gesehen »artigere junge
Leute wären ihm noch nicht vorgekommen«. Ich konnte nicht am Hofe
essen, da wegen der Nachricht von dem Hinscheiden des Herzogs
Cabl der König sich ganz zurückgezogen und mehrere Tage auf
seinem Zimmer speiste. Die Königin war vor Schreck bettlägerig.
Der Kronprinz ist in seinen physischen Kräften sehr gestärkt. Da
er leidenschaftlich Musik liebt so war er sehr mit Webeb's schönen
akustischen Versuchen, von denen er gehört, beschäftigt. Encke ist
bei der Aufstellung seines endlich vollendeten Pistor'schen Merid.-
Kreises. Ich habe mit seinem Rathe den Termin für die Stern-
schnuppen (nach Ihrem Wunsche, theurer Freund) in der Staats-
Zeitung angekündigt. Es konnte wenn man nur einmal 24 Stun-
den ansetzt, einiger Zweifel wegen des Tages sein : wir haben nach
reiflicher Vergleichung gewählt:
vom 13. November Mittags bis 14. November Mittags.
— 32 —
Wer viel Masse hat, mag auch oft die Nadel ansehen in der
#
Nacht vom 12. zum 13. undjvom 14. zum 15. Denn entweder irückt
der Knoten oder es ist eine breite Zone. Vielleicht interessiren Sie
folgende sichere Daten aus meinen Papieren :
Nacht 11 — 12 Nov. 1799 Cumana, Labrador, Brasilien (Hnmb.
Rel. hist. I. 519. 4to).
12—13 Nov. 1822 Potsdam. Poggend. B. II. p. 219.
12—13 Nov. 1832 Europa, Arabien, Orenburg. Pogg. B. 29
p. 447.
12 — 13 Nov. 1833 Ganz America. Pogg. B. 33 p. 129 u.
189—214.
13 — 14 Nov. 1834 Ganz America wieder Prof. Olmstedt
Pogg. B. 34. p. 129.
13—14 Nov. 1835 Frankreich.
14 — 15 Nov.? 1835 Herschel, Cap.
13 — 14 Nov. 1836 Deutschland, aber in Frankreich glaubte
man der stärkste Fall sei gewesen Nacht
12 — 13. November.
Darf ich Sie gehorsamst bitten dem theuren Webeb zu sagen,
wie sehr ich von der Aufopferung gerührt war, mit der er mich in
Göttingen gepflegt. Mit inniger Verehrung und Dankbarkeit
Ihr
AI. Humboldt.
Ich muss heute schon mit dem König nach Potsdam. Viele,
viele Grüsse an Herrn von Saktorius, Dr. Listing und Dr. Gold-
schmidt. Dass ersterer ja seine uns theure Gesundheit schont!
Meine innige Verehrung Ihren zwei liebenswürdigen Töchtern
und an Herrn Prof. Ewald, der schon meinem Bruder so theuer war.
Zu der philologischen wandernden Gesellschaft, deren Vorsitz ich
soll, laut den Zeitungen, geführt haben, wird niemand kommen, als
die zunächst um Nürnberg wohnenden.
Der 2te grosse periodische Stemschnuppenfall ist in der ersten
Hälfte des August
14 — 15. August zwei Jahr hinter einander 1826 und 1827 beob-
achtet zu Rom
10—11. August 1837 Paris.
— 33 —
Aber ! leider wissen wir noch gar nicht was viel Sternschnuppen
heisst? Wir wissen? nicht wie viele im Mittel mehrere Monate in
einer nächtlichen Stunde am ganzen sichtbaren Himmelsgewölbe fallen ?
Ueber Phaenomene wie die vom 11. — 12. Nov. 1799, 12. — 13. Nov.
1833 und 13. — 14. Nov. 1834 die wie Feuerwerke ganze Populationen
aufregen , kann allerdings kein Zweifel bleiben , aber so waren die
anderen Fälle nicht. Sie sehen aus der Länge meines Briefes dass
die Sternschnuppen mich Benzenbergisch langweilig machen.
26.
A. V. Humboldt an G-auss.
Ich habe, Verehrungswerther Freund, gleich nach meiner An-
kunft in Berlin , Ihnen den Ausdruck meiner innigen und tiefen
Dankbarkeit für den Genuss dargebracht, den Sie mir in Geist und
Gefühl während des Aufenthalts in Göttingen d. h. auf Ihrer
Sternwarte, in Ihrem Hause geschenkt haben. Das sind Licht-
punkte des Lebens die einen um so mehr erfreuen und anregen,
als man dem fossil erstarrten Zustande näher kommt. Wenn ich
seitdem Sie nicht aufs neue mit meiner mikroskopischen Schrift be-
lästigte, so war es nur, weil ich den, von uns beiden besprochenen
Termin der Taschen-Planeten (vulgo Asteroiden und Sternschnuppen)
abwarten wollte. Sie sind nicht zahlreich gewesen, aber trotz des
Mondscheins und des bezogenen Himmels wurden doch in der Nacht
vom 13/14 in 2 Stunden in Turin 78 gezählt, in Bremen (34) und
in Wien 'wovon LiTTROW einen breiten Bericht gegeben. Also hat
der Zufall doch gewollt, dass der Termintag (13.) glücklicherweise
der Asteroiden-Tag, aber unglücklicher Weise nicht der Tag der
beiden Nordlichte war. Diese waren 12/13 u. 14/15. Ich schicke
Ihnen, theurer Freund, meine eigenen Beobachtungen , die von H.
Herter (Erman's Schwager, sonst für Encke rechnend) beide leider I
Gambeyischl aber ohne Essig und Oel und ein Schreiben aus Breslau
mit schlechten Notizen von mir verbrämt. Ich wartete mit der Ueber-
sendung weil ich hoflFte von Boguslawski die Originalbeobachtungen
umständlicher zu erhalten. Ich lege auch die Curve der Berliner
Beob. bei, von Mädler gezeichnet, nach Encke's Beobachtung der
Brahns, Briefe. 3
— 34 —
Sternwarte. Letztere haben Sie schon. Das ist wahrscheinlich mehr
als Sie wünschen. Ich bitte, dass Sie keines dieser Papiere mir
zurücksenden. — Ich würde nicht gewagt haben Sie mit meinen
eigenen unvollkommenen Beob. zu behelligen, wenn nicht der Zufall
gewollt hätte, dass in der Nordlicht-Zeit 12/13 ich aUein, und im
Nordlicht vom 14./ 15 ich und Hebteb allein in Berlin beobachtet
haben. Auf der Sternwarte war in den Nordlichtnächten nicht an
Ihrem Instr. beobachtet worden, weil wir das Phänomen nicht ge-
sehen, was ich bedaure, weil ich gern an Ihrem Apparate, die Ber-
liner Beob. mit den Breslauem verglichen hätte. Ich selbst beob-
achtete bei mir bloss zu eigenem Vergnügen und in der Hofihnng
dass andere gleichzeitig an Spiegelapparaten besser beobachten wür-
den. Sind die Nordlichte bloss zufällig mit den St. -Fällen zusam-
mengetroffen, oder von jenen erregt worden? Bei dem denkwürdigen
Fall in Nordamerika sahen einige Beobachter auch Nordlicht-Erschei-
nungen. Kann ein solches cosmisches Phänomen ein terrestrisches
(Nordlicht) erregen ; das alles ist sehr dunkel und wird uns H.
Benzenbebg (!j dogmatisch erklären. Ich bin sehr neugierig von
Ihnen, Verehrter Freund, zu hören, ob Ihre Nadel trotz aller Be-
i-uhigungselemente in den Nächten 12. /13. u. 14./15. stark oscillirte?
In der Nacht 13./ 14. war die Nadel (Gambey!) bei mir sehr ruhig;
ungeheure Schwankungen von 40' bis 45' kamen während der Nord-
lichte vor, aber so ungleich, dass die grössten Veränderungen der
Abweichung bald während heftiger Oscillationen, bald so vorgingen,
dass die Nadel ganz ruhig fortschritt, ja bisweilen sichtbar so wie
eine Person die im Fortschreiten tactweise stille steht. Ich lege Ihnen
auch eine Tabelle von Qüetelet bei, in der das häufige Wieder-
kehren des St. -Falles am 10. Aug. sehr auffallend ist. Darf ich
Sie bitten, theurer Freund, bei dem H. Prof. Weber, H. Gk)LD-
SCHMIDT, Sabtoriüs, Listing uud Ihrem vortrefflichen Schwager
mein liebevolles Andenken zurückzurufen.
Verehrungsvoll, dankbar, und immer gleich unleserlich
Berlin den 30, Nov, 1837. Ihr
AI. Humboldt.
Nach einem sehr neuen Briefe von Hebschel an Qüetelet
wird jener vor dem Juli in Europa zurück sein. Er hat am Cap
beobachtet: 654 n^buleuses, 475 steiles doubles.
— 35 —
27.
A. V. Kimboldt «n (kuss.
Ich melde Ilmes y innigst verehrtester Freund, bloss durch diese
Zeilen, von denen ich hoffe dass sie in Ihre Hände kommen, mit
wie tiefem Schmerze ich Ihren Brief vom 19. empfangen, wie wohl-
thätig mir dieser Ausdruck Ihres Wohlwollens war und wie meine
Gedanken seit einem Monate nach 6. gerichtet sind. In dTeser
Richtung liegt beharrlich das Bestreben nützlich sein zu können,
aber leider habe ich auch dazu noch keine tröstliche Aussicht.
Selbst, was mir so einfach und klar scheint, das Anerkennen des
Edeln in einer Handlungsweise, die , mit Ausschluss aller politischen
Aufregung, jeglichen äusseren Vortheil der Stimme des Gewissens
glaubt aufopfern zu dürfen, ist Vielen aus den sogenannten hohem
Beigionen fremd. Nachbarliche Bedenklichkeiten verrücken auch den
Gesichtspunkt. Die Zeit soll, denke ich, eine richtigere Ansicht
herbeiführen. An mir zweifeln Sie, mein theurer Freund, und
unser lobenswürdige geistreiche harmlose W. nicht. Wie schreck-
lich wäre es, alles das gestört zu sehen, was ich (vor Monaten] in
vollen fruchtbringenden Halmen aufsehiessen sah. Dazu schwebt
meiner Phactasie das Bild Ihrer zarten, kranken schönen Tochter
und des edeln E. vor. Ich bin schwach genug die Trennung
nicht zu wünschen und an einen Dens ex machina zu glauben
freilich ein mythischer Glaube. Das Herz steht mir nicht, Ihnen
von anderen Meteoren zu schreiben. Die unpunctirte Linie ist aller-
dings die wahre , aber es ist gar keine Linie ; denn ich hatte weder
die miti^re Zeit genau, noch dachte ich daran mehr zu thun, als
das Allgemeine die Perturbation zu meinem Vergnügen zu controliren.
Ein Enkel des grossen Franklin, qui fulmen eripuit Coelo sceptrum-
que tyrannis, der Prof. der Physik in Philadelphia Herr Dallas
Bache, ein in magnetischen Dingen sehr unterrichteter angenehmer
Mann, bringt Ihnen diese Zeilen. Schenken Sie ihm eine freund-
liche Aufnahme. Er verdient sie in hohem Masse. Mit alter dank-
barer Verehrung
Potsdam den 2ö. Dec. 1837.
Ihr gehorsamster
AI. Humboldt.
3*
— 36 —
28.
A. y. Humboldt an Gauss.
Wenn ich Ihnen, theurer hochverehrtester Freund , über die
traurige Lage der Dinge einige Tage später schreibe, als ich es in
meinem nach Hamburg an den lieben Weber gerichteten Brief an-
kündigte, so liegt der Grund davon bloss darin, dass ich in den
letzten Tagen der Anwesenheit des Monarchen, mich noch in dem
Resultate meiner Forschungen bekräftigen wollte. Ich werde es
über mich zu gewinnen wissen, dass auch in diesem heutigen Briefe
der Ausdruck jedes anderen Gefühls, als der des Schmerzes unter-
drückt werde. Die Betrtibniss, mit der wir uns in Göttingen ver-
liessen, war wie mit bösen Ahnungen gemengt. Einige Hoffnung
war mir zu Auswegen geblieben: Ihr herrliches letztes Schreiben,
voll Weichheit des Gefühls, aber auch voll männlicher, edler Stärke
des Charakters, forderte mich auf Schritte zu thun, um die Mög-
lichkeit zu wissen. Das habe ich, mit Vorsicht, bloss in meinem
Namen, als Landsmann und persönlicher Freund Wilhelm W.'s,
als Zögling der berühmten Hochschule, als derjenige in Europa ge-
than, den die plötzliche Störung der grossen Arbeit über den tel-
lurischen Magnetismus, welche Sie vollenden und welche Ihren
Methoden das Dasein verdankt, am tiefsten bewegen muss. So
freundlich sich auch der König oft, während des Wirrwarrs des
hiesigen Hoflebens, mir genähert, so war aus Gründen, die Sie
kennen, auf freimüthige persönliche Erläuterung keineswegs zu
rechnen. Ich konnte aber zwei überaus wohlwollende und von dem
Monarchen sehr geachtete Personen anwenden, den General von
C. . . (?) und den Gr. H-z. Beide haben all den Eifer in der Sache
gezeigt, den man selbst von eigentlichen Gelehrten kaum hätte
erwarten dürfen: sie haben beide auch; den Abstand gemessen,
die Grenze bestimmt, welche zu überschreiten moralisch unmöglich
ist. Es würde sich 'für diesen Brief, den ich unter vielen Störungen
schreibe, nicht eignen, Ihnen, hochverehrter Freund, Nachricht von
den einzelnen Schritten und von allen Aeusserungen jener zwei
Personen zu geben. Ich beschränke mich auf das allgemeine Re-
sultat. »Der König würde nach der Energie, die zu behaupten er
glaubt, gezwungen gewesen zu sein, gern Milde zeigen: er würde
— 37 —
freundlich einen Antrag aufnehmen wenn mit dem Gesuch über das
Wiedereinsetzen in die vorige Stelle Entsagung und zwar deutlich
ausgesprochene, der früheren Protestation verbunden wäre. Die
Einwendung, dass ein solches Gesuch um die nicht vergebene Stelle
ja stillschweigend das Versprechen involvire, sich vor politischen
Urtheilen und Einmischungen entfernt zu halten, hat nicht gefruchtet.
Es muss eine Entsagung des für Irrig Gehaltenen ausgesprochen
sein. Es würde nicht genügen, wenn man sage, die frühem Aeusse-
rungen wären missverstanden, als zu feindlich interpretirt worden;
€8 hätten sich dieselben mehr auf die inneren Regungen des Ge-
wissens bezogen; Lehrvorträge der Physik wären ja ohnedies allen
soliden Beziehungen auf die Gegenwart fremd; man wünsche (aus
Leidenschaft für die Wissenschaft, um nicht eine Arbeit zu stören,
an der das ganze gebildete Europa Theil nehme, das über Göttingen
Glanz verbreite, der Schiffarth so heilsam werden könne) einen
talentvollen Physiker, als mitwirkend in Ihrer Nähe zu erhalten. . . .
Die Antwort ist immer gewesen, die Bedingung ausdrücklicher Ent-
sagung sei unerlässlich, da der Köm'g bei den Zwecken die er durch-
setze, nicht unconsequent sein dürfe, da er sonst anderen deutschen
Fürsten (der König von Würtemberg war in Berlin) das Recht zu-
gestehen würde, die Ausgeschiedenen anzustellen.« Ich schreibe
dieses mit tiefem Schmerze, weil mir jetzt keine Annäherung mög-
lich scheint. Gesetzt auch dass die Sprache Wendungen darböte,
welche jene Ansprüche und das innere Geftthl gleichzeitig befrie-
digten, so ist nur zu wahrscheinlich, dass nicht der Brief (das Ge-
such) selbst in H. veröffentlicht würde, sondern dass die H. Zeitung
bekannt mache, Sr. Maj. hätten geruht, die Stelle wiederzugeben,
weil der Bittsteller sein voriges Unrecht eingesehen. Der Monarch
wäre selbst vollkommen berechtigt dem Gesuche eine solche Deutung
zu geben. So streitet also in dem Conflict, der jetzt mit einem
Theil der Stände statt findet, das politische Interesse der executiven
Gewalt oder vielmehr die Ansicht von diesem Interesse, mit den
moralischen Pflichten und Gefühlen unseres Freundes, nicht dass ich
in dem unglücklichen Feldzuge, einen Separatfrieden schlechterdings
für unmoralisch halte, aber in dieser Sache sind auch andere Be-
denken, welche aus der Lage eines öffentlichen Lehrers, aus der
aufgeregten Stimmung des grösseren Theils der akademischen Jugend
entspringen. Ich glaube, mein theurer Freund, in dieser mir und
— 38 —
den Wissenschaften so wichtigen Sache alles gethan zu haben was
möglich war. Es sind nnmittelbare Entscheidungen erlangt werden.
Es ist auch schon etwas gewonnen, den jetzigen Standpunkt be-
stimmt bezeichnen zu können. Wäre ungeschehen was gesohdien
ist so würde ich ^ilich meine Erinnerungen aus Frankreich anrufen»
wo ich so vielem Wechseln der Regierung und Constitutionen bei-
gewohnt habe. Glücklich ist es, wenn wissenschaftliche Institute
den Einwirkungen jener politischen Wechsel fremd bleiben können,
ich sage Institute, denn dass ich nicht das Gräuel begehe, zu wollen,
dass der Gelehrte nicht Staatsbürger sei, dass er fremd bleibe dem,
was durch die bürgerlichen Einrichtungen auf die Fortschritte der
Intelligenz, auf die Veredlung der Menschheit, auf die freieste Com-
munication der Ideen und Gefühle wohlthätig gewirkt wird, trauen
Sie mir [bei den Meinungen die ich 40 Jahre lang öffentlich aus-
spreche und in meinen Schriften verkündige] von selbst zu. Da
wichtige, dem Monarchen sehr ergebene Personen in diesen Anfragen
(die als bloss von mir ausgehend gemacht wurden] , mit der grössten
Gutmüthigkeit gewirkt haben, so bitte ich Sie, theurer Freund, diesen
Brief als für Sie allein geschrieben zu betrachten. Ich habe nicht
Müsse, ja ich darf leider I sagen nicht Stimmung von unsem wissen-
schaftlichen Lieblingsgegenständen mich mit Ihnen zu besprechen
oder auf die Punkte zu antworten die Sie so geistreich in Ihrem
Briefe berühren. Ich habe den schönen Bifilarbeobachtungen hier
beigewohnt und die Schärfe bewundert, mit der jetzt die Intensität
der Winkelmessung unterworfen werden kann. Auch der kleine
Apparat mit dem W. hier die absolute Intensität nach Ihrer Methode
bestimmte, hat mir viel Freude gemacht. Ich höre von dem viel-
schreibenden H. Gaimabb dass er Sie gebeten habe, die franz.
Commission von Astronomen und Physikern, die die lange Nacht
am Nord-Cap zubringen sollen, bis zum Herbste mit Ihrem Spiegel-
Apparat zur stündlichen Declination versehen zu lassen. Gaimabd,
der leider! die böse Gewohnheit hat, alles drucken zu lassen, was
man ihm schreibt, ersucht mich in einem letzten Briefe, Sie zu be-
wegen, jenem Apparate auch die kleinen, zur absoluten Intensität
beizufügen. H. Mobtin (?], der franz. Gesandte in Hannover, werde
alles pecuniäre besorgen. Es wäre allerdings unglücklich wenn
jene einzige Gelegenheit correspond. Beob. zu Ihren Terminen
zu erhalten, unbenutzt bliebe. Ich habe Ihren ersten. Theil der
— 39 —
Beob. an Oaimard geschickt. Möge aus Upsala oder Stockholm
Jemand dabei sein, der mit den Apparaten recht umzugehen wisse.
Ich will bei Encke, da ich selbst in einigen Wochen [vor dem
27. Juni) zur Teplitzer Reise mit meinem König Berlin verlasse,
die so eben erhaltenen Observations magnetiques de Mr. Lottin in
Island und Grönland 1835 — 1836 deponiren (ein Heft von 224 Seiten
mit vielen graphischen Darstellungen gleichzeitiger Beob. von Paris
und Island 10 — 28. Aug. 1836). Sollten Sie es noch nicht be-
sitzen so wird es Ihnen Encke schicken sobald Sie es befehlen.
Der unselige Streit zwischen diesem unseren Freunde und Bessel
betrübt mich über alle Massen. Es ist ein heilloser Zustand, dass
ein Königsberger Astronom nicht unsere Berliner Sternwarte glaubt
besuchen zu dürfen — und jetzt haben Schumacher und ich nichts,
nichts erlangen können. Auch hier muss die Zeit heilen.
Von dem Treiben, das mich seit 3 Wochen fortgerissen, neben
80 Briefen die ich in einer Woche empfangen, zugesandten Büchern,
die ich allen Kaisern, Königen, Grossherzögen und Infasions-Prinzen
übergeben soll — haben Sie keine Idee. Dazu 3 — 4 Correcturbogen
meiner Geogr. des 1 5 . Jahrhunderts aus Paris, eine in der Akademie
gehaltene Vorlesung und Schreien um Manuscript zur Fortsetzung des
Druckes. ... Sie beklagen mich gewiss. Mit inniger Liebe und
Verehrung.
Berlin den 9. Juni 1838. Ihr
AI. Humboldt.
In den Briefen die ich unserem W. an den Herzog von Sachsen
und Baily mitgegeben habe ich sehr auf Erleichterung und Ueber-
nabme des Drucks der magnet. Beob. gedrungen. In dem Journal
der Geogr. Soc. ist von mir ein Brief über die nothwendige Ver-
breitung Ihrer Methoden abgedruckt. Herzliche Grüsse an H. Dr.
Goldsohmidt.
29.
A^ V. Humboldt an Oaass.
Berlin den i5. März 1839,
Ich bin so unglücklich, von meinem Könige zu einer Stunde
gestört, in der ich sonst immer frei bin, Ihnen, hochverehrter und
— 40 —
mir immer so gütiger Freund, heute nur wenige Zeilen schreiten
zu können. Diese Zeilen enthalten die Bitte dem Ueberbriager^
H. Plantamoüb, einem jungen, sehr angenehmen und beschei-
denen Menschen, eine freundliche Aufnahme zu schenken und ihm
besonders die Erlaubniss zu geben, sich von Ihren herrlichen mag-
netischen Apparaten zu unterrichten. Ich habe den jungen Mann,
der zum Director der Sternwarte in Genf bestimmt ist, wenn der
kranke Gauthieb sich zurückzieht; lange in Paris auf der dortigen
Sternwarte gekannt. Er hat den guten Sinn gehabt auf 1 Y2 ^^^
zu Bessel nach Königsberg zu gehen, wo er erst die eigentliche
Grundlage seiner astronomischen Ausbildung gelegt. Bessel ist sehr
mit ihm zufrieden gewesen und lobt ihn als Beobachter. Ich war
6 Monate lang in der grossen Babel (Paris) sehr^wohl und arbeit-
sam da ich mir in den entresols der Bibliothek des Instituts einen
einsamen Vormittag, von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr Abends, zu
verschaffen weiss. Hier habe ich in den letzten 8 Tagen viel von
Schnupfenfieber und störenden gesellschaftlicheft Pflichten gelitten.
Machen Sie mir die Freude nun bald einmal ein Wort, nicht über Ihre
Arbeit, sondern über Sich selbst und Ihre Stimmung und unsem ge-
meinschaftlichen Freund Weber und über Ihre ^abwesende so lie-
benswürdige Tochter zu schreiben. Sie wissen, dass meine dankbarste
gemüthlichste Zuneigung zu Ihnen und den Ihrigen meiner Verehrung
für Ihren Geist gleich steht. Kreils Resultate über Mondeinfluss
bei*uhen bei aller Regelmässigkeit doch auf sehr kleinen Quantitäten.
Ich bleibe unsicher. Der viel schreibende Sabine behauptet die
Magnetica in England werden endlich erblühen, Dank sei es
Ihrem Namen, Hebschel's Eifer und Lord Minto's neuem Verspre-
chen; sonderbar genug dass immer durch Privatkräfte das bessere
geschieht.
Mit ewiger Anhänglichkeit und Liebe Ihr
AI. Humboldt.
30.
A. V. Humboldt an G-auss.
Paretz f im Havellande d. 18, Juni 1859.
Ich muss fast besorgen, mein innigst verehrter Freund und
College, in den bösen Verdacht der Undankbarkeit zu gerathen;
% - 41 —
wenn nicht eine, auch Ihnen unerfi'euliche Ursache mein auffallend
langes Stillschweigen rechtfertigte. Meine Gesundheit gewöhnlich
wunderbar fest bei einem so maunichfach angestreugten Körper,
war sehr gewichen seit einem arbeitsamen und langen Aufenthalte
in Paris. Ich habe besonders den halben April und ganzen Mai
von anhaltendem Husten und Grippe (eine ziemlich sinnlose, syste-
matische Bezeichnung der pathologischen etc.l) gelitten. Erst seit
14 Tagen finde ich mich ganz wieder ermuthigt und ich befinde
mich seit 4 Tagen mit meinem Könige in der ländlichen Ein-
samkeit des Havellandes (in Paretz). Ich wollte Ihnen nicht eher
meinen wärmsten Dank wie den Ausdruck meiner Bewunderung
und Liebe darbringen, als bis ich recht frischen Geistes über das
Gelingen einer Arbeit schreiben könnte, die zu den grossartigsteu
und umfassendsten gehört, welche ich unter meinen Zeitgenossen er-
lebt. Meine Freude über ein solches Gelingen entspricht der An-
hänglichkeit die ich für den Entdecker der wahren Theorie des
Erdmagnetismus (und eine Theorie die unabhängig von allen beson-
dem Hypothesen über die Vertheilung der magnetischen Flüssigkeit
in der Erdmasse ist] in meinem Busen bewahre. Was ich von dem
tieferen algebraischen Zusammenhang nicht gleich verstand, hat mir
Jacobi, mit dem ich selbst schriftlich darüber verhandelt und den
ich stets bei meinem Aufenthalte in Potsdam besuche, zur Induction
gebracht. Zuversicht und Glaube erleichtem die Einsicht und stär-
ken das Fassungsvermögen. Die grossen Geister üben eine anzie-
hende Kraft aus. Ihre »allgemeine Theorie« hat mich nun seit
6 Wochen fast ununterbrochen beschäftigt. Das Büchlein ist mir
Hberall gefolgt und ich lebe in der frohen Täuschung dass ich die
Theorie besitze, ja vollkommen verstehe, wie in derselben die Mit-
tel liegen eine Menge specieller physikalischer Nebenfragen auf das
gründlichste beantworten zu können. Siebenzigjährig im nächsten
September versteinere ich langsam und (wie es sich für einen
alten Geognosten geziemt) von den Extremitäten beginnend. Das
Herz ist noch nicht erhärtet und Schlägt mit erhöhter Wärme für
den, der des Blitzes Helle in das geheimnissvolle Dunkel verwickel-
ter Naturerscheinungen sendet. Wenn Lagrange über die ewige
Vergleichung zwischen sich und dem Verfasser der M^canique Celeste
in menschlicher Anwandlung mislaunisch wurde, so pflegte er mir
zu sagen »Man sieht klar nur durch ein ganz geöffnetes Thor. Le
— 42 — ♦
grand G^om^tre fait doDner un seul coup et la porte est onverte,
Mr. Laplace donne snecessivement de petita coups, il en donne trois
on quatre. La porte ne cMe qn^nn pen et Ton voit mal on rien
par une porte ä moiti^ ouverte I « Der RieBeDSchlag ist nun vtm
GöttiDgen ausgegangen. Die Forderung von Lagrakge ist erfdlit.
leh habe seitdem ich angefangen mich, durch Bobda angetrie-
ben, mit magnetischen Beobachtungen zu beschäftigen, zwei vage
aber richtige Inspirationen gehabt: Hass gegen die Multiplication der
magnetischen Erdpole und der Gabelung (Bifnrcation} isogonischer
Linien, grosse Vorliebe fßr die Messung der Intensität. Ich er-
kannte empirisch die Zunahme der totalen Intensität vom magne-
tischen Aequator gegen die magnetischen Pole hin; es ist ganz un^
gerecht und undictorisch, dass Sabine dies Erkennen dem Admiral
De Rössel zuschreibt, dieser hat früher als ich schwingen lassen
unter sehr verschiedenen Breiten, ist aber erst durph mich veran-
lasst worden als ich von meiner Reise zurückkam in seinen Ma-
nuscripten nachzusehen. Er hatte nicht einmal seine Beobachtungen
publicirt, geschweige das gesetzmässige darinnen gekannt. Die
Aufstellung der kleinen Magnete, die von Biot aufgewärmte und
modificirte Hypothese von Tobias Mayer, die schwerfälligen Ver-
suche von Hansteen waren mir zuwider : ich wünschte die goldene
Zeit heran, wo ein newtonianischer Geist uns von den Fesseln ge-
häufter Epicykeln befreien und alle Elemente aus einem Princip
herleiten würde. Dies Wunder haben Sie vollbracht, mein theurer,
hochverehrter Freund: meine Augen haben es noch gesehen« Aus
Ihrer Theorie habe ich nun erst einsehen gelernt, welchen Werth
die horizontalen Schwingungen haben, wie unrecht ich hatte, sie
ehemals nur in Verbindung mit Inclinationsbeobachtungen zu schätzenf
»weil, wenn nach einem halben Jahrhundert die horizontale Kraft
an einem Orte verändert gefunden würde, man nicht wisse, ob die
Veränderung Folge der abnehmenden totalen Intensität oder Folge
der veränderten Inclination oder beider physicalischen Elemente
zugleich sei.« Aus Ihrem Buche ist mir nun klar geworden, wie
wenn die Beob. zahlreich »und genau« genug wären, die Richtung
der Horizontalnadel, aus der blossen Horizontalintensität abgeleitet
werden könnte. Das ist in der That die Blüthe der Sache, da
durch ein solches Unternehmen, die mathematische Verbindung,
die zufolge des Attractionsgesetzes, zwischen den drei Componenteii
- 43 -
statt finden mass, klar nachzuweisen ist. Ans Ihrem Buche habe
ieh erst* ein richtiges Verständniss ttber die sogenannte magnetische
Axe erhalten, wie über die Bedeutung der Pole, und die von der
vierfachen unzertrennlichen sechsfachen Zahll Die graphische Dar-
stellung hat mich bei dem Empfang Ihrer vortrefflichen Schrift in
grosse Verlegenheit gesetzt. Ich sah bald ein dass sie zwar von
der grössten physikalischen Bedeutung sei, aber keine einfache
Kraftüusserung darstellt. Wenn ein incompensibles Fluidum einen
magnetischen Kern umgäbe und man das Fluidum in viele couches
d€ niveau sich getheilt denkt so würde die Resultante aller Kräfte
in jedem Punkte senkrecht auf der durch ihn hindurchgehenden
couche stehen. Die ganze Erde wäre dann ein. Pol, überall wäre
die Kraft vertical. Aber die wirkliche Erde durschneidet ein System
V
jener couches — ist das Bild der Schneidungscurven und zwei Pole
bleiben nur als Berührungspunkte übrig. In den Zahlwerthen der
24 Coefficienten § 26 und der schauderhaften Formel von 71 Glie-
dern für die Sie Ihre sinnreichen Hülfstafeln construirt liegt demnach
die ganze Frucht, ja auch der Saamen und Keim zu allem was die
künftigen Jahrhunderte zur Verbesserung der numerischen Werthe
V V
von p liefern werden. Wäre der Ausdruck für -g nicht jetzt schon
der Wahrheit so nahe, so würde für die ausgewählten 71 Punkte
von so ungleicher Gültigkeit, die üebereinstimmung zwischen Rech-
nung und Beobachtung nicht so bewundernswürdig zufriedenstellend
sein. In dieser üebereinstimmung liegt der Lohn für eine so un-
geheure numerische Arbeit. Ihre Betrachtungen, wie bei grösserer
Vervollkommnung der Daten die Theorie selbst lehren wird, wel-
cher Theil der Anziehung, welcher der Erde zugehört, hat meine
grösste Neugierde erregt. Aber wenn im Innern des Erdkörpers
eine Hitze herrscht, welche den Erdmagnetismus ausgleicht (vernichtet)
wenn nur die obere Erdrinde magnetisch ist, so wird das wunder-
same Resultat von einem Achtel Cubikmeter (§31) ja noch wunder-
samer d. h. die Erde erscheint zwar noch anziehender, aber noch
mehr im Verkehr mit atmosphärischen oder welträumlichen Einflüs-
sen ? (§ 36 und 40) . Es wird mir eine grosse Beruhigung sein, wenn ich
in den ferneren Entwickelungen Ihrer schönen Theorie künftig ein-
mal etwas über Ihre Ansicht vom glühenden Erdkerne und dem
ausschliesslichen (?) Sitze der Kraft in der dünnen Erdrinde finde.
- 44 —
Eine bedeutende Fraction des Ganzen kann ja dann wohl über der
fingii-ten Fläche liegen. Was Bkewster von Kältepolen und über
Zusammenhang der magnetischen Linien mit meinen Isothermen
aufgestellt und Moser selbst numerisch zu entwickeln gewagt hat,
scheint mir unreif und voreilig. Schon der Urvater Gilbebt (da
er die Tugend hatte, keinen magnetischen Kern oder Hing im In-
nern der Erde anzunehmen, sondern alle ihm bekannte Erscheinun-
gen der Anziehung der Erde selbst zuzuschreiben) wollte die Richtung
der Linien ohne Abweichung aus der Foim der Continental-Massen
erklären. Bei Moser ist die Idee der Isogeothermen (deren nume-
rische Evaluation trotz Kupfer sehr im argen liegt, da die sogenannte
Quellen-Wärme sehr täuscht) dazugekommen. Aber vieler anderer
Einwendungen nicht zu gedenken, steht diesen Ideen entgegen 1) die
geringe dünne Bedeckung mit den Wasserschichten des Oceans, die
verschieden gefoimten Continente sind ja nur Zapfen-Wulste, hervor-
ragende Theile derselben Erdrinde; 2) die geringe Veränderlichkeit
der mittlem Erd- und Lufttemperaturen, welche durch die Con-
touren der Continente (Gestaltung des Starren) und ihr Oberflächen-
Ansehen bestimmt wird, während die Null-Declinationslinie 1684
durch Paris und London fortschritt. Macht man die Länge und
das Fortschreiten der magnetischen Linien von der Vertheilung der
Wärme allein abhängig, so muss man den periodischen Wechsel
dieser Vertheilung erklären. Wenn aber die Wärme auch nicht das
Hauptagens ist, so sehe ich doch mit Freuden aus Ihrer Theorie,
mein verehrter Freund, dass vielerlei Modificationen der magnetischen
Ladung von Aussen kommen können. Sommer und Winter, Tag
und Nacht wirken periodisch und wie gering ist doch (wenn man
einen Blick auf Qüetelets vollständigere Beobachtungen der innem
Erdwärme zwischen 1 — 25 Fuss wirft) der Einfluss äusserer Tem-
peratur-Veränderungen auf die obere Erdrinde, wie ungeheuer lang-
sam die Mittheilung. Ohne Wärmeveränderung des Luftkreises haben
mir inmier (ein Declinations-Instrument steht neben meinem Arbeits-
zinmier) die hellen und bewölkten Tage den Totalwerth der
täglichen Elongation zu vermehren und zu vermindern geschie-
nen, während ich immer verwundert bin dass, trotz des unleugbaren
Einflusses naher und ferner Nordlichter, Gewitter, Donnerschläge so
wenig auffallende Veränderungen hervorbringen. Die Nordlichter
oder magnetischen Gewitter, lichterzeugend wie die gemein elektri-
— 45 —
achen, sind also doch von diesen sehr verschieden.*) Sie sagen
sehr schön (§ 41) dass jede Bewegung der Elektricität deshalb nicht
ein galvanischer Strom ist, weil zu diesem ein in sich zurückkeh-
render Kreislauf gehört. Die augenblicklichen Störungen die der
Parallelismus Ihrer Curven als gleichzeitig und so allgemein ver-
breitet offenbart, glaube ich wie Sie, als von aussen und oben herab
erzeugt. Ist es ein meteorologischer Prozess der das Durchfahren
eines Aerolithen erregt, fragt Admiral Wrangel? Wohl deshalb
nicht, weil sonst unsere Nadel bei Tag und Nacht nie ruhig sein
könnte! Wrangel sagt, eine Sternschnuppe (ein Aerolith) eigener
Art. Das grenzt an das Gebiet der wilden Hypothesen.**) Da
ich H. Fedorow für einen weit bedächtigeren Beobachter als A
E. . . . halte, so haben mich Ihre Seite 40 und 41 wegen der Ue-
bereinstimmung mit meinen eigenen Beobachtungen trotz der Jahres-
unterschiede von 1829 und 1832 sehr gefreut. Dieser sibirische
Reisende (jetzt im untergegangenen Kiew) hat sich, wie mit Recht,
für Sie gezähmter erwiesen als für mich. Ich schreibe ihm seit
3 Jahren um ihn für die neue Ausgabe meiner Fragmens asiatiques
die als ein neues ganz umgeändertes Buch (Asie centrale) erscheint,
anzuflehen mir gewisse Berghöhen des Ural die er gemessen, zu
schicken, er hat mich aber nie einer Antwort gewrdigt. Die neue
magnetische Expedition der Engländer und Stationen mit Ihren Re-
flexionsinstrumenten dem magnet. Aequator nahe, werden Ihre gross-
*) Der Admiral Wbangel, über Mexico aus Sitka zurückkehrend und
früher auf einer Expedition nach den fernen Liachov-Inseln (Neu-Sibirien) war
diesen Winter in Berlin. Er ist ein sehr unterrichteter, besonnener Mann. Er
heharrt bei der Nachricht, die der langweilige alte Parbot schon bekannt ge-
macht, dass während des anfangenden Nordlichts eine Sternschnuppe gewisse
Regionen des Himmels entzündet. Diese Regionen leuchten erst und fahren
fort zu leuchten erst wenn eine Sternschnuppe sie durchstrichen hat ! ! Aller-
dings haben sich in Nordamerika bei den Sternschnuppen-Festen im November
bisweilen auch farbige Nordlicht-Erscheinungen gezeigt. Von aussen kommende
Taschen -Planeten können also durch Reibung und Entzündung magnet. Ge-
witter erregen??
*♦) Ein Mann in Wien hat mir für die kön. Societät in London einen
Beweis geschickt dass das Sonnenlicht darum nicht abnehme und so unökono-
misch ausgetheilt werde, weil es von dem Selbstleuchten der sich ewig begatten-
den und sich gregagirenden Infusfonsthiere entsteht. Ein Sonnenstrahl reizt
unser Auge weil viele der kleinen Bestien herabkommen.
— 46 -
artige Theorie sehr fördern, besonders für die wichtige Frage § 41.
Da Gleichzeitigkeit in der Bestimmung der Cnrven so wichtig ist,
so wünschte ich freilich dass ein Schiff nördlich vom Aequator nnd
eins südlich vom Aeqnator aber in beiden Meeren (im Atlantischen
Ocean und in der Südsee) kreuzten I Verzeihen Sie innigst verehrter
Gönner und Freund das rhapsodische dieser Zeilen. Ich habe nicht
Zeit und Muth dieselben zu übermalen (de les retoucher) . Der vor-
treffliche Weber oder unser geduldreicher Dr. Goldschmidt werden
in der hieroglyphischen Entzifferung ja wohl beistehen. Nun noch
gemischte Betrachtungen. Es quält mich, dass in Ihrer Karte -^
die Null-Linie dem magnetischen Aequator (der Incl.) so ähnlich
ist und doch dieser Aequator nicht ist! Wie werden Ebman und
Hansteek sich helfen mit ihren Sibirischen Schlangenlinien wenn
Sie ihnen die 4 Pole entziehen? Was ist das Fortschreiten der
Decl. Linien? Was wird aus den unmöglichen Bifurcationen und
aus einem gewissen mich kränkenden in sich zurücklaufen der Decl.
Linien in der Südsee? Mit dankbarer Verehrung Ihr
AI. Humboldt.
Meine freundlichsten Grüsse an Webeb und Goldschmidt und
Ottfried Müller. Ich denke mit Wehmuth an unsere Göttinger
auch meine alma mater! Ich hoffe dass Sie die besten Nachrich-
ten von der liebenswürdigen Professorin Ewald und ihrem Gatten
haben.
Mit Encke lebe ich in alter Zärtlichkeit trauernd über den nor-
dischen Krieg. Jacobi ist geistreich, lebendig und fett. Dirichlet
ist mehr in sich gezogen, fein und liebenswürdiger.
31.
A. V. Humboldt an &ausfi.
Erlauben Sie, hochverehrter Freund, dass ich Ihrer besonderen
Aufmerksamkeit und Gewogenheit zwei sehr ausgezeichnete und an-
genehme junge Reisende aus Spitzbergen und der langen Nacht im
nördlichsten Scandinavien innigst empfehle, den französischen See-
officier Herrn Bravais und den Botaniker Herrn Martins der ausser
- 47 —
der Geographie der Pflanzen sich auch auf das fleissigste mit meteo-
rologischen Beobachtungen beschäftigt hat. Sie wissen dass Ihre
herrlichen Apparate in der langen Nacht gebraucht worden sind,
auch wurden Refractions-Beobachtungen angestellt in Verbindung mit
Versuchen über die Wärmeabnahme durch Luftbälle und Thermo-
metrographen. Meist war die obere Luftschicht im Winter auf den
nahen Bergen wärmer, als in der Ebene. Da diese sehr beschei-
denen und thätigen jungen Leute Hoffnung haben die lange Nacht
Boch einmal zu Ihren magnetischen Terminen im hohen Norden zu
durchleben, so wird das Glück der Annäherung an Sie, Verehrter
Freund, von doppelter Wichtigkeit für die Wissenschaft sein. Meine
freundlichsten Empfehlungen an Prof. W. und Dr. G.
Dankbarst und verehrend,
Berlin den 22. Dec. 1859, Ihr
AI. Humboldt.
Wie sehr hat es mich geschmerzt nicht Sabine und Lloyd
haben begleiten zu dürfen.
32.
A. V. Humboldt an &au88.
Berlin den 21. Febr. 1840,
Ich benutze einmal wieder die angenehme Gelegenheit, welche
sich mir darbietet, mein hochverehrter Freund und College, um mich
in Ihr gewogentliches Andenken zurückzurufen, indem ich, durch
diese wenigen Zeilen, Ihrem besonderen Interesse einen sehr wissen-
schaftlich gebildeten Amerikaner H. Cogswell aus New -York zu
empfehlen wage. Er hat mir Briefe von Lindenau gebracht und
ist der Herausgeber eines sehr geachteten historisch-politischen Jour-
nals. Was ihn mir wichtig gemacht hat ist, dass er Aufträge hat
für den Ankauf einer ungeheuren Bücher-Masse, rein wissenschaft-
licher, zu sorgen, weil ein reicher Privatmann (Astor) eine Summe
von vielen hundert tausend Thalern zur Gründung einer öffentlichen
Bibliothek geschenkt hat. Es wäre recht menschlich und edel von
Ihnen , das heisst Ihres grossen Namens würdig, wenn Sie H. Cogs-
well einigen Rath für dieses Unternehmen geben wollten. Am
— 48 —
wichtigsten schiene es mir, für einzelne abgesonderte Fächer (Mathe-
matik, Jurisprudenz, Philologie) den Grund des Ganzen durch An-
kauf ganzer Bibliotheken von Privatleuten zu legen. Der Brief von
La Grange über Laplace's mögliche Versetzung nach Berlin unter
Fbiedrich dem U. hat Sie gewiss interessirt. Es herrscht dazu ein
liebenswürdiger Ton in dem Briefe. So möchte jetzt nicht eine
Correspondenz zwischen Poisson, Cauchy und unserem incisiven
Jacobi aussehen. Andere Zeiten, andere Racen, auch andere Di-
mensionen! Dass der Ring der Sternschnuppen die Sonne perio-
disch schwächt und Kälte erregt wie Erman so fabelt credat Judaeus
Apella. Mit alter Bewunderung und Liebe
Ihr
AI. Humboldt.
Meine zärtlichsten Grüsse an Weber und Dr. Goldschmidt.
Der junge magnetische Seeofficier Bravais aus Lapland hat mir sehr
gefallen. Er ist ein Franzose von der guten Art.
33.
A. V. Humboldt an Gauss.
In dieser bewegten Zeit, wo mein Gemüth durch den Tod eines
Monarchen, der mich eines langen Vertrauens würdigte und nie meine
geistige Unabhängigkeit schmälerte, getrübt ist, finde ich, hochver-
ehrter Freund, keine Worte, um Ihnen für Ihre letzte tiefsinnige
Schrift zu danken. Sie wird von denen aufs höchste bewundert,
die das Glück geniessen Sie in Ihrer ganzen Grösse bewundern zu
können. Mir dem Unwissenderen und Schwächeren steht es zu,
mich Ihrer Zuneigung (als einer der grössten Auszeichnungen
meines Lebens) zu erfreuen, in Ihnen den Menschen zu lieben, mit
Ihnen zu klagen über die nicht ganz freudigen Zeiten, in denen
wir leben; Sie um die Fortsetzung Ihrer mir über alles theuren
Freundschaft zu bitten, und Ihnen heute einen sehr ausgezeichneten
mathematischen Physiker H. von Ettinghausen aus Wien, der
fast in der häuslichen Umgebung des Fürsten Metteristich lebt,
aber dabei seine ganze wissenschaftliche Thätigkeit gerettet hat.
— 49 —
dringend nnd inständigst zu empfehlen. Electro-Magnetismns, Optik
nnd Dagnerotypen haben H. von Ettinghausen, der lebendig, ein-
&eli nnd liebenswürdig ist, stufenweise beschäftigt. Mit alter Be-
wunderung und Liebe
Berlin den 24. Juni 1840. Ihr dankbarer
AI. Humboldt.
Die Zerwürfnisse im Schoosse des Pariser Instituts sind recht
wild und unerfreulich.
34.
A. V. Humboldt an Oauss.
Unter allen Gräueln des ümziehens in eine entfernte, aber sehr
gesunde und heitere Wohnung, wage ich es, mein theurer, hoch-
verehrter Freund und College, Ihnen einige Zeilen der Liebe, des
Andenkens und unverbrüchlicher Ergebenheit zu senden. Entschul-
digungen wegen langen Stillschweigens sind, bei meiner zerstreuten
Lebensweise, nach 6monatlichem Aufenthalte in Paris, einer darauf
folgenden IStägigen Reise nach Windsor, (in der ich Armer 1 nicht
einmal die . Sternwarte oder meinen Buchhändler besuchen konnte],
nach langer Umgebung des viel unternehmenden, geistreichen Mo-
narchen in Berlin, Charlottenburg und Sanssouci, einem 73jährigen
Manne erlassen. Ich wirke so viel ich kann, oft nur als eine At-
mosphäre, bisweilen unmittelbar, spare die Nächte für meine littera-
rischen Arbeiten und Correctur der Probebogen und mache thörichte
Pläne zu künftigen Arbeiten, als hätte ich noch lange mich auf dem
irdischen Boden zu tummeln. Der Russischen Reise (ich dachte
einen Augenblick über Schweden zurückzugehen] bin ich entgangen.
Man hat gefürchtet, dass ich dem Mächtigsten dort , politisch , nicht
angenehm sei. (»Dies sehr im Vertrauen.«] Nach dem Rhein werde
ich den König begleiten. Ein summender Bienenschwarm deutscher
Fürsten wird dort hinziehen. Der König hat den edlen Gedanken
gehabt den intellectuellen Ruhm seines Jahrhunderts und den der
künftigen an den Ruhm des grossen Friedrich zu knüpfen. Er hat
aus Liebe zu diesem, dem die Theologie eine Mythe war, die Theo-
Bruhns, Briefe. 4
— 50 —
logie ausgeschlossen, was vielen auffallend sein kann. Dass Ihr
grosser Nune, mein theurer Frennd, sich dem Monarchen zuerst
und von selbst darbieten mnsste, bedarf keiner Versicherung. Ich
kann aber »specialitera bezeugen, dass', als der König mir zum ersten
Male von diesem Orden sprach (ich rieth davon ab, weil ich vorher
sah, dass alle nicht Ernannten mit auftreten würden!)
Er Ihren Namen schon mit Sanscrit-Buchstaben in die Liste ein-
getragen hatte. Ich sage: mit Devanagari-Buchstaben , eine Ge-
wohnheit des heiteren Fürsten damit man die offenen Blätter seines
Tisches nicht leicht lese. Fürst Mett. ist eine launige Ernennung.
Die bdsen Berliner sagen, es sei ein Gegenstück za Dagiierbe:
aber Prof. Moseb in Königsberg macht jetzt Lichtbilder bei Nacht.
Alle Körper, behauptet er, sind selbstleuchtend und bilden sich,
genaht, auf einander ab. Dass ich fOr den »responsablen Minister«
des Friedens-Ordens hier am meisten angegriffen werde, versteht
sich von selbst, doch hatte ich nur Theil an den Discussionen vor
dem König, zugleich mit drei Ministem, Eichhobk, Savigky und
Teile. Ueber alle kleinlichen politischen und aristokratischen Neben-
Ansichten erhaben, zeigte sich allein der König. Berühmte Namen
sind auf den Listen verschwunden weil man in den letzten Tagen
erst den leidigen Entschluss fasste, statt 46 (gleich der Zahl der
Regierungsjahre Fb. II.) nur 30 zu ernennen. Viele Stühle wurden
umgekippt. Hinc illae lacrymae. Aber ich schäme mich zu spät,
Ihnen von diesen Elendigkeiten, unter denen ich leide, zu reden,
statt Ihnen Glück zu wünschen über die riesenmässigen Fortschritte
Ihrer magnetischen Schöpfungen.
Darf ich Sie bitten, theurer College , dem Ueberbringer dieser
Zeilen H. Dohbn einen liebenswürdigen vielgereisten und talent-
vollen Mann wohlwollend aufzunehmen und ihm zur Benutzung der
herrlichen Bibliothek zu verhelfen. Handelsgeschäfte (in Stettin)
halten den jungen Mann nicht ab, sehr gelungene metrische Ueber-
setzungen des alten spanischen Theaters zu machen.
Mit alter dankbarer Verehrung
Berlin, den 3. Juli 1842. Ihr getreuester
AI. Humboldt.
— 51 —
35.
Ai 7. Hamboldt an Gauss.
«
Wegen der flüchtigen Durchreise des Kaisers von Russland mit
dem Hofe auf einige Stunden von Sanssouci hieher verschlagen, habe
ich kaum einige Minuten Zeit, um einem trefflichen jungen Ana-
lytiker H. Eisenstein, von sehr armen Eltern, durch sich selbst
gebildet, jetzt endlich vom König etwas unterstüzt, diese wärmste
aller Empfehlungen an Sie, mein hochverehrter Freund und College,
zu geben. Den jungen Mann führt (was ich verstehe) Bewunderung
Ihres Namens zu der Pilgerschaft. Er ist gemüthlich und brav. Schen-
ken Sie ihm Kath und, da er sie gewiss verdient, auch Aufmunte-
rung. Meine Gesundheit ist trotz des zurückgelegten 74. Jahres
noch wunderbar fest. Ob mich gleich die zu grosse Nähe des Mo-
narehen sehr beschäftigt, so habe ich doch die Unvorsicht den Druck
des Kosmos begonnen zu haben. Ihnen soll der erste Theil zu
Füssen gelegt werden, sobald er erscheint. Sie kennen meine un-
verbrüchliche Liebe und Anhänglichkeit für Sie. Geistig und poli-
tisch quält und betrübt mich vieles, weil man zur schwankenden
Zeit noch schwankend gesinnt ist 1 Auch das Benehmen der Gebrüder
Grimm habe ich sehr tadelnswerth gefunden gegen einen Mann den
man verfolgt hat. Dankbarst
Berlin 14. Juni 1844. Ihr
AI. Humboldt.
Geben Sie gütigst einen kleinen Schneeweissen Aufsatz von mir,
den ich heute anonym habe erscheinen lassen, an jemand der sich
in Göttingen für die phys. Geographie des Himalaya interessirt.
Meine schönsten Grüsse an H. Goldschmidt.
36.
A. V. Humboldt an Gauss.
Ich nähere mich Ihnen, hochverehrter Freund und College, mit
altem Vertrauen ob ich gleich seit mehreren Jahren Ihnen nicht die
4*
— 52 —
erneuerte Versicherung meiner dankbarsten ich sage gern ehrer-
bietigsten Anhänglichkeit dargebracht habe. Mein Leben ist ein
mühselig zerrissenes arbeitsames Leben in dem mir fast nur nächt-
liche Stunden zu litterarischen Arbeiten übrig bleiben. Sie werden
fragen, warum ich aber 76 Jahre alt, mir nicht eine andere Lage
verschaffe? Das Problem des menschlichen Lebens ist ein ver-
wickeltes Problem. Man wird durch Gemüthlichkeit, ältere Pflichten,
thörichte Hoffnungen gehindert. Meine physischen Kräfte haben
sich wunderbar erhalten , aber trübe Familienverhältnisse hätten diesen
Winter meine Gesundheit erschüttern können. Mein Neffe B'. Bülow,
ehemaliger Minister der auswärtigen Angelegenheiten, einer der frei-
sinnigsten, ausgezeichnetsten Staatsmänner unserer Zeit, hat nnä
8 — 9 Monate lang das schreckliche Schauspiel gestörter Intelligenz
gegeben 1 1 Er ist endlich durch den Tod erlöst worden und die
Angelegenheiten einer zahlreichen liebenswürdigen Familie erheischen
jetzt meine ganze Sorgfalt. Diese wenigen, für Sie leider unin-
teressanten Zeilen haben den doppelten Zweck, mich endlich einmal
wieder in das Andenken eines Mannes zurückzurufen der durch
Greisteskraft und Edelmuth des Charakters bei mir höher als irgend
jemand unter den Zeitgenossen steht und diesen mir so wohlwollen-
den Freund mit einer Bitte zu belästigen. Sie haben mir so überaus
ehrenvoll über den jungen hochbegabten Dr. Eisenstein geschrieben,
der, trotz meiner Bemühungen noch immer dürftig ist. Die hiesigen
Mathematiker scheinen mir weniger freundlich für ihn zu sein, als
ich es wünschte und er es gewiss verdient. Einige haben sogar
Grenzstreitigkeiten angefangen, die wenn auch einiges Versehen von
der Seite meines jungen Freundes Eisenstein vorgefallen wären,
doch nicht herbe Rüge ihm zuziehen sollten. Ich darf hoffen, dass
seit der Zeit, wo auf meine Bitte Sie Eisenstein so unendlich liebe-
voll ganz wie es einem grossen Character wie dem Ihrigen natürlich
ist, in Göttingen aufnahmen, Sie neue Arbeiten des jungen Mannes
gesehen haben. Ich fordere jetzt von dem Minister Eichhorn, der
gleich warm für Eisenstein geblieben ist, dass er meine Bitte beiio
Könige um eine Besoldung als Privatdocent von 600 Thalem unter-
stütze. Ein wohlwollendes Wort von Ihnen, hochverehrter Freund,
eine Empfehlung für den jungen Mann, würde entscheidend sein -
Wollen Sie das Wort nicht an Minister Eichhorn selbst richten, s^>
bitte ich Sie inständigst mir einige freundschaftliche Zeilen zu schrei-^
— 53 —
ben deren ich mich bedienen darf. Es wird mir eine der grössten
Freuden sein, die ich Ihnen je hätte in meinem Leben verdanken
können. Wie Sie mir einst ein so grosses Lob von dem herrlichen
jungen Manne schrieben sagte ich mir im Inneren: so gut ist es
mir in meiner Jugend nicht geworden von Friedrich Gauss! so
ausgezeichnet zu werden. So ist denn der arme Bessel nun auch
von seiner langen Qual erlöst worden. Es ist mit ihm eine sonder-
bare Ueberzeugung in das Grab gegangen von der Sie, mein edler
Freund, vielleicht nicht gewusst. Er schrieb mir am 1. Juni 1844
-also vor seiner Krankheit: »ich schreibe Ihnen etwas, das noch
unreif ist. Ich habe Verdacht gegen die Unveränderlichkeit der
Polhöhe. Meine sehr schön unter einander stimmenden Beobach-
tungen mit dem neuen Kreise verkleinem die Polhöhe fortwährend,
vom Frühjahr 1842 bis jetzt zwar nur um 0'/3 aber selbst diese
Kleinigkeit scheint mir nicht ein Beobachtungsfehler sein zu können,
denn nach meiner jetzigen Beobachtungsart wird alles eliminirt was
«OQStanten Einfluss auf die Mittel der einzelnen Sätze haben könnte.
Ich denke dabei an innere Veränderungen des Erdkörpers welche
Einflüsse auf die Richtung der Schwere erlangen.« Schon in Schü-
HACHEBS Jahrbuch für 1840 S. 134 wird aus Zweifeln »über das
Oleichbleiben der Schwere,« das Emporsteigen der Continente für
bloss scheinbar als Folge der veränderten Krümmung der Meeres-
fläche erklärt. Ich habe dies im Kosmos (I. S. 312) bestritten.
Eine Veränderung von 0'/3 ist bei relativen Bestimmungen wie in
Untersuchung der Parallaxen allerdings etwas beträchtliches, aber
bei absoluten Bestimmungen darf man doch wohl nicht zu solch
einer Dichtigkeitsveränderung seine Zuflucht nehmen. Im Quarterly
Review bin ich gehörig über meine Kühnheit gezüchtigt worden im
Kosmos I. S. 428 die Ursündhafligkeit der magnet. Sonntagsbe-
obaehtungen vertheitigt zu haben. Der engl. Fanatismus hat uns
um den wahren Fortschritt der Perturbation vom 25. September
(der von Tobonto] gebracht. Ich bin stolz mit Ihnen gemeinschaft-
lich zu leiden, denn ich denke Sie, mein theurer Freund, werden
auch einmal wegen Ihrer Sonntagsbeobachtungen angegriffen. Bessel
wird wohl durch Hansen ersetzt werden, so dass Abgelandebn
Königsberg, Hansen (der freilich zum Beobachten minder geneigt
aber weit mehr mathematisch unterrichtet ist) Bonn angeboten würde.
Machen Sie mir bald die Freude nur gute, recht gute Nachricht
— 54 —
von Ihrem Befinden zn geben. Die Hälfte des 2. Bandes meines
unvorsichtigen Kosmos ist gedmckt. Mit alter Verehning und freund-
schaftlichstem Dankgefühl
Berlin den 7, April 4846. Ihr
AI. Humboldt.
37.
A. V. Humboldt an Oauss.
Sie sind, mein edler, hochverehrter Freund, immer so nach-
sichtsvoll und wohlwollend für mich, dass Sie mir gewiss gern die
Lästigkeit dieser Zeilen verzeihen. Ich empfehle Ihrer freundlichen
Aufnahme und Ihrem besonderen Schutze einen jungen Amerikaner,.
Herrn Benjamin Apthorp Goüld der von einer sehr begüterten
Familie abstammend, sich mit recht lobenswerthem Fleisse der prak-
tischen Astronomie widmet. Hen* Gould hat zu Encke's ZuMeden-
heit viele Monate an unserer Stemwarte gearbeitet und (ich muss
es schon wagen das Wort auszusprechen) der achtungsweiiihe junge
Mann hat den heissen Wunsch, sich in Göttingen aufhalten zu dürfen,
um unter Ihren Befehlen vielleicht Beschäftigung auf Ihrer Stern-
warte zu finden. Ich habe ihm nicht besondere Hoffnung gemacht;
ihm vorhergesagt, dass das Gelingen eines solchen Wunsches von
Localverhältnissen abhinge, die aus der Ferne gar nicht zu beur-
theilen sind. Eine freundliche Aufnahme aber, Verehrungswerther
Freund, wenn sein Aufenthalt in Göttingen auch nur kurz sein
müsste, konnte ich ihm verheissen, da ich weiss, so selten ich
Ihnen auch Lebenszeichen gebe, wie freundschaftlich Sie inuner noch
für mich sind. Herr Gould hat den guten Verstand, sich als Ma-
thematiker mehr ausbilden zu wollen, als es in der »Schule der
Central-Sonne« und des hohen Nordens Sitte ist. Ich hatte ihn
deshalb in Verbindung mit dem trefflichen leider I kränkelnden, mir
immer gleich lieben, von den Berliner mathematischen Grossmächten
wenig gepflegten Eisenstein gesetzt. Ich lausche in alter Bewun-
derung Ihres Namens, in alter Liebe Ihres Sinnes, auf alles was mir
Reisende von Ihrer Gesundheit, Ihren Augen, Ihren Anstrengungen
sagen. Meine Gesundheit, 77 Jahre alt, erhält sich wundersam,
— 55 —
aber die grosse Nähe eines geistreichen, litterarischen und ai*tistischen
Königs setzt mich in einen bedrückenden, zeitraubenden Geschäfts*
kreis. Meine litterarische Arbeit ist fast nur eine nächtliche. Es
fehlen nur noch einige Bogen zum 2. Bande des Kosmos, eine Art
unmöglichen Unternehmens, und die Aufmerksamkeit nicht werth,
die man dem Buche des gewagten Titels wegen geschenkt hat«
Dass ich den hiesigen politischen inneren Verhältnissen glücklicher
Weise ganz fremd stehe, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Un-
befriedigte Aufregungen sind wenig erfreulich. Mit alter Liebe und
Verehrung.
Berlin, den 23, März 1847. Ihr getreuester
AI. Hiunboldt.
Ich müsste augenblicklich mit unserem Encke wegen seiner zu
leidenschaftlichen Angriffe auf Raumeb unzufrieden sein. Ich hatte
deutlichst in der Akademie noch vor der Absendung des so elend
stylisirten Briefes erklärt, dass ich Raümeb's religiöse und politische
Meinungen ganz theile, aber glaube, dass er an der Form gefehlt
habe. Das Verhältniss zwischen Raumeb und Encke, wie auch
das zwischen Encke und mir ist ganz hergestellt. Ich glaubte Ihnen
nichts verschweigen zu dürfen.
38.
A. V. Humboldt an Oauss.
Hochverehrter Freund und College.
Es gehört zu den schmerzhaften Erfahrungen meines vielbe-
wegten Lebens, an dem feierlichen Tage, für den diese Zeilen be-
stimmt sind, unter vielen äusseren politischen Bedrängnissen, Ihnen
nicht persönlich die Geftlhle meiner dankbaren Anhänglichkeit, meiner
so lang genährten Bewunderung ausdrücken zu können. Als ich
nach fÜnQähriger Abwesenheit wieder den europäischen Boden betrat,
war mein erstes Bestreben, Sie, dessen Namen schon so hoch glänzte,
ftlr mein Vaterland zu gewinnen. Ich hatte den Schmerz des Nicht
Gelingens und der erste, der tiefsinnigste, alles umfassende Mathe-
— 56 —
matiker Emopas mofiste einem anderen Theile des, audi damals
uneinigen Dentachlands angehören. Mir dem fast antedilnrianiscli^,
achtzigjährigen Reisenden ist aber geworden, ich sage nicht der
Ersatz, aber die nnaossprechliche Freude, in dem bewunderten Ifanoe
den gemttthlichsten, naehsichtsTollsten, liebeToUsten Freund zu
finden. In diesem Worte, das ich auszusprechen wage, li^ (Qi
mich die Befriedigung eines Stolzes, den ich so gern und dffentlieh
bekenne.
Mit unverforfichlicher Verehrung
Potsdam, den 42, Juli 4849, Ew. Hochwohlgeb.
treuester und gehorsamster
AI. Humboldt.
39.
A. y. Humboldt an Gkinss.
Wenn ich nach so langer Unterbrechung einmal wieder Ihnen,
Verehrter Freund und College, ein kleines Lebenszeichen gebe, so
geschieht es in der festen Zuversicht, dass Sie noch immer mir die
Vorliebe erhalten haben, deren ich so lange und zu meiner grossen
Freude genossen. In einem Uralter von 81 Jahren, durch viele
unlitterarische Störungen bedrängt, ist meine Gesundheit wundervoll
doch so erhalten (kleine tiefeingewurzelte Magenübel abgerechnet)
dass ich meine nächtliche Arbeit fortsetzen kann. Möge ich eben
so freudige Nachricht von Omen empfangen, in einer Zeit, wo der
politische Horizont so getrübt ist! JAConfs so unerwartetes Hin-
scheiden an schwarzen Pocken und also nicht an der Krankheit
(Diabetes) ? kannte, ist ein grosser Verlust ftlr die
Wissenschafi;. So schmerzhaft mir auch, schon wegen seiner frü-
heren Verhältnisse zu dem Könige, das ganz zwecklose und kin-
dische Benehmen zu einer andern Zeit, so habe ich ausdauernd und
mit Erfolg die Schritte gethan, die ihn Preussen erhalten konnten.
Meinen inneren GefQhlen ist er nie nahe gewesen. Sein Tod regt
mich nur an endlich einmal dem talentvollen Eisenstein eine ge-«
ziemende Anerkennung zu verschaffen. Seine Lage ist unerhört
dürftig und es ist mir nie geglückt ihm, statt 300 Thlr., die ihm
— 57 —
der Finanzminister gelassen, die 500 Thlr. wiederzuscliaffen, welche
ihm der König gegeben. Politische Anfeindungen sind gar nicht
<3mnd dieser Entziehung gewesen ; denn es war leicht von der Seite
ihiL vollkommen zu rechtfertigen. Er hat als man hier am meisten
bewegt war, am ruhigsten seine besten Arbeiten vollendet. Jacobi
und DmiCHLET hatten ihn vor wenigen Wochen, mit vielem und
gerechtem Lobe der Akademie zum Mitgliede vorgeschlagen. Er
wurde wirklich mit zwei anderen (dem Physiker Dubois und dem
Zoologen Petebs) in unserer Elassensitzung gewählt, könnte aber
da die Gesammt-Akademie nur 2 neue Mitglieder ernennen wollte
und die Wahl der beiden anderen stimmenreicher ausgefallen war,
von der Gesammt-Akademie nicht ballotirt werden.
Die grösste Autorität unter seinen Zeitgenossen sind Sie, mein
edler Freund!
Schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab. Ich flehe dass Sie
in einem Privatbriefe mir jetzt wieder, wie Sie so oft und so
kräftig gethan, einige recht freundliche Zeilen über die so vortheil-
hafte Meinung, die Sie seit dem frühesten Erscheinen von den Geistes-
gaben des jungen Mannes und seiner schönen ausdauernden Thätig-
keit gehabt haben, geben. Wenige Zeilen von Ihrer Hand werden
vom grössten Tröste seinl
Sie haben. Verehrter Freund, gewiss ein ebenso lebhaftes In-
teresse als ich an den merkwürdigen Behauptungen von Sabine die
im Phil. Trans, for 1850 Part I in seinen Mem. on the means
adopted in the Brit. Colonial Magnetic Observatories for determining
the annual Variation of the terrestrial magnetic force, genommen.
Von October bis Februar also in unserem nördlichen Winter (wenn
die Erde der Sonne näher ist and moves with greatest velocity in
her orbit, nähert sich in beiden Hemisphären in Toronto und Ho-
barton die Nadel der Verticalität, und wird in beiden Hemisphären
zugleich die totale Kraft grösser ob es gleich dann in Toronto am
kältesten und in Hobarton am wärmsten ist. The North Inclination
at Toronto is lowest and the South Incl. at Hobarton is highest in
the respective summers of the two stations. From April to August
the North Incl. at Toronto and the South Incl. at Hobarton are
both diminished p. 215 und 216. Das ist mir neu und sonderbar
und obgleich Dove gefunden, dass von Oct. bis Febr. wegen der
ungleichen Vertheilung des Festen und Flüssigen in beiden Hemi-
— 58 —
Sphären die Mitteltemperatur der ganzen Erde geringer ist als di
der entgegengesetzten Periode des Jahres, so kann ich im Ganz^^i?
jene Thatsachen mir doch nicht wie Sabine will ans der Nähe d^r
Sonne oder der Temperatnrverändemng deutlich machen. Nacli
Faradats nenen Entdeckungen wird ein Bläschen Sauerstoffgai»
ganz wie Eisen vom Magnet angezogen, Stickstoff ist ohne alle
Wirkung nicht einmal diamagnetisch und Sauerstoffgas verliert von
seiner magnetic power (ich schreibe nach) wenn man es verdünnt
und seine Temperatur erhöht. Faeadat behauptet "*") alle magnet.
Phänomene von Toronto und Hobarton zu erklären indem er sich
den Sauerstoff der Atmosphäre wie eine eiserne Hülle um die Erde
denkt die von ihrer magnet. Kraft auf der Seite verliert an der sie
von der Sonne beschienen und erwärmt wird. Demnach wirkte die
Sonne nicht eigentlich magnetisch, sondern magnetisirt die Erde
durch Wärmevertheilung durch Erregung thermo-electrischer Ströme.
Das ist nicht neu et bien vague. Aber die Entdeckung dass
unter allen Gasen ein Bläschen Sauerstoff wie Eisen vom Magneten
angezogen wird, ist eine grosse Entdeckung die gewiss auch Salu-
brität der Atmosphäre wirkt. Was man vergebens in veränderlichen
Quantitäten des Sauerstoffs gesucht, wird man bald bei unver-
änderten Quantitäten in Zuständen suchen müssen. Verzeihen
Sie ja, dass ich Sie mit meiner microscopisch unleserlichen Hand
so lange quäle, aber Magnetismus ist Ihr Reich, Ihre Lichtschöpfung ;
man widersteht nicht der Freude Ihnen seine Zweifel über die so-
genannten ursachlichen Verhältnisse vorzutragen. Mit alter Ver-
ehrung und innigster Freundschaft
Berlin den 22. Febr. 48ö4. Ihr gehorsamster
AI. Humboldt.
Obwohl auf Ihrer reichen Bibliothek die auch meine alma mater
gewesen und in der meine älteste nie erschienene Schrift »über die
Webereien der Alten« zusammentrug zufällig besitzt was ich hier
nicht auftreiben kann: Titiüs Uebersetzung von Bonnets Betrach-
tungen über die Natur, Leipzig 1772, eine Uebersetzung aus der
BODE sein albernes Gesetz der Planetenabstände will geschöpft haben.
*) Fakadat (Proceedings of the Royal Society) in Philosopblcal Magazine
January 1851.
— 59 —
l^b möchte gern eine Abschrift der Seite 7 haben in der Tinus
^6 Weisheit niedergelegt hat. In Bonnet Contemplation de la
4 Natnre finde ich nichts. Sagt wohl Titius, dass er es zugesetzt,
ipse invenit?
40.
A. V. Humboldt an Oauss.
Berlin, d, 26. Febr. 1851.
In der Besorgniss, Ihre freundschaftliche Gewogenheit für ein
Bedürfniss, das so eben befriedigt worden ist, in Ansprach genom-
men zu haben, veranlasst diese Zeilen, Yerehrangswerther Freund I
Prof. MoEBius in Leipzig hat mir soeben die Uebersetzung des Titius
von Bonnets Cent, de la Nature 1772 geschickt, welche das Phan-
tasiespiel des »BoDE'schen Gesetzes der Planeten-Abstände« enthält.
— jACOBf s hinterlassene Papiere, viel über die Geschichte der griechi-
schen Mathematiker enthaltend , sind von der Wittwe , einer Schwester
des Hauptm. Schwinck (der, auf Bessel's Veranlassung, Sternkarten
herausgegeben) in Dhuchlet's Hände gelegt worden. Der Hinge-
schiedene hinterlässt in grosser Dürftigkeit 7 Kinder. Wir werden
alle Mittel aufbieten zu helfen. Fate ist schon sehr mit der franz.
Uebers. meines 3ten (ganz astronom.) Theiles des Kosmos beschäftigt.
Die engl. Uebersetzung von Sabine ist bereits erschienen. Mit in-
niger Verehrang und Freundschaft
Ihr treuester
AI. Humboldt.
41.
A. V. Humboldt an Oauss.
Potsdam den 26. Oct. 48ö4 ,
Yerehrangswerther Freund und College ! Ein uralter, jetzt 82jäh-
riger Mann, dem Ihre Freundschaft und Ihr Wohlwollen von der
Zeit an wo Sie noch in Braunschweig Ihr erstes grosses Werk
schrieben, immer ein Lichtpunkt im Leben war, wendet nach langem
— 60 -
Stillschweigen sich heute bittend an Sie. Der sehr arbeitsame va^ d
hoffnungsvolle Sohn eines geistreichen Mannes des kön. Leibarzt^^s
SoHöNLEiN ist von dem Wunsche beseelt durch gründliche natuBC*-
historische und physikalische Studien sich zu einer wissenschaftliche ^
Reise ausserhalb Europa vorzubereiten. Der sehr wohlhabende Vate^cr,
der zu den begabtesten Aerzten unseres Zeitalters gehört, unterstützet
diese Neigung um so mehr als er selbst eine sehr grosse Vorliel^"»^
zur Experimentalphysik und chemischen Physiologie hat. Meine gai^^^
gehorsamste Bitte geht nun dahin, dass Sie theurer Freund, dei
jungen Mann erlauben, sich in meinem Namen Ihnen vorzustellei
Er ist auf mein Anrathen von Eisenstein unterrichtet worden un
wegen der vorhabenden Reise wäre es sehr zu wünschen , dass
praktisch eingeübt würde astronomische Ortsbestimmungen mittelst Sei
tauten zu machen (Stunden winkel, correspon. Sonnenhöhen, Breitei
bestimmungen durch oder Stemculminationen , allenfalls Mond
distanzen — alles in dem bescheidenen Maasse als es von einei
für andere Zwecke reisenden gefordert werden darf) . Meine lästig»
Bitte ist also, ob für den jungen Schönlein , unter Ihrem Schutz» ^®
jetzt jemand in Göttingen zu finden wäre dessen Müsse es ihm er-—^ -'
laubte, einigen ganz praktischen Unterricht in Anwendung von Re^ — ^"
flexions-Instrumenten zu geben, sich auch über Barometer-MeBSungei
und magnetische Beobachtungen nachträglich zu unterhalten,
weiss aus Erfahrung, dass Selbstübung und Möglichkeit des An-
fragens zu Hebung der Schwierigkeit das beste Mittel ist zum Zwecl
zu gelangen. Entschuldigen Sie ja die Beschwerde die ich errege.
Sollte sich während des üniversitätslebens Gelegenheit zum Einübenr:^
finden, so würde ich dem Vater rathen von hier aus einen 4 — Szöl—
ligen Spiegel- Sextanten und künstl. Horizont von Oebtling und,
PiSTOR dem Sohne zu schicken. Es ist für Anfänger nützlich immer
mit demselben Instrumente zu operiren. Der treffliche sich über-
arbeitende Eisenstein, mit dem ich mich ununterbrochen und gern
beschäftige ist in elendem Gesundheitszustande, eine Kaltwasserkur
brauchend in Börlin selbst, zu der ich weniger Vertrauen als er
hat. Eine Brustkrankheit bedroht ihn und die so lange betriebene
Anstellung als Professor ist bei der Eiskälte und Unwissensehaft-
lichkeit der jetzigen Oberbehörden in nicht theologischen Dingen (in
solchen die das Unglück haben Finstemiss zu zerstreuen) auch immer
im Werden. Meine Gesundheit erhält sich wundervoll durch Arbeit-
— 61 --
suDkeit, die nSchtiielie^ denn die t&gliche ist durch den traurigen
^fidrang den die NShe eines Königs veranlasst, über alle Maassen
^trflbt. Ich habe Himmel und Erde nicht in einem dritten Theil
zusammendrängen können nnd behalte demnach die Specialia, d. h.
^e Ausführung der tellurischen Theile des Naturgemäldes des
^ Bandes dem 4. Theile vor. Es ist allerdings anmassende Un-
Vorsicht in meinem praeadamitischen unwahrscheinlichen Alter von
einem neuen Bande zu reden, aber ich habe Freunde, welche, im
^all des Ablebens, ausser dem Register, den 4. Theil mit kleinen
^6ognostischen, meteorologischen und pflanzengeographischen Arbeiten
^^en würden. Ich corrigire so eben die letzten Bogen der 2. Ab-
teilung meines dritten ganz astronomischen Theils. Sie enthält:
Ä^ebelflecke, die Theile des Sonnengebiets, Haupt- und Nebenpla-
^eten, Cometen, Thierkreislicht und das Problematische der Meteor-
steine. Ich habe grosse Sorgfalt auf die Gfenauigkeit des Numerischen
gewandt und bloss in dieser Hinsicht hat Galle mein Manuscript
g'esehen. Leider verlieren wir ihn, da er aus Liebe zu einer unab-
hängigen Stellung BoGüSLAWSKi's Professur und Direction einer elend
siTisgerfisteten Sternwarte annimmt
allzugrosse
-Abgeschlossenheit veranlasst. Der talentvolle Rosenhain, welchen
man eines unbeliebten, jAConfschen, etwas erhöhten Chromatismus
"beschuldigte, hat den Preuss. Dienst verlassen. Ich habe ihn sehr
"warm, da ihn die ruhige Zeit entfärbt hat an den Graf Leo Thun,
cLen sehr gläubigen aber politisch freigesinnten Oestr. Oultusminister
«mpfohlen. Es sind ihm freundliche Versprechungen /gemacht. Ihre
Nachsicht anflehend, werde ich Ihnen, verehrter Freund, so bald
3neine 2. Abtheilung erscheint, beide Abtheilungen in einen Band
gebunden, zusenden.
Wie glücklich würde ich sein, wenn auch ich nur einige Aeusse-
rungen, die mich leiteten von Ihnen lesen könnte, aber Fakaday's
mich quälende Entdeckungen, seine theoretischen Ansichten, was
er magnetic power of oxygen only a conduction polarity § 2933,
2822, 2835 nennt, verwirrt mich. Wie denkt sich F. dass die
calotte d'oxygene, Sauerstoff- Umhüllung nicht Pole annimmt durch
Erdmagnetismus (power of magnetic force p. 77) und doch den
magnetischen Erdströmungen ihre Richtung anweist? »Oxygen is a
magnetic medium of no small power« § 2791 ja mit Eisen verglichen
— 62 —
(p. 47) von ungeheurem power. Ist das Endresultat des Ganzen
etwa: dieses Oxygen wäre ein magnetisirbarer Körper dessen
Magnetisirbarkeit durch Verdünnung (Dilatation) undTem-
peratRr#rk6kung geschwächt wird. Diese Fähigkeit ungleicher
Magnetisirbarkeit , diwe Ungleichheit und Einwirkung welche die
Sonne in ihrem scheinbarem laaJk ausübt, soll Richtung und Kraft
modificiren. Es herrscht in dem allen OMi unmathematische Dun-
kelheit in den Ideen und dem Ausdruck. — Di» alte schon Tor
Pabbt 1742 in Sibirien gemachte Beobachtung, die wk asf meiner
nordasiatischen Expedition für den Russischen Kaiser überali he-
stätigt gefunden haben, dass Magnetberge in der Natur ihres Ge-
steins nur da Polarität zeigen, wo sie an der Oberfläche im Contact
mit der Atmosphäre gewesen sind, hängt mit diesen Betrachtungen
zusammen. In Basaltbrüchen sind die im Innern stehenden Basalt-
säulen auch nicht polarisch. Möchten Sie doch einen Blick werfen
können auf die sehr kleine Schrift : Dr. Zaddach Privatdocent in
Königsberg über magnetische Polarität des Basalts (Bonn 1851) und
einige Worte über Magnetica der Neu-Zeit für mich dictiren.
Mit unwandelbarer Anhänglichkeit, Dankgefühl und Verehrung
Ihr
AI. Humboldt.
Auch die Geschwindigkeit electr. Wirkung und Fortleitung ist
besonders bei der Erdleitung mir ganz unklar geworden. Verzeihung
für die Ungeduld die Ihnen die Unleserlichkeit meiner microscopi-
schen Handschrift machen wird.
42.
A. v« Humboldt an Oauss.
Wenn ich. Hochverehrter Freund und College, Ihnen diese
wenigen Zeilen des Dankes für die wohlwollende Behandlung, die
Sie dem Sohn eines überaus geistreichen Mannes, des kön. Leib-
arztes Schönlein, auf meine Bitte, schenken, nicht durch diesen
jungen Mann selbst schicke, so ist es, weil ich diesen vor seiner
Abreise zu sehen versäumt habe. Leider muss ich, ein 82jähriger
Urmensch, meinem Danke auch schaamvoU den Ausdruck eines Ge-
— 63 —
^ttndoisses meiner Scliiild lunzuftigen. Ich bin seit 8 Monaten nn-
Slficklich über den Verlust eines inh^ltrairlMwr, MiJjiiwjh w ichCgwi
-Briefes des vortrefflichwi^ mmea, iranken, arbeitsamen Dr. Eisen-
TEIK, dem €te gdUmdenes Ihnen bestimmtes Exemplar seiner wich-
Abhandlung über die positiven temären quadratischen Formen,
^begleiten sollte. Bald habe ich ihn geglaubt einem unzuverlässigen
Weisenden anvertraut zu haben, bald dass ihn meine Leute verloren
Tifttten . . . Tage lang habe ich zugebracht nach dem Schatz zu
suchen, ich der ich nie Manuscripte verloren, noch mit Bleifeder
geschriebene Sonnenhöhen aus dem Jahre 1799 vom Gipfel des Pic
von Teneriffa mich zu besitzen rühme. Seit 8 Tagen ist der Zauber
gelöst. Da ich im August mit dem König auf dem »historischen
Hügel« (Sanssouci) lebe und nur alle Woche einmal nach Berlin
komme, so hatte ich in grosser Sorgfalt Brief und Abhandlung in
eine Mappe mit Geldpapieren gelegt, auch den Anfang eines eigen-
händigen Briefes an Sie, Hochverehrter Freund, hinzugefügt. Gerade
in dieser Mappe hätte ich einen algebraischen Schatz nicht gesucht.
Schenken Sie mir grossmüthig Verzeihung. Da Sie meine Lage und
meine Thätigkeit für talentvolle junge Leute kennen, so schildert
Ihnen nichts lebendiger die traurige Theilnahmlosigkeit unserer Zeit
an allem was nicht theologischer Dogmatismus oder revolutionäre
politische Bestrebung ist, als das Fehlschlagen an allem was ich für
Eisenstein versucht , der immer noch nicht Professor ist , und bei
einem kümmerlichen nicht einmal fixen, sondern von 3 zu 3 Jahren
erneuertem Gehalte (400 Thalem) darbt. Wie durch Ihre grosse
Autorität er Mitglied der Gott. Soc. geworden ist, so hat ihn denn
jetzt auch die hiesige Akademie der Wissenschaften moniviter (?)
aufgenommen, wobei in den nächsten Jahren aber noch nicht ein-
mal Aussicht zu dem kleinen Gehalte (200 Thaler] ist. Erhalten
Sie ihm Ihre wohlthuende mächtige Stütze und da ich sehr daran
arbeite dass Eisenstein Corresp. de llnstitut wird, so flehe ich,
dass Sie, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, auch einige schützende
Worte nach jener westtürkischen Hauptstadt sagen lassen . Der
junge Mann ist dazu leichenblass und in vollem Gange zur Lungen-
sucht! Ich suche mich noch immer, bei Tage grenzenlos gestört,
durch nächtliche Arbeit am letzten, und 4. Bande des Kosmos zu
zerstreuen. Mein kleines Unwohlsein diesen Winter war bloss
Schnupfen und ohne Bedeutung. Möchte ich doch auch recht erfreu-
— 64 —
liehe Nachricht von Ihrem uns so theuren Befinden vernehmen. Die
immer zunehmende Complication des Planeten-Systems mit Verviel-
Hütigung der Erscheinung von sich durchschneidenden Bahnen und
bisher nur in einer und derselben Zone des Weltraums, die electro-
magnetische Leitungsfähigkeit einer einzigen Gasart und einer so
wichtigen, Licht nährenden des Sauerstoffs, die im Vergleich mit
Wheatstone's Versuchen so sonderbar yerminderte Oeschwindigkeit
der electrischen Ströhme in telegraphischen Leitungen . , . beschttf-^
tigen mich oft. Mit alter Bewunderung und Anhänglichkeit
Berlin^ den2S. April 48S2, Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster
AI. Humboldt.
43.
A. V. Humboldt an Oauss.
Verzeihen Sie, Hochverehrter Freund, dass ich, wegen der
Eile einer sehr baldigen Ersatzernennung unseres berühmten, geist-
reichen Gfeognosten Leopold von Buch, Sie mit diesen flüchtigen
und doch bittenden Zeilen belästige. Man wünscht hier den Dahin-
geschiedenen in seinem Fache ersetzt zu sehen und damit nichts
wie gewöhnlich, so viele Stimmen zwecklos vereinzelt bleiben, so
wage ich es zum ersten Male frei und schaamlos zu werben und
Ihnen vorzuschlagen Sich gewogentlichst uns auzuschliessen und
mit Ihrer Stimme von zwei Personen eine, den für Krystallographie
und Oryktognosie sehr verdienten Geh. Bergrath und Prof. WEisa
allhier oder den vortrefflichen, vielseitig thätigen Geognosten, Berg-
hauptmann VON Dechen in Bonn, des Hingeschiedenen theuerstea
Freund, zu beehren. Der junge Schönlein hat uns erfreuliche
Nachrichten von Ihrer Gesundheit und Ihrem schönen geistigen
Leben mitgebracht. Welche liebenswürdige Milde und Zartheit dea
Characters ist nicht wieder ausgesprochen in Ihrem herrlichen Briefe
über Eisenstein's Tod, den mir der brave Vater gezeigt I Ich
danke Ihnen, hochverehrter Mann, im Namen der Menschheit, dasa
Sie uns das erhebende Schauspiel der grössten intellectuellen Mäch-
tigkeit und Kraft gepaart mit unverlöschlicher , anregender Wärme
der Gefühle darbieten. Diese Erinnerung, diese Vergegenwärtigung
— 65 —
von dem was man liebt nnd verehrt ist wie ein Trost zu einer Zeit
die, nach der Färbnng meiner Meinungen nnd meinem Antheil an
den Begebenheiten so niederschlagend anf mich wirkt. Dazu das
arithmetische Geisterklopfen, die willkürlich hervorgerufene Begeisti-
gung und Belebung von Fichtenholz- und Stein-Tischen, die wie
»Hunde dressirt werden und des Menschen Organe werden« und aller
Unsinn der Volksphysik, befinchtet durch das freche Halbwissen
und den Magneticismus der sogenannten hohem Klassen. »Wenn
Sie die Begeistigung der Tische läugnen, muss ich hören, so wer
den Sie wohl gar auch läugnen, dass man Wärme fühlt, wenn man
den Südpol eines Magnetstabes, Kälte wenn man den Nordpol be-
rührt.« Unter diesen nicht erheiternden Eindrücken gewinne ich es
doch über mich selbst, wenigstens nächtlichst (11^ — 3^ morgens)
wenn die störenden Feinde schlafen, fleissig zu arbeiten. Ein mit
dem Alter bei mir zunehmendes Uebel ist minder die Abnahme
der Kräfte, als die Abnahme des Vertrauens auf die Kräfte die ei-
nem bleiben: das verlangsamende der Arbeit. Die Magenschwäche
an der ich von Jugend auf leide, nimmt sehr zu (Schwierigkeit der
Verdauung). Ich denke dass noch in diesem Sommer der letzte
Band des unvorsichtigen Kosmos und der erste Band der Physi-
kal- und Geognostischen Erinnerungen, mit vielem Alten
ganz umgearbeiteten vermengt, erscheinen soll. Nur über Erin-
nerungen sind 25 Bogen gedruckt. Ich flehe, theurer Freund,
dass Sie mir auf diesen Werbe- und Klage-Brief nicht antworten
und erneuere den Ausdruck der innigsten Verehrung und Liebe,
die ich unverbrüchlich Ihnen geweiht habe.
Berlin ö, Mai 4853. AI. Humboldt.
Meine freundlichsten GiUsse an Weber und H. von Walters-
hausen.
44.
OauBS an A. v. Humboldt.
Beigehend übersende ich Ihnen, mein hochverehrter Gönner und
Freund, meinen Vorschlag zur Wiederbesetzung der durch v. Büch's
Tod erledigten Stelle in der Reihe der Ritter des Ordens p. 1. m.
Brnhns, Briefe. 5
— 66 —
Ich habe mit grösstem Vergnügen meine sonstige Absicht, die ohne-
hin wahrscheinlich isolirt stehen würde, Ihrem Wunsche unterge-=
ordnet.
Wie ich stets bei den verschiedenen Gelegenheiten, wo Ihr-Ä=3hr
Name in öffentlichen Blättern genannt wnrde, mit innigster Frend»> -Kie
auf Ihr fortdauerndes Wohlbefinden geschlossen habe, so ist dies»^^^
mir durch Ihr freundliches Schreiben bestätigt und verdoppelt. Ea ^Ss
ist mir eine Herzstärkung, Ihre Geistesfrische ganz wie früher darinx: -^n
wiederzufinden, und zu erfahren, dass die niemand ganz verscho — -^i:»-
nenden Beschwerden des vorrückenden Alters bei Ihnen nur leich — ^
terer Art sind. Auch ich selbst, seit kurzem in mein 77. Jahr
treten, kenne solche schon seit längerer Zeit, obwohl sie mir sichÄl^h
anders gestalten. In meinen jungem Jahren litt ich viel an Magen — -^-
und Unterleibsbeschwerden, wovon ich jetzt fast ganz frei bin, was-^s
freilich durch meine höchst einfache und gleichförmige Lebensweise^ -^
bedingt ist. Dagegen sind seit etwa 6 oder 7 Jahren andere Beschwer-
den an jener Stelle getreten, von denen ich früher nichts wusste,.
Yerschleimung in Brust und Schlund, Ausgehen des Athems bei
Bewegungen zu Fuss, die mein gewöhnliches (kleines) Maass tiber-
schreiten, Herzklopfen und Schlaflosigkeit, alles zusammen dahii
wirkend, dass die zur Verarbeitung wissenschaftlicher Untersuchungen—
geeigneten Stunden immer seltener werden.
In der letzten Zeit habe ich mich mit der Ausführung eines-
Apparats beschäftigt, um die FoucAtJLD'schen Versuche in anderer
Gestalt auszuführen. Ich habe es bei diesen, so wie Foucauld
selbst, Secchi u. a. sie ausgeführt haben, wie einen grossen Man-
gel betrachtet, dass dazu ein Lokal erfordert wird, wie es an wenig'
Orten zu Gebote steht, Secchi hatte wenn ich nicht irre eine Höhe
von mehr als 100 Fuss, Foucauld eines von mehr als 200, Gabthe
134 u. s. w. Höhe. Mein Apparat ist in jedem Local anwendbar,
und zeigt schon jetzt die Einwirkung der Erdrotation nach kurzer Zeit
auf das schlagendste, ich hoffe aber (da er jetzt noch unvollständig
ist) die noch fehlenden Stücke, vielleicht successive, dahin zu bringen,
dass alles in höchster Eleganz und Praecision erscheint. ^
Die jetzigen Tagsthorheiten habe ich ziemlich mit Gleichmuth
betrachten, ja über einige Genrebilder wie die Versuche der Heidel-
berger Juristenfacultät mit dem Tischdrücken herzlich lachen können.
Ich bin seit langer Zeit gewöhnt, von der Gediegenheit der hohem
— 67 —
^^tiltur, welche die s. g. höhern Stände durch Lesen populärer Schrif-
"^^^n oder Anwohnen populärer Vorlesungen erwerben zu können
^^lauben, wenig zu halten. Ich bin vielmehr der Meinung, dass in
^^nssenschaftlichen Gebieten probehaltige Einsicht nur durch Auf-
"vrendung eines gewissen Maasses eigner Anstrengung und eigner
"Verarbeitung des von andern dargebotenen erlangt werden kann.
Der Aussicht auf die baldige Vollendung des 4. Theils Ihres
«o Hberschwenglich inhaltreichen Kosmos freue ich mich um so mehr,
^a ich dadurch zu einer gewissen Orientirung in einem mir bisher
"wenig bekannten Felde zu gelangen hoffen kann. Ich hoffe zu
-Oott, dass Er Ihnen noch recht viele Jahre zu Ihren in ihrer Art
-einzigen Arbeiten schenken wird. Wie glücklich würde Welt und
Fachwelt sein, wenn Sie nun auch noch den organischen Kosmos,
^e Pflanzen-, Thier- und Menschenwelt in Ihren Kreis aufnehmen
wollten, nachdem Sie den materiellen Träger desselben von al-
len Seiten mit Ihrer Fackel durchleuchtet haben.
Stets in innigster dankbarster Verehrung
Göttingen den 40, Mai 18ö5, Ihr treuergebenster
C. Gtauss.
45.
OauBS an A. v. Humboldt.
Hochverehrter Freund.
Wir Deutschen feiern gern, vielleicht mehr als irgend ein anderes
Volk, gewisse Tage, die eine Zeitmaass-Beziehung haben auf uns
theure Personen oder Begebenheiten, wie Geburtstage, Jubiläen und
4ergl. Der Messkünstler, in dessen Augen Verschwommenheit und
\Villkürlichkeit im Gegensatze zu Schärfe und Festigkeit, immer et-
^as Abstossendes haben, findet einen kleinen Uebelstand darin, dass
^er Grund, warum eben dieser Tag und nicht ein anderer zur Be-
gehung der Feier bestimmt wird, mehr oder weniger von Willkür-
lichkeiten abhängt, von der Einrichtung unsers Kalenders, der Ver-
theilung der Schaltjahre, und, was Jubiläen betrifft, von dem Bestehen
cles Decimalsystems, also, in letzter Instanz, von dem Umstände,
dass wir eben fünf Finger an jeder Hand haben.
5*
r
— 68 —
Warum ich mit diesen trivialen Reflexionen Sie jetzt behellige ?
Ich kann nicht unterlassen, übermorgen den 9. December in tiefer
Rührung einen Tag zu feiern, dessen ergreifende Bedeutung von
keiner solchen Willkühr berührt wird. Es ist dies der Tag, wo
Sie, mein hochverehrter Freund, in ein Gebiet übergehen, in welches
noch keiner der Koryphäen der exacten Wissenschaften eingedrun-
gen ist, der Tag, wo Sie dasselbe Alter erreichen, in welchem
Newton seine durch 30766 Tage gemessene irdische Laufbahn ge-
schlossen hat. Und Newtons Kräfte waren in diesem Stadium
gänzlich erschöpft: Sie stehen zur höchsten Freude der ganzen
wissenschaftlichen Welt noch im Vollgenuss Ihrer bewundernswürdi-
gen Kraft da. Mögen Sie in diesem Genuss noch viele Jahre
bleiben.
Der Doctor Wichmann, Assistent der Königsberger Sternwarte,
ein junger Mann, auf dessen Talent« und Kenntnisse ich viel halte,
ist, wie ich zu meiner Betrübniss von mehrern Seiten erfahre, in
einem bedaurenswerthen Gesundheitszustande, der zum Theil eine
Folge des Königsberger Klima sein soll. Man ist nicht ohne Be-
sorgniss, dass er den Winter vielleicht nicht übersteht: indem ich
jedoch noch nicht aufhören mag, das Beste zu hoffen, kann ich
mich des Wunsches nicht erwehren, dass es ihm vergönnt und mög-
lich gemacht werden möchte, eine angemessene Zeit in einem süd-
lichen Klima zuzubringen, insofern gegen die milde Jahreszeit hin,
seine Kräfte zu einer solchen Reise noch zureichen werden.
Bewahren Sie Ihre freundschaftlichen Gesinnungen, die ich stets
zu meinen köstlichsten Gütern gezählt habe,
Götting^ den 7. December 1855.
Ihrem herzlich ergebensten
C. F. Gauss.
46.
A. V. Humboldt an Gauss.
Wenn ich, mein theurer, innigst verehrter Freund, so lange
Ihnen kein Zeichen des Lebens d. h. der Dankbarkeit gegeben habe, so
hat der Grund davon in zwei sehr verschiedenen Ursachen gelegen : Zu-
— Bo-
hrst nenne ich das traurige Drama, das ich 2 volle Monate durch-
gespielt und an dem die ganze Stadt Tlieil genommen. Eine Enkelin
meines Bruders eine sehr glücklitjh verheirathete geistreiche Frau
liat als Folge innerer Masern, die ganze Zeit mit dem Tode gerun-
gen. Die Mutter, Wittwe des vorletzten Ministers der auswärtigen
Angelegenheiten, die mit drei anderen Töchtern in Born war hat
'^rotz der Winterkälte die Rückreise nach Berlin gewagt. Sie wollte die
IKranke pflegen und fand sie todt in einem Sarge, den wir offen gelassen.
IDie Mutter konnte noch der Beerdigung beiwohnen, in dem schönen
IBegräbnissorte unseres Parks in Tegel, an der mit einer Statue (Spes)
Ton Thorwaldsen geki-önten hohen Granitsäule, wo das gemein-
-same Still-Leben der HuMBOLDT'schen Familie waltet. Die Dahin-
geschiedene lässt 3 zarte schöne Kinder ihrem jungen Gatten, Baron
LoEN, Flügeladjutanten des Königs.
Der zweite Grund meines langen Stillschweigens ist heiterer
Art. Der Ruhm Ihres Namens, Ihr Wohlwollen für den kranken
Assistenten der Königsberger Sternwarte Dr. Wichmann, so lebhaft
ausgedrückt, hat ihm und mir Glück gebracht. Ich konnte .dem
König schreiben, wie warm Sie seine Rettung wünschten »wie viel
Sie auf seine Talente und Kenntnisse hielten.« Sie sehen, hoch-
verehrter Freund und College aus der Anlage, die ich Sie bitte mir
nicht zurückzuschicken, wie sein Zustand sich verbessert, wie sehr
er mit der kleinen Summe (1000 Thlr.) zufrieden ist, die ich ihm
in diesen trüben, officiell neutralen Dardanellen (?) Zeiten losgeeist.
Wichmann weiss durch mich, wie sehr ich auf Ihre Empfehlung
fussen konnte. Könige kennen schon aus Bequemlichkeit in jeder
Wissenschaft immer nur einen Namen, den Ersten 1 Ich lebe d. h.
ich arbeite und da mein Haus eine Art Adress-Comptoir ist, ganz nächt-
lichst, wo die störenden Potenzen, die Freunde, schlummern. Es
äind erst 19 Bogen des letzten Bandes des Kosmos gedruckt. Das
Einzwängen aller tellurischen Phaenomene in einen Band ist in meinem
^o unvorsichtig begonnenen Kosmos schwieriger als bei Darstellung
<ier Himmelskörper in der glücklicher Weise die Stoffverschieden-
lieiten noch keine Rolle spielen, die mythischen Taschenplaneten
(Aerolithen) etwa abgerechnet. Die ganze ABAGO'sche Familie,
IdATHiEU Vater und Sohn, Laugieb sind jetzt aus den Räumen ver-
jagt in denen ich mit der Familie so viele Jahre gelebt. In den
Werken von Abago (12 hinterlassene Bände mehr optisch und phy-
— 70 —
sikaligch wie astronomisch) werden Sie eine Einleitung (Diseonra
pr^liminaire) von mir finden. Halten Sie, thenrer Frennd, mir die
scheinbare Anmaassnng zu gute. Die Arbeit die ich in vier Nach-
ten niederschreiben mnsste (24. — 28. Decbr.) weil der erste Band
anfangs den 14. Jan. erscheinen sollte, wnrde von der Familie nnd
dem Buchhändler gefordert. Man hätte von mir Sonette fordern
können, ich hätte auch nicht ausgeschlagen. Was ich am meisten
fürchte ist Ruf der Feigheit. Das Observatorium wird jetzt von
einem allerdings ausgezeichneten Manne dirigirt, der nie in ein Fem-
rohr gesehen, von der Rectification der Instrumente und den prac-
tischen Arbeiten gar nichts weiss
Abgelandeb war hier um die
Astr. N. nach Bonn zu ziehen falls Altena zerstört oder nach Copen-
hagen übersiedelt wird Wenn das In-
stitut sich nur erhält, das Schumacher mit so diplomatischer Vorsicht
geleitet hatte. Die 27 kleinen Planeten, jetzt 29 da in derselben
Nacht (Maerz 1 .) Marth in liondon und Luther zu Bilk (ce des-
cendant du vilain Schismatique sagt der scheinheilige Abb^ Moigno
im ZACH'schen Klatsch-Journal du Kosmos) zwei neue Fragmente
entdeckt haben ! Die zunehmende Complication unseres Sonnen-
systems, die spiralförmigen Gruppirungen der Nebelflecke interessiren
mich keineswegs so anhaltend, als die Weltbegebenheit der Trennung^
des BiELA'schen Cometen (23. — 27.? Decbr. 1845.) Ich halte gern
voreilig alle nordamerikanischen Phantasieen Uber die Genealogie
der innem Cometen oder der geborstenen kleinen Planeten, aber
jene Weltbegebenheit steht doch immer omineus da für die Möglich-
keiten die man sich unabwendbar hervorruft. Dass das Ganze auf
Täuschung beruhe wie Aroelander zu glauben scheint, auf zwei
zufällig neben einander sichtbar gewordenen Cometen ist mir nicht
wahrscheinlich. An den Ephorus rei religiosissime fidei in den 3 ge-
koppelten chinesischen Planeten ist auch wohl nur mit Vorsicht zu
glauben. Mein Kosmos den ich nicht mit dem des Abb^ zu ver-
wechseln bitte ider zu Neptun - Leverrier übergehend, sagt qu'il
fait abandonner les tr^s anciennes affections ni p. 570. 5831? D&
ich mich gern selbst citire so melde ich Ihnen auch (es ist schon
von Ekcke in unsem Berliner acad. Jahresberichten gedruckt und
wird in wenigen Tagen in den interimistisch edirten A. N. weitläuftig
erscheinen) dass das Stemschwanken bei Sternen unter 10" Höhe
— 71 —
und nur wihrend der Morgendimmerang (nicht vor derselben] auch
Von YoosL in Mnrznck genan beobachtet worden ist (Kosmos IQ. p. 73
und 641) zn meiner Verwnndemng horizontal 4 bis 5 Grad! Mit
alter inniger Verehnmg nnd tausend Entschuldigungen ftr meine
Geschwätzigkeit
Berlin d. 6. März 18S4. Ihr gehorsamster
AI. Humboldt.
Wie wunderbar doch die Engländer zu allen Zeiten sind! Der
^n der Geschichte der inductiven Wissenschaften ganz verständige
H^of. Whewell Master of Trinity College Oxford, hielt es fftr ab-
solut nothwendig, in einer eigenen Schrift »on the Plurality of Worlds«
2u beweisen dass kein anderer Weltkörper als die Erde von intelli-
genten Wesen bewohnt sein kann, da alle intelligente Wesen nach
ihrer Natur sündhaft sind und die Erlösung (Kreuzigung) doch
nicht auf so viel Million Rossischer Nebelflecken wiederholt werden
könne.
47.
Gauss an A. v. Humboldt.
Ich habe lange gezögert, mein theuerster verehrtester Freund
Ihnen meinen innigsten Dank auszusprechen, für Ihre warme, und
meine herzliche Freude, für Ihre erfolgreiche Verwendung für den
jungen Wichmank. Zwei Umstände sind daran Schuld ; erstens die
indirecte, obwohl wie sich jetzt nach empfangener directer Nach-
richt ausweiset, sehr übertrieben gewesene Nachricht, dass es sich
mit Wichmann's Befinden so verschlimmert habe, dass es zweifel-
haft geworden sei ob er die Reise noch werde ausführen können.
Zweitens mein eigner Gesundheitszustand, der sich besonders seit
Anfang dieses Jahres allmählig immer mehr verschlechtert hat, so
dass mir das Sitzen am Schreibtisch selbst nur während einer kurzen
Zeit ungemein _aauer wird. Mein primitives Uebel, Verschleimung
in den Luftwegen, und Schwierigkeit des Auswerfens, datirt freilich
schon seit längerer Zeit, vieUeicht 6 — 10 Jahr; aber an Intensität
hat es allmählig immer mehr zugenommen und es haben sich
nach und nach immer mehr andere Uebel daran geknüpft; Schlaf-
losigkeit, ungestümstes Herzklopfen bei der geringsten körperlichen
— 72 —
Anstrengung, z. B. Gehen nur auf ein Paar hundert Schritt, Steigen
einer Treppe, etwas anhaltendes Sprechen, Sitzen am Schreibtisch
etc. In der allerletzten Zeit sind auch geschwollene Beine dazn
gekommen. — Doch ich will Sie mit Aufzählung meiner Klagen
nicht weiter ermüden.
Hr. Wichmann wird übrigens wie er mir schreibt seine Keise
bald antreten und zunächst noch in diesem Monate über Berlin nach
Dresden gehen ; bei der Ungewissheit wie auf andere Art Briefe ihn
sicher treffen, nehme ich mir die Freiheit ein Paar Zeilen hier an
ihn beizuschliessen.
Sollten Sie es nicht unpassend finden, so möcht ich doch
bitten, Direm liebenswürdigen König auszusprechen, wie tief ich von
der ehrfurchtsvollsten Dankbarkeit durchdrungen bin für seine in
dem Ass. Wichmann der Wissenschaft; selbst erwiesene königliche
Wohlthat.
Die von Ihnen in nahe Aussicht gestellte ausführliche Nach-
richt von den Versuchen des H. Vogel, habe ich bisher in den
A. N. immer vergeblich gesucht; ich kenne nur den Bericht der im
Februar der Monatsberichte der Akademie von Encke gegeben ist,
und bedaure nur, dass dieser vergessen hat, mitzutheilen, aus wel-
chen Gründen H. Vogel gewiss ist, oder zu sein glaubt, dass
die Erscheinung mehr als subjectiv ist.
H. Whewell hat mir sein Werk auch geschickt; ich will nicht
in Abrede stellen, dass, wer streng an die buchstäbliche Wahrheit
der christlichen Dogmen glaubt, kaum umhin kann, auch die Whe-
WELL'schen Schlüsse gelten zu lassen. Was ich aber nicht lobe, ist,
dass H. Whewell seine Autoritäten, auf die er sich zu stützen zu-
weilen für gut findet, nicht ehrlich citirt. So legt er z. B. S. 43
Bessel in den Mund: that those who imagined inhabitants in the
moon and planets supposed them in spite of all their protesta-
tion, as like to men as one egg to another, und citirt Bessels po-
puläre Vorlesungen p. 31. Allein hier steht nichts derart. Ich
kann bloss die Stelle p. 81 finden, die einigermassen passt, wo aber
kein Wort von Planeten steht sondern lediglich vom Mond gespro-'
chen wird. Uebrigens kann ich auch abgesehen davon der Au-
torität von Bessel an dieser Stelle gar kein Gewicht beilegen.
Denn es handelt sich hier ja nicht von einer wissenschaftlichen Frage,
sondern nur von einer factischen, und um darüber wie er gethan
— 73 —
absprechend zu urtheilen, hätte er erst eine allgemeine Umfrage
Iten müssen. Bei mir wenigstens hat er nicht gefragt. Ich würde
ch vielmehr so äussern: jeder der die Thatsache kennt wird
>ndsbe wohner, falls es solche gibt, für gänzlich anders gebauet
Iten müssen als die Erdbewohner, aber es wäre sehr voreilig, des-
Ib den Mond mir nichts dir nichts alle Einwohner abzusprechen.
e Natur hat mehr Mittel, als der arme Mensch ahnen kann.
Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohlbefinden
Göttingen ^1 , Mai 1854. Ihr treuster
C. F. Gkiuss.
48.
Gauss an A. v. Humboldt.
Hochverehrter Gönner und Freund.
Die unter dem 23. November an mich erlassene Aufforderung
t mich in einige Verlegenheit gesetzt. In der That ist meine
ikanntschaft mit den Verdiensten der jetzt lebenden deutschen
ihler so unvollkommen , dass ich kein, competentes Urtheil darüber
be, welchem unter ihnen der Preis zuerkannt werden dürfe. Es
3ibt mir sonach nur ein dreifacher Ausweg, nemlich
entweder diesmahl mich alles Mitstimmens zu enthalten ;
oder einen Stimmzettel in Blanco auszustellen, wie hieneben
Schicht, und Sie ganz gehorsamst zu bitten, den würdigsten Namen
neinzuschreiben, oder nach Ihrer Anweisung hineinschreiben zu
•isen;
oder drittens, wenn diese Form unzulässig ist, Sie gehorsamst
. ersuchen, mir denjenigen, welchen Sie vorgezogen wünschen,
Itigst zu bezeichnen, wo dann für das Weitere die erforderliche
iit wohl noch übrig sein würde.
Zu meiner grossen Freude, erhalte ich über Ihr Befinden, so
t ich Gelegenheit habe, mich danach zu erkundigen, stets die
freulichsten Nachrichten. Von mir kann ich nicht dasselbe rühmen,
lle meine Beschwerden nehmen an Zahl, Intensität und Hartnäckig-
)it beständig zu. '^
Göttingen 5. Dec. 18S4, Getreuest ergeben
GaiLSS.
— 74 —
49.
A. V. Humboldt an Gktass.
So wenig ich es auch loben kann, daM man Astronomen durch
Bildhaner nnd Maler dnrch Geologen wählen Hast nnd das eine »frei-
sinnige Institution« nennt (ich habe keinen Einfluss auf eine solche
Einrichtung ausüben können !) so hat der Unverstand mir doch eine
grosse, grosse Freude gebracht 1 Ich habe, hochverehrter College
freundliche Zeilen von Ihrer Hand gehabt. Ihr Wohlwollen, Ihre
Freundschaft ist mir wie ein Lichtpunkt im Leben geblieben. Ich
lebe arbeitsam, aber unfroh, vereinsamt in einer bewegten Oesell-
Schaft, getäuscht in vielen meinen Hoffnungen über die politischen
Zustände meines Vaterlandes. Wo Druck ausgeübt wird, ist mit
Verlegung des Schwerpunkts wenig geholfen. Meine Gesundheit hat
sich, nach allem was ich dem Körper geboten, wundersam erhalten,
doch leide ich oft an der Verdauung. Ich versteinere langsam, aber
der Prozess fängt nicht vom Herzen an. Ich werde, nach I];ü*er so
liebreichen Erlaubniss , den Namen des alten , grossartigen, ernsten
OvEBBECK (seit 25 Jahren in Bom) in den Stimmzettel selbst
schreiben. Er nimmt mit Cobkeliüs die erste Stelle ein unter den
deutschen Malern, er fehlte längst auf der Liste unseres Ordens-
Ich bin tief betrübt zu hören, dass Ihre Beschwerden, Verehrter
Gönner und Freund, »an Zahl und Intensität« zunehmen. Schonen
Sie, ich beschwöre Sie im Namen Aller, die für deutschen Buhm
empfänglich geblieben sind, was Ihnen von Kräften übrig ist.
Linderung ist auch Heilung. Wer so Vieles und Grosses geistig
geschaffen, wer der electrischen Sprache, die jetzt über Meer und
Land geht, zuerst Sicherheit, Maass und Flügel verliehen hat, der
sollte in dem erneuerten Andenken des Geleisteten auch einen Keim
zur Linderung finden.
Mit innigster und dankbarster Verehrung
Berlin d. 4, Dec. 1854. Ihr getreuest ergebener
AI. Humboldt.
Ich strebe sehnlichst danach, dass Dibichlet, der immer reines
Gold gegeben , doch endlich hier empfange, was jenseits des Bheins
ihm früher gegeben worden ist.
— 75 —
50.
Baum an A. v. Humboldt.
Göttingen, 28. Mai 18öö,
Ew. Excellenz
wäre ich vor dem Tode unseres grossen Mathematikers wohl anf
die Tranerbotschaft vorzubereiten verpflichtet gewesen , die jetzt je
unerwarteter, um so schmerzlicher traf: aber ich war damals so
ganz von der ärztlichen Pflege des verehrten Mannes, der in den
letzten Monaten nur seine Tochter Thebese und mich um sich sah,
in Anspruch genommen, neben meinen vielen Berufsgeschäften, dass
ich deshalb um Nachsicht bitte.
Indem wir bei Anwesenheit von Prof. Dimchlet , den wir
jetzt mit freudigen Stolze den unsem nennen, viel über die letzten
Gespräche mit Herrn Gauss sprachen, ermunterte er mich, es E. E.
mitzutheilen , dass Gauss Ihrer in der letzten Zeit so oft und mit
vieler Liebe gedachte. Ihr letzter Brief erfreute ihn besonders und
er las ihn wiederholt und liess ihn sich von mir vorlesen. Als er
einmal von der Besorgniss beschlichen wurde, das höhere Alter
möge ihm vermehrte Beschwerden bringen, sagte er »dann tröstet
mich der Gedanke an meinen Humboldt« — ein Epitheton, wel-
ches ich ihn zu keinem andern Namen habe setzen hören. — Er
glaubte in der Uebersetzung von Arago's Werken mit Freuden Ihre
£and da zu erkennen, wo die Zahl derjenigen Männer besprochen
"wird, denen über exacte Untersuchungen ein endgültiges Urtheil
zustehe: die Zahl werde im Original auf etwa 10, in der Ueber-
setzung auf etwa 8 angegeben : er meinte diese Beschränkung , die
ihm ganz besonders zusagte, könne nur von E. E. ausgegangen sein.
Die letzten Tage seines Lebens waren durch die steigenden
IBeschwerden der Wassersucht, die sein sehr hypertrophisches Herz
hervorbrachte, oft recht schmerzlich — aber er behielt doch immer
dabei die Freiheit und Grösse seines Geistes, die zweifelloseste
Ueberzeugung seiner persönlichen Fortdauer, die festeste Hoffnung
anf dann noch tiefere Einsicht in die Zahlenverhältnisse, die Gott
in die Materie gelegt habe und die er dann auch vielleicht in den
intensiven Grössen werde erkennen können, denn o deo^ apiO^jiT]'
T(Cei sagte er.
— 76 —
So eonsequent blieb er bis zum Ende j dass er noch in den
letzten Wochen das Buch eritis sicut deus durchlas, nicht ohne
Aerger, »denn die Leute sprächen darin tlber Dinge ^ welche zn
beurtheilen ihnen alle Mittel abgingen « : aber er beendigte es den-
noch , obwohl er einmal meinte , es habe ihm eine schlaflose Nacht
gemacht.
Nur in den letzten 18 Stunden verliess ihn das Bewusstsein,
nur dann und wann leuchtete es auf kurze Zeit zu einer Aeusserung
der Liebe oder einem Wunsche wieder auf — dann schlief er ganz
still ein.
Mögen E. E. diese wenigen Worte nicht unangenehm sein, die
ich in ehrerbietigster und dankbarster Liebe schrieb, mit der ich,
auch bis an mein Ende verharre
E. E. ti-eu ergebenster
Baum.
Register.
?tter. ^»*^"-
Briefsteller.
. 1807 April 18
Perthes an Olhera
. 1807 Juli 14
A. V. Humboldt an Oauss
. 1809 Decl)r.28
» j> » »
. 1810 April 25
W. V. Humholdt an Oausa
. 1810 » 27
» » » »
. 1821 März 14
Frau Hofräthin Waldeck
an Olbers
. 1821 April 14
Müffling an Oau88
. 1821 April 14
Müffling an t?. Lindenau
• 1821 Novbr.21
Lindenau an Oauss
• 1823 Jan. 6
» » )>
• 1823 April 1
Müffling an Lindenau
1823 April 20
Lindenau an Oauss
1823 Juli 2
» ji> »
1824 Novbr.28
Müffling an Lindenau
1824 Decbr. 4
Lindenau an Gauss
1825 Jan. 4
» » »
1825 Jan. 6
Dierksen an Olbers
1826 Mai 21
A. V. Humboldt an Gauss
1827 Febr. 16
» » u »
1828 Aug. 14
» » » »
1828 Sept. 8
» » » »
1833 Febr. 17
» » » »
1836 Juli 30
» » n »
1837 Juli 27
» » » »
Kurzer Inhalt der Briefe.
lieber den Druck der Theoria motus.
Sendung einer Schrift von Laplace.
Dedication des astron. Theiles der
Reise von Humboldt undBonpland .
Die erste Berufung nach Berlin.
Ebenso.
Gauss bedrängte Lage betreffend.
Gauss zweite Berufung nach Berlin
betreffend.
Ebenso.
»
»
Ueber Gauss abschlägige Antwort.
Ueber Gauss Berufung.
Empfehlung von Dlrichlet.
Ueber Dirichlet, Jacob! , Bessel, La-
place. Gauss Arbelt über die Strah-
lenbrechung.
Einladung zur Naturforscherver-
sammlung in Berlin.
Freude über Gauss Zusage.
Ueber Gauss magnetische Arbeiten.
Ueber magnetische Beobachtungen
auf Island und in England.
Ueber magnetische Beobachtungen.
^'erIa$ v<\n AVillielni HilgMiiiiitiii in Leipzig',
Abliaudliingcii
Friedrich Wilhelm Bessel.
lli'rninjifgebeii
Rudolf Eii^eliiiauu,
Drei Bände, gr. 1, l^TJ, TU, brosch. 5S Mark.
Die (rrundlclireu
.ler
^Vstx'Oiioiiiie.
>*ach iltrer geschiriitlichen Entwicklung tlargestellt
Hugo Gylden,
II entstehe, Tuni Verfasser besurgie niid erVi'eilerte Äii8ga1)e,
Mit ;i;i HoUscliiiittyn. S. 137t, hrosoh. 7 M.
Principicu
einer
elektrodyuamisoheu Theorie der Materie '( ^
Johann Carl Friedrich Zöllner,
l'^ff's.ir der Aitroiiliysil ild Jur tniieioU« tstriiE.
Ei-fstei- J)att<I.
], Buch,
^ AIiliaMlaiiieii zür aloinistiscliea Tiieorie der ElelttroUFnäiiilli
Wilhelm Weber.
iitr PhotoUthogpapMo und drei Tafeln,
gr. i, ibl\}, Cftrtonnirt !S Mark.