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Full text of "Repetitorium anatomicum"

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Repetitorium anatomicum 

von 


Prof. Dr. med. G. Broesike 



Gift of Dr. C.C.Baer 



















































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‘Aid- Ui/ujU H.M ' 




Repefitorium anatomicum 


von 


L-tf 

Prof. Dr. med. G. Broesike 


Mit 73 zumeist mehrfarbigen Abbildungen im Text 
und einer Tafel 



Berlin W. 62 

Fischer’s medizin. Buchhandlung H. Kornfeld 

1922 






Alie Rechte, einscliliefilich des Ubersetzungsrechts, vorbehalten. 



Druck von Metzger & Wittig in Leipzig 







Vorrede. 


. Das vorliegende kleine Werk erhebt in keiner Weise den Anspruch 
irgendein Lehrbuch der Anatomie zu ersetzen. Es soli auch nicht 
ein sogen. GrundriB der Anatomie sein, d. h. also einen Anfanger in 
das anatomische Studium einfiihren. Dies Buchlein ist im Gegenteil 
fiir Studenten bestimmt, welche sich bereits gewisse Kenntnisse in 
der Anatomie erworben baben und, kurz vor dem Examen stehend, 
noch einmal das ibnen bereits Bekannte schnell sicb wieder ins Ge- 
dachtnis zuruckrufen mochten. Derartige kleine Biicher existieren be¬ 
reits. Indessen sind dieselben zum Teii iiberhaupt nicht von Fachleuten 
geschrieben, zum Teii enthalten sie zahlreicbe Fehler, zum Teii ist in 
ihnen das Wichtige und das Unwichtige nicht geniigend auseinander- 
gehalten. Unter dem „Wichtigen“ verstehe ich in diesem Falle: 
1. diejenigen anatomiscben Kenntnisse, welche ein Examinator von 
einem Priiflinge verstandigerweise iiberhaupt verlangen kann; 2. aber 
auch diejenigen, welche der praktische Arzt in seinem Berufe notwendig 
hat. Mit einem in diesem Sinne geschriebenen Werke glaube ich den 
mannigfach an mich herangetretenen WUnschen meiner Schiiler am besten 
entsprochen zu haben. Im iibrigen mochte ich noch ganz besonders 
vor dem gedankenlosen Auswendiglernen desselben warnen. Wer aber 
uber geniigende anatomische Kentnisse verfiigt und dies Bucb unter 
gleichzeitiger Benutzung eines Atlas durcharbeitet, kann allerdings 
schon wegen der groBeren Zeitersparnis davon erheblichen Nutzen 
baben. Abbildungen habe ich deswegen nur insoweit beigegeben, ais 
sich dieselben nicht in allen Atlanten vorfinden. 

Fiir die vortreffliche Ausfiibrung der Zeichnungen bin ich Frau- 
lein Erna Naumann-Berlin zu groBem Danke verpflicbtet. Die 
Schonheit der Originalzeichnungen ist allerdings durcb die kriegsmaBige 
Herstellung des Buches hie und da etwas beeintracbtigt worden. 

Berlkn-Halensee, im August 1919. 

Professor Dr. G. Broesike. 


\ 


7421 







Inhaltsverzeichnis. 


Erster Teii. 

Knoclicn-, Biinder- und Muskellehre. 

I. Die Wirbelsaule, ihre Biinder uud Muskeln. Seite 

Die Wirbelsaule.... 1 

D i e Gelenke und Biinder der Wirbelsaule.4 

Die Ruckenmuskeln..5 

yDC Die Faszien des Riickens.«.8 

II. Schadei uud Kiefergelenk. 

A. Die Schadelknochen.10 

1. Das Stirnbein.10 

2. Das Sclieitelbein.11 

3. Das Hinterhauptbein.12 

4. Das SchlSfenbein.14 

5. Das Keilbein. 18 

6. Das Siebbein.20 

7. Das Nasenbein.21 

8. Das Trfinenbein.21 

9. Das Oberkieferbein ..21 

10. Das Gaumenbein. .24 

11. Das Jockbein. 24 

12. Das Pflugscbarbein .. 25 

13. Die untere Muschel.*.25 

14. Die Basis cranii interna.26 

15. Die Basis cranii externa. 28 

16. Die Augenhohle ..30 

17. Die Nasenhoble.32 

18. Unterkiefer und Zungenbein.i ... 34 

19. Das Kiefergelenk.35 

III. Kopf- und Halsmuskeln. , 

Die Kopfmuskeln und -faszien.36 

yff Die Halsmuskeln und -faszien.39 

IV. Die Knochen, Biinder, Muskeln und Faszien des Brustkorbes. 

Jkf Der knocherne Brustkorb. 44 

ff. Die Gelenke und Biinder des Brustkorbes.46 

Cj. Die Muskeln und Faszien des Brustkorbes.47 






























VI 


Inhaltsvqrzeichnis. 


Seite 

V. Bkuehmuskeln, Bauehfaszien und Leistenkanal. 


Die Bauchmuskeln.51 

JjB/ Die Bauehfaszien. 53 

C. Der Leistenkanal ..54 


VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 

Die Knochen der oberen Extremitat. 

^JBTDie Gelenke und Bander der oberen Extremitat . . . 

JBf Die Muskeln und Fascien der oberen Extremitat . . 

VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 

^ t)ie Knochen der unteren Extremitat . .. 

^Bj/Die Gelenke und B&nder der unteren Extremitat . . . 

JBVDie Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. . . 

Die Schleimscheiden und Scbleimbeutel des FuBes.. 

^ Der Schenkelkanal. 

Anhang: Die Ktfrperregionen.. 


58 

63 

70 


80 

90 

101 

109 

112 

114 


Zweiter Teii. 

Elngeweide nnd Sinnesorgane. 


A. Die Verdauungsorgane. 

I. Mundhohle, Zfthne und Speicheldriisen.120 

II. Der Pharynx. . ,.130 

( III. J)er Oesophagus.133 

JV. Der Magen. 134 

V. Der Darmkanal.138 

VI. Die Leber. 142 

VII. Das Pankreas..148 

r III. Die Milz . .149 

IX. Das Bauchfell.150 

B. Die Atmungsorgane. 

i i. Der Kehlkopf.155 

II. Die Luftrohre und ihre Aste.162 

III. Die Lungen.163 

■ IV. Das Brustfell ..167 

\ V. Die Pleura- und Lungengrenzen ......... 169 

* VI. Das Mediastinum.172 

'VII. Die Schild- und Thymusdriise.174 

C. Die Harnorgane. 

i I. Die Nieren. .176 

I II. Die Harnleiter.181 

| III. Die Harnblase.182 

D. Die mSnnlichen Geschlechtsorgane. 

I I. Der Hode und Nebenhode.185 

II. Die Hiillen des Hodens und Nebenhodens .... 187 

III. Samenleiter und Samenblasen.189 

IV. Die Harnrohre . 190 

V. Der Penis.192 


































Inhaltsverzeichnis. 


VII 


p 


E. Die weibllchen Geschlechtsorgane. 

1/ I. Die auBeren Geschlechtsteile.193 

f/ II. Das Vestibulum vaginae. 194 

III. Die Vagina . . . . k . .. 195 

I IV. Der Uterus ..195 

J V. Die Eileiter . •.197 

/I VI. Die Ovarien ..198 

/ I VII. Epoophoron und Paroophoron.200 

■ I VIII. Die Brustdruse.200 

Anhang: Die Muskeln und F&szien des Damines . . 3/31 

[F. Das Gehororgan. 

I. Das auBere Ohr .. 204 

II. Das Mittelohr.207 

III. Das innere Ohr.211 


G. Das Sehorgan. 

I. Die Nebenteile des Auges 
II. Der Augapfel. 

H. Das Gerucksorgan. 

I. Das Geschmacksorgan. 

K. Die SuBere Haut ....... 


Anhang: I^ie, BlutgefftMrtisen .232 

jtin. Die Milz. .233 

W 2. Die Nebennieren. 233 

J 3. Die Hypophysis cerebri.*233 

/i 4. Die Luschka’sche SteiBdruse.233 

/ 2 5. Das Glomus caroticum.233 

/ | 6. Die Thymus- und Schilddriise.233 


215 

218 

226 

228 

228 


Dritter Teii. 


GefaB- und Nerrenlehrc. 


A. Das Herz und der Herzbeutel 


B. Die A. pulmonalis 



Die Aorta .. 

Die direkten Aste der Aorta 

Die grbfieren Aorteniiste . . 
I. A. carotis communis 
II. A. carotis externa 

III. A. carotis interna 

IV. A. subclavia . . . 

V. A. axillaris . . . 

VI. A. brachialis. . . 

VII. A. ulnaris .... 
VIII. A. radialis .... 


234 

240 

240 

241 

242 
242 
242 
245 
247 
249 

249 

250 

251 






































VIII 


Inhaltsverzeichnis. 


v . .Seite 

| IX. A. coeliaca .. 253 

| X. A. mesenterica superior 253 

XI. A. mesenterica inferior.• . 253 

XII. A. iliaca communis.254 

•; XIII. A. hypogastrica. 254 

I XIV. A. iliaca externa 256 

; XV. A. femoralis.256 

XVI. A. poplitea ..257 

XVII. A. tibialis anterior ..258 

# XVIII. A. tibialis posterior.259 

F. Das Venensystem.260 

I. Vv. pulmonales.261 

II. V. cava superior.261 

Jtv\. V. cava inferior.* . 263 

^JLV. V. portae.264 

G. Der Kreislauf des Blates bcim Fbtus.265 

H. Das LymphgefaBsystem.267 

I. Die LymphgefaBe. 267 

II. Die Lymphdrilsen.26» 


I. Das Gehirn und seine Haute.271 

I. Die Hirnhaute ..271 

II. Die Entwicklung des Gehirns. . 274 

III. Das GroBhirn. . . 1 .276 

IV. Die Hirnbasis.280 

V. Die Hirnhohlen. 282 

VI. Das Kleinhirn *. 286 

VII. Die Medulla oblongata. ... . 286 

VIII. Die Anordnung der weiBen und grauen Hirnsubstanz 287 

IX. Die Urspriinge der Iiirnnerven.296 

X. Die Rindenzentren des GroBhirns . . ... 299 


K. Das RUckenmark und seine Haute.303 

I. Die Haute des Riickenmarkes.303 

II. Das Riickenmark.303 

Die wichtigsten Nervenfaserbahnen des Riickenmarkes . . 306 

L. Die wichtigsten Hirn- nnd Rttckeumarksbalmen .308 

1 I. Intrazerebrale Baknen.308 

II. GroBhirn-Ruckenmarksbahnen.311 

III. Kleinhirn- bz\v. Kleinhirn-Ruckenmarksbahnen . . 314 


M. Die Hirnnerven....314 

I. N. olfactorius.315 

II. N. opticus. 315 

III. N. oculomotorius.315 

IV. N. trochlearis.316 

V. N. trigeminus . 316 

VI. N. abducens.321 

VII. N. facialis .321 

VIII. N. acusticus. 323 

IX. N. glosso-pharyngeus.323 















































Inhaltsverzeichnis. 


IX 


Seite 

X. N. vagus.324 

XI. N. accessorius.326 

XII. N. hypoglossus. 327 

N. Die Rtickenmarksnerven . 327 

I. Plexus cervicalis 328 

II. Plexus brachialis.329 

III. Nn. thoracales.. . 334 

IV. Plexus lumbalis.334 

V. Plexus sacralis.336 

VI. Plexus coccygeus .339 

O. Der X. sympathicus.341 

I. Der Grenzstrang .341 

II. Die Rami communicantes .342 

III. Die peripheren sympathischen Geflechte .... 342 


f 
















Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite 

Fig. 1. Ein Halswirbel, von oben. 2 

Fig. 2. Ein Brustwirbel, von der Seite. 3 

Fig. 3. Die Rtickenfaszien. Horizontalschnitt durch die Lendengegend 9 

Fig. 4. Schematische Obersicht iiber die Nn. petrosi.16 

Fig. 5. Sagittalscbnitt durch den Gesichtschadel.31 

Fig. 6. Medianschnitt durch den Gesichtschadel. 33 

Fig. 7. Die Faszien des Halses.43 

Fig. 8a und b. Horizontalschnitt durch die Bauchmuskeln: a) ober- 

halb, b) unterhalb der Linea Douglasi.52 

Fig. 9. Der Leisten- und SchenkelkanaL Ansicht von vorn ... 54 

Fig. 10. Langsschnitt durch den Leistenkanal.56 

Fig. 11. Der Leisten- und Schenkelkanal. Ansicht von hinten . 57 

Fig. 12. Die Geienke der Handwurzel. Flftchenschnitt ..... 68 

Fig. 13. Schemafiirdieexzentrischelnsertion d.er Ligg. collateralia 

digitorum . . .. 69 

Fig. 14. Schema der Mm. interossei. ..76 

Fig. 15. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel des Handruckens 78 
Fig. 16. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel der Hohlhand 79 
Fig. 17. Das Lig. Pouparti, der Leisten- und Schenkelring ... 92 

Fig. 18. Horizontalschnitt durch die FuBwurzel.99 

Fig. 19. Die Urspriinge der Adduktoren.104 

Fig. 20. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel des FuBes. Me- 

dialer FuBrand. 109 

Fig. 21. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel des Fubes. Late¬ 
rale r FuBrand.110 

Fig. 22. Die Regionen des Kopfes und Halses.116 

Fig. 23. Die Lage der Baucheingeweide. Ansicht von vorn .... 136 

Fig. 24. Die Lage der Baucheingeweide. Ansicht von hinten . . . 137 

Fig 25. Die Verzweigung der Blutgef&fie in der Leber.145 

Fig. 26. Schema der Leberzellen, Blut- und Gallenkapillaren . . 147 

Fig. 27. Die Entwicklung des Omentum majus aus dem Magengekrdse 151 

Fig. 28. Horizontalschnitt des Kehlkopfes.160 

Fig. 29. Endverzweigung eines Bronchiolus.166 

Fig. 30. Horizontalschnitt durch den Thorax.168 

Fig. 31. Die Lungen- und Pleuragrenzen. Ansicht von vorn . . . 170 

Fig. 32.- Die Lungen- und Pleuragrenzen. Ansicht von hinten. . . 171 

Fig. 33. Das Mediastinum posterius. Ansicht von vorn.173 

Fig. 34. Die Thymus. 175 

Fig. 35. Langsschnitt einer normalen Niere ..178 

Fig. 36. Schema der Nierenstruktur. 180 



























Verzeichnis der Abbildungen. XI 

Seite 

Fig. 37. Schema fiir den Verlauf der Samenkan&lchen . . . . . 186 

Fig. 38. Die Hiillen des Hodens.188 

Fig. 39. Follikel mit Ei.199 

Fig. 40. Die Becken und Dammfaszien.203 

Fig. 41. tFbersichtsbild uber das Gehororgan.204 

Fig. 42. Rechtes Trommelfell (Innenflache).206 

Fig. 43. Frontalschnitt durch die Paukenhohle.208 

Fig. 44. Die laterale Wand der Paukenhohle (Innenflache) .... 209* 

Fig. 45. Das hautige Labyrinth. . 213 

Fig. 46. Querschnitt einer Schneckenwindung.214 

Fig. 47. Sagittalschnitt durch den Augapfel. 218 

Fig. 48. Chorioidea und Iris nach Wegnahme der Sclera und Cornea. 220 
Fig. 49. Vorderer Abschnitt des Bulbus. Ansicht von hinten . . . 221 

Fig. 50. Die nervosen und bindegewebigen Elemente der Retina 224 
Fig. 51. Die laterale Wand der Nasenhohle und des Schlundes. . 227 

Fig. 52. Die Lage des Herzens ..235 

Fig. 53. Querschnitt durch beide Ventrikel.237 

Fig. 54. Der Circulus arteriosus Willisii.246 

Fig. 55. Astfolge der A. subclavia. 247 

Fig. 56. Radiale Seite der Handgelenkgegend.251 

Fig. 57. Die Lage der Aa. renales und iliacae zu den Vv. renales 

und iliacae. 255 

Fig. 58. Kreislauf des Blutes beim Fotus.266 

Fig. 59. Die drei Hirnblaschen . . . 1 .275 

Fig. 60. Embryonales Gehirn der IV.—V. Woche.275 

Fig. 61. Die laterale Flache des Gehirns.. 277 

Fig. 62. Medianschnitt des Gehirns.279 

Fig. 63. Die Hirnbasis.281 

Fig. 64—68. Fiinf Querschnitte durch den Hirnstock . . . 290—294 

Fig. 69. Die Kerne der Hirnnerven. 297 

Fig. 70. Die Rindenzentren an der lateralen Flache des Groflhirns 300 
Fig. 71. Die Rindenzentren an der medialen und unteren Flfiche 

des GroBhirns.. . . . . 301 

Fig. 72. Ein Ruckenmarksquerschnitt.304 

Tafel. Schema der wichtigsten Hirn- und Riickenmarksbahmen 308 
Fig. 73. Die Faserbahnen der inneren Linsenkapsel.313 




























Abkurzungen. 


A. Arteria 
a. arteriae (gen.) 

Aa. Arteriae (plur.) 
ant. anterior 
Artic. Articulatio 

B. N. A. Baseler nomina anatomica 
bzw. beziehungsweise 
Cart. Cartilago 
Cartt. Cartilagines 
cf. conferatur 
Comm. Commissura 
comm. communis 
Corp. Corpus 
Corpp. Corpora 
dext. dexter, dextra 
dig. digiti 
digg. digitorum 
Fiss. Fissura 
For. Foramen 
Forr. Foramina 
61. Glandula, Glandulae 
Inc. Incisura 
Incc. Incisurae 
inf. inferior 
Lam. Lamina 
Lig. Ligamentum 
Ligg. Ligamenta 
lig. ligamenti (gen.) 

M. Musculus 


m. musculi (gen.) 

Mm. Musculi (plur.) 

N. Nervus 

n. nervi (gen.) 

Nn. Nervi (plur.) 
oss. ossis, ossium 

post, posterior 
Proc. Processus 
proc. processus (gen.) 
Procc. Processus (plur.) 
prof. profundus 
Protub. Protuberantia 
R. Ramus 

r. rami (gen.) 

Rr. Rami (plur.) 

s. sive 

sin. sinister, sinistra 
sogen. sogenannt 
s. o. siebe oben 
sup. superior 
superfic. superficialis, 
s. w. u. siehe weiter unten 
Tubere. Tuberculum 
Tuber. Tuberositas 
vgl. vergleiche 
V. Vena 
v. venae (gen.) 

Vv. Venae (plur.). 



Erster Teii. 

Knochen-, JBander- und Muskellehre. . 

I. Die WirbeMule, ihre Bftnder und Muskeln. 

A. Die Wirbelsaule. 

Die Wirbelsaule, Columna vertebralis, besteht aus einer Anzahl 
von knochernen Seginenten, den Wirbeln, Vertebrae , von denen man 
die beiden obersten (Atlas und Epistropheus) wegen ihrer groBeren 
Beweglichkeit um die Langsachse der Wirbelsaule auch ais Dreh- 
wirbel, die iibrigen ais Beugewirbel bezeichnet. Die Wirbel teilt 
man ein in: 1. die 7 Halswirbel, Vertebrae cervicales• 2. die 12 Brust- 
wirbel, Vertebrae thoracales ; 3. die 5 Lendenwirbel, Vertebrae lum¬ 
bales-, 4. die 5 Kreuzbeinwirbel, Vertebrae sacrales ; 5. die 4 bis 
5 SteiBbeinwirbel, Vertebrae coccygeae. Die 24 oberen (weil durch 
Bandmassen verbunden) werden ais wahre Wirbel, Vertebrae verae, 
die 9—10 unteren (weil"knochem verwachsen) ais falsche Wirbel, 
Vertebrae spuriae, bezeichnet. Die letzteren werden erst beim Becken 
naher beschrieben werden. 

Die Kriimmungen der Wirbelsaule sind: 1. die Hals- 
kriimmung (nach vorn konvex); 2. die Brustkriimmung (nach vorn 
konkav); 3. die Lendenkriimmung (nach vorn konvex); 4. die Kreuz- 
beinkrummung (nach vorn konkav). Beim Neugeborenen bildet die 
ganze Wirbelsaule noch eine gerade Linie, die Kriimmungen ent- 
wickeln sich erst spater. Zwischen dem V. Lendenwirbel und dem 
Kreuzbein ein querer Vorsprung, Promontorium (gynakologisch wichtig). 
Hinten, zu beiden Seiten der Domfortsatze, die tiefen longitudinalen 
Riickenfurchen, Sulci dorsales, fur die Streckmuskeln des Riickens. 

a) Allgemeines iiber die wahren Wirbel. 

Im allgemeinen nehmen die letzteren von oben nach unten an 
Masse zu, nur die mittleren Brustwirbel sind etwas schmaler. Jeder 
wahre Wirbel besteht aus dem dickeren vorderen Wirbelkorper, 
Corpus vertebrae, und dem schlankeren hinteren Wirbelbogen, Arcus 

Broesikb, Repetitorium anatomicum. 1 



2 


Erster Teii.. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


vertebrae, welche das Wirbelloch, Foramen vertebrale (fiir das Riicken- 
mark und seine Haute) umschlieBen. An jedem Wirbelbogen unter- 
scheidet man: 1. den Wirbelhals, Radix arcus vertebrae ; 2. 'die 
Seitenteile, Massae laterales und 3. den hinteren Bogenabschnitt, 
Pars posterior. 

Am Wirbelhals oben und unten (vor den Gelenkfortsatzen) je 
ein Einschnitt, Incisura vertebralis superior und inferior, zwischen denen 
bei benachbarten Wirbeln das For. intervertebrale (zum Durchtritt ftir 
die Nn. spinales, sowie kleine Arterien und Venen) gelegen ist. 

Am Seitenteil jederseits nach lateralwarts der Querfortsatz, 
Processus transversus, nach oben die beiden oberen Gelenkfortsatze, 
Proce, articulares superiores, nach unten die beiden unteren Gelenk-. 
fortsatze, Procc. articulares inferiores. 

Am hinteren Bogenabschnitt ragt nach hinten der Dorn 
oder Dornfortsatz, Spina s. Processus spinosus, hervor. 

b) Spezielles uber die Halswirbel. 

Das For. vertebrale ist relativ groB. Besonders charakteristisch 
ist flir die Halswirbel der durchbohrte Querfortsatz, so daB der 
letztere mit zwei Wurzeln zu entspringen scheint. In dem Loch, 
For. transversarium, befindet sich die A. vertebralis nebst Vene (letztere 
manchmal doppelt), Die vordere Wurzel wird ais Rippenrudiment 

{Proc. costarius) betrachtet. Seit- 
lich zwei Zacken, das Tuberculum 
anterius und posterius. Die Ge- 
lenkflac-hen der Procc. arti¬ 
culares stehen nach vorn bzw. 
hinten schrag geneigt. Die 
Dornen klein, vielfach gespalten. 
Der I., II. und VII. Halswirbel 
zeigen jedoch Besonderheiten. 

Der I. Halswirbel, Atlas, 
besitzt keinen Korper, sondern 
besteht aus dem vorderen 
Bogen, Arcus ant., dem hinteren Bogen, Arcus post., und den 
Seitenteilen, Massae laterales. Am vorderen Bogen vorn in der 
Medianlinie das Tubere, ant., hinten die Fovea dentis fiir den Zahn 
des Epistropheus. Am hinteren Bogen hinten kein Dorn, daftir 
ebenfalls median gelegen das Tubere, posterius. Gelenkfortsatze 
oben elliptisch und konkav, unten plan und rund. Die Inc. verte¬ 
bralis sup. und inf. liegen hin ter den Gelenkfortsatzen: die 
erstere bildet den sogen. Sinus atlantis fiir die A. vertebralis , welche 
von hier durch die Membrana atlanto-occipitalis post, in die Schadel- 
hohle zieht. 



Fig. 1. Halswirbel, von oben. 



I. Die Wirbelsaule, ihre Bander und Muskeln. 


3 


Der II. Halswirbel, Epislropheus , zeigt an der oberen Flache 
den Zahnfortsatz, Dens epistrophei, mit Caput, Collum und Apex 
dentis. Am Caput vorn die Gelenkflache fiir den vorderen Bogen des 
Atlas. Inc. vertebralis superior aucb hier hinter dem Gelenk- 
fortsatz gelegen. Querfortsatz klein, abwarts geneigt. Dorn ziem- 
lich groB, gespalten. 

Der VII. Halswirbel, Vertebra prominens, ist vor allem durch 
seinen an der Haut des Nackens deutlich fiihl- und sogar sichtbaren 
langen Dorn ausgezeichnet (wichtig fiir das Abzahlen der Wirbel- 
dornen bei Lagebestimmungen am Riicken). Sein Querfortsatz zeigt 
meist kein For. transversarium. 


c) Spezielles uber die Brustwirbel. 

Fiir die Brustwirbel sind besonders charakteristisch die beiden 
Foveae costales, kleine Gelenk-flachen, je eine an der Grenze zwischen 
Korper und Bogen, und je eine zweite an der Spitze des Querfort- 
satzes. Die erste ist fiir das Rippenkopfchen, die zweite fiir den 
Rippenhocker bestimmt. Dasich 
aber die Rippenkopfchen zwischen 
jezweibenachbarte Wirbelkorper 
einschieben, so ist an jedem von den 
letzteren immer eine obere halbe 
und eine untere halbe Gelenk- 
facette vorhanden, mit Ausnahme 
des I., XI. und XII. Brustwirbels, 
welche oben je eine ganze, unten 
(mit Ausnahme des I.) gar keine 
Fovea costalis besitzen. Der I. Brust¬ 
wirbel hat namlich nicht allein oben Fig. 2. Brustwirbel, von der Seite. 
eine ganze, sondern auch unten 

noch eine halbe, der X. sogar nur oben eine halbe Gelenkfacette. 
Die Querfortsatze besitzen hinten an der Spitze Hocker (die Muskel- 
tuberositaten). Die Gelenkfortsatze stehen mit ihren Gelenk- 
flachen frontal. Die Dornen sind stark abwarts geneigt, unten 
sogar sich dachziegelformig deckend. 

d) Spezielles uber die Lendenwirbel. 

Kein durchbohrter Querfortsatz, keine Foveae costales. Be- 
trachtliche GroBe. Die Gelenkfortsatze stehen mit ihren Flachen 
in der Sagittalebene. Am oberen Gelenkfortsatz meistens der 
Proc. mamillaris, an der Wurzel des Querfortsatzes der Proc. accessorius 
(beide fiir Muskelinsertionen bestimmt). 



l 



4 


Erster Teii. Knoehen-, Bander- und Muskellehre. 


/ 

B. Die Gelenke und Bander der Wirbelsanle. 

1. Die Zwischenwirbelscheiben, Fibro-cartilagines interverte¬ 
brales sind wirklich faserknorpelige Scheiben zwiscben den 
Wirbelkorpern. In der Mitte sind sie mebr gallertig [Nucleus 
pulposus). 

2. Die Wirbelgelenke, Articulationes vertebrarum', sind wahre 
Gelenke (Amphiarthrosen) zwischen den benacbbarten Gelenk- 
forts&tzen. 

3. Das Lig. longitudinale anterius verlauft an der Vorderflache 
der Wirbelkorper vom Atlas bis zur Mitte des Kreuzbeins. 

4. Das Lig. longitudinale posterius ziebt an der Hinterflache 
der Wirbelkorper vom Epistropbeus bis zum Kreuzbein nacb ab¬ 
warts. 

5. Die Ligg. intertransversaria zwischen benachbarten Quer- 
fortsatzen sind unbestandig. 

6. Die Ligg. interspinalia liegen zwischen benachbarten Dorn- 
fortsatzen. 

7. Dag Lig. supraspinale verlauft langs der Dornspitzen vom 
VII. Halswirbel bis zum Kreuzbeinkamm abwarts. 

8. Das Lig. nuchae bildet einen Ersatz fur die Dornen der Hals¬ 
wirbel, welche, wie erwahnt, sebr kurz sind, ist dreiseitig und zieht 
von den Dornen samtlicher Halswirbel zur Crista occipit, ext. 
des Hinterhauptbeins. Sein etwas verdickter binterer Rand kann ais 
Fortsetzung des Lig. supraspinale angesehen werden. 

9. Die Ligg. flava (dunkelgelb, elastiscb) fiillen die Liicken 
zwiscben den binteren Abscbnitten der Wirbelbogen aus. 

10. Die Artic. atlanto-occipitalis (zwischen den Gelenkfortsatzen des 
Occiput und Atlas) bat ellipsoide Gelen^flacben. Ais Verstarkungs- 
band zwischen dem vorderen Atlasbogen und dem vorderen Rand 
des For. magnum fungiert die derbe, starke Membrana atlanto-occipitalis 
anterior, ebenso zwischen dem binteren Atlasbogen und dem hinteren 
Itande des For. magnum die Membrana atlanto-occipitalis posterior, mebr 
schlaff: die letztere wird von der A. und V. vertebralis und dem 
N. suboccipitalis durchbohrt. 

11. Das Zahngelenk, Artic. atlanto-odontoidea, ist ein Radgelenk, 
Trochoides, welches durcb das hinter dem Zabn gelegene Lig. cru¬ 
ciatum in seiner Lage gehalten wird. An dem letzteren wird ein 
oberer Scbenkel, Appendix sup., ein unterer, Appendix inf., und 
ein querer, Lig k transversum, unterschieden. Vom Kopf des Zahnes 
ziehen das mittlere Lig. apicis und die seitlichen Ligg. alaria zum 
vorderen Rande des For. magnum nach aufwarts. Hinten wird das 
Lig. cruciatum nocb von dem Lig. latum epistrophei bedeckt, welches 
nach abwarts in das Lig. longitudinale post, der Wirbelsaule iibergeht. 



I. Die Wirbelsaule, ihre Bander und Muskeln. 


5 


12. Die Artie. atlanto-epistrophica lateralis (zwischen den Gelenk- 
fortsatzen des Atlas und Epistropheus) soli eine Art Kegelgelenk sein. 

Die Bewegungen der Wirbelsaule sind hauptsachlich: 1. die 
Beugung nach vorn und nach hinten (letztere alsdann iiber die 
Streckung hinaus); 2. die seitliche Beugung nach recbts oder 
links; 3. eine Torsionsbewegung, also Drehung nach rechts oder 
links um eine senkrechte Achse. Im Halsteile kann entsprechend 
der Stellung der Gelenkfl&chen (vgl. S. 2), am besten die Beu¬ 
gung nach vorn oder hinten, im Brustteile (vgl. S. 3) die Beu¬ 
gung nach links oder rechts, im Lendenteil dieselbe nach vorn 
oder hinten ausgefilhrt werden. 

In der Artie. atlanto-ocdpitalis findet Nickbewegung und ge- 
ringe seitliche Neigung des Kopfes statt (senkrecht zur kurzen 
oder langen Achse des Ellipsoides). 

In der Artie. allanto-odontoidea und den Artiee. atlanto-epistropkicae 
laterales dreht sich der Atlas zugleich mit dem Schadel um eine 
Achse, welche in vertikaler Richtung durch den Zahn geht. 

C. Die Ruckenmuskeln. 

Die Riickenmuskeln werden eingeteilt in: a) die oberflaeh- 
lichen Riickenmuskeln, b) die tiefen langen Riickenmuskeln, 
c) die tiefen kurzen Riickenmuskeln. 

a) Die oberflachlichen Riickenmuskeln. 

Die samtlichen Muskeln dieser Gruppe entspringen von 
Wirbeldornen und ziehen mehr oder weniger nach lateralwarts, 
mit Ausnahme des M. teres major , welchen man aber auch zu den 
Armmuskeln rechnen konnte, obschon er eigentlich nur eine besondere 
Portion des M. latissimus darstellt. Fiir die Urspriinge spielen 
die Zahlen 2 und 4 eine mnemotechnische Rolle. 

1. Der M. trapexms entspringt vom medialen Teii der Linea 
nuchae sup., vom Lig. nuchae und den Domen samtlicher Brust- 
wirbel. Die Ansatzlinie (genau entsprechend dem Ursprung des 
M. deltoideus) befindet sich am lateralen Drittel der Clavicula, am 
Acromion und iiberhaupt der ganzen Spina scapulae. Funktion: 
Im ganzen zieht er die Schulter medianwarts. Die oberen Fasern 
fur sich allein heben dieselbe, die unteren ziehen sie nach abwarts. 

2. Der M. latissimus dorsi entspringt von den Domen der vier 
(auch 5—8) unteren Brustwirbel, sowie der samtlichen Lenden- und 
Kreuzbeinwirbel, ferner von der Crista iliaca, endlich mit 4 Zack*en 
von den 4 unteren Rippen. Ansatz an der Crista tuberculi minoris 
des Oberarmbeins. Funktion: Der erhobene Oberarm wird nach 
unten und hinten gezogen und kann auch einwarts gedreht werden. 



6 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Ist der Oberarm fixiert, z. B. beim Aufstiitzen auf eine Unterlage, 
so kann der Latissimus aucb die 4 untersten Bippen heben und 
somit zur Inspiration beitragen. 

3. Der M. teres major entspringt an der hinteren Flache des 
unteren Schulterblattwinkels. Ansatz (mit dem vorigen/Muskel ver- 
eint) an der Crista tuberculi minoris des Oberarmbeins. Funktion: 
Einwartsroller und auch Herabzieher des Armes, falis der untere 
Schulterblattwinkel durch andere Muskeln fixiert ist. 

4. Der M. rhomboideus [minor und major). Ursprung: Der 
Rhomboideus minor vom Lig. nuchae der 2 untersten Halswirbel, der 
Rhomboideus major von den Dornen der 4 obersten Brustwirbel. An¬ 
satz: am medialen Bande der Scapula (von der Spina bis zum 
unteren Winkel). Funktion: Der Muskel zieht die Scapula (be- 
sonders den unteren Winkel) nach hinten, oben und medianwarts. 

5. Der M. serratus posterior superior entspringt von den Dornen 
der 2 unteren Hals- und 2 oberen Brustwirbel. Er setzt sich fest 
an 4 Bippen (v 9 n der II. nacb abwarts - gerechnet). Funktion: Er 
hebt diese Bippen (also Inspirationsmuskel). 

6. Der M. serratus posterior inferior entspringt von den Dornen 
der 2 untersten Brust- und 2 oberen Lendenwirbel. Ansatz: an 
den 4 untersten Bippen. Funktion: Zieht diese Bippen abwarts, 
ist also wahrscheinlich Expirationsmuskel. 

b) Die tiefen langen Biickenmuskeln. 

Dazu kann man drei Muskeln, namlich: 1. den M. splenius capitis 
et cervicis ; 2. den M. extensor dorsi communis (jetzt M. sacrospinalis 
genannt) und 3. den M. transversospinalis rechnen. 


1. Der M. splenius. 

Der M. splenius capitis entspringt von den Dornen des IILHals- 
bis III. Brustwirbels, der M. splenis cervicis von den drei nachtsfolgen- 
den Dornen (IV.—YI. Brustwirbel). Der Splenius capitis ins.eriert 
dicht unterhalb der Linea nuchae sup., der Splenius 'cervicis an den 
Querfortsatzen der 3 obersten Halswirbel. 1 Funktion: Zieht den 
Kopf bzw. die obersten Halswirbel schrag riickwarts (Antagonist 
des Sterno-cleido-mastoideus). , 


2. Der M. extensor dorsi. 

Der M. extensor dorsi communis (jetzt M. sacrospinalis benannt) 
bildet eine lange komplizierte Muskelmasse, welche vom Kreuz- 
bein bis zum Hinterhaupt reicht. Man teilt denselben in drei 


1 Fur den Splenius kehrt also bei Ursprung und Ansatz immer die 
Zahl 3 wieder. 



I. Die Wirbelsaule, ihre Biinder und Muskeln. 


7 


Portionen: a) den M. ilio-costalis ; 8) • den M. longissimus und y) den 
M. spinalis. 

«) Der M. ilio-costalis entspringt von der Crista iliaca und der 
hinteren Flache des Kreuzbeins gemeinsam mit dem Longissimus, 
zieht sich dann langs der Rippenwinkel {Anguli costarum) und 
hierauf l&ngs der HalswirbSlquerfortsatze bis etwa zuili IV.Hals- 
wirbel hinauf. Wahrend dieses Verlaufes gibt er den Rippen- 
winkeln Zacken ab, nimmt aber aucb solche von ihnen auf. Man 
kann den Muskel in einen Ilio-costalis lumborum, dorsi und cervicis 
zerlegen. 

fi) Der M. longissimus entspringt unten gemeinsam mit dem 
Ilio-costalis von der Crista iliaca und dem Kreuzbein, nimmt dann 
aber auch noch akzessorische Ursprungsehnen von den 5 Lenden- 
dornen, sowie von den Querfortsatzen der Brustwirbel und* oben der 
Halswirbel auf. Seine Insertionssehnen befestigen sich am Thorax 
nach Art einer Kornahre an je einer Rippe und einem Querfort- 
satz, oben an den Querfortsatzen der Halswirbel. -Die obersten 
[M. trachelo-mastoideus s. longissimus capitis ) erreichen die Pars masto- 
idea des Schlafenbeins. Man hat einen M. longissimus dorsi, cer¬ 
vicis und capitis unterschieden. 

y) Ais M. spinalis bezeichnet man jeden Muskel, welcher von 

Wirbeldom zu Wirbeldorn zieht, dabei aber mindestens einen 
« ; 

Wirbel tiberspringt. Meist gibt es nur einen M. spinalis dorsi , 

welcher stets mit den akzessorischen Ursprungsehnen des Longissimus 

fest verwachsen ist. Selten ist ein M. spinalis cervicis vorhanden, 

noch seltener soli ein Spinalis capitis vorkommen. 

3. Der M. tranverso-spinalis. 

Der. M. transversospinalis (Henle) ist eine Muskelmasse, welche 
die Sulci dorsales der Wirbelsaule (zwischen Dornen und .Querfort¬ 
satzen) ausfullt. Ihre Fasem verlaufen samtlich schrag von unteren 
Querfortsatzen zu oberen Wirbeldornen; sie beginnen unten 
am Kreuzbein und enden oben am Dom des Epistropheus. Man 
unterscheidet: a) die am tiefsten gelegene Schicht, die kurzen Mm. 
rotatores (Theile), welche von der Wurzel eines Querfortsatzes 
zur Wurzel des nachst hoheren oder zweitnachst hoheren Dorn- 
fortsatzes verlaufen; /9) den M. multifidus, d. h. etwas langere Fasem, 
welche ebenso, aber mit tJberspringung eines Wirbels von 
einem tieferen Querfortsatz zu einem hoheren Dornfortsatz ziehen; 
endlich y) die oberflachlichste Schicht, die Mm. semispinales, welche 
wie die letzteren beschaffen sind, jedoch mehrere Wirbel iiber- 
springen. Ais M. semispinalis capitis (friiher M. complexus et bi¬ 
venter cervicis) hat man noch einen starken, am Nacken gelegenen 



8 


Erster Teii. ' Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Muskel bezeichnet, welcher,von den Querfortsatzen oberer Brust- 
und unterer Halswirbel entspringt und sich am Occiput zwischen 
Linea nuchae sup. und inf. festsetzt. Funktion des Transverso¬ 
spinalis ist die seitiiche .Drehung der Wirbel gegen einander. 
Der Semispinalis capitis zieht den Kopfnachhinten. 

c) Die tiefen kurzen Riicken- und Nackenmuskeln. 

Die wichtigsten Muskeln dieser Gruppe sind die Mm. levatores 
costarum, welche yom Querfortsatz eines Wirbels zur nachsttieferen 
Rippe verlaufen (sind sonjit Rippenheber, also Inspiratoren). Die 
Mm. interspinales verbinden die Dornen, die Mm. intertransversarii die 
Querfortsatze je zweier benachbarter Wirbel (fehlen an den Brust- 
wirbeln). * 

Funktion: Nahern die betr. Fortsatze einander. 

Ais kurze tiefe Nackenmuskeln werden die Mm. recti und 
obliqui capitis bezeichnet. Sie verlaufen: 

1. M. rectus cap. post, major: Dorn des Epistropheus — Linea 
nuchae inferior. 

2. M. rectus cap. post, minor: Tubere, post, des Atlas — Linea 
nuchae inf. 

3. M. obliquus cap. superior: Querfortsatz des Atlas — Linea 
nuchae inf. 

4. M. obliquus cap. inferior: Dorn des Epistropheus — Querfort¬ 
satz des Atlas. . 

5. M. rectus cap. lateralis: Querfortsatz des Atlas — Proc. jugu¬ 
laris des Hinterhauptheines. 

Funktion: Der Rectus lateralis neigt den Kopf zur Seite, die 
Recti postt. und Obliqui supp. ziehen ihn hauptsachlich nach hinten. 
Der Obliquus inf. dreht den Atlas um den Zahn (seitiiche Drehung - 
des Kopfes). - 

Zwischen dem M. obliquus cap. sup. und dem M. rectus cap. post, 
major ist dicht oberhalb des Atlas in der Tiefe die A. und V. verte¬ 
bralis sowie der N. suboccipitalis aufzufinden (vgl. S. 2 unten). f 

< 

D. Die Fascien des Suckens. 

1. Die Fascia superficialis dorsi iiberzieht dicht unter derHaut 
ais derbe graue Bindegewebslage die freie Oberflache des Trapezius, 
'und Latissimus. 

2. Die Fascia lumbo-dorsalis (Fascia profunda dorsi) besteht 
aus zwei Lagen oder Blattern, welche an der Lendenwirbelsaule 



I 


I 


I. Die Wirbelsaule, ihre Bander und Muskeln. 9 

♦ 

den M. extensor dorsi communis zwischen sich fassen, sich 
jedoch lateral zu einem einzigen Blatte vereinigen, aus dem die 
Ursprungsehne des M. transversus abdominis hervorgeht (s. Fig. 3). 

a) Das vordere Blatt, Lamina anterior, (auch ais Lig. lumbo¬ 
costale s. ilio-costale bezeichnet) fiillt den Raum zwischen der Crista 
iliaca und der XII. Rippe aus. Medial ist dasselbe an die Quer- 
fortsatze der Lendenwirbel befestigt, lateral geht es in die Trans- 


Fig. 3. Die Ruckenfascien (scliematisch). Horizontalschnitt durch die 

Lendenwirbelsaule. 

versussehne liber. Vor dem vorderen Blatt ist der Quadratus 
lumborum, hin ter demselben der Extensor dorsi gelegen (s. Fig. 3). 

b) Das hintere Blatt, Lamina posterior-, liegt unter dem 
M. trapezius, rhomboideus und Latissimus auf der Oberflache 
des Extensor dorsi comm.: es /hiillt die beiden Mm, serrati 
postt. ein (daher auch Fascia serrata benannt) und verliert sich 
nach oben auf dem M. splenius, den es nur in diinner Lage be- 
deckt. Unten ist es mit der Latissimussehne untrennbar ver- 
schmolzen, medianwarts an die Wirbeldornen befestigt, lateral- 
warts geht es, wie das vordere Blatt, in die Transversussehne iiber 
(vgl. Fig. 3). 



Vorderes Blatt Hinteres Blatt 

der Fascia lumbo-dor salis 


Trigonum Petiti 


■ Fascia superficialis abdominis 
M. obliquus abdom. externus 
M. obliquus abdom. internus 


M. transversus abdominis 
Fascia transversalis 
Peritonaeum 


M. latissimus dorsi 















10 


Erster Teii. Knoelien-, Bander- und Muskellehre. 


U. ScMdel und Kiefergelenk. 

DerSchadel, Cranium, besteht: 1) aus 8 Hirnschadelknochen, 
welche an das Gehirn bzw. seine Haute angrenzen; 2) aus 14 Ge- 
sichtschadelknochen, welche den Rest des Schadels bilden. Der 
oberste Teii des letzteren heiBt Schadeldach, Calvaria [Fornix cranii ), 
der untere Teii Schadelbasis, Basis cranii, deren innere Flache 
wiederum Basis cranii interna, deren auBere Flache Basis cranii externa 
genannt wird. 

A. Die Schadelknochen. 

1. Das Stirnbein. 

Das Stirnbein, Os frontale, wird eingeteilt in: 1. die Squama 
frontalis-, 2. die Pars nasalis und 3. die beiden Partes orbitales. 

1. Die Stirnbeinschuppe, Squama frontalis, wird vorn unten 
in der Mitte durch den Margo nasalis (f. d. Nasenbeine), zu beiden 
Seiteu durch den Margo supraorbitalis der Augenhohle begrenzt. 
Durch die Sutura coronalis steht sie oben mit den beiden Scheitel- 
beinen, weiter abwarts jederseits mit dem groBen Keilbeinfliigel in 
Verbindung. 

Die vordere Flache, Facies frontalis, wird beim Foetus bestandig, 
beim Erwachsenen mitunter durch eine Naht, Sutura frontalis, halbiert. 
Jederseits davon in der Mitte springt undeutlich der Stirnhocker, 
Tuber frontale, hervor. Unterhalb des letzteren zieht bogenformig der 
Arcus superciliaris yon medianwarts nach lateralwarts, welcher jedoch 
nicht den Augenbrauen, sondern den dahinter gelegenen Stirn- 
hohlen, Sinus frontales, entspricht. Zwischen den medialen Enden der 
beiden Arcus ist die Stirnglatze, Glabella, gelegen. An dem unterhalb 
des Arcus befindlichen Margo supraorbitalis sieht man medial die 
Inc. supraorbitalis (fur den N. supraorbitalis yom I. Ast des Trige¬ 
minus und die A. und V. supraorbitalis aus der Ophthalmica); mit¬ 
unter noch weiter medial die iiache Inc. frontalis (fur Nebenzweige 
derselben GefaBe und Nerven). Lateral verbindet sich der Margo 
supraorbitalis mit dem Jochbein;, dieser Teii desselben wird ais Proc. 
zygomaticus bezeichnet. Yon dem letzteren erstreckt sich nach oben die 
Linea temporalis, welche die obere Begrenzung der Ursprungsflache des 
M. temporalis, des sogen. Planum Umporale, bildet. 

Die hintere Flache, Facies cerebralis, zeigt in der Medianlinie 
unten eine Leis te, die Crista frontalis, welche sich nach oben in eine 
Furche, Sulcus sagittalis, spaltet. Leiste und Rander der Furche sind 
fur die Falx major der Dura bestimmt, in der Furche selbst ist der 
Sinus sagitt. sup. gelegen. Am unteren Ende der Furche liegt das 
For. coccum, welches ein sog. Emissarium d. h. eine Venenverbindung 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


11 


zwischen diesem Sinus und den Venen der Nasenhohle aufnimmt. Zu 
beiden Seiten des Sulcus sagitt. zahlreiche wenig ausgepragte Im¬ 
pressiones digitatae und Juga cerebralia flir die Windungen und Furchen 
des GroBhirns; zwischen denselben mitunter noch Foveolae granulares, 
welche von den Pacchioni’schen Granulationen (Arachnoidealzotten) 
der Dura mater herriihren. Zwei vertikale GefaBfurchen dicht neben 
der Crista frontalis entsprechen jederseits der A. meningea ant. (aus 
der A. ethmoidalis ant.), alie iibrigen stammen von der A. meningea 
media (aus der A. maxillaris int.) 1 . 

2. Die Augenhohlenteile, Partes orbitales, vierseitig, sind be- 
grenzt vorn durch den Margo supraorbitalis, lateral durch den 
Margo zygomaticus (fiir das Jochbein und den groBen Keilbeinfliigel), 
hinten durch den Margo sphenoidalis (fiir den kleinen Keilbeinfliigel), 
medial durch den Margo ethmo-lacrimalis (fur das TrS,nenbein und die 
Lam. papyracea des Siebbeins). In der Naht zwischen Siebbein und 
Stirnbein sind hier zwei kleine Locher, das For. ethmoidale ant. fiir die 
A. und V. ethmoidalis ant. (aus der Ophthalmica) und den N. ethmoi¬ 
dalis ant. (aus dem Naso-ciliaris vom I. Trigeminusast) und das For. 
ethmoidale post.(<z> benfalls fiir die gleichnamigenGefaBeundNerven)gelegen. 

Die obere Flache, Facies cerebralis, besitzt nur Impressiones und 
Juga fur die Gyri und Sulci orbitales des Stirnlappens. 

Die untere Flache, Facies orbitalis, zeigt medial die kleine 
Fovea trochlearis (fiir die Sehne des Obliquus oculi sup.), neben welcher 
mitunter eine kleine Spina trochlearis zum Ansatz fur die Rolle 
[Trochlea) vorhanden ist, liber welche diese Sehne gleitet. Lateral (an 
der unteren Flache des Proc. zygomaticus) liegt die Fossa glandulae 
lacrimalis, in welche die Tranendriise eingelagert ist. 

3. Der Nasenteil, Pars nasalis, bildet nach Henle ein Huf- 
eisen, welches zwischen den beiden Partes orbitales gelegen ist. Die 
Concavitat desselben heiBt Inc. ethmoidalis und umschlieBt die La¬ 
mina cribrosa des Siebbeins. Das Mittelstiick des Hufeisens bildet 
die Spina frontalis, an welche sich vorn die Nasenbeine, hinten die 
Lam. perpendicularis des Siebbeins anlagern. Die beiden Enden 
des Hufeisens zeigen vorn jederseits neben dem median liegenden 
Septum den Eingang zu den Stirnhohlen, Sinus frontales-, hinten 
legen sich dieselben wie ein Deckel auf die offenen Siebbeinzellen 
[Cellulae ethmoidales), welche dadurch von oben her geschlossen werden. 

2. Das Scheitelbein. 

Die beiden Scheitelbeine, Ossa parietalia, sind vierseitig und 
zeigen demzufolge 4 Rander, 4 Winkel und zwei Flachen. 

Der vordere Rand, Margo frontalis, bildet mit dem Stirnbein 

1 Die Arterien sind (mit wenigen Ausnahmen) von doppelten Venen 
begleitet, was nicht immer besonders erwahnt werden wird. 



12 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

\ 

die Sutura coronalis, der obere Rand, Margo sagittalis, mit dem an- 
deren Scheitelbein die Sutura sagittalis, der hintere Rand, Margo 
occipitalis, mit dem Occiput die Sutura lambdoidea, der untere Rand, 
Margo squamosus, mit dem groBen Keilbeinfliigel und der Schlafen- 
schuppe die Schuppennaht, Sutura squamosa. 

Die vier Winkel sind dadurch ausgezeichnet, daB an jedem 
beim Embryo und noch im ersten Lebensjahre eine durch Binde- 
gewebe verschlossene Liicke zwischen den Knochen (Fontanelle) vor- 
handen ist. Am vorderen oberen Winkel ist die groBe, viereckige 
oder Stirnfontanelle, Fonticulus frontalis, am hinteren oberen die 
kleine, dreiseitige oder Hinterhauptfontanelle, Fonticulus occi¬ 
pitalis, am vorderen unteren die vordere Seiten- oder Keilbein- 
fontanelle, Fonticulus sphenoidalis, am hinteren unteren die hintere 
Seiten- oder Warzenfontanelle, Fonticulus mastoideus, gelegen. 
Die beiden letzteren pflegen jedoch bald. nach der Geburt zu ver- 
knochern. 

Die SuBere Flache, Facies parietalis, zeigt in der Mitte den 
Scheitelhbcker, Tuber parietale, fiber welchen bogenformig die 
Schlafenlinie, Linea temporalis (manchmal doppelt), hinwegzieht, in- 
dem sie die obere Grenze des Planum temporale (der Ursprungsflache 
des M. temporalis) begrenzt. Nahe dem oberen Rande ist das Scheitel¬ 
bein durch das For. parietale (fiir ein' Emissarium zwischen dem Sinus 
sagittalis sup. und den AuBenvenen) durchbohrt. 

Die innere Flache, Facies cerebralis, zeigt auBer verschiedenen 
Impressiones digitatae und Juga cerebralia (fur das GroBhirn) langs des 
oberen Randes den Sulcus sagittalis ftir den Sinus sagitt. sup. bzw; die 
Falx major der Dura mater, neben dem * sich die meisten Foveolae 
granulares (s. S. 11) finden. Die schonen baumformig verastelten Sulci 
arteriosi riihren von der A. meningea media (aus der Maxillaris int.) 
her. Meist pflegen sie am vorderen unteren Winkel einzustrahlen, 
woran der letztere leicht kenntlich ist. 

3. Das Hinterhauptbein. 

Das Hinterhauptbein, Os occipitale [Occiput), ist in 4 Teile zu 
zerlegen, welche noch beim Neugeborenen durch Knorpelmasse deut- 
lich getrennt sind. Diese 4 Teile umschlieBen eine groBe ovale Off- 
nung, das Hinterhauptsloch, For. occipitale magnum, durch welches 
folgende wichtige Organe hindurchtreten: a) die Medulla oblongata ; 

b) die beiden Aa. vertebrales (aus der Rtickenmarks- in die Sch&delhohle); 

c) die beiden Nn. accessorii (ebenso von unten nach oben). AuBer 
diesen wichtigen Organen ziehen noch verschiedene unregelmaBige 
Venen, sowie die beiden Aa. spinales antt. und spinales postt. (Aste der 
Aa. vertebrales) aus der Schadelhohle in die Riickenmarkshohle hinein. 
Die Spinales antt. verlaufen dann vereinigt an der Vorderflache, die 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


13 


Spinale postt. getrennt an der Hinterflache des Riickenxnarkes nach 
abwarts. Die vier Teile des Occipitale sind nun folgende: 

1. Der Grundteil, Pars basilans, ist vor dem For. magnum ge- 
legen und zeigt 5 Flachen, von denen die vor de re rauh und mit 
dem Keilbein verwachsen ist. Die obere Flache bildet zusammen 
mit der Sattellehne des Keilbeines den Clivus (Blumenbachi ), welcher 
zur Auflagerung filr die Medulla oblongata und die Varolsbriicke 
dient. Die beiden Seitenflachen sind mit der Schlafenbeinpyra- 
mide durch die mit fibrosen Massen ausgefullte Fissura petro-basilaris 
(petro-occipitalis) verbunden. Die untere Flache zeigt in der Mitte 
das Tuberculum pharyngeum fur den Ansatz des obersten Schlundkopf- 
schnlirers (M. cephalo-pharyngeus), zu beiden Seiten je zwei trans¬ 
versale Leisten fur den Ansatz des M. longus capitis und rectus 
cap. anterior. 

2. Die beiden Seitenteile, Partes laterales (zu beiden Seiten 
des For. magnum gelegen) sind an der unteren Flache durch die 
Gelenkfortsatze fur den Atlas, Condyli occipitales, ausgezeichnet Hinter 
den letzteren je eine Grube, Fossa condyloidea, in deren Tiefe mitunter 
die Offnung fur das Emissarium condyloideum zu sehen ist, welches die 
V. jugularis int. mit den Nackenvenen verbindet. Oben findet sich 
an den Seitenteilen das Tubere, jugulare, hinter demselben eine quere 
Furche fiir den IX., X. und XI. Hirnnerven (N. glosso-pharyngeus, 
vagus und accessorius). Unterhalb des Tuberculum werden die Partes 
laterales von dem Canalis hypoglossi (fur den XII. Hirnnerven) schrag 
durchbobrt. Der hintere laterale Teii der Seitenteile heifit Proc. 
jugularis: er besitzt vorn die Incis. jugularis, welche das For. jugulare 
bilden hilft. Durch letzteres Loch treten in einem vorderen Fach 
die drei eben genannten Hirnnerven (IX., X. und XI.), in einem 
hinteren die V. jugularis int. nach auBen. Die unebene untere 
Flache des Proc. jugularis wird vom Ansatz des M. rectus cap. lateralis 
eingenommen. 

3. Die Schuppe, Squama occipitalis, liegt hinter dem For. 
magnum und ist dreiseitig. Die Basis befindet sich unten, die Spitza 
oben. Jeder Seitenrand steht oben mit dem Scheitelbein [Margo 
lambdoideus), unten mit dem Warzenteil des Schlafenbeins [Margo 
mastoideus ) in Verbindung. In der Naht zwischen Schuppe und Pars 
mastoidea ist manchmal das For. mastoideum (fiir ein Emissarium und 
den R. meningeus der A. occipitalis) vorhanden. 

Die hintere Flache der Schuppe zeigt in der Mitte die Pro¬ 
tuberantia occip. externa, von welcher sich die Crista occip. externa (fiir 
das Lig. nuchae) nach abwarts erstreckt. Von der Protuberanz ver- 
lauft bogenformig lateralwarts die Linea nuchae superior ; ihr parallel, 
etwas tiefer gelegen, die Linea nuchae inferior. An der ersteren sind 
der M. sterno-cleido-mastoideus, trapezius sowie der M. occipitalis be- 




14 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

festigt, an der letzteren die kurzen tiefen Nackenmuskeln (Mm. recti 
und obliquus cap. sup.), zwischen beiden Linien alie iibrigen Muskeln, 
welche das Hinterhaupt erreichen. 

Die vordere Schuppenflache zeigt die Eminentia cruciata, in 
deren Mitte die Protub. occipitalis interna sich befindet. Der quere 
Schenkel der Eminentia cruciata bildet jederseits den Sulcus trans¬ 
versus zur Aufnahme des Sinus transversus und Anheftung des Ten¬ 
torium, der obere den Sulcus sagittalis zur Aufnahme fur den Sinus 
sagittalis sup. und Anheftung der Falx major, der untere die Crista 
occip. interna zur Anheftung fur die Falx minor der Dura mater. Von 
den durch die Eminentia begrenzten 4 Gruben werden die oberen 
ais Fossae occipitales superiores (fiir die Hinterhauptlappen des GroB- 
birns), die unteren ais Fossae occipitales inferiores (fiir die Kleinliirn- 
hemispharen) bezeichnet. 

4. Das Schlafenbein. 

Das Schlafenbein, Os temporale, paarig, wird in drei Abscbnitte, 
namlich: 1. die Schlafenschuppe, Squama temporalis ; 2. den 
Warzenteil, Pars mastoidea und 3. die Pyramide, Pyramis, ein- 
geteilt. 

Die Pyramide ist vierkantig, mit der Basis lateralwarts, der 
Spitze medianwarts gerichtet und bestebt beim Foetus deutlich aus 
zwei Abscbnitten, namlich a) dem Felsenteil, Pars petrosa , und 
b) dem Paukenteil, Pars tympanica, welcher noch beim Neugeborenen 
die Form eines oben offenen Ringes hat und hier demzufolge Annulus 
tympanicus benannt wird. Beim Erwacbsenen bildet die Pars tym¬ 
panica die vordere und untere Wand des Gehorganges: sie ist hier 
nicht mehr scharf von der Pars petrosa abzugrenzen. 

1. Die Squama temporalis grenzt mit dem vorderen Rande, 
Margo sphenoidalis, an den groBen Keilbeinfliigel, mit dem zugescbarften 
oberen Rande, Margo parietalis, an das Scheitelbein ( Sutura squamosa) 
und ist hinten durch die Inc. parietalis von der Pars mastoidea getrennt. 
Der untere Rand derselben ist vorn mit dem Felsenteil durch die 
vielfach undeutliche Fissura petrosquamosa, hinten ohne scharfe Grenze 
mit der Pars mastoidea verbunden. 

Die auBere Flache, Facies temporalis, zeigt, dicbt vor dem Ge- 
horgang beginnend, den vertikalen Sulcus a. temporalis mediae, vorn unten 
den Proc. zygomaticus, zwischen dessen beiden Wurzeln die Fossa man¬ 
dibularis fur den Gelenkkopf des Unterkiefers gelegen ist. Die vor 
dieser Grube gelegene Wurzel ist zum Tuberculum articulare verdickt. 
Nach vorn stoBt der Proc. zygomaticus mit dem Proc. temporalis des 
Jochbeins zusammen, um mit dem letzteren den Jochbogen, Arcus 
zygomaticus, zu bilden. Im iibrigen werden an dieser Flache durch 
die Crista infratemporalis das Planum temporale und infratemporale von 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


15 


einander geschieden. Die innere Flache der Schuppe zeigt auBer 
Impressiones digitatae und Juga cerebralia noch GefaBfurchen fur die 
A. meningea media (aus der Maxillaris interna). 

2. Die Pars mastoidea hat ihren Namen daher, weil sich an 
derselben der Proc. mastoideus befindet, an dem sich der M. sterno-cleido- 
mastoideus ansetzt und welcher die Cellulae mastoideae des Mittelobrs 
enthalt. Zwischen dem Proc. mastoideus und dem auBeren Gehor- 
gang ist eine Art Spalte, Fiss. tympano-mastoidea, sichtbar, aus welcher 
der R. auricularis n. vagi hervortritt, um zum Gehorgang zu verlaufen. 
Der vordere Rand der Pars mastoidea ist mit der Schuppe und 
Pyramide verwacbsen, der obere grenzt an das Scheitelbein und der 
hintere an das Hinterhauptbein. Zwischen dem letzteren Knochen 
und der Pars mastoidea ist das bereits S. 13 erwahnte For. mastoi¬ 
deum gelegen. Medial von der Spitze des Proc. mastoideus ware noch 
die lnc. mastoidea 8. digastrica fur den M. digastricus mandibulae, noch 
weiter medial, der letzteren parallel, die Furche fiir die A. occi¬ 
pitalis zu erwahnen. Die Innenflache der Pars mastoidea endlich 
ist mit einer tiefen Furche, Sulcus sigmoideus , fiir den gleichnamigen 
Sinus versehen. 

3. An der Pyramide unterscheidet man am besten die Basis, 
4 Kanten und 4 Flachen 1 . 

Von der Basis liegt ein Teii in Gestalt der auBeren Gehor- 
offnung, Porus acusticus externus , frei: dieser fiihrt in den 
auBeren Gehorgang, Meatus acusticus externus, hinein. Die vordere 
und untere Wand des letzteren entsprechen der schop. erwahnten 
Pars tympanica : dagegen wird der Porus ohen (an der sogen. Incis. 
Rivini) von der Schuppe begrenzt. 

Die 4 Kanten werden (nicht ganz korrekt) jetzt ais Anguli be- 
zeichnet. Die obere Kante ist mit einer L&ngsfurche, dem Sulcus 
petrosus superior, fiir den gleichnamigen Sinus versehen. Die untere 
Kante stellt die in der Anmerkung erwahnte Crista petrosa dar. Die 
vordere Kante bildet an ihrem medialen Abschnitt mit dem groBen 
Keilbeinfliigel das zerrissene Loch, Foramen lacerum (auch ais Fiss. 
spheno-petrosa bezeichnet), durch welches: a) medial die Carotis interna; 
b) lateral die Tuba auditiva und der M. tensor tympani und c) oberhalb 
derselben der N. petrosus superficialis major und minor hindurchtreten. 
Der laterale Abschnitt dieser Kante ist mit der Schuppe durch die 
meist undeutliche Fiss.'petrosquamosa (s. S. 14) verbunden. Die hintere 
Kante ist in ihrem medialen Abschnitt mit einer Langsrinne, dem 
Sulcus petrosus inferior (fiir den gleichnamigen Sinus) versehen. Mit 
ihrem lateralen Abschnitt begrenzt sie das bereits S. 13 erwahnte 
For. jugulare, welches ein vorderes Fach zum Durchtritt fiir den 

1 Die neue Nomenclatur unterscheidet nur drei Fl-achen, indem sie die 
unten gelegene Crista petrosa nicht ais Pyramidenkante betrachtet. 



16 


Erster Teii. Knochen-, B&nder- und Muskellehre. 


IX., X. und XI. Himnerven, ein hinteres zum Durchtritt flir die 
V* jugularis int. besitzt. 

Die vordere obere Flache der Pyramide zeigt an der Spitze 
die seichte Impressio trigemini , welcbe von dem hier gelegenen Ganglion 
semilunare s. Gasseri herriihrt. Lateral davon sind zwei schrage 
Furchen, die mediale fiir den N* petrosus superficialis major , die 
laterale fiir den N. petrosus superficialis minor 1 wahrzunehmen. Noch 
weiter lateral und etwas nach hinten (nahe der oberen Xante) springt 
ein starker Hocker, die Eminentia arcuata , hervor, welche durch den 



Fig. 4. Schematische Obersicht iiber die Nn. petrosi. Langsdurchschnitt durch 

die Schlafenbeinpyramide. 

oberen Bogengang des Labyrinthes verursacht ist. Die etwas dureh- 
scheinende Stelle lateralwarts und nach vorn von der Eminentia bildet 
das wichtige Tegmen tympani, die Decke der Paukenhohle, nachderen 
Eroffnung die Gehorknochelchen (am hochsten derHammerkopf)vorliegen. 

1 Der N. petrosus superfic . major . kommt vom Ganglion geniculi des N. 
facialis (also aus dem Felsenbein), verlauft hierauf an der vorderen oberen 
Pyramidenflache und dann durch das For. lacerum zum Ganglion sphenopala¬ 
tinum des II. Trigeminusastes hin (vgl. Fig. 4). Der Nerv ist wichtig, weil er 
die Gaumenmuskeln versorgt. Der N. petrosus superfic . minor stammt vom 
Ganglion petrosum des N. glosso-pharyngeus, geht dann ais N. tympanicus 
in die Paukenhohle, hierauf an der vorderen oberen Pyramidenflache und weiter- 
hin durch das For. lacerum zum Ganglion oticum des III. Trigeminusastes hin 
(vgl. Fig. 4). Der Nerv ist wahrscheinlich Sekretionsnerv fiir die Ohr- 
speicheldriise. * 






17 


, II. Schadel und'Kiefergelenk. 

Die hintere obere Flache der Pyramide zeigt zunachst die 
innere Gehoroffnung nebst Gehfirgang, Porus bzw . Meatus acusticus 
internus, in welche der VII. und VIII. Hirnnerv (N. facialis und 
1 acusticus), ferner die A. und V. auditiva int. (aus dei* Basilaris) ein- 
treten. Weiter hinten, unter einem iiberhangeoden Knochenplattchen, 
ist die Apertura externa aquaeductus vestibuli gelegen, durch welche die 
lymphatische Fllissigkeit des Vestibulum labyrinthi mit den Lymph- 
gefafien der Dura communiziert. Zwischen Porus und Aquaeductus, 
aber nahe der oberen Kante, ist noch die Fossa subarcuata wahr- 
zunebmen, welche sich beim Embryo bis unter den oberen Bogen- 
gang hineinsckiebt. Noch beim Kinde ist dieselbe groB und enthalt 
den Flocculus des Kleinhims. 

Die vordere untere Flache der Pyramide besitzt ganz vom 
an der Spitze das For. caroticum internum, dicht daneben einen kleinen 
Doppelkanal, Canalis musculo-tubarius, dessen unteres Fach fiir die 
Tuba auditiva, dessen oberes fur den.M. tensor tympani b.estimmt 
ist. Mebr lateral, dicht hinter der Fossa mandibularis liegen 
alsdann noch zwei quere Spalten (getrennt durch den kleinen Proc. 
inf. tegminis tympani) namlich: 1. die meist undeutliche Fiss. petro¬ 
squamosa und 2. die stets vorhandene Fiss. petro-tympanim s. 0laseri, 
aus welcher die Chorda tympani 1 , sowie die A. uud V. tympanica 
aus- und eintreten. 

An der hinteren unteren Fl&che der Pyramide fallt vor 
allem der Sulcus jugularis fiir die V. jugularis int. auf, welcher das 
For. jugulare bilden hilft. * In seiner Mitte findet sich ein kleiues 
Loch fiir den hier eintretenden R. auricularis n. vagi (vgl. S. 15). 
Neben dem Sulcus jugularis sieht man 'ganz vom das For. 
caroticum externum (fur die Carotis • interna), dicht dahinter die 
dreieckige Fossula petrosa 2 (fiir das Ganglion petrosum des N. glosso¬ 
pharyngeus) noch weiter hinten (am ganzen Schadel nur in 
der Tiefe sichtbar) den schreibfederformigen Eindruck der Aper¬ 
tura aquaeductus cochleae, welcher die lymphatische Fliissigkeit der 
Schnecke zu den Lymphraumen der Dura mater leitet. Lateral 
vom Sulcus jugularis sind noch der Proc. styloideus und neben 
demselben das For. stylo-mastoideum gelegen. Aus dem letzteren tritt 
der N. facialis heraus. Auch eine kleine A. u. V. stylo-mastoidea 
(aus der Auricularis post.) ziehen durch dieses Loch in das Gehdr- 
organ binein. 


1 Die Chorda tympani gebt vom N. facialis zum N. lingualis des III. Tri- 
geminusastes, indem sie dem letzteren Geschmacksfasern fiir die Zungen- 
spitze und sekretorische Fasern fur die Gl. submaxillaris und sublingualis 
zufiihrt. 

* Von hier aus tritt durch die winzige Apertura inferior canaliculi tyrn-, 
panici der N. tympanicus in die Paukenhohle nach aufwarts (s. Fig. 4). 

Beobsike, Repetitorium anatomicum. 2 



18 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


5. Das Keil- oder Wespenbein. 

Das Keilbein, Os sphenoidale , wird eingeteilt in: 1. das unpaare 
Mittelstiick, den Korper, Corpus ; 2. drei Paar Fortsatze, namlich: 
a) die groBen Keilbeinfltigel, Alae magnae ; b) die kleinen Keil- 
beinflilgel, Alae parvae, und 3. die Gaumenfliigel, Proce, ptery¬ 
goidei. 

1. Der Korper ist wiirfelformig, seine hintere Flache ist mit 
dem Hinterbauptbein verwachsen. 

Seine obere Flache ist vorn mit der Lamina cribrosa des Sieb- 
beins durch eine Naht verbunden. An dieser Flache ist zun&chst 
ais quere Furche vorn der Sulcus chiasmatis fiir die Sehnerven- 
kreuzung zu nennen, welcher seitlich zum For. opticum fiihrt. Der 
quere Saum vor dem Sulcus chiasmatis wird Limbus sphenoidalis ge- 
nanni Dicht hinter dem Sulcus chiasmatis ist das Tuberculum sellae 
und dicht hinter letzterem die tiefe Sella turcica (Tiirkensattel) fiir 
die Hypophysis cerebri. Die Sella wird hinten durch die Sattel- 
lehne, Dorsum ephippii, begrenzt. Sowohl an der letzteren wie am 
Tuberculum und am kleinen Keilbeinfltigel kSnnen mitunter kleine 
Vorspriinge, Procc. clinoidei, vorhanden sein. 

Die vordere Flache des Korpers besitzt in der Median- 
linie eine Leiste. Crista sphenoidalis, an welche sich die Lamina per¬ 
pendicularis des Siebbeius anlegt. Zu beiden Seiten dieser Leiste 
sind die Eingangsoffnungen der KeilbeinhShlen, Aperturae 
sinuum sphenoidalium, gelegen. Der laterale Teii dieser Flache wird 
durch das Siebbeinlabyrinth bedeckt. 

Die untere Flache des Kbrpers besitzt das kielformige 
Rostrum sphenoidale, an das sich nach vorn und unten der Vomer 
ansetzt Lateral vom Rostrum sind in der Wand der Keilbeinhohlen 
ais besondere kleine, dreiseitige Knochenstiickchen jederseits die Conchae 
sphenoidales (Ossicula Bertini) gelegen. 

Die beiden Seitenflachen des Korpers sind nur zum Teii 
frei, im iibrigen von den Fortsatzen eingenommen. Der freie Teii 
zeigt den S-formig gekriimmten Sulcus caroticus, in den die Carotis 
interna eingelagert ist. 

2. Die groBen Keilbeinfltigel entspringen am Korper mit 
drei Wurzeln: zwischen der vorderen und mittleren Wurzel ist 
das For. rotundum fiir den II. Ast des Trigeminus, zwischen der 
mittleren und hinteren das For. ovale fiir den III. Ast desselben 
Nerven gelegen. Nach hinten und lateralw&rts vom For. ovale ist 
noch das kleine For. spinosum zu erw&hnen, durch welches die 
A. meningea media und der N. spinosus (recurrens des III. Trigeminus- 
astes) in die Sch&delhohle treten. 

Von den Randern der Ala magna bildet der vordere mit 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


19 


dem kleinen Keilbeinfliigel die Fiss. orbitalis superior, durch welche 
der III. Hirnnerv [N. oculo-motorius), der IV. (N. trochlearis ■), der erste 
Ast des V. (N. trigeminus ), der VI. (N. abducens) und die V. ophthal¬ 
mica sup. hmdurchtreten. Der obere Eand legt sich an das Stira- 
bein bzw. Scheitelbein, der laterale an die Schlafenschuppe. Der 
hintere Rand der Ala magna bildet mit dem Schl&fenbein das 
Foramen lacerum, durch welches: a) medial die Carotis interna, 
b) lateral die Tuba auditiva -und der M. tensor tympani, c) auf den 
letzteren gelegen der N. petrosus superficialis major und minor hin- 
durchtreten (betreffs dieser Nerven vgl. S. 16). An der Ecke zwischen 
dem lateralen und hinteren Rand des groBen Keilbeinfliigels ragt die 
Spina angularis (Winkeldorn) nacb abwarts. 

Von den beiden Flachen zeigt die innere. Facies cerebralis, 
auBer einzelnen Impressiones digitatae (vom Schlafenlappen) noch die 
vom For. spinosum ausgehende GefaBfurche ftir die A. meningea 
media, welche sich bald in einen vorderen und hinteren Ast teilt. 
Die auBere Flache wird durch eine kreuzformige Erhabenheit in 
vier Felder geteilt, von denen eines, die Facies orbitalis,' zur Augen- 
hohle, das zweite, Facies temporalis, zum Planum temporale, das dritte, 
Facies infratemporalis, zum Planum infratemporale gehort, das vierte, 
Facies spheno-maxillaris, in die Fiss. spheno-maxillaris hineinsieht. Der 
groBe Keilbeinfliigel bildet namlich mit den Nachbarknochen zwei 
Spalten: 1. mit dem Oberkieferbein und Proc. pterygoideus die eben 
erwahnte Fiss. spheno-maxillaris, in welcher das Ganglion spheno-pala- 
tinum des II. Trigeminusastes gelegen ist und 2. mit dem Oberkiefer¬ 
bein und Jochbein die Fiss. orbitalis inferior, durch welche a) der 
N. infraorbitalis (vom II. Trigeminusast); b) die A. und V. infraorbitalis 
(aus der Maxillaris interna) und c) die V. ophthalmica inferior 1 hin- 
durchtreten. • . . 

3. Die kleinen Keilbeinfliigel, Alae parvae, dreiseitig, haben 
zwei Wurzeln, zwischen denen das For. opticum (ftir den II. Hirn- 
nerven, N. opticus, und die A. ophthalmica aus der Carotis int).gelegen 
ist. Der vordere Rand grenzt an die Pars orbitalis des.Stirn- 
beins. Die laterale Ecke bildet den spitzen Proc. ensiformis, die 
hintere den Proc. dinoidtus anterior (vgl. S. 18). Die obere Flache 
grenzt.ans Gehirn, die untere sieht in die Augenhohle, deren Decke 
der kleine Fliigel zum Teii bildet. tlber die Fiss. orbitalis sup. ist 
oberi nachzusehen. 

4. Die abwarts ragenden Gaumenfliigel, Procc. pterygoidei, ent- 
springen ebenfalls mit zwei Wurzeln, zwischen denen der sagittal 
gelegene Canalis pterygoideus (Vidianus) verlauft, welcher fur die gleich- 

1 Die V. ophthalmica sup. geht nicht hier, sondern durch die Fiss. orbi¬ 
talis sup., die V. ophthalmica inf., wie eben erwahnt, durch die Fiss. orbitalis 
inf. hindurch. 


2* 



• 20 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

namigen GefaBe undNerven 1 bestimmt ist. Jeder Proc. pterygoideus 
besteht aus einer Lamina medialis und lateralis, welche hinten durcb die 
tiefe Fossa pterygoidea geschieden sind. Unten ist zwischen beiden Laminae 
noch ais Einschnitt die Fissura s. Incisura pterygoidea fur den Proc. pyra¬ 
midalis des Gaumenbeins gelegen. Die vordere Flache eines jeden Gau- 
menfliigels zeigt noch den Sulcus pterygo-palatinus, welcher durch An- 
lagerung des Gaumenbeins und Oberkieferbeins zum Canalis pterygo¬ 
palatinus geschlossen wird. In dem letzteren verlaufen die Nn. palatini 
s. pterygo-palatini (aus dem II. Ast des Trigeminus) und die gleichnamigen 
BlutgefaBe (aus der Maxillaris int.) zum Gaumen hinab. Die Lamina 
medialis zeigt auBerdem noch einige Besonderheiten, namlich: a) in 
der Mitte des hinteren Pandes den Processus tubarius, auf dem die 
Tuba auditiva ruht, b) unten den Haken, Hamulus pterygoideus, mit 
einem Einschnitt, Incisura hamuli, um welchen sich die Sehne des 
M. tensor veli palatini herumschlingt. Die medial oben befindliche 
kleine Fossa scaphoidea dient einem Teii dieses Muskels zum Ursprung. 

6. Das Siebbein. 

Das Siebbein, Os ethmoidale, ein unpaarer Knochen, hat seinen 
Namen von der siebformig durchlocherten Lamina cribrosa, welche, in 
die Inc. ethmoidalis des Stimbeins eingepaBt, dep Zweigen des 
I. Himnerven, N. olfactorius, zum Durchtritt dient. Der groBte Teii 
dieses Knochens gehort jedoch zur Nasenhohle. Zwischen der Lamina 
cribrosa und dem Stirnbein ist das For. caecum (fur ein kleines 
Emissarium) gelegen. In der Medianlinie der Lam. cribrosa ragt 
die Crista galli nach aufwarts, an der sich das vordere Ende der 
groBen Himsichel befestigt. Nach abwarts setzt sich die Crista galli 
in die Lamina perpendicularis fort, .welche den obersten Teii der 
Nasenscheidewand bildet. 

Von einem jeden der beiden Seitenrander der Lamina cribrosa 
hangt eine schwammige Masse, das Labyrinth, Labyrinthus, nach 
abwarts, welches die Siebbeinzellen, Cellulae ethmoidales, enthalt. 
Man hat die letzteren in drei Gruppen, namlich die vorderen, 
mittleren und hinteren Siebbeinzellen eingeteilt. Der groBte 
Teii der lateralen Wand des Labyrinthes wird nun durch die per- 
gamentahnliche Lamina papyracea eingenommen, welche zugleich in die 
Augenhohle sieht. An der medialen Wand des Labyrinthes sind, 
durch einen Einschnitt getrennt, die Concha superior und Concha inferior 
des Siebbeins wahrzunehmen. Letztere bildet jedoch die mittlere 


1 Der N. Vidianus besteht aus dem N. petrosus superficialis major (vom 
Ganglion geniculi) und dem N. petrosus profundus major (vom carotischen Ge- 
flecht) und senkt sich vora in das Ganglion spkeno-palatinum s. nasale ein 
(vgl. Fig. 4). 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


21 


Muschel der Nasenhohle: die untere Nasenmuschel stellt da- 
gegen ein besonderes Knochenstiick dar. Von der mittleren Muschel 
wird endlich noch ein blasiger Vorsprung, Bulla ethmoidalis, bedeckt, 
in dessen Mitte ein Teii der Siebbeinzellen mundet. 

Zwischen dem oberen E,and der Lamina papyracea und dem 
Stimbein sind noch jederseits das For. ethmoidale anterius und posterius 
(fur die gleichnamigen Nerven und BlutgefaBe, ygl. S. 11) gelegen. Am 
unteren Rand des Labyrinthes endlich ragt der Proc. uncinatus 
nach hinten und abwarts. Die offenen Siebbeinzellen werden 
oben durch die Pars nasalis des Stirnbeins, vom durch das Tranen¬ 
bein, hinten durch die Vorderflache des Keilbeinkorpers, unten 
durch das Oberkiefer- und Gaumenbein geschlossen. 

7. Das Nasenbein. 

Die beiden Nasenbeine, Ossa nasalia, sind yierseitig und 
bilden den obersten Teii des Nasenriickens. Der obere Rand eines 
jeden grenzt an den Margo nasalis des Stirnbeins, der mediale an 
das andere Nasenbein, der laterale an den Stirpfortsatz des Ober- 
kieferbeines, der freie untere Rand bildet die vordere Nasen- 
offnung, Apertura piriformis. 

8. Das Tranenbein. 

Das Tranenbein, Os lacrimale, paarig, grenzt oben an das Stim¬ 
bein, hinten an die Lamina papyracea, vorn an den Stirnfortsatz und 
unten an den Korper des Oberkieferbeines. Die mediale Fl&che 
bedeckt die vorderen Siebbeinzellen, die laterale zeigt die yertikale 
Orista lacrimalis ant., welche nach abwarts in einen kleinen Vorsprung, 
Hamulus lacrimalis , auslauft. Vor der Crista ist der Sulcus lacrimalis 
gelegen, welcher den Tranensack, Saccus lacrimalis, aufnimmt. 

9. Das Oberkieferbein. 

Das Oberkieferbein, Maxilla (Max. superior), paarig, besteht 
aus einem Mittelstttck, dem Korper, Corpus, und vier Fortsatzen, 
namlich: a) dem Stirnfortsatz, Processus frontalis ; b) dem Joch- 
fortsatz, Proc. zygomaticus; c) dem Zahnfortsatz, Proc. alveolaris, 
pnd d) dem Gaumenfortsatz, Proc. palatinus. 

1. Von den 4 Flachen des Korpers ist die vordere (Ge- 
sichtsflachej oben durch den Margo infraorbitalis, medial durch die 
Apertura piriformis deutlich begrenzt, wahrend sie ohne scharfe 
Grenze lateralwarts in den Proc. zygomaticus, abwarts in den Proc. 
alveolaris, oben vom in den Proc. frontalis iibergeht. In der Mitte 
findet sich die Fossa canina, in welcher der M. caninus (levator anguli 
oris) entspringt Oberhalb dieser Grube liegt das For. infraorbitale, 



22 1 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

aus welchem der N. infraorbitalis (vom II. Trigeminusast) und die 
gleichnamigen BlutgefaBe (aus der Maxillaris int.) zuxn Gesicht treten. 
Oberhalb des Foramen ist haufig nocb eine Sutura infraorbitalis vor- 
handen. 

Die obere Flache, dreiseitig, sieht in die Augenhohle. Sie 
wird vom durcb den Margo infraorbitalis begrenzt. Ihr medialer 
Rand grenzt an das Tranenbein und die Lam. papyracea des Sieb- 
beins. Ihr lateraler Rand bildet mit dem grotien Keilbeinflugel 
(vorn auch nocb mit dern Jochbein) die Fiss. orbitalis inferior, durcb 
welche die eben erwahnten InfraorbitalgefaBe und der N. infraorbitalis 
in die Augenhohle treten. Yon dieser Fissur aus siebt man dann 
den fiir die letzteren GefaBe und Nerven bestimmten Sulcus infra¬ 
orbitalis nach vom ziehen, welcher jedoch vorn zum' Canalis infra¬ 
orbitalis geschlossen ist. Offnet man den letzteren, so siebt man 
unten feine Oflhungen fiir die vorderen Zahnnerven des Ober- 
kiefers, Nn. alveolares supp. anteriores, Zweige des Infraorbitalnerven, 
welcbe von kleinen gleichnamigen BlutgefaBen begleitet sind. Gaxiz 
hinten besitzt die obere Flache noch ein kleines dreiseitiges raubes 
Feld, Trigonum palatinum, welcbes fiir den Proc. orbitalis des Gaumen- 
beins zur Anlagerung bestimmt ist. 

Die hintere Flache des Korpers zeigt oben die Forr. alveo¬ 
laria supp. posteriora, in welche ais Aste des N. infraorbitalis die 
hinteren Oberkiefernerven, Nn. alveolares supp. postt. (nebst Ge- 
faBen), eindringen. Unten ist das Tuber maxillare zur Anlagerung 
fiir den Proc. pterygoideus gelegen. Zwischen dem hinteren Rande 
dieser Flache und dem Proc. pterygoideus ist noch eine, bereits S. 19 
erwahnte Spalte, Fiss. spheno-maxillaris s. pterygo-maxillaris, zu er- 
wahnen (oben vom groBen Keilbeinfliigel begrenzt), welche gewisser- 
maBen den Zugang zu einer Grube, Fossa pterygo-palatina, bildet. In 
der letzteren ist das Ganglion spheno-palatinum (Ganglion nasale) 
des II. Trigeminusastes und das Ende der A. maxillaris interna ge¬ 
legen. 

Die mediale Flache des Korpers sieht in die Nasenhohle: sie 
besitzt in der Mitte das groBe Kieferloch, Hiatus maxillaris, welches 
den Zugang zurKiefer- oder Highmorshohle, Sinus maxillaris, bildet. 
Die Hohle nimmt fast den ganzen Korper ein; ihr tiefster Punkt ent- 
spricht etwa den beiden hintersten Backzahnen, was bei einer An- 
bohrang der Kieferhohle zwecks EiterabfluB wichtig ist. Das groBe 
Kieferloch wird nun durch die Anlagerung der Nachbarknochen, ins- 
besondere des Siebbeins (Proc. uncinatus), Gaumenbeins (Pars per¬ 
pendicularis) und der unteren Muschel (drei Fortsatze, vgL daselbst), 
stark verkleinert. Wenn die Nasenschleimhaut die mediale Flache be- 
kleidet, so sind statt des ursprttnglichen groBen Kieferloches schlieB- 
lich sogar nur noch eine oder zwei ganz winzige Offnungen vorhanden. 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


23 


Vom liegt zwischen dem Kieferloch und dem Stimfortsatz der Sulcus 
lacrimalis, welcher durch das Tranenbein zum Ductus naso-lacri¬ 
malis geschlossen wird. Hinter dem Kieferloch ist noch der Sulcus 
pterygo-palatinus (fur die gleichnamigen GefaBe und Nerven) vorhanden, 
welcher durch das Gaumenbein zum Canalis pterygo-palatinus ge¬ 
schlossen wird. 

2. Der Stimfortsatz, Proc. frontalis , zeigt an der medialen 
Flache (in der Mitte) die sagittale Crista ethmoidalis fiir das vordere 
Ende der mittlerenMuschel, (amObergang in den Korper, ihrparallel) 
die Crista conchalis fiir das vordere Ende der unteren Muschel. An 
der later ale n Flache desselben ist die Crista lacrimalis ant. bemer- 
kenswert, hinter welcher der Sulcus lacrimalis fiir den Ductus naso-lacri- 
malis gelegen ist. 

3. Der Jochfortsatz, Proc. zygomaticus , ist abgestutzt, rauh 
uud mit dem Jochbein verbunden. 

4. Der Zahnfortsatz, Proc. alveolaris (dentalis), ist bogenformig 
und enthalt die Zahne. Der freie Rand wird Limbus alveolaris , die 
Zahnlticken Alveoli, die auBerlich sichtbaren, den Wurzeln ent- 
sprechenden Erhabenheiten Juga alveolaria genannt. 

5. Der Gaumenfortsatz, Proc. palatinus, bildet ais horizontale 
Platte den harten Gaumen. Beide Fortsatze verbinden sich in der 
Medianlinie zur Sutura palatino mediana , hinten mit dem Gaumen¬ 
bein zur Sutura palatina transversa. Oberhalb ersterer Naht ist die 
Crista nasalis (fur den Vomer), am vorderen Ende derselben ein 
spitzer Stachel, Spina nasalis antenor, gelegen. Unten sind einige 
Furchen, Sulci palatini, fiir die Gaumennerven und GaumengefaBe 
vorhanden. 

Der vorderste Abschnitt des Gaumen- und Zahnfort- 
satzes, in dem die Schneidezahne stecken, ist beim Embryo durch 
eine Naht, Sutura incisiva, von dem ubrigen Oberkieferbein getrennt. 
Auch beim Erwachsenen sind undeutliche Reste dieser Naht noch 
manchmal vorhanden. Bleibt letztere ganz offen, so nennt man dies 
„Wolf8rachen“, ist nur ein Lippenspalt da, so hat man von einer 
„Hasenscharte“ gesprochen. Dies besondere Knochenstiick, der 
Zwischenkiefer, Os incisivum (intermaxillare), steht dann nur noch 
durch den Vomer mit dem iibrigen Schadel in Verbindung. Un- 
mittelbar hinter den medialen Schneidezahnen wird der Zwischen¬ 
kiefer. durch den Canalis incisivus durchbohrt, welcher unten einfach 
ist, sich jedoch oben zu beiden Seiten der Nasenscheidewand offnet. 
Der Kanal enthalt auBer kleinen Anastomosen zwischen den Blut- 
gefaBen der Nasen- und Mundhohle noch einen trichterformigen Fort- 
satz der Nasenschleimhaut. In seltenen Fallen ist hier der Stenson’- 
sche Gang, d. h. eine offene, mit Schleimhaut ausgekleidete Ver¬ 
bindung zwischen Nasen- und Mundhohle vorhanden. 



24 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


10. Das Gaumenbein. 

Das Gaumenbein, Os palatinum, (paarig) bestebt aus: 1. einer 
horizontalen Platte, Pars horizontalis , 2. einer vertikalen Platte, 
Pars perpendicularis und 3. aus drei Fortsatzen, dem Proc. orbitalis, 
sphenoidalis und pyramidalis. 

1. Die Pars horizontalis stellt den bintersten Abschnitt des 
harten Gaumens ( Palatum durum) dar. Mit dem Gaumenfortsatz 
des Oberkieferbeins ist sie durch die Sutura palatina transversa , mit 
dem anderen Gaumenbein durch die Siitura palatina mediana ver- 
bunden. Oberhalb der letzteren ist die Crista nasalis zur Anlagerung 
fur den Vomer, hinten eine Spina nasalis posterior vorhanden. 

2. Die Pars perpendicularis gehort zur Seitenwand der Nasen- 
hohle,wo sie die Nasenflache des Oberkieferbeins bedeckt, indem sie 
das Kieferlocb von binten her verkleinert. • An ibrer medialen 
Flache sind wie am Stirnfortsatz des Oberkieferbeins, sagittal ver- 
laufend, eine Crista ethmoidalis fur die mittlere Nasenmuschel und eine 
Crista conchalis fiir die untere Nasenmuschel vorhanden. Zwischen der 
lateralen Flache und dem Oberkieferbein ist der bereits S. 23 er- 
wahnte Canalis pleryyo-palatinus gelegen, welcher nach abwarts zu dem 
For. palatinum majus fiihrt. Hinter dem letzteren wird die Pars per¬ 
pendicularis noch durch ein oder zwei kleinere Forr. palatina minora 
durchbohrt. Durch diese Offnungen treten die Nerven und BlutgefaBe 
des Gaumens zur unteren Flache des letzteren hin. 

3. Von den drei Fortsatzen sitzt der groBte, Proc. pyramidalis, 
dort, w6 die Pars horizontalis und perpendicularis ineinander uber- 
gehen. Dieser nach hinten vorspringende spornartige Fortsatz legt 
sich, wie bereits S. 20 erw&bnt, in die Fissura pterygoidea hinein. 
Die beiden anderen Fortsatze ragen von dem oberen Ende der Pars 
perpendicularis nach aufwarts, indem sich der vordere, Proc. 
orbitalis, bis zum Boden der Augenhohle (vgl. S. 22), der andere, Proc. 
sphenoidalis, bis zur unteren Flache des Keilbeinkorpers erstreckt. 
Zwischen beiden Fortsatzen und dem Keilbeinkorper liegt das ziemlich 
groBe For. spheno-palatinum (so benannt, weil es von dem Keilbein- und 
Gaumenbein gebildet wird). Durch dasselbe treten von der Fossa 
pterygo-palatina aus die Nn. nasales supp. postt. (vom Ganglion nasale) 
nebst den gleichnamigen GefaBen (von der Maxillaris int.) in die 
Nasenhohle hinein. 


11. Das Jochbein. 

Das Jochbein, Os zygomaticum, (paarig) besteht aus dem Korper 
und drei Fortsatzen. 

1. Der Korper, Corpus , besitzt drei Flachen, namlich: a) die 
Facies orbitalis, zu der Augenhohle gehorig; b) die Facies malaris, 



II. Schiidel und Kiefergelenk. 


25 


unter der Gesichtshaut gelegen, und c) die Facies temporalis, welche 
noch zum Planum temporale gehort. Der unterste Teii der Gesichts- 
flache ist ais Wangenhocker, Tuber zygomaticum, unter der Gesichts¬ 
haut deutlich fuhlbar. Der Korper wird von zwei kleinen Kanalchen, 
dem Canalis zygomatico-faeialis und zygomatico-temporalis, durchbohrt, 
in denen feine Zweige des N. zygomaticus (vom II. '1'rigeminusast) und 
der A. und V. zygomatica (aus der Ophthalmica) zum Gesicht bzw. zur 
'Schlafe verlaufen. 

Von den drei Fortsatzen ragt der Proc. fronto-sphenoidalis zum 
Stirnbein und Keilbein nach aufwarts, der Proc. maxillaris bildet zum 
Teii den Margo infraorbitalis, der Proc. temporalis endlich zieht dem 
Proc. zygomaticus des Schlafenbeins entgegen, um mit dem letzteren 
den Jocbbogen, Armis zygomaticus, zu bilden. 

12. Das Pflugscbarbein. 

Das Pflugscbarbein, Vomer, unpaar, vierseitig, gehSrt zur 
Nasenscheidewand. Sein oberer Rand legt sich mittels der Alae 
vomeris an das Rostrum sphenoidale. Der vordere Rand grenzt 
oben an die Lamina perpendicularis, unten an den yiereckigen 
Scheidewandknorpel. Der freie hintere Rand begrfinzt in der 
Medianlinie die hinteren Nasenoffnungen, Choanae. Der untere 
Rand endlich ist auf der Crista nasalis des Oberkiefer- und 
Gaumenbeines gelegen. Die beiden Seitenflachen zeigen je eine 
von oben hinten nach vorn unten zum Canalis incisivus ver- 
laufende Furche, Sulcus naso-palatinus (Scarpae ), in welcher der 
N. naso-palatinus (vom II. Ast des Trigeminus) und die gleichnamigen 
GefaBe (aus der Maxillaris int.) liegen. 


13. Die untere Muschel.. 

Die untere Muschel, Concha inferior s. Os turbinatum, paarig, 
von langlich muschelahnlicher Form zeigt ein stumpfes vorderes und 
ein spitzes binteres Ende; femer einen angebefteten oberen und 
einen freien unteren Rand; endbch eine konvexe mediale und eine 
konkave laterale Fl&che; an beiden Flachen fallen zahlreicbe Ver- 
tiefungen auf, welche von BlutgefaBen (Venen) herriihren. Der obere 
Rand ist vorn und hinten an die Crista conchalis des Oberkiefer- 
und Gaumenbeines angebeftet: in der Mitte zieht er liber das 
Kieferlocb, indem er das letztere mit drei von ihm ausgehenden 
Fortsatzen, namlich: a) nach oben vorn mit dem Proc. lacri¬ 
malis, b) nach oben hinten mit dem Proc. ethmoidalis, endlicb c) nach 
unten (untere Ecke des Kieferloches) mit dem Proc. maxillaris ver- 
scblieBen hilft. 



26 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellebre. 


14. Die Basis cranii interna. 1 

An der inneren Fl&che des Schadelgrundes, Basis cranii 
interna, kann man drei groBe Gruben, die vordere, mittlere und 
hintere Schadelgrube unterscheiden. Die Grenze zwischen der 
vorderen und mittleren Grube wird in der Mitte durch den 
Limbus sphenoidalis (vgl. S. 18), lateralwarts durch den (geknickten) 
hinteren Rand des kleinen Keilbeinflugels gebildet. Die Grenze 
zwischen der mittleren und hinteren Grube ist in der Mitte 
durch das Dorsum sellae, lateral durch die obere Pyramidenkante mit 
dem Sulcus petrosus sup. (fur den gleichnamigen Sinus) gegeben. 

1. Die vordere Schadelgrube, Fossa cranii anterior, setzt sich 
aus den Partes orbitales des Stirnbeins, der Lam. cribrosa des Sieb- 
beins, einem kleinen Teii des Keilbeinkorpers und den kleinen 
Keilbeinfliigeln zusammen: sie nimmt die Stirnlappen des GroBhirns 
nebst den Bulbi olfactorii auf. An dieser Grube sind zu merken: 

Das For. caecum (fur ein Emissarium), die Lamina cribrosa mit den 
Offnungen fiir den N. olfactorius (I. Himnerv), die Crista galli und 
Crista frontalis zum Ansatz fiir die groBe Hirnsichel, ferner die be- 
kannten Impressiones digitatae und Juga cerebralia fiir die Stirnlappen, 
endlich die GefaBfurchen fiir die A. meningea media (aus der Maxil¬ 
laris iut). 

2. Die mittlere Schadelgrube, Fossa cranii media, wird in der 
Mitte vom Keilbeinkorper, lateral jederseits vom groBen Keilbein- 
fliigel sowie von der Schlafenschuppe und der vorderen oberen 
Pyramidenfl&che gebildet: sie nimmt das Chiasma, die Hypophysis 
cerebri und die Schlafenlappen des GroBhirns auf. An dieser Grube 
ist zu merken: 

a) Am KeilbeinkSrper. Oben vorn der Sulcus opticus fur das 
Chiasma opticum des II. Hirnnerven (N. opticus), welcher seitlich zum 
For. opticum (fiir den N. opticus und die A. ophthalmica) fiihrt; da- 
hinter das Tuberculum sellae, dicht hinter dem letzteren die Sella turcica 
fiir die Hypophysis cerebri mit der Sattellehne, Dorsum sellae. Zu 
beiden Seiten der Sulcus caroticus fiir die A. carotis interna. 

b) Am groBen Keilbeinfliigel. Das For. rotundum far den 
II. Ast des V. Hirnnerven (Trigeminus), das For. ovale fiir den III. Ast 
desselben Nerven und das For. spinosum fiir den N. spinosus (Re¬ 
currens des III. Astes) und die A. meningea media, ferner GefaB¬ 
furchen fiir die letztere (Teilung in einen vorderen und hinteren Ast). 


1 Da im vorhergehenden die einzelneu Schadelknochen bereits beschrieben 
sind, wird in diesem und den folgenden 4 Kapiteln (Basis cranii int. und ext., 
Augen- und Nasenhohle), nur ganz kurz das bereits Beschriebene wieder- 
holt: das ist aber auch das Minimum, was der Student tiber den Schadel 
wissen muB. 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


27 


c) Zwischen groBem und kleinem Keilbeinfliigel die Fiss. 
orbitalis sup., durch welche der III. Hirnnerv (N. oculo-motorius), der 
IV. Hirnnerv (N. trochlearis), der erste Ast des V. (N. trigeminus) der 
VI. (N. abducens) und die V. ophthalmica superior hindurchtreten. 

d) Zwischen groBem Keilbeinfliigel und Pyramide das 
Foramen lacerum , durch welches medial die Carotis int., lateral die 
Tuba auditiva und der M. tensor tympani, oberhalb derselben der 
N. petrosus superficialis major und minor hindurchtreten. 

e) An der vorderen oberen Pyramidenfl&che. Ganz vorn 
die Impressio trigemini fur das Ganglion Gasseri, lateral davon zwei 
Furchen, die mediale fur den N. petrosus superficialis major, die 
laterale fur den N. petrosus superficialis minor bestimmt (vgl. Fig. 4 
und S. 16). Weiter hinten nahe der oberen Xante die Eminentia ar¬ 
cuata, hervorgerufen durch den oberen Bogengang des inneren Ohres. 
Vor und lateral von der Eminentia das Tegmen tympani, nach dessen 
AufmeiBelung die Gehorknochelchen zutage treten. 

3. Die hintere Schadelgrube, Fossa cranii posterior , ist die 
tiefste und wird durch das Dorsum sellae, das Hinterhauptbein, 
die hintere obere Pyramidenflache und die Pars mastoidea 
des Sehlafenbeins gebildet: sie nimmt die Varolsbriicke, die Me¬ 
dulla oblongata und die beiden Kleinhirnhemispharen auf. In dieser 
Grube sind zu merken: 

a) Am Hinterhauptbein das For. occipitale magnum, durch 
welches die Medulla oblongata, die beiden Nn. accessorii (von unten 
nach oben), die beiden Aa. vertebrales (von unten nach oben), die 
beiden Aa. spinales antt. und Aa. spinales postt. (von oben nach 
unten) hindurchtreten. Vor dem For. magnum an der Pars basi¬ 
laris und dem Dorsum sellae der Clivus (Blumenbachi) fur die Varols¬ 
briicke und Medulla oblongata., Lateral vom Clivus, in der Fiss. petro¬ 
occipitalis der Sulcus petrosus inf., fur den gleichnamigen Sinus bestimmt. 
Lateral vom For. magnum die Partes laterales des Hinterhauptbeines, 
welche mit. der Pyramide das For. jugulare bilden. Durch das letztere 
treten in einem vorderen kleinen Fach drei Hirnnerven, der IX. 
(N. glossopharyngeus), der X. (N. vagus) und der XI. (N. accessorius), 
in einem hinteren groBen Fach die V. jugularis interna nach abwarts. 
Weiterhin zeigt die Pars lateralis medial vom For. jugulare noch das 
Tubere, jugulare, sowie unterhalb des letzteren den Canalis hypoglossi 
fiir den XII. Hirnnerven (N. hypoglossus). Hinter dem For. magnum 
die Squama occipitalis, an deren Innenfiache die Crista occipitalis int. 
(fur den Ansatz der Falx minor), der Sulcus transversus (fur den Sinus 
transversus bzw. den Ansatz des Tentorium), die Protub. occip. interna 
und die Fossae occipitales inff. (fiir die Kleinhirnhemispharen) zu er- 
wahnen sind. 

b) Am Schlkfenbein. Die Pars mastoidea zeigt den Sulcus 



28 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

• \ 

sigmoideus fur den gleichnamigen Sinus; sowie innerhalb dieser Furche 
oder in ihrer Nahe das For. mastoideum, durch welches ein Emissarium 
zieht. An der Pyramide (fiintere obere Flacbe) liegt der Porus 
acusticus internus, in den der VII. Hirnnerv (N. facialis) und der VIII. 
(N. acusticus), sowie die A. und V. auditiva interna eintreten; ferner 
mehr nach hinten und lateralwarts der Aquaeductus vestibuli und 
endlicb (nahe der oberen Kante) die Fossa subarcuata (vgl. S. 17). 

15. Die Basis cranii externa. 

Die auBere Fl&che des Schadelgrundes, Basis cranii externa 1 , 
wird vorn von den Gesichtsknochen, hinten von Hirnschadelknochen 
gebildet. Bei ihrer Beschreibung kann man sich nur an die einzelnen 
Knochen balten. Man findet an denselben: 

a) Am Hinterhauptbein ist in der Mitte das For. magnum (vgl. 
S. 12) gelegen. Die Basis cranii ext. wird hinten begrenzt von der Linea 
nuchae sup. (Insertion fur den M. occipitalis, stemo-cleido-mastoideus 
und trapezius), in deren Mitte die Ibrolub. occipitalis externa liegt. 
Zwischen der Linea nuchae sup. und dem For. magnum, parallel der 
vorigen, sieht man die Linea nuchae inferior (ftir die Insertion der Mm. recti 
cap. postt. major und minor und obliquus cap. post, superior), in der 
M edianltnie die Crista occipitalis externa fur das Lig. nuchae. In der 
Naht zwischen Hinterhauptschuppe und Pars mastoidea findet sich 
haufig das For. mastoideum, durch welches ein Emissarium zum. Sinus 
sigmoideus und ein R. meningeus der A. occipitalis in die Schadel- 
hohle tritt. 

An den Partes laterales befinden sich zu beiden Seiten die 
elliptischen Condyli occipitales zur Artikulation mit dem Atlas, hinter 
denselben die Fossa condyloidea mit dem gleichnamigen Kanal fur ein 
Emissarium, lateral davon der Proc. jugularis mit einem Hhcker zum 
Ansatz ftir den M. rectus capitis lateralis. Vor dem Proc. jugularis 
ist das Foramen jugulare (vgl. S. 27) gelegen. 

An der ParS basilaris in der Medianlinie das Tuberculum 
pharyngeum zum Ansatz ftir den M. constrictor pharyngis sup.; zu 
beiden Seiten desselben je zwei transversale Leisten, an denen 
sich der M. longus capitis und M. rectus cap. anterior fortsetzen. 

b) Am Schlafenbein ist die Pyramide hinten durch die Fiss. 
petro-ocdpitalis und das For. jugulare vom Hinterhauptbein, vorn durch 
das For. lacerum (vgl. S. 27) vom groBen Keilbeinfliigel geschieden. An 
derselben fallt die scharfe Crista petrosa auf, welche hier unten die 
vordere und hintere Pyramidenflache scheidet Von der vorderen 

1 Da bereits bei den einzelnen Schadelknochen und jetzt erst wieder bei 
der Basis cranii interna alie diejenigen Organe erwiihnt sind, welcbe durch die 
wichtigen Loeher der Schadelbasi® hindurchtreten, erscheint es nicht mehr notig, 
daB diesclben bei der Basis cranii externa noch einmal aufgefiihrt werden. 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


29 


I^lache ist wenig mehr ais die vordere Wand der Paukenhohle und 
des auBeren Geliorganges zu sehen. An der hinteren Flache fallt 
zunachst das For. caroticum ext. (ftir die Carotis interna) auf. Dioht 
dahinter ist die Fossula petrosa fur das Ganglion petrosum des N. glosso¬ 
pharyngeus mit der Apertura ext. canaliculi tympanici (zum Eintritt fiir 
den N. tympanicus), endlich ganz in der Tiefe des For. jugulare der 
schreibfederformige Eindruck des Aquaeductus cochleae gelegen. Lateral 
davon ist der Sulcus jugularis mit einer kleinen Furche bzw. Offnung 
{Canaliculus mastoideus) fiir den R. auricularis n. vagi sichtbar. Noch 
weiter lateral sind der Proc. styloideus und das For. stylo-mastoideum fiir 
den N. facialis und die A. stylo-mastoidea (aus der Maxillaris int.) 
wahrznnehmen. 

Die Pars mastoidea ist zunachst sofort an dem Proc. mastoi¬ 
deus zu erkennen, welcher die Cellulde mastoideae enth&lt und dem 
M. sterno-cleido-mastoideus ,zum Ansatz dient. Medial von demselben 
ist die Inc. digastrica fiir den M. digastricus mandibulae, noch weiter 
medial der Sulcus d. occipitalis wahrzunehmen. Dicht vor dem Proc. 
mastoideus ist endlich der Porus acusticus externus gelegen. 

Die Squama temporalis zeigt vor allem die Fossa mandibularis, 
in die sich das Capitulum mandibulae hineinlegt. Vor dieser Grube 
liegt das Tubere, articulare , hinter derselben*die Fiss. •petro-squamosa 
und noch weiter hinten die Fiss. petro-tympanica s. Olaseri, von denen 
jedoch meist nur die letztere vorhanden ist, weil durch dieselbe neben 
der kleinen A. und V. tympanica ein wicbtiges Organ, nimlich die 
Chorda tympani (vom N. facialis zum N. lingualis des III. Trigeminus- 
astes) heraustritt (vgl. S. 17). ' 

1 c) VomKeilbein sind an der Basis cranii ext. fast nur die groBen 
Keilbeinfliigel und die Gaumenfliigel wahrzunehmen. 

Der groBe Keilbeinfl&gel zeigt das For. ovale fiir den III. Ast 
des Trigeminus, weiter hinten und lateral das For. spinosum, durch 
welches die A. meningea media (aus der Maxillaris int.) und der Re¬ 
currens des III. Trigeminusastes (N. spinosus) in die Schadelhhhle 
treten. Der starke Vorsprung hinter dem For. spinosum wird ais 
Spina angularis bezeichnet. Nach vorn von der letzteren ist das Planum 
infratemporale (Fossa infratemporalis ) gelegen. 

Am Proc. pterygoideus fallen zunachst die Lamina medialis 
und lateralis auf, welche durch die Fossa pterygoidea getrennt sind, 
wahrend sich vom Gaumen her der Proc. pyramidalis des Gaumen- 
beins zwischen beide Platten einschiebt. Am uuteren Ende der La¬ 
mina medialis ragt der Hamulus pterygoideus nach abwarts, welcher 
lateral einen Einschnitt Sulcus hamuli , hesitzt, um den sich die Sehne 
des M. tensor veli palatini herumschlingt. Am hiuteren Rande der 
Lamina medialis ist mitunter noch der Proc. tubarius vorhanden, auf 
dem die Tubenmiindung ruht. Yon dem letzteren verlault die kleine 



30 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Fossa scaphoidea in derselben Richtung wie die Tube nach oben dnd 
lateralwarts. Doch ist die Tube von dieser Grube durch den Ursprung 
des M. tensor veli getrennt. Zwischen dem Proc. pterygoideus und 
dem Oberkieferbein ist die Fissura spheno-maxillaris gelegen, welche 
den Zugang zur Fossa pterygo-palatina bildet, welche das Ganglion 
spheno-palatinum (Ganglion nasale) 'des II. Trigeminusastes und das 
Ende der A. und V. maxillaris int. aufnimmt. Zwischen den beiden 
Procc. pterygoidei sind die hinteren Nasenoffnungen, Choanae , ge- 
lcgen, die durch den Vomer getrennt werden. 

d) Der harte Gaumen, Pedatum durum, wird umrahmt vOn den 
Proce, alveolares der Oberkieferbeine, in denen die Zahne stecken. An 
seiner Zusammensetzung sind jederseits der Proc. palatinus des Ober- 
kiefer- und die Pars horixontalis des Gaumenbeins beteiligt. In der 
Medianlinie liegt die Sutura palatina mediana, quer verlauft die Sutura 
palatina transversa; vorn ist das For. incisivum und haufig noch eine 
Sutura incisiva vorhanden. Endlich sind am hintersten Abschnitt des 
Gaumens die Spina nasalis posterior sowie ganz lateral das For. pala¬ 
tinum majus und ein oder zwei Forr. palatina minora zu erwahuen. 
Durch dieselben treten, abgesehen von den gleichnamigen BlutgefaBen, 
Aste der Nn. palatini (pterygo-palatini) zum Gaumen, um dann in den 
Furchen desselben nach vorn und medianwarts zu verlaufen. 

16. Die Augenhohle. 

Die Augenhohlen, Orbitae, bilden vierkantige Hohlpyramiden, 
deren Basis nach vorn, deren Spitze nach hinten gerichtet ist und 
deren Langsachsen, nach hinten verlangert, am Turkensattel kon- 
vergieren wilrden. 

Die Basis, Aditus orbitae, ist eine Offnung, deren oberer Rand, 
Margo supraorbitalis, vom Stirnbein, deren medialer Rand von 
der Crista lacrimalis ani. des Oberkieferbeins, deren unterer Rand 
vom Margo infraorbitalis des Oberkiefer- und Jochbeins, deren late- 
raler Rand vom Margo orbitalis des Jochbeins gebildet wird. Am 
Margo supraorbitalis ist die Inc. supraorbitalis, welche manchmal ais 
Foramen auftritt, fur den N. frontalis s. supraorbitalis vom I. Trige- 
minusast 'und die gleichnamigen BlutgefaBe zu erwahnen. Medial 
von der letzteren ist mitunter eine lnc. frontalis (fur Nebenzweige) 
sichtbar. 

Die obere Wand (Decke) der Augenhohle wird von der Pars 
orbitalis des Stimbeins und dem kleinen Keilbeinfltigel gebildet. Ganz 
hinten ist zu derselben noch das For. opticum (fur den N. opticus und 
die A. ophthalmica, aber nicht fur die V. ophthalmica) zu rechnen. 
Vorn lateral, unter dem Proc. zygomaticus findet sich an der oberen 
Wand noch die deutliche Fossa lacrimalis fur die Tranendriise, vorn 
medial die seichte Fovea trochlearis, mitunter auch eine Spina trochlearis 



II. Schadel und Kiefergelenk. 31 

vor, welche fiir die Sehne des M. obliquus oculi sup. bzw. seine Rolle 
bestimmt sind. 

Die mediale Wand wird durch den Stirnfortsatz des Oberkiefer-. 
beines, das Tranenbein, die Lam. papyracea des Siebbeines und hinten 
auch durch die Seitenflache dea Keilbeinkorpers gebildet. An der Grenze 
zwischen oberer und medialer Wand (genauer gesagt zwischen Lam. 
papyracea und Stimbein) sind zwei Offnungen, das For. ethmoidale 
anterius und posterius gelegen. Die vor der e, das For. ethm. ant, dient 
zum Durchtritt fiir den N. ethmoidalis ant. (vom Naso-ciliaris des 
1. Trigeminusastes) und die A. und V. ethmoidalis ant. (aus der Ophthal- 



Fig. 5. Sagittalschnitt durch dea Gesichtsch&del; Augenhohle und 
Kieferhohle von aufien geoffnet (nach Geqenbade). 

mica), die hintere, das For. ethm. post., zum Durchtritt fiir die 
gleichnamigen Zweige aus der Augen- in die Nasenhbhle. Ganz vom 
befindet sich an dieser Wand zwischen der Orista lacrimalis ant. des 
Oberkieferbeines und der Crista lacrimalis post, des Tranenbein es der 
Sulcus lacrimalis, der sich nach unten in den Ductus naso-lacrimalis 
fortsetzt und den Tranensack beherbergt. 

Die untere Wand (Boden der Orbita) wird durch den Proc. 
maxillaris des Jochbeins, die Facies orbitalis des Oberkieferbeines 
und den kleinen Proc. orbitalis des Gaumenbeines gebildet. An der 
Grenze zwischen dieser und der lateralen Wand befindet sich die 
untere Augenhdhlenspalte, Fiss. orbitalis inferior, durch welche 
der N. infraorbitalis (vom II. Trigeminusast), die gleichnamigen Blut- 



32 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muakellehre. 

gefaBe (aus der Maxillaris int.) sowie die V. ophthalmica inf. aus- und 
eintreten. Die InfraorbitalgefaBe und der N. infraorbitalis laufen als- 
dann in dem sagittalen Sulcus infraorbitalis nach vorn, welcher sich 
weiterhin zum Canalis infraorbitalis schlieBt. Oberhalb des letzteren 
ist nocb haufig eine Sutura infraorbitalis vorhanden. 

Die laterale Wand wird vorn durch das .Tocbbein, binten durch 
den groBen Keilbeinflugel gebildet. An der Grenze zwischen lateraler 
und oberer Wand ist die obere Augenhohlenspalte, Fissura orbi¬ 
talis superior, sichtbar. Durch die letztere treten auBer der V. ophthal¬ 
mica sup. 1 vier Hirnnerven, n&mlich der III. (N. oculo-motorius), der 
IV. (N. trochlearis), der erste Ast des V. (N. trigeminus) und der VI. 
(N. abducens) aus-der Schadel- in die Nasenhohle hinein. Endlich 
kann man nocb erwahnen, daB an der Orbitalflache des Jochbeins 
der Canalis xygomatico-fadalis und zygomatico-temporalis fiir die gleich- 
namigen Zweige des N. zygomaticus (II. Trigeminusast) in letzteren 
Knochen eintreten. 

17. Die Nasenhohle. , 

Die knocherne Nasenhohle, Cavum nasi osseum, wird durch 
das Septum narium in eine linke und rechte Nasenhohle geschieden. 
Die vordere Nasenoffnung, Apertura piriformis, ist beiden gemein- 
sam; dagegen ist hinten fur jede Halfte eine besondere hin tere 
Nasenoffnung, Choana , vorhanden. An jeder Nasenhohle muB man 
nun die Haupthohle und die Nebenhohlen unterscheiden, zu denen 
die Stirnhohle, Sinus frontalis, die Siebbeinzellen, Cellulae ethmoi¬ 
dales, die Kieferhohle, Sinus maxillaris (Antrum Higmori), endlich die 
Keilbeinhohle, Sinus sphenoidalis, gehoren. 

Die obere Wand (Decke der Nasenhohle) wird jederseits durch 
das Nasenbein, die Pars nasalis des Stimbeins (vgl. S. 11), endlich 
durch die vordere und untere Flache des Keilbeinkorpers gebiMet. 
Mit Ausnahme der hekannten Lamina cribrosa (vgl. S. 20) ist an dieser 
Wand nur das For. sphenoidale (der Eingang zur Keilbeinhohle) zu 
erwahnen. 

Die untere Wand wird vorn aus dem Zwischenkiefer, in der 
Mitte aus dem Proc. palatinus des Oberkieferbeins und ganz hinten 
aus der Pars horizontalis des Gaumenbeins gebildet. Vorn zu beiden 
Seiten des Septum ist die obere Offnung des Canalis incisivus gelegen. 

Die mediale Wand ( Septum ) setzt sich aus der Lamina per¬ 
pendicularis des Siebbeins und dem Vomer zusammen. Beide bilden 
vorn einen Winkel, in welchen sich der viereckige Scheidewand- 

1 Die V. ophthalmica sup. samraelt das Blut aus dem oberen Teii der 
Augenhoble und flieBt in den Sinus cavernosus. Die V. ophthalmica inf. 
sammelt das Blut aus dem unteren Teii der Augenhohle und mundet in den 
Plexus pterygoideus, der die V. maxillaris int. ersetzt. 



II. Schadel und Kiefergelenk. 


38 


knorpel (Cartilago quadrangularis) hineinschiebt. Am Vomer ware 
noch der Sulcus naso-palatinus Scarpae fiir die gleichnamigen GefaBe 
und Nerven (vgl. S. 25) zu erw&hnen. 

Die laterale Wand der Nasenhohle ist die wichtigste, aber 
aucb kompbzierteste insofem, ais sicb an der Bildung derselben eine 
groBe Zahl von Knocben beteiligen, namlich: 1. der Stirnfortsatz und 
Korper des Oberkieferbeins, 2. das Tranenbein, 3. das Labyrinth 
des Siebbeins, 4. die Pars perpendicularis des Gaumenbeins, 
endlich noch 5. ais besonderes Knochenstiick die untere Muschel 
(die beiden oberen gehoren zum Siebbein). An dieser Wand ragen 



Fig - . 6. Medianschnitt durch den Gesichtschiidel mit Nasenscheidewand 

(nach Geoenbaur). 

drei platte, langliche Vorsprtinge, die drei Nasenmuscheln, Concha 
superior, media und inferior, nacb unten und medianwarts in die Nasen¬ 
hohle hinein. Die Muscheln zeigen das Ausseben der bereits S. 25 
beschriebenen unteren Muschel: die oberste ist die kleinste, die unterste 
die groBte. Den unterhalb einer jeden Muschel gelegenen Raum be- 
zeichnet man ais Nasengang, Meatus narium : man hat also einen 
oberen, Meatus narium superior, einen mittleren, Meatus narium 
medius, und einen unteren, Meatus narium inferior, zu unterscheiden. 
Der obere Nasengang bildet nur einen kurzen Einschnitt, welcher 
die hintere Halfte der Nasenhohle nicht iiberscbreitet. Daher kann 
in denselben auch nicht die Stirnhohle, sondern nur die mittleren 
und hin.teren Siebbeinzellen einmunden. Hinter der Concha sup. 
ist eine Einbuchtung, Recessus spheno-ethmoidalis, gelegen: in die letztere 
sieht die MiindungsOffnung der Keilbeinhbhle, For. sphenoidale, hin- 

Broesike, Repetitorium anatomicum. 3 





34 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

ein. Im mittleren Nasengang ist vorn oben (unter dem vorderen 
Ende der mittleren Muschel) die Miindung der Stirnhohle, auf der 
H5he der Bulla ethmoidalis diejenige der vorderen Siebbein- 
zellen, endlicb dicbt iiber der unteren Muscbel die Miindung der 
Kieferhohle, For. maxillare, gelegen. Die letztere wird durch den 
Proe. uncinatus des Siebbeins in zwei kleinere Offnungen geschieden. 
In den unteren Nasengang endlich miindet der Ductus naso-lacri- 
malis, welcher indessen von der unteren Muscbel ganz verdeckt -wird. 
Am Boden dieses Ganges ist auch noch die bereits S. 23 erwahnte 
Miindung des Canalis incisivus wahrzunehmen. Dicht hinter dem 
hinteren Ende der mittleren Muschel ist endlich noch das For. spheno¬ 
palatinum zu erwahnen, durch welches (von der Fossa pterygo-palatina 
aus) die Nn. nasales postt. supp. und die gleichnamigen BlutgefaBe 
in die Nasenhohle treten. 

18. Unterkiefer und Zungenbein. 

Der Unterkiefer, Mandibula, wird in das hufeisenformige Mittel- 
stiick, den Korper, Corpus, und die beiden aufwarts ragenden Aste, 
Rami, eingeteilt. 

1. Der Korper, Corpus, zeigt den unteren Rand, Basis man¬ 
dibulae, feraer den oberen Rand, Proc. alveolaris , mit den Alveoli , Sepia 
und Iuga alveolaria, sowie eine auBere und innere Flache. 

Die auBere Flache besitzt vorn in der Mitte die Protuberantia 
mentalis, lateral davon jederseits die Fossa mentalis, in welcher der M. men¬ 
talis entspringt, endlich noch weiter lateral das For. mentale, aus dem. 
der N. mentalis ais Fortsetzung des N. alveolaris inf. (vom III. Tri- 
geminusast) und die gleichnamigen BlutgefaBe (aus der Maxillaris int.) 
heraustreten. Weiter hinten ist noch die Linea obliqua, zu nennen,’ 
welche nach oben in den vorderen Band des Astes iibergeht. 

Die innere Flache des Korpers zeigt median die Spina men¬ 
talis, von welcher der M. genio-hyoideus und genio-glossus entspringen. 
Zu* beiden Seiten liegen die Fossae sublinguales (fur das vordere Ende 
der Gl. sublinguales); weiter unten, mehr rauh, jederseits die Fossae 
digastricae, an denen sich der M. digastricus mandibulae ansetzt. Von 
den letzteren zieht schrag nach oben die Linea mylo-hyoidea, von 
welcher der M. mylo-hyoideus entspringt. Dicht unterhalb dieser 
Linie ist der Sulcus mylo-hoideus fur die gleichnamigen GefaBe und 
Nerven (aus dem N., der A. und V. alveolaris inf.) mehr oder weniger 
deutlich wahrzunehmen. 

2. Die beiden Aste, Rami, bilden mit dem Korper beim Kinde 
und Greise einen flachen, beim Erwachsenen einen mehr rechten 
Winkel. Die Ubergangstelle in den Korper besitzt eine vorspringende 
Ecke, Angulus mandibulae, an deren AuBenflache sich der M. masseter, 
an deren Innenflache sich der M. pterygoideus internus inseriert. 



35 


II. Schadel und Kiefergelenk. 

Der obere Randdes Astes zeigt die Incis. mandibulae, uber 
die der N. massetericus bzw. die betr. GefaBe zu dem gleichnamigen 
Muskel treten. Vor der Inzisur ist der Proc. coronoideus (fur den 
M. temporalis), hinter ihr der Proc. condyloideus mit dem Capitulum 
und Collum mandibulae, endlich an der Vorderflache des Proc. condy¬ 
loideus noch die Fossa pterygoidea (fur den • Ansatz des M. pteryg. 
ext.) zu erwahnen. 

Die mediale Flache des Astes zeigt neben der kleinen Lingula 
das For. mandibulare, das in den Kieferkanal, Canalis mandibularis, 
fiihrt, welcher die beim For. mentale erwahnten Nerven und GefaBe 
enthalt. 


Das Zungenbein, Os hyoideum, ist ein kleiner hufeisenformiger 
Knochen, welcher in 'die Zungenwurzel eingelagert ist: und von dem 
auBer verschiedenen Zungenmuskeln noch diverse Halsmuskeln ent- 
springen bzw. an ihm inserieren. Seine Lage soli dem oberen Rande 
des IV. Halswirbels entsprechen. Das Zungenbein besteht aus dem 
vierseitigen Korper, Corpus, und den beiden groBen Hornern, 
Cornua majora. An der Grenze zwischen dem Korper und den groBen 
Hornern ragen nach oben die vielfach knorpligen kleinen Horner, 
Cornua minora, welche durch das Lig. stylo-hyoideum mit dem Proc. 
styloideus verbunden sind. 

f* 

' 19. Das Kiefergelenk. 

Das Kiefergelenk, Artic. mandibulae, ist zwischen der Fossa 
mandibularis des Schlafenbeins und dem Gelenkkopf des Unterkiefers 
gelegen. Die annahernd zylindrischen Gelenk&achen sind inkongruent; 
deswegen ist eine fibrose Gelenkscheibe, Discus articularis, zwischen 
dieselben eingelagert, welche vom Gelenkkopf bei jeder Vor- und 
Riickwartsbewegung wie eine Art von portativer Gelenkpfanne 
mitgenommen wird. 

Die Hauptbewegungen im Kiefergelenk sind: 1. das Vor- 
warts- und Riickwartsschieben des Unterkiefers, wobei die 
beiden Gelenkkopfe (nebst dem Discus) aus der Pfanne nach vom 
und dann wieder zuriicktreten; 2. das Offnen und SchlieBen des 
Unterkiefers (eine Art Scharnierbewegung), wobei ebenfalls beide 
Gelenkkopfe nach vora auf das Tubere, articulare riicken, wenn der 
Kiefer ausgiebig geoffnet wird; endlich 3. die scheinbar seitliche 
Bewegung des Unterkiefers, wobei aber nur ein Gelenkkopf nach 
vora auf das Tub. articulare tritt, wahrend der andere in der Pfanne 
bleibt. 1 Von Verstarkungsbandern hat man am Kiefergelenk vor 

1 Man kann bei den Bewegungen des Unterkiefers vor dem Ohr sehr 
deutlich den Gelenkkopf fahlen. 


8 




36 Erater Teii. Kuochen-, Bander- und Muskellehre. 

allem zwei, namlich: 1. das laterale Seitenbaud, Lig. temporo¬ 
mandibulare, welches in die Kapsel eingewebt ist und 2. das mediale 
Seitenband, Lig. spheno-mandibulare, welches neben der Kapsel von 
der Spina angularis zur Lingula mandibulae zieht, zu nennen. Ais 
wichtig ist femer noch das Lig. pterygo - mandibulare (intermaxillare) 
zu bezeichnen, welches den Hamulus pterygoideus mit dem Unter-' 
kiefer (dicht hinter dem letzten Backzahn) verbindet und eine zu 
weite Offnung der Kiefer verhindert. Das Band, das ganz hinten in 
der Mundhohle unter der Schleimhaut zu fuhlen ist, dient vorn dem 
M. buccinator,' hinten dem obersten Schlundkopfschniirer zum Ursprung 
(daher auch Raphe pterygo-mandibularis benannt). 

III. Kopf- und Halsmuskeln. 

A. Die Kopfmuskeln. 

Die Kopfmuskeln kann man in: 1. die Schadelmuskeln; 
2. die. Augenmuskeln; 3. die Gesichtsmuskeln; 4. die Kau- 
muskeln einteilen, zwischen und auf denen dann die Faszien des 
Kopf es gelegen sind. • 

1. Die Schadelmuskeln. 

-i Die Schadelmuskeln konnen auch ais ein einziger, namlich 
ais Schadelhaubenmuskel, M. epicranius, angesehen werden, welcher 
dann in den M. frontalis, die sogen. Galea aponeurotica und den M. occi¬ 
pitalis eingeteilt wird. Die sogen. Schadelohrmuskeln, namlich 
der M. auricularis ant. (M. attrahens auriculae), der M. auricularis sup. 
(Attollens) und der einfache oder doppelte M. auricularis post. (Re¬ 
trahens) konnen wegen ihrer geringen Entwicklung iibergangen werden. 

1. Der M. frontalis entspringt mit einem kleinen Biindel von 
der Nasenwurzel [M. procerus), mit einem anderen vom Stimfortsatz 
des Oberkieferbeins, mit der Hauptportion von einem Sehnenbogen, 
welcher mit der Haut der Augenbrauen, ah er auch mit dem Orbi¬ 
cularis oculi fest verwachsen ist. Ansatz: Ausstrahlung in die 
Galea. Fnnktion: Hebt die Augenbrauen und runzelt die Stirn 
in Querfalten. Wird der Sehnenbogen durch Kontraktion des Orbi¬ 
cularis festgehalten, so zieht er mittels der Galea die Kopf haut 
nach vom. 

Unter ihm liegt der M. corrugator supercilii (Runzler der Augen- 
braue), welcher von der Glabella entspringt und lateralwarts zwischen 
die Frontalisfasern einstrahlt. 

2 . Die sehnige Haube, Galea aponeurotica , ist mit der Kopf- 
haut durch zahlreiche fibrose Strange fest verwachsen, dagegen gegen 
den Schadel (Einlagerung von lockerem Bindegewebe zwischen Schadel- 



III. Kopf- und Halsmuskeln. 


37 


periost und Galea) leicht verschieblich. Kopfhaut und Galea bilden 
zusammen die „Kopfschwarte“. 

3. Der M. occipitalis entspringt von der Linea nuchae sup. und 
strahlt nach oben in die Galea ein. Funktion: Zieht Galea und 
Kopfhaut nach hinten. 

2. Die Augenmuskeln. 

Hier sind innere und buBere Augenmuskeln zu unterscbeiden. 
Die inneren, welche den Bulbus bewegen, werden beim Sehorgan 
erortert werden. Die auBeren bilden eigentlicb einen eiqzigen Muskel, 
M. orbicularis oculi (von Henle besser M. sphincter oculi genannt), an 
dem man drei Portionen, namlich: 1. die Pars orbitalis ; 2. die Pars 
palpebralis und*3. die Pars lacrimalis unterscheiden kann. 

1. Die Pars orbitalis (der eigentliche M. orbicularis oculi) besteht 
aus ringformigen Fasem, welche am medialen Augenwinkel ent- 
springen und um den Augenhohlenrand zur Ursprungstelle zuriick- 
kebren. Funktion: Herabziehen der Augenbrauen, Runzelung der 
Haut um die Lider. 

2. Die Pars palpebralis (M. palpebralis sup. und inf.) entspringt vom 
Lig. palpebrale mediale und zieht unter der dfinnen fettlosen Haut 
der Augenlider zum Lig. palpebrale laterale hin. 1 Der Muskel ist 
am freien Augenlidrande am starksten entwickelt [M. ciliaris Riolani). 
Funktion: LidschluB, Erweiterung des Tranensackes und Ein- 
saugung des Tranensekretes in den letzteren (durch Vermitte- 
lung des Lig. palpebrale mediale). 

3. Die Pars lacrimalis (M. lacrimalis, Horner’scher Muskel) 
entspringt in der Tiefe von der Crista lacrim. 'post, des Tranenbeins 
und setzt sicb haupts&chlich in den M. ciliaris Riolani fort. Funk¬ 
tion: er dttrfte hauptsachlich beim Aufeinanderpressen derLid- 
r an der in Tatigkeit treten. 

3. Die Gesichtsmuskeln. 

Ihrer Funktion nach kann man dieselben im wesentlicben in 
Mund- und Nasenmuskeln einteilen. Henle teilt dieselben in drei 
Schichten, wogegen sich aber aucb Einwendungen erbeben lassen. 

. I. Schicht. 

1. Der M. xygomaticus kommt vom Jochbein; 

2. Der M. risorius von der Fascia parotideo-masseterica; 

3. Der M. triangularis von der Basis des Unterkiefers. 

1 Das Lig. palpebrale mediale ist ein Streifen, welcber die Crista lacrimalis 
ant. mit der post, verbindet und mit dem Tranensack verwachsen ist. Das 
Lig. palpebrale lat. ist ein Bindegewebsstreifen, welcher die Augenlidknorpel mit 
dem M&rgo orbitalis des Jochbeins verbindet. 



38 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Alie drei ziehen zum Mundwinkel hin. Funktion: Der M. zygo¬ 
maticus zieht den Mundwinkel nach oben und lateralwarts (breites 
Lachen), der M: risorius nach lateralwarts (Lacheln), der M. triangularis 
(M. depressor anguli oris) nach abwarts (z. B. beim Weinen). 

II. Sehieht. 

1. Der M. quadratus labii inferioris entspringt mit drei Kopfen: 
a) dem Caput zygomaticum vom Jochbein; h) dem Caput infraorbitale 
vom Margo infraorbitalis und c) dem Caput angulare von der Nasen- 
wurzel. Ansatz: an NasenflQgel und Oberlippe. Funktion: hebt 
die letzteren (z. B. bei tiblem Geruch). 

2. Der M. caninus geht von der Fossa canina zum Mundwinkel. 
Funktion: zieht letzteren aufwarts. 

3. Der M. quadratus labii inferioris entspringt Von der Basis 
mandibulae und inseriert zwischen den Fasern des Orbicularis am 
Lippenrot. Funktion: zieht die Unterlippe nach abwarts. 

III. Sehieht. 

1. Der M. buccinator (Trompetermuskel) entspringt vom Lig. 
pterygo-mandibulare sowie vom Proc. alveolaris des Ober- und Unter- 
kiefers. Ansatz: am Mundwinkel. Funktion: preBt den zwischen 
den Backen und Zahnen befindlichen Inhalt heraus. Wie er. beim 
Trompetenblasen mitwirkt, ist noch zweifelhaft. 

Zwischen dem Buccinator und dem Masseter liegt der BiCHAT’sche 
Fettklumpen, .welcher beim Saugakt eine wichtige Rolle spielt. 
Der M. buccinator wird binten vom Ductus parotideus durchbohrt. 

2. Der M. orbicularis oris besteht groBtenteils aus Ringfasern, 
welche im sogen. Lippenrot um die Mundspalte verlaufen. Andere 
Fasern desselben setzen sicb am Lippenrot fest [Mm. recti labiarum), 
noch andere gehen unter Kreuzung in den Buccinator iiber. Funk¬ 
tion: er schlieBt und spitzt den Mund (Kiissen). 

8. Der M. mentalis. Urspruug: Fossa mentalis. Ansatz: ab¬ 
warts ziehend an der Haut des Kinnes. Funktion: hebt die letztere. 

4. Der M. nasalis ist vom M. quadratus labii superioris bedeckt. 
Ursprung: etwa vom Jugum des Eckzahns. Ansatz: seine Fasern 
ziehen zum Teii zum Nasenrficken {M. compressor nasi), zum Teii zum 
hinteren Ende des Nasenflilgels (M. depressor alae nasi) zum Teii bogen- 
formig in die Haut des Nasenflilgels fM. levator alae nasi proprius). 
Die Funktion ist in den drei letzten Bezeichnungen enthalten, welche 
allerdings jetzt nicht mehr angewendet werden. 

4. Die Kaumuskeln. 

Zu den Kaumuskeln gehoren: 

1. Der M. masseter entspringt vom Jochbogen und inseriert 
an der lateralen Flache des Kieferwinkels. Funktion: KieferscbluB. 



39 


III. Kopf- und Halsmuskeln. 

2. Der M. temporalis entspringt vom Planum temporale' bzw. 
der Fascia temporalis (§. unten). Ansatz: zieht medial vom Joch- 
bogen zum Proc. coronoideus mandibulae. Funktion: Kiefer- 
schlufi. Die hintersten Fasern konnen den vorgeschobenen Unter- 
kiefer nach vorn ziehen. 

3. Der M. pterygoideus externus liegt noch weiter medial, ais der 
vorige. Ursprung: oberer Kopf von der Lamina lateralis des 
Gaumenflugels, unterer Kopf vom Planum infratemporale. Ansatz: 
an der Fossa pterygoidea und der Kapsel des Kiefergelenkes. Funk¬ 
tion: zieht den Proc. condyloideus nebst der Gelenkkapsel bzw. Ge- 
lenkscheibe nach vorn, wie dies bei vielen Bewegungen des Unter- 
kiefers (vgl. S. 35) der Fall sein kann. 

4. Der M. pterygoideus internus liegt an der medialen Seite des 
Astes. Ursprung: Fossa pterygoidea des Keilbeins. Ansatz: Mediale 
Flache des Kieferwinkels bis zum For. mandibulare hin. Funktion: 
KieferschluB. 

5. Die Faszien des Kopfes. 

1. Unter den Faszien des Kopfes ist ais starkste die. Fascia 
parotideo-masseterica zu nennen, welche, an der AuBenflache des 
M. masseter gelegen, zugleich die Parotis so fest einhullt, daB die 
letztere unter derselben kaum zu fiihlen ist. Sie ist oben mit dem 
Jochbogen, vom mit dem' Eand des Masseter verwachsen. Nach 
hinten und unten geht sie in die Lam. superficialis der Fascia colli 
propria Uber. 

2. Die Fascia temporalis, ebenfalls sehr derb, entspringt von der 
ganzen Linea temporalis, bedeckt den M. temporalis und setzt sich 
unten mit zwei Blattera an der medialen bzw. lateralen Flache des 
Jochbogens an. 

3. Die Fascia bucco-pharyngea ist eine dunne Bindegewebslage an 
der AuBenflache des M. buccinator, sie ist hinten mit dem Lig. pterygo¬ 
mandibulare verwachsen und setzt sich von hier auch auf die AuBen¬ 
flache der Schlundkopfschnurer fort. 

B. Die Halsmuskeln. 

Die Halsmuskeln kann man in eine oberflachliche und eine 
tiefe Schicht einteilen. Doch ist auch diese Einteilung etwas will- 
kurlich. 

a) Oberflachliche Schicht. 

Man kann zu derselben rechnen: 1. das Platysma , 2. den M. sterno- 
cleido-mastoideus, 3. die Zungenbeinmuskeln (obere und untere). 

1. Das Platysma (Hautmuskel des Halses) ist dicht unter der 
Haut des Halses gelegen. Seine Fasern entspringen etwa in Hohe 
der II. Rippe auf der Fascia pectoralis superficialis, ziehen schrag 



40 


Erster Teii. Knocken-, Bander- und Mnskellehre. 


nach oben und medianwarts und setzen sich zum Teii an der Basis 
des Unterkiefers fest, zum Teii ziehen sie hoher ins Gesicht, um 
schlieBlich in den M. risorius umzubiegen. Das Platysma ist mit der 
darunter liegenden Fascia colli (oberflacbliches Blatt) verwachsen. 
Funktion: Spannt die letztere und verhindert dadurch, d?iB die 
hindurchtretenden Halsvenen wahrend der Inspiration kolla- 
bieren, wodurcb eine Blutstauung eintreten mtiBte. 

2. Der M. stemo-cleido-mastoideus entspringt vom Manubrium 
sterni ( Portio sternalis), sowie vom medialen Ende der Clavicula ( Portio 
clavicularis ). Ansatz: am Proc. mastoideus und der Linea nuchae 
sup. Funktion:. Wirkt nur einer, z. B. der rechte, so wird der 
Kopf nach links gedreht und nach rechts geneigt. Wirken bpide 
Muskeln zugleich, so wird das Gesicht gehoben. Wahrscheinlich 
sind beide Muskeln bestandig tatig, um den Kopf in der Gleich- 
gewichtslage zu halten (daher die von mir vorgeschlagene Bezeichnung 
Kopfhalter).. Ist der Kopf fixiert, kann er den Brustkorb heben 
(Inspiration). 

3. Die Zungenbeinmuskeln (auch‘'als mittlere Halsmuskeln 
bezeichnet) kann man in obere und untere Zungenbeinmuskeln 
(nicht mit den Zungenmuskeln zu verwechseln) einteilen. 

Die oberen Zungenbeinmuskeln (oberhalb des Zungenbeins 
liegend) verhalten sich folgendermaBen: 

a) Der M. digastricus (zweibauchig) entspringt jederseits in der 
Inc. mastoidea, verlauft (mittels des hinteren Bauches) zum Zungen- 
bein, an welches er mit einer Zwischensehne, Tendo intermedius, 
inseriert und setzt sich dann (mittels des vorderen Bauches) an der 
Fossa digastrica mandibulae fest. Funktion; Heber des Zungen¬ 
beins. Ist letzteres fixiert, kann er den Unterkiefer abwarts 
ziehen. 

b) Der M. stylo-hyoideus. Ursprung: jederseits am Proc. styloideus. 
Ansatz: am Korper und groBen Horn des Zungenbeins. Funktion: 
Hebt das letztere. Der Muskel wird von der Zwischensehne des 
Digastricus durchbohrt. 

c) .Der M.mylo-hyoideus, unpaar, oberhalb des vorderen Digastricus- 
bauches gelegen, entspringt jederseits von der Linea mylo-hyoidea 
des Unterkiefers. Die Fasern setzen sich an einer medianen sehnigen 
Raphe fest, welche vom Unterkiefer zum Zungenbein zieht (zum Teii 
auch noch an letzterem Knochen). Funktion: Hebt den Boden 
der Mundhohle, wie z. B. beim Schlucken, wobei auch das Zungen¬ 
bein gehoben wird. Ist letzteres fixiert, so kann der Unterkiefer 
abwarts gezogen werden. 

d) Der M. genio-hyoideus , paarig, von der Spina mentalis zum 
Korper des Zungenbeins. Funktion; Heber des Zungenbeins 
bzw. Abwartszieher des Unterkiefers. 



III. Kopf- und Halsmuskeln. 


41 


Die unteren Zungenbeinmuskeln, samtlich paarig, erstrecken 
sich vom Zungenbein nach abwarts. Dazu gehoren: 

a) Der M. stemo-hyoideus. Ursprung: hintere Flache des Manu¬ 
brium sterni und Stemo-claviculargelenk. Ansatz: Korper desZungen- 
beins. Funktion: Zieht das Zungenbein abwarts. 

b) Der M. omo-hyoideus, zweibauchig, mit einer Zwischensehne 
versehen, entspringt dicht neben der Inc. scapulae, zieht hinter 
dem M. sterno-cleido-mastoideus schrag aufwarts und inseriert dicht 
neben dem Sterno-hyoideus am KSrper des Zungenbeins. Funktion: 
Da er in das tiefe Blatt der Fascia colli eingehiillt ist, welche mit der 
Scheide der groBen HalsgefaBe verwachsen ist, kann er die 
V. jugularis int. erweitern (Henle). Kann auch das Zungenbein ab¬ 
warts ziehen. 

c) Der M. stemo-thyreoideus. Ursprung: Hintere Flache des 
Manubrium und der I. Rippe. Ansatz: Linea obliqua des Schild- 
knorpels. Funktion: Kann den Kehlkopf abwarts ziehen. 

d) Der M. hyo-thyreoideus. Ursprung: Linea obliqua des Schild- 
knorpels. Ansatz: Korper des Zungenbeins. Funktion: Kann das 
Zungenbein abwarts oder den Kehlkopf aufwarts ziehen. 

/3) Tiefe Schfcht. 

1. Zur tiefen Schicht der Halsmuskeln kann man die seit- 
lichen und die pravertebralen Halsmuskeln rechnen. 

Zu den seitlichen Halsmuskeln (im Trigonum colli laterale 
gelegen) werden folgende gerechnet: 

a) Der M. levator scapulae entspringt von ctbn vier oberen Hals- 
wirbelquerfortsatzen und inseriert am oberen medialen Winkel der 
Scapula. Funktion: Heber des Schulterblattes, wie z. B. beim Achsel- 
zucken. 

b) Die Mm. scaleni , ein anterior, medius und posterior, entspringen 
alie drei ebenfalls an den Querfortsatzen der Halswirbel, und zwar 
der Scalenus medius an samtlichen, der Scalenus anterior und posterior 
an den 3—4 unteren Halswirbeln. Ansatz: Der M. scalenus anterior 
und medius an der I. Rippe (und zwar der Scalenus ant. am Tubere. 
Lisfranci), der M. scalenus posterior an der II. Rippe. Funktion: 
Die Scaleni heben die I. und H. Rippe (Inspiration). 

Wichtig ist, daB vor dem M. scalenus ant. die V. subclavia, zwischen 
dem M. scalenus- ant. und medius die A. subclavia, sowie hinter und ober- 
halb derselben der Plexus brachialis uber die I. Rippe ziehen. 

2. Die pravertebralen Halsmuskeln liegen jederseits dicht 
vor der Wirbelsaule; dazu gehoren: 

a) Der M. longus colli liegt zwischen Atlas und III. Brustwirbel, 
in der vertikalen Furche, welche die Korper und- Querfortsatze der 



42 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Halswirbel vorn bilden. Der Muskel bat die Form eines Dreiecks, 
dessen Basis (medial gelegen) den Wirbelkorpern, dessen abgestutzte 
Spitze (lateral gelegen) den Querfortsatzen etwa des III.—VI. Hals- 
wirbels entspricht. Die Basis besteht aus vertikalen, die obere und 
untere Seite des Dreiecks aus schragen Fhsem. Funktion: Beugt 
die Halswirbel nach vorn, kann dieselben auch ein wenig seitlich 
drehen oder beugen. 

b) Der M. longus capitis (friiher ais'Rectus cap. ant. major be- 
zeichnet) entspringt von den Querfortsatzen des III.—VI. Halswirbels 
und inseriert an der Pars basilaris des Hinterhauptbeins. Funk¬ 
tion: Nickbewegung. 

c) Der M. rectus capitis anterior (friiher Rectus cap. ant. minor) 
entspringt von den Massae laterales des Atlas und inseriert an 
der Pars basilaris des Hinterhauptbeins. Funktion: Nickbewegung. 

# 

y) Die Faszien des Halses. 

1. Die sogen.- Fascia colli superficialis ist nur eine diinne Binde- 
gewebslage, welche das Platysma bedeckt un<V sich in die benach- 
barte oberflachliche Bindegewebslage fortsetzt, welche iiberall noch 
unter dem subkutanen Fettgewebe gelegen ist. 

2. Die Fascia colli propria s. profunda (auch kurzweg ais Fascia 
colli bezeichnet) besteht aus zwei festen, derben Blattera, welche unten 
getrennt, nach oben hin dagegen zu einer einfachen fibrosen Lage 
verschmolzen sind. Man hat diese beiden Blatter ais vorderes oder 
oberflachliches Blatt, Lamina superficialis und hinteres oder 
tiefes Blatt, Lamina profunda, unterschieden (vgl. Fig. 7). 

Das vordere (oberflachliche) Blatt ist unten an der Vorder- 
flache des Sternum un<J der Clavicula befestigt'und zieht von 
hier aus dicht unter der Haut (jedoch noch vom platysma be¬ 
deckt), also vor dem M. sterno-cleido-mastoideus nach aufwarts, 
um sich am Zungenbein bzw. Unterkiefer anzuheften. Lateralwarts 
geht dies Blatt an der AuBenflache des Trapezius in die Fascia 
superficialis dorsi uber. 

Das hintere (tiefe) Blatt ist unten mit der hinteren Flache 
des Sternum und der Clavicula verwachsen und zieht von hier 
aus hinter dem Sterno-cleido-mastoideus nach oben zum Zungen¬ 
bein und auch im Trig. colli laterale nach lateralwarts, wo sich 
dasselbe an der Innenflache des M. trapezius verliert. Das tiefe 
Blatt htillt dabei die unteren Zungenbeinmuskeln (Omo-hyoideus, 
Sterno-hyoideus etc.) vollstandig ein. Wo es vor der GefaBscheide 
der A. carotis und V. jugularis voriiberzieht, ist es mit derselben 
verwachsen. Ebenso mit dem Zungenbein. 

Beide Blatter sind zwischen Zungenbein und Unterkiefer, so- 



III. Kopf- und Halsmuskeln. 


43 


wie im oberen Abschnitt des Trig. colli laterale zu einer einzigen 
Faszie verschmolzen, welche die hier unter der Haut gelegenen 
Muskeln bedeckt. Nur die Glandula - submaxillaris ist derartig 
in diese Faszie eingelagert, daB dieselbe an dieser einzigen Stelle 
wieder aus zwei Blilttern zu bestehen scheint. Oben ist die 


Gefafischeide 


N. vagus 
Lockeres 
retropharyn¬ 
geales Binde- 
geivebe 
Lockeres 
Biiidegewebe 
zwischen dcn 
Fascien 


M. omo-hyoideus % M. sterno-thyreoideus 



Verswachsung d. 
Faszie mit der 
Gefafischeide 


A. carotis comm. 
V, jugularis interna 


Fascia praevertebralis 

Verwachsung der Faszie mit 
der Gefafiscluide m 

Fascia colli Lam. prof. 

Fascia colli Lam. superf. 


colli 
Lam. superf. 


Fascia colli 
Larji. prof. 


Fascia prae¬ 
vertebralis 


Fig. 7. Die Faszien des Halses (schematisch durclj rote Linien dargestellt). 
Die Fascia superfic. colli ist nicht dargestellt. 


Fascia colli zum Teii mit dem Unterkiefer verwachsen, zum Teii 
geht sie in die Fascia parotideo-masseterica uber. 

3. Die Fascia praevertebralis ist eine diinne Bindegewebslage, 
welche kaum den Namen einer Faszie verdient und die praverte- 
bralen Halsmuskeln bedeckt, sicli jedoch auch noch auf die lateralen 
Halsmuskeln (Scaleni und Levator scapulae) nach hinten erstreckt. 
Von dem Pharynx ist dieselbe dufch das lockere retro-pharyn- 
geale Bindegewebe geschieden, in dem sich etwaige Abszesse 
leicht in das Mediastinum posterius senken konnen. Auch diese 
Faszie soli an der Riickseite der GefaBscheide mit letzterer ver¬ 
wachsen sein. 








44 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


IV. Die Knochen, B&nder und Muskeln b/w. Faszien des 

Brustkorbes. 

A. Der knocherne Brustkorb. 

Der knocherne Brustkorb, Thorax, besteht aus den 12 Brust- 
wirbeln, dem Brustbein und 12 Paar Rippen, welche die Brusthohle, 
Camiri thoracis, umschlieBen. 

Seine obere Offnung, Apertura thoracis superior, wird vom 

I. Brustwirbel, den beiden I. Rippen und dem Manubrium sterni ge- 
bildet Man bat zu beacbten, daB der obere 'Rand des Manubrium 
in bezug auf seine Hohenlage ziemlicb genau der Grenze zwischen 
dem II. und III. Brustwirbel entspricbt 

Die untere Offnung, Apertura thoracis inferior, wird von dem 
XII. Brustwirbel, den beiden XII. und den Spitzen der XI. Rippen, 
den Knorpeln der iibrigen falscben Rippen sowie dem Proc. xiphoideus 
sterni begrenzt. Der winklige Einschnitt unterhalb des letzteren wird 
ais Thoraxeinschnitt oder Thoraxwinkel, Angulus infrasternalis, 
der untere bogenformige Thoraxrand ais Rippenbogen, Arcus costa¬ 
rum, bezeichnet. 

Die vier Thoraxwande, eine vordere, zwei seitliche und 
eine hin ter e, geben obne scbarfe Grenze ineinander liber. Die 
beiden, an der Innenflache der hinteren Wand zur Seite der Wirbel- 
saule gelegenen, zur Aufnahme der Lungen bestimmten Buchten wer- 
den ais Sulci pulmonales, die Raume zwischen den Rippen ais Spatia 
intercostalia bezeichnet. 

a) Das Brustbein. 

Das Brustbein, Sternum, besteht aus: 1. dem Handgriff, Manu¬ 
brium-, 2. dem Korper, Corpus, und 8. dem Schwertfortsatz, Proc. 
ensiformis, welche Teile entweder knorplig oder knochem miteinander 
verbunden sind. 

Das Manubrium zeigt am oberen Rande (der sogen. Basis) einen 
flacben Einschnitt, Inc. jugularis : die beiden abgestutzten Basisecken 
sind mit iiberknorpelten Gelenkflachen, ■ Incc. claviculares, fur das 
Schliisselbein versehen. Dicbt unterhalb der letzteren ist die Inc. 
costalis prima (fur die I. Rippe) gelegen. Dagegen schiebt sicb die 
Inc. costalis secunda (fiir die II. Rippe) in die seitliche Grenze 
zwischen Manubrium und Corpus sterni ein. Diese, genau der 

II. Rippe entsprechende Stelle bildet an der Vorderflache des 
Brustbeins einen meist deutlich fuhlbaren Vorsprung, den Brust- 
beinwinkel (Ludwigschen Winkel), Angulus sterni, welcher des- 
wegen wichtig ist, weil man von demselben aus vora bequem die 
Rippen abzahlen kann. 



IV. Die Knochen, Bander und Muskeln bzw, Faszien des Brustkorbes. 45 

Das Corpus sterni zeigt an den Seitenrandern noch die Incc. 
costales fiir die III.—VI. Rippe: dagegen schiebt sich diejenige fur die 
VII. Rippe wieder in die Grenze zwischen KSrper upd Schwertfort- 
satz hinein. 

Der Proc. xiphoideus, meist unregelmaBig dreiseitig, pflegt ungefahr 
der Hohe des IX.—X. Brustwirbels zu entsprechen. 

b) Die Rippen. 

Von den Rippen, Costae , werden die 7 oberen, welche vorn am 
Brustbein befestigt sind, ais wabre Rippen, Costae verae, die 5 
unteren, welche nicht so weit reichen, ais falsche Rippen, Costae 
spuriae , bezeichnet. Von den letzteren setzen sicb die VIII., IX. und 
X. Rippe mit ihren Knorpeln stets an den nachsthoheren Rippen- 
knorpel an. Die XI. und XII., Costae fluctuantes, zeigen nur eine 
knorplige Spitze, welche zwischen die Bauchmuskeln hineinragt. Auch 
jede andere Rippe besteht aus einem vorderen Teii, dem Rippen- 
knorpel, Cartilago costae, und einem hinteren langeren, dem Rippen* 
knochen, Os costale. 

Die Rippenknorpel nehmen von der I.—VII. an Lange zu, von 
da an wieder ab. Sehr kurz ist der Knorpel der I. Rippe, welcher 
demzufolge bei Eroffnung des Thorax stets dicht neben dem Ster¬ 
num durchschnitten werden muB. 

Jeder Rippenknochen ist nach Henle auf dreifache Art 
gekriimmt, namlich in bezug auf: 1. die Fl&che; 2. die Xante und 
3. die Langsachse. Die Flachenkriimmung bedingt die seitliche 
Wolbung des Brustkorbes, die Kantenkruinmung das Hoherstehen 
des einen Rippenendes bei ebener Unterlage. Die Kriimmung um 
die Langsachse ist eigentlich eine Torsion, ahnlich wie wenn man 
ein nasses Handtuch auswindet. An jedem Os costale unterscheidet 
man nun: 1. ein vorderes Ende, Extremitas anterior', 2. ein Mittelstuck, 
Corpus costae und 3. ein hinteres Ende, Extremitas posterior. Die 
dickere Extremitas ant. geht ohne scharfe Grenze in den Korper uber, 
dagegen ist der letztere gegen die Extremitas post, durch eine Ei%- 
biegung, den Rippenwinkel, Angulus costae, abgegrenzt. Die Lange 
der Extremitas post, nimmt von der I.—XII. Rippe allm&hlich zu. 
Im iibrigen ist der Korper durch den an der Innenflache (oberhalb 
des unteren Randes) befindlichen Sulcus costae fiir die IntercostalgefaBe 
und -nerven (oberer Ast) ausgezeichnet. Das hintere Rippen ende 
zeigt das Rippenkopfchen, Capitulum costae, welches an der Gelenk- 
flache mit der Crista capituli 1 versehen ist, ferner den Rippenhals, 
Collum costae, endlich hinten den Rippenhocker, Tuberculum costae. 

1 An der I., XI. und XII. Rippe ist keine solche Crista vorhanden, da sich 
ihr Capitulum nicht zwischen zwei Wirbelkorper einschiebt. 



40 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Die I., XI. und XII. Rippe zeigen noch einzelne Besonderheiten. 
Die I. Rippe zeigt gar keine Flachen-, dagegen eine starke Kanten- 
kriimmung. Ap ihrem oberen Rande ist das scharfkantige Tuberculum 
scaleni (Lisfranci ) fur den M. scalenus ant. (vgl. S. 41), dicht hinter 
dem Tuberculum querlaufend der Sulcus a. subclaviae zu erwahnen. 
Manchmal ist vor dem Tubere, noch eine Furche fur die V. subclavia 
vorhanden. Die Crista capituli fehlt (vgl. die Anm. S. 45), Tubere, 
und Angulus fallen zusammen. Bei der XI. und XII. Rippe fehlt 
nicht nur die Crista capituli, sondern auch das Tubere, costae vollig. 

Die vorderen Rippenenden (Sternalansatz) stehen im^ganzen 
etwa um zwei Wirbel tiefer ais die hinteren. Doch ist der tiefste 
Punkt jeder Rippe nahe an der Knorpelknochengrenze, bei den 6 
oberen immer mehr medial, bei den 6 unteren immer mehr lateral 
von der Mamillarlinie entfernt (Joessel). Eine aus der Mitte der 
Achselhohle vertikal abwarts gezogene Linie trifft ungefahr das vor- 
dere Ende der XII. Rippe. 

B. Die Gelenke und Bander des Brustkorbes. 

a) Am Brustbein. 

1. Das Gelenk zwischen Sternum und Clavicula, mediales 
Schlusselbeingelenk, Artic. sterno-clavicularis, besitzt nicht ganz 
regelmaBige (vielleicht sattelformige) Gelenkflachen, einen Discus arti¬ 
cularis und eine starke, aber trotzdem schlaffe Kapsel, an welche der 
letztere angeheftet ist. Die Hauptbewegungen erfolgen in zwei zu- 
einander senkrechten Richtungen, namlich: 1. ais Hebung und Sen- 
kung des Schliisselbeins bzw. der Schulter; 2. ais Vor- und Riick- 
wartsbewegung des Schliisselbeins bzw. der Schulter. Die Clavicula 
kann dabei so weit nach hinten gezogen werden, daB die A. subclavia 
zwischen ihr und der I. Rippe vollig komprimiert wird und der Ra- 
dialispuls aufhort. 

2. Das Lig. costo-claviculare liegt in der Ecke zwischen dem Knorpel 
der I. Rippe und dem Schlusselbein (dient zur Fixation des letzteren). 

3. Das Lig. interclaviculare ist auf der Inc. jugularis zwischen beiden 
Claviculae gelegen (fixiert ebenfalls die letzteren gegeneinander). 

4. Die Articulationes sterno-costales bilden wahre Gelenke (Am- 
phiarthrosen, also sehr geringe Beweglichkeit) zwischen Brustbein und 
Rippen, deren Hohle meist durch ein Lig. inierarticulare geteilt wird. 
Die vordere und hintere Kapselwand ist durch starkere Fasern (Ligg. 
sterno-costalia radiata) ' verstarkt. 

5. Das Lig. costo-xiphoideum ■. ist ein starkes dreiseitiges Band, 
welches (mit aufwarts gekehrter Basis) die Vorderflache des Schwert- 
fortsatzes mit dem Knorpel der beiden VII. Rippen verbindet und eine 
zu weite Bewegung des Schwertfortsatzes nach riickwarts verhindert. 



IV. Die Knoctien, Biinder und Muskeln bzw. Faszien des Bmstkorbes. 47 
b) Zwischen den Rippen. 

1. Die Ligg. intercostalia externa sind nur dunne Bandstreifen, 
welche zwischen den Rippenknorpeln die in gleicher Richtung 
verlaufenden Mm. intercostales externi ersetzen. 

2. Die Ligg. intercostalia interna befinden sich zwischen den 
hinteren Rippenenden, wo sie die in gleicher Richtung verlaufen¬ 
den Mm. intercostales interni ersetzen. 

c) An den hinteren Rippenenden. 

An dem hinteren Rippenende sind jederseits die beiden wichtigsten 
Rippengelenke, namlich: 1. das Rippenkopfchengelenk und 2. das 
Rippenhockergelenk gelegen (beide wahre Gelenke, Amphiarthrosen). 

1. Die Rippenkopfchengelenke, Articulationes capitulorum, 
liegen zwischen den Wirbelkorpern und den Rippenkopfchen. Yorn 
starkere Fasermassen, die Ligg. capitulorum radiata; innerhalb eines 
jeden Gelenkes das kleine Lig. cap. interarliculare. 

2. Die Rippenhdckergelenke, Arlicc. costo-transversariae (Articc. 
tuberculi costae), liegen zwischen den Spitzen der Querfortsatze und 
den Rippenhockern. Jedes Gelenk ist hinten durch ein starkes queres 
Band, Lig. tuberculi costae, verstarkt. 

Ais weitere, weniger wichtige Verstarkungsbander kann man ein Lig. costo¬ 
transversarium anterius und ein posterius nennen, so bezeicbnet, weil sie beide 
(wenn auch sich kreuzend) zwischen dem Querfortsatz und Rippenhals verlaufen. 
Das vordere schlieBt sich in seinem Faserverlauf an das Lig. intercostale inter¬ 
num, das hintere an den M. intercostalis externus an. 

In beiden Gelenken zugleich erfolgt das Heben und Sen- 
ken der Rippe, wobei sich der Rippenhals um seine Langsachse 
dreht. Da die vorderen Rippenenden tiefer liegen ais die hinteren, 
so muB eine jede Hebung der Rippe bzw. des Brustbeines den 
Tiefendurchmesser des Brustkorbes vergroBern (Inspiration), jede Sen- 
kung ihn verkleinern (Exspiration). 

C. Die Muskeln und Faszien des Brustkorbes. 

a) Die Brustmuskeln. 

1. Der groBe Brustmuskel, M. pectoralis major, entspringt mit 
der Portio clavicularis von den medialen zwei Dritteln der Clavicula, 
mit der Portio sterno-costalis vom Sternum und den Knorpeln der 
wahren Rippen, mit der Portio abdominalis (einfache Zacke) von der 
Rectusscheide. Ansatz: Lateralwarts konvergierend an der Crista 
tubere, majoris des Oberarmbeins. 

Funktion: Adductor und Einwartsroller des Oberarmes. Ist der 
Oberarm aufgesttttzt oder sonst fixiert, so kann er die wahren Bippen beben 
(Inspiration). 



48 Erster Teii. Knochen-, Bancler und Muskellehre. 

Dicht unterhalb des Schliisselbeins findet sich h&ufig zwiscben dem M. del¬ 
toideus und pectoralis major eine dreieckige Lucke, Trigonum deltoideo-pectorale 
s. infraclaviculare , in welche sich die V. cephalica einsenkt und aus der ein Ast 
der A. thoraco-acromialis heraustritt. AuBerlicb, d. h. an der Haut, ist dies Dreieck 
durch eine Vertiefung, die Mohrenbeim’sche Grube, bezeichnet. 

2. Der kleine Brustmuskel, M. pectoralis minor, entspringt 
an der II.—V. Rippe mit 4 Zacken. Ansatz: am Proc. coracoi¬ 
deus. Funktion: zieht das Schulterblatt riach vorn und abwarts. 
Ist das letztere irgendwie fixiert, so kann es die II. bis V. Rippe heben. 

Das Dreieck zwischen dem oberen Rande des Muskels und dem Schlussel- 
bein wird ais Trigonum clavi-pectorale bezeichnet In diesem Dreieck (hinter der 
tiefen Brustfaszie) ist die A. und V. subclaviabzw. der Plexus brachialis gelegen. 

3. Der Schliisselbeinmuskel, M. subclavius, entspringt halb- 
verborgen von dem Knorpel der I. Rippe und inseriert am Sulcus 
subclavius des Schliisselbeins. Funktion; Fixierung der Clavicula. 

4. Der vordere Sagemuskel, M. serratus anterior , entspringt 
mit 8 — 9 Zacken von den 8—9 obersten Rippen, verlauft, dem Thorax 
dicbt anliegend, nacb binten und inseriert am medialen Rande des 
Schulterblattes. Doch konvergiert der grofite Teii seiner Fasern nach 
dem unteren Schulterblattwinkel. Funktion: Bei Kontraktion 
aller Serratusfasern wird das Schulterblatt nach vom gezogen. Wenn 
sich jedoch nur die am unteren Winkel des letzteren inserierenden 
Fasern kontrahieren, so wird dieser Winkel nacb vorn und lateral- 
w&rts bewegt, wie dies bei jeder Hebung des Armes uber die Hori¬ 
zontale der Fall ist (s. aucb beim M. deltoideus). Lahmung des 
Serratus bedingt die Unfahigkeit, den Arm zur Vertikalen zu er- 
heben. Ist das Schulterblatt fixiert, so kann der Serratus die 8—9 
oberen Rippen heben (Inspiration). 

5. Die Zwiscbenrippenmuskeln, Mm. intercostales, fullen die 
Zwischenrippenraume aus. Die Mm. intercostales externi verlaufen 
zwischen je zwei benachbarten Rippen von hinten und oben nach 
vorn und unten. Zwischen den Rippenknorpeln sind sie durch die 
gleichnamigen Ligamente ersetzt. Die Mm. intercostales interni kreuzen 
sich mit den vorigen, indem sie von vorn und oben nach binten 
und unten ziehen. Sie fehlen zwischen den binteren Rippenenden, 
wo sich die gleichnamigen Bander ais Ersatz an sie anScbliefien. Die 
zwiscben den Rippenknorpeln gelegenen Abscbnitte derselben 
werden Mm. intercartilaginei genannt. Funktion: nacb Fick wirken 
bei rubiger Atmung die Intercostales externi und die Intercartilaginei 
ais Inspiratoren (Rippenheber), die Intercostales interni ais Ex¬ 
spirator en (Rippensenker). Da die Interkostalmuskeln aber auch bei 
unbeweglichen Rippen (beim sogen. Rippenfenster) nicbt atrophieren, 
so miissen sie nach Henle vor allem dazu bestimmt sein, durch ihre 
Kontraktion bei starker Inspiration ein zu tiefes Einsinken der 
Interkostalrfiume, bei starker Exspiration ein Hervordringen 



IV. Die Knochen, Bauder und Muskeln bzw. Faszien des Brustkorbes. 49 

der Lungenteile 'zwischen die Rippen (Einklemmung) zu ver- 
hindern. 

6. Der M. transversus thoracis (M. transv. thoracis ant. s. triangu¬ 
laris sterni) und die Mm. subcostales (M. trans?, thoracis post.), ersterer 
hinter den Rippenknorpeln, letztere vor den hinteren Rippenenden 
gelegen, haben wenig Bedeutung. 

7. Dagegen ist das Zwerchfell, Diaphragma, ein sehr wichtiger 
Muskel: es ist ein diinner hautartiger Muskel von Kugpelform mit 
nach aufwarts gekehrter Konvexitat und abwarts gerichteter Konka- 
vitat, welcher Brust- und Bauchhohle scheidet. 

a) Der sehnige Abschnitt, Centrum tendineum, nimmt die mittlere 
Partie des Zwerchfells ein und hat die Form eines Kleeblattes, 
dessen Mittelblatt sich nach vom erstreckt. Rechts hinten, dicht 
neben der Medianlinie, ist die sehnige Substanz durch das vierseitige 
For. venae cavae durchbohrt, durch welches die V. cava inf. und die 
Rr. pkrenico-abdominales des N. phrenicus hindurchtreten. 

b) Der muskulose Teii des Zwerchfells {Pars carnosa) umgibt 
an der Peripherie des Muskels das Centrum tendineum und wird in 
eine Pars sternalis, Pars costalis und Pars lumbalis eingeteilt. Die 
Pars sternalis entspringt (gewohnlich mit zwei Zacken) vom hin¬ 
teren Blatt der Rectusscheide in Hohe des Proc. xiphoideus; die Pars 
costalis (6 Zacken) von einer Linie, welche von der Mitte der 
VIT. Rippe bis zur Spitze der XII. Rippe verlauft; die Pars lum¬ 
balis endlich liegt in der Lendengegend und besteht jederseits 
wiederum aus zwei Portionen, dem Crus mediale und Crus laterale, 
welche folgendermaBen entspringen: 

Die beiden medialen Schenkel kommen von den Korpern des 
in. und VI. Lendenwirbels, umfassen, aufwarts laufend, den Aorten- 
schlitz, Hiatus aorticus (fiir die Aorta und den dahinter liegenden 
Ductus thoracicus) und kreuzen sich dann, um oberhalb der Kreu- 
zung wieder den Hiatus oesophageus (fur den Oesophagus und die 
beiden Nn. vagi ) zu umkreisen. 

Der laterale Schenkel entspringt von zwei Sehnenbogen, 
einem Arcus lumbo-costalis medialis und lateralis (Arcus Halleri): von 
diesen verlauft der mediale Sehnenbogen von dem'Korper zu der 
Querfortsatzspitze des I. Lendenwirbels, der laterale Sehnenbogen 
wiederum von letzterer ‘ Spitze zur Spitze der XII. Rippe. 

Der mediale Sehnenbogen iiberbriickt den M. psoas major, 
der laterale den M. quadratus lumborum. Doch kann der laterale 
Sehnenbogen bzw. der von ihm entspringende Zwerchfellteil auch 
fehlen. 

Zwischen der Pars sternalis und costalis (also zur Seite 
des Sternum), sowie zwischen der Pars costalis und lumbalis 
(also uber der Spitze der XII.Rippe) zeigt die Muskelsubstanz Liicken, 

Broesike, Reperitoriura anatomicum. 4 



50 


Erster Teii. Knoehen-, Bander- und Muskellehre. 


an denen (nur durch lockeres Bindegewebe getrennt) das Brustfell * 
und das Bauchfell einander naheliegen. Eiterungen in derBrust- 
oder Bauchhohle konnen hier leicht durchbrechen, Entziindungen 
konnen sich leicht yon einer Haut auf die andere fortpflanzen. 

. Der hSchste Punkt des Zwerchfells ist im mittleren Stande 
in H6he des IV. Sterno-costalgelenks, bei tiefster Inspiration 
einen Interkostalraum tiefer, bei tiefster Exspiration einen Inter- 
kostalraum hober gelegen. 

Funktlon des Diaphragma: das Zwerchfell flacbt sich bei 
seiner Kontraktion ab und saugt dadurch die Luft in die Brust- 
hohle (Inspiration). Durch Druck auf die Baucheingeweide wird 
dabei die vordere Bauchwand hervorgewolbt (Bauch- oder 
Zwerchfellatmung. 1 ) Wahrend der Exspiration iiben die Bauch- 
muskeln durch ihre Kontraktion einen Druck auf die Baucheingeweide 
aus, welche dann das Zwerchfell wieder in die Hohe drangen. 

AuBer den bereits angegebenen Durchtrittstellen [For. venae cavae, 
Hiatus aorticus und Hiatus oesophageus) besitzt das Zwerchfell noch 
zwischen dem medialen und lateralen Schenkel der Pars 
lumbalis einen Schlitz, durch welchen der Grenzstrang der N. sym¬ 
pathicus hindurchtritt. Durch eine Liicke im medialen Schenkel 
verlaufen femer: 1. rechts die V. azygos., links die V. hemiazygos; 

2. auf beiden Seiten die Nn. splanchnici major und minor , welche 
vom Bruststrang des Sympathicus zu dem in der Bauchhohle befind- 
lichen Ganglion coeliacum bzw. renali-aorticum ziehen. 

Weil die letztere Liicke jedoeh mitunter den medialen Schenkel deutlich 
spaltet, haben die B. N. A. auf jeder Seite drei Schenkel, nkmlich ein 
Crus mediale, intermedium und laterale, unterschieden. Da indessen die Autoren 
auch noch heute ais Crus intermedium zu einem Teii die mediale Portion des 
Crus laterale, zu einem anderen Teii die laterale Portion des Crus mediale ver- 
stehen, so habe ieh es vorgezogen, mit Henle auf jeder Seite nur zwei Schenkel, 
ein Crus mediale und ein Crus laterale anzunehmen. 

b) Die Faszien des Brustkorbes. 

1. Die oberflachliche Brustfaszie, Fascia pectoralis superficialis, 
ist eine ziemlich derbe Bindegewebslage, welche ais Fortsetzung des 
oberflachlichen Blattes der Fascia colli zunachst mit der Clavicula 
♦verwachsen ist und weiter unten die ganze AuBenflache des M. pec¬ 
toralis major und Serratus anterior bekleidet. Noch weiter abwarts 
setzt sie sich in die Fascia superficialis abdominis, nach lateralwarts 
ais Fascia axillaris in die Achselhohle und ais Fascia brachii auf den 
Oberarm fort. Die starkeren Faserziige der Fascia axillaris, welche 
vom unteren Itande des Pectoralis major bogenformig auf den unteren 

1 AuBer der Bauch- oder Zwerchfellatmung gibt es bekanntlich noch 
die Rippen- oder Brustatmung, bei der die Rippen gehoben oder gesenkt 
werden. 



V. Bauchmuskeln, Bauchfaazien und Leistenkanal. 51 

Rand des Latissimus ubergehen, hat man auch ais Langer’schen 
Achselbogen, Proe. falciformis axillaris, besonders bezeichnet. 

2. Die tiefe Brustfaszie, Fascia coraco-clavicularis , ist unter 
dem Pectoralis major und dicht vor dem Pectoralis minor bzw. Sub¬ 
clavius gelegen. Diese Faszie ist am starksten im Trigonum clavi¬ 
pectorale, also oberhalb des Pectoralis minor, entwickelt, -wo in 
dieselbe sogar ein besonderer Bandstreifen, das lAg. coraco-claviculare 
anterius von Henle, eingelagert ist, welches vom Proc. coracoideus 
zum Schlusselbein zieht. Hinter diesem derben Bande sind grobe 
GefaB- und Nervenstamme, namlich medial die V. subclavia, lateral die 
A. subclavia , noch weiter lateral und hinten der Plexus brachialis ge¬ 
legen. Nach abwarts und lateralwarts wird die tiefe Brustfaszie diinner 
und verliert sich allmahlich in die Fascia pectoralis superficialis und 
axillaris, mit denen sie verschmilzt. 

3. Die Fascia endothoracica ist eine diinne Lage, welche die Innen- 
flache des ganzen Thorax bzw. der dort gelegenen Muskeln iiberzieht. 
Nach innen von dieser Faszie ist dann noch die Pleura gelegen, mit 
der sie ziemlich fest verwachsen ist. 

Y. Bauchmuskeln, Bauchfaszien und Leistenkanal. 

A. Die Bauchmuskeln. 

Die Bauchmuskeln, Mm. abdominis, sind platt und besitzen 
auch hautartige Sehnen (Aponeurosen). In def Medianlinie sind sie 
alie durch einen sehnigen Streifen, Linea alba , getrennt, welcher in 
Hohe des III. oder IV. Lendenwirhels durch den Nabel, Umbo, unter- 
brochen ist. 

1. Der M. obliquus externus abdominis verlauft wie die Inter¬ 
costales externi von hinten und-oben nach vom und unten. Ur¬ 
sprung: .AuBenflache der 7 untersten Rippen mit 7 Zacken. An- 
satz: Linea alba. Os pubis, Lig. inguinale (Pouparti) und Labium 
externum der Crista iliaca. 

Zwiscben dem hinterenBande des Obliquas ext und dem vorderen Rande 
des Latissimus, dicht oberhalb der Crista iliaca, liegt das kleine Trigonum 
lumbale s. Petiti, an dem die Bauchwand nur aus den Fasem des M. obliquus 
int. und M. transversus besteht (vgl. Fig. 3 S. 9). Diese schw&chere Stelle der 
Bauchwand kann Durchtrittstelle fur die sogen. Lumbalhernien werden. Links 
wird das Dreieck mitunter zur Anlegung eines ktinstlichen Afters benutzt. 

2. Der M. obliquus internus abdominis hat facherformige, von hinten 
nach medianwarts ausstrahlende Fasem, von denen die oberen in 
derselben Richtung wie die Intercostales interni, die mittleren 
horizontal, die untersten durch den Leistenkanal ais M. cremaster 
zum Hoden ziehen. Ursprung: Linea intermedia der Crista iliaca 1 

1 Der in den Lehrbuchem angegebcne Ursprung von der Fascia lumbo- 
dorsalis ist meist nicht vorhanden. 


4* 



52 


Ei^ter Teii. Kuoclien-, Bander- und Muskellehre. 


und Lig. inguinale (Pouparti). Ansatz: oben am unteren Thoraxrand, 
vorn an der Linea alba. 

3. Der M. transversus abdominis besitzt durchweg querlaufende 
Fa^ern. Ursprung: oben Innenflache der 6 unterstenRippen, hinten 
(s. Fig. 3) aponeurotiscb ais Fortsetzung der Fascia lumbo-dor.- 
salis, unten vom Labium internum der Crista iliaca und dem Lig. 
Pouparti. Ansatz: aponeurotiscb an der Linea alba. Der Ubergang 


Linea alba Vorderts Blatt der Rectusscheide 



Uinteres Blatt dei' Rectusscheide 


Fascia super- 
ficiali8 
M. obliquus 
abdom. ext. 
M. obliquus 
abdom. int. 
M. transvers. 
abdominis 
Fascia trans¬ 
versalis 

Peritonaeum 


Haut 


Fig. 8 a. 


Haut 

Fascia super¬ 
ficialis 

.. M. obliquus 
abdom. ext. 
M. obliquus 
abdom. int. 
M. tran8ver8. 

abdominis 
Faacia trans - 
L versatis 
' Peritonaeum 

Fig. 8. Horizontalschnitte durch die Bauchmuskeln: a) oberhalb, b) unterhalb 

der Linea semicirc. Donglasi. 

des Muskels in die Aponeurose wird durch die halbmo.ndformige Linea 
semilunaris Spigeli gebildet. 

4. Der M. rectus abdominis liegt vertikal zu beiden Seiten der 
Linea alba und ist durch 3—4 sehnige Streifen, Inscriptiones tendineae, 
unterbrochen. Ursprung: V.—VII. Rippenknorpel. Ansatz: Oberer 
Rand des Os pubis (zwischen Symphyse und Tuberculum). 

Der Rectus ist in eine sehnige Scheide eingelagert, welche 
durch die Aponeurosen der ubrigen Bauchmuskeln gebildet wird. Das 
vordere Blatt der Rectusscheide wird durch die ganze Aponeurose 
des Obliquus externus und die (in der Flache gespaltene) halbe des 
Obliquus internus, das hintere Blatt durch die andere Halfte der 
Internusaponeurose und die ganze des Transversus dargestellt (s. Fig. 8 a). 
Doch hort das hintere Blatt beim tibergang in das untere 


Linea alba Vorderts Blatt der Rectusscheide 



Lockere Bindegewtbslaye 

Fig. 8b. 


















V. Bauchmuskeln, Bauchfaszien und Leistenkanal. *53 

Drittel entweder scharfrandig (ais Linea semicircularis Douglasi) oder 
seltener allmahlich auf, so daB also von hier ab samtliche Aponeu- 
rosen in das vordere Blatt iibergehen (s. Fig. 8b) und der Rectus 
unterhalb der Linea Douglasi der Fascia transversalis (s. w. u.) un- 
mittelbar anbegt. 

5. Der M. quadratus lumborum kann zwar auch zu den Bauch- 
muskeln gerechnet werden, wird aber besser bei den vorderen Hiift- 
muskeln bescbrieben. 

Funktion der Bauchmuskeln: Druck auf die Baucbeingeweide 
(Baucbpresse, Premula abdominalis), wie z. B. bei der Exspiration, 
namentlich beim Husten. Sollen die Baucheingeweide entleert werden, 
so muB sicb auBer den Bauchmuskeln noch das Zwerchfell kon- 
trahieren. Rectus und Obliquus ext. fur sieh allein kdnnen den 
Thorax nach abwarts und vorn zieben. War der letztere fixiert, so 
konnen dieselben die vordere Beckenhalfte heben. 

B. Die Bauchfaszien. 

Hierunter versteht man folgende in der Bauchwand gelegene 
starkere Bindegewebslagen: 

1. Die Fascia superficialis abdominis iiberzieht die AuBenflache 
des Obliquus ext. und seiner Aponeurose, mit der sie fest verbunden 
ist. Unten ist dieselbe mit dem Poupartfschen Bande und der Crista 
iliaca fest verwachsen. Nach oben gebt sie in die Fascia superficialis 
der Brust, nach hinten in diejenige des Riickens tiber. 

2. Die Fascia transversalis abdominis bekleidet vor allem die 
Innenflache des M. transversus, iiberzieht jedoch auch die untere 
Flache des Zwerchfells und die vordere Flache des Psoas major und 
Quadratus lumborum. Unten ist sie mit dem Poupartfschen Bande 
und der Crista iliaca fest verwachsen. Die Faszie sendet durcb den 
Leistenkanal nach Art eines langen Sackes einen Fortsatz, den Proc. 
vaginalis fasciae transversalis nach abwarts (vgl. Fig. 10), welcher den 
Samenstrang nebst Hoden ais Tunica vaginalis communis allseitig um- 
hiillt. Die Innenflache der Fascia transversalis wird noch vom Peri¬ 
tonaeum austapeziert. 

Die Fascia transversalis ist dicht- oberhalb des Poupart'sehen Bandes 
derber und st&rker. Sie umgibt hier den unteren und medialen Rand des inneren 
Leistenringes nach Art eines sichelformigen Vorsprunges, Proc. falciformis, fiber 
welchen der Ductus deferens in den Leistenkanal hineinzieht (vgl. Fig. 11). Das 
obere Ende dieses Vorsprunges wird auch ais Hesseibach’sches Band, Lig. 
interfoveolare, bezeichnet, weil es zwischen den beiden Leistengruben (s. w. u.) 
gelegen ist. Medial von der medialen Leistengrube bildet die Faszie noch das 
Hcnle’sche Band (Brattne), auch Falx inguinalis genannt, welches sich an 
den lateralen Band der Rectusscheide ansetzt. Zwischen der Falx inguinalis und 
dem Hesselbach’schen Bande ist die mediale Leistengrube, lateral von 
letzterem die laterale Leistengrube bzw. der innere Leistenring ge¬ 
legen (NSheres hierfiber im folgenden Kapitel). 



54* 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


C. Der Leistenkanal. 

Da der Leistenkanal, Canalis inguinalis, dicht oberhalb des 
Pouparfschen Bandes [Lig. inguinale) gelegen ist, so mag scbon 
hier zunachst kurz betont werden, daB letzteres Band vom Tubere, pubis 
zur Spina iliaca ant. verlauft, mit der Haut der sogen. Leistenfurche 
fest verwachsen ist und am medialen Ende in zwei andere kleine 



Bander, namlich das Lig. Qimbemati und das Lig. Collesi ubergeht 
(vgl. Fig. 9 und 17). Das dreiseitige Lig. Qimbemati s. lacunare fiillt 
den Winkel zwischen dem Lig. inguinale und dem Pecten pubis aus, 
an dem es festsitzt. Das ebenfalls dreiseitige Lig. Collesi s. inguinale 
reflexum zieht langs des oberen Schambeinrandes dicht hinter dem 
Crus superius des auBeren Leistenringes im yorderen Blatt der Rectus- 
scheide zur Linea alba hin, in dem es den Boden des Leisten- 
kanals bildet. 

Der Leistenkanal selbst verlauft (lateral vom Rectus) von hinten, 
oben und lateralwarts nach vorn, unten und medianwarts (vgl. Fig. 10). 




V. Bauchmuskeln, Bauchfaszien und Leistenkanal. 


55 


Sein Inhalt besteht beim Manne hauptsachlich aus dem Samen- 
strang, d. h. dem Ductus deferens , der A. und V. spermatica int., welche 
vom Plexus spermaticus int. begleitet sind; beim Weibe nur aus dem 
IAg. teres (einem Analogon des Ductus deferens), wahrend die A. und 
V. spermatica int. nebst den Nerven gar nicht zum Leistenkanal, son- 
dern zum lateralen Tubenende hinziehen. Bei beiden Geschlechtern 
treten aufierdem noch der N. spermaticus ext. und N. ilio-inguinalis 
(manchmal noch die inkonstante A. und V. spermatica externa) durch den 
Kanal nach auswarts. 

Da der Leistenkanal die Bauchwand durchbohrt, muB derselbe 
zwei Offnungen, namlich den vorn gelegenen auBern Leistenring, 
Annutus inguinalis subcutaneus , und den hinten gelegenen inner en 
Leistenring, Annulus inguinalis abdominalis , besitzen. Der auBere 
Leistenring bildet eigentlich einen spaltformigen Schlitz zwiscben 
den Sehnenfasem des Obliquus externus, dessen spitzes oberes Ende 
jedoch durch die bogenformigen Fibrae intercrurales verschlossen wird 
(ygl. Fig. 9). Die oben bzw. medial den Leistenkanal begrenzenden 
Sehnenfasem werden ais Crus superius (mediale), die unten bzw. lateral 
angrenzenden ais Crus inferius (laterale) bezeichnet. Der inner e 
Leistenring wird durch die Fascia transversalis gebildet, welche 
"jedoch in den Leistenkanal den Proc. vaginalis hineinschickt. Betreffs 
des letzteren bzw. betreffs des HesselbaclBschen Bandes (Lig. 
interfoveolare) ist S. 53 nachzusehen. Es ist zu beachten, daB langs 
des. medialen Bandes des Annulus abdominalis d. h. also auch 
langs des Hesselbach’schen Bandes die A. und V. epigastrica 
inferior (aus der Iliaca) nach aufwarts ziehen. Bei eingeklemmten 
Leistenbriichen darf der Operateur niemals auf diese Blutgef&Be ein- 
schneiden. 

Die Bauchmuskeln verhalten sich zum Leistenkanal folgender- 
maBen (vgl. Fig. 10): Der M. obliquus externus wird vom Kanal, 
wie eben erwahnt, durchbohrt, gibt jedoch dem Samenstrang noch 
eine dunne meistens gar nicht wahmehmbare Hiille, die Cooper’sche 
Faszie, Fascia cremasterica mit, welche die AuBenflache des M. cre¬ 
master bekleidet (in Fig. 10 nicht dargestellt). Der M. obliquus 
internus (hier noch muskulos) geht mit einem Teii seiner Fasem 
uber dem Leistenkanal nach mediatiwarts, einen anderen Teii der- 
selben sendet er durch den letzteren nach abwarts, in Gestalt des M. cre¬ 
master, welcher Hoden und Samenstrang schleuderformig umgreift. Der 
M. transversus endlich geht mit seiner Sehne bogenformig oberhalb . 
des Leistenkanals zur Linea alba hin. Uber die Fascia transver¬ 
salis s. oben und S. 53. 

In der ganzen Gegend des inneren Leistenringes wird die Innen- 
flache der Fascia transversalis noch vom Bauchfell, Peritonaeum, be¬ 
kleidet, welches hier einige chirurgisch wichtige Gruben.und Falten 



• - ( 



56 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

bildet. Zunachst ist ais Einbuchtung in den inneren Leistenring eine 
Vertiefung, die Fovea inguinalis lateralis, medial davon (der Liicke 
zwischen dem Lig. interfoveolare und der Falx inguinalis entsprechend) 
eine zweite, die Fovea inguinalis medialis , gelegen (Fig. 10 und 11). 
Zwischen beiden steigt langs des Lig. interfoveolare (Hesselbach’sches 
Band) die durcb die A. u. V. epigastr. inf. emporgehobene Plica epi¬ 
gastrica empor. 

Diese beiden kleinen Gruben bilden nun zwei schwachere Stellen 
der Baucbwand, an denen sich mitunter Eingeweide, die sogen. Lei¬ 
stenbriiche, durch die Bauchwand nach auBen drangen konnen. Die- 
jenigen Bruche, welche in die Fovea inguinalis lateralis ein- 



$ 

1 

s 



Tunica dartos. 


Scrotum 

Vorderes Blatt d. 
Rectusscheide 


M. cremas t*r M . cremaster 

\ Proc. vaginalis / 
fasciae transvers. / 


/Tunica dartos 
✓ Scrotum 


Annulus inguin. ext. 
(subcut.J 

’ Ann. ing. int. (abd.) 


Haut 

/ 


Plica epi- 
s gastnca 

Samenstrang Fovea inguin. medialis 
(Eintritt der medialen 
LeistenbrucheJ 


Fovea inguin. lateralis 
(Eintritt d. lateralen 
LeistenbrucheJ 


F ascia supe?- 
fic. abd'. 

M. obliquus 
externus 
m M. obliquus 
internus 0 
-3/. transvers. 


Fascia trans - 
versal. abd. 


Peritonaeum 


Fig. 10. Langsschnitt durch den Leistenkanal. Verhalten der Bauchmuskeln 
und Bauchfaszien zu dem letzteren. Man sielit, dafi der Obliquus externus und 
Transversus dem Samenstrang keine Fortsetzung in den Leistenkanal mitgeben. 


dringen, werden ais laterale Leistenbriiche, Herniae inguinales 
laterales, (friiher auch ais aubere oder indirekte Bruche) bezeichnet: sie 
treten durch den inneren Leistenring in den Leistenkanal hinein und 
aus dem letzteren durch den auBeren Leistenring wieder hinaus, wo 
sie gewohnlich nach vorn und lateralwarts von dem Samen- 
strange liegen. Auf diesem Wege haben sie sich in den Proc. vagi¬ 
nalis fasciae transversalis hineingeschoben. Ihr sogen. Bruchsack 
wurde also auBer dem vorgeschobenen Peritoneum noch aus der 
Fascia transversalis bestehen, welche Samenstrang und Hoden ais 
Tunica vaginalis comm. umhiillt, auBen jedoch noch vom M. cremaster 
und der Fascia cremasterica umgeben ist. Diejenigen Bruche, 
welche in die Fovea inguinalis medialis eintreten, werden dem- 
entsprechend ais mediale Leistenbriiche, Herniae inguinales mediales 
(friiher auch ais innere oder direkte Briiche) bezeichnet: sie treten von hier 

















V. Bauchmuskeln, Bauchfaszien und Leistenkanal. 


57 


sofort durch den auBeren Leistenring heraus, nachdem sie das Bauch- 
fell, die Fascia transversalis und auch noch die sparlichen Sehnen- 



Aorta 


Annulus femoralis 


Plica umbilicalis lateralis 


Plica epi¬ 
gastrica 


Fovta inguin. 
medialis 


Fovea inguin. 
lateralis 


Lig. Pouparti 


Ann. inguin. 
internus 


Fovea femo¬ 
ralis 


Fossa supra¬ 
vesicalis 


Ductus 

deferens 


u. Vv. 
spermat. intt. 


Plica umbilicalis media 


Schnittlinie des 
Bauchfells 


u. V. ili¬ 
aca ext. 


Linea semi- 
circ. Douglasi 


u. V. epi- 
gastr. inf. 


Falx inguin. 


Pouparti 


Lig. inter¬ 
foveolare 


Fig. 11. Die Degenti des Leisten- und Schenkelkanales. Ansicht von hinten. 
Rechts ist das Peritonaeum zum Teii entfemt. (Aus Bkoesike, Atlas.) 


und Muskelfasern des Transversus und Obliquus int. vor sich herge- 
schoben haben. Ihr Bruchsack muB dementsprechend auBer dem 
Bauchfell und der Fascia transversalis noch die Reste der eben 










58 


Erster TeiL Knochen-, Bander- und MuBkellehre. 


genannten Muskeln enthalten. Die inneren Leistenbriiche sind stets 
nach vorn und medianwarts von dem Samenstrang gelegen. 
JBei alten Briichen mit weiter Bruchoffnung kann sich allerdings das 
Lageverhaltnis zum Samenstrang andern: immer aber treten die 
Leistenbriiche oberhalb des Pouparfschen Bandes heraus. 

Medial von der Fovea inguin. medialis ist noch die durch das Lig. umbi¬ 
licale laterale bedingte Plica umbilicalis (vesicalis) lateralis und in der Median- 
linie die durch das Lig. umbilicale medium emporgehobene Plica umbilicalis 
media gelegen. Die zwischen diesen beiden Falten jederseits befindliche' Grube 
wird ais Fossa supravesicalis bezeichnet: auch in diese konnen Bruche eintreten 
und sich sogar schliefilich durch den auBeren Leistenring hinausdrangen. 
Unterlialb des Pouparfschen Bandes (zwischen V. femoralis und Lig. Gimber- 
nati) ist noch die Fovea femoralis (fiir die sogen. Schenkelbriiche) gelegen 
(Naheres beim Oberschenkel). 


VI. Die Knochen, Gelenfee, Muskeln und Faszien der oberen 

Extremitftt. 

» 

A. Die Knochen der oberen Ertremitat 

Die Knochen der oberen Extremitat werden durch die 
Clavicula, Scapula, das Os humeri, den Radius und die Ulna, 
endlich durch die Knochen der Hand gebildet. Clavicula und 
Scapula werden zusammen ais Schulterglirtel bezeichnet. 

a) Das Schlusselbein. 

Das Schlusselbein, Clavicula, ein wenig S-formig gekrummt, 
zeigt ein mediales Ende, Extremitas sternalis, ein Mittelstiick, 
Corpus claviculae, und das laterale Ende, Extremitas acromialis. 

Die Extremitas sternalis, dreikantig, artikuliert mit dem 
Manubrium; unten besitzt dieselbe die Tuberositas costalis zur Anheftung 
fiir das Lig. costo-claviculare. 

Der Korper zeigt unten den Sulcus subclavius, an den sich der 
M. subclavius ansetzt. 

Die platte Extremitas acromialis artikuliert mit dem Acromion 
und zeigt unten die Tuberositas coracoidea fur das Lig. coraco-clavi- 
culare. Beim lateralen Schliisselbeinende ist die Konkavitat nach 
vorn gekehrt (wichtig fiir die Unterscheidung von links und rechts). 

b) Das Schulterblatt. 

Das Schulterblatt, Scapula, dreiseitig, pflegt von der I. bis 
etwa zur VIII. Rippe nach abwarts zu reichen. 

Der obere Rand zeigt die kleine Inc. scapulae, welche vom Lig. 
transversum scapulae iiberbriickt wird und dem N. suprascapularis 1 

1 Die A. und V. transversa scapulae, die diesen Nerven begleiten, ziehen 
gewohnlich oberhalb des Bandes hiniiber. 



VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitfit. 59 

zum Durchtritt dient. Lateral von der Inzisur springt der Proc. 
coracoideus nach vorp, an dem der kurze Kopf des M. biceps, der 
M. coraco-brachialis und der M. pectoralis minor entspringen bzw. 
inserieren. Der mediale Rand der Scapula wird auch Margo 
vertebralis, der etwas gewulstete laterale Rand Margo axillaris 
genannt. 

Yon den drei Winkeln dient der mediale dem Levator ^capulae, 
der u.ntere mit seiner hinteren rauhen Flache dem M. teres major 
zum Ursprung bzw. Ansatz. Der laterale Winkel bildet eine An- 
schwellung, Condylus scapulae, welcher die Schultergelenkpfanne, 
Cavitas glenoidalis, fiir den Humerus zeigt. Die ringformige Ein- 
schniirung, welcbe den Condylus von der tibrigen Scapula trennt, 
wird ais Collum scapulae (Collum anatomicum scapulae der Cbirurgen) 
bezeichnet. 1 Oberhalb der Gelenkpfanne ist die Tuberositas [Tubere.) 
supraglenoidalis fiir den langen Bizepskopf, unterhalb derselben die 
Tuberositas [Tubere) infraglenoidalis fur den langen Trizepskopf gelegen. 

Yon den beiden Flachen bildet die vordere die Fossa sub¬ 
scapularis, aus welcher der M. subscapularis entspringt. Die hintere 
Flache wird durch die Schultergrate, Spina scapulae, in ein oberes 
und unteres Feld geteilt. Das obere heiBt Fossa supraspinata, aus 
demselben entspringt der M. supraspinatus. Das untere ist die Fossa 
infraspinata, aus welcher der M. infraspinatus und (am Margo axillaris) 
der M. teres minor ihren Ursprung nehmen. Die Spina scapulae selbst 
lauft nach oben und vorn in einen platten, leicht gebogenen Vor- 
sprung, die Schulterhohe, Acromion, aus. Der konkave laterale 
Rand der Spina bildet mit dem Condylus die Inc. colli scapulae [Collum 
chirurgicum scapulae s. u.). 

c) Das Oberarmbein. 

An dem Oberarmbein, Humerus (Os brachii), kann man das 
obere oder proximale Ende, das Mittelstiick (den KSrper) und 
das untere oder distale Ende unterscheiden. 

Das proximale Ende zeigt zunachst den ttberknorpelten, halb- 
kugeligen Oberarmkopf, Caput humeri, um dessen Rand ais ring¬ 
formige Furche das Collum humeri 2 herumzieht. Weiterhin sind an 
demselben zwei Hocker, das lateral gelegene Tuberculum majus und 
das vorn gelegene Tuberculum minus vorhanden. Von diesen besitzt 
das Tubere, majus drei kleine Flachen fiir den Ansatz der Mm. 

1 Das Collum chirurgicum scapulae (der gewohnliehe Site der Schulter- 
blattbriiche) wird durch eine Linie bezeichnet, welche die Inc. scapulae mit der 
Inc. colli scapulae verbindet und dann ringformig zur ersteren zuriicklauft 
(vgl. die folg. Anm.). 

* Man bat auch hier ein Cotium anatomicum (die eben angegebene Furche) 
und ein Collum chirurgicum unterschieden. Das letztere ist unterhalb des 
ganzen oberen Endes gelegen. 



60 


Erster TeiL Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


supraspinatus infraspinatus und teres minor, das Tubere, minus 
eine ebensolche fur den Ansatz des M. subscapularis. Von jedem 
Tuberculum lauft eine Kante, die Crista tuberculi majoris bzw. minoris, 
nach abwarts. An die erstere setzt sich der M. pectoralis major, an 
die letztere der M. latissimus und teres major fest. Zwischen den 
beiden Tubercula und Cristae ist der Sulcus intertubercularis far die 
Sehne de$ langen Bizepskopfes gelegen. 

Der Korper ist dreikantig und zeigt eine hintere und zwei 
vordere Flachen. Die vordere laterale ist mit einer Rauhig- 
keit, Tuberositas deltoidea, ftir den Ansatz des M. deltoideus yersehen. 
Die hintere zeigt den schrag von oben und medianwarts nach 
unten und lateralwarts verlaufenden Sulcus n. radialis, in dem aber 
nicht allein der N. radialis, sondern auch die A. und V. profunda 
brachii verlaufen. 

Das distale Ende zeigt an jeder Seite einen Hocker, den 
Oberarmknorren, Epicondylus medialis und lateralis, von denen die 
oberflachlichen Unterarmmuskeln entspringen. Der Epicondylus 
medialis ist starker und zeigt hinten eine Furche fur den N. ulnaris, 
Sulcus n. ulnaris (Stelle des sogen. Musikantenknochens). Der zwischen 
den Knorren befindliche iiberknorpelte Fortsatz wird ais Proc. 
cubitalis humeri bezeichnet, er besteht aus dem halbkugligen Capi¬ 
tulum humeri (fur das Radiuskopfchen) und einer Rolle, Trochlea humeri , 
auf welcher sich die Ulna bewegt. Die Trochlea ragt jedoch mit 
ihrem tiefsten Punkte etwa 1,5—2 cm weiter nach abwarts, ais das 
Capitulum. Oberhalb des Proc. cubitalis befinden sich vorn 
zwei kleine Gruben, die Fossa coronoidea, ftir den Proc. coronoideus 
ulnae und die Fossa radialis ftir das Capitulum radii; hinten ist nur 
eine, namlich die Fossa olecrani, fur das Olecranon ulnae vorhanden. 

d) Die Unterarmknochen. 

Der Unterarm oder Yorderarm, Antibrachium, besitzt zwei 
Knochen, namlich die Elie, Ulna, und die Speiche, Radius, 'welche 
das Spatium interosseum zwischen sich fassen. Beide Knochen sind 
gegen den Oberarm mittels der Beugung und Streckung, aber 
auch gegeneinander mittels der Pronation und Supination 
beweglich, wobei sich der Radius um eine Achse dreht, welche das 
Capitiilum ulnae und Capitulum radii miteinander verbindet. Nach 
der Supination sind beide Knochen einander parallel, und zwar die 
Ulna medial, der Radius lateral gelegen. Nach der Pronation 
kreuzen sich beide Knochen. unter spitzem Winkel, wobei der Radius 
vorn bzw. oben, die Ulna hinten bzw. unten liegt. Die Ulna ent- 
spricht in jeder Lage der Kleinfingerseite, der Radius der 
Daumenseite. Ftir die Beschreibung der beiden Knochen wird 
stets von der vollendeten Supinationstellung ausgegangen. 



VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 61 


1. Der Radius. 

Die Speiche, Radius, wird in das obere Ende, das Mittel- 
stiick und das untere Ende eingeteilt. . 

Das obere oder proximale Ende zeigt zunachst das Badius- 
kopfchen, Capitulum radii, welches zwei Gelenkflacben, namlich; 

1. oben die tellerformige Fovea capituli fur das Capitulum humeri; 

2. peripher um die letztere verlaufend, die ringformige Circum¬ 
ferentia articularis radii ftir die Inc. radialis ulnae besitzt. Unterhalb 
des Capitulum liegt das Collum radii ; noch etwas weiter unten und 
vorn die Tuberositas radii, an der sich die Bizepssehne befestigt 

Der- Korper, Corpus radii , zeigt drei Kanten, einen Margo vo¬ 
laris und dorsalis, sowie die scbarfe Crista interossea, welche der Ulna 
gegentiberliegt. Die Flachen werden ais Facies volaris, dorsalis und 
lateralis [radialis) bezeichnet. 

Das distale Ende ist dicker und deshalb auch ais Basis radii 
bezeichnet worden. An der lateralen Seite der letzteren ragt der 
stumpfe Proc. styloideus nach abwarts. Die Ulnarseite zeigt'die tiber- 
knorpelte, halbmondformige Inc. ulnaris radii ftir das Capitulum ulnae. 
AuBerdem ist noch eine andere Gelenkflache, die Fascies artic. carpea, 
fhr das Os naviculare und lunatum vorhanden. Die Dorsalseite 
des distalen Endes besitzt einige Furchen fur die Extensoren der 
Hand, unter denen die etwas schraglaufende kleine Furche fur den 
M. extensor pollicis longus am deutlichsten ausgepragt ist. 

2. Die Ulna. 

Die Elie, Ulna, wird ebenso wie der Badius in: a) das obere 
oder proximale Ende; b) ein Mittelstuck, den Korper, und c) das 
untere oder distale Ende eingeteilt. 

Das proximale Ende ist hier dicker (. Basis ulnae): es wird durch 
die tiberknorpelte Inc. semilunaris in zwei Vorsprtinge geteilt, den 
vorderen, Proc. coronoideus, und den hinteren, etwas hakenformigen 
Ellbogen, Olecranon, an dem sich die Sehne des M. triceps festsetzt. 
Die Inc. semilunaris selbst legt sich an die Trochlea humeri. AuBer- 
dem besitzt die Basis ulnae noch an der lateralen (radialen) Seite des 
Proc. coronoideus die Uberknorpelte, halbmondformige Inc. radialis 
ulnae, in der sich das Badiuskopfchen dreht. Von derselben lauft 
mitunter die Crista m. supinatoris nach distal- und dorsalwarts (Ur- 
sprung des M. supinator). Etwas unterhalb des Proc. coronoideus 
ist noch die Tuberositas ulnae ftir den Ansatz des M. brachialis zu 
erwahnen. 

Der Korper, Corpus ulnae, zeigt ebenso wie am Badius einen 
Margo volaris und dorsalis, sowie die Crista interossea, welche das Spatium 
interosseum begrenzt. Die Flachen werden ais Facies volaris, dorsalis 



62 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


und medialis (ulnaris ) unterschieden. Die letztere ist iiberall dicht 
unter der Haut fiihlbar. 

Das distale Ende bildet das Capitulum ulnae, an dem sicb 
wieder wie am Badius eine Circumferentia articularis fur die Inc. ul¬ 
naris radii und eine Facies articularis carpea fiir das Os triquetrum 
befindet. AuBerdem sind hier an der Dorsalseite noch dieKinne 
fiir den M. extensor carpi ulnaris und der Proc. styloideus ulnae zu er- 
whhnen. 

e) Die Knochen der Hand. 

An der Hand, Manus, ist zunachst der Handriicken, Dorsum 
und die Hohlhand, Vola manus, femer der Daumen-oder Radial- 
rand und der Kleinfinger- oder Ulnarrand zu unterscheiden. Die 
Hand besitzt folgendes Knochengeriist: 1. die Handwurzel, Carpus, 
bestehend aus den 8 Handwurzelknochen, Ossa carpi-, 2. die 
Mittelhand, Metacarpus, bestehend aus 5 Mittelhandknochen, Ossa 
metacarpi ; 3. die 14 Fingerglieder, Phalanges digitorum. 

1. Die Handwurzel. 

Die 8 Handwurzelknochen sind je zu vieren in einer oberen 
(proximalen) und einer unteren (distalen) Beihe angeordnet. Die 
4 Knochen der oberen Beihe (von der Daumenseite angefangen) 
beiBen: 1. das Schiff- oder Kahnbein, Os naviculare-, 2. das Mond- 
bein, Os lunatum-, 3. das Dreieckbein, Os triquetrum ; 4. dasErbsen- 
bein. Os pisiforme. Die 4 Knochen der unteren Beihe (in derselben 
Folge) heiBen: 1. das groBe Vieleckbein, Os multangulum majus ; 
2. das kleine Vieleckbein, Os multangulum minus-, 3. das Kopf- 
bein, Os capitatum ; 4. das Hakenbein, Os hamatum. 1 

Es ist kaum notig, die einzelnen Karpalknochen genau zu be- 
schreiben. Dagegen hat man folgendes zu merken. Das Erbsenbein 
artikuliert allein mit dem Os triquetrum, nicht mit den Unterarm- 
knochen. Das Kopfbein ragt mittels seines kugligen Gelenkkopfes, 
Caput ossis capitati, erheblich in die proximale Beihe hinein. Endlich 
noch, daB an der Volarseite des Carpus sich zwei Hervorragungen, 
namlich an der Daumenseite .die Eminentia carpi radialis, an der 
Kleinfingerseite die Eminentia carpi ulnaris befinden. Die erstere 
wird von dem Tubere, oss. navicularis und dem Tubere, oss. multanguli 
majoris, die zweite von dem Haken, Hamulus oss. hamati, und dem 
Os pisiforme gebildet. Zwischen beiden Eminentiae ist der sogen. 
Sulcus carpi gelegen, in dem die Sehnen der Fingerbeuger hin 
und her gleiten. 

1 Es gibt einen schonen Vers, um sich die Handwurzelknochen in dieser 
Reihenfolge zu merken: So schiffen wir beim Mondenschein dreieckig um 
das Erbsenbein; Vieleckig groB, vieleckig klein, ein Kopf muB bei dem 
Haken sein. 



VI. Die Knoclien. Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 63 


2. Die Mittelband. 

Die 5 Mittelhandknochen, Ossa metacarpalia zeigen: 1. ein 
proximales Ende, Basis; 2. ein Mittelstiick, Corpus, und endlich 
8. ein distales Ende, Capitulum. Das Metacarpale des Daumens 
ist dadurch ausgezeichnet, daB es mit dem Multangulum majus ein 
Sattelgelenk bildet, wahrend die ubrigen Mittelhandknochen an ihrer 
Basis plane Gelenkflachen zeigen. Die Basis des IIL Mittelhand- 
knochens zeigt noch den Proc. styloideus zum Ansatz fur die Sehne 
des M. extensor carpi radialis brevis. Die Capitula besitzen‘uberall 
an der Radial- wie an der Ulnarseite je ein Griibchen, Sinus capituli, 
und ein Hockerchen, Tubere, capituli, welches zum Ansatz fiir das je- 
weilige Lig. collaterale dient. Die Gelenkflache des Capitulum ist 
immer an der Dorsalseite mehr kuglig, an der Volarseite mehr 
zylindrisch (vgl. die Gelenklehre). 

3. Die Fingerglieder. 

Von den Fingergliedern, Phalanges, sind am Daumen nur zwei, 
an jedem anderen Finger drei vorhanden: man bezeichnet dieselben 
an jtsdem Finger ais I. oder Grundpbalange, II. oder Mittelpha- 
lange und IIL oder Endphalange (Nagelglied). Auch hier unter- 
scheidet man Basis, Korper und Kopfchen. Die Gelenkflachen 
zwischen den einzelnen Phalangen zeigen sowohl an der Basis wie 
am Kopfchen im ganzen zylindrische Beschaffenheit, wie es fiir 
Scharniergelenke notwendig ist. 

B. Die Gelenke und Bander der oberen Extremitat. 

1. Sdrulter-Schliisselbeingelenk. 

Das Schulter-Schliisselbeingelenk oder laterale Schltissel- 
beingelenk, Artic. acromio-davicularis, hat plane Gelenkflachen (Am¬ 
phiarthrose) und manchmal einen Discus articularis. In dem Gelenk 
wird der untere Winkel des Schulterblattes nach latera!- oder 
medianwarts bewegt. Die obere Kapselwand ist sehr stark (Lig. 
acromio-claviculare). 

Unter den Verstarkungsbandern ist zuerst das Lig. coraco¬ 
claviculare zwischen Proc. coracoideus und Tuberositas coracoidea des 
Schlusselbeines zu nennen. Der vordere Teii des Bandes wird auch 
ais Lig. trapezoideum, der hintere ais Lig. conoideum bezeichnet. 
Ferner vom Proc. coracoideus zum Acromion das Lig. coraco-acromiale, 
welches diese beiden Fortsatze zum Schultergewolbe erganzt. 

Am Schulterblatt selbst wird die Inc. scapulae vom Lig. trans¬ 
versum scapulae superius, die Inc. colli scapulae vom Lig. transversum 
scapulae inferius tiberbruckt. Unter dem ersteren Band geht der 



64 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

N. suprascapularis, oberhalb desselben die Yasa transversa scapulae 
zur Fossa supraspinata hin. Unter dem letzteren Bande Aste 
desselben Nerven sowie GefaBanastomosen zwischen den Vasa trans¬ 
versa und circumflexa, scapulae. 

2. Das Schultergelenk. 

Das Schultergelenk, Articulatio humeri (zwischen dem Gelenk- 
kopf des.Schulterblattes und dem Oberarmkopf) ist ein freies oder 
Kugel-gelenk (Arthrodie), dessen Bewegungen fast nur durch das 
Acromion bzw. Schultergewolbe beschrankt werden. Die in diesem 
Gelenk moglichen ^ewegungen sind hauptsachlich folgende: 1. die 
Abduktion und Adduktion (An- und Abziehen); 2.' die Hebung 
nach vorn und nach hinten und 8. die Rotation nach einwarts 
(medianwarts) und nach auswarts (lateralwarts) um die Langs- 
achse des Humerus. Die Rotationen konnen am Humeruskopf ent- 
weder unterhalb des Acromion oder in der Achselhohle abgetastet 
werden. 

Die Gelenkkapsel ist am fibrosen Rande [Labrum glenoidale) der 
Gelenkpfanne des Schulterblattes und am Collum anatomicum humeri 
befestigt und im allgemeinen zu schlaffer Faltung geneigt. Nuroben 
strahlt in die Gelenkkapsel vom Proc. coracoideus das starke Lig. 
coraco-humerale hinein, an welchem der Arm bei schlaffer Muskulatur 
aufgehangt ist. Die Kapsel wird jedoch durch die mit ihr verwach- 
senen Sehnen von drei Muskeln namlich: 1. des M. supraspinatus; 
2. des M. infraspinatus und teres minor und 3. des M. sub¬ 
scapularis geschiitzt bzw. verstarkt, welche zugleich durch ihre 
Kontraktion beim Ein- und Auswartsrollen die sich faltende Kapsel 
vor Einklemmung schutzen. In diesem Muskelpanzer sind jedoch 
zwischen den 3 Sehnen 3 Liicken vorhanden, an denen bei Ver- 
renkungen der Oberarmkopf mit Vorliebe die Kapsel durchreiflt und 
heraustritt. Es ware noch zu erwahnen, dafl die Sehne des langen 
Bizepskopfes innerhalb der Gelenkhohle zu ihrer Insertion zieht. 

Dicht am Schultergelenk sind noch einige beachtenswerte Schleim- 
beutel gelegen, namlich: 1. di q Bursa subacromialis, welche sich manch- 
mal ais Bursa subdeltoidea bis unter den M. deltoideus herunterschiebt 1 ; 

2. die Bursa intertubercularis umgibt ais Ausstiilpung der Gelenkkapsel 
die Sehne des langen Bicepskopfes in der gleichnamigen Furche; 

3. die Bursa subcapularis hinter dem oberen Rande der Subscapularis- 
sehne; sie ist vielfach mit der folgenden Bursa zu ein em Schleimbeutel 

1 Nicht selten sind auch zwei getrennte Schleimbeutel, eine Bursa sub¬ 
acromialis und eine subdeltoidea, vorhanden, von der die erstere zwischen dem 
Acromion und der Gelenkkapsel, die letztere zwischen dem Tubere, majus und 
dem M. deltoideus liegt. 



VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 65 

verschmolzen; 4. die Bursa m. coraco-brachialis, (subcoracoidea), welche 
dicht unterhalb des Proc. coracoideus iiber der vorigen gelegeu ist. 
Die letzteren beideu Bursae communizieren haufig mit dem Schulter- 
gelenk. Einige andere in dieser Gegend vorkommende Schleimbeutel 
sind inkonstant und weniger wichtig. 

3. Das Ellbogengelenk. 

DdS Ellbogengelenk, Articulatio cubiti, besteht eigentlich aus 
drei kombinierten Gelenken, namlich: 1. der Artio, humero-ulnaris 
zwischen der Inc. semilunaris ulnae und der Trochlea humeri; 2. der 
Aiiic. humero-radialis zwischen Capitulum radii und Capitulum humeri 
und 3. der Artic. radio-ulnaris proximalis (superior) zwischen dem Ca¬ 
pitulum radii und der Inc. radialis ulnae. Diese. drei Gelenke werden 
jedoch von einer gemeinsamen Gelenkkapsel umschlossen. Von 
diesen Gelenken kann das erste ais ein Schraubengelenk, das 
zweite ais ein Kugelgele-nk, das dritte ais ein Radgelenk be- 
zeichnet werden. 

Die Hauptbewegungen in diesem Gelenk sind die Beugung 
und Streckung des Unterarmes, welche in den beiden ersteren 
Gelenken vor sich gehen. Dies sind aber keine Schamierbewegungen, 
da wahrend der Streckung der Unterarm mit dem Oberarm ein en 
lateralwarts offenen Winkel bildet und bei der Beugung all- 
mahlich schraubenformig auf dem Proc. cubitalis humeri nach 
medianwarts riickt. In dem oberen Radio-ulnargelenk kann auBerdem 
noch die Pronation und Supination stattfinden. 

Die Gelenkkapsel des Ellbogengelenkes ist am Humerus 
oberhalb der dort befindlichen drei Gruben (Fossa coronoidea, Fossa 
radialis und Fossa olecrani), unten am Rande dehinc, semilunaris 
ulnae und am Collum radii befestigt. Die Kapsel ist nur an einer 
Stelle wirklich schlaff, namlich dort, wo sie sich an das Collum radii 
ansetzt [Recessus sacciformis) — sonst wiirde sich ja der Radius hier 
nicht um die Ulna drehen konnen. Im iibrigen ist Bie straff, wenn- 
gleich sie sich bei der Beugung Tom, bei der Streckung hinten faltet. 
DaB sie sich hierhei nicht einklemmt, wird vom durch den Zug des 
M. brachialis, hinten durch-den des M. anconaeus verhiitet, welche beide 
mit der Gelenkkapsel verwachsen sind. 

Ais Verstarkungsbander sind in die Kapsel eingewebt: 1. das 
dreiseitige Lig. collaterale ulnare, welches vom Epicondylus medialis 
zum Rande der Inc. semilunaris nach abwarts zieht; 2. das streifen- 
formige Lig. collaterale radiale, welches vom Epicondylus lateralis zu 
dem folgenden Bande verlauft; 3. das Lig. annulare radii, welches vom 
Proc. coronoideus der Ulna nahezu ringformig um die Circum¬ 
ferentia articularis radii nach hinten zum Olecranon geht. 

Von Schleimbeuteln ist wegen ihrer haufigen starken Yer- 

Broesike, Repetitorium anatomicum. * 5 



66 Erster Teii. Knochen-, B&nder- und Muskellehre. 

groBerung (the mineas elbow) zunachst die Bursa subcutanea olecrani am 
oberen Ende des EUbogens zu nennen. Subkutane Schleimbeutel 
sind ferner haufig auf dem Epicondylus medialis oder lateralis gelegen. 
Endlich kann noch dicht oberhalb des Olecranon in der Trizeps- 
sehne die Bursa intratendinea, unter derselben die Bursa subtendinea 
olecrani gelegen sein. 

In der Streckung des Armes sind die Spitzen beider Epicondyli 
mit dem oberen Ende des Olecranon in einer Linie gelegen. Zu 
beiden Seiten des letzteren wird dann eine Grube sicbtbar: in der 
medialen liegt der N. ulnaris, in der lateralen wird namentlich 
bei' Drehungen das Capitulum radii deutlich fuhlbar. 

4. Die Eadio-ulnargelenke. 

1. Die Artic. radio-ulnaris proximalis zwiscben Capitulum radii 
und Inc. radialis ulnae gehbrt zum Ellbogengelenk (s. S. 65). 

2. Die Artic. radio-ulnaris distalis liegt zwischen dem Capitulum 
ulnae und der Inc. ulnaris radii: doch erstreckt sich ihre Gelenkhohle 
noCh unter einem rechtwinkligen Knick zwischen das Capitulum 
ulnae und das Os triquetrum, von dem sie allerdings durch einen 
Discus articularis (Cart. triangularis) geschieden ist (s. Fig. 12). Da 
die Exkursionen des unteren Eadiusendes um das UlnakSpfchen bei 
der Ein- und Auswartsdrehung betrachtliche sind, so ist auch bei 
diesem Gelenk die Kapsel sehr schlaff (Recessus sacciformis ). 

Der Zwischenraum zwischen Eadius und Ulna wird durch die 
Membrana interossea antibrachii verschlossen. Doch bleibt am oberen 
Ende eine Lticke fur die A. u. V. interossea dorsalis, am unteren eine 
zweite fur das Ende der A. interossea volaris bestehen. Beide Arterien 
gehen durch diese Liicken von der Volarseite nach der Dorsalseite hiniiber. 

5. Die Gelenke und Bander der Hand. 
u) Die Gelenke. 

Die Gelenke der Hand, Articc. manus, werden von proximal- 
nach distalwarts folgendermaBen bezeichnet: , 

1. Das Handgelenk im engeren Sinne, Artic. radio-carpea , 
wird proximal von der Basis radii und dem vorhin erwahnten Discus 
articularis 1 ), distal von der ersten Eeihe der Handwurzelknochen (mit 
Ausnahme des Erbsenbeines) gebildet. Die Ulna ist also (s. Fig. 12) 
durch den Discus von diesem Gelenk getrennt. AuBerdem ist zu be- 
achten, daB das Erbsenbein durch ein vollig isoliertes Gelenk, 
Artic . ossis pisiformis, lediglich mit dem Os triquetrum verbunden ist. 

1 Man kann diesen Discus articularis ais eine faserknorplige Verlangerung 
des Knorpels betrachten, wclcher die Facies artic. carpea des Radias bekleidet 
und sich zwiscben Ulna und Carpus einschiebt. 



VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 67 

Die Bewegungen im Radio-carpalgelenk geschehen entsprechend 
seiner ellipsoiden Form (Condylarthrose) um die kurze und die lange 
Axe der Ellipse: die Bewegungen um die lange Axe werden ais 
Dorsalflexion und Volarflexion, diejenigen um die kurze Axe 
ais Radialflexron und Ulnarflexion bezeichnet. 

2. Das Handwurzelgelenk, Artio, intercarpea, ist zwischen der Lund 
II. Reihe der Handwurzelknochen gelegen und trotz der komplizierten 
Form der Gelenkflachen doch ais Scharniergelenk zu betrachten, 
da die Hauptbewegungen in demselben Volarflexion undExtension 1 
sind. Hautig ist eine Kommunikation mit dem folgenden Gelenk vorhanden. 

3. Das Handwurzel-Mittelhandgelenk, Artio, carpo-metacarpea, 
besteht eigentlich aus drei kleinen Gelenken, welche durch zwei 
Scheidewande voneinander getrennt sind, namlich den Carpo-metacarpal- 
gelenken: 1. des Daumens (Sattelgelenk), 2. dem der zwei 
nachsten und 3. dem der zwei letzten Finger (beide Amphi- 
arthrosen). Im Daumengelenk konnen zwei zueinander senkrechte 
Bewegungsarten ausgefuhrt werden, namlich: 1. Adduktion und 
Abduktion und 2. die Opposition und Kontraopposition des 
Daumens. In den beiden anderen Gelenken ist die Beweglichkeit 
nattirlich wie bei allen Amphiarthrosen sehr gering. 

4. Die 5 Mittelhand-Fingergelenke, Articc.metacarpo-phalangeae, 
sind sogen. Ginglymo-arthrodien, d. h. ihre Gelenkflachen sind 
dorsalwarts Kugelabschnitte, volarwarts dagegen Zylinder- 
abschnitte (vgl. S. 63). Daher ist die Beweglichkeit in diesen Ge¬ 
lenken wahrend der Streckung eine ziemlich freie. Wahrend der 
Beugung ist sie kaum yorhanden, was allerdings auch die Seiten- 
bander (s. w. u.) bewirken. Das Metacarpo-phalangealgelenk des 
Daumens laflt jedoch nur eine Scharnierbewegung zu. Die Kapsel 
dieser Gelenke ist an der Volarseite zur Trochlea verdickt: beim 
Daumen enthalt dieselbe ein mediales und ein laterales Sesambein. 

5. Die Fingergelenke, Articc. digitorum manus , d. h. die Ge¬ 
lenke zwischen den drei Phalangen, sind die reinsten Scharnier- 
oder Winkelgelenke des menschlichen KSrpers: die Fingerglieder 
konnen gegeneinander nur gestreckt oder gebeugt werden. 

(9) Die VerstUrkungrsbHnder der Handgeleuke. 

Zu den Versthrkungsbandern der Hand wurden friiher das 
sogen. Lig. carpi commune dorsale und volare gerechnet, von denen 
jedoch nur das erstere ais Retinaculum fiir die Extensorensehnen 
wichtig ist. Da dieselben in die oberflachliche Fascie des Unter- 
armes eingelagert sind, werden sie dort noch einmal erwahnt werden. 

1 Die Extension (Streckung) ist von der Dorsalflexion (Beugung nach 
dorsalwarts) wohl zu unterscbeiden. Bei der Streckung bilden zwei benachbarte 
Glieder eine gerade Linie, bei der Dorsalflexion einen Winkel. 

5 * 



68 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 



An der Dorsalseite der Handwurzel ist ais starkstes Band 
das Lig. radio-carpeum dorsale (rhomboideum) zu nennen, welches mit 
schragen, zwischen dem Radius und der I. Eeihe der Karpalknochen 
verlaufenden Fasern das Radio-carpalgelenk verstarkt, aber auch mit 
einzelnen Fasern uber die Artic. intercarpea bis zur II. Reihe der 
Handwurzelknochen hinuberstrahlt. AuBerdem werden aber die Hand- 

Die drei Carpo-metacarpalgelenke 


* \ 



Fig. 12. Die Gelenke der Handwurzel (Flaehenschnitt). Bei a und b stelieu 
die Artic. intercarpea und carpo-metacarpea haufig miteinander in Verbindung. 

wurzelknocben teils untereinander, teils mit den Basen der Mittelhand- 
knocben durch kurze, aber derbe Bander (Ligg. carpi dorsalia brevia ) 
fest vereinigt. Man hat bier Ligg. intercarpea, intermetacarpea, carpo- 
metacarpea und aucb noch interossea unterschieden, welcbe nacb den- 
jenigen Knochen benannt werden, zwischen denen sie verlaufen. So 
kommt es, daB die II. Reibe der Handwurzelknochen mit dem Meta¬ 
carpus ein einziges festes Gerust bildet. 

Die Yolarseite der Handwurzel zeigt die starksten Bander. 




VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln nnd Faszien der oberen Extremitat. 69 

Hier ist vor allem zwischen der Eminentia carpi radialis 
ifnd ulnaris das Lig. carpi transversum (Lig. carpi volare pro¬ 
prium) ausgespannt, welches den Sulcus tarsi zum Canalis tarsi 
schlieBt, in dem alsdann die Sehnen der Fingerbeuger und der 
N. medianus verlaufen. Dicht auf den Handwurzelknochen 
(vom Badius bis zu den Basen der Metakarpalknochen) liegt noch 
eine derbe, feste Fasermasse, das Lig. carpi volare profundum (Henle), 
an der man noch ais besondere Faserztige das schrage Lig. radio- 
carpeum volare , ferner das vom Kopf des Kopfbeins radienformig aus- 
strahlende Lig. radiatum, endlich die queren Ligg. basium volaria unter- 
schieden hat. 

An der Radial- und Ulnarseite der Handwurzel sind noch 



Fig. 13. Scliema fur die exzentrische Insertion der Ligg. collateralia digitorum. 
a und c Insertionspunkte. b Mittelpunkt der Krummungsoberflache. Man sieht 
ohne weiteree, daB die Punkte o und c in der Beugung viel weiter voneinander 
■ ‘' eutferiit sind ais in der Streckstellung. 

streifenformige Bander, das Lig. collaterale radiale und ulnare besonders 
benannt worden. 

An den Fingern sind die Metacarpo-phalangealgelenke 
mit Ausnahme des Daumens) mit ulnaren und radialen Seiten- 
bandern, Ligg. collateralia, versehen, welche die Eigentiimlichkeil; 
zeigen, daB sie an den Metakarpalkopfchen exzentrisch zur 
Kriimmung der Gelenkflache, d. h. mehr nach der Dorsalseite 
hin inserieren (s. Fig. 13). Die Folge davon ist, daB diese Bander in 
der Streckung der Finger schlaff, in der Beugung mehr oder 
weniger stark gespannt sind. Daher die freie Beweglichkeit der Finger 
wahrend der Streckung, die Feststellung derselben nach der Beugung. 
AuBerdem ist, wie bereitsS. 67 erwahnt, die Gelenkkapsel der Volarseite 
durch die sogen. Trochlea (auch ais Lig. accessorium volare bezeichnet) 
veretarkt und verdickt.. Die Trochleae sind durch die bereits oben 
erwahnten starken Ligg. basium volaria fest verbunden, wahrend die 
gleichnamigen dorsalen Bander ais dunne Streifen kaum Erwahnung 
verdienen. Auch die Gelenke zwischen den Phalangen zeigen 



70 Erster Teii. Knoehen-, B&nder- und Muskellehre. 

die Trochlea und die Lig. collateralia: doch sind die letzteren nicht 
exzentrisch befestigt, was ja auch bei einem reinen Scharniergelenk 
die Beweglichkeit stark beschranken wiirde. 

Dagegen kann hier noch erwahnt werden, daB an der Yolar- 
seite der Phalangen die Sehnen der Fingerbeuger nicht allein von 
sogen. Schleimscheiden umgeben sind, sondern auch noch von je 
einer derben fibrosen Scheide, Lig. vaginale, in ihrer Lage erhalten 
werden: In diese fibrosen Scheiden sind nun noch halbringformige 
oder schrage oder mitunter auch gekreuzte Verstarkungsstreifen 
eingewebt, wplche man ais Ligg. annularia, obliqua oder cruciata be- 
zeichnet hat (s. Fig. 16 S. 79). 

G. Die Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 

a. Die Schultermuskeln. 

1. Der M. deltoideus entspringt vom lateralen Drittel der Clavicula, 
vom Acromion und der Spina scapulae, genau gegeniiber der 
Insertion des Trapezius. Funktion: Hebt den Oberarm bis zur 
Horizontalen (Abduktion). Wenn sich nur die vorderen oder 
hinteren Fasern kontrahieren, wird der Arm nach vorn bzw. hinten 
bewegt. Soli der Arm bis zur Yertikalen gehoben werden, wobei 
der untere Winkel des Schulterblattes nach lateralwarts riicken 
muB, so tritt noch der M. serratus ant. (und auch die obersten Fasern 
des Latissimus) in Aktion (vgl. S. 48). 

2. Der M. subscapularis. Urspr.: Fossa subscapularis. Ansatz: 
Tubere, minus humeri. Funktion: Einwartsroller des Oberarms. 

3. Der M. supraspinatus. Urspr.: Fossa supraspinata. Ansatz: 
Tubere, majus humeri. Funktion: Auswartsroller und vielleicht 
auch schwacher Heber des Oberarmes. 

4. Der M. infraspinatus und teres minor sind vielfach -zu einem 
Muskel verschmolzen. Urspr.: Fossa infraspinata bzw. laterale Xante 
der Scapula. Ansatz: Tubere, majus humeri. Funktion: Aus¬ 
wartsroller des Oberarmes. 

b. Die Oberarmmuskeln. 

Diese Muskeln werden in eine vordere G-ruppe, Beuger oder 
Flexoren, und eine hintere, Strecker oder Extensoren, eingeteilt. 

«) Die Flexoren. 

1. Der M. biceps brachii entspringt mit zwei Portionen, namlich 
mit dem langen Kopf, Caput longum, von der Tuber, supraglenoidalis 
scapulae, mit dem kurzenKopf, Caput breve, vom Proc. coracoideus, 
wobei zu bemerken ist, daB die Ursprungsehne des langen Kopfes 
zunachst innerhalb der Gelenkkapsel nach abwarts zieht Ansatz 



VI. Die. Knochen, Gelenke, Maskelu und Faszien der oberen Extremitat. 71 

an der Tuber, radii. AuBerdem geht von der Sehne ein fibroser 
Streifen, der Lacertus fibrosus, in die Unterarmfaszie iiber, welche die 
oberflaehlichen Flexoren bedeckt. Funktion: Der Bizeps supiniert 
zuerst, wenn der Unterarm proniert war. Erst nach der Supination 
tritt die volle Beugewirkung auf den Unterarm ein. Nach Fick 
kann der kurze Kopf ais Adduktor, der lange ais Abduktor wirken. 

Der Lacertus fibrosus bildet in der Ellenbeuge eine Art vou Schutz- 
dach fiir die A. und die beiden Vv. brachiales nebst dem N. medianus, welcher 
hier am meisten medial liegt. Ferner ist wichtig, daB zu beiden Seiten des 
Bizeps je eine Furche, der Sulcus bicipitalis medialis und lateralis, gelegen ist. 
In ersterer verliiuft die A. brachialis begleitet yon den beiden Vv. brachiales 
und verschiedenen Nerven, unter dencn der starke N. medianus am wichtigsten 
Ut, weil er in der Mitte des Oberarmes vor der Arterie liegt, also 
zuerst gefiihlt wird, wenn man die Arterie aufsuchen will. Zwisehen der 
unteren Bizepssehne und dem Radius (dicht neben der Tuberositas) ist endlich 
noch die kleine Bursa bicip ito -radialis gelegen. 

2. Der M. coroco-brachialis (haufig vom N. musculo-cutaneus durch- 
bohrt) entspringt vom Proc. coracoideus. Ansatz in der Mitte der 
medialen Humerusflache. Funktion: Adduktor des Oberarmes. 

3. Der M. brachialis entspringt von den beiden Vorderflachen 
der unteren Humerushalfte (distal von der Tuberositas deltoidea). 
Ansatz: Tuber.ulnae. Funktion: Kraftiger Beuger des Unterarmes; 
zieht die Kapsel des Ellbogengelenkes wahrend der Beugung auf- 
warts, da er mit der letzteren verwachsen ist. 

|5) Die Extensores. 

Die Streckmuskeln des Oberarmes (Extensoren) werden 
eigentlich nur von einem einzigen Muskel, M. triceps brachii, gebildet, 
welcher indessen aus drei Kopfen, dem Caput longum, mediale und 
laterale bestebt, die sich mittelst einer gemeinsamen Sehne am Ole¬ 
cranon festsetzen. Das Caput longum entspringt zwisehen 
dem M. teres major und teres minor an der Tuber, infraglenoidalis 
scapulae, das Caput laterale am oberen Rande des Sulcus n.. 
radialis humeri, das Caput mediale unterhalb dieser Furche 
von der ganzen hinteren Flache des Humerus (dreiseitiges Feld). An 
die Fasem des letzteren Kopfes schliefit sich unmittelbar der M. 
anconaeus au, der vom Epicondylus lat. zum oberen Ende der Ulna verlauft, 
aber auch zu den Unterarmmuskeln (s. S. 73) gerechnet werden kann. 

c. Die Unterarmmuskeln. 

* Auch diese Muskeln werden in Beugemuskeln (Flexoren) und 
Streckmuskeln (Extensoren) eingeteilt. Die Flexoren sind samtlich 
an der Volar- und Ulnarseite, die Extensoren an der Dorsal- 
und Radialseite gelegen. Sowohl die Flexoren wie die Extensoren 
werden in je eine oberflachliche und eine tiefe Schicht eingeteilt. 



72 


Erster Teii. Knochen-, Bander- and Muskellehre. 


Betreffs der Urspriinge ist zu merken, daB die oberflachliche 
Schicht beider Muskelgruppen hauptsachlich von den Epi- 
kondylen des Oberarmes, und zwar die der Extensoren yom Epi¬ 
condylus lateralis 1 , die der Flexoren vom Epicondylus medialis ent- 
springt. Die tiefe Schicht beider Muskelgruppen hat ihre 
Urspriinge weiter abwarts, namlich an der Ulna, dem Radius und 
dem Lig. interosseum. 

Betreffs der Insertionen kann man festhalten, daB die Mm. 
flexor und. extensor carpi radialis mit ihren Sehnen der Basis 
des II. Metakarpalknochens, die Mm. flexor und extensor carpi 
ulnaris der Basis des V. Metakarpalknochens zustreben. 

a) Die Flexoren. 

Zur oberfl&chlichen Schicht der Flexoren gehoren: 1. der 
M. pronator teres ; 2. der M. flexor carpi radialis ; 3. der M. palmaris 
longus ; 4. der M. flexor digitorum sublimis und 5. der M. flexor carpi 
ulnaris . - Alie diese Muskeln entspringen ais eine einzige fest ver- 
wachsene Masse vom Epicondylus medialis. Nur der M. flexor 
digg. sublimis bekommt noch den sogen. Radialkopf yon der Speiche 
und der M. flexor carpi ulnaris eine platte Aponeurose von der 
Ulna 2 . Betreffs ihrer Insertionen ist zu merken, daB sich festsetzt: 

1. Der M. pronator teres in der Mitte des Radius; 

2. Der M. flexor carpi radialis an'der Basis des II. Metacarpale; 

3. Der M. palmaris longus strahlt an der Hohlhand in die starke 
Aponeurosis palmaris aus; 

4. Der M. flexor digitorum sublimis zieht unter dem Lig. carpi 
transversum mit sehnigen Zipfeln zu den Basen der Mittelphalangen 
des II. bis IV. Fingers (also nicht des Daumens). Diese Zipfel werden 
yon den darunterliegenden Sehnen des tiefen Fingerbeugers durch- 
bohrt (M. perforatus). 

5. Der M. flexor carpi ulharis inseriert zunachst am Erbsenbein; 
doch geht seine Sehne mit einem Zipfel zur Basis des V. Metakarpal¬ 
knochens, mit einem zweiten zum Haken des Hakenbeines weiter. 8 

Die tiefe Schicht der Flexoren besteht aus: 1. dem .M: flexor 
pollicis longus ; 2. dem M. flexor digitorum profundus und 3. dem M. 
pronator quadratus : sie entspringen von den beiden ^lterarm- 
knochen und dem Lig. interosseum. 

1. Der M. flexor pollicis longus entspringt entsprechend der 

1 Ais dieser Vorsprung noch Condylus externus hieB (alte Terminologie), 
konnte man sich leiehter merken, daB die Extensoren vom Condylus externus, 
die'Flexoren vom Internus ihren Ursprung nahmen. 

- Zwischen beiden Kopfen des Flexor sublimis tritt der N. medianus, 
zwischen dehen des Flexor carpi ulnaris der X. ulnaris nach abwarts in die Tiefe. 

3 Man hat diese Zipfel auch ais besondere B and er angesehen und dem- 
zufolge, ais Lig. piso-metacarpeum und Lig. piso-hamatum bezeiehnet. • 



VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitiit. 73 

Daumenseite von der Volarflache des Ea dius und zieht unter dem 
Lig. carpi transversum zum Daumen. Ansatz an der Basis der 
Endphalange. 

2. Der M. flexor digitorum profundus entspringt von der Ulna 
und dem Lig. interosseum und zieht unter dem Lig. carpi trans¬ 
versum mit 4 Sehnen zu den 4 letzten Fingern, indem jede Sehne 
diejenige des iiber ihm liegenden M. flexor dig. sublimis durchbohrt 
(M. perforans). Ansatz: Basis der Endphalangen. 1 

3. Der M, pronator quadratus zieht am unteren Ende des 
Unterarmes (Volarseite) transversal von der Ulna zum Radius. 

fi) Die Extensoren. 

Zur oberflacblichen Schicht der Extensoren gehbren: 
1. der M. brachio-radialis (friiber M. supinator longus genannt); 2. der 
M. extensor carpi radialis longus und brevis ; 3. der M. extensor digitorum 
communis bzw. extensor digiti V proprius ; 4. der M. extensor carpi ulnaris ; 
5. der M. anconaeus (vgl. S. 71). 

Alie diese Muskeln entspringen vom Epicondylus lateralis 
ais eine gemeinsame Muskelmasse: nur der M. brachio-radialis entspringt 
nicbt eigentlich vom Epicondylus, sondern von der dicht daruber 
gelegenen Humeruskante. Der M. extensor carpi ulnaris bekommt 
(ebenso wie der Flexor) noch einen aponeurotischen Ursprung vom 
oberen Teii der Ulna. Die Insertionen sind folgende: 

1. Der M. brachio-radialis am Proc. styloideus radii. 

2. Der M. extensor carpi radialis longus an der Basis des II. Meta¬ 
carpus, der brevis dagegen am Proci styloideus des III. Metacarpalknochens. 

3. Der M. extensor digitorum communis an der Dorsalseite der 
4 letzten Finger mit 4 Sehnen 2 , von denen jede sicb in drei Zipfel, 
namlich einen mittleren fur die Basis der II. Phalange, und zwei 
seitlicbe ^r die Basis des Nagelgliedes spaltet (s. auch Fig. 15). An 
die seitlichen Zipfel legen sich noch die Sehnen der Mm, lumbricales 
und interossei (s. S. 76) an, um ebenfalls zum Nagelglied zu verlaufen. 
Mit den unter der Extensorsehne gelegenen Gelenkkapseln ist die- 
selbe fest verwachsen. 

4. Der M. extensor digiti minimi proprius geht aus der Muskelmasse des 
vorigen hervor, dann aber mit seiner Sehne durch ein besonderes Fach 
unter dem Lig. carpi comm. dorsale zum Nagelglied des kleinen Fingers. 

5. Der M. extensor carpi ulnaris zieht zlir Basis des V. Meta- 
karpalknochens hin. 

1 An der Hand und am FuB bohrt sich immer die tiefe Elfxorsebne 
durch die oberflkchliche hindurch. 

* Die Ringfingersehne hangt mit den Nachbarsehnen haufig durch 
fibrose Brucken ^usammgii, woher es auch kommt, daB der Ringfinger von 
allen Fingem am schlechtesten isoliert gestreckt werden kann. 



74 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

Zur tiefen Schicht der Extensoren gehoren: 1. der M. ab¬ 
ductor pollicis longm und extensor pollicis brevis ; 2. der M. extensor pollicis 
longus", 3. der M. extensor indicis proprius und 4. der M. supinator. Auch 
diese Muskeln entspringen (wie die tiefen Flexoren) von den 
beiden Unterarmknochen und dem Lig. interosseum. Ihre 
Sehnen (mit Ausnahme des Supinator) treten .zwischen dem M. extensor 
digg. communis und dem M. extensor carpi radialis brevis her.vor, um 
alsdann Uber die Sehnen der beiden Mm. extensores carpi radiales 
zum Daumen und Zeigefinger zu zieben. 

• 1. Der M. abductor pollicis longus und extensor pollicis brevis ent¬ 

springen gemeinsam vom Radius und Lig. interosseum. Ansatz 
des Abductor an der Basis des I. Metacarpale, des Extensor brevis 
an der Basis der I. Phalanx des Daumens. 

2. Der M. extensor pollicis longm entspringt vom Lig. in¬ 
terosseum. Ansatz: Basis der Endphalange des Daumens. 

3. Der M. extensor indicis proprius entspringt vom Lig. in¬ 
terosseum und der Ulna und verschmilzt am Zeigefinger mit der. 
Sehne des M. extensor digitorum communis. 

4. Der M. supinator liegt am oberen Ende des Unterarmes 
‘"(Dorsalseite). Ursprung: Laterale Kapselwand des Ellbogen- 

gelenkes und.oberes Ende der Ulna (Orista m. supinatoris). Seine 
Fasern ziehen schrag nach unten und radialwarts, um sich dann, 
hakenformig umbiegend, an der Volarflache des Radius (ober- 
halb der Tuberositat) festzusetzen. 

Was die Funktion der Unterarmmuskeln betrifft, so ist 
dieselbe bei den meisten schon aus dem Nam en zu ersehen. Einiges 
muB jedoch noch bemerkt werden. 

Der M. palmaris longus spannt die Aponeurosis palmaris in der 
Langsrichtung, so dafi die in der Hohlhand gelegenen Weichteile 
beim festen Zugreifen vor Druck geschtttzt werden. 

Der M. brachio-radialis ist kein Supinator, wohl aber ein Beuger 
des Unterarmes, den er iibrigens auch aus der Pronation oder 
Supination in die Mittelstellung (Daumen nach vom) bringen kann. 

Die Flexores und Extensores carpi endlich bewirken (jeder fflr sich 
allein) eine schrage Flexion der Handwurzel; so z. B. zieht der 
Flexor carpi ulnaris die Handwurzel zugleich nach volarwarts und 
ulnarwarts. Allerdings diirfte der M. extensor carpi radialis brevis 
fur sich allein nur eine reine Dorsalflexion hervorbringen. Die 
drei Extensores awyi zusammen bewirken ebenfalls eine Dorsalflexion, 
die beiden Flexores carpi zusammen eine Volarflexion. Wenn sich 
der Extensor und Nexor carpi ulnaris zugleich kontrahieren, kommt 
eine Ulnarflexion zustande; wirken.endlich der Extensor carpi radialis 
longus und der Flexor carpi radialis zusammen, so wird eine Radial- 
flexion hervorgebracht. 



VI. Die Knochen. Gelenke. Muskeln und Easzien der oberen Extremitat. 75 


d. Die Muskeln der Hand. 

Au der Hand kann man drei Muskelgruppen, namlich: 1. die 
Muskeln des Daumenballens (Thenar)-, 2. die Muskeln des 
Kleinfingerballens (Anthithenar) und 3. die mittleren Hand- 
muskeln unterscheiden. 

«) Die Muskeln des Daumenballens. 

Die Muskeln des Daumenballens (mit Ausnahme des Adductor) 
entspringen im wesentlichen von der Eminentia carpi radialis 
(8. S. 62) bzw. dem benachbarten Lig. carpi transversum und inserieren 
(mit Ausnahme des OpponeDs),entweder am medialen oder lateralen 
Sesambein des Daumens (s. S. 67). Durch Vermittlung dieser, in 
die Gelenkkapsel eingelagerten Sesambeine konnen sie einen Zug auf 
die I. Phalanx ausiiben. Die Ursprunge genauer zu wissen, hat nicht 
viel Wert. Im iibrigen sind noch folgende Einzelheiten zu merken: 

1. Der M. abductor pollicis brevis, am meisten lateral gelegen, 
setzt sich am lateralen Sesambein fest. Funktion: abduziert den 
Daumen und streckt die I. Phalanx desselben. 

2. Der M. flexor pollicis entspringt mit zweiKopfen, von denen 
sich der eine am lateralen, der andere am medialen Sesambein 
festsetzt. Funktion: beugt die I. Phalanx des Daumens. 

3. Der M. opponens pollicis liegt unter dem Abductor und setzt 
sich am ganzen I. Os metacarpale fest. Funktion: zieht das 
letztere volarwarts (Opposition). 

4. Der M. adductor pollicis entspringt hauptsachlich vom 
IILMetakarpalknochen und setzt sich am medialen Sesambein 
fest. Funktion: zieht den Daumen an den Zeigefinger. 

fi) Die Muskeln des Kleinfingerballens. 

Die Muskeln des Kleinfingerballens (mit Ausnahme des 
Palmaris brevis) entspringen im wesentlichen von der Eminentia 
carpi ulnaris (s. S. 62) bzw. dem benachbarten Lig. carpi transversum 
und inserieren (mit Ausnahme des Opponens) an der Kapsel des 
Metacarpo-phalangealgelenkes des kleinen Fingers, durch 
deren Vermittlung sie auf die I. Phalanx des letzteren einen Zug 
ausiiben. Zu merken ware noch folgendes: 

1. Der M. palmaris brevis liegt quer iiber allen anderen folgenden 
Muskeln. Ursprung: Aponeurosis palmaris. Ansatz: Haut des 
Kleinfingerballens. Funktion: Spannt die Aponeurose in quer er 
Richtung und runzelt die Haut des Kleinfingerballens. 

2. Der M. abductor digiti minimi setzt sich an die laterale 
Kapselwand. Funktion: Abductor des kleinen Fingers. 

3. Der M. flexor brevis digiti minimi, meist mit dem vorigen ver- 



76 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


schmolzen, haufig nicht vorhanden, setzt sich an die volare Kapsel- 
wand. Funktion: Beuger der I. Phalanx. 

4. Der M. opponens digiti minimi setzt sich am ganzen Os meta¬ 
carpale Y. an. Funktion: zieht das letztere, also auch den Finger 
volarwarts (0pposition). 


j) Die mittleren Handmuskeln. 

Zu den mittleren Handmuskeln gehoren nur die Mm. lum¬ 
bricales und Mm. interossei. 

1. Die diinnen schlanken Mm. lumbricales entspringen am 



Fig. 14. Schema der Mm. interossei (Dorsalflache). Die zweikopfigen Interossei 
dorsales rot, die einkopfigen Inter osseivolares schwarz. Erstere strehen mit 
ihren Insertionen zur Gruppierungsaxe, letztere wenden sich von derselben ab. 


Radialrande der 4 Sehnen des tiefen Fingerbeugers und gehen am 
Radialrande der Finger in die Extensorsehne iiber, in der ihre 
Sehnenfasern sich bis zur Endphalange fortsetzen. Der Daumen 
hat keinen Lumbricalis. 

Funktion: sie beugen die I. Phalanx und strecken zugleich 
die II. und III. Phalanx (Nasenstiiberbewegung, Geigermuskeln (daher 
auch die Bezeichnung Mm. fidicini). 




VI. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Paszien der oberen Extremitat. 77 

2. Die Mm.interossei liegen zwischen den Metakarpalknochen 
und werden ais dorsale und volare unterschieden. Man kanu 
4 Interossei dorsales und 4 Interossei volares annehmen, obschon der 
Interosseus volaris I. meist mit dem Adductor pollicis innig ver- 
schmolzen ist, so daB er nur selten herausprapariert werden kann. 
Samtliche Interossei entspringen von den Basen der Metakarpal¬ 
knochen und gruppieren sich dann mit ihren Insertionen um eine 
Achse, welche durch das langste Glied (also den Mittelfinger) geht. 
(Fig. 14). Die zweikopfigen Interossei dorsales wenden sich mit ihren 
Insertionen dieser Achse zu, die einkopfigen Interossei volaris wenden 
sich dagegen mit denselben von dieser Achse ab. Die Sehnen 
aller Interossei gehen schlieBlich in die Extensorsehne iiber, mit 
der sie eng verschmol^en bis zur Endphalange verlaufen. 

Funktion: DaB der Interosseus volaris I mit dem Adductor 
pollicis verschmolzen ist, deutet schon darauf hin, daB die Inter¬ 
ossei volares Adduktoren sind, d. h. die Finger einander nahern. 
Die Interossei dorsales sind im Gegensatz dazu Abduktoren, d. h. sie 
spreizen die 3 mittleren Finger, w&hrend Daumen und Zeigefinger, wie 
bereits erwahnt, ihre besonderen Abduktoren haben. Beim Zusammen- 
wirken samtlicher Interossei volares und dorsales soli nach Henle 
die I. Phalanx gebeugt, die II. und III. Phalanx gestreckt werden. 

e) Die Sehnenscheiden und Schleijnheutel der Hand. 

Die Sehnen- oder Schleimscheiden der Hand, Vaginae 
mucosae, haben ais schleimgefullte Hiillen die Aufgabe, eine zu starke 
Reibung der von ihnen umgebenen Sehnen gegen die Unterlage zu 
verhindern. An der Volarseite sind zunachst die Sehnen der 
langen Fingerbeuger, also des M. flexor digitorum sublimis und profundus. 
von einer solchen gemeinsamen Scheide umschlossen, welche etwa 
2 cm oberhalb des Radiokarpalgelenkes beginnt (s. Fig. 16) und sich 
bis iiber die Mitte der Hohlhand distalwarts erstreckt, beim kleinen 
Finger jedoch bis zur Endphalange geht. Bei den 3 mittleren 
Fingem sind dafiir unter der Vagina fibrosa 3 besondere 
Schleimscheiden um die Sehnen vorhanden. Eine besondere Schleim- 
scheide um die Sehne des M. flexor pollicis longus beginnt ferner eben- 
falls oberhalb des Radio-carpalgelenkes, reicht jedoch wie beim kleinen 
Finger gleich bis zum Nagelgliede hinauf. Da die letztere mit 
der gemeinsamen Scheide der Fingerbeuger haufig kommuniziert, 
so kann es bei einer Entziindung dieser beiden Sehnenscheiden zu 
einer hufeisenformigen Eiterung kommen, welche sich vom 
Daumen iiber die Hohlhand bis zum Ende des kleinen Fingers 
erstreckt, ohne daB die drei mittleren Finger mit ergriffen sind. 
Ais weniger wichtig ist die kleine kurze Scheide des M. flexor carpi 
radialis unter dem Lig. carpi transversum zu nennen. 



78 


Erster Teii. Knochen-. Bander- und Muskellehre. 


Am Haudrucken haben ebenfalls gesonderte Scheiden alie die- 
jenigen Extensoren, deren Sehnen durch besondere Facber des 
Lig. carpi commune dorsale hindurchtreten (Fig. 15). Samtliche 
Extensorenscheiden beginnen etwas oberhalb des Ulnakopfchens und 



M. ext. dig. V. proprium 


Bursae subcutaneae digg. dorsales 
Bursae iutermetacarpo-phalangeae 


Sehnenscheide d. M. 
digg. comm. 


Sehnenscheide d. M. ext. 
carpi ulnaris 


ide d. M. ert.pollicis longu* 


Sehnenscheide d. 3/. ext. carpi radialis 
longus und brecis 


M. abd. poli, longus u. ext. poli, brevis 
Badius 


Sehnenscheide d. M. ext. dig 
V. proprius 


Sehnenscheide d. M. abduci.poli, 
longus u. ext. poli, brevis 


3/. interossrus dorsalis 
I und II 


Fig. 15. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel des Handriickens (rot iujiziert). 

(Aus Broesike, Atlas.) 


reichen distalwarts meist noch ein wenig uber die Basen der Meta- 
karpalknochen auf den Handrucken hiniiber. Die Scheide des M. ex¬ 
tensor pollicis longus kommuniziert mit der gemeinsamen Scheide der 
beiden Mm. extensores carpi radiales dort, wo sie uber die letztere 
hiniiberzieht. Die Kenntnis der Sehnenscheiden ist wichtig, sowohl 
wegen ihrer haufigen Entziindungen bzw. Vereiterungen, ais auch wegen 
der Divertikel (Uberbeine), welche sicb an denselben entwickeln konnen. 










VI. Die Knochen. Gelenke, Muskeln und Faszien der oberen Extremitat. 79 


Mitunter kommen auch noch Schleimbeutel, Bursae muco¬ 
sae, so z. B. unter der Insertionsehne des M. flexor carpi ul¬ 
naris, sowie des M. ext. carpi radialis brevis, ferner subkutan an 
den Kopfchen der Metakarpalknochen und Grundphalangen vor. 



d. Lig. carpi 
transversum 


Erbsenbein 


Bursa d.M. flexor carpi ulnaris 


Sthne d. AI. flexor carpi ulnaris 


(iemeinsame Sehnen- 
scheide d. At. flexor 
digg. sublimis und 
profundus • 


Vaginae fibrosae und 
mucosae d. Flexoren- 
sehnen der Finger 


AI. lumbricalis 
I u. II 


Sehnenscheide d. AI. abductor 
poli. long. und ext. poli, brevis 


Sehne d. AI. flexor carpi 


Schnittlinie d. Lig. carpi ... 
transversum 


Sehnenscheide d. AI. flexor — 
carpi radialis 


Sehnenscheide d.M. 
flexor poli, longus 


Fig. 16. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel der Hohlliand (rot injiziert). 
* (Aus Broesike, Atlas.) 


f) Die Faszien der oberen Extremitat. 

Die Faszien sind iiberall dort mit den Knochen verwachsen, wo 
sie an die letzteren herantreten. 

An der Schulter sind auBer der obertiachlichen Fascia deltoidea 
und axillaris noch die mit den Randem der Scapula verwachsenen 
Spezialfaszien, namlich die Fascia supraspinata , infraspinata und 







80 Erster Teii. Knoehen-, Biinder- und Muskellehre. 

subscapularis, zu erwahnen, welche die gleichnaraigen Muskeln be- 
decken. 

Am Oberarm ist die Fascia brachii nur an den Epikondylen 
mit der Unterlage fest verbunden. Oberhalb derselben schiebt sie 
sich vor dem M. triceps ais Septum, intermusculare mediale und laterale 
in, die Tiefe, um sich dort jederseits an der medialen und lateralen 
Humeruskante festzusetzen. 

Am Unterarm ist die Fascia antibrachii dicht unterhalb der 
Epikondylen auch noch mit den oberflachlichen Flexoren und 
Extensoren fest verwachsen; hier strahlt auch in der Ellenbeuge 
der 'Lacertus fibrosus der Bizepssehne in die Faszie der Ulnarseite 
aus. Mit der freiliegenden Flache der Ulna ist sie ebenfalls' fest 
verbunden. In der Gegend des Radio-carpalgelenkes ist sie durch 
das schwache Lig. carpi volare (commune) und das sehr derbe Lig. 
carpi dorsale (commune) verstarkt, von denen das letztere (s. Fig. 15) ein 
Retinaculum fur die Extensorensehnen bildet. 

An der Hand zeigt die Yolarseite der Faszie die starke Apo¬ 
neurosis palmaris (s. S. 74 u. 75), welche durch die Mm. palmaris longum 
und brevis gespannt werden kann, so daB die Weichteile der Hohlhand 
vor Druck geschiitzt sind. Die Aponeurose ist durch feste fibrose 
Strange mit der Haut verbunden, so daB. sich die letztere nicht 
falten lafit; vorn heftet sie sich mit je zwei Zipfeln an die Kopfchen 
der Metakarpalknochen an. Am Handriicken ist die Faszie da- 
gegen diinn und ganz schlaff. AuBerdem sind noch die Mm. interossei 
sowohl an dervolaren wie an der dorsalen Seite von der dttnnen 
Fascia interossea bedeckt. 

VII. Die Knoehen, Gelenke, Muskeln und Faszten der unteren 

Extremlt&t. 

A. Die Knoehen der unteren Extremitat. 

Zu denselben gehoren: a) die Hiiftbeine; b) die Oberschenkel- 
beine; c) die Unterschenkelknochen und d) die Knoehen de^ 
HfwrdrTDa die beiden Hiiftbeine mit dem Kreuzbein das Becken 
(den Beckengiirtel) bilden, so wird das Kreuzbein nebst seinem 
Anhang, dem SteiBbein, ebenfalls hier beschrieben, obschon es 
eigentlich zur Wirbelshule gehort. 

a) Das Kreuzbein. 

Das Kreuzbein, Os sacrum, ist dreiseitig, nach vorn konkav 
und besteht aus 5 Wirbeln. 

Von den 3 Randern bildet der obere, die Basis, mit dem Korper 
des V. Lendenwirbels einen queren starken, gynakologisch wichtigen 
Vorsprung, das Promontorium. Die Seitenrander zeigen oben jeder- 



VII. Die Knochen, Grelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat 81 

seits die iiberknorpelte Facies auricularis, welche mit der gleichnamigen 
Flache des Os coxae die Artic. sacro-iliaca bildet; nahe der Spitze 
einen Einschnitt, Inc. sacralis, welcher mit der Inc. coccygea des SteiB- 
beins das For. sacrale quintum begrenzt, das jedoch an seinem lateralen^ 
Rande meist offen ist. 

Die konkave vordere Flache, Facies pelvina, besitzt die 4 <juer- 
laufenden Lineae transversae, welche die Korper der Kreuzbeinwirbel 
trennen. An den lateralen Enden der Lineae sind die 4 oberen 
Forr. sacralia anteriora gelegen, durch welche die starken vorderen 
Aste der Sakralnerven nebst kleinen BlutgefaBen aus- und ein- 
treten. Das funfte For., sacrale ist an der Grenze zwischen Kreuz- 
und SteiBbein gelegen. Die lateral Von den Kreuzbeinlochem befind- 
lichen Knochenmassen werden ais Paries laterales des Kreuzbeins be- 
zeichnet. 

Die konvexe hintere Flache zeigt in der Medianlinie eine 
Reihe von Hockern, Procc. spinosi spurii, welche meist zu der 
sogen. Crista sacralis media verschmolzen sind. Parallel mit der 
letzteren, jedoch mehr lateral,' springt jederseits wieder eine Reihe 
von Hockern, die Procc. articulares spurii, hervor, die vielfach auch 
eine Art von Leiste, Crista sacralis articularis, bilden, Anstatt dieser 
rudimentaren Hocker sind oben (an der Basis) zwei wirkliche 
Gelenkfortsatze, unten 2 stumpfe griffelformige Vorspi?unge, 
Cornua sacralia, gelegen. Lateral von den Procc. artic. spurii sind 
noch die Forr. sacralia posteriora fur die hinteren schwachen Aste der 
Nn. sacrales und kleinere BlutgefaBe sichtbar. Noch weiter lateral 
(nahe dem Seitenrande) ragen endlich jederseits die Procc. transversi 
spurii hervor, welche zusammen die Crista sacralis lateralis bilden. 
Die rauhe Partie unmittelbar hinter der Facies auricularis wird 
ais Tuberositas sacralis bezeichnet und dient zum Ansatz fur die 
,Ligg. sacro-iliaca interossea. Das ganze Kreuzbein wird endlich der 
Lange nach vom Kreuzbeinkanal, Canalis sacralis, durchzogen, 
dessen untere von Bandern verschlossene Offnung Hiatus sacralis be- 
nannt wird. Die abgestutzte Spitze des Kreuzbeins ist gewohnlich 
mi t dem SteiBbein knochem verschmolzen. 

b) Das SteiBbein. 

Das SteiBbein, Os coccygis, besteht aus 4—5 Wirbeln, von denen 
jedoch nur der oberste noch einige Merkmale eines Wirbels zeigt. 
Man kann an demselben noch einen Korper, die Procc. transversi 
spurii und Procc. artic. spurii (die Cornua coccygea) und lateral davon 
die Inc. coccygea (s. oben) unterscheiden. Zwischen dem I. und II. SteiB- 
heinwirbel ist haufig ein Gelenk vorhanden. Der II. bis V. SteiBbein- 
wirbel sind nur unregelmaBig gestaltete Knochelchen, welche meist 
untereinander knochern verwachsen sind. 

BroestkE, Repetitorium anatomicum. 


6 



82 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


c) Das Hliftbein. 

Die beiden Hiiftbeine, Ossa coxae, bilden den vorderen und 
seitlichen Teii des Beckengiirtels: ein jedes wird in drei Abschnitte, 
namlich: 1. das oben gelegene Darmbein; 2. das vorn befindliche 
Schambein und 8. das unten liegende Sitzbein, eingeteilt. Noch 
im Kindesalter sind dieselben durcb Knorpel deutlick voneinander ge- 
trennt, spater aber nicht mehr scharf voneinander abzugrenzen. Alie 
drei Teile stoBen an der Hiiftgelenkpfanne, Acetabulum, zusammen. 

1. Das Darmbein, Os ilium, ist im wesentlichen vierseitig. Der 
untere dickere Teii bildet das Corpus ossis ilium, der obere platte 
Teii die Darmbeinschaufel, Ala ossis ilium. 

Von den 4 Randern ist der untere mit dem Os ischii und 
pubis verschmolzen. Der vordere Rand zeigt oben die Spina iliaca 
ant. superior (Ursprung des M. sartorius bzw. des M. tensor fasciae latae 
und des Lig. Pouparti), weiter unten die Spina iliaca ant. inferior (fur 
den Urprung des M. rectus femoris und des Lig. ilio-femorale), endlich 
am Tlbergang in das Os pubis die Eminentia ilio-pectinea, von der 
das Lig. ilio-pectineum entspringt. Der obere Rand bildet den 
bogen- und S-formig gekriimmten Darmbeinkamm, Crista iliaca, an 
dem man drei Linien, namlich: 1. das Labium externum fur den An- 
satz des M. obliquus abd. externus; 2. die Linea intermedia fur den 
Ansatz des Obliquus int. und 3. das Labium internum fur den M. trans¬ 
versus abdominis wahmimmt. Am tlbergang in den hinteren Rand 
ist die Spina iliaca post, superior und etwas tiefer an dem letzteren 
selbst die Spina iliaca post, inferior gelegen; beide sind fur die Ligg. 
sacro-iliaca bestimmt. An die letztere Spina schlieBt sich nach ab- 
warts bereits die Inc. ischiadica major an, welche jedoch nur mit ihrer 
oberen Halfte dem Os ilium, dagegen mit der unteren dem Os ischii 
angehort. 

Von den beiden Flachen des Os ilium zeigt die auB*ere drei 
rauhe Linien, welche die Ursprungsflachen der drei Mm. glutaei gegen- 
einander abgrenzen. Die Linea glutaea ant. zieht bogenformig von der 
Spina iliaca ant. sup. zur Spina iliaca post. inf.; die Linea glutaea post. 
verlauft vertikal nahe dem hinteren Rande, die Linaea glutaea inf. ober- 
halb des Acetabulum ziemlich parallel der Linea glutaea ant. Ober- 
halb der letzteren (zwischen ihr, der Linea glutaea post, und der 
Crista iliaca) ist der Ursprung des Al. gluiaeus medium hinter der 
Linea glutaea post, der des M. glutaeus maximus, zwischen der Linea 
glutaea ant. und inf. derjenige des M. glutaeus minimus gelegen. Die 
innere Flache zeigt die Linea arcuata, welche einen Teii der Linea 
terminalis des ganzen Beckens (s. daselbst) bildet und nach vom in 
das Pecten oss.pubis iibergeht. Oberhalb der Linea arcuata liegt 
die Fossa iliaca, aus welcher der M. iliacus entspringt. Ihr hinteres 



VII. Die Knoehen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 83 

Ende stoBt an die iiberknorpelte Facies auricularis (vgl. S. 70), hinter 
welcher sich noch die Tuberositas iliaca fur die Ligg. sacro-iliaca inter¬ 
ossea befindet. 

2. An dem Schambein, Os pubis, unterscheidet man das an 
der Hiiftgelenkpfanne gelegene Corpus ossis pubis, von ihm nach median- 
warts laufend den Eamus superior oss. pubis und von ihm absteigend 
den Eamus inferior oss. pubis. Bei diesen Bezeicbnungen wird von der 
naturlichen Stellung des Beckens ausgegangen. Der Ramus superior 
zeigt oben ais scjmrfe Kante das Pecteh oss. pubis, welches nacb vom 
am Tubere, pubicum endet, an dem sich das Lig. Pouparti befestigt. 
Unten ist dieser Ast mit dem Sulcus obturatorius (zum Durchtritt fur 
die gleichnamigen GefaBe und Nerven) versehen. Die faserknorplige 
Verbindung zwischen den beiden Schambeinen heiBt Symphysis pubis: 
unterhalb der letzteren ist zwischen den beiden absteigenden Scham- 
beinasten der Schamwinkel, Angulus pubis, gelegen, welcher beim 
Weibe normalerweise zu dem Schambogen, Arcus pubis, aus- 
gerundet ist. 

3. Am Sitzbein, Os ischii, kann man (ahnlich wie am Scham¬ 
bein): 1. das oberhalb des Acetabulum gelegene Corpus ossis ischii ; 
2. den absteigenden Ramus superior und 3. den aufsteigenden Ramus 
inferior unterscheiden. Das Sitzbein zeigt unten das Tuber ischiadi¬ 
cum, von «dem auBer dem Lig. sacro-tuberosum hauptsachlich die 
Beugemuskeln des Oberschenkels entspringfen. Am Ramus sup. springt 
hinten die Spina ischiadica hervor, an der sich das Lig. sacro-spinosum 
befestigt. Oberhalb der Spina ist nun die Inc. ischiadica major, 
unterhalb derselben die Inc. ischiadica minor gelegen, welche durch 
die beiden vorhin erwahnten Bander zum For. ischiadicum majus bz\y. 
minus geschlossen werden. Durch das For. ischiadicum majus 
tritt vor allem der M. piriformis hindurch, welcher jedoch oben 
und unten je eine Lticke, das For. suprapiriforme und infrapiriforme 
(Waldeyeb), freilabt. Durch das For. suprapiriforme zieht der N.glutaeus 
sup. nebst den gleichnamigen BlutgefaBen, durch das For. infra¬ 
piriforme der N. glutaeus inf. nebst den gleichnamigen BlutgefaBen, 
sodann der sehr wichtige N. ischiadicus, sowie hinter demselben der 
N. cutaneus femoris post., endlich der N. pudendus nebst den gleich¬ 
namigen BlutgefaBen nach auBen. Durch das For. ischiadicum 
minus tritt der M. obturator internus heraus; auBerdem aber 
geht der ebengenannte N. pudendus nebst BlutgefaBen durch das- 
selbe wieder in die Beckenhohle hinein, um an der Innenflache des 
M. obturator int. weiter nach vom und oben zur Symphysis pubis zu 
verlaufen. 

Von dem Os pubis und Os ischii wird das Hiiftbeinloch, For. 
obturatum, umschlossen, durch dessen obere Ecke (im Sulcus obturatorius 
s. oben) der N. obturatorius nebst den gleichnamigen BlutgefaBen 

6 * 



84 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

bindurchtritt. Betpeffs der Hiiftgelenkpfanne ist noch zu bemerken, 
daB dieselbe einen gewulsteten Rand, Supercilium acetabuli, besitzt, 
welcher einen Einschnitt, Inc. acetabuli, gerade dort zeigt, wo er an das 
For. obturatum angrenzt. In • der Gelenkpfanne selbst ist die iiber- 
knorpelte, sichelformige Facies lunata von der mehr rundlichen Fossa 
acetabuli zu unterscheiden, aus der das Lig. teres des Hiiftgelenkes 
entspringt. 

d) Das Becken. 

An dem Becken, Pelvis, (Beckengiirtel) werden zwei Abschnitte, 
das obere groBe Becken und das untere kleine Be*cken unter- 
schieden, welche, durcb die ringformige Linea terminalis geschieden 
sind. Diese Linie'wird vorn aus dem Pecten ossis pubis seitlich 
aus der Linea arcuata, binten aus der Basis oss. sacri bzw. dem 
Promontorium gebildet. Sie umscblieBt den Beckeneingang, Aper¬ 
tura pelvis sup. (Aditus pelvis), wahrend der Beckenausgang, Aper¬ 
tura pelvis inf. (Exitus pelvis), am knochernen Becken von dem 
unteren Itande des letzteren begrenzt wird. Am Banderbecken 
(s. S. 91) ist dies anders. Der mediane Durcbmesser des Becken- 
einganges heiBt Conjugata vera; die Gynakologen versteben jedocb 
unter dieser Bezeichnung die kiirzeste Entfernung zwischen 
Promontorium und Symphyse, deren vorderer Endpunkt gewohn- 
licb etwas tiefer, d. b. 0,5 cm unter dem oberen Symphysenrand 
gelegen ist. Die Ebene dfesBeckeneinganges bildet in aufrecbter 
Haltung mit der Horizontalebene beim Manne einen Winkel von 
50—55°, beim Weibe von 55—65°; beim Sitzen ist die Eingangsebene 
dagegen mehr oder weniger horizontal gelegen. ~ 

, Das Becken des Mannes und des Weibes zeigen normaler- 
weise folgende Unterschiede: 1. Das weibliche Becken ist in allen 
Durchmessem geraumiger; 2. ,der Beckeneingang ist beim Weibe 
mehr rundlich, vielfach elliptiscb, beim Manne kartenherzformig; 
3. der Scbamwinkel des Mannes,. Angulus pubis, ist beim Weibe 
zum Schambogen, Arcus pubis, ausgerundet; 4. die Darmbein- 
schaufeln neigen sicb beim Weibe mehr nach lateralwarts, liegen also 
flacber. Docb sind diese Unterschiede nicbt immer deutlich ausgepragt. 

e) Das Oberschenkelbein nebst der Kniescbeibe. 

Das Oberschenkelbein, Femur, wird in: 1. ein oberes oder 
proximales Ende; 2. ein Mittelstiick, den Korper, und 3. ein 
unteres oder distales Ende eingeteilt. 

1. Das obere Ende beginnt mit dem Oberscbenkelkopf, 
Caput femoris, dessen Knorpelflache die Fovea capitis femoris zum An- 
satz fur das Lig. teres zeigt und in das Acetabulum eingefligt ist. 
An den Oberschenkelkopf schlieBt sich der schlankere Oberschenkel- 
hals, Collum femoris, an. AuBerdem zeigt das obere Ende medial 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 85 

und mehr abwarts den kleinen Rollhtigel, Trochanter minor, zum 
Ansatz fiir den M. ilio-psoas, lateral und mehr oben den groBen 
Rollhpgel, Trochanter major, an den sich die meisten hinteren Hiift- 
muSkeln ansetzen. An der medialen Flache des letzteren ist noch 
die Fossa trochanterica fur den Ansatz der Mm. obturatores und gemelli 
zu erwahnen. Vom Trochanter major verlauft endlich an der Vorder- 
flache des Oberschenkels die Linea intertrochanterica nach unten und 
medianwarts zur Linea aspera hin: sie ist zur Insertion oben fiir 
das Lig. ilio-femorale, s. Bertini, unten fiir die obersten Fasern des 
M. vastus medialis bestimmt 1 . Dagegen verbindet die viel starkere, 
an der Dorsalseite gelegene Crista intertrochanterica die beiden Trochan- 
teren miteinander; an dieselbe setzt sich der M. quadratus femoris fest. 

2. Der Korper, Corpus femoris, ist dreikantig, die beiden 
vorderen Kanten sind abgerundet, die hin ter e bildet eine starke 
rauhe Leiste, Linea aspera femoris, an welcher man zwei Rander, das 
Labium mediale und laterale unterscheidet, die zur Insertion fiir die 
meisten Oberschenkelmuskeln dienen. Beide Labia divergieren nach 
oben und nach unten: oben lassen sich dieselben bis zum Trochanter 
major und minor, unten bis zum Condylus medialis und lateralis 
verfolgen. Das obere Ende des Labium mediale bildet die, sogen. 
Lima pectinea fiir die Insertion des M. pectineus, dasjenige des Labium 
laterale einen langlichen Hocker zum Ansatz fiir einen Teii des 
M. glutaeus maximus, die Tuberositas glutaea, welche sich manchmal sogar 
zum Trochanter tertius vergroBert. Zwischen beiden zieht mitunter noch 
eine vertikale Linie von der Mitte der Crista intertrochanterica 
bis zur Linea aspera hin: sie ist fur die Insertion des M. adductor 
minimus bestimmt. Unten ist zwischen beiden Labia das dreiseitige 
Planum popliteum femoris gelegen. Die drei Flachen des Korpers 
werden ais Facies anterior, medialis und lateralis unterschieden. 

3. Das distale Ende zeigt zwei knorrige Anschwellungen, den 
teilweise tiberknorpelten Condylus lateralis und medialis, von denen der 
letztere erheblich weiter abwarts ragt und starker gekriimmt ist. 
Nichtsdestoweniger liegen die tiefsten Punkte beider Kondylen beim 
Aufrechtstehen in einer Horizontalebene, so daB das Ober- 
schenkelbein mit den. Unterschenkelknochen einen lateralwarts 
offenen Wi^kel bildet 2 . Beide Kondylen werden vorn durch die 
Fossa patellaris (fiir die Kniescheibe), hinten durch die Fossa inter - 
condyloidea (fur die Insertion der Ligg. cruciata) geschieden. Die 
Seitenflache zeigt an jedem Condylus einen kleinen Hocker (Epicon¬ 
dylus medialis und lateralis), welcher jederseits dem Lig. collaterale zum 
Ansatz dient. 

1 Die Linea intertrochanterica wurde von Henle sehr richfig Linea obliqua 
femorts benannt, weil sie die beiden Troehanteren nicht verbindet. 

* Am Skelett hat also jeder Mensch X-Beine. 




86 


Erster Teii. Knochen-, Biinder- und Muskellehre. 


Die Kniescheibe, Patella, ist eigentlich eine Art Sesambein, 
welches in die Sebne des M. quadriceps femoris eingelagert ist. Das 
obere breite Ende wird ais Basis, das untere spitze ais Apex 
patellae bezeichnet. An der v.orderen rauben Flache ziehen*die 
Sehnenfasem des Quadriceps femoris voriiber, zum Teii setzen sie sicb 
an derselben fest. Die bintere iiberknorpelte Flache zeigt zwei 
Felder, von denen das kleinere mediale dem groBeren Condylus 
medialis, das groBere laterale dem kleineren Condylus lateralis 
entspricht. 

f) Die Unterschenkelknocben. 

Die beiden TJnterschenkelknochen, Ossa cruris, sind das 
Scbienbein und das Wadenbein, welche jedoch im Gegensatz zu 
den Unterarmknocben gegeneinander nur sehr wenig beweglicb sind* 
Von beiden Knocben artikuliert nur das Scbienbein mit dem Femur, 
das Wadenbein dagegen nur mit dem Scbienbein. 

1. Das Scbienbein. 

Das Scbienbein, Tibia, besteht wieder aus einem oberen 
proxima len Ende, einem Mittelstiick, dem Korper und einem 
unteren distalen Ende. 

Das obere Ende zeigt ais knorrige Anscbwellungen den Condylus 
medialis und lateralis, welche jedoch nicht so deutlich wie die Ober- 
scbenkelknorren von einander geschieden sind. Jeder Condylus tibiae 
ist oben mit einer rundlichen Gelenkflache flir den entsprecbenden 
Condylus femoris yerseben. Zwischen beiden Gelenkflachen ist die 
Eminentia intercondyloidea gelegen, welche eigentlich aus dem Tubere, 
intercondyloideum mediale und laterale besteht. Vor der Eminentia 
intercondyloidea ist die Fossa intercondyloidea ant. fur die Insertion 
des Lig. cruciatum ant., binter derselben die Fossa intercondyloidea post. 
fur das Lig. cruciatum post, vorbanden. Das obere Ende zeigt ferner 
vorn nocb die Tuberositas tibiae zum Ansatz fur die Quadrizeps- 
sehne, hinten die schrage Linea poplitea, oberhalb der sich das drei- 
seitige Planum popliteum tibiae fur den Ursprung des M. popbteus 
befindet. Endlicb ist noch an der hinteren Seite des Condylus lat. 
die kleine Gelenkflache fur das Capitulum fibulae gu erwahnen. 

Der Korper der Tibia ist dreikantig. Von *den Kanten ist die 
vordere, der Scbienbeinkamm, Crista ant. s. Crista tibiae kurzweg, 
sehr scharf. Die laterale, der Fibula gegeniiberliegende, wird Crista 
interossea genannt. Von den drei Flachen ist die mediale iiberall dicht 
unter der Haut gelegen; die beiden anderen sind von Muskeln bedeckt. 

■ Das untere Ende der Tibia besitzt medial ais vierseitigen 
Fortsatz den medialen Knochel, Malleolus medialis, dessen hintere 
Seite eine vertikale Furche, den Sulcus malleolaris, fur die Sebnen 



VII. Die Knochen, G-elenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremi tat 87 

der Mm. tibialis post, und flexor digg. longus zeigt. Lateral ist da- 
gegen am unteren Tibiaende ein Einschnitt, Inc. fibularis, zur. Ein- 
lagerung fur das Wadenbein vorhanden. Die untere Fl&che der Tibia 
bzw. die laterale des Malleolus medialis sind zur Artikulation mit dem 
Talus iiberknorpelt. 

2. Das Wadenbein. 

Auch am Wadenbein, Fibula, sind das obere proximale Ende, 
ein Mittelstuck oder Korper und das untere distale Ende zu 
unterscbeiden. 

Das obere Ende bildet das Wa.denbeinkopfchen, Capitulum 
fibulae, welches eine kleine Gelenkflache fur den lateralen Condylus 
tibiae und eine Spitze, Apex capituli, zum Ansatz fiir die Bizepssehne 
zeigt 

Der Korper, Corpus, ist dreikantig prismatisch, zeigt sich jedoch 
derartig um die Langsaxe gedreht, daB weiter unten seine 
mediale Flache zur vorderen, seine laterale zur hinteren und seine 
hintere zur medialen wird. AuBerdem zieht noch an der medialerf 
Flache eine vertikale Kante, Crista interossea, nacb abwarts, an welcher 
das Lig. interosseum befestigt ist. 

Das untere Ende bildet den lateralen Kndchel, Malleolus 
lateralis, welcher medial eine Gelenkflache fur den Talus, hinter 
der letzteren eine Grube zur Insertion des Lig. talo-fibulare 
posterius und noch weiter hinten den vertikalen Sulcus malleolaris 
fiir die Sehnen des M. peronaeus longus und brevis besitzt 

g) Die FuBknochen. 

Die FuBknochen, Ossa pedis, werden in: 1. die FuBwurzel- 
knochen; 2. die MittelfuBknochen und 3. die Zehenglieder 
eingeteilt. 

. a) Die FuBwurzel. 

Die FuBwurzel, Tarsus, besteht aus 7 Knochen, namlich: 1. dem 
Sprungbein; 2. dem Fersenbein; 3. dem Schiff-oder Kahnbein; 
4. den 3 Keilbeinen und endlich 5. dem Wurfelbein 1 . 

Diese Knochen sind nicht wie an der Hand in zwei Reihen an- 
geordnet, sondern nur die 4 -letzten bilden eine Reihe: von den 
3 ersten ist das Sprungbein groBtenteils oberhalb des Fersen- 
beines, das Schiffbein zwischen dem Sprungbein und den 
3 Keilbeinen gelegen. 

1 Auch fiir die FuBwurzelknochen gibt es ein schones Verschen: 

Das Sprungbein und das Fersenbein 
Die wollten in das Schiff hinein, 

IJnd kriegten dreimal Keile 
Vom Wiirfelbein. 



88 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

z 1. Das Sprungbein, Talus, besteht aus dem starkeren hinteren 
Abschnitt, dem Korper, Corpus tali, und dem schwacheren vorderen 
Kopfe, Caput tali, welche durch den etwas eingeschniirten Hals, Collum 
tali, verbunden sind. Der Korper besitzt oben eine nach vom sich 
verschmalernde, im iibrigen von vorn nach hinten konvexe Gelenk- 1 
flache fiir die Tibia, zu beiden Seiten die beiden kleineren Gelenk- 
flachen fur den Malleolus medialis und lateralis. Diese drei Gelenk- 
flachen bilden zusammen die sogen. Trochlea tali. Die untere Flache 
des Korpers zeigt noch eine konkave Gelenkflache fur den Korper 
des Calcaneus: vor derselben liegt der schrage Sulcus tali, vor diesem 
noch zwei kleinere, nahezu' plane Gelenkflachen, die eine am 
Collum tali fur das ebenfalls zum Calcaneus gehorige Sustentaculum, 
die andere am Caput tali fiir den Proc. anterior calcanei. Das Caput 
tali artikuliert auBerdem noch vom durch eine kugelige Gelenk¬ 
flache mit dem Schiflbein. Lateral unten zeigt der Talus endlich 
noch den Proc. lateralis tali, ganz hinten den Proc. posterior tali, 
t welcher durch den Sulcus m. flexoris hallucis longi in zwei Hockerchen 
geteilt wird. f 

2. An demFersenbein, Calcaneus, unterscheidet man den hinteren 
starksten Abschnitt, Korper, Corpus calcanei, den nach vorn gelegenen 
Proc. ant. calcanei und endlich einen medialen unter der Haut deut- 
lich fiihlbaren Vorsprung, Sustentaculum (sc. tali, weil dasselbe den 
Talus tragen hilft). Der Korper zeigt oben vorn eine konvexe 
Gelenkflache zur Verbindung mit dem Korper des Talus, hinten 
die rauhe Ansatzstelle fiir die Achillessehne, dariiber jedoch ein kleines 
glattes Feld fiir die Bursa calcanea, welche hier zwischen Sehne und 

. Knochen gelegen ist. Unten hinten liegt das starke Tuber calcanei, 
welches aus einem medialen Hocker fiir den Ursprung des M. abductor 
hallucis und flexor digg. brevis und aus einem lateralen Hocker 
fiir den Ursprung des M. abductor dig. Y. besteht.' Die laterale 
Korperflache zeigt noch den Proc. trochlearis (manchmal doppelt), an dem 
sich das Retinaculum fiir die Sehnen der Mm. peronei befestigt (Fig. 21). 
Der Proc. ant. calcanei artikuliert vom durch eine sattelformige 
Gelenkflache mit dem Wiirfelbein. AuBerdem besitzt noch die 
obere Flache des Calcaneus an jedem seiner 3 Teile je eine 
Gelenkflache zur Artikulation mit dem Talus, namlich eine hintere 
groflere konvexe am Korper, zwei vordere, kleinere, plane, die eine 
am Sustentaculum, die andere am Proc. ant. calcanei. Die 
beiden vorderen sind von der hinteren (wie am Talus) durch eine 
schrage Furche, Sulcus calcanei, getrennt, welche mit dem Sulcus tali 
zusammen eine kanalartige Hohlung, den sog. Sinus tarsi, bildet, der 
groBtenteils durch Bandmassen ausgefiillt wird. 

3. Das Schiffbein, Os naviculare, ist hinten mit dem Caput 
tali, vorn mit den 3 Keilbeinen verbunden. Medial und unten springt 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extreqaitat. 89 

die wichtige Tuberositas oss. navicularis hervor, welche unter der Haut 
deutlich fiihlbar ist. 

Von den drei Keilbeinen, Ossa cuneiformia , artikuliert vorn 
ein jedes mit dem entsprechenden Metatarsalknocben: das I. ist das 
groBeste, das II. das kleinSte, so daB sicb die Basis des II. Metatarsal- 
knochens zwischen das I. und II. Keilbein hineinschiebt. 1 Das 
letztere ist noch durch eine kleinere Gelenkflache mit dem Wiirfel- 
bein verbunden. 

5. Das Wiirfelbein, Os cuboideum , steht auBerdem vorn mit 
den beiden Metatarsalknochen, hinten mit dem Proc. ant. calcanei 
in Artikulation. Die Plantarflache desselben ist mit einem schr&gen, 
zum Teii uberknorpelten Wulst, Tuberositas oss. cuboidei (Eminentia 
obliqua) verstehen, auf dessen Knorpelfl&che nacb Steeda die Sehne 
des Peroaenus longus wie auf einer Eo 11 e hin- und bergeleitet. Der 
vor der Tuberositas liegende, ebenfalls iiberknorpelte Sulcus m. peronaei 
nimmt nur den Rand der Peronaeussehne auf. 

@) Die Mittelfufiknochen. 

Die 5 MittelfuBknochen, Ossa metatarsi, lapsen die keilformige, 
mit der Schneide abwarts gerichtete Basis, das Mittelstiick, Corpus, 
und das mit einer kuglig-zylindrischen Gelenkflache (s. S. 63 sub 2) 
Yersehene Kopfchen, Capitulum, unterscheiden. Beim V. Metatarsal¬ 
knocben ist jedocb die Schneide des Basiskeiles in Gestalt eines Hockers, 
der sog. Tuberositas oss. metatarsalis V, nacb lateralwarts gekehrt: 
sie ist unter der Haut deutlich fiihlbar und dient der Sehne des 
M. peronaeus brevis zur Insertion. Auch die Basis des I. Metatarsal- 
knochens besitzt einen starken, jedoch an v der Plantarflache ge- 
legenen Hocker, die Tuberositas oss. metatarsalis 1, an der sicb der 
M. peronaeus longus und zum Teii auch der M. tibialis ant. festsetzen. 
Das Capitulum dieses Knochen s zeigt, ebenfalls an der Plantar¬ 
flache, noch zwei kleine besondere Gelenkflacben fiir die beiden 
Sesambeine der groBen Zehe. 

y) Die Zehenglieder. 

Die Zehenglieder, Phalanges digitorum, werden, wie bei 'der 
Hand (s. S. 63), an jeder Zehe ais Grundphalange, Mittelphalange 
und Endphalange (Nagelglied) unterschieden, von denen eine jede 
eine Basis, den Korper und das Kopfchen besitzt. Die End¬ 
phalange zeigt auch hier die hufeisenfBrmige Tuberositas unguicularis. 
Docb sind die Zehenglieder viel kiirzer ais die Fingerglieder und meist 
verkiimmert, mancbmal auch knochem verwachsen. 


1 Diese Tatsache ist fiir die Amputation im Tarso-metatarsalgelenk 
nach Lisfbanc von Wichtigkeit. 



90 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


e. Der FuB im Ganzen. 

Der FuB, Pes , im Ganzen betrachtet, stellt ein Gewolbe dar, 
dessen Skelett hauptsachlich auf drei Unterstiitzungspunkten ruht, 
namlich: 1. auf dem Tuber calcanei; 2. auf dem Capitulum des 
I. Metatarsalknochens bzw. den dort gelegenen Sesambeinen 
und 3. auf dem Capitulum des V. Metatarsalknochens. Zwischen 
diesen Punkten und der Haut sind haufig subkutane Schleimbeutel 
gelegen (vgl. S. 109 u. 110). Beim Lebenden ruhen allerdings wahrend 
des Stehens und Gehens auBerdem noch samtliche Zehenspitzen, 
die Capitula shmtlicher Metatarsalknochen und der ganze late¬ 
rale FuBrand auf dem Boden: nur der mediale darf ihn nicht be- 
riihren. Ist das letztere infolge einer Schlaffheit der Bander an der 
Planta pedis oder bei mangelhafter Funktion gewisser Unterschenkel- 
muskeln (namentlich des M. tibialis ant. und peronaeus longus) der 
Fall, liegt also die ganze FuBsohle mehr oder weniger dem Boden 
auf, so spricht man von einem PlattfuB, Pes planus, welcher bei 
langerem Gehen oder Stehen oft erhebliche Beschwerden macht. Ais 
chirurgisch wichtige Puukte sind zu bezeichnen: 1. das Sustentaculum, 
weil oberhalb desselben die Artic. talo-calcanea liegt; 2. die Tuber, 
ossis navicularis, weil hinter derselben das Chopart’sche Gelenk 
und 3. die Tuber, oss. metatarsalis V, weil hinter derselben das 
Lisfrank’sche Gelenk zu finden ist. Alie drei Punkte sind deut- 
lich unter der Haut fiihlbar. 

B. Die Gelenke und Bander der unteren Extremitat. 

a) Die Gelenke und Bander des Beckens. 

1. Die Schamfuge, Symphysis pubis, verbindet mittelst einer 

festen faserknorpligen Masse ‘die beiden Schambeine in der Median- 
linie miteinander. Das Innere dieser Masse ist mitunter (namentlich 
beim schwangeren Weibe) erweicht, bildet jedoch niemals eine wirk- 
liche Gelenkhohle. Ein starkerer Faserzug, Lig. pubicum superius, 
zieht in querer Richtung uber den oberen Symphysenrand dahin. Der 
Arous pubis wird durch das bogenformige Lig. arcuatum pubis aus- 
gerundet. ' 

2. Die Artic. sacro-iliaca ist jederseits zwischen der Facies 
auricularis des Kreuz- und Hiiftbeines gelegen und bildet eine 
straffe Amphiarthrose (ebene Gelenkflachen), bei der die Gelenk¬ 
hohle nur selten durch Fasermassen ersetzt ist. Die sehr kraftigen 
Verstarkungsbander sind fast nur an der Riickseite des Gelenkes 
gelegen. Man unterscheidet: a) das Lig. sacro-iliacum posterius longum, 
welches von der Spina iliaca post. sup. zum Seitenrande des Kreuz- 
beins zieht; b) das Lig. sacro-iliacum posterius breve, welches von der 



VII. Die Knochen, G-elenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremit&t. 91 

Spina iliaca post. inf. unter dem vorigen ebenfalls zum Seitenrande 
des Kreuzbeines verlauft; c) die sehr starken Ligg. sacro-iliaca interossea, 
welche den Winkel zwischen der Tuberositas sacralis und iliaca aus- 
ftillen. Ais Yerstarkungsband dieses Gelenkes kann man auch nocb 
das Lig. ilio-lumbale ansehen, welches vom Proc. transversus des 
V. Lendenwirbels ausgeht und sich mit einer oberen Portion an der 
Crista iliaca, mit einer unteren am oberen Ende der Artic. sacro¬ 
iliaca ansetzt. 

3. Die Artic. sacro-coccygea ist meistens nicht zwischen Kreuz- und 
SteiBbein, sondern zwischen dem I. und II. SteiBbeinwirbel gelegen. 
Vielfach ist gar kein Gelenk vorhanden. Yon den Yerstiirkungs- 
bandern ist eigentlich nur das kraftige Lig. sacro-coccygeum posterius 
superficiale zu nennen, welches mit senkrechten und schragen Fasern 
den Hiatus sacralis binten yerschlieBt. Ein diinnerer Band- 
streifen, Lig. sacro-coccygeum laterale, welcher jederseits das Cornu 
sacrale und Cornu coccygeum yerbindet, ware vielleicht noch zu er- 
wahnen. 

4. Das Lig. sacro-spinosum ziebt yon der Spina iscbiadaca zum 
Seitenrande des Kreuzbeins, indem es das For. ischiadicum majus 
und minus von einander scheidet. Das-Band ist an seiner 
Vorderflache meist muskulos (M. coccygeus ), manchmal ganzlich durch 
diesen Muskel ersetzt. 

5. Das Lig. sacro-tuberosum zieht vom Tuber ischiadicum, zum 
Seitenrande des Kreuzbeins und begrenzt beim Banderbecken 
den Beckenausgang. Zwischen ihm und dem vorigen Bande ist 
das For. ischiadicum minus gelegen. 

Das Band setzt sich meistens in Gestalt des sichelformigen Proc. falciformis 
bis zum Rande des Angulus pubis fort: dadurch entsteht eine Rinne, in welcher 
der N. pudendus bzw. die gleichnamigen BlutgefaBe (bedeckt von der Fascia 
obturatoria) zur Symphyse verlaufen (Alcock’scher Kanal). 

6. Die Membrana obturatoria fiillt das For. obturatum aus bis 
auf die obere Liicke, durch welche der N. obturatorius nebst den 
gleichnamigen BlutgefaBen aus dem Becken tritt. Die Membran ist 
meistens nur oben gut entwickelt. 

7. Das Lig. inguinale s. Pouparti (friiher auch ais Schenkelbogen, 
Arcus cruralis, bezeichnet) verbindet ais ein mit der Sehne des Ob¬ 
liquus ext. fest verwachsener Streifen (s. Fig. 17) die Spina iliaca ant. 
sup. mit dem Tubere, pubis: das Band ist nicht allein mit den hier 
zusammenstoBendenFascien(Fascia superfic. und transversalis abdominis, 
Fascia iliaca und Fascia lata), sondern auch mit der Haut fest ver- 
wachsen, wodurch die Leistenfurche, Sulcus inguinalis , entsteht. N a c h 
medianwarts besitzt das Lig. inguinale zwei Ausstrahlungen, nam- 
lich (vgl. S. 54): 1. das dreiseitige Lig. Collesi s. inguinale reflexum, 
welches den Boden des Leistenkanals bildet, sich dann aber im 



92 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 



vorderen Blatt der Rectusscheide bis zur Linea alba fortsetzt, und 
2, das Lig. lacunare s. Gimbernati, welches leicbt ausgerundet den 
medialen Winkel zwischen Lig. inguinale und Pecten oss. pubis 
ausfullt. 

Unterhalb des Poupart’schen Bandes ist in die Fascia 
iliaca ein starkerer Streifen eingewebt, welcher sich von diesem Bande 
zur Eminentia ilio-pectinea hinzielit. Man kann diesen Streifen, 
obschon er eigentlich kein Band ist, ais Lig. ilio-peclineum bezeichnen. 


Lig. lacunare 
(Gimbernati) 


lAg. ilio-pectincum 


Lig. Collesi 


Crus mediale 


Crus laterale 


Annulus femoralis internus 


Offnung f. d.A., V. undd. N. obturatorius 


Diinnere Stelle der Kapstlwand 

Fig. 17. Das Lig. Pouparti, der Leisten- und Schenkelring. 


Der Raum unter dem Poupartfschen Bande wird nun durch diesen 
bandahnlichen Streifen in zwei Facher, die medial gelegene Lacuna 
vasorum und die lateral gelegene Lacuna musculorum geteilt (Fig. 17). 
Die Lacuna musculorum dient dem M. ilio-psoas und dem N. femo¬ 
ralis zum Durchtritt. Die Lacuna vasorum enthalt die A. und 
V. femoralis, und zwar ist die Vene medial, die Arterie lateral 
gelegen. Dicht- neben letzterer, aber noch weiter lateral ist der 
bei der Lacuna musculorum soeben erwahnte iV. femoralis zu 
finden. Zwischen der V. femoralis und dem Lig. Gimbernati be- 
findet sich endlich noch in der Lacuna vasorum eine kleine Liicke, 
der Schenkelring, Annulus femoralis (friiher Ann. cruralis genannt), 


M. ilio-psoas 

RectusseJme 
(abgeschnitten) 


N. femoralis 
A. femoralis 
V. femoralis 




VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln and Faszien der unteren Estremitiit. 93 

welcher stets durch Bindegewebe ( Septum femorale), manchmal auch 
durch eine Lymphdriise, die Rosenmiiller’scke Druse ausgefiillt ist und 
die Eintrittspforte ftir die Schenkelbruche ( Herniae femorales 
8. crurales) taedet. 1 

b) Das Hiiftgelenk. 

Das Hiiftgelenk, Artio, coxae, liegt zwischen Acetabulum und 
Oberschenkelkopf und ist ein sogen. NuBgelenk, d. h. ein Kugel- 
gelenk (Arthrodie), bei welchem der Gelenkkopf groBtenteils von der 
Pfanne umschlossen wird. Das Acetabulum ist namlich nicbt allein 
durch das Supercilium (s. S. 84), sondern auch noch durch einen faser- 
knorphgen Ring, Labrum glenoidale, derart vertieft, daB dasselbe den 
Oberschenkelkopf luftdicht uraschlieBt. Doch ist zwischen den Gelenk- 
flachen etwas Synovia vorhanden. Derjenige Teii des Labrum, welcher 
die Inc. acetabuli tiberbriickt, wird Lig. transversum acetabuli genannt. 
Die Beweglichkeit in einem NuBgelenk ist an und ftir sich beschrankter 
ais in anderen Kugelgelenken, weil der Gelenkkopf bei groBeren Ex- 
kursionen bald an den Pfannenrand stoBt. 

An dem Labrum glenoidale ist auch der obere Kand der Ge- 
, lenkkapsel befestigt. Unten heftet sich die letztere vorn an die 
Linea intertrochanterica, hinten dagegen oherhalb der Crista 
trochanterica an den Schenkelhals, so daB der letztere vorn ganz, hinten 
nur zum groBten Teii von .der Kapsel umschlossen ist. 

Die Hauptbewegungen, welche in diesem Gelenk vor sich 
gehen, sind: 1. die Abduktion und Adduktion des Oberschenkels; 
2. die Au8- und Einwartsrotation um die Langsaxe, welche 
am Trochanter major unter der Haut deutlich fiihlbar ist und 3. das 
Heben (Flexion) und das Senken (Extension) des Oberschenkels. 
Wird' der letztere scheinbar hyperextendiert, also liber die Verti- 
kale nach hinten gezogen, so findet diese Bewegung nicht im Hiift- 
gelenk statt, sondern das Becken wird dabei nach vorn geneigt. 

Die Verstarkungsbander der Huftgelenkkapsel sind sehr derb. 
Man unterscheidet: 

1. Das Lig. ilio-femorale s. Bertini entspringt von der Spina iliaca 
anh inf. bzw. aus dessen Nachbarschaft und setzt. sich mit zwei 
divergierenden Schenkeln an der Linea intertrochanterica fest. Ein 
anderer Teii seiner Fasern geht in die Zona orbicularis (s. w. u.) uber. 
Das starke Band, welches auch bei Verrenkungen nur selten voll- 
standig reifit, verhindert dieHyperextension des Oberschenkels 
bzw. beim Stehen zu starke Riickwartsneigung des Beckens. 

2. Das Lig. pubo-capsulare solite eigentlich Lig. pubo-femorale 

1 Von manehen Autoren wird die ganze Lacuna vasorum ais Schenkel- 
ring bezeichnet, da es vorkommt, daB die Schenkelbruche mitunter auch vor 
der A. und V. femoralis zum Oberschenkel treten. 



94 


Erster Teii. Knocben*, Bander- und Muskellehre. 

heiBen, da der groBte Teii seiner Fasern mit dem medialen Schenkel 
dee vorigen Bandes zusammenfiieBt. Ein anderer Teii 6einer Fasern 
geht in die Zona orbiculatis uber. Das Band kann eine zu starke 
Abduktion des Femur, mit dem vorigen gemeinsam §ine zu starke 
Auswartsrotation verhindern. 

3. Das Lig. ischio-capsulare entspringt oberhalb des Tuber ischiadi¬ 
cum und verschmilzt rnnten mit der Zona orbicularis: e9 kann eine 
zu starke Einwartsdrehung des Femur verhindern. 

4. Die Zona orbicularis (Weberi) umgibt mit ringformigen Fasern 
den Schenkelhals, ohne sich an demselben festzusetzen. Diesen Ring- 
fasern gesellen sich andere von den drei vorigen Bandern hinzu. 

5. Das Lig. teres zieht von der Fossa acetabuli zur Fovea capitis 
femoris. Das Band dient wahrscbeinlich nyr dazu, die notige Synovia 
fiir das Htiftgelenk abzusondern. 

Drei dunnere Stellen der Kapsel sind zwiscben den drei 
erstgenannten Verstarkungsbandern gelegen. Hier pflegt bei Yer- 
renkungen mit Vorliebe der Oberschenkelkopf hindurchzutreten. 
Zwischen Lig. ilio femorale und pubo-capsulare ist (vor der Kapsel- 
wand und unter dem M. ilio-psoas) haufig ein groBer Schleimbeutel, 
Bursa ilio-pectinea , gelegen, welcher gar nicht selten durch die diinne 
Kapselwand mit dem Gelenk communiziert. Eine vierte diinnere 
Stelle, Recessus sacciformis , ist an der Gelenkkapsel noch hinten 
zwischen der Zona orbicularis und dem ' Collum femoris vorhanden. 

c) Das Kniegelenk. 

Das Kniegelenk, Artic. genu , wird von dem Femur, der Tibia 
und Patella, aber nicht von der Fibula gebildet. Man hat dasselbe 
ais eine Ginglymo-Arthrodie bezeichnet, weil zunachst die Haupt- 
bewegung, namlich die Beugung und Streckung des Unter- 
schenkels, ais Scharnierbewegung angesehen wird,. obschon auch dies 
nicht richtig ist, da, wie schon S. 85 erwahnt, am gestreckten Bein Ober- 
und Unterschenkel einen lateralwarts offenen Winkel bilden. 1 
Die Bezeichnung Arthrodie bezieht sich darauf, daB bei gebeugtem 
Knie der Unterschenkel um seine Langsaxe nach einwarts (Prona- 
tion) und nach ausw&rts (Supination) gedreht werden kann. 
Indessen werden die Bewegungen im Kniegelenk auch noch dadurch 
kompliziert, daB in dasselbe zwei etwa halbringformige Gelenk- 
scheiben, die Menisci, eingelagert sind (s. w. u.). 

Die Gelenkkapsel befestigt sich im allgemeinen an den Grenzen 
der Knorpelflachen: nur oberhalb der Fossa patellaris geht sie etwa 
2—8 cm dicht auf dem Femur in die Hohe, um sich dann nach 
vom umzuschlagen und unter dem M. quadriceps bis zur Basis 

* Bei einem reinen Scharniergelenk, Ginglymus, bleiben die arti- 
kulierenden Knochen bei allen Bewegungen in ein und derselben Ebene. 


VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 95 

patellae zu verlaufen. Die Kapsel bildet hier den diinnwandigen 
Recessus suprapatellaris , welcher sich bei Flussigkeitsansammlungen 
zuerst fullt und in Form zweier Wiilste links und rechts neben der 
Quadrizepssehne bemerkbar macht. Aucb unterhalb der Epikondylen 
ist die Umschlagstelle der Kapsel etwa um 1 cm hoher ais der 
Knorpelrand gelegen. tJbrigens ist die Kapsel mit Ausnahme des 
Recessus suprapatellaris uberall durch die folgenden, sehr kraftigen 
Verstarkungsbander 'geschutzt. 

1. Die Seitenb&nder des Kniegelenkes werden ais Lig. colla¬ 
terale tibiale und fibulare unterschieden. Das dreiseitige Lig. collat. 
tibiale geht vom Epicondylus medialis zur medialen Flache der 
Tibia, wobei es mit dem Meniscus medialis verwacbsen ist; das Lig. 
collat. fibulare ais einfacher derber Streifen vom Epicondylus lat. zum 
Capitulum fibulae. Beide Seitenbander inserieren am Femur exzen- 
trisch zur Kriimmung der Knorpelflache, und zwar mehr dorsal, 
woher es kommt, da8 sie in der Beugung schlaff, in der Streckung 
geSpannt sind, so daB die Rotation des Unterschenkels nacb 
einwarts und auswarts nur in der Beugung vor sich gehen 
kann. 

2. Die sehr starke hintere Kapselwand zeigt einen, wie der 
M. popliteus, schrag von unten und medianwarts nach oben und 
lateralw&rts verlaufenden Faserzug, das Lig. popliteum obliquum, sowie 
einen anderen, abwarts konvexen, dicht iiber der Popliteussehne 1 ge- 
legenen Faserzug, das Lig. popliteum arcuatum: von denselben hangt 
das erstere mit der Sehne des Semimembranosus, das letztere mit der 
Popliteussehne zusammen, so daB bei einer Kontraktion dieser Muskeln 
wahrend starker Beugung die Gelenkkapsel vor Einklemmung 
geschutzt- wird. Beide Bander verhindem die Hyperextension im 
Kniegelenk. 

3. Die vordere Kapselwand enth&lt die drei Kniescheiben- 
bander, welche allerdings auBen nicht sichtbar, sondern vollstandig 
durch die Fascia lata bedeckt sind, von der man sie nur schwer 
trennen kann. Von diesen 3 Bandern gehen die bei den sogen. 
Retinacula patellae, ein mediale und ein laterale, von den Epikondylen 
bzw. Seitenbandern zum entsprechenden Seitenrande der Kniescheibe. 
Das Lig. patellae inferius ist dagegen eigentlich nur derjenige Teii der 
Quadrizepssehne, welcher zwischen Patella und Tuber, tibiae verlauft. 

4. Ganzlich innerhalb der Gelenkhohle sind zunachst die 
beiden Kreuzbander gelegen. Das Lig. cruciatum ant. verlauft von 
der Fossa intercondyloidea, ant. tibiae zur medialen Flache des Con¬ 
dylus lat. femoris, das Lig. cruciatum post, von der Fossa intercondy¬ 
loidea post tibiae zur lateralen Flache des Condylus med. femoris. 


1 Die Popliteussehne tritt dicht unter dem Bande in das Gelenk hinein. 



96 Erster Teii. Knochen-, Ban-der- und Muskellehre. 

Die Hauptfunktion beider Bander besteht zweifellos darin, Femur 
und Tibia bei gebeugtem Knie gegeneinander zu fixieren. Nach 
Joessel hemmen beide die Rotati on des Unterschenkels nach ein- 
warts; das vordere widersetzt sich auch einer forcierten Flexion, 
das hintere einer Hyperextension. 

5. Auch die nahezu ringfdrmigen Gelenkscheiben, der Meniscus 
medialis und lateralis, sind innerhalb der Gelenkhohle gelegen: sie 
dienen dazu, den Krummungsunterschied der Gelenkflachen 
auszugleichen, welcher hier zwischen Femur und Tibia besteht. 
Auf dem Querschnitt erscheint jeder Meniscus ais Kejl, dessen Basis 
nach auBen gekehrt und mit der Gelenkkapsel verwachsen ist, wahrend 
die Schneide desselben an seinem inneren Rande gelegen ist. Die 
Gebr. Weber haben sie deshalb auch mit Keilen verglichen, welche 
man vorn und hinten unter ein Wagenrad geschoben hat. Jeder 
Meniscus verlauft von der Fossa intercondyloidea ant. bogenformig 
nach hinten zur Fossa intercondyloidea post.; vorn sind beide Menisci 
haufig durch einen fibrosen Streifen, das Lig. transversum genu, ver- 
bunden. Die Flexion und Extension des Unterschenkels vollzieht 
sich zwischen dem Femur und beiden Menisci, die Rotation nach 
einwarts und auswarts zwischen der Tibia und den letzteren. 

6. Ebenfalls innerhalb der Gelenkhohle ist noch eine fett- 
haltige Erhebung der Synovialhaut, Plica synovialis patellaris, ge¬ 
legen, welche am Lig. cruciatum ant. beginnt, nach vorn zieht und 
sich unterhalb der Kniescheibe gabelformig spaltet, um sich neben 
den Seitenrandern der letzteren zu verlieren. Die beiden Enden der 
Gabel werden auch Plicae alares genannt. Nach hinten umhiillt diese 
Synovialfalte auch noch die beiden Ligg. cruciata und heftet sich 
schlieBlich an die hintere Kapselwand an, so daB die Kniegelenkhohle 
durch dieselbe in zwei vollig getrennte Abschnitte geteilt wird. 

In der Nachbarschaft des Kniegelenkes befindet sich eine 
betrachtliche Zabl von Schleimbeuteln, Bursae mucosae , welche 
vielfach mit der Gelenkhohle in offener Verbindung stehen. Die 
wichtigsten und bestandigsten sind: 

1. Die Bursa suprapatellaris liegt oberhalb des Recessus supra¬ 
patellaris unter dem M. quadriceps, pflegt jedoch meistens mit dem 
Recessus zu einer gemeinsamen Hohle zti verschmelzen. 

2. Die Bursa praepatellaris ist meist subkutan an derVorder- 
flache der Patella gelegen. Doch konnen auBer derselben noch 
innerhalb oder unter der Quadrizepssehne eine Bursa praepat. 
intratendinea oder subtendinea vorkommen. Diese Bursae konnen durch 
Flussigkeitsansammlung stark anschwellen (chambermaid-knee der Eng- 
lander). 

3. Eine Bursa infrapatellaris kann hin ter, sel tener vor dem Lig. 
patellae inferius liegen. 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der untereu Extremitat. 97 

4. Eine Bursa subcutanea tuberositatis tibiae ist mitunter vor dem 
Schienbeiqhocker gelegen. 

5. Die Bursa m. poplitei liegt zwischen der Popliteussehne und 
der hinteren Kapselwand: sie kommuniziert stets mit der Gelenkhohle. 

6. Die Bursa m. semimembranosi befindet sich in gleicher Weise 
zwischen der Sehne des Semimembranosus und der hinteren Kapsel¬ 
wand: aucb sie steht fast immer mit der Gelenkhohle in offener Ver- 
bindung. 


d. Die Gelenke zwischen Tibia und Fibula. 

1. Die Artio, talo-fibularis [superior) ist zwischen dem Waden- 
beinkopfchen und Condylus lat. tibiae gelegen und stellt eine 
kaum bewegliche, mit straffen Verstarkungsbandem yersehene Amphi¬ 
arthrose dar. 

2. Die Membrana interossea cruris verlauft zwischen den Cristae 
interosseae beider Unterschenkelknochen: sie besitzt oben eine 
Liicke zum Durchtritt der A. u. V. tibialis ant. nach yorn, unten eine 
solche fur den Durchtritt der A. peronea perforans zum lateralen 
Knochel bzw. FuBriicken hin. 

3. Die Syndesmosis tibio fibularis [Artio, tibio-fibularis inf.) ist kein 
selbstandiges Gelenk insofern ais seine Hohle nur eine kleine 
Fortsetzung der Gelenkhohle des Talo-cruralgelenkes nach 
oben hin (zwischen die beiden Unterschenkelknochen) darstellt. Da 
sie vorn und hinten [Ligg. malleoli lat. ant. und post± aber auch oben 
durch sehr starke fibrose Massen begrenzt ist, hat man sie (wohl nicht 
ganz mit Recht) ais Syndesmose bezeichnet. 

e. Die Gelenke und Bander des FuBes. 

1. Das Sprunggelenk- (auch ais oberes Sprungbeingelenk 

oder Knocbelgelenk bezeichnet), Artio, talo-eruralis, ist zwischen der 

Gabel der beiden Unterschenkelknochen. und dem Talus gelegen: es 

kann ais Oinglymus bezeichnet werden, weil seine Hauptbewegungen, 

das Heben und Senken der' FuBspitze (Dorsalmotion und 

Plantarmotion) eine Art yon Scharnierbewegung darstellen 1 . 

Bei gesenkter FuBspitze kann auBerdem noch in geringem MaBe 

die Abduktion und Adduktion der letzteren (Bewegung der 

FuBspitze nach lateralwarts und medianwarts) ausgefiihrt werden, 

welche allerdings gewohnlich mit dem Heben und Senken des 

medialen oder lateralen FuBrandes (Pronation und Supi- 
1 _ / 

1 Von einer Flexion und Extension des FuBes kann man nicht gut redeu, 
weil die friiher so genannte Flexion nur von den Extenso ren, die Extension 
jedoch iiberhaupt nicht ausgefiihrt werden kann, da FuB und Unterschenkel 
nicht in eine gerade Linie gebracht werden kdnnen. Hochstens kann man von 
einer Dorsalflexioi* sprechen. 

Brorsike, Repetitorium anatomicam. 


7 



98 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Moskellehre. 


nation) kombiniert sind. Die erstgenannte Bewegung wird um die 
transversale, die zweitgenannte um die vertikale dieses Gelenkes, 
die letztere uin die sagittale Achse des FuBes ausgefiihrt. 

Von Versthrkungsbandern der Artic. talo-cruralis ist an der 
medialen Seite das sogenannte Lig. deltoideum zu nennen, an dem drei 
Portionen, namlich a) das Lig. talo-tibiale ant. ; b) das Lig. calcaneo-tibiale und 
c) das Lig. talo-tibiale post, unterschieden werden konnen. Alie drei ent-_ 
springen vom medialen Knochel: a) geht zur medialen Talus- 
flache; b) zum Sustentaculum (also zum Calcaneus) und c) zum 
Proc. post. tali. Eine mebr oberflachliche Schicht des Lig. 
deltoideum, welche das Lig. talo-tibiale bedeckt, geht ais Lig. tibio¬ 
naviculare am Taluskopf voriiber und setzt sich am Schiffbein fest. 
Die Innenflache dieses Bandes ist dort, wo sie an den Taluskopf an- 
grenzt, glatt und iiberknorpelt, so daB sich der letztere gegen die- 
selbe- wie in einer Gelenkpfanne bewegen kann (daher der Name 
Pfannenband). 

Auch an der lateralen Seite der Artic. talo-cruralis liegen 
drei Verstarkungsbander, namlich: a) das Lig. talo-fibulare ani.] 
b) das Lig. calcaneo-fibulare und c) das Lig. talo-fibulare post., welche 
vom Malleolus lat. ebenfalls nach abwarts ausstrahlen. Yon den- 
selben setzt sich a) an der lateralen Fl&che des Talus, b) an 
der lateralen Flache des Calcaneus und c) wieder am Proc. 
post, tali fest. 

Yon diesen Verstarkungsbandern spannen sich die beiden vor- 
deren bei starker Plantarmotion^ die beiden hinteren bei starker 
Dorsalmotion des FuBes. Die beiden mittleren, das Lig. calcaneo- 
tibiale und calcaneo-fibulare werden abwechselnd beim Heben und 
Senken der FuBrander in Spannung versetzt. 

2. Das untere Sprungbeingelenk, Artic. talo-calcanea, ist 
zwischen dem Korper des Talus und dem des Calcaneus gelegen. 
Die Gelenkflachen desselben sollen nach Stieda Stiicke eines Kegel- 
mantels, nach anderen zylindrisch, nach W. Kbause sattelformig 
sein. Jedenfalls kann in diesem Gelenk nur eine Art von Bewegung, 
namlich das Heben und Senken des medialen und lateralen 
FuBrandes vor sich gehen. Verstarkungsbander sind vom und 
hinten, medial und lateral vorhanden. Doch ist nur eines starker 
entwickelt, namlich das Lig. talo-calcaneum interosseum, welches den 
Sinus tarsi (vgl. S. 88) nahezu vollstandig ausfiillt. 

8. Das Chopart’8che Gelenk 1 , Artic. tarsi transversa (i medio- 
tarsea), besteht aus zwei selbstandigen Gelenken, welche eine einzige, 
leicht wellenformige Linie bilden. Hiervon ist das eine, namlich das 
vordere Talusgelenk, Artic. talo-navicularis, ein Kugelgelenk 

1 So bezeichnet, weil bier haufig die bequeme Amputation nach Cbopabt 
ausgefiihrt wird. 


• VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitiit. 99 

(Arthrodie), welches zwisclien dem Taluskopf und Schiffbein liegt. 
Da es sich jedoch auch zwischen die beiden kleinen, vor dem Sinus 
tarsi gelegenen Gelenkflachen des Talus und Calcaneus (vgl. S. 88) 


Lifranciches Gtlenk 



Artic. talo¬ 
calcanea 


Artic. cuneo¬ 
navicularia 


Artic. talo-cal - ... 
caneo-naviculari 


Lig. talo-calca- 
neum interosseum 


Artic. cuneo¬ 
cuboidea 

Lig. bifurcatum 


Artic. calcaneo¬ 
cuboidea 


Chopurtiches Ge- 
lenk (Artic. tar*i 
transversa) 


Fig. 18. Horizontalschnitt durch die Fufiwurzel. Bei a findet haufig eine 
Kommunikation zwischen der Artic. cuneo-navicularis und dem Lisfranc’- 


schen Gelenk statt. Gelenkhohlen rot. 


nach binten erstreckt, ist es auch ais Artic. talo-calcaneo-navicularis 
bezeichnet worden. Das zweite, namlich das vordere Calcaneus- 
gelenk, Artic. calcaneo-cuboidea, ist allgemein ais Sattelgelenk an- 
erkannt. Ais Scbeidewand zwischen beiden Gelenken ist das starke, 
Y-formige Lig. bifurcatum gelegen, welches den Calcaneus mit dem 

. ■ 7 * 









100 


Erster Teii. Knochen-, Biinder- und Muskellehre. 


'Naviculare und Cuboideum verbindet. Tn dem Choparfschen Gelenk 
findet ebenso wie in dem unteren Sprungbeingelenk (vgl. S. 98) 
das Heben und Senken des medialen und lateralen FuB- 
randes (Pro- und Supination) statt — Bewegungen, welche allerdings 
ohne Abduktion bzw. Adduktion der FuBspitze kaum auszu- 
fiihren sind. 

t 

Die Yerstfirkungsbander des Choparfschen Gelenkes 
sind an der FuBsohle am machtigsten entwickelt. Das Lig. plantare 
longum geht von der ganzen unteren Calcaneusflache zur Tuber, osp. 
cuboidei und dariiber hinaus bis zu den Basen samtlicher Metatars^l- 
knochen hin, indem es die Sehne des Peronaeus longus in einer 
Rinne einschlieBt. Noch zwei andere starke Bander, das Lig, calcaneo¬ 
cuboideum und Lig. calcaneo-naviculare plantare 1 sind tiefer in der FuB¬ 
sohle gelegen. 

4. Das Schiffbeingelenk, Artic. cuneo-navicularis, zwischen dem 
Schiffbein und den drei Keilbeinen, ist eine Amphiarthrose (ebene 
Gelenkflachen, geringe Beweglichkeit), welche zwischen die vier vor- 

'deren FuBwurzelknochen kleine Divertikel hineinsendet. Zwischen 
dem I. und II. Keilbein steht das Schiffbeingelenk mit dem Lisfranc’- 
schen Gelenk meistens sogar in offener Kommunikation (s. Fig. IS). 

Kleine Verstarkungsbander sind oben, medial und unten 
vorhanden: an der Dorsal- wie an der Plantarseite ziehen auch noch 
kleine Bander vom Schiffbein zum Wurfelbein hin. An der Planta 
pedis wird dia Gelenkkapsel noch durch die Sehne des M. tibialis 
post, verstarkt, welche von ihrer Insertion am Schiffbein bis zu 
den drei Keilbeinen hin ausstrahlt. 

5. Das Lisfranc’sche Gelenk 2 , Artic. tarso-metatarsea, liegt 
zwischen den vier vorderen FuBwurzelknochen und den Basen der 
Metatarsalknochen und besteht eigentlich aus drei voneinander 
getrennten Amphiarthrosen, namlich dem Gelenk: 1. zwischen 
dem I. Keilbein und I. 'Metatarsalknocben; 2. zwischen den beiden 
folgenden Keilbeinen und Metatarsalknochen und 3. zwischen dem 
Wurfelbein und den beiden letzten Metatarsalknochen. Yon diesen 
Gelenkhohlen gehen sowohl zwischen die Basen der MittelfuBknochen 
wie zwischen die vier vorderen FuBwurzelknochen kleine Divertikel 
hiuein. Zu beachten ist, daB (vgl. S. 89) die Basis des II. Meta- 
tarsalknochens sich zwischen das I. und II. Keilbein ein- 
schiebt, wodurch bei der Amputation in diesem Gelenk ein groBes 
Hindernis entsteht, welches beim Schnitt umgangen werden muB. 

1 Dies Band soli den Taluskopf tragen und dadurcb die Gewolbform 
des FuBes erbalten. Noch mehr tragen dazu zweifellos die Sehnen des 
M. tibialis post. (Henle) und peronaeus longus (Duchenne) bei. 

* So bezeichnet, weil hier mitunter die Amputation nach Lisfbanc aus- 
gefiihrt wird. 





VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 101 

An Verstarkungsbandern fur dieses Gelenk sind zunachst an 
der Dorsal- wie an der Plantarseite zahlreiche sagittale Ligg. 
tarso-metatarsea , auBerdem noch die queren Ligg. inlertarsea zwischen 
den einzelnen FuBwurzelknochen und Ligg. intermetatarsea zwischen den 
Basen der Metatarsalknochen vorhanden. Die Ligg. intertarsea und 
intermetatarsea interossea schlieBen das Lisfranc’sche Gelenk vora und 
hinten ab. 

6. Die Gelenke zwischen den Kopfchen der Metatarsal¬ 
knochen und den Grundphalangen, Articc. metatarso-phalangeae, 
und die Gelenke zwischen den einzelnen Phalangen, Articc. 
digitorum pedis, verhalten sich genau so wie an der Hand (s. S. 67). 
Auch hier sind z. B. bei jedem Gelenk an der Plantarseite die 
fibrose Trochlea, Ldg. accessorium plantare , und an den Seiten die 
Ligg. collateralia vorhanden. 

C. Die Muskeln der unteren Extremitat. 

Die Muskeln der unteren Extremitat werden in folgende 
Gruppen eingeteilt: a) die Hliftmuskeln; b) die Oberschenkel- 
muskeln; c) die Unterschenkelmuskeln und d) die Muskeln des 
FuBes. 

a) Die Hiiftmuskeln. 

a) Yordere Hiiftmuskeln. 

Dazu werden gerechnet: 

1. Der M. psoas major entspringt mit einer vorderen Schicht 
von den Korpern des XII. Brust- und der vier oberen Lendenwirbel, 
mit einer hinteren Schicht von den Querfortsatfcen samtlicher 
Lendenwirbel. Zwischen beiden Schichten ist der Plexus lumbalis 
gelegen. Ansatz: Gemeinsam mit der Sehne des folgenden Muskels 
am Trochanter minor. . 

2. Der M. iliacus entspringt aus der Fossa iliaca und inseriert 
mit dem vorigen Muskel am Trochanter minor (daher die Bezeichnung 
M. ilio-psoas fur beide Muskeln). Funktion: Beide heben den Ober- 
schenkel ventralwarts. Ist der letztere fixiert, so konnen sie 
Becken und Lendenwirbel vornuber ziehen. 

3. Der M. psoas minor, unbestandig, entspringt meistens von 
den mittleren Lendenwirbeln. Ansatz: Entweder an der Linea 
terminalis oder Fascia iliaca. Funktion: Zieht die Lendenwirbel 
nach vora oder spannt die Fascia iliaca. 

4. Der M. quadratus lumborum entspringt von der Crista iliaca 
und den Querfortsatzen der Lendenwirbel und inseriert an der 
XII. Rippe. Funktion: Kann die XII. Rippe abwarts ziehen (Ex- 
spiration). Ist letztere fixiert, kann er die Beckenhalfte heben, an der 
er entspringt (wie z. B. beim Stehen auf einem Bein oder Gehen). 



102 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


(?) Hintere HUftmuskeln. 

Alie hinteren Hiiftmuskeln (mit Ausnahme des M. glutaeus 
maximus) setzen sich am Trochanter major fest, und zwar die Ob- 
turatores und Qemelli speziell an der Fossa trochanterica des letzteren. 

1. Der M.glutaeus maximus entspringthinter der Linea glutaea post, 
ossis' ilium, ferner vom Seitenteil des Kreuz- und Steifibeins, auch noch 
vom Lig. 8acro-tuberosum. DerMuskel inseriert nicht am Trochanter 
major, von dem er sogardurch einen Schleimbeutel, Bursa trochanterica 
m. glutaei maximi , getrennt ist, sondern seine Fasern gehen zum Teii zur 
Tuber, glutaea (vgl. S. 85), zum Teii in die Fascia lata (den sogenannten 
Maissiat’schen Streifen) uber 1 . Ein anderer Schleimbeutel liegt 
subkutan auf dem Trochanter major, ein dritter, Bursa glutaeo-tuberosa, 
zwischen dem M. glutaeus maximus und dem Tuber ischiadicum. 

2. Der M,glutaeus medius entspringt zwischen Linea glutaea ant., 
post, und Crista iliaca. Ansatz: Troch. major. 

3. Der M: glutaeus minimus entspringt zwischen der Linea glutaea 
ant. und inf. Ansatz: Troch. major. 

4. Der M. piriformis entspringt von der vorderen Flache des 
Kreu^beines (vgl. S. 83). Ansatz: Troch. major. 

5. Der M. obturator internus entspringt von der ganzen Innen- 
flache des Htiftbeines unterhalh der Linea terminalis und zieht 
hieraul unter rechtwinkliger Umbiegung durch das For. ischiad. minus 
zur Fossa trochanterica. Zwischen dem Eande des For. isch. minus und dem 
Muskel ist stets ein Schleimbeutel, Bursa m. obturatoris interni, gelegem 

6. Die beiden Mm. gemelli, ein sup. und ein inf., kommen von der 
Spina und der Tuber, ischiadica, um dann mit der Insertionssehne 
des M. obturator int. zu verschmelzen. 

7. Der M. quadratus femoris geht vom Tuber ischiadicum zum 
Troch. major hzw. der Crista intertrochanteripa. 

8. Der M. obturator externus entspringt vom auBeren Umfang 
des For. obturatum und der Memhr. obturatoria, lauft hinter dem 
Collum femoris lateralwarts und inseriert in der Fossa trochanterica. 

Funktion: Die hinteren Hiiftmuskeln sind in der Haupt- 
sache Auswartsroller: nur uber die Glutaei ist noch einiges 
hinzuzufiigen. Der M. glutaeus maximus ist zwar auch Auswartsroller 
sowie Spanner der Oberschenkelfaszie, dient jedoch hauptsachlich dazu, 
den Oberschenkel dorsalwarts zu ziehen. Der M . glutaeus medius 
und minimus sind bei Kontraktion aller ihrer Fasern Abduktoren 
des Oberschenkels: ihre hintersten Fasern konnen den letzteren 
allerdings nach auswarts, die vorderen dagegen nach einwarts ro- 
tieren. Wie man sieht, sind fur letztere Aktion nur eine beschrankte 
Anzahl von Muskelfasern, fur die Auswartsrotation viele Muskeln vorhanden. 

1 tlber den Maissiafschen Streifen ist bei der Fascia lata nachzusehen. 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 103 


b) Die Oberschenkelmuskeln. 

Am Oberschenkel unterscbeidet man dreiMuskelgruppen, nam- 
lich: a) die Strecker, Extensores y (3) die Beuger, Flexores, und y) die 
Anzieher, Adductores. Alie diese Muskeln, mit Ausnahme des M: tensor 
fasciae latae und des M. gracilis ) setzen sicb an der Linea aspera 
femoris fest. 

a) Die JSxtensoren. 

1. Der M. tensor fasciae latae entspringt lateral von der Spina 
iliaca ant. sup. und set^t sich nach abwarts in den Maissiatfschen 
Streifen der Fascia lata fort. Funktion: spannt die letztere bzw. 
abduziert den Oberschenkel. 

2. Der M. sartorius (Schneidermuskel) entspringt an der Spina 
iliaca ant. sup., zieht schrag nach unten und medianwarts bis hinter 
den Condylus med. femoris, von dort wieder nach vom und unten 
bis neben die Tuberositas tibiae, wo er inseriert. Seine End- 
sebne bildet mit den Sehnen des Gracilis und Semitendinosus eine 
breite Aponeurose, welche man ais GhnsefuB, Pes anserinus 
(Patte 'dCoie der Franzosen), bezeichnet hat Zwischen dieser Aponeurose 
und der Tibia ist ais Schleimbeutel die Bursa anserina gelegen. 
Funktion: hebt ein Bein iiber das andere. Bei gebeugtem Unter- 
schenkel kann er den letzteren weiter beugen und einwarts rotieren. 

3. Der Unterschenkelstrecker, Quadriceps femoris, besteht aus 
vier Portionen, von denen die Mm. vasti nicbt immer deutlicb von- 
einander abzugrenzen sind. Die vier Kopfe entspringen folgender- 
maBen: a) der M. rectus femoris von*der Spina iliaca ant. inf.; b) der 
M. vastus medialis vom Labium med. der Linea aspera; c) der M. vastus 
lateralis von dem Labium lat. der. Linea aspera und d) der M. vastus 
intermedius von der Vorderflache des Femur bis zur Linea intertroch. 
ant. nach aufwarts 1 . Alie diese Muskeln gehen abwarts in eine gemein- 
same Sebne iiber, welche sich zum Teii an der Basis und den Seiten- 
r&ndem der Patella, zum Teii aber auch, vor der letzteren hinwegziehend, 
an der Tuber, tibiae ansetzt. Funktion: Starker Strecker des Unter- 
schenkels. 

(?J Die Flexoren. 

Samtliche Flexoren (mit Ausnahme des kurzen Bizepskopfes, 
welcher von dem Labium lat. der Linea aspera kommt) entspringen 
vom Tuber ischiadicum und inserieren wie folgt: 

1. Der M. semimembranosus (halbhautiger Muskel) am Condylus 
med. tibiae, indem seine Sehne zugleich in die Gelenkkapsel aus- 
strahlt (s. S. 95). 

f —- 

1 Ein fiinfter Muskel, M. articularis genu , kann ais t i e f e. P o r t i o n des 
Vastus intermedius angesehen werden, welche sich am Rec. supra¬ 
patellaris ansetzt und letzteren bei der Streckung vor Einklemmung schiitzt 



104 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


. 2. Der M. semitendinosus (halbsehniger Muskel) mittelst des 

„GansefuBes“ neben der Tuber, tibiae (s. S. 90). 

3. Der M. biceps femoris (langer und kurzer Kopf vereinigt) am 
Capitulum fibulae. ' 

Funktion: Alie drei gemeinsam beugen den Unterscbenkel. 
Ist der letztere bepeits gebeugt, so kann ihn der Bizeps nach 
auswarts, die beiden anderen nach einwarts rotieren. 

y) Die Adduktoren. 

Die Adduktoren entspringen samtlich vom Os pubis und 
Os ischii in zwei Bogen, welche konzentrisch um das For. obturatum 
verlaufen (s. Fig. 19). Samtliche Adduktoren (mit Ausnahme des 





M. adductor longus 


M. gracilis 


M. pectineus 


M. adduct. brevis 


. adductor minimus 


M. adduct. magnus 

t 

Fig. 19. Die Urspriinge der Adduktoren (rot bezeichnet). 


Gracilis) inserieren ferner am Labium med. der Linea aspera. 
Im einzelnen verhalten sie sich folgendermaBen: 

1. Der M. pectineus 1 . Urspr.: Pecten oss. pubis. An s.: Linea pec¬ 
tinea. 

2. M. adductor longus. Urspr. zwischen Symphysis und Tubere, 
pubis. Ans.: Mitte des Labium med. lineae asperae. 

1 Der Pectineus und llio-psoas bildeu die Fossa itio-pectinea, eine tiefe 
Rinne, in welcher A., V. und A T . femoralis gelegen sind. 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 105 

i 

3. M. gracilis. .Urspr.: Rand des Ramus inf. oss. pubis. Aus. 
mittelst des „GansefuBes“ neben der Tuber, tibiae. Der Gracilis ist 
somit der einzige Adduktor, welcher das Kniegelenk uberschreitet. 

4. M. adductor magnus. Urspr.: Ram inf. oss. ischii und Tuber 
ischiadicum. Ans. am ganzen Labium med. bis zum Condylus abwarts. 
Die Sehne wird etwa in der Hohe zwischen dem mittleren und unteren 
Drittel des Femur von der A. und V. femoralis durchbohrt (Adduktoren- 
scb 1 itz , Hiatus tendineus adductorius ). Oberhalb des Adduktorenschlitzes 
liegt der Adduktorenkanal, vorn geschlossen durch Sehnenfasern, 
welcbe vom Adductor magnus zum Vastus medialis ziehen und die 
A. und V. femoralis bedecken. 

5. Der M. adductor-brevis, Urspr. halb unter dem Pectineus, halb 
unter dem Adductor longus vom Os pubis. Ans. oberhalb des Add. 
longus an dem Labium med. der Linea aspera. 

6. Der M. adductor minimus ist eigentlich nur die oberste Portion 
des Adductor magnus, dessen Fasern mehr horizontal verlaufen. Be- 
treffs der Insertion s. S. 85 sub 2. 

Funktion: Samtliche Adduktoren adduzieren den Ober- 
s«henkel. Nur der M. gracilis, der das Kniegelenk nach abwarts uber¬ 
schreitet, kann den gebeugten Unterschenkel noch nach auswarts 
rotieren. 

c) Die Unterschenkelmuskeln.' 

Auch diese Muskeln werden in drei Gruppen geteilt, namlich: 

l. die vorn befindlichen Strecker, Extensores; 2. die hinten gelegenen 
Beuger oder Wadenmuskeln, Flexores, und 3. die lateral liegenden 
Wadenbeinmuskeln, Mm.peronaei. Ais allgemeinen Satz kann 
man' sich merken, daB die Mm. tibiales mit ihren Insertioneu der 
Basis des I. Metatarsalknochens, die Mm.peronaei der Basis des 
V. Metatarsalknochens zustreben. 

✓ 

‘ a) Die Extensoren. 

1. Der M! tibialis ant. entspringt yon der lateralen Flache der 
Tibia. Ansatz an der Plantarflache der Basis des I. Metatarsal¬ 
knochens und I. Keilbeins. Von der medialen Flache beider Knochen 
ist seine Sehne sogar durch einen Schleimbeutel, Bursa subtendinea 

m. tibialis ant., geschieden. Uber die Funktion aller Unterschenkel¬ 
muskeln s. S. 107. 

Der M. extensor hallucis longus entspringt hauptsachlich von der 
Membr. interossea. Ans.: Nagelglied der groBen Zehe. 

3. Der M. extensor digitorum longus kommt hauptsachlich von der 
Fibula und endet in den Extensorensehnen der 4 letzten Zehen, 
welche sich genau wie an der Hand verhalten (s. S. 73). Von dem Muskel 
entspringt auBerdem noch eine funfte Sehne, welche sich an die Basis 
des V. Metatarsalknochens ansetzt {M. peronaeus tertius). 



106 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


(?) Die Flexoren. 

Man kanndieselbenineineoberflachliche S c h i c h t (den .M. triceps 
surae ) und eine tiefe Schicht (die iibrigen Wadenmuskeln) einteilen. 

1. Der M. triceps surae besteht aus dem zweikopfigen M. gastro¬ 
cnemius und dem bpeiten, platten M. soleus, welche sich nach abwarts 
zur Achillessehne, Tendo calcaneus, vereinigen. Der M. gastrocnemius 
entspringt mit je einem Caput mediale und laterale oberhalb des 
Condylus med. und lat. femoris, der M. soleus von der Linea poplitea 
tibiae und dem Capitulum fibulae; beide setzen sich mittelst der 
Achillessehne an die hintere Flache des Tuber calcanei. Dicht ober¬ 
halb der Insertion ist zwischen Calcaneus und Sehne ein Schleim- 
beutel, Bursa tendinis calcanei, gelegen. 

Ais Varietat ist mitunter noch ein vierter Kopf, der M. plantaris, zu 
nennen, welcher neben dem lat. Gastrocnemiuskopf entspringt, um dann mit 
langer Sehne zwischen Gastrocnemius und Soleus bis zur Achillessehne zu 
verlaufen, neben der er sich meist festsetzt. ' 

. 2. Der M.popliteus. Urspr.: Planum popliteum tibiae. Die In- 
sertionssehne dringt in die Kniegelenkhohle ein, um sich, be- 
deckt vom Lig. collaterale fibulare, am Condylus lat. femoris anzusetzet. 
Zum Teii hangt sie mit dem Lig. popliteum arcuatum zusammen. 

3. Der M.'tibialis post. 1 entspringt hauptsachlich von der 
Membrana interossea. Die Sehne lauft dicht hinter dem medi- 
alen Knochel in die Fufisohle zum Os naviculare und den drei 
davorgelegenen Keilbeinen. 

4. Der M. flexor hallucis longus entspringt hauptsachlich von der 
Fibula. Die Sehne geht zunachst in der Rinne des Proc. post, tali, 
dann unterhalb des Susten taculum zurEndphalange dergroBenZehe. 

5. Der M. flexor digg. longus entspringt von der Tibia und 
setzt sich an die Endphalangen der 4 letzten Zehen mit 4 Zipfeln, 
welche diejenigen des Flexor digg. brevis clurchbohren (s. S. 73 
sub 2'. Seine Sehne kreuzt zwei andere Sehnen, namlich: 1. die 
des M. tibialis post, (hinter dem medialen Knochel) und 2. die 
des M. flexor hallucis longus (in der Fufisohle). Die Sehne des 
M. flexor digg. longus ist bei diesen Kreuzungen stets oberflachlicher, 
d, h. der Haut naher, gelegen. 

y) Die Wadenbeinnmskeln. 

1. Der M. peronaeus longus. Ursprung: Ohere Halfte der Fibula. 
Die Sehne verlauft zunachst hinter dem lateralen Knochel, dann 
neben dem Proc. trochlearis calcanei bis in die Nahe der 

1 Man hat hier von einer Revolution der Ursprunge gesprochen, in- 
dem der M. tibialis 'post, auf die Membrana interossea, der M. flexor hallucis 
longus auf die Fibula und der M. flexor digg. longus auf die Tibia hiniiberge- 
wandert ist (vgl. die Ursprunge der Extensoren S. 105). 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extreinitat. 107 

Basis 08 S. metatarsalis V, endlich im Sulcus oss. cuboidei (s. S. 89) 
schrag iiber die FuBsohle zur Tuber, oss. metatarsalis I. 

2. Der M. peronaeus brevis. Ursprung: Untere Halfte der Fibula. 
Die Sehne verlauft hinter derjenigen des M. peronaeus longus, d. h. 
also hinter dem lateralen Knochel zur Tuber, oss. metatarsalis Y. An 
der AuBenflache des Calcaneus werden beide Sehneni durch besondere 
Retinacula (s. Fig. 21) in ihrer Lage erhalten. 

Funktion der Unterschenkelmuskeln: Der M. triceps surae 
senkt die FuBspitze. Der M. popliteus kann beugen und dann ein- 
warts rotieren, ist aber wohl hauptsachlich Kapselspanner (s. S. 95). 
Der M. tibialis ant. hebt den medialen FuBrand, der M. tibialis post 
kehrt die FuBsohle einwarts (wie beim Klettern auf den Mastbaum, 
daher die Bezeichnung Schiffermuskel). Die Mm. peronaei heben 
den lateralen FuBrand, der Peronaeus longus zieht auBerdem zugleich 
den medialen FuBrand abwarts (Schwimmuskel). Die tibrigen Muskeln 
zeigen ihre Tatigkeit schon durch den Namen. 

f 

d) 'Die FuBmuskeln. 

Die FuBmuskeln werden zunachst in: a) die Muskeln des 
FuBrtickens und . fi) die Muskeln der FuBsohle eingeteilt. 

«) Die Muskeln des FuBrilckens. 

Die beiden hier gelegenen Muskeln, der M. extensor hallucis brevis 
und der M. extensor digg. brevis, entspringen beide dicht neben dem 
Sinus tarsi vom Calcaneus und gehen mit ihren Sehnen in die Ex- 
tensorensehnen der Zehen Uber. 

(.t ) Die Muskeln der FuBsohle. 

Dieselben werden eingeteilt in: a) die Muskeln des GroB- 
zehenballens; b) die Muskeln des Kleinzehenballens; c) die 
mittleren FuBmuskeln (Muskeln des Mittelballens). 

a) Die Muskeln des GroBzehenballens inserieren alie an 
dem medialen oder lateralen Sesambein in der Kapsel des 
I. Metatarso-phalangealgelenkes und konnen durch die letztere einen 
Zug auf die I. Phalanx ausUben. Es sind: 

1. Der M. abductor hallucis. Ursprung vom Proc. med. des Tuber 
calcanei (auch noch vom Lig. laciniatum und der Tuber, oss. navi¬ 
cularis). Ansatz: Med. Sesambein der groBen Zehe. 

2. Der M. flexor hallucis brevis. Drsprung hauptsachlich vom 
I. Keilbein und den nahegelegenen Bandern der FuBwurzel. An¬ 
satz mit je einer Zacke am medialen und am lateralen Sesambein. 

3. Der M. adductor hallucis besteht aus einem schragen und 
queren Kopf. Das Caput obliquum entspringt hauptsachlich vom 


108 Erater Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

III. Keilbein und den Nachbarknochen bzw. den dort gelegenen 
Bandern, das Caput transversum von den Kapseln der drei letzten 
Metatarso-phalangealgelenke; beide inserieren am lateralen Se- 
sambein. 

Einen M. opponens besitzt die groBe Zehe nicht, weil beim 
Menschen der FuB ein Gehorgan, aber nicht wie beim Affen ein 
Greiforgan darstellt. 

b) Die Muskeln des Kleinzebenballens sind: 

1. Der M. abductor digiti V. Ursprung: Proc. lat. tuberis calcanei 
bzw. akzessorischer Kopf von der Tuber, oss. metatarsalis Y. Ansatz: 
Basis der I. Phalange de^r kleinen Zehe. 

2. Der M. flexor brevis digiti V. liegt medial neben dem vorigen; 
er kann fehlen oder mit dem vorigen versclimolzen sein. 

3. Der M. opponens digiti V. entspringt vom Os cuboideum 
bzw. den dort gelegenen Bandern. Ansatz: Von den beiden vorigen 
bedeckt am ganzen V. Os metacarpale. 

c) Zu den mittleren FuBmuskeln gehSren: 

1. Der M. flexor digg. brevis entspringt vom Proc. medialis 
des Tuber. Calcanei (auch von der Aponeurosis plantaris). Ansatz: 
An der Basis der Mittelphalangen mit 4 Zipfeln, .welche von den 
4 Sehnenzipfeln des M. flexor digg. longus durchbohrt werden 
(vgl. S. 106 sub 2). 

2. Der M. quadratus plantae (Caro quadrata Sylvii) entspringt 
von der medialen Flache des Calcaneus und inseriert wie ein 
zwoiter Kopf an die Hauptsehne des M. flexor digg. longus. Er dient 
dazu, ais ein sogen. Leit- oder Ziigelmuskel die schr&g verlaufende 
Sehne des M. flexor digg. longus behufs kraftigerer Wirkung gerade- 
zuziehen. 

3. Die 4 Mm. lumbricales entspringen von den 4 Sehnen des 
M. flexor digg. longus und verhalten sich im iibrigen wie an der 
Hand (vgL S. 76). 

4. Auch die Mm. interossei verhalten sich wie an der Hand. Auch 
hier gruppieren sich dieselben um eine Achse, welche durch das 
langste Glied geht. Nur wird das letztere hier nicht durch den 
Mittelfinger, sondern durch die II. Zehe reprasentiert. Man hat 
Interossei dorsales und plantares unterschieden. Da jedoch am FuB 
der Interosseus plantaris /untrennhar mit dem Adductor hallucis ver- 
schmolzen ist, so sind hier stets wohl 4 Interossei dorsales, aber nur 
3 Interossei plantares vorhanden. Die ersteren spreizen die drei 
mittleren Zehen (sogen. Abduktoren), die letzteren nahern dieselben 
(Adduktoren). 

Die Funktion der FuBmuskeln ist fast iiberall durch den 
Nam en ausgedruckt, wo diesclbe nicht schon besonders erwahnt 
wurde. 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. 109 

e) Die Schleimscheiden und Schleimbeutel des FuBes. 

Die drei langen Extensoren (M. tibialis ant., M. extensor hallucis 
longus und M. extensor digg. longus) werden am FuBriicken von drei 
gesonderten Schleimscheiden umgeben, welche etwa 2 — 5 cm 
oberhalb des Knochelgelenkes beginnen und sich etwa bis zum 
Choparfschen Gelenk nach vorn erstrecken. Nur die Schleim- 
scheide des M. ext. hallucis longus kann nocb weiter, namlich bis zum 
Metakarpalknocben, ja sogar bis zur I. Phalanx reicben (vgl. Fig. 20 u. 21). 

Die beiden Mm. peronaei longus und brevis besitzen zunachst 
hinter dem lateralen Knochel eine gemeinsame Scheide, welche 


Schleim- 
scheide d. M. 
flexor hallucis 
longus 


Bursa ten¬ 
dinis Achillis 


Bursa sub¬ 
cutanea cal¬ 
canei 


Fig. 20. Die Schleimscheiden und Schleimbeutel des FuBes (rot injiziert). 

Medialer FuBrand. Aus Broesike, Atlas. 

i 

ebenfalls etwa 3 cm oberhalb der Spitze des letzteren beginnt 
und sich bis in die Nahe des Choparfschen Gelenkes erstreckt. 
Doch ist die Sehne des M. peronaeus longus wahrend ihres Verlaufes 
im Sulcus oss. cuboidei von einer zweiten besonderen Schleim- 
scheide umhiillt. 

Die drei tiefen Flexoren (M tibialis post., M. flexor hallucis longus 
und M. flexor digg. longus) besitzen gesonderte Schleimscheiden, 
welche hinten meist tiefer ais die der entsprechenden Extensoren, 
also dicht oberhalb des Knochelgelenkes, beginnen und sich 
bis etwa zum Choparfschen Gelenk erstrecken. Nur die Schleim- 
scheide des M. flexor hallucis longus kann (ahnlich wie die des gleich- 
namigen Streckers) bis zum I. MittelfuBknochen reichen. 

Von Schleimbeuteln, Bursae mucosae, sind am FuB eine sehr 



| Schleimscheide d. M. Schleimscheide d. M. 

, . tibialis posterior flexor diqg. lonqus 

Bursa subcutanea uuter J 

d. Capit, oss. metarsalis I 





110 


Erster Tcil. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


groBe Zahl, allerdings nicht immer konstant, vorhanden. Sub 


kutane Schleimbeutel konnen an den bereits S. 90 erwahnten 
drei Unterstiitzungspunkten des FuBgewolbes, auBerdem nocb 
an den Malleolen und mitunter auch an den Kopfchen der 
MittelfuBknochen oder sogar Grundphalangen vorkommen. Sub- 



Schleimscheide d. M. ext. hallucis longus 



Schleimscheide d. M. ext. digg. longus u. peronatus 


Bursae subctitaneae 
digitorum 


Bursa tendi¬ 
nis Achillis 


A 


. ; '"•'"«►M 


Bursa 

subcutanea 

calcanei 


./• 



Retinacula der 

Sehnen d. Mni. peronaei 


Bursa subcutanea 

malleoli lateralis 


Bursa subcutanea unter d. Capit. 


os8. metatarsi V 


Fig. 21. Die Schleimscheideu und Schleimbeutel des FuBes (rot injiziert). 

Lateraler FuBrand. Aus Broesike, Atlas. 

fasziale Schleimbeutel sind ziemlich konstant unter den In- 
sertionssehnen des M. triceps surae, des M. tibialis ant. und post. 
gelegen (vgl. S. 105 u. 106). Auch zwischen den Metatarso-phalangeal- 
gelenken sind meistens kleine Bursae intermetatarso-phalangeae vorhanden. 

i l 

f) Die Faszien der unteren Extremitat. 

1. Hier ist zunaehst die Darmbeinfaszie, Fascia iliaca, zunennen, 
welche in der Bauchhohle die Vorderflache des M. ilio-psoas 
bekleidet. Die Faszie ist mit den Lendenwirbeln, der Crista iliaca, 
der Linea terminalis bis zur Eminentia ilio - pectinea und mit dem 
Pouparfschen Bande fest verwachsen. Betreffs des Lig. ilio-pecti- 
neum vgl. S. 92. Von der .Vorderflache des M. psoas zieht sie auch 
uber die Vorderflache des M. quadratus lumborum nach lateralwartfc, 
um sich in die Fascia transversalis fortzusetzen. Die Fascia iliaca setzt 
sich aber auch liber das Poupart’sche Band hinaus an der Vorder¬ 
flache des M. ilio-psoas in die Tiefe des Oberschenkels fort. Hier ist 
dieselbe ais Fascia ilio-pectinca bezeichnet worden, weil sie aufier dem 
Ilio-psoas noch den M. pectineus an der Vorderflache bekleidet und 










VII. Die Knochen, Gelenke, Muakeln und Faszien der unteren Extremitat. HI 

somit die sogen. Fossa ilio-pectinea bildet, in welcher die A., V. 
und der N. femoralis gelegen sind. Andere Autoren rechnen die 
Fascia ilio-pectinea zum tiefen Blatt der Fascia lata. 

2. An der Oberschenkelfaszie, Fascia lata, kann man an ver- 
scbiedenen Stellen deutlich ein oberflachliches und ein tiefes 
Blatt unterscheiden. Das tiefe Blatt ist identibch mit der eben 
: beschriebenen Fascia ilio-pectinea, welche nach medianwarts und lateral- 
warts mit dem oberflachlichen Blatt yerschmilzt. Zwischen beiden 
Blattern sind, wie soeben erwahnt, in der Fossa ilio-pectinea die 
A. und V. sowie der N. femoralis, weiter lateral der M. sartorius und 
tensor fasciae latae gelegen. Das oberflachliche Blatt (die eigent- 
liche Fascia lata) ist oben mit den unmittelbar unter der Haut ge- 
legeneli Knochenlinien (Crista iliaca, Kreuzbein, Ofe ischii, Os pubis) 
sowie dem Pouparfschen Bande untrennbar yerwachsen; es bildet 
eine sebr derbe Faszie, welche alie Oberschenkelmuskeln dicht unter 
der Haut umhiillt und nur auf dem Glutaeus maximus diinner ist. 
An der lateralen Seite ist in dieselbe wie ein Generalstreifen der 
starke.Maissiafsche Streifen, Tractus ilio-tibialis, eingewebt, welcher 
oben aus der Einstrablung der Sehnen des Glutaeus maximus und 
Tensor fasciae latae hervorgeht und unten am Condylus lat. tibiae 
endet. Nach binten setzt sich dieser Streifen ais Septum intermusculare 
laterale an das ganze Labium lat. femoris fest 1 , indem sich derselbe 
zwischen die Extensoren und Flexoren einschiebt. Eine zweite, weniger 
starke Fortsetzung der Fascia lata, Lig. intermusculare mediale, senkt 
sich zwischen die Adduktoren und Extensoren in die Tiefe und be- 
festigt sich am Labium mediale lineae asperae. 

Eine besondere Betrachtung erfordert noch die Fascia lata in 
der Leistengegend: hier befindet sich dicht unterhalb des Pouparf¬ 
schen Bandes ein sichelformiger Vorsprung derselben, Proc. falciformis 
(vgl. Fig. 9 S. 54), dessen Konkavitat. Margo falciformis, nach medianwarts 
gerichtet ist und die Eintrittstelle der V. saphena magma in die V. fe¬ 
moralis, die sogen. Fossa ovalis, begrenzt. Medial von dem Margo 
falciformis ist in der letzteren stets die V. femoralis, manchmal auch 
noch ein Stuck der A. femoralis sichtbar. Das obere Horn des 
Proc. falciformis endet meistens am Lig. Gimbemati, selten etwas 
tiefer, das unter e verliert sich unter der V. saphena magna. 

Am Knie ist die Fascia lata vorn mit der Patella, den Knie- 
scheibenbandern und der Quadricepssehne fest verwachsen. Hinten 
ist sie dagegen von der Kniegelenkkapsel durch eine tiefe rhombische 
Grube, die Kniekehlengrube, Fossa poplitea, getrennt, welche oben 
medial vom Semimembranosus und Semitendinosus, lateral vom Biceps 
femoris, unten dagegen von den beiden Gastrocnemiuskopfen begrenzt 

1 Hier kann der Chirurg also bequem an den Oberschenkelknochen ge- 
langen, ohne irgendwelchc groBeren GefaBe oder Nerven zu verletzen. 




112 Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 

wird. In der Grube sind auBer einer groBen Menge Fett: 1. der 
JV. tibialis (lateral davon der N. peronaeus); 2. etwas tiefer die V. poplitea 
(meist doppelt); 3. \endlich am tiefsten, dicht auf der Kniegelenkkapsel 
die A. poplitea 1 gelegen. Zugleich niinmt der N. tibialis ziemlich ge- 
nau die Mitte ein: etwas mehr medial ist die Yene und noch ein 
wenig mehr medial^ die Arterie sicbtbar. Oberschenkelabszesse 
konnen sich leicbt durcb die Fossa poplitea, nach dem Unterschenkel 
senken. 

3. Die Unterschenkelfaszie, Fascia cruris (superficialis), ist ais 
Fortsetzung der Fascia lata liberali dort mit den Knochen fest ver- 
wachsen, wo sie dieselben beriihrt. Unterhalb des Kniegelenkes 
ist sie auch von den Extensoren kaum zu trennen, hiillt jedoch im 
iibrigen die Unterschenkelmuskeln nur lose ein. Hinten ist aufier- 
dem noch unter dem. Triceps surae ein dunneres tiefes Blatt, Fascia 
cruris profunda, auf den tiefen Flexoren gelegen. Beim Ubergang 
auf den FuB verstarkt sich die Fascia cruris superficialis durch ein- 
gelagerte Faserziige vorn zum Lig. transversum cruris und Lig. cruci¬ 
atum cruris, welche Retinacula fur die Extensorensehnen darstellen. 
Unterhalb des medialen Knochels bildet sie auf dieselbe Weise 
das Lig. ladniatum und an der lateralen Calcaneusflache das 
Retinaculum tendinum mm. peronaeorum sup. und inf., von denen das 
erstere die Sehnen der tiefen Flexoren, die letzteren die der Perouaei 
in ihrer Lage erhalten (vgl. Fig. 20 u. 21). 

4. Die Faszie des FuBes ist im Iibrigen an der Dorsalseite, 
obschon sie eine Fortsetzung der Fascia cruris superf. bildet, so diinn 
und scblaff, daB sie nicht den Namen einer Faszie verdient. An der 
Plantarseite verstarkt sie sich dagegen betrachtlich zu der sehnigen 
Aponeurosis plantaris, welche am Tuber calcanei entspringt und sich 
vom mit je zwei Zipfeln an die Kopfchen der Metatarsalknochen an- 
setzt. Der hintere Abschnitt der Aponeurose ist mit den benach- 
barten Muskeln (M. abductor hallucis und dig. V., M. flexor digg. 
brevis) fest verwachsen. AuBerdem ware am FuB noch die diinne 
Fascia interossea zu erwahnen, welche sowohl an der Plantar- wie an 
der Dorsalseite die Mm. interossei bedeckt. 

g) Der Schenkelkanal. 

Bei einer Betrachtung des Schenkelkanals, Canalis femoralis 
(friiher cruralis ), hat man sich zunachst dasjenige zuriickzurufen, was 

S. 91 u. 92 uber das Pouparfsche Band und S. 111 uber die Fossa 
ovalis gesagt worden ist (vgl. Fig. 9, 11 und 17). Im AnschluB daran 
sei hier noch kurz bemerkt, daB ein wirklicher Schenkelkanal meistens 
gar nicht existiert, sondern daB man unter dieser Bezeichnung nur 

1 Man kann sich dies Lageverhaltnis mittels des Wortes New a merken 
(Ne., V. A.) 



VII. Die Knochen, Gelenke, Muskeln und Faszien der unteren Extremitat. H3 

den kurzen Weg versteht, welchen mitunter Baucheingeweide ais sogen. 
Schenkelbriiche, Herniae femorales (crurales), bei ihrer Wanderung 
von der Bauchhohle bis unter die Haut des Oberschenkels nehmen 
konnen. Immerhin kann man fiir die Beschreibung an demselben 
den inneren Schenkelring, die Whnde und den auBeren Schenkel- 
ring unterscheiden. 

Der innere Schenkelring, Annulus femoralis internus, bildet die 
Eintrittspforte der Schenkelbriiche: er wirdmedial vom Lig. lacu¬ 
nare (Gimbernati), oben vom Lig. Pouparti, lateral von der V. femo¬ 
ralis 1 , unten vom Pecten oss. pubis begrenzt (vgl. Fig. 17 und Fig. 11). 
Von der Bauchseite betrachtet bildet dabei das Gimbernafsche Band mit 
der V. femoralis eine Art von trichterformiger Vertiefung (Infundibulum , 
Entonnoir crural der Franzosen), welche das Eindringen der Bruche in 
den Schenkelkanal wahrscheinlich begiinstigt Indessen ist der innere 
Schenkelring keineswegs offen, sondem durch eine Bindegewebsinasse, 
das sogen. Septum femorale , ausgefiillt, welches vielfach von einem kleinen 
Lymphknoten, der Rosenmiiller’schen Driise, unterbrochen oder 
sogar ersetzt ist Das Bauchfell iiberzieht die Innenflache des Septum 
femorale, indem es hier eine kleine Bucht, Fovea femoralis, bildet (Fig. 11). 

Was die Wande des Schenkelkanals betrifft, so wird die 
vordere Wand durch das obere Hom des Proc. falciformis, die 
hintere Wand durch die Fascia pectinea, die laterale durch die 
V. femoralis gebildet. Eine mediale Wand existiert nicht: an ihrer 
Stelle ist die Verwachsungslinie der Fascia pectinea mit dem ober- 
flachlichen Blatt der Fascia lata gelegen. Wenn das obere Hom des 
Proc. falciformis sich — wie dies meistens der Fall ist — direkt am 
Pouparfschen Bande und nicht an der Fascia pectinea anheftet, ist 
gar keine vordere Wand, demzufolge eigentlich auch kein Kanal vor- 
handen. Dann treten etwaige Schenkelbriiche aus dem inneren Schenkel¬ 
ring direkt durch die Fossa ovalis unter die Haut des Oberschenkels. 

Ais auBeren Schenkelring, Annulus femoralis externus, muB 
man die Fossa ovalis ansehen (vgl. Fig. 9), da dieselbe die Austritts- 
pforte der Schenkelbriiche darstellt. Die Grube nebst den in 
ihr gelegenen BlutgefaBen wird nun von einer Bindegewebslage be- 
deckt, welche von eingelagerten Lymphdriisen sowie hindurchtretenden 
BlutgefaBen und Nerven stark durchlochert und infolgedessen ais 
Fascia cribrosa (Lamina cribriformis) bezeichnet worden ist 2 

Die Schenkelbriiche, Herniae femorales s. crurales, treten also 
in die Fovea femoralis des Bauchfells hinein und schieben das letztere 

1 Da die A* und V. femoralis von einer gemeinsamen derben GiefaB- 
scheide umhiillt werden, so wird der innere Schenkelring, bzw. der Schenkel¬ 
kanal, eigentlich von der letzteren begrenzt. 

* Andere Autoren sehen die Fascia cribrosa ais eine Fortsetzung des Proc. 
falciformis, also ais Teii der Fascia lata an. 

Broksike, Repetltorium anatomicum. S 





114 Erster Teii. Ivnochen-, Blinder- und Muskellehre. 

vor sich her, indem sie wahrscheinlich zwischen den Fasem des 
Septum femorale in den Schenkelkanal treten oder auch das ganze 
bindegewebige Septum vor sich herdrangen. Nachdem sie aus der 
Fossa ovalis herausgetreten sind, bleiben sie, von de^ Fascia cribrosa 
bedeckt, unter der Haut liegen. Es kommt nun zur Bilduqg eines 
Bruchsackes, welcher: 1. aus dem Bauchfell; 2. nach auBen von 
dem letzteren aus der sogen. Fascia propria herniae femoralis (Cooper) 
besteht. Das Bauchfell des Bruchsackes zeigt hier die Eigentiim- 
lichkeit, daB dasselbe, nicht allein an seiner Innenflache, sondem 
auch an seiner AuBenfl&che eineglatte, manchmal sogar glanzende 
Beschaffenheit besitzt, so daB dasselbe leicht fiir eine Darmschlinge 
gehalten werden kann. Auch die Fascia propria der Hernie ver- 
dichtet sich bei langerem Bestehen der Bruche zu einer sehnig 
glanzenden Schicht: sie ist aus den Bindegewebsfasem der Septum 
femorale bzw. des Schenkelkanales sowie der Fascia cribrosa entstanden. 

Die Schenkelhernien kommen im Gegensatz zu den Leistenhernien 
beim weiblichen Geschlecht haufiger vor ais beim mannljchen, was 
wohl damit zusammenhangt, daB beim Weibe der innere Schenkelring 
infolge des groBeren Beckens auch etwas groBer, der Leistenkanal da-, 
gegen enger ist. Bei alteren, lS-nger bestehenden Schenkelbruchen 
konnen die Baucheingeweide nicht allein den inneren Schenkelring, son-’ 
dem die ganze Lacuna vasorum ausfullen, also vor der A. und 
V. femoralis, in seltenenF&llen sogar lateral oder hinter denletzteren 
gelegen sein. In solchen Fallen kann es dann vorkommen, daB der 
Bruch nicht aus der Fossa ovalis heraustritt, sondem unter dem ober- 
flachlichen Blatt der Fascia lata liegen bleibt. Ais wichtig ist noch zu- 
betonen, daB beim Manne dasPouparfscheBand stets oberhalb des 
Schenkelbruches, dagegen stets unterhalb eines Leistenbruches 
(8. Fig. 9), gelegen ist. Endlich sei noch erwahnt, daB bei ein- 
geklemmten Schenkelbrtichen — meist ist der innere Schenkel¬ 
ring Sitz der Einklemmung—der Operateur nicht schneiden darf: 

1. nach ob en wegen einer Yerletzung des Pouparfschen Bandes; 

2. nach lateralwarts wegen Verletzungder V.femoralis; 3. aberauch 
nicht nach medianwarts, weil dort hinter dem Lig. Gimberaati haufig 
(ais Ast der Epigastrica inf. oder Obturatoria s. daselbst) eine anomale 
Arterie, die sogen. Totenkranzarterie, gelegen ist. Demnach wurde 
nur der Schnitt nach abwarts in die Fascia pectinea iibrig bleiben. 

Anhang: Die KOrperregionen. 

Die B. N. A. haben fur samtliche Korperregionen ein System 
von Bezeichnungen aufgestellt, welche nachfolgend#wiedergegeben 
werden, obwohl die einzelnen Gegenden nicht liberali deutlich gegen- 
einander abzugrenzen sind und auch in der praktischen Medizin nicht 
viel Anwendung finden. 



Anhang: Die Korperregionen. 


115 


I. Kop£ 

Am K o p f e unterscheidet man Regiones capitis (Gegenden des Sehadel- 
daches) und Regiones faciei (Gegenden des Gesichtes). 1. Zu den Regi¬ 
ones capitis gehoren: a) die Regio supraorbitalis (ein schmaler Streifen 
dicht oberhaib des Margo supraorbitalis); b) die Regio frontalis (die iibrige 
Stimbeingegend); c) die Regio, parietalis (Scheitelbeingegend); d) die Regio 
occipitalis (des Hinterhauptbeines); e) die Regio temporalis (die Gegend 
des M. temporalis); f) die Regio auricularis (die Gegend der Ohrmuschel); 
und endlich g) die Regio mastoidea (die Gegend des Warzenfortsatzes). 
2. Zu den Regiones faciei werden gerechnet: a) die Regio nasalis 
(Nase); b) die Regio labialis sup. und inf. (Gegend dfer Ober- und Unter- 
lippe); c) die Regio oralis (Gegend des Lippenrotes); d) die Regio mentalis 
(Kinngegend); e) die Regio orbitalis (Gegend der Augenhohlenoffnung); 
f) die Regio palpebralis sup. und inf. (oberes und unteres Augenlid); g) die 
Regio infraorbitalis (zwischen Margo infraorbitalis und Oberlippe); h) lateral 
davon die Regio zygomatica (Gegend des Jochbeines); i) unterhalb der 
letzteren die Regio buccalis (Gegend des Biohafschen Fettklumpens); 
k) hinter dieser endlich die Regio parotideo-masseterica (Gegend des 
M. masseter bzw. der ihn teilweise deckenden Parotis). Ais Unterabteilung 
der letzteren kann man noch die zwischen dem Unterkieferaste und 
M. sternocleidomastoideus gelegene Fossa retromandibularis betrachten. 

II. Hals. 

Am Hals werden nach den B. N. A. vier groBe Abschnitte unter- 
schieden, namlich: 1. die Regio colli anterior (Trigonum colli ant.), welche 
oben vom Unterkiefer, unten vom Manubrium sterni, lateral von den 
beiden Mm. sternocleidomastoidei begrenzt wird; 2. die Regio sterno¬ 
cleidomastoidea, welche jederseits dem Verlauf des dem M. sternocleido¬ 
mastoideus entspricht; 3. die Regio colli lateralis (Trig. colli lat., jeder¬ 
seits zwischen dem hinteren Rande des Sternocleido, dem vorderen 
des Trapezius und der Clavicula gelegen); endlich 4. die Regio colli 
posterior (ist identisch mit der Regio nuchae und entspricht deri oberen 
Teilen beider Mm. trapezii). 

1. Die Regio colli ant. kann in einen medianen und zwei 
laterale Abschnitte geteilt werden. 

Der mediane Abschnitt zeigt in derRichtungvon oben nach unten: 
a) die Regio submentalis (liegt zwischen den beiden vorderen Bauchen der 
Mm. digastrici vom Unterkiefer bis zum Zungenbein), b) die Regio hyoidea 
(Gegend des-Zungenbeins selbst); c) die Regio subhyoidea (Gegend zwischen 
Zungenbein und Kehlkopf); d) die Regio laryngea (Gegend des Kehlkopfes); 
e) die Regio thyreoidea (Gegend der Schilddrlise); 1) die Regio suprasternalis 
(zwischen Sternum nnd Schilddrlise), deren tiefster, dicht oberhalb des 
Sternum, gelegener Punkt durch die Fossa jugularis gebildet wird. 

/ 8 * 




116 Erster Teii. Knocben-, Biinder- und Muskellelire. 


Der wichtige laterale Abschnitt der Regio colli ant. besteht aus 
zwei Dreiecken, namlich: a) der Regio submaxillaris (jederseits zwischen 
dem Unterkiefer und dem M. digastricus gelegen); und b) der Fossa 
carotica, welche jederseits durch den Sterno-cleido-mastoideus, den 
hinteren Bauch des Digastricus und den Omo-hyoideus begrenzt 
wird und in der ais wichtigste Organe die A. carotis \comm. , ext. 



und int.), lateral davon die V. jugularis interna, zwischen und hinter 
beiden' der N. vagus gelegen sind, wiihrend vor denselben der R. des¬ 
cendens"'n. hypoglossi auf der GefaBscheide nacb abwarts verlauft. 

2. Ais Regio sterno-cleido-mastoidea bezeichnet man den 
ganzen langlichen breiten Wulst, welcben der gleichnamige Muskel 
an der Oberflache des Halses in die Hohe hebt. Dicht oberbalb des 
Schlusselbeines befindet sich zwischen den beiden Ursprungszacken 
des Muskels eine Liicke, welche sich auBerlich an der Haut ais die 

i 











Anhang: Die Korperregionen. 


117 


kleine Fossa supraclavicularis minor markiert, in deren Tiefe man die 
V. jugularis int. auskultieren kann. 

3. Die Regio colli lataralis kann wiederum in zweiDreiecke geteilt 
werden, welche durch den M. omo-hyoideus voneinander getrennt sind, nam- 
lich: 1. das zwischen der Clavicula und dem Omo-hyoideus gelegene Trigo- 
nwnfomo-clavioulare und 2. das oberhalb des Omo-hyoideus befindliche Trigo¬ 
num omo-trapezium, welcbes oben noch vom Sterno-cleido und Trapezius 
begrenzt wird. Die oberhalb des Scbliisselbeins befindliche, dem ersteren 
Dreieck entsprechende Grube ist die Fossa supraclavicularis major: in der 
Tiefe derselben sind die V. subclavia, dabinter die A. subclavia und noch mehr 
dorsal, zum Teii auch oberhalb der letzteren der Plexus brachialis zu finden. 

4. Die Regio cblli posterior bildet die Nackengegend, Regio 
nuchae, derep oberster Abschnitt unterhalb der Protub.occip.ext. die kleine 
Fovea nuchae zeigt. 

/ 

III. Brust. 

An der Brust, Thorax , werden die vordere Regio pectoris anterior 
und die beiden seitlichen Regiones pectoris laterales unterschieden. 

1. Die Regio pectoris anterior zeigt ais kleinere Abschnitte: 
a) die Regio clavicularis (Schliisselbeingegend); b) die Regio sternalis 
(Brustbeingegend), c) die Regio infraclavicularis (zwischen Schltisselbein 
und Brustdriise), an deren lateraler Grenze sich zwischen Pectoralis 
major und Deltoideus eme kleine Liicke, das Trigonum deltoideo-pec¬ 
torale, befindet, in welches sich die V. cephalica einsenkt, um in die 
V. subclavia zu miinden. AuBerlich macht sich dies Dreieck ais 
Mohrenheim’sche Grube, Fossa infraclavicularis, bemerkbar; d) die 
Regio mammalis (Gegend der Brustdriise); e) die Regio inframammalis 
(von der Brustdriise bis zu einer Horizontallinie, welche man sich 
vom unteren Ende des Corpus sterni nach lateralwarts gezogen denkt). 

2. Die Regio pectoris lateralis wird jederseits eingeteilt in: 
a) die unten befindliche. Regio costalis lateralis (seitliche Rippengegend) 
und b) die dariiber. liegende Regio axillaris (Gegend der Achselhohle). Die 
Achselhohle wird vom hauptsachlich vom M. pectoralis major, hinten 
vom Latissimus dorsi gebildet. Der Eingang zur Achselhohle ist durch 
die Achselgrube, Fossa axillaris, gekennzeichnet. In dieser Hohle 
liegen ais Hauptorgane medial die V. axillaris, lateral die A. axillaris, 
welche von den drei Strangen des Plexus brachialis umgeben ist. 

Fur die Erorterung von klinischen Verhaltnissen ist es jedoch weit 
niitzlicher, sich am Brustkorb folgende Linien zu merken, welche 
bei der Lagebestimmung der Brustorgane eine wichtigere Rolle spielen, 
namlich: 1. Die Linea mediana anterior (vordere, am Sternum befind¬ 
liche Medianlinie); 2. die Linea sternalis, welche senkrecht am Seiten- 
rande des Sternum nach abwarts zieht; 3. die Linea parasternalis 
(zwischen ihr und der folgenden Linie); 4. die Linea mammillaris. 



118 


Erster Teii. Knochen-, Bander- und Muskellehre. 


welche durch die Brustwarze senkrecht nach abwarts lauft; 5. die 
Linea axillaris (von der Mitte der Achselhohle senkrecht nach unten J ); 
6. die Linea scapularis , welche ebenfalls vertikal durch den unteren Winkel 
der Scapula verlauft, und 7. die Linea mediana posterior (die hintere, an 
der Wirbelsaule befindliche Medianlinie), welche den Wirbeldornen 
entspricht. Es ist schlieBlich noch zu beachten, daB die vorderen Eflden 
der heiden II. Rippen genau dem Ahgulus Ljidowici (s. S. 44) ent- 
sprechen, welcher stets unter der Haut des Sternum deutlich fiihlbar 
ist und von dem aus man die einzelnen Rippen bequem abzahlen kann. 

IY. Bauch. 

Zum Bauch wird nach den B. N. A. auch noch die Regio hypo¬ 
chondriaca gerechnet, obschon sie jederseits ganzlich hinter den 
unteren Rippen und Rippenknorpeln gelegen ist, und zwar nach 
abwarts von jener bereits erwahnten Horizontallinie, welche man sich 
von der Grenze zwischen dem Korper und Schwertfortsatz des Brust- 
beines nach lateralwarts gezogen denken kann. Zwischen beiden 
Regiones hypochondriacae ist dann noch in der Mitte, genau ent- 
sprechend dem Angulus infrasternalis, die eigentliche Ober- 
bauchgegend, Regio epigastrica (Epigastrium), gelegen, in welcher die 
Leber UDd der Magen an die vordere Bauchwand grenzen. Unterhalb 
der Regio epigastrica und der Regiones hypochondriacae ist dann die 
mittlere Bauchgegend, Regio mesogastrica, und unterhalb der letzteren 
die Unterbauchgegend, Regio hypogastrica , wahrzunehmen. 

Zieht man nun vom Tubere, pubicum eine senkrechte Linie nackauf- 
warts, 80 werden ebensowohl die Regio mesogastrica wie die Regio hypogastrica 
durch dieselbe in je eine mediane und zwei seitlichePartien geteilt. 
Die Regio mesogastrica zerfallt auf diese Weise in: a) die Regio umbilicalis 
(Nabelgegend) und b) die beiden Regiones abdominales laterales ; die Regio 
hypogastrica in: a) die Regio pubica (Gegend des Mons pubis) und b) die 
beiden Regiones inguinales (jederseits dicht oberhalb des Poupartfschen 
Bandes gelegen). Die Gegend der auBeren Geschlechtsteile wird Regio 
pudendalis benannt. 

Y. Rucken. 

Am Rucken wird zunachst die Gegend der Wirbelsaule vom 
VII. Halswirbel- bis V. Lendenwirbeldorn ais Regio mediana 
dorsi, sodann die Schulterblattgegend ais Regio scapularis, die Gegend 
zwischen beiden Schulterblattern ais Regio inter scapularis, die Gegend 
oberhalb und unterhalb eines jeden Schulterblattes ak Regio supra¬ 
scapularis und Regio infrascapularis bezeichnet. Zwischen der XII. Rippe 

1 Wenn man will, kann man auch drei Axillarlinien, namlich eine 
vordere, mittlere und hintere annehmeu, von denen alsdann die vordere 
vom Pectoralis major, die mittlere aus der Mitte der Achselhohle, die hintere 
vom Latissimus senkrecht nach abwarts verlaufen wiirde. 



Anhang: Die Korperregionen. 


119 


und der Crista iliaca ist jederseits neben der Regio mediana dorsi noch 
die Regio lumbalis gelegen. Am Becken werden noch die Kreuzbein- 
gegend ais Regio sacralis und unterhalb derselben die Regio perinealis 
unterschieden, von denen die letztere wiederum in die Aftergegend, 
Regio analis, und die Gegend des Diaphragma uro-genitale, Regio 
urogenitalis (zwischen Symphysis pubis und den beiden Tubera ischiadica 
gelegen) eingeteilt wird. Lateral davon wird am Becken die Gtgend des 
M. glutaeus maximus ais R. glutam, die zwischen dem oberen Rande des 
letzteren und der Crista iliaca befindliche Partie ais Regio coxae be- 
zeichnet (beide konnen jedoch auch bereits zur unteren Extremitat ge- 
rechnet werden). . 

VI. Obere Extremitat. 

An der Schultergegend werden besonders bezeichnet: a) die 
Regio acromialis (Gegend des Acromion); b) die Regio deltoidea (auf dem 
gleichnamigen Muskel); sodann am Oberarm eine Regio brachii anterior, 
medialis, lateralis und posterior. In der Gegend des Ellbogengelenkes 
werden ebenso eine Regio cubitalis anterior, medialis, lateralis und posterior 
unterschieden. In der Regio cubit. ant. befindet sich die Fossa cubi¬ 
talis (Ellenbeuge), in der Regio cubit. post, der Vorsprung des Ell- 
bogens, Regio olecrani. Der Unterarm wird in eine Regio antibrachii 
volaris, radialis, ulnaris und dorsalis eingeteilt. An der- Hand wird 
endlich der Handriicken, Regio dorsalis manus, die Hohlhand, Regio 
volaris manus, und die Fingergegend, Regio digitorum, unterschieden. 

VII. Untere Extremitat. 

Der Oberschenkel wird in eine Regio femoris anterior, medialis 
lateralis und posterior eingeteilt. An der Regio ant. ist dicht unterhalb 
des Poupartfschen Bandes noch die Fossa subinguinalis (ScARPA’sches 
Dreieck, Trigonum subinguinale) zu erwahnen, welche vom Lig. 
Pouparti, M. adductor longus und M. sartorius gebildet wird und in 
der die A. und V. femoralis sowie die Aste des N. femoralis gelegen 
sind. Im obersten Abschnitt der Regio lat. wird die Gegend des 
Trochanter major, welcher hier leicht durch die Haut fuhlbar ist, ais 
Regio trochanterica besonders bezeichnet. Die Kniegegend wird in 
eine Regio genu anterior und posterior eingeteilt; an der ersteren ent- 
spricht der Kniescheibe die Regio patellaris, an der letzteren ist ais 
Yertiefung die Kniekehle, Fossa poplitea, vorhanden. Am Unter- 
schenkel wird die Regio cruris anterior, posterior, medialis und lateralis 
unterschieden: die Gegend der Wadenwolbung wird speziell Regio 
suralis benannt. Unten werden noch die Regio malleolaris lateralis bzw. 
retromalleolaris lateralis und die Regio malleolaris medialis bzw. retromalleo¬ 
laris medialis besonders bezeichnet. Am FuB werden endlich noch der 
FuBrucken, Regio dorsalis pedis, die FuBsohle, Regio plantaris pedis 
und dieZehengegend, Regio digitorum pedis, voneinander unterschieden. 



Zweiter Teii. 

Eingeweide und Sinnesorgane. 

A. Die Verdauungsorgane. 

Der Yerdauungsapparat, Apparatus digestorius , erstreckt sich 
von der Mundspalte bis zur Afteroffnung. Wegen ihrer nahen nach- 
barlichen Beziehungen wird auch die Milz gewohnlich bei denVer- 
dauungsorganen beschrieben, obschon sie mit der Yerdauung nichts 
zu tun hat, sondem ais BlutgefaBdriise zu betrachten ist. 

• I. Mundhohle, Zahne and Speicheldrdsen. 

Die Mundhohle, Cavum oris, wird in drei Abschnitte eingeteilt, 
namlich: 1. den Vorhof, Vestibulum oris; 2. die eigentliche Mund¬ 
hohle, Cavum oris proprium, und 3. dieRachenenge, Isthmus faucium, 
an welche sich dorsalwarts der Pharynx anschlieBt. 

a) Das Vestibulum oris. 

Den Eingang zum Vestibulum bildet die Mundspalte, Rima 
oris, deren beide laterale Enden, die Mundwinkel, Anguli oris, durch 
die Commissura labiorum dextra und sinistra begrenzt werden. Die 
Oberlippe, Labium sup., wird lateral jederseits durch den tiefen 
schragen Sulcus naso-labialis von den Wangen, Buccae, geschieden. 
In der Mitte derselben lauft von der Nasenscheidewand die Unter- 
nasenrinne, Philtrum, nach ahwarts. Die Unterlippe, Labium 
inf., wird wiederum von dem Kinn, Mentum,■ durch den queren 
Sulcus mento-labialis geschieden. Jede Lippe besteht auBen aus der 
auBeren Haut, innen aus der Mundschleimhaut; zwischen beiden 
sind die Fasern des M. orbicularis oris gelegen. Der Ubergang von 
der Haut zur Schleimhaut wird ais Lippenrot bezeichnet. Die rote 
Farbe des letzteren wird wohl hauptsachlich durch die stark ent- 
wickelten, blutgefaBreichen Papillen bedingt. Auch zahlreiche 
Nerven, insbesondere Krause’sche E-ndkolben, sind hier vorhanden. 
Die Innenflache der Schleimhaut ist mit dem Zahnfleisch, Gingiva , 



A. Die Verdauungsorgane. 


121 


oben und unten durch eine mediane Falte, Frenulum labii sup. und 
inf., verbunden. Die Wangen, Buccae, bilden die Seitenwande des 
Vestibulum; sie bestehen innen aus der Mundschleimhaut, nacb 
auBen davon aus dem M. buccinator, an den sicb dann der Bichat’scbe 
Fettklumpen (vgl. S. 38) anschlieBt, welcher wieder von der auBeren 
Haut bedeckt wird. Die Sqhleimhaut der Lippen und Wangen be- 
sitzt tubulose Schleimdriisen, Glandulae labiales und buccales, 
welche zum Teii unter der Schleimhaut ais kleine HSckerchen fiihl- 
bar, zum Teii aber an der AuBenflache des M. orbicularis und 
buccinator gelegen sind, so daB ihre AusfUhrungsgange diese Muskeln 
durchbohren miissen, um in die Mundhohle zu miinden. 

Von der Mundhohle im engeren Sinne ist das Vestibulum 
durch die Procc. alveolares bzw. die Zahne beider Kiefer geschieden. 
Seine hintere Grenze wird durch die Plica pterygo-mandibularis gebildet, 
welche hinter dem letzten Backzahn deutlich sicht- und ftihlbar ist 
und das S. 36 bereits erwahnte gleichnamige Band enthalt. 

b) Die Zahne. 

An jedem Zahn. kann man: 1. die im Kiefer steckende Zahn- 
wurzel, Radix dentis; 2. den vom Zahnfleiseh umgebenen Zahnhais, 
Collum dentis, und 3. die frei sichtbare Zahnkrone, Corona dentis, 
unterscheiden. Jeder Zahn besitzt im Inneren die Zahnhohle, 
Cavum dentis, die von der rotlichen Zahnpulpe, Pulpa dentis, aus- 
gefullt ist. Letztere enthalt die GefaBe und Nervep des Zahnes, 
welche durch ein kleines Loch an der Wurzelspitze Fbr. apicale, in die 
Zahnhohle eindringen. An der Krone kann man endlich noch eine 
AuBenflache, Facies labialis bzw. buccalis, eine Innenflache, Facies 
lingualis, die Seitenflachen, Facies contactus, und eine Schneide- 
oder Kauflache, Facies masticatoria, unterscheiden. 

Jede Kieferhalfte zeigt beim Erwachsenen in der Richtung 
von vorn nach hinten: 1. die beiden Schneidezahne, Dentes incisivi; 
2. den Eck- oder Hundszahn, Dens caninus; 3. die beiden kleinen 
Backzhhne, Dentes praemolares (bicuspidati), und 4) die drei groBen 
Backzahn e, Dentes • molares (multicuspidati). Das GebiB des Er¬ 
wachsenen hat also im ganzen 32 Zahne. 

1. Die Schneidezahne haben eine meiBelformige Krone, an 
'welcher man eine konvexe vordere, eine konkave hintere und zwei drei- 
seitige Seitenflachen unterscheidet. Die hintere Flache zeigt die huf- 
eisenformige,mit derKonvexitat nach dem Zahnhals gerichtete Schm elz- 
leiste, Cingulum; die Schneide besitzt beim Kinde urspriinglich drei 
Zacken, welche jedoch bald durch Abnutzung in eine quere Kante ver- 
wandelt werden. Der mediale Schneidezahn zeigt den medialen Winkel 
der Schneide rechteckig, denlateralen abgerundet Der lat er ale Schneide¬ 
zahn besitzt dagegen eine Schneide, deren beide Ecken abgerundet sind. 



122 Zweiter Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

2. Die EckzShne verhalten sich ahnlich wie die Schneidezahne, 
nur ist die Erone dicker und l&nger und die Schneide pfriemen- 
formig, d. h. also winklig geknickt. Auch die Wurzel derselben ist 
erheblich langer; sie reicht bei den oberen Eckzahnen bis zum Boden 
der Augenhohle (Augen zahn e). 

3. Die kleinen B/ackz&hne besitzen eine Erone, deren ellip- 
tische Eauflache durch eine Furcbe in eine mediale und laterale 
Zacke geteilt wird. Die Wurzel ist meist einfach, lauft jedocli 
manchmal in zwei oder drei kleinere Zacken aus. 

4. Die groBen Backzahne haben eine Erone, deren rundliche 
Eauflache durch zwei sich kreuzende Furchen in vier Zacken 
geteilt wird. Manchmal, namentlich haufig bei den I. Molarzahnen 
ist noch eine fiinfte Zacke vorhanden. Die Wurzel lauft meistens 
in zwei, jedoch baufig auch in mehrere Zacken aus. 

Jeder Zahn besteht auBer der Pulpa aus drei Gewebsarten, 
namlich dem Dentin, Schmelz und Zement, von denen das erstere 
die Zahnhohle umgibt, 'wahrend der Schmelz die AuBenflache der 
Erone, das Zement die der Wurzel tiberzieht. Zwischen dem Zement 
und der Alveole ist auBerdem noch die Wurzelhaut, Periosteum 
alveolare, gelegen. 

Das gelbliche Dentin, Substantia eburnea, besteht unter dem 
Mikroskop aus einer homogenen Grundsubstanz, welche von den 
leicht schraubenformigen Dentinkanalchen, Canaliculi dentales, durch- 
zogen wird. 1 Die Grundsubstanz ist aber keineswegs gleichartig, 
sondern enthalt noch die auBerordentlich feinen, unverkalkten Dentin- 
fibrillen (v. Ebner), welche in eine kalkhaltige homogene Masse ein- 
gelagert sind. In der AuBenschicht des Dentins sind endlich noch 
die sogen. Interglobularraume zu erwahnen, d. h. kleine unver- 
kalkte Inseln von Grundsubstanz, welche von kalkhaltigen Eugel- 
abschnitten (Zahnbeinkugeln) begrenzt sind. 

Der blaulich weiBe Schmelz, Substantia vitrea, besteht aus den 
verkalkten, fiinf- oder sechskantigen Schmelzprismen, welche auch 
in leichten Biegungen verlaufen und meist quergestreift sind. Die 
freie Oberflache des Schmelzes wird — wenigstens an noch nicht 
abgenutzten. Zahn en — von dem ebenfalls verkalkten, gegen Rea- 
gentien sehr widerstandsfahigen Schmelzoberhautchen, Cuticula 
dentis, iiberzogen. 

Das Zement, Substantia ossea, besteht aus gewohnlichem Enochen- 
gewebe, welches jedoch beim Menschen keine BlutgefaBe enthalt. 
Die Zahnpulpa oder der Zahnkeim ist eine weiche rotlicbe Masse, 
welche, abgesehen von zahlreichen GefaBen und Nerven, aus einem 
nur undeutlich gefaserten Bindegewebe mit wenig sternlormigeu, aber 

1 Die gleichlaufenden Krtimmungen erscheinen optisch ais parallele Linien 
(Schreger’sche Linien). 

\ 



A. Die Verdauungsorgane. 


123 


viel runden Zellen besteht. Bei jungen Zahnen finden sich in der 
auBersten, an das Dentin grenzenden Schicht die sogen. Dentin- 
zellen (Odontoblasten von Waldeyer), d. h. walzenformige oder 
zngespitzte, epithelahnliche Zellen, von denen jede einzelne einen 
langen Fortsatz in ein nabegelegenes Dentinkanalchen hineinschickt 
und denen man die Bildung des Dentins znscbreibt. 

Das Hervorbrecben der Zahne aus den ursprlinglich zahu- 
losen Kiefern beginnt gewohnlich erst sechs Monate nach der 
Geburt, sehr selten friiher. Noch seltener wird der Mensch schon 
mit einzelnen Zahnen geboren. Zuerst treten die medialen, dann 
die lateralen Schneidezahne, bierauf aber nicbt die Eckzahne. 
sondern die ersten Pramolarz&hne hervor, denen dann erst die 
Eckzahne 1 und endlicb die zweiten Pr&molarzahne folgen. 
Gewohnlich pflegen dabei die Zahne des Unterkiefers den gleich- 
namigen des Oberkiefers in bezug auf das Erscbeinen etwas vorau- 
zugeben. Mit dem Ende des zweiten Lebensjahres sind die 
eben genannten Zahne, im ganzen 20 an der Zahl, samtlich durch- 
gebrochen. Da dieselben indessen spater wieder alie ausfallen, werden 
sie ais Milchzahne, Dentes decidui s. lactei, bezeichnet. Wie man 
sieht, fehlen diesem „MilchgebiB“ jederseits hinten die 8 groBen 
Backzahne (Molarzahne). Dafiir haben aber die Pramolarzahne 
des Milchgebisses genau dieselbe Form wie die S. 122 ger 
schilderten Molarzahne des Erwachsenen. Die Schneide- und 
Eckzahne des Milchgebisses sind dagegen von den spateren bleiben- 
den Zahnen des Erwachsenen nicht wesentljch verschieden. 

Diese bleibehden Zahne, Dentes permanentes, brechen nun, 
wenn auch in viel langeren Zwischenraumen, namlich zwischen dem 
sechsten bis etwa zum zwolften Lebensjahre-, in ungefahr der- 
selben Reihenfolge wie die Milchzahne hervor, nachdem sie die 
letzteren durch ihr Wachstum gelockert und zum Ausfallen gebracht 
haben. Doch geht dem Durchbruch samtlicher bleibenden Zahne 
schon im vierten bis funften Lebensjahre derjenige der 
ersten Molarzahne voraus. Da die letzteren am GebiB des Er¬ 
wachsenen am altesten und demzufolge am ehesten abgenutzt sind, 
werden sie auch ais Stockzahne bezeichnet. Die zweiten Molarzahne 
des Erwachsenen treten dagegen viel spater, namlich zwischen dem 
vierzehnten bis sechzehntenLebensjahre, dic dritten bleiben¬ 
den Molarzahne erst zwischen dem sechzehnten bis vierzigsten 
Lebensjahre heraus. Da dieser ProzeB so spat (iibrigens immer 
unter lebhafter Entziindung des Zahnfleisches und groBen Schmerzen) 
vor sich geht, werden diese letzten Molarzahne auch ais Weisheits- 
zahne, Dentes serotini, bezeichnet. Ob in spatem Alter noch ein 


1 Man kann sich dies Verhalten ais „Spruug um die Ecko“ merken. 



124 


Zweiter Teii. Eingeweide and Sinneeorgane. 


zweiter Zahnwechsel, eine sogen. Dentitio tertia, Yorkommt, ist noch 
ais zweifelhaft anzusehen, wenngleich vielleicht einmal einzelne fiber- 
zahlige oder im Kiefer zuriickgebliebene Zahne auch noch nach dem 
vierzigsten Lebensjahre hervorbrechen konnen. 

c) Die eigentliche Mundhfihle nebst den Speicheldriisen. 

Die eigentliche Mundhohle, Cavum oris proprium, liegt hinter 
den Zahnen und reicht binten' bis zum vorderen Gaumenbogen, mit 
dem der Isthmus faucium beginni Der Boden derselben wird haupt- 
sachlich durch den M. mylo-hyoideus gebildet, welcher eine Art 
Diaphragma oris darstellt. Oberbalb dieses Diaphragma erbebt sicb 
die Zunge mit ihrem Muskelstiel, welcher in dem Zungenbandchen ge- 
legen ist. Zu beiden Seiten des letzteren, am Boden der Mundhohle 
ragen die Qlandulae sublinguales hervor, die indessen von derselben 
Schleimhaut iiberzogen sind, welche sich weiterhin auf die Zunge und 
die Innenfiache des Unterkiefers fortsetzt. Diese Schleimhaut bekleidet 
nun die eben genannten Driisen derartig, daB sie fiber denselben zu 
beiden Seiten des Zungenbandchens je zwei langliche, nach vom kon- 
vergierende Wtilste, Plicae sublinguales, bildet. Das rundliche vor- 
dere Ende einer jeden Plica wird Caruncula sublingualis genannt; auf 
der Hohe derselben ist ais kaum sichtbare Offnung die Ausmfindung 
des Ductus submaxillaris bzw. sublingualis gelegen. Die obere Wand 
der Mundhohle bildet der Gaumen, Palatum, an dem man den vom 
gelegenen knochemen harten Gaumen, Palatum durum, unddenhinten 
befindlichen weichen Gaumen, Palatum molle (auch alsGaumensegel, 
Velum palatinum, bezeichnet), unterscheidet. Vom Rande des letzteren 
hangt das Zapfchen, Uvula, nach abwarts. Hinter den Schneidezahnen 
sind an der Schleimhaut mitunter noch die queren Gaumenleisten, 
Plicaepalatinae transversae, manchmal auch ein kleiner Schleimhautzapfen, 
Papilla incisiva, ais Uberrest des Stenson’schen Ganges (vgL S. 23) sichtbar. 

a) Die Zange. » 

An der Zunge, Lingua, kann man die Zungenwurzel, den 
Zungenkorper und die Zungenspitze, ferner eine obere Flfiche 
(den Zungenrficken), eine untere Flache und die beiden Seiten- 
rander unterscheiden. 

Die glatte untere Flache ist mit dem Boden durch das 
Zungenbandchen, Frenulum linguae, verbunden, in dem, von Schleim¬ 
haut iiberzogen, der bereits erwahnte Muskelstiel der Zunge liegt, 
welcher hauptsachlich aus dem M. genio-glossus besteht. Zu beiden 
Seiten des Frenulum sieht man, den Zungenrandem parallel, zwei 
nach vorn konvergierende, schmale, gekerbte Schleimhautfalten, 
Plicae fimbriatae, verlaufen, neben denen die Ausftihrungsgange der 
sogen. Nuhn’schen oder Blandin’schen Drfise ausmfinden. 



A. Die Verdauungsorgane. 


125 


Am Zungenriicken, Dorsum linguae, kann man einen mehr 
rauhen vorderen und einen mehr glatten hinteren Abschnitt 
unterscheiden, welche durch den V-formigen Sulcus terminalis geschieden 
werden. Letzterer zeigt an der Winkelspitze eine Vertiefung, das 
Far. caecum, welches aber nur beim Fotus ein Loch darstellt, da beim 
Erwachsenen der hier miindende Ausftthrungsgang der Schilddriise, 
Ductus thyreo-glossus, nur nocb sebr selten und bochstens auf kurze 
Strecken vorbanden ist. Der hintere glatte Abschnitt des 
Zungenrttckens wird ais Zungentonsille, Tonsilla lingualis, be- 
zeichnet, weil hier unter der Scbleimbaut dicht .gedrangte, haufig kon- 
fluierende Lymphfollikel liegen, welche man ais Zungenbalgdrttsen, 
Folliculi linguales, bezeichnet. Diese Zungenfollikel sind gewohnlich 
um kleine (hochstens 1 mm tiefe) blinde Gange, die Recessus folliculares, 
gruppiert, welche vom Mundepithel „ ausgekleidet sind und haufig 
kasige Pfropfe enthalten, die aus abgeschilferten Epithelzellen, aus- 
gewanderten Leukozyten und allerlei zersetztem Material bestehen. 
Es kann endlich scbon hier erwahnt werden, daB sich von dem 
hintersten Teii des Zungenrttckens die drei. Plicae glosso-epiglotticae 
zum Kehldeckel hiniiberspannen. Der rauhe vordere Abschnitt 
des Zungenrttckens zeigt dicht gedrangt eine groBe Anzahl von 
Hervorragungten, welche man ais Papillae filiformes , conicae, fungiformes 
und vallatae ihrer Form nach unterschieden hat. Alie diese Papillen 
sind vom Mundepithel bekleidet, welches allerdings an den Papillae 
filiformes in vielfache Spitzen zerkluftet ist. Die Papillae conicae sind 
kegelformig, die Pap. fungiformes' pilzformig, die Pap. vallatae platt- 
rundlich, von einem ringformigen Graben und Wall umgeben. Die 
Papillae vallatae bilden auBerdem dicht vor dem Sulcus terminalis 
ebenfalls ein V, dessen Spitze nach hinten gekehrt ist. An den 
Seitenrandern der Zunge sind endlich noch ais vertikale Streifen 
die Papillae foliatae gelegen. 

Die Muskelsubstanz der Zunge wird durch eine mediane 
derbfibrose Platte, Septum linguae, unvollstandig in zwei Halften 
geteilt. Die Muskeln selbst durchsetzen sich gegenseitig in den 
verschiedensten Richtungen. Man unterscheidet: 

1. Der M. genio-glossus ist ais sogen. Muskelstiel der Zunge im 
Zungenbandchen gelegen. Ursprung: Spina mentalis. Ansatz: 
facherformig ausstrahlend und die anderen Muskeln durchsetzend in 
der derben Schleimhaut des Zungenrttckens. Funktion: zieht die 
Zunge nach vorn und abwarts. 

2. Der M. hyo-glossus ^entspringt vom groBen Zungenbeinhom 
bzw. manchmal auch vom Korper und kleinen Horn. Ansatz: zuerst 
langs des Seitenrandes verlaufend, dann zum Zungenriicken. Funk¬ 
tion: zieht die Zunge nach unten und rttckwarts. 

3. Der M. stylo-glossus entspringt vom Proc. styloideus. An- 



126 , Zweiter Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

satz: am Seitenrand der Zungenwurzel, wo seine Fasern dann strahlen- 
formig zum Teii nach der ZungeDspitze, zum Teii nach medianw&rts 
ziehen. Funktion: hebt die Zungenwurzel nach hinten und oben. 

4. Der M. transversus linguae besteht aus vielen getrennten Faser- 
bundeln, welche die anderen Muskeln in querer Richtung durchsetzend, 
von einem Zungenrande zum anderen verlaufen. Funktion: 
verkleinert den queren Durchmesser der Zunge, so daB die letztere 
verl&ngort wird. 

5. Der M. longitudinalis inf. zieht an der unteren Zungenflache 
zwischen Hyoglossus . und Genioglossus, der M. longitudinalis sup. 
unter der Schleimhaut des Zuqgenriickens, die anderen «Muskeln 
durchsetzend, von hinten nach vorn. Funktion: macht die Zunge 
breiter. Endlich ist auch noch die Existenz eines M. verticalis linguae 
behauptet worden. 

Betreffs der Nerven der Zunge moge man sich schon hier merken, daB 
der motprische Nerv der N. hypoglossus, der sensible Nerv der N. lingualis 
des III. Trigeminusastes ist. Die Gesclimacksfasern werden hauptsachlich 
vom N. glosso-pkaryngem, auBerdem aber fur die Zungenspitze durch Ver- 
mittlung der Chorda tympani ebenfalls noch vom N. lingualis geliefert. Dabei 
ist allerdings zu betonen, daB die Chorda tympani (s. d. Nervenlehre) zerebral- 
warts auch bis zum Glossopharyngeuskern verfolgt worden ist. 

Betreffs der Zungenschleimhaut ist weiter unten bei der 
Mundschleimhaut nachzusehen. Hier mag nur erwahnt sein, daB 
dieselbe auBer der bereits erwahnten Nuhn’schen oder Blandin’- 
schen Druse noch verastelte tubulose Schleimdrusen, Glandulae 
linguales, am Zungenrande und am'Zungenriicken enthalt. Die Aus- 
fuhrungsgange der letzteren pflegen am Zungenrande zwischen den 
Papillae foliatae, am Zungenriicken meist in den Graben der Papillae 
vallatae oder in die Recessus folliculares zu miinden. 

(S, Der C numen. 

Von dem Gaumen, Palatum, ist bereits S. 124 erwahnt worden, 
daB derselbe sich aus dem harten Gaumen, Palatum durum, und 
dem weichen Gaumen, Palatum molle (auch ais Gaumensegel, 
Velum palatinum, bezeichnet), zusammensetzt: am freien Rande des 
letzteren hangt das Zapfchen, Uvula, nach abwarts. Das Gaumen¬ 
segel besteht im wesentlichen aus einer aponeurotischen Platte, 
welche oben und unten von Schleimhaut iiberzogen ist, und wird von 
folgenden Muskoln bewegt: 

1. Der M. levator veli palatini entspringt von der Spitze der 
Schlafenpyramide und dem knorpligen Teii der Tuba Eustachii und 
zieht hierauf medial von der Lam. medialis proc. pterygoidei 
dicht unter der Rachenschleimhaut zur fibrbsen Platte des 
Gaumensegels, welches er heben kann. Bei seiner Kontraktmn drangt 
er sich in die TubenmunduDg hinein (Levatorwulst). 



127 


A. Die Verdammgsorgane. 

2. Der M. tensor t eli palatini entspringt von der Spina angularis 
und der Fossa scaphoidea des Keilbeins, aber auch noch vom hautigen 
Teii der Tuba Eustacbii, ziebt hierauf lateral von der Lam. 
medialis proc. pterygoidei (also auch lateral vom vorigen Muskel) 
bis zur Incisura hamuli und schlingt sicb dann um die letztere 
nach medianwarts, um! mit seiner Sehne in die fibrose Gaumenr 
platte einzustrahien. Funktion: spannt die Gaumenplatte und 
erweitert die Tuba Eustachii. 

3. Der M. uvulae (azygos uvulae) bildet oberbalb der Gaumen¬ 
platte einen doppelten oder einfachen Muskel, welcher in oder 
neben der Medianlinie von der Spina nasalis post, entspringt und 
an der Spitze des Zapfchens endigt. Funktion: verktirzt die Uvula. 

4. Der M. glosso-palatinus ist ais Langsmuskel im vorderen, der 
M. pharyngo-palatinus ebenso im hinteren Gaumenbogen gelegen. 
Funktion: beide konnen den Gaumen abwarts zieben und den 
Isthmus faucium verengern. 

Verastelte linsen- bis erbsgroBe tubulose Schleimdrtisen sind 
unter der Schleimbaut an der oberen Flache des GaumensegelS 
und der unteren des ganzen Gaumens dicht nebeneinander gedrangt 
in groBer Zabl vorhanden. 

Man kann sich schon hier merken, daB die Gaumenmuskeln (mit Aus- 
nahme des Tensor veli) dureh Vermittlung des N. petrosus superf. major und der 
Nn. palatini vom Facialis innerviert werden, so daB bei FacialislShmungen 
immer auch der Gaumen zu inspizieren ist. 

/. Die Speicheldrlisen. 

Zu den Speicheldriisen, 01. salivales, werden jederseits: 1. die 
Ohrspeicheldrtise, Gl. parotis', 2. die Unterkieferdriise, 01. sub- 
maxillaris ; 3. die Unterzungendrtise, Gl. sublingualis und 4. die 
Nuhn’sche oder Blandin’sche Druse, 01. lingualis ani., gerechnet, 
Doch bestebt nur das Sekret der Parotis aus reinem Speicbel, das 
der anderen Driisen ist mebr schleimiger Natur. Der Speicbel, 
Saliva, enthalt etwa 99 °/ 0 Wasser, in dem auBer einer groBen Anzahl 
von Luftblasen gequollene, ausgewanderte Leukozyten (sogen. Speichel- 
korperchen), abgestoBene Mundepitbelien, Bakterien undMikrokokken, 
Zerfallsprodukte und Speisebestandteile, sowie manchmal ein Faden- 
pilz, Leptothrix buccalis, umberschwimmen. 

1. Die Obrspeicbeldrtise, 01.parotis, ist ein dreiseitiges plattes 
Organ, dessen Basis unterhalb des Jochbogens, dessen Spitze etwa 
am Kieferwinkel gelegen ist. lhr hinterer bzw. unterer Abscbnitt 
schiebt sich zwischen den Unterkieferast und den M. sternocleido¬ 
mastoideus bis zum Proc. styloideus in die Tiefe: sie bedeckt hier 
die Carotis ext. und die V. facialis post. Die Drtise wird von 
dem Pes anserinus des N. facialis durcbsetzt. Dureh die derbe Fascia 



128 Zweiter Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

parotideo-masseterica ist sie an den Masseter angeheftet und fest um- 
hiillt, 80 daB ihre hockrige Beschaffenheit schlecht durchzufiihlen ist. 
Ihr Ausfiihrungsgang, Ductus parotideus [Stmonianus), zieht 1—2 cm 
unterhalb des Jochbogens nacb vorn, um in Hohe des II.—III. 
oberen Molarzahnes in die Mnndhoble zu miinden. 

2. Die Unterkieferdriise, 01 . submaxillhris , ist ais rundliches 
Organ von der GroBe einer halben Kastanie medial vom Kiefer- 
winkel, unterhalb des M. mylo-hyoideus, in dem Raum gelegen, 
welcher vom Unterkiefer und dem M. digastricus umgrenzt wird. Aus 
dem hinteren Ende der Driise entwickelt sich der Ausfuhrungs¬ 
gang, Ductu» submaxillaris (Whartonianus ), welcher iiber den hinteren 
Rand des M. mylo-hyoideus, sodann zwischen ihm und der 01 . sub- 
maxillaris nacb vorn zieht, um inmitten der Caruncula sub¬ 
lingualis (vgl. S. 124) auszumUnden. 

3. Die Unterzungendriise, 01 . sublingualis, ist ais langliches 
Organ dicht oberhalb des M. mylo-hyoideus in der Plica sub¬ 
lingualis (vgl. S. 124) gelegen, Ihre 8—10 kurzen Ausfiihrungs- 
gange, Ductus sublinguales minores, miinden auf der Hohe letzterer 
Ealte: ein Teii derselben vereinigt sich jedoch zu einem starkeren 
Gange, dem Ductus sublingualis major [Bartholinianus), welcher gemein- 
sam mit dem Ductus submaxillaris auf der Hohe der Caruncula sub¬ 
lingualis ausmundet. 

4. Die Nuhn’sche oder Blandin’sche Zungenspitzendriise, 
01. lingualis ant., besteht aus einer Reihe kleinerer Driisen, welche 
jederseits neben der Crista fimbriata in die Muskulatur der Zunge 
eingelagert sind und auch an der Crista ausmiinden. 

Inbezug auf den B'au der Speicheldriisen ist zu hemerken, 
daB neuerdings die Parotis ais eine zusammengesetzt alveolare, die 
anderen ais zusammengesetzt alveolo-tubulare Driisen bezeichnet 
werden. Die vielfach verastelten Endstiicke, die sogenannten End- 
kammern, treten zu kleinen Lappchen, Lobuli, zusammen, die von 
einem reichlich. mit BlutgefaBen versehenen interstitiellen Binde- 
gewebe umgeben sind, welches auch die Oberfl^che der Driisen bekleidet. 
JedeEndkammer besteht aus einer homogenen Membrana propria, 
deren Innenflache von sehr verschiedenartig gestalteten Epithel- 
zellen ausgekleidet ist. Diese Zellen treten hauptsachlich auf: 1. ais 
Schleimzellen [Cellulae mudparae), d. h. Zellen mit undeutlichen 
Kernen und einem vielfach gallertigen Inhalt, und 2. ais EiweiB- 
ze 11 en, d. h. kleinere Zellen mit vielen Kornchen, welche sich durch 
tiberosmiumsaure stark braunen und demzufolge wahrscheinlich 
Fermentkornchen darstellen. Die erstere Art von Zellen sollen 
nur Schleim, die letzteren nur wasseriges EiweiB und Speichelferment 
(Ptyalin) sezernieren. AuBerdem ist noch eine dritte Art von dunkel- 
kornigen, leicht farbbaren und mit mehrfachen Kernen versehenen 



A. Die Verdauungsorgane. 


129 


Zellen in Form der sogenannten GianuzzPschen Halbmonde vor- 
handen, welche der Membrana propria der Endkammern in Haibmond- 
form ansitzen. Diese Zellen sind wahrscheinlich dazu bestimmt, ab- 
gestoBene andere Zellen durch Proliferation zu ersetzen. Da die 
Parotis nur EiweiBzellen, die Sublingualis und die Nuhn’sche 
Druse nur Schleimzellen, endlich die Subriiaxillaris sowohl EiweiB- 
wie Schleimzellen enthalt, so ist wolil die Parotis ais reine 
Speicheldriise, die Sublingualis und Nuhn^che Druse ais reine 
Schleimdriisen, die Submaxillaris ais gemischte Druse anzusehen. 

Betreffs der Innervation der Speicheldriisen mdge man sich merken, daB 
die Sekretionsneryen der Parotis durch Vermittlung des N. auriculo¬ 
temporalis bzw. N. petrosus superf. minor vom N.. glosso-pharyngeus her- 
stammen. Die anderen Driisen werden durch den N. lingualis (vom IlI.Trige- 
minusast) versorgt, der indessen seine sekretorischen Fasern durch die Chorda 
tgmpani bezieht, welche ihrerseits in der Bahn des N. facialis zerebralwarts 
wieder zum Glosso-pharyngeuskefn hinfiihrt. Der N. glosso-pharyngeus ist 
also nicht allein Geschmacksnerv der Zunge, sondem auch Sekretionsnerv 
fiir samtliche Speicheldriisen. AuBer den eben genannten Nerven sendet 
aber noch der N. sympathicus mit den BlutgefaBen zahlreiche Fasern in die 
Speicheldriisen hinein. 


d. Der Isthmus faucium. 

« 

Die Rachenenge, Isthmus faucium, bildet jederseits eine drei- 
seitigft Nische, deren Basis unten an der Zungenwurzel, deren Spitze 
oben am Rande des Gaumensegels gelegen ist und deren Seiten 
durch ?wei Schleimhautfalten, den yorderen und hinteren Gaumen- 
bogen, reprasentiert werden. Der vordere Gaumenbogen, Arcus 
glosso-palatinus, zieht vom hinteren Rand des Gaumensegels zur 
Zungenwurzel, der hintere Gaumenbogen, Arcus pharyngo- 
palatinus, von demselben Rande zur Seitenwand des Pharynx nach 
abwarts. Doch lauft von letzterem (gewissermaBen ais Abzweigung) 
noch eine besondere Falte, Plica palato-epiglottica, zum Seitenrande der 
Epiglottis hin. In der dreiseitigen Nische zwischen beiden Gaumen¬ 
bogen, dem sogen. Sinus tonsillaris,, ist nun eine langlich runde 
Anhaufung von Lymphfollikeln, die Mandel, Tonsilla palatino , ge¬ 
legen, deren Innenflache fest mit der Mundschleimhaut verwachsen, 
deren AuBenflache vom M. constrictor pharyngis sup. bedeckt ist. 
Lateral von dem letzteren ist noch eine ziemliche Menge voti Fett- 
und Bindegewebe vorhanden. Dagegen sind die groBen HalsgefaBe 
(Carotis int. und V. jugularis int.) dorsal von der Tonsille ge¬ 
legen, was man wissen muB, falis man die Tonsille herausschneiden 
will. Die Schleimhaut der Mandel besitzt zahlreiche kleine Recessus 
folliculares, wie sie bereits (vgl. S. 125) bei der Zungentonsille beschrieben 
worden sind. Die kleine Vertiefung des Sinus tonsillaris oberhalb 
der Mandel wird Fossa supratonsillaris genannt. 

Broesikb, Repeti tortam anatomicum. 9 



130 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


e) Die Schleimhaut der Mundhbhle. 

Die Schleimhaut der Mundhohle ist beim Zahnfleisch 
(Qingiva), also au den Alveolarfortsatzen der Kiefer, ferner am harten 
Gaumen und am Zungenrucken durch eine sehr derbe Submucosa 
fest mit der Unterlage verwachsen, hangt jedoch im iibrigen, vielleicht 
mit Ausnahme der Mandeln, lockerer mit der letzteren zusammen. 
Mikroskopiscb besteht dieselbe aus einem festen bindegewebigen 
Substrat ( Tunica propria ), auf dem eine ziemlich dicke Lage von 
geschichtetem Pflasterepithel aufliegt. Das Substrat besitzt 
besonders am Zahnfleisch und Lippenrot lange und zahlreiche Pa¬ 
pillen mit reichlichen BlutgefaBen — daher die Neigung dieser 
Organe zum Bluten. Von den Papillae filiformes, fungiformes, vallatae 
und foliatae (s. S. 125) bildet jede einzelne einen Komplex von 
Einzelpapillen, welche von einem gemeinsamen Epithelhandschuh 
iiberzogen sind. Letzterer ist bei den fadenformigen Papillen in 
mehrere Spitzen zerkliiftet. In dem Epithel dieser Papillen 
sind nun ais Geschmacksorgane die sogen. Geschmacksknospen 
oder Geschmackszwiebeln (Schmeckbecher von Schwalbe) gelegen. 
Eine jede Geschmacksknospe besteht: 1. aus der zufiihrenden Nerven- 
faser; 2. aus den zwiebelartig geschichteten, platten Deckzellen 
und 3. aus den im Innern liegenden spindelformigen Stiftzellen, 
deren eines Ende mit der zufiihrenden Nervenfaser in Verbindung 
steht, deren anderes in einen stiftformigen Fortsatz auslauft, welcher 
in eine Vertiefung des Epithels (Geschmacksporus) hineinragt und 
demzufolge durch die Speisebestandteile direkt erregt werden' kann. 
Geschmacksknospen finden sich vor: 1. an den Papillae fungi¬ 
formes und foliatae; 2. in dem ringfbrmigen Graben der Papillae 
vallatae; 3. am Gaumensegel und vorderen Gaumenbogen; 
4. eigentiimlicherwei8e auch noch an der hinteren Flache der Epi¬ 
glottis und den wahren Stimmbandern. Auch Krause’sche 
Endkolben sind in der Mundschleimhaut vorhanden. Die ver- 
schiedenen Driisen der Mundschleimhaut, meist Schleimdriisen, 
sind schon friiher bei dem Vestibulum der Zunge und dem Gaumen 
erwahnt worden. 

H. Der Pharynx. 

Der Schlund oder Bachen, Pharynx, ist direkt hinter der 
Nasenhohle,. Mundhohle und dem Kehlkopf gelegen und wird 
deshalb. in eine Pars nasalis, Pars oralis und Pars laryngea pharyngis 
eingeteilt, welche in drei Etagen iibereinander liegen. Oben ist der 
Pharynx durch das Dach oder Gewolbe, Fornix pharyngis (auch ais 
Schlundkopf 1 bezeichnet), an die Pars basilaris oss. occipitis ange- 

1 Als Schlundkopf wird bald der ganze Pharynx, bald nur der oberste 
Teii desselben bezeichnet. 



A. Die Verdauungsorgane. 


131 


heftet, unten geht er an der # Grenze zwischen dem YI.—VII. Hals- 
wirbel in die Speiserohre uber. Die Seitenwande' grenzen an die 
Carotiden und deren Zweige, die hintere Wand ist dicbt vor der 
Halswirbelsaule bzw. der Fascia praevertebralis gelegen, von diesen 
Teilen jedoch durcb das lockere, mit einzelnen Lymphdriisen versehene 
retropharyngeale Bindegewebe geschieden, in dem sich Abszesse 
sehr leicht nach abwarts bis in das Mediastinum post, senken konnen. 

1. Die Pars nasalis pharyngis (Nasenrachenraum) ist dicht 
hiuter den Choanen gelegen. lhre Seitenwand wird von derjenigen 
der Nasenhohle durch die manchmal undeutliche Plica naso-pharyngea 
abgegrenzt, hinter der mitunter ein Sulcus naso-pharyngeus vorhanden 
ist. Dicbt hinter letzterer Furche, in Hohe der unteren 
Muschel, befindet sich die Mundung der Tuba Eustachii, Ostium 
pharyngeum tubae-, ihr oberer, stark vorspringender Rand wird ais 
Tubendach oder Tubenwulst, Torus tubarius, bezeichnet. Das 
vordere Ende des Tubenwulstes bildet die schwache vordere Tuben- 
lippe, Labium ant., das hintere Ende die kraftig hervortretende 
hintere Tubenlippe, Labium post. Hinter und uber dem Tuben- 
wulste ist ais ziemlich tiefe Bucht die Rosenmullersche Grube, 
Recessus pharyngeus, gelegen. Die vordere Tubenlippe verlangert sich 
mittels einer Schleimhautfalte, Plica salpingo-palatina, bis zum Gaumen- 
segel, die hintere Tubenlippe desgleichen hinter dem hinteren 
Gaumenbogen mittels der Plica salpingo-pharyngea auf die Seiten¬ 
wand des Pharynx nach abwarts, an der sie sich allmahlich verliert. 
Ein unterer Rand ist an der Tubenmiindung nicht vorhanden: statt 
dessen springt hier der abwarts laufende Wulst des M. levator veli ais 
sogen. Levatorwulst deutlich hervor. An dieser Stelle, d. h. also 
zwischen dem Tubenwulst und dem Gaumensegel, ist auBerdem in der 
Schleimhaut noch die Tubentonsille (Nasenrachenmandel der 
Laryngologen) gelegen, d. h. eine wenig sichtbare Anhaufung von Lymph- 
follikeln, welche aber krankhafterweise so stark wuchem kann, daBdieselbe 
operativ entfernt werden muB. Eine andere, weit ausgedehntere An¬ 
haufung von meist kontiuierenclen Lymphfollikeln, die von Luschka 
sogen. Tonsilla pharyngea, zieht sich an der oberen und hinteren Pharynx- 
wand von einer Tubenmiindung zu der anderen hiniiber. Wie man 
sieht, ist in Gestalt der Tonsilla pharyngea, der beiden Tuben- 
tonsillen, der beiden Mandeln und der Zungentonsille eine Art 
lymphatischer Rachenring um den Eingang des Pharynx gelegen. 
Bei allen diesen Organen sind zahlreiche Recessus folliculares vorhanden. 
Eine besondere, in der Medianlinie, an der Grenze zwischen oberer 
und hinterer Wand gelegene, etwa erbsgroBe Bucht, Bursa pharyngea, 
ist betreffs ihrer Bedeutung noch nicht anerkannt. 

Die Pars oralis des Schlundes liegt unmittelbar hinter dem 
Isthmus faucium, wo ihre hintere Wand von der Mundhohle aus sicht- 

9* 



182 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


bar ist. Ibr Bereicb wiirde sich yon der Hohe des Gaumensegels bis 
zu der des Kehlkopfeinganges erstrecken. / 

Die Pars laryngea des Pharynx reicbt von dem letzteren bis 
znm (Jbergang in die Speiserohre 1 und ist hinter dem Kehlkopf ge- 
legen. Zu derselben gehort aucb der Recessus piriformis (Sinus piri¬ 
formis), welcher sich ais tiefe Bucbt zwischen die Schildknorpelplatte 
und die Plica ary-epiglottica des Kehlkopfes einschiebt. Eine in dieser 
Bucbt verlaufende schr&ge Schleimhautfalte, Plica n. laryngei, wird durch 
den hier gelegenen N. laryngeus sup. bzw. die gleichhnamigen Blut- 
gefaBe emporgehoben. Der Rec. piriformis dient hauptsachlich zum 
Durchtritt flir die genossenen Speisebestandteile, da beim Schlingakt 
der Kehlkopfeingang gegen den Gaumen gedrtickt und dadurch voll- 
standig verscblossen wird. 

An der Pharynxwand kann man von innen nacb auBen: 1. die 
Schleimhaut, Mucosa; 2. die derbe Submucosa; 3. die Schlund- 
kopfschniirer und 4. die Fascia buceo-pharyngea unterscheiden. Die 
Schleimhaut besteht aus einem Substrat ( Tunica propria) und 
einer dariiber liegenden Lage von Epithel. Die Epithelzellen 
sind in der Pars nasalis, welche nur Atmungszwecken dient, lediglich 
Flimmerzellen. Die Pars oralis und laryngea besitzen dagegen (ais 
Speisewege) das widerstandsfahigere geschichtete Pflasterepithel, 
wie es auch sonst von der Mundoffnung bis zum Ende der Speiserohre 
vorhanden ist. Das Substrat ist, abgesehen von eingestreuten Leuko- - 
zyten und Lymphfollikeln, bindegewebig: es enthalt, namentlich an der 
hinteren Pharynxwand, zahlreiche verastelte tubulose Schleim- 
drlisen, 01. pharyngeae, und ist unter dem Pflasterepithel mit Papillen 
versehen. Ais (quergestreifte) Muskeln des Pharynx sind auBer 
dem M. slylo-pharyngeus noch die Schlundkopfschnurer, Mm. con¬ 
strictares pharyngis, zu nennen. 'Die letzteren inserieren alie an einer 
medianen sehnigen Raphe, welche an der Ruckwand des Pharynx 
vom Tubere, pharyngeum oss. occipitis nach abwarts verl&uft, 
aber beim Obergang in die Speiserohre aufhort. Ihre Urspriinge 
sind folgendermaBen: 

1. Der M. constrictor pharyngis sup. entspringt vom Hamulus 
pterygoideus, vom Ligrpterygo-mandibulare, von der Linea mylo*hyoidea 
und der Zungenwurzel mit ebensoviel Portionen, welche iiberfliissiger- 
weise (hier und auch bei den anderen Kohstriktoren) nofih besondere 
Namen erhalten haben. Die obersten Fasern erreichen zwar das 
Tubere, pharyngeum, lassen jedoch im tibrigen hinten und seitlich die 
Wand der Pars nasalis frei, welche ja auch lediglich Atmungs- und 
nicht mehr Yerdauungszwecken dient. 

1 Der (Jbergang dee Pharynx in den Oesophagus und des Kehlkopfes 
in die Trachea sind beide etwa entsprecbend der Grenze zwischen dem 
VI.—VII. Halswirbel gelegen. 




A. Die Verdauungsorgane. 


133 


2. Der M. constrictor pharyngis medius entspringt vom groBen 
und kleinen Zungenbeinhorn. 

3. Der M. constrictor pharyngis inf. entspringt von der AuBen- 
fl&che des Schild- und auch Ringknorpels. Indem seine Fasern schrag 
nach abwarts auseinanderweichen, gehen sie allmahlich in die (glatte) 
Langsmuskulatur des Oesophagus iiber. Am tlbergang hier ist die 
schw&chste Stelle dieser Muskulatur gelegen (Divertikelbildung). 

4. Der M. stylo-pharyngeus entspringt vom Proc. styloideus und 
strahlt zwischen dem oberen und mittleren Konstriktor in die 
Pharynxwand ein. 

In der Plica salpingo-pharyngea ist endlich noch der winzige 
M. salpingo-pharyngeus gelegen. 

An der AuBenflache sind die Konstriktoren von der Fascia bucco¬ 
pharyngea (vgl. S. 39) bekleidet, welche vom mit dem Lig. pterygo¬ 
mandibulare verwachsen ist und sich von letzterem noch weiter auf 
die AuBenflache des M. buccinator festsetzt. 

III. Der Oesophagus. ' 

Die Speiserohre, Oesophagus, geht an der Grenze zwischen dem 
VI.—VII. Halswirbel aus dem Pharynx hervor und etwa in Hohe des 
X. oder XI. Brustwirbels in die Cardia des Magens Uber. Seine 
Lange betragt etwa 23—24 cm. 1 Der Oesophagus ist zunachst median 
dicht hinter der Trachea und unmittelbar vor der Wirbel- 
saule gelegen, tritt jedoch schon am Halse ein wenig nach linkshinuber 
so daB er sich nach dem Eintritt in die Brusthohle mit dem linken 
Bronchus kreuzt, welcher ebenso wie die Trachea vor ihm gelegen 
ist. In der Brusthohle liegt er dann weiterhin zunachst dicht 
hinter dem Herzbeutel zwischen Aorta descendens und V. azygos: 
weiterhin wendet er sich jedoch in Hohe des VIII. Brustwirbels vor 
der Aorta noch weiter nach links hiniiber, um endlich in Hohe 
des X.—XI. Brustwirbels durch das Zwerchfell in die Cardia 
uberzutreten. 

Am Oesophagus finden sich drei engeStellen vor, oberhalb 
deren Erweiterungen vorhanden sind, welche sich manchmal krank- 
hafterweise sogar zu volligen Blindsacken (Divertikeln) entwickeln 
konnen. Diese Stellen sind: 1. die tJbergangstelle in den Pharynx; 
2. die Kreuzungsstelle mit dem linken Bronchus; 3. die tJbergangs- 
stelle in die Cardia des Magens. 

Die Wand des Oesophagus besteht zunachst innen aus einer 
Schleimhaut, Mucosa, welche sich wiederum aus dem bindegewebigen, 
mit langen Papillen versehenen Substrat und geschichtetein 

1 Die Entfernimg von den Sehneidezahnen bis zur Cardia wird auf 40 cm 
hochstens angenommen. 



134 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


Pflasterepithel zusammensetzt. In dem Substrat (Tunica propriaj 
ist auBer einzelnen Lymphtollikeln eine schmale Lage von glatten 
Langsmuskelfasem, Muscularis mucosae, vorhanden. Die Submucosa 
besteht aus lockerem Bindegewebe mit groBeren GefaBen und Nerven. 
Vereinzelte Schleimdriisen, 01 . oesophageae, konnen vorkommen. Es 
folgt die Muscularis, welche sich aus einer auBeren longitudinalen 
und einer inneren ringformigen Schicht glatter Muskelzellen 1 zu¬ 
sammensetzt. Die Muscularis wird auBen von einer Menge lockeren 
Bindegewebes (Tunica adventitia) umgeben. 

IV. Ser Magen. 

Der Magen, Ventriculus (auch Stomachus s. Gaster genannt), bat 
in ausgedehntem Zustande eine bimformige Gestalt. Man bat an 
demselben die Eintrittstelle der Speiserobre ais Magenmund, Cardia ., 
das untere, ringformig eingeschniirte Ende als-Pfortner, Pylorus, 
bezeicbnet. Innen ragt an dem letzteren eine Verdickung der Ring- 
muskulatur, Valvula pylori, bervor; auBen sind ais Yerdickungen 
der L&ngsmuskulatur drei longitudinale Streifen, Ligg. pylori, vor- 
.handen. Im iibrigen werden nocb am Magen oben die konkave kleine 
Kurvatur, Curvatura minor, unten die konvexe groBe Kurvatur, 
Curvatura major, ferner eine vordere und eine hintere Flache, 
endlicb eine Pars cardiaca, sodann der links gelegene Blindsack, 
Fundus ventriculi , der Korper, Corpus ventriculi, und die Pars pylorica 
unterschieden, welche samtlich ohne scharfeGrenze ineinander iibergeben. 

In bezug auf seine Lage ist zu bemerken, daB meist nur ein 
Sechstel des Magens die Medianlinie nacb rechts iiberschreitet. Da 
die Cardia links neben der Medianlinie durch das Zwercbfell 
und der Pylorus rechts von derselben durch das Lig. hepato duodenale 
fixiert ist, so, muB die Langsacbse des Magens ein wenig schrag von 
links und oben nacb rechts und unten verlaufen. Die Ausdebnung 
des Magens. erfolgt im wesentlichen nacb vorn und unten: doch 
durfte ein normaler Magen selbst bei groBter Ausdebnung den 
Nabel kaum tiberscbreiten. 

Was die Lage zu den Nachbarorganen betrifft(Fig. 23), sowird 
die kleine Kurvatur und ein Teii der vorderen Flache vom linken 
Leberlappen bedeckt. Der Rest der vorderen Flache liegt links dem 
Zwercbfell, rechts dem Epigastrium der vorderen Baucbwand an. 
Der Fundus nimmt die linke Zwerchfellkuppe ein: er grenzt hinten 
an die linke Niere bzw. Nebenniere und die Milz, welche sich aller- 
dings bei st&rkerer VergroBerung zwischen dem Fundus und Zwerch- 
fell bis zum Rippenbogen nach vora schieben kann. Die hintere 


1 Im ganzen Verdauungskanal ist die longitudinale Schicht auBen, 
die zirkulare innen gelegen. 



A. Die VerdauuDgsorgane. 


135 


Flache ist ver dem Pankreas bzw. medialer Zwerchfellschenkel gelegen, 
jedoch von beiden durcb den Spaltraum der Bursa omentalis getrennt. 
Langs der groBen Kurvatur zieht sich das Colon transversum hin. 

Die Wand des Magens besteht wie die des Darmkanals, von 
auBen nach' innen gerechnet, aus folgenden Scbichten: 1. dem Peri- 
tonaealiiberzug, Tunica, serosa; 2. der Muskellage, Tunica muscu¬ 
laris; 3. der Submucosa, Tunica submucosa; 4. der Schleimhaut, 
Tunica mucosa. 

1. Die Tunica serosa oder das Bauchfell, Peritonaeum, ist mit 
der Muscularis iiberall fest verwachsen — bis auf die schmalen Streifen 
an der groBen und kleinen Kurvatur, an denen sich die peritonaealen 
Bander ansetzen. Sie besteht aus fibrillarem Bindegewebe mit 
elastischen Fasern, dessen AuBenflache von einer einfachen Lage platter 
Endothelzellen (auch aisPeritonaealepithel bezeichnet) tiberzogen ist. 

2. Die Tunica muscularis zeigt wfe liberali im Digestionsapparat 
eine auBere longitudinale und eineinnere zirkulare Schicht 
von glatten Myskelfasern. Die Langsfasern bilden besonders an 
der groBen und an der kleinen Kurvatur starkere Ziige. Die Ring- 
faserschicht verlauft nicht uberall zirkular, sondem zum Teii, 
namentlich am Fundus, auch in mehr schrager Richtung [Fibrae 
obliquae). Nach Kolliker sollen jedoch die Fibrae obliquae noch 
eine besondere Schicht zwischen den Ringfasern und der Schleim¬ 
haut bilden. 

3. Die Tunica submucosa besteht aus blaulichweiBem Binde¬ 
gewebe mit zahlreichen GefaBen und Nerven (daher auch Tunica 
vasculosa s. nervea benannt). Zwischen ihr und der folgenden Schicht 
ist noch eine Lage glatter Muskelfasem, Muscularis mucosae, gelegen. 

4. Die Tunica mucosa ist an ihrer Innenflache bei ausgedehntem 
Magen glatt, zeigt jedoch beim kontrahierten Organ und auch nach 
Anschwellung zahlreiche. Falten und Hocker (6tat mamelonne). Auch 
diese Schleimhaut setzt sich aus einem Substrat und den aufsitzen- 
den Epithelzellen zusammen. Die Epithelzellen stellen einen 
Uberzug von einfachem Zylinderepithel dar, welches sich gegendas 
Pflasterepithel des Osophagus mit scharfzackiger Grenzlinie absetzt. 
Das Substrat [Tunica propria) zeigt nur wenig fibrillares Bindegewebe, 
dagegen auBer vereinzelten Lymphfollikeln viele Rundzellen (Leuko- 
zyten). AuBerdem sind aber in dasselbe dicht gedrangt die sehr 
zahlreichen Magendriisen, 01 . gastricae, eingebettet, welche an ihrer 
Miindung stets einen trichterformigen Vorraum, das Magengriibchen, 
Foveola gastrica, besitzen. 

Diese Magendriisen sind samtlich tubulos, wenn auch ihre 
blinden Enden hier und da mit Ausbuchtungen oder Teilungen ver- 
sehen sind. Ihr Absonderungsprodukt, der Magensaft (aus Pepsin 
und 0,5 °/ 0 Salzsaure bestehend), dient dazu, die aufgenommenen 



136 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


EiweiBkorper aufzulosen und resorptionsfahig zu machen. Jede 
Druse besitzt eine homogene Tunica propria , deren Innenflache 
von dem Driisenepithel ausgekleidet wird. Dieses Driisenepithel 
tritt in zwei Formen, namlich: 1. ais Hauptzellen und 2. ais 


Brustwarze 


Pericardium 



Nabel 


Gallenblase 


Colon- 
ascendem 


Colon descen¬ 
dens 


Caecum 


Proc. vermi¬ 
formis 


Fig. 23. Die Lage der Baucheingeweide. Ansicht von vora. 


Belegzellen auf. Die Hauptzellen sind zylindrisch, hell und 
durcli Farbemittel nur schwach farbbar: weil man ihnen die Sekre- 
tion des Magenschleimes zuschrieb, hat man sie auch ais Schleim- 
zellen bezeichnet. Die Belegzellen finden sich meist nur ver- 
einzelt (wie eine Art Belag) zwischen , den letzteren vor: sie sind 
groB, rundlich oder auch eckig, dunkelkornig und leicht zu 


A. Die Verdauungsorgane. 


137 


turben. Man liat ihnen die Sekretion des Magensaftes zugeschrieben 
und sie daher auch Labzellen benannt. Nach Ebstein sollen 
jedoch beide Zellarten Pepsin sezernieren konnen. Jedenfalls kommen 
in den Driisen des Fundus und Corpus ventriculi beide Zell¬ 
arten, in denen der Pars pylorica nur die Hauptzellen vor. 



Fig. 24. Die Lage der Baucheingeweide. Ansicht von liinten. 


Coton descendens 


M. quadratus 
lumborum 


M. quadratus 
lumborum 


Linke 


ascendens 


Rechte Xiere 


Die Nerve n des M agens, welche sowohl vom N. vagus wie vora N. sym - 
pathiciis geliefert werden, bilden zwei groBe, mit Ganglienzellen reichlich ver- 
sehene Geflechte, von denen der zwischen den beiden Schichten der 
Muscularis gelegene Auerbach’sche Plexus (Plexus muscularis) die Tunica 
muscularis, der in der Submucosa gelegene MeissnePsche Plexus, Plexus 
submucosus , die sogen. Muscularis mucosae innerviert. Die. Vagusfasern 
sind wahrscheinlich sensibel, die Sympathicusfasern fur die glatten Muskel- 
zellen bestimint. Auch im Darmkanal sind dieselben Geflechte vorhanden. 













138 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


V. Der Darmkan&l. 

Der Darmkanal, Tractus intestinalis , wird in den Dunndarm, 
Intestinum tenue, und den Dickdarm, Intestinum crassum, eingeteilt. 
Abgesehen von dem Kaliber, welches jedoch nur in ausgedehntem 
bzw. aufgeblasenem Zustande beurteilt werden kann, konnen die 
beiden Darmabschnitte auBerlich hauptsachlich dadurch voneinander 
unterschieden werden, daB der Dickdarm an seiner Oberflache drei 
rhuskulare Langsfaserziige besitzt, die Valsalva’schen Bander, 
Taeniae coli , welche dem Dunndarm vollig fehlen. Innen ist der 
Dunndarm im Gegensatz zum Dickdarm mit 1 mm langen, diinnen, 
zylindrischen Fortsatzen, den Darmzotten, Villi intestinales, versehen, 
welche am besten sichtbar sind, wenn man sie unter Wasser flot- 
tieren laBt. 

a) Der Diinndarm. - 

Am Diinndarm kann man drei allerdings nicht scharf vonein¬ 
ander abgrenzbare Abschnitte, namlich: 1. den Zwolffingerdarm, 
Duodenum; 2. den Leerdarm, Jejunum, und 3. den Krummdarm, 
Ileum, unterscheiden. Der ganze Dunndarm, mit Ausnahme der 
unteren zwei Drittel des Duodenum, ist an einem Gekrose, Mesen¬ 
terium, aufgehangt. ♦ 

1. Am Duodenum sind beim Erwachsenen gewohnlich 
nur drei Teile, namlich: a) eine Pars superior (horizontalis s. trans¬ 
versa sup.); b) eine Pars descendens und c) eine Pars ascendens vor- 
handen. Beim Kinde ist zwischen b) und c) mitunter noch eine 
Pars horizontalis s. transversa inferior, eingelagert, welche spater 
schwindet. Zwischen. der Pars sup. und descendens ist die Flexura 
duodeni sup., zwischen Pars descendens und ascendens die Flexura duodeni 
inf. und zwischen Pars ascendens und dem Jejunum die Flexura 
duodeno-jejunalis gelegen. Die Pars sup. duodeni zieht etwa in 
Hohe des I. Lendenwirbels, dicht unterhalb der Leber bzw. 
Gallenblase\ vom Pylorus nach rechts und hinten; die Pars des¬ 
cendens verlauft dann rechts von der Wirbelshule vor der rechten 
■ Niere (medialer Teii) bis zum III. Lendenwirbel nach abwarts; die 
Pars ascendens zieht endlich von hier vor der Aorta und V. cava 
inf. schrag nach links oben bis in die Nahe der Anfangstelle des 
Duodenum, d. h. bis zum unteren Kande des Pankreas, um hier 
mittels der Flexura duodeno-jejunalis in das Jejunum iiberzugehen. 
Das Duodenum bildet also einen links und oben etwas offenen Ring 
(richtiger ein Dreieck mit abgerundeten Ecken), in dessen Konkavi- 
tat der Kopf des Pankreas sich einftigt. Dicht oberhalb der 


1 Die Anlagerungsstelle der Gallenblase ist am Duodenum stets durcli 
gelbbraune Verfarbung leicht kenntlich. 



A. Die Verdauungsorgane. 


189 


Flexura duodenojejunalis und weiter rechts quer vor der Mitte 
der Pars descendens zieht die Wurzel des Colongekroses, 
das sogen. Mesocolon transversum , voriiber, indem es das Duodenum 
gewissermaBen in eine Pars supracolica und infracolica teilt, welche 
also oberhalb und unterhalb des Mesocolon transversum aufzusuchen 
sind. Langs der Pars ascendens ist in schrager Richtung noch die 
Wurzel des Diinndarmgekroses angeheftet. Die Pars sup. duodeni 
ist allseitig vom Peritonaeum ttberzogen, die anderen beiden Ab- 
schnitte dagegen nur an ihrer Vorderflache, wahrend die hintere durch 
lockeres Bindegewebe, also retroperitonaeal mit der hinteren 
Bauchwand verbunden ist. 

Die Schleimhaut des Duodenum zeigt in der Pars sup. 
eine hockrige Beschaffenheit, welche von den in ihr befindlichen zu- 
sammengesetzttubulosenBrunn’schenoder Brunner’schenDriisen, 
Ql. duodenales , herriihrt, deren alkalisches Sekret eine gewisse Ahn- 
lichkeit mit dem Pankreassaft haben soli. Die Pars descendens 
und ascendens besitzen dagegen bereits deutliche, quere oder ring- 
formige, mitunter konfluierende Schleimhautfalten, Plicae circulares 
(Valvulae conniventes Kerckringii), welche keine Muscularis enthalten 
und weiterhin auch im ganzen Jejunum zu finden sind. Mitten in 
der Konkavitat des Duodenum, in der linken Wand der Pars 
descendens, ist die gemeinsame Miindungsoffnung des Ductus 
choledochus und pancreaticus auf der Hohe eines kleinen 
Schleimhautkegels, Papilla duodenalis , gelegen, welcher allerdings ge- 
wohnlich durch eine Plica circularis verdeckt wird. Fiihrt man eine 
Sonde in die Papillenoffnung hinein, so gelangt man zunachst in einen 
weiteren Vorraum, Diverticulum Pateri, aus dem die Sonde sich als- 
dann nach oben durch den Ductus choledochus bis zur unteren 
Leberflache, nach* links durch den Ductus pancreaticus in die 
Pankreassubstanz weiterschieben laBh Solitare Lymphfollikel und 
Darmzotten. sind bereits in den unteren zwei Dritteln des Duo¬ 
denum vorhanden. 

2. Das Jejunum wird meistens von Speisen leer gefunden und 
besitzt bereits ein # eigenes Gekrose, Mesenterium, so daB es stets in 
Windungen verlauft. Sein unteres Ende pflegt man dort anzunehmen, 
wo die an seiner Innenflache sehr zahlreich vorhandenen Plicae circu¬ 
lares (Valvulae Kerckringii) aufhoren. Sein Kaliber nimmt nach dem 
Ileum hin allmahlich an Ausdehnung ab. Die Darmzotten sind 
hier in besonderer Lange vorhanden. Solitare Lymphfollikel 
kann es uberall geben: mitunter sind dieselben schon zu kleineren 
rundlichen Haufen, Noduli lymphatici aggregati, vereinigt. 

3. Das Ileum geht ebenfalls in zahlreichen Windungen, sich 
immer mehr verengernd, bis zur rechten Fossa iliaca, wo dasselbe 
in das Caecum einmiindet. Ftii: dieses Darmstiick ist charakteristisch, 



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:<>: 


140 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

daB sich in demselben keine Valvulae Kerckringii befinden. 
Die Lymphfollikel 1 sind ebenfalla entweder solitar oder in Form 
kleinerer rundlicher Aggregate in groBerer Menge vorhanden. AuBer- 
dem besitzt aber allein das Ileum noch groBere, langlich ovale 
Follikelbaufen, die linsenformigen Peyer’schen Haufen(Peyer’sche 
Plaques), welche stets dem Ansatz des Mesenterium gegen- 
iiber liegen und mit ihrer Langsachse der L&ngsaclise desDarmes ent- 
sprechen. Die Darmzotten werden gegen das Caecum hin immer 
kleiner. Der Inhalt des Jejunum hat meistens bereits eine fakulente 
Beschaffenheit. Aucb das Jejunum bangt von der hinteren Bauch- 
wand an einem langeren Gekrose, Mesenterium, nach abwarts. 

b) Der Dickdarm. 

Der Dickdarm, Intestinum crassum , untersclieidet sich vom 
Diinndarm, wie bereits S. 138 erwahnt, haupts&chlich durch die drei 
Valsalva’schen Bander, Taeniae coli, welche ais Verdickungen der 
Langsmuskulatur an seiner AuBenflache stets sichtbar sind. Von 
diesen Tanien entspricht die eine, Taenia mesocolica, dem Ausatze des 
Mesocolon, die zweite, Taenia omentalis, dem Ansatze des Netzes bz\V. 
der fetthaltigen Anhange [Appendices epiploicae), die dritte, Taenia 
libera, liegt an der Oberflache frei zutage. Der Dickdarm ist aber 
noch dadurch ausgezeichnet, daB an seiner Innenfiache die halbmond- 
formigen Plicae semilunares (sigmoideae) hervorragen, welche nicht wie 
die Valvulae Kerckringii blofie Schleimhautfalten sind^ sondern auch 
noch ringformige glatte Muskelfasem enthalten. Die Ausbuchtungen 
der Wand, welche zwischen den Plicae liegen, werden Haustra coli 
genannt. Darmzotten und Peyer’sche Haufen sind nicht vor¬ 
handen, wohl aber Solitarfollikel. Die drei Abschnitte des Dick- 
darms sind: 

1. Der Blinddarm, Caecum (Typhlon), bildet in der Fossa iliaca 
dextra einen frei abw&rtshangenden Blindsack, welcher ohne scharfe 
Grenze in das Colon iibergeht. Sein bliudes Ende setzt sich noch 
in den Wurmfortsatz, Proc. vermiformis, fort, welcher bald vor, 
bald hinter dem Caecum nach aufw&rts geschlagdh ist, meist jedoch 
iiber die Linea terminalis ins kleineBecken bangt. Die Einmiindungs- 
stelle des Ileum ins Caecum liegt stets links am oberen Ende des 
letzteren, derart, daB sie durch eine Plica semilunaris hindurchtritt, 
indem sie dieselbe in zwei Lippen teilt. Diese zweilippige Plica, 
Valvula coli s. Bauhini, schlieBt sich nach Art einer Klappe, wenn 
Kotmassen aus dem Caecum ins Ileum treten wollen, wahrend sie 
den letzteren in umgekehrter Richtung freien Durchtritt gestattet 

1 Alie Lymphfollikel sind im normalen Zustande kaum mit bloBem 
Auge zu erkennen. Wenn sie deutlich sichtbar sind, sind sie wohl immer au- 
gesehwollen. 



A. Die Verdauungsorgane. 


141 


2. Der Grimmdarm, Colon, welcher sich vom Caecum zunachst 
nach aufwarts fortsetzt, kann in 4' Abschnitte, namlich das Colon 
ascendens, transversum, descendens und sigmoideum, eingeteilt werden. 
Das Colon ascendens geht zunachst vor der rechten Niere bis 
zur Leber nach oben und hierauf unter einer rechtwinkligen Um- 
bieguDg, Flexura coli dextra s. liepatica, nach medianwarts in das Colon 
transversum uber. Letzteres zieht dicht unterhalb der Pars 
sup. duodeni und der groBen Kurvatur des Magens bis zur 
Milz, um sich dicht unter der letzteren mittels der Flexura coli sin. 
s. lienalis, in das Colon descendens fortzusetzen, welches weiterhin vor 
dem lateralen Teii der linken Niere abw&rts zieht und etwa in 
Hohe der Crista iliaca in das Colon sigmoideum iibergeht. Nach- 
dem das letztere eine S-f8rmige Krtimmung gemacht hat, geht es 
wiederum beim Eintritt ins kleine Becken in das Rectum iiber. 
Das Colon ascendens und descendens sind durch das retroperitonaeale 
Bindegewebe an die hintere Bauchwand angeheftet. Das Colon trans¬ 
versum und sigmoideum sind dagegen durch ein langes, inanchmal 
sogar sehr langes Gekrose, Mesocolon, an der hinteren Bauchwand 
aufgehangt und infolgedessen leicht beweglich, so daB mitunter 
z. B. das erstere bis an die Symphysis pubis berabhhngen, das 
letztere sogar bis unter die Leber nach rechts und aufwarts gelagert 
sein kann. 

3. Der Mastdarm, Intestinum rectum, beginnt links vom Promon¬ 
torium und zeigt verschiedene, nicht immer gleiche Krummungen. 
Man teilt denselben am besten ein in: a) den ersten Abschnitt, 
welcher mit der Konkavitat nach links sieht, ein Gekrose, Meso- 
rectum, besitzt, somit vom Peritonaeum bekleidet ist und deswegen 
auch ais Colon pelvinum bezeichnet wird; b) den zweiten, Flexura 
sacralis, welcher mit der Konkavitat nach vorn in der Aushdhlung 
des Kreuzbeins liegt und nur vorn vom Bauchfell iiberzogen 
wird; endlich c) den dritten, Flexura perinealis, welcher mit der 
Konkavitat nach hinten dicht vor der SteiBbeinspitze und ganz- 
lich auBerhalb des Peritonaeum gelegen ist Dieser unterste 
Abschnitt ist am weitesten, so daB er im Notfall eine Faust fassen 
kann [Ampulla rectalis). Sein Ende ist die Aft^offnung, Anus. 
Dicht oberhalb der letzteren liegen Langsfalten, Columnae rectales 
(Morgagnii), in denen sich Yenengeflechte befinden, welche den 
Annulus haemorrhoidalis bilden. 1 Femer ware auch zu erwahnen, daB 
meistens eine Handbreit iiber dem Anus rechtsseitig eine Art Plica 
semilunaris vorhanden ist, welche jedoch hier ais Plica transversa recti 
(Kohlrausch) bezeichnet wird. Mitunter finden sich noch 2—3 andere 
ahnliche Falten an der linken Rektalwand vor. 


1 Durch Erweiterung dieser Veneu entstehcn die sogen. Hamorrhoiden. 



142 


II. Teii. Eingeweide und Sinneaorgane. 


c) Die Struktur der Darmwand. 

Die Darmwand besteht aus ganz denselben Schichten, welche 
wir S. 135 beim Magen kennengelemt baben. An der Muscularis 
ist ebenfalls eine auBere longitudinale und innere zirkulare 
Schicht vorhanden. Nur uber den feineren Bau der Schleimhaut 
ist noch einzelnes zu bemerken. 

Die Schleimhaut, Mucosa , besteht wieder aus dem Sub- 
strat ( Tunica propria) und dem Epithel. Das Epithel ist ein- 
fach und zylindrisch, besitzt jedoch am freien Ende einen Cuti- 
cularsaum, welcher behufs Durchtritt der verdauten Speisebestand- 
teile von feinen Kanalchen durchzogen ist. Jede Zylinderzelle steht 
am FuBende durch Auslaufer mit den LymphgefaBen einer Darm- 
zotte in Verbindutig, welche in der letzteren stets zentral, d. h. 
umgeben von BlutgefaBschlingen gelegen sind. AuBer dieser 
Art Zellen gibt es im Darmkanal noch die sogen. Becherzellen, 
d. h. Zylinderzellen, deren freies Ende nach Art eines Bechers 
mit Schleim gefullt ist. Da Schleimdriisen im Darm nicht exi- 
stieren, so kann kein Zweifel sein, daB der mitunter bei ent- 
ziindlicher Reizung oder sonst im Darm vorhandene Schleim von 
den Zylinder- bzw. Becherzellen sezemiert wird. Das Substrat 
ist wie beim Magen bindegewebig mit lympbatischem Charakter. 
In dasselbe sind — abgesehen von den Brunn’schen Duodenal- 
driisen (vgl. S. 139) — liberali die Lieberkiihn’schen Darm- 
driisen, 01 . intestinales, eingelagert, d. b. kleine schlauchformige 
Driisen, welche keinen Schleim, wohl aber den Darmsaft, Suc¬ 
cus entericus, absondern, der eine gewisse Ahnlichkeit mit dem 
Pankreassaft haben soli. 1 


VI. Die Leber. 

Die Leber, Hepar, die groBte Driise des menschlichen Korpers, 
ist von rotlichbrauner Farbe und langlich viereckiger Gestalt mit 
abgerundeten Ecken. Man kann dieselbe ais zusammengesetzte 
tubulose Drlisfl^bezeichnen, deren Schlauche durch Anastomosen 
verbunden sind. Wenn man die Leber, frisch aus der Leiche 
herausgenommen, vor sich liegen hat, kann- man an derselben 
einen scbarfen vorderen, einen stnmpfen hinteren Rand und die 
beiden weniger scharfen Seitenrander unterscheiden. Durch diese 
Rander werden eine konvexe obere und eine konkave untere 
Flache, Facies sup. und inf., voneinander abgegrenzt. Wird dagegen 
die Leber in ihrer naturlichen Lage innerhalb der Leiche 
gehartet, z. B. durch Formalininjektion, so zeigt sich an derselben 
nach der Herausnahme noch eine hintere Flache, Facies posterior, 



143 


A. Die Verdauungsorgane. 

\ 

welche durch die Anlagerupg der Leber an die Pars lumbalis des 
Zwerchfells und die V. cava inf. hervorgebracht wird. 1 

In ibrer Lage wird die Leber hauptsachlich durch zwei peri- 
tonaeale Bander erhalten, namlich das Lig. falciforme hepatis (sus¬ 
pensorium) und das Lig. coronarium hepatis (s. weiter unten beim Peri¬ 
tonaeum), aber auch durch die Yerwachsung .der Facies post, des 
hinteren Leberlappens mit dem Zwerchfell sowie durch die V. cava inf, 
an der sie binten gewissermaBen aufgeh&ngt ist. Im ilbrigen grenzt 
die obere Leberflache an die Konkavitat des Zwerchfells, vorn 
im Angulus infrasternalis (im Epigastrium) auch an die vordere 
Bauchwand. Durch die Kontraktionen des Herzens kann trotz des 
dazwischenliegenden Zwerchfells an dieser Flache eine Vertiefung, 
Impressio cardiaca, entstehen. Die untere Flache der Leber liegt 
mit dem linken Lappen auf dem Oesophagus, der kleinen Kurvatur 
und der Vorderflache des Magens, mit dem rechten Lappen auf 
der Pars pylorica ventriculi und Pars supracolica duodeni; aber auch 
die rechte Niere und Nebenniere sowie die Flexura coli dextra 
(hepatica) beriihren hier die-Leber, indem sie ebenso wie die vorhin 
genannten Organe in die weiche Substanz der letzteren Eindriicke 
machen, welche man ais Impressio oesophagea, gastrica, duodenalis, renalis, 
suprarenalis und colica bezeiohnet hat. Die untere Lebergrenze 
entspricht rechts hinten, seitlich und vorn bis etwa zur Spitze 
der X. Rippe ziemlich genau dem Rippenbogen (also dem unteren 
Thoraxrande); von da an zieht dieselbe jedoch schrag durch das 
Epigastrium bis etwa zur Mitte des VII. Rippenknorpels nach 
links und oben und kann die Mitte der linken Zwerchfellkuppe er- 
reichen. Die obere Lebergrenze zeigt sich bei der Perkussion 
von dem wechselnden Stand der unteren Lungengrenze (s. eben- 
daselbst) abhangig. Der hochste Punkt der Leber ist jedoch 
noch erheblich hoher ais die untere Lungengrenze gelegen; derselbe 
muB sich natiirlich zugleich mit der Kontraktion oder Erschlaffung 
des Zwerchtells auf- und abbewegen (vgl. S. 50). 

Die Ob er flache id er Leber ist nun genau entsprechend dem 
Ansatz des Lig. falciforme hepatis in einen rechten und linken 
Lappen, Lobus dexter nnd sinister, geteilt. In dem vorderen Rande 
dieses Bandes ist das Lig. teres hepatis (die ehemalige obliterierte 
Nabelvene) gelegen, welches von der unteren Leberflache her durch 
die sogen. Inc. umbilicalis des vorderen Leberrandes zum Nabel zieht. 
Rechts von der Inc. umbilicalis ist die Inc. vesicalis gelegen, liber 
welche gewohnlich der Fundus der Gallenblase nach vorn ragt und 
welche nach Gerhardt etwas nach abwarts von dem vorderen Ende 

1 Die hintere Flache wird a) von einem Teile des rechten Leber¬ 
lappens, b) von der Fossa venae cavae, c) von dem Lobus Spigeli gebildet (s. 
das Modell von His oder die Atlanten). 



144 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


der VI1L Rippe, zwei Finger breit von der Medianlinie, gelegen ist. 
Am hinteren Leberrande ist ais groBerer Ausschnitt die Inc. ver¬ 
tebralis vorhanden, welche die Wirbelsaule bzw. die vor der letzteren 
gelegene Pars lumbalis des Zwerchfells aufnimmt. Die untere 
Leberfl&che wird durch eine quere und zwei sagittale Gruben 
in verschiedene Abschnitte geteilt. Die Fossa sagittalis sin. entspricht 
in ibrer Lage genau dem Lig. falciforme, trennt also an der unteren 
Leberflache den rechten und linken Lappen voneinander. Der 
vor der e Abschnitt dieser Grube wird von dem bereits erw&hnten 
Lig. teres (der ehemaligen Nabelvene), der hin ter e von einem Binde- 
gewebstrang, dem Lig. venosum [Arantii), eingenommen, welches beim 
Fotus ais Duetus venosus Arantii die Nabelvene mit der Y. cava inf. . 
verbindet. In der Fossa sagittalis dextra liegt vorn die Gallenblase, 
Vesica fellea ; in der Mitte ist sie durch eine Briicke von Leber- 
substanz (den Proc. caudatus des Spigerschen Lappens) unterbrochen. 
Ihr hinterer Teii beiBt Fossa venae cavae, weil er die V. cava inf. 
aufnimmt. Zwischen den beiden Fossae sagittales verlauft nun ziem- 
licb genau in der Mitte der Leber die quere Porta hepatis (Fossa 
transversa ), wichtig deswegen, weil hier, abgesehen von feinen Nerven 
und LymphgefaBen, die V. portae , die A. hepatica und der Ductus 
hepaticus in- die Leber eintreten. Der vor der Porta hepatis 
gelegene Abschnitt der unteren Leberflache wird Lobus quadratus, der 
dabinter befindliche Lobus caudatus s. Spigeli , benannt. Yon dem 
letzteren ziebt sich der bereits erwahnte Proc. caudatus ais schmale 
Briicke zum rechten Leberlappen hiniiber. AuBerdem ragt vom Lobus 
Spigeli noch ein stumpfpyramidaler Vorsprung, Proc. papillaris , nack 
abwarts. Im tibrigen hat die Oberfl&che der Leber iiberall ein spiegel- 
glattes glanzendes Aussehen, welches durch den Peritonaealiiberzng 
derselben bedingt ist. 

Auf einem Schnitt durch die Leber sieht man schon mit 
bloBem Auge mehr oder weniger deutlich die mosaikartige Zeichnung 
der Leberlappchen, Lobuli (auch ais Leberinseln oder Leber- 
acini bezeichnet), aus denen sich das ganze Organ zusammensetzt. 
Den einzelnen Lobulus kann man ais ein vier- bis sechskantiges 
Prisma betrachten, dessen Enden kuppenformig abgerundet zu sein 
pflegen. Demzufolge muB der Lobulus auf dem Querschnitt ein 
Viereck, Fiinfeck oder Sechseck, auf dem Lhngsschnitt ein Vier- 
eck mit abgerundeten Ecken, auf Schragschnitten allerlei unregel- 
maBige Figuren bilden. Bei gewissen Tieren sind diese Lappchen durch 
interstitielles Bindegewebe getrennt, beim Menschen dagegen nur 
durch den Yerlauf der BlutgefaBe, welche allerdings auch von 
einer geringen Menge von Bindegewebe umgeben sind, wahrend da- 
zwischen die Lobuli konfluieren. Die LebergefaBe verlaufen folgender- 
maBen (vgl. Fig. 25): 



A. Die VerdauuDgsorgane. 


145 


Die Pfortader, die Leberarterie und der Ductus hepaticus, 
welche an der Porta hepatis in die Leber eindringen, verlaufen in 
der letzteren auch weiterhin gemeinsam, bis sie schlieBlich die 
Peripherie der Lobuli ais Vasa interlobularia umspinnen. Von den 
Vv. interlobulares der Pfortader treten nun in das Innere des 
Lobulus Kapillaren hinein, welche unter netzformiger Verastelung in 



Fig. 25. Die Verzweigung der BlutgefaBe in der Leber. 

Bei A ein querdtirchschnittener, bei B ein langsdurchnittener Lobulus. 


der Peripherie desselben die sogen. Pfortaderkapillarzone 
bilden. Im Gegensatze zur Pfortader treten die Lebervenen, Vv. 
hepaticae, ais Aste der V. cava inf.-in den hinteren Leberrand 
hinein, um alsdann ganzlich isoliert in der Lebersubstanz zu ver¬ 
laufen, bis ihre feinsten Zweige schlieBlich ais je eine V. centralis in 
die Langsachse eines Lobulus eintreten, so daB also der letztere 
auf der Vene wie eine Himbeere auf ihrem Zapfen aufsitzt. Die- 
jenigen zwischen den Lobuli gelegenen Lebervenenaste, von denen 
die Vv. centrales abgehen, werden ais Vv. sublobulares bezeichnet. Von 

Broesike, Repetitorium anatomicum. 10 












146 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


jeder V. centralis gehen dann wieder Kapillaren in den Lobulus 
hinein, welche hier die Lebervenenkapillarzone bilden. 

Betracbtet man den Querschnitt eines normalen Lobulus 
mit bloBem Auge genauer, so kann man fast immer feststellen, daB 
die Pfortaderkapillarzone eine hellere, die Lebervenenkapil¬ 
larzone eine dunklere Farbung zeigt. Dies riihrt daher, daB die 
Zellen der ersteren mehr Fett enthalten, weil nicht allein die Lymph- 
gefaBe, sotidern auch die Pfortaderzweige das im Darm aufgesogene 
Fett zur Leber transportieren. Auch sollen die Pfortaderkapillaren' 
an der Leiche weniger Blut enthalten. Wichtig ist es ferner fur die 
pathologisch-anatomische Diagnostik, daB man schon mit bloBem Auge 
die querdurchschnittenen Pfortader- und Leberve-nenaste unter- 
scheiden kann. Man merke, daB man neben einem Pfortader- 
querschnitt stets noch die beiden kleineren Querschnitte der 
Leberarterie und des Ductus hepaticus finden muB. Auch ist 
um alie drei GefaBe stets ein feiner grauer Ring von Binde- 
gewebe gelegen. Ein Lebervenenquerschnitt liegt dagegen stets 
isoliert in der Lebersubstanz, an welche er auch unmittelbar, 
d. h. ohne umgebendes Bindegewebe angrenzt. 

Der Gallenapparat der Leber besteht aus den absondemden 
Leberzellen und ihren Ausfiihrungsgangen. Die Leberzellen 
sind gutentwickelte Epithelzellen mit groBem blaschenformigem 
Kern und feinkornigem Protoplasma, welches haufig schon normaler- 
weise Fettkornchen und gelbes Gallenpigment enthlilt. Bindegewebe 
ist innerhalb eines Lobulus zwischen den Zellen nicht vorhanden, 
wenngleich es gelingt, durch Auspinseln sehr feine Gitterfasern zu 
isolieren, deren Bedeutung noch nicht klar ist. Jede Leberzelle steht 
nun mit mindestens einer Blutkapillare und auch einer Gallen- 
kapillare in Beriihrung (Fig. 26). Die Gallenkapillaren, Ductus intra¬ 
lobulares, sind zwischen den Leberzellen gelegene, feine wandungslose 
Gange, welche zwischen dem Netzwerk der Blutkapillaren ein khnliches 
anastomosierendes Netzwerk bilden. Mit ihnen beginnen die Aus- 
ffihrungsgange der Leber, Ductus biliferi, welche das von den 
Leberzellen abgesonderte Sekret, die Galle, aufnehmen und in den 
Darm leiten, wo dieselbe im wesentlichen dazu dient, die aufgenom- 
menen Fette resorptionsfahig zu machen. Aus den Gallenkapillaren 
gelangt die Galle in die Ductus interlobulares, die nur aus einem 
Zylinderepithel bestehen, welches die Innenflache einer glashellen 
Tunica propria Jbekleidet. Aus diesen gehen dann die groBeren 
Gallengange hervor, in deren Wandung diese Tunica propria noch 
von einer bindegewebigen Hiille mit Schleimdrusen umgeben ist. 

Diese groBeren Gallengange treten dann schlieBlich zum Leber- 
ausfiihrungsgange, Ductus hepaticus, zusammen, welcher an der 
Porta hepatis hervortritt. Der Ductus hepaticus vereinigt sich wieder 



A. Die Verdauungsorgane. 


147 


mit dein Ausfiihrungsgang der Gallenblase, dem Ductus cysticus, 
zudem gemeinsamen Gallenausfiihrungsgang, Ductus choledochus, 
welcher zunachst im Lig. hepato-duodenale, sodann hin ter der Pars 
sup. duodeni, endlich in der Wand der Pars descendens duodeni ver- 
lauft, um zusammen mit dem Ductus pancreaticus an der Papilla 
duodenalis in das Darmlumen einzumfinden. 

Die birnfdrmige Gallenblase, Vesica fellea, liegt in der Fossa 
sagittalis dextra: man pflegt an ihr den uber den vorc^eren Leber- 
rand hinausragenden Fundus, das Corpus und das Collum vesicae zu 
unterscheiden. Die Iniienfl&che ist mit einer Schleimhaut be- 
klei det, welche ein feines Netzwerk von Falten, im Collum vesicae 
mitunter ais spiralige Falte die Valvula spiralis 8 . Heisteri, zeigt. Die 
Schleimhaut besitzt Zylinderepithel mit Saum und ein Substrat, 
in welchem netzformige glatte Muskelfasern und Bindegewebe 


Kerne der Leberzellen 


Fig. 26. Die Lage der Leberzellen zu den Blut- und Gallenkapillaren (sehematisch). 

in verschiedenen Lagen wechseln. Glatte Muskelzellen sollen sich auch 
in den groBten und groBeren Gallengangen hier und da vorfinden. 
Die Gallenblase nimmt die iiberschiissig sezemierte Galle auf, um 
dieselbe, wenn notig, wahrend der Verdauung durch Kontraktion 
plotzlich ins Duodenum zu entleeren. 

Ais Vasa aberrantia bezeichnet man GallengefaBe, welche irgend- 
wo in dem Bindegewebe liegen, welches die Leber umgibt, aber nicht 
von Leberzellen umgrenzt sind. Solche GefaBe finden sich z. B. 'im 
Lig.* coronarium, in dem Bindegewebe der Leberfurchen, insbesondere 
der Porta hepatis [Capsula fibrosa 8 . Qlissonii), und einzelner abnormer 
Bindegewebstrange. 

Es ist noch einmal zu betonen, daB sich also beim Menschen 
innerhalb der Leber nur soviel Bindegewebe vorfindet, ais von 
der Capsula Glissonii aus mit den Asten der Pfortader, Leberarterie 
und des Ductus hepaticus in die Lebersubstanz hineintritt 

Betreffs der BlutgefaBe der Leber ist noch zu merken, daB die Pfort¬ 
ader das zufuhrende, die Lebervene das abfiihrende GefaB ist. Die 
Leberarterie dient lediglich zut Ernahrung des die Pfortader bzw. ihre Be- 





148 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


gleitgefaBe umgebenden Bindegewebes: ihre Kapillaren flieBen in Pfortader- 
zw.eige (die sogen. Leberwurzeln der Pfortader). Die Arterie ist also ein 
sogen. Vas privatum , die anderen sind Vasa publica der Leber. Die Lymph- 
gefaBe verlaufen perivaskul&r. 

Die Nerven der Leber werden vom N. vagus und sympathicus bzw. 
auch von den Rr . phrenico-abdominales des N. phrenicus geliefert. 


VII. Das Pankreas. 

Die Bauchspeicheldriise, Pancreas, ist eine groBe zusammen- 
gesetzt tubulbse Druse von rotlich gelbgrauer Farbe und langlich 
prismatischer Form, an welcher man unterscheidet: 1. den Kopf, 
Caput, 2. den KBrper, Corpus, und 8. den Schwanz, Cauda pan¬ 
creatis. Entsprechend der prismatiscben Form ist an derselben eine 
schmale obere, eine breite vordere und eine breite hintere Fl&che 
vorhanden. Das Pankreas besitzt, wie auch die meisten anderen tubulosen 
Drusen, Driisenlappchen, in denen sich zwischen Bindegewebszugen 
, ein niedriges Zylinderepithel mit vielen dunkeln Komchen befindet, 
welche man flir .das Pankreasferment (Trypsin oder Pankreatin) 
halt.*DasTrypsin hat sehrvielseitige Eigenschaften, indemes Starke- 
mehl in Zucker verwandeln, die EiweiBkorper auflosen und aucb Fette 
zerteilen oder zersetzen kann. Der Ausfuhrungsgang, Ductus pancrea¬ 
ticus, s. Wirsungianus, zieht ala dimnwandige, weiBgraue Rohreganzlich 
umschlossen von Pankreassubstanz in der Langsachse des 
Organes von links nach recbts bis zur Papilla duodenalis (vgl. S. 147), 
wo er zusammen mit dem Ductus choledochus in das Lumen des Duodenum 
einmiindet. Von dem Hauptgang zweigt sich im Pankreaskopf der 
Ductus pancreaticus accessorius ab, welcher etwas oberhalb der Papilla 
die Wand des Duodenum durchbricht. Die Lage des Pankreas 
ist wegen seiner vielfachen Beziehungen zu wichtigen Nachbarorganen 
ganz besonders zu merken. .Die vordere Flache ist vom Bauch- 
fell iiberzogen und grenzt an die hintere Flache des Magens bzw. 
der Pars sup. duodeni: doch ist dieselbe von diesen Organen durch 
die Bursa omentalis getrennt (s. beim Peritonaeum). Die hintere 
Flache ist nicht mehr vom Bauchfell bekleidet, sondern dicht vor 
der Pars lumbalis des Zwerchfells bzw. der dort befindlichen Aorta 
und V. cava inf. gelegen. Langs der oberen Flache verlauft die 
A. und mitunter auch die V lienalis zur Milz: doch kann die Vene 
auch hinter dem Pankreas gelegen sein. Das rechte Ende, der 
Kopf des Pankreas, ist mit der Konkavitat des Duodenum fest 
verwachsen. Das linke Ende, der Schwanz, steht mit der inneren 
Flache der Milz und dem oberen Ende der linken Niere in Be- 
riihrung. Dicht oberhalb des Pankreas tritt die A. coeliaca, 
dicht unterhalb desselben die A. mesenterica sup. aus der Aorta 
nach vom. 



149 


A. Die Verdauungsorgane. 


Vin. Die M ilz. 

Die Milz, Lien, s. Splen, hat die Form einer Kaffeebohne, die 
GrSBe einer kleinen Faust, eine festweiche Konsistenz und eine braun- 
rote, manchmal etwas blauliche Farbe. Die Milz besitzt zwei Enden, 
eine Extremitas sup. und inf., femer zweiRander, den vorderen, meist 
eingekerbten Margo ant. s. crenatus, und den hin ter en glatten Margo 
post. s. obtusus, sowie zwei Flachen, von denen die &uBere konvex ist, 
w&hrend die in ner e drei, ein wenig vertiefte Felder zeigt. Die Milz 
liegt links von der Wirbels&ule, derartig schr&g geneigt zwischen 
der IX.—XI. Rippe, daB ihre Langsachse sidi unter spitzem Winkel 
mit der X. Rippe schneidet. Das obere Ende ist etwa zwei Quer- 
fingerbreiten von der Wirbelsaule entfemt Das unter e Ende pflegt 
die vordere Axillarlinie normalerweise nicht zu iiberschreiten. Die 
SuBere Fl^che, Facies diaphragmatica, grenzt an die Konkavitat des 
Zwerchfells. Die innere Fl&che zeigt in der Mitte eine L&ngskante, 
an welcher sich die Eintrittstelle der A. und V. lienalis , der Hilus 
lienis, befindet. Durch diese Xante wird ein vorderes, ftir die An- 
lagerung des Magens bestimmtes Feld, Facies (gastrica, von einem 
hinteren, Facies pancreatico-renalis, geschieden, an welche das obere 
Ende der linken Niere und die Cauda pancreatis angrenzen. Ein 
drittes kleines Feld, Facies colica, ftir die Flexura coli sin. s. lienalis, 
ist noch am unteren Ende dieser Flache vorhanden. In dieser Lage 
wird die Milz nur durch das Bauchfell erhalten, welches in Gestalt 
zweier Bander, des Lig. phrenico -lienale vom Zwerchfell und des Lig. 
gastro-lienale vom Magen zu der erwahnten Langskante zieht Beide 
Bander treten jedoch kurz vor dem Hilus zu einer einzigen Dupli- 
katur des Bauchfells zusammen, an welcher dann die Milz aufgehangt 
ist Sehr wichtig ftir die Lage der Milz ist auch noch eine andere 
Duplikatur des Bauchfells, das derbe Lig. phrenico-colicum, welches 
mit oberem scharfen Rande vom Zwerchfell zur Flexura qoli sin. 
zieht und die Milz wie in einer Nische halt, so daB dieselbe sich 
bei ihrer YergroBerung nur wenig nach unten, sondern vielmehr 
hauptsachlich nach vom schieben muB. 

Auf einem L&ngsschnitt der Milz, den man am besten an 
der Konvexitat ausfiihrt, sieht man zunachst, daB ihre Oberflache 
von einer derben bindegewebigen Kapsel, Capsula fibrosa lienis, iiber- 
zogen ist, welche, wenigstens bei Tieren, auch glatte Muskelfasern ent- 
halten soli. Von dieser Kapsel ziehen liberali feine bellgraue Binde- 
'gewebsbalkchen, Trabeculae lienis, in das Innere der Milzsubstanz 
hinein, in dem sie die letztere netzfdrmig durchsetzen. In den Maschen 
dieses Trabekelsystems ist nun das eigentliche Milzparenchym, 
Pulpa lienis, gelegen, welches weich und von braunroter Farbe ist 
In dieser Pulpa liegen jedoch noch zahlreiche, sandkorn- bis steck- 



150 


II. Teii. Eingeweide und Sinneeorgane. 


nadelkopfgroBe, hellgraue, meist rundliche Flecken, die Milzfollikel 
oder Malpighi’schen Lymphknoten, Noduli lymphatici lienales, 
deren Struktur sich yon den Lymphfollikeln der Verdauungsorgane 
und anderen Lymphknoten nicht unterscheidet. Jeder Follikel wird 
von einer kleinen Arterie durchbohrt. Im tibrigen besteht der- 
selbe aus einem feinen Reticulum, in welches zahlreiche Rundzellen 
(Lymphkorpierchen) eingelagert sind und welches sich peripher konti- 
nuierlicb in das Reticulum der Pulpa lienis fortsetzt. Auch die 
Pulpa besteht namlich aus einem solchen Netzwerk mit eingelagerten 
Rundzellen, welche aber erheblich groBer sind und deswegen Milz- 
zellen oder Pulpazellen genannt werden. AuBerdem sind aber 
zwischen den letzteren nocb zahlreiche rote und farblose Blutkorper¬ 
chen (Leukozyten), femer zerfallene und zum Teii im Protoplasma 
der Leukozyten eingeschlossene rote Blutkorperchen, und hin und 
wieder auch Blutkristalle vorhanden. Die Milz scheint also ein Grgan 
zu sein, in welchem einerseits rote Blutkorperchen zugrunde gehen, 
andererseits Leukozyten neu gebildet werden. 

Die Blutgef&Be der Milz (Arterieri und Venen) verlaufen 
zunachst gemeinsam vom Hilus aus innerhalb des Trabekelsystems 
ins Innere. Wenn jedoch die Arterien nur noch etwa 0,2 mm im 
Durchmesser hahen, trennen sie sich von den Venen und zerfallen 
nach einem kurzen isolierten Verlauf pinselformig in kurze Astchen, 
Aa.penicillatae b. Penicilli, von denen ein jedes einen Malpighi’schen 
Follikel der Lange nach durchbohrt und dann aufhort, ohne in 
Blutkapillaren Iiberzugehen. Das arterielle Blut ergieBt sich also 
wahrscheinlich frei zwischen die Pulpazellen, ahnlich wie Wasser 
durch einen Sandhaufen durchsickert. In die Venen gelangt das Blut 
dann jedenfalls durch kleinere Of&iungen, die friiher sogen. Stigmata 
Malpighii, von denen die Venenwand siebformig durchlochert' ist. Die 
Venenwandungen bestehen uberhaupt nur aus Endothelzellen, 
deren Kem eigentiimlicherweise buckelformig in das Lumen vorspringt 
und welche von wenigen elastischen Netzen umsponnen sind. 


IX. Das Bauchfell. 

Das Bauchfell, Peritonaeum , ist ein sogen. serSser Sack, 
dessen Hohle, Clavum peritonaei, nur soviel serose Fliissigkeit enthalt, 
ais notwendig ist, um die Oberflache der Baucheingeweide schliipfrig 
zu erhalten. Der Bauehfellsack ist iiberall geschlossen: nur beim 
Weibe steht derselbe durch die Oflhung des lateralen Tubenendes' 
mit dem Lumen der Geschlechtsorgane und auf diese Weise auch 
mit der AuBenwelt in Kommunikation. Wie an anderen echten 
serosen Sacken kann man auch am Peritonaeum unterscheiden: 1. das 
parietale Blatt, welches die Innenflache der Bauchwandungen 



A. Die Verdauungsorgane. 


151 


iiberzieht, und 2. das yiszerale Blatt, welches sich von der Bauch¬ 
wand auf die Eingeweide fortsetzt, um dieselben mehr oder weniger 
vollstandig zu umhullen. 

Alie Baucborgane, welche vom Bauchfell ganzlich oder 
groBtenteils bekleidet sind, werden ais Organa intra saccum, alie 
iibrigen ais Organa extra saccum peritonaei bezeichnet. Doch ist die 
Grenze zwischen' beiden Arten von Organen naturlich nicbt immer 
leicht zu ziehen. Die Harnblase liegt z. B. in leerem Zustande 
ganzlich extra saccum; wenn gefiillt, wird sie dagegen groBtenteils 



Harnblase 


Pankreas 

Magengekrbse 


Mesocolon 

transversura 


Lig. corona¬ 
rium hepatis 


Lig. hepato¬ 
gastricum 



Magni 

Colon 


VorderesBlatt 

und 

HinteresBlatt 
d. Oment. 
majus 


Diinndarm 


Symphyse 


ZwerchfeU 


Fig. 27. Die Entwicklung des Omentum majus aus dem Magengekrose 
(durch Verlangerung des letzteren nach vorn). B. o. Bursa omentalis. 


vom Peritonaeum iiberzogen, ist dann also Vohl intra saccum befind- 
lich. Auch der Hoden ist intra saccum gelegen, weil er von einem 
Abkommling des Bauchfells, der Tunica vaginalis propria, umhiillt wird. 

Das parietale Blatt, Peritonaeum parietale, bekleidet nun die 
Innenflache der vorderen, seitlicben und hinteren Bauchwand und die 
untere Flache des Zwerchfells mebr oder weniger vollstandig, und ist 
auch mit diesen Organen meistens fest verwachsen. Docb geht es vom 
Zwercbfell und der hinteren Bauchwand in Form bandartiger 
Duplikaturen, d. h. also in doppelter Lage auf die Eingeweide 
uber, welche somit an diesen Bandern aufgehangt sind und deren 
Oberflache also vom viszeralen Blatt, Peritonaeum viscerale, um- 
hullt ist. 











152 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


Von der unteren Zwerchfellflache zieht das Bauchfell zunachst 
in Form zweier Duplikaturen, des Lig. falciforme und coronarium 
hepatis, zur Leber hin, um dann in einfacher Lage die Oberflache 
der letzteren zu bekleiden (Fig. 27).' Das Lig. falciforme (suspensorium 
hepatis) liegt, wenigstens mit seinem oberen Rande, in der Median- 
linie, wenngleich es, namentlich am yorderen breiten En de, durch 
den schweren recbten Leberlappen immer etwas nach rechts gezogen 
wird. Der vordere Rand des Lig. falciforme wird durch einen dicken 
Bindegewebstrang, das Lig. teres (die obliterierte ehemalige Nabel- 
vene), gebildet, welches dementsprechend bis zum Nabel binzieht 
Recbtwinklig zum Lig. falciforme verl&uft oberhalb des hinteren 
Leberrandes das Lig. coronarium hepatis, an dem man zwei Ab- 
schnitte, das Lig. triangulare sin. und dextrum, unterscheidet, welche 
beide lateral mit konkavem Rande endigen. Von der unteren Leber- 
flache zieht das Bauchfell wieder ais Duplikatur, namlich ais kleines 
Netz, Omentum minus , zur kleinen Kurvatur des Magens und Pars 
sup. duodeni hin. Der zum Magen ziehende sehr diinne Teii des- 
selben heiBt Lig. hepato-gastricum, der zum Duodenum herabsteigende 
bildet das Lig. hepato-duodenale, welches rechts mit freiem Rande endet 
und sich wegen der drei eingelagerten, von feinen Nerven und Lymph- 
gefaBen begleiteten groBen GefaBe stets derb anfiihlt. Von den 
letzteren ist der Ductus choledochus am meisten. rechts (am freien 
Rande des Bandes), die A. hepatica am meisten links, die V. portae 
in der Mitte und ein wenig dorsalwarts gelegen. Das Lig. hepato¬ 
duodenale setzt sich haufig nach rechts zur Flexura coli dextra ais 
sogen. Lig. hepato-colicum fort. Nachdem das" Bauchfell alsdann die 
Oberflache des* Magens und der Pars sup. duodeni in einfacher 
Lage iiberzogen hat, bildet es nach abwarts wieder eine Duplikatur, 
das groBe Netz, Omentum majus , welches beim Kinde zun&chst 
vor dem Colon transversum nach abwarts zieht, sich dann aber nach 
hinten und aufwarts schlagt (vgl. Fig. 27), um dicht oberhalb des 
Colon und Mesocolon transversum zum Perit, parietale zuriickzu- 
kehren. Beim Erwaehs’enen verwachsen hierauf 1. die 4 Blatter 
des Mesocolon transversum und des Omentum majus; 2. die abwarts 
hangenden 4 Blatter des Omentum majus. Von dem letzteren bleibt 
jedoch der oberste Abschnitt ais das zwischen Magen und Colon ver- 
laufende Lig. gastro-colicum bestehen; der vom Colon transversum ab¬ 
warts hangende unterste Abschnitt ist zum groBen Netz, Omentum 
majus, des Erwachsenen geworden. Das Netz bedeckt die Diinn- 
darme schurzenformig und ist wohl meistens stark fetthaltig; kleinere, 
dem Netz analoge, fetthaltige Anhange, Appendices epiploicae, sind dafiir 
am Colon ascendens und descendens vorhanden. 

Durch die eigentiimliche Entwicklung des groBen Netzes entsteht 
nun in der Bauchhohle eine groBe Tasche, der Netzbeutel, Bursa 



A. Die Verdauungsorgane. 




153 

omentalis (auch Saccus epiploicus genannt), deren Wande allerdings 
bei ungeoffneter Bauchhohle dicht aneinanderliegen, wenn sie 
nicht gerade — was man beim Kinde tun kann — durch Luft von 
der Eingangsoffnung, dem For. epiploicum s. Winslowi, aus aufgeblaseu 
wird. Das For. Winslowi wird oben von der Leber, vorn vom 
Lig. hepato.-duodenale, hinten vom Lig. bepato-renale und unten 
von der rechten Niere begrenzt. Von hier aus erstreckt sich der 
Netzbeutel nach links bis zur Milz, wo er blind endigt [Ree. lienalis). 
Die obere Wand des Netzbeutels wird von der Leber und dem 
Zwerchfell gebildet.«Die hintere Wand bestebt aus dem Peritonaeum 
parietale, welches das Pankreas und die hintere Bauchwand iiberzieht. 
Die vordere Wand setzt sich aus dem Omentum minus , dem Magen 
und der Pars sup. duodeni, sowie dem Lig. gastro-colieum zusammen. 
Ais untere Wand kann man nach den vorhin erw&hnten Ver- 
wachsungsprozessen des Netzes das Colon bzw. Mesocolon transversum 
ansehen. Man kann am Netzbeutel ferner drei Hauptabteilungen, 
namlich: 1. das hinter dem Lig. hepato-duodenale gelegene Vestibulum 
bursae ; 2. den Reo. sup. und 3. den Rec. inf. bursae unterscheiden. Die 
beiden letzteren Abschnitte sind durch die kleine, sichelformige, von 
der Cardia zum Pankreas verlaufende Plica pancreaiico-gastrica von- 
einander getrennt, in der die A. gastrica sin. verlauft. Ais Gekrose, 
Mesenterium, bezeichnet man diejenige Duplikatur des Bauchfells, 
mittels welcher der Darm von der hinteren Bauchwand herabhangt. 
Man hat das Diinndarmgekrose, Mesenterium (im engeren Sinne), 
das Grimmdarmgekrose, Mesocolon, und das MastdarmgekrSse, 
Mesorectum, unterscbieden. Die Wurzel des Diinndarmgekroses 
verlauft in einer schragen Linie, welche die Flexura duodeno-jejunalis 
mit der Fossa iliaca dextra verbindet. Die Wurzel des Mesocolon 
transversum lauft quer von der Mitte der Pars descendens duodeni 
langs des unteren Pankreasrandes bis zur Milz nach links 
hinttber. Die Wurzel des Mesocolon sigmoideum und des 
Mesorectum ziebt von der Crista iliaca sin. schrag ins kleine 
Becken nach abwarts. Gar kein Gekrbse besitzen die unteren 
zwei Drittel des Duodenum, das Colon ascendens und descendens, 
sowie die unteren zwei Drittel des 'Rectum: diese Organe sind nur 
vorn vom Peritonaeum iiberzogen, hinten dagegen durch Binde- 
gewebe an die Bauchwand angeheftet. 

Von anderen peritonaealen Bandern sind das unbest&ndige 
Lig. hepato-colicum bereits S. 153 und das wichtige Lig. phrenico-colicum 
ais Trager der Milz bereits S. 149 erwahnt worden. Ebenso sind das 
Lig. gastro-lienale und phrenico-lienale bereits S. 149 ais Befestigungs- 
mittel der" letzteren genannt worden. Das zwischen Zwerchfell und 
Cardia gelegene kleine Lig. phrenico-gastricum kommt in dieser Be- 
ziehung weniger in Betracht. 



154 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

Im kleinen Becken bildet das Bauchfell beim Manne zwischen 
Harnblase und Rectum eine ziemlich tiefe Tascbe, Excavatio recto¬ 
vesicalis, welche seitlich. von den halbmondformigen Plicae recto-vesicales 
begrenzt wird. Beim Weibe schiebt sich zwischen Blase und Rectum 
der Uterus nebst den Tuben und Ovarien ein. Die drei letzteren 
Organe werden samtlich von einer transversalen Duplikatur des Bauch- 
fells, dem Lig. latum, umbullt. Yor diesem Ligament bzw. vor dem 
Uterus befindet sich zwischen dem letzteren und der Blase ais kleine 
Bucht die Excavatio vesico-uterina, hinten zwischen dem Uterus und 
Rectum die tief abwartsreichende Excavatio recto-uterina (Cavum Douglasi), 
welche seitlich von den beiden Douglas’schen Falten, Plicae recto¬ 
uterinae, begrenzt wird. Die Falten und Gruben der Leistengegend 
sind bereits S. 56 beschrieben worden. Betreffs der Harnblase sei 
noch bemerkt, daB von derselben drei Falten, Plicae umbilicales, nach 
aufwarts konvergierend zum Nabel ziehen. Von denselben enthalt 
die Plica umbil. media einen bindegewebigen Strang, welcher aus einem 
beim Fotus offenen Gange, dem ehemaligen Urachus, hervorgegangen 
ist. Die beiden Plicae umbil. laterales, welche von der Seite des Blasen- 
scheitels zum Nabel hinziehen, enthalten in ahnlicher Weise einen 
von der A. hypogastrica kommenden Strang, welcher den letzten Uber- 
rest der bis zur Geburt noch vorhandenen A. umbilicalis bildet. 

AuBer der groBten Bauchfelltasche, Bursa omentalis , kann 
das Peritonaeum noch andere Taschen, Recessus, besitzen, in denen 
sich unter besonderen Verhaltnissen, wenn auch im ganzen selten, 
Darmstiicke fangen und einklemmen konnen. Man hat solche Zustande 
ais Herniae intraabdominales oder auch ais retroperitoneale Hernien' 
bezeichnet, weil sich dieselben bei starkerer VergroBerung stets in 
das hinfer dem Peritonaeum parietale gelegene Bindegewebe hinein- 
schieben. Die wichtigsten sind: 

1. Der Rec. duodeno-jejunalis (Treitz) liegt zwischen der Flexura 
duodeno-jejunalis und einer links befindlichen, konkaven Falte (Plica 
venosa ), in welcher die F. mesenterica inf. verlauft. Hernien dieser 
Grube (Herniae retroperitonaeales sinistrae) sind bisher etwa 80mal be- 
obachtet und schieben sich immer hinter das Peritonaeum parietale 
nach links hintiber. 

2. Der Rec. intersigmoideus ist beim Kinde in der Wurzel des 
Mesocolon leicht sichtbar, wenn man das Colon sigmoideum aufwarts 
hebt: er erstreckt sich mit dem blinden Ende nach aufwarts. 

3. Der Rec. retrocaecalis schiebt sich von unten her zwischen das Cae¬ 
cum bzw. Colon ascendens und die hintere Bauchwand nach aufwarts. 

4. Der Rec. ileo-caecalis (inferior) ist zwischen dem Ileumende und 
dem Wurmfortsatz gelegen (Rec. ileo-appendicularis von Jonnesco), indem 
er hinten vom Mesenteriolum proc. vermiformis, Vom von einer besonderen, 
manchmal sehr groBen Falte, der Plica ileo-caecalis, begrenzt wird. 



B. Die Atmungsorgane. 


155 


In den drei letztgenannten Recessus sind nur ganz vereinzelte Hernien 
beobaehtet worden. Die sogen. Herniae retroperiionaeales dextrae, bei denen 
manchmal auch eine groBe Menge von Darmschlingen hinter dem Peritonaeum 
parietale der rechten hinteren Bauchwand gefunden wird, sind betreffs ihrer 
Entstehung nocb nicbt ganz gekliirt. 


B. Die Atmungsorganc. 

AuBer der Mund- und Nasenhohle bzw. dem oberen Teii 
des Schlundes, welche bereits beschrieben sind, gehoren zu den 
Atmungsorganen vor allem der Kehlkopf, die Luftrohre mit den 
Bronchen und die beiden Lungen. 

I. Der Kehlkopf. 

Der Kehlkopf, Larynx, bildet ein durch Muskeln bewegbares, 
an dem Zungenbein aufgehangtes Knorpelgeriist, welcbes zur Er- 
zeugung der Stimme dient. Man kann an ihm zunachst die obere 
Offnung, den Kehlkopfeingang, Aditus laryngis, und die untere, 
den Kehlkopfausgang, Exitus laryngis, unterscheiden. Der Hohl- 
raum desselben wird von oben nacb unten in drei Abscbnitte eingeteilt, 
namlich: 1. die Regio supraglottica (Vestibulum laryngis), welche Yom Ein- 
gang bis zu den falschen Stimmbandern reicht; 2. die Regio glottica 
[Ventriculus Morgagni), welche sich jederseits von dem falschen bis 
zu dem wahren Stimmband erstreckt, und 3. die Regio infraglottica 
(auch Conus elasticus 1 genannt), welche den Hohlraum von den wahren 
Stimmbhndern bis zum Kehlkopfausgang bildet. 

Die Lageverh&ltnisse sind derart, daB das Zungenbein dem 
oberen Rande des.IV. Halswirbels, die Protub. laryngea (der 
Adamsapfel des Mannes) dem oberen Rande des V. Halswirbels, der 
t),bergang in die Trachea (genau wie der Ubergang vom Pharynx 
in den Oesophagus) dem oberen Rande des VII. Halswirbels ent- 
spricht. Der eigentliche Kehlkopf ist also in Hohe des V. und 
VI. Halswirbels gelegen. Hinter dem Kehlkopf liegt der unterste 
Abschnitt des Pharynx, zu beiden Seiten die Carotis com¬ 
munis: doch schieben sich haufig die beiden Horner der Schilddriise 
zwischen den Kehlkopf und die Carotiden hinein. Vorn ist der 
Kehlkopf von den unteren Zungenbeinmuskeln bedeckt, die in das 
tiefe Blatt der Fascia colli eingelagert sind. Weiter auBen liegt 
dann eine Schicht von lockerem Bindegewebe und hierauf das ober- 
flachliche Blatt der Fascia colli, welches von der Haut bedeckt 
wird. In der Medianlinie sind vor dem Kehlkopf jedoch keine 
Muskeln, sondem nur die Haut und diese beiden Faszienblatter gelegen. 

1 Die Bezeicbnung Conus elasticus kommt daher, weil die Wand dieser 
Gegend (von den elastischen, wahren Stimmbandern nacb abwarts) durch starke 
elastische Elemente ausgezeichnet ist. 



156 


II. Teii. Eingeweide uud Sinnesorgane. 


a) Das Knorpelgeriist. 

1. Der Ringknorpel, Cari, cricoidea (auch Grundknorpel ge- 
nannt), gleicht einem Siegelring, dessen Stein nach hinten liegt. Dem 
Stein entspricht die Platte, Lamina, an die sich nach vom der 
schmalere Bogen, Arcus. anschlieBt. Die hintere Flache der Platto 
zeigt die Orista mediana, neben welcher jederseits die. Fossa laminae 
fur den Ursprung des M. crico-arytaenoideuspost, liegt An der Grenze 
zwischen Platte und Bogen ist lateral je eine kleine Gelenk- 
flache fiir das untere Hom des Schildknorpels, am oberen Rande 
eine solche fiir die Basis des GieBbeckenknorpels vorhanden. 

2. Der Schildknorpel, Cart. thyreoidea, bewirkt durch seine Be- 
wegungen gegen den Ringknorpel die Spannnng und Erschlaffung 
der Stimmbander (Spannknorpel) und besteht aus zwei vier- 
seitigen Platten, Laminae, welche vom fast unter recbtem Winkel 
verschmolzen sind. Der obere Rand bildet in der Medianlinie die 
Inc. thyreoidea sup., welche beim Manne ais Adamsapfel, Protub. 
laryngea, stark vorspringt Am unteren Rande sind drei seichtere 
Einscbnitte, eine mittlere und zwei seitliche Incc. thyreoideae inff., 
welche jederseits durch das Tub. thyreoideum inf. getrennt sind. Am 
hinteren Rande einer jeden Platte ragt noch das obere Hom, 
Cornu sup., nach oben, das untere Hom, Cornu inf., nach unten: 
letzteres artikuliert mit der erwahnten kleinen Gelenk flache des Ring- 
knorpels. Die auBere Flache zeigt hinten oben das Tub. thyreoideum 
sup., von dem eine schrage Leiste, Linea obliqua, nach vom und unten 
zieht, welche dem M. hyo-thyreoideus und M. sterno-thyreoideus zur Be- 
festigung dient. 

3. Die beiden GieBbeckenknorpel, Cartt. arytaenoidae, sind drei- 
kantige Pyramiden, deren Basis auf dem oberen Rande des Ring- 
knorpels aufliegt. Sie dienen dazu, durch Drehung um eine 
vertikale Achse (vgl. Fig. 28) die Stimmritze zu erweitem oder zu 
verengern (Stellknorpel). Die drei Kanten werden ais eine vordere 
und zwei hintere, die 'drei Flachen ais eine mediale, eine 
laterale und eine hintere unterschieden. Die mediale Flache 
ist nahezu plan und sagittal gestellt, die hintere stark konkav und 
die laterale durch die Linea arcuata und einige Griibchen etwas 
uneben. Die bereits erwahnte Basis stoBt mit der vorderen Kante 
zum spitzen Proc. vocalis zusammen, von dem .das wahre Stimmband 
nach vora zieht; mit der lateralen Kante bildet sie einen stumpfen 
Hocker, Proc. muscularis, an dem sich die Mm. crico-arytaenoideus lat. 
und post, ansetzen. Die Spitze der Aryknorpel ist nach hinten und 
medianwarts gebogen. 

4. Der Kehldeckel, Epiglottis, besitzt ein abgerundetes, breites 
oberes Ende und das spitze untere Ende, den Stiel, Petiolus, 




B. Die Atmungsorg&ne. 


157 


welcher am Winkel des Schildknorpels (Innenflache) befestigt ist. 
Hinten ist in der Mediahlinie der Epiglottiswulst, Tubere, epiglotti¬ 
cum, zu erwahnen, welcher sich beim Schlucken in den Kehlkopf- 
eingang legt. * 

5. Die beiden Sanforini’schen Knorpel, Cartt. corniculatae, sind 
Knorpelstiickchen, welche die Form von kleinen Hornchen haben und 
von den Spitzen der Aryknorpel nach hinten unten nnd medianwarts 
hangen. Die Stelle, an der sie dnrch die Scbleimhaut durchschimmern, 
bildet jederseits das kleine schwachgelblicbe Tubere, corniculatum. 

6. Die Wrisberg’scben Knorpel, Cartt. cuneiformes, sind zwei 
vertikal gestellte, stabchen- oder keilformige kleine Knorpelstreifen: 
sie sind jederseits in der Plica ary-epiglottica diebt vor den vorigen 
gelegen, wo sie ebenfalls jederseits ais Tubere, cuneatum unter der 
Schleimhaut sicbtbar sind. 

. Der Schildknorpel, der Ringknorpel und die Aryknorpel (mit 
Ausnahme des Proc. vocalis) bestehen aus hyaliner, alie iibrigen 
aus elastischer Knorpelsubstanz. 

b) Die Gelenke und Bander des Larynx. 

1. Ais Bander der Epiglottis zunachst die Ligg glosso-epigloitica 
(ein medium und zwei lateralia): es sind eigentlich sagittale Schleim- 
bautfalten, welche' von der Zungenwurzel zum Kehldeckel ziehen. 
Das mittlere wird auch Frenulum epiglottidis genannt. Zwischen ihm 
und den beiden seitlichen Bandern ist jederseits eine gut ausgepragte 
Yertiefung, Vallecula epiglottidis, gelegen. Unter der Schleimhaut 
der Valleculae zieht eine breite, starke membranartige Bandmasse, 
das Lig. hyo-epiglotticum, vom ganzen Zungenbein ,zur Vorderflache der 
Epiglottis: das Band spannt sich, wenn der Kehldeckel beim Schlucken 
nach hinten oder abwarts gedriickt wird. Endlich noch das Lig. 
thyreo-epiglotticum, welches den Stiel der Epiglottis an die Innenflache 
des Schildknorpelwinkels befestigt. 

2. Zwischen dem Zungenbein und dem Schildknorpel sind 
drei Bander vorhanden. Das median gelegene, breite, gelbliche, fast 
rein elastische Lig. kyo-thyreoideum medium geht von der Inc. thyreoidea 
sup. hinter dem Zungenbein zum oberen (also nicht zum unteren) 
Rande des letzteren. Zwischen diesem Bande und der hinteren 
Flache des Zungenbeinkorpers ist ein Schleimbeutel, Bursa hyoidea 
(subhyoidea) eingeschaltet. Ganz lateral ist zwischen den Spitzen des 
oberen Schildknorpel- und des groBen Zungenheinhornes jederseits 
das strangformige Lig. hyo-ihyreoideum laterale gelegen, dessen Mitte 
haufig ein weizenkorngroBes Knorpelstiickchen, Cart. triticea, enthalt. 
Die Liicke zwischen dem mittleren und den beiden seitlichen Ligg. 
hyo-thyreoidea ist jederseits durch die schlaffe Membrana hyo-thyreoidea 
(obturatoria laryngis) ausgefiillt, welche von dem N. laryngeus sup. und 



158 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

den gleichnamigen BlutgefaBen durchbohrt wird, die hier in den Xehl- 
kopf eintreten. 

3. Zwischen dem Eingknorpel und dem SfchildknorpeF 
befindet sich jederseits die bereits S. 156 erwahnte Art. crico-thyreoidea, 
in der sich der Schildknorpel um eine transversale, beide Gelenke 
verbindende Achse bewegt, indem sein vorderer Teii sicb bebt oder 
senkt. Wird der Schildknorpel gehoben, so nahert sich der- 
selbe den Aryknorpeln und die Stimmbander werden demzufolge 
scblaff. Wird der Schildknorpel dagegen abwarts bewegt, so 
entfernt er sicb von den Aryknorpeln und die Stimmbander werden 
gespannt. Yorn ist zwischen Schild- und Eingknorpel das starke, 
elastiscbe Lig. crico-thyreoideum medium (Lig. conicum) gelegen. 

4. Zwischen der Basis der Aryknorpel und dem oberen 
Eande des Eingknorpels liegt die schlaffe Artic. crico-arytaenoidea, 
in der die Drehung der Aryknorpel (nach einwarts und aus- 
warts) um eine vertikale Achse vor sich gebt, welche man sich 
etwa durch die hintere mediale Xante gelegt denken kann. 
Wenn die Proce, musculares (vgl. Fig. 28) nach hinten gezogen werden, 
mussen die Proce, vocales nach lateralearts rticken (Erweiterung 
der Stimmritze). Werden dagegen die Proce, musculares nach vorn 
gezogen, so miissen die Proce, vocales nach medianwarts, also 
einander naherriicken (Verengerung der Stimmritze). 

5. Zwischen den beiden Aryknorpeln und dem Winkel 
des Schildknorpels verlaufen die Stimmbander, Ligg. glottidis, 
welche ais sagittale, mit Schleimhaut bekleidete Bandstreifen in 
den Hohlraum des Kehlkopfes vorspringen. Die unteren wahren 
Stimmbander, Ligg. vocalia, ziehen vom Proc. vocalis zum Schild¬ 
knorpel winkel, wo sie dicht neben der Medianlinie inserieren. Sie 
sind mit der Kehlkopfschleimhaut fest verwachsen und bestehen 
ganzlich aus elastischem Gewebe. Mit der Schleimhaut zu- 
sammen bilden sie die Stimmlippen, Labia vocalia, welche durch 
Anblasen behufs Erzeugung der Stimme in Schwingungen versetzt 
werden konnen. Die oberen falschen Stimmbander oder besser 
Taschenbander, Ligg. ventricularia, entspringen dicht oberhalb der 
Procc. vocales von der vorderen Xante der Aryknorpel und ziehen, 
parallel mit den vorigen, ebenfalls mit Schleimhaut bekleidet, zum 
Winkel des Schildknorpels: sie bestehen jedoch nur aus Bindegewebs- 
fasem, in welche elastische Netze und Schleimdrusen eingelagert sind. 
Fhr die Erzeugung der Stimme kommen sie nur in sehr beschranktem 
MaBe in Betracht. 

Ais Stimmritze, Rima glottidis, bezeichnet man den zwischen 
den wahren Stimmbandern gelegenen Eaum, an dem man 
jedoch noch zwei Abschnitte, namlich: 1. den zwischen den eigent- 
lichen Stimmbandern, Ligg. vocalia, gelegenen Spalt, Pars inter- 



B. Die Atmungsorgane. 


159 


membranacea (Glottis vocalis im engeren Sinne), 2. den zwischen den 
Aryknorpeln befindlichen ausgerundeten Winkel 1 , Pars intercartilaginea 
(Glottis respiratoria), unterscheiden muB, von denea der letztere selbst 
bei vollstandigem SchluB der Stimmbander, wie z. B. beim Hervor- 
bringen der hochsten Tone, noch immer offen bleibt, d. b. die 
Atmungsluft passieren laBt. Der Raum zwischen den beiden 
Taschenbandern wird ais Rima vestibuli bezeichnet. 

6. Das Lig. jugale (Luschka) ist ais Y-formiges, sehr schwacbes 
Band zwischen dem oberen Rande des Ringknorpels und den San- 
torini’schen Knorpeln gelegen. Der Yereinigungspunkt der drei 
Schenkel ist mit der Pharynxschleimhaut verwachsen: somit 
scheint das Band die letztere vor Zerrungen beim Schlucken usw. 
zu schtitzen. 

7. Das schmale Lig. crico-iracheale ist zwischen dem Ringknorpel 
und dem oberen Trachealring gelegen. 

c) Die Kehlkopfmuskeln. 

1. Der M. crico-ihyreoideus entspringt vorn neben der Median- 
linie vom Ringknorpel und setzt sich am unteren Rande des 
Schildknorpels fest. 

Funktion: Zieht den Schildknorpel nach abwarts und spannt 
die Stimmbander. 2 

2. Der M. crico - arytaenoideus lateralis entspringt lateral vom 
oberen Rande des Ringknorpelbogens und zieht schrag zum Proc. 
muscularis des Aryknorpels. 

Funktion: Zieht den Proc. muscularis nach vorn, wodurch der 
Proe. vocalis zugleich nach medianwarts geruckt und die Stimm- 
ritze verengert wird. 

3. Der M. crico-arytaenoideus posterior entspringt aus der Fossa 
laminae des Ringknorpels und setzt sich am Proc. muscularis des Ary¬ 
knorpels fest. 

Funktion: Zieht den letzteren nach' hinten, wodurch der 
Proc. vocalis nach lateralwarts geruckt und die Stimmritze er- 
weitert wird. 

4. Der M. thyreo- arytaenoideus (M. thyreo-arytaenoideus externus 
von Mebkel) bildet eine sagittal verlaufende Muskelmasse, welche 
erst sichtbar wird, wenn man die ganze Schildknorpelplatte 
entfernt. Der Muskel entspringt von der Innenflache der letzteren 

1 Die Laryngologen pflegen auch von einem Thyreoldwinkel und 
Arytaenoidwinkel der Stimmritze zu sprecken. 

* Die Spannung und Erschlaffung der Stimmbander hat an und 
fur sich nichts mit der Verengerung und Erweiterung <Jer Stimmritze 
zu tun. Beide Vorgange konnen nebeneinander, aber auch unabhangig von- 
einander verlaufen. 







r m ' .. 

»- . 



’ ■ 



160 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

unweit der Medianlinie und> setzt sich an der lateralen Flache des 
Aryknorpels fest. 

Funk-tion: Nahert den Schildknorpel und die Aryknorpel und 
erschlafft dadurch die Stimmbander. Yielleicht zieht er haupt- 
sachlich den Proc. muscularis nach vorn und wiirde dann zugleich 
die Stimmritze verengern. / 

5. Medial vom M. thyreo-arytaenoideus und haufig von letzterem 
schwer abzugrenzen, zwischen ibm und dem Stimmband gelegen, 
verlauft ebenfalls in sagittaler Richtung der dreiseitig prismatische 
Stimmbandmuskel, M. vocalis (M. thyreo-arytaenoideus int. von 


Pars intermembranacea 
(Thyreoidwinkel) 



•Schildknorpel 


Stimmritze• 


arytaenoideus' 
(transv.) 


M. thyreo-arytaenoideus ^ 


3 /. vocalis 


_ Lig. vocale ~ 


- Proc. vocalis des 

Aryknorpels 


.-Proc. muscularis 
d. Aryknorpels 


Hohlraum d. Pharynx 


Pars intercartilaginea (ArytaenoidivinkelJ 



Fig. 28. Horizontalschnitt des Kehlkopfes in Hohe der Stimmbander. 


Mekkel), welcher vorn- wie der vorige entspringt und sich hinten 
an die laterale Flache und oberhalb des Proc. vocalis, aber nach 
Ludwig auch direkt am Stimmband inseriert. Funktion:. Zieht 
wie der vorige den Schildknorpel an die Aryknorpel und miiBte damit 
auch die Stimmbander erschlaffen. Diejenigen Fasern, welche sich 
am Stimmband direkt ansetzen, miiBten das letztere teilweise 
spannen konnen, also gerade bei der Erzeugung der hochsten Tone 
tatig sein. 

6. Auch im Taschenband sollen nach Ruedinger quergestreifte 
Muskelfasem sich vorfinden (Taschenbandmuskel, M. ventricularis), 
welche mit bloBem Auge wohl nur schwer sichtbar sind und sich 
anscheinend hauptsachlich in der Schleimhaut des Bandes befestigen. 
Sie konnen vielleicht zur Erweiterung der falschen Stimmritze, 


.-Mm J 










B. Die Atmungsorgane. 


161 


Rima vestibuli, beitragen und dadurch auf den Klang der Stimme 
irgendeinen EinfluB ausiiben. 

7. Der M. arylaenoideus transversus, unpaar, verlauft zwiscben 
den hinteren konkaven Flachen beider Aryknorpel. Funktion: Er 
nahert die Aryknorpel, so daB die Glottis respiratoria ( Pars 
ititer cartilaginea) verengert wird. Ein vollstandiger SchluB der 
letzteren kann aber nur zustande kommen, wenn zugleich die Procc. 
vocales einander genahert werden, was, wie bereits S. 159 erwahnt 
ist, der M. crico-arytaenoideus lateralis bewirkt. 

8. Die Mm. arytaenoidei obliqui sind ais zwei schmale sich 
kreuzende Faserbiindel dicht hinter dem Arytaenoideus trans¬ 
versus gelegen. Nach oben hin setzen sie sich uber die Spitzen der 
Aryknorpel in der Plica ary-epiglottica bis zum Kehldeckel fort. 
Daher hat Henle mit Recht diese Muskeln ais Mm. ary-epiglottid und 
ais eine Art Konstriktoren des Kehlkopfeinganges bezeicbnet. 

6. Der unbestandige M. thyreo-epiglotticus entspringt neben der 
Medianlinie vom Schildknorpel und zieht von hier zum Seitenrande 
der Epiglottis hin. 

Funktion: Er wiirde den Kehldeckel abwarts ziehen. 
d) Das Cavum laryngis. 

Der Hohlraum des Kehlkopfes, Cavum laryngis, uber dessen 
drei Abschnitte, Vestibulum (Pars supraglottica), Ventriculus Morgagnii 
(Pars glottica) und Conus elasticus (Pars infraglottica) bereits S. 155 
gesprochen wurde, ist von einer Schleimhaut ausgekleidet, welcbe 
zunachst zu beiden Seiten des Kehlkopfeinganges die hohen Plicae 
ary-epigloiticac bildet. Die letzteren ziehen jederseits von der vorderen 
Kante des Aryknorpels zum Seitenrande der Epiglottis hin. Lateral 
von der Plica ary-epiglottica ist jederseits ais tiefe Bucht der Ree. 
piriformis (Sinus pirif.) mit der Plica n. laryngei (vgl. S. 132) gelegen. 
Auch zwischen dem wahren und falschen Stimmband jeder 
Seite ist eine tiefe Btfcht, der Ventriculus laryngis s. Morgagnii, vor- 
handen, welcher sich iibrigens in Form eines Blindsackes, Appendix, 
lateral vom Taschenbande noch bis zur Zungenwurzel aufwarts er- 
strecken kann. Die Schleimhaut ist an der Epiglottis, der medialen 
Flache der Aryknorpel und dem freien Rand der wahren und falschen 
Stimmbander ganz fest und unverschieblich, an allen anderen 
Teilen jedoch nur locker mit der Unterlage verbunden, so daB hier 
leicht Schwellungen durch das gefurchtete Kehlkopfodem (Austritt 
seroser Fliissigkeit ins Gewebe) eintreten konnen. 

Mikroskopisch besteht die Schleimhaut aus einem geschich- 
teten Flimmerepithel, welches auf einer glashellen Basalmem- 
bran aufsitzt, und einem bindegewebigen Substrat ( Tunica 
propria ). Nur diejenige des Kehldeckels und der Stimmbander 

Broesikk, Uepetitorium aDatomicum. 11 



162 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

ist mit Rucksicht auf die hier notwendige groBere Widerstandsfahig- 
keit mit geschichtetem Pflasterepithel versehen, welches hier 
auch Schmeckbecher (vgl. S. 130) enthalt. Das Substrat ist unter 
dem Pflasterepithel mit Papillen versehen: sein Bindegewebe ent- 
halt keine Lymphfollikel, wohl aber ziemlich viel Leukozyten und 
zahlreiche elastische Fasernetze, welche im Conus elasticus sich 
schon zu durchbrochenen Membranen verstarken. Yerastelte tubulose 
Schleimdriisen, 01 . laryngeae, kommen in der Kehlkopfschleimhaut 
iiberall vereinzelt, in groBeren Mengen jedoch um die Wrisberg’schen 
Knorpel, in den Taschenbandern und im Arytaenoidwinkel vor. 

Von den Neryen ist zu erwahnen, daB der N. laryngeus sup. die Kehl¬ 
kopfschleimhaut und den M. crico-thyreoideus, der N. laryngeus inf. alie 
hbrigen Kehlkopfmuskeln versorgt. Beide kommen vom N. ragus her. 

Die Arterien werden hauptsachlich von der A. laryngea sup. (aus der 
Thyreoidea sup.) und der A. laryngea inf. (aus der Thyreoidea inf.) geliefert. 
Chirurgisch wichtig ist die A. crico-thyreoidea , welche quer vor dem gleich- 
namigen Ligament verlauft und (wenn sie vorhanden ist) daher bei der Laryngo- 
tomie unter das Messer kommen mufi. 

n. Sie Luftrohre und ihre Aste. 

Die Luftrohre, Trachea, beginnt an der Grenze zwischen dem 
VI.—VII. Halswirbel und zieht genau in der Medianlinie bis zum 

IV. Brustwirbel, wo sie sich in die beiden Luftrohrenaste, den 
Bronchus dexter und sinister, teilt. Die Trachea besitzt ais Stiitze 
eine gewisse Zahl von hufeisenformigen* Knorpelringen, Carit, 
tracheales, zwischen denen die Ligg. annularia liegen und deren hintere 
Enden durch eine mit querlaufenden glatten Muskelfasern versehene 
hautige Wand, Paries membranacea, verbunden sind. 

Die Lage der Trachea ist derart, daB etwa vor dem II. bis 

V. Trachealring der- Isthmus der Schilddriise gelegen ist, 
wahrend sich die beiden Horner der letzteren seitlich zwischen 
die Trachea und die Carotis in die Tiefe schieben. Weiter abwarts 
befindet sich dicht vor der Trachea zunachst ein Venengeflecht, 
Plexus thyreoideus impar, und wiederum dicht davor bei Kindern die 
Thymusdriise, welche sich dann allerdings zwischen den vorderen 
Lungenrandern und dem Herzbeutel weit nach abwarts erstrecken 
kann. BeimErwachsenen ist statt der Thymus nur Fettgewebe mit 
sparlichen Driisenresten vorhanden. Die Schild- und Thymusdriise sind 
natiirlich vorn in der Medianlinie noch von den beiden Blattern 
der Fascia colli bedeckt. Dicht oberhalb der Teilungstelle sind 
noch die Urspriinge det A. anonyma bzw. der A. carotis comm. sin. 

' dicht vor der Trachea gelegen. Hinter der Trachea zieht der Oeso¬ 
phagus nach abwarts, welcher jedoch (je weiter abwarts, um so mehr) 
die Neigung zeigt, links hinter der Trachea hervorzutreten, 
so daB derselbe sich links von der Teilungstelle der letzteren mit 



B. Die Atmungsorgane. 


163 


dem linken Bronchus kreuzt. Die Schleimhaut der Trachea 
hesteht ebenso wie die des Kehlkopfes: 1. aus einem ge^chichteten 
Flimmerepithel; 2. aus einer glashellen Basalmembran, und 
3. aus einem bindegewebigen Substrat( Tunicap-opria), welches starke 
elastische Fasernetze und verastelte tubulose Schleimdrtisen, 
01. tracheales, enthalt. 

Die Teilungst^lle der Trachea ist dicbt hinter dem Aorten- 
bogen gelegen. Von den Bronchi ist der rechte erheblich kfirzer 
und weiter, aber zugleich mehr in der Verlangerung der Trachea 
gelegen, so daB Fremdkorper von oben her leichter in denselben 
hineinfallen. Der linke Bronchus ist langer, enger und mehr schrag 
gestellt. Auf dem rechten reitet die V. azygos, auf dem linken 
der Aortenbogen; Beide treten in den entsprechenden Lungen- 
hilus ein. 

III. Die Lungen. 

An den Lungen, Pulmones, unterscheidet man die Grundflfiche, 
Basis, und die Spitze, Apex pulmonis, ferner einen vorderen scharfen, 
einen unteren scharfen und einen hinteren stumpfen Rand, end- 
lich eine untere Flache, Facies diaphragmatica, zur Anlagerung an 
das Zwerchfell; eine auBere Flache, Facies costalis, welche der 
Thoraxwand anliegt und eine innere (mediale) Flache,. Facies media¬ 
stinalis, welche an den Mittelfellraum, Mediastinum, angrenzt. 1 

Die vorderen Lungenrander liegen am haufigsten zwischen 
dem II.—IV. Rippenknorpel dicht nebeneinander, und zwar rechts 
neben dem linken Sternalrande (s. Fig. 30 u. 31). Nach oben 
und nach unten weichen die beiden Lungenrander jedoch in folgender 
Weise.auseinander. Nach oben gehen beide jederseits hinter dem 
Sterno-claviculargelenk allmahlich in die Lungenspitze fiber. Nach 
unten lauft der rechte Lungenrand vertikal naeh abwarts bis zum 
VI. Rippenknorpel, der linke bildet dagegen einen nach rechts kon- 
kaven Ausschnitt, die Inc. cardiaca, welche vom IV. linken Sterno- 
costalgelenk bis zur VI. Rippe reicht, so daB ein Teii des Herzbeutels 
unbedeckt bleibt. Die beiden vorderen Lungenrander gehen in dieser 
Hohe in die unteren Lungenrander fiber, welche sich alsdann jeder¬ 
seits zwischen das Zwerchfell und die Thoraxwand einschieben. Die 
beiden stumpfen Rint er en Lungenrander sind in den Sulci pulmo¬ 
nales zu beiden Seiten der Wirbelsaule gelegen. Die beiden Lungen- 
spitzen tiberragen vorn die I. Rippe und das Schlfisselbein um 
3—5 cm: hinten wird ihr hochster Punkt am besten durch den 
Dorn des VII. Halswirbels ( Vertebra prominens) bestimmt. 

• 1 Bei dieser Beschreibung ist zunachst das Brustffcll, Pleura, welches 
die Lungen bekanntlich umhiillt, der Einfachheit wegen ganz aufier acht 
gelassen. . . ' 


11 



164 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

Die Oberflache der Lunge zeigt eia spiegelglattes Aussehen, 
welcbes durph ibren Pleuraiiberzug bedingt ist. Im iibrigen sieht 
man an derselben ein mosaikartiges System von feinen Furchen bzw. 
Linien, welche die Lungenlappchen, Lobuli pulmonales, abgrenzen, 
die im Inneren der Lunge durch Bindegewebe voneinander getrennt 
werden. Sind die Lungen mit Luft gefullt, so werden innerhalb der 
Lobuli (besonders an der Oberflache der Lungen) die Luftblaschen, 
Vesiculae aereae (Malpighische Blaschen), sichtbar, von denen ein jedes 
einem Lungenblaschen, Alveolus, entspricht. Weiterhin findet sich 
beim Erwachsenen an der Lungenoberflache — und zwar meistens 
an den Grenzen der Lobuli, haufig aber auch iiber die ganze Lunge 
verstreut— ein schwarzer Farbstoff, das sogen. Lungenpigment, 
vor, welches wahrseheinlich nur von dem eingeatmeten Kohlenstaub 
' herriihrt. Jedenfalls ist beim Neugeborenen und bei Tieren, welche 
stets im Freien gelebt haben, kein Pigment an der Lunge sichtbar, 
• und die letztere erscheint bei denselben weiBlich oder gelblich grau, 
falis sie nicht gerade mehr oder weniger mit Blut gefullt ist. 

Jede Lunge wird durch groBere Einschnitte, Incc. interlobulares, 
in groBere Lappen, Lobi pulmonales, geteilt (s. Fig. 31 u. 32). Die 
linke Lunge besitzt nur einen tiefen Einschnitt, welcher vom Dorn 
des III. Brustwirbels, etwa in Hohe der Spina scapulae, yon hinten 
und oben bogenformig nach vom und unten, bis etwa zur Knorpel- 
knochengrenze der linken VJ. Rippe verlauft, welche genau in der 
Parasternallinie gelegen ist (nach Joessel). Demzufolge wird an 
derselben ein Oberlappen, Lobus superior, und ein Unterlappen, 
Lobus inferior, unterschieden. Der vorderste unterste Teii des linken 
Oberlappens bekommt durch die Inc. cardiaca (vgl. S. 163) ein ungefahr 
zungenformiges Aussehen und wird deshalb auch Lobus lingualis benannt. 
Die rechte Lunge zeigt zunachst einen ahnlichen tiefen Einschnitt, 
welcher hinten (neben der Wirbelsaule) gewohniich etwas tiefer be- 
ginnt, dann aber in derselben Weise wie links nach vorn und unten 
bis zur Knorpelknochengrenze der rechten VII. Rippe verlault, welche 
ziemlich genau in der Mamillarlinie liegt (nach Joessel). Dadurch 
scheint zunachst auch an der rechten Lunge ein Ober- und Unter¬ 
lappen zu entstehen. Indessen zieht in Hohe des IV. Sterno- 
costalgelenkes vom vorderen Rande der rechten .Lunge noch ein 
weiterer Einschnitt ganz oder wenigstens annahemd horizontal nach 
rechts bis zu dem schragen Einschnitt hin. Auf diese Weise 
entsteht an derselben zwischen Ober- und Unterlappen ein allerdings 
nur kleiner Mittellappen, Lobus medius, welcher aber lateralwarts 
nur bis zur Axillarlinie reicht, so daB also hinten ein Mittel¬ 
lappen iiberhaupt nicht existiert. 

Die mediale Flache beider Lungen zeigt den Hilus pulmonis , 
d. h. die Stelle, , an welcher jederseits der Bronchus nebst der 



B. Die Atmungsorgane. 


165 


begleitenden A. und V. bronchialis, ferner die Lungenarterie und 
Lungenvene (gewohnlich schon in mehrere Aste geteilt) eintreten. 
Alie diese Organe ’ sind ringsum von der Pleura bekleidet und bilden 
auf diese Weise einen StraDg, die Lungenwurzel, Radix pulmonis, 
an der die Lunge wie an einem Stiele aufgehangt ist. Auf der linken 
Lungenwurzel reitet der Aortenbogen, auf der rechten die V. azy¬ 
gos: Die Lage der in den Hilus tretenden Organe ist dabei derartig, daB 
am meisten vorn die Lungenvenen, weiter hinten die Lungenarterie 
(einfach oder geteilt), endlich am meisten rtickwarts der Bronchus liegt. 
Zugleich nimmt rechts der Bronchus, links die Lungenarterie 
den hdchsten Punkt des Hilus ein. Die Lungenvenen sind immer a in 
meisten abwarts gelegen. Endlich ist noch an der medialen Lungen- 
Hache (dicht vor dem hinteren Rande) links der Sulcus aorticus, rechts der 
Sulcus v. azygos wahrzunehmen, welche beide von oben nach untenverlaufen. 

Die Bronchi 1 geben nach ihrem Eintritt in den Hilus, der 
linke zwei, der rechte drei Bronchien, Rami bronchiales, zu den 
entsprechenden Lungenlappen ab, von denen wieder eine Anzahl 
dorsaler und ventraler Aste entspringen, welche sich weiterhin 
teilen, bis sie etwa 1 mm Durchmesser haben. Diese kleinsten Zweige, 
die sogen. Endbronchien, Bronchioli, besitzen bereits hier und dort 
kleine Alveolen ( Bronchioli respiratorii) und gehen schlieBlich beim 
Eintritt in einen Lobulus in die sogen. Alveolargange, Ductuli al¬ 
veolares, uber, deren Wand dann liberali mit den soeben erwahnten 
Lungenblaschen, Alveoli, besetzt ist (s. Fig. 29). 

Die mikroskopische Struktur der Bronchien ist dieselbe 
wie in der Trachea und den Bronchi: nur sind die eingelagerten 
Knorpel hier nicht hufeisenformig, sondern bilden mehr unregel- 
maBige kleine Platten. Die glatte Miiskulatur der Trachea wird 
hier zirkular und verdickt sich sogar nach Rindfleisch am 'Ende der' 
Bronchiolen zu einem ringformigen Sphincter , dessen Kontraktion fur 
die Entstehung des Asthma eine wichtige Rolle spielen soli. Driisen, 
01. bronchiales, sind iiberall, nur nicht in den Bronchiolen vorhanden. 
Das Flimmerepithel der Trachea und der Bronchien geht schon 
in den Bronchioli respiratorii in das sogen. respiratorische Epithel 
uber, welches weiterhin die Alveolargange bzw. Alveolen auskleidet. 
Die letztere Epithelart besteht namlich hauptsachlich aus groBen, sehr 
diinnen kernlosen Platten, durch welche der Gasaustausch zwischen 
den Lungenkapillaren und der Atmungsluft um so leichter vor sich gehen 


1 Da die Lungenarterie links oberhalb der beiden Bronchien, rechts 
unterhalb des Astes fur den Oberlappen, jedoch oberhalb der beiden 
anderen Aste liegt, so nimmt Aeby an, daB links der Oberlappen ausgefallen 
ist und eigentlich nicht seinen Namen verdient, sondern dem Mittellappen 
der rechten Lunge entspricht. Rechts sind also ein eparterieller und zwei 
hyparterielle Bronchien, links nur zwei hyparterielle vorhanden. 




166 II* Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

kann, ais die Lungenkapillaren dicht- unter diesem Epithel liegen. 
Dazwischen sind vereinzelt oder in Gruppen kleinere, mit granuliertem 
Protoplasma versehene kernhaltige Zellen eingestreut, von denen 
man annimmt, daB aus ihnen durch Proliferation die kernlosen 
Platten entstehen. Nach auBen von dem respiratorischen Epithel 
wird die Wand der Alveolen von einer homogenen Grundsubstanz 
mit zahlreichen und starken elastischen Netzen gebildet, durch 
welche die groBe Elastizitat der Lungen bedingt wird. Fibrillares 



Fig. 29. Endverzweigung eines Bronchiolus (schematisch). 

I 

Bindegewebe ist in der Lunge nur interstitiell, d. h. nicht in 
dem eigentlichen Lungengewebe (Lungenparenchym), sondern nur: 
1. ais peribronchiales Bindegewebe in der Umgebung der 
Bronchien undBronchialgefaBe; 2. ais interlobulares Bindegewebe 
«wischen den Lobuli, und 3. ais subpleurales Bindegewebe unter 
dem Pleuraiiberzug vorhanden. Dies Verhalten ist wichtig, weil es 
eine Art der Lungeneritzundung gibt, welche sich nur im Bindegewebe 
. abspielt. Dagegen ist zn merken, daB innerhalb eines Lobulus die 
Wande der benachbarten Alveolen iiberall ohne scharfe Grenze in- 
einander tibergehen, so daB immer zwischen je zwei benachbarten 
Luftraumen ein einfaches Septum gelegen ist und der Durchschnitt 
eines Lungenlappchens schwammig aussieht. 




B. Die Atmungsorgane. 


167 


Die BlutgefaBe der Lunge sind: 1. die A. und V. pulmonalis und 2. die 
A. und V. bronchialis. Da in dem Kapillarsystem zwischen den beiden ersteren 
der Gasaustausch vor sich geht, welcher dem ganzen Korper- zugute kommt, 
bat man dieselben auch Vasa publica genannt. Die A. und V. bronchialis haben 
nur die Broncbien und das interstitielle Bindegewebe zu versorgen und werden 
deswegen auch ais Vasa privata der Lunge bezeichnet. Ubrigens hangen die 
Kapillaren beider GefaBarten kontinuierlicb zusammen. 

Die Ly un p hge fa B e bilden unter der Pleura zwischen den Lobuli 
groBere Netze und ziehen dann zn den 01 . bronchiales, welche am Lungenhilus 
und der Teilungstelle der Trachea um die Luftrohrenaste gelegen sind und 
sich stets durch ihre graue oder dunkle Farbung auszeichnen (meist Kohlen- 
staub). 

Die Nerven werden vom Vagus und Sympathicus geliefert, vom ersteren 
wahrscheinlich die sensiblen, vom*zweiten die motorischen fur die glatten 
Muskelfasem. 

IV. Das Brustfell. 

Das Brustfell, Pleura, gehort ebenso wie der Herzbeutel und 
das Bauchfell zu den echten serosen Sacken. 1 Demzufolge kann man 
auch an ihm (s. Fig. 30) ein parietales und ein viszerales Blatt 
unterscheiden, zwischen denen die Pleurahohle, Cavum pleurae, liegt, 
welche allerdings fiir gewohrilich nur einen „lumenlosen“ Spalt bildet, 
der nur sehr wenig Fliissigkeit enthalt. 

Das viszerale Blatt, Pleura pulmonalis, ist fest mit der Lungen- 
oberflache verwachsen, der dasselbe das glatte, spiegelahnlich glanzende 
Aussehen gibt: doch bildet dies Blatt zwischen den einzelnen Lungen- 
lappen kurze Falten oder Briicken, die Ligg. interlobaria. Weiter- 
hin sendet dasselbe zwischen Lungenwurzel und Lungenbasis 
ebenfalls eine abwarts konkave Verbindungsbriicke, das Lig. pulmonale, 
zum hintersten Teii der Pleura mediastinalis hiniiber. Diese Briicke 
tragt nehen der Lungenwurzel viel zur Befestigung der Lunge bei. 
Das parietale Blatt, Pleura parietalis, kann in folgende Abschnitte 
eingeteilt werden. Zunachst bekleidet dasselbe ais Pleura diaphrag¬ 
matica die Oberflache des Zwerchfells sowie ais Rippenfell, Pleura 
costalis, die Innenflache der Rippen und Intercostalmuskeln. Ais 
Mittelfell, Pleura mediastinalis, spannt sich femer das Parietalblatt 
jederseits in ziemlich sagittaler Richtung von den Seitentiachen der 
Wirbelkorper zum linken Sternalrande (vgl. Fig. 30) hiniiber. Wo die 
Pleura mediastinalis an das Pericard grenzt, ist sie mit demselben, 
wenn auch nicht untrennbar, so doch fes.t verwachsen. Derjenige 
Abschnitt endlich, welcher uber die I. Rippe hinausragt, wird ais 
Pleurakuppel, Cupula pleurae, bezeichnet. Die linke und rechte 
Pleura mediastinalis liegen jedoch nicht dicht nebeneinander, son— 
dern lassen zwischen sich den Mittelfellraum, Cavum mediastinale, 


1 Die serosen Haute bestehen aus Bindegewebe mit elastischen 
Fasem: ihre Innenflache ist von einem polygonalen Endothel ausgekleidet. 




168 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


\ 


frei, welcher indessen keineswegs eineu Hohlraum bildet, sondern voll- 
standig mit wichtigeu Organen ausgefullt ist und daher besser kurz- 
weg nach Henle Mediastinum heiBen solite. 1 Das Mediastinum ist 
also wie eine Art Septum zwiscben der linken und rechten Pleura- 
kohle gelegen. 

An dem Mediastinum hat man nun wieder zwei Abschnitte, 
das Mediastinum ant. und post., unterschieden, welche allerdings nicht- 




Mediastinum anterius 



Ptricardium 

parietale 


Pleura 

pulmonalis 


Cavum 

pericardii 


Cavit ut 
pleurae 


Pericardium 

viscerale 


Pleura 

mediastinalis 


Eine V. pul¬ 
monalis 


Pleura 

costalis 


V. azygos 


N. splanchnicus 


Aorta 

V. hemiazygos 

Mediastinum 

posterius 


Ductus thoracicus 


Truncus X. Brust- 
sympathicus wirhel 


Fig. 30. Horizontalschnitt durch den Thorax (X. Brustwirbel). 
Die Pleura mediastinalis ist durch die Lungenwurzel unterbrochen. 


scharf gegeneinander abzugrenzen sind. Ais Grenze nimmt man 
wohl am besten eine Frontalebene an, welche man sich dicbt 
hinter beiden Lungenwurzeln durch den Brustraum gelegt 
denken kann (s. Fig. 30). DemgemaB wiirden ais Hauptorgane 
im Mediastinum ant. das Herz mit dem Herzbeutel und den groBen 
HerzgefaBen, sowie die vor den letzteren gelegene Thymusdriise, 
im Mediastinum post, die Aorta descendens, der Oesophagus und 
der Ductus thoracicus zu nennen sein. (Naheres iiber das Media¬ 
stinum vjjl. S. 172.) 


1 Nach SriQEi.ius heiBt Mediastinum „quod per medium stet“. 



B. Die Atmungsorgane. 


169 


V. Die Pleura- und Lungengrenzen. 

Die vorderen Pleuragrenzen verhalten sich normalerweise 
ziemlich genau so, wie dies S. 163 fur die vorderen Lungengrenzen 
angegeben ist. Es sei also wiederbolt, daB die beiden vorderen 
Pleurar&nder sich am mittleren Teii des Sternum, zwischen dem 
II.—IV. linken Sterno-costalgelenk, dicht binter dem Sternal- 
rande beriihren, wahrend sie nacb oben und nach unten aus- 
einanderweichen, indem sie auf diese Weise die Area interpleurica 
superior (fur die Tbymusdruse bzw. deren Uberreste) und die Area 
interpleurica inferior bilden, in der ein Stiick des Herzbeutels vom 
Brustfell unbedeckt bleibt (vgl. Fig. 31). Ob*en bei der Area sup.* 
gehen die vorderen Pleurariinder binter den Sterno claviculargelenken 
in die Pleurakuppel liber. Unten bei der Area inf. ziebt der rechte 
Pleurarand senkrecht nacb abwarts, wahrend dagegen der linke ent- 
sprechend der Inc. cardiaca der Lunge einen flachen, nach links 
konvexen Bogen bildet, welcber also die Incisur nicbt ausfiillt. In 
Hohe des VI. Sterno-costalgelenkes gehen die vorderen Pleura- 
rander beiderseitig in den unteren Pleurarand tiber. Der letztere 
zieht von hier schrag nach abwarts, so daB er in der Axillarlinie 
die IX. Rippe schneidet, um dann ziemlich horizontal bis. zum 
XI. Brustwirbeldornnacbhintenzuverlaufen(Fig.32). Abweichungen 
von diesem Verhalten sind besonders an den vorderen Pleurarandern 
haufig: es kann sogar vorkommen, daB der linke zwar am linken, der 
rechte aber*ganzlicb am rechten Sternalrande gelegen ist, in welcbem 
Falle dann aucb die vorderen Lungenrander dementsprechend aus- 
einanderliegen. Das konstanteste Verhalten zeigt die Pleurakuppel, 
insofern namlich, ais ihre Spitze bestandig dem Dorn des VII. Hals- 
wirbels (Vertebra prominens) entspricht. Im Iibrigen lehnt sich die 
Pleurakuppel hinten an die beiden obersten Rippen: auBerdem wird 
sie lateral von den Mm. scaleni, medial von einem Stiick der Trachea 
und des Oesophagus, medial und vorn von der bogenformig uber sie 
binwegziehenden A. und V. subclavia, ganz oben noch von den 
untersten Strangen des Plexus brachialis begrenzt. Daber kann es bei 
Erkrankungen der Lungenspitze vorkommen, daB der I. Dorsalnerv, 
welcher noch den untersten Abscbnitt des Plexus bildet, in Mitleidenschaft 
gezogen wird und sich am Arm motorische oder sensible Storungen ein- 
stellen. Mebr vorn zieben aucb noch der N. phrenicus sowie die A. und 
V. mammaria int. an der AuBenflache der Pleurakuppel nach abwarts. * 

Die Lungengrenzen verlaufen oben an der Pleurakuppel, 
vorn hinter dem Sternum und hinten an der Wirbelsaule ziemlich 
genau wie die eben angegebenen Pleuragrenzen, d. b. die Lungen 
fiillen hier das Cavum pleurae sowohl wahrend der Inspiration wie 
wahrend der Exspiration vollstandig aus. Nur am vorderen Rande 



170 


II. Teii. Eingewcide und Sinnesorgane. 


ist ein ganz schmaler Komplementarraum, Sinus costo-mediastinalis, 
zwischen LuDge und Pleura vorhanden, in welchen sich die erstere 
bei starkster Inspiration noch einschieben kann. Erheblicb groBer 
ist der Sinus pericardiaco-costalis, welcher der Inc. cardiaca entspricht 
und somit dem Lobus lingualis viel Spielraum zur freien Ausdebnung 


Gland, thyreoidea 



Sinus 

mediastino - 
costalis 


Sinus 
mediastino- 
cos talis 

Brustwarze 


Incc. inter 


Inc. wtei 


lobares 


lobaris 


dextrae 


sinistra 


Sinus 
phrenico « 
costalis 


Sinus 

phrenico- 

costalis 


Fig. 31. Die Lungen- und Pleuragrenzen auf den Brustkorb projiziert. 
Ansicht von vorn. Es ist besonders auf die untere Grenze des rechten Ober- 

lappens zu achten. 


bietet. Der groBte Komplementarraum, Sinus phrenico-costalis, ist 
' jedocb unten' zwischen Lunge und Pleura vorhanden, so daB die 
erstere sich hier am ausgiebigsten wahrend der Atembewegungen hin- 
und herschieben kann. Demzufolge sind auch unten die Lungen- 
grenzen erbeblich hoher ais die Pleuragrenzen gelegen und die 
Lungen sollen selbst bei starkster Inspiration den Sinus pleurae 
nicht ausfiillen konnen. Nach Gebhardt wtirde der untere Lungen- 










B. Die Atmungsorgane. 


171 


rand bei ruhiger Atmung (Zwerchfellatmung) am Lebenden in 
der Sternallinie dem oberen Rand der VI., in der Parasternal- 
linie dem unteren Rand der VI., in der Mamillarlinie dem 
oberen Rand der VII., in der Axillarlinie dem unteren Rand 
der VII., in der Scapularlinie der IX. Rippe, endlicb neben der 
Wirbelsaule dem X. Brustwirbeldorn entsprechen. Bei tiefster 



Fig. 32. Die Lungen- und Pleuragrenzen. 

Die Inc. interlobaris (Grenzlinie zwischen Ober- und Unterlappen) ist zu beachten. 


In- und Exspiration tritt eine Verschiebung des unteren Lungenrandes 
ein, welche, entsprechend der Ausdehnung des Sinus phrenico-costalis, 
vorn etwa ein Finger breit, hinten zwei Finger breit sein kann. 

tjber die Grenzen zwischen den einzelnen Lungenlappen 
ist bereits S. 163 berichtet. Es moge hier noch einmal betont werden, 
daB der keilformige rechte Mittellappen vorn nur bis zur Axillar¬ 
linie reicht und demzufolge hinten ein Mittellappen iiberhaupt 
nicht vorhanden ist. 



172 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


VI. Das Mediastinum. 

Es ist bereits S. 168 erortert worden, daB man das Mediasti¬ 
num (oder wie es ja jetzt heiBen soli: Cavum mediastinale) in das 
Mediastinum anterius und posterius einteilen kann, die wohl am besten 
nach Henle durch eme Frontalebene voneinander geschieden 
werden, welche man sich dicht hinter den Lungenwurzeln durch den 
Brustraum gelegt denken kann. 1 

DemgemaB wiirden im Mediastinum ant. unten das Herz mit 
dem Herzbeutel (s. Fig. 30), oben in der Area interpleurica sup. die 
Thymusdriise und hinter der letzteren die groBen GefaBe ( V. cava inf., 
Aorta und A. pulmonalis) gelegen sein. Auch der N. phrenicus, welcber 
vor der Lungenwurzel zwischen Pericard und Pleura mediastinalis'zum . 
Zwerchfell nach abwarts ziebt, muB somit zum Mediastinum ant. ge- 
rechnet werden. t)ber die Lageverhaltnisse dieser Organe ist bei der 
Beschreibung derselben nachzusehen. Es mag hier nur noch hetont 
werden, daB sowohl der unterste Abschnitt der Thymus wie der 
Herzbeutel durch. die vorderen Lungen- bzw. Pleurarander von 
der Brustwand abgedrangt werden. Yom Herzbeutel liegt entsprechend 
der Inc. cardiaca nur ein kleines Stiick unbedeckt der vorderen 
Brustwand an; man kann den Herzbeutel hier dicht neben dem 
Sternum im V. oder VI. Intercostalraum anstechen, ohne die 
Pleura zu verletzen. Doch gibt es -natiirlich auch Falle, wo dies 
unmoglich ist, weil die Area interpleurica inf. ganzlich hinter dem 
Sternum gelegen ist, so daB man auf alie Falle besser tut, behufs 
Punktion des Herzbeutels ein kleines Stiick des Sternum zu resezieren. 
Das Mediastinum posterius enthalt im oberen Drittel die 
Trachea mit der Teilungstelle der Bronchi, dicht dahinter den Oeso¬ 
phagus, welcher hier schon etwas mehr links liegt, in den unteren 
beiden Dritteln (s. Fig. 30) die Aorta descendens, den Oesophagus 
nebst den beiden Nn. vagi , den Ductus thoracicus, endlich die V. azygos 
und hemiazygos. Wenn man annimmt, daB die Wirbelkorper ebenfalls 
noch zum Mediastinum post, gehoren, kann man auch noch jederseits 
den Grenzstrang des N. sympathicus und die Nn. splanchnici major und 
minor hierher rechnen. 

Von diesen Organen ist die Trachea in der Medianlinie, ihre 
Teilungstelle in Hohe des IV. Brustwirbels gelegen. Die Aorta 


1 Es darf nicht verschwiegen werden, daB aueh jetzt noch einzelne Autoren 
ais Cavum mediastinale ant. lediglich den Raum verstehen, welcher sich zwischen 
dem Sternum und dem Herzbeutel bzw. den groBen HerzgefaBen befindet (s. Fig. 30). 
Danach wiirde das Herz mit seinen groBen GefaBen das Cavum mediastinale 
anterius und posterius voneinander trennen. Die B. N. A. lassen diese Frage 
offen. In diesem Falle wiirde aber im Cavum mediast. ant. nur die Thymus und 
lockeres Bindegewebe gelegen sein. 




174 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgune. 


falis in Hohe des VIII. Brustwirbels hinter der Aorta descendens 
nach rechts, um in die V. azygos einzumiinden. Der Grenzstrang 
des Sympathicus, Truncus sympathicus, ist v.or den Rippenkopfchen- 
gelenken hinter der Pleura gelegen. Yon ihm ziehen der N. 
splanchnicus major und minor zu beiden Seiten der WirbelkBrper 
in schrager Richtung nach unten und medianwarts, um dann (vgl. 
S. 50) das Zwerchfell zu passieren. 


VII. Die Schild- und Thymusdriise. 

a) Die Schilddriise. 

Die Schilddriise, 01 . thyreoidea, ist keine echte Druse mit Aus- 
fiihrungsgang, sondern eine sogen. BlutgefaBdriise, deren noch nicht 
genau erforschtes Sekret jedenfalls im Haushalt des Korpers eine 
wichtige Rolle spielt, indem es wahrscheinlich im Blute befindliche, 
giftige Stoffwechselprodukte unschadlich macht. Entwicklungs- 
geschichtlich ist die Schilddriise allerdings ais zu^ammengesetzte 
tubulose Driise aufzufassen, welche aus dem Epithel der vorderen 
Pharynxwand in die Tiefe wachst, deren Strange zunachst netzformig 
miteinander verbunden sind und deren urspriinglich in der Anlage 
vorhandener Ausfuhrungsgang (vgl. S. 125) spater obliteriert. 

Beim Erwachsenen besteht die Schilddriise aus kugligen 
,,Follikeln“, d. h. Blaschen, welche mit einem einfachen kubischen oder 
zylindrischen Epithel ausgekleidet und durch ein lockeres Binde- 
gewebe mit einzelnen elastischen, Fasemetzen und zahlreichen Blut- 
gefaBen zu Liappchen vereinigt sind. Ais Inhalt dieser Follikel 
ist auBer dem Epithel mitunter eine eigentumliche Kolloidsubstanz 
bemerkenswert (Degeneration?). 

Die Schilddriise zeigt die Form eines abwarts konvexen Halb- 
mondes, welcher in der Mitte eine Einschniirung besitzt. Letztere 
wird ais Isthmus, die beiden seitlichen Teile ais Lappen, Lobi 
(Cornua), bezeichnet. Der Isthmus ist gewohnlich dicht vor dem II. 
bis Y. Trachealring gelegen. Die beiden Lobi schieben sich zwischen 
die Trachea bzw. den Kehlkopf und die Carotis comm. nach hinten. 
Vorn ist die Schilddriise seitlich von den unteren Zungenbeinmuskeln, 
in der Medianlinie nur von dem oberflachlichen und tiefen Blatt der 
Fascia colli bzw. der Haut bedeckt. tl brigens ist sie (besonders 
deutlich bei Kindern) mit den obersten Trachealringen und dem 
Ringknorpel durch derbe fibrose Massen, Ligg. gl. thyreoideae, fest ver¬ 
bunden. Mitunter erstreckt sich von dem oberen Rande der Driise 
(meist nahe der Medianlinie) ein schmaler Fortsatz, Proc. pyramidalis 
(Lobus medius), nach aufwarts, welcher sogar bis zum Zungenbein 
reichen kann. Durch krankhafte VergroBerung der Schilddriise kann 



B. Die Atmungsorgane. 


175 


der Kropf, Struma entstehen. Dann kann die Schilddriise oben bis 
vor den Ringknorpel, uaien bis hinter das Brustbein i’eicken und 
seitlicb die groBen BlutgefaBe des Halses und selbst die Nerven 
(namentlich den N. laryngeus inf.) mehr oder weniger stark komprimieren. 

b) Die Thymus. 

Die innere Brustdriise, 01. thymus, auch Briesel oder Kalbs- 
milcb genarint, ist ebenfalls keine echte Drhse, obwohl sie sich, 
ebenso wie die Schilddriise, ais Auswuchs des ventralen Schlundepithels 
entwickelt und dementsprechend noch hier und da gruppenweise 


A. mhclavia dextra 

Vena anonyma 
dextra 


Vena cara sup. 


Mediartinalblatt ~u- 
rdckprdpariert 

Perirardium 

Atrium dextrum 


Fig. 34. Tojtographie der Thymus (nach Jossei) 

konzentrisch geschichtete «Epithelzellen, die sogen. HassaT- 
schen Korperchen, enthalt. Ein Ausfiihrungsgang ist aber auch 
beim Fotus nicht nachzuweisen. 

Die Thymus besteht aus zwei plattlanglichen, blaBrotlichgrauen 
Lappen, Lobi, welche beim Neugeborenen mitunter so kolossal ent¬ 
wickelt sind, daB sie oben vor der Schilddriise bis zum Ringknorpel, 
unten vor den groBen GefaBen und dem Herzen (dicht hinter dem 
Sternum, aber zum Teii noch iiberlagert von den vorderen Lungen- 
randern) bis zum Zwerchfell reichen konnen. Jeder Lappen zeigt 
in der L'angsachse den bindegewebigen, aber auch zahlreiche Blut¬ 
gefaBe und elastische Fasern enthaltenden Markstrang, Tractus 
centralis, von dem bindegewebige Septa zur Rindensubstanz ziehen 
und die Thymus in ein e Anzahl von Lappchen, Lobuli, teilen, welche 
wiederum aus kleinen Kornern (Thymusfollikel) zusammengesetzt 





176 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

sind. Nach Stohr besteht nun wieder jedex* Thyhiusfollikel (ab- 
gesehen von den Hassal’schen Korperchen) aus einem Netzwerk 
von sternformig anastomosierenden Epithelzellen, in dessen 
Maschen viele sehr kleine, protoplasmaarme Epithelzellen liegen, 
welche jedoch Lymphocyten (Lymphkorperchen) tauschend ahnlich sehen. 
Indessen scheint die Driise auch zahlreiche eingewanderte, farblose 
Blutkorpercben (Leukocyten) zu enthalten. Im weiteren L^ufe des 
Wachstum entwiekeln sich in der Thymusdruse Fettzellen, welche 
das ubrige Thymusgewebe allmahlich zum Schwund bringen, so daB 
sich im Alter von 50 Jahren und dariiber an Stelle der Driise nur 
noch zwei langliche Fettlappen von der Form der ehemaligen 
Thymuslappen vorfinden, welche hin und wieder noch Reste von 
thymusgewebe enthalten. Die physiologische Bedeutung der Thymus 
ist ganzlich unklar. 

C. Die Harnorganc. 

Zu den Harnorganen, Organa uropoetica, gehbren: 1. die beiden 
Nieren; 2. die beiden Harnleiter; 3. die Harnblase und 4. die 
Harnrohre, welche allerdings beim Manne zugleich einen Aus- 
fiihrungsgang fur die Samenfiiissigkeit darstellt. 

I. Die Nieren. 

Die Nieren, Renes, sind bohnenformige Organe von bald hellerer, 
bald dunklerer rotlichbrauner Farbe und einer etwas teigigen Kon- 
sistenz. Man unterscheidet an denselben eine nur wenig gewolbte 
vordere und eine ziemlich platte hi^tere Flache, Facies ant. und 
post., ein oberes und ein unteres Ende, Extremitas svp. und inf., 
endlich den konyexen lateralen und den konkaven medialen 
Rand, Margo lateralis und medialis, von denen der letztere einen 
Schlitz, Hilus renalis (Porta renis), besitzt, durch welchen der Harn¬ 
leiter und die groBen GefaBe bzw. Nerven der Niere aus- und ein- 
treten. Durch diesen Schlitz gelangt man in einen Hohlraum, 
Sinus renis, in welchen die Spitzen der kegelformigen Nierenpapillen 
hineinragen. Der Sinus renis wird von dem sogen. Nierenbecken 
bzw. den Calyces renales, ferner von den Asten der A. und V. renalis. 
endlich noch von einer ziemlichen Menge Fettgewebe ausgefullt 

Die Nieren erstrecken sich neben der Wirbelsaule etwa vom 
XII. Brust- bis zum III. Lendenwirbel nach abwarts, was hinten in 
der Medianlinie etwa dem Zwischenraum zwischen dem XI. Brust- 
wirbel- und dem III. Lendenwirbeldorn entsprechen wiirde. 
Das obere Ende der Niere kann also hinten noch in Hohe des 
Unteren Pleurarandes liegen. Ihr lateraler Rand ist dabei von 
den Wirbeldornen (also der Medianlinie) etwa 10 cm entfernt, das 



C. Die Hamorgane. 


177 


untere Ende pflegt einige Zentimeter oberhalb der Crista iliaca zu 
stehen. Doch konnen sich diese Verhaltnisse bei einer VergroBerung. 
oder Verlagerung der Niere erheblich andern. Man hat die Niere 
schon im kleinen Becken gefunden. Auch ist die rechte Niere 
wegen des starken rechten Leberlappens stets etwas tiefer ais die 
linke gelegen. Endlich ist noch zu erwahnen, daB die mediale Seite 
des oberen Nierenendes stets von der kappenformig aufsitzenden 
Nebenniere bedeckt ist. Im ubrigen ist betreffs der Lage der 
Ni er en noch folgendes zu merken. 

Die hintere Flache beider Nieren ist hauptsachlich auf dem 
M. quadratus lumborum, lateral auch noch auf dem Transversus 
abdominus, oben jedoch auf dem lateralen Zwerchfellschenkel gelegen. 
Die vordere Flache verhalt sich in bezug auf die Nachbarorgane' 
links und rechts verschieden. An die rechte Niere grenzt vom 
oben lateral'der rechte Leberlappen, unten lateral das Colon 
ascendens bzw. die Flexura coli dextra, medial die Pars descendens 
duodeni; endlich bleibt ganz unten noch ein kleines Stiick fiir die 
Anlagerung des Dunndarmes (Jejunum) frei. Die Vorderflache der 
linken Niere wird oben medial vom Magen, oben lateral von 
der Milz, in der Mitte vom Schwanz des Pankreas, unten lateral 
vom Colon descendens, unten medial vom Dilnndarm (Jejunum) 
bedeckt. Nur die Anlagerungsflachen fiir den letzteren sind bei beiden 
Nieren vom vom Bauchfell bedeckt. Nierenkrankheiten konnen also 
eine groBe Anzahl von Nachbarorganen in Mitleidenschaft ziehen. 
Die Lage der am Hilus eintretenden Gef&Be ist (ahnlich wie 
am Lungenhilus) eine derartige, daB dieNierenvene am meisten 
vom, die Nierenarterie dahinter und am meisten dorsal der Ureter 
gelegen ist, welcher also bei Operationen vom Rilcken her am be- 
quemsten erreicht werden kann. 

In dieser Lage werden die Nieren hauptsachlich durch die 
schon beim Neugeborenen vorhandene, relativ diinne und beim Er- 
wachsenen haufig von Fett durchbrochene Fascia renalis propria er- 
halten, in welche die Niere wie in eine Tasche von oben her lose 
eingeschoben ist und welche hinten mit der Fascia transversalis, vom 
mit dem Peritonaeum verwachsen ist. Der Raum zwischen dieser 
Faszie und der Niere wird dann durch reichliches Fettgewebe, die 
Capsula adiposa renis , ausgefiillt. Die Oberflache der eigentlichen 
Nierensubstanz wird auBerdem noch von der derben bindegewebigen 
Nierenkapsel, Tunica fibrosa renis, bedeckt, welche sich nach An- 
legung eines Langsschnittes normalerweise leicht mit dem Daumen- 
nagel abziehen laBt und in ihrer tiefsten Schicht noch eine Tunica 
muscularis aus glatten Muskelfasem enthalt. Erst wenn diese fibrose 
Kapsel abgelost ist, zeigt sich an der Oberflache jeder Niere ein, be- 
sonders beim Fotus deutliches, Netzwerk von Furchen, welche die 

Broksikf, Repetitorlum anatomicum. 12 


178 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 




sogen. Nierenlappen, Lobi renales (Renculi), voneinander abgrenzen, 
aus denen sich die ganze Niere zusamxnensetzt. An den Treffpunkten 
der Furchen sind bei starkerer Blutfiillung radiar konfluierende 
kleine Venen, die Vv. stellatae (Stellulae Verheynii) wahrzunehmen. 

Wenn man vom konvexen Nierenrande aus das Organ durch 
einen Langsschnitt zwischen beiden Flachen balbiert (vgl. 
Fig. 35), sieht man auf der Schnittflache zunachst, da8 die Niere von 
zwei verschiedenartigen Substanzen gebildet wird, namlich: 1. der 
mebr dunkel, haufig rotlich gefarbten, graugelben Rindensubstanz, 
Substantia corticalis , und 2. der blasseren, stets eine feine Langs- 

Columnae renales (Bertini) 

Pars convoluta 


Pyramides ^ 
renales 
(Mark - 
substanz) 


Tunica fibrosa A. renalis Ureter V. renalis Fettgewebe 

im Sinus renis 

Fig. 35. Langsschnitt einer normalen Niere. 

Arterien rot, Venen schwarz, Glomeruli ais rote Punkte sichtbar. 

streifung zeigenden Marksubstanz, Substantia medullaris. Bei 
genauerer Betracbtung zeigt sich dann, daB die Marksubstanz nicht 
kontinuierlich zusammenhangt, sondern aus einzelnen Kegeln, den 
Markkegeln oder Malpighi’schen Pyramiden, Pyramides renales, 
besteht, deren Anzabl (6—12) der Zahl der Lobi entspricbt. Ihre 
feine Streifung riihrt von den in ibnen enthaltenen geraden Harn- 
kanalchen, Tubuli recti, her. Die Basis einer jeden Pyramide ist 
allseitig von Eindensubstanz umgeben, die Spitze derselben ragt in 
Gestalt der sogen. Nierenpapille, Papilla renalis, frei in das Nieren- 
becken binein. Diejenigen Teile der Eindensubstanz, welche die 
Pyramiden voneinander trennen, werden ais Columnae renales (Septa 
Bertini) bezeichnet. Betracbtet man ferner bei guter Beleucbtung die 
Schnittflache noch eingehender, so kann man feststellen, daB aus der 
Basis der Pyramiden in gewissen Abstanden feine Streifen auch in die 








C. Die Haraorgane. 


179 


Rindensubstanz hineinstrahlen, welche manMarkstrahlen (Ferrein’- 
sche Fortsatze) oder auch ais Pars radiata der Rinde bezeichnet 
bat und welche ebenso wie die Pyramiden Tubuli recti entbalten. Die 
zwischen den Markstrahlen gelegenen Rindenteile stellen.das Laby- 
rinth, die Pars convoluta, der Rinde dar, so bezeichnet, weil in der- 
selben die gewundenen Harnkanalchen, Tubuli contorti, gelegen 
sind. Jeder Markstrahl nebst der ihn umgebenden Pars convoluta 
soli nach den B. N. A. ein Rindenlappchen, Lobulus corticalis, bilden, 
welche allerdings nicht scharf gegeneinander abzugrenzen sind. In 
dem Labyrinth sieht man endlich noch grade mit bloBem Auge eine 
groBe Zahl von feinen Punkten, die Ma,lpighi’schen Korperchen, 
Corpuscula renis, 'welche in blutleerem Zustande blaBgrau, bei starkerer 
Blutfiilluug aber rot und ein wenig prominent erscheinen. 

Die mikroskopische Dntersuchung der Niere zeigt, daB 
dieselbe eine zusammengesetzt tubulose Driise ist, deren Tubuli, die 
Harnkanalchen, Canaliculi uriniferi, allerdings zum Teii in mannig- 
fachen Windungen verlaufen. Jedes Harnkanalchen beginnt mit einem 
Malpighi’schen Korperchen, welches man sich aus einer kugligen 
Anschwellung, der Muller’schen o’der Bowman’schen Kapsel, 
Capsula glomeruli, bestehend denken kann, in welche sich ein kleiner 
GefaBknauel, Glomerulus, wie in einen serosen Sack eingestiilpt hat 
(vgl. Fig. 36), so daB man an der Kapsel ein inner es und ein 
auBeres Blatt unterscheiden kann, zwischen denen ein schmaler 
Hohlraum gelegen ist. In den letzteren muB sich der aus dem 
Glomerulus abfiltrierte Harn ergieBen. Die Mtiller’sche Kapsel setzt 
sich nun unmittelbar in einen Tubulus contortus der Rinde fort, 
welcher nach einigen Windungen in ein schleifenformiges Kanalchen, 
die Henle’sche Schleife, Ansa Henlei, iibergeht. An jeder Schleife 
kann man wieder 1. den absteigenden Schenkel, 2. die enge Um- 
biegungstelle, Isthmus, und 3. den aufsteigenden Schenkel 
unterscheiden: sie ist derart gelegen, daB der obere Schleifenabschnitt 
stets in einem Markstrahl, der untere mit dem Isthmus in einer 
Malpighi’schen Pyramide gelegen ist. Mittels einer kurzen mehr- 
fachen Windung (Schaltstuck genannt), setzt sich dann die Henle’sche 
Schleife an der Peripherie eines Markstrahls in ein grades Kanalchen, 
ein sogen. Sammelrohrchen, fort. Die Sammelrohrchen vereinigeii 
sich dann zu den Sammelrohren, welche erst im Markstrahl, dann 
in den Malpighi’schen Pyramiden unter Aufnahme immer neuer 
Rohren, immer groBer werdend, nach abwarts ziehen, bis sie endlich 
in den Nierenpapillen die starken und weiten, aber unverzweigten 
Ductus papillares bilden, welche mit 10—30 Offnungen an der Papillen- 
spitze ausmunden (Area cribrosa). 

Jedes Harnkanalchen besitzt eine glashelle Basalmembran 
(Membrana propria), deren Innenflache ein Epithel austapeziert, 

12 * 


180 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


welcbes im allgemeinen mit der Weite des Harnkanalchens an 
GroBe zunimmt, aber im ubrigen in den einzelnen Abschnitten der 
Tubuli sekr verschieden ist. Der Hohlraum der Muller’schen 
Kapsel wird von platten Epithelzellen ausgekleidet. Das dunkle 



V. stellato 


Tubulus contortus 


Glomeruli 


d. Vasa 
efferentia 


Vas afferens 


Malpighi 8 ch.es 

Korperchen 

Schaltstiick 


A. u. V. interlobulari9 


Ductus papillaria - 


■Vas efferens 

Au fieres Blatt d. 
G lom eru l uskapsel 

Lumen 

Innexea Blatt d. 
Glomeruluskapsel 


A bsteigender 
Schenkel der Hen• 
le’schen Schleife 


Aufsteigender 
Schenkel der Hen• 
lefschen Schleife 


Isthmus der Hen-" 
ie*schen Schleife 


Sammelrbhren _ 


Arteriolae rectae 


A. u. V. interlobaris 


Fig. 36. Schema der Nierenstruktur nach Stohr. 

Die Rindensubstanz dunkel, die Marksubstanz und die Markstrahlen 
hell. Rechts unten ein vergroBerter Glomerulus. 


Epithel der Tubuli contorti enthalt zahlreiche Kornchen, welche 
reihenweise zusammenhangen, so daB man hier von einem Stabchen- 
epithel gesprochen hat (Heidenhain). Dieses Epithel setzt sich auch 
durch die ganze Henle’sche Schleife bis in das Schaltstiick fort 
und wird nur in dem engen Isthmusabschnitt durch ganz 
platte, helle Epithelzellen ersetzt, welche sich nach Ludwig 
dachziegelformig decken sollen. In den Sammelrohrchen, 









































C. Die Harnorgane. 181 

Sammelrohren und Ductus papillares ist tiberall ein helles 
cubisches oder zylindrisches Epithel vorhanden, welches mit 
der zunehmenden Weite des Harnkanalchens immer hoher wird. Die 
Harnkanalchen werden durch ein Geriist von fibrillarem Bindegewebe 
(interstitielles Bindegewebe) getragen, welches mit der Nieren- 
kapsel zu^ammenhangt und auch die BlutgefaBe und Nerven enthalt. 

Die BlutgefaBe der Niere, A. und V. renalis, treten schon ge- 
teilt in den Hilus bzw. Sinus renis ein (Fig. 35). Ihre weiteren Zweige 
dringen ais Aa. bzw. Vv. interlobares in die Columnae Bertini ein, um 
dann bogenformig ais Aa. bzw. Vv. arciformes (Arcus renales) uber die 
Basen der Pyramiden hinwegzuziehen. Yon den Arcus renales gehen 
danji noch gerade Zweige ais Aa. und Vv. interlobulares zwischen 
den Markstrahlen zur Peripherie der Rinde, wo die Venen die 
Vv. stellatae aufnehmen. ,In der Rinde gehen nun von jeder A. inter¬ 
lobularis eine Anzahl kleiner, kurzer Zweige ais Vasa afferentia zu je 
einem GefaBknauel, Glomerulus, hin, inwelchem sie sich durch rasche 
Teilung in eine Anzahl kleiner arterieller Aste auflosen, welche als- 
bald zu einem Vas efferens zusammentreten und dann den Glomerulus 
verlassen. Diese Vasa efferentia gehen nun nicht in Venen iiber, 
sondern losen sich zunachst in Kapillaren auf, welche in dem 
interstitiellen Bindegewebe nicht allein die Harnkanalchen der 
Rinde, sondern auch noch die der Pyramiden bis zu den Papillen- 
spitzen umspinnen. Erst aus diesem Eapillarnetze geht das Blut in 
die Nierenvenen iiber, welche dann ais Vv. interlobulares bzw. arci¬ 
formes die gleichnamigen Arterien begleiten. Das Blut in den Vasa 
efferentia des Glomerulus ist also hellrot, arteriell und sauerstoff- 
reich, ,weil in den Glomeruli kein Sauerstoff verbraucht, sondern 
nur Wasser und andere Harnbestandteile aus dem Blute in den 
Hohlraum der MiiUer’schen Kapsel abfiltriert werden. Die Mark- 
sjibstanz (die Pyramiden) bezieht iibrigens ihr Blut nicht allein aus 
dem Kapillametz der Vasa efferentia, sondern auch noch aus ver- 
einzelten kleinen Arterien, Arteriolae rectae, welche aus den Aa. 
arciformes bis zu den Papillenspitzen nach abwarts ziehen konnen. 
Die Venen der Marksubstanz, Vv. rectae, miinden dementsprechend 
in die Vv. arciformes. 

Die LymphgefaBe und Nerven verlaufen meist neben den 
BlutgefaBen. 


II. Die Harnleiter. 

Die beiden Harnleiter, Ureteres, sind schmale, lange, platte 
Schlauche, welche den Harn von der Niere zur Blase fuhren. Der 
Ureter beginnt jederseits im Sinus renis in Gestalt der Nieren- 
kelche, Calyces renales, welche die Nierenpapillen becherformig um- 
schlieBen (Fig. 35). Die kleineren Calyces minores vereinigen sich zu den 


182 Teii. Eingeweide und Sinneaorgane. 

Calyces majores, durch deren Zusammentritt wieder ein groBerer, noch 
im Sinus renis gelegener Behalter, das Nierenbecken, Pelvis renalis, 
entsteht, ais dessen Fortsetzung danu der Ureter aus dem Hilus renis 
heraustritt. 

Der Harnleiter zieht dann dicht yor dem M. psoas major 
nach unten und etwas medianwarts ins kleine Becken hinab, wo er 
sich in den Fundus vesicae einsenkt. Demzufolge hat man an dem- 
selben eine Pars abdominalis und pelvina unterschieden. Auf diesem 
Wege kreuzt sich der Ureter dreimal mit folgenden Organen: 1. vor 
dem M. psoas mit der A. und V. spermatica int., welche vor dem 
Harnleiter nacb abwarts verlaufen; 2. am Beckeneingang mit der 
Teilungstelle der A. und V. iliaca, welche hinter ihm liegt; 3. im 
kleinen Becken selbst beim Manne mit dem Ductus deferens, welcher 
vor dem Ureter nach unten und medianwarts zur Prostata zieht. 
Beim Weibe liegt die Sache insofem anders, ais hier der Ureter 
etwa 1—1,5 cm seitlich von der Cervix uteri dicht oberhalb' 
des vorderen seitlichen Scheidengewolbes (hochstens 0,5 cm 
dariiber) zum Blasengrunde verlauft. Hierbei kreuzt der Harn¬ 
leiter die A. uterina, deren Hauptstamm in der Riickenlage dicht 
oberhalb' des letzteren gelegen ist. Der Ureter durchbohrt 
dann die Blasenwand in einer Lange von etwd 1,5—2 cm in 
schr&ger Richtung, so daB derselbe sich bei starkerer Fullung 
der Blase ventilartig schlieBen muB. Die harnableitenden Wege 
von den Nierenpapillen bis zur Harnblase besitzen eine diinne, im 
Ureter selbst langsgefaltete Schleimhaut, Mucosa, welche von einem 
geschichteten Pflasterepithel ausgekleidet ist, das auf einem 
bindegewebigen, aber zellenreichen Substrat, Tunica propria, aufsitzt. 
Nach auBen davon ist eine lockere Submucosa gelegen. Auf die 
letztere folgen glatte Muskelfasern, Tunica muscularis, welche aus 
einer Ringfaserschicht zwischen zwei' longitudinalen Lagen besteht. 
An die Muskelhaut schlieBt sich dann nach auBen noch Bindegewebe 
mit elastischen Fasern [Tunica adventitia) an, welches von innen nach 
auBen immer lockerer wird. 

III. Die Harnblase. 

Die Harnblase, Vesica urinaria, hat je nach ihrem Fiillungs- 
zustande beim mannlichen und beim weiblichen Geschlecht eine ver- 
schiedene Form. Beim Manne ist dieselbe in vollig kontrahiertem 
Zustande kugelig, in leerem mehr platt, bei starker Fullung eiformig. 
Beim Weibe ist die stark gefiillte Blase ebenfalls annahernd 
ovoid, jedoch weit mehr breitgezogen. Ist sie vollig leer, so sinkt 
der Blasenscheitel ein und erscheint infolgedessen napfformig ein- 
gedruckt. In stark kontrahiertem Zustande ist sie wohl auch beim 
Weibe mehr kugelig. 



C. Die Harnorgane. 


183 


An der Blase hat man den unteren Abschnitt ais Blasengrund, 
Fundus vesicae, den mittleren ais Blasenkorper, Corpus vesicae, und 
den oberen ais Blasenscheitel, Vertex vesicae, bezeichnet. Ein 
Blasenhals, Collum vesicae, d. h. eine trichterformige Vertiefung 
beim Ubergang in das sogen. Orificium uretrae internum ist nicbt vor- 
handen. 

Die Lage der Harnblase beim Erwachsenen ist derartig 
daB in leerem Zustande ihre vordere Wand unmittelbar hinter 
der Symphyse liegt, mit der sie durch lockeres Bindegewebe ver- 
bunden ist. In gefii litem Zustand iiberragt sie die Symphyse um ein 
Betrachtliches (3—5 cm). Beim Fotus und Kinde wird sie durch 
das hier sehr kurze Lig. umbilicale medium (s. w. u.) stets oberhalb 
der Symphyse festgehalten, weswegen sie in diesem Lebensalter auch 
eine platte Spindelform zeigt. Ihre hintere Wand grenzt beim 
Manne an die Samenblasen und das Rectum: doch ist zwischen dem 
Scheitel der gefiillten Blase und dem Rectum die vom Bauchfell 
ausgekleidete Excavatio recto-vesicalis gelegen. Beim Weibe liegen 
hinter der Blase die Vagina und die Cervix uteri, mit denen sie durch 
lockeres Bindegewebe verbunden ist. Wenn die Blase vollstandig 
gefullt ist, befindet sich zwischen ihr und dem Corpus uteri eben- 
falls eine Bucht, die Excavatio vesico-uterina, welche vom Bauchfell 
ausgekleidet ist. 

In ihrer Lage wird die B[arnblase hauptsachlich durch einen 
Bindegewebstrang, das Lig. umbilicale medium, erhalten, welches beim 
Fotus einen offenen, von der Blase zum Nabel laufenden Gang, den 
Urachus bildet, der spater durch Obliteration zu dem ebengenannten 
Ligament wird. Die beiden Ligg. umbilicalia lateralia (vgl. Fig. 11 
S. 57), welche ais bindegewebige Strange die Uberreste der ehemaligen 
Nabelarterien, Aa. umbilicales, darstellen, ziehen jederseits von der 
A. hypogastrica uber den lateralen Abschnitt des Blasenscheitels 
ebenfalls zum Nabel hin. Mit der Blase sind sie jedoch nicht so 
fest wie das vorige Band verbunden. Alie drei Bander heben peri- 
tonaale Falten empor. Dagegen wird der Blasengrund vorn durch 
die kraftigen, in die Prostatakapsel eingewebten Ligg. pubo¬ 
vesicalia [Ligg.pubo-prostatica) mit der Innenfl&che des,Os pubis (dicht 
neben der Symphyse) fest verbunden. 

Das Bauchfell iiberzieht den Scheitel der gefiillten Blase 
kapuzenformig, jedoch derartig, daB sein unterer Band hinter der 
vorderen Bauchwand ca. 3—5 cm von der Symphyse entfernt 
bleibt, so daB man in diesem Falle den vorderen Blasenschnitt dicht 
oberhalb der Symphyse machen kann, ohne das Bauchfell zu ver- 
letzen. Den groBten Abstand zwischen Symphyse und Bauchfell 
erzielt man jedoch, wenn man auBer der Blase auch noch das Rectum 
kiinstlich mit Flussigkeit anfiillt. Zwischen der vorderen Bauchwand 



184 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


und der gefullten Blase ist 'stets eine kleine Bucht vorhanden, 
welche durch das Lig. umbilicale medium in zwei Gruben, die Fossae 
supravesicales geteilt ist (vgl. Fig. 11), von denen eine jede lateral 
durch das Lig. umbilicale laterale 'begrenzt wird. Uber die leere 
oder kontrahierte Blase zieht das Bauchfell von der Symphyse 
glatt nacb abwarts, beim Manne zum Rectum, beim Weibe zum 
Uterus hin. 

Die Wahdder Harnblase besteht — abgesehen von dem sie 
teilweise deckenden Peritonaeum — auBen zunachst aus einer Tunica 
muscularis von glatten Muskeltasern, welche sich (wiederum von 
auBen nacb innen gerechnet) aus drei Scbichten, namlich 1. aus longi- 
tudinal von vorn tiber den Blasenscheitel nach hinten ziehenden 
Fasern (M. detrusor urinae ); 2. aus einer Ringfaserschicht und 
3. aus netzformig ana-stomosierendon Langsbundeln zusammen- 
setzt. Dio Ringfaserschicht verdickt sich am • Orificium urethrae inter¬ 
num zum Annulus urethralis, welcher kontinuierlich in den innerhalb 
der Prostata gelegenen, ebenfalls ringformigen Sphincter vesicae 
internus iibergeht. Der sogen. M. sphincter vesicae externus ist vorn und 
nach .auBen von dem .letzteren ebenfalls in der Prostatasubstanz 
gelegen, wird jedoch von ring- bzw. halbringfbrmigen quergestreiften 
Muskelfa&ern gebildet. An die Tunica muscularis schlieBt sich 
hierauf nach innen eine betrachtliche bindegewebige Submucosa 
a®, auf welche die Schleimhaut, Mucosa, folgt 
' ; ■ Die Schleimhaut besteht aus einem bindegewebigen Substrat 
IfFunicapropria), welches.e 1 astraehe Fasern und mitunter auch Lymph- 
fellikel enthalh Das Substrat wird innen von einem geschichteten 
Fflasterepithel bekleidet, welches bei kontrahierter Blase mehr 
kubisdaeiForm annimmt. Ftir die Untersuchung des Hames bei ver- 
schiedenen Krankheiten der Hamwege ist es sehr wichtig zu wissen, 
daB dies Epithel in d«n tieferen Schichten samtlicher Harnwege 
eigentiimlich unregelmaBig • gestaltete, vielfach geschwanzte Zellen be- 
sitzt. i Wenn die letzteren sich .im Ham vorfinden, so kann daraus 
der SchluB gezogen werden, daB irgendein ZerstorungsprozeB bis. in 
die tieferen Epithelschichten der Harnwege vorgedrnngen ist. 

: Am Blasengrunde treten, wie bereits S. 182 erwahnt, die 
Ureteren schrag durch die Blasenwand, indem sie die Schleimhaut 
in Gestalt einer Falte, Plica ureterica, ein wenig emporheben und 
hierauf mittels des Orifieitem ureteris durchbohren. Zwischen den 
beiden letzteren Offnungen werden di ese Falten durch die Plica inter¬ 
ureterica verbunden. Von der letzteren zieht endlich noch ein senk- 
rechter Langswulst, Uvula<vesicae, in die Mundung der Harnrohre 
(Orificium urethrae int.) hinein. Die eben genannten Wiilste des Blasen- 
grundes bilden in ihrer Gesamtheit das Trigonum vesicae s. Lieutaudii, 
welches aus glatten Muskelfasern mit elastischen Netzen besteht. 



I 


D. Die mannlichen Geschlechtsorgane. 185 

\ 

Endlich ist nochzu bemerken, daB die Schleimhaut nirgends deutliche 
Schleimdriisen, .01. vesicales., besitzt, denn die um die Urethral- 
mundung gelegenen Krypten kann man wohl kaum so bezeichnen. 
Der bei Blasenkatarrhen abgesonderte Schleim kann also nur von 
den Epithelzellen der Harnblase produziert sein. 

D. Die mUnnliclien Geschlechtsorgane. 

Zu den mannlichen Geschlechtsorganen werden: 1. die 
beiden Hoden und Nebenhoden nebst ihren Hiillen; 2. die beiden 
Samenleiter nnd Samenblasen; 3. die Harnrohre und 4. die 
beiden Schwellkorper des Penis gerechnet. Die beiden letzteren 
sind mit einem Teii der Harnrohre zum mannlichen Begattungs- 
gliede, Penis, vereinigt. Auch ein rudimentares Organ, die sogen. 
Paradidymis, kann man zu den mannlichen Geschlechtsorganen zahlen. 

I. Der Hode und Nebenhode. 

Der Hode, Testis (Testiculus, Didymis), hat eine seitlich ab- 
geplattete, elliptische Form: man unterscheidet an demselben dem- 
zufolge eine Extremitas sup. und inf., eine Facies medialis und lateralis, 
sowie den konvexen Margo ant. und den graden Margo post. Das obere 
Ende steht gewohnlich vorn ubergeneigt, der linke. Hode (wegen der 
starker gefullten Vv. spermatt: init) gewbhnlich etwas tiefer ais der rechte. 

Am hinteren Rande des Hodens ist der Nebenhode, Epidi¬ 
dymis, gelegen. Sein dickeres, oberes Ende bildet den Kopf, Caput 
epididymidis, das Mittelstiick den Korper, Corpus epididymidis, das 
untere Ende den .Schwanz, Cauda epididymidis, welcher nach hinten 
und oben umbiegt, um dann in den Samenleiter, Ductus deferens, 
iiberzugehen, welcher dicht hinter dem Nebenhoden nach auf- 
warts verlauft (Fig. 37). Der Kopf des Nebenhodens ist mit dem 
Hoden durch die aus letzterem in ihn hineintretenden feinen Samen- 
kanalchen fest verbunden. Im iibrigen ist zwischen beiden nur das 
Lig. epididymidis gelegen, eine Duplikatur der beide Organe einhiillen- 
den Tunica vaginalis propria, welche sicli an der lateralen Seite 
zwischen Hoden und Nebenhoden ziemlich tief einsenkt [Sinus epi¬ 
didymidis). 

Ais Nebenorgane des Hodens bzw. Nebenhodens, sind noch 
folgende zu nennen. Zwischen demKopf desNebenhodens und dem Ductus 
deferens liegt das langliche, kleine, blaBrote Giraldes’sche Organ, 
Paradidymis, ein Uberrest des beim Fotus yorhandenen Wolff’schen 
Korpers, welcher aus einem Haufchen knauelformig gewundener, blinder 
Driisenschlauche bestehi Am oberen Ende des Hodens ist manchmal 
die ungestielte oder lappige Hydatide, Appendix testis, yorhanden, 
welche aber eigentlich einen kleinen soliden Korper darstellt, dessen 



186 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


Inneres allerdings mitunter ein kleines Kanalchen mit Flimmer- 
epithel oder sogar Spermatozoen enthalten kann. Man nimmt an, 
daB dieser Appendix ein Analogon des abdominalen Tubenendes dar- 
stellt. Die sogen..gestielte Hydatide, Appendix epididymidis, ist 
ein, an einem diinnen Stiel vom Kopf des NebenbQdens herabhangen- 
des Blaschen: ihre Bedeutung ist unbekannt. 

Auf einer zwischen beiden Flachen des Hodens, von vorn 
nach hinten verlaufenden Schnittflache sieht man von der binde- 

Lobuli epididymidis 



Fig. 37. Schema fur den Verlauf der Samenkanalchen 
im Hoden und Nebenhoden. 


gewebigen Tunica albuginea aus zum hinteren Hodenrande eine Anzahl 
von Septula hinziehen, welche die Hodensubstanz in die sogen. Lobuli 
testis teilen und sich hinten zu einer derben Bindegewebsmasse, Media¬ 
stinum testis, vereinigen. Zwischen den Septula testis sind noch mit 
bloBem Auge die feinen Windungen der Samenkanalchen, Tubuli 
seminiferi , wahrnehmbar. 

Die eben genannten Samenkanalchen beginnen an der Peri¬ 
pherie des Hodens ais Tubuli contorti, gehen jedoch vor dem Eintritt 
in das Mediastinum testis in die Tubuli recti uber, um dann in dem 
Mediastinum selbst ein feines Netzwerk, Rete testis, zu bilden. Aus 




D. Die mannlichen Geschlechtsorgane. 


187 


dem Rete treten alsdann 12—14 Ductuli efferentes testis in den Kopf 
des Nebenhodens hinein, wo sie sich zu kegelfSrmigen Korpern, Lobuli 
epididymidis [Coni vasculosi Halleri) aufrollen, yon denen dann ein jeder 
in den starkeren Ductus epididymidis einmiindet, welcher den Neben- 
hoden unter mannigfachen Windungen durcbzieht, um schlieBlich am 
Schwanzende des letzteren in den Ductus deferens iiberzugehen. 

Die mikroskopische Unterscuchung des Hodens zeigt, daB 
zunachst die Septula testis aus festem fibrillaren Bindegewebe mit 
groBeren BlutgefaBen, die Zwischenraume zwischen den Samenkanal- 
chen dagegen aus einem mehr embryonalen Bindegewebe, d. b. einer 
homogenen Grundsubstanz mit eingelagerten Rundzellen bestehen. 
Letztere konnen mitunter Fett oder Pigment ©der auch Kristalloidc 
enthalten. Jeder Tubulus contortus besteht dann zunachst aus einer 
Tunica propria, welche auBen aus einer mehrfachen Lage von platten 
Bindegewebszellen, innen aus einer homogenen Haut zusammengesetzt 
ist. Diese Tunica umschlieBt nun das geschichtete Epithel, 
welches wiederum zwei Arten von Zellen, namlich: 1. die Sertoli’- 
schen FuB- oder Stiitzzellen und -2. die Samenzellen enthalt. 
Die FuBzellen sitzen auf der Tunica propria auf und erstrecken 
sich mit fmgerformigen Fortsatzen in das Lumen der Samenkanalchen 
hinein, indem sie die zweite Zellenart, die rundlichen Samenzellen, 
umschlieBen und tragen. Bei den letzteren hat man verschiedene 
Entwicklungsstadien (Spermatogonien, Spermatocyten, Prasperma- 
tiden und Spermatiden) unterschieden: aus den Spermatiden entwickeln 
sich hochstwahrscheinlich die Samentierchen, indem der Kern der 
Spermatide zum Kopf des Spermatozoon wird. Die Tubuli recti 
enthalten bereits lebende Spermatozoen und sind im iibrigen mit 
einem hellen Zylinderepithel ausgekleidet, welches im Rete testis 
allerdings sehr niedrig ist, aber sich sonst bis in den Ductus deferens 
fortsetzt. Die Epithelzellen vom Kopf des Nebenhodens bis in den 
Ductus deferens hinein sind mit Flimmerhaaren besetzt, welche jedoch 
nicht iiberall flimmern sollen (Stohe, Histologie). Bereits die Ductuli 
efferentes testis sind mit glatten Muskelfasern versehen. 

n. Sie HiiUen des Hodens und Nebenhodens. 

Die Hoden bzw. Nebenhoden sind beim Embryo urspriinglich 
zu beiden Seiten der Lendenwirbelsaule gelegen und steigen erst spater 
in den Hodensack nach abwarts. Noch vor dem Descensus hat die 
vordere Bauchwand an der Stelle das spateren Leistenkanales jeder- 
seits s eine Aussackung, den sogen. Genitalwulst, gebildet, an dem 
sich samtliche Schichten der Bauchwand, auch das Peritonaeum 
(Proc. vaginalis peritonaei), beteiligen. Durch Verwachsung des linken 
und rechten Genitalwulstes entsteht dann der spatere Hodensack. Der 
Proc. vaginalis peritonaei bildet nun zunachst eine im Hodensack blind 



188 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 



endigehde Rohre, deren Wande jedoch spater zu einem einfachen 
bindegewebigen Strange obliterieren (vgl. Fig. 38). Bleibt diese Rohre 
offen, so konnen natiirlich Darmschlingen in dieselbe von der Bauch- 
hohle bis zum Grund des Hodensackes gelangen [Herniae inguinales 
congenitae ). Noch wahrend der Hode in der Bauchhohle liegt, ist der- 
selbe mit dem Grund des Hodensackes durch einen mit glatten 
Muskelzellen reichlich versebenen bindegewebigen Strang, das Quber- 


Haut v s 



Fig. 38. Die Hiillen des Hodens (schematisch). 

Im Protv vaginalis peritonaei steckt ein Pfeil. Deijenige Teii des Processus, 
welcher nach der Gelmrt obliteriert, ist punktiert. 

naculum testis s. Hunteri verbunden. Man bat nun angenommen, da6 
der Hode durch das Gubernaculum gewissermaBen hinter dem Bauch- 
fell in den Grund des Hodensackes hin abgezogen und dann vom 
Proc. vaginalis vollig umwachsen wird. Der Hoden besitzt somit 
folgende Hiillen: 

1. Der Hodensack, Scrotum, bildet eine schlaffe, faltige, fettlose 
Fortsetzung der auheren Haut. 

2. Die Fleischhaut des Hodens, Tunica dartos, ist eine dem 
Scrotum ziemlich fest anliegende Fortsetzung des subkutanen Fett- 























D. Die mannlichen Geschleehtsorgane. 


189 


gewebes der Bauchhaut, in welche zahlreiche glatte Muskel- 
fasern, aber keine Fettzellen, eingelagert sind. Letztere bringen die 
am Hodensack in der Kalte auftretende Eunzeluhg hervor. 

3. Eine starke Schicht lockeren Bindegewebes, welche sich 
bei alten Leuten haufig zu einer Art Faszie verdickt 1 und von 
einigen Autoren ais Fortsetzung der Fascia superfio, abdominis 
angesehen wird. 

4. Die diinne Fascia cremasterica bedeckt den nachfolgenden 
Muskol ais Fortsetzung des M. obliquus abdominis externus. 

5. Der quergestreifte HeberdesHodens, M. cremaster, umgreift 
den letzteren schlingenformig ais Fortsetzung des M. obliquus abdominis 
internus. Der M. transversus abdominis gibt dagegen dem Hoden 
keine deutlich nachweisbare Hiille mit. 

6. Die gemeinsame Scheidenhaut, Tunica vaginalis communis , 
umhiillt ais Fortsetzung der Fascia'transversalis, abdominis den 
Hoden, Nebenhoden un’d Samenstrang allseitig. 

7. Die besondere Scheidenhaut, Tunica vaginalis propria testis, 
umhiillt ais Abkommling des Bauchfells den Hoden und Neben- 
boden nach Art eines serosen Sackes, an dem man ein parietales 
und ein viszerales Blatt unterscheidet (Fig. 38). Letzteres ist mit 
der folgenden Haut fest verwachsen. 

8. Die Fas er hau t des Hodens, Tunica albuginea testis, umhiillt 
unter der vorigen ais feste derbe Bindegewebsehicht den ganzen 
Hoden. 

III. Samenleiter und Samenblasen. 

Der Samenleiter, Ductus deferens, verlauft zunachst dicht hinter 
dem Nebenhoden jederseits neben der A. und V. bzw. dem Plexus sper¬ 
maticus int. nach aufwarts, indem er mit diesen Organen den Samen¬ 
strang, Funiculus spermaticus, bildet, in dem er am meisten dorsal 
liegt. Nachdem er den Leistenkanal durchzogen hat, trennt er sich 
am inneren Leistenring von den GefaBen und Nerven und tritt nun 
iiber die Umbiegungstelle der Vasa epigastrica inff.(vgl. Fig. 11 
S. 57) hinweg, um dann zunachst medial vom Lig. umbilicale lat., 
weiterhin zwischen dem Ureter und der hinteren Blasen- 
wand zur Basis prostatae zu ziehen, wo er sich mit dem Ausfiibrungs- 
gang der Samenhlase zum Ausspritzungsgang, Ductus ejaculatorius, 
vereinigt. Der Ductus deferens bildet kurz vor dem Eintritt in die 
Prostata eine mit hockrigen Ausbuchtungen versehene Erweiterung, 
die Ampulle. Die Wand des Ductu-s deferens ist relativ dick 
und fiihlt sich knorpelartig hart an. Innen ist sie von einem 
hellen Zylinderepithel ausgekleidet, welches auf einem binde- 

1 Da bald diese Faszie, bald die nachstfolgende ais Fascia Cooperi be- 
zeichnet worden ist, laBt man den letzteren Ausdruck am besten ganz fallen. 



190 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


gewebigen Substrat aufsitzt (! Tunica mucosa ). Nach auBen dayon 
folgt eine starke Lage von glatten Muskelfasern (meist eine Ring- 
faserschicht zwischen zwei longitudinalen), an die sich eine binde- 
gewebige Adventitia anschlieBt. 

Die Samenblasen, Vesiculae seminales,, besteben aus je einem 
langen, mit hockrigen Ausbuchtungen versebenen Gange, welcher derart 
gebogen ist, daB das blinde Ende nahe dem Ausfiihrungsgang liegt, 
was man jedocb nicbt obne weiteres sieht, da dieser Gang von einer 
derben bindegewebigen Kapsel umhiillt ist Beide Samenblasen 
sind lateral von den Ampullen gelegen, indem sie schrag nacb unten 
konvergieren. Aucb ibre Wand enthalt ein Zylinderepithel, ein 
bindegewebiges Substrat, mehr unregelmaBig angeordnete glatte 
Muskelfasern und die bindegewebige Kapsel. tjbrigens finden 
sicb sowobl in den Samenblasen wie in den Ampullen im Epitbel, 
aber auch im Substrat und der Muscularis zahlreicbe Pigmentkorper- 
qben vor. Eigentiimliche dort vorhandene Buchten sind wahrschein- 
lich nicbt ais Driisen zu deuten. Das belle gallertige Sekret der 
Samenblasen entbalt keine Spermatozoen. Der Ausfiihrungsgang der- 
selben, Ductus excretorius , tritt beim Eintritt in die Prostata mit dem 
Ductus deferens zu dem bereits erwahnten Ductus ejaculatorius zusammen. 

Die beiden Ductus ejaculatorii treten schrag nach vorn und unten 
durcb die Prostata hindurcb, an deren Innenflache sie auf der Hohe 
des sogen. Colliculus seminalis in die Harnrohre miinden. Ibre Wand 
ist viel dunner ais die der vorigen Ausfiihrungsgange, jedoch im 
iibrigen von derjenigen der letzteren nicbt wesentlich verscbieden. 

IV. Die Harnrohre. 

Die mannliche Harnrohre, Urethra virilis, beginnt an der 
Harnblase mittels des Orificium internum und endet an der Eichel 
mittels des Orificium externum. Man kann an derselben 1. eine Pars 
prostatica ; 2. eine Pars membranacea und 3. eine Pars cavernosa unter- 
scbeiden, von denen die erste oberbalb, die zweite innerbalb, die 
dritte unterbalb des Diaphragma uro-genitale 1 gelegen ist. Die Urethra 
hat bei schlaffem Penis einen S-formigen Verlauf. Man unterscheidet. 
demzufolge an derselben: 1. die mit der Konvexitat nacb abwarts 
gerichtete Perinealkrummung und 2. die mit der Konvexitat auf- 
warts ragende Symphysenkrummung. Erstere entspricbt dem 
Bulbus urethrae, letztere ist vor der Symphyse gelegen. Bei erigiertem 
Penis ist nur die erstere vorhanden. Die Cbirurgen pflegen auch von 
einer Pars pendula und accreta zu sprechen. 

1 Das Diaphragma uro-genitale (Trigonum uro-genitale) ist eine dreiseitige 
Platte, welche aus zwei Faszienblattern mit dazwischen liegenden Muskelfasern 
besteht und den Schamwinkel ausfiillt (naheres s. bei den Dammuskeln). 



D. Die mannlichen Geschleehtsorgane. 


191 


. 1. Die Pars prostatica urethrae schlieBt sich an die Hamblase an 
und wird von der Vorsteherdriise, Prostata, umgeben. An der 
Prostata kann man die obere breite Basis, die untere Spitze, Apex, 
sowie die Facies ant. und post, unterscheiden. Die vordere Flache 
ist mit der Symphysengegend durch die derben Ligg. pubo-prostatica 
verbunden, die hintere vom Rectum durch lockeres Bindegewebe ge- 
schieden. Durch den Eintritt der Ductus ejaculatorii wird die Prostata 
(meist nur undeutlich) in mehrere Lappen geschieden. Die Prostata 
besteht hauptsachlich aus einer zusammengesetzt alveolo-tubu- 
losen Druse, Corpus glandulare prostatae, welche von glatten und 
quergestreiften Muskelfasern umgeben ist. Die Driise ist mit 
einem einfachen Zylinderepithel ausgekleidet, welches das alka- 
lische Prostatasekret absondert, dessen Entleerung bei der Samen- 
ejakulation nach meinen Untersuchungen derjenigen des eigentlichen 
Hodensekretes immer unmittelbar vorangeht, wahrend wiederum das 
Sekret der Samenblasen dem letzteren unmittelbar folgt. In den 
Ausftihrungsgangen sind haufig bei alten Leuten konzentrisch ge- 
schichtete Konkremente, Prostatasteine, vorhanden. Die glatten 
Muskelfasern verlaufen besonders in der Nahe der Urethra meist 
ringformig, indem sie hier den unwillkiirlichen M. sphincter vesicae internus 
bilden. Die quergestreiften sind nach auBen von dem letzteren zu- 
nachst nur an der Vorderflache der Prostata vorhanden, umgeben je- 
doch an der Spitze der letzteren die Urethra ringformig [M. sphincter vesicae 
externus). Die Prostata ist endlich von einer derben bindegewebigen 
Kapsel umgeben, unter welcher zahlreiche Venenplexus liegen. 

An der Innenflache der Pars prostatica urethrae bildet 
die Schleimhaut eine halbkugelige Hervorragung, Colliculus seminalis, 
welche nach der Pars membranacea hin in eine Leiste, Crista urethralis, 
auslauft. In dem' Colliculus ist eine birnformige Aushohlung, Utri¬ 
culus prostaticus (s. masculinus), gelegen, welche ein Analogon des 
weiblichen Uterus darstellt. Zu beiden Seiten des Utriculus (mitunter 
auch direkt in dem kleinen Hohlraum) sind die Mttndungen der 
Ductus ejaculatorii und der Prostatadrusen gelegen. 

2. Die Pars membranacea urethrae ist der diinnste, engste und 
kiirzeste Teii derselben, welcher ganzlich vom Diaphragma uro-genitale 
umgeben und deswegen auch unbeweglich ist 

3. Die Pars cavernosa urethrae ist so benannt, weil dieselbe liber¬ 
ali von dem schwammahnlichen Gewebe des Corpus cavernosum urethrae 
umgeben ist 1 , welches an seinem vorderen wie an seinem hinteren 
Ende je eine Anschwellung besitzt. Jeder von diesen beiden An- 
schwellungen entspricht innen eine weitere Stelle der Harn- 

1 Das kavernose Gewebe enthalt anstatt der Kapillaren groBere mit 
Blut gefiillte Hohlraume und kann infolge seinei; elastischen Beschaffenheit bei 
starkerer Fiillung staik anschwellen. 



192 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


rohre. Die hintere Anschwellung ist die Harnrohrenzwiebel, 
Bulbus urethrae , die vordere bildet die Eichel, Olans penis. Der 
bulbus wird jederseits von dem Ausfiibrungsgange der Cowper’schen 
Driise, Glandula bulbo-urethralis, durchbohrt. Dies Organ ist eine 
etwa erbsgroBe, zusammengesetzt tubulose Driise, welche jederseits 
dicbt neben der Medianlinie am hinteren Ende des Bulbus zwischen 
dem M. bulbo-cavernosus und transv. perinei prof. gelegen ist. Ihr 
helles fadenziehendes Sekret dient wahrscheinlich dazu, die Ham- 
rohrenschleimbaut vor der Ejaculatio semini4 scbliipfrig zu.machen. 
Die vordere Anschwellung, Glans penis, besitzt hinten eine glocken- 
formige Aushohlung, in welche sicb die beiden Corpora cavernosa penis 
hineinschieben. Die erweiterte, in der Eichel dicht hiuter dem Ori¬ 
ficium ext. gelegene Partie der Harnrohre wird ais Fossa navicularis 
bezeichnet. Mitunter ist die letztere durch eine kleine Querfalte 
(Guerin’sche Falte) nach hinten abgegrenzt. Die Schleimhaut der 
Pars cavernosa zeigt infolge ihrer Elastizitat longitudinale Falten; 
sie besitzt au&erdem feine Offnungen, welche zu den Lacunae urethrales 
s. Morgagnii, fQhren. Die letzteren ziehen ais lange schlauchformige, 
mit Zylinderepithel ausgekleidete, enge Gange unter die Schleimhaut, 
sind aber nicht ais Driisen zu betrachten. Daneben sollen sich in 
der Urethra aber auch vereinzelte, wirkliche, alveolo-tubulose Dnisen, 
Gl. urethrales (Littrii) vorfinden. Die Schleimhaut besitzt im ubrigen 
in der Pars prostatica und der Fossa navicularis ein geschichtetes 
Pflaster-, sonst nur ein einfaches Zylinderepithel. 

V. Der Penis. 

An dem mannlichen Gliede, Penis, wird die Wurzel, Radix, 
der Schaft, Corpus, und die Eichel, Glans, unterschieden. An der 
letzteren wird der iiberragende Rand ais Corona glandis, die dahinter 
befindliche Furche ais Collum glandis bezeichnet. Die diinne fettlose 
Haut bildet vorn die Yorhaut, Praeputium, an der mandas schleim- 
hautahnliche innere und das aus auBerer Haut bestehende auBere 
Blatt unterscheidet. Am inneren Blatt sind noch das Frenulum 
praeputii und die talgsezernierenden Tyson’schen Vorhautdriisen, 
Glandulae praeputiales, zu erwahnen. Unter der Penishaut liegt eine 
Schicht von lockerem Bindegewebe, es folgt die mit der Oberflache 
der Schwellkorper festverbundene Fascia penis. Die drei Schwell- 
korper, namlich das bereits erwahnte Corpus cavernosum urethrae 
(vgl. S. 191) und die beiden Coipora cavernosa penis bilden die Haupt- 
masse des Penis. Die beiden Corpora cavernosa penis entspringen jederseits 
mittels des Crus penis am Ramus inf. des Schambeins und flieBen -dann 
zu einem gemeinsamen, ganz oder teilweise durch ein Septum getrennten 
Korper zusammen.. Mit der Symphyse sind sie durch das Lrig. suspensorium 
penis mediale, mit dem Ramus inf. pubis durch die Ligg. suspensoria penis 



193 


E. Die weiblichen Geschlechtsorgane. 

lateralia verbunden. Die untere Flache beider Schwellkorper zeigt den 
Sulcus urethralis zur Einlagerung des Corpus cavernosum urethrae, die 
obere den seichten Sulcus dorsalis, in dem, von der Fascia penis bedeckt, 
in der Mitte die einfache V. dorsalis penis, zu beiden Seiten die 
Aa. dorsales penis, noch weiter lateral die Nn. -dorsales penis liegen. 

Jeder kavernose Korper besteht aus der dicken bindegewebigen 
Hulle, Tunica albuginea , und dem elastischen Balkenwerk,. Trabe¬ 
culae, dessen Maschen die blutgefiillten Hohlraume umgrenzen. Die 
zufiihreriden Ar teri en haben vielfach einen rankenformigen Verlauf 
(Aa. helicinae)', sie sind nicht allein mit ringformigen, sondern auch 
longitudinalen glatten Muskelfasern versehen. Zum Zustande- 
kommen der Erektion gehorrt aber nicht allein ein vermehrter 
BlutzufluB durch die Arterien, sondern auch daB der RiickfluB 
aus den Venen der kavernosen Korper gehemmt wird. In dieser 
Beziehung muB man nun die Corpora cavernosa penis und das Corpus 
cavernosum urethrae auseinander halten. Das Blut aus den ersteren 
wird durch die Vv. profundae penis abgefilhrt, welche zwischen 
den glatten Muskelfasern d§s Transversus perinei profundus zur 
V. pudenda int. hinziehen. Die Vv. proff. penis konnen somit durch 
diese Muskelfasern komprimiert werden. Das Blut aus dem Corpus 
cavernosum urethrae wird dagegen durch die V. dorsalis penis abgefuhrt, 
welche zwischen bindegewebigenTeilen dichtunterdemSchamwinkel 
zum Plexus pudendalis hinzieht und somit nie im RiickfluB behindert werden 
kann. Nur bei den Corpp. cavem, penis kann somit eine derartige Blut- 
stauung stattfinden, daB Erektion erfolgt. Das Corpus cavem, urethrae 
bleibt dagegen selbst bei starkster Blutfiillung stets weichundkompressibel. 

E. Die weiblichen Greschlechtsorgane. 

Dazu gehoren: 1. Die auBeren Geschlechtsteile, Pudendum 
muliebre; 2. der Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae; 3. die Scheide, 
Vagina; 4. die Gebarmutter, Uterus; 5. die Eileiter, Tubae uterinae ; 
6. die Eierstocke, Ovaria, und 7. die Brustdriisen, Mammae. 
Auch das sogen. Epoophoron und Paroophoron kann man dazu rechnen. 

I. Sie auBeren GescMechtsteile. 

Der Eingang derselben wird durch zwei mit Fett geftillte Haut- 
falten, diegroBenSchamlippen, Labia majora, gebildet, zwischen denen 
die Schamspalte, Rimapudendi, gelegen ist. Vorn sind die Schamlippen 
durch die Commissura labiorum ant., hinten durch die Comm. labiorum post. 
verbunden. Oberhalb der vorderen Kommissur ist eine Erhabenheit, Mons 
veneris , hinter der hinteren eine Vertiefung, Fossa navicularis, gelegen. 1 

1 Wenn die hintere Kommissur sehr deutlich ausgepragt ist, wird die- 
selbe von den Gynakologen auch ais „Frenulum labiorum" bezeichnet. 

Broesike, Kepetitorium anatomicum. 



194 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


II. Das Vestibulum vaginae. 

Das Vestibulum vaginae wird hauptsachlich von den kleinen 
Schamlippen, Labia minora (Nymphae), begrenzt, d. h. Schleimhaut- 
falten, welche eine Art kavernoses Venengeflecht einschlieBen. Nacb 
oben hin lauft eine jede der kleinen Schamlippen in zwei kleine 
Falten, das Praeputium und das Frenulum clitoridis, aus, welche eine 
kleine Hervorragung, den Kitzler, Clitoris, umfassen. Das vordere 
Ende des letzteren ist die Glans clitoridis, im iibrigen ist die.Eli toris 
ein Analogon der beiden Corpora cavernosa penis und auch 
wie diese gehaut hzw. erektionsfahig. Ein Analogon des Corpus 
cavernosum urethrae findet sich beim Weibe nur in Gestalt eines 
hufeisenformigen kavernosen Venengeflechtes, dessen diinnes Mittel- 
stiick, Isthmus, zwischen Klitoris und Urethra, dessen dickere Enden, 
Bulbi vestibuli, an den Seitenwanden des Vestibulum, dicht unter der 
Schleimhaut, gelegen sind. Die Innenflache der kleinen Schamlippen 
zeigt. endlich noch (meist unweit der hinteren Kommissur) die Mun- 
dungen der erbs- bis kleinbohnengroBen Cowper’schen oder Bartho- 
lin’schen Driisen, Gl. vestibulares majores, deren helles fadenziehendes 
Sekret dazu dient, die weiblichen Geschlechtsteile fiir die Kohabitation 
schliipfrig zu machen. Mitunter sind noch kleinere, Gl. vestibulares 
minores, regelmaBig auch noch Talgdriisen, Gl. sebaceae, vorhanden. 

An der Grenze zwischen Vestibulum und Vagina liegt bei 
jungfraulichen Individuen eine sichel- oder halbmondlormige Falte, 
das Jungfernhautchen, Hymen , welches tibrigens auch ais Hymen 
annularis , fimbriatus, cribriformis oder sogar imperforatus auftreten 
kann. Nach der Defloration sind an seiner Stelle nur unregelmaBige,. 
kleine Hervorragungen, die Carunculae hymenales, vorhanden. Die 
oberen Enden des Hymens stoBen an dem Orificium ext. urethrae zu- 
sammen, welches stets etwas nach hinten von der Klitoris gelegen ist. 

Die Urethra des Weibesistsehrkurz: sie hat etwa die Lange eines 
kleinen Fingergliedes. Ihre Schleimhaut ist mit geschichtetem 
Pflasterepithel bekleidet und besitzt kleine tubulose Gl. urethrales. 
Nach auBen davon liegt zunachst eine starke Lage von glatten, sodann 
von quergestreiften, meist ringformigen Muskelfasern (M. sphincter 
vesicae int. und ext.). Wichtig ist, daB die Urethra mit der vorderen Vaginal- 
wand untrennbar durch eine derbe Bindegewebschicht verwachsen ist 
(Septum urethro-vaginale). In den beiden lateralen Wanden der Urethra sind 
noch zwei eigentumliche, lange, schlauchformige Gange, die Skene’schen 
Gange, Duelus paraurethrales, gelegen. Ihre Miindungen befinden sich 
neben dem Orif. ext. der Hamrohre, ihre blinden Enden reichen bis zur 
Harnblase. Ihre Bedeutung ist noch nicht erforscht. Die Schleim¬ 
haut des Vestibulum hat denselben Bau wie die auBereHaut, besitzt 
jedoch keine Haare und Knaueldrusen, dagegen acinose Talgdriisen. 



E. Die weiblichen Geschlechtsorgane. 


195 


III. Die Vagina. 

Die Scheide, Vagina, beginnt am Hymen mittels des Scheiden- 
einganges, Orificium vaginae, welcher zum Seheidenkorper, Corpus 
vaginae, fiihrt, der seinerseits in das Scheidengewolbe, Fornix 
vaginae, iibergeht. Unter letzterer Bezeichnung versteht man den 
obersten Teii der Scheide, welcher den Uterus umfaBt. Man hat an 
demselben das kiirzere vordere und das weitere hintere Scheiden¬ 
gewolbe besonders bezeichnet. Die Vagina ist vorn mit der Urethra 
durch das Septum urethro-vaginale unverschieblich,-mit der Blase da- 
gegen nur durch lockeres Bindegewebe verbunden. Hinten grenzt 
sie an den Mastdarm. Ihre Innenflache besitzt querlaufende Runzeln, 
Rugae vaginales, welche vorn und hinten zu je einem Langswulst, 
Columna rugarum ant. und post., zusammenflieBen. Die Columna ant. 
springt bei Deflorierten im Scheideneingang kielformig hervor ( Carina 
urethralis s. vaginae ). Die Vaginalwand besitzt innen ein geschich- 
tetes Pflasterepithel, nach auBen davon ein bindegewebiges 
Substrat mit Papillen und glatten unregelmaBig verlaufenden 
Muskelfasem, durch deren Itontraktion unter Umstanden eine unwill- 
kiirliche Verengerung der Vagina herbeigefiihrt werden kann. Solitare 
Lymphfollikel sind in der Vaginalwand vorhanden, dagegen fehlen 
anscheinend Schleimdriisen. Danach muB der sogen. Vaginalschleim 
vom Scheidenepithel geliefert werden. Die Columnae rugarum ent- 
“•halten ebenso wie die Umgebung der Vagina reichliche Venenplexus. 

IV. Der Uterus. 

Die Gebarmutter, Uterus (Mijvga), hat bei Jungfrauen eine 
mehr langgestreckte, bei Weibern, die geboren haben,-eine mehr breite 
Birnform. Seine vordere Flache, Facies vesicalis, ist platt, die 
hintere, Facies intestinalis, ist gewolbt. Das obere breite Ende 
wird Fundus uteri, das Mittelstuck Corpus uteri, der unterste Abschnitt 
Cervix uteri bezeichnet. Da ein Teii der Cervix in das Scheiden¬ 
gewolbe hineinragt, hat man an derselben eine Portio supravaginalis 
und vaginalis cervicis unterschieden. Die Portio vaginalis zeigt die 
beiden Muttermundslippen, das Labium ant. und Labium post., 
welche einen schmaleu Spalt, den auBeren Muttermund, Orificium 
externum uteri, zwischen sich fassen. Das Orificium internum uteri ist 
dagegen im Inneren der Gebarmutter zwischen Cervix und Corpus 
gelegen. Das Labium ant. ist langer ais das Labium post., doch ist 
bei der Untersuchung am Lebenden von dem letzteren ein langeres 
Stuck fiihlbar, da sich das hintere Scheidengewolbe an demselben hoher 
aufwarts festsetzt. Bei Individuen, die bereits geboren haben, ist der 
auBere Muttermund dagegen ein kleines Griibchen, welches von 
narbigen Einziehungen umgeben ist. Die Hohlung der Cervix heiBt 

13* 



196 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


Cervikalkanal, Canalis cervicis, die des Corpus uteri Cavum uteri. 
Die Innenflache des letzteren ist glatt, diejenige des Cervikalkanals 
zeigt vorn und hinten schrage Schleimhautfalten, Plicae palmatae. 

Die Lage des Uterus wechselt je nach dem Filllungszustand 
der Blase auBerordentlich. Ist die letztere leer, so bilden Corpus 
und Cervix uteri einen nach vorn offenen Winkel und der Fundus 
ruht auf dem eingesunkenen Blasenscheitel. Fiillt sich die Blase, so 
wird der Fundus uteri gehoben und der ebenerwahnte Winkel mehr 
oder weniger ausgeglichen. Die Cervix ist somit ais der am wenigsten 
bewegliche Teii des ganzen Uterus anzusehen. Haufig ist noch eine 
Extraniedianstellung des Uterus vorhanden. Der Uteruskorper 
nebst den Tuben und Ovarien wird im iibrigen von einer Dupli- 
katur des Peritonaeum, dem Lig. latum, in folgender Weise um- 
hiillt. Das vordere Blatt des letzteren bekleidet die vordere Flache 
des Uteruskorpers bis zum Beginn der Cervix und schlagt sich 
alsdann auf die Blase hiniiber, indem dasselbe zwischen der letzteren 
und dem Uteruskorper eine Bucht, Excavatio vesico-uterina, auskleidet. 
Das hintere Blatt des Lig. latum reicht dagegen erheblich weiter 
nach abwarts, indem es nicht allein die ganze hintere Flache des Corpus 
und der Cervix uteri, sondern sogar noch die obere Flache des 
hinteren Scheidengewolbes bekleidet und erst dann auf die 
Yorderflache des Rectum hinuberzieht. Auch hier entsteht auf diese 
Weise zwischen Uterus und Rectum eine, jedoch erheblich tiefere Bucht, 
der Douglas’sche Raum, Excavatio recto uterina, welcher seitlich von' 
zwei halbmondformigen Falten, Plicae recto-uterinae, begrenzt wird, 
die sich lateral vom Rectum am Kreuzhein befestigen. In diesen 
Falten sollen Bindegewebstrange, die Ligg. sacro-uterina, bzw. glatte 
Muskelfasern gelegen sein. Wenn man somit von der Vagina aus in 
das hintere Scheidengewolbe einsticht, gelangt man in den Donglas’- 
schen Raum, d. h. in die Bauchhohle. Denjenigen Teii des Bauch- 
fells, welcher die Oberflache des Uterus direkt bekleidet, hat man ais 
Perimetrium bezeichnet. Ais Parametrium hat man dagegen das lockere 
Bindegewebe benannt, welches zu beiden Seiten des Uterus zwischen 
beiden Blattera des Lig. latum gelegen ist und von hier aus mit dem 
iibrigen lockeren Bindegewebe des kleinen Beckens zusammenhangt. 
In gewissem Sinne ist die Lage des Uterus endlich noch von dem 
Lig. teres abhangig, welches jederseits am Fundus dicht neben der 
Tubenmundung entspringt und hierauf dicht unter dem Peritonaeum 
bis zum Leistenkanal verlauft, durch den es hindurchtritt, um sich 
im Fett des Mons pubis zu verlieren. Das Band, welches ein Ana- 
logon des Gubernaculum Hunteri (vgl. S. 163) darstellen soli, enthalt 
glatte Muskelfasern, welche somit bei ihrer Kontraktion den 
Uteruskorper nach vorn ziehen konnten. Die Uteruswand besteht 
von auBen nach innen: l. aus dem Bauchfelliiberzug {Perimetrium)-, 




E. Die weiblichen Gesehlecbtsorgane. • 197 

2. aus der Muscularis {Myometrium), und 3. aus der Schleimhaut 
[Endometrium). 

Das Bauchfell ist mit der darunterliegenden Muskulatur fest 
verwachsen. 

Die Muscularis besteht in der Cervix aus drei deutlichen Schichten 
glatter Muskelfasern, namlich einer Ringfaserschicht zwischen 
einer auBeren und inneren longitudinalen Lage. Am Uteruskorper 
ist eine deutliche Trennung in Schichten an der Muskulatur nicht 
wahrzunehmen. Doch sind die grbBeren BlutgefaBe stets in der 
mittleren Partie der Muscularis des Uteruskhrpers gelegen. 
Demzufolge kann man an der letzteren ein Stratum submucosum, 
Stratum vasculosum und ein Stratum supravasculare unterscheiden. 

Die Schleimhaut ist im unteren Teii der Cervix mit geschich- 
tetem Pflasterepithel, im oberen Teii derselben und im Cavum 
uteri mit Flimmerepithel ausgekleidet, dessen Harchen nack ab- 
warts flimmern. Nach auBen von dem Epithel liegt ein Substrat, 
welches in der Cervix aus fibrillarem Bindegewebe, im iibrigen Uterus 
dagegen aus einer homogenen Grundsubstanz mit zahlreichen Rund- 
zellen vom Charakter der Leukozyten besteht (Neigung zur Aus- 
wanderung, wie z. B. beim Fluor albus). Eine Submucosa ist nicht 
vorhanden. 

Die Cervix besitzt zwischen den Plicae palmatae kurze schlauch- 
formige Buchten, 01 . cervicales, welche mit hellem Zylinderepithel aus- 
gekleidet sind und den Schleim absondern, der sich in Gestalt eines 
zahen Pfropfes normalerweise im Cervikalkanal vorfindet. Verstopfte, 
kuglig erweiterte Gl. cervicales werden ais Ovula Nabothi bezeichnet. 
Auch die Schleimhaut des Corpus uteri besitzt lange tubulose, mit- 
unter gablig verastelte sogen. Driisen, Gl. uterinae, welche indessen 
kein Sekret absondern, sondern dazu dienen, das Epithel wieder zu 
regenerieren, wenn dasselbe bei der Geburt, ebenso wie die ganze 
iibrige Schleimhaut, vollstandig abgestoBen wird. Das Epithel .der 
Gl. uterinae ist dementsprechend auch ein Flimmerepithel. 

V. Die Eileiter. 

Die Eileiter, Tubae uterinae (Oviductus), sind Rohren, welche im 
oberen Rande des Lig. latum liegen und die aus dem Ovarium frei- 
gewordenen Eier in den Uterus hiniiberleiten. An jeder Tube unter- 
scheidet man die mediale, enge, in den Fundus uteri mttndende 
Offnung, das Ostium uterinum, und die erheblich weitere, freie, laterale 
Offnung, das Ostium abdominale, deren Rand in eine Anzahl von 
Lappchen, Fimbriae, geteilt ist, von denen eines, die Fimbria ovarica, 
gewohnlich langer ist und direkt zum Ovarium hinfiihrt. Man kann 
annehmen, daB das geloste Ei liings dieser Fimbria ovarica in die 
Tube hineinwandert. Aus dem Ostium abdominale gelangt man in 



198 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


eine trichterformige Erweiterung der Tube, Infundibulum tubae ; iui 
iibrigen kann man an der Tube: 1. den lateralen weiteren Abschnitt, 
Ampulla tubae ; 2. den medialen engeren Abschnitt, Isthmus tubae, 
endlich ,3. die in derUteruswand gelegene Pars uterina tubae unter- 
scheiden. Die beiden letzteren Abschnitte besitzen eine glatte Innen- 
flache. Dagegen zeigt die Schleirahaut der Ampulle zahlreiche 
Falten und Buchten, in denen-man bei Tieren sogar eingewanderte 
Spermien vorgefunden hat. 

Das Ostium abdominale ist mit der Seitenwand des kleinen 
Beckens durch das Lig. infundibulo -pelvicum , mit dem Ovarium durch 
das neben der Fimbria ovarica gelegene Lig. infundibulo-ovarieum ver- 
bunden. In diesen Biindchen verlaufen auch die Zweige der A. und 
V. spermat int. zur Tube und zum Ovarium hin. Die Tuben sind 
normalerweisc derartig gelegen, daB das laterale Tubenende zu- 
uachst mehr nach oben, dann nach hinten umbiegend wieder ab- 
warts verlauft, indem dasselbe das Ovarium dabei teilweise umgibt 
und dem letzteren mittels des Infundibulum direkt aufliegt. 

Die Tubenschleimhaut ist mit Flimmerepithel ausgekleidet, 
dessen Harchen natiirlich nach dem Uterus hin flimmern und welches 
am Ostium abdominale direkt in das Bauchfellepithel iibergeht. Das 
bindegewebige Substrat zeigt einen lymphatischen Charakter, 
d. h. viel Rundzellen vom Aussehen der Leukozyten. Nach auBen 
davon glatte Muskelfasern, und zwar eine innere longitudinale, 
eine Ringfaserschicht und eine auBere longitudinale Schicht. 

VI. Die Ovarien. 

Die Eierstocke, Ovaria, sind platte elliptische Korper, ah denen 
man ein mediales Ende, Extremitas uterina, ein laterales Ende, 
Extremitas tubaria, ferner einen an das Lig. latum angehefteten geraden 
Rand, Margo mesovaricus, und einen freien konvexen Rand, Margo 
liber, endlich zwei Flachen, eine Facies medialis und lateralis, unter- 
scheidet. Der angeheftete Rand wird wegen der daselbst eiutreten- 
den BlutgefaBe und Nerven auch ais Hilus ovarii bezeichnet. Die 
Lage des Ovarium ist zwar eine wechselnde, doch wird folgendes 
ais normal angesehen. Seine Langsachse verlauft nahezu senkreclit 
oder auch mehr schrag, indem die Extremitas tubaria mehr ohen, die 
Extrem. uterina mehr unten liegt. Seine laterale Flache ist (gewohn- 
lich in einer besonderen kleinen Bauchfellgrube, Fossa ovarica)- der 
seitlichen Beckenwand angelagert. Der angeheftete Rand liegt vorn, 
der freie Rand hinten. Betreffs seines Verhaltens zur Tube s. oben. 
Mit dem Fundus uteri steht das Ovarium durch das zwischen beiden 
Blattera des Lig. latum gelegene Lig. ovarii proprium, mit dem 
lateralen Tubenende durch das oben erwahnte Lig. infundibulo-ovari- 
cum in Yerbindung. Die Oberflache des Ovarium besitzt beim Embryo 



E. Die weiblichen Geschlechtsorgane. 


199 


und auch noch nach der Geburt nicht das sonstige platte Peritonaal- 
'epithel, das ja eigentlich ein Endothel ist, sondem mehr vollsaftige 
Pflaster- oder Zylinderepithelzellen (Keimepithel von WaIiDETbb), 
unter denen schon einzelne Zellen, die Ureier, durch ihre GrdBe 
auffallen. Indem dies Keimepithel in Gestalt von Schlauchen, welche 
je ein Urei beherbergen, in die Tiefe wachst, entstehen die spateren 
. Graafschen Follikel. Beim Erwachsenen ist jedoch an der Ober- 
flache des Ovarium iiberhaupt kein Epithel mehr vorhanden. 

Auf einem Flachenschnitt des Ovarium sieht man deutlich, 
daB das Stroma desselben aus einer Mark- und Rindensubstanz 
besteht. Die bindegewebige Marksubstanz, Zona vasculosa, liegt 
am Hilus ovarii und enthalt die groBeren BlutgefaBe des Organes. 
Die ebenfalls bindegewebige, aber zellenreichere Rindensubstanz, 
Zona parenchymatosa , enthalt kuglige Blaschen, die Graafschen Fol- 



* Stmtum granulosum- 


Ovulun^ ~ 


Cu/ruihis oophorus \ 

Theca, folliculi 


Fig. 39. Follikel mit Ei. 


likel (s. u.). Ihre auBerste Lage, Tunica albuginea, besteht nur aus 
derbem Bindegewebe. 

Die Graaf’schen Follikel, Folliculi oophori vesiculosi, sind in 
reifem Zustande kuglige Blaschen von ca. 1 cm Durchmesser. Jeder - 
Follikel ist von einer besonderen bindegewebigen Schicht, Theca folli¬ 
culi, umgeben, welche wiederum aus einer Tunica externa und interna 
besteht (Fig. 39). Die erstere ist rein bindegewebig, die letztere hat 
eine homogene Grundsubstanz mit zahlreichen Spindel- und Rundzellen. 
An der Innenflache der letzteren sitzt das Stratum granulosum, d. h. 
vollsaftige Zellen mit stark granuliertem Protoplasma, welche an 
irgendeiner Stelle eine Anhaufung, den Owmulus oophorus, um das Ei 
des betreffenden Follikels bilden. Sonst ist der letztere nur durch 
serose Flussigkeit, Liquor folliculi, ausgefiillt. Das reife Ei des 
Menschen hat etwa SandkorngroBe und besteht aus: 1. der dicken 
Hiille, Zona pellucida; 2. einem schmalen, mit Lymphe gefiillten 
Spaltraum; 3. dem Eidotter, Vitellus; 4. dem Keimblaschen 
(Purkinje’schen Blaschen), Vesicula germinativa, welches der Kern des 
Eies ist und noch ein Kernkorperchen, den Keimfleck (Wagner’- 
schen Fleck), Macula germinativa, besitzt. 




200 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


Der stark vergroBerte reife Follikel platzt an der Oberflache 
des Ovarium; durch den RiB entleert sich das Ei und wird an- 
scheinend durch die Flimmerzellen der Fimbrien in das Lumen der 
Tube hineinbefordert. Zugleicb pflegt sich das Innere des Foliikels 
durch zerrissene kleine BlutgefaBe mit einem Blutcoagulum zu fiillen. 
Nach dem Austritt des Eies tritt zunachst eine starke Wucherung, 
danti eine Verfettung, schlieBlich ein Zerfall der Zellen des Stratum 
granulosum, ein. Die verfetteten Massen bilden ein sogen. Corpus 
luteum, welches sich dann erheblich starker entwickelt (bis zur GroBe 
einer Kirsche), wenn eine Befruchtung des Eies stattgefunden liat 
(i Corpus luteum vemm). Die verfetteten Zellreste werden dann wieder 
resorbiert und es bildet sich an der Stelle des ehemaligen Foliikels 
weiBes Narbengewebe (Corpus albicans), in dem manchmal verandertes 
Blutpigment sichtbar ist ( Corpus nigrum ). 

VII. Epoophoron und Paroophoron. 

Das Epoophoron liegt zwischen beiden Blattem des Lig. latum 
und besteht aus einer Anzahl von Kanalchen, welche vom lateralen 
Ende des Ovarium aufwarts ziehen und sich in ein zur Tube paralie! 
laufendes Kanalchen einsenken. Diese Kanalchen, die man mit bloBem 
Auge sehen kann, sind mit Flimmerepithel ausgekleidet. Man 
nimmt an, daB das Organ ein Analogon des Caput epidydimidis beim 
Manne ist. 

Das Paroophoron ist beim Erwachsenen meist nicht mehr 
sichtbar, liegt ebenfalls' im Lig. latum, zwischen dem medialen Ende 
des Ovarium und der Tube und besteht aus einem Haufchen ge- 
wundener Kanalchen, welche mit zerfallenen Epithelzellen und Detritus- 
massen gefullt sind. Das Paroophoron ist ein Analogon der Para¬ 
didymis des Mannes. 

VIII. Die Brustdriise. 

Die Briiste, Mammae, sind bis zur Pubertat bei beiden Ge- 
scblechtern ziemlich gleich entwickelt; spater tritt beim Manne eine 
Riickbildung, beim Weibe eine stiirkere Entwicklung ein. In der 
Mitte der Mamma springt die Brustwarze, Papilla mammae, hervor, 
welche ringfbrmige glatte Muskelfasern besitzt. Die Brustwarze ist 
vom stark pigmentierten Warzenhof, Areola mammae, umgeben, 
welcher eine Anzahl Talgdriisen, Glandulae areolares (Montgomery), 
besitzt. Die eigentliche Brustdriise, Gl. lactifera, ist von einer 
festen fibrosen Masse, dem Corpus mammae, umgeben, welches wiederum 
von einer starken Fettschicht bedeckt ist. Die Brustdriise selbst 
besteht nun aus 15—20 zusammengesetzt alveolo-tubulosen Driisen, 
von denen jede an der Brustwarze einen eigenen Ausfiihrungsgang 
besitzt. Letzterer bildet kurz vor der Miindung eine Erweiterung, 



E. Die weiblichen Geschlechtsorgane. 


201 


Sinus lactiferus. In den Driisenlappchen ist ein kurzzylindrisches oder 
polygonales sezernierendes Epithel vorhanden. 

Gegen Ende der Schwaugerschaft tritt nun nach vorheriger Ver- 
groBerung der Driise in diesen Epithelzellen eine fettige Degene- 
ration, spater ein Zerfall ein, wodurch sich die Milch bildet. 
Letztere bestebt aus Fettkbrncben in einer eiweiBhaltigen Flussigkeit. 
Die erste, beim schwangeren, Weibe abgesonderte Milcb ( Colostrum) 
hat wegen der nocb nicbt vollig zerfallenen Epitbelzellen ein mebr 
gelbliches Aussehen; aucb beim Manne kann hin und wieder eine Art 
von Sekretion (Hexenmilch) stattfinden. 

IX. Die Muskeln und Easzien dei Dammes. 

Ais Damm im engeren Sinne, Perineum, kann man nur die 
Gegend bezeicbnen, welche beim Manne zwiscben Scrotum und Anus, 
beim Weibe zwischen der Comm. labiorum post, und dem Anus liegt. 
Doch werden ais Muskeln und Faszien des Dammes dann im weiteren 
Sinne alie diejenigen bezeicbnet, welcbe sicb im Beckenausgang 
vorfinden. 

a) Dammmuskeln. 

1. Der ausgedebnteste Dammuskel, M. levator ani, bildet eine 
muskulose Platte, welche den Beckenausgang verschlieBt und die 
Eingeweide des kleinen Beckens tragt. Gemeinsam mit den ihn oben 
und unten bedeckenden Faszien stellt er das Diaphragma pelvis dar. 
Der Muskel entspringt jederseits von einem sehnigen Streifen, Arcus 
tendineus, welcher dicht neben der Symphyse beginnt und von hier 
bis zur Spina ischiadica verlauft. Dieser Streifen ist in die Faszie 
eingewebt, welche die mediale Flache des M. obturator int. bedeckt 
(.Fascia obturatoria). Die vordersten Levatorfasern geben binter der 
Prostata zu einer in der Medianlinie gelegenen sehnigen Baphe, 
die mittleren zur Analoffuung, die bintersten wieder zu einer 
Fortsetzung der medianen sehnigen Baphe zwiscben Anus und SteiB- 
bein hin. Zum Levator ani kann man auch nocb den M. coccygeus 
rechnen, welcher an der Innenflache des Lig. sacro-spinosum (ais Teii 
dieses Bandes) verlauft. Funktion: Hebt nicbt allein die Anal- 
dffnung sondern den ganzen Beckenboden. 

2. Der M. transversus perinei profundus liegt an der unteren Flache 
des Levator ani, indem er die dreiseitige Liicke zwischen der Sym¬ 
physe und den beiden Tubera ischiadica ausfiillt. Der Muskel ist 
zwischen zwei derbe Faszienblatter eiugeschlossen: gemein¬ 
sam mit den letzteren bildet er das dreiseitige Diaphragma uro-genitale 
(Trigonum uro-genitale), durch welches (vgl. S. 190) die'Pars mem¬ 
branacea urethrae hindurchtritt. Der Muskel besteht zum Teii aus 
glatten, zum Teii aus quergestreiften Fasern, welche sehr ver- 



202 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


schieden verlaufen. Ein Teii der quergestreiften Fasern umgibt 
riDgformig die Pars membranacea und ist imstande, dieselbe will- 
kiirlich. zu verengern (M. sphincter urethrae membranaceae). Die glatten 
Fasern dienen wohl hauptsachlich dazu, die Erektion zubewirken, 
indem sie die durch den Muskel tretenden Vv. profundae penis kompci- 
mieren (vgl. S. 193). Der obgrste, dicht u fi ter der Symphyse gelegene 
Teii des Diaphragma uro-genitale bildet iibrigens ein queres Band, 
Lig. transversum pelvis-, zwischen dem letzteren und der Symphyse 
tritt die V. dorsalis penis vom Rticken des Penis ins kleine Beckeu 
(vgl. S. 193). 

3. Der M. transversus perinei superficialis zieht dicht unter der 
Haut jederseits vom Tfiber ischiadicum zur medianen sehnigen Raphe. 
Kann auch fehlen. Heht den Beckenboden. 

4. Der M. ischio-cAvernosus entspringt jederseits vom Ramus inf. 
oss. ischii und heftet sich an die Wurzel des Corpus cavernosum penis. 
Funktion: Kann die Erektion verstarken, indem er die au der 
Wurzel austretenden Venen komprimiert. 

5. Der M. bulbo-cavernosus umgreift beim Manne den Bulbus 
urethrae zum Teii mit ringformigen, zum Teii mit halbringformigen 
Fasern. Er kann somit den Bulbus komprimieren und aul diese 
Weise in dem letzteren befindliche Fllissigkeit (Urin, Samen usw.) 
herauspressen. 

6. Der M , sphincter ani externus umgibt die Analoffnung zum Teii 
ring-, zum Teii halbringformig, so da8 er dieselbe verschlieBen kann. 
Er ist im Gegensatz zum Sphincter ani internus ein willkiirlicher 
Muskel. Zwischen dem Sphincter ani ext. und dem Tuber ischiadi¬ 
cum ist jederseits unterhalb des Levator ani eine groBe mit Fett ge- 
fiillte Vertiefung, die Fossa ischio-rectalis, gelegen. 

In bezug auf die weiblichen Dammuskeln ist hauptsachlich 
zu merken, daB der M. bulbo-cavernosus lateral von den Bulbi vestibuli 
den Scheideneingang umgibt, welchen er somit komprimieren kann 
(M. constrictor cunni). Der M. transv. perinei prof. wird beim Weibe 
natiirlich nicht allein von der Urethra, sondern auch noch von der 
Vagina durchbohrt. 


b) Die Dammfaszien. 

Die Bezeichnungen derselben gebe ich nachfolgend nach den 
B. N. A., obschon dieselben nicht liberali gliicklich gewahlt sind. 

1. Die Beckenfaszie, Fascia pelvis, wird eingeteilt in: a) die 
Fascia obturatoria ; b) die Fascia diaphragmatis pelvis sup. und inf., und 
c) die Fascia endopelvina (vgl. Fig. 40). 

Die Fascia obturatoria bekleidet die mediale Flache des M. ob¬ 
turator int. vom Beckeneingang bis zum Tuber ischiadicum. 



E. Die weiblichen Geschlechtsorgane. 


203 



Die Fascia diaphragmatis pelvis sup. und inf. bekleiden die obere 
bzw. untere Flache des M. levator aDi. 

Die Fascia endopelvina setzt sich yon der Fascia diaphragmatis 
pelvis sup. auf die AuBenMache der Prostata, Blase, des Uterus und 
Rectum fort, indem sie diese Organe zum Teii fest umgibt (Prostata- 
kapsel). Die Prostata bzw. Blase stehen mit dem Os pubis durcli 


Fascia diaphragmatis 

Fascia endopelvina pelvis superior 



Fig. 40. Die Becken- und Dammfaszieu (Medianschnitt). 

Die Faszien blau, die Muskeln rot. AuBerdcm sieht man hier die Symphysen- 
und Perinealkrttinmung der Urethra sehr deutlich. 


die bereits S. 191 erwahnten, in die Faszie eingewebten, starkeren 
Streifen, die Ligg. pubo-prostafka bzw. pubo-vesicalia (ein medium und 
zwei lateralia), in Verbindung. 

2. Das Diaphragma uro-genitale (Trig. uro-genitale) besteht (vgl. 
S. 201) aus zwei Faszienblattern, der Fascia diaphragmatis uro-genitalis 
sup. und inf., welche den M. transv. perinei prof. zwischen sich fassen. 
Diese Faszienblatter sind sehr derb und bilden somit nebst dem 
Muskel ein starkes sehniges Dreieck, welcbes den Raum zwischen 
der Symphyse und den Tubera ischiadica ausfiillt. 














204 


II. Teii. Eingeweide und Siunesorgane. 


3. I)ie Fascia superficialis perinei bedeckt die oberflachlichen Damm- 
muskeln (M. transv. perinei superfio., bulbo-cavernosus, ischiocavernosus 
und sphincter ani ext.) und soli sich. seitlicb noch zwischen dem sub- 
kutanen Fettgewebe und dem Fett der Fossa ischio-rectalis bis zu 
den Glutaen erstrecken (W. Krause). 

F. Das Gchiirorgan. 

Das Gehororgan wird in drei Abscbnitte eingeteilt, namlich: 
1. das auBere Ohr; 2. das Mittelohr und 3. das innere Ohr. 

I. Das auBere Ohr. 

Zum auBeren Ohr gehoren die- Ohrmuschel, Auricula auris, 
und der auBere Gehorgang, Meatus acusticus externus. 

1. Die Ohrmuschel bestelit zum grbBten Teii aus dem.elasti- 
schen, mit Haut uberzogenen Ohrknorpel, Carlilago auris, an dem 



Die drei 

Bogengiinge Hammer 

Vorhof 

Schnecke 

y. facialis 


Meatus 

ini. 


Trommelfell Incc. Santorini 

Fig. 41. Ubersichtsbild uber das Gehororgan (halbschematisch). 
Die durchschnittenen Knorpel bla^Jich. (Aus Broesike, Atlas). 


Steigbiigel 

Paukenhohle 


Ohrknorpel 


eine mit Fett gefullte Hautfalte, das Ohrlappchen, Lobulus auriculae, 
herabhiingt. Der krempenartig umgebogene freie Rand der Ohr¬ 
muschel, Helix, endet vorn mit dem Crus helicis, liinten mit der Cauda 
helicis. Der Helix parallel verllluft an der lateralen Fliiche die 
Anthelix, vvelche naclx oben in die beiden Crura anthelicis auslauft, 
zwischen denen die Fossa triangularis liegt. Die Rinne zwischen Helix 







F. Das Gebororgau. 


205 


und Anthelix heiBt Scapha, die tiefe Bucht vor der Anthelix Concha. 
Letztere wird durch das Crus helicis in die Cymba und das Cavum 
conchae geteilt. Vor dem Cavum conchae befindet sich ein Vorsprung, 
Tragus, und etwas tiefer und nach hinten der Antitragus , beide durch 
die Inc intertragica getrennt. An der Helix oben hinten ist manchmal 
der Darwin’sche Hocker, Tubere, auriculae, gelegen. Au der medi- 
alen Flache der Ohrmuschelfinden sich den ebengenannten Gebilden 
entsprechende Erhabenheiten und Furchen. Die unter der Haut des 
Ohres gelegenen Ohrmuskeln sind so klein, daB es nicht lohnt, sie 
zu erwahnen. 

2. Der auBere Gehorgang, Meatus acusticus externus, beginnt 
mit dem Torus acusticus ext. und besteht aus ein em knorpligen und 
einem knochernen Abschnitt-. Die Pars cartilaginea ist eine Fort- 
setzung der Tragusplatte und bildet eine Binne, welche oben und 
hinten durch eine derbe fibrose Membran zu*einer Bohre erganzt ist. 
Am Boden des knorpligen Gehorganges liegen zwei mit Bindegewebe 
gefiillte Spalten, Incisurae Santorini, durch welche sich Erkrankungen 
der Parotis auf den Gehorgang (und umgekehrt) fortpflanzen konnen 
(Fig. 41). Die Pars ossea ist bereits beim Schlafenbein (s. S. 15) be- 
schrieben: ihrevordere, an das Kiefergelenkgrenzende Wand ist mitunter 
sehr diinn. Der auBere Gehorgang verlauft im ganzen transversal. 
ist jedoch zweimal geknickt, namlich 1. beim Ubergang in die Concha 
auris (Scheitel nach vorn) und 2. an der Grenze zwischen dem knorp¬ 
ligen und knochernen Abschnitt (Scheitel nach hinten). Diese zweite 
Knickung stellt zugleich den hochsten und engsten Teii ( Isthmus) 
des Gehorganges dar. Will man zwecks Besichtigung des Trommel- 
felles diese Knicke ausgleichen, so muB man die Ohrmuschel nach 
hinten, oben und auBen ziehen. 

Die Schleimhaut des Gehorganges ist im knorpligen Teii 
eine Fortsetzung der auBeren Haut, deren Talgdrusen, hier Ohren- 
schmalzdriisen, 01 . cemminosae, genannt, das bekannte Ohren- 
schmalz absondern. Dagegen ist die Schleimhaut des knochernen 
Gehorganges diinn, glanzend und ohne Haarbalge oder Driisen. 

Das Trommelfell. 

Die Scheidewand zwischen dem auBeren und dem Mittelohr ist 
durch das Trommelfell, Membrana tympani, gegeben, eine kreisrunde 
Haut, deren Peripherie ( Limbus ) durch einen sehnigen Eing, Annulus 
fibrocartilagineus, am medialen Ende des Gehorganges mit dem Schlafen¬ 
bein verbunden ist. Das Trommelfell steht derartig schrag, daB es 
mit der oberen Wand einen stumpfen, mit der unteren einen spitzen 
Winkel bildet (Fig. 41). An dem letzteren ist jedoch die Wand des 
Gehorganges vertieft, so daB hier eine Art Bucht entsteht, in welcher 
kleinere, in den Gehorgang gelangte Fremdkorper sich leicht fangen 





206 II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

konnen. Die auBere Betrachtung des Trommelfelles zeigt in der 
Mitte desselben eine Vertiefung, den Nabel, Umbo, welcher durch 
die Spitze des Hammergriffes nacli einwarts gezogen wird. 
Zwischen dem Umbo und dem oberen Rande liegt noch ein .kleiner 
Vorsprung, Prominentia malleolaris, welcher dureh den lateralen 
Fortsatz des Hammers bedingt ist. Von dieser Prominenz lauft 
nach vorn und nacb hinten je eine kleine Leiste, die vordere 
Trommelfellfalte, Plica membranae tympani ant., und die hintere 
Trommelfellfalte, Plica membranae tympani post, welche an dem 



Proc. lateralis mallei 


Plica membranae 
tympani anterior 


Pars tensa 
tympani 


Pars flaccida tympani 


Plica membranae 
tympani posterior 


Hammeryriff 


Fig. 42. Rechtes Trommelfell (Inneutliiche). 
Kopf und Hala des Hammers sind entfernt. 


vorderen und hinteren Ende der Inc. Rivini (s. S. 15) enden. Der 
oberhalb dieser beiden Falten (also in der Inc. Rivini) gelegene Teii 
des Trommelfelles (Fig. 42) ist schlaff und diinn (ShrapneH’sche 
Membran, Pars flaccida), der Rest desselben gespannt ( Pars tensa). 
Will man das Trommelfell durchstechen, so muB man dies immer 
nach vorn und unten vom Umbo tun, wenn man die Gehor- 
knochelchen nicht verletzen will. 

Das Trommelfell besteht aus einem auBeren Blatt, Stratum 
cutaneum (Fortsetzung der auBeren Haut) und aus einem inneren 
Blatt, Stratum mucosum, zwischen denen sich noch eine feste fibrose 
Zwischenschicbt, Tunica propria, befindet, welche aus auBeren 
radiaren und inneren zirkularen Fasern besteht, die von dem indiese 
Schicht eingelagerten Hammergriff ausgeben und zu ihm zuriickkekren. 






F. Das Gehororgan. 


207 


II. Das Mittelohr. 

Zurn Mittelohr gehoren: 1. die Paukenhohle; 2. die Warzen- 
zellen; 3. die Ohrtrompete. 

- 1. Die Paukenhohle. 

Die Paukenhohle, Cavum tympani, hat ungefahr die Fonn eines 
Tambourin, welches auf der Xante steh^ und dessen Feli dem Trommel- 
fell entspricht (Fig. 41 u. 43). 

Die obere Wand, Paries tegmentalis, wird hauptsachlich durch 
das Tegmen tympani (s. S. 16) gebildet. 

Die laterale Wand, Paries membranaceus, wird unten vom 
Trommelfell, oben vou der Schuppe gebildet. In das Trommelfell 
ist der Hammergriff eingeschlossen: zwischen dem letzteren und 
dem dicht davor gelegenen langen Fortsatz des AmboB zieht unter 
aufwarts konvexem Bogen die Chorda tympani voriiber (vgl. Fig. 44). 

Die vordere Wand, wegen ihrer Nahe neben der Carotis int. 
Paries caroticus, benannt, setzt sicb in die Tuba Eustachii fort 
(Fig. 41). Dicht oberhalb der letzteren (im Canalis musculo-tubarius) 
ist der M. tensor tympani gelegen. 

Die bintere Wand, Paries mastoideus, zeigt oben den Eingang 
zu den Cellulae mastoideae, das Antrum mastoideum ; unten die 
Eminentia pyramidalis, einen kleinen konischen Knochenvorsprung, 
. welcber den M. stapedius allseitig umgibt. 

Die mediale Wand, Paries labyrinthicus, grenzt an das innere 
Ohr (Labyrinth). An ihr befindet sich ein rundlicher Yorsprung, 
Promontorium, welcber durch das blinde Ende der Scala tympani 
(s. w. u.) hervorgerufen wird. Am vorderen Teii des Promontorium 
verlauft der N. tympanicus s. Jacobsonii (von Glossopharyngeus) von 
unten nach oben (vgl. auch Fig. 4). Dicht oberhalb des Promontorium 
befindet sicb die ovale Fenestra vestibuli (Fenestra ovalis), in der die 
Basis des Steigbiigels steckt. Dicht hinter dem Promontorium ist in 
einer Vertiefung, Sinus tympani, die rundlich dreieckige Fenestra 
cochleae (Fenestra rotunda) gelegen, welcbe durch die Membrana tym¬ 
pani secundaria verschlossen wird. ' 

Die untere Wand, Paries jugularis, grenzt an die Fossa jugularis 
des Scblafenbeines und zeigt auBer einigen Bucbten nichts Besonderes. 

Die weite, oberhalb des Trommelfelles gelegene Nische hat man 
ais Gipfelbucht oder Kuppelraum, Recessus epitympanicus, bezeichnet: 
in dieselbe ragt der Hammerkopf und der AmboB hinein. Die engste 
Stelle der Paukenhohle (ca. 1,5—2 mm) ist zwischen dem Umbo und 
Promontorium gelegen. 

Die Paukenhohle wird von der Kette der drei Gehorknochel- 
chen. Ossicula auditus, durchzogen, welche die Fortleitung der Schall- 



208 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


wellen vom Trommelfell zum Labyrinth bewirken und durch kleine 
Bander an der Wand der Paukenhohle befestigt sind. 

Am Hammer, Malleus, wird das obere kuglige Ende, der Kopf, 
Caput mallei, der Hals, Collum mallei, und der Hammergriff, Manu¬ 
brium mallei, unterschieden. AuBerdem ragt an der Grenze zwischen 
Hals und Griff der kurze Proc. lateralis nach seitwarts in das Trommelfell, 
ferner nocb vorn der lange Proc. anterior in die Fiss. Glaseri hinein. Am 
hinteren Teile des Hammerkopfes ist das Hammer-AmboBgelenk ge- 


liec. epitympanicus Hapimerkopf 



Meatus acust. 
externa 8 


Einyang z. 
Prus8ak schen 
Ratnn 


Pi'oc. lateralis mallei 


Hammergriff 


Ostium tympanicum tubae 


Lig. mallei 
laterale 


Scit ne d. M. tensor tympani 


Trommelfell 


Fig. 43. Frontalschnitt durch die Paukenhohle. 

Ansieht von hinten. Man sieht die Eingangsoffnung zum Prussak’schen Raum. 


legen, welches derartig (sperrzahnahnlich) funktioniert, daB, wenn der 
Hammergriff ein wiirts gezogen whd, auch der AmboB nach einwarts und 
damit auch der Steigbugel in die Fenestra vestibuli hineingedriickt wird. 

Der AmboB, Incus, liegt nach hinten vom Hammer; er zeigt: 
1. den Korper, Corpus incudis 1 , 2. den nach hinten ragenden kurzen 
Fortsatz, Crus breve, und 3. den abwartsragenden langen Fort- 
satz, Crus longum, welcher dem Hammergriff parallel nach abwiirts 
zieht und mit dem Steigbugel durch ein kleines Gelenk, AmboB- 
Steigbiigelgelenk, in Verbihdung steht. 

Am Steigbugel, Stapes, unterscheidet man deii Kop_f, Capitulum 
stapedis, die beiden Schenkel, Cna-a stapedis, und den FuB, Basis 




F. Das Gehororgan. 


209 


stapedis, welcher in die Fenestra vestibuli (ovalis) eingefiigt und durch 
das ringformige Lig. annulare daselbst befestigt ist. Der vordere 
Schenkel ist kiirzer und fast gerade, der hin ter e langer und mehr 
gekriimmt. 

AuBer den Gehorknochelchen sind in der Paukenhohle noch zwei 
Muskeln, der M. tensor tympani und stapedius, gelegen. Der M. tensor 
tympani entspringt von der Spina angularis des Keilbeins und dem 
Tubenknorpel, verlauft im Canalis musculo-tubarius und biegt sich 


Lig. incudis posterius Crus breve incudis Corpus incudis 



Antrum 

mastoideum 


Crus longum 
incudis 


Rec. epitym¬ 
panicus 


Caput mallei 


tym¬ 
pani 


tensor 

tympani 


Tuba 

Eustachii 


mallei 
superius 


Trommelfell 


•Hammergriff 


Fig. 44. Die laterale Wand der Paukenhohle. (Ansicht von innen.) 
Hammer, AmboB, Chorda tympani. Der Pfeil deutet in die Eingangsoffnung 
zum Prussak’schen Raum. Linke Seite. 


rechtwinklig zum Hammergrift hiniiber, den er einwarts zieht und 
auf diese Weise das Trommelfell zum Zweck besseren Horens spannt. 
Der M. stapedius verlauft von der Eminentia pyramidalis zum Kopfchen 
des Steigbiigels. Er zieht die Basis des letzteren gegen den Rand 
der Fenestra vestibuli. Beide Muskeln zusammen bewirken jedenfalls, 
daB die Gehorknochelchen fester gegeneinander gepreBt werden, was 
wohl zum deutlichen Horen beitragt. 

Die Schleimhaut der Paukenhohle besteht aus einem binde- 
gewebigen, mit zahlreichen Leukozyten versehenen Substrat, welches 
zugleich dasPeriost vertritt und auf dem ein flimmerndes Zylinder- 

Broesike, Repetitorium anatomicum. 14 






210 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


epithel aufsitzt. Die Flimmerhaaxe fehlen auf dem Trommelfell und 
den Gehorknochelchen, ebenso im Antrum und den Cellulae mastoideae. 
Die Schleimhaut der Paukenhohle bildet im tibrigen eine Anzahl von 
Falten, Briicken und Buchten, welche ich indessen nicht auf- 
fuhren will, da sie keine besondere Bedeutung beanspruchen. Wichtig 
ist nur der sog. Prussak’sche Raum (obere Trommelfelltasche 
von Pbussak), Recessus membranae tympani sup., weil in demselben ent- 
stehendeEiterungen leicht durch die Membrana flaccida nacb auBendurch- 
brechen kfinnen. Der Prussak’scbe Raum (vgl. Fig. 43 u. 44) ist zwischen 
dem Hammerhals und der ShrapneH’schen Membrana flaccida gelegen. 
Vorn endet er blind, seine Eingangsoffnung liegt, von einer Schleimhaut- 
falte verborgen, nach binten, etwas oberhalb desProc. lateralis mallei. 

2. Die Warzenzellen. 

Die Warzenzellen, Cellulae Piastoideae, sind fachrige Hohlraume, 
welche den Warzenfortsatz einnehmen. Beim Embryo kaum vor- 
handen, konnen sie beim Erwacbsenen sogar bis in die Schuppe oder 
Pyramide hineinreichen. Durch eine rohrenformige Aushohlung, Antrum 
mastoideum, stehen sie mit der Paukenhohle in Verbindung (vgl. S.207). 
Das Antrum ist tibrigens beim Embryo schon vorhanden, wenn die 
Zellen noch nicht im mindesten entwickelt sind. AuBerlich. ist das 
Antrum hinter dem Porus acusticus externus, dicht unterhalb einer 
schragen Leiste, der sogen. Crista supramastoidea, gelegen, welche das 
hintere Ende der Linea temporalis bildet. • 

3. Die Tuba Eustachii. 

Die Ohrtrompete, Tuba auditiva s. Eustachii, verbindet die 
Paukenhohle mit dem Pharynx: dementsprechend wird an derselben 
ein ’ Ostium tympanicum tubae und Ostium pharyngeum tubae unter- 
schieden. Die Tube verlauft zum Teii innerhalb des Schlafenbeines 
(Pars ossea), zum Teii auBerhalb dessejben ( Pars cartilaginea)', ihre 
engste Stelle ist (wie beim Gehorgang) an der Grenze zwischen dem 
knorpligen und knochemen Abschnitt gelegen. Der knorplige Ab- 
schnitt besteht Ubrigens nur an der medialen Tubenwand aus 
Knorpel, welcher sich allerdings vorn noch hakenformig (Knorpel- 
haken) umbiegt. Der Rest dieses Abschnittes ist dagegen durch 
eine Haut, Lamina membranacea, zur Rbhre erganzt. tjber das Ostium 
pharyngeum tubae vgl. S. 131: man unterscheidet an demselben (vgl. 
Fig. 51) den oberen, stark vorspringenden Rand, Tubendach oder 
Tubenwulst, Torus tubarius, von dem vorn die vordere Tuben- 
lippe, Labium ant., und hinten die hintere Tubenlippe, Labium 
post., nach abwarts verlaufen; ferner den zwischen dem Dach und dem 
Gaumensegel liegenden Tubenboden mit dem Levatorwulst (M. 
levator veli palatini). Die Schleimhaut der Tube besitzt Flimmer- 


P. Das Gehororgan. 


211 


epithel. Das Substrat enthalt zwischen Bindegewebsfasern Lymph- 
follikel und zahlreiche Rundzellen, auch kleine Schleimdriisen. 

Die Tube steht zum M. tensor und levator veli palatini in Be- 
ziehungen. Da der Tensor (vgl. S. 127) von der Lamina membranacea 
tubae entspringt, kann er die Tube erweitern. Der Levator kann 
dagegen nur den Tubenboden in die Hohe heben, also wohl eber zur 
Verengerung der Tubenoffnung beitragen. 

m. Das innere Ohr. 

Das innere Ohr, Labyrinthus, ist ganz im Felsenbein gelegen. 
Man hat das knbcberne und das hautige Labyrinth unterschieden. 
Das knocherne Labyrinth, Labyrinthus osseus, ist lediglich eine 
dichtere Schicht des Felsenbeines, welche das ganze innere Ohr um- 
schlieBt. Das hautige Labyrinth, Labyrinthus membranaceus , bildet 
einen Komplex von sehr dunnwandigen Rohrchen und Blaschen, 
welche die Endigungen des N. acusticus enthalten.. Zwischen ihm und 
dem vorigen ist eine serose Fliissigkeit, die Perilymphe, in dem 
hautigen selbst die Endolymphe gelegen. 

a) Das knocherne Labyrinth. 

Das knocherne Labyrinth besteht aus drei Teilen, n&mlich: 
1. dem in der Mitte gelegenen Yorhof, Vestibulum', 2. der vorn 
liegenden Schnecke, Cochlea, und 3. den hinten anschlieBenden 
Bogengangen, Canales semicirculares ossei (Fig. 41). Die Langsachse 
des ganzen Organes entspricht der Langsachse der Schlafenbeinpyramide. 

1. Der Vorhof schlieBt sich an die Basis des Steigbugels an, 
welche in der ovalen Fenestra vestibuli steckt. Seine mediale Innenflache 
zeigt die winzige Crista vestibuli, welche zwei kleine Vertiefungen von- 
einander trennt. Die vordere, Recessus sphaericus, ist fur den Sacculus, 
die hintere, Recessus ellipticus, fur den Utriculus des hautigen Laby¬ 
rinthos bestimmt. Am Rec. ellipticus ist die Apertura int. aquaeductus 
vestibuli ais feines Lochelchen gelegen. AuBerdem ist die Vorhofs- 
wand von verschiedenen feinen Offnungen, Maculae cribrosae, durch- 
bohrt, durch welche die Zweige des N. vestibularis in den Vorhof 
treten. 

2. Die drei knochernen Bogengange kommen aus der hinteren 
Wand des Vestibulum Und kehren etwa halbkreisformig wieder zu 
derselben zuruck. Der obere Bogengang, Can. semicirc. sup., steht 
senkrecht zur oberen Pyramidenkante (vgl. S. 16). Der untere 
Bogengang, Can. semicirc. inf., ist in der Richtung der oberen Pyra¬ 
midenkante gelegen. Der laterale Bogengang, Can. semicirc. lat., 
liegt am meisten lateral. Der letztere ist zugleich ganzlich hori- 
zontal, die beiden ersteren vertikal gestellt. Jeder Bogengang 

14 * 



212 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


besitzt an dem einen Ende eine Erweiterung, Ampulla. Ob die 
Bogengange mit der Erhaltung des Gleichgewichtes zu tun haben, ist 
noch eine keineswegs endgiiltig entschiedene Frage. 

3. Die Schnecke besitzt zwei und eine halbe Windung, welche 
um eine Knochensaule, die Spindel, Modiolus, laufen. Der Teii der 
letzteren, um welche die erste Windung lauft, heiBt Basis modioli, der 
in der zweiten Windung gelegerie Golumella und der der dritten 
halben Windung entsprechende Abschnitt wird Apex modioli benannt. 
Das blinde Ende der Schnecke ist die Schneckenkuppel, Cupula. 
Die Schnecke steht nun derart auf der Xante, daB die Basis modioli 
den Grund des inneren Gehorganges bildet. Letzterer ist 
(auBer der groBen Eintrittsoffnung fiir den N. facialis) noch von den 
feinen Offnungen fiir die durchtretenden Akustikuszweige durchbohrt. 

Der Binnenraum der Schnecke ist nun durch eine dem Lauf 
der Schneckenwindungen folgende Scheidewand in zwei Halften 
geteilt. Die letztere ist aber nur zum Teii knochern ( Lamina spiralis 
ossea), zum Teii hautig (Membrana basilaris s. w. u.). Durch diese 
Scheidewand wird die Schnecke in allen 2 1 j 2 Windungen in zwei 
Halften geschieden, von denen man die eine mit dem Yorhof zu- 
sammenhangende ais Yorhofstreppe, Scala vestibuli, die andere ais 
Paukentreppe, Scala tympani, bezeichnet. Die Scala tympani liegt 
mit ihrem blinden Ende jedoch unter dem Boden des Vestibulum: 
hier besitzt dieselbe die runde Fenestra cochleae, welche durch die Mem¬ 
brana tympani secundaria verschlossen ist. In der Nahe der letzteren 
ist auch die innere Miindung des Aquaeductus cochleae gelegen. Die 
Trennung zwischen der Scala tympani und vestibuli ist eine voll- 
standige: nur in der Schneckenkuppel hangen beide Hohlraume durch 
eine feine Offnung, das Schneckenloch, Helicotrema, zusammen. 

b) Das hautige Labyrinth. 

Das hautige Labyrinth besteht 1. aus den beiden Vorhof- 
sackchen (Utriculus und Sacculus); 2. den hautigen Bogeng&ngen, 
Canaliculi semicirc. membranacei, und 3. dem Schneckenkanal, Ductus 
cochlearis. 

Die beiden Vorhofsackchen sind in den S. 211 erwahnten Re¬ 
cessus des Vestibulum gelegen. Sie stehen miteinander durch einen 
kurzen engen Gang, Ductus utriculosaccularis, in Yerbindung (Fig. 45). 
Von dem letzteren geht in den nahegelegenen Aquaeductus vestibuli 
eine langere Fortsetzung, Ductus endolymphaticus, welche dicht unter. der 
Dura mit einer kleinen Anschwellung, Saccus endolymphaticus (Bottcher- 
Cotugno’scher Raum) endet. Der Sacculus geht dann noch durch 
einen kurzen Verbindungskanal, Ductus reuniens, in den Ductus coch¬ 
learis tiber. 



F. Das Gehororgan. 


213 


Der hautige Schneckenkanal, Ductus cochlearis, hat auf dem 
Querschnitt eine dreiseitige Form, ist ein Teii der Scala vesti¬ 
buli und wird von folgenden Wanden begrenzt (vgl. Fig. 46): 
1. von der Scheidewand zwischen der Scala vestibuli und 
tympani, welche, wie erwahnt, aus der Lam. spiralis ossea und der 
Membrana basilaris besteht; 2. von einem Stiick der Wandung der 
- Scala vestibuli 1 , und 3. von der Reissner’schen Membran, 
Membrana vestibularis, welche von der Lamina spiralis ossea zur gegen- 
iiberliegenden Schneckenwand zieht und somit den Ductus cochlearis 


Ampulltn 



Fig. 45. Das hautige Labyrinth (schematisch). 


von der ubrigen Scala vestibuli abschneidet. Dicht neben dem Ductus 
reuniens (Fig.45) bildet der Ductus cochlearis der Vorhofsblindsack, 
Caecum vestibulare, an der Schneckenkuppel den Kupp,elblindsack, 
Caecum cupulare. Von der Lam. spiralis ossea springt ferner eine binde- 
gewebige Verdickung, Limbus spiralis, mit lippenartigem Rande, Labium 
vestibulae, in den Ductus cochlearis vor. Von diesem Labium hangt 
in den Ductus cochlearis eine wichtige kurze Haut, Membrana tectoria, 
hinein, welche auf dem spater zu beschreibenden Corti’schen Organ 


1 Dieser Teii der Wandung zeigt eine Verdickung seines Periostes, welche 
man Lig. spirale cochleae benennt. Hier befindet sich auch ah der Innenflache 
eine gefaBreiche Schicht mit einer Epithellage, Stria vascularis, welche die 
Endolymphe der Schnecke absondert. 




214 


II. Teii. Eingeweide uud Sinnesorgaue. 


direkt aufliegt. Das letztere erhebt sich auf der Membrana basilaris, 
von der es in den Ductus cochlearis ragt (Fig. 46). 

Der N. acusticus tritt mit seinen Zweigen durch die feinen 
Offnungen zunachst im Grund des inneren Gehorganges, dann durcb 
die Wand des Vestibulum uud der Schneckenwindungen zum hautigen 
Labyrinth. Kurz vor dem Eintritt in das 'letztere bilden die vesti- 



Stria 

vascularia 


Organon 

Corti 


\ 

Lamina spiralis ossta 

einer Schneckenwindung 


Membrana basilaris 


nach Kolliker. 


Labium vestibulare 

Limbus spiralis 


Membr. 

tectoria 


Nn. cochleares mit 
d. Ganglion spirale 


Fig. 46. Querschnitt 


vestibularis 
s. Reissneri 


bularen Zweige eine mit Ganglienzellen durchsetzte Anschwellung, 
Ganglion vestibulare, die zurScbnecke ziebenden Zweige, den Windungen 
folgend, das Ganglion spirale (vgl. Fig. 46). An der Eintrittstelle der 
Akustikuszweige liegt in den beiden Vorhofsackchen je eine 
verdickte Partie, die Macula acustica, d. b. eine Stelle, wo anstatt des 
Plattenepithels, welcbes die Sackchen auskleidet, mehr zylindriscbe 
Zellen vorhanden sind, von denen ein Teii (Horzellen) mit feinen 
Harchen (Horhaaren) besetzt sind. Auf diesen Horzellen liegen die 












G. Das Sehorgan. 


215 


Otholithen, Otoconia, Kristalle von kohlensaurem Kalk, denen man 
die Aufgabe zuschreibt, bei Bewegungen dorch die Schallwellen' die 
Horbaare direkt zu perkutieren. In den Ampullen sind statt der 
Maculae die Oristae acusticae (jedoch obne Otholithen) vorhanden. 
Einen erheblich komplizierteren Bau zeigt indessen der aknstische 
Endapparat der Schnecke, das Corti’sche Organ, Organon 
spirale, welches (vgl. Fig. 46), hauptsachlich aus Sttitzzellen und 
Horzellen, daneben aber auch noch aus allerlei anderen Strangen 
und Zellen besteht. Unter den Sttitzzellen sind besonders der 
innere und tiuBere Corti’sche Pfeiler zu nennen, welche den 
Corti’schen Tunnel begrenzen. Die Horzellen sind mit feinen 
Horhaaren versehen, welche durch die Membrana tectoria direkt 
geschlagen werden, wenn die Endolymphe im Schneckenkanal durch 
Schallwellen in Bewegung gesetzt wird. 

Die Schallwellen nehmen somit im Gehorgang folgenden Weg: 
Trommelfell — Kette der Gehorknochelchen — Fenestra vestibuli 
(ovalis) — Vestibulum — Scala vestibuli — Helicotrema — Scala 
tympani bis zur Membrana tympani secundaria, welche sie bei jedem 
Anprall nach der Paukenhohle hin vorwolben. Wenn die letztere 
Membran verknochert ware, konnten tiberhaupt im Labyrinth keine 
Schallwellen entstehen, da die Perilymphe und Endolymphe wie alie 
Fltissigkeiten inkompressibler Natur sind. 

G. Das Sehorgan. 

Zum Sehorgan, Oculus, gehort der Augapfel, Bulbus oculi, und 
dessen Nebenteile, Organa oculi accessoria. 

I. Die Nebenteile dee Auges. 

Diese Nfebenteile bestehen: a) aus den inneren Augen- 
muskeln und b) aus den Schutzmitteln [Tutamina) des Auges. 

a) Die Augenmuskeln. 

Die inneren Augenmuskeln liegen innerhalb der Augen- 
hohle: sie entspringen samtlich von der Peripherie des For. opticum 
und der angrenzenden Sehnervenscheide: nur der M. obliquus inf. 
kommt vom medialen Ende des Margo infraorbitalis her. Zu diesen 
Muskeln gehoren: 1. der M. levator palpebrae superioris ; 2. die 4 Mrn. 
recti [sup., inf, I, medialis und lateralis)’, 3. der M. obliquus oculi sup. und 
inf. Von diesen Muskeln setzt sich der M. levator palp. sup. am oberen 
Augenlidknorpel fest, die 4 Mm. recti am Bulbus dicht vor dem 
Aquator desselben. Der M. obliquus sup. zieht zunachst zur Fossa 
trochlearis des Stirnbeins: hier bekommt er seine Sehne, welche 
tiber einen diese Grube tiberbrtickenden, fibrosen Streifen [Trochlea) 



216 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


hiniiberzieht und sich schlieBlich hinten, oben und lateral am 
Bulbus festsetzt. Der M. obliquus oculi inf. setzt sich ebendaselbst (nur 
etwas tiefer) am Augapfel fest (beide hinter dem Aquator des letzteren). 

Funktion: Der M. levator hebt das obere Augenlid. Von den 
4 Mm. recti ziebt jeder den Bulbus nach deijenigen Seite, an welcher 
er sicb befindet. Alie Recti zusammen zieben den Bulbus nacb hinten. 
Der M. obliquus sup. drebt den Bulbus.so, daB die Pupille sicb nacb 
unten und lateralwarts, der M. obliquus inf. so, daB die Pupille 
sich nach oben und lateralwarts bewegt. Beide Obliqui gemeinsam 
ziehen den Bulbus nach vorn, sind also Antagonisten der Recti. 

b) Die Schutzmittel des Auges. 

Dazu gehoren: 1. die Augenbrauen; 2. die Augenlid er 
3. die Augenbindebaut, und 4. die Tranenorgane. 

1. Die Augenbrauen, Supercilia, sind jederseits genau in.Hohe 
des Margo supraorbitalis gelegen: sie sollen die Augen vor dem 
abwarts flieBenden StimschweiB schiitzen. 

2. Die Augenlider, Palpebrae (Blepharae) begrenzen die Augen- 
lidspalte, Rima palpebrarum, indem sie medial durch die Commiss. 
medialis, lateral durch die Commiss. lateralis zusammenhangen. Yon 
den beiden Augenwinkeln, Anguli oculi, ist der laterale spitz; der 
mediale bildet eine etwas ausgerundete Bucbt, den Tranensee, 
Lacus lacrimalis. Wo diese Bucbt in den freien Rand der Augenlider 
iibergeht, befindet sich oben und unten je eine konisehe Hervorragung, 
Papilla lacrimalis, welche stets eine feine, punKtformige Offnung, 
Punctum lacrimale, zeigt, durch welche man in das Tranenkanalchen, 
Ductus lacrimalis, gelangt. Der freie Rand eines jeden Augenlides 
hat eine vordere und hintere Xante [Limbus ant. und post.), von 
denen sicb beim LidscbluB jedocb nur die beiden vorderen Kanten 
aneinanderlegen, so daB hinter den letzteren ein dreiseitig pris- 
matiscber Raum, der Tranenbach, Rivus lacrimalis, offen bleibt, in 
dem die Tranenflfissigkeit von lateralwarts nach medianwarts flieBen 
kann. Aus der vorderen Xante ragen die Wimpern, Cilia, hervor. 

Jedes Augenlid besteht: 1. aus der schlaffen und fettlosen 
auBeren Haut; 2. aus dem bindegewebigen Augenlidknorpel, 
Tarsus, an dessen Innenflache 3. die Augenbindebaut, Conjunctiva, an- 
geheftet ist. Die Lidknorpel sind gebogene # kleine Scheiben, deren 
gerader freier Rand an der Lidspalte liegt, wahrend der gebogene 
Rand mit dem Augenhohlenrande durch je ein schlaffes Band, Lig. 
tarsi sup. und inf., verbunden ist. Die spitzen Enden beider Lid¬ 
knorpel werden medial durch das Lig. palpebrale mediale vereinigt, 
das zugleich einen kleinen Sebnenbogen bildet, welcher sich von der 
Crista lacrim. ant. fiber die Fossa Sacci lacrimalis zur Crista lacrim. 
post, hintiberspannt und mit der AuBenflache des Tranensackes ver- 



G. Das Sehorgan. 


217 


wachsen ist. Die lateralen Enden der Lidknorpel stehen dagegen nur 
durch einen diinnen Bindegewebstreifen, lateralis , mit dem 

lateralen Itande der Orbita in Verbinduug. In der Substanz der Tarsal- 
knorpel sind dieMeibom’schen Driisen, 01 . tarsales, gelegen, welche 
man an der Innenflache des Lides ais gelblicheStreifendurchschimmern 
sieht. Jede Driise besitzt einen langen, unverzweigten Ausfuhrungsgang, 
an dem seitlich eine Anzahl Driisenacini ansitzen. Ihr Sekret, die Augen- 
butter, Sebum palpebrale, ist talgahnlich. In die Haarbalge der Zilien 
miinden auch nocbknauelformigeDriisen, dieMoll’schen Driisen, ein. 

3. Die Augenbindehaut, Conjunctiva oculi , ist ais Conjunctiva 
palpebralis an die hintere Flache der Lidknorpel angeheftet und 
scblagt sich von hier aus unter Bildung einer Tasche, Fornix conjunc¬ 
tivae (vgl. Fig. 47) auf den Augapfel hiniiber, dessen vorderen Ab- 
schnitt sie ais Conjunctiva bulbi bis zur Sclera hin bekleidet. 1 Am 
medialen Augenwinkel bildet sie die frontal stehende Plica semilu¬ 
naris , in welche ein Haufchen acinoser Talgdriisen derart ein- 
gelagert ist, daB ein randlicher kleiner Hiigel, die Caruncula lacri¬ 
malis entsteht. Die Conjunctiva ist mit geschichtetem Zylinder- 
epithel bekleidet, welches beim tlbergang auf die Cornea und an den" 
Lidrandern in Pflasterepithel iibergeht. Das Epithel sitzt auf einer 
bindegewebigen Unterlage, welche sehr viel Rundzellen (Leuko- 
zyten und Plasmazellen) enthalt. Bei Tieren bilden die letzteren 
haafig Knotchen (Trachomdriisen). Nahe dem Fornix zeigt die 
Conjunctiva palpebralis Furchen und Buchten (Konjunktival- 
buchten), welche friiher fiir Driisen gehalten wurden. 

4. Die Tranenorgane. Das Hauptorgan ist die Tranendruse, 
01. lacrimalis, welche unterhalb des Proc. zygomaticus des Stirnbeins 
liegt. Sie ist eine zusammengesetzt tuhulose Driise, deren Ausfiih- 
rungsgange den Fornix sup. conjunctivae durchbohren und ihr Sekret 
zunachst in den Konjunktivalsack ergieBen. Von hier aus nimmt das 
letztere zum Teii zwischen der Conjunctiva bulbi und palpebralis, 
zum Teii durch den Rivus lacrimalis nach dem Tranensee seinen 
Weg. Dort wird das Sekret durch die Mm. palpebrales (s. S. 37) 
in die Tranenpunkte, sowie weiter in die Ductus lacrimales und den 
Tranensack hineingesogen. 2 Beide Kanalchen miinden namlich ent- 
weder vereint oder auch isoliert in den Tranensack, Saccus lacri¬ 
malis, welcher in der Fossa sacci lacrimalis der Augenhohle liegt 
und das obere blinde Ende des Tranenganges, Ductus naso-lacri- 
malis, bildet. Der letztere mundet ja dann unter dem vorderen Ende 
der unteren Nasenmuschel, bedeckt von einem nach abwarts ragenden 

1 Die ganze Conjunctiva kann man bei geechlossenen Augenlidern ais eine 
Art Sack, Kon unktivalsack, Saccus conjunctivalis, betrachten. 

! Die Mm. palpebrales konnen durch Vermittlung des Lig..palpebrale 
mediale den Tranensack erweitern. 



218 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


Schleimhautf&ltchen, Plica lacrimalis (Valvula Haeneri), welches dem 
Tranensekret freien AbfluB gestattet, sich dagegen schlieBt, wenn bei 
geschlossener Nasenoffhung kraftig ausgeatmet wird. Die Tr&nen- 
kanalchen sind noch wie die Conjunctiva mit geschichtetem 
Pflasterep ithel, der Tranengang dagegen wie der hintere Ab- 
scbnitt der Nasenhdhle mit Flimmerepithel ausgekleidet. 

n. Der Augapfel. 

Der Augapfel, Bulbus oculi, ist in das Fett der Orbita ein- 
gebettet. Doch ist der ganze hintere Abschnitt desselben vom Seh- 



Fig. 47. Sagittalschnitt durch den vorderen Abschnitt des Augapfela 
(halbschematisch). Carri, ant. = vord. Augenkammer. C. p. = hint. Augenkammer. 


nerven bis zum Hornhautrande von einer besonderen bindegewebigen 
Haut, der Tenon’scben Kapsel, Fascia Tenoni, bedeckt, gegen welcbe 
sich der Augapfel wie in einer Gelenkpfanne bewegen kann, da er 










G. Das Sehorgan. 219 

von derselben durch lockeres Bindegewebe mit Lymphraumen ge- 
trennt ist. 

Am Bulbus kann man: 1. die einhullenden Haute und 2. den 
lichtbrechenden Kern unterscheiden. Die Haute sind: 1. die Sclera 
mit der Cornea; 2. die Chorioidea mit der Iris; 3. die Eetina 
mit der Zonula Zinnii. Der Kern wird 1. durch den Humor 
aqueus der yorderen und hinteren. Augenkammer; 2. durch die 
Kristalllinse und 3. durch den Glaskorper gebildet. 

a) Sclera und Cornea. 

1. Die harte Haut, Sclera, bildet das WeiBe im Auge und be¬ 
steht aus derbem Bindegewebe, ist jedoch vorn noch von der Con¬ 
junctiva bulbi bedeckt. Von der Cornea ist sie durch eine ring- 
formige seichte .Furche, Sulcus sclerae, abgesetzt. Hinten wird sie 
ebenso wie die Chorioidea ( Lamina cribrosa sclerae bzw. chorioideae) 
durch die eintretenden Biindel des N. opticus durchsetzt. In den 
Bindegewebszellen und zwischen den Fasem der Sclera sind vielfach 
Anhaufungen von Pigmentkornchen vorhanden. Nahe der Grenze mit 
der Cornea wird die Sclera von dem Schlemm’schen Kanal, Sinus 
venosus sclerae, durchzogen, der ein ringformiges, venoses GefaB ent- 
halt, in welches die Venen der Iris einmiinden. Die ringfbrmigen 
Venen sind noch von lymphatischen Eaumen umgeben. 

2. Die Hornhaut, Cornea, ist uhrglasformig in den vorderen 
Eand der Sclera eingefalzt. Ihr peripherer Eand ist (im Winkel der 
vorderen Augenkammer) mit dem Ziliarrand der Iris durch ein aus 
parallelen Balkchen bestehendes zirkulares Band, das Lig. iridis pec¬ 
tinatum, verbunden (Fig. 47). Zwischen den Balkchen gelangt man 
in die Fontana’schen Kaume, Spatia anguli iridis, d. h. in einem 
netzformigen, halbelastischen Fasergewebe gelegene Lymphraume, 
welche wichtig sind, weil sie die HauptabfluBwege fiir den Hu¬ 
mor aqueus der vorderen Augenkammer darstellen. Aus den Fon- 
tana’schen Eaumen gelangt der Humor aqueus in den Schlemm’schen 
Kanal und von hier direkt in die vorderen Ziliarvenen (Schwalbe). 

• Das Corneagewebe besteht aus folgenden Schichten: a) dem vor-j 
deren geschichteten Epithel, Epithelium corneae ; b) der Lam. 
elastica ant.\ c) dem eigentlichen Corneagewebe, Substantia pro¬ 
pria ; d) der Lam. elastica post.', e) einer einfachen Endothellage, 
Endothelium camerae anterioris (Endothel der vorderen Augenkammer), 
Das vordere geschichtete Epithel bildet eine Fortsetzung des 
Epithels der Conjunctiva und besitzt in der Tiefe mehr zylindrische, 
nach auBen mehr platte Zellen. Die Lam. elastica ant. bildet auf 
dem Querschnitt einen schmalen glanzenden Streifen (0,01 mm). Die 
Substantia propria corneae ist zwar durchsichtig, zeigt jedoch 
einen lamellosen Bau. Jede Lamelle besteht aus einer einfachen 



220 


II. Teii. Eingewcide und Sinnesorgane. 


Lage von parallelen Fasern, den Corneafibrillen, welche allerdihgs 
erst durch Reagentien sichtbar gemacht werden konnen. Zwischen 
den Lamellen liegen in besonderen Saftliicken bzw. Saftkanalchen 
sternformige platte Zellen (Hornhautkorperchen), welche durch 
Auslaufer miteinander anastomosieren. Die Lam. elastica post, ist 
erheblich dicker ala die Lam. ant. (0,06 mm) und besitzt eigentumlicher- 
weise die Neigung, sich nach vorn einzurollen, wenn .man sie ablost. 
Das Endothelium corneae besteht aus einfachen platten Endothel- 
zellen, welche sich auch auf die vordere Flache der Iris fortsetzen. 

b) Chorioidea und Iris. 

1. Die Aderhaut, Chorioidea, liegt an der Innenflache der Sclera: 
sie fallt schon flir das bloBe Auge durch ihren Reichtum an dunklem 


Venae vorticosae 


Fig. 48. Chorioidea und Iris nach Wegnahme der Sclera und Cornea. 

Pigment und an BlutgefaBen auf. lnsbesondere (Fig. 48) flieBen 
die deutlich sichtbaren Venen an mehreren Punkten sternformig zu- 
sammen ( Vv. vorticosae ). 

Der vorderste Teii der Chorioidea ist dicker und wird wegen 
seines besonderen Baues Strahlenkorper, Coi-pus ciliare, benannt 
Fig. 47 u. 49). Das Corpus ciliare besteht aus: 1. der Corona ciliaris ; 
2. dem Orbiculus ciliaris und 3. dem M. ciliaris. Die Corona ciliaris wird 
von etwa 70 — 80 kolbenformigen, radiar zum Mittelpunkt der Cornea 
gestellten Vorspriingen, den Strahlenfortsatzen, Procc. ciliares, 
welche den Linsenrand umgeben und sehr blutgefaBreich sind. Da 
sie in die hintere Augenkammer hineinragen, schreibt man ihnen die 
Absonderung des Humor aqueus fur die hintere und somit auch 
(s. Fig. 47) fur die vordere Augenkammer zu. An die Procc. ciliares 
schlieBt sich nach hinten eine etwa 4 mm breite ringformige Zone, 
der Orbiculus ciliaris, an, dessen hintere Grenze durch eine zackige 
Linie, Ora serrata, markiert ist. 




G-. Das Sehorgau. 


221 


Der ganze auBere Teii des Corpus ciliare wird jedoch durch 
den Akkommodationsmuskel des Auges, M. ciliaris , eingenommen. 
Der M. ciliaris besteht aus auBeren meridional und inneren zir- 
kular verlaufenden Fasern. Die Fibrae circulares (Miiller’sche Fasern) 
scheinen durch ihre Kontraktion eine starkere Hervorwolbung der 
Linse zu erzielen, also die Linse fur die Nahe einzustellen. Die 
Fibrae meridionales (Briicke’sche Fasern) verlaufen vom Lig. iridis pec¬ 
tinatum zum elastischen Gewebe der Chorioidea. Wenn sie sich kon- 
trahieren, soli die Chorioidea nach vorn gezogen und die Zonula 
Zinnii (s. w. u.) dadurch entspannt werden. Von letzterer wird namlich 
angenommen, daB sie fur gewohnlich auf die Linsenkapsel eiuen Zug 



Zonula ciliaris (Zinnii) 


Retina 


Procc. ciliares 


Ora serrata 


Chorioidea 




Hint. Flache d. 
Linsenkapsel 


Sclera 


Orbiculus ciliaris 


Fig. 49. Vorderer Absehnitt des Bulbus nach Entfernung des Glaskorpers. 

Ansicht von hinten. 


ausiibt, welcher die Linse abplattet. Erschlafft also die Zonula, so 
soli sich die Linse wolben, d. h. ebenfalls fur die Nahe einstellen. 

Die eigentliche Chorioidea besteht von auBen nach innen 
aus folgenden Schichten. Dicht unter der Sclera liegt ais weiche 
braune Lage die Lam. suprachorioidea, welcbe aus einer homogenen 
Grundsubstanz mit elastischen Fasernetzen und zahlreichen 
sternformigen Pigmentzellen besteht. Es fol^t die Schicht der 
grobertn GefaBe, in der sich, abgesehen von derselben Grundsub¬ 
stanz, nur die starkeren Arterien und Venen vorfinden. Die dritte 
Schicht, Lamina chorio-capillaris, zeigt nur Blutkapillaren in einer 
feinkornigen aber pigmenlToseu Grundsubstanz. Nach innen von 
dieser Schicht ist noch eine glashelle elastische Basalmembran, 
nach innen von der letzteren das Pigmentepithel, Stratum— 
menti, gelegen, das aus sehr regelmaBigen sechseckigerFpiatten 



222 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane.. 


Epithelzellen besteht, welche je nach der FUrbung des betreffenden 
Individuums mehr oder weniger Pigmentkornchen enthS.lt. tlbri- 
gens soli das Stratum pigmenti entwicklungsgeschichtlich eigentlich zur 
Retina gehoren. In der Chorioidea verlanfen auch die langeren 
BlutgefaBe, welche vorn die Iris und das Corpus ciliare ver- 
sorgen. 

2. Die Regenbogenhaut, Iris, bildet die Fortsetzung des Corpus 
nach vorn, Sie ist eine • kreisfbrmige Scheibe, deren Mitte von dem 
Sehloch, Pupilla, durchbohrt wird. Man kann somit an der Iris 
einen Ziliarrand, Margo ciliaris, und einen Pupillarrand, Margo 
pupillaris, unterscheiden. Durch die Iris wird nun die vordere 
Augenkammer, Camera oculi ant., von der hinteren Augen- 
kammer. Camera oculi post., geschieden, welche zwischen derLinse 
und dem Pupillarrande miteinander kommunizieren (s. Fig. 47). 
Die Iris zeigt drei Schichten, namlich: 1. vorn das Endothel der 
vorderen Augenkammer; 2. das eigentliche bindegewebige Stroma 
iridis und 3. hinten die aus zwei pigmentierten Zellenlagen bestehende 
Pigmentschicht, Stratum pigmenti iridis. In das Stroma iridis sind 
glatte Muskelfasern eingelagert, nSmlich: 1. der Verengerer der 
Pupille, M. sphincter pupillae, dessen Fasem ringformig um den Pu¬ 
pillarrand verlaufen und 2. der Erweiterer der Pupille, M. dila¬ 
tator pupillae, dessen Fasem radiar zum Mittelpunkt der Pupille dicht 
vor dem Stratum pigmenti gelegen sind. Bei der braunen oder 
schwarzen Iris sind zwischen den Fasem des Stroma Pigmentkoraer 
vorhanden, bei der blauen scheint das Stratum pigmenti, bei der 
grsuen wahrscheinlich dichtere Bindegewebsfasern hindurch. 

c) Die Retina. 

Die Netzhaut, Retina, ist im Gegensatz zur Chorioidea beim 
Lebenden durchsichtig, nach dem Tode graugelblich getrlibt. Die 
Retina wird durch die Endzweige des N. opticus gebildet, dessen 
Eintrittstelle medial vom hinteren Ende der Sehachse liegt. 1 Genau 
am hinteren Ende der Sehachse, also lateral von der Papilla optica, 
befindet sich dagegen die Stelle des deutlichsten Sehens, der kreis- 
formige gelbe Fleck, Macula lutea, welcher allerdings beim Lebenden 
meist dunkelbraunrot aussieht. Auch die Mitte d$r Macula lutea ist 
mit einer Vertiefung, Fovea centralis, versehen. Die Retina wird nun in 
eine Pars optica und Pars ciliaris eingeteilt. Die letztere liegt ganz 
vorn und entspricht inbezug auf die Lage genau dem Corpus ciliare, 
ermangelt auch der nervosen Elemente, da doch keine Lichtstrahlen 
zu derselben hingelangen konnen. Nach vorn verliert sich die Pars 


1 Der N. opticus bildet liier einen H ii gei, Papilla n. optici, in dessen 
Mitte eine kraterformige Vertiefung, Excavatio, gelegpn ist. 



G. Das Sefaorgan. 


223 


ciliaris retinae allmahlich nach der Iris hin. Mittels der Zonula 
ciliaris s. Zinnii hangt sie mit der Linsenkapsel zusammen (s. Fig. 47). 

D ie Netzhaut best eht aus einer groBen Zahl von Schichten, 
von denen man zunachst sagen kann, daB sie hauptsachlich von den 
Verbifidungen der Optikusfasern mit dea Stabchen und Zapfen geliefert 
werden. In diese Verbindungsfasem sind nun drei gangliose 
Schichten eingelagert, wenngleich eigentlich nur die Zellen der 
innersten Schicht die deutlichen Charaktere von Ganglienzellen, 
diejenigen der beiden anderen Schichten mehr von „Kornern“ zeigen. 
Zwischen diesen drei Zellenschichten sind- dann noch zwei retiku¬ 
lare Schichten gelegen, in denen die Verbindungsfasem sich durch- 
flechten. AuBerdem finden sich in der Retina auch noch binde- 
gewebige Elementevor. Die Schichten der Retina, von innen 
nach auBen gerechnet, heiBen:^. Die Membrana limitans int., 2. die 
Optikusfaserlage; 3. die Ganglienzellenschicht; 4. die innere 
retikulare Schicht; 5. die innere Kornerschicht; 6. die auBere 
retikulare Schicht; 7. die auBere Kornerschicht; 8. die Mem¬ 
brana limitans externa ; 9. die Stabchen- und Zapfenschicht. /" 

Die Membrana limitans int. ist eine zarte glashelle Haut, 
welche den Glaskorper unmittelbar umgibt. Die Optikusfaserlage 
besteht aus den radiar, ausstrahlenden Optikusnervenfasem, welche 
jedoch beim Eintritt in die Retina ihr Nervenmark verlieren und 
somit durchscheinend werden. Die Optikusfasern treten dann in 
die Ganglienzellenschicht ein, wo jede Faser zu einer multipolaren 
Ganglienzelle anschwillt. Von jeder Ganglienzelle geht mindestens 
eine Faser in die innere retikulare Schicht fiber, in der sich 
dieselbe dann verastelt und derart mit anderen Fasem durchflicht, 
daB diese Schicht auf dem Querschnitt ein feinkorniges „granuliertes“ 
Aussehen hekommt. Von hier treten wieder feine Fasem in die 
innere Kornerschicht hinein, die ebenfalls aus Ganglienzellen be¬ 
steht, welche jedoch ein so schwach entwickeltes Protoplasma besitzen, 
daB sie mehr den Eindruck von groBen Kemen oder Koraera machen. 1 
Von jedem Kora (jeder Zelle) dieser Schicht geht wieder je eine Faser 
in die auBere retikulare Schicht fiber, welche sehr schmal ist, 
sich aber sonst genau wie die innere verhalt. Es folgt die auBere 
Kornerschicht, ebenfalls verkfimmerte Ganglienzellen (Koraer), von 
denen je eine Faser in die nachste Schicht, und zwar entweder in 
ein Stabchen oder einen Zapfen tibergeht. Die Korner dieser 
Schicht hat man deshalb auch ais Stabchen- und Zapfenkorner 
unterschieden: sie bilden mit den Stabchen und Zapfen je eine Ein- 
heit, die Stabchen- und Zapfensehzellen. Die Fasern, welche 

1 Doch finden sich in dieser Schicht auch sogen. amakrine Zellen, d. h. 
Zellen ohne langen Fortsatz, welche nur mit der vorigen Schicht durch Aus- 
laufer in Verbindung stehen. Ihre Bedeutung steht noch nicht fest. 



224 


W 

/ ' - 


Zwciter Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 

von den Stabchen- und Zapfenkornern zu den Stabchen und Zapfen 
ziehen, durchbrechen die nachste Lage, Membrana limitans ex¬ 
terna, welche auch eine zarte glashelle Haut darstellt. Die auBerste 
Schicht der Retina ist endlich die Stabchen- und Zapfenschicht: 
die Elemente dieser Schicht, die Stabchen, Bacilli, und die Zapfen, 
Coni, sind die Endorgane, durch welche das Sehen zustande kommt. 
An beiden kann man zwei Abschnitte, ein dickeres Innenglied und 
ein dunneres AuBenglied unterscheiden. Nur ist bei den Zapfen 
das AuBenglied (Bauch der Flasche) betrachtlich dicker, das 



Fig. 50. Die nervosen uud bindegewebigen Elemente der Retina, 
links isoliert, rechts ion Zusammenhang (halbschematisch). Die bindegewebigen 
MiilleFschen Fasern rot, nervose Elemente schwarz. 


Innenglied betrachtlich kiirzer ais an den Stabchen. Indessen nur 
an den letzteren sind die * AuBenglieder mit dem sogen. Seh- 
purpur gefarbt, einer roten Farbe, welche im Licht schwindet, sich 
aber im Dunkeln wieder erneuert. 

Die Netzhaut enthalt jedoch nicht allein nervose, sondern auch 
bindegewebige Elemente, welche man ais Muller’sche Fasern 
oder Radiarfasern bezeichnet, und welche fur die eben erwahnten 
nervosen Elemente eine Art Gerust bilden. Die Radiarfasern beginnen 
mit breitbr Basis (Basalkegel) auf der Limitans interna, durchsetzen 
alie Schichten der Retina und umgreifen schlieBlicb in Gestalt kleiner 
Faserkorbchen die Stabchen und Zapfen. In jede Radiarfaser ist in 
der inneren Kornerschicht eine zackige, mit deutlichem Kerne 























6. Das Sehorgan. 


225 


versehene Zelle eingelagert. Die Korner dieser Schicht sind also 
nicht allein nervoser, sondem zum Teii auch bindegewebiger Natur. 

In der Macula lutea kommen nur Zapfen und keine Stab- 
chen vor: alie Schichten baben sehr an M&chtigkeit abgenommen. 
In der Fovea centralis, der Stelle des deutlichsten Sehens, sind 
nur die auBeren K8rner und die Zapfen vorhanden. Die Pars 
ciliaris retinae bestebt nur ausMiiller’schen Stiitzfasern, welche 
sich jedoch weiter vorn in eine einfacbe Lage von zylindrischen Zellen 
verwandeln. 

W&hrend die Retina in dieser Weise ais Pars ciliaris das Corpus 
ciliare innen bekleidet, entspringen von ihr eine Anzahl radiar zur 
Pupille verlaufender Fasern (Fibrae zonulares), deren Gesamtheit 
ais Zbnula ciliaris ( Tinnii) den Linsenrand g&rtelformig umgibt und da- 
selbst in die Linsenkapsel llbergeht (s. Fig. 49 u. 47). Durch die Zonula 
soli die Linse abgeplattet erhalten werden, also fttr die Ferne eingestellt 
sein. Zwischen den Fasern sind kleine lymphatische R&ume, Spatia zonu¬ 
laria, vorhanden. Das Vorhandensein eines ,,Canalis Petiti" wird von 
den meisten Antoren geleugnet. 

Die BlutgefiiBe der Retina stammen aus der A. u. V. centralis retinae 
(aus der A. und V. ophthalmica) und bilden ein abgeschlossenes System, welches 
fast gar nicht mit den anderen Blutgefafien des Bulbus kommuniziert. Die A. 
u. V. centralis retinae verlaufen in der Achse des N. opticus. Nach ihrem Ein- 
tritt in. die Retina teilen sie sich: 1. in zwei (einen oberen und einen unteren) 
nacb der Nasenseite hinziehende Zweige, A. nasalis retinae sup. und inf. und 
2. in zwei (einen oberen und einen unteren) nach der Schlafenseite hin¬ 
ziehende Zweige, A. temporalis retinae sup. und inf. Die Macula lutea wird 
auBerdem noch von zwei kleineren Zweigen, A. macularis sup. und inf., um- 
rahmt. 

d) Linse und GlaskSrper. 

Die Linse, Lens crystallina, ist bikonvex und zeigt demzufolge 
eine vordere und hintere gewolbteFlache(Fjg. 47). Der abgerundete 
Rand wird ais Linsenaquator, Aquator lentis, die Mitte der Vorderflache 
ais vorderer Linsenpol, die Mitte der HinterflAche ais hinterer 
Linsenpol bezeichnet Das durchsichtige elastische Organ wird von 
der ebenfalls durchsichtigen strukturlosen Linsenkapsel, Capsula 
lentis, umgeben, deren Innenflache vom von einem sechseckigen Epi- 
thel ilberzogen ist, dessen Zellen jedoch nach dem Aquator hin 
immer langer, also faserartig werden. Der Rest der Linse besteht 
aus secbskantigen Prismen, den Linsenfasern, Fibrae lentis, welche 
durch das L&ngenwachstum der eben erwahnten Epithelzellen ent- 
standen sind and einen etwas komplizierten Yerlauf haben. Vorn und 
hinten bilden sie den sogen. Linsenstern, von dem die 'Linsen- 
strahlen, Badii lentis, ausgehen (Fig. 49). Wird die Linse durch 
Operation. aus der Kapsel entfemt, so tritt dadurch eine Regeneration 
ein, daB die Epithelzellen der Kapselwand zu Linsenfasern auswachsen. 

Brobsikb, Repetitorium anatomicum. 15 



226 


II. Teii. Eingeweidei und Sinnesorgane. 


Der Glaskorper, Corpus vitreum , besteht aus einer glashellen, 
eiweiBhaltigen Fliissigkeit, Humor vitreus, welche von unregelmaBigen, 
meist netzformigen, feinen Fasern, dem sogen. Stroma vitreum, durch- 
zogen wird. An der Oberflache verdichtet sich dies Faserwerk, was 
dazu Yeranlassung gegeben hat, von einer Membrana hyaloidea zu 
sprechen. Vorn besitzt der Glaskorper eine Delie, Fossa hyaloidea, in 
welcher die Linse liegt. Beim Fotus ist der Glaskorper in sagittaler 
Richtung yon der A. hyaloidea durchzogen, welche von der A. centralis 
retinae zur Linsenkapsel verlauft, spater jedoch ganzlich oder groBten- 
tells schwindet. 


H. Das Geruclisorgan. 

Zum Geruchsorgan kann man nicht allein die innere, sondem 
auch die huBere Nase recbnen. An der letzteren werden die 
Nasenwurzel, Radix nasi, die Nasenspitze, Apex nasi, der 
Nasenriicken, Dorsum nasi, die Seitenwande^ Latera nasi, die 
Nasenflugel, Alae nasi , und endlich die vorderen Nasenoffnun- 
gen, Nares externae, unterschieden, welche durch die knorpelige 
Scheidewand, Septum cartilagineum nasi, voneinander geschieden 
sind. Ais Stiitze der auBeren Nase dienen auBer den Nasenbeinen 
der viereckige Scheidewandknorpel, Cart. quadrangularis, die 
dreiseitigen Seitenwandplatten, Carit.nasi laterales und die halb- 
mondformigen Nasenfliigelknorpcl, Cartt. alares. 

Die Nasenhohle wird eingeteilt in: 1. den Yorhof, Vestibulum 
nasi, 2. die eigentliche Nasenhohle, Cavum narium. Das Vestibulum 
reicht von den auBeren Nasenoffnungen bis zu einer bogenformigen 
Leiste, Limen nasi. Weiter aufwarts ist vor dem vorderen Ende der 
mittleren Muschel eine Art Wulst oder auch Wall, Agger narium (ein 
Rudiment einer vorderen Muschel) gelegen. In die eigentliche Nasen¬ 
hohle miinden dann noch die bereits S. 32 in der Knochenlehre be- 
schriebenen Nebenhohien, Sinus paranasales, ein. Nach hinten geht 
die Nasenhohle durch die Choanen in den Schlund uber. 

Von den drei Nasenmuscheln muB gemerkt werden, daB die 
oberste so klein ist, daB sie nur die hintere Halfte der Nasen¬ 
hohle einnimmt. Dasselbe gilt von dem unter der oberen Muschel 
gelegenen oberen Nasengange, welcher nur einen kurzen schragen 
Einschnitt darstellt. Demzufolge konnen auch die Stirnhohlen 
nicht in den oberen, sondern nur in das vordere Ende des mitt¬ 
leren Nasenganges einmiinden. In den oberen Nasengang miinden 
dagegen die hinteren und mittleren Siebbeinzellen, Cellulae 
ethmoidales mediae und postt. Die Keilbeinhohle, Sinus sphenoidalis, 
mundet auch nicht in den oberen Nasengang, sondern in eine Grube, 
Recessus splieno-ethmoidalis, welche sich jederseits zwischen der obersten 
Muschel und der vorderen Wand der Keilbeinhohle befindet. In den 



H. Das Geruchsorgan. 


227 


mittleren Nasengang miinden dagegen alie iibrigen Neben- 
hohlen ein. Unter dem vorderen Ende der mittleren Muschel findet 
sich zunachst dicht unterhalb der Bulla ethmoidalis eine lilngliche 
Vertiefung, Infundibulum ethmoidale, in deren oberem Ende die Stirn- 
hohlen, Sinus frontales, in deren unterem Ende die Kieferhohle, 
Sinus maxillaris, sich offnet. Doch ist fiir die letztere etwas mehr 
nach hinten sehr haufig noch eine kleine Nebenoffnung vor- 
handen. Die Miindung der vorderen Siebbeinzellen ist jederseits 


Nebendffnung 

Sinus frontalis d. Sinus maxillaris 



Miindung d. Ductus 
naso-lacri malis 


Oberer Nasengang 


Sinus sphe¬ 
noidalis 

Rec. r spheno¬ 
ethmoidalis 


Plica naso¬ 
pharyngea 
fChoanen- 
bogenj 
Rec. pharyn¬ 
geus ( Rosen- 
k miillePsche 
GrubeJ 

Tubenwulst 


Hint. Tuben- 
lippe 


Vord. Tubtnlippe Levatomvulst 


Agger nasi 


Infundibulum 
mit der Haupt- 
dffnung d. Sinus 
maxillaris 


Unterer Nasengang Meatus naso-pharyngeus 


Fig. 51. Die laterale Wand der Nasenhohle und des Sehlundes. G. s. 
Concha superior. C. med. Concha media. Concha inf. Concha inferior. Die 
Miindung der vorderen Siebbeinzellen an der Bulla ethmoidalis ist nicht bezeichnet. 
In den Miindungen des Sinus frontalis und sphenoidalis stecken helle Sonden. 

/ 

inmitten der Bulla ethmoidalis gelegen. Der untere Nasengang 
zeigt unter dem vorderen Ende der unteren Muschel die Miindung 
des Tranen-Nasenganges, Ductus naso-lacri malis, welche von einer 
halbmondformigen Schleimhautfalte, Plica lacrimalis (Hasneri), derart 
verdeckt ist, dafi dies e Miindung beim Schnauben usw. verschlossen 
wird (vgl. S. 218). 

Die Nasenschleimhaut oder Schneider’sche Membran, Membr. 
pituitaria, ist im Vestibulum mit geschichtetem Pflasterepithel 
versehen und mit kurzen Haaren, Vibrissae, besetzt. Die Schleinv 
haut des Cavum narium osseum wird dagegen in eine Pars respi¬ 
ratoria und Pars olfactoria eingeteilt, von denen die erstere unterhalb, 

15* 











228 


II. Teii. Eingeweide and Sinneeorgane. 


die letztere oberhalb einer Grenzlinie liegt, welche etwa in Hohe des 
unteren Randes der mittleren Muschel verlauft. Die Pars 
respiratoria ist non ebenso wie samtliche Nebenhohlen mit 
Flimmerepithel bekleidet, in welches auch Becherzellen (Schleim- 
zellenj eingesprengt sind. Die Pars olfactoria ist dagegen mit 
hohen schlanken Zylinderzellen ohne Flimmerhaare (Statz- 
ze 11 en) versehen, welche haufig ein gelbbraunes Pigment enthalten. 
Zwischen den Zylinderzellen liegen dann noch die mehr spindelfor- 
migen Riechzellen, von denen eine jede in zwei Fortsatz e auslauft. 
Der in die Tiefe gehende Fortsatz hangt stets mit dem Achsen- 
zylinder einer Nervenfaser znsammen. Der andere Fortsatz zieht zur 
Oberflache der Schleimhaut, wo er sich in ein Biischel feiner Harchen, 
der sogen. Riechhaare, auflost, welche die Gemcbsempfindnng 
vermitteln. Die freie Oberflache des Epithels der Regio olfactoria ist 
jedoch noch von der glashellen Brunn’schen Membran, Limitans 
olfactoria , bedeckt, durch welche die Riechharchen hindorchragen. 

Das Substrat, Tunica propria, ist bindegewebig, in den Neben- 
hohlen sehr dflnn, jedoch an den Muscheln stark entwickelt, nament- 
lich an der nntersten, wo in demselben sehr starke Venenplexus 
liegen, welche die leichte Schwellungsfahigkeit der unteren Muschel 
bedingen. In der Regio olfactoria zeigt dasselbe die langen diinnen 
tubulbsen Bowman’schen Driisen, 01 . olfactoriae , welche hauptsach- 
lich Eiweifl sezernieren sollen und sich mitunter auch bis in die Regio 
respiratoria erstrecken. Nur die Nebenhohlen sind drhsenlos. Der 
Nasenschleim scheint somit iiberall von den Epithelzellen (Becher- 
bzw. Schleimzellen) abgesondert zu werden. 

I. Das Geschmaeksorgan 

ist bereits bei der Mundschleimhaut (S. 130) abgehandelt worden. . 

K. Die auftere Haut. 

Die aufiere Haut, Cutis s. Integumentum commune externum, ist 
mit ihrer Unterlage meistens durch lockeres Bindegewebe verbunden 
und vermoge ihrer in die Lederhaut eingelagerten elastischen Fasern 
elastisch, so daB man sie in Falten abheben kann. Nur an wenigen 
Stellen, wie z. B. an Handteller und FuBsohle, ist sie durch Binde- 
gewebstrange, Retinacula cutis, fest an ihre Unterlage angeheftet. An 
diesen Stellen zeigt dieselbe auch Furchen, Sulci cutis, welche durch 
Leisten, Cristae cuiis, getrennt werden und besomfers an den Fin- 
gem in kriminalistischer Beziehung neuerdings eine wichtige Rolle 
spielen. Die Haut besteht aus drei Schichten, namlich: 1. der Ober- 
haut, Epidermis ; 2. die Lederhaut, Corium und 3. dem Unter- 
hautfettgewebe, Tela subcutanea (Panniculus adiposus). Ais An- 



K. Die auBere Haut. 


229 


hangsgebilde der Haut kanu man die Haare mit den Haar- 
balgdrttsen, die isolierten Talgdriisen, die Knaueldrtisen, die 
Nagel und, wenn man will, aucb die Blutgef&Be, Nerven und 
glatten Muskelfasern bezeichnen. 

i 

1 Die Epidermis. 

Die Epidermis kann man (von innen nach auBen gerechnet) in 
drei Schichten teilen, n&mlich: 1. die Malpighi’sche Schicht oder 
Keimschicht, Stratum germinativum ; 2. die tlbergangschicht; 
3. die Hornschicht, Stratum corneum. 

1. Die Malpighi’sche Schicht ist einer Vermehrung ihrer 
Elemente fahig, durch welche die an der Oberflache der Hornschicht 
abgestoBenen Zellen wieder ersetzt werden. Sie besteht aus: a) einer 
einfachen Schicht von Zylinderzellen {Stratum cylindricum ), welche 
auf dem Corium ruht und bei farbigen Rassen Pigment enthalt, und 
b) der Stachelzellenschicht ( Stratum dentatum ), deren Zellen mit 
Stacheln versehen sind, welche mit den Stacheln der Nachbarzellen 
in Verbindung stehen. Zwischen diesen „Interzellularbrticken“ 
finden sich „Interzellularspalten“, in denen Lymphe zirkuliert. 

2. Die (jbergangschicht besteht a) aus dem tiefer liegenden 
Stratum granulosum (Attfhammer) und b) dem dariiber befindlichen 
Stratum lucidum (Oehl), von denen jede Schicht aus einer zweifachen 
Zellenlage zusammengesetzt ist. Die Zellen des Stratum granulosum 
enthalten eigentumliche Korner, die wabrscheinlich eine Vorstufe 
des Keratins bilden (Keratohyalin Waldeyer). Das Stratum 
lucidum sieht stark glanzend aus: seine Zellen scheinen schon ver- 
hornt zu sein. 

3. Die Hornschicht besteht aus platten verhomten Zellen, 
welche in den obersten Schichten keine Keme mehr besitzen und wie 
eingetrocknete Schiippchen aussehen. Die Hornsubstanz (Keratin) 
ist gegen Sauren ziemlich widerstandsfahig: in Lbsungen von Kali- 
oder Natronlauge quellen die verhornten Zellen dagegen auf und ver- 
schwinden zuletzt. Auch die Waschseifen enthalten bekanntlich Kali- 
oder Natronlauge in kleiner oder groBerer Menge. 

II. Das Corium. 

Die Lederhaut, Corium, besteht ebenfalls aus zwei Schichten, 
namlich: 1. dem tieferliegenden Stratum reticulare , und 2. dem ober- 
flachlichen Corpus papillare. Das Stratum reticulare setzt sich 
aus derben Bindegewebsfasern zusammen, welche sich vielfach durch- 
kreuzen und mit zahlreichen elastischen Fasem untermischt sind. 
Das Corpus papillare zeigt nur wenig Bindegewebsfasern, dafiir 
um so mehr Rundzellen. Dagegen besitzt es an der Oberflache die 



230 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


kegelformigen Hautpapillen, Papillae cutis, auf denen die Malpighi'- 
sche Sckicht aufsitzt. Die Papillen enthalten meistens entweder nur 
eine Kapillarschlinge oder nur ein Tastkorperchen, so daB man Ge - 
faB- und Tastpapillen unterscheidet. 

m. Die Tela subcutanea. 

Das Unterhautfettgewebe, Tela subcutanea, besteht aus Fett- 
zellen, welche von einem Geriist von Bindegewebsfasem getragen werden. 
Bei groBer Abmagerung konnen jedoch die Fettzellen ganzlich ver- 
schwinden: man spricht dann von einem Unterbautbindegewebe. 

IV. Das Haar. 

Das Haar zeigt sich beim Menschen in zwei Formen, namlicb: 
1. ais das gewohnliche Haar, Crines, und 2. ais Flaumhaar, 
Lanugo, welches beim Fotus den ganzen Korper bedeckt. Beim Er- 
wachsenen sind die Crines ais Kopfbaar, Capilli, ais Barthaar, 
Barba , ais Schnurrbart, Mysiax, ais Augenbrauen, Supercilia , ais 
Augenwimpern, Cilia, ais Nasenharchen, Vibrissae , ais Tragipili 
am Ohr, ais Hircipili in der Achselhohle und ais Schamhaar, Pubes, 
am Mons veneris vorhanden: im iibrigen ist der Kbrper aucb beim 
Erwachsenen mit Lanugo bedeckt. Die Kopfbaare und das Flaum¬ 
haar haben einen nabezu kreisformigen, die iibrigen Haare einen 
mehr langlichen Querschnitt. 

Das einzelne Haar, Pilus, zeigt das in der Haut steckende 
kolbige Ende, die Haarzwiebel, Bulbus pili, dariiber den etwas 
diinneren Hals, Collum pili, den uber der Haut befindlichen Haar- 
schaft, Scapus pili, und die in der Haut steckende Wurzel, Radix pili. 
Bei absterbenden Haaren erscbeint die flaschenformig ausgehohlte Haar¬ 
zwiebel besenartig aufgefasert. Jedes Haar besteht mikroskopisch aus: 
1. dpm Ob erhautchen, Cuticula (dachziegelartig iibereinander- 
gelagerte, kemlose Schiippchen); 2. der Rindensubstanz (verhomte 
lange spindelformige Zellen), und 3. der Marksubstanz (poly- 
gonale Zellen, welche Keratohyalinkomer enthalten). 

Die Haarwurzel ist von der inneren und der buBeren 
Wurzelscheide umgeben. Die innere Wurzelscheide besteht: 
1. aus der Scheidencuticula, welche der Haarcuticula dicht an- 
liegt und denselben Bau zeigt; 2. aus der Huxley’schen Scbicht 
(kernhaltige Zylinderzellen), und 3. der Henle’schen Schicbt (kem¬ 
lose platte Zellen). Die auBere Wurzelscheide ist lediglich ais 
Fortsetzung der tiefen Hautschichten aufzufassen. 

Ais Haarbalg, Folliculus pili , bezeicbnet man diejenige Ver- 
tiefung der Lederhaut, in welcher die Haarwurzel steckt. Man hat 
an derselben den Grund, Fundus, und den dariiber gelegenen Hals, 
Collum folliculi, unterschieden. 



K. Die auBere Haut. 


231 


Das Ergrauen des Haares kann durch Schwund des Haarpigments, 
aber auch dadurch entsteheii, daB die Rinde des Haares von Luft- 
spalten durchsetzt wird. Die Nerven des Haares sollen nach Merkel 
bis in die Zellen der auBeren Wurzelscheide eintreten. 

V. Die Nagel. 

Die Nagel, Ungues, sind verhomte Platten, an denen man die 
Nagelwurzel {Radix), den Nagelkorper [Corpus), die Seitenrander 
und den freien Rand unterscheidet. Die untere Nagelflache ruht 
auf dem Nagelboden oder Nagelbett, Matrix unguis, welches, wie 
die auBere Haut, aus einer Keimschicht, Ubergangschicht und Horn- 
schicht besteht. Die Seitenrander und die Wurzel des Nagels liegen 
im Nagelfalz, Sulcus matricis unguis, .welcher vom Nagelwall, 
Vallum unguis, umgeben wird. Das Corium des Nagelbettes besitzt 
hinten am weiBen Teii des Nagels [Lunula) gefaBhaltige Papillen, 
dagegen vora langslaufende Leistchen, Cristae matricis unguis, auf 
denen sich der Nagel bei seinem Wachstum vorwartsschiebt. t)ber 
die Lunula legt sich von hinten ein Fortsatz der Epidermis, das 
sogen. Nagelbandchen, hiniiber. 

VI. Die Knauel- und Talgdriisen. 

Die Knaueldriisen, 01 . glomiformes, sind tubulose Driisen, 
deren blindes Ende knauelformig aufgerollt ist. In den groBten 
Formen treten sie in der Achselhohle auf, wo sie sogar bis ins Fett- 
gewebe reichen und ihre Knauel mjt bloBem Auge zu sehen sind. 
Diese Driisen (fast samtlich SchweiBdriisen) bestehen aus einer glas- 
hellen Tunica propria und einem bald niedrigen, bald hoheren Zylinder- 
epithel. Die Tunica propria geht jedoch beim Eintritt des Aus- 
fiihrungsganges in die Epidermis verloren und das Zylinderepithel 
der Druse geht direkt in das Zylinderepithel der Malpighi’schen Schicht 
iiber. Der Ausfuhrungsgang besitzt hierauf keine eigene Wandung 
mehr, sondem verlauft" korkzieherformig zwischen den Epithel- 
zellen der Epidermis bis zu deren Oberflache. Die SchweiBdriisen 
sind wahrend ihres Yerlaufes in der Lederhaut von glatten Muskel- 
fasern begleitet, welche das plotzliche Hervorbrechen des sogen. 
AngstschweiBes erklaren wiirden. 

Die Talgdrusen, 01 . sebaceae, sind acinose Driisen, deren Epithel- 
zellen sich durch fettige Degeneration zum Hauttalg, Sebum, um- 
wandeln. Die Talgdriisen sind meistens Anhangsgebilde der Haare, 
in deren Haarbalg sie einmiinden, um die letzteren einzufetten. Doch 
kommen auch, wie z. B. an der Haut der Stirn und Nase, groBe 
isolierte Talgdrusen vor. Verstopfte und entziindete Talgdriisen 
werden Mitesser, Comedones, genannt. 



232 


II. Teii. Eingeweide und Sinnesorgane. 


VII. Nerven und Muskeln. 

Die Nerven der menschlichen Hant endigen entweder frei oder 
in Gestalt der Terminalkorperchen. 

Bei der freien Endigung laufen die Nervenenden entweder in 
feine Spitzen oder in kleine Knopfchen aus. Solche Endkndpfchen 
will man z. B. in den Epithelzellen der Malpighi’schen Schicht vor- 
gefunden haben. Man nimmt an, da8 dieselben Schmerz-, vielleicbt 
auch Temperaturempfindungenvermitteln. Die Terminalkorperchen 
der menschlichenHaut sind — abgesehen von den sogen. Tastzellen — 
aus einer Hiille, einem Innenkolben und einer axialen Nerven- 
faser zusammengesetzt. Die Hiille ist eine Fortsetzung des Perineurium 
und vpn platten Bindegewebszellen gebildet. Der Innenkolben bestebt 
aus einer feinkornigen Masse oder aus Zellen, zwischen denen sich die 
axiale Nervenfaser verastelt. Die eine Art, die Wagner-Meissner’- 
schen Tastkorperchen, haben die Gestalt eines kleinen Tanrien- 
zapfens und dienen wobl zweifellos der Tastempfindung, da sie sich 
hauptsachlich in den Tastpapillen der Haut, z. B. an den Fingera, vor- 
finden. Die zweite Art, die Krause’schen Endkolben, dienen wohl 
auch der Tastempfindung: sie scheinen bei manchen Tieren iiberhaupt 
die Stelle der Tastkorperchen zu vertreten. Sie sind jedocb kleiner, bald 
mehr kuglig, bald mehr lSnglich geformt, und nicht. allein in der Haut 
der Lippen, um den Anus, an der Glans penis, sondern auch in Schleim- 
hauten, wie z. B. der Conjunctiva und der Mundhohle, zu finden. Die dritte 
Art, die Vater-PacinPschen Korperchen, sind erheblich groBer 
undkonnen z. B. im Mesenterium der Katze mit bloBem Auge ais hirse- 
komgroBe Korper deutlich wabrgenommen werden. In der Haut findet 
man dieselben im Unterhautfettgewebe der Finger und Zeben, am 
Penis, den Labia majora, an der Brustwarze usw. vor. Aber auch im 
Periost, in Bandern, Faszien und Sehnen bat man dieselben nach- 
gewiesen. Ihre eigentliche Bedeutung ist noch immer nicht festgestellt. 

Von glatten Muskelfasern der Haut sind: 1. die netzformigen 
Fasern des Brustwarzenhofes (Erektion• der Brustwarze); 2. die 
Tunica dartos des Hodensackes; 3. die Aufrichtemuskeln der 
Haare {Arrectores pili ); endlich 4. die bereits erwahnten Begleit- 
muskeln der SchweiBdrtisen zu nennen. 

Anhang: Die Blutgeffifidrttsen. . 

Unter dieser Bezeichnung bat man eine Anzahl von eigentiim- 
lichen Organen ohne Ausfiihrungsgang verstanden, von denen 
man annimmt, daB sie zur Bildung des Blutes bzw. gewisser in dem- 
selben zirkulierender, fiir den Korper wichtiger Stoffe in Beziehungen 
steben. Ebensogut kann man dieselben aber zu den Eingeweiden 
recbnen. 



Anhang: Die BlutgefaBdriisen. 


233 


1. Die Milz. 

tiber den Bau und die Bedeutung der Milz ist S. 149 nachzusehen. 

2. Die Nebennieren. 

Die Nebennieren, Gl. suprarenales, sitzen der medialen Seite 
des oberen Nierenendes auf. Die rechte, mehr dreiseitige Neben- 
niere beriihrt die V. caVa in£, die linke, halbmondformige, bleibt da- 
gegen immer etwas (bis zu 1 cm) von der Aorta entfernt. Man nimmt 
an, da 8 dieselben gewisse, dem Korper notwendige chemische Bestand- 
teile produzieren, welche ins Blut libergehen. 

Die Nebennieren bestehen aus einer bindegewebigenKapsel, welche 
Septa in daslnnere derselben schickt, aus der gelbenRindensubstanz, 
Substantia corticalis, welche ais Abkdmmling der Urniere hauptsachlich aus 
Epithelzellen zusaftmengesetzt ist, und der grauen Marksubstanz, 
Substantia medullaris, welche aus der Anlage des Sympathicus hervor- 
gegangenist. Die vielfachfetthaltigen Epithelzellen derRinde sindin 
der auBersten Schicht, Zona glomerulosa, polygonal und zu rundlichen 
Ballen, in der mittleren, Zona fasciculata, zu langeren Saulen vereinigt, 
in der innersten Schicht, Zona reticularis, zu einem unregelmaBigen 
Netze verbunden. Die Marksubstanz besteht aus netzartigverbondenen 
Zellen, welche sich durch Chromsaure stark dunkelbraun farben. Auch 
Nervenfasern und Ganglienzellen sind in derselben reichlich vorhanden. 

'3. Die Hypophysis verebri. 

Der Hirnanhang, Hypophysis verebri (s. beim Gehim), besteht 
aus einem vorderen Lappen, welcher vom Epithel der Mundbucht 
und einem hinteren Lappen, welcher yom Infundibulum des Gehirns 
stammt. Der vordere Lappen zeigt somit noch eine Anzahl epithelialer 
Schlauche, der hintere neben feinen Nervenfasern hauptsachlich fibrillares 
Bindegewebe mit Rund- und Spindelzellen. Nach Edingeb soli dem Sekret 
der Hypophysis „eine den Blutdruck erhohende Eigenschaft“ zukommen. 

4. Die Luschka’sche SteiBdrtise. ^ 

Die Lu 8 chka’sche SteiBdriise, Glomus coccygeum, ist ein etwa 
erbsgroBes, in der Nahe der SteiBbeinspitze gelegenes, r&tselhaftes Organ, 
welches aus einem bindegewebigen Stroma besteht, dasvonknauelformigen 
BlutgefaBen, sympathischen Nerven und glatten Muskelfasern durch- 

setzt, wir . 5 / Das Glomus caroticum. 

Das Glomus caroticum (Gl. carotica) ist ein plattlangliches, etwa 
0,5 cm langes, ratselhaftes Organ, welches medial von der Teilung- 
stelle der Karotiden liegt und einen ahnlichen mikroskopischen Bau 
wie das Glomus coccygeum zeigt. 

6 . Die Thymusdriise und Schilddriise. 

Uber dieselben ist S. 174 und S. 175 nachzusehen. 



Dritter Teii. 

GelUB’ und Nervenlehre. 

1 ~ # 

A. Das Hcrz and der Herzbeutel. 

I. Allgemeines. 

Das Herz, Cor, ist ein annahernd kegelformiges, muskuloses • 
Hoblorgan, an welchem man das breite obere En de, Basis cordis , 
die nach unten gelegene Herzspitze, Apex cordis einen scharfen 
rechten und einen stumpfen linken Rand, endlicb eine gewolbte 
vordere und eine ebene hintere. Flache (Facies sternalis und 
diaphragmatica) unterscheidet. 

Betreffs der Lage des Herzens (s. Fig. 52) ist zunachst zu 
botonen, daB seine Langsachse von rechts, oben und binten nach 
links, unten und vom verl^uft. Die vordere Fl&che wird groBten- 
teils von den vorderen Lungenrandern iiberlagert; nur ein Teii des 
rechten Ventrikels 1 (entsprechend der Inc. cardiaca der linken <■- 
Lunge) bleibt unbedeckt. Die hintere Flache ruht vora auf dem 
Centrum tendineum, hinten grenzt sie noch an den Oesophagus, die 
Aorta descendens und V. azygos. Auf die vordere ,Brustwand 
projiziert sind die Konturen des Herzens folgendermaBen zu be- 
stimmen. Die Herzspitze liegt im V. Interkostalraum 1 cm 
medianwarts von der Mamillai^inie. Die untere Herzlinie 
lauft von der Herzspitze schrag uber die Grenze zwischen dem 
Kor.per und Schwertfortsatz des Brustbeins nach rechts bis 
2 cm vom rechten Sternalrande. Die rechte Herzlinie zieht 
von hier aus 2 cm vom rechten Sternalrande entfernt bis zum 
II. Interkostalraum nach aufwarts. Die obere Herzlinie verlauft 
von hier aus in einer Verbindungslinie zwischen den oberen Enden 
der beiden III. Ste^no-Kostalgelenke bis etwa 2—8 cm weit in 
den linken II. Interkostalraum hinein. Die etwas bogenformige linke 
Herzlinie verbindet den letzteren Punkt mit der Herzspitze. 

1 Das Perikard ist bei dieser Beschreibung auBer acht gelassen. 



A. Das Herz und der Herzbeutel. 


235 


An der Oberflache des Herzens fallt vor allem auf, daB 
samtliche groBen GefaBe des Herzens, Arterien und Yenen, mit 
ihren Ursprungstellen an der Basis zusammenliegen. Weiter- 
hin sieht man eine Langsfurche, Sulcus longitudinalis cordis, sowobl 
vorn wie hinten von der Basis zur Spitze verlaufen, an der sie 
gewohnlich' eine kleine Einkerbung, Inc. cordis, verursacht. Senkrecbt 
zu dieser Langsfurche verlauft ringformig der Sulcus coronarius cordis. 


A. carotis comm. A. carotis eorum, 

u. V. jufj. int . dextra u. V. jug.int. sin. 



V. anonyma dexfra 


A. u. l r . subclavia 
dextra 

V. cava suji 


Brusttoarze 


Auricula dextra 


§lechte Atrio - 
ventricular- 
grenzt 


V. anonyma sin. 


A. u. Vs subclavia 
sin. 


.4. pulmonalis 


Auricula 

sinistra 


Linke Atrio- 

ventricula r- 
grenze 


Ostium aorticum 
frot punktiertj 


Fig. 52. Die Lage des Herzens, auf die vordere Brustwand projiziert. 


Der Sulcus longitudinalis entspricht nun in seiner Lage genau 
der Scheidewand des Herzens, Septum cordis, durch welche das 
Herz in eine linke und eine rechte Herzhalfte geteilt wird. Der 
Sulcus coronarius entspricht der sogen. Atrio-ventrikulargrenze, 
durch welche jede Herzhalfte in die Yorkammer, Atrium, und die 
Kammer, Ventriculus, geschieden wird. Demzufolge besteht das 
Herz aus 4 annahernd gleichgroBen Abteilungen. namlich den beiden 
Vorkammern und den beiden Kammern. Die beidenVorkammern 
haben eine annahernd kubische Forni: sie nehmen die groBen 










236 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 

Venen des Herzens auf. An jedem Atrium unterscheidet man die 
Haupthohle, Sinus atrii, und «einen hohlen Fortsatz, das. Herzohr, 
Auricula cordis, welches sich beiderseits nach vom bis zur A. pul¬ 
monalis erstreckt. Die Innenflache der Atrien ist glatt und zeigt 
nur in den Herzohren und einem kleinen Teii der recbten Vorkammer 
parallele Muskelbiindel, Mm. pectinati. Die Scheidewand beider Atrien 
ist zum Teii hautig (Pars membranacea septi atriorum s. w. u.). 

Am tJbergang eines jeden Atrium in den Ventrikel ist 
die Muskulatur durcb einen derben bindegewebigen Ring, Annulus 
fibrosus, unterbrochen \ welcher eine rundliche Offnung, das Ostium 
venosum, umgibt. Von diesen Ringen hangen nun die Atrio-ventri- 
kularklappen in den Hohlraum der Ventrikel binab. Die rechte 
Atrio-ventrikularklappe, Valvula tricuspidalis, wird durch Einschnitte in 
drei, die linke, Valvula bicuspidalis, in zwei dreiseitige Zipfel geteilt. 
Die freien Rander der Klappen sind durch sehnige Faden, Chordae 
tendineae, mit kegelformigen Vorspriingen der Ventrikelwand, den sogen. 
Mm. papillares, verbunden. Wenn durch die Kontraktion der Ventrikel 
das Blut gegen diese Klappen gedrangt wird, werden dieselben in- 
folgedessen nicht in die Atrien geschleudert, sondern schlieBen sich 
zu einem oben offenen Trichter, nach Art von Segeln, in denen sich 
der Wind fangt (Segelventile). 

Die beiden Ventrikel haben die Form von Kegelabschnitten. 
Doch ist die Scheidewand, das Sepium ventriculorum (s. Fig. 53), der- 
artig dick und nach rechts gewolbt, daB dieselbe ganz dem linken 
Ventrikel anzugehoren scheint. Die Innenflache beider Ventrikel ist, 
abgesehen von den Mm. papillares, noch durch zahlreiche netzformige 
Muskelbalken, Trabeculae carneae, ausgezeichnet. Auch hier ist eine 
hautige Stelle, Septum membranaceum ventriculorum (zwischen der Aorten- 
wurzel und dem Ursprung der Valvula tricuspidalis), vorhanden. 
Der Ubergang der beiden Ventrikel in die groBen Arterien 
des Herzens (Aorta und A. pulmonalis) wird wiederum durch eine 
rundliche Offnung, Ostium arteriosum, gebildet. Dicht oberhalb eines 
jeden Ostium besitzt die Arterien wand nun die drei halbmondformigen 
Valvulae semilunares, von denen eine jede mit dem konvexen Rand an 
die Arterienwand angeheftet ist, wahrend der grade freie Rand in das 
Lumen der Arterie ragt. Diese Klappen bilden also kleine Taschen 
(Taschenventile), in denen sich das Blut fangt, wenn es durch die 
Elastizitat der Arterien in die Ventrikel zuruckgedrangt wird. Das 


1 Die Muskulatur der Atrien und Ventrikel ist durch diesen Ring nicht 
vollstandig geschieden. Ein kleines Muskelbiindel, das His’sche Atrio-ventri- 
kularbiindel verbindet die Wand des Sinus coronarius mit dem Septum 
ventriculorum-: man nimmt an, daB dasselbe den Kontraktionsreiz vom Atrium 
dextrum zu den Ventrikeln leitet (Reizleitungsbiindel). Doch ist dies noch 
keineswegs einwandfrei festgestellt. 



• A. Das Herz und der Herzbeutel. 


287 


Lumen jeder Tasche wird ais Sinus Valsalvde bezeichnet. Der freie 
Klappenrand zeigt in der Mitte ein Knotchen, Nodulus valv. semilunaris 
(Nodulus Arantii), zu dessen beiden Seiten noch je eine halbmondformige 
diinnere Stelle, Lunula, vorhanden ist, welche einen besseren Klappen- 
schluB ermoglicht. Die SchlieBungsrander bilden bei vollstandigem 
SchluB die Gestalt eines dreistrahligen Sternes. 


II. Spezielies uber die einzelnen Herzhohlen. 

1. Das rechte Atrium heiBt auch Hohlvenensinus, ,weil.die 
V. cava sup. und inf. (beide neben dem Septum cordis) in dasselbe ein- 
miinden. Des Herzohr ist hier mehr pyramidal. Mm. pectinati sind 
nicht allein in dem letzteren, sondern auch an der vorderen und 



Pig. 53. Querschnitt dureh beide Ventri kel, um zu zeigen, daB das 
Septum sich stark in den rechten Ventrikel vorwolbt. 

rechten Wand vorhanden. Kleinere Offnungen, Forr. venarum mini¬ 
marum (Thebesii), sind ais Einmiindungstellen der kleinsten Herzvenen 
an der Innenflache des rechten Atrium sichtbar. 

Die bereits erwahnte Pars ' membranacea septi atriorum bildet hier 
(im rechten Vorhof) eine kleine Grube, Fossa ovalis, welche von einem 
wulstigen Rande, Limbus fossae ovalis, begrenzt wird. Statt dieser 
Grube ist beim Fotus ein Loch, For. ovale, vorhanden, von dessen 
hinterem Rande eine hautige Klappe mit nach vorn konkavem Rande, 
Valvula foraminis ovalis, in das Lumen des linken Atrium hineinragt. 
Nach der Geburt legt sich diese Klappe ganz an den Rand des For. 
ovale, welches dadurch vollstandig verschlossen wird. AuBerdem zieht 
vom vorderen Rande der V. cava inf. zum unteren Rand der Fossa 
ovalis die Valvula venae cavae (Valv. Eustachii), welche beim Fotus die 
Aufgabe hat, das gute sauerstoffhaltige Blut des rechten Atrium zum 
groBten Teii nach dem linken Atrium hiniiberzuleiten. In der Ecke 
zwischen der Valv. Eustachii und der Atrio-ventrikulargrenze ist noch 



238 


III. Teii. GefafS- und Nervenlelfre.* 


die Miindung der V. magna cordis, Ostium sinus coronarii , gelegen, 
welche in eine kleine Erweiterung, den Sinus coronarius, hineinftihrt. 
Auck diese Miindung ist teilweise durch eine kleine Klappe, Valv. 
sinus coronarii (Thebesii ), verdeckt. 

2. Das linke Atrium (Lungenvenensinus) zeigt an der 
oberen Wand links und rechts die Miindungen der beiden linken 
und beiden rechten Lungenvenen. Das linke Herzohr ist schmaler 
wie rechts und S-formig gekriimmt. Die Innenflache des Septum 
zeigt den letzten Uberrest der Valv. foraminis ovalis, deren konkaver 
Rand nAch -vorn gerichtet ist. 

3. Im rechteh Ventrikel sind die Zipfel der Valvula tricus¬ 
pidalis so angeordnet, daB der eine medial (am Septum), der zweite 
vorn, der dritte hinten liegt. Die Papillarmuskeln stehen 
zwischen den Zipfeln. Die Valvulae semilunares stehen so, daB die 
eine vorn, die anderen beiden hinten liegen. Beim tjbergang des 
•Ventrikels in die A. pulmonalis bildet der letztere eine Art Trichter, 
Conus arteriosus, dessen Vorhandensein es leicht kenntlich macht, daB 
man die vordere und nicht die hintere Fiache des Herzens vor sich hat.' 

4 . Der erheblich dickwandigere linke Ventrikel besitzt die Val¬ 
vula bicuspidalis, an der man einen zugleich etwas medial gelegenen 
vorderen Zipfel und einen zugleich etwas lateral liegenden hintereii 
Zipfel unterscheidet. Die Mm. papillares liegen wieder zwischen den 
Klappenzipfeln. Trabeculae carneae wie rechts. Die Valvulae semilunares 
stehen umgekehrt wie diejenigen der A. pulmonalis, namlich die eine 
hinten, von den anderen beiden die eine vorn rechts und die 
audere vorn links. 1 

Abgesehen von den S. 234 beschriebenen Herzlinien, hat man in bezug 
auf die Lage noch folgendes zu merken (vgl. Fig. 52). Die Herzspitze liegt 
im V. Interkostalraum, 1 cm nach rechts von der Mammillarlinie, die Basis der 
Valvula tricuspidalis in einer Verbindungslinie zwischen dem III. linken 
und V. rechten Sterno-kostalgelenk, die Basis der Valvula bicuspidalis in 
Hohe des III. linken Rippenknorpels. Die Semilunarklappen der A. pul¬ 
monalis sind hinter dem oberen Ende des III. linken Sterno-kostalgelenkes, 
die Semilunarklappen' der Aorta hinter den vorigen und etwas tiefer, 
die Einmitndung der V. cava sup. dicht fiber dem III. rechten Sterno- 
kostalgelenk gelegen. 

III. Muskeln, Nerven und Blutgefafie des Herzens. 

Die Herzwand besteht aus drei Schichten, namlich: 1. dem 
Pericardium ; 2.* dem Myocardium und 3. dem Endocardium. 

Die Muskulatur, Myocardium, ist zwar quergestreift, jedoch dem 
EinfluB des Willens entzogen und zeigt auch einen besonderen Bau. 


1 Das Lageverhaltuis der Semilunarklappen bei beiden Arterien wfirde 
sornit X so aussehen. Die Seiten der Dreiecke entsprechen den freien Klappen- 
randera. 



A. Das Herz und der Herzbfcutel. 


239 


) # 

Es ist bereits erwahnt worden, daB mit Ausnahme des His’schen 
Biindels (s. S. 236) die Muskulatur der Atrien und der Ventrikel 
vollig geschieden ist. Im tibrigen zeigen sowohl die Atrien wie die 
Ventrikel auBen eine gemeinsame, ‘innen eine besondere Schicht 
fur jeden Hohlraum. Bei den Atrien ist .die gemeinsame Schicht 
auBen transversal, bei den Ventrikeln longitudinal. Die innere 
Schicht ist umgekebrt bei den Atrien longitudinal (Mm. pectinati), 
bei den Ventrikeln zirkular. Die letzteren zeigen dann noch ais 
dritte Lage innen die Trabeculae carneae und Mm. papillares. 

Die Nerven des Herzens werden vom N. vagus (hemmende 
Fasern) und vom N. sympathicus (bescbleunigende Fasern) geliefert 
Die Fasern beider Nerven durchflechten sich und bilden einzelne 
ganglibse Knoten, narfllich: 1. das Wrisberg’sche Ganglion an der 
Teilungstelle der Lungenarterie; 2. die Bidder’schen Ganglien 
an der Atrio-ventrikulargrenze; 3. die Ludwig’schen Ganglien im 
Septum atriorum. Die beiden letzteren Arten sind allerdings bisher 
beim Menscben noch nieht nachgewiesen. 

Die Arterien des -Herzens sind die A. coronaria cordis dextra 
und sinistra, welche aus den beiden vorderen Sinus Valsalvae ent- 
s^ringeu. Die reckte verlauft im rechten Sulcus circularis nach 
hinten und dann ais R. descendens post, im kinteren Sulcus longitu¬ 
dinalis bis zur Herzspitze. Die linke teilt sich in einen R. circum¬ 
flexus fur den liliken Sulcus circularis und einen R. descendens ant., 
welcher im Sulcus longit. ant. bis zur Herzspitze verlauft. 

Die Hauptvene ist die V. magna cordis, welche im Sulcus longit. 
ant. beginnt, um den. linken Sulcus circularis zieht und mittels des 
Simis coronarius dicht neben dem Septum ins rechte Atrium mundet. 
Eine V. cordis media beginnt an der Herzspitze in der hinteren 
Langsfurche und senkt sich auch in den Sinus coronarius ein. Die 
kleinen Vv. minimae cordis mtinden direkt in das rechte Atrium. Ais 
schwacher tlberrest der fotalen V. cava sup. sin. ist manchmal noch 
hinten ais kleiner Ast der V. magna cordis die MarshalDsche Vene, 
V. obliqua atrii sin., vorhanden. 

IV. Pericardium und Endocardium. 

Der Herzbeutel, Pericardium, besteht, wie alie serosen Haute, 
aus dem parietalen Blatt, Pericardium parietale, und demyiszeralen 
Blatt, Pericardium viscerale. Das parietale Blatt bildet einen 
schlaffen, faltigen Sack, welcher fur die Exkursionen des Herzens 
reichlich Platz laBt. Das viszerale Blatt (auch Epicardium be- 
zeichnet) iiberzieht die ganze Oberflache des Herzens ais glatte 
spiegelnde Haut. Indessen erstreekt es sich auch auf die Oberflache 
der aus dein Herzen austretenden groflen BlutgefaBe, indem es zu- 
nachst die Aorta und A. pulmonalis mit e in er gem ein samen 



240 


III. Teii. GefaB- und Nerveulehre. 


Scheide bis zur Konka vitat des Aortenbogens bzw. zur Teiluag der 
A. pulmonalis umgibt Die V. cava sup. und die Vv. pulmonales werden 
nur an der Vorderflache vom Pericardium viscerale bedeckt. Die 
tlbergangstelle des letzteren in das parietale Blatt ist also ziem- 
lich hoch an den eben genannten BlutgefaBen gelegen. Zwischen 
den beiden groBen Arterien und den Atrien kleidet das Perikard 
noch eine quere Spalte, den Sinus transversus pericardii, aus. Der mit 
abnormer Fltissigkeit geflillte Herzbeutel bildet, auf der Brust- 
wand perkutiert, ein Dreieck mit abgestutzten Ecken, dessen Basis 
dem rechten scharfen Rande des Herzens entspricht. 

Das Endocardium besteht ebenso wie das Pericardium aus Binde- 
gewebe mit elastiscben Netzen: beide sind mit Endotbel austapeziert. 
Die Klappen sind ais Duplikaturen des Endokards aufzufassen. 


B. Die A. pulmonalis. 

Die Lungenarterie, A. pulmonalis, eine kurze, aber dicke Ar- 
terie, entspringt dicht oberhalb des III. linken Sterno-kostal- 
gelenkes aus dem rechten Ventrikel uhd verlauft vor derAorten- 
wurzel hinter dem linken Stemalrande nach oben bis unter den 
Aortenbogen, wo sie sich in die A. pulmonalis dextra und sinistra teilt, 
von denen die erstere vor der Aorta descendens, die letztere 
hinter der Aorta ascendens und V. cava sup. zur Lunge ziehen. 
Zwischen ihrer Teilungstelle und der Konkavitat des Aortenbogens 
ist das Lig. arteriosum gelegen, ein Uberrest des beim Fotus vor- 
handenen Ductus arteriosus Botalli. Die- Lungenarterie ist beim Er-, 
wachsenen die einzige Arterie, welche dunkles, sauerstoffarmes 
Blut filhrt. 


C. Die Aorta. 


Die groBte Rorperarterie, Aorta, nimmt ihren Ursprung 
hinter dem -Ursprung der A. pulmonalis, jedoch etwas tiefer, also 
in Hohe des III. linken Sterno-kostalgelenkes, aus dem linken 
Ventrikel und zieht nun ais Aorta ascendens bis zum II. rechten 
Sterno-kostalgelenk in die Hohe. Von hier bis zur linken Seite 
des III. BrustwirbelkiSrpers bildet sie den Aortenbogen, Arcus 
aortae, dessen hochster Punkt in Hohe des oberen Sternalrandes 
liegen kann. Hierauf geht dieses GefaB in die Aorta descendens tho¬ 
racica und abdominalis tiber, von denen die erstere mehr links von der 
Wirbelsaule (s. S. 173), die letztere mehr vor derselben dicht neben 
der Medianlinie und der V. cava inf. liegt. In Hohe des 
IV. Lendenwirbels teilt sich die Aorta in die schwache A. sacralis 
media und die beiden starken Ad. iliacae communes. Die drei Sinus 
Valsalvae der Aorta bilden zusammen den Bulbus aortae. Etwas hoher 
erweitert sie sich noch einmal ein wenig (Sinus quartus). 



D. Die direkten Aste der Aorta. 


241 


D. Die direkten Iste der Aorta. 

a) Brustaorta. 

1. Die A. coronaria cordis dextra und sinistra "(vgl. S. 239). 

2. Die A. anonyma entspringt ,aus dem/Anfang des Aorten- 
bogens (s. Fig. 52) und teilt sich hinter dem rechten Stemo-clavi- 
culargelenk in die A. carotis comm. dextra fur die rechte Halfte von 
Hals und Kopf und die A. subclavia dextra fiir die rechte obere 
Extremitat. 

3. Die A. thyreoidea ima , ein inkonstanter Ast, welcher vom 
Aortenbogen in der Medianlinie zur SchilddriTse zjebt. 

4. Die A. carotis comm. sin. aus dem Aortenbogen links am 
Halse nach aufwarts zur linken Halfte des Halses und Kopfes. 

5. Die A. subclavia sin. ebenfalls aus dem Arcus aortae fiir die 
linke obere Extremitat. 

t>. Die Aa. bronchiales ziehen aus der Konkavitat des Aorten- 
bogens mit den Bronchi zu den Lungen, wo sie die Wandungen der 
Bronchien und das peribronchitische bzw. interstitielleBinde- 
gewebe der Lunge versorgen. 

7. Die Aa. oesophageae und mediastinales posti, sind kleine Zweige 
zum Oesophagus und Bindegewebe des Mediastinum post. 

9. Die A(%. intercostales dextrae et sinistrae (10 Paare) ziehen in 
denInterkostalr&umen zwischen den Mfn. intercost. extt. und intt. 
nach lateralwarts, indem sie sich bald teilen, und zwar in einen oberen 
Ast, welcher im Sulcus costalis einer oberen Rippe und einen 
unteren Ast, welcher langs des oberen Randes der nachst unteren 
Rippe verlauft. Ein Riickenast, R. posterior, geht dicht neben der 
Wirbelsaule zur Haut und Muskulatur des Riickens, gibt auch 
einen R spinalis in den Wirbelkanal ab. 

b) Bauchaorta. 

Man unterscheidet hier drei unpaare Aste, Rr. viscerales, fiir die 
Baucheingeweide und'die paa.rigen, Rr. parietales, im wesentlichen 
fiir die Bauchwandungen bestimmt. 

\ . 

a) Unpaare Aste. 

1. Die A. coeliaca versorgt den Magen, die obere Halfte des 
Duodenum und Pankreas, die Leber und Milz. 

2. Die A. mesenterica sup. versorgt die untere Halfte des Duo¬ 
denum und Pankreas, den ganzen librigen Diinndarm und die 
obere Halfte des Dickdarmes. 

3. Die A. mesenterica inf. versorgt die untere Halfte des Dick¬ 
darmes. 

Broksike, Repetitorium anatomicum. 16 



242 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


P) Paarlgre Iste. 

1. Die Aa. phrenicae inff. verlaufen l&ngs der unteren Flache 
des Zwerchfelles. 

2. Die 4—5 Aa. lumbales gehen jederseits hinter dem medialen 
Zwerchfellschenkel und dem M. psoas major lateralwarts in die 
Bauchwandungen Uber. Ein R. dorsalis geht nach hinten dicht 
neben der Wirbels&ule zur Haut und Muskulatur des Riickens, 
ein R. spinalis in den Wirbelkanal hinein. 

8. Die Aa. su^i jarenale s^ zu den Nebennieren kfinnen aus der 
Aorta, aus deh^AaTjphrenicae inff. oder Aa. renales entspringen. 

4. Die starken Aa. renales (manchmal mehrfach) ziehen rechtwinklig 
zu den Nieren. 

5. Die Aa. spermaticae intt. sind zwei lange diinne Aste, welche 
etwa in Hohe der Nierenarterien entspringen und dicht hinter dem 
Peritonaeum der hinteren Bauchwand nach abwS,rts verlaufen: 
beim Manne durch den Leistenkanal zum Hoden, beim Weibe zum 
lateralen Tubenende und Ovarium. 

6. Die Aa. iliacae communes, zwei starke Aste ziehen von der 
Teilungstelle der Aorta am medialen Psoasrande bis zur Art. 
sacro-iliaca, wo sich eine jede in die A. iliaca externa (fiir die untere 
Extremitat) und die A. hypogastrica (fur das Becken) teilt. 

7. Die A. sacralis media ist die eigentliche, wenn aucb diinne 
Foytsetzung der Aorta, welche an der Vorderflache des Kreuz- 
beins bis zur SteiBdrtise nach abwarts lauft. 

E. Die grolleren Aortenaste. 

' I. A. carotis communis. 

Die A. carotis communis verlauft dicht neben der Trachea und 
dem Kehlkopf bis zur Protub. laryngea aufwarts, wo sie sich in die 
A', carotis ext. und int. teilt Lateral von derselben liegt die V.jugu¬ 
laris interna. Zwischen letzterer Vene und der Carotis comm., zu- 
gleich etwas mehr dorsal verlauft der N. vagus nach abwarts: alie drei 
Organe sind von einer gemeinsamen GefaBscheide umschlossen, vor 
welcher der R. descendens n. hypoglossi nach abwarts zieht. Dicht hinter 
der Carotis und vor den Querfortsatzen der Halswirbel ist der Grenz- 
strang des N. sympathicus gelegen. Die Carotis comm. kann in der 
Fossa carotica gegen den starken Querfortsatz des VI. Halswirbels 
(!Tuberculum caroticum, Tuber cule de Chassaignac) angedrlickt werden. 

II. A. carotis externa. 

Die Carotis externa verlauft (bedeckt vom M. stylo-hoideus und 
digastricus, weiterhin von der Parotis) bis etwa zur Hohe des 
Unterkieferhalses, um sich hier in ihre beiden Endaste, die 



243 




E. Die grofieren Aortenaste. 

A. temporalia superficialia und A. maxillaris interna zu teilen. Ihre 
Aste sind: 

1. Die diinne A.pharyngea ascendens l&uft an der Seitenwand 
des Pharynx bis zur Schadelbasis nach aulwarts. 

2. Die A<-sterno-cleido-mastoidea direkt zum gleichnamigen 
Muskel. 

8. Die A. thyreoidea sup. nach abwarts zur Scbilddriise. Ein 
Zweig derselben, die A. laryngea sup., geht mit dem N. laryngeus sup. 
durch die Membr. hyo-thyreoidea zu den inneren Teilen des 
Kehlkopfes hin. Wichtig ist noch der R. crico-thyreoideus, weil er 
quer vor dem Lig. crico-thyreoideum medium beide Aa. thy¬ 
reoideae verbindet. 

4. Die A. lingualis dringt oberhalb des Zungenbeines in den 
M. hyo-glo8SUS und teilt sich dann in die A. dorsalis und profunda 
linguae. Gibt folgende Zweige ab: 

a) einen kleinen R hyoideus langs des Zungenbeines, 

b) die A. sublingualis, welche zwischen dem M. mylo-hyoideus 
und der Gl. sublingualis nach vora verlauft 1 , 

c) die A. dorsalis linguae, welche untfer dem Zungenriicken bis 
zur Zungenspitze zieht, 

d) die A. profunda linguae, welche in der Substanz der Zunge nahe 
der unteren Zungenfl&che ebenfalls bis zjxr Zungenspitze verlauft. 

5. Die A. maxillaris ext. wird zunachst vom M. digastricus und 
stylo-hyoideus sowie von der Gl. submaxillaris bedeckt. Alsdann 
verlauft sie iiber den Eand des Unterkiefers vom vorderen Rande 
des Masseter zwischen den Gesichtsmuskeln bis zum medialen 
Augenwinkel. Zweige sind: 

a) die A. palatino ascendens zieht langs der Seitenwand des 
Isthmus faucium zum weichen Gaumen. Gibt haufig die A. ton¬ 
sillaris fur die Mandel ab. 

b) die A. submentalis verlauft an der unteren Flache des M. 
mylo-hyoideus mit dem N. mylo-hyoideus nach vom. Gibt Rr. 
glandulares zur Unterkidferdriise ab. 

c) die A. labialis inf. und sup. verlaufen in querer Richtung in 
der Unter- und Oberlippe, 

d) Rr. buccales nach hinten zu den Wangen, 

e) der Endast, die A. angularis (nasi) anastomosiert am medi¬ 
alen Augenwinkel mit der A. ophthalmica. 

6. Die A. occipitalis verlauft zunachst mit und unter dem M. di- 
gastricus und stylo-hyoideus zum Schlafenbein (s. S. 15), dann unter 
der Insertion des Sterno-cleido-mastoideus und Splenius 


1 Wo nichts Besonderes bemerkt ist, versorgen die Arterien immer die 
Nachbarorgane. 


16* 



244 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


'nach medianwarts, hierauf unter Durchbohrung des Trapezius mit 
dem N. occipitalis major zum Hinterhaupt Ein R, mastoideus geht 
durch das For. mastoideum zur Dura mater. 

7. Die A. auricularis post, zunachst neben der vorigen zum Proc.. 
mastoideus, dann vor dem letzteren nach hinten und hinter dem 
Ohr in die Hohe. Eine A. stylo-mastoidea dringt durch den Fallopp- 
schen Eanal in die Paukenhohle (A. tympanica post). 

8. Die A. maxillaris int. zieht an der medialen Flache des 
Unterkieferhalses, hierauf zwischen dem M. temporalis und ptery¬ 
goideus ext., dann durch den letzteren in die Fiss. spheno-maxil- 
laris. Ihre Aste kann man in drei Gruppen einteilen. 

Die erste Gruppe entspringt neben der medialen Seite des 
Unterkieferhalses: 

a) die A. auricularis prof. steigt senkrecht zum auBeren Gehor- 
gang empor; 

b) die A. tympanica ant. durch die Fiss. Glaseri zur Paukenhohle; 

c) die A. alveolaris inf. durchzieht mit dem N. alveolaris inf. den 
Can. mandibularis, wo sie die Aa. dentales zu den Zahnen des 
Unterkiefers abgibt. Ais A. mentalis tritt sie aus dem For. mentale 
heraus und versorgt Kinn und Unterlippe. Gibt auch manchmal 
eine kleine A. mylo hyoidea in der gleichnamigen Furche zum M. mylo¬ 
hyoideus ab. 

d) die A. meningea media dringt durch das For. spinosum 
und teilt sich in einen vorderen Ast, welcher bis zur vorderen 
Schadelgrube und einen hinteren Ast, welcher bis zum Hinterhaupt- 
bein und Scheitelbein in der Dura verlauft. 

Die zweite Gruppe von Zweigen entspringt zwischen den 
Kaumuskeln, welche sie auch versorgen: 

a) die A. masseterica durch die Inc. mandibulae zum M. masseter; 

b) die A. pterygoidea ext. und int. zum M. pterygoideus ext. und int.; 

c) die beiden Aa. temporalesproff. dicht auf dem Planum tem¬ 
porale zum M. temporalis; 

d) die A. buccinatoria zieht zwischen dem M. masseter und bucci¬ 
nator nach vorn. 

Die dritte Gruppe bildet die. Endzweige in der Fiss. 
spheno-maxillaris: 

a) die A. infraorbitalis verlauft mit dem N. infraorbitalis im 
Sulcus und Can. infraorbitalis des Oberkiefers und versorgt schlieB- 
lich nach dem Austritt aus dem For. infraorbitale die Unterlippe, 
und das untere Augenlid. Durch das Jochbein sendet sie die A. xygo-. 
matica, zu den Zahnen die Aa. alveolares supp. postt., mediae und antt. 
auch ais Aa. dentales supp. bezeichnet); 

b) die A.palatina descendens lauft mit den Nn. palatini durch den 
Can.pterygo-palatinus nach abwartszur unterenFlache desGaumens; 



245 


E. Die grofieren Aortenaate. 

• 

c) die A. sphenopalatina zieht durch das For. spheno¬ 
palatinum in die Nasenhohle, wo sie die Aa. nasales postt. fur 
die Seitenwand und Scheidewand der Nasenh&hle abgibfc Der 
starkste Zweig der letzteren, die A. naso-palatina Scarpae, geht in 
der gleichnamigen Furche des Vomer bis zum For. incisivum nach 
abwarts. 

9. Die A. temporalis superficialis .bildet die eigentliche Fort- 
setzung der A. carotis externa und zieht dicht vor dem Ohr 
und unter der Haut in die Hohe, wo sie sich etwas oberhalb 
des Ohres in den R. frontalis fur die Stirn und den R. temporalis 
fur die Scheitelgegend teilt. AuBer kleinen Zweigen zum Ohr gibt 
sie ab: 

a) die A. transversa faciei zieht, bedeckt von der Parotis, zum 
Gesichtf; 

b) die A. xygomatico-orbitalis oberfi&chlich zum lateralen Augen- 
winkelj 

c) die A. temporalis media bohrt sich dicht oberhalb des 
Jochbogens in den M. temporalis ein. 

IU. A. carotis interna. 

Die Carotis int. liegt zunachst ein wenig lateral und dorsal von 
der Carotis ext. (wenigstens an liegenden Leichen), tritt dann aber 
hinter der letzteren nach medianwarts zur Pharynxwand hin- 
iiber, neben der sie bis zum Schlafenbein aufwarts zieht Sie ver- 
lauft alsdann im Can. caroticus des letzteren, weiterhin neben der 
Sella turcica im unteren Teii des Sinus cavernosus , von dessen Blut 
ihre Wandung umspult wird. In der Impressio carotica des Keil- 
beins biegt sie sich nach hinten und lost sich dann in eine Anzahl 
von Asten auf. 

Die Carotis int. bildet funfKriimmungen, unter denen das Oenu 
caroticum im Can. caroticus und die letzte nach vom konvexe Bie- 
gung in der Impressio carotica am wichtigsten sind. Am Halse 
gibt die Carotis int. keine Aste ab, dagegen nach ihrem Ein- 
tritt in die Schadelhohle: 

1. Die A. ophthalmica kommt von der letzten Kriimmung der- 
selben und geht durch das For. opticum mit dem N. opticus in die 
Augenhohle. Zunachst lateral von dem letzteren, tritt sie dann dicht 
liber demselben zur medialen Orbitalwand, wo sie mit dem N. naso¬ 
ciliaris in Hohe des For. ethmoidale ant. und post, zum medialen 
Augenwinkel verlauft. Hier teilt sie sich in die A. frontalis und dor¬ 
salis nasi. Ihre Zweige sind: 

a) die A . centralis retinae zieht in der Langsachse des N. op¬ 
ticus bis zur Retina (s. S. 225); 



246 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


b) die A. lacrimalis mit dem N. lacrimalis nach lateralwarts und 
oben zur Tranendriise, bzw. liber dieselbe hinaus zuden Augenlidem; 

c) die A. supraorbitalis gebt mit dem N. supraorbitalis dicht 
unter dem Periost des Orbitaldaches zur Inc. supraorbitalis des 
Stirnbeines und hierauf an der Stirn aufw&rts; 

d) und e) die A. ethmoidalis ant. und post, treten durch die ‘gleich- 
namigen Locher zu den Siebbeinzellen; 

f) Rr. musculares zu den Augenmuskeln geben die Aa. ciliares antt. 
ab, welche am Cornearande in den Bulbus treten und dort am 

Ziliarrand der Iris den Circulus 
arteriosus iridis major bilden; 

g) die Aa. ciliares postt. 
kommen direkt aus der Oph¬ 
thalmica, ziehen neben dem 
Opticus zum Bulbus und 
verlaufen dann in der Chori¬ 
oidea bis zum Circulus arte¬ 
riosus major iridis. Von dem 
letzteren gehen Zweige zum 
Pupillarrand, wo sie den Cir¬ 
culus arteriosus minor bilden; 

h) zwei Aa. palpebrales medi¬ 
ales fiir das obere und untere 
Augenlid; 

i) die A. frontalis ziebt 
medial von der A. supraorbitalis 
an der Stim nach aufwarts; 

k) die A. dorsalis nasi flieBt 
an der Seite der Nase mit der 
A. angularis nasi (s. S. 243) zu- 
sammen. 

2* Die A. cerebri ant. (A. 
corporis' callosi) lauft vor dem 
Knie und dann an der oberen Fl&che des Balkens nach hinten. 
Die rechte und linke Arterie sind dicht vor dem Chiasma durch die 
A. communicans ant. verbunden (Fig. 54). 

3. Die A. cerebri media (A. fossae Sylvii) lauft in der Fossa 
Sylvii nach hinten und oben. 

4. Die A. chorioidea zieht neben dem Tractus opticus zum Unter- 
hom und versorgt dann den Plexus chorioideus und die Wande des 
ganzeu Seitenventrikels. 

5. Die A. communicans post, (paarig) verlauft jederseits sagittal 
nach hinten zu der A. cerebri post, (aus der A. basilaris), indem sie 
auf diese Weise den Circulus arteriosus Willisii schlieBt. 



Fig. 54. Circulus arteriosus (Willisi). 
Aste der A. basilaris, Hirnaste der A. carotis 
interna (nach Raubeb.) 




£. Die grofieren Aortenaste. 


247 


Der Circulus arteriosus Willisii (s. Fig. 54) ist somit ein GefaB- 
kranz, bestehend aus folgenden Arterien: a) der A. communicans ant. \ 

b) eiuem kurzen Stiick der beiden Aa. cerebri antt. ; c) einem kurzen 
Stiick der A. carotis int. jederseits; d) den beiden Aa. communicantes 
postt .; e) einem kurzen Stiick der beiden Aa. cerebri postt. Er bildet 
also an der Hirnbasis eine wichtige Kommunikation zwiscben 
der A. carotis int. und der A. basilaris. 

IV. Die A. subclavia. 

Die A. subclavia zieht bogenformig Uber die Pleurakuppel und 
hierauf zwiscben Clavicula und I. Rippe nach abwUrts. Das Lage- 
verhaltnis derselben zu den Mm. scaleni ist folgendes: Die 
V. subclavia zieht vor dem M. 
scalenus ant., also auch vor 
dem Tub. Lisfranci (s. S. 41) 

Uber die erste Rippe, die A. sub¬ 
clavia zwischen dem M. scalenus 
ant und medius', also hin ter 
dem Tub. Lisfranci, der Plexus 
brachialis ebenso zwiscben Sca¬ 
lenus ant. und medius, aber 
zum Teii hin ter, zum Teii 
oberhalb der Arterie gelegen. 

Das Ende der Subclavia wird 
am besten am oberen Rande 
des M. pectoralis minor an- 
genommen. 

Die 9 Aste derselben sind: 

1. Did A. mammaria int. Fig. 55. Astfolge der A. subclavia 
lauft binter dem Sterno-clavi- dextra (nach Rauber). 

kulargelenk und den Rippen- 

knorpeln, etwa 1 cm vom Sternalrande entfernt (aber noch 
vor der Pleura) zum Zwerchfell nach abwarts, wo sie sich in ihre 
Endaste, die A. epigastrica sup. und A. musculo-phrenica, teilt. Ihre 
Zweige sind: - 

a) die A. pericardiaco-phrenica zieht mit dem N. phrenicus 
zwischen Pleura und Perikard zum Zwerchfell; 

b) kleine Rr. sternales , mediastinales antt. und thymici zu den be- 
treffenden Organen; 

c) die Rr. intercostales (anteriores) ziehen in den 5—6 oberen 
Interkostalraumen den Aa. intercostales (posteriores) entgegen und 
UieBen mit denselben zusammen; 

d) Rr. perforantes zwischen den Rippenknorpeln zur Haut und 
BrustdrUse; 




248 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


e) die A. musculophrenica lauft dicht oberhalb des Zwerch- 
fellursprunges nach lateralwarts, indem sie die Rr. intercostales fiir 
die 5 —6 unteren Interkostalraume abgibt; 

f) die A. epigastrica sup. dringt durch das Zwerchfell in die 
Scheide des M. rectus, den sie versorgt, indem sie (s. Fig. 11 S. 57) 
mit der A. epigastrica inf. aus der A. iliaca ext. anastomosiert (wich- 
tige Verbindung zwischen Subclavia und Iliaca ext.). 

2. Die A. vertebralis tritt in das For. transversarium des VI. Hals- 
wirbels ein und verl&uft alsdann in den Forr. transversaria 
aller ubrigen Halswirbel nach oben. Weiterhin geht sie hinter 
dem oberen Gelenkfortsatz des Atlas (im sogen. Sinus atlantis) 
nach medianwarts, scblieBlich durch die Membrana atlanto-occipi- 
talis post, in die Wirbel- und dann durch das For. magnum in 
die Schadelhohle. Beide Vertebrales vereinigen sich am unteren 
Rande der Varolsbriicke zur A. basilaris, welche sich wieder am 
oberen Rande derselben in die beiden Aa. cerebri postt. teilt (s. Fig. 54). 
Ibre samtlich in der Schadelhohle entspringenden Aste (die drei letzten 
bereits aus der Basilaris) sind: 

a) die beiden Aa. spinales antt. verlaufen, zu einem Stamm ver- 
einigt, an der Vorderflache des Riickenmarkes nach abwarts; 

b) die Aa. spinales postt. verlaufen. getrennt an der hinteren 
Flache des Riickenmarkes nach abwarts; 

c) die A. auditiva int. zieht jederseits mit dem N. acusticus in 
den inneren Gehorgang hinein; 

d) die Aa. cerebelli supp. und inff. verlaufen langs der unteren 
und oberen Flache des Kleinhirns; 

e) die A. cerebri post, lauft jederseits lateral von den Pedunculi 

zum hinteren Abschnitt des GroBhirns, indem sie den Oirc. arter. 
Willisii bilden hilft. ' 

3. Die A. thyreoidea inf. (s. Fig. 55) entspringt gewohnlich mit den 
drei folgenden Arterien von einem gemeinsamen Stamm, Truncus 
thyreocervicalis : sie zieht vor der A. vertebralis und hinter der 
A. carotis communis zur Schilddriise. Ein Zweig derselben ist die 
A. laryngea inf., welche mit dem N. laryngeus inf. in der Rinne zwischen 
Schild- undRingknorpel an der hinteren Flache des Kehlkopfes verlauft. 

4. Die A. cervicalis ascendens zieht vor den Querfortsatzen 
der Halswirbel bis zum Schadel hin. 

5. Die A. cervicalis superficialis zieht durch das Fett der Fossa 
supraclavicularis major zum M. trapezius hin. 

6. Die A. transversa 'scapulae lauft, ebenfalls durch die Fossa 
supraclavicularis major, zur Inc. scapulae und anastomosiert auf 
der Riickseite der Scapula mit der A. circumflexa scapulae. 

7. Die A. transversa colli entspringt meist schon unterhalb des 
SchlUsselbeins und zieht dann durch den Plexus brachialis zum 



249 


E. Die groBeren Aortenaste. 

medialen Winkel der Scapula, wo sie sich in einen R ascendens 
und descendens fur die Riickenmuskeln teilt. 

8. Die A. cervicalis profunda (Fig. 55) entspringt meist mit der 
folgenden Arterie gemeinsam vom Truncus costo-cervicalis : sie zieht 
hinter den Querfortsatzen der Halswirbel aufwarts. 

9. Die A. intercostalis suprema gibt die beiden Aa. intercostales fiir 
die beiden obersten Interkostalraume ab. 

% 

V. A. axillaris. 

Die A. axillaris , die Fortsetzung der A. subclavia, reicbt vom 
oberen Rande des Pectoralis minor bis zum unteren Rand des Pecto¬ 
ralis major. Der Plexus brachialis umgibt die Arterie in drei starken 
Strangen. Die V. axillaris ist medial von der Arterie gelegen. 
Ihre Aste sind: 

1. Die A. thoracalis suprema zieht iiber den oberen Rand des 
Pectoralis minor zu den Brustmuskeln. 

2. Die A. thoraco-acromialis zieht liber den oberen Rand des 
Pectoralis minor zu den Brustmuskeln, schickt aber auBerdem noch 
einen R acromialis zum Acromion und einen R. deltoideus durch die 
Mohrenheim’sche Grube zur Haut. 

8. Die A. thoracalis lateralis zieht neben, dem N. thoracalis longus 
an der AuBenflache des Serratus ant. nach abwarts. 

4. Die A. circumflexa humeri ant. verlauft dicht vor dem Collum 
chirurgicum humeri nach lateralwarts. 

5. Die A. circumflexa humeri post, tritt mit dem N. axillaris 
zwischen Subscapularis, Latissimus und Caput longum tricipitis nach 
hinten, hierauf hinter dem Collum chirurgicum humeri nach 
lateralwarts. 

6. Die A. subscapularis zieht l&ngs des lateralen Randes der 
Scapula nach abwarts; sie teilt sich bald in die A. thoraco-dorsalis, 
welche am vorderen Rand des Latissimus nach abwarts l&uft und die 
A. circumflexa scapulae , welche um den lateralen Rand zur Riick- 
seite der Scapula gelangt, wo sie mit der A,, transversa scapulae 
anastomosiert. 

, VI. A. brachialis. 

Die A. brachialis zieht ais Fortsetzung der Axillaris, begleitet von 
den beiden Vv. brachiales, im Sulcus bicipitalis medialis (s. S. 71) 
bis zur Ellenbeuge, wo sie, nur bedeckt vom Lacertus fibrosus, sich 
in die A. ulnaris und radialis teilt. Wichtig ist, daB neben ihr der 
N. medianus liegt, und zwar oben lateral, in der Mitte des Oberarmes 
vor der Arterie, unten medial von derselben. Die Aste sind: 

1. Der kleine R. deltoideus lauft hinter dem Bizeps zur Inser- 
tion des Deltoideus. 



250 


III. Teii. Gefafi- und Nervenlehre. 

2. Die starke A.profunda brachii zieht mit dem N. radialis 
(bedeckt vom Trizeps) im Sulcus n. radialis des Humerus nach pnten 
und lateralwarts. Sie teilt sich in: a) die A. collateralis media, welche 
bedeckt vom Trizeps zum Rete olecrani 1 und b) die A. collateralis radialis, 
welche dicht hinter dem Septum intermusculare lat. ebenfalls 
zum Rete olecrani verlauft. 

3. Die A. collateralis ulnaris sup. zieht mit dem N. ulnaris 
hinter dem Lig. intermusculare mediale zum Rete olecrani. 

4. Die A. collateralis ulnaris inf. entspringt rechtwinklig in der 
Ellenbeuge und zieht, S-formig gekrummt, oberhalb des Epicon¬ 
dylus medialis zum Rete olecrani. 

5. Die A. plicae cubiti superficialis (inkonstant) lauft mit dem 
Lacertus fibrosus der Bizepssehne nach medianwarts. 

VII. A. ulnaris. 

• 

Die A. ulnaris zieht unter den oberflachlichen Flexoren 
des Unterarmes ulnarwarts, bierauf mit dem N. ulnaris unter dem 
M. flexor carpi ulnaris, sodann radial vom Erbsenbein zur Hand, wo 
sie sich in den R. volaris superficialis und profundus teilt. Die Aste sind: 

1. Die A. recurrens ulnaris zieht unter den oberflachlichen 
Flexoren zum Teii zur A« collat. uln. inf., zum Teii zum Rete olecrani. 

2. Die kurze A. interossea communis teilt sich bald in die A. inter¬ 
ossea volaris und dorsalis, a) Die A. interossea volaris lauft an der 
Vorderflache des Lig. interosseum hinter dem M. pronator qua¬ 
dratus zum Rete carpi volare. Ein Zweig derselben, die A interossea 
volaris perforans, tritt am distalen Ende des Lig. interosseum zum 
Handriicken, in das Rete carpi dorsale hiniiber. b) Die A. interossea 
dorsalis tritt am proximalen Ende des Ligamentes zur Rtickseitedes 
Unterarmes, wo sie die Extensoren versorgt. Ein Zweig derselben, 
A. recurrens interossea, geht unter dem Anconaeus quartus zum 
Rete olecrani. 

3. Ein R carpeus volaris zieht am unteren Rande des Pronator 
quadratus zum Rete carpi volare. 

4. Ein R. carpeus dorsalis geht unter der Sehne des Flexor carpi 
ulnaris zum Rete carpi dorsale. 

5. Der R. volaris superficialis geht neben dem oberflachlichen 
Endast des N. ulnaris unter der Aponeurosis palmaris in den 
Arcus volaris superficialis iiber. 

6. Der R. volaris profundus dringt mit dem tiefen Ast des N. ul¬ 
naris zwischen dem M. abductor und flexor brevis digiti V 
zum Arcus volaris profundus in die Tiefe. 

1 Der Kiirze wegen bezeichne ich das Rete articulare cubiti (B. N. A.) ais 
Rete olecrani. 



E. Die groBeren Aortenaste. 


251 


VIII. A. radialis. 

Die A. radialis verlauft zunachst etwas tiefer, dann oberflach- 
licher udter der Faszie zwischen dem M. brachio-radialis und 
flexor carpi radialis. In der Nahe des Radio-carpalgelenkes ist 
sie dicbt vor dem Radius gelegen. Von hier tritt die Radialis 
unter den zum Daumen ziebenden Sehnen des Mm. abductor poli, 
longus, ext. poli, brevis und ext. poli, longus ( Tabatiere ) zum Hand- 
riicken (s. Fig. 56), kebrt jedoch zwiscben den beiden Ursprungs- 
kopfen des M. interosseus dorsalis I wieder zur Hohlhand zuriick, 
wo sie sich in die A. princeps pollicis und den R. volaris profundus teilt. 


Fig. 56. Radiale Seite der Handgelenkgegend mit der Lage der 
A. radialis (nach v. Bardeleben u. Haeckel). Arterien rot, Venen blau, 

Nerven gelb. 

Im oberen Teii des Unterarmes wird sie vom R. superficialis des 
N. radialis begleitet. Ihre Aste sind: 

1. Die A. recurrens radialis lauft unter den oberflachlichen 
Extensoren zum Bete olecrani. 

2. Der R. carpeus volaris zieht am Handgelenk zum Rete carpi volare. 

3. Der R. volaris superficialis , meist nur ein schwacher Ast,, 
welcber auf oder durch die Daumenballenmuskeln zum Arcus 
volaris superficialis verlauft oder sich in diesen Muskeln verliert. 

4. Der R. carpeus dorsalis geht auf der Riickseite der Hand- 
wurzelknochen zum Rete carpi dorsale. 

5. Die A. princeps pollicis spaltet sich in zwei Aste fur den Daumen 
und einen fur den Radialrand des Zeigefingers (Aa. digitales volares propriae). 

6. Der R. volaris profundus ist der eigentliche Endast der A. radi¬ 
alis, welcher in den Arcus volaris profundus iibergeht. 



A. radialia Vena Eamus volaris Abductor pollicis 

cephal. auperfic. a. long. u. Ext.poU. 
poli. radialis. brev. 


A. radialis 


M. interosseus 
dor s. I. 


Ext. 
pollicis 
long . 


Lig. 

carpi 

dorsale 


Ab duct. 
N. radialis poli. long. 
r. super - u. Ext. 

ficialis poli. br. 




252 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


Das Rete articulare cubiti (Rete olecrani). 

Das an der hinteren Flache des Ellbogengelenkes (besonders 
des Olecranon). gelegene arterielle Netzwerk, wird von folgenden 
Asten gebildet: 


1. Der A. collateralis radialis, 

2. der A. collateralis media, 

8. der A. collateralis ulnaris sup., 

4. der A. collateralis inf., 

5. der A. recurrens radialis, 

6. der A. recurrens ulnaris, 

7. der A. recurrens interossea, 


samtlich Aste der 
A. brachialis nach 
abwarts; 

Aste der Unter- 
armarterien nach 
aufwarts. 


Das Rete carpi volare. 

Dies Netzwerk liegt an der Volarflache der Handwurzel- 
knochen: es wird auBer von dem Ende der Interossea volaris noch 
von dem R. carpeus volaris der Radialis und der Ulnaris gebildet. 


Das Rete carpi dorsale. 

Dies Netzwerk liegt an der Dorsalflache der Handwujrzel- 
knochen: es wird von der A. interossea volaris perforans , sowie von 
dem R. carpeus dorsalis der Radialis und der Ulnaris gebildet. Aus 
diesem mitunter starkeren Netzwerk entwickeln sich drei A. metacar- 
peae dorsales , welche im II.—IV. Intermetakarpalraum zu den Fingem 
ziehen und sich dort in die Aa. digitales dorsales teilen, welche jedoch 
nur bis zur II. Phalanx verlaufen. 

fc 

Der Arcus volaris superficialis. 

Der oberflachliche Hohlhandbogen liegt unmittelbar unter 
der Aponeurosis palmaris: er wird von dem R. volaris superfici¬ 
alis der Ulnaris und der Radialis gebildet. Der Radialast ist mitunter 
sehr schwach oder kann fehlen. Aus diesem Bogen gehen zu den 
letzten vier Fingem drei Aa. digitales communes, welche sich an 
den Mittelhandkopfchen in die Aa. digitales volares propriae spalten. 

Der Arcus volaris profundus. 

Der tiefe Hohlhandbogen liegt vor den Basen der Meta- 
karpalknochen: er wird von dem R. volaris profundus der Ulnaris 
und der Radialis gebildet Der Ulnarast ist immer schwacher. Aus 
dem Bogen gehen drei Aa. metacarpeae volares in den drei letzten 
Intermetakarpalraumen distalwarts, um sich schlieBlich in die Enden 
der Aa. digitales communes (aus dem oberflachlichen Hohlhand¬ 
bogen) einzusenken. 



£. Die groBeren Aortenaste. 


253 


IX. Die A. coeliaca. 

Die A. coeliaca (Tripus Halleri), unpaar, entspringt aus der Aorta 
dicht oberhalb des Pankreas und teiltsich in folgende drei Zweige: 

1. Die A. gastrica sin. verlauft von der Cardia langs derkleinen 
Kurvatur des Magens nacb links. 

2. Die A. lienalis ziebt langs des oberen Pankreasrandes 
nach links zum Hilus der Milz, welcbe sie versorgt. Sie- gibt ab: 
a) Rr. pancreatici ; b) Rr. gastrici breves zum Fundus ventriculi; c) die 
A. gastro-epiploica sin., welche langs der linken Halfte der groBen 
Kurvatur des Magens nach rechts verlauft. 

3. ' Die A. hepatica zieht im Lig. hepato-duodenale mit der 
Pfortader und dem Ductus choledochus zur Porta hepatis (und 
zwar die Arterie links, der Ductus rechts, die Pfortader zwischen 
und etwas dorsal von beiden); sie teilt sich in den R. hepaticus sin. 
und dexter fur den linken und rechten Leberlappen. Ihre 
Zweige sind: a) die A. gastrica dextra langs der rechten Halfte 
der kleinen Kurvatur des Magens; b) die A. gastro-duodenalis, 
welche sich hinter der Pars sup. duodeni wieder teilt, in die 
A. gastro-epiploica dextra (fur die rechte Halfte der groBen Kur¬ 
vatur des Magens) und die A. pancreatico-duodenalis sup., welche 
zwischen dem Pankreaskopf und der oberen Halfte des Duo¬ 
denum verlauft. 

X. A. mesenterica superior. 

Die A. mesenterica sup., unpaar, kommt am unteren Pande des 
Pankreas, dicht oberhalb der Flexura duodeno-jejunalis, aus der 
Aorta und zieht in der Wurzel des Diinndarmgekroses bis zur Fossa 
iliaca dextra. Sie gibt ab: 

1. Die A. pancreatico-duodenalis inf. zieht zwischen dem Pan¬ 
kreaskopf und der unteren Halfte des Duodenum der A. pancreatico- 
duod. sup. entgegen. 

2. Die 14 — 16 Aa. intestinales ziehen im Mesenterium zum Dtinn,- 
darm, indem sie bogenformig anastomosieren. 

3. Die A. colica dextra (manchmal doppelt) lauft langs der hinteren 
Bauchwand zum Colon ascendens. 

4. Die A. colica media zieht im Mesocolon zum Colon transversum. 

5. Die A. ileo-colica versorgt ais Endast Ileum und Caecum 
und gibt noch die A. appendicularis zum Wurmfortsatz ab. 

XI. A. mesenterica inferior. 

* 

Die A. mesenterica inf., ebenfalls unpaar, entspringt etwa in Hohe 
des III. Lendenwirbels aus der Aorta, vor der sie nach abwarts verlauft, 
um sich bald in die A: colica sin. und A haemorrhoidalis sup. zu teilen. 



254 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


1. Die A. colica sin. zieht hinter dem Peritonaeum nach 
links und aufwarts zum Colon descendens. 1 Oben wird sie 
Yon der F. mesenterica inf. begleitet. 

2. Die A. haemorrhoidalis sup. versorgt die Flexura sigmoidea 
[Aa. sigmoideae) und das obere Drittel des Rectum. 

XTT . A. iliaca communis. 

Die Aa. iliacae communes entstehen gabelformig aus dem Ende 
der Aorta (IV. Lendenwirbel), teilen sich aber jederseits bereits am 
oberen Ende der Artic. sacro-iliaca in die A. hypogastrica und 
A. iliaca externa. 

Dabei ist das Lageverhaltnis zu den Venen zu beachten 
(s. Fig. 57). Die Vv. iliacae liegen —. im Gegensatz zu den Nieren- 
venen — stets hinter den Arterien und haben das Bestreben, an 
die mediale Seite der letzteren zu gelangen. 

Zm. A. hypogastrica. 

Die A. hypogastrica zieht vor der Artic. sacro-iliaca ins kleine 
Becken, wo sie sich bald in folgende 10 Aste teilt: 

1. Die A. umbilicalis (nur beim Fotus vorhanden) zieht dicht 
unter dem Peritonaeum zunachst lateral vom Blasenscheitel 
dann an der vorderen Bauchwand zum Nabel, hierauf im Nabel- 
strange zum Mutterkuchen. Beim Erwachsenen bleibt nur ein 
kurzes Stiick der Nahelarterie wegsam, welches die Aa. vesicales supp. 
abgibt. Der Best (s. Fig. 11, S. 57) wird zum Lig. umbilicale laterale. 

2. Die A. obturatoria zieht unterhalb der Linea terminalis mit 
dem N. obturatorius durch die obere Ecke des For. obturatum 
zu den Adduktoren. Sie gibt im kleinen Becken den R. pubicus ab, 
welcher hinter dem Ramus sup. oss. pubis medianwarts lauft 
und mit dem R. pubicus der A. epigastrica inf. anastomosiert. 2 Ein 
kleiner Ast, A. acetabuli, geht durch die Inc. acetabuli ins. Lig. teres 
hinein. • 

3. Die A. ilio-lumbalis zieht zwischen dem M. psoas und 
M. iliacus nach lateralw&rts. 

4. Die A. sacralis lateralis lauft vor den Forr. sacralia antt. 
nach abwarts. 

5. Die Aa. vesicales inff. verlaufen medianwarts zumBlasengrunde. 

6. Die A. haemorrhoidalis media l&uft oberhalb des Levator 
ani zum Rectum. 

1 Alie Aa. colicae und intestinales .anastomosieren durch GefaBbogen. 

1 Diese Anastomose entwickelt sich mitunter so stark, daB die A. obtura¬ 
toria aus der Epigastrica inf. zu entspringen scheint. Sie liegt alsdanu hinter 
dem Lig. Gimbernati und kann somit bei Schenkelbruchoperationen verletzt 
werden (Totenkranzarterie). 



/r* * 


•••• 


E. Die groBeren Aortenaste. 255 

7. Die A. uterina (beim Weibe) ziebt nach vorn und medianwarts 
bis zur Grenze zvvischen Cervix und Corpus uteri. Hier gibt 
sie die A. vaginalis ab, welche an der Seitenwand der Scheide 
abwarts verlauft und zieht dann zwischen beiden Blattera des Lig. 
latum zuerst neben dem Uterus nach aufwarts, weiterhin nach 
lateralwarts zur Tube und dem Ovarium. Betreffs ihrer Lage zum 
Ureter s. S. 182. Das Analogon beim Manne ist die kleine A. defe- 


% 


rentialis, welche den Ductus deferens mit auf- und absteigenden 
Zweigen versorgt. 

8. Die A. glutaea sup. zieht mit dem N. glutaeus sup. oberhalb 
des M. piriformis durch das For. suprapiriforme (S. 83) aus dem 
Becken heraus zu den Mm. glutaei. 

9. Die A. glutaea inf. zieht mit dem N. glutaeus inf. unterhalb 
des M. piriformis durch das For. infrapiriforme zum Becken 
hinaus und hauptsachlich zum M. glutaeus maximus. Ein kleiner 
Zweig, A. comes n. ischiadici, begleitet meist den N. ischiadicus. 



A. u. V. renalis dextra A. u. V. renalis sin. 


A. u. V. iliaca ext. dextra 


A. u. V. iliaca ext. sin. 


A. u. V. hypogastrica 

Fig. 57. Die Lage der Aa. renales und iliacae zu den Vv. renales und 

iliacae. Ansicht von vorn. 


Ii. Ureter 


A. u. V. iliaca comm. dextra 


L. Ureter 


A. u. V. iliaca comm. sin. 






256 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


10. Die A. pudenda int. geht mit dem N. pudendus ebenfalls durch 
das For. infrapiriforme aus dem Beeken, dann hinter die Spina 
ischiadica, hierauf durch das For. ischiadicum minus in die Fosso 
ischio-rectalis,wo sie an der Innenflache desif. obturator int., bedecktvon der 
Fascia obturatoria, gelegen ist; weiterhin zieht dieselbe zwischen den 
Fasera des M. transversus perinei prof. langs des Sitz- und Scham- 
beines bis unter die Symphyse; hier teilt sie sich in die A. dorsalis penis und 
profunda penis. Ihre Zweige, begleitet von denen des N. pudendus, sind: 

a) die A. haemorrhoidalis inf. (manchmal doppelt) zieht durch das 
Fett der Fossa ischio-rectalis zum Anus hin; 

b) die A.perinei verlauft oberflachlich unter der Haut zwischen 
dem M. ischio- und bulbo-cavernosus zum Scrotum bzw. den 
groBen Schamlippen (Aa. scrotales bzw. labiales posti.)', 

c) die A. bulbo-urethralis zieht im M. transv. perinei prof. me- 
dianwarts zum Bulbus der Urethra; 

d) die A. profunda penis bzw. clitoridis dringt in die Wurzel des 
Corpus caVernosum penis bzw. clitoridis ein; 

e) die A. dorsalis penis bzw. clitoridis zieht dicht unter der Symphyse, 
sodannin derKuckenfurche des Penis bzw. der Clitoris nach.vom 
und versorgt das Corpus cavernosum urethrae bzw. dieUmgebung 
der Clitoris. 

XIV. A. iliaca externa. 

Die A. iliaca ext. zieht von der Artic. sacro-iliaca am medialen 
liande des Psoas bis zum Lig. Pouparti, wo sie in die A. femoralis 
iibergeht. Erst am Pouparfschen Bande gibt sie folgende Zweige ab: 

1. Die A. circumflexa ilium profunda verlauft zunachst hinter dem 
Lig. Pouparti, dann langs der. Crista iliaca nach hinten. 

2. Die A. epigastrica inf. zieht zuerst unterhalb des inneren 
Leistenringes nach medianwarts, dann medial von demselben (vgl. 
Fig. 11 S. 57) aufw&rts und dringt endlich in den M. rectus ab dominis 

_^^-ein, wo sie mit der A. epigastrica sup. (aus der Mammaria int.) anastomosiert 

(Verbindung der Iliaca mit der Subclayia). Ihre Zweige sind: a) der. 
kleine R. pubicus zfum oberen Symphysenende, welcher mit dem R. pubicus 
v> 7 der A. obturatoria. hinter $em Lig. Gimbernati anastomosiert'(Toten- 
y kranzarterie vgl. S. 254); b) die kleine A. sperbiatica ext. durch den Leisten- 
__kanal zu den Hiillen des Hodens. 

XV. A. femoralis. 

Die A. femoralis reicht vom Lig. Pouparti bis zum Adduktoren- 
schlitz (vgl. S. 105). Man unterscheidet an derselben drei Segmente, 
von denen das erste medial, das zweite hinter, das dritte lateral 
von dem M. sartorius gelegen ist. 

Das erste Segment liegt im Scarpa’schen Dreieck, Trig. 
subinguinale, dessen Seiten oben vom Lig. Pouparti, medial vom Ad- 



E. Die groBeren Aorten&ste. 


257 


ductor longus, lateral vom M. sartorius gebildet werden. Die A. femo¬ 
ralis ist hier dicht unter der Faszie, genau in der Mitte zwischen 
der Spina iliaca ant. sup. und -dem oberen Ende der Sym¬ 
physe in der Fossa ilio pectinea (vgl. d. Anm. S. 104), gelegen. Die 
V. femoralis befindet sich medial, der N. femoralis lateral von der- 
selben (vgh Fig. 17 S. 92). 

Das zweite Segment der Arterie liegt hinter demM. sartorius 
(zwischen dem Adductor longus und Vastus medialis). Die V. femoralis 
liegt hier bereits hinter der Arterie und bleibt auch weiterhin so 
gelegen. Der N. saphenus zieht vor beiden GefaBen nach abwarts. 

Das dritte Segment liegt im sogen. Adduktorenkanal, d. h. 
einem 5 — 6 cm langen Kanal, welcher dadurch gebildet wird, daB 
vor der Arterie sehnige Streifen vom Adductor magnus zum Vastu^ 
medialis verlaufen. Durch den sehnigen Adduktorenschlitz (S. 105) 
tritt die Femoralis dann in die Kniekehle. Ihre Aste sind: 

1. Die A. epigastrica s uperficialis entspringt dicht unterhalb des 
PoupartfSchen Bandes 'und zieht oberflachlich unter der Bauchhaut 
bis zur Nabelgegen,d. 

~2. Die A. circumflexa ilium superficialis entspringt ebenso und 
verlauft ebenfalls unter der Haut nach der Spina iliaca ant. sup. hin. 

B. Die Aa.pudendae externae ziehen medial von der Fossa ovalis zur 
Haut der auBeren Geschlechtsteile (Aa.scrotales bzw. labiales antt.). 

4. Die A. profunda femoris ist nahezu ebenso stark wie die 
A. femoralis , so daB beide bei Unterbindungen verwechselt werden 
kdnnen. Doch liegt die A. profanda femoris stets mehr hinten und 
meist auch lateral von der Femoralis, spater ganz hinter der letzteren 
in der Nahe des Os femoris. Ihre Zweige sind: 

a) die A. circumflexa femoris medialis zieht oberhalb des M. 
pectineus medial vom Schenkelhals nach hinten; 

b) die A. circumflexa femoris lateralis zieht vom dicht auf dem Os 
femoris unterhalb des Trochanter major nach lateralwarts und 
der vorigen entgegen; 

c) die Aa. perforantes (8—4) durchbrechen die Adduktoren 
dicht neben dem Os femoris und verasteln sich hinten in den 
Flexoren des Oberschenkels. Die letzte A. perforans bildet das 
Ende der Profunda femoris. 

5. Die A. genu suprema zieht langs der Sehne des Adductor 
magnus zum Rete articulare genu (s. w. u.) 

XVL A. poplitea. 

Die A. poplitea zieht ais Fortsetzung der A. femoralis dicht hinter 
der Kniegelenkkapsel und dem M. popliteus durch die Fossa poplitea 
nach abwarts, um sich am oberen Ende des Lig. interosseum in die 
A. tibialis ant. und post, zu teilen. 

Broesike, Repetitorium anatomicum. 



17 



258 III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 

Ihre Lage ist nun derart, daB sie selbst am tiefsten, die V. 
■poplitea oberflachlicher und der N. tibialis am oberfl&chlichsten 1 
gelegen ist. Der Nerv durchzieht zugleich ziemlich genau die Mitte 
der Kniekehle, die Vene liegt ein wenig mehr medial unter dem- 
selben und die • Arterie wieder etwas mehr medial unter der 
Vene.. Die Zweige geben hauptsachlich zum Rete ' articulare genu 
(s. w. u.), welches die Kniegelenkkapsel umspinnt und durchsetzt. 

1. Die A. genu sup. medialis lauft dicht oberhalb des Condylus 
medialis femoris zum Rete articulare genu. 

2. Die A. genu sup. lateralis geht dicht oberhalb des Condylus 
lat. femoris zum Rete art. genu. 

3. Die A- genu media dringt in die hintere Wand der Knie¬ 
gelenkkapsel ein. 

4. Die A. genu inf. medialis zieht unterhalb des Condylus 
medialis tibiae, bedeckt vom Lig. collaterale, nach vorn zum Rete 
art. genu. 

5. Die A. genu inf. lateralis verlauft dicht oberhalb des Capi¬ 
tulum fibulae in der lateralen Kapselwand zum Rete art. genu. 

6. Die Aa. surales sind zwei starke Aste fur die beiden. Gastro- 
knemiuskopfe. 

XVII. A. tibialis anterior. 

Die A. tibialis ant. zieht zwischen Tibia und Fibula iiber das obere 
Ende des Lig. interosseum nach vom und hierauf an der Vorder- 
flache des letzteren lateral vom,M. tibialis ant. neben dem N. 
peronaeus prof. nach abwarts. Am FuB geht sie unter dem Lig. 
cruciatum in die A. dorsalis pedis liber, welche, nach vorn laufend, 
zwischen den Basen des I. und II. Metatarsalknochens sich 
in die A. metatarsea dorsalis I und die A. plantaris profunda spaltet. 
Die Verlaufsrichtung der A. tibialis ant. wird durch eine Linie 
bezeichnet, welche oben in der Mitte zwischen Tuberositas 
tibiae und Capit, fibulae beginnt und im I. Intermetatarsal- 
raum endet. Ihre Aste sind: 

1. Die A. fibularis sup. entspringt noch in der Kniekehle und zieht 
dann dicht um den Hals der Fibula nach vorn zum Rete art. genu. 

2. Die A. recurrens tibialis post, entspringt noch in der Kniekehle 
und zieht dann unter dem M. popliteus zur hinteren Kapselwand 
bzw. zum Rete art. genu. 

3. Die A. recurrens tibialis ant. liegt bereits vor dem Lig. inter¬ 
osseum und verlauft unter dem M. tibialis ant. zum Rete art. genu. 

4. Die A. malleolaris ant. medialis zieht dicht auf deni Knochen 
zum medialen Knochel. 

1 Das Wort Neva (Ne, V., A.) bezeiclinet die Lage der eben erwahnten 
Organe zueinander. 



E. Die groBeren Aortenaste. 


259 


5. Die A. malleolaris ant. lateralis veVlauft ebenfalls dicht auf dem 
Knochen zum lateralen Knochel. 

6. Die A. tarsea medialis (meist doppelt) kommt bereits aus der 
A. dorsalis pedis: sie gebt dicht auf den FuBwurzelknochen zum 
medialen FuBrand. 

7. Die A. tarsea lateralis zieht ebenso dicht auf den FuBwurzel¬ 
knochen zum lateralen- FuBrand. Ein Ast derselben anastomo- 
siert mit der folgenden Arterie und umrahmt auf diese Weise 
das Rete dorsale pedis (s. S. 260). 

8. Die A. arcuata lauft auf den Basen der Metatarsalknochen 
bogenformig der vorigen Arterie nach lateralwarts entgegen. Nach 
vorn entsendet sie in den II.—IV. Intermetatarsalraum die Aa. meta- 
tarseae dorsales , welche sich in die kleinen Aa. digitales dorsales teilen. 
Nach hinten sendet sie kleine Zweige zum Rete dorsale pedis. 

9. Die A. metatarsea dorsalis I zieht im I. Intermetatarsalraum 
nach vorn und spaltet sich in drei Aa. digitales dorsales ftir beide 
, Rander der groBen und den medialen Rand der II. Zehe. 

10. Der R.plantaris prof. dringt zwischen den Basen des I. 
und II. Metatarsalknochens zur FuBsohle und geht hier in den 
Arcus plantaris liber. 

XVm. A. tibialis posterior. 

Die A. tibialis post. zieht in Begleitung des N,- tibialis oben 
zwischen dem M. triceps surae und den tiefen Flexoren, unten 
zwischen der Achillessehne und der Tibia (immer hedeckt von der 
Fascia cruris profuoda) zur FuBsohle, wo sie sich neben dem Cal¬ 
caneus in die A. plantaris medialis und lateralis teilt. Die Verlaufs- 
richtung der Tibialis post, ist durch eine Linie bezeichnet, welche 
man sich von der Mitte der Kniekehle bis zur Mitte zwischen dem 
Malleolus med. und dem Fersenhocker gezogen denken kann. Die 
Aste sind: 

1. Die A. peronaea, der starkste Ast, zieht langs der hinteren 
Flache der Fibula bis zur lateralen Flhche des Calcaneus (Rr. 
calcanei laterales) nach abwarts. Sie gibt folgende Zweige ab: 

a) der R. perforans zieht am unteren Ende des Lig. inter¬ 
osseum zwischen Tibia und Fibula nach vorn zum Rete dorsale pedis 
(vgl. S. 260); 

b) der R communicans verbindet etwas oberhalb der Malleolen die 
A. peronaea mit der A. tibialis post. ; 

c) die A. malleolaris post. lat. zieht zum lateralen Knochel. 

2. Die A. malleolaris post, medialis geht zum medialen Knochel hin. 

3. Die Rr. calcanei mediales versorgen die mediale Flache des 
Fersenbeins. 


17 * 



260 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


4. Die A. plantaris medialis zieht mit dem N. plantaris medialis 
zwischen dem M. abductor hallucis und flexor digg. brevis 
nacb vom. 

5. Die A. plantaris lateralis zieht mit dem N. plantaris lat. ober- 
halb des M. flexor digg. brevis nach vorn und lateralwarts, um 
sich hier in den Arcus plantaris (s. w. u.) einzusenken. 


Das Rete articulare genu. 

Dies Rete bildet ein arterielles Netzwerk, welcbes die ganze 
Kniegelenkkapsel nebst der Patella umspinnt und teilweise 
durchsetzt. Das Netzwerk wird gebildet: 

1. von der A. genu suprema aus der A. femoralis; 

2. von der A. genu sup. medialis 
8. von der A. genu sup. lateralis 

4. von der A. genu media j- 

5. von der A. genu inf. medialis 

6. von der A genu inf. lateralis 

7. von der A. fibularis sup. 

8. von der A. recurrens tibialis post. 

9. von der A. recurrens tibialis ant. 

Das Netzwerk ist besonders an der Vorderseite stark entwickelt. 


aus der A. poplitea ; 

i * 


samtlich aus der A. tibialis 
anterior. 


Das Rete pedis dorsale. 

Dies schwachere Netzwerk liegt auf der Dorsalseite der FuB- 
wurzelknochen: es wird von dem R.perforans der A.peronaea, von 
der A. tarsea lat. und der A. arcuata gebildet. Von der ’ letzteren 
Arterie ziehen dann, wie bereits S. 259 erwahnt, die Aa. metatarseae 
dorsales nach vorn, um sich schlieBlich in die Aa. digitales dorsales fur 
die Zehen zu spalten. 

Der Arcus plantaris. 

Der Arcus plantaris wird von dem R. plantaris prof. der A. dorsalis 
pedis und der A. plantaris lat. der A. tibialis post, gebildet. Von diesem 
unter den Basen der Metatarsalknochen gelegenen Bogen gehen 
die 4 Aa. metatarseae plantares ab, welche sich vorn in die Aa. digitales 
plantares fur samtliche Zehen teilen. 


F. Das Venensystem. 

Die Venen besitzen im Gegensatz zu den Arterien dunkles, 
sauerstoffarmes Blut und diinnere Wandungen (weniger elastische Ele- 
mente und Muskelfasern). Nur die Lungenvenen, Vv. pulmonales, ent- 
halten hellrotes, sauerstoffreiches Blut, welches sie von den Lungen 
zum Herzen fiihren. AuBerdem sind die Venen zum Teii mit Klappen 


A. 



F. Das Venensystem. 


261 


yersehen, welche einen RiickfluB des Blutes selbst bei starker Stauung 
verhindern. In ihrem Verlauf zeigen sie sehr haufig UnregelmaBigkeiten 
(Varietaten) und bilden vielfach Geflechte oder Anastomosen. 
Man unterscheidet: 

1. Die oberflachlichen Hautvenen, Vv. subcutaneae ; 2. die 
tiefen Yenen oder Begleitvenen, Vv. comitantes, welche fast immer 
in Begleitung von Arterien verlaufen; 3. die Blutleiter der harten 
Hirnhaut, Sinus durae matris, welche, obschon tief gelegen, niemals 
von Arterien begleitet werden. Ihre ganzlich starre Wandung besteht 
aus.dem Duragewebe, ist innen mit Endothel ausgekleidet und mit- 
unter von fibrosen Balken durchzogen. 

Abgesehen von den S. 239 erwahnten Yenen des Herzens besitzt 
der menschlicbe Korper folgende Hauptvenenstamme: 1. Die Lungen- 
venen, Vv. pulmonales \ 2. die obere Hohlvene, V. cava sup.; 3. die 
untere Hohlvene, V. cava in f., und 4. die Pfortader, V. portae. 

I. Vv. pulmonales. 

Die Lungenvenen, Vv. pulmonales, zwei linke und zwei rechte, 
ziehen (vgl. S. 165) im vordersten untersten Teile derLungen- 
wurzel zum linken Vorhof. Die beiden rechten Lungenvenen sind 
dabei hinter der V. cava sup. gelegen. Sie haben die Aufgabe, das 
restaurierte, also hellrote, sauerstoffhaltige Blut der Lungen zum 
Herzen zu leiten. 

n. V. cava superior. 

Die obere Hohlvene, F. cava sup., entsteht hinter dem III. 
rechten Sterno-costalgelenk aus dem rechten Vorhof und zieht 
von hier hinter dem rechten Sternalrande nach aufwarts. 1 
Hinter dem Knorpel der I. Rippe rechts teilt sie sich in die 
V. anonyma dextra und sin., von denen sich eine jede wieder hinter 
dem entsprechenden Sterno-clavikulargelenk in die V. subclavia 
und V. jugularis int. spaltet, welche weiterhin der A. subclavia und 
carotis comm. entsprechen. Dieser Vereinigungswinkel der beiden 
letzteren Yenen wird ganz besonders ais Angulus venosus bezeichnet, 
weil in denselben noch verschiedene abdere Yenen einmunden, welche 
eigentlich in die V. subclavia oder jugularis int einmunden soUten. 

1. V. jugularis interna. 

Die V.jugularis int. entsteht oben am For. jugulare und istam 
Halse lateral von der Carotis int. und comm. gelegen. Sie 
nimmt diejenigen Venen auf, welche den Asten der Carotis com- 

1 Wir verfolgen die V. cava sup. und inf. ani besten vom Ursprung nach 
.den Verzweigungen hin. 



262 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


munis entsprechen, auBerdem aber noch zwei Hautvenen, die 
V. jugularis ant. und die V. jugularis ext. 

Die klemere V. jugularis ant. verlauft dicht unter der Haut neben 
der Medianlinie nach abwarts, tritt medial vom Ursprung des 
Sterno-cleido-mastoideus durch die Faszie und nahe dem Angulus 
venosus in die V. jugul. int. hinein. Die starkere V. jugularis ext. 
sammelt das Blut aus den vor und hinter dem Ohr gelegenen Yenen 
(Vv. temporales, occipitales, auriculares post) und zieht von hier eben- 
falls dicht unter der Haut und auf der Fascia colli senkrecbt nach 
abwarts, um lateral vom Sterno-cleido-mastoideus die Faszie 
zu durchbohren und sich in den Angulus venosus einzusenken. 

Unter den iibrigen Asten der Y. jugularis int. am Halse ist 
noch die V. facialis communis zu erwahnen, welche unterhalb des 
Eieferwinkels durch den ZusammenfluB der V. facialis ant. und 
V. facialis post, entsteht. Die V. facialis ant. begleitet die Zweige der 
A. maxillaris externa, von der sie jedoch durch die Gl. submaxillaris 
getrennt ist. Die V. facialis post, bildet in Begleitung der A. maxillaris 
interna und ihrer Zweige ein starkes Geflecht zwischen den Kau- 
muskeln (Plexus pterygoideus), in welches sich auch die V. ophthalmica 
inf. ergieBt Am Kopfe nimmt die Y. jugularis int. durch das For. 
jugulare vor allem das Blut aus allen Sinus durae matris auf. Die 
genauere Beschreibung der Sinus s. bei der Dura mater: die Zufliisse 
derselben sind folgende: 

1. Die Vv. cerebri supp., mediae und inff. treten in wechselnder 
Zahl aus der Oberflache des Gehirns in die benachbarten Sinus 
ein. Das Blut aus den inneren Teilen des Gehirns wird durch die 
V. cerebri magna (V. magna Qaleni) in den Sinus rectus geleitet. 

2. Die Vv. diploicae (Breschefsche Yenen) liegen in der Diploe 
der Schadelknochen. 

3. Die V. ophthalmica sup. tritt aus dem oberen Teii der Augen- 
hohle durch die Fiss. orbitalis sup. in den Sinus cavernosus, die 
V. ophthalmica inf. dagegen durch die Fiss. orbitalis inf. in den 
Plexus pterygoideus (vgl. d. Anm. S. 19). 

Mit den AuBenvenen des Schadels stehen die Sinus durch die bereits 
bei den Schadelknochen erwahnten Emissaria ( Santorini) in Yerbindung. 

2. Y. subclavia. 

An der oberen Extremitat ist die V. subclavia und die V. axil¬ 
laris einfach, alie iibrigen tiefen Yenen aber doppelt vorhanden. Die 
Hautvenen verhalten sich folgendermaBen: 

1. Die V. cephalica entsteht in der Daumengegend und zieht 
zunachst an der Radialseite des Unterarmes, dann mehr vorn 
am Oberarm zur Mohrenheim’schen Grube, wo sie in die 
V. axillaris eintritt. 



F. Das Venensystem. 


263 


2. Die V. basilica kommt von der Klein fi ngerseite und zieht 
am Ulnarrand des Unterarmes bis zum Sulcus bicipitalis medialis, 
wo sie in eine der beiden Vv. brachiales eintritt. 

8. Zwischen der V. cephalica und basilica verlauft noch vorn 
haufig die V. mediana , welche sich meistens. in der Ellenbeuge in die 
V. mediana cephalica und V. mediana • basilica teilt, die sich dann in 
die beiden erstgenannten Venen ergieBen. 

3. V. azygos und hemiazygos. 

Die Venen des Thorax sammeln sich, abgesehen von den 
Vv. intercostales supremae und mammariae intt., samtlich in zwei ein- 
fachen Stammen, der V. azygos und hemiazygos. 

1. Die V. azygos entspringt rechts in der Bauchhohle aus den 
Vv. lumbales , tritt zwischen dem Crus mediale und intermedium des 
Zwerchfells in die Brusthohle und zieht hier rechts vor den 
Wirbelkorpern in die Hohe, um sich etwa in Hohe des III. Brust- 
wirbels bogenformig iiber die rechte Lungenwurzel hinweg in 
die V. cava sup. einzusenken. Uber ihre sonstige Lage im Mediastinum 
post. s. S. 173 und Fig. 33. 

2. Die V. hemiazygos entstebt und yerlauft in derselben Weise 
links: nur wendet sie sich gewohnlich schon in Hohe des VIH. Brust- 
wirbels hinter der Aorta und dem Ductus thoracicus nach 
rechts, um in die V. azygos einzumiinden. Durch die beiden eben-' 
genannten Venen wird eine Anastomose zwischen der V. cava 
inf. und V. cava sup. gebildet. 

m. V. cava inferior. 

Die untereHohlvene, V. cava inferior, zieht von ihrer Miindung 
in das rechte Atrium sogleich durch das Zwerchfell, dann dicht vor 
der Wirbels&ule und rechts von der Aorta abdominalis (s. auch 
Fig. 57 S. 255) bis etfta zum IV. Lendenwirbel, wo sie sich, wie die 
Aorta, in die beiden Vv. iliacae communes und die V. sacralis media teilt. 
Jede V. iliaca comm. gabelt sich wieder in eine V. hypogastrica und 
V. iliaca externa. Die V. cava inf. entspricht mit ihren Verzweigungen 
(abgesehen von den Vv. hepaticae) den paarigen Asten der Aorta 
abdominalis. Die drei unpaaren Eingeweideaste der Bauch- 
aorta werden dagegen von Venen begleitet, welche ihr Blut in die 
Pfortader ergieBen. 

a) Bauchhohle. 

DemgemaB nimmt die V. cava inf. das Blut aus den Vv. hepaticae, 
Vv. phrenicae inff., Vv. lumbales, Vv. suprarenales, Vv. renales und Vv. sper¬ 
maticae internae auf. Uber die Vv. hepaticae ist noch zu bemerken, 
daB dieselben sich sofort nach ihrem Austritt aus der Leber 



264 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


in die dicht dahintergelegene V. cava inf. einsenken. Von den ' 
Vv. spermaticae intt„ welche beim Manne vom Hoden, beim Weibe vom 
Ovarium kommen, pflegt gewohnlich nur die rechte in die V. cava 
inf., die linke dagegen in die V. renalis sin. einzumtinden. Da der 
Blutstrom in der V. spermatica int. somit links zweimal eine recht- 
winklige Knickung uberwinden muB, ist es verstandlich, daB auf 
dieser Seite am Samenstrang eine starkere Disposition zu venosen 
Stauungen (zur sogen. Varicocele) vorhanden ist. Das Geflecht, welches 
diese Venen um den Samenstrang bilden, wird ais Plexus pampiniformis 
bezeicbnet. 

b) Becken. 

Die Verzweigungen der V. hypogastrica entsprechen den Asten der 
A. hypogastrica, zeigen jedoch eine groBe Neigung, starke Geflechte 
(Plexus) zu bilden. DemgemaB hat man im kleinen Becken unter- 
schieden: 1. einen Plexus pudendalis hinter dem unteren Teii der 
Symphyse; 2. einen Plexus prostaticus beim Manne, welcher nach 
innen von der Kapsel die Prostata umgibt; 3. einen Plexus vesicalis , 
hauptsachlich am Grund der Harnblase; 4. einen Plexus utero¬ 
vaginalis beim Weibe um die Vagina und zur Seite des Uterus 
im Lig. latum; 5. einen Plexus haemorrhoidalis, welcher das Rectum, 
insbesondere die Analoffnung, umgibt. 

c) Untere Extremitat. 

An der unteren Extremitat sind die V. femoralis und poplitea 
einfacb, die iibrigen tiefen Venen neben den begleitenden Arterien in 
doppelter Zahl vorhanden. Doch sind auBerdem noch zwei groBe 
Hautvenen, die V. saphena magna und V. saphena parva zu erwahnen. 

1. Die V. saphena magna entsteht am medialen FuBrande und zieht 
an der medialenFlache desUnterschenkels und Oberschenkels 
aufwarts, um sich schlieBlich in der Fossa ovalis in die V. femoralis 
einzusenken. Mitunter ist sie 'doppelt vorhanden [V. saphena accessoria]. 

2. Die V. saphena parva entsteht am lateralen FuBrande und 
zieht dann in der Mitte der Wade zur V. poplitea hin. 

Nach Beatjne ist die V. femoralis das einzige GefaB, welches das 
Blut aus der unteren Extremitat zum Herzen fiihrt: Bei einem Ver- 
schluB derselben unterhalb des Pouparfschen Bandes kann sich kein 
Kollateralkreislauf ausbilden, welcher das Blut der unteren Extremitat 
zum Herzen leiten konnte. 


IV. V. portae. 

Die Pfortader, V. portae, entsteht hinter dem Kopfe des 
Pankreas durch die Vereinigung der F. mesenterica sup., V. lienalis 
und V. mesenterica inf., welche die drei gleichnamigen unpaaren Aste 



Gr. Der Kreislauf des Blutes beim Fotus. 


265 


der Bauchaorta begleiten. Die Pfortader zieht dann hinter der 
Pars sup. duodeni zum Lig. hepato-duodenale und weiter zur Porta 
hepatis. In diesem Ligament ist sie zwisehen dem rechts befindlichen 
Ductus choledochus und der links verlaufenden A. hepatica (zugleich 
etwas dorsal) gelegen. 

Kleinere Anastomosen zwisehen den Pfortaderzweigen »nd anderen 
Korpervenen sind mehrfach beschrieben. So soli nach Sappet eine V. parum- 
bilicalis aus der vorderen Bauchwand neben der Nabelvene zur Pfortader ziehen. 

Gr. Der Kreislauf des Blutes beim FStus. 

Die Abgabe der tiberschtissigen Kohlensaure und Aufnahme des 
notwendigen Sauerstoffs findet beim Fotus nicht durch die Lungen, 
sondem in dem Mutterkuchen, Placenta, statt. Dieselbe ist ein 
plattes, rundliches Organ, welches mittels der sog. Plazentarzotten 
in die Innenflache des Uterus hineingewachsen ist. Von dem Mutter¬ 
kuchen zieht zum Nabel des Fotus der Nabelstrang, Funiculus 
umbilicalis, welcher drei groBe BlutgefaBe, namlich die beiden Nabel - 
arterien, Aa. umbilicales, und die Nabelvene, V. umbilicalis, enthalt 
(vgl. Fig. 58). 

. Wenn wir nun vom Mutterkuchen ausgehen, so fiihrt die 

Nabelvene das in dem lettteren restaurierte, d. h. hellrote, sauer- 

stoffhaltige Blut zunachst zum Nabel und dann zur unteren Flache 

der Leber. Hier teilt sich die Nabelvene in zwei Aste, von denen 

der eine zur Pfortader geht und auf diese Weise der Leber gutes 

Blut zufuhrt, wahrend der andere, der sogen. Ductus venosus (Arantii), 

in der Fossa sagittalis sin. hepatis nach hinten zur V. cava inf. 

zieht. Da auch d^s Pfortaderblut, nachdem es die Leber durch- 

flossen hat, durch dje Vv. hepaticae in die V. cava inf. weitergeleitet 

wird, gelangt das ganze sauerstoffreiche Blut der Nabelvene durch 

die V. cava inf. in das rechte Atrium. Doch ist dies gute Blut 

schon mit dem Pfortaderblut und dem der V. cava inf. durchmischt, 

also bereits etwas entwertet. Aus dem rechten Atrium flieBt dasselbe 

• 

aber nicht wie beim Erwachsenen in den rechten Ventrikel, sondem 
wird durch die Valvula Eustachii in das For. ovale, sodann (s. Fig. 58) 
durch das letztere in das linke Atrium, hierauf in den linken 
Ventrikel und schlieBlich in das Aortensystem hiniibergeleitet. 
Wenngleich diesem Blut bereits, wie erwahnt, das kohlensaurereiche 
Blut der Pfortader und der V. cava inf. beigemischt sind, so enthalt 
dasselbe doch zunachst noch genug Sauerstoff, um die vom Anfangsteil 
der Aorta abgehenden groBen GefaBe fur die obere Korperhalfte 
ausreichend zu versorgen. 

Dagegen tritt fur die untere Korperhalfte eine starke Ver- 
schlechterung des Blutes dadurch ein, daB sich beim Fotus zwisehen 
der Teilungstelle der A.pulmonalis und der Konkavitat des Aorten- 



266 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


bogens eine starke Anastomose, der Ductus arteriosus ( Botalli ) 
befmdet, durcb welchen der groBte Teii des (sauerstoffarmen) Lungen- 


Ductus arteriosus Botalli 



Fig. 58. Der Kreislauf des Blutes beim Fotus (schematisch uuter Be- 
nutzung einer Figur von Heitzmann). Die roten Pfeile entsprechen dem oxy- 
dierten Blut derV. umbilicalis, die schwarzen dem sauerstofflosen der V. cava sup. 

arterienblutes in die Aorta hiniibergeleitet wird. Das Lungenarterien- 
blut stammt ja aus der rechten Herzhalfte, somit aus der Vena cava 














H. Das LymphgefiiBsystem. 


267 


sup., ist also stark kohlensaurehaltig und nur in geringem Grade mit 
dem voriiberstromenden, sauerstoffhaltigen Blut aus der V. cava inf. 
vermischt. Die Aorta descendens enthalt also bereits so schlechtes 
Blut, daB dasselbe behufs Restauration durch die Nabelarterien 
zum Mutterkuchen [Placenta) gefiibrt werden muB. 

Das beste Blut beim Fotus erhalt also die Leber, ferner der 
Kopf und die obere Extremitat, welche somit bei demselben auch 
am starksten entwickelt sind. Man nimmt an, daB die Haufigkeit der 
Schadellagen daherriihrt, daB infolgedessen der Schwerpunkt des 
Fotus mehr nach der oberen Korperhalfte verlegt ist. Das schlechteste 
Blut stromt zu den relativ kleinen Lungen: es stammt hauptsiicblich 
aus der V. cava sup. und ist im rechten Atrium nur wenig mit dem 
sauerstoffhaltigen Blut der V. cava inf. vermischt. 

Nach der Geburt gehen folgende Ver&nderungen vor sich. 
Nach Ablosung der Placenta macht der Fotus die erste Atembewegung; 
in die erweiterten Lungen stromt durch die Lungenarterien mehr Blut, 
so daB der Blutdruck in der rechten Herzhalfte stark abnimmt. 
In der linken Herzhalfte nimmt er dementsprechend zu. Dadurch 
wird die Valvula foraminis ovalis gegen das Septum cordis gedrtickt 
und das For. ovale verschlossen. Placenta und Nabelstrang werden 
abgestoBen. Die Nabelvene wird zum Lig. teres hepatis, die Nabel¬ 
arterien zu den Ligg. vesicae lateralia, der Ductus arteriosus Botalli 
zum Lig. arteriosum, der Ductus venosus Arantii zum Lig. venosum. 

H. Das LymphgefiiBsystem. 

I. Die LymphgefaBe. 

Die Anfange der Lymphgef&Be sind noch nicht iiberall erkannt; 
zum Teii sind sie in den Saftliicken und Saftkanalchen der Gewebe 
zu suchen. Hier entstehen netzformige Lymphkapillaren, deren 
Wandung wie bei den Blutkapillaren aus einfachen Endothelzellen 
zusammengesetzt ist Die grSBeren Lymphgef&Be haben ziemlich 
den gleichen Bau wie die Venen: nur sind sie diinnwandiger, jedoch 
auch mit Klappen versehen. In einzelnen Organen, wie z. B. im 
Gehim, verlaufen die LymphgefaBe perivaskular, d. h. ais Scheiden 
um die BlutgefaBe. 

Die samtlichen LymphgefaBe sammeln sich schlieBlich in zwei 
Hauptstammen, dem Ductus lymphaticus dexter und dem Ductus 
thoracicus (Ductus lymphaticus sinister). 

Der Ductus lymphaticus dexter bildet einen 1—2 cm langen 
Stamm, welcher die LymphgefaBe der ganzen rechten Korper¬ 
halfte aufnimmt und sich in der Fossa supraclavicularis major in 
den rechten Angulus venosus (s. S. 261) ergieBt. 



268 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 

Der Ductus thoracicus entsteht an der Vorderflache der mittleren 
Lendenwirbel mittels einer Erweiterung, Cisterna chili, aus den groBen 
Lymphstammen der unteren Korperhalfte und zieht von hier dicht 
vor der Wirbelsaule hinten und rechts von der Aorta durch das 
Zwerchfell in die Brusthohle. Dort ist er unten zwischen der 
Aorta und V. azygos, oben etwas mehr links hinter dem Oeso¬ 
phagus, jedoch vor den Interkostalarterien bzw. vor der Wirbelsaule 
gelegen. In Hohe des VII. Halswirbels wendet er sich bogenformig 
nach vom, um sich in den linken Angulus venosus zu ergieBen. Der 
Ductus thoracicus nimmt die LymphgefaBe der ganzen unteren und 
der linken oberen Korperhalfte auf. 

n. Die Lymphdrusen. * 

Die Lymphdrusen, Lymphoglcmdulae (besser ais Lymphknoten, • 
Ganglia lymphatica, zu bezeichnen), sind in den Verlauf der Lymph¬ 
gefaBe an gewissen Stellen eingeschaltet. Diese etwa hirsekorngroBen 
Organe sind gewissermaBen Filtrationsapparate fur die durchstrb-- 
mende Lymphe, da die in ibnen enthaltenen Zellen (Lymphkorper- 
chen) allerlei kleine Fremdkorper, z. B. Zinnoberkornchen, aber auch 
Bazillen und Miktfokokken aufnehmen und fur einige Zeit oder dauernd 
zuriickhalten, also zunachst fur den Gesamtorganismus unschadlich 
machen kbnnen. Die sogen. Lymphfollikel, welche wir bereits in 
4 verschiedenen Eingeweiden kennen gelernt haben, sipd auch nichts 
anderes ais kleine, mitunter mit bloBem Auge kaum sichtbare Lymph¬ 
drusen, welche sich allerdings, wie bei den Tonsillen und den Peyer’- 
schen Haufen, auch zu groBeren Gruppen vereinigen konnen. Da 
die Lymphdriisen haufig der Sitz von Anschwellungen oder Eiterungen 
sind, ist es notwendig, die Lage, wenigstens der wichtigsten dieser 
Organe, zu kennen. 

a) Lymphdrusen am Halse und Kopfe. 
a) Oberflilchliche Drllsen. 

1. Die 1—2 Lymphogl. occipitales liegen dicht faeben der Protub. 
occip. ext. lhre Vasa afferentia kommen aus der Scheitel- und 
Hinterhauptgegend, ihre Vasa efferentia ziehen zu den Lgl. cervi¬ 
cales superficiales. 

2. Die 2 — 8 Lgl. auriculares postt. liegen hinter dem Ohre auf 
dem Proc. mastoideus. Ihre V. affer, stammen aus der hinteren 
Scheitelgegend, ihre V. effer, ziehen zu den tiefen Cervikaldriiseii 
(unter der Insertion des Sterno-cleido mastoideus). 

3. Die 2—4 Lgl. auriculares antt. liegen zum Teii in der Sub- 
stanz, zum Teii auf der Parotis. V. affer, kommen aus der 



H. Das Lymphgefiilisystem. 


269 


Schlafengegend, V. effer, ziehen zum Teii zu den Lgl. submaxil- 
lares, zum Teii zu den Lgl. cervicales superff. hin. 

4. Die Lgl. submaxillares (4—10) liegen zum Teii am Rande, zum 
Teii an der medialen Flache des Corpus mandibulae. V. affer, 
stammen aus den Weichteilen des ganzen Gesichtes (auch dem 
Boden .der Mundhohle und Isthmus faucium), V. effer, gehen zu den 
oberflachlichen und tiefen Cervikaldriisen. 

5. Die Lgl. cervicales superff. (4—6) liegen zum Teii auf dem 
M. 8terno-cleido-mastoideus, zum Teii hinter dem letzteren unter der 
Haut des Halses. V. affer, kommen zum Teii aus anderen Lymph- 
drtisen, zum Teii aus <ler Haut des Halses und Nackens. V. 
effer, gehen in die unteren Lgl. cervicales proff. uber. 

fi) Tiefe DrUseo. 

6. Die 10—16 Lgl. cervicales profundae supp. liegen langs der 
V. jugularis int. und den Karotiden. V. affer, kommen hauptsach- 
lich aus der Schadelhohle, dem Pharynx und Larynx. V. effer, 
ziehen zu den folgenden Drtisen hin. 

9. Die 4—6 Lgl. cervicales profundae inff. liegen in der Tiefe der 
Fossa supraclavicularis major. Die V. affer, nehmen teils aus der 
Nachbarschaft, teils indirekt aus anderen Driisen samtliche Lymph- 
gefaBe des Kopfes und Halses auf. Die V. effer, gehen direkt 
in den Ductus thoracicus oder lymphat, dexter Uber. 

b) Lymphdrusen der oberen Extremitat. 

1. Die Lgl. cubitales liegen zum Teii (1—3) um die Vasa brachialia, 
zum Teii (1—2) etwas oberhalb des Condylus medialis (bald vor, bald 
hinter demselben). V. affer, kommen aus dem ulnaren Hautabschnitt 
und den tiefen Teilen der Hand und des Unterarmes. V. effer, 
ziehen zu den Axillardriisen. 

2. Die 10—12 Lgl. axillares liegen in der Achselhohle zum Teii 
dicht unter der Faszie, zum Teii in der Tiefe neben der V. axillaris. 
Die V. affer, kommen aus der ganzen oberen Extremitat, aber 
auch aus der Thorax- und Bauchwand bis zum Nabel, endlich 
sogar aus dem Rticken und Nacken. V. effer, ziehen zum Ductus 
thoracicus bzw. lymphat, dexter. 

c) Lymphdrusen der Brusthfjhle. 

1. Die 6 —10 Lgl. sternales und 8 —10 Lgl. mediastinales antt. 
liegen an der Innenflache des Thorax, teils hinter dem Sternum, 
teils zwischen den Eippenknorpeln, teils um die groBen GefaBe des 
Herzens. V. affer, stammen von den Nachbarteilen. V. effer, gehen 
nach oben in die HauptlymphgefaBstamme. 



270 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


2. Die Lgl. intercostales befinden sich vereinzelt an der Innen- 
flache der Rippenkopfchen. 

3. Die 8—12 Lgl. mediastinales postU liegen neben der Aorta des¬ 
cendens. V. affer, kommen von den Organen des Mediastinum post. 
V. effer, geben zum Teii in den Ductus thoracicus, zum Teii in die 
Bronchialdriisen liber. 

& Die 20—30 Lgl. bronchiales sind an der Teilungstelle der 
Trachea und den Bronchi gelegen. Meist von Kohlenstaub schwarz- 
lich. V. affer, kommen hauptsachlich aus deii Lungen. Y. effer, 
miinden in den Ductus thoracicus. 

d) Lymphdriisen der unteren Extremitat. 

1. Die Lgl. popliteae (unbestandig) in der Kniekehle. 

2. Die Lgl. inguinales liegen in wechselnder Zahl langs des 
Poupart’schen Bandes. Y. affer, aus der unteren Halfte der 
Bauchwand und den Genitalien. Y. effer, zu den folgenden Driisen. 

3. Die 7 —12 Lgl. subinguinales superficiales sind unterhalb des 
Pouparfschen Bandes unter der Haut gelegen. Y. affer, kommen 
vom GesaB, der unteren Extremitat vom Damm und den Genitalien. 
Y. effer, ziehen zu den folgenden Driisen. 

4. Die 3—6 Lgl. subinguinales profundae liegen unter dem Proc. 
falciformis neben der A. und Y. femoralis. Gewohnlich liegt eine davon 
im Schenkelring und wird ais Rosenmiiller’sche Druse bezeichnet. 
V. affer, kommen aus den tieferen Teilen des Beines, zum Teii auch 
aus den vorigen Driisen. Y. effer, fiihren zu den Lymphdriisen des 
Beckens. 

e) Lymphdriisen des Beckens. 

1. Die 6—8 Lgl. iliacae liegen neben der A. und Y. iliaca. 
V. affer, aus den vorigen Driisen und der benachharten Beckenwand. 
V. effer, zu den Lgl. lumbales. 

2. Die 9—12 Lgl. hypogastricae liegen neben der A. und V. hypo¬ 
gastrica. V. affer, aus den Beckenmuskeln und -eingeweiden. V. effer, 
zu den Lgl. lumbales. 

3. Die 2—8 Lgl. sacrales liegen auf dem Promontorium und in 
der Kreuzbeinaushohlung. Y. affer, aus Kreuzbeingegend und Rectum. 
V. effer, zu den Lgl. lumbales. 

• 

f) Lymphdriisen der Bauchhohle. 

1. Die Lgl. lumbales (20—30), liegen um die Bauchaorta und 
V. cava inf. V. affer, aus den Beckendriisen, der Bauchwand, den 
Riickenmuskeln sowie nahe gelegenen Eingeweiden. V. effer, geben 
zum Ductus thoracicus. 



I. Das Gehirn und seine Haute. 


271 


| 

2. Die Lgl. coeliacae (15—20) liegen in der Gegend der A. coeliaca, 
also nach oben an die vorigen anschlieBend. V. affer, aus Leber, 
Milz, Pankreas, Magen and aucb zum Teii aus den folgenden Driisen. 
V. effer, zum Ductus thoracicus. 

8. Die Lgl. mesentericae sind sebr zahlreich im Dlinndarm- und 
Dickdarmgekrose gelegen. Die V. affer, fiihren denselben den weiBen 
fetthaltigen Chylussaft des Darmes zu. V. effer, zum Ductus 
thoracicus. 

I. Das Gehirn und seine Haute. 

I. Die Hirnhaute. 

Das Gehirn, Encephalon, besitzt von auBen nach innen drei 
Haute, namlich: 1. die harte Hirnhaut, Dura mater-, 2. die Spinn- 
webenhaut, Arachnoidea; 8. die weiche Hirnhaut, Pia mater. Die 
beiden letzteren bleiben bei der Herausnahme des Gehirnes aus der 
Schadelhohle an demselben haften. 1 

1. Die Dura mater. 

Die harte Hirnhaut, Dura mater (auch Pachymeninx genannt), 
iiberzieht ais derbe fibrose Haut die InnenHache des Schadels wie 
eine Art von innerem Periost, welches bei Kindern mit den Knochen 
fest verwachsen ist, sich dagegen beim Erwachsenen von denselben 
abziehen laBt. Zwischen der Dura und dem Schadel finden sich die 
kapillaren, nur mikroskopisch sichtbaren epiduralen Lymphraume 
und zwischen den letzteren beim wachsenden Schadel die sogen. 
Riesenzellen (Myeloplaxen), denen man die Resorption der an- 
liegenden Knochensubstanz zuschreibt Zwischen der Dura und der 
Arachnoidea liegt dagegen ein einziger groBer spaltformiger Lymph- 
raum, der Subduralraum, Cavum subdurale, durch den nur die Him- 
nerven und HirngefaBe hindurchtreten und dessen Innenflache von 
einer einfachen Endothelschicht' ausgekleidet ist. Die Dura sendet in 
die Schadelhohle folgende Fortsatze hinein: 

1. Die groBe Hirnsichel, Falx cereb-i, schiebt sich in der 
Medianlinie von der Crista galli bis zur Protub. occip. int. zwischen 
die beiden GroBhirnhemispharen ein. 

2. Die kleine Hirnsichel, Falx cerebelli, bildet die schwache 
Fortsetzung. der vorigen bis zum For. magnum und schiebt sich 
zwischen die beiden Kleinhirnhemispharen ein. 

3. Das Hirnzelt, Tentorium, ist eine horizontale Platte, weiche 
sich VQn der oberen Xante der Pyramide und dem Sulcus transversus 

1 Arachnoidea und Pia mater hat man auch zusammen ais Pia mater 
(. Leptomeninx ) bezeichnet und an der letzteren ein aufieres und inneres 
Blatt unterschieden (K. Virchow). 



272 


III. Teii. GefaB- und Nervenfehre. 


zwischen das GroBhirn und Rleinhirn einschiebt. Der vordere kon- 
kave Rand, lnc. tentorii, begrenzt eine Offnung, in welcher der durch- 
tretende Himstock liegt. 

4. Uber dem Tiirkensattel bildet die Dura eine Art Deckel, 
Diaphragma sellae, welcher ein Loch, For. diaphragmatis, fur den Stiel 
der im Tiirkensattel gelegenen Hypophysis besitzt. 

Die sensiblen Nerven der Dura werden von den drei Nn. re¬ 
currentes der drei Trigeminusaste geliefert (s. daselbst). Auch der 
N. vagus sendet einen R. meningeus zur Dura. 

Die Arterien derselben verlaufen zwischen der Dura und den 
SchS,delknochen. 1. Die kleine A. meningea ant. (aus der A. ethmoi¬ 
dalis ant.) zieht neben der Crista galli nach aufwarts. 2. Die A. me¬ 
ningea media (aus der A. maxillaris int.) tritt durch das For. spino¬ 
sum in die Schadelhohle und teilt sich sogleich in einen vorderen 
Ast fur die Stimbeingegend und einen hinteren Ast fur die Gegend 
des Scheitelbeins und der Hinterhauptscbuppe. 3. Fur die Dura der 
hinteren Schadelgrube ist ein kleiner R. meningeus aus der A. verte¬ 
bralis und der R mastoideus der A. occipitalis (vgl. S. 244) zu nennen. 

Die Venen der Dura werden — abgesehen von den Begleitvenen 
der eben genannten Arterien — durch die Sinus durae matris (s. S. 262) 
reprasentiert. 

1. Der, Sinus sagittalis sup. verlauft von der Crista galli an langs 
der Konvexitat der Falx cerebri im Sulcus sagittalis und ergieBt 
sieh hinten in den Sinus transversus. 

2. Der Sinus sagittalis inf. zieht in der Konkavitat der Falx . 
cerebri von vorn nach hinten, vereinigt sich mit der V. magna Oaleni 
und hieBt dann in den Sinus rectus. 

3. Der Sinus rectus liegt dort, wo das Tentorium und die 
Falx cerebri zusammenstoBen und ergieBt sein Blut in den 
Sinus transversus. 

4. Der Sinus transversus liegt im Sulcus transversus und 
setzt sich nach abwarts (im Sulcus sigmoideus des Schlafenbeines) 
in den Sinus sigmoideus fort, welcher in die V. jugularis int. mundet. 

5. Der winzige Sinus spheno-parietalis zieht am Rand e des 
kleinen Keilbeinflugels zum Sinus cavernosus. 

6. Der Sinus cavernosus (von vielen kleinen Balken durchsetzt) 
liegt zu heiden Seiten der Sella turcica und setzt sich jeder- 
seits in den folgenden Sinus fort. Sein Blut umspiilt die Carotis int. 
und den VI. Himnerven {N. abducens), welche durch ihn hindurch- 
treten. In seiner oberen Wand ziehen der III. Hirnnerv ( N.'. oculo¬ 
motorius) und der IV. Hirnnerv {N. trochlearis), in der lateralen Wand 
der I. Ast des V. (N. trigeminus) zur Augenhohle. 

7. Der Sinus petrosus inf. verlauft im Sulcus petrosus inf. zur 
V. jugularis int. 



I. Das Gehira und seine Haute. 


278 



8. Der Sinus petrosus sup. verbindet im Sulcus petrosus sup. 
den Sinus cavernosus mit dem Sinus transversus. 

9. Der Sinus occipitalis zieht langs der Crista occip. int. 
vom Sinus transversus zu den Venen im For. magnum. 

Weniger wichtig sind der Sinus intercavernosus ant. und post., 
welche vor und hinter der Hypophysis die Sinus cavernosi verbinden 
und mit denselben um die Hypophysis den sogen. Sinus circularis 
(.Ridleyi ) bilden. 

2. Die Arachnoidea. 

Die Spinnwebenhaut, Arachnoidea, spannt sich ais glatte 
Haut uber alie Unebenheiten an der HirnoberHache hiniiber. Spinn- 
webenartig sind nur die zahlreichen fibrosen Strange, durch welche 
sie mit der Pia mater verbunden ist. Die zwischen diesen Binde- 
gewebstrangen (also unter der Arachnoidea) gelegenen, mit Endothel 
ausgekleideteri Lymphraume (Subarachnoidealraume, Cavum sub- 
arachnoideale) enthalten eine serose Fltissigkeit, Liquor cerebro-spinalis , 
welche sich bei der Herausnahme des Gehirns in die Schadelhohle 
entleert. Das Cavum subarachnoideale ist am besten an der Gehirn- 
basis ausgebildet. Man hat auch noch an demselben verschiedene 
groBere Raume, Cisternae, unterschieden, von denen die Cisterna cerebello¬ 
medullaris (zwischen Kleinhirn und GroBhirn), die Cisterna fossae late¬ 
ralis (in der Fossa Sylvii) und die Cisterna interpeduncularis (an den 
Pedunculi cerebri)'besonders ins Auge fallen. 

Eine Eigentiimlichkeit der Arachnoidea sind die Arachnoideal- 
zottenoderPacchioni’schen Granulatione n,Oranulationesarachnoi- 
deales, d. h. Wucherungen der Arachnoidea, welche in die Dura und sogar 
bis in die Schadelknochen vordringen konnen und deren AuBenwand viel- 
fach durchlochert ist Naich Axel, Key und Retzids sollen diese 
Zotten bzw. die eben erwahnten Locher dazu dienen, den AbfluB der 
Lymphe aus den Subarachnoidealraumen zu ermoglichen, welcher sonst 
nur durch die Safthahnen in den Scheiden der Hirnnerven erfolgen 
konnte. Eigene Nerven scheint die Arachnoidea nicht zu hesitzen. 

3. Die Pia mater. 

Die weiche Hirnhaut, Pia mater, bekleidet unter der Arach¬ 
noidea die ganze Oberflache- des Gehirns, dessen Furchen sie sogar 
bis zum Grunde ausfullt. Sie besitzt im Gegensatz zur Arachnoidea 
zahlreiche BlutgefaBe, welche auch von ihr in die Oberflache 
des Gehirns eintreten. Indessen auch in das Inner e des Gehirns, 
d. h. die Hirnhohlen oder Yentrikel, sendet die Pia gefaBhaltige 
Fortsatze, die Adergewebe, Tela chorioidea , welche mit gefaBhaltigen 
Zotten, den Adergeflechten, Plexus chorioidei, versehen sind, denen 
die Aufgabe zufallt, die (allerdings normalerweise nur sehr geringe) 

Bboesike, Repetitorium anatomicum. 18 



274 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


serose Fliissigkeit in den Yentrikeln abzusondern. Die Tela chorioidea 
dringt nun an zwei Stellen in das Gehirn ein, welche beide hinten 
(dorsal) liegen. 

Die erste Eintrittstelle befindet sich zwischen GroBhirn und 
Kleinbirn unterhalb des Splenium corporis callosi (s. Fig. 62). 
Die hier eindr\ngende Pia wird Tela chorioidea ventriculi tertii benannt 
und bildet ais doppelte Platte die Decke des III. Ventrikels. In 
das Lumen des letzteren hangt der Plexus chorioideus ventriculi tertii 
ais sagittaler paariger Zottenstreif hinein. Vom vorderen Ende des 
letzteren verlauft dann jederseits der Plexus chorioideus ventriculi late¬ 
ralis im Seitenventrikel nach hinten und dann bis in das Unterhorn 
abwarts. 

Die zweite Eintrittstelle ist zwischen dem Kleinhirn und 
der Medulla oblongata gelegen. Die hier befindliche Tela chori¬ 
oidea ventriculi quarti bildet ais einfache Platte die hintere Wand 
des IT. Ventrikels. Auch hier finden sich jederseits ein Plexus chorioideus 
medius und ein Plexus chorioideus lateralis vor, von denen sich der 
letztere durch den Rec. lateralis bis zur Hirnbasis erstreckt. Die 
Tela ist hier in der Mitte durch eine kleine Offnung, Apertura 
mediana ventriculi quarti [For. Magendii), an der Spitze des Recessus 
lateralis jederseits durch die Apertura lateralis ventriculi quarti durch- 
. brochen. Durch diese Offnungen steht die Lymphe der Subarach- 
noidealraume mit derjenigen der Ventrikel in Verbindung. Feine 
Nervenzweige bekommt die Pia von den durchtretenden Hirnnerven. 

n. Das Wichtigste uber die Entwicklung des Gehirns. 

Das Gehirn und Riickenmark bilden beim Embryo in seiner 
friihesten Entwicklungszeit einen graden rohr6nformigen Hohl- 
raum, dessen Kopfende (das Gehirn) etwas dicker ist. Die Wand 
dieses Hohlraumes ist relativ diinn, der Hohlraum relativ groB. Der 
Hohlraum des Gehirns scheidet sich weiterhin in eine Anzahl von 
Abteilungen, welche man ais Ventrikel bezeichnet. Derjenige des 
Rtickenmarkes wird spaterhin zu dem engen Zentralkanal. 

An dem Kopfende des Zentralnervensystems bilden sich weiter¬ 
hin durch Einschniirungen drei Erweiterungen (Hirnblaschen, 
Reichebt), von denen das erste spater Sum Vorderhirn, Prosence¬ 
phalon, das zweite zum Mittelhirn, Mesencephalon, das dritte zum 
Rautenhirn, Rhombencephalon, wird. Aus dem ersten HirnblSs- 
-chen (s. Fig. 59 u. 60) wachsen dann die beiden GroBhirnblaschen 
oder Hemispharenblaschen [Telencephalon) hervor, welche allmahlich 
so groB werden, daB sie schlieBlich in Gestalt des* GroBhims die ganze 
ilbrige Himanlage uberdecken. Die beiden urspriinglichen Hohlen des 
Telencephalon stellen den spateren rechten und linken Seiten- 



I. Das Gehim und seine Haute. 


275 


ventrikel (des GroBhims) dar. Der Best des ersten Himbl&schens 
bildet den spateren III. Ventrikel nebst seinen Wanden (Zwischen- 
hirn, Diencephalon ). Aus dem zweiten Hirnblaschen (dem Mos- 


ZentrdUcanal 


Prosencephalon Mesencephalon Rhombencephalon 
(I. HimUdschen) (II. HimbldsckenJ (III. HimbldschenJ 

Fig. 59. Embryonales Gehirn, II.—III. Woche. 

Medianschnitt. Nach einemModell von C. B. Reichert. 

encephalon) entwickelt sich dann weiterhin der Aquaeductus cerebri ( Sylvii) 
nebst seinen Wanden. Das dritte Hirnblaschen (. Rhombencephalon ) 
endlich liefert den IV. Ventrikel nebst seinen Wanden, an denen 
sich schlieBlicb ais Verdickungen das Hinterhirn, Metencephalon 



Fig. 60. Embryonales Gehirn, IV.—V. Woche. 

Medianschnitt. Gesichtskopfbeuge nach einem Modell von C. B. Reichert. 

(Varolsbriicke und Kleinhirn), und das Nachhirn, Myelencephalon (die 
spatere Medulla oblongata), herausbilden. Die ursprilngliche Anlage 
der drei Hirnblaschen hat man auch ais Hirnstock oder Hirn- 
stamm bezeichnet, an dem sich gewissermaBen ais Auswuchse das 
GroBhirn und das Kleinhirn befinden. 



18 






276 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


m. Das GroBhirn. 

Das GroBhirn, Cerebrum 1 , wird durch die Fissura transversa 
cerebri vom Kleinhirn getrennt, durch die Fiss. mediana cerebri in eine 
linke und rechte Hemisphare, Hemisphaerium, geteilt. Jede Hemi¬ 
sphare besteht wiederum nach den B. N. A. aus dem Hirnmantel, 
Pallium, dem Riechhirn, Rhinmcephalon, und dem Stammteil, 
Corpus striatum. Die Oberflache des GroBhims zeigt die Hirnwin- 
dungen, Gyri, welche durch Furchen bzw. Spalten, Sulci bzw. 
Fissurae, voneinander getrennt sind. Die tiefsten Furchen nun teilen 
das GroBhirn in folgende Lappen: 1. den Stirnlappen, Lobus fron¬ 
talis ; 2. den Scheitellappen, Lobus parietalis ; 3. den Hinter- 
hauptlappen, Lobus occipitalis, und 4. den Schlafenlappen, Lobus 
temporalis. Dazu kommt noch die in der Tiefe der Fiss. Sylvii vom 
Scheitel-, Stirn- und Schlafenlappen bedeckte Insula (Reilii) (s. Fig. 63). 

Zunachst werden der Stirn^-Tind Schlafenlappen vom durch 
die Fossa cerebri lat., s. Sylvii, weiter hinten durch die tiefe Fiss. 
cerebri lat. [Fiss. Sylvii) getrennt. An dieser Furche bzw. Spalte 
unterscheidet man nun den vorn gelegenen Anfangsteil oder Stamm, 
Truncus fossae Sylvii (Fig. 61) und drei von dem letzteren ausgehende 
Aste, namlich a) den R. posterior (sj; b) R. anterior accendens (s ,) und 
c) den R. anterior horizontalis (s HI ). Zwischen dem Stirn- und 
Scheitellappen liegt femer eine zweite tiefe Furche, der Sulcus 
centralis s. Rolandi. Parallel mit letzterem lauft dann am Stirnlappen 
der Sulcus praeceniralis (meist unterbrochen wie in Fig. 61), am 
Scheitellappen der Sulcus postcentralis, durch welche vor und hinter' 
dem Sulcus centralis der Gyrus centralis anterior und posterior begrenzt 
werden. Die Grenze zwischen Scheitel- und Hinterhaupt- 
lappen ist nur an der medialen Flache der Hemisphare (Fig. 62) 
durch eine vertikale Spalte, Fiss. parieto-occipitalis, deutlich markiert. 
Die Grenze zwischen dem Schlafen- und Hinterhauptlappen 
ist ebenfalfs nur an der Grenzkante zwischen der lateralen und der 
unteren Flache der Hemisphare durch einen kurzen Einschnitt, die 
Inc. praeoccipitalis (SchwalbE), angedeutet. Doch findet sich meistens 
in einer Verbindungslinie zwischen der Fiss. parieto-occipitalis und der 
Inc. praeoccipitalis noch eine kleinere Furche, der Sulcus occipitalis ant. 
von Webnicke [oa), ais vordere Grenze des. Hinterhauptlappens vor. 
AuBerdem sind aber an den einzelnen Lappen noch andere besonders 
bezeichnete Furchen und Windungen vorhanden. 

Der Stirnlappen (s. Fig. 61) zeigt an seiner lateralen Flache 
zunachst, vom Sulcus praeceniralis sagittal nach vorn laufend, die I. 

1 Nach den B. N. A. gehoren (vgl. W. Rrause, Anatomie) zum GroBhirn 
nicht nur die Hemispharen, sondcrn auch noch das Diencephalon and Mesence¬ 
phalon. Diese Auffassung scheint mir nicht sehr zweckmaBig. 



I. Das Gehirn and seine Haute. 


277 



oder obere Stirnfurche, Sulcus frontalis sup. (/j) und die II. oder 
untere Stirnfurche, Sulcus frontalis inf (/j,), durch welche die I. 
oder obere Stirnwindung, Oyrus frontalis sup. (i^), die II. oder 
mittlere Stirnwindung, Gyrus frontalis medius (F l{ ) und die III. 




» 1 », 

|i 


oder untere Stirnwindung, Gyrus frontalis inf. (F ln ), voneinander 
geschieden werden. Die untere Stirnwindung wird durch die drei Xste 
der Fossa Sylvii noch in drei Abschnitte, namlich: eine Pars opercu¬ 
laris (a), eine Pars triangularis ( b ) und eine Pars orbitalis (c) geteilt. 
Die Pars opercularis ist insofern wichtig, ais sie den Sitz des mo- 



278 


III. Teii. GrefaB- und Nervenlehre. 


I 


torischen Sprachzentrums darstellt (Broca). Die Stimwindungen 
setzen sich indessen auch iiber das vordere Ende des Gehims auf die 
untere Flache des Stirnlappens fort (Fig. 63). Die erste Stim- 
windung wird hier ais Gyrus rectus, die erste Stimfurche wegen des in 
ihr gelegenen Bulbus olfactorius auch Sulcus olfactorius geuannt(Fig.63). 
Die lateral davon gelegenen Furchen (meist dreischenklig oder H-formig) 
werden ais Sulci orbitales , die ihnen naheliegenden Windungen ais Gyri 
orbitales bezeichnet. 

Der Scheitellappen wird an seiner lateralen Flache durch 
die vom Sulcus postcentralis sagittal nach hinten ziehende Scheitel- 
fdrche, Sulcus interparietalis (p), in das obere Scbeitellappchen, 
Lobulus parietalis (P,^und das untere Scheitellappchen, Lobulus 
parietalis inf. (P„) geteilt. 

Der Hinterhauptlappen zeigt an der lateralen Flache sehr 
unregelmaBige sagittale Sulci und Gyri occipitales supp. und laM. [O t 
und Cy, welche meistens von einem Sulcus occip. transversus (o t) durch- 
kreuzt werden, An der untere n Flache zeigt der Hinterhaupt¬ 
lappen medial den Gyrus lingualis, welcher sich nach vom in den 
Gyrus hyppocampi des Schlafenlappens, lateral den Gyrus fusiformis, 
welcher sich ebenfalls, jedoch un^er demselben Namen, auf den 
Schlafenlappen fortsetzt (Fig. 63). Die eben genannten Gyri sind an 
beiden Lappen durch die lange Fiss. collateralis getrennt. 

Der Schlafenlappen zeigt an der lateralen Flache die drei 
sagittalen Schlafenfurchen, den Sulcus temporalis sup., medius und 
inf. (t v t v t 3 ), denen ebensoviel Schlafenwindungen (T v T 2 und T s ) 
entsprechen. An die III. Temporalwindung schlieBt sich nach unten 
hin (s. Fig. 63) der soeben erwahnte Gyrus fusiformis, dann die Fiss. 
Collateralis, endlich ganz medial der Gyrus hippocampi an. Letzterer steht 
durch den Haken, Uncus, mit dem .Hippocampus (s. w. u.) in Verbindung. 

An der medialen Flache der GroBhirnhemisphare sieht 
man dicht oberhalb des Balkens ( Corpus callosum) den bogen- 
formigen Gyrus cinguli (Fig. 62), welcher nach hinten und unten mit 
einer schmaleren Stelle, Isthmus, in den Gyrus hippocampi iibergeht. 1 
Oben wird der Gyrus cinguli zunachst durch den Sulcus cinguli be- 
grenzt, welcher indessen weiter hinten nach aufwarts abbiegt und 
dessen Fortsetzung gewissermaBen durch den Sulcus subparietalis er- 
setzt wird. Noch weiter hinten sind die schon erwahnte Fiss. parieto¬ 
occipitalis und die tiefe Fiss. calcarina sichtbar, von denen die letztere 
die untere und mediale Flache des Hinterhauptlappens scheidet. Der 
dreiseitige zwischen der Fiss. calcarina und parieto-occipitalis gelegene 
Teii des Hinterhauptlappens wird nun alsZwickel, Cuneus, der zwischen 
der Fiss. parieto-occipitalis und dem Ende des Sulcus cinguli gelegene 

1 Der Gyrus cinguli und Gyrus hippocampi bilden zusammen den Gyrus 
fornicatus (vgL Fig. 71). 



I. Das Gehirn und seine Hau te 


279 


Teii des Parietallappens ais Vorzwickel, Praecuneus, bezeichnet. Vor 
dem Praecuneus liegt noch (dem obereu Ende des Sulcus centralis ent- 



sprecbend) der Lobulus paracentralis, an den sich nach vorn oberhalb des 
Sulcus cinguli die mediale Flache der I. Stirnwindung anschlieBt. 




280 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


Es ist bereits erwahnt, daB der Stirn-, Scheitel- und Schlafen- 
lappen an der Fiss. Sylvii gemeinsam einen kleinen Hirnabschnitt, den 
Stammlajppen oder die Insel, Insula (Reilii) (s. Fig. 63), verdecken, 
an dem einige kurze Furchen und Windungen sichtbar sind. Diejenigen 
Himteile,, welche die beim Fotus noch freiliegende Insel bedecken, 
werden ais Decklappen oder Klappdeckel, Operculum , bezeichnet. 

Zura Riechhirn, Rhinemephalon (beim Mensehen verkummert), rechnet 
man nicht allein den im Sulcus rectus gelegenen Lobus olfactorius (besfehend 
aus Bulbus, Tractus und Trig. olfactorium s. bei der Hirnbasis), sondern auch 
noch die Substantia perforata ant., sowie zwei anschlieBende Windungen, den 
Oyrus subcallosus und die Area parolfactoria Brocae (s. Fig. 62). 


• Der Balken. 

Der Balken, Corpus callosum, bildet eine starke, im Ganzen hori- 
\ zontale Verbindungsbriicke zwischen den beiden GroBhirnhemispharen 
_ \(Fig. 62), an der man das gebdgene vordere Ende, das Balkenknie, 

' Genu. corp. callosi, das Mittelstiick, den Kcirper, Corpus corp. callosi 
und das hintere verdickte Ende, den Balkenwulst, Splenium corp. 
callosi, unterscheidet. Nach abwarts lauft das Knie, dunner werdend, in 
das Rostrum corp. callosi aus, welches sicb wieder in eine diinne Platte, 
Lam. rostralis, fortsetzt, die weiter abwarts in die Lam. terminalis des 
III. Ventrikels ubergeht. Hinter dem Genu liegt in der Median- 
ebene eine weiBe Scheidewand, Septum pellucidum, welche eine 
spaltformige, mit Lymphe gefilllte, ganzlich abgeschlossene Hohle, 
Ventriculus septi pellucidi, enthalt. Dicbt binter dem Septum bzw. den 
Columnae fornicis (s. Fig. 62) liegt jederseits das For. interventriculare 
(Monroi), durch welches man aus dem III. Ventrikel in die beiden 
Seitenventrikel gelangt. Die obere Flache des Balkens zeigt eine 
mediane Leiste, Raphe corp. callosi, zu deren beiclen Seiten schwachere 
Striae longitudinales verlaufen. Die Hauptmasse des Balkens wird je- 
doch durch Querfasern, Striae transversae, gebildet. An die untere 
Balkenflache ist nun das bogenformige Gewolbe, Fornix, . an- 
geheftet. Der Fornix wird aus den beiden vorderen Gewolb- 
schenkeln, Columnae fornicis, dem unpaaren Gewolbkorper, Corpus 
fornicis, und den hinteren Gewolbschenkeln, Crura fornicis , ge¬ 
bildet. Die beiden Columnae setzen sich nach abwarts bis zu den 
Corpp. mamillaria fort, die Crura (postt.) geben in das Ammonsborn, 
Hippocampus, uber. Unmittelbar unter dem Fornix ist die Tela chori¬ 
oidea ventriculi III ais eigentliche Decke des III. Ventrikels gelegen. 

IV. Die Hirnbasis. 

An der unteren Flache des Gehirns, Basis, sieht man jeder¬ 
seits (Fig. 63) den Bulbus olfactorius, von dem die Zweige des I. Hirn- 
nerven, N. olfactorius, durch die Lam. cribrosa nach abwarts ziehen. 



I 



Fig. 63. Die Hirnbasis. Die Decklappen der Insula Reilii sind zur Seite ge- 
schoben und dadurch die Insel freigelegt. 

gefaBen fein durchlocherte Substantia perforata ant., in der Mitte 
zwischen beiden Subst. perforatae die Sehnervenkreuzung, Chiasma 
opticum , gelegen. Das Chiasma setzt sich jederseits hinten in den 
Tractus opticus fort, welcher sich lateral vom Pedunculus undeutlich 
in eine Radix medialis und lateralis teilt. Hinter dem Chiasma liegt 


I. Das Gehirn und seine Hiiute. 


Der Bulbus setzt sich nach hinten in den Tractus olfactorius fort, dessen 
beide Wurzeln, Stria medialis und lateralis, das Trigonum olfactorium 
zwischen sich fassen. Dicht hinter dem letzteren ist die von Blut- 


Chiasma 

opticum 

Subst. per¬ 
forata ant. 

N. oculo¬ 
motorius 

Pedunculus 

cerebri 

N. trochlearis 


N. trigeminus 
N. abducens 


N. facialis u. 
acusticus 

N, glosso¬ 
pharyngeus 

N. vagus 


N.hypoglo88U8 


N. accessorius 
fWillisiiJ 


Lamina terminalis 


Sulci orbitales 


Tractus ol¬ 
factorius 


Hypophysis 


Stria medialis 


Tubere, cinereum 


Stria lateralis 


Coip. mamil¬ 
lare 


Subst. perfo¬ 
rata post. 

Uncus 


(yyrus fusi¬ 
formis 

Gyrus hippo¬ 
campi 


Flocculus 


Plexus cho- 
rioid. lat. ven- 
tric. IV 

„ Tonsilla 


Oli ve 


Corpus callosum Gurus rectus 

Bulbus olfactorius 


282 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


das Tuber cinereum , von welchem an einem Stiel, Pedunculus , der 
Hirnanhang, Hypophysis cerebri, herunterhangt. Dicht hinter dem 
letzteren springen die halbkugeligen, weiBen Corpp. mamillaria hervor. 
Noch mehr hinten, zwischen zwei starken Strangen, den beiden Pedun¬ 
culi cerebri , liegt die Substantia perforata post., welche von feinen GrefaBen 
durchlochert ist. Am medialen Rande jedes PedunculuCtntFf&er 
III. Hirnnerv, N. oculo-motorius, heraus,-lateral von demselben zieht 
der IV. Hirnnerv, N. trochlearis, nach vorn. Ein Querschnitt des 
Pedunculus zeigt, daB derselbe durch einen grauen Streifen, Sub¬ 
stantia' nigra pedunculi, in «inen vorderen Abschnitt, Basis pedunculi, 
und einen hinteren, die Haube, Tegmentum, geteilt wird (s. Fig. 84). 
Nach hinten (unten) stoBen die Pedunculi an einen starken Quer- 
wulst, die Varolsbrticke, Pons (Varoli ), welche sich jederseits mittels 
des Brachium pontis in das Kleinhirn fortsetzt. Die Briicke zeigt 
median den Sulcus basilaris fur die A. basilaris, zu beiden Seiten den 
durch dieselbe hervorbrechenden V. Hirnnerven, N. trigeminus ; an 
ihrem hinteren (unteren) Rande 1 . tritt der YI. Hirnnerv, N. abdu¬ 
cens, lateral von dem letzteren der VII. und VIII. Hirnnerv, 
N. facialis und acusticus, aus der Medulla oblongata heraus. An der 
letzteren ist .in der Medianlinie die Fiss. longitudinalis ani. gelegen, 
zu deren beiden Seiten sich die Pyramiden, Pyramides, ais longi¬ 
tudinale Strange befinden, deren unteres Ende die Decussatio pyra¬ 
midum, d. h. eine teilweise Kreuzung ihrer Fasern zeigt. Lateral 
von den Pyramiden liegt jederseits die ovale Olive, Oliva; der Rest 
der Med. oblongata bildet die strangformigen Korper, Corpp. resti¬ 
formia. Zwischen der Pyramide und Olive tritt der XII. Hirnnerv, 
N. hypoglossus, endlich an den Seiten der Corpp. restiformia der 
IX. Hirnnerv, N. glosso-pharyngeus , der X., N. vagus, und der XI., 
N. accessorius, heraus. Zu beiden Seiten der Medulla oblongata sieht 
man die Kleinhirnhemispharen mit ihren Lappen, unter denen be- 
sonders dicht neben dem Brachium pontis jederseits der kleine 
blocculus auffallt. 

V. Die Himhohlen. 

Das Gehirn besitzt vier besonders bezeichnete, Iibrigens spalt- 
fbrmige Hohlraume, namlich: 1. die beiden Seitenventrikel, Ven¬ 
triculi laterales; 2. den III. Ventrikel, Ventriculus tertius, und endlich 
3. den IV. Ventrikel, Ventriculus quartus. Der linke und rechte 
Seitenventrikel stehen mit dem III. Ventrikel durch das hinter den 
Columnae fornicis gelegene For. interventriculare (Monroi ), der III. und 


1 Die Bezeichnungen „vorn“ und „hinten“ werden auch beim Gehirn des 
Erwachsenen noch so gebraucht, wie wenn das Hirn und Riickenmark noch 
wie beim Foetus eine grade Rohre mit dem vorderen oder Kopfende und 
dem hinteren oder SteiBende bildete. 



I. Das Qehirn und seine H&ute. 


283 


IV. Ventrikel durch den Aquaeductus cerebri {Sylvii) in Verbindung (Fig. 62). 
Die Auakleidung der Hirnhohlen, das sogen. Ependym, besteht aus 
einer Schicht feiner verflochtener Fasern, auf denen bei jiingeren In- 
dividuen Flimmerepithel aufsitzt. In den Wanden der Hirnhohlen 
(aber auch anderweitig) finden sich haufig sogen. Corpuscula amylacea 
(durch Amyloidinfiltration umgebildete Gliazellen) vor. 

1. Die Seitenventrikel. 

Die beiden Seitenventrikel bilden die Hohlraume der beiden 
GroBhirnhemispharen. Entsprecbend den vier Lappen der letzteren 
besitzt jeder Seitenventrikel vier Abschnitte, n&mlich: 1. das Vorder- 
horn, Cornu ant., im Stimlappen; 2. den Mittelteil, Pars centralis , 
im Scheitellappen; 3. das Hinterhorn, Cornu post. , im Hinterhaupt- 
lappen; 4. das Unterhorn, Cornu inf., im Schlafenlappen. 

Das Vorderhorn zeigt den birnformigen Streifenhiigel, 
Corpus striatum, welcher jedoch nur die freie Oberfl&che eines grauen 
Kernes, des Nucleus caudatus , darstellt, dessen spitzes hinteres Ende 
sich bogenformig bis in die Decke des Unterhorns erstreckt. 

Der Mittelteil zeigt am Boden hinten und medial vom Corpus 
striatum einen hellgelblichen Streifen, die Stria terminalis (Stria cornea) 
mit der V. terminalis, medial und nach hinten von der letzteren die 
obere Flache des SehhUgels, Thalamus {opticus), welche von seiner 
medial en (dem III. Ventrikel angehorenden) Flache durch einen 
weiBen Streifen, Stria medullaris thalami, getrennt ist (s. Fig. 62). 

Das Hinterhorn besitzt an seiner medialen Wand eine lang* 
liche Hervorragung, den Vogelsporn, Calcar avis, welcher durch das 
tiefe Eindringen der Fiss. calcarina in die Hirnsubstanz bedingt ist 
Oberhalb des Calcar ist noch ais kleinerer Wulst der Bulbus cornu 
posterioris gelegen. Bereits am Ubergang in das Unterhorn ist end- 
lich noch ein kleiner Wulst, Eminentia collateralis, vorhanden, welcher 
der Fiss. collateralis der Himbasis entsprechen soli. 

Das Unterhorn zeigt an der medialen Wand den bogen- 
fbrmigen Langswulst des Ammonshornes oder Seepferdes, Hippo - 
campus , an dessen unterem Ende durch eine Anzahl Kerben die 
zehenahnlichen Digitationes hippocampi voneinander getrennt werden. 
Langs der Konkavit&t des Ammonshornes zieht ais Fortsetzung des 
hinteren Gewolbschenkels ein schmaler. Saum, Fimbria hippocampi, 
nach abwarts. 

Von dem bereits erwahnten Thalamus sei noch einmal betont, 
daB nur die ab er e, von einer diinnen weiBen Markschicht iiber- 
zogene Flache dem Seitenventrikel angehort, wahrend die mediale 
(wie der ganze Thalamus sonst) aus grauer Substanz bestehende 
Flache die Seitenwand des III. Ventrikels bildet. Am vorderen 
schmalen Ende des Thalamus findet sich ein kleiner Hocker, Tubere. 



284 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


ant., hinten ein kleiner Wulst, das Pulvinar (Tubere, post.) Die 
beiden oben erwahnten Striae medullares laufen hinten zur Habenula 
(Ziigel) zusammen, an welcher die Wurzel der Zirbel, Corpus 
pineale, befestigt ist. An die Zirbel schlieBen sich nach abwarts 
(hinten) die Vierhiigel, Corpp. quadrigemina, an (s. w. u.). Unterhalb 
des binteren Thalamusendes liegen endlich noch zwei kleine Hervor- 
ragungen, die Kniehocker, Corpus geniculatum mediale und laterale, 
zu denen die mediale und laterale Wjirzel des Tractus opticus ver- 
laufen. 

2. Der dritte Ventrikel. 

Der III. Ventrikel (s. Fig. 62) bildet einen spaltformigen, in der 
Medianebene gelegenen Raum, an dem man die folgenden sechsWaude 
unterscheidet. 

Die obere ^Wand wird durch die diebt unter dem Fornix ge- 
legene Tela chorioidea sup. dargestellt, welcbe seitlicb mit der oberen 
Flache des Thalamus verwachsen ist. 

Die vordere Wand wird durch deD hinteren Rand des Septum 
pellucidum bzw. die beiden Columnae fornicis, weiter abwarts durch 
die Lam. terminalis gebildet. 

Die beiden Spitenwande werden durch die medialen Flachen 
der Thalami dargestellt, unterhalb deren sich eine Furche, Sulcus hypo¬ 
thalamicus (Sulcus Monroi), befindet. Die trichterformige Vertiefung, 
welche sich unterhalb' dieser Furche bis in das Tubere, cinereum 
bzw. den Stiel der Hypophysis erstreckt, wird Infundibulum genannt. 

Die untere Wand wird durch das Chiasma, das Tuber cinereum, 
die Corpp. mamillaria und die Subst perfor. post, gebildet. 

Die kurze hintere Wand entspricht der Wurzel der Zirbel, 
Corpus pineale, und geht nach hinten (abwarts) in den Aquaeductus 
cerebri (Sylvii) uber. 

Von kleineren Buchten konnen noch der Recessus infundibuli (die 
Spitze des Infundibulum) und der Recessus opticus (am Chiasma) ge¬ 
nannt werden. 

Die beiden Seitenwandungen sind jedoch noch durch drei quere 
Strange, Kommissuren, miteinauder verbunden, nqmlich: 1. die 
zwischen den Columnae sichtbare weiBe Commiss. ant.-, 2. die graue 
bandartige Massa intermedia zwischen den beiden Thalaipi und 3. die 
weiBe Comm. post., welche zwischen der Zirbel und dem Aquaeduc¬ 
tus liegt. 

3. Der Aquaeductus cerebri. 

Der Aquaeductus cerebri s. Sylvii verbindet ais enger Gang den 
III. und IV. Ventrikel miteinander. Die ventrale Wand wird durch 
die Haube, Tegmentum (s. Fig. 64), bzw. die Subst. perfor. post., die 
dorsale Wand durch die oberen und unteren Vierhiigel, Corpp. 



285 


I. Das Gehim und seiue Haute. 

quadrigemina, gebildet, welche man ais Lam. quadrigemina ztisammen- 
faBt. Von den oberen Vierhiigeln geht jederseits ein Verbindungs- 
strang, Brachium quadrigeminum■ sup ., nach lateralwarts zum Pulvinar, 
von den unteren Vierhiigeln ebenso jederseits das Brachium quadri¬ 
geminum inf. zum Corp. geniculatum mediale hin (Fig. 69). Lateral 
und unten von den Vierhiigeln ist noch ein dreiseitiges Feld, Trigonum 
lemnisci , zu erwahnen, an dem die weiBen Fasern der Schleife, 
Lemniscus (s. S. 290), zutage treten. 

4. Der vierte Ventrikel. 

Der vierte Ventrikel (auf dem Medianschnitt dreiseitig) ist in 
der Gegend zwischen dem Kleinhim und der Pons bzw. Med. oblon¬ 
gata gelegen (BJjg. 64). 

Seine vordere (untere) Wand (auch ais Boden 'des IV. Ven- 
trikels bezeichnet) bildet die vierseitige Rautengrube, Fossa rhom¬ 
boidea, in deren Bodensubstanz die Kerne der meisten Hirnnerven 
liegen (s. Fig. 69). Die Medianlinie derselben wird von dem Sulcus 
medianus durchzogen, zu dessen beiden Seiten die longitudinalen Emi¬ 
nentiae mediales hervorragen. Lateral von den letzteren zeigt sich die 
Grenzfurche, • Sulcus limitans, welche im oberen (vorderen) Abschnitt 
eine stark pigmentierte Stelle, den Locus caeruleus, besitzt. In der 
Mitte der Eminentia medialis macht sich ein kleiner Hiigel, Colliculus 
facialis, in dem aber der Abduzenskern liegt, besonders bemerkbar. 
Ihr unteres Ende lauft in ein kleines Dreieck, Trig. hypoglossi, aus. 
Lateral von letzterem ist die Area acustica, ein Feld fur die Kerne 
des N. acusticus, gelegen. Zwischen dem Trig. hypoglossi und dem 
Colliculus facialis ziehen von der Medianlinie weiBe Strange, Striae 
medullares (friiher Chordae acusticae genannt), uber die Area acustica 
in die lateralen Ecken der Rautengrube ( Recessus laterales) hinein. 
Endlich ist noch nach unten (hinten) vom Trig. hypoglossi -eine kleine 
dreieckige. stark pigmentierte Vertiefung, Ala cinerea , zu erwahnen. 
Die obere Ecke der Rautengrube geht in den Aquaeductus cerebri, 
die untere Ecke ( Calamus scriptorius ) in den Zentralkanal des Riicken- 
markes uber. 

Die winklig geknickte hintere (obere) Wand, das Dach, 
Tegmen ventr. IV., wird oben (vorn) durch eine dtinne Markplatte, 
Velum medullare ant. (s. Fig. 62), unten (hinten) durch verschiedene 
kleine Gebilde, wie z. B. eine kurze Markplatte, Velum medullare post., 
zwei Markstreifen, Taeniae, sowie den Riegel, Obex, indessen der 
Hauptsache nach durch die Tela chorioidea ventriculi IV. ausgefullt 
(s. S. 274). Die letztere ist hier, wie dort hereits erwahnt, durch das 
For. Magendii und die beiden Aperturae laterales durchbrochen. Nach 
hinten von der winkligen AusWchtung des IV. Ventrikels (Fastigium) 
ist dann das Kleinhim gelegen. 



286 


III. Teii. GefaB- lind Nervenlehre. 


VI. Das Kleinhirn. 

t ) 

DasKlpinhirn, Cerebellum, steht mit denNachbarteilen durch drei 
Paar Strange, Brachia (Crura) in Verbindung, namlich: 1. die Binde - 
arme, Brachia conjunctiva, welche aufwarts zu den Vierbiigeln gehen, 
indem sie das Velum medull. ant. zwischen sich fassen; 2. die Briicken- 
arme, Brachia pontis, lateralwarts zur Varolsbriicke und 3. die strick- 
formigen Korper, Corpp. restiformia, nacb abwarts zur Med. oblongata. 

Das 'Kleinhirn bestebt aus zwei Halften, den Kleinhirnhemi- 
spharen, welche vorn und hinten durch die Inc. cerebelli ant. und post. 
getrennt und durch eine Kommissur, den Wurm, Vermis, miteinander 
verbunden sind. -Eine tiefe Furcbe, Sulcus horizontalis cerebelli, grenzt 
iiberall die obere und untere Flache des Kleinbirns voneinander 
ab.' Durch andere weniger’ tiefe Furchen wird das letztere nocb 
jederseits in eine Anzabl von Lappen geteilt, welcbe durch besondere 
Abschnitte des Wurmes zusammenhangen. 

Die obere Flache zeigt ais solcbe Lappen zunachst ganz vorn 
die scbmalen Alae lobuli centralis, welche durch das Zentrallapp- 
chen des Wurmes, Lobulus centralis, verbunden sind. An dieselben 
schlieBen sich nach hinten die ausgedehnten Lobuli quadrangulares, 
welche durch den hochst gelegenen Teii des Wurmes, den Berg, 
Monticulus, in Verbindung stehen. 1 Es folgen die Lobuli semilunares 
supp., zwischen denen das Wipfelblatt, Folium vermis, liegt. 

An der unteren Flache liegen am meisten nach hinten wieder 
die Lobuli semilunares inff., welche durch den kurzen Klappenwulst, 
Tuber vermis, verbunden sind. Nach vorn schlieBen sich dann die 
Lobuli biventeres mit der Pyramis des Wurmes, weiterhin die Mandeln, 
Tonsillae, mit der Uvula vermis, schlieBlich die Flocculi an, welche durch 
ihre Stiele, Pedunculi, mit dem Knotchen des Wurmes, Nodulus, in 
Verbindung stehen. Endlich ware noch die auf dem Velum medullare 
ant. ais kleines Lappchen gelegene Lingula cerebelli zu erwahnen. 

VII. Die Medulla oblongata. 

Das verlangerte Ruckenmark, Med. oblongata, besitzt vorn 
und hinten je eine spaltformige Furche, Fiss. mediana ant. und 
post. Vorn neben der Fiss. ant liegen jederseits die Pyramiden- 
strange, Pyramides, welche 1—2 cm unterhalb der Varolsbriicke die 
Decussatio pyramidum, d. h. eine teilweise Kreuzung ihrer Fasera, 
zeigen. 2 Lateral von den Pyramiden sieht man jederseits eine ellip- 

1 Also an der oberen Flache besitzt der Wurm hohe Teile (Berg und 
Wipfelblatt). 

* Es ist aber zu beachten, daB diese medialen Kreuzungsfasern nicht im 
Vorderstrang, sondem im Seitenstrang der anderen Seite des Eiickenmarkes 
ais PyramideuseitenstrangbUndel weiterziehen. Nur die ungekreuzten 
Fasera laufen im Vorderstrang uachabwfirts(Pyramidenvorderstrangbiindel). 



287 


I. Das Gehirn und seine Haute. 

tische Hervorragung, die Oli ve, Oliva, vorspringen, an welche sich 
nach abwarts der Seitenstrang, Funiculus lateralis, anschlieBt. Der 
letztere wird durch schwache Furchen, den Sulcus lat. ant. und post. 
von den Nachbarstr&ngen getrennt. Am unteren En de der Olive sind 
auch mitunter noch quere Faserziige, die Fibrae areutae externae, sicht- 
bar. An die Funiculi laterales schlieBen sicb endlich nach binten ais 
Fortsetzung der Hinterstrange des Eiickenmarkes die strickformigen 
Korper, Corpp. restiformia, an. 1 

VIII. Die Anordnung der weiBen und grauen Hirnsubstanz. 

Schon mit bloBem Auge ist festzustellen, daB die Hirnsubstanz 
zum Teii aus weiBer, zum Teii aus gratier Masse besteht. Die 
weiBe Substanz enthalt im wesentlichen markhaltige Nerven- 
fasern, die graue Substanz die wiqbtigenNervenzellen (Ganglien- 
zellen) und marklosen Nervenfasern. Die eben genannten Ele- 
mente werden nun von einer Stiitzsubstanz, Neuroglia, getragen: 
dieselbe besteht aus den kleinen meist rundlichen Gliazellen und 
zahlreichen feinen Gliafasern, welche eine Art Netzwerk (Spon- 
giopilem, Hornspongiosa) bilden. Yon den Fortsatzen der Gan- 
glienzellen geht der eine meist in eine markhaltige Nervenfaser uber 
[Neurit), die anderen verbinden entweder direkt oder auch mittelst 
Durchflecbtung die Ganglienzellen untereinander ( Dendriten ). Eine 
Nervenzelle mit ihren Auslaufern und deren Endigung wird ais 
Nerveneinheit ( Neuron ) bezeichnet. Gruppen von Ganglienzellen, 
welche zusammen eine bestimmte Funktion ausuben, werden Kerne, 
Nuclei, genannt. 

1. Im GroBhirn. 

Die graue Substanz findet sich im GroBhirn zunachst an der 
ganzen freien Oberflache in der Dicke von 2—3 mm ais graue 
Binde vor. GroBere, indessen von weiBen Markfasem durchsetzte, 
graue Massen besitzt das GroBhirn an der Hirnbasis in Gestalt der 
GroBhirnknoten oder GroBhirnganglien, zu denen man den 
Schwanzkern, Nucleus caudatus , und den Linsenkern, Nucleus 
lentiformis ja sogar noch den eigentlich nicht zum GroBhirn ge- 
horigen Thalamus rechnen kann. 

Der Nucleus caudatus besteht aus dem Kopf, Korper und 
Schwanz: er ist derartig gekrummt, daB der Kopf bzw. wohl auch 

1 Jeder Hinterstrang des EUckenmarkes (s. daselbst) wird noch durch 
eine Furche in den medialen Goll’schen und den lateralen Burdach’schen 
Strang geteilt. .Dem ersteren entsprechend findet sich an der Med. oblongata 
eine Anschwellung, Clava, dem letzteren entsprechend das Tubere, cuneatum. 

* Der Nucleus caudatus und lentiformis werden auch unter der Bezeichnung 
Corpus striatum zusammengefaBt. Andere Autoren verstehen unter dem Corpus 
striatum nur die freie Oberflache des Nucleus caudatus lm Seitenventrikei. 



288 


III. Teii. GefaB* und Nervenlehre. 


ein Teii des Korpers im Vorderhom des Seitenventrikels ais Corpus 
striatum sichtbar sind, wahrend der nach hinten und abwarts ge- 
bogene Schwanz in der oberen Wand des Unterhornes liegt. 

Der' Nucleus lentiformis liegt lateral vom Kopf des Nucleus cau¬ 
datus und vom Thalamus, medial von der Insula Eeilii. Auf dem 
Horizontalschnitt erscheint er bikonvex mit starkerer medialer Kriim- 
mung, auf dem Frontalschnitt keilformig und in drei Zonen geteilt. 
Die laterale Zone des Linsenkernes wird ais Putamen, die mittlere 
und mediale ais Qlobus pallidus bezeichnet. Vorn hangt er durch 
eine graue Briicke mit dem Nucleus caudatus zusammen. Unter dem 
vorderen Ende des Linsenkernes ist ferner noch eine kleinere graue 
Masse, der Mandelkern* Nucleus amygdalae , gelegen, welcher mit 
der Subst. perfor ant. der Hirnbasis zusammenhangt. Lateral vom 
Linsenkern ist endlich noch (in der auBeren Linsenkapsel) eine band- 
artige graue Masse, die Vormauer, Claustrum, zu erwahnen. Auch 
der Bulbus und Tractus olfactorius, sowie die Subst. perforata ant. be- 
stehen aus grauer Substanz. 

Die weiBe Substanz fullt die Zwischenraume zwischen den 
eben beschriebenen grauen Korpern und Kernen aus. Lateral vom 
Balken bildet sie eine machtige Masse, das Centrum semiovale, 
(Yieussenii), in das die Balkenfasem ausstrahlen. Der Linsenkern 
wird (mit Ausnahme der vorhin genannten Briicke) ganzlich von der 
weiBen Linsenkapsel umgeben, deren lateraler Abschnitt ais Cap¬ 
sula externa, deren medialer, zwischen Linsenkern und dem Nucleus 
caudatus bzw. Thalamus gelegener Abschnitt ais Capsula interna be¬ 
zeichnet wird (s. Fig. 73). An der letzteren wird wieder der vor- 
dere Schenkel, Pars frontalis, das medianwarts vorspringende Knie, 
Genu, und der hintere Schenkel, Pars occipitalis, linterschieden. 
Die innere Linsenkapsel ist deswegen ein sehr beachtenswertes Organ, 
weil durch dieselbe die wichtigsten Hirnbahnen fiihren. 

2. Im Hirnstock. 

a) Thalamus, Begio hypothalamica, und III. Yeutrikel. 

Der Sehhiigel, Thalamus opticus, ist, wie bereits erwahnt, an 
seiner oberen, zum Seitenventrikel gehorigen Flache mit einer diinnen 
weiBen Lage, Stratum zonale, iiberzogen, besteht aber an der me- 
dialen, dem III. Ventrikel zugekehrten Flache (wie auch sonst) aus 
grauer Substanz, welche indessen durch weiBe Ziige, Laminae medul¬ 
lares, in drei Abschnitte, namlich den Nucleus medialis, lateralis und 
anterior, geschieden wird. 

Unterhalb des Thalamus, in der sogen. Regio hypothalamica, ist 
noch dicht oberhalb der Substantia nigra pedunculi der Luys’sche 
Korper, Nucleus hypothalamicus, ais 1 cm lange hellbraungraue 



I. Das Gehim und seine Haute. 


289 


Masse gelegen. Auch die Corpp. mamillaria und die Corpp. geniculata 
mediale und laterale enthalten graue Kerne. 

Aus grauer Substanz sind ferner fast die ganzen Wande des 

III. yentrikels, auch die Lam. terminalis und namentlich derBoden (graue 
Bodenkommissur) zusammengesetzt. Aus weiBer Substanz be- 
stehen an denWanden des III. Ventrikels vora die Columnae fornicis (me 
iiberhaupt der ganze Fornix), ferner die Comm. ant., die Striae medullares 
bzw. die Habenula 1 , endlich die Comm. post. Die Massa intermedia ist 
dagegen ganz grau. Die graurotliche Z i r b e 1 enthalt keine Ganglienzellen, 
sondern hauptsachlich Neuroglia mit runden oder polygonalen Epithel- 
zellen, ferner den sogen. Hirnsand, Acervulus, d. h. maulbeerformige Kon- 
kremente, welche sich iibrigens auch in den Telae chorioideae vorfinden. 

b) Die Gegend der Pedunculi und TierhUg-el. 

Durchschneidet man diesen Teii des Hirnstockes, so sieht man 
zunachst, wie bereits S.282 erwahnt, daB (s. Fig.64)jeder GroBhirnstiel, 
Pedunculus cerebri, besteht: 1. aus einexn ventralen Abschnitt von 
weiBer Substanz (also markhaltigenNervenfasern), dem Hirnschenkel- 
fuB, Basis s. Pes pecunduli] 2. aus der dahinter liegenden dunkel- 
grauen, mit pigmentierten Ganglienzellen versehenen Substantia nigra 
und 3. aus der noch weiter hinten befindlichen Haube, Tegmentum, 
welche man sich dorsal durch eine Linie begrenzt denken kann, die 
den Aquaeductus Sylvii transversal durchschneidet. Die Haube be¬ 
steht aus grauer Substanz, untermischt mit weiBen Faserziigen, 
welche sich zum Teii kreuzen. AusschlieBlich graue Substanz findet 
sich ais zentrales Hohlengrau, Stratum griseum centrale, um den 
Aquaeductus vdr. Der Ausdruck Haube (besser Haubenregion) 
wird iibrigens durchaus nicht bloB fur den dorsalen Teii des Pedun¬ 
culus gebraucht; sondern sie erstreckt sich aufwarts bis unter den 
Thalamus, abwarts bis in die Medulla oblongata, indem sie den 
Boden des III. Ventrikels (teilweise), des Aquaeductus und des 

IV. Ventrikels (ganzlich) bildet. Dorsalwarts geht die Haube in die 
Vierhiigelplatte iiber. Die Vierhugel enthalten ebenfalls graue 
Kerne, welche von dem dunnen weiBen Stratum zonale 'iiberzogen sind. 

In der Haubenregion findet sich etwa in Hohe der oberen 
Vierhugel auBer den Kemen des III. und IV. Hiranerven {N. oculo¬ 
motorius und trochlearis ) noch der etwa 1 cm groBe, hellbraunrote, rundliche 
rote Haubenkern, Nucleus ruber tegmenti, welcher von den Ursprungs- 
fasern des N. oculomotorius durchsetzt wird (vgl. Fig. 64). Weiter abwarts 
sind in der Haubenregion noch die anderen Himnervenkerne gelegen. 

AuBer den eben erwahnten grauen Kemen sind aber in der 
Haubenregion noch andere Gebilde zu nennen. Schon-hier treten 

1 Doch ist im sogen. Trig. habenulae der kleine graue Nucleus habenulae 
gelegen. 

Bboesike, Repetitorium aoatomicum. 


19 



290 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


* 

auf dem Querschnitt die markhaltigen Fasern der absteigenden 
Quintuswurzel, Radix descendens n. trigemini (untermischt mit 
Ganglienzellen), auf, welche zu dem Hauptkern des N. trigeminus nacb 
abwarts zieben (vgl. Fig. 65 u. 69). Weiterhin fallt hier der Querschnitt 
eines dreikantigen markhaltigen Faserzuges auf, welcherjederseitsneben 
der Medianlinie ventral von den Kernen der Augenmuskelnerven liegt 
und ais mediales (hinteres) Langsbiindel, Fasciculus longitudinalis 
medialis , bezeichnet wird. Das Biindel verbindet die Kerne des Oculo- 



Fig. 64. Querschnitt durch die Mitte der Pedunculi und obercn 
Vierhiigel. Halbschematisch nach Stilling. 


motorius, Trochlearis und Abducens miteinander (vgl. die Hirntafel), an- 
scheinend um deren kombinierte Wirkung zu erleichtern; doch scheinen 
seine Fasern auch noch weiter spinalwarts zu reichen. Endlich ist 
noch ein anderes markbaltiges Faserbiindel, die Schleife, Lemniscus, 
zu erwahnen, deren Fasern zum Teii auch an der AuBenflache des 
Himstockes [Trig. lemnisci, S. 285) zutage liegen. Die Schleife ist im 
vordersten Teii der Haube, oben dicht hinter der Substantia nigra, 
unten hinter der Brucke gelegen. Sie ist deswegen wichtig, weil ihr 
medialer Abschnitt die sensiblen (sensible Schleife), ihr lateraler 
die Akustikusfasern (Akustikusschleife) enthalt, welche zur 
Hirnrinde nach aufwarts ziehen. Die Zwischenriiume zwischen diesen 







I. Das Gehirn and seine Haute. 


291 


Faserzugen werden durch die Formatio reticularis ausgefullt, so be- 
zeichnet, weil diese Substanz im ganzen ein n,etzformiges Aussehen 
hat. In Wirklichkeit besteht dieselbe aus mannigfacb durcheinander- 
liegenden weiBen langslaufenden, bogenformigen und sich kreuzenden 
Fasern, von denen die letzteren wohl hauptsachlich die in ihr vor- 
handene Raphe ais einen medianen Streifen kervorrufen. 

e) Die Brlickengegend. 

An die Pedunculi schlieBt sich spinalwiirts die Brlicke, Pons 
(Varoli), an, an der man die ventral gelegene Brucke im engeren 


Aquaeduct. cerebri 



Fig. 65. Quersclinitt durch den oberen Teii der Brucke bzw. das 
untere Ende des Aquaeductus cerebri. Halbschematisch. 

Sinne, Pars basilaris pontis , und den dorsal befindlichen Brucken- 
teil der Haube, Pars dorsalis pontis , unterscheidet. 


19 












292 


ILI. Teii., GefaB- und Nervenlehre. 


Die eigentliche Brucke, Pars basilaris pontis , besteht (Fig. 65) 
hauptsachlich aus Querfasern, welche noch in eine oberflachliche, 
mittlere nnd tiefe Schicht, Stratum superficiale, medium unii profundum 
eingeteilt werden. Die tiefe Schicht wird wegen ihrer deutlichen trapez- 
ahnlichen Abgrenzung (namentlich bei-Tieren) auch noch ais Corpus 
trapexoides besonders bezeichnet (Fig. 67). Die mittlere Schicht wird 


Radix descendens 

n. trigemini Stratum griseum 



Fig. 66. Querschnitt durch die Mitte der Brucke bzw. das Velum 
medullare anterius. Halbschematisch. 

durch die ais Fortsetzung des Pedunculus spinalwarts zu den Pyramiden 
verlaufenden sogen. Pyramidenfasern, Fasciculi longitudinales, durch- 
setzt, welche die motorischen Extremitatenbahnen enthalten. 
AuBerdem sind in der Brucke schon mit bloBem Auge viele verstreute 
graue Kerne, Nuclei pontis, wahrzunehmen. Die Querfasern gehen 
lateralwarts durch die Brachia pontis in das Kleinhirn uber. 

Der dorsal gelegene Briickenteil der Haube, Pars dorsalis 
pontis, zeigt dieselben Gebilde, welche wir bereits am Pedunculusteil 








I. Das Gehirn und seine Haute. 


293 


der Haube, S. 290, kennen gelernt haben, namlich: 1. das hintere 
Langsbundel; 2. die Radix V descendens; 3. die Formatio 
reticularis und 4. die Schleife. Betreffs der letzteren ist noch zu 
sagen, daB an derselben bier besonders deutlich die Teilung in die 
mediale sensible und die laterale Akustikusscbleife sicbtbar 
ist (Fig. 66). Die Fasern der medialen Schleife (obere Schleife der 
Autoren) lassen sich zerebralwarts bis zur Rinde des Scheitellappens, 
spinalwarts bis in den GolPschen und Burdach’scben Strang des Riicken- 
markes verfolgen: sie enthalten die psychosensorischen Bahnen, 


Nucleus n. abducentis 
Nucleus n. facialis j 

Keme d. N. acusticus s\ Yossa/ p/ Aoi de* 


N. aeusticus 



Tractus spinalis ' 
n. trigemini 

N. facialis ' 
Obere Olive 


Nuclei pontiss' 
Fibrae longitudinales pontis'' 


N. abducens -- 


Fig. 67. Querschnitt durch den unteren Rand der Briicke 
bzw. die Mitte der Fossa rhomboidea. Halbschematisch. 


d. h. die Gefiihlsbahnen vom Arm und Bein zum Gehirn. Die Fasern 
der lateralen Schleife (untere Schleife der Autoren) kommen von 
den hinteren Vierhiigeln und ziehen spinalwarts zum Kern des 
N. acusticus, lassen sich zum Teii auch zur oberen Olive derselben 
und (unter Kreuzung) auch der anderen Seite verfolgen. Die laterale 
Schleife iibertragt wahrscheinlich Gehorsempfindungen durch Vermitt- 
lung des hinteren Vierhiigelpaares in Leistungen des Auges. Das 
medialste Bundel der Schleife hangt zerebralwarts mit der Basis 
pedunculi zusammen (Bundel vom FuB zur Scbleife). Seine spinale 
Fortsetzung ist nicht sicher erforscbt: es enthalt vielleicht die Bahnen 
motorischer Hirnnerven (Facialis und Hypoglossus?). 








294 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


d) Die Medulla oblousrata. 

Im verliingerten Biickenmark liegen ventral die Pyramiden: 
sie enthalten die motorischen Pyramidenbahnen, welche sich an 
der Decussatio in den Pyramidenvorderstrang (fur den Eumpf) 
und den Pyramidenseitenstrang (fur die Extremitaten) teilen. Vor 
den Pyramiden verlaufen quer (Fig. 68) ais meistens undeutliche Faser- 


Xucleu8 n. acustici 



Fig. 6S. Querschnitt durch die Mitte der Medulla oblongata 
bzw. den unteren Absebnitt der Fossa rhomboidea. Halbschematisch. 

ziige die Fibrae arcuatae externae . 1 Die lateral von den Pyramiden 
gelegenen Oliven (groBe oder untere Oliven) besitzen ais Kern 
ein granes, mehrfach gewundenes Band, den Nucleus olivaris inf. 
(Nucleus dentatus der Olive), aus dessen Konkavitat ( Hilus nuclei 
olivaris) zahlreiche Fasern durch Yermittlung des Corp. restiforme ins 
Kleinhirn gehen (Kleinhirn-Olivenbahn). In der Nachbarschaft der 

1 Die Fibrae arcuatae internae verlaufen ganz innen von den Kernen des 
Tubere, cuneatum und der Clava schrag nach vorn durch die R-aphe zur medialen 
Schleife der entgegengesetzten Seite (vgl. Fig. 68). 


















I. Das Gehirn und seine Haute. 


295 


groBen Olive gibt es noch mehrere kleine ahnliche Kerne, die mediale 
und dorsale Nebenolive (Bedeutung noch nicht erkannt), sowie die 
obere Olive, Nucleus olivaris sup., welche durcb ihre Yerbindungen 
wahrscheinlich eine Yermittlungsstation zwischen Gesicht- und Gehor- 
sinn darstellt. Lateral von den Oliven liegen die Strickkorper, 
Corpp. restiformia , welche auBerlich ais eine Fortsetzung der Hinter- 
und Seitenstrange des Riickenmarkes in das Kleinhirn erscheinen. 
Dementsprechend fiihren dieselben auch Fasern aus dem Riickenmark 
(Keinhirn-Seitenstrangbahn), aber auch von der unteren Olive 
(Kleinhirn-Olivenbahn) zum Kleinhirn aufwarts. 

Weiterhin sieht man auf dem mikroskopischen Querschnittsbilde 
dieser Gegend noch ein durchschnittenes Biindel, Tractus spinalis n. 
trigemini (friiher ais Radix ascendens n. trigemini bezeichnet), welches 
vom Zervikalmark zum sensiblen Trigeminuskern zieht und schlieBlich 
in die sensible Trigeminuswurzel ubergeht. Auch der Querschnitt des 
Tractus solitarius kann noch erwahnt werden, d. i. ein eigentiimliches, rund- 
liches Faserbiindel, welches am unteren Halsmark entsteht und sich nach 
oben bis zu den Kernendes Yagusund Glosso-pharyngeusfortsetzt(daher 
auch ais aufsteigende Glosso-pharyngeuswurzel bezeichnet). 
Man hat dies Biindel mit der Respiration in Beziehungen gebracht 
(Respirationsbiindel Krause), doch ist seine Bedeutung noch unklar. 
Im Boden der Rautengrube sind endlich die Kerne verschiedener 
Hirnnerven, lateral davon der Nucleus gracilis (Kem der Clava) und 
der Nucleus cuneatus (Kern des Furiic. cuneatus) gelegen (vgl. Fig. 68). 

e) Das Kleinhirn. 

Das Kleinhirn besteht wie das GroBhirn aus zentraler weiBer 
Marksubstanz und der grauen Rinde. Die letztere zeigt schon 
fur das bloBe Auge zwei Schichten, namlich die auBere graue Mole- 
kularschicht, Stratum cinereum, und die innere graugelbe oder rost- 
farbene Kornerschicht, Stratum granulosum. Zwischen beiden ist 
eine einfache Lage von groBenGanglienzellen (Purkinje’sche Zellen) 
gelegen, welche geweihartig Verzweigungen in die Molekularschicht 
hineinsenden. Die weiBe Marksubstanz bildet in den Hemispharen 
den groBen Markkern, Corpus medullare, auf einem Medianschnitt des 
Wurmes den Lebensbaum, Arbor vitae (Fig. 62). Im medialen Abschnitt 
des Markkernes sind nun noch jederseits einige graue Kerne vor- 
handen. Der groBte und wichtigste ist ein gezacktes Band, der 
gezahnte Kern, Nucleus dentatus, welcher dem Kern der groBen 
Olive sehr ahnlich sieht. Das, Band ist zerebral- und medianwarts 
offen (Hilus). Seine Konvexitat ist von einem dichten. Gewirr von 
Fasern umgeben (Capsula, STrLLiNGs Yliess). Drei andere kleinere 
Kerne, der sogen. Embolus, Nucleus globosus und Nucleus fastigii, sind 
weniger wichtig. 



296 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 

Die Yerbindungen des Kleinhirns mit anderen Hirnteilen treten 
samtlich durch die drei Paar weiBen Kleinhirnstiele, Crwra cerebelli, 
hindurch,. welche man ais Bindearme, Brtickenschenkel und 
Strickkorper unterscheidet. In den Bindearmen, Brachia con¬ 
junctiva, verlaufen hauptsachlich sensible Fasern aus dem Hilus des 
Nucleus dentatus zunachst zum rotcn Kern der anderen Seite und 
dann zum Scheitellappen des GroBhirns (s. die Tafel der Him- 
bahnen). Im Briickenschenkel, Brachium pontis , ziehen besonders 
Fasern, welche von der GroBhimrinde zu den Kernen der Brucke 
und von hier zur Kleinhirnhemispharenrinde der entgegengesetzten 
Seite gelangen (GroBhirn-Kleinhirn-Briickenbahn). In den 
Strickkorpern, Corpp. restiformia, liegen die bereits S. 295 ais 
Kleinhirn-Olivenbahn und Kleinhirn-Seitenstrangbahn be- 
zeichneten, nach abwarts laufenden Fasern. 

Das Kleinhirn ist in erster Linie das Organ fur die Erhaltung 
des korperlichen Gleichgewichtes. Der Wurm ist besonders 
bei denjenigen Tieren stark entwickelt, welche, wie die Fische und 
Vogel (beim Schwimmen und Fliegen) Meister der Bewegung sind. 


IX. Die Urspriinge der Hirnnerven. 

Der I. Hirnnerv, N. olfactorius, und der II. Hirnnerv, N. opticus, 
werden betreffs ihres Ursprunges erst bei der Beschreibung ihres 
peripheren Verlaufs erortert werden. Die Keme der iibrigen 10 Hirn¬ 
nerven sind samtlich in der ventralen Wand des Aquaeductus 
und des IV. Ventrikels, der Kern des N. accessorius sogar noch 
tiefer abwarts, namlich bereits im Biickenmark gelegen. Alie Hirn- 
nervenwurzeln treten ferner an der ventralen Seite des Gehirns 
heraus — mit Ausnahme der Trochleariswurzel, welche allein an 
der dorsalen Himseite zum Vorschein kommt (s. w. u.). Die Keme 
der Hirnnerven liegen allerdings nicht (wie auch aus den Querschnitt- 
bildern ersichtlich) in gleicher Tiefe, sondern zum Teii mehr dorsal, 
zum Teii mehr ventral. Ein besonderes Verhalten zeigt der N. facialis 
insofern, ais seine Fasern vom Fazialiskern erst dorsalwarts 
zum Colliculus facialis und dann um den im letzteren gelegenen 
Abduzenskern wieder nach ventralwarts ziehen (vgl. Fig. 67). 
In der Wand des Aquaeductus sind die Keme des III. und IV. Hirn¬ 
nerven, in dem oberhalb der Striae medullares gelegenen Ab- 
schnitt des Bodens der Rautengrube die Kerne des V., VI. und 
VII. Hirnnerven gelegen. Die Kerne des VIII., des N. acusticus, 
nehmen etwa die Gegend der Striae ein. In dem unterhalb der Striae 
gelegenen Abschnitt der Rautengrube bis ins Riickenmark hinein sind 
die Keme des IX.—XII. Hirnnerven zu finden. Im einzelnen ist 
noch folgendes zu erwahnen. 



I. Das Gehirn und seine Hiiute. 


297 


Der «Kern des III. Hirnnerven, N. oculomotorius, liegt in Hohe 
der oberen Yierhtigel, dicht neben der Medianlicie, in der ventralen 
Wand des Aquaeductus. Seine Fasern (rein motoriscb) ziehen durcli 
den roten Kern (vgl. Fig. 64) nach vorn und treten medial von den 


Nn. oculomotorii 



Primdre Sehzentren 
\ 

' \ 


Tractus spinalis, 
n. trigemini 


Corp. genic. mediale 

Corp. genic. laterale 


Kern d. N. —' 
oculomotorius 

Kern d. N. - - 

trochlearis 
Radix descendens . 
n. trigemini 


Hauptkern d. N. 
trigeminus 


Kern d. N. - 

facialis 

Striae -—-- 

medullares 

Kern d. 
acusticus 


N. trochlearis 
Pedunculus 

ft 

- Portio minor 

- Portio major 

n. trigemini 

- N. facialis 

—N. acusticus 

— N. glosso-pharyngeus 
- N. vagus 


—— N. hypoglossus 


Nucleus ambiguus• 


Nucleus alae cinereaef 


Nucleus n. hypoglossit 
Nucleus n. accessorii 


\ZV. accessorius 
Taenia ventriculi quarti 

Tubere . cinereum 

'*'*Fasciculus lateralis 


Fig. 69. Die Kerne der Hirnnerven, auf die Dorsalseite des Iiirnstockes 
projiziert. Motorische Kerne gelb, sensible Kerne rot. 


Pedunculi aus der Hirnbasis bervor. Es findet teilweise Kreuzung 
statt, indem Fasern von dem Kern der einen Seite in den Nerven 
des anderen iibergehen (s. Fig. 69). 

Der Kern des IV. Hirnnerven, N. trochlearis, liegt etwas mehr 
spinalwarts wie der vorige, d. h. etwa der Grenze zwischen dem oberen 
und unteren Vierhiigel jederseits entsprechend, sonst ebenso wie der 






298 


III. Teii. Gefafi- und Nervenlehre. 


Oculomotoriuskem. Die (rein motorischen) Fasem desselben ziehen 
dorsalwarts, kreuzen sich zwischen den unteren Vierhugeln fast voll- 
standig mit denen der anderen Seite (Decussatio) und treten unterhalb 
der letzteren heraus. 

Der V. Hirnnerv, N. trigeminus, ist ein gemischter Nerv, an 
dem man eine kleine vordere motorische und eine 4 —5mal groBere 
hintere sensible Wurzel unterscbeiden kann. Die motorischen 
Fasern (fur die Kaumuskeln) stammen hauptsachlich aus dem Haupt- 
kern, Nucleus motorius princeps n. trigemini, dem sicb aber Fasern 
aus der absteigenden Quintuswurzel, Nucleus und Radix descendens 
n. trigemini , zugesellen (vgl. Fig. 69), welche in der Gegend des Locus 
caeruleus liegt. Die sensible Wurzel kommt zum Teii vom Tractus 
spinalis n. trigemini (friiher ais Radix ascendens V, aufsteigende 
Quintuswurzel, bezeichnet), zum Teii vom sensiblen Kern, welcher 
lateral vom Hauptkern liegt. tJbrigens sind sowobl die Radix des¬ 
cendens wie der Tractus spinalis ebenfalls reicblich mit Ganglien- 
zellen durcbsetzt. Der Trigeminus tritt jederseits an der Grenze 
zwischen der Briicke und dem Brachium pontis heraus. 

Der Kern des VI. Hirnnerven, N. abducens, liegt im Colliculus 
facialis, wo er von der knieformigen Umbiegung des N. facialis einge- 
schlossen wird (Fig. 67). Seine (rein motorischen) Fasern ziehen nach 
ventral- und etwas abwarts, um am unteren flande der Briicke zutage 
zu treten. Mit den Kernen des Oculomotorius und Trochlearis ist er 
durch das hintere Langsbiindel verbunden (s. S. 290). 

• Der Kern des VII. Hirnnerven, N. facialis (rein motorisch), liegt 
also nicht in dem Colliculus facialis, sondern mehr lateral und ventral 
von dem Abduzenskern (s. Fig. 67 u. 69). Seine Wurzel umgreift jedoch 
den letzteren hufeisenformig, mit dorsalwarts gerichteter Konkavitat, 
und zieht dann zu ihrer Austrittstelle zwischen Olive und Brachium 
pontis hin. Die zerebrale Bahn dieses Nerven ist im Gegensatz zu 
den bisher erwahnten wohlbekannt: seine Fasern gehen vom Kern zu- 
nachst durch die Raphe nach der anderen Seite in die Pyramidenbahn 
der Briicke, dann durch den Pedunculus und die innere Linsenkapsel 
zur vorderen Zentralwindung hin. 

Zwischen Facialis und Acusticus und dann mit dem Facialis 
verlauft noch der kleine N. intermedius (Portio intermedia Wrisbergi), 
dessen Fasern weiterhin das Ganglion geniculi des Facialis bilden und 
schlieBlich in die Chorda tympani iibergehen (s. w. beim N. facialis). 

Der VIII. Hirnnerv, N. acusticus (reiner Sinnesnerv), besitzt zwei 
Wurzeln, eine Radix vestibularis und Radix cochlearis. Der Nucleus n. 
cochlearis liegt im lateralen Winkel der Rautengrube. Die Radix 
vestibularis besitzt vier Nuclei n. vestibularis, welche mehr medial von 
dem Nucleus n. cochlearis im Boden der Rautengrube sich befinden 
und auch einzeln benannt sind. In den untersten dieser Kerne treten 



I. Das G-ehirn und seine Haute. 


299 


noch Fasem ein [Radix descendens n. vestibularis, aufsteigende 
Akustikuswurzel von Roller), welche vom Corpus restiforme her- 
kommen und dereu Bedeutung nicht klar ist. Die Striae medullares 
(fruher Ghordae acusticae genannt), gehen nicht in den N. acusticus 
Uber; sie kommen zwar vom Nucleus n. cochlearis, ziehen zur Median- 
linie, gehen dann aber in die Schleife Uber. Auch ihre Bedeutung 
ist noch nicht erforscht. 

Der IX. und X. Himnerv, N. glosso-pharyngeus und vagus 
sind gemischteNerven: Aer N. glosso-pharyngeus ist hauptsachlich Ge- 
schmacksnerv, der N. vagus motorischer und sensibler Nervfur 
Kehlkopf, Schlund, Lunge, Herz, Speiserohre und Magen. Beide Nerven 
beziehen ihre Fasem gemeinsam aus zwei im untersten Bodenabschnitt 
der Rautengrube gelegenen Kernen, namlich dem medial gelegenen 
Nucleus alae cinereae und dem lateral befindlichen Nucleus ambiguus 
(Fig. 69). Aus dem Nucleus alae cinereae stammen die sensiblen 
bzw. sensorischen, aus dem Nucleus ambiguus die motorischen 
Fasern beider Nerven. Endlich bekommen beide Nerven (haupt¬ 
sachlich aber der IX.) durch den bereits S. 295 erwiihnten Tractus 
solitarius (aufsteigende Glosso-pharyngeuswurzel der Autoren) 
noch Fasern, welche oberhalb der Pyramidenkreuzung auf noch nicht 
erforschte Art entstehen und durch die Corpp. restiformia in die 
Wurzeln beider Nerven ubergehen. Die Fasern des IX., X. und 
XI. Himnerven treten in drei Etagen zwischen Olive und Corp. resti¬ 
forme hervor. 

Der XI. Himnerv, N. accessorius (anscheinend rein motorisch), 
wird in einen Accessorius vagi und Accessorius spinalis ein- 
geteilt. Der erstere kommt von den Yaguskernen und geht ganz in 
die Bahn des Vagus uber, der Ursprung des letzteren reicht bis in 
das VI. Zervikalsegment hinab. 

Der XII. Hirnnerv, N. hypoglossus, hat seinen Kern im Trigonum 
n. hypoglossi: letzterer reicht von hier noch bis in die Hohe der Clava 
nach abwarts. Seine Fasern treten zwischen Pyramide und Olive 
heraus. Der Hypoglossus ist der motorische Nerv fur die Zunge. 
Seine zerebralen Bahnen sind bekannt: sie laufen durch die Raphe 
zum medialsten Teii der Schleife (wahrscheinlich), sodann durch das 
Knie der inneren Linsenkapsel zum untersten Ende der vorderen 
Zentralwindung. 


X. Die Bindenzentren des GroBhirns. 

Wahrend man frtiher die Anschauung hatte, daB die Oberflache 
des GroBhirns liberali die gleiche psychische Tatigkeit ausiibe, hat 
man jetzt festgestellt, daB bestimmte psychische Funktionen an ge- 
wisse mehr oder weniger deutlich abgrenzbare Bezirke gekntipft sind, 
welche man ais Rindenzentren bezeichnet. 



300 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


1. Die motorischen Zentrenliegen(s. Fig. 70 u 71)hauptsachlich 
im Lobus paracentralis und im Gyrus centralis anterior, sowie einigen 
angrenzenden Partien. Der Lobus paracentralis und der oberste Teii 
des Gyrus centralis ant. (bis zur I. Stirnfurche) entbalten die Zentren 


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fur das Bein, der mittlere Teii des Gyrus centralis ant. (zwischen 
I. und II. Stirnfurche) die Zentren fur den Arm, der unterste Teii 
des Gyrus diejenigen fur den Facialis (Gesichtsmuskeln) und den 
Hypoglossus (Zunge). An die letzteren schlieBen sich, auf das 
untere Ende der hinteren Zentralwindung iibergreifend, die Zentren 
fur den Kehlkopf, das Kauen und Scblucken an. Unmittelbar 












I. Das Gehirn und seine Hau te. 


301 


nach yorn von dem unteren Ende der vorderen Zentralwindung ist 
in der III. Stirnwindung (BiiocA schen Windung) noch das motori- 
sche Sprachzentrum gelegen. Auch fur das«Schreiben hat man 
ein allerdings angezweifeltes Zentrum dicht vor dem Sulcus praecen- 



tralis in der II. Stirnwindung angenommen. Endlich ist noch etwas 
weiter vorwarts ein ebenfalls zweifelhaftes Zentrum fur die Kopf-, 
Nacken- und Augendrehung bebauptet worden. Die von diesen 
Zentren ausgehenden sogen. psychomotorischen Bahnen verlaufen 
im allgemeinen gekreuzt, d. h. sie wirken auf Muskeln der entgegen- 


I 






302 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


gesetzten Seite. Nur wenige Muskeln, insbesondere die auf. beiden 
Seiten gleichzeitig wirkenden, wie z. B. die SchlieBmuskeln des Auges, die 
Kau-, Schlund- und «Kehlkopfmuskeln, sollen ungekreuzte Bahnen be- 
sitzen. 

2. Die sensiblen Zentren (auch ais Fiihlsphare bezeichnet), 
zu denen man nicht allein die Schmerzempfindungen, sondern auch 
das Gefiihl fur Druck und Zug, sowie den Muskelsinn, d. h. die 
Fahigkeit, sich uber die Lage und Bewegung der Muskeln zu orien- 
tieren, rechnet, sind im Scheitellappen ( Praecuneus , Lobulus pari¬ 
etalis sup. und im oberen Ende des Gyrus centralis post.) gelegen. 
Alie sensiblen Bahnen verlaufen ebenfalls gekreuzt. 

3. Von den sensoriellen Zentren hat das Horzentrum 
seinen Sitz am hdnteren Ende der I. Schl&fenwindung. Seine 
Bahnen sind gekreuzt. Das Sehzentrum nimmt vor allem die 
Gegend der Fiss. calcarina, aber auch den ganzen Cuneus und 
die laterale Flache des Okzipitallappens ein. In der letzteren 
sollen die sogern optischen Erinnerungsbilder (Gesichtsvorstel- 
lungen) liegen, deren Ausfall zur „Seelenblindheit“ fiihrt. Die vom 
Sehzentrum ausgehenden Bahnen sind zur Halfte gekreuzt. Das 
Riechzentrum ist beim Menschen ,fiir den Uncus sichergestellt. 
Bei besseren Osmatikern der Tierwelt nimmt dasselbe wahrschein- 
lich den ganzen Gyrus fornicatus ein. Seine Bahnen sind fast 
ganz ungekreuzt. Das Geschmackszentrum schlieBt sich wahr- 
scheinlich im Gyrus hippocampi an das Riechzentrum an. Seine 
Bahnen sind vorzugsweise gekreuzt. Ein Sprachzentrum ist nach 
Zxehen dreifach vorhanden. Das motorische Sprachzentrum 
(BaocYsche Zentrum) liegt in der III. Stirnwindung {Pars triangu¬ 
laris und opercularis), und zwar' bei Rechtshandern auf der linken 
Seite. Seine Zerstorung nimmt dem Patienten die Fahigkeit zu 
sprechen. Das akustische Sprachzentrum soli dicht hinter dem 
Horzentrum in der I. Schlafenwindung (ebenfalls bei Rechtshandern 
links) gelegen sein. Seine Zerstorung ftihrt zur sensoriellen 
Aphasie (Worttaubheit), d. h. der Patient hort das gesprochene 
Wort, versteht es aber nicht. Ihm fehlt das „Sprachverstandnis". 
Das dritte, das optische Sprachzentrum, liegt am hinteren Ende 
der oberen Schlafenfurche im sogen. Gyrus angularis, welcher ais Teii 
des Lobulus parietalis inf. noch besonders bezeichnet worden ist. Sein 
Yerlust bedingt die Alexie (Wortblindheit), d. h. der Kranke sieht 
wohl die Buchstaben, Zahlen usw., verbindet aber mit denselben 
keine Vorstellung. Man hat dies Zentrum auch (ob mit Recht?) ais 
„Lesezent*um“ bezeichnet. 



K. Das Ruckenmark und seine Haute. 


303 


K. Das RUckenmark und seine Mute. 

I. Die Haute des Euckenmarkes. 

Die Haute des Riickenmarkes sind Fortsetzungen der Hirn- 
haute und werden ebenso bezeichnet ais: 1. Dura mater ; 2. Arachnoi¬ 
dea und 3. Pia mater. Doch besteht die Dura hier deutlich aus 
zwei Schichten, von denen die auBere das Periost des Wirbel- 
kanals bildet, wahrend die inner e die eigentliche Dura darstellt. 
Zwischen beiden Schichten ist lockeres fetthaltiges Bindegewebe mit 
zahlreicben Venenplexus gelegen. Zwischen Dura und Arachnoidea 
ist auch hier der mit Endothel ausgekleidete spaltformige Subdura 1- 
raum vorhanden. Dagegen ist der Subarachnoidealraum des 
Riickenmarkes erheblich weiter ais beim Gehirn, so daB die Arach¬ 
noidea hier die Pia nach Art eines weiten schlaffen Sackes umgibt. 
Die Pia bildet unten nach dem Aufhoren des Riickenmarkes einen 
diinnen Strang. Filum terminale, welcher sich bis ins Ende des Kreuz- 
beinkanales fortsetzt. Dura und Arachnoidea kleiden, dicht neben- 
einander liegend, den Spinalkanal bis etwa zum III. Kreuzbeinwirbel 
aus und enden dann konisch zugespitzt, indem sie dem Filum noch 
eine dtinne Scheide mitgeben. Zwischen Dura und Pia ist noch ein 
frontal gestelltes Band, Lig. denticulatum, gelegen, dessen Zacken im 
ausgespannten Zustande dreiseitig erscheinen. Die Basis dieser zu- 
sammenhangenden Zacken geht aus der Pia hervor, die Spitzen sind 
an die Dura angeheftet, das Band selbst ist von der Arachnoidea 
bekleidet. 

Die Nerven der Hirnhaute kommen zum Teii von den sym- 
pathischen Geflechten der BlutgefaBe, zum Teii durch das Lig. denti¬ 
culatum direkt vom Ruckenmark, zum Teii riicklaufig von den sen- 
siblen Wurzeln der Spinalnerven. Die BlutgefaBe stammen von den 
beiden Aa. spinales antt. und postt . 0 (aus den Aa. vertebrales), sowie von 
den Er. spinales der Aa. vertebrales, intercostales, lumbales und sacrales 
her, welche durch die Forr. intervertebralia in den Spinalkanal eintreten. 

n. Das Biickenmark. 

Das Ruckenmark, Medulla spinalis, bildet einen zylindrischen 
Strang, welcher nur an zwei Stellen, namlich im untersten Teii des 
Halsmarkes [Intumescentia cervicalis) und vom XI. Brustwirbel nach 
abwarts [Intumescentia lumbalis ) spindelformig angeschwollen ist. Das 
Rtickenmark endet bereits am I.—II. Lendenwirbel kegelformig zu¬ 
gespitzt mittels des sogen. Conus medullaris, welcher eine Erweiterung 
des Zentralkanals, Ventricutus terminalis, enthalt. IJnterhalb des 
II. Lendenwirbels sind also im Wirbelkanal nur das oben bereits ais 




305 


K. Das Riiekenmark und seine Haute. 

Substanz heiBt Comm. grisea ani., der dahinter gelegen e Comm. grisea 
post. Die beiden stumpfen Vorspriinge nach vorn, aus denen die 
motorischen Nervenwurzeln entstehen, werden ais Yorderhorner, 
Cornua antt^, die mehr spitzigen Vorspriinge nach hinten, aus denen 
die sensiblen Nervenwurzeln entspringen, al3 Hinterh orner, Cornua 
postt., bezeichnet. Lateral ist noch ein kleiner Yorsprung, das Seiten- 
horn, Cornu laterale, vorhanden. Was indessen an dem Querschnitt 
ais „Horner“ erscheint, sind an der isolierten grauen Substanz 
langslaufende Saulen, welche man ais Columna ani., lat. und post, 
(grisea) bezeichnet. Durch die vordere Langsspalte bzw. die hintere 
Langsfurche und die austretenden Nervenwurzeln wird nun die weiBe 
Substanz in sechs Strange geteilt. Zwischen den beiden Vorder- 
hornem liegen die beiden Vorderstrange, Funiculi 'antt., welche 
dicht vor der vorderen grauen Kommissur noch durch eine quere 
Briicke, Commiss. alba ani., zusammenhangen, was die Hinterstrange 
nicht in gleicher Weise tun. Zwischen Yorderhom und Hinterhorn 
ist jederseits der Seitenstrang, Funic. lateralis, zwischen den beiden 
HinterhSmern die Hinterstrange, Funiculi posti., gelegen. An den 
Hinterstrangen kann man endlich mitunter, noch einen medialen Ab- 
schnitt, den Goll’schen Strang, Funic. gracilis, und einen lateralen, 
den Burdach’schen Strang, Funic. cuneatus, unterscheiden. 

Mikroskopisch besteht die weiBe Substanz aus markhal- 
tigen Nervenfasern, welche, wie im Gehirn, in eine Art Stiitz- 
substanz, Neuroglia *, eingebettet sind. In der grauen Substanz 
findet sich, abgesehen von den daselbst gelegenen Ganglienzellen 
und Nervenfasern, die Neuroglia in zwei Formen, namlich: 1. ais 
Substantia spongiosa-, 2. ais Substantia gelatinosa vor. Die Substantia 
spongiosa besteht aus feinen filzartig verflochtenen Fasern, zwischen 
denen sternformige, mit vielen Fortsatzen versehene Neurogliazellen 
gelegen sind, die Substantia gelatinosa dagegen aus einer mehr 
gallertartigen Grundsubstanz mit zahlreichen mehr eckigen Zeli en. 
Die Substantia gelatinosa findet sich: 1. in der Umgebung des Zentral- 
kanales ais Substantia gelatinosa centralis und 2. im Hinterhorn ais 
Substantia gelatinosa Rolandi vor. Die Ganglienzellen sind zunachst 
im Yorderhorn jederseits in vier Gruppen (s. Fig. 72) angeordnet. 
Je eine weitere Gruppe sind im Seitenhorn und Hinterhorn vor¬ 
handen. AuBerdem ist am Ubergang des Hinterhornes in die Comm. 
grisea post, der Nucleus dorsalis (Clarke’sche Saule) ais Anhaufung 
von Ganglienzellen vorhanden, welche aber im obergn und unteren 
Teile des Riickenmarkes allmahlich aufhoren. Endlich kommen auch 
noch kleinere Gruppen von Ganglienzellen in der grauen Substanz vor. 

1 Die Neuroglia wird neuerdings nicht ais Bindesubstanz, sondern ais eine 
Art nervoses G-ewebe angesehen, dessen Zellen nicht sohoch entwickelt sind 
wie die Ganglienzellen. 

Brousike, Repetitorium anatomicum. 20 



306 


III. Teii. GefaB* und Nervenlehre. 


Ihrer Bedeutung nach teilt Ramon y Cayal die Ganglien¬ 
zellen des Riickenmarkes ein in: 1. Ganglienzellen des Vorder- 
hornes, deren Achsenzylinderfortsatz direkt in eine vordere (mo- 
torische) Wurzelfaser iibergeht; 2. Kommissurenzellen, deren 
Achsenzylinderfortsatz durch die Commiss. ant. in eine vordere (mo- 
torische) Wurzelfaser Iibergeht (s. Fig. 72); 3. Strangzellen, 

deren Achsenzylinderfortsatz in eine Nervenfaser iibergeht, welche in 
einem auf der gleichen Seite des Riickenmarkes auf- oder 
absteigenden Strange verlauft und 4. Ganglienzellen des Hinter- 
hornes, deren Achsenzylinderfortsatz sich in der grauen Substanz 
des Riickenmarkes reich verastelt, ohne dieselbe nachweisbar zu ver- 
lassen. Wahrend nun aber ‘die Fasem der vorderen motorischen 
Wurzel direkt aus den Ganglienzellen des Vorderhomes hervor- 
gehen, verhalten sich die Fasem der hinteren sensiblen Wurzel 
komplizierter. Vom Ganglion spinale kommend, treten dieselben in 
das Riickenmark hinein. Hier geht eine jede Faser bald in einen 
aufsteigenden und absteigenden Ast iiber, von dem wieder 
zahlreiche Seitenaste (Kollateralen) unter rechtem Winkel in die 
graue Substanz eindringeo. Jeder Seitenast gelangt schlieBlich zu 
einer Ganglienzelle, in deren Umgebung er sich baumformig verastelt 
(Endbaumchen), ohne direkt in die Ganglienzelle oder deren 
Auslaufer uberzugehen. Wie aus Fig. 72 ersichtlich, geht ein 
Teii der hinteren (sensiblen) Wurzelfasern direkt zu den Ganglien¬ 
zellen der Vorderhorner, um die letzteren zu umspinnen: die¬ 
selben bilden die sogen. Reflexkollateralen, durch welche die 
Riickenmarksreflexe vermittelt werden. Ein anderer Teii, die wich- 
tigen Fasern des Muskelgefiihls, steigen im Hinterstrang, 
noch ein anderer Teii, die taktischen Sensibilit&tsfasern, im 
Seiten-, vielleicht auch im Vorderstrang aufwarts. Die meisten 
derselben laufen erst an den Ganglienzellen des Nuoleus funiculi 
gracilis und cuneati (also in der Medulla oblongata) in Endbaumchen 
aus, von wo aus die sensiblen Bahnen dann zerebralwarts sich an 
die mediale Schleife anschlieBen. Endlich zieht noch ein Teii dieser 
hinteren Wurzelfasern im Hinterhorn nach aufwarts, indem er auch 
die hier gelegenen Ganglienzellen mit Endbaumchen umspinnt. 


Die wichtigsten Nervenfaserbahnen des Riickenmarkes. 

Die in der weiBen Substanz des Riickenmarkes verlaufenden 
Nervenfasern gehoren nun aber bestimmten, jedoch sehr verschieden- 
artigen Bahnen an, welche sich (s. Fig. 72) gegeneinander, wenn 
auch nicht ganz scharf abgrenzen lassen. Man hat unterschieden: 
1. . lange (zentrifugale und zentripetale) Bahnen, welche 
zwischen dem Gehim und Riickenmark und 2. kurze Bahnen, 



K. Das Riickenmark und seiue Haute. 


307 


welche zwischen den Strangzellen, also zwischen einzelnen Teilen des 
Riickenmarkes verlaufen. Es mogen hier die wichtigsten angefiihrt 
werden. 

1. Im Vorderstrang (s. Fig. 72) verlauft die wichtige motorische 
Bahn fiir die Rumpfmuskeln, die Pyramidenvorderstrang- 
bahn, Fasciculus cerebrospinalis ant., welche aus den ungekrenzten 
Pyramidenfasern hervorgeht und sich erst unterhalb der Decussatio 
durch die weiBe Kommissur zu den Vorderhornzellen der anderen 
Riickenmarkshalfte begibt. Der Rest des Vorderstyanges, das sogen. 
Vorderstranggrundbiindel, Fasciculus ant.proprius vou Flechsig, 
enthalt (abgesehen von einzelnen noch nicht geniigend erforschten 
Faserbiindeln) hauptsachlich kurze Faserziige, welche einzelne Teile 
des Ruckenmarkes verbinden. 

2. Der Seitenstrang enthalt vor allem die wichtige motorische 
Bahn fiir die Extremitatenmuskeln, die Pyramidenseiten- 
strangbahn, Fascic. cerebrospinalis lateralis , deren Fasern bereits in 
der Decussatio pyramidum gekreuzt sind und somit zu den Vorder¬ 
hornzellen derselben Seite gehen. Diese Bahn nimmt auf dem 
Querschnitt ein etwa birnformiges Feld zi6mlich in der Mitte des 
Seitenstranges ein. AuBerdem sind noch im Seitenstrang folgende 
zentripetale Bahnen (s. Fig. 72) vorhanden, welche den sen- 
siblen Apparat des Riickenmarkes mit dem Kleinhirn und 
vielleicht auch noch weiter zerebralwarts mit dem GroBhirn verbinden 
und deren Bedeutung noch nicht sicher klargestellt ist. n&mlich: 1. die 
Kleinhirnseitenstrangbahn (Flechsig), Fasciculus cerebellospinalis, 
deren Fasern aus den Ganglienzellen der Clarke’schen Saulen zum 
Randgebiet des Seitenstranges, von hier neben der Pyramiden- 
bahn zum Corp. restiforme und schlieBlich zum Wurm des Klein- 
hirns gehen; 2. das Monakow’sche Biindel, Tractus rubrospinalis, 
welches (dicht vor dem vorigen) vom Lendenmark an aufwarts, dann 
neben der Schleife zum roten Kern der anderen Seite zieht 1 ; 
3. das Gowers’sche Biindel, Fascic. antero-lateralis superficialis, 
nimmt dicht vor dem vorigen das Randgebiet des Seiten- und 
auch Vorderstranges ein. Der Ursprung seiner Fasern ist noch 
unbekannt; das Biindel entsteht schon im Lendenmark und endet 
im "Wurm des Kleinhirns. Die iibrigen Abschnitte des Seiten¬ 
stranges enthalten weniger wichtige oder nicht genau bekannte 
Bahnen, wie z. B. die Lissauer’sche Randzone. 

3. Die Hinterstrange sind meist schon fiir das bloBe Auge 
durch eine feine Linie in den GolPschen und Burdach’schen 
Strang geteilt, welche die wichtigsten zentripetalen Bahnen von 

1 Nach Edinoer soli dasMonakow’sche Biindel „deu motorischen Eigen- 
apparat des Riickenmarkes mit dem Kleinhirn und vielleicht auch mit dem 
GroBhirn verbinden“. 


20 



308 


III. Teii. GefaB- und Nervcnlehre. 


den beiden Extremit&ten zur GroBhirnrinde leiten. 1 Beide 
Strange sind natiirlich nur im Halsmark vorhanden und gegenein- 
einander deutlich abzugrenzen. Der mediale GolPsche Strang, 
Funiculus gracilis , ist fiir das Bein, der laterale Burdacb’sche 
Strang, Funiculus cuneatus, ist fiir den Arm bestimmt. Doch ist zu 
bemerken, daB an jedem Hinterstrang zwei kleine Felder, namlich: 

a) das ovale Hinterstrangbundel dicht neben der Medianlinie und 

b) das ventrale Hinterstrangbundel dicht hinter der Comm. 
grisea post. (s. Fig. 72) andere Fasem enthalten, welche wahrschein- 
lich zwischen einzelnen Abschnitten des Riickenmarkes (ais Eigen- 
fasem desselben) verlaufen. 

L. Die wichtigsten Hira- and Rtickenmarksbahneii. 

I. Intrazerebrale Bahnen. 

Die in der weiBen Substanz gelegenen, von Gehirnteilen zu 
Gehirnteilen verlaufenden (also intrazerebralen) Fasem werden 
ais: 1. Assoziationsfasern; 2. Kommissurenfasern; 3. Stab- 
kranzfasern unterschieden. 

1. Die Assoziationsfasern verbinden Rindenbezirke ein und 
derselben GroBhirnhemisphare: sie miissen zweifellos ais Unter- 
lage fur die kombinierten Leistungen im Denken, Empfinden und 
Handeln angeseben werden. Derartige Fasem heiBen Fibrae propriae 
ceribri, wenn sie benachbarte Bezirke verbinden. Entferntere 
Bezirke werden verbunden durch: a) die Zwinge, Cingulum, welche 
lateral vom Gyrus cinguli vom Stirnlappen bis zur Spitze des 
Schlafenlappens, b) das Hakenbiipdel, Fascio, uncinatus, welches 
von der unteren Stirnwindung um das Ende der Fiss. Sylvii zum 
Gyrus uncinatus, c) das obere Langsbiindel, Fascic. longitudinalis 
sup., welches oberhalb der GroBhirnganglien vom Stirn- zum Hinter- 
hauptlappen und d) das untere Langsbiindel, Fascic. longitudinalis 
inf., welches in der unteren Wand des Hinter- und Unterhornes vom 
Hinterhaupt zum Schlafenlappen verlauft. Auch das Gewolbe, 
Fornix, kann hierher gerechnet werden: - seine Fasem verbinden 
wahrscheinlich die Corpp. mamillaria durch das Mark des Ammons- 
hornes mit dem Riechzentrum. 

2. Die Kommissurenfasern verbinden die linke und die 
rechte Hemispliare, ermoglichen also das gleichzeitige Zu- 
sammenarbeiten beider Hemispharen. Die Hauptkommissur ist 
der Balken, dessen Querfasern ais Radiatio corporis callosi in die 

1 Nach neueren Anschauungen sollen dieselben nur die Fasem fiir den 
Tiefensinn (Muskelgefiihl) enthalten, wahrend die Fasem fiir den Ober- 
flachensinn (Schmerz- und Tastgefiihl usw.) medial vom Gowers’schen 
Strange, im sogen. Tractus spino thalamicus und spino-tectalis, verlaufen. 





Schema der wichtigsten Hirn- und Riickenmarksbahnen unter Benutzung 

der Flechsig’schen Hirntafel. 

Motorische Bahnen gelb, sensible und sensorische rot, Thalamusstiele schwarz, 
(rrofihirn - Kleinhirnbriickenbahnen blau. N. r. Nucleus ruber, C. m. Corpus • 
mamillare, G.gl. Corpus geniculatum laterale, C.g.m. Corpus geniculatum mediale. * 
///., IV., VI ., VIII. Kerne des III., IV., VI. und VIII. Hirnnerven. 1 Unt. Thalamusstiel, 

2 Vicq d’Azyr’sches Biindel, 3 Linsenkernschlinge. 







Hemisph&ren- 
fasern zura 
Nucleus dentatus 


Nucleus cuneatus 
' ■ Nucleus gracilis 
- liurdach’schtr Strtwg 
GoWschtr Strang 


Pyramiden- . 

seitenstrangbahn 

Pyramiden - . 

vorderstrangbahn 


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L. Die wichtigsten Hira- und Riiekenmarksbahnen. 309 

vier GroBhirnlappen einstrahlen. Da die vorn in die Stirnlappen 
und hinten in die Hinterhauptlappen einstrahlenden Fasern im 
ganzen eine konkave Form zeigen, hat man die vorderen ais kleine 
Zange, Forceps minor , die hintere ais grofie Zange, Forceps major, 
bezeichnet. Derjenige Teii der Balkenstrahlung, welcher ais Dach 
bzw. laterale Wand des Hinter- und Unterhornes in den Schlafen- 
lappen einstrablt, heiBt auch Tapetum. Die vordere Kommissur 
des III. Yentrikels strahlt jederseits durch das Corpus striatum nach 
lateralwarts in den Schlafenlappen (wahrscheinlich in das Riechzentrum) 
hinein, verbindet also (wenigstens teilweise) beide Riechzentren. Da 
dieselbe bei Tieren mit gut entwickelten Riechorganen sehr stark ist, 
ist sie wohl mit Recht Riechkommissur genannt worden. Die 
hintere Kommissur des III. Ventrikels ist betreffs ihrer Bedeutung 
noch nicht erforscht. Dasselbe gilt auch von der sogen.Meynert’schen 
oder oberen Kommissur, d. L ein kleinerFaserzug, welcher imoberen 
Winkel des Chiasma zwischen den beiden Corpp. striata verlauft (s. 
auch beim N. opticus). 

3. Ais Stabkranzfasern ( Corona radiata ) bezeichnet man alie 
Fasern, welche von der GroBhirnrinde nach abwarts ziehen. Unter 
denselben wollen wir hier zunachst nur die innerhalb des 'Ge- 
hirnes verbleibenden erwahnen. Dazu gehoren: 

a) Die Sehstiele oder Thalamusstiele, Radiatio thalami optici, 
konvergieren (s. die Tafel schwarze Linien) von der GroBhirnrinde zum 
Thalamus. Entsprechend den vier Lappen des GroBhims hat man einen 
vorderen, oberen, hinteren und unteren Thalamusstiel 
unterschieden. Die Bedeutung der Thalamusstiele ist noch nicht 
vollig aufgeklart: jedenfalls enthalten sie zentripetale und zentri- 
fugale Fasern. Auch die Bedeutung des Thalamus ist noch nicht 
erkannt. Nach abwarts (kaudalwarts) sendet derselbe nur wenige 
Ziige, so z. B. zum Corp. mamillare (Vic d’Azyr’sches Biindel), 
zum Nucleus ruber, zum RiickeUmark usw. Nach Obersteineb soli 
er ein „Reflexzentrum fiir die affektiven Ausdrucksbewegungen bei 
psychischen Emotionen (Lachen, Schmerzausdruck usw.)“ darstellen. 
Nach Edinger soli er eine Art „Umschaltung“ zwischen der GroB¬ 
hirnrinde und anderen Zentren vermitteln. Jedenfalls darf man auch 
nicht vergessen, daB die Optikusfasern zwischen den Kernen des 
Thalamus zur inneren Kapsel bzw. zum Hinterhauptlappen treten, 
also bei Erkrankungen des Thalamus leicht in Mitleidenschaft geraten 
konnen. 

b) Das Corpus striatum ( Nucleus caudatus und lentiformis) ist 
betreffs seiner Bedeutung noch weniger erkannt. Edinger halt es 
„nicht fiir unwahrscheinlich, daB ein guter Teii von dem, was man 
ais Spontaneitat der Bewegung bezeichnet, durch das Striatum 
vermittelt wird“. Allerdings darf man nicht vergessen, daB alie drei 



310 III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 

grauen Hirnganglien (auch der Thalamus) ais Abkommlinge der grauen 
Hirnrinde zu betrachten sind. Verletzung- des vorderen Teiles des 
Nucleus caudatus soli das Tier zwingen, bestandig nach vorn zu laufen 
(Nodus cursorius von Notnagel). Unter den vom Corpus striatum 
ausgehenden Fasern sind zunachst starkere Biindel zur Verbindung 
mit dem Thalamus (Radiatio strio-thalamica ) zu nennen. Weiterhin die 
Linsenkernschlinge,' Ansa lentiformis 8. lenticularis (s. d. Hirntafel: 
3, rote Linien), deren Fasern, zum Teii durch den Nucleus ruber erst 
zum Kleinhirn, zum Teii direkt iiber den Nucleus gracilis und cune¬ 
atus in die sensiblen Bahnen des Ruckenmarkes (Goll’scher 
und Burdach’scher Strang) tibergehen. . 

c) Die Gro8hirn-Kleinhirnbruckenbahn(s.d. Himtafel,blaue 
Linien) nimmt folgenden Weg: Frontalzone (vordere Gr. Br. Bahn) 
oder Okzipitalzone (hintere Gr. Br.-Bahn) des GroBhims, vorderer 
bzw. hinterer Schenkel der inneren Linsenkapsel, Pedunculus, 
Nuclei pontis (Kreuzung), Kleinhimrinde. Durch diese Bahn werden 
wahxscheinlich psychische Vorgange vom GroBhirn auf das Kleinhirn 
iibertragen. 

d) Der N. olfactorius. Seine Bahn ist noch nicht genau be- 
kanrit: sie geht von der Nasenhohle aus zunachst durch den Lobus, 
Tractus und die Striae olfactoriae, von da zum Teii durch die 
Commiss. ant. zum Riechzentrum der an deren Seite, vielleicht auch 
im Gyrus fornicatus oder Fornix oder direkt zum Gyrus hippocampi 
bzw. Uncus (Riechzentrum derselben Seite). 

e) Der N. opticus. Die (linksseitige) Bahn beginnt links in 
der temporalen, rechts in der nasalen Halfte der Retina — von 
hier links durch die Fibrae directae, rechts durch die Fibrae cru¬ 
ciatae des Chiasma zum linken Tractus opticus, von hier durch 
die laterale Wurzel des letzteren zum linken Corp. geniculatum 
lat., Pulvinar und oberen Vierhiigel, dann durch den hinteren 
Schenkel der linken Capsula int. (G'EATiOLET’sche Sehstrahlung) zum 
Sehzentrum im linken Hinterhauptlappen (Cuneus und Fiss. calca¬ 
rina). Die mediale Wurzel des Tractus opticus, welche im Corp. 
genic. mediale endet, hat wahrscheinlich mit dem Sehen nichts zu 
tun, vielleicht mit dem Horen, da auch die Acustikusfasem zum 
Corp. genic. mediale hinziehen (s. sub f.) und durch die mediale 
Wurzel somit eine Vermittlung zwischen Optikus und Acusticus 
(Sehen und Horen) moglich ware. 

f) Der N. acusticus. Seine Bahn ist noch nicht iiberall genau 
erforscht. Doch geht dieselbe wahrscheinlich von den Acusticuskernen 
durch das Corp. trapezoides (Kreuzung) zur oberen Olive der 
anderen Seite, von da durch die laterale Schleife zum hinteren 
Vierhiigel und Corpus genic. mediale, von da durch den hinteren 
Schenkel der Capsula interna zum Horzentrum in der I. Schlafen- 



L. Die wichtigsten Hira- und Riiekenmarksbahnen. 311 

windung. Die, Radix vestibularis (N. vestibuli) kornmt yon den Bogen- 
gangen und hat nichts mit dem Horen, sondem wabrscheinlich nur 
mit der Erhaltung des Gleichgewichtes zu tun. 

g) Der N. facialis. Seine Bahn ist fast ganz bekannt. Das 
Rindenzentrum liegt im Gyrus centralis ant. (unteres Drittel), von 
dort ziehen seine Fasem zur Capsula int. (Knie bzw. tlbergang in 
den binteren Schenkel), von dort durch die Basis pedunculi wahr- 
scheinlich' in das Biindel vom FuB zur Schleife, sodann im 
medialsten Teii der Schleife (Kreuzung in der Raphe) zum Fazialis- 
kern der Rautengrube. Der N. facialis versorgt hauptsachlich die 
Eopfmuskeln und das Platysma. 

h) Der N. hypoglossus. Seine Bahn verlauft dicht neben der 
vorigen und ist ebenso ziemlich gut festgestellt. Das Rinden- 
zentrum liegt etwas unterhalb des Fazialiszentrums im . Gyrus cen¬ 
tralis ant. bzw. in der Pars opercularis und triangularis der 
III. X Stirn windung (motor. Sprachzentrum). Von hier geht die Bahn 
oberhalb des Linsenkernes zur Capsula int. (Knie bzw. tlbergang in 
den hinteren Schenkel), sodann Basis pedunculi, hierauf wahrschein- 
lich Biindel vom FuB zur Schleife, medialster Teii der Schleife 
(Kreuzung in der Raphe) zum Hypoglossuskern. Der N. hypoglossus 
versorgt die Zungenmuskeln mit EinschluB des M. genio-hyoideus. 

Die Bahnen der iibrigen Hirnnerven (von den Kemen der 
Rautengrube nach zerebralwarts) sind noch nicht geniigend erforscht. 

Ais intrazerebrale Bahn konnte hier noch einmal (s. S. 290) das 
hintere (mediale) Lkngsbiindel, Fasciculus longitudinalis medialis, 
erwahnt werden, welches die Kerne des Oculomotorius, Trochlearis 
und Abducens verbindet, anscheinend, um deren kombinierte Aktion 
zu erleichtern. 


II. GroBhirn-Ruckenmarksbahnen. 

Ebenso wichtig wie die soeben beschriebenen Bahnen des Optikus, 
Fazialis und Hypoglossus sind fiir die Diagnose von Erkrankungen 
des Zentralnervensystems die langen GroBhirn - Riickenmarks- 
bahnen, von denen zu merken sind: 

1. Die motorische, psychomotorische oder Pyramiden- 
bahn. Das Rindenzentrum liegt im Lobulus paracentralis und 
Gyrus centralis ant. (ist jedoch fiir den Rumpf noch nicht. festgestellt). 
Von hier aus zieht die Bahn durch den hinteren Schenkel der 
Capsula int. zur Basis pedunculi — dann ais Pyramidenfasern 
durch die Briicke zur Pyramide — von dort an Teilung in: a) die 
Pyramidenvorderstrangbahn (fiir den Rumpfy und b) die Pyra- 
midenseitenstrangbahn (fiir die Extremitaten). Die Fasem der 
letzteren kreuzen sich in der Decussatio, diejenigen der ersteren 
in der Comm. alba, um zu den Vorderhornzellen der anderen Seite, 



312 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 

und dann weiter durch die vordere Wurzel in die Spinalnerven zu 
gelangen. 

2. Die sensible, psychosensorische oder Gefiihlsbahn ver- 

lauft folgendermaBen: Sensibler Endapparat, sensibler Nerv, Spinal- 
ganglion, hintereWurzel. Von hier an Teilung in zwei Bahnen: 
a) fur da8 Muskelgefiibl (Tiefensinn) durch den Hinterstrang 
(GolPscher Strang fur das Bein, Burdach’scher Strang fur den 
Arxn) zum Nucleus funiculi gracilis und cuneati — von hier durch die 
Fibrae arcuatae intt. (vgl. Fig. 68) unter Kreuzung auf die andere 
Seite —. von hier teils direkt, teils Uber die untere Olive in die 
mediale Schleife — von da durch den hinteren Schenkel der 
inneren Linsenkapsel und die sogen. Haubenstrahlung zumRinden- 
zentrum (Praecuneus und obere Parietalwindung); b) fur den Ober- 
flachensinn (Schmerz-, Tast- und Temperaturempfindung); die 
Fasem dieser noch nicht ganz sicher erforschten Bahn (auch ais 
taktische Sensibilitatsfasern bezeicbnet) sollen von der hinteren 
Spinalnervenwurzel unter Kreuzung in der Comm. grisea ant. zum 
Seitenstrang der anderen Seite, hier&uf in der medialen 
Schleife zum Thalamus und dann, wie die vorige Bahn, durch die 
innere Linsenkapsel zum Rindenzentrum (Praecuneus und 
obere Parietalwindung) hinziehen. Nach dem Schema von Flechsig 
geht noch ein Teii dieser Fasern in die Linsenkernschlinge uber 
(vgl. die Tafel). > 

3. Die GroBhirn-Kleinhirnbahn uber den roten Kern ist . 
so benannt, obschon sie, ebenso wie die vorige, ihre zentripetalen 
sensiblen) Fasern wahrscheinlich ebenfalls aus dem Seiten- und 
Hinterstrange des Riickenmarks' bezieht. Diese gehen aber 
nicht in die mediale Schleife uber, sondern uber die untere Olive 
zum Nucleus dentatus des Kleinhirns (vgl. die Tafel) — von dort 
durch den Bindearm (feindearmkreuzung) auf die andere Seite zum 
Nucleus ruber — von dem letzteren entweder: a) in die JEauben- 
strahlung (wie die vorige Bahn) oder b) in die Linsenkernschlinge 
oder c) zum Thalamus. 

Allgemeine Bemerkungen. 

Aus dem Gesagten geht hervor, daB alie Bahnen: 1. zwischen 
dem GroBhirn und den Hirnnerven; 2. zwischen GroBhirn und dem 
Kleinhim und 3. zwischen dem GroBhirn und den Rtlckenmarks- 
nerven an irgendeiner Stelle eine vollstandige Kreuzung durch- 
machen, d. h., daB die Fasern dort von der einen auf die andere 
Seite treten. Nur beim N. olfactorius und opticus ist eine teilweise 
Kreuzung vorhanden. 

Durch die innere Linsenkapsel gehen folgende wichtigen 
Bahnen (vgl. Fig. 73): 1. durch den vorderen Schenkel die vordere 



313 


L. Die wichtigsten Hirri- und Ruckenmarksbahnen. 

(frontale) GroBhirnbriickenba-hn; 2. durcb den binteren Scbenkel 
(vom Knie nacb binten gerecbnet): a) die motoriscben Bahnen fur 
den Facialis, Hypoglossus, die Arm-, Bein- und Rumpfmuskeln; b) die 
sensiblen Bahnen der Hautempfindungen und des Muskelgefiihls; 
c) die bintere (okzipitotemporale) GroBhirnbriickenbahn; 



Motor. Bahn d. 
Facialis und 
Hypoglossus 


Motor. Bahn des 
Beines 


Hint. Schenkel d. 
Capsula interna 


Sensible Bahn d. 
H-aut , Muskel- 
sinnesfasern u. 
hintere Grofi- 
hirnbriicken- 
baltn 


GcatioleVsche 

Sehstrahlung 


sensi - 
tif (htihert Sin- 
nesnerven mit 
Ausnahme des 
Olfactorius 


Vorderer 
d. Capsula int. 


Vordtre Gro/S- 
hirnbriicken- 
bahn 


Knie d. Capsula int 


Septum pelluci¬ 
dum 


Capsula externa 


Motor. Bahn des 
Armes 


Fig. 73. Die Fascrbahnen der inneren Linsenkapsel. Horizontalschnitt 
durch die GroBhirnganglicn. Nach einerZeichnung von Th. Ziehen. Motoriscbe 
Bahnen gelb. sensible bzw. sensorielle dunkelrot, GroBhirnbriicken- 
bahnen schwarz. Die motorische Bahn des Rumpfes ist, weil noch nicht sicher 

umgrenzt, nicht angegeben. 


d) endlicb ganz hinten die Bahnen fur die hoheren Sinnesnerven, 
mit Ausnahme des N. olfactorius. Den Querschnitt der letzteren hat 
Charcot ais Carrefour sensitif bezeicbnet: von ibm geht die leicht 
sichtbare Gratiolefscbe Sehstrahlung nacb binten. 

Der HirnschenkelfuB, Basis, s. Pes pedunculi, dient ebenfalls 
wichtigen Bahnen zum Durcbtritt. Der mediale Abschnitt wird durcb 
die vordere GroBhirnbriickenbahn, der laterale durcb die bintere 
GroBhirnbriickenbahn eingenoramen. In der Mitte zwischen diesen 





314 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


beiden ist die Bahn des Facialis und Hypoglossus und die 
Pyramidenbahn gelegen. 

Die Schleife, Lemniscus, besteht aus: 1. der lateralen oder 
Akustikusschleife, welche Akustikusfasern von den Akustikus- 
kernen zu den binteren Vierbiigeln leitet, also wahrscheinlich durch 
die letzteren Gehorsempfindungen in Leistungen des Auges tibertragt; 
2. der medialen oder sensiblen Schleife, welche den wichtigsten 
Verbindungsweg zwischen den sensibien Bahnen des Rtickenmarkes 
und des GroBhirns darstelR; 3. der medialsten Schleife, in der 
wahrscheinlich noch die Fazialis- und Hypoglossusbahn, viel- 
leicht aber auch noch die anderer motorischer Hirnneryen verlaufen. 

HI. Kleinhirn- bzw. Kleinhirnruckenmarksbahnen. 

Ais eigene Bahnen des Kleinhirns sind: 1. Hemispharen- 
fasern (aus der Rinde) zum Wurm, und 2. Hemispharenfasern 
(aus der Rinde) zum Nucleus dentatus zu nennen. Ihre Be- 
deutung ist noch unklar. 

Die Verbindungen mit demGroBhirn sind bereitsgeschildert: es sind 

I. die GroBhirn-Kleinhirnbrtickenbahn(s.S.3lO); 2. die GroBhirn- 
Kleinhirnbahn uber den roten Kern (s. S. 312). An den roten Kem 
schlieBt ubrigens spinalwarts das bereits S.307 erwahnte Monakow’sche 
Btindel, Tractus rubro-spinalis, an, durch welches sensible Fasem vom 
Rttckenmark tiber den roten .Kern zum GroBhirn gelangen konnten. 

Mit der Medulla oblongata und dem Riickenmark steht 
das Kleinhirn durch folgende bereits beim Rttckenmark heschriebene 
Bahnen in Verbindung: L Die Kleinhirn-Olivenbahn, durch welche 
die sensiblen Fasem des Hinterstranges ttber die untere Olive zum 
Nucleus dentatus und von hier durch die Bindearme in die Klein- 
hirn-GroBhirnbahn tiber den roten Kern gelangen konnen (vgl. 
die Tafel); 2. die Kleinhirn-Seitenstrangbahn von Flechsig (eben- 
falls sensibel), deren Faserp von den Clarke’schen Saulen in den 
Seitenstrang und dann oben durch das Corp. restiforme zum Wurm 
des Kleinhirns ziehen, und 3. das Gowers’sche Btindel (die Klein¬ 
hirn-Vorderstrangbahn), dessen ebenfalls sensible Fasern zuerst 
im Vorderstrang (aber auch Seitenstrang), dann dorsal von der 
Brticke aufwarts, und schlieBlich durch die Bindearme zum Nucleus 
dentatus des Kleinhirns nach hinten umbiegen sollen (vgl. auch S. 307). 

M. Die Hirnnerven. 

Die Hirnnerven, Nn. cerebrales, welche direkt vom Gehirn ent- 
springen, bilden 12 Paare, deren Zahl man sich merken muB, da sie 
vielfach nur nach der letzteren benannt werden: I. Der N. olfactorius, 

II. der N. opticus, III. der N. oculomotorius, IV. der N. trochlearis, V. der 



M. Die Hiranerven. 


315 


N. trigeminus, VI. der N. abducens, VII. der N. facialis, VIII. der N. 
acusticus, IX- der N. glosso-pharyngeus, X. der N. vagus, XI. der N. 
accessorius, XII. der N. hypoglossus. 

I. N. olfactorius. 

Ais Geruchsnerven, N. olfactorius, kann man nur die zahlreichen 
marklosen Nervenfaden zusammenfassen, welche vom Bulbus olfactorius 
durch die Lam. cribrosa zur Nasenschleimhaut treten, wo sie sich an 
derlateralenundder Scheidewandbis zur Hohe des unterenBandes 
der mittleren Muscbel verzweigen. |jber die zerebrale Bahn des 
Nerven s. S. 310. 

n. N. opticus. 

Die beiden Sebnerven, Nn. optici, treten ais Tractus optici lateral 
von den Pedunculi hervor und bilden dann das kreuzformige Chiasma 
opticum, in dem sich die Nervenfasern folgendermaBen verhalten: 

1. Die innersten Fasem kreuzen sich ( Fibrae cruciatae) und 
versorgen dann die nasale Halfte des betreffenden Augapfels. 

2. Die beiden lateralen Winkel des Chiasma werden durch 
die sogen. Fibrae directae eingenommen, welche zu der temporale n 
Halfte des Augapfels derselben Seite verlaufen. 

3. Die yorderen Kommissurenfasern sollen von einem Bulbus 
zum anderen verlaufen, indem sie den vorderen Winkel des 
Chiasma ausrunden. 

4. Die hinteren Kommissurenfasern (auch ais obere oder 
Meynerfsche Kommissur bezeichnet) runden den hinteren Winkel 
des Chiasma aus und verbinden wahrscheinlich das Corpus striatum 
der einen mit dem der anderen Seite. 

Die Bedeutung der Kommissurenfasern ist noch nicht vollig 
geklart. Mit dem Sehen haben dieselben nichts zu tun. 

Der N. opticus tritt vom Chiasma durch das For. opticum in die 
Augenhohle, verlauft dort leicht S-formig gekriimmt und tritt schlieBlich 
medial vom hinteren Pol in den Bulbus hinein. Eine jede der drei 
Himhaute gibt dem Opticus eine Scheide in die Augenhohle mit. 
Zwischen diesen 3 Scheiden (auBeres, mittleres und inneres Neu- 
rilemm) sind intervaginale Lymphr&ume gelegen, welche mit dem 
Subdural- und Subarachnoidealraum kommunizieren. Die zerebrale 
Bahn des Optikus s. S. 310. 

m. N. oculomotorius. 

Der N. oculomotorius tritt jederseits an der medialen Seite des 
Pedunculus hervor, zieht dann in der oberen Wand des Sinus 
cavernosus zur Fiss. orbitalis sup. und teilt sich in einen oberen und 
einen unteren Ast, von denen der obere den M. rectus oculi sup. 



316 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


und M. levator palpebrae superioris, der untere die ubrigen Augen- 
muskeln (mit Ausnahme des M. obliquus oculi sup. uud rectus lat.) 
versorgt. Von dem unteren Aste entspringt die kurze Wurzel, 
Radix brevis, zum Ganglion ciliare, durch welche auch noch zwei 
innerhalb des Bulbus gelegene Muskeln, namlich der Verengerer 
der Pupille, M. sphincter pupillae, und der Akkommodations- 
muskel des Auges, M. ciliaris (M. tensor chorioideae), Fasern zugefuhrt 
erhalten. Der Oculomotorius ist also ein rein motorischer Nerv.' 

IV. N. trochlearis. 

Der N. trochlearis tritt an der Dorsalsfeite des Gehirns zwischen 
dem binteren Vierhiigel und dem Velum. medulL ant. hervor und zieht 
dann lateral von dem Pedunculus in die obere Wand des Sinus 
cavernosus, hierauf durch die Fiss. orbitalis sup. in die Augenhohle, 
wo er nur den M. obliquus oculi superior versorgt. 

V. N. trigeminus. 

• Der N. trigeminus tritt jederseits mit einer kleineren motorischen 
(Portio minor) und einer groBeren sensiblen Wurzel (Portio major) 
zwischen den Fasern der Varolsbrucke (am tlbergang in die Brachia 
pontis) heraus und an der Spitze der Schlafenbeinpyramide unter die 
Dura mater (Cavum Meckelii). Hier bildet er in der Impressio trigemini 
des Schlafenbeins eine Anschwellung, das Oanglion semilunare s. 
Oasseri, von dem dann die drei Aste ausgehen, welche man ais 
I. Ast, N. ophthalmicus, ais IL Ast, N. maxillaris, und ais III. Ast, 
N. mandibularis, bezeichnet. An der Bildung des Ganglion Gasseri 
nimmt jedoch nur die sensible Portio major teil. 

Ein jeder Trigeminusast sendet nun einen rucklaufigen Zweig 
(R. recurrens) zur Dura, welcher die letztere mit sensiblen Fasern 
versorgt. Der Recurrens des I. Astes, N. tentorii, lauft eigentiim- 
licherweise zunachst in der Scheide . des N. trochlearis nach hinten 
und dann erst zum Tentorium. Der Recurrens des II. Astes, 
N. meningeus (medius), zieht mit dem vorderen Ast der A. meningea 
media nach oben und vorn. Der Recurrens des III. Astes, 
N. spinosus, entspringt erst auBerhalb der Schadelhohle und tritt dann 
mit der A. meningea media durch das For. spinosum zur Dura, indem 
er hauptsachlich den hinteren Ast der Arterie begleitet, aber auch 
zum vorigen Nerven eine Anastomose *schickt. 1 

Jeder von den drei Trigeminusasten besitzt ferner ein Ganglion, 
in welches allerdings auch noch andere Hirnnervenzweige eintreten. 
Das Ganglion des I. Astes, Oanglion ciliare, liegt in der Augenhohle. 

1 Die Dura der hinteren Schadelgrube wird durch den R. meningeus des 
N. vagus versorgt. 



M. Die Himnerven. 


317 


Das Ganglion des II. Astes, Ganglion spheno-palatinum s. nasale, ist 
in die Fossa pterygo-palatina eingebettet. Das Ganglion des 
III. Astes, Ganglion oticum, ist unter dem For. Ovale, also in der 
Nahe des Gehorganges, gelegen. 

I. Ast des Trjgeminus. 

Der I. Ast, N. ophthalmicus, rein sensibel, zieht in der late- 
ralen Wand des Sinus cavernosus zu der Fiss. orbitalis sup., 
in der er sich in drei Zweige: a) den N. frontalis, b) den N. lacrimalis 
und c) den N. naso-dliaris, teilt. 

1. Der N. frontalis verlauft dicbt unter dem Periost des 
Orbitaldaches nach vorn und teilt sich bald mehr hinten, bald vorn 
in folgende Zweige: 

a) den N. supraorbitalis, welcher durch die gleichnamige 
Inzisur des Stirnbeins zur Haut der Stirn und des Scheitels zieht; 

b) den kleinen R. frontalis, welcher medial von dem vorigen 
durch die Inc. frontalis zur Haut der Stirn, und 

c) den N. supratrochlearis, welcher oberhalb der Trochlea des 
M. obliquus oculi sup. mit der A. und V. supratrochlearis zur Haut 
des medialen Augenwinkels und oberen Augenlides verlauft. 

2. Der N. lacrimalis zieht neben der A. und V. lacrimalis.an d^r 

Grenze zwischen oberer und lateraler Orbitalwand zurTr&nen- 
driise hin. Ob er die letztere oder (durch sie hindurchtretend) die 
Haut uber dem lateralen Augenwinkel versorgt, ist zweifelhaft. Ana- 
stomosiert mit dem N. zygomaticus (s. w. u.). , 

3. Der N. naso-dliaris zieht zwischen dem oberen und unteren 
Ast des Oculomotorius, dann dicht oberhalb des Opticus zur 
medialen Wand der Augenhohle, wo er neben der A. oph¬ 
thalmica, nahe der oberen Wand nach vorn verlauft. Seine 
Zweige sind: 

a) die lange Wurzel, Radix longa, -zum Ganglion ciliare, 
durch welche sensible Fasern zum Bulbus gelangen (s. folg. S.); 

b) ein oder zwei Nn. ciliares longi ziehen neben dem Opticus zum 
Augapfel, in dem sie zwischen Sclera und Chorioidea bis zur Cornea 
gelangen (sensibel); 

c) der N. ethmoidalis post, tritt mit den gleichnamigen GefaBen 
durch das For. ethm. post, zu den hinteren Siebbeinzellen 
und der Keilbeinhohle (sensibel); 

d) der N. ethmoidalis ant. (ebenfalls sensibel) zieht mit den gleich¬ 
namigen GefaBen durch das For. ethm. ant. zu den vorderen 
Siebbeinzellen. Ein R. externus verlauft an der hinteren Flache des 
Nasenbeins bis zur Haut der Nasenspitze. 

Das Ganglion ciliare liegt ganz hinten zwischen dem Opticus 
und M. rectus lat. Seine Wurzeln sind: 



318 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


1. Die Radix brevis vom A. oculomotorius fiihrt dem Ganglion 
motorische Fasern fiir den M. sphincter pupillae und M. ciliaris 
(M. tensor chorioideae) zu. 

2. Die Radix media kommt vom sympathischen Geflecht der 

A. carotis int., ist manchmal doppelt, jedoch meistens kaum sicht- 
bar und bringt dem Ganglion Fasern, welche im Bulbus den M. dila¬ 
tator pupillae versorgen. ' . 

3. Die Radix longa vom N. naso •ciliaris fiihrt dem Ganglion 
sensible Fasern fur den Bulbus oculi zu. 

Aus dem vorderen Teii des Ganglion treten mehrere An. ciliares 
breves hervor, welche gemischte Fasern aus allen drei Wurzeln des 
Ganglion besitzen und neben dem N. opticus zum Bulbus verlaufen. 

# 

II. Ast des Trigeminus. 

Der II. Ast, A. maxillaris, geht durch das For. rotundum nach 
vom und teilt sich in der Fossa pterygo-palatina in: 1. den AI infra¬ 
orbitalis; 2. den A. zygomaticus, und 3. die An. spheno-palatini. 

1. Der A. infraorbitalis (rein sensibel) zieht in Begleitung der 
A. und V. infraorbitalis durch die Fiss. orbitalis inf. zum Sulcus 
und Canalis infraorbitalis am Boden der Augenhohle, um'dann durch 
das For. infraorbitale zum Gesicht zu treten. Er gibt ab: 

a) die hinteren, mittleren und vorderen Oberkiefernerven, 

An. alveolares supp. posti., medii und antt. , welche in den feinen 
Kanalchen der Wandung der Kieferhohle zu den Zahnen (An. dentales 
supp) und zum Zahnfleisch (Rr. gingivales) verlaufen; , 

b) die Gesichtsaste, Rr. faciales, gehen nach dem Austritt des 
Infraorbitalnerven aus dem Kanal ais Nn. palpebrales inff. zum unteren 
Augenlid, ais Nn. nasales subcutanei zur Haut der Nase und ais 
An. labiales supp. zur Haut der Oberlippe. 

2. Der A. zygomaticus (sensibel) tritt mit den gleichnamigen 
BlutgefaBen durch die Fiss. orbitalis inf. in die Augenhohle, wo er 
sich innerhalb des Jochbeins in den R. zygomatico-facialis fiir die 
Haut uber dem Jochbein und den R. zygomatico-temporalis fiir einen 
kleinen Hautbezirk der Schlafe teilt. 

3. Die An. spheno-palatini sind zwei kurze Nerven, welche sich 
sogleich, abwarts ziehend, in das Ganglion spheno-palatinum einsenken. 

Das Ganglion spheno-palatinum s. nasale ist in der Fossa 
pterygo-palatina (Fiss. spheno-maxillaris) gelegen. Ais Wurzeln muB 
man ansehen: 

1. Die ebenerwahnten An. spheno-palatini. 

2. Den A. canalis pterygoidei (A. Vidianus), welcher sich aus dem 
A. petrosus superficialis major und dem N.peirosus prof. major zusammen- 
setzt (vgl. Fig. 4 S. 18). 



M. Die Himnerven. 


319 


Der N. petrosus superfio, major kommt vom Ganglion geniculi des N. facialis: 
seine Fasern ziehen durch das Ganglion spkeno-palatinum, sodann in der Bahn 
der Nn. palatini zu den Gaumenmaskeln (mit Ausnahme des M. tensor veli). 

Der N. petrosus prof. major kommt vom sympathischen Geflecht der 
Carotis int.: seine Fasern ziehen durch das Ganglion wahrscheinlich za den 
Drasen der Nasenschleimhaut. 

As te des Ganglion nasale sind: 

1. Die Nn. palatini ziehen in Begleitung der A. und V. palatina 
descendens im Can. pterygo-palatinus nach abwarts and treten 
durch das For. palatinum majus und die beiden Forr. palatina minora 
zum Gaumen. Man unterscheidet den sensiblen Nn. palatinus ant. 
und post, fur die Schleimhaut des Gaumens und der Tonsille und den 
motorischen N. palatinus medius fur die Gaumenmuskeln (mit Aus¬ 
nahme des Tensor veli); doch stammen die Fasern dieses motorischen 
Nerven durch den N. petrosus superfio, major (s. o.) vom N. facialis her. 

2. Die Nn. nasales supp. postt. mediales und laterales gehen in Be¬ 
gleitung der gleichnamigen BlutgefaBe durch das For. spheno¬ 
palatinum in die Nasenhbhle, deren Scheidewand und laterale 
Wand sie mit sensiblen Fasern versorgen. Unter den Scheidewand- 
nerven ist durch seine Lange und Starke der N. naso-palatinus ( Scarpae) 
ausgezeichnet, welcher bis in den Canalis incisivus hineinzieht. 

Der II. Ast des Trigeminus ist also hauptsachlich semsibel 
bis auf die wenigen Fasern fur die Gaumenmuskeln, welche ihm 
vom Facialis durch den N. petrosus superfio, major zugefiihrt werden. 

III. Ast des Trigeminus. 

Der III. Ast, N. mandibularis, zieht nach seinem Durchtritt durch das 
For. ovale zwischen dem M. pterygoideus ext. und int. nach abwarts 
und teilt sich bald in den iiberwiegend motorischen oberenAst, R. superior 
s. masticatorius, und den fast ganzlich sensiblen unterenAst, R. inferior. 

I. B. superior (masticatorius). 

Der N. masticatorius (Kaumuskelnerv) gibt folgende Aste ab, 
welche immer von den gleichnamigen BlutgefaBen begleitet sind: 

1. Der N y massetericus zieht durch die Inc. mandibularis zum 
M. masseter. 

2. Die Nn. temporales profundi (doppelt) verlaufen dicht auf dem 
Planum temporale des Sch&dels zum M. temporalis. 

3. u. 4. Der N. pterygoideus ext. und int. gehen direkt zum 
M. pterygoideus ext. und int. 

5. Der N. buccinatorius (der einzige sensible Zweig des R. su¬ 
perior) tritt meist durch den M. pterygoideus ext., sodann an der 
AuBenflache des M-buccinator zur Haut der Wange. Doch gehen 
auch Zweige desselben, unter Durchbohrung des M. buccinator, 
zur Mundschleimhaut. Der Muskel selbst wird von diesem Nerven 
trotz des gleichen Namens nicht innerviert. \ 



320 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


II. B. inferior. 

Der R. inferior zeigt drei Hauptaste, namlich: 1. den N. auriculo¬ 
temporalis ; 2. den N. alveolaris inf. .und 3. den N. lingualis. 

1. Der N. auriculo-temporalis verlauft zuerst an der medialen 
Seite, dann dicht hinter dem Unterkieferhalse lateralwarte und 
hierauf dicht vor dem Ohr mit der A. und V. temporalis superf. nach 
aufwarts zur Haut der Schlafen- und Ohrgegend ( Rr. temporales 
und auriculares antt.). Von ihm entspringen auBer4em noch folgende 
Zweige: 

a) eine konstante Anastomose mit dem Ganglion oticum, 
durch welche dem Auriculo-temporalis von dem eben genannten Gan¬ 
glion sekretorische Fasern fur die Parotis zugefuhrt werden 
(s. auch beim N. glosso-pharyngeus). Diese Fasern gelangen weiterhin: 

b) durch die Rr. parotidei zur Qhrspeicheldruse; 

c) eine konstante Anastomose mit d^m N. facialis, welche 
dem letzteren sensible Fasern zufuhrt. 

2. Der N. alveolaris inf. zieht mit den gleichnamigen BlutgefaBen 
in den Canalis mandibularis, um schlieBlich ais N. mentalis durch 
das For. mentale sich am Gesicht zu verasteln. Der Nerv gibt fol¬ 
gende Zweige ab: 

a) den N. mylo-hyoideus, den einzigen motorischen Zweig des 
III. Astes; er verlauft im Sulcus mylo-hyoideus des Unterkiefers 
und versorgt den M. mylo-hyoideus und vorderen Bauch des 
M. digastricus 1 ; 

b) die Nn. dentales inff., rein sensibel, gehen zu den Zahnen 
und dem Zahnfleisch [Rr. gingivales) des Unterkiefers; 

c) den Endast, N. mentalis, ebenfalls sensibel, welcher die 
Haut des Kinnes und der Unterlippe versorgt. 

3. Der N. lingualis verlauft vorn und medial von dem N. alveol. 
inf. zwischen dem M. pterygoideus int. und dem Unterkieferast, so- 
dann zwischen dem M. mylo-hyoideus und Duct. sub maxillaris zum " 
Seitenrand der Zunge. In den N. lingualis senkt sich von hinten 
die Chorda tympani, welche (vom N. facialis kommend) dem Lingualis 
sekretorische Fasern fur die Gland. submaxillaris und sublingualis 
und auBerdem Geschmacksfasern fiir den vorderen Teii der 
Zunge zufuhrt. Seine Zweige sind: 

a) Rr. submaxillares, wie eben erwahnt sekretorisch, ziehen 
unter Bildung des Ganglion submaxillare zur Gl. submaxillaris; 

b) Rr. sublinguales, ebenfalls sekretorisch, ziehen zur Gl. sub¬ 
lingualis; 

1 Wie man sieht, werden vom N. trigeminus nicht allein die Muskeln, 
welche den KieferschluB (Kaumuskeln), sondern auch die beiden Muskeln 
versorgt, welche h&uptsachlich die Kieferoffnung bewirken. 



M. Die Hinmerven. 


321 


c) die Endaste, Rr. linguales, versorgen die ganze Zungen- 
schleimhaut mit sensiblen Fasern. Doch sind denselben, wie 
eben erwahnt, auch Geschmacksfasern fttr den vorderen Teii 
der Zunge yon der Chorda tympani aus beigemischt. 


Das Ganglion oticum ist dicbt unter dem For. ovale an 
die mediale Seite des IIL Trigeminusastes angeheftet. Ais Wurzeln 
desselben kann man ansehen: 

1. Verbindungszweige mit dem Stamm des III. Astes, 
insbesondere dem N. pterygoideus int .; 

2. den N. petrosus superficialis minor (s. Fig. 4, S. 16). Derselbe 
kommt vom N. glossopharyngeus , tritt zum Ganglion oticum, von hier 
durch die Anastomose zum N. auriculo-temporalis und schlieBlich durch 
dessen Rr. parotidei zur Parotis, welche er mit Sekretionsnerven ver¬ 
sorgen soli (Heidenhain). 

Ais Aste des Ganglion sind zu nennen: 

1. Die eben erw&hnte Anastomose mit dem N. auriculo¬ 
temporalis (sekretorische Fasern, welche in die Rr.parotidei des 
letzteren tibergehen); 

2. ein (motorischer) Zweig zum M. tensor veli palatini ; 

3. ein (motorischer) Zweig zum M. tensor tympani. 

Der III. Ast des Trigeminus ist also ein gemischter, teils 
sensibler teils motorischer Nerv. Doch ist zu beachten, daB ihm 
die sekretorischen Fasern fur die Parotis durch den N.petrosus 
superf. minor (vom Glosso-pharyngeus), die sekretorischen Fasern fur 
die Gl. submaxillaris und sublingualis, sowie die Geschmacks¬ 
fasern fur die Zungenspitze durch die Chorda tympani (vom Facialis) 
zugefuhrt werden. Es wird spater (beim Facialis) gezeigt werden, daB 
auch die Chorda sich zerebralwarts bis zum Glosso-pharyngeus- 
kern verfolgen laBt, sodaB also dieInnervation samtlicher Speichel- 
driisen und Geschmacksorgane von dem ebengenannten Keme 
ausgehen wiirde. 

VI. N. abducens. 

Der N. abducens tritt am unteren (hinteren) Rande der Varols- 
brucke hervor und zieht dann nahe der lateralen Wand durch 
den Sinus cavernosus, hierauf durch die Fiss. orbitalis sup. 
in die Augenhohle, wo er nur den M. rectus oculi lat. versorgt. 

VII. N. facialis. 

Der Gesichtsnerv, N. facialis, tritt zusammen mit dem Acusticus 
dicht neben dem Flocculus aus der Hirnsubstanz hervor. Hierauf ziehen 
beide Nerven in Begleitung der A. und V. auditiva int. in den Porus 
acust. internus hinein. Der N. facialis tritt alsdann in einen beson- 

21 


Broesike, Repetitorium anatomicum. 



822 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


deren Kanal des Schlafenbeins, den Fallopischen Kanal, Canalis faci¬ 
alis, in dem er zunachst nach vorn und lateralwarts, dann unter 
Bildung des Knies, 'Oeniculum n. facialis, dicht oberhalb der Fenestra 
vestibuli nach hinten und lateralwarts, hierauf nach abw&rts ver- 
lauft, um schlieBlich darch das For.stylo-mastoideum in die Substanz 
der Parotis einzudringen. Am Knie bildet der Facialis eine An- 
schwellung, Qanglicmgeniculi, innerhalb der Parotisein weitmascbiges 
Geflecht, Plexus parotideus (Pes anserinus). Die Aste sind folgende: 

a) Fazialisaste w&hrend seines Verlaufes im Schlafenbein. 

1. Der N.intermedius stellt eine scheinbare Anastomose zwischen 
dem N. facialis und acusticus dar. In Wirklichkeit soli er' vom 
Glosso-pharyngeuskern kommen, legt sich an den Facialis an, 
bildet dann aber lediglich eine Schleife zum Acusticus, welche 
wieder zum Facialis zuruckkehrt. Die Fasem des N. intermedius 
gehen samtlich in die Chorda tympani uber (vgl. S. 320 u. 821). 

2. Der N. petrosus superfic. major kommt vom Ganglion geniculi, 
verlauft in einer besonderen Furcbe der Schlafenbeinpyramide (vgl. 
S. 16) nach vorn und tritt durch das For. lacerum in den Canalis 
Vidianus, fro er mit dem N. petr. prof. major (s. Fig. 4 S. 16) den 
N. Vidianus bildet. Seine Fasem gehen zum Ganglion spheno¬ 
palatinum und schlieBlich durch die Nn. palatini des letzteren zum 
Gaumen, wo sie samtliche Gaumenmuskeln (mit Ausnahme des 
Tensor veli) versorgen. Daher muB bei Fazialiserkrankungen ober¬ 
halb des Ganglion geniculi infolge Lahmung der von den Nn. 
palatini versorgten Muskeln auch das Gaumensegel schief stehen. 

3. Der N. stapedius versorgt den gleichnamigen Muskel der 
Paukenhohle. 

4. Die Chorda tympani entspringt im unteren Ende des Fallopi- 
schen Kanals und zieht dann mit einem nach aufw&rts konvexen 
Bogen (s. Fig. 44, S. 209) zwischen Hammergriff und Ambos 
(also dicht neben dem Trommelfell) durch die Paukenhohle, hierauf 
durch die Fiss. Glaseri nach abwarts zum N. lingualis. Die 
Chorda ftihrt dem letzteren Geschmacksfasern fur den vorderen 
Teii der Zunge und sekretorische Fasern ftir die Gl. sub- 
maxillaris und sublingualis (s. auch heim N. intermedius ) zu. 

b) Fazialisaste nach dem Austritt aus dem Schlafenbein. 

1. Der N. auricularis post, zieht mit der A. und Y. auricul. post, 
zunachst dicht vor dem Proc. mastoideus, sodann hinter dem 
Ohr zum M. occipitalis und den Ohrmuskeln hin. 

2. Der R. stylo-hyoideus et digastricus versorgt den M. stylo¬ 
hyoideus und den hinteren Bauch des M. digastricus. 



11. Die Hiranerven. 


323 


3. Die Endaste des N. facialis verlaufen nach ihrem Durchtritt 
durch die Parotis zu allen Teilen des Gesichtes und werden dem- 
gemaB ais Rr. temporales, zygomatici und buccales bezeichnet. Ein 
R. marginalis mandibulae verlauft in der Nahe des Unterkiefer- 
randes nach vorn. Alie diese Aste ziehen zu den Gesichts- nnd 
Schadelmuskeln hin. Ein R. colli verlauft hinter dem Kieferwinkel 
zum Platysma nach abtf&rts. 

Der N. facialis ist somit an und flir sich ein rein motorischer 
Nerv, doch geht er mit den Trigeminusasten am Gesicht zahl- 
reiche Anastomosen ein, durch welche ihm auch sensible Fasern 
beigemischt werden. DaB die ihm zugesellten Fasern des N. inter¬ 
medius schlieBlich in die Chordafasern iibergehen und liber ihre 
Bedeutung ist S. 322 nachzusehen. 

Vm. IT. acusticus. 

Der N. acusticus tritt an der Himbasis lateral vom N. facialis hervor 
(s. S. 321 u. Fig. 63). Uber den N. intermedius s. S..322. Im inneren 
Gehorgang teilt sich der Acusticus in den N. cochleae und N. vestibuli. 

1. Der N. cochleae [Radix cochlearis n. acustici") versorgt den Sac¬ 
culus und das ganze Corti’sche Organ im Ductus cochlearis, 
nachdem er vor dem Eintritt einen zusammenbangenden gangliosen 
Streifen, Ganglion spirale, gebildet hat (s. Fig. 46, S. 214). Er ist somit 
wohl ais der eigentliche Hornerv anzusehen. 

2. Der N. vestibuli (Radix vestibularis n. acustici) bildet ebenfalls 
eine AnSchwellung, Ganglion vestibulare, und teilt sich dahn in Zweige 
fur den Utriculus und die Ampullen der Bogeng&nge. Man 
kann annehmen, daB der groBte Teii seiner Fasern nicht mit dem 
Horen, sondern der Erhaltung des Gleichgewichtes zu tun hat. 

IX. N. glosso-pharyngeus. 

Der N. glosso-pharyngeus tritt zusammen mit dem N. vagus und 
N. accessorius aus dem Corp. restiforme hervor und verlaBt auch mit 
diesen Nerven durch das For. jugulare die Schadelhohle. Beim 
Eintritt in das letztere bildet er das Ganglion superius , etwas tiefer 
in der Fossula petrosa des Schlafenbeines das Ganglion petrosum und 
gelangt hierauf zwischen A. carotis und V. jugularis int. an die hin- 
tere Flache des M. stylo-pharyngeus, den er bis zur Zungen- 
wurzel begleitet. Seine Aste sind: 

1. Der N. tympanicus s. Jacobsonii zieht vom Ganglion petrosum 
in die Paukenhohle, deren Schleimhaut er mit sensiblen Fasern 
versorgt (vgl. Fig. 4, S. 16). Er zieht l&ngs des Promontorium auf- 
warts, tritt dann aber zur vorderen oberen Flache der Schl&fenbdin- 
pyramide und wird hier N. petrosus superfic. minor genannt. Der 

21 * 



324 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


letztere Nerv tritt dann durch das For. lacerum zum Ganglion oti¬ 
cum, von dem aus seine Fasern durch die S. 321 erwahnte Anasto¬ 
mose zum N. auriculo-temporalis und durch dessen Rr. parotidei , zur 
Parotis gelangen, deren Sekretion sie bewirken. Auch mit dem 
Plexus caroticus int. ist er durch kleine Zweige [N. petrosus prof. 
minor ) verbunden (s. auch Fig. 4, S. 16). 

2. Der N. stylo-pharyngeus zum M. stylo-pharyngeus. 

3. Die Rr.pharyngei, wahrscheinlich sensibel, zum Schlunde, um 
dessen Wand sie mit dem N. vagus und sympathicus ein Geflecht, 
Plexus pharyngeus, bilden. Nach Yolkmann soli auch der M. constrictor 
pharyngeus medius vom Glosso-pharyngeus innerviert werden. 

4. Die Rr. tonsillares, feine sensible Zweige zur Schleimhaut 
der Mandeln und Gaumenbogen. 

5. Die Rr. linguales gehen zur Zungenschleimhaut, deren hinteren 
Abschnitt sie mit Geschmacksfasern versorgen. 

Der N.glosso-pharyngeus ist somit hauptsachlich ais Geschmacks- 
nerv der Zunge und Sekretionsnerv fiir die Speicheldrusen 
anzusehen. DaB* auch die Geschmacks- und Sekretionsfasem der 
Chorda tympani vom Glosso-pharyngeuskern kommen, ist bereits 
S. 321 erwahnt worden. 


X. N. vagus. 

Die Wurzelfasern des N. vagus treten dicht unterhalb des Glosso¬ 
pharyngeus aus dem Corp. restiforme hervor. Der Nerv verlaBt hier- 
auf zugleich *mit dem IX. und XI. Hirnnerven durch das For. ju¬ 
gulare die Schadelhohle. In dieser Offnung bildet er das Ganglion 
jugulare, etwas unterhalb der Schadelbasis das mehr geflechtartige 
Ganglion nodosum. Am Halse lauft der N. vagus mit der Carotis 
int. bzw. communis und der V. jugularis int. zur Seite des Pharynx 
innerhalb einer gemeinsamen Scheide nach abwarts. Dabei ist er 
zwischen heiden GefaBen und etwas nach hinten von denselben 
gelegen. Der Nerv tritt alsdann sowohi links wie rechts zwischen 
der A. subclavia und V. anonyma in die Br-usthBhle. Der 
rechte N. vagus biegt hierauf nach hinten und gesellt sich zum 
Oesophagus, der linke lauft erst vor dem Aortenbogen nach ab¬ 
warts und zieht dann ebenfalls nach hinten zum Oesophagus, neben 
dem hierauf der linke mehr vorn, der rechte mehr hinten nach abwarts 
verlauft. Auf diese Weise gelangt der linke auf die vordere, der 
rechte auf die hintere Flache des Magens. Der Vagus gibt folgende 
Xste ab: 

1. Der kleine sensible R. meningeus versorgt die Dura der hin¬ 
teren Sch&delgrube. 

2. Der kleine sensible R. auricularis n. vagi zieht in transver- 
saler Richtung durch das Schlafenbein zur Fiss. tympano- 



M. Die Hinmerven. 


325 


mastoidea und dann zur unteren nnd hinteren Wand des 
auBeren Gehorganges 1 hin. 

3. Die Rr. pharyngei gehen schrag nach unten znr Seitenwand 
des Pharynx und bilden mit den Rr. pharyngei des Glosso-pharyngeus 
und des Sympathicus ein von Ganglienzellen durchsetztes Geflecht, 
Plexus pharyngeus , von dem die Muskeln und die Schleimhaut 
des Schlundes versorgt werden. Der Vagus liefert wahrscheinlich 
die Fasern fiir die Schlundmuskulatur (vielleicht mit Ausnahme 
des Constrictor pharyngis medius s. S. 324), der Glosso-pharyngeus die 
sensiblen Zweige. 

4. Der N. laryngeus sup. geht hinter der Carotis zum Kehlkopf, 

neben dem er sich in einen auBeren und inneren Ast teilt. Der 
auBere Ast, R. externus, zieht an der AuBenflache des Pharynx nach 
abwarts zum M. crico-thyreoideus. Der innere Ast, R internus, 
dringt mit der A. und V. laryngea sup. durch die Membr. hyo- 
thyreoidea ins Innere des Kehlkopfes, dessen Schleimhaut er mit 
sensiblen Zweigen versorgt. * 

Der innere Ast ist mit dem N. laryngeus sup. durch die sogen. G-alen’- 
sche Anastomose verbunden, welche an der hinteren Flache der Kehlkopf- 
mnskeln liegt und dem Laryngeus inf. sensible Fasern zufiihren soli. 

5. Der N. laryngeus inf. entspringt erst in der Brusthohle. Der 
rechte geht unter der A. subclavia, der linke unter dem Areus aortae 
nach hinten. Beide Nerven verlaufen alsdann in der seitlichen 
Rinne zwischen Oesophagus und Trachea aufwarts, dringen 
hinter der Artic. crico-thyreoidea in den Kehlkopf hinein und 
versorgen dort samtliche Muskeln, vielleicht mit Ausnahme des 
M. crico-thyreoideus, der jedenfalls (s. o.) auch einen Zweig vom 
Laryngeus sup. erhalt. 

6. Die Rr. cardiaci entspringen nicht allein vom Stamm des 
Vagus, sondem auch vom N. laryngeus sup. und inf. Die oberen 
ziehen l&ngs der Carotis, die unteren direkt neben dem 
Aortenbogen zum Herzen, wo sie mit Sympathicuszweigen den 
Plexus cardiacus bilden. Auch zum Herzbeutel geben die Rr. cardiaci 
feine Zweige. Der Vagus fiihrt Hemmungs-, der Sympathicus be- 
schleunigende Fasern fiir die Herzaktion. 

7. Die Rr. tracheales versorgen die glatten Muskelfasern und 
die Schleimhaut der Luftrbhre. 

8. Die Rr. bronchiales ziehen in die Lungen hinein, indem sie um 
die vordere und hintere Wand der Bronchien zwei Geflechte, den Plexus 
pulmonalis ant. und post., bilden, von dem dann sensible und mo- 
torische Fasern fiir die glatten Muskelfasern und die sonstige 
Substanz der Bronchien und Lungen abgehen. 

1 Die vordere und obere Wand des Ganges wird vom N . auriculo¬ 
temporalis versorgt. 



326 


III. Teii. Gef&fi- und Nervenlebre. 


9. Die Rr. oesophagei gehen von den benachbarten Vagus- 
zweigen zum Oesophagus, dessen Schleimhaut sie mit sensiblen, 
dessen glatte Muskulatur sie mit motorischen Fasern ver- 
sorgen. 

10. Der Plexus gastricus ant. und post, sind vor und hinter 
der kleinen Kurvatur gelegen. Yon denselben gehen folgende 
Zweige ab: 

a) Rr. gastrici fur die glatten Muskelfasern bzw. die Schleim¬ 
haut des Mag-ens; 

b) Rr. hepatici (wabrscheinlich sensibel) durch das Lig. hepato¬ 
duodenale zur Leber; 

c) Rr. coeliaci (sensibel?) sind Zweige zum sympathischen 
Plexus coeliacus , welche wahrscheinlich mit dem letzteren zu verschie- 
denen Eingeweiden, also zum Darm, Pancreas, den Nieren uud 
Nebennieren hinziehen. 

Der N. vagus ist der langste yon allen Hirnnerven und ein ge- 
mischter Nerv. Doch scHeint der groBte Teii der motorischen 
Fasern (vielleicht sogar alie) dem Vagus durch den N. accessorius 
zugefiihrt zu werden. 

XI. Ser N. accessorius. 

Der Beinerv, N. accessorius (Willisii ), kommt unterhalb des 
vorigen Nerven mit einem Teii seiner Wurzelfasern aus dem Vagus- 
kern, mit einem anderen Teile aus dem Seitenhorn bzw. Seiten- 
strang des Rtickenmarkes (zwischen den vorderen und hinteren 
Wurzeln der sechs obersten Zervikalnerven) zum Vorschein (vgl. Fig. 69). 
Der Nerv geht dann erst durch das For. magnum in die Schadel- 
hohle, hierauf jedoch mit dem IX. und X. Hirnnerven durch das For. 
jugulare wieder aus der letzteren heraus, worauf er sich in einen 
oberen oder inneren Ast, R. internus, und einen unteren oder 
auBeren Ast, R. externus, teilt. 

1. Der R. internus stammt vom Vaguskem (Accessorius vagi) und 
geht auch vbllig in die Bahn des N. vagus ttber, dem er mo- 
torische Fasern flir die quergestreiften Muskeln des Pharynx, 
zum Teii auch des Larynx, sowie fiir die glatten Muskelfasern des 
Oesophagus, des Magens, der Trachea, der Bronchien und 
wahrscheinlich auch fur diejenigen des Herzens zufulirt. 

2. Der R. externus kommt vom Riickenmark ( Accessorius spinalis) 
und zieht schrag nach unten und lateralwarts zum M. sterno- 
cleido-mastoideus, durchbohrt den letzteren und verlauft sodann 
von der Mitte seines hinteren Randes weiter abwarts zum M. tra¬ 
pezius. 

Der N. accessorius ist somit ais rein motorischer Nerv anzu- 
sehen. 



N. Die Riickenmarksnerven. 


327 


XII. Der N. hypoglossas. 

Der Zungenfleischnerv, N. hypoglossus, trittjederseitszwischen 
Pyramide und Olive hervor und durch den Can. hypoglossi zum 
Schadel hinaus. Hierauf verlauft er lateral vom Vagus und den 
beiden Karotiden bogenformig nacb vorn und unten. •Weiterhin 
zieht er (vom M. digastricus und stylo-hyoideus bcdeckt) zum M. hyo¬ 
glossus und dringt dann dicht oberhalb des Zungenbeines 
durch den letzteren in die Zungenwurzel hinein. 

Sohon hoch oben geht er mit dem I. und II. Zervikalnerven 
eine Anastomose ein, welche deswegen wichtig ist, weil die in der- 
selben enthaltenen Zervikalnervenfasern vollig in die Bahn des 
R. descendens n. hypoglossi (bzw. wohl auch des R. thyreo-hyoideus und 
genio-hyoideus) iibergehen. Weitere Aste des Hypoglossus sind: 

1. Der R. thyreo-hyoideus nach abwarts zum M. hyo-thyreoi- 
deus. 

2. Der R. descendens n. hypoglossi verlauft vor der Scheide der 
grofien HalsgefaBe (V. jugul. int. und Earotiden) nach abwarts 
und zieht zum M. sterno-thyreoideus, sterno-hyoideus und omo¬ 
hyoideus. Auf diesem Wege werden dem R descendens auch noch 
vom II. bis III. Zervikalnerven durch einen besonderen Nervenstrang, 
Ansa hypoglossi, zervikale Fasem zugeftihrt. 

3. Der R. genio-hyoideus zum N. genio-hyoideus. 

4. Die Rr. linguales zu samtlichen Zungenmuskeln mit Ein- 
schluB des M. stylo-glossus. 

Der N. hypoglossus ist also der motorische Nerv fur samt- 
liche Zungenmuskeln mit EinschluB des M. stylo-glossm. Die- 
jenigen Fasern, welche die mittleren Halsmuskeln versorgen, 
werden ihm von den drei obersten Zervikalnerven zugefiihrt. 

N. Die Riickenmarksnerven. 

Die vom Riickenmark entspringenden Nerven, Nn. spinales, ent- 
stehen durch Vereinigung der vorderen motorischen und der hin- 
teren sensiblen Wurzel, von denen in die letztere das Ganglion spi¬ 
nale eingelagert ist. Man unterscheidet 31 Paare, namlich: a) 8 Paar Hals- 
nerven, Nn. cervicales, von denen der oberste zwischen Occiput und 
Atlas hervortritt; b) 12 Paar Brust- oder Riickennerven, Nn. tho¬ 
racales', c) 5 Paar Lendennerven, Nn. lumbales ; d) 5 Paar Kreuz- 
beinnerven, Nn. sacrales und endlich e) 1 Paar SteiBbeinnerven, 
Nn. coccygei, welche aus dem Hiatus canalis sacralis herauskommen. 
Nachdem die Spinalnerven aus den Forr. intervertebralia heraus- 
getreten sind, teilt sich ein jeder in einen vorderen Ast, R. anterior 
und einen hinteren, R. posterior. 



328 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


Die hinteren Aste samtlicher Spinalnerven versorgen die Haut 
und tiefe Muskulatur des Nackens, Riickens, der Lenden-und 
Kreuzbeingeg>end. Auch die GesaBhaut erhalt von den hinteren 
Asten der drei oberen Lumbal- und drei oberen Sakralnerven Zweige. 
Besonders sind die hinteren Aste der beiden obersten Spinalnerven 
benannt. • Der des er st en, N. suboccipitalis , tritt zwischen der 
A. vertebralis und dem hinteren Bogen des Atlas zu den tiefen 
kurzen Nackenmuskeln. Der des II. Zervikalnerven, N. occipitalis 
major , biegt sicb um den M. obliquus cap. inf. nacb aufwarts, um sich 
nach Durchbohrung des M. semispinalis capitis bzw. mitunter auch 
des Trapezius an der Haut des Hinterhauptes zu verasteln. 

Die vorderen Aste der Spinalnerven sind erheblicb starker 
und bilden folgende. zum TeiL sehr starke Geflechte: 1. den Plexus 
cervicalis, welcher aus den vier obersten Zervikalnerven besteht; 
2. den Plexus brachialis, welcher von den vier untersten Zervikal¬ 
nerven und dem gfoBten Teii des I. Brustnerven gebildet wird, 
wahrend der Rest des letzteren ais N. intercostalis I in den ersten Inter- 
kostalraum iibergeht; 3. die 12 Nn. thoracales, welche kein Geflecbt 
bilden, sondern ais Nn. intercostales (der XII. am unteren Rande der 
XII. Rippe) nach vorn ziehen; 4. den Plexus lumbalis , welcher sich 
aus den drei obersten und dem groBten Teii des IV. Lumbal- 
nerven zusammensetzt; 5. den Plexus sacralis, welcher aus den 1 l j 2 
untersten Lumbalnerven und den 3 x / 2 obersten Sakralnerven 
gebildet ist und endlich 6. den Plexus coccygeus, welcher aus den 1 1 / ? 
letzten Sakralnerven und dem N. coccygeus besteht 1 . Samtliche 
Spinalnerven hangen durch die Rr. communicantes mit dem Grenz- 
strang des N. sympathicus zusammen. 

I. Plexus cervicalis. 

Der Plexus cervicalis ist zur Seite der vier oberen Halswirbel- 
querfortsatze gelegen und gibt folgende Aste ab, deren oberflach- 
licbe Zweige samtlich in der Mitte des Sterno-cleido-mastoideus 
(hinterer Rand) zum Vorschein kommen. 

1. Sowohl vom I. bis II. Zervikalnerven, ais auch vom II. bis 
HI. Zervikalnerven ( Ansa hypoglossi) geht je eine Anastomose zum 
N. hypoglossus hin (s. S. 327), deren Fasem in den R. hyo-thyreoideus, 
R. genio-hyoideus und R. descendens hypoglossi ubergehen, um den M. g e n i o - 
hyoideus und die unteren Zungenbeinmuskeln zu versorgen. 

2. Muskelaste zu den nahegelegenem Halsmuskeln [M. longus 
cap. et colli, Mm. scaleni und mitunter auch M. levator scapulae). 

1 Zwischen dem Plexus sacralis und coccygeus kanu man noch den Plexus 
pudendus besonders bezeichnen, welcher jedoch meist nur ais Anhang des 
Plexus sacralis auftritt. 



N. Die Ruckenmarksnerven. 


329 


3. Der N. occipitalis minor verlauft dicht hinter dem Sterno- 
cleido-mastoideus, parallel mit demselben, nach aufwarts zur Haut 
des Hinterhauptes. 

4. Der N. auricularis magnus zieht auf dem M. sterno-cleido- 
mastoideus, etwas dorsal von der V. jugularis ext., senkrecht zur 
Haut des Ohres nach aufwarts. . 

5. Der N. cutaneus colli geht uber den hintereu Rand des Sterno- 
cleido-mastoideus auf dem letzteren nach vorn unter das Pla¬ 
tysma, nachdem er sich vorher in einen oberen Zweig, R. cutaneus 
colli medius, und einen unteren, R. cutaneus colli inf., geteilt hat, 
welche beide durch das Platysma zur Haut des Halses treten. 

6. Die Nn. supraclaviculares gehen, bedeckt vom Platysma, 
zum Teii vor dem Sterno-cleido-mastoideus, zum Teii in der Fossa 
supraclavicularis major, endlich vor dem Schliisselbein nach abwarts, 
um die Haut der unteren Hals-, oberen Brust- und vorderen 
Schultergegend zu versorgen. 

• 7. Mitunter sendet der Plexus cervicalis Muskelaste zum 

M. sterno-cleido-mastoideus und M. trapezius, welche dann ganz oder 
teilweise den N. accessorius ersetzen konnen. 

8. Der N. phrenicus geht dicht vor dem M. scalenus ant., 
dann zwischen der A. und V. subclavia in die Brusthohle. Hier 
verlauft er jederseits vor der Lungenwurzel zwischen Pleura medi¬ 
astinalis und Pericardium zum Zwerchfell, welches er allein 
versorgt. Kleinere sensible Zweige, Nn. phrenico-abdominales, treten 
durch*die Leberligamente zur Leber, vielleicht auch noch zum Gang¬ 
lion coeliacum und den Nebennieren. 

n. Plexus brachialis. 

Der Plexus brachialis setzt sich aus den vorderen Asten der vier 
untersten Zervikalnerven und dem groBten Teii des I. Tho- 
rakalnerven zusammen. Derselbe kommt zwischen dem M. sca¬ 
lenus ant. und medius zum Teii hinter, zum Teii oberhalb der 
A. subclavia zum Yorschein. Aus dem Geflecht gehen drei Haupt- 
strange hervor, welche die A. axillaris umfassen. Von diesen drei 
Strangen sind zwei vorn (der eine medial, der andere lateral), der 
dritte hinten gelegen. 


a) Die kurzen Aste. 

Die kurzen Aste, Pars supraclavicularis, entspringen oberhalb 
des Schliisselbeines und sind: 

1. Muskelaste zu den Mm. scaleni und longus colli. 

2. Der N. thoracalis post, zieht meist durch den M. scalenus 
medius nach hinten zum M. levator scapulae und rhomboideus. 



330 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


3. Die Nn. thoracales antt. ziehen unterhalb des Schliisselbeines 
nach vorn zum M. subclavius, pectoralis major und minor. 

4. Der N. thoracalis longus (lateralis) verlauft in der Axillarlinie 
auf der AuBenflacbe des M. serratus ant. nach abwarts, indem 
er diesen Muskel versorgt. 

5. Der N. suprascapularis zieht nach hinten, wo er unter dem 
Lig. transversum durch die Inc. scapulae zum M. supra- und 
auch infraspinatus gelangt. 

6. Die Nn. subscapulares versorgen die Mm. subscapularis, 
latissimus und teres major. Von diesen Nerven verlauft der zum 
Latissimus ziehende (ais A. thoraco-dorsalis besonders bezeicbnet) am 
lateralen Rande des-Scbulterblattes nach unten. 

7. Der N. axillaris entspringt bereits vom hinteren Strang des 
Plexus und * verlauft mit der A . und V. circumflexa humeri post, zu- 
nachst zwischen dem langen Kopf des Triceps und dem Humerus, 
dann unter dem M.deltoideus von hinten her um das Collum chi¬ 
rurgicum humeri, indem er den M. deltoideus und teres minor 
versorgt. Bevor er hinten unter den Deltoideus tritt, gibt er den 
N. cutaneus brachii lateralis fur die Haut an der lateralen Seite 
des Oberarmes ab. 

b) Die langen Aste des Plexus brachialis. 

Die langen Aste, Pars infraclavicularis, entspringen unter¬ 
halb des Schliisselbeines von den drei Strangen, welche die 
A. axillaris umgeben. 

1. Der N. cutaneus brachii medialis kommt aus dem vorderen 
medialen Strange des Plexus, zieht an der medialen Seite der 
V. brachialis nach abwarts, durchbohrt etwa in der Mitte des Ober¬ 
armes die Faszie und versorgt die Haut an dem unteren Ab- 
schnitt der medialen Oberarmflache. Der Nerv wird mitunter 
ganz oder teilweise durch den N. intercosto-brachialis (den perforie- 
renden Zweig, des II. Interkostalnerven) ersetzt, welcher allerdings fur 
gewohnlich nur die Haut der Achselhohle und des oberen Ab- 
schnittes der medialen Oberarmflache innerviert 

2. Der N. cutaneus antibrachii medialis entspringt ebenfalls vom 
/orderen medialen Strange des Plexus und verlauft am Oberarm 
unter der Faszie an der medialen Seite der A. und V.brachi- 
alis. Er durchbohrt auch an der medialen Seite oberhalb der 
Ellenbeuge die Faszie und versorgt mit einem vorderen und 
einem hinteren Ast die Haut der Ulnarseite des Unter- 
armes. 

3. Der N. ulnaris entspringt ebenfalls aus dem vorderen medi¬ 
alen Strange des Plexus und verlauft zunachst hinter dem vorigen 
Nerven, dann hinter dem Septum intermusculare mediale und hinter 



N. Die Riiekenmarksiierven. 


331 


dem Epicondylus medialis humeri (Stelle des sogen. Musikanten- 
knochens), ohne am Oberarm Zweige abzugeben. Hierauf bohrt sich 
der Nerv in den Ursprung des M. flexor carpi ulnaris hinein und 
ziebt, bedeckt von diesem Muskel, neben der A. und V. ulnaris 
zur Hohlhand, in die er an der Radialseite des leicht fiihl- 
baren Erbsenbeines eintritt. Hier teilt er sich dann in einen 
oberflachlichen nnd tiefen Endast. Am Unterarm gibt der 
Ulnaris folgende Zweige ab: 

a) Rr. musculares fiir den M. flexor carpi ulnaris und den 
ulnaren Teii des M. flexor dig. profundus; 

• b) den R. cutaneus palmaris in der Nahe des Handgelenkes zur 
Haut des Kleinfingerballens; 

c) der R. dorsalis manus tritt unter der Sebne des M. flexor 
carpi ulnaris zum Handriicken, wo er mittels der Nn. digitales dor¬ 
sales sensible Zweige fur die Rander der 2 1 / i letzten Finger 
abgibt; 

d) der oberflacbliche Endast, R. volaris superficialis, zieht mit 
dem gleicbnamigen Ast der A. und V. ulnaris, bedeckt von der 
Aponeurosis palmaris, in die Hohlhand, um dort die Rander 
der 1‘/a letzten Finger zu versorgen. Doch schickt er in der 
Hohlhand noch eine Anastomose zum N. medianus (b. w. u.) und 
einen kleinen Zweig zum M. palmaris brevis hin;' 

e) der tiefe Endast, R. volaris profundus, dringt mit dem gleich- 
namigen Ast der A. und V. ulnaris zwischen dem M. abductor und 
flexor brevis digiti V in die Tiefe, wo er neben dem arteriellen 
tiefen Hohlhandbogen verlauft. Dieser Ast versorgt die Mnskeln 
des Kleinfingerballens, s&mtliche Mm. interossei, den M. ad¬ 
ductor pollicis und den III. bis IV. Lumbricalis. 

4. Der N. musculo-cutaneus entspringt aus dem vorderen late- 
ralen Strange des Plexus, durchbohrt gewohnlich den M. coraco¬ 
brachialis (N. perforans casseri) und zieht alsdann zwischen dem 

M. biceps und brachialis zur lateralen Seite des Oberarmes. 
Nachdem er an dem letzteren samtliche Beuger versorgt hat, 
durchbohrt er lateral von der Hizepssehne die Faszie, um ais 

N. cutaneus antibrachii lateralis die Haut der Radialseite des 
Unterarmes zu versehen. 

5. Der N. medianus entspringt gabelformig aus den beiden 
vorderen Strangen des Plexus und zieht dann neben der A.brachi¬ 
alis zur Ellenbeuge. Der Nerv ist obe’n an der lateralen Seite, 
in der Mitte vor, unten medial von der Arterie gelegen und 
namentlich in der Mitte deutlich durch die Haut zu fiihlen. Unter 
dem Lacertus fibrosus tritt er zum Unterarm, wo er, von den ober¬ 
flachlichen Flexoren bedeckt, zwischen M. flexor digitorum sub¬ 
limis und profundus, dann unter dem Lig. carpi transversum 



332 


III. Teii. GrefsB- und Nervenlehre. 


zur Hand weiter zieht. In der Hohlhand teilt er sich dann in einen 
medialen und einen lateralen Endast. Am Oberarm ^ibt der 
N. medianus keine Zweige ai), dagegen am Unterarm die fol- 
genden: 

a) Rr. musculares fur samtliche Flexoren des Unterarmes, 
mit Ausnahme des M. flexor carpi ulnaris und des Ulnarteiles des 
M. flexor digitorum prof. (s. daruber S. 331 sub a); 

b) der N. interosseus volaris zieht mit der A. und V. interossea 
volaris dicht vor der Membrana interossea zum M. pronator 
quadratus; 

c) der R. cutaneus palmaris durchbohrt am Handgelenk die Unter- 
armfaszie und versorgt einen kleinen Hautbezirk des Daumen- 
ballens und der Hohlhand; 

d) die beiden Endaste versorgen in der Hohlhand samtliche 
Daumenmuskeln (mit Ausnahme des M. adductor pollicis) und den 
I.—III. M. lumbricalis. Alie iibrigen Muskeln der Hand werden 
(s. S. 331 sub Bd u. e) vom N. ulnaris innerviert. AuBerdem geben beide 
Endaste sensible Zweige fiir die Rhnder der ersten 3 1 / 2 Finger ab. 
Doch ist zu beachten, daB die einander zugekehrten Rander des 
III. und IY. Fingers auch durch die (sub 3d) erwahnte, neben dem 
oberflachlichen Hohlhandbogen gelegene Anastomose mit dem 
Ulnaris von dem letzteren Fasera zugefiihrt erhalten konnen. 

6. Der N. radialis entspringt aus dem hinteren Strange des 
Plexus und zieht dann.mit der A. und V.profunda brachii , bedeckt 
vom Triceps, im Sulcus n. radialis des Oberarmbeines (also hinter 
dem letzteren) nach unten und lateralwarts. Hierauf verlauft der 
Nerv zwischen dem M. b'rachialis und brachio-radialis wieder 
nach vom, um sich etwa in Hohe dds Ellbogengelenks in einen 
oberflachlichen und tiefen Ast zu teilen. Seine Zweige sind: 

a) Rr. musculares fur den M. triceps und anconaeus. 

b) Der N. cutaneus brachii post, entspringt, bevor der N. radialis 
unter dem Triceps verschwindet, und versorgt die Haut an der 
Riickseite des Oberarmes. 

c) Der A 7 , cutaneus antibrachii dorsalis entspringt nach dem 
Hervortritt des N. radialis unter dem Triceps und verbreitet sich 
in der Haut an der Riickseite des Unterarmes. 

d) Der tiefe Endast, R. profundus , bohrt sich durch den 
M. supinator zur Riickseite des Unterarmes, wo er ais N. inter¬ 
osseus dorsalis mit der A. und Y. interossea dorsalis zwischen den 
tiefen Extensoren langs der Membr. interossea nach abwarts zieht, 
indem *er samtliche Extensoren des Unterarmes versorgt. ■ 

e) Der oberflachliche Endast, R. superficialis , verlauft zu- 
nachst unter dem M. brachio-radialis nach abwarts, dann unter 
der Sehne des letzteren zur Riickseite der Hand und teilt sich 



N. Die Riickenmarksnerven. 


333 


dort in die Nn. digitales dorsales fur die Rander der 2*/ 2 ersten 
Finger. 

Der N.tadialis versorgt also an der Dorsalseite des Armes 
nicht allein die ganzen Streckmuskeln, sondem auch fast die 
ganze Haut. 

tlbersicht iiber die Hautaste des Plexus brachialis. 

1. Am Oberarm wird die mediale Seite oben vom N. inter- 
costo-brachialis (vom II. Interkostalnerven), unten vom N. cutaneus brachii 
medialis, die laterale Seite vom N. cutan. brachii lat. (aus dem 
N. axillaris), die hintere Seite vom N. cutan. brachii post, (aus dem 
N. radialis) versorgt. 

2. Am Unterarm wird die ulnare Seite vom N. cutan. anti- 
brachii medialis, die radiale Seite vom N. cutaneus antibrachii lat. 
(aus dem N. musculo-cutaneus), die Dorsalseite vom N. cutan. anti¬ 
brachii dorsalis (aus dem N. radialis) versorgt. v 

3. An der Hand wird die Volarflache entsprechend den 
ersten 3'/ 2 Fingern vom N. medianus, entsprechend den 1 1 / 2 letzten 
Fingem vom N. ulnaris versorgt. Die Dorsalflache erhalt, ent¬ 
sprechend den ersten 2 x / 2 Fingern, ihre Zweige vom N. radialis, ent¬ 
sprechend den letzten 2 1 / i Fingern Zweige vom N. ulnaris. Dabei 
ist zu beachten, daB — mit Ausnahme des Daymens — die dorsalen 
Fingernerven nur die Haut der I. Phalanx innervieren, wahrend die 
II. und III. Phalanx am Fingerrticken noch von den erheblich starkeren 
volaren Nerven versorgt wird. 

Ilbersicht iiber die Muskelzweige des Plexus brachialis. 

Es werden versorgt: 

Die Mm. pectoralis major, minor und subclavius von den 
Nn. thoracales antt. 

Der M. levator scapulae und die Mm. rhomboidei vom 
N. thoracalis post. 

Der M. serratus ant. vom N. thoracalis longus. 

Die Mm. supra- und infraspinatus vom N. suprascapularis. 

Die Mm. latissimus, teres major und subscapularis von 
den Nn. subscapulares. 

Die Mm. deltoideus und teres minor vom N. axillaris. 

Am Oberarm samtliche Beugemuskeln vom N. musculo¬ 
cutaneus, samtliche Streckmuskeln vom N. radialis. 

Am Unterarm samtliche Streckmuskeln ebenso vom 
N. radialis, samtliche Beugemuskeln vom N. medianus, mit Aus¬ 
nahme des M*. flexor carpi ulnaris und eines Teiles des 
M. flexor digg. profundus, welche der N. ulnaris versorgt. 



384 


III. Teii. GefaB- und Neryenlehre. 


An der Hand die Muskeln des Daumenballens (mit Aus- 
nahme des Adductor pollicis) und der I.—III. Lumbricalis vom 
N. medianus alie iibrigen Handmuskeln vom N. ulnaris. 

m. Nn. thoracales. 

tjber die hinteren Aste der 12 Brust- oder Riickennerven,. 
Nn. thoracales, ist bereits S. 828 gesagt, daB dieselben wie alie iibrigen 
Spinalnerven zur Haut oder Muskulatur des • Riickens ziehen. 

Die vorderen Aste, Nn. intercostales, laufen in den Zwischen- 
rippenraumen zwischen den Mm. intercostales intt. und extt. nach 
vorwarts, der XII. jedoch am unteren Itande der XTT. Rippe. Jeder 
Interkostalnerv wird von der A. und V. intercostalis begleitet und gibt 
folgende Zweige ab: 

1. Muskelzweige fur die Mm. intercostales, triangularis 
sterni und subcostales,- ferner die Mm. levatores costarum, 
endlich die Mm. s‘erratus post. sup. und inf. Die vorderen Enden 
der 6 unteren Interkostalnerven versorgen aucb, uber die Rippen nach 
vom tretend, den oberen Abschnitt der Baucbmuskulatur. 

2. Hautzweige zur Haut der Brust und des Baucbes, 
welche in zwei Linien die Muskeln durchbrechen, namlich: a) ais 
Rr. cutanei laterales etwa in der vorderen Axillarlinie und b) ais Rr. 
cutanei antt. etwa in der Parasternallinie. Die ersteren verbreiten 
sich mit je einem vorderen und einem 'hinteren Zweig in der 
Gegend zwischen der Mamillar- und Skapularlinie, die letzteren 
zwischen der Mamillar- und Medianlinie. Der R. cutaneus lat. des 
II. Interkostalnerven zieht ais. N. intercosto-brachialis zur medialen 
Flache des Oberarmes (s. S. 330). 

IV/ Flexus lumbalis. 

Der Plexus lumbalis entsteht aus den vorderen Asten der S l / 2 
oberen Lumbalnerven und ist zwischen der vorderen und hinteren 
Schicht (also innerhalb) des M. psoas major gelegen. Die Aste des 
Plexus sind: 

1. Der N. ilio-hypogastricus verlauft zwischen der Niere und 
dem M. quadratus lumborum, parallel der XII. Rippe nach vom, 
gibt Zweige an die benachbarten Bauchmuskeln und teilt sich 
liber der Mitte der Crista iliaca in den R. cutaneus lateralis fur die 
Haut iiber der Hiifte und den R. cutaneus ant. fur die Bauchhaut 
oberhalb des Lig. Pouparti. 

2. Der N. ilio-inguinalis verl&uft parallel dem vorigen (jedoch 
etwas tiefer) ebenfalls zwischen der Niere und dem Quadratus lum¬ 
borum. Beide Nerven sind vielfach zu einem einzigen Stamme ver- 
einigt. Der N. ilio-inguinalis ^ibt auch den Bauchmuskeln Zweige. 



N. Die Riickenmarksnerveii. 


385 


Hauptsachlich ist er jedoch daran zu erkennen, da8 sein Ende durch 
den Leistenkanal verlauft, um einen kleinen Hautbezirk am 
Mons pubis zu versorgen. 

3. Der N. genito-femoralis durcbbohrt den Psoas major und zieht 
dann auf der Vorderflache desselben nach abwarts, ist jedoch 
meist schon innerhalb dieses Muskels in zwei Zweige, den N. sper¬ 
maticus ext. und N. lumbo-inguinalis geteilt: 

a) der N. spermaticus ext. zieht vor der A. und V. iliaca ext. in 
den Leistenkanal und versorgt nach seinem Durchtritt hauptsach¬ 
lich die Hiillen des Hodens (auch Tunica dartos und M. cremaster). 

b) der N. lumbo-inguinalis geht lateral von dem vorigen unter- 
halb des Pouparfschen Bandes nach abwarts, wo er einen meist 
nur kleinen Hautbezirk neben oder unterhalb der Fovea ovalis 
versorgt. 

4. Der N. cutaneus femoris lateralis zieht schrag vor dem 
M. iliacus bis zur Spina iliaca ant. sup., neben der er unter dem 
PouparfschenBande hindurchtritt, umdieHaut an der lateralen 
Seite des Oberschenkels bis zum Knie zu versorgen. 

5. Der starke N. femoralis liegt zunachst zwischen dem M. psoas 
und iliacus und zieht dann durch die Lacuna musculorum (s. S. 92) 
unterhalb des Lig. Pouparti zum Oberschenkel, wo er sich lateral 
von der A. femoralis in Zweige auflost. Der Nerv gibt ab: 

a) Rr. musculares zum M. psoas und iliacus. 

b) Rr. musculares zu samtlichen Streckmuskeln des Ober¬ 
schenkels (mit Ausnahme des M. tensor fasciae latae). 

c) die Rr. cutanei antt. zur Haut der medialen und vorderen 
Seite des Oberschenkels. Von denselben tritt gewohnlich ein 
medialer Ast (auch ais N. cutaneus medialis bezeichnet) unter der Fossa 
ovalis durch die Faszie und zieht neben der V. saphena magna 
nach abwarts, die anderen durchbrechen die Faszie mehr vorn in 
verschiedener Hohe. 

d) der N. saphenus verlauft zunachst lateral, weiter abwarts 
vor, endlich medial von der A. femoralis bis zum Adduktoren- 
schlitz: von hier an zieht er allein unter dem M. sartorius weiter, 
durchbohrt dessen Sehne und gelangt dann an der medialen Seite 
des Unterschenkels zur V. saphena magna , hinter welcher er ent- 
weder nur bis zum FuBgelenk oder auch bis zur groBen Zehe ver¬ 
lauft. Der N. saphenus versorgt die Haut an der medialen Seite 
des Unterschenkels, mitunter auch noch den GroBzehenrand 
des FuBes. 

6. Der N. obturatorius zieht etwas unterhalb der Linea ter¬ 
minalis an der Innenflache des kleinen Beckens nach vorn bis zur 
oberen Ecke des For. obturatum, durch welches er in Begleitung 
der A. und V. obturatoria hindurchtritt, um samtliche Adduktoren 



336 


III. Teii. GefaB- Und Nervenlehre. 


nebst dem M. obturator ext. zu versorgen. Ein Hautast des- 
selben, R. cutaneus n. obturatorii, zieht weiter abwarts, durchbricht die 
Faszie etwa in der Mitte des Oberscbenkels und versorgt dann die 
untere Halfte der medialen Flache des letzteren. Die obere 
Halfte wird (s. S. 335 sub 5c) von einem der Rr. cutanei antt. des 
N. femoralis innerviert. 

V. Plexus sacralis. 

Der auBerordentlich starke Plexus sacralis s. ischiadicus setzt sich 
aus einem Teii des IV., dem ganzen V. Lumbalnerven (dem sogen. 
Truncus lumbo-sacralis) und den 3 l j 2 oberen Sakralnerven zusammen 
und ist an der Vorderflache des M. piriformis gelegen. Direkt 
vom Plexus gehen auBer feinen Zweigen fur die Beckeneingeweide 
noch Muskelzweige zum M. piriformis, obturator int., den Mm. gemelli 
und dem M. levator ani hin. Doch konnen dieselben auch von einem 
der nachfolgend zu nennenden Aste stammen. 

1. Der N. glutaeus sup. tritt mit der A. und V. glutaea sup. durch 
das For. suprapiriforme (s. S. 83) aus dem kleinen Becken und 
verlauft dann zwischen dem M. glutaeus medius und minimus 
bis zum M. tensor fasciae latae, indem er diesen drei Muskeln 
Zweige gibt. 

2. Der N. glutaeus inf. tritt in Begleitung der A. und V. glutaea 
inf. durch das For. infrapiriforme (s. S. 83) aus dem kleinen Becken, 
um dann ausschlieBlich den M. glutaeus maximus zu versorgen. 

3. Der N. pudendus' tritt, wie der vorige Nerv, mit den gleich- 
namigen BlutgefaBen durch das For. infrapiriforme zum kleinen 
Becken hinaus, zieht aber sogleich wieder hinter der Spina 
ischiadica durch das For. ischiadicum minus in dasselbe, richtiger 
gesagt in die Fossa ischio-rectalis hinein, an deren lateraler 
Wand (zwischen der Fascia obturatoria und dem M. obturator int.) er 
bis zum unteren Rande des M. transv. perinei profundus verlauft. 
Hierauf dringt der Nerv zwischen den Fasem dieses Muskels langs 
des Randes des unteren Sitz- und Schambeinastes bis unter 
die Symphysis pubis, um dann durch das Lig. suspensorium 
penis zu treten und ais N. dorsalis penis auf dem Riicken des Penis 
nach vom zu verlaufen. AuBer Zweigen fur das Rectum (Nn. haemor- 
rhoidales medii), die Vagina (Nn. vaginales) und die Blase (Nn. vesicales 
inff.) gibt er ab: 

a) die Nn. haemorrhoidales inferiores ziehen mit der A und V. 
haemorrhoidalis inf. schrag durch das Fett der Fossa ischio¬ 
rectalis zum M. sphincter ani ext. und der Haut des Anus. 

1 Der N. pudendus entspringt vielfach von einem kleinen Geflecht, Plexus 
pudendus , welehes einen Anhang des Plexus sacralis bildet und auch in den 
B. N. A. noch besonders bezeichnet wird. 



N. Die ituckenmarksnerven. 


337 


b) der N. perinei, zieht mit den gleichnamigen BlutgefaBen (zwischen 
dem M. bulbo-cavernosus und ischio-cavernosus) dicht unter der 
Haut nach vorn, um beim Manne in der Haut des Scrotum mit- 
tels der Nn. scrotales postt., beim Weibe in der Haut der groBen 
Schamlippen mittels der Nn. labiales postt. zu enden. Auf diesem 
Wege versorgt er die Haut des Dammes und samtliche Damm- 
muskeln (mit Ausnahme des M. levator ani). 

c) der N. dorsalis penis (clitoridis ) zieht in der Riickenfurche 
des Penis (bzw. der Klitoris) nach vorn, indem er die Haut des 
Penis nebst derEichel (bzw. die Schleimhaut der Klitoris) versorgt. 

4. Der N. cutaneus femoris post, tritt ebenfalls durch das For. 
infrapiriforme heraus,- ist zunachst vom M. glutaeus maximus 
bedeckt und lauft dann unter der Fascia lata hinter dem 
N. ischiadicus in der Mitte der hinteren Oberschenkelflache nach 
abwarts. Sein Ende durchbricht die Faszie meist etwas oberhalb 
der Kniekehle und reicht hierauf gewohnlich noch bis zur Wade 
(manchmal jedoch nicht so weit) nach abwarts. Seine Zweige durch- 
brechen am Oberschenkel liberali die Fascia lata und versorgen die 
Haut des GesaBes [Nn. clunium inff), des Dammes (Rr. perineales) 
und der hinteren Flache des Oberschenkels bzw. mitunter auch 
des Unterschenkels (Nn. cutanei femoris bzw. cruris postt). 

5. Der N. ischiadicus tritt, wie der vorige, durch das For. 
infrapiriforme aus dem Becken und ist zunachst vom M. glutaeus 
maximus, weiter abwarts vom M. biceps femoris bedeckt. Der Nerv 
ist oben etwa in der Mitte zwischen Tuber ischiadicum und 
Trochanter major gelegen. Am Oberschenkel teilt er sich (bald 
mehr oben, bald mehr uuten in der Kniekehle) in den N. tibialis und 
N. peronaeus. 

a) Der N. tibialis zieht ais eigentliche Fortsetzung des N. ischi¬ 
adicus durch die Mitte der Kniekehle nach abwarts (s. S. 258), 
tritt dann zwischen beide Gastroknemiuskopfe, hierauf unter den 
M. soleus und lauft schlieBlich (etwa in der Mitte zwischen dem medialen 
Knochel und dem Fersenhocker) zurFuBsohle, wo er sich in seine 
beiden Endaste, den N. plantaris medialis und lateralis , teilt. Auf 
diesem Wege gibt er ab: 

a) in der GesaBgegend mitunter Zweige fur den M. obturator 
int., die Mm. gemelli oder den M. quadratus femoris. 

/?) am OberschenkelZweige fur samtlicheBeugemuskeln(mit 
Ausnahme des kurzen Bizepskopfes, der vom N.peronaeus versorgt wird). 

y) in der Kniekehle den Nn. suralis 1 , welcher auf oder in der 
Sehne zwischen beiden Gastroknemiuskopfen abwarts zieht, 

1 Der N. suralis wird im Gegensatz zum lateralen Hautast des N. pero¬ 
naeus auch ais N. cutaneus surae medialis bezeichnet, obschon er nicht an der 
medialen Seite, sondern in der Mitte der Wade liegt. 

Broesike, Repetitorium anatomicam. 22 



338 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


in der Mitte der Wade die Faszie durchbricht und sich mit dem 
R. anastomoticus n. 'peronati vereinigt, um dann die Haut am lateralen 
Teii der Ferse und lateralen FuBrand zu versorgen. 

5 ) in der Kniekehle und am Unterschenkel Zweige zu samt- 
lichen Beugemuskeln, sowie die Rr. calcanei mediales zur Fersen- 
haut. Ein langer, sensibler N. interosseus cruris gebt vor dem 

M. popliteus zwischen den Fasern der Membrana interossea 
nacb abwarts. 

«) am FuBe ziebt der N. plantaris medialis mit den.gleichnamigen 
BlutgefaBen zwiscben dem M. abductor hallucis und flexor 
digg. brevis nach vorn und endigt mit sensiblen Zweigen ( Nn. 
digitales plantares communes und propriae) fur die Rander der ersten 
3 J / g Zeben und den entsprechenden Teii d^r FuBsohlenhaut. 
AuBerdem versorgt der -N. plantaris medialis noch die Muskeln des 
GroBzehenballens (mit Ausnahme des Adduktors), den M. flexor 
digg. brevis und die beiden ersten Mm. lumbricales. Der 

N. plantaris lateralis gebt oberhalb des M. flexor digg. brevis 
nach lateralwarts und versorgt alie ubrigen Muskeln der FuB- 
sohle, sowie in ahnlicher Weise wie der vorige mittels der sensiblen 
Nn. digitales plantares communes und propriae die Rander der l l / 2 
letzten Zeben und den entsprechenden Hautabschnitt der 
FuBsoble. 

b) Der N. peronaeus communis liegt lateral vom N. tibialis und 
ziebt zunfichst langs des M. biceps femoris, dann (bedeckt von 
der Faszie) unterhalb des Capitulum fibulae, unter Durcbbobrung des 

M. peronaeus longus, zur Vorderseite des Unterschenkels, wo 
er sich unter dem eben genannten Muskel in zwei groBere Aste, den 

N. peronaeus profundus und N. peronaeus superficialis teilt. Seine 
Zweige sind: 

a) ein Zweig zum kurzen Kopfe des M. biceps femoris. 

fl) der N. cutaneus surae lateralis durchbohrt die Faszie am oberen 
Ende des Unterschenkels und versorgt die Haut an der lateralen 
Seite desselben. 

7 ) der R. anastomoticus peronaeus vereinigt sich in der Mitte der 
Wade mit dem N. suralis (s. oben). 

S) wenn der N. cutaneus femoris post, nicht soweit nach abwarts 
reicht, versorgt mitunter ein N. cutaneus cruris post, die Haut an 
der Riickseite der Wade. 

s) der N. peronaeus profundus verlauft an der Vorderflache 
der Membr. interossea mit der A. und V. tibialis ant. nacb abwarts, 
dann unter dem Lig. cruciatum und weiterbin dicht auf den Bandern 
der FuBwurzel zum I. Intermetatarsalraum, wo er sich in 
zwei Nn. digitales dorsales fur die. einander zugewandten Rander 



N. Die Ruckeninarksnerven. 


389 


der I. und II. Zehe spaltet. Auf diesem Wege versorgt er: 

1 . samtliche Extensoren des Unterschenkels; 2. die Muskeln 
des FuBriickens. 

£) der N. peronaem superficialis gibt zunachst Zweige fur die 
Mm. peronaei ab, zieht dann unter dem M. peronaeus longus 
nach vorn Und durchbricht die Faszie (etwa eine Handbreit oberhalb 
der Malleolen) gewohnlich scbon in zwei Zweige geteilt, namlich den 
N. cutaneus pedis dorsalis medialis und lateralis, von denen der erstere 
den medialen Rand des FuBes und der groBen Zehe, beide 
zusammen auBerdem noch mittels der Nn. digitales dorsales die ein- 
ander zugekehrten Rander der II.—V. Zehe versorgen, w&hrend 
die einander zugekehrten Rander der I.—II. Zehe, wie auf vor. Seite 
erwahnt, vom N. peronaeus profundus innerviert werden. 


VI. Flexus coccygeus. 

Der Plexus coccygeus entsteht aus den 1*/ 2 letzten Sakralnerven 
und dem N. coccygeus, umspinnt die SteiBbeinspitze und yersorgt 
(Nn. ano-coccygei) die Haut dieser Gegend. Auch der hintere Teii 
des M. levator ani bzw. der M. coccygeus konnen von demselben 
Zweige erhalten. 

Tjbersicht iiber die Versorgung der Haut am Becken und der 

unteren Extremitat. 

1 . Die Haut des GesaBes wird oben latera! durch die 
hinteren Aste der drei oberen Nn. lumbales, oben medial durch 
die hinteren Aste der drei oberen Nn. sacrales, lateral durch den 
N. iliohypogastricus, unten durch den N. cutaneus femoris post. 
versorgt. 

2 . Die Haut der auBeren Geschlechtsteile wird am Mons 
pubis vom N. ilio-inguinalis, am Hoden bzw. den groBen Scham- 
lippen vorn durch den N. spermaticus externus, hinten vom N. puden¬ 
dus (N. perinei s. S. 337), am Damm durch die Rr. perineales des 
N. cutaneus femoris post, versorgt. 

3. Die Haut am Oberschenkel wird unterhalb des Lig. Pou- 
parti vom N. lumbo-inguinalis, mitunter auch noch vom N. ilio-ingui¬ 
nalis oder N. spermaticus ext. versorgt. Im iibrigen wird die ganze 
laterale Seite vom N. cutaneus femoris lateralis, die vordere Seite 
von den Nn. cutanei antt. des N. femoralis, die mediale Seite ob.en 
ebenso von einem Zweige der letzteren, unten vom N. obtwratorius 
versehen. 

4. Die Haut am Unterschenkel wird hinten oben noch vom 
N. cutaneus femoris post, oder, wenn der letztere nicht soweit hinab- 

22 * 



340 


III. Teii. GefiiB- und Nervenlehre. 


reicht, vom N. cutaneus cruris post, aus dem N. peronaeus ver- 
sorgt. Die laterale Seite ubernimmt der N. cutaneus surae lateralis 
aus dem N. peronaeus, die mediale Seite der N. saphenus aus dem 
N. femoralis. 

5. Die Haut am FuB wird fiir den ganzen medialen Rand 
durch den N. saphenus oder, da der letztere meist nicht soweit ab- 
warts reicht, durch den N. peronaeus superficiales versorgt. Derganze 
laterale Rand wird vom N. suralis aus dem N. tibialis innerviert. 
Am FuBriicken werden die einander zugekehrten Rander der 

I. — 31. Zehe vom N. peronaeus profundus, die iibrigen Rander 
der I.—V. Zehe vom N. peronaeus superficialis versorgt. Die Inner- 
vation der FuBsohle iibernimmt der N. tibialis, und zwar mittels 
des N. plantaris medialis die Rander der 3 1 / 2 ersten, mittels des 
N. plantaris lateralis diejenigen der 1 l / 2 letztenZehen. Die Nn. 
digitales dorsales erstrecken sich gewohnlich nur bis zur II. Phalanx; 
das Nagelglied wird ganzlich von den Nn. digitales plantares versorgt. 


tlbersicht liber die Versorgung der Muskeln an der unteren 

Extremitat. 

1 . Von den Huftmuskeln werden der M. iliacus und psoas 
major entweder direkt vom Plexus lumbalis oder vom N. femo¬ 
ralis, der M. glutaeus maximus wird vom N. glutaeus infi, der 

M. glutaeus medius und minimus sowie der M. tensor fasciae 
latae werden vom N. glutaeus * sup. innerviert. Der M. obturator 
int. nebst den Gemelli und der Piriformis bekommen gewohnlich 
direkte Zweige vom Plexus sacralis. Der M. quadratus femoris erhalt 
einen Zweig vom N.ischiadicus, der M. obturator ext. vom N. obtu- 
ratwdus. 

2. Am Oberschenkel werden samtliche Extensoren (mit 
Ausnahme des M. tensor fasciae latae s. oben) vom N. femoralis ver¬ 
sorgt. Die Adduktoren werden samtlich vom N. obturatorius inner¬ 
viert, der Adductor magnus meistens auch nocli durch einen 
Zweig des N. ischiadicus. Die Flexoren bekommen ibre Zweige vom 

N. tibialis ; nur der kurze Kopf des Bizeps wird vom N. peronaeus 
versorgt. 

3. Am Unterschenkel werden die Flexoren ebenso wie die 
des Oberschenkels vom N. tibialis, die Extensoren dagegen und die 
Peronaei vom N. peronaeus mit Zweigen versehen. 

4. Am FuB werden die Muskeln des FuBriickens vom N. pero¬ 
naeus profundus, diejenigen der FuBsohle vom N. tibialis versorgt. 
Letzterer innerviert also (mit Ausnahme des kurzen Bizepskopfes) 
shmtliche Muskeln an der hinteren Seite des Ober- und Unter- 
schenkels und an der FuBsohle. 



0. Der N. sympathicus. 


341 


0. Der N. sympathicus. 

Der N. sympathicus, ein geflechtartig durch den ganzen Korper 
verzweigtes Nervensystem, kann neben dem Gehirn und Riickenmark 
ais daB dritte nervose Zentralorgan aufgefaBt werden, da sich 
zwischen seinen Nervenfasern zahlreiche Ganglienzellen befinden, 
welohe vielfach zu groBeren Knoten, den sympathischen Ganglien, 
vereinigt sind. Der N. sympathicus versorgt die glatte Muskulatur 
des Korpers, hat also mit den unwillkiirlichen Bewegungen des 
letzteren zu tun. 

Die sympathischen Ganglienzellen sind kuglig und von einer 
bindegewebigen Scheide umgeben. Die sympathischen Nerven¬ 
fasern haben kein Nervenmark, sehen also grau und durchscheinend 
aus. Doch sind denselben vielfach auch weiBe markhaltige Nerven- 
Qsern beigemischt, welche von den Hirn- und Riickenmarksnerven 
herstammen. Das System des Sympathicus besteht - aus drei Haupt- 
abteilungen, namlich: 1. dem Grenzstrang, Truncus sympathicus; 
2 . den Rr. communicantes des letzteren mit den Cerebro-Spinal- 
nerven; 3. den peripheren sympathischen Geflechten, Plexus 
sympathici, welche samtliche BlutgefaBe des Korpers bis in ihre 
feinsten Verzweigungen begleiten. 

I. Der Grenzstrang. 

Der Grenzstrang oder Stamm, Truncus sympathicus, bildet 
einen langen Strang, welcher an der Halswirbelsaule vor den 
Querfortsatzen, an den Brustwirbeln vor den Rippenkopfchen- 
gelenken, an den Lendenwirbeln langs der Seitenflache der Wirbel- 
korper (am medialen Rande des Psoas major), am Kreuz- und SteiB- 
bein medial von den Forr. sacralia antt. (also vom) gelegen ist. Am 
unteren Ende sind beide Strange durch eine Schlinge verbunden. 
Wahrend dieses Verlaufes ist der Grenzstrang durch eine Anzahl 
Knotchen, Ganglia trunci sympathici, unterbrochen, welche im allge- 
meinen der Zahl der Wirbel entsprechen. Jedoch konnen auch hier 
und da benachbarte Ganglien miteinander verschmelzen. Am Halse 
ist dies die Regel, indem dort nur drei Ganglien vorhanden sind, von 
denen das mittlere meistens auch noch fehlt. Von diesen liegt das 
starkste oberste, das Ganglion cervicale supremum, vor den Querfort¬ 
satzen der oberen Halswirbel, das unterste, das Ganglion cervicale in. 
ferius, meist schon vor dem I. Rippenkopfchengelenk, wo es mit dem 
I. Brustganglion verschmolzen ist. Der Faserverlauf innerhalb 
des Grenzstranges kann sich ebensowohl in aufsteigender wie ab- 
steigender Richtung erstrecken. So sollen z. B. die Fasern fur den 



342 


III. Teii. GefaB- und Nervenlehre. 


M. dilatator pupillae vom unteren Zervikalteil des Riickenmarkes 
durch den Grenzstrang zum Plexus caroticus und dann zum Augapfel 
gelangen. 


n. Die Er. communicantes. 

Yerbindungszweige zwischen dem Grenzstrang und den nabe- 
gelegenen Him- und Ruckenmarksnerven sind liberali, am deutlichsten 
vielleicht am Brust- und Baucbteil des Grenzstranges, vorhanden. 
Wabrscheinlich dienen dieselben hauptsacblich dazu, um Fasern vom 
Gehirn und Riickenmark in den Sympathicus hiniiberzuleiten. Viele 
Tatsachen, so z. B. das Erblassen beim Schreck u. a. m. beweisen 
jedenfalls, da8 auch der Sympathicus von den ebengenannten Organen 
aus beeinfluBt werden kann. Andere Fasern scheinen vom Grenz¬ 
strang in die Bahn der Zerebrospinalnerven iiberzugehen. 


M. Die peripheren Sympathicusgeflechte. 

Von dem Grenzstrang gehen auch zu den nahegelegenen 
BlutgefaBen Zweige, welche die letzteren geflechtartig umspinnen 
und auch deren Zweige bis zu den verschiedenen Korperorganen 
begleiten. 

a) Am Halsteil. 

Das Ganglion cervicale superius gibt auBer verschiedenen 
Verbindungszweigen mit den Hirnnerven die Geflechte fur die Carotis 
int. und ext., den Plexus caroticus ext. und int. ab, welche weiterhin 
auch deren Aste begleiten. Vom Plexus carot. int. entstehen ais 
besondere Zweige: 1. der N. petrosus jn-ofundus major, welcher mit 
dem N. pelr. superfic. major zum N. Vidianus vereinigt, durch den Can. 
Vidianus (vgl. Fig. 4 S. 16) zum Ganglion spheno-palatinum und 
dann in der Bahn der Nn. nasales supp. postt. wahrscheinlich zu den 
Drusen der Nasenhohle zieht; 2. die Nn. carotico-iympanici 1 , Verbindungs- 
zweige zum N. tympanicus, uber deren Bedeutung nichts bekannt ist, und 
3. die Radix media s. sympathica zum Ganglion ciliare, welche die 
Fasern fiir den M. dilatator pupillae liefert. Von samtlichen 2 
oder 3 Halsganglien gehen ferner Rr. cardiaci zum Herzen hin, welche 
neben den groBen HalsgefaBen, weiterhin neben der Aorta zum Herzen 
gelangen, um dann mit den Rr. cardiaci des Vagus den Plexus coro¬ 
narius dexter und sinister zu bilden. Die Sympathicusfasern ent- 
halten beschleunigende, die Vagusfasern hemmende Nerven fur 
die Herzaktion. 


1 Wenn niir einer vorhanden ist, hat man denselben auch ais N. petrosas 
prof. minor bezeiehnet. 



0. Der N. sympathicus. 


343 


b) Am Brustteil. 

Der Brustteil bildet mit seinen zablreichen Zweigen den Plexus 
aorticus thoraealis, welcher die Brustaorta und deren Aste umspinnt 
und auch zu den nahegelegenen Venen feinere Zweige sendet. Die 
wichtigsten Aste des Bruststranges sind jedoch der N. splanchnicus 
majoi • und minor, von denen der erstere etwa vom VI.—X., der 
letztere meist vom XI.—XII. Dorsalganglion nacb abwart? steigt, um 
dann, zu einem einzigen Stamm vereinigt, durch das Crus mediale 
des Zwerchfells in die Bauchhohle zu treten (vgl. Fig. 33 S. 173). Hier 
scbeinen dieFasem beider Splanchnici zum Ganglion coeliacum (s. w. u.), 
die des Splanchnicus minor zum Teii auch noch zum Ganglion renali- 
aorticum zu gelangen. Ubrigens sollen die Nn.splanchnioi nachBtJEDiNGER 
meist aus markhaltigen, also von den Er. communicantes der Spinal- 
nerven herriihrenden und nur zu ein Funftel aus marklosen, also 
eigentlich sympathischen, Fasern besteben. Dementsprechend sollen 
diese Nerven auBer den motorischen (vielleicht auch Hemmungs- 
fasern) fiir die Darmmuskulatur auch sensible Fasern (fur die 
Darmwand?) enthalten. 


c) Am Bauchteil. 

Vom Bauchteil des Grenzstranges gehen eine Anzahl ziem- 
lich starker Aste zur Bauchaorta, wo sie den Plexus aorticus abdomi¬ 
nalis bilden, welcher geflechtartig auch die Aortenaste umspinnt sowie 
der V. cava inf. Zweige gibt. In diesen Plexus sind nun eine Anzahl 
von sehr groBen Ganglien eingelagert, welche man im allgemeinen 
nach den BlutgefaBen benennt, neben denen sie sich befinden. Unter 
diesen Ganglien ist zunachst ais groBtes das Ganglion coeliacum (semi¬ 
lunares s. solare) zu nennen, welches paarig zu beiden Seiten des Ur- 
sprunges der A. coeliaca gelegen ist. Ferner ist das Ganglion renali- 
aorticum jederseits am Ursprung der A. renalis aus der Aorta gelegen. 
AuBerdem pflegt man noch ein Ganglion mesentericum rup. und inf. 
besonders zu benennen. Die sympathischen Plexus umspinnen nun 
auch, wie bereits erwahnt, samtliche Aortenaste, mit denen sie zu 
den Baucheingeweiden, beim Manne auch (. Plexus spermaticus 
internus) zum Hoden, beim Weibe zum Ovarium und Uterus ge¬ 
langen. Im Magen- und Darmkanale versorgen dieselben wohl un- 
zweifelhaft die glatten Muskelfasern, zwischen denen sie zwei 
groBe Geflechte bilden. Das eine, der Auerbach’sche Plexus, 
Plexus myentericus, liegt zwischen der Kings- und Langsmuskulatur 
des Magen-Darmkanals, der andere, der Meissner’sche Plexus, 
Plexus submucosus, .in der Submucosa, wo er die sogen. Muscularis 
mucosae versorgt. 



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III. Teii. GefilB- und Nervenlehre. 


d) Ain Beckenteil. 

Auch auf die groBen Aste der Bauchaorta setzt sich natlirlich 
der Plexus aorticus fort. Insbesondere werden die A. hypogastrica 
und ihre Aste von reichlichen sympathischen ,Geflechten umgeben, 
welche medianwarts mit dem Grenzstrang zusammenhangen und sich 
auch ais Plexus haemorrhoidalis, vesicalis, utero-vaginalis, cavernosus penis 
bzw. clitoridis auf die Baucheingeweide und Genitalien fortsetzen, 
wo sie wohl hauptsachlich die gatte Muskulatur versorgen, indessen 
auch markhaltige sensible Fasern enthalten. Der Plexus cavernosus 
penis soli nach Eckard vorzugsweise gefaBerweiternde Fasern fur 
den Penis (Nn. erigentes penis) besitzen, welche vom III. — IV. Sakral- 
nerven herkommen.